Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 8 Silber - Vulkan [Reprint 2011 ed.] 9783110840124, 9783110065961


312 122 44MB

German Pages [888] Year 1974

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 8 Silber - Vulkan [Reprint 2011 ed.]
 9783110840124, 9783110065961

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

HANDWÖRTERBÜCHER ZUR D E U T S C H E N VOLKSKUNDE H E R A U S G E G E B E N VOM V E R B A N D DEUTSCHER VEREINE FÜR

VOLKSKUNDE

ABTEILUNG I

ABERGLAUBE

BERLIN

UND LEIPZIG

193611937

W A L T E R DE G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGSB U C H H A N D L U N G - GEORG R E I M E R - K A R L J. T R Ü B N E R - V E I T & COMP.

HANDWÖRTERBUCH DES DEUTSCHEN ABERGLAUBENS HERAUSGEGEBEN U N T E R B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G VON

E. HOFFMANN-KRAYER t UND MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN VON

HANNS BÄCHTOLD-STÄUBLI

BAND VIII

BERLIN

UND

LEIPZIG

1036/1937

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGSB U C H H A N D L U N G - GEORG R E I M E R - K A R L J. T R Ü B N E R - V E I T à COMP.

Copyright 1937 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp. Berlin und Leipzig

Archiy-Nr. 46 02 37 Druck Ton Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 Printed in G r a i n y

Silber, i a. Wie allen Metallen ist auch dem Silber die Kraft eigen, Dämonen und Krankheiten abzuwehren. Silberne Ringe werden namentlich als Amulett und Talisman gern getragen. In Süddeutschland benutzt man cm breite, mit kabbalistischen Zeichen und Buchstaben bedeckte silberne Ringe zum „Wenden" d. h. Aufhörenmachen der Krankheiten 1 ). In Ostfriesland trägt man dicke S.ringe am Finger gegen Epilepsie 2 ) ; in Schwaben gelten silberne Fingerringe als Mittel gegen den weißen Fluß 3 ) (similia similibus). Im Sarganserland legt man Kindern eine S.kette um den Hals, um die Krampfanfälle, welche den schweren Zahnausbruch begleiten, einzudämmen 4 ). Gegen Schadenzauber steckt man vielfach in die Wiegen der Kinder S., in Siebenbürgen auch ins Bett der Gebärenden 6 ). Leute vom Theater schätzen bekanntlich S.schmuck als bestes Schutzmittel 8 ). In der Mark steckt man den Toten ein S.stück als Zehrgeld, Totenteil (oder Schutz ? ) in den Mund 7 ). Gute Reisen macht ein Fahrzeug, das in der Mastspur ein S.stück trägt (Heims „Seespuk") 8 ). In verhexte Milch schießt man mit einer S.kugel 9 ). Das dem Kinde übergebene Patengeld muß schön geprägtes S.geld sein (Ostpr., Baden); sonst schadet es dem Kinde (und es wird nicht reich) 1 0 ). Ein der Braut geschenktes S.stück macht sie zu einer guten und reichen Hausfrau (Oberpf.) 1 1 ). In Falkenau stecken die Weiber beim Flachssäen silberne Fingerringe an, damit der Bilwisschnitter dem Flachs nicht schade und dieser schön weiß (similia similibus) werde 1 2 ). In Mecklenburg und im Vogtland steckt man einem Baume, der nicht mehr recht tragen will oder bestohlen worden ist, eine S.münze in die Rinde oder legt sie an die Wurzel 1 3 ). In Mecklenburg und Schwaben legt der Hauswirt am WeihB ä c h t o l d - S t l u b l i , Aberglaube VIII.

nachtsmorgen dem Vieh eine S.münze in die Tränke, damit es im neuen Jahre gutes Gedeihen habe 1 4 ). b. In Böhmen gilt der S.groschen, mit dem ein Schlangenkopf abgeschnitten 1 5 ) wurde, als Heckpfennig, der, so oft man ihn ausgibt, stets in die Tasche wieder zurückkehrt 1 8 ). S. gehört zu den Metallen, mit denen man heilkräftige Pflanzen (ζ. B. am Tage Petri-Pauli das Eisenkraut) graben soll (Magia naturalis 1702) 1 7 ). Nach einem schwäbischen Aberglauben kann man sich auf acht Tage hieb- und stichfest machen, wenn man mit silbernem Geschirr im Zeichen der Jungfrau eine weiße Wegewarte herausgräbt und sie an einem Freitage ißt18). c. Von der Heilkraft des S.s lehrte man im 16. Jh. : Geschabtes S., mit Weinsteinöl vermischt, vertreibt als Salbe die Räude, verzehrt, in böse Wunden gebracht, das faule Fleisch, zieht Wunden zusammen usw.; S. stärkt das Herz und macht gut Geblüt 1 9 ). S. galt als Mittel gegen Tollwut und Nasenbluten 20 ). Auf Quetschungen gebunden hält es die Geschwulst nieder 2 1 ). Mit Pillen aus S.kristallen glaubte man Wassersüchtigen das unnatürliche Wasser abtreiben zu können; flos Lunae sollte bei venerischen Krankheiten gut sein usw. Die Alchimisten eigneten das S. wegen seiner blassen Farbe dem Monde zu, durch dessen Einfluß es unaufhörlich Nahrung erhalte. Sie behaupteten auch, es sei infolge einer gewissen Harmonie mit Haupt und Hirn für alle Gebrechen derselben besonders heilsam. S. hieß es, hat seine Zeiten, wo es in den Bergwerken zu- und abnimmt 2 2 ). Nach altem Bauernglauben ist es üble Vorbedeutung, wenn man kein S.stück bei sich hat, wenn man zum ersten Male den Neumond sieht 2 3 ). Andree-Eysn

136;

vgl.

Seyfarth

3

4

Silberfischchen—Simon und Judas

Sachsen 264. 2 ) W u t t k e 355 § 532; vgl. F r a n z Benediktionen 2, 502. 3 ) B i r l i n g e r s

man, meistens unter Sprechen eines Zauberspruches, etwas Erbs. ein, besonders bei verstautem B l u t e 1 1 ) .

Penns.

S t r a c k e r j a n 1, 435 u. 2, 118 Nr. 345; S e l i g m a n n 2 , 8; W u t t k e 282 § 4 i 4 _ 2 ) S c h w a r t z 3 Studien 121. ) mündlich aus Schlesien. 4 ) S t r a c k e r j a n a. O. 1, 435 Nr. 234; W u t t k e

Volkst.

ι,

480 N r . 4.

4

)

Manz

Sargans

55.

) W u t t k e 382 § 561 ; H i l l n e r Siebenbürgen 15. · ) S e l i g m a n n 2, 8. ') T e m m e Altmark 88; K u h n Mark. Sagen 368. e ) S a r t o r i 2, 161; S e l i g m a n n 2, 18 (Pommern). ·) F o g e l Germ.

178 N r . 854.

10

389

) Wuttke

§ 594· u ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 124 Nr. 12. 12 ) J o h n Westböhmen 196. 1 3 ) J a h n Opfergebräuche 211. 1 4 ) ebd. 285. 1 5 ) W u t t k e 115

4 5 3 § 7 1 5 : v g l . Z d V f V k . 20 (1910), 3 8 5 , 3 N r . 3. 6

) W u t t k e 287 § 421; B e r t h o l d Unverwund-

barkeit

68;

Jahn

Pommern

334

Nr.

418;

Schwaben

M e i c h e Sagen 562 Nr. 698; K u o n i St. Galler

ι, 402. 1 7 ) ebd. 340 Nr. 576, 3; vgl. A g r i p p a ν . Ν. 4, ι88. 1 8 ) P e t e r s Pharmazeutik 2, 84; L o n i c e r 51; vgl. M o s t Encyklopädie 573. •") R o c h h o l z Gaugöttinnen 24; F o g e l a. O. 293 Nr. 1549; vgl. B a r t s c h Mecklenburg 2, 20 138 Nr. 615. ) Z a h l e r Simmenthai 85. 21 ) Z e d i e r 2, 1342 s. v. argentum und 37, 1245. 1274 ff. s. v. Silber; A g r i p p a ν . Ν. ι, 139;

S c h o b e r Spessart 210 Nr. 43. · ) S t r a c k e r j a n a. Ο. ι, 435 Nr. 234; W u t t k e 283 § 415 u. 160 § 217; M ü l l e n h o f f Sagen 229 Nr. 315 u. 230 Nr. 316; B a r t s c h Mecklenburg 1, 148 Nr. 183 u. 145 Nr. 178; 2, 470 Nr. 663 u.

§ 153

u

· 4°9

Η ell w i g

§ *>34·

Kalender

16

64.

303; vgl. D r e c h s l e r Volksglaube

) Birlinger

22

)

Tylor

Cultur

2, 131; K r a u ß

2,

Slaw.

15.

2. Durch mehrere Generationen v e r e r b t e s S. (Erbs.) ist besonders wirksam. Um sich vor Verhexung zu schützen, trägt man gern alte S.ringe 1 ). Noch im 19. Jh. trugen viele Männer kleine Ringe aus altem S. im linken Ohre, bei Schiffern sieht man es heute noch bisweilen 2 ). Sie tragen sie jetzt als Abwehr gegen allerhand Krankheiten 3 ). Böse Menschen können die Flinte eines Jägers behexen, so daß der Schuß sich nicht entlädt oder nicht trifft; man verhindert das, indem man sie mit Erbs. (gegossene Kugel oder silberner Knopf) lädt 4 ). Wer fest ist, kann durch eine solche Kugel getötet werden 6 ). Hexen, die sonst schußfest zu sein pflegen, und Tiere, in die sie sich verwandelt haben (Hasen, Füchse, Schweine) werden durch einen Schuß mit Erbs. verwundet und getötet, ebenso der durch gewöhnliche Waffen unverletzbare Werwolf, in Norwegen der Trollhase und der Führer der Trolle 6 ). Eine mit Erbs. gemachte Wunde heilt n i e 7 ) . Auch in der Volksheilkunde hat das Erbs. Bedeutung. Wenn einer einen geerbten silbernen Ohrring trägt, so weichen die heftigsten Zahnschmerzen 8 ). Geschabtes Erbs. wird gegen mancherlei Krankheiten, namentlich angehexte, eingegeben 9 ). E s soll vor allem wirksam sein gegen Krämpfe, Fallsucht, den bösen Schaden 1 0 ). Auch kranken Tieren gibt

Sagen 99; N o r k Sitten 706; G r ä s s e Sachsen 254 N r . 345; Jägerbrevier 1, 202 f. 207, v g l .

40 N r . 40; J e c k l i n Volkst.

(1916), 34; N i e d e r -

h ö f f e r Mecklenburg 2, 14; 4, 163; vgl. M e y e r Aberglaube 277 f . ; E i s e l Sagen 140 N r . 375 f . ; J a h n Hexenwesen 18; Pommern 378 N r . 483;

H a a s Rügen 98; H e s e m a n n Ravensberg n o 1 ; ZdVfVk.

il

(1901),

317;

Meyer

Hertz

Werwolf 83; vgl.

mythen

260 f . ;

Grässe

Relg.

Jägerbrevier

129;

Natur-

Rochholz 1,

233;

A s b j ö r n s e n Huldre-Eventyr 2, 128 f. (Norwegen). ') W u t t k e 287 § 421; M ü l l e n h o f f a. O. 231 Nr. 317. 8 ) M ü l l e n h o f f a. 0.239 oben. · ) W u t t k e 343 § 510 u. 360 § 542; S t r a c k e r j a n a. Ο. ι, 435 Nr. 234; M ü l l e n h o f f a. O. 230 Nr. 315. 1 0 ) B a r t s c h a. O. 2, 112 Nr. 430 u.

114 N r . 443; K ü c k

Lüneburger

Heide

240.

) B a r t s c h a. O. 2, 438 Nr. 2025; M u s s ä u s Mecklenburg 105 Nr. 14. Vgl. L i e b r e c h t Zur Volkskunde 312 (Norwegen) (Silberring). u

f Olbrich.

Silberfischchen, Z u c k e r f i s c h c h e n s. Zuckergast. Silvester s. N e u j a h r . Similia similibus s. Nachtrag. Simon und Judas. 1. Simon mit dem Beinamen Zelotes, der Eiferer, Apostel Jesu. Er kommt im Segen gegen Schlangenbiß v o r 1 ) und reitet nach Rom in einem Segen des 16. Jh. und in einem Kuhsegen 2 ). Scherzhaft gemeint ist die Mahnung: Am Sanct Simonstag soll kein Mann seinem Weibe widersprechen. S. ist der Patron der „Simannlbrüderschaft", d. h. der Ehemänner, die unter der Herrschaft ihrer Weiber stehen 3 ). Steht am Tage S. und J. die Frau eher auf, so ist „sie Moan" und führt das Jahr über das Regiment 4 ). J ) ZfVk. 24 (1914), 154 (Frankreich); Séb i l l o t Folk-Lore 3, 277. 2 ) MschlesVk. 9, H. 18, 12, Anm. 1. Dafür Simeon: E b e r m a n n Blutsegen 5; ZfrwVk. 7, 147; Ztschr. f. d. dtschen

5

6

singen—!•Sintflut

Unterricht 25 ( 1 9 1 1 ) , 447 ft. Simeon im Augs3 burger Wolfssegen: Z f V k . 1, 302. ) Leopr e c h t i n g Lechrain 197 f.; Z f V k . 1 2 (1902), 299; M e i s i n g e r Hinz u. Kunz 89; G e r a m b Brauchtum 85. 4 ) D r e c h s l e r 1, 279.

2. Simon hat seinen Gedächtnistag am 28. Oktober zusammen mit Judas Thaddäus 6 ). Der Tag bezeichnet das Ende der Weidezeite) und wird als Wintersanfang betrachtet '). „Mit Simon Jude kimmt der Schnie ei de Bude" 8). In Niederdeutschland sagt man: ,,Semen dü smit den Dreck mank de L ü " 9). Ein französisches Sprichwort lautet: „A la St. Simon et Judas les vaisseaux à l'ancre" 10 ), ein ungarisches: „Es naht Simon-Judas, weh dem, der in bloßer Unterhose i s t " 1 1 ) . Die Sperlinge zeigen sich nicht auf den Feldern, weil der Teufel sie wegfängt (polnisch-russisch)12). Im übrigen gilt der Tag als Unglückstag 1 3 ). Kein Rad darf sich drehen 14 ), und es darf nicht gesponnen werden 1 5 ). Für den Vers in Schillers-Tell (I, 1) : ,, 's ist heut Simons und Judä, Da rast der See und will sein Opfer haben"

scheint sich freilich noch kein Beleg aus dem Volksmunde gefunden zu haben 16 ). Die Letten begehen in den vier Wochen von Michaelis bis S. u. J . ihr Seelenfest mit Bewirtung der Geister. Das Dreschen ist in dieser Zeit verboten 17 ).

5 e ) K ü n s t l e Ikonographie 539. ) Eber7 h a r d t Landwirtschaft 20. ) Reinsberg 8 Böhmen 487. ) D r e c h s l e r 1 5 2 ; vgl. N o r k 9 Festkalender 2, 658. ) Lauffer Niederd. Volksk. 73. 1 0 ) SchwVk. I, 86. ZfVk. 4 (1894), 405. l 2 ) D ä h n h a r d t Natursagen 1, 198. 13 ) Z f V k . ι , 302. " ) W u t t k e 86 (103 : Kärnten). 15 ) Ebd. 402 (619). ">) SchwVk. 1, 86. 17 ) F r a z e r 6, 74 f. t Sartori.

singen s. Nachtrag.

Singrün s. Immergrün 4, 6730. Singvogel. S., die zu früh singen, frißt die Katze gern 1 ). Redet man in Gegenwart von S.n, sie zu verkaufen, dann sterben sie gern 2 ). Wer S. tötet, hat kein Glück mehr 3 ). Das Fleisch eines S.s gibt man einem Kinde zu essen, damit das Kind eine schöne Stimme bekommt 4 ). Den S.n gibt man Kuchen, damit sie besser singen5). Im MA. waren Erzählungen von künstlichen S.n beliebt 6). Über mehr-

stimmigen Gesang der Vögel vgl. Förster zu Yvain 460 ff. und Cligès 2846 ff. W o l f Beitr. 1, 2 3 3 ; W u t t k e 205 § 2 8 1 ; G r i m m DWb. s. v. Vogel, 8; auch spricht wörtlich s. W a n d e r Sprichwlex. 4, 1662. 2 ) W o l f Beitr. 1, 233. 3 ) D r e c h s l e r 2, 225. 4 ) Z f r w V k . 2, 1 8 4 ; J ü h l i n g Tiere 247. 5 ) H ö f l e r Weihnacht 26. e ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 89 f.; S p a r g o Virgil the Necromancer (1934), Kap. I V . Taylor.

Sintflut. ι . Um Mißverständnissen vorzubeugen, muß betont werden, daß der vorliegende Artikel ausschließlich w i r k l i c h e S.überlieferungen behandelt — also nicht die so zahlreichen Sagen über Überschwemmungen lokalen Charakters, die zur Bildung von Seen und ähnlichen permanenten Wasseransammlungen geführt haben sollen 1 ). — Die wirklichen S.Überlieferungen, die aus dem Munde einer Unzahl von Völkern aufgezeichnet worden sind, lassen sich sehr scharf in vier voneinander ganz verschiedene Gruppen trennen. Vgl. z. B. G r i m m Myth. 1, 481 f.; D ä h n h a r d t Natursagen 2, 1 3 3 — 140. 286 f.

2. Zur ersten Gruppe gehören diejenigen S.sagen, die nichts als eine mehr oder weniger entstellte gedächtnismäßige Reproduktion des biblischen Flutberichts sind (welch letzterer bekanntlich wiederum auf eine babylonische Urquelle zurückgeht). Ein geradezu klassisches Beispiel für diese weniger volkskundlich, als psychologisch und kulturhistorisch interessante Gruppe ist jener S.bericht, den M. Merker bei dem ostafrikanischen Volke der Masai aufgezeichnet hat 2 ) und der, trotz der gegenteiligen Meinung Merkers (und Riems: vgl. u.), auch nicht eine Silbe enthält, die auf eine selbständige Fluttradition der Masai hindeutete. 2

) M. M e r k e r Die Masai, Berlin 1904, 302 f.

3. Den direkten Gegensatz zu diesen mündlichen Bibelplagiaten bildet die zweite Gruppe — die von dem biblischen B e r i c h t u n a b h ä n g i g e n 3 ) S.sagen der verschiedensten Völker. Es ist dies eine hochinteressante und wissenschaftlich äußerst bedeutsame Kategorie von Erzählungen, ohne deren genaue Kenntnis eine Lösung der noch dunklen Frage nach dem Ursprung der S.vorI»

7

Sintflut

Stellung überhaupt sich nicht erzielen läßt. Um sich eine solche Kenntnis zu verschaffen, muß man — da eine halbwegs abschließende Monographie über die S.sagen noch nicht existiert — mit möglichster Aufmerksamkeit und Sorgfalt die einschlägigen Schriften von Andree 4 ), Winternitz B), Gerland 4 ), Frazer 7 ) und Riem 8 ) durchstudieren; was sonst darüber geschrieben worden ist, ist von geringer Bedeutung — sogar das bekannte Buch Hermann Useners 9 ), welch letzterer glaubte, eine Monographie über die Flutsagen bloß auf Grund der Überlieferungen der alten Kulturvölker schreiben zu können. Die genannten fünf Schriften ergänzen sich gegenseitig, und wer da meint, die Schrift Frazers oder gar Riems enthalte das letzte Wort der Wissenschaft und mache die Lektüre der übrigen Schriften überflüssig, befindet sich in einem argen Irrtum. — Was die Theorien über den Ursprung der S.sage anbetrifft, so kann keine von ihnen als endgültig bewiesen angesehen werden; die astralmythologischen Hypothesen von Usener und von Gerland stehen auf mehr als schwachen Füßen, ebenso die geologischhistorischen Phantastereien eines Franz v. Schwarz10) ; mehr Berechtigung haben die Hypothesen von einer übertreibenden Erinnerung an wirkliche große Uberschwemmungen und von einer naiven ätiologischen Deutung geologischer Tatsachen (versteinerte Muscheln auf hohen Bergen u.dgl.); die letztgenannte Hypothese wird besonders von Frazer bevorzugt. — Sehr wichtig ist die geographische Verbreitung der von der Bibel unabhängigen S.sagen: obwohl solche Sagen bei weitem in den meisten Ländern der Erde vorkommen, gibt es dennoch riesige Gebiete, die völlig oder fast völlig flutsagenfrei sind: Japan, China, Afrika; auch Europa ist auffallend arm daran (besonders wenn man die Verdächtigkeit ζ. B. der litauischen S.sage in Betracht zieht); wenn dagegen bisher allgemein geglaubt wurde, daß auch Nordasien flutsagenfrei sei, so hat der Schreiber dieser Zeilen nachgewiesen u ) , daß eine derartige Annahme gänzlich unbegründet

8

ist: Westsibirien und die nordwestliche Mongolei einerseits, Kamtschatka andererseits sind geradezu reich an echten S.sagen, die bis jetzt nur infolge der russischen und ungarischen Sprache der Publikationen den mittelund westeuropäischen Forschern so gut wie unbekannt geblieben waren; dabei zeigt sich nicht nur zwischen den nordwestasiatischen und den kamtschadalischen Sagen trotz der geographischen Trennung ein deutlicher genetischer Zusammenhang, sondern auch zwischen diesen beiden Gruppen einerseits und den nordwestamerikanischen S.sagen andererseits (Motiv des an den Erdboden angeseilten Flosses, dessen Seil sich als zu kurz erweist und deshalb gekappt werden muß). — Wenn sich also zwischen den Flutsagen der einzelnen Länder und Erdteile weltweite historische Zusammenhänge nachweisen lassen, so wird dieses doch schwerlich in s ä m t l i c h e n Fällen möglich sein: um eine gewisse P o l y g e ne se der S.sagen werden wir wohl kaum herumkommen können. — Die aus der jüngeren Edda bekannte eigenartige nordische Flutsage von der durch das Blut des getöteten Riesen Ymir verursachten S. 12 ) hat in der heutigen deutschen Volksüberlieferung nicht die geringste Spur hinterlassen ; ebensowenig hat dies irgendeine andere selbständige S.sage getan. Die hier behandelte zweite Kategorie von Flutsagen kommt also (ganz wie die erste) für die mündliche deutsche Volksüberlieferung überhaupt nicht in Betracht.

1

8 ) Man beachte übrigens, daß echte unabhängige S.sagen nicht selten mit dem biblischen Bericht kontaminiert werden — eine Erscheinung, die besonders von Winternitz 4 ausführlich behandelt worden ist. ) Rieh. A n d r e e Die Flutsagen, Braunschw. 1891. 5 ) M. W i n t e r n i t z Die Flutsagen des Altertums und der Naturvölker, Mittheilungen d. Anthropol. Ges. in Wien 31 (1901), 3°5—333· ' ) G. G e r l a n d Der Mythus von der Sündflut, B o n n 1912. ' ) J. G. F r a z e r Folk-lore in the Old 8 Testament I, Lond. 1919, 104—361. ) Joh a n n e s R i e m Die Sintflut in Sage und Wissenschaft, Hamb. 1925 ( = Natur u. Bibel in d. Harmonie ihrer Offenbarungen 4). · ) H. U s e n e r Die Sintflutsagen, Bonn 1899 ( = Religionsgeschichtliche Untersuchungen III). 10 ) F r a n z v. S c h w a r z Sintflut u. Völker-

9

Sintflut

Wanderungen, Stuttg. 1894. " ) W. A n d e r s o n Nordasiatische Flutsagen, Dorpat 1923 ( = Acta et Commentationes Univ. Dorpatensis Β IV 3). 14 ) Andree Flutsagen 43 f. Nr. 22.

4. Letzteres gilt auch für die d r i t t e Kategorie — traditionelle, zum Teil über tausendjährige Ausschmückungen und Ergänzungen des biblischen F l u t berichts. Solche apokryphe Zusätze zur biblischen Erzählung (teils imbedeutende Details, teils lange Episoden) kommen bei den J u d e n recht häufig vor, noch viel häufiger bei den Mohammedanern, bei den Christen aber f a s t ausschließlich in Osteuropa, und auch da nur in geringer Anzahl (obschon die einzelnen in Betracht kommenden Sagen—der Teufel läßt Noahs Frau den Noah durch Branntwein berauscht machen, zerstört die Arche, die von neuem gebaut werden muß, dringt mit Hilfe von Noahs Frau in die Arche ein, knabbert in den Boden der letzteren in Gestalt einer Maus ein Loch, wird von der eigens zu diesem Zwecke erschaffenen Katze aufgefressen, die Arche wird durch die Schlange gerettet usw. — eine jede durch sehr viele Aufzeichnungen vertreten sind). Die christlichen Sagen dieser Art sind nur selten in die schriftliche Literatur der betreffenden Völker eingedrungen, während analoge Geschichten sich bei Juden und Mohammedanern meistens gerade in den Literaturdenkmälern finden. — Die beste vorläufige Übersicht über die hier besprochenen osteuropäischvorderasiatischen Legenden bietet Oskar Dähnhardt im I. Bande seiner „Natursagen" 13 ) ; man beachte jedoch, daß die jüdischen und mohammedanischen Sagen bei ihm unglaublich lückenhaft vertreten sind — schon deshalb, weil die wenigsten unter ihnen den Charakter ätiologischer Natursagen tragen. 1S

) Dähnhardt

Natursagen 1,

257—294.

3 5 6 f.

5. Somit bleibt für die mündliche deutsche Volksüberlieferung nur die v i e r t e und letzte Art von S.sagen übrig — ätiologische Ortssagen, die auf irgendeine Weise mit der S. in Zusammenhang stehen (wie schon oben erwähnt, suchte Frazer gerade in solchen Ortssagen eine der Hauptquellen der S.vorstellung über-

IO

haupt). Es gehört hierher ζ. B. die Überlieferung von ein paar großen Steinen auf dem Scharfenberge bei Hilwartzhausen, die zur Zeit der S. dahin gekommen sein sollen 14 ) ; die Sage von dem Ilsenstein im Harz, der sich während der S. plötzlich spaltete, wobei ein gerade darauf stehendes Liebespaar umschlungen in die Fluten stürzte und ertrank 1S ) ; die Überlieferung von einem Gletscher in Südtirol, der früher bis nach Deutschland gereicht habe und wahrscheinlich durch die große S. „fortgebracht" worden sei 1β ). Von besonderem Interesse sind die Sagen von den großen eisernen S.ringen hoch oben an den Bergen, an die man während der S. (oder aber zu einer Zeit, als ganze heutige Täler Seen gewesen seien) die Schiffe angebunden habe 17 ). Auch sonst spielt die S. hie und da in deutsche Ortssagen hinein : Rodeneck in Tirol sei von der S. verschont geblieben1β) ; eine in Ruinen liegende Kapelle am Kressinschen See in der Mark sei von der S. zerstört worden und dabei ihre Glocken in den See gesunken 1β ) ; örtliche Riesen '**) oder Zwerge 21 ) sollen vor der S. gelebt haben. In Iserlohn stammt die Fußspur einer Kuh, auf der eine Zauberin ritt, aus der Zeit der S. 22) usw. Ganz biblisch klingt die Nachricht von dem Stücke eines sehr großen S c h i f f e s (scheinbar von Eichenholz), das seit der S. auf der obersten Spitze des Bristengebirges im urnerischen Schächental liege 2S ).

14 ) ZfdMyth. 2, 404 f. 1 5 ) Grimm Sagen 224 Nr. 316. 1β ) ZfVk. 2, 193. 1 7 ) Deonna Croyances relig. 343—345; L a i s t n e r Nebelsagen 169. 305; F r a z e r Old Testament 1, 179; H e y l Tirol 148 Nr. 43. ι β ) H e y l Tirol 667 Nr. 144. l ») K u h n Mark. Sagen 108 Nr. 105. "») H e y l Tirol 149 Nr. 43. a i ) H e y l Tirol 396 f. Nr. 81. i! ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 79. í s ) L ü t o l f Sagen 369 f. Nr. 337; vgl. D ä h n h a r d t Natursagen ι, 293.

6. Einen ganz eigenartigen Nebenzweig der S.Überlieferungen bietet das manchmal auftauchende Schauergerücht von einer in a l l e r n ä c h s t e r Zeit drohenden Wiederholung der S. Solche Ideen von einer zukünftigen zweiten S. kommen auch bei nichtchristlichen Völkern vor, ζ. B. bei den Wogulen24) ; besonders berühmt ist je-

II

Sitte und Brauch—Skapulier

doch die im Jahre 1524 in Mittel- und Westeuropa erwartete S. ; die Astrologen, die sie prophezeit hatten, stützten sich auf die Konjunktion der drei Planeten Saturn, Jupiter und Mars im Zeichen der Fische. „ J e näher die Zeit herankam, desto größer wurde die Angst der Leute. Dem Kaiser KarlV. wurde der Rat gegeben, seine Armeen in hohe Gebirgsgegenden zu konsignieren und dort große Magazine anzulegen, in Toulouse wurde sogar eine Arche gebaut. Auch Luther sah in dieser gefährlichen Konstellation ein Wahrzeichen Gottes" 2S). 2< ) Anderson ) Stemplinger Volksk. 70 f.

25

Nordas. Flutsagen 1 4 f. Aberglaube i n ; Schmidt Anderson.

Sitte und Brauch s. 1, 1 5 1 1 . sitzen s. Nachtrag. Sixtus hl., Papst und Märtyrer, unter Valerianus enthauptet 258. Gedächtnistag: 6. A u g u s t 1 ) . In einer Handschrift des 14./15. Jahrhunderts in der Bibliothek zu St. Florian steht: „item die swangern frawn messent ain dacht noch sand Sixt pild, als lank es ist, vnd guertns vber den pauch, so misslingt in nicht an der purd" 2 ). Eine mittelalterliche Sage behauptet, Papst S. habe eines Tages in Vreden in Westfalen das h. Meßopfer dargebracht und zum Andenken an ihn werde sein Meßgewand, das er der Stiftskirche zurückgelassen, dort noch mit großer Ehrfurcht aufbewahrt. Am S.tage wird Obst verschiedener Art und Brot aus neuem Roggen gesegnet und unter die Stiftsmitglieder verteilt®). K ü n s t l e Ikonographie d. Heiligen 540 S . ; D o y é Heilige u. Selige d. römisch-katholischen Kirche 2, 3 4 7 ; S a m s o n D. Heiligen als Kirdhenpatrone 365. 2 ) G r i m m Mythol. 3, 4 1 7 ( 3 1 ) ; S A V k . 29, 204 f. 205 f.; Z f V k . 1 3 , 3 6 7 ; Oben 3, 1 2 1 9 . Vgl. F r a n z Benediktionen ι , 3 7 1 . 3 ) Zeitschr. f. vaterl. Geschichte und Altertumskunde (Münster i. W . ) 52 (1894), ι , ι f. Vgl. 46 (1888), 2 1 0 fi.; 49 (1891), 1 3 8 f . (Vielleicht war S. ursprünglich Kirchenpatron in Vreden). Über die Weihe von Weintrauben u. Bohnen am S.tage: F r a n z Benediktionen 1, 184. 370. 3 7 3 ff. •j· Sartori.

Skabiose (Apostem-, Grind-, Krätzkraut, Witwenblume; Scabiosa columbaria).

12

ι . Die S. hat hellviolette Blütenköpfe und fiederteilige Blätter. Die nahverwandte Acker-S. (Knautia arvensis) ist ihr ähnlich, die unteren Blätter sind jedoch ungeteilt, die oberen fiederspaltig. Beide Arten sind auf trockenen Wiesen, an Rainen usw. nicht selten *). Die S. (von lat. scabies = Krätze, Aussatz) gilt offenbar nach der signatura rerum als „Grindkraut", weil die rauhen rundlichen Blütenköpfe an den Kopfgrind der Kinder denken lassen 2 ). Gegen den Rotlauf (rote Blütenfarbe?) gibt man den Schweinen einen Absud der S. s ), dem Vieh gibt man diesen Absud ein, wenn es nicht stallen kann 4 ). Die an den Hals gebundene Wurzel der S. soll vor Augenblattern schützen5), vielleicht eine Verwechslung mit dem ähnlichen und nahverwandten Teufelsabbiß (s. d.) Im Sagittario soll man (im November) S.wurzel graben, fein länglich voneinander spalten, an einen Faden reihen und trocknen lassen, und wenn sich ein Kind krimmt (jucken beim Ausschlag) e ), ins Trinken legen 7 ). M a r z e i l Kräuterbuch 2 7 3 . 2 ) W e i n k o p f Naturgeschichte 7 2 ; vgl. T a b e r n a e m o n t a n u s Kräuterbuch 1588, 552. 3 ) K n o o p Pflanzenwelt 12, 1 3 . 4 ) T r e i c h e l Westpreußen 1, 88. 5 ) S c h i l l e r Tierbuch 2, 29. · ) H ö f l e r Krankheitsnamen 330. ') Colerus Calendarium 1604, 2 1 1 .

2. Wohl wegen der rötlichblauen Blütenfarbe (s. Gewitterblumen 3, 833) gilt die Acker-S. in Altbayern, im Vogtland und in der Lausitz als blitzanziehend. Man darf sie nicht abreißen und ins Haus bringen, sonst kommt ein Gewitter und der Blitz schlägt ein 8 ), daher auch die Volksnamen Gewitter-, Donnerblume, in Belgien „fleur du tonnère" 9). e ) K ö h l e r Voigtland 4 1 3 ; S t ü b l e r Zur Lausitzer Volksbotanik u. -zoologie (1926), 1 3 ; M a r z e i l Bayer. Volksbot. 1 3 3 . ·) R o l l a n d Flore pop. 7, 4. Marzeil.

Skapulier. Das Wort S. oder Schäpelier, in der Schweiz Tschäpelier !), leitet sich aus dem mittel-lat. Wort scapulare = Schultergewand her 2 ). Dieses scapulare war ursprünglich (Regula S. Benedicti cap. 55) ein Überwurf über das Ordensgewand, der nur Haupt und Schultern deckte und zur Schonung der Ordenstracht diente; später bildete es einen be-

13

Skapulier

ständigen Teil vieler Ordenstrachten, aus einem breiten, vorn und hinten herabfallenden Tuchstreifen bestehend 3 ). Von diesen Ordens-S.en sind die sog. kleinen S.e zu unterscheiden, auch Laien- oder Bruderschafts-S.e genannt 4 ), die von den Mitgliedern bestimmter, meist aus irgendwelchen Orden hervorgegangenen Kongregationen um den Hals getragen werden als äußeres Zeichen der Gebetsverbrüderung. Am bekanntesten ist die S.bruderschaft Unserer Lieben Frau vom Berge Karmel mit b r a u n e m S. Am S.fest (16. Juli) wird dieses S. von einem besonders bevollmächtigten Priester benediciert und unter bestimmten Gebeten den Gläubigen, die in die S.brüderschaft eintreten wollen, um den Hals gelegt. Die von den Trinitariern geleitete Bruderschaft der allerheiligsten Dreifaltigkeit trägt ein w e i ß e s S., die von den Sieben Schmerzen Maria ein s c h w a r z e s . Das von den Theatinern geweihte b l a u e S. konnte früher (vor 1894) auch von Nichtmitgliedern der Theatinerbruderschaft getragen werden. Ebenso ist das r o t e Passions-S. mit dem aufgenähten Bild des Gekreuzigten auf der einen, dem der hl. Herzen Jesu und Mariä auf der andern Seite, ferner das v i o l e t t e St. Josephs-S. nicht den Mitgliedern einer bestimmten Kongregation vorbehalten. Für das unablässige Tragen der erwähnten S.e und Verrichtung regelmäßiger kleiner Gebete verleiht die Kirche allerlei Ablässe 5 ). Auf die vorgeschriebene Form und Farbe der S.e wird von dem gläubigen Landvolk besonders geachtet. Auch hält man streng darauf, daß das S. auf bloßem Leib um den Hals getragen wird, auch wenn manche Unbequemlichkeit (Schweißerzeugung) damit verbunden ist. Erst in jüngerer Zeit hat man aus hygienischen Gründen die oben beschriebenen S.e häufig durch Medaillen ersetzt e ). Die geläufige Form des S.s ist folgende: es besteht aus zwei durch Schnüre verbundenen Teilen, wovon der eine auf der Brust, der andere auf dem Nacken aufliegt. Die beiden Teile selbst sind aus viereckig geschnittenen und aufeinandergenähten, farbigen Wollstoffläppchen zu-

14

sammen gesetzt; oben darauf ist in der Regel ein Stoffkreuzehen oder ein helleres Leinwandstückchen aufgenäht, bedruckt mit einem Marienbild oder einer Segensformel, wie sie auch die Medaillen tragen. Neben diesen kirchlich konzessionierten S.formen findet man andere, die kleine viereckige Kissen darstellen, meist noch um den Hals getragen, aber auch manchmal unter das Kopfkissen gelegt oder in dasselbe eingenäht werden. Solche Stücke, die schon ganz Amulettcharakter haben, führen mitunter trotz ihrer kirchlichen Herkunft — wie die in Beuron gekauften, kräutergefüllten S.e oder ähnlicheKräuterkissen der Mönche vom Kloster Fremersberg, vom ölberg oder Kalvarienberg herstammend—bereits den Namen ,,Mamlette" oder „Ammenetli" 7 ). Außer diesen Kräuter-S.en gibt es S.kissen, die im Innern mehrfach zusammengefaltete, mit Gebeten und geheimnisvollen Zeichen versehene Zettel 8 ) (Gebetsamulett) oder reliquienartige Wallfahrtsandenken wie etwa ein winziges Fläschchen ö l aus den Gebeinen der hl. Walpurgis in Eichstätt 9 ) enthalten. Andere wieder sind mit einem oft schwer bestimmbaren Mehl gefüllt; vorwiegend handelt es sich um Reliquien- oder Kräutermehl 10 ). Oft ist es so, daß kirchlich geweihte S.e nachträglich mit derlei, meist geweihten Dingen gefüllt werden. Ist aber nicht wenigstens die Hülle, das Säckchen oder Kissen, benediziert, sondern vielleicht von einem Wunder- oder Sympathiedoktor verfertigt, darf man von einem S. wohl kaum mehr sprechen. Neben der Gnadenvermittlung erwartet man vom Tragen des S.s besonderen Schutz Marias. Man trägt das S. besonders, wenn man großen Gefahren entgegengeht; so haben z.B. in den Kriegen 1866,1870 und besonders auch im Weltkrieg viele Soldaten aus kath. Gegenden draußen im Feld ihr S. getragen 1 1 ). Bis zu dem Glauben an die übelabwehrende (apotropäische) Wirkung des S.s, ähnlich etwa einem auf der Brust getragenem Kugelbrief, ist nur noch ein kleiner Schritt. Tatsächlich wird dem S. in vielen Fällen unmittelbare Amulettwirkung zuge-

15

Skapulimantìe—Skiomantie

schrieben. In Baden (Krumbach, A. Meßkirch) legt man ein in Beuron gekauftes, mit Kräutern ausgestopftes und mit Heiligennamen versehenes S. Frauen zur Erleichterung der Geburt unter das Kopfkissen 12 ). In der Pfalz trägt man zum Schutz vor Krankheiten und Gefahren die Benediktuss.e, in die man blühend getrocknete Kräuter und Benediktusdisteln eingenäht hat 1 3 ). S.e schützen nach badischem Volksglauben den Säugling gegen „Gichter" 1 4 ), im Sarganserland (Schweiz) 16 ) ebenso in Litauen 18 ) gegen Krankheiten und Leibesschaden aller Art, besonders auch gegen Hexen und Gespenster. Nach einer schles. Sage will ein dem Teufel Verfallener sich ertränken, wird aber im letzten Augenblick durch ein zugeworfenes S. gerettet 17 ). In der Oberpfalz sucht die Mutter ihr Kind dadurch vor dem Auswechseln zu schützen, daß sie ihm ein S. umhängt 18 ). Eine genaue Beschreibung eines S. aus Litauen 19 ) vom Jahre 1732 nennt als weitere Wirkungen: das S. soll behüten vor einem plötzlichen Tod und dem, der es stets trägt und sechsmal täglich den Rosenkranz betet, die Todesstunde offenbaren, ferner soll es behüten vor Donner und Hagel, wenn daneben ein an Lichtmeß geweihtes Wachslicht angezündet und das erste Kapitel aus dem Evangelium Johannis gelesen wird. S.e schützen nach Sagen aus Posen und Tirol beim Schatzgraben vor dem Teufel 20 ). Ein Teufelsweible verlangt von einem Burschen, den es betört hat, daß er den „Lausfleck" d. i. das S. wegtue 21 ). Im bayrisch-österreichischen Alpengebiet aber muß beim Perchtenlaufen der Bursche, der den Teufel macht, das S. ablegen, weil es sich nicht mit seiner Rolle vertragen würde. Eine Sage erzählt, wie ein solcher Bursche, offenbar vom Teufel besessen, hoch in die Luft erhoben wurde, durch Weihwasserbesprengung tot herabfiel und erst durch das umgelegte S. wieder lebendig wurde 22 ). S c h i l d D'r Fenner-Joggeli (D'r Grossätti us em Leberberg, Bd. 4) S. 57. 2 ) D u C a n g e Glossarium mediae et infimae latinitatis 7, 335 f. 3 ) W e t z e r - W e l t e 10, Sp. 1747 fi. 4 ) RGG. 5, 705 fi. s ) B e r i n g e r Die Ablässe 2 (1895),

j 6

397 ff· 576 ff· 653 ff. 697 ff. «) Eigene Beobachtungen aus Baden und Westfalen. ') M e y e r Baden 38. e ) P f a f f Amulette des badischen Volkes in der Gegenwart. Freiburger philos. Diss. 1922 S. 22 (in Maschinenschrift). · ) In meinem Besitz. Über Walpurgisöl vgl. A n d r e e E y s n Volkskundliches 129 ff. 10 ) P f a f f a. a. O. 26. 11 ) G r ü n e n w a l d Volkstum u. Kirchenjahr. Mitt. d. histor. Ver. der Pfalz 44 (1927), i n und eigene Feststellung im Weltkrieg. 1 2 ) M e y e r Baden 388. 1 3 ) G r ü n e n w a l d a. a. O. S. i n . 1 4 ) ebda. S. 38. 1S ) S t o l l Zauberglauben S. 35 f.; M a n z Sargans S. 51. 16 ) G ö c k i n g Vollkommene Emigrationsgeschichte von denen aus dem Ertz-Bisstum Saltzburg vertriebenen und größtenteils nach Preußen gegangenen Lutheranern. Franckfurt u. Leipz. 1734/37. 2 . 2 9 7 (wieder abgedr. ZfVk. 21, 287 f.). 17 ) K ü h n a u Schlesien 3, Nr. 922, 3 u. 9. le ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 190 Nr. 7. " ) G ö c k i n g a. a. O. J 0 ) K n o o p Schatzsagen 15 Nr. 26; H e y l Tirol 506 Nr. 70. 2 l ) D ö r l e r Tiroler Teufelsglaube ZfVk. 9, 372 f. 2 S ) And r e e - E y s n Volkskundliches 218. Künzig.

Skapulimantìe s. Sp. 125 ff. Skiomantie, Schattenwahrsagung (οχιά „Schatten"), mittelalterliche, nach antikem Muster gebildete Bezeichnung. Die alten Divinationssystematiker verstehen unter S. nicht, wie man annehmen könnte, irgendwelche mit dem Schatten des lebenden Menschen zusammenhängende Wahrsagungsformen, wie solche aus dem Volksglauben wohl nachweisbar sind (s. S c h a t ten), sondern lediglich eine Untergruppe der Nekromantie (s. d.). Man teilte diese nämlich in zwei Hauptgruppen ein, je nachdem bei der Beschwörung der Toten der Leichnam vorübergehend neubelebt oder nur die schemenhafte Seele, der Schatten des Verstorbenen, zitiert und zum Reden gebracht wurde. Jene Form bezeichnete man als Nekromantie, diese als S. Die Beispiele für diese beiden Formen lieferte die antike Literatur, besonders die klassischen Schilderungen nekromantischer Beschwörungen bei Horaz 1 ), Statius 2 ), Lucanus 3 ) und Seneca 4). Erklärt werden diese nach den Grundsätzen der christlichen Dämonologie, wonach es sich nicht um tatsächliche Wiedererwekkung von Toten, sondern um das trügerische Werk des Teufels oder der bösen Geister handelt, die die Gestalt der Verstorbenen annehmen, sei es in körperlicher, sei es in schattenhafter Form.

Skorpion

17

Diese theoretische Aufteilung der Nekromantie wird übrigens nur selten streng durchgeführt, da sich die Vorstellungen in den vorliegenden Zeugnissen selbst vermischen. Die Bezeichnung S. tritt anscheinend erstmalig bei Giov. Fr. Pico della Mirandola (f 1533) auf 6 ) und ist vielleicht von diesem geprägt worden. Alle späteren Erwähnungen sind unmittelbar oder mittelbar von ihm abhängig e).

*) Sat. ι, 8, 20 ß. 2 ) Thebais 2, 89 fi. s ) De bello civili 6, 507 fí. ' ) Oedipus 568 fi. 5 ) De rerum praenotione (Strassburg 1507) lib. 4, β cap. 7. ) A g r i p p a In Plin. Comm. cap. 2. Ed. Bering, ι, 529; P i c t o r i u s De speciebus magiae (In: Varia, 1559), auch bei A g r i p p a ι, 479, dt. Ausg. 4, 161 ; P e u c e r Comm. de praecip. generibus divinationum (Wittenberg 1560) 1 5 2 ; Delrio Disquis. Mag. lib. 4, c. 2, q. 6, s. 2 (Mainz 1603) 2, 167; Maiolus Dies caniculares 2 (Mainz 1608), 237; B u l e n g e r u s De raiione divinationis, Opuscula (Leyden 1 6 2 1 ) 197; R a belais Garg. 3, 25, dt. v. Gelbcke 1, 400; G e r h a r d t Franz. Nov. ni) A z o r i u s Institutiones Morales 1 (Leiden 1625), 882. Balduinus De casibus conscientiae (Wittenberg 1635) 769; A n h o r n Magiologia (Augsburg 1675) 310; P r a e t o r i u s Coscinomantia (1677) A 3 ; T h i e r s Traité 3, 1 (1712), 185; P o t t e r Antiqu. Graec. (Oxford 1697) 316. Boehm.

Skorpion.

I. Biologisches. Nach Megenberg „ist das eine Schlangenart, welche ein gar zartes Gesicht hat, dem Antlitz einer keuschen Jungfrau zu vergleichen. Wer vom Sk. vergiftet wird, hat noch drei Tage Zeit, ehe er sterben muß. Man sagt, in Wein getrunkene Sk.asche sei ein Mittel gegen seinen Stich. Es wird auch erzählt, daß es Sk.e mit zwei Spitzen am Schwanz gebe. Die Männchen sind gefährlicher wie die Weibchen, die man an der verschiedenen Größe erkennt. Ein Forscher behauptet auch, der Sk. lebe von Erde. Aristoteles gibt an, der Sk. habe zwei Haken an seinem Schwanz. Wenn der Sk. ein schwarzes Schwein gestochen hat, so stirbt es, und um so schneller, wenn es ins Wasser geht. Schweine dagegen, die nicht schwarz gefärbt sind, sterben nicht immer am Sk.enstich. Der Sk. hat die Eigentümlichkeit, daß er nie in die Hohlhand eines Menschen sticht, er mag nur solche Körperstellen, die behaart sind und rauh, angreifen. Sk.enöl (s. d.) ist gut gegen ihren Stich, deshalb reibt man die

l8

Wunden damit ein. Wenn man einen Sk. in ö l ertränkt und bei Sonnenlicht Essig auf ihn gießt, wird er sofort wieder lebendig. Das ö l verstopft nämlich die kleinen Öffnungen an seinem Leibe, die beim Menschen Schweißlöcher und lateinisch Pori heißen. Der Essig dagegen öffnet beim Sk. die Poren wieder" x ). Über die Entstehung der Sk.e waren im Altertum die verschiedensten Ansichten verbreitet: Einige lassen sie auf faulenden Krokodilen entstehen, Plinius aus begrabenen Seekrebsen, wenn die Sonne durch das Zeichen des Krebses geht. Nach Paracelsus entstehen sie aus faulenden Sk.n, weil sie sich selbst töten sollen. Es ging die Sage, daß sich ein von einem Kreise glühender Kohlen umgebener Sk. lieber mit seinem Stachel totsticht als verbrennen läßt. Vereinzelt ist der Glaube, daß sich die Jungen aus dem Bauch des Muttertieres herausfressen2). Nach deutschem Volksglauben fliegt der Sk. nachts umher, was er anrührt, vertrocknet 3 ). Vielleicht hat der babylonische Schütze des Tierkreises mit Flügeln und Sk.schwanz diese Vorstellung hervorgerufen4), als Sternbild findet sich der Sk. schon auf den ältesten babylonischen Kalenderzeichnungen 6 ). *) M e g e n b e r g Buch der Natur 239. *) K e l ler Antike Tierwelt 2, 473; H o v o r k a - K r o n feld ι, 396; G r i m m DWb. 10, 1326. *) ZfVk. 1 (1891), 181. 4 ) K e l l e r Antike Tierwelt 2,479. s ) K e l l e r 2, 473.

2. Es ist verständlich, daß der Sk. wegen seines giftigen Stachels als A p o tropäon häufige Verwendung fand. Er gehört zu den Tieren, die den bösen Blick bekämpfen®). Zaubernägel 7 ) und Lampen 8 ) weisen sein Bild auf. Die vorderasiatische Stadt Horns, das alte Emesa, soll durch einen talismanischen Sk. vor Schlangen und Sk.n geschützt gewesen sein *). ·) S e l i g m a n n Blick i, 132, wo weitere Lit. ib. Fig. 1 1 7 — 1 2 0 . 122. 125. ' ) ib. Fig. 24. · ) ib. Fig. 52 u. 62. · ) L i e b r e c h t Z. Volksk. 88.

3. In der Volksmedizin spielt das Skorpenöl (Skurpenöl) eine große Rolle, das dadurch gewonnen wird, daß man Sk.e lebendig in ein Gefäß mit Olivenöl steckt und das Ganze über gelindem Feuer er-

Skorpion—Smaragd

19

hitzt 10 ). Damit heilt man vornehmlich Wunden 11 ), Gicht 12 ), Kolik 1 3 ), Ohrenschmerzen14) und andere Leiden 15 ). In Tirol heilt man mit dem Skorpenöl Harnbeschwerden, Leibschmerzen und Ohrenleiden, Pest, ferner den Stich von Sk.n, Schlangen, Bienen usw. 16 ). Die Galle des Sk.s verwendete man im Altertum als Heilmittel gegen Star der Augen, gegen Haarausfall und als Hautverschönerungsmittel 17 ). — Den Sk.enstich heilt man auch dadurch daß man den Sk. zerstört und auf die Wunde legt 1 8 ).

10 ) H ö r m a n n Volkstypen 1 9 3 ; J i i h l i n g Tiere 98; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 397. 1 1 ) H o v o r k a 12 K r o n f e l d 2, 366. ) Z f V k . 8, 1 7 8 ; H ö f l e r 13 Organotherapie 228. ) Z f V k . 8, 1 7 7 ; H o v o r k a - K r o n f e l d ι , 203. " ) Z f V k . 8, 1 7 7 . 16 ) Z f V k . 8, 1 7 7 ; S A V k . 1 5 ( 1 9 1 1 ) , S. 1 7 7 ; le H o v o r k a - K r o n f e l d i, 397. ) Grimm DWb. 1329. 1 7 ) H ö f l e r Organotherapie 227. 228. 18 ) G r i m m DWb. 10, 1326.

4. In der Mantik verkündigt der Sk. Krankheit und frühen Tod. 5. Eine alte Legende berichtet daß die Sk.e des Bistums Trient nicht giftig seien: Der hl. Vigilius, Bischof von Trient, fand einst bei der Kommunion einen Sk. im Kelch, der von der Decke herabgefallen war. Er wollte ihn nicht herausnehmen, sondern bat Gott, daß ihm das giftige Tier nicht schade, wenn er es hineintränke, was auch geschah 19 ). 19

) Hörmann

Tiroler

Volkstypen 194. Schneeweis.

Skorpion s. S t e r n b i l d e r I. Skorpionkraut. So heißt die Sonnenwende, heliotropium, auch Warzenkraut genannt. Der Name Sk. ist vielleicht darin begründet, daß die Blütengruppen wie der Schwanz eines Skorpions gekrümmt sind oder weil es pfriemenförmige, stehende Blätter aufweist 1 ). Man verwendete es als Heilmittel gegen Skorpionstiche und schrieb ihm die Kraft zu, einen Skorpion zu töten 2 ). *) M a r z e l l Pflanzennamen DWb. 10, 1 3 2 7 .

13.

2 ) Grimm Schneeweis.

Skorpionschwanz. Ein Kraut, dessen Blüten die Gestalt eines Sk.es hat. Man heilt damit krebsartige Geschwüre und Skorpionstiche1). Vielleicht identisch mit dem Skorpionkraut. G r i m m DWb.

10, 1 3 2 9 .

Schneeweis.

20

Smaragd. Griechisches Wort unklarer Herkunft 1 ). Von den vielen Kräften, die man im Mittelalter dem Steine nachrühmte, werden folgende besonders hervorgehoben: Der S. sichert seinen Träger vor Fallsucht 2 ), er bekämpft die Unkeuschheit und zerspringt, wenn man ihn bei unkeuschen Handlungen trägt 3 ), er ist ein Krankheitsorakel: legt man ihn einem schwerkranken Menschen aufs Herz, so zerspringt er, wenn dieser sterben muß 4 ). In Tirol schreibt man noch heute dem S. besondere sympathetische Wirkungen zu : Am Halse getragen, soll er das Gedächtnis stärken und die Augen schärfen; man erschrickt nicht vor Menschen und Geistern, wenn man diesen Edelstein bei sich trägt 5 ). Abgeschabt und eingenommen soll er gegen Gift, Bauch- und Blutflüsse, Pest, Fieber u. a. wirken 6 ). Der S. gehört zu den Monatssteinen und läßt die im September Geborenen falsche Freunde erkennen und treue fesseln 7 ). Über die in der alchemistischen Literatur eine große Rolle spielende T a b u l a s m a r a g d i n a , die die Lösung des alchemistischen Rätsels (Gold zu machen) in dunkler Schreibweise enthalten sollte, vgl. Peuckert, Pansophie 98 ft. 483. — In Ε. T. A. Hoffmanns Phantasiestück „Der goldene Topf" besitzt der S. im Fingerringe des Archivarius Lindhorst die Eigenschaften eines Zauberspiegels (Kristalls). In französischen Novellen gilt der S. als ein Aphrodisiakum ; unter die Zunge gelegt, läßt er die Tiersprache verstehen und sein künftiges Schicksal erkennen (Gerhardt, Franz. Novellen 82). 1 2 ) S c h r ä d e r Reallex.2 1, 2 1 2 . ) Megenb e r g Buch der Natur 394; S c h a d e 1424 ff. ; L o n i c e r 58; M e y e r Aberglaube 56; F r a n z Benediktionen 1, 437 u. 2, 499 e . 3 ) M e g e n b e r g , a.O.; A g r i p p a ν. Ν. ι, 1 1 4 ; H o v o r k a - K r o n f e l d ι 106; vgl. F e h r l e Keuschheit 1 5 4 1 ; S c h a d e 2, 1430. J ) L a m m e r t 98; S t a r i c i u s 5 Heldenschatz (1706) 3 3 1 . ) Alpen bürg Tirol 4 1 2 ; vgl. S e l i g m a n n 2 , 3 1 ; Hellwig Kalender 6 3 ; A m e r s b a c h Grimmelshausen 2 63; Z e d i e r 38, 86 u. die antiken Quellen bei e D i e t e r i c h Kl. Sehr. 42. ) Lonicer a.O.; 7 H e l l w i g a. O. ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 106; s. Monatssteine. f Olbrich.

21

Sodom und Gomorrha

Sodom und Gomorrha. ι . Motive: Die Su G-Sage vereinigt eine Anzahl auch bei uns bekannter Motive; nur die Art des Strafgerichtes, das sie beschreibt, ist außer in ihrem näheren Umkreis nicht nachzuweisen. Die Einwohner eines reichen, paradiesischen Ortes 1 ) sind bis auf einen 2 ) verderbt, böse und übermütig 3 ). Sie mißachten die Gebote der Gastfreundschaft 4 ), berauben Fremde s ), lassen sie hungern und töten den, der sich zu ihnen mildherzig zeigt®), bedrücken Arme 7 ). Kultische Promiskuität 8 ) und Homosexualität 9 ) wird ihnen zugeschrieben. Wandernde quälen sie in einem Prokrustesbett 1 0 ). Ihre Richter sind ungerecht 11 ) und unterstützen die Bosheit, die man an Fremden begeht 12 ). Die Urteile der Richter gehören an und für sich dem Motiv vom „klugen Richter" an, — der eine Schwangere verletzte, mußte ihr ein neues Kind machen; der einem geliehenen Esel ein Ohr abriß, behielt ihn, bis das Ohr wieder wuchs, usw.13) —, aber diese Urteile gelten hier als Hohn, dem Rechtlosen angetan. Nur einmal zahlt Elieser mit ärgerer List das Urteil heim; er wird an der Stirn verletzt und soll dem Täter den Lohn für einen Aderlaß zahlen; da schlägt er den Richter, um dessen Aderlaßschuld gegen die seine verrechnen zu können u ). Wir sehen, die Motive der jüdischen SuG-Sage gehören dem internationalen Motivschatze an. Gott zögert mit der Strafe; er warnt die Städte durch Erdbeben 1S), aber das nützt nichts, im Gegenteil, der Frevel läßt sogar die wandernde Gottheit nicht ungeschoren. Drei Gottheiten 18 ), die in SuG als blühende Jünglinge 17 ), meist sonst als alter Mann 18) erscheinen, Engel 19) oder Gott Jahve selbst besucht die Stadt, wo ihn der einzig Gerechte vor Schändung b e w a h r t n u r dieser herbergt 21) usw. Dem unerhörten Frevel folgt die Strafe : Gott läßt Feuer und Schwefel auf die Stätte regnen 22 ) und kehrt sie um 2 3 ), oder sein Engel 23 ), ein Heer Engel zerstört sie 24 ) vor Anbrach des Morgens (in der Geisterstunde!) 2S ).

22

Das Weib des Gerechten, das sich nach dem dämonischen Geschehnis umsieht 26 ) (vgl. umsehen), wird zur Salzsäule, an der die Ochsen lecken 27 ). Eine menschenähnliche Gesteinsbildung wird hier durch eine Versteinerungssage erklärt 28 ). Nach drei Tagen bricht das Salzmeer über die untergegangene Stätte herein 2e ). *) Genesis 1 3 , 10; b i n G o r i o n Sagen der Juden 2 (1914), 230 f.; G u n k e l Genesis 1 9 1 7 , 214. 2 1 5 ; J e r e m i a s Das Alte Testament im Lichte des alten Orients 1930, 336; M ü l l e r Uri ι, 43. 45; G r i m m DS. Nr. 92; G r a b e r Kärnten 1, 262 f.; 2, 259. 262. 263. 264 f. 267; H e y l Tirol 93 f.; vgl. „Untergang", „Versteinerung", „wandernde Gottheit" usw. 2 ) Genesis 18 f.; vgl. W o l f Beitr. 2, 27 ff.; M ü l l e r Uri 2. (82). 83; D ä h n h a r d t Natursagen 2, 1 3 3 ff.; S é b i l l o t Auvergne 237. 2 3 8 ; C a r n o y Picardie 139 ff.; K ü h n a u Sagen Nr. 1742. 3) bin Gorion 1 7 4 7 ; H e y l Tirol 93 f. 2, 230 f.; M ü l l e r Uri 1, 71 ff.; L ü b b i n g Friesen 256; G r i m m DS. Nr. 96; K ü h n a u Sagen Nr. 1730. 1740; G r a b e r Kärnten 2, 259. 4 ) Genesis 18; Jud. 19 f.; b i n Nachw. ι. 2. G o r i o n 2, 220 f.; G u n k e l 208 f. 2 1 4 ; J e r e m i a s 336. 3 3 8 ; G r i m m DS. Nr. 344; G r a b e r Kärnten 1, 262 f.; Nachw. 1. 2. 18. 3 2 — 3 4 . 6 ) b i n G o r i o n 2, 2 1 2 . 2 1 3 f. 235. · ) Ebd. 2, 222 f. (mildherziges Mädchen mit Honig überstrichen). ' ) Jes. ι, 10 ff.; b i n G o r i ó n 2, 235. 227 f.; G u n k e l 208. 2 1 6 ; Kühnau Sagen Nr. 1749; G r ä b e r Kärnten 2, 265; 1, 262 f. 8 ) b i n G o r i o n 2, 2 1 1 f.; Promiskuität als Laster, das die Sintflut verursachte: ebd. 1, 193· Vgl. auch „Hurerei" als Ursache des Unterganges der Klariden: M ü l l e r Uri 1, 71 ff.; G r i m m DS. Nr. 92; „ U n z u c h t " der Nonnen: W o l f Deutsche Märchen u. Sagen 166 f.; Sünde u. L a s t e r : K ü h n a u Sagen Nr. 1 7 3 0 ; H e y l Tirol 93 f. · ) Nach Dr. C h e v a l i e r Aberrations de l'instinct sexuel I9°5. 7 o w a r I a pédérastie das Laster Sodoms, le saphisme das Gomorrhas. Vgl. Gen. 1 9 ; b i n G o r i o n 2, 228 f. 2 3 1 f.; Jud. 10) bin 19 f.; G u n k e l 208. 215. 216. 11 ) b i n G o r i o n 2, 2 1 3 ; J e r e m i a s 336 a . G o r i o n 2, 228. " ) Ebd. 2, 2 1 4 ff. « ) Ebd. 2, 236 t. " ) Ebd. 2, 2 1 9 f. « ) Ebd. 2, 227. " ) G u n k e l 206. 2 1 2 . « ) Ebd. 208. 1 8 ) W o l f Beitr. 2, 27 ff. 44 ff. 40 ff. ; G r i m m DS. Nr. 45. 344; D ä h n h a r d t Natursagen 2, 1 3 6 ff. Eine 1β) bin „ H e x e " : G r a b e r Kärnten 2, 267 f. 2 0 ) Gen. G o r i o n 2, 2 3 2 ; vgl. G u n k e l 208. 2 1 ) Nachw. 1. 2. 18. 2 2 ) Gen. 1 9 ; 19 usw. b i n G o r i o n 2, 232. 226; G u n k e l 2 1 2 ; vgl. die Sage Jud. 20, 40. 48; J e r e m i a s 338. — Noch heut im Sprichwort „Feuer und Schwefel". Flüsse zu Pech: b i n G o r i o n 2, 238; feurige L u f t : G u n k e l . 2 1 2 . 2 S ) b i n G o r i o n 2, 238. « ) Ebd. 2, 232. 2 5 ) G u n k e l 2 1 0 f. 2 6 ) Gen. 1 9 ; G u n ' k e l 2 1 3 . 2 ' ) b i n G o r i o n 2, 225. 2 8 ) G u n k e l

23

Sodom und Gomorrha

2 1 3 ; J e r e m i a s 337; vgl. G r i m m DS. Nr. 233. ' · ) bin G o r i o n 2, 226.

2. D e u t u n g e n . Wenn es uns möglich ist, die SuG-Geschichte in eine Summe landgängiger Sagenmotive aufzulösen, in denen die Untergangssagen dominieren, dann tritt die Frage nach dem historischen Geschehnis zurück; auch u n s e r e Untergangssagen hängen nicht stets an Wüstungen oder abgängigen Orten. Gunkel und Ed. Meyer haben gezeigt, daß in der Gegend des Toten Meeres kein Ort für die beschriebenen Vorgänge sein kann, und nehmen Übertragung der Sage aus Midian (Arabien) an Dem stehen keine Bedenken entgegen; wahrscheinlich knüpfte die Sage am Toten Meer an eine Gegend an, in deren Bildungen ein naiver Beschauer Überreste aus dem Untergang vermuten konnte, so wie wir in einer Gesteinsbildung die Grundlage zur Entstehung der Sage von Lots Weib vermuten und wie die Sagen bei Müller, Uri i , 42ff. oft ähnliches andeuten. Ein zweiter Deutungsversuch knüpft an die schon in biblischen Zeiten empfundene Parallele zur Sintflut an 3 1 ), der Wasser- tritt die Feuerflut zur Seite. Es scheint beachtenswert, daß in den uns geläufigen Sagen niemals von einem solchen, dagegen oft von einer Wasserflut 32 ), vom Untergange eines Ortes in Stein- oder Sandregen M ) oder von einem Versinken M ), Vergletschern die Rede ist. Endlich hat man die SuG-Sage als Zeugnis eines Mythus angenommen, welcher den Untergang des alten Aion, in der Geschichte von Lot und seinen Töchtern (moabitische Urgeschichte) den Anbrach eines neuen beschreibt 35 ).

*·) E d . M e y e r in SitzbBerl. 1905; Ders. Israeliten u. ihre Nachbarstämme 7 1 ; G u n k e l 2 1 5 f. Weitere Deutungsversuche, die vom Geologischen ausgehen: G u n k e l 212. 214. 2 i 5 f . ; Globus 71 (1897), 390 f. 3 1 ) Luc. 17, 25 fi.; II. Petr. 3, 3 ff.; J e r e m i a s 336. 3 2 ) O v i d Met. 6, 616 ff.; D ä h n h a r d t Natursagen 2, 133 ff.; J e r e m i a s 338; G r i m m DS. Nr. 45; W o l f Beiträge 2, 4 4 s . 40ff. 26ff.; B l a d é Gascogne 2, 146; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 392 ff. ; W o l f Deutsche Märchen u. Sagen 166 f.; ( K ü h n a u Sagen Nr. 1756); H e y l Tirol 93 f.; G r a ber Kärnten 1, 239. 241 f. 262 f. ·*) Buddhist. Legende: J e r e m i a s 338 nach J u l i e n Mémoires sur les contrées occident. 2, 2 4 3 f . ; Jos. 10,

24

i l in Verbindung mit Qoran Sure 67,5 gehört nicht hierher, wie J e r e m i a s 338 f. annimmt; W o l f Beitr. 2, 2 7 a . ; L ü b b i n g Friesen 257; G r i m m DS. Nr. (93). 96. W o l f Beitr. 2, 27 ff.; J e r e m i a s 338 a ; J e g e r l e h n e r Oberwallis 143 f.; M ü l l e r Uri 1, 45 ff.; L ü b b i n g Friesen 256 f. 258 f.; W o l f Deutsche Märchen u. Sagen 166 f.; K ü h n a u Sagen Nr. 1730. J e r e m i a s 333 ff.

3. Z i t a t e und biblische Parallelerzählungen sind häufig, — ein Zeichen dafür, wie sehr lebendig diese Sagen gewesen sind 38 ). Auch in neueren Sagen lassen sich deutliche Nachbildungen 43 ) erkennen, wobei sich zuweilen der Werdegang deutlich feststellen läßt 44 ). 3

«) Gunkel 216 f.

4. L o t s W e i b . In der Kirche zuDobberan wird eine beschädigte Statue gezeigt, welcher der Kopf und ein Teil der Beine fehlen ; sie weist eine gebückte Haltung auf und ist aus Sandstein gearbeitet. Man sieht in ihr Lots Weib 37 ). 37

) P r ö h l e Deutsche Sagen

in.

5. T a g des U n t e r g a n g e s . Nach jüd. Sage ging SuG am 16. Nisan unter, da Sonne und Mond gleichzeitig am Himmel stehen, um einem Sonnen- oder Mondglauben den Boden zu entziehen 38 ). Nach dem Glauben des 17./18. Jh.s war es am ersten Montag im August, daß die Städte verbrannten 3*) ; in Oldenburg hält man den I. August für den in Frage kommenden Tag n ) , sonst weithin den 1. Dezember 4 1 ).

3 3 ) bin G o r i o n 2, 229. 3 · ) M a e n n l i n g 189: „Da werden die drei Montage im Jahr zu fürchten vorgestellet; Der erste Montag im April, daran Cain gebohren . . . Der andere Montag im August, darinn SuG. verbrandt . . . und der dritte Montag, im December, daran Judas Ischarioth jung worden" ist undeutlich; die Bemerkung über Judas zeigt aber, daß es heißen muß : erstens der erste Montag . . ., zweitens der erste Montag im August usw. So auch Wolfgang T r e u t l e i n Das Arbeitsverbot im deutschen Volksglauben I 9 3 2 . 5 8 · 4 l ) Meyer S t r a c k e r j a n 2, 52. Aberglaube 210; S t e m p l i n g e r 1 1 5 ; S c h n i p p e l 2, 1 2 ; W a l t h e r Schwaben 187; Z i n g e r l e 201; H ö f l e r Oberbayr. Jahr 1 1 4 ; B a u m g a r t e n 29; ZföVk. 5, 1 3 1 , nach T r e u t l e i n Arbeitsverbot 58; dazu D r e c h s l e r 2, 190; Pollinger Landshut 168; T o p p e n Masuren 76.

5. Segen. In Segen ist von SuG seltener, m. W. nur im Feuersegen und gegen den kalten Brand die Rede, wohin das Motiv ja auch paßt 4 2 ).

25

Sodomiterei—Sommer

41 ) H. H a r m j a n z Die deutschen Feuersegen u. ihre Varianten ( F F C 1 0 3 ) , 107; Kalter Brand: Albertus Magnus . . . egyptische Geheimnisse Brabant 1725. 1, 6.

7. Ursprungssagen. Seitdem Gott über SuG Feuer fallen ließ, ist in irdischen Dingen (Feuerstein, Holz usw.) Feuer enthalten 4S). Parallel der Sage von der Flucht aus S. ist eine bulgarische Sage gebildet, in der die sich umwendenden Töchter Lots zu Bär, Nachtigall, Affe verwünscht werden44). Vgl. auch Sodomsapfel. In einer französischen Sage wird aus diesen Motiven die Entstehung des Sees von Grandlieu, Issarlès usw. erklärt «). 43 ) D ä h n h a r d t Natursagen x, 315. " ) Ebd. ι, 316; G r a b e r Kärnten 1, 274 f. " ) D ä h n h a r d t Natursagen 2, 136 fi.

8. Geistliche D e u t u n g . Sodom ist schon früh ein Gleichniswort für das verderbte Jerusalem *·), dann „die Welt". Im MA. gilt es als Ort der schlimmsten Sünde, nach dem für sie der Name „Sodomiterei" geprägt wird (s. d.). Doch lehrt Hrabanus Maurus, die Juden erwarteten, daß im 1000jährigen Reich auch S. wieder in den alten Zustand versetzt werde 47 ).

4β ) Wilh. B o u s s e t Die Offenbarung Johannis 1906, 321. *') Migne PL. 110, 691 f.; M u r a w s k i Juden b. d. Kirchenvätern 36. Peuckert.

Sodomiterei s. Nachtrag. Solanum s. N a c h t s c h a t t e n 6, 804J. Soldat s. Nachtrag. Solmantie, Sonnenwahrsagung. Vereinzelt auftretende, im 16. Jh. geprägte Bezeichnung, zwitterhaft aus einem lateinischen und einem griechischen Bestandteil zusammengesetzt, das Gegenstück zur Mondwahrsagung, Selenomantie (s. d.) 1 ). Sie umfaßt vor allem die Wettervoraussagungen, die sich aus der Färbung der untergehenden Sonne ergeben 2). Bei Aristoteles, der hierfür als Zeuge angeführt wird, finden sich zwar dergleichen Beobachtungen 3 ), doch ohne Beziehung auf Mantik, geschweige denn eine besondere Benennung.

1 ) Die sprachlich richtige Bezeichnung Heliomantie ist durch ein antikes Zeugnis belegt: P r e i s e n d a n z Papyri Graecae Magicae 2 (1931), 121 (Pap. X I I I , 751). 2 ) C o d e s Chyromantie

26

ac Physionomie Anastasis (Bologna 1 5 1 7 ) 2 rb, 3 rb, 3 va. 3 ) Problemata 26, 8. 2, 941 a. Boehm.

Solsequium s. L ö w e n z a h n , gelblume, Wegwarte.

Rin-

Sommer. In dem Worte S. selbst 1 ), das zu Sanskrit samd (griech. δμός) „gleich", sdmâ „Jahreshälfte" (auch „ J a h r " ) gehört, liegt noch die Erinnerung an die ursprüngliche, für Länder ohne eine Übergangszeit natürliche Zweiteilung des Jahres in S. und Winter, wie sie auch heute noch im deutschen Volksbrauch üblich ist. Denn das Wort S., das in manchen Sprachen einfach die „heiße Zeit" (griech. θέρος, lat. aestas) bezeichnet 2 ), wird im deutschen Sprachgebrauch häufig für die ganze warme Jahreszeit mit Einschluß des Frühlings und des Nachsommers im Herbst verwendet und tritt dabei gar oft an die Stelle des Frühlings. Denn wie das nordische S.opfer ein Frühlingsopfer war 3 ), so sind nichts anderes als F r ü h l i n g s b r ä u c h e und F r ü h l i n g s f e s t e (s. d.) die Kampfspiele zwischen S. und Winter (s. d.) mit den dabei gesungenen Liedern 4 ), die ausdrücklich den S. wecken sollen 5 ),wie dies ähnlich von den westfälischen Hirten durch den aus den Türpfosten getriebenen S.vogel (Schmetterling) geschah6), ferner das S.singen oder Maisingen7); das S.einbringen 8 ), das sich gewöhnlich an das Todaustragen (s. d.) anschließt, ζ. B. in Westböhmen, wo zumeist die männliche Jugend den Tod hinausträgt, während die Mädchen, die manchmal auch eine Tödin ins Wasser werfen, die S.docke bringen, die an grünes Tannenreis befestigte, mit Blumen und bunten Bändern gezierte Puppe ®), der in Ostböhmen der S.baum entspricht, ein aufgeputztes Tannenbäumchen10), und in Schlesien der S. (Tannenbaum oder bunt geschmückte Tannenreiser), den die S.kinder tragen 1 1 ) und den man von diesen kaufen und an die Stalltür stecken soll, wenn man viel Milch haben 1 2 ) und das Vieh vor Hexen und Unglück bewahren will 1S ), dann die Feier des „ S . p u t z " im thüringischen Niederhessen14), das „Dingen

27

Sommer

der S . h e i r a t " während des Fastnachtfeuers in Ehingen (Württemberg) 1 5 ) u. a. So heißt auch der erste Frühlingstag der S . t a g (s.d.), und in Luxemburg gilt als Sommeranfang der 17. März, an dem die Arbeit bei Licht aufhört, weshalb Gertrud den Namen S. b r a u t f ü h r t 1 6 ). Als Braut des S.s wird in den Dörfern um Leobschütz die beim S.einbringen mitgetragene Puppe aufgefaßt und daher auch „ B r a u t " genannt " ) . Ihr entspricht in St. Leon der S . m a n n , ein kleiner Knabe mit einem buntbebänderten Tännchen auf dem Kopf, den Brezelträger auf einer Bahre herumtragen 18 ). An Stelle dieser Verkörperungen des S.s treten in Eisenach die S . v ö g e l o d e r heiligen Geister, Blumenscherben mit künstlicher Flora oder buntgefiederte Gickelhähne, die man, wie sonst die S. und Maien in der Stube am Querbalken aufhängt 1 9 ). Wie also hier fast durchweg der ältere Begriff S. den Frühling vertritt, so ist es ähnlich auch bei Herbstbräuchen. In Mersch (Luxemburg) zündete man früher am Martinstag auf dem Pflaster der Küche ein Feuer an und legte einen Korb darüber, worauf die Frau des Hauses über das Feuer springen oder hindurchgehen mußte. Dies nannte man „ d e n S. v e r b r e n n e n " 2 0 ) . Astronomisch beginnt der S. auf der nördlichen Halbkugel mit dem 21. Juni und dauert bis zum 22. oder 23. September, meteorologisch bezeichnet man Juni, Juli und August als Sommermonate. Im Volke führt besonders der Juni den Namen S. m o n a t (auch westfries., niederl., dän.), in Norwegen heißen Juni und Juli Sumarmoaner, auf Sylt wird der Juli Sommermuun genannt 2 1 ). Das Wort S. kommt nicht selten als F a m i l i e n n a m e vor 2 2 ). Abgesehen von dem J a h r e s z e i t e n m y t h u s (s. d.), von Thors und Freys S.mythen 2 3 ) und anderem nordischen Mythus 2 4 ), wie auch von den erwähnten Frühlingsbräuchen, findet sich auch sonst eine P e r s o n i f i z i e r u n g des S.s, so ζ. B. auch eine der schleichenden S.hitze in der S . k a t z e des Saterlandes, wo man, wenn an heißen Tagen die Luft in wellenförmiger, zitternder Bewegung ist, sagt : „Die S.katze läuft" 2 6 ).

28

Vom Volksglauben über das Gewebe kleiner Feldspinnen, welches im Frühjahr, öfter aber im Spätherbst in der Luft umherfliegt und fliegender S., Flugs., S.flug, S.fäden, Mädchens., Mariens. u. a. genannt wird (s. A l t w e i b e r s . ) , ist hier der Glaube anzuführen, daß die im Frühling sichtbaren Fäden den S. bringen, der mit den Herbstfäden wieder entfliegt26). Im S. sind nur drei mit abergläubischen Überlieferungen verknüpfte Höhepunkte: das Fest der S o n n e n w e n d e (s. d.), die H u n d s t a g e (s. d.) und die schon zum Herbst überleitende Zeit des F r a u end r e i ß i g e r s . (s. d.). Sonst bietet der S. weder im natürlichen Jahreslauf noch im religiösen und wirtschaftlichen Leben irgendeine bedeutsame Grundlage zur Bildung abergläubischer Vorstellungen und Bräuche. Im Wirtschaftsleben ist der S. die Zeit schwerer Arbeit, welche dem Landmann nicht gestattet, Feste zu feiern. Dieser hat jetzt, wo die Ernte gesichert ist, keinen Anlaß mehr, irgendwelche höhere Mächte um das Gedeihen der Saaten anzuflehen und sie durch besondere Festlichkeiten zu ehren oder Abwehrmittel gegen feindliche, böse Geister zu ergreifen. Bezeichnend ist, daß das nüchterne römische Bauernvolk nur den ersten Monaten des Jahres den Namen von Göttern gab und diese in der gleichen Zeit auch feierte, vom S. an, wo für die Saat nichts mehr zu fürchten war, aber die Monate bloß zählte (Quintiiis, Sextiiis, September usw.) 2 7 ). Die V o l k s m e d i z i n kennt allerlei Mittel gegen die S . s p r o s s e n (s. d.), die vom Märzregen oder Märztau (s. März) herrühren sollen und durch den Maitau (s.d.) vertrieben werden können. Der Name selbst erklärt sich aus der richtigen Beobachtung, daß diese Hautflecken während des S.s infolge der stärkeren Belichtung gewöhnlich dunkler und damit sichtbarer werden. Nach dem Glauben der deutschen Pennsylvanier soll man im S. K i n d e r nicht entwöhnen28). In Württemberg nennt man den S. hie und da in Scherzreden die günstigste Zeit für die H o c h z e i t , weil man dann eher wisse,

29

Sommer und Winter—Sommertag

was Liebe sei; denn im Winter schlüpfe man wegen der Kälte zusammen 2 9 ). A u s dem W e t t e r g l a u b e n seien die Regeln angeführt: Ist der Vors. schön, wettert's im Nachsommer 3 0 ); heißer S., kalter W i n t e r 3 1 ) ; viel Höhenrauch im S., kalter Winter 3 2 ). Vgl. J u n i , J u l i , A u g u s t . ! ) Vgl. G r i m m Myth. 2, 632. 2 ) S c h r a d e r i ? e allex. 781 f. 3 ) G r i m m Myth, 1, 35. 4 ) J u n g b a u e r Bibliogr. 150 Nr. 911 ff. 6 ) G r i m m Myth. 2, 637 ff.; 3, 232 ff. e ) M e y e r Germ. Myth. 98. ' ) J u n g b a u e r Bibliogr. 159 Nr. 974 f· Vgl. E r k - B ö h m e 3, 130 ff. 8 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 130 ff. ' ) J u n g b a u e r Bibliogr. 156 Nr. 955 ff. 1 0 ) Ebd. Nr. 972. » ) W e i n h o l d Weihnachtsspiele 15 ff.; D r e c h s l e r 1, 73. 1 2 ) G r i m m Myth. 3,475 Nr.1097 = Mannhardt ι . Γ 57· 1 3 ) D r e c h s l e r 1, 74. 1 4 ) S a r t o r i Sitte ». Brauch 3, 158. 1 5 ) Ebd. 3,109 = K a p f f Festgebräuche 13 = K ü c k u. S o h n r e y 79. 1 β ) F o n 17 ) D r e c h s l e r t a i n e Luxemburg 34. 1, 71 = S a r t o r i a. a. O. 3, 132. 1 8 ) M e y e r Baden 2 0 87. » ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 298. ) F o n t a i n e Luxemburg 80 = S a r t o r i a. a. O. 3, 272. 2 1 ) W e i n h o l d Monatnamen 56. 22 ) A. H e i n t z e Die deutschen Familiennamen (Halle 1922) 52. s 3 ) M e y e r Germ. Myth. 207. 225. 2 4 ) Vgl. G r i m m Myth. 2, 632 f. 2 5 ) S t r a c k e r j a n 2, i n Nr. 338; 146 Nr. 375. Vgl. M a n n h a r d t 2, 318 ff. (Getreidewölfe). 2 · ) A. L e h m a n n Altweibersommer (Diss. Berlin 1911 = Landwirtschaiti. J b . 1911) 6 u. oben Altweibersommer Anm. π f. 8 7 ) F e h r l e Volksfeste1 71. 2 8 ) F o g e l Pennsylvania 46 Nr. 106. 2 i ) H ö h n Hochzeit Nr. 6, ι . 3 0 ) R e i t e r e r Ennstalerisch 60. 31 ) R e i n s b e r g Wetter 27; B. H a l d y Die deutschen Bauernregeln (Jena 1923) i n ; F o g e l a. a. O. 233 Nr. 1201. 3 2 ) Urquell 6 (1896), 16. Jungbauer.

Sommer und Winter. In ältester Zeit wurden wohl nur diese zwei Jahreszeiten scharf unterschieden 1 ). Ein Kampf zwischen beiden und der erwünschte Sieg des S.s ist schon früh durch Mimik eines Wortgefechtes oder eines wirklichen Kampfes zwischen menschlichen Vertretern zur Anschauung gebracht worden 2 ). Das älteste deutsche Zeugnis solcher Wortgefechte findet sich vielleicht im 9. Jh. 3 ). Gewöhnlich spielen sich diese Kämpfe im Frühling ab, namentlich zu Fastnacht 4 ) und Laetare 5 ), auch noch zu Pfingsten 6 ). Es ist möglich, daß der mehr oder weniger gewaltsam herbeigeführte Sieg des S.s nicht nur „Allegorie" ') und dem Wunsche nach Anschaulichkeit entsprungen ist, sondern auch einen Z a u b e r darstellt 8 ), der in einer

30

Art von Augenblickshandlung den allmählichen Verlauf des Überganges in der Natur günstig beeinflussen will. W o solche Kämpfe aber im Herbste, gleich nach Allerheiligen 9 ), zu Martini 1 0 ) oder in den Zwölften 1 1 ) ausgetragen werden, da kann man zweifelhaft sein, ob nun der S. unterliegend gedacht wird 1 2 ), oder ob, was wahrscheinlicher ist, auch im Herbst und im W . schon der künftige Sieg des S. vorbereitet werden soll. Weiteres, auch über Kämpfe größerer Scharen, in denen man den Streit zwischen W . und S. erkennen kann, s. unter Kampf, Laetare. ' ) Am Ptah-Tempel in Memphis standen zwei Bildsäulen, von denen die Ägypter die nördliche als Sommer, die südliche als Winter 2) bezeichneten: H e r o d o t 2, 121. Grimm Mythol. 2, 629 ff.; 3, 227 ff.; F r a z e r 4, 254 ff.; U h l a n d s Schriften z. Gesch. d. Dichtung u. Sage 3, 16 ff.; SAVk. Ii, 240!; J a n t z e n Gesch. d. Streitged. (1896) 38; S c h m e l l e r Bayr. Wb. 2, 281 f.; ARw. 7, 297 ff.; 17, 145 f.; N i l s s o n Jahresfeste 28 f.; M a n n h a r d t I, 418; B r o n n e r Sitt' u. Art 101 ff.; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 25. 3 ) U h l a n d s Schriften 3, 23 f. 4 ) S a r t o r i Sitte 3, 120 f. s ) Ebd. 3, 133 f.; ZfVk. 3 (1893), 356. · ) S a r t o r i 3, 202 Anm. 35. 7 ) G o l t h e r Mythologie 190. ®) F r a z e r 4, 259 f. 9 ) 1 0 ) ZfrwVk. ZföVk. 8 (1902), 191 (Böhmen). 8, 109 ff.; S a r t o r i 3, 270 f. n ) J o h n Westböhmen 12; K u h n u. S c h w a r t z 403f. 1 2 ) ZfrwVk. 8, 167. t Sartori.

Sommerkäfer s. M a r i e n k ä f e r 5, 1691 ff. Sommersonnenwende s. J o h a n n i s 4, 704 ff. Sommersprossen s. Nachtrag. Sommertag heißt in manchen Gegenden der S o n n t a g L a e t a r e , an dem „Sommer und Winter" umziehen, der Tod ausgetragen wird und der Sommer seinen siegreichen Einzug hält. Namentlich in der Pfalz ist diese Bezeichnung allgemein 1 ). In Schlesien soll auch der Palmsonntag so genannt werden 2 ). S. L a e t a r e , S o m m e r u. W i n t e r , S t a b aus. 1) R e u s c h e l Volkskunde 2, 54; L e o p r e c h t i n g Lechrain 167 f.; D r e c h s l e r 1, 65; B r o n n e r Sitt' und Art 101 ff. 139; HessBl. 6 (1907), 151 ff.; ARw. 8 (Beiheft) 82 ff.; Urquell N. F . ι, 190; Oberd.ZfVk. 5 (1931), 1 ff. 2 ) L i p p e r t Christentum 596. f Sartori.

Sommervogel—Sonne

31

Sommervogel s. S c h m e t t e r l i n g i b a . Somnimantie, Wahrsagung aus Träumen. In der Predigtsammlung Biga Salutis des sog. Frater Húngaras, eines ungarischen Predigermönches aus dem 15. Jh., wird im 8. Sermon über das ι . Gebot die S. genannt 1 ). Die Bezeichnung steht vereinzelt neben der verbreiteteren Oniromantie (s.d.) und ist eine willkürliche Neubildung; die zwitterhafte lateinisch-griechische Form ist für die Liste der Biga typisch. H a g e n a u 1498, 27 ν 6 ; katechismus 32. 55.

Geffcken

BilderBoehm.

Sondersprachen s. Nachtrag. Sonnabend s.

Samstag.

Sonne. ι . Einleitung. 2. D i e S. und der Mensch. 3. D i e S. in der Z u k u n f t s d e u t u n g . 4. S.nverehrung in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit auf d e u t s c h e m B o d e n . Germanische A n s c h a u u n g e n . 5. D i e v o l k s t ü m l i c h e n Vorstellungen v o m W e s e n der S. 6. Zur G e schichte des deutschen S.naberglaubens. 7. Kinderreime.

I. E i n l e i t u n g . Instinktmäßig weiß jede, insbesondere jede bäuerische Bevölkerung um die Abhängigkeit ihres Lebens von dem Lauf der S., und das ist immer so gewesen. Die für viele Völker seit Jahrhunderten und Jahrhunderten bezeugten rituellen Begehungen der S.nwenden und des Frühlingsanfangs verdanken diesem Abhängigkeitsgefühl ihre Entstehung und ihren Sinn; man bittet für die Zukunft und man dankt für in der Vergangenheit Empfangenes. Daß noch heute Teile solcher Riten bekannt sind, ist angesichts der Natürlichkeit dieses Zusammenhangs verständlich. Ebensowenig erstaunt man, wenn sich noch mancherlei sonstiger Volksglaube finden läßt, der Glaube an starke Kräfteeinwirkungen des Gestirns in andern Lebensbereichen als dem Ackerbau verrät, vor allem in dem körperlichen Ergehen. In allen diesen Glaubensvorstellungen hat die S. entweder eine rein dingliche Seite oder — seltener — eine dämonische. Hier gelten dieselben Feststellungen des gleichzeitigen Nebeneinanders und Ineina n d e r all dieser Ansichten bei denselben

32

Menschen, die wir oben (s. v. M o n d B d . 6 Sp. 478ff.) gemacht haben. Mit Zurückführung einzelner dieser Vorstellungen auf die germanische Religion wird man bei dem fragmentarischen Charakter dieser Meinungen, die wie sonst so auch hier in einfachen Sprüchen und Warnungen ihren Niederschlag gefunden haben, sehr vorsichtig sein müssen; so wird auch hier, ähnlich wie es im Artikel Mond geschehen ist, zunächst der heutige Volksglaube der Deutschen dargelegt werden ; anschließend ist dann über die Zeugnisse der deutschen Vergangenheit bis hinauf in die Zeiten der germanischen Religion lediglich zu berichten. — Uber die astrologischen Vorstellungen vgl. den Artikel P l a n e t e n Sp. 171 ff. Im Vergleich zum Mond als dem andern der beiden großen Lichter sei vorweg bemerkt, daß die Volksphantasie, -frömmigkeit und -fürchtigkeit sich nicht annähernd von der S. so beeinflußt zeigt wie vom Mond (vgl. auch Grimm Mythol. 2, 600). Die Nüchternheit ihres grellen Lichts, ihre zuweilen gefährliche Wärmeerzeugung sowie ihr — mit dem Volksglauben zu sprechen — an den Tag gebundenes Erscheinen beleben das Gefühl ungleich weniger. Man macht sich das am besten klar, wenn man an den gespenstigen Anblick einer im Vollmond daliegenden Landschaft denkt, deren Unheimlichkeit zwar die Menschen fürchtig macht, aber verlockt. Der deutsche S.n Volksglauben ist im ganzen merkwürdig zusammenhanglos. Ich erkläre diese Tatsache daraus, daß man die ungeheuere Vielfalt der menschlichen Tätigkeiten im Hause, auf dem Feld und im Leben überhaupt, ferner das Pflanzenreich und Tierreich mit der S. in Verbindung setzte, die als Beherrscherin des Lebens alles durchwaltete. Da aber der Mensch nicht von der S. aus, sondern von sich aus das Leben sieht, müssen diese Regeln und Anschauungen in Beziehung zur S. diese Vielfalt des Lebens widerspiegeln, wodurch eben jene Zusammenhanglosigkeit entsteht. 2. D i e S. u n d d e r M e n s c h . a) D i e l e b e n d e S. u n d der M e n s c h . Die Nachrichten, in denen von Beziehun-

Sonne

33

gen zwischen Mensch und einem persönlich gedachten S.nwesen gesprochen wird, schildern in nur manchen Fällen die Natur dieses Wesens als h e l f e n d . So kann man zur S. bei Fieber beten: „Liebe S., komm herab und nimm mir die 77 Fieber ab" (Pommern)x) oder: „Ich richte mich gegen die S. auf, ach Gott, thu mir die Fieber auf, die heiße wie die kalte, daß ich sie nimmermehr über Nacht behalte f t t " (Württemberg) 2 ). Im Kalotaszeger Bezirk wird am Tage dem Vieh bei S.naufgang gesalzenes Brot zu essen gegeben und eine Handvoll Salz der S. zugeworfen mit den Worten: „Gib, was man braucht, nimm, was man nicht braucht" 3 ). Bei den Südslaven des Dorfes Racisce auf der Insel Curzola schlägt man bei S.naufgang ein Kreuz, kniet nieder und begrüßt die Sonne dreimal mit folgendem Gebet: „Sei mir willkommen, trautester Bruder, flammende S., zu Gutem seist du angelangt und in Besserem mögst du mich verlassen" 4 ). Die Zeit des S.naufgangs gilt vielfach als heilig5) ; außer mit Gebet e ) erweist man der aufgehenden S. seine Verehrung vor allem dadurch, daß man vor ihr den Hut abnimmt (Oberpfalz, Westböhmen) 7). Hilfreich erscheint die S. in dem Märchen vom Jüngling, der sein Schwersterchen sucht. Bei der S. erfährt er, daß es jenseits eines großen Wassers in einem Palast auf einer Insel sich aufhalte. Über dieses Wasser führe aber nur eine gläserne Brücke, die so glatt sei, daß ein Mensch sie nimmermehr überschreiten könne. Sie hilft dem Jüngling aber mit ihrem Rat. Er solle sich eine schwarze Henne kaufen und diese verzehren; nur die Knochen müsse er sorgfältig aufheben. Ferner solle er ein Töpfchen Sirup mitnehmen. Komme er dann an die Brücke, so solle er immer einen Knochen nehmen, in den Sirup tauchen und auf die Brücke legen; er werde dann schon darauf treten können und hinaufkommen. Am andern Morgen ging der Jüngling fort und tat, wie ihm die S. gesagt hatte. Wirklich vermochte er die Brücke zu ersteigen; nur für die letzte Stufe fehlte ihm ein Knochen, den er verloren hatte. Er ersetzte ihn durch B l c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VIII.

34

den kleinen Finger, den er sich abschnitt. Er legte ihn auf die Brücke wie die Knochen, trat darauf und war oben 8). Diesen Nachrichten steht die weitaus größere Zahl derjenigen gegenüber, in denen der S. eine bösartige Natur zugeschrieben wird. Zuweilen läßt sich erkennen, daß vor allem die heiße Mittagssonne der Feind des Menschen ist. So berichtet eine Sage aus Siebenbürgen : Auf dem Berge der Senndorfer Gemarkung, der gegen Windau hin liegt, befindet sich mitten im Walde ein großer und tiefer Sumpf. Über seine Entstehung wird folgendes erzählt. Ein Bauer aus Senndorf ackerte hier einst mit sechs Ochsen auf den Ackerländern, die seit alter Zeit sich daselbst befanden. Die S. stieg immer höher und schien immer wärmer. Der Mann konnte die Hitze kaum mehr aushalten. Ärgerlich über die so heißen S.nstrahlen ergriff er das „Kulter" und hieb nach der S. Im gleichen Augenblick aber sank er samt seinen sechs Ochsen und dem Treiber in die Tiefe, und an der Stelle befindet sich bis heute der große und tiefe Sumpf, Grändelsmôr genannt 9 ). Hier ist einerseits die Mittagssonne der Feind des Menschen (wie z. B. auch bei den Südslaven, die vom „gehörnten Mittag" sprechen 10 )), anderseits ein Gott, der jede Schmähung seines Wesens zu rächen imstande ist. Wie bei Blitz und Mond, soll man demnach auch nicht mit dem Finger nach der S. zeigen; ob der Glaube vorkommt, daß der Finger einem dann abgeschlagen wird (vgl. Blitz Sp. 1415), weiß ich nicht u ) ; die Wenden warnen, da man sonst dem lieben Gott die Augen ausstäche (s. u. Sp. 56) 12 ). Im Märchen von den sieben Raben frißt die S. gar Kinder 13). Ferner ist die S. die Ursache schlechten Wetters. Sie zieht Wasser 14), und nicht nur das, sondern sie zieht auch Schlangen, Fische, Ungeziefer und Frösche mit empor, die dann zuweilen wieder herabfallen 15 ). Man spricht danach z. B. von einem Froschregen, dessen Tradition bis ins Mittelalter hinaufreicht (s. Frosch 3, 125f. 16 )). In einer schlesischen Sage wird erzählt, daß ein Leiermann, der sich in 2

35

Sonne

den Nesselgrunder Wald wagte, dort dem Vogelhannes begegnete, der den Leiermann zu spielen zwang, um seinerseits dazu zu tanzen. Der arme Leiermann mußte darauf den ganzen Tag über seine Leierkurbel drehen, bis die S. hinter der Hohen Mense verschwand und mit ihr der tolle Tänzer. Also auch der Tag ist dem Spuk günstig, d. h. die S. ist dem Menschen feind 1 7 ). Aus Bartelshagen wird berichtet, daß auf der Pantlitzer Heide den Jungens, die daselbst die Pferde hüteten, öfters S. und Mond zugleich erschienen und ihnen die Pferde scheu machten 18 ). Aus Oldenburg und Lübeck ist bekannt, daß man ausgedroschenes Getreide, das in Säcke gebracht oder den Tieren zum Futter gegeben werden soll, nicht gegen die S. zu fegen darf 1 9 ). In Oststeiermark hütet man sich, die S. auf die Milch scheinen zu l a s s e n I n Schlesien glaubt man, daß Taufwasser, das in die S. gegossen wird, dem Kind Sommersprossen bringt 21 ). Auch ist es Unrecht, bei S.nlicht Feuer zu tragen oder sie sonstwie zu beleidigen 22 ). Wer bei S.nuntergang schläft, dem schmerzt der Kopf (Wotjaken, Siebenbürger Sachsen 2 3 )), wer der S. gegenüber sich seiner Exkremente entledigt, dessen Fingernagelwurzeln spalten sich 2 4 ). An dem Tage der S.nwende (s. d.) muß man sich mit gewissen Arbeiten in acht nehmen. Man darf ζ. B . nicht brauen; täte man es, so würde sich der Rost im Brauhause schämen und sich umdrehen. Am gleichen Tage zu backen oder irgendeine andere Arbeit zu verrichten, bei der etwas umzudrehen ist, ist hier gleichfalls verpönt 2 5 ). Doch ist für andere Gegenden das Wenden von allerlei Dingen das irdische Gleichnis der S.enwende 26 ). So ist es denn schließlich kein Wunder, wenn die Dunkelmänner in dieser S. einen Feind erblicken. Der Freischütz schießt in die S., denn da er, einer Schweizer Sage zufolge, alle Tiere zu bannen verstand, genügte ihm das sterbliche Wild nicht mehr als Jagdbeute 2 7 ). Aber nach dem Schuß fielen drei Blutstropfen (s. d.) auf die Hand des Jägers, so daß er er-

36

lahmte. In der schwäbischen Fassung (Freudenstadt) lautet die Sage etwas anders. Der ewige Jäger, heißt es da, habe in der Weihnacht oder in der Karfreitagsnacht gegen die S. geschossen. Darauf sei Blut herabgeflossen. Das Blut habe er in einem Tuche aufgefangen und Bleikugeln damit benetzt; seine Kugeln trafen nun alles, was er treffen wollte. Seien die Kugeln verschossen gewesen, habe er einen frischen Schuß in die S. getan. Zur Strafe dafür muß er nun immer jagen und zieht mit seiner Meute in der ganzen Welt umher 2 8 ). Wieder andere sagen, der Schütze sei Kaiser Friedrich Rotbart gewesen ; Übermut habe ihn zu dem kühnen Schuß verführt. Die Kugel sei dann in der Kirche in Oberhofen niedergefallen 2β ). Man hat mit Recht an den Halbgott Herakles erinnert, der einen S.nschuß t a t 3 0 ) ; auch an die in den Himmel schießenden Riesen ist zu denken. Der Mensch, von der S.nhitze bedroht, oder vom Ubermut und der Verwegenheit, selbst der Gottheit zu trotzen, angestachelt, wagt den Schuß, der ihn u. U. selbst richtet (s. Freigewehr usw. §4)· b) A b e r g l a u b e im A n s c h l u ß an die d i n g l i c h e N a t u r der S. Neben der Auffassung von der S. als einer Art göttlicher Person tritt in vielen Ansichten und Vorschriften des deutschen Volksglaubens deutlich eine andere heraus. Sie knüpft an die dingliche Seite der S. an als eines Körpers, von dessen Ost-West-Bewegung die besonders beachteten Hauptzeiten des Tages (Morgen, Mittag und Abend = S.naufgang, höchster Stand der S. und S.nuntergang) bestimmt werden und dessen Strahlen eine heilende und befruchtende Wirkung im Dasein der Natur eignet. Die damit zusammenhängenden Riten und Vorschriften, die vor allem das Tagesgeschehen des Menschen berücksichtigen, sind meist magischer Natur; die meisten erscheinen mit einer der genannten Hauptzeiten verbunden. Dabei gelten als glückbringend die Zeremonien, die s o n n e n l ä u f i g , d.h. in der Richtung der täglichen Wanderung der S. vollzogen wer-

37

Sonne

den 31 ). Wer gegen den Lauf der S. einen Ritus zelebriert, will entweder etwas Böses oder bedarf der bösen Mächte der Dunkelheit, deren eigentliche Zeit die Nacht ist. Im allgemeinen heißt es deshalb auch, daß alle schwarzen Künste nur nach S.nuntergang und vor S.enaufgang auszuführen seien (vgl. Nacht VI 776, Mitternacht VI 418 f. 432 ff.). Die Gefahr für das häusliche Glück beginnt mit dem Augenblick des S.nuntergangs. Dieser Zeitpunkt spielt daher vor allem in Warnungen eine Rolle ; zu S.naufgang und Mittag liegen positive Vorschriften vor. Diese beziehen sich teils auf die glücklichen Lebensumstände des Menschen (in Haus und Feld), teils auf die Gesundheit im besonderen, und sind entschieden die wichtigeren. Auch als an die Stelle des S.nuntergangs mehr der Abend (s. d.) trat, hielt man doch fast allgemein an der Wichtigkeit des S.naufgangs statt des Morgens (s. d.) fest; es hat sich aber nicht vermeiden lassen, daß man oft nunmehr auch vom Morgen dieselben Aussagen machte wie vom S.naufgang. Bei Abend und S.nuntergang deckt sich sehr vieles, woraus sich ergibt, daß in all diesen Riten und Ansichten die S. schließlich nunmehr als Zeitgeber betrachtet worden ist. Beginn des „Abends" und S.nuntergang fallen nämlich so gut wie nie zusammen (s. Abend I, 23 f.), seit man sich daran gewöhnte, den Beginn des Abends mit dem Abendläuten (s. d.) eintreten zu lassen. Ganz allgemeine Beziehungen zwischen Menschenleben und S. lassen folgende Überlieferungen erkennen. Wenn man die S. in den Stall sperrt, dann hat man das ganze Jahr einen warmen Stall (Allgäu, Schwaben, Bayern) 32). In Mecklenburg (Parchim) müssen kleine Kindel vor der Taufe in die S. gucken, sonst werden sie gelb 33 ). Legt man sie am Tauf tage mit den Taufkleidem in die S., so bekommen sie keine Sommersprossen (Norwegen) 34). S.nregen (s. Regen § 1), der dann entsteht, wenn die S. in den Regen scheint, ist bei Kindern sehr beliebt; sie stellen sich gerne in ihn, weil er das Wachstum fördern soll 35 ). Beim kirch-



lichen Akt der Trauung kennt man in Baden, im Böhmerwald, im Rheinland, in Schlesien und Österreich einen sonnenl ä u f i g e n Umgang um den Altar, der heute als Verehrungsgang aufgefaßt wird, aber ursprünglich doch wohl einen Zusammenhang mit dem Glück bedeutenden Umgang gehabt haben muß 3e ). In der Tatra umkreist der Hirte dreimal sonnenläufig seine Hütte und sein Gehege, damit ihm nichts gestohlen wird 37) ; in Manaton (Devonshire) trägt man die Leiche in der Richtung des S.nlaufs um ein Kreuz, um sie dem Bösen zu entziehen 37 ). Entsprechend umwandelt man mit der S. das Osterfeuer (s. d.) ; sonnenläufig füllt man Säcke mit Getreide oder fegt das Futter dem Vieh zu (Oldenburg) 38). Die Bedeutung des S . n a u f g a n g s (s. d.) für die Verrichtungen des Lebens erhellt aus folgendem Glauben39) : Wenn man die Frucht aus dem Sack in die Saatwanne (Brackenheim) oder in das Sätuch (Blaubeuren) schüttet, muß man gegen S.naufgang stehen40). In Österreich stellt man die Betten so, daß der Schlafende gegen S.naufgang schaut 41 ), in der Schweiz begräbt man in dieser Richtung 42 ). Am I.Mai schneidet der westfälische Kuhjunge von einer Eberesche einen vom ersten S.nstrahl getroffenen Zweig mit scharfem Schnitt ab und schlägt mit ihm Kreuz, Hüfte und Euter einer jungen Kuh dreimal, um sie milchreich zu machen43). Ähnliches berichtet man aus Altindien und dem Marserland des alten Italien 43 ). Andere Handlungen wirken nur segensvoll und erfolgreich, wenn sie beim höchsten S t a n d der S., also mittags um 12 Uhr vorgenommen werden **). Die Gefährlichkeit der Mittagsstunde, die oben Sp. 34 in dem Ausdruck 'gehörnter Mittag' uns entgegentrat und die auch sonst anerkannt wird (s. Mittag, Mittagsgespenst), tritt hier völlig zurück, weil es sich um zauberisches Tun handelt, dem diese Stunde besonders günstig ist. So gräbt man in Westböhmen das Johanniskraut, das Knabenkraut und den Farnsamen zu dieser Zeit, und zwar am Jo2»

39

Sonne

hannistag, dessen Beziehung zur S.nwende wiederum die Berücksichtigung der S. in dieser Tätigkeit deutlich werden läßt. Um die Mittagszeit nach der S. zu ermitteln, stellt man sich in den S.nschein: Ist der Schatten so klein, daß man ihn mit einem Schritt überschreiten kann, d. h. ,,wenns Mannl am kleinsten is", dann ist es Mittag (Nallesgrün). Auch im Erzgebirge ist der Erfolg gewisser Handlungen an den höchsten Stand der S. gebunden 48). In Oldenburg bedarf man seiner zur Aufsuchung der Wünschelrute 48 ) ; ebenda ist man der Ansicht, daß ein mit Gold vergrabener Kessel so steht, daß die Mittagssonne durch beide Griffe scheint. Hier scheint wohl an Beziehungen der Mittagssonne zu Schatzgräberei gedacht zu sein (vgl. Mittag, VI 403f.); zu bestimmten Zeiten (1. März) kommen bekanntlich Schätze aus der Erde an die Oberfläche und sonnen sich (Sinn?) 47 ). Mit S . n u n t e r g a n g (s.d.) beginnt die gefürchteteZeit (s.a. Nacht). Alle zur Tagesarbeit gehörigen Verrichtungen müssen daher vorher beendet sein, will man nicht Gefahr laufen, sein Glück zu gefährden 48). Wer nach S.nuntergang seine Stube kehrt und den Kehricht hinausträgt, der trägt das Glück aus dem Haus (Erzgebirge, Schlesien, Ostpreußen, Mecklenburg)49) ; aus demselben Grunde soll man auch keinen Stall ausdüngen und den Mist hinaustragen, nachdem die S. untergegangen ist In Bulgarien erscheint dieser Glaube dahingehend abgeändert, daß man es vermeidet, den Schafstall zu fegen, aus Furcht, die Tiere könnten erkranken, da diese den Nachtdämonen sonst ausgeliefert wären 51 ). Unheilvoll ist ferner, über Nacht eine Trauerbotschaft im Hause zu behalten 52 ) oder aus einem Hause fortzubleiben, in dem ein kleines Kind angekommen ist; man könnte die Nachtruhe des Kindes mit fortgeben 53). Die Feindschaft zwischen Dämonen der Finsternis und der (christlichen) Lichtgottheit kommt ferner deutlich zum Ausdruck in der aus Teterow (Mecklenburg) berichteten Anschauung, man dürfe das Zeug, das ein Kind vor seiner Taufe trage,

40

nach S.nuntergang nicht draußen hängen lassen, weil sonst das Kind betöwert (vgl. a. Nacht, VI 785) werde M ). Auch die Wenden kennen das Verbot 6S ). Eine Wöchnerin ist nach S.nuntergang ebenfalls bedroht. Man verlangt in Sprottau (Schlesien), daß sie vor S.nuntergang ins Bett oder hinter den Bettvorhang gehe 56 ); keinesfalls darf sie mehr aus dem Hause, es sei denn, daß ein lebendes Wesen, und wenn es eine Katze wäre, sie begleitet ; andernfalls geschieht ihr durch ein graues Männel ein Unglück (Ludwigsdorf b. Görlitz) 57 ). Was zum täglichen Leben gehört, darf nach S.nuntergang nicht aus dem Hause gegeben werden, so vor allem keine Milch, weil sonst die Kühe keine Milch mehr geben oder die Milch behext wird (Böhmen, Baden) 88 ). Manche Gegenden verbieten das Hergeben von Milch, Butter oder Käse nach S.nuntergang an bestimmten Tagen des Jahres, so vor allem am Christabend 59). Eine Notiz des Schlesischen Tageblattes zu Schweidnitz vom 4.12.1890 berichtet, daß dort eine Arbeiterfrau bei einer Bäuerin nach S.nuntergang Butter kaufen wollte; sie hatte sich leider etwas verspätet. Da aber das ganze Dorf glaubte, daß die Kühe sich nicht mehr würden melken lassen, wenn man nach S.nuntergang Milch aus dem Hause gäbe, erhielt die Frau nirgends mehr Butter e o ). Auch die Milchgefäße, die bis nach S.nuntergang noch im Freien bleiben, sollen behext werden (von der Muare, Kr. Brieg) β1 ). Ferner ist allgemein verpönt, nach diesem Zeitpunkt etwas aus dem Hause zu leihen 62 ). Zuweilen läßt man es zu, ein Gefäß mit Milch über die Straße zu tragen, aber dann muß dieses zugedeckt sein oder die Milch durch ein Körnlein Salz geschützt werden e3 ) (Anhalt). Zu den bestimmten Hausarbeiten, die vor S.nuntergang fertig sein müssen, gehört in Schlesien neben dem Kehren das Buttern e4 ); Gartenoder Feldarbeit ist für den Menschen selbst geradezu gefährlich. Wer nach S.nuntergang in Feld oder Garten arbeitet, heißt es im Kreis Goldap, dem zerwühle der Maulwurf das Land®8).

41

Sonne

Andere Gegenden, wie Oldenburg und der Kreis Ohlau, meinen, daß in der Zeit Unholde auf den Feldern ihr Wesen trieben, denen man nimmermehr begegnen dürfe. Auf den Fluren des einer Wasserflut zum Opfer gefallenen Dorfes Wische im Kreise Ohlau, die heute zu Lichtenberg und Marinau geschlagen sind, geht nach S.nuntergang die weiße Wischer Frau (s. weiße Frau) ββ ) um. In Edewecht (Oldenburg) gibt es ein Stück Land, von dem man nach S.nuntergang kein Fuder Heu, und wenn auch zehn Pferde vorgespannt würden, herabbringen kann, wohl weil es in dieser Zeit behext ist 67 ). Folgerichtig hielt man also zu Erlte im Kreis Visbek darauf, daß nach S.nuntergang auch nicht gemäht wurde. Ein Bauer gebot einst, als beim Mähen die S. zu früh unterging, mit dem Mähen aufzuhören. Der Knecht hatte aber nur eine kleine Strecke noch zu mähen und erwiderte, fertig machen zu wollen, selbst wenn der Teufel vor dem Stücke stehe. Als nun die S. untergegangen war, rief plötzlich eine Stimme : „Ich will auch wohl mähen". Erst achtete der Knecht nicht darauf; als aber die Stimme mit einem Male näher kam und die andern sich davon machten, befiel auch den Knecht die Angst. Er warf seine Sense von sich und rief dem Wesen zu: „Dann mähe nur zu!" und lief spornstreichs nach Hause. Als sie am andern Morgen zu der Stelle kamen, war die Sense in lauter kleine Stücke zerbrochen, und aller Roggen, der noch auf dem Halme stand, war durch und durch zerschlagen, als wenn er verhagelt wäre 68 ). Schließlich sei noch auf einige rein z a u b e r i s c h e R i t e n und m a g i s c h e H e i l u n g e n vermittels der S. hingewiesen. Auch hier gilt der Grundsatz, daß man g e g e n die S. bösen Zauber verübt, den man m i t der S. wieder auflöst (Oldenburg) ββ). Die Seite des S.naufgangs aber ist günstig für gutartigen Zauber. Gegen Mäusefraß wehrt man sich, indem man vor dem Säen mit Andacht drei Vaterunser und Gegrüßt seist du, Maria betet 70 ) ; hernach muß man, den Rücken gegen die S. gekehrt, die ersten drei Würfe

42

gegen die Morgensonne über die rechte Schulter machen. Wollte man Gott und den Heiligen abschwören, so wandelte man, eine schwarze Henne unter den Armen tragend, dreimal um den Kirchhof gegen die S. 7 1 ); hier ist das Bündnis mit den Todesmächten deutlich als Grundlage des Ritus zu erkennen. Ein weiterer Zauberritus dient dazu, das Fahrzeug ganz zu erhalten. Man liest zuerst die Satorarepo-Formel (s. Sator), dann geht man dreimal ebenfalls wider die S. im Kreise herum und bekreuzigt sich mit dem 75. Verse aus Psalm 118 (der Vulgata) „Cognovi Domine, quia aequitas iudicia tua; in veritate tua humiliasti me" 72). Volksmedizinische Regeln sehen ähnlich aus. Leidet man am Ausschlag, so soll man vor S.nuntergang an ein fließendes Gewässer gehen, daraus stromabwärts mit einem Gefäße Wasser schöpfen und damit die kranken Stellen waschen. Doch muß man bei S.nuntergang schon wieder zurück sein w ). Auf die Gebete eines Kranken bei S.naufgang wird unten unter anderem Gesichtspunkt hingewiesen. In Mecklenburg trägt man Kranke bei S.naufgang unter einen Apfelbaum 74 ), bei den Deutschen in Pennsylvanien heilt man Husten dadurch, daß man zu diesem Zeitpunkt durch einen Brombeerstrauch durchkriecht 7S ) (s. Brombeere 2 in Bd. I, 1581, durchkriechen usw. II, 477). Kommt es hier wohl vor allem auf die Zeit an, so bezeichnen anderseits die Segen-Formeln die mit der S. verbundene Handlung des In-die-S.-Sehens als heilkräftig. So gibt man in Orsoy gegen das Schlucken den Rat: ,,gap över den dumm (Daumen), kik in de sonn" 7e). Wer eine Blatter im Auge hat, soll in Böhmen durch einen Seiher in die S. schauen 77) Der Blick in die S. heilt aber nicht nur, sondern verhindert unter Umständen, wie wir oben in anderm Zusammenhang erwähnten (Sp. 37), auch Krankheiten oder Entstellungen. Anderseits gibt es auch Vorschriften, den Anblick der S. zu meiden, wohl wegen der Erblindungsgefahr 78 ). Nicht nur Menschen mußten sich vor Schaden durch Blick in die S. hüten, sondern man schützte auch Sachen davor. So wird einmal erzählt, daß man.

43

Sonne

wenn eine K u h eben gekalbt hatte und das erste Mal gemolken wurde, geschwind eine Schürze über den Eimer warf, damit weder S. noch ein anderes Licht noch böse Menschenaugen sie treffen mögen '·). In Schwaben (Ertingen) soll man nicht in die S. sehen, man erblindet sonst; die S. ist nämlich Gottes Auge 80). Aber solche Anschauungen sind ganz selten belegt. Auch die rein zauberischen Riten, die mit der S. in Zusammenhang stehen, berücksichtigen zuweilen, wie die andern Vorschriften, deren wir oben gedachten, bestimmte Tage des Jahres, vor allem den Weihnachtstag. In einem smäländischen (Schweden) Zauberbuch wird eine Methode beschrieben, die einem Fischer einen zum Fischfang guten Faden zu erhalten verspricht. E r muß sich dazu während des Weihnachtsgottesdienstes, wenn der Priester predigt, mit dem Spinnrocken an den Herd setzen und dem Laufe der S. entgegenspinnen 81 ). Ferner wird aus Norwegen berichtet, daß ein Ehestandskandidat am Weihnachtsabend, wenn die Julgrütze gekocht ist, den Quirl nimmt und mit diesem dreimal um das Darrhaus, dem Lauf der S. entgegen, herumgeht. Der Umgang bezweckt, die künftige Ehegenossin zu sehen; sie soll auch wirklich aus der Tür des Hauses heraustreten und mit ihm sprechen 82). ») W u t t k e 13 § n . ») W u t t k e 169 § 227; weiteres Material Lammer t 143; vgl. Z V f V k . 15 (1905), 316. *) Z V f V k . 4 (1894), 404; vgl. Art. Johannes d. Täufer Sp. 726 f. Butteropfer in Norden Z V f V k . 8 (1898), 1427. 4 ) Urquell 3 (1892), 202. 6 ) J a h n Opfergebräuche 348. · ) ZfdMyth. 3, 176. ' ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 51; J o h n Westböhmen 233. Einst wurde wohl auch bei S.untergang, wie heute beim Abendläuten, ein A b e n d g e b e t (s. d.) verrichtet. Von den „Druisteinen" bei Weigsdorf in der Oberlausitz, vom Volke der „alte Götzentempel" genannt, wird überliefert, daß dort noch vor 200 Jahren Leute bei S.aufgang und -unterg. zu beten pflegten. ( P e u c k e r t Schlesien 14). Weiteres s. F i s c h e r Angelsachsen 42; V e r n a l e k e n Alpensagen 368. 8 ) ZfdMythol. 1,312; M a n n h a r d t G e r m . Mythen 366. — Das Märchen hängt in der angeführten Fassung eng mit dem von den sieben Raben zusammen (Grimm, K . u. H. Anhang). Die S. erscheint in ähnlicher Weise als Helferin im ,,Borstenkind" betitelten M ä r c h e n b e i H a l t r i c h Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen. ·) M ü l l e r Siebenbürgen 5 (Mundi, 10 ) Urquell aus Senndorf). 3 (1892), 202 u. Artikel M i t t a g sowie M i t t a g s g e s p e n s t .

44

) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 52; vgl. L i e b r e c h t Zur Volksk. 341 ; H a l t r i c h Siebenb. Sachs. 299. l ä ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 168. Die Sonne wird z. B. in Schwaben als Auge Gottes aufgefaßt. 13 ) G r i m m K.u.H.; vgl. H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 314; R o c h h o l z Glaube 1, 68. Ferner Art. M i t t a g s g e s p e n s t Sp. 414. 1 4 ) Oft belegt. Beispiele: L a i s t n e r Nebelsagen 223; F o g e l Pennsyl15) G r o h m a n n vania 231 Nr. 1189. Aberglaube 28 Nr. 145. 1 β ) J o h n Westböhmen 221 1 7 (233); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 54. ) Kühn a u Sagen 1, 589 f. l e ) Z V f V k . 5 (1895), 428. 1 *) S t r a c k e r j a n 1, 55; M a a c k Lübeck 99. 20 ) F i s c h e r Oststeierisches 114. 21) D r e c h s l e r Schlesien 1, 197. a2 ) Z V f V k . 25 (1915), 21. 25. I 3 ) Urquell 4 (1893), 90. " ) E b d . 117. «)Liebr e c h t Zur Volkskunde 315. 3 ·) Siehe Art. Joî7) hannes der Täufer Sp. 707. Rochholz Sagen 2, 51; vgl. S c h e l l Berg. Sagen 28 Nr. 24. î 8 ) M e i e r Schwaben 1, 116 Nr. 3; vgl. auch 28 ) Ebd. H a l t r i c h Siebenb. Sachs. 299. 1, 280 Nr. 2; vgl. auch L o s c h Balder 156 f.; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 299; Verwechslung mit Friedrich II. von Hohenstaufen ? 30 ) Z V f V k . 16 (1906), 179. 3 1 ) S t r a c k e r j a n 2, 103; vgl. K n u c h e l 19. 36. M ) R e i s e r Allgäu 2, 103; B i r l i n g e r Schwaben 2, 62; B r o n n e r Sitt' und ω) Art 87. B a r t s c h Mecklenburg 2, 44. 34 ) L i e b r e c h t Z. Volksk. 332. 3«) Z V f V k . 9 (1899), 229; K n o o p Hinterpommern 158: Bei S.nregen müssen die Kinder die Kopfbedeckung abnehmen, dann wachsen sie gut. 38) K n u c h e l 3 ' ) Ebd. 36. 38 ) S t r a c k e r j a n 2, 103. 19. 3Í) 40 ) J o h n Erzgebirge 249. Eberhardt Landwirtschaft 3, 3. 4 1 ) ZföVk. 13 (1907), 134. « ) SAVk. 24 (1922), 63; vgl. Urquell 3 (1892), 43 ) Z V f V k . 22 (Mohammedaner in Bosnien). 44 ) J o h n Westböhmen 233. 14 (1904), 132. 45 ) J o h n Erzgebirge 249. 4β ) S t r a c k e r j a n 2, 103. 47 ) W a i b e l u. F l a m m 2, 267; R e i s e r Allgäu ι , 254 ff.; G r i m m Myth. 2, 811. 48 ) „Feierabend hat der liebe Gott gemacht, Nachtarbeit hat der Teufel erdacht", Z V f V k . 5 4») W u t t k e (1895), 426. 397 § 610; J o h n Erzgebirge 36; B a r t s c h Mecklenburg 2, 198; Z V f V k 13 (1903), 99. 50 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 130. 5 1 ) Z V f V k . i l (1901), 264; vgl. W i t z s c h e l Thüringen 2, 79 Nr. 93. 6a ) Urquell ι (1890), 10. i s ) Ebd. 4 (1893), 170. 54 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 44. " ) Schulenb u r g Wend. Volkssage 233. ' · ) D r e c h s l e r 1, 57 205. ) Ebd. « ) W u t t k e 447 § 705; D r e c h s l e r 2, 253; G r o h m a n n 138 Nr. 1008. Vgl. G r i m m Myth. 3, 473 Nr. 1023 (nichts verkaufen). " ) Z V f V k . ι (1891), 178. ««) Urquell 2 (1891), 113. 8 1 ) D r e c h s l e r 2, 253. , a ) Ebd. 249. 83 ) Mitt. Anh. Gesch. 14, 21; vgl. auch 84 ) D r e c h s l e r 2, 254; Alemannia 24, 154. vgl. S é b i l l o t Folk-Lore ι, 136 f. « ) Urquell 1 (1890), 184. · · ) K ü h n a u Sagen 2, 213. « ) S t r a c k e r j a n 2, 22. ">) Ebd. «·) Ebd. 2, 7 103. °) H ü s e r Beitr. 2, 25. " ) ZVfVk. 3 (1893), 387. 72 ) Ebd. 13 (1903), 162. 7S ) Ebd. 7 (1897), 55. 74 ) W u t t k e 57 §64; meist voll11

45

46

Sonne

zieht man diese Zeremonien freilich nach Sonnenuntergang oder v o r Sonnenaufgang, s. d. ,5 ) Fogel Pennsylvania 294 Nr. 1555. 7β ) ZrhwVk. 1913, n o . " ) G r o h m a n n 174 Nr. 1237; vgl. Ganzlin Sachs. Zauberformeln 17 78 Nr. 19. ) Vgl. S e l i g m a n n Blick 1, 167. ' · ) ZVfVk. I i (1901), 329. 80 ) Vgl. Anm. 217. 81 ) K n u c h e l 74. 8 2 ) L i e b r e c h t Z. Volksk. 325, auch H ö f l e r Weihnacht 17.

3. Die S. in der Z u k u n f t s d e u t u n g . Wie am Mond (s. d.) hat man auch an der S. zukünftige Geschehnisse abgelesen. Die Weissagungen beziehen sich im allgemeinen auf das Wetter, eheliches Glück und Krieg. Sie berücksichtigen fast alle entweder bestimmte Tage des Jahres oder auffällige Erscheinungen an der S. Die lediglich aus dem S.nschein allein abgeleiteten Regeln sind selten. a) S.nschein. Wenn de sunne dorch den heidrôk schînt, het we lange gut wedder (Braunschweig)83). Brennt die S. nach Regen oder, wie man vielfach sagt, sticht die S., so gibt es noch mehr Regen 84 ); zieht die S. Wasser, so folgt der Regen in den nächsten Tagen (allgemein) 8δ). Regnet es bei S.nschein, so hat der Teufel seine Großmutter auf der Bleiche, verkloppt sein Weib u. ä. (siehe Regen § 1 ) ; auch heißt es, daß dann ein Schneider in den Himmel komme86 ). b) S.naufgang. Geht die S. in feuriger Morgenröte (s. d. im Nachtrag) auf, dann prophezeit man vor allem Regen und Wind 87 ). Auch wenn der S.nschein beim Aufgang bleich oder „gälstern" oder „geistern" ist, wird Regen und Wind kommen 88). Die bekannten Sprüche s. unter Morgenröte. Viele beobachteten auch das Hüpfen der S. an Ostermorgen im Spiegel des Wassers in einem Gefäß und lasen daraus allerlei Dinge, die im Laufe des Jahres geschehen würden (Schlesien) 89). c) S.nuntergang. Der schöne rote, klare und heitere Untergang der S. (s. Abendröte) ist immer ein Zeichen für schönes Wetter am folgenden Tag 80 ). Geht die S. indes zwischen den Wolken unter, durch die sie wie durch eine Lücke guckt, dann muß man auf Regen schließen, zuweilen auch auf ein Gewitter 91 ). In Mecklenburg sagt man bei diesem Untergang: die S. ,,geit in' 11

Sump" °2), vgl. den Vers Dei Siinn geit unnern Sump, Morgen regent plump 93 ).

Auch wenn die S. abends Wasser zieht, hat man für den folgenden Tag Regenwetter zu gewärtigen M ). — Ansichten wie die über kommendes Blutvergießen in der Welt, wenn die S. „ümmer in Blaud" untergeht, sind selten ausgesprochen, doch nicht unbekannt, wie Schillers Verse in der Kapuzinerpredigt (s. Abendröte I, 57) beweisen, d) S . n s t i l l s t a n d hingegen gilt in den Weissagungen ausgesprochen als Kriegszeichen. Den Reinerzer Bewohnern (Reinerz, Kr. Glatz) soll z. B. die S. durch einen stundenlangen Stillstand an einer Stelle die Kriegsgefahren vorauskündenes). So sah vor dem Kriege 1870/71 ein Mann dort zwischen zwei Pappeln des Friedhofs zwei Stunden lang um die Mittagszeit die S. stillestehen ; er war auf den kommenden Krieg gefaßt w ). Auch eine große Krankheit soll in Schlesien durch S.nstillstand angezeigt werden97), e) S.nschein am H o c h z e i t s t a g e ist von besonderer Bedeutung für das Glück in der Ehe 98 ). In Reichenbach (Vogtland) wird aus einem sonnigen, hellen Hochzeitstag eine glückliche Ehe gefolgert; andernfalls gibt es Streit (s. auch Regen) 9e ). Dasselbe glaubt man in Schlesien 10°). f) S.nschein in den J a h r e s z e i t e n dürfte wenig beachtet sein. Wer die S. im Winter „tanzen" sieht, weiß, daß eine große Kälte die Folge sein wird 101 ). In einer alten Kärntenschen Jägerpraktik (17. Jh.) wird empfohlen, den S.nuntergang im Sommer, vor allem aber im Anfang Herbst zu beobachten; klarer Himmel und schöner S.nuntergang bedeutet in dieser Zeit schönes Wetter am folgenden Tag 102 ), g) S.nschein an bestimmten Tagen des J a h r e s hat die meiste Beachtung gefunden. Günstig deutet man den S.nschein am Christtag (Ennstal)103) ; wenn am zweiten Weihnachtstag nachmittags die Bäume von der S. beschienen werden, so tragen sie im kommenden Jahr viele Früchte 104 ). Die am Neujahrstage rot aufgehende S. ist ein Kriegsvorzeichen 105) ; hier liegt vielleicht ein

47

Sonne

antiker Aberglaube vor (s. unten Sp. 48). In Ludwigslust (Mecklenburg) bedeutet S.nschein um den Altar am Neujahrstag ein gutes Flachsjähr 1 0 4 ); in Ostpreußen heißt es, ein gutes Flachsjahr komme schon dann, wenn die S. an Neujahr herauskomme 107 ). — S.nschein in den Zwölfen ist immer von Wichtigkeit gewesen. Im Erzgebirge und in Westböhmen bedeutet er am 1. Lostage ein gutes Jahr, am 2. Teuerung, am 3. Streit der Geistlichen, am 4. Kindesblattern, am 5. eine reiche Obsternte, am 6. Überfluß an Früchten jeder Art (Westböhmen, von Baumfrüchten insbesondere im Erzgebirge), am 7. eine gute Viehweide (Erzgebirge). Der 8. Lostag kündet durch seinen S.nschein viel Vögel und Fische in Westböhmen, der 9. im Erzgebirge den Kaufleuten gute Geschäfte. Der 10. bedeutet, daß gefährliche Gewitter kommen (Westböhmen) ; der 1 1 . bringt große Übel und Pest, der 12. endlich weiß von zukünftigem Blutvergießen und Krieg zu melden 108 ). Hier liegt ebenfalls alter Aberglaube vor, dessen Grundlage größtenteils oder ganz auf die Antike zurückgeht (s. Bauernpraktik). — S.nschein am Tage Mariae Lichtmeß (2. Febr.) wird unterschiedlich gewertet. Im Saterland folgert man daraus einen langen Nachwinter 108 ), ebenso in Schlesien, denn sonst fröre es noch sechs volle Wochen 110 ). In Oberbayern sagt man statt dessen, der Fuchs und Bär bleibe noch lange in den Höhlen, es gebe noch lange keinen Frühling, die Fruchtbarkeit des Jahres werde beeinträchtigt 1 1 1 ). In Schlesien sieht der Schäfer an diesem Tage deshalb lieber den Wolf kommen als die S., weil ihm bei S.nschein an Mariae Lichtmeß die Lämmer draufgehen würden 1 1 2 ). Diese Furcht vor dem S.nschein an Lichtmeß deckt sich mit der Freude über Sturm, Schnee und Tauwetter an diesem Tage (s. Lichtmeß V, 1269 f.). Regeln wie die, daß bei S.nschein am Lichtmeßtage der Flachs wohl geraten soll (Schlesien 113 ), Ostfriesland) oder ein gutes Bienenjahr zu erwarten sei, sind ungleich viel seltener (vgl. a. Lichtmeß V, 1270 f., wo noch weiteres Material über S.nschein am Licht-

48

meßtage verzeichnet ist). — Beachtet wird sodann der Fastnachtstag und der Aschermittwoch. Auch am Fastnachtstag deutet S.nschein auf ein gutes Geraten des Flachses 1 1 4 ). In Westböhmen macht man die frühe oder späte Leinaussaat vom S.nschein am Vormittag oder Nachmittag des Faschingsdienstags abhängig. Vormittägiger S.nschein erlaubt frühere Aussaat, nachmittägiger spätere 11S ). Vom Aschermittwoch hieß es im Mittelalter, sei die S. zu prüfen; erglänze diese des morgens schnell, so sei es gut, frühmorgens Lein zu säen 1 1 6 ). — Endlich darf es am S.nwendtag nicht regnen, weil es dann der Bäuerin in die Teigschüssel regne, d. h. das Korn nicht vom besten wird (Ennstal) 1 1 7 ). Eine gebildete Übertragung dieses Volksglaubens dürfte ein Ausspruch Napoleons sein. Als am 7. September 1 8 1 2 die S. an der Moskwa aufging, rief der Kaiser seinen Offizieren mit den Worten „Voilà le soleil d'Austerlitz" die siegreiche Schlacht von Austerlitz in die E r innerung zurück, den S.naufgang gleichsam als ein gutes Omen für die Schlacht bei Borodino nehmend 1 1 β ).

h) S.nhof. Wie beim Mond gibt es auch an der S. bestimmte Erscheinungen, deren Beobachtung ebenfalls für die Zukunft wichtig ist. In erster Linie ist unter diesen der S.nhof zu nennen. Nach elsässischem Volksglauben bringen S.nringe Erdbeben 11β ). Die Antike hat den S.nhof wie den Mondhof (Plinius n. h. 18, c. 78) vor allem zu Witterungsprognosen verwendet 12 °), und in der Tat gilt auch für unsere Gegenden, daß Regen die Folge eines (übrigens sehr selten zu sehenden) S.nhofes ist. i) Nebensonnen. Wenn man drei S.n am Himmel sieht, so gibt es Krieg (Schwaben). In Mecklenburg sagt man: Drögniss (Demern) 122 ). Aus den Größen- und Richtungsverhältnissen kann man den Schlachtensieger 121 ) erkennen. So wurde es 1 8 1 2 in Herbrechtingen in Schwaben bestätigt. Man erblickt diese drei S.n immer des Morgens beim Aufgang der S., wobei die eine stets' größer ist als die andere. Die größte ist das Urbild des Siegers. In Herbrechtingen stand kurz vor Napoleons Feldzug nach Rußland die größte S. nach Norden, wes-

49

Sonne

halb der Russe auch gesiegt habe. Auch dieser Aberglaube dürfte gelehrten Ursprungs sein 123 ). k) Endlich sei der T r ä u m e gedacht, die von S. und S.nschein handeln. In Rogasen weiß man zu erzählen, daß in der folgenden Nacht etwas abbrennt, wenn man von der S. geträumt hat 124 ). Bei den BukowinaRumänen heiratet ein Mädchen sicher einen Junggesellen, wenn es von S.nschein träumt; träumt sie vom Mond, so erhält es einen Witwer zum Mann 125 ).

83 ) A n d r e e Braunschweig 4 1 1 . 8 1 ) Z V f V k . 9 (1899), 22g. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 0 f.; A n d r e e Braunschweig 4 1 1 ; K ü c k Wetterglaube in. » ) Z V f V k . 24 (1914), 59; K ü c k Wetterglaube 1 1 7 . « ) Z V f V k . 9 (1899), 229. 8 8 ) Ebd. ; K ü c k Wetterglaube 1 1 0 . 8 9 ) D r e c h s l e r 1, 96. i0 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 208 f. 9 1 ) Z V f V k . 9 (1899), 229; B a r t s c h Mecklenburg 2, 208 f.; K ü c k Wetterglaube 1 1 7 ; D r e c h s l e r 2, 129. 92 ,3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 210. ) Ebd. 4 * ) M a n z Sargans 1 1 7 ; D r e c h s l e r 2, 129. • 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 198. 9 e ) K ü h n a u Sagen 3, 5 1 4 Nr. 1 9 1 9 . 9 7 ) D r e c h s l e r 2, 129 f. 98 ) J o h n Erzgebirge 249. " ) K ö h l e r Voigt10 land 439. ° ) D r e c h s l e r 1, 2 5 8 ; 2, 130. 101 ) Z V f V k . 9 (1899), 230. Man sagt auch „torkeln" (Welt u. Mensch [b. Barth Lpz.] 2. Folge (1926), S. 6). Die Deutung auf die Mitternachtssonne dürfte Zweifeln begegnen. loa ) ZföVk. 10 (1904), 53. 1 0 3 ) R e i t e r e r Enns101 talerisch 56. ) Z V f V k . 4 (1894), 3 1 2 . 105 ) ZfdMyth. 3, 3 2 ; D r e c h s l e r 2, 1 2 9 ; K r o n f e l d Krieg 147. 1 M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, l 8 242. 1 0 7 ) W u t t k e 196 § 264. ° ) J o h n Erzgebirge 1 5 0 ; Westböhmen 12. 1 0 9 ) S t r a c k e r j a n 110 2, 89. ) D r e c h s l e r 1, 53. ZVfVk. 15 (1905), 3 1 6 . 1 1 2 ) D r e c h s l e r i, 53. 1 1 3 ) a . a. O.; 114 vgl. Z V f V k . 9 (1899), 230. ) J o h n West115 11β böhmen 4 1 . ) Ebd. 195. ) ZVfVk. I i 117 (1901), 273. ) R e i t e r e r Ennstalerisch 56. 118 ) O. J ä g e r Geschichte des ig. Jh. 2 7 8 ; 118 K r o n f e l d Krieg 164. ) Elsäss. Mtschr. 1 (1910), 9 3 ; vgl. den Sonnenring, der Domitians Ermordung ankündigt bei P h i l o s t r a t . Vita 12 Apoll. V I I I 25. ° ) s. u. A n m . ; die antike Beobachtung dann bei M e g e n b e r g Buch d. Nat. 78. m ) W u t t k e 196 § 264. 1 2 2 ) B a r t s c h 123 Mecklenburg 2, 198. ) M e i e r Schwaben 1, 237 Nr. 2. 1 2 1 ) Rogas. Fam.-Blatt 2 (1898), 48. 125 ) ZföVk. 3 (1897), 2 1 .

4. S.nverehrung in v o r g e s c h i c h t licher und g e s c h i c h t l i c h e r Zeit auf deutschem Boden. Germanische Anschauungen. Alle die beschriebenen neueren Volksanschauungen über die als Lebewesen aufgefaßte S. und deren Handlungen sind kaum in einen inneren Zusammenhang zu bringen. Man darf weder

50

von ihnen insgesamt noch von einzelnen Regeln auf den Inhalt eines germanischen oder vorgermanischen S.nkultes schließen noch einen solchen aus ihnen überhaupt folgern, denn diesen Komplex des heutigen S.naberglaubens vermögen wir kaum bis ins 16. Jahrhundert zurückzuverfolgen, und das auch nur zu Teilen. Jeder Aberglaube ist außerdem nur verwertbar für die Zeit seiner Anerkennung. Auch von hier aus verbietet sich jeder Rückschluß. Anders ist es mit den noch heute geübten Bräuchen des Räderschiebens, Scheibenschlagens u. ä. an gewissen Tagen des Jahres, worin man wohl sicher einen alten S.nzauber, also eine kultische Handlung, zu erblicken hat (s. Frühlingsfeuer 172f.; Perdita 1484; Rad); Hinzutreten die noch verwendeten Anreden wie „Frau S.", die kaum anders als Gebetsrelikte zu deuten sind (s. u.). Von hier aus könnte man eher daran gehen zu fragen, inwieweit Zusammenhang zwischen einem alten S.nkult und den heutigen Vorstellungen denkbar ist. Aber man kommt zu keinem Ergebnis, und es will so scheinen, als ob vieles dem Leben oder falscher Analogie abgelauscht ist. Auch eine Ursache für die Zusammenhanglosigkeit der Vorstellungen. Eine kurze Skizze — (ohne Seitenblick auf die Inder, Griechen und Römer) — der in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit auf unserm Boden in der Jungsteinzeit und den folgenden Zeiten der Bronze und des Eisens getätigten S.nverehrung macht das noch deutlicher. Man wird so gut wie gar keine Beziehungen zwischen Einst und Jetzt außer den genannten finden. Ausgangspunkt einer Erörterung der alten germanischen und vorgermanischen S.nverehrung in Deutschland muß immer Caesars Notiz VI, 21 bleiben. Er berichtet, daß die Germanen, an sich religiösen Bräuchen nicht sehr zugetan 12e ), neben Mond und Feuer der S. göttliche Verehrung erwiesen hätten (Grimm, Myth. 2, 5 8 7 ! ) . Diesem Hinweis auf S.nkult bei den Germanen des 1. vorchristlichen Jh.

5i

Sonne

treten als weitere Quellen zur Seite 1 . Nordische Epen; 2. die Bodenfunde. Unter den letzteren sind die wichtigsten die S.nschiffe, Kultbeile mit S.nstrahlenkranz, S.nscheiben darstellende Grabbeigaben, der Kultwagen von Trundholm und wohl S.nscheiben symbolisierende Felsritzungen auf Felszeichnungen des Nordens 127 ). Diese Funde umspannen die Zeit rückwärts bis ins Neolithikum; sie bestätigen Caesars Notiz schlagend, aber sie sind schwer zu deuten. So viel wird man aber wohl sagen dürfen, daß sie uns lehren, daß man keiner anthropomorphen Auffassung der S. in den kultischen Gegenständen Ausdruck verliehen hat, also auch wohl eine anthropomorphe S.nauffassung in der Religion nicht kannte. Der S.nwagen von Trundholm scheint in der Tat entweder einen S.nschild zu tragen, der die heißen Strahlen abwehrt 128 ), oder dieser ist ein Abbild der S., das man auf die Felder hinausfuhr, um es zum Vorbildzauber zu verwenden, indem das aufs Feld „scheinende" Bild die erbetene Wirkung vorwegnahm 129 ). Letztere Auffassung kann sich auf religionsgeschichtliche Parallelen, erstere auf eine Eddastelle stützen. Die Edda erwähnt die S. nicht häufig. Für uns ist in diesem Zusammenhang die Stelle wichtig, an der sie als Schild des S.nwesens bezeichnet wird 130 ). Im Gegensatz zu den kultischen Denkmälern aber erscheint die S. in der alten Dichtung auch anthropomorph. Bei der Schilderung des Weltuntergangs wird berichtet, daß die S., die bei dieser Katastrophe durch den Fenrirwolf verschlungen wird, vorher eine Tochter zur Welt bringe, die hemach in einer neuen Welt an ihre Stelle trete 131 ). Ein andermal ist die S. die Tochter eines Mannes namens Manditfari, die zur Strafe für eine überhebliche Handlung ihres Vaters von den Göttern bestimmt wird, die Rosse der S. zu lenken, die die Götter erschaffen haben 132 ). Der Hinweis ist wichtig wegen der Vorstellung, daß der S.nwagen am Himmel von zwei Rossen — sie heißen Allbehend und Frühwacht 13S ) — gezogen wird. Denn das Kultbild von Trundholm zieht ebenfalls

52

ein Pferd, das wohl einst für den Gottesdienst ebenso bevorzugt wurde 134 ), wie später bei den Germanen 138 ). Schließlich weiß man zu erzählen, daß Weltende und Vernichtung der S. zusammenhängen ; man ist sich also der Wichtigkeit der S. durchaus bewußt gewesen 13e ). Ein letztes Bild schildert, wie die S. auf ihrem Tageslauf von zwei Wölfen, Trug und Hasser, begleitet wird 137 ). Man hat immer schon versucht, diesen Vorgang mit der Erscheinung der Nebens. zu erklären 138 ) ; mir erscheint das unwahrscheinlich. Es ist den Namen nach zu schließen, doch vielleicht eher an die ständige Bedrohung des S.nwesens durch zwei böse Feinde des Lebens zu denken; der Mensch hat hier einfach seinen Erlebnisbereich zu dem eines himmlischen Wesens gemacht 139 ). Auch ist sehr fraglich, ob sich Snorris Bericht über die Verschlingung der S. durch den Wolk Skoll, des Mondes durch Managarm aus dieser Vorstellung entwickelt hat oder Erzeugnis einer späteren Zeit ist 140 ). Die Tatsache der Verschlingung selbst ist aber wichtig, weil ihr Sinn, Vernichtung des Gestirns und Weltuntergang, im Finsternisaberglauben wohl immer noch nachlebt (s. Finsternisse); hier läge also ein altes Relikt vor. Erwähnt sei noch, daß in einem der Merseburger Zaubersprüche die S. unter bekannten germanischen Gottheiten erscheint (Braune, Alth. Leseb. X X X I b). Alles andere, was man gelegentlich mit diesem germanischen S.nkult in Zusammenhang brachte, wie die Kenntnis des S.njahrs und der Zwölfnächteglauben, wird in Deutschland und im Norden den christlichen Zeiten verdankt 141 ). Auf die neuerlich sehr energisch verfochtene Einführung dieses frühgeschichtlichen S.nglaubens in Deutschland und im Norden durch „die von den asiatischen Steppen eingewanderten Indogermanen" 142 ) gehe ich bei dem Gegensatz der Meinungen nicht ein. Seit dem 1 . Jh. v. Chr. liegen sporadisch meist literarische Zeugnisse von S.nverehrung auf deutschem Boden bis ins 17. Jh. vor. Aber über den Inhalt der Vorstellungen und über den Zusammen-

Sonne

53

hang dieser Verehrung mit der früh- und vorgermanischen läßt sich nichts aussagen, wenngleich ich keine entscheidenden Gegengründe gegen eine solche Annahme, wenigstens

f ü r die b i s z u m

11./12.

Jh.

gepflogene S.nverehrung wüßte und derS.nradzauber für die Kontinuität spricht 143 ). Sieht man von einer Jupiter-Gigantensäule ab, auf der Jupiter ein S.nrad führend reitet 1 4 4 ), so ist das nächste, freilich mir doch recht schwach erscheinende Zeugnis der Gestirnanruf eines Germanen, den Tacitus erwähnt 1 4 S ) : Bei Verhandlungen über die Besitzergreifung eines strittigen Gebietes am Niederrhein, habe der Germanenfürst mit einem Blick von unten zur S. 14e ) und unter Anrufung der übrigen Gestirne die Frage an diese gestellt, ob sie menschleeren Boden sehen wollten ? Das Meer solle die Räuber verschlingen. Prokop schildert eine S.nfeier auf der Insel „Thüle" bei den dorthin ausgewanderten germanischen Herulern 147 ). Die Begrüßungsfeier des wiedererscheinenden Gestirns erinnert in der Tat sehr stark an die norwegische Feier dieses Ereignisses in Helgeland 148 ) ; sie hängt mit der Fruchtbarkeit des Jahres zusammen. Einen ähnlichen Sinn hat wohl auch die bei uns übliche Erwartung des österlichen S.naufganges. Man feiert die Auferstehung der Natur und die beginnende Feldfruchtbarkeit. Eligius wendet sich im 7. Jh. mit einer Predigt gegen die Gebete an den „dominus Sol" und verbietet das Schwören bei ihm 1 4 e ) ; das Schwören beim S.nlicht bezeugt auch Saxo 1S0 ). Die Eligiusstelle ist ferner wichtig, weil sie von dem d o m i n u s Sol spricht. Der Indiculus erwähnt die S.nfeiern unter den heidnischen Bräuchen nicht, wohl aber Hilfe bei Mondfinsternis 161 ). In einer freilich für England erlassenen Verordnung Knuds vom J. 1032 wird als heidnisch definiert „die göttliche Verehrung von Götterbildern wie der S. und des Mondes" 152 ). Und noch 1405 berichtet Nikolaus Magni de Jawer er habe eine alte Frau gekannt, die die S. für eine Göttin gehalten habe, und fast das Gleiche erzählt der etwa 50 Jahre jüngere Prediger Gottschalk Hollen 153 ).

54

Für die Zeit um 1404 wird üppige Blüte eines S.nkultus im Waadtland behauptet 1 M ). Man vergleiche dazu die Verse aus Hans Vintlers „Pluemen der Tugent": Und etlich leut hond die tick Das sy den teiifiel petten an, Sterne, sonnen und auch den man 1 5 8 ).

Dann hört man wieder im Jahre 1646 von einem Menschen, der S. und Mond mit abergläubischen Worten anredet und Zeremonien dabei macht statt den Sonntag zu heiligen 15e ). Bei den Zeugnissen nach dem 10. Jh. (vielleicht das über die S.nverehrung im Waadtland ausgenommen) muß man daran denken, daß die bezeugte S.nverehrung auch eine Folge der Bekanntschaft mit den Ansichten über die dämonische Natur der Planeten (s. d. Sp. 263ff.) und deren religiöser Verehrung sein kann, die über Spanien und Frankreich aus dem arabischen Kulturkreis bekannt geworden war. Erwähnt sei schließlich doch auch noch die anscheinend im MA. vollzogene Angleichung der S. an Jungfrau Maria, über deren Verbreitung mir freilich nichts bekannt ist. Unter bestimmten Bedingungen könnte man eine Art Verehrung der Maria als Fortsetzung des S.nkultus ansprechen. Konrad von Megenberg vollzieht nämlich eine Gleichsetzung der 15 Eigenschaften der S. mit der entsprechenden Zahl bei Maria. Zu dem 1. Satz, die S. strahle in eigenem Licht, lautet die Parallele „Unsere Frau erstrahlt im eigenen Glänze aller Tugenden, aller Reinheit und aller Seligkeit" 167 ). Die Identifizierung erfolgt auf Grund von Salomos Hohem Lied 6, 9. Doch handelt es sich an der Stelle nicht nur um gelehrte Allegorie. Man vergleiche die Bezeichnung „Mariken" (s. u. Sp. 57) und die Beziehung zwischen der S. und dem Marienkäfer (s. Marienkäfer, V i6g6f. 1693). 12β ) Vgl. N e e k e l Kultur d. alten Germanen (in Handb. d. Kulturgeschichte) 178f. 1«) Ernst W a h l e Deutsche Vorzeit 87. 74. 143. 158t.; N e c k e l a. a. O. 118. 179. Auch K . S c h u m a c h e r Siedlungs- u. Kulturgeschichte d. Rheinlande 1 , 1 1 7 . m ) s . N e c k e l a. a. O. 179. l l , ) V g l . E. F e h r i e s Ausgabe der Germania des Tacitus (1929) 105. 130 ) Grimnirlied 31 (Thüle 2, 83); dazu ein althochdeutscher Vergleich bei Notker,

Sonne

55 Myth. 2, 585.

131

56

wurde noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts das Wort „Sonnenochse" (Thüle 20, 58). 1 ) Grimnirlied 30. ) Vgl. gebraucht; in ihm muß ebenfalls irgendE . W a h l e Deutsche Vorzeit 74. 13S ) T a c i t u s German. 10, 4. 13e ) Voluspá 44 (Thüle 2, 42); eine alte mythische Personifizierung ent137 G r i m m Mythol. 2, 588! ) Grimnirlied halten sein. Im Gespräch über das heiße 8 (Thüle 2, 83). i' ) Thüle 2, 83 Kommentar Juliwetter äußerte am Anfang der 80 er zur Stelle; L i e b r e c h t Volksk. 368 Α.; Welt Jahre ein kleiner Bauer oder Knecht in und Mensch (Barth 1926) 2. Folge V 9. 1 3 ') So Neckel Kultur der alten Germanen 1740. der Nähe von Grimma i. Sa.: „Aber heite 140 ) G r i m m Mythol. 1, 202f. ( T h ü l e 20, 1 1 0 ) ; meents der Sonnenochse gut". Dasselbe N e c k e l a. a. O. 141 ) E . W a h l e Deutsche VorWort war bei den Zöglingen der Fürsten14a zeit 87. — Art. J a h r Sp. 594. ) E. W a h l e schule St. Augustin zu Grimma (nicht a. a. O. 95. 159. 143 ) Vgl. M e i n c k Uber die Verehrung der S. bei den Germanen i n „ F e s t bei den Bürgern der Stadt, wie ausdrückschrift z. 600 jährigen Bestehen Gymnas. Lieglich mitgeteilt wird) bekannt. Störte nitz 1909" S. 31; s. auch ZVfVk. 3 (1893) beim Arbeiten die S. die Schüler in den 349Í., v g l . 4 (1894), 197. 1 4 4 ) K . S c h u m a c h e r Studiersälen, pflegte der Ältere zu einem Siedlungsu. Kulturgeschichte ¿1er Rheinlande 2, 302. 146 ) Anm. 13, 55. 1 4 β ) Solem suspiciens. der ihm unterstellten jüngeren Schüler Das Wort suspiciens auch German. 10, 2. zu sagen: „Sperre mal den Sonnenochsen (caelum suspiciens): es ist die Haltung nach raus" ; auf diese Aufforderung mußten die dem Gebet vor dem Aufheben der Losstäbchen Vorhänge des Studiersaales zugezogen gemeint; in der Tat auffällig. 147 ) De bello Gothico 2, 15; P a u l y - W i s s o w a s. v. H e r k u l e s werden 15e ). Sp. n 6 o f . 14β ) Welt u. Mensch 2. Folge, V, 6. Sodann geht auf alte Wurzeln der 14 ») G o l t h e r Germ. Mythol. 487; M i g n e PL. Glaube an die die Wahrheit der einen 87, Sp. 528 D; auch bei G r i m m Myth. 3, 402. 15 Sachverhalt offenbarenden Kraft des Ge°) S a x o p. 214. Ferner s. G r i m m Myth. 2, 587, doch gehört die Tacitusstelle nicht hierstirns zurück; die S. sieht mit ihren überher. 151 ) G r i m m Myth. 2, 403; vgl. auch allhin gelangenden Strahlen alles 1β0 ) ; die 15a S a u p e Indiculus 20. ) Z V f V k 23 ( 1 9 1 3 ) , orientalischen Völker des Altertums, die 113. " 3 ) ZVfVk. 19 (1909), 145f. 154 ) SAVk. derselben Anschauung gehuldigt haben, 21 (1917) 8 7 s . ; vgl. auch die im 15. Jh. noch bezeugte Feier des Frühlingssonnenaufgangs in führte dies zu der Bezeichnung „Sonne 5 Genf, s. Art. Frühlingsfeste 165. « ) ZVfVk. der Gerechtigkeit" 1β1 ). Auf dem Schloß23 (1913), 6 Vers 7773—75· 15β ) Ebd. "») berg bei Possenheim lebte ein Bauer, der M e g e n b e r g Buch d. Natur 4 5 f . einem Juden Geld schuldig war, aber die 5. D i e v o l k s t ü m l i c h e n V o r s t e l Schuld, obgleich oft gemahnt, nicht zul u n g e n v o m W e s e n der S. a) Die rückbezahlte. An einem Sonntag ging S. a l s l e b e n d e s W e s e n g ö t t l i c h e r der Jude morgens auf den Schloßberg, N a t u r . Mannigfache Vorstellungen über mahnte und drohte, den Bauer bei Gedas Wesen der S. gehen noch heute im richt zu verklagen. Dieser geriet in Zorn Volke um. Man knüpft seine Gedanken und ermordete den Juden bei heller S. an ihre Tätigkeit, ihre Bewegung und an Der Sterbende sprach: „Wenn kein Mensch für die Fruchtbarkeit des Feldes wichtige deine Tat sieht, so muß die S. dich verTage. Das meiste erscheint christlich oder raten". Und so geschah's. Denn jedesmal, christianisiert. Zu den wenigen heid- wenn der Bauer den S.nschein in seiner nischen Resten muß außer der A n r e d e Schlafkammer sah, mußte er lachen. Sein „Frau Sonne" die Bezeichnung Jungfer Weib drang darob in ihn, bis er alles ergehören, die im Harz bei der Feier des zählte. In einem ehelichen Streit rief 23. Juni zu hören war (und ist?). Die ihm seine Frau zu, ob er es ihr auch wie Mädchen drehen mit bunten Eiern und dem Juden machen wolle, den er umBlumen geschmückte Tannenbäume, um gebracht und in einen Brunnen gewordie sie tanzen, von der Linken zur Rechten fen habe ? Umstehende hörten diese (sonnenläufig, s. o.) um und singen da- Worte. Man zeigte den Bauer bei Gericht bei: „Die Jungfer hat sich umgedreht an. Er selbst ward flüchtig und gestand so. usw.", worin Mannhardt eine Anspielung Die S. hatte es verraten 1β2). Dieser Sagen auf die S.nwende erkannte 158 ). Ferner gibt es eine ganze Menge. Die bekannten Grimm

4—47 ( T h ü l e 2,93). 33

132

) Wafthrudnirlied

) G y l f a g i n n i n g c . 11 134

57

Sonne

Aussprüche „die S. bringt es an den Tag" oder „ E s ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch ans Licht der S.n" gehören hierher. Wie alt die bekannten Bezeichnungen die 'alte Mutter' 1β3 ) (de ollsch, de oll madam, mudder gläunig), Mariken (s. o. Sp. 54), die liebe S., die frohe, liebe gnädige Frau S. sind, wird nicht ganz leicht zu ermitteln sein 1 M ). Dieselben sind dazu zu naheliegend. „Frau S." weist aber doch wohl auf alte kultische Verehrung185). Der S.n lauf hat die Gemüter viel beschäftigt. Wolken, die neben der S. goldene Ränder zeigen, bezeichnet man als die Taschentücher der S., mit denen sie sich den Schweiß abwasche 1ββ ). Geht sie unter, so sagt man in Oldenburg ,,se kruppt int Nest" oder „se geiht to Rüste" 1β7 ). Eine alte Wendung ist „die S. geht zu Golde" im Hinblick auf die goldenen Strahlenbüschel, die sie bei ihrem Untergang aussendet 1M ) ; bei den Böhmen (Oord) wurde daraus mißverstanden, daß die S. zu Gott gehe („De Sunne giht zo Goute"); auch hört man in Norden, sie gehe zu Walde 17°). Die blutrote Farbe, die man bei manchen S.nuntergängen wahrnehmen kann 169 ), rührt von den blutigen Tränen her, die die S. dann bei ihrem Untergang weint (Oberpfalz)171). Geht die S. nach rechts unter der Erde durch, badet sie sich in einem großen See (sie „geht zu b a d e " ) i n ) , geht sie verkehrt auf, so bedeutet das ebenso das Weltende 173 ) wie ihre ständige Verfinsterung (s. Finsternisse Sp. 1514ft.). Auf ihrer täglichen Nachtreise unter der Erde kommt sie zu den Zwergen ; bei ihnen soll die S. um Mitternacht, auch um 12 Uhr nachts aufgehen: ein mehrfach belegtes Motiv deutscher Volkssage 174 ). In den „Zwölfen", nach anderen auch zur Zeit der Sommersonnenwende und an den beiden Tag- und Nachtgleichen soll die S. gar stille stehen 17S ). Diese Vorstellungen haben zur Entwicklung von allerlei Bräuchen, die Zukunftsforschung zum Inhalt haben, geführt (s. die Anm. 103 ff. 17 ®) ; sie gehören zu den S.nwendfeiern. In Oldenburg glaubt man, daß mit dem Dreikönigstag die S. wieder vorrücke 177 ),

58

was wohl mit der Möglichkeit, die bereits wieder länger werdenden Tage wahrzunehmen, zusammenhängt. Die christlichen Zeiten kennen den Glauben an die Beziehungen der S. zum S o n n a b e n d , d. h. Samstag. Die Überlieferung ist aber nicht einheitlich. Ganz allgemein heißt es, daß die S. an allen Samstagen scheinen müsse 178 ), in Schwaben nimmt man drei dunkle Samstage aus 179 ) ; letzteres habe sich die Mutter Gottes ausgebeten 18°). Manche wissen dies dahingehend zu ergänzen, daß Maria an dem Tage ihren Schleier 181 ) oder auch ihr Hemd 182 ) oder die Windeln des Christkinds trocknen wolle 183 ). Es genügt unter Umständen der S.nschein eines Augenblicks 184 ). Schlesien, Sachsen und die Oberpfalz glauben zu wissen, daß Maria dies vor allem am Ostersamstag18S) tue. Andere Gegenden wiederum behaupten dasselbe von den Sonntagen 18e ). In der bezeichneten Tätigkeit ist vielleicht irgend ein Zug der alten Holle auf Maria übergegangen (s. Perchta, VI 1483) ; der Samstag ist schon seit Bonifacius ein Marientag, wird aber oder wurde in Mitteldeutschland noch als Hollen- oder Hullentag bezeichnet 187 ). Ist der S.nschein an diesem Tag eine Huldigung an die göttliche Gestalt Marias? Beziehungen der S. zu den c h r i s t lichen F e s t e n sind ähnlicher Art. So nimmt sie in Schwaben an der Trauer um Christi Tod am Karfreitag bis mittags 3 Uhr teil 188 ), was auf die biblische Darstellung der S.nfinsternis bei Christi Tod (Math. 27, 46) zurückzuführen ist. An dem die Natur und die Menschen beglückenden Jubel des Osterfestes denkt man sie sich allenthalben beteiligt. Überall weiß man von den drei Sprüngen zu erzählen, die die S. beim Aufgang an diesem Tag mache 18e ) aus Jubel über die Auferstehung des Herrn 1β0). Man hat für diese Erscheinung die verschiedensten Ausdrücke. Im ehemaligen österr. Schlesien spricht man vom „Sonnehoppen" 191 ), in Westböhmen von den „Hupfa" (Sprüngen) m ) der S., in Hinterpommern heißt dies „Osterlammspringen" l93 ). Manche Gegenden wissen zu berichten, daß

59

Sonne

man ein Osterlamm sehen könne 1 ® 4 ), wenn man am Ostermorgen bei S.naufgang durch ein Papier mit nadeldünnem Loch nach der S. schaue 195 ) oder diese sich in einem Kübel Wasser spiegeln lasse. Andere erzählen von der Erscheinung eines weißen Lammes bei S.naufgang, eines blauen bei S.nuntergang197). Die Sprünge kann man in Mecklenburg beobachten, wenn man zur gleichen Zeit186) durch einen Zaun schaut 198 ). Man glaubt an die Sache selbst so fest, daß man ebenda denjenigen für behext erklärt, der es nicht erkennen kann 199). Ganze Dörfer in Österreich, Schwaben und sonst ziehen am Vorabend hinaus auf einen Hügel, um dort auf den S.naufgang des Ostertages und die drei Sprünge zu warten 20°). In Schlesien besucht der fromme Christ die Auferstehungsfeier, die zuweilen vor S.naufgang begangen wird 201). Vgl. auch Ostersonne. In diesen Bräuchen erscheinen zwei Dinge miteinander vermischt. Einmal steckt in diesem Tun die Erinnerung an Fruchtbarkeitsfeste im Frühling, an denen die S. eine besondere Bedeutung hatte. Ferner die Freude der Menschen an der Auferstehung Christi, dem Bringer des Heils. Die S., ursprünglich selbst vielleicht Gegenstand der Verehrung in diesen Tagen, tritt nun unter der diesen Tag preisenden Kreatur auf. Merkwürdig ist die nur aus Westböhmen (Schüttarschen) belegte Ansicht, daß in Verbindung mit den drei Freudensprüngen die S. Gift über die ganze Welt speie. Man müsse sich dagegen vorsehen und vor S.naufgang die Füße mit Flußwasser waschen 202). Letzteres versteht man aus bestimmten volksmedizinischen Ansichten, die mit der S. zusammenhängen und von denen eine behauptet, daß Flußwasser am Ostersonntag vor S.naufgang geschöpft — junge Mädchen sollen das tun — besondere Heilkraft besitze (s. Osterwasser). Aber was soll das Giftspeien ? Die drei Freudensprünge macht die S. aber nicht nur an Ostern. Andere Gegenden glauben vielmehr, daß dies am Himmelfahrtstage (Aargau203), Tübingen, Mös-



singen, Pfullingen, Reutlingen204), Endingen b. Balingen 205)) geschehe; auch dort zieht man dann auf in der Nähe gelegene Berge, um das Schauspiel zu sehen. Dabei werden auch einmal zwei Sprünge 206 ), ein anderes Mal drei Sätze genannt, mit denen die S. aufgehe 207). Zum Pfingstsonntag berichtet Vernaleken von einem Zug auf den Berg der Umgebung zur Betrachtung des S.nhüpfens **) ; in Schwaben (Ulm) wiederum feiert man so den S.naufgang am Johannistag 209 ). Schließlich weiß man aus Rotenburg a. N., daß in der Christnacht die S. zwei Freudensprünge macht 210 ). Interessant ist, was einmal über die S. am Dreifaltigkeitstage berichtet wird. Danach soll man an ihm drei S.n sehen, die als Sinnbild Gott Vaters, Sohnes und des Hl. Geistes erklärt werden 211 ). Das geht wohl auf eine einmal beobachtete Nebensonnenerscheinung an diesem Tag zurück. Gänzlich anderer Überlieferung wird eine badische Ansicht verdankt, daß die S. am Ostertage viel roter und blutiger aufstehe als sonst 212 ). Uber S. und Mond als Geschwister vgl. Grimm, Mythol. 2, 586, als Ehegatten Art. F i n s t e r n i s s e 1513. b) Zeugnisse dinglicher A u f f a s sung der Sonne. Neben der S. als Person kennt das Märchen der Deutschen auch eine dingliche Auffassung vom Wesen der S. Sie hat das deutsche Märchen mit den Märchen vieler anderer Völker gemein 213 ). So werden die alten, am Abend verbrauchten S.n dazu verwendet, das Heer der Sterne zu vermehren 214 ). Man zerspellt sie und befestigt die kleinen Splitter am Himmel. Dies Zerspellen besorgen im Auftrag des lieben Gottes alte Jungfern nach ihrem Tode; die Junggesellen müssen im Osten die neuen Sterne an den Himmel hinaufblasen (Sylt) 215 ). Nach anderer Anschauung schmieden die Zwerge die Sonne stets neu 216 ). Eine Siebenbürger Sage erzählt, daß nach der Erschaffung der Welt, weil es noch so dunkel war, Gott in seinem Palast ein Lichtgewand genommen und aus ihm zwei große Scheiben geschnitten habe,



Sonne

von denen die eine zur Erleuchtung des Tages, die andere zur Erleuchtung der Nacht bestimmt sei. Den übrigen Rand zerschnitt er, um daraus die Sterne zu machen, in lauter ganz kleine Fetzen. Andere erzählen diese Sage so : Unser Herr nahm, als er der Welt das Licht bringen wollte, aus seinem Himmelspalast eine große Schale von Goldkristall. Den runden Boden dieser teilte er und machte die größere und glanzvollere Hälfte zur Tageslampe, die untere, etwas abgenutzte zur Nachtlampe. In wieder einer anderen Fassung erscheint die S. als die von Gott aus dem Kristallhimmel herausgehängte goldene Lampe 217 ). Einem schwäbischen Volksglauben zufolge schaut der Herrgott durch die S. auf die Welt herab, sie ist also sein Auge; daher wird derjenige blind, der sich erfrecht, in die S. zu schauen 218 ). Diese Auffassung steht der von der heilenden Wirkung eines Blickes in die S. diametral gegenüber, ein schlagendes Beispiel für das beziehungslose Nebeneinander solcher Volksanschauungen, die ganz verschiedenen Quellen und Empfindungen entstammen und doch nebeneinander im Denken und Fühlen Raum haben. Nach einem nordischen Märchen wurden S., Mond und ein Stern allein in je einer Kammer des Hauses aufgehoben, wo die Jungfrau Maria wohnt, bis zu größtem Schmerz Marias ein Pflegekind aus Neugierde die S. entschlüpfen ließ 219 ). Die Gestirne sind also auch hier wohl dinglich aufgefaßt; es ist das bei dem naheliegenden Vergleich mit einem Ball, einer goldenen Kugel oder einem Rad auch ganz verständlich und wird durch viele Märchen der Primitiven bestätigt 220). Schließlich sei noch einer Sage aus Dithmarschen gedacht. Sie schildert den S.naufgang und -Untergang. Hinter Büsum ist nämlich die Welt mit Brettern zugenagelt. Da sitzt am äußersten Ende ein Riese, der hat die S. an einem Tau und windet sie jeden Morgen in die Höhe und am Abend herunter. Nach einer anderen Version besorgen das S.naufgang- und -Untergang Machen die Büsumer selbst, weil sie die S. in ihrem Kirchtum an einem Seil

62

haben, das sie morgens hochziehen und abends wieder herunterlassen 221 ). c) Sonne und Mond in der E n t rückungssage. Eine Mischung der beiden beschriebenen Vorstellungen des Volkes von der S. dürfte in der Sage von der Frau in der S. vorliegen. Ihr Inhalt ist folgender: Es ist gefährlich, am Sonnabend zu spinnen 222). Manche sagen sogar, es sei sündlich. Wer es tut, wird in die S. versetzt. Hier muß er auf ewig fortspinnen, wie jene gottlose Frau, die diese Strafe erlitt, weil sie einst einen ganzen Winter auch an den Sonnabenden fortspann. Auch die Feiertage darf man bei gleicher Strafe nicht durch Spinnen entheiligen. Wenn die Frauen und Mädchen vom Osterwasserholen heimkommen, dann können sie die Gottlose ganz deutlich in der S. sitzen und spinnen sehen 223). Die Sage tritt oft in Verbindung mit der parallelen Sage vom Mann im Mond auf (s. Mond Sp. 510f.). Letztere hat aber zu größerer Variierung gereizt. Ein schwäbischer Spruch verbindet beide Begebenheiten : Haun is daun Haun i g'sponne

so komm i in maun. so komm i in d'sonne 224 ).

Die Vorstellung eines Wesens in der S. dürfte durch die S.nflecken und die Unrecht und Beleidigung strafende Gewalt des Gestirns (vgl. o. Sp. 34) nahegelegt worden sein, nicht anders als beim Mond. 15S 1B ) M a n n h a r d t i, 1 8 1 f. ») Z V f V k . 1 (1891), 4 4 3 ; vgl. M a n n h a r d t Germ. Mythen 1β0 4off. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 5 2 ; B o l t e - P o l i v k a 2, 5 3 1 ; vgl. S t r a c k e r j a n 2, 161 104. ) F . J . D ö l g e r Die Sonne der Gerechtigkeit u. d. Schwarze ( = Liturgiegeschichtliche Forschungen H. 2), 83 ff. Vgl. M a l e a c h i 3, 20. 1 β 2 ) P a n z e r Beitrag 2, 2 3 ff. 1 β 3 ) Z V f V k . 1 (1891), 75 f.; G r i m m Myth. 3, 4 1 4 ; M a n n h a r d t 184 Germ. Mythen 287 f. 664 3 . ) ZVfVk. 5 (1895), 424; J o h n Westböhmen 2 3 3 ; Z V f V k . 9 (1899), 229; W u t t k e 1 3 § Ii. 166 ) Siehe Art. Herr, Frau 3, 1792 f. u. G r i m m Myth. 2, 587. 1ββ ) Z V f V k . 9 (1899), 229. 1 β 7 ) S t r a c k e r j a n 2, 104; vgl. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 53 Nr. 3. 1ββ ) G r i m m Myth. 2, 6 1 8 ; D r e c h s l e r 2, 130. ™») G r o h m a n n 28 Nr. 144. « » ) G. N e c k e l Kultur d. alten Germanen 1 7 3 u.; vgl. dazu Grimnismál 32 ; G r i m m Myth.i,619. m ) S c h ö n 172 w e r t h Oberpfalz 2, 59 Nr. 2. ) K u h n u. S c h w a r z 455 Nr. 4 1 6 ; G r i m m Myth. 2, 619. 1,s ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 330. 1 7 4 ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 1 2 6 Nr. 1 4 7 ; E c k a r t Süd-

63

Sonne

Hann. Sagen 8; R a n k e Volkssagen 141 f. 1 , 5 ) Egerl. 3 (1899), 59; J o h n Westböhmen 233; vgl. N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 67. " · ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 423. Die Deutung der Bräuche erscheint mir ζ. T. zweifelhaft. 1 7 7 ) S t r a c k e r j a n 2, 103. 1 7 8 ) Ebd. 2, 104; vgl. L i e b r e c h t Zur Volksk. 341 (Sardinien u. 179) Sizilien). B i r l i n g e r Volkst. 1, 473. 1H) Drechsler ™°) Ebd. ι , 401. i, 93. 182) S t r a c k e r j a n 2, 28 Nr. 288; K u h n u. 1 8 3 S c h w a r z 458. ) W u t t k e 61 § 72. » ^ B i r l i n g e r Volkst. ι , 189; M e i e r Schwaben 1, 237 Nr. 3 ; ZfdMyth. 2 (1854), 108; „der Kantor trocknet sein Hemd" H a l t r i c h Siebenb. Sachs. 299. »«) W u t t k e 61 § 72. " · ) L i e b r e c h t 187) Volksk. 341. Art. Maria, hl. 1658 f. 1 8 8 ) M e i e r Schwaben 2, 389 Nr. 52; vgl. G r i m m Myth. 2, 586. 618. i « ) K l i n g n e r Luther 127; J o h n Westböhmen 256; S c h u l e n b u r g 142; B a r t s c h Mecklenburg 2, 261; E n g e l i e n u. L a h n 232 Nr. 14; vgl. G r i m m Myth. 1, 241: heidnische Anschauung vom Tanz der Morgens, bei den Indern nach L u c í a n de salt. 17. 1 9 0 ) D r e c h s l e r 1, 96; A n d r e e Braunschweig 338. « i ) V e r n a l e k e n Mythen 302. 1 9 2 ) J o h n Westböhmen 65. 232. Man begrüßt sie mit Gewehrsalven (Geistervertreibung?). 1 9 3 ) K n o o p m ) Hinterpommern 179. ZVfVk. 24 (1914), 1M) 59. S t r a c k e r j a n 2, 78. " · ) John Erzgebirge 194. " ' ) K n o o p Posen 327 (84). 1 9 β ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 261. 1 9 9 ) Ebd. 2 0 °) V e r n a l e k e n Mythen 302 f.; S a r t o r i 3, 153; M e i e r Schwaben 2, 392 Nr. 63. 201 ) D r e c h s l e r ι , 93. 2 0 s ) J o h n Westböhmen 65. 2 0 3 ) ZfdMyth. з, 361; K ü c k u. S o h n r e y 108 f. 20 *) M e i e r Schwaben 1, 236 Nr. 263; 2, 401 Nr. 88. 2 0 i ) K a p f f Festgebräuche 2, 15. 20 «) W o l f Bei2 0 7 träge 2, 126. ) SchwVk. Ii, 40. 2 0 8 ) V e r n a l e k e n Mythen 353. 2 0 9 ) M e i e r Schwaben 2, 429; Weiteres bei S a r t o r i 3, 235; M e y e r 210) Baden 220. M e i e r Schwaben 2, 462 Nr. 206. 2 1 1 ) ZVfVk. ι (1891), 76 f.; W o l f Beiträge 1, 249. An Ostern: B a u m g a r t e n Aus 212) d. Heimat 1, 7. M e y e r Baden 505. 2 1 3 ) G u n d e l Sterne u. Sternbilder in Glauben d. Altertums u. d. Neuzeit 23; Beispiele in Welt и. Mensch 2 (Barth 1925), I I I . 2 1 4 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 378; S é b i l l o t Folk-Lore I, 10; G r i m m Myth. 2, 586. 2 1 S ) M ö l l e n h o f f Sagen 378 (Neuausgabe ν. O. Mensing 1921). 2 1 β ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 472 f. 2 1 7 ) M ü l l e r Siebenbürgen 3 f. a i 8 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 189; vgl. G r i m m Mythol. 2, 585. Den Hinweis auf die S. als Auge der Götter bei den Kulturvölkern findet man bei S e l i g m a n n Blick I, 166. 2 1 ·) „Die entschlüpften Himmelslichter'* abgedruckt in W e l t u. M e n s c h (Barth 1925). IV, 4 ff. 2 2 °) G u n d e l a. a. O. (s.A. 213), 25. Deutsch auch im jünger. Titurel 2 9 9 3 . 1 · Auch G r i m m Myth. 2, 585. 2 2 1 ) M ü l 222) l e n h o f f Sagen (1921), 378. Bartsch Mecklenburg 2, 198; Rogas. Fam.-Blatt 1 (1897), 35. î ï 3 ) Ebd. I, 460; vgl. S c h a m b a c h u. M ü l l e r 67. 344; K u h n Westfalen 2, 83 f. Nr. 261. »«) ZfdMyth. 1 (1853), 169.

64

6. Z u r G e s c h i c h t e des d e u t s c h e n S . n a b e r g l a u b e n s . Es ist leider bisher nicht möglich gewesen, genauere Einblicke in die Geschichte der Überlieferung des modernen deutschen S.naberglaubens zu tun. Das ist insofern auffällig, als für die Geschichte des Mondaberglaubens (s. Mond, V I 520ff.) die Zeugnisse aus der Vergangenheit leichter zu finden sind. Auch die Sammlung von dem in Dingen des Aberglaubens so gelehrten Ernst Urban Keller weiß viel mehr über den Mond im Volksglauben als über die S. zu berichten. Immerhin findet sich einiges bei ihm, so daß wir Bekanntes bis ins 18./17. Jh. zurückverfolgen können, wie ζ. B. das Leichenbegraben gen S.naufgang 22S ). Keller gedenkt dabei der alten kirchlichen Begründung, die noch heute u. a. im Volke gegeben wird: Beim jüngsten Gericht komme Christus von Osten; dann solle der Tote den Weltenrichter in keiner unehrerbietigen Stellung empfangen müssen und gleich bei seiner Belebung das Licht der Welt in den Augen haben. Er weiß auch, daß die christliche Kirche des Abendlandes diesen Brauch von den orientalischen christlichen Kirchen übernommen hat (s. Grab III 1077) und gibt eine andere interessante Erklärung für die Notwendigkeit, den Toten so zu begraben: Man sagt, ,,er spuke sonst". Erwähnt wird von ihm ferner unter den abergläubischen Bräuchen aus der Rocken-Philosophie das Sammeln des Johannisbluts in der Mittagsstunde des Johannistages. Die Begründung lautet, daß dies Blut (die roten Körner der Wurzeln des lat. Polygonum cocciferum genannten Krauts) zu vielen Dingen gut sei 226). Ein Zusammenhang mit der S. wird nicht hervorgehoben, doch ist dieser angesichts der späteren Überlieferung unbezweifelbar auch für diese Zeit. — Aus dem 17. Jh. ist eine Diskussion über die drei Sprünge der S. am Ostertag bekannt, in der die aus unserer Zeit bekannten Züge von Jung und Alt aufs Feld drastisch geschildert werden. Wer nicht die drei Sprünge erkennen kann, den erkläre man für blind oder für einen Gotteslästerer. Doch sei das Ganze

66

Sonne

65

nur eine Täuschung, was dann astronomisch nachgewiesen wird. Interessant ist aber diese Notiz insofern, als sie auch von dem Glauben an drei S.nsprünge am A b e n d des Ostertages spricht 227). Etwas ausführlicher sind wir über die an die N e b e n s o n n e n angeknüpften Vorstellungen in den vergangenen Jahrhunderten unserer Geschichte orientiert. Caesarius v. Heisterbach erzählt, daß sich im Januar 1207 die S. in drei Teile gespalten habe, deren jeder wie eine gelbe Lilie mit dreiblättriger Blüte aussah. Erst nach einiger Zeit hätten sich die drei Teile wieder vereinigt. Caesarius bezog diese Erscheinung auf die drei Herrscher des deutschen Reiches Philipp v. Schwaben, Otto IV. und Friedrich II., die auf den Thron Ansprüche machten 22β). 1514 sah man in Wittenberg, 1528 in Zürich drei S.n 229). Unter den Einblattdrucken des 17. Jh., die sich mit den Himmels- und Naturerscheinungen befassen, findet sich mit dem Datum des 19. April 1630 auch ein Blatt mit zwei Nebensonnen. Unter der graphischen Darstellung und der genauen Beschreibung der Erscheinung folgt eine genaue Auslegung : Die Wirkung der Nebensonnen sei eine doppelte. Erstens bezöge sie sich auf das kommende Wetter, das sich verändere; meist gebe es Regen. Denn, so lautet der Text, „sie zeigen uns an, daß in der Lufft viel Materi zu Platzregen sich gesammelt und solches um so viel desto mehr, wann solche S.n gegen Süden oder Mittagigen theil des Himmels sich erzeigen, dann gemeiniglich von dem Ort her die dicksten Wolcken zu kommen pflegen". Zweitens hat die Erscheinung eine „geistliche" „Endursache" d. h. sie ist zu betrachten wie alle besonderen Erscheinungen des Himmels: als Wunderzeichen Gottes. Mit Bezug auf die Geschichten der Vergangenheit erklärt der Autor, daß stets auf Nebensonnen „neue oder heimliche Verbündnuss und Zusammenkünften getroffen . . ., damit diejenigen, welche große Herrschaften und Reich beherrschen und besitzen, solcher möchten entzogen und beraubt werden, bevor aus Verenderung und Verstöhrung der Länder, sogar in Religions Sachen Bichtold-StAubli, Aberglaube VIII.

eine Mutation erfolget". Der Sinn der Erscheinung wird als eine Willenskundgebung Gottes gedeutet: die Menschen sollen sich bessern. Diese Mitteilungen beziehen sich ausdrücklich auf Quellen ; Johannes Garcaeus de meteoris c. 44 wird direkt vom Autor der Auslegung genannt. Hier wurde also über mündliche Volksüberlieferung, wenn diese überhaupt vorhanden war, was anzunehmen ist, hinausgegangen; aber es ist kein Zweifel, daß dann die gelehrte Diskussion in astronomischen und naturwissenschaftlichen Werken der Renaissance in jenen sternfürchtigen Jahrhunderten den alten Glauben sehr genährt haben. Paracelsus gebietet sogar die Nebensonnen ausdrücklich wegen ihrer Anomalität als besondere Tat Gottes zu beachten; die Erscheinung sei ein Zeichen der Gewalt Gottes, und erkenne man das an, so streite man nicht wider das Evangelium, sondern bleibe in ihm 230). Bei Cardanus hat man einen Beleg für die Erklärung und Auslegung der Nebensonnen in der Renaissance: „pareliae plerunque pluvias nuntiant lenes, quia guttulae" (nämlich: der Wolke, die die Erscheinung mit bedingen soll) „ex aqua sunt et divisae, radiusque Solis pénétrât" 231). Das ist natürlich Aristoteles 232) bzw. Seneca ; letzterer wiederholt die von einigen antiken Gelehrten (Poseidonios) gegebene Definition, die Nebensonne sei eine „nubes rotunda et splendida similisque Solis" 233). Aber schon mehrere Jahrhunderte vor Cardanus hatte K. von Megenberg diese Erklärung der Alten durch sein Buch der Natur in Deutschland ebenfalls vertreten 234) ; sein Aristotelismus führt über Thomas Cantimpratensis zu Albertus Magnus und den Arabern des 12. Jh. So kann die Auslegung bis hierher zurückreichen. Daß man im Mittelalter sich z. B. auch im Bereich des byzantinischen Reichs um die Erscheinung kümmerte, beweist ein Abschnitt einer griechischen, jetzt in der National-Bibliothek in Madrid befindlichen Hs. des 14. Jh.; u. a. heißt es auch dort, daß die Nebensonnen zu beiden Seiten der S. Regen verkünden 23δ ) 23e ). 3

67

Sonne

Am besten übersieht man die geschichtliche Tradition des an die S. angeschlossenen W e t t e r a b e r g l a u b e n s , den man in Deutschland pflegte. Hier vermag man der Überlieferung fast Zug um Zug bis in die Literatur des i6. Jh. zurück zu folgen. Die Mitteilungen in den Kalendern und dazugehörigen Arbeiten des Grimmelshausen, in Ernst Urban Kellers Grab des Aberglaubens und im „Buch vom Wetter" (1819) u. a. beweisen, daß die oben aus der volkskundlichen Literatur des 19. und 20. Jh. angeführten Glauben und Regeln seit Jahrhunderten lebendig waren. Was davon noch früher im deutschen Volke entstanden ist und was aus der Antike oder aus Byzanz importiertes Gut darstellt, wird sich bei identischen Regeln selten mehr sagen lassen; so deutsch erscheint das meiste. Manche S.nbeobachtung der deutschen Landleute mußte ja sowieso schon zu den gleichen Schlußfolgerungen über die Witterung führen. Doch sind Abweichungen vorhanden (s. Abendröte A. 7 u. 13). Wir führen wenigstens einige Beispiele an. Bei der Wichtigkeit des Zusammenhangs mit der Antike sei mit Vergil und Pliniuszitaten begonnen. Vergile Verse lauten 237) : Auch die Sonne dir Weisung gibt, nicht minder im Aufgang Wie wenn sie sinkt; stets hat im Gefolg sie sicherste Zeichen . . . Wenn unrein sie den Aufgang zeigt, mit Flecken betupfet, Halb in Wolken versteckt, die Mitte der Scheibe verdunkelt. Rechnen auf Regen du magst; vom Meer andränget der Südwind . . . Brechen vor Aufgang sich bei dichtem Gewölke die Strahlen In vielfarbigem Licht, erhebt Aurora sich farblos Und steigt bleich empor vom safranfarbenen Lager, Kann kaum schützen dann noch die saftigen Trauben das Reblaub Vor des Hagels Gewalt, der drauf sich prasselnd entladet. Mehr noch nützen es wird, wenn erst beim Scheiden der Sonne Dessen gedenken du magst; denn oftmals wir es erleben, Daß auf ihrem Gesicht verschiedene Farben sich zeigen:

68 Blau tut Regen uns kund, den Südwind feurige Röte; Mischen die Flecken sich gar zugleich mit dem flammenden Feuer, Alles du siehst gleichmäßig bedroht von Wolken und Winden . . . Doch ist leuchtend der Kreis, wenn früh den Tag sie beginnet, Spät ihn führet hinab, laß nicht durch Regen dich schrecken, Denn in klärendem Nord siehst bald du wogen die Wälder.

Die von Plinius238) überlieferten Regeln decken sich mit den deutschen mehr als die Vergils. Geht die S. rein auf, ohne Schwüle zu verursachen, so kündigt sie einen heiteren Tag an. Ging sie auch am Abend vorher heiter unter, so darf man zuversichtlich auf heiteres Wetter rechnen. Wenn die S. dagegen umwölkt aufgeht, so deutet dies auf Regen. Sind die Wolken vor S.naufgang rot, so ist Wind zu erwarten. Wenn sich die Wolken im Westen röten, so versprechen sie heiteres Wetter für den folgenden Tag.

Bei Plinius ist auch von den das Wetter (Winde) kündenden S.nhöfen die Rede. Für das deutsche MA. fehlen mir die Belege. In der erwähnten Madrider griechischen Hs. des 14. Jh. aber findet sich ein Kapitel mit Wetterregeln, deren Formulierung der unsrigen sehr verwandt ist. Man liest da: „Wenn die Sonne rein und ungetrübt untergeht, kündet sie heiteres Wetter für den folgenden Tag an" 23e). Aufgang oder Untergang in Wolken ist ein Zeichen für Sturm und Regen 24°). Es ist wohl als sicher anzunehmen, daß in den damals im deutschen Sprachgebiet vorhandenen Hs. in ähnlicher Form die Wetterregeln niedergeschrieben bzw. exzerpiert waren. Aus der Renaissance und Neuzeit sei folgendes erwähnt. Reynman, Wetterbüchlein: Item wenn jm auf vñ nydergang dere sonnen schein vor jr geen auf die nacht rot sein : bedeut den nächsten tag schön wetter; ähnlich in der Bauernpraktik (s. Abendröte 1); bei Grimmelshausen lautet der Satz: So die S. klar aufgeht oder ein dünn klein Wölklein vor ihr erscheinet; Item wenn sie klar und ohne Wolken niedergehet, bedeuts, daß es den folgenden Tag schön helle wird, geht sie schön ohne Wolken nieder und erheben sich dar-

69

Sonne

nach nah darbey rote Wolken, so wirds weder die Nacht noch den folgenden Tag regnen, gleichwie auch die roten zerstreuten Wolken beym Niedergang der S. keinen Regen anzeigen 241 ). Keller erklärt den Zusammenhang, den diese Regel zwischen S.nuntergang und schönem Wetter herstellt, naturwissenschaftlich 242). Das Buch vom Wetter 243) wiederholt diese Anschauungen. Wenn die Strahlen der aufgehenden S. durch niedriges Gewölk durchdringen und sie selbst bald darauf sich über dasselbe erhebet, so verkündiget sie uns einen schönen und hellen Tag. Einen gleichen Tag haben wir zu erwarten, wenn bey dem Untergange der S. die Wolken hochrot und fast durchaus gleich gefärbt sind, oder der Abendhimmel gleichsam mit einem hochroten Tuch überzogen zu sein scheint. Grimmelshausen verarbeitet in seinem ,,Ewig währenden Kalender" 244) auch den ganzen, an bestimmte Tage angeschlossenen S.nglauben. Wann die S. auf Lichtmeß scheinet, so soll noch großer Schnee dahinter sein, bei Fastnacht verkündet sie schönes Wetter in der Ernte. . . „und wie das Wetter am Aschermittwoch beschaffen, also soll es sich die Fasten anlassen". Aus S.nschein an Mariae Verkündigung (25. März) wird ein gutes Jahr, aus solchem an St. Urbanstag (25. Mai) viel und guter Wein geweissagt. Letzteres erwähnt auch Keller 245). Der S.nschein am ι . September ist ein gutes Wetteromen für den ganzen Monat. Zum 25. Dezember findet man die Bedeutung der S. in den Zwölfen dargelegt, die bereits die Bauernpraktik behandelt; mit ihr stimmt der oben Sp. 47 aus dem Erzgebirge und Westböhmen angeführte Zwölfnächteglaube überein 246). Keller erwähnt schließlich noch das abendliche Wasserziehen der S. 247 ), anderes Parallelmaterial findet sich im Buch vom Wetter. Nur anmerkungsweise sei darauf hingewiesen, daß auch die babylonischen Astronomen und Meteorologen die S. im Aufgang z. B. am 1. Nisan ( = Neujahrstag der Babylonier) nach Farbe („rot wie eine Fackel") und Gewölk beobachteten. Hier gab es auch politische Auswertung

7 o

des Ereignisses (z. B. Tod des Königs, Besitzergreifung des Thrones durch den Sohn) 248). 226

22e ) K e l l e r Grab 5, 298. ) Ebd. 3 2 1 . ) B i r l i n g e r Schwaben 84. 2 2 e ) Dial. mir. X , 229 23. ) M e y e r Aberglaube 9 1 . J e d e S. hatte 230 ein blutiges Schwert. ) Außlegung deß Cometen, erschienen im Hochbirg zu mitlern Augsten Anno 1 5 3 1 (nach einem E x e m p l a r der Leopold-Sophienbibl. zu Uberlingen Mb. 73 231 S. 4 2 f.). ) De subtilitate I I I p. 1 5 9 der A u s 232 gabe v . 1 5 5 9 (Lugduni). ) A r i s t o t . meteorol. I I I , 6. 2 3 3 ) S e n e c a quaest. natur. 1, 1 1 , 3, dazu Schol. in A r a t . 8 8 1 (p. 502 ed. Maass). 234 235 ) Buch d. Natur 78. ) C C A X I 2, 1 7 8 , 1 f. 23e ) B r ä u n e r Curiositäten 7 1 2 Í I . 2 3 7 ) Geórgica 238 23 4 3 8 ff. ) n. hist. 18, c. 78. ») C C A X I 2, 1 7 4 , 2 6 f. 2 4 ° ) E b d . 1 7 5 , 1 5 f. 2 « ) Ewig währender Kalender I I I . Materia. Neuausgabe (Langen 1 9 2 5 ) . 2 3 7 · V g l . auch die J ä g e r praktik aus Kärnten [ 1 7 . J h . ] = Z ö V k . 1 0 , ( 1 9 0 4 ) , 5 3 . 2 4 2 ) K e l l e r Grab 4, 2 1 1 . Das Buch vom Weiter oder kurzgefaßter Unterricht von den sog. Bauernregeln usw. Pesth. 1 8 1 9 (bei A . Hartleben). Ich benutze das E x e m p l a r der Leop.-Soph.-Bibl. zu Überlingen Mb. 3 7 . 241 Der T e x t S. 1 7 . ) Siehe u. den einzelnen Daten. 2 " ) Grab 5, 306. 2 4 6 ) Derselbe Z w ö l f nächteglaube in der Astronomia Teutsch v . J . 1 5 9 2 fol. 99verso. « ' ) Graft 4, 209. 2 " ) M e i ß n e r Babylon, u. Assyrien 2, 2 5 3 . 227

7. K i n d e r r e i m e mögen den Beschluß machen. Sie enthalten zum Teil Bitte um Wiederkehr und gutes Wetter. ι . L e e w Sünn, kumm wedder Mit de blanke Fedder Mit dem gollen Strahl Und noch vel dusendmal (Mecklenburg, Elbgegend) 2 « ) , 2. Sunne schein schein! Treib die Wolken vordein Hin afi'n Gatterspitz, W o Peter and Paule sitzt. W o kein Hüne krât, W o kein Mader mât, W o kein Ochse liegt, U n d keine Blume blüht 250 ).

In einer anderen Fassung dieses Reimes lautet der Schluß: Treib sie hin afï'n Spitz, W o kein Vögele sitzt, Treib sie hin äff R o a m Bekimmstu drei Schüssel boan, E i n e mein, eine dein, eine ünsern Hearrn, Ass es lat scheans Wetter w e a r n 2 6 1 ) . 3 . Sonn, Sonn, scheine. F a h r ' über Rheine, F a h r über's Glockenhaus, Gucken drei schöne Puppen raus 3*

öl

).

Sonnenaufgang—Sonnenrad

71

Teplitz 56; R o l l a n d Flore pop. 7,223 (Lüttich). K r a u ß Slav. Volkforschung 166 f. *) W i l d e Pfalz 245. Marzell.

Die eine spinnt Seide, Die andere wickelt Weide, Die dritte geht ans Brünnchen, Find't ein goldig Kindchen. Wer soll's haben? Die Tochter aus dem Löwen. Wer soll die Windeln waschen ? Die alte Schneppertaschen.

4)

Sonnenfinsternis

Dazu eine Variante aus München, der freilich der Anfang zu fehlen scheint: Am

Glockenbach sind drei Poppelen drinnen. Die eine spinnet Seide, Die andere wickelt Weide, Die dritte sitzt am Brunnen, Hat ein Kindlein g'funnen. Wie soll das Kindlein heißen? Laperdon und Dida. Wer soll das Kindlein waschen? Der mit seiner Klappertaschen. Hängt ein Engelein an der Wand, Hat ein Eielein in der Hand. Wenn das Eielein herunter fänd, So hätt die Sonn' ein End 253 ). " · ) B a r t s c h Mecklenburg 2,198. 250 ) ZfdMyth. 3, 32. 2S1 ) Ebd. 33. ! M ) P a n z e r Beitrag 2. 2S3) Ebd. 546. 545 aus Simrock Kinderbuch. S. die mit S o n n e verbundenen Artikel, ferner F i n s t e r n i s s e , O s t e r s o n n e , P l a n e t e n , R e g e n ; auch A b e n d , Abendröte, Morgen, M o r g e n r ö t e (Nachtrag), Mittag, Mittagsgespenst. Stegemann.

Sonnenaufgang s. Spalte 76 ff. Sonnenblume (Helianthus annuus). Bekannter 2 bis 3 Meter hoher Korbblütler mit großen nickenden Blütenköpfen. Die S. stammt wohl aus Nordamerika und wird bei uns überall in Gärten, besonders auf dem Lande als Zierpflanze (und wegen der ölreichen Samen) angebaut. Die S. schützt vor allem Zauber 1 ), die Samen werden gegen Alpdrücken um den Hals gehängt 2 ). Die ölreichen Samen werden gegessen, um eine gute Stimme zu bekommen 3 ). Bei den Slawen dient die S. im Liebeszauber 4 ). Wegen der eßbaren Knollen (ähnlich wie die Kartoffel) wird ab und zu die KnollenS. (Erdbirne, Topinambur; H. tuberosus) angebaut. Wer die Knollen roh ißt, bekommt Läuse, vgl. Ampfer (1, 371). Wenn die Pflanzen reichlich blühen, gibt es guten Wein 5 ). ') C o s t a d a n 1720 = S e l i g m a n n Blick 2, 85. 2 ) W i r t h Beiträge 6/7, 28. 3 ) L a u b e

72

s.

Finsternisse.

Sonnenjahr s. J a h r . Sonnenkäfer s. Marienkäfer. sonnenläufig s. S o n n e § 2 b. Sonnenochse s. S o n n e § 5 a. Sonnenrad nennt man das auf vielen Frühlingsfeiern (s. Frühling § 2, Frühlingsfeste) brennend von den Bergeshöhen zu Tal laufende Rad, in dem man wohl ein Symbol der Sonnenscheibe zu sehen hat, da diese Frühlingsfeiern vielfach Feiern der zunehmenden S. gewesen sein müssen. Ein S. in Scheibenform ist vielleicht schon im vorgermanischen S.kultus auf mittel- und nordeuropäischem Boden zu Fruchtbarkeitszauber verwendet worden (Sonnenwagen von Trundholm) 1 ). Ein älteres Zeugnis für die Gleichsetzung des S.es mit der Sonne findet man bei Sebastian Frank 2 ). An das S. knüpft sich heute allerlei Aberglaube an, der wohl auf ehemaligen Fruchtbarkeitszauber zurückgeht. In Conz an der Mosel erwartet man ζ. B . einen guten Weinertrag, wenn das S. brennend in die Mosel gelangt 3 ). Vielerorts ist es ein Mittel gegen Verhagelung der Felder und heißt dann insbesondere Hagelrad 4 ). Über das bei Pfannenschmid, Erntefeste 423 f. angeführte Glücksrad, das man in der Johannisnacht, wenn die Sonne stillsteht (s. Sonne Sp. 57), selbst dreht, um das Glück, das man sonst von der Bewegung der Sonne hat annehmen müssen, persönlich zu gestalten, weiß ich hinsichtlich seines Zusammenhangs mit dem S. nichts zu sagen; ist vielleicht an das Scheibenwerfen zu denken s ) ? *) s. Sonne §4. 2) Grimm Mythologie 1, 522. F o n t a i n e Luxemburg 61. 4) S. Hagel u. s) M a n n h a r d t Hagelzauber Sp. I3i4f. 1, 465 f. Vgl. Art. Glücksrad § 2. 3)

Vgl. F a s t n a c h t Sp. 1254, F r ü h l i n g s f e u e r Sp. 172/3, F u n k e n s o n n t a g Sp. 212, J o h a n n e s d. T ä u f e r Sp. 707, J o h a n n i s f e u e r Sp. 733; ferner O s t e r n Sp. 1344 und O s t e r f e u e r Sp. 1334/35. 1

Stegemann.

73

Sonnenregen—Sonnentau

Sonnentegen s. R e g e n § i . Sonnenröschen (Helianthemum vulgare). Kleiner Halbstrauch mit eiförmigen Blättern und gelben leicht abfallenden Blüten, ziemlich häufig an sonnigen Rainen, Waldrändern usw. wachsend. Das S. scheint nur im slawischen Aberglauben eine Rolle zu spielen. Wenn in der mährischen Walachei ein Haustier beschrien oder verzaubert war, reichte man ihm einen Absud vom S., „zpatecni ùroènica", d. i. die Pflanze, die „rückwirkende K r a f t " besitzt 1 ). Vgl. den Namen „Kumwedder" (Komm wieder) für die Schuppenwurz und die niederösterreichische Bezeichnung „Bring was wieder" (Bring mir's wieder, nämlich die verlorene Milch) für den Knollen-Knöterich (Polygonum viviparum). In Böhmen spielte das S. (devaternik) im Liebeszauber eine bedeutende Rolle. Wenn sich das Mädchen mit dem Absud der Pflanze neunmal abwäscht, so wird es sehr gesucht werden und viele Liebhaber bekommen 2 ). In Siebenbürgen wird, um die Wunde schnell zum Heilen zu bringen, ein Blatt des S.s mit der glatten Seite (Oberseite) auf die Verletzung gelegt 3 ). I) 3)

2) ZföVk. 13, 26. G r o h m a n n 208. S c h u l l e r u s Pflanzen 395. Marzell.

Sonnenschirm s. S c h i r m 5. Sonnensteine s. A m m o n i i . Sonnenstrahlen. Die durch die Wolken durchbrechenden S. sind nach Regen ein Zeichen für weiteren Regen. Aber nicht nur zur bäuerischen Wetterprognose hat man sich mit ihnen beschäftigt, sondern auch sonst. Die gleichsam von der Sonne zur Erde gespannten Stränge, um einen Vergleich Megenbergs zu gebrauchen 1 ), stellt man sich von dinglicher Natur vor, als wirkliche Körper. Sie sind dem Menschen erreichbar, und er kann an ihnen seinen Hut 2 ), Wäsche, Mantel 3 ) oder auch seinen Regenschirm aufhängen. Eine alte Frau in den Alpen wurde vom Pfarrer wegen ihres mangelnden Besuches der Gottesdienste zur Rede gestellt. Ihre Erwiderung, es seien bei ihrem Alter, solchem Wetter und dem beschwerlichen Weg drei Vaterunser irgen-

74

wo allein gesprochen mehr wert als wenn anderswo alle Leute zusammenkämen und sie zum Tal hinaus beteten, erkannte der Geistliche nicht an. Da hing das Weib zur Bekräftigung seiner Worte seinen Regenschirm in die Luft an die S., und er blieb auch wirklich zum Erstaunen des Geistlichen hängen. Das schnell hinzukommende Volk aber und der Pfarrer erkannten daran die Richtigkeit des Ausspruchs, den die Frau getan, und priesen den Vorgang als ein Wunder Gottes, für das sie dankten 4 ). Von Nonnen sagt man, sie brauchten ihre Wäsche nur in die Luft zu werfen, so bliebe sie an einem S. hängen 5 ). x) Buch der Natur 78f. 2) R a n k e Volkssagen 29, 272. 3 ) M e i c h e Sagen 417 Nr. 549; H a u p t Lausitz 1, 125 Nr. 140. 4) R e i s e r Allgäu ι , 439; H e y l Tirol 14 Nr. 6. 5 ) W o l f Beiträge 2, 194; vgl. S c h a m b a c h u. M ü l l e r 67. 344. Stegemann.

Sonnentau (edler Widerton; Drosera rotundifolia). ι . B o t a n i s c h e s . Niedrige Pflanze mit langgestielten, rundlichen Blättern, die mit zahlreichen, Flüssigkeitströpfchen ausscheidenden Drüsenhaaren besetzt sind. Das Volk sieht diese in der Sonne glänzenden Tröpfchen für Tautropfen an, daher der Name S. In Wirklichkeit dient diese klebrige Flüssigkeit der Pflanze, um Insekten festzuhalten (insektenfressende Pflanze). Die Blüten sind klein und weiß. Der S. ist eine Pflanze der Moore und Torf sümpf e x ) . *) M a r z e l l Kräuterbuch 3 8 9 ! ; Else E m r i c h Hist.-krit. Studie über die Entstehung „schleimiger Milch". Dissert. Techn. Hochsch. München (1933), 123ff. (enthält auch Volkskundliches über den Sonnentau).

2. Der S., der wie auch andere Zauberpflanzen „Widerton" (s. d.) heißt, verdankt sein Ansehen wohl dem merkwürdigen Tauglanz der Blätter. Die Alchimisten brachten ihn wohl in ihren astrologischen Spekulationen mit der Sonne in Verbindung. Ausführlieh hat darüber K h u n r a t h 2 ) in der Abhandlung „De rore Solis. Oder vom Sonnentau. Ausführlicher Bericht des von Gott hochbegabten fürtrefflichsten Krautes" usw. gehandelt. R o s b a c h 3 ) reimt über den S. :

75

Sonnentiere—Sonnenuntergang Viel Wunders treiben hie die Leut Mit diesem Kräutlein allezeit Den alten Weibern wol bekandt Drumb Widerthon habeas genant Sie brauchens sehr für Zauberey Treiben damit viel Fantasei.

F r e n z e l erzählt in seiner „Historia naturalis" (Manuskr., Ende des 17. Jh.s) über den S., der in der Lausitz häufig vorkommt, u. a. : „Es ist ein Kräutlein, das nicht nur ein Wunder ist (wegen der ständigen „Tautropfen"), sondern auch Wunder tut, das macht, es blüht im August, wenn die Sonne im Löwen steht. Tut man das Kräutlein oder seinen Saft in ein Glas voll Gift, so springt das Glas in Stücken und ist's in einem silbernen Becher, so schäumt und sprudelt der Trank wie kochendes Wasser über den Rand des Bechers. Ist einer vom bösen Geist besessen, so hängt man ihm das Kraut um den Hals, dem Kräutlein S. kann der Teufel nicht widerstehen und wird alsbald von ihm ausfahren. Gebärenden Frauen erleichtert es die Wehen; wer es bei sich trägt, dem kann kein Anfall widerfahren; wer ermüdet ist von Arbeit oder einen weiten Weg und kaut das Kräutlein S., der wird wieder stark und frisch. Die Astrologen halten es gar hoch und wissen noch manches Geheimnis vom Kräutlein S. " 4 ). Um vor Gericht viel zu erreichen, nehme man frühmorgens fünf Spitzen S. 5 ). Um sicheren Schuß zu erhalten, trage der Jäger S. bei sich e ). In Frankreich wurde im 17. Jh. der am 23. September bei Sonnenaufgang gesammelte S. gegen das gefürchtete „Nestelknüpfen" (nouement d'aiguillette) empfohlen 7 ). Auch in Galizien dient der S. gegen Hexereien 8 ). Auf abergläubische Anschauungen geht es wohl auch zurück, wenn man in Schlesien die von den Kuhpilzen blau gewordene Milch, (Milchzauber!) des Rindviehs dadurch „reinigte", daß man sie durch ein mit S. angefülltes Sieb laufen ließ 9 ). In der Volksmedizin dient der S. als Aphrodisiacum für Tiere (daher im Niederdeutschen auch „Bullenkrut"), als Mittel gegen Seitenstechen 10 ), Warzen und Hühneraugen 11 ) und gegen Sommersprossen 12 ), gegen die ja auch Morgen-

76

tau, Gründonnerstagtau usw. verwendet wurde. *) Medulla destillatoria 1614, 274—286. 4) Paradeißgärtlein 1588, 150. Haupt Lausitz 243 = K ü h n a u Sagen 3, 259. *) Hs. aus d. Anfang des 19. Jh.s: MsäVk. 2, 360. · ) Erlanger Heimatblätter 10 (1927), 147. ' ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 486. ») H o e l z l Galizien 159. ·) M a t t u s c h k a Flora Silesiaca ι (1776), 281. 10 ) L a m m e r t 243. u ) z. B . M a t t u s c h k a a. a. O.; M o n t a n u s Volksfeste 146. 1 2 ) Lausitz: F r a n k e Hortus Lusatriae 1594, hrsg. v. Zaunick usw. 1930, 220. Marzell. 8)

Sonnentiere s. H i r s c h § 4 a, Marienk ä f e r §8, P f e r d .

Sonnenuntergang— Sonnenaufgang. ι . Geisterzeit. 2. Bedeutung für die Volksmedizin. 3. Schutzzauber in Haus, Hof und Feld. 4. Schadenzauber. 5. Abwehr- und Gegenzauber. 6. Zukunftserforschung. 7. Aussaat. 8. Antike Belege.

ι . Der SU. (nicht durchweg mit dem Abend, w. s., gleichzusetzen), der in den Märchen vieler Völker in Form von Verschlingungssagen dichterische Behandlung erfahren h a t 1 ) , schließt den Lichttag ab und eröffnet die Nacht. Die nun beginnende Zeit ist gefährlich 2 ), denn mit ihr hebt, der Sonne entzogen, das für den Menschen gefährliche Treiben der Nachtgeister und Hexen an 3 ). Es ist also ratsam, mit dem SU. die tägliche Arbeit in Haus und Feld einzustellen. Mannigfache Volksregeln, die diese Forderung enthalten 4), sind ein Zeugnis der Geisterfurcht am Abend und in der Nacht. Die nächtlicherweile ausgeübte Macht dieser Geister reicht bis SA., der noch mehr als der Abend als Zeitpunkt stets vom Morgen unterschieden wird. Der SA. selbst ist meist von günstiger Vorbedeutung 5 ); die Zeit v o r SA. aber gehört noch den Nachtwesen und ist dem Menschen ebenfalls gefährlich. Auf Rügen jagt der Wode von Mitternacht bis eine Stunde vor SA. e ). Am meisten sind aber zu dieser Zeit die Hexen zu fürchten, die den Morgentau (s. Tau) sammeln 7 ), allerlei Ungeziefer hineinzaubern oder sonstwie den Menschen schädigen 8). Nach SU. hat bis vor SA. in erster

77

Sonnenuntergang

Linie der Teufel Gewalt. Daraus erklärt sich der Sagenzug, daß ein „Gebannter", soll er nicht kläglich umkommen, vom Banne befreit („losgebunden") sein müsse ·). Dagegen vertragen in der Nacht Gebannte, die man anscheinend selbst zu den bösen Nachtgeistern zählt, das Sonnenlicht nicht und müssen vor SA. gelöst werden. So muß ein durch einen Diebessegen, der gewöhnlich vor SA. besprochen wird (s. u.), Gebannter vor SA. in der Weise aus seinem Zustand befreit werden, daß man ihn anstößt und heimlich bei sich spricht : „Geh hin in Teufels Namen !" Denn von der Sonne beschienen, würde er zu Staub zerfallen 10). ' ) W u n d t Mythus u. Rei. 2, 2720. (s. Nacht). Vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 229; 4, 43. 3 ) Z a u n e r t Natursagen 1, 109t.; Seligmann Blick 2, 326; D r e c h s l e r 2, 98; vgl. K ü h n a u Sagen 3, 29; K u h n u. S c h w a r t z 459 Nr. 434. *) Vgl. Sonne § 2b. 5 ) Vgl. Sonne § 2b u. § 5. e ) J a h n Pommern 5 Nr. 2. ') K ü h n a u Sagen 3, 73. 8) W u t t k e 226 § 350S. ·) K ü h n a u Sagen 3, 224. 242; Z V f V k . 9 (1899), 29 (Sachs.Altenburg). 10 ) H a l t r i c h Siebenbürg. Sachsen 274 Nr. ι . 2)

2. Die Zeit zwischen SU. und SA. dient demnach der Verrichtung des meisten zauberischen Tuns durch den Menschen u ) . Vor allem spielt sie in der V o l k m e d i z i n eine große Rolle. Die Zeit nach SU. und vor SA. sieht man als zwei getrennte (im Zauber unter Umständen unterschiedlich zu bewertende) Zeitpunkte an 1 2 ). Allerdings wird in der Volksmedizin, die wir zuerst besprechen, kein großer Unterschied zwischen der Zeit nach SU. und vor SA. gemacht; es sei aber doch bemerkt, daß letztere oft als zauberkräftiger bevorzugt wird 1 3 ). Vielfach ist die Wahl zwischen beiden Augenblicken dem Menschen freigestellt. Einzelne Heilmittel freilich müssen nach SU., wie andere vor SA., genommen werden. So ißt man den gekochten Kopf eines (nach SU. geschossenen) Hasen gegen das Bettharnen J4). Auch verschiedene Besprechungen 15 ) und Heilbehandlungen geschehen nach SU., so das Vermessen 18 ), das für diese Zeit nach dem Analogieprinzip besonders passende Vergraben eines Zwischenträgers der Krankheit in die Erde oder in einen Ameisen- oder Maulwurfshaufen 17 ), das

78

Übertragen der Krankheit auf einen Baum 1 8 ) oder auf Flachs 19 ) oder in fließendes Wasser w ), das Verknoten derselben 21 ), das Durchziehen kranker Kinder durch eine Schlinge 22 ) oder das Wälzen dieser Kinder über Friedhofsgräber 23), das Aufhängen des Hemdes nach einem Fieberanfall auf dem Wegweiser am Kreuzweg 24 ) u. a. Zuweilen ist der SU. Gleichnis der vergehenden Krankheit, so daß man infolge dieser Ansicht dann sein Gebet spricht 25 ). Die Heilpflanzen werden meist vor SA. gesammelt und auch angewandt, der Morgen bestimmter Tage erhöht dabei die ihnen an sich innewohnende Zauberkraft noch erheblich, so am Gründonnerstag, Himmelfahrtstag, Johannistag, und an den Marientagen des Frauendreißiger (s. d.) 2β ). So muß die Alraunwurzel vor SA. ausgegraben werden 27 ). In Tirol legt man gegen Müdigkeit ein vor SA. gepflücktes Johanniskraut in die Schuhe 28 ). Wer in Schlesien im Frühjahr junge Maiblumen vor SA. sucht und sich unter das Gesicht reibt, bekommt keine Sommersprossen 2e). In Westfalen schlägt man mit den vor SA. geschnittenen Ebereschenzweigen die Kühe: sie werden dadurch geschützt und milchreich gemacht 30 ). Das Fieber kann man mittels eines vor SA. im Walde abgebrochenen Haselstockes, den man in der Kirche in eine Ecke stellt, auf den übertragen, der den Stock wegnimmt 31 ). Zur Stärkung der Gesundheit und zur Heilung von Krankheiten dient sodann das vor SA. geschöpfte Wasser 32 ) und der Morgentau (s. Tau). Letzterer ist besonders gut im Mai 33 ). Ein Kind, das krumme Beine hat, soll man im Mai vor SA. auf einer Wiese im Tau herumführen 33). Schon Grimmelshausen teilt im Ewigen Kalender zum 7. Mai mit: „Sammle umb diese Zeit den Mayen-Tau vor der Sonnen Aufgang/dafern du ihn anders zu brauchen weißt" 34). Vor SA. bestimmter Tage hat das Wasser natürlich besondere Heilkraft. Namentlich das Osterwasser (s. d.) ist heilsam und gesundheitsfördernd35). Es heilt Wunden, wenn man sich damit wäscht 3e ) ; auch badet

79

Sonnenuntergang

man in ihm oder trinkt es. Als der wirksamste Tag wird dazu meist der Ostertag selbst angesehen. Um gegen das Gift, das sonderbarerweise nach einem Volksglauben in Schiittarschen die Sonne nach ihren drei Sprüngen (s. Sonne § 5 a) am Ostermorgen über die ganze Welt speit, gefeit zu sein, muß man sich am SA. die Füße mit Flußwasser waschen ; dann bleibt man gesund 37 ). Gleiche heilende Wirkung hat das am Karfreitag vor SA. (und um Mitternacht) schweigend und unbeschrien geschöpfte Flußwasser. Baden im Fluß zu dieser Zeit schützt vor Fieber und vertreibt Ausschlag und Krätze 3 8 ). Ein Mittel gegen Blutstillung — „Zwillich" vor SA. etliche Male in Froschlaich genetzt — gibt Grimmelshausen im Ewigen Kalender zum 7. April an (mit dem Zusatz, daß dasselbe Mittel auch gut sei für Reitkissen und Sättel) 3 9 ). Auch Pferde werden am Karfreitag oder Ostersonntag vor SA. in die fließende Schwemme geritten 40). Ebenso heilsam ist das Baden im Johanniswasser 41 ). Dagegen kennt der deutsche Volksglaube nichts von der Heilkraft des am Neujahrsmorgen geschöpften Wassers. In Mecklenburg heißt es sogar, daß man am Neujahrsmorgen vor SA. kein Wasser schöpfen darf, weshalb man sich noch am Silvesterabend vor SU. damit versorgt 42 ). Hier scheint sich die Furcht vor den Geistern der Nacht eines bestimmten, sehr wesentlichen Tages zu äußern. Wenn anderseits aber die Vorschrift bekannt ist, man solle sich Nägel oder Haare nur vor SA. oder nach SU. schneiden sie nicht wegwerfen, sondern verbrennen oder vergraben, so muß dem die Sorge vor den Gefahren des Tages, ζ. B . durch Vögel, zugrunde liegen oder auch die Furcht vor bösen Menschen, die sich dieser Abfälle bemächtigen und durch sie schädlichen Einfluß ausüben könnten. Vor SA. müssen auch einzelne Schutzund Heilmittel, wie ζ. B. Gründonnerstagseier, genossen werden 44 ). Ein an drei aufeinanderfolgenden Tagen vor SA. mit Essig geschlagener Eidotter wird gegen Gelbsucht eingenommen 45 ). Viele betrachten die Zeit vor SA. vor



allem als günstig für Besprechungen 46 ) und Heilhandlungen (s.o.). Es kommen u. a. in Betracht das Durchziehen kranker Kinder durch einen frisch gespaltenen B a u m 4 7 ) , das Abstreifen der Krankheit auf demselben Wege oder mittels des Durchkriechens durch eine gespaltene Eiche 4 8 ), das Vergraben von Zwischenträgern, wie Salz, Hemd oder Urin des Kranken 4 9 ), das Verspinden oder Vernageln des Zwischenträgers in einen Baum 5 0 ), das Verknoten der Krankheit in einen Baumzweig (oft übrigens mit dem Zusatz, die Vernagelung usw. habe an einem Orte stattzufinden, wohin weder Sonne noch Mond scheine 51 )) und andere Arten der Übertragung der Krankheit auf Pflanzen, Bäume S2) und Tiere 5 3 ), das Wegschwemmen der Krankheit in fließendem Wasser 5 4 ) und ihre Übertragung auf andere Menschen 65 ). Ein großer Teil dieser Riten deckt sich angesichts der teilweisen Gleichwertigkeit der Zeit nach SU. und vor SA. mit den zum SU. aufgezählten Handlungen. Beim Vieh vertreibt man Würmer und Maden vor S A . 5 6 ). Bei Massenerkrankungen von Haustieren wird eines der erkrankten Tiere meist vor SA. geopfert. So köpft man in Schlesien bei der Schafkrankheit das zuletzt erkrankte Tier unter besonderen Begleitumständen vor SA., .vorauf man den Leichnam an der Giebelseite des Stallgebäudes eingräbt 5 7 ). Auch lebendes Eingraben als Opferung ist bekannt. Noch 1922 hat ein Bauer im südlichen Böhmerwald bei Rotlauf der Schweine ein junges Schwein nachts lebend eingegraben 58 ), und es ist eine Vorschrift vorhanden, derzufolge dieses Vergraben nach SU. geschehen müsse, weil sich das Tier sonst zu sehr quäle 5 9 ). Verschwinden der Sonne, Tod des Schweines und Verschwinden der Krankheit werden hier gedanklich miteinander verbunden. Auch die durch das Anzünden eines Notfeuers (s. d.) an kranken Tieren versuchten Heilungen vollzog man vor S A . e o ) . Zur Verstärkung des Heilungszaubers übt man etliche Zeremonien mitunter abwechselnd nach SU. und vor SA. aus. Dies beweist, daß man dem Anfangs- und

Endpunkt der Nacht, wie noch mehr ihrem Höhepunkt, der Mitternacht, besondere Bedeutung beimißt und die Nacht als ein Ganzes für zauberisches Tun dem Tag gegenüberstellt. Es ist aber nur zum Teil richtig, wenn zur Erklärung angeführt wird, daß etwa die Bevorzugung des SA.s der nicht immer bewahrte Gedanke zugrunde liegt, daß man Chthonisches vor SA. vornehmen müsse, weil der aufgehende Lichtgott die chthonischen Geister vertreibe β1 ). Vielmehr steckt der ganz allgemeine Analogieglaube dahinter, daß die böse teuflische Macht und die Nachtgeister selbst die Erreger allen Unheils und der Krankheiten sind und daß man sich von diesen daher nur wieder bei Nacht befreien kann, bzw. bis vor SA. befreit haben muß. In Sachsen wird dem Kranken bei „Blattern im Auge" das Auge an drei aufeinanderfolgenden Tagen kreuzweise gestrichen und zwar einmal des Morgens vor SA. und einmal des Abends nach SU. β 2 ). Beim Vieh verfährt man nicht anders. In Samland läßt man eine beschriene Kuh dreimal einen Heiltrunk trinken, das erste Mal nach SU., das zweite Mal vor SA., das dritte Mal wieder bei SU. In gleicher Weise berücksichtigt man beide Zeiten auf Usedom in Pommern bei der Behandlung von behextem Vieh ®8). (Übrigens spielen beide Zeiten auch in andern Fällen eine Rolle. Ein Diebssegen wird gesprochen, indem man vor SA. und nach SU. dreimal um das zu bindende Eigentum herumgeht 64 )). u ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 104. 12 ) D r e c h s l e r 2, 129. i ç o f . ; S t r a c k e r j a n 2, 22 Nr. 280. 13 ) J o h n Westböhmen 232; Z a h l e r Simmental 120. 14 ) W u t t k e 359 § 540. 15 ) Ebd. 170 § 229; ZVfVk. 7 (1897), 57. S t r a c k e r j a n 1, 81 Nr. 84. « ) Ebd. 1, 8 5 ! Nr. 92; S e y f a r t h Sachsen 190. 18 ) W u t t k e 328 § 448; S e y f a r t h

Sachsen 193. ™) Ebd. 329 § 489. 2°) Ebd. 335

§ 499; S t r a c k e r j a n 1, 86f. Nr. 93. 21 ) S e y f a r t h Sachsen 196. 22 ) ZöVk. 2 (1896), 287 (Böhmen); vgl. S e l i g m a n n Blick 1, 327. 23

)

Haltrich

Siebenb.

Sachsen

271

Nr.

7.

) W u t t k e 341 § 508. 25 ) ZrhwVk. 2 (1905), 289. 2e ) A g r i p p a v. N e t t e s h e i m 1, 216S.; W u t t k e 96 § 120; S e l i g m a n n Blick 2, 5 ° .

a4

82

Sonnenuntergang



S e y f a r t h Sachsen

2çgi.

27

) Grimm

Sagen

75f. Nr. 83; W u t t k e 102 § 131; D r e c h s l e r 2, 212; Α. T. S t a r c k Der Alraun (Baltimore

1917)2. « ) W u t t k e 407 § 629. 2 ·) D r e c h s l e r 2, 284. 3°) W u t t k e 57 § 64; 77 § 89. 31 ) Ebd. 325 § 483 (Böhmen). 3a ) G r i m m Mythol. 1, 487; W u t t k e 14 § 12; Z a h l e r Simmental 91; vgl. P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 102 ; W u n d t Mythus u. Rei. 1, 411 f. 33 ) W u t t k e 360 § 543. 31

) G r i m m e l s h a u s e n Ewigwährender

Kalender,

Neudruck 1925 bei A. Langen. 35 ) W u t t k e 7 2 § 83; J o h n Erzgebirge 194; S a r t o r i Sitte 3, 151ft.; S e y f a r t h Sachsen 2530.; K e l l e r Grab 5, 294. 3e ) L a m m e r t 204. 37 ) J o h n Westböhmen 65. 38 ) W u t t k e 74 § 87; 308 §453; S e l i g m a n n Blick 2, 235. 39 ) S. Anm. 34. 40) D r e c h s ler 2, 112; S a r t o r i Sitte 3, 152. 41 ) W u t t k e 80 § 92· 42 ) S a r t o r i Sitte 3, 71 Anm. 78. 43 ) W u t t k e 314 § 464; S a r t o r i 2, 36; S e l i g m a n n Blick 2, 142. 44 ) W u t t k e 73f. §85. « ) ZrhwVk^ ι (1904), 96. 4β ) W u t t k e 169ff. § 227fr.; L a u f f e r Niederdeutsche Vk. 85. Beispiel H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 114; G a n z l i n Sachs. Zauberformeln 21 Nr. 44. 47 ) D r e c h s l e r 2, 279; S e y f a r t h Sachsen 206; S a r t o r i Sitte 3, 146 A. 12. 4e ) W u t t k e 338 § 503. 4») Ebd. 322 § 477; 331 fE. § 493ff.; D r e c h s l e r 2, 286; S e y f a r t h Sachsen

190; H a l t r i c h

Siebenbürger

Sachsen

271 Nr. 6; S e l i g m a n n Blick 1, 278. 304. ) D r e c h s l e r 2, 299; S e y f a r t h Sachsen 201Á. 51 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 104. 119. 121 f.; vgl. B o h n e n b e r g e r 14. 6a ) W u t t k e 328£f.; §488ff. S e y f a r t h Sachsen 1 9 4 ! ; F e h r l e Z a w ber u. Segen 70; D r e c h s l e r 2, 300. 63 ) W u t t k e 326 § 485. 64 ) W u t t k e 336 § 501; S e y f a r t h 50

Sachsen 225Í. 55 ) D r e c h s l e r 2, 287. 5 e ) H a l t r i c h Sachsen 269Ϊ. Nr. 2. 5 7 ) K ü h n a u Sagen

58 3, 268. ) J u n g b a u e r Böhmerwald 20. ) Rogas. Famblatt 5 (1901), 12. eo ) K e l l e r

69

Grab 5, 445.

el

) P r a d e l Gebete 102.

β2

) Sey-

f a r t h Sachsen 77; andere Beispiele H o v o r k a K r o n f e l d 2, 114; F e h r l e Zauber u. Sagen 70. 63 ) S e l i g m a n n Blick 1, 302Í.; vgl. J a h n Pommern 337 Nr. 422; H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 269Í. Nr. 2. e 4 ) H a l t r i c h a. a. O. 275 Nr. 3.

3. Sonstigen Z a u b e r zum N u t z e n und G e d e i h e n der H a u s t i e r e , der B i e n e n , der O b s t b ä u m e u. a. vollzieht man in ähnlicher Weise wie die meisten Heilungen am besten vor SA. Am Karfreitag ζ. B. segnet man vor SA. die Bienenstöcke 65 ) ; das Federvieh sichert man am gleichen Tage oder auch zu Fastnacht zur selben Zeit durch drei starke Schläge an die Hechel oder Einschlagen eines Pflockes vor dem Geflügelstall 88 ). Den Schweinen wird, ebenfalls am Karfreitag, vor der Sonne ein Mittel gegen die Wölfe eingegeben ®7). Das Wachstum der Obstbäume befördert, wer etwa am Gründonnerstag einen durch Honig gezogenen Faden um die Bäume bindet 68 ). Flachs

83

Sonnenuntergang

gedeiht in Westböhmen, wenn der Landmann oder seine Frau am Faschingsdienstag vor Sonnenaufgang tanzen ββ ), oder wenn die Hausfrau oder die älteste Jungfrau des Hauses recht weit vom Tische springt; so weit sie springt, so hoch nämlich wächst der Flachs (s. Lein) 70 ). Auch ist die Zeit günstig zur Vertreibung von schädlichem Ungeziefer, so der Flöhe 71 ), Läuse 72 ), Mäuse 73) und Ratten 74). Ferner schützt man durch mancherlei vor SA. geübten Zauber das reifende Kornfeld bei den Siebenbürger Sachsen vor Vogelfraß. Man umgeht nackt, schweigend und ohne rückwärts zu sehen vor SA. sein Saatfeld 75 ). Schließlich ist diese Zeit gut, um Diebe zu bestrafen (doch s. § 2 Ende) oder zu zwingen, das Gestohlene zurückzubringen 76 ).

84

einem Dienstag bei Neumond geschnitten werden 81 ). Mit einer am Karfreitag geschnittenen Haselrute kann man einen Abwesenden in ähnlicher Weise schlagen, wenn man an ihn denkt und auf ein Kleidungsstück schlägt 82 ). In England schneidet man diesen Zweig an irgendeinem Samstag vor SA. M ). Zum Freischütz wird, wer vor Sonnenaufgang einen Zettel mit den Worten „Das Blut Jesu Christi" im Walde an einen Baum heftet und darauf schießt 84 ). Um den Nutzen aus dem Getreidefeld eines andern zu sich herüberzuziehen, bediene man sich des folgenden Rezepts, das schon durch sein Alter (1679) geheiligt sein dürfte 85 ): „Früh vor der Sonnen aufgang wolle man hinauss auf das Feld gehen und gegen den Sonnenaufgang von den vier Eckchen dess Ackhers das Korn abschneiden und in seinen Stadl thun, so kombt dass andere auch noch darzu und mann sag: ,Ich schneid dich ab Überecks, dein Korn in meine Scheuer kommen wirdt, du hast das Stroh, ich hab die Körner, es wird dich nicht viel helfen, dein Müh und Arbeit, dein Nuzen werd ich davon haben von deinen Körnern. Jh. 1679'" (Egerland). Auch der zur Zeit des SA.s geübte Liebeszauber gehört hierher 86) 87).

M ) W u t t k e 428 § 671. ««) Ebd. 429 § 672. • 7 ) D r e c h s l e r 2, 117. ««) W u t t k e 427 § 668. ββ) 70) W u t t k e J o h n Westböhmen 41. 421 § 657; S a r t o r i Sitte 3, i n . " ) W u t t k e 75 § 87; 83f. § 98; J o h n Westböhmen 66; D r e c h s l e r 2, 3; S a r t o r i Sitte 3, 128 (Vertreibung der Flöhe in Cornwall durch Peitschenknallen vor der Tür am 1. März vor Sonnenaufgang). " ) W u t t k e 315 § 466. Ebd. 399 § 6 1 4 t 7S ) '*) D r e c h s l e r 2, 4. Haltrich Siebenb. Sachsen 280 § 305. " ) W u t t k e 414^ § 643f.; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 274. In Schlesien können Felddiebe vom Besitzer auf einer Stelle festgebannt werden, wenn er vor Sonnenaufgang hinausgeht, unterwegs gewisse Gebete verrichtet und den Dieb, ohne zu sprechen, ansieht; doch muß er noch vor Sonnenaufgang das Haus wieder erreicht haben ( D r e c h s l e r Schlesien 2, 60). Ein Schweizer Diebsbann (vor Sonnenaufgang am Donnerstag unter freiem Himmel zu sprechen) bei F e h r l e Zauber und Segen 59. Vgl. B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 81.

77 ) W u t t k e 2 5 7 ! § 375; J a h n Pommern 346 Nr. 434. *>) W u t t k e 259 § 378. '») Ebd. 80) Ebd. 272 § 400. 320 § 475 (Böhmen). 81 ) F e h r l e Zauber u. Segen 65. 8 2 j W u t t k e 270 § 398 (Schwaben). 83) S e l i g m a n n Blick 1, 381. 81 ) Z a u n e r t Rheinland 2, 168. 85) Egerland 5 (1901), 5. 8e) W u t t k e 315 § 466. 87) Andere Beispiele für Zauber vor Sonnenaufgang B a r t s c h Mecklenburg 2, 267.

4. Auch von mancherlei S c h a d e n z a u b e r vor SA. ist in der volkskundlichen Literatur die Rede. So ist es möglich, um diese Stunde Dinge zu gewinnen, durch die die Hexen 77 ) oder der Bilwisschnitter 78) erkannt werden können, durch die man ferner bei Stehlen sicher gemacht wird 78) und die einen vor Verwundungen „festmachen"; sie sichern ζ. B. den Raubschützen auf die Dauer von 24 Stunden 80). Ein Stock, der eine fremde Person auf Verlangen prügeln soll, auch wenn diese nicht anwesend ist, muß unter allerlei Formeln vor SA. an

5. A b w e h r - und G e g e n z a u b e r erfolgt indessen besser zur Zeit des SU.s, doch berücksichtigt man auch den SA. Bei oder nach SU. kommt man den Milchhexen am besten bei 88 ), sowie den von ihnen verursachten Krankheiten der Haustiere (doch s.o.) 89). Vielleicht gehört hierher u. a. die oben schon beschriebene Gewohnheit, Nägel und Haare nach SU. (oder vor SA.) zu schneiden90). Wer seine Hände nach SU. in kaltem Wasser wäscht, dem brechen sie nicht auf, er bekommt keine Schrunden (Thingau, Immenstadt) 91 ). Ein gutes Mittel gegen

85

Sonnenuntergang

Brandschaden gewinnt man, wenn man am Gründonnerstag vor SA. dreierlei Früchte sät und aus dem aufgegangenen Samen später eine Salbe macht 92 ). In Oldenburg legt man ein schweigend vor SA. geschmiedetes Hufeisen mit ungerader Löcherzahl unter das Butterfaß, wenn die Butter nicht werden will 93 ). 88 ) K ü h n a u Sagen 3, 25, vgl. 85; S e l i g mann Blick I, 281 (Mecklenburg). 89 ) J a h n Pommern 337 Nr. 422 (Heilung eines verhexten Schweines). 90) S. Anm. 43. 9 1 ) R e i s e r Allgäu 2, 1 1 5 . **) S a r t o r i Sitte 3, 142 A. 16 (Thüringen). " ) S e l i g m a n n Blick 1, 275.

6. Um die Z u k u n f t zu e r f o r s c h e n , bedient man sich zuweilen der Zeit vor SA. In Österreich sieht man am Neujahrsmorgen vor SA. durch ein frischgelegtes Hühnerei, in welches vorher zwei Löcher gebohrt wurden, nach Osten und deutet die darin sichtbaren Figuren 94 ). Durch einen vor SA. ausgeübten bestimmten Zauber kann man erfahren, wie viele „Suchten" ein Kranker hat und ob er stirbt oder mit dem Leben davonkommt95). In Kärnten stecken die Mädchen am Luziatag (s. d.) vor SA. Kirschenzweige in den Sand und glauben, daß ihre Wünsche in Erfüllung gehen, wenn die Zweige an Weihnachten blühen98). Träume erfüllen sich in Zukunft, wenn man neunerlei vor SA. gesammelte Kräuter unter das Kopfkissen legt 97 ). M ) W u t t k e 241 § 346. m ) Ebd. 232 § 331 (Mecklenburg). *') G e r a m b Brauchtum 110. 97 ) Mitt. Anh. Gesch. 14, 2 1 ; andere Interpretation bei H a l t r i c h Siebenb. Sacks. 299.

7. Außer für zauberisches und divinatorisches Tun ist die Zeit nach SU. und vor SA. für die A u s s a a t gewisser Gewächse günstig. Hier macht man also von der Regel, daß man nach SU. kein Tagewerk mehr verrichten soll, eine Ausnahme und zwar ζ. T. in dem naiven Glauben, daß die Aussaat dann unbemerkt von den bereits schlafenden und schädlichen Tieren geschehen könne, ζ. T. aber auch wohl, weil der Gedanke vorschwebt, daß die unter der Erde sprießenden Gewächse den Schutz der unter der Erde lebenden und nur zur Nachtzeit wirkenden Geister benötigen, die man

86

günstig zu stimmen sucht, indem man etwa in schweigender Achtung zu einer der Nacht gehörigen Stunde den Samen streut. So sät man in Oberschlesien heute noch gern die Erbsen nach SU., damit sie von den Tauben und Spatzen nicht geholt werden98 ). Die gleiche Zeit wählt man in der Mark Brandenburg für die Hirsesaat 99 ), in Mecklenburg beim Weizensäen und in Estland beim Säen und Setzen des Kornes, der Erbsen, des Kohles und der Kohlrüben 10°). Indessen ist es auch hier bei einem Teil der genannten Gewächse so, wie schon oben betont werden mußte: Auch die Zeit vor SA. ist für ihre Aussaat günstig. So wird sie vor allem als geeignet für Erbsen, verschiedene Getreidearten und Lein bezeichnet101). Eine Zeremonie, die den magischen Charakter dieses Tuns deutlich heraustreten läßt, wird aus dem Beginn des 18. Jh.s mitgeteilt. Der Bericht erzählt von einem Bauern. Der hatte die Kunst erlernet: so ihm die Sperlinge seinen Hirsen, Erbsen oder Weizen nicht solten anrühren, müsse er den Samen vor Tage, wenn die Vögel noch in Ruhe wären, ganz nackt und zwar mit einem aufgespeilten Munde (den Mund durch ein Stäbchen auseinandergespeilt), um daß er nicht rede, den Vögeln aber dadurch auch das Maul zuschließe, ausstreuen102). Um Liegnitz sät man Gerste und Weizen vor SA., damit kein Sperling schade, aber auch, damit kein Brand hineinkomme 103 ). Bei den Siebenbürger Sachsen wird der ausgestreute Weizen vor Vogelfraß dadurch geschützt, daß man vor SA. beim Säen nicht zurücksieht und mit keinem Menschen spricht 104 ). In Westböhmen erfolgt die Leinsaat zuweilen vor SA., wobei sich hier und da die Säerin zuvor mit entblößtem Hintern auf den Lein setzt (Lein § 6) 105 ). In manchen Gegenden wird zu dieser Saat vor SA. ein bestimmter Tag gewählt, besonders in Finnland und Estland. Da man die ganze Aussaat selten in dieser kurzen Zeit durchführen kann, begnügt man sich oft damit, vor

87

88

Sonnenwagen—Sonntag

SA. auf das Feld zu gehen und wenigstens ein wenig Samen auszustreuen 1 0 6 ). Bei Landshut war es früher üblich zu pflügen, bis die Sonne aufging 107 ). 88) D r e c h s l e r 2, 56. »») S a r t o r i Sitte 2, 67. 100) F F C N r 3 I > 6 o f f . K u h n u. S c h w a r t z 446 Nr. 362; W u t t k e 420 §655. 101 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 162; John Erzgebirge 220; M e y e r Baden 418. 102) M a e n n l i n g 238 = D r e c h s l e r 2, 56f.; vgl. E b e r h a r d t Landwirtschaft 3, 3. 10S) D r e c h s l e r 2, 57. 1 M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305. 105) John Westböhmen 196t: vgl. FFC Nr. 32, 67. loe ) FFC. Nr. 31, 60ff. 107) S a r t o r i Sitte 3, 145.

8. Die A n t i k e hat, wie mancherlei Zeugnisse dartun, die Zeit vor SA. und nach SU. für Heilkräutersuchen und Beschwörungen ebenfalls berücksichtigt 108 ). Doch überwiegt die Nacht und die Beziehung zum Mond 109 ). Näheres siehe in der angeführten Literatur. loe ) Stellen bei P r a d e l Gebete 102. Dazu C o l u m e l l a 6, 5. 10ί ) P a u l y - W i s s o w a s. v. M a g e i a (Hopíner) Sp. 353, 46s. Der Artikel ist von mir verfertigt worden unter Verwendung einer Vorarbeit, die Herr Professor Dr. G. J u n g b a u e r mir über die Redaktion freundlicherweise zukommen ließ. An der dort durchgeführten g e t r e n n t e n Behandlung des mit Sonnenaufgang und Sonnenuntergang verbundenen Volksglaubens konnte ich freilich aus prinzipiellen Gründen nicht festhalten. Siehe die Einleitung dieses Artikels und Art. Sonne. Stegemann.

Sonnenwagen s. S o n n e §4. Sonnenwende. Die S.feiern im Juni und Dezember scheinen auf eine festliche Begehung eines ursprünglich zweigeteilten Jahres schließen zu lassen (s. Jahreszeiten § 1 ) . Daß sie mit dem vorgeschichtlichen und frühgermanischen Sonnenkultus, der in abgelegenen Gegenden Mitteleuropas noch bis ins 15. Jh. hinein gepflegt worden zu sein scheint (s. Sonne Anm. 154), zusammenhängen, wird kaum zu bezweifeln sein. Indes traten im allgemeinen schon recht früh die christlichen Feiertage St. Johannis und Weihnachten an die Stelle der heidnischen Feiern, ohne daß die bei diesen üblichen Bräuche verdrängt worden wären. Reste von solchen sind das A b brennen des S.feuers, das Räderrollen von den Bergen in die Täler, das Scheibenwerfen und die Begehung der Feier auf

den Berghöhen. Ferner gehört das gemeinsame Abbrennen von Holzstößen, das Überspringen des Feuers, an das sich allerlei Aberglaube für die Zukunft knüpft, zur S.feier. Auch Ringspiel und Wettlauf sind bezeugt 1 ). Schließlich sei das Umtanzen eines Baumes bei der SommerS. erwähnt, wie es im Harz geschah, wobei junge Mädchen einen festlich mit Eiern und bunten Bändern geschmückten Tannenbaum unter den Worten „Die Jungfer hat sich umgedreht" umwendeten (s. Sonne § 5 a). Auch sonst wird mancher Vorgang dieses Tages, der mit dem 'Wenden' zusammenhängt, als ein „irdisches Gleichnis der sich wendenden Sonne" angesehen. So meinen Fischer auf Finkenwärder, daß in der Nacht von Johannis sich jedes Wrack auf dem Meeresgrunde wende. Es ist aber verpönt, daß der Mensch irgend eine Tätigkeit vollzieht, bei der er etwas wenden muß. Den Schatzsuchern und Johanniskrautgräbern ist die Mittagsstunde dieses Tages günstig; ebenso dem, der eine Wünschelrute sucht. Die beiden S.tage sind besonders heilig: nach verbreitetem Glauben steht an ihnen sogar die Sonne still (s. Sonne § 5a). Die Gebräuche der Sommer-S. verteilen sich heute teilweise auf mehrere christliche Feiertage zwischen Juni und August (s. Mittsommer), die der Winter-S. auf Dezember und Januarfeiertage ; man übt sie vor allem in den „Zwölfen" aus (s. Mittwinter). Es handelt sich meist um Reinigungs-, Heilungs- und Fruchtbarkeitsriten. Die heidnischen Reste dieser S.feiern sind in diesem Wörterbuch unter den christlichen Festen der angegebenen Zeiträume behandelt. Man vgl. vor allem die Art. J o h a n n e s der T ä u f e r , Johannisf e u e r und W e i h n a c h t . l) L. H ü b n e r Beschreibung Salzburg 2, 369 f. 691.

des Erzstiftes Stegemann.

Sonnenwitbel s. L ö w e n z a h n , W e g warte.

Sonntag. ι . Die dem lat. dies Solis Bezeichnung hat sich in nischen Sprachen erhalten tâc, altnord. sunnudagr,

entsprechende allen germa(ahd. sunnenengl. Sunday,

89

Sonntag

niederl. Zondag, schwed. Söndag, dän. Sondag), während die romanischen Namen (franz. dimanche, ital. domenica, span, und port, domingo) auf das christliche dies dominicus oder dominica zurückgehen 1 ). Den Übergang vom lat. dies Solis zum S. mag erleichtert haben, weil die Germanen in der nord. Sòl und deutschen Sunna eine Sonnengottheit, allerdings untergeordneter Art, besaßen 2 ). Die einzelnen S.e haben, teils nach den Festen, die auf den Tag fallen, teils nach den Anfangsworten der alten lateinischen Kirchengesänge oder Kollekten, die meistens aus den Psalmen entlehnt waren, besondere k i r c h l i c h e N a m e n 3 ) . Neben diesen hat das Volk für einzelne S.e bestimmte und auch landschaftlich verschiedene v o l k s t ü m l i c h e N a m e n , die oft schon durch diese Namen allein auf allerlei Brauchtum und Aberglauben der betreffenden Tage hinweisen. Die wichtigsten sind: Der F a s t n a c h t s s o n n t a g (s. d.), der 50. Tag vor Ostern (Quinquagesima oder Estomihi), der feiste S. 4), auch Herren- oder Hutzelsonntag genannt 6 ), der e r s t e Fastensonntag {Quadragesima oder Invocavit), sonst auch große oder letzte Fastnacht (s. d.), Allermannsfasching, Nachfasching, Freudensonntag, Hutzelsonntag (s. d.), Brot- und Käsesonntag, Funkensonntag (s. d.), Scheibensonntag (s. d.), Holepfannesonntag, in der Eifel Hütten-, Schöf- und Burgensonntag 6 ), zuweilen auch weißer S. genannt 7 ); der v i e r t e Fastens o n n t a g (Lätare), der Tod- oder Totensonntag (s.d.), Mittfasten,Rosensonntag8), Mai(en)sonntag, Sommersonntag, Speissonntag, der fröhliche S., Liebbestättsonntag (Gmunden) 9 ); der f ü n f t e F a s t e n s o n n t a g (Judica), der schwarze S. 10 ), namenlose S., auch weiße S . u ) ; femer lahme oder lose S. 1 2 ); der P a l m s o n n t a g (s. d.); der e r s t e S. n a c h O s t e r n (Quasimodogeniti), der eigentliche weiße S., auch fetter oder Freudensonntag, weil wieder getanzt werden darf 1 3 ), in Solothurn Bohnensonntag genannt 1 4 ); der z w e i t e S. n a c h O s t e r n {Misericordia Do nini) oder Bocksonntag, weil die Sündenböcke ihre österliche

90

Beichte bis dahin verschieben 15 ); der e r s t e S. n a c h P f i n g s t e n , Trinitatisoder Dreifaltigkeitssonntag, auch der goldene oder große S. genannt 16 ); die drei S.e n a c h M i c h a e l i s oder die goldenen S.e, von welchen der erste auch Wochensonntag heißt 1 7 ). Von diesen S.en ist der vierte Fastensonntag oder T o t e n s o n n t a g schon wegen seiner Benennung ein Unglückstag. Nach älterem Glauben aber soll das an diesem Tage gebackene Brot mehr sättigen als anderes, weil Jesus an diesem Tage mit fünf Broten 5 000 Menschen gespeist hat 1 8 ). An diesem oder am folgenden S. findet das T o d a u s t r a g e n (s. d.) statt 1 β ). Der fünfte Fastensonntag heißt s c h w a r z e r S., weil an dem Tage die Altäre schwarz verhüllt werden 20 ). An ihm zogen auch die Leute um des Todes Jesu willen schwarze Trauerkleider an 2 1 ). Dieser Unglückstag heißt der lahme oder lose S., weil sich an diesem Tage gewöhnlich etwas Schreckliches zuträgt. Im früher österreichischen, jetzt tschechoslowakischen Schlesien glaubte man, daß an ihm drei neugeborene Kinder ertrinken müssen. Wer an diesem S. auf dem Felde arbeitet, bei dem schlägt im nächsten Jahre das Gewitter ein 22 ). Zu Beginn des 18. Jh.s „meynet der Pöbel", daß am schwarzen S. ein Mensch eines gewaltsamen Todes sterben oder sonst zu Schaden kommen müsse, weil an diesem Tage der Satan den Leuten mehr als sonst nachstellt 23 ). Und noch in neuerer Zeit heißt es bei den Siebenbürger Deutschen, daß man an diesem Tage sonst nirgends hingehen soll als in die Kirche, weil der Teufel umgeht und sucht, wen er verschlinge 24 ). Der g o l d e n e S. (Trinitatis- oder Dreifaltigkeitssonntag) heißt so, weil er als der Tag des dreieinigen Herrn gewissermaßen der S. aller S.e, der vornehmste und gnadenreichste S. ist. Er ist ein G l ü c k s t a g , auch sollen nur die an diesem S. geborenen Kinder wirkliche S o n n t a g s k i n d e r (s. d.) sein, die daher auch güldene genannt werden. Alles an diesem Tage Begonnene gelingt, wenn man dreimal um die Kirche geht und je-

9i

Sonntag

desmal an sein Vorhaben denkt. An diesem S. blühen Schatzblumen und blüht auch der Farnsamen, der unsichtbar macht, Glück bringt und den Besitzer zum Freischützen macht, ein Glaube, der sicher vom Johannistag erst später auf diesen S. übertragen wurde 25 ), dessen allgemeine Feier erst 1260 auf dem Konzil von Arles verordnet worden war 2 6 ). Außer Schätzen 27 ) kann man am goldenen S. auch ein zauberkräftiges Elsenbeerholz gewinnen, wenn man es vor Sonnenaufgang in drei Schnitt gegen Morgen gewendet und ohne An- und Widergang schneidet28). An diesem Tage soll man aber auch allerlei Handlungen unterlassen, die gefährlich werden können29). Wer mit einem am goldenen S. gewetzten Messer verwundet wird, kann nach älterem Glauben schwer oder gar nicht geheilt werden Die an diesem Tage getroffenen Verlöbnisse bringen Gut und Geld zuwege. Wer an einem solchen S. die rechte Hand mit einem Faden oder Strick, an dem ein Dieb am Galgen gehangen, umwindet, trifft beim Zielschießen stets ins Schwarze 31 ). Goldene S.e werden auch die drei S.e nach Michaelis genannt 32). Über ihre Entstehung berichtet die Sage von dem Ursprung der drei goldenen Samstage (s. d.). Vereinzelt heißt es, daß auch alle jene S.e goldene sind, auf die ein Frauentag fällt 3 3 ). Auch ein Wochentag wird als schwarzer S. bezeichnet, der unheilvolle 30. September. Die an diesem Tage Geborenen sind unglücklich ihr Leben lang ; auch dürfen an ihm Kinder zu keinem Wasser gelassen werden, weil sie leicht hineinfallen und verunglücken34). Ein S., auf den das Neujahr oder der Neumond fällt, heißt N e u s o n n t a g (s. Neusonntagskinder) 3S ). Der Freitag (s.d.) wird auch J ä g e r s o n n t a g genannt, statt „niemals" sagt man umschreibend „am Schus t e r s o n n t a g " 3e ). Im Mittelalter gebrauchte man hie und da das Wort S. auch an Stelle der Woche 37 ), als pars pro toto 3 8 ). Sehr beliebt ist der Name S. als F a m i l i e n n a m e 3 8 ) . Zur Bestimmung des Wochentages,

92

der auf jedes Datum eines Jahres fällt, dient der Zyklus der S o n n t a g s b u c h staben. So nennt man den Buchstaben, der auf den S. fällt, wenn man die einzelnen Jahrestage vom 1. Jänner an mit den sich immer wiederholenden sieben Buchstaben A, B, C, D, E , F, G bezeichnet. Da ein gemeines Jahr 52 Wochen und einen Tag hat, so schließt es mit demselben Wochentag, mit dem es anfing, und der Sonntagsbuchstabe rückt von einem Jahr zum nächsten um eine Stelle zurück; bei einem Schaltjahr beträgt dies Zurückweichen zwei Tage. Man gibt hier dem 23. und 24. Feber denselben Buchstaben, so daß ein Schaltjahr zwei Sonntagsbuchstaben hat, den ersten für die Zeit vor, den zweiten für die Zeit nach dem 23. Feber 40 ). Die Tafel der Sonntagsbuchstaben ist für die Berechnung des Osterdatums notwendig41). Zu einer Personifikation des S.s, der in Krankheitssegen gern als heiliger S. angesprochen wird (s. u.), finden sich nur Ansätze 42 ). In südslawischen Liedern erscheint der S. als hl. N e d e l j i c a 4 3 ) . Im übrigen ist bemerkenswert, daß die Skopzen keine S o n n t a g s f e i e r kennen 44) und die 1866 im Gouvernement Saratow entstandene Sekte der Zähler die Feiertage so zählte, daß Ostern auf einen Mittwoch und jeder S. auf einen Mittwoch fiel45). DWb. 10, ι (1905), 1710; S c h r ä d e r Reali. 963; A l b e r s Das Jahr 4; M e y e r Konv.Lex.· 18 (1907), 611. 2 ) M e y e r Germ. Myth. 293 f.; veraltet Rochhol ζ Glaube 2, 9. 3 ) M e y e r Konv.-Lex. a. a. O. 4 ) J o h n Westböhmen 38. s ) DWb. a. a. Ο. 1715. ·) R e i n s b e r g Festjahr 69 ff. ' ) DWb. a. a. Ο. 1 7 1 5 . 8 ) Reinsberg Festjahr 78 ff. ·) DWb. a. a. Ο. 1714. 10 ) R e i n s b e r g a. a. O. 78 f. « ) DWb. a. a. O. 1714 f. 1 2 ) Drechsler 1, 75. 1 3 ) DWb. a. a. O. 1714 f. 1 4 ) R e i n s b e r g a. a. O. 120; H ö f l e r Ostern 62. 1 5 ) DWb. a. a. Ο. 1714. Nach Maennling 216 war dieser S. besonders dem Hause Sachsen „fatal und unglücklich". le ) R e i n s b e r g a. a. O. 1 6 3 ! ; DWb. a. a. O. 1714. " ) R e i n s b e r g a. a. O. 279. w ) Maennling 216 f. " ) Drechsler 1, 65 f.; G e r a m b Brauchtum 29. 20 ) R e i n s b e r g a. a. O. 78. 2l ) Drechsler 1 , 7 4 . 2 a ) Ebd. 1, 74 f. 23 ) Maenn21 ling 217. ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 285. Auf solche unheilvolle S.e bezieht sich wohl die dem Vf. nicht zugängliche Schrift J . Ch. E b e r l i n De ominosis diebus dominicis,

93

Sonntag

Von Abergläubischen Sonntagen (Diss. Jena 1730). 2 S ) A l b e r s Das Jahr 5. 232 fi. 2β ) Reinsberg Fest jähr 163. 27 ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 126 f.; B e c h s t e i n Thüringen 1, 219, vgl. 2, 289. 2e ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 29 = S e l i g m a n n Blich 1, 283 f. 2e ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 218. 3°) Maennling 218 = S c h u l t z Alltagsleben 240; G r i m m Myth. 3l 3, 468 Nr. 920. ) Maennling 218 = 32 S c h u l t z Alltagsleben 240 f. ) Pfannenschmid Erntefeste 440. M ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 153. Drechsler 2, 185. 3 S ) P f a l z Marchfeld 1 1 4 f. M ) Ebd. 132. 3 7 ) H. Grotefend Zeitrechnung des deutschen Mittelalters und der Neuzeit I. (Hannover 1891) 209. 38 ) Vgl. Μ. P. Nilsson Primitive Time-Reckoning (Lund 1920) 358 f. 39 ) A. H e i n t z e Die deutschen Familiennamen (Halle 1922) 300 40 (Tag). ) M e y e r Konv.-Lex.e 10 (1905), 456. " ) A l b e r s Das Jahr 177. « ) Vgl. M ü l l e n h o f f - S c h e r e r Denkmäler2 372 zu 1 Nr. 31, ι, I i = AnSpr. 98 (1897), 84 . 4 3 ) AnSpr. 100 (1898), 149. M ) S t e r n Rußland 1, 241. 45 ) Ebd. ι, 210.

2. Die gottesdienstlichen Versammlungen der ersten Christen fanden an dem jüdischen Ruhetag, dem S a b b a t , statt. Doch bald verlegte man sie, um den Gegensatz zum Judentum scharf herauszuheben, auf den nächsten Tag, den ersten T a g der jüdischen Woche. Denn am Tag nach dem Sabbat soll die A u f e r s t e h u n g Christi erfolgt sein; er war sonach der Siegestag des Messias, der Anfang der neuen Welt, der Geburtstag des Christentums. An diesem Tag waren Paulus und die Seinen zur heiligen Handlung des Brotbrechens versammelt (Apostelgesch. 20,7), er war der Tag des Herrenmahles, mit dem der Gottesdienst stets verbunden war, und hieß daher auch kurz der „ T a g des Herrn". Diesen Namen hat der erste Tag der jüdischen Woche bereits um 100 in der Offenbarung Johannis (1,10). Und diese Bezeichnung hat sich augenscheinlich in der Kirche bald durchgesetzt46). Mit dieser jüdischen Woche traf auf hellenistischem Boden die siebentägige Planetenwoche (s. Woche) zusammen, bei welcher der T a g der Sonne dem ersten Tag der jüdischen Woche, dem Tag des Herrn, entsprach47). Der orientalische Sonnendienst, der unter Diokletian seine Blüte erreichte und auch noch Konstantin zu seinen Anhängern

94

zählte 48 ), erhöhte die Bedeutung des Tages und bewirkte auch, daß aus dem Herrentag der S o n n e n t a g , Sonntag wurde. Die Kirche selbst hat Christus in Anlehnung an jene Stelle beim Propheten Malachias (4, 2) als die Sonne der Gerechtigkeit dem Sol Invictus der Heiden substituiert49). So wurde über den „Tag des Herrn" ein eigener physischer Glanz gebreitet, „der ihn über den jüdischen Sabbat erhebt und in Millionen, die von dem heidnischen Ursprung dieser Bezeichnung nichts ahnen, noch heute befreiend und beglückend weiterwirkt"60). Der j ü d i s c h e S a b b a t hat aber doch auch nachhaltig auf den christlichen S. eingewirkt, indem von ihm viele Gebote und V e r b o t e auf den neuen Feiertag übertragen wurden (s. Sonntagsheiligung). Der Sabbatabend blieb als eine Art Vorfeier auch weiter in Gebrauch 61 ), doch ist die Heilighaltung des Samstags (s. d.) und besonders des Samstagsabends heute keine Sabbatfeier mehr, sondern reine Sonntagsfeier62). Nach dem heutigen Volksglauben reicht die Dauer des S.s von der Samstagnacht, bei den Kuren vom Sonnabend um 6 Uhr 63 ), bis zum Sonnenaufgang am Montag früh. Nach einer Sage aus Tirol stiegen 12 Männer von Tulfers bei Sterzing an einem Montag, als es noch dunkel war, in die Berge, um Heu zu ziehen. Sie fanden ihre Heubündel schon aufgelegt — eine Teufelsverblendung — und eine Stimme rief ihnen zu: „Wisset Ihr nicht, daß der heilige Tag währet bis an den hellen lichten Tag?" 54 ). Auch die armen Seelen kommen schon in der Samstagnacht (s. Samstag) aus dem Fegefeuer und müssen erst am Montag wieder zurück 66 ). Der S. ist der hl. D r e i f a l t i g k e i t geweiht 58 ) und im allgemeinen ein Glück stag 5 7 ). Den an diesem Tage geborenen Kindern werden besondere Fähigkeiten zugeschrieben (s. Sonntagskind). Nur bei den Arabern ist der S. ein Unglückstag, weil an ihm der Prophet gestorben ist 68 ). Die B e d e u t u n g des S.s, der nicht allein durch den Besuch des Gottesdienstes, durch Arbeitsruhe und festliche Sonntagskleidung, sondern auch durch

95

Sonntag

bessere und reichhaltigere Mahlzeiten gefeiert wird, e r h ö h t sich, wenn auf ihn ein F e s t t a g fällt 8 ·). Fällt ζ. B. Maria Lichtmeß auf einen S., dann hat die Kerzenweihe zehnfache Kraft, und solches Wachs wird sehr lange verwahrt 60 ). Vgl. auch Palmsonntag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, Kirchweihsonntag. 48 ) Hans M e i n h o l d Sabbat und Sonntag (Wissenschaft und Bildung Nr. 45, Leipzig 7 1909) 60 fi. * ) Ebd. 63. " ) G. G u n d e r m a n n Die Namen der Wochentage bei den Römern in ZfWortf. ι (1900), 180 f.; D i e t e r i c h Kl. Sehr. 264 t. 507. 511. 4 ·) B o l l Offenbarung Joh. 129. M ) B o l l Sternglaube 38. 51 ) A l b e r s Das Jahr 8. » ) M e i n h o l d a. a. O. 70. 53 ) SarM) ZfVk. 4 t o r i Sitte u. Brauch 2, 194 Anm. (1894), i n = S a r t o r i a , a. O. a ) G r i m m M ) i / Ä . 3, 417 Nr. 25. M ) Z f V k . 8 (1898), 447 (Steiermark). 57 ) Alemannia 24, 155; W u t t k e 58 § 66. » ) S t e r n Türkei 1, 376. s») W u t t k e 106 § 137. ·°) L e o p r e c h t i n g Lechrain 159 = S e l i g m a n n Blick 2, 294; hier irrtümlich Maria Himmelfahrt; Bavaria ι , 1, 366 f. = W u t t k e 142 § 195. Vgl. Z a h n Geschichte des Sonntags, vornehmlich in der alten Kirche (Hannover 1878); G r i m e l u n d Geschichte des Sonntags (Gütersloh 1889); T h o m a s Der S. im frühen Mittelalter (1929).

3. Auf dem Lande findet die T a u f e gewöhnlich am S. statt 8 1 ) ; in vielen Dörfern Badens werden nur die unehelichen Kinder an einem Werktag getauft 62 ). Neugeborene Kinder soll man an den ersten drei S.en fein putzen, dann stehen ihnen dereinst die Kleider schön 63 ). Zieht man einem Kinde am S. das erste Kleidchen an, so wird es hochmütig 64). Am S. soll man kleine Kinder nicht baden 65 ) (s. Sonntagsheiligung). Ein Kind, das immer hungrig tut, soll man während des ganzen Läutens zum Sonntagsgottesdienst in den Brotschrank legen 6e ). Beliebt ist der S.als H o c h z e i t s t a g 6 7 ) . In Mildenau fielen von 198 im Laufe des 19. Jh.s geschlossenen Ehen 95 auf einen S. 68 ). Im Erzgebirge erfolgt mit Vorliebe am S. der E i n z u g ins n e u e Heim 69), in Westfalen zuweilen auch das R i c h t fest 7 0 ). Betreffs der D i e n s t b o t e n heißt es im Egerland, daß am S. nur die faulen einziehen 71 ). Um Chemnitz in Sachsen darf neues Gesinde am ersten S. nicht zur Kirche gehen, weil es sich sonst nicht eingewöhnt 72 ). Einem Freunde stirbt der Freund nach,

96

wenn jenen an einem S. der T o d ereilte 73 ). Steht an einem S. ein Grab offen, bzw. ist ein Begräbnis, so folgt eine weitere Beerdigung bald 74 ), nochmals am S. 7 S ), in einer Woche 7β ) oder in vier Wochen 77 ), oder es wird eine Ehe durch den Tod geschieden. Regnet es am S. ins offene Grab, so stirbt innerhalb vier Wochen wieder jemand aus der Verwandtschaft 78 ). Die Zahl der am S. Beerdigten gibt überhaupt die Zahl der Toten der folgenden Woche an 7 9 ). Wenn eine Leiche über den S. im Hause liegt, stirbt bald wieder jemand nach 80). Dies tritt auch ein, wenn über den S. zwei Tote im Dorfe liegen 81 ). Im Jeverlande sagt man auch, daß noch in dieser Woche ein Begräbnis sein werde, wenn am S. mittags das Geläute für eine Beerdigung stattfindet 82 ), und im Münsterlande meint man, daß es im Kirchspiel in derselben Woche eine Leiche gebe, wenn die Turmuhr an Sonn- und Feiertagen während des Wandlungskieppens schlägt 8S ). Sonst sind aber Beerdigungen am S. beliebt, weil dann mehr Leute teilnehmen als am Werktag 84 ). Heute hat der S. in der V o l k s m e d i z i n nur mehr geringe Bedeutung. Er ist f ü r K r a n k e u n g ü n s t i g 8 5 ) . Wer an einem S. krank wird, steht nicht bald auf 8 8 ) und muß sterben 87). Auch eine am S. eingetretene Besserung des Kranken taugt nichts 88 ), bedeutet baldigen Tod 89 ). Daher soll man an einem S. auch nicht zum erstenmal vom Krankenlager aufstehen'"). Am S. soll man die F i n g e r n ä g e l n i c h t schneiden91). Sonst muß die ganze Woche in Trauern gehn, man bekommt Bei- und Notnägel. Tut es ein Kind, so stirbt in Bälde sein Vater ®2). Nach wendischem Glauben stiehlt man dann 93 ). Nach französischem Glauben des 16. Jh.s werden die Nägel des Teufels länger, wenn man am S. an den N ä g e l n k a u t 94 ). In früherer Zeit kam, so lange nicht das Gebot der S o n n t a g s h e i l i g u n g (s. d.) ängstlich beachtet wurde, dem S. sicher eine größere Bedeutung zu, da gerade für diesen Tag der Gedanke an die H e i l k r a f t der Sonne (s. d.) in erhöhtem Grade wirksam sein mußte. Nach einer Schweizer Überlieferung trugen Müt-

Sonntag

97

ter die an Auszehrung leidenden Kinder an drei aufeinander folgenden S.en jeden S. dreimal bei Sonnenaufgang hinaus unter den freien Himmel und sprachen dann „gewüße abgottische wort: Komm, du heiliger S o n n t a g " · 5 ) . 81)

S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 33; Höhn

Geburt Nr. 4, 268.

62)

Meyer

Baden

19.

*>) Grimm Myth. 3, 437 Nr. 77. M ) ZfVk. 4 (1894), 326 (Meiderich). 45 ) Meyer Aberglaube 207. ··) J o h n Erzgebirge 56. ") W u t t k e 58 § 66; 368 § 558; S a r t o r i Sitte u. Brauch

ι, 61; S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282; Engelien u. Lahn 245 Nr. 84; Geramb Brauchtum 125 (Burgenland); Hoffmann-Krayer 33 f. (Nach der Reformation am S. verboten). M ) John Erzgebirge 92. 69 ) Ebd. 28. 103. ,0 ) S a r t o r i Westfalen 30. 71 ) J o h n Westböhmen 260.

72)

S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 43.

J o h n Erzgebirge 116. 71 ) Rochholz Glaube 2, 13; S t a u b e r Zürich i, 30; Reiser 73 )

Allgäu 2, 3 1 3 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 395;

Höhn Tod Nr. 7, 345. 76) Höhn Tod a. a. O. '·) Ebd.; Zingerle Tirol 120. ") Lütolf Sagen 552 Nr. 546; W u t t k e 214 § 299; 467 § 740; Meyer Baden 593. 78 ) Höhn Tod Nr. 7, 345. 7>) JohnErzgebirge 116. 8 0 ) W u t t k e 4 6 4 § 735! Drechsler 1, 289; SAVk. 7, 140; 12, 150; H o f f m a n n - K r a y e r 44; Höhn Tod Nr. 7, 345. 81 ) SchwVk. 5, 1 (Baselland). 82 ) S t r a c k e r j a n 1,33 Nr. 21 = W u t t k e 216 § 302. 8S ) S t r a c k e r j a n a. a. O. M ) Höhn Tod Nr. 7, 336. 86 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 124. 8 ·) Drechsler 2, 185. 87 ) W u t t k e 59 § 66; 221 § 314; Rochholz Glaube 2, 13; J o h n Erzgebirge i n ; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 16; Fogel Pennsylvania 116 Nr. 517; 122 Nr. 551; 124 Nr. 564. Vgl. J ü h l i n g Tiere 281. ω ) Bartsch Mecklenburg 2, 124. 219; S t r a c k e r j a n 1, 30. 8*) W u t t k e 221 § 314; P f i s t e r Hessen 165. 90) Rogasener Familienblatt 2 (1898), 2; ZfVk. 1 (1891), 189 (Mark Brandenburg); Fogel Pennsylvania 306 Nr. 1626 f. e l ) W u t t k e 59 § 66; S c h m i t t Hetlingen Ii f. 92 ) S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282. 93 )

M)

Schulenburg Wend. Volksthum 147. G e r h a r d t Franz. Novelle 118. » 5 ) Rud.

Gwerb Von Vych- vnd Leutbesägnen (Zürich 1646) 139. 302 = Rochholz Glaube 2, 13.

4. In der V i e h w i r t s c h a f t wird zuweilen der S. zum E n t w ö h n e n der K ä l b e r empfohlen96). Auch soll man an ihm das Vieh zum erstenmale a u s t r e i ben 9 7 ). In Schleswig-Holstein dagegen darf man am S. kein Vieh auf die Weide bringen 98 ). Wenn man an einem S. zu melken aufhört, k a l b t die Kuh am T a ge 99 ). Zauber gegen K u h b e h e x u n g übt man am besten am S. vor Sonnenaufgang 100 ). Um das Versiegen der Milch B l c h t o l d . S t a u b U . Aberglaube VIII.



der Kühe zu verhindern, schenkten die italienischen Bäuerinnen im 16. Jh. die am S. gemolkene Milch den Armen 101 ). Nach einer Hs. der Bibl. zu St. Florian aus dem 14. oder 15. Jh. soll man einem Vieh, das nicht gehen mag, an einem S. ein Band umbinden und den Knopf oben zumachen102). Zum U n t e r l e g e n der Β rut ei er ist die Zeit während des Kirchenläutens am S. am geeignetsten 103 ). Gering ist die Bedeutung des S.s in der F e l d w i r t s c h a f t (s. Sonntagsheiligung). In Oldenburg wählt man zum Einholen des letzten Erntewagens den S., doch geschieht das Aufladen schon tags vorher und das Abladen am Montag104). Gedroschenes Korn soll man über denS. nicht in der Tenne liegen lassen, sonst nehmen es die Druden 105 ). An einem S. beschnittene Bäume gedeihen nicht 10e ). Im W e t t e r g l a u b e n ist der S. vorbedeutend für die folgende Woche. Es regnet die ganze Woche, wenn es am S., besonders vor der Messe oder während des Gottesdienstes, regnet 107 ). Wenn dies ein S. ist, an dem der Priester ein grünes Meßkleid trägt, so regnet es neun S.e hintereinander108). Wenn aber am S. während der Predigt die Sonne auf die Kanzel scheint, so wird die ganze Woche schönes Wetter sein 109 ). Vom Samstag (s. d.) wurde vereinzelt auf den S. der Glaube übertragen, daß an ihm die Sonne etwas scheinen müsse, damit die Muttergottes ihren Schleier trocknen könne u o ). Ein Wechselverhältnis zwischen dem S. und Freitag (s. d.) bezüglich des Wetters, aber auch in bezug auf freudige und traurige Ereignisse, sprechen viele Volksmeinungen aus. Auf literarischer Überlieferung fußen die Angaben betreffs der Bedeutung dessen, wenn man im Jahre den ersten Donner an einem S. hört; sie gehen über Beda auf Joh. Laurentius Lydus zurück 1 1 1 ). Von sonstigem Aberglauben ist zu nennen : Was man an einem S. oder Feiertag t r ä u m t , geht in Erfüllung 112 ). Für mancherlei Z a u b e r ist der Morgen des S.s günstig 113 ). An diesem wird vor Sonnenaufgang die Wünschelrute geschnitten 1 M ). Wer vor dem Kirchenläuten 4

99

Sonntagsbrief

drei Lercheneier trinkt, erlangt eine gute Stimme zum Singen 1 1 5 ). Zuweilen wird auch dem S o n n t a g s k l e i d (s. Kleid), mit dem man auch die Toten bekleidet 1 1 '), besondere Bedeutung beigelegt. In Hessen muß die Magd im Sonntagsstaat während des Kirchenläutens das Kalb anbinden 1 1 7 ), und im Voigtland zieht die Bäuerin beim Säen ihr Sonntagskleid an, was gegen Behexung und den Bilmesschnitter sichert 1 1 8 ). M ) W u t t k e 443 § 698; S c h m i t t Hetlingen 15. Auch Schafe, vgl. F o g e l Pennsylvania 175 Nr. 843. ·') W u t t k e 440 § 693; E n g e l i e n u. Lahn 271. »8) ZfVk. 24 (1914), 61. »») Wolf Beiträge 1, 219; B a r t s c h Mecklenburg 2, 146; ZfrwVk. 1909, 195; W u t t k e 442 § 696; 447 § 7°4· 10°) S e l i g m a n n Blick 1, 356. i°i) Ebd. 2, 290. 102 ) Grimm Myth. 3, 416 Nr. 17. l 0 8 ) W u t t k e 429 § 672; Meyer Baden 412; J o h n Erzgebirge 234. m ) S t r a c k e r j a n 2, 128. l 0 i ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287. 10 ·) S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282; 118 Nr. 347 = W u t t k e 59 § 66; 427 § 669. 10 ') B a r t s c h Mecklenburg 2, 219; S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282; Lauf fer Niederdeutsche Volhsk,2 72; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 16; SAVk. 12 (1908), 150 (Baselland); Zingerle Tirol 120; D r e c h s l e r 2, 185; W u t t k e 198 § 266; R e i n s b e r g Wetter 40; S c h m i t t Hettingen 12; F o g e l Pennsylvania 240 Nr. 1244 f. 108 ) Zingerle Tirol 120. loe ) ZfVk. 24 (1914), 60 tòsti. Holstein), no) W u t t k e 59 § 66. n l ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 149. 112 ) J o h n Westböhmen 260; W u t t k e 228 § 326 (Böhmen). "») Vgl. FFC. Nr. 55, 4, 33 f. Bei den Südslawen auch die Mitternachtsstunde u. der Vorabend, aber bei Neumond, Krauß Sitte u. Brauch 167, 172. 114) W u t t k e 109 § 143 (Böhmen); W l i s l o c k i Magyaren 97. 116 ) W u t t k e 310 § 456 (Böhmen). Vgl. B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 127. 11·) H ö h n Tod Nr. 7, 319. n ' ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 138. U 8 ) W u t t k e 419 § 653. Jungbauer. Sonntagsbrief. ι . D a s e r s t e A u f t r e t e n des S.es. In allen Gestalten des Himmelsbriefes (s. d.) kehrt die Forderung wieder, den Sonntag zu heiligen. Denen, die das Gebot erfüllen, wird ewiges Heil und Segen verheißen, den Übertretern werden schwere Strafen angedroht. Dieser Bestandteil im Himmelsbrief ist der älteste Kern des Himmelsbriefes; er hat diese eigentümliche Form erzeugt, weil schon im ältesten Sonntagsbrief die Angabe auftritt, er sei von Christus selbst geschrieben und „auf St. Peters Altar" in Rom vom Him-

100

mel niedergefallen. Zuerst tritt der Sonntagsbrief 584 oder 585 auf der Insel Ibiza, einer der Pityusen, auf, wo ihn der Bischof Vincentius im Gottesdienst verlas. Der Bischof wie das Volk glaubten an die Herkunft des Stückes, sodaß in der Gemeinde eine tiefe Erregung wegen der angedrohten ewigen Strafen entstand. In einer Abschrift sandte Vincentius den Brief an den Bischof Licinianus von Karthago, der die Fälschung erkannte. Die Gedanken des Briefes seien nicht christlich, sondern er wolle das jüdische Sabbatgesetz in die Kirche einführen. E r mißbilligte die Bekanntgabe des Briefes und riet, die Gemeinde über die Fälschung aufzuklären 1 ). i) S t ü b e Himmelsbrief 11 ff.; MschlesVk. 13/14, 609 ft.; SAVk. 2, 278; 24, 64. 2. Die H e r k u n f t des S.es. Der S. trat schon mit den Anspruch auf, eine auf göttliche Offenbarung begründete Autorität zu haben. Der Text von 584 ist nicht in ursprünglicher Form erhalten; die älteste Form, in der er überarbeitet und erweitert vorliegt, gibt eine Wiener Handschrift des 14. Jh.s. Vielleicht ist sein Ursprung im Orient zu suchen. Ein Bruchstück des koptisch geschriebenen Briefes des Bischofs Petrus von Alexandria (t 3 1 1 ) enthält die der ältesten Kirche sonst fremden Mahnungen zu strenger Sonntagsheiligung, die sich in einzelnen Zügen mit dem S. berühren 2 ). Im S. zeigt sich eine Wandlung in der Auffassung des Sonntags. Die gesetzliche strenge Sonntagsruhe, die von Konstantin verfügt wurde, fand die Unterstützung der Kirche. In einer Rede des Bischofs Eusebius (Ende des 4. Jh.) wird die Sonntagsruhe mit dem alttestamentlichen Sabbatgebot begründet. Die Auffassung des Sonntags als des „christlichen Sabbats" ist dann, freilich gegen Widerstände, in Gallien durchgedrungen und in die fränkische Gesetzgebung aufgenommen 3 ). Im fränkischen Reich ist wohl die Heimat des S.es zu suchen. Die Strafandrohungen des Briefes berühren sich mit den volkstümlichen Erzählungen von dem schrecklichen Schicksal der

ΙΟΙ

102

Sonntagsbrief

Sonntagsschänder. Aus diesem Bereich stammt auch die unter Augustine Namen (Sermo 280) überlieferte gallische Predigt, vielleicht von Cäsarius von Arles, von deren Wortlaut der Sonntagsbrief abhängig ist. 2) C a r l S c h m i d t Fragment und Schrift des Märtyrer Bischofs Petrus von Alexandria Leipzig 1901 (Texte u. Untersuchungen. N. F . V , 4, 2); Analecta Bollandiana. Tom. X X (1901), jox —104. 3 ) T h . Z a h n Skizzen aus dem Leben der alten Kirche. Leipzig 1908 S. 160—208 u. 351—375; S t i i b e Himmelsbrief 14 f.

3. D i e l i t e r a r i s c h e n Gestalten des S.es. a) Der S. hat sich im 6. Jh. in der gallischen Kirche, wenigstens im Volke, stark verbreitet und ist bald über die Grenzen Galliens hinausgelangt. Bonifatius beklagte sich 743 brieflich beim Papst über einen Laien, Aldebert, der sich auf einen Brief Christi berief. Der Brief wurde 745 auf einer Synode in Rom unter Papst Zacharias verurteilt 4 ). Indes war der Himmelsbrief im Frankenreich noch nach Jahrzehnten lebendig; Karl d. Gr. hat in einem Kapitulare von 789 seine Verbreitung verboten. Trotzdem fand der S. auch im Klerus seine Anhänger; Abt Einhard von Fulda bot Kaiser Ludwig dem Frommen solchen Brief, den der Erzengel Gabriel geschrieben hätte, zum Geschenk an. Daß ihn •der Kaiser zurückwies, tadeln die Annalen von Fulda. Im Mittelalter blieb Frankreich das Gebiet der stärksten Verbreitung des S.es. Von dort ist er nach England gekommen, wo er Ende des 8. oder Anfang des 9. Jh.s erscheint. Von hier scheint er nach Island gelangt zu sein. In dieser ersten Redaktion gibt der S. wesentlich nur die Forderung der Sonntagsheiligung und Strafandrohungen gegen ihre Verletzung. Die ursprüngliche Textgestalt ist noch nicht wieder gefunden. b) D i e z w e i t e R e d a k t i o n . Sie deckt sich inhaltlich mit der ersten, ist aber durch die Form als neue Bearbeitung bezeichnet. Es fehlt der einleitende Bericht 5 ) über Herkunft und wunderbare Erscheinung des Briefes, der Schluß zählt eine Reihe von Päpsten und Bi-

schöfen auf, die eidlich die Echtheit des vom Himmel gefallenen Briefes bezeugen. Die Heimat dieser Bearbeitung ist England oder Irland, wo sie um 850 nachweisbar ist. Der als Bußprediger auftretende Diakon Nial (gest. um 858) berief sich bei seiner Forderung strenger Sonntagsheiligung auf den Himmelsbrief, für den der Priester Pehtred literarisch eintrat. Im 15. Jh. ist der Brief von dem blinden Mönch Andley in Verse umgedichtet worden. Von dieser zweiten Redaktion finden sich Stücke seit dem 12. Jh. in Italien, Spanien, Frankreich, Deutschland und Österreich e ). c) D i e d r i t t e R e d a k t i o n . Zu dauernder Geltung ist auch die 2. Fassung des S.es nicht gekommen. Erst mit Entstehung einer dritten Gestalt ist der S. in weitester Verbreitung bis heute wirksam geworden. Alle sog. „Himmelsbriefe" (s. d.) sind Varianten dieser dritten Fassung, die sich auch über den Osten Europas verbreitet hat. Aus einem griechischen Text stammen zahli eiche Fassungen in orientalischen Sprachen 7 ). Charakteristisch ist für diese dritte Fassung, daß die Erscheinung des Briefes ins Wunderbare gesteigert wird, daß mit dem Sonntagsgebot allgemeine moralische Mahnungen verbunden werden. Der Brief soll in Rom im Jahre 746 niedergefallen sein. Das besagt, daß diese Fassung von Rom ausgegangen ist. Dann aber ist sie ein Ableger des von Bonifatius 745 nach Rom gesandten Briefes. In Deutschland erscheint der Brief im 12. Jh. Im 13. Jh. ist er im Kloster Weihenstephan in deutsche Verse umgearbeitet worden 8 ). In der durch eine Pest gesteigerten eschatologischen Erregung um 1260 erscheint der Brief unter den Bußliedern der Flagellanten 8 ). Im Sinne einer reformatorischen Bewegung gegen die Verweltlichung der Kirche richtete die schwedische Prophetin Brigitta (1303—1373) einen Himmelsbrief an Papst Clemens VI. 1 0 ). Dann taucht ein solcher Brief 1451 in Halle auf, in dem Papst Leo den Trägern Schutz gegen Feuer, Wasser und Waffen zusicherte. 4*

I03

Sonntagsheiligung

Der Text ist im Archiv der Schweizer Familie Brig erhalten; es war der „Kaiser Karl Brief" (s. d.), der 1625 auf Island in dem Zauberbuch des Jon Gudmundsson erscheint. In der Reformation hat der Himmelsbrief mehrfach die literarische Form für theologische Streitschriften geliefert. So gab Nikolaus Hermann 1524 eine angeblich von Christus selbst verfaßte Bußpredigt, das „Mandat Jesu Christi an alle seine getreuen Christen" heraus, von dem allein 26 Ausgaben bekannt sind 11 ). Gegen den Ablaßhandel hat Urbanus Rhegius (1523) einen Himmelsbrief gerichtet, wie auch Zwingiis Genösse Bullinger in dieser Form 1526 die anonyme „Anklag und ernstliches Ermahnen Gottes zu einer gemeinsamen Eidgenossenschaft" erlassen hat. Alle Texte vom 13. bis 16. Jh. gehören der 3. Fassung der Sonntagsbriefe an, die in den „Himmelsbrief" (s. d.) übergegangen ist. Namentlich bei den Slawen hat er im 14. bis 16. Jh. starke Verbreitung gefunden 12 ). Für die neueste Zeit ist der Himmelsbrief seit 1791, mit dem Beginn der Revolutionskriege, aktuell geworden. Mit der Restauration unter K a r l X . erfuhr er starke Verbreitung und hat seither bei Katholiken wie Protestanten gleicherweise Anhänger 13 ). 4) Mit diesem Brief nahe verwandt eine latein. Handschrift des 14. Jh. in Wien: R. P r i e b s c h Otia Mersiana I, 129—144. s ) E. Mogk Ν or weg.-island. Literatur S. 344 (Pauls Grundriß d. germ. Philol. 2. Aufl. Bd. III); ZdVfVk 13 (1903), 160. 273 f. *) R. P r i e b s c h Otia Mersiana I, 129 fi.; Max F ö r s t e r in Anglia N. F. 30, 192—197; 42, 145 ff. ; M a c k a y Notes and Queries 9 ff. series VIII, 240. 7 ) A. B i t t n e r in Denkschr. der Kais. Akad. d. Wissensch. Philos.-hist. Kl. Bd. 51, Wien 1906. 8) R. P r i e b s c h Diu vrône botschaft ze der Christenheit. (Grazer Studien zur deutschen Philol. II 1895). ·) Straßburger Chronik von Fritsche Closener (Publikationen des Uterar. Vereins in Stuttgart 1842 S. 89—95); MschlesVk. 1896, 59; S e y f a r t h Sachsen 142. 10 ) N. Söderblom Birgitta och Reformationen. Upsala 1916. u ) G . L o e s c h e Flugschriften aus den ersten Jahren der Reformation. II, 2 Leipzig 1908; D o l d e s Ein Mandat Jesu Christi von Nie. Hermann (Theol. Studien u. Kritiken. Bd. 51 (1878)). 12 ) Eug. K o z a k , Jahrbüch. f. protestant. Theol. Bd. 18 (1892), S. 155; Urquell 1 (1890), 66.

IO4

1S )

Französische Texte: H a l l a u e r Chansons de geste 49 ; SAVk-3,52f.; Schweizer Volkskunde 2, 95 f.; ZfVk. 24 (1914), 142. t Stübe.

Sonntagsheiligung. I. Die Entwicklung des Sonntags (s. d.) zeigt eine von Jahrhundert zu Jahrhundert schärfere Betonung der vollständigen A r b e i t s r u h e an diesem Tage. Bis zum 19. Jh. waren hiefür religiöse Gründe maßgebend. Der dem Herrn geweihte Sonntag durfte nicht irdischen Dingen gewidmet sein. Jesus und Paulus selbst dürften allerdings diese Tagewählerei, diese Ansicht, daß eine Tat durch den Tag, an dem sie verrichtet wird, heilig oder unheilig erscheint, als eine Art Heidentum betrachtet haben, als einen Rückfall in die Vergottung irdischer Dinge, von der beide die Religion doch hatten befreien wollen 1 ). Die S. war denn auch in der ersten christüchen Zeit eine f r e i w i l l i g e ; erst mit dem Augenblicke, wo das Christentum S t a a t s r e l i g i o n wurde, kam der Z w a n g . Schon bevor sich Konstantin offen auf die Seite der Kirche stellte, erließ er einen Befehl zur Feier des Tages der Sonne, deren Verehrung er, der Anhänger des S o n n e n d i e n s t e s , wohl mit dem Christentum irgendwie zusammenzuschweißen gedachte. Er gab am 7. März 321 ein S o n n t a g s g e s e t z , mit dem für die städtische Bevölkerung unbedingte Arbeitseinstellung geboten wurde; nur die Freilassung des Sklaven und der gerichtliche Akt darüber ward, wohl als ein gutes Werk, am Sonntag erlaubt. Betreffs der von der Witterung abhängigen ländlichen Bevölkerung sah Konstantin ein, daß Vorschriften über eine völlige Sonntagsruhe unmöglich seien. Im übrigen handelte es sich bei diesen Gesetzen nicht bloß und vornehmlich um Ruhe von der Arbeit, sondern auch um Ruhe zu dem Gottesdienst. Die christlichen Soldaten sollten unbehindert die Gemeindeversammlungen besuchen können 2 ). Die Gesetze Konstantins wurden durch spätere Kaiser verschärft, während maßgebende Männer der Κ ir che, wie Hieronymus (f42o), Augustinus (t43o) und Gregor der Große (f 604), noch immer die Auffassung des Paulus vertreten, die

ios

Sonntagsheiligung

keine Verquickung des Sonntags mit dem starren jüdischen Sabbatgebot duldete 3 ). Erst um die Mitte des 6. Jh.s zeigt sich ein deutlicher Wandel auch in den Anschauungen der Kirche. Während noch die Synode zu Orleans (538) es als jüdischen Aberglauben bekämpft, daß man am Sonntag nicht reiten oder fahren, nicht Speisen bereiten und Haus und Körper nicht säubern dürfe, belegten bereits die am Konzil zu Mâcon (588) beteiligten Bischöfe jeden mit schweren Strafen, der den Sonntag durch irgendwelche Arbeit entweiht. Wenn auch Christus körperliche Ruhe nicht ausdrücklich für den Sabbat verordnet habe, so fordert der G e h o r s a m g e g e n d i e K i r c h e , die den Sonntag für alle Zeit als zum Ruhetag bestimmt, peinliche Innehaltung dieser Anordnung 4 ). So war man wieder zur jüdischen Sabbatidee zurückgekehrt. Und ganz im Tone der alten Sabbatserzählungen tauchen nun erbauliche S o n n t a g s g e s c h i c h t e n auf, die zumeist von der Bestrafung der Sonntagsschänder berichten und ihren Niederschlag in der V o l k s s a g e und im V o l k s g l a u b e n gefunden haben. So erzählt Gregor von Tours (f 595) unter andern von einem Bauer, der an einem Sonntag pflügte und hiezu seinen schadhaften Pflug zurechtmachen wollte. Da zogen sich seine Finger krampfhaft zusammen, so daß er den Stiel des Beils, das er dabei handhabte, zwei Jahre lang unter schweren Schmerzen mit sich herumschleppen mußte, bis er durch einen Besuch der Kirche des heiligen Julianus und durch fleißiges Gebet daselbst endlich geheilt wurde. Seine Hand ließ plötzlich den Stiel los 6 ). Die gleiche Sage bringt auch die spätere Literatur e ). Von dieser Zeit an handeln K i r c h e und S t a a t nach alttestamentlichen Grundsätzen. Nur vereinzelt, wie um 700 Beda in England, wagt man auf die alte paulinische Auflassung zu verweisen. Die Synode zu Friaul (796) nannte den Sonntag nach Jesaja 58,13 „sabbatum delicatum domini", d. h. den „Sabbat, die Lust des Herrn", und übertrug auf ihn die jüdischen Sabbatgesetze und ihre Strafbestimmun-

106

gen. Von den weltlichen Behörden erließen diesbezügliche Gesetze unter andern die Frankenkönige Childebert und Guntram im 6. Jh., Dagobert um 630 für die Bayern. Es scheint, daß man bei der Bekehrung der deutschen Stämme mit der Forderung nach S. nur dann Erfolg hatte, wenn man sich auf ein direktes g ö t t l i c h e s G e b o t und Verbot berief. Deshalb begründete K a r l d e r G r o ß e , der 787 eine Reihe strenger Verordnungen betreffs der Sonntagsfeier erließ, diese mit dem, was Gott in seinem Gesetz (nämlich über den Sabbat) bestimmt hatte 7 ). Nach dem Fränk. Kapitulare von 789 durften am Sonntag M ä n n e r nicht auf dem Acker und im Weinberge arbeiten, nicht pflügen, säen, Getreide schneiden und in Haufen stellen, nicht Wälder roden, Holz fällen, in Steinbrüchen arbeiten, bauen, im Garten arbeiten, jagen und zu Versammlungen zusammenkommen; F r a u e n durften nicht weben, spulen, nähen, Wolle zupfen, Leinen schlagen, waschen, Böcke scheren 8 ). Wahrscheinlich verfolgte man mit diesen strengen Forderungen nach S. auch den Zweck, a l t h e i d n i s c h e Wochenfestt a g e wie z . B . den Donnerstag (s. d.) zu v e r d r ä n g e n 9 ) . Diese alttestamentlich-jüdische A u f f a s s u n g beherrscht die ganze Folgezeit. Die Synode zu Vique (994) verbot auch die Arbeit am Samstagabend, die Synode von Cognac untersagte ausdrücklich jede weltliche Arbeit am Sonntag und erlaubte nur den Gang zum Gottesdienst, zu Kranken und zur Leichenbegleitung. Und die Synode zu Valladolid (1322) hielt sogar die Not- und Liebeswerke nur dann für erlaubt, wenn sie vom Priester gestattet wurden 1 0 ). Die kirchlichen und weltlichen Gebote fanden eine wirksame Unterstützung in den schon in koptischen Quellen nachweisbaren H i m m e l s b r i e f e n (s. Sonntagsbrief), von welchen der erste im 6. Jh. in Gallien auftaucht. Diese angeblich vom Himmel gefallenen, vom Herrn gekommenen Briefe befahlen ebenfalls die S. Nach ihnen war sogar das Waschen von Haupt und Kleidern oder das Sehe-

107

Sonntagsheiligung

ren der Haare am Sonntag ein schweres Vergehen 11 ). Ein gesundes Gegengewicht gegen diesen zur Unvernunft gewordenen Glauben brachte die R e f o r m a t i o n . Luther griff wieder zur paulinischen Auffassung zurück, und Calvin bezeichnete die Meinung, daß für den Sonntag die alttestamentlichen Sabbatgesetze gelten, als „Geschwätz von Sophisten" 1 2 ). Allerdings wurde in der Folgezeit die S. in der lutherischen und noch mehr in der reformierten Kirche wieder stärker betont 13 ). Mit dem Aufblühen der Industrie im 19. Jh. traten in der Frage der S. zu den religiösen noch soziale und h y g i e n i sche G r u n d f o r d e r u n g e n . Dies führte zu einer gesetzlichen Regelung durch die staatlichen Behörden, am strengsten in England und in den Vereinigten Staaten, am mildesten in Frankreich 14 ). Gegenüber den Engländern, deren übertriebene S. seinerzeit Bismarck so wenig gefiel, kennzeichnet die Deutschen im allgemeinen eine freiere Auffassung 15 ). Wenn auch das, was jahrhundertelang durch kirchliche und weltliche Verordnungen, durch die Predigt und erbauliche Literatur dem Volke als eines der wichtigsten Gebote eingehämmert wurde, sich in einer Unzahl von abergläubischen Überlieferungen betreffs der S. äußert, wenn auch in vielen Städten die Abhaltung von Tänzen und Hochzeiten am Sonntag verboten wurde 18 ) und in manchen Dörfern der Schweiz 17 ) und im hannoverschen Wendlande18 ) sogar besondere Wächter angestellt waren, welche für die Einhaltung der Sonntagsruhe zu sorgen hatten, so gehört doch dies alles mehr oder minder der Vergangenheit an. Besonders die Landbevölkerung, bei der der gesetzliche Zwang der S o n n t a g s r u h e nicht so durchführbar ist wie in der Industrie, im Handel und Gewerbe, denkt heute nicht mehr so streng über die S. Bei andauernd schlechtem Wetter gestattet auch die Kirche, daß am Sonntag, wenn an diesem Tage schönes Wetter ist, Erntearbeiten verrichtet werden 19 ), wobei allerdings meist der Besuch des F r ü h gottesdienstes vorausgesetzt wird.

χ 08

Uberhaupt zeigt die Überlieferung, daß weniger der Tag selbst zu heiligen ist als vielmehr der V o r m i t t a g durch den Besuch der Kirche. Besonders streng ist die Strafe dessen, der während des Gottesdienstes Unerlaubtes begeht, während die Bestrafung eines Sonntagsschänders am Nachmittag selten vorkommt. In Preußen war der Sonntag ein guter T a g für die Schiffer, weshalb an ihm die meisten Schiffe in See gingen 20 ). Hier erscheint so die Tagewählerei (s. d.) wichtiger als die S. Wie bei den Sonntagen, so wird auch bei den F e i e r t a g e n (s. d.) die Heilighaltung durch Arbeitsruhe verlangt. Mit der S. scheinen endlich auch die scherzhaften Bezeichnungen wie Sonnt a g s j ä g e r , S o n n t a g s r e i t e r u.a. zum Teil zusammenzuhängen. ! ) H. M e i n h o l d Sabbat u. Sonntag (Nr. 45 von „Wissenschaft u. Bildung", Leipzig 1909) 66. 2 ) Ebd. 69. 3 ) Ebd. 70. «) Ebd. 71 f. 5 ) Ebd. 72. · ) H a r s d ö r f e r s Mordgeschichten Nr. 120, 3 = G r i m m Sagen 1 7 4 Nr. 232. Vgl. H a u p t Lausitz ι , 263 Nr. 336. ' ) Meinhold a . a . O . 73. 8 ) F r i e d b e r g Bußbücher 2 1 , 57. Vgl. Z f V k . 22 (1912), 242. S a u p e Indiculus 25. 1 0 ) M e i n h o l d a. a. O. 73 f. n ) Ebd. 7 1 ; S A V k . 2, 2 7 8 ; MschlesVk. 18 (1916), 49; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 3 f. Vgl. D G . 5 (1903/04), 216 (s. Himmelsbrief). 1 2 ) M e i n h ç l d a. a. O. 85. " ) Ebd. 88fi. 14 ) Vgl. M. L e v y Der Sabbath in England (Kölner anglist. Arbeiten 18). Leipzig 1933. M " ) M e i n h o l d a . a . O . 101. ) Birlinger Aus Schwaben 2, 230. l ' ) S A V k . 25, 1 1 7 f. le ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 194. 1 8 ) Vgl. ZfVk. ι (1891), 70; A l b e r s Das Jahr 9. 20 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 157.

2. Die peinlich beobachtete, in allen Einzelheiten lächerlich wirkende Sabbatfeier der Juden 2 1 ), übertragen auf den Sonntag und durch weltliche und kirchliche Verordnungen genau vorgeschrieben, hat im deutschen Volksglauben tiefe Spuren hinterlassen, und man findet es heute geradezu unglaublich, daß sich ein Volk durch Jahrhunderte an teilweise kindisch-lächerliche Gebote gebunden fühlte, bei den nichtigsten Anlässen ängstlich auf die S. bedacht war. Von einzelnen A r b e i t e n sind oder waren am Sonntag verboten: Nähen 22 ) und Spinnen 23 ), Schneiden mit der Schere 24), Schuhe schmieren2S), Wäsche wa-

109

Sonntagsheiligung

sehen 28 ), Haare kämmen während des Gottesdienstes 27 ), Hemd wechseln 28 ), Kleider wechseln 2β ), Schnitzeln und Späne machen 31 ), Brunnentrog auswaschen 32 ), Nägel verfertigen 33 ), Kränze für den Liebsten winden 84 ), Häcksel schneiden35 ), Krautblätter holen 3e ), Grasen 37 ), Mähen 38 ), Jäten 3 9 ), Heu machen 40 ), Besichtigen des Kornfeldes 41 ), Ernte heimführen 42), Dreschen 43), Korn in der Mühle mahlen **), Pflügen 45), Holz hauen4®), lesen 47 ) und tragen 48 ), Nüsse pflücken 49 ), Beeren sammeln60), Schlehdörner schneiden 61 ), Obst verkaufen 52 ), Fischen 53 ), Hochzeit halten 54 ), Krankheiten behandeln 56 ) u. a. Auch eine unv o l l e n d e t e A r b e i t durfte am Sonntag nicht vorhanden sein, ζ. B. darf über den Sonntag eine Fuhre Mist nicht im Hofe stehen 66 ). Demgegenüber ist verständlich, daß V e r g n ü g u n g e n wie Jagd 6 7 ), Kegelspiel 58 ), Kartenspiel 69 ) und Tanz 60) als schwere Sonntagsschändung empfunden werden. 2 1 ) Vgl. H. M e i n h o l d Sabbat und Sonntag 24 fi. 22) W u t t k e 59 § 6 6 ; 304 §447; 457 f. § 724; 461 § 731 ; K u h n Westfalen 2, 47 Nr. 126; B a r t s c h Mecklenburg 2, 219; D r e c h s l e r 1, 184, 293; 2, 184; H ö h n Tod 314. 23) G r i m m Sagen 173 Nr. 232; B i r l i n g e r Volksth. 1, 496; R o c h h o l z Glaube 2, 13; R e i s e r Allgäu 1, 127; K ü h n a u Sagen 3, 387; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287. Wenn in Nordsteimke in Braunschweig am Sonntag Spinnstube war, wurde darin nur gestrickt (ZfVk. 8, 214 = S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 194). 2 1 ) D r e c h s l e r 2, 184 f. S5 ) Z a h l e r Simmenthai 19. 2e ) V o n b u n Beiträge 2') 2β ) 8 f. B a r t s c h Mecklenburg 2, 219. S c h u l t z Alltagsleben 243 Anm., nach Christ. W e i s e Drey Ertz-Narren (1683) 223. 29 ) W u t t 30 ) Z i n g e r l e k e 467 §742. Tirol 120; ZfdMyth. ι (1853), 237; D r e c h s l e r 2, 184. 3 1 ) R o c h h o l z Glaube 2, 14. 32 ) S A V k . 21 (1917), 42. B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 399. 34 )

E r k - B ö h m e 1, 644 Nr. 217b. 35 ) R e i s e r Allgäu I, 332 f. 3e ) K ü h n a u Sagen 3, 408. 37 ) Ebd. 3, 398 f. 3e ) SchwVk. 2, 18. 3») R e u s c h Samland96Nr. 82; M e y e r Baden 286. 4 0 ) E n d t Sagen 42 Nr. 7; ZfrwVk. 1914, 88. 4 I ) M e i e r Schwaben 1, 15 f. Nr. 7. 42 ) K ü h n a u Sagen 43 ) 2, 108. M e i e r Schwaben 1, 14 Nr. 5. " ) G r i m m Sagen 174 Nr. 232. 45) Ebd. 4e ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 74 f.; Haltrich Siebenb. Sachsen 287; B o h n e n b e r g e r Nr. 1, 9; S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 42. 4 ') G r i m m Myth. 2, 599. 48) S t e i g e r Frömmigkeit 1, 46 fi. *·) S t r a c k e r j a n 2, 23. 50 ) V o n b u n Beiträge

no

36. 61 ) P a n z e r Beitrag 2, 79. M ) Davoser Landbuch 125. S e e f r i e d - G u l g o w s k i 101. M ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 230. M ) s. Sonntag. M ) D r e c h s l e r 2, 185. «') W u t t k e 18 § 16 M) (s. u.). Waibel u. Flamm 1, 216. M ) R e u s c h Samland 94 Nr. 81 (1); H e y l Tirol 653 Nr. 124; M e i c h e Sagen 474 Nr. 615 u . a . eo) K u h n Westfalen 1, 366 Nr. 411. Nach französischem Volksglauben wird besonders Jagd, Tanz und Kartenspiel am Sonntag bestraft ( S é b i l l o t Folk-Lore ι , 169 f. 278. 321; 4, 187), aber auch sonstige Arbeit wie Fischen, Mahlen, Waschen u . a . ; vgl. ebd. 1, 12 fi. 308; 2, 75- 86. 359. 426; 3, 363; 4, 119.

3. Nur ganz ausnahmsweise findet S. B e l o h n u n g . Wer an einem Sonntag nie gearbeitet hat, dem rührt kein Vogel das Getreide oder die Gartenfrüchte an 6 1 ). Dagegen hat die S o n n t a g s e n t h e i l i g u n g in der Regel schwere B e s t r a f u n g zu erwarten. Bloß vereinzelt mahnt eine lichte Erscheinung 62 ) oder auch eine teuflische Verblendung 63 ) den Menschen daran, daß Sonntag ist, meist folgt die Strafe auf dem Fuße. Gewöhnlich wird die P e r s o n des S o n n t a g s s c h ä n d e r s bestraft. Er muß nach dem Tode das weiter treiben, was er am Sonntag getrieben hat 6 4 ), findet keine Ruhe im Grabe 65 ). Die Garnhasplerin hört man nach ihrem Tode auf dem Dache haspeln 66 ), der Häckselschneider setzt diese Arbeit nach seinem Tode in einer wilden Schlucht fort 6 7 ), die frevlerischen Kartenspieler müssen an jedem Sonntag am gewohnten Platze spielen68 ), und die Holzhauer, die den Sonntag entweihten, hört man im Walde hacken 69 ). Vor allem besteht die Strafe des J ä g e r s , der den Sonntag entheiligt, darin, daß er ewig als w i l d e r J ä g e r (s. d.) weiter jagen muß 70 ). Seltener wird er auf andere Weise bestraft 7 1 ), ζ. B. in Stein verwandelt 72 ). In gewisser Hinsicht gehört auch der Mann im Mond (s. d.) hieher 73 ), da er nach dem Glauben des Volkes noch immer seine Holzlast auf dem Rücken trägt. Häufig ist die Strafe der V e r s t e i n e r u n g 7 4 ) , die auch vorübergehend sein kann. So bleibt ein Bauer, der mit erhobener Sense auf ein kleines Männlein, das ihm die Sonntagsarbeit verbietet, losgeht, in dieser Stellung von sieben Uhr

III

Sonntagsheiligung

morgens bis sieben Uhr abends stehen 75 ). In einer wendischen Sage kann der Sonntagsschänder nicht von dem Baumstumpf weg, auf dem er saß und die frevelnden Worte sprach: „Am Sonntagvormittag schläft der liebe Gott und sieht nichts", und der Stumpf begann zu bluten, als man ihn mit der Säge absägen wollte 76 ). Andere Sonntagsschänder werden vom T e u f e l g e s c h r e c k t (und sterben meist bald hernach 77 )) oder g e h o l t 7 8 ) . Kämmen der Haare am Sonntag während des Gottesdienstes bringt in die Hölle 78 ). Das Mädchen, das während der Messe für den Liebsten einen Kranz windet, wird vom Teufel geholt und muß in der Hölle feurigen Wein trinken 80 ). Der Bauernknecht, der am Sonntag früh Schuhe geputzt hat, wird von der verstorbenen Haustochter auf den Friedhof geleitet und dort v o n G e i s t e r n zerrissen81). Einer, der am Sonntag Heu von der Wiese holt, muß einen gebannten Geist mitnehmen 82 ). Häufig v e r s i n k t der Frevler in der Erde 83 ). Ganz Oberskrug (Nobiskrug) versank, weil Sonntags über die Gebühr getanzt wurde 84 ). Hof und Acker eines Bauern, der am Sonntag Korn einführt, verschlingt die Erde 85 ). Oder die Sonntagsschänder werden von unsichtbarer Hand mit allerlei beworfen, und auch im Hause erfolgt dies geheimnisvolle Werfen und verursacht Schaden 86 ). Und so wird oft nicht die Person selbst bestraft, sondern die Strafe erstreckt sich auf seinen B e s i t z , auf die S a c h e , durch die der Sonntag entheiligt wird. Der am Sonntag gefällte Baum 8 7 ) oder däs geholte Heu88) werden zu Stein. Oder das Heu wird durch Regen verdorben 89 ). Durch Dreschen am Sonntag verscherzt sich ein Bauer die Gunst der Nachtfräulein, und der Segen weicht aus seinem Hause 90 ). Das am Sonntag in der Mühle gemahlene Korn wird zu Asche 91 ) ; den Spinnerinnen am Sonntag scheint zuerst, als ob Feuer aus den Rocken ginge, am zweiten Sonntag brennen die Rocken wirklich, können aber noch gelöscht werden, aber am dritten Sonntag verbreitet sich vom Flachsrocken aus das

112

Feuer über das ganze Haus, und die Frau kommt mit zwei Kindern im Brande um 92 ). Wird der Brunnen trog am Sonntag ausgewaschen, so wird das Vieh, das daraus trinkt, krank 93 ). U n h e i l v o l l sind auch die an einem S o n n t a g h e r g e s t e l l t e n Dinge. Das am Sonntag gesponnene oder genähte H e m d bringt Tod 8 4 ) oder bewirkt, daß man schwer sterben kann 95). Um den Todeskampf des Sterbenden zu verkürzen, muß man ein solches Hemd (s. Nothemd) oder auch die am Sonntag genähte Bettwäsche aufreißen oder zerschneiden96 ) oder mit anderem Zeug vertauschen 97 ). Eine Frau, die am Sonntag näht, kann ebenfalls nicht sterben, bis alle Nähte wieder aufgetrennt sind 98 ). In dem am Sonntag genähten L e i c h e n g e w a n d hat der Tote keine Ruhe 99 ), ebenso nicht in dem am Sonntag gemangelten100). An einem Sonntag genähte K l e i d e r darf man nicht anziehen 101 ); man wird krank 102 ) oder es schlägt der Blitz hinein 103 ). Ist jemand mit einem solchen Kleid auf einem Schiff, so geht dies unter 104 ). Seeleute mit am Sonntag ausgebesserten Kleidern kommen darin um 105 ). T r a u e r k l e i d e r darf man am Sonntag nicht mit andern vertauschen, sonst ist bald wieder Trauer im Hause 106 ). Auch nach ungarischem Volksglauben soll man am Sonntag nicht spinnen, nähen oder weben, denn man verrichtet diese Arbeiten für das Leichenkleid der Person, die man am meisten liebt 107 ). Nach einer Sage aus Jeverland verfolgt einen Prediger, der am Sonntagmorgen seinen Chorrock f l i c k e n ließ, ein schwarzer Hund 108 ). Im Hause stirbt jemand, wenn über den Sonntag eine Fuhre Mist auf dem Hofe steht 109 ). Ein Pferd, dem ein am Sonntag gemachter Nagel in den Huf geschlagen wird, hinkt n o ). Am Sonntag überziehen die moslemischen, jüdischen und christlichen Frauen in S y r i e n die Steppdecken nicht, weil sonst die darunter schlafende Person erkrankt 111 ). Sonntagsarbeit bringt k e i n G l ü c k , bringt zurück 112 ). Die ganze Woche hat man Ärgernis, wenn man am Sonntag mit der Schere etwas schneidet 113 ). Nach

" 3

Sonntagskind

französischem Glauben gedeiht Sonntagssaat nicht 114 ). Wer am Sonntag schnitzelt, schneidet oder sticht den Herrgott in die Finger 116 ) oder dem sticht man, wie man in Ungarn sagt, im Jenseits mit derselben Nadel in die Nase 1 1 8 ). Mit am Sonntag gehauenem Holz heizt man sich selbst die Hölle 117 ) ; am gleichen Tag gehauene Späne werden einem im Fegefeuer auf den Händen verbrannt 118 ). Das am Sonntag gebackene Brot, gesalzte Fleisch und den gefaßten Wein essen und trinken die H e x e n bei ihren Zusammenkünften 119 ). S c h m i e r e n der S c h u h e am Sonntag tut den Tieren in der Haut weh oder tötet sie 120 ). e l ) Grimm Myth. 3, 466 Nr. 879 = Meyer Aberglaube 226; Sartori Westfalen 74. , 2 ) K ü h nau Sagen 2, 213. ·*) S t r a c k e r j a n 2, 23; K o h l r u s c h Sagen 370; P f i s t e r Hessen 101. M ) B o c k e l Volkssage2 100; P e u c k e r t Schlesien 248 f. (Melusine); Z a u n e r t Rheinland 1, 118. •6) W u t t k e 475 § 758. ") Reiser Allgäu 1, 127. 67 ) Ebd. ι, 332 f. M ) Kiihnau Sagen 1, 521. βί ) B o h n e n b e r g e r Nr. 1, 9. 70 ) Grimm Myth. 2, 767 f.; W u t t k e 18 § 1 6 ; R a n k e Sagen2 (1924) 125 f.; Meiche Sagen 421 Nr. 554; K n o o p Hinterpommern 21 f.; Z a u n e r t Rheinland I, 30 f. 71 ) S t r a c k e r j a n 1, 316; 2, 24; J u n g b a u e r Böhmerwald 192 f. , 2 ) H e r z o g Schweizersagen 2, 32. 73) Grimm Myth. 2, 597 ft.; Steiger Frömmigkeit 1, 46ft.; S c h ö n werth Oberpfalz 1, 77; P a n z e r Beitrag 2, 79; K u h n Mark. Sagen 27. , 4 ) R e u s c h Samland 94 fi. Nr. 81 (1). 82; Y o n b u n Beiträge 36; K ü h n a u Sagen 3, 387, 389 f. 75 ) SchwVk. 2, 18. '·) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 42. " ) Meiche Sagen 474 Nr. 615. '·) J e c k l i n Volkstüml. 328 ff. 78) B a r t s c h Mecklenburg 2, 219. 80) E r k - B ö h m e I, 644 Nr. 217b. « ) Graber Kärnten 183 f. Nr. 243. M ) ZfrwVk. e3 ) 1914, 88. Ebd.; Grohmann Sagen 2 5 6 ! ; H e y l Tirol 653 Nr. 124. M ) K u h n Westfalen 1, 366 Nr. 411. Vgl. K a p f f Schwaben 59 f.; P e u c k e r t Schlesien 271 f. 85) ZfrwVk. 1914, 88. 8e) K ü h n a u Sagen 3,408. »') B i r linger Aus Schwaben 1 , 7 4 ! ω ) ZfrwVk. 1914, 88. ") E n d t Sagen 42 Nr. 7. »°) Meier Schwaben 1, 14 Nr. 5. n ) Grimm Sagen 174 Nr. 232. >2) Ebd. 173 Nr. 232. *>) SAVk. 21 (1917), 42. M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287. •6) R o c h h o l z Glaube 2, 13; Drechsler 2, 184; W u t t k e 59 §66. ··) K u h n Westfalen 2, 47 Nr. 126; W u t t k e 457 f. §724. , 7 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 219. 98) Höhn Tod Nr. 7, 314. ·») Drechsler 1, 293; 2, 184. 10 °) W u t t k e 461 §731 (Böhmen), " i ) Ebd. 315 §465. l02 ) S t e m p l i n g e r Aberglaube 114. 103 ) W u t t k e 304 §447. 104) Birlinger Volksth. 1, 496. 105 ) ZfVk. 8 (1898), 161. l o e ) W u t t k e 467 § 742. I07 ) H. W l i s l o c k i Volksglaube u. relig. Brauch d.

II4

Magyaren 70 = ZfVk. 4 (1894), 309. 108) S t r a k k e r j a n 2 , 2 4 . « · ) Drechsler2,185. " ^ B i r linger Aus Schwaben 1, 399. 1 1 1 ) Stern Türkei ι. 399· n a ) Drechsler 2, 184. 113 ) Ebd. 184 f. 1 M ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 455. l l s ) ZfdMyth. 1 {τ^53)> 237! 3> 30; Z i n g e r l e Tirol 120; D r e c h s ler 2, 4, 184; W u t t k e 401 § 619. 1 W ) ZfVk. 4 (1894), 309. 1 1 7 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287. » ' ) R o c h h o l z Glaube 2, 14. ll ») Grimm 120 Myth. 2, 896 Anm. ) Zahler Simmenthai 19. Jungbauer.

Sonntagskind.

ι . Mit der P l a n e t e n w o c h e (s.Woche) mußte auch der Glaube an die besondere Bedeutung des am Sonntag, dem T a g e der S o n n e , geborenen Kindes entstehen. Mit der jüdischen Woche hat dieser Glaube nichts zu tun. Denn die Sabbatgeburt war nach dem Gefühl der Juden eine Art Sabbatentweihung und daher nicht günstig 1 ). Aber mit der Einführung der Planetenwoche brachte man die an diesem Tage Gebore aen mit dem Tagesgestim in Verbindung. Wie die Sonne cilles sieht und an den Tag bringt, so war es natürlich, auch den am Sonnentag Geborenen die Fähigkeit zuzuschreiben, daß sie alles sehen, in die Zukunft blicken können und hellsichtig sind 2 ). Zugleich war es selbstverständlich, daß man allem, was mit dem Tag des größten und wichtigsten Gestirnes zusammenhing, erhöhte Bedeutung beimaß, zumal als der S o n n t a g (s. d.) mit dem christlichen T a g des H e r r n verschmolz. Schon bei den Griechen und Römern war das S. ein Glückskind. Die Römer nannten es fortunae filius oder albae gallinae filius (Kind der weißen Henne). Weiße Tiere galten seit je als glückbringend 3 ). Bei den G e r m a n e n dürfte aber in heidnischer Zeit diese bevorzugte Stellung dem D o n n e r s t a g k i n d (s. Donnerstag) zugekommen sein 4). Und erst als mit dem endgültigen Siege des Christentums auch der Sonntag an die Stelle des älteren Hauptfeiertages der Woche, des Donnerstages, trat, dürfte, wohl in Anlehung an die römisch-christlichen Anschauungen, aus dem Donnerstagskind das S. geworden sein. Doch hat der Volksglaube bis heute die Erinnerung an die frühere gleiche Bedeutung des Donnerstages bewahrt (s. u.). Das Wort S. hat vielfach seine ur-

sprüngliche Bedeutung schon verloren. Man bezeichnet damit häufig ganz allgemein ein G l ü c k s k i n d 5 ) . Glück sollte auch die in Tirol als Amulett getragene S o n n t a g s k i n d e r - M e d a i l l e bringen e ). Sabbat

und

Sonntag

den, auf den das N e u j a h r oder der N e u mond fiel 3e ) oder beides zugleich 37 ). Ein solches Kind heißt N e u s o n n t a g s k i n d (s.d.).

' ) A l b e r s Das Jahr 5.

64.

·)

) Vgl. R o c h h o l z Glaube 2, 12; W u t t k e 58 §66; P f a l z Marchfeld 115. 3 ) A l b e r s Das

10

*) H . M e i n h o l d 2

Jahr 5.

Il6

Sonntagskind

"5

4

) V g l . M e y e r Germ. Myth.

D W b . 10, ι (1905), 1724.

6

209.

5

) Vgl.

) Z f d M y t h . 1, 289.

2. W e r s i n d S.er? Daß jedes an einem Sonntag geborene Kind ein S. sein müsse, hat wohl oft die Erfahrung als unrichtig erwiesen 7 ). Und so finden wir auch im Volksglauben viele nähere Bestimmungen, die den allgemeinen Begriff einschränken. Danach sind nur jene S.er, welche : a. An einem S o n n t a g geboren wurden vor dem Gottesdienst 8 ), zwischen Vorund Einläuten des Gottesdienstes 9 ), während der Predigt 10 ), während des Gottesdienstes 11 ), während des Abendmahls 12 ), zwischen Predigt und Mittag 13 ), mittags zwischen elf und zwölf Uhr 1 4 ), zwischen zwölf und ein Uhr 1 5 ). b. In der N a c h t auf S o n n t a g zwischen zwölf und ein Uhr 1 8 ) geboren wurden, in der S o n n t a g s n a c h t zwischen elf und zwölf Uhr 1 7 ) oder zwischen zwölf und ein Uhr 1 8 ) oder verallgemeinert in j e d e r N a c h t zwischen zwölf und ein Uhr 1 β ). c. An einem S o n n t a g g e b o r e n und D o n n e r s t a g g e t a u f t 2 0 ) , Donnerstag geboren und Sonntag getauft 2 1 ), Freitag geboren und Sonntag getauft 22 ), Sonntag geboren und Sonntag getauft 2 3 ) oder auch bloß Sonntag getauft wurden 24 ). d. An einem F e i e r t a g 2 5 ) oder zu bestimmten Z e i t e n des J a h r e s geboren wurden, so in der Christnacht 28 ), in den Zwölften 27 ), in der Neujahrsnacht zwischen zwölf und ein Uhr 2 8 ), am ersten Sonntag nach Neujahr 29 ), am 22. Feber in der Mitternachtsstunde30), am weißen Sonntag 31 ), an einem g o l d e n e n S o n n t a g 3 2 ) (s. d.), in der Johannisnacht 33 ), in den Fronfasten 34 ), oder in der Neutaufe, der ersten nach Ostern oder Pfingsten, getauft wurden 35 ). e. An einem S o n n t a g geboren wur-

Schulenburg

8

) H e c k s c h e r 354.

Wend.

Volksthum

147.

) H e c k s c h e r 354. 1 1 ) E b d . ; J o h n Erzgebirge 50. 1 2 ) H e c k s c h e r 354. 1 3 ) E b d . 14 ) E b d . : K n o o p Hinterpommern 178; M i t t e i l . A n h a l t . Gesch. 14. 16. 1 5 ) H e c k s c h e r 354. 18 ) E b d . 1 7 ) K u h n u. S c h w a r t z 120 N r . 137; W u t t k e S9 § 66. 1 8 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 219. l e ) H e c k s c h e r 354. 2 0 ) E b d . ; v g l . W u t t k e 387 § 589. 2 1 ) E b d . 2 2 ) H e c k s c h e r 354. 2 3 ) E b d . ; W u t t k e 59 §66; 387 §589; D r e c h s l e r 1, 189; H ö h n Geburt N r . 4, 261. M ) W u t t k e 316 §469. 2 5 ) H e c k s c h e r 354; J o h n Erzgebirge 50. 2 e ) H e c k s c h e r 354. N a c h R o c h h o l z Glaube 2, 29 a u c h in einer auf einen Donnerstag fallenden Weihnacht. In N o r d b ö h m e n sind a b e r a m Heiligen A b e n d geborene K i n d e r keine G l ü c k s k i n d e r ( Z f ö V k . 13, 134)· 2 7 ) H e c k s c h e r 354. 2 8 ) E b d . 354 f. 28 ) W u t t k e 59 §66; J o h n Westböhmen 104. 30 ) H e c k s c h e r 355. 3 1 ) E b d . = D r e c h s l e r ι , 184; 2, 185; H e y l Tirol 58NT.

15.

3 2

)Maenn-

l i n g 218, n a c h F r a n c i s c i Schaubühne 1,909; P a n z e r Beitrag 2, 60; W o l f Beiträge 1, 229; E n d e r s Kuhländchen 90 f.; L e o p r e c h t i n g Lechrain

153;

Witzschel

N r . 56; L a m m e r t A l b e r s Das Jahr M ) E b d . 3S) E b d . Marchjeld

Thüringen

2,

51

114; M e y e r Baden 513; 5. 3 3 ) H e c k s c h e r 355. M ) E b d . 354. 3 7 ) P f a l z

114.

3. Das S. ist ein G l ü c k s k i n d 3 8 ) . Alles, was es unternimmt, gelingt 39 ), auch im Spiel hat es Glück 40 ). Selbst das Unglück schlägt ihm zum Guten aus 4 1 ). Ein S. allein kann ein ganzes Nest der glückbringenden Mäuse finden42). Auch anderen Menschen bringt es Glück. Zieht ein Kind unter sieben Jahren, besonders ein S., die Lotterienummern, dann hat mari Glück 43 ). Ein S. ist talentvoll 44 ) und g e s c h e i t 4 5 ) , bei den Pennsylvaniern aber auch stolz und frevelhaft 46 ). Es wird schön 4 7 ) und 4 8 reich ). Dies wohl auch deshalb, weil es verborgene S c h ä t z e sehen 49 ) und finden kann. Das S. allein kann den Hirsch mit dem goldenen Geweih sehen und fangen, der ihm zu einem Schatz verhilft 51 ). Seine Anwesenheit beim Schatzgraben sichert den Erfolg 52 ). Das S. ist h e l l s e h e n d 5 3 ) , sieht vor allem T o d e s f ä l l e voraus 54 ) oder hört, wenn der Tod sich meldet, ein Klopfen

Ii 7

Sonntagskind

an der Tür oder am Fenster und vernimmt mitunter auch deutlich den Namen dessen, der zunächst sterben wird 55 ). In der Christnacht kann es um Mitternacht aus den Sternen lesen, wer im kommenden Jahre stirbt 56 ). Wenn S.er in der Silvesternacht zwischen I i und 12 Uhr vor die Türe gehen und über das Haus sehen, so können sie sehen, was für w i c h t i g e E r e i g n i s s e das nächste Jahr bringen wird; stirbt jemand, so schwebt ein Sarg über dem Hause, wird jemand geboren, eine Wiege, findet eine Hochzeit statt, Fiedel und Baß " ) . Sie hören die v e r sunkenen Glocken 6 8 ), besonders wenn sie die Betstunde läuten59), sehen namentlich in der J o h a n n i s n a c h t manches60) und können w a h r s a g e n 6 1 ) . Vereinzelt aber heißt es, daß ein S. nur dann wahrsagen und Geister sehen kann, wenn es ein Jahr hindurch jeden Sonntag zwischen 1 2 und ι Uhr dreimal um die Kirche läuft 62 ). Das S. f i n d e t V e r lorenes wieder 63 ), seine T r ä u m e gehen in Erfüllung 64 ), seine Ahnungen bewahrheiten sich 65 ). Die S.er sind geistersichtig 6 6 ). Sie sehen die Zwerge 67 ), auch dann, wenn diese die Nebelkappe tragen 68 ), den Klabautermann 69 ), erkennen Hexen 70 ) und Druden 71 ). Nur sie allein können manchmal die nachts umgehenden feurigen Männer sehen 72). Bisweilen sind aber bestimmte Voraussetzungen notwendig. Nur ein reines und frommes S. kann die Fee von Glaiten sehen 73 ), oder nur die am Sonntag zwischen 1 1 und 12 Uhr nachts geborenen können auch wieder nur jeden Sonntag zur gleichen Stunde Geister in einer blühenden Fliederlaube sehen74). Nur sie und die Quatemberkinder sehen den Bilwisschneider75 ). Sie sehen bei einem Sterbenden den Kampf des Engels und Teufels um seine Seele; behauptet der Engel seinen Platz am Kopfende, so ist der Gestorbene selig 76). Sie sehen auch den Tod am Kopfende sitzen, was sicheren Tod bedeutet " ) . Sie sind gegen alle bösen Geister geschützt 78) und können nicht v e r h e x t werden 7 9 ). Selbst aber können sie hexen, ohne sich dessen bewußt zu sein80),

11 g

besitzen außerdem Z a u b e r k r a f t 8 1 ) . Sie können Geister bannen 82 ), können sie 83 ) und auch arme Seelen84) erlösen. Sie vermögen Blut zu stillen 85 ), Feuer zu bannen86) und den Wind zu stillen 87 ). Nach Akten eines Schweizer Hexenprozesses (1587) muß das S. dabei dreimal sagen : Gligg, gligg Wind, Ich bin ein Sonntagskind M ).

Oder es muß (Schweizer Hexenprozeß, 1575) den Wind im Namen der hl. Dreifaltigkeit still sein heißen89). Die S.er können auch verhexte und verzauberte Dinge entzaubern90) und ohne Gefahr zuhören, wenn in der Mettennacht die Tiere im Stalle reden 91 ). Das Leben eines S.es hat aber auch S c h a t t e n s e i t e n . Es muß viel Ungerades sehen und erleben 92 ), manche Anfechtung erleiden93 ) und stirbt frühzeitig 94). Durch schlechte Menschen kann ein S. bei der Taufe auch zum Mahr gemacht werden. Der Pate, vornehmlich aber die Patin, zieht nämlich Hemd, Rock, Strümpfe u. a. verkehrt an. Wenn der Pfarrer fragt: „Soll das Kind getauft werden?" und die andern Paten „ J a " antworten, sagt er mit dumpfem Tone „Mahr". Dann wird das Kind ein Mahr und muß jede Nacht draußen gehen 95 ). Nach norddeutschem Glauben sollen überhaupt nur S.er Murrauen (Mahre) sein 96 ). Vereinzelt heißt es in Tirol, daß S.er durch ein Kreuz am Hinterkopf kenntlich sind 97 ). Bei den E s t e n heiraten S.er nicht 98 ), bei den Serben sind sie Glückskinder, bei den Kleinrussen dagegen Unglückskinder. Bei den Spaniolen glaubt man, daß sie erwachsen eine hervorragende Rolle im Guten oder Schlechten spielen werden, ein berühmter Rabbi oder ein berüchtigter Dieb werden, weil am Sonntag Licht und Finsternis sich schieden99). H e c k s c h e r 355; S c h u l t z Alltagsleben 195 = Maennling 168; L ü t o l f Sagen 551 Nr. 541; Z i n g e r l e Tirol 120; S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282; K ö h l e r Voigtland 358; J o h n Westböhmen 260; H i l l n e r Siebenbürgen 26 Nr. 2; Manz Sargans 1 2 1 ; H o f f m a n n - K r a y e r 25; E n d e r s Kuhländchen 91 ; ZfdMyth. 1 (1853), 235 (Tirol); 3, 29; Unoth 1, 187 Nr. 134; Ale-

Sonnwendfeuer— Sophnat Panaach mannia 33 (1905), 300; ZföVk. 3 (1897), 22; DWb. ίο, ι (1905), 1718. " ) Schramek Böhmerwald 255. J o h n Erzgebirge 50. * l ) H ö h n Geburt Nr. 4, 261. 4 2 ) G r o h m a n n 60 = W u t t k e 125 § 169. « ) W u t t k e 410 §637. P o l l i n g e r Landshut 243; K ü h n a u Sagen 1, 263. 4 6 ) R e i s e r Allgäu 2, 230; Egerl. 3 (1899), 59; H ö h n Geburt Nr. 4, 261. « ) F o g e l Pennsylvania 32 Nr. 12 f. " ) H ö h n Geburt Nr. 4, 261. « ) Egerl. 3 (1899), 59. » ) L a m m e r t 114; H e y l Tirol 382 Nr. 62; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 287 = F r a z e r 11, 288 Anm. 5. so) H e c k s c h e r 355; S t r a c k e r j a n 2, 23 Nr. 282; H i l l n e r Siebenbürgen 16; J . M i c k o Volksh. des Marktes Muttersdorf (Muttersdorf in Westböhmen 1926) 25. s l ) W i t z s c h e l Thüringen i , 171 Nr. 171 = B e c h s t e i n Thüringen 2,290. 6 2 ) ZfdMyth. ι (1853), 22; P a n z e r Beitrag 2, 60; MschlesVk. 18 (1907), 90; J u n g b a u e r Böhmerwald 179. Vgl. P e u c k e r t Schlesien 277. M ) H e c k s c h e r 355; J o h n Westböhmen 104; S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 147. Auch im nordischen Volksglauben, vgl. M e y e r Germ. Myth. 67. M ) H e c k s c h e r 355; ZfVk. 6 (1896), 206 (Hüdesheim); SAVk. 10 (1906), 104. 66 ) ZfVk. 6 (1896), 407 (Iglauer Sprachinsel). M ) J o h n Westböhmen 19. Oder am Hausgiebel alles Zukünftige schauen, B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 10, vgl. 31. S7 ) K n o o p Hinterpommern 178. M ) M ü l l e r Siebenbürgen 77. M ) K n o o p Hinterpommern 40 = ZfVk. 7 (1897), 114. ««) D r e c h s l e r 1, 138. β1 ) J o h n Westböhmen 264. e a ) Urquell 5 (1894), 253. ·*) Egerl. 3 (1899), 59. M ) H e c k s c h e r 355. • 6 ) Ebd.; Schramek Böhmerwald 255. ··) H e c k s c h e r 355; P a n z e r Beitrag 1, 259; 2, 295; Wolf Beiträge 1, 219 und Z i n g e r l e Tirol 120 = M e y e r Germ. Myth. 67; ZfdMyth. 2 (1854), 420 (Tirol); R e i s e r Allgäu 1, 314; M e i e r Schwaben 2, 507; H e y l Tirol 58 Nr. 15; P e u c k e r t Schlesien 148 f.; S a r t o r i Westfalen 75; M e i c h e Sagen 184 Nr. 251; 578 Nr. 720; J o h n Erzgebirge 50; Rogasener Familienblatt 2 (1898), 2; H ö h n Geburt Nr. 4, 261; ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 4, 242 f. Auffällig ist die Angabe bei A n h o r n Magiologia 132 = M e y e r Aberglaube 207, daß im Gegenteil gerade dem S. die Geister unsichtbar bleiben. · ' ) H e c k s c h e r 355; K u h n Märk. Sagen 203. * 8 ) W u t t k e 41 §45. ·») H e c k s c h e r 355. '») Ebd. " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 228 Nr. 22. 7 2 ) W u t t k e 477 § 761. 7 S ) A l p e n b u r g Tirol95. ' 4 ) W u t t k e 59 § 66 (Harz) = S t e m p l i n g e r Aberglaube 114. " ) W u t t k e 268 §394. *>) Ebd. 458 §724; H e c k s c h e r 355. " ) W u t t k e 458 §724. 7 8 ) H e c k s c h e r 355; D r e c h s l e r 1, 184; J o h n Westböhmen 202. " ) J o h n Westböhmen 104, 260, 264. 8 0 ) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 16. 8l) John Westböhmen 264. 8 2 ) K u h n und S c h w a r t z 120 Nr. 137. 8 a ) H e c k s c h e r 355; B i n d e w a l d Sagenbuch (1873) 174. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz x, 288; M e i c h e Sagen 710 Nr. 881. 8 6 ) F i e n t Prâttigau 125. M ) H e c k 87) R o c h h o l z s c h e r 355. Glaube 2, 12; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 105 Nr. 1; J o h n

χ 20

Westböhmen 104. 260. 264; S c h r a m e k Böhmerwald 255. M ) L ü t o l f Sagen 224. 8») Ebd. 383. •°) S c h r a m e k Böhmerwald 256. « ) W u t t k e 67 § 77· , a ) R e i s e r Allgäu 2, 230. , 3 ) D r e c h s l e r 2, 185. M ) H e c k s c h e r 355; R e i s e r Allgäu 2, 230; S c h e l l Bergische Sagen 542 Nr. 3. M ) Urquell 1 (1890). 152 (Samland). «·) K u h n u. S c h w a r t z 419 Nr. 194. ·') Z i n g e r l e Tirol 120. * 8 ) B o e c l e r Ehsten 50. ··) S t e r n Türkei ι , 375. Auch bei den Südslawen ist das S. geistersichtig, vgl. K r a u ß Relig. Brauch 102. Jungbauer.

Sonnwendfeuer s. 4, 704ÎÏ. Sonnwendsteine 1705 f.

s.

Heliothrop

3,

Sophientag. Es gibt unter den Heiligen mehrere des Namens Sophia, die öfters verwechselt werden und denen recht verschiedene Gedächtnistage zugewiesen werden 1 ). Als S. wird gewöhnlich der 15. Mai bezeichnet. Da die Bauern dann meistens mit schlechtem Wetter rechnen, so nennen die sie Heilige „die chibig Sofie" 2 ), auch die „kalte Sophie", weil mitunter noch Nachtfrost eintritt (s. Eisheilige). An diesem Tage müssen die Hühner gesetzt werden 3 ). Gartenbohnen werden nicht vor S. gepflanzt 4 ). Dieser ist der geeignetste Tag dafür 5 ). Es muß regnen, damit der Flachs gedeiht 6 ). W e t z e r u. W e l t e r i , 510 f.; K ü n s t l e Ikonographie ¿1er Heiligen 542 f.; Doyé Heilige u. Selige d. röm. kathol. Kirche 2, 350. Sophia-Personifikation d. göttlichen Weisheit: M e n z e l Symbolik 2, 398 S. a ) SchwVk. 11,6 f. 3 ) D r e c h s l e r 2, 87 (Sprottau). 4 ) ZfrwVk. 6 5) K ü c k 1909, 184 (Kr. Minden, Westf.). Wettergläube 28; E b e r h a r d t Landwirtschaft 2; M e y e r Ein niederdeutsches Dorf am Ende d. ig. Jh. 216 (Windheim a. Weser, Kr. Minden; auch für Gurkensaat). · ) Sudetendeutsche Zeitschrift für Volkskunde 4 (1931), 91 · f Sartori.

Sophnat Panaach des R. Abraham ben Moses Aaron 1 ), eine in derPneumatologia occulta et vera zitierte magische Schrift. Der Titel geht auf den dem Joseph von Pharaoh gegebenen Namen rUPD rosy zurück, gen. 41, 45, den Josephus ant. 2, 6, 1 , Onkelos, Peschitto, die Kirchenväter irrtümlich als „occultorum revelator" auslegten von jEJJ „verbergen" und n;j?B „offenbaren". Buxtorf 2 ) zitiert dazu R. Bechai in Gen.,

121

Sortilegium—Spanische Fliege

der aus einem Gebet beibringt ruysono^Obvi „revelans occulta". Ähnlich ist der Titel eines Werkes des Isaac Halévi, eines Franzosen des 13. Jh.s, «Π ruys „der Offenbarer (Schlüssel) der Mysterien" (Prag 1607) 3 ), ebenso der eines modernen Buchs: Jos. Misses, Zaphuath Paneach; Darstellung u. krit. Beleuchtung der jüd. Geheimlehre (Krakau 1862 ff.). *) H o r s t Zauber-Bibliothek 1 (1822), 1 2 0 ; K i e s e w e t t e r Faust 2 (1921), 1 1 4 . Lexicon chald. talm. et rabb. ed. Fischer (1879), 886. s ) S c h w a b Vocabulaire 135. Jacoby.

Sortilegium s. Nachtrag. Sortimantie, Wahrsagung aus Losen, in der Predigtsammlung Biga Salutis des sog. Frater Húngaras aus dem 15. Jh., in der 8. Predigt zum x. Gebot, genannt 1 ). Die Bezeichnung steht vereinzelt neben dem üblichen „Sortilegium" (s. d.) und ist eine willkürliche Neubildung; die zwitterhafte lateinisch griechische Form ist für die Liste der Biga typisch. *) H a g e n a u 1498, 2 8 r ; G e f f c k e n Bilderkatechismus 32. 55. Boehm.

Span. S.e finden im Volksbrauch Verwendung als repräsentative Teile des Baumes oder verarbeiteten Holzes, dem man sie entnahm; man bedient sich ihrer entweder als Sinnbild des Ganzen oder als Mittel zur Übertragung der dem Ganzen innewohnenden Kräfte. In der ersten Bedeutung treten sie vor allem in der R e c h t s s y m b o l i k auf. Liegenschaftsübertragungen wurden sinnbildlich dadurch vollzogen, daß man neben andern Zeremonien auch einen S. aus dem Türpfosten hieb ; Fronboten steckten eine gerichtliche Ladung, die sie nicht persönlich zu überbringen wagten, des Nachts in den Riegel der Tür und nahmen drei S.e mit zurück; durch das Abhauen eines S.es am Hause eines Missetäters bekam das Gericht Gewalt über diesen x). — Ferner kommen S.e als Stellvertreter des Hauses und seines Segens im Schadenzauber vor; das scheint wenigstens die beste Deutung zu sein für eine Stelle aus einer St. Florianer Handschrift des 14./15. Jh., nach der die milchraubenden

122

Hexen ihren Nachbarinnen drei S.e aus dem Tor schneiden2). Als Gegenzauber ist das S.eschneiden aus Thüringen, dem Erzgebirge und dem Vogtland belegt ; einen Fremden, der mit seinem Tragkorb in die Kinderstube gekommen ist, soll man nicht fortlassen, ohne ihm einen S. aus seinem Korbe geschnitten zu haben, da sonst mit diesem die Ruhe des Kindes fortgetragen würde 3 ). Im zweiten Falle handelt es sich um Teile von einem Holze, dem man besondere K r ä f t e zuschreibt. S.e vom Kreuze Christi gehören zu den wundertätigen Reliquien. Aus einem Kreuz am Kapellenberge bei Wartha in Schlesien schnitten sich die Pilger heilkräftige Zahnstocher4), und Splitter von einem F r i e d h o f s k r e u z e sollen eine ähnliche Wirkung haben 5 ). Aus den B r a n d resten des K a r s a m s t a g s f e u e r s (s. d.) schnitzt man S.e und steckt sie gegen die schädigenden Dämonen der Saat in die Äcker. Weide, Holunder, E r l e , Schlehe, Zwetsche hefern S.e zur erfolgreichen Behandlung von Zahnschmerzen (s. Zahnstocher). Von besonderer Bedeutung aber sind die Splitter eines vom B l i t z g e t r o f f e n e n Baumes. Man bindet sie an den Fuß gegen Gicht e ), nutzt sie ebenfalls als Zahnstocher (s. d.), vergräbt sie auf dem Felde und bringt sie am Pfluge an gegen das Unkraut 7 ), trägt sie bei sich, um „eine große Stärke" zu erlangen 8) und treffsicher oder kugelfest zu werden9). — Im übrigen sind diese und andere Bräuche nicht auf die Verwendung eines ausdrücklich als S. bezeichneten Holzteiles beschränkt; vgl. daher Holz, Zweig, Ast, Klotz, Scheit, Splitter 10). l ) G r i m m RA. 1, 2 3 9 s . ; F o n t a i n e Luxemburg 8; Nds. 22, 350. 2 ) G r i m m Myth. 3, 417. 3 4 ) W u t t k e § 586. ) D r e c h s l e r 2, 300. 5 ) PommBl. 9, 160. ·) ZfVk. 21, 259. ') T o e p pen Masuren 93; D r e c h s l e r 2, 49. 8 ] G r o h mann 40. 9) SAVk. 18, 217, 228; vgl. BIBayVk. 2, 2 1 ; Z i n g e r l e Tirol 37. 10 ) s. besonders Holzscheitorakel, bei dem bisweilen auch der Ausdruck „ S p a n " gebraucht wird: MschlesVk. 17, 52; vgl. W e i n h o l d Ritus 44.

Spanische Fliege s. Nachtrag.

123 Spanisches Kreuz (2, 7·)

Spanisches

s.

Kreuz—spannen

Caravacakreuz

spannen. 1. Das Sp. eines mit ungebrauchten Nadeln besteckten, unbenutzten Seiles über den Weg vertreibt umgehende Gespenster 1 ). E s leuchtet ein, daß das beim Hochzeitsbrauch 2) so allgemein verbreitete Seilsp. („Schnüren") mit einem ähnlichen alten Dämonenabwehr- oder -täuschungsglauben zusammenhängt 3 ), entgegen der üblichen Auffassung als Rechtsbrauch 4 ). Jedenfalls ist das Sp. von Schnüren beim Leichenführen als Abwehrmaßnahme anzusehen 5 ), vielleicht auch das beim» Taufgang e ), wie ja das heute noch allgemein wenigstens in den Alpenländern gehandhabte Sp. einer Schnur um die an einem Neubau Vorübergehenden 7 ) („Einfangen" OberÖsterreich) mit dem alten Bauopferglauben zu tun hat 8 ). Auch beim Hanfund Flachsbrechen ist das Abfangen mit gespannten Seilen im Schwünge *) (auch in der Form des Bindens), was etwa auf ehemalige Abwehr eventuell feindlicher Elemente zurückgehen mag 1 0 ). Im Brauche spielt das Sp. in demselben Zusammenhange noch wiederholt seine Rolle, so zu Johannis u ) und zu Pfingsten 12 ). Inwieweit das Sp., d. h. das Aussp. der Arme und Anbinden an einen Stock, bei denen, die den Tendlboß auf die Tenne werfen 1 3 ) oder den Leoblmann überbringen 14 ), mit abergläubischen Anschauungen zusammenhängt, ist allerdings so leicht nicht zu entscheiden. Zu erwähnen wäre, daß bei den Ruthenen am Andreastag Mädchen Schnüre an Tore und über die Gasse sp.; der erste Mann, der die Schnur berührt, heiratet das betreffende Mädchen 15 ). 2 ) I c h er*) M i i l l e n h o f f Sagen 190. 261. gänze hier nur die L i t e r a t u r zu S a r t o r i 1, 70. 8 5 : Z f ö V k . 5, 1 3 8 ; H a l b e r s t a d t Eine originelle Bauernwelt 46; J o h n Oberlohma 1 4 1 ; A n d r i a n Altaussee 1 0 7 ; W r e d e Eifler Volkskunde 164; 3) Köhler Voigtland 238. V g l . neuestens N a u m a n n Grundzüge 88. 4 ) S a r t o r i a. a. O. s ) N a u m a n n Grundzüge 88. β ) Ε . H . M e y e r 7) Volkskunde 1 1 3 ; S a r t o r i 1, 37. Sartori 8) 2, 5. Kurt K l u s e m a n n Das Bauopfer (Graz 1919) 61. 9 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft N r . 3, 10. 10 ) S a r t o r i 2, 5 7 I " ) S a r t o r i 3, 231. 1 2 ) E b d . 1 3 ) Öst.-ungar. Monarchie i. W .

124

u . B . B a n d O b e r ö s t . - S a l z b u r g 164. " ) E b d . 165. ) Z f ö V k . 6, 239.

15

2. Das Sp. ist auch eine eigene v o l k s medizinische Heilmethode: man nimmt ein Hand- oder Fingersp. der leidenden Stelle v o r 1 6 ) , womit unter gleichzeitig angewendeten Sprüchen die Krankheit aus dem Körper geschafft werden soll 1 7 ). Das Sp. mit der Hand beginnt, z. B . bei Wasserkopf, vorne an der Stime mit dem aufgesetzten Daumen und zieht sich um den Schädel herum, bis der kleine Finger wieder an die Ausgangsstelle zurückkommt; soviel Handsp. dazu nötig waren, soviel Tage oder Wochen braucht das Leiden zum Verschwinden 18 ). So werden auch Verrenkungen und Quetschungen behandelt 1 9 ) ; desgleichen überspannt man mit Daumen und Zeigefinger Wunden, macht auf die Stelle drei Kreuze und spricht: Was ich heil, das heil ich, wie unser Herr Jesus Christus seine Wunden geheilet. Im Namen usw. 20 ). Die Flechte wird mit den fünf Fingern überspannt, wobei dreimal ein Segen gesprochen wird 2 1 ). Der berühmte Spannerpeter (Peter Teufelsbrucker, 1815 —1886, Haslach im oberöst. Mühlviertel) heilte nach Ansicht der Leute alle Krankheiten durch bloßes Sp. der Finger der rechten Hand längs des linken Armes vom Halse bis zu den Fingerspitzen; je nachdem sich die Fingerspitzen der beiden Hände deckten oder nicht, wurde eine Krankheit festgestellt 22 ). Dann folgten noch hokuspokusartige Wendungen, das „Wenden", worauf eine bestimmte Zahl von Gebeten aufgegeben wurde 23). Dieser Mann hatte einen ungeheuren Patientenzulauf 24). — Der Spanner beherrscht die Sympathiekunst, er weiß eigentlich schon von vornherein, was dem Patienten fehlt 25) ; er wendet oder spannt nur bei abnehmendem Monde 26 ). Das Gesicht des Täuflings mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand zu übersp. erzeugt Schönheitsgrübchen 27 ). An die Bedeutung der Wodanssp. (Raum zwischen dem gestreckten Daumen und dem Zeigefinger) beim Sp. und Anfassen (Stehlen) muß in diesem Zusammenhange erinnert werden 28).

125

Spatulimantie

1β ) F o s s e l Volksmedizin 28; W u t t k e § 507 (Bayern). 1 7 ) Ε . H. M e y e r Volkskunde 266. 18 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 449. " ) Ebd. 20 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 362 = L a m m e r t 21 203. ) E n g e l i e n u. L a h n 252. 2a ) Sieß Sagen aus dem oberen Mühlviertel (1897) 1, 46S.; Beiträge 2. Landes- u. Volkskunde des Mühlviertels (1919) 6, 6 9 ! 23 ) Ebd. 6, 70. 24 ) Ebd.; S i e ß a . a . O . 26) Beiträge (wie oben) 2, 46. ae ) Beiträge (wie oben) 3, 75. 27 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 198. 2S ) S i m r o c k Mythologie 179; H ö f l e r Krankheitsnamen 659.

3. Herzspann, Spann 29) (cardialgia 30 ), angina cardiaca, sp.de Herzbeklemmung 31 ) ) (vgl. Herzspann) wird erzeugt, wenn man sich über die Wiege spannt 32 ) oder ein Glas mit der Hand überspannt 33 ) ; so kann auch der Nachtrinkende das Herzgespann bekommen 34 ). Hat jemand unter der Türe beide Arme ausgespannt, so befällt den Nachgehenden das Herzgespann 3 5 ) (Schlesien). Unter den zahlreichen Mitteln gegen Herzgespann kann in diesem Zusammenhange nur erwähnt werden das Umsp. eines Kirschbaumes mit den Händen vor Sonnenaufgang 36 ). 2β ) H ö f l e r Krankheitsnamen 658 = J i i h l i n g Tiere 324. 30 ) G r i m m Mythologie 2, 970. 981. 31 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 658f. ; ZföVk. 10, 2 i 3 f . 3 2 ) G r i m m Mythologie 3, 477 Nr. 1141. 33 ) G r i m m Mythol. 3, 469 Nr. 949; D r e c h s l e r Schlesien 2, 316. 3 4 ) G r i m m Mythol. 3, 435 Nr. Ii. 35) W u t t k e § 609. 3e ) L a u f f e r Niederd. Volkskunde 84 f. Webinger.

Spatulimantie, Schulterblattwahrsagung. Die lateinische Bezeichnung für das Schulterblatt ist sowohl scapula wie spatula. Die älteren Zeugnisse für diese Wahrsagung gehen ausnahmslos von der letzteren Form aus 1 ), während sich die modernen Darstellungen des Namens Skapulimantie bedienen, wie scapula auch in der medizinischen Fachsprache üblich ist. Die Bezeichnung ist, wie zahlreiche Divinationsnamen, eine griechisch-lateinische Zwitterbildung und eine Erfindung der Humanistenzeit. Nach dem griechischen Wort ωμοπλάτη „Schulterblatt" (byz. auch ωμοπλάτης, mase.) heißt die S. bei Byzantinern 2 ) und Neugriechen 3 ) Omoplatoskopia. Im deutschen Aberglauben der Neuzeit scheint die S . völlig verschwunden zu sein; wo hier aus Teilen des Skeletts gewahrsagt wird, handelt es sich fast

126

ausschließlich um den Brustknochen von Gans oder Huhn. Doch geht aus sicheren Zeugnissen hervor, daß die S. im Mittelalter auch in Deutschland sehr verbreitet war, so daß eine Darstellung dieser Wahrsagungsmethode nicht unberechtigt erscheint. Die früheste Erwähnung der S. für Deutschland liegt — wenn auch noch ohne diese Bezeichnung — in einem Traktat über die Todsünden vor, der in einer jetzt in Prag befindlichen Handschrift der ι . Hälfte des 13. Jh.s aus dem Kloster Weißenau überliefert ist. Dort werden nach einer Behandlung des Hauptthemas in mhd. Versen zahlreiche Einzelsünden glossenartig aufgezählt, unter ihnen ,,Divinationes fiursehen unde sculterrenblatt unde alliu so gescaffen ding" 4 ). E s wird also hier allein die S. neben der in vielen Abarten geübten Pyromantie (s. d.) als Beispiel der sündhaften Wahrsagerei genannt, was auf weite Verbreitung in jener Zeit schließen läßt. Im St. Trudperter „Hohen Lied" (12. Jh.) wird in ähnlichem Zusammenhang nach dem „fiursehen" das „hantsehen", die Chiromantie, aufgeführt, die in ihrer Methode auch verwandte Züge mit der S. aufweist 5 ). Weiterhin wird die S. inhaltlich erwähnt in der bekannten Liste abergläubischer Vorstellungen in H. V i n t l e r s „Blumen der Tugend" ( 1 4 1 1 ) : „Die sehent an dem schulter payn, was den menschen sol beschehen" e ). Jeder Verdacht, daß es sich bei dieser Anführung etwa um einen nichtdeutschen, von V i n t l e r aus irgendeiner Quelle übernommenen Aberglauben handeln könnte, wird beseitigt durch die ausführliche und ganz klar mit deutschen Verhältnissen rechnende Darstellung und Bekämpfung der S. in Joh. H a r t l i e b s „Buch aller verbotenen Künste" (1456) 7 ). Wie große Bedeutung ihr der Verfasser beilegt, geht schon daraus hervor, daß er sie in die Zahl der sieben verbotenen Künste aufgenommen hat, die er den sieben freien Künsten gegenüberstellt; sie erscheint in dieser Reihe als letzte hinter der traditionellen Gruppe Nigro-, Geo-, Hydro-, Aero-, Pyromantie und der im Mittelalter besonders beliebten

127

Spatulimantie

Chiromantie. Den letzten Platz glaubte ihr H a r t l i e b vielleicht schon deshalb anweisen zu müssen, weil sie ihn am meisten albern dünkte (67, 29 „ain gespöttische kunst"), doch hat der Teufel auch bei ihr seine Hand im Spiel, indem er den „Meistern" ihre Auskünfte einbläst. Die von Hartlieb zunächst beschriebene Methode der S. besteht darin, daß die Meister das Schulterblatt eines Rindes, Pferdes oder Esels erst mit Wein und dann mit Weihwasser abwaschen und in einem sauberen Tuch verwahren. Angeblich ist das Schulterblatt eines Menschen am besten geeignet, nächst ihm die von möglichst großen Tieren, wogegen das sonst überall am meisten verwendete eines Schafes überhaupt nicht erwähnt wird. Die Verwendung von Weihwasser ist für Hartlieb das Hauptkennzeichen für den gottlosen Charakter der S.; die Waschungen und die sorgfältige Aufbewahrung mochten ihn u. a. an gewisse Züge des Reliquienkultes erinnern 8 ), anderseits freilich auch an den Alraunglauben 8). Sonstige Ritualien, wie Lichter oder Opfer, kommen nicht zur Anwendung. Zur Veranstaltung der S. wird das Schulterblatt aus seiner Hülle gewickelt und unter freiem Himmel („ain stat vsserhalb tachs" 68,10) verbracht. Dort betrachtet der Meister den Knochen, der angeblich bei jeder Frage irgendwelche Veränderung aufweist. Dieser Glaube, daß sich „die schultern durch jr frag verker vnd verwandel", gleichsam eine Nachäffung der Wandlung beim Meßopfer, empört Hartlieb gleichfalls. Die Fragen gehen vorzugsweise auf Tod und Leben, Ehre und Gut, Reichtum und Armut, Krankheit und Gesundheit, Teuerung, Witterung. Erst an zweiter Stelle neben dieser mehr mystischen Schau erwähnt Hartlieb die Beobachtung der Färbung des Schulterblatts an seinen verschiedenen Teilen, ohne jedoch Einzelheiten zu geben. Er bemerkt nur, daß die S. in vielen Formen vorkomme, von denen er dann eingehend die Wahrsagung aus dem Brustbein der Gans behandelt (70, 21 ff.), die nach seiner Schilderung in den höchsten Kreisen, bei Königen,

128

Fürsten und Herren, besonders auch unter den Geistlichen aller Grade, verbreitet, aber trotz angeblich naturwissenschaftlicher Begründung Teufelswerk sei; allem Anschein nach hatte Hartliebs erlauchter Auftraggeber, Markgraf Johann von Brandenburg, eine sonderliche Schwäche für das „genspain". Nach einer ausführlich wiedergegebenen Unterhaltung Hartliebs mit einem großen Feldherrn am Nikolaustag des Jahres 1455 hätten die Herren vom Deutschen Orden in Preußen sich in allen ihren Kriegen nach den Wettervorzeichen des Gänsebeins gerichtet 10 ). Gehört schon diese Wahrsageart nur in weiterem Sinne zur S., so haben die weiterhin noch von Hartlieb zu ihr gerechneten abergläubischen Vorstellungen vom Angang, von der Beschreiung der Kinder, vom Bolismus (d. h. βοολιμός) oder appetitus caninus (Freßsucht) und von Wechselbälgen überhaupt nichts damit zu tun. Es handelt sich, wie öfters in Hartliebs Buch, um einen mißglückten Versuch, alle ihm bekannten abergläubischen Praktiken in das Schema der sieben verbotenen Künste zu pressen. Was sonst an Zeugnissen für germanische S. aus späterer Zeit vorliegt 11 ), ist unbedeutend im Vergleich zu einem ausführlichen Bericht des G i r a l d a s C a m b r e n s i s (12./13. Jh.) über die i. J. 1107 in Ross (Pembrokeshire) angesiedelten Vlamen. Danach erfreute sich bei diesen die S. großer Beliebtheit. Sie wurde dort mit dem rechten Schulterblatt eines Widders betrieben, das durch Kochen, nicht durch Rösten, von den Fleischteilen befreit war. Man erkundete, aus den Zeichen des Knochens „prophetico quodam spiritu" Zukünftiges, Vergangenes und Entferntes, politische und private Angelegenheiten, ζ. B. Ehebrüche, wofür mehrere Fälle ausführlich beschrieben werden, darunter ein derber Schwank aus der flandrischen Heimat: Da überhaupt die Ansiedler diese Wahrsageform vom Festlande mitgebracht haben — sie wird als besonderer Brauch der Flandri Rossentes hervorgehoben — , ist der Bericht des G i r a l d u s ein sicheres Zeugnis

Spatulimantie

129

dafür, daß die S. schon im 11. Jh. auf germanischem Gebiet in Nordwesteuropa verbreitet war 12 ). In der walisischen Grafschaft Denbigshire wurde noch im Jahre 1850 das Geschlecht des erwarteten Kindes durch die S. festgestellt, und zwar auf eine eigenartige, sonst nicht bezeugte Art, die das Schulterblatt gleichsam als Losinstrument verwendet: Man hängte den gerösteten Knochen an einem Bindfaden an der Hintertür des Hauses auf; diejenige fremde Person, die am nächsten Morgen zuerst durch diese Tür das Haus betrat, Mann oder Frau, war ausschlaggebend für das Geschlecht des Erwarteten 13 ). Für das übrige England haben wir bereits aus dem 12. Jh. eine Erwähnung bei J o h a n n v o n S a l i s b u r y , der zu den Haruspices auch diejenigen rechnet, „qui in humerulis arietum vel quorumcunque ossibus animalium vaticinan t u r " u ) . Die als 'reading the speal bone' ( = shoulder blade) bezeichnete S. ist auch später für England und Irland belegt 15 ), besonders stark für Schottland, wo sie gleichfalls noch im 19. Jh. geübt wurde (gäl. airich) ; die Niederlage des Prätendenten Carl Eduard Stuart bei Culloden im Jahre 1746 wurde von einem Soldaten „by looking through the bone", also wie in einem Zauberspiegel, verkündet. Sehr ausführliche Einzelvorschriften sind für die schottischen Highlands überliefert 1β ). Eine um 1270 vermutlich in Südfrankreich verfaßte Summa de officiis inquisitionis enthält die Frage, „si in spatulis quaesivit futura" " ) . In einem altfranzösischen Schelmenroman des 13. Jh.s wird erzählt, daß der Held in Toledo allerlei Zauberkünste und Wahrsagereien erlernt hat und „par l'espaule au mouton faisoit pertes rendre à fuison" 18). Toledo wird bekanntlich häufig als hohe Schule der Magie erwähnt, z. B. hat der mittelalterliche Virgil hier die Zauberei erlernt (Orientalische Einflüsse!). G. F. P i c o d e l l a M i r a n d o l a verspottet die pseudowissenschaftliche Genauigkeit der S., über die er ein besonderes Buch kennen gelernt habe 19 ). C o d e s 2 0 ) führt die S. an sechster Stelle seiner Divinaiionsliste auf; er sagt, manche wahrsagten aus den Linien Blchtold-Stlubli,

Aberglaube V I I I .

130

des Schulterblattes eines frisch geschlachteten Bockes, andere aus ihrer Beschaffenheit, Form und ihren Bewegungen (!). Seine anschließende Bemerkung „alii judicant cum pellibus animalium" und der Satz „Spatalamancy by skins, bones, excrements" bei J. G a u l e 2 1 ) sind offenbar Versuche, den ersten Teil der Bezeichnung S. auf ein griechisches Wort zurückzuführen 22). In Corsica ist die S. gleichfalls bekannt. Ein Hirt soll dort dem Knaben Napoleon aus dem Schulterblatt seinen Aufstieg und Fall vorausgesagt haben 23). Für das klassische Altertum wie für das alte Vorderasien fehlt es an jeder Spur der S., so sehr im übrigen die mantische Beurteilung des körperlichen Befundes der Opfertiere dort in Gebrauch war. Alle Versuche, die S. irgendwie mit der Schulter des Pelops und anderen Sagenmotiven oder religiösen Symbolen in Verbindung zu bringen, sind verfehlt, ebenso mit der Bedeutung des Schulterblattes im jüdischen Opferkult 24 ). Dagegen besitzen wir zwei ausführliche Beschreibungen der S. aus byzantinischer Zeit, erstens eine Abhandlung des Michael P s e l l o s (11. Jh.) über Schulterblatt- und Vogelschau, erhalten in einer Wiener Hs. 25 ), zweitens einen anonymen Traktat in einer Hs. der Athener Nationalbibliothek vermutlich der 1. Hälfte des 13. Jh.s 2e ). Eine Vergleichung beider Darstellungen zeigt deutlich, daß sie auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, doch ist die jüngere weit ausführlicher. Ihr Herausgeber Megas weist an einem überaus dankenswerten Material erster Hand — eigenen Nachforschungen bei den Hirten und unveröffentlichten Notizen von P o l i t i s — nach, daß die S. auch im heutigen Griechenland und Kreta, besonders aber bei den Hirten in Makedonien, noch jetzt verbreitet ist, wofür auch ältere Belege reichlich vorhanden sind 27). Auch im übrigen Ost- und Südosteuropa ist die S. nachgewiesen, so in Rumänien 28 ), besonders beiden Südslawen und Russen29), ferner auch in Ungarn 30 ), sowie in Nordafrika 31 ). Bei den arabischen Gelehrten findet sich die S. schon im 9. und 10. Jh. 32 ) ; auch für die Zigeuner ist sie belegt M ). 5»

Spatulimantie Der Athener Traktat weist in seinem Titel „Von den Türken und Barbaren überliefertes Buch" (Βιβλίον παραδοΟέν è* τε Τούρχων χαΐ βαρβάρων) auf fremde Herkunft hin, und wenn eine solche Anpreisung auch im allgemeinen zum Stil der okkultistischen Literatur gehört und nicht viel besagen will, so dürfte sich in diesem Fall in der Tat etwas Richtiges dahinter verbergen. Denn es kann angesichts der gewaltigen Verbreitung der S. bei den mongolischen Völkern Asiens nicht bezweifelt werden, daß die Quelle der Abhandlung und damit auch die des Ρ sello s in der Tat bei „Barbaren" zu suchen ist, während die Türken höchstens als Vermittlungsstelle anzusehen sind. Für die Mongolen besitzen wir aus dem 13. Jh. eine Beschreibung der S. durch den im Jahre 1253 von Ludwig dem Heiligen von Frankreich an den Hof des Chans Mangu entsendeten Mönch Rubruquis (Ruysbroeck) 34). Die von Andree zusammengestellten und durch weitere Zeugnisse leicht zu vermehrenden Belege erweisen die Ausübung der S. als einer hervorragend gepflegten und oft bis ins kleinste ausgearbeiteten Mantik der z. gr. T. nomadischen und schamanistischen oder lamaistischen Völker Asiens vom Kaspischen Meer bis zur Beringstraße und Kamtschatka, der Kalmüken, Kirgisen, Burjäten, Tungusen, Hazarah, Tschuktschen, Korjäken, dann auch bei den buddhistischen und muhammedanischen Sindh, Baludschen, Tscherkessen, Persern, Afghanen; auch in Tibet wurde sie von S v e n Hedin vorgefunden 8S). Aus ihrer asiatischen Heimat hatten schon die Hunnen die Schulterblattschau mitgebracht; vor der Schlacht auf den katalaunischen Feldern ließ sie Attila „nach gewohnter Sitte" ausführen und erhielt von den damit beauftragten Sehern eine unheilkündende Auskunft 36 ). Die Meinung A n d r e e s , daß für China und Japan die S. nicht nachweisbar sei, die er mit dem Importcharakter der Schafzucht in jenen Ländern stützt, ist nicht zu halten. In dem ältesten Werk der japanischen Literatur „Köjiki" (712 v. Chr.) wird in einem Märchen das Schulterblatt eines Hirsches befragt. In China (Honan) wurden im

132

Jahre 1899 Tausende von Knochen und Schildkrötenschalen mit eingeschnittenen altertümlichen Zeichen gefunden, die durch spätere Funde auf etwa 20 000 Stück angewachsen und über die verschiedensten Museen verstreut sind; sie werden auf die 2. historische Dynastie der Schang (1401— 1122 v. Chr.) datiert. Bei den Knochen handelt es sich teils um Schulterblätter, deren Grat sorgfältig weggeschliffen ist, teils um gespaltene Röhrenknochen vom Rind oder Hirsch. Das chinesische Schriftzeichen für „wahrsagen" ist den Sprüngen der Knochen nachgebildet, im Japanischen bedeutet dasselbe Zeichen „Orakel". Wenn auch in zahlreichen Fällen diese Knochen nur als Schreibmaterial gedient haben, so steht doch ihre Verwendung auch zu mantischen Zwecken außer Zweifel 37 ). Danach erscheint es nicht ausgeschlossen, daß der Ursprung des Schulterblattorakels in Ostasien zu suchen ist, doch besteht auch die Möglichkeit, daß es sich von Innerasien her nach dem Osten ebenso verbreitet hat wie nach dem Westen, wo es, wie aus unserer Übersicht hervorgeht, bis an den Atlantischen Ozean vorgetragen wurde. Für die Neue Welt ist die S. mindestens nicht eindeutig belegt 38 ). Über die Ausführung der S. und die Grundsätze der Deutung besitzen wir für Asien sehr detaillierte Vorschriften, auf die hier nur soweit eingegangen werden kann, als sie zur Beleuchtung der europäischen Praxis dienen, über die wir — zumal für Deutschland — weniger gut unterrichtet sind; nur für Griechenland liegt dank den Forschungen von Megas ein sehr genauer Deutungsschlüssel vor, der auch die landschaftlichen Verschiedenheiten und das Verhältnis zu der Praxis in anderen Ländern, z. B. in Südslavien, berücksichtigt. Als flächigster von allen Teilen des Skeletts der Säugetiere39) ist der Schulterblattknochen besonders dazu geeignet, in ihm zu „lesen". Verwendet werden meist die Schulterblätter von Haustieren, vor allem — in Europa wie in Asien — vom Schaf oder auch von der Ziege; wenn H a r t l i e b a . a . O . die vom Rind, Pferd oder Esel oder gar vom

133

Spatulimantie

Menschen nennt, so ist das höchst auffallend. Bei den Südslawen liefert das Weihnachtsschwein das Orakelinstrument bei den Arabern gelegentlich das Kamel, bei den Tschuktschen das Renntier; jagdbare Tiere, wie Hirsch, Wildschwein, Hase, Seehund werden in den europäischen Zeugnissen nicht erwähnt. Für die Herrichtung des Schulterblattes schwanken die Vorschriften zwischen Kochen und Rösten, wobei sich eigenartige Parallelen zwischen Europa und Asien ergeben: so ist das Rösten bei den Tschuktschen und den Byzantinern, das Abkochen bei den Kalmüken und den Vlamen vorgeschrieben. Bei den Kirgisen, Schotten und Südslawen ist die Verwendung eines Messers zur Entfernung der Fleischteile verboten. Bei den Schotten muß dies mit einem Holzinstrument oder durch Abnagen geschehen, was anderseits bei den Vlamen untersagt ist, ebenso bei den Kalmüken, die wieder gegen den Gebrauch des Messers nichts einzuwenden haben. Die von H a r t l i e b an erster Stelle genannte Methode einer rein mystischen Schau wird sonst nirgends berichtet; immerhin finden sich Spuren von vorbereitenden Ritualien und sonstigen religiösen Elementen. Mitwirkung priesterlicher Personen, wie der Schamanen in Asien, ist für Europa ausgeschlossen, doch vollzog oder vollzieht man die S. auch hier gern an hohen Festtagen, so zu Weihnachten (Südslawen, Schotten, Ungarn) 41 ), zu Neujahr (Schotten), mit dem Oster- oder Georgslamm (Griechenland). Im allgemeinen handelt es sich jedoch um eine mehr verstandesmäßige Deutung der sich bietenden Zeichen, die gewisse Kenntnisse voraussetzt und daher kundige „Meister" verlangt; bei den Südslawen bittet man gem den Polazenik, d. h. den ersten Besucher am Christtag, diese Aufgabe zu übernehmen. Die wichtigsten Kriterien für die Deutung sind einerseits die Färbung und sonstige Beschaffenheit des vom Fleisch befreiten Knochens, anderseits die linienartigen Risse, die sich nach seiner Röstung oder völligen Kalzinierung zeigen. Ein Vergleich aller vorliegenden Zeugnisse er-

134

weist hier deutlich eine scharfe Trennung der europäischen und der asiatischen Praxis: in Europa wird fast ausnahmslos nur die natürliche Beschaffenheit des Schulterblatts geprüft. P s e l l o s spricht zwar von einem „Braten" des Knochens, doch ergibt der Zusammenhang deutlich, daß es sich dabei nur um die Entfernung des Fleisches handle (διοπτήσαντες καί άπογομνώσαντες των σαρκών), nicht um völlige Kalzination; bei einer solchen würden ζ. B. die von Psellos vor allem für die Deutung verwendeten roten, weißen und dunklen Verfärbungen zerstört werden, auch spricht er nirgends von Rissen und Linien, sondern nur von dem natürlichen Befund (κατά φύσιν) **). Auch bei den Hunnen beschaute man nur „quasdam venas in abrasis ossibus". Lediglich Ungarn scheint von dieser Methode abzuweichen. Dort werden die Knochen vom Weihnachtsmahl (das Schulterblatt wird nicht besonders erwähnt) ins Herdfeuer geworfen, und aus der Farbe und den Rissen, die sie in der Glut erhalten, wird auf kommendes Glück oder Unglück geschlossen. Auch das Brustbein der Gans wird dort am Abend vor Lichtmeß ins Feuer geworfen und dann in den Mondschein gehängt. Hat es am Morgen viele schwarze Risse, so wird der Sommer regnerisch sein; ist es weiß, so kann man fruchtbares Wetter erwarten, ebenso macht man es mit der Martinsgans43). Dagegen wird bekanntlich im deutschen Aberglauben lediglich die natürliche Beschaffenheit des Gänsebrustbeins in Betracht gezogen. Anderseits ist in der asiatischen S. die Kalzination und die Deutung nach Brandrissen durchaus die Regel; nur am unteren Indus, bei den muhammedanischen Sindh und Baludschen, unterbleibt die Ausbrennung. Diese arischen Völker haben eine besondere Betrachtungsweise ausgebildet, in der die Astrologie eine wichtige Rolle spielt. Der Schulterknochen wird hier in 12 Abteilungen eingeteilt, entsprechend den 12 Häusern der Tierkreiszeichen, und die Deutung der Flecke, Löcher usw. ist je nach ihrer Lage in einer dieser Abteilungen verschieden 44). In Europa

135

Spatulimantie

tritt diese Verbindung mit der Astrologie nirgends auf, während derartiges bei der Chiromantie und anderen Mantiken unter östlichem Einfluß vielfach zustande kam. Möglicherweise ist das astrologische Element auch bei jenen Völkern erst später hinzugetreten. Diese scharfe Trennung der Methoden verdient Beachtung, denn sie gibt vielleicht einen Fingerzeig für den Weg, den die S. aus Asien nach Europa genommen hat. Allem Anschein nach hat hierfür Byzanz die wichtigste Rolle als Vermittlerin gespielt, und wenn wir sehen, daß in den byzantinischen Vorschriften ebensowenig wie im heutigen Griechenland von der asiatischen Brennmethode die Rede ist, so wird man annehmen dürfen, daß die Grundsätze der antiken Opferschau, deren Spuren nach den Feststellungen von Megas noch heute in Griechenland fortleben, auf das aus dem Osten eingeführte Orakelinstrument des Schulterblatts angewendet wurden. Für die Bewertung der Farben, Flecke, Löcher usw., die das Kennzeichen der europäischen Methode ist, bringen vor allem die beiden byzantinischen Traktate eine sehr ins einzelne gehende Kasuistik, außerdem auch die neugriechischen Zeugnisse, namentlich die von Megas unmittelbar aus dem Volksbrauch gesammelten, sowie die schottischen und südslawischen. Schwarze Flecke bedeuten allgemein Unglück, während bei Rot und Weiß und den Vertiefungen und Löchern die Beurteilung zwischen gut und ungut schwankt. Wichtig ist auch, ob die Knochenplatte dünn und daher durchsichtig ist, weshalb man sie auch beim Beschauen gegen das Licht hält (Albanien, Makedonien). In Schottland (Argyleshire) hält einer das Schulterblatt über seine linke Schulter, und ein anderer schaut durch die dünne Stelle unter dem Grat des Knochens 45). Der Deuter muß dabei nach Osten blicken, er „liest in den Knochen wie in einem Buch"; auch in England heißt es, wie schon bemerkt,, .reading the spealbone"46). Diese Ausdrucksweise erinnert an das „Lesen" in der Hand, und in der asiatischen Deutung der Brandrisse tritt diese

136

Verwandtschaft mit der Chiromantie noch deutlicher hervor; dort berücksichtigt man die rechte und die linke Hälfte des Schulterblatts 47 ), verfolgt den glatten oder gezackten oder unterbrochenen Verlauf der Risse und hat feststehende Benennungen für gewisse Flächenteile und Hauptlinien, genau wie in der Chiromantie 48), bei den Kirgisen heißt die glatte Fläche des Schulterblatts geradezu „Handfläche". Die Systematik der asiatischen Methode, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, ist so vielfältig und detailliert, daß nur ein gutes Gedächtnis sie beherrschen kann und die Nachricht von einer buchmäßigen Kodifizierung der Deutekunst bei den Kalmüken 4e ) wohl glaublich ist. Die Befragung des Schulterblattorakels wird entweder aufs Geratewohl angestellt, d. h. man kombiniert aus den jeweils sich zeigenden Merkmalen eine Wahrsagung, oder man stellt von vornherein bestimmte Anfragen; im zweiten Falle können also gelegentlich die gleichen Merkmale je nach der vorliegenden Frage Verschiedenes bedeuten. Nach der Darstellung des Psellos mußte man sich vor der Schlachtung des Tieres seine Fragen im Geiste fixieren oder sie aussprechen. Auch bei der frühesten Beschreibung der mongolischen S. durch den Mönch Rubruquis wird ausdrücklich berichtet, daß sich der Chan Mangu erst drei frische ungebrannte Schulterbeine bringen ließ, sie sinnend anschaute und sich bei jedem etwas dachte, was auf die zukünftige Unternehmung Bezug hatte. Dann wurden die Knochen in der Nähe seines Zeltes in zwei kleinen, besonders für diesen Zweck errichteten Häuschen dem Feuer ausgesetzt und, wenn sie schwarz gebrannt waren, dem Chan übergeben, der dann selbst die durch die Glut entstandenen Risse beschaute M ). Soweit es sich um bestimmt gestellte Fragen handelt, finden wir die von H a r t l i e b (s. o.) aufgezählten Inhalte überall wieder: Krankheit, Tod, Besitz, Witterung, auch Geschlecht des zu erwartenden Kindes S1 ) und Treue der Gattin S2), auffallend ist die Erwähnung politischer Fragestellungen, z. B. bei

137

Spatulimantie

den Hunnen (s. o.), in den Freiheitskämpfen der Griechen, wo „der gute oder schlechte Ausgang einer Schlacht gar o f t von der guten oder schlechten Deutung der Hammelschulter abhing, besonders wenn der Deuter ein allgemein verehrter alter Mann war, dessen Worte als Orakelsprüche angesehen wurden" s s ). F ü r die aus H a r t l i e b s Polemik sich ergebende Beliebtheit der S. bei fürstlichen Personen dürfte gleichfalls ihre Anwendung in politischen Angelegenheiten mitgesprochen haben, ähnlich wie dies u. a. für die Geomantie feststeht M ) . Eine von der sonstigen Praxis gänzlich abweichende Verwendung des Schulterblatts beobachtete ein englischer Reisender i. J. 1558 in Buchara. Dort wurde der gekochte und dann geröstete Knochen pulverisiert und mit dem Blut des Schafes vermischt; mit diesem Gemisch schrieb man magische Zeichen auf. O b es sich dabei um eigentliche Wahrsagung handelte, bleibt unklar S5 ). Bei den Südslawen legt man den rechten Schulterknochen des Weihnachtsschweines am Christfest in die Astgabel eines Pflaumenbaums; wenn er bis zum Johannistag am 7. Januar oben bleibt, werden die Pflaumen nicht vorzeitig abfallen 56 ). A u c h in der Traumdeutung hat das Schulterblatt gelegentlich B e deutung 5T ). 1 ) Spatulamancia bei H a r t l i e b Buch aller verbotenen Künste (1456), hrsg. v. Ulm (Halle 1914) 67ft.; C o c i e s Chyromantie Anasiasis (Bologna 1517) 2v b , Spatalomantia bei P r a e t o r i u s Coscinomantia (Stadtamhof 1677) A 3 , nach B a l d u i n De casibus ccnscientiae (Wittenberg 1635) 769 = A z o r i u s Institutiones Morales ι (Leiden 1625), 882, Spatulmancia bei R e i s c h Margarita phylosophica (Straßburg 1504) 172 r, Spatalamancy bei G a u l e Magastromancer (London 1652) 165. 2 ) S. Anm. 25; danach auch bei F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 605. 3 ) S. Anm. 26 u. 27. *) Altdeutsche Blätter 1 (Leipzig 1836), 365; G r i m m Myth. 2, 932. ') Ausgabe von Jos. Haupt (Wien 1864) 95; vgl. u. Anm. 48. ·) Ausgabe von Zlngerle (Wien 1874) V . 7845; G r i m m Myth. 3, 422 V . 126Í. Die von dem Nürnberger Meistersinger Asmus M a y e r mehr als hundert Jahre später verfaßte Nachdichtung läßt diese Verse fort, weil dem Verfasser dieser Aberglaube unbekannt war oder nicht wichtig genug erschien, s. E b e r m a n n Z f V k . 23 (1913),

ji ii |I Ii

US

9. Ii. T) S. Anm. 1. 8 ) B e i s s e l Stimmen aus Maria-Laach, Erg.-Heft 54 (Freiburg 1892), 30. 90. ·) S c h l o s s e r Sage vom Galgenmännlein (Münster 1912) 26, 33 u. ö. 10 ) Eine Zeugenaussage v. J. 1312 bestätigt das Vorkommen der S. bei den Deutschherren, s . M a n n h a r d t Lettopreuß. Götterlehre (Riga 1936) 79. Bei den Feinden des Ordens, den Litauern, war die echte S. bekannt, s. Livländ. Chronik V . 30I9Í. bei G r i m m Myth. 3, 322. u ) S. Anm. 1 und 2. 1S ) Itinerarium Kambriae (1197) 1, cap. 11, Opera, hrsg. v . Dimock 6 (London 1868), 87, auch in Haupts Z f d A . 6 (1848), 536; die Notiz liegt zugrunde den Versen v o n Michael D r a y t o n (1563— 1631), dem Freund und Landsmann Shakespeares, im Poly-Olbion 1 (London 1622), 81, Ges. 5, Pubi, of the Spenser Society Ν. S. ι (London 1889), 101, auch bei B r a n d Popular Antiquities 3 (London 1849), 339 und A n d r e e Boas Anniversary Volume (New Y o r k 1906) 161. Der Kommentator S e i d e n bezeichnet in seiner Erklärung diese Wahrsagung als Osteor mantie (Knochenwahrsagung). Der Bericht des G ir a I d u s ist ausführlich behandelt v o n P. d e K e y s e r Annäles de la Soc. d'Emulation de Bruges 76 (1934), 39ff. Die weiteren Ausführungen des Artikels über die S. bei anderen Völkern erschöpfen das Thema nicht und bringen kaum etwas Neues zu A n d r e e s Parallelen, die dem Verf. nicht bekannt geworden sind. 1 3 ) FolkLore Journal 2, 369, bei A n d r e e a. a. O. 14 ) Polir craticus 2, 27, ed. W e b b 1 (Oxford 1909), 461. *·) A n d r e e a. a. O. ; M a c c u l l o c h Religion of the ancient Celts (Edinburgh 1911) 250. 1 β ) D a l y e l l Darker Superstitions of Scotland (Edinburgh 1834) 515S.·, C a m p b e l l Superstitions of the Highlands (Glasgow 1900) 2630.; A n d r e e 162. l ' ) H a n s e n Hexenwahn 43. 1 β ) Eustache le Moine, hrsg. v . F . Michel (Paris 1834) v . 21 ff. 1 ·) De rerum praenotione (Straßburg 1507) lib. 4, cap. 7. î 0 ) Chyromantie Anastasis a. a. O. S 1 ) S. Anm. 1. s ä ) Schol. zu A r i s t o p h a n e s Pax 48: σπβτίλη „ K o t . Lederschnitzel", o-axós „ H a u t , Fell, L e d e r " . Zur K o t B) wahrsagung s. o. 5, 332. A n d r e e 160. 24 ) Auch die Vermutung von M e g a s Laographia 9 (1926), i 9 f . , die S. hänge mit dem Mithraskuit zusammen und sei über Ä g y p t e n in das alte Griechenland eingeführt worden, entbehrt der Beweiskraft. ΙΙερί ώμο-λατοιχοîtîtî χαι oÍu>vo3xo-(aí, hrsg. v. R . Hercher, Philologue 8 (1853), 166—168; Cod. Vindob. V I I 7, 225, Auszüge auch von P o l i t i s Laographika Symmeikta 1 (Athen 1920), 79 in einem kurzen Artikel über Omoplatoskopie. *·) Cod. Nr. 1493, hrsg. v. M e g a s Laographia 9, 3 — 5 1 . 2 ') A b b o t t Macedonian Folklore (Cambridge 1903) 1048.; A n d r e e 157; D u r h a m High Albania (London 1909) 1 0 4 s . ; L a w s o n Modern Greek Folklore (London 1910) 264 (Akarnanien und Ätolien); H a l l i d a y Greek Divination (London 1913) 186. A n d r e e 158. 2») A n d r e e ebd.; K r a u ß Volksglaube 1 6 7 s . ; S c h n e e w e i s Weih· nachtsbräuche der Serbokroaten, 15. Erg.-Bd. der W Z f V k . (1925) 138 ;Grundrißdes Volksglaubens

139

Spatz—Specht

der Serbokroaten (Berlin 1935) 162. 166; S p e r a n s k i j Pemjatniki Drevnej Piámennosti 137 (Petersburg 1900) druckt aus einer altburgarischen Hs. des 16. Jh.s ein „Schulterblattbuch Peters des Ägypters" ab, das deutliche Verwandtschaft mit den byzantinischen Traktaten zeigt, doch auch örtlich bedingte Besonderheiten, z. B . Beziehungen auf die Kämpfe mit den Polen. Neben dem nach der Eroberung Konstantinopels stark zunehmenden südlichen Einfluß (vgl. S p e r a n s k i j Istorija drevnerusskoj literatury 2 3 , Moskau 1921, 81 ff.) ist auch westeuropäischer über Weißrußland möglich, s. S o b o l e v s k i j Prevodnaja Literatura Moskovskoj Rusi (Petersburg 1903) 423, der die Sekte der Judaisten als Vermittler vermutet. In einer Hs. v. J. 1644 werden solche Schulterblattbücher (Lopatocniki) kirchlich verboten. 30) Z f V k . 4, 311; 13, 341. 31 ) A n d r e e 155·; D o u t t é e Magie et religion dans l'Afrique du Nord (Alger 1901) 32 ) Der berühmte Philosoph Al-Kindï 371. (9. Jh.) verfaßte eine Darstellung der Schulterblattwahrsagung, die in einer Stambuler Hs. erhalten ist, s. P l e s s n e r Islamica 4 (1931), 557. Ibn Hazm, der bedeutendste Vertreter der orthodoxen jähiri tischen Lehre (geb. 994), erklärt die Astrologie ebenso für Aberglauben wie das Loswerfen mit Steinchen oder Körnern, das Schauen auf das Schulterblatt u. a., s. S c h r e i n e r ZDMG. 52 (1898), 484; vgl. R i t t e r Archiv Orientálni 4 (1932), 371. 33) W l i s l o c k i Volksglaube 61 f. 34 ) A n d r e e 146 nach J. P i n k e r t o n General Collection of the Voyages 7 (London 1811), 65. M ) v. N e g e l e i n Weltgesch. d.Abergl. 2, (1935) 284. ' · ) J o r d a n e s Getica, cap. 37, hrsg. v. Mommsen 108 (FGH, Auctores antiquiss. 5, 1882). 37 ) B e r n h a r d ! Bäßler-Archiv 4 (1914), I4ff.; Nachwort zum Artikel A n d r e e s von B. L a u f e r a. a. O. 164f. 38) T y l o r Cultur 1, 123 berichtet nach L e J e u n e Nouvelle France ι , 90, „daß die nordamerikanischen Indianer einen flachen Knochen des Stachelschweins ins Feuer werfen und aus seiner Farbe schließen, ob die Stachelschweinjagd ergiebig sein wird". 3e ) Abbildungen des Schulterblattknochens mit eingezeichneten Hauptlinien enthalten u. a. die Aufsätze von A n d r e e und M e g a s . 40) S. Anm. 29; M a n n h a r d t a. a. O. (Schwein). 4 1 ) Bekanntlich benutzt man f ü r . das Gänseknochenorakel auch mit Vorliebe den Martins-, Weihnachts- oder Neujahrsbraten. In Sardinien veranstaltet man ein Orakel mit dem Schlüsselbein eines Lamms am hl. Sonnabend: Folklore Italiano 2 (1924), 188. 42) Auch der Byzantiner N i k e t a s C h o n i a t e s Thesauri orthodoxae fidei (verf. Anfang des 13. Jh.s) 4, 42, App. 2, bei M i g n e PG. 139, 1355 kennt nur vorherige Abkochung und Entfernung der Fleischteile. a ) Z f V k . 4, 311. 321. 406. " ) A n d r e e 1 5 1 ! (mit Abb.) nach R. F. B u r t o n Sindh and the Races that inhabit the Valley of the Indus (London 1851), i8gf. " ) Folk-Lore 6 (1895), 157. «) D a l y e l l Darker Superstitions 515. 47 ) Gelegentlich geschieht ähnliches auch in der europäischen Praxis, so verwendet man in Corsica lediglich das linke

140

Schulterblatt, weil nach einem dort geltenden Spruche das rechte trügerisch ist („la destra spalla sfalla"), s. A n d r e e 159. 4β) Auch in Griechenland sind manche Knochenpartien und Linien den Türken, manche den Christen vorbehalten: Laographia 9. 4 i f „ und bereits P s e l l o s weist bestimmten Fragen bestimmte Regionen des Schulterblatts zu. 4 ·) A n d r e e 147: die mit diesem Buch „dalla" arbeitenden Deuter heißen „dallatschi". 50) A n d r e e 146. 5 I ) S. Anm. 13. " ) S. Anm. 12. i 3 ) A n d r e e 157, nach P h i l e m o n Gesch. der griech. Hetärie. s l ) S. o. 3, 643. " ) D a l y e l l Darker Sapersi. 517. " ) S c h n e e w e i s Weihnachtsbr. 132; über eine weitere Sonderform der S. aus Wales, vgl. o. Anm. 13. i7)DWb. 9, 1978, aus C o l e r u s Traumbuch cap. 72 (Schulterblatt bedeutet Ehefrau). Boehm. Spatz s.

Sperling.

Specht. D e u t s c h e u n d f r e m d s p r a c h i g e N a m e n s. S u o l a h t i Vogelnamen 2jft.; S c h w l d . 1 0 , 4 6 f f . ; Z f V k . 23, 265 f f . ; S w a i n s o n B rit. Birds s. v . w o o d p e c k e r . N u r gelegentlich werden bestimmte A r t e n , wie S c h w a r z - (Picus Martius), B u n t ( D e n d r o c o p u s ) , G r ü n - ( G e c i n u s viridis) u n d G r a u - S p . (Gecinus canus) genannt. Dämonisches Tier. W e g e n des r o t e n S c h o p f e s sehen die M y t h o l o g e n in d e m S p . ein B l i t z s y m b o l 1 ) , z u m a l d a er bei den Römern dem Mars geweiht w a r 2 ) . D a m i t w i r d in Z u s a m m e n h a n g g e b r a c h t die w e t t e r k ü n d e n d e E i g e n s c h a f t d e s Vogels. Sein S c h r e i b e d e u t e t R e g e n 3 ) , Gewitter4), Hagel5), Kälte6), Schnee7), ü b e r h a u p t W e t t e r ä n d e r u n g 8 ). Sein A n gang v o n rechts G l ü c k , von links U n g l ü c k ®). I m B ö h m e r w a l d v e r k ü n d e t d e r auf einem H a u s e sitzende Grünsp. den T o d eines I n w o h n e r s 1 0 ) . L e g t m a n d a s N e s t eines G r ü n s p . s u n t e r d a s K o p f k i s s e n , so w e r d e n die T r ä u m e w a h r u ) . In B ö h m e n w i r d d e r S c h r e i eines S c h w a r z oder G r ü n s p . s a l s E h e o r a k e l a u f g e f a ß t 1 2 ) . S c h o n i m A l t e r t u m sah m a n in d e m S p . einen w e i s s a g e n d e n V o g e l 1 3 ) . I n d e r M e d i z i n findet d e r S p . w e n i g e r Verwendung. Nach M o n t a n u s u ) wird das Fleisch des Grünsp.s gegen Epilepsie, das des Grausp.s gegen Kinderkrämpfe, n a c h G e s n e r 1 5 ) ein p u l v e r i s i e r t e r G r ü n s p . g e g e n N i e r e n s t e i n genossen. Zauber, ö f t e r , u n d schon im alten R o m , ist die F ä h i g k e i t d e s S p . s b e z e u g t , zauberkräftige P f l a n z e n , besonders die

141

Speck

S p r i n g w u r z e l (s. d.), zu finden (s. a. Wiedehopf)1β). Man kann ihm das Kraut abjagen, wenn man ihn erschreckt, so daß er es aus dem Schnabel fallen läßt 1 7 ), oder man breitet ein rotes Tuch unter sein Nest ; kommt er, um seine Eier mit der Springwurzel zu öffnen (da sie zu hart sind, um von den Jungen gesprengt zu werden), läßt er nach erfolgter Arbeit die Wurzel auf das Tuch fallen, da er dieses für ein Feuer hält w ) . A m häufigsten überliefert ist die schon von Plinius erwähnte Vorkehrung, das Nest im Baum während seiner Abwesenheit zu verpflöcken, worauf der Sp. den Zugang wieder mit einer Springwurzel öffnet. Diese wird ihm ebenfalls durch ein untergebreitetes Tuch oder auf andere Weise abgejagt 1 9 ). Wenn man einen S p i e g e l da, wo ein Schwarzsp. haust, vergräbt und nachher einen Hund hineinschauen läßt, so sieht man in dem Spiegel verborgene Q u e l l e n (!) a ) . Um sich, wenn man verhext ist, zu e n t z a u b e r n , ißt man einen Sp·21)· Nach der S a g e wird eine Hirtin mit Hilfe eines w e i ß e n Sp.s aus einem Stein erlöst 2 2 ). Eine pommersche L e g e n d e berichtet von einer Bäckersfrau, die dem Heiland Brot verweigert habe und deshalb in einen Sp. verwandelt worden sei, der seine Nahrung aus dem Holz picken muß 2 3 ).

I42

tum observant augures; G r i m m Myth. ¿(¡of. ) Volksfeste 177. " ) Vogelbuch 227. " ) E d e r Von Gestern 256; ZrhhwVk. 1 1 , 263 (Berg); S t a u b e r Aberglaube 5 (Zürich). 1T ) S c h u l e n burg Wend. Volkst. 156 A. 1. 18 ) S c h e l l Berg. Sg. 1 7 1 . w ) G r i m m Myth. 2, 812f.; ders. Sagen Nr. 9 (erschrecken oder rotes bzw. weißes Tuch) ; Megenberg 380 (ohne Abjagen des Krauts); M e y e r Idg. Mythen 618; K u h n Herabkunft 214; K u h n Westf. Sg. 190; Meier Schwaben 24of.; D r e c h s l e r Schlesien 2, 208; Z i n g e r l e Tirol 90, Nr. 763; L ü t o l f Sagen 520 (Altishofen Kt. Luzern); G r o h m a n n 88, Nr. 623; S w a i n s o n British Birds 101. Ältere Zeugnisse: Gesner Vogelbuch 225 b; A l b e r t u s Magnus De anim. 23,136. Nach I s i d o r Etym. 12, 7, 47 (s. a. L o n i c e r u s Krauterb. 678) bleibt kein Nagel in dem Baum, wo der Sp. nistet (vgl. unten Plinius). Aber der Glaube, daß der Sp. Steine, die in das Nistloch gerammt sind, mit einem Kraut herausziehe, findet sich schon bei A e lian Hist. Anim. i , 45: „Wenn man diesem Vogel den Eingang (zum Nest) mit einem Stein versperrt, und er vermuten kann, daß es damit auf ihn abgesehen ist, so holt er ein dem Steine feindliches Kraut, und legt dieses daran; hierauf springt der Stein, als ob er die Last nicht ertrüge, heraus". Und sogar schon P l i n i u s NH. 10, 40: „Keile, welche etwa ein Hirt in ihre Höhlen treibt, fallen, wie man gewöhnlich glaubt, heraus, wenn sie (die Sp.e) ein gewisses Kraut daran halten. T r e b i u s (Trebius Niger, um 150 v. Chr.) bemerkt, daß ein mit jeder möglichen Kraft in einem Baum, worin er sein Nest hat, eingetriebener Nagel oder Keil sogleich herausspringe, sobald der Vogel sich darauf setze" (s. o. Isidor). Sooder Rohrbach 40. 2 1 ) B u c k Med. Volksglaube 51. 22 ) K u h n u. S c h w a r t z 87. 23 ) Grimm Myth. 2, 261 ; ZfdMyth. 3, 221 ; BIPomVk. 5, 31. Hofimann-Krayer. 14

S p e c k 1 ) . I . Sp.gehört zu denNahrungsmitteln, die der Drache den Leuten bringt, ) S. hier Bd. 1, 1413 (nach Meyer Myth. 110); Meyer Idg. Mythen 2, 616: rtiexä;; die sich ihm verschrieben haben und die ! -ελεκύ; als Blitzbeil gedeutet. ) M a n n h a r d t er reich macht: So schleppt der Drache 2, 334; Hopf Tierorakel I44Í.; K r o n f e l d 3 in Thüringen Sp., Butter, Eier und WürKrieg 182. ) Grimm Myth. 2, 561; Mannste herbei 2 ) (vgl. Butter, Eier, Wurst). h a r d t 2, 334; Meyer Idg. Mythen 2, 617; Gesner Vogelb. 226; Hopf Tierorakel 147 (n. Al*) S c h r ä d e r Redllex. s. v. 2 ) Witzschel drovandus); R e u s c h Samland 36f.; A n d r é e Thüringen 2, 276, 2. 292, 150. Braunschweig 410; E der Von Gestern 255 S.; 2. Nach Sp. sind der Teufel, auch die Z i n g e r l e Tirol 1 1 2 ; SAVk. 12, 19 (Basel-Land); Hexen und die Geister l ü s t e r n , wie Schwjd. 10, 46; F o g e l Pennsylv. G. 2 3 1 ; NdlTüberhaupt nach F e t t 3 ) (vgl. Fett, Butter, Vk. 33, 152 (Flandern); P h i p s o n Animal-Lore 203; ZfVk. 23, 271 f. (auch Außerdeutsches). : Milch): Als der Teufel durch das fette ·*) Montanus Volksfeste 177. s ) R o c h h o l z Sg. Land Schwansen zog, überfraß er sich 2, 165. e ) Hopf Tierorakel 147. ') Schwld. 10, an Speck und Mehlbeutel *). In Mecklen46. ·) J o h n Erzgebirge 238. ') S e e f r i e d - G u l burg frißt die Hexe als Katze S p . 5 ) . g o w s k i 180. Ähnliches schon im alten Rom: Hopf Tierorakel 145; hier eine weitere Quelle: Wenn einer im Eisass in der Kirche durch „Lindenbltt. Chron.". 10 ) S c h r a m e k Böhmerw. ein Karfreitagsei in der Kirche schaut, 244; Hopf 145. " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, sieht er die Hexen; diese haben statt der 271. 12 ) Grohmann 70. l s ) P l i n i u s NH. 10, Gesangbücher Speckstücke und statt der 40: pici in auspiciis magni; A l b e r t u s M. De Anim 6, 4: (picus) cujus vocem et volatum mulKopfbedeckung Melkkübel auf dem 1

144

Speck

143

Kopf *). Im Osnabrückschen nennt man ein Gespenst, das eine brennende Sp.seite auf dem Rücken trägt, Speckwolf '). Wie man bestimmten Insekten (oft als Verkörperung von Hexen) den Raub von Butter und Milch und Molken (s. d.) zuschreibt, so heißt in Schleswig-Holstein die Libelle Speckfresser 8 ): Schomaker sett dit Schast ok Speck un Brot hebben. s ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 10. *) M ü l l e n h o f i - M e n s i n g Sagen 289, 426; Kloster 9, 425. s ) B a r t s c h Mecklenburg 1,114,129. ·) ZfdMyth. 1,407; W. 373. ') K u h n - S c h w a r t z 500, 271. *) Müllenhof £ 1. c. 509, 652, 2.

3. S p . o p f e r : Bei Gewittern opferten die heidnischen Preußen dem Gotte Perkunas eine Speckseite 9 ). Hartknoch berichtet auch, daß noch Ende des 17. Jh.s der preußische Bauer bei Gewittern eine Speckseite mit bloßem Haupte auf den Acker trug und betete: „Gott, schlage nicht in das Meinige, ich will dir diese Sp.seite schenken". Nach dem Gewitter nimmt er die Sp.seite mit nach Hause und verzehrt sie mit seinen Hausgenossen 10 ). Im Mölltal schenkt man der Berchta Sp., Würste und Mehl 1 1 ). Bei Zell und am Ulrichsberge in Kärnten bekommt der wilde Mann von der Bäuerin die Graupen vom ausgelassenen Sp. 1 2 ). Bei den alten Skandinaviern wurde Kindern, die ausgesetzt wurden, ein Stück Sp. in den Mund gesteckt 13 ) ? *) W. 423; H a r t k n o c h Altes und neues Preußen 1684, 160; T e t t a u u. T e m m e 257; 10 ) W. 1. c; T o p p e n 14. Kloster 9, 574. u ) ZfdMyth. 4, 299 ff. " ) Graber Kärnten 75, 87 ff. 13 ) S a r t o r i Totenspeisung 14.

4. Sp. a l s O s t e r g e w e i h t e s m i t b e s o n d e r e r K r a f t : Nach einem Augsburger handschriftlichen Buch aus dem 15. Jh. gehörte zum Ostergesegneten : Lemplin, Trank, Speck 14 ). Auch in der bayrischen Pfalz wird Sp. mitgesegnet 1S ). Aus dem bekannten St. Florianer Papierkodex entnehmen wir l e ) : Item den spekch den man weicht mit den praitigen, do smiren dy pawren den phlug mit, so mag man sew nicht zaubern 17 ). M ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 74. IS ) Bavaria ι, ι , 371. " ) Grimm Myth. 3, 416, 6; J a h n

Opfergebräuche 140; ZfVk. 14,138. 14. 138.

" ) ZfdMyth.

5. Sp. u n d F e s t e : a) Sp. u n d F a m i l i e n f e s t e : Sind Sp.würfel im Pfannenkuchen, so ist das ein Zeichen, daß der Freier gern gesehen wird und wiederkommen soll 18 ). b) Sp. als S a m m e l g a b e bei V e g e t a t i o n s u m z ü g e n und andern Jahresfesten: Beim Aus- und Heimtragen des Sommers in Eisenach wird neben andern Lebensmitteln auch Sp. gesammelt 19 ). In Müggelheim bei Köpenick, einer Pfälzerkolonie, trug man am Fastenabend einen Marder oder Iltis, auf ein Brett genagelt, umher, sammelte Eier und sang : Hahn, Λρρβί, Hahn! Die Fastnacht geht an! Der Kuchen will nit ritschen, Gebt mir euern Speck, Dann geh ich von der Türe weg; Ich stell die Leiter an die Wand Und schneid mir ein Stück Speck drei EUen lang 20 ).

In Enneda (Glarus) findet an Silvester das Speck jagen statt (Entwenden von Sp.) 2 1 ). Am Luciafest gibt es in Schweden den Luciabissen : gebratenen Sp., Branntwein 22 ) und Brot ; diesen Bissen bekommen in der Nacht um 2 Uhr alle Hausgenossen22). Bei der Gildenwahl in Göttingen am blauen Montag gab es Sp.küchlein £3). Augurium mit Sp.: In Ungarn legen die Mädchen an Silvester Sp.grieben vor die Tür des Zimmers, in dem sie versammelt sind; das Mädchen, dessen Grieben die Katze zuerst frißt, heiratet zuerst 21) (vgl. Semmel A. 115). 18 ) Hüser 3, 4. " ) W i t z s c h e l Thüringen 2.305· i 0 ) K u h n Mark 310 ff. a l ) H o f f m a n n K r a y e r 114. " ) ARw. 9, 256. 23) HessBU. 3, 90; H ö f l e r Fastengebäcke 59. 24) ZfVk. 4, 317.

6. Sp. im Z a u b e r : Über Sp. als Apotropaion und Sp. im Zauber bieten die Anthropophyteia Material 25 ). Um Läuse anzuzaubern, machte der frühere Latschenmacher in Schmiedberg über ein Stückchen Sp. drei Kreuze, schnitt dann einen Zettel in der Größe des Sp.es und schrieb darauf den Namen dessen, dem er die Läuse aufhexen wollte; dann klebte er den Zettel auf den Sp., umwickelte beides mit einem besonderen Leinwand-

146

Speck

145

läppen und steckte das Päckchen in einen Ameisenhaufen; wenn die Ameisen das Zeug gefressen hatten, hatte der Bezauberte die Läuse 2 6 ). Nach der Rockenphilosophie: Hat das Jüdel ein Kind verbrannt, so schmiere man das Ofenloch mit Speckschwarte 27 ). Um den Geist, der den Schatz hütete, zu gewinnen, vergrub eine Frau an einem Kreuzweg Sp. 28 ).

den S. nach dem Gebrauch vertrocknen oder verfaulen 41 ), hängt den S. an einen Baum 4 2 ), oder vergräbt ihn unter der Dachtraufe 43 ) ; man legt den S. auf einen Zaun und spricht 44 ) :

7. S p e i s e v o r s c h r i f t e n und Ähnliches: Wer am Karfreitag Sp. ißt, stirbt vor dem 30. Jahr (Ungarn) 29 ). Aus der Donnerstagspeise Sp.-Erbsen zieht Rochholz seltsame Folgerungen 30 ). Den Sp. soll man erst anschneiden, wenn im Frühjahr der Kuckuck r u f t 3 1 ) .

Was ich sehe, nehme zu. Was ich streiche nehme ab. Im Namen *·).

De schwuort wierfen ich da krön, Mai wuarzen si'n fergön.

Man streicht auch dreimal kreuzweise über die Warze und rodet den S. unter der Dachtraufe ein 4 5 ). Man streicht bei zunehmendem Mond über die Warzen und sagt:

» ) 10, 49 ff. 26 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 258. *') Grimm 1. c. 3, 449, 473. 2e ) F i s c h e r Aberglaube 157.

2 ®) ZfVk. 4, 394; S a r t o r i Sitte und 3, 144. 30) Glaube 2, 46 ff. 3 1 ) A n d r e e schweig 463.

Brauch Braun-

8. V o r z e i c h e n : Wenn man träumt, man esse Sp., stirbt ein Bekannter 3 2 ). Sieht man im Traum Sp. oder Würste, so gibt es einen unangenehmen Besuch 33 ). Wenn der Sp. schwitzt, wird es regnen (Schlesien und allgemein) 34 ). w

32 ) SAVk. 2, 218, 36. ) Drechsler 2, 198, 568.

SchwVk. 10, 31.

9. Sp. im H e i l z a u b e r u n d in d e r V o l k s m e d i z i n : Gestohlener S. ist gut zum Heilen von Krankheiten, vor allem zum übertragen von Krankheiten 3 5 ). So kann man Fieber übertragen 36 ). Wenn man an Krebs leidet, verschafft man sich aus drei verschiedenen Häusern, in denen geschlachtet wurde, je ein Stück S. und reibt damit die kranke Stelle ein. Nach dem Gebrauch näht man die S.stückchen in Leinwand ein und läßt das Päckchen durch einen Schreiner in einen Sarg legen, ohne daß die Angehörigen davon etwas wissen (Gußenstadt-Heidenheim) 37 ). Durch sympathetischen Zauber heilt man vor allem Warzen: In Duderstadt muß ein altes Weib die Warze mit S. bestreichen und dabei allerlei Formeln sagen 38 ). Im Saarland reibt man die Warzen mit S. ein, den man bei Vollmond (und auch bei abnehmendem Mond) 39 ) unter einem Stein vergräbt 40 ) ; man läßt allgemein Bien t 0! d - S t äu bl i , Aberglaube VIII.

: : i ;

: I i ; ; ; : j ! : ! ¡

Kann man aus einer Pfanne, in welcher S. gebraten wird, unbemerkt drei Spirkel herausnehmen, mit diesen die Warzen bedrücken und die Spirkel wieder in die Pfanne legen, so verschwinden die Warzen 47 ). Hühneraugen vertreibt man, wenn man mit einer S.schwarte über sie streicht und sie bei einem Begräbnis nach einem Vaterunser ins Grab wirft 48 ). Hat man sich mit einem Instrument verwundet, so muß man dasselbe in S. stecken, bis die Wunde geheilt ist 4 9 ). Bei den verschiedensten Salben gegen Brandwunden finden wir S. in den mannigfachsten Zusammenstellungen 50) ; gegen gefrorene Füße macht man eine Salbe aus Eis und geschmolzenem Speck 5 1 ). „Vor die Breune im Munde (des Königs zu Dennemark): Wann ein Mensch die Breune hat, so nim ein stücklein S., eines halben fingers langk und zween finger breit, das lege dem Kranken auff seine Zunge, das ein theil die zeene anrüret, das ander teil inwendig den schlundt und der Kranke soll es im Mund behalten und saugen, weil etwas dran ist. So wirdt ihm die Hitze geleschet und wird gesund" 52 ). Gegen Verwundung bestreicht man am Karfreitag die Wunde mit S. und gräbt diesen ein 5 3 ). Sonst wird S. in den reichhaltigsten Auflagen und Kompositionen bei Wunden verwendet 54 ). Nach Hildegard von Bingen macht S. fruchtbar 55 ). Man verwendet ihn innerlich mit Honig gegen Lungensucht 5 e ). Äußerlich vor allem auch gegen Halskrankheiten : in Form von Umschlägen 57 ). Auch hier finden wir Sym5b

147

Speck

pathiezauber: Wer einen dicken Hals hat, muß, bevor er zu Bett geht, ein Stück S. nehmen, in den Mond sehen und das S.schnittchen über den Kopf hinweg in einen Bach hinein werfen 58 ). Bei Erkrankung der Atmungsorgane reibt man Brust und Hals mit S. ein 69 ), auch bei Schwindsucht 60 ). Gegen Ohrenschmerzen steckt man S. ins Ohr®1), im Rheinland muß der S. von einem Borg (verschnittenes männliches Schwein) stammen 62 ). Gegen Blutruhr nimmt man geschmolzenen S. e 3 ) ein, oder man tunkt ein Hölzchen in das Blut und steckt es in den Speck (vgl. A.49) M ). Bei Scharlach und Masern reibt man mit S. den Kranken ein 6S ) ; die Säuglinge läßt man .zur Förderung des Zahnens an einer S.schwarte lutschen ee ); gegen Bettnässe bindet man S. auf den Nabel 6 7 ); eine Frau, die an Verstopfung litt, steckte unter Anrufung der drei höchsten Namen S. ins rectum ( ? ) 6 8 ) ; zur Erleichterung der Menses69), gegen Krebs 70 ), bei Ausschlag 71) wird S. äußerlich verwandt. Knochenbrüche umwickelt man mit gesottenem S. 7 2 ) ; eine Salbe von Quecksilber und S. gegen Grind 73)( den Fettrückstand von gesottenem Räuchersp. gegen Nisse und Läuse (Schwaben) 74 ) finden wir anempfohlen. „Zu dem Manngliede: Nim einen s. und den zerlaß und laß in trieffen auf ein kaltes wasser und wasch es gar sehen und offt, das es weis werde, so salb in dann gar oft, damit es hilft" 7S). Wenn man sehen will, ob ein Schwerkranker leben oder sterben wird, reibt man das Kranken Stirn, Brust und Fußsohlen mit S. ein und wirft es einem Hund vor; frißt er es, so bleibt der Kranke am Leben 76 ). Gegen Magenweh ißt man morgens und abends nüchtern schwarzgeräucherten S. 7 7 ). Neben abstrusestem Zeug finden wir unter diesen Mitteln Praktika der Hauserfahrung, ζ. B. ii entzündungsmildernde S.umschläge, die die I heutige Medizin nicht mehr bei Beachtung I von volksmedizinischemMaterial verachtet. ! Oft ist der Sammler im Zweifel, welche , Auswahl er unter diesen Belegen bringen ι soll. Damit die Kuh den Nutzen nicht j verliert, bestreut man in Schlesien eine 1

148

Schnitte Brot mit Salz, legt den „Nutzn" (ein bestimmtes Stück der Nachgeburt), drei Streifen S. und drei Zwiebelköpfe darauf, befestigt kreuzweise darüber drei Schwefelfaden und Ruten von einem Besen und gibt das der Kuh zu fressen 78 ). Gegen Sonnenbrand des Viehs bestreicht man die schmerzende Stelle mit einer Salbe aus S.fett und Essig 79 ). Gegen Warzen von Mensch und Vieh nagelt man an drei aufeinanderfolgenden Freitagen im abnehmenden Mond nach Sonnenuntergang stillschweigend eine S.schwarte an die Wand, die von der Sonne beschienen wird; wie die S.schwarte vergeht, so auch die Wenen (Warzen) (s. oben) 80 ). 3 S ) S t r a c k e r j a n 2, 142,371 ; W.171. M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 273, 2. 3 7 ) H ö h n Tod Nr· 7. 334· M )Z£dMyth. 2, 107, 8, vgl. SAVk. 12, 280; SchwVk. I, 27. 3 ») J ü h l i n g Tiere 180. 4 0 ) N . F o x Saarländer Vk. 306; J ü h l i n g I . e . 183. Vgl. S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 561»

41 )

W. 513. 504.

42

) W.504. 492; F o g e l

Pennsyl-

vania 319, 1692. 4 3 ) J ü h l i n g I.e. 182; F o g e l 1.e. 323, 1722 ff. 4 4 ) I.e. 180. 4 5 ) A n d r e e Braunschweig

419.

4e

) S e y f a r t h Sachsen 98.

' ) F r i s c h b i e r Hexenspruch 94. 48) W. 496; einfacher: Hovorka-Kronfeld 2, 776. 4 ' ) J ü h l i n g 1. c. 183, vgl. 180; P a n z e r Beitrag 2, 277, 988; H e i n r i c h M y l p o r t Gründliche

4

Breslau 1624 I I c. 5.

u. nützliche Erklärung....

) ZföVk. 4, 218, 573; vgl. J ü h l i n g 171. 177. 179. S 1 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 421. " ) J ü h l i n g I.e. 178, vgl. 173. 171; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, Ii. M ) D ä h n h a r d t 1, 80, 4. M ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 374; vgl. BlpommVk. 8, 127, 104; ZrwVk. 1914, 164; 1904, 101, 8; 1909, 250; J ü h l i n g 170ff. 177. 180. 181. 184. 5 5 ) H i l d e g a r d causae et curae 182, 31 (Kaiser). H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 48. " ) SAVk. 8, 148; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 11; ZrwVk. 1908, 150; J ü h l i n g I.e. 182. 180; D r e c h s l e r 60

2,311,688.

M

) S e y f a r t h Sachsen 223.

s,

)Manz

Sargans 76; vgl. L a m m e r t 245; SAVk. 8, 148. ,0) J ü h l i n g I . e . 182 " ) SAVk. 18. 118. * 2 ) ZrwVk. 1904, 92. " ) J ü h l i n g I.e. 184. M ) I.e. 184. «) I.e. 182. β β ) J o h n Erzgebirge 54. · ' ) M a n z Sargans 79. 6 8 ) J ü h l i n g I.e. 183; W. 540. « ) J ü h l i n g 173. ">) I.e. 178. 7 1 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 697. '2) Jühling I.e. 170. 73) I.e. 174. 74 ; L a m m e r t 134. « ) J ü h l i n g I.e. 171. '«) I.e. 181. 7 7 ) SAVk. 8,149. 7 8 ) D r e c h s l e r 1. c. 2, 101. Heimat 37, 114, 36. 8 0 ) ZfVk. 8, 200.

10. V a r i a : Uber die S.seite als Wahrzeichen am roten Turm in Wien Nork 81 ) und Köhler 82 ). el)

Kloster 9, 1043.

8! )

Schriften 3, 609.

Eckstein.

149

Speichel

Speichel (vgl. spucken), ι . Die besondere Kraft, die dem Sp. zugeschrieben w i r d 1 ) , ist darauf zurückzuführen, daß ihm tatsächlich eine therapeutische Bedeutung zukommt. Sieht man doch Tiere, namentlich Hunde, ihre Wunden belecken und dadurch heilen 2 ), weshalb man auch im Frankenwalde offene Wunden von Hunden belecken l ä ß t 3 ) . Die moderne Medizin ist der Meinung, daß der Sp. eine bakterienfeindliche Wirkung besitzt 4 ), und so hat man schon im 18. Jh. Salben und andere äußere Mittel mit Sp. vermengt 5 ). Wie ausgedehnt die Verwendung des Sp.s in der Volksmedizin ist, ersieht man daraus, daß er als das Pflaster der Bauern bezeichnet wird (Oberpfalz) e ). Sp. tut man gegen Würmer in die Ohren (Böhmen) 7 ). Man reibt damit schwache (Schweiz) 8 ) oder kranke (Schleswig-Holstein 9 ), Schwaben 10 ) )Augen oder ein Gerstenkorn (Stige) ein (Oldenburg) 1 1 ), wozu bereits das Wunder Jesu eine Parallele bildet 1 2 ). Gegen Halsweh streicht man die mit Sp. angefeuchteten Daumen über den Hals 1 3 ), einen Kröpf reibt man jeden Abend mit Sp. ein (Schweiz) M ), Leberflecke bestreicht man damit und läßt ihn über Nacht kleben (Steiermark) 1 5 ), auf ein Muttermal spuckt man und leckt es sofort wieder ab (Bayern) 1 6 ). Warzen werden bestrichen (Bayern) 1 7 ), auch nimmt man dazu einen Spülhadern, benetzt ihn mit Sp., fährt damit über die Warzen und vergräbt ihn (Bayern) 1 8 ) ; auch der sog. Käferspeichel an den Weidenzweigen ist gut gegen Warzen (Schwaben) 19 ). Man bestreicht mit Sp. eine verbrannte Stelle (Schweiz)20), die Beine des Kindes, das durch Brennnesseln gelaufen ist (Schwaben) 2 l ), Flohund andere Insektenstiche (Schwaben) 22 ), Hämorrhoidenknoten (Steiermark) 23 ), Wunden (Schwaben 2 4 ), Schlesien 2S ), Böhmerwald 2 6 )) und Hautausschläge 2 7 ). Den „ W o l f " bestreicht man mit Sp., den die Pferde während des Fressens absondern 28). Wadenkrampf beseitigt man durch Reiben der zusammengezogenen Muskeln mit Sp. (Niederrhein) 29 ), Krampf im Beine, wenn man mit dem eigenen Sp. drei Kreuze im Kniegelenke macht (Braun-

schweig) Μ ), Gliederverrenkung und Verstauchung durch Bestreichen mit Sp. (Steiermark) 31 ). Ist ein Schwein behext, so spuckt die Magd dreimal auf den unteren Saum des Unterrocks und macht dann mit dem Saume dreimal auf das Tier das Zeichen des Kreuzes (Schlesien) 3Z ). In manchen Fällen wird eine Fernwirkung erzielt: Bei Hals- und Zahnweh streicht man den mit Sp. benetzten Daumen an dem Arme (der leidenden Seite) vom Handgelenk bis zur Mitte des Unterarmes nach aufwärts (Steiermark 3 3 ), Schlesien 34 )). Bei angeschwollenem Zäpfchen wird Sp. auf den Arm des Leidenden von einer anderen Person gestrichen und dann stark eingerieben, unter peinlicher Beachtung der Haltung (Bergisch) 35 ). Bei Seitenstechen (oder Schlucken) macht man mit Sp. ein Kreuz (vorn) auf den (linken) Schuh (Schweiz 3 4 ), Oldenburg 3 7 )). Im Elsaß begegnet Sp. als Bestandteil eines Teiges, der auf Blasen gelegt wird 3 8 ). l ) Vgl. Spucken Abschnitt i ; H ö f l e r Volksmedizin 1 4 2 ; S t r a c k e r j a n 2, 180, 416. *) V g l . H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 400. *) F l ü g e l Volksmedizin 74. *) Ä u ß e r u n g Eiseisbergs in einem W i e n e r V o r t r a g v o n 1 9 1 3 . 5 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 399. ·) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 243. 7 ) S c h m i d t Kräuterbuch 42, 60. 8 ) S A V k . 7, 138, 90; 8, 1 5 1 ; M a n i Sargans 69. 10 ) ·) U r q u e l l 4, 277. K n o r t z Streifzüge 1, 1 1 140. ) S t r a c k e r j a n 1, 9 5 ; 2, 180, 4 1 6 . 1 2 ) Marc. 8, 23, v g l . Joh. 9, 6. S. a u c h Marc. 7, 33. » ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2. 9. " ) S A V k . 7, 138. 1 5 ) F o s s e l Volksmedizin 135. l e ) P o l l i n g e r Landshut 279. 1 7 ) L a m m e r t 187. 1 8 ) P o l l i n g e r 19) Landshut 290. Buck Volksmedizin 42.

S A V k . 12, 216. 2 1 ) B u c k Volksmedizin 41 f. " ) E b d . 4 2 ; K n o r t z Streifzüge 1, 142. a ) F o s s e l Volksmedizin 122. 24 ) B u c k Volksmedizin 4 1 . 25 ) D r e c h s l e r 2, 281. 2i) S c h r a m e k Böhmerwald 257. 2 7 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 364. 28 ) F o s s e l 2> ) Z f r w Y k . Volksmedizin 136. 1, 2 0 0 , 4 . 3 J ) A n d r e e Braunschweig 421. 3 1 ) F o s s e l Volksmedizin 162. 32 ) D r e c h s l e r 2, 1 1 S . 33 ) F o s s e l M) Volksmedizin 101. Drechsler 2, 299. 3S ) Urquell 3, 2 1 1 . 3 ·) S A V k . 7, 1 3 7 ; 3 7 Z a h l e r Simmenthai 1 1 3 . ) S t r a c k e r j a n 1, 79, 82. 3S ) A l e m a n n i a 10, 219.

2. Namentlich ist es der nüchterne Morgenspeichel, der als wirksames Heilmittel gilt 3 9 ), speziell gegen kleinere Leiden (Bergisch) 40). Man bestreicht mit ihm schwache (Bayern) 4 1 ) und kranke (Rheinland 4 2 ), Schwaben 4 3 ), Schweiz 4 4 ), Steiermark 4 ä )) Augen, sowie Gersten-

151

körner (Stigen) 46) (Nordwestdeutschl a n d 4 7 ) , Steiermark 4 8 )). E r ist gut fürs Zahnen (Hessen) 49 ), zu dessen Beförderung der Vater ihn mit dem Daumen der rechten Hand dem Kinde aufs Zahnfleisch reibt (Steiermark) Bei Halsweh reibt man den Hals mit nüchternem Sp. ein (Schweiz) 5 1 ). E r wird auf den Kröpf gestrichen (Tirol) S2 ), auf den K o p f , u m der Kahlheit zu begegnen (Bayern) 53 ), auf das Überbein (Schwaben) 54 ), auf Warzen (Rheinland s s ), Pennsylvania-Deutsche 56 )), Ausschlag (Rheinland 5 7 ), H a r z 5 8 ) ) , Sommersprossen (Steiermark) 5 9 ), Flechten und Wunden (Sachsen) 60), Grind (Steiermark) 61 ), Geschwüre (Pennsylvania-Deutsche) 6 2 ), mit dem Mittelfinger auf das Knie gegen den Knieschwamm (Kniegelenkstuberkulose) (Sachsen) 63 ), auf das R ü c k g r a t des Kindes gegen englische Krankheit (Westdeutschland) 6 4 ). In B ö h m e n wurde bei entzündeten Augenlidern, beim sog. Angewachsensein der Kinder (wenn sie nicht wachsen), bei geschwollenen Drüsen und Mandeln der leidende Teil mit nüchternem Sp. bestrichen 65 ), desgl. im Isartal bei Sommersprossen, Excoriationen, Zitterach usw. 66 ). B e i m Herabfallen des Zäpfchens streicht man die mit nüchternem Sp. befeuchteten Hände über die beiden Kopfnickermuskeln des Kranken oder hebt mit den befeuchteten drei Schwurfingern drei Haare v o m Scheitel des Patienten auf, wobei also der Sp. eine nur indirekte W i r k u n g 6 7 ) ausübt (Steiermark) 68 ). In Westböhmen hebt man die „gefallenen Mandeln" und das „gefallene Zäpfchen", indem man den befeuchteten Daumen unter die Unterkieferwinkel, die anderen Finger der Hand an die Schläfe legt und mit dem Daumen eine streichende Bewegung a u s f ü h r t 6 9 ). Der auf der Stirn des Kindes eingeriebene Sp. der Mutter oder Hebamme benimmt die Wirkung des Yerschreiens (Steiermark) 70). Nach einer Minoritenpredigt (wahrscheinlich eines österreichischen Minoriten) aus dem Anfang des 14. Jh.s kann der Teufel durch den Sp. eines nüchternen Menschen ausgetrieben w e r d e n 7 1 ) .

f a r t l i Sachsen 243.

3, 161.

41

40

) Urquell 4, 153; ZfrwVk.

) L a m m e r t 227.

42

**) B u c k Volksmedizin 42. R o c h h o l z Kinderlied 334. medizin

69. 92.

46

) ZfrwVk. 3, 188.

" ) SAYk. 8, 151; F o s s e l Volks-

) H o s t Die

sympathetischen

I Mitteilt, 35· 47 ) G o l d s c h m i d t Volksmedizin 97f. 4e ) F o s s e l Volksmedizin 93. 19 ) W o l f Bei-

träge 51

ι,

208.

so

)

Fossel

) Z a h l e r Simmenthai So.

Volksmedizin 52

78.

) H o v o r k a u.

K r o n f e l d ι, 400. ") L a m m e r t 188.

54

) Buck

Volksmedizin 42. 55 ) ZfrwVk. i , 98, 3; 5, 149. 56 ) F o g e l Pennsylvania 321, 1700. 57 ) ZfrwVk. 3, 188. 5S ) H e i n e Harzreise, Sämtl. Werke (Hoffmann u. Campe) 5, 26. 59 ) F o s s e l Volksmedizin

134.

6J

)

Seyfarth

) Fossel

Volksmedizin

Pennsylvania

279, 1463.

61

77.

64

Sachsen

81. 135. 63

Teplitz 59.

)

) Seyfarth

) S e l i g m a n n Blick 2, 216. e6

62

) H ö f l e r Volksmedizin

es

243.

Fogel Sachsen

) Laube

142.

e7

) Vgl.

Abschnitt 1 Ende. 68) F o s s e l Volksmedizin 100. 69) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, Ii. 70) F o s s e l Volksmedizin 64f.

I ι , i

i ' ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 364; H ö f l e r Volksmedizin 142; B u c k Volksmedizin 42; S e y - ι 3e

152

Speichel

71

) Hess. Bl. 7, 119.

3. Der Sp. wird nicht nur zur Heilung verwendet, sondern auch um einem Übel vorzubeugen. E s entwickelt sich somit eine apotropäische Bedeutung. Man bestreicht die Augenlider mit nüchternem Sp. u m die Sehkraft zu behalten und dem Brennen zu entgehen (Schlesien) 7 2 ). Der Vater befeuchtet den Daumen mit nüchternem Sp. und bestreicht damit das Zahnfleisch des Kindes, damit es keine Zahnschmerzen bekommt (Bayern) 73 ). Um das Schrunden der Brustwarzen zu verhüten, reiben manche Frauen vor der Niederkunft nüchternen Sp. ein (Bayern) 74 ). Die Schwangere soll sich jeden Morgen mit nüchternem Sp. die Nabelgegend einreihen, damit die Nachgeburt nicht anwächst (Westböhmen) 7ä ). Sp. von einem gesunden Menschen, der an dem betr. Tage keine Zwiebeln gegessen hat, mit Terra sigillata zu einer Salbe vermischt, schützt vor Tollwut und Schlangenbiß (Schlesien) 76 ). Sp. bewahrt die gepflanzten Erbsen vor den Nachstellungen der Vögel (Oldenburg) 77 ). Vor dem Abfahren spuckt der Kutscher auf einen Rockzipfel und macht mit ihm auf die Stirn des Pferdes drei Kreuze (Schlesien) 78 ). Im römischen Taufritus werden Nase und Ohren des Täuflings nach dem Exorzismus v o m Priester mit Sp. berührt 79 ), damit durch diese ö f f nungen künftig kein unsauberer Geist in sie einfahre, ein Brauch, den noch

153 Luthers Taufbüchlein von 1523 halten hatte 80 ).

Speichel

beibe-

72 ) D r e c h s l e r 2. 296. 73 ) L a m m e r t 126. 7S ) ) Ebd. 177. J o h n Westböhmen 101. 7e ) D r e c h s l e r 2, 281. " ) S t r a c k e r j a n 2, 180, 416. 7e ) D r e c h s l e r 2, 1 1 2 . 79 ) D ö l g e r Der Exorzismus im altchristl. Taufritual 130 ff. 8 0 ) K l i n g n e r Luther 114. 74

4. Manche Personen haben einen besonders zauberkräftigen Sp. So eine alte Frau, die in der Gegend der Nahe und Blies ihre Kunst ausübte und eine Fußverrenkung heilte, indem sie dreimal mit ihrem mit Sp. angefeuchteten Zeigefinger über die schmerzende Stelle strich 8 1 ). In derselben Gegend lebte ein Mann, der den „Nachtsbrand" genannten Gesichtsausschlag dadurch heilte, daß er den mit Sp. befeuchteten Zeigefinger der rechten Hand dreimal um die wunden Stellen herumstrich 82 ), die Krankheit gewissermaßen im Zauberkreise erstickend. Bei den Deutschen in Pennsylvania können Warzen durch den darauf gestrichenen Sp. einer Person geheilt werden, die nie ihren Vater gesehen hat 83 ). Der bierbrauenden Geirhild verhilft Odin durch seinen Speichel, den er ihr als Hefe gibt, zum Siege 84 ). 81 ) ZfrwVk. 2. 142. 82 ) Ebd. 143. 83 ) F o g e l Pennsylvania 322, 1714. 81 ) G r i m m Myth. 2, 857. ι ; S i m r o c k Myth. 226.

5. Der Sp. hat wie jeder Manaträger nicht nur heilsame, sondern auch schädliche Eigenschaften. In Schwaben ist es Lebensregel, jedweden Sp. wie etwas Giftiges zu meiden 85 ). Im Böhmerwald gilt der Sp. des Menschen als das stärkste Gift 8 6 ). Ebenso in Schwaben der Sp. wütiger, zorniger Menschen oder eines wütigen Hundes, besonders aber der Sp. eines Menschen, den man zu Tode gekitzelt hat 87 ). Giftig ist der Sp. eines Epileptikers (Schwaben) 88 ) und überhaupt der nüchterne Sp. jedes Kranken (Sachsen) 89 ), dgl. der Sp. einer gejagten Ratte und eines wilden Pferdes 90). Das vom Sp. einer Kröte getroffene Glied schwillt auf, namentlich wenn das Tier vorher zornig gemacht wurde (Schwaben) 91 ). Nüchterner Sp. tötet nach mittelalterlichem Glauben Schlangen 92 ). Spuckt einem eine Hexe auf die Haut,

154

so bekommt man bösen Ausschlag (Elsaß) 93 ). Spuckt eine fremde Frau dem Kinde in den Brei, so ist es behext (Schweiz) 84). Spuckt einen eine schwarze Frau an, so wird der Leib wund (Siebenb. Sachsen) 9S ). Spuckt einem ein Jude auf die Kleidung, so entsteht ein Loch (Elsaß) 96 ). Wenn ein Mädchen ihrem ungetreuen Geliebten ins Gesicht spuckt, macht sie ihn allen Mädchen abscheulich (Böhmen) 97 ). Will man Jemandem schaden, so legt man etwas in seine Fußspur, spuckt dreimal in des Teufels Namen darauf und hängt es dann in den Kamin, worauf der Mensch (der ja sympathetisch mit seiner Fußspur und weiter mit dem in sie hineingelegten Gegenstand verbunden ist) ausdörrt (Oberpfalz) 98). Nach einer mittelalterlichen Legende vernichtete ein Bischof einen Drachen, indem er das ganze Volk, das 10 Tage gefastet hatte, in ein Becken speien ließ und mit diesem Sp. einen (Zauber-)Kreis um den Drachen zog. Da konnte er nicht herauskommen, sondern mußte in dem Kreise sterben 99). 8S ) B u c k Volksmedizin 42. 8e ) S c h r a m e k Böhmerwald 257. 87 ) B u c k Volksmedizin 42. 88 ) Ebd. 89 ) S e y f a r t h Sachsen 243. » ) K n o r t z Streifzüge 1, 143. 91 ) B u c k Volksmedizin 42. 92 ) Höf 1er Volksmedizin 142. 93 ) Alemannia 8 , 1 2 1 . ·«) R o c h h o l z Kinderlied 292. 95 ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 97. 9e ) Alemannia 8, 1 2 1 . , 7 ) G r o h m a n n 2 1 1 , 1469. 98 ) Schönwerth Oberpfalz 3, 200, 3. 99 ) H e r t z Abhandl. 178.

6. Die Kraft des Sp.s erscheint besonders merkwürdig in der Erzählung der Edda, nach der die Asen und Vanen beim Friedensschluß gemeinsam ihren Sp. in ein Gefäß speien und aus diesem Sp. alsdann von den Göttern der weise Kvâsir geschaffen wird 100 ). Dabei mag die Vorstellung, daß der Sp. gleich dem Sperma sei 1 0 1 ), mitwirken. Daß aber mit dieser ι Vorstellung die bei auffallender ÄhnlichJ keit gebrauchte Redensart: „er ist aus¡ gespuckt der Vater" 102 ) zusammenhinge, : muß als höchst fraglich bezeichnet wer: den. Wenn im Märchen wiederholt ί redender Sp. begegnet 103 ), so ist daraus nicht auf „Seelenhaftigkeit" des Sp. zu ¡ schließen: im Märchen können alle Dinge • reden. Der Sp. wird auch zu Orakel-

155

Speik—Speise

zwecken verwendet: sinkt der am Morgen früh in den Brunnen gespuckte Sp., so ist man schwindsüchtig (Schweiz) 1 M ) ; doch wird auch das Gegenteil ungünstig gedeutet (Schweiz) l 0 S ). Der Sp. gehört zu den menschlichen Aussonderungen, mit denen allerhand Zauberei getrieben werden kann 1 0 4 ), deswegen muß man ihn, wenn man ausspeit, gleich zertreten (Schwaben) 1 0 7 ). Läßt ein Kind Sp. fließen, so läßt man es mit dem Munde das Maul eines Esels berühren, steckt es dann dreimal unter seinem Leibe durch und läßt es zuletzt auf ihm reiten (Waldeck) 108 ). Die Deutschen in Krickerhäu (Ungarn) bezeichnen die sog. Sommerfäden als Ochsengeifer, weil jene nach einer Sage aus dem Sp. eines Stieres entstanden sind 109 ). Sp., der frühmorgens an den Pflanzen sitzt, stammt von dem nachts vorüberziehenden glûstêrt (Gespenst) (Braunschweig) u 0 ) . 100 ) G r i m m Myth. 1, 266; 2, 751 f. 101 ) Vgl. S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 98, 8. 10J ) Mir als deutsche Redensart aus meiner Vaterstadt Riga ganz geläufig. Auch in der Gegend von Mainz nach Mitteilung von Prof. Dr. OsternHeidelberg durchaus gebräuchlich. Für England. Frankreich, Italien u. Portugal bezeugt von L i e b r e c h t Gervasius 71 Anm.; d e r s . Zur Volksk. 304 Anm. 103 ) Ζ. B. Z a u n e r t Deutsche Märchen seit Grimm 308; vgl. B o l t e - P o l i v k a Λ, 527, ι , 1 M ) S A V k . 8, 143; 9, 271, 54; M a n z Sargans 77. 105 ) Ebd. w «) S. Spucken, Abschnitt 5; F r a z e r 2, 287s. 1 , 7 ) B u c k Volksloe) C u r t z e medizin 42. Waldeck 380, 55. 1 M ) Z f V k . 3, 347. uo) Andree Braunschweig 389. Deubner.

Speik (Valeriana celtica). 1. B o t a n i s c h e s . Niedriges Baldriangewächs mit stark aromatisch riechendem Wurzelstock, länglich lanzettlichen Blättern und kleinen schmutzig gelben Blüten. Der S. ist eine Alpenpflanze (besonders der Ostalpen), die besonders früher von „Wurznern" (Speikgräbem) gesammelt wurde und einen Ausfuhrartikel nach dem Orient bildete 1 ). Auch noch einige andere niedrige (oft stark riechende) Alpenpflanzen nennt der Gebirgler S. und unterscheidet sie nach der Farbe, so den blauen (Primula glutinosa u. Androsace alpina), gelben (Primula Auricula, Geum montanum u. reptans, Senecio incanus u. carniolicus), roten (Primula minima), weißen S. (Achil-

156

lea Clavennae), ferner den Roß-(Primula glutinosa u. minima) und den Frauens. (Phyteuma hemisphaericum) 2 ). Der echte S. (Valeriana celtica) war früher als „Nardus celtica" eine hochgeschätzte Droge 3 ). 1 ) ZfVk. 6, 288 f. ; Archivum Romanicum 10 (1926), 201—220; Wiener Mediz. Wochenschr. 61 (1911), 3154; G e n t n e r Einiges über den Speik. In: Jhrb. d. Ver. ζ. Schutze der Alpenpflanzen 4 (1932), 63—75. *) P f a f f W-'as ist Speik} In: Der Schiern 6 (1925), 330 ff. 3 ) H ö f l e r Kelten 256.

2. Als stark aromatisch riechende Pflanze s c h ü t z t d e r S. v o r d e n b ö s e n G e i s t e r n . Nach einer Kärtner Sage verrät der Teufel selbst: „Hobrat (wohl Achillea Clavenae, s. Schafgarbe 4), Widertot (s. Widerton) und S. ist gut für Alpenreiten" (Alpdruck) *). In den Rauchnächten wird in Kärnten und in Steiermark Haus und Stall mit S. ausgeräuchert; das vertreibt die Hexen 5 ). *) ZfdMyth. 3, 35 = R a n k e Volkssagen1 263, 5 ) ZfVk. 6, 288; Gailtal: vgl. SAVk. 23, 175. Orig.-Mitt. v. M o d i 1908.

3. In einer oststeirischen Erzählung will der Bauer unter seinem Pflaumenbaum, dessen Früchte ihm immer gestohlen werden, S. eingraben. E r glaubt, daß es dann dem Dieb schlecht wird, wenn er die Pflaumen ißt ·). Der Bauer glaubte wohl, daß sich der starke Geruch des S.s auf die Pflaumen übertrage. ·) Blätter für Heimatkunde Graz 5 (1927),30. Marzell.

Speise*) (vgl. Essen und Speiseopfer, dazu abschneiden, anschneiden, backen, Bissen, Blutwurst, Brei, Brezel, Brosamen, Brot, Butter, Ei, Fett, Fleisch, Fladen, Gebäck, Gebildbrote, Glücksbrot, Grütze, Hauswolf, Hefe, Howölfle, Honig, Käse, Kindsfuß, Knaufgebäcke, Knödel, Krapfen, Kuchen, Lebkuchen, Lichtmeßgebäcke, Mahl, Martinshörner, Marzipan, Mehl, Neujahrsgebäcke, Ostergebäcke, Pfannkuchen, Pfefferkuchen, Pumpernikel, sauer, Semmel, Speck, Suppe, Stollengebäck, Teig, Urei, Wecken, Weißbrot, Windeier, Wurst, Zopfgebäcke, bes. auch Nahrung, trinken). I n h a l t s ü b e r s i c h t : A. A l l g e m e i n e s . — B. B e r e i t u n g u n d B e t r e u u n g d e r Sp.n.

157

Speise

ι . Kunst der Sp.bereitung von den Göttern gelehrt. 2. Kathartische Vorschriften für Betreuer der Sp.n. 3. Bereitung einzelner Sp.n: Sympathetische Wirkung usw. — C. A n a l o g i e r i t e n der P r i m i t i v e n zur B e s c h a f f u n g u. E r h a l t u n g der Sp.n. — D . H e i l i g k e i t der Sp.n und S t r a f e f ü r die S c h ä n d u n g . — E. Sp. und S c h a d e n z a u b e r . 1 . Dämonen dringen mit der Sp. in den Körper ein. 2. Sp.n während des Gewitters. 3. Sp.n und Krankheitsdämonen. 4. Sp.n in fremder Hand zu Schadenzauberzwecken. 5. Sp.n nicht gegönnt. 6. Sp.n und böser Blick. 7. Sp.n und Menstruierende. 8. Sp.n auf der bloßen Erde. 9. Sp.reste als Schadenzaubermedium. — F. S p . r e s t e k r a f t e r f ü l l t und in der A n a l o g i e v o r s t e l l u n g . ι . Sp.reste kraftstärkend. 2. Analogiezauber mit Sp .resten. 3. Schändung der Reste. 4. Opferung der Reste. G. B e s o n d e r e K r a f t b e s t i m m t e r Sp.n — B i n dende Kraft der Sp.gemeinschaft. I.Allgemeines. 2. Göttersp. 3. Göttliche Kräfte durch bes. Zaubersp. 4. Menschen mit erhöhtem Orenda machen die Sp. zur Zaubersp. 5. Die erste Sp. a) Nüchterner Zustand schwächt das Orenda. b) Die erste Sp. des Kindes. 6. Anfangszauber mit Weihnachts- und Neujahrssp.n. 7. Bestimmte Sp.n in dieser Kultzeit. 8. Brot und Gebäck als krafterfüllte Sp.n. 9. Brot und Sp.n aus neuem Mehl. 10. Sp.n für das symbiotische Hausvieh. 1 1 . Sp.reste dieser Kultzeit. 12. Auspizien mit der Festsp. 13. Reichhaltigkeit und Kraft der Fastnachtssp. 14. Die grüne Frühjahrssp. 15. Ostersp., geweihte Sp.n. 16. Johannis- und Pfingstsp. 17. Kraft der auf den Jahresfeuern gekochten Sp.n. 18. Hochzeitssp.n. 19. Bes. Kraft der Hochzeitssp.n. 20. Augurien mit den Hochzeitssp.n. 21. Kraft der Sp.n bei den Acker- und Saatriten. 22. Emtesp.n. 23/24. Sp.n beim Dienstbotenwechsel. — H. S p . v e r b ö t e und S p . t a b u s . ι . Verbote der Bußbücher. 2. Gesetz der Transformation. 3. Verbotsursachen: a) Hygienische Gesichtspunkte, b) Religiöse Motive, Tabus für Priester, c) Tabus für Jünglinge und Frauen, d) Entsagender Totemismus. e) Homöopathiezauber. f) Analogieverbote für Schwangere, g) Gelüste der Schwangeren, h) Sonstiger Analogie- und Homöopathiezauber auf Frauen und Kinder, i) Einfluß des Totenkultes auf die Verbote. k) Sp.n für Götter und Dämonen reserviert. 1) Ethische Gründe, m) Verbot im Zauber. n) Abergläubische Verbote, o) Egoistische Gründe. — I. Sp.n im schweren Z a u b e r , t e i l s a l s A k t i v u m , t e i l s als P a s s i v u m . I.Allgemeines. 2. Sp.n im Liebeszauber. 3. Sp.n im Heilzauber. 4. Sp.n im Gegenzauber. 5. Sp.n im Fernzwangszauber gegen Hexen. 6. Sp.n im Schadenzauber. 7. Sp.n im Analogiezauber. 8. Bezauberung der Sp.n. — K. S p e z i e l l e W u n d e r s p . n in M ä r c h e n , S a g e und L e gende. 1. Vergessenheitssp. 2. Sp. macht schwanger. 3. Sp. ewig sich erneuernd. 4. Tischlein deck dich! 5. Wunderbare Speisung Hungernder und Verirrter. — L. Sp.n als Ge-

158

s c h e n k der V e g e t a t i o n s g e i s t e r , D ä m o n e n und H e x e n . 1 . Sp.n von gutartigen Naturgeistern geschenkt. 2. Sp.n als Geschenk d e r Hexen und Dämonen. 3. Verwandlung der Hexensp.n. 4. Geistersp.n. — M. Sp.n der G eizigen und der s a g e n - und l e g e n d e n h a f t e n W o h l t ä t e r v e r w a n d e l t . — N. B r a u c h t u m beim E s s e n der e r s t e n Sp. — O. A l l e r l e i V o r s c h r i f t e n und A b e r g l a u b e . ι . Sp.n nicht blasen. 2. Sp.n nicht kochend auf den Tisch stellen, nicht aus dem Kessel essen. 3. Umrühren der Sp.n. 4. Angebrannte und versalzene Sp.n. 5. Kalte Sp.n. 6. Sp.n bei Todesfall. — P . T r ä u m e n v o n Sp.n. — Q. A u g u r i a m i t Sp.n.

1

A. In dem Maße, wie alle Kulturformen der äußeren Lebenshaltung sich zum höchsten Raffinement und zur beängstigenden Kompliziertheit entfalten, wird das Einnehmen der Sp. jeder kultlichen (nach altindischem 2 ) Glauben kann der Mensch nur durch seine Sp. rein sein) Bedeutung entkleidet; insbesondere verschwinden all die Vorsichtsmaßregeln, welche die dem primitiven Menschen eingeborene U r a n g s t vor S c h a d e n z a u b e r jeder Art wie einen Wall um die Essenstätigkeit legt, oder sie erstarren in kaum beachteten Zeremonien; es gibt keinen klareren Beweis gegen die Meinung, daß die mit dem Körper und dessen Pflege zusammenhängenden Lebensformen des Primitiven einfach seien, als die Tatsache, daß er bei der Bereitung und Einnahme der Sp. eine Unmenge von Vorschriften beachten muß s ), deren Ursachen man vergeblich auf eine Formel zu bringen suchte, daß er offenbar die K r a f t z u f u h r durch die Sp. mit heiliger Scheu wie einen magischen Zaubervorgang verfolgte und beobachtete, so daß wir allgemein feststellen können: Urmenschliche Dankbarkeit gegenüber dem göttlichen Geschenk der Sp., der Glaube, daß die eigene Lebenskraft (wir sind seit Huber und Mauß 4) gewohnt, hier von Orenda s ) der Irokesen, Tondi β ) der Batak, Mana 7) der Polynesier zu sprechen) durch das Orenda eines Tieres oder einer Pflanze gestärkt wird, indem man das Fleisch des Tieres oder die Früchte der Pflanze genießt, bestimmte Vorstellungen von Transplantation, Totemismus, Tabu und Fetischkult, Verehrung des symbiotischen Haustieres, Angst vor bösen Geistern, die alles be-

159

Speise

herrschende Angst vor der Einwirkung des bösen Blickes und anderer schädlicher Einwirkungen, all diese K r ä f t e , nach Rasse und Lebensbedingungen verschieden, verstricken den Primitiven in ein Gewirr von Maßnahmen ; Reste davon finden wir auch bei den Kulturvölkern; bei den Kulturen, die griechisch-römische Tradition in ihrem Lebensstrom mit sich führen, ist auf diese Beeinflussung neben den h e i d n i s c h e n U r e l e m e n t e n zu achten ; letzteres Gut aus den verschiedensten Legierungen auszuscheiden, wird nur in seltenen Fällen gelingen. Β . ι . Einige Überlieferungsreste, gestützt durch Parallelen bei den Primitiven, können in uns eine Ahnung leicht aufdämmern lassen von dem magischen und kultlichen E m s t , mit dem das Bereiten und Aufbewahren der Sp.n bei gewissen Völkern umhegt war ; teils auf Grund einer instinktiven hohen Wertschätzung dieses Kraftvermittlers (der Südslave nennt seine Frau, wenn er ihr seine Liebe bekennen will, mein Speischen) 8 ), teils aus Angst und Sorge, daß sich böse Mächte an die Sp.n heften (vgl. Β und C). Die menschliche Dankbarkeit für das Segensgeschenk der gekochten Sp. findet den Niederschlag in manchen Kulturmärchen, die davon berichten, daß die Götter den Gebrauch der gekochten Sp. gelehrt hätten (parallel zum Prometheusmythus) ; Haberland 9 ) zählt einige Beispiele auf. Diese offenbar urmenschliche Vorstellung, daß die K u n s t der auf dem Feuer bereiteten Sp., überhaupt die Sp. durch übernatürliche Wesen den Menschen übermittelt wurde, hat ihren Niederschlag in einen Kulturmärchen der Wald- und Prärieindianer Nordamerikas gefunden : Eine Erzählung der Pawnee-Indianer hat zum Inhalt, wie ein Knabe, nachdem er gefastet hat, von drei Feen erfährt, wie man Büffel erlangt und Sp. bereitet 1 0 ). Feen machen auch verirrte Helden mit den ersten Brotfrüchten b e k a n n t 1 1 ). Die Primitiven der Admiralitätsinseln haben eine Schöpfungssage, nach der zuerst alles nur Meer w a r ; eine Schlange schuf das Stammeselternpaar und schenkte diesem das Geheimnis der Nahrung 12 ) ;

j I j j ι

16θ

nach einer andern Version wurden die Nahrungsmittel aus dem Bauche einer Schlange geholt, die die Menschen dazu aufforderte und auch das Feuer spendete 1S ) ; die bösen Geister kennen nur ungekochte S p . 1 4 ) . 2. Die mit dem Bereiten der Sp.n betrauten Personen sind oft bestimmten Tabuvorschriften unterworfen : Während Strabo 1 5 ) von den Troglodyten überliefert : ειτ έ—ωμ,ένων κπί άλλωί πολλαχώς | σχ=υαζιμένων ΰ~ό των μάγειρων, ους καλοΰσιν ] άκαθάρ-ους, bringt Columella 16 ) eine Notiz, daß der römische K o c h keusch und enthaltsam (castus a rebus venereis) sein müsse; die Sp.n dürfen nur von solchen berührt werden, die unmündig oder zu Liebessachen ungeeignet sind. Bevor ein Mann oder eine Frau die Sp.n berührt, müssen sie sich die Hände in reinem Quellwasser waschen, das ein unschuldiges Kind bringt. Hinter dieser kathartischen Vorschrift mag die Angst vor Schadenzauber stecken; ähnlich muß der Eingeborene auf den Marquesasinseln, wenn er Brot oder Sp.n backt, sich sexuell enthalten 1 7 ). Mörder dürfen bei den Indianern für die Stammesgenossen keine Sp. kochen 1 7 a ). D a s kathartisch-apotropäische Moment ist ganz klar in einer Vorschrift der alten Literatur, daß die Sp. nie in einem Trauerhause zubereitet werden dürfe 18 ). D a s Verbot, im Sterbehaus Sp.n zu bereiten, ist auch sonst belegt, so bei den Indern, im heutigen Griechenland und auf Korea 1 9 ). E contrario enthalten nach dem Glauben der Schweizer Sp.n, die zwischen Tod und B e gräbnis bereitet sind, in einer Unze mehr K r a f t als sonst in zwei Pfund 20). 3. Ganz heterogene Gründe und Motive treffen zusammen in den Vorschriften für die Bereitung einzelner Sp.n; k l a r ist der sympathetische Grund in der V o r schrift: D u sollst das Böcklein nicht kochen in seiner Muttermilch 2 1 ). Die Rockenphilosophie verbietet: Von einem erst geborenen K a l b darf nichts gebraten werden, sonst verdorrt die K u h 22 ). Die Massai lassen Fleisch und Milch nicht im Magen zusammenkommen, um die K u h nicht zu beleidigen 2 3 ). Welche V o r -

l6l

Speise

Schriften im einzelnen, ζ. B. beim Backen, Wurstbereiten, Knödelkochen usw. im Volksglauben vorgeschrieben sind, darüber vgl. die einzelnen Artikel. C. ι . Bei der ungeheueren Wichtigkeit für die Existenz der Menschen bes. der krafterfüllten Sp.n, wie Brot, die dann als Gottesgabe in den Schutz Gottes oder bestimmter Götter und Geister gestellt werden, ist die Vorstellung von der Heiligkeit der Sp.n selbstverständlich. Furchtbar ahndet die Sage den Schänder der heiligen Sp. Die Silberknappen am Höttinger Gebirge schänden die Gottesgabe des Weines und stecken Bratwürste auf die Hüte, tragen Brotschnitten statt der Gemsbärte, Küchlein als Rosetten statt der Schuhe; nach den bekannten Motiven der Frevlersagen werden sie verschüttet 24 ) ; ob die Älpler auf der Hochalmspitze mit Käsekugeln nach Butterkegeln schieben2S), ob der Blümlisalphirte seine Käsetreppe mit Milch reinigt 26 ), ob die schlesischen Hirtenbuben Brot und Käse mit Peitschen schlagen27) — immer steckt als Kernmotiv in allen diesen ätiologischen Sagen die schwere Strafe, die auf der Mißachtung und Schändung der lebenserhaltenden Sp. lastet; alle diese vielen Sp.schändungssagen sind in den Artikeln Brosamen, Brot ( § 5 ) , Butter (§ 2), Käse (§ 10), Kuchen, Milch (§8), Wein nach Motiven und landschaftlichen Charaktertypen zusammengestellt, wobei eine schlesischnorddeutsche von einer süddeutsch-alpinen Gruppe sich klar abhebt (vgl. bes. Brot). 2. Oft schiebt sich noch das Motiv der Abweisung Hungernder herein (PhilemonBaucismotiv) ; beide Motive überlagern sich in einer schweizer Sagengruppe: Der junge Erbe auf der Grünalp vergeudet den Nahrungsertrag des Besitzes an seine Geliebte, während die Mutter darben muß und nur die Sp.abfälle bekommt. Es marschieren alle bekannten Sagenzüge auf (vgl. Brot) : Belegen des schmutzigen Vorplatzes, damit die Geliebte nicht die Füße beschmutzt, Schändung von Milch und Butter, Versinken der Alm in Schnee und Eis 28). Bächto] d - S t i u b l i , Aberglaube VIII.

I62

3. Kurz erwähnt muß noch eine dritte Gruppe werden: Einer bestimmten Version von Degenerationskultursagen — auf das Abgleiten der Menschheit aus dem Paradieszustand abgestimmt — ähneln die Sagen vom Versiegen der Nahrungsfülle auf Grund der Entartung bestimmter Pflanzen und Kräuter: Hirten und Melkerinnen bewirken durch Sp.Schändung (bes. von Milch, Butter und Käse), daß Alpenkräuter, welche früher die Kühe dreimelkig gemacht haben, eintrocknen (vgl. melken § 1 ) . Auch hier mengt sich das Philemon-Baucis-Motiv ein. 1 ) E s ist nicht die A u f g a b e dieses Artikels, auf die Kulturgeschichte der Sp.n einzugehen; da muß man bei C a r r i c h t e r der Teutschen Speiskammer, Straßburg 1 6 1 4 , im Kloster B a n d 6ff., bei K r ü n i t z , Z e d i e r , im Reallex. von S c h r ä d e r und H o o p s , nachsehen, bei E b e r t Reallex., H e y n e Hausaltertümer und in den Wörterbüchern von G r i m m , S c h m e l l e r , Mensing, Müller, Fischer, Martin-Lienh a r t , O c h s usw., nicht zuletzt im Schw. Idiotikon (dazu C y s a t 29), dazu die landschaftlichen Volkskundewerke, ζ. B . D r e c h s l e r Schlesien 2, 8 ; über Lieblingssp.n: S a r t o r i Sitte und Brauch 2, 2 S f f . ; R o c h h o l z Glaube 2, 62 ff. und passim; W o s s i d l o Mecklenburg3, 200ff.; H e y k Gaia 2 1 7 f f . ; O. S t e p h a n Beiträge zur askanischen Volkskunde, Diss. Halle 1 9 2 5 , 1 4 5 s . ; K l a p p e r Schlesien 7 9 s . ; L a m m e r t 40; S c h r a m e k 3 2 4 ; Z f V k . 3, 48 u. ö.; S A Y k . 7, 2 8 1 ; dazu die Volkskundliche Bibliographie v o n H o f f m a n n - K r a y e r ; ich weise auch auf das von F r e u d e n t h a l herausgegebene SachWörterbuch der deutschen Altertumskunde·, über Hochzeitssp.zettel G e r a m b Knafßhandschrift 61; über Wochenspeisezettel H e c k s c h e r Die Volkskunde der Provinz Hannover 1 (1930), 7 7 2 f f . ; R o c h h o l z Glaube 2, 6 3 ; B a v a r i a 4 b , 4 2 2 ; S a r t o r i 1. c. 2 , 2 8 ; Veckenstedt's Zeitschrift 2, 4 7 5 . 2 3 ) J o l l y Recht und Sitte I 5 7 f f . ) Ebert Reallex. 8, 6 f f . 4 2 4 0 . 4 ) L ' a n n é e sociologique 7, i o g f f . i 3 3 f f . ; G e s e m a n n Regenzauber 14. 5 ) P a u l y - W i s s o w a 1 1 , 2 1 1 3 ; P f i s t e r Schwaben 9 7 f f . ") A R w . i S , 3 3 3 f f . ') R . L e h m a n n Mana 1 9 2 2 ; Blätter z. bayr. V k . 1 9 2 7 , 2 5 ff. ; Religion in Geschichte und Gegenwart 3, 1 8 5 4 ; E b e r t Reallex. S, 4 ff. 8) Anthro9 pophyteia.a.a.O. )ZfVölkerpsychologie 1 7 , 3 7 1 ff. 10 ) D o r s e y the Pawnee 4 7 3 f f . ; W u n d t Myu thus und Religion 3, 29Sff. ) W u n d t 1. c. 12 297. ) H . N e v e r m a n n Die Admiralitätsinseln (Ergebnisse der Südseeexpedition 2, 3) 1 9 3 4 , 366. 1 3 ) 1. c. 369. " ) 1. c. 370. l ä ) Geographica p. 7 7 5 (3, 1082, 2 4 g . Meinecke). 1β ) C o l u m e l l a X I I , 4, 3 ; F r a z e r 2, 205. 17 ) F r a z e r 2, 2 0 1 . 1 7 a ) H a s t i n g s Encyclopaedia 6, 63. 1 8 ) A R w . 1 7 , 5 0 2 . 1 9 ) S a r t o r i Toten2I1 speisung 56ff. ) R o c h h o l z Glaube 1, 1 9 5 .

6

163

Speise

21 )

Exodus 23, 19; 34, 26: Deuteronomion 14, 21; D ö l l e r Reinheitsvorschriften = alttest. Abh. v . N i k e l 7 H e f t 2/3 (1917) 2130.; Imago 1927, 22 23 243. ) Döller I . e . ) F r a z e r 8, 8 3 s . ; ders. Totemism 2, 414. 514. 534. 5 3 9 s . ; C h a n t e p i e d e l a S a u s s a y e 1, 153. 24) A l p e n b u r g 191, 61. 2ä) G r a b e r Kärnten 239, 327; vgl. H e y l Tirol 625, 90; S A V k . 16, 137. 2β) G r i m m Sagen 84, 92. 27 ) K ü h n a u Sagen 3, 393S. Nr. 1767. 2β) H e r z o g Schweizersagen 1, 42 Nr. 27.

D. I. Auch der Germane stand einmal gewiß auf der Stufe des magischen Jagdmenschen (da müssen noch manche Felsenzeichnungen richtig gedeutet werden), wo er durch Sympathiezwangszauber Nahrung und Sp. für sich zu bannen suchte: Es ist bekannt, daß die Arunta in Zentralaustralien durch das „intichiuma" Totemtiere, wie ζ. B. Emus oder Kängurus oder auch Pflanzen magisch sich zu verschaffen suchen, um so auf mühelose Art zu einer begehrten Sp. zu gelangen. Frazer 28a ) gibt die Beschreibung dieser Zeremonie mit Versuchen der Deutung; über das Motiv der magischen Speisung im primitiven Tiermärchen vgl. Wundt 28b ). 2. Eigenartig und ohne Parallele ist ein Fruchtbarkeitsfest im alten Mexiko mit dämonischer Maskerade, um Fülle der Sp.n zu sichern, „um die Lebensmittel zu kräftigen und sie dadurch zu erneuern" (heißt es in der Schilderung des Atamalqualiztlifestes, „der Zeremonie des Essens der nur mit Wasser zubereiteten Klöße"). Die Fruchtbarkeitsdämonen sollen ausruhen, wobei der Schlaf dargestellt wird, um dann ihrerseits den Menschen reichlich Sp.n zu gewähren: „Chicomecouatl (Maisgöttin) stellte (am Schluß) dar, personifizierte die Lebensmittel, und alles wovon das Volk lebt, Getränke und Sp.n*'28c) ;zu vergleichen wären die Primitialzeremonien der Maidu, um die Lebensmittelgeister zu wecken und zu erhalten 28d). 28*) F r a z e r 1, 85—87. 144. 28t>) Mythus «. Religion 3, 1 3 6 s . 2g8ff. 476. 28c ) Nach dem Sahagunmanuskript ed. v. Tewkes in American Anthropologist 6 (1893), 286ff. ; Arch. f. 28 ) ZföVk. 1912, 47. 2M ) D r e c h s l e r r l . c. ι , 34. 2»5) R e i n s b e r g 1. c. 558. *·«) V e c k e n s t e d t Wendische Sagen 439, 37. » · • ) V e r n a l e k e n Mythen 331, 8. 2 " ) A r n a u d o í í 1. c. 4ft. 288 ) W. 341/42; J a h n 1. c. 288. "») Hess. Bl. 1 1 , 223; vgl. S a r t o r i 1. c. 3, 1 1 2 . S00 ) S i m r o c k Mythol. 554. 3 0 1 ) S a r t o r i 1. c. 3, 1 1 2 . 302 ) Wolf Beitr. ι , 228, 325. 3 0 3 ) K ö h l e r Voigtland 368. 3M ) D r e c h s l e r I.e. 2,55. »") S c h ö n w e r t h l . c. ι , 414, 8. 3°«) 1. c. ι , 401, 7. 3 ° 7 ) M e y e r Baden 202. 30S ) H ö f l e r Fastnacht 30; P a n z e r Beitr. 2, 304; W. 97. 453. 30») G r i m m Mythol. 3, 458, 682. 442, 225; HöflerFastnacht 30. 3 1 0 ) D r e c h s ler 1. c. 2, 208fi. 8 n ) P a n z e r 1. c. 2, 304. 31!! ) J o h n 1. c. 4 1 ; J ü h l i n g Tiere 1 8 1 ; H ö f l e r 1. c. 28; Bavaria 2, 300. 3 1 3 ) Anthropophyteia 10, 51. 3 " ) W i t z s c h e l 1. c. 2, 189, 1 1 . 3 " ) V e r n a l e k e n Mythen 306, 28. 3 1 7 ) W i t z s c h e l 1. c. 2, 190, 12. 3 1 i ) S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 3 1 1 , 8. 31, ) P l i n i u s i / i i / . n a t . 21, 93. 32 °) M a r z e l l bayer. 321 Volksbotanik 23. ) C o l u m e l l a 6, 4, 1. 32a ) Zitiert in S c h u l t z Alltagsleben 243. 323 ) ZfdMyth. 3, 175; vgl. 339; M a r z e l l I.e. 49; M a n n h a r d t Germ. Myth. 102. 3 M ) Meier Schwaben 386, 38; K u h n - S c h w a r t z 374, 25. 325 ) G r i m m Myth. 3, 443, 275; M a r z e l l 1. c.; S a r t o r i I . e . 3, 1 4 1 ; H o o p s Sassenart 42ft.; Unsere Heimat, Beilage zum Wurzbacher Tageblatt 1931 Nr. 3, 20; viel Material bei J a h n Opfergebräuche 145. 32β ) Unsere Heimat 1. c.; grundlegend H a b e r l a n d im Globus 55, 157. 327 ) Anthropophyteia 10, 101. 32S ) Darüber S a r t o r i 1. c. 3, 156ft. 32 ·) W i t z s c h e l 1. c. 2, 195, 10; M e i e r Schwaben 388; vg. Brezel. 330 ) Benedictionen 1, 375—603. 3 S 1 ) Lechrain 174ft. 333 ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 82, 107; Schwaben 2, 74. 428; Meier Schwaben 392. 3ä3 ) Sitt' u. Art I39fi.; vgl. Z i n g e r l e Tirol 150; H ö f l e r Ostern 30; S a r t o r i l . c. 3, 156; S c h ö n b a c h Berthold 54; L i p p e r t Christentum 291, 609; Veckenstedts Zs. 3, 310; ZfVk.4, 396; W l i s l o c k i Magyaren 52. Μ 1 ) F r a n z 1. c. 591 ; dazu Ei § 8ff. 33t ) Germania 24, 75. 336 ) B i r l i n g e r Schwaben ι, 428. 3 3 7 ) D r e c h s l e r 2, 95. 3 3 8 ) ZfVk. 4, 396. 33 ·) B i r l i n g e r Volksth. 2, 82, 107. 34 °) G r a b e r 342 Kärnten 259. 3 " ) H a b e r l a n d 2, 17. ) W i t z s c h e l I.e. 2, 2 i i f l . Nr. 34. 343 ) J o h n Erzgebirge 206. 3 1 4 ) Meier Schwaben 2, 427, 1 1 4 ; 345 H a b e r l a n d 1,374ft. ) Leoprechting Lechrain 184. 3 " ) ZfdMyth. 3, 339. 3 , 7 ) 1. c. 335. 3 « ) ZföVk. 16, 81 ff.; S a r t o r i I.e. 3, 235. « · ) ZfdMyth. 2, 87; K u h n Westfalen 2. 167, 468: in Albringwerde sagen die alten Leute : auf Pfingsten muß man Eierkäse essen, dann geben die Kühe viel Milch. 3ä0 ) Globus 55, 172. s " ) S i m r o c k Mythol. 568. Meier Schwaben 427, 1 1 4 ; ZfdM. 3, 105; G r i m m I. c. 1, 514; K u h n Westω3 falen 2, 175. ) D r e c h s l e r 1. c. 1, 137. Mt ) H a b e r l a n d 1, 374. ω ί ) J a h n 1. c. 234 mit Lit.; R e i n s b e r g 1. c. 504; ZfVk. 4, 406. **·) Die Kraft der gemeinsamen Speise ist bei den Primitiven bes. groß: C h a n t e p i e de la S a u s s a y e ( B e r t h o l e t - L e h m a n n ) 2, 2930.

200

" » ) L e x s a l i c a c. X L V I (ed. R. Behrend» (1897) 97, 10); vgl. R o c h h o l z Sagen 2, 88. 26e ) J . G r i m m Weistümer 1, 394ft. 36») H. G ü n t e r t Der arische Weltkönig u. Heiland (1923)68; vgl. O l d e n b e r g Religion des Veda2); 356. 500. 3 , °) P a u l y - W i s s o w a 4, 1, 863; W i s s o w a Kultur2 118. 387; C h a n t e p i e de la Saussaye ( B e r t h o l e t - L e h m a n n 2, 450; D i e t e r i c h Mithrasliturgie3 121 fi. ; vgl. K i r c h e r Wein 48—51; ZfVölkerpsychol. 18, 383ft. ωι ) P f i s t e r Schwaben 70. 382 ) S c h ö n w e r t h I, 942; über die Gemeinschaftsp. bei der Verlobung vgl. B ä c h t o l d Hochzeit 1, 1 0 1 — i n . 3 3 · ) G r o h m a n n Aberglaube 1 2 1 , 917. 364 ) ZföVk. Suppl. 7, i8ff. 3 M ) F r a z e r 2, 262. 3 M ) Kloster 12,202. M 7 ) Böclet Ehsten 33. M 8 )Brandenburgia 1907, 401; H ö f l e r 1. c. 18. 3 " ) H ö f ler 1. c. 20. 370 ) Anthropophyteia 10, 47. 3 7 1 ) K u h n Mark 356; G r o h m a n n I.e.; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 74; W. 565. 3 7 ·) B ö c l e r 373 Ehsten 48. ) Reinsberg-Düringsfeld Hochzeit 2. S74 ) Urquell 1, 14; S a r t o r i 1. c. 37δ 193ft. ) S c h ö n w e r t h 1, 98; vgl. 3420. 37e ) 1. c. ι, 109. 377 ) Anthropophyteia 1, 184; vgl. 10, 58. 82fi. 378 ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 387, 328. 37> ) S a r t o r i I.e. 93. 38 °) G r o h m a n n I.e. 1 2 1 , 923; für die Wenden: V e c k e n s t e d t Wendische Sagen 448, 1 1 . 3 e l ) H ö f l e r 1. c. 18. 382 ) G r i m m Myth. 3, 443, 259; vgl. H ö f l e r 1. c. 58; J o h n Erzgebirge 1 0 1 ; W. 1, 75; P a n z e r Beitrag i, 2 ¿ i ; B r o n n e r Sitt' u. Art 209; S e l i g m a n n 2, 223. 383 ) J a s n o B e l o v i c Die Sitten der Südslaven 99. 384 ) 1. c. 104. "'). S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 75. 38e ) 1. c. 1, 77, 7. 387 388 ) A r n a u d o f f I.e. 79ft. ) Witzschel 1. c. 2, 213, x; vgl. G e s e m a n n Regenzauber 41;; damit der Hafer gedeiht, muß man den Sämann mit Wasser bespritzen: S c h m i t t Hettingen 23;. W. 655; M a n n h a r d t 1, 215ft. 38> ) SAVk. I i , 2 5 1 ; dazu B i r l i n g e r Volksth. 2, 423, 373. 3M ) W i t z s c h e l 1. c. 216, 18. »«) 1. c. 3 · 2 ) W i t z schel I.e. 218, 36; J a h n I.e. 196 (hier, wie alles derartige als Opfer erklärt). 3 8 3 ) E n g e l i e n u. L a h n 1, 271; D r e c h s l e r 1. c. 2, 53. 3 M ) ZfVk. 14, 138; B i r l i n g e r Volksth. 2, 424, 376; G e s e m a n n I.e.; dazu S a r t o r i I.e. 2, 110. 3 5 ' ) R e u t e r s k i ö l d 1. c. 1 1 7 ; M a n n h a r d t Forschungen 1 1 2 . 3 M ) W i t z s c h e l 1. c. 218, 34. 3 7 · ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 17. 398 ) Mannh a r d t 1. c. 186. 388 ) HessBl. I i , 223. ««) 370«. 401 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 304, 1482. 402). J a h n 224. «°3) H e c k s c h e r 405. * M ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 195, 201. 406) Ders. I.e. 424, 377. 408 ) P a n z e r 2, 162; J a h n I.e. 200. 407 ) F o g e l Pennsylvania 200. 408) R e u t e r s s k i ö l d I.e. i n . *°·) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste I i . 422. 41 °) J a h n I.e. 185. 4 1 1 ) M e y e r Baden 433. 4 1 2 ) K u h n Westfalen 2, 181, 502. 4 « ) J o h n Westböhmen 191. 414 ) S a r t o r i 2, 86. 4 " ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 6. 4W ) P a n z e r 2, 22ifi.; vgl. das Los Nückel: L e o p r e c h t i n g 1. c. 166; J a h n 1. c. 225ft. " 7 ) W i t z s c h e l 1. c. 2, 219, 49. 4 1 8 ) 1. c. 191. " · ) Wolf Beitr. I, 222, 250. 420 ) Bavaria 4, 2, 381ft. 4 2 1 ) Revue de tradit. 9, 134; S a r t o r i 1. c. 2, 38. 422 ) K ö h -

201

Speisen

1er Voigtland 429; ZfVk. 15, 314. m ) ZfVk. 7. 155· i U ) Schärdinger Heimat 1913, 64. ••2S) M e y e r Baden 198; W. 623. « · ) ZfVk. 6, 17. « ' ) ZrwVk. 6, 260. ««) D r e c h s l e r Haustiere 10. 429 ) Grimm I.e. 3, 447, 400. 43 °) B r o n n e r Sitt' u. Art 67. 431 ) ZfVk. 15, 320. Grimm 1. c. 3, 471, 984; vgl. S a r t o r i 1. c. 3, 51. *13) Über die jüdischen Verbote: A n d r e e Juden 178 ff. B u x t o r f Judenschul 274 ff. 579 fi. Natürlich scheiden hier Verbote aus, die vom Standesdünkel diktiert sind, um einen unterdrückten Stand zu terrorisieren; so verbot der Adel im Mittelalter den Bauern Wildbret und Fisch: L i p p e r t Kulturgeschichte 2, 546.

G. S p e i s e v e r b o t e u n d T a b u s : ι . Die Verbote der Bußbücher: Über diese Frage sind die Arbeiten von Franz434), Schmitz 435), Böckenhoff 436 ) und Döller tó7) zu vergleichen, dazu meine Artikel Essen, Fleisch. Wenn wir das Verbot des Pirmin anschauen 438 ) : Nolite manducare morticinum ñeque sanguinem neque ammalia, vel apes quae bestiae vel canis, vel aeeipiter consumaverint, si mortua inveniuntur . . . so müssen die, welche die Angaben des Pirmin als alemannisch ausgeben (nach den neuesten Forschungen gehört er zum spanischen Kreis), auch hier die Enttäuschung erleben, daß das gewiß typische Vorschriften des cummeanischen 439) Poenitentiale und der dicta des Theodor von Canterbury und ebenso des Poenitentiale ecclesiarum Germaniae 441) sind, aber samt und sonders auf den alttestamentlichen Sp.satzungen beruhen 442). Vor Pirmin hatte Papst Gregor der Zweite dem Bayernherzog Theodor 716 offenbar auf eine Anfrage, die wegen der scharfen Verordnungen der irisch-angelsächsischen Mönche nötig war, die Anweisung gegeben: Ut nihil in pereeptione eiborum iudicetur immundum, nisi quod f u e r i t i d o l i s i m m o l a t u m 443). Letzteres Verbot ist alt: Das concilium Aurelianense (Orleans) 533 verbietet ,,cibi idolorum cultibus immolati" 444), und das concilium Clippiacense (St. Clichy-la-Garenne) 626/27 erklärt : sunt etiam nonnulli, qui cum paganis comedunt eibos 445 ) ; klar bezeichnet das concilium sub Somatio episcopo Remensi diese Sp.verbote als abergläubisch : item de his, qui . . . cum paganis superstitiosos comedunt eibos 446 ). Unklar ist noch eine Stelle in den capi-

202

tula cum Italiae episcopis deliberata (um 800) : panem simpliciter offerant, non cum aliqua de ipsa iniqua commixtione, offenbar ein unter zauberischen Machinationen bereitetes Brot 447). Einen Rückfall in die orthodoxe Richtung indessen bedeutete die Antwort, die Bonifazius auf seine ängstlichen Anfragen (unter anderm frug er, wie alt Speck sein müsse, ehe man ihn genießen darf), vom Papste Zacharias erhielt 448). Von den Vögeln werden Krähen, Dohlen, Störche verboten, von den Säugetieren Biber, Hase und Pferd, das hat sogar das Poenitentiale Cummeani erlaubt: equum non prohibet, sed tarnen non est consuetudo419). Eine Nachwirkung des Verbotes von Tieren, die der Wolf gerissen hat 45°), treffen wir im französischen und deutschen Aberglauben: Da ist es verboten, von dem Fleisch eines vom Wolfe gerissenen Tieres zu essen, weil man sonst die Sprache verliert 451 ). Nach dem Volksglauben im Nahetal darf man von einem Tier, das dem Habicht abgenommen ist, nichts essen, weil das Fleisch gesundheitsschädlich ist 452 ); Zedier berichtet, daß im Jahre 1748 Hunde wolfsähnlich geworden seien und die Schafe wie Wölfe rissen, weil sie Kadaver von Schafen auffraßen, die Wölfe gerissen hatten 453). Megenberg jedoch erwähnt in seinem Buch der Natur, das ja, wie die Physica der Hildegard, eine Fundgrube für Aberglaube und Volksmedizin ist, das Wolfsherz als Heilmittel gegen Epilepsie 454). Die andern Vorschriften auch der deutschen Bußbücher beziehen sich auf den Genuß von ekelhaften Speisen, mit denen offenbar Zauber getrieben wurde 455). 2. Bei der Erklärung der heutigen bei uns oder überhaupt in Europa bestehenden Verbote " · ) ist ein Einblick in die analogen Meidungen der Primitiven 457) unerläßlich, weil sogar hier nachweisbar das Bewußtsein der wahren Ursachen manchmal verschwunden ist und neue Begründungen die alten Ursachen überlagern und begraben: So führen die Waganda das Verbot gewisser Tiere darauf zurück, daß das Fleisch den Vorfahren mißfallen habe 458). Wenn bei den Rö-

203

Speise

mern, um die Bohne als Tabu für die Toten zu kennzeichnen, gesagt wird, daß man in den Bohnenblüten gewisse Trauerbuchstaben erkennen könne, so haben wir hier das Muster einer sekundären Erklärung 458). Bei uns treten die Gefühlsmomente in den Vordergrund, wo früher religiöse oder einfach hygienische Momente maßgebend waren 460 ) ; diesen Wechsel der Beweggründe, bezeichnen wir mit Wundt als das „Gesetz der Transformation der Sitte'* 461 ). Auch Launen einzelner oder Egoismus der Erwachsenen und Alten können die Quelle von Verboten sein, so die Tabus für die Jugend462) bei den Primitiven und die Gelüste der Schwangeren 4β3). Im allgemeinen werden Vegetabilien 464) selten betroffen, fast immer das Fleisch 46S). 3. Wenn wir die Ursachen der Verbote psychologisch entwirren wollen, können wir folgende Gruppen aufstellen: a. Hygienisch gesundheitliche Gesichtspunkte. b. Religiöse Motive, Tabus für Priester, Könige. c. Tabus für Kinder und Jünglinge, Mädchen und Frauen. d. Der entsagende Totemismus. e. Angst vor homöopathischer Wirkung der Sp. auf die körperlichen und seelischen Eigenschaften der Genießenden. f. Verbot für Schwangere. g. Totenkult. h. Sp. für Götter und Dämonen reserviert. i. Sittliche Gründe. k. Verbot bei Zauber. 1. Rein abergläubische Verbote. m. Egoistische Gründe. 3a. Die Sabier und die indischen Philosophen lehnen die Bohnen ab, weil sie Blähungen verursachen und den Verstand umnebeln 4ββ). Der Talmud begründet das Verbot der Juden, Fleisch und Fisch zu essen, ausdrücklich als hygienisch 467). Beim Schweineverbot der Juden mischen sich hygienische und religiöse Motive ; wenn aber Philo diese Meidung damit begründet, daß der Gesetzgeber damit habe zur Selbstbeherrschung anleiten wollen468),

204

so ist das wieder eine konstruierte ethische Begründung. Auf hygienischer Grundlage beruht auch zum Teil das von Dölger 469) behandelte Fischverbot. Wenn Hildegard 470) von Bingen, deren c a u s a e et c u r a e u n d P h y s i c a v i e l M a t e r i a l f ü r F l e i s c h v e r b o t e e n t h a l t e n , den Epileptikern Rindfleisch erlaubt, Schweinefleisch aber verbietet, weil es sexuell reizt und die Lepra und die fallende Krankheit fördert, so fußt sie hier auf antiker Tradition. 3b. Die starren Verbote der Juden und anderer Völker sind zum großen Teil zu dem Zwecke erlassen, um das Volk religiös und ethnologisch rein zu erhalten, da bei diesen Verboten eine Sp.gemeinschaft mit andern Völkern unmöglich war 4 7 1 ). Hierher gehören auch die oben erwähnten Verbote der Bußbücher. Über die reinen und unreinen Tiere Wigand 472). Die in bestimmten Kulten als heilig geltenden (ζ. B. die Tauben bei den Russen 473)) Tiere werden gewöhnlich nicht gegessen474). Bei den Primitiven fallen Priester und Könige (davon zu unterscheiden ist die Tabuierung 478 ) bestimmter Sp.n durch den König) bei Kulthandlungen und andern Riten unter bestimmte Tabus, und auch bei den Römern durfte der Flamen dialis bestimmte Tiere und Pflanzen nicht genießen 47e), bei dem Ibo-Volk muß der Priester der Erde bestimmte Sp.n meiden 4 "). Heilige Kultsp.n dürfen nicht im Magen mit andern Sp.n zusammenkommen 478 ). Auch die Gläubigen müssen sich in Kultzeiten bestimmter Sp.n enthalten 47e). 3c) In Australien bestehen bei fast allen Stämmen genaue Vorschriften darüber, welche Sp.n den Jünglingen verboten sind480), ebenso den Mädchen und Frauen; die Mädchen sind in erster Linie bei den Menstruationsriten von einer Wand von Sp.tabus abgeriegelt ; so dürfen die Mädchen in Mabuiag keine Turteltauben essen 481 ) ; auch hier trifft das Tabu das Fleisch, nicht die Vegetabilien. Bei den Macusis kocht man die Sp. in bestimmten Töpfen und an bes. Feuern 482). Hier werden bewußt oder unbewußt falsche Gründe vorgeschoben: Die Alten

205

Speisen

eines Stammes in Südaustralien verbieten den Jüngeren das Genießen bestimmter Wildarten, mit der Begründung, der Genuß bewirke Krankheit und frühzeitiges Altern ; in Wirklichkeit will man die Tiere vor dem Aussterben bewahren und den Alten das Jagdrecht reservieren 483). Bei den Primitiven finden wir Verbote besonders an den Initiationsriten 483a). 3d. Die Gruppe, welche ein Totemtier führt, genießt dessen Fleisch nicht, vor allem bei Seelentieren, weil das heilige Tiere sind 484); Wundt prägte hier den Terminus „entsagender Totemismus" im Gegensatz zum genießenden Tier; so verbietet ein Stamm mit dem Blue bull Totem das Fleisch dieses Tieres 485). 3 e. Hier liegt die Angst zu Grunde, daß man durch Genuß von Fleisch eines Tieres durch Homöopathiezauber dessen Eigenschaften übernimmt 48e ) (was man ißt, das ist man). Die Kafirs essen keine Hasen, um nicht so furchtsam zu werden wie diese 487 ). Warum die Briten 488 ) keine Hasen aßen, keine Hühner und Gänse, können wir nur vermuten (die Echtheit der Kapitel 12ff. ist unsicher). Viele Völker essen keine Hühnereier, um nicht die Eigenschaften der Hühner zu bekommen 489). Die Kariben meiden das Schweinefleisch, um nicht so kleine Augen zu bekommen, wie die Sçhweine 490) (vgl. Fleisch A. 109ff.). Wer Hühnersteiß oder Gänseeier ißt, kann nach dem Glauben in Schleswig-Holstein nicht schweigen 491 ); Kinder, die Sprachschwierigkeiten haben, sollen keine Fische essen, sonst werden sie stumm 492) (Bukowina). Solange das Kind bei den Südslaven noch nicht sprechen kann, soll es nicht das Fleisch eines Huhnes essen, das noch nicht gegluckt hat 493). Die Schwaben glauben, vom Taubenfleisch bekomme man das Zipperlein 494). In Brasilien ißt man keine Enten, um nicht ebenso träge zu werden 49S). Bei den Ditmarsen darf man von den Bücklingen die Fiber nicht aufessen, weil man sonst Fieber (!) bekomme 496 ). In Island ist der Genuß eines gewissen Muskels beim Dorsch verboten (Grund unbekannt); wenn man die eingeschnittene Eigentumsmarke an den

206

Ohren der Schafsköpfe ißt, wird man ein Schafdieb 497 ). In Schmalkalden ißt man Neujahr keine Klöße, sonst bekommt man Knoten am Leib 498). In Oldenburg dürfen Epileptiker nicht den Kopf eines Tieres essen 4 " ) ; das ist ein alter Aberglaube, schon bei Agrippa 500 ) und im tractatus des J. Herold 801 ) erwähnt : item abstinentes a capitibus animalium, et volucrum et piscium, ne capite infirmentur; nach altfranzösischem Aberglauben bekommt man Paralyse, wenn man den Kopf einer Katze 502 ) oder eines Bären 503 ) ißt ; Kaninchenhim504) bewirkt ein schlechtes Gedächtnis. Wenn die Edda die Wildheit Guthorms auf den Genuß von Wolfund Geierfleisch zurückführt, so beweist diese Begründung den Glauben an homöopathischen Einfluß 605). Selten finden wir Verbote auf bestimmte Tage beschränkt wie bei den Babyloniern 806 ). 3 f. Diese Analogieverbote gelten in erhöhtem Maße für Schwangere wegen deren Einfluß auf das werdende Leben: Darüber Ploß 507) und Buschan 508), Andree 509), Döller 510 ) und Ebert 5 1 1 ). Ein Musterbeispiel ist die strenge Vorschrift der Serbinnen 512 ). Das Essen plumper Tiere macht die Kinder plump 513 ). Die Schwangeren der Ainus essen kein Hammelfleisch und keine Krabben, damit die Kinder keine Hasenscharten bekommen514), aus demselben Grund essen die Frauen in Frankreich keine Hasenköpfe 515 ). Die Bagabo-Weiber vermeiden getrocknetes Fleisch, damit die Kinder nicht zusammenschrumpfen 51β). Nach deutschem Aberglauben soll die Schwangere nicht das Fleisch eines Zuchtstieres 517 ) oder einer Ziege 518) essen, weil die Kinder darunter leiden; in Schwaben auch nicht von unkastriertem Vieh, sonst werden die Kinder unzüchtig 519 ). Wenn die Frau Nudeln ißt, bekommen die Kinder eine Rotznase (prächtiges Analogiebeispiel der Südslaven!) 62°). Wenn die Frau Quittenoder Koriandersamen ißt, werden die Kinder klug, vom Bohnen- und Zwiebelgenuß dumm 521 ). Von Zwillingsfrüchten gibt es Zwillinge 522). Ißt die Schwangere zusammengewachsene Kartoffeln oder Obst, das zu zweien zusammen gewachsen

207

Speise

ist, so gebiert sie Zwillinge 822»). Solange eine Frau in der Hoffnung ist, soll sie in der Oberpfalz keinen Raubvogel essen; denn eine solche Sp. stößt dem Kind den Boden aus, daß es einmal nicht genug bekommen kann oder an Auszehrung stirbt 623 ). Für die Schwangere kocht man die Sp. nicht auf offener Flamme, damit derselben kein Feuerzauber schaden kann 824). Auch der Mann muß während der Schwangerschaft des Weibes sich Verboten unterziehen; er darf ζ. B. bei den Kariben keine kleinen Tiere essen, damit das Kind nicht klein wird 525). Die Gelüste der Schwangeren muß man befriedigen, darüber bes. Ploß52®). Eine Sp., welche die danach gelüstende Mutter nicht erhält, kann später das Kind nicht essen 527 ); genau so in der Mark: Eine Frau darf sich während der Schwangerschaft keine Sp. versagen ; nach denen sie Lust verspürt; denn alle Sp.n, die sie sich entzieht, würde das Kind später nicht essen können 528). Die unbefriedigte Eßlust der Schwangeren nach den sonderbarsten Sp.n übt auf das Kind einen unheilvollen Einfluß; kann eine Schwangere ihr Gelüste nicht stillen, so darf sie mit der Hand nicht an ihren Leib kommen ; sonst bekommt das Kind das Mal des Gelüstens an jenem Ort, wo sich die Mutter berührt hat 8 2 e ). Sonstige Sympathiewirkung der Sp.n auf Mutter und Kind: Um Mutter und Kind vor Schaden zu schützen, darf "die Sp. für die Wöchnerin nicht überkochen 53°). Von welchen Sp.n beim Taufmahl der Pate nicht ißt, vor denen bekommt das Kind einen Abscheu M 1 ) (bei Chemnitz). Wenn das Kind Suppenschnitten ißt, wird es vergeßlich (O.A. Crailsheim) Μ1»). 3 g. Bestimmte Früchte, die den Toten vorbehalten sind, bleiben für die Lebenden verboten 532). So ist auf den Antillen die Magueyfrucht, die in Kalifornien als Winterfrucht gesammelt wird, als Totenfrucht für den Genuß verboten M3 ). Plinius berichtet, daß Eppich für die Frauen verboten war, „nam id defunctorum epulis feralibus dicatum esse" M 1 ). Unter diesem Gesichtspunkt gehören auch die

208

schon antiken Verbote der Bohnen (uraltes Totenopfer) und Linsen (vgl. Hülsenfrüchte, Bohne, Linse). Wundt denkt bei den Bohnen an die Ähnlichkeit mit den Nieren als Seelenträger 535 ) ; eine andere Erklärung für das Hülsenfruchteßverbot weist darauf hin, daß in den Zwölfnächten die bösen Geister umgehen und deswegen dürfe man da keine Hülsenfrüchte essen 536 ). Ob die in Deutschland und England beobachteten Verbote für Erdbeeren und Brombeeren an bestimmten Zeiten hierher gehören, wie Haberland 637) meint, möchte ich bezweifeln ; eher möchte man daran denken, daß die Früchte zu diesen Zeiten ursprünglich bestimmten Vegatationsdämonen als Opfer vorbehalten sind: In Irland darf man nach Michaelis keine Brombeeren essen, weil sie der Phuka gehören. Die Torgauer sagen, der Barthel habe sie schmutzig gemacht, in England, der Teufel habe seinen Klauenfuß darübergeführt, in Iserlohn, der Teufel habe seine Schuhe damit geschmiert (geht auf die weißgraue Färbung) 5M ). Das Verbot der Erdbeere speziell für Frauen könnte auch auf hygienischer Beobachtung beruhen (vgl. Erdbeere). 3h. Auf Mangarewa 639) ist eine bestimmte Wurzel den Göttern vorbehalten und daher für den menschlichen Genuß gesperrt; im deutschen Aberglauben ist die Lieblingssp. der Zwerge, der Roggenmehlbrei, an den Zwölften verboten M0) ; dazu ist wohl auch die Einschränkung des Beerengenusses zu nehmen (§ 44). Von neuen Früchten oder neuem Brot darf man erst genießen, wenn das Erstlingsopfer geleistet ist M 1 ) (vgl. Erstlingsopfer). 31. Wenn Böckenhoff den Abscheu der Engländer und Deutschen vor Pferdefleisch und hier speziell der Westfalen (vor Pferdefleisch, Kaninchen, Hasen und Wachteln) auf die Nachwirkung der drakonischen Verbote von Bonifazius zurückführt 812 ), so mag er für die Abneigung der Westfalen vor Kaninchen usw. recht haben, aber die Tabuierung von Pferdefleisch hat seinen Grund darin, weil im germanischen Norden das Fleisch der

209

Speise

210

Haustiere, besonders aber der Pferde von den Männern raffiniert ausgeklügelten, nicht gegessen wird aus Scheu vor dem kultisch frisierten System, um die Sp.-. treuen Hausgenossen 84s). Wenn einer karte der Frauen zu kürzen und sich auf im alten Irland Pferdefleisch gegessen dem bequemen U m w e g ü b e r r e l i g i ö s e hatte, durfte er dreimal 9 Tage keinen u n d s o z i a l e Vorschriften beliebte Sp.n Wagen besteigen 644). Bei den Griechen zu reservieren"*•). Ähnlich verbietet und Römern durfte der Ackerstier, der der Adel im MA. den Bauern aus Standesdie Mühen des Ackerbaues mit den dünkel und Egoismus bestimmte Sp-n55*1»). 4 3 i ) H. J. ***) Benedictionen 1, 615 s . Menschen treu teilt, nicht geschlachtet und verspeist werden 545). Auch die Pri- S c h m i t z Die Bußbücher und die Bußdisziplinen der Kirche I. Bd. Mainz 1883, II. Bd. Düsseldorf mitiven verzehren ihr verehrtes Haus- 1898. « · ) K. B ö c k e n h o f f Das apostolische vieh nicht, die Dinka essen nur Fleisch Speisegesetz in den ersten fünf Jahrhunderten, von fremdem Vieh 548 ). In Frankenstein Paderborn 1903 ( = B. I); Theologische Quartal(Oberpfalz) sollen die Brautleute kein schrift 88, 186fi. ( = Β. II); ders. Speisesatzungen mosaischer Art ( = B. III) Münster 1907; Fleisch essen, damit sie kein Unglück im F r i e d b e r g 55. «") J o h a n n e s D ö l l e r Die Viehstand haben M7 ). Nach der Rocken- Reinheits- und Speisegesetze (= Alttestamentphilosophie sollen Eheleute ja nicht von liche Abhandlungen hrsg. von J. Nikel, 7 Heft, hmidt einem Haushahn essen (wohl als dem 2.—3. Heft, Münster 1917); P. W. S c438 Gottesidee 5, 244; ZfVk. 3, 138; 13, 374. ) C. P. Orakeltier und Hausgenossen). Auch C a s p a r i Kirchenhistorische Anecdota 1 (Christiaspielt hier herein, daß das Hausgeflügel nia 1883), 170 ca. 18. «·) S c h m i t z 1. c. 2, 606, und die Tauben heilig waren S4e ), auch i4ff. «") S c h m i t z I.e. 5370. «") I.e. 437ft.; B ö c k e n h o f f 2, 97s. «") Bd. 2, 187«. ; W u n d t die Pferde 550). Mythus u. Religion 2, 3 i i f f . 313s.; E b e r t 3 k. Bei den Zauberhandlungen (vgl. Reallex. 11, 106; die Kataloge stehen Deut. 14 auch A 594ff.) muß man nicht nur u. Lev. I i . 44S) MG hist. sect. 3, 451 ; Bd. 2,194s. 5 fasten, sondern auch bestimmte Sp.n " • ) MG leg. sect .III, ι, 64 Ζ. 6. " ) 1. c. 199, Z. 20. **·) 1. c. 204; C. C l e m e n fontes historiae religiomeiden: In einem altägyptischen Toten- nis Germanicae (1928)31,23. *") MG leg. sect. II, zauberritual heißt es: Der Spruch soll 2, ι, 202, Z.20. ***) D ö l l e r I.e. 172s.; B ö c k e n von einem Mann vorgelesen werden, der h o f f I, 30g.; ders. 3, ioofi. " · ) S c h m i t z 4t0 ) 1. c. 2, 537, 138. «") Sésich nicht den Frauen genaht und kein 1. c. 2, 607, 23.4 b i l l o t 3, 47. " ) ZrwVk. 1905, 206. 4 " ) UniZiegenfleisch oder Fisch gegessen hat S S 1 ). versalle χ. s. v.; B ö c k e n h o f f 3, 115; ZfVk. 3I. In a b e r g l ä u b i s c h e r Ü b e r t r e i - 13, 374. 454) Ausgabe v. P f e i f f e r . Stuttgart b u n g des Fastengebotes erhofft man von 1861, 148 Ζ. I5fi. 4SÏ ) S c h m i t z 1. c. 2, 437, 127; 4M der Fleisch- und Eierenthaltung (vgl. vgl. ders. ι , 317ft. ; B ö c k e n h o f f 3, 54. ) Die Hauptarbeiten fiber Speiseverbote sind: AnFleisch § 7) an Ostern prophylaktische dree Ethnographische Parallelen ι, 114—127; Kraft gegen Fieberanfälle 852); das wird ders. Juden 178ff.; H a b e r l a n d im Globus schon aus einer alten Wiener Handschrift 55. 155fi· 171 ff. i88fi. 204a. (Haberland 1); klar (1387) "») ; in Baden glaubt man H e i n r i c h S c h u r t z Speiseverbote (Sammlung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge durch Fleischenthaltung an Ostern das hrsg. von Virchow-Wattenbach, N. F., achte Serie, Vieh zu schützen 554 ); zum Vergleich Heft 184); ders. Urgeschichte der Kultur, diene der Analogieaberglaube: An Fast- Wien 1900, 221 fi.; für Fisch- und Fleischverbote Material bei D ö l g e r Ichthys 2 mit nacht soll man keine Suppe essen, damit reichliches gutem Index; F r a z e r Golden bough 12, 276 die Nase nicht tropft 55S ), in Hessen an (foods forbiddn); ders. Totemism 4, 363 (food); Neujahr keine Äpfel, damit es keine S c h r ä d e r Reallex. 2, 102f.; H a s t i n g s EnSchwären gibt 55 *) (vgl. Hülsenfrüchte). cyclopaedia of religion and ethics 1, 492fi.; 6, 6ofi.; W u n d t Mythus und Religion 4, 334S. 3 m. Eigenartig sind die Versuche be- 348ft.; F e h r l e in Bayr.HfVk. 1915, 171ft.; stimmter Kasten, Altherrnschaften usw., ARw. 25, 140. 147. 170; H ö f l e r Organotherapie sich durch Sp.-Tabus Vorteile zu ver- 47. 4ÍJ ) F r a z e r 1. c.; H a s t i n g s 1. c.; S c h u r t z 4M) W u n d t schaffen; sie finden sich bei primitiven Urgeschichte I.e.; ARw. 25 I.e.4, 1. c. 2, 264. " · ) Globus 55, 206. °) 1. c. 297ff.; Völkern ebenso, wie im christlichen S c h u r t z Speiseverbote 15ft. 21 fi. 4 " ) W u n d t Mittelalter: Vatter bietet eine Sp.-Tabu- Ethik 97 fi. ; Mythus und Religion 2, 297 fi. ; vorschrift des Dorfes Lewo Tobi: Danach S c h u r t z Sp.verbote 7. 4M ) S c h u r t z Verbote 4 beruhen manche Sp.verbote auf einem 21. «*) E b e r t Reallex. 8, 122. ·*) S c h r ä d e r

211

Speise

1. c. 2, I02 ; beim Attiskult darf man -während der Trauerzeit keine Bodenfrüchte essen, auch kein Brot : H e p d i n g Attis 156. Manche Hindustämme essen keine Zwiebeln und Rüben : C r o o k e 288ft. 4 , t ) Beim Fleischverbot spielt auch die abenteuerliche Vorstellung von der Wildheit der Tiere herein: B ö c k e n h o f f 2, 115; vgl. S c h u r t z Verbote 15 (das Fleisch erregt leichter Ekel als Pflanzen); vgl. ZföVk. 9, 17 ( ?); D ö l l e r l . c. I76ff. ««) D ö l g e r Ichthys 2, 74—77; 467 ) ARw.25, 200; A n d r e e Parallelen 1, 114. A n d r e e 1. c. 118; D ö l l e r 1. c. 1730. 4β8 ) D ö l ger 1. c. 42 A 3. 4 M ) 1. c. 359—377. 4 '°) Causae et curae ed. K a i s e r L. 1903, 207 Z. 33ff. 471 ) A n d r e e * . c. n 8 f l . ; H a b e r l a n d 2, I28ff.; 472 ) A R w . B ö c k e n h o f f 3, gff. 5 2 s . 97ff. 17, 413—36; W ä c h t e r Reinheit 87—101. 473 ) H e h n Kulturpflanzen «. Haustiere8 352. 474 ) A n d r e e 1. c. 122ff.; W u n d t 1. c. 2, 297s. 475 ) F. L. L e h m a n n Die polynesischen Tabusitten L. 1930, 68 ff. 76; ZfoberdeutscheVk. 4 7 4 6, i 3 i f f . ·) F r a z e r 3, 13ft.; 291ft. " ) 1. c. 10, 4. 478 ) 1. c. 10, 83ff.; vgl. Fasten. 47S ) H e p d i n g Attis 156. 480) E b e r t 8, 122. 4 H ) F r a z e r 10, 36ff. 54—58. 77ff.; dazu P l o ß Weib 1, 709. 74°· 755· 776ft. ; ders. Kind 1, 39ff. 482 ) B u s c h a n . Im Anfang war das Weib 2, 69ft. 483 ) A n d r e e 1. c. ι, 117; F r a z e r Totemism 1, 40S. (20 Arten). 483a ) P. W. S c h m i d t Der Ursprung der Gottesidee 5 (1934), 136S. u. oft. 484 ) W u n d t 1. c. 2, 246ff. 259ff.; 4, 334—348; F r a z e r Totemism 1, i6ff.; 3, 94; D ö l l e r I.e. 177; P. W. S c h m i d t Gottesidee 178. 244. 48 ·) F r a z e r I, H 7 f f . ; 2, 353ff.; bes. A R w . 13, 406—424. *·') H a s t i n g s 6, 61; vgl. 1, 492. 488) C a e s a r 6. g. 5, 12; dazu B ö c k e n h o f f 3, 6off. 48 ·) F r a z e r 5, 2, 140. 4»®) F r a z e r 8, 1390.; ZfVk. 13, 376; A n d r e e I.e. 115. 491 ) M e n s i n g Wb. I, 1068. 492 ) ZföVk. 1897, 22, 144. 483) K r a u ß 4 9 4 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 497, Sitteu. Brauchst. 21. 4 , t ) Z f V k . 13, 376. 4 M ) ZfVk. 23, 282, 31. 4»7) Z f V k . 4»8) H e s s l e r 8, 156/57. Hessen 2,482; Bayr.HeftefVk. 1915, 173. 4 9 i ) S t r a k k e r j a n 1, 55. ®00) 4, 190. S01 ) Z a c h a r i a e Kl. Sehr. 383; Z f V k . 1912, 242. «») S é b i l l o t 3, 129. I03 ) 1. c. 3, 48. 341 (Fischkopf). s04 ) 1. c. 3, 48. t 0 5 ) Edda übers, v. S i m r o c k 4 1871, 210; B ö c k e n h o f f 3 , 1 1 5 ; ZfVk. 13, 374. t o e ) A R w . 17, 421. »") Weib 2, 463—67. 608 )1. c. 263 s . ®»»)1. c. ii5ff. 1. c. 174ff. » " ) Reallex. 8, 426 § 5b. , 1 2 ) A n d r e e I . e . ; Anthropophyteia 10, 140— 13 151. ® ) C l e m e n Reste I20ff.; E b e r t 7, 342; ZfVk. 13, 376. * 14 ) B u s c h a n I.e. 1, 263. *")' S é b i l l o t 3, 47; vgl. 129. ®18) B u s c h a n I . e . 264. 5 1 7 ) B o h n e n b e r g e r 17. 5 1 8 ) J o h n Oberlohma 160. 51») H ö h n Geburt Nr. 4, 257. 520J Anthropophyteia 10, 140ft., vgl. 145. M 1 ) M a e n n l i n g 169. t 2 2 ) ZföVk. 1897, 22, 147. S 2 2 a ) H e c k s c h e r Die Volkskunde der Provinz Hannover 1 (1930), 59. i 2 S ) S c h ö n w e r t h 1. c. i 2 4 ι, 152, ι . ) Anthropophyteia io, 149. i 2 6 ) D ö l l e r l . c. 174. 62e ) 1. c. 476ft.; dazu S c h u r t z S27 ) B o h n e n b e r g e r Verbote 21. Nr. 1, 17. S28 ) K u h n Mark 383, 55. »2») S c h ö n w e r t h I.e. ι , 153, 5; vgl. K e m m e r i c h Kulturkuriosa

212

2, 250. i 3 0 ) F i n d e r Vierlande 14. ®31) G r i m m S31a) B o h n e n b e r g e r Mythol. 3, 450, 495. Nr. I, 8. i 3 2 ) S a r t o r i Totenspeisung 55ft. 58; vgl. S c h u r t z Urgeschichte 22iff. 633 ) Globus 55, 206. i 3 4 ) Historia naturalis 20, 11 (44). e35 ) I.e. 2, 212; 4, 299. 5 3 ') Bayr. HeftefVk. 1915, 172; vgl. W ü n s c h Frühlingsfest auf Malta 3 i f f . ; NI. 15, 41ft.; W ä c h t e r Reinheit 102ff.; ZföVk. 9, 171. 537 ) Globus I.e. 2o8ff.; S a r t o r i I.e. 3, 235ft. 243. 258. t 3 8 ) Globus 54 °) Zfd1. c. 207. «3») Globus 1. c. 206. 641 ) Myth. I, 197. H a b e r l a n d 2, i6ff. 542 ) B ö c k e n h o f f 3, 106. t43) S c h u r t z Verbote 29. 32; A R w . 25, 28, 169. 544) T h u r n e y s e n Die irischen Helden- u. Königssagen 385; S c h r ä d e r Reallex. 2, 102. 545 ) A e l i a n Var. hist. 5, 14; D i o g e n e s Laerlius 8, 20; O v i d Fast. 4, 4 1 3 s . ; V a r r ò R. R. 2, 5; ARw. 17, 424; W ä c h t e r Reinheit 89ft. ; S c h r ä d e r 1. c. 2, 102. " · ) S c h u r t z I.e. 31. ®47) S c h ö n w e r t h I.e. ι, 98, 12. t 4 8 ) G r i m m I.e. 3, 447, 393; vgl. B a r t s c h 1. c. 2, 159, 737a; S a r t o r i 1. c. 2, 129. 34> ) S c h r ä d e r 1. c. 103. "») W u n d t 1. c. 2, 297ft. 6 t l ) D ö l g e r 1. c. 50; Blätter zur bayr. V k . 1927, 49. t t 2 ) H a b e r l a n d 2, 51ft. "3) S c h ö n b a c h Berth, υ. Β. 136; vgl. S t e r n Türkei I, 246. t M ) M e y e r Baden 530. t 5 t ) G r i m m 1. c. 3, 440, 172. W o l f Beitr. 1, 231; S a r t o r i 1. c. 3, 67. 5 M a ) E. V a t t e r Ata Kiwan L. 1932, 150ft.; dazu E b e r t Reallex. 8, 122ft. 65eb) L i p p e r t Christentum 2, 546; S c h u l t z Rittertum 1, 345.

Η. ι . Sp. im Z a u b e r : Gesteigert gegenüber der Kraft der Festsp. oder Gemeinschaftssp. ist die Wirkung der Sp. im s c h w e r e n Z a u b e r , wobei meistens eine H ä u f u n g der a b e r g l ä u b i s c h e n I n g r e d i e n z i e n die Zaubermacht stützt und vermehrt: Die Sp. muß gefunden, erbettelt, gestohlen 537) oder aus 3, 9 (Liebeszaubersp. von Hirsemehl aus 9 Mühlen, angemacht mit Wasser aus 9 Brunnen) 5S8 ) usw. Teilen659) zusammengesetzt sein ; Zauberformeln, die Form (siehe Gebildbrote), Nacktheit und andere die Zauberorenda erhöhende Zeremonien sind vorgeschrieben. Ein Musterbeispiel einer solchen Ingredienzienhäufung bietet schon der Korrektor Burchardi. Die Weiber ziehen sich nackt aus, bestreichen den ganzen Körper mit Honig und wälzen sich dann in Weizenkörnern ; die am Körper haftenden Körner werden in der Mühle gegen die Sonne g e m a h l e n und aus dem Mehl bereiten sie einen Liebeszauberkuchen, um den Mann abmagern zu machen (vgl. Brot A. 513, Mehl § 22). Wenn das am An-

213

Speise

dreasabend augurierende Mädchen eine Semmel schweigend in drei Bissen essen muß (vgl. Semmel), wenn die Tirolerin n a c k t die ersten drei Weihnachtskrapfen d r e i m a l nicht außerhalb der Traufe ums Haus tragen muß (Krapfen § 5), wenn der Bursche am Weihnachtsabend, ohne zu handeln, einen Apfel kaufen, des Nachts bei sich behalten und am andern Morgen nüchtern vor der Kirchentür essen muß560), so soll hier die Sp. durch ihre Zauberkraft, ζ. T. auch mit dem Fluidum des Augurierenden behaftet, den Zauber aktivieren. Die Wahl der Sp.n richtet sich nach dem Zweck: Als Medien, d.h. um schädliche Stoffe oder das Körperfluidum zu übertragen, werden alle Arten gebraucht, als Liebeszaubersp.n aber die bekannten Aphrodisiaca, das Fleisch der die Potenz stimulierenden Tiere usw. Für Analogiezwangszauber ist hier die beste Gelegenheit: Die Asche einer gefundenen, schon ausgefressenen, weißen Krebsschale den Brautleuten unter das Essen gemischt, bewirkt, daß die Wirtschaft den Krebsgang geht 6β1 ). 2. D i e Sp. im L i e b e s z a u b e r : Bestimmte Völker haben Vorliebe für bestimmte Sp.n, so die Serben für den Bohnenzauber M2 ), auch Zucker- 563 ) und Honigsp.n (vgl. Honig § 7) sind beliebte Liebeszaubersp.n. Vor allem aber hat die Sp. den Zweck, daß man durch sie das Körperfluidum dem Bezauberten aufzwingt, ob man nun Katamenienblut se4 ) oder Haare oder Nägel oder Achselschweiß 5β5) der Sp. zugibt (vgl. Brot § 31, Kuchen § 26, Semmel) oder ob man den Teig für den Liebeskuchen auf den nates knetet, wie es die Bußbücher tadeln und heute noch die Südslavinnen üben5*®) oder ob man den Fisch, den der Liebhaber essen soll in die vagina steckt ί β 7 ). Schon Apuleius mußte sich in seiner Apologie verteidigen, daß er zur Liebeszaubersp. bestimmte Fische verwende548) ; wie appetitlich eine solche Liebeszaubersp. gewesen sein mag, zeigt eine eigenartige Beichtfrage im Bußbuch des Burchard v. Worms, die ich zusammen mit dem Liebeszauberbrot behandelt habe 569 ). Hier liegt sicher eine Überlieferung eines antik-

214

orientalischen Aberglaubens vor; dieses und andere Rezepte für Liebeszaubersp. können nicht dem germanischen Bauernbrauchtum angekreidet werden: Ein in die vagina gesteckter und dort verendeter Fisch wird gekocht dem Mann als Stimulierungszaubersp. vorgesetzt; offenbar beeinflußt durch diese Stelle ist der Aberglaubenindex des Frater Rudolphus 570) ; hier wird das Körperfluidum des Weibes noch wirksamer für die Zaubersp. aufgefangen, indem ein Fisch in den Mund, einer zwischen die Brüste und einer in die vagina gesteckt wird. Eine Sp., welche durch das weibliche Körperfluidum wirken soll, kann zum Zwecke des Liebes- und des Schadenzaubers verwandt werden: Nach einer Beichtinformation im Burchardschen Bußbuch wälzen sich die Weiber, den Leib mit Honig beschmiert, in Getreidekörnern; die am Körper haftenden Körner werden gegen die Sonne gemahlen; aus dem Mehl wird ein Kuchen bereitet, der sowohl den Mann sexuell stimuliert als auch hinsiechen läßt 5 7 1 ). Abgeschwächt finden wir den Fluidumszauber durch Sp.n auch in der Oberpfalz 572). In Hambach besteht die Sitte, daß man in die Kücheln, welche die auf dem Brautwagen sitzende Vertraute der Braut unter die Jugend wirft (in Velburg sagt man das Unglück herabwerfen), die Nägel backt, die man der Braut und ihren Leuten abgeschnitten hat, damit die Braut nicht Zeitlang habe nach Haus und es ihr gut gehe in der Ehe. Beliebt ist das Bestreuen der Sp. mit Zauberingredienzien, um eine Zaubersp. herzustellen: So bestreuen die verliebten Serbinnen den Weihnachtsbraten mit dem Pulver, das aus jungen blinden Katzen hergestellt ist, und geben die Sp. dem Burschen 57a). Ein uraltes Stimulierungsmittel, das man der Sp. beifügt ist das semen virile; auch hier eröffnen die Bußbücher den Reigen der literarischen Überlieferung: si quae semen viri sui in cibum miscet, ut inde plus ametur, annos 3 paeniteat 674) ; wir können diesen Sp.zauber durch alle Bußbücher575) hindurch verfolgen bis zum schlesischen Katalog (1453) 57β ) : si qua mulier semen

215

Speisen

viri miscuerit in cibum aut alia sortilegia vel causas illicitas fecerit, ut plus amorem viri habeat, . . . Schon im Poenitentiale Arundel sind alle Absurdidäten zusammengefaßt 57T ). Solche Dinge müssen „unberedet" in die Sp.n gelangen 578). Nach Grohmann mischte in Pardubitz ein Bursche seinen Samen in die Sp.n der Mädchen, die er verführen wollte, und richtete damit viel Unheil an S7e). In demselben Sinne bekommt die neue Kuh Haare der andern Stalltiere ins Futter, damit die Tiere Frieden halten S80 ), Holz von allen Türschwellen581 ), damit sie sich ans Haus gewöhne, oder Abschabsei von den fünf TischeckenS82). 3. Die Sp. im H e i l z a u b e r : Einmal kann man die K r a n k h e i t durch Sp.n ü b e r t r a g e n und sich so befreien, meist auf Tiere: Wenn man Gelbsucht hat, ißt man von einem Stück Brot drei Bissen; den Rest trägt man auf Kreuzweg; wenn ein Vogel das Brot frißt, ist die Krankheit geheilt 583 ). In Oldenburg setzt der Fieberkranke dem Hund einen Napf Sauermilch vor und sagt: Prost Hund, Du krank, und ich gesund. Wenn der Hund von der Milch genossen hat, trinkt man selbst; und so muß dreimal gewechselt werden; dann hat der Hund das Fieber (Butjad) 581 ). Im Gegensatz zu dieser Methode steht das Abessen oder Wegessen der Krankheit durch eine Sp., nach der es den Kranken besonders gelüstet 58S ), oder man ißt viel von der Sp., die das Fieber verursacht hat 886) (nach dem uralten Grundsatz : ó τρώσας χαΐ idasxat 587). Aus einer Schweizer Quelle erfahren wir (1716): er hat am Brot abgegessen das Kaltweh M8 ). Die Sp. hat besondere Heilkraft, wenn sie gestohlen58e) oder am Wege gefunden ist 590) : Die Rockenphilosophie verschreibt gegen das Fieber: Drei Bissen gestohlenes Brot in drei Nußschalen gespien, und das Brieflein geschrieben: Kuh wilt du zu Stalle, Friß, so geh du zu Walle 5β1 ). Gegen Fallsucht mischt man Nägel, Haare und Blut eines Erhängten in die Sp. 592). Die Zauberkraft der Sp.n beruht sehr oft auf den

216

magischen Zeichen und Inschriften, mit denen sie verbunden werden, indem der Essende die magische Kraft der Formeln in sich einnimmt (darüber ausführlich essen § 32). So sind z. B. im Belgrader ethnographischen Museum Brotrinden mit Zauberzeichen aufbewahrt 593 ). Der Rößlewirt in Schlath (OA. Göppingen), ein berühmter Heilkünstler, schrieb eine Zauberformel auf ein Stück Papier, zerschnitt es in Stückchen und ließ seine Patienten bei Zahnweh immer ein Stück Brot mit einem Schnitzel dieses Papieres essen (vgl. trinken) 594). Oft wird vorgeschrieben, daß man vor Einnahme der Zaubersp. nüchtern ist, damit nicht vorhandene Sp. den Zauber störe: Gegen Fieber ißt man Krautblätter und Äpfel, mit Formeln beschrieben, nüchtern ses ). Gegen Tollwut muß man vor dem Heilzauber (Wallfahrt, Hören einer Messe, wobei der Priester die Stola auf eine Stirnwunde legt) neun Tage nur kalte Sp. essen see ). Ähnlich darf der Regenzauberer bei den Primitiven nur trockene Sp. genießen, wenn der Zauber wirksam sein soll 597 ). 4. Sp.n im G e g e n z a u b e r : Das kraftgeladene Brot steht hier mit seiner apotropäischen Wirkung voran 598 ) (ausführlich Brot §§ 20ff.); beim Mehl spielt auch die apotropäische Kraft der weißen Farbe eine Rolle (vgl. Mehl) ; die Gebildbrote haben sehr oft amulettartige Wirkung (vgl. Gebildbrote); vor allem wehren Eier, Honig und Käse bösen Zauber ab (vgl. Ei § 10, Honig, Käse). Das Kreuzzeichen verleiht den Sp.n in erhöhtem Maße Kraft gegen jeden Zauber (vgl. Kreuzbrot, Grütze). Apotropäische Kraft bekommen auch Sp.n, die man inLaveztöpfen kocht 599). Auch beim apotropäischen Gebrauch der Sp.n sind die Ingredienzien gehäuft: Gegen den bösen Blick füllt man eine B r o n z e t a s s e mit Milch, legt in eine Untertasse gekochte Sp., schwenkt die beiden Gefäße siebenmal um den Kopf des Behexten von rechts nach links und umgekehrt und entleert den Inhalt auf einen Kreuzweg 6 0 0 ). Das Ei, das gegen Hexen schützt, muß von einer schwarzen

217

Speise

Henne sein β01 ). Die Festsp. steht auch hier in erster Reihe: „an der rechten vastnacht nym von jeglicher rieht den ersten pissen und ein gerstemell und pach ain zelten daraus und gibs dem vieh; da peißt diß kein wolf nicht" e02). 5. Häufig wird die Sp. im G e g e n z a u b e r als Medium benützt, um durch magische Fernwirkung Hexen zu zitieren ; bes. bei Milchschadenzauber wendet man eine Methode an, wie sie uns in einer Handschrift des 16. Jh.s geschildert wird 603 ) : Wie du die millichdiebyn engsten unde slaen magst. So gee hyn zu der, do du eyn argkwon uff hosst, sie stele dyr die millich, unde bitte sie, das sie dyr d r e y e r l e y e essender s p e y s e leyhe, es sey was es wolle, unde nym einen guthen steken, den du ouch in der goltfasten hawen must, unde sol ouch haßeln seyn unde nimm die dreyerley essen dingk unde lege das uf deynen tisch . . . (man schlägt die Sp. zu Stücken und trifft so die Hexe, vgl. Milch). 6. Als Medium im S c h a d e n z a u b e r ist die Sp. der tausendfältige Weg, um einen Menschen zu verderben : Die Hexenakten sind voll von Geständnissen: Eine Hexe in Luzern spritzt Krötengift ins Brot (Brot A. 524), eine andere in Graubünden streicht Pulver auf ein Stück Käse (Käse A. 240). Eine Nonne wird angeklagt, daß sie mit Äpfeln und Kuchen Schadenzauber anrichtete, die der Teufel zuvor bezaubert hatte (Kuchen A. 420). Eine Graubündner Hexe mischt Zauberpulver ins Schmalz eoa ), und eine andere macht einen Knaben durch ein Butterbrot krank 804 ). Solche Anklagen sind direkt ein locus communis der Bußbücher und Kapitularien ; ich greife nur eine Stelle aus den additamenta ad Hladowici pii capitularía heraus (eine Zusammenstellung würde sich lohnen): Dubium et enim non est, sicut multis est notum, quod a quibusdam prestigiis atque diabolicis inlusionibus ita mentes quorundam inficiantur poculis amatoriis, c i b i s v e l f y l a c t e r i i s , ut in insaniam versi a plerisque iudicentur, dum proprias non sentiunt contumelias m ) . 7. Im Artikel „nackt" zeigte ich, wie

2i8

im sinnlichplastischen Denken des Bauern in Südslavien die A n a l o g i e oft in der gröbsten Form sich breitmacht. Eine Monographie über die Sp.n (nach Größe, Fülle, Aussehen, Farbe) im Analogiezauber würde sich lohnen; hier nur ein paar Proben: Damit der Flachs recht gelb wird, schlägt die Bäuerin in den Teig, aus dem der „Flachszoal" gemacht wird, recht viele Eier 406 ) (von Opfer ist hier keine Rede) 607) ; damit das Korn viel ausgibt, kochen die Bäuerinnen um Bärnau (Oberpfalz) an Fastnacht, ehe die Sonne aufgeht, besondere Klöße: Sua vül Kniadla, sua vül Schuak Koarn e08 ). Der Größe der Knödel, die die Kaschuben am Neujahrsabend dem Gesinde vorlegen, soll das Korn entsprechen M9 ). In Neuhaus kocht man an Fastnacht möglichst viel Leberklöße, um viele Flachsbüschel zu bekommen el °). Um das Jahr über weißes Geld zu haben, kochen die Hessen an Neujahr Weißkraut 6 1 1 ) ; viele vorgeschriebene Neujahrssp.n sind so zu deuten (vgl. G 6); die hessische Bäuerin kocht an Fastnacht, um schönen Kohl zu bekommen, vielerlei Sp.n und ruft : „Häupter wie mein Kopf, Blätter wie meine Schürze, Dorsen wie mein Bein" 612) ; dabei springt sie auf den Herd (vgl. nackt § 25). Wenn man an Fastnacht nicht die aus Kohl bestehende Sp. aufißt, muß man im Flachsfeld viel grasen β13). In Schlesien kocht die Neuvermählte als erste Mittagssp. Reis, damit der Wohlstand aufquillt wie der Reis e u ) ; zu vergleichen ist auch die symbolische Größe der Hochzeitskuchen (Kuchen § 24). Damit die Frau „Glück zu Knaben" hat, bekommt sie in der Oberpfalz das Schweifchen vom Kalbsbraten eis ) (vgl. G. 18), in Plauen das Hinterstück des Schweines β1β ). 8. Diesen Zaubermachinationen durch Sp.n als Medien steht die B e z a u b e r u n g der Sp.n a l s P a s s i v a d u r c h den T e u f e l und die H e x e n gegenüber; die Hexenprozesse bieten reiches Material (vgl. Brot, Butter, Milch, Milchhexe, Käse); abgesehen davon, daß die Sp.n auf zauberische Weise geraubt werden (wie schon die Bußbücher die Weiber verdammen, daß sie durch fasci-

2IÇ

Speisen

220

nationes und incantationes omnem abundantiam mellis et lactis an sich ziehen e17)), ist es die Wirkung des bösen Blickes, welche die Sp.n vergiftet und verdirbt (siehe E 6) ~ die Hexen der Uganda machen durch solche durch ihren Blick verzauberten Sp.n die Mitmenschen krank 418 ). Sehr oft wird das „Festmachen" β1β) der Sp.n erwähnt, die zu einer harten Masse werden, eine Kunst, die ein Bergmann in Sachsen verstand. Die Hexen verzaubern auch ζ. B. das Mehl zu schwarzem Ruß 820) oder bestreuen es mit Tau, so daß blutrotes Brot aus dem Ofen kommt ®21). Die Hexe von Straßen verwandelt die Sp.n in Haarklumpen 822 ). Die Tibetaner haben ihren eigenen Dämon Molangarrawah, der die Sp.n ungenießbar machtβ23).

Z f V k . 22, i3off.; über Fasten: W u n d t Völkerpsychol. 2, 2, 342ff. ; A R w . 13, 424. S M ) F o n s·7) F r a z e r t a i n e Luxemburg 78. 1, 271. «·») B o h n e n b e r g e r Nr. 1, 23. «·») Festschrift eo °) S e l i g m a n n für Hoffmann-Krayer 328. Blick I, 282. o®1) G u b e r n a t i s Tiere 560; S c h ö n b a c h Berth, v. R. 50. , M ) S c h m e l l e r Wb. 2 , 1 1 1 8 ; HöflerFas/nafAi 33. e03 ) S c h m i d S p r e c h e r 151. i M ) SAVk. 1927, 34. eo») MG leg. sect. II, 2, 44 Z. 41 ff. βοβ ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 74. 807 ) J a h n Opfergebräuche 200. *08) S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 401 Nr. 7. eo») S e e f r i e d G u l g o w s k i 210; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 66 A 51. β1 °) S c h ö n w e r t h I.e. ι, 414, 8. ,1S) Marzell * u ) H e s s l e r Hessen 2, 443. bayr. Volksbot. 17. e u ) D r e c h s l e r 1. c. i , 281. · " ) S c h ö n w e r t h 1. c. i , 97. ««) K ö h l e r Voigtland 237; vgl. Z f V k . 10,369. , 1 7 ) S c h m i t z Bußbücher 2, 446, 168. · 1 β ) S e l i g m a n n Zauberkraft 89. 383. « · ) S i e b e r Sagen 242. e j 0 ) R o c h h o l z Naturmythen iySñ Nr. 4. · " ) W l i s ,M) l o c k i Magyaren 117. G r e d t LuxemM3) S e l i g m a n n burg 470 Nr. 227. Zauberkraft 208.

« ' ) Vgl. Mehl § 20 ; Kuchen § 26. "») A R w . 14, 317. " * ) Ein Musterbeispiel für Zauberkocherei mit dem ganzen Zauberapparat findet sich: Anthropophyteia 10, 40—149. 5 , °) K ö h l e r Voigtland 364; W . 364. M») S c h ö n w e r t h 1. c. 1, 129, 8. M 2 ) Anthropophyteia I . e . 132—140; vgl. 6, 223 ff. 238 »·») 1. c. 82 fi.—89. M«) S c h m i t z 1. c. I, 683. 530. 453. 536, 15; 2, 448, 176; auch bei Frater Rudolfus: MschlesVk. 1915, 33; vgl· 1905 Heft 13, 45, 17. M 6 ) Semmel in der Achselhöhle erwärmt, unter die Sp. gemischt: G r i m m Sagen 97; S A V k . 2, 268. M e ) A R w . 1927, 332—37. M 7 ) S c h m i t z 1. c. ι, 459, 81; 2, 447, 172; A R w . I.e. ϊ , β ) A b t Apuleius 61 fi. Μ · ) S c h m i t z Bußbücher 2, 448, 176. A R w . 1927, 331 ff. 570 ) Mitteil. Schles. Ges. V k . 1915, 34; Theol. Quartalschrift 1906, 411 ff. " ' ) Schmitz 57!) S c h ö n w e r t h Bußbücher 2, 45iff. I.e. su) ι , 69, 8. 573 ) Anthropophyteia 10, 47. S c h m i t z I.e. χ, 413, 61. 429. 668. ' " ) I.e. 2, 184. 356, 43. 445, 166. 541, 191. 619, 68. ) MschlesVk. 1915, 40. 677 ) S c h m i t z 1. c. ί 7 β ) P o l l i n g e r Landshut I, 459, 81. 247s.; L a m m e r t 151; J o h n Westböhmen 122; A R w . 1927, 336. 6 7 t ) G r o h m a n n Aberglaube 209, 1454. s8 °) ZrwVk. 2, 293. ' " ) W o l f Beitr. ι , 219. M 2 ) M e y e r Baden 399; vgl. S a r t o r i 5M) V e c k e n s t e d t 1. c. 2, 137—141. Wendische Sg. 461, 68. 5 M ) S t r a c k e r j a n 1, 71 Nr. 86. *«) L a m m e r t 260; ZfVk. x, 192, 2; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 343; ZfVk. 15, 104; Urquell 2, 95; S A V k . 2, 120; 6, 120. t M ) H o v o r k a - K r o n f e l d X, 154 = ZföVk. 4, 215; ZrwVk. ι, 199. s 8 7 ) P a u l y - W i s s o w a 1, 36. tM) Strackerjan Schweiz. Id. 1, 524. I, 83, 107. M«) Urquell 4, 116. M l ) G r i m m Mythol. 3, 440, 183 = Z f d M y t h . 3, 102. " 2 ) W l i s M 3 ) Anthropophyteia l o c k i Magyaren 138. 10, 58. »«) P f i s t e r Schwaben 33, 36. 98. i 9 5 i B a y r H f V k . 1915, 173; HessBIVk. 13, io6ff.;

Κ. I. Im Märchen und in der Sage bringt die Zaubersp. dem Geniessenden meist Schlaf oder Vergessen (in einem schwedischen Märchen sogar den Tod) e24 ). Im Grimmschen Märchen „die Rabe" Nr. 93 verfällt der Held, der die Prinzessin erlösen will, in tiefen Schlaf, sobald er Sp. und Trank einer alten Frau genossen hat, ebenso der Held im schleswig-holsteinischen Märchen „das blaue Band" nach dem Genuß eines Apfels im Garten des Riesene2S). Der Prinz, der die Tochter der Meerfrau befreien will, vergißt infolge der genossenen Sp. die Braut. In der Erzählung bei Saxo-Grammaticus über Thorkills Fahrt zum Unhold Guthmund warnt Thorkill seine Mannen vor der Vergessenheitssp., mit der Guthmund die Erinnerung an das frühere Leben austilgen werde 827) (die Linie zum Kirkeabenteuer bei Homer zieht Herrmann in seinem Kommentar). 2. In vielen europäischen und außereuropäischen Sagenfindenwir dieSchwängerung durch Sp., meist durch eine Pflanze oder ein Tier; das Motiv ist antik: Pausanias 828) erzählt, daß die Tochter des Sangarios durch das Essen einer Pflanze schwanger wurde, die aus den Geschlechtsteilen eines Zeussohnes entsproß Frazer 629) deutet die einschlägigen Sagen so, daß die Totenseele in die Jungfrau

221

Speise

übergeht. In der Edda wird Loke durch Genuß eines Apfels schwanger e30 ). In der Völsungasaga bringt eine Wunschmaid auf Geheiß Odins der kinderlosen Frau des Königs Reri einen Apfel, der sie schwängert 631 ) ; das Material für das Motiv des Empfängnis bringenden Apfels bieten Köhler ***) und Bolte-Polivka 633) ; die ganze Frage behandelt Hartland 634). In französischen Erzählungen wird die wunderbare Schwängerung ohne Konzeption auf Pflanzengenuß zurückgeführt e35). In vielen Fällen ist ein Fisch636) ( = Phallus ? 637)) die Ursache der Schwängerung; dieses häufige Motiv scheint teils auf animistischen Vorstellungen zu beruhen, teils aus dem Totemismus erwachsen zu sein. 3. Zu den Zaubergaben, die unter bestimmten Bedingungen verliehen und verloren werden, gehört auch die u n e r s c h ö p f l i c h e Z a u b e r s p . parallel zum nie versiegenden Krüglein : Ein armer Mann bekommt von einem mächtigen Wesen u. a. einen Topf, der immer Sp. spendet 83β) ; in dem Märchen vom süßen Brei quillt aus dem Breitopf immerfort die Zaubersp. 839) ; Grimm 610) verglich schon den Zauberkochtopf in einer indischen Erzählung, in den man nur ein Reiskorn zu legen braucht, um immer Sp. zu erzeugen. 4. Das Motiv vom „ T i s c h l e i n d e c k d i c h " M1 ) liegt vielen Märchen zugrunde; in einer norwegischen Version schenkt der Wind, der einer armen Frau immer das Mehl holt (vgl. Mehl), dem Sohn ein Zaubertuch, über das er nur den Spruch „Tuch deck dich mit allerlei köstlichen Sp.n" zu sagen braucht, um immer Sp. zu haben 442 ). Aus der Antike kennen wir dieses Motiv in der Degenerationstheorie als Hauptrequisit des goldenen Zeitalters, als Höchstleistung des Schlaraffenlandes, während die entgegengesetzte Theorie der Entwicklung aus dem Tierdasein die primitivsten Sp.n voraussetzt; am instruktivsten ist eine Stelle des Krates e43), wo Tisch, Sp.n und Getränke aufgefqrdert werden, zu erscheinen. Der Zauberbrei ist die überquellende Schlaraffensp. der in

222

der Unterwelt Lebenden, so in den MetαλλεΤς des Pherekrates 844 ). 5. Die w u n d e r b a r e S p e i s u n g Hungernder und Verirrter gehört auch in diesen Rahmen: Das verirrte Kind des Falkensteiger Hofbauern bekommt täglich von einer weißen Frau ein Brötchen *45) ; das Wundermehl zu Freiberg ist nur für die Frommen bestimmt β4β ); das sächsische Dorf G o t t e s s p . soll seinen Namen davon haben, daß ein Engel einen verirrten Knaben speiste 947 ) (dagegen macht die Gottessp. in einer schweizer Sage die Gräfin v. Greyerz schwanger vgl. K. 2). Uber das Motiv der Kulturmärchen, daß verirrte Helden von Feen gespeist werden vgl. Wundt β4β ). Die wunderbare Speisung (meist durch einen Engel) ist ein häufiger Zug der K l o s t e r - u n d H e i l i g e n l e g e n d e n : Der hl. Margareta von Cortona bringt ein Engel zur Zeit der Hungersnot Brot Eine Fundgrube für solche legendären Speisungswunder ist Caesarius v. Heisterbach: Ein verschütteter und für tot erklärter Bergmann wird ein Jahr lang „odore aromatico" so gesättigt, daß er durch dieses Wunder leben bleibt M 1 ); bei einer Hungersnot 1197 werden im Kloster des Abtes Gerardus die Mehlsäcke nicht leer, und die kleinsten Teiglaibchen gehen zu mächtigen Broten auf 852 ); ähnlich gehen die Kornsäcke des frommen Bäckers zu Reinhardsbrunn nicht aus 853) (vgl. die Tiroler Sage vom Bruder Batho 854)). Abraham a Santa Clara hat einmal diese Speisungswunder originell zusammengestellt 85S) ; sie sind durch die Erzählung von der Speisung der 5000 beeinflußt**·) (dazu eine Parallele in einem buddhistischen Sutra 8B7)), wie ζ. B. Columban nach Christi Vorbild Brot und Bier vermehrt 858). eS4 ) C a v a l l i u s - S t e p h e n s S c h w e d i s c h e Volks· sagen u. Märchen übers, v. O b e r l e i t n e r 265. 282; S c h a m b a c h - M ü l l e r 386ff. · » ) M ü l l e n h o f f - M e n s i n g Sagen 434, 604. e M ) C a v a l l i u s S t e p h e n s I.e. 271; vgl. B o l t e - P o l i v k a 2, 517. · 2 7 ) S a x o - G r a m m a t i c u s ed. Holder 288, 5ff.; Übers, v. H e r r m a n n 1, 387; 2, 589: Volkskundliche Gaben für John Meier (1934) 170. ·*·) Perihegese 7, 17, 11 ( = 2, 220, 2fi. Spiro). · " ) F r a z e r 5, 96. *30) Die Lieder der Edda v. S i j m o n s u. G e r i n g ( = German.

223

Speisen

Handbibliothek V I I , 3, ι ) 1, 396 mit Parallelen. · " ) Übers, v. E d z a r d i 3 (1880), 8fi. · 3 ») Kleine Schriften 1, 179. 387. 512. , 3 3 ) 1, 544; KHM. 47. 53. 60. «3«) Perseus 1, 7 1 f t , 3 5 ) S é b i l l o t 3, 528fif. 353. 433. , 3 · ) B o l t e - P o l l v k a I.e.; K ö h l e r 1. c. 179. , 3 7 ) ARw. Ï927, 333. , 3 8 ) B o l t e - P o l l v k a 1, 361. · » ) KHM. 103; B o l t e P o l l v k a 2, 438. *) Ed. R u h l a n d t Album f . Schlesien u. d. Lausitz 1856, 53 Nr. 2; N.lausitz. Magazin 21, 342 Nr. 270. 1 , 9 ) N.lausitz. Magazin 21, 346 Nr. 291. 1 S 0 ) S c h u l e n b u r g 181 Wend. Volkst. n o ; R a n t a s a l o 2, 91. ) D r e c h s l e r 2, 55 f. l 8 î ) R a n t a s a l o 2, 90 ff. 18S ) D r e c h s l e r 2, 57; R a n t a s a l o 2, 103 (Estland). 1 M ) R a n t a s a l o 2, 99 f. l i s ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 110; R a n t a s a l o 2, 77. 184 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 162 Nr. 2 4 2 ; R a n t a s a l o 2, 135 f. 1 W ) K n o o p Volkstüml. aus d. Tierwelt 49 Nr. 425. , , s ) J a h n Opferιω gebräuche 72. ) Witzschel Thüringen 2, 216 Nr. 21.

6 b. Auch die reifende Saat wurde zu schützen versucht. Ein toter Sp. wird auf einem Stecken aufgehängt 190 ); ein Knochen vom Karfreitagsbraten in den Acker gesteckt m ), Friedhofserde 192 ), Sargholz 193 ) wird auf das Feld gebracht, oder dieses mit Weihwasser 194 ), mit Wasser, in dem Eisen gelöscht wurde 195 ) besprengt, ausgeräuchert195). In der Nacht vor Johannes soll der siebenbürgische Bauer sein Feld nackt umwandeln 196 ), der mecklenburgische einige Halme an jeder Ecke abmähen 197 ), oder am Johannistage an den vier Ecken des Kornfeldes vier Büschel abschneiden, so daß man von einer Ecke zur gegenüberliegenden auf der Diagonale quer über das Saatfeld geht, somit ein Kreuz auf das Feld geht. Das abgeschnittene Korn wird in ein Bündel gebunden und in den Schornstein gehängt oder an einen Ort, wo weder Sonne noch Mond hinscheint 198 ). Oder er umgeht das Feld vor Sonnenaufgang199), das Gesicht nach Osten gewendet, bricht von jeder Ecke eine Ähre ab und vergräbt sie unter dem Dach des Hauses, daß sie weder Sonne noch Mond bescheinen kann21M)). Er beißt vor Sonnenaufgang an jeder Ecke eine Ähre ab und hängt diese in den Schornstein 2al ). Er geht an einem Donnerstag-Morgen vor Sonnenaufgang stillschweigend dreimal um das Kornfeld, zieht an jeder Ecke jedesmal einen Kornhalm aus und hängt diese zwölf Halme im Rauchfang auf 2 0 2 ). E r umwandelt

248

in der Reifezeit vor Sonnenaufgang 203), in der Johannisnacht zwischen 1 1 und 12 Uhr 203), in der Laurentiusnacht 204) nackt das Feld. Der siebenbürgische Sachse soll vor Sonnenaufgang Korn mahlen und das Mehl sollen ihrer zwei nehmen und in Wasser dick machen, dann aufs Komland gehen, aber bis dahin und nach Hause, auch sonst miteinander kein Wort reden; dann sollen sie einen Faden durch das dickgemachte Mehl ziehen, so daß viel daran hängen bleibt; jeder geht dann in einer Furche, und so gehen sie mit dem Faden quer über das Land; dann tun die Vögel dem Korn keinen Schaden 20S). Er geht vor Sonnenaufgang auf den Acker, zieht sich nackt aus, geht dreimal um das Getreide, betet ein Vaterunser, zieht sich wieder an, macht etwas Schwefeldampf, nimmt eine Ähre in den Mund und kehrt schweigend heim 20β). An andern Orten tut dies die Besitzerin, indem sie dabei ein Licht in der Hand hält 20e ). Der Bauer streut die zu Pulver gebrannte Nabelschnur eines toten Säuglings 207), einen Kuchen aus der Milch einer Frau, deren Säugling gestorben ist 207), über den Acker. 1, ° ) D r e c h s l e r 2, 57; (oder vergraben:) M a a c k Lübeck 60. 1 , 1 ) D r e c h s l e r 2, 57; vgl. W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 129. 1 M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 128 in vielfachen Variationen. 1 M ) Grohmann 73; J o h n Erzgebirge 220. 1 M ) (Rumänisch:) Siebenbürg. Archiv N F . 33, 3 4 7 Í . l w ) Wlislocki Sieb. Volksgl. 129. 198 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 280; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 127 f. l " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 161 Nr. 751 c; vgl. J o h n Erzgebirge 226. l M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 161 f. 1 M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen so 280. °) B a r t s c h 2, 162 Nr. 152 b; vgl. H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305. , 0 1 ) B a r t s c h 2, 162 Nr. 152 c = Karl S c h i l l e r Zum Tier- u. Kräuterbuche d. mecklenburg. Volkes 2 (1861), 15. ,02 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 216 f. = K n u c h e l 80f.; vgl. H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305. >«) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 280; HWb. Abergl. 1, 162; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 127 {. «o») zfVk. 4 (1894), 405. ™ 5 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 128 f. " « ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 127. > ) Ebd. Nr. 428. » » ) E b d . 46 Nr. 399. 231) Ebd. 49 Nr. 427. 2 3 2 ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 179. » ) H o p f Tierorakel 130. 2 3 4 ) (Schonen): Globus 79, 386; vgl. Psych. Studien 44, 575. N e g e l e i n Traumschlüssel 215. ί 3 β ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 179.

8. A b w e h r . In Gläsen (Krs. Leobschütz) müssen die Sp. gejagt werden, wenn eine Jungfer einen erstgeborenen Jungen zur Taufe trägt, sonst beschwatzen die ihr Glück. Es heißt nämlich, eine solche Patin heirate in demselben Jahre noch 237). 237

) P e u c k e r t Schles. Volksk.

179.

9. W e t t e r . Sitzen die Sp.e morgens pluschig da, gibt es Regen 238 ) ; kommen sie im Winter mit struppigem Gefieder den Häusern nahe, kommt strenge Kälte; entfernen sie sich mit glattem Kleid, wird es mild 240). Wenn sie faul und träge sitzen, ist ungestüme Witterung, im Winter Schneegestöber in Aussicht 241). Baden sie im Sand oder Staub, gibt es Regen 242 ); bauen sie, gutes Wetter 243). Frühes eifriges Schreien bedeutet, daß Sturm und Regen in der Luft liegt 244) ; die Kassuben meinen, zwitschernde Sp.e deuteten auf Frost 24s ). Übermäßiges Schreien und Zirpen wird im Winter als Anzeichen eines nahen Schneegestöbers genommen 24e ). Schirpen sie auf dem Dach, erwartet man gut Wetter 247). Sitzen sie im Winter zusammengeschart mit gesträubten Federn, verheißt das Schnee und Kälte 249) ; lebhaftes Schreien abends zusammen mit den Genossen zeigt Regen an 248) ; große Sp.-Schwärme deutet man in Albanien als Vorboten strenger Kälte. » » ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 207. M 0 ) Ebd. 2 " ) ZfdMundarten 8 207 f. « « ) E b d . 211. ( I 9 I 3 ) . 3 0 8 ; D W b . 10, 2005; K n o o p Tierwelt 49 Nr. 431; Heimatbl. Wohlau 9 (1930), 87; W i r t h Anhalt 265; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 179; Ellert P a s t o r Deutsche Volksweisheit in Wetterregeln u. Bauernsprüchen (1934), 167 aus Solothurn; BIPommVk. 5, 42. 2 4 2 ) Alte 2") Weiber Philosophey: ZfdMyth. 3, 310.

252

K e l l e r Tiere 2, 90; H o p f Tierorakel 129. 2 " ) ,46) S e e f r i e d - G u l g o w s k i 180. Bartsch Mecklenburg 2, 211; Karl S c h i l l e r Zum Tierund Kräuterbuche d. mecklenburg. Volkes 2 246) (1861), 15. Alte Weiber Philosophey: ZfdMyth. 3, 310. " ' ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 207 f. 2 4 β ) H o p f Tierorakel 129. ί 4 β ) J o h a n n Georg v. H a h n Albanes. Studien 1854, 158.

10. L i e b e s z a u b e r . Der Sp., wahrscheinlich um seiner starken Vermehrung willen 250), gilt als ein sehr liebehungriges Tier. Aristoteles sagt, er sei im actus sehr schnell am Ziele 251 ), und, lehrt Horapollon, wiederhole ihn oft siebenmal in einer Stunde 252). Megenberg hält ihn für sehr unkeusch, weil er hitziger Natur sei 253). Geil nennen ihn die deutschen älteren Autoren 254) wie die deutsche 255) und französische 25e ) Volksmeinung. Schütze lehrt, „Finke" sei ein Name für den Hänfling und für den penis; in Holstein nenne man daher die Sp.e Finken und brauche das Zeitwort für : nach Sp.sart der Liebe pflegen 25T). Struthion (Sp.) ist im Griechischen ein Hetärenname 258 ), wie passerula (kleiner Sp.) ein lateinischer Kosename war î 5 8 ). Die Gassen, in denen die Huren wohnten, wurden in älterer Zeit Sp.gasse 259), Sp.berg 260) usw. genannt. Die Magia naturalis 261 ) lehrt nun: wenn wir Liebe magisch erwecken wollen, müssen wir ein Tier suchen, das in der Liebe sich auszeichnet ; dahin gehören der Sp. usw. Von diesen Tieren müssen wir diejenigen Teile oder Glieder nehmen in denen hauptsächlich der Liebestrieb herrscht; solche Teile sind das Herz, die Hoden, die Gebärmutter, das männliche Glied, der Samen, das Blut von der Reinigung. Dies muß geschehen, wenn solche Tiere in der Brunst sind 2β2). Nach solcher Anweisung ist nun der Sp. oft als Liebeszaubermittel oder Aphrodisiakum gebraucht worden. Sein Fleisch befördert die Geilheit 263), bewirkt Erektionen 264), wirkt besonders, wenn ein Mann das Fleisch des weiblichen, die Frau das des männlichen Tieres eines Paares ißt 26ä ). Eine Salbe aus Sp.blut 266), Blut an den penis gestrichen M7 ) erweckt Liebe. Das Hirn gilt als Aphrodisiakum 268), besonders in den Morsellen des Grafen Pappen-

253

Sperling

heim 2 ·*), vor allem, wenn die Tiere in coitu geschossen wurden 270) ; es stimuliert das Blut 2 7 1 ). Ebenso gelten die Hoden272) und die Eier 273 ) als nützlich für dergleichen Zwecke. Von hier aus ist ein nächster Schritt nicht weit. Ringe, welche in ein Sp.nest gelegt wurden, vermögen Liebe zu erwecken 274 ). Fängt man zwei sich zankende Sp.e und rauft ihnen die Federn aus, vermag man damit Uneinigkeit zu stiften 27S).

254

10. Z a u b e r . Sp.knochen haben Heilund Zauberkräfte und werden als Totenfetische benutzt 27e ). In Thüringen reinigt ein Jäger ein verderbtes Rohr durch Auswischen mit einem Sp.kopf, der dann in die Esse gehängt wird, und mit einer Blindschleiche 277). Kleine Kinder, die verhext worden sind, erhalten eine Arznei aus Sp.kot und Kreuzkraut 278). " * ) K r a u Β Rei. Brauch d. Südslaven 147. Quensel Thüringer Sagen 289. 2 7 e ) W i r t h Anhalt 138 f. 305. i77)

1 1 . V o l k s m e d i z i n i s c h e s . In Posen 260 ) K e l l e r Tiere 2. 88. 251 ) Ebd. 2 M ) HoraM3)Megenglaubt man, daß der, der Sp.fleisch esse, pollon. II 1 1 5 ; K e l l e r Tierez.SS. 254) A g r i p p a b e r g 182. ν. N e t t e s h e i m die Fallsucht bekomme27®) ; in Absam ι, 119; Alemannia 10, 5 nach J . Valentin heißt es, er akquiriere den Veitstanz 880 ). K i r c h g e ß n e r Tribunal Nemesis juste judicanWenn man abgeschnittene Haare ins Freie tis oder Richterstuhl der recht richtenden Gerechtigkeit 1706, 384; S c h r o e d e r Medizinwirft und die Spatzen damit Nester chymische Apotheke 1683, 1350; Caspar S c h r ö bauen, bekommt man Ausschlag am d e r Jagdkunst 1728, 166; (vgl. B a r g h e e r Kopf 2 8 1 ) oder Kopfschmerzen 282). FriEingeweide 166); L o n i c e r Kreuterbuch 1577, sches Sp.fleisch legt man noch blutig CCCXXVIII R ; DWb. 10, 2009. 2164; vgl. auch Lorenzo V e n i e r o Puttana errante IV. und warm bei Krebsgeschwüren auf, läßt 4 5 6 ) DWb. 10, 2004. 2005. 2168 unter Speres 24 Stunden lang liegen und vergräbt 2 M ) Chaud lingsleben, Sperlingsschwätzer. es dann unter die Dachtraufe oder wirft comme un moineau: F r i s c h 1 3 5 1 ; R o l l a n d 257 es einem Hunde oder Raben vor. Das Faune 2, 159. ) S c h ü t z e Holsteinisches Idiotikon ι, 316; vgl. K e l l e r Tiere 2, 5 9 0 f . : Geschwür wird dann gereinigt und wieder strutheum = pars virilis. 2 6 8 ) K e l l e r Tiere Fleisch aufgelegt 283). Paracelsus oder 2, 89. 259 ) P e u c k e r t Schles. Volkskd. 1 3 1 ; ein Unbekannter unter seinem Namen M 0 doch vgl. DWb. 10, 2168. ) Peuckert ebd. ; T r ä g e r Breslauisches Tagebuch . . . Steinbergers rühmt das Fleisch als brauchbar gegen 1891, 2 1 5 3 ; S c h r o e d e r in Germanisch-roman. die schwere Not oder hinfallende Monatsschr. 17, 26. 2β1 ) P e u c k e r t Pansophie Sucht 284). Zwei Löffel Asche von ge1936, 577 f. 2 ' 2 ) A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m 1, brannten Sp.en erscheinen in einem 104; P e u c k e r t Pansophie 130. 2 M ) L o n i c e r Rezept gegen die Gelbsucht28S). Frisches Kreuterbuch CCCXXVIII R ; S é b i l l o t FolkLore 3, 204; R o l l a n d Faune 2 , 1 5 9 ; (gepulvert:) Sp.blut wird bei Hornhautgeschwüren in Joh. Joachim B e c h e r Parnassus medicinalis die Augen geträufelt 286). Bei den Juden 2 1663, 73. " ) (Russisch:) Anthropophyteia 10, wurden gegen eine syphilitische Haut2M) 337· Andreas T e n z e l i i Medizinischkrankheit zwei lebende reine Sp.e vom philosophisch- und sympathetische Schrifften 1725, 284. 2 M ) A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m 1, Priester geschlachtet und in das Blut 227 f. 2 " ) J ü h l i n g Tiere 237. ***) DWb. 10, derselben, das mit Wasser, Zedernholz 2008; Janus 1899, 235; Joh. Joachim B e c h e r und Ysop gemengt war, ein dritter Vogel Parnassus medicinalis 1663, 73; S c h r o e d e r getaucht 287). Kot wird gegen VeitsMedizin-chymische Apotheke 1685, 1350; Caspar S c h r ö d e r Jagdkunst 1728, 165 = B a r g h e e r tanz 288), Verhärtung des Leibes 28i ), in Eingeweide 166; H ö f l e r Organotherapie 132; ö l gewärmt und ins Ohr geträufelt gegen Zentralbl. f. Okkultismus 25 (1931/2), 571. 288 ), 2 " ) William M a r s h a l l Neu eröffnetes wunder- Zahnweh (es kitzelt dich aber sehr!) bei den Magyaren in Branntwein oder sames Arzenei-Kästlein 1894, 14; J ü h l i n g Tiere 5. 237; H ö f l e r Organotherapie 132. 2 7 0 ) Pfeifentabak gebraucht, um einem Trinker H ö f l e r 132, nach K r ä u t e r m a n n 214. 2 7 1 ) das Trinken abzugewöhnen 290). Die K r ä u t e r m a n n 214. 2 , a ) M a r s h a l l ArzeneiGebeine von einem Sp. kommen in das Kästlein 91. 2 7 3 ) L o n i c e r Kreuterbuch 1577, Epileptische Hispanische Pulver 291 ). CCCXXVIII R ; Caspar S c h r ö d e r Jagdkunst 271 1728, 165; B a r g h e e r Eingeweide 166. ) " ' ) K n o o p Tierwell 49 Nr. 432; Rogas. A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m 1, 108; ZfVk. 13 Familbl. 5 (1901), 8. 2 8 0 ) ZfdMyth. 2 (1854), î 7 s (1903). 277. ) Hs. Ende 16. J h . : ZfdMyth. 3. 420 Nr. 5 1 ; DWb. 10, 2005. ! β 1 ) Z i n g e r l e 3«· Tirol 28 f. Nr. 181. 2 8 2 ) K n o o p Tierwelt 49

255

Spermacht—Sphondylomantie

283 ) L a m m e r t Nr. 433. 207 f.; H o v o r k a îM) Paracelsus K r o n f e l d 2, 401. Bücher und Schrifjten (ed. H u s e r 1589) 3, 38. 50; Osvaldus C r o l l i u s Von den innerlichen Signaturen der Dinge 1623, 30. *·*) J ü h l i n g Tiere 288 ) L a m m e r t 237. 228; darnach S t r a c k Blut 57; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 80; B a r g 287 ) h e e r Eingeweide 278. H ö f l e r Organotherapie 132. 2ββ ) J ü h l i n g Tiere 237. " · ) Joh. Joachim B e c h e r Parnassus medicinalis 1663, 73; S c h r o e d e r Medizin-chymische Apotheke 1685, 1350. 29 °) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 352. 191 ) S c h r o e d e r M edizin-chy mische Apotheke 1685, 1350.

12. Im Kinderbrauch. Sp. als Jagdwild der Knaben s. 2; gegessen: 2. In Kinderliedern und Anrufen wird er erwähnt M 1 ). *·*) Franz E r n s t Die Tiere der deutschen Anrufe u. Ansingelieder. Diss. Hamburg 1932, i 3 ; Z f d M y t h . 2 (1854), 192; Z f r w V k 2 9 ( i 9 3 2 ) , 7 9 .

13. W e i ß e r Sperling. Von weißen Sp.en weiß schon Aristoteles 293 ) und Albertus Magnus 294 ). E r wird als Kirchsp. bezeichnet M 5 ) und gilt als sehr selten; selten wie ein weißer Sp. 29t ) ist eine geläufige Redensart, und ein seltener Besuch wird als weißer Sp. bezeichnet 297 ). In Schömberg, im östlichen Riesengebirge, haben die Buschweibel den Sp.en, ehe sie das Land verließen, die weiße Färbe gegeben, um ein Andenken von sich zu hinterlassen 29S ). Der „silberne Nagel" im Harz wurde verwünscht, nicht eher seine Schätze herzugeben, bis ein weißer Sp. auf dem Schloß zu finden sein werde 299 ). Weiße Sp.e bedeuten schlechte Zeiten 300), großes Unglück für den, der einen sieht 301 ), sind Todesboten. Vorm Tode des Herzogs Hans von Holstein ward in Dithmarschen ein weißer Sp. beobachtet 302 ). Ein weißer Sp., der sich auf der Leuchtenburg, bei der wüsten Kapelle zu Haussen bei Hohndorf und sonst sehen läßt, ist ein Todesbote für eins der Glieder der Leuchtenburger Familie 303 ). Vor der Schlacht von Marienburg 1612 erschien ein weißer Sp. als unheilkündendes Vorzeichen 301 ). i e 3 ) K e l l e r Tiere 2, 88 nach A r i s t o t e l e s hist, an. I I 15 und de gener. V 71. I M ) de animalibus (opera, ed. Jammy 6), 536; J. S i g h a r t Albertus Magnus 1857, 353. a 9 i ) D W b . 10, 2167; s. ebd. 2,8) Kirchsperling. ZfdMundarten 16, 175. »"JMschles. V k i o , 92; Cuda-Obend(-Kalender d. Grafsch. Glatz) 10, 96. 298) K ü h n a u Sagen 2, 184. * · ) P r ö h l e Unterharz 163 Nr. 422. 300 ) W u t t k e 205 § 281. 3 0 1 ) K n o o p Volkstüml.

256

aus d. Tierwelt 49 Nr. 430; vgl. D W b . 10, 2003. G r ä s s e Preußen 2, 1052; S c h w e b e l Tod u. ewiges Leben 124. 303 ) E i s e l Voigtland S04 ) M ü l l e r 148 Nr. 403. Siebenbürgen 70; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 178 f. Peuckert. 30a)

Sperrnacht heißt im badischen Mittelland und im Elsaß das höchste Fest der Spinnstube (die Nacht vor dem h. Abend), weil dann den Frauen das Spinnrad „gesperrt" wird. Mitunter werden wirklich die Saiten an den Spinnrädern weggenommen oder zerschnitten*). Man verbringt die Nacht bei Schmaus, Tanz und Gesang. In Balzhoven mußten die Mädchen um Mitternacht über den Besen springen. Wenns an das Fenster klopft, darf man ja nicht den Kopf hinausstrekken, denn in der S. „spukts besonders" 2 ). S. D u r c h s p i n n a c h t . l ) M e y e r Baden 179 f.; D e r s . Deutsche Volkshunde 157. 252; S a r t o r i Sitte 3, 27 A. 7. *) Hmtl. 15 (1928), 216. t Sartori.

Sphondylomantie, Wirbelwahrsagung. Die Bezeichnung kann aus der antiken Erwähnung von σφονδυλομάντεις, d. h. Ausübern dieser Divination x ), ohne weiteres erschlossen werden, so daß die S. zu den für das Altertum belegten Wahrsagungsmethoden gezählt werden darf. Leider ergibt das antike Zeugnis nichts Näheres über die Ausführung und erlaubt höchstens nach dem Zusammenhang anzunehmen, daß es sich nicht um eine gelegentlich und von jedermann anzustellende Zukunftsbefragung, sondern um eine von Wahrsagern gewerbsmäßig betriebene „ K u n s t " handelt. Wie unserm „Wirbel" eignet dem griechischen Wort σφόνδολοί (auch σπόνδυλος) die Grundbedeutung des Drehens ; vorzugsweise wird es für die Wirbelknochen, und zwar namentlich für die 7 Halswirbel des Menschen gebraucht 2 ). Doch bezeichnet man damit u. a. auch die Spinnwirtel und die zu Abstimmungen verwendeten rundlichen Steinchen. Wegen der Gestalt der Wirbelknóchen deutet man die S. zumeist als eine Form der Wahrsagung mittelst freischwingender, meist an einem Faden aufgehängter ringförmiger Körper 3 ). Über die Praxis dieser, im „siderischen Pendel" noch heute sehr lebendigen Methode (vgl. Daktyliomantie) ist eine

Spiegel—Spiel

257

ausführliche Beschreibung aus dem Altertum erhalten anläßlich eines im Jahre 371 n. Chr. eingeleiteten Gerichtsverfahrens gegen einige Mitglieder der Hofgesellschaft, die mit Hilfe des Ringpendels den Namen des zukünftigen Kaisers hatten feststellen wollen 4 ). Falls diese Deutung des Namens richtig ist, müßte man annehmen, daß zur Verstärkung des Zaubers anstelle von Ringen menschliche Wirbelknochen verwendet wurden, was angesichts der bekannten Benutzung von Totenknochen für Beschwörungen u. dgl. durchaus möglich wäre 5 ). Doch bleibt auch die harmlosere Verwendung von Spinnwirteln anstelle von Ringen nicht ausgeschlossen. An eine Deutung S. = Wahrsagung mit Hilfe von Steinchen (Psephomantie) oder Würfeln (Kybomantie), also als Loszauber, zu denken, dürfte sich verbieten, weil die Bedeutungen von σφόνδυλος „Steinchen" oder „Astragal" β ) gegenüber „Wirbel" zu sehr zurücktreten. ' ) P o l l u x Onomastikon 7, 188. 2 ) E b d . 2, 130. B o u c h é - L e c l e r q Hist, de la Divination 1, 1S3; W ü n s c h Antikes Zaubergerät (Ergänzungsh e f t V I zum Archäol. Jahrbuch 1905) 48; H o p i n e r Griechisch-ägyptischer Offenbarungszauber 2 (Leipzig 1924) 146 § 309. 4 ) A m m i a n u s 6) M a r c e l l i n u s 29, 1, 28 ff.; oben 2, 136. H o p f n e r a. a. O. hält in diesem Falle die S. für eine Spezialität der Nekromantie, bei der die Offenbarung durch den in den Wirbel hineingebannten Xotengeist desjenigen gegeben wurde, dem dieser Knochen im Leben angehört hatte. e ) P o l l u x 2, 130 verweist dafür auf H o m e r Odyss. 10, 560. Boehm.

3)

Spiegel s. N a c h t r a g . Spiel. Unter diese Bezeichnung fallen nicht nur die selbstgewählten, ihren Zweck nur in sich tragenden Tätigkeiten, an denen sich jung und alt aus „freiem und uninteressiertem Wohlgefallen" vergnügt, sondern auch gewisse der Geschicklichkeit und öfter noch dem Glück anheimgestellte Beschäftigungen, die neben lustbringender Erregung und Spannung auch materiellen Gewinn in Aussicht stellen, s. K i n d e r s p i e l , B a l l - , K a r ten·, Kegel-, Würfelspiel, Lotterie; auch T a n z , W e t t r e n n e n . Hier kann nur auf einige Gruppen von Spielen kurz hingewiesen werden, die Bächtold-Stlubli, Aberglaube Vili

258

zwar heute zum weitaus größten Teile der reinen Belustigung dienen, aber in magischen Absichten zu wurzeln scheinen oder doch mit ihnen in Berührung getreten sind. ι. Beeinflussung von Naturers c h e i n u n g e n : Einigen Jahrzeitspielen, in denen es sich um Kämpfe zweier Parteien handelt, kann man noch die Herkunft aus dem S t r e i t z w i s c h e n S o m m e r u n d W i n t e r (s.d.) ansehen 1 ). Dem österlichen B a l l s p i e l 2 ) ist vielleicht Einfluß auf die Kräftigung der steigenden Sonne zugeschrieben worden 3 ), ähnlich wie den großen Jahresfeuem und den dabei geworfenen Scheiben 4 ), s. Funkensonntag, Scheibenschlagen. Das über so viele Völker verbreitete F a d e n s p i e l , bei dem aus einem zwischen beiden Händen ausgespannten Faden durch Abheben immer neue Gestalten hervorgerufen werden, dient sowohl in Neuguinea wie in Grönland zur Beförderung der Fruchtbarkeit, indem man die Sonne wie in einer Schlinge festhält oder das Wachstum der Saat nachahmt 5 ). Die Maori auf Neuseeland schreiben seine Erfindung ihrem Gotte Maui zu und benennen es nach i h m e ) . In Braunschweig heißt es Hexenspiel 7 ). Auch das brauchmäßige S c h a u k e l n (s. d.) wird zur Sonne in Beziehung gesetzt 8 ). Desgleichen hat man dem Stephansj a g e n am zweiten Weihnachtstage den Sinn eines Analogiezwanges auf die Sonne zuschreiben wollen 9 ), wie überhaupt vielen rituellen W e t t l ä u f e n und - r e n n e n 1 0 ) . Beim österüchen Spiel des E i e r w e r f e n s und - r o l l e n s hat man die Absicht vermutet, dem Rasen Fruchtbarkeit zu übermitteln u ). Mit dem D r a c h e n s t e i g e n , das in Deutschland erst gegen Ende des 17. Jh.s bekannt geworden sein soll, haben sich in Ländern des fernen Ostens abergläubische Vorstellungen und Absichten verbunden 1 2 ). Zum bloßen Spiel ist vielfach das S u c h e n nach dem Vegetationsgeist geworden (s. s u c h e n 2). Daß das W e r f e n von platten Steinen über die Oberfläche des Wassers von einem Wetterzauber herstamme, durch den man glaubte Gewitter hervor9

259

rufen zu können 13 ), ist wohl kaum nachweisbar. !) S a r t o r i Sitte 3, 234 f.; ZfrwVk. 12 (1915). 158 s . ' ) S a r t o r i 3, 16 f. Vgl. 2, 187 und oben ι , 860; S c h r ö d e r Arische Religion 2, 176 fi. ' ) Die Sonne als Ball im Spiel der Mexikaner: Globus 87 (1905), 137. In Marokko spielt man Ball, bald um Regen, bald um trockenes Wetter zu schaffen (nach Erklärung eines Arabers: weil der Ball so dunkel wie die Regenwolke ist) : F r a z e r 9, 179. 4 ) S c h r ö d e r a. a. O. 2, 156 fi. Auch andere Scheibenspiele führt Schröder auf die Absicht, den Sonnenlauf zu fördern, zurück: Ebd. 2, 160 ff. 169 ff. 8 ) F r a z e r 7, 101 f. 103 Anm. 1; ZfrwVk. 13 (1916), 167. ·) A n d r e e Parallelen 2, 97. ') Ders. Braunschweig 325; K ü n ß b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel 52. ») ZfrwVk. 23 (1926), 53 ff. ·) H e c k s c h e r 161. 407 f. Über Spiele bei Sonnenfesten: S c h r ö d e r Arische Relig. 2, 193 f. 1 0 ) Ebd. 2, 190 ff. 1 1 ) S a r t o r i 3, 160f.; oben 2, 622; S c h r ö d e r 2, 187 ff. sieht auch in diesen Eierspielen einen Sonnenzauber. l a ) ZfrwVk. 13, 166; A n d r e e Parallelen 2, 94 f. 33 ) H a n d e l m a n n Volksu. Kinderspiele in Schleswig-Holstein 93.

2. S p i e l e und L a n d w i r t s c h a f t : Manche mit der E r n t e und dem Erntefeste verbundenen Spiele können als Versuche betrachtet werden, das Wachstum des künftigen Getreides zu fördern 14 ). Das gilt für allerlei W e t t l ä u f e 1 5 ) , für das K r a n z r e i t e n 1 6 ) , für H a h n s c h l a g e n 1 7 ) und G a n s r e i t e n 1 8 ) . Das ostpreußische B o k c h e n w e r f e n ahmt möglicherweise die Tötung eines Korndämons nach 19 ), wie vielleicht auch die E b e r k ä m p f e am Martinsfeste 20 ). Ein in den schlesischen Spinnstuben oft geübter Scherz war das A s c h e t o p f w e r f e n , durch das das Gedeihen des Flachses gefördert werden sollte 21 ). Dem S c h a u k e l n wird Einwirkung auf Pflanzen und Wild auf weite Entfernung hin zugeschrieben 22), und in dem Spiel „Wollt ihr wissen, wie der Bauer seinen Hafer aussäet" usw. hat man einen Zauber gesehen, der der Nachahmung des Säens dieselbe Wirkung verschaffen möchte wie dem Säen selbst 23 ). 14 ) Bei Naturvölkern: F r a z e r 7, 92 ff. ) K u h n u. S c h w a r t z 399 (109); D r e c h s l e r 2, 70 f. Vgl. F r a z e r 7, 76 f.; S a r t o r i Sitte 2, 98. " ) K u h n u. S c h w a r t z 400 (17); S c h r ö d e r Arische Religion 2, 173 ff. sieht im Kranz- und Ringstechen, wie auch im Vogelschießen, einen magischen Versuch, die Sonne zu gewinnen. " ) Oben 3, 1343. " ) Oben 3, 298 f. Kück 2 0 ) u. S o h n r e y 2 276 i f . Pfannenschmid u

26ο

Spiel

Erntefeste 225. 501. 2 1 ) D r e c h s l e r 1, 171. ZfrwVk. 23 (1926), 52 f. » ) Ebd. 13, 167 ff.

22 )

3. A n f a n g s z a u b e r z u N e u j a h r : Am Weihnachtsabend 24 ) wie am Neujahrs- und Dreikönigsabend 25 ) vertreibt man sich die Zeit mit Glücks- und Gesellschaftsspielen. Sie sollen wohl auch für das kommende Jahr Freude und Erfolg gewährleisten. In Wierland feierten die Mädchen den 15. Februar in der „Spielstube", wo sie bis spät in die Nacht ohne Beleuchtung sangen und spielten. Dadurch sollten die Teilnehmerinnen munter bleiben und zeitig unter die Haube kommen 26 ). 24 )

falen

S a r t o r i 3, 39. 25 ) Ebd. 3, 54; Ders. 139. 29) B o e d e r Ehsten 76.

West-

4. Zur S c h i c k s a l s b e f r a g u n g benutzt werden Würfel 27 ) (s. W ü r f e l o r a k e l ) und K a r t e n (s. d.) 28 ). In den Spinnstuben dienten viele Spiele als L i e b e s o r a k e l wie Fingerknacken 29 ), das Anzünden von Wergstücken 30 ), der umtanzte Gänserich 31 ). 27 ) H e c k s c h e r 163. 2S) S c h n i p p e l Ositi. Westpreußen 2, 92 f. Über die Ähnlichkeit von Wahrsagekünsten und Glücksspielen: T y l o r Cullur 1, 78 ff. 2») S p i e ß Fränkisch30 Henneberg 116 f. ) D r e c h s l e r 1, 170; 31 ) ZfVk. 8, 216 f.; J o h n Westböhmen 10. A n d r e e Braunschweig 171; K ü c k u. S o h n rey 2 205.

5. L e i c h e n s p i e l e . In der Ilias veranstaltet Achilleus Spiele zu Ehren des toten Patroklos 32 ). Die großen Festspiele Griechenlands sollen ursprünglich der Ehrung toter Heroen gegolten haben. Auch geschichtlichen Helden wurden solche Ehren zuteil 33 ). Derartige Spiele dienen der Freude und Beruhigung des Toten und stellen zugleich einen Gegenzauber gegen die Mächte des Todes dar. Sie kommen auch bei andern Völkern vor 34 ). In bescheidenem Maße werden sie bis in die jüngste Zeit bei den Leichenwachen am Sarge des Verstorbenen vorgenommen 35). , 2 ) 23, 257 ff., vgl. 630 ff. (für Amarynkeus), 679 f. (für Oedipus); Od. 24, 85 ff. (für Achilleus). Vgl. R o h d e Psyche 18 f. 140 f. ω ) F r a z e r 4, 92 ff. M ) Ebd. 4, 96 ff.; S a m t e r Volkskunde ι, 162 ff. In Irland erwartete man auch Erntesegen davon: F r a z e r 4, 102 f. 35 ) S a r t o r i I, 319; L a d y W i l d e Ancient cures etc. of Ireland 129 f.; Dies. Ancient legends etc. 119 ff.;

2ÓI

Spielkarte—SpillahoUe

Z e l e n i n Russische Volkskunde 331; M a n s i k k a Relig. d. Ostslaven 1, 84 ff. 182.

6. S p i e l e n d e G ö t t e r u n d G e i s t e r : Die Asen vergnügten sich in der Urzeit auf Idafeld mit Brettspiel 3 6 ). In unzähligen Sagen erscheinen Riesen, Zwerge und Geister, die Kegel schieben 37 ) oder mit Steinen Ball 3 S ) oder Karten spielen 39 ). M ) V ö l u s p a 8; vgl. 60. 37 ) Q u i t z m a n n 15; Z i n g e r l e Sagen 201 f. (Literatur); K ü h n a u Sagen 1, 230; 2, 71. 139. 512; S c h e l l Bergische Sagen 92 (18); 93 (23). 38) S c h e l l 310 (333); S t r a c k e r j a n 1, 503 f. M ) E i s e l Voigtland 71 f.

7. S ü n d h a f t e S p i e l e : In den Sagen ist ferner der Zug häufig, daß B r o t 4 0 ) oder B u t t e r 4 1 ) aus Übermut zum Kegeln verwandt wird. Man soll überhaupt nicht mit Brot, Feuer oder Salz spielen 42 ). Den Teufel lockt die in den Spinnstuben hergestellte „Stoppegäs" (Stopfgans) und das auch zum Wahrsagen benutzte „Niphaun" (Nickhuhn) 43 ). 40 )

K ü h n a u Sagen 2, 610; 3, 394. 397; Z a u n e r t Rheinlandsagen 1, 209. Vgl. dazu L a i s t n e r Nebelsagen 246. 41 ) A l p e n b u r g Tirol 230 f.; D e r s . Deutsche Alpensagen 59. 65. 42 ) S t r a c k e r j a n 1, 49. 43) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 158 f. 356. 357; A n d r e e Braunschweig 171. f Sartori.

Spielkarte s. Kartenspiel. Spielmann s. Nachtrag. Spillaholle (Spindelholle) heißt die schlesische Sonderprägung der HoldaPerhta, die mit zu den unheimlichen Geistern der Zwölften (s. d.) gehört. In Katscher treffen wir sie als Zompeldroll, in Troppau und Glatz als Spillaoder Mickadrulle; in Neiße, Reichenbach, Langenbielau und der Striegauer Gegend ist sie die Spilla- oder Popel( = vermummte) H ô l e I n Leobschütz und Katscher heißt sie auch Spillagritte 2 ), in Katscher auch Spillalutsche 3 ) ; in Braunsdorf im Jägersdorfer Bezirk hingegen Spillmarthe 4 ). Wie die Tiroler Stampa (s. d.) erscheint sie ausschließlich mit bösen Eigenschaften und schädlichen Funktionen. Meist wird sie als Kinderschreck verwandt; sie sieht „altfränkisch" aus, hat kurze Arme und Beine, sie ist „ein Balg wie die Wassernixe" s ). Sie holte die faulen Spinnerinnen weg ®). Aus Kupferhammer (Neiße) wird berichtet:

262

in einer Familie spann ein Mädchen nie die aufgegebene Zahl der Gebinde ab, der Vater befahl eines Abends im Zorn, das Mädchen zu der Holunderpappe vors Fenster zu setzen. Das geschah, die Spillahulle hat beide, Kind und Brei, weggeholt. Alles Suchen blieb vergebens, die Eltern starben bald aus Kummer. Wenn der Wind abends im Ofen heult, sagt man wohl auch: „Die Spillagritte kommt!" 7 ). Träge Kinder treibt man mit einem Sprüchlein zum Spinnen a n 8 ) : Spennt, Rendala, spennt, De Spellalutsche kemmt; Se guckt zu olla Lechlan rei, Ebs Strània watt bàie fertig sein.

Die Sp. ruft aber auch selbst einen Vers ») : Verzage nicht, verzage nicht! Warum spinnst du die Zahl (der Gebinde) am Tage nicht ?

Diese Worte haben einst ein Kind getötet, das bei Tage seine Gebindzahl nicht vollendet hatte, in der Nacht das Versäumte nachholen wollte, weil es gescholten worden war. Denn wie das Kind nachts spinnt, kommt „ein Ding wie ein Pelzärmel auf dem Fußboden dahergerollt", es rollte einigemal auf dem Fußboden auf und ab und seufzte sein Sprüchlein. A m nächsten Morgen fand man die Leiche des Kindes 1 0 ). Sonst kennt man die Sp. als vermummte Frau, die in den Zwölften ihr Unwesen treibt u ) ; als unheimliche Waldfrau geht sie in Neiße und Polnisch-Oberschlesien um. Sie kann die Menschen zu Tode erschrecken, sie ist der Buschmutter (s. d.) ähnlich, sie hat eine glühende Spindel, sie setzt sich den Leuten auf den Schoß 1 2 ). Im Kreis Habelschwerdt (Grafschaft Glatz) soll sie eine „fahle Muhme" sein, und man machte mit ihr die Kinder fürchtig 1 3 ). In Frankenstein (Glatz) macht sie den Weg unsicher 1 4 ), man bezeichnet sie wohl auch kurzweg als Hexe 1 5 ). Schließlich erzählt man von ihrem Wohnsitz: die Spillalutsche wohnt unter einem Stein bei Niederwalde in der Hutung, nachts brennen sieben Lichter darauf 1 6 ). Auch in dieser stark abgewandelten 9*

263

Gestalt ist noch immer das Vorbild der Holda-Perhta (s. d.) deutlich geblieben 17 ). l ) D r e c h s l e r 1, 172; S a r t o r i Sitte 3, 1 3 ; Z a u n e r t Schles. Sagen 189. s ) D r e c h s l e r 2, 164. 3 ) Ebda. 4 ) K ü h n a u Sagen II, 59. *) K n ö t e l Schlesien 110. e ) Ebda. ') K ü h n a u

2

. 53 f-

10

8

) Ebda. 2, 59.

) Kühnau

(1867),

21.

2, 6 1 ;

n

)

· ) K ü h n a u 2, 53 ff.

Peter

Volkstümliches 2

Weihnachtsspiele

Vogt

112.

) Z a u n e r t , a. a. O. 189; 232. l 3 ) K ü h n a u 2, 188. » ) Ebda. 185. " ) Ebda. 186. 1β) K ü h n a u

12

Sagen ( 1 9 1 4 ) 27.

Waschnitius

17

) K l a p p e r Schles. Vkde. 221 ;

Perht

182.

Schwarz.

Spinat (Spinacia oleracea). Der S. war den Alten unbekannt. Erst im MA. erscheint er als Gemüse 1 ). Er gehört zu den Gründonnerstagskräutern; die „S.krapfen" an diesem Tage sind eine Kultspeise 2 ). 2 S c h r ä d e r Reallex* 2, 426. ) Höfler Ostern 8; A l b e r s Das Jahr 1 5 5 ; auch in der Franche-Comté: S é b i l l o t Folk-Lore 3, 490.

Marzell.

Spindel. 1 . Sp. (Kunkel) und Rocken (s. d.) waren früher das Abzeichen der deutschen H a u s f r a u so wie das Schwert das Merkmal des deutschen Mannes war 1 ) ; daher nannte man im MA. die Verwandten väterlicher Seite „Schwertmagen", die der Mutter „Spindelmagen". Als Sinnbild vorbildlicher Hausfrauentugenden war über dem Grabe der Herzogin Liutgart, einer Tochter Ottos I., eine silberne Sp. angebracht 2 ). Wie im Arbeitsleben der Vergangenheit, so spielt die Sp. auch in Sage, Märchen und Volksglauben eine wichtige Rolle, in den deutschen Rechtsaltertümern erscheint sie als Rechtssymbol. l

) G r i m m RA.

1, 236; H o o p s Reallex. 3,

476; 4, 206; s. auch P a u l y - W i s s o w a 2, 2, 2134;

Krauß

Sitte

u.

Brauch

399.

452.

) T h i e t m a r chron. 2, 24 (in GddV. 11. Jh. I. Bd., 56); s. auch B a c h o f e n Gräbersymbolik

2

308 f.

2. Zur Nachfolgerin der Holle wurde die hl. Gertrud. Ihr Festtag (17. März) ist in den Bauernkalendern durch eine Sp. (oder einen Rocken), an der (dem) zwei Mäuslein (s. Maus) nagen, bezeichnet und gilt in den österreichischen Alpenländern als E n d e der Spinnzeit (s. Rockenstube) s ). 3

264

Spinat—!•Spindel

) Geramb

Brauchthum

28;

Meisinger

Volkskunde 194 f.; R o c h h o l z Gaugöttinnen 164.

3. Die S p i l l - ( S p i n d e l - ) s t e i n e (auch

Kunkel- oder Rockensteine) l ) sind nach ihrer spindel-(rocken-)ähnlichen Gestalt benannt, sie erinnerten das Volk an die spinnende Holle = Perchta, die zugleich als Regen- und Nebeldämon galt, aber auch an andere mythologische Gestalten; die „hl. Bertha" bewässert das Land, indem sie ihren Rocken (s. d.) hinter sich herschleift, man muß da an das Bild einer aus der Ferne gesehenen Regenwolke denken, deren Erguß wie ein Schleppkleid auf die Erde herabhängt. Einzelne der genannten Steine scheinen als Grenzsteine verwendet worden zu sein. Der Sp.stein, der die uralte Grenze von Burgund bildete wurde der Sage nach von der Holle selbst dahingetragen und aufgerichtet. Andere waren vielleicht Freisteine und dienten Verurteilten als Sitz. 4

)

Simrock

Myth. 388; L a i s t n e r

Nebel-

sagen 98. 1 4 5 f. 268 1 ; P a n z e r Beilrag 1, 2 7 9 .

375 ff.; 2, 136; S e p p Sagen 99 Nr. 3 1 ; R o c h h o l z Sagen 1, 355; 2, 223; H e r t z Elsaß 5 f.

4. In Märchen und Sagen gilt die Sp. als Kennzeichen der weisen F r a u e n , Hexen u. dgl. 5 ), von ihrer Gefährlichkeit sagt ein Narr in einem Fastnachspiel: „Ich will hir frauen huid erwerben, Und solt ich den hals über ein Sp. abfallen" e). Im Märchen vom „Domröschen" 7) erinnert sie an den Schlafdorn Odins, mit dem dieser die Walküre Brynhild sticht und in Schlaf versenkt 8 ). B o l t e - P o l i v k a 1, 440; W u t t k e 32 § 32;

G r i m m Myth. 1, 390; 3, 119. Fastnachtspiele 1, 267, 11. Kinder-

u. Hausm.

·) ')

Keller Grimm

Nr. 50; vgl. Nr. 53 u. 9 3 .

®) M a n n h a r d t Germ. Mythen 6 1 1 ;

Grimm

Myth. 3, 3 5 3 .

5. Über Zauber mit einer Sp. (bei Verlust eines Gegenstandes) berichtet schon Hartlieb der Leibarzt Herzog Albrechts v. Bayern (1455) e ). In Tandern (Oberbayern) schlagen die Bäuerinnen am Karfreitag, wenn in der Kirche beim Gottesdienst mit Holzklappern geratscht wird, den Sp.n die Spitzen ab und verbrennen dann den Wicken am Rocken, „damit die Hexe keine Arbeit hat" 10 ). — Vielleicht wurde in alter Zeit die Sp, als Fetisch verwendet u ) .

·) G r i m m Myth. 3, 428 Nr. 50; s. auch ebd. 416 Nr. 18; ferner S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 10 u 417. ) P a n z e r Beitrag 2, 554. ) Meyer Religgesch. 72. Klein.

265

Spinne

Spinne.

ι. Etymologisches. Sp. kurzweg bedeutet entweder die Haussp. (tegenaria domestica) oder die Kreuzsp. (epeira diadema), die im Franz. als araignée ;porte-croix bezeichnet wird (wegen der lichten, ein Kreuz darstellenden Fleckchen auf dem Rücken). Die Sp. ist in verschiedenen Sprachen nach dem Spinnen oder Weben 1 ) benannt (vgl. steir. S p i n n e r i n 2 )). Hochd. S p i n n e beruht auf mhd. spinne < ahd. spinna3). Vgl. hierzu engl, spider, dän. spinder, schwed. Spindel4), ndd. spente, spinte, spenne s), Schweiz, ipinnmugge), holl. spinnkop 7). Franz.-dial. fil ère, filandreuse (Vogesen) 8) beruhen ohne Zweifel auf Übertragung aus dem Deutschen (Bedeutungslehnwort). Im Altengl. wird die Sp. als „Weberin" bezeichnet in gangewaefre „Gangweberin" ? 9 ). Vereinzelt steht altengl. hunta „Jägerin" 10). Auf die Eigenart der Sp., ihr Opfer mit zusammengekrallten Füßen zu ergreifen, beruht siegerländ. kremm zu mhd. krimmen „drücken, kratzen" u ) . Andere Namen beziehen sich auf die vermeintliche Giftigkeit der Sp. (s. weiter unten). So heißt sie in Creuse geradezu vrin < lat. venenum (franz. venin „Gift") 1 2 ). Die Giftigkeit des Tieres ist auch angedeutet in altengl. attorcofpe, dän. edderkop. Altengl. dttor, bzw. dän. edder ist deutsch E i t e r , dessen Grundbedeutung „tierisches Gift" ist 1 3 ). Ebenso ist altengl. lobbe „ S p . " verwandt mit got. lubja„ G i f t " , altnord. lyf „Arznei", altengl. lybb „ G i f t " ahd. luppi id. M ). In den romanischen Sprachen sind die Nachkommen von aranea15) < griech. αράχνη 1β) zahlreich 1β ) : altprov. aranha, eranha, limous. ragno, altfrz. araigne, traigne, neufrz. araignée Sp.gewebe > Spinne, span, arana, port, aranha. Auf araneus 17 ) beruht ital. ragno friaul. rari. Auch im Altengl. ist aranea als rên'ge erhalten 18 ). Personifikationen bietet das Pariser Argot 1 9 ) : tendeuse (von tendre „spannen"), vagabonde, maçonne „Maurerin". *) S c h r ä d e r Reallex. 788. *) U n g e r u. K h u l l Steir. Wortsch. 527. 3) W e i g a n d - H i r t

4) E d l i n g e r DWb. ι , 920. Tiernamen 102; C o r t e l y o u Insekten 110; DWb. 10/1, 2506. s ) L e i t h a e u s e r Volkstüml. 1/2 S. 34. ·) K l u g e EtWb. 428. ') H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 8) H o l l a n d Faune 12, 124. ·) C o r t e l y o u 20. op. cit. 110. l0 ) op. cit. 106. u ) H e i n z e r l i n g 12 ) R o l l a n d op. cit. 19. Faune 12, 125. 13 ) C o r t e l y o u op. cit. 101; W S . u) 4, 219. a.a.O. " ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 593; J a b e r g - J u d AJS. Karte 485. 1β ) S c h r ä d e r Reallex. 788. » ) R o l l a n d Faune 3, 235 f. 18 ) C o r t e l y o u op. cit. 108. ω ) R o l l a n d op. cit. 12, 125.

2. B i o l o g i s c h e s . Im Altertum glaubte man, die Sp. sei aus dem Blute eines Ungeheuers der Titanen, des Typhon oder der Gorgonen hervorgegangen Nach Megenberg 21 ) können Sp.n entstehen aus verfaulten Gegenständen, aus „gefaulten" Sonnenstäubchen und endlich aus dem Speichel, den der Mensch nach der Mahlzeit auswirft. Über das „Spinnen" sagt Megenberg 22 ) : Dieser Wurm, d. i. die Sp., besitzt die besondere Eigenschaft, aus seinen Därmen Fäden spinnen und Netze weben zu können, mit denen er die Fliegen fängt. Die Sp.n haben nämlich eine Wolle produzierende Kraft, durch die sie die Fäden hervorbringen. Häufig därmt sich die Sp. bei ihrem Spinnen so aus, daß nichts mehr in ihr bleibt und sie zugrunde gehen muß. Man sagt auch, die weibliche Sp. spänne und webte die Netze und die männliche fange die Fliegen damit. Weiters bemerkt Megenberg 23 ), die Sp. könne nicht verhungern, denn sie lebe von Säften und Feuchtigkeiten. Sie habe die Gewohnheit, sich an einem Faden über dem Kopf einer Schlange zu schaukeln. Strecke diese den Kopf in die Höhe, so beiße sie die Schlange so gewaltig, daß sie bis aufs Gehirn komme und sie so umbringe 24 ). Hinsichtlich ihrer Lebensweise heißt es bei Megenberg 25 ), sie mache nicht eher neue Beute als bis sie die vorher erlegte völlig aufgezehrt habe. Nach polnischem Aberglauben (Kujawien in Posen) gilt die Sp. gleich dem Salamander als unverbrennbar 26 ). Wirft man eine Kreuzsp. ins Feuer, so verbrennt sie nicht, sondern platzt auf, bekommt Flügel und fliegt davon 2 7 ). Sie gilt allgemein als giftig. Das Gift saugt sie aus den Blumen 2 8 ).

267

Spinne

Ihr Stich gilt als tödlich 29 ). Sie vergiftet das Hausgesinde, indem sie ihr Gift von der Zimmerdecke in die Suppenschüssel herabläßt 30 ). Schon im Mittelalter glaubte man von ihr, sie vergifte alle Speisen 31 ). Noch jetzt gelten in Westböhmen Speisen, die mit dem Saft der Sp. in Berührung geraten, als todbringend. Dem Tode geweiht ist auch, wer unmittelbar von diesem Saft berührt wird 32 ). Gifttränke, sog. „böse" Tränke, wurden noch im 17. Jh. aus einem Gemisch von Wein und Sp.n bereitet 33 ). Ebenso werden Kreuzsp.n wie Gift eingegeben 34 ). Fällt eine Sp. ins Wasser, muß es ausgeschüttet werden, da es durch die Sp. vergiftet wird 35). Eine Einschränkung erfährt der Aberglaube von der Giftigkeit der Sp. durch die Meinung, ihr Speichel sei nur im Sommer, in der Begattungszeit giftig 36 ). Umgekehrt soll der Speichel eines Menschen in nüchternem Zustand für die Sp. tödliches Gift sein37). Die Sp. (Kreuzsp.) kann aber auch wohltätig wirken, indem sie im Hause alles Gift an sich zieht und aus allem Gift saugt 38 ). Von den geistigen Fähigkeiten der Sp. hat das Volk eine gute Meinung. Nach dem bestiaire d'amour 39 ) übertrifft sie alle übrigen Tiere an feinem Taktgefühl. In den afrikanischen Volksmärchen spielt sie die Rolle des schlauen Fuchses 40 ). Sie fasziniert die Kröte 41 ), gegen die sie eine natürliche Abneigung hat 42), und ist eine Feindin des Seidenwurms43). Ihr Orientierungssinn gilt als unbeirrbar. Wirft die Bäuerin Sp.n zum Fenster hinaus, sagt sie: „Den nächsten Morgen sind sie wieder in ihrem Eck; sie kennen ihre Heimaf* 44 ). M ) K e l l e r Antike Tierwelt 2, 469. 21 ) Buch 22) Ebd. 23) Ebd. 24 ) Ebd. der Natur 250. ») Ebd. 2e) K n o o p Tierwelt 50 2 ') K l a p p e r Erzählungen 318, 18; BayHfte. 1, 249; DWb. 10, ι. 2509 f. 28) DWb. 10, I. 2510. 2e) Gomis Zoologia S. 443 Nr. 1736 (Tarragona); B o n n e r 30) B a u m g a r t e n j e a Superstitions 242. Aus 31) G e r h a r d t der Heimat ι, 122 f. Französische Novellen 73. 32) John Westböhmen 221. M ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 406. 34) S c h u l e n 35) burg Wend. Volksthum 124. Urquell 3>) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, ST. F. ι, 48. 37 3e 259. ) W ü s t e r Tiere 229. ) Grimm

268

Mythologie 3, 203; B i r l i n g e r Aus Schwaben ι, 400; B a u m g a r t e n op. cit. 1, 122 f.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259; A l p e n b u r g 40) K n o r t z Tirol 308. 3i ) W ü s t e r a. a. O. 41 ) S e l i g m a n n Blick Insekten 113. 1, 135. 42) B o n n e r j e a op. cit. 242; DWb. 10, 1, 2511. 44) ZfVk. 10, 48. «) DWb. 10, ι, 2508.

3. A n i m i s m u s und D ä m o n i s m u s . a) Seelenepiphanie. Als eigentliche Seelenepiphanie erscheint die Sp. selten. In Schwaben entschlüpft einem schlafenden Mädchen die Seele in Sp.ngestalt. Es ist wie tot, bis ihm die Sp. wieder in den Mund kriecht 45 ). Der Hexencharakter dieses Mädchens ist nicht ausgesprochen, in einer anderen Version ist jedoch ausdrücklich von einer Hexe die Rede 4e). b) Zauberei, Gottheit, Hexe 47 ). Die Vorstellung der Verwandlung weiblicher Wesen in Sp.n ist sehr alt. So wurde schon Arachne (griech. αράχνη „Sp.", siehe unter 1), die ehrgeizige Weberin der griechischen Sage, von der eifersüchtigen Athene, der Meisterin der Webekunst, in eine Sp. verwandelt 47 ). In Polen und Ungarn erscheint die ArachneSage christianisiert. An Stelle der Arachne trat Maria 48). In einer Schweizer Sage48) verwandelt sich die den Bauer verfolgende Sp. plötzlich in eine Jungfrau und führt ihn in eine schimmernde Grotte, die einer katholischen Wallfahrtskirche ähnelt. In Tirol zeigt sich der hilfsbereiten Bäuerin eine Sp. als wunderschöne Frau (Elfin) im Wochenbett und erweist sich ihr in der Folge wohltätig 80 ). Bei vielen Indianerstämmen gilt die Sp. als gütiges, helfendes Wesen, den Indianern Südamerikas erscheint sie als Sonne 61 ). Sie ist die Schöpferin von Mensch und Tier 52 ) und lehrt die Menschen die Kunst des Netzstrickens 52 ). Vielfach ist sie Totemtier. Ihr Gewebe bildet die Brücke zwischen Himmel und Erde B3). Bei den Kongonegern holt sie mit anderen Tieren das Feuer vom Himmel 54 ). Im Gegensatz zu dieser optimistischen Auffassung erscheint die Sp. häufig als verderbenbringendes Hexentier. In der Oberpfalz verhindert sie die Geburt 85 ). Bei den Wenden haben die Vampire die Gestalt von riesigen Sp.n 5e ). Nach japa-

269

27O

Spinne

nischem Volksglauben hausen gewaltige Sp.ndämonen in Erdlöchern S7). In Wallonien bringt eine Großmutter ihre Enkelkinder in Sp.ngestalt ums Leben 58 ). In der Wildg'fahrhöhle am Naturnser Sonnenberg lauert die riesige Totenkopfsp. Eindringende umspinnt sie mit ihren Fäden, die stark und fest wie Pferdeschweifhaare sind 59 ). Homöopathisch wird die Sp. gegen den bösen Blick verwendet β"). Als Liebeszauber dient sie, bzw. ihr Gespinnst bei den Wenden β1 ) und anderswo 62). H. H. E w e r s hat das Motiv der dämonischen Sp. meisterlich in seiner Erzählung „Die Spinne" verarbeitet e3) (In der Sammlung „Die Besessenen". München 1918). c) Zwerg, Kobold. Auch Zwerge nehmen nicht selten Sp.ngestalt an. Nach Grimm 6 4 ) bedeutet schwed. dwerg „Zwerg" und „Sp.". In der BasseBretagne gibt es nach dem Volksglauben Sp.n, die in der Nacht dick und groß werden und die Schlafenden erwürgen, auch nehmen sie zuweilen die Gestalt von Kobolden (lutins) an e s ). In Schlesien erscheint ein Berggeist als glühende Sp.66), wobei das Glühen deutlich auf den dämonischen Charakter des Tieres weist. d) Teufel. Die Sp. tritt in engste Beziehung zum Teufel, der gelegentlich auch ihre Gestalt annimmt®7). In Gleiwitz (Schlesien) heißt die Sp. der U n g e n a n n t e e8). Nach lettischer Sage läßt sich die Sp. an einem Faden in die Hölle hinab, um dem schlafenden Teufel das Feuer zu rauben 69 ). In slawischen Mythen tut sie dem Teufel Botendienste70). Wie Satan zur Sp. wurde, erzählt eine bulgarische Sage 71 ). Als die Geister, die sich gegen Gott empört hatten, von diesem aus dem Himmel vertrieben wurden, blieb einer in der Luft hängen und wurde zur Sp. Daher soll der Mensch, sieht er eine Sp., sie töten, denn er sündigt, läßt er Gottes Feind am Leben. In einer Emmentaler Sage 72 ) küßt der Teufel die Wange einer Frau und erzeugt dadurch eine schwarze Beule, aus der eine schwarze Sp. hervorkriecht. Nach dem Tode der Frau setzt sich die Sp. auf andere Personen, die sämtlich schwarze Beulen (d.

1. die Pest) empfangen. Schließlich wird die Sp. in einen Balken verpflöckt (Vgl. G o t t h e l f s Erzählung „Die schwarze Sp.") 7 3 ). Von der Verpflockung des Teufels in Sp.ngestalt ist auch in einer Appenzeller Sage die Rede 74 ). Sieht man auf dem Körper des Sterbenden eine Sp., so ist dies der Teufel, der Gott die Seele strittig macht (Naintré) 7S ). Als dämonischer spiritus familiaris wird die Sp. in einem Glas gehalten 76). L a n d t man 77) konstruiert Beziehungen der Sp. zu dem Gotte Loki, dem altnordisch-heidnischen Vorläufer Satans. Auf der Wesensgleichheit von Teufel und Sp. beruht auch der schwäbische Volksglaube 78 ), der Teufel verstehe sich aufs Spinnen. 45

) M e i e r Schwaben 184; T o b l e r Epiphanie

16 38. ) Meier ebd.; Cock Volksgeloof 147. 4e ") SAVk. 26, 75. ) D ä h n h a r d t Natur-

sagen 2, 253.

49

) Rochholz

Sagen 1, 248.

) H e y l Tirol 30 Nr. 34; Z i n g e r l e Sagen 330 Nr. 681 ; T o b l e r Epiphanie 76. 51 ) SAVk. 26, 5a 58. ) K n o r t z Insekten. » ) Ders. op. M cit. 113. ) D ä h n h a r d t op. cit. 3, 1, S. 106.

60

5S

M

)

Oberpfalz 1,

Schönwerth

) V e c k e n s t e d t Sagen 354.

Weltanschauung 6 6 .

3. 3 3 1 ·

59

207 57

Nr. 17.

) Bertsch

) Sébillot

Folk-Lore

) A l p e n b u r g Tirol 70.

®°) Ur-

quell 4, 211. Volksth. 160. 26, S. 69—76.

6S

S c h u l e n b u r g Wend. 63 « ) ZfVk. ι, 182. ) SAVk. 61

2

64)

)

Mythologie 3, 203.

65

) Sébil-

l o t FolkLore 3, 331. ββ) D r e c h s l e r 1, 170. ·') Wolf Beiträge 2, 457; G e r i n g Aeventyri ββ ββ 2, 81. ) SAVk. 26, 671. ) Dähnhardt Natursagen 1, 1, 144.

70

) o p . c i t . 3, 40, 498.

) op. cit. ι, 135. ") SAVk. 25, 51 f.; 26, 641. ") SAVk. 26, S. 59—69. 74) B o l t e - P o l i v k a

71

2,414.

75

) R o l l a n d Faune 12, 136. " ) A m e r s -

b a c h Grimmelshausen 2, 60.

7, 727 ff.

78

77 )

Folkdiktning

) B i r l i n g e r Volksth. 1, 269.

4. K r a n k h e i t s d ä m o n . a) Pest. Schon im Altertum galt das häufige Vorkommen von Spinnweben für ein Zeichen der drohenden Pest 79 ). Auf eine solche deutet noch jetzt das Vorhandensein einer Sp. in einem Gallapfel 80 ). Mit der in eine Linde gebannten Pest vergleicht sich die eingezapfte und wieder losgelassene Sp., die auch als ein „Sterbet" im Lande herumläuft 81 ). H o f f m a n n - K r a y e r vermutet 82), daß die Emmentaler Sage von der schwarzen Pest 83 ) nach G o t t h e l f s Erzählung „Die schwarze Sp." umgebildet worden sei. b) Sp. im und am menschlichen Körper. Der Glaube an eine Gehirnsp., die Wahn-

271

272

Spinne

sinn hervorruft, ordnet sich der allgemeinen Vorstellung unter, daß durch das Vorhandensein von Insekten im menschlichen Hirn die geistigen Funktionen gestört werden M ). Die imaginäre Hirnsp. findet sich bei Franzosen, Deutschen und Engländern 85). Einen Niederschlag dieses Volksglaubens bietet die Phraseologie der betreffenden Sprachen. Deutsch: jemandem eine Sp. in den Kopf setzen. — Franz. : avoir une araignée dans le plafond, eine Sp. an der Zimmerdecke haben. — Engl.: to have got cobwebs in ons's brain, Spinnweben in seinem Hirn haben. Das Motiv der Hirnsp. hat P i e r o G i a c o s a in seiner phantastischen Erzählung II ragno ed il professore8β) behandelt (in dem Buche: Specchi dell'enigma, Milano 1916). Von einer dämonischen Riesensp., deren bloßer Anblick den Menschen um den Verstand bringt, berichtet Höfler 87 ). Vgl. die Erzählung von Erckmann-Chatrian: L'araignée crabe 88) (in Contes fantastiques. Paris 1881). Daß im Pariser Volksglauben Sp.n, die den Frauen während des Schlafes in den Mund kriechen, Unterleibsleiden hervorrufen, geht aus einer Stelle bei Zola: Une page d'amour S. 396 89) hervor. Juckende oder kitzelnde Hautempfindungen haben zur Vorstellung von riesigen Sp.n geführt, die am Leibe des Schlafenden emporkriechen " ) . c) Ausschlag. Eine über den Mund krabbelnde Sp. erzeugt nach Schweizer Volksglauben Blasen an den Lippen 91 ) (Vgl.rumän. riie „Sp." > „Krätze" 9 2 )). Läuft sie über das Auge, so entzündet es sich (Anhalt) 93 ). '») K e l l e r Antike Tierwelt 2, 469. eo) Grimm Mythologie 3, 471 Nr. 968. 81) Ders. op. cit. 3, 347; SAVk. 18, 82. 82) SAVk. 25, 51. «) SAVk. 25, s. 51—53. M ) WS. 7, 129. "5) R i e g l e r Tier 278. ««) SAVk. 26, S. 76—82. 87) Krankheitsnamen s. v. Spinne; SAVk. 26, 74. e8) SAVk. 26, S. 81—86. ») SAVk. 26, 79. 91 ) SAVk. •0) SAVk. 26, 79. 10, 341. ·*) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 593. ,3 ) W i r t h Beiträge 4—5, S. 37.

5. Sp. als O r a k e l . Ihrem dualistischen Wesen entsprechend gilt die Sp. bald als wohltätig, bald als bösartig. Ob sie Gutes oder Böses bedeutet, hängt oft von der Zahl der Individuen ab. So gilt nach englischem Aberglauben eine einzelne Sp.

als schlechtes Zeichen (Sorge), zwei oder drei bedeuten etwas Gutes (Frohsinn, Hochzeit), vier sind ein Todeszeichen: One for sorrow — two for mirth Three for a wedding — four for death

M).

Die Sp. kann prophezeien und wird daher wie éin Orakel befragt. Dies geschah schon im Altertum, wovon Beispiele bei H o p f 9 5 ) , wo auch von den Sp.norakeln südamerikanischer und australischer Stämme die Rede ist 9S ). Aus deutschem Gebiet liegen zahlreiche Beispiele vor. Auf den Bettstollen eines Sterbenden gesetzt, verrät sie aus der Richtung, in die sie läuft, ob der Verscheidende noch ein Erbe besitzt und wo er es verborgen hat98). Der Getreidepreis im Herbste wird hoch oder niedrig sein, je nachdem die Sp. ihr Gespinnst hoch oben unter der Ähre oder tiefer unten um den Halm angesetzt hat (Arensdorf, Quellendorf) " ) . Über die etwas komplizierte Art und Weise, wie man mittels einer Sp. einen Dieb entdeckt, berichtet John 98 ). Eine Sp., die sich vor jemandem herunterläßt, bedeutet eine Nachricht oder eine Neuigkeit 99 ). Sonst bedeutet Sp.nangang Besuch 100 ). M ) R o l l a n d Faune 95) 3, 242. Tierorakel M ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 119. " ) ZfVk. 223. i8 ) Westböhmen 323. 7, 150. ·») H o v o r k a u. K r o n f e l d i, 401; Wolf Beiträge 1, 249. 10°) John Erzgebirge 33; F o g e l Pennsylvania 80 Nr. 288 f.; 95 Nr. 384.

6. G u t e s Omen, a) allgemein. Es ist begreiflich, daß die Kreuzsp. wegen des Kreuzeszeichens auf dem Rücken in hohem Ansehen steht 101 ) und im allgemeinen als glückbringend gilt 102 ). Vielfach wird sie für heilig gehalten (Tirol, Pfalz) 103 ), in Tirol heißt sie M u t t e r g o t t e s t i e r c h e n 1M ). Aber auch die Haussp. gilt oft als ein gutes Omen 105 ). Ganz besonders bedeuten kleine Sp.n Glück l o e ). Die jungen Sp.n werden vom Volke für eine eigene Art gehalten und G l ü c k s s p . n — westf. glücksköbbekes 107) — genannt 108 ). Häufig ist die Farbe maßgebend: weiß 109 ), rot 110 ) oder schwarz 111 ). Im Erzgebirge ruft man der Sp. zu: Bringst du Glück, so bleibst du stehen, Bringst du keins, so kannst du gehen 112 ). i01) Wolf Beiträge 1, 457. 102) B o h n e n b e r g e r

Spinne

273

Nr. ι , S. 22; L ü t o l f Sagen 360; ZfdMyth. 2, 420; R e i s e r Allgäu 2, 438; R o s e g g e r Steiermark 62; B a u m g a r t e n Aus der Heimat i , 122 f. 103 ) ZfdMyth. ι , 201 f.; W u t t k e S. 1 1 3 1M § 150; SAVk. 26, 56. ) Wuttke a.a.O. 105 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 183; Manz Sargans 120; D r e c h s l e r 2, 219; W u t t k e S. 206 1M § 283; S. 307 § 451. ) Wolf Beiträge 1, 233; B a r t s c h Mecklenburg 2, 183; V e r n a l e k e n Alpensagen 345 Nr. 1 1 ; ZfVk. 20, 383. 107 l0e ) K u h n Westfalen 2, 79 Nr. 240. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 183; G r i m m Mythologie 2, 951; Cock Volksgeloof 148; G e r h a r d t Französische Novelle 73. los ) ZfVk. 20, 383. 110 ) B a r t s c h op. cit. 2, 183; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 27. l u ) Ebd. 1 1 2 ) J o h n Erzgebirge 239; K ö h l e r Voigtland 290; R i e g l e r Tier 278.

b) Nach der Tageszeit. *) Morgen und Mittag. Verhältnismäßig selten gilt die Sp. morgens oder vormittags als gutes Omen 11S ) ; eher ist dies der Fall zu Mittag" 4 ).

113 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 184; M e y e r Baden 5 1 5 ; K ö h l e r Voigtland 357. 390; F o g e l Pennsylvania 1 1 6 Nr. 446. l u ) D i r k s e n Meiderick 49 Nr. 7; ZfVk. 4, 326; J o h n Erzgebirge 239; E n g e l i e n u. L a h n 278 Nr. 238: „Freuden u. Geldsack".

ß) Abend. Ein ausgesprochenes Glücksomen ist die Sp. am Abend: franz. : fläm.:

Sp. am Abend, erquickend und labend; araignée du soir, bon espoir;

s'avonds min (Liebe) U 5 ) . ) ZfVk. 4, 82; 4, 326; 10, 2 1 1 ; 20, 383; 23 283; P o l l i n g e r Landshut 168; Wolf Beiträge 2, 457 f.; K u h n Märk. Sagen 385 Nr. 69; J o h n Westböhmen 222; S c h r a m e k Böhmerwaldbauer 245; E n g e l i e n u. L a h n 278 Nr. 238; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 27; Urquell 1, 64; 3, 107; ZfwVk. 1905, S. 206 (Nahetal); M a n z Sargans 120; B o h n e n b e r g e r Nr. 1, S. 22; M e y e r Baden 5 1 5 ; J o h n Erzgebirge 239; W u t t k e S. 206 § 283; SAVk. 3, 4 1 ; 10, 38; R e i s e r Allgäu 2, 427; G r o h m a n n Aberglaube 84; ZföVk. 13, 1 3 3 ; D i r k s e n Meiderich 49 Nr. 7; Unoth 1, 182, 186; J o h n Oberlohma 164; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259; Germania 20, 355; W i r t h Beiträge 4/5, S. 37 (Anhalt); Hopf Tierorakel 224. 115

c) Art des Umgangs. Vielfach herrscht die Auffassung vor, die Sp. müsse, um ein gutes Omen zu sein, mit dem Menschen irgendwie in Berührung kommen, so z. B. über das Kleid kriechen 1W ), an ihm hinauflaufen 117 ), oder sich auf ihn von der Decke herablassen 11S ). In Ober-

274

österreich gilt es als besonderes Glückszeichen, läuft einem eine Sp. auf dem Kopf u *), in Steiermark, wenn sie einem über die Brust gegen das Herz kriecht 12 °). Um Glück zu haben, läßt man sich die Sp. dreimal über die Hand laufen 1 2 1 ). Auch eine Sp. auf dem Spinnrocken macht wenigstens für einen Tag glücklich 122 ).

lle ) G r i m m Mythologie 3, 439 Nr. 134; B a r t s c h Mecklenburg 2, 183; ZfdMyth. 3, 3 1 1 ; P a n z e r 1, 264; S e e f r i e d - G u l g o w s k i Kaschubei 180; H e y l Tirol 786 Nr. 1 3 3 ; Urquell 2, 48; Wolf Beiträge 1, 233; 2, 457; Unoth 181 (Schaffhausen); W u t t k e S. 266 § 283; Leithaeuser Volkskundliches 1/2, S. 34. 1«) ZfVk. 20, 383; J o h n Erzgebirge 239; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 122 f.; H e y l Tirol 786 Nr. 1 3 3 ; W u t t k e S. 206 § 283. 118 ) Wolf Beiträge 1, 233; 2, 457; ZfVk. 10, 2 1 1 ; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 27; Rolland Faune 3, 240. 1 1 B ) B a u m g a r t e n op. cit. 1, 12 m 122 f. °) R o s e g g e r Steiermark 62. ) John 122 Erzgebirge 239. ) M e y e r Aberglaube 135.

d) Geld. Das Glück, das die Sp. bringt, besteht gemäß der materialistischen Denkweise des Volkes in Mehrung von Hab und Gut. Kommt eine Sp. ins Zimmer 123 ), fällt sie einem plötzlich auf den Arm m ) oder sieht man sie spinnend 125 ), so bedeutet dies Geld. In Frankreich gilt derselbe Aberglaube 12β ). In England heißt eine kleine Art goldig gefärbter Sp.n (aranea scenica) money spider. Schwingt man sie dreimal um den Kopf und steckt sie dann in die Tasche, wird sich diese bald mit Geld füllen 127 ). Auch zeigt diese Sp. an, wo Gold zu finden ist 1 2 S ). " 3 ) SAVk. 8, 268. 1 M ) Rogasener Familien125 blatt 3, 22. ) Wolf Beiträge 1 , 248, 249. " · ) op. cit. 2, 457. " ' ) R o l l a n d Faune 3, m 240; B o n n e r j e a Superstitions 170. ) op. cit. a. a. O.

e) Lotterie. Häufig dient die Sp. als Orakel beim Lotteriespiel. Man sperrt das Tier in ein Glas, eine Schachtel, ein Kästchen, einen ungebrauchten Topf und legt die 90 Nummern des Zahlenlottos dazu. Diejenigen Nummern, die die Sp. umspinnt, werden in der nächsten Ziehung gezogen 1 2 i ). Ähnlich ist ein in der Picardie ""J geübter Brauch, um im Spiele Glück zu haben (Vgl. das ital. Sprichwort: Ragno -porta guadagno). Man verschließt eine Sp. in eine Schachtel und wartet, bis das Insekt zu Staub zerfällt. Diesen streut man dann auf die Karten

275

Spinne

276

und ist seines Glückes im Spiel sicher. Ein freitag soll der Stall von Sp.n gesäubert ähnliches Motiv benützt T h e u r i e t in werden (Ellwangen) 1 4 3 ). Sie schützt seiner Skizze „L'araignée" 1 3 1 ) (Aus der ferner gegen Hexen (Pfalz, Schwaben, Sammlung „Contes de la primevère". Pa- Tirol) 1 4 4 ) und hält den Hagel a b 1 4 5 ) . ris 1897). Eine Kreuzsp. im Gewehrlauf hindert das 1M ) ZfdMyth. 2, 423; ZföVk. 3, 12; L a u b e Losgehen des Schusses 14e ). In geschichtTeplitz 50; Wolf Beiträge 1, 249 f.; 2, 457; lichen Anekdoten spielt die Sp. die Rolle G r o h m a n n Aberglaube 85; J o h n Westböhmen 221, 255; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, einer Beschützerin von Flüchtlingen. Sie 122 f.; Schramek Böhmerwaldbauer 245; überzieht die Höhle, in der sich ein VerUnoth ι, 182, 186; B i r l i n g e r Volksth. 1, folgter (z. B . Mahomet) versteckt hat, 338; H e y l Tirol 786 Nr. 183; H o p f Tiermit ihrem Gewebe 1 4 7 ). orakel 225. 130 ) K o l l a n d Faune 12, 134. 131 ) 140 ) D r e c h s l e r 2, 219; Reiser Allgäu 2, SAVk. 26, 82 f. 438; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259; W u t t k e f) Verwandlung in Geld und dgl. Auch S. 113 § 150; S. 304 § 448; Meier Schwaben unmittelbar spendet die Sp. Schätze. Bis ι, 221. 111 ) R o l l a n d Faune 3, 240.142) ZfdMyth. I43 3 weit ins 18. J h . hinein läßt sich der Aber- I, 236. 144 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft Nr. S. 14. ) S e l i g m a n n Blick 2, 132. 14S) glaube verfolgen, eine in eine Schachtel 14 E b e r h a r d t op. cit. Nr. 3, S. 4. ') R e i t e r e r gesperrte Kreuzsp. verwandle sich nach Ennstalerisch 50. 147) SAVk. 8, 301; B o n einer gewissen Zeit (6 bis 7 Jahre) in nerjea Superstitions 241. Gold oder Edelstein 1 3 2 ). j) Sp. nicht töten. Nach dem Vor132 ) K e l l e r Grab 5, 89; P a n z e r Beiträge i, gebrachten ist es begreiflich, daß nahezu 268; W u t t k e S. 113 § 150; K ü h n a u Sagen 2, 5. im ganzen deutschen Sprachgebiet die g) Befreiung vom Militärdienst. Wer Sp. als unverletzlich gilt. Wer eine Sp. eine Kreuzsp. bei sich trägt, wird nach tötet, heißt es, töte sein Glück 14S ). Die Hettinger Volksglauben frei vom MilitärHausfrau entfernt wohl das Sp.ngewebe an dienst 1 3 3 ). In den Departements Loireder Wand, das Tier selbst aber tötet sie et-Cher, Deux-Sèvres, Gironde wurde den nicht 1 4 S ). Eine Wöchnerin soll keine Rekruten, bevor sie zur Auslosung gingen, Kreuzsp. töten, sonst gerät ihr kein ohne daß sie davon wußten, eine lebende Hefenzeug 150 ). Die Sp. darf nicht nur Sp. in das Westenfutter genäht, damit sie nicht getötet, sie darf auch nicht vereine gute Nummer zögen. Ähnliches getrieben werden 1 S 1 ). Ganz vereinzelt das 134 schieht in Lothringen ). Gegenteil: Das Töten einer Sp. bringt 133) Meyer Baden 239. 134) S é b i l l o t 3,309. Glück 1 5 2 ), verhütet Unglück 1 5 3 ). h) Freier (s. auch „Spinngewebe"). 148 ) Grimm Mythologie 3, 437 Nr. 76; Vorzugsweise deutsch ist der Volksglaube, B a r t s c h Mecklenburg 2, 183; B o h n e n b e r g e r die Sp. im Haus bedeute einen Freier 1 3 5 ), Nr. ι, 22; J o h n Erzgebirge 2, 39; K ö h l e r Voigtland 390, 423; E n g e l i e n u. Lahn 278; wohl deshalb, weil eine Braut besonders Wolf Beiträge 2, 457; ZföVk. 3, 12; B a u m fleißig spinnen und weben muß 1 3 6 ). Daher g a r t e n Aus der Heimat 1, 122 f.; ZfrwVk. nennt man auch das Sp.ngewebe überdem 1 9 1 4 , 8 . 2 6 5 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 3 1 ; 137 Bett den H e i m a t s b r i e f ) , tschech. Rogasener Familienblatt 3, 22; Germania 20, 355; F o g e l Pennsylvania 99 Nr. 403; Meyer •psanicka „Briefchen" 1 3 8 ), im Ndd. BrutGerm. Myth. 113; ZföVk. 13, 99; 13, 133; laken oder Brutsleier (Brautlaken, Braut- G r o h m a n n Aberglaube 85; J o h n Westböhmen 14e schleier) 1 3 9 ). 221; W u t t k e S. 113 § 150. ) J o h n Erz13e 151 ) Grimm Mythologie 3, 203; A n d r e e gebirge 239; Westböhmen 221. 15°) Ebd. ) 13e 162 Braunschweig 296. ) K ü c k Lüneburger ZfVk. 3, 41. ) Wolf Beiträge 1, 249. 1S3 Heide 156a. 137) Germania 20, 355. 138) Groh) F o g e l Pennsylvanieη 84 Nr. 316. m a n n Aberglaube 85. 13 ·) K ü c k a. a. O. 7 . B ö s e s Omen, a) Allgemeines. Abi) Schutzmittel. Vereinzelt findet sich der Glaube, die Sp., namentlich Kreuzsp., weichend vom heutigen Aberglauben erschütze das Haus gegen Blitz 1 4 0 ). Ebenso schien den Alten die Sp. nie als gutes 154 wird sie im Stalle gern gesehen 1 4 1 ), denn Omen ). Träume von Giftsp.n galten als schlechtes Vorzeichen 1 5 5 ). Im modersie bewahrt das Vieh vor Krankheit 142 (Tirol) ), indem sie die giftigen Stoffe nen Volksglauben überwiegen zwar die aus der Luft an sich zieht. Nur am Kar- Fälle einer günstigen Deutung des Sp.n-

277

Spinne

angangs, doch scheint die freundliche Auffassung der Sp. erst durch das Christentum (Kreuzsp. = Kreuzträgerin) Eingang gefunden zu haben. Die immerhin zahlreichen Fälle einer ungünstigen Deutung des Angangs scheinen Überbleibsel einer altheidnischen Auffassung. So gilt die Kreuzsp. nicht selten als unglückbringendes Tier 15e ), wenn man ihr unversehens begegnet 157 ), sie gar berührt oder in die Hand nimmt 158 ). Doch heißt es ausdrücklich: Spinnt eine Kreuzsp. über einer Haustüre ein Gewebe, so bedeutet dies Glück für das Haus, ist es aber eine andere Sp., so ist das Gegenteil der Fall 1 5 9 ). 1M 165 ) K e l l e r Antike Tierwelt. ) Ebd. " « } ZfdMyth. ι , 201 f.; K e l l e r Grab d. Abergl. 5. S. 4. " ' ) W i r t h Beiträge 4/5, S. 37. 168 ) S t o 11 Zauberglauben 135. 1 5 e ) S A V k . 2, 281.

b) Am Morgen. Häufig richtet sich das Omen nach der Tageszeit. Gilt die Sp. am Abend meist als günstiges Vorzeichen (s. oben), so ist sie des Morgens, bzw. vormittags ein böses Omen160) : Sp. am Morgen, Kummer und Sorgen, franz. araignée du matin, chagrin. Daher töten die Juden die Sp. am Morgen 161 ).

leo ) G r i m m Mythologie 2, 9 5 1 ; Unoth 1, 182, 186; W o l f Beiträge 2, 457/58; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 122 f.; K u h n Mark. Sagen S. 385 Nr. 69; M a n z Sargans 120; P o l l i n g e r Landshut 168, B o h n e n b e r g e r Nr. 1, S. 22; J o h n Oberlohma 164; J o h n Erzgebirge 239; Westböhmen 2 2 1 ; Schramek Böhmen 245; G r o h m a n n Aberglaube 84; Egerl. 5, 3 4 ; S t r a c k e r j a n 1, 27; E n g e l i e n u. L a h n 278 Nr. 238; M e y e r Baden 5 1 5 ; W u t t k e S. 206 § 283; ZfrwVk. 1905, S. 206; ZföVk. 13, 1 3 3 ; Alemannia 2 0 , 3 5 5 ; 2 5 , 4 6 ; ZfVk. 4,82; 4, 326; 10, 2 1 1 ; 20, 3 8 3 ; SchwVk. io, 38; Urquell 2 , 6 4 ; 3, 104; K ö h l e r Voigtland 390 (zehnte Vormittagsstunde); H e i s e r Allgäu 2, 427; D i r k s e n Meiderich 49; SchwVk. 3, 41 (franz.); R o l l a n d Faune 3, 2 4 1 ; W i r t h Beiträge 3 4, S. 3 7 ; H o p f Tierorakel 224; R i e g l e r Tier 278. i " ) ZfVk. 23, 383.

c) Am Nachmittag, Abend, nachts. Selten gilt die Sp. zu anderen Tageszeiten als schlechte Vorbedeutung: so am Nachmittag 162 ), am Abend 163 ), zur Nachtzeit 1 M ). le2 ) M e y e r Baden 5 1 5 ; K ö h l e r Voigtland le3 390. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 184. 1M ) K ö h l e r op. cit. 389.

d) Färbung und Laufrichtung. Zuweilen ist für die Beurteilung des Angangs die Färbung maßgebend: eine schwarze

278

Sp. bedeutet Trauer l e s ), eine weiße Tod 1 β β ) oder es wird die Laufrichtung beobachtet: Unglück bedeutet es, läuft die Sp. von einem fort 1 β 7 ) oder an einem herum 1ββ). Ebenso ist es ein schlechtes Zeichen, läßt sie sich an einem Menschen herab 169 ). 1,5 ) Urquell 1 , 7. 1ββ ) F o g e l Pennsylvania 115 Nr. 503. " ' ) W u t t k e S. 206 § 283. 188 ) M e i e r Schwaben 1, 221 f. 1ββ ) J o h n Erzgebirge 283; Rogas. Familienblatt 4, 40; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 1 2 2 f.

e) Tod. Läuft die Sp. über das Bett eines Kranken oder an der Wand bei ihm hin, so zeigt sie dessen Tod an 17°). Einen Todesfall bedeutet es auch, wenn sich eine Sp. in der Milch findetm). 17 °) W o l f Beiträge 2, 4 5 7 ; H ö h n Tod Nr. 7, S. 3 1 4 ; M e i e r Schwaben 1, 221 f.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259; W u t t k e S. 206 § 2 8 3 ; H o p f Tierorakel 224; G o m i s Zoologia S. 443 m Nr. 1 7 3 5 . ) S A V k . 2, 218.

f ) Zank. Auf der richtigen Beobachtung, daß die Sp.n untereinander sehr unverträglich sind und sich gegenseitig aufs heftigste bekämpfen 172 ), beruht der Volksglaube, eine große Sp. bedeute Zank 1 7 3 ). Vgl. span, aranero „störrisch" (Jagdterminus) 174 ), dial, franz. aragneux (Mayenne) „zänkisch" 17S ). Auch altfranz. hargner „zanken", hargneux „zänkisch" gehören hierher 176 ). Ein Heranziehen von fränk. harmjan „plagen" 1 7 7 ) ist wohl nicht nötig.

172 173 ) R i e g l e r Tier 277. ) W o l f Beiträge ι, 2 3 3 ; W u t t k e S. 2 1 6 § 2 8 3 ; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 1 1 8 . 1 7 4 ) R i e g l e r Tier 1 7 7 ; " s ) S a i n é a n Etym. franç. 1, 1 1 3 . " · ) R o l l a n d Faune 3, 238; R i e g l e r Tier 2 7 7 ; S a i n é a n op. cit. ι , 1 1 2 . 1 7 7 ) W a r t b u r g FEWb. ι, 121.

8. Wetterprophezeiungen. Sp.n gelten allerorten als Wetterpropheten17β). Erwähnt sei die auf Wissenschaftlichkeit Anspruch erhebende Untersuchung über die meteorologische Bedeutung der Sp.n von dem Franzosen Quatremer d ' I s j on v a l , erschienen in gekürzter Übersetzung von J o s . Schmid (München 1801), kurz besprochen bei H o p f 1 7 e ) .

1,e ) J o h n Westböhmen 2 2 1 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259; ZfrwVk. 1 9 1 4 , S. 265; B a r t s c h Mecklenburg 2, 184; C o c k Volksgeloof 149. 17 ») Tierorakel 221 fi.

a) Schönwetter. Wenn die Kreuzsp. mitten in ihrem Netze sitzt 18°) oder fleißig

Spinne

279

daran webt 1 8 1 ), ist es ein Zeichen von schönem Wetter. 18°) M ü l l e r Isergebirge 15; Z f V k . 10, 2 1 z ; M a n ζ Sargans 120; Rogasener Familienblatt 4, 17; B a r t s c h Mecklenburg 2, 209; M e i e r ul) Schwaben 1, 221; L a u b e Teplitz 45. S c h r a m e k Böhmerwaldbauer 250; M e g e n b e r g Buch der Natur 250; B a r t s c h op. cit. 2, 206; Rogasener Familienblatt 4, 17; H o p f Tierorakel 222.

b) Regen. Verhält sich die Sp. still 182 ), läßt sie sich auf den Boden herab 183 ), ist ihr Gewebe naß 184), sammelt sie Speisen und Vorräte 185 ), besagt es Regen. Im Sarganser Land deutet es auf Niederschläge, wenn große Sp.n herumkriechen 18e), wie überhaupt mancherorts unruhige Sp.n als Zeichen eines höchst ungünstigen Witterungswechsels gelten 187 ). Je weiter sich die Sp. von ihrem Zufluchtsorte entfernt, desto unbeständiger wird das Wetter sein 188). Sitzt die Sp. mürrisch im Winkel, bedeutet dies schlechtes Wetter 189 ), bei P l i n i u s (XI c. 24) jedoch das Gegenteil 190 ). In Böhmen fängt es an zu regnen, wenn man eine Kreuzsp. t ö t e t m ) . 182 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 250; S c h r a m e k Böhmerwaldbauer 250. m ) M e i e r l M Schwabena.&.O.'Rolla.nàFaune-ì, 242. ) F o g e l 1S5 ) Rogasener FamilienPennsylvania 228. blatt 4, 17. 1 M ) M a n z Sargans 120. " ' ) Z f V k . 1ββ ) Rogasener Familienblatt 4, 17. 4, 82. lm) Bartsch Mecklenburg 2, 206. l i 0 ) H o p f m ) Tierorakel 221. S c h r a m e k Böhmerwaldbauer 245.

c) Sturm. Zerreißt eine Sp. ihr Netz 192 ), so gibt es Sturm. Ebenso, wenn sie am „Rande des Netzes" sitzt 193 ). Eine Änderung in der Windrichtung tritt ein, wenn eine Kreuzsp. ihr Netz verläßt und anderswo ein neues spinnt 194 ). 1 K ) Rogasener Familienblatt 4, 1 7 ; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 122 f.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 184; H o p f Tierorakel 222. 1 M ) Rogasener Familien" 3 ) Z f V k . 10, 241. blatt 4, 17.

d) Gewitter. Läuft eine Kreuzsp. plötzlich aus ihrem Netz weg und verbirgt sich, so ist ein Gewitter im Anzug 195 ). 1,s)

Rogasener Familienblatt 4, 17.

e) Frost und Tauwetter. Webt eine Haussp. ihr Netz in der Nähe des Ofens, steht Frost bevor 196 ). Tut sie dies nahe beim Fenster, tritt Tauwetter ein 197 ). " · ) Rogasener Familienblatt 4, 22. " ' ) Ebd.

9. V o l k s m e d i z i n .

In der Heilkunst

28ο

spielen Gifte eine große Rolle, daher gilt im Volksglauben die Sp. wegen ihrer vermeintlichen Giftigkeit als Heilmittel. Bezeichnenderweise tritt sie in einem Kameruner Tiermärchen als Arzt auf 198 ). a) Verwendungsarten. Man kennt verschiedene Verwendungsarten. Man läßt die Sp. über die Hände laufen 199 ), legt sie auf 800), zerquetscht sie 201 ), verschluckt sie 202), nimmt sie mit ö l 203), in gedörrtem Zustand 204), als Pulver 205), trägt sie in einer Nußschale 206), in einer entkernten Pflaume 207), in einem Beutelchen 208 ), in einem Fingerhut 209). Man bereitet ferner aus Sp.n ein Pflaster 210 ) oder mit ölzusatz eine Salbe 211 ). Auch sperrt man sie in ein Schächtelchen, worin sie sich im Laufe von sieben Jahren in einen Stein verwandelt, der als Gegengift und sonstiges Heilmittel verwendet wird 212 ). 1,e) D ä h n h a r d t Natursagen 3, 1, S. 343 f. 20°) "») J ü h l i n g Tiere 96. op. cit. 97. soi) F o g e l Pennsylvania 302 Nr. 1598. w 2 ) H o 203 v o r k a u. K r o n f e l d 2, 16. ) Alemannia 2, 139· "*) H ö h n Volksheilkunde 1, 94. «») H o v o r k a u. K r o n f e l d i , 259. **) H ö h n op. cit. ι , 107. M 7 ) ZfökVk. 13, 131. m ) H u l m e 2M ) F o g e l Natural History 308. Pennsylvania 21 °) H o v o r k a u. K r o n f e l d 387 f. Nr. 1793. 2U) L a m m e r t 212 ) I, 400. 196 3 . Mülh a u s e 74; D r e c h s l e r 2, 219, 220; K i i h n a u Sagen 2, 5; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 401.

b) Gegen äußere Krankheiten. Die Sp. ist gut gegen Geschwüre („bösen" Finger) 213), Nasenbluten 214 ), Krebs 215 ), Kröpf 21 «), Zahnweh 217 ), Augenleiden218). 213 ) L a m m e r t 196 3 ; J ü h l i n g Tiere 96; Z a h l e r Simmenthai 48; F o g e l Pennsylvania 214 ) J ü h l i n g op. cit. 96, 97. 302 Nr. 1598. 2ls) 2 l e M ü l h a u s e 74. ) S A V k . 14, 271 217 ) (Zigeuner). Unoth 1, 186 Nr. 119. 21β ) J ü h l i n g op. cit. 97; H o v o r k a u. K r o n f e l d I, 418 f.; S e y f a r t h Sachsen 187; ZföVk. 9. 215; W u t t k e S. 326 § 485; S. 349 § 524; L a m m e r t 229.

c) Gegen innere Krankheiten. In Fällen von Vergiftung schluckte man als Gegengift Sp.n, da man glaubte, sie saugten das Gift auf 2 1 9 ). Dies wird ζ. B. von P a r a c e l s u s berichtet 220). Vielfach wird die Sp. bei innerlichen Krankheiten verwendet 221), namentlich wenn diese ansteckend sind 222). Allgemein dient die Sp. (Kreuzsp.) zur Bekämpfung des Fiebers 223). Außerdem wird sie angewendet gegen Schwindsucht 224), Hart-

spinnen—Spinngewebe

leibigkeit 225 ), Blattern 226 ), Gelbsucht 227 ), Keuchhusten 228), Rheumatismus 2 2 β ). 21») ZfVk. 8, 178; SAVk. 2, 281. "0) W a i b e l u. F l a m m 2, 320; L ü t o l f Sagen 201. 2 2 1 )ZföVk. 222) H u l m e Natural history 279. 13, 131. 2M ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 140. 143 f. 259. 400. 418 f.; 2, 108. 323. 336; H e y l Tirol 787 Nr. 143; S c h m i d t Kräuterbuch 39 Nr. 14; ZfdMyth. 3, 102; G r o h m a n n 165 f.; Rogasener Famblatt 1, 40; A l p e n b u r g Tirol 390; F o g e l Pennsylvania 296 Nr. 1564; J ü h l i n g Tiere 96, 97; R o l l a n d Faune 3, 239; W u t t k e S. 113 § 150; S. 326 § 485; S. 335 § 499; S. 353 § 529; S t r a c k e r j a n Oldenburg ι, 182; 2, 176; S e y f a r t h Sachsen 187; ZfrwVk. 1905, S. 289; ZfVk. 8, 178; A l p e n b u r g Tirol 390; G e r h a r d t Französische Novelle 73; R o l l a n d Faune 3, 239 (Basses-Alpes) ; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 122 f.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 106 f.; S t a r i c i u s 522 f.; W i r t h Beiträge 4/5 S. 37; H ö h n Volksheilkunde 1, 107. 2M ) op. cit. ι , 94. 225) J ü h l i n g Tiere 97; Alemannia 2, 139; L a m m e r t 191. 22e) D e r s . 227) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 110; 229. L a m m e r t 248; J ü h l i n g op. cit. 97. 22β) F o g e l Pennsylvania 337 Nr. 1793 f.; S. 338 ff. Nr. 1800; 22s ) S e y f a r t h H u l m e Natural history 308. Sachsen 187.

d) Tierarzneikunde. Auch in der volkstümlichen Tierarzneikunde findet die Sp. Verwendung. Man gibt sie bei manchen Krankheiten Hühnern und Kanarienvögeln ein 230). 23°) B a u m g a r t e n Aus der Heimat i , 123; B a r t s c h Mecklenburg 1, 184; ZfrwVk. 193, S. 68.

Zusammenfassung. Die Sp. liefert der Volkskunde einen sehr interessanten Mythenkomplex. Während sie im Altertum negativ gewertet wird, zeigt sich späterhin eine dualistische Auffassung vom Wesen des Tieres. Bald erscheint sie als Schutzgeist, bald als böser Dämon. Als solcher spielt sie im Hexen- und Teufelsglauben eine gewisse Rolle, wobei ihre Bedeutung in Verwandlungssagen zu betonen ist. Ihre doppelte Wertung als Orakeltier im guten und bösen Sinn hängt meist von der Stunde des Angangs ab (ζ. B. am Morgen gutes, am Abend böses Zeichen). In Haus und Stall wird sie geschont, in der Meinung, sie zöge als giftiges Tier die giftigen Stoffe aus der Luft an sich. In der Volksmedizin findet sie vielfach Verwendung, hauptsächlich gegen Fieber. Auf die dichterische Phantasie hat die Sp. eine große Anziehungskraft ausgeübt 2 3 1 ).

282

231 ) Vgl. R i e g l e r Sp.nmythus. und Sp.naberglaube in der neueren Erzählungsliteratur (SAVk. 26, S. 55—88). Riegler.

spinnen s. Nachtrag. Spinngewebe. 1. Etymologisches und Semasiologisches. Das Spinnennetz heißt im Volksmund S p i n n w e b e f. oder S p e n w e b e f., auch S p i n n w e b n. < mhd. spinniweppe < ahd spinnaweppi, jetzt noch bayr. S p i n η w e p p e n f. neben S p i n n w e b e n 1 ) . — F ü r das Französische ist zu bemerken, daß araignée < lat. araneata „Spinngewebe" jetzt „Spinne" bedeutet 2 ), während Spinngewebe mit toile d'araignée wiedergegeben wird. In ital. Dialekten wird ragna für „ S p . " gesagt (Foggia, Palermo) 3 ), was auf das klassische Latein zurückgehen kann, wo araneus das Tier, aranea das Gewebe bezeichnet 4 ). Auch Zusammensetzungen nach deutscher Art (Sp. = aranea + tela) finden sich im Romanischen: afrz. arantele B ), jetzt noch in Poitou β ), dial, rentella (Creuse) 7 ), ital. ragnatele (ragnatela) und umgekehrt tela -f- aranea > span, telaraña8), südfrz. teragnigna (Menton) β ), ital. telaràgna (Aquila) 1 0 ), land, tériakeu) geht auf theriaka12) „Gegengift" zurück (Spinne als giftanziehendes Tier vgl. „Spinne" 2). — Nach der Tarantel (s. d.): tarántula, taràntola (Bari, Messina) l 3 ). Von den zahlreichen ital. Dialektnamen seien noch als volkskundlich merkwürdig angeführt: lunzol de Crist „Christi Laken" (Chieti) M ), cèlti di ragnu „Spinnenhimmel" (Sâssari) 1 5 ), magária „Hexenwerk" (1maga „ H e x e " ; Catanzaro) 1 β ), ciciamaluòcchie {malocchio „böser B l i c k " ; Caserta) 1 7 ). Aus der Kindersprache stammt fila-fila „spinne, spinne!" (Cagliari) 18 ). ») W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 920. 2 ) W a r t b u r g FEWb. ι, 121. 3 ) G a r b i n i Antroponimie 121. 4 ) W a r t b u r g a. a. O. ' ) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 593. β ) R o l l a n d Faune 3. 237. 7 ) Ebd. ®) M e y e r - L ü b k e a. a. O. ·) R o l l a n d a . a . O . 10 ) G a r b i n i op. cit. 109. u ) R o l l a n d 12 ) M e y e r - L ü b k e op. cit. op. cit. 12, 125. 13 ) G a r b i n i op. cit. 121; M e y e r Nr. 8704. L ü b k e op. cit. Nr. 8569. 14 ) G a r b i n i op. cit. 124. " ) op. cit. 123. 1β ) op. cit. 125. " ) op. cit. 124. " ) op. cit. 115.

ist

2. Sp. = F r e i e r . Weit verbreitet der Glaube an das Sp. als Lie-

283

284

Spinngewebe

besomen, das auf einen Bräutigam 1 9 ), auf Hochzeit 80 ) deutet. Wo in einem Hause Spinnweben hängen, haben die Freier das Taschentuch hängen lassen, d. h. sie gehen aus und ein 21 ), oder es heißt geradezu: „ D a sitzt ein Freier" 2 2 ) oder: „ D a hängt ein Freier 2 3 ). Ein Faden vom Sp. heißt daher F r e i e r (Rosefeld) 24). Eheglück bedeutet es, wenn sich ein Spinnfaden an den Brautkranz heftet 2 5 ).

îe

) L e y e n Sagenbuch 1, 213.

27 )

Mythologie

ι. 39°· ω ) L e y e n a. a. O. ») Mythol. Bibl. VIII, 4, S. 61 fi. 30) SAVk. 26, 58. 31) Schönw e r t h Oberpfalz 1, 266 ff.; 3, 103. 32) K u n z e Suhler Sagen 19.

856.

M

33

) M e i c h e Sagen 693 N r .

) SAVk. 25, 68.

35

) K ü h n a u Sagen 3,

186.

4. V o l k s m e d i z i n . Sp. wird in der Volksmedizin vielfach verwendet. Schon P l i n i u s 3 8 ) empfiehlt das Auflegen von Sp .weben auf Geschwüre: tela araneae super quaedam ulcera velut suavis sit sen20 " ) J o h n Westböhmen 253. ) B a r t s c htitur37). Heute dient Sp. hauptsächMecklenburg 2, 56; H o p f Tierorakel 225. 21 Schnitt) J o h n Erzgebirge 75. 23g; MsäVk. 4, 114. lich zur Heilung blutender 22 „Wenn ich mich in den ) ZfVk. 23, 280. » ) S c h u l e n b u r g Wend. wunden 3 8 ). 24 Volksthum 161. ) W i r t h Beiträge 4/5, S . 37; Finger schneide", sagt in S h a k e s p e a r e s ZfrwVk. 1914, 265. L a m m e r t 115; „Sommernachtstraum" der Weber zum W u t t k e S. 306 § 283. Alfen S p i n n g e w e b e , „werd ich mir die 3. M y t h i s c h e s . In der altnordischen Freiheit nehmen, Euch zu benutzen" 39 ). Überlieferung heißt das Sp. Locka nät, Sonst legt man Sp .weben auch auf bees gilt also als Erfindung Lokis 2 6 ). schädigte Glieder40), Brandwunden 41 ), G r i m m 2 7 ) macht darauf aufmerksam, daß wehe Finger 42) und stillt damit das Nasenim Schwedischen dwerg „Zwerg" und bluten 43 ). Sehr beliebt sind Sp.weben „Spinne" heißt, was verständlich wird gegen Fieber (s. a. Spinne § 6), namentlich mit dem Hinweis auf das Spinnen und Wechselfieber, die der Kranke in Zucker 44 ), Weben der Zwerge. Manche Völker ver- auf Butterbrot 4 5 ) oder mit einem Gemisch ehren die Spinne als kunstreiches Tier 28), von Roggenbrot, Honig, Salz und Weinweswegen der Versuch S i e c k e s 2 9 ) , schickessig nimmt 4 6 ). Auch werden Schwaben salspinnende Mythengestalten wie Râkâ, in ein Tüchlein gewickelt, das dem KranAthene, Frigg, Freyja, Bertha, Holda, die ken über Stirn und Schläfe gebunden Moiren, Penelope, Kirke, die Spinnerin wird 47 ). Das Sp. findet schließlich noch im Monde bei Deutschen und Finnen Verwendung bei Ohnmachtsanfällen 48 ), usw. mit der Spinne in Bezug zu bringen, Schwindsucht 48 ), Kolik der Kinder, denen nicht allzu kühn erscheint 30 ). Es ist da- man es mit einer Omelette zu essen gibt M ). her als ein Überbleibsel alter mythischer 3 37 ·) XXX, 38. ) L a m m e r t 196. 206; Vorstellungen zu werten, wenn heute noch H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 358. 39) Megenmythische Gestalten mit Spinnwebegesicht berg Buch der Natur 250; SAVk. 8, 152; 23, 188; Z a h l e r Simmenthai 80; W i r t h Beiträge erscheinen, so ζ. B. die Klagemutter 3 1 ). 4/5. 37.' B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, In einer Suhler Sage 32) ist von einem ge123; B a r t s c h Mecklenburg 2, 382; H o v o r k a spenstischen grauen Mann die Rede, u. K r o n f e l d 1, 259. 401; 2, 374; F o g e l dessen Gesicht „in Spinnweben gehüllt zu Pennsylvania 292 Nr. 1546; Urquell 4, 154; ZföVk. 4, 216; 8, 178; 9, 241; 24, 157; ZfrwVk. sein schien". Einem Schatzgräber springt 103; 1913, 189; 1914, 165; Messieine Gestalt, zart wie Spinnweb, auf den k1904, o m m e r 1, 176; P o l l i n g e r Landshut 280; Rücken, klammert sich an seinen Hals S t o l l Zauberglaube 95; Schramek Böhmerund verursacht so seinen späteren Tod 3 3 ). waldbauer 280; Manz Sargans 71; D r e c h s l e r Die Spinne verrät ihren dämonischen Cha- 2, 220; 3>S c h u l e n b u r g 102; R o l l a n d Faune 3, 239. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 365. rakter auch dadurch, daß sie nicht ver- 40 ) R o c h h o l z Sagen 1, 355. 41) L a m m e r t 31 4a brennt (Kujawien in Posen) ). In Schle208. ) F o g e l Pennsylvania 302 Nr. 1597. sien bedarf es zur Vernichtung der Spinn- 43) Zahler Simmenthai 81. « ) S t r a c k e r j a n 45 1, 83. ) ZfrwVk. 1908, 149. weben eines Feuerzauberers, der mit Oldenburg 4e ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 328. 48) D r e c h s einem dünnen, langen Stab alle Spinnen ler 2, 220. 4S) H o v o r k a u. Kronfeld 2, 63. im Hause abbrennt, ohne dabei den ge- M ) R o l l a n d Faune 3, 239. ringsten Schaden anzurichten 3S ). Riegler.

285

Spinnenstein—Spiritismus

Spinnenstein. Zediere Universallexikon berichtet unter Anführung einer Menge alter Quellen von dem mit dem Sp. verbundenen Aberglauben. Man gewinnt ihn auf folgende Weise: man fängt eine große alte Kreuzspinne und hält sie in einer Schachtel oder einem Glase sieben Jahre verschlossen; dann verzehrt die Spinne sich selbst und verwandelt sich in einen grauen, gesprenkelten Stein. Nach anderen kann man ihn gewinnen, wenn man eine große Kreuzspinne mit Salz, Zucker oder gestoßenem Baldrian bestreut. Den Sp. soll man in einen Ring fassen und bei sich tragen; denn er schützt vor Gift und verwandelt sofort seine Farbe und überzieht sich wie mit Wolken, wenn er Gift in der Nähe spürt. E r ist ein furchtbarer Giftstein; wer ihn verschluckt, muß sofort sterben 1 ). In Schlesien lebt dieser Aberglaube noch heute 8 ). In Hessen legt man den Kreuzsp. auf an Krebs erkrankte Stellen 3 ). 3) Z e d i e r s. v. Arachneolitus Bd. 2, 1097; Bergmann 512; Breßl. Samml. 24, 523. 2) D r e c h s l e r 2, 219 f. Nr. 594; K ü h n a u 3) M ü l h a u s e 329. Sagen 2, 5.

t Olbrich.

Spiritismus bezeichnet theoretisch den Glauben an die Möglichkeit eines Verkehrs zwischen den Verstorbenen und den auf Erden Lebenden, praktisch die experimentelle Herbeiführung solchen Verkehrs und der Kundgebung aus der anderen Welt. ι . Wir finden solchen S. mit wechselnden Formen in allen Zeiten und Zonen. In der primitiven Völkerwelt ist er eine fast allgemein herrschende Geistesrichtung, denn alle primitiven Völker sind überzeugt, daß die Abgeschiedenen sich wenigstens während einiger Zeit, Monate oder Jahre, nach dem Sterben durch Tiere oder Menschen betätigen und zu erkennen geben; in der Regel allerdings nur, um die Überlebenden in die Lage zu versetzen, den Dahingegangenen das für ihre Fort exist enz Nötige darzureichen. Nur daß für diese Mentalität auch die Geister vieler verstorbener Tiere in Betracht kommen und daß die Tiere sich rächen, wenn Menschen sie erschlagen oder geschlachtet haben, worauf eine Anzahl von

286

Vorsichts- und Abwehrriten beruht x ). Bei den Maori findet sich zwar auch die Meinung, daß die Toten zu existieren aufgehört haben, jedoch zugleich der Glaube, daß sie in Würmern oder als Würmer sich wieder zeigen und erst durch den nun eintretenden zweiten Tod, der von sehr vielen primitiven Völkern angenommen wird, existenzlos werden 2 ). Oft wird der Geist eines Verstorbenen durch Opfer und Anrufungen dazu bewogen, eine Frage zu beantworten; so holen die afrikanischen Basoga, Baganda u. v . a. von ihren toten Häuptlingen Orakel ein 3 ). So gab es Nekromantie bei den alten Babyloniern; Gilgamesch beschwört den Geist seines Freundes Eabani, wie die „ H e x e " von Endor für den König Saul denjenigen von Samuel 4 ). Das Gewahrwerden von umgehenden oder gelegentlich auftauchenden Geistern Verstorbener ist die geistgeschichtliche Voraussetzung des S. in alter wie neuer Zeit. Aus der unübersehbaren Fülle solcher „Beobachtungen" ein Beispiel: 1632 starb der Schloßherr von Lähn, der immer in heftigstem Streit mit den Bewohnern gelebt hatte. Immer wieder begegnete man seinem umgehenden Geist, wenn er nachts vom Schloßberg in die Stadt r i t t 6 ) . In solchen Sagen und Meinungen steckt noch etwas vom alten „Wiedergänger"-Glauben. In ihrem Verhalten unterscheiden sich diese nach dem Tode leibhaftig fortexistierenden Kraftmenschen wenig von Kobolden. Sie erscheinen auf Kirchhöfen, an düstren einsamen Orten, auf Kreuzwegen, in Häusern, oft nur durch Poltern sich anzeigend, ungesehen. Aber der Wiedergänger kann auch Freund des Hauses sein. Diese Überzeugung hat dazu geführt, daß die Germanen, wie auch andere Völker, durch das Begraben eines geachteten Toten unter der Türschwelle dem Hause einen Schutzgeist sicherten e ). Hier wie auch hinter dem Herde halten sich die zeitweilig wiederkehrenden Seelen ebenso auf wie die immer zuhandenen Hausgeister. Da liegt wurzelhafter Glaube an die Möglichkeit des Einvernehmens oder Gedankenaustausches mit Verstorbenen. Hieran knüpft der Glaube, daß man diesen Gei-

287

Spiritismus

stern gewissermaßen aufpassen, ihnen in ihrer Absicht zu erscheinen behilflich sein, sie, auch wenn sie jene Absicht nicht haben sollten, zum Kommen und Verweilen nötigen kann 7 ). Auch die heutige Form spiritistischer Zeremonien geht in recht alte Zeiten hinauf. E s ist nicht möglich, den heutigen S. erst von der großen Tischtanz-Epidemie im Jahre 1848 zu datieren. Denn wir haben das einwandfreie Zeugnis des Kirchenvaters Tertullian, der im Jahre 190 schreibt: „Die Zauberer (der Heiden) lassen Gespenster erscheinen und würdigen Seelen schon Verstorbener herab, quälen Knaben, indem sie sie zum Aussprechen eines Orakels zwingen und vertreiben sich die Zeit mit lauter solchem Wunderkram in gauklerischen Rundsitzungen; und sie schicken Träume, indem sie die Macht der einmal zitierten Engel und Dämonen als Assistenz bei sich behalten (Kontrollgeister), durch welche sowohl Ziegen als auch Tische zu weissagen pflegen" 8 ). Wohl aber verdankt das gegenwärtige starke Interesse am S. seine Geburt der Mitte des 19. Jh.s von Amerika herüberschlagenden Welle, nachdem in Hydeville Klopftöne gehört waren, die nach den Angaben des kleinen Andrew Jackson Davis, des Verfassers von zahlreichen Schilderungen seiner Gespräche mit Verstorbenen, von Geistern im Keller des Hauses ausgingen, wo alsbald ein Skelett bloßgelegt wurde. Doch ergab sich bald, daß die Töne vielmehr an die Schwestern Fox gebunden waren, die nun in Rochester, New York und London durch tänzelnde und schwebende Tische wahrsagten und damit eine allgemeine Bewegung entfesselten. Nach fast 40J ähriger Wirksamkeit hat zuerst die eine Schwester die Sache als Schwindel bezeichnet, danach die andere desgleichen. Von 1888 an hielten sie Enthüllungssitzungen, in denen sie Klopflaute öffentlich durch das erste Gelenk der großen Zehe demonstrierten 9 ). Bedeutsam wurde sodann, daß der Physiker Sir William Crookes sich 1868 davon überzeugte, daß es Fernbewegungen (Telekinesen) und Materialisationen gibt. E r arbeitete mit den beiden stärksten

288

Medien der Zeit D. D. Home und Florence Cook. Uberzeugt, daß ein Mädchen nicht betrügt, glaubte er an die Existenz des Geistes Katie als ihre Kontrollperson, obgleich sie alle Eigenschaften eines normalen weiblichen Wesens aufwies, wie er konstatierte 1 0 ). Gleichfalls mit für den S. positiven Ergebnissen erforschten die Phänomene in England der Zoologe R. Wallace und der Physiker Barrett 1 1 ). An diese Arbeiten Schloß sich die Gründung der Society for Psychical Research in London 1882, die sich seitdem eifrig um die Feststellung einschlägigen Tatsachenmaterials bemüht und in ihren monatlichen „Proceedings" die Grenzlinie zwischen reinen Tatsachen und abergläubisch angenommenen Vorkommnissen zu ziehen versucht. Wie diese Gesellschaft und ihre Veröffentlichungen mitbedingt waren durch die Hochflut des alle Selbständigkeit des Geistes verneinenden Materialismus, so rief diese Weltanschauung auch in Deutschland eine Reaktion hervor, die in dem Astrophysiker Carl Friedrich Zöllner (zum Teil in Gemeinschaft mit Ε. H. Weber und Theod. Fechner) einen Vorkämpfer hatte, der namentlich mit dem durch die Kritik übel beleumdeten amerikanischen Medium Slade experimentierte 12 ). Zahlreiche Medien wurden durch den Mäzen des S., Freiherr v. Schrenck-Notzing, untersucht (Eusapia Palladino, E v a C, Brüder Rudolf und Willy Schneider 13 ). Das Auffallende bei allen diesen Experimenten ist der Umstand, daß sich der S. durchschnittlich mit der Vorstellung von einem diesseitigen wesentlich gleichartigen Weltbilde als dem Jenseits, in dem sich die sich bekundenden Seelen aufhalten, begnügt, während er doch von den meisten seiner Anhänger als das entscheidende Beweismittel für die Fortexistenz (s. Unsterblichkeit) der menschlichen (und von nicht wenigen auch der tierischen) Seele genommen wird, angesichts der Unmöglichkeit, einen solchen Beweis in der erwünschten logischen Denkform zu erbringen. Jener obengenannte A. J. Davis beschrieb das „Sommerland" des ewigen Paradieses in den entzückendsten Farben, besuchte es 65 Billionen englische

289

Spiritismus

29O

Meilen von der Erde entfernt, sah es mit gen keinen besonderen Anteil haben. Bäumen, Bergen, Seen, Wolken11). Der her- Hierher gehören vor allem die Ankündibeizitierte Sohn Raymond des Physikers gungen des eigenen Todes eines soeben Ol. Lodge lebt im Jenseits mit einem klei- I Sterbenden oder kürzlich Gestorbenen, nen Hund und einer Katze mit Ungeziefer ί Die ungeheure Menge solcher Wahrneh¡ mungen wird beleuchtet durch die in zusammen16). *) F r a z e r Old Testament ι, 92 ff. 2 ) F r a z e r Boston (Mass.) erscheinende Zeitschrift Immortality 2, 29. 3 ) F r a z e r Old Test. 2, 5 3 3 fi. The Banner of Light mit seiner ständigen 4 ) I Samuel 28. 5 ) K t i h n a u Sagen 1, 339. Rubrik Message Department (Abteilung · ) L i p p e r t Christentum 438. ' ) Ebd. 439. 8 für Geisterbotschaften) und einer weiteren ) T e r t u l l i a n Liber Apologeticus Kap. 23. *) Sphinx 1890 (10), 224 f.; R o s e n b u s c h Rubrik, welche die Bestätigungen solcher Die dialektische Gesellschaft in v . G u l a t Botschaften seitens Nahestehender bringt. W e l l e n b e r g u. Graf K l i n c k o w s t r ö m u. An sich sind die beiden eben erwähnten R o s e n b u s c h Der -physikalische Mediumismus Vorkommnisse etwas Verschiedenes und 97 f. 1 0 ) W . C r o o k e s Der Spiritualismus und die Wissenschaft, deutsch 1 8 7 1 . 1 1 ) Bericht über sollten auseinandergehalten werden. Denn den S. von Seiten des Komitees der Dialektischen während im ersteren Falle der VorankündiGesellschaft zu London, deutsch 3 Bände 1 8 7 5 . 12 gung die telepathische Deutung größte ) Friedr. Z ö l l n e r Vierte Dimension u. Okkul13 Wahrscheinlichkeit für sich hat, sofern tismus, herausgeg. v . R . Tischner 1922. ) Von S c h r e n c k - N o t z i n g vgl. bes. Physikaeine gedankliche Verbindung zwischen lische Phänomene des Mediumismus 1920. Sterbendem und Ahnendem vorhanden Materialisations-Phänomene 1923. Experimente sein mag, wird im zweiten Falle der Sachder Fernbewegung 1924. Die physikalischen verhalt verwickelter, sofern Telepathie Phänomene der großen Medien 1926. " ) A . J . D a v i s The magic staff 181 ff. 1 5 ) Oliver L o d g e nur dann angenommen werden könnte, R a y m o n d 197 ff. wenn auch der Verstorbene noch der Her2. Es ist nicht anderszu erwartenalsdaß stellung einer seelischen Verbindung mit die von seiten des S. für seine Weltauf- dem Überlebenden fähig wäre. Mit Recht fassung beigebrachten Phänomene von unterscheidet daher Mattiesen telepathiallen nicht auf den S. eingeschworenen sche (Spuk-)Phantome und solche SpukMenschen mit größter Behutsamkeit auf- phantome, welche „den verhältnismäßig Rückführung auf genommen werden und daß selbst ange- besten Anspruch auf 16 sichts unableugbarer, aber aus dem Be- Verstorbene haben" ). reich der bisher bekannten Naturgesetze Schwierig wird das Phänomen des Phannicht erklärbarer Phänomene das Ver- toms, wenn der vor längerer Zeit Verstorständnis mittels verschiedener Theorien bene und jetzt Anwesende im Gespräch versucht wird, ehe man sich der spiritisti- Tatsachen berührt, die in der von ihm anschen Deutung überläßt. Hinsichtlich des gegebenen Weise nur zu seinen Lebzeiten theoretischen S. ist seine Gegnerschaft we- vorhanden waren. Man müßte unter Vorniger erbittert, weil da nur der Glaube an aussetzung, daß es sich um reale Erscheieine gewisse Freibeweglichkeit der Ver- nung des Toten handle, annehmen, daß storbenen in Frage kommt. Das frei er- der Tote der irdischen Entwicklung nicht scheinende Phantom, der Spuk bedeutet gefolgt sei, wofür sich mancherlei metaden Erlebenden häufig einen Verstorbe- physische Gesichtspunkte konstruieren nen, und der Wahrnehmende bemerkt ließen. Anderseits scheint die Schwierigbisweilen an ihm Einzelheiten, welche oft keit nicht erheblicher als hinsichtlich der erst durch andere, die jenen Menschen von den Erscheinenden gewöhnlich genäher als der unmittelbar das Phantom tragenen Gewänder. Sehende gekannt haben, verifiziert werFür diese letzteren Fälle hat man die den. Nicht selten werden durch den an- Hypothese gebildet, daß es „ätherische" geblichen Geist Mitteilungen gemacht, oder „astrale" Kleider seien, die nach Bewelche außer ihm nur Personen bekannt lieben sichtbar und unsichtbar gemacht sind, von denen man annehmen darf, daß werden, da jedes Ding sein feineres ungerade sie an den betreffenden Mitteilun- sichtbares Gegenbild in sich trage, welB i c h t o l d - S t i u b l i , Aberglaube V I I I

10

2ÇI

Spiritismus

ches auch seine dingliche Form und Daseinsweise überdauern könne. Diese Annahme entspricht derjenigen von einem unsichtbaren ätherischen Menschenleibe und weiterhin der schon berührten Annahme einer ganzen Welt ätherischer Art, in der es nicht bloß Kleider, sondern alles Mögliche, was auf Erden vorkommt, gibt bis zu Bäumen und Blüten und Katzen mit Ungeziefer 1 '). Die Objektivität der Erscheinungen vorausgesetzt, erscheint die antispiritistische Auffassung erschwert in Fällen, wo ein Verstorbener sich an mehreren Orten kurz nacheinander zeigt und selber sich an einem auf den anderen bezieht 18 ). Weit weniger erträglich als die spiritistische Deutung ist jedenfalls die mit den Mitteln materialistischen Denkens vorgenommene, welche d'Assier vorschlägt, um die Realität der Erscheinungen Verstorbener mit seiner positivistischen Ansicht zu vereinigen. Sie lautet, daß solche Phänomene, obgleich sie der Betätigung eines überlebenden fühlenden Wesens entspringen, nicht so sehr das Weiterleben des Seelischen voraussetzen, sondern die Fortwirkung der stofflichen Bestandteile, die aber natürlich unter den Anstürmen der chemiko-physikalischen Kräfte alsbald sich verflüchtigen müssen19). Da aber, falls die Objektivität der Phantome sichergestellt erscheint, dieselben auch auf solche ausgedehnt werden muß, welche über sehr lange Perioden wiederkehren, da manche Phantome noch hundert Jahre nach dem Tode erscheinen, so erweist sich diese positivistische Theorie wertlos. Ernesto Bozzano kommt nach sorgfältiger Prüfung der Phänomenengruppen zum Schluß, daß in vielen Fällen die hemach zu erwähnende telepathische Theorie zur Erklärung der Spukphänomene ausreiche, aber nicht in allen. Für diese restlichen Fälle neigt er zu einer Anleihe bei DuPrels Theorie von den Monoideismen der Verstorbenen, d. Ii., es seien nicht die abgeschiedenen Personen selber, die in Erscheinung treten, sondern die sich manifestierenden Gedanken derselben, welche an Orten, wo sie lebten oder den tragischen Tod fanden oder wo sie durch besondere Interessen häufig

292

weilten, sich verdichten 20). Man kann dies eine Kombination von spiritistischer und moderner telepathischer Deutung nennen. Die Gegner des S. machen aber immer wieder den Versuch, alle hierher gehörigen Vorgänge auf Halluzinationen zurückzuführen, wie solche in vielen Fällen einwandfrei vorliegen. Wie oft wurde doch festgestellt.daßderschabernakischeSpukgarnicht vorgefallen ist, daß die gegeneinander geworfenen und auf den Boden geschmetterten Küchengeräte, sobald ruhige Prüfer nachsahen, unversehrt an ihrem alten Platz waren. Man beruft sich ferner darauf, daß jeder Bewohner des Spukhauses die Geister anders sehe; also spiele augenscheinlich die persönliche Disposition eine große Rolle beim Empfänger der Geisterkundgebungen. Ehe man seine Zuflucht zu einem unsichtbar bleibenden Phantom nimmt, wie es zu spiritistischer Deutung zahlreicher Spukgeschichten nötig wäre, lassen sich die fraglichen Leistungen nach Mattiesen eher der telepathischen Begabung eines Lebenden zuschreiben; dies wird indessen vom Genannten unter der ausdrücklichen Einschränkung gesagt, daß genug Fälle leibhaftiger Erscheinung oder Beobachtungen leibhaftiger Wirkungen von Gespenstern übrig bleiben, denen durch keine regelrechte Kritik ihre spiritistische Basis abgesprochen werden kann. So wenn die Hand des Gespenstes Löcher in ein Tuch brennt oder dem Lebenden die dargereichte Hand schwärzt 21 ). Das heißt, die schwierigeren Probleme innerhalb dieser Phänomenengattung bieten die nicht nur unheimlichen, sondern schadenbringenden Ereignisse, die nach Art der bösen Koboldgeschichten verlaufen und die vielen den Anlaß geben, in eine dämonistische Theorie hinüberzulenken. Oder der S. nimmt in solchen Fällen seine Zuflucht zu der Meinung, daß es sich, wenigstens vielfach, um menschliche Seelen handele, die der Erlösung noch harren und daher in der Zwischenzeit wie Dämonen umherirren und sich in ungeordneter Weise betätigen. Man spricht manchmal auch von unerlösten Kinderseelen.

293

294

Spiritismus

1β ) M a t t i e s e η Der jenseitige Mensch 518. " ) Ebd. 587 f. 18) Ebd. 635 f. » ) Ernesto B o ζ ζ ano Die Spukphänomene, dt. von W. K. Jaschke 1930, 13 f. I0 ) Ebd. 119 fi. J1 ) Emil M a t t i e s e n Der jenseitige Mensch 1925, 546 s.

3. Dem Einwände, daß die Geister oft recht unwürdige geistige Haltung einnehmen und unzuverlässig auftreten, zugleich wenig deutlich sind, begegnet der S. mit dem Hinweis, die Kundgebungen Sterbender, und dann weiterhin auch der schon Gestorbenen beruhten auf einer der sich lösenden oder der schon gelösten Seele eignenden selbständigen, plötzlich erlangten, durch Raum und Zeit nicht mehr behinderten Irgendwoheit, d. h. einer außerordentlichen freien Beweglichkeit. F . W. H. Myers folgert daraus, daß der Sterbende häufig von ihm nahestehenden Personen selbst in großer Entfernung wahrgenommen wird, daß die sich vom Körper lösende Seele eines Raum überfliegenden Daseins fähig sei und also auch an sich diese Fähigkeit, wenn auch in der Regel latent, besitze. Dieser Seelentheorie setzt die naturwissenschaftliche Biologie entgegen, daß es sich wahrscheinlich um eine hochgradige telepathische Bekundung handle; im Zustande der körperlichen Auflösung lockere sich natürlich auch der Zusammenhang der Hirnteilchen und treten die Bewußtseinsfunktionen auseinander, wodurch das Bewußtsein fähig werde, für sich allein zu operieren. Es sei daher verständlich, daß in Zuständen, welche eine weniger beträchtliche Lockerung zur Grundlage haben, ζ. B. in Träumen, Hypnosen, Ohnmächten, auch bei besonderen Erregungen gleichfalls schon eine erhöhte telepathische Leistung eintrete 22 ). — Diese biologische Theorie sucht die bekannte Euphorie Sterbender, die ihnen eignende Behaglichkeit, das „Überwundenhaben" und Glücklichsein auf die Schwächung des absterbenden Nervensystems zurückzuführen. Sonst, so meint diese Theorie, müßten die Qualen und Todesängste doch auch in den Visionen Sterbender enthalten sein, und das komme fast nie vor. Aber dies Nichtvorkommen wird nun gerade vom S. in Anspruch genommen, da es anzuzeigen scheint, daß

die sich vom Leibe lösende Seele in der Tat infolge ihrer Befreiung von den materiellen Hindernissen zu ihrer Eigentlichkeit und zu Selbstzufriedenheit gelange Mag nun dies voll zutreffen, so ist damit noch nicht der mindeste Anhaltspunkt für die Theorie des S. gegeben, zumal die von den Geistern in den Sitzungen des S. erteilten „Botschaften", wie selbst die überzeugten Spiritisten beklagen, die unscheinbarsten Nichtigkeiten zum Inhalt haben und gerade über alles, worüber die Teilnehmer als etwas sie interessierendes Neue Aufschluß erhalten möchten, nichts angeben. Alles, was ein um einige Grad den Anwesenden überlegener Geist aus höherer Dimension her wissen sollte, und worüber die Fragenden dringend etwas zu erfahren wünschen, wird in den Antworten außer acht gelassen. Einer der jüngst meist besprochenen Fälle ist der am 14. September 1915 in Flandern gefallene Sohn Raymond von Sir Oliver Lodge, der in zahlreichen Sitzungen sowohl dem Vater wie der Mutter als anderen Familienmitgliedern sich bekundet hat. Viele Leser von des Vaters Buch darüber sind dem S. gewonnen worden. Da wird mit höchster Überzeugungskraft eine Menge von lebensvollen Gesprächen des Sohnes vorgetragen, die so gehalten sind, daß ein klares Bild seiner Person entsteht. Man wird aber Bärwald zustimmen müssen, daß andere Erklärungsgründe als die spiritistischen näher liegen 24 ). Lodge schreibt: „Wenn ich (oder ein anderes Mitglied meiner Familie) zu einem echten Medium gehe, dann ist sogleich mein Sohn anwesend und setzt seine klare und überzeugende Beweiskette fort, indem er bisweilen Zeugnisse kritisch auswählenden Vermögens gibt, bisweilen sich mit freundlichem Familiengeplauder und Erinnerungen begnügt, stets aber in Übereinstimmung mit seiner Persönlichkeit, seinen Erlebnissen und wechselnden Stimmungen" 2S). Gerade dies wird dem Kritiker durch das Verhalten des Mediums nicht bestätigt. „Feda", unter welchem Namen das Medium ein kleines Mädchen als Sprechgeist spüren will, tappt sich sorg10*

295

Spiritismus

fältig ausfragend vorwärts : „Feda erinnert sich eines Buchstabens, in Zusammenhang mit einem R. Der hat mit ihm zu tun. Es ist ein sonderbarer Name. Nicht Robert? Nicht Richard? Er gibt nicht die übrigen Buchstaben des Namens, nur R." — Daran nehmen die Sitzungsteilnehmer keinen Anstoß, sondern sie geben dem Medium jede Hilfe, damit es sich endlich hindurchtastet. Offenbar gelingt diesem Medium nicht der telepathische Kontakt mit dem Wachoder Oberbewußtsein der Anwesenden, wo ja der Name Raymond vorliegt. Eben dieser Umstand erhärtet, daß es sich auch hier um Telepathie handelt, bei der aus dem Unterbewußtsein der Anwesenden die Enthüllungen entnommen zu werden pflegen. Beim heutigen Stande der parapsychologischen Diskussion steht der telepathische Lösungsversuch so im Vordergrunde, daß seiner besonders gedacht werden muß. Die Streitfrage ist weithin auf das Entweder S. oder Telepathie hinausgespielt. Die spiritistische Theorie behauptet, daß hellseherische Angaben und automatische Schriften, zumal wenn sie mit Toten in irgendwelchem Zusammenhange stehen, durch das Eingreifen einer nicht mehr lebenden Person, die sich in einem Medium verkörpert, zustande kommen. Die andere Ansicht denkt dabei an das Vorhandensein der gesprochenen oder geschriebenen Gedanken im Unterbewußtsein (seltener im Oberbewußtsein) eines der Anwesenden. Daneben kommt allerdings noch die Autosuggestions-Hypothese in Betracht. Die Streitfrage, ob das Unterbewußtsein, wie die meisten Parapsychologen meinen, der höhere, wesentlichere, 'unsterbliche* Teil des menschlichen Seelenbestandes sei, oder, wie die Gegner meinen, der niedere, unwesentliche, tierisch·verworren e Teil, zeigt, wie weit die Ansichten auseinandergehen, weil eine streng empirische Grundlage über diese Dinge bisher nicht zu erreichen gewesen ist 2 8 ). Die Spiritisten führen nicht ohne Grund an, daß das Unterbewußtsein, wenn es aktiv in den Vordergrund tritt, Leistungen vollbringt, die diejenigen der

296

anderen Seelenhälfte übertreffen können; dagegen läßt sich wieder geltend machen, daß eben jene Leistungen für das bewußte Alltagsleben wenig ins Gewicht fallen. Der S. fährt deshalb aber fort, darin zeige sich, daß das gewöhnliche Leben falsch eingestellt ist, während die Enthüllungen seiner Medien beweisen, wo das wertvolle Unsterbliche liege. Werde nun bei den Sensitiven, den Medien, die erstaunliche Überlegenheit des Unterbewußten klar, so erkläre sich das eben nur durch die Hilfe „fremder Intelligenzen". Für das Studium der Frage nach den fremden Intelligenzen hat das berühmte Medium des Genfer Professors Floumoy, dem er das Pseudonym Helene Smith gegeben hat, aufhellenden Stoff geboten 27 ). Diese H. S. hatte die Persönlichkeit der unglücklichen Königin Marie Antoinette angenommen und deren Rolle Monate lang in vollendeter Weise gespielt. Wie der Experimentator, so haben auch die meisten anderen mit diesem Fall Befaßten die Annahme des S. hierfür völlig abgelehnt. Floumoy zeigt, wie in der Tiefe der Seele der H. S. der Hang zu Wunderbarem, große Eitelkeit, der Trieb zur höheren Gesellschaftsschicht, der Wunsch nach Zärtlichkeit, nach Geachtetheit durch ihre Phantasie zu den Persönlichkeiten von Schutzgeistern gestaltet werden, so daß sie in ihren Tranceträumen vier Romane durchlebt, die ihr die besagten Wunschbefriedigungen ersetzen. Sie lebt in diesen Ausnahmezuständen entweder als besagte Königin oder als Cagliostro oder als arabisch-indische Prinzessin Simandini oder auf dem Planeten Mars. Flucht in die durch die Phantasie (im Unterbewußtsein) erzeugte andere Wirklichkeit. Dennoch sind unverkennbar die Einflüsse des bewußten Geisteslebens des Mediums. — Als bedeutendstes Medium gilt weithin Frau Piper in Boston, die ein Vierteljahrhundert unter ständiger Kontrolle von Forschern gestanden hat und in hypnotische Zustände verfiel, während deren sich andere Persönlichkeiten in sie einkörperten, durch ihre Stimme sprachen und mit ihrer Hand schrieben und in der Regel Geister

297

Spiritismus

von Verwandten oder Freunden solcher Menschen zu sein behaupteten, die in der betreffenden Sitzung anwesend waren. Der Inhalt der mündlichen und schriftlichen Botschaften, welche durch Vermittlung der Piper von jenen Abgeschiedenen ausgehen, betrifft zumeist Familienverhältnisse, über welche das Medium kaum eine einfache normale Kenntnis haben kann. Die Anwesenden erhalten daher den Eindruck, daß hier ein übernormales Wissen und eine dasselbe vermittelnde Welt abgeschiedener Geister vorhanden sei. Keiner der zahlreichen Beobachter zweifelt die volle Ehrlichkeit an, und wie viel auch durch Zufall und geschickte Kombination sowie durch feines Aushorchen zustande kommen mag: zur Erklärung aller Phänomene reicht das nicht aus. Lodge bestätigt, daß die Tatsachen, von denen sie spricht, gewöhnlich im Wissensfelde der Anwesenden liegen, wenn auch vielleicht unterbewußt sind. In Frau Piper ist augenscheinlich keine Verbindung zwischen Wach- und Trancebewußtsein vorhanden. Vieles ist auf den ersten Blick nur durch S. verständlich. Eine längst gestorbene Tante eines Professors, der. aber dem Medium nicht bekannt und nicht als solcher vorgestellt ist, macht intime Bemerkungen, die hernach sich als wahr erweisen. Fälle sind verzeichnet, wo Gedankenübertragung aus dem Unbewußten ausgeschlossen schien. So wenn Onkel Jerry' daran erinnert, wie die Anwesenden als Knaben in der Bucht schwimmen, beinahe ertrunken wären, eine Katze auf bestimmtem Felde töteten, eine Schlangenhaut aufbewahrten, der einzelne Anwesende sich an diese Dinge nur mühsam erinnert, manches davon erst durch Nachfragen als richtig herausgestellt wird. So wenn nach dem Anfangswort im getragenen Ring gefragt wird und das Anfangswort des seit Jahren verlorenen Ringes genannt wird. Hier scheinen Tatsachen vorzuliegen, die über telepathische Wirkungen hinausgehen und leicht Anlaß für die Annahme des Hineinspielens außerweltlicher Wesen werden können 28 ). Doch gegen diesen Schluß wenden sich

298

selbst in diesem Falle die Vorsichtigen, welche behutsam über den hergebrachten Dogmen der Wissenschaft wachen, wie sie im Rahmen des Positivismus ausgebildet ward. Gerade mit Bezug auf letzterwähnte Vorgänge verweist man auf die Ähnlichkeit mit Trauminhalten oder einfachen dichterischen Phantasieschöpfungen. Denn Frau Piper schafft phantasiemäßig ungezählte Gestalten, und die so entstehenden Scheinpersönlichkeiten tun sich durch Schreiben und Reden kund, wie ganz in sich geschlossene und von derjenigen der Piper verschiedene Individualitäten. Richet anerkennt stets und so auch hier nur kryptästhetische Fähigkeiten. Diese bedeuten bei ihm einen weiteren Bezirk okkulter Fähigkeiten als die ihm angehörige Gedankenübertragung und Telepathie. Frau Piper weist eine erstaunliche Menge von überwältigenden Beispielen kryptästhetischer Leistungen auf, ohne daß es möglich wäre, mit aller wissenschaftlichen Strenge auf das Eingreifen einer fremden Intelligenz zu schließen 29). „Warum sollte man dabei an eine andere Intelligenz glauben als an diejenige der äußerst hellsichtigen Frau Piper selbst? Warum nimmt man nicht an, daß diese Hellsichtigkeit gewissermaßen um Pelhams Persönlichkeit (dessen Verkörperung in ihr sie behauptete) kristallisierte?" 30). Dann aber wird die Kryptästhesie zur Hyperästhesie. 22) B ä r w a l d Die intellektuellen Phänomene (d. i. D e r O k k u l t i s m u s in Urkunden, herausg. 23) v . M. Dessoir B d . 2) 118. Mattiesen a . a . O . 656: „ D e r T o d ist eine a n h a l t e n d e Exkursion von mindestens beträchtlicher D a u e r " . " ) B ä r w a l d 130 u. o. " ) E b d . 336 fi. M ) Alexander S p e c z Das dunkle Reich in uns. 1935. 2 7 ) T h . F l o u r n o y Die Seherin von Genf, d t . 1914. 2 8 ) Ü b e r Mrs.Piper, v g l . M a x D e s s o i r , Vom Jenseits der Seele4 (1931), i 9 o f . 247 fi. 2 9 ) Charles R i c h e t Grundriß der Parapsychologie und Paraphysik, dt. v o n R u d . L a m b e r t , o. J., ganz und bes. 1 1 5 fi.; Κ . T . O e s t e r r e i c h Der Okkultismus im modernen Weltbild2 (1921), 47 ff. 3 0 ) R i c h e t a . a . O . , 1 7 7 .

4. Andere Forscher wollen dem Umstände, daß doch aus den Medien mehrere Personen hervortreten, mehr Rechnung tragen und arbeiten behufs einer Verständlichmachung mit dem Gedanken einer psychischen Persönlichkeits-

299

Spiritismus

Spaltung31). Die vom Medium behauptete Anwesenheit eines fremden Geistes, der sich seiner zum Sprechen oder Schreiben oder zum Bewegen von Gegenständen bedient, wird dann als eine Ausdeutung des tatsächlich vorhandenen neuen Bewußtseinszustandes eben auf das Vorhandensein einer anderen Person gefaßt. Verfügen doch die 'abgespaltenen' Persönlichkeiten, deren ζ. B. im Falle der Helene Smith vier, im Falle der von Walter Prince beschriebenen Doris Fischer fünf vorhanden waren, über ganz eigentümliche Bewußtseinszustände, eigenartige Reihen von Erinnerungen, Gedanken, Empfindungen, Bewegungen und selbst Gesichtsausdrücken 32 ). Meint nun jemand (so erklärt diese Theorie), bei dem sich die Symptome der Bewußtseinsspaltung zeigen, jenes fremde Ich, von dem er, d. i. sein Ober- oder Tagesbewußtsein, regiert wird, sei die Seele seines Vaters oder Bruders oder der Mutter, Schwester, dann setzt alsbald die Suggestion mit ihrem Werk ein und führt dahin, daß er die Rolle jener verstorbenen Person vollständig übernimmt. Man meint auch, daß solche Spaltung nicht nur spontan, ungewollt auftrete, sondern daß ein Medium auch dadurch werden könne, daß aus dem einfach an einen etwas Fremdseelisches verspürenden Menschen herangetragenen Wunsch, es möchte sich ein Verstorbener zeigen, genug Suggestionskraft erzeugt wird, um dem abgespaltenen Teile des Unterbewußtseins diese neue Figur zu verleihen. Dann aber setzt auch gewöhnlich sofort der Trieb ein, die Identität mit jener Person nachzuweisen. Das geschieht vor allem durch Beantwortung von 'Beglaubigungsfragen'. Während der überzeugte Spiritist nun glaubt, daß der Verstorbene wirklich durch den Mund des Mediums spricht, und während der Gläubige auch schon nur schwach anklingendeÄhnlichkeiten zugunsten seines Glaubens deutet, behauptet die antispiritistische Richtung der Psychologie, daß die positiven Tests lediglich telepathische Erscheinungen sind. Während jener die Vertrautheit des Mediums mit den Verhältnissen des Verstorbenen nicht

300

anders als durch Anwesenheit des letzteren selber verstehen kann oder will, rechnet dieser damit, daß das Medium aus dem mit den erwünschten Antworten gefüllten Unterbewußtsein des Fragenden oder auch aus den unwillkürlichen die Antwort formulierenden Sprechbewegungen des Fragenden die Antwort zusammenstellt. Die Spiritisten wiederum wissen sogar wider die Tatsache, daß die Antworten der Medien so gar häufig versagen, ganz ausbleiben oder danebentreffen, die entschuldigende Begründung anzugeben, daß dann eben der Geist noch nicht hinlänglich auf das Gehirn des Mediums eingeübt sei 33 ). 1 1 ) Über Persönlichkeitsspaltungen, wofür man auch Bewußtseinsspaltungen sagt, vgl. bes. Κ. T. Oesterreich a . a . O . ; ders. Die scheinbare Spaltung des Ich 1910 u. ders. Die Besessenheit 1921; Max K e m m e r i c h Gespenster und Spuk 1921; R. T i s c h n e r Geschichte der okkultistischen Forschung 2 (1924). 32) Doris Fischer ist Pseudonym für eine der Hauptversuchspersonen von W. Prince. Vgl. Morton Prince und Walter Prince Die Spaltung der Persönlichkeit, dt. von W. Herms, 1932. ω ) B ä r w a l d a . a . O . 340 fi.

6. Die Anhänger des S. wissen es zu rühmen, daß sich die Phänomene immerfort vervollkommnet haben. Sie leiten daraus die Überzeugung her, daß sich die gerufenen Geister dankbar erweisen und auf die ihnen erwiesene Beachtung mit stärkeren Selbstmanifestationen antworten. Die Gegner des S. erkennen in den neuen Phänomenen nichts weiter als die Versuche der Spiritisten selber, sich über die Unsicherheit ihres Standpunktes durch Übertrumpfen der früheren Phänomene hinwegzuschwingen. Unter diesem doppelten Aspekt sind gegenwärtig die M a t e r i a l i s a t i o n s p h ä n o m e n e in den beiderseitigen Diskussionen behandelt. Materialisation nennt man die Erzeugung stofflicher, fleischlich-menschlicher oder tierischer oder pflanzlicher u. a. m. Gebilde „aus dem Nichts" des „geistigen" Seins, die greifbar scheinen und denen doch einiges an wirklicher Materialität gewöhnlicher Art fehlt. Man beobachtet etwa, daß vom Medium aus eine sichtbare, greifbare und photographierbare Masse von verschiedener

301

Spiritismus

Stärke, Schwere und Farbe, mit starrer oder beweglicher Form sich bildet, die sich zu weniger oder mehr konkreten Gestalten, etwa Gliedmaßen oder Köpfen oder ganzen Leibern oder Gewandungen formt. Man spricht da von physikalischem Mediumismus. Die Spiritisten erblicken in solchen Erscheinungen ferner einen Hauptbeweis für das Arbeiten von Geistern, und selbst die menschlichen Gebilde, welche dabei entstehen, werden direkt als sich materialisierende Geister angesehen. Der S. nimmt an, daß solche Phantombildungen die Verwirklichung einer phantastischen Imagination sind, welche durch einen Geist auf das Medium übertragen und aus der Materie des Mediums selber geformt wurde. Und von da schreitet der S. zu der Ansicht fort, daß überhaupt häufig die Erscheinungen Verstorbener dadurch zustande kommen, daß sie sich aus der Leibstofflichkeit der Medien ihre Phantomleiber konstruieren, während das Medium in Trance und nicht Herr über seine Stofflichkeit ist. Der wissenschaftliche S. ist bestrebt, die Art der hierbei sich bekundenden psycho-biologischen Kraft zu entdecken, wobei er überzeugt ist, daß die Ursache eines solchen Vorgangs in dem Walten außerirdischer geistiger Mächte zu suchen ist, die mindestens zum Teil, wenn nicht ganz mit den überlebenden Seelen Verstorbener identisch sind (Aksakow, du Prel) 34 ). Somit wird spiritistischerseits solcher Materialisationsvorgang im wesentlichen als eine Kraftentäußerung des Mediums aufgefaßt, die aber durch anreizende, gebietende und formende Kraft des Spirits hervorgerufen und weitergebildet wird. Die nicht spiritistisch eingestellten Okkultisten, welche auf einen wissenschaftlichen Namen Wert legen, erblicken in den Materialisationserscheinungen lediglich einen der Energetik des Mediums entstammenden Prozeß. In einem abnormalen Bewußtseinszustande des Mediums spalten sich hiernach in diesem Vitalkräfte seines Organismus ab, die nach außen projiziert werden 3S). Man meint weiter, um den ganzen Vorgang etwas genauer zu analysieren, erschließen zu dürfen, daß auf

302

diese Weise unsichtbare Kraftlinien und Kraftfelder entstehen, welche in einen pyknotischen Prozeß übergeleitet werden, indem im Unterbewußtsein des Mediums entstehende (Traum- oder Wach-)Bilder mittels dieses feinsten Stoffes zu Gestalten verdichtet werden. Hierbei wären dann nicht bloß die im Medium befindlichen Kräfte wirksam, sondern auch diejenigen der Sitzungsteilnehmer und nicht zuletzt deren Suggestion und Wille. Dies alles gilt unter der Voraussetzung, daß die Materialisationsphänomene sich bei jeglicher Kontrolle als echte Vorgänge ausweisen. Das muß deshalb angemerkt werden, weil der Streit über die Zuverlässigkeit der Beobachtungen und der Kontrolle während der Sitzungen noch im Gange ist und doch nur durch seine Beendigung entschieden werden kann, ob es einen zwingenden Beweis für die Wirklichkeit der Materialisationen gibt; und erst wenn diese Frage bejahend entschieden ist, könnte die weitere Frage in Angriff genommen werden, ob die Materialisationen streng spiritistisch, d. h. als Erzeugnisse von Geistern (Verstorbener) betrachtet werden dürfen. Gleichwohl ist nicht zu übersehen, daß sich die allgemeine wissenschaftliche Lage in den beiden letzten Jahrzehnten so geändert hat, daß der Denkwiderstand gegen die spiritistische bzw. okkultistische Annahme nicht mehr unüberwindlich erscheint. Um 1900 standen Materialisationsphänomene ebenso wie Phänomene der Ent(De)materialisation im direkten Widerspruch zu den damals geltenden Grundsätzen des (naturwissenschaftlich bestimmten) Denkens. Eine große Zahl der Okkultisten hat sich der Erwartung hingegeben, die Feststellungen über drahtlose Schall- und Licht-(Wort- und Bild-) Übertragung analog auf Telepathie anwenden und zu ihrer Erklärung benützen, dadurch einerseits die okkultistische These erhärten, die speziell spiritistische zurückweisen und dadurch anderseits dem Okkultismus sein Existenzrecht in den Wandelgängen des wissenschaftlichen Parlaments sichern zu können. Jedoch reichen jene physikalischen Vorgänge

303

Spitziges—Spodonomantie

nicht aus zur Durchziehung jener Linien ; selbst Tischner sagt: „Wie groß müßte die Energie (der physikalischen Fernwirkung) sein, um auf Hunderte von Kilometern zu wirken. . . . D a diese physikalischen Vorstellungen grundsätzlich nicht zureichen, so wird man dazu geführt, eine irgendwie geartete direkte seelische Fernwirkung anzunehmen, eine Übertragung der Vorstellungen ohne direkte engste Abhängigkeit von einer materiellen Unterlage" 3e ). Inwieweit sich eine solche Erwartung empfiehlt, wird von den Fortschritten des Verständnisses der Phänomene der Telepathie und des Hellsehens abhängen. Gegenwärtig gehen die theoretischen Versuche eines solchen Verstehens noch außerordentlich auseinander 3 7 ).

Wenn man an Weihnachten in einer S . (cicak, Xanthium spinosum) zwei kleine Körner findet, so wird das nächste Weihnachten verregnet 8 ). In Siebenbürgen heißt es, daß die stachlige S. („Kolerak r e t j " ; X . spinosum) erscheine, wenn die Cholera ins Land komme 3 ). In Galizien dient der Tee aus den Wurzeln gegen Cholera 4 ). *) B o c k Kreuterbuch 1539, 75 r. *) S c h n e e w e i s Weihnachten 130. s ) S c h u l l e r u s Pflanzen 4 1 1 ; vgl. H e g i III. Flora v. Mittel-Europa • 1906 fi. 6, 503. *) H o e l z l Galizien 153. Í Marzell.

I 1

i ;

8*) Carl d u P r e l Die Entdeckung der Seele durch die Geheimwissenschaften2 1910. 3S ) Vgl. zu dieser Streitfrage : im Sinn des S. S c h r e n c k N o t z i n g Materialisationsphänomene s. o.; Gustave G e l e y Materialisationsexperimente mit Franek-Kluski, dt. 1922. Kritisch H. R o s e n b u s c h u. Μ. v . G u l a t - W e l l e n b u r g , in Der Okkultismus in Urkunden Bd. 1, s. o. 38 ) R . T i s c h n e r Einführung in den Okkultismus u. S. 2. Aufl. 1923. 37 ) Vgl. Rieh. BiT\va.ld Gedankenlesen und Hellsehen 1934 und J. B. R h i n e Extra-Sensory Perception 1935. Κ . Beth.

Spitziges s. Nachtrag. Spiritus familiaris s. Nachtrag. Spitzklette (Xanthium strumarium). Korbblütler mit herzförmig-dreieckigen Blättern und stachligen (Schein-)Früchten. Als Unkraut hin und wieder auf Schutthaufen, an Wegrändern usw. Im 16. Jh. war die S. ein Orakel für die kommende Ernte: „Hie haben mit disen Kletten etliche Naturkündiger vnnd alte Weiber jre observation vnnd erfarung, wann im Herbst so obgemelte Kletten zeittig vnnd uffgethon werden, finden sie inn eyner yeden Kletten zwey Gerstenkörner verschlossen, soll eyn gut fruchtbar, volkummlich jar bedeutten, werden aber zwey spitziger haberkörnlein funden, halten sie das gegentheyl nemlich eyn künfftige theurung aller frucht, das hab ich auch selbs erfaren vnnd gemeynlich auss yeder Kletten zwey schwartzer Haberkörnlein genommen" 1 ). Bei den Serbokroaten wird ein ähnliches Orakel noch jetzt geübt.

304

I ! I ! ¡ I i

Spitznamen. Neben dem bedeutungsvollen, vielfach schicksalshaften verliehenen Namen, die bei den indogermanisehen Völkern zweistämmig zu sein pflegen, hat der Volksmund kürzere Namen geschaffen, die entweder aus einer Verkürzung des Hauptnamens entstanden sind oder als Spitzname eine Besonderheit hervorheben. Diese vererbten sich und dienten oft zur Scheidung der verschiedenen Zweige der Familie. Im Griechischen gehen zweistämmige N a m e n l ) und Sp. wie Phrynon, Piaton durcheinander. Die Römer haben neben dem eigentlichen Familiennamen das cognomen festgehalten, das ursprünglich oft höhnend war (Naso, Asina, Varus; Cicero gehört zu cicaro Knirps). Wie aus deutschen Sp. Familiennamen entstanden sind, zeigen gut die von Weinhold gesammelten Salzburger Zunftnamen schon um 1400 2 ). Zur Regel wird der Spitzname in engeren Bünden, wie sie die Jugendbewegung wieder gebracht hat.

1) B e c h t e l ! Die histor. Personennamen der 2 ) Z d V f V k . 5, 120. ! Griechen. I Aly.

Spitzwegerich a. W e g e r i c h . Spodonomantie, Aschen-Namenwahrj sagung (αποδό; „Asche", όνομα „Name"), ¡ nach antikem Muster geprägte BezeichI nung, vermutlich von D e l r i o (gest. : 1608) stammend 1 ), von dem alle späteren I Belege 2 ) abhängen. Für die Beispiele, die i er aus dem Altertum beibringt, würde die ¡ einfache Form Spodomantie genügen, da j in diesen von Namen nicht die Rede ist. I Da Delrio jedoch auch auf abergläubische I Aschenwahrsagerei seiner Zeit hinweist, in

305

Spodonomantie

•der der Name der gesuchten Sache oder Person mit im Spiel ist (s. u.), dürfte er diese Zusammensetzung mit Onomantie (s. d.) gewagt haben. Mit diesem Ausdruck, der meist statt der regelrechten Form Onomatomanie gebraucht wird, bezeichnete man zwar in der Hauptsache die Wahrsagung aus den Zahlenwerten der INamenbuchstaben, doch wurde er auch in weiterem Sinne verwendet. Im "übrigen ist D e l r i o s Erfindung recht müßig und entspringt nur der Sucht, immer neue Divinationsnamen buchen 2U können, denn er selbst stellt die S. •als völlig gleichbedeutend mit der oft bezeugten Tephramantie (s. d.) hin, •deren Name sich schon bei C a r d a n u s 3 ) Äidet. Einem Gelehrten des 17. Jh.s -genügte auch diese zwiefache Benennung nicht, und er erfand noch dazu die Koniomantie (xóvtì „Staub", seltener ,,Asche") 4). Als Beispiel für die antike S. bezw. Tephramantie verweist D e l r i o "in erster Linie auf das Orakel des Apollo Ismenios in Theben, bei dem, wie man •meist annimmt, aus der Opferasche geAvahrsagt wurde s ). Welche Regeln etwa •dabei beobachtet wurden, ist nicht überliefert; auf jeden Fall handelte es sich um Beobachtungen beim Opfer (EmpyTomantie), z. B. wurde es als günstiges Vorzeichen betrachtet, wenn nach been•detem Opfer die Flamme noch einmal -aus der Asche hervorbrach e ). Wertvoll ist, was D e l r i o bei dieser Gelegenheit aus dem Brauche seiner •eigenen Zeit, also der 2. Hälfte des 16. Jh.s, berichtet; vermutlich handelt •es sich um flämischen Volksaberglauben. Danach schrieb man die Sache, über die man etwas zu erfahren wünschte, mit dem Finger oder einem Stock in die Asche, setzte diese der freien Luft aus und achtete auf die Buchstaben, die „sich in der bewegten Asche zeigten", was wohl bedeutet, daß man aus den Buchstaben, die vom Luftzug nicht verwischt wurden, einen Orakelspruch herstellte 7 ). Außerdem führt D. folgendes Heiratsorakel an: Einer läßt den Befragenden drei für die Ehe in Betracht kommende Personen nennen. Dann zieht

306

er drei Furchen durch die Asche, für jede der drei genannten Personen je eine; der Heiratslustige muß der Asche den Rücken zukehren, während der andere mit einer Feuerzange solange auf die verschiedenen Furchen zeigt, bis jener dreimal richtig erraten hat, auf welche Furche er getippt hat. Die Person, der diese Furche zugewiesen war, ist die oder der Zukünftige 8 ). *) Disqu. 'Mag. lib. 4, c. 2, q. 7, s. 1 (Ausg. Mainz 1603, 2, 175). *) De l ' A n c r e L'incrédulité (1622) 279 (Spondanomantie); A n h o r n Magiologia (1675) 313; ( B o u h o u r s ) Remarques ou Reflexions (1692) 116; F a b r i c i u s Bibliogr. antiquaria3 (1760) 611; auch die beiden zuletzt 3) Angeführten schreiben Spondanomantie. Opera 1 (Leiden 1663) 566 a. *) J. E . P f u e l Electa Physica (1665) 148: χονιομόντεΐΒ ex cineribus. 5 ) S o p h o k l e s Oed. Rex 21. Freilich erklärt der in den Scholien zu diesem Vers angeführte P h i l o c h o r o s (Fragm. Hist. Graec. ed. Müller 1, 416 Nr. 197) die Worte μιντεία α-οδψ als bloße Umschreibung für den Altar, auf dem die Empyromantie getrieben wurde. H e r o d o t 8, 134 weiß auch nichts von einem besonderen Aschenorakel des Apollon Ismenios. · ) V e r g i l Eclogae 8, 105 f. S e r v i u s erzählt zu dieser Stelle, daß die Gemahlin Ciceros nach einem Opfer eine Spende auf die Asche gegossen habe. Als dabei plötzlich eine Flamme herausschlug, deutete sie dies als Omen für die Wahl ihres Gatten zum Konsul. 7 ) So erklären es zahlreiche spätere, von C a r d a n u s abhängige Autoren, z. B. P i c t o r i u s De speciebus Magiae in: Varia (1559) 67, auch in: A g r i p p a Opera ed. Bering 1, 486, dt. Ausg. 4, 177; B o i s s a r d u s De divinatione ( i 6 i 5 ) i 9 ; B u l e n g e r u s Opuscula (1621) 215; T u c h m a n n Mélusine 4, 286; F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 137. 8 ) Wegen der in die Asche gezogenen Furchen setzt B o d i n u s Démonomanie (Lyon 1598) 37 die Aschenwahrsagung mit der Geomantie in Verbindung, bei der die für die Wahrsagung grundlegenden Punkte gleichfalls in die Erde oder Asche gemacht wurden (s. o. 3, 637). Eine primitive Geomantie ist auch das Aschenorakel bei K ö h l e r Voigtland 399: In der Geraer Gegend machten früher die Frauen ungezählt eine Reihe Striche in die Asche und zählten sie dann. K a m eine gerade Zahl heraus, so bedeutete es Glück, andernfalls Unglück; genau dasselbe berichtet S a x o G r a m m a t i c u s von den Slawen auf Rügen, s. G r i m m Mvth. 3, 321; B r ü c k n e r Die Slaven (Religionsgeschichtl. Lesebuch, hrsg. v. Bertholet, Tübingen 1926, 3. Heft) 1 1 ; vgl. a. F r e u d e n t h a l Das Feuer 76 f. Auf Aschenwahrsagung hat man auch den 17. Paragraphen des Indiculus superstitionum „ D e observatione pagana in foco etc." gedeutet, s. L a u x Bonifatius 151, doch ist die Richtigkeit dieser Annahme nicht zu erweisen. Boehm.

Spökenkieker. ι . Ein Sp. ist, dem Wortsinn zufolge, ein Mensch, der Spukhaftes wahrzunehmen vermag. In dieser Bedeutung ist das Wort wohl allgemeiner verbreitet. Doch erleidet es mancherlei Einschränkungen auf Sonderbedeutungen. So wird in Nordposen (Grünfier, Netzekreis) das Wort als leichte, gutmütig klingende Schelte für einen leichtgläubigen Menschen gebraucht: du ull Spökokieke (mündlich). Hier beschäftigt der Inhalt und Gebrauch des Wortes im nordwestlichen Deutschland, wo es den Menschen bezeichnet, der das zweite Gesicht (s. d.) hat. Sp., Wicker oder Schichter wird in Westfalen 1 ), Sp. im Oldenburgischen 2 ), in der Lüneburger Heide 3 ), wenn das Wort dorthin nicht nur verschleppt worden ist .gebraucht. Im Oldenburgischen begegnet daneben Schichtkieker und das Adjektiv spuksichtig *), im Gebiet von Berg und Mark: Geesterkieker oder Geisterseher 5 ), auch Hellseher e ), Leichenseher 7 ). Auch das Oldenburgische gebraucht möglicherweise „Hellseher" «). l

) Zurbonsen

Das

zweite

Gesicht

S a r t o r i Westfalen 74 ff.; Z a u n e r t

1907;

Westfalen

246 ff. (greift auch in das Gebiet Strackerjans

ü b e r ) ; H e r m a n n R e c k e i s Volkskunde d. Krei-

ses Steinfurt 1 (1932), 121 ff.; H e i n r i c h B e i s e n h e r z Das ehemalige Kirchspiel Kurl 1932, 375 ff. ; G . H e n ß e n Volk erzählt. Münsterländische Sa-

gen 1935.79. *) S t r a c k e r j a n 1, 170. Lüneburger

308·-

Spökenkieker

3°7

Heide 242 f.

4

3

) Kück

) S t r a c k e r j a n 1, 172.

173 f. 179· 184; (spuksichtig: ebd.) 1, 168. 6 ) G.

H e η B e n Neue Sagen aus Berg und Mark 1927, 124.126; Z a u n e r t Westfalen 274 f . ; G . H e n ß e n Zur Geschichte d. bergischen Volkssage 1928, 19; D e r s . Rheinische Volksüberlieferung in Märchen, Sage u. Schwank (1934), 15; S c h e l l Bergische Sagen 1922, N r . 65. 66. 663. 875. 879. 1178. *) S c h e l l Bergische Sagen 1922, N r . 18. ' ) E b d .

Nr. 147. 152.

8

) S t r a c k e r j a n i, 182.

2. Der Sp. ist ein Mensch, Mann oder Frau, der — wie schon erwähnt — das zweite Gesicht, das Vorlât (s. d.) hat, Vorgeschichten (s. d.), Vorspuk (s. d.) sieht, also jemand, der in wachem oder halbwachem Zustande Ereignisse als gegenwärtig sieht, welche entweder zur selben Zeit, aber in der Ferne, geschehen, oder erst in der Zukunft geschehen werden 9 ). In den Bezeichnungen liegt bereits, daß diese Wahrnehmungen zu-

meist durch das Gesicht, seltener durch das Gehör, noch seltener über die andern Sinne erfolgen 10 ). S. auch Zweites Gesicht, Weissager. ») S t r a c k e r j a n 1, 135. falen

10

) S a r t o r i West-

75.

3. Sp. sind besonders veranlagte, „gezeichnete" Menschen; ihre Gabe ist ihnen angeboren, durch „verbotenes" Verhalten zugefügt worden, oder von ihnen willentlich erworben worden. Sie kommen wie die Katzen mit geschlossenen Augen· zur Welt, werden wie diese erst nach einigen Tagen sehend und sehen, wie die Katzen nachts, so sie in die Geisterwelt 1 1 ). Nach bergischem Glauben sind alle, die zwischen 12 und 1 Uhr nachts geboren werden, Sp. 1 2 ), nach verbreiteterem die, die in der Matthiasnacht 13 Christnacht 14 ), an einem Sonntag in den. Quatembern 15 ), am Sonntag, wenn es· läutet l e ), der Pastor das Vaterunser betet 1 7 ) oder predigt 18 ), geboren werden. Sp. wird, wer als Kind noch nicht entwöhnt war, als das Geschwister nach ihm geboren wurde, und er mit diesem zusammen an der Mutter Brust trinkt 1S ), das erste Kind im neuen Taufwasser 20 ), oder dasKind, bei dessen Taufe etwas versehen wurde 21 ). Erworben wird die Gabe, und dasgibt einen bedeutungsvollen Hinweis für die dem Glauben zugrunde liegende Idee, durch den, der durch die Augenlöcher eines gefundenen Totenkopfes sieht 22 ), also das „Sehvermögen" der Toten erwirbt, wie durch den, der durch ein mit einem Nagelloch versehenes Stück Holz eines vermorschten Sarges blickt 23 ), sozusagen durch die „Fenster" oder Blicklöcher des Hauses der Toten. Auch wer einem Leichenzug durch den Türritz, nachsieht, erwirbt das Vermögen der Hellsichtigkeit u ). Endlich ist es möglich, die Gabe von einem damit Behafteten zu übernehmen. Da Hunde schichtig sind, braucht man nur einem solchen über die linke Schulter 24 ), einem solchen 2S) oder vielmehr einer Hündin 28 ) zwischen den Ohren hindurch, Mitternacht einem heulenden Hunde — er heult aber, wenn er „etwas

309

Spökenkieker

sieht", — über das linke Ohr zu blicken 27 ), oder ihm auf den Schwanz zu treten und dabei zwischen seinen Ohren durchzuschauen 27 ), ihm zwischen den Vorderpfoten durchzusehen27). Ebenso kann das Vermögen einem zuteil werden, wenn man einem Sp. mit dem linken Fuß auf seinen rechten tritt und dabei über seine linke Schulter guckt 2 8 ). Eine Kombination beider Anweisungen besagt, daß man ihm, indes er zwischen den Ohren eines heulenden Hundes hindurchschaut, über die Schulter — und mit ihm zwischen den Hundeohren hinausschauen müsse 2e ). Im Oldenburgischen glaubt man auch, daß der zum Schichtkieker werde, der auf einen heulenden Hund schießt 30 ). Eine weitere Kombination bei Strackerjan 3 1 ).

11 ) G. Henßen Zur Geschichte d. bergischen Volkssage 1929, 19. , 2 ) Ebd. 19. 1 S ) B e i s e n herz Kurl 375 f.; G. Henßen Rheinische Volksüberlieferung 1 5 ; Z a u n e r t Hessen-Nassau 3 1 3 ; nach S c h e l l Bergische Sagen 1922 Nr. 876. 1146 sieht man in der Matthiasnacht Spuk. " ) Heinr. S o h n r e y Die Sollinger (1935), 285. 15 16 ) Z a u n e r t Hessen-Nassau 313. ) Otto B r i n k m a n n Das Erzählen in d. Dorfgemein1β schaft 1933, 36. " ) Ebd. 36. ) S a r t o r i Westfalen 75; Z a u n e r t Westfalen 246; S o h n r e y Sollinger 285. 1 9 ) S a r t o r i Westfalen 75. 20 ) Beisenherz 375 f. 2 1 ) Z a u n e r t Westfalen 246. S2 ) S t r a c k e r j a n 1, 170. »*) Ebd. " ) Z a u n e r t Westfalen 247. 25 ) K ü c k Lüneburger Heide 242; S t r a c k e r j a n 1, 170. 174. M ) S t r a c k e r j a n 1, 171. " ) S t r a c k e r j a n 1, 170. 171. î 8 l Z a u nert Westfalen 247; S a r t o r i Westfalen 75; G. Henßen Rheinische Volksüberlieferung 15; Ders. Zur Geschichte d. berg. Volkssage 20; K ü c k Lüneburger Heide 242; S t r a c k e r j a n 1, 170 (und umgekehrt!). Vgl. B r i n k m a n n Erzählen in d. Dorfgemeinschaft 34. 28 ) Z a u n e r t Westfalen 247. *>) S t r a c k e r j a n 1, 170; doch vgl. V o g e s Braunschweig Nr. 124. 3 1 ) S t r a c k e r j a n ι, 170t. = Z a u n e r t Westfalen 247.

4. Wer die Gabe hat, ist ein unglücklicher Mensch 32 ). E r kann nicht sehen, was er will und wann er will; er muß den Vorspuk sehen, so oft er kommt, er mag wollen oder nicht 33 ). Loswerden kann er diese Qual nur, wenn er sie auf einen andern zu übertragen vermag, wenn er diesen dazu bereden oder überlisten kann, das Schichten von ihm zu erlernen M ). Doch sagt man, daß manche fromme Pfarrer sie einem abnehmen könnten 35 ).

3IO

Nach bergischem Glauben muß der Geesterkieker sich hüten, den Namen des Menschen auszusprechen, den er tot gesehen hat. Tut er das andern gegenüber, so muß er jede Nacht um 1 2 hinaus auf den Leichenweg, um den Trauerzug vorüberzulassen, und zwar so lange, bis der wirkliche Leichenzug hier vorübergekommen ist; der Geesterkieker mackt den Liekweg open 3β ). Diese Vorschrift besteht sonst nicht, ja es erscheint erwünscht, wenn der Schichter, der einen Brand sieht, dem Hausbesitzer davon Mitteilung macht, damit dieser versuchen kann, das Unheil abzuwehren 37 ).

32 ) S t r a c k e r j a n 1, 171 f. = Z a u n e r t Westfalen 246; S t r a c k e r j a n 1, 173 = Z a u n e r t Westfalen 249 f. ω ) S t r a c k e r j a n 1, 172 f . ; Z a u n e r t Westfalen 246. 3 4 ) Z a u n e r t Westfalen. 247. 249. 249 f. = S t r a c k e r j a n 1, 173. 173 f. 172; Henßen Geschichte 20. Ein Sterbender nimmt einem Schichter die Gabe ab : S t r a k k e r j a n i, 174. Vgl. aüch V o g e s Braunschweig 150 f. Z a u n e r t Westfalen 247. Henßen Z.Geschichte d. berg. Volkssage 19. S7 ) S t r a c k e r j a n ι, 179. 182.

5. Nach Annette v. Droste-Hülshoff entspricht der inneren Gabe eine gewisse äußere Konstitution. E s heißt bei ihr: Kennst du die Blassen im Heideland mit blonden, flächsernen Haaren, mit Augen so klar, wie an Weihersrand die Blitze der Welle fahren 38 ). Sie schreibt dem Sp. also einen besonderen Blick und Blässe des Antlitzes zu. Das entspricht ähnlichen Bemerkungen unserer Quellen. Einem Schichter in Hessen „sah man es an; er guckte so vadelig (sonderbar), er schiigte, er hatte einen ganz unheimlichen Blick" 3S ). Weiter heißt es bei Strackerjan : die Schichtigen werden von der fortwährenden Aufregung ganz blaß und schwinden hin, und schon mancher hat die beunruhigende Gabe mit einem frühen Tode büßen müssen 40 ). Die meisten sind trüben Sinnes 4 1 ). Was das Erlebnis selbst betrifft, so sind die Erzähler und wohl auch die Schichter der übereinstimmenden Ansicht, sie seien Augenzeuge des Ereignisses, also bei diesem selbst anwesend, stünden am Leichenweg, vor dem brennenden Hause usw. Die Frau des bergischen Geesterkiekers „Stotter-Fritz" soll

3 "

Sporn—Spott, verspotten

aber über ihren Mann gesagt haben, er habe immer einem Toten gleich im B e t t gelegen, während seine Seele unterwegs war e ) . Ähnlich will ein derber oldenburgischer Schwank beweisen, daß der Schichter sein Erlebnis nur lebhaft träume 43 ). ·*) S a r t o r i Westfalen 75. 39 ) Z a u n e r t Hes40) S t r a c k e r j a n sen-Nassau 313. i, 172. 41 ) Ebd. ι, 174. « ) H e n ß e n Zur Geschichte d. berg. Volkssage 19. 43) S t r a c k e r j a n ï , 174.

6. Über den Inhalt ihrer Geschichte s. Zweites Gesicht, Vorgeschichte, Vorspuk. 7. Nach dem Volk haben auch Hunde 44 ), P f e r d e 4 5 ) und E u l e n 4 8 ) die Fähigkeit des Spökenkiekens. " ) S. o.; S a r t o r i Westfalen 75; Z a u n e r t Westfalen 246; B e i s e n h e r z 377; S t r a c k e r j a n I, 168; K ü c k Lüneburger Heide 242; H e n n e a m - R h y n Dtsch. Volkssage 154. In Ganderkesee heißt ein solcher Hund „Totenhund" : S t r a c k e r j a n ι, 169. a ) Z a u n e r t Westfalen 246; B e i s e n h e r z 377; S t r a c k e r j a n 1, 168. 169 f. *·) B e i s e n h e r z 377; vgl. S t r a c k e r j a n 1, 168. Peuckert.

Sporn. I. G e s c h i c h t l i c h e s . Bronzene und eiserne Sp. begegnen uns im Norden Europas seit der La-Tène-Zeit und der römischen Periode. I n Griechenland werden sie zuerst von dem attischen Dichter Pherekrates genannt. Die ältere Form der Sp., sind die Stacheisp. Gegen E n d e des 13. Jh. tauchen die Radsp. auf. Ursprünglich scheint der Reiter nur einen Sporen getragen zu h a b e n 1 ) . M a r t i n J a h n Der Reitersporn, seine Entstehung und früheste Entwicklung, Mannusbibl. X X I (1921); R. Z s c h i l l e u. R. Forrer Der Sporn in seiner Formentwicklung (1891); O l s h a u s e n Verhandl. d. Berliner Ges. f. Anthr., Ethnol. u. Urgesch. 1890, 184 f.; E. G o l d m a n n Beitr. z. Geschichte d. german. Freilassung durch Wehrhaftmachung (1904) 10 f.; Schräder Realle χ. s. v. Sporen; E. S p r o c k h o f f Reallex. d. Vorgesch. s. v. Sporn.

2. I m M.-A. scheint es Brauch gewesen zu sein, einem Abreisenden zum Zwecke der Heilverleihung Sp. n a c h z u w e r f e n , ein Brauch, bei dem der Volksglaube an die Vorstellungen von der Zauberkraft des Spitzigen (s. Spitziges) und des Eisens bzw. Stahls (s. Eisen, Stahl), vielleicht auch des Fußes (s. F u ß ) , angeknüpft zu haben scheint. E r begegnet uns in den aus dem 14. Jh. stammenden Bilderhandschriften des Sachsenspiegels 2 ). Die spätere Zeit kennt die Anschauung

312

v o n der heilwirkenden K r a f t des Sp.wurfs nicht mehr. Sonst begegnet nur noch die Vorstellung, daß mit Sp., die aus einer G a l g e n k e t t e gefertigt sind, störrige Pferde leicht v o n der Stelle gebracht werden können 3 ) (frühester Beleg in einer Hschr. d. 15. Jh.), ferner heißt es in dem 1455 geschriebenen Werke „ A u s D o k t o r Hartliebs B u c h aller verbotenen K ü n s t e " , es gebe Hofleute, wann die new sporn haben, so stossen sie mit den räderlein in einen weichprunnen und sprechen, was sie damit hawen, das geschwell nimermer 4 ). 2) G o l d m a n n a . a . O . 13 f.; v. A m i r a Die Dresdener Bilderhandschrift d. Sachsenspiegels 3) G r i m m Myth. II/2 121. 3, 447 Nr. 385; S c h ö n b a c h Berthold v. R. 148 f.; s. o. s. v. 4) Grimm Myth. Galgen Sp. 265. 3, 428.

3. S p . i m R e c h t . Sp. begegnen uns in der Rechtssymbolik des Mittelalters des öfteren, so als Abzeichen des Ritters bei der Verleihung der Ritterwürde und bei der Degradation des R i t t e r s 5 ) , bei der Herausforderung z u m Zweikampf ®) und als Traditionssymbol bei der Übergabe von L e h n g u t 7 ) . 5) Grimm RA. 1, 237. 378; v. A m i r a a. a. O. 227 t. ") Grimm RA. 1, 237. ') v. Schwerin in Hoops Reallex. s. v. Rechtssymbole 469f.; Grimm RA. a . a . O . ; 2, 891. Goldmann.

Spott, verspotten. Sp. und Hohn, obgleich sie vielfach miteinander verbunden sind, sind begrifflich genau zu unterscheiden: Der Sp. kann berechtigt sein (als ernster Sp.) oder unberechtigt (als übermütiger Sp.); der Hohn tritt die Menschenwürde des Gegners ohne Skrupel unter die F ü ß e , und diesen Charakter fühlt das Volk mit Sicherheit heraus. Der gutmütige, leichte Sp. hängt sich nicht nur a n Schwächen einzelner Menschen, sondern zieht auch die Wunderlichkeiten u n d Torheiten von Dörfern, Städten und Gegenden hervor. Die Schildbürgerstreiche werden im Vaterlande je nach der Gegend den Schwarzenbörnern oder den Schöppenstädtern, oder den Kalauern, Polckwitzern, Büsumern usw. „ a u f g e h ä n g t " , und wiewohl sie leicht gemeint sind, so werden sie doch von den Betroffenen schwer e m p f u n d e n 1 ) . Ein schwäbisches Dorf soll einmal gebeten

313

Spräggele—Springwurzel

haben, daß ihm von Staatswegen ein anderer Name gegeben würde. Wackernagel hat einen kurzen Aufsatz über die Sp.-Namen der Völker geliefert, wobei er freilich nur an die alten deutschen Stämme denkt 2 ) ; ein Buch über die Beinamen und Spitznamen der deutschen Dörfer und Städte zu schreiben, würde ein vergebliches Unternehmen sein. Der Schwanke und wirklichen Erinnerungen gibt es unendlich viele. Proben von ihnen finden sich in jeder Stammes-Volkskunde 3 ). Den Sp. über Menschen oder den spottenden Kindervers 4 ) erträgt das Volk, aber es warnt, wenn sich der Sp. gegen religiöse Dinge richtet. Uberall finden wir die warnenden Sagen: Die Menschen, die als Gespenster umgehen müssen, strafen den Spötter s ). Der Geist Gumpel hängt sich bei Nacht dem Spottenden auf. Er muß ihn tragen ·). Der Sp. gegen den Butz ist nicht ungefährlich 7 ), desgleichen gegen den Vogelhannes oder das Hojemännlein 8 ). A m härtesten werden die Menschen gestraft, die der Kirche und ihrer Bräuche 9 ) oder des heiligen Gottes spotten: Ein Holzknecht verspottet eine Sennerin, die wegen eines bösen Traumes zum Birkenstein wallfahrtet. Der Wolf, von dem das Mädchen geträumt hat, zerreißt bald darauf den Knecht 1 0 ). Wer unter einem Gewitter flucht und spottet, muß sterben. Wer den Wettersegen betet, kommt mit dem Leben davon u ) . Daran erinnert auch der weit bekannte Vers: Den Schläfer laß schlafen, den Beter laß beten, den Spötter schlag tot. Alte Leute im Volk erinnern gern bei solcher Gelegenheit an Gal. 6, 7. S A V k . 3, 238. *) W a c k e r n a g e l Die Spottnamen der Völker Z f d A . 6 (1848), 254 ft.; 3) K n o o p S a r t o r i 2, 179. Hinterpommern X I I I ff. «) E n g e l i e n u. L a h n S. 182. 5 ) Ebd. S. 81 f. ·) H o c h h o l z Sagen 1, 184. ') V o n b u n Beiträge 76. K ü h n a u Sagen 1, 583; L e o p r e c h t i n g Lechrain 34. ·) Bavaria 1, 10 ) Ba313; K i i h n a u Sagen 3, 359 u. 363. varia ι , 313. " ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 68 u. 120f. f Boette.

Spräggele s. 5, 1794 f. sprechen s. r e d e n (7,572 ff.), s c h w e i g e n (7, 1460 ff.).

Sprengkraut s.

314Springwurzel.

Spreuer s. H ä c k s e l 3, springen s. S p r u n g .

1299.

Springerle1). S. sind ein schwäbisches. Weihnachtsgebäck in Tierform oder an der Oberseite mit Reliefgestalten verziert. Sie sind seit dem 17. Jh. üblich und werden seit 100 Jahren nach gleichbleibendem Rezept gebacken (Vorliebe für Zimt, Anis, Mandeln, Rosinen). D e r Name deutet nach Walther 2 ) auf die in der Renaissancezeit beliebten Reitergestalten hin. *) M e y e r Germ. Myth. Schwab. Vk. 133. *) Ebd.

101;

Walt her Groth.

Springprozession s. 2, 536 ff. Springwurzel, eine sagenhafte Pflanze, die die Fähigkeit hat, Felsen zu sprengen (z. B . beim Schatzheben), Schlösser zu. öffnen usw. ι . G e w i n n u n g . P l i n i u s * ) schreibt» daß Keile, welche etwa ein Hirt in die Nisthöhlen (in Bäumen) der Spechte treibt, herausfallen („wie man gewöhnlich glaubt"), wenn die Spechte e i n g e w i s s e s K r a u t daran halten. T r e b i u s *), so· fährt P l i n i u s fort, bemerkt, daß ein mit jeder möglichen K r a f t in einen Baum, worin ein Specht sein Nest hat, eingetriebener Nagel oder Keil sogleich herausspringt, sobald sich der Vogel auf d e a Nagel oder Keil setzt. Ähnlich A e l i a n (2. Jh. n. Chr.) 3 ), der auch berichtet 4 ), daß ein Wiedehopf (επωψ), dessen in. einem Mauerspalt befindliches Nest mit Lehm verschlossen war, ein Kraut holte s ). Da löste sich der Lehm ab, und der Wiedehopf konnte zum Neste und zu seinen J u n gen gelangen. Die Geschichte ging auch in die deutschen „Naturbücher" über, so bei M e g e n b e r g e ) : „Wenn man im (dem. „paumheckel" = Specht) seinen kint versieht mit ainem zwickel, sô pringt e r a i n k r a u t und helt daz für den zwickel, sô vert er her dan daz kraut haizt z e latein herba meropis, daz spricht paumhäckelkraut und haizt in der zaubraer puoch t h o r a 7 ) und waer nit guot, daz. man ez gemaincleich erkennet, wan ez gênt sloz gegen im auf; dâ mit sünte

315

Springwurzel

niemant, der gevangen waer auf den leip". Die Quelle für M e g e n b e r g sind •wohl die mittelalterlichen Tierbücher (Physiologus, Bestiaire) 8). Ebenso fand die Geschichte Eingang in die alten magischen Schriften 9 ). Aus diesen Quellen gelangte die Fabel vom Specht und der S. meist mehr oder weniger ausgeschmückt ins deutsche Volk und erscheint dann in den Sagensammlungen als „deutsche" Sage 10 ), wo sie sich ζ. T. mit den Sagen vom Farn, der Schlüsselblume (die Schätze aufschließt), der Wünschelrute vermischte, s. auch unter Mistel (6, 388). Als Beispiel eine schwäbische Fassung („mündlich aus Derendingen" [OA. Tübingen]) : „Kein Mensch weiß, wo die S. wächst; man kann sie sich aber verschaffen durch einen W i e d e h o p f ; nämlich so: findet man das liest dieses Vogels in einem hohlen Baum, so muß man den Eingang mit einem Brett vernageln. Dann holt der Wiedehopf die S. und hält sie vor das vernagelte Nest, worauf sofort das Brett abspringt. Alsdann bringt der Vogel diese Wurzel, um sie zu vernichten, in ein Wasser oder läßt sie, wenn er unterwegs Feuer findet, da hineinfallen. Deshalb muß man in der Nähe des Nestes entweder eine Gelte mit Wasser aufstellen oder ein Feuer anmachen und die S. auffangen, wenn er sie fallen läßt. Statt des Feuers darf man aber auch nur ein rotes Kleid oder ein Tuch hinbreiten, so hält der Wiedehopf dasselbe für Feuer und läßt die Wurzel "fahren. Vor einer solchen S. springen •alle Türen und Schlösser auf. Auch macht sie sicher gegen Stich und Kugeln (s. Farn 2,1222), wenn man sie in der rechten Tasche bei sich trägt. Wenn man einen kühnen Dieb nicht ertappen kann, so sagt man wohl auch: der muß eine S. haben" u ). Die Eier des Spechtes sollen so hartschalig sein, daß sie, wenn sie brutreif sind, nicht von selbst zerspringen. Der Specht sucht zu diesem Zweck die S. 1 2 ). Nach einer Sage der Beskidendeutschen ist die S. ein „Gras, das nur einmal im Jahr "blüht" (s. Farn 2,1219). An Stelle des Spechtes wird hier der S t a r genannt 13 ). Die S c h w a l b e bringt die S., wenn man ihr eines ihrer Eier hartgesotten ins Nest

316

legt M ). Nach einem alten Arzneibuch des 15. Jh.s läßt ein R a b e die S. fallen 15 ). Ganz abweichend ist die Gewinnung nach einem „Turmbuch" des 16. Jh.s, wo ein Schlosser bekennt: Wenn man von zwei Fröschen,die aufeinander sind [in copula], den unteren ( = das weibliche Tier) nimmt, in einen irdenen Hafen tut und den wohl verschließt, so kommt der andere Frosch, bringt ein K r a u t und legt es in den Hafen hinein, der auseinanderfällt, so daß der gefangene Frosch frei werde. Wenn ein Mensch dies Kraut bekomme, so könne er ohne Schlüssel öffnen 16 ). Nach einem Siebenbürger Glauben erhält man die S., wenn man das Erdloch einer K r ö t e mit Lehm verstopft. Die Kröte holt dann das „Springgras", es heißt auch „Eisegräs" (weil es Eisen sprengt? s. Eisenkraut 2, 739 Anm. 49), rumänisch „Iarba Chârilor" 17 ). Eine andere Art der Gewinnung ist folgende: Man geht einen Weg, an dem mindestens 19 Stauden wachsen, nimmt von der ersten eine Blume, die zweite übergeht man, von der dritten wieder eine und so fort, bis man neun Blüten in der Hand hat. Jetzt pflückt man von jeder ein Blättchen, ritzt dann in den Daumen eine Spalte und steckt diese neun Blättchen hinein und läßt sie verheilen 18 ). Mit diesem F i n g e r kann man nun alles aufbrechen, selbst eine mit neun Schlössern versperrte Türe (Alzen in Siebenbürgen). Das „Springgras" erkennt man daran, daß es in der Frühe vor Sonnenaufgang einen Blutstropfen an der Spitze hat 1 9 ). Die guten Hollen kennen alle Kräuter, namentlich die S. 20 ). l) Nat. hist. 10, 40, vgl. 25, 14. 2) X r e b i u s N i g e r , ein römischer Schriftsteller, von dem P l i n i u s Nat. hist. 9, 89 erwähnt, daß er zum Gefolge des Prokonsuls L. L u c u l l u s in Spanien (151—149 v.Chr.) gehörte, hat offenbar ein naturhistorisches Werk geschrieben, das jedoch verloren gegangen ist. 3 ) Hist. an. 1, 45. *) Ebd. 3, 26. · ) Dazu ist zu bemerken, daß Specht und Wiedehopf auch sonst in den antiken Schriften öfters verwechselt werden: K e l l e r Antike Tierwelt 2, 52. ·) Buch der Natur ed. Pfeiffer 380. 7 ) „torà salutifera" hieß in der alten botanischen Nomenklatur auch die Mondraute (s. d.), die gewisse Züge mit der S. teilt, vgl. T a b e r n a e m o n t a n u s Kreuterbuch 1613, 424; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 469. ·) So in R i c h a r d

317

Springwurzel

•de F o u r n i v a l Le Bestiaire d'amour p. 32 (14. Jh.) = S é b i l l o t Folk-Lore 3, 468; vgl. auch W e l l m a n n Der Physiologus 1930,97 f. ·) z. B. (Pseudo-) A l b e r t u s M a g n u s De MirabiJibus Mundi 1601, 225 = D y e r Plants 50; Mysteria phys. med. 1681, 27; H o r s t Zauber•bibliothek 4, 46 ff. = M e y e r Abergl. 64 f. 10 ) B ö c k e l Volkssage xoi; G r i m m Sagen 6 f. n Nr. 9. ) Meier Schwaben 240; ähnlich X ü t o l f Sagen 520; F i r m e n i c h Völkerstimmen з, 173 = Z a u n e r t Westfalen 286; W o e s t e Mark 44; V e r n a l e k e n Mythen 1 4 0 f . ; K u h n и. S c h w a r t z 459; K r a i n z 149; W e d d i g e n u. H a r t m a n n Sagensch. Westfalens 1884, 75f.; •Grohmann 88; B i n d e w a l d Sagenbuch 224e.; PfisterHessen 167; Brandenburgia 1916, 166Í.; S t r a c k e r j an OWenim»-» 1, 99; S c h e l l Bergische 12 Sagen 171. 340f. ) Ders. a . a . O . 1 7 1 . 13 ) K a r a s e k - L a n g e r S a g . d . Beskidendeutschen 1930, 155. " ) B o h n e n b e r g e r 1 1 3 . u ) SAVk. 2 7 , 8 3 . l e ) L ü t o l f Sagen 352 l 7 ) S c h u l l e r u s Pflanzen 388. " ) Ähnlich auch im Bergischen: S c h e l l Berg. Sagen 171. 340. " ) Schullerus a.a.O. 387 f.; Müller Siebenbürgen 26. 20 ) Z a u n e r t Hessen-Nass. Sagen 1929, 31.

3. Die W i r k u n g der S. besteht vor allem darin. Verschlossenes zu öffnen, daher wenden sie auch die Diebe (s. 2, 235) a n 2 1 ). Einem gefesselten Pferd zersprangen die Fesseln, als es zufällig das „Springgras" berührte 22 ). Nach schwedischer Sage sprengt die S. den Pferden, die darüber schreiten, die Hufe ab 2 3 ), s. Mondraute (ital. sferracavallo). Auch bei den Slowaken bringt die S. die Hufeisen der Pferde zum Abfallen 24 ). Sie sprengt die Felsen, hinter denen die Schätze verborgen liegen 25 ). Der Schatzgräber darf nicht vergessen, sie wieder mitzunehmen („vergiß das Beste nicht!") 2 6 ). Damit ein böser Zahn von selber ausfalle, mache man einen Teig von Mehl und S. und reibe damit den schmerzenden Zahn ein 2 7 ). Hier ist vielleicht die Spring-Wolfsmilch (s. d.) gemeint. Um immer Geld zu haben, trägt man die S. bei sich 28 ). Alles was man sich wünscht, kann man durch die S. erreichen 2β ), vgl. den Wünschelsamen30). Sie macht kugel- und stichfest 31 ). Auf dem Beurer Berge bei Owen (Württemberg) wächst eine S., die jedesmal ein Gewitter teilt und abhält 32 ). Sie löscht das Feuer aus 33 ). Ein S.segen findet sich in einer Hs. des 15. Jh.s aus dem Schlosse Wolfsthum (Sterzing) 34 ). Wenn das Hermelin zuerst die S. gefressen hat und den

318

Menschen anbläst, so muß et sterben (Seefeld in Tirol) 3 5 ).

21 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 207. 262; W u t t ke 99 § 125; Groß Handbuch 1, 536 ff. 2 2 ) M ü l ler Siebenbürgen 26. 2 3 ) P f i s t e r Hessen 166. 2S *«) H o l u b y Trentschin 3. ) U r q u e l l 5, 211 f.; P r ö h l e Unterharzsagen 1856, 116; K ü h n a u Sagen 1, 272; MschlesVk. 18, 8 9 f . ; 2 K u h n u. S c h w a r t z 178. ·) K ü h n a u Sagen 1, 2 9 3 ! ; K u h n Westfalen 1, 190; K e r n Sag. d. Leitmeritzer Gaues 1922, 38. 27 ) H e l l w i g Zauberarzt 81 = ZfVk. 8, 214. 28) W u t t k e 2 408 § 633. ·) B o h n e n b e r g e r 1 1 3 . 3 0 ) Vgl. K u h n Herabkunft d. Feuers 1886, 194 f. 31 ) Meier Schwaben 240 = W u t t k e 320 § 475. 32 ) Meier a. a. Ο. ω ) S t r a c k e r j a n Oldenburg M 2, i n . ) ZfVk. ι, 321. œ ) P a n z e r Beitrag 2, 189.

4. Der G l a u b e an eine S. findet sich bei v i e l e n i n d o g e r m a n i s c h e n V ö l kern. In den Veden 3 8 ) erscheint eine Pflanze „pata", die vielleicht mit der S. gleichzusetzen ist 3 7 ). Deutliche Beziehungen zeigt die S. zu dem Würmchen „Schamir" der talmudischen Legende 38 ) : Benaja deckt das Nest des A u e r h a h n e s mit einem weißen Glas zu. Der Vogel sieht dies und holt den Schamir. Benaja schreit laut auf und der Auerhahn läßt den Schamir fallen. Mit dem Schamir sprengt Salomon die Steine beim Tempelbau 39 ). Im russischen Aberglauben heißt die Sp. „rasriv-trawa" und soll eine Art Steinbrech (Saxífraga) sein, sie wird auch „Hüpfer" oder „Springer" 4 0 ) genannt. Nur wer Farnkrautblüte (s. Farn 2 , 1 2 2 5 ) und Blutkraut (Blutweiderich, Lythrum salicaria?) besitzt, kann auch die S. gewinnen. Sie sprengt jedes Metall, namentlich eiserne Türen 4 1 ). Die S. blüht nach russischem Glauben nur in der Johannisnacht ganz kurze Zeit. Man kann sie auch daran erkennen: das Kraut, an dem in der Johannisnacht die Sense zerbricht, ist die S. 4 2 ). Die Slovaken des Trentschiner Komitates erzählen von einem Kraut, das die Kraft besitzt, Schlösser zu öffnen, die Sensen beim Mähen und die Hufeisen der Pferde zum Abfallen zu bringen. Man gewinnt die S. mit Hilfe des Spechtes. Wenn die Sense plötzlich vom Stiele fällt, so hat der Mäher das „Glückskraut" getroffen 43 ). Die Esten kennen ebenfalls die S. **). Bei den Schweden heißt der Salomonsiegel oder

319

spritzen·ι—Spruch

die Weißwurz (s. d.) „sprängört" 45). In den romanischen Ländern scheint die Sage von der S. weniger bekannt zu sein48).

" ) Atharvaveda 2, 27, 4; Kaucikasutra 38, 37 18—21. ) Nach gütiger Mitteilung (1931) von Prof. P r i n t z , Halle a. S., k ö n n t e der indische Pflanzenname „ p a j a " zu „phalati" = er birst, „patyati" = er spaltet, „pä{ana" = das Spalten gehören; „spalten" gehört zur gleichen indogermanischen Wurzel. Die „pata"Pflanze wird gewöhnlich als Clypea hernandifolia (Menispermacee) gedeutet, vgl. auch G u b e r n a t i s Plantes 1, 259; J o r e t Les plantes 3Í dans l'antiquité etc. 2 (1904), 587. ) Talmud babli, Gittin 6 8 a f.; L o e w Flora d. Juden 2 ι (1928), 722. ·) G r i m m Altd. Wälder 2 (1815), 89—95; C a s s e l Samir, ein archaeolog. Bettrag zur Natur- und Sagengeschichte. In: Denkschr. d. preuß. Akad. der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt 1854, 4 8 — 1 1 2 ; G i n z b e r g The Legends of the Jews 1, 34; 4, 166 bis 168; 5, 52 f.; 6, 299, 85; S a l z b u r g e r Salomes Tempelbau u. Thron in der semit. Sagenliteratur (Schrift, d. Lehranstalt f. d. Wissensch, d. Judentums 2, 1). Berlin 1912, 39 ff. 40 ) Der Farn bzw. die S. soll nachts wie ein Licht leuchten, nie stille stehen und beständig hin und her hüpfen, vgl. S c h w a r t z Volksglaube 80 f. u ) ZfdMyth. 4, 1 5 3 ; vgl. G u b e r n a t i s Plantes 42 ι , 258 f. ) Y e r m o l o f f Volkskalender 291. a ) H o l u b y Trentschin 3. " ) E i s e n Imerohi. Eesti Kirjandus 15 (1921), 7 1 — 7 6 . 45 ) J e n s s e n - T u s c h Nordiske Plantenavne 1867, 63, 4 vgl. F e i l b e r g Ordbog 3, 508. *) Eine angeblich französische Fassung bei P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 497.

5. Uber die mythologische B e d e u tung hat besonders Adalb. K u h n 47 ) gehandelt. Er bringt den Specht und die S. mit dem himmlischen Feuer, dem Blitz, in Verbindung. Wie der Blitz die Dunkelheit erleuchtet, so enthüllt die S. die verborgenen Schätze usw. 48 ). Jedenfalls zeigt die S. viele Berührungspunkte mit anderen Zauberpflanzen besonders mit solchen, die Schätze finden lassen, vgl. Alraun, Farn, Hasel, Irrwurz, Mistel, Mondraute, Schlüsselblume, Türkenbund, Wegwarte .Weißwurz, ( Spring- ) Wolf sm ilch, Wünschelrute. Auch der Diptam (s. 2, 300), der auch „Spechtwurzel" 4e) genannt wurde, wird manchmal als die S. erklärt. 47 ) Herabkunft des Feuers 214 ff. 265. 4») Vgl. auch G r i m m Myth. 2, 812 ff.; 3, 289; U s e n e r Kleine Schriften 4, 1 3 1 ; S c h w a r t z Volksglaube 279; M e y e r Germ. Myth, n o ; F r a z e r 12, 474; Balder 2, 69 f.; D y e r Plants 50 f.; B a r i n g - G o u l d Curious Myths of the Middle Ages 1877, 386 ff.; S i m r o c k Myth.* 395 f.;

ZfVk. 2, 76; 23, 269. 274. namen 189.

320 4

·) M a r z e l l

Pflanzen-

6. Auch l i t e r a r i s c h wurde die Sage von der S. verwertet, so von Grimmelshausen im „Wunderbarlichen Vogelnest", wo sich der Kaufmann der S. bedient, um des reichen Juden Schatz zu plündern£0), von Clemens Brentano· in seinem Drama „Die Gründung; Prags" 51 ). Rud. B a u m b a c h M ) dichtet: Der Schwarzspecht ist ein Kräutermann, Kennt manches Zauberkraut im Tann, Das im Verborgenen sprießet. E r hält ob einer Wurzel Wacht, Die alle Schlösser springen macht Und jede Tür erschließet. ,0 ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 1, 8; 2, 5 5 . 5l ) Werke, hrsg. v. Schüddekopf 10 (1910), 52 72. 397. ) R e l i n g u. B o h n h o r s t Unsere: Pflanzen1 1904, 86. Weitere Literatur über die S.: D W b . 10, 2. 122 f.; L e n t i l i u s De radice effractoria vel apertorta, Sprengwurzel. In: Ephem. Acad. Nat. Curios, dec. I I I . Ann. V I I — V I I I , 1 4 4 — 1 5 2 ; Hans T ü m m l e r Von verdächtigem Schatzgraben und Beschaffung einer Springwurzel. Ein Prozeß im Amte Dornburg (1679/80). In: Mitteid. B l . f. Vk. 7 (1932), 1 4 9 — 1 5 6 ; J . A. C a n d r e a Jarba fiarelor. Studii de folklor ( = Die Springwurzel. Volkskundliche Studie). Bucuresti 1928. 185 p. Marzell.

spritzen s. Wasserguß. Spruch s. Segen. Sprung, springen. Im einfachen Freudens., der sich in vielen Tänzen äußert, nach einem Aberglauben zu suchen 1 ), ist ebenso verfehlt, als wenn man die zahlreichen S.sagen 2 ) auf einen tieferen Sinn hin prüfen wollte, der sich auf das Springen als solches bezieht. — Es handelt sich beim S. hauptsächlich um den F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r . Der S. zum Zwecke dieses Fruchtbarkeitszaubers ist über die ganze Welt verbreitet und war in der Antike bekannt, wie er auch jetzt noch geübt wird 3 ). Er ist durch die einfache Analogievorstellung zu erklären: je höher man springt, um so fruchtbarer wird etwas gedeihen. Am offensichtlichsten ist dieser Analogiezauber beim Flachss. 4) : Je höher man springt, um so größer wird der Flachs, — bei dem bekanntlich die Länge der Pflanzen ausschlaggebend für eine gute Ernte ist. Der S. als Fruchtbarkeitszauber gilt

321

Sprung, springen

nicht nur für solche Pflanzen, bei denen es auf die Länge des Halmes und der Wurzel ankommt (Flachs, Korn 8 ), Rüben ·)), sondern auch für die Felder im allgemeinen 7 ), manchmal für Tiere 8) und häufiger für Menschen 8). Unterstrichen wird die Möglichkeit des S.es als Fruchtbarkeitszauber dadurch, daß er meistens den Frauen und Mädchen 10), seltener dem männlichen u ) Geschlecht überlassen wird. Nacktheit 12 ) ist beim kultischen S. in den wenigsten Fällen vorgeschrieben. Die Bräuche bei diesem Fruchtbarkeitss. sind mannigfaltig. Mehr oder weniger als rituelle Handlung dem Volksmenschen bewußt, wird er dort ausgeführt, wo wir anderen Fruchtbarkeitszauber finden, also hauptsächlich in Saatund Erntezeit. Auch in den Übergangszeiten ist er vorhanden. Zu Neujahr 13 ) springt man in Westfalen und Oldenburg noch heute um Mitternacht vom Tisch. Zur selben Zeit ist wie zur Fastnacht in Tirol das Berchtlspringen 14) üblich, mit dem der ,,Stapfer 1 6 )" oder „Stopfer", der früher in Graubünden sehr gebräuchlich war, viele Ähnlichkeit besitzt: Vermummung und Lärmen der Beteiligten und die ungewöhnlichen Sprünge, die schon dem Chronisten auffielen, lassen darauf schließen. Zu Fastnacht springt man in allen Gegenden Deutschlands vor- oder rückwärts vom Tisch herunter, damit der Flachs gedeihe 1β ). Manchmal sind Zaubersprüche üblich wie 17 ) : „Flix, flax, daß mein Flachs über vier Ellen wachs". Auch das Springen beim gewöhnlichen Fastnachtstanz im Wirtshaus hat Einfluß auf die Fruchtbarkeit des Feldes 18 ). In Siebenbürgen springen die Mädchen in den Häusern, wo junge Burschen wohnen und rufen 1β) : „Esü grüß sal ir flöß wôssen". Die Württemberger Kinder springen zu Fastnacht über einen Schemel 20 ); das ist das „Flachsbauen". Der S. durch ein Fastnachtsfeuer ist häufig 21 ). In Norddeutschland springt man manchmal zu Fastnacht über eine Gaffel 22 ), die auf die Tenne gelegt wird. Am Tage, wo der Flachs gesät wird 23), muß der Sämann recht hoch auf dem Felde springen. Auch beim ersten B i c h t o l d - S t l u b l i , Aberglaube VIII

322

Flachsjäten 24 ) springt die Magd, bevor sie die Arbeit beginnt. Bei der Walpurgisfeier springen alle Festteilnehmer über ein vom „Königspaar" gehaltenes Taschentuch 25). Die wendischen Kinder machen in der Lausitz kleine Galgen 2β ) aus Weidenruten, über die sie hinüberspringen. In Thüringen umsteckt man das Flachsfeld mit Holunderzweigen 27) und springt hinüber. Der S. durch das Johannisfeuer 28) ist über die ganze Welt verbreitet. Auch hier sind Sprüche üblich 2*), z . B . : „Heiliger St. Johannissegen, laß mein Werg drei Ellen lang werden und Bollen wie eine Baumnuß". Man darf den S. durch das Sonnenwendfeuer nicht als einfachen Fruchtbarkeitszauber werten ; er hat sich wie jeder Feuersprung mit dem Reinigungszauber verbunden. Der russische Brauch *>), zu Johanni mit einer Strohpuppe durchs Feuer zu springen, weist schon auf die deutschen Erntebräuche hin. Man springt über die letzte Garbe 81 ), die als Puppe zurechtgemacht sein kann; man springt über das letzte ungemähte Eckchen 32) des Feldes. In Hohenauen springen die Teilnehmer des Erntefestes über einen umgestülpten Kessel 33 ), sobald der Erntekranz auf den Hof getragen wird. Beim Kirchweihfest springen die alten Leute in Schlesien um den Stubenpfeiler 34) herum. — Wenn man aus diesen Sprüngen, die zur Fruchtbarkeit der Felder im allgemeinen und bestimmter Früchte im besonderen beitragen sollen, ein regelrechtes und bewußtes Opfer an die Göttin der Fruchtbarkeit herauslesen will, so geht man, wenigstens für den Glauben der letzten Jahrhunderte, zu weit 3S ). Der Fruchtbarkeitszauber, der vom Springen ausgeht, hat sich vereinzelt auf die T i e r w e l t erstreckt. Ein hessischer Brauch deutet darauf hin 3e) : Zu Fastnacht tanzt der Schweinehirt einige Sprünge. Ein heidnischer Brauch soll es sein 37 ), „wenn eine Frau hüpft und 71 (vor den) Küchlein zählt, damit sie nicht sterben". — In größerem Maße aber tritt der Fruchtbarkeitszauber in der Form des S.es bei den Menschen in Kraft 3 8 ). Wie es fast immer die Frauen sind, die durch ihr II

323

Sprung, springen

Springen die Fruchtbarkeit des Feldes vermehren sollen 39 ), so können sie dasselbe bei sich selbst tun. Hiermit scheinen manche Hochzeitsbräuche zusammenzuhängen : Wenn im Saterland m ) die Braut am Hochzeitstag zu Bett gegangen ist, wird vor das Bett ein Tisch mit zerbrechlichem Geschirr gestellt. Über den Tisch muß der Bräutigam springen, um zu seiner Braut zu kommen. Glückt der S., ohne daß Geschirr entzwei geht, dann ist das ein gutes Vorzeichen. Bei den wendischen Hochzeiten 4 1 ) muß die Braut nach dem Essen auf den Tisch steigen und hinunter springen. Dort 4 2 ) bindet auch die Braut alle Geschenke in das Tischtuch und springt damit über den Tisch. Wenn die Frau einen Jungen und kein Mädchen haben will 4 3 ), muß der Mann im Bett über sie wegspringen. Junge Frauen 44 ) müssen bei einem Taufschmaus über ein Licht, auf dem ein E i steht, springen, ohne das Licht auszulöschen und das E i abzuschlagen. Wenn sie sich weigern, hinüberzuspringen, bekommen sie nur ein Mädchen, keinen Jungen. Das Springen wird seltsamerweise als helfendes Mittel beim Gegenteil, der F r u c h t a b t r e i b u n g , angepriesen. Schon Hippokrates, der griechische Arzt des 5. Jahrhunderts, kennt es 4 5 ). Dem entspricht ein frühneuhochdeutscher Beleg 46 ) : Itum welche fraue hoch springt nach der min, die vortreibt den samen des mannes. Die Frau, die am Lech 47 ) durch das J o hannisfeuer springt, ohne sich anzusengen, bekommt im Jahr keine Kinder. — Derselbe Glaube, daß Leben und Wachsen vom Springen beeinflußt werden kann, liegt dem Satz zu Grunde : Wenn man über ein Grab gesprungen ist, wächst man nicht mehr (Österreich) 48 ). Bei den Eingeborenen in Uganda 4 9 ) ist es Sitte, daß die Frau oder das Kind sich vor die Türschwelle legt, wenn der Mann von einer Reise zurückgekommen ist. Der Mann muß über sie wegspringen, sonst stirbt die Frau oder das Kind. Beim S. durchs Feuer besteht neben dem Fruchtbarkeitszauber der der R e i n i g u n g . Tiere und Menschen sollen durch diesen S. durchs Fastnachts-, Walpurgis-,

324

Johannisfeuer von den Einflüssen schädlicher Geister befreit werden. Der Brauch, Tiere 6 0 ) durch ein Strohfeuer zu führen, gehörte schon in der Antike 6 1 ) zu dem prinzipiellen Teil der Frühlingsfeiern. Von dem Glauben an eine Reinigungsmöglichkeit des Feuers.es ist nur ein kurzer Weg zum Glauben an den S. als Heilmittel. So ist der S. durch ein Feuer in den Ardennen gut gegen Leibschmerzen S2 ) und kranke Augen, in Oberösterreich gegen Fuß- und Kreuzschmerzen 53 ). Der S. durch das Johannisfeuer schützt vor Fieber 5 4 ) und Krankheit. Daß der S. ohne das Zutun des Feuers Heilkraft besitzt, beweisen verschiedene Bräuche : Man legt gegen Nasenbluten 56 ) zwei Strohhalme kreuzweise übereinander und springt dreimal hinüber. Fällt jemandem etwas ins Auge 5 e ), und er kann es nicht herausbringen, so geht er zu einem Bache und zieht sich mit der linken Hand an der Augenbraue, springt dreimal über den Bach und spricht bei jedem S. einen Zauberspruch. Fühlt jemand, daß über ihn das Fieber 5 7 ) kommt, so bindet er sich einen Wisch Stroh um den Hals und läuft zu einem Holunderstrauch, vollführt dort eine bestimmte rituelle Handlung und springt auf einem Fuß rücklings nach Hause. L o s c h Balder 190. Der zu Ostern in Schwaben und Westfalen übliche Siebensp. (s. d.), bei dem in bestimmtem Takt der Boden mit Knien, Ellenbogen, Händen und Kopf geschlagen wird, ist nicht eine Huldigung der Sonne oder eine Anbetung Christi, sondern nach neuerer Forschung eine Verspottung von lächerlichen edelmännischen Höflichkeitsbezeu2 gungen. Hess.Bl. 26 (1927), 76. ) Reiser Allgäu

I,

433;

Tirol 456 Nr. 1 6 ;

Heyl

478

Nr. 37; Ltitolf Sagen 232 Nr. 165; W a i b e l u. F l a m m 1, 276f.; SAVk. 25, 235; Schell

Bergische Sagen 107 Nr. 5 3 ; 224 Nr. 198; 439 Nr. 36; M e i c h e Sagen 910 Nr. 1104s.;

Kuhn

u.

Schwartz

137,

486;

Losch

Balder 38t Nr. 1, 2; S é b i l l o t Folk-Lore ι , 321 f. 362 f. 368 f. 401. 3 ) S a r t o r i Sitte

2, 83; 3, i n ; Frazer 6, 232. 4) W u t t k e 184 § 252; 422 § 658. Siehe Anm. 16. 18. 19.

20. 21. 23. 24. 27. 28.

s

) V o n b u n Beiträge 2 1 ;

Meyer Baden 226. ·) ZföVk. 1898, 148; Meyer Baden 422. ') Frazer 1, 1, 137; siehe 8 Anm. 35. ) Sartori Sitte 3. 95; ZfVk. 3 (1893), 39- *) Siehe Anm. 38 f. 10) Meyer

Germ. Myth. 285; W u t t k e 421; P a n z e r Beitrag 2, 550; S a r t o r i Sitte 3, i n ; Grimm

325

326

spucken

Myth. 2, 1037; M e y e r Baden 214; G r o h m a n n 95; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 137. ll ) Bohnenberger 18; M e y e r Baden 422 = F r a z e r 1, i , 138; ebd. 52, 330f.; ebd. 2 1 , 33°; S a r t o r i Sitte 2, 85; W o e s t e Mark 56 Nr. 24; Ja.hn Opfergebräuche 194. 12 ) W e i n h o l d Ritus 29; W u t t k e 421 (Ostpreußen); S a r t o r i Sitte 3, i n ; K ö h l e r Voigtland 368; D r e c h s l e r 2, 52 (Schlesien). 1 3 ) ZfrwVk. 'l9°7, S t r a c k e r j a n 2, 41; mündl. 14 ) H e y l Tirol 755 Nr. 21. Siehe: Perchta. ls ) SchwVk. 3, 40. 16 ) G r i m m Myth. 2, 1037; S a r t o r i Sitte 3, i n ; P a n z e r Beitrag 2, 550; M e y e r Germ. Myth. 285; W u t t k e 421; W e i n h o l d Ritus 29; D r e c h s l e r 2, 52; K ö h l e r Voigtland 368. l ' ) M e y e r Germ. Myth. 285; = B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 119; J a h n Opfergebräuche 91. 38. 1 8 ) G r o h m a n n 95; W u t t k e 421 § 567; D r e c h s l e r 2, 52; 1, 56; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 137; M e y e r Baden 174; S a r t o r i Sitte 3, 110. " ) J a h n Opfergebräuche 104 = S a r t o r i Sitte 3, i n ">) E b e r h a r d t Landwirtschaft 5; B o h n e n b e r g e r 18. 21 ) M e y e r Baden 214; W r e d e Rhein. Volksk. 180; SAVk. 11 (1907) 260; P a n z e r Beitrag τ, 2io; J ahn. Opfergebräuche 87. 92. 98. M ) H ü s e r Beiträge 2, 33 Nr. 5. 23 ) G r i m m Myth. 2, 1037; P a n z e r Beitrag 2 . 55°: J a h n Opfergebräuche 194 = S a r t o r i Sitte 2, 109; M e i e r Schwaben 2, 499. 24) J a h n Opfergebräuche 194 - S a r t o r i Sitte 3, 113. S t r a c k e r j a n 2, 88 = S a r t o r i Sitte 3, 213. 2e ) H a u p t Lausitz 2, 70 Nr. 109. 27 ) S o m m e r Sagen 148 Nr. 5 = J a h ηOpfergebräuche 194. 28 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 5; ZfrwVk. 1910, 35; M e y e r Baden 422. 438; J o h n Westböhmen 265; W u t t k e 421 § 657; S a r t o r i Sitte 3, i n ; J a h n Opfergebräuche 152; F r a z e r 3, 262. 29 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 5. 30 ) F r a z e r 3, 262. 31) M e y e r Germ. Myth. 139; J a h n Opfergebräuche 182. 167. 170. 174. Siehe: der, die Alte. 3 2 ) S a r t o r i Sitte 2, 83. 33 ) K u h n u. S c h w a r t z 399 = S a r t o r i Sitte 2, 34 84. ) ZfVk. 4 (1894), 46. 35 ) J a h n Opfergebräuche 182; M e y e r Germ. Myth. 139; S a r t o r i Sitte 2, 83. 3β ) S a r t o r i Sitte 3,95. S. Anm. 8. 37 ) ZfVk. 3 (1893), 39. 3 e ) S. Anm. 40—44. ,9 ) S. Anm. 10. 40 ) S t r a c k e r j a n 2, 200 4l Nr. 444. ) H a u p t Lausitz 2, 70 Nr. 109. 42 ) W i t z s c h e l 2, 239. 43 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 124. 44 ) W i t t s t o c k Siebenbürgen 84. 45 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 172. 4e ) J ü h l i n g Tiere 279. 47 ) L e o p r e c h t i n g LecArai» 183. 48 ) W u t t k e 395 § 607. 4S) F r a z e r 1, 112. 164; 2, 112. δ0 ) J a h n Opfergebräuche 329. 51) F r a z e r ι, 2, 327. 329. 52 ) F r a z e r 7, 1, 107. 195. 344. 53 ) W e i n h o l d Neunzahl 35. 54) R a d e r m a c h e r Beiträge 125; G r i m m Myth. 1, 514; J a h n Opfergebräuche 37. 47; K ö h l e r Voigtland 373; L a m m e r t 56. 55 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 113. se ) G r o h m a n n 173 Nr. 1229. 57 ) G r o h m a n n 164 Nr. 1153. Schmekel.

spucken (vgl. Speichel 8, 149 ff.), ι . Das abergläubische Sp. hat eine ver-

schiedene Grundbedeutung, je nachdem es sich um das Ansp. eines Objekts oder um ein einfaches Aussp. handelt. Im ersten Fall hat das Sp. hauptsächlich den Zweck, irgend Jemanden oder irgendetwas abzuwehren oder zu vertreiben; im zweiten Fall soll etwas Schädliches, das sich im Munde oder im Körper befindet, ausgeschieden werden. In den mit der ersten Kategorie zusammenhängenden Bräuchen kreuzt sich zuweilen die Vorstellung des Abwehrmittels mit der von der besonderen, namentlich heilenden Zauberkraft des Speichels (s. d.). Sp. und Speichel spielten schon im antiken Aberglauben eine große Rolle 1 ). Bei der weiten Verbreitung indessen und den elemen.taren Motiven der in Betracht kommenden Bräuche ist es nicht notwendig, eine historische Abhängigkeit des deutschen vom antiken Aberglauben anzunehmen. Nur dort, wo gelehrte Beziehung oder eine ganz spezielle Übereinstimmung nachweisbar ist, darf an eine solche Abhängigkeit gedacht werden 2 ). l ) Hauptstelle P l i n i u s h. n. 28, 35ff.Vgl. J a h n in Sächs. Sitzber. 1855, 8 3 0 . ; S i t t l Gebärden 117 ff.; N i c o l s o n Harvard Studies in Class. Philol. 8, 23ff.;G r u p p e Griech. Mythol. 890, 4. 2 ) Allgemeine Literatur: M e n s i g n a c La salive et le crachat, Bordeaux 1892; C r o o k e in ERE. Ii, 100 ff. (ohne genügende Durchdringung); D e u b n e r Magie und Religion, Freiburger Wiss. Ges. Heft 9 S. 20 f. Äußerliche Zusammenstellungen bei K n o r t z Streifzüge I, 135ff.;H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 399 f. — S. auch W l i s l o c k i Magyaren 73 ff.

2. Der allgemeine Gedanke, daß das Sp. Unheil abzuwehren vermag (Schlesien 3 ), Schweiz 4 )), tritt in der mannigfachsten Weise differenziert auf, wobei häufig ein dreimaliges Sp. vorgeschrieben wird. Aussp. verjagt den Teufel 5 ), weswegen auch die altchristlichen Täuflinge gegen den Teufel, dem sie abschwören, nach Westen hin, ausspeien e ). Unser „Pfui Teufel" ist mit Recht auf ein ursprüngliches Aussp. zurückgeführt worden 7 ). Ebenso schützt man sich vor Hexen, indem man ausspeit 8 ), sowohl wenn man einer begegnet 9 ), als auch wenn man in die Nähe des Hauses einer Hexe kommt 10 ) oder eine Kuh daran vorbeitreibt (Harz) 1 1 ). Im Wirbelwind sitzt II*

327

spucken

eine böse Hexe, darum muß man hineinspeien, wenn er vorbeibraust, sonst bekommt man bösen Ausschlag im Gesicht (Westfalen) 12 ). In Schlesien spuckt man, wenn man in einen Wirbelwind gerät, abgewendet dreimal aus und sagt dazu oft: „Pfui, alte Sau" (Hexe) 13 ). In Bayern sagt man bei der gleichen Gelegenheit „Pfui, pfui! Hex laß da" 1 4 ). Auch in Baden spuckt man in den Wirbelwind 1B ). Beim Angang des walachischen Priesters speien die Siebenbürger Sachsen aus, um den bösen Einfluß zu brechen 1β ), dasselbe geschieht beim Angang eines alten Weibes (Oberpfalz " ) , Schlesien, Böhmen 18 )), wenn Leute mit bösem Blick in den Viehstall treten (Steiermark) w ), sowie überhaupt gegen bösen Blick (Sachsen) *>), namentlich gegen den bösen Blick und sonstige Schädigungsversuche einer Hexe (Elsaß) 21 ). Auch speit man aus, wenn man morgens die erste Person trifft (Westböhmen) 22). Das Aussp. bei Erwähnung verhaßter Personen (Österreich)M) ist wahrscheinlich anders zu beurteilen und als Geste des Abscheus zu werten. Auch vor begegnenden Tieren wird ausgespuckt, vor Schweinen 24 ), Katzen 25 ) und Hasen 2β), wobei gelegentlich „pfui, pfui" gesagt wird. Auf das am Wege liegende Aas soll man spucken, damit man nicht räudig wird (Schwaben) 2 '). In Österreich spuckt man vor einem begegnenden Strohwagen aus 28), in Schleswig-Holstein spuckt man auf einen „Blatterstein" (von dem man Blasen auf der Zunge bekommt, wenn man ihn in den Mund nimmt) und wirft ihn rücklings fort 29 ). Bei der Belagerung von Danzig (1734) spien die alten Weiber jedesmal, wenn eine Bombe angeflogen kam, dreimal aus und riefen: „phy, phy,phy,da kömmt de Drack (Drache) getragen", in der Meinung, sich dadurch zu sichern30). An unheimlichen Orten speit man aus, damit einem die dort vorauszusetzenden bösen Geister nicht schaden, so wenn man über eine Brandstätte geht (Böhmen, Mähren) 31 ). Wenn man beim Gehen mit dem Fuß umgekippt ist und die Hacke dabei ein Loch in die Erde gemacht hat, muß man gleich hineinspucken (Norddeutschland) 32), weil der Unfall anzeigt.

328

daß böse Geister an der betreffenden Stelle ihr Wesen treiben. Auch in der Gerichtsstube muß man auf den Boden spucken und den rechten Fuß darauf setzen (Anhalt) Μ ), offenbar damit man nicht durch die Tücken der Geister seinen Prozeß verliert. Wenn die Siebenbürger Sachsen morgens beim Überschreiten der Schwelle dreimal ausspucken, um den Neid unwirksam zu machen 34 ), so liegt der eigentliche Grund vielmehr darin, daß sich Geister an der Schwelle aufhalten 36). So muß auch in Schlesien der Kutscher, bevor er die Pferde aus dem Stalle führt, dreimal auf die Stallschwelle spucken 3e ). Will man in Waldeck ein neugekauftes Tier ins Haus bringen, so legt man in die Stalltür einen Besen und darauf eine Axt ins Kreuz, spuckt dreimal auf die Axt und läßt das Tier über Besen und Axt in den Stall gehen: dann haben die Hexen keine Macht über das Tier 37). Hier werden also mehrere Abwehrmittel gehäuft, denn der Besen erinnert an das Ausfegen der Geister 38), und die Axt wird als Waffe und wegen des Eisens (s. d.) von ihnen gefürchtet. In Norddeutschland spuckt man auf die Türschwelle, wenn man dort ein Messer geschärft hat 3 e ), was natürlich die Geister besonders reizen muß. Ebenda spuckt man auf die Stelle, wo sich ein ermüdetes Pferd im Kote wälzt weil auch dieser Vorgang von dort anwesenden Geistern bewirkt sein muß. In der Kaschubei darf man sein Bedürfnis nicht auf dem Aschenkehricht befriedigen, ohne dreimal auszuspucken, weil man sonst von den Heinzelmännchen mit Ausschlag beworfenwird 41 ). Sehr verbreitet ist der Brauch, in knisterndes Feuer hinein zu spucken, um den dadurch angekündigten Zank, Verdruß oder sonstiges Unglück abzuwehren (Brandenburg 42 ), Mecklenburg43), Bayern 44), Oberpfalz 4δ ), Siebenbürg. Sachsen 4e)). Daß auch in diesem Falle an Geister gedacht wird, die im Feuer sitzen und den Zank hervorrufen, beweisen die in Mecklenburg mit dem Sp. eventuell verbundenen Worte: „Düwel, wist rut" 4 7 ). In Mecklenburg bekommen zwei Leute Streit, wenn sie sich in demselben Wasser waschen, ohne dreimal hineinzuspeien 48)„

329

spuckea

ein Aberglaube, der mit deutschen Kolonisten auch nach Pennsylvania gewandert ist : hier muß der Zweite, der sich wäscht, in das Wasser speien 49). Der Aberglaube wird verständlich, wenn man an den sympathetischen Zusammenhang denkt, der zwischen dem Waschwasser und der betreffenden Person besteht50). Nach dem Durchstecken eines kranken Kindes durch einen Garnstrahn (Böhmen, Schweiz) oder durch ein Stück Garn (Oldenburg), muß man dreimal über oder durch das Garn spucken 81 ), um die beim Durchstecken abgestreifte Krankheit abzuwehren. Verwandt ist folgender Brauch der Siebenbürger Sachsen: Um ein Gerstenkorn zu vertreiben, blicke man durch ein Reibeisen, kehre es dann auf die andere Seite und speie rasch durch die Löcher hindurch: dadurch hindert man das Gerstenkorn, das sich durch die Löcher des Reibeisens entfernt hat, an der Rückkehr 68 ). Die Krähenpose, mit der man Warzen bestrichen hat, wird in Mecklenburg dreimal bespuckt und über den Kopf weggeworfen 53 ). Da sie die Krankheit aufgenommen hat, ist sie ein Träger unmittelbar drohenden Übels geworden und muß unschädlich gemacht werden. Die an sich sehr verständliche Vorstellung, daß die Geister durch Sp. ferngehalten werden können, wird andererseits dadurch illustriert, daß man glaubt, die Poltergeister tobten, wenn der Hausherr ausspeit 54) : es ist ihnen eben sehr unangenehm, angespuckt zu werden. Ähnlich ist der Glaube zu beurteilen, daß es im Klinkerbrunnen bei Osterode (Harz) klingelt, wenn man hineinspuckt5S) : offenbar reagieren auf diese Weise die Brunnengeister. 3 4 ) D r e c h s l e r 2, 238. ) SAVk. 8, 143. ) C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h 140 f. ·) D ö l ger D. Sonne der Gerechtigkeit 10 ff. ' ) S i t t l Gebärdeil 118, 1. e) Wolf Beitr. 2, 371. ·) S e l i g m a n n Blick 2, 210; K n o r t z Streifzüge I, 143. 10 ) K n o r t z ebd. n ) G r i m m Myth. 3 , 4 6 1 , 756. 1 2 ) K u h n Westfalen 2, 93, 290. 13 ) D r e c h s l e r 2,280. " ) DG. 1 2 , 1 4 6 , 1 . 15 ) W u t t k e 184, 2 5 1 ; M e y e r Baden 369. le ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 320. l 7 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 273 f. 18 ) W u t t k e 288, 422. *') F o s s e l Volksmedizin 64. 20) S e y f a r t h Sachsen 50; S e l i g m a n n Blick 2, 210. 2 l ) Alemannia 8, 121. 22 ) J o h n Westböhmen 252. s

23

330 24

) ZföVk. ι, 192. ) Ebd.; P o l l i n g e r Landshut 167. 25 ) S e l i g m a n n Blick 2, 210. 26 2 28 ) Ebd. ') B u c k Volksmedizin 42. ) ZföVk. 2, 32. 2») ZfVk. 23, 282, 36. 3 °) T e t 3l t a u u. T e m m e 284. ) G r o h m a n n 43, 273. 32 ) S e l i g m a n n Blick 2, 210. 3 3 ) Mitt. Anhalt. Gesch. 14, Ii. 34) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 1 1 6 . 35 ) S a m t e r Geburt 141 f.; D e u b n e r A R w . 20, 420. 3 i ) D r e c h s l e r 2, 1 1 2 . 3 7 ) C u r t z e Waldeck 406,177. 3e ) S a m t e r Geburt 29 ff. 3 i ) S e l i g mann Blick 2, 210. 4 °) Ebd. 4 1 ) S e e f r i e d G u l g o w s k i Kaschubei 187. 42 ) W u t t k e 184, 2 5 1 ; 288, 422. 4 3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 130, 44 541 a—d. ) P o l l i n g e r Landshut 164. 45 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2,88,3. 4β) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 320. 47 ) B a r t s c h a. a. O. a ) Ebd. 2, 314, 1532. 49 ) F o g e l Pennsylvania 88, 340. t 0 ) Vgl. unten Abschnitt 5. S l ) Oben Art. Durchkriechen § 4. 5 2 ) W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 8 3 I 63 ) B a r t s c h Mecklenburg 2,120. " ) G r i m m Myth, ι, 425. " ) Pröhle Harzsagen 175.

3. Das übelabwehrende Sp. wird nicht nur angewandt, wenn eine Bedrohung unmittelbar gegeben ist, sondern auch dann, wenn eine solche erwartet werden muß oder kann. Der erste Fall liegt vor bei dem bekannten Berufen oder Beschreien (s. d.). Wenn man einen Menschen, namentlich ein Kind, oder einen Gegenstand lobt, so wird der Neid der bösen Geister erregt, die das Gelobte zu schädigen trachten. Um sie abzuwehren5e), spuckt man im Falle des Beschreiens (dreimal schnell) aus 57 ) (Ostpreußen5S), Schlesien 59), Sachsen eo ), Erzgebirge β1 ), Bayern ®2), Siebenb. Sachsen e3 )), namentlich wenn eine Hexe etwas gelobt hat ®4). Der Berufende selbst kann durch Ausspeien die Wirkung seiner Worte aufheben (Berlin 65 ), Schlesien66), Siebenb. Sachsen 67 )). In Riga und Schlesien speit man über die linke Schulter6S), in der Oberpfalz auf die Seite ββ ). Auch spuckt man dem Berufenden ins Gesicht 70 ). Wenn man das berufene Kind selbst (Siebenb. Sachsen) 71 ) anspuckt, so ist dies wohl nur als eine mechanische Abwandlung des allein verständlichen Aussp.s zu betrachten, die angesichts solcher Bräuche, wo das Ansp. durchaus logisch ist, leicht entstehen konnte. Nicht ganz unmöglich wäre es, daß die Zauberkraft des Speichels (s. d.) hereinspielt, wie es sicher der Fall ist, wo die Mutter die Stime des beschrienen Kindes (dreimal) ableckt (Preußen72)) und dabei jedesmal ausspuckt (Böhmerwald73)) oder nach

331

spucken

dem Ablecken dreimal hinter sich oder über den Kopf des Kindes (Westböhmen74), ähnlich in Pommern 75 )) oder dreimal zur Türe hinausspuckt (Steiermark 76 )). Diese Beispiele zeigen eine Verbindung der Zauberkraft des Speichels mit der Zauberwirkung des Sp.s. te ) Vgl. die richtige Erklärung bei H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 33. " ) W u t t k e 184, 251; 282, 413. M ) Lemke Ostpreußen 1,109. M ) D r e c h s ler 2, 259. 280. e0) S e y f a r t h Sachsen 47. " ) S e l i g m a n n Zauberkraft des Auges 38. L e o p r e c h t i n g Lechrain 18. 43) F r o n i u s Siebenbürgen 19. M ) Grimm Myth. 2, 923. *6) K u h n u. S c h w a r t z 459,438. ·') Drechsler I, 208. ·') H i l l n e r Siebenbürgen 21, 1. ,e ) Sel i g m a n n Blick 2. 210. ··) S c h ö n w e r t h Oberpfalz ι, 186, 5. '») W u t t k e 184, 251. 71 ) G a ß ner Meltersdorf 19. 72) F r i s c h b i e r Hexenspr. 22. ,3 ) Schramek Böhmerwald 180. 74) John Westböhmen 252. ,5 ) Seligmann Blick j, 295. " ) F o s s e l Volksmedizin 64.

4. In vielen Fällen wird ausgespuckt oder werden Dinge angespuckt, wenn bloß mit der Möglichkeit zu rechnen ist, daß Unheil oder böse Geister zur Stelle sind oder an Dingen haften. So war es schon altgermanischer Brauch, sich nicht auf die Erde zu legen, aus einem Fluß oder See nicht zu trinken, nicht über ein Wasser zu fahren, ohne auszuspucken " ) . In Bayern nimmt man, ehe man ins Flußbad steigt, drei Kiesel aus dem Bach, spuckt sie an, und wirft sie über den Bach 7 8 ) (wobei doch wohl gemeint ist, daß das Bad im Bach stattfindet). Mit den so bespieenen Kieseln wird eine etwa im Bach vorhandene feindliche Macht entfernt. In Norddeutschland spuckt eine schwangere (und darum des Schutzes besonders bedürftige) Frau in ein Fahrzeug, bevor sie es betritt 7e ). Im Allgäu spuckt man in ein fremdes Bett, ehe man sich hineinlegt80). Im Böhmerwald spuckt man tüchtig beim Krautsetzen 81 ). Im Erzgebirge spuckt man dreimal auf das Kraut, das man vom Felde holt 82 ). In Mecklenburg spuckt man dreimal auf einen gefundenen Gegenstand, ehe man ihn aufnimmt M ). Bei den Siebenbürger Sachsen leckt man dem gewickelten Kinde als Schutz gegen den bösen Blick mit der Zunge ein Kreuz an die Stime und spuckt dann gegen alle vier Winkel des Hauses über das Kind aus 84). In Niederösterreich spuckt man, wenn ein Kalb drei

332

Tage alt ist, dreimal aus oder dem Tier auf den Rücken, damit es nicht verhext werde 8S). Das Ansp. des Tieres erscheint hier und in den folgenden Fällen als völlig gleichwertig mit dem Aussp. und ist demgemäß wie in Abschnitt 3 gegen Ende zu beurteilen. In Schlesien spuckt man dreimal aus, wenn man neuerworbenes Vieh in den Stall bringt 8e ), in Böhmen spuckt der Bauer aus, der ein Stück Vieh zum ersten Male sieht, und sagt: „Pfui Teufel, daß ich dich nicht verschrei" 87 ); ebenda spuckt man, wenn man in einen fremden Stall geführt wird, das Vieh dreimal an, damit es nicht beschrieen werde 88 ). Wenn junges Vieh das erste Mal auf die Weide getrieben wird, muß es beim Verlassen des Stalles dreimal angespuckt werden, damit ihm nichts Schlechtes widerfahre, desgleichen beim Zurücktreiben in den Stall (ebd.) 89 ). In österreichisch-Schlesien spuckt man beim Hinaustreiben dreimal über die Kuh M ), desgleichen in Böhmen über das Pferd, das zum ersten Male ins Freie geführt wird, damit es nicht beschrieen werde 91). Der norddeutsche Bauer spuckt auf den Schwanz seines Pferdes, wenn er ausspannt 92). Beim Austrieb eines verkauften Tieres spuckt der Verkäufer dreimal über den Rücken des Tieres zurück (Westböhmen) 93). Man spuckt dreimal in das Wasser, mit dem man die Pferde tränkt, um sie vor Bauchschmerzen zu bewahren (Schlesien) M ), ebenso in das Wasser, das man den Kühen (Mecklenburg) 9S) oder überhaupt dem Vieh (Schlesien) M ), sowie in die erste Milch, die man den Kälbern zu trinken gibt (Ostfriesland, Schlesien) 97). Auch in das Futter der Pferde und anderer Tiere wird dreimal gespuckt (damit ihnen die Hexen nicht schaden) (Schlesien, Brandenburg, Mecklenburg, Nahetal 98 ), Schleswig-Holstein 99 ), Oldenburg 100 ), Waldeck 101 )). Wenn Schweine auch dadurch vor Behexung und Krankheit geschützt werden sollen, daß man dreimal in den Backtrog spuckt (Oldenburg)102), so scheint eine Verwechslung mit dem Schweinetrog vorzuliegen ; andernfalls müßte an eine Analogiewirkung auf das Futter im

333

spucken

Schweinetrog gedacht werden, was nicht gerade wahrscheinlich ist.

" ) E . H. M e y e r Mythol. 136. 78 ) L a m m e r t 46. ™) S e l i g m a n n Blick 2, 210. 80 ) R e i s e r Allgäu 2, 448, 246. 8 l ) S c h r a m e k Böhmerwald 235. " ) W u t t k e 425, 665. e3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 37, vgl. W u t t k e 308, 452. M ) S e l i g mann Blick 2, 216. Vgl. zum Nebeneinander von Speichel und Spucken Abschnitt 3 Ende. 85 86 ) L a n d s t e i n e r Niederösterreich 60. ) D r e c h s l e r 2, 280. 87 ) J o h n Westböhmen 252. ββ ) S c h r a m e k Böhmerwald 241. 89 ) Ebd. 240. ,0 ) R e u s c h e l Volkskunde 2, 35. 9 l ) G r o h m a n n 129,946. *2) S e l i g m a n n Blick 2, 210. 93 ) J o h n Westböhmen 209. 255. M ) D r e c h s l e r 2 , 1 1 2 . 1 4 7 . * 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 445. 98) D r e c h s l e r 2, 104. »') W u t t k e 443, 698. ββ) S a r t o r i SitU u. Brauch 2, 136, 12. »») ZfVk. 24, 62, 30. 10 °) S t r a c k e r j a n 1, 446, 244. 1 0 1 ) C u r t z e Waldeck 392, 1 1 3 . l02 ) W u t t k e 438, 688.

5. Einen Spezialfall des Abschnittes 4 stellen die Bräuche dar, die mit der sympathetischen Bedeutung des Haares, Urins, Badewassers usw. zusammenhängen. Es ist wie bekannt ein weit verbreiteter Glaube, daß Jemand, der in den Besitz der genannten Dinge gelangt, dem Betreffenden, von dem sie stammen, Schaden zufügen kann. Um solches zu verhüten, werden jene Dinge vielfach angespuckt, um die bösen Geister von ihnen fern zu halten ; daneben tritt wiederum das Ausspucken gleichwertig auf 1 0 3 ). Es vollzieht sich hier eine leise Umbiegung des in Abschnitt 4 zu Grunde liegenden Gedankens, sofern weniger beabsichtigt zu werden scheint, in der Nähe befindliche Geister zu verscheuchen, als vielmehr zu verhindern, daß späterhin jene sympathetisch mit dem eigenen Leibe zusammenhängenden Dinge von Hexen und dgl. in Besitz genommen werden. Das ursprünglich dem gegenwärtigen Moment dienende Apotropaion hat eine seinem Wesen an sich fremde Zukunftswirkung zugeteilt erhalten, wobei vielleicht wiederum (vgl. Abschnitt 3 Ende) die Zauberkraft des Speichels von Einfluß gewesen ist. Das Sp. auf abgeschnittene oder ausgekämmte Haare (Luxemburg104), Baden 105 ), Tirol10«)) ist schon im 16. Jh. von d em Arzt Georgius (Gregor) Pictorius aus Villingen (geb. 1500) angemerkt word en 107 ). In Schlesien spuckt man dreim al aus, wenn ein ausgezogener Zahn

334 108

über den Ofen geworfen wird ). Sp. auf den Urin ist in Schlesien109), Württemberg 110 ), Schwaben 111 ), Baden 112 ), Fränk. Schweiz 113 ) üblich. In Schwaben heißt es auch, daß einem die Hexen nicht bei können, wenn man dreimal ausspeit, nachdem man seine Notdurft verrichtet, namentlich sein Wasser gelassen hat 1 1 4 ).· Denselben Brauch bezeugt schon Matthias Praetorius (17. Jh.) 1 1 S ). Eine Variante scheint die böhmische Sitte darzustellen, nach der am Karsamstag Angehörige einander bei Abgang von Wasser ins Gesicht spucken, was wohl auch eine apotropäische Bedeutung haben soll u e ). In Württemberg 1 1 7 ) und Österreich speit man nach dem Bad der Kinder ins Badewasser 118 ). Schon zu Anfang des 17. Jh. spie man nach Meußthurn ins Fußwasser 119 ), und nach einem Schmalkaldener Flugblatt vom Jahre 1627 auf die auf dem Herd zusammengekehrte Asche 120 ). In Schlesien spuckt man dreimal auf einen abgenutzten Sandwisch, wenn man ihn wegtut, und wirft ihn ins Ascheloch: dann bekommt man keinen bösen Finger (als Folge von Behexung) m ) .

103 ) Vgl. dazu Abschnitt 3 . 4 . 104 ) R a n k e 106 Volkssagen 23. ) S c h m i t t Hetlingen 17. 1M ) Z i n g e r l e Tirol 28, 176; 67, 580. " " ) Epitome de speciebus magiae ceremonialis Kap. 26 Ende = Delrio Disquisitiones magicae p. 929b los E = W o l f Beiträge 1, 227. ) Drechsler 2, 280. " » ) Ebd. 2, 318. «0) ZfVk. 21, 297. 111 m ) B u c k Volksmedizin 42. ) M e y e r Baden 1I3 529. ) C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h 141 ll4 l16 Anm. ) Meier Schwaben 1, 177, 17. ) Philosophia colus 171. Vgl. auch P l i n i u s h. n. 118 28, 38. ) S c h r a m e k Böhmerwald 147. 118 H ö h n Geburt Nr. 4 S. 260. ) ZfVk. u 21, 297. · ) Meußthurn Von wunderbarlicher Natur (Frankfurt a.M. 1618) 66f. ZfVk. 21, 294. m ) D r e c h s l e r 2, 280.

6. Zuweilen hat das apotropäische Ausspucken eine sekundäre Bedeutung. Es besteht beim Vollziehen einer rituellen oder magischen Handlung vielfach die Befürchtung, daß ihre Wirkung durch das Auftreten feindlicher Kräfte gestört oder vereitelt werden könne. Um sich dagegen zu sichern, spuckt man dreimal aus. So bei manchen Besprechungen m ) , nach jeder Besegnung (Preußen) 123 ), bei Gebeten gegen allerlei Krankheit (Siebenb.

335

spucken

Sachsen) 1M ), beim Entfernen von Hautgeschwüren (Mecklenburg)125), beim Zerteilen von Beulen (Schlesien)126) und beim Behandeln von Rotlauf (Bayern) m ). 123 ) 1«) W u t t k e 184, 251. Frischbier Hexenspr. 26. 124 ) W l i s l o c k i Siebenb. Volksgl. 107. Bartsch Mecklenburg 2, 109f. "«) D r e c h s l e r 2, 292. l " ) P o l l i n ger Landshut 287.

7. Das Sp. wird nicht nur angewendet, um ein drohendes Unheil fernzuhalten, sondern auch um ein bereits eingetretenes zu vertreiben. Dreimaliges Ausspucken bewirkt, daß es aufhört zu regnen (Erzgebirge) 128), und wird insbesondere in dieser Absicht geübt, wenn es zu stark regnet, so daß Schaden für Feld und Flur vorauszusehen ist (Voigtland) 129 ). Schon die mittelalterliche Kirche ordnete an, in Fällen von Besessenheit dem Kranken in den offenen Mund zu spucken 130 ). Krämpfe können auf die gleiche Weise durch eine Person geheilt werden, die diese Krankheit noch nie gesehen hat (Hessen 131 ), Brandenburg 132 )). Ins Gesicht spucken, namentlich unvermutet, heilt Bleichsüchtige (Oberpfalz) 133 ) und Gelbsüchtige134) (Sachsen136), Schlesien136), Oberpfalz 137 ), Salzkammergut 138 ), Steiermark 139 )). Speziell in Nordböhmen läßt man gewöhnlich ein altes Weib dem Gelbsüchtigen ins Gesicht spucken, wobei es gut ist, wenn der Kranke recht erschrickt 140 ). Auch Warzen werden bespuckt (Böhmen) 141 ), oder man läßt sich im Allgäu von Jemand in die Hände spucken (in denen sich die Warzen offenbar befinden) 142). Flechten verschwinden, wenn Jemand unangemeldet darauf speit (Ostpreußen) 143 ). Wenn in Mecklenburg vorgeschrieben wird, den eigenen Speichel nüchtern auf die Flechten zu speien (bei abnehmendem Monde) und mit einem Messerrücken über sie hin zu streichen144), so ist klar, daß es hier nicht auf eine Vertreibung durch das Sp., sondern vielmehr auf die Wirkung des zauberkräftigen Speichels ankommt (vgl. Abschnitt 3 und 5). Das Gleiche gilt von dem Brauch, ein Gerstenkorn (oder Blattern) im Auge von Jemand anspucken und den Speichel eintrocknen zu lassen (Oldenburg 145 ), Sachsen 14e )). Die Geschwulst einer Kuh

336

wird dreimal von einer Person angespieen, die das Tier noch nicht gesehen hat (Mecklenburg 147 )). Wenn sie beim Melken pißt, wird ihr dreimal in den Harn gespuckt (Pfalz) 148 ). Ist ihr Leib angeschwollen, so spuckt ihr eine kluge Frau dreimal in die Augen (Schlesien)149). Mit einem unruhigen Kinde geht im Erzgebirge die Mutter kreuzweis aus einer Zimmerecke in die andere, wobei sie ihm dreimal über den Kopf spuckt ; dann kehrt sie in den vier Ecken der Stube Staub zusammen und legt diesen in den Kinderkorb 150) (wodurch vermutlich die bösen Geister von dem Kind auf den Kehricht abgelenkt werden sollen). Einem „verneideten" Schwein spuckt man dreimal über die Ohren weg (Böhmerwald) 151 ). Die Kohlen des unheimlichen Feuers unter dem Hexenbaum zu Kontern in Luxemburg verwandeln sich in Gold, wenn man in das Feuer spuckt und so den Hexenbann bricht 182 ). Sehr merkwürdig ist die böhmische Sitte, die Wirkung eines im Zorne erfolgten Schlages dadurch zu beseitigen, daß man sich sofort auf die flache Hand spuckt 153 ). Hier scheint ein Zusammenhang mit dem identischen antiken Brauch 164) kaum abweisbar. Der Sinn kann doch wohl nur der sein, daß das Sp. eine nachträgliche Lähmung der Hand bewirkt, durch die der Schlag sozusagen rückwirkend aufgehoben wird. i " ) W u t t k e 303, 446. " · ) K ö h l e r Voigtl30 ) F r a n z land 433. Benediktionen 2, 56t. 132 H e s s l e r Hessen 2, 319, 18. ) Folklore 2 i , 388. 133 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 270. 134 ) W u t t k e 184, 251. l35) S e y f a r t h Sachsen 13e ) 242. D r e c h s l e r 2, 281; Z f V k . 4, 84. 137 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3. 255. 138 ) A n 139 ) F o s s e l drian Altaussee 136. Volks14 °) medizin 121. Grohmann 154, 1113. m ) 14î) R e i s e r W u t t k e 337, 502. Allgäu 143 ) F r i s c h b i e r 2, 444, 189. Hexenspr. 57; 144 Urquell 1. 137. ) Bartsch Mecklenburg 145 14 2, 118. ) W u t t k e 350, 525. *) S e y f a r t h Sachsen 243. l 4 7 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 457. 148 ) W u t t k e 446, 704. »») D r e c h s l e r 2, 151 ) Z f V k . 1, 281. "») J o h n Erzgebirge 55. 312. i®2) R a n k e Volkssagen 241 f· 1 5 3 ) W u t t k e 406, 627. 1S4 ) P l i n i u s h. n. 28, 36 si quem paeniteat ictus eminus comminusve inlati et statim expuat in mediatn tnanum qua percussit, levatur ilico in perusso culpa. 131)

8. Die Abwehr oder das Vertreiben des Unsegens kann sich zu einer Garantie des

337

spucken

Segens verschieben, denn wo jener gewichen ist, hält dieser seinen Einzug. Auf •diese Weise erhält das Anspucken eine glückbringende Bedeutung. Die Siebenbürger Sachsen spucken auf die vier Ecken eines neu errichteten Gebäudes, beten bei jeder Ecke, küssen sie und entleeren sich vor der Westseite (d. h. nach dem Dunkel, dem Teufel, den bösen Geistern hin) 15S ). Offenbar soll das neue Baus für die Zukunft vor allem Schaden bewahrt werden. Damit stimmt überein, •daß in Deutschland eine fertige Arbeit zuweilen angespuckt wird l s e ). In beiden Fällen wird das Sp. zu einer Art Weihung. •Ganz deutlich tritt diese positive Seite in der Begründung der betreffenden Bräuche hervor. So spuckt man in Schlesien in das Viehfutter, damit das Vieh .gedeiht 157 ), und ebenda spie man den Backofen dreimal an, ehe das Brot hineingeschoben wurde, damit es gut gerate 158 ). Die böhmische Bäuerin spuckt in ihr Flachsfeld: das hiflt für einen guten Flachsbau 1S9 ). Noch heute spucken sich •die Leute in die Hände, wenn sie fechten160), •oder vor einer schweren körperlichen Arbeit, namentlich vor dem Heben einer schweren Last: „das bringt Kräfte" sagen sie (Bergisch161), Sachsen 162 )). Der Köder wird angespuckt (Preußen 1β3 ), Kärnten 1 6 4 ), Pennsylvania-Deutsche 165 )), damit die Fische gut anbeißen. Besonders verbreitet aber ist das Anspucken •des zuerst eingenommenen Geldes 1M ) (Berlin 16 '), Brandenburg 1β8 ), Königsberg 16S), Schleswig-Holstein170), Hamburg, Erzgebirge 171 ), Schlesien 172), Nordböhmen 173 ), Westböhmen 174 ), Wien 175 ), Eisacktal17®), Siebenb. Sachsen 177 )), was den Zweck hat, weitere Einnahmen zu garantieren (vgl. den sog. Heckpfennig). Wenn in Westböhmen auch gefundenes Geld angespuckt wird 178 ), so fällt dieser Brauch unter das Anspucken gefundener Gegenstände (Abschnitt 4); wenn man anderseits das Anspeien des im Kartenspiel zuerst gewonnenen Geldes (Westböhmen 17e), Braunschweig 18n )) damit begründet, daß man dann nicht verliere (Braunschweig), so wird hier wieder die negative Seite herausgekehrt und an die

338

Abwehr schädlicher Mächte gedacht. Im Erzgebirge spuckt man in die Geldbörse, wenn ein kleines Kind schreit: dann hat man immer Geld 181 ). Wahrscheinlich zeigt das Schreien des Kindes die Anwesenheit eines bösen Geistes an, der auch dem Gelde gefährlich werden könnte, daher wehrt man ihn durch das Sp. ab, und die Folge ist dann eben, daß es am Gelde niemals mangelt. Hier ist der Übergang zu der segnenden Bedeutung besonders deutlich. Spuckt man auf ein Los, so gewinnt es (Schleswig-Holstein)182). Der Schneider spuckt auf die Innenseite des Rockfutters, damit das Kleid bezahlt wird (Schweiz)183). Frauen spucken auf ihr hinten aufgedrehtes (d. h. wohl aus der Fasson gekommenes Kleid) : dann kriegen sie ein neues (Pennsylvania-Deutsche) 184 ). Beim Abschluß eines Kaufes spuckt man sich in die Hand (Schlesien) 18S ). In Berlin wird hinter dem Ausgehenden hergespuckt, damit er Glück habe 1 8 e ). An den Küsten Deutschlands spuckt man im Namen des Teufels auf den Henkel eines Topfes, um viele Fische zu fangen 187 ). Der Topf wird wohl deswegen gesegnet, weil in ihm das Fischgericht gekocht wird. Mit der segnenden Bedeutung des Anspeiens muß es zusammenhängen, daß auf St. Salvator in Schwaben die 'Näberle' genannte Figur der 'Kreuzigung Christi' von jedem hinaufgehenden Kinde angespuckt wird 188). Besonders charakteristisch ist, daß in der Sprache der Kameruner matelli (segnen) eigentlich so viel heißt wie ausspucken 189 ), und daß in Kalabrien für Glückspilz lu sputatu, 'der Bespuckte' gesagt wird 1β0 ). 165 ) W l i s l o c k i Siebenb. Volksgl. 110. " · ) S i t t l Gebärden 119, 2. 1 H ) D r e c h s l e r 2, 281. 15β) Ebd. 2, 13. » » ) J o h n Westböhmen 196. 1S0) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 399. 1 , 1 ) Urquell 3,212. l M ) S e y f a r t h Sachsen 243. 1 M ) F r i s c h b i e r Hexenpr. 158. 1 M ) ZföVk. 1, 192. l · 5 ) F o 1M g e l Pennsylvania 256, 1379. ) Wuttke 184, 251. " ' ) K u h n u. S c h w a r t z 459. 4 3 9 ; ZföVk. ι , 288. "») W u t t k e 409, 633. 1 M ) S e 17 l i g m a n n Blick 2, 209. °) ZfVk. 20, 383; J a h n Sächs. Sitzungsber. 1855, 84, 234. W1 ) S a r t o r i Sitte 2, 181, 6. « » ) W u t t k e 409, 633; K n o r t z Streifzüge 1, 138; D r e c h s l e r 2, 280; ZföVk. 1,288. »») ZföVk. 13,133. , 7 1 ) J o h n Westböhmen 252, 265. 1 7 5 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d I, 32; ZföVk. ι , 192. " · ) E b d . 2, 32.

339

spucken

«») H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 320. "«) ZföVk. 1, 288. "») Ebd. l e o ) A n d r e e Braunschweig 402. 181 ) J o h n Erzgebirge 38. l " ) Z f V k . 20, 382. l83 ) SchwVk. 3, 73. l M ) F o g e l Pennsylvania 82, 301. 18S ) D r e c h s l e r 2, 280. 1 M ) S e l i g m a n n Blick 2, 210. 187 ) Ebd. 188 ) B i r l89) l i n g e r Aus Schwaben 1, 160. Dölger Sol Salutis 40. 190 ) D e u b n e r Magie und Religion 21. 51.

9. Ist das Sp. somit in vielen Fällen angebracht, um ein Unheil oder böse Geister abzuwehren oder zu vertreiben, so gibt es anderseits mancherlei Gelegenheiten, wo es als unehrerbietig und sündhaft angesehen wird, weil das angespuckte Objekt Rücksicht oder Verehrung heischt. Im Rheinland hieß es sogar sehr summarisch: wer spuckt, kommt nicht in den Himmel 191 ), und Kinder, die spucken, sollten vom Teufel besessen sein 192 ). Über Kinder, die öfter ausspucken, erhält der Satan Gewalt (Tirol) 193 ). Spuckt ein Kind ein anderes an, so wächst ihm eine Kröte zum Munde heraus (Erzgebirge) 194 ). In Schlesien wird verboten in das Feuer oder Wasser zu spucken 19S). Wer in das Wasser spuckt, spuckt unserem Herrgott in die Augen (Waldeck 194 ), Schweiz 197 )) oder der Mutter Gottes ins Antlitz (Schlesien) 198). In Tirol ist es Sünde, ins Feuer zu spucken 199 ), und wer es tut, bekommt Zahnweh 200 ). Gegen das gleiche Leiden nimmt man sich vor, in der Kirche nicht mehr auszuspucken (Franken) s®1), d. h. man betrachtet das Zahnweh als Strafe für die Verunglimpfung der Kirche. « l ) ZfrwVk. 10. 244. "») Ebd. 1 M ) H e y l Tirol 799, 237. 1 M ) J o h n Erzgebirge 57. 195 ) lM) C u r t z e D r e c h s l e r 2, 139. Waldeck 412, 203. 197 ) K u o n i St. Galler Sagen 60, 124; S é b i l l o t Le paganisme 294. 1 , β ) D r e c h s l e r 2, 147· "*) Z i n g e r l e Tirol 38, 309. 20°) Ebd. 38, 308. 201 ) W u t t k e 351, 527.

10. Wenn es heißt, daß nach dem Hineinspucken ins Feuer Ausschlag, Geschwüre, Blasen usw. am Munde, namentlich an der Zunge auftreten (Bergisch a02), Hessen 203), Mecklenburg 204)), so handelt es sich hier nicht um eine von einer höheren Macht verhängte Strafe für die Verletzung von etwas Verehrungswürdigem, sondern um eine Wirkung des Feuers durch den mit ihm in Berührung gekommenen ausgespuckten Speichel auf den mit diesem in sympathetischem Zusammenhang blei-

34O

benden Mund. Der ins Feuer Spuckende verbrennt sich richtig den Mund. Vielleicht gehört auch das oben erwähnte Zahnweh hierher. Wenn Kinder ins Feuer spucken, bekommen sie einen Grindkopf (Schweiz) 20e). Der gleiche Gedanke liegt vor, wenn man nicht auf eine Herdplatte spucken darf, weil man sonst ein böses Gesicht bekommt 207). Die Vorstellung, von der Heiligkeit des Herdes wird hier ferngehalten werden müssen. Das bestätigen zwei ànaloge Äußerungen des Volksglaubens: Wer an den heißen Ofen oder auf das glühende Eisen spuckt, bekommt einen Grindmund (Baden 208), Pfalz M»)). Auf dieselbe Weise erklärt sich der süddeutsche Aberglaube, daß man ein geschwollenes Maul bekommt, wenn man in den Wirbelwind spuckt 210 ). Auf Kröten und Frösche darf man nicht spucken, sonst wächst einem ein solches Tier nach drei Tagen auf der Zunge (Böhmerwald 211 ), Mähren 212)). Der Tischler darf in Mecklenburg beim Verfertigen eines Sarges nicht auf die dazu bestimmten Bretter spucken, sonst stirbt er auch bald 213) (denn er tritt in Kontakt mit dem Tode). Hunde werden dadurch anhänglich gemacht, daß man ihnen früh nüchtern ins Maul spuckt (Schlesien 214 ), Tirol 216 )); einen ähnlichen Sinn hat der gegen das Verfangen geübte mecklenburgische Brauch, dreimal mit dem Daumen der linken Hand vom Nacken bis zum Schwänze eines Tieres abwechselnd mit und gegen den Haarstrich zu streichen (Bindezauber), dreimal auf die Schnauze des Tieres zu spucken und es dreimal in die eigene Mütze riechen zu lassen 21β). Offenbar soll das Verlorengehen des Tieres dadurch verhütet werden. 202 ) Urquell 3, 212. *») W o l f Deutsche Mythologie 235, 418. 2M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 130, 544. 2·») Abschnitt 9, 200. 208) R o c h h o l z Kinderlied 319, 789. 20?) J o h n Westböhmen 252. 208) M e y e r Baden 52. 20») K l e e b e r g e r Fischbach 45. 2I0 ) W u t t k e 303, 444; ,u) vgl. Abschnitt 2, 12—15. Schramek 211 ) Böhmerwald 246. W u t t k e n 6 , 154. 2l3 ) B a r t s c h 214 )· Mecklenburg 2, 95, 320. 2l5 ) Drechsler 2, 96. Wuttke 433» 679. M ·) B a r t s c h Mecklenburg 2, 439, 2028.

I i . Das bloße Aussp. dient vielfach dazu, irgendeine schädliche Substanz aus

341

spucken

dem Körper oder speziell aus dem Munde auszuscheiden (vgl. Abschnitt 1). So schreiben bereits die Pestärzte des 17. und 18. Jahrhunderts vor, im Krankenzimmer fleißig auszuspucken 217 ), offenbar damit man nicht den Krankheitsstoff hinunterschlucke und selbst krank werde. Dasselbe wird in Schwaben und anderwärts angeraten 218 ), namentlich falls es Jemand beim Krankenbesuch ekelt (Schwaben219), Allgäu 220)). Sogar wenn dies Letztere beim bloßen Erwähnen einer Krankheit eintritt, soll der Betreffende sogleich dieses Gift ausspucken, sonst erbt er die Krankheit (Oberpfälz) 221 ). Wenn etwas ins Auge gerät, soll man schon nach den Vorschriften des 17. Jahrhunderts dreimal über die rechte Hand speien 222), damit es wieder herauskommt, oder über den linken Arm 223). Oder man hält den Atem an, bis man dreimal über den entgegengesetzten Arm gespuckt hat (Süddeutschland) 224 ), spuckt also links über die Achsel, wenn etwas ins rechte Auge geraten ist (Bayern) 225 ). Oder es wird einfach empfohlen, dreimal über die Achsel zu spucken (ohne Angabe der Seite) (Sachsen) 22e ), oder sich dabei mit dem Rücken gegen die Wand zu stellen und das kranke Auge zuzudrücken (Schlesien) 227), oder mit dem Rücken gegen die Wand und mit zugedrücktem Auge kräftig auszuspucken (Schlesien)228), oder mit geschlossenem Auge in einen Winkel zu spucken (Steiermark)22*), oder mit geschlossenem Auge mit dem Fuß zu trampeln und auszuspucken (Schlesien) 230), oder das beschädigte Auge aufzusperren und dabei dreimal auszuspucken (Steiermark) 231), oder das andere aufzuspreizen und dazu auszuspucken (Böhmerwald) 23a), oder einfach dreimal auszuspucken und dabei zu rufen : „Pfui Teufel, pfui" (Schlesien) 2SS). Daß man dabei an ein dem Ausspeien analoges Ausscheiden des Fremdkörpers denkt, zeigt deutlich der schlesische Brauch, das Augenlid in die Höhe zu heben, dreimal auszuspucken und dabei zu sprechen: „Teufel, geh raus; Mutter Gottes, komm rein" *»*). Bei Husten spuckt man rasch einmal zur Tür hinaus (Steiermark) bei Sodbrennen auf ein auf dem Wege gefundenes, von

342

einem Wagen abgefallenes Stück Teer, das man hinterher auf einen Baum legt (Mecklenburg) 23β), bei Gelbsucht durch einen zum Kranz gefaßten Faden, mit dem man sich hat messen (s. d.) lassen und der hinterher ins Feuer geworfen wird (Oldenburg) 237 ), bei Zahnschmerzen in den Abort (Erzgebirge) 238), oder man läßt seinen Speichel auf eine zerquetschte Ameise, Biene oder Fliege tröpfeln, mit deren Saft man das Zahnfleisch bestrichen hat 2 3 e ), oder man kaut Ingwer, läßt den Speichel an den kranken Zahn fließen und speit ihn auf ein Leinwandläppchen, das ein anderer zu sich steckt 240), oder fünfmal in einen gelben Weidenstrauch, in dessen eine Rute man fünf Knoten knüpft (Voigtland) 241), so daß die Schmerzen in den Strauch gebannt sind, bei Blasen auf der Zunge und überhaupt wehem Munde ins Feuer (PennsylvaniaDeutsche) 242). Wer Blasen auf der Zunge bekommt, wird von jemandem belogen oder verlästert. Der Belogene soll dreimal ausspeien und dem Belüger alles Böse anwünschen 24S ), der Verlästerte in die Fußspur eines Menschen spucken und dazu sprechen: „Blatter, Blatter, wandre zum bösen Gevatter" (Siebenb. Sachsen) 244). Die Fußspur ist mit dem Menschen, von dem sie stammt, sympathetisch verbunden, daher müssen die Blasen auf diesen übergehen. Vom Magenkrampf kann man sich befreien, indem man, ohne daß es jemand sieht, einen Toten im Sarge aufrichtet und dreimal stillschweigend unter ihn speit (Mecklenburg)24s) : die Krankheit wird dann mit begraben. Bei den Siebenb. Sachsen speit man in ein offenes Grab, um ein Halsweh loszuwerden 24e). In derselben Richtung liegt es, wenn man bei Seitenstechen oder Schlucken im Boden eine kleine Grube macht, hineinspuckt und sie wieder zudeckt (Schweiz) 247), oder wenn man bei Zahnweh am Karfreitag frischen Rasen aushebt, in die Öffnung Speichel laufen läßt und dann den Rasen wieder darauf deckt, wobei kein Wort gesprochen werden darf (Hessen) 248). Besonders beliebt ist es, einen Stein aufzuheben, darunter zu spucken und den Stein wieder in seine

343

Spuk

alte Lage zu bringen, so daß er auf der mit dem Speichel ausgeschiedenen Krankheit lastet. Dies geschieht bei Lungenleiden (Salzkammergut) 248 ), namentlich aber bei Seiten (Milz-)stechen (Erzgebirge 2S0 ), Bayern, Schwaben 251 ), Schweiz 252 ), Steiermark 253 ), Böhmen 254 )). Es kann auch die untere Seite des Steines bespieen werden, der dann wiederum in die alte Lage zu bringen ist : bei Zahnweh (Schwaben) 255 ), bei Seitenstechen (Sachsen 25e ), Württemberg 257 ), Schweiz 258 ), Tirol 259 )). Dasselbe ist jedenfalls auch gemeint, wenn die Seite des Steines nicht genauer bezeichnet wird, bei Seitenstechen (Brandenburg 2β0), Schweiz 2β1 )), bei Milzhacken, d. i. Herzklopfen (Schwaben) 2β2 ), bei Kolik (Schweiz) 2 6 s ). Der Schwimmer schützt sich vor Krämpfen, wenn er vorher auf einen Stein spuckt und die bespuckte (vorher obere) Seite nach unten legt (Pennsylvania-Deutsche) 2 M ). Wenn man bei plötzlichem Schreck dreimal ausspucken muß, um vor Krankheit bewahrt zu bleiben (Preußen 2e5 ), Brandenburg, Schlesien, Böhmen 2ββ )), so wird auch der Schreck als ein in den Körper eingedrungenes, schleunigst auszustoßendes Übel empfunden. In Straßburg begegnete es, daß ein Zauberer vor Gericht aufgefordert wurde auszuspucken, wonach er ein umfassendes Bekenntnis über sein Verhältnis zum Satan ablegte 2 β 7 ). Mit dem Aussp. hatte er die böse Macht, von der er besessen war, ausgeschieden, und konnte daher alles gestehen. 2 «) L a m m e r t » ' ) ZföVk. ι, 192. 102; B u c k Volksmedizin 42. 21 ·) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 487. 220) Reiser Allgäu 2, 447. 221) SchönwerthOberpfalz 3, 264. 222) Rockenphilosophie S. 999 Kap. 94. 223) P r a e t o r i u s Philosophia colus 165; Rockenphilosophie S. 596 Kap. 40 = Grimm Myth. 3, 444, 317. î24 ) P a n z e r Beitrag 1, 258. 221) L a m m e r t 230. 22«) S e y f a r t h Sachsen 243. 227) D r e c h s ler 2, 281. 22«) Ebd. 229) F o s s e l Volksmedizin 94. 23°) D r e c h s l e r 2, 296. 231 ) F o s s e l Volks232 233 medizin 94. ) ZfVk. ι, 201. ) Knortz Streifzüge 1, 141 (nach Grabinski). 234 ) D r e c h s ler 2, 296. 235) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 20. 23e ) B a r t s c h Mecklenburg·!, 116. 237) S t r a c k e r j a n ι, 91. 23β) John Erzgebirge 110. 239) Most Die sympathetischen Mittel 120, 36. 240) Ebd. 241 ) K ö h l e r 120, 37. Voigtland 414, 432. 242 ) F o g e l Pennsylvania 89, 347; 272, 1416 f. S43) Rockenphilosophie S. 588 Kap. 34 =

344

2") Wlislocki Grimm Myth. 3, 444, 311. 245) B a r t s c h Siebenb. Volksgl. 85. Mecklenburg 2, 113. ««) W l i s l o c k i Siebenb. Volksgl. 95· 2 " ) SAVk. 7, 137. 249) Hessler Hessen 493· " ' ) A n d r i a n Altaussee 136. 2S0) John Erzgebirge 110. 251 ) L a m m e r t 256. 252) SAVk. 2, 261, 124; Unoth 189, io; Manz Sargans 2S3) 254 ) 82. Fossel Volksmedizin 119. 2") W u t t k e 358, 539. Birlinger Aus Schwaben 1, 483; B u c k Volksmedizin 42. 2M ) S e y f a r t h 2 Sachsen 221. ") Bohnen258 berger 14. ) Z a h l e r Simmenthai 113. S e l i g m a n n D. magischen Heil- u. Schutzmittel 212. 2e0) ZfVk. ι, 192. 2βι ) Mitteilung aus Stein a. Rhein. 292) B u c k Volksmedizin 42. 2«3) M a n z Sargans 78. 2M ) F o g e l Pennsyl2β5) F r i s c h b i e r vania 281, 1476! Hexenspr. 42. 2β·) W u t t k e 184, 251. 267) Alemannia 8, 121.

12. Die psychologische Erklärung versagt in folgenden Fällen : Spuckt man dreimal auf eine Glockenblume, so bleibt der Regen aus (Böhmerwald) 268). Wenn man sich von ungefähr anspeit, erfährt man etwas Neues 269). Wenn man schnell auf den Finger spuckt und ihn hinter das Ohr hält, so muß der Verleumder sich benässen (Oldenburg) 27°). Wenn in Mühlhausen ein Knabe einem andern gegenüber etwas beteuert, sagt letzterer zu jenem: „ S a g ja und spei". Dies gilt als Ehrenwort 271 ). 2SS) 2e9) Schramek Böhmerwald 248. Rockenphilosophie S. 940 Kap. 55 = Grimm 270) Myth. 3, 449, 453. S t r a c k e r j a n 1, 33f., 22. 271 ) Alemannia 8, 121. Deubner.

Spuk. Das Wort S p u k ist erst in frühneuhochdeutscher Zeit aus dem ndd. spook (als spôkne in dem chron. saxon, bei Eccard. p. 1391. Detmar 1, 136 hat spuk, 2, 206 vorspok praesagium, heute spôk, nnl. spook, spookzel, schwed. spôke, dän. spôkenis a. 1618, spôgelse spectrum, spög iocus; dafür sollte im mhd. spuoch, nhd. spuch erwartet werden, was aber nicht vorkommt. Nur gespüc (bei Berthold cod. pal. 35 fol. 27 b) ist in die hochdeutsche Schriftsprache eingedrungen und ist erst seit dem 18. Jh. allgemein verbreitet. Wie ahd. gispanst (zu ahd. spanali locken, reizen, s. Gespenst) und ahd. gitroc, ags. gidrog (zur indogerm. Wurzel *drugh„schaden", wozu auch altnord. draugr) bedeutet es sowohl Gespenstererscheinungen, unheimliches Treiben übernatürlicher Wesen, bes. Toter, als auch diese Wesen selbst *). Heute bezeichnet man ganz all-

34S

Spuk

gemein als Sp. „von den menschlichen Sinnen, besonders Gesicht und Gehör, wahrnehmbare, unirdische, rätselhafte und darum unheimliche Vorfälle mancher Art", zuweilen auch einen Ort, an welchem es nicht geheuer ist. Hierher gehört das Erscheinen lebender Menschen an anderen Orten, als an welchen sie sich in Wirklichkeit befinden (s. Doppelgänger), das Erscheinen Verstorbener (s.a. Wiedergänger), das Vorhersichtbarwerden oder andere Vorzeichen (s. Geisterkutsche, Geistermesse, Geistermusik, Geisterohrfeige, Kettenlärm) zukünftiger Ereignisse, besonders des Todes Dritter (s. geistersichtig, zweites Gesicht), auf natürliche Weise nicht erklärbare Sinneswahrnehmungen, die sich gewöhnlich an bestimmte Orte knüpfen 2). Losgelöst vomZusammenhang mit menschlichen Wohnungen lassen sich Sp.erscheinungen als Wegspuk (zeigt sich an bestimmter Wegstelle, begleitet einsamen Wanderer und verschwindet wieder spurlos), Wanderspuk (zieht als flüchtige Erscheinung voniber und verliert sich in der Ferne), N a t u r s p u k (in Wälder, Schluchten, Berge, Einöden, Gewässer usw. gebannte, als Quäl- und Poltergeister lästige Seelen, die in Naturgeister übergehen). Dabei ist die Grenze zwischen ursprünglichen Seelenwesen und Dämonen nicht immer genau zu erkennen. Unbestimmte, wechselvolle Erscheinungen weisen auf Seelenwesen hin, während typische, scharfgezeichnete Gestalt den Dämonen eignet. Den Übergang bilden weiße Frauen und graue Männchen (Zwerge, Elben, Kobolde) 3). Die feurigen Sp.erscheinungen entstammen teils dem Glauben an das brennende Fegfeuer (s. Arme Seelen, Geist), teils wirklichen Beobachtungen (moderndes Holz, Irrlichter u.a.) 4 ). Spukhafte Vorgänge haben zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit weiter Kreise auf sich gelenkt. In jüngster Zeit hat besonders der im Frühjahr 1916 einsetzende sog. „Sp. von Großerlach", einem etwa 300 Einwohner zählenden Dorf im württembergischen Oberamt Baknang, unweit Stuttgart, Aufsehen erregt 6). Ob es bei solchen Sp.Vorgängen um Phänomene übernatürlicher Art, etwa um Kundgebun-

gen abgeschiedener Seelen, bzw. einer bestimmten Kategorie von Geistern, handelt, wie von manchen aus Uberzeugung behauptet wird e ), ist wissenschaftlich noch nicht genügend geklärt. Eine rein mechanische Auffassung der rätselhaften Erscheinungen führt jedenfalls nicht durchwegs zum Ziel. Da man Sp. nicht absichtlich herbeiführen oder auch nur vorhersehen kann, kann er auch nicht Gegenstand von Experimenten sein. Geistersp. bedeutet Tod, besonders das Erscheinen eines Verstorbenen (Wiedergängers), der sog. Nachsp. 7 ). Sp.hafte Vorgänge werden besonders n a c h t s wahrgenommen (s. Geisterzeit, Geisterstunde), lassen sich aber auch tagsüber während eines Gewitters (s. d.) besonders häufig beobachten 8). Sie sind regelmäßig nur von ganz kurzer D a u e r · ) . Die bekanntesten nächtlichen Sp.erscheinungen im Freien haben Reiter und bellende Hunde gemein und gehen gewöhnlich unter dem Namen „wilde Jagd" (s. d.) oder „wildes Heer" (s. d.). Einzelne sp.hafte Vorgänge sind an bestimmte örtlichkeiten gebunden (s. Geisterort). So ist es an heidnischen, römischen oder keltischen Orten nicht geheuer 10 ), ebenso auf Brücken u ), in Burgruinen, wo vielfach wie an anderen Geisterorten Geld gefunden wird u ), auf Schlachtfeldern, Mordstellen, Richtstätten, an einsamen Feldkreuzen und Kreuzwegen und besonders Friedhöfen 13 ). Unter den Sp.orten nehmen die Sp.häuser einen hervorragenden Platz ein (s. a. Geist, Geisterhaus). Vielfach sind es nur einzelne Teile eines Hauses, einzelne Zimmer, in denen sp.hafte Vorgänge beobachtet werden. Da hört man ein merkwürdiges Sausen und Klingen, Rufe und Musik aus der Mauer, dazwischen ein Geräusch wie von einer Säge, lautes Klopfen und Hämmern, Trommeln und Peitschenknallen. Am meisten werden die Nerven der Bewohner erregt durch ein unheimliches Tasten und Kratzen an den Betten und Wänden, erbsengroße, bläuliche Funken fliegen durch die Stube (Prozeß von Oels 1916) " ) . In anderen Fällen werden Türen und Fenster aufgerissen, auch wenn

347

Spur—Stabaus

man sie mit Stricken angebunden h a t t e ; Kisten und Kasten werden untereinander .geworfen, j a die Bewohner so geängstigt und gequält, d a ß schließlich niemand sich m e h r findet, der in solchem Hause wohnen bliebe1S). Sp.hafte Erscheinungen können l e b l o s e D i n g e sein: eine brennende Garbe, •ein R a d , Beil, ein Wagengestell, das sich ohne Fuhrmann und Pferde dahinbewegt, u. a . 1 β ) . S p u k e n d e T i e r e (s. Dorftier, Geistertier, Gespenst) sind nach dem Volksglauben Seelen von Verdammten, die i n solcher Gestalt umgehen m ü s s e n 1 7 ) . M e n s c h e n g e s t a l t i g e Sp.wesen zeichnen sich durch Größe und Farbe (schwarz, weiß) aus (s. Geist, weiße Frau), tragen ζ . T . altertümliche Kleidung, und ihr graues schimmliges Gesicht, das zuweilen auch an Spinnweben erinnert, gewährt einen schaurigen Anblick 18 ). Daneben steht der einfache nächtliche Sp. mit „großen Augen, die Fensterscheiben gleich sehen, hinter denen ein Licht brennt". Dieser Sp. scheidet sich oft in der verschiedensten Weise als Geisterkutsche (s. d.), wilder Jäger (s. d.), Wetterhexe, nächtlicher Reiter u. a . 1 β ) . I m allgemeinen gilt das Spuken als Strafe für die Toten, die dadurch ihre Sünden a b b ü ß e n Μ ) , aber auch als Unglück für die Lebenden. Manche Leute sehen sich sogar Wochen, Monate, selbst Jahre lang von Sp.erscheinungen verfolgt. V o n bedeutenden Personen, die darunter zu leiden hatten, führt Piper u. a. Martin Luther, die Dichter Lenau, Ε . T . A . Hoffmann, Friedr. Wilh. Weber, den Feldmarschall v . Steinmetz a n 2 1 ) . Man sucht deshalb, den sich bemerkbar machenden Sp. durch die bewährten Mittel der Geisterabwehr (s. d., Geisterbann, -prozeß) unschädlich oder noch besser durch vorbeugende Maßnahmen überhaupt unmöglich zu machen. U m Sp. aus den Häusern zu bringen rät ein Heilbüchlein etwa v o m J . 1720: „Vergrabe daselbst Surtarbrandur. So läßt der Sp. nach" M). Gegen den in voller körperJicher Gestalt erscheinenden Wiedergänger (lebenden Leichnam) bediente man sich •des Pfählens: der Körper wurde mit einem

348

Pfahl durchbohrt (Saxo I 246, 43). A u c h wurde der Kopf der Leiche als Ausgangspunkt des Sp.s abgeschlagen und verbrannt, wie bisweilen auch der ganze Körper. U m auch der Asche jede Wirkungsmöglichkeit zu nehmen, wurde sie ins Meer gestreut oder an einem abgelegenen Ort begraben oder in einem Gefäß in eine Quelle versenkt (altisländ.). Man schließt alle Öffnungen der Leiche, besonders die Nasenlöcher (als Ausgangspunkt des Sp.geistes?) 23 ). *) G r i m m Myth. 2, 7 6 2 ; 3, 2 7 8 ; H o o p s Reallexikon 4, 2 0 7 s . ; P a u l DWb. 5 1 6 ; S i m r o c k Mythologie 4 6 7 ; vgl. A c k e r m a n n Shakespeare 52ft. *) P i p e r Spuk 7. 2 4 s . 390. 67. 9 6 f f . 1 3 7 s . ; S t r a c k e r j a n 1, 144. 176. 1 7 8 ; 3) K ü h n a u ZfrwVk. 1914, 284. Sagen 1, X X X I V f.; H e l m Relig.gesch. 1, 30 f.; W r e d e Rhein. Volkskunde8141 ; W u n d t Mythus u. Religion ι , 462. 4 ) R a n k e Sagen 55 ff. 5 ) P i p e r Spuk 76 ff. nach der ,.Wiesbadener Ztg." vom e) G r a b i n s k i 29. Juli 1916. Mystik 33off.; P i p e r Spuk 7S. 7 ) E i s e l Voigtland 142 Nr. 383; 8) K u h n P i p e r Spuk 1070. u. S c h w a r t z 454 Nr. 407. ·) P i p e r Spuk 2 1 . 10) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 348. u ) B a r t s c h Mecklenburg ι , 179f. Nr. 222; Urquell 3 (1892), 344t. 12 ) E i s e l Voigtland 240 Nr. 596. 13 ) C r o o k e Northern India 1 8 2 f t . ; K ü h n a u Sagen 3, 2 I 2 Í . ; P i p e r Spuk 6γβ. 8 9 f f . ; S c h e l l Berg. Sagen 341 Nr. 36; S t r a c k e r j a n 2, 243. 273. 3 1 4 ; ZfrwVk. 1 9 1 3 , 6 1 ; SAfVk. 24 (1922), 8 4 ! l4 ) G r a b i n s k i 15 ) B i r l i n g e r Mystik 360. Aus Schwaben 1, 209. 229; K n o o p Hinterpommern 1031 ; K ü h n a u Sagen 1, 108. i2of. ; P i p e r Spuk 6 7 f t . (hier besonders reiches Material); SAVk. 8, 3 1 2 ; ZfVk. 10 (1900), 2 8 6 f . ; 1β ) 18 (1908), 94; Urquell 3 (1892), 253 f. B a r t s c h Mecklenburg 1, 176. i83f.; K ü h n a u Sagen 1, 3 9 1 ; S t r a c k e r j a n 1, 296; ZfVk. 7 (1897), 1 3 1 . 17 ) P i p e r Spuk 102Í. ; S t r a c k e r j a n 2, 3 5 5 ; ZfVk. 6 (1896), 94. 440; 12 (1902), 18 ) B i r l i n g e r 71. Aus Schwaben 1, 226Í.; K ü h n a u Sagen 1, 308f. 5 2 8 ! 574f.; P f i s t e r Hessen g8ff.; P i p e r Spuk 84; R e i s e r Allgäu I , 3 1 2 ; S o l d a n - H e p p e 2, 4 2 7 ; S t r a c k e r j a n ι , 3 1 5 ; 2, 321. 368. u ) S c h w a r t z Volksglaube 20) B a r t s c h i85ff. Mecklenburg 1, 1768. 1 8 7 I 1 9 1 I ; J o h n Erzgebirge 1 3 1 ; S t r a c k e r j a n ι, 145. 226; Urquell 3 (1892), 163. 252 f. 279f. 21 ) P i p e r Spuk göff. »») ZfVk. 13 (1903), 275. 23) H o o p s Reallexikon 4, 209. Mengis.

Spur s. F u ß s p u r 3, 240 ff. Stab s. Nachtrag. Stabaus oder Staubaus ist der Anfang eines Liedes, das beim „Winteraustragen" an Lätare (s. d.) in bestimmten Gegenden der Pfalz und Rheinhessens gesungen wird.

349

Stabi íabi iati—Stachelbeere

Das Wort wird dann als Bezeichnung für die Handlung, für das ganze Fest und für •das Werkzeug der Handlung (das Strohoder Holzbund) gebraucht 1 ). In der südlichen Nachbarschaft ist mehr die Bezeichnung „Sommertag" (s. d.) üblich, und das Lied beginnt: „ R i ra ro! De Summerdag is do". Das Wort Stabaus ist wohl eine Imperativische Bildung und •drückt die Aufforderung zum Angriff auf den Winter aus, der aus dem Lande gestäupt werden soll 2 ). Andere finden darin •eine Aufforderung zum Wandern 3). Die Kinder tragen bei den Umzügen deri mit Brezeln geschmückten Stabaus- oder Sommertagsstecken (Sommertagsgabel) *) HessBl. 6 (1907), 155 s . ; G r i m m Mythol. i , f > n i . s ) HessBl. 6, 156 f. Vgl. M e y e r Baie» 90. In Schleswig-Holstein werden am Fastnachtsmontag die Langschläfer aus den Betten .gestäupt mit den Worten: Stuw (stup) ut, stuw ut, min Heiteweck usw. (in Flensburg: stuf op, auf Föhr: klopp op). Nds. i6, 250 f. 252. Vgl. OberdZfVk. 5 ( i 9 3 i ) , 3 f . 3 ) A m i r a Stab 4 = Ktinssberg Rechtsbrauch u. Kinderspiel 54 Anm. 5.; B e c k e r Pfalz 304 f. 4 ) HessBl. 6, 1 5 8 ! ; H ö f l e r Fastnacht 92; A R w . 8 (Beiheft), •82 f. 91. 97 f. f Sartori.

Stabi fabi fati 1 ), Zauberworte, aus Habere usw. (s. d.) entstellt. 1

) Urquell 3 (1892), 68.

Jacoby.

Stabwunder s. Nachtrag. Stabwurz s. E b e r r e i s 2, 527 ff. Stachelbeere (Christophsbeere, Grosselbeere, Kräuselbeere; Ribes grossularia). ι . Gartenstrauch, der in einer Abart (var. uva crispa) auch öfters an Waldrändern, in Hecken usw. wild vorkommt. In der Urzeit scheint die St. wenig beachtet worden zu sein, doch war sie schon im frühen MA. gut bekannt 1 ). In Preußen hieß die St. Christophsbeere, „man glaubt, Christoffel sei mit einer Krone von dem Strauche gekrönt worden" 2). Der Name Christophsbeere ist aber wohl volksetymologisch aus „Krusel-", „Grosseibeere" usw. entstanden, so daß auch die von Mannhardt an den Namen „Christophsbeere" geknüpften mythologischen Spekulationen hinfällig sind. Im Englischen ist „gooseberry" ( = St.) auch eine Bezeichnung für den Teufel 3 ).

*) H o o p s Reallexikon 1, 204; K i l l e r m a n n Zur Geschichte d. Johannis- und Stachelbeere.

350

In: Naturw. Wochenschr. 34 (1919), 344—347. ) H e n n i n g Preuß. Wb. 1785, 47 = ZfdMyth. 3, 118. s ) L i e b r e c h t Zw»· Volksk. 500.

2

2. Die Zweige der St. dienen, wie die anderer Dornsträucher (s. 2, 357), zur Abhaltung der Hexen. Schon Fuchs 4 ) schreibt: „man sagt auch das die Äste von den Krüselbeeren für die thür und fenster gestrewet oder gelegt allerley zaubereyen onnd vergifftung vertreiben. Vnd daher kompt es on alle zweifei das man die zeune mit disem gewechs verwaret dann es nit allein verhütet mit seinen dornen das niemands hinein inn die guter kommen kann sondern auch vertreibet allerley zauberey vnnd vergifftung so den gärten schaden bringen kann". Um die Hexen am Walpurgisabend (oder an Fastnacht) fernzuhalten, steckt man besonders in der Oberpfalz und in Oberfranken Zweige der St. an die Türen und Fenster der Stalltüren s ). Auch nach altem französischen Glauben sollten die im Haus befindlichen St.zweige die „diables" vertreiben e).

*) NewKreuterbuch 1543, cap.68. s ) Schön w e r t h Oberpfalz 1, 3 1 2 ; Marzell Bayer. Volksbot. 18. 30. 200; J ä c k e l Oberfranken 1 7 3 ; Heimatbild, aus Oberfranken 4 (1916), 1 5 3 ; B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 41 (soll am Karfreitag gesteckt an die Dornenkrone Christi erinnern, wohl eine christliche Umdeutung der hexenabwehrenden Dornzweige), vgl. auch R e i n s b e r g Böhmen 210; W u t t k e 286 § 420. ·) A r n o u l 1 5 1 7 = R o l l a n d Flore pop. 6, 75.

3. Gegen den Blutfluß nimmt man neun St.dornen, steckt sie dem Kranken in die Seite und spricht dazu: „Blut, Blut, Blut ! Im Namen des Heilandes Jesus Christus, der wahrhaftig am Kreuz für uns gestorben ist, gebiete ich dir, du sollst stille stehen. Im Namen des Vaters usw. — Amen, Amen, Amen". Dabei wird übers Kreuz über den Mund des Kranken geblasen 7). In Ruhla glaubte man, daß diese Sträucher (vgl. auch die verwandte schwarze Johannisbeere = Gichtbeere) von Gichtkranken gepflanzt seien und dem Gesunden die Berührung dieser Sträucher gefährlich sei 8 ). In Lothringen sagt man den Kindern, die man vom Essen der unreifen St.n abhalten will, daß deren Genuß Läuse verursache ®), vgl. auch die schwäbische Bezeichnung „Lausbeere"

351

Stachelkugel—Stall

für die St. (wohl wegen der Form der Samenkörner). 7 ) Grafschaft Ruppin: ZfVk. 7, 59; vgl. W e i n h o l d Neunzahl 1 3 f. ' ) H e g e l Ruhlaer Mundart 1868, 143 f. ·) Mémoires de l'Acad. de Metz 35 (1905/06), 1 2 5 ; R o l l a n d Flore pop. 6, 74.

352

«) K r i ß 48. ' ) Karte bei K r i ß . «) B a r g h e e r Eingeweide 421. ·) Z f V k . n , 82; J u n g b a u e r Volksmedizin 28, vgl. 1 9 1 . 1 0 ) Z f V k . 9, 1 5 4 — 1 5 7 . ll ) a. a. O. M ) a. a. O. 42; vgl. H o v o r k a u. K r o n f e l d ι, 436; 2,628. 1 3 ) B a r g h e e r Eingeweide. Groth.

Stachelschwein. Das nach der Verödung Mittelitaliens von umherwandernden Italienern in Europa eingeführte S . (Hystrix) spielt im deutschen Aberglauben keine Rolle. Vielleicht ist (nach Höfler) l ) der sog. Sauigel eine dunkle 10 ) Spessart: Bayerland 25 (1913/14), 233. Erinnerung an das südliche Tier (vgl. Marzell. Igel). Bei den Zigeunern heißt der Igel Stachelkugel (Stachelvotiv) *). S.n, »Stachelengero«2), in Schlesw.-Holst. der auch Bärmutter, Muetter, Spieß, Kästen- swînegel auch stachelswien 3 ). igel, Stacheligel genannt, sind rings mit Das S., auch sein Blut, spielt in den maStacheln versehene, meist aus Zirbelholz, gischen Büchern der griechisch-ägyptiselten aus Messing oder Eisen gearbeitete schen Juden (300—350 p. Chr.) eine Kugeln mit einem Durchmesser von 8 Rolle; auf kretischen Bildinschriften der 2 bis 19 cm ). Sie wurden — heute ist der mykenischen Periode kommt es als ma3 Brauch erloschen ) — nach überstangisches Zauberzeichen vor 4 ). Die im dener Geburt oder Gebärmutterkrankheit Altertum und heute noch in Nordindien 4 an Stelle der sonst üblichen Votivkröten ), verbreitete Fabel, daß das S. seine Stamitunter auch bei Magenerkrankungen 5 ), cheln wie tödliche Pfeile aus großer Entdargebracht. Das Verbreitungsgebiet der fernung abschießt, leitet sich wohl davon S.n ist auf Südtirol, insbesondere den her, daß die Stacheln leicht ausfallen 5 ). e Vinschgau, beschränkt ), wo sie allerNach Gesner e ) half das Fleisch bei dings an Zahl alle anderen Votive zuMagenkrankheiten, Verstopfung, Aussammen übertreffen 7 ). Uber das Alter satz, Bettnässen und Wassersucht; die gibt Aufschluß ein aus Ulten bei Meran Stacheln linderten Zahnschmerzen; Stastammendes Votivgemälde in Andechs cheln und Fleisch als Pulver von Schwan(Oberbayern) vom Jahre 1685, das eine geren eingenommen, bewahrten die S. neben einer sich der heiligen Jungfrau Frucht und erleichterten die Geburt 7 ). 8 verlobenden Frau darstellt ). Der Sage nach ist das S. ein Betrüger, Während Höfler ·) die S.n mit dem sog. dem die Zinken eines entwendeten KamIgelkalb, dem umgestülpten Uterus der Kuh, in Verbindung brachte, wurden sie mes durch die Haut wuchsen, oder eine Frau, die das am Feiertag gesammelte von Eysn 10 ), Hein 1 1 ), später von Kriß 12 ) 8 wohl mit mehr Wahrscheinlichkeit ge- Reisig als Stacheln mit sich schleppte ). l s deutet als Darstellung der aufsteigenden ) H ö f l e r Organotherapie 1 1 2 . ) D e r s . 1 1 3 ; 3 Gebärmutter, die allgemein das Gefühl 4Urquell 6, 2. ) M e n s i n g Schlesw. Wb. 4, 794. ) H ö f l e r a. a. O. 102; Neue Jahrb. f. Phil. von einer im Leibe sich bewegenden Kugel 1888, Suppl. Bd. 16, 784. 816 (nach H ö f l e r ) . verursacht, wie auch das unter dem s ) K e l l e r Tiere 1, 207; ähnlich G e s n e r ThierNamen globus hystericus bekannte Er- buch 3 5 ; dass, vom Igel bei den nordam. Instickungsgefühl im Halse der Gebärmutter dianern; die europ. Türken nennen das S. „pfeiltragender Igel"; in Shakespeares Hamlet zugeschrieben wird 13 ). „fretful porcupine" ( K e l l e r a. a. O.). · ) G e ß -

4. Wenn man wilde Stachelbeerstöcke drei Jahre nacheinander am Gründonnerstag vor Sonnenaufgang versetzt, so entwickelt sich ein Garten-Stachelbeerstrauch daraus 10 ).

Darstellungen: H e i n Die Opferbärmutler als S. ZfVk. 10 (1900), 420fi.; K r i ß Das Gebärmuttervoliv, Augsburg 1929 (ausführliches Literaturverz.). s ) Abb. bei K r i ß Nr. 19 u. 20; Beschreibung bei A n d r e e A R w . 1 9 1 3 , 618. ' ) Z f V k . 25, 189. «) W e b e r im Korrbl. f. Anthrop. 30 (1899), 59. · ) A n d r e e Votive 1 3 7 .

ner Thierbuch 35 f. ' ) Ebd. und J ü h l i n g Tiere 343. 8 ) HessBl. 8, 72. Dort weitere Sagen. Groth.

Stahl s. E i s e n 2, 717 ff. Stall s. Nachtrag.

353

stammeln—Stampa

stammeln ( = stottern). D a s St. oder Stottern, das im Rahmen des Aberglaubens dasselbe ist, scheint eine Beziehung zum Dämonischen insoferne zu haben, als im Bereiche des Bayrischen, wo dattern auch stammelnd, stotternd sprechen heißt, Datterer auch Stotterer und Kretin bedeutet. Die Beziehung des Kretins zum Dämonischen aber ist bekannt (vom auffallenden Stottern zum stammelnden Lallen des Kretins ist ein kurzer Weg) ; halten wir dazu den Tattermann überhaupt und den im Fieberschauer wirksamen Beutelmann (Schüttler) als dämonische Gestalten, ferner die dem Stotterer oft eigenen krampfartigen Zuckungen des Gesichts und die damit nicht selten verbundenen ungewöhnlichen Arm- oder Handbewegungen, so sind der Anhaltspunkte genug, im Stottern eine von einem Dämon beeinflußte Erscheinung zu sehen. A u c h der im Fieberfrost Sprechende stammelt, desgleichen der vom Schreck Überkommene, für beide Erscheinungen hat die volkstümliche Dämonologie ihre Verursacher. Für diesen Zusammenhang wird das unter T a t t e r m a n n Gesagte zu vergleichen s e i n 1 ) . Jedenfalls stehen elbische Wesen mit dem menschlichen Stottern in Verbindung. So läßt eine Tiroler Sage einen Bauern mit einem Saligen Fräulein eine Ehe eingehen, wobei es die Bedingung stellt, daß er es nie mit der Faust schlage. A l s ers aber trotzdem tut, verschwindet die Salige und der Bauer hat seitdem das St., das auf alle Nachfolger übergeht 2 ). Wenn der Geistliche beim Taufakte im Gebete stammelt, sich verspricht oder ein Wort ausläßt, so wird ein K n a b e mondscheinig, ein Mädchen aber zur D r u d 3 ) ; ähnlich hat St. und Stottern des Priesters bei der Taufe zur Folge, daß das Kind zeitlebens „ V i e h und Leidd beschreit", wenn es sie ansieht oder anspricht ohne „pfoids G o d " dazu zu sagen 4 ). Damit ist also auch die umgekehrte Beziehung zum Elbisch-Dämonischen gegeben. Ißt oder kostet eine Schwangere aus einem Kessel, wird ihr K i n d stammeln 5 ) ; dem Neugeborenen löst man die Zunge, um es vor St. zu bewahren e ). Wenn Kinder schreien oder singen, so darf man sie nicht auf den B a c h t o l d - S t a u b l i . Aberglaube VIII

354

Mund trommeln, sonst lernen sie stottern (Thüringen) 7 ) ; sehen sie in den Spiegel, so bekommen sie das St. (Mecklenburg) e ) ; kitzelt man ein Kind, so lernt es stottern 9 ), ebenso wenn man es unter einem Jahre schlägt 1 0 ), im allgemeinen herrscht der Glaube, daß durch plötzliches Erschrecken ein Kind, ja selbst ein Erwachsener zum Stotterer wird n ) . Die Mutter scheut es, des Kindes Fingernägel zu früh zu beschneiden, damit es nicht später stottere (oder stehle) 1 2 ). Für Frankreich vgl. Sébillot 1 S ). Z f ö V k . 31, 86 ff. 2 ) V e r n a l e k e n Mythen 2. 3 ) L a m m e r t 173. 4 ) P l o s s Kind? 1, 368; s) S c h ö n w e r t h OberpfaU 1, 169. Grimm Mythologie 3, 468 Nr. 924. ·) M e y e r Volkskunde 107. ') W u t t k e § 600. «) E b d . ·) M e y e r Baden 5 1 ; F o g e l Pennsylvania 42 Nr. 79. 10 ) F o g e l a. a. O. 43 Nr. 86. l l ) In den Alpenländern allgemein. 1 2 ) W r e d e Eifel. Volksk. 140. 1 3 ) Folk-Lore 4, 432. Webinger.

Stampa (Stampe 1 ), Stämpe, Stempe 2 ), Gstampa 3)) ist in den Ostalpen eine Erscheinungsform der Frau Holda-Perhta (s. d.), die ihrem Wesen entsprechend unter häßlichen und verächtlichen Namen a u f t r i t t : so als T r e m p e 4 ) oder W e r r e 5 ) , auch als Sanga ®). Sie steht also im Gegensatz zur milden Frau Rose (s. d.). Man bringt der sehr gefürchteten Unholdin, die wie ein A l p oder Mahr tritt, drückt oder s t a m p f t 7 ) , gern Opfer 8 ), u m ihre Übeltaten abzuwehren, besonders in den „ G e b n ä c h t e n " , auch „ R a h n ä c h t e n " (Rauhnächten), also vor Weihnachten, Neujahr oder Dreikönigstag 9 ). Gewöhnlich stellt man ihr Krapfen, Küchlein, besonders gern aber Nudeln hin 1 0 ). Letztere sind viereckig und plattgedrückt, ihr Teig steht bereit, ehe am Gstampenabend Haus und Stall mit Weihrauch besprengt und dann fest abgeschlossen werden. Man trägt die Nudeln der St. und ihren Kindern auf nebst „drei andern Dingen, die nicht b l ü h e n " : Salz, Eier, B u t t e r werden noch d a r g e b r a c h t 1 1 ) ; hier m a g alter Fruchtbarkeitszauber zugrundeliegen. Die Tiere, die in jenen Nächten Menschenverstand und -spräche haben, bekommen ein Handbüschel vom besten Heu 1 2 ). Gespenstisch, mit langer Nase (wie P e r h t a ) 1 3 ) , hinkend, ungestaltig, als kettenklirrendes, 12

355

Stampa

unheimlich pfeifendes „Unkati" treibt sie mit dem Wilden Heer oder hinter diesem her durch die L ü f t e 1 4 ) , von einigen Hündlein begleitet 16 ), auch wohl an der Spitze einer Kinderschar 1 β ) (wie Holda). Wenn sie nicht winselnd, mit aufgelösten Haaren, die Säumigen und noch zu ihrer Umgangszeit Tätigen jagt " ) , h o c k t sie als böses, grimmiges Weibele wohl auch versteckt zu oberst auf den Höfen, entzieht sich aber den Blicken Neugieriger. Verfolger und Nachspürer drückt sie in die W ä n d e 1 8 ) oder hackt ihnen die Hacke in den F u ß 1 ® ) . Den Sohn des Moserhofbauern in Wälschnoven hat sie allerdings nach einem Jahr wieder geheilt ; sie hatte ihm selbst verkündet: Dir hack ich mein Hackl in den Fuß. Das nächste Jahr werd ich dir's, wenn du wieder da stehst, wieder herausziehen.

356

früher hereingekommen sein, wird in Reutte und Umgebung berichtet 28 ). Als Kinderschreck, groß, mit verschleiertem Gesicht, mit langer schleifender Schleppe kennt man sie dort. Man verkleidet sich dort gar als St. In den „Stämpenächten", den Nächten der drei Sonntage vor Weihnachten, „ s t u p f t " man in Tannheim Samenkörner in die Blumentöpfe. Je nachdem, ob sie schnell oder langsam keimen, wird auch das Frühjahr herankommen 29 ).

Meist kamen aber die Neugierigen und Unvorsichtigen ums Leben, so erzählt man 2 0 ). Wenn die St. umgeht, herrscht Schweigegebot 21 ) ; auch husten darf man nur in den eigens in der Stube dafür aufgestellten Mohnstampf. Sonst wird die St. aufmerksam 2 2 ).

Wollen die Kinder nicht ordentlich essen, so ermahnt man sie und warnt sie folgendermaßen vor der „Berhte", die hier der St. sehr ähnlich ist: Ir sült vast ezzen, daz ist min bete, daz iuch Berht(e) niht trete30). Ferner 3 1 ) : Ez ist so griulich getan, daz ich dir'z niht gesagen kan; wan swer des vergizzet, daz er niht fast izzet, Ui den kumt ez und trit in. Hier wirkt das Unwesen fast wie ein Albdruck, der durch den leeren Magen verursacht wird und im primitiven Denken Gestalt annahm.

J a g t einen die St., so muß man ein Haus zu erreichen suchen, aus dem Rauch aufsteigt, dann muß man die Dachtraufe gewinnen, innerhalb derer dreimal ums Haus laufen und laut dazu schreien, dann ist man gerettet 2 3 ). In Afers hatte ein alter Bauer einen Kalbskopf am Stadelfirst hängen, der die St. abwehrte 2 4 ). In Taufers mußte in jedem Haus, das einen „Kreuzweg", d. h. zwei oder gar drei Türen (Vorder-, Hinter-, Seitentür) hatte, in der Christnacht „geratscht" werden, um die Unholdin aus der Hölle zu verscheuchen 25 ). Aus Angst vor der St. wurden noch um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Uttenheim am Tage des hl. Andreas, des hl. Stephan, sowie am Dreikönigstag Vespern und Ämter gehalten, die man „Stampervesper" und „ S t a m peramt" nannte. Christlicher Ritus sollte heidnischen Zauberspuk bannen 2 e ). Ackergeräte bringt man vor der St. tunlichst in Sicherheit, damit sie den Lässigen nicht damit den Bauch aufschlitze 27 ). Von der Sündwag im Allgäu soll sie

Vielleicht bestehen Zusammenhänge zwischen der St. und der Schweizer Sträggele, Streggele 32 ). Zumindest sind Übereinstimmungen da: auch die Sträggele erscheint als Ungeheuer, manchmal in Katzengestalt M ), sie entführt Kinder 34 ) und träge Spinnerinnen 35 ), sie zieht mit Hunden an der Spitze eines Dämonenzuges 3 °), sie „richtet Malefiz a n " 3 7 ). Der Ausdruck „Stempeneien machen" kann allgemeineren Sinn als nur die Tätigkeit der Unholdin St. haben Μ ). — Der Tiroler St. ähnelt die schlesische Spillaholle (s. d.), allerdings stellt sie nur faulen Kindern nach, vor der St. hingegen muß man gar die Neugeborenen schon in Sicherheit bringen. Wir erkennen hier einen Zug der Perhta (s. d.) wieder se ). ') Art. „Bauchaufschlitzen" oben 1, 937; Art. „Perhta", Anm. 148; Mannhardt Götter 299; Panzer Beitr. 2, 117; Waschnitius Perht 40 fi.; Wuttke 23. ») Golther Mythol. 494; Grimm Mythol. 1, 230; 3, 90; Quitzmann Baiwaren 114; Reiser Allgäu 2,12; Simrock Mythol. 398. 413. 558; Waschnitius Perht 182; Wuttke a. a. O.; ZdVÍV. 14, 264. ' ) Heyl Tirol 156, 429. *) Simrock Mythol.

357

stampfen—Star

398; W u t t k e a. a. O. ») Ebda. ·) J a h n Opfergebräuche 283. ' ) G r i m m 1,230; S i m r o c k 413. 8 ) J a h n a. a. O. ; S a r t o r i Sitte 3, 74. · ) H e y l Tirol 751 ff. »») Ebda. 11 ) H e y l 753. 1 2 ) Ebda. 13)Panzera.a.O. »),5)1β)Heyl429. »^Heyl 165. « ) H e y l 429. " ) Ebda. 2 ») H e y l 165. S 1 ) H e y l 165. 429. 2 2 ) Ebda. 2 3 ) H e y l 429. " ) H e y l 165. « ) H e y l 660. 2 β ) Ebda. »') S i m rock Mythol. 558. 2 8 ) R e i s e r Allgäu 2,12. ») Ebd. 3 0 ) v. d. H a g e n Gesamtabenteuer 3, 33 f. Vers 23 f. 3 1 ) Ebda. Vers 31 fi. 32 ) G r i m m Mythol. 779. 868; L ü t o l f Sagen 28. 34. Lütolf 466. »«) Ebda. 31.465. 3 5 ) Ebda. 465. 3 8 ) Ebda. 3 7 3 9 28. 36. ) Ebda. 465. » ) Ebda. ) Sartori Sitte 1, 27; ZfdMythol. 4, 37 f. Schwarz. stampfen s. Nachtrag. Ständereier heißen die auffallend kleinen Eier (Unglückseier),die der Kikelhahn alle 7 Jahre legt und die man zwischen den Beinen hindurch über das Dach werfen m u ß 2 ) . Das Unglücksei ist auch das erste E i des Huhnes 3 ) ; man wirft es in Schlesien über das Hausdach und macht drei Kreuze in der L u f t 4 ) . Drudeneier 5 ), Dwarkseier e ), Hungereier 7 ), Spaukseier 8 ), Hahneneier 9 ), Süll- 1 0 ) oder Suhle i e r 1 1 ) , Steineier 1 2 ), Spar- (Sparrenei) 1 3 ), Kummereier 1 4 ), Schalkeier 1 5 ), Schöllesa 1β ) werden besonders in Niedersachsen (als Reste von Bauopfern?) in Ständer und Pfosten des Haustores in einem gebohrten Loch verpflockt, so im Vorsfeidischen 17 ). In Bergedorf bei Hamburg fand man bei Abbruch eines aus dem Anfang des 17. Jh.s stammenden Hauses in der eichenen Türschwelle ein mit K a l k konserviertes kleines Ei 1 8 ). Entsprechend dem Ort des Verpflockens heißt das E i Ständerei19), Sparei (Sparren) 2 0 ); weil man das Loch bohrt, heißt es auch Näberei (Näber = Bohrer) 2 1 ). Im Rheinland steckt man das Hungerei gegen den Blitz in ein Astloch. In Oldenburg wirft man das Spukei ins Feuer oder über den Kreuzweg, um Unglück im Stall zu verhüten 2 2 ). In Silberberg wurde ein „Uarigel" in einem Stock verbohrt 2 3 ). W i t z s c h e l Thüringen 2, 282, 65. 2 ) 1. c.

den

in

358 vielen

Stücken

allzu

abergläubischen

Christen L. 1721, 1 4 2 0 . ; für die Deutschamerikaner F o g e l Pennsylvania 182, 8760.; dazu D r e c h s l e r 2, 88 ff.; B i r l i n g e r Volksth. I, 125; S c h ö n w e r t h 1, 347 Nr. 3; J o h n Westböhmen 58.

5)

SchönvferthOberpfalz

1, 137, 3;

ZföVk. 3, 115. *) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 107. ') ZrwVk. 5, 184. 8 ) A n d r e e - E y s n I.e.; S t r a c k e r j a n I.e. 1,24. ') Niedersachsen 5, 190. 10 ) E. H. W. Meyer Ein niedersächsisches Dorf ll

am Ende

des ig. Jh.s

) Niedersachsen 5, 190; 21, 354.

u

1927,

72.

) W. B o -

m a n n Bäuerliches Hauswesen und Tagewerk im

alten Niedersachsen. Weimar 1927, 20. I 3 ) ZfVk. 1910, 383; 1915, 239; Urquell 1, 8; H a a s Pommersche Sagen* 24, 48; M e n s i n g Wb. 1,1023 ff.;

Heimat 37, 241; J a h n Volkssagen 129 (Spaei). ) H ü s e r Beiträge 2, 28 Nr. 29. l 5 ) ZfVk. 1903, le) 99. S p i e ß Fränkisch-Henneberg 152. 17 ) S o l d a n - H e p p e 2, 372. 1S ) F r e u d e n t h a l Feuer 35 ff. w ) Urquell 1, 33 ff. 50; 5, 158. 160. 174. 206. 1890. 239 ff. 255; B o m a n n I.e. 20; A n d r e e - E y s n 1. c. 107; Niedersachsen 5. 190. 240; ZrwVk. 5, 184; S a r t o r i Sitte und Brauch 2, 3. 13; S t r a c k Blut 13; Mensing I.e. 20 ) Vgl. Anm. 13. 21 ) A n d r e e Braunschweig 382; B o m a n n I.e. 20; Niedersachsen 5, 190. 240. 22 ) S t r a c k e r j a n I.e. 1,24. 23) ZföVk. 8, 225. Eckstein. 14

Ständelwurz s.

Knabenkräuter

4,

1555 ffStar. ι. Biologisches. „ S i e fliegen in Scharen und bilden dabei einen rundlichen Schwärm, weil jeder bestrebt ist, in die Mitte zu kommen. Sie tun das wegen der Habichte, die ihnen nachstellen. Abends versammeln sie sich und machen untereinander ein großes Geschwätz" 1 ). Im Erzgebirge glaubt man, daß Starkästen, am B u ß t a g vor Ostern, dem „Nistertag", aufgehängt, sicher bezogen werden 2 ). l ) M e g e n b e r g Buch der Natur 186. 2 ) J o h n Erzgebirge 236.

2. Z a u b e r . Damit die Kinder klug und gelehrig werden, gibt man ihnen in der Oberpfalz Starherzen zu essen 3 ). Gegen Epilepsie wird die Asche noch nicht ausgekrochener St.e verwendet 4 ). 3) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 181 Nr. 16; L a m m e r t 118. Auf den letzteren gehen alle späteren Zitate zurück: J ü h l i n g Tiere 248; W u t t k e § 605; H ö f l e r Organotherapie 253; 281,59. 3 ) Meier Schwaben 2, 499, 334. 4 ) G r a b i n s k i Sagen 46; vgl. über das Unglücksei noch: ZfVk. 13 (1903), 374; MschlesVk. 17 (1907), 47· 4 ) J ü h l i n g Tiere 346. D ä h n h a r d t Volkstümliches 1, 96, 2; J o h n Erzgebirge 234; G r o h m a n n Aberglaube 141, 3. M a n t i k . Wenn die St.e hoch 1036; Müller Isergebirge 13; M ü h l h a u s e 64; sitzen, so ist schönes Wetter in Aussicht 5 ). S t r a c k e r j a n Oldenburg 1,24; W. 276 (das AufK o m m t im Frühling noch einmal Schnee finden eines kleinen Eies bedeutet einen Todesund die St.e und Lerchen singen lustig, fall) ; ZfVk. 1913, 183; B r e v i n u s - N o r i c u s 12*

359

Staricius—I•Stechapfel

so bleibt er nicht lange e ). „Wenn siek de Sprein so toptrecke u an to singen fange, giff't Regen" 7 ). Wenn sie früh in Haufen fliegen, zeigen sie baldiges Unwetter an; langsam eintretendes und lange einhaltendes Unwetter ist zu erwarten, wenn sie langsam gedrängt fliegen, und noch mehr, wenn sie während des Fluges umkehren 8 ). Wegen seiner schwarzen Farbe gilt er wie Krähe und Amsel als Unheilkünder ·). Im T r a u m gesehen, bedeuten die St.e ein Kriegsvolk, das im Felde liegt 1 0 ). s ) J o h n Erzgebirge 250. e ) B a r t s c h Mecklen7 ) Knoop Hinterpommern burg 2, 207. 181. ") Hopf Tierorakel 128; Grimm DWb. s. v. 10 Star. ») Grimm Mythologie 3, 323. ) Grimm DWb. s. v. Star. 4. Im Badischen und Schwäbischen ist die S a g e von einem Mann (Buben) verbreitet, der vor dem Ausnehmen eines St.ennestes versprach, den schönsten Vogel Gott zu Liebe fliegen zu lassen. Da er sein Versprechen nicht hielt, fiel er vom Baum und war t o t u ) . Die Treue des Stars kommt im Volkslied vom St. und dem Badwännlein zum Ausdruck 1 2 ). u ) Wolf Beiträge 2, 430; B i r l i n g e r Schwaben ι, 83. ") Wolf ib. 430. Schneeweis. Staricius s. Nachtrag. Stärke s. J o h a n n i s - , Martins-, S t e p h a n s - M i n n e , Minne. Staubpilz s. B o v i s t 1, 1485 f. Stechapfel (schwarzer Kreuzkümmel, Rauchapfelkraut, Tollkörner; Datura stramonium). ι. Botanisches. Nachtschattengewächs mit eiförmigen, am Rande buchtig gezähnten Blättern und großen trichterförmigen weißen Blüten. Die Frucht ist eine große stachlige Kapsel, die viele braune Samen enthält. Der St., eine starke Giftpflanze, wächst hin und wieder auf Schutt, an Zäunen, in Weinbergen usw. 1 ). l ) Marzeil Kräuterbuch 328f.; Heilpflanzen 1 7 0 — 1 7 4 ; Tschirch Handb. d. Pharmakogn. 3 (1923), 295 ff.

2. Als die Heimat des St.s ist wohl Westasien anzusehen. Wann er bei uns in Deutschland erschien, steht nicht genau fest. Jedenfalls war er aber noch im 16. Jh. eine seltene Gartenpflanze. Die

360

„Stramonia" der hl. H i l d e g a r d 2 ) war vielleicht eine andere Pflanze. Der Genuß des St.s ruft Sinnestäuschungen, Aufregungszustände, Delirien usw. hervor 3 ). L . M e j e r 4 ) glaubt, daß die durch den Genuß des St.s verursachten Halluzinationen die Veranlassung für die Hexenprozesse gewesen seien. St. soll auch ein Bestandteil der Hexensalben gewesen sein, und M e j e r schreibt diesem Umstand die Verbreitung des St.s zu s ). H o l z i n g e r e ) beweist jedoch, daß der St. erst in der ersten Hälfte des 18. Jh.s, also lang nach dem Beginn der Hexenprozesse, in Deutschland einigermaßen häufig war und so kaum die Delirien der „ H e x e n " veranlaßt haben kann 7 ). Wegen der narkotischen Wirkung (prophetische Träume usw.) spielten St.-Arten in Indien und Amerika in der Magie der Eingeborenen (besonders im Orakelwesen) eine große Rolle 8 ). Besonders beliebt ist der St. in den „Zauberkünsten" der Zigeuner. Die „Zauberfrauen" der Zeltzigeuner schreiben den St.samen geheime Zauberkräfte zu. Sie reiben damit den Körper des Kranken ein. Wer an chronischem Kopfweh leidet, soll zur Mittagszeit auf einen „glücklichen Berg" gehen und St.samen hinter sich werfen. Ganz besonders dienen diese Samen im Orakelwesen ·). 1, 161. 3) Vgl. Münchn. Med. 1921, 334; Lewin Gifte in d. Weltgesch. 1920, 438; Janus 30 (1926), 265—269; Groß Handbuch 1, 533 f.; A v é - L a l l e m e n t Bockreiter 67. 83. 4) Periode der Hexenprozesse 1882, 79, ferner Hexenlum u. Stechapfel, in: *) Physika

Wochenschr.

42. u. 43. Jahresber. d. naturhist. Gesellsch. Hannover 1891/92 u. 1892/93. *) Vgl. W u t t k e 154 f. § 212; G i l b e r t Les plantes magiques et la sorcellerie 1899, 53—62. der Hexen, in: Mitt. d.

·) Zur

Naturgeschichte

Naturw. Ver. f. Steiermark 1882. ') Vgl. auch ZfVk. 7, 185 f. 8 ) Vgl. W. E. S a f f o r d Daturas of the old world and new. An account of their narcotic properties and their use in oracul. and initiatory ceremonies. In: Ann. Report of the Smithsonian Institution 1920—1922, 537—567; Hartwich Genußmittel 33. 519—522; S c h r o e d e r Apotheke 1693, 1014; T y l o r Primit. Cult. 2, 417. *) Wlislocki Aus d. inner. Leb. d. Zigeuner 1892, 44. 56. 97. X23. 157 f . ; Zigeuner 224 = Marzell Heilpflanzen 173; Seligmann Blick 2, 85 f.; vgl. auch Ethnol. Mitt. aus Un-

garn ι (1887), 62.

36I

stechen—Stechpalme

362

3· In der V o l k s m e d i z i n wendet man hie und da die Samenkörner des St.s gegen Seitenstechen (similia similibus!) an 1 0 ). Die Früchte des St.s dienten im Vintschgau als „Donnerkugeln" zur Verzierung der Weihbüschel 11 ). Unter dem zu zauberischen Zwecken verwendeten „Schwarzkümmel" (s. d.) sind vielleicht manchmal die St.samen zu verstehen.

Die Hülse oder St., ein Naturdenkmal. 1 9 1 6 (darin auch Volkskundliches).

stechen s. Nachtrag. Stechfliege. Die St. (stomoxys culcitrans), auch Pferdestecher1), istr. mosca de cavai2), Wadenstecher3), engl, stinging fly, franz. mouche piqueuse, franz.-dial. mouque à dard (Saint-Pol) 4 ) ist wohl identisch mit der Hundsfliege Megenbergs 5 ). In Braunschweig gilt sie für blind, wie hervorgeht aus der Bezeichnung blinne fleie). Sie hat im Volksglauben lediglich als Wetterprophetin Bedeutung. Sind die St.n am Morgen blutdürstig, quälen sie die Pferde mit ihren Stichen 7 ), spielen und summen sie in den Lüften 8 ), so kommt Regen 9 ), allenfalls auch Gewitter 10 ).

Die alte Weiber auch die glauben für gewiß, Geweyhte Zweige seyn gut für den Donnerschmiß.

10 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 1 5 ; ebenso bei den Letten: Hist. Stud, aus d. pharm. Inst, d. Univ. Dorpat 4 (1894), 186. l l ) ZfdMyth. ι , 334. Marzeil.

*) R o l l a n d Faune 13, 185. 2 ) G a r b i n i Antroponimie 639. 3 ) R o l l a n d a. a. O. 4 ) Ebd. 5 ) Buch der Natur 253. e ) A n d r e e Braunschweig 410. ' ) A n d r e e op. cit. 4 1 0 1 ; R o l l a n d a. a. O. (Burgund). 8 ) Ebd. ·) A n d r e e op. cit. 410; B a r t s c h Mecklenburg 2, 206, 208 f. 10 ) B a r t s c h op. cit. 2, 206. Riegler.

Stechmücke. Über eine die St. (culex pipiens) betreffende ätiologische Sage der Annamiten, die das Blutsaugen des Insektes etwas umständlich deutet, vgl. ZfVk.1). Im übrigen siehe „Mücke". *) 16, 384.

Riegler.

Stechpalme (Hülse, Schradellaub ; Ilex aquifolium). ι . B o t a n i s c h e s . Strauch (auch baumartig wachsend) mit lederartigen, immergrünen, stachelspitzig gezähnten Blättern. Die Blüten sind klein und von weißer Farbe. Die Früchte sind rote Beeren. Die St. wächst besonders in Westdeutschland, auch in den Alpen ist sie nicht selten. Ab und zu wird sie auch in Anlagen und zu Hecken angepflanzt 1 ). x

) M a r z e l l Kräuterbuch 134 f.; H. F ö r s t e r

Berlin

2. Die St. wird in Gegenden, wo sie häufiger vorkommt, oft als „ P a l m " gebraucht (vgl. Palm 6, 1365 ff.). Schon B o c k 2 ) schreibt: „St.n gehören unter die Sagmina: der gemein verfüret hauff stecket disen palmen, wann er geweihet würt ober die thürschwellen des hauss vnd der vihe ställe, der Zuversicht es sol das wetter nit dahin schlagen, wa diser Stechpalmen gefunden werde" 3 ). B e c h e r 4 ) sagt von den Zweigen:

Besonders in der Schweiz 5 ), seltener im bayerischen Gebirge 4 ), am Lechrain 7 ), in Südtirol 8 ) gehört die St. zum „Palm". In der Schweiz heißt es allgemein, daß die St. des „Palms" vor Gewitter und allgemein gegen Feuersgefahr schütze. Nach einer Schweizer Legende streute man dem Heiland bei seinem Einzug in Jerusalem Palmen auf den Weg. Als man aber „Kreuziget" rief, bekam die Palme, von der die Zweige abgeschnitten waren, Dornen, und es entstand die St. Wie der ewige Jude fort und fort wandern muß, so muß die St. Sommer und Winter grünen 8), vgl. auch die schleswigische Bezeichnung „Christdorn" und die dänische „kristtorn" 10 ). Eine französische Legende läßt den Teufel die St. schaffen u ) . Mit den Zweigen der St. wird (wie mit dem „Palm") das Kruzifix geschmückt. Die Zweige werden von den Wallfahrern im „Hörnli" gebrochen und in Einsiedeln geweiht 12 ). An Ostern werden St.n verbrannt zum Ausdruck der Freude, daß Christus jetzt alle Leiden überstanden hat 1 3 ). Die Asche, die am Aschermittwoch in der Kirche benutzt wird, stammt aus dem Holz des Buchsbaumes und der St. 1 4 ). In England ist die St. (holly) ähnlich wie die Mistel als Weihnachtsgrün weit verbreitet 1S ), auch in der Schweiz und im Württembergischen Schwarzwald erscheint sie vereinzelt als Weihnachtsbaum 1β ). 2 ) Kreuterbuch 1 5 5 1 , 402 v, vgl. ZfVk. 24, 10. ) Vgl. auch M a t t h i o l i Kreuterbuch 1563, 52. «) Phytologia 1662, 66. *) R h i n e r Waldstätten 3

363

Stecknad el—stehlen

20; ZfdMyth. 4, 174; M a n ζ Sargans 47; S A V k . 2, 282; 10, 225; SchwVk. 10, 30. ·) ZfdKulturgescb. N. F. 2 (1873), 534 (Mittenwald) ; Alräunchens Kräuterbuch 4 {1885), 17 (Tegernsee); M a r z e l l Bayer. Volksbot. 21. 7 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 170. *) H ö r m a n n Volksleben 45 (Salurn). ») ZfdMyth. 4, 174. 10) F a l k u. T o r p Norweg.-Dän. etym. Wb. 1910/11, 581. u ) Rtradpop. 4, 361. " ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 489; Aus Schwaben 2, 376. 13 ) Neuenknick, Kr. Minden: ZfrwVk. 4, 25. 14 ) JbElsLothr. 3, 123. " ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 37; B r a n d Pop. Ant. 1900, 278 ff.; G u b e r n a t i s Plantes 2, 172. " ) Schweizld. 4, 1218; S A V k . 11, 254; K a p f f Festgebräuche 8; Ζ AllgD Sprach ver. 38 (1923), 7.

3. Besonders in Hannover und in Westfalen dient die St. („Fuestrauch") als Lebensrute (immergrüner Strauch!) zum „ F u e n " . Frauen und Mädchen werden mit den stachligen Zweigen geschlagen 17 ). M ) M a n n h a r d t 1, 254; Heimatbild, aus Oberfranken 3 (1915), 119; ZfrwVk. 4, 19; S a r t o r i Westfalen 148; Nds. 14, 186; M e y e r Baden 207; G r ä s s e Preußen 2, 803; K ü c k u. S o h n r e y 1909, 47; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 61.

4. Die im Haus und Stall ausgesteckten Zweige der St. h a l t e n a l l e s B ö s e ab. Bei der alljährlichen Erneuerung werden die alten Zweige verbrannt 1 8 ). Das „Schradllaub", in die Ställe getan, verhindert den Teufel, die Tiere zu „reiten" 1 9 ), auch legt man die Zweige gegen den Schradl in die Hühnersteige 20 ). „Neun stückly Stach Palmen" ist ein Bestandteil „für den vierttel" (eine Art Euterentzündung, wohl auf dämonische Einflüsse zurückgeführt) der Kühe 21 ). Will man Wanzen aus einem Haus vertreiben, soll man Büsche von St.η und Weißhaselzwicken nehmen, die am Palmsonntag geweiht worden sind, damit am hl. Abend die Zimmerwände peitschen und sprechen : „Hinweg, hinweg, iähr hellischä Tiärer, der Heelig Abed isch züechä" Am Gründonnerstag steckt man Tannenzweige und St.η vor die Tür 2 3 ). le)

S t ο 11Ζauberglauben 54. " ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1,154; ZföVk. 2, 193. 20) H ö f er u. K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 1889, 129; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 402; auch in Frankreich kommt die St. in die Ställe: R o l l a n d Flore pop. 9, 110. 2 l ) Z a h l e r Simmenthal 191; vgl. SAVk. 25, 136. 22 ) SchwVk. 15, 83. 23) M o n t a n u s Volksfeste 27.

5. Einen Absud der Blätter oder die in Zucker eingemachten Beeren der St.

364

genießt man gegen Seitenstechen (similia similibus!) 24 ), vgl. Mariendistel, Stechapfel. Gegen Gelbsucht trinkt man Tee von den Blättern (nur die ganzrandigen, ungezähnten sollen wirksam s e i n ! d e r St. oder man trägt die Beeren an einem Faden aufgereiht am Hals 2 β ). Auch liefern die Blätter einen Tee gegen hohes Fieber, der besonders dann wirksam ist, wenn die Blätter an einen heiligen Tag (besonders am Karfreitag) geholt worden sind 2 7 ). Das „Spisehölzli" besteht aus einem etwas über einen Zoll langen Stückchen Holz, das in der hl. Nacht, am Karfreitag oder in der Christnacht um Mitternacht unter Anrufung der drei höchsten Namen geschnitten wird. Wenn sich jemand einen Holzsplitter („Spise") in die Hand zieht, dann bestreicht er die Stelle mit dem Hölzchen, bindet sich dieses an das Handgelenk oder um den Hals, dann führt der Splitter nicht zur Eiterung. Auch Warzen werden gelegentlich durch Bestreichen mit dem „Spisehölzli" vertrieben 28). M) B o c k Kreuterbuch 1551, 402 v ; Alemannia 4 (1877), 273 = Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 23; S c h n e i d e r Heilmittel u. Heilbräuche im Saargebiet 1924, 46, 2t ) Vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 422. 2 ·) ZfrwVk. ι , 96; i l , 170; F o e r s t e r a. a. O. 30. 27 ) K u m m e r Volkst. Pflanzennamen usw. aus d. Kt. Schaffhausen 1928, 87. 28) S t o l l Suggestion 549; SAVk. 8, 152.

6. Die Hexen sollen die roten Beeren der St. in ihren Tränken verwendet haben 2e ). 2»)

M o n t a n u s Volksfeste 153 (Quelle?). Marzell.

Stecknadel s. Nadel 6, 916 ff. Steganographie s. G e h e i m s c h r i f t 3, 4 5 3 if-

stehen s. s i t z e n (Nachtrag). stehlen (s.a. D i e b , D i e b s t a h l ) . I. Die Handlung des St.s teilt vielfach gleich der des Leihens (s. d.) oder des Betteins (s. d.) dem g e s t o h l e n e n (wie dem entliehenen oder erbettelten) G e g e n s t a n d eine s t ä r k e n d e , g l ü c k b r i n g e n d e K r a f t mit. Wo das eigene Vermögen im Kampf gegen zauberische Mächte versagt, in Abwehr- und Gegen-

365

stehlen

zaubern, h i l f t f r e m d e W i r k u n g , die dem Inhaber unbewußt entwendet, nicht erkauft sein soll, d u r c h einen g e h e i m n i s v o l l e n D i e b s t a h l also z u g u n s t e n des D i e b e s ü b e r t r a g e n wird. Wuttke und mit ihm Hellwig 1 ) wollen die Kraft des Gestohlenen deuten, als habe auf ung e w ö h n l i c h e m W e g E r l a n g t e s auch eine u n g e w ö h n l i c h e W i r k u n g , oder der Zauber bedürfe als u n r e c h t m ä ß i g e r E i n g r i f f in G o t t e s O r d n u n g auch eines solchen Eingriffs in die Ordnung des Eigentums. Sartori 2 ) stellt besser das Stehlgebot, das „ V e r s t o h l e n e " des V o r g a n g s , mit den verschiedenen verheimlichenden Vorschriften der Zauber als „unbeschrien, unbesehen" zusammen und weist auch auf die Ü b e r t r a g u n g der K r ä f t e des rechtmäßigen Eigentümers hin. 1 ) W. § 203; H e l l w i g Aberglaube 49. Gesteigerter Wert durch die Gefahr des Erwerbs, J G r i m m Myth. 2, 952. ) S A V k . 20, 380 fi. „Diebstahl als Zauber", ausführliche Behandlung dieser Frage. Ferner: AKrim. 26, 37 ff. ,,Diebstahl aus Aberglauben" (Hellwig), bes. nichtdt. Belege.

2. Am klarsten leuchtet die erwartete gute Wirkung einer durch heimliches St. überleiteten fremden Kraft im H e i l z au ber ein. Alles Eigentum des Erkrankten ist machtlos, man greift zu u n g e m i n d e r t e r f r e m d e r H i l f e . Beim Gegenzauber angesichts bestimmter Leiden besteht allgemein das Gebot, das Heilmittel zum Gebrauch zu st., wobei der Eigentümer zuweilen vorgeschrieben ist, z. B. der Nachbar, ein befreundetes Haus, neun Witwen 3 ). So werden W a r z e n (Hühneraugen, Flechten) durch meist dreimaliges Bestreichen oder Bekreuzen mit möglichst abends gestohlenem Speck oder (Rind-)Fleisch vertrieben, welches Speck- oder Fleischstück man dann in der Dämmerung, oft unter einer Traufe, vergräbt, auf daß die Warzen mit dessen Verwesen verschwinden 4 ), oder sonstwie beseitigt 8 ). Erbsen (Kartoffel, Zwiebel) wirken gleichermaßen e) ; man stiehlt so viele Erbsen als Warzen und wirft sie über die linke Schulter ins Feuer 7 ). Man reibt die Warzen auch mit einem Spüllumpen, der aus einer

366

fremden Küche gestohlen 8 ), oder mit entwendetem Kalk *), wäscht sie mit gestohlenem Streichwasser10) ; kanadische Deutsche vertreiben Warzen durch Verstecken eines gestohlenen Schüsseltuchs11), man wirft endlich ebensoviel gestohlene Nadeln als Warzen in einem Papier auf den Weg, um die Warzen dem Finder zu übertragen 12 ). Gegen H a l s w e h oder H e i s e r k e i t hilft überall das Umbinden eines (stillschweigend) aus einer Mühle gestohlenen Sackbandes 13 ), gegen Halsdrüsenschwellung bei den Siebenbürger Sachsen ein Verband mit gestohlenem Speck 14 ), gegen Blauhusten nachts gestohlenes Essen, Milch oder ein blaues Band 1 S ), auch das Trinken aus einem gestohlenen blauen Becher 1β ), gegen Ü b e r b e i n ein dem Nachbar entwendeter Lederriemen, den man drei Nächte umbindet 17 ), gegen V e r r e n k u n g das unberufene Umwinden eines stillschweigend gestohlenen Waschtuchs 18 ) oder wiederum eines Sackbandes 19 ). Eine W u n d e heilt durch Verbinden mit einem gestohlenen Bande 20 ), A u s s c h l a g durch Mehl 21 ) oder Speck 22 ). Bei Z a h n s c h m e r z e n binde man gestohlenes Rindfleisch in ungebrauchte Leinwand und vergrabe dies unter der Traufe 23 ). Wer den S c h l u c h zer hat, esse gestohlenes Brot, wie umgekehrt Schluchzer bekommt, wer gestohlenes Brot gegessen 24). Drei Bissen gestohlenes Brot nimmt man fürs F i e b e r (1675) 2S ), auch Speck 26 ), oder man schlägt dem Nachbar gestohlene Eggennägel während des Anfalls völlig in die Erde 27 ), man hängt einen gestohlenen Spüllumpen (vgl. Warzen!) in den Rauch, alles „unberaffelt", was ebenso gegen Bleichsucht wirkt 28 ). Zwei gestohlene Lichter lösen die B e h e x u n g eines Kindes 28), man nagelt gegen Verhexung einen gestohlenen Lumpen, worein drei gestohlene Faden gehüllt sind, mit drei gestohlenen Nägeln oben in einer Ecke des Hauses oder Stalles an 30 ). Wer die g e l b e Sucht hat, der soll einen Schmierkübel von eines Fuhrmannes Wagen st. lassen und hineinsehen31). Bei F a l l sucht gehe man hinter ein fremdes Dach oder in eine fremde Kammer und stehle

3 67

stehlen

daselbst drei Strohhalme, koche sie in stillschweigend geschöpftem Wasser und wasche damit den Kranken 32 ). Ein a b n e h m e n d e s K i n d füttert man mit einem gestohlenen Löffel 33 ), dreimaliges Essen mit einem dem Nachbarn heimlich entwendeten und später ebenso zurückgebrachten Löffel vertreibt entzündete Augen 34). Für den Schlaf stahl man einst das Stroh, das eine Tragfrau unter den Rücken legt, einen sog. Ruhewisch, um dies unters Kopfkissen zu stecken 35 ). Ein Kind lernt leicht und zeitig sprechen, wenn es einem Bettler (Zigeuner) gestohlenes Brot zu essen bekommt 3e ). Ein schles. Traktat 13. Jh.s rügt, daß die Frauen den Strohwisch, mit dem der Ofen gefegt wird, st. und damit das neugeborene Kind baden 37 ). s) A n d r e e Braunschweig 307 ; D r e c h s l e r 2, 286; S t r a c k e r j a n 1, 94; S e l i g m a n n Blick 2, 95. 4 ) A l l g . ; L i t . v g l . S A V k . 20, 385, ferner: ZfrwVk. 1914, 164; D r e c h s l e r 2, 286; M s c h l e s V k . 14 (1905), 86; Urquell 2, 1 7 7 ; J ü h ling Tiere 344; Fogel Pennsylvania 321 N r . 1 7 0 2 ; Z f V k . 7, 44 (dänisch); W . §§ 492. 5 1 3 . *) M a n g i b t das Fleisch einem H u n d e zu fressen, Z f V k . ι , 1 9 2 ; 8, 198; B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 0 7 ; g i b t es einer Leiche mit, J o h n Erzgebirge 1 1 0 ; S e y f a r t h Sachsen 210. V g l . A K r i m . 26, 38. ·) F r i s c h b i e r Hexenspr. 94; S e y f a r t h 7) a. a. O . S A V k . 7, 138 N r . 81. ») R e i s e r Allgäu 2, 443; F o g e l a . a . O . 320 N r . 1696. 10 ) *) F o g e l 325 N r . 1 7 3 1 . L a m m e r t 187. " ) J A m F l . 12, 48; 14, 3 1 . " ) Z f V k . 9, 3 3 i 13) (Bruynswick, N e w Y o r k ) . Rockenphilosophie 1706, 84 c. 3 1 ; G r i m m Myth. 3, 441 N r . 2 1 6 ; S e y f a r t h Sachsen 235; S t r a c k e r j a n X, 94; L a m m e r t 240;~PoWinger Landshut 286; P a n z e r Beitrag 1, 2όι ; W . § 5 3 7 . 1 4 ) W l i s l o c k i Siebenb. Volksgl. 95. 1 5 ) F o g e l a. a. O. 336 fi. N r . 1788 ft. »·) E b d . 338 N r . 1 7 9 7 . 1 7 ) A n d r e e 18) Braunschweig 307. 421. Zahler Simmenthal 90. " ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 486; M e i e r Schwaben 2, 509 N r . 4 1 0 ; H o v o r k a u. K r o n 20 ) K o h l r u s c h f e l d 2, 404 (Schweiz). Sagen 340. V g l . A K r i m . 26, 3 7 : W u n d e einer F r a u soll heilen, wenn intimes K l e i d u n g s s t ü c k einer Feindin zu A s c h e v e r b r a n n t und diese darauf 2l) F r i s c h b i e r gelegt wird (Posen). 34; Z f V k . 4, 3 1 7 . " ) S e y f a r t h 210. " ) D r e c h s l e r 2, 300; G r a b i n s k i Sagen 41 f. 24 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 82. a s ) A l e m a n n i a 17, 243; G r i m m Myth. 3, 440 N r . 183 (Rockenphil.); a u c h bei K ü h e n , Rockenphilosophie 1709, 365 f. c. 93. Gestohlenes B r o t appetitreizend, A K r i m . 2 6 , 3 9 . 2 e ) S t r a c k e r j a n 1, 94. " ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 271 N r . 3. « ) H ö h n Volksheilkunde I , 156. 139. " ) Urquell 2, 142. so) 31) D r e c h s l e r 2, 255. Rockenphilosophie

368

1709, i o 2 f . c. 68; G r i m m Myth. 3, 436 N r . 66. Urquell 4, 142. 2 7 3 ; v g l . S t e r n Türkei 33 ) F o g e l M) ι , 99. a. a. O. 276 N r . 1450. 35 A n d r e e Braunschweig 422. ) G r i m m Myth. 3e ) 3 , 4 4 4 N r . 296 (Rockph.). John Erzgebirge 5 6 I ; K r a u ß Sitte u. Brauch 548. 37) K l a p p e r Schlesien 2 8 7 ; MschlesVk. 17 (1915), 29. 32 )

3. In gleicher Weise bekämpft man die K r a n k h e i t e n der e i g e n e n Tiere. Man stiehlt dem Nachbarn Heu und gibt es dem erkrankten Tiere als Futter — eine deutliche K r a f t ü b e r l e i t u n g ; dabei darf man nicht ertappt werden und muß die Absicht haben, das Heu zu st. — der notwendige h e i m l i c h e , r e c h t s w i d r i g e C h a r a k t e r der Handlung 38 ). Zur Heilung eine? kranken Kuh entwendet man dem Nachbarn das leinene Tuch einer Milchseihe, das man auch Fahrkühen vor die Stirne unter das Joch legt, wozu ebenso wieder ein Spüllumpen des Nachbarn, ihm unbewußt, gleichfalls dienen kann 39 ), man verfüttert sogar gestohlene Spüllumpen wie Brotstücke 40). Hält eine Kuh beim Melken nicht still, so schlägt man sie mit einem Stock aus einem Haus, wo der Mann seiner Frau untreu ist 4 1 ). Gegen das Verfangen der Kühe und Schweine stiehlt man Kohl in drei Erbgärten als Futter 42 ). Drei gestohlene Kohlbüschel helfen auch, wenn eine Kuh die Nachgeburt nicht lassen will 43 ), bei der G e b u r t stellt man die Kuh auf ein Büschel gestohlenes Stroh 44). Gegen Drehkrankheit der Kälber hängt man ein gestohlenes altes Pflugrad über die Türe 45 ), gegen R o t l a u f nützt gestohlene Seife 46 ), in Steiermark weiß man dafür eine ganze Reihe von Sympathiemitteln wie das Tragen eines Kupferringes, eines roten Bindfadens u. a. m., die am besten wirken, wenn sie gestohlen (oder gefunden) sind 47 ). Einem lahmen Pferd bindet man gestohlene Spüllumpen, Schürz- oder Mehlsackbändel ums Bein 48 ). Zum Besprechen von Tieren brennt man ein Stück gestohlenes Holz von einem Grenzzaun zu Kohle und löscht es in Wasser ab, dieses sprengt man dann auf das Tier »). 3 i ) H ü s e r Beiträge 2, 28. M a n b i n d e t d e m Tier ein Seil u m aus zwei H a n d v o l l R o g g e n , die d e m N a c h b a r a m Johannistag v o r Sonnen-

369

stehlen

aufgang mit nackten Füßen ungesehen vom Felde gepflückt worden (Jumièges) ; S e l i g m a n n Blick ι , 336. 39) H ü s e r a . a . O . Spüllumpen: W o l f Beiträge 1, 219; ZfrwVk. 1912, 40) F o g e l 229; B o h n e n b e r g e r i , 21 ( i n ) . 41 ) E b e r h a r d t a. a. O. 155 Nr. 725f. Land,a) W o e s t e wirtschaft 17. Mark 55 Nr. 1 7 ; S t r a c k e r j a n 1, 69; 2,81. 124. 219. " ) Z f V k . 44) B o h n e n b e r g e r 24, 6 i f . i , 25 (115). ·«) BIPommVk. 7,94. «) W i t z s c h e l Thüringen 2, 283 Nr. 75. 47) F o s s e l Volksmedizin 151. 4e) F o g e l 164 Nr. 7 7 4 s . 4") F r i s c h b i e r 37.

4. Wie im Heilzauber besonders wird die kräftigende Handlung des St.s a l l g e m e i n zur S e g e n ü b e r t r a g u n g und zum G l ü c k s z a u b e r , dem Dieb zum .Nutzen, dem Bestohlenen aber als ein Kraftentzug vielfach zum Schaden, vgl. § 8. Dies gilt auch im weiteren Sinne gerade für das W o h l b e f i n d e n d e s V i e h s t a n d e s . Nachdem man das Kalb zum letztenmal hat saugen lassen, gibt man ihm gestohlenes Heu so ). Damit eine Kuh trächtig wird oder bleibt, bekommt sie eine Handvoll gestohlenes Heu zu fressen, das der Bauer auf dem Leib im Hosentürle heimgetragen (auch gestohlenes Salz) 5 1 ). Man f ü t t e r t das Vieh zu seinem Gedeihen in den Z w ö l f t e n , in -der Weihnachts- oder Neujahrsnacht mit •gestohlenem K o h l oder Heu 5 2 ), Pferde mit Häcksel aus Stroh, das von fremden Dächern gestohlen 83 ). Dieser Brauch, zugleich ein Anfangszauber (s. d., "vgl. u. § 7), erscheint verblaßt, wenn um Neujahrsmitternacht eine Garbe in den Nachbargarten getragen, zurückgeholt (Segen entführt!) und dem Vieh zu -fressen gegeben wird®4). Man l e i t e t u n m i t t e l b a r den N u t z e n f r e m d e n V i e h s auf das e i g e n e ü b e r , wenn man in der W e i h n a c h t s n a c h t zwischen 12 und ι eine Kleinigkeit aus dem fremden Viehstall entwendet M ) ; ebenso glaubt man, am Wirtschaftsertrag Anteil zu bekommen, wenn man in der W a l p u r g i s n a c h t etwas aus einem fremden Haus, Kuhdung aus dem Stall, heimlich nimmtBe). Huß berichtet 1823 : Böse Leute . . . gehen an einen Montag oder Samstag oder in ersten May zu ihren Nachbarn und schleichen sich in den Kuhstall, st. von den Kühen die Milch und tragen sie in

370

ihren Stall, damit reiben sie ihren Kühen die Eyter, so können jene keine nutz oder schmalzreiche Milch mehr haben, hingegen bekommen diese allen Nutzen 67 ), vgl. M i l c h h e x e . Das G r a s des N a c h b a r n — man stiehlt es besonders gerne in der Walpurgisnacht 58 ) oder am Johannistag vor Sonnenaufgang (drei Mahden) 59 ) — läßt die Kühe viel Milch erzeugen, wie wenn auch ihnen gestohlen Brot am besten schmecke Man nimmt am Walpurgisabend von den vier Ecken eines fremden Ackers stillschweigend eine Hand voll Klee mit nach Hause, damit das Vieh gut gedeihe β1 ). Die Schweine werden dick und fett, wenn sie die Asche eines dem Nachbar gestohlenen und verbrannten Waschlappens zu fressen kriegen 62). Dieses segenspendende St. des Futters wie des Düngers kommt auch außerhalb heiliger Zeiten vor 6 3 ). Es wirkt gegen Behexung des Viehs, falls man die Hexe kennt, heimlich von deren Futter zu st. und es unter das Futter des eigenen Viehs zu mischen M ). In der B i e n e n z u c h t hat man Glück, wenn man den ersten Bienenstock stiehlt " ) , vgl. aber § 8. Auch das F i s c h g l ü c k kann man mit einem Stück Netz einem glücklichen Fischer entwenden e$). Gestohlene Katzen mausen am besten®7), hier beschließt die Art des Erwerbs die gute Vorbedeutung. Man sucht aber nicht nur den Wohlstand des Viehs zu übertragen, sondern auch die F r u c h t b a r k e i t des A c k e r s dem N a c h b a r n a u s z u f ü h r e n , eine Zauberhandlung, die außerhalb germ. Lande in Finnland und Estland recht üblich, wo man die Ernte von einem fremden Acker dem eigenen dadurch zuwendet, daß man heimlich etwas von ihm stiehlt e8 ). Ebenso macht man in Deutschland die Krautfelder fruchtbar, wenn man Dünger, den man in der Walpurgisnacht einem Nachbarn stiehlt, unter den eigenen Dünger mischt, aus der Mistgrube des Nachbars Strohhalme oder drei Mistgabeln voll Mist in die eigene Mistgrube überführt ·*). Das Saatgut wird mit drei Handvoll Erde von des Nachbars Acker oder mit Erde von drei verschiedenen

371

stehlen

Äckern vermengt70). Beim Flachsbau wird die Fruchtbarkeit erhöht, wenn man von des Nachbars Acker eine Handvoll (oder drei Flachsstengel) stiehlt, diese verbrennt und die Asche auf seinen Acker streut 71 ). Dazu gehört auch die Meinung, der Ableger einer Topfpflanze wachse besser an, wenn er heimlich gestohlen 72). so ) E b e r h a r d t a . a . O . 15. " ) Ebd. 16; B o h n e n b e r g e r 1, 16 (106). M ) G r i m m Myth. 3, 446 Nr. 366; Rockenphilosophie 1706, 424; K u h n u. S c h w a r t z 405. 4 1 2 ; K u h n Mark. Sagen 140. 379 Nr. 27; D r e c h s l e r 1, 45 Nr. 44; 2, 1 1 3 Nr. 486; Spieß Fränkisch-Henneberg 108; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 32. 67; ZfVk. 6, 430; 9, 443; F e h r l e Volksfeste I 5 f . 53 ) ZfVk. ι, 178. M ) F e h r l e a. a. O. " ) D r e c h s l e r I, 30; ZfVk. 4, 310. 399f. (Ungarn). «·) K ö h l e r Voigtland 374t. " ) Huß Aberglaube 26f. « ) D ä h n h a r d t Volkst. 1, 81 Nr. 3. *») B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 28. w ) Groß Handbuch 2, 1004. « ) W. § 89. '*) Urquell 1, 136. M ) D r e c h s l e r 2, 243. M ) W. § 702. « ) UrM quell 5, 2 1 ; AKrim. 26, 42f. ) Tetzner Slaven 164f.; SAVk. 20, 382; AKrim. 26, 46; s. u. 7 Anm. 76. · ) D r e c h s l e r 2, 99; G r a b i n s k i Sagen 46; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 91 ; S t r a u ß Bulgaren 280. M ) R a n t a s a l o Ackerbau FFC. 55, 5. ··) D r e c h s l e r 2, 60; W. § 650; AKrim. 26, 42. Vgl. Ungarn, ZfVk. 4, 310. 316. 70 ) M e y e r Volksk. 2 2 1 ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 1 5 ; F F C . 55, 1 5 ; M a a c k Lübeck 36. 7 1 ) G r i m m Myth. 3 , 4 4 7 Nr. 404 (Rockph.); M a a c k a . a . O . n ) K n o o p Hinterpommern 176; M a a c k a. a. O. ; F o g e l a. a. O. 202 Nr. 1002; Bukowina, AKrim. 26, 42.

5. Alle möglichen Dinge werden weiterhin durch einen oft in Zeit, Ort, Umständen genau vorgeschriebenen S t e h l e r w e r b für die verschiedensten Zwecke zauberisch gekräftet 7S ). Es erwächst eine anziehende K r a f t (vgl. Diebsdaumen). Ein Totenschädel, der das Verfliegen der Tauben verhüten soll, muß aus einem Erbbegräbnis gestohlen sein 74 ). Der Hirt stiehlt vor dem ersten Austrieb Glockenfett aus der Kirche, um damit sein Horn und die Glocken und Klappern der Tiere einzuschmieren76). Für eine Fuchskirre braucht man um Mitternacht gestohlenen und über drei Grenzen getragenen Honig 76 ). Wenn die Hühner die Eier nicht immer an den gleichen Ort legen, macht man, um sie zu bannen, ein Nest aus einigen gestohlenen Strohbändern 77), oder man gibt ihnen

372

einen gestohlenen Sandwisch ins Fressen78) » aufs Nest 7e ). Damit der Flachs sich nicht auf dem Acker umlege, wirft man eine gestohlene Wäschestange hinein80). Andrerseits verschwinden Schwabenkäfer, wenn man einen gestohlenen Hemmschuh auf den Ofen legt 81 ). Gestohlene Holzstangen schützen ein Krautfeld vor Hasenfraß 82). Weit verbreitet ist die Ansicht,, daß für B a u t e n , namentlich auf unsicherem, gefährlichen Boden, möglichst viel gestohlenes Material zu verwenden gut sei 83 ). Im Lippischen wurde einst wenigstens ein Baum dazu gestohlen und nachträglich bezahlt, um Glück zu haben st ). Einen vorzüglichen Schutz gewährt aus drei Häusern gestohlenes Salz 85 ). In Ostpreußen gilt es als ein „ G l ü c k s z w a n g " , sich heimlich etwas von dem Eigentum eines soeben Gestorbenen anzueignen 8e). Aus dem gleichen Grund werden Waffen von Selbstmördern und Hostien entwendet 87). So ist eine beim Abendmahl auf die Seite gebrachte Oblate ein guter Schutz des Hauses gegen Hexen 88 ). Mancher Kirchendiebstahl. findet wohl seine Erklärung in dem Glauben, daß einer, der etwas aus einer Kirche,, vornehmlich vom Altar oder aus dem Gotteskasten erlangen kann und damit zu handeln beginnt, überaus reich werde (nd.) 88). Gestohlenes Geld überhaupt bringt Glück im Spiel 9 0 ) und dient als· Zaubermittel 91 ), gleich dem Diebsdaumen (s.d.). Um Glück im H a n d e l zu haben, ζ. B. Vieh auf dem Markte los zu werden, muß man dieses mit einem vom Nachbar gestohlenen Lappen abputzen 92). Der Holzdieb bleibt vor E n t d e c k u n g ges i c h e r t , wenn er einem andern Spannnagel oder Linse, eine Wagenrunge nimmt und in den eigenen Wagen steckt, bes. in der Neujahrsnacht (s. u.) 93 ), ebenso schützen ein stillschweigend entwendetes· Leichenmaß ®4), aus Kirchen oder von Leichen gestohlene große Wachskerzen,, zu Diebslichtern verwendet95). Durch Abkochen einer gestohlenen Katze kann man sich ein Mittel zum Unsichtbarwerden verschaffen96). Zum L i e b e s zauber stiehlt man — hier wie im Spiel-

373

stehlen

374

(s. d.) zu st., in einem fremden Wald 1 0 1 } oder aus dem Besitz des Nachbardorfes, unertappt 1W ). Hier begegnet noch der uralte Zug primitiver Religiosität, den K u l t g e g e n s t a n d zu rauben — vgl. die Antike 103 ) — und damit den Segen zu stehlen, erhalten auch im Raub des Sigmaringer Sommervogels und andern F r ü h l i n g s r i t e n 1 0 4 ) und E r n t e b r ä u chen 1 0 5 ). Es finden sich scherzhaft entstellte S t e h l r i t e n von ursprünglich kultischer Bedeutung einer Segenübertragung, meist eine Entwendung von Eßwaren, in den verschiedensten Festzeiten, besonders zu F a s t n a c h t , wo sie sich den andern Fruchtbarkeitszaubern anreihen106), an Ostern 1 0 7 ), am J o h a n n i s t a g 1 0 8 ) , ' 3 ) Vgl. Island: Urquell 3, 6. Schweden: auch am Sonntag nach Michaelis108), Grimm Myth. 2, 912. Finnland: FFC. 62, 118. nach dem letzten Ausdreschen u o ), in der 133. 240. Rußland: Löwenstimm Abergl. D u r c h s p i n n a c h t (s. d.). Am MarI49ff. Ungarn: ZfVk. 4, 310; Wlislocki Mat i n s t a g darf im Schwäbischen jeder gyaren 49. 88. Südslav. : AKrim. 26, 408. Frankreich: Sébillot a. a. O. 3, 241. 485 (von st., was er nur immer bekommt 1U ). Die einem Wagen gestohlenes Heu bringt Glück). gleiche Kraftstärkung wie beim Dieb487. " ) Drechsler 2, 94. n ) Frischbier 143. stahl des Maibaums wird bezweckt, wenn " ) Drechsler 2, 263. Gestohlene Fischgerate das Material zum O s t e r f e u e r , zum glückbringend, doch der Bestohlene verliert das Glück, schwed. Värmland 1773, Grimm J o h a n n i s f e u e r und zum M a r t i n s Myth. 3, 479 Nr. 48. " ) SAVk. 24, 65. '·) Grimm abendfeuer erbettelt oder gestohlen Myth. 3, 448 Nr. 431 (Rockph.). '·) Grohsein muß 1 1 2 ). In Schottland stiehlt man mann 141 Nr. 1033; ZfVk. 4, 310. 80) Panzer 81 die Ostereier 113 ). Die stärkende, glückBeitrag 1, 265. ) Grimm Myth. 3, 448 Nr. M 430; vgl. W. § 616 (Ratten vertrieben). ) bringende Wirkung des St.s liegt vielAKrim. 26, 42. " 3 ) Groß Handbuch 2, 1005. leicht auch den mannigfachen StehlM ) Grimm Myth. 3, 472 Nr. 1000; Meyer bräuchen mit zugrunde, die verschiedentAberglaube 225; Urquell 4, 114. M ) Bohnenlich in die H o c h z e i t s f e i e r eingeschoben berger 1,25 (115). " ) Lemke Ostpreußen 1,57. ·') Groß Handbuch 1, 1005; ZfdMyth. 4, 138; erscheinen, heute nur noch in der Meinung Frischbier 147; Strackerjan 1, 1 1 6 (Freieines scherzhaft übermütigen Spieles, sei schütz stiehlt Hostie); vgl. NdZfVk. 5, 230. es daß die B r a u t selbst gestohlen ·•) Möllenhoff Sagen 557. *•) Maennling wird 1 1 4 ) oder eines ihrer K l e i d u n g s 293. *°) Bartsch Mecklenburg 2, 312; AKrim. 26, 48, heute noch bes. im Lotteriespiel, allg. stücke, ein Schuh, ein S t r u m p f n ) Montanus Volksfeste 114. n ) Witzschel b a n d 1 1 5 ) — solches wohl eher gleich M Thüringen 2, 278. ) ZfVk. 1, 188; Kuhn M der Kranzabnahme ein Sinnbild der Entu. Schwartz 4 1 6 ! ; W. § 400. ) Grimm jungferung. Die Deutung dieser GeMyth. 3, 464 Nr. 849; Köhler Voigtland 413. M ) Heyl Tirol 108 Nr. 73; AKrim. 26, 46. bräuche als Überreste eines einstigen **) JAmFI. 12, 49 (dt. in Kanada). »') ZfVk. B r a u t r a u b e s (vgl. Braut § 3) ist sehr 4, 316; Urquell 2, 56. ,e ) John Erzgebirge 143; umstritten und heute von der RechtsSpieß Obererzgebirge i6f. ··) John 1 4 1 ; SAVk. 20, 387 A. 32 (engl, u.a.m.). geschichte abgélehnt. l0 °) Z.B. Strackerjan 2, 219; Kuoni St. 6. Wenn manche Sagen von Glocken101 Galler Sagen 72. ) Oberösterr., Fehrle diebstählen zu erzählen wissen, so Volksfeste 16; ZfVk. 12, 109; Tetzner Slaven mag dem auch der Glaube zugrunde 333- 102) Strackerjan 2, 47 Nr. 317; 219 liegen, daß die schützende Glocke durch Nr. 463; Urquell 2, 124; Tetzner 262; Manndie Entwendung einen um so kräftigeren hardt 1 , 1 6 8 . 1 7 1 (engl. 577);3 ZfrwVk. 2, 1 3 2 ; SAVk. 20, 382. 387 A. 37. i® ) Schmidt KultSegen spende 10°). Dies gilt ebenso für übertr. i n . 114. l0') Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 13; ZfVk. 4, 425; Birlinger Aus Schwaben 2, 310; Baumgarten Aus d. Heimat 3, 97 f.; Pollinger Landshut 296. 1β ) Rochholz Glaube 1, 140 f.; Argovia 5, 247. »») ZrwVk. 5, 248. 2°) Rochholz Glaube 1, 140 ff.; Sutermeister Schweizer. Sprichw. 107. " ) Grimm Myth. 2, 711. 22 ) Grimm Myth. 3, 350 f.; Peuckert SchlesVk. 227; Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 12 ft.; Höhn Tod 326; Sutermeister Schweiz. Sprichw. 107 f.; SAVk. 6, 241; Schild Grossätti (1863) 83 ff.; ZfVk. 11, 150 f.; 22, 158; MschlesVk. 25. 125; ZfdMda. 1918, 131 ff.; MdBllVk. ι, 119; L a u f f e r NieddVk. 130; ZrwVk. 1908, 275.

2. Im allgemeinen herrscht die Anschauung, daß niemand gern stirbt, daß

441

sterben

es allen Menschen schwer wird, höchstens heißt es einmal, junge Leute sterben leichter als alte 2 3 ). Es gibt drum eine Menge Vorschriften, wie man das Sterben erleichtern könne, ohne daß gesagt wird, warum der Kranke nicht sterben könne. In andern Fällen wird aber auch der Grund angegeben, warum einer s c h w e r oder gar n i c h t s t e r b e n könne. Wer von einem Vieh ißt, das der Wolf erwürgt oder gebissen hat, kann nicht sterben, bis der Wolf tot i s t W e r vom Rande des Grapens (eiserner Kochtopf) trinkt oder darüber steigt, kann nicht sterben, wenn ihm nicht im Todeskampf ein Grapen über den Kopf gestülpt wird 2 5 ). Wer sich im Leben auf dem Boden wälzte, stirbt schwer 26 ). Wo sich jemand entleibt hat, kann man nicht gut sterben» 7 ). Ehe ein Mensch sterben kann, muß er erst sein Taufwasser wieder ausschwitzen 28). Fürchtet sich ein Kranker vor dem Sterben, so stirbt er, will er sterben, so kann er nicht**). Wer ein „doppeltes Herz" hat, stirbt schwer 3 0 ). Freimaurer haben ein „ganzes Herz", das ihnen beim Sterben zerspringt 31 ) ; sie können nicht im Bett sterben 32). Meist sind S ü n d e n die Ursache, warum einer nicht oder schwer stirbt, so bei Ahasver 3 3 ). Geizige, Diebe, Gotteslästerer, Hartherzige sterben schwer 34 ). Schweden, die vom Teufel stichfest gemacht worden, konnten vor Sonnenuntergang nicht sterben 35 ). Ein Jäger, der sich eine Hostie in die Hand einwachsen ließ, konnte nicht sterben, bis sie herausgenommen w a r 3 ' ) . Allerlei Sünden lassen die Menschen schwer sterben 37 ), so daß es auch umgekehrt heißt : wer schwer sterbe, müsse ein böser Mensch gewesen sein M ). Wenn der Todkranke ein Kleidungsstück trägt, woran am Sonntag gearbeitet worden, kann er nicht sterben 3e ), man muß daran etwas aufreißen 40 ). Als besonders große Sünder können H e x e n und Z a u b e r e r nur schwer sterben 41 ), sie müssen zuvor ihre Kunst einer andern Person übergeben 42). Ohne daß von einer Sünde die Rede

442

ist, bitten schwer Sterbende „es ihnen abzunehmen", eine Bäuerin verlangt ζ. B . von ihrer Magd, sie solle sich einen Augenblick in ihr Bett l e g e n U n k l a r ist die Nachricht von einem Totengräber, der die sterbenden Leute aufs Gesicht gelegt habe, und ihr Sterben habe kein Ende genommen ") Urquell 2, 90; ZfVk. 8, 258. ") Zfd315 f.;

Myth.

3,

Heimat

3, 106.

at

ΐβ

) ZfVk. 8, 157.

Meyer

Aberglaube 224.

») Baumgarten Aus d.

2

" ) R o c h h o l z Glaube 1, 213.

) Rockenphilosophie 728 Nr. 16.

!

· ) Fogel

Pennsylvania 132 Nr. 604; andere Gründe:

Pitrè Usi 2, 206; Seligmann 1, 205; Globus

91. 359; G r o h m a n n Aberglaube 31.

) SAVk. 21,200.

bünden mündl.

31

Sagen 3, 213 í¿

33

88.

34

31

30

) Grau-

) Kühnau

) K o h l r u s c h Schweiz.

Sagen

) K ü h n a u Sagen 1, 364; K n o o p Schatz-

sagen 30 K r . 60; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3,

106; ZfVk. ι, 153 f.; H a u p t Lausitz 1, 154;

Waibelu. Flamm2,92;ZfVk. 8, 258; SAVk. 2, 5 f. H a u p t Lausitz 1, 203. s · ) A l p e n b u r g Tirol 359 f. w ) S c h a m b a c h u. Müller 201;

HessBI. 24, 45; Meyer Aberglaube 221; ZfVk. 10, 140. 8») Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 63; H ö r m a n n Volksleben 424; S u t e r m e i s t e r Schweizer.

Sprichw.

107; Z f V k .

1, 153.

3 ')

D i r k s e n Meiderich 49; vgl. H a l t r i c h Siebenb. 287; HmtK. 40, 85. 40 ) K u h n Westfalen 2, 47. 4I ) F i s c h e r Oststeirisches 117 f.; G a n d e r Niederlausilz

35. 38; A l p e n b u r g

Tirol

310;.

K u h n u. S c h w a r t z 75; S c h e l l Berg. Sagen

103 f.; SchweizVk. 10,2; Graubünden mündl.;

S t o l l Zauberglaube 191; G r o h m a n n Aberglaube 99; vgl. R e i s e r Allgäu 1, 221; MdBllVk. ι, 184. 4> ) Volksleven 8, 71; W i r t h Beitr. 2/3, 60; ZrwVk. 5, 93; vgl. V e r n a l e k e n Alpensagen 413. E i s e l Voigtland 213. 44 ) M e i c h e Sagen

500.

3. Das primitivste Mittel, um das Sterben zu erleichtern ist die T ö t u n g des Sterbenden 46 ). Bei den Balten kam es bis ins 17. Jh. vor, daß der Todkranke erstickt wurde 4 e ). In Nordfrankreich lebt die Sage, man habe früher die alten Leute mit einem Stock oder Beil erschlagen; damit soll wohl in Zusammenhang stehen, daß man in unserer Zeit den Sterbenden ein altes Steinbeil küssen ließ «). Oft sollen k i r c h l i c h e M i t t e l das Sterben erleichtern: wer stets jeden Donnerstag die sogen. Todesangst in der Kirche besucht, wird eines leichten Todes sterben 48 ). Es werden Gebete hergesagt 4e ) ; man schickt 7 Kinder zu einer Kapelle oder einem Kreuz, damit sie

443

sterben

„die 7 Fußfälle" tun 80). In Frankreich geht ein Pilger 3 mal um die Kapelle von N. D. de Rumengol mit nackten Füßen dem Lauf der Sonne entgegen 51 ). Dem Sterbenden wird ein geweihtes Käppchen (Lorettohäubchen) auf Kopf oder Brust gelegt sa ), oder man breitet ihm ein Meßgewand übers Gesicht 53 ), oder legt ihm eine Priesterstola M ), Gesangbuch 55 ), Bibel mit Kreuzschlüssel 66 ), Haussegen, 7 Himmelsriegel 67 ), geweihtes Kräuterbüschel 58 ) unter den Kopf, oder Bibel, Gesangbuch oder Zitrone unters Kinn, damit der Mund nicht offen bleibe5»). Der Kranke stirbt leichter, wenn er sich zuvor mit seinen Feinden aussöhnt eo ). Man läßt nahe Verwandte ans Sterbelager kommen, damit es dem Sterbenden leichter werde 41 ). Wenn ein Kind schwer stirbt, holt man seine Patin (oder die Paten), und sie nimmt es auf den Arm 62 ), oder man zieht dem Kind das von den Paten geschenkte Hemd an 63), oder man zieht ihm das Hemdchen aus und geht damit über einen Kreuzweg e4 ). Hilft die Anwesenheit der Paten nicht, so muß die Hebamme auf die Hausschwelle knien und ein Vaterunser beten 6S ). 4t ) Scherke Primitive 11 ff.; K o c h Animismus 48 ff.; ARw. 10, 309; D. K i d d The essential Kafir 247. **) ARw. 17, 479. « ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 75 f.; vgl. Le B r a z Légende ι, ι ο ί . 48) L a m m e r t 103. a ) RTrp. 12, 447; Le B r a z Légende 1, 100; vgl. den Zauberspruch: 6. u. 7. Buch Mosis 13. 50 ) W r e d e Rhein. Vk. 135; EiflerVk. 125; Meyer Baden 58; R o c h h o l z Glaube 1, 292; F o x Saarl.Vk. 370; vgl. ZrwVk. 5, 246. " ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 136 = K n u c h e l Umwandlung 39. 5 2 )ZföVk. 13, 114; A n d r e e - E y s n Volksk. 133; Hörmann Volksleben 424; F o s s e l Volksmedizin 170. M ) ZfVk. 8, 288. ®«) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 243. 15 ) John Erzgebirge 118 f. M ) F o g e l Pennsylvania 133 Nr. 610; K l a p p e r Schles. Vk. 300; Bern schriftl.67 ) J o h n Erzgebirge 118. ·») K o r t h Jülich 128; W u t t k e 457 § 724. M ) W u t t k e 458 §724 = R o c h h o l z DGl. 1,170. i 0 ) Unterwaiden schriftl.; Sartori S. u. Br. ι , 125; W i t t s t o c k Siebenbürgen 99; ZföVk. 6, 61 f.; BF. 2, 336; vgl. Höhn Tod 315. i l ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 105 f. ·2) SAVk. 8, 274; P a n z e r Beitrag i, 309; Wallis schriftl.; W l i s l o c k i Magyaren 138; H ö h n Tod 315; BF. 2, 335; vgl. Bull. Gloss. 13, 76. 3 • ) F o s s e l Volksmedizin 170; Meyer Deutsche Volkskde Ii6. " ) MschlesVk. 8 Heft 15, 78. ·') T o e p p e n Masuren 106.

444

4. Verschiedene Mittel bestehen darin, daß man ein H i n d e r n i s e r k e n n t u n d w e g r ä u m t : wenn Weiber fremde Haarflechten tragen, erschwert es den Tod β β ). Man muß die Spiegel im Zimmer verdecken ; sieht der Sterbende hinein, so muß er noch einen Tag weiter leben ®7). Wenn man am Fußende des Sterbebettes steht, so erschwert man das Sterben e8 ). Kranke Kinder muß man von der Mutter entfernen oder den Blick der Mutter abwenden, dann sterben sie leichter 69). Wer auf einem geerbten Bett liegt, kann nicht sterben 70 ). Andere Mittel sehen aus, als wolle man durch eine Art Analogiezauber das Lösen, Weggehen der Seele erleichtern: man soll die Uhr anhalten, daß jemand sterben kann 71 ) ; man hängt im Schrank alle Kleider aus und läßt sie herunterfallen 72 ) ; man reißt an der Bettwäsche oder am Hemd des Kranken eine Naht ein 73), denn vielleicht ist am Sonntag dran genäht worden (s. o.) 71 ). Man rückt das Bett von der Wand weg 7 S ), man wendet es 3 mal um 7 e ), bei Kindern rückt man es an die Stelle, wo der Tisch steht 77 ). Man legt den Sterbenden auf den „Wechsel" 78 ). Kann ein Bienenbesitzer nicht sterben, so soll man den Immenkorb rücken 79 ). Man stellt das Bett in der Richtung der Dielenbretter, des Hauptbalkens, unter den Hausfirst, mit dem Fußende gegen die Haustür 80 ). Man soll einen (oder 3) Ziegel oder eine Schindel auf dem Dach umdrehen oder abheben 81 ). Man öffnet ein Fenster oder bringt den Sterbenden ans Fenster, damit er den Himmel sehen kann 82 ) ; man muß Schubladen und alles im Haus aufschließen 83) ; man soll den Tisch von der Stelle rücken 84) oder ein festes Hausgerät umkehren 8S ). Meist werden diese Vorkehrungen als Mittel angesehen, der Seele die Abreise zu erleichtern86). Man erleichtert das Sterben, indem man dem Kranken das Totenhemd unters Kissen legt 87 ), oder indem man ihn mit einem schwarzen, aus einem Grabe ausgegrabenen Tuche bedeckt 88 ) ; der Sterbende kann nicht eher erlöst werden, als bis er sich beim Prediger habe anmelden

445

sterben

lassen 89 ). Der Sterbende wird auf das Unabänderliche seines Schicksals hingewiesen. Man legt ein Tuch oder Kleid aus dem 4. Familiengliede über den Sterbenden90) ; ein Kind wird mit dem Brautkleid der Mutter bedeckt M ). «·) SAVk. 21, 46. ·') MschlesVk. Heft 15, 78. ) P a n z e r Beitrag 1, 262; S t r a c k e r j a n 1, 5 1 ; HessBl. 6,100; Urquell NF. 2. i 6 6 ; T r o e l s L u n d 14, 52; HmtK. 40, 85; vgl. B o l t e - P o l i v k a 1, 380. ·') S t r a c k e r j a n 1,51; vgl. S e l i g m a n n 1, 205. 7 0 ) G r i m m Myth. 3, 459; H ö h n Tod 315; W u t t k e 457 § 723; auch im Ehebett: ARw. 11, 152 ; vgl. Urquell 1, 9. 71 ) F o g e l Pennsylvania 132 Nr. 603; P e u c k e r t SchlesVk. 229; M ü l l e r Jsergebirge 23; R o s é n Död och begravning 3. 72 ) W u t t k e 457 § 724; vgl. Urquell NF. 1, 129. " ) M ü l l e r Isergebirge 23; R o s é n Död och begraving 3; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 102. " ) G r i m m Myth. 3, 472; P e u c k e r t SchlesVk. -229; ZrwVk. 4, 272. 7S ) W u t t k e 457 § 724. 7e ) J o h n Westböhmen 166. ") W i t t s t o c k Siebenbürgen 99. 7β ) P e u c k e r t SchlesVk. 230; G r i m m Myth. 3, 474; D r e c h s l e r Schlesien 1, 290. ™) F o g e l Pennsylvania 132 Nr. 606. 10 ) J o h n Erzgeb. 120; ZfdMyth. 4, 4; V e r n a J e k e n Alpensagen 400; T r o e l s L u n d 14, 53; T h i e r s Traité (1679) 244; RTrp. 14, 245. 11 ) G r i m m Myth. 3, 448. 459 = Rockenphilosophie 914 Nr. 37; MsächsVk. 6, 252; W i t z s c h e l Thüringen 2, 261; ZfVk. 13, 389; 18, 442 ff.; Urquell NF. 1, 18 = ZrwVk. 5, 246; B r ü c k n e r Reuß 179; H ö h n Tod 3 1 5 ; T h i e r s Traiti (1679) 334; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 102; vgl. Z e l e n i n JîmssKA. 320f.: Firstbaum heben. M ) H ö h n Tod 3 1 5 ; Graubünden schriftl. ®3) F o g e l Pennsylvania 132 Nr. 607; vgl. B r a n d Popul.Ant. 1, 2 3 1 ; F r a z e r 3, 309; T r o e l s L u n d 14, 52; Z e l e n i n RussVk. 321. * 4 ) Rockenphilosophie 914. e s ) ZrwVk. 5, 246 f. ·") Z. B. J o h n Erzgebirge 120. · ' ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 89; K ü c k Lüneburg 259. ®8) G r o b m a n n Aberglaube 187. · · ) T e m m e Pommern 339. e o ) S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863. 39· 91 ) J o h n Erzgeb. 120. ββ

446

Hahn den Hals durch 98 ). In Skandinavien stieg ein Verwandter aufs Dach und rief den Namen des Sterbenden u. von dessen Vater. Wenn er so in der Geschlechtsfolge aufgerufen wurde, wurde der Kranke „fejg" " ) . Ein Angehöriger geht vor das Haus und ruft an jeder Ecke: „Huwi (Uhu) zum End" 1 «»). M ) G a ß n e r Mettersdorf 83; W i t t s t o c k Siebenbürgen 99. 93 ) ARw. 13, 626; vgl. W o l f Beiträge I, 214. »*) J o h n Erzgebirge 120. " 5 ) T r o e l s L u n d 14, 52 = ZfVk. 17, 362. · · ) ZfVk. ι, 154. »') FL. Ii, 345. 98 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 1,92. ·') T r o e l s L u n d 14, 52 f. 10 °) Schwld.

ι. 315· 6. Der Sterbende wird, um das Sterben zu erleichtern auf die bloße E r d e gelegt. Der Brauch ist für das M.-A. bezeugt (vom hl. Benno v. Osnabrück 1 1 0 8 8 ) 1 0 1 ) , er wurde von der Kirche gebilligt und symbolisch ausgedeutet, Durand schreibt: et quidem quando homo videtur agere in extremis, debet poni ad t e r r a m super ciñeres, vel ad minus supra paleas: per quod innuitur quod cinis est, et in cinerem revertetur. Et sit hoc exemplo beati Martini, qui ut in se aliis daret exemplum, in ciñere iacens vitam finivit102). Der Brauch hat sich bis in neuere Zeit erhalten in Schlesien 103 ), Ungarn 1 M ), bei den Wenden 1 0 5 ) und anderswo 104 ). Oder der Sterbende wird auf den Boden gelegt (weil in der Stube keine bloße Erde mehr vorhanden ist) 1 0 7 ), speziell auf den „Wechsel" (s. o.). Samter und Dieterich erklären den Brauch aus der Absicht, der Seele den Übergang in die Unterwelt zu erleichtern108), Monseur 109 ) mit der Vermutung, er stamme aus einer Zeit, 5. Seltener werden folgende Mittel ge- da man noch keine Betten hatte; nach nannt, um das Sterben zu erleichtern: einer anderen Deutung wollte man eine man legt den Kranken auf die linke Verunreinigung des Bettes verhüten, es Seite , 2 ). Phantasiert ein Schwerkranker, sei ein Uberlebsel des Brauches, den 50 legt man ihm einen toten Pferdekopf Sterbenden aus dem Hause zu entunter das Kopfkissen, der Dunst macht fernen 1 1 0 ). Eine Abschwächung des M 94 ihn sofort ruhig ). Man heizt den Ofen ), ursprünglichen Brauches wäre dann das setzt glühende Kohlen unter das Bett 9 5 ), L e g e n auf S t r o h , Tim das Sterben man gibt dem Sterbenden aus einem zu erleichtern. Der Sterbende wird auf alten Schuh Wasser zu trinken (Sla- den Boden auf Stroh gelegt 1 U ), oder wonien) 96 ) ; in England wird ein Messer man legt ihn in ein anderes Bett auf auf die Herdwand gelegt 97 ) ; man stach Stroh 1 1 2 ), oder man nimmt die Untervor den Augen des Sterbenden einem betten weg und legt ihn auf Stroh 118 ) ;

447

sterben

448

es muß Erbsenstroh sein U 4 ) ; oder man legt ihm den Kopf auf einen Pelz 1 1 6 ). Das Stroh muß in den Schweinestall oder in einen Graben geworfen werden (vgl. Leichenstroh) 116 ). Vereinzelt heißt es, stirbt einer auf einem Strohsack, so muß sich seine Seele mehr anstrengen in den Himmel zu kommen, als wenn er auf einem Laubsack gestorben wäre 1 1 7 ). Aus dem Brauch, den Sterbenden aus dem Bett zu nehmen, scheint sich dann, als man ihn nicht mehr verstand, der Glaube entwickelt zu haben, daß man auf F e d e r n nicht sterben könne; um das Sterben zu erleichtern, soll man darum dem Sterbenden das K i s s e n w e g z i e h e n oder wegreißen, wie es manchmal heißt 1 1 8 ). 1698 erschien in Jena die Schrift von C. Questel, De pulvinari morientibus non subtrahendo m ). Als Grund wird angegeben auf Federn 120 ), speziell Hühner- m ) , Tauben- 122 ), Gänsefedern 123 ) könne man nicht oder nur schwer sterben. Hühner haben eine „Unruhfeder", und die könne im Kissen sein 1 M ). Wenn jemand mit dem Teufel verbündet ist, einen Drachen oder Hausgeist besitzt, so kann er nicht sterben bis man ihn auf den Mist legt oder ihm eine Handvoll Mist unter den Kopf steckt 12S ). Zur Erklärung wird man hier den Zusammenhang zwischen Mist und Teufel heranziehen müssen 124 ).

T e t z n e r Slaven 259. 325; K ö h l e r Voigtland 439; Bavaria 2, 322; Globus 78, 321 (Schlesien); MdBllfVk. ι, 184. »") W i t t s t o c k Siebenbürgen 99 = S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863, 39; W l i s l o c k i Siebenbürgen 34. u t ) ZföVk. 7, l l i ) MschlesVk. Heft 3, 7; 256 (Rumänen). Urquell 3, 201. , 1 7 ) Mauz Sargans 127. n 8 ) E R E 4, 414f.; P a n z e r Beitrag 2, 293; Höhn Tod 315; Meyer Baden 581; B a r t s c h Mecklenburg 2, 89 f.; ZrwVk. 8, 153; W i t z s c h e l Thüringen 2, 258; K u h n Märk. Sagen 367; Wolf Beitr. 214; HessBl. 6, 99; R o c h h o l z Glaube 1, 170; T e t z n e r Slaven 461; H o o p s Sassen 116; W i r t h Beiträge 2/3, 52; K e l l e r Grab d. Abergl. 3, 71; F o g e l Pennsylvania 132 Nr. 605; 133 Nr. 609; K r ü n i t z Encyclop. 73, 175; ARw. Ii, 151 ff. (aus Wickram); 12, 414. (jüd. Tractat 11.—13. Jh.). «») bei Sartori Sitte u. Br. 1, 126. 120) K ö h l e r Voigtland 439,: ZföVk. 4, 212 (v. Raubvogel); ZfVk. 22, 231 ff. (mit Lit.); G w e r b Leuth u. Vych besägnen (1646) 15; G r o h m a n n Aberglaube 187; Rockenphilosophie 529; Zelenin RussVk. 320; A n d r e » Juden 184; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 230 (Truthahn, Wildhühner); S é b i l l o t Folk-Lore 3, 225; m ) Bull. Gloss. 13, 76. ZrwVk. 2, 194f.; Globus 91, 359; T o e p p e n Masuren 106; D i e n e r Hunsrück 180; Grimm Myth. 3, 443. 454; P r a e t o r i u s Philosophia Colus (1662) 169; ZfVk. 6, 408; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 30; Urquell NF. 2, 257; ZföVk. 8, 181; Germania 29, 89; R o s é n Död och begravning 3; T e t z n e r Slaven 375; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 102; Le B r a z Légende 1, 101. m ) B l a c k Folk medic. 163; Rockenphilosophie 529; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 231; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 224. m ) B r a n d Pop. Antiqu. 2, 231. m ) ZföVk. 4, 2 i 2 ; T r o e l s L u n d i 4 , 52; 'La.u.tieTNteddV. 88. 126) Meiche Sagen 300. 309 ff.; MsächsVk. I, 16; John Erzgebirge 120; E i s e l Voigtland 88. 213; W u t t k e SächsVk. 375. "«) Vgl. z. B. Müller Urner Sagen 1, 93. 95.

«») ZfVk. I i , 221 = HessBl. 25, 248f. 103 ) Durand Rationale (1565) 453b. D r e c h s l e r 1, 290; K l a p p e r SchlesVk. 300. l c i ) W l i s l o c k i Magyaren 4. 105 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 110. " · ) Le B r a z Ligende 1, 100 f. (Füße auf d. Erde); ARw. 17, 341 f. 480; 24, 204 (Kypros); Crooke Northern India 15. 219; T h u r s t o n Southern India 133; C a l a n d Altind. Toten- u. Best.gebr. 8. 107 ) ZföVk. 7, 256; H o o p s Sassen 116; vgl. SAVk. 15, 148 (Zigeuner); Urquell NF. 2, 257. 10«) Neue Jbb. 15, 36 ft. (Samter); D i e t e r i c h Mutter Erde 26 fi.; S a m t e r Geburt 4; ZfVk. 11, 221; ARw. 9, 538 ft. 109) bei S a r t o r i Sitte u. Br. I, 126 Anm. 13. «») ERE. 4, 414 f. m ) ARw. 17, 480; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. l i o ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 290; T o e p p e n Masuren 106; L e m k e Ostpreußen 1,56; T e t t a u u. T e m m e 285; K e l l e r Grabd. Abergl. 3, 56; K r t i n i t z Encyclop. 73, 176; Zelenin RussVk. 320; FFC. 61, 15. 11S ) Volkskunde 113 ) 13; 91; W i t t s t o c k Siebenbürgen 99.

7. Das Sterben wird ferner erleichtert, indem man den Sterbenden allein läßt 1 2 7 ) und indem man jedes laute W e i n e n u n d K l a g e n unterläßt, sonst verlängert man die Agonie, der Sterbende wacht wieder auf, er würde wieder „aufgeschrien" 12S). Bei kranken Kindern muß sich die Mutter entfernen oder den Blick abwenden 129 ). Man soll auch den Sterbenden nicht beimi Namen rufen 130 ). Es ist hier noch ein Rest der primitiven Angst vorhanden, der Sterbende könne zurückgehalten werden 131 ). Auch beim Schlachten von Tieren findet man dasselbe Verbot der Klage; bedaure man ein Tier, heißt es in Ditmarschen, so sterbe man auch selbst schwer 132 ).

1M)

U7)Sartori

Sitte u.Br.i,

126; R o c h h o l z Glaube-·

449

ι, 170. A n d r e e Braunschweig 3 1 5 ; S t r a k k e r j a n î , 215; W i r t h Beiträgeiii, 6 7 ; S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863, 40; T e t z n e r Slaven 375; HmtK. 40, 85; vgl. WienZfVk. 34, 67: Kinder können den Tod des Vaters zurückhalten, wenn sie recht weinen. H o o p s Sassen 116; T e t t a u u. T e m m e 282; R o s é n Död och begravning 3; T r o e l s L u n d 14, 52; Graubünden mündl.; F l a c h s Rumänen 44; H ö h n Tod 3 1 5 ; C r o o k e Northern India 221 (Irland); W i t t s t o c k Siebenbürgen 99; G a ß n e r Mettersdorf 83; ZfVk. 6, 408; MschlesVk. Heft 9, 80; HessBl. 6, 99; Urquell 1, 10; 4, 291; ZfVk. 1, 185; D r e c h s l e r Schlesien 1, 290; B a r t s c h Mecklenburg 2, 89; W i t z s c h e l Thüringen 2, 257; MschlesVk. 8 Heft 15, 78; M ü l h a u s e 75. " · ) S t r a c k e r j a n 1, 51. 130 ) Egerl. 10, 182; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 241. 131 ) L é v y 132 B r u h l Mentalité primit. 186. ) Urquell 6, 191; vgl. G r i m m Myth. 3, 444; S t r a c k e r j a n ι, 51.

8. Z e i t des S t e r b e n s . Die Legende erzählt zwar, warum der Mensch nicht weiß, wann er sterben soll 1 3 3 ), und doch gibt es Leute, die es wissen, z. B . die Freimaurer 1 3 4 ), Zauberkundige 135 ), wer am Vortag der hl. Dreikönige fastet, bis der erste Stern am Himmel scheint 1 3 e ), auch die Priester sollen es wissen 1 3 7 ). Man glaubt, man werde zu der Stunde sterben, in der man gewöhnlich einschläft 138 ), oder in derselben Stunde, in der man geboren ist 1 3 9 ). Jeder Mensch hat eine von Gott bei der Geburt festgesetzte Todesstunde 140 ). Am Meer glaubt man, die Kranken könnten nur bei E b b e sterben 1 4 1 ). Kränkliche Leute sterben, „wenn das Laub fällt" oder „wenn die Bäume in den Saft gehen" 1 4 2 ). Gefürchtet wird der jähe Tod, daher gibt es besondere Gebete dagegen 143 ). Tod vor Mitternacht ist ein Zeichen, daß die Seele leiden muß; erfolgt der Tod gegen den Tag, so hat der Schutzengel die Seele zu Gott geholt 1 4 4 ) ; die vor Mitternacht sterbenden Kinder sollen das Brot und Vermögen der Eltern mit sich nehmen 145 ). Die Rumänen glauben, man sterbe nachts besser als am Tage, weil einen da die Vögel nicht ruhig sterben ließen 14e ). In Indien dagegen sollte man vermeiden in der Nacht, der dunklen Monatshälfte oder während des südlichen Laufs der Sonne zu sterben 147 ). In Schlesien gilt Tod des Hausbesitzers im abnehmenden Monde B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I

450

Sterbender

für seinen Nachfolger als nicht günstig 1 4 8 ). Sterben im Vollmond ist ein gutes Zeichen für die Hinterlassenen 14e ). Todesfall am Montag 1 5 0 ), Donnerstag 151 ) oder Freitag 1 5 2 ) zieht einen weiteren nach sich. Stirbt jemand in den 1 2 Nächten, so holt der Tod bis Ostern noch 1 2 andere Personen 153 ). Als günstige Todestage gelten die hl. Zeiten 1 5 4 ), besonders zwischen Ostern und Pfingsten 1 5 S ) oder der Karfreitag l s e ), in Belgien auch der Freitag und Samstag 1 5 7 ). Vorteilhaft ist es nach einem Kinde aus der Verwandtschaft zu sterben, weil dieses den Weg zum Himmel bereite 1 6 8 ). Wenn ein Kind während der Taufe stirbt und, ohne daß es der Taufende merkt, mit dem Taufwasser begossen wird, werde es der ärgste Teufel 1 5 9 ).

133 ) M ü l l e r Siebenbürgen 172 f. 134 ) K ü h n a u Sagen 3, 253 f. 135 ) E i s e l Voigtland 197. ««) 137 B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 97. ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 240. 138 ) R o c h h o l z Glaube 1, 214. , 3 i ) P e u c k e r t SchlesVk. 229 f.; L a m m e r t 97; vgl. S c h m i d t Geburtstag 3 u0 Anm. 4. ) S e e f r i e d - G u l g o w s k i 221. 141 ) U n z e r Der Arzt 4. Teil. 104. Stück. 705 (zitiert Aristoteles u. Plinius); FL. 9, 189. 272; F r a z e r 1, 167; Le B r a z Légende 1, 92; RTrp. 14. 345." B l a c k Folk-Medicine 127 f. u 2 ) ZfVk. 6, 407. 143 ) M a n z Sargans 84; ZföVk. 10, 108; Laufler - Festschrift 275. 141 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 242; vgl. BF. 2, 333. " 5 ) ZföVk. 3, 22. "«) F l a c h s Rumänen 44. 147 ) C a l a n d Altind. Toten- u. Best.gebr. 6; vgl. T h u r s t o n Southern India 134. "") D r e c h s l e r i, 292; vgl. G r i m m Myth. 3, 489 (Esten: Tod im Neumond ungünstig). " · ) K r ü n i t z Encyclop. 73, 364. 15 °) S c h u l l e r Progr. υ. Schäßb. 1863, 63. 1H ) W i r t h Beitr. 2/3, 49. 152 ) H ö h n Tod 326; vgl. T h u r s t o n Southern India 169. l 5 3 ) H ö h n Tod 326; vgl. Volksleven 12, 96. I51 ) H ö r m a n n Volksleben 424. 155 ) S c h u 11 er Prog. ν. Schäßb. 1863, 63; ZfVk. 22, 159; W o l f Beitr. 1, 260. " · ) BayHfte 6, 209; H ö h n Tod 316; FL. 9, 18. ' " ) BF. 3, 106. »") H ö r m a n n Volksleben 424. 159 ) A η h o r n Magiologia (1674) 148. Geiger.

Sterbender. Der Sterbende schwebt beim Übergang in eine andere Welt in großer Gefahr. Böse Geister, der Teufel suchen sich seiner oder der Seele zu bemächtigen und müssen abgewehrt werden. E r wird kirchlich verwahrt und seine Seele wird weggeleitet. Aber auch gegenüber dem Sterbenden selbst ist Vorsicht nötig; denn er könnte beim Weggang Lebende nach sich ziehen. 15

451

Sterbender

Weil er schon halb der andern Welt angehört, sieht er die Geister und kann wahrsagen. ι . Aus allerlei Zeichen sucht man zu erkennen, ob der Todkranke sterben muß. Wenn er an der Bettdecke zupft 1 ), „sucht" 2 ), vom Fortgehen spricht 3 ), nach einer verstorbenen Person verlangt 4 ), nach der Zeit fragt, Hände und Beine bewegt 5 ), geschwollene Füße bekommt ·), dann geht es dem Ende zu. Man streicht dem Kranken ein Bißlein Brot an die Stime und gibts einem Hunde zu fressen. Frißt ers, so bedeutet es Leben, wenn nicht, Tod 7 ). Oder man legt neben den Kranken auf eine Seite ein Stück Brot, auf die andere Seite ein wenig Erde; dreht er sich gegen diese, so stirbt er 8 ). Grüne Nesseln wurden in des Kranken Harn gelegt; wurden sie schwarz, so starb er ·). Lächelt der Sterbende, so ist das ein gutes Zeichen für sein Seelenheil 10 ), sperrt er den Mund auf, ist es ein schlechtes Zeichen 11 ). Im Todesschweiß, glaubte man, schwitze der Kranke die Taufe aus 1 2 ); er gilt als Mittel gegen Muttermal und Sommersprossen 1 3 ). ' ) Fogel Pennsylvania 119 Nr. 533; Höhn Tod 314. 2 ) Schweiz schriftl. s ) BF. 2, 334. ) John Erzgebirge i n . *) Fossel Volksmedizin 169. ·) MschlesVk. 22, 90. ' ) Meyer Baden 581. 8 ) Rockenphilosophie 747. ·) Hdschr. Kt. Bern. 10 ) Lammert 103; Birlinger Volkst. i, 476; vgl. Baumgarten Aus d. Heimat 3, 123. 11 ) Fogel Pennsylvania 117 Nr. 524. 1 1 ) ZfVk. 22, 243. I 3 ) J a h n Pommern 167. 4

2. Verwandte, Nachbarn, auch Kinder sehen es als Pflicht an, den Sterbenden noch zu besuchen, ihn, meist durch Beten, auf den Tod vorzubereiten 14 ), oder um Abschied zu nehmen 15 ) ; man „ruft oder schreit zum Ende" 1β ). Um zu einem Sterbenden zu kommen, soll man ein Paar Eisenschuhe durchlaufen 17 ). Manchmal ist auch die Absicht des Sterbenden und der Überlebenden, miteinander versöhnt zu scheiden 18 ). Im altaugsburgischen „Blaterhaus" waren „Trostknechte" angestellt, die beten und den Sterbenden zusprechen mußten M ). Im (reformierten) Kt. Bern wurde der Pfarrer zum St.n geholt, um mit ihm

452

zu beten; der Pfarrer 'sei mehr' als andere Leute 20 ). " ) Schramek Böhmerwald 222; SchönvrerthOberpfalz 1,241; Köhler Voigtland250 f.; Lemke Ostpreußen i, 56; Höhn Tod 3 1 5 ; Fossel Volksmedizin 169; Volksleven 8, 17; Tetzner Slaven 436; Graubünden, Bern schriftl.; RTrp. 12, 458; BF.2, 333; ZföVk. 8, 33; Lammert 103; vgl. Caland Altind. Toten- u. Best.gebr. 9. 11. l ·) ZrwVk. 4, 272; Urquell NF. 2, 108. w ) Höhn Tod 315; Reiser Allgäu 2, 290; Meyer Baden 581; Becker Pfalz 236. " ) Rochholz Kinderlied 344. 1β ) Fontaine Luxemburg 152; ZfVk. io, 140; vgl. T y l o r Cultur 2, 127. *·) Birlinger Aus Schwaben 2, 310. 20 ) Mündl. Kt. Bern.

3. Die Katholiken werden „versehen", d. h. erhalten A b e n d m a h l und letzte Ölung. Eine ausführliche Schilderung findet sich bei Reiser 21 ). Nach mittelalterlichem katholischem Brauch war dem ö l Asche aus Rebholz beigemischt. Gewänder, die mit dem Salböl in Berührung kamen, sollten nicht ins Grab mitgegeben werden; genas der Kranke wieder, so sollten die gesalbten Stellen mit Wasser gewaschen und dieses ins Feuer geschüttet werden. Die Kommunion wird als Wegzehrung (viaticum) bezeichnet; in den Gebeten wird die Seele feierlich entlassen (Proficiscere anima Christiana) 2î ). In den Gebeten ist auch die Bitte enthalten, Gott möge den Zutritt der bösen Geister wehren (effugiat ex hoc loco accessus daemonum) 23 ). Demselben Zweck dienen auch andere Mittel: man läutet beim Kranken, unter dem Bett, unter Tisch und Bank beständig mit einem Glöcklein (Margarethen-, Antonius-, Loretto-, Benedictus-, Zügenglöcklein) ; soweit man dessen Klang hört, soweit hat der Teufel keine Macht 24 ) ; oder die scheidende Seele soll durch den Ton gelockt noch einige Augenblicke beim Körper verweilen, nach dem Tod läutet man dann weiter weg, zur Türe hinaus und einmal ums Haus herum, die scheidende Seele geleitend25). Man gibt dem St .n ein geweihtes S t e r b e kreuz in die Hand, doch muß es nachher wieder geweiht werden, weil ihm der Tod die Weihe nimmt 2β ). Die Stube wird mit Weihwasser bespritzt, und dem St.n wird Weihwasser gegeben, um die Teufel

453

Sterbender

zu verscheuchen , 7 ). Man legt ihm auch geweihte Gegenstände unter den Kopf î8 ). Manchmal glaubt man, durch das Abendmahl könne der Kranke noch gerettet werden 2e ) ; öfter aber herrscht der Glaube, nach Empfang der Sterbesakramente, auch nach Aufstellung des Testaments müsse man sterben 30 ). Aus einer Schrift von Dr. Eck (1553) wird noch weiterer Aberglaube erwähnt: nach Empfang der letzten Ölung fallen einem die Haare aus, eine Schwangere könne schwer gebären, man dürfe nachher ein Jahr lang nicht tanzen, oder mit bloßen Füßen den Boden berühren, oder die Füße waschen, man müsse, solange die Krankheit daure, immer ein Licht im Zimmer haben 31 ). In Tirol kann der St., falls der Priester nicht kommen kann, auch dem Krummschnabel beichten »). ") Allgäu 2, 285 ff. Asche verwendet: Hirsch Doodenritueel 7 f. " ) Thalhofer Liturgik 2, 381 ff. 458 ff. i 3 ) Thalhofer a. a. O. 2, 390. 14 ) Franzisci Kärnten 80; Hörmann Volksleben 423; Kriinitz Encyclop. 73, 724; Wrede EiflerVk. 125; Knuchel Umwandlung 45. 26 ) Vernaleken Mythen 3 1 1 ; BdböhmVk. 13, i n ; Schmitt Hetlingen 22; vgl. ZfVk. 22, 243. se ) Schönwerth Oberpfalz 1, 241; Reiser Allgäu 2, 289 f. ; SAVk. 6, 241 ; Unterwaiden schriftl. " ) Schönwerth Oberpfalz 1, 241; Birlinger Aus Schwaben 2, 310; John Westböhmen 166; Wrede Rhein. Vk. 135; Lammert 103; » ) Wrede Rhein. Vk. 135; John Westböhmen 166 (auch geweihte Kerze); vgl. Rochholz Glaube 1, 152. J ' ) W u t t k e 2 2 3 § 318; vgl. Thalhofer Liturgik 2, 389. »>) Strackerjan 2, 214; ZfVk. 6, 408; Meyer Baden 580; Fogel Pennsylvania 380 Nr. 2043 ; Rockenphilosophie 656; Keller Grab d. Abergl. 3, 68. 3 1 ) Bei L e Brun Superstitions. Amsterdam 1733, 2, 2, 283, wo auch noch weiterer vermutlich französ. Aberglaube. 3 2 ) Hörmann Volksleben 423.

4. Man stellt auch einen Eimer Wasser, oder ein Glas W a s s e r , das man gegen den Strom geschöpft hat, unter oder neben das Bett, damit die Seele sich nach ihrer Trennung vom Leib waschen könne M ) ; die Russen hängen dazu noch ein Handtuch zum Fenster hinaus, daß sie sich abtrocknen könne 31 ). Dem St.η wird auch etwa ein Scheidetrunk gegeben 3S). Bekommt der St. trotz seinem Wunsch nicht zu trinken, so erscheint er nach dem Tode 3e ). In Frankreich (Cevennen) wirft

454

man beim Besuch eines St.n eine Hand voll Salz ins Feuer, damit der Teufel die Seele nicht davon führe 37 ). In England legte man im 17. J h . den St.n Tauben zu Füßen oder ließ diese sterbend gegen die Füße des St.n fliegen ; nachher brachte man sie an einen abgelegenen Ort 38 ). In Sardinien wird der St. womöglich in die Nähe des Herdes gebracht 39 ).

ω ) Bartsch Mecklenburg 2, 89; Hoops Sassen 116; Volkskunde 13, 90f.; Sooder Rohrbach 13; BF. 2, 345. M ) Zelenin Russ. Vk. 320. ω ) Eisel Voigtland 256 (Sage); Reinfried Buchari 30f. 3 ') Meiche Sagen 12 u. 190. Vgl. Meyer Baden 581 : Wenn ein Sterbender Wasser möchte, es aber nicht verlangen kann, zerreißt es das Glas. 3 J ) Pfannenschmid Weihwasser 170. 38 ) Black Folk-Medicine 163; vgl. Castrén Vorlesungen 120. 3 ·) WienZfVk. 31. " 5 ·

5. Der St. kann g e f ä h r l i c h sein, indem er andere mit sich zieht. Gibt man einem St.n die Hand oder eine Ecke von einer Schürze, so nimmt er es mit 40 ). Wenn ein St. jemand beim Namen ruft, so stirbt der Gerufene bald 41 ). Derjenige, zu dem oder von dem der Verstorbene zuletzt gesprochen, folgt diesem zuerst nach 42). Der St. kann auch vor Gottes Gericht oder ins Tal Josaphat (s.d.) laden. Im Auge des St.n soll das Bild desjenigen haften bleiben, der ihm zuletzt ins Auge geschaut hat 4 3 ). Wer im Moment, wo ein St. den letzten Atemzug tut, im Hause stolpert, stürzt zu Tode **). Wenn jemand im Sterben liegt, soll man die Leute im Hause wecken, sonst haben sie den Totenschlaf 45 ) (vgl. Tod). « ) Urquell i, 9. " ) Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 29; W u t t k e 213 §297; ZfVk. 22, 160; Kohlrusch Sagen 358; Beda hist, eccles. IV c. 8. « ) Liebrecht Z. Volksk. 327. 43 ) Fossel Volksmedizin 170. " ) Rochbolz Glaube 1, 215. « ) HmtK. 40, 85.

6. Dem St. werden etwa auch Grüße und N a c h r i c h t e n an V e r s t o r b e n e ins Ohr gemurmelt, ,,er soils drüben ausrichten" 4e). Ein Versprechen, das man einem St.n gibt, muß man halten, sonst hat er im Grabe keine Ruhe 47). St. Frauen sehen ihrem Arzt und den Nächstverwandten ins Herz hinein M ). Der St. hat auch die Gabe der Weissagung 4 ·). Worte des St.n haben Ge-

455

Sterbender

wait 5 0 ). Man gießt dem St.η Branntwein in den Mund, dann redet er vor seinem Tode M ). Man legt ihm ein Zehnmarkstück unter die Zunge und nimmt es nach dem Tod heraus. Dann wird es immer zu seinem Besitzer zurückkehren M ). Man kann auch Krankheiten auf St. übertragen S3). " ) L a n d s t e i n e r Niederösterr. 29; ZfVk. 14, 34; RTrp. 12,459; ZrwVk. 20/21 5 ff. 47) K n o o p Hinlerpommern 164; B a r t s c h Mecklenburg 2, 100; ZrwVk. 20/21, 7. 48) R o c h h o l z Glaube 4i ι, 215. ) ZfVk. 15, 87; L i e b r e c h t Z. Volksk. 37; R G G . 5, 1249. 1299; vgl. L é v y - B r u h l Mentalitéprimit. 185. t0 ) Grimm KHM. 3, a n ; B o l t e - P o l i v k a 2, 531. « ) HmtblRE. 4, 42. 62 ) K n o o p Pos. Schatzsagen 32. t 3 ) DG. 10, 40.

7. Wie die Riten der Kirche schon andeuteten, ist der St. von bösen Geistern bedroht; manchmal werden diese sichtbar für den St.η oder die andern Menschen. Schon Cäsarius v. Heisterbach M ) berichtet vom K a m p f der E n g e l u n d D ä m o n e n um die ausfahrende Seele. Rudolf von Strättlingen sieht im Traum den Kampf zwischen dem Teufel und St. Michael um seine Seele 56 ). Ein goldenes Sonntagskind sieht den Kampf des Engels und des Teufels um seine Seele; wenn der Engel den Platz zu Häupten behauptet, steht es gut um die Seele 5β ) (s. a. Arme Seelen Sp. 589). Ein Kranker sieht auch einmal einen schwarzen und einen weißen Raben um seine Seele streiten S7). Manchmal erscheinen nur böse Geister oder der Teufel, um den St .n abzuholen58); oder der Tod selber erscheint am Fußende des Bettes M ). Besonders vor dem Tod von Kindern hört man einen schönen Gesang von Engeln 60). In Island glaubt man, es müsse Brot im Hause vorhanden sein, damit die bösen Geister, die der Seele auflauern, mit dem Verzehren beschäftigt würden 41 ). Den Todeskampf stellt sich das Volk als wirkliches Ringen mit dem Tod oder Teufel vor β 2 ). Die Geister erscheinen auch in T i e r g e s t a l t : das Erscheinen einer weißen Taube soll wohl die Seligkeit andeuten ®3), ein Rabe oder eine schwarze Katze das Gegenteil M ). Unklar ist, warum ein

456

Hase in der Sterbestunde vor dem Hause tanzt ®5). Manchmal merken nur die Tiere die Nähe des bösen Geistes und zeigen es durch Stampfen und Brüllen oder Unruhe an ®6). Altertümlich erscheint der Glaube: wenn ein Kranker seine v e r s t o r b e n e n V e r w a n d t e n am Bett vorüberwandeln sieht, so ist sein Tod nahe ®7). Die Verwandten holen den St.n ab (Litauer, Armenier u. a.) ®8). Im St. Gallerland kommt das Nachtvolk bis zum Dorf 6 9 ). '*) Dial. XII. 5; Schon 855 wollte man beim Tode Kaiser Lothars den Kampf beobachtet haben: E. M ü h l b a c h e r Deutsche Gesch. unter den Karolingern 486. " ) K o h l r u s c h Sagen 54 mit Hinweis auf Ep. St. Judä V. 9: Streit Michaels und des Teufels um die Seele Mosis; vgl. BF. 2, 335. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 243; S c h e l l Berg. Sagen 16 f.; ZrwVk. 5, 247; T r o e l s L u n d 14, 53; Z a u n e r t Rheinland 2, 202; L a n g l o i s Essai ... sur les danses des morts ι (1852), 155 f. (Holzschnitte des 15. u. 16. Jh.s erwähnt); Hirsch Doodenritueel 8. S7 ) Schell Berg. Sagen 426 f. 6 ·) A l p e n b u r g Tirol 155; Theatr. Diabol. (1569) 32a; RTrp. 28, 362; Sooder Rohrbach 50; ZfVk. 1, 162; B i r linger Volksth. 1, 279; SAVk. 23, 224; 21, 220; Wolf Beitr. 1, 252; K ü h n a u Sagen 3, 200; vgl. B e d a hist, eccles. 5, 12. 59) BayHfte 6, 212; MSchlesVk. 8 Heft 15, 77; ^fVk. 22, 157 t.; vgl. Gering Isl. Aevent. 2, 146 ff. ,0 ) Höhn Tod 314. e i ) Sartori Speisung 2 Anm. ·*) F o s sel Volksmedizin 169 f.; ZfVk. 1, 153. 218; 15, 6; 4, 210; BF. 2, 335. ω ) H a u p t Lausitz 2, 129; Aargau mündl. ·*) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 2, 107; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 145. 210; K l a p p e r Erzählungen 102 Nr. 89. ·') John Erzgebirge 120. ·*) Graber Kärnten 167; Höhn Tod 315; FL. 10, 264. ·') S c h u l l e r Progr. V. Schäßb. 1863, 28 f. ·") ARw. 17, 128; ZfVk. 15, 3 f. " ) K u o n i St. Galler Sagen 191.

8. Die abscheidende Seele kann gesehen oder gespürt werden: sie fährt zum Munde heraus 70 ), sie fährt auf wie ein Feuer oder Licht 7 1 ), oder sie hat Tiergestalt (Vogel, Taube, Fliege, Eidechse) 72). Man spürt die Luft sich bewegen 73), hört etwas gehen 74 ) oder sieht eine Gestalt 78 ). Liegt jemand im Sterben, so soll man das Fenster öffnen, damit die Seele hinaus kann 7®) (s. Tod); man soll auch den St.n den Mund öffnen " ) . Der St. geht vor dem Ende selbst auf den Kirchhof, um sich seine Grabstelle zu besehen 78 ) (vgl. Künden). In Schlesien ist noch Brauch, daß sich ein Verwandter über den St.n

Sterbekerze—Stern

457

beugt oder ein Kind über seinen Mund gehalten wird, um den letzten Atemzug des St. aufzufangen 79 ). Wie wenn der Mensch noch eine Seele außerhalb des Leibes hätte, mutet der Glaube an, daß ein S t e r n vom Himmel falle, so oft ein Mensch stirbt 8 0 ). 70 ) Grimm Myth. 3, 245; Gassner Mettersdorf 83; F o s s e l Volksmedizin 59; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 105; H i r s c h 71) ritueel 12 f . R o c h h o l z Glaube

Dooden1, 166;

Grimm Myth. 3, 146; MschlesVk. 27, 101; Troels Lund 14, 53; BF. 2, 336; ZfEthn. 9, 336 (Japan). 7a) ZfVk. 8, 181; Baumgarten Aus d. Heimal 3, 105. 120; E n d e r s

ländchen

Kuh-

91.

™) R o c h h o l z Glaube 1, 214. Von Gespänsten (1569) 40. ") Pet e r österr. Schlesien 2, 246; C o r r e v o n Gespenstergesch. 69 f . ; v g l . S é b i l l o t Folk-Lore

'*) L a v a t e r

4, 240. ™) W u t t k e Sachs. Vk. 367. 77) Schaffhausen mündl. 7e) Hoops Sassen 116; HmtK. 40, 85. 7») MschlesVk. 10 H. 19, 3; vgl. S a m t e r : Neue Jbb. 15, 37 f.; S i t t l Gebärden 73. M) Baumgarten Aus d. Heimat 3, 105; Fossel Volksmedizin 170; K u h n u. Schwartz 457; Troels Lund 14, 53. Geiger.

Sterbekerze. Die St.kerze ist eine geweihte Kerze, Taufkerze 1 ), an Lichtmeß geweiht 2 ), Römerkerze 3 ), schwarze Lorettokerze 4 ), die dem Sterbenden brennend in die Hände gegeben wird®). Oder sie wird in die Nähe gestellt 6 ) ; man geht mit dem brennenden Licht 3 mal um das Bett des Sterbenden herum; man heißt dies: „es wird ihm das Licht gehalten" oder „er wird weggeleuchtet" 7 ). Die Kerze soll auch die bösen Geister verscheuchen (vgl. Sterbender) 8 ) ; soweit die Römerkerze scheine, soweit habe der Böse keine Macht 9 ) ; man pflegt die Talglichter wechselseitig auszulöschen, um durch den Gestank den Teufel fernzuhalten 10 ). Die Kerze soll von Kindern ausgelöscht werden 1 1 ). In Franken betropft man den Sterbenden mit der Kerze 1 2 ). Man benützt auch die Sterbekerze oder andere, um daraus zu erkennen, ob der Todkranke sterben muß 13 ). Wenn der Rauch der Kerze, die während des Versehens beim Kranken gebrannt hat, nach dem Auslöschen gegen die Tür zieht, so muß der Kranke sterben 14 ). *) Fontaine Luxemb. 152. 2 ) Baumgarten A. d. Heimat 3, 120; D r e c h s l e r Schlesien

1, 290;

J o h n Westb. 166; ZfVk. 17, 362; BF. 2, 333;

458

3. 99· 3 ) SAVk. 6, 241; Schweizld. 3, 495; ZfVk. 17, 361. *) Bavaria 2, 322. l ) Hörmann Volksleben

424; S c h ö n b a c h Berthold o. R. 18;

Rumänen

43; C a m i n a d a

Vernaleken Mythen 311; Baumgarten A. d. Heimat 3, 120; Schmitz Eifel 65; ZrwVk. 5, 247; ZföVk. 4, 268; ZfVk. 6, 408; 17, 361 f.; Meyer Baden 580; Egerl. ro, 183; S e e f r i e d Gulgowski 221; Höhn Tod 317; Flachs Friedhöfe

99;

Ze-

lenin Russ. Vkde 321. ·) BF. 1, 333; Meyer Baden

580;

Schramek

Böhmerwald

223;

ZfVk. Ii, 434; 17, 364. SAVk. 6, 241; P i t r è Usi 2, 203. 207; Becker Pfalz 236; Pollinger

Landshut 297. 7 ) J o h n Westböhmen 166; v g l . K n u c h e l Umwandlung 44 f . ; F o x Saarl. 371.

Bavaria 2, 322; ZfVk. 17, 361; RTrp. 28, 362. >) SAVk. 6, 241. 10 ) Hörmann Volksleben 423; Heyl Tirol 780. « ) Meyer Baden 580. u ) ZfVk. 17, 362. 13 ) BF. 2, 333. 337; Bull. Gloss. 13, 76; Fontaine Luxemb. 112 f. ") MschlesVk. 7, 77; DHmt. 4, 148; John Westb. 166; Peter 8)

österr. Schles.

2, 246; v g l . T o e p p e n

Masuren

) B a i d u i n u s De casibus conscientiae

(Witten-

105. Geiger. Stereomantie, Wahrsagung aus den Elementen. Dieser Sinn wird der anscheinend im 17. Jh. nach antikem Muster erfundenen Bezeichnung untergelegt, obwohl die Bedeutung des Wortes στερεός dazu keine Berechtigung gibt. Στερεά sind die festen Körper im physikalischen und mathematischen Sinn, wogegen die Elemente als στοιχεία bezeichnet werden. Fast könnte man an eine Verwechslung mit der Stoicheiomantie (s. d.) denken, die freilich nie auf die Bedeutung στοιχεΐον „Element" zurückgeführt wird, sondern ihrerseits mit der Stichomantie (s. d.) verwechselt wird. Im übrigen ist der Name S. nicht für eine bestimmte Wahrsagungsmethode erfunden worden, sondern nur als Gesamtbezeichnung der sogenannten „elementarischen" Wahrsagungen, d. h. der Aero-, Pyro-, Hydro- und Geomantie l ). l

berg 1635) 767, von ihm abhängig Bräuner Curiositäten (Frankfurt 1737) 403; Anhorn Magiologia (Äugst 1675) 308; M. S. Eckhard Christianus

religiosus

( U l m 1651) 100; P r a e -

torius Coscinomantia (Stadtamhof 1677) A 3. Boehm. Stern ( F i x s t e r n , einzeln). ι. V o l k s g l a u b e n . Außer Sonne, Mond, Komet, Morgen- und Abendstern und einigen außerzodiakalen Sternbildern spielen im Leben des deutschen Volkes einige Einzelsterne, die besonders auffallend am Himmel stehen, seit grauer

459

Stern

Vorzeit eine Rolle. Die an sie angeschlossenen Vorstellungen von ihrer Bedeutung sind teilweise aus der Antike übernommen 1 ). Hier waren die Fixsterne als kalendarische Merkgestirne für Schiffahrt und Landbau schon früh hervorgetreten 2 ), aber auch Vorstellungen von deren göttlicher Eigenschaft und Einwirkungsmöglichkeit waren verbreitet. Schon bei Homer ist vom Hundsstern und der mit ihm verbundenen Fieber die Rede3). Hesiod *) und später Arat ®) schildern die Wirkung dieser Hitze auf Mensch, Tiere und Pflanzen eindringlichst. Der Scholiast zu Arat, der den Juli als die Zeit seiner Sichtbarkeit bestimmt, setzt hinzu, daß der Hundsstern den Sterblichen das Fieber bringt; er hielt ihn also für die Ursache ®). Er war damit nicht der erste, da schon Hesiod dem Stern Einwirkung dieser Art, wenn auch nicht die Ursächlichkeit, zugesteht 7 ). Anderseits wissen wir von einer feierlichen Opferhandlung auf der Insel Keos, zur Zeit des Siriusaufgangs im Juli, bei der ein Waffentanz zur Abwehr der bösen Wirkungen, die von dem (sicher in dem Gestirn anzunehmenden) Sterngeist ausgehen, aufgeführt worden ist 8 ). Wenn gleichzeitig in Sage und Kalender die Etesien neben der Hitze zu dieser Zeit vermerkt werden 9 ), so ist einerseits die göttliche Wirksamkeit des Sterns deutlich, aber auch seine Funktion als Merkgestirn. Der antike Glaube an die bösen Kräfte dieses Gestirns10) verband sich dann mit dem ägyptischen an die Göttin Sothis, die in dem St. verehrt wurde u ) : so wird die Macht des St.gottes in der Astrologie beim Sirius, aber auch bei andern Fixst.en klar. Wir behandeln hier beide Aberglaubenformen hintereinander an einigen für den deutschen Aberglauben wichtigen Beispielen. Dabei sei aber bemerkt, daß der Einzelsternglaube in der Antike im Volksleben ungleich verbreiteter war als das heute bei uns der Fall ist. Außerdem dürfte der jetzige deutsche Glaube stark auf antiken Einfluß zurückgehen (Plinius), der auch die Namengebung entscheidend bestimmt 12 ).

46O

Als Merkgestirne kommen im deutschen Volksglauben vor allem Polarst, und Wega vor. Nach dem Polarst., auch Nordst. 13 ) genannt, richten sich die Seeleute schon in eddischer Zeit 14 ). Man heißt dort den St. „Nordhurstjama, Hiarastiarna" auch „Leidharstjarna"15). Das ist althd. leitesterre, mhd. leitesterne = Leitstern 16). Leitting nennt ihn das große Planetenbuch 17). Mythologie oder Volksglaube ist nicht an den St. angeschlossen. Der Hahnst. ist der St. Wega in der Leier. Er zeigt den Jägern, die auf die Schildhahnjagd gehen, durch seinen Stand im Zenith die rechte Uhr zum Aufbruch. Wenn sie nämlich, um ihn zu sehen, den Kopf so weit zurückbiegen müssen, daß ihnen der Hut herabfällt, so ist es die richtige Zeit. Das trifft von Ende April bis Mitte Mai ungefähr auf i'/ 2 Uhr früh zu 18). Mehr laienastrologischer Natur ist der Aberglaube, der an den H u n d s t . (Sirius) angeschlossen ist und teilweise auf antike Vorstellungen (Germanicus, Manilius,Plinius,Isidor19)) zurückgeht. Wie den Alten ist auch uns die Vorstellung von den Hundstagen nicht fremd, denn auch wir kennen die Hitze des Juli und August mit ihrer Schwere. Die Zeit gilt noch vielerorts ausgesprochen als Unglückszeit. Man soll nicht heiraten, keine Arznei nehmen, nicht zur Ader lassen, um nur einiges anzuführen. Ausführlich hat Jungbauer über den Hundsst.Aberglauben in Art. H u n d s t a g e berichtet. Die hervorstechende Bedeutung des St.s führte dazu, — es wird jetzt verschüttete Erinnerung an den ägyptischen Jahresanfang dahinterstecken, an den auch im Bereich des Hellenismus Jahresprognosen angeschlossen werden ^ —, wenn auch im Bereich des Deutschen aus dem Wetter der drei ersten Hundstage auf das Wetter des Neuen Jahres oder auf das des Sommers geschlossen wird 21 ). Die Beziehung zwischen St. und Lebewesen ist deutlich auch in dem Glauben enthalten, daß in den Hundstagen während einer (übrigens wechselnden) Stunde das Blut eines getöteten Tieres nicht gerinnt 22). Der St. ist be-

Stern

reits der Edda bekannt (Blastjarna = Bleist.,von seiner Weißglut 23 ) ), aber ohne Mythologie. Die Hundstage begegnen im MA. als huntliche Tage und hundstag 2 4 ); seit dem 15. Jh. kommt mehr und mehr unser Wort in Aufnahme 2S). Uber das R e i t e r c h e n , auch F u h r m a n n , D ü m k , D ä u m l i n g genannt, s. St.bilder II, Großer Bär. A b e n d s t e r n (s. d.) und M o r g e n s t e r n (s. Nachtrag) sind besonders behandelt, da ausführlicherer deutscher Volksglaube zu ihnen vorliegt. G u n d e l Welt und Mensch

6, 7.

2

) s. A r t .

S t e r n b i l d e r II, A. 3; B o l l i n P a u l y - W i s s o w a s. v. Fixsterne 2429. 3) II. 11, 62; 22, 30 f. *) Opera 587. 5 ) 326 ff. 331. · ) Zu Vers 332 und 333 P· 4°8 Maass. ' ) P f e i f f e r Studien zum antiken

Sternglauben

1

fi.

8

)

Pauly-Wissowa

s. v. Aristaios Sp. 853, 64 fi. u. S i r i u s Sp. 336, 34 fi. ®) Material a. a. O. s. v. S i r i u s Sp. 345, 23. lü ) L a u r . L y d . 15, 10 ist als ein Beispiel für viele, vgl. S i r i u s a . a . O. Sp.342, iff. n ) a . a . O . Sp. 335, 22 ff.; E r m a n - R a n k e Ägypten 397. 1 2 ) s. S. ι.

13

) Z V f V k . 14 (1904), 225. " ) Welt

u.Mensch

5, p. 15. 1 5 ) Ebd. l e ) G r i m m Mythol. 3, 210. 17 ) fol. 25 recto der Ausgabe von 1599. l e ) ZVfVk. 8 (1898),442. 1 9 ) G e r m . 4, 40 f.; M a n . 5, 206 ff.; P l i n . n. h. 2, c. 40; 18, c. 48, 6; Is. Orig. 3 71, 14 f. ( = M i g n e PL. 82, p. 180). 2 0 ) A. W i e d e m a n n Aegypten 404; CCA 7 183, 5. 21 usw. 2 1 ) J u n g b a u e r s.v.Hundstage498. 22)SchwVk.4, n f g . 23)

Mensch

u. Well 5, 15.

24

) Jungbauer

s.v.

H u n d s t a g e 495; bei K. v . M e g e n b e r g 'hundetac', 'hundestag' Deutsche Sphära ed. Mathaei 18, 13. " ) J u n g b a u e r a. a. O. 495.

2. A s t r o l o g i s c h e s . Zur Einbeziehung der Fixsterne in die Astrologie ist daran zu denken, daß man sich wie in den Dekanen und Tierkreisbildern (s. Sternbilder I) auch im einzelnen Fixst. der Sphäre ursprünglich einen St.gott wirkend vorstellte, der auf die Erde und den Menschen seinen Einfluß ausübt (s. Sterne). Die Betrachtung der Fixst.e in der praktischen Horoskopie der Griechen ist nicht eben häufig (s. Sternbilder I Paranatellonta). Ptolemaios läßt im Horoskop dies „alte" System überhaupt nur für meteorologische Prognosen zu 26). Der Zusammenhang mit den kalendarischen Notizen und dem antiken astrometeorologischen Volksglauben tritt deutlich hervor. Die einzelnen St.e nördlich und südlich des Tierkreises werden dabei nach den natürlichen Eigenschaften der

462

Planeten beschrieben und zwar so, daß sie als gemischte Naturen erscheinen. So besitzt nach Ptolemaios der Arctur im Bootes, „der rötlich schimmernde", Jupiter- und Marscharakter, der leuchtende St. im Maule des südlichen Fisches hat Venus- und Merkurnatur. Dies Prinzip der Interpretationen der Fixst.e aus natürlichen planetarischen Eigenschaften ist in den theoretischen astrologischen Werken sowohl für die Augenblicksorakel wie für die Geburtsprognose verwertet worden. Eine ausführliche Darstellung stammt aus dem sog. Astrologus von 379, dem wir ein Beispiel entnehmen (verkürzt) : „Wenn die führende Schulter des Orion, der im 27. Grad des Stiers aufgeht, oder der Prokyon, . . . oder der St. in der rechten Schulter des Orion — sie haben die Mischung von Mars und Merkurnatur—, Horoskopst.e der Geburt sind, dann machen sie diejenigen, die es so haben, bei einer Nachtgeburt zu Feldherren, Gewaltigen, Knechten usw Sind sie am Tage geboren, machen sie aus ihnen Wagemutige, Grausame, Bereuende, Lügner, Diebe, Gottlose.., Mörder; sie nehmen zuweilen kein gutes Ende, vor allem wenn sie nachts geboren sind" 27), Uber die Methode der Interpretation der Fixsterne nach den planetarischen Eigenschaften (physikalisch und mythologisch entwickelt) und nach der Mythologie der St.bilder, denen die St.e angehören, vgl. Planeten Sp. 66 ff. und St.deutung. Bei der oben angeführten Weissagung auf die Orion-Prokyon usw, — Kinder schwebt dem Interpreten das Schicksal des vom Skorpion gestochenen Orion vor. Dieselben Gutachten, die hier für das Geburtshoroskop aufgestellt worden sind, hat Theophilos von Edessa auch für Augenblicksentscheidungen umgewertet; mit bestimmten Varianten werden von ihm die Aussagungen des Astrologus von 379 wiederholt, aber jedesmal außer den Stellungen im Horoskop die Worte έν τοις χαταρχαΐς hinzugefügt 28). Die Lehre scheint im hellenistischen Ägypten kodifiziert worden zu sein. Das lateinische Hermesbuch des Codex

463

Stern

Harleianus enthält die ältesten für uns faßbaren Zeugnisse, und eben diese weisen in die friihptolomäische Zeit 29 ). Außer den Byzantinern und Arabern30), von denen hier nur erwähnt sei, daß auch sie dieser Lehre ihre Aufmerksamkeit widmeten, kennt auch die Renaissance- und Reformationszeit die Gutachten aus den Fixst.en im Horoskop. Die damaligen großen Astrologen halten vom Fixst.einfluß im Horoskop sehr viel. Das Urteil wird zuweilen deutlicher als in den erwähnten antiken Texten aus dem Fixstern und aus den jeweiligen Aspekten zu einem der Planeten abgegeben. So stellt Cardanus ζ. B. die Sache dar: si (3 St.e im Schützen) autem cum Sole etiam in magnis viris regna decernunt, si autem illi humili loco sint, dignitates minores, regia, sortientur. proximus locus est, ut cum luna, sed iaculo, quicumque sic habuerunt, morientur, inde cum Jove socientur, post cum Venere, cum Marte ancipites effectus et graves producunt, post cum Mercurio; cum Saturno vero magna ferme semper infortunia decernunt. hoc autem generale est ferme omnibus fixis: nisi aliqua peculiari ratione cum erraticis conveniant aut illi repugnent. Auch die Fortsetzung, in der Cardanus die Hauptwirkungen der Fixsterne aus deren Größe herleitet, interessiert hier noch: stellae maximae et lucidae honores et dignitates praestant, mediocres et minus lucidae divitias, parvae ingenium, si lucidae sint. ut enim magnum lumen nos impedit a studiis, sic et sidera magna numquam ingenium perspicuum decernunt. habetur etiam hoc ex erraticarum natura: nam Soli tribuimus potentiam, Iovi divitates, Mercurio, minimo planetarum sed splendido, ingenium 31 ). Darauf bespricht Cardanus nach diesen Prinzipien etliche Fixsternwirkungen. In dem langen Kapitel 32 ), das Fr. Junctinus, wie Cardanus im 16. Jh. lebend, den Fixsternen gewidmet hat, hat nur weniges, wie mir scheint, originalen Wert; die meist theoretischen Ausführungen und Gutachten hat er aus seinen Quellen zusammengestellt, Ptolemaios' Tetrabiblos, den Lateinern, und Hermetischer Li-

464

teratur, Arabern, Byzantinern (Georg von Trapezunt) und meist italienischen Zeitgenossen, vor allem Guido Bonatti und Cardanus. Auch die eben zitierten Cardanusausführungen arbeitete Junctinus in sein Werk wörtlich ein 33 ). Original sind auch seine Fixstern tabellen nicht, die aus Ptolemaios stammen; sie sind lediglich umkorrigiert34). In der Einleitung, zu dem ganzen 'De stellarum fixarum insigniorum observationibus' überschriebenen Abschnitt macht der Autor sich den Grundsatz des Astrologen al-Mansïïr zu eigen, daß die Fixsterne große Geschenke verleihen und den Menschen von der Armut zu größtem Glück erheben, was die Planeten nicht täten. Interessant sind die Ausführungen über die Unbeständigkeit der Gaben, die die Fixsterne verteilen; das soll damit zusammenhängen, daß die Kreisbewegung der Fixsterne 36000 Jahre benötigt, der höchstens 3 x 3 0 Jahre des Menschenlebens gegenüberstünden; daher vermögen die Fixsterne sich in der kurzen Zeit nicht voll auszuwirken (ita stellae fixae non possunt exercere complementum seu affectum suarum impressionum in hominibus et ideo dona seu fortunia ipsarum non durant in hominibus diutius quoniam homines sunt velocissimae mutationis et parvae durabilitatis respectu circularitatis stellarum fixarum)3S). Die größten Einflüsse üben diese Sterne im Horoskop und im Medium caelum aus (so heißt es weiter nach Pontanus); sie heben die Menschen so hoch, daß sie als Heerführer und Volkslenker Könige und Fürsten werden, obwohl sie von niederen Eltern stammen 3e ). Auch in den Horoskopbeispielen des Junctinus ist gerade die niedrige Abstammung und die hohe Stellung im Leben überall kennzeichnend, wo Fixsterne Einfluß haben 37 ). Welchen Wert Junctinus auf die Fixsternauswertung gelegt hat, beweist u. a. die Aufnahme eines Satzes von Guido Bonatti 38 ), daß die Fixsterne unbedingt beobachtet werden müßten, da zuviel von ihnen abhinge, wenn das Horoskop zuverlässig gestellt werden wolle. Die Fehler vieler, selbst guter Astrologen in

465

Stern

der Horoskopauslegung erblickte dieser nämlich in der Ignorierung der Fixsterneinflüsse, sei es, daß die Astrologen zu bequem wären die Fixsterne auszuwerten, sei es, daß sie von ihnen gar nichts wüßten 3e ). In Kürze sei abschließend noch der Ausführungen über die Wirkung einer besonderen Gruppe von Fixsternen im Tierkreis gedacht. Es ist nämlich u. a. versucht worden, die Aufgänge der die 28 Mondstationen (s. d.) charakterisierenden Fixsterne 40 ) zu Geburtsprognosen auszuwerten. Die allgemeine Verwendung der Mondstationen geschieht seit den Arabern in Verbindung mit dem Mond zu Augenblicksentscheidungen (s. P l a n e t e n Sp. 49—52). Geburtsprognosen aus jenen 28 Fixsternen finden sich (aus welcher Quelle?) im großen Planetenbuch des 16. Jh.s 4 1 ) und noch in einer Auflage von 1724 4 2 ). Solche Umformung von Augenblicksentscheidungen in Geburtsprognosen in der Fixsterninterpretation ist bereits oben an einem spätantiken Pali dargelegt worden 43). Ein Beispiel aus dem Planetenbuch zum Aldebaran, der 4. Mondstation, sei hergesetzt: „Aldebaran ist feucht und von Venusnatur. Dem Menschen bringt er in vielen Dingen Glück. Das in der Zeit des Aufgangs dieses Sterns geborene Kind soll gern lachen und rot sein. Es trägt Reichtum und Zorn auf seine Eltern und erhält viel Ämter usw.". Das bezieht sich auf den Aufgang in der ersten Tagesstunde. Geht der Stern zu einer andern Stunde auf, so wird der dann Geborene arm, ein Tier soll ihn beißen, er hustet viel, ist zornig, frech und frevelhaft und soll vom Eisen verwundet werden... Er bricht ein Bein, stirbt in fremdem Land, und niemand •wird ihn begraben 44). Dies gehört in eine jener typischen Listen, wie wir sie auch zu den Tierkreisbildern kennen 45 ). Wie in vielen dieser werden auch hier für das Neugeborene die Farbe seiner Kleidung, die Orte seines Glückes, die beste Richtung seiner Haustür, die Zeit seines Unglücks nach Jahren und den Konstellationen in den Monaten mitgeteilt. Die modernen Astrologen scheinen sich

466

über die Bedeutung und Wertung der Fixsterne im Horoskop nicht einig zu sein. Tiede erklärt in seinem Lexikon 46 ), wenn überhaupt, so kämen nur eine beschränkte Anzahl von Fixsternen in Betracht, deren Namen und Standorte nach den Graden des Tierkreises aufgeführt werden; es handelt sich hier um Paranatellonta (s. Sternbilder I). Bei Brandler-Pracht ist ausführlicher über den Fixsterneinfluß im Horoskop gehandelt und betont, daß die Fixsterneinflüsse heute viel geringer eingeschätzt würden als von den alten Astrologen 47). So sind z. B. nur bestimmte Aspekte, Häuser und nur bestimmte Fixsterne zugelassen. An der Wirkungsinterpretation nach planetarischen Naturen hält Brandler-Pracht fest; er bringt ebenfalls die Tabelle, aus der dieses zu ersehen ist. Libra rät von interpretatorischer Behandlung der Fixsterne ab; er leugnet übrigens, wenn den Fixsternen Einfluß eingeräumt wird, die Richtigkeit der Beschränkung auf die in der Nähe des Tierkreises liegenden Fixsterne, meint aber, daß deren Einflüsse sich unserem Wahrnehmungsvermögen entzögen. Das sei auch gar nicht so wesentlich, da man die 12 Zeichen und deren Unterteile (s. Sternbilder I) als zusammengesetzte Wirkung aller Fixsterne auffassen müsse 48 ). S. a. S t e r n b i l d e r I, S t e r n d e u t u n g .

2e ) Zu allem Fr. B o l l Antike Beobachtungen farbiger Sterne (Abh. Bay. Ak. 1918, phil.-hist. Kl. 3 0 , 1 ) S. 89 ft. « ) CCA V ι, 201, 23 ft. " ) CCA V ι, 215, 3. 1 5 usw. W. G u n d e l Neue astrol. Texte des Hermes Trismegistos (Abh. Bay. Ak. 1936, phil.-hist. Abt. Ν. F., Heft 1 2 ) p. 50 fi. 3 0 ) J u n c t i n u s beruft sich im Speculum astron. i. 240 a auf Georg v. Trapezunt, p. 237 a (Ausgabe Lugduni 1 5 7 3 ) auf Al-mansür, p. 238 b auf Abu'Ali usw. 3 l ) H. C a r d a n u s De iudictís geniturarum (Nürnberg 1547) p. 5 1 . 32 ) f. 237 fi. 3 ä ) f. 241 b. 3 4 ) f. 259' ff. 260' ff. 3S ) f. 237 b. 3«) f. 240 b. 3 ' ) f. 237' ff. 3») f. 247 b. S9 ) Ein schon allgemein im Altertum vorgebrachter Satz der Astrologen, um die Kunst 49 zu schützen, s. S t e r n d e u t u n g . ) Ihre arabischen Namen bei B. Dorn 3 arabische astronom. Instrumente 105. Ferner Ginzel (Klio I) Die astron. Kenntnisse der Babylon, u. ihre kulturhist. Bedeutung. Weiteres s. v . P l a n e t e n Sp.59. 4 I ) fol.26 recto cap.20 ff. der 42 Ausgabe von 1599. ) S. 59 ff. 4 3 ) s. o. zu Theophilos v. Edessa's Bearbeitung der Materialien des Astrologue von 379. 44 ) Ausgabe

467

Sternbilder—Sternomantie

von 1599 fol. 30 recto u. verso. 45 ) Vgl. F i r m i c u s M a t e r n u s V 1, 2ff. und die entsprechenden Materialien in den genannten Planetenbüchern. ") Astrolog. Lexikon s. v. Fixsterne p. 100 a. " ) Astrol. Bibliothek Bd. 1 S. 121 ff. 48 ) Aq. L i b r a Die Astrologie. Ihre Technik u. Ethik 167. Stegemann. Sternbilder s. Nachtrag. Sterndeutung s. Nachtrag. Sterne, Sternglaube, s, Nachtrag. Sternhyazinthe (Scilla bifolia). Zu den Liniengewächsen gehörige Frühlingspflanze mit blauen, sternförmigen Blüten. Man darf nicht daran riechen, sonst bekommt man Sommersprossen 1 ), ein Glaube, der sich an viele Frühlingsblumen (3, 160) knüpft. x ) N e i d h a r t Schwaben 56. Marzell. Sternomantie, Brustwahrsagung (gr. ατέρνον „ B r u s t " ) , I m Gegensatz zur Mehrzahl der gelehrten Divinationsbezeichnungen geht dieser Name auf die Antike zurück. Der Wortschatz der attischen Tragödie des 5. Jh.s enthält auffallend viele Bildungen auf -mantis „ W a h r s a g e r " , was sicher mit dem damals verbreiteten und in seinen Auswüchsen von der Komödie verspotteten Auftreten von Sehern zusammenhängt. Während die meisten dieser Bezeichnungen von allgemeinerer Natur sind (ζ. B . Theomantis, Orthomantis, Thymomantis, Pseudomantis) und die rein poetische Tendenz ihrer Bildung deutlich erkennen lassen, zeigen die des Oneiromantis „Traumwahrsager" und des Sternomantis *) eine gewisse technische Spezialisierung 2 ). A u s einigen dieser Bildungen auf -mantis hat die spätere Zeit Sonderbezeichnungen für die entsprechenden Wahrsagekünste auf -manteia entwickelt ; der Name S. begegnet, soweit feststellbar, zum ersten Male in dem aus verschiedenen Quellen zusammengeflossenen Divinationskapitel bei R a b e l a i s 3 ), der die S. unter den Künsten des Mr. Trippa nennt ; doch findet sie sich in den Schriften des A g r i p p a , der vermutlich unter jenem Namen verspottet wird, nirgends erwähnt. D a aus der Erwähnung bei S o p h o k l e s über die Bedeutung und Ausführung der S. nichts zu entnehmen ist, bleibt man

468

auf die Erklärungen der antiken Lexikographen angewiesen, die ausnahmslos die S. mit der Gastromantie (s. d.) gleichsetzen und sie als Bauchreden deuten, und zwar in dem Sinne, daß die Ausübenden einen weissagenden Dämon im Leibe haben oder — in betrügerischer Absicht — zu haben behaupten. Diese Erklärung ist von der späteren Divinationsliteratur übernommen worden, denen die S. deshalb nicht als harmlose G a u kelei, sondern als teuflische Wahrsagerei g i l t 4 ) . V o n den modernen Herausgebern des Sophoklesfragments s ), besonders von P e a r s o n , wird diese Erklärung übernommen, nur S t o l z will στέρνον im übertragenen Sinne = θυμός „ G e i s t , Verstand" deuten, wozu an sich der sophokleische Sprachgebrauch durchaus berechtigt; der Sternomantis wäre dann „ d e r Verkünder innerer Eingebungen", verwandt mit dem Thymomantis der Tragikersprache e ). Doch ist kaum anzunehmen, daß in einem Kompositum d a s Wort ατέρνον in dem immerhin seltenen geistigen Sinne verstanden werden konnte. l ) S o p h o k l e s Frgm. 56 bei N a u c k Trag. Graec. Fragm.2 (Leipzig 1889) 143; Frgm. 59 bei P e a r s o n Fragments of Soph, ι (Cambridge 1 1 9 7)> 37. entnommen aus P o l l u x Onomastikon 2, 162, vgl. Scholion zu P i a t o n Epist. go2b, 27; S u i d a s s. v.; P h o t i o s Epist. 64 p. 368; H e s y c h i o s 2, 107. 2 ) S t o l z Wiener Studien 26 (1904), 179 ff.; P f i s t e r ObdtZfVk. 7 (i933)f 45 f. 3 ) Gargantua 3, 25, dt. Ausg. v. Gelbcke i„ 399, vgl. a. 4, 58, dt. Ausg. 2, 177; G e r h a r d t Franz. Novelle i i o f . Weitere Erwähnungen bei B o i s s a r d u s De divinatione (Oppenheim 1615) 23; G a u l e Magastromancer (1652) bei B r a n d Popular Antiquities 3 (London 1849), 329; ( B o u h o u r s ) Remarques ou Reflexions (Amsterdam 1692) 116; F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 61 i t Die übrigen Divinationsspezialisten bringen nur das antike nomen agentis Sternomantis, z. B. P e u c e r De generibtis divinationutn (Wittenberg 1560) 105; C a m e r a r i u s De generibus divinationutn (Leipzig 1576) 4; De natura daemonum (Leipzig 1576) C t v ; D e l r i o Disquisitiones magicae lib. 4, cap. 2, qu. 6 (Mainz 1603) 2, 161 ; V a n D a l e Dissertationes de origine idololatriae (Amsterdam 1696) 649. 4 ) Vgl. B o i s s a r d u s a. a. O. Nur V a n D a l e berichtet nach E. D e n k i n s o n Delphi Phoenicissantes cap. 9 von dem bauchredenden Hofnarren Fanning (1643) und fügt hinzu „En sine Daemonio οτερνόμαντιν". 5 ) S. Anm. 1. ' ) A i s c h y los Persae 229. Boehm..

469

Sternschnuppe

Sternschnuppe. ι. B e g r i f f und Bezeichnungen. Die St.n, die, wissenschaftlich gesehen, zu den Meteoren (s. Meteor i) gehören, bezeichnen im Volksglauben die am Nachthimmel wahrgenommenen lautlos niederstürzenden Sternschwärme und sind von den Feuerkugeln zu trennen, mit denen das Volk die großen leuchtenden Meteorerscheinungen benennt. Infolgedessen deckt sich auch der an die St. angeschlossene Volksglauben nicht ganz mit dem der Meteoren. Außer St. begegnet man einigen anderen Bezeichnungen für den Vorgang des St. nfalls. Man spricht vom S ter ηschießen x ) oder - f a h r e n 2 ) , ferner vom Sternschneuzen 3 ). In Portugal wird der Fall der St. als Sternentanz bezeichnet4). In Bühl (Baden) wird derselbe Vorgang auch als ein Sternbutzet gedacht5). Aus dem noch mythologische Elemente enthaltenden Glauben, daß die St.n Drachen (s. Sp. 472 f.) seien, die sich vor Zeiten einmal auf Häusern niedergelassen hätten, erklärt sich der Name Heerbrand; früher führte man auf ihn die Brände ursächlich zurück, deren Entstehung man sich nicht erklären konnte (Bez. Minden)e). Der Ausdruck Laurentiustränen wird im besonderen von den St.nfällen des Monats August gebraucht. In dieser Zeit geht die Erde durch den Persidenschwarm, den Rest eines Kometen. Die Benennung erklärt sich aus dem Weinen des Himmels über das Martyrium des Laurentius am 10. August 258(7) (s.Laurentius Sp.931) 7 ). ») Meyer Baden 515. 2 ) Ebd. 516. 3 ) ZrhwVk. 1910, 66. 4 ) ZVfVk. 14 (1904), 225. s ) M e y e r Baden515. ·) ZrhwVk. 3 (1906), 208; vgl. Hüser Beiträge 2, 22 Nr. 69. 7 ) Dazu noch S e p p Sagen 18 Nr. 7.

2. Volksglaube. Sehr weit verbreitet ist die Anschauung, daß St.n dem Menschen Glück bringen 8). Der wohl bekannteste Volksglaube ist der, daß das, was man sich im Augenblick eines St.nfalls wünscht, in Erfüllung gehen wird 9). In Schlesien, der Oberpfalz und in Böhmen findet man dort einen Schatz, wo eine St. zur Erde fällt, was eher für das Meteor (s. d. Sp.220)

47»

stimmen dürfte 10). Man vergleiche das Märchen von den Sterntalern. Amüsant ist, daß man in Schlesien auch an den Fund eines Kuhfladens denkt u ). In Zeislitz bei Winterberg ist das „Fliegen" eines Sterns (=St.) das Zeichen für die Niederkunft einer Jungfrau, und zwar in dem Hause, über das die St. fliegt12). Sieht man eine St. vom Himmel fallen, so muß man dorthin eilen, wo sie niedergefallen ist, sie aufheben und sich damit das Haar bestreichen, dieses wächst dann gut 1 3 ). Auch hier ist zu beobachten, wie Vorstellungen vom Meteorfall sich nicht ganz scharf gegen die mit den St.n verbundenen abgrenzen lassen. In Italien versucht man, aus dem St.nfall in den 12 Nächten zu ermitteln, ob man in dem kommenden Jahr heiraten wird. Hat man Glück, eine St. fallen zu sehen, und denkt man während des Falles ohne zu sprechen ans Heiraten, so heiratet man unfehlbar im kommenden Jahr. Diese Beobachtungsmöglichkeit haben natürlich beide Geschlechter u ) . Dem gegenüber stehen die Unglücksprophezeiungen. Manche Gegenden sehen deshalb den Fall der St.n nicht gern 1S ). Die Gegend, nach der die St. gefallen ist, wird von Unglück und Mißgeschick heimgesucht1β). Für den Westböhmen in Karlsbad-Duppau bedeuten St.n Tränen " ) . In Illingen bei Rastatt erwartet man Krieg und Teuerung wie bei Kometen und Meteoren 18 ). Am verbreitetsten ist die Anschauung, daß ein Mensch stirbt 1β ). Sie geht wohl schon auf die Antike zurück (s. u.), wo sich vermutlich unter dem Einfluß der astrologischen Lehre vom Hauptplaneten des Menschen der Volksglaube vom Stern des Menschen entwickelt h a t t e d e r mit jedem verbunden ist und zur Erde fällt, wenn der betreffende Mensch stirbt. Christianisierte Erweiterung dürfte die damit zuweilen verbundene Mitteilung sein, daß gleichzeitig eine Seele zum Himmel aufsteige 21 ) oder, wie man auch sagt, daß beim Fall einer St. eine arme Seele erlöst sei 22 ). Daher begleitet man in Bärringen (Westböhmen) den St.nfall mit einem dreimaligen'Selig', weil man glaubt.

471

Sternschnuppe

damit eine arme Seele errettet zu haben 23 ). Im schwäbischen Schwarzwald muß man an seinen eignen baldigen Tod glauben, wenn man an einem Abend drei St.η fallen sieht 24). In Komotau in Böhmen bedeutet auch die Richtung des St.nfalls etwas; d o r t nämlich sterbe der Mensch 2S). Fallen viele St.η in der Nacht, so sagen die Hirten im romän. Harbachtale, in dieser Nacht seien viele Menschen gestorben 2β). öfters findet sich dabei (wie in der Antike) der Glaube an Beziehung zwischen einem g r o ß e n Menschen und dem St.nfall, doch dürfte hier Verwechslung mit dem Meteorfall vorliegen 27). In Oberungarn glaubt das Volk, daß man gelähmte Hände und Füße bekommt, wenn man einen Ort betritt, wo eine St. gefallen ist 28 ). Wichtige Vorhaben werden in Lippe durch St.n bedroht. Sieht ein Freier auf dem Wege zu seinem Mädchen eine St., so soll er nur getrost wieder umkehren, denn er wird kein Glück an diesem Abend mit seiner Absicht haben 29 ). Merkwürdig ist die Ansicht, daß der St.nfall einen Sünder 30) oder Lügner entlarvt 31) (Wildeshausen i. Oldenburg; Reichenbach i. Vogtland). Über meteorologische Prognose aus den St.n s. u. § 5. · ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 189. ») Z r h w V k . 1905, 206 ( N a h e t a l ) ; J o h n Westböhmen 234 (Hocho f e n ) ; S t r a c k e r j a n 1, i n ( J a d e ) ; D r e c h s l e r 2, 1 3 5 ; Stein a. R h . (mdl.); L a u b e Teplitz 5 3 ; P o l l i n g e r Landshut 168; U n o t h 1 , 1 8 1 (Schafih a u s e n ) ; J o h n Erzgebirge 249; E n g e l i e n u. L a h n 283 (Grünberg i. Schi.); M a n z Sarganserland 1 1 7 ; A n d r e e Braunschweig 404; S A V k . 7, 133 (Bern); K n o o p Hinterpommern 183; F o g e l Pennsylvania 81 N r . 295; B o l t e P o l i v k a 3, 284. 1 0 ) D r e c h s l e r 2, 1 3 5 ; W u t t k e 196 §264. u ) D r e c h s l e r 2 , 135. I S ) S c h r a m e k Böhmerwald 249. I 3 ) R o g a s F a m b l a t t 2 (1898), 6 1 . " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 1 7 5 . 1 5 ) Z r h w V k . 7 (1910), 66. l e ) G r o h m a n n 31 Nr. 1 7 1 ; S t o l l Zauberglauben 130. 1 7 ) J o h n Westböhmen 234. 1β) M e y e r l9) Baden 5 1 5 . H ö h n Tod 3 1 3 ; J o h n Westböhmen 234; A l e m a n n i a 33 (1905), 303 (Sandhausen); Manz Sargans 122; B a r t s c h Mecklenburg 2, 201 ( R ö b e l ) ; Z V f V k . I (1891). 2 1 8 ; Z f ö V k . 4 (1898), 1 5 1 ; Urquell 6 (1896), 8 A n m . 1. 2 0 ) G u n d e l Sterne u. Sternbilder 237 f. " ) Urquell 1 (1890), 9. 1 2 ) M e y e r Baden 5 1 6 ; D r e c h s l e r 2, 135. M ) J o h n Westböhmen 234. M ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 395. " ) G r o h m a n n 31 N r . 1 7 0 ; v g l . Z V f V k . 8

472

(1898), 290. 3 β ) Z V f V k . 22 (1912), 158. " ) W u t t k e 196 § 264; zu den a n t i k e n Vorstellungen s. G u n d e l bei P a u l y - W i s s o w a s. v . Sternschnuppen 2445, 29 ff. 2 e ) H o v o r k a u. 29) K r o n f e l d 2, 249. Z r h w V k . 1910, 66. 30 ) S t r a c k e r j a n 1, 19. 3l) K ö h l e r Voigtland 385.

3. D a s W e s e n der St.n im V o l k s g l a u b e n . Zwei ganz verschiedene Vorstellungskreise bestimmen die Anschauungen des Volkes über das Wesen der St.n. Der eine Kreis sieht in den St.n Gebilde dinglicher Natur, der andere lebendige Wesen. In Schwaben erklärt man den Sternschuß als verirrten Stern, der an seine Stelle zurückfahre 32 ). Für andere Gegenden gelten die St.n als die angekohlten Dochte, die beim Putzen der Sterne durch die Engel auf die Erde herabfallen (Westböhmen, Oberpfalz) 33 ). Der Goldnatur der Sterne entsprechend sind auch die Butzen als Edelmetall gedacht, woraus sich die oben erwähnte Vorstellung entwickelt hat, daß derjenige, der einen solchen Butzen findet, ein steinreicher Mann wird (Ertingen)34). Mit der weiter unten anzuführenden Ansicht, daß die St.n Seelen guter Menschen sind, wird die slovenische Anschauung zusammenhängen, nach der die am nächtlichen Himmel fallenden St.nschwärme fliegende Heiligen-Medaillons sein sollen 35). In der Oberpfalz erzählt man, daß früher überall Riesen gewohnt hätten. Eine Riesin daselbst kämmte sich mit der Mondsichel ihr Haar; die in der Luft flimmernden ausgekämmten Haarstäubchen erkannte das Volk in den St.n wieder 3e ). Ebendort geht die Sage um, nach der die St.n Tränen des Mondes um die verlorene Sonnenbraut und um den Verlust der irdischen Braut sind ; letztere ist das Mondmädchen, das in den Mond gezogen worden ist. Nicht minder verschiedene Quellen liegen den Erklärungen der zweiten Gruppe zugrunde, die in den St.n lebende Wesen meist übersinnlichen Charakters erkennen will. Ganz alt muß die Mecklenburger Sage sein 37 ), nach der eine St. ein Drache ist, der seinen Anhängern gern das anderswo gestohlene Gut, besonders Geld, bringt. Wer mit dem Drachen

473

Sternschnuppe

im Bündnis steht, über dessen Hause verschwindet er und läßt sich im Schornstein nieder. Eine Feuerkugel ist der mit reicher Beute beladene Drache. Man sagt von ihm dort und in Mecklenburg 'de Drak treckt' 38 ). Ihn zu verspotten ist gefährlich, denn dann beschert er einem eine furchtbar stinkende Masse. Oder er verbrennt das Haus, in das er hereinfuhr, wenn einer, der dies sah, dabei einen Pantoffel an den verkehrten Fuß zieht oder ein Rad an den Wagen verkehrt steckt. Denn das verwehrt dem Drachen die Flucht 3e). In christlichen Zeiten ward aus dem dämonischen Wesen (vgl. Meteor Sp. 223) der Teufel (Mecklenburg, Kleinrussen) ^j. Mit dieser Anschauung über die St.n als dämonischteuflisches Wesen hängt zweifellos der Glaube zusammen, daß man wie nach Blitz und Hagel auf St.n nicht mit dem Finger weisen und sie nicht beschreien soll bei Gefahr des eigenen baldigen Todes (Schwaben, Baden) 41 ). In Hessen hält man die St.n für die Gehilfen des bösen Feindes, die mit faulen Käsen werfen, wenn man sie ruft oder beschimpft *2). Neben der Bewertung als menschenfeindliche Wesen tritt die andere, daß die St.n Engel seien (Tirol) 43), die Gott als seine Boten absendet (Brütz, Mecklenburg) 44). In Oldenburg gelten sie als Seelen guter Menschen ; die der schlechten werden Irrlichter 4S ). Andere Gegenden halten sie indes für die Seelen, die ohne Absolution die Erde verlassen 4e ) oder arme Seelen, die aus der Hölle erlöst werden 4 ') 48). 32 )

M e i e r Schwaben 2, 506 Nr. 380. 3S ) J o h n Westböhmen 234 (Tachau); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 79 Nr. 2; B i r l i n g e r Volkst. 1, 190. 3 1 ) B i r l i n g e r a. a. O. 35 ) ZföVk. 4 (1898), 152. M ) S c h ö n w e r t h a. a. O. 2, 264 Nr. 2. 3') B a r t s c h Mecklenburg 2, 201 ; 1, 256 ( = Teufel). 38 ) A n d r e e Braunschweig 389. 3») G u n d e l Sterne u. Sternbilder 252; vgl. S c h ö n w e r t h a. a. O. I, 395; R a n k e Volkssagen 159 f. 40 ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 256; G u n d e l a. a. O. 251. 4 1 ) W u t t k e 13 § 11. « ) W o l f Hess. Sagen 137, 219; vgl. M a n n h a r d t Mythen 474,2. 4a ) H e y l Tirol 795 Nr. 213. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 201. 46 ) S t r a c k e r j a n 1, 221 Nr. 179; 2, 107. " ) ZfdMyth. 2 (1854), 418. 47 ) S. o. und G u n d e l Sterne u. Sternglauben 123. 43 ) Hierher gehört entfernt eine Vorstellung

474

der Nachfahren der aus der ostägyptischen Wüste ins Niltal eingewanderten Araber. Die Sternschnuppen, die man dort wohl für ein ausgelaufenes Auge hielt, bringen Blindheit des Auges (Η. A. W i n k l e r Bauern zwischenWasser und Wüste, Volkskundliches aus dem Dorfe Kimân in Oberägypten, 1934, 168 Nr. 10). Ein Beschwörungslied existiert, aber der Zusammenhang zwischen St. und Auge ist nicht mehr lebendig.

4. S c h u t z g e b e t e bei S t . n f a l l . Der Glaube an das Unheimliche, Menschenfeindliche im St.nfall ist zuweilen so ausgeprägt, daß man zu seinem eigenen Schutz sich des Gebetes oder auch einer Art Beschwörung bedient. Bei den Kleinrussen wehrt man dem Übel der St.n ( = Teufel) durch das Wort 'Amen', das man so lange spricht, bis der Stern erloschen ist. Dadurch stürzt dieser so viel Faden tief in die Erde ein, wie diese Bannformel gesprochen wurde. Der Ort des Niederfalls ist unschädlich. Ohne Sprechen der Formel stirbt der Mensch „ der auf die Einfallstelle tritt, an Schwindsucht. Von dem dreimaligen Sprechen des „Selig" war schon oben die Rede, es soll der armen erlösten Seele den Weg nach oben verschönern 4e ). Wohl auf den Glauben an den Tod eines Menschen wird es sich beziehen, wenn man bei St.nfall beten soll 80 ). Das ist alles christlich. Sicher heidnisch ist aber ein aus dem Bezirk Minden überliefertes. Feuerschutzgebet bei St.nfall. Um den Heerbrand wenigstens auf längere Zeit abzuwehren, griff der Bauer nach seinem Haupthaar und sagte dabei: „Heerbrand stoh! Seo vil Hoore, seo vil Johre" S1).. 4 ·) S. o. Anm. 23 und D ä h n h a r d t Naturt 0 ) G r i m m Mythol. sagen ι, 134. 2, 6o2_ " ) ZrhwVk. 1906, 208.

5. St.n in der M e t e o r o l o g i e u n d A s t r o l o g i e . In Mecklenburg kennt man zwei meteorologische Weissagungen. Wenn die St.n schießen ,so es gibt Unwetter ^ 2. Wo der Stern hinfallen tut, aus der Richtung kommt am anderen Tag der Wind 52 ). Diese Regeln sind selten, aber interessant ob ihres antiken Ursprungs., Denn hier wird genau dieselbe Aussage gemacht, was die Richtung des Windes, angeht; daneben steht noch die umgekehrte, daß der Wind in die Richtung;

475

Sternseher

des St.nfalls geht M ). Im sog. Centiloquium des Ptolemaios findet sich neben der zweiten Mecklenburger Regel auch die erste, wonach St.n von verschiedenen Seiten Stürme bringen, aber auch Trockenheit und Einfalle von Kriegsheeren M ). In der modernen und mittelalterlichen Astrologie sehe ich die St.n nicht verwendet ; auch das Altertum hat uns trotz •der verhältnismäßig reichhaltigen Literatur nur wenig Notizen erhalten, die St.n mit astrologischen Weissagungen verbinden, was doch wohl ein Beweis für die Seltenheit ihrer Auswertung darstellt. Bei Hephaistion v. Theben BS ) und bei Proklos se ) wird der St.n gedacht, und swar nur in der Universalhoroskopie. "Nach dem ersteren bedeutet eine St., die bei Mondfinsternis auf den Mond zuschießt, die Demütigung eines Tyrannen und Unordnung in seinem Hause; nach Proklos beziehen sich die hellen St.n auf erlesene Dinge, die dunkeln auf das Gegenteil. M)

Z V f V k . 5 (1895), 431. w ) Stellen bei G u n d e l b e i P a u l y - W i s s o w a s. v. S t e r n s c h n u p p e n 2444, 37 ft- M ) N r . 98, 99. 5 S ) H e p h . ι , 21, p. 82, 23 Engelbr. " ) CCA 5 1, 190, 2.

476

mahle bei einem reichen Stern trunken nach Hause wanken ®°) ; Platon vergleicht im Mythus vom Er die vom Himmel zu ihrer Inkarnation herabstürzenden Seelen, die ihr Schicksal im Himmel erhalten haben, mit den durcheinanderstürzenden Sternen β1 ). Dieses Bild hängt sicher mit dem griechischen Volksglauben zusammen, demgemäß die St.n aufsteigende oder fallende Menschen sind β2 ). Christlich-jüdische Kreise sehen in den St.n mit leichter Veränderung gefallene Engel oder Dämonen M ), wie der Mecklenburger in ihnen aus dem Himmel geworfene Seelen erkennt M ). Nach dem Testam. Salom. sind es Dämonen, die sich bald unter den Sternen, bald unter den Menschen aufhalten; wenn sie zur Erde fahren, erscheinen sie den Menschen als St.n e s ). Die Regel, daß St.nfall dem Menschen Glück kündet, war ebenso bekannt ··) wie diejenige, daß er den Tod eines Menschen bedeutet " ) . Ausführlicher handelt über den antiken St.nglauben Gundel s. v. Sternschnuppen in Pauly - Wissowa, Realencyklopaedie Sp. 2439 ff.

6. A n t i k e r V o l k s g l a u b e . Zusammenhänge der oben aufgezählten Vorstellungen mit dem antiken Volksglauben sind auch sonst zweifellos vorhanden. Wieweit Etliches davon auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeht, wird sich natürlich schwer sagen lassen.

w ) G u n d e l s. v. Sternschnuppen 2441, 16 ff. " ) Ebd. 2441, 45 ff. »·) G u n d e l Sterne u. Sternbildern. , 0 ) A r i s t . £>) T r e i c h e l Urquell N. F. 2, 29 (Ostpreußen). 2») B i r l i n g e r 30 Schwaben 1, 978. ) M a n z Sargans 126. 31 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 316. 3 a ) K u h n Westfalen 2, 148 Nr. 422. 3S ) S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 185 Nr. 425. M ) F o g e l a. a. O. 35 ) T a c i t u s Germania 39, dazu G r i m m Myth. ι, 57· s') Reginsmál V.24t ; G r i m m Myth. 2, 940. " ) Literatur bei Ogle, Am. Journ. of Philology 32, 251 ; P e a s e Univ. Illinois Studies in Language and Literature Vol. 8, 3 (1931). 486 zu C i c e r o de div. 2, 40, 84; F r a z e r Foik-Lore 1, 156. Zahlreiche Zeugnisse auch bei H y a t t Foik-Lore from Adams County Illinois (New York 1935), s. Register unter „stumbling". Für die Mehrzahl der hier aufgeführten Einzelmeinungen lassen sich Entsprechungen aus dem deutschen Aberglauben beibringen, was sich aus dem starken deutschen Einschlag der Bevölkerung erklärt. Anderseits führt deren bunte Mischung zu zahlreichen Widersprüchen in der Deutung. Bezeichnend ist, daß das von

497

Stolz—Storch

H y a t t eingesammelte Material zu einem guten Teil nicht vom Lande, sondern aus einer Mittelstadt (Quincy) stammt. Einige Besonderheiten seien angeführt. Nr. 6949/50: Treppe aufwärts ungünstig. 8138: S. über einen Besenstiel günstig. 8333 : Nach dem S. muß man die Hände falten, bis man jemandem begegnet; andernfalls gibt es bald einen Todesfall in der Familie. 8336: Wenn man über einen Stein gestolpert ist, muß man zurückgehen und ihn aus dem Wege stoßen. 10145: Wenn jemand mit ausgestreckten Füßen dasitzt und ein anderer darüber stolpert, so wird jener nicht mehr lange leben. 38 ) T r u m b u l l The threshold covenant 3 i ) Beispiele bei (New York 1896). Ogle a. a. O., vgl. H o p f n e r bei P a u l y - W i s s o w a 14, 1279. 1282; B o e h m ZfVk. 25, 26. Das angebliche pythagoreische Symbol ,,Pede in limine illiso retrocedendum" ist eine Humanistenfälschung, s. B o e h m Die Schrift des Giraldi über die Symbole des Pythagoras, Progr. Berlin 1913. 40) S. o. Anm. 15. 4 l ) De doctr. Christ. 2, 20: redire ad domum si procedens offenderli; K l a p p e r MschlesVk. 21, 85; B o e h m ZfVk. 25, 26. Der Jesuit D e l r i o Disqu. mag. lib. 3, p. 2, q. 4, Ausg. Mainz 1603, 2, 91 tritt mindestens für eine strenge Beurteilung dieses Aberglaubens ein, der Protestant P e u c e r Comm. de praecip. generibus divinationum (Leipzig 1576) 40 zählt ihn zu den „diabolicae divinationes". 42 ) Bei B e n e d i c t u s v. M a s s i l i a , angeführt von K l a p p e r a. a. O., erscheint das S. als „idolatria de initiis et ini43 ) G r i m m Myth. tialibus rebus". 2, 932; M a n n h a r d t Germanische Mythen 624; B r a n d l in seiner Ausgabe von S h a k e s p e a r e Richard III. zur 4. Szene des 3. Aktes; H o w e y The horse in Magic and Myth (London 1923) 12; J ä h n s Roß und Reiter 1 (1872), 424 (Napoleon I., Mungo Park); T a l v j Volkslieder der Serben 2 ι (Halle-Leipzig 1835), 240 (Marco Kraljevic). " ) E r k - B ö h m e 1, 341 Nr. 95; 2, 256 Nr. 436 a ; K o p p Untersuchungen über das Antwerpener Liederbuch (Antwerpen 1929) 105. 230. Auch des Ulingers ( E r k - B ö h m e 1, 118 f.) ,.pferdlein das tet straucheln wol über ein haselstauden", s. U h l a n d Volkslieder 74 b 8 . In schlesischen Lesarten des Deutschen Volkslied-Archivs zu der Ballade vom Ritter und der Magd ( E r k B ö h m e I, 3 9 5 N r . n o ) ist das Motiv gleichfalls verwendet (nach freundlicher Mitteilung von H. S c h e w e , vgl. dessen Abhandlung Die Ballade „Es spielt ein Ritter mit einer Magd" 45 ) B u r k a r d Diss. Berlin 1917). Waldis Esopus 4, 59; Z i n c g r e f Apophthegmata (Straßburg 1639) 330. Boehm.

Stolz. Dem Volke ist ein stolzer Mann ein hochmütiger Mann, der also verlangt, daß sich andere Menschen gegen ihn gering einschätzen. Für das berechtigte Selbstgefühl, das im St. liegt, hat das Volk den Ausdruck : Er ist ein vürnehmer Mann. Doch versteht das Volk auch die

498

kalte Berechnung, die den Vornehmen eigen sein kann, richtig einzuschätzen. Das beweisen u. a. die vielen Märchen, die von Prinzessinnen erzählen, denen kein Freier gut genug war. Ergötzlich wird die Hoffart und ihre Strafe gezeichnet in dem derben, plattdeutschen Märchen: De Fischer un sineFru (KHM. Nr. 1 9 ) 1 ) . Hoffärtig und eingebildet können sich nach der Sage nicht nur Menschen gebärden, sondern auch Tiere und Pflanzen 2 ). Die Eichen eines Waldes verflucht die Fee Agarise klein zu bleiben: „Sie haben sich nicht vor ihr geneigt, wie sonst Tiere und Pflanzen" 8 ). — L ä ß t man das Kind unter einem Jahre in einen Spiegel schauen, so wird es st. 4 ). !) B o l t e - P o l i v k a 1, 138. ») S é b i l l o t FolkLore 4, 472. s ) Ebd. ι , 255. 4 ) G r i m m Myth. 3, 435 Nr. 29. f Boette.

stolzer Heinrich s. g u t e r H e i n r i c h . Stör (Acipenser sturio L.). Anatomisches und Biologisches, ohne Entsprechungen im heutigen Aberglauben, bringen A l b e r t u s M a g n u s 1 ) und K o n r a d v o n M e g e n b e r g 2 ), teilweise auf Plinius zurückgehend. Ebenso G e s n e r 3 ). G r a s s e 4) erzählt eine S a g e von zwei St.en, die in einer Hungersnot beim Kloster Grobe erschienen seien. Der eine wurde gefangen, der andere holte wiederum einen zweiten, und so ging es weiter, bis die gierigen Mönche einmal beide St.e fingen. Hierauf erschien keiner mehr. 1) De Anim. ed. Stadler 24, 51. *) Buch der Natur ed. Pfeifler 256 f. 3 ) Fischbuch 1563 fol. 4 185 ff. ) Preußen 2, 509. s. a. H a u s e n 3, 1567. Hoffmann-Krayer.

Storch. ι . Neben der Benennung St. (ahd. s t o r a h , mhd. s t o r c h , s t o r k ) begegnet in den niederdeutschen Gebieten der Name A d e b a r (ahd. o d o b ë r o , mhd. o d e b a r , mndd. o d e v a r e — als „Glücksbringer" gedeutet) in vielen Varianten 1 ). 1) K l u g e Adebar.

Etymol.

Wb. s. v.

Storch

und

2. B i o l o g i s c h e s . Die zärtliche Liebe des St.es zu seinen Jungen wurde schon im Altertum gerühmt 2 ). Nach Megenberg reißen sich die St.e die eigenen Federn aus und legen sie beim Brüten in das Nest, damit die Jungen weich sitzen.

499

500

Storch

Umgekehrt hegen auch die jungen St.e große Zuneigung zu ihren Müttern. Wenn er auch Schlangen und andere giftige Dinge frißt, geht er doch nicht daran zugrunde. Wenn sie sich vor ihrer Abreise im Herbst versammelt haben, töten sie den, der zuletzt angekommen ist 3 ), nach schwäbischem Volksglauben ein überzähliges Männchen oder Weibchen 4 ), dann fliegen sie davon. — Sie töten ihre Weibchen, wenn sie die Ehe gebrochen und nach ihrem Vergehen sich nicht im Wasser gereinigt haben 5 ). Auch nach schwäbischem Volksglauben strafen die St.e eheliche Untreue mit dem Tode e ). Dem Besitzer des Hauses wirft er aus Dankbarkeit ein Junges herunter oder im ersten Jahr eine Feder, im zweiten ein Ei, im dritten ein Junges 7 ). Der St. hat nach dem Volksglauben keine Zunge, deshalb klappert er bloß. *) R a d e r m a c h e r Beiträge50.138. 3 ) W u t t k e § 158; schon bei P l i n i u s X 62. 4 ) Meier Schwaben ι, 219. *) M e g e n b e r g Buch der Natur 145 f. ·) B i r l i n g e r Volkst. 1, 1 1 8 f. ' ) ZfdMyth. 3, 176; B i r l i n g e r Schwaben 1, 483; Meier Schwaben 1, 219; Rogasener Familienblatt 5 (1901), 8; D r e c h s l e r 2, 226; S t r a c k e r j a n 2, 160 Nr. 3 9 1 ; A n d r e e Braunschweig 466.

3. V e r e h r u n g . Der St. gilt als heiliges Tier und als Bote des Frühlings. Wie sein Name Adebar besagt, bringt er dem Hause, auf dem er nistet, Glück, es bleibt vor Blitz und Feuer bewahrt (allgemein). Um ihm den Nestbau zu erleichtern, legt man ihm ein Wagenrad auf das Dach und beginnt wohl selbst mit dem Nestbau 8 ). Wer ihm ein Junges raubt, ihn verletzt oder gar tötet, den trifft ein Unglück 9 ). Wenn der St. angeschossen wird, weint er große Tränen, die Unglück verkünden 10 ). Sein Klappern hielt man in Oldenburg früher für ein Gebet u ) . Ganz vereinzelt ist der Glaube, daß der Blitz in ein Haus einschlage, auf dem ein St. nistet 1 2 ). In Hessen meint man, daß der St. Feuer löschen helfe, indem er Wasser im Schnabel herbeitrage 13 ). Wer ihm aber ein Junges raubt, dem steckt er das Haus mittelst einer vom Herde geholten glühenden Kohle in Brand M ). Als F r ü h l i n g s b o t e wird er durch Willkommrufe und Lieder freudig be-

grüßt. E r kommt zu Petri Stuhlfeier, welcher Tag in Haslach a. d. Kinzig St .en t a g heißt: ein vermummter St.vater zieht, von Kindern begleitet, von Haus zu Haus, um das Ungeziefer zu verjagen 1B ). Wenn St. Peter geht zu Stuhl, sucht der St. nach dem Pfuhl

oder

Am St. Peterstag sucht der St. sein Nest Und kommt von Schwalben der Rest 1 ·).

In Franken erwartet man den St. am Gertrudstag, i7.März"). Zu Ohlau in Schlesien ruft man ihm bei der ersten Begegnung zu : Grimmarsch, Kratzarsch 1 Haben nichts im Täschl, möchten gern a Gröschl 18 ),

in der Schweiz: Storä, Storäheini mit de langä Beinil O där schmökt schoo wyt öüsri Früöhligszyt 1 ·).

Wer den St. schön willkommen heißt, den schmerzt nach altem Wiener Aberglauben das ganze Jahr kein Zahn M ). Im Badischen pflegte der Vogt denjenigen mit einem Laib Brot zu belohnen, der ihm die Ankunft des ersten St.es meldete 2 1 ). Im Braunschweigischen erschallt der Ruf : „de h e i l e b a r t is we'er d a " . Nach ihm nennt man den letzten Schnee den H e i l e b a r t s c h n e e 22 ) und die Regenschauer des April um Eldena nach dem St. H a n n o t t e - S c h u r n 2 3 ) . Damit man reich wird, soll man im Frühjahr bei der Begegnung des ersten St.es mit dem Gelde klingeln 24 ).

8 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 169; S t r a c k e r j a n 2, 160 Nr. 391; ZfVk. 4, 83; A n d r e e 9 Braunschweig 466. ) S t r a c k e r j a n 26; B a r t s c h Mecklenburg 2, 168; Meier Schwaben ι, 219; H o v o r k a - ^ i r o n f e l d 1, 404; B i r l i n ger Schwaben 1, 4 1 1 ; B i r l i n g e r Volkst. i . 1 1 9 ; ZAVk. 8, 301; Urquell 3, 273; R o c h holz Schweizersagen 2, 42; Grohmann 64. 10 ) Hovorka-Kronfeld 1, 404: Rügen. u ) S t r a c k e r j a n 2, 160 Nr. 391. l s ) B a r t s c h 13 Mecklenburg 2, 169. ) W u t t k e § 158. " ) W u t t k e § 158. " ) M e y e r Baden 79. 17 » ) A l b e r s Das Jahr 98. ) Bay. Hefte 4, 254. " ) D r e c h s l e r 2, 226 f. » ) SAVk. 8, 300. 20 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 1 5 1 . 2 1 ) M e y e r 22 Baden 12. ) A n d r e e Braunschweig 466. îs ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 170. 24 ) Rogas. Famblatt 5, 8.

4. Allgemein erzählt man den Kindern, daß der St. die Kinder aus dem Brunnen oder einem nahen Gewässer bringe und die

501

Storch

Mutter ins Bein beiße, so daß sie das Bett hüten müsse (s. ο. 1 , 1 0 1 0 ) . Den erwachsenen Kinder bringt er eine Düte mit Zuckerwerk mit. In Böhmen holt er bisweilen die Kinder unter einem großen Felsen hervor25). Die artigen Knaben bringt er auf dem Rücken, die bösen im Schnabel2β). Wer den St. verstümmelt hat, dem bringt er Kinder mit analogen Gebrechen 27 ). Auf Rügen glaubt man, daß das Schicksal des Hauses bezüglich des Kindersegens eng mit dem des St.es verknüpft sei: wenn er keine Eier legt, so werden in dem Hause auch keine Kinder geboren, und wenn seine Jungen sterben, so sterben auch die Kinder 28 ). Um Kindersegen zu erlangen, legt man ein Kinderbett ins Fenster, wenn der St. über das Haus fliegt29). Wünscht man aber keine Kinder mehr, dann ruft man ihm zu: Heilebart, du Langbein, Lat dik nu nich wedder sein 30 ).

Dieser heute so verbreitete Glaube, daß der St. die Kinder bringe, ist verhältnismäßig jung, der Antike war er jedenfalls unbekannt 31 ). Keller 32 ) ist überzeugt, daß dieser Glaube mit dem Volksglauben zusammenhänge, nach dem die Kinder aus dem Kinderbrunnen kommen. Er hält es in diesem Zusammenhang für bedeutsam, daß ital. c i g o g n a , franz. soignole auch „Brunnenschwengel" bedeutet 33 ). Wolf hingegen meint, daß der St. von altersher mit diesem Glauben verknüpft gewesen sei, „er muß ein der Göttin der Brunnen und Teiche heiliger Vogel gewesen sein". Möglicherweise hat auch der Glaube mitgewirkt, daß die Seelen der Verstorbenen im Wasser fortleben 35 ). Auf Beziehungen des St.s zur Ehe weist auch der Glaube, daß er das Haus verläßt, in dem Unfrieden herrscht 3e ). " ) G r o h m a n n 105; S c h r a m e k Böhmerwald 180. M ) J o h n Erzgebirge 48. 2 7 ) W u t t k e § 1 5 8 ; R o c h h o l z Schweizersagen 2, 41. je ) W u t t k e § 158. 2») D r e c h s l e r 2, 226. 31 * ) A n d r e e Braunschweig 286. ) Meyer sa Aberglaube 78. ) Antike Tierwelt 2, 193 f. M ) K e l l e r Antike Tierwelt 2, 197. 3 4 ) Beitr. 1, 165. » ) W u t t k e Sachs. Volksk. 3 3 1 ; W u t t k e § 60. a«) W u t t k e § 158; H o v o r k a - K r o n feld ι, 404.

5. Besonders in Norddeutschland ist die Meinung verbreitet, daß die St.e v e r -

502

w a n d e l t e Menschen seien. Dieser Glaube begegnet schon in der Antike: Alexander aus Myndos (1. J h . n. Chr.) sagt in seinem Werk „Über die Tiere", daß die St.e, die ein Leben voll Kindesliebe hinter sich haben, in ihrem Alter zu den Inseln der Seligen ziehen; hier vertauschen sie die Vogelgestalt mit der menschlichen zum Lohn für ihre Liebe zu den Eltern 87). Im Mittelalter spricht Gervasius von Tilbury (Otia imperialia I I I 73) von einem pferdeköpfigen im Nilland wohnenden Volk: „hi homines certis temporibus in ciconias t r a n s f o r m a n t u r et a p u d nos quotannis foetum faciunt". Mehrere deutsche und auch ein neugriechisches Märchen berichten, daß die St.e im Herbst in ein fernes Land ziehen, wo sie den Winter über als Menschen leben ·*). Auch bei Arabern (vgl. Kalif St.) und Marokkanern ist dieser Glaube bezeugt w ) . Vgl. auch das Märchen von dem Manne, den Gott in einen St. verwandelte, damit er die Schlangen, Frösche und Würmer besser fangen könne, die ihm aus dem ihm zur Bewachung anvertrauten Sack entschlüpft waren In Oldenburg hält man die Versammlungen der St.e für Versammlungen von Freimaurern tt). Daß sich eine Hexe nicht in einen St. verwandeln kann, spricht für dessen Heiligkeit **). „Wenn der St. eine Zunge hätte, so würde er reden und dann tat er Land und Leute verraten, weil er alles sieht und hört. Wo indes etwas Besonderes vorgeht, da gibt er noch immer ein Zeichen, indem er klappert" 43 ). " ) G. K n a a c k in ZfVk. 14 (1904), 1 1 8 ; K e l l e r Antike Tierwelt 2, 196. G. K n a a c k 1. c., wo weitere Lit.; M e y e r Aberglaube 76; W o l f Beitr. i, 166; S t r a c k e r j a n 2, 163. 1 6 1 ; K n o o p Hinterpommern 1 3 7 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 176; W u t t k e § 158, wo Lit.; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 403; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 44. Vgl. auch Ρ i c a η d e r s neu herausg. Gei. V S. 6, Leipzig 1 7 5 1 ; MschlVk. 12, 70. »») K n o r t z Vögel 74; W u t t k e § 158. » ) Urquell 3 (1892), 18. 4 1 ) K u h n u. S c h w a r t z 400 Nr. 1 1 6 ; M e y e r Aberglaube 76; MschlVk. 12, 70. 4a ) S t r a c k e r j a n 2, 161 Nr. 391. ω ) Meier Schwaben 1, 218.

6. Der St. in der Mantik. Wichtige Schlüsse zieht man aus dem Verhalten

503

Storch

und dem Aussehen des e r s t e n St.es {Frühlingsbeginn) für das kommende Jahr: Wenn ihn ein Mädchen fliegend sieht, so wird sie fleißig, wenn klappernd, so wird sie viel Geschirr zerbrechen, wenn stehend, so wird sie faul 4 4 ). Im allgemeinen bedeutet es Glück, wenn man den ersten St. im Fluge sieht 45 ), vielfach eine Reise 4e ). In der Altmark kündet ein fliegender St. einem Mädchen, daß sie auf den Brautwagen kommen wird, ein stehender aber, daß sie zu Gevatter gebeten werden wird 4 7 ). Unglück bedeutet es, wenn man den ersten St. auf dem Felde stehend 48) oder auf dem Neste sieht 4e ). Fliegt er einem entgegen, so weht er Schlaf in die Augen, und man wird das ganze Jahr hindurch sehr schläfrig sein 60 ). Hat man beim Anblick des ersten St.s Geld in der Tasche, so wird man das ganze Jahr keinen Mangel daran haben S1 ). Ein weißer St. kündet ein trockenes Jahr, ein schwärzlicher oder schmutziger ein nasses 52 ). Kommt der St. spät, so gibt es ein schlechtes Jahr 53 ). Sieht man den ersten St. sich putzen, so muß man in demselben Jahre sterben oder man wird krank S4 ). — Auf eine H o c h z e i t schließt man, wenn sich ein St.enpaar auf einem Hause niederläßt 6S ), wenn sie über einem Hause kreisen 58 ) oder wenn sie auf dem rückwärtigen Teil des Hauses nisten, während das Nisten vorn auf dem Hause auf einen Todesfall deutet 5 7 ). Wenn er in den Schornstein hineinguckt, bringt er eine Braut oder holt eine Leiche 58 ). Bevorstehenden K i n d e r s e g e n verrät es, wenn der St. über ein Haus fliegt59). Nistet er auf dem Hause eines jüngst getrauten Ehepaares, so bekommt dieses so viel Kinder als er Junge hat M ). Fliegt er übers Haus, während die Wöchnerin noch im Bette liegt, so gibt es übers Jahr wiederum Familienzuwachs β1 ). Wenn der St. vorn auf dem Hause auf einem Beine steht und ganz traurig aussieht, dann wird einer im Hause krank, steht er so hinten auf dem Hause, so stirbt einer M ). Fliegen St.e im Kreise über einem Haufen Menschen, so stirbt bald einer von ihnen es ). Wenn der St. eine Feder aus dem Neste wirft, bringt es Glück. Wenn er ein E i

504

auswirft, ist es bedenklich; wenn er aber in einem Jahr ein E i und im nächsten ein Junges auswirft, bringt es sicher Unglück M ). Überträgt der St. sein Nest auf ein neues Haus, so bedeutet das, daß das alte Haus durch F e u e r zugrunde gehen wird 6 5 ). Attila schloß aus dem Abziehen der St.e von dem belagerten Ravenna auf den Untergang der Stadt ββ). Erwähnt sei hier der schwäbische Glaube, daß die St.e das Nest verlassen, wenn ein Jude ins Haus einzieht e7 ). In Böhmen fürchtet man, daß ein Haus abbrennen werde, wenn sich ein St. auf das Dach desselben setzt oder wenn zwölf St.e zwölfmal über ein Haus fliegen. Ebenda glaubt man, daß es irgendwo gebrannt habe, wenn St.e in gerader Richtung fliegen ββ). K r i e g steht bevor, wenn die St.e ihre Nester verlassen und auf Feldbäumen übernachten 69 ) oder Kämpfe in der Luft aufführen. In Thüringen sollen sich die St.e vor dem Bauernkrieg des J . 1 5 2 5 herumgebissen haben w ). Auch auf das W e t t e r zieht man aus dem Verhalten des St.s wertvolle Schlüsse (s. auch oben über weiße und schmutzige St.e). Wenn er zu Frühjahrsbeginn viel klappert, so steht ein warmer Frühling bevor; wenn er die Jungen im Neste mit Moos und anderen Dingen bedeckt, kommt bald Regen 7 1 ). Unwetter zeigt der St. an, wenn er mit beiden Beinen im Neste steht, die Federn sträubt und den Schnabel in die Brustfedern steckt. Wohin er den gesenkten Kopf richtet, von dorther droht das Unwetter 72 ). Auf Wind deutet es, wenn der St. im Sommer Rasen zum Neste trägt (Hopf 172). Ziehen die St.e zeitig fort, dann steht ein zeitiger Winter und ein zeitiger Frühling bevor ; ziehen sie spät fort, dann werden sich Winter und Frühling verspäten 73 ). In der Schweiz hat die Gegend Obstsegen zu erwarten, wo sich St.e niederlassen 74 ). u ) E n g e l i e n u. L a h n 278; Bartsch Mecklenburg 2, 169; W o l f Beitr. 1, 232. 4 5 ) A n dree Braunschweig 401; S t r a c k e r j a n 1, 25; B a r t s c h Mecklenburg 2, 168 f. 4e ) S t r a c k e r j a n I, 2 5 ; B a r t s c h 1 169; ZfdMyth. 3, 176; Rogas. Famblatt 1 (1897), 40. 4 7 ) W o l f Beitr. ι, 165 f. 4e ) W u t t k e § 279. 4») RogasM Famblatt 1 (1894), 40. ) Knoop

505

Storch

sl Hinterpommern 173. ) B a r t s c h 2, 169. 62 ) E b d . 2, 169f.; M e y e r Baden 4 2 1 ; K n o o p Hinterpommern 174; S t r a c k e r j a n 1, 26; ZfVk. 10 (1900), 210; 14 (1914), 61. 53 ) S t r a c k e r j a n 1, 26. M ) E b d . 1, M ) W u t t k e § 279: Böhmen. " ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 152. " ) S t r a c k e r j a n ι, 25. » ) ZfVk. 23 (1913), 280. » Wuttke § 279. 60 S t r a c k e r j a n 1, 25. " ) A n d r é e Braun62 ,3 schmeigz88. ) S t r a c k e r j a n 1, 26. )Wuttke § 279: Altmark. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 5 170. * ) S t r a c k e r j a n 1, 25; SAVk. 12 (1908), 150: Baselland. , e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 168f.; H o p f Tierorakel 172. Die Erzählung geht zurück auf A e n e a s S y l v i u s , Lib. II Epist. " ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 104. ,8 ) G r o h m a n n 64. '*) SAVk. 2, 222; 70 19, 209. ) Meyer Aberglaube 137. 71 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 170. '•) H o p f 73 Tierorakel 171. ) SAVk. 12 (1908), 18; G e s e m a n n Regenzauber 89; M e y e r Germ. Myth. 110. 74 ) R o t h e n b a c h 37 Nr. 320.

7. Volksmedizinisches. Da der St. giftige Schlangen und Kröten verzehrt, gilt er als Bewahrer eines antidämonischen Gegengifts 75). Wer S t . b l u t trinkt, erzielt ein langes und gesundes Leben 76 ). Pulver vom F l e i s c h e des St.es ist gut gegen Podagra 76a), Schwindel " ) , Augenleiden und Rheuma 78). Junge St.e sollen jene Kranken essen, die der Schlag gerührt hat, so daß sie gelähmt sind; auch Einreibungen mit St.fett helfen ihnen 7e). Das F e t t ist auch heilsam gegen Gicht 80 ), Halsleiden 81 ), Lungensucht82), es erleichtert das Gebären 83 ) und entfernt jeglichen Zauber 84 ). Gegen Epilepsie wird der Genuß der L e b e r 85), des Herzens 8e), ja auch des K o t s 8 7 ) empfohlen. Die Galle verwendet man bei Augenleiden88), die E i n g e w e i d e genießt man gegen Darmgicht und Nierenschmerzen 89 ), auch der St.enmagen „ist für allerlei Gift dienstlich"90). Podagra und Zipperlein heilt man dadurch, daß man Sehnen des St.es an den kranken Fuß bindet 91 ). Der St. gehört auch zu den Tieren, die das böse Auge angreifen 92 ). Man findet sie schon auf römischen Grabsteinen neben dem Gorgoneion, um dessen Wirken zu verstärken 93). In einem Zauberspruch zur Vertreibung des Fiebers ist der „St. ohne Zung" genannt: Ein Vogel ohne Lung', Ein Storch ohne Zung', Eine Taube ohne Gall', So vertreibe ich die Fieber all* 4 ).

506

" ) H ö f l e r Organotherapie 136; H ö h n Volksheilkunde ι, 85. " ) G r o h m a n n Aberglaube 64; J ü h l i n g Tiere 238; S e l i g m a n n Blick 2, 1 3 3 . 78a ) S t a r i c i u s 448. ' 7 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 197. 7 8 ) J ü h l i n g Tiere 237. '·) D r e c h s l e r 2, M 226. ) J ü h l i n g Tiere 238; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 403. 8 1 ) H ö h n Volksheilkunde 1,85. 8a 8S ) J ü h l i n g 238. ) D r e c h s l e r 2, 226. M ) Urquell 3, (1892), 273. ω ) J ü h l i n g 238; H ö f l e r Organotherapie 185 f. M ) J ü h l i n g 238; H ö f l e r 258; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 212. 87 ) J ü h l i n g 238. 88 ) H ö f 1er Organotherapie 221. 8 ») J ü h l i n g 238. ®°) Ebd. M ) Ebd. »2) S e l i g m a n n Blick 2, 152. , s ) S e l i g m a n n 2, 133. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 396.

8. Als K i n d e r b r i n g e r wird der St. besonders von den Kindern angerufen: Storch, Storch, guter. Bring mir 'n Bruder, Storch, Storch, bester, Bring mir e Schwester").

Denselben Ruf kennen die Banater Schwaben 9e). Adboar Ause, bring mi ne Brause, Adboar Este, bring mi ne Schwester, Adboar Ut, bring mi ne Brut *7). Äbär ester (ouder) bring mi 'η lütte(n) swester (brouder) will ok flitig wëigen, will di nich bedrëigen >8).

Anderswo wird er um eine Gabe gebeten: Storch, Storch, Steiner Mit den langen Beiner, Flieg wohl in des Bäckers Haus, Hol mir en warmen Wecken heraus

M

).

Store- Store- Stigelibei, setz mi ûf ne Hauestei, setz mi ûf nes Stüehli, mach me schöni Schüehli mit schöne Ringgli und Mäsche, oder i gib der ä Täsche 1 0 0 ).

In Schlesien wird er gebeten, durch sein Fliegen einen schützenden Kreis um den Ort zu ziehen: Sturch, Sturch, Steiner, Mach a Raod Um die ganze putsche Stâdt Mir ês, dir ês. An dam pulsche Juden gar kês 1 0 1 ).

Als zweiter Vers ist wohl zu ergänzen: „Mit die langen Beiner". Auch als Edelmann mit roten Strümpfen wird er besungen: Störk, Störk, Stast dar up Hest de rode Gast ja as'n

Langebeen, dien enne Been, Strümpen an, Edelmann 1 0 ').

In vielen Sagen kommt die Dankbarkeit des St.es für erwiesene Wohltaten zum Ausdruck 103 ).

507

508

Storchschnabel

Die Tötung seiner Jungen rächt er durch Brandlegung 104), Ehebruch seines Weibchens straft er mit dem Tode 1 0 5 ). Auf seinem Rücken trägt er einen Riesen aus der Gefangenschaft 1 0 e ) oder einen König ins goldene Schloß 1 0 7 ). Viele Sagen berichten von Fällen ganz besonderer St.Verehrung 108 ). Über Sagen von St.en, die im Winter als Menschen im Süden leben, s. oben § 5. Über St.rätsel s. Urquell 4 (1893), 2 5 0 ! ; K n o r t z Vögel 82. 95 ) M e y e r Baden 12. ββ ) Κ. B e l l , Das Deutschtum im rumänischen Banat, Dresden 1926, S. 132. ") K n o o p Hinlerpommern 174. s 8 ) ZfdMyth. 9») W o s s i d l o 3, 176: Stade. 10 °) Z f V k . Mecklenburg 2, 176; Z f V k . 13, 91. 1894, 300: Aargau. 1 0 1 ) D r e c h s l e r 2, 226: 102 ) Urquell 2, (1891), 106. Riebnig bei Brieg. Andere Varianten der aufgezählten Kinderreime bei K n o r t z Vögel 79 f.; K u h n u. S c h w a r t z 452; W o l f Beitr. 2, 434; M e i e r Kindersprüche 29. 1 0 3 ) E n g e l i e n u. L a h n 1, 94; W o l f Beitr. 1, 167; 2, 434; S t r a c k e r j a n 2, 101 Nr. 391; K n o r t z Vögel 72. 74. 77; R o c h h o l z Schweizersagen 2, 40 f. 1 M ) W o l f Beitr. 2, l0S ) W o l f 1M) 4352, 435. Birlinger 107 ) W o l f 2, 434. loe) M e i e r Volkst. ι , 364. Schwaben 2, 366: Ganslosen; Rochholz Schweizersagen 2, 38 f.

9. Ein als St. verkleideter Bursche erscheint hie und da als Teilnehmer bei W e i h n a c h t s u m z ü g e n . Er bedeckt sich mit einem weißen Leintuch, eine unter das Tuch schräg über den Kopf nach vorn geschobene Stange bildet den Hals und ein zum Binden der Garben verwendeter Knebel den Schnabel. Berührt er eine Frau oder ein Mädchen, so gilt das als ein Vorzeichen des Familienzuwachses 109 ). — Bei den Wenden geht ein in ähnlicher Weise ausgestatteter St. an einem Abend vor Fastnacht durch die Spinnstuben 110 ). 10») Z f V k . 6 (1896), 429: Gegend Roßlau; K n o o p Hinterpommern 177; H ö f l e r Weihnacht 7 ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 49. l l ° ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 140. Schneeweis.

Storchschnabel (Geranium-Arten). I. B o t a n i s c h e s . Pflanzen mit meist rotgefärbten Blüten und fiederig oder handförmig eingeschnittenen Blättern. Der Name St. geht auf die Form der Früchte. Eine der häufigsten wildwachsenden Arten ist der stinkende St. (Ruprechtskraut; G. Robertianum), der an feuchten, schat-

tigen Orten fast überall anzutreffen i s t 1 ) . Die als „Geranien" bezeichneten Zimmerpflanzen gehören der (meist aus Südafrika stammenden) verwandten Gattung Pelargonium an. l)

M a r z e i l Kräuterbuch 338.

2. Ein ausführliches Rezept zu einem Pulver „contra venenum et contra magica verba" („et sanitatem et fortitudinem atque prosperitatem illi conferì qui eum [pulverem] apud se portât"), das aus den Wurzeln des „storkesnabil", der Malve und des Wegerichs bereitet wird, bringt die hl. H i l d e g a r d 2 ). Wegen der r o t e n Blüten und Stengel („Blutkraut") soll der St. (G. Robertianum) das Blut stillen 3 ). Der in Wein gesottene St. ist ein Mittel gegen Blutspeien 4 ). In Sibirien gilt der Aufguß des Wiesen-St. als menstruationsbefordernd 5 ). Wohl deswegen weil die Blüten eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Auge haben, gilt der St; als Mittel gegen Augenkrankheiten. Der Absud vom Pyrenäen-St. (G. pyrenaicum) ist gut gegen den grauen Star e ). St.kraut in ein Säckchen genäht und auf das dritte Nackengelenk gelegt, bis das Kraut dürr ist, dann erneuert usw. heilt den schwarzen Star (Unterfranken) 7 ). Bei den Slowaken heilt das auf das Hinterhaupt gelegte St.kraut den Star 8 ). In Niederbayern wird der Zwerg-St. (G. pusillum) als „Fellgras", wenn jemand das Fell im Auge hat (Augenfell, pterygium), in Stoff eingewickelt und umgehängt. Dazu kommen noch drei Roggen- und drei Gerstenkörner 9 ). In Belgien heilt man mit dem stinkenden St. die roten Flecken des entzündeten Auges 10 ). In Niederösterreich heißt der Wiesen-St. auch „Fiabakreutl", weil 70 Blätter davon aufgelegt das Fieber vertreiben sollen 1 1 ). C l u s i u s 1 2 ) erzählt, daß die Slovaken („Slavonicae mulleres") bei Kopfschmerzen das Vorderhaupt mit fließendem Wasser abwaschen, dann das abgekochte St.kraut auflegen und dieses dann („quod superstitione non caret") in das Wasser, wo man es geschöpft hat, hineinwerfen. St. macht den schwermütigen Menschen wieder fröhlich: „Welcher beschwert were am geblüde vnd alle zyt drurig wer: der nutz

Stopfer—Strafe

509

d i ß kraut (herba rubea, storckes snabel) . . . eß stercket das hertz und machet eß frölich" 13 ). Die Kinder zahnen leicht, wenn man ihnen Geranienblätter (Pelargonium zonale) in einem Säcklein u m den Hals h ä n g t 1 4 ) . A u c h der stinkende St. •wird gegen Zahnweh gesotten aufgelegt 1 5 ). Gegen Zahnschmerzen lege man ein Geranienblatt (Pelargonium) ins O h r 1 6 ) . 3

2) Causae et curae, ed. P. Kaiser 1903, 196. ) C a m e r a r i u s Hort. med. et phil. 1588, 66;

„Rusticis qui armentis sanguinem mingentibus herbam in lacte ebutyrato coctam, presentissimo remedio afferunt": G o t t s c h e d Flora Prussica 1703, 103. 4 ) L a m m e r t 243. 6 ) P l o ß Weib7 ι, 395. e ) K u m m e r Volkst. namen usw. aus d. Kt. Schaffhausen

7

) L a m m e r t 229.

2, 801.

10

")

8

Pflanzen1928, 86.

) H o v o r k a u. K r o n f e l d

Marzell

Bayer.

) R o l l a n d Flore pop. 3, 314.

Volksbot. 11

167.

) Orig.-Mitt.

v . H ö f e r 1909. 1 2 ) Rariorum aliquot stirpium . . historia 1583, 422. 1 3 ) Hortus Sanitatis. d e u t s c h .

510

Jeder Dienstbote bekommt einen St., auch dem Besuch stellt man den St. h i n ; das St.brot schimmelt wie das Weihnachtsbrot nicht; mit diesem St. backt man zuweilen für das Vieh den Viehst. (Übertragung v o m Brauch des Weihnachtsbrotes). Man vergrub ein Stück in den Ackerboden; für die Windgeister steckt man drei Laibchen auf Zaunpfähle; im Traunviertel bricht man einen besonders neben dem St. gebackenen L a i b in drei Teile für das Feuer 7 ). Einen ähnlichen Brauch kennt man in den Niederlanden in dem Lande v o n A a l s t : die Bauern vergruben früher die St. Paulsbrötchen von Galmaarde bei Gerhardsbergen im Brabant gegen den Saatwurm 8 ). Ganz parallel mit dem Fastnachtsst. geht der Weihnachtsst., der wohl die Folie für jenen a b g a b 9 ) (vgl. Weihnachtsgebäcke).

Mainz 1485, cap. 214; vgl. Schiller Tierbuch 1, 13; H ö h n Volksheilkunde 1, 133. 14 ) Schweiz*) Störlaib = Brotlaib, den die Hausfrau dem Vk. 17, 66. " ) R h i n e r Waldstätten 18; vgl. von der Stör abziehenden Handwerker mitgibt: S c h m i d Volksmed. aus d. Kt. Glarus 1924, 59. Grimm DWb. 10, 3, 420. 2)Jahr 7; vgl. ZföVk. le ) ZfrwVk. 25, 65; vgl. T r e i c h e l Westpreußen Suppl. 5, 52. 3 ) S t a u b Brot 56; Grimm DWb. 5, 48 (gegen Ohrensausen). Seele § 25 a, γ; ZfVk. 24, 56; F o g e l Pennsyl3. Geranien soll man im Zeichen der vania 188 Nr. 916; Z i n g e r l e Tirol 57, 494. 4 ) Wer eine Maus zertritt, führt den Teufel ins Jungfrau „pelzen" (Ableger machen), wohl deswegen, weil sie dann recht reich- Haus: Zingerle5 Tirol 94 Nr. 814; hier Maus als Seelentier. ) Vgl. R o c h h o l z Gaugöttinnen lich blühen 17 ). 7 4 — 7 8 ; vgl. Simrock Mythologie 460 ff. 17 e 7 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 100. ) S t a u b 1. c. ) Baumgarten 1. c. 8. 8 ) Tijdschr. nederl. Folklore 14, 218; ZföVk. 4. Wenn das Pfeffer-Geranium (Pelar8 gonium) abzusterben beginnt, so gilt dies Suppl. 5, 14. ) Höf 1er Weihnachten 21. 27. Eckstein. als Zeichen, daß bald jemand aus dem stottern s. s t a m m e l n . Haus sterben wird (Siegelau in B a d e n ) 1 8 ) . ) Alemannia 25, 43. Marzell. Stopfer s. s t a m p f e n (Nachtrag) u. 5, 17. 92; 8, 321. S t ö r i N a c h Baumgarten 2) w i r d in Österreich an Fastnacht das St.brot gebacken; beim Backen gibt man besonders acht; die Dirne muß es vermeiden, ihre Seele hineinzubacken (wenn in Wallis d a s Brot ein besonders großes Loch hat, sagt m a n : die Seele des Pfisters wohne d a r i n ) 3 ) ; die Dirne darf keine M a u s 4 ) töten, damit sie beim Backen kein Unglück hat (in der Schweiz heißt es, wenn im B r o t durch zu große Gärung große Löcher sind: „ d a ß chönnt a Mus drin j ü n g l e n " ) B ) ; daß diese Redensart aus der Vorstellung herausgewachsen ist, daß die Maus ein Seelentier ist, wie Staub meint, k a n n man wohl kaum annehmen · ) . 1β

Strafe. ι. Rechtsgeschichtliches. S.n an Leib und Leben und, mit der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft zunehmend, auch an Besitz hatten von jeher das Gemeinschaftsleben ordnen zu helfen, die Zusammenstöße der einzelnen Glieder der menschlichen Gemeinschaften a b zugleichen und ihre Auflehnungen gegen die notwendigen heiligen Gesetze des Zusammenlebens streng zurückzuweisen bis zur Ausschaltung des Übeltäters. Die S.n der ä l t e r e n R e c h t s z u s t ä n d e aller Völker, für die G e r m a n e n also der v o r c h r i s t l i c h e n Zeit, verraten verschiedene Absicht, vom einfachen Schadenersatz als B u ß e , d. h. Besserung, bis zum unerbittlichen Entgelt und Gegenschlag der privaten B l u t r a c h e 1 ) , und

5"

Strafe

zur von der Gemeinschaft gewollten Tod ess. als Ausmerzung des kultisch unrein gewordenen Verbrechers, des germanischen Meintäters oder Neidings2). Während jene S.n im germanischen Gemeinschaftsleben von dem Gekränkten ursprünglich durch eigenes Vorgehen gegen den ehrlichen, offenen Täter, z. B. einen Räuber oder einen Totschläger, als Vergeltungsraub und Blutrache eingefordert werden mußten und erst allmählich durch Vergleich und Gerichtsgang und Sühnevertrag vor dem Gericht abgelöst wurden 3 ), ist die Beseitigung des unehrlichen, feigen Missetäters als wie eines Treubrüchigen oder Friedensbrechers, eines Diebes, Mörders oder Zauberers, eines Fahnenflüchtigen oder eines Vergewaltigers *) von erkennbarem Anfang an nicht private Rache, sondern ö f f e n t l i c h e , k u l t i s c h e S. und zwar Todess. gewesen; diese ist erst später, bei den Germanen nicht vor der christlichen Zeit, teilweise zu Acht und Leibess.n und zur Kirchenbuße abgeschwächt worden mit dem Sinn der Vergeltung statt der Ausmerzung 8 ); über Buße s. ο. i , i j i j f t . Die ö f f e n t l i c h e n Todess.n am unehrlichen Missetäter, welchen im Gegensatz zur privaten Vergeltung am ehrlichen Täter der bewußte oder unbewußte Wunsch der Gemeinschaft nach R e i n h a l t u n g der R a s s e innegewohnt hat e ), weisen bis ins christliche MA. daher einen s a k r a l e n Charakter auf, der sich in unzähligen Zügen der Vollziehung ausdrückt 7), vgl. Hinrichtung 4, 37 ff. Auch die verschiedene Ausführung der einzelnen Todess.n kann nicht ohne ursprüngliche Bedeutung sein, es haftet ihnen wohl mehr oder weniger deutlich, zumal dem Hängen, Rädern, Felssturz, Ertränken, Aussetzen, Lebendigbegraben, Einmauern, Steinigen, auch dem Verbrennen, der Sinn einer Z u f a l l s s . an, eines O p f e r s , dessen Annahme die Gottheit verweigern kann 8). Deshalb umkleidet sie bis in die nüchterne Neuzeit ein r i t u e l l e r Vollzug»), vgl. bes. enthaupten 2, 853, hängen 3,1439 ff., pfählen 6,1550 f., rädern 7, 488 ff., steinigen 10 ). Entsprechend der alten Einteilung der

S"

Vergehen gegen die Rechtsordnung in ehrliche und unehrliche Sachen haben auch die S.n sich im MA. schließlich in ehrliche als wie Enthaupten und unehrliche als wie Galgen, Strick und P r a n g e r geschieden l l ). Die Todess. ist bis zum Sieg der Aufklärung sehr häufig verhängt worden, man denke nur an die zahllosen Diebe, die am Galgen ihr Leben lassen mußten; sie hat auch für Verbrecher bestanden, die dem heutigen S.recht ziemlich entschwunden sind, für Hexen und Zauberer 12 ), s. u. Verbrecher. Die Reformation hat für manche Vergehen die Todess. eher noch einmal verschärft, so für den Kindsmord 13 ). Aus dem vorchristlichen Glauben an eine mehr oder weniger greifbare Fortdauer der Persönlichkeit eines Toten ergibt sich noch im ma. Recht die Möglichkeit eines S.Vollzugs an Toten wie die nachträgliche Hinrichtung oder strafende Mißhandlung von Selbstmördern oder anderen ungebüßten Verbrechern 14 ), die spätere Ausgrabung und Verbrennung von Ketzern 1B ) und gar die Verbrennung, Enthauptung und Pfählung von Wiedergängern le ). In diesen Maßnahmen ist zumeist alter A b w e h r z a u b e r zur nachträglichen S. geworden " ) . Umgekehrt glaubte man einst auch, daß der E r mordete selbst R a c h e nähme an seinem Mörder 18 ), man denke an die Rachegeister in Shakespeares Dramen19), an die Märchen vom singenden Knochen und vom Machandelboom20) oder an die Übung des Bahrrechts (s. o. 3, 1046 ff.). Die alten strafrechtlichen Anschauungen wirkten auch außerhalb des gerichtlichen S.vollzugs noch lange im Volksglauben weiter; wenn ζ. B. ein Geistermädchen für den Umgang und die Liebe zu einem Menschen zur S. von den Ihrigen getötet wird, erscheint hier das alte S.recht der Sippe bei Verwandtenschimpf21). W i l u t z k y Recht 3, 29 f. 40. 47. 52 f.; vgl. 3. Moses 24, 1 7 0 . ; DieterichJV«Ayia2o5f.; W. E. W i l d a D. Strafrecht d. Germanen (1846) bes. S. 146 s . ; G r i m m RA 2, 176; Osenb r ü g g e n RA. 1, 16 fi. ; A m i r a Todesstrafen i f f . 7 fi. 20 fi.; R. H i s D. Strafrecht d. dt. MA.s ι (1920), 342 ff. 3 6 7 0 . ; Anspruch des Toten auf Rache: ZfvglRw. 34, 12 f. 20. 49.

513

Strafe

87 f. 1 3 1 . 154. 156 fi. 170 fi.; s. a. AKrim. 81 (1927), 183 fi. 207 fi.; H a s t i n g s 4, 248 ff. s ) A m i r a Grundriß 240 ά.; Todesstrafen 23 ff. 64 ff.; H. B r u n n e r Dt. Rechtsgeschichte 1 (1906), 245 fi.; vgl. aber M o g k Die Menschenopfer bei den Germanen, AbhLpz. 27 (1909), 639 ff., welcher sich zu T a c i t u s Germania c. 12 als eindeutigem Beleg des sakralen Strafrechts skeptisch einstellt; s. a. A m i r a Todesstrafen 4; S c h w e n n Menschenopfer 26 ff. 1 1 7 ; D i e t e r i c h Nekyia 197. 3 ) Vgl. die aisl. Sagas, A. H e u s l e r D. Strafrecht d. Isländersagas ( 1 9 1 1 ) bes. S. 38 ff. 4 1 . 48 ff.; D e r s . Zum island. Fehdewesen in d. Sturlungenzeit (1912) bes. S. 19 ff. 29 ff. 38 ff.; G r i m m RA. 2, 212 ff. 2 5 4 0 . ; H. F e h r D. Recht in d. Dichtung 58 ff. 4 ) A m i r a Grundriß 233; Todesstrafen 44 fi. 64 ff. 5 ) Daß erst die christliche Kirche den Begriff einer öffentlichen S. in den Vordergrund gestellt und der „Staat" vorher nur die Rache geregelt habe ( F r i e d b e r g Bußbücher 7 ff.), ist durch A m i r a s Forschungen widerlegt; vgl. B r u n n e r a. a. O. 2 (1928), 789 ft.; s. a. W i l d a a. a. O. 525 ff. β ) A m i r a Todesstrafen 65 ff. ') G r i m m RA. 2, 256 ff. 442; A m i r a Grundriß 2 4 1 ; Todesstrafen 198 ff. 225. 232 ff.; B r u n n e r a. a. O. 1, 2 1 1 fi. 221 fi. 232 fi. 2, 761 fi.; R. S c h r ö d e r Dt. Rechtsgeschichte* 78 ff. 94. 369 ff. 383 ff. 8 3 1 t . ; M e y e r Germ. Myth. 200 f.; G o l t h e r Mythologie 548 f.; H e c k s c h e r 69; H o o p s Reallex. 4, 291 ff. 328 f.; ARw. 30, 2 1 1 . 2 1 7 f., 227; vgl. aber H e u s l e r Strafrecht d. Isländersagas 30 ff. 8 ) A m i r a Todesstrafen 222 f.; ARw. 30, 2 1 1 ; F e h r D. Recht in d. Dichtung 553; O s e n b r ü g g e n Studien 371 ff.; vgl. die Zufallsstrafen des Märchens, O. L u d w i g Richter u. Gericht im dt. Märchen (1935) 54. *) Vgl. über die verschiedenen Hinrichtungsarten A m i r a Todesstrafen 86 ff. 174 ft. 234; G r i m m RA. 1, 475 ft. 483. 564; 2, 35 ff. 76 f. 254 ft.; O s e n b r ü g g e n Studien 346 fi.; W i l d a a. a. O. 405 ff.; B r u n n e r a. a. O. 2, 6 1 1 ff. 778 ff.; H i s a. a. O. 476 ft.; Κ. M e t z g e r D. Verbrechen u. ihre Straffolgen im Basler Recht d. späteren ΜΑ. 1 (1931), 57 ff.; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 4 5 7 f t . ; F e h r D. Recht im Bilde (1923) S. 77 ff., Abb. 85 ff. 124 ft.; s. a. J o h n Westböhmen 350 ff.; AfStrafrecht 61 (1914), 462 ft.; H. G o l d s c h m i d t D. Ertränken im F aß, ZfvglRw. 41, 423 ff. 42, 248 ff. (niederländ., bestimmte Nachrichten 1534—1730; vgl. ZRG. germ. 47, 772 ft.: von H i s als alte (keltische!) Todess. kultischen Ursprungs abgelehnt; AKrim. 81, 183 ff.); s. a. unten Anm. 1 4 ; R. H i r z e l D. Strafe d. Steinigung, AbhLpz. 27 (1909), 225 ff.; H e i n e m a n n D. Richter u. d. Rechtspflege in d. dt. Vergangenheit (1900) 100 ff. ; zu den antiken S.n vgl. D i e t e r i c h Nekyia 203 ft.; zu den sonstigen S.n des alten Rechts und ihren anschaulichen, sinnvollen Formen vgl. G r i m m RA. 2, 53. 168. 287 ff. 410; W i l d a a. a. O. 507 ff.; B r u n n e r a. a. O. 2, 783 ft.; H i s a. a. O. 510 ft.; M e t z g e r a. a. O. 76 fit.; H o o p s Reallex. 1, 294; B i r l i n g e r Volksth. 2, 188. 234 ft.; Schwaben 2, 479 ff.; J o h n Westböhmen 354 ft.; K l a p p e r Bächtold-Stäubli, Aberglaube Vili

SM

Schlesien 47 f.; H e c k s c h e r 1 8 6 f f . ; F r e y b e Leben im Recht 185 ff.; G r ä s s e Preußen 1, 768 (Kettentragen Dortmunder S. zänkischer Weiber); K. O. M ü l l e r D. Rechtsbrauch d. Verpfählens, ZRGgerm. 42, i i o f . (Schiageneines Pfahls vor die Haustüre eines Ungehorsamen, verbreitete S. des bäuerlichen Rechts bis 17. Jh., dann durch Gefängnis abgelöst); JbhistVk. I, 92; H e u s l e r Strafrecht d. Isländersagas 30 f. 36 f. 87. 123. 232; S.n des MA.s im Spiegel der frz. u. dt. Epen: S c h u l t z Höfisches Leben 2, 149 ft.; K o n d z i e l l a Volksepos 69 ff. 170 ft.; S.n der Märchen- und Sagenwelt: die S. des Rollens im mit Nägeln ausgeschlagenen Faß in Märchen und L i e d , B o l t e - P o l i v k a 1, 108 f.; 2, 7; 3,87; A m i r a Todesstrafen 138 ff.; L u d w i g Richter u. Gericht im dt. Märchen (1935) 56 f.; die sagenhafte S. des Zermalmens durch einen Mühlstein am Faden s . o . 6, 6 1 2 ; vgl. G r i m m RA. 2, 277 f.; L i e b r e c h t Zur Volksk. 297 ft.; SAVk. 28, 129; B o l t e - P o l i v k a 1, 148. 366. 416. 423. 2, 289. 295; Einmauern als S. s . o . 2, 713 ff.; G r i m m RA. 2, 274 f.; zu dieser und anderen Todess.n der Märchen vgl. B o l t e - P o l i v k a ι, 127. ι 88.432. 501 ; 2, 7. 124; 3, 78. 302. 368; F e h r D. Recht in d. Dichtung 451 ff. 554; D e r s . in ZfSchweizRecht 54 (1935), 227 ft.; L u d w i g a . a . O . 1 9 f. 54 ff.; HessBl. 27, 189; s. a. M a i l l y Dt. Rechtsaltertümer in Sage u. Brauchtum (1929) 1 1 6 ff. 1 3 1 ff. 149 ft.; d e C o c k Volkssage 71 ff.; S t r a c k e r j a n 2, 265; M ü l l e r Urner Sagen 1, 61 f. ; zu Rache u. S. im Märchen (bes. Tierverwandlung als S.) als internationales Vergeltungsmotiv vgl. W u n d t Mythus u. Religion 2, 133. 136 ft. 180 f. 185 ff. 201 ff. 2 2 1 ; 3, 205. 207 f. 2 1 0 ; vgl. bes. das Motiv der sieben Raben, B o l t e - P o l i v k a 1, 227 ft. 427 ff.; s. a. L u d w i g a. a. O. 60; zur Tiers, vgl. Recht 7, 558 f. Anm. 47; s. a. M a n n h a r d t Germ. Mythen 368; ZfdMyth. 4, 1 1 9 fi·; F r a z e r Folk-Lore in the old testament 3, 415 ff. 1 0 ) S. a. ι , 980. 2, 7 1 2 ff. 3, 1262. 4, 529. 1071. 1286. Ι 554· 11 ) O s e n b r ü g g e n Studien 10 ff. 14. 123. 372; vgl. A m i r a Todesstrafen 182 ff.; zur Prangers. vgl. G r i m m RA 2, 3 2 3 ! ; B i r l i n g e r Schwaben 2, 479 ft.; ν. K ü n ß b e r g bei P e ß l e r Hdb. d. Dt. Volkskunde 1, 304 f. 307 f.; B a d e r Der Pranger, ein Strafwerkzeug u. Rechtswahrzeichen des MA.s (1935), bes. S. 81 ff. 1 4 1 f t . 159 ff. (Prangers, als Volksfest); Hefele Vom Pranger u. verwandten S traf arten in Freiburg, Schau-ins-Land 1935, 56 ff. ; ZRGgerm. 54 (1934). 253 ff·; M a i l l y a . a . O . 153 ft. (Geschichte u. Sage); s. a. Steinhaufen. 12 ) A n h o r n Magiologia 1026 ft.; A m i r a Todesstrafen 188. 195 f. 1S ) Vgl. B o d e D. Kindstötung u. ihre Bestrafung im Nürnberg d. MA., AfStrafrecht 61 (1914), 430 ff. 463. 1 4 ) Schwabenspiegel Art. 252; Augsburger Stadtrecht Art. 35 § 1 ; statt eines Verbrennens ein „Rinnenlassen" = Wegschwemmen des Selbstmörders, dessen Leiche in einem Faß in einen Fluß geworfen wurde, bes. in der Schweiz : Beschlüsse von Baden (Aargau) 1384 u. a. m., zuletzt noch Basel 1636 u. 1727; vgl. H. S c h r e u e r D. Recht 17

515

Strafe

d. Toten, ZfvglRw. 33 (1916), 333 fi. bes. S. 336fi.; 34, ι fi. bes. S. 1 5 4 s . ; P. G e i g e r Selbstmörder, S A V k . 26,149 ff. 153 fi.; H i s a. O. 400 fi. ; ders. D. Totenglaube in d. Geschichte d. germ. Strafrechts (1929) bes. S. 9. 11 ff. (Beispiele des MA. von Papst Formosus 897 bis 16. Jh.); B i r l i n g e r Schwaben 2, 459f.; M e t z g e r a . a. O. 128Í. ; s . a . M a i l l y a . a. O. 136 ff.; B o l t e - P o H v k a 3, 494 ff. 511 f.; L u d w i g a . a . O . 60; vgl. Recht 7, 554. 1 5 ) Z. B. Antwerpen 13. Jh., ZfvglRw. 33, 420 f. l e ) H i s Totenglaube 4. 6 ff.; S A V k 26, i57ff. ; eine unentdeckte Kindsmörderin kommt nach ihrem Tod erst dann zur Ruhe, als an ihrem Gespenst eine feierliche Hinrichtung vollzogen worden ist, Q u e n s e l Thüringen 320 f.; s. o. 2, 858; 6, 1550 f. 1 7 ) H i s Totenglaube 6 f. 8 ff; 12. 14; s. a. ι , 978.987; 2, 858. 1 β ) E c k a r t Südhannover. Sagen 104 f.; G r ä s s e Preußen 1, 695; K l a p p e r Erzählungen 24 ff. ; vgl. Z f v g l R w . 34, 12 f. 160 ff. ; s. o. 6, 568 ff. l e ) A c k e r m a n n Shakespeare 55; H i s Totenglaube 14 ff. ; auch die griech. Erinyen dürften ursprünglich die sich rächenden „Seelen" selbst gewesen sein, D i e t e r i c h Nekyia 59 f.; S c h w a r t z Volksglaube 175; R o h d e Psyche 1, 264; ZfvglRw. 34, 175; zum idg. Problem der Jenseitss.n vgl. N e c k e l Walhall 42 f. 20 ) B o l t e P o l í v k a ι , 260 ff. 412 ff.; M a c k e n s e n D. singende Knochen, F F C . 49; H i s Totenglaube 23; S A V k . 2 5 , 1 4 7 ; Z f v g l R w . 34,161. a l ) G r i m m Sagen Nr. 60 = A m i r a Todesstrafen 8 f. ; vgl. M e i c h e Sagen Nr. 497.

2. S t r a f w u n d e r . Wie schon im vorchristlichen germanischen (und außergermanischen) Rechtsleben die S. nicht nur als Vergeltung für die Rechtskränkung eines Volksgenossen und als Ausschaltung eines Störenfrieds begegnet, sondern in der Bestrafung des Meintäters auch als Sühne für die Verletzung eines heiligen Gesetzes, einer göttlichen Gewalt, so tritt auch im deutschen Volksglauben mannigfache S. ein für die verschiedensten Vergehen gegen übernatürliche Mächte. Rächende S.wunder als Folgen von Kränkungen und Herausforderungen m y t h i s c h e r Gestalten haben sich in Sage und Glauben durch die Jahrhunderte erhalten 22 ) neben zahllosen Geschichten von Gottess.n, wunderbaren Bestrafungen frevelhafter Versündigungen (Sakrilege) gegen Gott, die Heiligen oder heilige Dinge, in welchen christlichen S.wundern zum Teil vorchristliche Vorstellungen aufgegangen sind 23 ). a) M y t h i s c h e S t r a f w u n d e r : Mythische Gestalten lassen n i c h t u n g e s t r a f t ihrer s p o t t e n , so die Wasser-

516

leute 24) ; Nixen strafen Schabernack mit dem Tode 25). Mit gleicher S. vergelten Weiße Frauen und andere Gespenster Spott2®), überhaupt Tote 2 7 ), die nicht einmal den Raub von Grabblumen hingehen lassen 28). Dem entspricht, daß der Verspottung der Wundertaten christlicher Heiliger gleiche S.wunder folgen29). Auch die Zwerge rächen sich für Verspottung, Belauschung und aber auch Vernachlässigung 30), s. w. Zwerg. Die Gaben der Unterirdischen, z. B. Brot, dürfen nicht verschmäht werden, sonst wird man zur S. langwierig krank 3 1 ). Ähnlich nimmt ein Drache (Hausgeist) für schlechte Behandlung Rache durch Unglück und Krankheit 32 ). Alpdruck erscheint ebenso als Rache eines Beleidigten 33). Ein verletzter Klabautermann fügt seinem Übeltäter den gleichen Beinbruch zu 34 ). Auch der wilde Jäger rächt sich an Vorwitzigen 3S). Zu den mythischen S.wundern, die in Sage und Volksglauben an erster Stelle stehen, gehört die B l e n d u n g , das „Augenausblasen", als S. für v e r b o t e n e N e u g i e r g e g e n ü b e r h ö h e r e n M ä c h t e n , in Deutschland namentlich für die Beobachtung der Perchta, des wilden Heeres, von Zwergen 3e). Ähnlich gefährlich ist es, g e g e n den H i m m e l zu w e i s e n , mit spitzen, scharfen Dingen dagegen zu stechen oder gar zu schießen, manche Sage läßt einem solchen Frevel augenblicklich schwere S.n folgen, vgl. Himmel 4, 3ff., Sternschnuppe. Die Schädigung eines Holunderstrauches wird dem Missetäter in Jahren nicht vergessen, er nimmt selbst gelegentlich Rache an dem Übeltäter 37 ); hier sehen wir weniger eine mythische als eine animistische Vorstellung walten. Jene erscheint wieder, wenn noch in christlicher Gegenwart das Unterlassen der gewohnten Hagelfeiern die S. des Hagels nach sich zieht 38 ). b) C h r i s t l i c h e S t r a f w u n d e r oder Gottess.n, vgl. G o t t e s g e r i c h t , Sak r i l e g 3 9 ) . Hierher gehören die Vorstellungen und Überlieferungen von Gottes jähem strafenden Eingreifen, wenn man Gott leugnet oder ihm flucht, ihn lästert, Sonn- oder Feiertag durch Arbeit schän-

517

Strafe

det, heilige Bilder und andere kultische Gegenstände, besonders natürlich Kirchen, beschädigt oder entweiht, bis zum Lohn für Laster, Übermut und Sünden aller Art allgemein; zur S. brechen göttliche Heimsuchungen herein und vernichtende Gottesgerichte als Krankheiten und Körpers.n 40), als Tod, als Verwandlung in Stein 41), als Untergang des Wohnsitzes oder Besitzes 42 ) oder Verwüstung des Tatortes 43 ). Einem Fluch (Meineid) folgt als sichtbare S. die wörtliche Erfüllung 44 ). Über das Grab hinaus hat der Strafwürdige in der Volksmeinung seine Schuld zu büßen durch Unrast, „ U m g e h e n " , ein Weiterleben des Toten, das zum Teil deutlich erst nachträglich von der christlichen Moral als S. gedeutet worden ist 4S ). Die Wiederholung des Verbrechens durch das verfluchte Gespenst erscheint hierbei oft als seine S., so bei Mördern 46) und Grenzsteinversetzern 47). Daher muß auch der leidenschaftliche Kegelspieler allnächtlich mit seinem eigenen Schädel kegeln 48). Der Glaube an so verursachte Gottess.n lebt noch heute 49 ). K r a n k h e i t e n , besonders Ausschläge, Flechten, werden deshalb, bis zum 19. Jh. auch nach der Ansicht vieler Ärzte, von Gott als S.n geschickt 60 ). Auch ein einziges, verzogenes Kind wird zuweilen als eine S. Gottes betrachtet 51 ). Nicht nur offensichtliche frevelhafte Taten, auch ein böser C h a r a k t e r als wie bäuerliche Hartherzigkeit zieht wunderbare göttliche S. nach sich, als ein schrecklicher Tod und Umgehenmüssen, wie Sagen, zumal vom 16. bis zum 18. Jh. berichten u ) ; ebenso werden Rohheiten und Pflichtverletzungen der Hirten geahndet sa ). In gleicher Weise wird Untreue (s. d.) in der Liebe und im Beruf durch raschen Tod und Umgehen bestraft M ), desgleichen Meineid 5S ), Lüge 58 ), Grenzfrevel OT ). Hoffart und Hartherzigkeit wird in manchen Sagen auch nur mit Verarmung oder Versteinerung des verweigerten Brotes vergolten 68 ). Die Vorbilder all dieser Sagen sind zum Teil a n t i k e n oder a l t t e s t a m e n t l i c h e n U r s p r u n g s , ihr mythischer oder praeanimistischer Sinn hat sich mehr oder we-

518

niger deutlich in einen ethischen, pädagogischen verwandelt. Daneben hat die c h r i s t l i c h e L e g e n d e des Abendl a n d e s der deutschen Sagenwelt als augenblickliche Sühne für Unglauben oder eine Kränkung Marias oder eines Heiligen manche wunderbare, oft tötliche S. vorgebildet 6e). Ihrer Vorstellungswelt ist auch der Glaube des ma. Christen entsprossen, einen Gegner des eigenen guten Rechts vor Gottes Gericht, das jüngste Gericht im Tal Josaphat laden und dort der göttlichen S. zuführen zu können eo ). S. a. Selbstmörder, Verbrecher, Verbot, Hölle 4, 205 ff. 653. s 2 ) Beispiele der Antike vgl. W u n d t Mythus u. Religion 3, 207 f. 210. 215 f. 320 ff. 476; H. G ü n t e r D. christl. Legende d. Abendlandes (1910) 54. 59 ff. 122; P f i s t e r Reliquienkult 2, 5 2 3 I ; s . a . G r i m m Myth. 1, 1 5 ! ; 3, 11 f.; M a i l l y a. a. O. 179. **) Ζ. Β. im Hagelaberglauben, s. o. 3, 1310 ff. M ) J u n g b a u e r Böhmerwald 53 ff.; S i e b e r Harzland 35. 25 ) Q u e n sel Thüringen 222. 226. 2e ) J u n g b a u e r Böhmerwald 143 f. 232 f.; s. o. 3, 502. 540. S7 ) J u n g b a u e r a. a. O. 223; vgl. die geladenen Galgengäste (s. o. 3, 1451) oder Don Juans letztes Abenteuer, S é b i l l o t Folk-Lore 4, 133. 2e ) S. o. 3, I I 0 4 Í . a9 ) W e i n r e i c h Heilungswunder 88. 147 ff. 189 ff. ao ) Ζ. B. Z a u n e r t Rheinland i, 56 f. 3 1 ) M e y e r Schleswig-Holstein 33. 32 ) S i e ber Sachsen 271. 3 3 ) Ebd. 202 f.; M ü l l e r Urner Sagen 1, 181. 3 4 ) M e y e r Schleswig-Holstein 55; Rachsucht der Tiere, Esel, Katzen, Frösche, Kröten, Reptilien, S é b i l l o t Folk-Loré 3, 91 f. 279. 35 ) K ü h n a u Sagen 503. 3(l) Vgl. blenden ι , 1393 f.; 6, 1481; 7, 512; s. a. BIBayVk. 11, 27; P f i s t e r Reliquienkult 2, 518; N d Z f V k . 6, 142; Z a u n e r t Rheinland 1,202; Natursagen 56; Hwb. d. dt. Märchens 1, 272; bestrafte Neugier gegenüber den Freimauern s. o. 3, 30 f. 3 7 ) S a r t o r i Sitte 2, 26; vgl. Baum § 2 (1, 955) u. Pflanze § 3 (6, 1 7 0 7 ! ) . Μ ) S A V k . 27, 167. 3») S. o. 3, 972ff. 978ff. 1066ff.; 7, 890ff.; s. a. 2, 16480. 1 6 7 4 ! ; 3, 41.43.93. 199ff. 628. 866. 970f. 1251. 1776; 4.589; 5. i78ff ; 6, 1350. i544ff.; 7,328; vgl. E . G o e z D. Schuldbegriff in d. dt. Volkssage d. Gegenwart, N d Z f V k . 7, 152 ff., bes. S. 158a.; Z f v g l R w . 34, 166; M a i l l y a . a . O . 179 ff.; W u n d t a. a. O. 3, 299 ff. 320 ff. 374 f. 392 f. 396. 398. 479 f. 482. Ζ. B. K ü h n a u Sagen 3, 399 ff. ; so rächen Grabsteine eine Beschädigung durch Ohrfeigen, G r ä s s e Preußen i, 473. 41 ) Z . B . K ü h n a u a . a . O . 3, 3 8 7 0 . ; R a n k e Sagen (1923) 237 f. 291 ; K n o o p Hinterpommern 133; M a c k e n s e n Nds. Sagen 181 ff.; vgl. L a u f f e r Niederdeutschland 197 f.; M a i l l y a. a. O.; W u n d t a . a . O . 2, 386; G ü n t e r a . a . O . 103. 1 2 ) Vgl. etwa die Beispiele bei R a n k e a . a . O . 240 ff. ; M a c k e n s e n a . a . O . 156 ff. ; de C o c k Volkssage 143 f. e ) R a n k e a. a. O.

17·

519

Strafe

237; G r ä s s e Preußen 2, 1092 f.; M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 66 f. 44 ) Z . B . L ü e r s Bayr. Stammeskunde 203 f.; R e i s e r Allgäu 1, 415 f.; R o c h h o l z Sagen 2, 98; K i i n z i g Baden 86 fi.; M e i c h e Sagen 561; M a c k e n s e n Nds. Sagen 181. 183. 4 6 ) Vgl. NdZfVk. 5, 231 f.; 6, 109 f.; 7, 4 ff. 8 f. 152 ff.; daher spuken Schatzhüterinnen zur S. für ihre Sünden, K a p f f Schwaben 65; K ü n z i g Schwarzwald 186; s. a. B o c k e l Volkssage 108; W. §§ 7 5 4 0 . ; vgl. oben 5,215; 4e 7, 645. ) C o r r e v o n Gespenstergeschichten 10; K u o n i St. Galler Sagen 168; S c h e l l Bergische Sagen 198; R a n k e a. a. O. 65. 4 7 ) M e i e r Schwaben 500; SAVk. 14, 148; s. o. 1, 1 7 1 9 1 3, 499 f. 4 e ) S c h e l l a. a. O. 92 f.; s. o. 4, 1205. 49 ) Vgl. M a c k e n s e n Volksreligion, SAVk. 27, 166 f. 5 0 ) B a a d e r Sagen 40 ff.; Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 11. 78; Einfluß der Hiobsgeschichte oder eine christliche Ansicht statt des früheren Dämonenglaubens? s. a. D i e p g e n Volksheilkunde u. Medizin (1928)31 f. 5 1 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3,37. 6 I ) R a n k e a.a.O. 241 ff.; K ü h n a u a. a. O. 3, 402 f.; S i e b e r Harzland 1845. ; Sachsen 290ff. ; L e h m a n n Sudetendeutsche i n ; J u n g b a u e r Böhmerwald 35 ff. ; H e y 1 Tirol 158; K ü n z i g Baden 14f.; W. § 758; s. w. Geiz 3, 567 ff. s s ) S. o. 4, 129 f. M ) SAVk. 21, 224 f. (18. Jh.); K ü n z i g Baden 13 ff. ; Schwarzwald 187 f.; B o h n e n b e r g e r 6; K a p f f Schwaben 33. 110; R e i s e r Allgäu 1, 64; S c h e l l a. a. O. 68. 194; M a c k e n s e n Nds. Sagen 183. 213; W. § 755· " ) S. o. 3, 628. 6, 112 ff. M ) M a c k e n s e n a . a . O . 161. i 8 i f f . i86f. " ) S . o . 3, 1157 f.; vgl. A m i r a Todesstrafen 71. M ) M a i l l y a. a. O. 181 f.; zur Bestrafung der Hoffart im Jenseits nach Visionsmärchen vgl. B o l t e - P o l f v k a 3, 302. M ) G ü n t e r a. a. O. 21. 24. 32. 38. 4 0 ! 95 f. 102 f. 108 f. 146. 148. 154. 171. 173. 191. 194. 214. e o ) S. o. 3, 972 ff.; 4, 770 ff.; vgl. S. H a r d u n g Vorladung vor Gottes Gericht (1934) bes. S. 12 f. 51 ff. 77 ff.

3. B e s t r a f u n g des K i n d e s . S. muß sein, auch wenn der Täter ohne Vernunft gehandelt hat M ). Daher streckt ein zweijähriges Kind, das der Mutter ins Gesicht geschlagen hat, ohne bestraft zu werden, nach dem Tod immer wieder sein Händchen aus dem Grab, bis die Mutter durch Rutenschläge auf das Händchen die verdiente S. nachholt 42 ). Die Zurechnungsfähigkeit und damit die Strafbarkeit eines kleinen Kindes, das eine schwere Untat, etwa einen Totschlag begangen hat, soll nach dem Märchen einst auch so ermittelt worden sein, daß man das Kind vor die Wahl eines Apfels oder eines Geldstücks stellte, um nur im zweiten Falle zu Gericht und S. zu schreiten M ). Ehe Kinder ein Jahr alt sind, soll man sie freilich nicht strafen, sonst

520

werden sie dickköpfig 44 ) oder lernen das Stottern e5 ). Und dann muß man Kinder immer so strafen, daß der Apfel bei der Rute liegt ββ ). Dabei ist zu beachten, daß ein Kind nicht mit einer Rute gezüchtigt wird, mit der ein Tier geschlagen worden ist *'), ebensowenig mit einem schon gebrauchten Besen ®8). Ein s y m b o l i s c h e r Strafvollzug steckt in der scherzhaften S. alter Weistümer, bei einem Grenzbegang junge Knaben in den zur Aufnahme der Grenzsteine bestimmten Graben mit den Köpfen zu „stutzen" (stoßen), um ihnen mit dieser Nachahmung der alten S. für Grenzverletzung, des Verkehrteingegrabenwerdensββ), den Zug der Grenze einzuprägen J0). 41 ) Vgl. die im Rechtssprichwort ausgedrückte Anschauung, Graf u. D i e t h e r r Deutsche Rechtssprichwörter (1869) S. 298 ff. 313 ff. 336 ff. 6S ) Walliser Sagen 1, 140; K n o o p Hinterpommern 26; s. o. 3, 1054 f. 1077. 1380. M ) B o l t e - P o l i v k a 1, 203 (schon bei dem griech. Redner Hyperides); v. K ü n ß b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel (1920) 24; G r i m m RA. 1, 569; vgl. oben 3, 603. M ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 28; H ö h n Geburt 277. ω ) R o c h h o l z Kinderlied 318; F o g e l Pennsylvania 42, 43. ,e ) B a u m g a r t e n a. a. O. 3, 37. 4 7 ) ZfVk. 13, M 385 (Thüringen). ) J o h n Erzgebirge 56; Westböhmen 109; G r i m m Myth. 3, 475 Nr. 1096. · · ) A m i r a Todesstrafen 153. , 0 ) Ζ. B. G r i m m Weistümer 1, 602 (Westerwald 1694); K ü n ß b e r g a. a. O. 19; vgl. 12 ff.; s. o. 3, 1141.

4. V o l k s j u s t i z . Zwischen dem S.recht der größten Gemeinschaft, des Staates, und der S.übung der kleinsten Gemeinschaft, der Familie, stehen seit ältester Zeit bei allen Völkern 71 ) S.sitten der zahlreichen Genossenschaften des menschlichen Lebens, des dörflichen Gemeindeverbandes, der Jungmannschaften wie der Männerbünde. Eine nahe Verwandtschaft solcher später nur noch mehr oder weniger scherzhaft gemeinter S.n mit vielen „hänselnden" Aufnahmebräuchen deutet auf das gemeinsame Vorbild der alten kultischen S.n 7 ä ), wie sie schon altgermanische Kriegerbünde gegen Verräter und Feiglinge verhängt zu haben scheinen 7S). Solche Volksjustiz gegen unmännliche oder unsittliche Gemeindemitglieder wie gegen fremde Eindringlinge, besonders als Liebhaber eines Mädchens, üben noch heute die Knabenschaften

521

Strafzauber—Streit, Zank

mancher Gegenden, vgl. Hinrichtung, Recht M ). Sie folgen damit einem alten, immer wiederkehrenden Hang, Unbotmäßigkeiten und Abweichungen vom geordneten Gemeinschaftsleben gerne unter den Formen von Gerichtsurteil und Hinrichtung zu strafen. Man denke auch an die Nachahmung des S.rechts in der Ordnung der Trinksitten 7 5 ), zumal im einstigen studentischen Verbindungsleben, wie im Kinderspiel 7 e ). Neben körperlichen S.n und aller Art Katzenmusik ist der S p o t t ein altbeliebtes S.mittel. E r trifft vor allem die vor der Aufgabe des Menschenlebens Versagenden, so wenn die Unfruchtbarkeit der alten Jungfern in der Schweizer Fastnacht durch „Giritzenmoosfahrten" und „Giritzenmoosgericht" verhöhnt wird und hernach im Wirtshaus die verspotteten Mädchen in effigie versteigert werden 77 ). Verachtung und S. für die alte Jungfer und den Junggesellen setzen erst recht nach ihrem Tode ein 7 8 ). Ebenso wird der letzte Schnitter verspottet und zur S. zu einem Stein Bier oder einer Flasche Wein verurteilt 7 9 ). Die Volksjustiz macht auch vor dem Heiligen nicht halt, wenn er versagt ; so wirft man das Bild des Urbanus bei Erfrieren der Reben „zur S . " in den Weinberg oder ins Wasser 80 ). 7 1 ) HessBl. I, 207 fi. (griech. u. röm. Beispiele). 7a ) Weiser Jünglingsweihen 80; vgl. dies, in ARw. 30, 211 fi. 226; s. o. 3, 1461 fi.; 7S 4, 854 f. 1564 f. ) T a c i t u s Germania c. 6. 12. 31; A m i r a Todesstrafen 73 f.; ARw. 30, 2i2fi. '«) Schweiz: SAVk. 8, 81 ff. 85 fi. 161 ff.; C a d u f f D. Knabenschaften Graubündens (1932) 195 ff. 204 ff.; s. a. ZföVk. 5, 58; HessBl. 1, 215 ff. (Siebenbürgen, Oberbayern). 223 f. (Rheinprovinz); Sartori Sitte 2, 180. 188 f. 209; K ü n ß b e r g a . a . O . 25. 56 ff.; ARw. 30, 216; s. o. 4, 58. 1126 ff. 1564.7, 564. " ) Schon anord., vgl. Weinhold Altnord. Leben 461. '«) K ü n ß berg a . a . O . 50 ff. " ) H o f f m a n n - K r a y e r 132 f. (Luzern, Aargau). 7 ·) S. o. 1, 336 f. 341 ff. 674. *>) E b e r h a r d t Landwirtschaft 6. "») Ebd. 11. Müller-Bergström.

Strafzauber s. D i e b 2, 215 ff. Striggeli s. 5, 1794 f. Strahlstern s. B e l e m n i t , B l i t z s t e r n . Strätteli s. 5, 1794 f. u. S c h r a t . Strauß (Blumenstr.). Blumenstr.e werden bei T a u f e 1 ) , Hochzeit *), Begräbnissen 8 ) getragen. Näheres darüber

522

unter den sie zusammensetzenden Pflanzen, z. B. Myrte, Rosmarin. Bringt eine entfernter stehende oder fremde Person einem gefährlich Kranken einen Blumenstr., so stirbt er (Schaffhausen) 4 ). A m Johannistag wirft man einen Str. von neunerlei Blumen durchs Fenster oder durch die Tür ins Haus, dann sieht man den künftigen Gatten im T r a u m 5 ) . Str.e am Johannistage vor die Tür gesteckt, schützen gegen Blitz und alles Böse ®), s. auch Johanniskräuter, neunerlei Blumen. 1 ) Z . B . Höhn Geburt 268; Birlinger Aus Schwaben 2, 233. J) Birlinger Volksth. 2, 379. s ) Höhn Tod 340. 346. *) Unoth 1, 180. ') W u t t k e 244 § 352, vgl. John Erzgebirge 140. 205. *) W u t t k e 143 § 197; John Erzgebirge 206. Marzoll.

Strauß (Vogel). Die abergläubischen Vorstellungen, die im Altertum und bei exotischen Völkern reich sind, haben keinen Eingang nach Mitteleuropa gefunden. Auch die von J ü h l i n g (Tiere 246) nach Gesner erwähnte Verwendung der Haut, des Magens, der Eier in der V o l k s m e d i z i n gehen auf antike Quellen zurück (Galen, Aelian, Kyraniden). Die ü b e l ä b w e h r e n d e Bedeutung des St.es oder seiner Eier lebt noch in Afrika und der Türkei *). Das Walliser Märchen von dem „Vogel S t r a u ß " 2 ) hat mit dem Vogel selbst nichts zu tun, da „Vogel Strauß" der Name eines Räubers ist. 1 ) S e l i g m a n n Blick 2, 133. 2) J e g e r l e h ner 2, 62 f. Vgl. Bräuner Curiositäten (1737), 666 ff.; P o r t a Natura Magiel. (1617), 57. 90; Arnold v. H a r f f 71, 22; C a r u s Zoologie 51. 133. Hoffmann-Krayer.

streichen s. Nachtrag. Streit, Zank. ι . Es gibt nach allgemeiner, offensichtlich meist sehr alter und zum Teil noch immer gültiger Meinung eine ganze Reihe von H a n d l u n g e n , die in magischer Weise zwischen zwei Menschen S. oder Z. h e r v o r r u f e n , neben V o r g ä n g e n und V o r z e i c h e n , die das Kommen eines S.s a n k ü n d i g e n . Den S. erregenden Handlungen wie den S. weissagenden Zeichen wohnt der mehr oder weniger deutliche Z u g e i n e s Gleichnisses, ein Symbolcharakter, inne. Beide sind

523

Streit, Zank

besonders bei der Eheschließung zu beachten. Im folgenden ist versucht, den Stoff eines Weltaberglaubens vornehmlich für den deutschen Anteil geordnet vorzuführen 1 ). *) Da verschiedene Werke große Stoffsammlungen enthalten und daher wiederholt genannt werden müssen, sind für sie folgende Abkürzungen in diesem Artikel gebraucht: D. = D r e c h s l e r Schlesien; G. = G r i m m Mythologie-, H. H. = H e c k s c h e r Hannoverische Volkskunde 1; J. = J o h n Erzgebirge; K. = K ö h l e r Voigtland.

2. H a n d l u n g e n , die einen S. e r r e g e n : Die bekannteste und noch heute jedem geläufige Handlung, die einen S. herbeiführt, ist das V e r s c h ü t t e n v o n S a l z 2 ) , zuweilen genauer bezeichnet durch Umwerfen des Salzfasses 3 ) oder als Salzverschütten auf der Treppe 4 ). Diese S.ursache oder mindestens Ankündigung eines S.s ist auch in allen möglichen neueren Quellen für Europa einschließlich Rußland belegt 6 ). Um einen daher drohenden S. zu verhüten, soll man von dem Salz etwas über die linke Achsel werfen und dieses dann verbrennen®) oder ein wenig zum Fenster hinauswerfen 7 ), auch Wein auf die Hand gießen 8). Diese Abwehrbräuche lassen den Sinn eines verfehlten Opfers in dem versehentlichen Salzverschütten vermuten ·), dessen Bewirkung von S. und Feindschaft noch anders erklärt wird, vgl. Salz 7, 899. 909 f. Vielleicht gründet dieser Glaube auch auf der Eigenschaft des Salzes, als ein Zeichen der Freundschaft und der Treue zu dienen, so daß seine Mißachtung das Gegenteil bekundet 10). Oder das Salzverschütten zieht als ein Frevel gegen eine heilige Gabe der Natur Unheil nach sich, so daß seine böse Wirkung mit der schlimmen Folge eines verdunkelten Brotfrevels zusammenzuhalten wäre: Brot darf nicht mit der Bodenseite nach oben liegen, sonst gibt es S. u ) . Schließlich könnte die zum S. reizende Wirkung des Salzverschüttens auch von seinem scharfen Charakter herrühren oder wenigstens bestärkt werden, was man annehmen möchte, wenn man liest, daß der schlimmste Hader aufkomme, wenn P f e f f e r verschüttet werde 1Z) oder

524

Paprika 13). Neben das Salz treten die verschiedensten s c h a r f e n oder s p i t z e n Gegenstände, sonst oft magische Schutzmittel 14 ), auch als gefährliche S.bringer, die man vorsichtig handhaben muß. Wenn ein Mann sein Messer anderswo als auf dem ordentlichen Wetzoder Schleifsteine wetzt, entsteht Z. oder S. im Hause 15 ). Aus diesem Grunde darf ein Messer auch nicht mit der Schneide nach oben auf dem Tisch liegen 16 ), ebensowenig eine Harke mit den Zacken nach oben 1 7 ). Beim Essen darf man das Messer nicht mit der Schneide zum Nachbarn gewendet legen, sonst kommt es zu Feindschaft 18 ). Gekreuzte Messer oder ein steckengebliebenes Messer deuten auf nahen Verdruß hin 1β), ebenso gekreuzte Messer und Gabeln M ). Man soll auch nie ein Messer verschenken, sondern stets verkaufen, sonst zerschneidet man die Freundschaft 21 ), vgl. § 3 über die entsprechende Vorsicht gegenüber Brautleuten. Dem Messer gesellt sich die Schere zu. S. kommt auf, wenn eine heruntergefallene Schere spießt 22 ), d. h. beim Fall auf den Boden senkrecht stecken bleibt ebenso wenn man eine Schere verschenkt 24 ). Gleichermaßen ist es verboten, N a d « l n , Näh- und Stecknadeln, zu verschenken oder auch nur zu verleihen, sie zerstechen die Freundschaft 2B ). Um dies abzuwenden, muß man dabei lachen und darf sich nicht bedanken 2β ), oder der Geber soll den Beschenkten oder den Entleiher sanft mit der Nadel stechen 27 ). Gleiche Vorschriften gelten beim Schenken eines Messers 28). Besonders Liebende dürfen nicht einander noch dürfen dritte ihnen spitze oder scharfe Gegenstände schenken, wenn man nicht dadurch die Liebe zerschneiden oder zerstechen w i l l n ) . Fällt eine Stecknadel zu Boden, dann streiten die Leute 30 ). Offenbar weil alle diese spitzen, scharfen Dinge als ausgezeichnete Schutzmittel gegen böse Geister seit alters gebraucht worden sind, gilt es als unfreundlich und daher S. herausfordernd, solche gegen Freunde zu zeigen oder gar zu verschenken, so wie man auch nicht auf einen Mitmenschen im Guten mit dem Finger weisen soll 31 ).

525

Streit,

Die Gefährlichkeit des Spitzen liegt wohl auch in den folgenden S.ursachen, in dem Abkehren von Tisch und Bank mit einem B e s e n 32), in dem Eintritt eines Fremden mit einem Besen in die Wohnung 33 ), in dem Aufspannen eines Regenschirms in der Stube 34). Auch wer einen Spiegel entzwei wirft, erlebt S. und anderes Unglück 35). Ein Glas, umgekehrt auf den Tisch gestellt, erregt S. unter den Gästen eines Wirtshauses 3e ). Dieser Gruppe unheilbringender Vorgänge sei eine andere angeschlossen, welche sichtlich eine Freundschaft t r e n n t , als wenn zwischen zwei Freunden ein Hund durchläuft 37 ) oder wenn von ungefähr ein Stein zwischen beide fällt 38 ). Geht jemand auf dem Kirchweg zwischen zwei Verlobten hindurch, so leben diese als Gatten in Unfrieden 3e). Ähnlich wird der Ehefrieden auch gestört, wenn einer sich bei gemeinschaftlichen Mahlzeiten zwischen zwei Eheleute setzt m ). Verwandt mit diesen Befürchtungen dürfte das heute noch allgemeine Gefühl sein, welches ganz natürlich verbietet, daß mehrere Leute beim Abschied einander die H ä n d e ü b e r s K r e u z reichen; für Freunde und Liebesleute, so heißt es besonders, zerstöre diese Geste die Freundschaft oder ziehe den Tod nach sich 41 ). Es waltet hier offenbar die Angst vor einem Trennungszauber oder einem Verschränkungszauber (s. u. § 3), der vielleicht auch in dem folgenden Vorgang droht: besehen zwei Leute einander die Hände (Finger), so bekommen sie S. miteinander; um dies zu vermeiden, soll man hernach schnell auf die Füße sehen 42 ). Hinter dieser Handlung könnte auch die Gefahr eines B e r ü h r u n g s z a u b e r s lauern, vor der man sich bei zahlreichen Gelegenheiten zu achten hat: „wer Brod isset, davon ein anderer gebissen hat, der wird dem andern feind oder gram" 43). Aus dem gleichen Grund soll man auch von keiner Frucht essen, an der schon ein anderer abgebissen hat **), und nichts trinken, wovon ein anderer getrunken hat, ohne wenigstens zuerst einen Tropfen ausgeleert zu haben **). Eheleute sollen nicht von einem Haushahn essen 4e). In allen derartigen

Zank

526

Fällen fürchtet man einen Schadenzauber 47 ). Die gleiche verhängnisvolle Berührung zweier Menschen, die zur gefährlichen Verunreinigung wird und zu S. und Verfeindung führt, tritt ein, wenn beide m i t einem L ö f f e l oder v o n einem T e l l e r essen 4 8 ). Einen fremden Löffel muß man daher stets abwischen, um dem ersten Benutzer oder Besitzer nicht gram zu werden 49). Ebenso verpönt ist es, sich in einem Becken, mit g l e i c h e m W a s s e r zu waschen 5 0 ) — ohne dreimal darein zu speien 51 ) — oder einen andern die Hand an seiner Schürze wischen zu lassen 52 ), ebensowenig sich d e s s e l b e n H a n d t u c h s zu bedienen 8 3 ), eine begründete neue Spielart des alten Aberglaubens. Weitere gefährliche Berührungen: „wenn ein Junger-Gesell und eine Jungfrau miteinander ein Kind aus der Tauffe heben oder Gevatter stehen, soll der Pfaff sich zwischen sie stellen, sonst, wo sie einander heyrathen, würde stets Uneinigkeit zwischen ihnen seyn" 54). S. kommt auch auf, wenn einer über des anderen Stiefel fällt oder stolpert 65 ), wenn zwei ihre Stühle miteinander verwickeln 56 ), wenn eine Person der andern nachkehrt 87 ). Beim Stubenkehren soll man nicht mit heißem Wasser sprengen, es wird sonst Z. im Haus 58 ). Nach heutigem Wiener Kinderglauben wird man streiten, wenn der Schuhriemen sich abzwickt 59 ) oder wenn man Schuhe auf Bank oder Tisch stellt eo ). Die Schuhe erscheinen als Vertreter ihrer Träger in der alten schwedischen Sitte, in der Julnacht alle Schuhe an einer Stelle dicht beieinander zu stellen, auf daß alle das ganze Jahr in Eintracht bleiben β1 ). Es erinnert an die noch zu nennenden Feuervorzeichen (vgl. § 4), wenn ferner S.gefahr droht, falls die Suppe auf dem Tisch kocht 62 ) oder auf einem Tisch zwei Lampen brennen 63 ) oder wenn man mit einem Streichholz unter den Tisch leuchtet, an dem abends Leute sitzen ®4). So finden sich die v e r s c h i e d e n s t e n U r sachen zu V e r w i c k l u n g e n , von denen noch weitere, besonders im Erzgebirge überlieferte genannt seien es ) : so soll Z. entstehen, wenn verkohltes Holz ins Haus

52;

Streit, Zank

kommt, wenn jemand auf ein angelaufenes Fenster schreibt, wenn einer über Kehricht gehen ββ) oder an einem offenen Abort vorüber muß, wobei er dem gram wird, der die Türe nicht schloß. Um Chemnitz glaubte man einst, an dem Tage gäbe es Z. im Hause, wo abends zuvor bei Licht Waschwasser auf die Gasse gegossen worden®7). Auch wenn man etwas mit Papier abwischt, kommt Verdruß ins Haus 68 ). Als S.erreger erscheinen auch einige P f l a n z e n , so in Nieder Österreich der Farn als „ G r e i n k r a u t " ··). Immergrün, ins Essen getan, bewirkt Entzweiung zwischen Mann und Frau 70). Es gibt Kräuter, die besonders die Weiber auseinander bringen 71). Fünfblättriger Klee verursacht, im Gegensatz zum vierblättrigen, Unglück und Unfrieden 72 ). Die Wurzel des Teufelsabbiß (Scabiosa succisa) erregt, unter den Tisch gelegt, Z. unter den Gästen 73), dasselbe gilt vom Labkraut 74 ), oder wenn man Staub von der Stelle, wo sich zwei Hunde gebissen haben, in eine Wirtsstube streut 7S). Geradeso entzweit man mit dem Sand, auf dem sich zwei Hähne gebissen haben, Liebende, indem man jenen zwischen diese wirft 7 e ). Ebenso wirkt Staub oder Fasen, die in eine Messerscheide gefallen und auf den Weg der Liebenden geklopft worden sind 77 ). Neben etlichen Pflanzen begegnen auch manche Tiere als Bringer von S. und Unfrieden im Haus oder wenigstens als Verkünder und Vorzeichen eines Z.s, in erster Reihe die Elstern 78) : Wenn eine Elster schreit, deutet dies Z. und S. a n n ) , nach einem Handel Prozeß mit dem Verkäufer 80). Das unheilverkündende Raben- und Krähengeschrei zielt unter anderm auch auf S.81), ebenso das naturwidrige Krähen eines Huhns 82 ) oder Streiten der Hühner 83 ). Auch die Eule ist zuweilen ein Anzeichen von Z. 84 ), und wo viele Hänflinge sich aufhalten, gibt es Z. 85 ). Katzengeheul verkündet Ζ. 8e), besonders in einer Freitagsnacht 87 ), ebenso der Anblick einer kleinen Spinne 88 ). Lärm und Z. entsteht, wenn ein Hund auf der Straße unruhig hin und her läuft und niemand in der Nähe ist 8e ). Wo aber Schwalben nisten, gibt's keinen Unfrie-

528

den ®°) ; wer ein Schwalbennest herunterschlägt, stört daher des Hauses Frieden91). Auch die Aufbewahrung eines ganzen Eisvogels in einem Hause hält Z. und S. davon fern 92). Endlich veranlassen noch Verstöße gegen religiöse Sitten Unheil; im Erzgebirge bringt das Fehlen des hl. Abendlichtes Zwietracht in die Familie98). Wer morgens das Kreuzzeichen mit der linken Hand macht, hat den Tag über Z. und Hader M ). Hier denkt man an die heute noch allgemein verbreitete unglückliche Fügung, mit dem l i n k e n F u ß aus dem Bett gestiegen zu sein95). Spinnen zur Mittagszeit bringt nach heutigem Wiener Kinderglaube Z. und Zwietracht M ). Gleich verhängnisvoll wirkt, Montags vor das Fenster zu treten OT ). An Fastnacht darf die Hausfrau nicht stricken, sonst „hat sie im Jahre viel S." 98). ») G. 2, 952; 3, 452 Nr. 535 (Worms 1790); Wolf Beiträge 1, 239 Nr. 457; Meier Schwaben 505 Nr. 375; B a r t s c h Mecklenburg 2, 137. 3 ) „Wird ein SalzfaB auf dem Tisch umgestoßen, da folgt den ganzen Tag nichts Guts daraus", Würzburger Predigt 1749, Duhr Gesch. d. Jesuiten 4*, 319; W i t z s c h e l Thüringen 2, 277; Weinheimer Gsschichtsblatt 3/4, 17. 4 ) J. 35. e ) Vgl. H a b e r l a n d in ZfVölkerpsych. 18 (1888). 362 f.; s. a. BIBadVolksk. 3, 34; Wrede Rhein. Volksk. 86 ( 2 i29); Andree Braunschweig 401; ZfVk. 24, 57 Nr. 57 (Dithmarschen); D. 2, 12; W. § 293; F o g e l Pennsylvania 363 Nr. 1941 fi. ·) F o g e l a. a. O.; nordengl., vgl. Anm. 9. η ) Κ. 431. >) H a b e r l a n d a. a. O. 362 (England). ·) S. E i t r e m Saltet i tro og overtro, Fästskrift tili H. F. Feilberg 1911, 176 ff. 181, erklärt die S.wirkung verschütteten Salzes aus dem Verschütten als einem unabsichtlichen und daher unrichtigen Opfer an böse Geister, die, so herbeigezogen, durch nachträgliches bewußtes Opfer mit "Werfen des verschütteten Salzes über die linke Schulter (nordengl.) wieder abgehalten werden. 10 ) H e c k s c h e r 378; M. J. S c h l e i d e n Das Salz (1875) 73. « ) H. H. 68; D. 2, 14 (auch nicht über den Tischrand hinausragend); s. w. oben 1, 1653. 1654 A. 662. la ) Meier Schwaben 505 Nr. 375; P a n z e r Beitrag 1, 259 Nr. 48; W. § 293. 1S ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 177. 14 ) Vgl. H a g b e r g Vasst emot, Fataburen 1929, 12 ff. 15 ) Rockenphilosophie (1706) 214 c. 93 = G. 3, 443 Nr. 273. " ) J· 35; W· §§ 293 (Thüringen). 460 (Oldenburg); H. H. 94; E n g e l i e n u. L a h n 272 Nr. 198; H a b e r l a n d a. a. O. 276. » ) H. H. 94· 18 ) S t r a c k e r j a n 1, 54. 2, 229 Nr. 485 = W. § 622. « ) WZfVk. 33, 93 (Wiener Kinderglaube von heute); B e r g e n Superstitions 135

529

Streit, Zank

Nr. 1302. 2 0 ) J . 31; SchwVk. 10, 36; Urquell 3, 40 (Schlesien); 4, 277 (engl.); W. § 460; K e l l e r Grab d. Abergl. 2, 239; T h i e r s Traité 1, 184. al ) ZfVk. 20, 383 Nr. 39 f. (Schleswig-Holstein); H e c k s c h e r 130. 385 Anm. 277; W. § 625; B e r g e n a. a. O. 144 Nr. 1413. 2 a ) J . 35; vgl. H a b e r l a n d a. a. O. 360. 23 ) H. H . 38. »*) ZfVk. 20, 383 Nr. 39 f. (Schleswig-Holstein); H e c k s c h e r 130. 385. » ) S. o. 6, 916 ff., bes. Anm. 26 ff.; vgl. ferner H . H . 94; H e c k s c h e r 130; Weinheimer Geschichtsblatt 3/4, 17. 2 8 ) S. o. 6, 919 A. 32 fi.; s. a. BlBadVerfVolksk. 3, 34 (Heidelberg 1905); D. 1, 231 f. 2 7 ) Ebd.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 177; Svenska Landsmál 8, 3, 368; Fataburen 1929, 38. 2 8 ) S. o. 6, 206. í9 ) K ü c k Lüneburger Heide 156; K. 425. 438; SudetendtZfVk. 2, 135; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 280; P f i s t e r Hessen 170; B o h n e n b e r g e r 19; Unoth ι , 180; ZfVk. Ii, 448 (Südtirol); W . §§ 553. 567; P e t e r s Pharmazeutik 257; s. w. § 3. 30 ) Wiener Kinderglaube, WZfVk. 34, 32. 3 1 ) Vgl. Fataburen 1929, 38 : för a t t icke ,,sticka u t vänskaper" eller „förstöra kärleken" ; vgl. den schwed. Spruch: ,,Sax och nâl och kniv vännen aldrig giv. Saxen klipper, nälen sticker, kniven skär kärleksbandet mitt isär" und den dän. Spruch: „Knappenaale og Knive Skal Kaerlighed fordrive". 3 > ) J . 35. 33 ) Ebd. 34 ) E b d . ; s. a. oben 7, 1078. 3S ) H . H . 68. »·) W. § 399 (Böhmen). »') G. 3, 441 Nr. 213; 467 Nr. 894; P a n z e r Beitrag 1, 262 Nr. 100 (1825); S t r a c k e r j a n 1, 23; ZfVk. 12, 9; W . § 268; nach dem Talmud bringt eine menstruierende Frau am Ende der Menstruation, wenn sie zwischen zwei Personen durchgeht, S. zwischen diese, S e l i g m a n n Zauberkraft 115. M ) G. 3, 467 Nr. 894. «») W. §§ 291 (Westfalen). 624; vgl. unten Anm. 76 f. 4 0 ) W o l f Beiträge ι , 212; W. § 570; vgl. oben 2, 498. 4 l ) W. §§ 553. 624; vgl. oben 5, 533. « ) H . H . 67 f.; ZfVk. 20, 383 Nr. 53 f. (Schleswig-Holstein); K u h n u. S c h w a r t z 461. β ) Rockenphilosophie (1709) 279 c. 54 = G. 3, 439 Nr. 146. «*) K . 426. 4S ) Svenska Landsmál a. a. Ο. 4 · ) G. 3, 447 Nr. 393; zur Erklärung vgl. oben 3, 1326. 4 7 ) Vgl. oben ι , 1344:2,1028. 4 8 ) J.35; 0 . 3 , 4 4 9 ^ . 4 4 8 ; vgl. H a b e r l a n d a. a. O. 155 ff. 4») W. § 460; vgl. P a n z e r Beitrag 1, 257; B i r l i n g e r Schwaben ι , 409; D. 2, 12. w ) J . 35; D . 2, 266; ZfVk. 20, 383 Nr. 47 (Schleswig-Holstein); Bartsch Mecklenburg 2, 314; K n o o p Hinterpommern 182 Nr. 245; W . § 464 (Oldenburg); H a b e r l a n d a. a. O. 158!; in Schweden noch allgemein gültig. " ) B a r t s c h a. a. O. M ) G. 3, 439 Nr. 147. ra) J . 35; K. 425; K n o o p a. a. O.; W. § 624; B e r g e n Superstitions 135 Nr. 1296 f. M ) Rockenphilosophie (1709) 312 c. 70 = G. 3, 439 Nr. 162. M ) J . 35. *·) B e r g e n a. a. O. 147 Nr. 1444. « ) J . 35. » ) G. 3. 448 Nr. 424. «·) WZfVk. 34, 26. ·°) Ebd.; C u r t z e Waldeck 419; auch schwedisch, Svenska Landsmál H . 61 128 (1914), 70. ) A r n d t Reise durch Schweden (1806) 3, 85. M) W. § 293 (Böhmen); s. u. Anm. Μ 149. ) J . 35. M ) Rockenphilosophie (1709) 76 c. 58 = G. 3, 436 Nr. 47. 479 Nr. 50 (schwedisch);

530

D. 2, 12; J . 35; K. 425; W. § 567. « ) J . 35; vgl. D. 2, 185. · · ) S. a. W . § 610 (Franken, Halle). " ) 1787, G. 3, 451 Nr. 504; m a n darf auch nicht die Dielen m i t dem Wasser waschen, mit dem Wäsche gewaschen worden ist, W. § 610 (Böhmen). 88 ) Urquell 1 (1890), 48. ·») S. o. 2. 1226. 7 0 ) A l p e n b u r g Tirol 399; W i t z s c h e l Thüringen 2, 288. 71 ) „Weiberkrieg" (ononis spinosa) u. „Z.kraut" (altercum, Bilsenkraut), G·. 3, 351; s. ο. ι , 1306 f. 7 2 ) W. § 130. « ) G. 3, 449 Nr. 476 = W . § 135· M ) S. o. 5, 867 f. 76 ) W. § 399 (Böhmen); man legt einen Stein unter den Tisch, worein ein Hund gebissen h a t , ZfdMyth. 3, 321; Froschknochen s. o. 3, 139. 7 e ) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 118. 7 7 ) Zauber von 1679, Egerl. 5, 6. 7e ) Z i n g e r l e Tirol 79 Nr. 656; V e r n a l e k e n Alpensagen 397. 7 · ) M e y e r Baden 578; L ü t o l f Sagen 357; S t a u b e r Aberglaube 35; W. § 275; s. a . oben 2, 798 Anm. 16. 8 0 ) H ü s e r Beiträge 2, 26 Nr. 14. 8 1 ) S. o. 7, 445. 8 a ) ZfrwVk. 1914, 264. 8 3 ) ZföVk. 8, 182. 8 4 ) E s t e r m a n n Rickenbach 188. 8S ) W. § 281 (tschech.). 8 · ) C u r t z e Waldeck 404; K e l l e r Grab 1, 93: L i e b r e c h t Zur Volkskunde 328 (norwegisch); ZföVk. 4, 213 (Husten einer Katze, rumän.). 8 7 ) W. § 271 (Aargau). ββ ) C u r t z e a. a. O. 407. 8> ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 139. Z i n g e r l e a . a. O. 88 Nr. 747; SAVk. 2. 221. n ) L e o p r e c h t i n g 2 Lechrain 1, 76. * ) Aus S c h w e n k f e l d s Theriotropheum (1603), MschlesVk. 29 (1928), 295; vgl. W. § 164. » ) J . 156. M ) Z i n g e r l e a. a. O. 33 Nr. 247. *) D. 2, 266 (ärschlich!); ZfVk. 20, 383 Nr. 48 (SchleswigHolstein); W . § 463. »«) WZfVk. 34, 31. *') J. 35! s. o. 6, 560. , s ) W . § 98 (Oberpfalz).

3. Diesen zahlreichen Vorgängen, die in magischer Weise einen S. hervorrufen, seien weitere Zauberhandlungen angeschlossen, welche, meist mit bewußter Absicht geübt, den Ehefrieden stören und eine unglückliche Ehe herbeiführen wollen ·»). Hierher gehört das Nestelknüpfen 1 0 0 ). Es kommt Z. und S. in die Ehe, wenn am Hochzeitstag heimlich ein verschlossenes Vorlegeschloß in den Brunnen geworfen worden ist 101 ). Hexen „flechten S. ins B r a u t b e t t " , indem sie Kissenfedern in Kränze und Ringe zusammenflechten102). Man soll auch die unter den Flügeln der Gans liegenden 4 oder 7 „Strîdfedem" nicht mit in die Betten stopfen, damit die Schlafer keinen S. miteinander bekommen 103). Ebenso stiften Totenhaare im Ehebett Unfrieden104), gleichwie in des Teufels Namen abgeschnittene Hundehaare10ä). Möglicherweise hängt I damit der Glaube zusammen, daß Ver-

531

Streit, Zank

lobte einander keine Gegenstände aus Haaren, nicht einmal aus eigenen Haaren, schenken dürfen, wenn die Ehe nicht unfriedlich werden soll l o e ). Liebende müssen ja auch nach einer andern Richtung v o r s i c h t i g sein m i t ihren Ges c h e n k e n , wenn sie den künftigen Frieden nicht gefährden wollen; so haben sie sich besonders zu hüten, einander s p i t z e oder s c h a r f e Gegenstände zu geben (s. o. § 2), auch kein Glas, sonst löst sich das Verhältnis 107 ). Erst recht dürfen natürlich andere der Braut weder Schere noch Messer schenken, um die Liebe nicht zu zerschneiden, auch nicht Gabeln, Löffel, Kaffeetassen 108 ) noch Glas10»). Der Bräutigam darf nicht einmal ein Messer bei sich tragen, wenn er nicht das Eheband zerschneiden will 1 1 0 ), und Brautleute schneiden auch nicht gerne, wenn sie zusammen kommen, Brot und Butter an, da sonst Z. die Ehe betrüben wird m ) . Ähnlich bewirkt eine ins Brautkleid gesteckte Stecknadel, daß die Eheleute sich nicht vertragen 112 ). Wohl um solchen und anderen Schadenzauber zu verhüten, dürfen die Kleidungsstücke auf dem Brautwagen nicht berührt werden, „sonst wird die Ehe friedlos", und man darf nicht mit der Peitsche knallen, sonst bekommt die Frau Schläge 118 ), ebenso wenn man beim Zurichten des Brautbettes darauf klopft 1 1 4 ). Verschiedene Schadenzauber werden auf dem K i r c h w e g und w ä h r e n d der Trauung wirksam. Der Angang einer Wöchnerin, der allgemein Unfrieden bringt, schadet besonders Brautleuten auf dem Hochzeitszuge 115 ). Während des Glockenschlags soll man nicht zur Trauung gehen, denn auch dann bekommt die Frau Schläge 11β ). Wenn die Glockenstränge während der Trauung aus Bosheit oder Übermut verschlungen werden, gibt es argen Krach unter den jungen Eheleuten 117 ). Sperrt man während der Trauung einen Hund, eine Katze und eine Henne in eine Stube, dann wird die neue Ehe von gleichem Z. erfüllt sein 118 ) ; dieselbe Wirkung erreicht man, wenn man zwei an den Schwänzen zusammengebundene Katzen dem Brautpaar über den Weg

532

laufen läßt 1 1 9 ). Während bei diesen magischen Schädigungen zum Teil böse Absicht deutlich wird, schaden die Brautleute ihrem Ehefrieden wie bei einigen schon genannten Handlungen unbewußt, aber unvorsichtig auch durch folgende V e r f e h l u n g e n : So darf die Braut dem kirchlichen Aufgebot nicht beiwohnen, sonst gibt es S. in der Ehe 120 ). Ferner wird Unfrieden in der Ehe heraufbeschworen, wenn auf dem Weg zur oder von der Kirche 1 2 1 ) oder während der Trauung beim Knien oder Stehen vor dem Altar 122) sich ein Zwischenraum zwischen Braut und Bräutigam gebildet hat; denn dann können böse Leute zwischen ihnen durchsehen und Uneinigkeiten in der Ehe stiften 123). Bringt die Braut Eier mit ins neue Haus, gibt es viel Z. l z 4 ), vgl. § 4. Die gleiche gefährliche Folge hat die H e i r a t an b e s t i m m t e n v e r w o r f e n e n T a g e n des Jahres, so am 8.Mai126) ; 42 solche Tage soll es geben 128 ), mancherorts auch nur 5 127) ; dazu gehören die Hundstage 128). Doch auch die Wochentage sind ungleich beliebt; wenn die Eheleute an einem Donnerstage geheiratet haben, leben sie nachher natürlich stets im S. 1 2 9 ). In vielen Gegenden werden die Montags, Mittwochs und Samstags 130 ) oder auch nur die an einem Mittwoch geschlossenen Ehen unglücklich und führen bald zur Trennung 131 ), in katholischen Orten ebenso die an einem Freitag geschlossenen Ehen; am Freitag darf man aber auch nicht backen, sonst entsteht Z. 1 3 2 ). Wenn zwei Schwestern an einem Tage (oder auch im gleichen Jahre) Hochzeit machen, werden ihre Ehen unglücklich 133 ), s. w. oben 4, 166. Nicht nur am Hochzeitstag, auch früher und später können allerlei z a u b e r i s c h e A n s c h l ä g e auf das Glück einer Ehe gemacht werden. Jemand, der an drei Karfreitagen hintereinander einen „unverdanks gefundenen" Hufnagel bei sich getragen hat und damit beim Handschlag die Hände zweier Brautleute drückt, kann die Ehe trennen 134). Um in einem Hause S. zu stiften, wirft man auch eine Schote, in der 9 Erbsen sein müssen, vor den Augen der Bewohner

533

Streit, Zank

über das Haus 135 ). Ehelicher Zwist entsteht weiter durch Pfauhahnfedern in der Wohnung 136 ), oder wenn Gewicht oder Elle aufs Bett gelegt werden 137 ), wenn ein Schlüssel auf dem Tische liegt 138 ) ; der Mann schlägt die Frau, wenn jemand zur Stubentür hineinschaut, ohne einzutreten 139) ; ebenso gibt es S., wenn jemand w ä h r e n d des E s s e n s ins Haus kommt oder umgekehrt selbst mit einem Bissen im Mund ins Zimmer tritt 140 ) ; auch wer essend in die Haustüre tritt, bekommt Z. 1 4 1 ).

534

pratzelt, bullert, entsteht ein Z. im Hause 142 ), mit andern Worten auch: wenn es im Ofen bläst und knistert 143 ), wenn das Feuer auf dem Herde heult 144 ) oder knallt 145 ), auch wenn Rußfunken sich während des Kochens an der Pfanne ansetzen 146 ). Um den Z. abzuwenden, spuckt man ins knisternde Feuer 1 4 7 ). Rauchentwicklung einer ausgelöschten Kerze bedeutet einen Skandal 148 ), Nachkochen eines vom Feuer gehobenen Gerichts S. oder Schläge für seine Köchin 149 ). Wenn einem die N a s e b e i ß t , kriegt man S. 15°), Niesen weissagt nach Schwei" ) Vgl. C a r r i c h t e r , Breslau 1551, D. 2, 260; zer Aberglauben Verdruß oder ein schel5. durch Lesen aus einem Hexenbuch hervorgerufen, H e y l Tirol 548. 10°) S. o. 6, i o i 4 f f . ; tendes Weib 151 ). Kopfjucken verkündet 101 vgl. unten Anm. 117. ) Veckenstedt Schläge 1S2 ), ebenso Jucken an Augen, Sagen 240; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 128. I0a Rücken und Hinteren 163). Lacht man, ) M ü l l e n h o f f Sagen 223 = G. 3, 311 = daß einem die Augen übergehen, so gibt's Meyer Schleswig-Holstein 284; S c h ö n w e r t h a. a. Ο. I, 129. 1IB) BIPommVk. 7, 43; L a u f f e r Z. 1 5 4 ). G e l b e F l e c k e n am F i n g e r Niederdeutsche Volksk. 88. 1 M ) Urquell 4, 98 bedeuten S. ; sind sie so groß, daß man sie (Siebenbürgen). 105 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1M mit einem Finger nicht bedecken kann, 354; vgl. Urquell 3, 271 (Polen). ) Höhn so wird der S. von Belang 155 ). Wenn beim Hochzeit ι, n . 10 ') J. 35. 108 ) W. § 567; J o h n Westböhmen 91. 1TO) D . 1, 244. 1 1 0 ) D . 1, 259. Eintritt ins Haus nicht fern von der 1 U ) K. 438; W. § 553. 112 ) S c h u l e n b u r g 121; Schwelle der Fuß knackt, weist dies auf 113 ZfVk. ι, 483 Nr. ι. ) W. § 559 (Vogtland). kommenden Verdruß 154 ). Das gleiche 114 ) W. § 568. 115 ) W. §§ 576 f. "«) ZfVk. 8, 30; zeigt der sich hinten aufstülpende Rock wenn der Glockenstrang reißt, wird die Ehe nicht glücklich (Ostpreußen), S a r t o r i Glocken einer weiblichen Person an 157 ). Solche 45. 92. " ' ) Urdhs-Brunnen 5, 191 (Schlesien). Vorzeichen fehlen auch nicht mit dem ni ) G r o h m a n n 211 (tschechisch). n » ) W. Beginn eines neuen Jahres, so berichtet § 563 (Ostpreußen); s. a. oben 3, 97. 12°) W. eine Familienchronik aus Mainstockheim § 559 (Böhmen). 121 ) W. § 563 (Brandenburg). " 2 ) J· 97." M e y e r Baden 294 f.; W. § 564 (s. d. von 1772 über die Zwölfnächte: scheint 12S weitere ähnliche Vorschriften). ) Panzer die Sonne am dritten Tag, so bedeutet Beitrag 2, 294 (1806); v g l . 1, 267 N r . 1 7 7 ; vgl. es S. und Uneinigkeit im neuen Jahr 158 ). andere Trennungsgefahren oben § 2. m ) W. 125 T i e r e a l s S . v e r k ü n d e r vgl. § 2. Zu § 566 (Franken). ) Z i n g e r l e Tirol 155 Nr. 1317; vielleicht durch das Missale Romanum den Vorzeichen gehören weiter u n h e i l beeinflußt, vgl. S c h o t t Meßbuch d. hl. Kirche, v e r k ü n d e n d e T r ä u m e von zerbrechProprium Missarum de Sanctis, 8. Mai (Fest der lichen, scharfen oder unangenehmen DinErscheinung d. hl. Erzengels Michael). 12*) Zingerle a. a. O. 200 f. Nr. 1633; ZföVk. 5, 130. gen, Lebewesen und Gelegenheiten. Man 12? ) 3· 3·, 17· 8., ι. 2. 30. 9., L a c h m a n n Überwird zanken, wenn man von E i e r n 128 12B lingen 391. )W. §102 (Kärnten). ) Knoop träumt 159 ), zumal von faulen Eiern1®0), Hinterpommern 160 Nr. 58; K u h n u . S c h w a r t z 130 oder von Essigtrinken 1β1 ), auch von 434. ) So in Östergötland (Schweden). m ) S. o. 6, 445. 182 ) W. § 71 (Erzgebirge). Mehl 192 ) und Bohnen 163 ), Heu oder 133 ) W. § 559. 134 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, Geld 164 ), Wäsche 165), weiter von Hun128; vgl. oben 2, 585. 135 ) M ü l h a u s e 70. 166) und von Katzen, besonders falls den 13e l37 ) J. 35. ) norwegisch, vgl. L i e b r e c h t l3e sie den Träumenden beißen 167), von RaZur Volisi. 314 Nr. 25. ) Smàland, Svenska Landsmâl 8, 3, 368. 1 3 ί ) G. 3, 437 Nr. 79; s. o. ben 168 ), Schlangen 169 ), schwarzen Gäu6, 560. 14°) D. 2, 12. l41 ) Müller Isergebirge 34; len 17°), von Läusen oder kleinen Fivgl. oben Anm. 97. schen 171 ) — wer im Traum Fische fängt, hat S. zu erwarten ; sind es faule Fische, ist 4. Zahlreich sind die V o r z e i c h e n , die einen S. a n k ü n d e n . Wenn das der Ausgang böse, sind es frische, gün172 173 F e u e r im Ofen p l a t z e t oder prasselt, stig ) — und schließlich von Mäusen ).

Streit, Zank

535

Heutiger Wiener Kinderglaube, dem verschiedene dieser Vorzeichen entstammen, meint auch, eine graue Maus zu finden, zeige S. oder Tod an 174) ; nackte Kinder im Traum zu sehen, bringe Verdruß 17S ), ebenso das Träumen von einem zur Tür hereinkommenden kleinen Kinde 1 7 6 ). S. wird man auch erleben, wenn man von einem Geistlichen träumt 177 ). Natürlich gibt es S., nachdem man von zu Boden gefallenem Salz geträumt hat 1 7 8 ) oder von rauchigem Feuer 1 7 9 ) ; Feuer im Traum verkündet Prügel 180 ), dies kann aber auch Glück bedeuten, wogegen Wasser künftigen Verdruß anzeigt 181 ). Musik, im Traum vernommen, weist auf einen Z., der uns nichts angeht ; üben wir sie selbst aus, bricht der Z. über uns herein 182) ; entsprechend ist eigener Verdruß zu erwarten, wenn man selbst im Traume pfeift 1 8 3 ). Wenn man von S. träumt, entzweit man sich mit seinem Mann 184 ). 14î

) R o c k e n p h i l o s o p h i e (1706) 330 c. 45; G. 2,

952; 3. 445 Nr. 322. 452 Nr. 534; P a n z e r Beilrag 1, 264 Nr. 134; W. § 294; F r e u d e n t h a l Feuer 77; s. a. oben 2, 792. 1396 ff. Anm. 24 (weitere Lit.). 143 ) Z i n g e r l e Tirol 34 Nr. 257. 144) H. H. 38. 1«) D. 2, 194. 1«) SAVk. 2i, 32 (Bern) = F r e u d e n t h a l a. a. O. 75. " 7 ) W. §§ 251. 294 (Brandenburg); dreimaliges Spucken, vgl. Svenska Landsmàl 8, 3, 367: när det bláser i spisen, skall man spotta tre gànger, annars kommer han i gräl andra dagen, Smâland. ,4β ) Urquell 1, 123 (Königsberg) = F r e u d e n t h a l a. a. O. 177. " · ) G. 3, 445 Nr. 323; G r o h m a n n 226 Nr. 1602 = W. § 293. 150 ) F o g e l Pennsylvania 96 N r . 391 ; s. o. 4, 793. 1 5 1 ) S . o . 1M 6, 1077. ) G. 3, 439 Nr. 141. 153 ) S. o. 4, 793 f.

) Pforzheim 1787, G. 3,455 Nr. 625. 1 K ) Worms 1790, G. 3, 452 Nr. 536 = HessBl. 15, 129; W o l f Beiträge 1, 240 Nr. 478; Alemannia 19, 166Nr. 35 (Bretten); SAVk. 8, 269 f. " · ) G o e t h e 1M

Hermann

u. Dorothea 8, 100 f.

Waldeck

386 N r . 89; K . 398; D . 2, 202; A l e -

ls?

) F o g e l a. a. O.

58 Nr. 174. 158 ) Fränk. Monatshefte 1928, 418. "») W o l f a. a. O. 1, 239 Nr. 467; C u r t z e

mannia 19, 166 Nr. 36; SAVk. 7, 135; Z i n g e r l e Tirol 34 Nr. 262 ; WZfVk. 34, 70 (Wiener Kinderglaube); W. § 325; F o g e l a. a. O. 75 Nr. 256; s. o. 2, 644. 1 M ) Hmtl. 1932, 210 1,1 (Ilvesheim). ) Traumbuch A r t e m i d o r i (Straßburg 1624) 179. l e s ) WZfVk. 34, 70. lra ) R y f f Traumbuch (1551) 59. 1 M ) WZfVk. 34, 70; viel kleine Geldstücke, W. § 325; vgl. oben 3, 602. 1 W ) WZfVk. 34, 70. " · ) R o t h e n b a c h Bern 45 Nr. 425. l i T ) F o g e l a. a. O. 74 Nr. 253; 78 Nr. 280; vor der Türe sich herumbalgende Katzen bedeuten Z. zwischen Mann und Frau, norwegisch, L i e b r e c h t a. a. O. 328

536

Nr. 125. " ) S. o. 7, 447. "») F o g e l a. a. O. 78 Nr. 282 f. " · ) Ebd. 79 Nr. 284; vgl. K n o o p Hinterpommern 182. 171 ) K. 398; ZfVk. 20, 384 Nr. 19 (Schleswig-Holstein). m ) HessBl. 15, 130. 173 ) ZfVk. 20, 384 Nr. 12. 174 ) WZfVk. 6 33, 92. " ) Ebd. 33, 97. " · ) Ebd. 34, 70; vgl. Urquell 1 (1890), 203 Nr. 10 (Ostpreußen); W. § 325. 177) K. 398; D. 2, 202; Urquell a. a. O.; vgl. auch den S. bedeutenden Angang einer Nonne, von vorne gesehen, s. o. 6, 1115. 1Te ) Hmtl. 8

1932, 210.

179

) B e i t i Dt. Volkstum

d. Gegenwart

29 (Schlesien). 180 ) ZföVk. 3, 21; SAVk. 21, 46 (Bern); F r e u d e n t h a l a. a. O. 83. m ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 182 1M

3, 271; W . §325; S A V k . 7, 135.

) L e m k e Ostpreußen 1, 117. ) WZfVk. 34, 70.

18S

) S. o. 6, 1597.

5. Der e h e l i c h e U n f r i e d e n hat über die allgemeinen Vorzeichen eines S.s hinaus auch noch eine Reihe b e s o n derer V o r z e i c h e n . Wenn man in der Thomasnacht einen Apfel zerschneidet und einen Kern teilt, bekommt man häufig S. in einer künftigen Ehe 1 8 5 ). Zerbricht einem Mädchen beim Nähen von Mannshemden die Nadel, so wird es von seinem späteren Mann geprügelt 186 ). Wenn es am H o c h z e i t s t a g e regnet oder schneit, „hat das Brautpaar S." 187 ). Regnet's der Braut in den Kranz, hat sie Unglück in der Ehe 188), eine Regel, die nicht überall gilt 18 *). Erst recht deutet Sturm (Nebel) am Hochzeitstag auf Zwietracht, Z. und S. 19 °). Ein Unfall am Hochzeitstage, besonders S. unter den Hochzeitsgästen ist natürlich auch von schlimmer Vorbedeutung für die neue Ehe 191 ). Ebenso schlagen die Eheleute einander, wenn auf der Hochzeit die Hunde sich beißen m ) oder wenn zwei Gickel (Hähne) auf dem Weg des H o c h z e i t s z u g e s zur Kirche streiten 193 ). Begegnet einem Hochzeitszuge ein Mistwagen oder eine schwarze Katze, so gibt es Z. und S. in der E h e m ) , desgleichen, falls ein Leichenzug, eine Wöchnerin oder Verwandte entgegen kommen 19B ) und wenn eine Katze vor der Trauung auf dem Altar sitzt 1 M ). Unglück in der Ehe zeigt auch mancherlei Geschehen mit den Pferden des Brautwagens an 1 9 7 ) oder ein Anhalten, Stocken des Hochzeitszuges auf dem Wege 198 ), ferner wenn bei der T r a u u n g Fehler vorkommen, eines der Brautleute dabei niest, der Braut der Kranz vom Kopf oder der Ring herab-

537

Streit, Zank

fällt oder sie ihr Schnupftuch verliert 199 ). Flackern und Zittern der Lichter bei der Trauung bedeutet Unfrieden in der Ehe 200). Eine böse Ehe wird es, wenn der Hochzeitskranz beim Verbrennen lange glüht a»1). Wird der Braut bei der Hochzeit das Kleid zerrissen, so geht die Ehe auseinander 202 ), ebenso wenn auf der Hochzeit das Glas beim Rückwärtswerfen durch die Braut zerbricht 203 ). Wer von den Brautleuten abends das Licht auslöscht, streitet zuerst 204 ). In all diesen Vorzeichen tritt der g l e i c h n i s h a f t e Z u g des bedeutungsvollen Vorzeichens am Anfang und unter den Einführungsbräuchen eines neuen Lebensabschnitts stark hervor. Erblickt eine junge Frau den ersten Vollmond nach der Hochzeit nicht im Freien, dann zerschlägt sie viel Geschirr und bringt so Unfrieden in die E h e 1 9 5 ) . Das Verlieren der Schürze bedeutet für Mädchen oder Frau nicht nur Untreue des Schatzes oder Mannes, sondern zuweilen auch S. mit ihm 208 ). ïM ) V e r n a l e k e n Mythen 339; W. § 334. 1M ) W. § 311 (Thüringen). "») Zingerle Tirol 21 Nr. 141; ZfVk. 21, 258 (Isartal). "») Η. H. 38; J· 93; L a m m e r t 155; SAVk. 12, 150. "·) Meyer Baden 292. 1M ) NdZfVk. 8, 55 (Ostpreußen); Sturm am Morgen = Z. im ι. Teil, am Abend = Z. im 2. Teil der Ehe, B a r t s c h Mecklenburg 2, 60 f.; Andree Braun-

538

nicht gebilligt und durch kräftige Mittel g e a h n d e t . Noch in der Mitte des 19. Jh.s rügte man an der Saar einen Ehes. öffentlich durch zwei Strohpuppen auf dem Haus der Streiter und durch Katzenmusik 209 ) ; ähnlich brandmarkte man solchen Z. in den verschiedensten Gegenden 2 1 °), einst auch durch anschauliche gerichtliche Bestrafung am Pranger 2 1 1 ), vgl. Eselsritt 2 1 2 ). î07 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 40. 208 ) ZfVk. 21, 263 Nr. 122 (Vorarlberg); „in jedem Haus donnert's zuweilen", B e c k e r Pfalz 235.

2M

) ,,S. schlichten", F o x

Saarland

369 f. «10) „Tierjagen", S c h m i t z Eifel 1, 63; ZfVk. 10, 44 f. (Berg); P a n z e r Beitrag 1, 252 f. (Mitteliranken); Zingerle Tirol 224 f. (Oberinntal); bündens

Ca d u f f Die Knabenschaften Grau( 1 9 3 2 ) S. 1 9 6 f f . ; S a r t o r i Sitte u..

Brauch 1, 120 f.; streitende Ehepaare im Volksschwank, bes. des 16. Jh.s, vgl. B o l t e P o l i v k a 3, 275 f. 277 f.; Sonne und Mond als streitende Eheleute s. o. 2, 1511. 1513. a u ) Vgl. B i r l i n g e r Schwaben 2, 502; Grimm RA. 2, 318 ff. «») S. o. 2, 1016 f.; s. a. Caduff a. a. O. 200 f . ; F r e y b e Leben im Recht 191 ff.

7. Ü b l e W i r k u n g des S.s: In einem Hause, wo Unfrieden herrscht, bleiben die Bienen nicht 2 1 S ). Ähnlich hat man sich zu hüten, wenn man Bienen halbpart hält, darum zu zanken, sonst gedeihen sie nicht 2 1 4 ). Wenn man sich neckt und zankt, verdirbt man das W e t t e r 2 1 5 ) . Natürlich sollen die Nachbarn, die fröhschweig 304; J o h n Westböhmen 239; J. 9 3 ; K. 439; W. § 265; W e t t s t e i n Disentís 172; D ä h n - lich am Neujahrsabend zusammenkomhardt Natursagen 1, 87. 1 , 1 ) Meier Schwaben men, nicht zanken, sonst bringt ihnen das 483 Nr. 265; W. § 291; vgl. oben 4, 161 f. neue J a h r kein Glück 2 1 β ). Umgekehrt m ) G. 3, 448 Nr. 433. " · ) Alemannia 24, 155 verleiht Friedfertigkeit gleich der Un(Wiesloch). 1 M ) G. 3, 475 Nr. 1088; Weinheimer Geschichtsblatt 3/4, 16. 1 , e ) W. §§ 291. schuld (s. d.) besondere K r a f t : drei Brü577. 1M ) W. §271 (Schwaben). » ' ) S.o. 6, 1621. der Schneider, die sich im Leben nie geÖstergötland (Schweden). 1 M ) W. § 304. zankt haben, können daher einen Schatz i0 °) Meier Schwaben 485; Meyer Baden 295; 217 ). Wer aber im Leben miteinF r e u d e n t h a l Feuer 175; s. w. oben 4, 1246. heben s01 1252 f. Anm. Ii (Lit.). ) L ü t o l f Sagen ander gestritten hat, muß übers Grab 548 f. * F r e u d e n t h a l a. a. O. 75; Vorzeichen hinaus den Zwist fortsetzen, so daß viele durch das Gedeihen der Myrte, s. o. 6, 715. Sagen von s t r e i t e n d e n G e s p e n s t e r n i0 »)W. §291. *) M e y e r - L ü b k e REWb. Nr. 8569. 2 ) G a r b i n i Antroponimie 899. 3 ) Ebd. 4 ) G a r b i n i op. cit. 604. 5 ) op. cit. 898. β ) A. a. O. Tarantul ist nach W e i g a n d - H i r t DWb. 1, 1025 auch die älteste deutsche Form (1676). ' ) A. a. O. ») REWb. Nr. 8569. ») G a r b i n i op. cit. 898. 10) Buch der Natur 240. u ) op. cit. 2401. 1 2 ) op. 13) cit. 240. S t a r i c i u s Heldenschatz 57; S t e m p l i n g e r Sympathie 60; M e y e r Aberglaube 108—109. " ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 1025. 1 5 ) S t e r n Türkei I, 211. Riegler.

Tarnkappe s. Z w e r g . Tasche. ι . Die K l e i d e r t a s c h e n werden wohl schon im 13. Jh. erwähnt, bürgerten sich aber erst im 16. Jh. ein 1 ), nehmen daher im Aberglauben keinen bedeutenden Platz ein. A m häufigsten dient die T., wie der Schuh (s. d.), zum A u f b e w a h r e n v o n S c h u t z - u n d Z a u b e r m i t t e l n , so von Salz und B r o t 2 ) (s. d.), von heilkräftigen Kräutern, Wurzeln und Samen 3 ). In der Schweiz trägt man besonders die Wurzel des wegen der vielen die Zwiebel bildenden Schalen Neunhemd genannten Allermannsharnisch in der T. gegen Hexen und Gespenster 4 ). Eine in der T . getragene Fledermaus (s. d.) macht unsichtbar 6 ). Wer einen silbernen Erbknopf in der T. hat, kann Festgemachte erschießen e ). Nach einer Sage aus der Sülzgegend enthält eine Zauberhose in einer T. einen spiritus familiaris in einem Fläschchen und in der anderen verdoppelt sich der darin liegende Hecktaler '). Sonst ist ein häufiger Sagenzug, daß das von Geistern geschenkte Laub u. a. sich daheim beim Ausleeren der T. als Gold erweist 8 ) oder daß umgekehrt das in die T . gefüllte Gold sich in wertloses Zeug verwandelt 9 ). Betreffs des Wassermannes heißt es auch, daß es aus seiner linken Rocktasche beständig tropft 1 0 ) (s. Kleid, Rock, Schürze). Durch das U m k e h r e n oder bloße Herausziehen der T., womit sie auch umgedreht wird, übt man allerlei Z a u b e r . In Neu-Pommern und Mecklenburg glaubt man, daß ein Gewehr nicht losgeht, wenn man in dem Augenblick, wo jemand den Schuß abgeben will, heimlich eine T . umwendet u ) oder die T. aus der Hose

669

Täschelkraut—Taschentuch

oder dem Rock herauszieht 1 2 ). Umkehren der T . bricht ferner Blendzauber 1 3 ) und ist in Poitou ein Mittel gegen Behexung 1 4 ). In Mecklenburg glaubt man, daß ein Hengst eine Stute nicht decken kann, wenn ein Anwesender seine H ä n d e i n die H o s e n t a s c h e n s t e c k t 1 5 ) , ferner daß L ö c h e r in der T . eintretenden Mangel bedeuten 1β ). *) F. H o t t e n r o t h Handbuch der deutschen Tracht (Stuttgart o. J.) 549. Vgl. D W b . 11, ι , 147 ff.; H e c k s c h e r 273. 502 f. ! ) S e l i g m a n n Blick 2, 36 ff. 3 ) Ebd. 57 ff. 70. 73 f. 80. 131. Vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 79. •*) Schweizld. 2, 130οί. 5 ) Q u e n s e l Thüringen 276. ·) T e m m e Pommern 288 = H e c k s c h e r 384. ' ) S c h e l l Bergische Sagen 354 ff. Nr. 55. 8) Quensel Thüringen i 6 i . 179; Sieber Sachsen 177. 308 f. *) S i e b e r a . a . O . 152. P f a l z Marchfeld 140 f. " ) K u h n West12) B a r t s c h falen 2, 191 Nr. 540. Mecklen13) burg 2, 349. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 276. 1 4 ) S e l i g m a n n Blick 2, 222. l 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 155 = ZfVk. 4 (1894), 47 Anm. M) = Storfer Jungfr. Mutterschaft 164 1 . B a r t s c h Mecklenburg 2, 316.

2. Neben den Kleidertaschen kommen noch a n d e r e T.n in Betracht. In B r u s t t ä s c h c h e n werden nicht selten Wurzeln und Samen gegen alle möglichen Krankheiten getragen 1 7 ). Darin oder in den Kleidertaschen oder in den Kleidern eingenäht hatten im Weltkrieg viele Soldaten Schutzmittel M ). Eine J a g d t a s c h e hat der Nachtjäger umhängen. Schenkt er sie einem Menschen, so darf dieser sie erst in drei Tagen öffnen, sonst ist bloß dürres L a u b darin 19 ). Zaubertiere, die man in der Jagdtasche heimschafft, fangen darin zu reden an M ). In seine H i r t e n t a s c h e steckt der Schäfer den goldenen Kegel vom K y f f h ä u s e r 2 1 ) . . Nach einer thüringischen Sage schenkte die hl. Jungfrau einem armen, frommen Mädchen in Erfurt eine Z a u b e r t a s c h e , in welcher stets drei Goldgulden waren 2 2 ). Ein Mann im Erzgebirge, der auf einem Kreuzweg eine B r i e f t a s c h e fand und behielt, starb, als er einige Tage später wieder an dieselbe Stelle kam. Denn auf Kreuzwegen liegende Gegenstände soll man nicht aufheben 23 ). Des A n t i c h r i s t T a s c h e n nannten die Taboriten den Kuttenberg in Böhmen wegen seines

670

reichen Bergwerks, das zu dem gottlosen Leben der Bergleute führte 24 ). " ) S e y f a r t h Sachsen 302. 1 8 ) H. B ä c h t o l d Deutscher Soldatenbrauch u. Soldatenglaube (Straßburg 1917) 15 ff. 1 9 ) K ü h n a u Sagen 2, 456 Nr. 1058 = P e u c k e r t Schlesien 193. 20 ) J u n g b a u e r Böhmerwald 192. 2 1 ) Q u e n sel Thüriiigen 171. 2 Î ) Ebd. 80 f. 23 ) J o h n Erzgebirge 133 = S e y f a r t h Sachsen 182. M ) S i e b e r Sachsen 64. Jungbauer.

Täschelkraut Taschenmesser

s.

Hirtentäschchen. s. M e s s e r .

Taschentuch. I. Liebe u. Hochzeit. 2. Tod u. Begräbnis. 3. Volksmedizin. 4. Sonstiges.

I. D a s im 16. Jh. aus Italien gekommene, daher oft auch Fazilettlein (ital. fazzoletto) genannte T . 1 ) ist auch heute noch auf dem Lande zuweilen mehr Zierund Prunkstück als Gebrauchsstück. Deshalb und weil es nicht selten zum Verbinden benützt wird, erhielt es eine besondere Bedeutung im L i e b e s l e b e n , wo es die Liebenden gewissermaßen zusammenbindet. E s ist ferner ein A b w e h r m i t t e l gegen Böses, wohl deshalb, weil man damit auch den schädlichen Ausfluß der Nase beseitigt. Einzelne Überlieferungen wurden v o m T u c h (s. d.) überhaupt und anderen Wäsche- und Kleidungsstücken auf d a s T . ü b e r t r a g e n . Vor allem in den Alpen liebt man schön verzierte T.er. Zur Toggenburger Sennentracht gehört das diagonal zusammengelegt als bunter Schmuck u m den Leib getragene S e n n e n n a s t u c h , das mit bunten Bildern und Versen bedruckt i s t 2 ) . Die Verse und Bilder auf solchen T.ern beziehen sich meist auf das Liebensieben 3 ), werden oft von den Mädchen selbst ausgenäht und sollen gewissermaßen die Liebe des Verehrers, der sie geschenkt bekommt, erhalten. In solche V e r s t ü a c h l bindet im Salzburgischen das Mädchen dem Liebsten das Osterpackl ein. Die Burschen tragen sie am Feiertag so in der Joppentasche, daß eine E c k e des weißen Tuches heraussieht 4 ), gerade so wie es eine städtische Mode seit den ersten Nachkriegsjahren ist, ein buntes, womöglich von einem Mädchen geschenktes Seidentuch, zuweilen, so ζ. B . in Nordböhmen 5 ), Kokettiertuch oder

671

Taschentuch

Kokettierfetzen genannt, aus der oberen Rocktasche herausblicken zu lassen. Heiratslustige Burschen sollen früher im Saterlande, um sich als solche kundzugeben, beim Kirchgang einen roten oder bunten Lappen am Rücken getragen haben e ). In Hinterpommern sagt man von einem, der sein T. aus der Tasche baumeln läßt: ,,Hei geht upp de Fri" '). In Württemberg heißt es dann hie und da, daß dieser eine Witwe heiratet 8 ). Einen besonderen Liebeszauber kennt man in Ostpreußen. Läßt ein Mädchen einen Burschen an ihrem T. oder an ihrer Schürze (s. d.) a b t r o c k n e n , so fesselt sie ihn an sich 9 ). Ähnlich glaubt man in Haute-Bretagne, daß die Freundschaft zwischen Burschen und Mädchen stärker wird, wenn es dem Bursch gelingt, ein T. des Mädchens in seinen Besitz zu bekommen 10). Das T. war daher auch, namentlich im 17. Jahrhundert, wo bereits der Nasenlumpen in dieser Bedeutung angeführt wird 1 1 ), ein beliebtes E h e p f a n d und spielt noch heute bei der Werbung und Hochzeit eine Rolle, nicht allein bei den Deutschen, sondern auch bei slawischen und romanischen Völkern 12 ). Doch kann meist auch jedes andere Tuch (s. d., Kopftuch, Halstuch) an seine Stelle treten. Nimmt das Mädchen das überreichte oder übersandte T. an, so stimmt es der Werbung zu 13 ). Bei den bosnischen Mohammedanern wirft der Bursche auf das Mädchen, das er zur Gattin will, ein T. oder ein Kleidungsstück. Nimmt dieses das T. oder läßt es sich vom Burschen fangen, so ist es ein Zeichen der Einwilligung 14). Ein ähnlicher Brauch ist in Calabrien daheim 15 ). Er erinnert an die R e d e n s a r t jeter le mouchoir, d. h . accorder la préférence à une femme u n d die a n -

gebliche türkische Sitte, nach welcher der Sultan ein T. auf die Haremsfrau, die er wünscht, wirft 1 β ). Zur V e r l o b u n g oder H o c h z e i t wird das T. meist vom Bräutigam oder seiner Mutter der Braut geschenkt, so heute noch auf der badischen Seite des Bodensees 17 ), in Bern und Basel und bei den Slawen und Romanen 18 ). Man sieht

672

darin ein Symbol der A d o p t i o n durch Einkleidung 19 ) (s. Hemd, Hut, Kleid, Mantel, Schuh). Doch kann auch das Mädchen dem Burschen das T. zum Ehepfand geben, so schon in einem Falle aus 1655 in Genf und in neuerer Zeit im badischen Wiesental und im Elsaß. In Schaffhausen erhält es die Braut von ihren Freundinnen20). In Westpreußen hat der H o c h z e i t s b i t t e r stets ein rotseidenes T. im Knopfloch herabhängen21), bei den Bulgaren trägt der Hochzeitslader ein T. als Schleife um den Arm gebunden, wozu ihm die Braut noch ein zweites schenkt 22 ). Auch in Lippe hatten die B r a u t f ü h r e r früher weiße Tücher, die aber größer als T.er waren, im Knopfloch 23). Im Böhmerwald übergibt der Brautführer vor der kirchlichen Trauung im Auftrag der Braut dem Bräutigam unter Hersagen eines Spruches ein T. und das Ehrensträußchen für den Hut auf einem Teller, auf den der Bräutigam ein größeres Geldstück für die Braut und ein kleineres für den Brautführer legen muß 24 ). Nach der Trauung bekommen in Westfalen der Pastor und Küster ein T. geschenkt 2S ), ebenso wurde früher in der Schneifel dem P f a r r e r ein seidenes T. bei der Hochzeit überreicht, und der älteste Verwandte, mit dem die Braut zuerst tanzte, bekam ein feines T. vom Brautführer 2e ). Im Osnabrückischen wird die Braut vom Bräutigam an i h r e m T. auf den ihr zugewiesenen Platz an der Hochzeitstafel geführt 27 ). Ähnlich führt man um Archangelsk in Rußland die Braut, aber bereits vor der Abfahrt zur Kirche, an einem um ihre Hand gebundenen T. an den Tisch des Bräutigams, der das T. faßt, die Braut dreimal um sich herum führt und dann zwischen sich und den Brautwerber setzt 28 ). Erwähnt sei noch, daß beim M a i u m z u g in der Gegend von Oxford die Lord und Lady darstellenden zwei Kinder mit einem weißen T. verbunden sind, von dem jedes einen Zipfel hält, und daß auch beim Maifest der Londoner Kaminfeger die Lady und der Lord ein T. in der Hand halten 2e ). Mit T.em schmückt man, neben Bändern und bunten Papierstreifen,

Taschentuch

673

auch den M a i b a u m , so in der Gegend von Weidenau (Tschech.-Schlesien)30), dann den letzten E r n t e w a g e n in Bredstedt in Nordfriesland, wo das auf einer Korngabel am Wagen aufgepflanzte T. die sonst übliche Puppe ersetzt 31 ), und ferner die Spitze des Hausgiebels beim R i c h t f e s t , bei dem die daran befestigten T.er den Gesellen geschenkt werden32), wie überhaupt beim Richtfest manchmal den Arbeitern T.er geschenkt werden 33). In Todtmoos (St. Blasien) beschenkt der Pate beim T a u f s c h m a u s sein Patenkind mit einem weißen T. und einem Strauß 34). Endlich werden T.er schon im 16. Jh. als N e u j a h r s g e s c h e n k e verwendet 3S). Noch in neuerer Zeit pflegten in Wälschtirol (Vallarsa) die Burschen zu Neujahr vor dem Hause der Geliebten einige Flintenschüsse abzugeben, worauf sie von diesen ein T. geschenkt bekamen 3e). *) F. H o t t e n r o t h Handbuch der deutschen Tracht (Stuttgart o. J.) 557. Vgl. Z f V k . 6 (i896),232. s ) Schwizerhüsli 1922,584. 3) D G . 13 (1912), 117. 4) A n d r e e Volkskundliches 199ff. Vgl. E i c h e n d o r f f Aus dem Leben eines Taugenichts Kap. 3. 5) Verf. 6) S t r a c k e r j a n 2 , 1 8 9 Nr. 435. 7) K n o o p Hinterpommern 158 Nr. 33. Vgl. ebd. 159 Nr. 49; 166 Nr. 115. 8 ) Volkskunde-Blätter aus Württemberg u. Hohenzollern Nr. ι (1910), 7. 9 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 159; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 172. 1 0 ) P. S é b i l l o t Coutumes populaires de la Haute Bretagne 92. 99. I l ) B ä c h t o l d Hochzeit 1, 129. 1 2 ) Ausführliche Lit. ebd. 129 ff. 1 3 ) Ebd. i3off. » ) K r a u ß S i « e « . 15 ) Brauch 371. B ä c h t o l d a. a. O. 132. l e ) Ebd. 133. " ) L a c h m a n n Überlingen 368. « ) B ä c h t o l d a. a. O. 129 ff. " ) Ebd. 132 f. 20) Ebd. 129. 21 ) ZfEthn. 16 (1884), 114. Vgl. 22 ) L e m k e Ostpreußen i, 35. Krauß Sitte 23 u. Brauch 442. ) ZfrwVk. 1914, 223 f. 24) Jungbauer Volksdichtung 189. Vgl. Z f V k . 2 (1892), 464. «) Sartori Westfalen 2«) 93. W r e d e Rhein.Volksk. 128 f. *') 2S) Sartori Westfalen 95. Piprek Slawische Hochzeitsbräuche 15! = Knuchel Umwandlung 27 f. 29) M a n n h a r d t 1, 424 t. 30) Ebd. ι, 170. 31 ) M a a c k Lübeck 72. 32) ZfrwV k . 1908, 175. 33) J o h n Erzgebirge 18. 34) M e y e r 35 ) Baden 31. W r e d e Rhein. Volksk. 170. 3e ) S c h n e l l e r Wälschtirol 231 Nr. 2.

2. Auch beim T o d und B e g r ä b n i s trifft man das T. in verschiedener Verwendung. In Württemberg legt man zuweilen dem Toten ein T. auf das Gesicht 37). Ein T. bekommen die L e i c h e n t r ä g e r im Oberamt Welzheim als GeBächtold-Stäubli,

Aberglaube V I I I .

674

schenk38), ebenso in Nordsteimke (Braunschweig) die Burschen, welche ein Kind zu Grabe tragen 39 ) ; ferner die Leichenträger in Westfalen 40 ) und im Rheinland, wo die nächsten Verwandten des Verstorbenen beim Begräbnis weiße T.er in den Händen halten und der auf dem Vorspannpferde des Leichenwagens sitzende Knecht ein weißes T. in den Brustschlitz des Kittels gebunden hat 4 1 ), wie auch die Träger selbst das T. meist in das Knopfloch stecken *2). Hier ist ein deutlicher A b w e h r - und S c h u t z z a u ber erkennbar, der auch vorliegt, wenn in einzelnen Orten Württembergs die Männer und Frauen zum Begräbnis neben dem gewöhnlichen T., das sie in der Tasche tragen, noch ein zweites, besonders zusammengelegtes oder in einer besonderen Weise getragenes T. in der Hand halten. In Trossingen bei Tuttlingen bedecken die leidtragenden Frauen damit den Mund. In Überberg (Nagold) wird das T. in der Mitte genommen, so daß die vier Zipfel hinunterhängen. Hier erkennt man den Grad der Verwandtschaft an der Art, wie das T. gefaltet ist. Entferntere Verwandte halten es rechtwinklig zusammengelegt auf dem Gesangbuch, und am Schluß des Zuges kommen die Weiber ohne T. 43). 3e ) " ) H ö h n Tod Nr. 7, 319. Ebd. 331. Z f V k . 8 (1898), 437. " ) S a r t o r i Westfalen 104. « ) ZfrwVk. 1908, 2 5 8 ! » ) Ebd. 1914, 224. 43) H ö h n a. a. O. 343.

3»)

3. In der V o l k s m e d i z i n ist das T. weniger als man envartet vertreten. Nach sächsischem Glauben des 17. Jh.s befreit man sich von S c h n u p f e n , wenn man einen Dreihellerpfennig in das T. bindet und auf den Weg wirft. Wer das T. aufhebt, übernimmt den Schnupfen M ). Sonst ist der S a u m des T.es, den man wie den Saum oder die Zipfel der Schürze (s. d.) zum Entfernen von Fremdkörpern aus dem Auge verwendet, wichtig. Mit seiner Hilfe vertreibt man Gerstenkörner oder verhindert das Entstehen einer Beule nach einem Stoß oder Sturz, indem man damit unter Aussprechen der drei heiligsten Namen kräftig drei Kreuze auf die Stelle drückte 46 ). In Piémont heilt man einen

675

Tätowierung·;—Tattermann

Behexten, indem man seine Hose, sein Hemd und T. unter Beachtung gewisser Umstände und Murmeln von Zauberworten in kochendes Wasser wirft 4 e ). 44 ) Chr. L e h m a n n Historischer Schauplatz derer natürlichen Merckwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober-Ertzgebirge (Leipzig 1699)

901 = S e y f a r t h Sachsen 183 f. 4S) S e y f a r t h a. a. O. 271. **) S e l i g m a n n Blick 1, 310.

4. Sonst zeigt sich im Volksglauben vor allem die a b w e h r e n d e und s c h ü t z e n d e Kraft des T.es, das oft an Stelle eines anderen Kleidungsstückes oder Tuches (s. d.) überhaupt tritt. Nach einer Überlieferung aus Lustenau in Vorarlberg kommt alle sieben Jahre einmal der G i r e n w a g e n , das Sternbild des großen Bären, auf die Erde. Wenn er vorbeifährt, so vernichtet er jeden, der nicht schnell sein T. auf den Boden wirft und sich mit den Worten „Ich bin auf meiner Sache" darauf setzt 47 ). Ähnlich schützt in Elsaß das einfache oder in Kreuzform gefaltete, untergelegte T. vor der w i l d e n J a g d 48). In Frankreich bleibt man vom I r r l i c h t unbehelligt, wenn man ihm ein T. zuwirft, da es dann damit spielt *'). Nach dem Glauben der deutschen Schlesier legt der S c h l a n g e n k ö n i g seine wertvolle Krone auf ein T., das „dreimal getraut" worden ist, d. h. dreimal eine Trauung mitgemacht hat 5 0 ); im polnischen Oberschlesien wirft er sie, wie sonst auf ein Tuch (s. d.), auch auf ein gewöhnliches Τ. 51 ). Die im See versenkten G l o c k e n von Granzendorf kann man läuten hören, wenn man zu Mittag des Johannistages ein weißes T. in dem See auswäscht 52 ). Um Pforzheim bestand gegen Ende des 18. Jh.s der Glaube, daß man auf einen gefundenen S c h a t z kein am bloßen Leib getragenes Kleidungsstück (s. Kleid) legen darf, was den Tod bringt, sondern ein T., eine Brotrinde u. a. hinwerfen muß M ). Um dem Geliebten G l ü c k in der L o t t e r i e zu verschaffen, taucht in Nivelles das Mädchen am Vorabend und am Tag der Ziehung das T. in den Weihbrunnkessel der Kirche und betet dazu drei Vaterunser und Ave Maria 64 ). In einem französischen Märchen erhalten sieben in Hirsche verwandelte Brüder ihre

676

menschliche Gestalt, als ihre Schwester ein weißes T. auf ihr Geweih legt 5 5 ). Nach deutschen Sagen besitzen die Wäsche waschenden und bleichenden G e i s t e r auch T.er und rächen deren Raub. Ein Bursche, der drei weißen Jungfern das T. nimmt, wird von diesen verfolgt und rettet sich nur dadurch vom Tode, daß er es wegwirft 5e ). In einer Sage aus dem Böhmerwald fällt dem Reiter, der einem Wasserweibchen ein T. gestohlen hat, beim ersten Schneuzen die Nase ab 57 ). In einer sächsischen Sage wird das aus der Geisterwäsche genommene T. sofort dünner und immer dünner, so daß es zuletzt wie eine Spinnwebe aussieht. Auf den Platz zurückgebracht erhält es wieder sein früheres Aussehen 58). An die Stelle des Schleiers (s. d. u. Handschuh) ist das T. in einer Sage von der Gründung des Nonnenklosters Frauenroth getreten 5 9 ). Gegen den b ö s e n B l i c k benützt man in Indien ein schönes T., das man in der Mitte durch schwarze Flecken schmutzig macht e0 ). Sonst bindet man zuweilen Abwehrmittel auch in einen Zipfel des T.s «). V e r n a l e k e n Alpensagen 69 Nr. 52. S é b i l l o t Folk-Lore 1, 177. 4») Ebd. 2, 421. 5 l K ü h n a u Sagen 2, 372. ) Ebd. 2, 375. M ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 292 f. = Z f V k . 7 (1897), 116. Vgl. J a h n Pommern 188 Nr. 236. e3 ) G r i m m Myth. 3, 455 Nr. 612; H e n ß e n 4 ·)

47 )

5i)

Zur Geschichte der bergischen

Volkssage

(Elber-

feld 1928) 19 Anm. 54. Vgl. ebd. 21. 47. 71 f.

S4 )

M)

")

S é b i l l o t Folk-Lore 4, 149. " ) Ebd. 3, 52.

K u h n u. S c h w a r t z

Sachsen 60)

118 f. Nr. 134. 484.

J u n g b a u e r Böhmerwald 63. 308.

'*)

Panzer

S e l i g m a n n Blick 2, 245.

263.

si)

Beitrag el)

Tätowierung s. Nachtrag. Tattermann.

1,

Sieber

180 f.

Ebd. 2, 36.

Jungbauer.

ι . E t y m o l o g i e . Um die Etymologie dieses Wortes wurde viel herumgestritten. Vor allem glaubte man, sie mit Tartar 1 ) (scheinbar gestützt durch Tater 2 ), Zigeuner = Tartar) erklären zu können in Anlehnung besonders an steirische Uberlieferung, nach der der T. eine Erinnerung an die Türkenkriege sein sollte 3 ) ; eine Anschauung, die aber doch auch schon früh als Volksetymologie erkannt worden ist 4). Viel Verwirrung hat die verschie-

677

Tattennann

denartige Schreibung des Wortes T. verursacht, so wurde „Dodamann" als „toter Mann" aufgefaßt 8 ) und das Dodamanderl sogar als Sohn des Dodamann erklärt e ), die Schreibung Tattermann aber ausdrücklich davon getrennt, so daß demnach die recht gekünstelten Gleichungen Dodamann=Totenmann, aber T.=Abgott bestanden7). Anlaß zu abweichenden Schreibungen gab das in der Mundart dunkel lautende a in T., das bald als a, bald als o gegeben wurde 8). Die Deutung mit „tot" wurde auch für den T. = Salamander übernommen ( = toter Mann)9). Unser Begriff T. hat sprachlich mit „tot", daher auch mit dem Nachtmar „Totenmann" nichts zu tun 10 ). Vielmehr ist schon seinerzeit mit vollem Rechte das Zeitwort tattern = zittern herangezogen worden u ), allerdings gedeutet auf das zitternde Herdfeuer, als dessen Personifikation der T. auch angesehen wurde 12 ), ansonsten aber viel zu wenig ausgenützt. Tattern, dattern, dodern bedeutet nun: schnell, besonders schnatternd oder stotternd sprechen, zittern, erschrecktes Wesen zeigen13), Tatterer ist auch soviel wie Stammler M ). Das Wort T. zeigt wie viele Dämonennamen 1S) im Bestimmungsteile eine Art Reduplikationserscheinung und stellt sich von diesem Standpunkte aus auch in eine Reihe mit Beutel-, Bulle-, Butzemann u. ä. Es wäre somit der T. als Zittermann anzusprechen, sei er nun Tatterer oder Zitterer1®) (vgl. oben), der selbst zitternde Bewegung in Gliedern und Sprache zeigt, oder ein Zittern verursachendes Wesen, entsprechend dem Beutelmann oder Schüttelmann, dem Verursacher des schüttelnden Fiebers oder Schreckens "). DWb. 2,827f.; L e x e r Mhd.Wb.i, 1409; Sitzb. Wien 14 u. i6, Anhang 97; 25, 255; vgl. ZföVk. 31, 83. ») S c h i l l e r - L ü b b e n MndWb. 4, 514; Vgl. ZföVk. 31, 83. s ) ZföVk. 31,83; Mitt. Hist. Ver. Steiermark 11, 242 s . ; 22, 9 f.; Austria Universalkalender 1846, 20; G r i m m Mythol. 3, 145; DWb. 2, 8 2 7 ! ; widerlegt ZföVk. 31, 85 t 4) ZföVk. 3, 8; vgl. ebenda 31, 83 Anm. *) V e r n a l e k e n Mythen 69 f. ·) Ebd. 70. 7 ) Ebd. 280 = Quitzmann Baiwaren 80. *) Vgl. meine sprachlichen Auseinandersetzungen ZföV k . 31, 82 f. ·) B r e h m Tierleben* 3, I, 618.

678

10)

Vgl. ZföVk. 31, 82 f.; Sitzb. Wien 25, 255. " ) S c h m e l l e r BayWb.2 1, 361 = ZfdMyth. 3, 207; S i m r o c k (mit Leoprechting) Mythol. 433, darnach M e y e r Aberglaube 341. " ) ZfdMyth. 3, 207 = Sinirock Mythol. 433; M e y e r Aberglaube 341. " ) Vgl. Literatur ZföVk. 31, 86. " ) H ö f l e r Krankheitsnamen 730. 15 ) ZfdA., N. F. 20, 145if. " ) Ausführlich ZföVk. 31, 86f. " ) ARw. 2, i n f. ( = H ö f l e r Krankheitsnamen) ; vgl. ZföVk. 31, 86 f.

2. Verwendungsgebiete. Jedenfalls wird T. verwendet wie ein Appellativ zur Bezeichnung eines feigen, zitternden Menschen, eines ohnmächtigen Kerls — so schon bei Hugo v. Trimberg (V. I i 525 ff.) und heute noch 18 ) ; dann für Feldscheuche19), die mit ihrem Zittern das Wild abhalten soll (so selbst im Slowenischen 2°)), für Vogelschreck81), ja sogar für buntgefleckte Gegenstände schlechtweg, wie für scheckige Tüchl 22 ) ; auch überhaupt für Spottfigur, die (sitzengebliebenen oder verworfenen) Frauenspersonen aufs Hausdach oder vors Fenster gesetzt wird u. ä. M ) ; T. heißt ferner auch eine Haus- oder Stallgiebelfigur aus Stroh 24 ), eine Brunnenfratze oder ein Brunnenstock bei den Deutschen Kärntens wie bei den Slowenen2S) (vgl. Brunndockerl, Schmeller BayWb. 1, 488), auch die Dachröhre 28 ) ( = Traufe), ein Wappenschildhalter auf einem Brunnen der Stadt Salzburg 27), ein großer Grenzstein im Slowenischen (Rumpfgestalt)28), sowie auch der Schneemann, um den die Jugend ihr Spiel treibt 2S ). Nach all dem ist es nicht verwunderlich, wenn weiterhin der Ausdruck T. auch oft und schon früh mit Docke oder Puppe zusammen erscheint30) und für Drahtpuppe und Schachfigur 31) wie für Puppe im Volksspiel32) verwendet wird und selbst heute noch in Steiermark die Spielpuppe der Kinder Tatterpuppe und T. M ) heißt; aber auch die Strohpuppe und Fetzenpuppe bei verschiedenen Volksfeiern nennt man T., so im allgemeinen bei der Frühlingsfeier34), im besonderen in Graz 35 ), dann beim Faschingsfest34), beim Johannisfeuer37), beim Samsonumzug im Salzburgischen 3e) und sonst noch in Oberösterreich ®9). Weiterhin wird T. oft zusammengebunden mit Kobold40) und Götz 41 ) und nicht 22»

Tattermann

679

selten für Götzenbild 42 ) gebraucht (auch im Slowenischen, wohin es aus dem Deutschen gelangt ist 43 )) oder für Götzenmannderl an Kirchen 44). Einen Schritt weiter aber geht T. als Schreckgespenst im Kinderlied46 ), in dem er geradezu dem Schutzengel. gegenübergestellt wird, oder als Schreckgestalt, die auf dem Dachboden haust 4e ) ; so kommt T. schon dem Begriffe Dämon nahe, auch wenn er einmal plötzlich als Geiger in lustiger Gesellschaft auftaucht 47 ) ; dann aber erscheint der T. sogar als Glücksverkünder auf goldenem Rößchen, jedoch auch als Todesbote mit Sense oder weißer Schlafmütze 48), selbst unmittelbar am Sterbebett 4e) ; im Pestgärtl sich zeigend, bringt er Unglück 50 ), er erscheint oft bucklig, mit langer Nase und grünen Augen 61 ), besonders gerne im volkstümlichen Vierzeiler NiederösterreichsM). Geradezu als Wassergeist scheint er auf schlesischem Gebiete aufzutreten M ), ist aber auch angeblich Personifikation der zuckenden Herdflämmchen M ), daher auch Feuergeist 56) (vgl. unten Salamander) und taucht neben Butz und Putz als steirischer Hausgeist se ) auf, welche Rolle ihm allerdings von Quitzmann 67 ) abgesprochen wird. Die dämonische Natur dürfte dem T. auch eignen, wenn er zur Bezeichnung des Salamanders verwendet wird (auch im Slowenischen)88), der eben (als Dattermanndl) Abgesandter des Teufels ist und böse Menschen beobachtet59 ), selbst zu Zauber gebraucht wird (ins Gewehr geladen, sichert er unfehlbaren Schuß M)) und auch das Wetter vorherkündet 61 ). Schließlich heißt die Abbildung des Salamanders auf Öfen ebenfalls T.bild M ). Es führt jedoch auch das kretinische Kind neben anderen Bezeichnungen wie Alp, Butz, Drut, Kobold, Schratt, Trull, die alle für dämonische Wesen gelten®3), den Namen T. Der Vollständigkeit halber muß noch erwähnt werden, daß T. auch als Ortsbezeichnung M ) (für Berg, Weiler, Haus, Kreuz) und als Schreibname auftritt. J8 ) ZfdMyth. ZföVk. 3 1 , 85.

3, 207 f.; zahlreiche Belege ) P a n z e r Beiträge 2, 5 3 2 =

19

68ο

V e r n a l e k e n Mythen 205; G r i m m Mylhol. 3 , 145. W o l f Slow.Wb. 2, 657 (aus dem Deutschen übernommen). 2 1 ) Vgl. ZföVk. 3 1 , 84. M ) ZfdMyth. 3, 209. 2 3 ) J o h n Westböhmen 74. 1 2 2 ; ZfdMyth. 3, 209 = L e o p r e c h t i n g Lechrain 1 7 7 ; K u h n Westfalen 2, 1 5 6 Nr. 442; B a varia ι, 3 7 2 ; vgl. ZföVk. 3 1 , 84. " ) ZföVk. 3 1 , 84. « ) Ebd. 3 1 , 8 4 ! " ) Ebd. 3 1 , 85 Anm. " ) Salzburger Chronik 1926 (24. Dez., Weihnachtsbeil. S. 3 f.). s e ) W o l f Slow.Wb. 2, 6 5 7 ; vgl. ZföVk. 3 1 , 85. " ) V e r n a l e k e n Mythen 279 f. = Q u i t z m a n n £ e i w c K So. 30 ) G r i m m Mylhol. ι, 4 1 4 ; ZföVk. 3 1 , 87 f. 3 1 ) ZfdMyth. 3, 207; G r i m m Mythol. 3, 416. 3 2 ) V e r n a l e k e n Mythen 205. 3 3 ) Vgl. ZföVk. 3 1 , 87. M ) ZföVk. 3, 8. 3 S ) ZföVk. 8, 447. 3 e ) Topographie von Niederösterreich 1, 2 1 2 . 3 ' ) V e r n a l e k e n Alpensagen 372 f. 3 8 ) ZföVk. 3 1 , 84. 3 e ) Ebd. 3 1 , 84. 40 ) Η. v . T r i m b e r g Renner V . 10883 f. u n d V1 0 3 1 6 fi.; vgl. G r i m m Mythol. 3, 1 4 5 ; S i m r o c k Mylhol. 4 7 8 ; H ö f l e r Krankheitsnamen 3 9 5 ; ZfdMyth. 3, 207. 4 1 ) G r i m m Mythol. 1, 1 1 4 ; vgl. P a n z e r Beitrag 2, 5 3 2 und ZföVk. 3 1 , 87. » ) ZfdMyth. 3, 207 f.; SitzbWien 25, 2 5 5 = Q u i t z m a n n Baiwaren 78. 4 3 ) SitzbWien 2 5 , 2 5 5 = Q u i t z m a n n Baiwaren 78. 44 ) ZföVk. 3 1 , 85. « ) V e r n a l e k e n Mythen 75. " ) ZföVk. 3 1 , 84 („Geh net aufi aufn Bodn, is da T. drobn" Steiermark). * 7 ) V e r n a l e k e n Mythen 75. « ) Ebd. 280 f. «·) Ebd. 282. «·) Ebd. 2 8 1 . " ) Ebd. 2 8 1 . « ) Ebd. 69 fi. S 3 ) G r i m m Mythol. 1, 4 1 6 = V e r n a l e k e n Mythen 205. " ) M e y e r Aberglaube 3 4 1 ; vgl. S i m r o c k H Mythol. 478 u. oben. ) S i m r o c k Mythol. 4 7 8 ; ZfdMyth. 3, 208. " ) M u c h a r Geschichte Herzogt. Steiermark 1, 258 = U n g e r - K h u l l SteirWb. 1 3 5 . " ) Baiwaren 1 7 5 . 5 8 ) Z f V k . 10, 5 9 ; ZfdMyth. 3, 208; G r i m m Mythol. 3, 1 4 5 ; ZföVk. 3 1 , 85 (mit Literatur). *») Z f V k . 9, 3 7 5 . eo ) W u t t k e § 7 1 4 . « ) Z f V k . 8, 1 7 4 ; ZfdMyth. 3, 208; ZföVk. 3 1 . 89 f. « ) ZfdMythol. 3, 208. • 3 ) ZfdPh. 3, 3 3 1 ff.; vgl. ZföVk. 3 1 , 9 : . e4 ) ZföV k . 3 1 , 85, dazu Z f V k . 8, 447.

3. Deutung. Vor allem müssen wir nach dem Vorgebrachten feststellen,, daß bei einer ganzen Reihe von Verwendungen der Ausdruck T. im Sinne eines Gattungsnamens aufgefaßt werden kann für eine roh gefertigte, in beiläufigen Umrissen menschenähnliche Figur, wobei sich der Name ziemlich ungezwungen auch aus der nachlässigen, unfertigen, schwankenden, „tatternden" oder „Tattern" erzeugenden Erscheinung ergäbe, so daß T. von Haus aus ein verhuzeltes Zerrbild wäre. Nun spielt allerdings eine andere Verwendungsreihe sehr stark ins Dämonische hinein, was freilich so erklärt werden könnte, daß der T., der im ersteren Sinne bereits festgelegt war, auf.

Tattermann

Gespenstisch - Schwankendes übertragen wurde. Praktisch lautet also die Frage: heißt ζ. B. die Strohpuppe der Frühlingsfeier T. als schlottrige, fetzige Gestalt oder ist in ihrem Namen die ursprüngliche Bezeichnung eines göttlich-dämonischen Wesens erhalten? Die Entscheidung erscheint schwierig. Vielleicht dürfen wir an Hugo v. Trimberg anknüpfen, der im Renner (V. 10883 f.) behauptet, die Abgötter der Heiden waren Kobold und T. ; damit ist für verhältnismäßig frühe Zeit T. geradezu als Abgott, d. h. hier irgendwie göttlich verehrtes Wesen aus vorchristlicher Zeit belegt; bekräftigend wirken die Rolle der Puppe und des Kobolds (s. dort) in der volkläufigen Dämonologie, dazu noch die Tatsache, daß T. geläufige Bezeichnung für Salamander ist und der Salamander doch als Seelentier mit dämonischen Kräften gilt. Ganz besonders für die ursprüngliche Bedeutung T.=Dämon spricht der Umstand, daß Berge und Fluren den Namen tragen und gerade in den Alpenländern, wo für die Benennung solcher örtlichkeiten überhaupt häufig Dämonennamen erscheinen65) (neben T. besonders Kobold, Schrattl, Putz, Unhold). Dazu ist zu halten, daß bei den Frühlingsfeiern die Puppe, die verbrannt oder ertränkt oder doch wenigstens verulkt wird, durchweg eine dämonische Erscheinung vertritt, die eine dem Menschen (während des Winters) feindselige Rolle gespielt hat. Da diese Frühlingsfeierpuppe nun allenthalben nach spezielleren, lokalen Einstellungen benannt und je nach Gegenden verschieden, aber meist plastisch aufgefaßt wurde, so als Luther, Papst, Judas, Perchta-Holla ββ ), ist schwerlich anzunehmen, daß gerade die im Steirischen so fest verankerte Bezeichnung T. diesmal ganz allgemeiner appellativer Natur sein sollte, also T . = Fetzenbild «). Für diese Landschaft kommt nämlich außerdem noch dazu, daß auch der in den Alpenländern noch vor wenigen Jahrzehnten gehäuft auftretende Kropfidiot die Bezeichnung T. neben anderen

682

für Dämonen geltenden Namen führt e?1 ). Da der Idiot auch als Wechselbalg gilt, dieser aber wieder selbst als Dämon aufgefaßt wird und auch dessen Namen trägt, so ist die Beziehung bereits ziemlich deutlich festgelegt. Gleichzeitig erscheint T. für den torkelnden, schlottrigen, stammelnden Idioten als eine geradezu treffliche Benennung. Und bezeichnenderweise ist Name und Begriff T. vorzüglich im Gebiete des endemischen Kropfes bodenständig e8 ). Somit läge es nahe, im T. einen spezifischen Krankheitsdämon zu vermuten, den Verursacher des Kropfkretinismus, eines Übels, das auch anderwärts auf dämonische Einflüsse zurückgeführt wird. Mit dieser Rolle des T.s wäre recht gut zu vergleichen die Erscheinung des Tannawaschl, des Erregers der Mumpsgeschwulst in volkstümlicher Auffassung e9) ; ebenso — allerdings als g u t e r Hausgeist in Fratzengestalt — das „Klopferle" in Großsachsenheim70). Zu dieser eben entwickelten Bedeutung des T.s stehen in keinerlei Widerspruch all die anderen Rollen, die der Ausdruck T. auf dämonologischem Gebiete oder in dessen Umgebung spielt. Die verschiedenen Bedeutungen wie Grenzstein, Brunnenstock u. ä. erklären sich teils mit den unter Puppe (s. dort) gegebenen Zusammenhängen, teils aber fügen sie sich sonst leicht in den Rahmen wie etwa der Hausname T., da doch für Hausbezeichnungen gerne Bildstöcke oder Hauskennzeichen verwendet wurden. Die Entwürdigung zur Vogelscheuche, zum Kinderschreck, zum Götzenmannderl und zum Schneemann sowie zum Narren- und Spottbild in der Frühlingsfeier n ) ist dann durch den bekannten Einfluß des Christentums nur zu klar gegeben, sodaß wir mit Vernaleken übereinstimmen können, der meint: „Der Gott ist zu einem Götzen, zu einem Popanz geworden" 72), ganz entsprechend dem Schicksal, das das Schreckmännlein über sich ergehen lassen mußte 7 3 ). e5) B l ä t t e r Ver. Landesk. Niederösterreich 1887, 135. ββ ) Z f ö V k . 31, 87; A R w . 2, 142. «') B l ä t t e r f. Heimatk. (Graz) 5 (1927), 15 £. e 7 a ) Salamander = kleiner, kurzer Mensch, mit Molch verglichen. H ö f l e r Krankheitsnamen 419.

Tau

683

» ) ZföVk. 3 1 . 88. ·») Ebd. 3 1 , 87 (mit Literatur) ; dazu S c h m e l l e r . BayWb.a 1, 608; L e x e r MhdWb. 2, 1402. , 0 ) Leipziger Illustr. Zeitg. Nr. 4327 (16. 2. 1928) S. 247 (mit Bild). " ) ZföVk. 3 1 , 89. " ) Mythen 280. n ) H ö f l e r Krankheitsnamen 395. Webinger.

Tau.

ι . E i n l e i t u n g . T. ist im Volksglauben als eine Art Lebenswasser empfunden, das mit bestimmten magischen Kräften auf das Irdische wirkt. Schon in den, freilich nurmehr geringen, Überresten von Beschreibungen des T . f a l l s wird das deutlich, daß es sich beim T. um etwas Lebendiges handelt: es sind in den dafür in der Oberpfalz gebrauchten Redensarten fast nur Verben der Tätigkeit verwendet. So macht der. T. Rosenkränze, perlt, sitzt auf dem Zaun, tränkt die Wiesen, färbt das Gras, frißt das Schuhleder, zündet die Lichtlein an ( = schillert im Sonnenlicht) 1 ). Gemeint ist in den meisten Fällen unter T. der Morgent.; aber auch Abendt. und Nachtt. kommen häufig vor. Die Wirkung des T.s ist im besonderen Maße förderlich; von schädlichem T. ist selten die Rede, wobei es sich obendrein meist nicht um echten T. zu handeln scheint. Der förderlichen Wirkung des T.s sind vor allem Kühe und deren Milch samt der daraus gewonnenen Butter unterworfen. Der zweite Bereich, in dem T. eine ganz große Rolle spielt, ist die Volksmedizin. In der Fruchtbarkeit fördernden Kraft ist der T . den ähnlichen Eigenschaften des Regens (s. d.) verwandt. Die Tatsache, daß man im Volk glaubt, daß der T. an bestimmten Tagen und in den dazu gehörigen Nächten, wie der Neujahrs-, Karfreitags-, Oster-, Pfingst-, Johannisund Weihnachtsnacht, sowie am 1 . Mai besonders starke Wirkung habe, zeigt seinen überirdischen Herkunftsbereich 2 ). E r gehört irgendwie zu einer göttlichdämonischen Welt ; auch zauberische Verwendung deutet darauf hin. >) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 132. 92 § 1 1 3 ; S t r a c k e r j a n 2, 110.

2

) Wuttke

2. U b e r die E n t s t e h u n g des T.s. Mannhardt erklärte in seinen Germanischen Mythen den T. für die Himmelsmilch, die Donar aus den Wolkenkühen

684 mit seinem Blitz melke 3 ). Das ist u. a. aus den Bezugsetzungen zwischen dem T. und den Kühen sowie dem durch T.zusatz erzeugten Butterüberfluß im Volksglauben erschlossen, aber natürlich unbelegt und steht dahin. E s gibt im Volksglauben keinerlei Erklärungen mehr, die man als ausgesprochen heidnisch ansprechen kann. Lediglich einige christliche Überreste führen zu einer solchen Anschauung unserer Vorfahren ; mehr als der Glaube an die himmlische Herkunft des T.s ist aber nicht daraus zu erkennen. Alles andere ist christliche Zutat. Verhältnismäßig hohen Alters dürfte die Ansicht sein, daß der T. aus dem Paradies stamme *). Die andern Erklärungen sind inhaltlich jünger. In der ehemaligen Provinz Posen sind die Leute in manchen Gegenden der Meinung, der T. sei die Tränen der Engel und der Seelen des Fegfeuers, die über die Sünden der Menschen auf Erden vergossen werden; in den T.-losen Zeiten seien die Sünden der Menschen zu groß, und die Tränen reichten (zur Erlösung?) nicht aus 5 ). In der Oberpfalz (Neuenhammer) sieht man im T. die Tränen der gefallenen Engel, die jünger und unerfahren dem Lucifer allzu leichtfertig gefolgt sind und nun jeden Abend und Morgen darob weinen. Indem sie vor und nach der Sonne fliegen, haben sie die Freude, auf kurze Zeit noch den farbigen Glanz ihrer Tränen in der Sonne zu sehen; es soll sie an ihren eigenen früheren Glanz erinnern. Am Morgen, wenn die Sonne kommt, verbergen sich die Geisterchen in dem Schutz der Frauenmäntelchen und sehen da noch die Tränen glitzern, bis diese von der Sonne aufgezehrt sind. Dann haben die Engelchen kein Existenzrecht mehr und müssen sich in die Räume zwischen Himmel und Erde zurückziehen, bis die Sonne wieder untergeht. Aber das Naß vom Himmel haben sie der Erde gebracht e ). 3 ) M a n n h a r d t Mythen 5 f. 4 ) E b d . 30. S ) Z V fVk. 22 (1912), 89. e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 3 3 Nr. 6.

3. F r u c h t b a r k e i t und T. a) T. und Butter stehen in innigster Wechsel-

685

beziehung. T. am Maimorgen deutet auf ein gutes Butterjahr 7 ). T.zusatz im Butterfaß steigert u. U. das Quantum ins Ungemessene; denn die magische Kraft des T.s wirkt sich besonders auf den Butterreichtum aus 8 ). In den Erzählungen erscheinen Frauen als hervorragend begabt, T. zu diesem Zwecke auszuwerten. Es sind meist Hexen 9 ) ; daß gerade sie hier Einfluß haben, ist sicher herabwürdigende Deutung des aliquid sanctum, das nach Tacitus den germanischen Frauen teilweise innegewohnt hat 1 0 ). Der ostfriesische Bauer oder seine Frau streichen am i. Maimorgen vor Sonnenaufgang das t.feuchte Gras auf ein Bettuch und pressen aus diesem den T. in eine Butterkarne. Sie erhalten dann soviel .Schepel vulT als Bauern in der Nachbarschaft wohnen u ) . Meistens beschäftigt sich der Volksglaube aber mit der Möglichkeit, durch Stehlen des T.s auf den Wiesen des Nachbars sich dessen Milch und Buttersegen anzueignen; in diesem Falle spricht man von den Hexen und ihren Künsten. Man erzählt das in der mannigfaltigsten Form in Deutschland. Eine Schleswig-holsteinsche Sage berichtet, wie eine solche Hexe in einem Linnenlaken — dieses streichen die Hexen meist vor Sonnenaufgang über eine betaute Wiese des Nachbars (daher T.streicher, -Schlepper genannt) — T. sammelte und die Flüssigkeit in einem Krug auswrang. Davon tat sie jedesmal, wenn sie buttern wollte, einen Löffel voll ins Faß mit den Worten „Uet elk hues en läpel vull". Sie nahm damit den Besitzern jener Felder so viel Butter. Als einmal der Knecht buttern mußte, nahm er ebenfalls davon, brauchte aber in der Formel statt ,läpel' fälschlicherweise das Wort .schäpel'. Da flöß ihm die Butter im Übermaß aus dem Faß, und man wußte nicht, wohin mit so viel Butter u ) . Nach einer anderen Sage aus dem Butjadingerland in Oldenburg war ein Arbeiter noch spät abends am Mähen. Die anbrechende Nacht war die Johannisnacht. Als er nun müde war, legte er sich hin, um auszuruhen. Kaum aber hatte er sich gelegt, da kam eine alte Frau, zog ein Bett-

Tau

686

tuch hinter sich her auf das Land, fing damit den T. auf und wrang es in einen Topf. Der Arbeiter, dem diese alte Hexe bekannt war, wußte, daß sie mit diesem T. den Bauern die Butter stehlen konnte, nahm ihr den Topf weg und trug ihn nach seinem eigenen Hause. Am folgenden Morgen wollte er Butter machen, tat aber statt einiger Tropfen von diesem probaten Zusatz den ganzen Topf voll hinein, und als er nun anfing zu buttern, ging alles von Butter über und über 13 ). Es ist folgerichtig, wenn die Butterbehexung, die übrigens schon bei Burchard von Worms erwähnt wird und auch in den Hexenakten eine Rolle spielt M ), auch auf die Kühe übertragen wird. Auch hier ist wiederum der T. das vornehmste Mittel dazu. So verlieren ζ. B. Kühe, die von Hexen enttautes Gras fressen, ihre Milch. Wer in der Dämmerung T. in der Nähe eines Gehöftes mit Kühen in ein Gefäß sammelt, und dazu „Ich sammle den Nutzen" spricht, behext die Kühe 1S ). In böhmischem Aberglauben erlangen Hexen durch T.sammeln in den Holzschlägen der Kühe die Macht, daß sie bei den Kühen, die dort geweidet haben, die Milch herausmelken können1®). Ähnlich mäht bei Teplitz der Bauer das betaute Gras seines Nachbars in der Frühe des Tages und läßt es seine Kühe fressen, damit sein Vieh gute, das des Nachbars schlechte Milch gebe 17 ). b) Aber auch für Schweine18), Schafe19), Pferde 20 ) u. a. ist der T. sehr förderlich. Nach polnischer Ansicht wird Wild fett: das macht der T.regen, der im Herbst fällt und den es frühmorgens beim Abgrasen der Wiesen und des Waldgrases genießt 21). Auch künstlich führt man dem Vieh T. zu; im OA. Aalen gibt man ihm T. auf Brot zu fressen 22 ). In Stralsund stellte man eine Garbe in der Mittwinternacht ins Freie, damit der Weihnachtst. darauf falle und durch das so benetzte Futter das Vieh fruchtbar werde M ). Aus Böhmen wird ein anderer Ritus berichtet (Wlaschimir Chlum bei Kaurim). T. soll die Kühe gesund erhalten und viel Milch geben lassen. Nach einem Gebet strich an einem Kreuzweg der Bauer nachts

687

Tau

nackt T. mit einem Tuch vom Gras und legte das Tuch auf seine mitgeführte Kuh. Das zu Hause ausgepreßte Wasser gab er seinen Kühen zum Saufen, wodurch der Milchertrag außerordentlich gut wurde24). Auch Weinberge werden durch T. befruchtet 25), ebenso Felder 2e ). Doch existiert hier auch die Vorstellung, daß der T., wenn echter T. gemeint ist, schädlich sei und man ihn vom Korn abschütteln müsse 27 ). Auffällig ist, daß man in der Oberpfalz an ein gutes Honigjahr glaubt, wenn viel T. vom Himmel fällt 28 ). Denn hier besteht die einzige Parallele zu einem antiken auf den T. bezüglichen Aberglauben, dem der Honig als Himmelst, gilt 29 ). Dem guten T. gegenüber ist nur selten von schädlichem T. die Rede, wobei zweifellos, wie schon gesagt, etwas anderes gemeint sein dürfte. Dringend wird in der Oberpfalz vor giftigem T. bei Sonnenfinsternis gewarnt, s. Finsternisse Sp. 1515 3 0 ). Schädlichen T. auf blühendem Getreide vertreibt man durch Glockenläuten 31 ). Stinkendem T. fiel einmal eine ganze Viehherde zum Opfer 32 ).

' ) M ö l l e n h o f f Sagen 565 Nr. 573. 8 ) S t r a k k e r j a n i, 383 Nr. 2 1 7 . · ) M ü l l e n h o f f a. a. O.; Z V f V k . 22 (1922), 95; M e y e r Baden 220; S c h r a m e k Böhmerwald 1 5 1 ; vgl. M ü l l e n h o f f a. a. O. 2 1 4 und K ü h n a u Sagen 3, 73. 1 0 ) s. Art. Frau Sp. 1736. l l ) W u t t k e 76 § 88. 1 2 ) M ü l l e n h o f f a. a. O. 565 Nr. 573. 1 3 ) S t r a c k e r j a n 1, 383. » ) s. Art. Butter § 5. " ) Z V f V k . 4 (1894), 395. 1 β ) G r o h m a n n 1 3 1 Nr. 960. 1 7 ) Ebd. Nr. 956; vgl. 959; vgl. die rutenische Anschauung in Galizien Urquell 2 (1891), 157, dazu französischer Glaube, der an Stelle der Frauen Männer setzt, in L i e b r e c h t Zur Volksk. 347. » ) Z V f V k . 22 (1912), 90. » ) Ebd. 2 0 ) S a r t o r i Sitte 3, 52. " ) Z V f V k . 22 (1912), 90. 2 2 ) B o h n e n 23 b e r g e r 23. ) H ö f l e r Weihnacht 25, auch M a n n h a r d t Wald- u. Feldkult 2 3 3 ; vgl. J o h n Westböhmen 65. 2 4 ) G r o h m a n n 1 3 2 Nr. 961. 25 ) K n o o p Hinterpommern 135 Nr. 274. 2t ) Sonst wäre das Weghexen der Erträgnisse des Nachbars unerklärlich. " ) C y s a t 28. 28 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 3 3 . 2 e ) P l i n i u s n. h. X I 30 f. 3 0 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 56 Nr. 4. 3 1 ) ZfdMyth. 2 (1854), 419 (Cevennen), vgl. Z V f V k . 7 (1897), 363. 3 2 ) Z V f V k . 2 2 (1912), 94·

4. Der T. in der Volksmedizin. Die Wunderkraft des T.s äußert sich bei Mensch und Tier sowohl in heilender wie prophylaktischer Hinsicht. Abgesehen

688

von so allgemeinen Anschauungen wie denen, daß der T. alle Unreinlichkeit des Leibes an sich zieht, wenn man in ihm barfuß geht 33 ), oder daß Mädchen, die im T. baden, ihre verlorene Jungfernschaft wiedererhalten34), kennt man, über fast ganz Deutschland verbreitet, Regeln, die den T. in direkter Verbindung mit verschiedenen Krankheiten nennen. Auch hier spielen die oben genannten t.kräftigen Tage eine besondere Rolle 35 ). a) Beim Menschen heilt der T., der je nach dem von Leichensteinen3e) — nach anderer Vorschrift darf er nicht von Leichensteinen stammen, sondern muß aus den Vertiefungen der groben auf den Kirchhöfen herumliegenden Steine genommen werden 37) —, Rosen 3S), Roggen, der noch nicht blüht 39 ), Weizen40) oder Gänseblümchen 41 ) oder in der Nähe eines Flusses gesammelt sein muß 42 ), Sommersprossen 43), Augenleiden 44), Fieber und Krämpfe 45), krumme Beine 4e ) und erfrorene Glieder47). Ferner vertreibt er die Unreinlichkeiten der Haut, wie Ausschlag, die Griesein, Krätze, Warzen und Geschwüre48). Er heilt auch offene Wunden 49), Hautabschälungen 50), Schwindsucht 51 ) und Rheumatismus52). Manche Regeln beschreiben die Heilungszeremonien ganz einfach. Man wäscht mit T. zuweilen bei zunehmendem Mond53) die kranke Stelle oder das Gesicht oder trinkt ihn. Andere Verfahren sind umständlicher. Man muß barfuß durch den T. gehen, Gebete sprechen, sich einen Hollerzweig in der Früh ins Gesicht schlagen 54) u. ä. Die Handlung ist heilig. In der Erzählung von einer durch Brandwunden gequälten Frau, deren eine Hand gar nicht heilen wollte, ist es sogar ein Engel, der das Heilungsverfahren durch T. und Gebet beschreibt55). An einer anderen Stelle tritt die heidnische Grundlage der Mitteilung noch deutlicher heraus, indem eine alte Frau den Heilungsweg für das blinde Auge eines Kindes angibt 8e). Unter den Mitteilungen über prophylaktische Verwendung des T.s durch die Menschen steht zunächst eine Mecklen-

689

Tau

burger Nachricht, wonach junge Mädchen am Abend vor Ostern ein Linnen im Garten ausbreiten und sich morgens mit dem darauf gefallenen T. waschen, weil dies das ganze Jahr vor Krankheit bewahre B7). In der ehemaligen Provinz Posen (Kr. Obornik) genießen die Frühaufsteher auf dem Lande den T., wohl um der Gesundheit willen68). Ebenda sind es wiederum junge Mädchen, die sich am Fluß auf einer Wiese an Pfingsten mit T. bestreichen, um das Jahr über keinen Ausschlag im Gesicht zu bekommen w ). Im Sarganserland schützte früher, als man daselbst noch Weizen baute, T. vor Kröpf 60 ), in Mecklenburg vor Sommersprossen β1 ), ebenso geschieht es in Schlesien, wenn man am Karfreitagmorgen das Gesicht in T. badet (Breslau, Lauban) 62 ). Vor allem aber glaubt man im T.bad ein wirksames Mittel gegen Behexung gefunden zu haben; dabei die t.kräftigen Tage zu beachten ist wichtig 63 ). Daß auch nichtdeutsche Völker diese abwehrende Kraft des T.s kennen, beweist u. a. der Glaube der Sizilianer, daß Benetzung (des Gesichts?) mit frischem Morgent. des Himmelfahrtstages das ganze Jahr vor Kopfschmerz schützt64). b) Unter den Tieren sind die Pferde und Kühe durch den T. in gesundheitlicher Hinsicht besonders beeinflußbar. Wer in Havixbeck im Münsterland am Stephanstag Karren mit Häcksel unter den blauen Himmel stellt, damit der T. darauffällt, dem werden die Pferde im ganzen Jahr nicht krank 65 ). Auch hier dürften etliche Vorschriften zu beachten sein. Ein Jude wollte einst ein blindes Pferd mit T. heilen. Er ging frühmorgens mit dem Tiere auf das Feld und benetzte ihm die Augen mit T. ; dann begab er sich stillschweigend wieder nach Haus. Als er nachsehen wollte, ob das Pferd sehend sei, hatte es weder Augen noch Schwanz, was die Leute der Umgebung auf Mißbrauch des T.s schließen ließ (polnische Mitteilung aus Schrimm, ehem. Prov. Posen)86). Nach anderer Überlieferung bewahrt man das Vieh vor Krankheiten, indem man selbst in der Walpurgisnacht seine Hände mit T. reibt und zwar vor Sonnenaufgang (s.

690

d.) und dabei dreimal spricht: „Jetzt wasche ich meine Hände im Walberntau, das hilft fürs gah, fürs bläh, für'n unflat". Bekommt ein Tier das Jahr über eine dieser Krankheiten, so legt man seine t.geweihten Hände auf das kranke Tier und spricht dreimal: Ich hab meine Hände gewaschen im Walberntau, das hilft usw. wie oben. Dabei schlägt man jedesmal das Tier auf den Bauch ®7). Auch Futter fürs Vieh, das man in den Festnächten in den T. legt (besonders beliebt ist die Dachtraufe), bewahrt das Vieh vor aller Krankheit e8 ). Damit die Kühe keine Blähung kriegen, wäscht man sich am Ostersonntagmorgen mit T. (Moes bei Bühl) «·). 33 ) Oberpfalz s. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 3 2 Nr. 3. M ) a. a. O. 2, 1 3 3 . M ) S a r t o r i Sitte 3, 1 9 1 . 1 5 1 ; ZföVk. 4 (1898), 149; vgl. S e l i g m a n n 2, 235 (Montenegro). 3 I ) S t r a c k e r jan2, 22.110. S 7 ) W u t t k e 9 2 § 113. ^ D r e c h s ler Schlesien 2, 292; S e y f a r t h Sachsen 252. 39 ) Z V f V k . 8 (1898), 59 (Neu-Ruppin). «>) M e y e r Baden 549; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 264. Auch an G r ä s e r n hängender T., in Eierschalen gesammelt, hilft, wenn man sich damit wäscht : Z V f V k . 2 2 ( 1912), 91. « ) Z V f V k . 22( 1 9 1 2 ), 92. 42 ) Ebda. 9 1 . 43 ) M e y e r Baden 549; Z V f V k . S (1898), 59; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 1 3 2 Nr. 3 ; Z V f V k . 2 2 (1912), 9i ; P a n z e r Beitrag ι, 259; M e i e r Schwaben 2, 509 Nr. 405; B i r l i n g e r Volkst. 1, 198; L a m m e r t 1 7 9 ; ZrhwVk. ι (1904), 98; Alemannia 25, 4 3 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 1 4 2 ; S c h r a m e k Böhmerwald 262; Urquell 4 (1893), 155. " ) Z V f V k . 22 (1912), 89. 9 3 ; D r e c h s l e r Schlesien 2, 292; W o l f Beiträge 2, 366; L a m m e r t 2 2 7 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 102 f.; S e y f a r t h Sachsen 2 5 2 ; ZföVk. 4 (1898), 149; 1 3 (1907), 1 3 1 ; Am Urquell 4 (1893), 70. 4 5 ) F i e b e r : H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 3 3 6 ; G r o h m a n n 164 Nr. 1 1 5 4 . Krämpfe: B o h n e n b e r g e r 2 3 (OA.Ohringen). 4 , ) W u t t k e 47 92 § 1 1 3 (Oberpfalz, Böhmen). ) Seyfarth Sachsen 252. 4 S ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 204: S e y f a r t h a . a . O . 2 5 2 ; L a m m e r t 206, 1 ; B i r l i n g e r Schwaben 1, 384. 4 9 ) Z V f V k . 22 (1912), 91 (der T., mit dem man die Wunden bestreicht, muß auf einen Kuhfladen gefallen sein). 60 ) Aus Zirke (Posen), Z V f V k . 22 (1912), 92. " ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 3 1 6 . " ) Z V f V k . 22 (1912), 92. 5 3 ) Im Gegensatz zu dieser Anschauung berichtet P l u t , qiiaest. nat. 6, daß derjenige, der betaute Bäume streife, an diesen Stellen vom Aussatz befallen werde. 5 4 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 102 f. 6 J ) Z V f V k . 22 (1912), 92. si ) Ebd. 93 f. ST ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 261 (Gegend von Woldegk). M ) Z V f V k . 22 (1912), so 90 f. 69 ) Ebd. 9 1 . ) M a n z Sargans 73. el ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 1 2 . e ä ) D r e c h s l e r

691

692

Tau

Schlesien 1, 84. w ) W u t t k e § 113; S e l i g m a n n 2, 235. **) S a r t o r i Sitie 3, 188. Kuhn Sagen 2, 101 Nr. 313. " ) Z V f V k . 22 (1912), 92. 7 , s * ) P a n z e r Beilrag 2, 301. ) Bohnenberger ι , 23. " ) M e y e r Baden 401.

5. S o n s t i g e s , a) H e l f e n d e r T. Wie sonst gibt es auch zum T. noch einigen Volksglauben, der sich außerhalb der zwei beschriebenen Hauptbereiche bewegt. In Bentheim zieht man am Himmelsfahrtsmorgen aus, um den T. zu treten, weil man davon ganz allgemein Glück erwartet 70 ). Den Mädchen machte der T. in der Oberpfalz den Liebsten gefällig 71 ) ; er läßt sie auch die Gedanken der Männer erraten (Posen) 72 ) und fördert ihre Klugheit und Schönheit n ). In der Provinz Posen gilt das Wäschebleichen im T. als bei weitem besser als das Bleichen mit Wasser bei Tage M ). Nach einer ebendaher stammenden polnischen Mitteilung hilft der T. in der Johannisnacht dazu, böse Geister, Gespenster und Hexen zu erkennen 7S ). Dasselbe kennt man auch in Schleswig-Holstein 7e). Auch in anderer Hinsicht ist der T. ein Weissagungsmittel. Wie man an ihm in der Oberpfalz ein gutes Butter- und Honigjahr erkennen kann 77 ), so in Mecklenburg ein gutes Flachsjahr 78). In Oldenburg zeigt T., der auf ein linnenes Laken fällt, daß ein Verbrecher errettet werden kann 79 ). Fällt der T. in der Weihnachtsnacht auf ein vors Fenster gelegtes Brot, so schimmelt dieses nicht; es scheint gleichzeitig als ein Schutzmittel gegen Menschen- und Tierkrankheiten zu gelten 8°). b) F e i n d l i c h e r T. Windeln vertragen den T. nicht ; man soll sie nicht in den T. hängen, sonst bekommen die kleinen Kinder Bauchweh (Simmenthai) 81). Wo T. hinfällt, findet man bestimmt keine Schätze; diese bekunden ihre Nähe vielmehr dadurch, daß an der Stelle des Morgens kein T. liegt (Schwaben) M ). Schafe soll man in Polajewo (Prov. Posen) nicht auf die Weide treiben, wenn noch T. liegt, sonst sterben sie (polnische Notiz) M ). c) T. u n d Z a u b e r . Außer den erwähnten Fruchtbarkeitszaubern wird noch folgendes berichtet : In Ehingen kann man einen dadurch langsam töten, daß man die Fußstapfen des betreffenden Menschen,

namentlich auf einer betauten Wiese, ausschneidet und in den Rauch hängt; in dem Maße als der Rasen dörre, sieche der Unglückliche dahin 84 ). In Mähren (Gegend von Podol) gilt als Gegenmittel gegen die magische Kraft t.sammelnder Männer, daß man ihnen ihre irdenen Töpfe zerschlägt, wodurch sie nicht nur alle Macht verlieren sollen, sondern auch bald sterben und nach dem Tode sich in Nachteulen und Kuckucke verwandeln 8S ). d) W e t t e r u n d T. Nach einer deutschen Mitteilung aus dem Kreise Obornik in Posen regnet es an dem Tage, an dem morgens kein T. liegt; liegt T., so bleibt das Wetter schön. In der Oberpfalz schließt man aus Abendt. auf einen kühlen Morgen am folgenden Tag 8 6 ). 70 )

S a r t o r i Sitte 3 , 1 8 7 . " ) W u t t k e 9 2 § 1 1 3 . E b d . 92 § 113. '») Z V f V k . 22 (19x2), 91 ( G o e t h e Faust I, 386—97); M a n n h a r d t Mythen 28; W u t t k e 92 § 113 (Baden). " ) Z V f V k . 2 2 ( 1 9 1 2 ) , 89. 7 t ) E b d . 95. 7») M ö l l e n h o f f Sagen 214 (Niederselk, Ditmarschen u. sonst). 7 7 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 133. 78) B a r t s c h Mecklenburg 2, 261. ™) S t r a c k e r j a n 2, 110. H ö f l e r Weihnacht 24 f. e l ) Z a h l e r Simmenthal 19. 8 2 ) M e i e r Schwaben 2, 502 Nr. 3 5 t . **) Z V f V k . 22 (1912), 90. M ) B i r l i n g e r Volkst. ι , 198. ®5) G r o h m a n n 213 Nr. 1477. «·) Z V f V k . 22 (1912), 89 (Posen); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 72)

2. 133· 6. A l t e V o l k s b r ä u c h e . Kuhn, Sagen 2, 164f. erzählt von einem alten westfälischen Festbrauch zu Pfingsten. Die Pferdejungen steckten die Pfingstweide aus, und es war gefährlich, seine Pferde dort vor der allgemeinen Einweihung an Pfingsten weiden zu lassen. Zu dieser Einweihung saßen am 1. Pfingsttag alle Pferdejungen auf und ritten zu dieser Pfingstweide. Wer dort zuerst ankam, wurde .däwestruch' (T.strauch) genannt und an einigen Orten auf einen Strauch gesetzt und durch den T. ins Tal gezogen. Wer zuletzt ankam, hieß Pfingstmocke. Die Pferde des ersten bekamen Maienkränze, die des letzten Blumen. Dann gab es Wettrennen 87 ). Daß Fruchtbarkeitszauber hier vorliegt, dürfte sicher sein; aber die näheren Zusammenhänge sind nicht mehr klar. Ähnlich ist ein alter Brauch in Groningen, in einem Teil von Gelderberg und in Südholland, wo sich

693

Tau—Taube

im Mai oder am 1. Pfingsttag das Volk im Feld versammelt und mit Laubwerk und Blumen bekränzt, was man ,daauwtrappen' (Tautreten) oder .daauwslaan' (T.schlagen) nennt 88 ). " ) Nr. 461. ω ) M a n n h a r d t Mythen 29; M ü l l e n h o f f Sagen 565 Nr. 573. — Hier verdient ein eigenartiger Brauch im oberösterreichischen Mühlviertel Erwähnung. Dort üben Gruppen von je fünf bis sechs Burschen am Vorabend und um zwei Uhr morgens in der Johannisnacht ein Geißelschnalzen. Wer dabei den Takt nicht hält, wird durch den Morgent. gezogen und führt das ganze Jahr hindurch den Spottnamen „ T . w a s c h e r " . Scheinbar verdächtigte man ursprünglich denjenigen, welcher bei diesem Abwehrakt gegen die Hexen nicht Takt halten konnte, daß er selbst zu diesen gehöre, selbst ein T.streicher sei. Doch kann hier auch der Rest eines Regenzaubers (s. d.) vorliegen ( G e r a m b Brauchtum 62 nach G. J u n g b a u e r s privater Mitteilung).

7. Z u s a m m e n h a n g zwischen den deutschen Anschauungen und denen der umliegenden Völker besteht, wie die gelegentlichen Hinweise zeigten. Verbindungen, die zur Antike führen, sind nur ganz selten zu finden 8e). Wir dürften in dem Volksglauben zum T. mithin verhältnismäßig reine germanische Vorstellungen natürlich oft nicht ohne christlichen Firnis erhalten haben. M) Pauly-Wissowa s. v . Sp. 43, 50 fi.

Aberglauben Stegemann.

Tau s. Thau. Taube.

Die T. stammt aus Mesopotamien, wo sie der Göttin des weiblichen Prinzips, der animalischen Fruchtbarkeit und der Geburt, assyr. Istar, heilig war, welcher die griech. Aphrodite entspricht. Deshalb erscheint die T. als Symbol letzterer, und zwar schon in mykenischen Gräbern. Zu den Kelten und Germanen gelangte die T. wahrscheinlich über Italien. Bei den Germanen der Völkerwanderungszeit erscheint sie als Grabbeigabe 1 ). In der altgermanischen Poesie spielt sie noch keine Rolle, in der Lex Salica wird sie als Lock- und Jagdvogel erwähnt 2 ). ι . B i o l o g i s c h e s . Wegen ihres sanften Wesens hält man die T. für gallenlos 3 ), doch kam diese Meinung erst in den ersten Jh.en n. Chr. auf, während ihr die Alten (Aristoteles, Plinius, Galenus) eine

694

Galle zusprechen 4). Nach Megenberg, der sich in vielen Stücken auf Aristoteles beruft, „erhält sie ihre Sehkraft neunmal wieder. Anstatt zu singen, weint die T. Die T.n sind in der Liebe sehr treu und brechen ihre Ehe nicht. Sie bekommen jedesmal zwei Junge, zuerst ein männliches, und drei Tage später ein weibliches. Es brüten auch beide T.n, der T.r und das Weibchen, abwechselnd. Das Weibchen brütet nachmittags und früh am Morgen, das Männchen in der übrigen Zeit. Vom achtzehnten Tage ab bleibt der Tauber vom Nest fern. Treffen die T.n eine andere, verirrte an, so nehmen sie sie in ihre Gesellschaft mit auf. Sie pflegen auch Steinchen zu verschlucken, um die Hitze des Magens zu mildern, denn sie sind sehr heißer Natur. Ihr Kot ist sehr heiß und scharf, sie werfen ihn aus ihren Nestern und lehren auch ihre Jungen, ihn auszuwerfen. — Der T.r wirft die ausgewachsenen Jungen aus dem Nest, vorher aber begattet er sich mit ihnen. Das Eierlegen macht der T. viel Mühe, und wenn sie während der Zeit verträgt, wird sie schwer krank. — Einige bleiben nach dem Verluste ihres Gemahls verwitwet und vermeiden die gemeinsame Wohnung der gepaarten T.n, damit sie die Männchen nicht beunruhigen. Sie fliegen von ihnen fort und wohnen in den wilden Felsen" s ). Auch der T u r t e l t a u b e rühmt derselbe Verfasser Keuschheit, Treue und Trauer um den gestorbenen Gatten nach. Um ihre Jungen vor anderen Tieren zu schützen, legt sie die giftigen Blätter der Meerzwiebel, lat. squilla, um ihr Nest ·). — Die wilden T.n stammen nach Mecklenburger Volksglauben von jener T. Noahs ab, die er aus der Arche hat ausfliegen lassen und die nicht wieder zurückgekehrt ist 7 ). 1 ) Korresp. Bl. f. Anthrop. 28 (1897), 5 1 ; H ö f l e r 128. 2 ) S c h r ä d e r Reallex. 852 f.; H o o p s Reallex. 4, 307. 3 ) G r i m m Myth. 3, 504. *) H ö f l e r Organotherapie 219. 5 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 149 f. ·) M e g e n b e r g ib. 187. ' ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 490.

2. Dem Girren der T. legt das Volk verschiedenen Text unter: Schweizer Kinder deuten das Rufen der Wildtauben bzw. Turteltauben:

695

Taube

Tu-tu-tu, bisch z' Züri gsi? Säg jal Häscht Chröli ( = Gebäck) g'chauft ? Säg jal Häts vili gha? Säg ja! Sinds guet gsi? Säg j a l " — „ J a l " β ).

Myth. 1903, 76. l s ) V u k K a r a d z i c negro 99; G r i m m Myth. 2, 950.

696 Monte-

3. Verehrung der T. Wie oben erwähnt worden ist, war die T. im Altertum der Istar-Aphrodite-Venus heilig, also Gottheiten der Liebe und der Fruchtbarkeit, denen sie vornehmlich geopfert wurde 19 ). Nach Reitzenstein20) galt die T. in ganz Vorderasien als Träger von Kinderkeimen: so erkläre sich die Conceptio der hl. Maria durch die T., die man mit dem hl. Geist identifiziert habe. Schon Hippokrates empfahl T.nfleisch (auch Turteltaubenfleisch) als Konzeptionsmittel 21 ). In der neuen christlichen Auffassung der T. als des Symbols des hl. Geistes ist wohl die große Verehrung begründet, deren sich die T. nicht bloß bei den Deutschen, sondern bei fast allen christlichen Völkern, besonders bei den Russen 22) erfreut. Die T., besonders die Turteltaube, gilt als ein „Herrgottsvogel" 23 ), sie schützt das Haus gegen Blitz 24 ), gegen Todesfall 2S ), gegen Feuersgefahr 2e). In Böhmen darf man sie nicht schlachten, sonst entflieht das Glück 27 ). Im Allgäu heißt es, daß die Turteltaube der Mutter Gottes den Ehering gebracht habe; deshalb hat sie einen Ring um den Hals und deswegen sagt man von ihr „sie stirbt" und nicht „sie geht drauf" 28). Noch im späten Mittelalter opferten die Wallfahrer in Dippoldskirchen (N.-Bayern) bei Pestseuchen weiße Tauben 29).

Nach schlesischer Auffassung ruft der T.r: „Heb a Ruck, heb a Ruck!", die Turteltaube: „Was ich tu, is alls gutt" ®). In Mecklenburg sagt der T.r zur T. : „Trutenfru, Trutenfru" (Bartsch, Mecklenburg 2, 178); die wilde T. ruft „ J u , ju, rote Kuh" 10 ). Von der Holztaube heißt es.daß sie um ihre Kuh jammere, um die sie die Elster betrogen hat: „Ach meine Kuh, ach meine Kuh, hätt ich doch wieder meine Kuh" 1 1 ). In Hinterpommern schmeichelt der T.r: „Nu kann' k' t all! Nu kann' k' t all!" oder „Rrrukopp, Rrrukopp Rrrukopp"; der Bauernfrau rufen die T.n nach: „Grochu, grochu!" d. h. 'Erbsen' 12 ). Anderswo girrt der Täuber: „Olsche" und „Mine Fru", der wilde Täuber: „Bring her mine Fru, Fru, Fru". Die T. mahnt frühmorgens: „Rucke die Kuh, die Tür ist noch zu". Sie lobt auch die aus der Küche kommenden Gerüche: ,,'t rucket gut, 't rucket gut". Wenn ihre Jungen geschlachtet werden, so schilt sie: „Du" 13 ). Nach wendischer Auffassung ruft der Täuber: „War' muku, war' muku, kulki nie!" = Koche Mehl, koche Mehl, Kartoffeln nicht 1 1 ). Vielfach faßt man das Rufen der T. als Wehklagen auf (ζ. B. in der Oberpfalz 15)) ; auch bei den Bulgaren trauert sie um ihren Sohn 1β ), vielleicht ist die Rolle der 18 T. als eines Toten- und Unglücksvogels ) M a n n h a r d t Forschungen 3 8 1 ; H ö f l e r (bei alten Indern und Germanen) darin Organotherapie 128, wo20Lit. und Darstellungen begründet. — Hierzu stimmt die Auf- antiker Taubenopfer. ) 22Kausalzusammenhang 668. « ) H ö f l e r ib. 129. ) H ö f l e r ib. 129. fassung der Taubenfiguren bei Paulus " ) Meier Schwaben 1, 217. 24 ) Meier 1. c.; Diaconus, die bei Pavia von Grabstangen B o h n e n b e r g e r 1, 22; M e y e r Baden 4 1 4 ; 25 ) Meyer nach der Richtung blickten, in der das H o v o r k a - K2βr o n f e l d 1, 424. 578. ) Urquell 4 (1893), 95. « ) G r o h Grab eines in der Fremde gestorbenen Baden mann Aberglaube 77. 28 ) R e i s e r Allgäu 2, 437. Langobarden lag, als klagender Ver- 2») H ö f l e r ib. 128. wandter 17 ). Vgl. hierzu die aus Holz ge5. Die T. als Seelenvogel. Unschnitzten Kuckucke auf serbischen Grab- gemein verbreitet ist die Vorstellung, daß kreuzen : sie stellen die trauernden Hinter- die Seele eines unschuldig hingerichteten bliebenen dar 1 8 ). Menschen in Gestalt einer weißen T. zum 8 Himmel flattere. In zahlreichen Sagen ) SAVk. 25, 203. ·) MschVk. 10 (1908), 92 f. 1 0 ) B a r t s c h ib. 1, 520. u ) K n o r t z spiegelt sich dieser fromme Glaube wie13 Vögel 242. " ) Urquell 5 (1894). 55· ) Z f V k . 13 der 30 ). (1903)', 92. 1 4 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum Der Geist des Verstorbenen zeigt sich 154. I S ) P a n z e r Beitrag 2, 1 7 1 . l e ) M a r i n o v Narodna vera, Sofia 1914, 92. " ) M e y e r Germ. den Lebenden sehr oft als weiße T. 31 ).

697

Taube

Damit hängt der Glaube zusammen, daß Sterbende weiße T.n sehen, welche kommen, um sie abzuholen 32). Nicht selten begegnen deshalb T.n als Schmuck der Grabkreuze33). Auch die hl. Maria 34 ) und die Engel 35 ) erscheinen in manchen Legenden in T.ngestalt. Als so heilig gilt die T., daß sich der Teufel und die Hexen nicht in sie verwandeln können 3e ). Vereinzelt ist der Glaube, daß während der Zwölften ein Glück und Fruchtbarkeit spendender Dämon als T. durchs Land fliegt37).

30 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 281 f. Nr. 302. 282; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 37; K ü h n a u Sagen 1, 68, aus K l o s e Sagen der Grafschaft (1888) 1 1 ; ZfVk. 15 (1905), 1 1 ; 23 (1913). 162; 24 (1914), 416; G r i m m Myth. 2, 690; 3 , 2 4 6 ; Meyer Gen«. Myth. 1903, 76; H e r z o g Schweizersagen 1, 256 f.; S c h e l l Bergische 31 Sagen 67 Nr. 106. ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 614; S t r a c k e r j a n 1, 159 Nr. 359; SAVk. 2, 223; K n o o p Posener Märchen 4; S c h a d e Ursula 70; Q u i t z m a n n 160; L ü t o l f Sagen 157. 357; E i s e l Voigtland 105 i. 148 Nr. 404; E c k a r t Südhannover Sagen 167; S c h a m b a c h u. Müller 106 f.; M u u s Altgerm. Religion 1914, 4 1 ; Deecke Lübische Sagen 23; Wolf Beitr. 2, 284; K n o r t z Vögel 238. 32 ) ZfVk. 15 (1905), 3; K ü h n a u Sagen 3, 487; M e y e r Bade» 578; J o h n Erzgebirge 130! S c h w e b e l Tod u. ewiges Leben 123. Grimm Myth. 2, 690; Heer Altglarn. Heidentum 28; 34 M e y e r Baden 601. ) W o l f Beitr. 2, 207 f.; K r u s p e Erfurt 1, 87. 3 5 ) K u h n Westfalen 1, 275 Nr. 3 1 5 ; W o l f Beitr. 2, 208; K n o r t z Vögel 237. 3e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 39; K ü h n a u Sagen 2, 559; S t r a c k e r j a n 2, 159 Nr. 389. « ) Wolf Beitr. 2, 208.

5. Volksmedizinisches. Sehr verbreitet ist die Meinung, daß im Zimmer nistende Turteltauben verschiedene Krankheiten an sich ziehen38), wie R o t l a u f 39), Gicht 40 ), Rheumatismus 4 1 ), S c h w i n d sucht 42), Zahnweh 4 3 ). Um Übert r a g u n g von Krankheiten auf die T. handelt es sich in folgenden Fällen: Hat ein Kind die „Gichter", bindet man eine weiße T. auf die Brust des Kindes 44 ) oder mit ihrem Bürzel an den Anus des Kindes; die T. stirbt, das Kind wird gesund 4S). Dasselbe Verfahren hilft gegen Schlaflosigkeit der Kinder 4e ). Andere stecken, um Krämpfe 47 ) oder Gehirnhautentzündung 48) zu heilen, die T. mit dem Schnabel in den Anus des Kranken. In Franken reißt man bisweilen die T.

698.

entzwei und bindet ihren Steiß an den des Kindes, wenn es die „Gichter" hat 4e ). Gegen Krämpfe bindet man eine frischgeschlachtete, in zwei Teile zerschnittene T. dem kranken Kinde auf die Fußsohlen 60). Wer an Gelbsucht leidet, soll eine junge T. aus dem Neste aufbinden, bis sie stirbt S1 ), oder sie in zwei Hälften zerschneiden und auf den Magen legen 52 ). Bei Brustfellentzündung bindet man sie ebenso zerteilt auf den Rücken des Kranken S3 ). Bei Meningitis legt man eine T. auf den Kopf des Kranken S4 ), bei Typhus eine getötete T. auf die Stirn des Leidenden, bis sie dort verfault ss ). Um Ausschlag zu heilen, wird empfohlen, eine Handvoll Hirsekörner im Urin des Kranken zu kochen und sie von der T. aufpicken zu lassen M ). Bei Zahnweh soll man Brot zerbeißen und damit T.n füttern 57 ). Gegen Gliederweh schützt man sich dadurch, daß man die Kleider über Nacht auf den Turteltaubenkäfig legt M ). Die Römer heilten Wurmkrankheit des Viehs, indem sie einen T.r dreimal um die erkrankten Teile bewegten M ). Besondere Heilkraft schreibt man seit der Antike dem B l u t der T. zu, namentlich dem aus dem rechten Flügel 60 ). Man verwendet es bei Augenleiden61 ), Schlaganfällen e2 ), als Blutstillungsmittel es ), bei Verwundungen ®4), gegen Krämpfe e s ), Podagra M ), Bauchweh ®7), Sommersprossen ββ) und Warzen 69). Im 16. Jh. aß man mit T.nblut angemachtes Brot gegen Vergiftung 70 ). Ungemein vielseitige Verwendung findet auch der T.nkot. Er hilft gegen Augenleiden 71 ), Halsschmerzen 72), Kröpf 7 3 ), Gicht 74 ), Kolik 75 ), Danngicht 76 ), Stuhlzwang 77 ), Wassersucht7e), Gelbsucht79), Urinzwang 80 ), Blasenstein 81 ), Fisteln 82 ), Furunkeln 83), Geschwüre M ), Frostbeulen85), Geschwülste 86), Warzen 87), Stinken der Nase 88 ) und Gliedschwamm89) und befördert den Bartwuchs. Räucherungen mit T. m i s t sind gut nach einem Abortus90). In Form von Umschlägen81 ) hilft er gegen fast alle Pferdekrankheiten. Altes T.nfleisch ißt man bei Nervenschmerz 92), warmes rohes ist ein beliebtes Mittel gegen Epilepsie 93 ) — schon

Taube

699

7OO

Doch mein Ochs oder Kuh kriegt Lendenin der Antike gegen Nervenkontraktur geblüt nimmermehr110). und Schlangengift M ), aber man bekommt 38 ) Reiser Allgäu 2, 437; Drechsler 2, 226. bei zu häufigem Genuß des Fleisches das 3*) Meier Schwaben 1, 218; J ü h l i n g Tiere 242; Zipperlein 95). Junge Tauben reinigen . H o v o r k a - K r o n f e l d i, 424; ZföVk. 6, 112; das Blut und lindern Nierenschmerzenββ). H ö h n Volksheilkunde 40 1, 91; SAVk. 8, 147; Sargans 77. 82. ) W u t t k e 433; J o h n Wie in der Antike wird auch heute noch Manz Westböhmen 218; S e y f a r t h Sachsen 186. 41 T.nf leisch als Konzeptionsmittel empfoh) W u t t k e § 533; SchwVk. 3,16. «) H ö h n len: „Wenn ein weyb empfangen hat, Volksheilkunde 1, 91; S t r a c k e r j a n 1, 82; 2, 43 vnnd besorgt, daz sy die empfenknuß nit 159 Nr. 389. ) G r o h m a n n Aberglaube 170; J ü h l i n g 243. **) B o h n e n b e r g e r Nr. 1, behalten möge, so sol sy ein Blochtauben S. 13; Meyer Baden 41. " ) W u t t k e § 157. ässen" OT). T.nsuppe gibt man Wöch§ 485; L i e b r e c h t Zur Volksk. 347. 4") 47 8 nerinnen · ), auch tut sie gut gegen Darm- J ü h l i n g 243.4 ) L a m m e r t 125. 48) J ü h ling 221 f. ») W u t t k e § 485. so ) L a m winde, Bauchgrimmen und mit Essig m e r t 125; J ü h l i n g " ) J ü h l i n g 243. gekocht gegen rote Ruhr " ) . Wenn " ) H o v o r k a - K r o n f e 243. l d 2, 116. " ) J ü h l i n g M einem Weib die „Hebemutter aufsteiget, 222. ) Jühling222. " ) H o v o r k a - K r o n f e l d nehme man eine junge T., lege sie auf 2, 300. 6*) S e y f68a r t h Sachsen 186. ") B o h n e n glühende Kohlen und lasse der Frau den Mb e r g e r 1,13. ) H ö h n Volksheilkunde 1,140. ) P l i n i u s nat. hist. 30 144. " ) H ö f l e r Rauch in den Mund gehen" 10°). T.neier Organotherapie 184 f. 0 1 ) M e g e n b e r g Buch sind gut gegen „das gifft deß bleyweyß", der Natur 150. 187; J ü h l i n g 239. 242; ZfVk. auch bestreicht man mit gesottenen n8 (1898), 170; H ö f l e r Organotherapie 129. ) J ü h l i n g 241. H ö f l e r 184. 256. w ) Eiem „schrunden vnnd spälten an gliH ö f l e r 129; J ü h l i n g 243; H o v o r k a deren" M1 ). Damit die Kinder leichter K r o n f e l d ι . 80. M ) J ü h l i n g 239; H ö f 5 zahnen, bestreichen ihnen die Mütter ler 256. ° ) D r e c h s l e r 2, 307; Mschlden Gaumen mit dem noch warmen Vk. 10 (1908), 92 f. «·) J ü h l i n g 240. *') G e h i r n einer T. 102 ). Der Genuß frischer J ü h l i n g 241. ··)70 D r e c h s l e r 2, 95. 226. *·) L a m m e r t 185. ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, roher T.nleber wird seit alter Zeit bei 416. 71) J ü h l i n g 240. 242. 7S) J ü h l i n g 240. 103 Leberentzündung empfohlen ), Be- 242; H o v o r k a - K r o n f e l d 1,247; 2,8. n ) J ü h 239. 74) J ü h l i n g 243. 75) J ü h l i n g 242. streichen mit T.nschmalz bei Urin- ling 7 ·) J ü h l i n g 240. 77) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 101 zwang ). Gegen Fieber hilft ein ge- x 45· " ) J ü h l i n g 240. 7 ·) L a m m e r t 249. trockneter und gestoßener T.nmagen, in 80) J ü h l i n g 241. 242; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, Wein gelöst 10s ). Die Asche von T.nf edern χ 45· ί ι ) J ü h l i n g 241 f.; H o v o r k a - K r o n f e l d 2 146. 8î ) L a m m e r t 207; J ü h l i n g 242. 243. wird bei Gelbsucht eingenommen 104 ), bei 8a ) J ü h l i n g 239; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, Podagra mit Nesseln aufgelegt. 391. 84) J ü h l i n g 239. 241. 86) S t a r i c i u s 115; Auch in Z a u b e r s p r ü c h e n gegen das J ü h l i n g 242; ZfVk. 8 (1898), 170. 88) J ü h Fieber spielen die T.n eine Rolle: ling 242. 87) J ü h l i n g 243. 88) J ü h l i n g 241. Hier komme ich und bringe mein Fieber Und kriege es gar nicht wieder. Die alte Turteltaube hat keine Gallen, Damit lasse ich das 77ste Fieber fallen1®7). Wie das Tuttel Taublein ohne Gallen, Also lafi ich meine 77 Fieber und Gelbsucht fallen ««).

Im Vogtland wird folgender Segen „für das Lendengeblüt der Tiere" gesprochen: Fieber hin, Fieber her! LaQ dich blicken nimmermehr I Fahr derweil in eine wilde Au! Das schafft dir eine alte Frau. Turteltäubchen ohne Gallen; Kalte Gichtchen, du sollst fallen10»). Turteltaub ohne Gall, LendengeblQt fall, Fall nein ins tiefe Meer,

) J ü h l i n g 243; H o v o r k a - K r o n f e l d 2,403. Jühling241. ·») ZfVk. 8 (1898), 17; W u t t k e §157. M ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 257. , a ) Hov o r k a - K r o n f e l d ι , 416. · 4 ) H ö f l e r 184! ·*) B i r l i n g e r Volksth. 1, 497; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,354; J ü h l i n g 243. · 8 ) D r e c h s l e r 2 · 95· " ) J ü h l i n g 240. ,8 ) D r e c h s l e r 2, 95· **) J ü h l i n g 240. 10°) J ü h l i n g 242. 101 ) J ü h l i n g 239. 10a) Urquell 3 (1892), 73. 103 ) J ü h l i n g 239; H ö f l e r 1 8 4 ! 104) Hov o r k a - K r o n f e l d 1, 142. l œ ) J ü h l i n g 239. 108 ) J ü h l i n g 240; H ö f l e r 257, 107) ZfVk. 7 (1897), 68. 108) H ö h n Volksheilkunde 1, 156. 10 ») G r i m m Myth. 3 504 Nr. 43. u o ) S e y f a r t h 8>

Sachsen 127: a u s D u n g e r Rundäs und Reimsprüche aus dem Vogtlande S. 282.

6. Die T. im Zauber, a) T.nbann. Die T.n gewöhnen sich ans Haus und locken sogar fremde an, wenn man sie aus einem Totenschädel

701

Taube

f ü t t e r t m ) . Dieselbe Bannkraft hat auch «in Stück Brettchen vom Sarge eines ungetauften oder unschuldigen Kindes, unter das T.nschlagloch genagelt m ) , auch ¿in Strick eines erdrosselten Menschen, in das T.nhaus gelegt 1 1 3 ) oder an dem Zugang aufgehängt 1 1 4 ). In vielen Landschaften rupft man der neu gekauften T . zwei bis drei Federn aus dem rechten Flügel oder aus dem Schwanz, die man in ein in den Balken gebohrtes Loch steckt 1 1 6 ). Denselben Zweck glaubt man dadurch zu erreichen, daß man in einem Glase etwas Milch von einer einen Knaben stillenden Frau in den Schlag hängt 1 1 β ) oder daß man Haselruten, die man am Freitagmorgen vor Sonnenaufgang unter Hersagung der drei höchsten Namen schneidet, vor das Loch nagelt, so daß die T.n darüber weggehen müssen 1 1 7 ). Dem Verfasser der Rockenphilosophie gab eine alte Frau den Rat, die T.n unter einem Spruch dreimal durch die Beine zu stecken, ihnen aus seinem Handbecken die Beine zu waschen und sie dann auf den T.nschlag zu setzen 118 ). Es wird auch empfohlen, die T.n „hinter sich" in den Schlag zu bringen und einen Tag lang anzubinden 119 ) oder sie mit gekautem Brot 1 2 0 ) oder mit Erbsen, die man mit Spiritus benetzt hat, zu füttern m ) . Um fremde T.n anzulocken, soll man Gerste, in Honig aufgeweicht, in das T.nhaus werfen 122 ) oder Lehm von einem alten Backofen, mit Anis angemacht 123 ). Die T.n werden auch dadurch festgehalten, daß man sie aus einem Menschenschädel saufen läßt 1 2 4 ). Anderseits darf man während des Essens nicht vonT.n sprechen, sonst fliegen sie anderswohin 125 ). b) L i e b e s z a u b e r . Um die Liebe der Mitmenschen zu erringen, soll man das H e r z einer Turteltaube bei sich tragen 128 ). Gegenliebe erzeugt man schon seit Jahrhunderten dadurch, daß man dem andern ein in Brot verbackenes oder pulverisiertes Herz einer Turteltaube zu essen gibt 1 2 7 ). Verwendung der T.nlunge zum Liebesaugurium ist schon bei den Römern bezeugt 128 ). Wenn ein Bursche mit einer Turteltaubenzunge im Munde ein Mäd-

702.

chen küßt, kann sie nicht mehr von ihm lassen, auch keinen Wunsch versagen 129 ). c) J a g d z a u b e r . Um sicher zu treffen, bestreicht man die Kugeln mit T.nblut oder die Büchse mit T.n- und Laubfroschblut 130 ). d) A b w e h r - Z a u b e r . In Nordschwaben bringt man über dem Schlage auf hoher Stange eine Sense an, um die T.n gegen den Habicht zu schützen 131 ). — Gegen die Blitzgefahr bringt der Waldbauer am First seines Hauses einen T.nkopf an 1 3 2 ). — Wenn man mit dem Vieh das erstemal auf die Weide zieht, soll man ihm mit einer T.nfeder Holzbeerenöl an die Nase schmieren 133 ). — Gegen die Ligatur soll man das Herz einer Turteltaube bei sich tragen 1 3 4 ). Mit T.nblut läßt sich jeglicher Zauber wirksam bekämpfen 13B ). — Zaubersprüche zur A b wehr des Fiebers s. o. 111 ) R o c h h o l z Schweizersagen 2, 159. 160, wo Lit.; R e i s e r Allgäu 2, 437; V e r n a l e k e n

Alpensagen

353·

lla

41g;

Schönwerth

Oberpfalx

x,

) Birlinger Schwaben 1, 454; Meier

Schwaben 2, 497; Urquell 2, 130 f.; 3, 171. 256; SAVk. 25, 155; E b e r h a r d t Landll *\ wirtschaft 3, 21; D r e c h s l e r 2, 239. G r i m m Myth. 3, 447 Nr. 386; M e y e r Aberglaube

223.

114

)

ZfVk. 3 (1893),

141.

) Meier Schwaben 2, 510; B o h n e n b e r g e r Nr. ι, S. 19; E b e r h a r d t Landwirtschaft Nr. 3, S. 20; J o h n Westböhmen 218; Urquell 3, 175; D r e c h s l e r 2 97; P o l l i n g e r Landshut 157; Wolf Beiträge 1, 221. « · ) W u t t k e § 678: u Hessen. ») R o t h e n b a c h Bern 1876, 36 Nr. 303. «») ZfVk. 23 (I9i3),i22. « · ) M e y e r Baden 413. 1!0 ) ZfVk. 23, 183. m ) Rogasener Familienblatt 5 (1901), 8. ">) SAVk. 25 155. 123 ) Urquell 3 (1892), 256 f. "«) G r i m m Myth. 3, 774 Nr. 1054. Weitere Lit. bei Sart o r i Sitte u. Brauch 2, 131 f. 1 , 5 ) G r i m m ll5

Myth. 3, 448 Nr. 441. « · ) SAVk. 7 (1903), 51:

Kt. Bein; H ö f l e r Organotherapie 256; D r e c h s l e r I, 229; J o h n Westböhmen 317; ZfVk. 13 (1903), 272. 127 ) D r e c h s l e r 1, 233; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 416; H ö f l e r Organotherapie 256; ZfVk. 13, 272. 1 2 i ) J u v e n a l Satiren 6, 548; H ö f l e r Organotherapie 276. m ) Manz Sargans 143; M e y e r Baden 170; B i r l i n g e r Schwaben ι, 406; J o h n Westböhmen 317; B a r t s c h Mecklenburg

2, 30; F o g e l

Ennstalerisch

23.

Pennsylvania

62

Nr. 192. 130 ) J o h n Westböhmen 327; K r o n f e l d Krieg i n . m ) M e y e r Baden 386. 414; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 17. 132 ) R e i t e r e r 403.

134

133

) B i r l i n g e r Schwaben

) S e l i g m a n n Blick 2, 133.

X3S

1,

) Ur-

quell 3 (1892), 115.

7. D i e T. in d e r

Mantik.

Schon

703

Taube

in der Bibel begegnet die T. als Orakeltier (Noah). Bei den alten Griechen (Dodona) war die angeblich aus dem ägyptischen Theben zugeflogene T. ein Orakeltier für glückliche Schiffahrt, auch zu Thisbe in Böotien war ein T.norakel des Zeus 1 3 e ). Den Deutschen gelten die T.n im allgemeinen als glückbringend, nur wilde T.n, die ein Haus umfliegen, künden Unglück und Tod 137 ) ; vielleicht wirkt darin die altgermanische Auffassung von der T. als einem Unglücks- und Totenvogel nach. Aus dem Verhalten zieht man vor allem Schlüsse auf das bevorstehende Wetter: Wenn sich die T.n im Wasser oder im Kot baden 13S ), wenn sie die Federn häufig durch den Schnabel ziehen 139 ), wenn sie mehr Nahrung zu sich nehmen und demnach später in den Schlag zurückkehren140) oder in einer Reihe hintereinander auf dem Dache sitzen 1 4 1 ), gibts bald Regen. Starkes Rucksen deutet in manchen Gegenden auf Regen 142 ), anderswo auf schönes Wetter 143 ). Reichen Körnerertrag erhofft man, wenn die eingesperrten T.n am Christabend große Unruhe zeigen 144 ), und aus dem Girren der Waldtaube schließt man auf den künftigen Getreidepreis, ähnlich wie aus dem Schlag der Wachtel 14S ). T.n, die im Kreise um ein Haus fliegen, verkünden baldige Feuersbrunst 148 ). Nach wendischem Glauben fliegen drei weiße T.n oben über dem Feuer 147 ). Verbrennen T.n bei einem Schadenfeuer, so ist es um den Frieden des Hauses geschehen148). Auf eine glückliche Ehe deutet es, wenn das Brautpaar beim Heraustreten aus der Kirche zuerst T.n sieht oder wenn beim Hochzeitsmahl T.n um das Haus fliegen14e). Wenn aber dem Brautpaar bei der Fahrt zur Kirche ein Paar T.n über den Kopf wegfliegt, ist das ein schlimmes Zeichen150). Ein Todesfall in der Familie steht bevor, wenn die Turteltauben schreien und sich trauernd ins Eck setzen 1 5 1 ). Im Oldenburgischen erzählt man sich, daß vor mehr als zweihundert Jahren einer armen Frau drei T.n erschienen, eine blaue, eine rote und eine weiße: die erste bedeutete Pest, die zweite Feuer und Krieg, die dritte die Friedenszeit 152 ).

;o4

Auch als glückverheißende Wegweiserin tritt die T. auf, ζ. B. nach der Gründungssage des Klosters Maulbronn 153 ).

13e ) K e l l e r Antike Tierwelt 2, 1 2 3 . 1 3 7 ) S t r a k k e r j a n i, 2 7 ; 2, 1 5 9 ; Z f V k . 15 (1905), 7. 13e ) SchwVk. 10, 3 5 ; D r e c h s l e r 2, 9 5 ; B a r t s c h Mecklenburg 2 208; M e i e r Schwa13e 110 ben I, 2 1 7 . ) B a r t s c h 2, 207. ) 141 H o p f Tierorakel 159. ) Andree Braun142 schweig 410. ) M e i e r Schwaben 1, 2 1 7 f. 143 ) ZfrwVk. 1 9 1 4 , 1 6 4 ; B a r t s c h 2, 208; l44 Hopf 159. ) John Erzgebirge 153. I45 ) B i r l i n g e r y i w s Schwaben 1, 4 1 3 . 1 4 e ) Z f ö V k . 3 (1897), 12. 1 4 7 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 168. 1 4 8 ) J o h n Erzgebirge 235. 1 4 9 ) G r o h m a n n 9 1 6 ; H o p f 36. 1 5 °) J o h n Erzgebirge 95. 1 5 1 ) H ö h n Tod Nr. 7, S. 307. 1 5 2 ) S t r a c k e r j a n ι , 24. 1 5 3 ) H o p f 32, 159.

8. Die T. im F e s t b r a u c h . Als Symbol des hl. Geistes spielt die T. eine große Rolle in den Pfingstbräuchen 154 ). In Westfalen ζ. B. hängt inmitten der Pfingstkrone eine aus Torf oder Holz geschnitzte T. mit zwei roten Maikirschen im Schnabel 166 ). Zu Weihnachten werden T.n und Hühner aus einem durch einen Faßreifen oder eine Kette gebildeten Kreise gefüttert, damit sie beisammen bleiben und gedeihen 156 ). Im Erzgebirge werden sie vor den drei hl. Abenden mittags mit Hirse gefüttert, damit sie gedeihen und am Christtag eingesperrt, damit sie vor dem Habicht sicher sind 157 ). Wegen des Habichts werden sie in Westböhmen am Faschingsdienstag sorgfältig gefüttert 158 ), an demselben Tag sowie auch am Karsamstag muß der T.nschlag gereinigt werden, sonst brüten die T.n nicht 159 ). In Hohnsdorf gab man den T.n vom Aschermittwoch ab vier Wochen lang Brot mit Anis zu fressen, das am Aschermittwoch gebacken worden war, damit sie gut geraten 16°). Der Brauch des T.nschießens ist uralt, schon Homer kennt ihn 161 ).

154 ) P a n z e r Beitrag 2, 90; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 198; H o f f m a n n - K r a y e r 162; A n d r e e - E y s n Volkskundliches 78 f.; A l b e r s 15S Das Jahr 226. ) S a r t o r i Westfalen 1 6 3 . 15e ) D r e c h s l e r 1, 3 7 ; K ö h l e r Voigtland 369. l57 ) J o h n Erzgebirge 235. 1 5 8 ) J o h n Westböhmen 38. 1 S 9 ) K e l l e r Grab d. Abergl. 2, i 9 7 f . ; J o h n 4 1 . 64. 2 1 8 . 1 6 °) Z f V k . 7 (1897), 75. lel ) K e l l e r Antike Tierwelt 2 130.

9. S o n s t i g e r Aberglaube. Die T.n werden für so rein gehalten, daß ihnen Zauberei und Hexerei nicht schaden

7°5

Taubenkraut—Taubnessel

kann 162). Wer ein Paar Turteltauben halten will, darf sie nicht kaufen, sondern muß sie sich schenken lassen, eventuell ein Gegengeschenk machen 163). Nach schwäbischem Glauben hört die Turteltaube auf zu girren, wenn jemand im Hause erkrankt; bei einem Todesfall trauert sie oft jahrelang 1M ). Im März und April auskriechende T.n fliegen am schnellsten, so daß sie der Stoßvogel nicht leicht einholt 16S ). Interessant ist der Glaube, daß man auf Kissen mit T.nfedern nicht ruhig schlafen und nicht sterben kann 166). le3) » 2 ) ZföVk. 4 (1898), 215. Meier Schwaben 1, 218; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 424. 1 M ) M e i e r Schwaben i, 218; H o v o r k a K r o n f e l d ι , 424. l e s ) D r e c h s l e r 2, 226. 1M) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 353 f.; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 25; Urquell 4 (1893), 50; Z f V k . I i , 221; 22, 232.

10. Zahlreich sind die S a g e n , in denen verwandelte Menschen, Geister der Verstorbenen, der unschuldig Hingerichteten, Engel usw. in T.ngestalt erscheinen 1β7 ). Nach einer oldenburgischen Sage bringen zwei T.n dem hl. Hippolyt Nahrung 168). Das Kloster Feuchtwangen wurde der Sage nach von Karl dem Großen zum Danke dafür gestiftet, daß ihm auf der Jagd eine auffliegende Wildtaube eine Quelle verriet („T.nbrünnlein"), deren Wasser ihn vor dem Verschmachten rettete 169). Zwei weiße T.n bekräftigten dadurch die Unschuld des Bischofs Sueder von Münster auf dem Reichstag zu Speyer, daß sie sich ihm auf die Schulter setzten 17°). Nach einem Kindermärchen (Nr. 33) setzen sich zwei T.n auf die Schulter des Papstes und sagen ihm alles ins Ohr, was er vorzunehmen h a t m ) . 1M) Außer den oben § 4 zitierten Sagen noch: P f i s t e r Hessen 86; ZfdMyth. 1, 310 f.; K ü h n a u Sagen 3, 474; P a n z e r Beitrag 1, 224: Gründungssage der Kirche in Büchlberg bei Passau; R a n k e Volkssagen 79: Eine weiße Frau wird als T. von der wilden Jagd verfolgt. 1ββ ) S t r a c k e r j a n 2, 159 Nr. 389. "·) Birl i n g e r Aus Schwaben 1, 186 f. 17 °) K n o r t z m ) Vögel 236. G r i m m Myth. 122. Schneeweis.

Taubenkraut s. E i s e n k r a u t . Taubnessel (Bienensaug, Weiße T., tote Nessel; Lamium album). ι. Häufiger Lippenblütler mit Blättern, B l c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I .

706

die denen der Brennessel gleichen. Wohl wegen der weißen Blüten (signatura rerum) ist die T. ein allgemein verbreitetes Volksmittel gegen den „weißen" Fluß (Fluor albus) der Frauen l ). Aus dem gleichen Grunde gebrauchen die Wenden die Blüte gegen Bleichsucht 2). Das zerstoßene Kraut wurde zur Heilung des „Wurms" am Finger (panaritium) aufgelegt, daher auch Wurmkraut genannt 3 ), desgleichen gegen den „Stoatritt" (Hautverhärtung an den Füßen beim Barfußgehen) 4). Wenn einer das kalte Fieber hat, so muß er sein Wasser (Harn) auf die Nesselblumen machen und sprechen: Hier mach ich mein Wasser auf diesen Samen In allen Fieber Namen Das Fieber will mich meiden Bis daß ich komm und will die Sonne abschneiden Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes usw.

Und dann das Gebet des Herrn darauf getan und dann von dem Grunde weggegangen und nicht wieder auf den Grund gegangen, sonst wird es wieder kommen, das kalte Fieber (Elberfelder Rechenbuch, Ende des 18. Jh.s) s ), vgl. Brennnessel (1, 1558). Auch in einem Krankheitsorakel erscheint die T. ®). !) Urquell 3, 68; ZföVk. 4, 46; Hist. Stud, aus d. pharmak. Inst. d. Univ. Dorpat 4 (1894), 231 (Letten); R o l l a n d F i o « pop. 8, 203 (Wal2) lonen); L a m m e r t 174. Schulenburg Wend. Volksth. 100. 3) T a b e r n a e m o n t a n u s Kräuterbuch 1013, 923. 4) B r u n n e r Heimatb. s) d. bayer. BA. Cham. 1922, 89. Z f V k . 16, 176. ·) S t a r i c i u s Heldenschatz (1679), 353; M a n n h a r d t Germ. Mythen 103.

2. Die weiße T. zur Dreisgenzeit gesammelt und in Zypressensaft, der ein Jahr alt ist, gelegt und gut verwahrt bei sich getragen, macht sanft und gütig und hilft allen Widerpart überwinden. Wer einem Rinde das Kraut um den Hals bindet, dem folgt es überall nach 7 ). „Grab an einem Auffahrtstag Todtennesselwurz, trag sie in fließendes Wasser und darnach wasch sie mit Wein, trag sie bei dir, so mag dich niemand überwinden" 8). Das Mittel stammt offenbaraus der gelehrt-magischen Literatur. Den Dieb zu zwingen, das gestohlene Gut wieder zu bringen: „Nimm einen neuen Hafen und einen Deckel darauf, schöpfe dreimal aus dem fließenden Wasser in den drei höchsten Namen, 23

70 7

Taucher—Taufbrot

unterwärts, den dritten Teil des Hafen voll, nehme ihn mit heim, stelle ihn auf Feuer, nimm ein Stücklein Brot, tue es in dem Hafen sieden, auch ein wenig T h a u n e ß l e n darein. Dieb oder Diebin, bring mir meine gestohlene Sach herbei, du seiest Knab oder Mägdlein. Dieb du seiest Weib oder Mann, ich zwing dich im Namen f f t " 9 )· Die Wenden brühen gegen die Hexen die Michtöpfe mit Dorant (Sumpfgarbe, Achillea ptarmica) und T.n aus 1 0 ), vgl. auch den verwandten Gundermann. Möglicherweise ist hier unter „ T . " ein anderer Lippenblütler, der Andorn (s. 1, 397), der in der älteren Literatur auch als „Taubnessel, Mariennessel" bezeichnet wird, zu verstehen u ) . 7 ) A l p e n b u r g Tirol 400; Z a h l e r Simmenthal 193. 8 ) SAVk. 19, 217. ») A l b e r t u s M a g n u s 8 0 . Toledo. 1, 19. 10 ) S c h u l e n b u r g ll 268. ) Vgl. auch H ö f 1er Botanik 79. Marzeil.

Taucher, S ä g e r , ein Gänsevogel (mergus, gr. eiöuict). Die v o l k s m e d i z i n i s c h e n Anschauungen, über die uns G e s n e r im Vogelbuch 42 (u. nach ihm Jühling u. Höfler) berichtet, gehören sämtlich der Antike an, wie auch die Meinung, daß er S t u r m k ü n d e 1 ) . M e g e n b e r g 207 (nach A m b r o s i u s , dieser nach P l i n i u s 18, 362). f Hoffmann-Krayer.

Taufbrot (Fortsetzung von Brot; vgl. Kuchen § 25). Es verbinden sich Fruchtbarkeits- und Abwehrzauber; niemand ist mehr den bösen Dämonen ausgesetzt, als die Wöchnerin und ihr Kind 8 4 e ) (vgl. § 18) ; schon über das Kapitel Schwangere und Brot gibt es viele Vorschriften. Sie ist ja verhext und unrein M 7 ), und besondere Vorschriften gelten für das Brot 848) und den Brotschrank 849), ebenso für das Backen 850). In der Oberpfalz legt man ein G e b e t b u c h unter das Kopfkissen und einen L a i b B r o t zu Häupten der Wöchnerin ®51). In Kroatien legt man auf den Tisch des Geburtszimmers Wachskerzen, B r o t u n d S a l z 852), man opfert in der Geburtsnacht dem Schicksalsfräulein Brot, Käse und Honig 853) ; in Schwaben bringt man der Wöchnerin Gvatterwecka und Batzenlaible 854). Dem u n g e t a u f t e n N e u g e b o r e n e n 855) legt

708

man Brot in oder unter die Wiege oder in die Kleidung; auch nach der Taufe wickelt man Brot ins Tragkissen oder hängt es als Amulett 85e) an ; besonders auf dem Taufgang schützt man das Kind mit Brot 857) und opfert es den Armen (Bö.) 858 ); das bei dem Taufakt geweihte Brot bringt Segen und Fruchtbarkeit 859 ). In Thüringen bindet man dem Kinde am Tauf tage ein Leinenläppchen um, gefüllt mit gekautem Brot 86°). In Breslauer Kreisen gebrauchte man gekautes Brot gegen „ B e s e h e n " 8 H ) . In einem Erlaß vom 19. X I I . 1580 heißt es: „ I t e m daß sie abergläubischen Segens-Sprechens, auch Salz u. Brod aus Aberglauben zu Kinder zu legen sich bemüßigen" 862). Auch Auguria auf Grund des Schimmeins des Brotes werden angestellt, wie bei der Hochzeit 883). In Ostpreußen 864) legt man in den Patenbrief Brot mit Übertragungszauber und Anfangszauber, in Bayern bekommt es beim ersten Ausgang Brot, damit es nicht „neidig" wird 885) ; eine interessante Verbindung von Fruchtbarkeitszauber (Laib Brot) und Apotropaion (Sieb) kennt man in Monastir beim Anlegen des Kindes 8 6 e ), bei uns nicht belegt; die Wöchnerin soll bes. Dienstags und Freitags nicht gestatten, daß Brot und Fleisch aus dem Hause verliehen wird 8e7 ). 84e ) D r e c h s l e r 1, 189 fi. 204; G r i m m Myth. 3, 451, 509; S a m t e r Geburt 21 ff.; S a r t o r i 5 . u. B. 1, 30ff.; Globus 42, 77; aus dem H a u s der Wöchnerin darf kein Brot u. Salz abgegeben werden: G r i m m A f y i A . 3,452Nr. 538. 847 ) G r o h m a n n 115, 857; F r a n z Benediktionen 2, 240. 8 4 8 ) Journal 1790, 142—44; G r i m m Myth. 3, 458, 702; Hess.B.f.V. 15, 129; sie darf kein Brot stehend essen, sonst wird das Kind naschhaft: M e n s i n g 1. c. 530. 84 ·) G r i m m Myth. 3, 336, 41. 458, 702; J. H. F i s c h e r I . e . 257; V o n b u n 66ff.; E n g e l i e n u. L a h n 247; B ö c l e r Ehsten 44; K ü h n a u Familie 36; B a r t s c h Meckl. 2, 41, 47a. 43, 64; M e i c h e Sagenbuch der sächs. Schweiz 122, 22. 85 °) W e i n h o l d Neunzahl 29; vgl. K r a u ß Anthropophyteia 3, 37. 8 5 1 ) S c h ö n w e r t h 1, 191, 10; M e i c h e 1. c. 122, 23. 8 5 2 ) K r a u ß Relig. Brauch 23. 8 5 3 ) K r a u ß 1. c.; in Kärnten opfert man d e n Saligen B . : G r a b e r I . e . 56 Nr. 64. 8 5 4 ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 236; vgl. Globus 42, 77. 85S ) M e y e r Baden 372; H o f f m a n n Ottenau 18; S e l i g m a n n 2, 93—4; G r o h m a n n Aberglaube 107, 773—4; F r a n z Benediktionen 1, 228; W. 580. 8 s e ) W. 175, 414;

709

71Ο

Taufe—Tausendgüldenkraut

P r a e t o r . Phil. 102; G r i m m Myth. 2, 923; 3, 460, 748; 3, 564, 7 1 3 ; J o h n Westböhmen 247; W o l f Beiträge 1, 206 (auch für Frankreich); L i e b r e c h t Zur Volkskunde 320; B i r l i n g e r Volkstüml. 2, 447, 419; SAVk. 15 (1911), 1 3 ; W i t t s t o c k Siebenbürgen 69; S e l i g m a n n 2, 94 für Estland; vgl. B a r t s c h 2, Nr. 1 1 6 a . F r a n z Bened. 1,228 ; als Schutzmittel gegen das „Unkraut", die Krämpfe in Bö.: J o h n Erzgebirge 53; vgl. S e y f a r t h Sachsen 269; M a n n h a r d t Germ. Mythen 637, 591 Α . ; S a m t e r Geburt 153 A. 3; H i l l n e r Siebenbürgen 24; S o l d a n - H e p p e 2, 362; M e y e r Baden 372; vgl. die Esten bei G r i m m 3, 490, 54; eigenartig die Erzählung bei M ü l l e r Siebenb. Sachsen 36, 54. 857 ) W. 591; Höhn Geburt Nr. 4, 269; R o t h e n b a c h 12, 2 9 — 3 1 ; J o h n Erzgebirge 6 1 ; Alemannia 24, 228; W l i s l o c k i Magyaren 69; H i l l n e r Siebenbürgen 38 Nr. 1 ; S t a u b 54. 85e ) J o h n Westböhmen 1 1 4 u. 247; Wolf Beiträge 1, 206. 8 5 > ) G r i m m Myth. 3, 441, 8eo 222; vgl. B r e v i n u s N o r i c u s 333. ) Witzschel Thüringen 2, 249, 43. M 1 ) Glotta 2, 398. · " ) B i r l i n g e r Volkstüml. 2, 447, 419; vgl. F r a n z Bened. 1,228. 8β3) J o h n Westböhmen 107. 8 M ) W. 594, vgl. 591. Pollinger Landshut 243; G r o h m a n n Aberglaube 1 1 5 , 858. 8 M ) S t e r n Türkei 2, 319. 8 « ) K e l l e r Grab des Aberglaubens 5, 308. Eckstein.

Taufe s. Nachtrag. Taurant s. Dorant. täuschen. Was Dämonen u. Zauberer den Menschen vort., ist unter „blenden" § 2 und „verblenden" behandelt; hier handelt es sich um die Maßnahmen, mit denen der Mensch die Dämonen und Toten täuscht, um sich vor ihnen zu schützen. S. Abwehrzauber 1 , 138 u. Dämon 2, 166 ff., wo schon mehrere Beispiele aufgeführt sind; einige Ergänzungen seien hier noch beigefügt. Die Braut muß bei der Hochzeit vor der Gewalt der Dämonen geschützt werden, da diese bei Beginn eines neuen Lebensabschnitts besonders gefährlich sind. Deshalb wird dem Bräutigam mitunter zunächst die Braut versteckt, oder man führt ihm zuerst ein häßliches altes Weib oder ein kleines Mädchen statt der Braut vor, oder die Braut j ungfern müssen dieselbe Kleidung wie die Braut haben : alles zu dem Zwecke, die Dämonen über die Person der Braut zu t. Die Trauerkleidung hat ursprünglich den Zweck, sich vor dem Toten unkenntlich zu machen: Völker, die im allgemeinen ganz oder fast ganz nackt gehen, bekleiden sich bei Trauer

oder beschmieren sich den Körper, andere, die im allgemeinen bekleidet sind, gehen bei Trauer nackt 2 ). Ebenso wird beim Tode des Hausherrn das Vieh vor der Seele des Toten geschützt, indem man ihn täuscht: man bringt es zeitweilig in einen andern Stall oder läßt es seinen Stand wechseln 3 ) oder es scheinbar mit seinem toten Herrn gehen 4).

1 ) F e h r l e Volksfeste 95. J ) Ebd. 101. 3 )ZfrwVk. r (1904), 45. 4) Ebd. 49. Hünnerkopf.

Tausendgüldenkraut (Aurin, Erdgalle. Laurin; Erythraea centaurium). 1. B o t a n i s c h e s . Der 20—30 cm hohe Stengel trägt unten eine Rosette verkehrt-eiförmiger Blätter, die Stengelblätter sind gegenständig. Die Blüten sind fleischrot und stehen in gabeligen Trugdolden. Das T. wächst meist auf Waldlichtungen. In der Volksmedizin wird es häufig als bitteres Magenmittel verwendet x ). Von den antiken Schriftstellern wird als κενταυρειον τό μικρόν2), bei den Römern als centaurion3) bezeichnet 4). l ) M a r z e l l Kräuterbuch 461 f. a ) D i o s k u r i des Mat. med. 3,7. 8 ) P l i n i u s Nat. hist. 25, 4 66. ) Marzell Heilpflanzen 126—131; T s c h i r c h Handb. d. Pharmakogn. 2 (1917), 1605 f.

2. Schon in der antiken Sympathiemedizin fand das T. Verwendung. Marcellus E m p i r i c u s 5 ) schreibt (4. Jh. n. Chr.): „fei terrae ( = T.) tritum ex vetustissimo vino bibere dabis jejuno supra limen s t a n t i uno pede, qui coxam dolebit, sed non in v i t r o hanc potionembibat"®). Wohl wegen der roten Blütenfarbe wird das T. bei „Blutkrankheiten" verwendet. Es fördert die Menstruation7), hilft gegen Bleichsucht 8), das Rotharnen des Viehes 9), wirkt blutstillend w ). Die wundenheilende Kraft ist so groß, daß sogar noch im Topf, in dem sich T. befindet, die Fleischstücke zusammenwachsen11), vgl. Sanikel. Als ein die Menstruation beförderndes Mittel ist das T. ein „Frauenkraut". Darauf geht vielleicht der (angeblich) Aargauische Glaube zurück: Wenn ein Reiter auf der Straße ein T. sieht, so soll und darf er nicht vorbeireiten; er soll absteigen, die Pflanze pflücken und sie mit sich nehmen. Begegnet ihm 23*

7 il

712

Tausendgüldenkraut

dann auf seinem weiteren Ritt ein Frauenzimmer, so muß es dieser Pflanze in der Hand des Reiters einen Kuß geben 12 ). Vgl. .Erdbeere (2, 893). Alt und weitverbreitet ist der Glaube, daß das T. ein Mittel gegen den Biß eines tollen Hundes ist 1 3 ). Es heißt daher im Lüneburgischen auch „Dullhunnskrut" 14 ). Gegen Hühnersterben soll man den Hühnern T. ins Trinkwasser tun und auf das Kraut einen glühenden Schmiedesinter (mhd. sinter = Hammerschlag) legen 15 ). Das am „güldenen" Sonntag (Dreifaltigkeitsfest) geholte T. sollte gegen Gichter und Krämpfe helfen 18 ). Um Zahnschmerzen oder Gesichtsreißen zu vertreiben, band man drei Stengel „Unpfennigkraut" (wohl mißverständlich für „Ung'segnetkraut" ; „Ung'segnet" = Rotlauf 1 7 )), angeblich das T., auf die schmerzende Stelle und sprach dabei : „Ungpfennig, Ungetüm, weich von meinem Gliede" 18 ). Als im Anfang des 18. Jh.s in Ostpreußen die Pest wütete, erschien ein Vogel und sang: „Bennwell (s. Schwarzwurz) und Laurin ( = T.), Dat sull de Mönsche ehr Lêwe sin". Die Leute machten aus diesen Pflanzen einen Tee, und das Sterben hörte auf 1 β ), vgl. Bibernelle (1, 1223). *) De medicamentis, ed. H e l m r e i c h 25, 35· ') Vgl. H ö f l e r Kelten 247. ') Schon antik: D i o s k u r i d e s Mat. med. 3,7; ferner S t o l l Zauberglauben 98; Schulenburg Wend. Volksth. 103; Tiroler Heimatbl. 3 (1925), 2. H. S. 10 (Unterinntal). ·) Tirol. Heimatbl. a. a. O. · ) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 154. 10 ) K ö h l e r Vogtland 350. n ) P l i n i u s Nat. hist. 25, 67; in die ma. ,,Naturgeschichten" übergegangen: A l b e r t u s M a g n u s De Vegetabilibus 6, 3 1 1 ; M e g e n b e r g Buch d. Natur, hrsg. v. Pfeifler 398; ferner K ö h l e r Voigtland 349. 12 ) ZfdMyth. I3 ι, 446. ) Meddygon Myddfai. Transi, by Pughe 1861, 422; S c h r o e d e r Apotheke 1693, 920; A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 58; ZfVk. 4, 403 (Ungarn). 1 4 ) K ü c k Lüneburger Heide 238. " ) P a c h e l b l Beschr. d. Fichtelberges 1716, 157; W i r t h Beiträge 6/7, 19. 16 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 128, vgl. Urquell 4, 150. 1 7 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 2 3 1 . 631. ,s ) Oberfranken: M a r z e i l Bayer. Volksbot. 176 f.

3. Der Name T. ist wohl eine „freie" Ubersetzung des lat.-griech. Namens centaurium (weil der Centaur Chiron damit seine Wunde geheilt haben sollte)20).

Dieses „Centaurium" wurde später von centum = hundert und aurum = Gold (Gulden) abgeleitet. Das T. hat seinen Namen daher, weil einmal ein reicher Mann, der ständig an Fieber (das T. heißt in den alten Kräuterbüchern auch „Fieberkraut") litt, versprach, den armen Leuten 1000 Gulden zu geben, wenn ihm ein Mittel dagegen gebracht würde. Da verriet man ihm das T. 2 1 ). Auf seinen Namen hin gilt das T. als geldvermehrend. Die Leute pflücken am Johannistag unter dem Mittagsläuten T. und tragen es im Geldtäschchen mit sich, dann geht ihnen das ganze Jahr das Geld nicht aus (Falkenau a. d. Eger) 22 ). Mit Schabziegerklee (s. d.) in die Sparbüchsen gelegt bewirkt es, daß diese immer voll bleiben2S). Im Badischen dient das T. als Liebesorakel für die Mitgift 24 ).

" ) F r i s c h b i e r Naturkunde 332. 20 ) Vgl. P l i n i u s Nat. hist. 25, 66; Mannhardt 2 , 4 7 . 2 1 ) Orig.-Mitt. v. K e r l , Dixenhausen in Mittelfranken 1914; G l o n i n g Oberösterreich 1884, 108 f. " ) MnböhmExc. 25, 180. " ) Oberfranken: Orig.-Mitt. von H o f m a n n 1908. " ) Alemannia 1914, 187.

4. Das T. (rote Farbe als Apotropaeum!) schützt gegen bösen Zauber und gegen die Hexen 25 ). „T. du nimmst mir meine Braut" 2 6 ), sagt der Teufel in einer unterfränkischen Sage, s. Quendel (7, 419). Die Hirten in der mährischen Walachei verwenden das T. gegen Verzauberung der Schafe 27 ). Mit einem Kranz von T. auf der Stirn kann man in der Walpurgisnacht an einer Kreuzstraße die Hexen auf Ofengabeln usw. gegen den Untersberg reiten sehen 28 ), vgl. Gundermann (3, 1204), der auch sonst manche abergläubische Züge mit dem T. teilt.

" ) W u t t k e 281 § 4 1 1 ; D r e c h s l e r 2, 2 1 2 ; M e y e r German. Myth. 1 3 1 . s ' ) Mitt. u. Umfr. z. bayer. Volkskde N. F. 26/27 (1911)» 210. ") ZföVk. 13, 26. *») S t r o b l Altbayer. Feiertäg 1926, 53; auch im Harz: S i e b e r Harzland-Sagen 1928, 269, vgl. M e y e r German. Myth. 141.

5. T. (rote Farbe) zieht den Blitz an 29), in der Lausitz wird es jedoch bei heranziehendem Gewitter auf den Herd gestreut, damit der aufsteigende Rauch die Gefahr abwende30). *·) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 133. Mitt. v. A r n d t 1 9 1 1 .

3

°) Orig.-

713

Tei

6. In Süddeutschland ist das T . häufig ein Bestandteil des an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschels 3 1 ). « ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 52 ff.; Tiroler Heimatbl. 3 (1925), H. 2, S. 10; R e i s e r Allgäu 2, 156; M a r t i n u. L i e n h a r t ElsässWb. 1, 532. Marzell.

Tee (Thea chinensis). Ähnlich wie der Kaffee spielt auch der T. im Volksorakel eine Rolle. Wenn das T.kraut in der Tasse schwimmt, bekommt man Besuch 1 ) ; ist das Blatt kurz und dick, wird die (kommende) Person auch so sein 2 ), ist das Kraut hart, so ist der Kommende kein guter; wenn weich, dann ist er gut. Oder: ist das T.blatt hart, so ist der kommende eine männliche Person; ist es weich, so eine weibliche. Ein T.blatt auf einer Tasse bedeuten auch eine Braut oder einen Bräutigam im Hause 3 ). Wenn die Zuckerbläschen auf dem T . (oder Kaffee) sich alle in der Mitte der Oberfläche treffen, schickt einem jemand in Gedanken einen K u ß ; gelingt es einem, sie alle mit dem Löffel anzufassen, so bekommt man den K u ß wirklich *). Wenn der T.kessel kocht und der Dampf steigt gerade in die Höhe, so gehen die Freier zum Schornstein hinaus 5 ). Wenn man die Milch in den schwarzen T. schüttet und es bildet sich die Form eines Geistes, bedeutet es frühen Tod®). Wenn man die Milch vor dem Zucker in den T. gießt, gibt es eine unglückliche Liebe oder man bekommt keinen Mann (oder keine F r a u ) 7 ) . F o g e l Pennsylvania 87. a ) S A V k . 8, 270. Dithmarschen: ZfVk. 24, 58; 23, 280. *) SAVk. 7, 134. s ) Dithmarschen: Z f V k . 23, 280. 6) SchweizVk. 10, 32. ') S A V k . 7, 134; vgl. Z f V k . 24, 58. Marzell.

3)

1)

Teer. Der T. gilt (wegen seines durchdringenden Geruchs?) als Abwehrmittel gegen Zauberei. In Preußen macht man am Johannistage vor Sonnenaufgang mit einem T.pinsel drei Kreuze an die Stalltür, damit der Zauberer, die Hexe über das Vieh keine Macht h a t 1 ) . In Westfalen macht man Kühen, wenn sie zum erstenmal auf die Weide getrieben werden, mit T . ein Kreuz vor den Kopf und schmiert ihnen T . ins Maul 2 ). In Oldenburg streicht man ebenfalls dem Rindvieh T .

-Teer

714

ums Maul und gibt ihn Kühen gegen Verstopfung ein 3 ). In Schlesien fährt man dem Vieh beim ersten Austreiben als Mittel gegen die „ G i f t e n " , mit einem T.pinsel in den Rachen und gibt jeder K u h einen Löffel Wagenschmiere ein 4 ). In der Volksheilkunde wurde und wird der Teer vielfach benutzt. Lange Zeit galt er als Mittel gegen die Pest s ). Bei Gelbsucht sieht (similia similibus!) man in ein Gefäß mit Teer oder gelber Wagenschmiere (fast allgemein) 6 ). In der Gegend von Insterburg riecht man bei Schnupfen und Heiserkeit in eine T.tonne und zieht den Geruch kräftig in Nase und Mund ein 7 ), das entspricht dem heutigen Gebrauch von T.kapseln, T.wasser zum Inhalieren und dem Einziehen von Karbolgeruch bei Schnupfen. Bei Entzündungen unter den Schwielen der Haut streicht man schwarzen T., wie man ihn beim Lohgerber bekommt, auf8). Verrenkte Glieder werden in Westböhmen mit einem T.bande umwickelt. T.pflaster wurden bei Gicht, Rheumatismus usw. aufgelegt 9 ). Schwindsüchtigen bringt man ein Gefäß mit Schiffst, ins Zimmer und läßt diesen allmählich über der Lampe verdunsten, oder man läßt den Kranken in' einer Schiffstaufabrik die Dünste des erhitzten T.S einatmen 10 ). In Mecklenburg hebt man bei Sodbrennen ein von einem Wagen gefallenes Stück dicken T. auf, spuckt dreimal in aller Stille darauf und legt es dann auf einen Baum (Übertragen der Krankheit) " ) . In der Altmark und in Posen glaubt man, die Brüste der gespenstischen Kornmutter seien mit T. gefüllt; Kindern, die ins Getreidefeld kommen, gibt sie T.stullen oder beschmiert sie mit T . 1 2 ) . Wahrscheinlich ist damit die schmutziggelbe, übelriechende, durch Brandpilze verursachte Schleimmasse gemeint, die sich an den Getreidekörnern manchmal entwickelt 1 3 ). In Urland (Norwegen) glaubt man, der Juleskrei dringe den Leuten in den Keller, um das Julbier zu kosten. Man stellt deshalb eine Teerbutte vor das Bierfaß, dann kann der Juleskrei nicht daran rühren.

Teich—Teig

715

*) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 227; L e m k e Ostpreußen 1, 42; vgl. K r a u ß Slam. Volkforschung 128 (T. als Abwehrmittel gegen den Vampyr). s ) K u h n Westfalen 2, 62 Nr. 189; vgl. L i e b r e c h t Zur Volksk. 315 Nr. 36 (Norwegen). 3) S t r a c k e r j a n 2, 235 Nr. 497; vgl. F o g e l Penns. 167 f. Nr. 800 u. 158 Nr. 748. 4) D r e c h s l e r 2, 109 Nr. 481. 5 ) Bressl. Samml. 9, 320f.; Z e d i e r 43, 555; vgl. J a h n Opfergebräuche 29*. 6) S t r a c k e r j a n a. O.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 108 Nr. 403; L e m k e Ostpreußen ι , 49; E n g e l i e n u. L a h n 266 Nr. 156; F i n d e r Vierlande 2, 273; S e y f a r t h 178; D r e c h s l e r a. O. 2, 305 Nr. 682; G r i m m Myth. 3, 436 Nr. 66; W u t t k e 355 § 531; vgl. H u ß Aberglaube 4 Nr. 3; F o s s e l Volksmedizin 120. 7 ) Urquell 1 (1890), 136; vgl. M o s t Enzy8) ZfrwVk. klopädie 592 f. ι (1904), 101. ·) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 405; M o s t a. O. 170. l 0 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 62; M o s t a. O. 592 f. u ) B a r t s c h a. O. 2, 116 Nr. 450. 12 ) M a n n h a r d t Forschungen 307 f. l s ) S c h m e i l Leitfaden der Botanik (1919), 275 s . 14 ) G r ä s s e Jägerbrevier 1, 238. f Olbrich.

Teich s. See 7, 1558. Teig (vgl. Backen, Brot, Hochzeitbrot Kuchen, Zelten, Birnbrot, Gebildbrote): 1. Wie das Brot ist der T. als F r u c h t b a r k e i t s s y m b o l und K r a f t ü b e r t r ä ger heilig, und jede Verunehrung wird bestraft : Die Einwohner einer Stadt machen Spielsachen aus Weckenteig; die Stadt versinkt (vgl. Brot § 7). l)

Bockel

Die

deutschen

Volkssagen

104.

2. Die V e g e t a t i o n s g e i s t e r und H e x e n gieren nach T.: In SchleswigHolstein darf man in der Weihnachtsnacht nicht backen ; sonst wird die wilde Jagd kommen; alle müssen still zu Hause sein ; läßt man die Tür auf, so zieht der Wode hindurch, und seine Hunde verzehren alles im Hause, besonders Brotteig, wenn gebacken 2 ) wird. Wodes Hunde fallen in die Backstube ein und schlürfen den Teig, wie wenn sie bei der Tränktonne wären 3 ). Bei einem Bauern in Sykow 4) hatte man gerade den Teig eingesäuert, da kamen die Hunde der Waur und fraßen ihn auf; als die dreiste Magd fragte: Was bekommen wir nun dafür ? wurde sie geheißen, vor der großen Türe nachzusehen; da fand man einen Haufen Pferdemist, der dann zu Geld wurde. In Benekenhagen zog „de Wauer" durch ein Bauernhaus, als die Bäuerin den T. einsäuerte; die Hunde machten so, als ob sie den T. fressen wollten. Aber der

716

Jäger sagte: die Hunde tun nichts 8 ). Einer Bäuerin aßen die weißen Weiber den T. weg e ). Die Zwerge von Friedersdorf stehlen den Menschen den T . 7 ) . Die Venusmänndel bei Neuhaus in Schlesien stehlen, wenn sie backen, den T. aus den Dörfern 8). Die Zwerge bei Werterhausen stehlen den T. und lassen beim Verlassen des Hauses den T. fallen *). 2 ) M ü l l e n h o f f Sage« 390 Nr. 577; S i m r o c k Mythologie 205; M a n n h a r d t German. Mythen 304; ders. WF. 1,75. 92. 107. 3 ) ZföVk. 1903, 201; vgl. R a n k e Volkssagen 78. 4 ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 10 Nr. 13; K ü h n a u Brot 25. 5 ) B a r t s c h 1. c. 2, 478 Nr. 677. e ) D e r s . 1, 18 Nr. 23, ι . 7 ) K ü h n a u Sagen 2, 90 Nr. 749. 8 ) D e r s . 1. c. 94 Nr. 751, 1. · ) K u h n - S c h w ä r t ζ 163 Nr. 189. 223, 248.

3. Wie die w i l d e J a g d , sind die H e x e n nach Teig lüstern: sie stehlen den T., wenn man keine Kreuze darauf macht 10 ). Bei dem Bäcker eines Kraichgauer Dorfes erschien abends, wenn er den Teig knetete, mehrmals eine schwarze Katze, die sich ein Schürzchen umgebunden hatte und immer vom T. mitnahm. Der Bäcker, der in ihr eine Hexe vermutete, schlug sie; die Katze verschwand im Nachbarhause; am nächsten Morgen lief eine in diesem Hause wohnende und als Hexe verschriene Frau mit verbundenem Kopfe h e r u m u ) . Die Elfenfrau der Dänen ist hinten wie ein Backtrog 12 ), ebenfalls der Teufel 13 ) (vgl. Backen § 14). Der Kuckuck ist ein Bäcker, der zur Strafe dafür, daß er T. stahl, in einen Kuckuck verwandelt wurde M ). 10 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 255. n ) Künzig Sagen 62 Nr. 181. 1 2 ) ZfdMyth. 4, 430; G r i m m Mythol. 1, 371 A. 3. 13 ) G r a b e r Kärnten 300 Nr.409; W a s c h n i t i u s Perht 175ft. 14 ) G r i m m 1. c. 2, 608; G r o h m a n n Aberglaube 68 Nr. 474 Α.; M a n n h a r d t 2,334; C o r e m a n s La Belgique et la Bohême 46.

4. Wie die Kölner Heinzelmännchen (die Stuttgarter H. schenken Hutzelbrot : Mörike) beim Backen helfen 1S ), so bereiten die g u t e n L e u t l e i n den T.: als aber die Bäuerin dem guten Fräulein ein neues Kleid 16) hinlegte, ging es weg mit den Worten 1 7 j : Hinten schön, vür schön, I kann nit mehr in Tag gehn.

Einer aus der Schar der wilden Jagd taucht seinen Finger in das Säuerwasser;

7i 7

Teig

das hat die Wirkung, daß das Brot nicht ausgeht 17a ). Die weiblichen Fänggen verstehen sich sehr auf das Teigmachen und Brotbacken 17b ). l s ) Kloster 9, 195 ff.; W o l f f Mythologie der Elfen 2, 33. 1β ) S c h e l l Bergische Sagen 523. " ) G r a b e r 1. c. 65 Nr. 72; vgl. Z f V k . 25, 116. 119. 1 7 a ) Z a u n e r t Natursagen 1, 20; vgl. R o c h h o l z Naturmythen 106; G r i m m Mythol. 3, 126. 1 7 b ) Z a u n e r t 1. c. 141.

5. Auch das Motiv der B u t t e r - K ä s e Geld s c h l e p p e n d e n D r a c h e n findet sich: In einer Mühle hatte die Müllerin immer den Trog voll T., obwohl die Knechte nicht sahen, daß sie T. anmachte; da sah ein hinter dem Ofen verborgener Knecht, daß in der Nacht ein Drache erschien und den T. ausspie, wobei die Wirtin sagte: Immer spei, mein Hänschen, spei! Der Drache aber rief: Kachelchen Kuk, K. kuk; er wurde mit Milchhirse gefüttert 18 ) (vgl. Butter § 6, Brei, Käse, Knödel) ; in Baden macht die Katze Knöpfle 1β ), in Strega speit der Drache Klöße »). 1β ) G a n d e r Niederlausitz dig Sagen 63 Nr. 184. Nr. 99.

37 Nr. 92. l e ) K ü n G a n d e r 1. c. 39

20 )

6. Wie man den Backprozeß in b i l d lichen R e d e n s a r t e n auf die Z e u g u n g und den Charakter des Menschen überträgt (vgl. Backen 2), so sagt man auch in Kalabrien zum letzten Kind: Laibchen aus den Teigresten im Backtrog 2 1 ) ; über ähnliche deutsche Wortbilder: Grimm 22 ), Fischer 23 ), Martin-Lienhart 24 ) und 25 Schmeller ). ) Anthropophyteia 8, 151. 22 ) DWb. 11, 237. SchwäbWb. 2, 132. 24) s. v. Teig. 25 ) Bayr. Wb. 1, 595. 21

23)

7. V o r s i c h t s m a ß r e g e l n beim T e i g b e r e i t e n (vgl. Backen § 3 ff.): Diese sind begründet in der Angst vor dem bösen Blick und dem Schadenzauber überhaupt. Die slovenischen Hausfrauen schließen sich beim Kneten des T.es ein, damit niemand mit dem bösen Blick schaden kann; denn der behexte T. geht nicht auf 2 e ) ; in der Oberpfalz soll die Hausfrau den T. nicht ohne Fürtuch kneten, sonst wird das Brot offen (sympathetisch) 27) ; auch soll sie mit der flachen Hand 3 Kreuze über den Sauerteig machen und sagen, d a ß es der

718 Ofen h ö r t : Backofen, rieht dich! Brott. darf man nicht über das Feld tragen, sonst gedeiht das Brot in demselben Teigfasse nicht mehr28). Wenn der Beck auf den gemachten T. nicht drei Kreuze macht, verderben die Hexen den T. 2 9 ). In Distelhausen (Baden) macht man in den T. Kreuze30). Nach 1868 machte man im Lugauer Gebiet auf den T. 3 Kreuze 31 ) (vgl. Backen § 3—5). Dieselbe Angst vor den Hexen besteht in Schlesien 32 ). Die ungarischen Hexen können bewirken, daß das Brot blutrot wird, indem sie Tau unter den Teig mischen; und in einem Hexenprotokoll heißt es, die Angeklagte habe den Teig so bezaubert, daß man daraus habe kein Brot backen können 33). Damit die Zwerge bei Westerhausen den T. nicht rauben können, macht man drei Kreuze darauf; diese Zeremonie raten die abziehenden Zwerge selbst an 34). Insbesondere ist der gährende T. dem Schadenzauber ausgesetzt : Wer auf den gärenden T. schaut, soll die Worte sagen: Gottes Segen!, sonst würde das Gebäck nicht geraten 3S). Die Gegenmaßnahmen sind im Artikel Backen § § 3 und 4 aufgezählt; sie sind fast alle noch in Bayern gebräuchlich: Kreuz mit einer Messerspitze, mit dem Daumen, mit dem Zeigefinger, mit der Schneide der Hand; oder man schüttet Weihwasser darauf 38 ). Könnte wohl auch auf die Bekreuzung des T.es die benedictio panis im Kloster eingewirkt haben, die schon früh durch die Schrift Ekkehard's bezeugt ist ? 37) : Sit cruce signatus panis de fece levatus. Verstärkt ist die apotropäische Maßnahme in Schlesien: Man macht 3 Kreuze und streut Salz (kreuzweise) 38) im Namen der Dreifaltigkeit über den T. 3 9 ). Wenn die böhmische Hausfrau den T. einsalzen will, muß sie über das Salz drei Kreuze machen, damit der T. nicht gerinne 40). Nach einem Codex des 14. Jh. muß der T. für das Ordalbrot vom Priester mit Weihwasser angemacht werden 41 ). Auf dem Backtrog darf man nicht sitzen, solange der Teig im Gehen ist, sonst wird das Brot spindig 42 ). 2«) S e i i g m a n n Blick 1,236. Bavaria 2a, 304. 28 ) G r o h m a n n 1. c. 103 Nr. 725; W. 620.

719

Teig

S9)

F i s c h e r Wb. 2, 132. 30) Alemania 24, 145. » ) S t a u b Brot 22. 3») D r e c h s l e r I.e. 2, 258. 33 ) W l i s l o c k i M) Magyaren 155. KuhnS c h w a r t z 164 Nr. 189, 2. 35) G r o h m a n n 3e 1. c. 103 Nr. 723. ) Bayr. Hefte 9, 208, 36; S c h ö n w e r t h 1, 406; Bavaria 2a, 304, 12; vgl. die Abb. in T r o e l s - L u n d Dagligt liv 1, 35 37 ) Mitteil. Fig. 30. d. antiquarischen Gesellschaft in Zürich 3, 13 Vers 14. 38) D r e c h s ler I.e. 2, 13. 3») Ders. 2, 258. 40) G r o h mann 1. c. 103 Nr. 724. 4 l ) Zeumer in MG. leg. Sectio 5 (formulae) 691, 12. 42) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 406 fi. Nr. 15.

8. S y m p a t h e t i s c h e r und s o n s t i ger A b e r g l a u b e beim T.bereiten: Daß die Hausfrau das Fürtuch vorbinden muß, damit das Brot n i c h t o f f e n bleibt, ist erwähnt. Der von einem sanguinischen Weib geknetete T. geht nach österreichischem Aberglauben gut auf, der von einem phlegmatischen Weib geknetete schlecht 4S). In Rendsburg in Schleswig-Holstein nimmt man Märzschnee als „Sürwater",damit das Brot nicht schimmele 44 ). In einem Prozeß 1615 gesteht ein Bäcker, daß er aus den Furchen, die durch die Räder eines Leichenwagens entstanden waren, Wasser schöpfte und unter den T. mischte, damit das Brot gut gerate und Abgang finde 4S) ; eine ähnliche Manipulation erwähnt Zimmermann: Man legt ein Stück eines Strickes, an dem ein Dieb hing, auf die Platte, mit der man das Brot einschießt, damit das Brot nicht anbrennt 4e). 43) ZföVk. 1897, 119 Nr. 213. M ) M e n s i n g Wb. ι, 207. 45 ) ZfVk. 1897, 195. **) 1. c. 199.

332. 9. B e s o n d e r e F e s t t . Den T. für die cesnica, den Weihnachtskuchen, bereiten die Serbinnen mit besonderer Vorsicht und mit Zeremonien; wenn die Hausmutter menstruiert oder gerade durch Geburt oder Geschlechtsverkehr unrein ist, knetet die Tochter den T. ; das Wasser wird aus einer Quelle vor Sonnenaufgang geholt; in Bosnien holt ein Mann mit Handschuhen das Wasser in der Nacht; man rührt in Piaski den Teig mit zwei Haselruten an, die man in derselben Nacht geholt hat. In der Lika holt man drei Haselnußstäbe, mit denen man dann später die Saat umrührt. Die Hausfrau beschmiert mit t.igen Händen die Bienenstöcke und die Hausbalken und Türen zur Förderung der Gesundheit

72O

und Fruchtbarkeit. Wenn eine Frau sich Nachkommenschaft wünscht, schmiert sie sich T. an die Stirn, dem Mann an die Nase. In der Herzegowina trägt die Hausfrau den T. durch die Ställe (zu erklären aus folgendem Analogiezauber: die serbischen Grenzer geben einem gekauften Schweinchen Säuert., damit es schwelle, wie der T.) 4 6 a ). Besondere Zeremonien beachtet man bei den Bulgaren bei der Bereitung der Hochzeitsfladen. Am Donnerstag früh versammeln sich mehrere Mädchen und kneten den T.: Man schafft drei Brottröge zum Kneten und drei Siebe zur Stelle; drei Mädchen sieben jedes das M. in den Trog; ein kleines Kind, dessen Vater und Mutter am Leben sind, schüttet Wasser und Salz zu und rührt den Teig mit einem Stäbchen an von einer bestimmten Pflanze; wenn die Mädchen den T. geknetet haben, heben sie das Kind hoch; es schlägt dreimal an die Zimmerdecke und spricht jedesmal: Jüngling und Mädchen 47 ). In Varbarin tanzen die Mädchen unter magischen Zeremonien um den Weihnachtssauert.: jede bekommt ein Stück, das sie an die Brust steckt, um es da die ganze Nacht zu tragen: „sie hüten den Weihnachtssauert., der heilkräftig bei Schwangerschaft und Viehkrankheiten ist". In Bulgarien wird der T. unter Tänzen 3 Nächte gehütet 47a ). Eine Zeremonie ist auch das Kneten des T.es zu den Weihnachtszelten 48 ) ; in England beteiligt sich das ganze Haus am Umrühren des T.es für den Weihnachtspudding, da jeder vom Hausglück mitverdienen will 49 ). In besonderer, nicht gerade sehr appetitlicher Weise bereitet der Gemeindehirt z. B. im Pilsner Kreis von Böhmen den T. zu dem Gründonnerstagsgebäck (svitek), wozu er die Wirtinnen, Mädchen, und Jungmägde einlädt; in den T. werden die Samenhängsel vom kastrierten Vieh geknetet 60). 4ia)

Wiener ZfVk. Suppl. 15, 40—44. 96—121. K r a u s s Südslaven 437s.; ZföVk. Suppl. 7, 28. ««) Wiener ZfVk. 1. c. 44. « ) Hörmann Volksleben 225. 4 i ) H ö f l e r Weihnachten 30. 50) R e i n s b e r g Böhmen 124.

47 )

10. Über die Maßnahmen, die nach dem Einschieben des Brotes nötig sind, siehe

721

Teig

Backen §5. Wenn der Brott. in den Ofen geschoben ist, muß man sich die Hände waschen, weil sonst das Brot nicht gut backt 5 1 ). Das erste Backkörbchen (in dem die T.laibe „gehen") muß verdeckt hingeworfen werden und darf nicht aufgehoben werden, bis alles Brot aus dem Ofen genommen ist 5 2 ). 51 ) S2)

E n g e l i e n und Bavaria 2 a, 304.

Lahn

272 Nr. 206.

Ii. T e i g r e s t e (teils Opfer, teils heilsam) : Das Mädchen, das fleißig die Wulgern rührt, d. h. die T.reste zusammenkratzt und zu Nudeln walgert, wälzt und knetet, hat einen treuen Schatz; daher die mütterliche Mahnung: Mädel, rührt fleißig die Wulgern um, daß der Schatz an euch denkt S3 ). Den sogenannten Scherrlaib soll man solange aufheben, bis man von der nächsten Bachet wieder einen solchen h a t M ) . Dieser Scherrlaib heißt in Böhmen Klatschlaibl oder Goteisch 5S ). Beim Brotbacken gehört der T.rest den Armen; der daraus gebackene Laib heißt Lieb-Seelen-Mutscheli se ). „Das Brot, welches zuletzt in den Ofen geschoben wird, zeichnen sie und nennen es den Wirt; solange der Wirt im Hause ist, mangle es nicht an Brot, werde es vor der Zeit angeschnitten, folge Teuerung" " ) . In Tirol backt man aus den Resten den Gott 68 ). Von besonderer Kraft ist der letzte T. aus der letzten Gabe, in der die ganze Wachstumskraft gewissermaßen konzentriert erhalten ist. Für mehrere der Julbrote in Schweden haben wir das ausdrückliche Zeugnis, daß sie aus dem letzten, beim Weihnachtsbacken zusammen gescharrten T. geformt sind; man bewahrt sie bis zum Frühjahr auf und gibt sie den Pflügern und Pflugtieren se ) (vgl. Gebildbrote). In Mecklenburg macht man vom „Utschrapel" des Neujahrsbrott.es ein Brot, das gibt man dem Vieh als heilkräftig ®°). Wenn aber in Steiermark ein Kind von einem Schabkuchen ißt (Kuchen aus den T.resten, vgl. Kuchen), bekommt es die Brotrhachitis β1 ). In Ungarn macht man aus den T.resten eine menschenähnliche Gestalt und opfert sie den schönen Frauen 62). Drechsler

I.e. 1, 227.

" ) Birlinger

722

Volksth. I, 494 Nr. 14; vgl. S c h r a m e k Böhmerwald 254. 65) John Westböhmen 246. 5 e ) L ü tolf Sagen 555 Nr. 566. " ) Grimm Mythol. 3, 469 Nr. 946. 58) Z i n g e r l e Tirol 36, 293. M) R e u t e r s k i ö l d Speisesakramente Ii6ff. mit Lit.; NdZfVk. 1926, 14ft. β°) B a r t s c h β1 β2 I.e. 2, 241 Nr. 1253c. ) ZfVk. 4, 52. ) 1. c. 311; H ö f l e r Weihnachten 56.

12. T e i g o p f e r : Wenn man zu Spalt in der Oberpfalz Brot backt, wirft man hinter sich eine Handvoll Mehl in den Backofen für die Armen, in Hambach ein Stückchen des angemachten T.es e3 ). Die Masuren bereiteten noch in jüngster Zeit zu Neujahr Puppen aus T.; diese T.puppen bewahrte man längere Zeit auf, damit die Dämonen an ihnen Gefallen finden und sie mitnehmen möchten ; dafür verschonten dann die Dämonen als Gegengabe die Menschen vor Krankheit und Zauber (do, ut des als Ersatzopfer) e3a ). Bei den Mongolen bekommt der Tote neun aus T. geformte Menschenköpfe β1 ). Die primitiven Völker formen T.puppen bei Opfern zur Abwehr von Trockenheit oder als Ersatz für Menschen 6S). Nach Paulus bei Festus gab es ein „comptum genus libaminis, quod ex consparsa farina faciebant" ββ). • 3 ) S c h ö n w e r t h 1. c. 1. 285. 286 Nr. 5; R o c h holz Glaube 1, 323. e3a ) T o e p p e n Masuren 67. « ) A R w . 5, 67. S5) F r a z e r 5, 2, 101. 66) F e s t u s 40; Thesaurus linguae lat. 6, 1, 281 ff.

13. T. a l s F r u c h t b a r k e i t s s y m b o l . Wie der Primitive zwischen der Vegetation und dem T. einen sympathetischen Zusammenhang voraussetzt, zeigt der Vorwurf der Abessinier gegen die Harris'sche Expedition, daß die Reisenden durch Rösten des von der königlichen Tafel halbgebacken gelieferten Teiges Hungersnot über das Land bringen. Nachdem früher in Alpach die Hausfrau den T. zum Weihnachtszelten geknetet hatte, mußte sie mit den t.igen Armen die Obstbäume umfassen gehen, damit sie im folgenden Jahre reiche Früchte trügen 67 ). Sobald in Mähren die Hausfrau den T. zum Weihnachtsbrot angemacht hat, geht sie in den Garten, streichelt mit den Händen den Baum und spricht: Bäumchen bringe recht viele Früchte 68 ). Die bulgarischen Bäuerinnen backen am 1. II. einen Festkuchen; wenn sie den T. bereitet haben,

7 23

Teig

berühren sie mit den T.händen die Muttertiere, damit sie leicht gebären68a) (vgl. A. 46 a). Nach Zimmermann knüpft man, um die Fruchtbarkeit der Bäume zu heben, die Strohseiler mit teigigen Armen an die Bäume M ). Unter den Trog, in dem man den T. zum Weihnachtsbrot knetet, aus dem die Hausfrau die teigbeschmierten Hände zieht, um die Frühlingsbäume zu umfassen, wird das Stroh gelegt, damit an demselben die T.reste haften bleiben 70). Auch im Jura streicht man die T.hände an den Bäumen ab 71 ). Über die simulacra de comparsa farina und die T.götter in Mexiko 72 ), siehe Gebildbrote, über T.knochen siehe Knaufgebäcke. Bei dem symbolischen Fruchtbarkeitsopfer in Mexiko ist das Messer aus Brott. 7 3 ). Wenn Fischer meint, „das Wort T.affe mag von einem Gebäck in Menschenform herkommen, wofür das Wort gebraucht wurde" 74), so ist zu bedenken, daß das Wort auch als Spitzname in Leipzig für Bäcker gebraucht wurde 7S ). · ' ) ZfdMyth. 3, 334; Z i n g e r l e Tirol 190 Nr. 1 5 7 1 ; R e i n s b e r g Jahr 393; J a h n Opfergebräuche 212ff. ; H ö r m a n n Volksleben 225. ω ) Grohraann 1. c. 87; Globus 72, 375; e8a H ö f l e r Weihnachten 27; W. 78. 431. ) S t r a u ß Bulgaren 334. *·) B r e v i n u s - N o r i 70 c u s - F a g o - V i l a n u s 1070. ) ZföVk. 1912, 49; vgl. 1913, 35; W. 27. " ) S é b i l l o t 3, 72 378. ) R e u t e r s k i ö l d Speisesakramente 97fi. 102. 124; W i d l a k Synode von Liftinae 33. " ) AfAnthrop. N F . 1, 145. '«) F i s c h e r SchmäbWb. 2, 132ft.; Cohn Tiernamen 12. ' ä ) G r i m m DWb. 1 1 , 237. vgl. Obd. ZfVk. 6, 163 fi.

14. T. als A p o t r o p a i o n : Der T. als Fruchtbarkeits- und Kraftvermittler wirkt, wie das Brot selbst, apotropäisch : Der Restlaib des T.es vom Neujahrsbrot hat in Mecklenburg diese Kraft 7 e ). Wer in Württemberg am ersten Knopfleintag den Löffel ungesehen aus dem T. zieht, und ihn am zweiten und dritten ebenso unbemerkt wieder einsteckt und auszieht, daß zuletzt T. von allen drei Tagen daran hängt, und ihn nun am Christtag mit in die Kirche nimmt, der sieht daselbst alle Hexen verkehrt stehen; er muß aber, bevor der Segen gesprochen wird, zu Hause sein; es könnte ihm sonst das Leben kosten 7Ï ). Ganz ähnlich heißt in einer Wiener Pergamenthandschrift des 14. Jh. :

724

Wil du, dass die Unholden zu dir chomen, so nym ain Leffel an dem Fassangtag und stoß in in gesoten Prein und behalt in also untz in die drey Metten in der Fasten und trag den Leffel in dy Metten, so wird es dir chunt, wo sew sint 78 ). Bei den syrischen Christen reibt man jedes neugeborene Kind mit einem T. ein, der mit Sesamöl vermischt ist; aus diesem T. formt man eine Art Kreuz und klebt das an die Türe des Zimmers, in dem sich das Kind befindet gegen den bösen Blick 79 ). Aus dem T. des Thomasfestkuchens macht man bei den serbischen Bauern ein Kreuz an die Decke 79a ). Die „Totenmänner" der Zigeuner bestehen aus einem aus den Haaren, Nägeln usw. eines Kindes und der Asche von Kleiderresten des Toten sowie aus Baumöl gefertigten T. ; dieser T., zu Staub gerieben, wird dem Vieh gegen die Hexen gegeben 80). Am Georgstag bereiten die Frauen in Bulgarien mit Wasser, das unter ganz besonderen Zeremonien geholt ist, einen Teig; das Brot davon wird vom Popen geweiht und mit Weihrauch beräuchert; jede Frau bricht sich einen Bissen für die Ziegen ab, damit sie Milch geben 80a). ™) B a r t s c h 1. c. 241 Nr. 1253c. " ) Grimm Mythol. 2, 903; ZfVölkerpsychologie 18, 284. ) G r i m m 1. c. ™) S e l i g m a n n 2, 335. ,9a ) S c h n e e w e i s Weihnacht 13. i 0 ) W l i s l o c k i 80a Zigeuner 102 ff. ) A r n a u d o f f 1. c. 45. 78

15. T. im Z a u b e r : Der Henker Diepolt Hartmann gibt in einem Verhör (14. 2.1494) über seine Erfahrungen mit Hexen an : Item sie nemen die crucifix in den wegen und verpfrennen es zu pulfer und des unschuldig kindlins beyn auch zu pulvermele am Gründornstag genialen und wasser, daraus machen sie eynen deigk und lassen eyn messe darüber lesen uff eyn Gründornstag, domit bezaubern sie die mentzschen 81 ). Der T. zum Lamplbrot 82 ), das die Wildschützen kugelfest macht, muß mit dem Blute eines während der Mette geschlachteten Lammes angemacht werden von Mehl, das während der Christmette gemahlen ist; ähnlich der Zauberkuchen83) in Böhmen zum selbenZweck. Um sich gefroren zumachen, schrieb man 1646 auf einen Zettel aus Jungfernpergament die Buchstaben J .

7 25 Ν. R. I. ; diesen überzog man mit Weizenmehlt., formte daraus drei Kügelchen, über die an Weihnachten drei Messen gelesen wurden; die Kugeln verschluckte man morgens unter Zauberworten M ). Garcilaso de la Vega berichtet von den Inkas, daß am vierten Jahresfest der Sonne ein T. mit Kinderblut bereitet wurde, mit dem sich die Gläubigen nach Fasten und einer Reinigungszeremonie einrieben, um sich von allen Krankheiten zu befreien 8δ). Nach einem Leidener Papyrus muß sich der Zauberer den Stundengöttern empfehlen, indem er drei Götterfiguren aus Semmelt. formt und sie unter Hersagen von Formeln verzehrt 8e ). 81 ) S o l d a n - H e p p e 1, 232; H a n s e n 90, 7; G r i m m 1. c. 902ff. 8 2 ) Z i n g e r l e Tirol 75 Nr. 627; A l p e n b u r g Tirol 358; ZfdMyth. 3, 343. ®3) G r o h m a n n 1. c. 207 Nr. 1439. Schweizld. 4, 661; H ö f l e r Weihnachten 50. 85 ) H. J. B o n t e Francisco Pizarro (= Alte Reisen und Abenteuer 14) L. 1925, 74ÍI. ·•) MschlesVk.22 (1920), 4.

16. T. im L i e b e s z a u b e r : Frater Rudolphus wettert gegen die T.bilder im Liebeszauber: Andere, welche sich dieser Teufelskunst für kundiger erachten, machen sich Bilder in der Gestalt der Männer bald aus Wachs bald aus T. bald aus anderen Stoffen, und tun sie teils ins Feuer, teils in einen Ameisenhaufen, damit ihr Liebhaber gepeinigt werde 87 ). Die Südslavinnen mischen Menstrualblut und Honig in den T. und geben diesen den Männern, die sie toll machen wollen 88). Wenn in Samland eine Frau einen Liebesfladen backen will, soll sie neunmal vom T. zurücklegen 8e). Die Weiber kneten im Frühmittelalter und heute noch bei den Südslaven den T. für das Liebeszauberbrot super nates discoopertas M ). 87 ) MschlesVk. 17, 35 Nr. 37; vgl. HessBl. 1906, 160; vgl. G r i m m 1. c. 2, 913. 8 e ) An^ thropophyteia 7, 282ft. 8 9 ) G r i m m 1. c. 2, 922ÍI. 90 ) S c h m i t z Bußbücher 1, 459 C. 81 ; 2, 447 c. 1 7 3 ; W a s s e r s c h i e b e n 661 c. 1 6 1 ; G r i m m 1. c. 3, 409 ff.; Anthropophyteia 5, 245 Nr. 30; zur ganzen Frage: ARw. 25, 332 ft.

Augurien mit T.: 17. a) Aus dem Aufgehen des T.es: Da die Hexen besonders das Aufgehen des Teiges stören 81 ), so ist dieser neben dem Backen wichtigste Vorgang

Teig

726

sehr beobachtet. Wenn in Estland der T. nicht aufgeht, läßt man ein Schwein aus dem Backtrog fressen M ). In Schlesien geht der T. nicht auf, wenn die Hefe vorher auf dem Tisch lag M ). Auf die Vorstellung, daß die Hexen den T. beeinflussen oder sonst Schaden üben, führt Staub die Redensart zurück : Er weiß, wo die Katze in den T. langt M ) (vgl. § 3). Im Vogtland stirbt der Hausvater im nächsten Jahr, wenn der T. zum Weihnachtstollen nicht geht ®s). Besonders in Oberbayern bedeutet das Nichtaufgehen des Zeltent.es (vgl. Lebzelten) für die Bäuerin den Tod eines Familienmitgliedes für das folgende Jahr 9 6 ). Daß dieser Aberglaube alt ist, beweisen zwei Zeugnisse: Burchard von Worms berichtet über die Augurien in der Neujahrsnacht: Oder wenn du in der erwähnten Nacht Brot in deinem Namen backen ließest: daß du, wenn es gut aufging und kernig und hoch wurde, daraus Glück für dein Leben in diesem Jahre weissagtest97). Granau (Dominikanermönch aus Tolsemit) berichtet fast das Gleiche in seiner preußischen Chronik vom Aufgehen des Gebäckes ®8) : So ein person jemant lieb hatte und der anderstwo war, so nam die person ein T. und machte ein Kiechlein und legte es in die Kachel, gieng es hoch auf, so war es ein Zeichen und er fröhlich war und es im wol ging: gieng es aber nit auf, so glaubten sie und stunde nit wol umb in oder were todt. Die Ägypter sagten aus dem Verhalten des T.es das Steigen oder Fallen des Niles voraus " ) . 91 ) S t a u b Brot 21 ff.; S é b i l l o t 3, 99; F o g e l Pennsylvania 138 Nr. 632. *2) S e l i g m a n n Blick 1, 289. ®3) P e t o r ÖsterreichischSchlesien 248; ZfVölkerpsychoIogie 18, 266. M ) F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1 3 2 ; S t a u b I.e. 2 1 . M ) H ö f l e r Weihnachten 46; K ö h l e r Voigt9e land 362; W. 273. ) L e o p r e c h t i n g Leckrain 210 ff.; H ö f l e r Weihnachten 28; W. 300; Globus 4, 105; Bavaria 1, 387; J a h n 1. c. 280; M o n t a n u s 1 8 ; K n o o p Hinterpommern 178. B7) S c h m i t z Bußbücher 2, 423 c. 62; W a s s e r s c h l e b e n 663 ff. c. 5 3 a ; ARw. 20, 363; 2 5> 332; R a d e r m a c h e r Beiträge 104; H ö f 1er Ostern 3 1 ; ZföVk. 1905, 235; zu dem Ausdruck „in deinem Namen": ARw. 20, 418; MschlesVk. 16 (1914), 179ft.; ZfVk. 24, 262. »8) S i m o n G r u n a u s preußische Chronik herausg. von M.

727 P e r l e b a c h 1 (L. 1875), 694. 31; ZföVk. 1905, 235.

Teig M

) H ö f 1erOsiero

18. b) Andere Auguria: Klebt in der Weihnachtswoche der Magd beim Broteinschießen der T. an, so glaubt sie, im kommenden Jahr ein Kind zu bekommen 10°). Wenn im Holsteinischen ein Mädchen den T. nicht leicht von den Händen lösen kann, gilt sie als geizig 101 ). Wenn man beim Auswergeln des T.es Löcher in den T. macht, muß man mit dem Heiraten solange warten, als Löcher darin sind101»). Nach Zimmermann machte man in der Christ- oder Thomasnacht aus T. eine Leiter und trocknete sie auf einem Brett; diese Leiter stellten die Mädchen an das Bett, damit sie den Liebsten im Traume daran hinaufsteigen sehen 102). In Torna in Ungarn holt sich das Mädchen während der Mitternachtsmesse geweihtes Wasser aus der Kirche und macht daraus einen T.; ihr Zukünftiger erscheint dann im Traume und fordert sie auf, den T. zu kneten l03). In Ostpreußen steigt man mit einer Mulde, in der der Neujahrst. geknetet ist, auf dem Kopf rücklings auf einer Leiter auf das Dach und sieht von oben durch den Schornstein ; da sieht man alle, die in dem Jahre sterben werden 104 ). Ein Augurium mit T.kugeln haben wir in Österreich 10S). Träumen von T. zeigt den Tod an loe ). 10 °) R e i t e r e r Ennstalerisch 100. 1 0 1 ) M e n s i n g Wb. I, 530. 1 0 1 a ) Alemannia 1905, 302. 102 ) B r e v i n u s - N o r i c u s 184. 1 0 3 ) ZfVk. 4, 316. 1 M ) T ö p p e n Masaren 67; W. 358. 10ä) ZföVk. 1897, 372 Nr. 437. 1 M ) D r e c h s l e r 1. c. 2, 203.

T. im Heilzauber und Übertragungszauber: 19. a) S y m p a t h i e z a u b e r : Man macht aus dem Urin des Fieberkranken und Roggenmehl einen T. und formt daraus eine Kugel; in diese Kugel sticht man Löcher mit einer Stecknadel, legt sie in einen Ameisenhaufen und betet drei Vaterunser 107). Nachts 12 Uhr macht man aus T. kleine Kügelchen; am ersten Tag gibt man davon den Hühnern, am zweiten wirft man sie ins Feuer, am dritten in einen Bach, wobei niemand zusehen darf 108 ). In Syrien reibt man den Fiebernden mit T. ein; aus dem T. formt

728

man ein Lämpchen und stellt es an einen. Kreuzweg 109 ). Nach einer alten Handschrift verbindet man noch mit der Übertragungskur eine Diagnose: Dar nach mach ein teigk und bint yn ym umb sein fuß, laß im die nacht ligen troben, den morgen thu in ap und wirf yn eim hond vor: ist in der hond, so genest der krangk, ist ern niet, so stirbet der krangk 110 ). Gegen Warzen: Wenn gebacken wird, legt man auf jede Warze ein Stücklein T. ; ist der Backofen in Glut, dann löst man die getrockneten Stückchen ab und wirft sie rücklings ins Feuer; dann muß man soweit laufen als man den Ofen nicht mehr hört und an einem Ort, wo einem niemand sieht, soviel Vaterunser beten, als man Warzen h a t m ) ; oder man wischt die T.reste mit dem Spüllumpen in der Knödelschüssel zusammen, bestreicht damit die Warzen und begräbt alles unter der Dachtraufe; wenn es verfault ist, vergehen die Warzen 112 ). Bei Abzehrung der Kinder kennt man in Deutschland das Darrabbacken (vgl. abbacken): man knetet drei Donnerstage hintereinander bei abnehmendem Mond nach Sonnenuntergang einen T.; daraus backt man unter bestimmten Zeremonien und Zauberformeln drei Brötchen, die man in fließendes Wasser wirft 1 1 3 ). Kinder, die nicht laufen lernen, läßt man über gehenden T. schreiten 114 ). Wenn ein Kind lange nicht stehen lernen will, soll man beim Kneten des T.es ein Stück im Backtrog liegen lassen, das Kind mit den Füßen darauf stellen, hernach aus dem T. ein Brot backen und das Brot der ersten Bettlerin geben, die einem begegnet 11S ). In Hohenstein führt man Donnerstag nach dem Abendrot bei abnehmendem Licht, ebenso am Sonnabend und am nächsten Donnerstag folgende Zeremonie aus: Man macht einen T.fladen und stellt das kranke Kind darauf zuerst mit beiden Füßen, dann nur mit den rechten, daß die Spuren sich abdrücken; aus dem T. werden drei Fladen gebacken; diese werden in Wasser zerkrümmelt und das Kind darin gebadet 1 1 β ). Bei den Slowaken macht man einen T. aus Mehl von neun Häusern, in denen ein

72 9

Telepathie—Tephramantie

730

Kind ist, das den gleichen Namen hat nicht in den T. greifen, sonst reißen dem 124 „Wenn das wie das kranke; aus dem T. wird ein T.- Kind die Hände a u f ) . kranz gemacht, dieser in Wasser gekocht, Weib backt, muß sie zuerst ain Stük vom das Kind durch den Kranz gezogen und T. wegreißen und ins Feuer werfen; geht in demT.wasser gebadet; denT.kranzwirft das Kind von ihr, so ist die Unterlassung 125 man auf einen Kreuzweg 1 1 7 ). In Ruß- schuld" ) (Opfer?). Wenn nach der Brot land werden die rhachitischen Kinder in Rockenphilosophie eine Magd T. eingewickelt und in den Ofen in einem teigt und einem Burschen ins Gesicht 126 In Körbchen geschoben ; nach dieser Prozedur greift, bekommt er einen B a r t ) . wird der T. abgebrochen und das Kind mit Vintlers Blume der Tugent wird gerügt: Weihwasser besprengt 1 1 8 ). Bei den Vil wellen den taig talgen Tschechen wird das kranke Kind in T. an der hailigen sampztag-nacht 127 ). eingegohren, d. h. völlig in T. einge- In Böhmen darf man im Backtrog, den wickelt; aus dem T. wird Brot gebacken; man gegen den Wind verwendet hat, am drei heiße, nur angebackene Laibe gab Karfreitag keinen Brott. machen, sonst man dem Kind ins B e t t 1 1 β ) . Die schwar- verliert er die K r a f t 1 2 8 ) (vgl. Backen § 8 zen Pocken hinterlassen keine Narben, Backtage). 1OT ) P o l l i n g e r Landshut 288. 1 0 8 ) Ders. wenn man während der Krankheit den 1M ) S t e r n Türkei 1, 246. 1 1 0 ) S c h ö n Brott. beim Aufnehmen immer glatt I.e. bach Berthold von Regensburg 1 3 7 ; vgl. ZfdA. 12 streicht °). Der Topf, in dem das Regen27, 310; Germania 32, 458. 1 1 1 ) P o l l i n g e r 112 wurmöl fabriziert wird, wird in Brott. ge- 1. c. 290. ) Ders. 1. c. 1 1 3 ) F r i s c h bier Hexenspruch 43; H o v o r k a - K r o n f e l d backen 1 2 1 ). n4 115 ) Brevinus-Noricus b) Sonstiger Heilzauber und V o l k s - 2, 655. l l e ) W. 600. 260. ) Hovorka-Kronfeld 2, 662. m e d i z i n : Gegen Seitenstechen gießt " ' ) 1. c. 661. »«) 1. c. 696. " » ) 1. c. 695. man in Ungarn von den vier Ecken kreuz- 1 2 0 ) F r i s c h b i e r I.e. 80. 1 1 ! 1 ) H o v o r k a m ) W l i s l o c k i Magyaren weise in den Backtrog Wasser, rührt mit K r o n f1 2e2lad 2, 689. 143. ) A r n a u d o f i I.e. 1 ff. 1 2 î b ) Wiener dem Finger einen T. an und legt diesen ZfVk. Suppl. 15, 36. 1 2 3 ) H o v o r k a - K r o n unter einem Zaubergebet auf die Stelle m ) . feld 2, 136. 1 M ) G r i m m 1. c. 3, 449 Nr. Wenn der T. für die Weihnachtskringel 460. l s s ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 390 ff. 1 2 6 ) G r i m m 1. c. 3, 444 Nr. 303. 1 2 7 ) Z i n g e r l e Tibereitet wird (vor Sonnenaufgang), sticht rol 289 Vers 7914. 1 2 í ) G r o h m a n n 1. c. 3, man mit dem Wollkrämpel oder mit einer 14; vgl. Bavaria 3, 300; ZfVölkerpsychol. gewöhnlichen Bürste in den aufgehenden i8, 24. Eckstein. T., damit man kein Seitenstechen beTelepathie s. 8, 295 ft. kommt. Darauf formt man aus einem Tell s. Nachtrag. Stück T. einen Kringel und legt ihn zum Temper (F.) Abkürzung von Qu at emTrocknen weg; diesen T. gibt man den Kranken oder benutzt ihn zum Räuchern b e r (d. i. quatuor temporum sc. jejunider Kranken 1 2 2 a ). In Serbien mischt um, das Fasten der 4 Zeiten), xim Tirol als man das Blut des mit besonderen Zere- Bezeichnung der wilden J a g d ) . Hierher 2 monien geschlachteten Weihnachts- wohl auch die Form S e m p e r ) u. schweines mit Kleie zu einem T. und gibt Z e m p a , Z e m b a , Z e m p e r a , in Westden dem Vieh, damit es sich gut ver- böhmen ein bösartiger Dämon, der in mehre; dem Geflügel, damit es gesund Dezembernächten umzieht und dem man Speiseopfer bringt. In der Karlsbadbleibe; den ersten Tropfen Blut mischen die Frauen ins Mehl als Heilmittel gegen Duppauer Gegend zieht er mit dem „Schnappesel", einer Schreckgestalt die Ruhr m b ) . Bei Bauchgeschwülsten 3 macht man aus Mehl, Kampfergeist und um ). ZfdMyth. ι, 292; 2, 1 8 1 ; Z i n g e r l e Sagen Weinessig einen T. und legt ihn mit Ingwer S. Ii Nr. 17. 2 ) B i l f i n g e r Zeitrechnung 2, 104. 3 bestreut und mit Spiritus bespritzt auf ) J o h n Westbühmen 18. 52. den Leib 1 2 3 ). •j· Hoffmann-Kray er. T a b u s mit T. und Sonstiges: Nach der Tephramantie, Aschenwahrsagung l ) Rockenphilosphie soll eine Wöchnerin I (τέφρα „Asche"), nach antikem Muster

731

Tephramantíe

geprägte Bezeichnung, vielleicht erfunden von C a r d a n , bei dem sie jedenfalls zum ersten Male auftritt 2 ). Neben der T. nennt D e l r i o die Spodonomantie (s. d.), ohne wesentliche Unterschiede der Praxis beizubringen; eine dritte gelehrte Benennung für die Aschenwahrsagung ist Koniomantie 3 ). Soweit die Gewährsmänner die T. bereits für das Altertum in Anspruch nehmen, können sie sich nur auf wenige, z. T. unsichere Zeugnisse berufen, aus denen hervorgeht, daß die Griechen in der Tat unter anderen Erscheinungen des Opferfeuers auch die Asche mantisch beobachteten 4). Dagegen findet die in den Divinationsschriften mehr oder weniger eingehend geschilderte Ausführung der T. in den antiken Quellen keinerlei Stütze. So liegt die Vermutung nahe, daß die gelehrte Bezeichnung für nichtantike volkstümliche Gebräuche geprägt wurde, ähnlich wie bei der Phyllomantie (s. d.) und der Sykomantie (s. d.), deren Praxis auch sonst mit der der T. eng verwandt ist. In der Tat bezeichnet D e l r i o als Reste der antiken Aschenwahrsagung die sogleich zu beschreibende, in der Divinationsliteratur allgemein überlieferte Ausführung der T. und außerdem eine auch sonst belegte Form, die zu seiner Zeit und, wie man annehmen darf, in seiner Heimat geübt wurden. Delrio wurde 1551 in Antwerpen geboren und verbrachte einen großen Teil seines Lebens in den Niederlanden. Die erste, am weitesten verbreitete und bereits durch C a r d a n vertretene Beschreibung besagt, daß man den Namen des Befragenden und des fraglichen Gegenstandes in die Asche schrieb und diese dem Luftzug aussetzte. Aus den nicht verwehten Buchstaben kombinierte man die Wahrsagung; P i c t o r i u s läßt die Handlung von Beschwörungsformeln begleitet werden. Wie bei den meisten Wahrsagungsformen wird es sich oft um die Aufklärung von Diebstählen gehandelt haben s ) ; das gleichfalls vielfach vertretene Heiratsorakel findet sich in der zweiten von D e l r i o geschilderten Methode e ). Wegen äußerlicher Ähnlichkeiten in der Ausführung wird die T. ge-

732

legentlich mit der Geomantie (s. d.) verglichen, auch zu den Losbräuchen (s. Los) gerechnet 7 ). Als Ergänzung zu den Zeugnissen über Aschenorakel oben 1,616 seien noch einige Belege aus neuerem Aberglauben mitgeteilt, obwohl sie nicht unter der Bezeichnung T. überliefert sind. Bei den Esten beobachtete man, was für Fußspuren, menschliche oder tierische, sich in der Asche des verbrannten Leichenstrohs zeigten, und schloß daraus auf den nächsten Todesfall; in der Neujahrsnacht strich man die Herdasche glatt und maß am Morgen die darin sich etwa zeigenden Fußspuren. Wem sie zugehörten, der mußte in dem neuen Jahr sterben. Hörte man in der Neujahrsnacht ein Geräusch, so sagten die Leute, „der alte Aschentreter hat gepoltert" 8 ). Um Spuren in der Asche handelt es sich auch in dem englischen Brauch am Brigittenabend ·). Aschenhäufchen anstatt Salzhäufchen (s. d.) werden in dem bekannten Weihnachtsorakel nach einem Bericht v. Jahre 1732 im Magdeburgischen verwendet 10). Nach nordamerikanischem Aberglauben soll man das umgekehrte Hemd mit Asche bestreuen und unter das Bett legen; der Zukünftige schreibt dann seinen Namen in die Asche u ). Flugasche gilt im Wiener Aberglauben als Todesvorzeichen 12). 1 ) „Aschen-Deuteley" übersetzt F i s c h a r t in seiner Bearbeitung von B o d i n s Démonomanie (Hamburg 1698) 87. Entstellte Formen sind Tephromantie bei F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 612 und Tephranomantie bei B o i s s a r d u s De divinations (Oppenheim 1615) 19 und dem von ihm abhängigen D e l ' A n c r e L'incrédulité (Paris 2 1622) 288. ) Cardanus De sapientia

c a p . 4, Opera 1 ( L e i d e n 1663), 566 a .

Von ihm

sind mehrere der späteren Zeugen abhängig, so P i c t o r i u s De speciebus magiae Varia

(1559).

67, abgedruckt auch in A g r i p p a Opera Ed. Bering 1, 486, dt. Ausg. 4, 177; B u l e n g e r u s De ratione divinandi

3, 23, Opuscula

(Leiden

1621) 215. Vgl. ferner R a b e l a i s Gargantua 3, 25, dt. Ausg. v. Gelbcke 1, 399, mit scherzhafter Deutung, dazu G e r h a r d t Franz. Novelle 110; B o d i n Démonomanie 1, 6 (Lyon 1598) 37· Delrio

Disquisitiones

magicae l i b . 4, c a p .

2,

qu. 7, s. ι (Mainz 1603) 2. 175 = L o n g i n u s Trinum magicum (Offenbach 1611) 99; A i s t e d Lexicon theologicum (1612) 383.

Die

Beschrei-

Teratoskopie—Teuerung

733

bung bei F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 137 ist Übersetzung aus P i c t o r i u s . 3 ) Erfunden vermutlich von P f u e l Electa physica (Berlin 1665) 148. 4 ) s. Spodonomantie Anm. 5 und 6. M. P r a e t o r i u s Preußische Schaubühne (1703) B. 4, Kap. 6 § 1 0 bei W. M a n n h a r d t Letto-Preußische Götterlehre (Riga 1936) 537 berichtet, daß man die Asche eines durch Blitzschlag verbrannten Menschen u. a. zu solchem Zweck verwendete. In einer Verordnung des Oberkonsistoriums für Livland v. J. 1677 bei M a n n h a r d t a. a. O. 503 wird die Aufmerksamkeit der Prediger auf die oracula in der Asche gelenkt. e ) Einzelheiten der Praxis s. Spodonomantie am Schluß. Zu den dort beigebrachten Entsprechungen ist noch hinzuzufügen J. A u b r e y Remaines of gentìlisme (1686) ed. Britten (London 1881) 24 (Südengland). A n h o r n Magiologia (Äugst 1675) 136 nennt unter den Dingen, mit denen man in der Matthias- oder Andreasnacht die zukünftige Heirat zu erfahren sucht, auch das ,,Aschen". ' ) B o d i n und A u b r e y a . a . O . ; D e l r i o und A i s t e d a. a. O. 8 ) B o e d e r Ehsten 67. 73. 75. In St. Martin a. d. Mur übten die Kroatinnen in der Christnacht einen ähnlichen Brauch. Die Albaner schließen ebenfalls in der Christnacht aus der Asche auf die Fruchtbarkeit des nächsten Jahres: S c h n e e w e i s Weihnachtsbräuche der Serbokroaten (Wien 1925) 134. 175 ; Grttndriß des Volksglaubens der Serbokr. (Berlin 1935) 166. 9 ) ZfVk. 15, 313: S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 85. 10 ) ZfVk. 9, 17. u ) K n o r t z Amerikan. 12 ) W Z f V k . Aberglaube (Leipzig 1913) 156. 33, 7. Boehm. Teratoskopie, B e o b a c h t u n g u n d D e u t u n g v o n W u n d e r z e i c h e n (τέρατα), „ i s t eine wunderäffische, vermessene K u n s t , w e l c h e die W u n d e r , so f ü r g e h e n , b e schauet u n d erweget u n d g a r eigentlich derselbigen U r s a c h e n , W i r k u n g e n und Deutungen nachforschet"1). Die aus d e m A l t e r t u m s t a m m e n d e B e z e i c h n u n g 2) t r i t t in den s p ä t e r e n D i v i n a t i o n s l i s t e n n u r vereinzelt a u f 3 ) . *) B o d i n Dêmonomanie 1, 7 (Lyon 1598) 103 in der Bearbeitung von F i s c h a r t (Hamburg 1698) 93. 2 ) Neben τερατοσχοιπ'α und τερατοσχόπο; finden sich auch die vereinfachten Formen 3) D e τερααχοπία und τεραακόπος. l'Ancre L'incrédulité (Paris 1622) 288 f., wo die antikheidnische T. ausdrücklich von den Warnungen Gottes durch Wunderzeichen unterschieden wird; ( B o u h o u r s ) Remarques ou Reflexions (Amsterdam 1692) 17 führt neben der T . noch eine Wahrsagungsmethode ,,Peratomantie" (s. d.) auf, welche Bezeichnung lediglich auf einem Druck- oder Lesefehler des Verfassers beruhen dürfte; F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 612. Boehm. Terpentin

findet

in

der

Volksheil-

734

kunde mannigfache Verwendung. In R i s s e in der H a n d f l ä c h e s t r e i c h t m a n d e n aus Tannenpfählen quellenden, dickflüssigen T.saft. B e i noch nicht ausgebrochenem K r e b s trägt m a n auf die krank e n S t e l l e n ein T . e n t h a l t e n d e s H e i l mittel a u f 1 ) . I m Thurgau verwendet man ein a u s T . ö l h e r g e s t e l l t e s P f l a s t e r b e i Rückenschmerzen2). Innerlich wurde T.öl gegen Wassersucht empfohlen, äußerlich in d e r V o l k s m e d i z i n b e i G l i e d e r s c h w e l lungen, W u n d e n , Frostgeschwüren usw. v e r w e n d e t ®). — I n O l d e n b u r g b e d e u t e t T . g e r u c h einen T o d e s f a l l ; w e r solchen G e r u c h v e r s p ü r t , r i e c h t seinen e i g e n e n Sarg«). 1 ) ZfrwVk. ι (1904), 99 u. 201. «) H ö h n 3) H o Volksheilkunde i , 153; S A V k . 3, 151. v o r k a - K r o n f e l d 2, 75; F o s s e l Volksmedizin 123. 147. 156. 161; M o s t Enzyklopädie 4 9 i f . ; 4) S t r a c k e r j a n F l ü g e l Volksmedizin 73. 2, 236 Nr. 497 u. ι , 34 = W u t t k e 221 § 314. t Olbrich. Testament, A l t e s u . N e u e s s. B i b e l . Teuerling s. P i l z e . Teuerung. I n Z e i t e n d e r T . t r e f f e n w i r die t y p i schen S p e i s u n g s w u n d e r s a g e n (vgl. Speise) : A l s 1590 b e i F r e i b u r g eine T e u e r u n g h e r r s c h t e , f a n d ein H i r t e n m ä d c h e n eine A r t W u n d e r m e h l , a u s d e m m a n B r o t bereiten k o n n t e 1 ) . Gelegentlich einer H u n g e r s n o t b e i O d e r w i t z s p e n d e t e eine H i m m e l s e r s c h e i n u n g einer a r m e n Frau Mehl2). Die Speisungswundersagen bei Caesarius v o n H e i s t e r b a c h 3 ) (vgl. B r o t § 5) sind eine t y p i s c h e V a r i a t i o n d e r S p e i s u n g d e r 5000, die s i c h in v i e l e n H e i l i g e n v i t e n findet, so ζ . B . a u c h in d e r V i t a des Aldhelmus, w o wir v o n einem Semmelwunder erfahren4). *) M e i c h e Sagen 625, 770; vgl. 660, 818; vgl. K ü h n a u Sagen 3, 455, 1835; dazu W a i b e l F l a m m 2, 106; H a u p t Lausitz 1, 253, 314. Vgl. 273, 355; B e c h s t e i n Thüringen 280, 146; über Engel- und Wundermehl- und Brot : ZföVk. 20, 77/79. ! ) S e p p Sagenschatz 330. 3 ) Dialogus miraculorum 4, 65; 1, 23, 4 Strange; dazu K l a p p e r Erzählungen 344, 4. *) MGauctores antiquissimi 15, 291, 3. W i c h t i g f ü r d a s V o l k w a r e n z u allen Z e i t e n die V o r a u s s a g u n g e n u n d A n zeichen der T e u e r u n g : I . E i n e b i s in die a n t i k e V o l k s v o r s t e l -

735

736

Teuerung

lung zurückreichende Überlieferungsreihe weist auf die Kometenerscheinungen als Vorboten von T. und Hungersnot, meist als Folgeerscheinung des Krieges: Viel diskutiert ist die berühmte Stelle aus Homer 5 ): οϊον δ'αστέρα ήκε Kpóvou παις άγχολομήτεω, ή ναυτησι τέραί ήε στρατφ... Hier ist der Komet (nach Boll wohl richtiger der Meteor ·)) das Mittel für die Gottheit, die Zukunft zu verkünden. Nach den oracula sibyllina verkündet der Komet Seuchen und T. neben Mord usw. : ρομφαίης λιμού θανάτοιό τβ σήμα βρότοισιν . . . '). Schon bei den Indern in den vedischen Texten gelten, wie Weber nachwies, die Kometen als Vorboten der T. und des Krieges 8). Der Kometenaberglaube des Mittelalters und der Neuzeit schöpft aus dieser Tradition: Ludendorff zitiert ein Gedicht aus dem Jahre 1579, in dem unter den „achterley Unglück" auch die T.erwähnt wird9). Schiller macht sich in seinem Gedicht „Rousseau" über diesen Aberglauben lustig 10 ). Archenhold erwähnt nach Cardanus einen Kometen zum Jahre 1533, der für das deutsche Reich Hungersnot anzeigte 11 ). „Mittwochs vor Pfingsten des Jahres 1538 ist zu Görlitz von vielen Leuten ein Schwert am Himmel gesehen worden. Nachmals am 20. 5., Mittwochs nach Pfingsten, ist an unterschiedlichen Orten bei hellem lichten Tag Feuer vom Himmel gefallen, worauf bald folgendes Jahr an Ostern eine große T. ausgebrochen, welche bis zur Ernte des Jahres 1540 gewähret" 12 ). Nach dem Glauben der französischen Bauern ist der Mond immer von zwei Sternen begleitet, einem großen und einem kleinen ; aus der Konstellation schließt man auf T. oder gute Ernte 1 3 ). Im badischen Oberland künden die Kometen T. an, in Illingen bei Rastatt die Sternschnuppen 14 ). Daß die Kometen Hungersnot und T. anzeigen, glaubt man auch in Zürcher Oberland 15 ), in Schwaben 16 ), im Elsaß 1 7 ) und in Schlesien 18 ). *) I l i a s 4, 7 5 ; P a u l y - W i s s o w a 21 Halbb. 1 1 4 5 Ι Ϊ . e ) P a u l y - W i s s o w a I.e. ' ) 3, 3 3 5 ; vgl. P a u l y - W i s s o w a 1. c. 1 1 4 7 . 8 ) A . W e b e r Zwei vedische Texte über omina und pórtenla in : Abh. d. Berliner Ak. 1859, 3 3 4 ; W 264. ») H. L u d e n d o r f f Die Kometenflugschriften des 16.

u. ιγ. Jh.s in: ZfBücherfreunde 12, 2, 501 ff.; vgl. Z f V k . 27, 26. 1 0 ) Z f V k . 27, 30. U ) F . A r c h e n h o l d Kometen, Weltuntergangsprophezeihungen und der Halley'sche Komet Berlin-Treptow 1910, 12 Nr. 6. ) K ü h n a u Sagen 3, 488, 1883, 1. « ) S é b i l l o t ι , 5 3 . 1 4 ) M e y e r Baden 5 1 5 . 1 5 ) M e s s i k o m m e r 1, 189. l e ) Meier Schwaben 2, 507. " ) Elsäß. Monatsschrift 1, 90. i e ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 1 3 5 ; Urquell 3, 108; auch im Böhmerwald: S c h r a m e k 249.

2. In Schwaben und Thüringen deutet man das Erscheinen des wütenden Heeres auf T. in Verbindung mit Krieg und Pest w ) ; oft auch auguriert man ein gutes Jahr; nichts anderes bedeutet der Volksglaube, daß Stürme in den Zwölften ein gutes Jahr oder Krieg und T. andeuten 20). Magnus erzählt in seiner Geschichte von Sorau 2 1 ): Am 1 5 . 1 2 . 1 5 5 1 , als der letzte Biberstein der Sorauer Linie auf Schloß Friedland gestorben war, da hat sich in der Nacht darauf ein großer Sturm erhoben, der den Knopf samt dem Strauß vom Ratsturme warf; solches wurde allgemein als ein böses Vorzeichen gehalten, wie denn auch darauffolgendes Jahr T., Hungersnot, Pest . . . entstanden. 1S ) W . 1 7 . 2 ° ) W . 265. 2 1 ) K ü h n a u 3, 488, 3 = H a u p t Sagenbuch 1, 2 7 3 .

Sagen

3. Wichtige Schlüsse zieht man aus dem Verhalten bekannter Orakeltiere: Vielverbreitet ist der Glaube, daß der Kuckuck, wenn er nach Johanni ruft, eine T.orakelt 22 ) : Wenn er lang nach Johanni schreit, Schreit er Misswachs und teure Zeit (Lechrain) Schreit nach Johanni der Kuckuck noch lang, Wirds dem Bauer um seine Ernte bang 2 4 ).

J e länger er nach Johanni schreit, um so teurer wird das Brot 2 S ) ; in einer Sammlung alter Bauernregeln heißt es: E x cuculi voce sive cantu post Johannis festum nonnulli vaticinantur agricolae, quanto in pretio sit futura siligo, prout scilicet paucioribus aut pluribus vieibus iteratur 2e). Wenn der rufende Kuckuck den Häusern zu nahe kommt, deutet man das auch auf T. (Schlesien, Böhmen) 27 ). Auch wenn der Kuckuck lange nach Fronleichnam noch ruft, schließt der Tiroler auf eine T. 28 ). In Schweden befürchtet man eine

737

Teuerung

T., wenn der Kuckuck noch nach der Heuernte ruft 2 9 ). Wenn der Kautz seinen Platz im Walde verläßt, deutet man das auf T. 3 0 ) ; dasselbe befürchtet man in Oldenburg und Mecklenburg, wenn die Störche später als gewöhnlich oder mit schmutziger Färbung ankommen 31 ). Wenn die Hühner weit weg vom Hause ihre Körner suchen, prophezeit man in Ottenhofen in Baden eine T . 3 2 ) , ebenso in Schlesien 33 ) und Böhmen 34 ). Auf teure oder billige Zeiten schließt man sogar auch, je nachdem die Katze beim Fressen Krümel übrig läßt oder nicht 3 5 ). Wenn sich viele Mäuse auf den Feldern zeigen, bes. wenn weiße oder gestreifte darunter sind, wird das auf T. gedeutet (Böhmen, Bayern, Pfalz) 3 6 ). Viele weiße Schmetterlinge im Frühjahr deutet man in der Lausitz auf T. und Seuche 37 ).

22 ) Rockenphilosophie: G r i m m Mythol. 3, 442, 2 2 8 ; vgl. 467, 904, und häufig: K u h n Westfalen 2, 75 Nr. 226; vgl. Grohm a n n Aberglaube 70 Α . ; P o l l i n g e r Landshut 166; J o h n Erzgebirge 2 3 6 ; M o n t a n u s Volksfeste 1 7 3 ff.; M e n s i n g Wb. 3, 360 (g Tage nach Johanni); H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 264. 23 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 79. 2 4 ) A l b e r s Festpostille 2 5 1 . 2 5 ) F r i e d l i Bärndütsch 3, 1 3 1 ; vgl. Z f V k . 23, 6 1 ; Z r w V k . 12, 180. 2 β ) I. Ch. S t u r m i u s de agricolarum regulis Alidori 8. " ) W. 280. 2 e ) Z i n g e r l e Tirol 85, 7 1 7 . 2 9 ) H y l 30 t é n - C a v a l l i u s 1, 326. ) H o p f Tierorakel 31 32 104 fï. ) W . 279. ) M e y e r Baden 4 1 3 . 33 34 ) D r e c h s l e r 1. c. 2, 90. )Grohmannl.c.75· 35 ) G r i m m Mythol. 3, 446, 382; W 2 7 1 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 2 3 3 ; Z n v V k . 1 9 1 4 , 259. 3 6 ) W . 2 7 3 . " ) W . 282.

4. Wenn viele S c h w ä m m e wachsen, entsteht eine T. (aus Hochlibin) 38 ). Tief im Volksglauben verankert ist die Bedeutung der E i c h e n g a l l ä p f e l als Orakel für Witterung und Jahreserträgnis: Nach einer alten Bauernpraktik von 1 5 1 4 muß man, um die Prognose für das kommende Jahr zu stellen, am Michaelstag die Galläpfel untersuchen; haben sie Spinnen, so kommt ein böses Jahr, Fliegen, so kommt ein mildes Jahr, Maden so kommt ein gutes J a h r ; findet man nichts, so bedeutet das den Tod 3 9 ) ; findet man im Vogtlande im Februar im Gallapfel einen Wurm, so orakelt man auf T., eine Fliege, so kommt Pest, eine Spinne, so kommt B ä c h t o l d - S t ä u b ü , Aberglaube V I I I

738

Krieg ^ ; andererseits bedeutet eine Fliege Krieg, ein Wurm T. 41 ) ; auch die französischen Bauern stellten im 16. J h . Orakel an und augurierten aus dem Vorhandensein eines Wurmes auf T. 42). Wenn im September Spinnweben an den Eicheln sind, bedeutet das T. 38 ) G r o h m a n n 1. c. 96, 672; W 122. 282. 286. ) der pauren Praktik anno 1 5 1 4 ; vgl. C o l e r Calender 1604, 1 7 7 f t . ; Z f V k . 1 9 1 4 , 12. 4 0 ) K ö h l e r Voigtland 391 ; W . 2 8 5 ; vgl. B i r l i n g e r Schwaben ι, 4 1 2 ; W o l f Beitr. 1, 2 2 3 ; K e l l e r Grab i , 2 1 6 ; 3, 159. 4 1 ) G r i m m 1. c. 3, 4 7 1 , 968;] vgl. 474, 1046; vgl. M a t t h i o l i Kreuterbuchi^S^.ö^. 42 ) S é b i l l o t 3 , 395. " ) W . 285. 3>

5. Ein bekanntes T.orakel ist das K o r n m e s s e n : Nach der Rockenphilosophie kann man aus dem Korn der zuerst gedroschenen Garbe das Fallen oder Steigen der Getreidepreise also beurteilen: Man füllt ein Maß viermal voll, so daß es vier Haufen gibt; dann tue man die Haufen wieder ins Maß und streiche ab; fallen nun von einem der Haufen Körner ab oder scheinen Körner zu fehlen, so schlägt im entsprechenden Quatember des folgenden Jahres das Korn ab oder auf 4 4 ). In Schlesien wird in der Christnacht Korn in vier Seidelgläser gefüllt, ausgeschüttet und wieder gefüllt; aus dem Mehr oder Weniger deutet man steigende oder fallende Getreidepreise in den verschiedenen Vierteljahren 45 ). Nimmt man in der Christnacht in Schwaben 12 Uhr 12 Mäßchen von jeder Fruchtsorte, mißt sie vorher genau ab und wiederholt das den andern Morgen, so kann man sehen, je nachdem in einem Mäßchen mehr oder weniger ist, ob die Frucht das J a h r über teuer oder wohlfeil ist; ist in einem Maß weniger da, so wird in diesem Monat das Korn teuer und umgekehrt 4e ). 44 ) G r i m m 1. c. 3, 443, 258. Schlesien 2, 260; W e i n h o l d « ) ZfdMyth. 4, 48, 22.

45

) P e t e r österr. Kennzahl i 6 f f .

6. D a s W a s s e r m e s s e n : Aus dem Papierkodex von St. Florian : item an dem Weihnachtsabend noch an dem rauchen so messent die lewt 9 leffel wasser in ain hefen und lassent es sten uncz an den tag und messent herwider auf; ist sein mynner, das dy mass nicht gancz ist, so chumpt es des jars in armut, ist sy gancz, 24

Teuerung

739

so pestet es, ist sein aber mer, so wird es uberflussiklich reich 47). Diese Orakel bringen leicht variiert die Saturnalien des Praetorius wieder 48) : Mitten in der Christnacht nehmen einige ein Gefäß mit Wasser und messen es mit einem gewissen kleinen Maß in ein ander Gefäß ; dies wiederholen sie etliche Male und sehen dabei, ob sie mehr Wasser finden als das erste Mal; daraus schließen sie Zunahme an Hab und Gütern im folgenden Jahr; findet sich einerlei Maß, so glauben sie an einen Stillstand des Glückes; findet sich aber weniger, an Abnahme und Rückgang. Das Wassermessen bei einem Trankopfer erwähnt schon Saxo Grammaticüs: In d e x t r a . . c o m u gestabat, quod sacerdos sacrorum peritus annuatim mero perfundere consueverat ; ex ipso liquorishabitu sequentis anni copias prospecturus; postero die detractum simulacro poculum curiosius speculatus, si quid ex inditi liquoris mensura subtractum fuisset, ad sequentis anni inopiam pertinere putabat 4 9 ). 47 ) G r i m m Mythol. 3, 418, 43. 4e ) 1. c. 3, 469, 953. « ) X I V 823 ( = 565, 12 fi. Hermann); G r i m m I.e. 1, 492; 3, 492.

7. Wenn unter den drei ersten G a r b e n , die man aufs Feld legt, viel Ungeziefer weilt, so kommt eine T. 6 0 ). t0)

W . 339.

8. B r o t - O r a k e l : Wenn beim Schneiden Brot am Messer hängen bleibt, kommt T. 51 ). Wenn man nach der Ernte zum erstenmal vom neuen Brot ißt, steckt man es mit der rechten rückwärts um den Kopf gedrehten Hand in den Mund; geht das leicht, so wird es eine T. geben 62). } M) W. 293.

62 )

144 ff. Nr. 1069;

W. 339; G r o h m a n n J a h n Opfergebräuche

1. c.

249.

9. K i n d e r o r a k e l : Wenn die Kinder immer mit Sand Kuchen backen, ist eine T. zu erwarten S3). Kinder unter einem Jahr dürfen nicht mit Steinen spielen, sonst gibt es eine T. (pädagogisch) M ). Die schwedischen Kinder zählen ab, ob der Marienkäfer mehr als 7 Punkte auf den Flügeln hat; ist dem so, so wird in dem Jahr das Korn teuer ; sind es weniger Punkte, so ist eine gute Ernte zu erwarten 85 ).

740

M ) S A V k . 2, 222, 76. h a r d t German. Mythen

51)

W. 604. 251 ff.

55 )

Mann -

10. Wenn man den B a c k t r o g scheuert, wird das Mehl teuer Ββ ). Man darf an Weihnachten nicht mit dem Mist in Berührung kommen, sonst wird es eine T. geben 67). M)

S p i e ß Fränkisch

Henneberg

151.

67 )

W. 78.

11. Als T.sorakel wird auch vor allem in Süddeutschland (hier bes. in Schwaben) das A u f t a u c h e n oder A n s t e i g e n v o n B r u n n e n , Q u e l l e n und F l ü s s e n ausgewertet: An der Chaussee von Eutin nach Oldenburg liegt eine Vertiefung ohne Abfluß für das Wasser; sie heißt „teure Zeit"; viel Wasser bedeutet T., und man hat nach dem Wasserstand die Kornpreise für das kommende Jahr bestimmtB8). In Frankreich hat man „fontaines famineuses", deren Steigen Hungersnot verkündet; eine nannte man „fontaine enragée" 6β). Wenn die Isar vor der Bruck einen bestimmten Stand erreicht, gibt es eine T. ®°) ; auch der Hackensee bei Holzkirch und der Lüssee bei Reichenhall sind Hungerpropheten; hier wird das· Austrocknen als T.saugurium gedeutet 61 ). Viele Hungerbrunnen gibt es in Württemberg, so der „Bröller" bei Hausen in einer Höhle; wenn der das Tal überschwemmt, gibt es T. ®2) ; wenn der Hungerbrunnen in Halle auslief, sagten die Bauern : Heuer wird es teuer e3 ). Künzig erwähnt einen Hungerbrunnen im Würmtal und eine Hungerquelle im Gewann Edelberg bei Tauberbischofsheim64), Lachmann einen Hungerbrunnen bei Raithaslach es ) ; vgl. auch Kuhn 68 ), Witzschel e '), MartinLienhart e8 ), Reiser 6e ), Bechstein 70 ). Andere Hungerbrunnen haben den Namen daher, daß ihr Versiegen T. anzeigt 71 ). M) M ü l l e n h o f f - M e n s i n g Sagen 110, 137; vgl. 258, 385. *») S é b i l l o t 2, 209, vgl. 335. S e p p Sagenschatz 78, 25. β 1 ) 1. c. 324 ff. e2 ) M e i e r Schwaben 262, 293; vgl. B i r l i n g e r Volksth. ι , 141; L a m m e r t 47 ff.; F i s c h e r e3 ) G r i m m Sagen Wb. 3, 1903. 91, 104; vgl. 486; DWb. 4, 2, 1948 (Hungerquelle); Mythol. 1, 557 ff. e4 ) Bad. Sagen ( E i c h b l a t t s Sagenschatz 10) 124, 337 ff.; vgl. Schweiz. Id. 5. 667. « ) Überlingen 35. , e ) Westfalen 1, 322, 369; vgl. 334. ·') Thüringen 2, 39, 37. , 8 ) Elsäss. Wb. 2, 192. ββ) Allgäu ι , 236. 70 ) Fränkische Sagen 174. 265. 7 1 ) G r i m m DWb. 4, 2, 1945.

741

Teufel—Teufel in den Segen

12. Oft verkünden geheimnisvolle E r s c h e i n u n g e n die T.: Nach der Lausitzer Monatsschrift 1797 steht T. in Aussicht, wenn in den Städten der Oberlausitz ein Mann mit einem Leinwandkittel, dessen unterer Saum naß ist, auf dem Wochenmarkt Getreide aufkauft und dieses über den Preis bezahlt; das ist der Wassermann72). Einst begegnete bei Dransfeld einem alten Mann ein kleines, weißes Männchen und sagte: Koch Linsen, koch Linsen, das Korn wird teuer; dann kam eine T. 7 3 ). In Ilseburg läßt sich von Zeit zu Zeit der Wassermann sehen, er hüpft empor und sofort wieder nieder; das bedeutet Krieg und T. 7 4 ). Wenn in Bendorf bei Mansfeld im Winter die Mönche (Hauskobolde) das Getreide einsacken und die Treppe heruntertragen, gibt es T. 7 S ).

72 ) Lausitzer Monatsschrift 1797, 750; Meiche Sagen 375, 494; K ü h n a u Sagen 2, 2 1 5 ; v gl· G r i m m Mythol. 1, 407; H e r z o g Schweizersagen 2, 160. 7 3 ) S c h a m b a c h - M ü l l e r 239, 249, vgl. 366. M ) K u h n - S c h w a r t z 426, 235. 7 5 ) Sommer Sagen 36, 32.

13. Als Grund der T. wird die T ä t i g keit des T e u f e l s angeführt: Der gibt den Hexen ein Pulver, das sie in seinem Namen ausstreuen, so daß dürre Zeiten und T. kommen 76). ' · ) Meiche I.e. 486, 631.

Eckstein.

Teufel s. Nachtrag. Teufel in den Segen. ι . Die heilige Geschichte. Obschon recht spärlich geben sich Auffassungen derBesegner über die Rolle des T.s in dem großen Weltdrama kund, und sie wissen dieselbe auszunutzen. Der T. hat Krankheiten und böse Tiere e r s c h a f f e n : „Gott der her beschuf den tag, der teufel beschuf den schlag: der den tag beschueff, der sey dirN fur den schlag gut", 15. Jh. x ) ; das Geschöpf des T.s hat also nicht das Recht des Daseins; vgl. Hundesegen § 2 (u. Mordsegen). Bei dem S ü n d e n f a l l war er als Schlange tätig, vgl. Schlangensegen § 2 u. unten. Die hl. G e b u r t , das Genesen der Gottesmutter, war ihm eine bittere Täuschung; darum bittet (15. Jh.) ein Kranker, daß der Gicht „also leyt sie (sei) zcü mynem libe, also dem tufle waz, da Maria unsern herren

742

genas" 2 ). Schon Ignatios 3 ) (um 100) (und später noch Luther 4 )) meint, die Geburt wurde dem T. göttlicherseits verheimlicht; byzantinische und auch skandinavische Segen reden von einem Versuch des T.s, Maria zu betrügen oder ihr die Milch zu nehmen 6). — Von da an geht sein Reich zu Ende. Bei der H öllenf ahrt Christi wurde er und die ganze Hölle gebunden: „Packe dich [von dem Vieh], du Teufels Geist; kennst du den nicht, der J . Chr. heißt ? der dir hat den Kopf zertreten (1. Mosis 3 , 1 5 ) u. gebunden mit der Ketten" e) ; Diebe werden gebunden „mit den Banden, womit Chr. der Herr die Hölle gebunden hat" 7 ). Vor der Ausübung des K u l t s flieht der T. grausend; dem Wurme wird gesagt : „ . . . daz du dich vs disem fleische w i n d e s t . . . , alse der leide tufel duot, so man daz hl. ewangelium liset oder singet" (14. Jh.) 8). Entsprechend wohl im alten Zürcher Segen, Ii. J h . : der T. weiß zwar seinen eigenen bösen Namen, „wiht", aber heilige Namen (als Geheimwort geschrieben) kann er weder deuten noch aussprechen9). — Einen Trost bietet ihm noch Unsittlichkeit der Kleriker; der T. reitet des Pfaffen „Weib", s. Sünder § 3. 2 ZfVk. I, 174. ) MschlesVk. Heft 13, 26. 4 ) Ep. ad Ephesios 19, 1. ) Tischreden ed. 5 F ö r s t e m a n n 3, 46. ) Reitzenstein Poimandres 297 (vgl. rumänisch F L . 1 1 , 1 3 3 ) ; Danmarks Tryllefml. Nr. 1019. 1 0 2 1 ; H y l t é n C a v a l l i u s Wärend och Wir darne Anhang X I V e (lateinisch). ) J a h n Hexenwahn 1 3 1 . 8 ' ) ZföVk. 2, 1 5 1 . ) Alemannia 10, 228; vgl. französisch RTrp. 21, 257. 8 ) HessBl. 24, 41 ff., vgl. Germania 22, 352; S t e i n m e y e r 389. 3

2. Begegnungssegen, außerbiblisch (vgl. Segen § 5), vereinzelt. 1 1 . Jh. im Fallsuchtsegen (s. d. a) „Donerdutigo", wo der Adamssohn des T.s Sohn schlägt. In einer Variante des Fiebersegens (s. d. § ι c) über St. Johann wird im Walde „der verfluecht" von dem Heiligen gebunden 10 ). 10 ) Alemannia 26, 70; B a r t s c h Mecklenburg 2, 15 f. (16. Jh.).

3. Beschwörungen volkstümlicher Art (s. übrigens T.sbeschwörung). Solche, an (den) T. gerichtet, kommen vor in z. T. nicht scharfen Übergängen vom frommen Fortbannen bis zum bösartigen Her24·

743

Teufelsabbiß

bannen. Fortbannung z . B . : „ D u Erzzaubergeist, du hast den NN angegriffen, so fall auch wieder von ihm ab, fahre in dein Mark und in dein Bein" u s w . 1 1 ) . Ebenso wenn in dem beliebten Segen über „Zwei böse Augen" (s. Verhexung, Segen wider) bisweilen die verhexenden Augen des T.s Augen genannt werden; z. B . : „ . . . hatt dir die düfel angesehen mit seinen widen ogen, unser her Gott sehe dich wieder a n " usw., 16. J h . 1 2 ) . Oder: „ . . . haben dich (Vieh) zwei graue T.s-Katzenaugen angesehen, so sehen dich drei gute a b " 13 ). Weiter: „ H a t dich der T . geritten, so helf dir der Mann, der zu Jerusalem auf einem Esel ist geritten" 14 ). — Wird den Kühen die Milch gestohlen, bietet man dem T. Milch mit Dreck gemischt und lädt ihn ein: „ N u n fret. T . " (angeblich Bugenhagens Praxis) 1 5 ). Man beschwört weiter den T., Diebe und Bezauberer zu zwingen und peinigen, ζ. T. wohl auf I. Cor. 5, 5 fußend. Über T . und T.snamen in den Diebssegen s. d. § 7 ; kirchliche Adjurationen gegen Diebe bieten kaum entsprechendes, aber altkirchl. Wettersegen (s. d.) können böse Dämonen nennen 1β ). — Gegen Hexen heißt es ζ. B., indem glühheiße Milch mit Ruten gepeitscht wird : „ . . . exorciso te, spiritum Beltzebub, principem daemonorum (sie), der das gewalt hat über den leib der boßen weiber, so dem menschen u. den vieh schaden thun, das du disse personn s t r a f f e s t . . . " ; oder „Coniuro te, Storat ( A s t a r o t h ) . . . daß du dise person all so vil streich soldtest thun, als ich euch mit diser rut in die milch hab geschlagen", 16. J h . 1 7 ) . — Natürlich beschwören erst recht die Hexen selber den T. bei ihren bösen Künsten, s. Schadenzaubersprüche. — Der äußerste Schritt auf dieser Bahn ist der T.spakt, s. d. Sehr einfach kann dieser sich gestalten, wo für einen Einzelfall die T.shilfe ersucht wird: „ K o m m , T., halt mir dieses Thier, ich geb dir Leib u. Seel dafür", beim Festbannen eines Haustiers oder um Wildpret zu erlegen gesprochen 18 ). l2) " ) Urquell ι (1890), 155 Rendsburg. B a r t s c h Mecklenburg 2, 15. " ) S e l i g m a n n Blick 1, 352 Pommern, vgl. 1, 351 ; BIPommVk.

744

7, 96 Nr. 5. 14 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 450. Ebd. I, 4o8f., vgl. K l i n g n e r Luther 38 mit l < ) F r a n z Benediktionen Anm. I. 2, 56. 80. 93. 1 7 ) S c h ö n b a c h HSG. ohne Nummer (Freiburg Univbibl. 190); vgl. Alemannia 2, 134 (J. 1721); G a n z l i n Sachs. Zauberformeln 19 Nr. 28. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 448 Nr. 2057; K u h n u. S c h w a r t z 429. Ohrt.

15 )

Teufelsabbiß (Abbiß, Morsus diaboli; Succisa pratensis). χ. B o t a n i s c h e s . Der Wurzelstock der Pflanze ist kurz und sieht wie abgebissen aus. Der Stengel trägt länglicheiförmige Blätter. Die Blüten sind blau und stehen in kugeligen Köpfchen. Der T. blüht im Spätsommer und Herbst häufig auf feuchten Wiesen, im Gebüsch u s w . 1 ) . A b und zu werden auch andere Pflanzen mit ähnlichen Wurzelstöcken (z. B. Potentilla Tormentilla) als T . bezeichnet 2 ). 2) Marzell Kräuterbuch 273Í. Vgl. T e i r l i n c k Flora Diabolica. De Plant in de Demonologie. Antwerp. (1924), iogff.

2. Weit verbreitet ist die Sage, daß der T e u f e l dieser Pflanze, deren Heilkraft er den Menschen nicht vergönnte; die W u r z e l a b g e b i s s e n habe, ähnlich wie er die Blätter des Hartheus (3, 1487) ingrimmig mit einer Nadel durchstochen hat. Daß der Teufel den Menschen die Heilkraft gewisser Pflanzen nicht gönnt, ist ein alter Glaube. Sagt doch die hl. H i l d e g a r d 3 ) „ D e diaboli odio": „ Q u o niam diabolus virtutem hominis odit, ideo etiam omnes reliquas creaturas, quae virtuosae sunt in pecoribus et in h e r b i s , et quae mundae et quae utiles sunt, odio habet". Der deutsche „Hortus Sanitatis" 4 ) schreibt vom „dufels abysz" : „Oribasius eyn meister [pergamenischer Arzt des 4. Jh. n. Ch.] spricht daz mit disser wurtzel der dufell als groiß gewalt dreybe daz diemutergottes eynerbermdedar inne hette und benam dem duffel den gewalt daz er danach nit meer mit schaffen mocht und von groissen grymde den er do hette daz ym der gewalt entgangen was do beysch [beißt] er sye onden abe also wechset sye noch hutt daß dages" 5 ). In etwas veränderter Form bringt B r u n f e l s e ) die Sage: „Und haben auch die alten Weiber hye ire fantasien / sprechen es sey so ein köstliche wurtzel / daß der

745

TeufelsabbiB

böse feind solche köstliche artzeney dem menschen vergunnet [ = mißgönnt] / ond sobald sye gewachset / beiße er sye ab / / dahär sye haben soll iren nammen Teufels Abbiß. Mag villeicht sein / daß solichs (d. h. die Wurzel) abgefaulet / oder sonst / das ich meer glaub / die natur ire wunder darinn habe" 7 ). Der Teufel beißt die Wurzel in der Mitternachtsstunde des Johannistags ab 8). Die Sage ist offenbar auch in anderen Ländern verbreitet wie niederl. Duivelsbeet, engl. Devil'sbit, dän. djaevelsbid, fandensbid, franz. mors de diable, piemont. mors del dian, russ. tschertogrys ( = T.) beweisen. In Rußland wird die Sage so erzählt, daß Gott, als der Teufel dem Menschen den Finger abbeißen wollte, ein Kraut erschuf, das alle Wunden heilte. Darauf biß der Teufel diesem Kraut die Wurzel ab. Gott ließ dafür dem Kraute viele kleine Wurzeln wachsen9). Nach einer französischen Sage heilte der hl. Michael mit dem Kraute die Wunden, die er im Kampfe mit dem Teufel erhalten hatte. Da schnitt dieser aus Zorn der Pflanze die Wurzel ab 10). Bei den Esten und Letten biß der hl. Petrus, als er einst starke Leibschmerzen hatte, die Wurzel ab u ) . Damit wäre zu vergleichen, daß die in Alpen wachsende Zwerg-Schlüsselblume (Primula minima) die Volksnamen Abbiß, Teufelsanbiß und Saupeterstamm führt 1 2 ). Auch diese Pflanze hat einen „abgebissenen" Wurzelstock. 3 ) Causae et curae, ed. Kaiser 1903, 144. 5 ) Mainz 1485, cap. 261. ) Vgl. S c h i l l e r Tierbuch 1, 18; Grimm. Myth. 2, 1015. 7 ") Kreuterbuch 1532, 91. ) Vgl. T a b e r n ä m o n t a n u s Kreuterbuch 1588, 559; ZfVk. 24, i6f.; C y s a t 5 6 ! ; W u c k e Werra 1891, 4; S é β \>i\\ot Folk-Lore 3, 446. ) Rockenphilosophie 1707, 3, 7. i l = G r i m m Myth. 3, 440; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 412; Theatrum de veneficiis 1586, 69. ®) D e m i t s c h Russ. 10 Volksheilmittel 231. ) R o l l a n d Flore pop. n 7, 7. ) R u s s w u r m Sagen aus Hapsal 1861, 190; D e m i t s c h Russ. Volksheilmittel 2 3 1 ; Hist. Stud, aus d. pharmak. Inst. Univ. Dorpat 4 (1894), 188. " ) D a l l a T o r r e Die Alpenpflanzen im Wissensschatze usw. 1905, 59. 4

3. Der T. ist ein antidämonisches Mittel. „Welcher diss krut by ym dreyt oder die wurtzel dem mag der dufel keyn schaden zufugen. Auch mag ym keyn

746

zauberey geschaden von den bösen wyben" 13 ). Besonders dient der T. gegen die Behexung des Viehs 14 ). Gegen Hexen im Stall muß der T., der von Schwarzkünstlern oft gebraucht wird, eingegraben werden. Der fromme Bauer nimmt aber dazu die (sehr selten vorkommende) weißblühende Spielart des T.es, um die weiße Kunst anzuwenden16). Pferde werden mit T. geräuchert 1β ). Zu einem Räuchermittel gegen Hexen nimmt man für 2 Schilling T.wurzel, für y2 Sch. witten Urand (weißer Dorant, Achillea ptarmica, s. Sumpfgarbe), für 2 Sch. Allermannsharnischwurzel, für Y2 Sch. Teufelsdreck, für y2 Dreiling schwarzen Kümmel 17 ). Wenn man die Wurzel vom T. (hier ist unter diesem Namen vielleicht eine Alpenpflanze gemeint), vom Gertrautenblümel (Raute?) und von „Hennentod" (Widerton?) um den Hals hängt, dann kann der Schratel die Schwelle nicht überschreiten18). Damit die Milch gut buttert, muß man das Butterfaß mit (dem Absud von) T. auswaschen 19 ), bei den Wenden wird T. zu einem Milchnutzenpulver verwendet20). Bei den keltischen Bewohnern der Insel Man 21 ) und bei den Slovenen 22) gilt der T. als Mittel gegen den „bösen Blick". In Süddeutschland ist der T. öfter ein Bestandteil des an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschels 23). 13 ) Hortus Sanitatis deutsch 1485 cap. 261 ; vgl. B i r l i n g e r Aus Schwaben i, 4 1 7 ; G r i m m Myth. 3, 440 = M e y e r Abergl. 62; K n o r r n 14 Pommern 145; W u t t k e 105 § 135. ) S t r a c k e r j a n 1, 330; J o h n Westböhmen 72; Drechsler Schlesien 2, 106; ZfVk. 8, 391 (Ruppin: gegen Viehseuchen); ZföVk. 4, 307; 15 G r o h m a n n 99. ) A l p e n b u r g Tirol 263. le 17 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 278. ) 18 B a r t s c h Mecklenburg 2, 37. ) Steiermark: 19 ZfVk. 6, 323; ZföVk. 3, Ii. ) ZfrwVk. 9, 225. 20 21 ) S c h u l e n b u r g 106. ) Cameron Gaelic 2a Names of Plants 1900, 50. ) Wiss. Mitt. Bosn. Here. 2 (1894), 450. 2 3 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 190; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 5 3 S .

4. Die Wurzel des T.es ist ein altes Mittel bei verschiedenen A u g e n k r a n k heiten. Fünf Wurzeln bei abnehmendem Mond ausgegraben, an einen Faden gereiht und um den Hals gehängt, heilt Augenschwäche î4 ), die Wurzeln muß man

747

Teufelsdreck—Teufelskralle

748

dann in fließendes Wasser werfen M ) . Bei | Krämpfen, Nervosität usw. verwendet 1 ). Flecken in den Augen hängt man Pferden Als stark riechendes Mittel gilt er für ι bis 3 Wurzeln um den Hals 2 e ), vgl. hexen vertreibend 2 ). Besonders die Ställe Gauchheil (3, 316). Die in der Johannis- werden mit T. ausgeräuchert 3 ). Die nacht gegrabene Wurzel wird auf wehe Slowaken räuchern, wenn der Kranke Augen gelegt 2 7 ). Gegen den „Augstall" „ v o m Teufel besessen" ist (Geisteskrank(Augenkrankheit des Stallviehs) 2 8 ) wer- heiten), das Zimmer mit T. aus 4 ). Auch den die Tiere mit verschiedenen „ A u g - wird T . mit anderen antidämonischen stallkräutem", darunter T., geräuchert 2 8 ). Mitteln (z. B . Dorant, Dill, Kümmel) im In Bayern wird der T . als Augenheilmittel Stall vergraben ®). Wenn das Vieh zum auch mit der „Abbißsage" in Verbindung ersten Male auf die Weide getrieben wird, gebracht. Ein junger Arzt verschrieb sich werden ihm Kügelchen aus T . und Fölzowdem Teufel, der ihn dafür die Heilkraft Pulver (?) in die Haare geklebt, dann der Kräuter lehrte. D a aber der Teufel kann es nicht verrufen werden, und fürchtete, der Arzt möchte ihm jetzt durch schlechte Augen können ihm nichts anseine K u n s t Abbruch tun, machte er ihn haben ®). Ebenso knüpft man ins Säeblind. Der Blinde fand aber trotzdem das laken (vorzugsweise in Litauen) T., KnobKraut, band 7 Stück in ein Büschel zu- lauch und einen Silbergroschen 7 ). Ein sammen, hing es auf den Rücken und er- Amulett, das gegen Abzehrung auf langte das Augenlicht wieder. Zornig der Brust getragen werden muß, enthält beißt daher der Teufel jeder Pflanze die u. a. auch T . 8 ). Auch gibt man Kindern mittlere Wurzel ab. Aber das hilft ihm gegen die gleiche Krankheit drei kleine nichts, der T . ist noch immer sehr gut Körnchen in Rahm zum Essen. Das gegen Augenfluß und Augenschwäche 3 0 ). Mittel muß an einem Freitag bei „ A b Nach Petrus Hispanus (13. Jh., Verfasser gangsmond" gereicht werden 9 ). „Verdes „Thesaurus Pauperum") soll Gott dem rufenen" Menschen gibt man T . und die heiligen Bonifatius den T . als Mittel gegen 25 Buchstaben der Sator-Formel mit Halsbräune geoffenbart haben 31 ). Die Brot neun Tage nacheinander ein (GrauWurzel des T.es heilt alle Fieber S2 ). denz) 1 0 ). u ) R e i c h e l t Amulet. 1692,255; G o t t s c h e d 1 5 ) H o v o r k a u. Flora Prussia 1703, 263. ί β ) Baden: K r o n f e l d 1, 412. TschirchFestschr. 1926, 261. *') S c h u l l e r u s Pflanzen I e 404. ) Höf 1er Krankheitsnamen 671. 30) P a n z e r **) W e i n k o p f Naturgeschichte 32. 81 Beitrag 2, 205. ) M o n t a n u s Volksfeste 144. 3 i ) Höhn Volksheilkunde I 153.

5. Wenn man bei einem Gelage T . unter den Tisch wirft, zanken und schlagen sich die Gäste 3 3 ). Das gleiche wurde auch vom echten Labkraut (s. d.) behauptèt. 33 ) Chemnitzer Rockenphilosophie: Grimm Myth. 3, 449; M o n t a n u s Volksfeste 144; K n o r r n Pommern 145. Marzell.

Teufelsdreck (Asa foetida). Das eingetrocknete Gummiharz gewisser asiatischer Doldenblütler (Ferula-Arten) von gelblicher, violetter oder bräunlicher Farbe, unangenehmem (an Knoblauch erinnernden) Geruch und etwas zäher (in frischem Zustand) Beschaffenheit. Nach dem Geruch und dem Aussehen heißt dieses Harz T. (excrementum diaboli). In der älteren Heilkunde wurde der T . bei

l) Tschirch Handb. d. Pharmakognosie 3 (1923), 1075s.; Hortus Sanitatis, deutsch. Mainz 1485 cap. 41; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 41 f. J ) S e l i g m a n n Blick 2, 88; de Cock Volksgeloof ι (1920), 36; D i e t e r i c h Kleine Schriften 36; Müller Hexenglaube 62; M ü l l e n h o f f 3) W u t t k e Sagen 212; A l p e n b u r g Tirol 384. 286 § 420; E b e r h a r d t Landwirtschaft 14; K ö h l e r Voigtland 355 (in den heiligen 12 Nächten); Drechsler Schlesien 2,105 ; S c h ö n w e r t h 4) H o v o r k a Oberpfalz i, 338; Urquell 1, 187. s ) Urquell 1, 187; u. K r o n f e l d 2, 238. D r e c h s l e r Schlesien 2, 106; ZfVk. 24, 62 6) B a r t s c h (Dithmarschen). Mecklenburg 2, 142; vgl. auch ZfVk. 24, 61. ') F r i s c h b i e r Hexenspruch 15 = S e l i g m a n n Blick 2, 98. 10 ) ») ZfrwVk. 4, 301. ») Ebd. 11, 292. F r i s c h b i e r Hexenspruch 23. Marzell.

Teufelskralle (Phyteuma-Arten). Die blau blühende Kugel-T. (Ph. orbiculare; der Name rührt von den krallenförmig gebogenen Blüten her) darf man nicht abreißen, denn das zieht den Blitz a n 1 ) , vgl. Gewitterblumen (3,833). Die dunklen Flecken auf den Blättern der Ähren-T. (Ph. spicatum) rühren vom Menstrua-

749

Thau

tionsblut der hl. Maria her (Weißenburg i. Β.), die Pflanze heißt daher auch „Marienblatt" 2 ), ähnliches erzählt man sich am Lechrain vom Löwenzahn (s. d.), in Oberösterreich von den Blättern des kriechenden Hahnenfußes (Ranunculus repens) 3), in Belgien 4) und um Halberstadt von den gefleckten Blättern des Floh-Knöterichs (Polygonum persicaria) s ) 2) Ebd. M a r z e i l Bayer. Volksbotan. 133. 3) B a u m g a r t e n 235. Aus d. Heimat 140. 5) *) R t r a d p o p . 19, 299. J b n d S p r . 34, 6 1 .

Marzell.

Thau (Tau), mystisches Kreuzeszeichen von der Form Τ (crux commissa) als magisches Zeichen oft gebraucht. Sein Ursprung liegt in der Stelle Ez. 9,4. 6, vgl. Offbg. Joh. 7, 2ff., wo das hebr. 15} „Zeichen" von Sept. mit Eule, Steinkauz). Bekannt ist die üble ) G r i m m Myth. 3, 455 Nr. 616 f. 3 °) Ebd. 31 3 , 4 4 1 Nr. 1 9 5 . ) Ebd. 3 , 4 6 3 Nr. 8 1 6 . Vorbedeutung des „Hahnenkrahts" einer 32 33 ) K u h n u. S c h w a r t z 447 Nr. 375. ) BohHenne; wenn aber gar eine Gans mit n e n b e r g e r 19 Nr. 1. M ) J o h n Erzgebirge 226. 3e menschlicher Stimme zu reden beginnt, K u h n u. S c h w a r t z 447 Nr. 374. ) Grimm ist es höchste Zeit sie abzuschlachten, beMyth. 3, 441 Nr. 199. 3 1 ) Ebd. 3, 44; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2 , 1 5 6 ; J o h n Westböhmen 253. vor das Unheil hereinbricht 49 ). 38 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 341 Nr. 5. 3»)ZfVk. T . k o n z e r t heißt ein Kinderspiel, das 40 I (1891), 460. ) S a r t o r i Westfalen 6 6 ; ZfVk. auf diesen Vorstellungen beruht: der T.ι ( 1 8 9 1 ) , 4 6 0 ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 1 3 . 2 7 3 . 41 wärter tritt mit seinen Lock- und Scheuche) W u n d t Mythus u. Religion 2, 169; Grimm Myth. 2 , 5 5 5 ; 3 , 1 8 9 . 1 9 2 . 2 0 2 ; W o l f Beiträge rufen in den Kreis, worauf die „ T . e " mit 2, 45o£E.; F r a n z Benediktionem 2, 135; J o h n der zutreffenden Stimme zu antworten Erzgebirge 1 2 2 ; B a u m g a r t e n Aus der Heimat I, ioöfi.; W i t t s t o c k Siebenbürgen 8f.; ZfrwVk. haben. Am Abend des Schlachttages von Novara (1848) half ein solches durch ι ( 1 9 0 4 ) , 3 6 f t . 4 9 f i . ; 1 9 0 5 , 1 9 5 ; H ö h n Tod 3 2 4 Nr. 7 ; ZfVk. 2 ( 1 8 9 2 ) , 1 7 9 . « ) ZfVk. 11 Offiziere von Radetzkys Stab aufgeführtes (1901), 24. " ) R o c h h o l z Kinderlied 72. Spiel dem Feldherrn über die Nöte und •") B o c k e l Handbuch 1 9 2 ; Psychologie 247. 50 253; S a r t o r i Westfalen 47; L e w a l t e r - S c h l ä - Entbehrungen dieses Tages hinweg ). ger 3 2 8 . Vom B a l l d e r T.e handelt eine in Ost2. Die oft sehr sinnreiche und äußerst preußen verbreitete Scherzgeschichte 51 ). 45 amüsante Wiedergabe der T . s t i m m e n ) E n g e l i e n u. L a h n 1, iggf.; H o p f Tierdurch das Volk beruht teils auf scherz- orakel 2 4 0 ; ZfVk. 1 0 ( 1 9 0 0 ) , 2 2 1 ; Urquell 5 (1894), 31; SchwVk. 3 , 7 6 ; I i , 9 ; S é hafter Übertreibung, teils auf reiner Nachb i l l o t Folk-Lore 3, i 8 f . 4 6 ) W o s s i d l o Meckahmung. Man glaubt aus den T.stimmen lenburg 2, 4 5 N r . 2 8 5 a . " ) E b d . 5 9 N r . 3 3 3 b ; menschliche Worte zu vernehmen, beson- ZfVk. 1 3 ( 1 9 0 3 ) , 9 1 ff. « ) SAVk. 3 , 3 8 1 . 49 ) Urquell N. F. 1 ( 1 8 9 7 ) , 4 7 ; R o c h h o l z ders aus den Stimmen der Vögel. So ruft M 51 Kinderlied 69ft. ) Ebd. 74f. ) Urquell 3 der Zaunkönig: Zickerickik ! König bin ick ! (1892), 281. der Kibitz: Kiwitt, kiwitt, ach wat förn 3. Es ist nur zu natürlich, daß der schöen Vojel bin ick! (Mittenwalde), die Mensch das Haust, auch in den Kreis Wildtaube : Ruedi, fress Surchrut ! (Rueseiner religiösen Bräuche zieht. Vor allem dertal) 45 ). Auch in Form kurzer Geschichkommen hier die zahlreichen T . s e g e n ten werden die Stimmen gedeutet: De und - b e s c h w ö r u n g e n des Mittelalters rodump (Rohrdommel) is jruher'n buur wâst. Denn sien oss is inne mad' sitten in Betracht. In dem Carmen bucolicum bläben, un de buur hett: Rut bunt, rut des gallischen Rhetors Severus Sanctus Endelechius „De mortibus boum" rettet bunt 46). Oder sie werden in Gesprächen der T.e unter sich oder mit Menschen aus- der Hirt Tityrus zur Zeit der Pest seine Rinder dadurch, daß er das Kreuzzeichen gelegt.

78 7

788

Tier

ihren Stirnen aufdrückt. Ein Zeitgenosse Gregors von Tours heilte erkrankte T.e dadurch, daß er ihnen Stirn und Rücken mit ö l aus der Lampe des hl. Martinus bekreuzte und es ihnen mit Wasser vermischt zu trinken gab. Mittels der Benedictio maior salis et aquae sollten kirchlicherseits die Herden vor wilden T.n, Räubern, Zauberern, Dämonen und vor allem vor Krankheiten geschützt werden. Erst im 16. und 17. J h . suchte man auch angeblich behexte T.e durch in kirchliches Gewand gekleidete Formeln zu heilen. Neben den kirchlichen Segnungen sollte das Vieh geschützt werden durch a b e r g l ä u b i s c h e G e b r ä u c h e wie das Durchführen der T.e durch zwei Feuer am Johannistag gegen Seuchen (s. N o t f e u e r ) oder durch Z a u b e r s p r ü c h e , wie sie heute noch in den von den die Gänse hütenden Kindern beim Erscheinen eines Raubvogels hergesagten Sprüchen weiterleben : Hulewîh, du Trickel, Trammel, Deine Gänschen sind verschwund'n. Sind mit rotem Blute begossen. Hulewîh, dein Haus brennt! (Thurau, Kr. Cothen)52).

Beim Eingewöhnen ins Joch legt man in Mosbach und um Bonndorf (Baden) jungen T.en einen Strohhalm unter das Joch mit den Worten: „Wie Jesus sein Kreuz getragen, so trage auch du dein J o c h " S3 ). Einige T.e nehmen sichtlich ab, wenn man sie segnet; umso besser gedeihen sie, wenn man sie verflucht. Denn sie stehen unter dem besonderen Schutz des Teufels S4 ). Gegen T.schädlinge, die man als dämonische Wesen aufzufassen geneigt war, wandte man früh die B e s c h w ö r u n g an. Als Patron gegen die Schädigungen der Felder durch T.e wurde der hl. Magnus von Füssen (f um 655) verehrt (s. auch T . p r o z e ß ) S 5 ) . Daß Heilige lästige T.e durch Beschwörung vertrieben, wird vielfach berichtet, die hl. Hedwig ζ. B . vertrieb die Schlangen aus dem Fürstentum Liegnitz. Natürlich taten das auch Personen, die alles andere eher als heilig waren. So verbannten Zigeuner die Sperlinge auf ewige Zeiten aus der Umgegend des Dorfes Sorah (Lausitz) se ). Von

Schlangenbeschwörern (1545—1614):

berichtet

Cysat

Der Mensch, so sy beschwören wil, ziicht sich von den Lütten an ein einsam Ort, macht mit einer Ruotten ein Kreiss. Daruff hebt er sin Beschwörung an, und so vil er der Würmen haben wil und von was Wytte ( = „welcher Entfernung her") har, die komment und legend sich aller ( — gänzlich) erschrocken jn selben Kreiss.

Wo man den Zauberern und Geisterbeschwörern ,,übel redt", da schickt der Teufel nach derselben Quelle neben anderem Spuk auch „seltzame Thier" 5 7 ). Alle T.gattungen hatten im Heidentum ihre Schutzgötter, die dann von den christlichen Heiligen abgelöst wurden. So entstanden die bekannten T . p a t r o n e . In der griechischen Kirche galt als der mächtigste Patron für das Vieh der hL Mamas, der nach der Legende (Migne gr. C X V 566 ff.) nach seiner wunderbaren Errettung aus den unter Aurelian erlittenen Martern im Gebirge bei Caesarea (Kappadokien) lebte und von den wilden T.en mit Milch versorgt wurde (vgl. o. § i , T . s ä u g u n g ) . Nach Paulinus von Nola brachten die Bauern ihre kranken Kinder und das kranke Vieh zum Grab des hl. Felix und beteten dort für ihre Genesung. Sowohl in Italien wie in Deutschland wurde der hl. Antonius der Einsiedler als Patron derHaust.e,besonders der Schweine, verehrt. Der Grund für das Patronat über die Schweine dürfte in der Antoniuslegende zu suchen sein, nach welcher der Heilige die ihn in Schweinsgestalt belästigenden Dämonen durch das Kreuzzeichen verjagte 58 ). In Bayern stellte man dem hl. Leonhard, dem Patron der Bienen, an den Stätten seiner Verehrung Bienen aus Wachs und Eisenblech oder Bienenkörbe aus Eisenblech als Weihegaben auf, um seinen Schutz für die Bienenvölker zu erlangen. Überhaupt pflegte man an Wallfahrtsorten T.figuren zu opfern in der Hoffnung, dadurch von den Heiligen die Gesundheit der T.e zu erlangen oder zu sichern. Diese T . v o t i v e , die schon das Altertum kannte (vgl. die T.votive aus dem Asklepieion der Tiberinsel im heutigen Thermenmuseum), stehen gewöhnlich

789

auf einem hohlen, muschelartigen Untersatz, so daß sie in der Kirche auf den Rand der Kerzenhalter gestellt werden können 59 ). M ) Romanusbüchlein 20; R o c h h o l z Kinderlied 71; F r a n z Benediktionen 2, 128. 133. 135. 139 f.; M a n n h a r d t 1, 5i8ff.; ZfVk. 6 (1896), 217. " ) M e y e r Baden 402. " ) F i s c h e r Angelsachsen 10. 5ä ) V o r d e m f e l d e Religion 103 A . 6 ; F r a n z Benediktionen 2, i6gf. s e ) K ü h n a u Sagen 3, 295Í. Nr. 1658. 1659. 1660; 298 Nr. 1665. " ) C y s a t 64. 6β ) F r a n z Benediktionen 2, 125. 137; R o c h h o l z Sagen 2, 72; K r a u ß Relig. Brauch 85. 59 ) F r a n z Benediktionen 2, 133. 137; ZfVk. 19 (1909), 201; W e i n r e i c h Heilungswunder 126.

4. Wenn sich die Haust.e bei dem sich ihres Nutzens bewußten Bauern besonderer Liebe und Wertschätzung erfreuen dürfen, wenn sie wie Menschen mit Lob und Tadel bedacht werden und an Freud und Leid der Familie teilnehmen, so findet das seine Erklärung in dem Volksglauben an die T . se e l e 8 0 ) . In zahlreichen Sagen holt der Teufel nur eine T.seele, während er sich auf die eines Menschen Hoffnung gemacht hat. Das beseelte T . wird also in nahe Beziehung zum Menschen gebracht und deshalb auch menschlichen Bräuchen unterworfen : es bekommt in feierlicher Weise seinen Namen, wird durch eine A r t Taufe geweiht und wird der Wohltat der bürgerlichen Gesetze teilhaftig und unter ihren Schutz gestellt (s. § 1 T . h e r r ) 6 1 ) . Die T.seele kennt vor allem Gott ihren Meister und spricht jeden Morgen zu seiner Ehre einen für jedes T . bestimmten Psalmvers; solche T.hymnen sind in den meisten alten Gebetbüchern zusammengestellt 62 ). Auf dem Glauben an die T.seele beruhen zahlreiche Sagen und Mythen, vor allem auch die Vorstellung von der S e e l e n w a n d e r u n g . Nach altindischem Rechtsglauben wurde der Kuhdieb in eine Eidechse, der Dieb des Herdfeuers in einen Vogel verwandelt. Bekannt sind die Metamorphosen von Tereus, Philomele und Prokne. Wie nach Shakespeares Hamlet die Eule eines Bäckers Tochter war, so heißt es vom K u c k u c k , er sei der in einen Vogel verwünschte Bäckerknecht, der armen Leuten vom Brotteig stahl;

Tier

790

eine an Menschenliebe kargende alte Jungfer wird in einen Kibitz, eine geizige in eine Kröte und Schlange verwandelt e 3 ). Hiervon zu trennen ist die eigentliche T . v e r w a n d l u n g (s. d.), bei der Götter, dämonische Wesen und mit Zauberkräften ausgestattete Menschen (s. W e r w o l f ) sich vorübergehend in T.e verwandeln oder Menschen in T.e verzaubern 6 4 ). Die Selbstverwandlung erfolgt meist durch einen Zaubergürtel oder -ring u. dergl. Die Erhaltung der abgelegten menschlichen Kleidung ist Vorbedingung für die Rückverwandlung wie die Vernichtung der abgestreiften T.haut für die Erlösung des Verzauberten 6S ). A u c h der Glaube an T.e a l s W i e d e r g ä n g e r hängt mit der Idee der T.seele zusammen. Solche T.seelen, namentlich die von T.en, die lebendig im Grund einer neuen Kirche eingegraben wurden (s. T . o p f e r ) , bewachen in Schweden als Kyrksgrimm die Kirche gegen Kirchen- und Grabfrevler ββ ). Umgekehrt entstand aus dem Glauben, daß sich die Seele des lebenden Menschen in irgend einer T.gestalt verkörpern könne, die Vorstellung v o m S e e l e n t . A l s Maus, Wiesel, Kröte, Schlange u. a. verläßt die Seele durch den Mund den Körper des schlafenden Menschen, u m nach einiger Zeit auf demselben W e g wieder zurückzukehren. Daher das englische Sprichw o r t : to day a man, to morrow a mouse{yg\. nhd. mausetot)β7). So sah nach Paulus Diaconus, Hist. Langob. I I I 34, der Diener des Frankenkönigs Gunthram aus dem Mund seines schlafenden Herrn eine Schlange hervorkriechen, wie in der Vita Galli ein Dämon in Heuschreckengestalt einen Menschen verläßt; der erwachende Gunthram erzählt dann das, was dem Seelent. begegnet ist, als seinen T r a u m (s. d.) ®8). Die Brücke z u m Glauben an die Seelenwanderung schlägt die Vorstellung, daß die Seele Sterbender in T.gestalt, besonders als Vogel, auch als geflügeltes Insekt (Biene) dem Körper entweicht 69 ). Hierher gehört die weitverbreitete Idee v o m S e e l e n v o g e l (s. d.) 7 0 ). Die Vorstellung vom Seelent. scheint mit dem Glauben an das S y m p a t h i e t . in engem Zusammenhang zu stehen 7 1 ). Ein

791

Tier

Metzgerbursche sah, als er neben einem schlafenden Kameraden an einem Weiher saß, aus dem Mund des Schlafenden ein T . kommen und zum B a d in den Weiher kriechen. Als es wieder durch den Mund des Schläfers einschlüpfen wollte, erstach er es mit seinem Messer, und sein Kamerad w a r tot n ) . Ein ostdeutsches Märchen erzählt von einem K i n d mit einer Schlange, die an all seinen Mahlzeiten teilnimmt und im Tod das Leben des Kindes mitnimmt 7 3 ). In einem anderen Märchen muß das Kind sterben, weil die Mutter sein Sympathiet., eine Unke, aus Ärger über das häßliche T . mit einem Holzscheit erschlagen h a t 7 4 ) . Der Sympathiet.glaube beschränkt sich nicht auf Deutschland, er ist nach Ausweis des über ganz Europa verbreiteten Märchenmotivs v o m Mann mit dem Eber (Balkanmärchen Nr. 59) europäisches Gemeingut und auch in anderen Erdteilen nicht unbekannt, wie das afrikanische Märchen von der Frau mit dem Büffel schlagend beweist 7 5 ). Die S e e l e n t . e wohnen i n d e r G e b ä r m u t t e r , wo das neue Leben entsteht (T.e als Seelenbringer?). Wie die Seele schlüpft die Gebärmutter als Schlange, Wiesel oder Kröte aus und ein und wird nach ihnen benannt, wie auch umgekehrt diese T.e von ihr den Namen bekommen. Daher auch die Bezeichnung fahrendes T., Herzwurm, Herzkröte ( = aufsteigende Gebärmutter) für hysterische Unterleibsbeschwerden 7 e ). Uberhaupt spielen Schlangen geheimnisvoller A r t in vielen Sagen und Überlieferungen eine Rolle (vgl. T . k u l t § 3). Die bekannteste F o r m ist die schon den Griechen als oíxoupií όφις, der genius loci der Römer, bekannte, in ganz Deutschland als Glücksbringer angesehene H a u s schlange. Sie liegt unter der Türschwelle, auf der man deshalb nicht Holz spalten darf (Bayern, Voigtl., Böh.) und wird mit „Semmelmilch" gefüttert (Kultspende). Tötet man sie, kommt Unglück über das Haus. Nach anderer Version hat jedes Haus zwei Schlangen, ein Männchen und ein Weibchen. Lassen sie sich sehen, so stirbt der Hausherr oder die Hausfrau (Seelen-, Sympathiet.) 7 7 ).

792 T y l o r Cultur 1, 462; S c h r a m e k Böhmer-

wald 2 3 7 ;

Sartori

Sitte

und

Brauch

2, 6 1 ;

J o h n Westböhmen 206; Erzgebirge 226; L i e b el r e c h t Zur Volksk. 17. ) R o c h h o l z Kinderβ2 lied 71 ff. ) Urquell N . F . 1 (1897), 46. 43 ) T y l o r Cultur 1,462ft.; R o h d e Psyche 2,

122.274.4; S c h m i d t Gottesidee 1,90; S c h ö n -

werth

Oberpfalz 3, 192 Nr. 2;

Liebrecht

Zur Volksk. 17; R o c h h o l z Sagen 2, 6. 20. 47. 7 3 ; W u n d t Mythus u. Religion 2, 166. 185;

J a s t r o w Birth-Omens 71; S é b i l l o t Folk-Lore з, 5 f . " ) G r i m m Myth. 2, 5 5 7 ! ; S c h i n d -

l e r Aberglaube 2 8 f . ; W u n d t Mythus u. velle

75;

Verwandlung

Schäfer

Grimm

Myth.

Religion

G e r h a r d t Franz. No-

2, 179. 191; 3, 39öf.;

2,

gi9f.;

88.

97f.

Mannhardt

Germ. Mythen 692 s . ; L i e b r e c h t Gervasius 1 6 9 ;

W u n d t Mythus u. Religion 2, i 8 o f . ; B o l t e P o l f v k a 2, 234Í. 2 7 0 ! ; T e g e t h o f f Amor u. Psyche 6 2 f f .

ββ

) M e y e r Germ. Myth. 66. 93·

" ) L i p p e r t Christentum 503f.; W u n d t Mythus и. Religion 1, 163. 358f.; A c k e r m a n n Shakespeare 3 4 f . ; S c h ä f e r Verwandlung 51. 5 9 ; ω L e s s i a k G í ' c A í 122. ) M u u s Altgerm. Relig-

39ff.; M e y e r Germ. Myth. 63Í.; W i t t s t o c k β Siebenbürgen 9. · ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 105; J a h n Pommern 138; W u n d t 70 Mythus u. Religion 1, 146. ) G. W e i c k e r Der Seelenvogel in der alten Literatur u. Kunst 1903; S c h e f t e l o w i t z Altpaläst. Bauernglaube

i 2 f f . ; M e y e r Germ. Myth. 63. 67; A c k e r m a n n

Shakespeare

3 5 7 ; W i t t s t o c k Siebenbürgen

8f.

) Naumann Gemeinschaftskultur 115. ,3 ) P a n z e r Beitrag 2, 196. ) B r u n n e r Ost74 deutsche Volksk. i 2 8 f . 142. ) G r i m m Märchen Nr. 105; B o l t e - P o l i v k a 2, 459-65; N a u m a n n Gemeinschaftskultur 104. 7 S ) N a u 71

7S

m a n n Gemeinschaftskultur 99ff. Gicht 77

122.

129;

Meyer

Germ.

76

) Lessiak

Myth.

63f.

) G r i m m Myth. 2, 571 f. ; 3, 197; T y l o r Cultur

2, 240Í.; L i p p e r t Christentum 491 ff.; F r a n z Benediktionen

2,

171;

Brunner

Ostdeutsche

Volksk. I 2 8 f . ; W i t t s t o c k Siebenbürgen 11.

5. In manchen griechischen Kulten waren T.opfer verboten, so am Altar des Zeus Hypatos auf der Akropolis zu Athen (Paus. I 26, 5), des 'Απόλλων Γενετωρ in Délos (Diog. L a . V I I I 13) u. a. Die Mysten des Zeus vom Ida (Eurip. fr. 472 T G F 2 v. 18), die Orphiker (Plat. leg. V I . 782 C), vor allem aber die Pythagoreer (später Neupythagoreer, Neuplatoniker, Essener und Therapeuten) enthielten sich der έμψυχα bei Mahlzeiten und Opfern 78 ). A l s Motiv dieser Verbote wird die Furcht vor der dämonischen Seele des getöteten T.s anzusehen sein, als deren Sitze besonders Herz und Gehirn gelt e n 7 9 ) (daher die pythagoreische Vorschrift χαρδίαν μη τρώγειν, έγκέφαλον μή

793

Tier

èaôieiv), vielleicht auch Galle und Gebärmutter (pythagoreisch : μήτρας άπέχβσθαι; Plut. Horn. ex. fr. 4, Bd. V I I 100 Bern.; Diog. La. V i l i 19; Porph. v. P. 45), vor allem aber das B l u t w ) . Deshalb sind Menschen und T.e, die Blut von T.en vergießen, nach demVolksglauben u n r e i n ; im alten Griechenland die J ä g e r (Arrian, χονηγ. 32; Porphyr, v. Pyth. 7), im japanischen Kamikult die M e t z g e r (vgl. μάγειροι Porphyr, v. Pyth. 7) 8 1 ). Daher sind alle Raubt.e nicht nur bei Juden und Indern für den menschlichen Genuß verboten, ebenso Fische, die häufig als „Incorporationen der Seelen" gelten 82 ). Nach deutschem Volksglauben darf keine Schwangere von einem Raubvogel essen; denn solche Speise stößt dem Kind „den Boden" durch, es kann nicht satt werden oder stirbt an der Abzehrung (Oberpfalz) M ). Nicht nur f ü r d e n G e n u ß erscheinen uns heute manche T.e u n t a u g l i c h wie Maus, Wiesel, Eidechse, Schlange, eben jene S e e l e n t . e ; die meisten Menschen begegnen ihnen mit einer gewissen Scheu, ihr Anblick erregt bei ihnen unüberwindlichen Widerwillen : „Der von ihnen ausgehende Gefühlston ist an ihnen haften geblieben, da wohl die nämlichen Eigenschaften, die noch jetzt den Eindruck eines T.s bestimmen, einst bei ihrer . . . . Auffassung als Seelent. mitgewirkt haben" M ). Eines der wichtigsten Motive für die Auffassung von der U n r e i n h e i t g e w i s s e r T.e ist ferner der E k e l . Das gilt besonders für das Schwein, das nicht nur von den Juden, sondern auch von den Griechen und Ägyptern als unrein betrachtet wurde 85 ). Auch h y g i e n i s c h e R ü c k s i c h t e n (Plat. Sympos. IV 5 c. 3) spielten bei solchen Verboten eine Rolle (Einschränkung des im Orient nicht gerade zuträglichen Fleischgenusses, Trichinengefahr bei Schweinen u. a.) 8 e ). Aus dem mosaischen Recht fand die Anschauung, daß gewisse T.e als u n r e i n anzusehen seien, ihren Weg in die mittelalterlichen B u ß b ü c h e r , die nicht nur den Genuß von Blut verbieten, sondern auch das Essen von erstickten T.en oder von solchen, die von reißenden T.en

794

(Wolf, Fuchs, Hund und Raubvögeln) zerfleischt worden waren. Für die Buße galt nur Hunger als Milderungsgrund. Auf dieselbe Quelle geht auch die Vorschrift der Bußbücher zurück, daß Speisen und Getränke, die von gewissen T.en berührt und dadurch verunreinigt wurden, entweder weggeworfen werden müssen oder erst nach erfolgter Weihung genossen werden dürfen. Solche T.e sind: Mäuse, Wiesel, Hühner, Hunde, Katzen u. a., Geschöpfe, die als Seelen- und ehemals heilige T.e im deutschen Volksglauben von Bedeutung sind und darum Gegenstand der auf mosaischem Recht beruhenden kirchlichen Verbote wurden S 7 ). Uber (kirchliche) Speiseverbote bei (ehemals) heiligen T.en s. T . k u l t § 5, T . o p f e r § 1. *>) Wächter Reinheit 76a. '») Höfler M Organotherapie 55. 230. ) Wächter Rein8î heit 80fl. «) Ebd. 79. ) ARw. 17 (1914), 422ÍL; Andree Parallelen 1, 125. 8S) Schönwerth Oberpfalz 1, 152 Nr. 1. M ) Wundt Mythus u. Religion 1,388. 85) ARw. 17 (1914), 417! 426. 432f.; Ed. Meyer Gesch. d. Altertums 12*. 79. M ) ARw. 17(1914), 433a. " ) Fried b e r g Bußbücher 16 fi. 48 f.

6. Die Naturbetrachtung mancher Völker einer primitiven Kulturstufe liebt es, in den Naturgewalten und -ereignissen bestimmte T.e und ihr Treiben zu sehen. So sind ζ. B . nach dem Glauben der brasilianischen Bororó die großen Gestirne, Sonne und Mond, durch Zauberei an den Himmel versetzte und dort verwandelte Araráfedern, der Orion eine Schildkröte usw. ®8). Die besonders augenfälligen Phasen des zu- und abnehmenden Mondes können sich von selbst zu einer Geschichte entwickeln. So kann ein M y t h o s von dem glänzenden Helden (Vollmond) entstehen, der von einem T.ungeheuer (Neumond), einer vielköpfigen Schlange, einem Drachen, Wolf oder wilden Eber u. a. verfolgt und vernichtet wird 8 e ). Auch der W e c h s e l v o n T a g u n d N a c h t wird in den Bereich des M y t h o s gezogen. Die M o r g e n d ä m m e r u n g ist dem Orientalen der Schweif des Wolfes, vom Zwielicht sagt der Franzose entre loup et chien. Nach Antigonos v. Karystos (hist. mir. 56. 61) kommt Leto, die Mutter der Lichtgottheiten Apollon und Artemis (also „Die

795

Tier

graue Dämmerung" ?), als Wölfin (λυκαινα) in Begleitung von Wölfen aus dem Land der Hyperboreer nach Delos. Der r o t e F u c h s dagegen kann die M o r g e n r ö t e bezeichnen. Zu Wolf und Fuchs tritt als Symbol der aufgehenden S o n n e , des werdenden Tages, der L ö w e oder, wo dieser fehlt, der B ä r . Möglich, wenn auch keineswegs sicher, ist die Deutung assyrisch-babylonischer Denkmäler, welche den Kampf eines mit einem Sichelschwert bewaffneten Kriegers mit einem anspringenden Löwen darstellen, auf den mythischen Kampf zwischen Mond und erwachendem Tag ®°). Die auch von Mannhardt (A. W . F. 203) als sicher angenommenen germanischen Sonnent.dämonen, der Sonnenschwan (Sólar hjorte), Freys Eber und die Sonnenreste stammen teils aus fremder Tradition, teils ist ihre Deutung als Sonnensymbole ganz unsicher ®1). Den breitesten Raum im T . m y t h u s nehmen die m e t e o r i s c h e n T . d ä m o n e n ein. Man kann, ohne die Trennung streng durchführen zu können,drei Gruppen unterscheiden: I. W o l k e n - , 2. S t u r m - , 3. G e w i t t e r t . e . Unter den Wolkent.en steht an erster Stelle die milchspendende K u h , dann die Geiß und der Hirsch u. a. Die hohen, weißen Wölkchen (Cirro-Cumuli) kennt jedermann als „ S c h ä f c h e n " 9 2 ) . Eine französische Wetterregel lautet: Brebis qui paraissent es-cieux, Font le temps pluvieux ou venteux, während es im Deutschen heißt: Heute Schäfchen, morgen Wölfe 83). Als Nebelt.e begegnen Drache, Hase und vor allem Wolf und Fuchs. Im Glarnerland ist Fuchs geradezu ein Name der nebelbrauenden Zwerge 9 4 ). W i n d - u n d L u f t d ä m o n e n lieben nach gemeingermanischer Vorstellung V o g e i g e s t a l t (Adler, Rabe, Elster, Krähe, Schwan, Gans). So kommt der Wind, der den Mensch unsichtbar über das Meer braust, von den Schwingen des Iôtun Hrâsvelgr, der in Adlergestalt am Himmelsende sitzt. Später werden Eber, Stier, Wolf, Hund und besonders das Pferd (vielleicht aus der Zeit, als das Pferd bei den Germanen noch nicht Haustier war, also jüngere Steinzeit) die

796 beliebtesten Wind- und Stürmt.e 95 ). Das älteste und ausgebildetste der G e w i t t e r t . e ist der den meisten Völkern bekannte Drache, das Symbol der Wetterwolke und ähnlicher Lufterscheinungen. Von den Säuget.en gehören hierher: Der springende und stoßende Bock (s. d.), der erdaufwühlende Eber (s. d.), der Bär (s. d., dessen Gebrüll die Kamtschadalen und wahrscheinlich auch die Ainos im Donner wiedererkennen), der Dachs (s. d.), das durch Farbe und Schnelligkeit wie der rote Fuchs (s. d.) zum Blitzt, besonders geeignete Eichhörnchen (s. d.) und endlich die erst in der Völkerwanderungszeit nach Deutschland gekommene ( H e h n Kulturpflanzen 2 277), vorher vielleicht durch die Wildkatze vertretene Hauskatze. Darum soll man sich während eines Gewitters nicht in der Nähe von T.en, besonders von Katzen und Hunden, aufhalten. Denn diese ziehen den Blitz a n 9 e ) . Zu den Gewittervögeln zählen: der Storch, dessen scharfer, roter Schnabel zur Gleichsetzung mit dem Blitz reizte, der Specht, die Heerschnepfe und vor allem der wohl erst um 500 v . Chr. eingeführte Hahn (s. d.). Den Kuckuck hört man mit dem ersten Frühlingsgewitter, er kündet also Gewitter an. Die weit verbreitete Unsitte, Eulen zum Schutz gegen Zauber und Blitzschlag ans Scheunentor zu nageln, geht dagegen auf alten Opferbrauch zurück (s. T . o p f e r § 3 ) 9 7 ) . Die K o r n d ä m o n e n werden von den einen als theriomorphe Vegetationsgeister ®8), von andern als „die in Wald und Feld wirksamen" meteorischen T.dämonen 99) aufgefaßt. Es ist der Kornwolf oder Roggenhund (s. Korndämonen), der im Sommer durch das im Wind wogende Korn läuft. In Rügen spielt er den Schnittern allerlei Schabernack; in seiner Gefräßigkeit frißt er ihnen ihr Frühstücksund Vesperbrot weg: daher das Sprichwort „he frett asn Roggenwulf". In zahlreichen Erntebräuchen und -spielen ist von solchen „Kornt.en" die Rede, die beim Schnitt der letzten Garbe getötet, in den Zwölften wieder erweckt und im Vorfrühling (mit dem Blitz) in die Aussaat geführt werden, um dort ihre schädliche

797

Tier

oder segenbringende Tätigkeit wieder zu beginnen. Auch in der Farbe stimmen sie mit dem goldenen oder weißen Korn überein (Goldferch, chien blanc) 1 0 0 ). Die meteorischen T.dämonen nähern sich einerseits den alten Seelent.en, andrerseits werden sie zu Ungeheuern und Gespenstert.en, welche Menschen und T.e belästigen und schädigen. So verkörpern sich ζ. B. die Schrecken der Natur in der Totenkopfspinne in der Wildgfahrhöhle am Naturnser Sonnenberg, im Rollibock, der früher im Aletsch hauste, einem Bock mit großen Hömem und feurigen Augen, der statt der Haare mit Eisschollen behängt war. Der Gießbach, der aus den tiefen Klüften plötzlich alles vernichtend hervorbricht, ist ein riesiger Lindwurm oder Drache 101 ). Meteorische T.dämonen, die den segenbringenden Regen und das gleißende Gold des Blitzes und der Sonne hüten, Ackerdämonen, die das Korngold verwahren, gelten als Schatzwächter102). Im wilden Heer fahren sie durch die Luft. Als die Dämonen anthropomorph gedacht zu werden anfingen, wurden die t.gestaltigen Verwandte der menschengestaltigen, ζ. B. Kornwolf und Roggenhund Kinder der Kornmutter (s. d.) 103 ). Die weitere Entwicklung zum Begleiter und schließlich zum Symbol der Dämonen verläuft völlig parallel der des T.gottes zum heiligen T. usw. (s. T.kult §§3u. 4).

88 ) ZfVk. 4 (1894), 105. »») S p i e s s Prä,0 hislorie 10. ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 2 1 6 ; S p a l d i n g König der Tiere 1 4 s . ; S p i e s s el Prähistorie 10. ) M e y e r Germ. Myth. 94. S2 ) Ebd. 95ft. · 3 ) M a n n h a r d t Roggenwolf 94 51 ff.; L a i s t n e r Nebelsagen 22Ì. ) Meyer Germ. Myth. 93; L a i s t n e r Nebelsagen 2 1 . 28Ì. **) H e l m Religgesch. 1 , 204ff.; C a r u s Zoologie i g f . ; M e y e r Germ. Myth. 93. i i 2 f . 142. ® e ) M e y e r Germ. Myth. 93ft.; S p a l d i n g König 97 der Tiere 14. 20; ZfrwVk. 1910, 65. ) M e y e r Germ. Myth. iogß. " ) Mannhardt Forschungen 68; F r a z e r Golden Bough 2, 3 3 ; 7 (5, 1), 270ff. · · ) M e y e r Germ. Myth. 94f. 100 ) M a n n h a r d t Roggenwolf; M e y e r Germ. 101 Myth. 94f.; R a n k e Sagen 203. ) Meyer 102 Germ. Myth. 94; R a n k e Sagen 2 0 4 5 . ) M a n n h a r d t Korndämonen 12. 39. 4 1 ; P a n z e r 103 Beitrag 1, 286. ) M a n n h a r d t Roggenwolf 30.

7. Neben solchen ausgesprochenen Phantasiegebilden können auch wirkliche

798 T.e infolge ihrer dunklen Färbung, ihrer nächtlichen Lebensweise oder ihrer merkwürdigen Gestalt in den Ruf von D ä monent.en kommen. Das sind vor allem Maus, Kröte, Schlange (Seelent.e!), Fledermaus, Maulwurf, Hase usw. 104 ). Von den Vögeln gehören hierher namentlich Eule und Ziegenmelker (Habergeiß, s. d.), die beide als Todesboten gelten. In Tirol zählen dieNachtt.e zu den ungesegneten T.en 105 ). Solche T.e haben die Gabe des bösen B l i c k s (das leuchtende Raubt.auge) 10e ). Oft zeigen sich Geister in T . g e s t a l t , und zwar Seelen von V e r d a m m t e n wie auch arme Seelen (s.d.). Grundlage dieser Vorstellung ist der Glaube an das irdische Fortleben der Seele 107 ). In Tirol hält man die Kröte (s. d.) allgemein für ein geisterhaftes Tier, in dem sich mit Vorliebe arme Seelen verkörpern. Deshalb darf man sie am Allerseelentag nicht töten 108). In den Zwölften sind sie gefährlich, wahrscheinlich weil sie durch die Rückkehr der Seelen in dieser Zeit ihre dämonische Natur wieder erlangen109 ). Von Vögeln begegnet neben Eule und Rabe (Todverkünder) besonders der Hahn (s. d.) u o ). Daher lassen auch nächtliche Kobolde Spuren wie von Hahnenfüßen in der auf den Fußboden gestreuten Asche zurück 1 U ). Sonst erscheinen die Toten auch als Hunde (Geizhälse), feurige (d. i. feuerspeiende) Schweine, wie im J . i860 in Oberlosa eines ein verrufenes Haus verließ, in dem einige Tage vorher ein alter Mann gestorben war 1 1 2 ). Auch als Katzen müssen manche Seelen umgehen. Besonders sind es Seelen von Missetätern, die als T.e ihr Wesen treiben. Im rechtsrheinischen Kölner Gebiet, wo alte Opferund Begräbnisstätten festgestellt wurden, irren nachts gespenstische Rosse umher 1 1 3 ). Außer allem Zweifel steht die dämonische Natur der Schlange (s. d.). Das Mittelalter folgte antiker Tradition, wenn es sie unter die Gespenstert.e zählt, in denen Menschenseelen fortleben. Verstärkt wurde die Auffassung vom dämonischen Charakter der Schlange durch den biblischen Bericht vom Sündenfall 114 ). Des-

799

Tier

halb erscheint sie mit ihren Abarten, Drache und Lindwurm, mit Vorliebe als Schatzwächter 116 ). Die bekannteste Erscheinungsform ist der (die) in zahlreichen Sagen wiederkehrende O t t e r k ö n i g ( i n ) , der (die) sich den Leuten gegenüber, die ihm (ihr) Wohltaten erwiesen, dankbar zeigt und sie reich belohnt. Gegen den Räuber seiner Krone hetzt er alle Schlangen. Der Freier der Otterkönigin, die sich ihm als herrliche Jungfrau gezeigt hatte, wird von den Schlangen zu Tode gehetzt 11β ). Mit den auf alte Seelent.e zurückgehenden Dämonent.en und den meteorischen T.dämonen in mehr oder weniger naher Beziehung stehen die in prähistorischer Zeit eine bedeutende Rolle spielenden l e i c h e n f r e s s e n d e n D ä m o n e n , die seit dem Aufkommen der Leichenverbrennung sich zu die T o t e n e n t f ü h r e n d e n D ä monen in T . g e s t a l t entwickelten. Die gemeingermanische Gestalt des Totenführers ist das Pferd. Durch Gleichsetzung dieses Totenpferdes mit dem rossegestaltigen Sturmdämon (s. o. § 6) entstand ein Dämon, der im Sturm die Seelen ins Totenreich führt. Ein Beispiel dafür ist der nordische Sleipnir. Unsere Sage vom wilden Heer ist nichts weiteres als „die Vorstellung eines Sturmdämons und Totenführers, der als menschliche Hypostase des alten T.dämons zu gelten hat". Der wilde Jäger selbst heißt Goi. In der Schweiz heißt der Dürst (s. d.) auch Gäut. 1 1 7 ). Durchaus präanimistischer Natur sind T . d ä m o n e n , die als A b b i l d e r w i r k l i c h v o l l z o g e n e r T . o p f e r aufzufassen sind. Da diese Opfer mit Vorliebe durch Versenken des T.es in Flüssen oder Seen dargebracht wurden, erscheinen solche Dämonen vor allem an solchen Orten U 8 ). Der „Viehschelm" ist ζ. B. ein Stier, „aber nur zur vorderen Hälfte leibig, in der Mitte geht er aus und schlenzt die leere Haut hintenach". Sein Erscheinen kündet eine Viehseuche an 119 ). Besonders häufig tragen solche „Wassergeister" Pferdegestalt 120 ). Von hier bis zu den g e s p e n s t i s c h e n T.en ist nur ein kleiner Schritt. Verwegene

800

Hirten und Jäger begegnen im Hochgebirge schrecklichen T.en, die sie in den Abgrund ziehen m ) . Besonders häufig sind allerorts Pferde, Schafe usw. ohne K o p f , d r e i b e i n i g e Pferde, Böcke, Ziegen, Hunde, Hasen, Katzen, Kaninchen, Füchse. Der Jäger, der den w e i ß e n H i r s c h mit goldenem Geweih schießen will, wird selbst von der Kugel getroffen (Thüringen). E i n w e i ß e s Reh springt einem Reiter aufs Pferd und haucht ihn an; sein Haar wird sofort weiß (Thür.). Ein s c h w a r z e r B ä r m i t F e u e r a u g e n , schwarze Katzen und Hunde, Kühe und Kälber mit tellergroßen Augen belästigen den nächtlichen Wanderer und hocken ihm auf (s. Schrättel, s. d.) 122 ). Manche davon sind D o r f t . e (s. d.). Im sog. Rapperswiler- und Arterkrieg (1656) wurde eine ganze Truppenabteilung durch ein gespenstisches T. in panischen Schrecken versetzt und floh Hals über Kopf 1 2 3 ). Sonst suchen sich die Gespenstert.e mit Vorliebe einzelgehende Wanderer als Opfer aus, denen sie auf Brücken auflauem, um sie ins Wasser zu stoßen; auch einsame Hügel, Felder und Wälder gehören zu ihren beliebtesten Plätzen 124 ). Bisweilen finden unredliche Menschen, etwa Obst« diebe, durch solche T.e Strafe und Tod 12δ). In manchen Gegenden glaubt man, daß dies u n g e s e g n e t e T.e, d. h. T.e, denen Gott nach ihrer Erschaffung den Segen nicht spendete 18e ). Auch f r e v e l h a f t g e t a u f t e T.e werden zu wütenden Monstra, wie etwa die bald nach 679 geschriebene Vita s. Salabergae (Mabill. Act. SS. O. s. B. saec. II. Ven. 1733 p. 40) c. 15 zu erzählen weiß 12 '). Die T . m a h r e (s. Mahre) hat oft einen glatten oder einen haarigen, rauhen Körper (Beschaffenheit des die Atemnot verursachenden Bettstücks!), ist also eine Schlange (Stollenwurm, Unke, Drache), ein Aal, Igel oder eine Katze. Die Verwandtschaft mit dem Seelent. ist bei den dem Mund des Schlafenden entschlüpfenden T.mahren offensichtlich. Als Bär, Bock, Schwein oder Pferd wird die Mahre gedacht, wenn der Eindruck schweren Umarmens, Stoßens und Stampfens vorherrscht. Umgekehrt werden besonders

Pferde, seltener Kühe, nachts von der Mahre geritten, wobei die T.e stark in Schweiß geraten 128). Nach mündlicher Mitteilung glaubt man heute noch in Hohenzollern, die Mahre flechte beim nächtlichen Besuch den Pferden Zöpfe in die Mähnen. Auch der T e u f e l (s. d.) und die H e x e n (s. d.) erscheinen gern in T . g e s t a l t (Katzen, Böcke, schwarze Hunde, Kröten, Fledermäuse u. dgl.) 129 ). Wie Ahriman als Fliege sein Unwesen treibt, Loki die Fliegengestalt besonders liebt, so erscheint der Teufel gern als Fliege (vgl. Βα'αλ μυΐα IV Reg. ι) 1 3 0 ). Die Vorstellung, daß er manchmal auch die Gestalt eines ungeheuren Ebers annimmt (Savoyen), erinnert an die Dämonen in Schweinsgestalt, welche der hl. Antonius durch das Kreuzzeichen verjagte (Vita c. 25), wie überhaupt dem λΙΑ. die Vorstellung von Dämonen als Schweinen geläufig war (Greg. Dialog. 1. III c. 30. Migne LXXVII288). Nach einer dänischen Sage brachte eine Zauberin ein Schwein zur Welt, dessen Borsten über die Wälder reichten, und das die Erde so tief aufwühlte, daß das Meer sich in den Graben ergoß 131 ). Hexen verwandeln sich am liebsten in Katzen und Kröten. Begegnet man deshalb zweideutigen Katzen, so halte man den Daumen gegen sie (apotropäisch, s. Feige) m ) . Aber die von den Hexen beliebten Wanderungen als T.e sind sehr gefährlich. Wird nämlich ein solches T. gefangen, verwundet oder getötet, so wird immer die Hexe selbst getroffen, zum mindesten aber „gezeichnet" 133 ). 104

) Ranke

Sagen

207Ü.

214t.;

Hovorka-

K r o n f e l d 2, 218. 105 ) H e y l Tiro/785 Nr. 129. loe ) S e l i g m a n n Blick 1, 120; G r i m m Myth. 3, 439 Nr. 156; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 24I 10 ') S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 191 ff.; W r e d e Rhein.

Volksk. 141 f.

paläst.

Bauernglaube

loe

) Z i n g e r l e Tirol 1 1 4 ;

109 L i p p e r t Christentum 502. ) Lippert 110 Christentum 503. ) S c h e f t e l o w i t z Alt-

12Ì.;

Ackermann

Shake-

lu speare 73. ) W e i c k e r Seelenvogel·, V e r n a l e k e n Alpensagen 116; ZfdMyth. 1, 400;

Scheftelowitz lu

802

Tier

8οι

Altpaläst.

Bauernglaube

) M e i c h e Sagen 49 Nr. 41.

Rhein. Volksk. tionen 2, 172.

U3

13.

) Wrede

114 141 f. ) Franz BenedikU5 ) L i p p e r t Christentum 495;

W u t t k e 51 § 57. ) R a n k e Sagen 209!; K i i h n a u Sagen 2 , 3 6 1 s . ; 3 6 6 Nr. 9 7 1 ; 3 6 7 Nr. lle

Β J c b t o l d - S t i u b l i , Aberglaube V I I I

9 7 3 ; 3 6 9 N r . 9 7 4 ; M e i c h e Sagen 395 N r . 5 i 5 f . ; 396 N r . 5 1 7 ; 397 N r . 5 1 8 ; 398 N r . 5 1 9 . 5 2 1 ; 3 9 9 117 Nr. 522f. ) H e l m Religgesch. 1, 2 0 9 f t . ; 11β G r i m m Myth. 3, 281. ) N a u m a n n Ge118 meinschaftskultur 50. ) Leoprechting 12 Lechrain 7 5 . °) R a n k e Sagen 2 0 0 f . ; S é 1M b i l l o t Folk-Lore 3, 356. ) K u o n i St.

m Galler Sagen 90. ) G r i m m Myth. 3, 189; M e i c h e Sagen 47S. Nr. 3 7 — 8 7 ; K ü h n a u Sagen з , 45gff. N r . i 8 4 2 f f . ; E i s e l Voigtland 13öS. Nr. 3 5 0 — 3 5 4 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3 , 1 9 1 ff.;

m S é b i l l o t Folk-Lore 1, 192. 240. ) Rochm h o l z Schweizersagen 2, 28. ) Schambach и. M ü l l e r 196 Nr. 214; S t r a c k e r j a n 1, 294; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 198; B a r t s c h Mecklenburg 1, 141 f.; D r e c h s l e r 2, 181; ZfrwVk. 1906, 297; S é b i l l o t Folk-Lore 2, 125 l2< ) 136. 347. ) S t r a c k e r j a n 1, 289. 127 ZfdMyth. 2 ( 1 8 5 4 ) , 3 5 1 . ) Germania 1 0 128 ( 1 8 6 5 ) , ioof. ) M e y e r Germ. Myth. 7 7 . ls ») S t r a c k e r j a n 2, 132 Nr. 367; ZfdMyth. 1 130 (1853), 294. ) G r i m m Afy/A. 2 , 8 3 4 ; 3 , 2 0 3 . 131 ) F r a n z Benediktionen 2, 131 ; G r i m m Myth. 13î) 3, 191; S é b i l l o t Folk-Lore 1, 290. G r i m m Myth. 3, 456; A c k e r m a n n Shakespeare 133 41. ) W u t t k e 160 § 217.

8. Αίσχίω θηρίων των πρωίας ωρας δνομασθηναι δοσχλγ, δονίβτων (Lukian, Erotes 39)· Solche Scheu, gewisse T.e überhaupt oder bei ihrem richtigen Namen zu nennen, führt zu dem weitverbreiteten Brauch des T . e u p h e m i s m u s . Es findet sich in der Regel nur bei T.en dämonischer Natur. So wird ζ. B. in Indien der Bär „der mit dem langen Haar" genannt, in Schweden heißt er „Goldpfote, Süßpfote", in der T.fabel „Bruno, Brüne, der Braune". Seine häufigsten Beinamen sind „Alter, Väterchen, Großvater". So kennt ihn das siebenbürgische Rätsel: Sie wohnen in einem grünen Haus, Der G r o ß v a t e r hat einen braunen Kotzen an, (der grîsfôter hôt en brome kôzen un) Der V a t e r hat einen grauen, Der S o h n einen feuerroten. Das E n k e l c h e n hat gläserne Augen Und zwei Türmchen auf dem Haupt. (Auflösung: Bär, Wolf, Fuchs, Hase.)

Auch den Wolf und „Langschwanz" Fuchs vermeidet man mit Namen zu nennen. Vor allem aber bieten die unheimlichen Seelent.e für solche Euphemismen reiche Gelegenheit. Schlange, Kröte und Wiesel heißen Mühmlein, auch „Fräulein, froie Jüngferchen" wird das Wiesel genannt, in Norddeutschland einfach det ungenômte diert (das u n g e n a n n t e T . ) . Die Maus ist in Mecklenburg ein „ B o n l ö p e r "

(Bodenläufer) 134 ). 26

803

Tier

1 3 4 ) G r i m m Myth. 3, 324; C r o o k e Northern India 218; S p a l d i n g König der Tiere 6; L e s s i a k Gicht 1 2 1 ; Z f V k . 8 (1898), 393; W u t t k e

64 § 74·

9. In zahlreichen Fällen sind T. e G e g e n s t a n d v o n Z a u b e r mancher Art. Zauberer wie der „Lauterfresser" (Tirol) u. a. können allerhand T.e (Mäuse, Ratten, Pferde usw.) „machen" 13S ). Hexen können den Leuten T.e in den Leib zaubern, weshalb man von alten Weibern nichts Eßbares, besonders keine Birnen und Äpfel nehmen soll 1 3 6 ). Auch den T.en selbst droht von den Hexen Gefahr. Geht ein T. über einen „biesen Fleck", so fängt es an zu zittern, magert ab und verendet 1 3 7 ). Schneidet man ihm dann das Herz aus, steckt 30 Stecknadeln darein und hängt es in den Schornstein, so empfindet die Hexe die Qual und meldet sich (s. N a d e l ) 1 3 8 ) . Geister und Nachtfrauen reiten nachts Pferde, diese haben dann Stegreif, Strick, Wolle in der Seite und sind mit Wachsbeträuft (Kaisersb.', om. 42a. 43 a ) 139 ). Wenn dieDrud (s.d.) die T.e reitet, fauchen und stöhnen sie und stehen morgens mit Schweiß bedeckt, mit verfilzten Haaren, die Pferde mit Zöpfen in der Mähne im Stall. Von dem Zwang, „zu gehen", kann die Drud befreit werden, wenn sie ein besonders schönes Pferd oder die schönste Kuh im Stall erdrücken darf. Die T.e merken ihr Kommen und „schludern" (schlottern) 140 ). Ein gutes Mittel gegen die Nachtmahr sind Schweineborsten in ein unten in die Tür gebohrtes Loch gelegt 1 4 1 ). Wenn man „zügelt" (mit dem Vieh umzieht), nimmt man die T.e „z'hindervor" aus dem Stall, wodurch die Hexe irre geführt wird (vgl. Herakles-Cacus). Oder man legt vor Verlassen des Stalles das Taschenmesser so auf den Rücken, daß die T.e darüber wegschreiten müssen (s. S c h n e i d e n d e s , S p i t z i g e s ) . In Nordostschottland gelten T.e, die ihre Leine um den Hals haben, als geieit gegen Hexen. Vielleicht verfolgt die „ T a u f e " der Schafe, die zaubersüchtige Hirten mit Salz vornehmen, denselben Zweck 1 4 2 ). Die T.e haben in ihren natürlichen Waffen gute S c h u t z m i t t e l g e g e n d e n b ö s e n B l i c k , die sie gut zu nützen ver-

804 stehen 143 ). Begreiflich, daß deshalb auch T.e oder einzelne Teile von ihnen sowie ihre Bilder als Abwehrmittel gegen Zauberei gelten. Diesem Zweck dienten zahlreiche T.figuren aus Erz und Blei, besonders auch die T.bilder auf Helmen und an Schwertern 144 ). Daher ist auch die Zahl der A m u l e t t e a u s d e m T.r e i c h so überaus groß. Im Mittelalter handelte man mit Zetteln, die mit Fledermausblut bemalt waren 145 ). Beliebt sind vor allem Zähne verschiedener T.e, wie sie noch heute vielfach an den Uhrketten getragen werden. So trug der Angelsachse den größten Zahn, den er einem lebenden Dachs ausgeschlagen und zu unterst mit Leinen, darüber mit Silber und Gold umhüllt hatte, als Schutzmittel gegen die Wirkung der Gestirne, gegen Zauber, Hagel, Sturm und Krankheiten 14e ). Gegen Schnupfen trug man das Schlangenauge, gegen Nervenleiden die Schlangenhaut. Bei oberbayrischen Jägern findet man oft Gemsklauen, Natterköpfe, Adleraugen u. dgl. 1 4 7 ). Im Ural kratzt ein Mädchen einen Burschen heimlich mit einer Bärenklaue, um ihn zur Liebe zu zwingen, während in Litauen nach dem Volksglauben die scharfen Krallen der Raubtiere (Bär, Luchs) den Seelen Verstorbener den Glasberg, d. i. den Himmelsberg, erklettern helfen 148). Der G e n u ß d e s T . h e r z e n s u n d T . b l u t s machte unverwundbar und seuchenfest, verschaffte aber auch die Gabe der Unsichtbarkeit, ließ in die Zukunft schauen und kommende Ereignisse prophezeien, befähigte, Schlaf und Träume der Menschen zu beeinflussen, die T.sprache zu verstehen, Geistermusik zu hören und Geister zu sehen und brachte Glück im Spiel 1 4 9 ). Wer ein Wolfsherz bei sich trägt, den frißt der Wolf nicht. Das Herz einer Eule, der Stein aus dem Rücken einer Fledermaus oder der Kopf eines Wiedehopfs bringen Glück im Spiel 150 ). Jäger nehmen Schrotkörner, Rehposten usw. aus einem erlegten T., um wieder sicher zu treffen. Ähnlich: So as en flint gut dod macht dut mer funi blut fume gedir as mer gschosse hot in der laf161). Einige kleinere T.e erlangen Z a u b e r -

8O5

806

Tier

k r a f t , wenn man sie l a n g s a m in der Hand sterben läßt (Maulwurf, Wiesel, Hamster, Kröte). Nimmt man dazu einen Maulwurf, so wird man immer Geld haben (Westf.); wer eine Maulwurfsgrille mit der flachen Hand auf der Erde zerdrückt, buttert leicht (Ostpr.) 152 ). Zum R e g e n z a u b e r werden die T.e verwendet, die sich unmittelbar vor dem Regen oder während desselben zeigen (Schlange, Frosch, Eidechse u. a.) und deshalb als Regenmacher gelten. Da der Frosch zu quaken pflegt, wenn Regen bevorsteht, hält man dies für die Ursache des Regens und veranlaßt das T. zu quaken. So zwickt man im böhmischen Pfingstzug einen Frosch so lange, bis er quakt, und tötet ihn dann. In Westfalen glaubt man, es gebe Regen, wenn man einen Frosch töte. Mancherorts setzt im Frühling ein richtiges Kröten- und Froschmorden ein, das vielleicht letzten Endes auf solchen Brauch zurückgeht, ohne heute noch richtig verstanden zu werden. Den ν ο η Έ . Η. Meyer aus Freiburg i. Br. berichteten Unfug habe ich selbst in meiner Jugend von Kameraden verüben sehen 153 ).

13S ) H e y l Tirol 180 Nr. 8 1 ; Urquell 1 (1890), 166; S A V k . 3, 86. 1 3 e ) A n d r e e Braunschweig 3 8 3 ; S é b i l l o t Folh-Lore 3, i 5 o f . l 3 7 ) S c h r a m e k Böhmerwald 258; D r e c h s l e r 2, 252. 1 3 9 ) D r e c h s l e r 2, 252. l 3 S ) G r i m m Myth. 3, 190. 14 ° ) P o l l i n g e r Landshut i i 2 f f . ; M e y e r Baden 5 1 4 . 1 4 1 ) G r i m m Myth. 3, 476 Nr. 878. " ^ Z a h ler Simmenthai 4 3 f . ; S e l i g m a n n Blick 1, 2 1 0 ; 2, 228. 289; G r i m m Myth. 2, 900 Anm. 3. 143 144 ) S e l i g m a n n Blick 2, 1 3 5 , 1 5 4 . ) Ebd. 2, 1 1 2 ; G r i m m Myth. 2, 5 7 3 ; L i e b r e c h t 145 Gervasius 98f. ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 4 1 , 1. 14e 147 ) F i s c h e r Angelsachsen 37. ) Stemp14e l i n g e r Sympathie 86ff. ) Hovorka150 K r o n f e l d 1, 4 1 7 . ) G r i m m Myth. 3, 442 151 Nr. 251 ; 444 Nr. 329; 462 Nr. 806. ) Frischb i e r Hexenspr. 1 5 5 ; F o g e l Pennsylvania 3 7 1 152 153 Nr. 1990. ) W u t t k e 128 § 1 7 4 . ) W u n d t Völkerpsychologie 3, 4 4 1 f f . ; G e s e m a n n Regenzauber 7 9 f . ; M e y e r Baden 1 5 7 .

10. Bei E r k r a n k u n g von T.en nahm man seine Zuflucht zu allerlei „bewährten" Hausmitteln, die nicht immer so drastisch zu sein brauchten wie das von dem alten Schäfer Schampel zu Bankwitz zur Heilung seiner „verrückten" Schafe zur Anwendung gebrachte (s. T . o p f e r §3) 1 5 4 ). So kostspielige „Medizinen" wie echte

Mumien konnte man natürlich nicht für jedes beliebige T. beschaffen. Aber den wertvollen Jagdfalken gab man sie entweder unmittelbar in pulverisierter Form ein oder streute das Pulver auf das Fleisch, das man ihnen zu fressen gab 156 ). Viel billiger waren die Zaubersprüche und Segen, wie einen etwa Cato, de agricultura (CLX 106 Keil) gegen Luxationen empfiehlt. Auch die Germanen verwendeten solche Sprüche (s. I n c a n t a t i o , Segen). Später war unter den abergläubischen Praktiken bei Bekämpfung der T.krankheiten geweihtes Brot (s. d.) von großer Bedeutung 158 ). Vor allem aber wandte man sich an die Heiligen, von denen ja eine ganze Anzahl ausgesprochen als Patrone des Viehstandes (Blasius, Antonius der Einsiedler, Martinus u. a., s. § 3) verehrt wurden. Man wallfahrte zu ihren Gräbern in der Hoffnung, eines Wunders gewürdigt zu werden 157 ). So ging man z. B. früher zum Kloster Kaltenhardt bei Weil (Kölner Sauerland), wo es übrigens nicht ganz geheuer ist ; denn Kaltenhardt war ein Bannungsort für Geister 158 ). Nach einer alten Ansicht gelten gewisse T.e als E r r e g e r von K r a n k h e i t e n . Spuren davon lassen sich noch in der heutigen medizinischen Terminologie feststellen (Krebs, Schanker, Wolf, Lupus, Fingerwurm, Skrofeln). Die Volksmedizin kennt ungleich mehr tierische Krankheitsnamen, die z. T. wahrscheinlich eine Frucht direkter Beobachtung sind (vgl. die Parasiten, Krätzmilbe, Spul-, Band-, Blasenwurm usw.), in der Mehrzahl aber einen durch die Ähnlichkeit der Schmerzempfindung mit einem Biß, Stich usw. verursachten metaphorischen Ursprung haben (z. B. ahd. zittarlûs impetigo, Schweiz, bibeli kleines T.chen, Laus, beißender Hautausschlag, kleine Eiterpustel, Hitzblätterchen, Wärzchen u. a.). Wenigstens die kleinen derartigen T.e stellte man sich wirklich im Leib sitzend vor, vor allem Würmer und Insekten. Zusammensetzungen mit „Wurm" (allg. für „Ungeziefer") bezeichnen gichtische Krankheiten: Gichtwurm,

fahrender,

roter,

umlaufender Wurm u. a. Interessant sind die Bezeichnungen Zieht, für Tetanus, 26*

8o;

Tier

laufendes, fahrendes T. für Arthritis vaga, ebenso schwed. lifmus Leibmaus, tschech. myS Maus für Sonnenstich bei Pferden usw. 189 ). K r ö t e n veranlassen Leib- und Rückenschmerzenleo). Bei plötzlichen Rückenschmerzen heißt es auch : der aust-bock (— Emtebock, ein mythologischesT. 1β1 )) hai ihn gestossen1β2). F i e b e r erscheint als schwarzer W i d d e r 1 ' 3 ) . Bamhakl ( = Specht) ist eine Art Krätze 164 ). Im Kopf kann man Grillen, Spinnen, Mücken, Motten, E g e l , Würmer usw. haben, daher: avoir des papillons noirs, des grillons dans la tête, le ver coquin für avoir des idées tristes. Wenn der Franzose für verrückt sagt araignée dans le plafond, so haben wir dazu ein Gegenstück in dem süddeutschen spinnenies). In Freiburg i. Br. sagt man: Du hesch Spinne gfresse für 1) Du bist schlecht gelaunt, 2) Du handelst widersinnig. Läuft einem ein Wiesel über den Rücken, so kann man nicht mehr aufstehen 1ββ). Die Tatsache, daß man solchen Krankheiten, besonders den Gemütsstörungen mit Beschwörungen zu Leibe ging, legt die Erklärung nahe, daß man in diesen,, krankheitserregenden" T.en Verkörperungen von Dämonen, Kobolden und Hexen erblickte 1β? ). Nach einem weitverbreiteten Glauben können menschliche Krankheiten auf T.e ü b e r t r a g e n werden (Sündenbock, s. d.), wodurch die Tiere meist selbst krank werden 16β). Gewöhnlich genügt, daß die T.e in der Nähe des Kranken sind. So nimmt man sie in Hessen mit ins Bett und schwitzt kräftig 1ββ ). Wenn man aber das T.e bedauert, kommt das Fieber zurück (Old.) 17°). Auch Rotlauf, Warzen, Abmagerung können so geheilt, Bandwürmer vertrieben werden 1 7 1 ). Schon bei Plinius 30,4 heißt es: Praecordia vocamus uno nomine exta in hotnine, quorum, in dolore cuiuscunque partis si catulus lactens admoveatur apprimaturque his partibus, transiré in eum morbus dicitur, idque exenteralo perfusoque vino deprehendi, vitiato viscere ilio, quod doluerit hominis; et obrni tales religio est, vgl. 30, 7 1 7 2 ). Im Altertum führte man die T.e auch um das Haus, die

8θ8 Stadt (bei Seuchen!) und Felder herum, um die schädlichen Stoffe aufsaugen zu lassen 17S ). In anderen Fällen hofft man Heilung durch die magischen K r ä f t e , die gewisse T.e (heilige T.e, Opfert.e ) besitzen174). Aristoph. Plutos 735 ff. helfen Schlangen bei der Heilung, wozu die ίάματα von Epidauros zu vergleichen sind. Nach I. G. IV 951, H3ff. heilt eine Schlange den kranken Finger eines Mannes durch Lecken, während der Kranke schläft. Durch Lecken heilten δπαρ auch die Tempelhunde (I. G. IV 952, 25ff.), wahrscheinlich auch die Schafe in den Asklepieia 17δ ). Nach dem deutschen Volksglauben vertreibt man Warzen, indem man schwarze Schnecken an Dornen aufhängt, wie man schweißige Hände dadurch heilt, daß man gewisse T.e in der Hand sterben läßt. Auf ein Krebsgeschwür bindet man einen lebendigen Krebs, bis er stirbt und vergräbt ihn vor Sonnenaufgang (Frk.) 17e ). Dann werden T.e oder ihre Teile (Organe, Gewebe, Ausscheidungen)unmittelbar als H e i l m i t t e l benützt 177 ). Die gebräuchlichsten T.e der Volksmedizin sind: Aal, Äsche, Adler, Affe, Ameisen, Amsel, Assel, Auerhahn, Bachstelze, Bär, Biber, Biene, Blutegel, Bussard, Dachs, Eidechse, Eichhorn, Elch, Elentier, Elster, Ente, Esel, Eule, Fasan, Fink, Fische, Fliege, Floh, Fledermaus, Fischotter, Forelle, Frosch, Fuchs, Gans, Geier, Gemse, Gimpel, Goldammer, Goldfisch, Gottesanbeterin, Habicht, Hahn und Henne, Hase, Hecht, Hering, Heuschrecke, Hirsch, Hirschkäfer, Holzkäfer, Hund, Igel, Insekten, Johanniswurm, Kanarienvogel, Kanthariden, Kapaun, Karpfen, Katze, Kaulbarsch, Krähe, Kranich,Krebs,Kreuzschnabel, Kreuzspinne, Kröte, Kuh, Lachs, Laus, Lerche, Maikäfer, Maiwurm, Maulwurf, Maulwurfsgrille, Murmeltier, Nachtigall, Papagei, Pelikan, Rabe, Rebhuhn, Reiher, Ruß, Sardelle, Schabe, Schildkröte, Schlange, Schleie, Schnepfe, Schwalbe, Schwan, Schwein, Skink, Skorpion, Specht, Sperber, Spinne, Stachelschwein, Star, Steinbock, Stiglitz, Storch, Strauß, Taube, Tintenfisch, Totenuhr,

809

Tier

Trotzkopf, Turteltaube, Wachtel, Wanze, Wiedehopf, Wiesel, Wolf, Wurm, Zaunkönig, Zeisig, Ziege (s. die einzelnen Artikel) 178 ). Ganz verwendet wurden u. a. Fuchs, Igel, Frosch, Würmer, Krebs. Von Organen und Geweben waren gebräuchlich u. a. Wolfsleber, Ziegenleber, Fuchslunge, Biberhoden, Blut, Fleisch, Mark, Fett und von „Abscheidungen": Horner, Nägel, Haare, Federn, Haut, Galle, Kot, Speichel, Honig, Wachs, Wolle, Schweiß, Milch, Eier. Unter dem hochtrabenden Namen Oleum p h i l o s o p h o r u m war ein in der Volksmedizin viel verwendetes, auch als Schwalben-, Schwülken-, Ziegel-, Ziegelstein-, Sehnen-, Brandund Dichtersteinöl bekanntes, ekelhaftes Gemisch aus stinkendem T.öl (Oleum animale foetidum) und Leinöl im Handel 1 7 9 ). Die F a r b e der T.e, die zu Heilzwecken dienen, spielt eine nicht unbedeutende Rolle. Gegen Epidemien und tiefe Wunden hilft eine Salbe, die aus der Milch einer farbigen Kuh oder Hirschkuh am Freitag gebuttert ist. Gegen Fieber hilft der rechte Fuß eines schwarzen Hundes als Amulett getragen. Das Reitenlassen auf schwarzen Füllen erleichtert den Kindern das Zahnen ebenso wie ein mit Zähnen abgebissener oder mit Gold abgeschnittener Mauskopf (Amulett!, Gernsbach) 180 ). Lebend halbierte Hühner, Katzen, u. a. werden aufgelegt, in Dalmatien auf die Fußsohlen gebunden 1 8 1 ). Fußgeschwüre bedeckte man mit Netzstücken frischgeschlachteter T. (Lämmer), während man in die von den Füßen solcher T.e abgesottenen Schuhe die Finger steckt, damit sie nicht „wehtuend" werden 182 ). Läßt eine Schwangere, die über die Zeit geht, ein Pferd aus ihrer Schürze fressen, so wird sie leicht gebären (Chemnitz) 183 ). Besonders gern wurden T . f e t t e angewendet. Die Kgl. Sächsische Apotheker-Taxe enthält noch im J . 1823 unter 20 verschiedenen tierischen Fetten Storch- und Reiherfett, Hühner- und Kapaunenschmalz. Ein „Heilkundiger", der 1896 sich vor dem Landgericht in Dresden zu verantworten hatte, verschrieb gegen „Kopfangst" u. a. Regenwürmeröl, Schneckenöl, Spicköl 184 ).

8l0

T . z ä h n e sollen Zahnleiden, besonders schweres Zahnen der Kinder beheben (similia similibus) 18S ). In München werden die Metzger öfters um das „SchweinsG'hörl" angegangen, das Labyrinth aus dem Ohr des Schweins; in der Westentasche getragen hilft es gegen Zahnschmerzen 18e ). Maulwurfszähne in einem Säckchen auf der Brust getragen, sind gut gegen Gicht 1 8 7 ). Gegen Gliedschwamm bestreicht man das Glied dreimal nach der Peripherie hin mit einem T . k n o c h e n , indem man gegen die Sonne sieht und spricht: „ I m Namen Gottes usw.". Auf Warzen drückt man kreuzweise einen T.knochen und wirft ihn dann den Hunden hin (Übertragung der Krankheit!) 1 8 8 ). T . b l u t heilt Wunden 189 ). Einreibungen mit Wieselblut galten schon im Altertum für gut gegen das „warme Podagra" 190 ). Auch gegen Epilepsie leistet das Blut gewisser T.e gute Dienste m ) . Das T.blut als Heilmittel ist offenbar ein Überrest des alten blutigen Kultopfers. Dafür spricht auch das kirchliche Verbot des Genusses von T.blut 1 9 2 ). Manche Heilmittel aus der T.welt sind ausgesprochen unappetitlich, ja ekelhaft. Schafläuse und Schnecken sind gegen Gelbsucht einzunehmen (I), geröstete und gestoßene Krötenmumie gegen Magenerkältung. Vor allem aber gehören hierher K o t u n d U r i n v o n T i e r e n : Frischen Kuhdreck legte man auf Geschwüre, Flechten behandelte man mit gedörrtem und pulverisiertem Hundekot m ) . Schweinemist wurde verwendet gegen Brand in den Gliedern (aufgelegt), Kolik (Decoct getrunken!), Nasenbluten u. a . 1 M ) . 154 155 ) K ü h n a u Sagen 3, 267. ) ZfrwVk. 1M 1906, 36f. ) F r a n z Benediktionen 2, 1 3 7 f . 15 ' ) Ebd. 2, 130; M e y e r Aberglaube 97. 158 158 ) ZfrwVk. 1909, 150. ) L e s s i a k Gicht leo i i g f f . ; Z a h l e r Simmenthai 24. ) SchweizM1 Id. 3, 877. ) M a n n h a r d t i62ff. 170; 182 Korndämonen 8. ) L e s s i a k Gicht 132t.; 1M B a r t s c h Mecklenburg 2, 310. ) Drechsler IM les 2,304. ) Grimm Myth. 3, 342. ) Les1M siak Gicht 133. ) R o l l a n d Faune populaire l 7, 123; L e s s i a k Gicht 1 2 1 . " ) Lessi1,e ak Gicht 133. ) W u n d t Mythus und Religion 1, 420. 500; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 418; 2, 16; Meyer Baden 4 1 . 5 7 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 132 Nr. 367; ZfVk. 18 (1908),

δι ι 311.

Tier 1M

) Hovorka-Kronfeld

««) W u t t k e 327 § 485.

m

2,

274 f.

) G r i m m Myth. 3,

466 Nr. 872; Hovorka-Kronfeld 1, 231; 172 173) 2, 103. ) Grimm Myth. 2, 979Í. S t e m p l i n g e r Aberglaube 91.

174

) Schindler

175 Aberglaube 163. ) D e u b n e r De incubalione 39; Kosmas und Damian 1 0 5 f t . ; Weinreich

l,e Heilungswunder 100. ) W u t t k e 322 § 477; 327 § 487; 345 § 515; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 48. 17 ') J ü h l i n g Tiere·, G r i m m Myth. 2, 981; S e y f a r t h Sachsen 292Í.; Z a h l e r Simmenthai

ZfVk. 8 (1898), 38. "«) HovorkaKronfeld ι, 413. 17>) Ebd. I, 414; Seyfarth

72f.;

1β0 Sachsen 293. ) G r i m m Myth. 3, 448 Nr.428; 454 N r . 581; F i s c h e r Angelsachsen 38;

lel S t e m p l i n g e r Sympathie 8 6 S . ) Seyfarth Sachsen 292; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 231. 18J ) J ü h l i n g Tiere 344; Z a h l e r Simmenthai 48. 1M ) G r i m m Myth. 3, 445 Nr. 337. " ^ Jühl i n g Tiere 3; S e y f a r t h Sachsen 296; Z a h l e r

Simmenthai

Jühling

ZfVk.

81.

185

) G r i m m Myth.

3, 189;

Tiere 345; S e y f a r t h Sachsen 298;

4 (1894), 83;

Sébillot

Folk-Lore

3, 5 o f .

187 ) ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 143. 18e W u t t k e 356 § 534. ) J ü h l i n g Tiere 344; 18e D r e c h s l e r 2, 287. ) G r i m m Myth. 2, 981 ; lw F i s c h e r Angelsachsen 38. ) K e l l e r Antike m Tierwelt 171 ; L e s s i a k G t c A i 131. ) Wuttke 1M

355 § 532·

1M

) Hovorka-Kronfeld 1, 418;

Hefele Conciliengesch. 3, 339 Nr. 67. " 3 ) S a r t o r i Westfalen 71; S e y f a r t h Sachsen 296.

1M

) J ü h l i n g Tiere I75ff.

I i . Schon im primitiven M ä r c h e n sind die T.e die bevorzugten, alle anderen Naturgegenstände Und -erscheinungen überragenden Träger der Handlung. Besonders häufig sind die M e t a m o r p h o s e n von Göttern und Menschen in T.e. Auch E h e n z w i s c h e n T.en oder in T.gestalt erscheinender Götter u n d M e n s c h e n kommen vor 19s ). Allmählich geht das geglaubte T.märchen, auf dessen ersten Entwicklungsstufe T. und Mensch gleichberechtigt nebeneinander stehen, mehr und mehr in eine poetische Erzählung über 1 8 e ). Ein mongolisches Märchen erzählt von einem schönen, in der Gewalt des Drachenfürsten befindlichen Mädchen, das gegen den Tag hin eine rote Hündin wird; der Jüngling, der das Mädchen heiratet, will die T.haut (s. § 4) verbrennen, aber das Mädchen verschwindet 197 ). Der alte Glaube, daß Tiere sich für die ihnen erwiesenen Wohltaten dankbar erweisen und ihren Wohltätern im Falle der Not mit ihren physischen Kräften oder ihrer Zauberkraft beistehen, kehrt in dem im ganzen Abendland ver-

8l2

breiteten Märchenmotiv von d e n d a n k b a r e n u n d h i l f r e i c h e n T.en wieder 198 ). Von den neueren T.märchen gehen viele auf Ä s o p i s c h e F a b e l n zurück oder sind W e i t e r b i l d u n g e n d e r T . s a g e . Ein besonders beliebter Stoff ist die Schlauheit des Fuchses und die Dummheit des Wolfes. Die neueren Märchen sind fast durchweg heiterer, ζ. T. tragikomischer A r t 1 M ) . War das primitive T.märchen ein getreues Abbild der wirklichen Welt, so werden auf der letzten Entwicklungsstufe die Handlungen der T.e absichtlich zu Abbildern menschlichen Tuns, während der Mensch selbst aus der Märchenhandlung verschwindet. Diese selbst wird lehrhaft, die handelnden T.e typisiert, im einzelnen aber diese Typen wieder stark charakterisiert. So entstand die T . f a b e l , die älteste Gattung der Fabel, die schon sehr früh besonders in Griechenland kunstmäßig ausgebildet wurde. Bei den großen Unterschieden der einzelnen T.e konnte die T.fabel, die einen großen Schatz wirklicher Naturbeobachtungen birgt, auf ebenso einfache wie anschauliche Weise bestimmte Charaktertypen darstellen. So schildert sie menschliches Tun und seine Folgen in der Form einer reinen T.handlung 20°). Ein volkstümliches Gegenstück zu der literarischen T.fabel sind vielleicht auch die weit verbreiteten T . g e s p r ä c h e , welche die E h r e n n a m e n (ζ. B. Fru [von] abendblank = Kröte; könig ut Engelland = Hase u. a.) und S c h i m p f n a m e n d e r T.e (z. B. Breetfoot = Kröte [Euphemismus?]; de olle langfoot, klapperbeen = Storch) verraten. Auch in S p r i c h w ö r t e r n werden T.e gern redend eingeführt: z. B. Wo man singt, da laß dich ruhig nieder, säd' de voß, donn sett' he sik in'η immenrump (Immenschwarm) 201 ). Von den T.en, vorzüglich denen der einheimischen T.fabel, sind auch P f l a n z e n n a m e n wie Bärenklau, Wolfsmilch u. a. genommen 202). Aus der T.metamorphose entstand wohl auch die T . s a g e , die bei Jäger- und Hirtenvölkern bis in die älteste Zeit hinaufreicht und die Eigentümlichkeiten der T.e

813

Tier

erklärt, ihr Gebaren schildert, ihre Sprache deutet (wie etwa die drollige Auslegung des Gänsegeschreis aus der Gegend von Neustadt a. d. Dosse in der Erzählung „Die Gänse im Weizen") oder sich mit der Schöpfungsgeschichte der einzelnen T.gattungen, auch mit den die T.e bewohnenden Geistern oder Dämonen befaßt 203). Eine St. Galler Handschrift des Ii. Jh. bietet ein Fragment eines Liedes zur T.sage aus dem 10. Jh., worin von einem durch einen Speerwurf verwundeten übernatürlich großen Eber erzählt wird (nach Simrock Anspielung auf den Eber des Fro) 204 ). Nach Käfern berechnet der Landmann den Lauf der Jahre (Schweiz), nach einer Kuh die Zukunft des Vaterlandes (Schleswig-Holstein), nach Raben die Dauer des Reiches (Kyffhäuser). Die spätere T.sage, die ein nach menschlichem Muster eingerichtetes T.reich mit der Feindschaft zwischen Wolf und Fuchs kennt, hat sich aus der äsopischen F a b e l entwickelt und erhielt ihre dichterische Ausbildung in der Klosterschule, wo sie bald als pädagogisches Hilfsmittel unentbehrlich wurde (der „Schüler" Wolf schreit „lamp", statt das ABC zu lernen). Daneben scheinen manche Züge der T.sage, besonders die bildlichen Darstellungen, von mimischen Aufführungen beeinflußt. zu sein: nach Froumund von Tegernsee wurden in der Klosterschule, wahrscheinlich zur Unterhaltung an Feiertagen, Tänze aufgeführt, bei denen Vermummte in T.fellen Bär, Fuchs und Wolf darstellen (Pez, Thesaurus Anecdot. VI 1, 184). Schon die Griechen kannten einen Tanz άλώπηξ; auf dem Gewand einer Demeterstatue von Lykosura (Arkadien) sind Schweine, Widder, Maulesel, Katze oder Hase, ζ. T. zitherschlagend, ζ. T. flötenspielend zur Darstellung gebracht. Auch die T.sage kennt die musizierenden T.e. Das Sprichwort ονος προς λύραν, Bruneiii chordas incitant ist im Mittelalter bekannt und dient zur Kennzeichnung von Stümperei in der Kunst 205 ). Die in Oberitalien, in der Schweiz, in Südfrankreich, am Rhein, aber auch in England und Spanien zahlreich vorhandenen D e n k m ä l e r m i t D a r s t e l l u n -

814

g e n a u s der T . s a g e (Sirenen, Chimären, Kentauren, Sphinxe, Greife usw.) stammen ζ. T. aus dem Orient (Vermittlung griechisch-römischer Bildwerke), lassen sich aber in ihrer überwiegenden Mehrzahl auf altklassische Vorbilder zurückführen, so der Kampf der Kraniche und Pygmäen (schon von der Ilias bezeugt) an oberitalienischen Kirchen und am Dom zu Paderborn, woselbst auch wie in der Elisabethkirche zu Merseburg die Fabel vom Fuchs und Storch zu sehen ist. Neben Jagdszenen und Kämpfen (ζ. B. Münster zu Basel) begegnen ferner die aus der Bibel und dem Physiologus (s. § 12) stammenden symbolischen T.e (Pelikan, der seine Brust öffnet, um mit seinem Blut die Jungen zu nähren, u. a.). Aus der T.sage im engeren Sinn stammen ζ. B. die Bildwerke in der Krypta des Basler Münsters: Krankheit des Löwen und Scheidung des Wolfes. Vielfach finden sich an mittelalterlichen Kirchen T.bilder neben Darstellungen aus der weltlichen Sage: am Chor des Münsters in Freiburg i. Br. ist die Sage von Alexanders Greifenfahrt in die Lüfte neben der Fabel vom Schüler Wolf, am Münster zu Basel dieselbe neben Pyramus und Thisbe abgebildet 20e). Gegen solche Darstellungen wandte sich die streng kirchliche Opposition unter Führung von Bernhard von Clairvaux, der besonders die Monstra bekämpfte. In den Kirchen des 13. Jh.s wurden die T.bilder unter dem Einfluß der von Papst Innocenz III. durchgeführten strengen Reformen immer seltener. An Dominikaner- und Franziskanerkirchen fehlen sie wohl ganz. Nun wurde die T.sage zur Waffe der alten, freieren Geistesrichtung im Kampf gegen die rigorosen Anschauungen der Dominikaner und Franziskaner (Roman de Renart) 207 ). Namentlich das „Leichenbegängnis des Fuchses" wurde Gegenstand zahlreicher (polemischer) Bildwerke, so im Straßburger Münster am Kapitäl des Pfeilers am ersten südlichen Triforium von der Vierung aus gerechnet, der Kanzel gegenüber. Das aus Erwins Zeit, als die Stadt eben die Obergewalt des Bischofs abgewiesen hatte, stammende Bildwerk

Sis

Tier

wurde entfernt, als Ludwig X I V . das Münster dem katholischen Kultus zurückgegeben hatte. Verwandt mit solchen Darstellungen, nur harmloserer Natur, sind die seit dem 16. Jh. noch lange beliebten Bilder von T.en, die den Jäger zu Grab tragen 208).

8l6

sein, von diesen Leuten berichtet wurden. Eine wissenschaftliche Naturgeschichte bei den Griechen entstand erst -mit A r i s t o t e l e s , der sich allerdings von Irrtümern nicht völlig freihalten konnte. Trotzdem wucherten die Fabeleien unentwegt weiter, wie vor allem die T.geschichte A e l i a n s und die Naturgeschichte Den Gipfel hat die im 12. und in der des P l i n i u s lehren. Unter den Ptoleersten Hälfte des 13. Jahrhunderts blümäern vermehrten sich infolge der Verhende dichterische und bildliche Bearbeibesserung der Verkehrsverhältnisse die tung der T.sage in dem niederländischen Nachrichten über fremde T.e, wodurch Reinaert erklommen, der durch den nievor allem auch in Alexandreia gesteigertes derdeutschen Reineke fortgeführt wurde, zoologisches Interesse geweckt wurde. bis Goethe ihm wieder einen Platz in der 2 M Indes beschränkt sich die zoologische LiteKunstliteratur verschaffte ). 145 ratur bis zur Kaiserzeit auf Exzerpte und ) W u n d t Mythus und Religion 2, I57Í. Kommentare des Aristoteles (Antigonos 220; 3, 204f. l M ) Ebd. 2, 166. 219. " ' ) Gub e r n a t i s Tiere 357; S p a l d i n g König der Tiere von Karystos, Aristophanes von Byzanz, 198 13. ) A . M a r x Griech. Märchen von dank- Pompeius Tragus, Dorion u. a.), die dazu baren Tieren u. Verwandtes Stuttgart 1898; A l y Herodot 310; W e i n r e i c h Heilungswunder noch in nahe Berührung mit den Erzeug125, 2; W u n d t Myihus u. Religion 2, 167. nissen der Paradoxa-Literatur gebracht 194 u.V.; v d L e y e n Märchen 105; G e r h a r d t wurden. Von Plinius bis zum 13. Jahrlm) Franz. Novellen 71. Bolte-Polivka 2 . 109; 3.75· 35i; B r u n n e r Ostdeutsche Volksk. hundert fehlt dann bei allen Schriftstellern die eigene Naturbeobachtung völlig. B o 121 ff. 128; Urquell4 (1893), 126Í. *»») W u n d t Mythus u. Religion 2, 2i9ff. ; T y l o r Cultur 1, ethius, Cassiodor, Marcianus Ca403f.;CarusZoologie i8ff.; ZfdMyth. 1 (1853),2. p e l l a , I s i d o r v o n S e v i l l a vermittelS01 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 3S. 2gff. ; B o c k e l ten dem Mittelalter die Kenntnisse des 2M Handbuch 193. ) G r i m m Myth. 2, 998. ä03 ) S c h i n d l e r Aberglaube 31; B r u n n e r Ost- Altertums. Kein Name begegnet in den deutsche Volkskunde 141; ZfVk. 19 (1909), 40. naturgeschichtlichen Sammelwerken des iM ) E r k - B ö h m e 1, 507!. Nr. 160; M ü l l e n h o f f 13. Jh.s neben Aristoteles und Plinius Sagen Nr. 509; R o c h h o l z Schweizersagen 2, 72. S05 ) E . M a r t i n Zur Geschichte der Tiersage im häufiger als der des Isidor von Sevilla. Die Hauptwerke des 13. Jh.s sind des Mittelalter, Prag 1908, 277ft. Ebd. 279s. ,w T h o m a s v o n C h a n t i m p r é de natura ) E b d . 281 fi. E b d . 285ÎÏ. a Frau oder Jungfrau) 92 ), die nach vollendeter Wallfahrt erlöst wird 9S ). Die Kröte im Feuer ist die büßende Seele eines Hirten 91 ), als Rächerin erscheint die auf dem Brotlaib hokkende giftige Kröte 9 S ). Die Krötengestalt ist Strafe für Gottlosigkeit , e ).

825

Tiergestalt

826

Oft ist die Kröte die arme Seele schlechthin 97). Die Epiphanie des Fisches ist naturgemäß besonders häufig in Ufergegenden. Ein verwunschenes Burgfräulein zeigt sich in Fischgestalt 88 ). Arme Seelen leben als kleine schwarze Fische fort, die nicht gefangen werden können (Oberpfalz) " ) . Von Verwandlungen in Insekten seien hier angeführt Bremse < alte Jungfer 10°) und Spinne < weiße Jungfrau 101 ).

in Beziehung gesetzt, als deren Wächter sie erscheinen, so ζ. B. von vierfüßigen Tieren Böcke (Ziegen)102), Hunde 103 ), seltener Schafe 104). Sie fallen durch ihren diabolischen Charakter (feuerspeiend), durch ihre Färbung (schwarz, weiß) oder durch ihre Riesengröße auf. In Schatzsagen verkörpern zuweilen Vögel den Schatzbesitzer: ζ. B. Huhn (Hahn)10«). — Die häufigste Schatzhüterin ist die Schlange loe ), was mit der 3 «) Sklarek Märchen 289 Nr. 4. " ) B o e s e - Totenepiphanie dieses Tieres zusammenb e c k Verwünschung 30, 247; Grimm Myth. 3, hängt. Die zu gewinnenden Schätze sind 3 3 317. ») S é b i l l o t Folk-Lore 3, 144. ·) op. ursprünglich die Grabbeigaben der Toten, 40 cit. 3, 142. ) B o e s e b e c k op. cit. 22163. die in T. über ihrem Besitze wachen 107 ) " ) S é b i l l o t op. cit. 3. 5ÎÏ. «) Boesebeck 43 (Fafnirtypus) 108 ). Aus der schätzehütenop. cit. 104. ) R a n k e Volkssagen 53. " ) Ebd. " ) T o b l e r Epiphanie 49«. 80; B o e s e den Schlange hat sich mit der Zeit der b e c k op. cit. 76. 83; Q u i t z m a n n Baiwaren Drache entwickelt 109 ). Auch die Kröte 177s. *·) T o b l e r op. cit. 89; B o e s e b e c k op. findet sich als Schatztier > weiße Jungcit. 83. « ) op. cit. 78. « ) S é b i l l o t op. cit. frau ll °). Von den Insekten sei die Hornis 3, 151. " ) T o b l e r op. cit. 50; B o e s e b e c k m). op. cit. 50. M ) S é b i l l o t op. cit. 3, 148Í. » ) op. genannt cit. 3, 141 ; Q u i t z m a n n op. cit. 177e. M ) T o b 63 Dem kampflustigen Charakter dieser ler op. cit. 49. ) S é b i l l o t op. cit. 3, 148; B o e s e b e c k op. cit. 36. 57. 61; Q u i t z m a n n Schatzhüter aus dem Tierreich entspreM op. cit. i77ff. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz ι, chen die Schwierigkeiten bei der Schatz2Ó7f.; Grimm Myth. 2, 891. " ) T o b l e r op. hebung. Würmer, die aus der Erde hercit. 51. " ) S é b i l l o t op. cit. 3,151. " ) T o b l e r vorschießen m ) , Visionen von weißen op. cit. 4öf.; Grimm Myth. 3, 247. " ) B o e s e b e c k op. cit. 75. 78; Q u i t z m a n n op. cit. Hähnen mit feuerroten Kämmen, von 1770. " ) B o e s e b e c k op. cit. 34f. , 0 ) op. cit. Heuwagen durch Hasen gezogen, stechende #1 2 52. ) op. cit. 17. · ) S c h ö n w e r t h op. cit. i3 I, 267a. ) R a n k e Volkssagen 53. ·*) Q u i t z - Hornisse, die den Schatzgräber belästigen 113 ). m a n n op. cit. 177IÏ. , s ) K o h l r u s c h Sagen 77; 102 B e r t s c h Weltanschauung 386. ·•) op. cit. 382. " ) P a n z e r Beitrag 2, 182. ·») S é b i l l o t op. cit. 3, 58. «») T o b l e r op. cit. 19. , 0 ) op. cit. 33. 71 ) Ebd.; B o e s e b e c k op. cit. 22. 72 ) op. cit. 73 67 f. ) S c h ö n w e r t h op. cit. 1, 267Í. 74 ) T o b l e r op. cit. 30. '*) B o e s e b e c k op. cit. 36. '·) S c h ö n w e r t h op. cit. 1, 267t.; Q u i t z m a n n op. cit. 177!!.; S é b i l l o t op. cit. 3, 148. 77 ) T o b l e r op. cit. 301. 7 i ) op. cit. 32. " ) op. cit. 31 ; Q u i t z m a n n op. cit. I77ff. M ) T o b l e r op. cit. 31. 3i J ; Q u i t z m a n n op. cit. 177ft.; B o e s e b e c k op. cit. 87. e l ) op. cit. 53. e2 ) S c h ö n w e r t h op. cit. 3, 117 Nr. 5. í 3 ) T o b ler op. cit. 34. M ) B o e s e b e c k op. cit. 39. 85 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 403. 86 ) T o b l e r op. cit. 80. i 7 ) B o e s e b e c k op. cit. 34Í. ββ ) op. cit. 39. 8e ) T o b l e r op. cit. 80. M ) B o e s e b e c k 36. n ) T o b l e r op. cit. 25'; B o e s e b e c k op. cit. 34f. 39. op. cit. 68. « ) T o b l e r op. cit. 86. M ) op. cit. 25. « ) Ebd. »«) B o e s e b e c k ,7 op. cit. 49. ) T o b l e r op. cit. 26. *8) op. cit. 221; Q u i t z m a n n op. cit. I77ff. '*) ARw. 14,390. 10°) B o e s e b e c k op. cit. 39. 101 ) T o b l e r op. cit. 80.

3. S c h a t z t i e r e . Von den genannten Tiergespenstern werden einige zu Schätzen

) B o e s e b e c k Verwünschung 91 f. ; B e r t s c h W e l t a n s c h a u u n g 363. 103 )Tobler£/>t/>Aante 48; B o e s e b e c k op. cit. 91. g i f . 1 M ) T o b l e r op. cit. 51. 105 ) W u t t k e S. 411 §638; T o b l e r op. cit. 34f. 1 M ) Grimm Mythol. 2, 817. 107 ) T o b l e r op. cit. 20; Grimm a. a. O. 108 ) op. cit. 21. 10») R i e g l e r Tier 199. 110 ) T o b l e r op. cit. 26. l n ) op. cit. 37. l l a ) B o e s e b e c k op. cit. 96. 113 ) op. cit. 97.

4. Ü b e r g a n g s s t u f e n zur A n t h r o p o m o r p h i s i e r u n g . Wenn in der Welt der Geistererscheinungen neben T.en menschliche Gestalten (weiße Frauen, Zwerge, Riesen) auftreten, so ist die theriomorphe Erscheinung durchaus als das Primäre zu betrachten. Sie ist erst allmählich im Laufe der Kulturentwicklung der anthropomorphen Auffassung gewichen. Die Tierepiphanie einer Sage oder eines Märchens ist daher ein sicheres Zeichen für deren hohes Alter. Bemerkenswert sind die mannigfachen Übergangsstufen, die von der theriomorphen Apperzeption zur

827

Tiergestalt

anthropomorphen überleiten. Zunächst ist noch die T. vorherrschend, jedoch mit irgendeinem menschlichen Merkmal. So begegnet ζ. B. eine Schlange mit Menschenkopf 1M ). Auch die Sirenen waren menschenköpfige Vögel u s ) , und ein Vogel mit Menschenkopf ist eine ägyptische Hieroglyphe 11β ). Ein Wiedergänger geht um als Hund mit Menschenhänden statt Pfoten 117 ). Eine Pferdemahr zeigt sich als Maus mit menschlichem Antlitz u 8 ). Die fortschreitende Vermenschlichung führt zu den in der Sage sehr beliebten Zwitterbildungen, von denen genannt seien das Meerweibchen (oben Mensch, unterwärts schuppiger Fischschwanz) 1M ), der Nickelmann (oben Mensch, unten Fisch) 120 ), ein Wesen vorne Kröte, hinten Jungfrau 121 ), ein Ungetüm halb Mensch, halb neunköpfige Schlange 122 ). Nach Überwindung dieser Mittelstufe begegnen Gestalten, die den Menschentypus nahezu erreicht haben und nur durch ein tierisches Organ an den theriomorphen Zustand erinnern. So geht in einer französischen Sage ein Schloßherr mit dem Kopfe eines Füllens um 123 ), in einer schlesischen Sage zeigt sich eine Frau mit einem Schweinskopf 124 ). Im Mittelalter glaubte man an hundsköpfige und kranichköpfige Menschen12S) (Herzog Ernst). Eine weiße Frau hat eine spitze Zunge und Augen wie Feuer12®), eine andere «inen Puterschnabel m ), eine dritte einen Schweinsrüssel statt der Nase 128 ), ein Mädchen trägt Schlangen statt der Zöpfe 128 ) (vgl. die Eumeniden). Häufig ist der Mensch mit Pferdefüßen 130), ein Knäblein zeigt sich mit Klauen an Händen und Füßen 1 3 1 ), den Zwergen und weißen Frauen werden Hühner-, Gänseund Geißfüße zugeschrieben 132), wie auch die sagenhafte Sibylle einen Gansfuß hat 1 3 3 ). Nixen haben Schwimmhäute zwischen den Zehen 134 ). Eine stark verblaßte Erinnerung an eine theriomorphe Erscheinung ist die Frau mit gelben Pantoffeln 13S). Eine ledig gebliebene Schloßjungfrau hat einen Schlangenschwanz 13e). Oft sind es nur menschliche Gebärden, die die beginnende Anthropomorphisie-

828

rung andeuten. So ist ζ. B. in Sagen die Rede von weinenden Tieren: Katzen 137), Schafen 138), Schlangen 139). Ferner begegnen eine niesende Otter 140 ), eine ohrfeigende Katze 1 4 1 ), ein lachendes Lamm 142 ), sodann redende Tiere: Kaninchen 143), Pudel 144 ), Ochs145), schwarze Ziege 14e), Vöigel147), Schlange 148 ). Deutlich sehen wir in einer Harzsage die allmähliche Vermenschlichung. Am ersten Tage erscheint eine Schlange, am zweiten eine Gestalt halb Schlange, halb Mensch, am dritten ein ganzer Mensch 149). Nicht selten stehen auf dem Wege zur Anthropomorphisierung Mensch und Tier nebeneinander. So finden wir Jungfrau mit Schlange 150 ), mit Kröte 1 5 1 ), mit Vöglein 152), mit Kätzlein 153 ), mit Zicklein 154), mit Eber 1SS ), weiße Frau mit Hund 156), Elbin mit Maus 157). Der Verlauf der Seelenepiphanie läßt sich also so darstellen: Seele > Schlange > weiße Frau mit Schlange > weiße Frau allein. Ähnlich ist in der antiken Mythologie einer Gottheit mit Tierattribut die T. des Gottes vorangegangen ζ. B. Zeus = Adler > Zeus mit Adler oder Hermes = Schlange > Hermes mit Schlangenstab158). Das Schwanken des Übergangsstadiums zeigt sich auch darin, daß ζ. B. eine verwunschene Jungfrau nur an bestimmten Tagen in menschlicher Gestalt, sonst als Tier erscheint 159 ). Häufig wird das Problem der doppelten Seelenapperzeption (menschliche und tierische Gestalt) dadurch gelöst, daß der Mensch auf dem Tiere reitend vorgestellt wird. So erscheint eine geizige Äbtissin als Schimmelreiterin 1β0), auf feurigem Roß reitet ein Grenzsteinversetzer1β1), auf einer glühenden Sau eine verführte Nonne 1β2 ), ein Bergmann reitet auf einem schwarzen Widder 1β3 ), ein anderer auf einem hinkenden Ziegenbock le4 ), auf dem auch Grenzsteinversetzer165), Jungfrauen 1ββ) und Zwerge le7 ) erscheinen. Die sächsische Buckmarte kommt gleichfalls auf einem Ziegenbock daher 188 ). Auch Hahn und Gans sind metaphysische Reittiere. So reitet ein Bergmann auf einem Hahn 1ββ ), ein Zwerg auf einer lahmen Gans 17°), langbeinige Vögel tragen feurige Zwerge171).

829

Tiergestalt

Ein selteneres Bild ist die Jungfrau auf dem Schweife einer Schlange 1 7 2 ). Ohne tiefere Bedeutung, lediglich als Symptom des Spieltriebs volkstümlicher Phantasie zu werten ist der Wechsel der T. Hier seien einige beliebte Verwandlungsserien angeführt: Wasserfrau > Kröte > Schlange; schöne Jungfrau > Schlange > Kröte, Frosch > Schlange > Drache; jedesmal scheußlichere Kröte; Hund > Wurm > Drache; Frosch > Wolf > Schlange 173 ). Schlange mit Krötenkopf 1 7 4 ) deutet ein Übergangsstadium an. Vgl. analoge sprachliche Bildungen wie hirizpero „Hirschbär", leoncavallo „Löwenpferd", ursleu „Bärenlöwe", camelopardalus „Kamelpardel" 176 ). 114 ) T o b l e r Epiphanie 56. l l 5 ) op. cit. 6o 2 f. « ) Ebd. " ' ) T o b l e r op. cit. 6 1 ; B o e s e b e c k 118 Verwünschung 57. ) T o b l e r op. cit. 79. l19 ) op. cit. 98; B o e s e b e c k op. cit. 88. ιω .) T o b l e r op. cit. 98. 1 2 1 ) op. cit. 59. 1 2 2 ) op. cit. 80. 1 2 3 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 144. " ^ T o b ler op. cit. 62. 1 2 5 ) H u l m e Natural history 1 1 , 127 56. 1 2 β ) T o b l e r op. cit. 57. ) op. cit. 6 1 . 12e ) Ebd. 1 2 9 ) op. cit. 5 7 Í . 1 3 0 ) op. cit. 62; B o e s e b e c k op. cit. 54. m ) T o b l e r op. cit. 62. 1 3 2 ) op. cit. 59; vgl. auch G r i m m Myth. 2, 83of. 1 3 3 ) T o b l e r op. cit. 60. 1 3 4 ) op. cit. 28. 1 3 5 ) op. cit. 6 1 . 1 3 β ) B o e s e b e c k op. cit. 36. 13 ' ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz i, 2Ó9f. 1 3 8 ) Ebd. 13 ») T o b l e r op. cit. 5 5 f . op. cit. 55. 1 4 1 ) op. cit. 56. 1 4 2 ) Ebd. 1 4 3 ) op. cit. 52. 1 4 4 ) op. cit. 54. 1 4 S ) op. cit. 54f. 1 4 " ) op. cit. 55. 1 4 7 ) op. cit. 5 3 f . 1 4 9 ) op. cit. 52 f. 1 4 9 ) op. cit. 81. 15 ° ) op. cit. 69. 1 5 1 ) op. cit. 70. 1 5 2 ) op. cit. 70f. " 3 ) op. cit. 7 1 . 1 M ) Ebd. 1 5 5 ) op. cit. 69. » · ) E b d . 1 6 7 ) op. cit. 71 f. 1 5 β ) op. cit. 70. " » ) op. cit. 79f. 1 6 0 ) op. cit. 73. l e l ) B o e s e 1,1 b e c k op. cit. 54. ) T o b l e r op. cit. 7 3 ; ähnlich Q u i t z m a n n Baiwaren 177 ft· 1 9 3 ) T o b 1β4 l e r op. cit. 72. ) op. cit. 73. l e 5 ) B o e s e b e c k 167 op. cit. 54. " ' ) T o b l e r op. cit. 73. ) E b d . l e s ) op. cit. 74. 1 6 9 ) op. cit. 72. V Q ) Ebd. 172 » " ) op. cit. 73. ) Ebd. 1 7 3 ) op. cit. 8o 5 . " 4 ) op. cit. 80 2 . 1 7 5 ) ZfdA. 43, 165. u

5. E n t z a u b e r u n g . Die Erlösung aus dem Zustand der Verzauberung (Verwünschung) geschieht in der Regel auf gewaltsame Weise. So wird die in ein Wiesel verwünschte Jungfrau durch Totschlagen des Tieres erlöst 176 ). Ein Wolf wird zu einem schönen Junker, als man dem Tier den Kopf mit einer Hacke abschlägt 177 ), wie Enthauptung überhaupt ein beliebtes Entzauberungsmittel ist 1 7 S ). Der zum Hasen verwandelte mutwillige Tierquäler wird durch

83O

neun Schüsse, die ihm ein Jäger aufs Fell brennt, befreit 1 7 9 ). Die Prinzessin im Märchen entzaubert einen Frosch, indem sie ihn an die Wand schleudert 18 °). Die Rückverwandlung aus der Schlangengestalt erfolgt durch einen dreifachen Schlag auf den Kopf, durch Auspeitschen mit Ruten, Aufschlitzen des Schlangenbauchs m ) (Über die Entzauberung des Werwolfs s. weiter unten). — Sehr beliebt ist die Erlösung durch Kußzauber 182 ). Das verwunschene Wesen muß vom Erlöser in seiner T. geküßt werden 183 ). Häufig ist hier in der Erscheinungsform eine Steigerung zu beobachten, ζ. B. Frosch > Wolf > Schlange 184 ). Auch hier zeigt sich wieder der Übergang zur anthropomorphen Apperzeption, wenn ζ. B. in einer masurischen Sage der Erlöser in Anwesenheit der verwunschenen Schloßjungfrau alle Tiere ihres Schloßberges küssen muß: Rehe, Hasen, Eichhörnchen, Ratten, Salamander, Würmer, Käfer, Kröten 18S ). In den Erlösersagen ist zuweilen das erotische Element stark ausgeprägt. Die als Natter, Blindschleiche, Eidechse Verwandelte sucht sich dadurch zu befreien, daß sie sich an ihrem Erlöser emporringelt. Vielfach muß sich die Verwunschene als Schlange um ihren nackten Erlöser hinwegwälzen 18e ). Die theriomorphe Apperzeption wirkt nach in der Gefährdung des Erlösers durch allerlei Tiererscheinungen : Hunde mit feurigen Rachen, Wagen mit feuerspeienden Rappen, Schlangen, Frösche, Kröten, Drachen mit feurigen Augen usw. 1 8 7 ). In jenen präanimistischen Fällen, in denen die Verwandlung rein materialistisch gedacht wird, wie ζ. B . in den Bärenhäutermärchen, wo der Held bei Tage Bär ist und in der Nacht durch Ablegen der Bärenhaut sich in seiner menschlichen Gestalt zeigt, wird die Erlösung ganz naiv durch das Verstecken der abgelegten Haut vollbracht 18s ). So glauben auch die Eskimos, die den Seehund für einen verwandelten Menschen halten, er lege jeden neunten Tag seine Fischhaut ab und werde wieder Mensch 189 ). In den Märchen werden die Verwand-

831

Tiergestalt

lungen durch Feen und Zauberer bewirkt, sie hören nach Verlauf einer bestimmten Periode oder nach Erfüllung gewisser vom Opfer gekannter Bedingungen auf. Ein Prinz, von einer Fee in einen Löwen verwandelt, muß diese Gestalt sieben Jahre lang behalten. Die sieben Brüder, in Hirsche verwandelt, können nach vier Jahren befreit werden, wenn es ihrer Schwester gelingt, ein weißes Taschentuch auf ihr Geweih zu stecken190). Christlicher Einfluß macht sich nicht selten in den Verwünschungssagen bemerkbar. So löst ein heiliger Gegenstand (ζ. B. Weihwasser, geweihter Rosenkranz) die Verzauberung 1M ). Ein Pastor vollführt eine Erlösung, indem er den zum Pferde Verwandelten zur Kirche reitet m ) . 17 *) B o e s e b e c k Verwünschung 76. 177) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 52. 17β ) op. cit. 3, 140. l '») B o e s e b e c k op. cit. 79. lso) Laistner Sphinx ι, 59. l e l ) B o e s e b e c k op. cit. 79. M *) T o b l e r op. cit. 21, 79f. 183 ) B o e s e b e c k op. cit. 88f. 1 M ) op. cit. 89. 185 ) op. cit. 88. 1 M ) op. cit. 85. » ' ) op. cit. 84. " · ) S é b i l l o t op. cit. 3, 52f. " " ) ZfEthn. 1, 53f.; G r i m m a Myth. 2, 916 . S é b i l l o t op. cit. 3, 52. 1 , 1 ) op. 1W) cit. 3, 1 4 7 ! B o e s e b e c k op. cit. 83.

6. W i l l k ü r l i c h e V e r w a n d l u n g . a) T i e r g ö t t e r . Genau so wie in der neuzeitlichen Sage ist in der antiken Mythologie bei den Göttergestalten die allmähliche Entwicklung von der theriomorphen zur anthropomorphen Apperzeption zu beobachten, nur mit dem Unterschied, daß es sich hier um eine mehr oder minder willkürliche Verwandlung handelt. Wenn Adler und Wolf (Zeus Lykaios) 193 ) dem Zeus, die Eule 194) der Athene, der Pfau der Juno, die Schlange dem Asklepios, die Schildkröte dem Pan, der Delphin dem Poseidon, das Reh oder die Bärin 19S) der Artemis, Ziegenbock und Fisch 19δ ) der Aphrodite zugesellt und geweiht sind 197), so stak ursprünglich in diesen T.n die Gottheit selbst. In Griechenland ist das zweite Jahrtausend vor Christo die Blütezeit theriomorpherGöttervorstellungen198). Auch bei den ägyptischen und indischen Gottheiten sind dauernde Tierinkarnationen festzustellen, bei letzteren sind sie Zwischenstufen zurMenschwerdung199). Daher sind Mischformen in der indischen

832

Mythologie überaus häufig. Auch der slawische Triglav hatte Ziegenhäupter 20°). So deutet das Hörnermotiv in der Religion auf die ursprüngliche Darstellung der Götter in T. 2 0 1 ). Daher erscheinen auch Dämonen mit Hörnem 202), so der Teufel des Christenglaubens. Das Horn wird zum Symbol übermenschlicher Macht 203). Von der dauernden T. zu unterscheiden sind die momentanen theriomorphen Verwandlungen der Götter, namentlich zu erotischen Zwecken. So, wenn ζ. B. Zeus als Schwan zu Leda oder als Stier zu Europa kommt M4). In der nordischen Mythologie ist diese Tierverwandlung ad hoc die einzig beglaubigte. Verwandelt sich ein Gott in ein Tier, so liegt jedesmal eine bestimmte Absicht zugrunde, die aus der Besonderheit des Tieres hervorgeht M5). So nimmt Odin Schlangengestalt an, um durch ein gebohrtes Loch zu schliefen, Adlergestalt um eilends zu entfliehen. Als Schlange erscheint zuweilen auch der wilde Jäger, der sich sonst als Kuckuck oder Uhu zeigt (Schlesien)20i). Loki verwandelt sich in eine Fliege, um zu stechen oder durch ein Schlüsselloch zu kriechen. Eine Verwandlung zu erotischem Zweck (Bär) ist nur einmal zu belegen 207). Es fehlt daher auch jede Handhabe um anzunehmen, daß die Germanen ihre Götter jemals in T. verehrten 208). Mit Recht bezweifelt H e l m 209), daß die Pferdeund Vogelgestalten in der reich entwickelten germanischen Tierornamentik als Gottheiten zu deuten seien. Sicher jedoch ist, daß bei den Germanen gewisse Tiere in Bezug zu einzelnen Göttern gesetzt wurden, ja gewissermaßen in deren Dienst standen. So gehört der Eber zu Fro, Wolf und Rabe zu Wotan. Odin hieß Hrafna-gud „Rabengott" 21°), wodurch diese Tiere, die man sich als beständige Begleiter der Götter dachte, als heilig erschienen 2U ). 193 ) S c h w e n n 1M) Menschenopfer 23f. l95) S a m t e r Religion der Griechen 6ff. l s e ) G r i m m Myth. 3, 200; S c h w e n n a. a. O. ARw. 14, 3781. Auch der Geburtsgöttin Hekate 1") Stemplinger •war der Fisch heilig (ebd.). 1 , 9 ) M e y e r Religgesch. Antiker Aberglaube 64.

Tiergestalt

833

198 ) G r i m m Mythologie 200) op. 39. 1, 281. 2 M ) A R w . 15, 451. 202 ) op. cit. cit. 2, 83of. ί 0 3 ) op. cit. 15, 456. 204 ) W o l f 15, 450. 205 ) G r i m m op. cit. 1, 281. Beiträge 2, 64. 20β ) Drechsler 2, 1 6 1 ; Grimm Myth. 207 ) W o l f op. cit. 2, 64. 20β ) M e y e r 2, 834. 209 ) Religgesch. 210) op. cit. 39. 202 fi. m ) Τ ob 1er G r i m m op. cit. 2, 545Í. Epiphanie

74 1 ·

b) Z a u b e r e r , H e x e n . Der innige Zusammenhang, der zwischen dem alten Götterglauben und dem Zauber- und Hexenglauben späterer Zeiten besteht, zeigt sich vor allem darin, daß sich unter den Tieren, in die sich die Hexen verwandeln können, so ziemlich alle Tiere wiederfinden, deren Gestalt die Götter und Dämonen anzunehmen pflegten 212 ), was natürlich nicht ausschließt, daß noch eine beträchtliche Anzahl von Tierepiphanien hinzukommt. Eine besondere Eigenheit dieser Tierverwandlungen ist es, daß die Wunden, die man dem Seelentiere beibringt, nachher am menschlichen Körper zu sehen sind 213 ). Typisch ist folgender Fall: Jemand schießt z. B. einer Katze eine Pfote weg, am nächsten Tage liegt irgendwo in der Nachbarschaft eine Frau mit zerschossener Hand zu Bette 214 ). Die Lieblingsepiphanie der Hexe ist die Katze 2 1 6 ). Sonstige Hexenepiphanien sind: Hase 216 ), Fuchs 217 ), Maus 218 ), 218 219 Gans (Schwan) ), Rabe ), Krähe 218), Eule 22°), Elster 22°), Käfer 2 2 1 ), Wespe 222 ), Hummel 223). Die meisten Tierepiphanien. der Hexen sind solche, die bei Angang als schlimme Vorbedeutung gelten 224). Feen verwandeln sich in Hündinnen, Mäuse, Ratten, Kaninchen 22S), Schafe 22β ). Zauberer erscheinen als Wölfe, Bären 227 ), Habichte 228), Hunde und Kater 229). Schon bei Griechen und Römern schrieb man den Zauberern die Gabe der Tierverwandlung zu 230), und zwar wird die T. weit öfter zu bösen als zu guten Zwecken angenommen 231). Bei den Mexikanern glaubte man an Zauberer (Nagual oder Naual), die nach Belieben eine bestimmte T. annahmen und in dieser allerhand Böses verübten 232). Bei vielen wilden Stämmen besitzen die Häuptlinge und Medizinmänner die Gabe der Tierverwandlung, von der sie GeBachtold-Stlubli,

Aberglaube V I I I

834

brauch machen, um sich an Feinden zu rächen oder aus reiner Freude am Blutvergießen 233). Und zwar handelt es sich in diesen Fällen nicht um einen Theriomorphismus der Seele, sondern um eine zauberische Verwandlung, die durch das Umwerfen eines Tierhemdes oder einer Tierhaut 234) zustande kommt. Die Verwandlung in einen Werwolf geschah durch das Anlegen eines Werwolfhemdes, das in der heutigen Sage zum Wolfsgürtel zusammengeschrumpft ist 23s ). Der Glaube an Menschen, die der Verwandlung in ein reißendes Tier fähig sind, gehört dem ganzen Erdkreis an. In anderen Ländern treten Bär 2 3 e ), Löwe, Tiger, Hyäne, Jaguar usw. für den Werwolf ein 237 ). Um einen Werwolf zu entzaubern, muß der Wolfsgürtel zerschnitten oder vergraben und der Balg verbrannt werden 238). Auch macht der Wurf eines Messers oder Stahls über den Werwolf die Verwandlung rückgängig 239). Über andere Mittel der Entzauberung vgl. B o e s e b e c k 240). 212 ) S c h a e f e r Verwandlung 213 ) T o b 88. l e r Epiphanie 42; G r i m m Myth. 2, 919. 214 ) S é b i l l o t Folk-Lore 215 ) op. cit. 3, I46f. 2 " ) S é b i l l o t op. 3, 1 4 6 t ; G r i m m a . a . O . cit. 3, 57; G r i m m Myth. 3, 316; A n d r e e 2 1 ') B e r t s c h Braunschweig 380. Weltanschau218 ) ung 386f.; G r i m m a . a . O . Sébillot 219 ) G r i m m Mythologie op. cit. 3, 57. 2, 9i8ff. 220) H o f f m a n n - K r a y e r in Ornithol. Beobachter 1916, S. Α., S. 8; G r i m m Myth. 2, 950. 221 ) T o b l e r 222 ) op. op. cit. 39. cit. 40. 2 " ) Ebd. 224 ) op. cit. 45 1 . 225 ) S é b i l l o t 22β ) op. cit. 3, 145. 2 2 ') op. cit. 3, 53 f. 22e ) op. cit. 2, 915. G r i m m op. cit. 2, 9i8ff. 2 2 i ) S é b i l l o t op. cit. 3, 146. 23 °) G r i m m op. cit. 2, 915; Z f V k . 7, 246 (Verwandlung in 231 ) 232 ) op. einen Esel). Z f V k . 19, 38. 233 ) op. cit. 19, 43. 234 ) T o b l e r cit. 10, 239. op. cit. 44. 23S ) Ebd.; G r i m m Myth. 2, 916. 23β ) op. cit. 2, 918. 237 ) S c h a e f e r op. cit. 92; 238 C o h n Tiernamen 4. ) Boesebeck Ver239 ) Ebd. 240 ) op. cit. wünschung 79. ni, 82, 79.

c ) T e u f e 1. An den Hexenepiphanien partizipiert der Teufel des Christenglaubens, in den viele Elemente heidnischer Götterund Dämonengestalten übergegangen sind. Der Teufel kann jede T. annehmen, außer die von Taube und Lamm 241 ). Besonders gern verwandelt er sich in folgende Tiere: Affe 342), Luchs 243), Hund (Hellehund)244), Katze (Kater) 245), Eber 246), Sau 247), 27

835

Tiergestalt

Ochse 248), Kalb 2 1 9 ), Pferd 250), Widder 2 5 1 ), Bock 252), Hase (einbeinig) 253 ), dreibeinig 254), Maus 255), Ratte 25e ), Eichhörnchen 257 ), Walfisch (bei den Angelsachsen) 2S8), schwarzer Vogel 259 ), schwarzer Hahn 260), Uhu 2 6 1 ), Rabe (Hellerabe) 262), Krähe 263), Elster 264), Gans 265 ), Geier 266), Kibitz 267), Kuckuck 268), Gimpel 2 6 9 ), Schlange 270), Drache (Hellewurm) 2 7 1 ), Laubfrosch 272), Kröte 273 ), Molch 274), Fisch 275 ), Fliege 276 ), Mücke 277 ). Von diesen T.en sind einige (Pferd, Hund, Katze, Widder, Bock, Rabe usw.) dem Teufel hauptsächlich der schwarzen Farbe wegen beigegeben 278). Auch bei erfolgter Anthropomorphisierung erinnern noch einige Attribute wie Hörner, Pferdehuf, Bocksfüße an die frühere theriomorphe Apperzeption 279). Das häufige Erscheinen des Teufels als Reiter bedeutet eine Paarung der älteren und jüngeren Apperzeption 280). 2 4 1 ) T o b l e r Epiphanie 46; S e e f r i e d - G u l 242 ) S é b i l l o t g o w s k i Kaschubei 195. FolkLore 3, 57; G r i m m Myth. 3, 294. 2 1 3 ) E b d . 244 ) G r i m m Myth. 2, 83of.; T o b l e r op. cit. 41. 2 4 5 ) op. cit. 46; S é b i l l o t op. cit. 3, 145. 24δ ) G r i m m Myth. 2, 832. 247 ) T o b l e r op. cit. 46; G r i m m Myth. 2, 832; 3, 294. 248 ) T o b l e r op. cit. 46. 2 " ) K l i n g n e r Luther 28. 25 °) S e e f r i e d - G u l g o w s k i Kaschubei 195; Grimm Myth. 2, 831. 2 5 1 ) S é b i l l o t op. cit. 3, 145. 252 ) E b d . ; G r i m m a. a. O. 253 ) T o b l e r op. cit. 4 5 2 . 2 5 4 ) op. cit. 45. a i ) E b d . 25β ) S e e f r i e d 257) T o b l e r Gulgowski a.a.O. op. cit. 46; Z i n g e r l e Sagen 374; B a y H f t e 3, 89. 258 ) J e n t e Myth. Ausdrücke 142; G r i m m Myth. 2, 834. 259 ) T o b l e r op. cit. 45; M e y e r Aberglaube 295; 2β0 ) H o f f Seefried-Gulgowski a.a.O. m a n n · K r a y e r Ornithol.Beobachter 1916 S. A.8. 2βι) R i e g l e r 2β2 ) G r i m m Tier 116 2 . Myth. 2, 833; T o b l e r op. cit. 45 s . 2β3 ) G r i m m Myth. 3, 295. 264 ) A R w . 23, 350; G r i m m Myth. 3, 295. 2 e 5 ) G r i m m Myth. a. a. Ο. 26β ) G r i m m Myth. 3, 294. 2 e ' ) G r i m m Myth. 3, 295. 2 e s ) E b d . 2 M ) Z i n g e r l e Sagen 375. 27 °) G r i m m a . a . O . ; M e y e r a. a. O. 2 n ) G r i m m a. a. O. 2 7 2 ) T o b l e r op. cit. 45. 2 7 3 ) op. cit. 4 5 3 . 2 7 4 ) W ü n s c h e Teufel 100. 2 7 5 ) T o b l e r op. cit. 45. 2 7 β ) G r i m m 2, 834; T o b l e r op. cit. 45 s ; M e y e r a . a . O . 2") Tobler 27β ) G r i m m op. cit. 45. Myth. 2, 829Í. 2 7 9 ) S é b i l l o t op. cit. 3, 148; G r i m m Myth. 3, 294. 28°) T o b l e r op. cit. 49 4 f.

7. K r a n k h e i t s d ä m o n e n . Weitaus die meisten Krankheitsdämonen sind therioform. Für den krankheiterregenden Dämon wird häufig das Wort „Tier" gebraucht. So kennt der deutsche

836

Volksglaube ein ,Almtier', das den Alpdruck erzeugt, ein ,Duseltier', das epidemische Kinderkrankheiten hervorruft, ein 'laufendes Tier', das mit der fliegenden Gicht identisch ist, ein .Schwindeltier', das Schwindel veranlaßt, schließlich ein 'Ungenanntes Tier', worunter die mastitis puerperalis zu verstehen ist. Der Franzose bezeichnet die Gesamtheit der Krankheitsdämonen als bêtes noires 281 ). Die häufigste Dämonenfigur in T. ist der Wurm. Schon die Indogermanen sahen die parasitären Würmer als elbische Dämonen an 282). Die zahlreichen Würmer des Volksglaubens wie Heer-, Gift-, Brand-, Tollwurm, fliegender Krebs erzeugen Geschwüre 283). Der Ohrwurm (Ohrputz) 284) verursacht Ohrenkrankheit = Mumps 285), der Haarwurm Gicht 286). Der Schießwurm (Schießschlange, franz. gicle u. sangle) 287) hat seinen Ursprung in der Sonnenstrahlenwirkung (Mittagsalp) 288). Eine Geschwulst am Fingernagel heißt ndd. der ungenant wurm 289). Höfler 290) zählt den Wurm auch zu den elbischen Pißdämonen, zu denen er außerdem noch rechnet Kuckuck, Kröte, Salamander, Frosch, Ameise, Fledermaus, Maus, Ratte. Die Fledermaus gehört aber auch mit Unke und Nachtvogel zu den Haardämonen 291 ). Besondere Aufmerksamkeit verdient die Kröte, die nach dem Wurm die häufigste Gestalt eines elbischen Krankheitswichtes ist 292). Sie ruft hervor Alp 293), Halsgeschwür 294), Gebärmuttererkrankungen 295 ). Sehr gewöhnlich ist die T. des Alps. Außer den in Artikel „ A l p " (1, 285 f.) angeführten Alptieren seien noch genannt das Wiesel 296), die schwarze Kuh 297) und die Hummel 298). Die Tiernamen, die heutzutage vielfach zur Bezeichnung von Geistesstörungen verwendet werden, gehen auf die uralte, wohl den meisten Völkern geläufige Vorstellung zurück, daß sich im Kopf des Menschen Elben in T. einnisten, die außer physischen Krankheitszuständen, wie ζ. B. Kopfschmerzen 299), Störungen der Denktätigkeit und des seelischen Gleichgewichtes verursachen 300). Als solche „Himtierchen" erscheinen hauptsächlich In-

837

Tierg«¡estait

sekten (Mücken, Grillen usw.) und Vögel, deren Sumpien und Schwirren bzw. Flattern sich sehr passend mit den Gedankensprüngen geistig Abnormaler vergleicht. Das Krabbeln der Krebse und Spinnen, das Hin- und Herhuschen der Mäuse und Ratten lassen auch diese Tiere besonders geeignet erscheinen, störend in die normalen Gehirnfunktionen einzugreifen 301 ). — Da der Rausch — wissenschaftlich gesprochen — nichts anderes ist als eine durch akute Alkoholvergiftung hervorgerufene Störung der normalen Gehirntätigkeit, so ist es begreiflich, daß man für die Trunkenheit dieselben Urheber annimmt wie für die Verrücktheit. Daher hat die Verwendung von Vogel- und Insektennamen für „Rausch" nichts Auffälliges 302 ). Nicht ohne weiteres einleuchtend ist hingegen die Verwendung von Namen vierfüßiger Tiere wie Affe, Bär, Fuchs, Wolf, Hund, Katze. Diese auffallenden Tiermetaphern hängen zusammen mit der auf jüdischer Tradition beruhenden Vorstellung von der durch Weingenuß bewirkten Verwandlung der Menschen in Tiere 303). — Hund und Wolf erscheinen auch sonst als Krankheitsdämonen. Leichen- und Höllenhunde sind am Verwesungswerk beteiligt 304), ebenso ein wolfgestaltiger Dämon 305). In Frankreich ist der Wolf Erzeuger von Krämpfen und Stimmritzenlähmung nach dem Aberglauben 306), der Mensch verliere die Sprache, wenn der Wolf den Menschen eher sehe als dieser jenen. Vgl. franz. avoir vu le loup 307). Diese Krankheit heißt le mal St. Loup 308). Der helfende Heilige ist nach dem Krankheitserreger benannt und die Krankheit wieder nach dem Heiligen. Der würgend umgehende Wolf, der durch die Halspest ( = Diphtherie) Kinder erwürgt, hieß ahd. warcgengel = lupambulus, woraus durch Volksetymologie unser .Würgengel' 309) entstand. — Die polnisch sprechende Bevölkerung Schlesiens kennt einen widdergestaltigen Fieberdämon 310 ). Wenn einer bei der Ernte erkrankt, heißt es in Mecklenburg: Der Erntebock hat ihn gestoßen 311 ). Das vom Märzwind erkrankte Kind wird von der Märzkuh oder

838

dem Märzkalb gestoßen 3 1 2 ). Auch in Vogelgestalt sind Krankheitsdämonen nicht selten. Es gibt einen Pest- und Suchtvogel 3 1 3 ), und Dämonen, die das Verwesungswerk befördern, haben die Gestalt von Raubvögeln 314 ). Dämonen in Insektengestalt erzeugen außer Wahnsinn und Schwermut (s. oben) auch Fieberzustände. So gibt es Fiebermücken und Fiebergrillen 315 ). Läuse sind ebenfalls elbische Wesen, die gelegentlich Krankheiten erzeugen 31β ). Auch die Krankheiten des Viehs sind häufig das Werk tiergestaltiger Dämonen. So gibt es eine ganze Reihe von Tieren, die den Milchfluß von Kühen und Ziegen versiegen machen. Als solche dämonische ,,Milchsauger" galten Igel, Dachs, Hase, Wiesel, Hermelin, Ziegenmelker 3 l 7 ), Zaunkönig, Kuckuck, Eidechse, Kröte, Salamander, Schlange (Stollwurm) 3 l 8 ), Schmetterling, Mücke. Nach dieser dämonischen Tätigkeit sind einige Tiere benannt, so caprimulgus europaeus: Ziegenmelker 3 1 9 ), die Waldohreule = Melker, Milchsauger 320), der Igel = berg. Köhsicker, „Kuhsauger" 321 ), der Schmetterling == Milchdieb, Milchtrud usw. 322) (s. unter „Schmetterling"). 2 8 1 ) W S . 6, 198». 282 ) A R w . 2, 86. 283 ) op. cit. 2, 114. 284 ) op. cit. 2, 154. 2β5 ) Ebd.; W S . 3, 2M) G r i m m i 9 o f . ; 6, 198f. Myth. 3, 338. 287 ) W S . 8, 105f. 288 ) A R w . 2, 158. 2 8 9 ) o p . cit. 2, 125. 29 °) G r i m m Myth. 3, 338. 291 ) op. cit. 2 , 1 1 9 . 292 ) op. cit. 2, 100. 293 ) T o b l e r Epipha294 ) A R w . 2, 140; AnSpr. 151, 278. nie 26. 2 9 i ) Globus 87, I05ff.; 88, 25«. 29e ) T o b l e r op. cit. 19. 297 ) NSpr. 33,368fr. ; G r i m m Myth. 3, 191. 298 ) T o b l e r op. cit. 37. 299 ) G r i m m Myth. 3, 341. 3°°) W S . 7, 129f. 301 ) A R w . 2, 100. 3 0 î ) W S . 6, I94f. 303 ) Ebd. 3°4) B o e s e b e c k Verwünschung 78 922. 3 ° 5 ) Ebd. 30β ) P a p a h a g i Folk-lorul romanic izgi. 307 ) R i e g l e r Tier 34; AnSpr. 151,278. 308) A R w . 2, 107. 309 ) op. cit. 2, 141. 310 ) D r e c h s l e r 2, 304; AnSpr. 154, 8off. 3 1 1 ) G r i m m Myth. 3, 336. 3 l 2 ) NSpr. 33, 369. 3 l 3 ) Misceli. Schuchardt 14. 3I4) B o e s e b e c k op. cit. 78. 3 l 5 ) A R w . 2, 108. 316 ) op. cit. 2, 120. »") op. cit. 2, 134. 318 ) Ebd. 319 ) W S . 7, i 3 6 f f . 320 ) W S . 7, 138. 321 ) W S . 7, 129. 3 2 2 )WS. 7, 141.

8. N a t u r g e i s t e r , a) Animalisierung der Naturerscheinungen. Die Naturdämonen, die sich das Volk nach Analogie der „Seelen"geister denkt 323), zeigen sich auf der ältesten Apperzeptionsstufe in T. Die ganze Na27*

839

Tiergestalt

tur erscheint dem Urmenschen theriomorph. Die Wolke z. B. ist dem prähistorischen Menschen Stier, Rind, Kuh 3 2 4 ). Eine über Bergen lastende Wolkenmasse heißt im Mecklenburgischen noch jetzt Bullkater 825). „Katze" für „Wolke" begegnet außer im Bayrischen im Spanischen (gatas) und Italienischen (gattoni) 32β). Häufige Wolkentiere sind ferner Bock, Schaf, Roß 327). Mannigfach sind die Erscheinungsformen des nassen Elementes. Die T. des Nixes ist belegt durch ahd. nihhus „Krokodil" 328), dazu die Ableitung alteng. nicor „Flußpferd" (anord. nykr) 329). Wasserdämonen erscheinen seit alters als Stier (engl, waterbull) 330) oder Pferd (schott. kelpie) 331 ). Der Wassermann der neueren Sage nimmt die verschiedensten T.en an: Pferd (am häufigsten) 332), Katze Μ 3 ), Hund 334), Schwein, Kalb, Ziegenbock, Hase, Maus, Gans 835), Ente, Taube, Huhn, Schlange, Frosch, Fisch 338 ). Als Doppelform auf dem Wege zur Anthropomorphisierung : Ein grüner Reiter zeigt sich auf grüner riesenhafter Schlange vor dem jeweiligen Anschwellen der Emme 337). Die Nixe (Seeweible) erscheint in Krötengestalt 338 ). Wesensgleich mit diesen theriomorphen Wasserdämonen ist im Grunde die Animalisierung der Welle, die in sprachlichen Tiermetaphern einen Niederschlag gefunden hat 83e). Wenn die Korndämonen fast durchwegs dieselben Gestalten zeigen wie die Wasserdämonen (Roß, Hund, Stier, Bock, Katze) »"), so ist dies auf die Gleichheit des Bildes zurückzuführen. Ob der Wind auf eine Wasserfläche oder in ein Getreidefeld bläst, er erzeugt hier wie dort Wellen, denen die Volksphantasie Tierformen verleiht. 323 ) T o b l e r Epiphanie 96. 324) H e l m Religgesch. 206. 325 ) Vgl. oben 1, Sp. 1701 ff.des gleichnamigen Artikels. 32e ) Beiheft d. ZfrPh. i, 29. 3 " ) WS. 3, 190. 32S ) G r i m m Myth, ι , 404; 3, 142. 329 ) T o b l e r op. cit. 97 a . ω») H e l m a . a . O . ; G r i m m Mythol. 3, 142Í.; WS. 3, 188 331 ) H e l m a. a. O.; G r i m m a . a . O . 3 3 2 ) W S . 3, 333 ) WS. 3M) i86f. 3, 189. WS. 3, 187 10 . 335 ) ZfVk. II, 103. T o b l e r op. cit. 97. 337 ) op. cit. 99. 33β ) op. cit. 75. M e i c h e Sagen M0) 298 Nr. 387. ηή W S . 3. 186f. WS.

3. 19°.

840

b) Elben und Verwandtes. Die Fähigkeit, T. anzunehmen, wird allen Arten von Naturdämonen zugeschrieben. Elben (Unterirdische), Zwerge, Kobolde, Hausgeister (spiritus familiaris), Wald- und Feldgeister erscheinen gelegentlich in T. — Weit verbreitet ist der Sagentypus von der kindenden Kröte (Elbinnen in Krötengestalt) M1 ). Als Kröten schlecken die Unterirdischen Milch und Bier 342). Sie zeigen sich auch als tanzende Frösche 343), schwarze Hühner 344 ), Ameisen 345 ); Zwerge erscheinen als Fische (Hecht) 346), Würmer 847) oder rote Ameisen 348), Kobolde als Hühner 349) und Gänseriche ^ ; als Schmetterlinge 351). Der Berggeist kommt in Mausgestalt 352). Selten nehmen Elben die Gestalt größerer Tiere an wie der Norg in Tirol, der sich als Stier 353) zeigt, oder der Kobold, der als Pferdegespenst erscheint3S4). — Das Ekerken ( = Eichhörnchen) ist ein ndd. Hausgeist 355). Als Epiphanie aller möglichen in der Natur wirkenden feindlichen Mächte galt in historischer Zeit der Drache (wurm, lint), den man sich bald in Bergen, bald in Wäldern, bald in Flüssen oder Sümpfen hausend dachte Als entartete Nachfahren des grimmigen Drachen der mittelalterlichen Sage sind die kleinen Geld und Getreide bringenden Drachen der Landbevölkerung zu betrachten, die entweder als Katzen oder sonstwie in phantastischer T. mit feurigem Rachen und Schweif erscheinen 357). Von diesen gezähmten Drachen stammt vermutlich der spiritus familiaris, der im Gegensatz zu seinem diabolischen Charakter häufig die Gestalt eines harmlosen Würmchens, seltener die eines Salamanders hat 358). Bei den Waldgeistern ( = Waldleuten) ist auffallenderweise T. verhältnismäßig selten 359). Zu nennen ist immerhin als männlicherWaldgeist derBär360).Die (weiblichen) Fanggen zeigen sich als Wildkatzen, die Holzweiber als Eulen, die Saligen (Tirol) als Geier, die die Gemsen schirmen 3β1 ). Die Ziegenfüße der Waldfänken sind ein Rest theriomorpher Apperzeption 362). Die Feldgeister (Korndämonen), die schon bei den Wassergeistern kurz er-

841

Tierjagen

wähnt wurden, erscheinen meist in T . : Roggenwolf, Roggenhund, Heupudel, Roggensau (Eber) 363 ), Hase, Hirsch 3e4 ). Als Übergangsstadium zur anthropomorphen Apperzeption ist aufzufassen der auf einem Bock durchs Feld reitende Bilwis 3 e 5 ). 341 ) T o b l e r Epiphanie 27, 74f.; M e i c h e Sagen 298 Nr. 387. M 2 ) T o b l e r op. cit. 28. 343 344 ) op. cit. 77. ) op. cit. 35. 3 1 5 ) op. cit. 38 a . 34β ) H o o p s Reallex. 4, 597; V e c k e n s t e d t Sagen 419!!. 3 4 7 ) op. cit. 77, 77*. 34β ) Z a u n e r t Nalursagen 1, 52. 3 4 ·) T o b l e r op. cit. 36 1 . ^o) IF. 30, 276. 351 ) V e c k e n s t e d t op. cit. 418. Μ 5 ) K i i h n a u Sagen 2, Nr. 1037. 1039. 353 ) Z i n g e r l e Sagen 77. 3 H ) Z a u n e r t Natursagen 1 , 6 3 . 35S ) G r i m m Myth. 1 , 418. ω β ) Η β 1 π ι Religgesch. i o 6 f . 357 ) B o e s e b e c k Verwünschung 51 ; M e i c h e a. a. O.; T o b l e r op. cit. 81. ω β ) op. cit. 25. 35®) op. cit. 96. 3β0 ) op. cit. 97*. 3 e l ) op. cit. 97. 3 β ί ) Ebd. 3β3 ) G r i m m Myth, ι, 395. 3M ) M e y e r Religgesch. 108; weitere Beispiele bei H o o p s Reallex. 3, 92. 3β5 ) T o b l e r op. cit. 97; G r i m m Myth, ι, 395.

c) Wetter. In prähistorische Zeit reicht die Vorstellung zurück, daß dämonische Wesen, Hexen, Kobolde u. dgl. in T. das Wetter machen. So heißt es von nebeligem Wetter: Der Hase (Fuchs) braut 3ββ ). Ähnlich französisch: les renards font au four (Franche-Comté), die Füchse bakken 3 e ') oder les renards font la buée, die Füchse haben Wäsche, wenn der Wasserdunst aus dem Flusse steigt 3 e s ). Vgl. deutsch .Fuchsbad' 3ββ ). Nach L a i s t ner 370) wird der den Atem benehmende dichte Nebel durch aufhockende Tiere personifiziert. Ein solches Nebeltier ist neben Fuchs und Wolf der Nebelkater Niff an der Wupper 3 7 1 ). Vgl. mnd. neffel = Nebel. Wetterkatze, Donnerkatze waren beliebte Schimpfwörter gegen Hexen 372 ). Loup de Saint-Jean ist eine franz. Bezeichnung für den Nebel 373 ). Animalisierung des Windes durch rasch sich fortbewegende Tiere (Hund, Pferd) 3 7 1 ) ist einleuchtend. Doch waren auch Stier, Rind, Kuh in prähistorischer Zeit Sturmwesen 37S ). Das beliebteste Windsymbol ist jedoch der Vogel. Stürme heißen im Altnordischen arnar,,Aare" 3 7 e ). Mit den Schwingen seines Adlerkleides erregt Hraesvelgr (Aasschweiger) mächtigen Wind 377 ). Schon im klassischen Al-

842

tertum glaubte man an die Befruchtung des Geiers durch den Wind 378 ). Die griechischen mit Flügeln und Krallen ausgestatteten Harpyen sind nichts anderes als die Personifikation der räuberischen Stürme 379 ). Auch bei wilden Völkerschaften glaubt man an die Erzeugung des Windes durch Vögel 380 ). Ob Schlange 381 ) und Maus 382 ) (diese wegen ihres blinkenden Zahnes) wirklich den Blitz versinnbilden, wie die ältere mythologische Schule will, bleibe dahingestellt, sicher ist nur, daß Geiß, Katze und Luchs 383 ) Wettertiere sind. So sagt jetzt noch der Däne bei drückender Schwüle : Lokke driver med sine Geder, L . treibt seine Geißen aus 3 8 1 ), und wenn die Luft im Hochsommer zittert, heißt es in Oldenburg 385 ): Die Sommerkatzen laufen. Zum Regen werden die Wölfe in Beziehung gebracht. Regnet's, heißt es: die Wölfe pissen 38e ). Ähnlich sagt man bei einem Regenschauer: die Wölfe haben das Fieber 387 ). — Die der nordischen Mythologie geläufige Vorstellung, daß die Sonne von einem Wolf (Fenriswolf) verschlungen wird 388 ), findet sich auch in Frankreich: Le loup a avalé le soleil, der Wolf hat die Sonne verschluckt, heißt es, wenn die Sonne hinter einer Wolke verschwindet 389 ). 3M ) L a i s t n e r Nebelsagen 18 u. passim. 3ββ " ) R o l l a n d Faune 8, 1 3 1 . ) a. a. O. 3βί ) L a i s t n e r op. cit. 18. 37 °) op. cit. 82. 371 372 ) Ebd. ) G r i m m Myth. 2, 910. 3 " ) R o l l a n d op. cit. 8, 59. 3 7 t ) L a i s t n e r 6. 156Í:. 37S ) H e l m Religgesch. 1, 206. 3 7 e ) Misceli. Schuchardt 7. 377 ) op. cit. 6; G r i m m Myth, τ, ¡26I. 37β 37β ) Misceli. Schuchardt 7. ) op. cit. 11. 3S0 ) op. cit. 6. 381 ) L a i s t n e r op. cit. 74 fï. 382 ) op. cit. 285. 3 8 3 ) Bullerluchs = Gewitterwolken ( M a n n h a r d t Germ.Mythen 8). 3 8 4 ) WS. 385 4,221. ) S t r a c k e r j a n 338. 3 i i ) L a i s t n e r op. cit. 9. 3 8 7 ) a . a. Ο. 388 ) G r i m m Myth. ι, 202f. 389 ) R o l l a n d op. cit. 8, 60. Riegler. 3

Tierjagen. Eine Art Volksjustiz, ähnlich dem bayerischen Haberfeldtreiben (s. d.), wobei besonders ehebrecherische Liebschaften aufs Korn genommen werden, ist es am Rhein noch in der Gegenwart üblich (letzter Beleg aus Wormersdorf, Kreis Rheinbach, aus dem J . 1915). Mit allen zur Katzenmusik (s. d.) ge-

843

Tierkönige

hörigen Instrumenten ausgerüstet zieht der lärmende Schwärm durch das Dorf, um „das Tier zu jagen". In Mützenich (Kreis Monschau) nahmen im November 1897 200—300 Personen an einer solchen Exekution teil. Das Haus der Übeltäter wird umstellt. Leisten diese der Aufforderung, herauszukommen, keine Folge, so beginnt man, Türen, Fenster und Wände einzuschlagen und die Verfolgten mittels Rauch und Gewalt herauszutreiben. Dann jagt, stößt oder schleift man sie, bis sie in einer Jauchegrube oder einem Weiher ihre verbrecherische Leidenschaft gründlich abgekühlt haben. *) S i m r o c k Mythologie 551 f.; W r e d e Rhein. Volkskunde2 223f.; Z f V k . 10 (1900), 4 4 I Mengis.

Tierkönige. Eine Übertragung menschlicher Verhältnisse auf das Tierleben scheint in jene prähistorische Zeiten zurückzureichen, wo der Mensch zwischen sich und dem Tiere keinen prinzipiellen Unterschied machte. Der Glaube an T. fand übrigens eine Stütze an der Beobachtung, daß kollektiv lebende Tiere sich der Leitung eines aus ihrer Mitte gleichsam gewählten Oberhauptes unbedingt unterordnen (Bienenkönig(in) x ), Führer der Wandervögel, Leithammel u. dgl.). Ein Niederschlag des T.mythus findet sich heute noch im Märchen. So ist ζ. B . von einem „Vogelkönig" die Rede in dem Märchen „ D a s Zauberroß" 2 ). In dem Märchen „ D a s goldene Schloß" 3 ) haben die laufenden, die fliegenden und die kriechenden Tiere je eine Königin. Auch das rumänische Märchen kennt sie 4 ). Den alten Germanen galt der Bär als König der Tiere 5 ). Tor hatte den Beinamen Biörn „ B ä r " . „Götterbär" war als altgerm. Taufname sehr beliebt (altnord. : asbiörn, altengl. osbeorn, ahd. anspero. Bei den Briten wurde König Artus gelegentlich als Bär dargestellt 6 ). Erst fremdländischer Einfluß verdrängte den urdeutschen Bären von seinem Throne und setzte den exotischen Löwen hinauf. Bei den Primitiven finden sich vielfach T. Die Eskimos glauben, jede Tiergattung habe ein bestimmtes Oberhaupt '). In Bornu haben die Affen eine Stände-

844

monarchie und die Adler einen König 8 ). Die Hinterindier verehren den Repräsentanten jedes Tiergeschlechts als dessen König 8 ). Bei den alten Litauern und Preußen haben die vierfüßigen Tiere und Vögel je ein göttliches Oberhaupt 8 ). Bei den alten Kulturvölkern finden wir ähnliches. Nach dem Glauben der Perser hat jede Klasse von Wesen ihren Oberherrn mit übermenschlichen Eigenschaften, aber in tierischer Gestalt 8 ). Auch im alten Indien haben Tiere, insbesondere die Vögel und Schlangen, ihre (göttlichen) Könige 8 ). In Tiernamen finden sich noch zahlreiche Spuren des Tierkönigtums. Da ist zunächst der Zaunkönig (s.d.), der seinen Namen der weit verbreiteten alten Sage von der Königswahl unter den Vögeln verdankt (Überlistung des Adlers, des alten Königs der Vögel) 9 ). Schon Plinius, Nat. hist. X , 74 führt aus: [Dissident] aquilae et trochilus si credimus, quoniam rex appellator avium. Auch Aristoteles, Hist, animal. I X , 11 spielt darauf an: τρόχιλος άέτω πολέμιος10). Doch ist ziemlich sicher, daß mit ,:regulus' eigentlich das Goldhähnchen {regulus cristatus) benannt war, dessen gelbes Gefieder auf dem Kopfe ihm das Aussehen eines Krönchens zu geben scheint. Es mag denn auch zu einer Verwechslung mit dem ähnlichen troglodytes parvulus (Zaunkönig) gekommen sein 1 1 ), wobei dann die Sage von der Königswahl ätiologisch zu werten wäre. Auch in einigen modernen Sprachen ist das Goldhähnchen mit „Königlein" benannt: franz. roitelet couronné, ital. reaitino, griech. βασιλισκος, τύραννος, poln. krolik, russ. korolik 1 2 ). So auch der Zaunkönig, der in der Steiermark „Königvögerl" 1 3 ), in der Lausitz Goldkriendl („Goldkrönchen") 1 4 ), am Niederrhein und in den Niederlanden Winterkönig 15 ), im Unterinntal Reiserkönig 16 ), in der Pfalz Mauskönig 1 7 ) heißt. Andere Namen bei R o l l a n d 1 8 ) : Schneekönig, Pfutschekönig, Nettelkönig, Königl < mhd. chuniclin19), niedöst. Kinicherl 20 ), steir. Kinivogerl 2 1 ), fläm. : koninksen, keuntje 22) ; franz. roitelet mit vielen dial.

845

Tierkönige

Varianten 23 ), roy des oiseaux (16. Jh.) 24 ), ital. reatin (Verona) 2 5 ), re d'uccelli (Roma) 2 6 ), port, ave rei " ) , schwed. kungsfagel2S), lit. karalelis von kardlus „ K ö n i g " 29 ). Unserem „ Z a u n k ö n i g " entsprechen holl. tuinkoning, ital. re di sief e 30). Von ähnlichen Namen seien noch angeführt für das Wiesensumpfhuhn (crex pratensis) : Wachtelkönig (weil der Wachtel ähnlich, aber größer) 31 ). Entsprechend franz. roi des cailles, ital. re di quaglie, veror. requajo32), span, rey de las codornices. In Piémont wird die Sumpfnachtigall re d'i rossigneui „Nachtigallenkönig" genannt 3 3 ). Eine Ortolanenart heißt in Istrien re di ortolan34), in Triest reortolan35). In Norwegen heißt der kleine A l k alke-konge36). Ferner gibt es einen Meisenkönig 3 7 ) (obersteir. und tirol. Name des großen Raubwürgers — ein König, der seine Untertanen vertilgt). Dasselbe ist der Fall mit dem Storch als Froschkönig: D e adeboor is de poggen ehr könig 3 8 ). — In Spangenbergs „Ganssk ö n i g " wollen die Vögel den Wiedehopf zum König wählen, weil er die Krone auf dem Kopfe t r ä g t 3 9 ) (vgl. Kuckuckskönig = Wiedehopf) 4 0 ). Namentlich in den Alpenländern weit verbreitet ist der Glaube an einen Schlangenkönig oder eine Schlangenkönigin (Haselwurm, Otternkönig) 41 ) (s. Schlange). Sie ist weiß und hat ein Goldkrönlein auf dem Haupte (Krönleinnatter) 42 ). Sie kann pfeifen und durchbohrt jeden, den sie antrifft 4 3 ). Hiermit verwandt ist der aus dem Orient stammende Basilisk 4 4 ), ein Hahn mit Drachenflügeln und einem Krönlein auf dem K o p f 4 5 ) . Wie es eine Sage von der Königswahl der Vögel gibt, so findet sich auch eine solche von der Königswahl der Fische, aus der der Hering (s. d.) siegreich hervorging 4 6 ). In Frankreich gilt der Streber (apron), eine Barschart, als König der Fische (roi poisson). E r taucht zum Grunde hinab, wenn es schön ist und kommt bei schlechtem Wetter zur Oberfläche, während sich alle anderen Fische anders verhalten. Sein Königtum beruht also darauf, daß er scheinbar im Gefühl seiner Würde seine

846

Untertanen von sich fernhält 4 7 ) (Vgl. ital. regina für den Karpfen) 48 ). A u c h unter den Insekten gibt es „ K ö n i g e " . D a ist zunächst der Ameisenkönig (tirol. amassenkinig) zu nennen. So heißt im Volksmund die L a r v e der dem Goldkäfer verwandten cetonia floricola, die in Ameisenhaufen lebt und ebenso für den König der Ameisen gehalten wird wie die Weisel die Bienenkönigin ist 49 ) (s. Biene). Ein Maikäfer mit buntem Halsschild heißt in der steirischen Schülersprache „ K ö n i g " 5 0 ) = „ K i n i " (so auch in K ä r n ten) 5 1 ). Vgl. in Pola (Istrien) regina überhaupt für „Maikäfer" 5 2 ). Im Schlesischen (Glatz) führt ein dickleibiger Nachtfalter den Namen „Mottenkönig" 5 3 ). — A u s ital. Dialekten seien noch angeführt: reginetta für die (kleinere) Libelle 5 4 ) wie auch für die Heuschrecke 5 5 ), regina di rigoi „ K ö nigin der Grabendämme" für die Gottesanbeterin (mantis religiosa, B e r g a m o ) 5 β ) und schließlich rigina dirri grilli „ Grillen königin" 57 ) (Campobasso) für mantis und eine große Heuschreckenart. Auch Weisel (zu weisen) < mhd. wisel ·< ahd. wîso; G r i m m Myth. 2, 580; 3, 203. 2) Z a u n e r t 3 ) op. Deutsche Märchen 337. cit. 32fg. 4 ) W o l f Beiträge 1, 399. 5 ) G r i m m 7) B r e g e n z e r Mythologie 2, 556. ·) Ebd. 9) K ö h l e r Tierethik usf. *) op. cit. 116. Kl. Sehr. I, 70. 197. 1 0 ) B i i s k e n s Singvögel 17. u ) Ebd. 1 2 ) E d l i n g e r Tiernamen 50; K e l l e r 1 3 ) U n g e r u. Antike Tierwelt 2, 8 3 ! Khull 1 4 Steir. Wortschatz 403. ) ZfadSprv. 35, 10. 1 6 ) op. cit. 30. 136. M) Dalla Torre Tiernamen 99. 1 7 ) H e e g e r Tiere 2, 11. 1 8 ) R o l l a n d Faune 10, 172. 1 β ) E d l i n g e r op. cit. 113. 20 ) H ö f e r Niedö. Vögel 7. 2 1 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 366. 22 ) R o l l a n d Faune 10, 172. 23 ) R o l l a n d op. cit. 10, 167. M ) Ebd. 2 5 ) R o l l a n d op. cit. 10, 171 ; G a r b i n i Antroponimie 956. 2β ) Ebd. 2 ') E d l i n g e r op. cit. 114. 2β) Ebd. 29) op. cit. 113. 30) Ebd. 3 1 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2,1194. 32) G a r b i n i op. cit. 533. 33 ) R o l l a n d M) Garbini op. cit. 2, 284. op. cit. 1179. 3S ) Ebd. 3δ ) S w a i n s o n British birds 219. 37 ) H ö f e r 38 ) W o s s i d l o Niedö. Vögel. op. cit. 2, 369. 39 ) op. cit. 2, 391. 40) op. cit. 2, 363. 4 1 ) Hier 2, 157; G r i m m Myth. 2, 572. 42 ) Car. 96 S. 68; Z i n g e r l e Sagen 431; D a l l a T o r r e Tiernamen 77. 43 ) Z i n g e r l e a. a. O. 44 ) Hier 45 ) W e i g a n d - H i r t ι , 935f. DWb. i , 163; B e r g m a n n DWb. 20; H u l m e Natural History 4β 266, 305. ) W o s s i d l o op. cit. 2, 346; H u l m e op. cit. 334. 47 ) R o l l a n d Faune 3, 181. 48) G a r 49 ) D a l l a b i n i op. cit. 1422. Torre Tiernamen 88. 50 ) U n g e r u. K h u l l op. cit. 403.

847

Tierköpfe

« ) Car. 96, S. 60. «») G a r b i n i op. cit. 1432. " ) ZfadSprV. 35, 10. M ) G a r b i n i op. cit. 1408. " ) op. cit. 384. w ) op. cit. 984. 57 ) op. cit. 384. Riegler.

Tierköpfe. ι . In der Beschreibung, die Adam von Bremen von dem großen Opfer von Upsala gibt, heißt es: ex omni animante quod masculinum est, novem capita offeruntur, quorum sanguine deos tales placavi mos est. corpora autem suspenduntur in lucum qui proximus est templo1). Der Kopf des Opfertiers wurde abgeschnitten und dem Gott geweiht 2 ). An der Stätte der Schlacht im Teutoburger Wald fand Caecina equorum artus, simul truncis arborum antefixa ora (Tacit, ann. I 61). Das waren die Köpfe der römischen Beutepferde, welche die Germanen den Göttern geopfert hatten. Auch Saxo gr. p. 75 erwähnt ein solches immolati dits equi abscissum caput3). Von den Alemannen sagt Agathias : Γπποο; τε xat βόας και άλλα άττα μυρία καρατομοΰντες έπώειάζουσιν. Papst Gregor I. fordert im Jahre 517 die Königin Brunhilde brieflich auf zu verhindern, ut de animalium capitibus sacrificia sacrilega exhibeant4). Man schrieb solchen Tierköpfen allerlei übernatürliche Kräfte zu (Kopf: Sitz der Seele) 8 ). Deshalb errichtete man im Norden die sog. N e i d s t a n g e n , Pfähle, auf die man die Pferdeköpfe steckte. Man drehte dann diese Köpfe nach der Richtung, aus der man den Feind erwartete (Egilsaga p. 389) e ). Eine Verwendung von T.n als Opfergaben kennen viele Völker Afrikas. Votivpfähle mit Ochsenköpfen wurden festgestellt am oberen weißen Nil und bei den Hereros, aber auch in Madagaskar und auf Sumatra. An der Loangoküste fand man ganze Schädelpyramiden (von Antilopen, Ochsen, Gorillas); Pyramiden aus Pferdeschädeln errichten die Kalmücken an der unteren Wolga. Im nördlichen Asien opfert man den Göttern oder auf Gräbern die Köpfe der auf der Jagd erlegten Eisbären, Walrosse und Rentiere, während man das Fleisch verzehrt. Die Ainos auf Jeso verehren die Schädel der am Bärenfest geopferten Bären 7 ). Im Heidentum wurde mit den abge-

848

schnittenen und aufgesteckten Tier-(bes. Pferde-)köpfen mannigfacher Zauber getrieben, wie er noch in dem Kindermärchen vom treuen Falada (Grimm Nr. 89) fortlebt. Solche Pferdeköpfe bezeichnet ζ. B . Plinius n. h. 1 9 , 1 0 als Mittel gegen die Raupen : si palo imponantur in hortis ossa capitis ex equino genere6). Daher schreibt M. Fugger (1584) in seinem Kapitel „Von Artzeneyen genommen von Pferden": Wann man den Kopff von einer Stuten {verstehe das Gebayn vom Kopff) in einem Garten an einem Pfahl oder Stange aufstäke, so geraht alles dasjenige desto baser, was im selben Garten wächßt, insonderheit aber vertreibt es die Raupen und Ratzen ®). Auch Wolfsköpfe sperrte man mit Haselstäben und steckte sie zu apotropäischen Zwecken auf Pfähle (s. Neidstange). Auch im Liebeszauber spielen Tierköpfe eine Rolle. In der Reformationszeit noch warfen Mädchen einen Eselskopf in die Flammen, „um den Geliebten meilenweit zu sich her zu zwingen". In Luthers Tischreden (Kr. 432) heißt es unter der Überschrift „ M a g i a " : De ludimagistro, qui convocava sagas per caput equinum et arcuit eas ab igne, donee contabescerent. Advenit autem asinus mutus, sed confodiebatur a domino und (c. 3 , 1 2 ) quo modo semel in igne S. Ioannis Craneum Bubulinum (Ochsenkopf) ex sepibus in ignem posuissent, eo confluxisse summis preeibus venificas, ut candelas ascenderent10). Bis in die Gegenwart macht man sich vielfach die abwehrende K r a f t der T. zur Bannung böser Geister und der durch sie hervorgerufenen Krankheiten, besonders der Viehseuchen zunutze. Im Schwarzwald hing man bei einer Viehseuche Kalbsköpfe im Haus auf, während man noch früher zu solchem Zweck die Köpfe verwendete, die man lebenden Ochsen abgehauen hatte. In Tirol stecken die Sennen in solchem Fall den Kopf des ersten an der Seuche eingegangenen Kalbs auf eine Stange; jedoch bricht dann die Krankheit in jener Gegend aus, wohin der Kopf schaut. Auch die Wenden kannten die apotropäische Wirkung solcher Tierschädel; in Griechenland und Kleinasien, in der Walachei wie im Kaukasus werden

849

Tierkreis—Tierkult

noch in der Gegenwart Köpfe von Pferden, Stieren, Widdern vor den Gehöften auf Pfählen aufgepflanzt u ). Magyarische Schafhirten verwenden auf diese Weise Pferde- und Eselsschädel gegen die Bedrohung ihrer Herden durch Wölfe 1 2 ). Es genügt auch, einen Roßschädel im Stall aufzubewahren, um die Hexen zu vertreiben 13 ). Einen Pferdekopf unter dem Kopfkissen liegen zu haben, mag unbequem sein, aber es schützt gegen Elben und andere ungebetene Gäste 1 4 ). In einem von unerträglichem Geisterspuk heimgesuchten Haus in Grellingen (Kt. Bern) wurde die Plage sofort beseitigt, als man einen R i n d e r s c h ä d e l , den der neue Besitzer beim Einzug achtlos beiseite geworfen hatte, wieder a m D a c h f i r s t anbrachte 1 S ). An die Stelle der wirklichen T. traten schließlich N a c h b i l d u n g e n aus Holz, die man kreuzweis am Giebel annagelte. Schließlich sah man diese gekreuzten Pferdeköpfe an den alten niedersächsischen Bauernhäusern (nach innen schauend: Lüneburger Heide elbaufwärts; nach außen schauend : Weser, Westfalen, Braunschweig, Mark, Pommern) wie in Rhätien und Tirol nur noch als Hausschmuck an. Alte Ortsnamen erinnern noch an die uralte Sitte, wie Berhaupten, Tierhaupten, Roshaupten16). ») G r i m m Myth. 1, 43. 2 ) E b d . 1, 3 8 f . ; M ü l l e n h o f f Altertumsk. 4, 218; L i e b r e c h t Zur Volksk. 294. 3 ) G r i m m Myth. 1, 3 8 ! ; A n d r e e Parallelen 1, 127. 4 ) S a u p e Indiculus 21; M u u s Allgerm. Relig. 36f.; S p a l d i n g Der König der Tiere bei den allen Germanen, Progr. Neumark 1890, 10. 5 ) S a u p e Indiculus 21; V o r d e m f e l d e Altgerm. Relig. 1, i n . * ) G r i m m Myth, i , 38JE.; 2 , 5 4 9 ; A n d r e e Parallelen 1, 127; Q u i t z m a n n Baiwaren 2 3 6 s . , vgl. S e l i g m a n n Blick 2, i 3 4 f . ' ) A n d r e e Parallelen i , 1 2 9 a . ; G r i m m Myth. 2, 553. β ) G r i m m Myth. 2, 549; S c h i n d l e r Aberglaube i62f.; L i e b r e c h t Zur Volksk. 349; S a u p e Indiculus 21. · ) A n d r e e Parallelen 1, 128. l 0 ) K l i n g n e r Luther 72; G r i m m Myth. 2, 55of. u ) M e y e r Baden 370; Germ. Myth. 106ff. 137; Aberglaube 252; A l p e n b u r g Tirol 265; A n d r e e Parallelen 1, 128; K r a u s s Relig. Brauch 146f.; W l i s l o c k i Magyaren 26; W u t t k e 299 § 439. " ) W l i s l o c k i Magyaren 9. l s ) G r i m m Myth. 2, 55of.; 3, 463 Nr. 815; Eberhardt Landwirtschaft 13. " ) G r i m m Myth. 2, 550; M e y e r Germ. Myth. 106. » ) SAVk. 13, 149. " ) G r i m m Myth.

850

2, 55of.; Andree Parallelen 1, i28f.; H e y l Tirol 788 Nr. 156; M a n n h a r d t 1, 167.

2. Nach mittelalterlichem Volksglauben verursacht der G e n u ß v o n T.n K o p f l e i d e n 1 7 ) : quidam contra dolorem capitis non comedunt aut tangunt caput animalis aut piscis (Gottschalk Hollen: Sermones dominicales super Epístolas Pauli, Pars I. s. hyemalis, Nr. 47; vgl. Quadragesimale beati Bernardini de Christiana religione, Sermo X . de idolatrie cultu, art. 3 cap. 2) 1 8 ). Vor allem dürfen Epileptiker nicht vom Kopf eines Tieres essen 19 ). Andrerseits hat die V o l k s m e d i z i n den Tierkopf zu mannigfachen Heilzwecken verwendet, sowohl weil der Kopf des Opfertiers als Hauptstück beim Opfer besonderes Gedeihen versprach, als auch, weil er als Sitz der Seele des (göttlichen oder chthonisch-dämonischen) Tieres galt. Das Wirksame bei solchen Heilversuchen war demnach die Zauberkraft der im Tierkopf wohnenden Seele oder Geister. T., besonders das Gehirn, wurden daher gewöhnlich zur Bekämpfung von Unfruchtbarkeit, ansteckenden, vor allem dämonischen Krankheiten, Hautentstellung, Augenflecken u. dgl. verwendet. In Böhmen glaubte man sogar, ein totgeborenes Kind — schuld daran sind die „wilden Weiber" — durch folgendes Verfahren zum Leben erwecken zu können: Der Vater schnitt einem neugeborenen Kalb den Kopf ab, warf ihn auf einer Brücke rückwärts über seinen Kopf ins Wasser und eilte nach Hause, ohne sich umzusehen 20). 1 7 ) F r a n z Benediktionen 2, 84, 10; Nik. de Jawor 182; ZfVk. 24 (1911), 154Í. " ) ZfVk. 18 (1908), 443; 22 (1912), n g f . 242; L i e b r e c h t Gervasius 245 Nr. 324. 1 8 ) J ü h l i n g Tiere 345; S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 132 Nr. 367. 2 0 ) H ö f 1er Organotherapie 152; W u t t k e 299 § 439· Mengis.

Tierkreis s. S t e r n b i l d e r (Nachtrag). Tierkult. I. Der Tierdienst, in dem „die extremsten Typen des religiösen Kultus, von der nüchternsten Tatsächlichkeit bis zum traumhaften Mystizismus Platz finden" 1 ), ist bei den verschiedensten Völkern nachweisbar. Ausgesprochen präanimistische Vorstellungen, die „Staunen, Schauder

85i

Tierkult

und Ehrfurcht in bezug auf eine furchterzeugende Macht" (ζ. B . Totenstarre für die Verehrung eines Leichnams als solchen) ohne Rücksicht auf eine Beseelung als Motive für kultähnliche Vorkommnisse kennen 2 ) (Fetischismus), lassen sich zwar in dem Glauben an die Zauberkraft gewisser Tiere verschiedentlich feststellen, — so verehrt ζ. B . der Giljake den Schwertwal, der ihm die flüchtigen Tiere des Meeres zujagt, als seinen Wohltäter — scheinen aber für die kultische Verehrung des Tieres nicht in Betracht zu kommen. Gegenstand der Verehrung ist in der Regel nicht das Tier an sich, sondern die Gottheit oder die Seele, die sich den Tierkörper zum Wohnsitz gewählt hat. Die Annahme ist naheliegend, daß der unzivilisierte Mensch in dem ihm an Kraft, Mut und Schlauheit oft überlegenen Tier ein Wesen sieht, das wie er von einer Seele belebt ist, die auch nach dem körperlichen Tod nicht aufhört zu existieren 3 ). Schließlich tritt zu der Vorstellung von der Beseelung des Tieres die Idee der Inkarnation eines Gottes, dessen Macht auch dann wirksam bleibt, wenn der göttliche Geist durch den Tod des tierischen Leibes von diesem wieder getrennt wird 4 ). Der Weg führt nicht selten über das Opfertier, das beim Mahl genossen und zunächst als Zaubermittel verehrt wird, zum heiligen Tier und Tiergott wird 5 ). Da weder in Ägypten, dem klassischen Land des T.s, noch sonst irgendwo die Repräsentation des Gottes oder der göttlich verehrten Seele durch das Tier der Gottheit schadete, muß das Verhältnis des primitiven Menschen zum Tier ein ganz anderes, intimeres, sein, als es der moderne Kulturmensch empfindet. Nur eine anthropopathische Auffassung, welche die ganze Umwelt mit menschlichem Maßstab mißt und jedes Empfindens für die Verschiedenheit der Lebewesen bar ist, vermag eine Erscheinung wie die Verehrung eines Tieres zu erklären 6 ). Alle Erscheinungen, die auf eine kultische Bedeutung der Tiere zurückzuführen sind, bezeichnet Wundt mit dem Ausdruck A n i m a l i s m u s : 1 . den Glauben an eine dem Tier innewohnende zauberhafte Macht, 2. die Scheu vor dem Tier,

852

die sich in Speiseverboten und Opfergeboten äußert, 3. den Kult von Tiergöttern, die halb als Tiere, halb als menschliche Wesen gedacht werden, 4. den Glauben an die Beziehung einzelner Tiere zu bestimmten Göttern 7 ). Der reine T. tritt zugleich mit den primitivsten Kulturbedingungen in Erscheinung 8 ). So sind es zunächst die in ihrer Existenz von ihren Herden abhängigen Hirtenvölker, bei denen sich eine Neigung zum Tierdienst bemerkbar macht (ζ. B . bei den Toda in den Nilgerri-Bergen Südindiens und den Dinka, mit Einschränkungen auch bei den Kaffern und libyschen Stämmen) 9 ). Auch die Germanen verehrten Tiere verschiedener Art und schrieben ihnen besondere Kräfte zu, wenn sich bei ihnen auch kein so ausgeprägter Tierkult wie beispielsweise in Ägypten findet. So gering auch die Spuren sind, die der alte Tierglaube in den deutschen Stammesgesetzen des frühen Mittelalters hinterlassen hat, ein Nachklang ausgesprochener Tierverehrung ist der Eid in peculium, der auf einen Tierkopf (s. d.) abgelegte Eid, von dem das friesische Gesetz spricht 10 ).

2 ! ) T y l o r Cultur 2, 243. ) R . R. M a r e t t Pre-animistic Religion, Folk-Lore 1900; B e t h 3 Religionsgesch. 32. ) Schäfer Verwandlung 5 3 ; B e t h Religionsgesch. 26; T y l o r Cullur 2, 2 3 0 f . ; A R w . 8 (1905), 2 5 1 ; 1 3 (1910), 405. 4 407t. 4 1 2 ; P r e u ß Naturvölker 3 6 ! ) Tylor Cultur 2, 230t. 5 ) N a u m a n n Gemeinschaftsfi kultur 73. ) V o r d e m f e l d e Religion 1 (1923), :oif. ' ) W u n d t Mythus u. Religion 1, 323. ") Ebd. I, 324. 9 ) Ebd. 3 , 4 2 8 ; A n d r é e Paral10 lelen 1, 122Í. ) M u u s Altgerm. Relig. 3 5 f f . ; V o r d e m f e l d e Religion 1 (1923), ioof.

2. Mit dem T. darf der T o t e m i s m u s nicht verwechselt werden 1 1 ). Vielmehr stellt dieser allem Anschein nach eine Stufe g e s e l l s c h a f t l i c h e r O r g a n i s a tion dar, durch welche die meisten Völker der Erde hindurchgegangen sind, und deren klassisches Land Nordamerika ist. Die meisten Indianerstämme gliedern sich in eine Anzahl von Geschlechtern, von denen jedes sein Einheitssymbol (Totem) hat, meist ein Tier (Bär, Biber, Schlange, Schildkröte usw.). Zu diesem Totemtier tritt der Angehörige des Geschlechts in ein nahes Verhältnis, er glaubt von ihm

Tierkult

853

abzustammen. Folglich meinen die Mitglieder eines solchen Geschlechts, sie seien untereinander blutsverwandt, so daß Heiraten innerhalb desselben Totems nicht vorkommen 12 ). Die Eigenschaften des Stammtiers geben vielfach die Eigennamen für die Stammesgenossen a b 1 3 ) . Daß freilich die zahlreichen, von Tieren abgeleiteten deutschen Eigennamen (Wolfgang, Wolfram, Bernhard usw.) denselben Ursprung haben sollen 14 ), ist sehr zweifelhaft. Bei Festen und Tanzspielen werden von den Indianern Gestalt und Bewegung dieses Stammtieres nachgeahmt 1 δ ), in das heilige Totemtier glauben sie nach ihrem Tod zurückzukehren 1β ). Man kann einen e n t s a g e n d e n und einen g e n i e ß e n d e n T o t e m i s m u s unterscheiden. Die entsagende Form begegnet hauptsächlich bei eigentlichen Seelentieren (s. Tier), wie Schlangen, Eidechsen, Krokodilen, Vögeln, die nicht zu den gewöhnlichen Nahrungsmitteln gehören, oder da, wo der Begriff des Totemtiers sich bereits zum „heiligen Tier" entwickelt h a t 1 7 ) . Sie äußert sich in Speiseverboten und in dem Verbot, das Totemtier zu töten. Die Indianer Perus gingen in Befolgung dieser Vorschrift bis zu der äußersten Konsequenz, sich vom Jaguar widerstandslos zerreißen zu lassen. Meist ist es gestattet, in der Notwehr das angreifende Tier zu töten, so bei den nordamerikanischen Indianern. Dann ist es aber erforderlich, die zürnende Tier- bzw. Ahnenseele durch lange Entschuldigungsreden und Sühnezeremonien zu versöhnen (Nordamerika, Australien, Ozeanien, Afrika) 1 8 ). Der genießende Totemismus findet sich vor allem da, wo die Totemtiere zu den gewöhnlichen Jagd- und Nutztieren zählen. Das Tier wird gejagt, getötet und unter besonderen Riten verzehrt. Kalifornische Indianer töten jährlich in feierlicher Versammlung einen Bussard, ihr Totemtier, und essen es auf. Auch bei den Schlangengesellschaften in Arizona deuten noch gewisse Gebräuche darauf hin, daß man auch hier ursprünglich das Totemtier, eine Schlange, verzehrte 19 ). 11

) R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 75.

12

) Tylor

854

Cultur 2, 235ff.; F r a z e r Totemismi R e u t e r skiöld Speisesakr. 20; S c h ä f e r Verwandlung 55S.1 W i l u t z k i Recht 1, ógff.; W u n d t Mythus m. Religion 1, 324Í· ; S c h m i d t Gottesidee 1, 178,1. M ) W i l u t z k i Recht 1, 71. 1 4 ) S c h u r t z Vorgesch. d. Kultur 101. l s ) A n d r e e Parallelen 2, 159; W i l u t z k i Recht 1, 71. l e ) S c h ä f e r Verwandlung 56; W i l u t z k i Recht 1, 70. 17 ) W u n d t Mythus u. Religion 1, 334ft. 18 ) R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 14; S c h ä f e r 19 Verwandlung 57. ) W u n d t Mythus u. Religion I, 334ff.; F r a z e r 7 (5, 1), i6gff.

3. Da nach altem Glauben ein Tier durch Genuß des Körpers, insbesondere des blutgefüllten Fleisches (s. B l u t ) sich in den Besitz des Lebens oder der Seele eines Menschen setzt, so gelten Würmer, Fliegen und ähnliche Leichenzehrer als die ältesten Tierdämonen. Dem primitiven Menschen sind sie nicht nur Urheber des Todes, er hält sie auch für die Ursache jedes unerklärlichen Übels und überhaupt aller unbegreiflichen Vorgänge im Leben, ja sogar für die Schöpfer der Welt. Der Parsismus schreibt den Fliegendämon den feindlichen — mongolischen und turanischen — Völkern zu und läßt Ahriman in Fliegengestalt die Welt durchziehen. Auch Raubtiere kommen als solche dämonischen Tiere in Frage. Wenn nun aber z. B . die Kafiern alles Unglück dem „toten Bruder" zuschreiben, so tritt bereits der Verstorbene selbst, bzw. seine Seele, an die Stelle des Tieres. Wir haben hier den ein Hauptmotiv des T.s bildenden, mancherorts noch fälschlich Tierfetischismus genannten A n i m i s m u s , d . h . den Glauben an das Tier (aber auch andere Naturobjekte) als Träger einer Dämonen- oder Menschenseele20). Auch die eigentlichen S e e l e n t i e r e sind Gegenstand der Verehrung. E s sind chthonische Tiere (Schlange u. dgl.), in deren Gestalt die Seelen der Abgeschiedenen erscheinen oder die der Lebenden zeitweise ihre Körper verlassen (s. Tier § 4). Hierher gehören die zahlreichen Beispiele von Ophiolatrie in Europa von der Burgschlange in Athen (Herod. V I I I 41), dem in Schlangengestalt erscheinenden Genius loci der Römer (Servius ad Aen. V 95) und der bei den Langobarden verehrten goldenen Schlange bis zu den zahlreichen Sagen und Märchen der

855

Tierkult

856

tischer Zeit als Gottheiten verehrte DäGegenwart, die von zahmen Hausschlanmonen (2 Chron. 1 1 , 1 5 ) hatten Bocksgen oder v o m Schlangenkönig mit seiner gestalt (Levit. 17, 7) ; in einer Höhle zu goldenen Krone erzählen 2 l ) (s. Schlange). Phigaleia in Arkadien stand das Bild Hinzu kommt der uralte Glaube an die der „schwarzen" Demeter, eine FrauenVerwandlung eines göttlichen Wesens gestalt in schwarzem Gewand, auf einem in ein Tier, die I n k a r n a t i o n eines Steinsitz sitzend, mit Pferdekopf; TerraGottes im Tierkörper. A l s klassikotten zum Teil aus römischer (!) Zeit sches Beispiel dieser A r t gilt der Apis der aus Lykosura (Arkadien) zeigen eine alten Ägypter. Manche der großen griechiweibliche Gestalt mit dem Kopf einer schen Götter wurden einst als Tier verehrt K u h oder eines Schafes; die syrischen oder ihre Namen auf alte tiergestaltige Darstellungen von Göttern, die auf ihren Gottheiten übertragen. I m Tempel des Tieren reiten, so der B a a l von Doliche Dionysos, der als Stier bezeichnet wurde, auf einem Stier und das Weib der Apokastand zu K y z i k o s das Bild des Gottes in lypse (17, 3), das auf dem Tiere sitzt, geStiergestalt. In Arkadien schrieb man hören ebenfalls hierher. Für die alten der Demeter oder einer Göttin, die später Böhmen beweist die Existenz eines Tiermit ihr identifiziert wurde, Pferdegestalt kults das Homiliar des Prager Bischofs zu. Nach einer arkadischen Sage schenkte aus dem 1 1 . Jh., in dem es heißt: nesie dem (rossegestaltigen ?) Poseidon außer quáquam bestiam -pro deo colere debemus einer Tochter ein Fohlen. Unter den ger(pg. 57 F . 138b). Je mehr durch die manischen Göttern tritt besonders L o k i steigende K u l t u r das Tier aus dem Seelengern in Tiergestalt auf, sein Sohn ist der kult (im weitesten Sinn) verdrängt wird, Fenrisûlfr 2 2 ). u m so mehr vermenschlicht sich der TierPriester eines ehemals tiergestaltigen gott, bis schließlich die menschliche IdealGottes werden oft mit dem Namen des gestalt die des Tieres vollkommen ersetzt. Tieres bezeichnet: die Priesterinnen der Die alte tierische Natur aber äußert sich Artemis zu Brauron hießen άρχτοι (Bärinzumeist darin, daß diese anthropomorphen nen), die Priesterin der Demeter und Götter die ihrer alten Natur entsprechenKore in Lakonien „ d a s Fohlen der beiden den Tiere als irdische Stellvertreter oder hochheiligen Göttinnen". Vermutlich Begleiter erhalten. A m Ende dieser Entwaren sie in früherer Zeit als Tiere maswicklung sind jene heiligen Tiere nunmehr kiert, spielten den Gott (vgl. Entstehung Symbole der Eigenschaften des Gottes 2 4 ). der Tragödie aus dem Spiel, das die als so Böcke verkleideten Choreuten zu Ehren ) L i p p e r t Kulturgesch. 2, 364S.; S t e m p l i n g e r Aberglaube 63Í.·, L ü t t i c h Zahlen 5. des Dionysos aufführten) 2 3 ). A u c h sonst 21 ) T y l o r Cultur 2, 240I; W u n d t Mythus u. sind die Spuren eines alten Kultes tierReligion 1, 388; G r i m m Myth. 2, 569ff.; gestaltiger Götter sehr häufig. Bei manM e y e r Germ. Myth. 63f. 67; S c h ä f e r Verchen Göttergestalten erinnern später nur wandlung 5 1 ; L i p p e r t Christentum 491 ff.; M u u s Allgerm. Relig. 39S.·, Baumgarten noch geringe Reste an die alte Tiernatur, Aus der Heimat 105; R o c h h o l z Schweizersagen so bei den schönen Knabengestalten der 2, 72; S i m r o c k Mythologie 501. 2 2 ) G r i m m Satyrn v o m 4. Jh. ab die Warzen und Myth. 2, 539f. 557; W o l f Beiträge 401; T y l o r die spitzen Ohren; Pan, ursprünglich ein Cultur 2, 223; F r a z e r Totemism 1, 81; 2, 155ff.: S c h ä f e r Verwandlung 54; A. S p a l d i n g Der B o c k , behielt schließlich nur noch seine König der Tiere bei den alten Germanen P r o g r . Hörner, während Herodot ihn noch mit Neumark i. Westpr. 1890, 3; Urquell 4 (1893), dem Ziegenkopf und Bocksfüßen kennt. 178; S a m t e r Religion 6ff.; S c h ä f e r VerwandWelcher A r t die Zwischenglieder in dieser lung 52; F r a n z Benediktionen 2, 124; F r a z e r Golden Bough 8 (5, 2), i f f . ; D i e t e r i c h Kl. Sehr. Entwicklung sind, zeigen nicht nur die 483f.; M e y e r Religgesch. 173. 23 ) S a m t e r allbekannten tierköpfigen Götter der alten 21 Religion gt; S p a l d i n g 12. ) Samter Ä g y p t e r : auch die phönizische Astarte Religion 8f.; Scheftelowitz Altpalästin. hatte einen K u h k o p f ; in südarabischen Bauernglaube n f . ; W u n d t Mythus u. Religion Σ. 373*· 376. 382; ARw. 15 (1912), 474; 17 Kulten spielten noch in jüngerer Zeit (1914), 428t.; C u m o n t Orient. Rei. 135; Stierköpfe eine große Rolle; in urisraeli-

857

Tierkult

S t e m p l i n g e r Aberglaube 63Í.; C l e m e n Neues Test. 103; G r o h m a n n 53.

4. Von den göttlich verehrten Tieren müssen diejenigen getrennt werden, die h e i l i g gehalten wurden, weil sie als O p f e r t i e r e oder als B o t e n d e r G ö t t e r und S y m b o l e ihrer Eigenschaften oder als B e g l e i t e r d e r G ö t t e r in einem nahen Verhältnis zu der Gottheit stehen 25 ). Zwischen den Tieren als Boten der Götter und den Vegetationsdämonen (ζ. B. K o r n b o c k , s.d.) ist ebenfalls eine Beziehung wahrscheinlich 26 ). In der römischen Religion gelten die heiligen Tiere als Repräsentanten der Götter und sichtbares Zeichen ihrer Macht, so die Vögel als internuntii Jovis, die Schlange als Vertreter des genius loci, in den Stammsagen der Pincenter, Hirpiner, Samniten greifen nur die heiligen Tiere, nicht die Götter selbst in die Handlung ein 27 ). Wenn dann die Cimbern nach Plutarch (Marius 23) einen ehernen Stier mit sich führten, die Langobarden den höchsten Gott unter dem Bild einer goldenen Schlange verehrten, so haben wir offenbar in diesen Tieren und ihren effigies die Symbole einer göttlichen Macht zu erblicken 28 ). Im nächsten Entwicklungsstadium erscheint das Tier als Begleiter der Gottheit. In der bildenden Kunst werden diese begleitenden Tiere oft mit den Symbolen des Gottes ausgestattet, ζ. B . der geflügelten Scheibe (Ägypten). Bei den Germanen haben sich diese begleitenden Göttertiere besonders gut gehalten, um später dann von den christlichen Heiligen mit Vorliebe zu Botendiensten verwendet zu werden 29). Zu den beliebtesten heiligen Tieren zählt die S c h l a n g e (s. d.). Den Ägyptern galt der K ä f e r (scarabaeus, χάναρος, χάροβος) als Bild des Lebens und „geheimnisvoller Selbsterzeugung", da er aus Kugeln hervorgehe, die er balle und im Mist vergrabe. Man braucht nur an die besondere Ehre zu erinnern, die das deutsche Volk dem mit Donner und Feuer in Verbindung gebrachten Schröter oder dem ersten Maikäfer als ersten Frühlingsboten erweist. Auch die Namen des kleinen Marienkäfers (coccinella septempunctata) :

858

Gotteskühlein, Gotteskalb, Herrgottskalb, Herrgottstierchen, Herrgottsvöglein, Marienvöglein, Marienkälblein sprechen für eine besondere Einschätzung dieses Tierchens. Den Griechen war die E u l e Athenes heiliger Vogel, F i s c h e waren der Artemis undHekate heilig (Athen. V I I 126 p. 325 a), wie die Heringe der Berhta. Rinder waren der Artemis heilig; die Germanen hielten sie als Opfertiere heilig; der fränkische Königswagen wurde von Stieren gezogen; die Cimbern schworen nach Plutarch, Marius 23 über einem ehernen Stier. F e l i s aurea pro deo colitur (Plin. I V 29,35); K a t z e n zogen den Wagen der Freya. Die nordische Mythologie schrieb beinahe jedem Gott sein besonderes, zauberkräftiges P f e r d zu (ζ. B . Odins Sleipnir). In heiligen Hainen wurden (vornehmlich dem Freyr) weiße Rosse gehalten, die zu keiner menschlichen Arbeit herangezogen wurden (Tacit. Germ. 9.10). Von den durch Otto von Bamberg i. J. 1124 bekehrten Pommern erzählt die Vita Ottonis episcopi Bambergensis (II 22) : habebant cabattum mirae magnitudinis et pinguem, nigri coloris et acrem ν aide, iste toto anni tempore vacabat, tantaeque fuit sanctitatis, ut nullum dignaretur sessorem; habuitque unum de quattuor sacerdotibus templorum custodem diligentissimum etc. Den Luitizern ( = Wilzen) nahm der Halberstädter Bischof Burcard ihr heiliges Pferd. Auf den Hufen einiger Götterrosse standen Runen wie auf der Tatze des Bären und der Klaue des Wolfs (vgl. Tierfabel, Reinh. C C L X I I I ) . Die Heldensage nennt die Namen mancher berühmten Rosse von Achills Xanthos und Balios (II. 19, 400ff.) bis auf den in den Ardennen „noch lebenden" klugen Bajart, dessen Gewieher all jährlieh am Johannistag zu hören ist 30 ). Wahrscheinlich sind in den g o l d e n e n T i e r e n des heutigen Märchens (goldene Gans bei Grimm Nr. 64, goldener Fisch ebd. Nr. 85, Goldesel ebd. Nr. 36) späte Nachkommen alter Kulttiere zu erblicken 31 ). Dem Christen werden die heiligen Tiere der Heiden zu d ä m o n i s c h e n T i e r e n . Bock und Ziege, einst des Thôr heilige Tiere, gelten heute noch als Teufelsgetier,

859

Tierkult

weshalb man an manchen Orten die Geißfüße nicht ißt 3 2 ). Die Katze, ein unheimliches Tier, trägt sich neunmal des Tages mit der Absicht, ihren Herrn zu töten, so sehr sie ihm schmeichelt; wird eine Katze neun Jahre alt, so wird sie zur Hexe 3 3 ). Unmittelbar auf das als Bote und Begleiter des Gottes, als Symbol seiner göttlichen Eigenschaften verehrte heilige Tier geht das bei allen Kulturvölkern verbreitete Wappentier zurück. So leitet man ζ. B . den Stierkopf im mecklenburgischen Wappen von dem ehernen Stier her, auf den die Cimbern schworen 34 ). Ähnliches kennt schon das römische Altertum. Jede römische Legion führte in den signa ihr eigenes Tierbild, das Zodiakalzeichen (s. T i e r k r e i s ) , dem die ihm nach Ovid. fast. I I I 109ff. gebührende Verehrung zuteil wurde. So hatten die alten caesarischen Legionen das Bild des Stiers, in dessen Monat Venus genetrix, die Schutzgöttin des julischen Hauses, regiert. Seinen neuen Legionen verlieh Augustus sein eigenes Nativitätsgestirn, den Steinbock 35 ). 2S ) G r i m m Myth. 2, 539. 2 Í ) W u n d t Mythus u. Religion 3, 76. 27 ) W i s s o w a Religion1 23f. 2 8 ) M ü l l e n h o f f Altertumsh. 4, 201. 2 e ) W u n d t Mythus u. Religion i , 380; 3, 77; S p i e ß Prähistorie i o f . ; B e r n o u l l i Merowinger 28of. 30) G r i m m Myth. 1, 546ff. 557. 572! 3 l 57öff.; 3, i g o f i . 200. ) W u n d t Mythus u. 32 Religion 1, I44Í. ) G r i m m Myth. 2, 555. 3 3 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 357 Nr. 2 u. 3. M ) W u n d t Mythus u. Religion 3, 77; G r i m m 35) D o m a s z e w s k i Myth. 2, 554. Religion i f f . 7 f . 14.

5. Heiligen Tieren bringt man naturgemäß O p f e r dar 36 ). Die heilige Schlange im Parthenon zu Athen bekam täglich einen Honigkuchen 37 ). Die Mexikaner fütterten ihre heiligen Tiere mit Menschenfleisch38). Die heilige Kuh empfängt täglich den Besuch des frommen Hindus, der ihr voll Ehrfurcht frisches Gras und Blumen darreicht 39 ). Im deutschen Volksglauben haben sich noch Spuren solcher Opfer erhalten, ζ. B . im Kult der Hausschlange 40 ). Im spegel des antichristischen pawestdoms dorch Nicolaum Grysen, predigern in Rostock (1539) heißt es:

860

ja, im heidendom hebben tor tid der ame de meiers dem afgade Woden umme god horn angeropen, denn wenn de roggenarne geendet, heft man up den testen platz eins idem veldes einen kleinen ord unde humpel korns unafgemeiet stanlaten, datsûlve baven an den aren drevoldigen to samende geschärtet unde besprenget, alle meiers sin darumme her gelreden, ere hâde vam koppe genamen und ere seisen na der sülven wode ( ?) unde geschrenke upgerichtet, und hebben den Wodendiivel dremal semplik lud averall also angeropen unde gebeden: Wode hale dinem rosse nu voder nu distel unde dorn, tom andern jar beter korn!

Die Sitte, bei der Kornernte einen Büschel Getreide auf dem Feld stehen zu lassen, dem Woden für sein Pferd, ist heute noch in Niedersachsen lebendig. In Schleswig stellt man bei der Aussaat von Hafer auf einem gewissen Stück Land einen Sack Hafer hin, worauf dann nachts jemand kommt und ihn für sein Pferd mitnimmt 41 ). Dieses Opfer wurde allmählich zu einer Gabe für Schädlinge. So läßt man in einigen Gegenden Deutschlands den letzten Kornbüschel bei der Ernte für die Vögel stehen ; in Süddeutschland streut man in manchen Gegenden den Vögeln in der Christnacht Getreide auf das Hausdach, auch eine ungedroschene Garbe auf einer Stange vors Haus gesteckt, tut diesen Dienst. In Mecklenburg nimmt der Landmann beim Säen, das am Mittwoch oder Donnerstag stillschweigend vor sich geht, so viel Körner in den Mund, als das Ackerstück Ecken hat, spuckt nach der Arbeit über die Schulter auf jede Ecke ein Korn und geht schweigend nach Hause (apotropäisches „Opfer"). Ähnliches wird aus Schlesien, Pommern, Lauenburg, der Mark und Oberlausitz, Hessen u. a. berichtet. In Thüringen und Schlesien gehörte die erste Garbe den in der Tenne hausenden Mäusen. Im Schwarzwald legt man an Fastnacht dem Fuchs Backwerk unter eine Hecke, damit er die Hühner in Ruhe lasse. Ähnliches erzählt man aus der Oberpfalz, aus der Rheinpfalz gegen den Habicht; ein badischer Hirt ließ jedes Jahr seine schönste Ziege dem Wolf zum Fraß 4 2 ). Wie beim entsagenden Totemismus der

Tierkult

Genuß des Totemtiers verderbliche Folgen hat — ißt bei den Bakalai (Westafrika) •ein Mann sein Totemtier, so haben die Frauen des Clans Fehlgeburten und bringen Tiere von der Art des Totems zur Welt — , in Ost- und Zentralafrika das Schlachten eines Totemtiers mit der Todesstrafe, Ausstoßung aus dem Stamm und Konfiskation des Viehs bedroht wird 43 ), so geht mit der kultischen Verehrung auch die E n t s a g u n g v o m Genuß des F l e i s c h e s des h e i l i g e n T i e r e s gewöhnlich parallel. Das bekannteste moderne Beispiel ist wohl das heilige Tier der Hindus, die Kuh, bei deren Tötung Mohammedaner und Engländer größte Rücksicht nehmen müssen; veranlaßte doch das Kuhschlachten in den Jahren 1871 und 1872 die Kukasekte sich offen zu empören, wobei die Parole ausgegeben wurde, die Kuhschlächter aus dem Land zu vertreiben44). Im deutschen Volksglauben haben sich noch manche Spuren solcher Vorstellungen erhalten: Turteltauben schlachtet man nicht (böhm.), denn sie sind „Herrgottsvögel" und schützen vor Blitzschlag (Schw.). Auch der Storch ist ein „Herrgottsvogel" (N. Dtl.), den man nicht töten darf, ebenso die Schwalbe, das Herrgottsvöglein (Westf., Schw.) oder Muttergottesvöglein (Schles., Bö., Tirol), das Rotkehlchen, der Muttergottesvogel (Tirol), und das Rotschwänzchen45). H e i l i g e T i e r e h a b e n ihren S c h u t z g e i s t , ihre Erinnys, deren Rache der Mensch verfällt, wenn er eines dieser Tiere getötet hat. Deshalb suchen Indianer wie Ostjaken und Afrikaner (Togo) durch Sühnezeremonien und Opfer die Strafe abzuwenden46). Im klassischen Altertum kannte man eine große Zahl von T i e r g r ä b e r n , die nicht alle wie bei den zahlreichen Ortsnamen in der Art von Κυνός χεφαλαί, Κάπροι, Ίππουχρήνη u. a. ätiologischen Sagen ihre Existenz verdanken, sondern als Überreste alten Tierkults zu betrachten sind. So war nach Varrò 1.1. VII 17 der Omphalos in Delphi das Grab des Python, der in Schlangengestalt das alte Erdorakel hütete, bis er von Apollon ver-

862

drängt wurde. Das bekannteste derartige Grab, das κυνόί σήμα auf dem thrakischen Chersones, galt als Ruhestätte der in einen Hund verwandelten Hekate 47 ). Auch R e l i q u i e n v o n T i e r e n der Heroenzeit zeigte man vielerorts: die Zähne des erymantischen Ebers im Apollotempel von Cumae in Kampanien (Paus. VIII 24, 5), in Sparta im Heiligtum der Leukippiden das Ei der Leda (Paus. III 16,1). Offenbar waren Seltenheiten wie Elefantenzähne, Fischskelette, Schlangen u. dgl. in den Tempeln willkommene Gaben. Deshalb weihte Hadrian in Thespiai das Fell einer von ihm erlegten Bärin. Auch in christlichen Kirchen fanden sich Felle, Zähne u. dgl. von Tieren als Weihgeschenke. Die Palästinapilger brachten viel derartiges ins Abendland, ohne daß aber diese „Reliquien" je eine kultliche Verwendung gefunden hätten, mit Ausnahme vielleicht derer des Palmesels, die man in Verona zu besitzen vorgab 48 ). Teile von Tierkörpern (Kopf, Haare, Zähne) oder Bilder heiliger Tiere (ζ. B. Skarabaeus) bieten als A m u l e t t e Schutz gegen Übel jeder Art, vor allem gegen Krankheiten 49 ). 3e ) T y l o r Cultur 2, 380. 37 ) G r i m m Myth. з. 197· 3 8 ) U r q u e l l 4 (1893). 35· 3 e ) T y l o r Cultur 2, 239. 380. 40) S i m r o c k Mythologie 499. 41 ) G r i m m Myth. 1, i28f.; M ü l l e n h o f f Sagen Nr. 490; Jahn Opfergebräuche 71. 42 ) J a h n Opfergebräuche 71 f. 118. 159f. 276f. 302f.; B i r l i n g e r Volkstümliches 2, 8; R o c h h o l z Glaube 1, 322; Z i n g e r l e Johannissegen 200; B a a d e r NSagen 20 Nr. 28. 43 ) F r a z e r Totemism 1, 16; 2, 434. 6o9fif.; W u n d t Mythus и. Religion 1, 337. 348. 41 ) A n d r e e Parallelen ι, 124f. 45 ) G r i m m Myth. 2, 568f.; W u t t k e 48 i i g f . §§ 157—160. ) Frazer Totemism 3, 133f.; Golden Bough 7 (5, 1), i69fi.; S p a l d i n g 6; A R w . 14 (1911), 641; A m i r a Tierprozeß 57S. 47 ) P f i s t e r 4 8 j Ebd. Reliquienkult 1, 326ft. i , 324ÎÎ. 49) W u n d t Mythus u. Religion 1, 297. 502; F r a z e r Totemism 3, 412. 417. 427. 451.

6. Zu allen Zeiten und bei den verschiedensten Völkern sind T i e r t ä n z e belegt, bei denen die Tänzer in Tierfelle gekleidet, als Tiere maskiert die Bewegungen und das Benehmen einzelner Tiere pantomimisch darstellen50). In manchen Fällen, wie bei den alten Griechen (Pollux IV 103; Aelian N. a. 15, 28;

863

Tiernamen

Athen. I X 391 ab. XIV 629!.), bei nordamerikanischen Indianern und Ostjaken, werden sie vor der Jagd aufgeführt, verfolgen also wohl den Zweck, durch ihre Zauberkraft die Jagd erfolgreich zu gestalten®1). Die meisten dieser Tänze aber verleugnen ihren Zusammenhang mit dem Tierkult nicht. In Australien und Nordamerika spielen sie bei den Einführungszeremonien der Pubertätsriten eine Rolle52). Äußerst beliebt sind sie bei Ernte- und Frühlingsfesten, bei denen die tiergestaltigen Vegetationsdämonen zur Darstellung gelangen. Solche Tänze haben die Zeit primitiver Zustände oft lang überdauert, wie die Geschichte der griechischen Tragödie undKomödie lehrt53). Auch in deutschen Volksbräuchen haben sich noch Reste solcher uralter Tänze und Spiele erhalten. In Germete (Kr. Warburg) maskierten sich an Fastnacht die Burschen als Büffel und Bären. Ein „Zigeuner" führte einen in Erbsen- und Bohnenstroh eingehüllten „Tanzbären" am Nasenring herum. In Greven führte man einen in ein Ochsenfell genähten Mann durch die Straßen um ihn dann zu „schlachten" (Opfer)64). Im badischen Pfingstritt kommt zuletzt der in Rinde und Stroh gehüllte „Pfingsthagen" (Pfingststier), d. h. der, welcher beim „Ausfahren" am 1. Mai der saumseligste war 55 ). so ) W u n d t Mythus u. Religion 2, 97; B ü c h e r Rhythmus 3 1 7 ; F r a z e r Totemism 4, 285. 3 1 3 ; 61 R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 46Í. ) Frazer Totemism i, 38f.; A n d r e e Parallelen 2, 154. t2 ) F r a z e r Totemism 1, 37f. i 3 ) W u n d t Mythus u. Religion 1, 384Í.; 2, 97; D i e t e r i c h Kl. Sehr. 317Í. 420. M ) S a r t o r i Westfalen 146. 5S ) G e s e m a n n Regenzauber 72, vgl. K. B r u n ner Ostdeutsche Volksk. 205.

7. Ein weitverbreitetes Sagen- und Märchenmotiv ist das der Säugung von Heldenkindern durch Tiere. So wurde Kyros von einer Hindin, Paris von einer Bärin gesäugt, Romulus und Remus erhielten ihre Nahrung von Specht und Wölfin. Eine Hirschkuh läßt den ausgesetzten Sigurd trinken (Vilk. saga 142), Wolfdietrich erhielt seinen Namen nach seiner Amme, einer Wölfin. „Wie auf den Ursprung der Römer scheint auf den

864

der Gothen und Schwaben diese Gemeinschaft mit den Weifen angewandt". Wir haben es hier offenbar mit Resten und Umformungen des alten Glaubens zu tun, nach dem die Menschen ihr Geschlecht von Tieren herleiten, deren treffliche Eigenschaften, wie Mut und Klugheit, auf sie weitervererbt wurden58). Der auf totemistischen und animistischen Vorstellungen basierende T. wird durch neu hinzukommende kultische (Tabubräuche und Opfer) und mythologische Elemente weiter entwickelt und schließlich überwunden. Aus dem Schutzverhältnis zwischen Tiergott und Mensch wird ein wechselseitiges, durch Verträge und Opfer gefestigtes. Der Mensch beansprucht die nützlichen Dienste dessen, der vorher Gegenstand der Verehrung war. Die Wertschätzung des Tieres nimmt immer mehr ab, die Tierverwandlung gilt durchaus als Strafe 57 ).

M ) Grimm Myth. 1, 323Í.; 2, 5 6 0 ! ; P a n z e r Sigfrid 41, 52; L i e b r e c h t Zur Volksk. 22; S p a l d i n g 12; v. d. L e y e n Märchen ¡gí. " ) W u n d t Mythus u. Religion 1, 324!. 380; 2, 2o8f.; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 13. Mengis.

Tiernamen. In den volkstümlichen T. spiegeln sich zahlreiche Elemente des Aberglaubens wider. Eine zoologisch exakte Betrachtungsweise ist dem Landmann fremd. Zwei Hauptfaktoren sind es, die bei der Schöpfung volkstümlicher T. in Betracht kommen : ungenaue Beobachtung und mythische Vorstellungen. Auf dem Mangel einer exakten Beobachtung beruhen die aus biologischen Irrtümern hervorgehenden T., wozu auch die Übertragung sozialer, menschlicher Verhältnisse auf die Tierwelt gehört, sodann die sehr häufigen Benennungen gewisser Tierarten nach anderen mehr oder minder verwandten, schließlich irrtümliche Namengebung infolge Verwechslung zweier verschiedener Tiere. Unter den mythischen Vorstellungen ist in erster Linie zu nennen das auf abergläubischer Scheu beruhende Namenverbot (tabu), das zur Schöpfung zahlreicher neuer Namen führte, zu denen vielleicht auch die Belegung der Tiere mit

Xiernamen

86s

866

Taufnamen und sicher die mit Verwandt- < mhd. 'eltes' bietet die Gottscheeer schaftsnamen zu rechnen ist. Ferner hat Mundart: 'eltasch', 'engltasche', 'eidackdie vom Volk geglaubte Beeinflussung sel' 1β ). — „Eichhorn" ist eine alte Umdurch übersinnliche Gewalten sei es heid- deutung eines nicht mit Sicherheit festnischer (Elben, Hexen, Teufel), sei es zustellenden Wortes 1 7 ). In 'grau-werk' christlicher Natur (Gott, Mutter Gottes, „Fell des grauen Eichhörnchens" steckt Heilige) viele T. veranlaßt. der tschechische Name dieses Tieres : ι. Sprachliches. Bevor in eine 'wewerka' 18 ). — Murmeltier ist umgevolkskundliche Erörterung der T. ein- formt aus ahd. 'murmenti' mit Anlehnung gegangen wird, sollen einige sprachliche an 'murmeln' 1 9 ). — 'Trampeltier' ist Betrachtungen vorausgeschickt werden. Verdeutlichung von 'trampeP „DromeZunächst fällt auf, daß sich viel altes dar" 20). — Aus „Elefant" entstand mit Sprachgut in den mundartlichen T. er- Anlehnung an helfen, 'helfant', 'helfentier' 2 1 ). — 'Grasmücke' ist umgedeutet halten hat. Im Rotwelsch heißt der Maulesel 'ran- aus ahd. 'gra-smucca' „Grauschlüpfer" 22 kert' von mhd. 'ranken' „wie ein Esel (zu „schmiegen") ). — Aus der 'Goldschreien" 1 ). — In bayr. 'murmentel' ammer' wurde ein 'goldhammer' (engl, 23 „Murmeltier" ist ahd. 'murmente' < lat. 'yellowhammer') ). Vgl. noch 'Emmer24 2 "murem montis' erhalten ). — Kämt. ling' = 'hämmerling' ). ·— 'Auerhahn' 3 'turterP „Turteltaube" ) ohne den ver- < mhd. 'orhan' < ahd. 'orrehon' (vgl. deutlichenden Zusatz geht auf ahd. 'tur- schwed. 'orre' „Birkhuhn") wurde später turo' zurück. — In 'Krammetsvogel' an 'ur, urochse' angelehnt 25 ). — Die steckt ahd. 'chranawitu' „Kranichholz" = „Rüttelweihe" erscheint schles. als 'rüttelWachholder 4) (Der Vogel liebt die Wach- weib' 2 6 ).—Der „Pirol" wurde zu einem holderbeeren). — 'Rohrdommel' ist Um- 'bierholer' 27 ). — Im Etschtal heißt es gestaltung von ahd. 'horotumbeP ('horo' 'schilchkrot' statt „Schildkröte" mit An= Sumpf, 'tumbeP = betäubender Schall lehnung an 'schlichen'= schielen 28 ). — nach dem eigentümlichen Ruf des Vogels 5 )). Die Namen des Eichhörnchens und des — In ndd. 'sever', 'maisewer' = Maikäfer Wiesels beeinflußten sich gegenseitig. So steckt ahd. 'zepar' „Opfertier" ( = nhd. heißt in der Vorderpfalz das kleine Wiesel Um'ziefer' in 'Ungeziefer') 6 ). — Ahd. 'vîval- 'maushernel' ('hernel — herrnel'). tra' > nhd. 'feifalter' „Schmetterling" gekehrt ist aus dem i6. Jh. für Eich29 lebt in tirol. 'pfeifalter' weiter 7 ). Aus 'fei- hörnchen 'eichhermel' belegt ). — Merkfalter' entstand volksetym. 'feuerfalk' 8 ).— würdige Umformungen erfuhr das oben Auf vulg. lat. 'ôrïcûla' < klass. lat. 'auri- zitierte 'pfeifalter' < ahd. 'Vivaltra' Während 'pfeilvater' cula' 9 ) gehen die nd. Formen 'ûrâkel', „Schmetterling". 'ûrankel', 'ôrâkel' 10 ), österr. 'orgel' n ),, ,Oh- lautlich dem 'pfeifalter' nahe steht, ist renschliefer" zurück. Vielfach wurden alte 'pfeilmutter' nur semantisch zu erklären (Bedeutungsattraktion) 30). — 'schwabe' T., die Gefahr liefen, unverständlich zu werden, durch entsprechende Zusätze < 'schabe' lag nahe, trägt doch die semantisch gestützt. So entstanden Bil- Küchenschabe auch in anderen Sprachen dungen wie 'lindwurm', 'hermeltier' Völkernamen 31) (siehe bei „Schabe"). ( = Hermelin), 'maultier', 'hirschkäfer', — Die 'Hornisse' wurde an die Nessel 'damhirsch', 'windhund', 'walfisch', dän. angeglichen : nass, 'hornessel' 32 ) (tertium 'säl-hund' „Seehund" usw. 1 2 ). comp.: brennender Schmerz), 'hornessel' 33 Eine große Rolle spielt bei den volks- rief wieder ein 'eiternessel' ) für „Bremse'* tümlichen T. die Volksetymologie, 'maul- hervor. — 'Skorpion' als Fremdwort wurf' ist umgedeutet aus mhd. 'moltwerf' wurde selbstverständlich im Munde des „Erdaufwerfer" 13 ). Von den zahlreichen deutschen Bauern umgeformt: oberöst. 34 (Mölltal) 'sturVarianten sei genannt 'molkworf' 14 ). — 'stolprian' ), kämt. 35 15 pion' ). — Bei zusammengesetzten T. Aus 'hermelin' wurde 'heermännchen ). — Auffallende Umformungen von 'Iltis' sind Umstellungen häufig: 'Rotkehlchen' B ä c h t o l d - S t i u b l i , Aberglaube VIII

28

867

Tiernamen

> 'Kehlrötchen' ; 'rotzageP (Rotschwänzchen) > 'zahlroten' (Ruhla) 36) ; westfäl. 'eikkatte' „Eichkätzchen" > mecklenb. 'Katteiker' 37) ; siebenb. 'splitterholz' < 'Holzsplitter' = Schmetterling (Mimikry) 38). — Charakteristisch für gewisse mundartliche T. ist die Verbindung zweier gleichbedeutender Wörter. So heißt die Kröte im Waldviertel (Nö.) 'Krodhatschn' 39 ), und in Westfalen 'padhucke' ('hatschn' und 'pad' deuten auf den schwerfälligen Gang). Hieher gehört auch der Name 'rattmaus' für die Ratte 41 ). Ratte und Maus sind zwei nahverwandte Tiere, die oft verwechselt werden. — Ein schriftsprachlicher oder der Schriftsprache nahestehender und ein mundartlicher T. werden zuweilen nebeneinander gebraucht und zwar in der Weise, daß ersterer im übertragenen, letzterer im eigentlichen Sinn verwendet wird. So ist 'krœt' in Mecklenburg nur als Scheit- und Kosewort üblich, während für das Tier c pogg\ 'huck' u. dgl. gesagt wird 42 ). —Eigentümlich ist im Schles. die Form 'täubin' für die weibliche Taube 43 ). Zu dem mask. 'Tauber' wurde ein neues fem. gebildet nach Analogie von Bäcker— Bäckin. 2) W e i ' ) G ü n t h e r Gaunersprache s. v. g a n d - H i r t DWb. 2, 238; U n g e r - K h u l l Steir. Wortsch. 469; B e r g m a n n DWb. 196. 3 ) Car. 4) L e i t h a e u s e r 96 S. 66. Volkskundliches I/2 S. 20. 5 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 600; e ) KblndSpr. 2, 43. B e r g m a n n DWb. 248. 7) W e i n k o p f Naturgeschichte 144; Bergm a n n DWb. 70. 8 ) Egerl. 11, 107. ') M e y e r L i i b k e REWb. Nr. 793. 1 0 ) L e i t h a e u s e r op. n ) Weinkopf cit. I/2, S. 26. op. cit. 139. " ) R i e g l e r Tier 286; Natur u. Schule 6, 60; Zool. Garten 11, 282; U n g e r - K h u l l op. cit. 329. 1 3 ) B e r g m a n n DWb. 182. " ) ZfSprV. 35, 8. 1 5 ) Zool. Garten 11, 278. 1β ) S a t t e r Tiere 18. " ) W e i g a n d - H i r t DWb. 1, 410; B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 64. 18 ) Zool. Garten 13, 45; Edlinger Tiernamen 29. » ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 237f.; B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 64. 20 ) W e i g a n d H i r t DWb. 2, 1060; B e r g m a n n op. cit. 65. 21) R i e g l e r 22 ) L e i t h a e u s e r Tier 89. op. 24 ) cit. I/i, S. 13. 23 ) H e e g e r Tiere 2, 12. 25 ) W e i g a n d - H i r t B e r g m a n n DWb. 7. DWb. ι, 99. 2«) ZfSprV. 35, 9. 27 ) W e i g a n d H i r t 2, 431; B e r g m a n n DWb. 223. 2β ) D a l l a T o r r e Tiernamen 77. 28 ) H e e g e r Tiere 1, 23. 30 ) W e i n k o p f op. cit. 144; B e r g m a n n DWb. 70. 3 1 ) B e r g m a n n Deutscher Sprachschatz 65.

868

32 )

K e h r e i n Nassau 1, 462. 33) op. cit. 1, 461. W e i n k o p f op. cit. 144. 35 ) K r a n z m a y e r 3e ) W e i s e mündl. Mitt. Mundarten 108. 37 ) op. cit. 109. 38 ) ZfdWf. I i , 306. 3S ) W e i n 40 k o p f op. cit. 137. ) W o e s t e Wb. s. v. 4 1 ) K e h r e i n op. cit. s. v . 42 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 332. 43 ) ZfSpV. 35, 8. M)

2. B i o l o g i s c h e r A b e r g l a u b e . Der Volksglaube schafft bei manchen Tieren künstliche Unterscheidungen nach eingebildeten Merkmalen. So unterscheidet der Tiroler Bauer einen 'hundsigel' (Männchen) und einen 'schweinsigel' (Weibchen), und zwar nach der angeblichen Verschiedenheit der Schnauzenform44). Derselbe Unterschied wird in der Gegend von Göttingen beim Dachs gemacht : 'hunetax' und 'swînetax' 45). — A u f übertreibender Volksphantasie beruht siegerl. 'dausend gebânzel' „Tausendgebein" 46) als Bezeichnung von 'scolopendra'. Vgl. Schriftdeutsch 'Tausendfuß', franz. 'millepieds', 'millepattes', ital. (Parma) 'zentgambi' 47 ). — Auf Verwechslung der sieben Atmungsöffnungen mit Augen bei der Pricke (Fisch) geht der Name 'Neunauge' zurück 48 ). — Das Volk dichtet manchen Tieren Defekte der Sinnesorgane an. Hierauf beruhen 'Blindschleiche', holl. 'blindslang', mecklenb. 'blinnworm', 'blinne slange' 49) für 'anguis fragilis' Bei Insekten: ndd. 'blinnesnider' „blinder Schneider" heißt die Libelle 51 ), 'blinn fleig' 52), 'blinne fleugen' 63) „blinde Fliegen" sind ndd. Namen der Regenbremse. Die Blindschleiche erscheint auf der Insel Rügen als taub: 'doofworm' 54 ). — Wegen ihrer geringen stimmlichen Betätigung gelten gewisse Schnepfenarten als stumm. So heißt die Moorschnepfe in Tirol die 'stumme' 55 ), während im Anhaltischen dieser Name auf die kleine Bekassine angewendet wird 5e). Im Gegensatz hiezu wird anderen Vögeln ein märchenhaftes Stimmorgan angedichtet : so heißt in Schlesien (Neustadt) die Grasmücke 'neinstemmerla' (Neunstimmlein) 57),im oberen Mölltal (Kärnten) eine Drosselart 'sieben stimmlein' 58). Auch am Tun und Lassen der Tiere betätigt sich die Volksphantasie: 'speckmaus' oder 'speckfresser' heißt die Fledermaus, da sie sich angeblich in den Schorn-

869

Tiernamen

steinen am Speck gütlich tut 5 9 ). Die Haselmaus heißt 'siebenschläfer', weil sie einen Winterschlaf von sieben Monaten halten soll60). Der 'eisvogel' heißt deswegen so, weil er nach dem Volksglauben Eis ausbrütet β1 ). Für die Nachtschwalbe (caprimulgus europaeus) verzeichnet Nemnich 6 2 ) 'schlucker', was durch die Analoga franz. 'engoulevent' 63 ), ital. 'ingojavento' 64 ), engl, 'windsucker' und 'windbibber' 65 ) verständlich wird. — Der Salamander heißt im Bergischen 'fürmolP „Feuermolch" nach dem Aberglauben, er könne im Feuer leben ββ). — Gern werden den Tieren, namentlich den Insekten, Tätigkeiten angedichtet, die gegen den Menschen oder die Haustiere gerichtet sind und ihnen schaden sollen. Die Zwergfledermaus fliegt ins Haar und heißt daher in österr. 'haarrafferi' β7 ). Der Igel saugt am Kuheuter, was seinen berg. Namen 'köhsicker' „Kuhsauger' ' erklärt 68 ). — Das Wiesel erzeugt durch Anblasen Krankheit, daher wird es von den Zigeunern 'phurdini' „das Blasende" genannt 69). 'Lanius collurio', der Würger, führt den Namen 'neuntöter' nach dem Glauben, der Vogel töte immer erst neun Tiere, bevor er sie verzehre 70 ). Demselben Aberglauben verdankt die Hornisse in Gellershagen (Minden-Ravensberg) ihren Namen 'nirgenmörder' (*nirgen'=neun ) 7 1 ). — Die ätzende Flüssigkeit, die die Ameise ausscheidet, wird für ihren Urin gehalten; man glaubt daher, das Insekt „beseiche" einen n ), daher ihre Namen siegerl. 'seichämese' ('seimess5)73), westfäl. 'sekammelte' 74), 'mîgente' ('mîgen' = pissen) 75 ), niederrh. 'miegämpen' (tmieg> = Harn) 7β ), Minden-Ravensberg: 'mig-ampe', 'mäich-hiamken' ('hiamken' = Heimchen) 77 ),Bornum: 'pissemiere'78), vgl. engl, 'pissmire' 79). — Häufig werden Tiere mit Blitz oder Feuer überhaupt in Verbindung gebracht und sind daher als Brandstifter gefürchtet. Beim Rotschwänzchen: 'branderl' 80 ), 'branter' 81 ) gibt wohl die rote Farbe Anlaß zu diesem Aberglauben. In den Alpenländern glaubt man, daß, wer ein 'branderl5 tötet, sein Haus in Feuergefahr bringe 82). Zu Blitz und Donner steht seit altersher auch der

870

Hirschkäfer in Beziehung, daher seine Namen 'donnerpuppe' 83 ), 'donnergueg' (schweiz. 'gueg' = Käfer) 84 ), 'borner' „Brenner", 'husbörner' „Hausbrenner" 85 ). Auch von den Ameisen ('woirumaissen' = Feuerameisen) glaubt man im Gottscheeischen, sie zündeten das Haus an, in das sie eindrängen 8e). — Die Libelle gefährdet nach dem Volksglauben Augen und Ohren und heißt daher in den Alpenländern 'augenausstecher' und 'ohrenschiesser'87). Als „Pferdestecher" 'piastiaker' erscheint sie in Minden-Ravensberg 88 ). — Von den gewöhnlichen Läusen unterscheiden sich die Erbläuse ('ehrflüse') dadurch, daß sie von einem Toten „angelaufen" sind 89 ). — Die vermeintliche Giftigkeit der Spinne kommt in ihren Namen zum Ausdruck. In engl.dial. 'atterkop', dän. 'edderkop' bedeutet das Bestimmungswort 'atter' > 'edder* > 'eiter' „tierisches Gift" ·°). Ebenso ist altengl. 'lobbe' „Spinne" verwandt mit got. 'lubja' = „Gift", altnord. 'lyf' „Arznei", altengl. clybb' „Gift",ahd. 'lupi'91). — Die zu den Spinnentieren gehörige Samtmilbe ist von den Viehzüchtern gefürchtet. Die Schafe, die diese Milbe fressen, verfallen angeblich einem jähen ('gâchen') Tod. Daher heißt dieses Insekt in Gottschee die 'gâche' 92 ). — Weit verbreitet ist der Aberglaube, der Ohrwurm (forfícula auricularis) krieche Schlafenden ins Ohr und richte dort Unheil an 93 ). Davon die Namen: steir. 'ohrwurler' 94 ), 'ohrätzel' u.dgl. 9 5 ). Schles. 'öhrle' 9e ), schweiz. 'öhreli' < mhd. 'œrlin', 'orlîn'97) erinnern an den imaginären Ohrwurm, der als Vermittler der Gehörsempfindung betrachtet wird 98 ). An die schädigende Tätigkeit des Insekts im Ohrinnern spielen Namen an wie berg. 'ûreknîfer' „Ohrenkneifer", 'ûrepetscher', 'auernhilderer' „Ohraushöhler" 99). Viel seltener sind solche Namen, die ein Tier nach einer dem Menschen ersprießlichen Tätigkeit benennen. So 'wehdamsvogeP (Berchtesgaden) 10°) für den Kreuzschnabel, der angeblich Krankheiten an sich zieht. — Die Zauneidechse heißt in österr. 'natterretterlein' 101 ), weil sie den Menschen vor Nattern warnt. 28«

871

Tiernamen

Vgl. im Trentino 'salva—òmeni' „Menschenretter" 102 ). — Die Heuschrecke wirkt wohltätig, indem sie angeblich die Warzen wegbeißt. Daher ihre Namen (Mecklenburg) 'wrattenfräter', 'wrattenbiter\ 'wartenbiter" 103 ).

**) D a l l a T o r r e Tiernamen 54. 4 5 ) R o l l a n d Faune 1, 4911. 7, 108. " ) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 21. *') K o l l a n d Faune 12, 119. ω ) B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 96. 48 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 348. M ) Natur u. Schule 6, 50; B e r g m a n n DWb. 266. " ) W o s H sidlo op. cit. 2, 423. ) KblndSpr. 2, 41. M M ) H a r t w i g Tiernamen 44. ) Wossidlo M op. cit. 2, 349. ) D a l l a T o r r e op. cit. 66. M ) W i r t h Beiträge 4—5, S. 42. 67 ) ZfSprV. 35, 9f. S8 ) Car. 96 S. 64. M ) M ö l l e n h o f f Natur 10; Natur u. Schule 6, 51, 57. , 0 ) B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 96. β 1 ) H ö f e r Vögel 7. ·») I, 854. « ) R o l l a n d Faune 2, 385. M ) G i glioli Avifauna 249. * 8 ) S w a i n s o n British birds 140. " ) L e i t h a e u s e r Volkstümliches I/2 S. 30. " ) Fragebogen des bayr. österr. Wb.s. " ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/i S. 17. " ) Urquell 6, ι. 70 ) L e i t h a e u s e r I/2 S. 38f. 7 l ) H a r t w i g Tiernamen 41. " ) R i e g l e r Tier 240. 7 3 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 6. 7 4 ) W e i s e Mundarten 100. W o e s t e Wb. 175. 7 ·) Zf7 SprV. 30, 137. ' ) H a r t w i g op. cit. 42. 78 ) W i r t h Beiträge 4—5, S. 24. 7 ·) R i e g l e r Tier 240. 80 ) W e i n k o p f Naturgeschichte 46. 81 ) D a l l a T o r r e op. cit. 75. M ) W e i n k o p f

а. a. O. 83 ) G r i m m Myth. 2, 577. 84 ) B e r g mann Deutscher Wortschatz 96; Natur u. Schule б, 65. 85 ) B e r g m a n n a . a . O . ; Natur u. Schule a . a . O . 8 ' ) S a t t e r Tiernamen 12. 8 ' ) W e i n kopf op. cit. 138. 88 ) H a r t w i g op. cit. 49. 8 ' ) H a r t w i g op. cit. 47. ·°) H e i n z e r l i n g op. cit. 20; WS. 4, 219. " ) W S . a. a. O. , a ) S a t t e r op. cit. 20. * 3 ) B e r g m a n n op. cit. 96. M ) U n g e r - K h u l l Steir. Wortsch. 484. ·5) W e i n k o p f op. cit. 138 78 . ·«) ZfSprV. 35, 9. · ' ) W S . 3, 190. , 8 ) Ebd. »») H e i n z e r l i n g op. cit. 16. 1 0 °) Globus 91, 194. 1 0 1 ) Fragebogen des bayr.-österr. Wbs. 1 0 2 ) G a r b i n i l03 Antroponimie 831. ) W o s s i d l o op. cit. 2, 423; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 443.

3. U b e r t r a g u n g menschlicher Verhältnisse auf die T i e r w e l t . Die soziale Gleichsetzung des Tieres mit dem Menschen stammt offenbar aus prähistorischer Zeit, da der Mensch das Tier als seinesgleichen betrachtete. Am nächsten liegt die Übertragung familiärer Beziehungen. So findet sich für den Weisel in den germanischen Sprachen Bienenmutter: altengl. 'bêomodor', schwed. 'bimoder', ebenso in der Grafschaft Mark 'bîmôder', 'bêimâur', siegerl. 'bêmôres' 104 ) ; vgl. franz. "mère abeille 1105 ), ital. 'mare'

872

( = 'madre'), 'ava mare' 106 ). In der Mundart von Gottschee heißt das geflügelte Ameisenweibchen 'amaissmuetr' „Ameisenmutter" 107 ). Als 'mother of herrings' „Häringmutter" erscheint der Maifisch im Englischen108). Besonders zahlreich sind derartige Bildungen in den italienischen Mundarten (Vgl. das Kapitel 'madre' bei Gar bin i Antroponimie 109 )). — Auffallend ist 'regenmutter' für den Salamander 110 ). Von Tierkönigen (s. d.) seien hier nur genannt, außer der allbekannten Bienenkönigin, der 'meisenkönig* = großer Raubwürger (Tirol) 1 1 1 ), der'mottenkönig' = dickleibiger Nachtfalter (Glatz) 11Z ) und der 'ummassenkünig' „Ameisenkönig" im Gottscheeischen für die geflügelte Form dieses Insekts 1 1 3 ). — Der Kuckuck und der Wiedehopf, diese beiden durch ihren charakteristischen Ruf bekannten Vögel, die nahezu gleichzeitig erscheinen, werden vom Volksglauben gern zueinander in Beziehung gesetzt, und zwar gilt der Wiedehopf als des Kuckucks Untergebener, wie hervorgeht aus den Namen 'KuckucksKüster' (ndd. 'K.'s köster') 114 ), 'K.sbote', 'K.sknecht'. Bei den Esten gilt die Grasmücke als Kuckucksknecht115). — Vögel und Insekten, die man häufig in der Nähe anderer Tiere sieht, macht die Phantasie des Volkes zu Hütern dieser Tiere. So heißt in Kärnten die Bachstelze 'schofhalterle' 116 ), die Libelle '(n)-atternhalter' 1 1 7 ) oder 'sauhalterle' 118 ). In Gottschee heißt dieses Insekt 'katschenhatar' „Schlangenhirt" (slov. 'kaca' = Schlange) 119 ),, was auch einen Käfer (rosalia alpina) 120 ) bezeichnet. 104 105 ) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 5. ) R o l l a n d Faune 3, 262. l o e ) G a r b i n i Antro1( ponimie 1019. ") S a t t e r Tiernamen 11. 108 ) S c h r ä d e r Reallex. 333. 1 0 9 ) S. 1 1 4 8 — 1 1 5 5 . uo nl ) K e h r e i n Nassau 1, 326. ) Dalla 112 T o r r e Tiernamen 70. ) ZfSprV. 35, 10. 113 ) S a t t e r op. cit. 12. 1 1 4 ) G r i m m Myth. 2, 568; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 362. 1 1 5 ) Ebd. lie ) Car. 96 S. 64. 1 1 7 ) K r a n z m a y e r mündl. Mitt. 1 1 8 ) Car. a. a. O. 1 1 9 ) S a t t e r op. cit. 5 12 °) op. cit. 19.

4. Benennung eines Tieres nach einem anderen. Bei den mundartlichen Benennungen von Tieren läßt sich die Beobachtung machen, daß seltenere Tiere

873

Tiernamen

nach häufigeren, wilde Tiere nach Haustieren benannt werden. Hiebei genügt oft die Übereinstimmung weniger Merkmale. Gewöhnlich wird ein Tier nach einem anderen Tier derselben Klasse, aber verschiedener Spezies, benannt, ζ. B. ein Nagetier nach einem Raubtier; viel seltener erfolgt die Benennung nach einem Tier einer anderen Klasse, ζ. B . Hausunk für Iltis 1 2 1 ), wobei ein Raubtier nach einer Schlange benannt erscheint. a) Säugetiere. Nach der Katze sind benannt: der A f f e : ndd.'apkatt' 1 2 2 ), das E i c h h ö r n c h e n : 'waldkater' (bei Frankfurt a. 0 . ) 1 2 3 ) , 'boamkoater 1 (Ostpreußen) 124 ), 'eichkatze', 'katzeicher' 1 2 6 ), 'eichkätzel' 12e ), 'fibritzkatze' ('fibritz' < altslav. 'vëverica' „Eichhörnchen") 1 2 7 ), 'romàni macka' „Zigeunerkatze" (Zigeunersprache) 128 ), westfäl. 'eikkatte' 1 2 9 ), mecklenb. 'katteiker' 1 3 0 ), nass. 'katzeicher, katzeichelchen' 131 ), das W i e s e l : 'gröbelkatze' (Murtal 'gröbel' = Geröll132)), das F r e t t c h e n und der I l t i s : 'feuerkatze' (Morsbach bei Siegen) 133 ), die F i s c h o t t e r : rotw. 'flosserkatz' 134 ). — Nach dem Hunde: der M a u l w u r f : berg. 'erdhund' 135 ). Nach dem Wolf: der L u c h s : Schweiz, 'tierwolf' 136 ) (vgl. franz. 'loup-cervier') 137 ), die W ü h l m a u s : ndrh. 'erdwolf' 138 ), der Maulwurf: 'maulwolf' 1 3 9 ). Nach dem Wiesel das E i c h h ö r n c h e n : bayr. 'eichharm(el)' 140 ); dasselbe Tier nach dem Bären: kämt, 'âachbär' ( = Eichbär) 1 4 1 ). Nach diesem ist in Gottschee auch der H a m s t e r benannt: 'ueschpar' ( = Aasbär) 1 4 2 ). — Als 'ratz' werden M a r d e r , M u r m e l t i e r und B i l c h bezeichnet 143 ). 'bamràtz' heißt der I l t i s in Kärnten 1 4 4 ). Nach der Maus das M u r m e l t i e r : 'murmelmaus', 'bergmaus', 'alpmaus' (18. J h . ) 1 4 S ) , der M a u l w u r f : österr. 'schermaus' 14e ). Nach dem Hasen das K a n i n c h e n : österr. 'Kiniglhas' > 'königshase' 147 ), schwäb. 'stallhase', oberhess. 'greinhase' 148 ), 'kuhhase' (Erzgeb.) 148 ), Schweiz, 'küllhase' 1 4 8 ), das E i c h h ö r n c h e n : pfälz. "eichhäseP 14β ). Dasselbe Tier nach dem Hirschen : steir. 'bamhirsch' (Stainz) 15 °). Nach dem Schweine der H a m s t e r : eis. 'Komferle'

874

= Kornferkel 161 ) (Vgl. schwed. 'gräfsvin' „Grabschwein" = Dachs 1 6 2 ), engl, 'hedgehog' „Heckenschwein" = Igel) 1 5 3 ). Nach dem Specht: die F l e d e r m a u s : westfäl. 'leerspecht' 154 ). Nach dem Wurm: der M a u l w u r f : spätmhd. (noch ostpreuß.) 'moltwurm' 1ÖS ), mecklenb. 'mullworm' 15e ), fries, 'windworm' 157 ), mecklenb. 'winnworm', 'murrworm' 158 ), der H a m s t e r : pfälz. 'körnwurm' 159 ). b) Vögel. Auffallend ist die Benennung von Vögeln nach Säugetieren. So heißt der Pfingstvogel ndd. 'regenkatte' ('Katte' = Katze) 1 β 0 ), die Rohrdommel in Österreich nach ihrem Ruf 'moorochs' oder ' m o o r k u h ' m ) , die Sumpfschnepfe hess. 'hudergeis' ('hudern' = wiehern) 162 ), im Oberberg, 'himmelszìe' ('zìe' = Ziege) 163 ). Der Truthahn in Niedöst, 'bockerl' 1 6 4 ), der Grünspecht linksrh. 'boschhengst' (bosch — Busch) 1 β 5 ), die Kohlmeise 'Kohlmäuske' (Meiderich) mit volksetym. Angleichung an „Maus"; vgl. den engl. Namen 'tit-mouse' 186 ), die Feldtaube in Nö. 'feldrâtz' 1β7 ). Hingegen ist in gottscheeisch 'bildai râtze' für die Wildente ' r â t z e ' = slow, 'raca' „Ente" 1 6 8 ). — Bei den Raubvögeln fällt auf, daß das Wort Adler < adel—aar in den Mundarten nicht vorkommt, wohl aber lebt im Schlesischen Aar (âr) für „Habicht" weiter 169 ). Nach diesem wird in Tirol der Sperber benannt: 'hacht', 'hecht' 1 7 0 ). Sonst wird für „Adler" 'Geier' gesagt. So heißt der Steinadler in der Umgebung des ötschers 'gamsgeier' ('gams' = Gemse) 171 ) und der Mäusebussard in Nö. 'waldgeier' 172 ). Der E i s v o g e l ist im Steir. nach dem Specht benannt : 'wasserspecht' 173 ), der B i e n e n fressernachder Schwalbe : 'meerschwalbe' ('Fischamend') 174 ), der W e n d e h a l s in Tirol nach dem Finken: 'natterfink', 'otterfink' (weil auch Schlangen angreifend) 17S ). — Der Name des Sperlings, dieses Allerweltsvogels, scheint vielfach übertragen. So begegnen berg. 'rêtmosche' „Riedsperling" für die Rohrdommel 176 ), berg. 'kollmösch' für die Kohlmeise 177 ), niederrh. 'grasmösch' für die Grasmücke 178 ) (mösch = Sperling), ndö. 'rohrspatz' für die Bartmeise 1 7 e ), ndö. 'einsamer spatz' für die Blaudrossel 180 ). Der T a n n e n h ä h e r

875

Tiernamen

ist nach dem Star benannt: ndö. 'windstarPm). Die überall anzutreffende Krähe muß zur Benennung verschiedener Vögel herhalten : ζ. B. tirol. 'eichelkrähe1 = Eichelhäher 182 ), kämt, 'holzkrah' = Schwarzspecht183), kämt, 'nusskrah' = Nußhäher 184 ), kämt. 'teufelskrah' = Uraleule 185 ), steir. 'holzkrähe' = Tannenhäher 18 ®), anhalt. 'seekrähe' = Lachmöwe 187 ). — Nach der Elster ist benannt der Dorndreher: ndö. 'sperelster', 'griglalster' 188 ). — Der Name des Haushahnes wurde übertragen auf den Wiedehopf: ndd. 'puphahn', 'stinkhahn' 189 ), 'kothahn' 1β0 ), auf den P f a u : berg. 'pûhân' 191 ). — Nach der Ente ist benannt das schwarze W a s s e r h u h n : kämt, 'blassanten' 192 ), nach der Gans der r o t r ü c k i g e Würger: tirol. 'dorngansl' 193 ). c) Kriechtiere. Benennung der Eidechse nach vierfüßigen Tieren ist insofern nicht verwunderlich als die Eidechse durch ihre vier Beine auffällt (Vgl. die berg. Namen: 'fêrfaut', 'feierfût', dän. 'firebeen', schwed. 'fyrfota' 194 )). Die E i d e c h s e wird benannt nach der Geiß : tirol. 'heggoas' 195 ) (wohl volksetym. aus ahd. 'egidëhsa'), schwäb. 'heckgeis' (ob in schles. 'heidox', 'edox' 19e ) der Wortausgang als „Ochs" gefaßt wird, scheint fraglich), nach dem Wiesel: tirol. (Drautal) Vísele' 197 ) — Vereinzelt ist Benennung nach einem Vogel und zwar dem Hahn : österr. 'Krauthahn' 198 ). — Benennung nach der Schlange ist bei der E i d e c h s e , noch mehr aber bei der B l i n d s c h l e i c h e naheliegend So heißt die Eidechse im Isergebirge 'fißlnotte ' „Füßchennatter" 199 ), die grüne Eidechse in Schlesien 'ottala' „kleine Natter** 20°), in Nassau 'grünotter' 201 ). Die Blindschleiche heißt ndd. 'hêdslange' = Heideschlange 202), 'hêtschlange' 203), 'hedslîker', 'heidsnack' 204), auch 'schießotter' 204). — Sehr gebräuchlich für Schlange (Blindschleiche) ist in den Mundarten das mhd 'wurm': 'hartworm' heißt die B l i n d schleiche in Lübeck 205 ) wegen der Sprödigkeit des Tieres, 'heckwurm' ist im Steir. die Natter ('hecken' = beißen) 206). Dasselbe wie 'heckwurm' ist 'beißwurm', womit in Kärnten K r e u z o t t e r und S a η dviper bezeichnet werden207). Im Etschtal

876

heißen alle Schlangen 'beißwürmer' 208). In Bozen ist 'haselwurm Bezeichnung der S a n d v i p e r 209). d) Lurche. Auch bei den Lurchen erklärt die Vierbeinigkeit die Benennung nach Säugetieren. So heißt der W a s s e r molch tirol. 'molthund' (mhd. 'molte' = Staub) 2 1 0 ),dieFeuerkröte ebenda 'mooskua' 2 1 1 ). 'nahrungshunde' hießen ehemals die gem. K r ö t e n in Aargau 212 ). Eis. 'bodenlerche' für „Kröte" 2 1 S ) ist eine bewußt scherzhafte Bezeichnung. Am Niederrhein heißen die Kaulquappen 'ülleköpp' „Eulenköpfe ' 214 ).—Naheliegend ist die Benennung desSalamanders nach der Eidechse : 'feuereidechs' 215 ) (nach dem Glauben, der Salamander verbrenne nicht). Da alles kriechende Getier für den Landmann „Wurm" ist, so sind die Bezeichnungen 'multwurm' 21β ) (vgl. oben 'molthund') und 'goldwurm' 217 ) (nach der Farbe) ohne weiteres einleuchtend. e) Insekten. Bei den Insekten, diesen kleinen, unscheinbaren Tieren, stellte sich ganz besonders das Bedürfnis heraus, sie nach größeren Tieren zu benennen, weshalb die Übertragungen bei dieser Klasse besonders zahlreich sind. a) Benennung nach Säugetieren. Nach der F l e d e r m a u s : der Schmetterling (vielfach), ζ. B. berg, 'fladdermûs' 218 ). Nach der K a t z e : der Mistkäfer: ndd. 'scharrkatt' 21i ), der Maikäfer: westfäl. 'maikatte' 220). — Wolf wird nach L e i t h a e u s e r 2 2 1 ) auf gefräßige Insekten übertragen, vgl. auch wolfsspinne' 222). — Nach dem B ä r e n : die große Waldameise: österr. 'waldbär' 223), die Maulwurfsgrille: 'äckerbär' (Drautal) 224), vgl. engl, für eine Raupe 'woolly bear* 226). — Nach der Maus: die Hausgrille: nass, 'hammelmaus'226),berg. 'hêmemûs', 'hêmelmûs'227), siegerl. 'hêmermûs', westerw. 'hêmelmeische' 228), der Schmetterling: berg. 'fluttermaus' 22S ). — Nach der R a t t e : die Läuse in der Soldatensprache: 'beutelratten' 230), die Filzläuse in der Gaunersprache: 'sockratten' 231 ), die Ohrwürmer: niederrh. 'ohrratten' 232 ). Über 'ratz' = Raupe vgl. R i e g l e r 233 ).—Nach dem Hasen im Rotwelsch der Floh 234). — Nach dem Schwein die Mauerassel:

8 77

Tiernamen

mecklenb. 'mürsäg' „Mauersau" 235 ), holl. 'muurvarken' ,,Mauerferkel" 236), ebenso die Kellerassel : niederrh. 'îserferken',,eisernes Ferkel" 237 ). Nach dem O c h s e n (Kuh, Kalb) der Hirschkäfer (wegen der „Hörner", urspr. nur „Hirsch" 238 ): steir. •hirschochs1 239), 'maiochs 1 , 'maikuh' 2 W ), der Marienkäfer: anhalt. 'mohkühchen, 'motschekälbchen' 2 4 1 ). Nach dem L a m m der Bärenspinner : gottsch. 'wragenlampla 1 ('wrâge 1 = Frau) „Frauenlämmlein" 242). Der Schmetterling: ndd. 'flügglämmken 1 „fliegendes Lämmchen" 243). — Nach dem B o c k : der Hirschkäfer: 'feuerbock 5 2 4 4 ), die Heuschrecke: 'heubock 5 (Kärnten, Tirol) 245). Nach dem H i r s c h : der Hirschkäfer : berg. 'knîpherz 1 „Kneifhirsch" 246), tirol. 'klemmhirsch' (wegen seiner geweihartigen kräftigen Oberkiefer) 247). — Nach dem P f e r d : die Heuschrecke: berg. 'heupärt' „Heupferd" (von der Form des Kopfes) 248) ; der Hirschkäfer: 'maihengst" (Fallersleben) 24e ). ß) Nach Vögeln. Nach dem V o g e l im allgemeinen: Maikäfer == hess. 'maivogeP, 'baumvogeP, 'laubvogeP 25°) ; Honigbiene = kämt, 'beinvogel' ('bein' = Biene) 2 S 1 ) ; Wespen = rotw. 'höcklingsvogeP ('hocken' = stechen) 252) ; Schmetterling = niederrh. 'pannevogel' ('panne' = Dachziegel) 253 ), hess. 'zwitzvogeP 254)( Westerwald, 'sommervogeP 25S) ; Zitronenfalter = berg. 'gêlvogel' 256) ; Floh = rotw. 'spitzvogel' 257) ; Hausgrille = 'bäckervüegeP (Minden-Ravensberg) 258), kämt. 'KuchlvogeP (oberes Lavanttal) 259). Nicht minder häufig sind Benennungen nach bestimmten Vögeln. Nach der E u l e : 'klappuhP (M.-Ravensberg) 260), berg. 'flatschoigeP 261 ) : beides Schmetterlingsnamen. — Nach dem H u h n , bzw. H a h n : die Grille: berg. 'schrephäunken' „Zirphühnchen" 262), der Wasserläufer (hydrometra) : siegerl. 'wassergickeP ('gickeP = Hahn) 263), die Weinberggrille: steir. 'weinhahnl' 264), die Heuschrecke: ndl. 'sprinkhaan' „Springhahn" 265 ). Nach der A m s e l : die Kopflaus: pfälz. 'haaramseP 266 ). γ) Nach S c h l a n g e und F i s c h . Im böhmischen Riesengebirge heißt die grüne Libelle 'otterkoop 1 (Otterkopf) 2β7 ). —

878

Der Zuckergast (lepisma saccharina) führt im Siegerl. den Namen 'fescheiche' „Fischchen" oder 'mênche', Dim. von 'mène' „Weißfisch" 268). In Tirol heißt das Insekt 'silberfischl' 269). δ) Nach anderen Insekten. Im Bergischen wird die zu den Geradflüglern gehörige Küchenschabe als 'Kêwerte 1 „ K ä f e r " bezeichnet 270). Die Hornisse heißt in Kärnten 'roßwespen' „Roßwespe" 271 ), der Regenwurm im Anhalt, 'regenmade' 272). Nach der F l i e g e ist benannt der Pflasterkäfer (lytta vesicatoria) : 'spanische Fliege' (franz. 'mouche d'Espagne', engl. 'Spanish fly') 273), die Hornisse: tirol. 'böses Fliegl' (Drautal) 274 ). — Nach dem F l o h die Laus: rotw. 'müllerfloh' 275 ), das sich übrigens schon bei Grimmelshausen findet27e). Die Küchenschabe heißt bald nach der H a u s g r i l l e : ndd. 'führheunken' „Feuerheimchen" 277 ), bald nach dem O h r w u r m ndd. 'gaffeltange' „Gabelzange" 278). Als W a n z e bezeichnen die Kinder in Kärnten das Marienkäferchen (coccinella) in dem Anruf 'stanzerle' — 'wanzerle' 279 ). — Nur scheinbar gehört hierher mecklenb. 'wandlûs', hess. 'wandlaus' = Wanze 280), denn 'wanze' ist nichts anderes als eine Kurzform von 'wandlaus' 281 ). Vgl. für „ W a n z e " dän. 'vaeggelus' ('vaeg' = Wand), in der roman. Schweiz 'parianna', 'parióla' von 'paries' „ W a n d " 282). 'pärtslüs' „Pferdelaus** heißt der M i s t k ä f e r im Bergischen 283), 'fischlaus' die Schwimmkäferlarve im Egerländischen 284). — Nicht nach einem Insekt, sondern nach einem Weichtier, nämlich der S c h n e c k e , ist dieHeuschrecke benannt: österr. 'heuschnecke' (wohl Volksetymologie) 285). ε) Nach dem W u r m . Die Vieldeutigkeit des Wortes 'wurm' — im Mhd. 286 ) und auch jetzt noch mundartlich „Schlange" — kommt bei den dial. Insektennamen ganz besonders zum Ausdruck. Die verschiedenartigsten Insekten werden als 'wurm' bezeichnet ( s . W u r m ) . So heißt der Hirschkäfer im Bergischen 'knîpworm' „Kneifwurm" 287), der Ölkäfer vielerorts 'maiwurm' 288). — Auch der Engerling, die Larve des Maikäfers, wird vom Landmann allgemein als Wurm auf-

879

Tiernamen

gefaßt. Demgemäß heißt der Engerling im Siegerl. 'ackerwurm' 289), in MindenRavensberg 'geilwurm' 29°), in Schlesien 'aapernaworm' „Erdbirnenwurm"291). — Das Leuchtkäferchen führt den Namen 'füürworm' (Altmark), 'fuierwurm', 'fuiermännken' ('füür', 'fuier' = Feuer) 292). In Eickum begegnet 'goltwuerm' „Goldwurm" 293). — Das Marienkäferchen ('coccinella') heißt ndd. 'sünnenworm' „Sonnenwurm", woraus volksetym. 'sonnenwärmel' 294). Die Raupe wird vielfach als 'wurm' bezeichnet : bayr.-österr. 'graswurm', so auch mhd., ahd. 'crasawurm' 295). Mhd. Namen für die Raupe sind auch 'kôlwurm', 'krûtwurm' 29e).Noch jetzt dän. 'kaalorm' 297), kämt, 'krautwurm' „Raupe des Kohlweißlings" 298). Vgl. engl, 'cankerworm', 'caseworm' 299). Die große Bärenraupe heißt in Nordböhmen 'hauchwurm' oder 'hauch' s®0). Für die Werre ('gryllotalpa') begegnen im Ndd. 'ritworm', 'riworm', weil das Tier Furchen „reißt" 301 ), mecklenb. 'reutwurm' (volksetym.) 302), im Hochdeutschen tirol. 'schrotwurm' ('schroten' = schneiden) 303). Es seien noch angeführt aus dem Mhd. : 'gewantwurm' für die Kleidermotte 304) und 'leutwurm' für die Laus 305). ζ) NachSpinnentierenundKrebsen. In Minden-Ravensburg heißt der Wasserläufer ('hydrometra') 'waderspinn'308 ). — Im Siegerland führt die Haarbalgmilbe ('demodex hominis'), gemeiniglich „Mitesser" genannt, den Namen 'zêarwirmche' „Zehrwürmchen" 307). Analog hieß die Krätzmilbe schon bei den Angelsachsen 'handwyrm' 308). 121 122 ) Zool. Garten I i , 295. ) ZfdWf. 9 Bh. s . v . 123 ) Teuthonista 1, 228. 124 ) Ebd. 12S 12β ) op. cit. ι, 227. ) H e e g e r Tiere 1, 25. 12 ') Ebd. 12e ) Urquell 6, 1. 128 ) W e i s e Mund130 arten 109. ) Ebd. m ) K e h r e i n Nassau 132 ι, 219. ) K r a n z m a y e r miindl. Mitt. 133 ) L e i t h a e u s e r Volkskundliches I / i , S. 12. 134 ) G ü n t h e r Rotwelsch 80. 135 ) L e i t h a e u s e r 13β op. cit. 1/2, S. 24. ) R i e g l e r Tier i8f. "») Ebd. iä8) zfSprV. 30, 135· 1 3 i ) R i e g l e r ιω Tier 13. ) Teuthonista 1, 227. 141 ) Car. 96, 55. 142 ) S a t t e r Tiernamen 9. 143 ) R i e g l e r Tier 69. 144 ) Car. 96, 56. 14S ) N e m n i c h 1, 426. 14 ·) R i e g l e r Tier 13. 147 ) R i e g l e r op. cit. 84. 148 ι4ί ) op. cit. 85. ) H e e g e r Tiere 1, 25. ι«·) Teuthonista i, 228. 151 ) R i e g l e r Tier-

88ο

namenkunde 31 4 (Festschrift). 152 ) op. cit. 53. 153 ) op. cit. 16. 1 M ) R i e g l e r Tier 11. 165 ) op. cit. 13; W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 150. 1 M ) Zool. Garten 12, 232. " ' ) Olb. 1, 89. 15e ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 336. 15e ) H e e g e r op. cit. 1, 26. ιβο) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 389. M 1 ) W e i n k o p f Naturgeschichte 133; H ö f e r Vögel 15. 1β2 ) L e i t h a e u s e r Volkskundliches I/2, S. 31. 1β3 ) Ebd. i· 4 ) H ö f e r op. cit. 13. 1β5 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 33. 1 M ) a. a. O. S. 24. le7 ) H ö f e r op. cit. 13. 1ββ ) S a t t e r Tiernamen 6. 1β ») ZfSprV. 35, 9. 17°) D a l l a T o r r e Tiernamen 83. m ) H ö f e r op. cit. 5. " ' ) Ebd. 174 173 ) U n g e r - K h u l l Steir. Wortsch. 621. ) H ö f e r op. cit. 7. 175 ) D a l l a T o r r e op. cit. 95. 17 177 *) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 29. ) op. cit. 1/2, S. 24. 17e ) ZfSprV. 30, 135. 179 ) H ö f er l8 181 op. cit. 8. °) op. cit. 10. ) op. cit. II. 182 ) D a l l a T o r r e op. cit. 26. 183 ) Car. 96, S. 59. 184 ) op. cit. 9 6 S. 6 2 . 185 ) op. cit. 9 6 , S. 6 5 . 18i ) U n g e r - K h u l l op. cit. 355. 187 ) W i r t h Beiträge 4—5, S. 42. 18e ) op. cit. 4—5, S. 41 f. l8 ' ) W o s s i d l o op. cit. 2, 362. 19°) R i e g l e r Tier 133. 1 , 1 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 26. 192 ) Car. 96, S. 56. 1 M ) D a l l a T o r r e op. cit. 25. 1M ) L e i t h a e u s e r op. cit. I / i , S. 10. W 5 ) D a l l a T o r r e op. cit. 26; V e r n a l e k e n Alpensagen 260. 1M ) R i e g l e r Tier 189. l í 7 ) D a l l a T o r r e op. cit. 26. 1 , 8 ) Fragebogen des bayr.-österr. Wb.s. 199 ) ZfSprV. 35, 10. 2»°) op. cit. 35, 9 201 ) K e h r e i n Nassau 1, 219. 202 ) W o s s i d l o 2, 349. 203 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I / i , S. 8; B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 96. 204 ) Ebd. 205 ) Mitteil. 20e Lübeck. Gesch. H e f t 5, S. 27. ) UngerK h u l l Steir. Wortsch. 335. 207 ) Car. 96, S. 56. 20β 20β ) D a l l a T o r r e op. cit. 77. ) op. cit. 76. 21 °) D a l l a T o r r e op. cit. 94. 2 U ) op. cit. 30. 212 ) M e y e r Myth. d. Germanen 81. 2 l 3 ) M a r t i n - L i e n h a r t Elsaß. Wb. i, 609. 214 ) ZfSprV. 30, 136. 2 " ) Egerl. i l , 107. 2 l e ) Car. 96, S. 62. 217 ) Car. 96, S. 58. 2 l e ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 31. a w ) W o s s i d l o op. cit. 2, 336. 22 °) W o e s t e Wb. s. v. 221 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 38. S22 ) B r e h m Tierleben3 9. 7 2 1 · 223 ) Fragebogen des bayr.-österr. Wbs. 224 ) Car. 96, S. 55. 225 ) H u l m e Natural history 306. 22 ») K e h r e i n Nassau 1, 462. 227 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I / i , S. 14. 22?) H e i n z e r l i n g op. cit. 14. 22β ) L e i t h a e u s e r op. cit. 1/2, S. 31. 230 ) G ü n 232 t h e r Rotwelsch 81. 231 ) Ebd. ) ZfSprV. 30, 137. "») R i e g l e r Tier 69. 234 ) G ü n t h e r 23s a.a.O. ) H e i n z e r l i n g op. cit. 21. 2 3 ί ) Ebd. 237 ) ZfSprV. 30, 136. 238 ) G r i m m Myth. 2, 576. 2 ®>) U n g e r - K h u l l Steir. Wortsch. 350. 240 ) op. cit. 447. 241 ) W i r t h Beiträge 4/5, S. 30. 242> S a t t e r op. cit. 6. 243 ) H a r t w i g Tiernamen 50. 244 ) G r i m m Myth. 3, 200. 245 ) S a t t e r op. cit. 16. 24β ) L e i t h a e u s e r op. cit. I / i , S. 18. 247 2ω ) D a l l a T o r r e op. cit. 52· ) Leit' h a e u s e r op. cit. I / i S. 16. 249 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 7. 25°) W e i s e Mundarten 129. 251 ) Car. 96, S. 56. 252 ) G ü n t h e r Rotwelsch 80. 253 ) ZfSprV. 30, 137. 254 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 12. 255 ) op. cit. i l . 2 M ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2,

Tiernamen

S. 31. · « ) G ü n t h e r op. cit. 81. " « ) H a r t w i g op. cit. 48. 25 ») Car. 96, S. 61. 2 6 °) H a r t w i g M1) Leithaeuser op. cit. 31. op. cit. I/2, S. 31. 2e,! ) op. cit. I / i , S. 14. 2 " 3 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 18. î M ) W e i n k o p f Naturgeschichte 141. 2β5) R i e g l e r 2M) H e e g e r Tier 267. Tiere 2, I i . 2 β 7 ) Z f S p r V . 35, 10. 2 e 8 ) H e i n z e r l i n g 2ββ ) D a l l a op. cit. 17. T o r r e op. cit. 100. 2 ' ° ) L e i t h a e u s e r o p . c i t . 1 / 2 , S. 30. 271)Kranz2 7 2 m a y e r miindl. M i t t . ) W i r t h op. cit. 4 — 5 , S. 34. 2 7 3 ) N a t u r und Schule 6, 5 7 f . 2 M ) D a l l a T o r r e op. cit. 53. 2 7 5 ) G ü n t h e r Rotwelsch 80. 2 7 ί ) W i r t h op. cit. 4 — 5 S. 35. s") Hartwig op. cit. 48. 2 ' 8 ) E b d . 2 7 > ) W o s s i d l o p. cit. 2 , 4 1 8 . ^o) H e i n z e r l i n g o p . cit. 18. ω ι ) R i e g 282 ) E b d . ω3) l e r Tier 269. Leithaeuser Ι / ι , S. 18. 2 Μ ) Egerl. 1 1 , 107. 2 β 5 ) F r a g e b o g e n 2 8 ') G r i m m des bayr.-österr. W b s . Myth. 2 8 ') L e i t h a e u s e r 2, 573. op. cit. I / i , S. 18. 288 ) N a t u r und Schule 6, 58. se ») Heinzerling op. cit. 8 . 29 °) H a r t w i g o p . cit. 33. 2 β 1 ) Z f S p r V . 2Í2) H a r t w i g 2Í3) 35, 9. op. c i t . 35. Ebd. 2M) W o s s i d l o 2,s) op. cit. 2, 415. Riegler Tiernamenkunde 42 a (Festschrift). 2 M ) H e i n 287) E b d . 2 W ) Car. z e r l i n g op. cit. 12. 96, S. 61. 2 M ) H e i n z e r l i n g a. a. O. 300 ) Z f S p r V . 302 ) 35, 10. 3 0 1 ) K b l n d S p r f . 2, 43. Heinzerl i n g op. cit. 15. 303 ) D a l l a T o r r e op. cit. 65. 3M) M e g e n b e r g Buch der Natur 309. 3 0 5 ) op. cit. 305. 3(K1) H a r t w i g op. cit. 46. 3 0 7 ) H e i n 308 ) z e r l i n g op. cit. 20. Zandt-Cortelyou Insekten 114.

5. Verwechslungen. Während es sich in den oben behandelten Fällen um bewußte Übertragungen handelte, beruhén die folgenden Benennungen auf einer durch oberflächliche Beobachtung hervorgerufenen V e r w e c h s l u n g zweier Tiere. Nicht selten wird auf zwei verschiedene Spezies ein Name angewendet. So werden Maulwurf (Insektenfresser) und Wühlmaus (Nagetier) im Egerland als 'hüalara' „Aushöhler", in der Markersdorfer Mundart als'fura'„Fahrer" bezeichnet309) (Vgl. ital. 'topo' „Maus" < lat. 'talpa' „Maulwurf") 310 ). Nach Zool. Garten 311 ) werden in verschiedenen Sprachen die Namen „Igel" und „Stachelschwein" vertauscht: vgl. z. B. ital. 'porco spino' „Stachelschwein" > „Igel" 312). Die Araber hielten das Stachelschwein für eine größere Art von Igel 313 ). — Die Form 'blutigel' für „Blutegel" beruht wohl mehr auf sprachlicher als auf sachlicher Verwechslung 314). Auch in der Redensart „saufen wie ein Igel" 315) mag zunächst der Egel gemeint sein. — In älterer Zeit bezeichnete 'Ratte' „vierfüßiges Unge-

882

ziefer" und „Raupe" 31β). Die Bezeichnungen für „Maus" und „Ratte" gehen in den romanischen Sprachen vielfach durcheinander 317 ). — Daß exotische Tiere noch leichter als einheimische verwechselt wurden, liegt auf der Hand. So nahm ahd. 'olbenta' > mhd. 'olbent', 'olbentier', eigentlich „Elefant" die Bedeutung „Kamel" an 3 1 8 ). — Bei den Vögeln sei als offenkundige Verwechslung kämt, 'gimpel' für „Krummschnabel" angeführt 319 ). — Der mundartliche Ausdruck für „Schlange" ist vielerorts 'wurm' 320). — Die Wörter für „Kröte" und „Frosch" lassen sich nicht immer genau scheiden. In einigen französischen Gegenden gilt die Kröte als Männchen des Frosches 321 ). — Bei den Insekten gehen die Namen für den Sonnenkäfer ('coccinella') und den Goldkäfer ('chrysomela') vielfach durcheinander 322). — Im Ndd. von MindenRavensberg bezeichnet 'wispel' sowohl die Wespe 323) wie auch die Hornisse 324). In derselben Gegend sind 'hiamken' „Heimchen" Hausgrillen 325) und Ameisen 326). — 'Mücke' wird häufig für „Fliege" gebraucht 327). Auf einer doppelten Verwechslung (Fledermaus > Schmetterling > Libelle) beruht die ndd. Bezeichnung 'speckbiter' „Speckbeißer", 'speckfreter' „Speckfresser" für die Libelle 328). 308 ) Egerl. I i , 107. 304; M n b ö h m E x c . 31, 3 1 1 ) 12, 200. 31i) 143. 3 1 0 ) R i e g l e r Tier 60. R i e g l e r op. cit. 16. 3 1 3 ) R o s e n m ü l l e r Bibl. 314) B e r g m a n n Naturg. 228. DWb. 58. 3 1 S ) 31β) H o o p s R i e g l e r op. cit. 18. Reallex. 3, 31') R i e g l e r 18. op. cit. 60; S c h ü r e r Z f r P h . 47, 510. 3 1 8 ) op. cit. 88f. 3 1 9 ) K r a n z m a y e r mündl. M i t t . 3 2 °) Car. 96, S. 67. 3 2 1 ) R o l l a n d Faune 1 1 , 1 1 6 . 3 2 2 ) W o s s i d l o op. cit. 2, 4 1 5 . 323) H a r t w i g 3 2 4 ) op. op. cit. 40. cit. 4 1 . 3 2 5 ) op. cit. 48. 32β ) E b d . 327) Leithaeuser 3 2 β) K b l op. cit. I/2, S. 25; R i e g l e r Tier 256Í. ndSprf. 2, 43.

6. T a b u . Das bei den Primitiven so weit verbreitete Namenverbot (Tabu), d. h. die Scheu, unangenehme Dinge wie Zauberwesen, Krankheiten bei ihren wahren Namen zu nennen, erstreckt sich vielfach auch auf schädliche oder gefährliche Tiere. Bei den Kulturvölkern finden sich zahlreiche Spuren dieses Aberglaubens. Letzten Endes beruhen die in allen

883

Tiernamen

Sprachen so häufigen Euphemismen auf Tabu. E s liegt in der Natur der Sache, daß hauptsächlich Raubtiere wie Wolf, Fuchs, Bär, Luchs, Marder, Iltis, Wiesel vom Namensverbot getroffen werden. Ferner unterliegen ihm die schädlichen Nager Maus und Ratte, die so gefürchtete Schlange und die mit abergläubischer Scheu betrachtete Kröte. Man glaubt, die Tiere hörten es, wenn man sie nenne, überall, wo sie gerade wären, und sie kämen herbei, um den Frevler anzugehen und aufzufressen 32e ). Man greift daher — um die eigentlichen Namen zu vermeiden — zu irgendeiner Umschreibung, die das Tier leicht erkennen läßt. Einige dieser Tabunamen wurden so häufig gebraucht, daß sie mit der Zeit völlig an die Stelle der eigentlichen Namen traten. So wurde z. B. lat. 'serpens' „Schlange" im Ital. durch 'bestia 1 > 'biscia' 33 °), lat. 'mustela' „Wiesel" im Französ. durch 'belette' „kleine Schöne" 3 3 1 ) verdrängt. Manchmal ist der Gebrauch der Tabunamen auf gewisse Zeiten beschränkt, was von Wundt 332 ) bei den Indianern festgestellt wird, gelegentlich aber auch in unseren Gegenden vorkommt (Zwölfnächte) 333 ). — Wenn es in Tirol heißt, die Hexen nährten sich von Würmern, Mäusen und Ratten und wüßten die geheimen Namen dieser Tiere 334 ), so sind damit wohl auch Tabunamen gemeint. Die Tabunamen lassen sich nach gewissen Gesichtspunkten ordnen. a) Benennung nach einem Haustier. Ein gefährliches Raubtier wird gerne nach dem ihm nächststehenden Haustier benannt. So war früher die Bezeichnung 'holzhund' ('holz' = Wald) für den Wolf in Kärnten 335 ), für den Fuchs in Oberösterreich 336 ) allgemein üblich. Vgl. schwed.'skogshund 1 , .Waldhund" = Fuchs in Smâland 337 ). Im Bretonischen heißt der Wolf 'ki-nos' „Nachthund' 338 ). In gewissen Gegenden Deutschlands muß man im Dezember den Wolf 'gewürm' nennen, sonst wird man von Werwölfen zerrissen 33S ). Ein finnischer Tabuname für den Luchs ist Waldkatze 340). b) Benennung nach einem charakte-

884

ristischen Körpermerkmal oder sonstiger Eigenschaft. Nach der Körpergröße: die Bewohner der Karpathen nennen den Bären achtungsvoll den Großen, im Gegensatz zum Wolf, dem Kleinen 3 4 1 ). In Schweden heißen die Ratten „die mit dem langen Körper" 342 ). Nach der Farbe: im Ndd. begegnet für den Fuchs 'de rode', für den Wolf 'de grise' oder 'de grawe' 343 ), bei den Esten 'graurock' 344). In Schweden heißen die Mäuse 'die kleinen Grauen' 345 ). Nach der Beschaffenheit des Fußes: schwed.-norweg. 'gra-been' „Graubein" = Wolf 3 4 e ) ; isländ. 'lágfaeta' „der mit niedrigem Fuß" = Fuchs 347 ), estnisch 'breitfuß' = der Bär 348 ), ndd. 'breetfoot' „Breitfuß" = Kröte 349 ). Im Steir. ist 'breitschädel' ein alter Name des Bären 350 ). Im Mühlviertel (Oberöst.) heißt die Kröte 'broatling', 'broatstier' 3 5 1 ). Nach der Beschaffenheit des Schwanzes: steir. 'langschwanz' 362 ), ndd. 'dickstart' ('start' = Schwanz), 'dickswanz' 353 ) = Fuchs. — Aus dem Rotwelsch : 'wurfrüssel' = Elefant 3 5 4 ). c) Benennung nach einer Tätigkeit. In Oberösterreich heißt der Fuchs das 'rennad' ( = das Rennende) 355 ), der Hühnerhabicht in Obersteiermark das 'flöogad' (das Fliegende) 35e ), wobei das Neutrum eine Versachlichung des Tiernamens zu Verhüllungszwecken bedeutet. Hierher gehören aus dem Rotwelsch 'grunzer' (vgl. franz. 'grondin') für das Schwein 357 ), 'brummerling' für die Wespe 358 ), 'schwimmerling', 'schwimmes', 'schwämmes' (vgl. franz. 'flottant') für den Fisch 359 ). d) Benennung nach dem Aufenthaltsort. In der ersten Hälfte des 18. Jh.s rief man in Niederdeutschland die Wölfe mit 'hölting' an 3β0) ( = hochd. 'hölzing'; 'holz' = Wald). In den Zwölfnächten soll man in Brandenburg die Maus 'boenlöpper' „Bodenläufer" 361 ) nennen. Ein estnischer Name der Schlange bedeutet : die unter'm Busch Wohnende 362 ). e) Versachlichung. Schon oben trafen wir das 'rennad' = Fuchs und das 'flöogad' = Habicht. Auch direkt werden Tiere als 'ding' bezeichnet. So nennt man in Brandenburg in den Zwölf-

«85

Tiernamen

nächten die Mäuse 'dinger' 3 β 3 ). In Bayern ist der Tabuname des Fuchses 'henading' 364). Das Panaritium, das man für einen Wurm hält, heißt 'bös' ding' oder 'ungenannter wurm' 368 ). f) Vermenschlichung, Die Vermenschlichung des Tieres führt in die ältesten Zeiten zurück, wo in der Wertung von Mensch und Tier kein Unterschied gemacht wurde. 'Alter Mann', 'Großvater' sind schwedische Tabunamen des Bären, wohl auf totemistischer Basis 366). Von den mit Personennamen gebildeten T. (s. weiter unten) dürfte allerdings nur ein geringer Prozentsatz hierher gehören, so sicher das totemistische 'Bruder Lars' in Schweden für den Seehund 367 ), ferner für den Wolf in der ndd. Hirtensprache 'hennicke' 368), in Oberösterreich 'pfiffiger Hansl' 369). Vgl. franz. 'Gabriel' {le Forez) 370). g) Verallgemeinerung. Der Name eines bestimmten Tieres verbirgt sich unter der allgemeinen Bezeichnung 'Tier' oder 'Untier'. So wird 'Tier' häufig auf die marderartigen Raubtiere angewendet, im Ndd. auf den Marder selbst 371 ), im Französischen auf den Iltis (Méry-sur-Seine)372) und das Frettchen in verschiedenen Gegenden 373 ). Vgl. auch lat. 'bestia' > ital. 'biscia' „Schlange",port.'bicha' „ W u r m " , „Insekt" usw. 374). — Als Untier wurde der Wolf im τη. und i8. Jh. bezeichnet 375 ), 'undîr' wird jetzt auch im Bergischen für den Fuchs und die marderartigen Raubtiere gebraucht 376 ). h) Schmeichelnamen. Diese haben neben der Verhüllung noch den Zweck, die Gunst des Tieres zu gewinnen 377 ). Hierher gehören für den Wolf schwed. 'gullben' „Goldbein", 'gollfot' „Goldf u ß " , 'golltand' „Goldzahn" 378 ). Nach F r a z e r 379) ist Goldfuchs auch eine Bezeichnung des Bären 380). Zahlreiche Schmeichelnamen in den verschiedensten Sprachen weist das Wiesel auf, von denen hier nur angeführt seien bayr. 'schöntierle', franz. 'belette' „kleine Schöne", ital. 'donnola' „kleine Frau" 381 ). i) Schmähnamen u. dgl. Den Schmeichelnamen entgegengesetzt sind die Schmähnamen. Ganz besonders mußte

886

sich der Wolf solche gefallen lassen, 'unflat' ist ein schles. Tabuname für das Tier 382 ), in Kärnten begegnet 'unkruter' (Etymologie?) 383). Die Kamtschadalen sprechen von Bär und Wolf nur mit dem Ausdruck 'sipang', d. i. Unglück 384). Ein Tabuwort dürfte wohl auch altengl. 'J>röwend' = das erschreckende Tier als Bezeichnung für den Skorpion sein 385). 3 2 e ) M e d i c u s Naturgeschichte 184; S é b i l l o t 330 ) R i e g l e r Folk-Lore 3, 2 o f g . Tier 194. 3 3 1 ) op. cit. 48 f. »32) Mythus und Religion 3 3 3 3 M 2, 160f. ) W u t t k e 64. ) Z i n g e r l e Sagen 3 3 6 ) Car. 450. 96, S. 59; V o l k s b i l d u n g 9, 64. a 36 ) N a t u r 2, 88. 3 3 ' ) A n g l . 40, 387. 3 3 8 ) S é 33S ) b i l l o t op. cit. 3, 21. Z f E t h n . r, 57. Me) F r a z e r i , 455. * » ) K a i n d l Huzulen 103. 342) F r a z e r M s ) Germania 1, 455. 18, g f g . 3 4 4 ) F r a z e r 1, 455. M 5 ) E b d . 3 4 6 ) Zool. G a r t e n M') Wossidlo 10, 1 7 7 ; F r a z e r x, 455. op. cit. 2, 339. Μ β ) F r a z e r 1, 455. M i ) W o s s i d l o 3 5 °) W e i n k o p f op. cit. 2, 465 (Index). in 351 ) D e r s . N a t u r 2, 88. in Volksbild. 9, 72. ω ί ) N a t u r 2, 88. W o s s i d l o op. cit. 2, 466 381 ) G ü n t h e r (Index). Gaunersprache 77. 3 5 5 ) N a t u r 2, 88. 35e) E b d . 357) G ü n t h e r op. cit. 77. »») E b d . m») E b d . 3«°) W o e s t e Wb. 3βι) F r a z e r 329; A n g l i a 40, 385. 1, 4 5 3 f g . 3e2) W o s s i d l o 3β3 ) op. cit. 2, 340. Frazer J> 4 5 3 f g · 3β4 ) E b d . » « ) W S . 6, 198. 3 M ) Frazer ι , 455- 3 6 7 ) E b d . 3«8) A n g l i a 40, 385. 3e») N a t u r 2, 88. 3*>) R o l l a n d Faune 1, 130. 3 n ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 23. 3 7 2 ) R o l l a n d op. 3'4) cit. 7, 134. 3 7 3 ) op. cit. 7, i 3 á . REWb. 3 7 S ) Z f d W f . 10, Nr. 1061; W S . 6, 196. i69f.; A n g l . 40, 385. 3 7 ' ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, 378) A n g l . S. 28. 3 7 7 ) G r i m m Myth. 2, 556. 40, 383. 3">) I, 455. M 0 ) G r i m m Myth. 2, 556 a . M 1 ) op. cit. 2, 944 2 ; R i e g l e r Tier 49. M 2 ) Angl. 40, 388. 3 8 3 ) Car. 96, S. 66. 384 ) Z f E t h n . 1, 58. 385) Z a n d t - C o r t e l y o u Insekten ggf.

7. B e l e g u n g m i t T a u f n a m e n . Von den überaus zahlreichen T., die von Taufnamen hergenommen sind, können hier nur die häufigsten angeführt werden 886 ). Sicher auf Tabu beruhende Taufnamen wurden schon weiter oben (§ 6) angeführt. Möglich, daß das Tabu als ursprüngliches Motiv der Namengebung vergessen wurde und daß der Brauch sich weiterhin auf solche Tiere erstreckte, die infolge ihrer Harmlosigkeit zu keinem Namensverbot Anlaß gaben. Sicher ist bei der Belegung der Haustiere mit Taufnamen Tabu ausgeschlossen. Im Folgenden seien einige Beispiele dieser Art Namengebung angeführt. 'Hans' findet sich bei Säugetieren,

887

Tiernamen

Vögeln, Amphibien, Insekten. Es bezeichnet den Vogel im allgemeinen 387). 'eichhans' (Kreis Glogau) = Eichelhäher 388), ndd. 'grôt Jochen', 'lütt J.' = Zaunkönig 389), 'Hans driest' ('driest' = dreist) = Spatz 39°), steir. 'Kuscherhanserl' = grüne Eidechse 3 i l ), hess. 'lâbhans' ('lâb' = Laub) = Maikäfer3»2). — 'Jakob' wird selten auf Säugetiere — 'Jakerle', Spitzname des Bären imGottscheeischen 393) — häufig auf Vögel angewandet : niederö. 'holzjâgl' = Edelfink 394 ), westfäl. 'gäle (gelber) Jakob' = Goldammer 39S), 'Jäck' (Bodensee) = Eichelhäher 396 ). 'Jakob' ist übrigens für den gezähmten Raben allgemein üblich 397). — 'Heinrich' beschränkt sich meist auf Säugetiere. So ist 'Hinze' = Kater, 'Heinz' = Hase 398). Außerdem 'stinkhoanri' = Baumwanze (Bozen) 3 "). 'Kaspar' begegnet bei Vögeln: anhalt. 'schwarzer Kaspar' = Wasserralle 400), berg. 'möschenkäpp' „Spatzenkaspar" für das männliche Tier 401 ). — 'Katharine' nur bei Vögeln: schles. 'rutkâtl' = Rotkehlchen402), ndö. 'âlsterkadl', 'Frau Katl' 403), 'scherggätel' ('schergen' = verraten, 'Gätel' = veraltete Koseform für Katharina), letzteres auch im Innviertel404). — Uber norweg. 'Gertrudenvogel' = Specht vgl. G r i m m 405). — 'Martin' erscheint im Deutschen hauptsächlich auf Säugetiere angewendet : in Gottschee Spitzname für den Bären 406), ndd. 'broder Martin' = Hase Im 'Reineke' und im 'Reinaert' ist 'Martin' Name des Affenvaters 408). — 'Michel' und 'Peter' begegnen bei Säugetieren, Vögeln und Insekten: 'Michel': niederö. 'Kotmichel' = Haubenlerche 40e), gottsch. 'trgizmichl' = Heuschrecke 410 ). Vgl. russ. 'miska' „ B ä r " 4 1 1 ) . — 'Peter': 'Peterierdmann', 'P. Krus', 'P. Wöhlmann' = Maulwurf412) ; berg. 'stenkpitter' (Stinkpeter) = Wiedehopf 413 ), 'fleutpiter' (flöte P.) = Kohlmeise 414 ), 'dackpeter' (Dachpeter) = Sperling 415 ). Vgl. franz. 'pierrot' = . Spatz 41β ) ; ndd. 'platter' Peter = Blattwanze 417 ). ω · ) Für das Italienische vgl. H. G a r b i n i Antroponimie ed omonimie nel campo della zoologia popolare (Verona—Ostiglia 1919).

888

ω 7 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/i, S. 19. 388 ) Teuthonista 1, 227. ω ί ) W o s s i d l o op. cit. 2, 366. M 0 ) op. cit. 2, 390. 3β1 ) U n g e r - K h u l l Steir. 38a ) H e i n z e r l i n g Wortsch. 421. Wirbellose Tiere 8. 3 ' 3 ) S a t t e r op. cit. 21. 3 M ) H ö f e r 395 ) W o s s i d l o op. cit. 12. op. cit. 2, 389. 386 ) D a l l a 397 ) L e i t T o r r e Tiernamen 26. h a e u s e r op. cit. I/2, S. 28. 39β) op. cit. I/i, S. 19. 399 ) D a l l a T o r r e op. cit. 19. 4 °°) W i r t h Beiträge 4/5, S. 42. 4 M ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 34. 402) D r e c h s l e r 2, 228. 403) H ö f e r op. cit. i l . 4 M ) K r a n z m a y e r W b . Kommission. 405) 40β) S a t t e r Myth. 2, 561. op. cit. 21. 4 0 ') W o s s i d l o op. cit. 2, 397. 408) L ü b b e n Reineke 49; vgl. auch M i g l i o r i n i Nome proprio 260f. 40«) H ö f e r op. cit. 8. 41 °) S a t t e r op. 4U) Riegler cit. 12. Tiernamenkunde (Fest412) W o s s i d l o schrift) 31. op. cit. 2, 343. 4l3) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 38. 414 ) op. cit. I/i, S. 24. 41S ) W o s s i d l o op. cit. 2, 390. 4le) R i e g l e r Tier 171. 4 1 7 ) ZfSprV. 30, 198.

8. V e r w a n d t s c h a f t s und Gevatterschaftsnamen. Bei verschiedenen Völkern finden sich für gefährliche oder schädliche Tiere Verwandtschaftsund Gevatterschaftsnamen, mit denen sich der naive Naturmensch deren Gunst zu gewinnen sucht. Bei wilden Tieren wie Bär, Wolf, Fuchs, Schlange, ferner bei der Kröte deuten diese Namen sicher auf ehemaligen 'Totemismus', der ja bei Primitiven heute noch besteht 418 ). Im Deutschen sind die Spuren dieses alten Glaubens nicht sehr zahlreich: der Fuchs wird im Ndd. mit 'vaddermann voß' oder 'herr gevatter' 419) angesprochen. Wichtig für das Verständnis dieses Namens sind die Berichte über irländische Bräuche im 17. Jh. Es war dort Sitte, Wölfe und Füchse zum Gevatter ('gossip') oder Paten ('sponsor') zu nehmen. Man hoffte, die Tiere würden unter dem Einfluß der Patenschaft eine freundliche Gesinnung zeigen 420). Auch in Frankreich müssen ähnliche Gebräuche bestanden haben, wie franz. dial, 'compère quette grise' „Gevatter Graupfote" = Wolf (Côtes-duNord) 421 ) und die Bezeichnung des Fuchses in der Umgebung von Dinan (Bret.) als 'mon cousin' 422) beweisen. Auch das Wiesel, den gefürchteten Eierdieb, suchte man durch eine solche Gevatterschaft zu gewinnen, wie der schles.mährische Name 'gevatterle' 423) zeigt, zu dem sich span.'comadreja' „kleine Gevatterin" (Abi. von 'commater') 424) ver-

889

Tiernamen

gleicht 426). Im Französischen begegnen derartige Namen auch für Vögel. So heißt in der franz. Fischersprache (Côtesdu-Nord) der Kuckuck 'parent' „Verwandter" 426), ebenda nennt man die Elster 'ma commère Margot' „meine Gevatterin Grete" 427). In Deux-Sèvres ist 'compère loriot' für den Pirol üblich 428). — Ganz deutlich weisen die Verwandtschaftsnamen der Kröte auf Ahnenkult. Nach bretonischem Aberglauben steckt in der Kröte die Seele eines Vorfahren429). Man stelle hiezu die ndd. Namen 'großmudder', 'grootmööm' „Großmuhme" und 'mudder möömk' 430). Auch in Tirol heißt die Kröte 'n a d i ' = Ahne 431 ). Ähnliche Namen hat die Unke (Feuerkröte). So heißt sie ndd. 'mäumken' „Mühmchen" oder 'watermööm' „Wassermuhme", oberdeutsch 'müemelein' „Mühmlein" 432 ). Hieher auch tschech. 'babka' „Großmutter" als Name des Hirschkäferweibchens 433) sowie rätorom. 'mammadonna' „Großmutter" = Schmetterling 434). 4la)

WS. 4, 175. " » W o s s i d l o o p . cit. 2, 352. 4, 176. 421 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 20. 422 ) op. cit. 3, 21. 423 ) W S . 4, 176. 424 ) REWb. Nr. 2082. 4 «) W S . 4, 175. 42e ) S é b i l l o t op. 42β ) Ebd. cit. 3, 198. « ' ) op. cit. 3, 180. •42ί) S é b i l l o t Paganisme 197. 430 ) W o s s i d l o op. cit. 2, 335. 431 ) Ebd. 432 ) Ebd. 433 G r i m m Myth. 2, 577. 434 ) AnSpr. 149, 272.

4S0 )WS.

9. A n i m i s t i s c h e T. Der Glaube, in manchen Tieren steckten Menschenseelen, hat — wie ζ. T. schon oben gezeigt wurde — unter den T. Spuren hinterlassen. So beruht auf mythisch-animistischer Basis der Name des kleinen Wiesels in Gottschee, 'praitele' = Bräutchen 436), wozu lusern. 'freula wille' „wildes Fräulein" 436 ) zu vergleichen ist. Uber den mythischen Hintergrund dieser Namen und fremdsprachlicher Analoga habe ich schon früher geschrieben 437 ). Wenn in Luserna der Uhu der 'vogel von röschner' ( = Rosselenker) 438) heißt, so ist dies eine Erinnerung an die Sage vom Wilden Jäger, dem die Ohreule voranfliegt 439). Tatsächlich heißt der Uhu in einigen Gegenden Deutschlands 'wilder jäger'440). In der Schweiz begegnet < himmelsgeist' 441 ) für Wachtelkönig, in Preußen 'gespenst'442), wozu man engl.dial. 'sprite' „Geist" (Suffolk) = Specht443)

890

vergleiche. Mecklenb. 'scheperknecht' „Schäferknecht" = Nachtigall 444) beruht auf dem Glauben, die Nachtigall sei ein verwunschener Hirte. — Die Vorstellung, daß die Ringelnatter die irdische Hülle eines verstorbenen Ahnen sei, der im Hause als Schutzgeist walte 445), erklärt die Bezeichnung 'hausotter', 'hauswurm' für diese Schlangenart 44e ). Hiezu vergleicht sich gottsch. 'hauschkatschen' (slow, 'kaca' = Schlange) 447). Der schwedische Name 'gârdslyckorm' „Glückwurm des Hauses" hebt den Schutzgeistcharakter des Tieres noch mehr hervor 448). — Die Bezeichnung 'schuldkrott' 449) für die gemeine Kröte wurzelt in dem Glauben, daß Verstorbene in Krötengestalt ihre Sünden abbüßen. Auf einer ähnlichen Vorstellung beruht wohl für die Kröte lothr. 'paure homme' „armer Mensch" ('paure'= pauvre) 45°). — Von den zahlreichen mythischen Namen des Marienkäfers ('coccinella septempunctata') 451 ) sei auf kämt, 'höfnträgerle' ('höfn' = Hafen) 452) hingewiesen, das auf die Vorstellung zurückgeht, der Käfer bringe aus dem Himmel den Kindern Geschenke. — Die Bezeichnung der Kleidermotte als 'schneidergeist' im Lavanttal (Kärnten) 453) ist keineswegs auffallend, wenn man damit die Namen der Nachtschmetterlinge in verschiedenen Sprachen (altgriech. 'ψοχή', engl, 'soul', franz. 'âme') 454) vergleicht. 435 ) S a t t e r op. cit. 18. 43β ) D a l l a Torre op. cit. 96. « ' ) W S . 2, 189; 4, 175. 43β ) D a l l a T o r r e op. cit. 91. 439 ) Ebd. Μ0 ) R i e g l e r Tier 116 1 . 1 4 1 ) S u o l a t i t i Vogelnamen 278. 442) op. cit. 294. 443 ) S w a i n s o n British birds 99. M 4 ) W o s s i d l o o p . cit. 2, 367. M 5 ) G r i m m Myth. 2, 367; W S . 6,196 fg. u ' ) Car. 96, S. 59; M e y e r Myth. d. Germanen 78. 447 ) S a t t e r op. cit. 9. 44S ) M e y e r a. a. O. ***) K e h r e i n Nassau 2, 62. 450 ) R i e g l e r Tier 211 a . 451 ) W o s s i d l o op. cit. 2, S. 414—420. 452 ) Car. 96, S. 59. 453 ) op. cit. S. 64. 454 ) R i e g l e r Tier 246.

Ii. Namen todkündender Tiere. Der Glaube an eine theriomorphe Ahnenseele konnte leicht zu der Vorstellung führen, der Ahne in Tiergestalt wolle seine Nachkommen mit sich ins Totenreich nehmen. Dies ist wohl die ursprüngliche, später vergessene Bedeutung der todkündenden Tiere, zu denen in erster Linie Vögel, dann aber auch Insekten

8çi

Tiernamen

gehören. Unter den Vögeln gelten überall als Todkünder die Eulen 465) (Käuze). Daher die Namen: 'leich', 'leichenhuhn'456), 'lichvogel', 'wickvogeP (mnd. 'wicken' = wahrsagen) 4S7 ), 'totenvogel', 'totenwichtl' 468), 'komittchen', 'gehmitvogel' (Rufdeutung) 4S9), 'klag', 'klagefrau', 'klagemutter', 'wehklage' 460 ), 'kriddewisschen' ( = Kreideweißehen) 4β1). 'totenvogel' heißen ferner der Schwarzspecht im Unterinntal 482 ) und der dreizehige Specht (apternus tridaetylus) in N ö . 4β3). Auch der Name des Wiedehopfs bei Grunddorf nächst Krems (Nö.): 'saulocker', beruht auf Todesvorstellungen. Es heißt dort nämlich, daß die Schweine erkranken und sterben, wenn der Wiedehopf in der Nähe des Hauses ruft 4M ). Vgl. franz. für den Wiedehopf 'oiseau de la mort' 465) (Bresse chalônnaise), ital. (Südtirol) 'osel de mal auguri' 4ββ ). Ob Salzburg, 'totengreuel' für den Neuntöter 4β7 ) mythisch zu werten ist, scheint zweifelhaft. Hingegen ist der Seidenschwanz ein ausgesprochener Totenvogel und dies ist auch sein steir. Name 468). Er gilt als Bringer der Pest: daher tirol. 'pestvogel' 4β9 ). 'sterbevogeP wird von Suolahti 470) angeführt. Wie der Seidenschwanz die Pest, so bringt die Goldamsel die Cholera : daher tirol. 'choleravogel' 471 ). Bei den rabenartigen Vögeln hat wohl ihre Vorliebe für Aas mitgewirkt, sie in den Ruf von Todesboten zu bringen. So heißt der Rabe in Gegenden Österreichs und der Schweiz 'galgenvogeP 472 ), in letzterem Lande auch 'plâgvogeP 473). In Oberösterreich ist für die Nebelkrähe 'totenkrân' üblich 474). Auch die Elster heißt im Innviertel 'totenkrähe' 47S ) und bei Augsburg'unglücksvogeP 476 ). Desgleichen muß bei den Goten die Turteltaube ominöse Bedeutung gehabt haben, denn im Gotischen ist für diesen Vogel 'hraivadubo' „Leichentaube" belegt 477). — Im Gegensatz zu den Unheilvögeln steht der kinderbringende Storch. Sein ndd. Name 'adebar' ('od' -f- 'bero') wird als „Besitz, Glück bringend" gedeutet 478). Von Insekten seien hier genannt der Trotzkopfkäfer (anobium pertinax), dessen unheimliches Klopfen als Todeszeichen gilt 47e )

892

und der daher 'totenuhr' 480), tirol. 'toat'nhammel' 481) heißt, sowie die Lichtmotte, für die in Schlesien 'tud' ( = Tod) gebräuchlich ist 482). 455 ) C o h n Tiernamen 3. 45e) B e r g m a n n DWb. 64; R i e g l e r Tier 115 a . «') Leith a e u s e r op. cit. I/i, S. 19. 458) H ö f e r op. cit. 6. 45β ) R i e g l e r a . a . O . 4eo ) R i e g l e r Tier 114I. 4W ) L e i t h a e u s e r a . a . O . 4«2) D a l l a Torre op. cit. 81. 4β3) N e m n i c h 1,957. 4 M ) H ö f e r op. cit. 7. 4β5 ) R o l l a n d Faune 2, 133. 4ββ) D a l l a T o r r e op. cit. 96. 4 " ) Germania 21, 209. 4β8) U n g e r - K h u l l op. cit. 185. 4ββ) D a l l a T o r r e op. cit. 82. 470) S u o l a h t i Vogelnamen 145; vgl. noch H o p f Tierorakel 133 u. T o b l e r Epiphanie 27 Anm. 471 ) D a l l a T o r r e op. cit. 38; W e i n k o p f Naturgeschichte 143. 472 ) R i e g ler Tier 146. 473 ) S u o l a h t i op. cit. 179. 474) H ö f e r op. cit. 11. 47δ ) K r a n z m a y e r W b . Kommission. 478) Ders. 477 ) G r i m m Myth. 2, 950. 478) op. cit. 2, 560; B e r g m a n n DWb. 3. 47β ) G r i m m op. cit. 2, 951; 3, 467 Nr. 901. 480) B r e h m Tierleben 3 9, 124; Car. 96, S. 66. 4β1 ) D a l l a T o r r e op. cit. 57. 482) ZfSprV. 35, 9.

i l . Namen wetterkündender Tiere. Hier sind es wieder hauptsächlich die Vögel, denen die Gabe zugeschrieben wird, durch ihren Ruf oder ihr Gebahren Regen bzw. Wind vorherzusagen. Hiebei mag manches auf exakter Beobachtung beruhen. Als Regenkünder gelten: in Tirol 483) und in NÖ. 484) der Grünspecht: 'gießvogel', vgl. engl, 'rain bird', franz. 'pic de la pluie' usw.485) ('gießvogel' heißt in Nö. auch der Eisvogel 486)); der Pirol: ndd. 'regenkatte' „Regenkatze" 487), der Wendehals: 'regenbitter' (Drautal) 488), 'charadrius hiaticula': 'regenpfeifer' (auch schriftsprachl.) 489), vgl. dän. 'regnfugl', ital. 'piviere', franz. 'pluvier', span, 'pluvial', engl, 'plover' 490). — Als Gewittervögel gelten die Schneegans, deren Untertauchen Gewitter mit Hagel ankündigt, daher 'hagelgans' 4β1 ), ferner das Rotschwänzchen (wohl wegen der Farbe), das eine Feuersbrunst entfacht, wenn es getötet wird 482), daher seine Namen: österr. 'branderl', brandvogel, branter, brantele, 'brantzeisele', schles. 'rotbräntelein' 493). Die Fische spielen in diesem Kapitel kaum eine Rolle. Es sei lediglich der Schlammbeißer (cobitis fossilis) genannt, der bei drohendem Gewitter eine merkwürdige Unruhe zeigt und daher im böh-

»93

Tiernamen

mischen Riesengebirge 'Wetterfisch5 494 ) heißt. Unter den Krustentieren ist die Mauerassel hier zu nennen, für die auch 'wetterwurm1 495) begegnet, vgl. südfranz. 'bestio de la pléjo5 „Regentier" 496 ). Viel seltener als den Regen kündet der Vogelruf den Wind. In der Altmark heißt der Grünspecht 'windracker5 497), für den Brachvogel verzeichnet Nemnich 498) 'wind-' oder 'wettervogel5. Der Sturmvogel (procellaria) heißt auf franz. ebenso: 'oiseau des tempêtes' (Picardie)499). Charakteristisch ist sein normann. Name: 'chie-vent5, 'chîvent5 „Windscheißer"500). 483 ) D a l l a T o r r e op. cit. 39. 4 M ) Germania 2 1 , 209. 4 β 5 ) S w a i n s o n op. cit. 100; K o l l a n d op. cit. 2, 60 f.; H o p f op. cit. 147 f. 4 8 ' ) H ö f e r op. cit. 7. 4 8 7 ) S u o l a h t i op. cit. 1 7 3 ; H o p f op. cit. 128 f. 4 8 8 ) D a l l a T o r r e op. cit. 9 5 ; S u o l a h t i op. cit. 3 6 ; H o p f op. cit. 144. «*) S u o l a h t i op. cit. 268 f. 4 »°) E d l i n g e r Tiernamen 86; G r i m m Myth. 1, 562. 4 M ) B e r g m a n n DWb. 89. 4 , 2 W e i n k o p f op. cit. 46. 4M ) op. cit. 1 2 7 ; D a l l a T o r r e op. cit. 7 5 ; D r e c h s l e r 2, 228. 4 M ) Z f S p r V . 35, 10. 4 i 6 ) R o l l a n d Faune 3, 245. 4 9 e ) Ebd. « ' ) S u o l a h t i op. cit. 33. 4 8 8 ) 2, 1 2 5 4 f. * " ) R o l l a n d op. cit. 2 , 3 8 5 ! M 0 ) R o l l a n d a. a. O.

12. E l b i s c h e T. Da das Geschlecht der unterirdischen Geister (Elbe, Zwerge, Wichtel, Kobold usw.) gern Tiergestalt annimmt, sind elbische T. nicht weiter auffallend. Das Wort „Elbe" selbst ist in T. selten. W e i g a n d - H i r t M 1 ) verzeichnen aus der Jägersprache für den Iltis 'elbtier5, worin 'elb5 — wohl aus 'eil5 — volksetym. umgedeutet ist. Vgl. 'ellkatze5 = Iltis 502 ). Hingegen weisen mit aller Deutlichkeit auf die Elben der Eulenname engl.-dial. 'oaf' ( = Elfe) 603) sowie norw. 'elvekonge5 „Elfenkönig", eine Bezeichnung für die weiße Bachstelze 504). Über 'elbetritsch5 vgl. oben 2, 761 und weiter unten. — Ein alpenländisches Wort für „Elbe" ist 'Butz5 ('Putz') 505). Dies ist auch ein alter Name des Wolfes in Steiermark 506 ). — Nach der hauptsächlich in den Alpenländern so weit verbreiteten Spukgestalt der Habergeiß (s. d.) sind namentlich Vögel mit unheimlichem Ruf benannt. So der Waldkauz (syrnium aluco) in Tirol — seine Stimme ähnelt dem Meckern einer GeißS07), dann

894

der Wachtelkönig in Schwaben 508 ) und Niederöst. 'hâbergas5 509), der Wiedehopf in Uttenheim (Tirol) 51°) und endlich die Nachtschwalbe (Tirol) 611 ), die in England nach dem Kobold Puck 'puck bird5 512 ) heißt. Außerdem verzeichnet Heinzerling S13 ) für den Weberknecht (Spinne) aus dem Hennebergischen 'habergeiß5 und aus Retzat 'hawergaß5. Im Steirischen heißt diese Spinne 'habermann', d. i. ein Schutzgeist, der die Strahlen der Sonne meidet 614 ). — Im Schlesischen wird 'hemandl5, der Name eines Waldgeistes von dem Rufe „he" !, auf die Eule angewendet 515 ). — Im Anhaltischen heißt der Trauerfliegenschnäpper 'ilmendritsch561β), was identisch ist mit 'elbetritsch5, westf. auch 'elbertritsch5. Über dieses Wort vgl. H e e g e r 5 1 7 ) ; im Eis. ist ilmetritsch Bezeichnung der Stockente B18). Dort waren die Ilmetritsche ursprünglich Wassergeister, den Schwanenjungfrauen vergleichbar 519 ). —Der altgermanische Waldgeist 'schrat5 (s.d.) lebt als 'schrâtl5 weiter. Mit diesem Wort werden bezeichnet der Klopfkäfer im Drautal 820), der Schmetterling in Luserna 521 ), schließlich der Hirschkäfer an verschiedenen Orten Deutschlands622). Hierher wohl auch 'schratz5 = Flußbarsch 523 ). Der 'Táttermann5 (s. d.) ist ursprünglich ein alpenländischer Hausgeist 524). Tiernamen: 'tat'rmandl5 heißt der Salamander in Tirol 525 ), nach Webinger 528) auch im Slowenischen. Der pechschwarze Wasserkäfer (hydrophilus picens) führt in Gottschee gleichfalls diesen Namen: 'tottermandle5 527). — 'wicht?, dim. des schon im Ahd. belegten 'wicht5 ('wiht5 = Zwerg), bezeichnet verschiedene Vögel, wie das Käuzchen im Waldviertel (NÖ.), die Feldlerche und eine kleine weißkehlige Schwalbe im Steirischen 528). Dem Deutschen 'wichtel5 entspricht norweg. 'trold5 „Kobold", das von gewissen häßlichen Tieren gebraucht wird, z. B. 'kors-trold5 „Walfischart", 'rumpetrold* „Froschbrut" 52e ). Doch gibt es auch ein deutsches 'Troll5 < mhd. 'trol(le) 530). Nemnich 5 3 1 ) verzeichnet für den Hirschkäfer 'horntroll5, vgl. schwedisch 'trollslända5 832) ('slända5 = Spindel) für Li-

8p5

Tiernamen

belle. — Insekten, die im oder auf dem Wasser leben, werden nach Wasserelben benannt. So heißt die große Libelle im Siegerland 'wassermâ' S33 ), allgemeindeutsch ' Wasserjungfrau', der Wasserläufer (hydrometra) in Meerane (Sachsen) 'wassernix' 534). — Unter den Milben galt die als 'Mitesser* bekannte Haarbalgmilbe des Menschen für einen „zehrenden" Elben, der durch Zauberei in den Körper gekommen sein soll, um die Nahrung wegzuzehren 535 ).

501 ) ι, 917. 602 ) a. a. O. s ° 3 ) R i e g l e r op. cit. 1 1 6 Anm. 504 ) N e m n i c h op. cit. 2, 606. 505 ) Vgl. hier ι, 1763 f. εοβ ) U n g e r - K h u l l op. cit. 126. i0 ' ) D a l l a T o r r e op. cit. 92. 50β) L a i s t n e r Sphinx 2, 261. 509 ) H ö f e r op. cit. 13. 6 1 0 ) D a l l a T o r r e op. cit. 96. 5 1 1 ) op. cit. 67. 5l2 ) S w a i n s o n op. cit. 96. 5 1 3 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 20. 5 1 4 ) Grazer Volksblatt 1895 Nr. 2 1 1 . 515 616 ) Z a u n e r t Natursagen τ, gì. ) Wirth op. cit. 4—5, S. 42. 5 1 7 ) Heeger op. cit. 2, 19. 51S 6l9 ) M a r t i n - L i e n h a r t Wb. 2, 769. ) Suol a h t i op. cit. 427. 620 ) D a l l a T o r r e op. cit. 57. 5 2 1 ) op. cit. 78. S 2 2 ) W e i n k o p f op. cit. 142 e9 . 5 2 3 ) Fragebogen des bayr.-osterr. Wb.s. I24 ) W e b i n g e r in ZföVk. 31, S. A. S. 2. 5 2 6 ) D a l l a T o r r e op. cit. 28. 52β ) W e b i n g e r a . a . O . 5 2 7 ) S a t t e r op. cit. 13. 528 ) W e i n k o p f 529 op. cit. 143 9 1 . ) Giintert Kalypso 236. S30 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 1075. 5 3 1 ) 2, 457. i32 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 15. 6 3 3 ) Ebd. 634 ) Natur u. Schule 6, 50. 5 3 5 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 1 1 5 ; B e r g m a n n DWb. 63.

13. Benennungen nach der Hexe. Der weit verbreitete Glaube an die Fähigkeit der Hexen, Tiergestalt anzunehmen, spiegelt sich in vielen T. wieder. a) Vögel. Unter den Vögeln finden sich verschiedene Hexenepiphanien, daher die Namen: ndd. 'füürhex' „Feuerhexe" 536) für die Weihe. Ahd. 'holzmuoja' B37 ) ist „Hexe" und „Waldeule". Am Lechrain nennt man die Eule heute noch 'holzweibP 538). 'hexe5 heißt die Nachtschwalbe in Ostpreußen 539). Auch ital.-dial. 'guardalepre' „Hasenhüterin" (Foggia) 540) bedeutet ursprünglich sicher „Hexe" (Vgl. hierzu schott. cmither o'the mawkins' „Kaninchenmutter" als Name des kleinen Lappentauchers). Dem Vogel gibt seine Federhaube ein hexenartiges Aussehen541). Dem Glauben, daß die Nachtschwalbe Milch aus den Eutern der Ziegen und Kühe sauge, verdankt sie die Namen 'Ziegenmelker5 und 'Kuhmelker5 (mit vielen

896

dial. Varianten und fremdsprachlichen Entsprechungen) 542). Auffallend durch seine Phantastik ist nö. 'kindermelcher' 543). — Im Anhaltischen heißt die Rauchschwalbe 'blutschwalbe', da man glaubt, sie verwandle durch Hinwegfliegen unter dem Bauche der Kuh die Milch des Tieres in Blut 544). Der französische Landmann nennt eine derartig verdorbene Milch 'lait harondalé' (dial, franz. 'haronde' = Schwalbe). Dementsprechend heißt im Elsaß und in der Schweiz eine Eutererkrankung der Kuh 'unterflug' 545 ). — Im Bayr.-Österr. begegnet für die Gartengrasmücke 'grashexe' 546 ). Ein ausgesprochener Hexenvogel ist die Elster, die schwäb. 'schätterhexe' heißt ('schättern' = kreischen), woraus durch eine naheliegende Volksetymologie 'scheiterhexe' wurde 547). In Schwaben begegnet für die Elster auch 'nagel-' oder 'gagelhexe'548). — Schlagen in Niederöst. krähende Hennen mit den Flügeln, nennt man sie 'weedahexn' 549 ). b) R e p t i l i e n und Amphibien. Die Eidechse gilt in manchen Gegenden als Hexentier; so bedeutet im Neuflämischen 'hakke-tisse' „Eidechse" und „Hexe" 550). — Unter den Amphibien hat die Kröte ausgesprochene Beziehungen zur Hexe. Sie heißt in Gottschee 'hex' ('hexin') 551 ), auch 'milichkrot' 552) wegen des vermeintlichen Saugens am Kuheuter. Vgl. zentralfranz. 'tette-vache' 653). Einem ähnlichen Volksglauben unterliegt der Salamander : Kehrein 554) verzeichnet für das Tier 'rehmelker', westfäl. heißt er 'hackemolle' „Hexenmolch" 555). Vgl. in Morbihan 'er sorz' „Zauberer" 556). c) Insekten. Unter den Insekten sind namentlich Schmetterlinge und Libellen Hexenepiphanien, weniger Käfer, von denen der Maikäfer hier am ehesten in Betracht kommt. In der Sprachinsel Zong in Oberkrain heißt der Maikäfer 'zabrwabe' „Zauberweib" (auch Sagenfigur) 557). Nemnich 5 5 8 ) verzeichnet 'hexenkäfer', sicher eine Volksetym. des danebenstehenden 'heckenkäfer'. Der Glaube, daß Hexen in Schmetterlingsgestalt (s. unter „Schmetterling") Milch, Butter, Sahne stehlen, hat viele Schmetter-

Tiernamen

«97

lingsnamen gezeitigt wie 559 ), 'molkendieb' 5e0), ndd. 'botterhex' 561 ), 'bodderlicker' „Butterlecker" 5β2), 'smandlecker' „Sahnelecker" 563), 'ketelböter' „Kesselflicker" (Synonym von „Hexenmeister) 6e4), westfäl. 'hippendaif' „Ziegendieb" 56S). Es ist naheliegend, daß besonders die Nachtschmetterlinge als Erscheinungsformen der Hexen gelten. So ist im Bayr.-österr. 'zauberin' = Nachtfalter 5ββ ), im Bergischen 'hexe' = Motte567). Auch schles. 'bielweise' „Motte" (zu 'bilwiß' „Gespenst") bedeutete früher „Hexe" 6ββ). — Die sonderbar gestaltete Libelle ist ebenfalls ein Hexentier. Sie heißt im Eis. 'wasserhex', 'hexenvogeP, 'hexennodeP 569). 5M)

Tier

W o s s i d l o op. cit. 2, 399.

S37 )

Riegler

115. S3e ) op. cit. 115 3 ). 53 ») S u o l a h t i cit. 20; W S . 7, 142. 54 °) W S . 4, 173 f.

op. f 4 1 ) W S . 4, 175. 542 ) W S . 7, 137; Natur u. Schule 6, 51. M 3 ) H ö f e r op. cit. 7. M 4 ) W S . 7, 138. 545 ) Ebd. 54β ) Fragebogen des bayr.österr. Wb.s. M 7 ) K r a n z m a y e r Wb.kom648) mission. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 122. * « ) W o s s i d l o op. cit. 2, 398 f. 5 S 0 ) W S . 7, 142. 5 5 1 ) S a t t e r op. cit. 8. " 2 ) Ebd. M 3 ) R o l l a n d Faune

3,46;

WS.

7,139.

554 )

« 6 ) Natur und Schule 6, 52. Faune 3, 77. 557 ) K r a n z m a y e r

Nassau

1,326.

5M)

Rolland mündl. Mitt.

658 )

58 °) 55») 2, 1237. Riegler Tier 245. B e r g m a n n Deutscher Wortschatz 96. M 1 ) W o s s i d l o op. cit. 2, 425. M 2 ) op. cit. 2,424. M 3 ) op.

cit. 2, 426. M 4 ) KblfndSpr. 2, 42. Woeste Wb. 103. 5 M ) Fragebogen des bayr.-österr. Wb.s. 5β7 ) L e i t h a e u s e r op. cit. I/2, S. 25. •6ββ) W S . 7, 142. «») W o s s i d l o 2, 423.

15. T e u f e l s n a m e n . Der Teufel kann sich in mancherlei Tiere verwandeln, daher Benennungen von Tieren nach dem Teufel nicht selten sind. Für den Igel verzeichnet Nemnich 670) ndd. 'bustedyveP ('bustivel') „Borstenteufel". Umgekehrt hieß im Mittelalter der Teufel auch der crûhe igei'. Vgl. im Engl, 'urchin' „Igel" > Kobold 671 ). Im Gottscheeschen ist cholzganggel' „Waldteufel" eine alte Bezeichnung für „Wolf" 672 ). 'waldteufel' für „Uhu" dürfte hingegen auf volksetym. Umdeutung von ursprünglichem 'waldäufl' (auf = Uhu) beruhen 573). Vgl. jedoch 'diavolo' di montagna' = Uhu in ital. Dialekten 574). — In der Lausitz heißt die Schwanzmeise 'teufelsbolzen' S75 ), im Anhaltischen 'teufelspelzchen' 57e ), was B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VIII

898

wohl aus obigem volksetym. umgeformt ist. — Für das Wasserhuhn verzeichnet N e m n i c h 577) 'flußteufelchen'. — In Baden begegnet für den Hirschkäfer, dessen Beziehungen zu Blitz und Donner bekannt sind, des 'teufels roß' 578 ). 'teufelskatz' heißt in Vorarlberg die Raupe des Bärenspinners 579). — Der ausgesprochen dämonische Charakter der Libelle spiegelt sich in folgenden Namen : Schweiz, 'tüfelsgroßmueter' 580), 'teufelspferd', 'teufels reitpferd', vgl. dän. 'fandens ridehest' 581 ). Als Teufelstier erscheint die Spinne in Schönwald bei Gleiwitz : der 'ungenannte' 582). Werden Tiere nach dem Teufel benannt, so ist umgekehrt der Teufel zuweilen nach Tieren benannt. Namentlich im Mhd. sind solche Bezeichnungen gang und gäbe. So sind belegt 'helle-boc' 583), 'h.-gouch' (g. = Kuckuck) S M ), 'h.-hunt' 585), 'h.-welf 58e), 'h.-bracke' S87 ), 'h.-rüde' 588), 'h.-rabe' B89 ), 'h.-wolf' 590), 'h.-wurm' m ), 'h.-tracke' (Drache) 592). Heute noch ist in Tirol für den Teufel 'gamsjakl' ('gams' = Gemse) üblich. Die Gemse gilt als Teufelsgeschöpf 593 ). Vgl. ital. ('Agordo') 'capra del diaol' „Teufelsziege" 594). Im Gottscheeschen begegnet für den Teufel auch 'pilichmandle', da er die Scharen der Bilche auf ihren nächtlichen Wanderungen begleitet 595). 670)

ι,

1520.

671)

Riegler

Tier

17.

572)

S a t t e r op. cit. 14. 5 7 3 ) R i e g l e r Tier 1161. 574 ) G a r b i n i Antroponimie 1418. 576 ) ZfSprV. 6") 57β) 35, 9W i r t h Beiträge 4 — 5 , S . 41. 1 , 1 6 7 9 . 5 7 β ) W i r t h a . a . O . S . 27. 6 7 > ) G r i m m Myth. 3, 311. 6 8 0 ) W o s s i d l o o p . c i t . 2, 423.

G r i m m op. cit. 2, 860; 3, 201. 582 ) ZfSprV. 35, 10. M 3 ) G r i m m op. cit. 2, 831. 584 ) L e x e r MhdWb.s.v.; G r i m m op.cit.2,833. 5 8 S ) G r i m m op. cit. 2, 832. 5 8 8 )Ebd. M 7 ) L e x e r MhdWb. s. v . 5ββ ) G r i m m a. a. O. 5 8 ') G r i m m op. cit. 2, 833. M 0 ) op. cit. 2, 832. 5 Í 1 ) op. cit. 2, 834. 6 » 2 ) Ebd. 5 » 3 ) W u t t k e S. 126 § 171. M 4 ) N a r d o ZooM1)

logia

veneta

35.

5β5)

Satter

op. cit.

15.

15. R e l i g i ö s e Namen. Im Gegensatz zu den Hexen- und Teufelsnamen bei Tieren stehen die Benennungen nach Gott (Himmel), der h. Jungfrau u. dgl. Es wurde gelegentlich die Vermutung geäußert, diese Namen seien nach Verbreitung des Christentums an Stelle von heidnischen Götternamen getreten, was in dem 29

899

Tiernamen

einen oder anderen Falle stimmen mag, ohne daß man jedoch eine Verallgemeinerung dieser Behauptung wagen dürfte, da ja die heidnischen Namen in der Regel nicht erhalten sind. Eine Ausnahme macht höchstens die ndd. Bezeichnung 'herrgottsvogel' für den Storch, die sich als christlicher Ersatz deuten läßt, wenn man zum Vergleich das noch erhaltene schwedische 'odensvala' „Odins Schwalbe" δ9β) (Gothland) = schwarzer Storch heranzieht. 'herrgottsvöglein' (Westfal., Schwaben) heißt auch die Hausschwalbe, die nicht getötet werden darf 697). — Häufiger noch sind Insekten nach Gott benannt : so heißen in Kärnten die Roßkäfer 'unsern herrgott seine ochsen' 598), da sie der hl. Maria und dem Jesukinde auf ihrer Rückkehr aus Ägypten behilflich waren, indem sie sich vor den Wagen spannten δβ9 ). 'herrgottenochs' ist in der Oststeiermark der Name des männlichen Hirschkäfers, der weibliche heißt 'herrgottenkuh' eo°). — Für 'coccinella' sind aus dem Bergischen®01) belegt: 'gottsdîrche' (vgl. franz. 'bête au bon Dieu') 602), 'gotteslämmchen'. W u t t k e 603) bringt noch 'gotteskühlein', 'gotteskalb', 'herrgottskalb'. Aus Westfalen ist belegt 'herrgotts haineken' ®04). Fremdsprachliche Analoga bei R o l l a n d 605) und Grimm β ο β ). — In Gottschee heißt der Goldkäfer (cetonia aurata) 'gottain herrnsch Kawerle1 „Herrgottskäferchen" e07), die Feldgrille 'gottain herrnsch de röschlein' „Herrgottsrößlein" e08 ). — Von Christus hat der Kreuzschnabel seinen Namen : 'christvogel'609) nach der Legende, daß er die Nägel am Kreuze des Erlösers habe herausreißen wollen 610 ). Vgl. dial, franz. 'Dieu, fils de Dieu' 6 1 1 ). Nach der Mutter Gottes sind benannt die Hausschwalbe: 'marienvogel' (Tirol) 612 ) 'liabnfraukinderl'®13), der Maikäfer: 'marienwürmlein' 614 ), nach dem Himmel und den Engeln: 'coccinella': ndd. 'himmelskühchen', 'h.tierchen', 'h.kindken' 615 ), 'leev engelke' usw. 616 ). — Die Benennung von Tieren nach Heiligen, die im Deutschen weit weniger häufig ist als in den romanischen Sprachen, hat keine eigentlich religiöse Bedeutung, da mit dem Heiligen-

9OO

namen meist nur die Zeit des Erscheinens des so benannten Tieres angegeben wird, wie z. B. beim Johanneskäferchen (lampyris). Vgl. Schweiz. 'Sant-Johannes güöggi' 617 ) franz. 'ver de Sant Jean' 618). Der Tag des h. Johannes ist der 24. Juni. 6 M ) S u o l a h t i Vogelnamen 371 f. 697) W u t t k e S. 1195158. 688) Car. 96, 66. 5ββ) Car. 96, S. 71. eo °) U n g e r - K h u l l op. cit. 343. e01) L e i t haeuser op. cit. I/2, S. 23. ,02 ) R o l l a n d Faune 3, 349. ®03) S. 114 § 151. ·04) H e i n z e r ling op. cit. 9. ,06 ) op. cit. 2, 308. eo6) op. cit. 2, 578. eo») S a t t e r op. cit. 9. ° m ) op. cit. 12. ,09 ) S u o l a h t i i e l °) op. cit. 141. Wuttke S. 123 § 164. M 1 ) R o l l a n d op. cit. 2, 308. 12 , 1 3 • ) D a l l a Torre op. cit. 80. ) H ö f e r op. cit. 10. · " ) Natur und Schule 6, 64. · « ) W o s sidlo op. cit. 2, 416. · 1β ) Ebd. «") R o l l a n d op. cit. 3, 342. · 18 ) op. cit. 3, 343.

16. M e t a p h o r i s c h e Verwendung v o n T i e r n a m e n . Es muß als ein Rest von vorhistorischem Totemismus gewertet werden 619), wenn Volksstämme oder deren Führer nach Tieren benannt erscheinen. Es sei hier erinnert an Hengist und Horsa (Pferd) bei den Jüten, an den Gotenführer 'Berige' (Bär) und an den Anführer der Langobarden 'Ibor' (Eber) ®20). Auch die T. von Priestern und Priesterinnen bei den alten Griechen — so hießen ζ. B. die Priesterinnen der Artemis „Bärinnen", die der Demeter „Bienen" 6 2 1 ) — beruhen auf derselben Basis. — Altitalische Volksstämme benannten sich nach Tieren genau so wie es jetzt noch Indianerstämme tun. Die 'Hirpiner' haben ihren Namen von 'hirpus' „Wolf", die 'Picenter' von 'picus' „Specht" ®22). Bei den Germanen beachte man die Geschlechter der 'Wylfingas* (Wolf), 'Hundingas', 'Hôcingas' ('Hòc' = Bock) ®23). Ganz besonders verhielt sich diese Art der Namengebung bei den Südslawen, wo Geschlechter-, Stamm- und. Sippenverbände sowie einzelne Familien T. tragen. Am häufigsten sind vertreten Wolf ('vuk') und Schlange ('zmaj') 624).. Während diese Namen deutliche Spuren einer alten Tierverehrung sind, werden in. der Neuzeit entsprechend der veränderten Auffassung des Tieres T. zur Verspottung eines Nachbarvolkes gebraucht. Vgl. tirol. 'Boarfâkchn' für die Bayern, 'Hundehessen' u. dgl. 62B ). Wenn umgekehrt Völkernamen auf Tiere angewendet werden,.

901

rieropfer

so liegt mehr oder minder dieselbe unfreundliche Absicht zu Grunde. Vgl. 'Russen', 'Schwaben', 'Franzosen' als Bezeichnung der Küchenschabe 626 ), 'Franzosen' auch für die Wespen e27), 'Jud' für den Hasen (Schweiz) 628). Von diesem metaphorischen Kollektivgebrauch gewisser T. zum Zwecke der Beschimpfung oder Verhöhnung bis zur Belegung der Einzelperson mit einem T. ist nur ein Schritt. Wie in allen anderen Sprachen werden auch im Deutschen T. als Schimpfwörter von Individuum zu Individuum gebraucht. 'Hund', 'Schwein', 'Esel', 'Affe' sind die verbreitetsten Tierschimpfwörter 629), die nahezu internationale Geltung haben. 'Rind' ('Ochs') hingegen gelten nicht in allen Sprachen als Schimpfwörter. Cohn β30) spricht sich für totemistischen Ursprung aus. In den ältesten Zeiten der geschichtlichen Menschheit, wo man fest überzeugt war, daß Menschen von Tieren abstammten, war der Satz: „Du bist ein Hund" ganz wörtlich zu fassen, in dem Sinne nämlich, daß der Angeredete wirklich ein Hund sei, insofern die Seele eines Hundes in ihn gefahren sei 631 ). «») Urquell 3, 24. e2 °) H o o p s Reallex. 4, 430 f. e u ) S a m t e r Religion 9. e22 ) H o o p s 525 ) a. a. Ο. β23 ) Ebd. 624) Urquell 3, 24. β2β ) Hoops a.a.O. H a r t w i g op. cit. 48. β 2 ') op. cit. 40. β2β ) W o s s i d l o op. cit. 2, 397. 62S ) C o h n Tiernamen 8. «30) Ebd. «31) Ebd. Riegler.

Tieropfer.

ι. D a s u r s p r ü n g l i c h e M e n s c h e n o p f e r wurde mit fortschreitender Kultur (regelmäßigem Ackerbau und Viehzucht) a b g e l ö s t v o m T., „das hier seine ersten Wandlungen vom individuellen Blutzauber zum gemeinsamen Opfermahl erfährt" 1 ). Durch das Opfermahl wurde der Mensch der durch den Gegenstand des Opfers vermittelten Zauberkraft teilhaftig. Zugleich ließen Erwägungen wirtschaftlicher Natur ein neben dem im eigentlichen Sinne blutigen Opfer übliches Vergraben des Tieres im Acker oder Versenken desselben im Fluß dem praktischen Sinn des primitiven Menschen mehr und mehr untunlich erscheinen2). Die ä l t e s t e n O p f e r t i e r e waren dem-

902

zufolge auch die s c h l a c h t b a r e n H a u s t i e r e : cur non eis et canes, ursos et vulpes mactatis? quìa rebus ex his deos par est Honorare coelestes, quibus ipsi alimur, sustentamur et vivimus, et quas nobis ad victum sui numinis benignitate dignati sunt (Arnob. 7,18—20) 3 ). Je nach Volk, Zeit und Ort wurden verschiedene Tiere verwendet. Bei den Römern war das am meisten gehaltene Haustier, das Schwein, das gewöhnlichste Opfertier; Schwein, Schaf und Stier, die Repräsentanten der drei Hauptvieharten, wurden bei den bedeutendsten Opfern, den suovetaurilia, dargebracht 4 ). Bei den Germanen war das Opfer eines Pferdes bei weitem das vornehmste. Pferdeopfer kannten auch slavische und finnische Völker ebenso wie Perser und Inder. Mit der Ausbreitung des Christentums wurde gerade das Pferdeopfer besonders verpönt; man hielt es für ein Zeichen hartnäckiger heidnischer Gesinnung, wenn jemand Pferdefleisch aß (Erinnerung an das Opfermahl!). Wo es Esel gab, traten schließlich diese an die Stelle des Pferdes. Schlesische Bauern, die Eselsfleisch statt Pferdefleisch aßen, wurden wegen dieser heidnischen Sitte von ihren Nachbarn als „Eselsfresser" verspottet 5 ). Bei den Opfertieren achtete man darauf, ob sie trächtig waren oder nicht (Arnob. 7, 22), ob sie Haare oder Borsten hatten (Weisth. 3, 478) ; beim Kauf der Tiere durfte man nicht handeln. Besonders wichtig erschienen aber F a r b e und G e s c h l e c h t der O p f e r t i e r e . Man scheint den männlichen Tieren im allgemeinen den Vorzug gegeben zu haben; die Griechen opferten den Göttern ein männliches, den Göttinnen ein weibliches Tier (II. III 103) 6 ). Indische Opfervorschriften verlangen öfters mehrfarbige Tiere (Schecken), wie überhaupt im Glauben und in den Sagen indogermanischer Völker scheckige Tiere, besonders bunte Kühe und Stiere, eine Rolle spielen. Ein Nachklang solcher alten Vorschriften liegt wahrscheinlich vor, wenn nach den deutschen Weistümern die der Obrigkeit zu entrichtenden Tiere schwarz-weiß ge29*

903

Tieropfer

färbt sein müssen 7 ). Sonst werden ganz weiße, oder ganz schwarze Tiere bevorzugt, rote Tiere vermehren, „wie das Bestreichen mit Blut oder mit roter Farbe oder das Einhüllen in rote Gewänder" (Substitute für Blut!), die magische K r a f t des Geistes, dem das Opfer dargebracht wird 8 ). Schwarze Tiere wurden den chthonischen Gottheiten geopfert. Daher erhielten dann b ö s e G e i s t e r mit Vorliebe s c h w a r z e T i e r e : so warf man ζ. B . einen schwarzen Hahn als Opfer für die Wassergeister in die Bode (Harz) oder vergrub einen schwarzen Kater nachts unter einem Baum auf dem Felde (Böhmen) 9 ). Kohlschwarz sind die Opfertiere, die der Teufel liebt. Darum ist das bei Schatzhebungen immer wieder verlangte Opfer ein schwarzes Schaf, ein schwarzer Bock, ein schwarzes Huhn oder eine schwarze Katze (Hessen, Niedersachsen u. a.). Auch Bergmännchen (ebenfalls chthonischer Natur!) beschwört man, indem „man ihnen einen neuen Tisch setzt, zwei Milchschüsseln, zwei Honigschüsseln, zwei Teller und neun Messer daraufstellt und eine schwarze Henne schlachtet" 10 ). Bei vielen indogermanischen Völkern wird außer der Berücksichtigung von Farbe und Geschlecht für das Opfertier auch U n b e r ü h r t h e i t v o n j e d e r A r b e i t (Od. I I I 382f.) verlangt. Solch unberührte Fohlen oder Rinder wurden nach den alten deutschen Rechtsdenkmälern zu feierlichem Landerwerb oder zum Todpflügen der Marksteinfrevler verwendet 11 ). Auch Z u c h t t i e r e oder s ä u g e n d e T i e r e , die in der Volksmedizin Deutschlands eine große Rolle spielen, wurden im Altertum n i c h t g e o p f e r t . Verschnittene Tiere eigneten sich für die Toten, nicht für die Götter 1 2 ). Zum Opfer wurden die T i e r e b e k r ä n z t und g e s c h m ü c k t . Od. I I I 3 8 2 ! heißt es: σοΙ δ'αυ έγώ ρέξω βοΰν . . . . χρυαόν χέρασιν περιχευβς. K ü h e mit vergoldeten Hörnern werden verlangt, Edda Saem. 141 a , während im Mansfeldischen ein kohlschwarzes Rind mit weißer Blässe und weißen Füßen und ein Z i e g e n b o c k m i t g o l d e n e n

904

H ö r n e r n entrichtet werden mußte. In Thüringen glaubt man, daß man ein g o l d e n e s F e r k e l zu Gesicht bekomme, wenn man am Christabend bis zum Abendessen sich der Speisen ganz enthalte. Offenbar ist das eine Erinnerung an alte, dem Freyr dargebrachte Eberund Ferkelopfer, wie sie sich auch in Schweden in dem bis in jüngere Zeiten geübten Gebrauch erhalten hat, „alle Julabende Brot oder Kuchen in Ebergestalt zu verbacken" 1 3 ). Dann wurden die T i e r e in der Volksversammlung herumgeführt, wahrscheinlich um den Anschein zu erwecken, als gingen sie f r e i w i l l i g in den T o d 1 4 ) . Griechen und Römer legten darauf besonderen Wert, wie sie den Tieren auch vor der Schlachtung die Stirnhaare abschnitten und sie als Symbol des ganzen Tieres, auf das der Gott Anspruch hätte, weihten 1 5 ). Dann wurde das Tier geschlachtet und das Blut (s. d.) aufgefangen. Man bestrich damit die heiligen Geräte und besprengte die Teilnehmer (Blutzauber!). Auch zu Weissagungen wurde es benutzt, vielleicht auch unter Bier oder Meth gemischt getrunken. Reine Brandopfer (holocausta) scheinen bei den Germanen nicht gebräuchlich gewesen zu sein. Den Göttern überwies man edlere Teile des Tieres: Kopf, Herz, Leber, Zunge, während das Fleisch von den Teilnehmern verzehrt wurde 1 6 ). Als Ersatz für das Opfer von Haustieren galt zu gewissen Zeiten auch das blutig erlegte J a g d tier. Doch mußten es offenbar concessa animalia (Tacit. Germ. 9) sein, also Hirsche, Rehe u. a. Nur b e i S ü h n e o p f e r n wurden n i c h t e ß b a r e T i e r e dargebracht (analog dem ursprünglichen Menschenopfer), besonders Tiere, die man für Menschenfresser, Menschenblutsauger, Leichenfresser u. a. hielt (Geier, Hyäne, Krokodile, Taucher, Blutegel, Schlange, Fledermaus), oder solche, die als Toten- und Seelentiere (Bär, Wolf, Hund, Eidechse, Schlange, Kröte, Wiesel, Maus u. a.) als geisterhafte Wesen selbst Verehrung genossen 17 ). Schließlich wurde das blutige T. überhaupt ersetzt durch Opferung sym-

Tieropfer

905

bolischer Figuren aus Teig, die G e b i l d b r o t e (s. d.), die in den unter unserem Weihnachtsgebäck beliebten Tierformen weiterleben. Auch die e i s e r nen T i e r e , die man in früheren Jahren in Rattersdorf, zwischen Lockenhaus und Giins, am Vitusberg bei Güns, ferner noch 1870—71 in Schlüsserbrunn auf dem Hochlantsch und in der Kirche Maria Rehkogl in Frauenberg am Rennfeld bei Bruck a. M. opferte, gehören hierher 18 ). 1

) W u n d t Mythus

u. Religion

3, 429. 467 f . ;

Meyer Religgesch. 414 ft.; Scheftelowitz Huhnopfer 1 fi.; W l i s l o c k i Magyaren 26; P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 81; H ö f l e r Organotherapie 9ff.; S o m m e r Haar 53. 2 ) N a u m a n n Gemeinschaftskultur

73.

3

) G r i m m Myth.

3, 26;

H o v o r k a u. K r o n f e l d i , 419; F i s c h e r Angelsachsen 7. 4 ) W i s s o w a Religion1 31. 3 4 5 0 . 6 ) Grimm Myth. 1, 40; MschlesVk. 15 (1906),

139 f.

e

)

Grimm

Myth.

3,

26.

' ) G o l d m a n n Einführung 73 ff. 80 f. 8 ) Z f V k . 2 3 ( I 9 I 3 ) . 2 ( >i. *)ZfVk. 23 (1913), 150. 1 0 ) G r i m m Myth. 2, 843; K u h n u. S c h w a r t z 11 N r . 11. n ) G r i m m Myth. 1,44 f . ; G o l d m a n n Einführung

83.

12

)

m e r Haar

53

ff.

16

14

)ebd. 1,45.

) Grimm

M ü l l e n h o f f Altertumsk. Myth,

Organotherapie

Höfler

" ) G r i m m A T y i f t . 1,41 ff.

Myth.

4, 218.

l5

33.

)Som-

1,45 ft.;

17

)

Grimm

ι , 37 f. 43; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr.

20;

S t e m p l i n g e r Sympathie 56; H o v o r k a u . K r o n f e l d 1, 419; R o s c h e r Sieben- u. Neunzahl 1 1 0 A . 199. 1 1 3 .

Meyer

Religgesch.

H ö f l e r Weihnacht

le

) B r o n n e r Sitt' u. Art 1 0 ;

416;

ZfrwVk.

1912, 265;

64 f . ; Organotherapie

285 f . ;

H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 297. 338; ZföVk. 9 (1903), 204 f .

2. Die m i t d e m a l t e n T. z u s a m m e n hängenden Gebräuche und Vors t e l l u n g e n haben ein ungemein zähes Leben und sind z. T. heute noch nicht ausgestorben. Noch im 17. Jh. sollen in Ostpreußen ganz nach heidnischem Ritus mit abschließendem Opfermahl geheime Opfer von Böcken gefeiert worden sein, während man in Samland gleichzeitig Schweine opferte, um reichen Fischfang zu erlangen. Das als Festtagsbraten in vielen Gegenden bevorzugte Schweinefleisch und der mit Blumen geschmückte, einen Apfel oder eine Zitrone im Maul tragende Schweinskopf, den bei hessischen Hochzeiten eine Jungfrau in feierlichem Zug durch das Dorf trägt, erinnern an alte Eberopfer. Nicht anders zu beurteilen sind der bekannte Pfingstochse und

906

der „Osterochse", den man in Überlingen a. See mästet, um ihn bekränzt durch die Stadt zu treiben, dann zu schlachten und jeder Familie den Festtagsbraten zukommen zu lassen. In Lachenau (Oberbayern) wird zu Ostern ein Widder gebraten, den die Hofbesitzer abwechselnd stiften. Dann wird das gebratene Tier schön verziert, seine Hörner vergoldet (!), darauf der „Braten" in der Kirche geweiht und schließlich im Wirtshaus an die Hirten und Taglöhner verteilt. Auch die Schnitter- und Dreschermahle, bei denen jeder Arbeiter seinen Anteil von der „ S a u " bekommt, gehen auf alte Opfer zurück 1 8 ). Auch das Opfer lebender Tiere statt des blutigen T.s hat sich in den mannigfachen Spenden an Kirchen, bzw. den vielerorts üblichen Geschenken an den Ortspfarrer erhalten. Ein ebenso lehrreicher wie amüsanter Fall wird von der protestantischen St. Veitskapelle bei Wiescht (Mittelfranken) berichtet. Zur Zeit des evangelischen Pfarrers Horn (1632—1661) wurde dort eine Kuh als Opfer an den Kirchturm gebunden. Ein Bericht des Pfarrers an das Konsistorium zu Ansbach aus dem Jahre 1671 besagt: Von jungen Hühnern geht wenig ein, welche man sonst häufig geliefert und in einem gewissen Behälter in der Kapelle gesperrt. Weil ich aber dieses wegen des Krähens unter der Predigt nicht leiden wollen, so unterläßt man's. Doch bringt man manchmal etwas von Hühnern in mein Haus20 ). In einigen Gegenden Litauens schlachtet man beim Tod eines Familienmitgliedes ein Stück Vieh. Darin hat man eine Art T o t e n o p f e r zu erblicken, bei dem ja auch Tierblut das Menschenblut ersetzte 2 1 ). Besonders deutlich tritt uns dieser Brauch in der Opferung des Pferdes beim Leichenbegängnis eines Soldaten entgegen. In Deutschland wurde dieses Opfer zum letztenmal wohl bei dem Leichenbegängnis des Kavallerieoffiziers Friedrich Kasimir, das im Jahre 1781 in Trier nach den Formen des Deutschen Ordens stattfand, vollzogen: als der Sarg in das Grab gesenkt war, tötete man das

907

Tieropfer

im Leichenzug mitgeführte Tier und warf es in die Gruft. Noch heute lebt das alte Opfer, freilich in sehr abgeschwächter Form, fort in dem Brauch, das Leibpferd eines gestorbenen Fürsten oder hohen Militärs im Leichenzug hinter dem Sarg zu führen 22 ). Schließlich sei an die ziemlich zahlreichen, mit ,,-haupten" gebildeten Ortsnamen, wie Tierhaupten, Roßhaupten (Bayern) erinnert, die ebenso wie das im Aargau und Zürcher Land häufige „Häuptli" auf alte Opferstätten deuten 23 ). ») Wuttke 289 fi. § 423—426. 20) ZfVk. 21 (1911), 120. 2l ) Sartori Totenspeisung 17 f.; Wuttke 290 § 425. 22) Tylor Cultur 1,467. " ) ZfdMyth. 2 (1S54), 241 f. 3. Auch bei der L u s t r a t i o n (s. d.) begegnen wir dem T., wobei das Opfertier vollständig vernichtet wird (durch Verbrennen, Vergraben usf. ). Noch im letzten Viertel des 18. Jh.s stürzte man in einigen Gegenden Deutschlands am Jakobitag (25. Juli) einen Bock mit vergoldeten Hörnern (s. o. § 1 ) und mit Bändern geschmückt unter Musikbegleitung vom Kirchturm oder vom Rathaus herab. Dann stach man ihm das Blut ab, das man trocknete und als Heilmittel in vielen Krankheiten aufbewahrte (s. Sündenbock)24). In denselben Kreis gehört die grausame, jetzt meist ganz abgekommene oder durch Verwendung einer (in Kohlstädt im Lippeschen Wald: vergoldeten) Hahnenfigur abgeschwächte Sitte des Hahnschlagens (s. d., s. H a h n , E r n t e h a h n ) . Aus dem Hahnopfer entwickelte sich auch die über ganz Deutschland verbreitete Unsitte, Eulen, Habichte, Weihen und andere Raubvögel ans Scheunentor zu nageln 25 ). Der letzterwähnte Brauch greift schon über auf den Glauben an die apotropäische und zauberische Kraft der T. Dem weit verbreitet en Glauben, die Erde (bzw. ihre Geister) fordere ein Opfer, wenn ein Stück des Bodens menschlichen Zwecken nutzbar gemacht werde, verdanken ebenso merkwürdige wie grausame, noch keineswegs ausgestorbene Opferbräuche ihre Entstehung. Um einem Kirchenbau Festigkeit zu ver-

908

leihen, mauerte man ein Lamm unter dem Altar ein; auf dem Kirchhof grub man ein lebendiges Pferd ein, bevor ein Toter der Erde übergeben wurde 2e ). Auch bei der G r u n d s t e i n l e g u n g v o n P r o f a n b a u t e n pflegte man an Stelle der ursprünglich auch hier üblichen Menschenopfer in Frankreich wie in Deutschland lebende Tiere (Hund, Katze, Huhn) einzumauern. Eine Milderung dieses grausamen Brauches stellt das Besprengen des ersten Steins oder der Grundmauern mit dem Blut des Opfers dar. In dieser Form hielt sich das Opfer ζ. B. in der Bretagne bis ins Jahr 1862. Unsere heutige Sitte, bei Grundsteinlegungen Münzen u. dgl. in den Stein einzumauern, stellt den letzten, vielfach nicht mehr verstandenen Abkömmling jenes alten Brauches dar 2 7 ). Demselben Vorstellungskreis entstammt der Aberglaube, daß d a s e r s t e W e s e n , w e l c h e s ein n e u e s H a u s b e t r i t t , s t e r b e n müsse. Deshalb soll jeder, der eine neue Wohnung bezieht, zuvor etwas Lebendiges, eine Katze oder einen Hund, eine Maus oder einen Maulwurf, hineinwerfen 28). Brautleute sollen beim Heimgang von der Kirche eine schwarze Henne voran zur Haustür hineinlaufen lassen oder zum Fenster hineinstecken. Dann kann ihnen nichts schaden, und das Glück wird im Haus wohnen 29 ). Auch im F r u c h t b a r k e i t s und W e t t e r z a u b e r spielen T. eine Rolle; so, wenn in Böhmen ein schwarzer Kater unter merkwürdigen Zeremonien nachts auf dem Feld lebendig verscharrt oder im Frühling in einer Pfütze ertränkt und dann unter einem Baum im Garten oder auf dem Feld vergraben wird. Der Zweck ist immer Besänftigung des „bösen Geistes", der sonst den Bäumen und Feldern schaden könnte 30 ). Wenn heute Pferdehufe, Schweinsköpfe, Haare vom gebrühten Schwein, die tierische placenta, Hühner- und Taubenblut vielfach als ausgezeichnete Düngemittel für Obstbäume gelten, so sind auch das Überbleibsel alter T., die man zur Versöhnung des Fruchtbarkeitsgottes für notwendig hielt 31 ). Nach der Chemnitzer Rocken-

909

Tieropfer

philosophie suchten die Maurer für die Zeit eines Neubaus dadurch gutes Wetter zu bekommen, daß sie einen roten Haushahn mit einer großen Metze Hafer oder Gerste und einer großen Schüssel Wasser einmauerten. Man war überzeugt, das Wetter bleibe so lang gut, als das Tier zu fressen und zu saufen habe 32 ). Die für Frankreich durch zahlreiche Belege bezeugte Verbrennung lebendiger Tiere im Wetterzauber 33) scheint für Deutschland nicht belegt zu sein. Besonders verbreitet waren die T. b e i Viehseuchen. Auch in Deutschland scheinen sie noch nicht gänzlich ausgestorben zu sein. Fällt ein Füllen oder Kalb wiederholt, so vergräbt es der Bauer im Garten und pflanzt eine Fach- oder Satzweide dem Tierkadaver ins Maul. Der daraus wachsende Baum schützt das Bauerngut in Zukunft vor ähnlichen Unglücksfällen ; deshalb darf er auch nie beschnitten werden. Solche arbores ex morte vel tabo immolatorum divinae erwähnt schon Adam von Bremen 3 4 ). Auch die Köpfe der Opfertiere (s. T i e r k ö p f e ) und ihre Nachbildungen, die man an Bauernhöfen anbrachte, galten diesem Zweck 3 5 ). Junge Hunde, unter der Stalltürschwelle oder der Futterkrippe lebendig vergraben, sollen gegen Viehkrankheiten gute Dienste tun 3 6 ). Wir haben das, wie das Folgende, als Sühnopfer für die Krankheitsdämonen aufzufassen, die sich des Viehs im Stall bemächtigen wollen. Denn der Kuhtod, ein ungeheurer Stier, naht wie die Pest 3 7 ). Ist die Seuche bereits ausgebrochen, so wird das erste gefallene Tier vergraben und ihm eine Weide oder ein Reis ins Maul gepflanzt. Auch zu Opfern lebender Tiere greift man in solcher Not. In Beutelsbach bei Stuttgart versuchte man während einer Viehseuche auf den Rat eines alten Weibes den Hummel (Zuchtstier) lebendig einzugraben. Erst beim dritten Versuch glückte es, das mit Blumen bekränzte, starke Tier, das immer wieder ausbrach, in der Grube zu ersticken. Die Beutelsbacher haben davon den Namen „Hummelsbacher" 38). Ein schlesischer Schäfer köpfte in seiner Not das zuletzt „ver-

910

rückt" gewordene Schaf und vergrub den Leichnam an der Giebelseite des Stallgebäudes 39 ). In der Eifel verbrannte man bei einer unter den Schweinen ausgebrochenen Seuche ein gefallenes Tier und ließ die noch gesunde Herde von der mit Hafer vermengten Asche fressen 40 ). Hierbei kommt der allgemein verbreitete Glaube an die große Heilwirkung von Rauch und Asche des T.s zur Geltung 41 ). Zu den spätesten Herdent.n zählt wohl das vom Jahre 1841 in Burggen. Man ließ, als unter dem Vieh der Lungenbrand ausgebrochen war, die ganze Herde über eine bei der Kapelle der Mutter Anna quergestellte Stange springen. Die Kuh, die zuerst sprang, wurde in der Kapelle geopfert 4 2 ). Man loste also hier auf altheidnische Art das Opfertier aus, genau wie 1759 nach dem votum publicum des Weilheimer Rates bei einer Viehsucht u. a. jenes „ R o ß " zum Opfer zu St. Leonhard im Forst bestimmt wurde, „welches voran von der Weide nach Hause geht" 43 ). Schon früh wandelte sich dieses bei Viehseuchen dargebrachte Sühnopfer in ein jährlich wiederholtes Schutzopfer apotropäischen Charakters. Wenn deshalb nach der Sage im früheren Kloster Michaelstein bei Blankenburg a. H. Ochsen und Pferde fielen, so oft man die Statue des hl. Michael am Amtshause von ihrer Stelle nahm, so haben wir hierin einen Hinweis auf das früher am St. Michaelistag übliche T., bei dessen Unterlassung Tierseuchen eintraten 44 ). 24 ) G r i m m Myth. 3, 26; Z f V k . 23 (1913), 234 f.; S t r a c k Blut 55 ff. 25 ) J a h n Opfergebräuche 62.186.190; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 378. 2β ) G r i m m Myth. 2, 956. 27 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 292 f. 294; S é b i l l o t Folh-Lore 4, 9of. ; B o h n e n b e r g e r 22 Nr. 1; ZfrwVk. 1912,230. 2e ) G r i m m Myth. 3,451; W e t t s t e i n Disentís 175 Nr. 47. 2e ) G r i m m Myth. 3, 446. 30 ) G r o h m a n n 56, 143; W e i n h o l d Ritus 28. 3 1 ) H ö f l e r Waldkult 4; D r e c h s l e r 2,82; J a h n Opfergebräuche 17; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3 2 3,120. ) G r i m m Myth. 1, 956; J a h n Opferge3 3 ) N i l s s o n Jahresfeste bräucheöi. 34. 3 4 ) G r i m m Myth. 3, 464 Nr. 838, 1 , 6 1 ; 2,542. 35 ) Z f V k 4 (1894), 458. 3e ) G r i m m Myth. 2, 956; J o h n Westböhmen 290; Z f V k . 10 (1900), 88. 3 ') G r i m m Myth. 3, 348. s») ebd. 38 ) Z f V k . 4 (1894), 458. 40 ) S c h m i t z Eifel 1, 99. 4 1 ) ZfrwVk. 1912, 269. 42 ) R e i s e r Allgäu 2,382. 43 ) H ö f l e r Wald-

Tierorakel

pu huit 71.

14)

J a h n Opfergebräuche 67; Z f V k . 11

(1901), 196.

4. Schließlich sei noch kurz auf die große Bedeutung hingewiesen, welche das T. für die V o l k s m e d i z i n (s. d.) hat. Die Teile des Opfertiers, vor allem sein Herz und Blut, galten als Heilmittel 4B ). Gegen Epilepsie hilft das Blut einer schwangeren Eselin (Oldenburg), eines Bocks (Thür.), Taubenblut (Oberbayern), Wieselblut (Tirol), Katzenblut (Siebenbürgen), Schafblut (Simmental) 4e ). In Dithmarschen trinkt man Tierblut gegen Schwindsucht, während Gemsblut, warm getrunken, schwindelfreimacht (Simmental) 47). Statt des T.bluts wendet man hier und dort selbst heute noch ein auch von den Ostmongolen geübtes Mittel, das B a l n e u m a n i m a l e , an: das gelähmte Glied wird in den noch mit den Gedärmen gefüllten Leib eines frischgeschlachteten Tieres gesteckt, um die Lebenskraft des warmen Blutes auf den kranken Körperteil zu übertragen 48 ). Celsus 5, 27 empfiehlt: vivum gattinaceum pullurn per medium dividere et protinus calidum super vulnus imponere, sic ut pars interiori corpori iungatur. Das Auflegen des warmen Tierfleischs verfolgte denselben Zweck wie das erwähnte Balneum. Jene Hühner verwendete man vor allem bei Lupus 49). Indes muß man sich hüten, jede Verwendung von Tierblut oder Tierteilen mit dem alten T. in Zusammenhang zu bringen. In vielen Fällen ist es die Zauberkraft eines Seelentiers (s. T i e r e § 4) oder die seines Blutes, die eine Heilung herbeiführen soll. So in all den Fällen, in denen Kröten, Wiesel u. a. auf irgendeine Weise zu Tode gebracht und dann ganz oder in Teilen zu Heilzwecken verwendet werden M ). Andere sind sympathetische Kuren usf., wenn z. B. ein Knabe sich einen jungen Frosch unter die Zunge legt, ihn durch Drücken dort langsam sterben läßt und zeitlebens die Kraft erhält, die Froschgeschwulst an der Zunge (Ranula) zu heilen, indem er dem Kranken in den Mund bläst (Bayern) ; oder wenn man auf ein Krebsgeschwür einen lebendigen Krebs bindet, bis er stirbt und ihn

912

dann vor Sonnenaufgang vergräbt (Franken) 51 ). 4 5 ) G r i m m Myth. 2, 981 ; H ö f l e r Organotherapie 9. 49. 4 e ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 217; S e y f a r t h Sachsen 294. 4 7 ) Urquell 4 (1893), 279; Z a h l e r Simmenthai 77. 4 8 ) G r i m m Myth. 2, 980; Η o v o r k a u . K r o n f e l d 2, 213. 49 ) Grimm Myth. 2, 980. 6 0 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d i, 415; L e s s i a k Gicht 131; W u t t k e 126 §170; 355 §532; 356 § 534· 5 1 ) W u t t k e 316 §467; 322 § 477· Mengis.

Tierorakel.

ι . Die B e o b a c h t u n g der dem primitiven Menschen auffälligen und oft geheimnisvoll vorkommenden L e b e n s e r s c h e i n u n g e n in der T i e r w e l t ist wohl die ursprüngliche Form der T. Die Entdeckungen, die auf solche Weise gemacht wurden, und die Schlußfolgerungen, die man aus ihnen zog, verloren wohl schon früh ihr Aussehen als etwas Zufälliges und gewannen bald den Schein des Gesetzmäßigen und vererbten sich so von Generation auf Generation. Man stellte also zwischen dem Auftauchen und Verschwinden gewisser Tiere und dem Wechsel der Jahreszeiten einen Zusammenhang fest, und es ist kein Zufall, daß zu den beliebtesten Orakeltieren die Zugvögel gehören, deren sich bezeichnenderweise ja auch das Volkslied, vom rhodischen Schwalbenlied (Hiller-Crusius 44, Bergk 41) bis zum Kinderlied unserer Zeit, angenommen hat. Aus der Fähigkeit vieler Tiere, infolge der schärferen Sinne das Herannahen feindlicher Tiere anzuzeigen, lange bevor der Mensch etwas wahrzunehmen imstande ist, verleitet zu dem voreiligen Schluß, die Tiere verdankten diese Gabe irgendwelchen übernatürlichen Eigenschaften. Kommen seltene oder sonst wohlbekannte Tiere in großer Anzahl in eine Gegend, so schiebt man diesem Umstand die Schuld an gewissen günstigen oder ungünstigen Ereignissen zu, wie man z. B. in den Jahren 1562 und 1573 in Belgien die schlechte Witterung und die kriegerischen Ereignisse dieser Jahre mit den damals auftretenden ungeheuren Schwärmen von Schmetterlingen in Zusammenhang brachte. Andere T. schöpfen Nahrung aus der Lebensweise der einzelnen Tiere,

913

Tierorakel

wenn ζ. Β. das Erscheinen von Geiern und Raben vor einer Schlacht ungünstig gedeutet wird, da diese Tiere die Leiber der Gefallenen verzehren. Wieder andere Tiere sind befähigt, die Zukunft zu prophezeien, weil sie mit dem Menschen in besonders familiärem Verhältnis stehen, so die wirklichen und die nur in abergläubischer Einbildung existierenden (Hausschlange, -unke, Mühmlein) Haustiere. Oft beschränkt sich hier die Prophetengabe auf bestimmte Zeiten, mit Vorliebe auf die Christnacht, die Neujahrsnacht und die Nacht zum 6. Januar 1 ). Besonders beliebt sind die Tiere als Wetterpropheten. Aber man begnügt sich nicht mit der bis zu einem gewissen Grad berechtigten Feststellung, daß die Tiere schon eingetretene, dem Menschen aber noch nicht fühlbare Veränderungen in der Atmosphäre wahrnehmen können, sondern schreibt ihnen auch die Eigenschaft zu, künftige Veränderungen des Wetters, ja die Beschaffenheit der künftigen Jahreszeiten auf Wochen und Monate hinaus anzeigen zu können. Wenn ζ. B. die Wespen ihre Nester in der Erde oder in Gebüschen bauen, soll der Sommer trocken werden ; viel Regen wird er dagegen bringen, wenn sie geschützte Orte (ζ. B. unter Dächern) bevorzugen 2 ). Von hier ist es dann nur noch ein kleiner Schritt zum Regenzauber, der auf der Vorstellung basiert, daß manche Tiere, besonders Wasser tiere, Verursacher des Regens sind3). Neben solchen g e l e g e n t l i c h e n , z u f ä l l i g e n T.n stehen die w i l l k ü r l i c h h e r v o r g e r u f e n e n , erbetenen, die jetzt nur noch bei solchen Völkern in Übung sind, bei denen mit der Zeit ein eigener Priesterstand (Augur alWissenschaft) entstand 4 ). Dazu kommen die k ü n s t l i c h g e m a c h t e n O r a k e l , die von Tieren ausgehen, welche nicht völlig frei sind, sondern dauernd oder vorübergehend in der Gewalt des Menschen stehen und daher in ihren Handlungen beschränkt sind. Hierher gehören die heiligen Katzen und der heilige Stier Apis der Ägypter, die „griechischen Rinderorakel aus den Bewegungen zweier pflügender Ochsen, die

914

Pferdeorakel der Germanen und Slaven" (Dressur) 5). Die untrüglichsten Orakelspender sind selbstredend die h e i l i g e n T i e r e (s. Tier), wie Pferd, Hund, Vögel, durch die nach dem Volksglauben die Gottheit selbst entweder dem Einzelmenschen ratend oder warnend sich offenbart oder ganze Heere und Völker zum Ziele führt. So wurden ζ. B. die Sabiner durch ihren Nationalgott Picus, der sich in Gestalt des Spechts auf ihr Feldzeichen setzte, in das Gebiet des späteren Picenum geleitet 6 ). Auch die S e e l e n der V e r s t o r b e n e n nähern sich in T i e r g e s t a l t (Hund, Hase, Schlange, Vogel, Kröte) den Menschen, um sie zu warnen 7). S c h i c k s a l s t i e r e , die als Schutz-, Glücks- und Unglücksbringer und Todesboten gelten, zeugen von der weiten Verbreitung animalistischer Vorstellungen. Sie erscheinen nicht nur auch heute noch überall in Deutschland, sondern sind den Australiern und Polynesiern ebenso bekannt wie den Bewohnern der slawischen Länder und den Livländern und Esten 8 ). Indes ist „die gelegentliche, vom Augenblick eingegebene, später traditionell vererbte Verwendung von Tieren zu Orakelzwecken zu allen Zeiten und bei allen Völkern die u r s p r ü n g l i c h e F o r m der T i e r o r a k e l " 9 ). Als u n h e i l v o l l gilt allgemein, wenn ein Tier v o n h i n t e n erscheint oder gehört wird (s. Angang) 1 0 ), kommt einem ein Tier e n t g e g e n , so ist es ein s c h l e c h t e s Z e i c h e n (Tier als Warner). Als g ü n s t i g e s Z e i c h e n wird es betrachtet, wenn das Tier v o r dem B e s c h a u e r h e r g e h t (Tier als Führer). Sehr wichtig ist, ob das Tier r e c h t s oder l i n k s (s. d.) oder t a s c h e n h a l b , d. h. auf der Seite, wo die Reisetasche hängt, erscheint 11 ). Auch die Z a h l der T i e r e und die T a g e s z e i t ihres Erscheinens spielt eine große Rolle (ζ. B . Eule fliegt am Tag, Hund heult nachts. Spinne erscheint am Morgen, Abend) 1 2 ). Erscheinen T i e r e an u n g e w o h n t e n Οτι e η , oder v e r l a s s e n sie ohne erklärlichen Grund ihren b i s h e r i g e n W o h n s i t z , so hat das sicher etwas zu bedeuten. So

915

Tierorakel

sucht der Maulwurf, der aus dem Garten ins Haus kommt und unter dem Ehebett ein Loch auswühlt, eine Seele und verkündet Tod 13 ). Auch w a s d i e O r a k e l tiere im A u g e n b l i c k ihres Ers c h e i n e n s t u n , ist für die Prophetie von Bedeutung : Raubtiere mit ihrer Beute sind für den Soldaten ein günstiges Zeichen. Darum soll Götz v. Berlichingen, als er auf einem Fehdezug Wölfe in eine Schafherde einbrechen sah, voll Freude ihnen ein ,,Glück zu! lieben Gesellen" zugerufen haben 1 4 ). Vor allem aber waren die k ö r p e r l i c h e n und seelischen E i g e n s c h a f t e n der Tiere von Bedeutung, also G r ö ß e , S t ä r k e und besonders F a r b e , M u t und K l u g h e i t . Bei weiblichen Tieren kommt noch der Zustand hinzu, in dem sie sich befinden: eine trächtige Hündin galt den Römern als ganz schlimmes Omen 15 ). Bei Beobachtung der T i e r s t i m m e n wurde nicht nur auf angenehme (Rotkehlchen, Taube) und unangenehme (Eule, Rabe, Schakal, Hyäne) geachtet, sondern auch auf die Richtung, aus der man sie hörte, und die Anzahl der vernommenen Laute: so schließen Bauern aus der Zahl der Wachtelrufe auf den Getreidepreis, der Kuckuck zeigt jung und alt die noch zu erwartende Lebenszeit a n 1 6 ) . Was schließlich die L e b e n s w e i s e d e r T i e r e angeht, so läßt sich feststellen, daß Nachttiere (ζ. B. Eule) naturgemäß als prophetische Tiere eher in Betracht kommen als Tiere, deren Leben sich am hellen Tag abspielt 1 7 ). A u g u r i e n und A u s p i z i e n (s. V o r z e i c h e n ) , die verbreitetesten T. des Altertums, kennen schon die ältesten Schriften des I n d e r ; sie haben sich in Indien trotz Opposition von buddhistischer Seite behauptet 1 8 ). C h a l d ä e r (Diodor. II 29) und A r a b e r pflegten die T. außerordentlich, den I s r a e l i tenwaren sie ausdrücklich verboten (III Mos. 19,26) 19 ). Nicht nur in K l e i n a s i e n , wo sie schon die Aufmerksamkeit der Römer erregten, sondern auch bei den meisten Angehörigen der m o n g o l i s c h e n Rasse und den m a l a i s c h e n Völkern sind T. stark verbreitet Wie sehr die G r i e c h e n auch die Vorzeichen aus der Tierwelt achteten,

916

lehren zahlreiche Belege aus der Literatur seit Homer (IL 10, 214) 21 ). Überdies sagt z. B . Xenophon (Memor. I 1, 4): oí πλείστοι φααιν υπό τε των δρνίθων και των άπαντώντων άποτρέπεσθαί τε και προτρεπεσ&αι κτλ 22 ). Bei den R ö m e r n galt es u. a. für ein schlimmes Zeichen, wenn zusammengespannte Rinder misteten 2 3 ). Über Augurium und Auspicium s. d. Die G e r m a n e n hielten in heiligen Hainen Pferde, die zu keinerlei Arbeit herangezogen werden durften. Das Pferdeorakel (man beobachtete u.a. das Wiehern) war nach Tacit. Germ. 10 proprium gentis. Der nach 742 geschriebene Indiculus superstitionum et paganiarum sollte in c. X I I I de auguriis vel avium vel equorum handeln, und ein altes lateinisch-deutsches Glossar (in Nyerups Symbolae ad literaturam teuton, antiquiorem. Hauniae 1787, p. 274) sagt: soient etiam ex equorum vel mestitia vel alacritate futurum eventum dimicaturi eligere. Das ganze Mittelalter hindurch finden sich literarische Spuren der T., besonders bei den Provençalen. Der letzte Versuch, die T. wissenschaftlich zu verteidigen, dürfte das Unternehmen des Michael Scotus, des Hofastrologen Friedrichs II., in seiner Physiognomia c. 56 gewesen sein. Obwohl aus dem 14. und 15. Jh. literarische deutsche Quellen versagen, hat der Aberglaube sicher das ganze Mittelalter hindurch bis weit in die Neuzeit hinein fortgelebt 2 4 ). Hopf Tierorakel 2. 229 f. 232 f. 242 f . ; Z f r w V k . 1 9 1 4 , 2 5 8 ; W u t t k e 65 § 75. 2 ) H o p f Tierorakel 2300.; Schweiz.Vk. 9, 2 4 ; Urq u e l l N . F . ι ( 1 8 9 7 ) , 46. 3 ) G e s e m a n n Regen4) zauber 79 f. Hopf Tierorakel 220 f. 2 2 9 ; G e r h a r d t Franz. Novelle 104. i n . 6 ) H o p f e 7 Tierorakel 2 5 6 ff. ) E b d . 243 fí. ) Wuttke Sachs. Volksk. 3 2 1 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 102. e ) H o p f Tierorakel 3 3 f t . 4 9 ; K r a u ß Relig. Brauch 1 6 4 ; W u n d t Mythus u. Religion 385 f . 8) H o p f Tierorakel 229. 1 0 ) E b d . 255 f . ; G r i m m Myth. 2, 946 f. 1 1 ) G r i m m Myth. 2, 944. 946 f . ; 3, 408. 4 2 9 ; H o p f Tierorakel 246 fi. 1 2 ) H o p f Tierorakel 246 ff. 1 3 ) E b d . 2 3 7 . 1 4 ) E b d . 2 3 7 . 1 5 ) E b d . 234 ff. " ) E b d . 237 ff. 1 7 ) E b d . 241 f . 1S) E b d . 3 1 9 ) E b d . 4 fi.; Z f V k . 2 3 ( 1 9 1 3 ) , 383 fi. 2 0 ) H o p f Tierorakel 7 fi a l ) E b d . 2 0 . 2 2 ) M ü l l e n h o f f Altertumsk. 4, 230 f . ; G o l d m a n n Einführung 84; Z f r w V k . 1 9 1 4 , 258. 2 3 ) H o p f Tierorakel 24 t. 2 t ) E b d . 3 1 ; Z V f V k . i l ( 1 9 0 1 ) , 4 1 2 .

2. Wenn auch die offiziellen Augurien und Auspizien dank der Einwirkung der

917

Tierorakel

Kirche allmählich verschwanden, so konnte doch nicht verhindert werden, daß der einfache Mann an seinem T. zäh festhielt, indem er den A n g a n g (s. d.) der Tiere beobachtete, d. h. aus der Begegnung mit gewissen Tieren beim ersten Ausgang seine bestimmten Schlüsse zog 2 S ). Schon die Griechen übten derartiges (Xenoph. Memor. I ι , 4). Flavius Josephus (Ant. Jud. X V I I I 6, 7) berichtet, daß ein gefangener Germane seinem Schicksalsgenossen, dem späteren König Agrippa aus dem Erscheinen einer Eule sein künftiges Glück prophezeite. Daß die Germanen auf den Angang der Vögel achteten, bezeugt Tacitus (Germ. 10) 2 e ). Die Tiere, deren Angang von Bedeutung ist, müssen entweder als einst göttliche Tiere angesehen werden, oder es ist die Dämonen- oder Menschenseele, die in Tiergestalt Glück oder Unglück bringt 2 7 ). Bei den Arabern gilt es noch heute als s c h l i m m e s Z e i c h e n , wenn einem beim ersten Ausgang ein Raubvogel e n t g e g e n f l i e g t ; fliegt der Vogel aber v o r e i n e m h e r , so ist das v o n g u t e r B e d e u t u n g . Bei Hartlieb c. 67. 68 ist zu lesen : die bösen cristen treiben mit der kunst vil ungelaubens, wann sie reden wann ainem ain has begegne das sei ungelück, und wann ainem ain wolf begegne so soll das ain gross gelück sein, der ungelauben sint gar vil in manigen tieren. Es sint lewt die mainent, wann ainem die vogel fliegen zu der rechten h ant, so soll es bedeuten grossen gewin und gross gelück, und wann sie fliegen zu der linggen seiten, so sol es ungelück und verlust bedeuten ... Es sint lut die gross glauben habent an den aren und mainent, ye wan er taschenhalb flieg, es süll bedeuten gross gelück oder grossen gewin2*). Burchard von Worms Decret. p. 198 c sagt : credidisti quod quidam, credere soient, dum iter aliquod faciunt, si cornicula ex sinistra eorum in dexteram Ulis cantaverit, inde se sperant habere prosperum iter, et dum anxii fuerint hospitii, si tunc avis ilia, quae muriceps vocatur, eo quod mures capiat et inde pascatur, nominata, viam per quam vadunt ante se transvolaverit se illi augurio et omini magis committunt quam deo 2β ). Nisten

918

Schwalbe oder Storch auf dem Dach, so bringen sie Glück ins Haus. Dagegen sind Wiesel oder Schlange in solchem Fall sehr ungünstige Zeichen (Suidas s. v . Ξενοκράτης) ; anguis per impluvium decidit de tegulis heißt es bei Terent. Phormio I V 4, 26 (707). Wenn gar Raben, Krähen, Elstern auf Krankenhäusern sich niederlassen, so hat das sicher etwas Schlimmes zu bedeuten. Wenn Rebhühner über ein Haus fliegen (Bö.), hängt sich ein Bienenschwarm an ein Haus (Sa.), so droht eine Feuersbrunst (Liv. 21, 46; Tacit, ann. 12, 64; Plin. Ii, 18; Cassius Dio 54, 33; lui. Obsequens de prodig. 1 , 1 3 2 ) ®°). Alle k r ä f t i g e n und e d l e n T i e r e gelten als g l ü c k b r i n g e n d , s c h w a c h e und u n e d l e als u n h e i l v e r k ü n d e n d S1 ). Wichtig ist besonders das aus der Edda bekannte Vorzeichen des heulenden und fortgehenden Wolfes, des siegbringenden Tieres Odins. Inter auguria ad dexteram commeantium praescio itinere, si pleno id ore lupus fecerit, nullum omnium praestantius (Plin. n. h. 8, 22). Sei weren einen wulf op dem wege vangen, dei quam utem holte gegangen, des freueden sei sik all intgemein (Soester Fehde S. 677). Der obrisie hielte die begegnus mit den wölfen für ein gut omen, noch ferners unverhofte beut zu erhalten (Simpl. 2, 74). Noch heute bedeutet ein Wolf am frühen Morgen in den Vogesen Glück. Ungünstig wird der Angang des Wolfes (mentes caesorum ostenta luporum horrificant) bei Claudian bell. get. 249 ff. beurteilt. Hirsch, Eber und Bär stehen dem Wolf für den Angang völlig gleich. Auch das Überfliegen von Adlern war bedeutsam (Ostpr.), wie überhaupt das Begegnen der sieghaften Raubvögel günstig gedeutet wird; in Träumen spielen Raubvögel die erste Rolle 3 2 ). Entsprechend war die Begegnung mit dem feigen, furchtsamen Hasen ein nachteiliges Omen. Im Elsaß suchte man sich vor den schlimmen Folgen dadurch zu schützen, daß man sich dreimal umwandte und dann weiterging (um 1650). Obwohl nach Cassius Dio 62, 6 im Altertum der Hase unter Umständen auch als glückbringend angesehen wurde, heißt es

919

Tierorakel

schon bei Suidas: φανείς ó λαγώς δυατοχεϊν ττοιεΐ τρφους. Im Gegensatz zu den Deutschen, die unter König Arnulf einen aufgeschreckten Hasen jagten und in der Folge Rom einnahmen (Liutpr. 1, 8), wurden hasenjagende Dänen in die Flucht geschlagen (Neocorus 1, 353). Johann von Salisbury und Peter von Blois kennen das occursum leporis timere. In Hans Vintlers Blume der Tugend (ged. im J. 1 4 1 1 ) heißt es : so ist ettlicher hirt der sein vich segnen kan das jm kain hase tret dar von. Die dämonische Natur des Hasen übt hier sicher auch ihre Wirkung aus. Sagt man doch noch heute im Erzgebirge : Ein Hase bringt Unglück, denn in ihm steckt eine verkappte Hexe33). Überhaupt bedeutet das Erscheinen von dämonischen Tieren Unglück und Tod. Der Anflug der Elster (Wetterau, Oldenb.), von Krähen und Raben (allg.), das Begegnen einer schwarzen Katze oder einer Herde Schweine (allg.) ist sehr unheilvoll (Hexentiere). Gegen zweideutige Katzen hält man mit gutem Erfolg den Daumen (Pforzheim; alte apotropäische Gebärde, s. D a u m e n ) 3 4 ) . Wer ein Erdhühnchen oder eine Hausotter sieht (Chemnitz), wem eine Maus im Garten über den Weg läuft (Bö.), erhält durch diese (Seelen-) Tiere die Kunde vom bevorstehenden eigenen Tod oder dem eines Familiengliedes 35 ). Wer im Frühjahr zuerst einen weißen Schmetterling sieht, hat Glück in Geldsachen (Bay.), oder er hat den baldigen Tod (Bö.) oder anderes Unglück (Laus.) zu erwarten. Ein grauer Schmetterling bringt Unglück (Bay.), ein roter Augenschmerzen (Bö.); ein gelber zeigt an, daß man Glück haben oder bald Gevatter stehen wird. Fliegt eine gelbfüßige Henne über einen Gelbsüchtigen, so besteht keine Aussicht auf Heilung (Worms). In Estland legt man an die Stelle, an der ein Viehstall gebaut werden soll, Lappen und Kräuter für die Ameisen hin: kriechen schwarze Ameisen darauf, ist der Ort günstig, erscheinen rote, ist er untauglich 36 ). Sieht man im Frühling den ersten Frosch im Wasser, nicht auf dem Land

920

hüpfen, bedeutet das viel Unglück das Jahr über. Es ist nicht gleichgültig, ob man den Storch im Frühjahr zuerst fliegend oder stehend trifft (Dänemark) 37 ). Hält der heulende Hund den Kopf in die Höhe, bedeutet es Feuer, gegen die Erde, so verkündet er einen Todesfall 38 ). Auch das Beobachten der Stimmen der Tiere wird zum Angang gerechnet. Hermigisel, der König der Warner, der sich auf Vogelgesang verstand, entnahm dem Krähen eines auf einem Baum sitzenden Vogels, daß er in 40 Tagen sterben werde (Prokop, de bell. goth. 4, 20). Im Erzgebirge kniet das Mädchen in der Andreasnacht unter einem Obstbaum und lauscht auf das Hundegebell. Denn aus der Richtung, aus der der Hund bellt, kommt der Liebste 39 ). 2 5 ) T y l o r Cultur 1, i i 9 f . ; H o p f Tierorakel 1 3 . 2β) M ü l l e n h o f f 30 f. Altertumsk. 4, 228 f. 2 7 ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 3 1 9 ; W u t t k e Sachs. Volksk. 322. 2 8 ) G r i m m Myth. 3, 429; vgl. 2, 946 f. 2 ») Ebd. 3, 408. 3 0 ) Ebd. 2, 949 ff· ; 3, 439 31) Nr. 160; W u t t k e 205 § 2 8 1 . Simrock Mythologie 5 3 3 ; Z f V k . 22 ( 1 9 1 2 ) , 1 1 2 . 3 2 ) G r i m m Myth. 2, 942 ff. 948; 3, 3 2 4 ; H o p f Tierorakel 7. 2 7 ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 22 ff. 33 ) G r i m m Myth. 2, 942 ff.; 3, 4 2 5 ; W u t t k e Sachs. Volksk. 3 2 2 ; Hesemann Ravensberg 67; Sébillot Folk-Lore 3, 22 ff. 3 4 ) G r i m m Myth. 3, 4 5 6 ; W u t t k e 200 ff. § § 2 7 0 ff. 3 5 ) G r i m m Myth. 3. 439; W u t t k e 201 § 273. 3 e ) G r i m m Myth.

3. 453· 491; W u t t k e 205 § 282. 3 7 ) G r i m m Myth. 2, 9 4 7 ; 3, 442 Nr. 237. 3 ») Ebd. 3, 4 7 3 Nr. 1019. 3 9 ) Ebd. 2 , 9 4 5 ; J o h n Erzgebirge 142.

3. Der Glaube an die Divinationsgabe der Tiere spricht auch aus den zahlreichen Sagen von den w e i s e n d e n T i e r e n . Zahlreiche Beispiele finden sich in den griechischen und römischen Gründungssagen (z. B. Callim. hymn. Apoll. 66) 40). Auch hier hat man es mit Rudimenten animistischer Vorstellungen zu tun 41). Im germanischen Altertum galten besonders Wolf und Rabe als weisende Boten der Götter, aber auch Bär, Hirsch und Hindin (Vita Severini c. 28, Procop. 4. 5) 42 )· Neben bunten Stuten (Norddithmarschen) waren Rinder, besonders die Zugochsen, aber auch Esel (Maultiere), Schweine und Schafe als Wegweiser angesehen 43). Wenn vornehmlich Schweine Glocken aus der Erde wühlen oder verborgene Schätze anzeigen 44 ), so findet

921

Tierorakel

sich eine Abart des Glaubens an die weisenden Tiere in der Sage von der Entdeckung der Chemnitzer Gruben, die durch einen der Fährte eines Hundes oder Fuchses, eines Bibers oder einer Eidechse nachgehenden Hirten aufgefunden wurden, woher die Namen „Hundsstollen, Fuchsloch, Biberstollen" stammen 4S). Grehzen werden durch den Gang eines blinden Pferdes oder eines Krebses geheiligt 4e). Die Franken finden die rettende Furt durch den Main mit Hilfe einer Hindin (Ditmar. merseb. ed. Wagner 245) 47 ). Die Achener H e i l q u e l l e n wurden von Karls des Großen Roß aufgestampft; die Teplitzer Quellen wurden von Schweinen aufgewühlt, auch die Auffindung der schwäbischen Heilquellen wird von der Sage Ebern u. a. zugeschrieben 48). Der Graf von Wasaburg ließ an dem Platz, an dem ein losgelassener Hengst sich lagerte, ein S c h l o ß bauen. Der Ort heißt heute Hengstlage 49). Besonders zahlreich sind die Sagen, in denen Tiere die Stelle für den Bau einer K i r c h e oder eines K l o s t e r s zeigen. Der Ort, auf dem das Kloster Beuron gegründet wurde, wurde dem Grafen von Bussen-Beuron von einem Goldhirsch gewiesen. Ochsen führen den Grafen von Calw auf den Wurmlinger Berg, den hl. Ludwig nach Ennentach und den Einsiedler auf Gschnaid. Zwei dieser Tiere bringen das Kreuz nach MariaKirchheim. Maultieren verdankt das Kloster Maulbronn, Eseln das Kloster Allerheiligen seinen Platz. Auch bei der Verlegung des Klosters Altenberg ins Tal wurde die Baustelle durch ein Eselsorakel bestimmt. Ähnliches wird von der Gründung des Kloster Bödingen an der Sieg berichtet 60 ). Eine Taube weist den Platz für die neue Domkirche zu Glogau, eine andere hilft zur Entdeckung eines Schatzes im Münster zu Krakau 5 1 ). Bei manchen dieser Erzählungen handelt es sich zweifellos um ätiologische Legenden (Maulbronn, Hengstlage). Auch zur Auffindung von G r a b s t ä t t e n wurden Ochsen verwendet, tauglich dazu waren aber nur Tiere, die bisher weder ins Joch gespannt noch sonst zu menschlichen Zwecken dienstbar geworden waren 52).

922

40 ) G r i m m Myth. 2, 954 f. 41 ) H o p f Tierorakel 32; Z f V k . i l (1901), 408. 4a ) G r i m m Myth. 3, 476 Nr. 1099; S i m r o c k Mythologie 521; H o p f Tierorakel 32. 43 ) G o l d m a n n Einführung 76; Q u i t z m a n n Baiwaren 2400.; H o p f Tierorakel 32. M ) Q u i t z m a n n Baiwaren 241 f. « ) ZfdMyth. ι (1853), 268. « ) G r i m m RA. 86. 4 ') G r i m m Myth. 2, 954 f.; 3, 329 t. 4 8 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben i, 187. 4 S ) S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 303. 50 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 387; S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 132 Nr. 367; ZfrwVk. 1914, 260 f.; Hopf Tierorakel 32. 6 1 ) K ü h n a u Sagen 3 , 4 7 0 ^ . 1 8 5 7 ; 474Nr. i 2 1863. ) Q u i t z m a n n Baiwaren 240; K ü h n a u Sagen 3,473 Nr. i860.

4. Außerordentlich zahlreich und mannigfaltig sind andere Arten von T.n, die sich nicht restlos in die vorstehenden Gruppen einordnen lassen. Die άλεχτροομαντεία der Griechen bestand darin, daß man Körner auf die Buchstaben des Alphabets legte und sie von einem Hahn aufpicken ließ. Die römischen Tripudien, die Weissagung aus dem Fressen junger Hühner [pullis regitur imperium Romanum, hi iubent acies, Plin. n. h. 10, 24), die schon der dann 249 durch die Niederlage bei Drepanum — nach dem Volksglauben — zur Strafe für diesen Frevel bestrafte P. Claudius Pulcher über Bord werfen ließ, kamen immer mehr ab, weil schließlich statt der Auguren rohe Hühnerwärter die Tripudien besorgten 53). Nach Plutarch vita Antonii prophezeite ein Esel Nicon (ex eventu?) dem Augustas den Sieg bei Actium 64 ). Noch heute läßt sich der Neapolitaner das Los aus dem Glückshafen durch eine Taube ziehen 85 ), genau wie auf unseren Jahrmärkten kleine Papageien die schicksalskündenden Zettel den Kunden überreichen. Hüpft dir ein Floh auf die Hand, so erfährst du etwas Neues 56 ). Gäste künden Elstern an, die im Hof oder auf dem Haus schreien 57 ). Kräht eine Henne wie ein Hahn, so steht Unheil bevor (Chemnitz), ein zu allen Zeiten und bei vielen Völkern, so bei Römern, Persern, Deutschen, Sia ven, Esten, Chinesen, Wotjäken, Negern und Zigeunern verbreiteter Aberglaube, den bei den Juden der Talmud erfolglos bekämpfte. Die Bauern in Palästina suchten dem drohenden Unheil dadurch die Spitze zu bieten, daß sie eine solche von Dämonen besessene Henne sofort abschlachteten 58).

923

Tierorakel

Gewöhnlich prophezeien krähende Hühner eine Feuersbrunst, die in einem Haus, das einen schwarzen Hahn, einen schwarzen Hund oder eine schwarze Katze besitzt, nie auskommt. Ist jedoch in einem Haus der Kettenhund mitverbrannt, so bricht darin bald wieder Feuer aus 5e ). Von manchen Tieren kann man die noch übrigen Lebensjahre erfahren: der Kuckuck ruft sie aus, und ein Marienkäferchen oder einen Sonnenkäfer setzen sich die Kinder auf den Finger und fragen : sunnekieken ik frage di, wo lange schall ik leven ? een jaar, twee jaar, bis der Käfer davonfliegt M ). In Schweden wird dasselbe von den Mädchen als Liebesorakel geübt. Daher, wohin der Käfer fliegt, kommt der Bräutigam β1 ). Auch klopft ein Mädchen am Weihnachtsabend oder um Mitternacht an das Hühnerhaus : gackert der Hahn, so bekommt es einen Mann, gackert die Henne, so kriegt sie keinen (Chemnitz) ; in Ostpreußen spielen der Pferdestall und das Wiehern seiner Bewohner dieselbe Rolle 82 ). Schon im antiken Hochzeitsglauben ist das Krähen der Henne wichtig: gallina cecinit ist nach Terent. Phormio IV 4,30 ein schlimmes Zeichen für den jungen Ehemann, Donat erklärte es als superiorem marito esse uxorem. In gleicher Weise wie das Krähen der Tiere wurde der fallende Mist des Hahns oder der Henne gedeutet e3 ). Begegnet den jungen Eheleuten beim Einzug in ihr neues Heim ein Hirt mit seinen Schafen, so muß die Braut ihm ein Trinkgeld geben, dann hat sie Glück (Saalfeld). Bös ist es aber, wenn auf der Hochzeit die Hunde sich beißen: dann schlagen die Eheleute einander 64 ). Um den Ausfall der Ernte zeitig zu erfahren, klopfte im Bergischen früher der Bauer in der Nacht vor Weihnachten an den Schweinestall und fragte: Krehm alt, in Feld und Wald, oder er holte ein Ferkel in die Stube, kniff es ins Ohr und sagte: Witzchen, sag mir Witzchen, viel oder ein Fitzchen ? Aus dem Grunzen des Mutterschweins oder dem Quieken des Ferkels schloß man auf eine gute oder schlechte Ernte e6 ). Auch beim Kauf und Verkauf der Tiere achtete man auf ge-

924

wisse Zeichen. Eine Kuh, die beim Verlassen des Stalls draußen zuerst rechts auftritt, wird verkauft werden ββ ). Daß Tiere den Tod wittern und sein Kommen anzeigen, ist ein weitverbreiteter Glaube. Besonders gilt das vom Hund, der nach einer über die ganze Erde hin verbreiteter Vorstellung für geistersichtig gilt. Wenn in der Nacht die Hunde heulen, dann geht der Tod durch die Gassen (allg.)®7). Wohin er dabei die Schnauze streckt, daher wird die Leiche getragen werden (Ostfriesl.), denn er sieht den Leichenzug (Ostpr., Old., Bö.) ββ ). Auch das Pferd wittert und sieht Gespenster und Tod (allg.). An dem Haus, in dem es bald eine Leiche gibt, wollen Pferde nicht vorbei; der Kranke im Haus muß sterben, wenn ein Pferd den Kopf hängen läßt ; das tut auch das Pferd des gerufenen Geistlichen, wenn es den Tod dem Kranken nahen sieht ββ ). „Wo eine Katze weint, stirbt jemand im Haus oder es wird sonst eine rechte Keyerei, Schand und Laster"' 0 ). Beißen sich die Katzen im Haus, so stirbt der Kranke (Chemnitz) 71 ). Schleppt ein Hahn oder eine Henne im Hof einen Strohhalm, so deutet das auf einen baldigen Todesfall im Haus; das Geschlecht des Sterbenden richtet sich nach dem Hahn oder der Henne (Estl.) 72 ). Brütet der Storch ein Ei nicht aus, so wird jemand von den Höchsten im Land ein Opfer des Todes (Pforzheim) 7S ). Grillen in der Stube, der tickende Holzwurm verkünden den Tod (allg.) 74 ). Vor allem gehören hierher die Leichenvögel (Uhu, Eule, Steinkauz, Elster u. a.), bei den Goten hieß die Turteltaube hráivadubó (Leichentaube). Uwô war ein den Feinden Schrecken einjagender Eigenname. Auch die Krähe war unsaelic (Walther 94,38; Prokop, bell. goth. 4, 20) wie der Kuckuck (Paul. Diac. 6, 55). In das Gebiet des Tieropfers (s. d.) hinüber greift die Vorstellung, daß das plötzliche Verenden eines Haustieres ein Familienmitglied vor dem drohenden Tod bewahrt hat, ein Zug, der in zahlreichen Sagen und Bräuchen wiederkehrt 75 ). 53 )

21Í.

G r i m m Myth. 2, 949; H o p f Tieroraket H o p f Tierorakel 20. 55 ) ZfVk. 1 (1891).

54 )

925 449.

926

Tierornamentik—Tierparadies 6β

) G r i m m Myth. 3, 436 f. N r . 74. " ) E b d .

3, 436 f. Nr. 73.

68

) Ebd. 437 Nr. 83; J. S c h e f -

telowitz Altpalästinensischer Bauernglaube ( H a n n o v e r 1925), 139ft. 5 9 ) G r i m m Myth. 3, 4 7 4

Nr. 1055—1057. Tierorakel 256 ff.

,0

) E b d . 2, 566. 579. e2

) Grimm

N r . 105; W u t t k e 199 § 269.

,3

M

Myth.

) Hopf 3, 438

) G r i m m Myth.

2,949. ) E b d . 3 , 4 5 2 . 448 N r . 433. )Wrede Rhein. Volksk. 1 2 7 . ««) S é b i l l o t Folk-Lore 3, M

e 5

m . *') G r i m m Myth. 3, 191. 476; S c h e f t e l o w i t z Altpaläst. Bauerngl. 142 f . ; W e t t s t e i n Disentís 173 N r . 1 2 ; U r q u e l l N . F . 1 (1897), 47 f.;

W u t t k e 198 § 268. e s ) G r i m m Myth. 3, 476 Nr. 1 1 1 2 ; W u t t k e 198 § 268. ·») G r i m m Myth. 2, 9 5 1 ; M e y e r Germ. Myth. 1 0 6 ; W r e d e Rhein. Volksk. 1 2 1 . , 0 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 357

Nr. ι . " ) G r i m m Myth. 3, 436 N r . 69. »*) E b d . 2, 949 f·; 3. 491 Nr. 7 7 .

Ebd. 3, 454 Nr. 587.

) W u t t k e 206 § 283. 7 S ) G r i m m Myth. 2, 949 f.; M ö l l e n h o f f Altertumsk. 1, 229; W r e d e 74

Rhein. Volksk. 1 2 1 ; U r q u e l l N . F . 1 (1897), 46.

Mengis.

Tieromamentik. Ob die in der Bronzezeit zuerst auftretende T. wie etwa die symbolischen Tierfiguren der altkretischen Plastik 1 ) oder der die totemistischen Erbsagen in charakteristischer Weise bewahrenden, dekorativen Kunst der Nordwestindianer 2 ) mit kultlichen Vorstellungen zusammenhängt, geht aus der Art ihres Auftretens keineswegs hervor 3 ). Die alte germanische T. ist dem römischen Kunstgewerbe entlehnt. Bei den Nordgermanen entwickelten sich die aus der Fremde überkommenen Motive zu für ihre Weiterbildner charakteristischen Formen, bei den Südgermanen, die in viel höherem Maß unter der Einwirkung der klassischen Kunst standen als ihre nordischen Brüder, blieb die T. wie im klassischen Altertum von durchaus untergeordneter Bedeutung 4 ). Entsprechend den Vorbildern aus dem spätrömischen Kunstgewerbe schmückten die Germanen Gefäße, Geräte und Waffen mit Tierköpfen oder ganzen Tierfiguren, wobei bezeichnenderweise die deutlichsten und am besten ausgeführten Stücke an den ältesten Gegenständen (z. B. Ringen) vorkommen, während bei jüngeren Exemplaren die Einzelheiten in der Ausarbeitung immer mehr zurücktreten 5 ). A m häufigsten trifft man auf Fibeln, Armund Fingerringen und anderen Schmuckgegenständen, auf Schwertgriffen und -scheiden sowie an Zaumzeug in Bronze,

Silber oder Gold getriebene Köpfe eines vierfüßigen Tieres (wahrscheinlich eines Pferdes) oder eines Vogels e ). Von ganzen Tierfiguren kommt das kauernde, vierfüßige Tier am meisten vor, aber auch Vögel und Fische '). Als der Germane das Tier ornamental zu verwerten begann, stilisierte er es dergestalt, daß der zu Grunde liegende Gedanke ebenso wenig in dem Bilde eines Löwen als sonst irgend einer speziellen Tierart gesucht werden kann. Es ist eben eine Tiergestalt, die so durchaus in ihrer Aufgabe als Ornament zu dienen, aufgegangen ist, daß sie jede Spur von Realismus vermieden hat 8 ). Noch im Mittelalter brachte man, ohne eine eigentliche Bedeutung damit verknüpfen zu wollen, an Stuhllehnen, Wasserabläufen, Löffeln und Kannen Tierfiguren, meist geflügelte Drachen (orientalisch-altchristliche Kunst!), als Schmuck an 9 ). Eine andere Frage ist, ob nicht bei der Aufnahme und beim späteren Festhalten der Motive ein religiöses Interesse mitgespielt hat. Man denke an die Bedeutung, die gerade dem Pferd und den Vögeln in Kultus und Mythus zukam 1 0 ). Wenn man aber in karolingischer Zeit besonders grelle und grauenerregende Motive bevorzugte und übernahm 1 1 ), so mag dabei — bewußt oder unbewußt — der Glaube an die zauberische (apotropäische) Kraft solcher Bilder mitgewirkt haben 12 ). ')

Spieß

Prähistorie 6 ff.; M ü l l e r

tumsk. I, 382. 386.470.

sakr. 25.

3

a

) M ü l l e r Altertumsk. 2, 219 f.; H e l m

Religionsgesch. 203.

4

) B . S a l i n Die altgerman.

Tierornamentik ( S t o c k h o l m

290 f.

s

Alter-

) R e u t e r s k i ö l d Speise-

1904)

176.

214.

)Ebd. 177. · ) Ebd. 179 ff. Abb. 416 ff.;

182 A b b . 431 ff.; M ü l l e r Altertumsk. 2, 208 Abb. 125. ' ) S a l i n Tieromamentik 206 ff. A b b . 489ft.; M ü l l e r 8

Altertumsk.

2,

187 A b b .

110.

) S a l i n Tierornamentik 206. ®) M ü l l e r Alter-

tumsk. 2, 222.

10

) H e l m Religionsgesch. 203 f .

" ) M ü l l e r Altertumsk. 2, 275 f. Blick 2, 134 f.

12

) Seligmann Mengis.

Tierparadies (s. 6,1404). Was wir heute mit unseren gesetzlich geschützten Naturschutzparks zu erzielen suchen, das bietet der Volksglaube dem gehetzten Tier im T. Nach altpersischer Vorstellung hat Jima in einem Ver oder Paradies die Keime der Menschen, Tiere und die Samen der Bäume angelegt, damit von hier aus die

Tierprozeß, -strafen

92 ;

Erde nach der Regenflut neu bevölkert werden könne (Vendid. Farg. I 1 f.). Der Prophet Jesaias verkündet für die messianische Zeit den Frieden unter den Tieren. Nach Strabon V 1 weideten bei den Venetern im Hain der argivischen Hera und dem der ätolischen Artemis Hirsche friedlich unter den Wölfen ; die Tiere waren so zahm, d a ß sie sich von den Menschen streicheln ließen; das Wild wurde von den Hunden nicht verfolgt. Pausanias V I I I 38 beschreibt den unzugänglichen heiligen Bezirk des Zeus a m Lykaiongebirge in Arkadien, dem idyllischen Hirten- und Jägerparadies des Altertums. Verfolgt ein Jäger das flüchtige Wild in diesen Bezirk, in dem Mensch und Tier keinen Schatten werfen, so m u ß er binnen Jahresfrist sterben. So gibt es auch nach dem Glauben der Alpenbewohner im Hochgebirge, das im goldenen Zeitalter statt der ragenden Felsen, Firne und Gletscher von fettem Gras und saftigem K l e e bestandene Weiden t r u g 1 ) , schwer zugängliche Orte, die das Paradies der Tiere bilden: im Alpsteingebirge (Säntis, Alter Mann) Hegt es hinter einem Dickicht umgestürzter Tannen. Kein Jäger w a g t sich dorthin, den Wanderer führen Gespenster in die Irre. Im öhlgrubental (Tirol) lag nahe den Wohnungen der Seligen, welche die Tiere beschützen und verwundete Tiere retten und heilen, der „ G a m s h i m m e l " von ewigem Eis verdeckt. Hoch oben auf dem unbesteigbaren Eismassiv des Wetterhorns in Oberwallis (auf dem Wattenberg oberhalb des Vispertals, Matterhorn?) liegt ein Park, bestanden von Pinien und Zirben, Alpenrosen und Gentianen. Ihn konnte der ewige Jude nicht verwünschen, da er von Anbeginn an unter Gottes besonderem Schutz stand. Dort leben friedlich nebeneinander Steinböcke, Gemsen, Adler, Lämmergeier, Schneehühner, Birkhähne, Alpenhasen und Murmeltiere. Nur alle dreimal sieben Jahre wirft ein Menschenauge einen Blick in dies Paradies, gelangt ein Jäger dahin, ohne indes ein Tier zu T a l bringen zu dürfen. 1)

Grimm

Sagen

214 N r . 300; S e p p

Sagen

928

622f. N r . 170; K o h l r u s c h Sagen 414 f . ; p e n b u r g Tirol 8 ; H e r z o g Schweizersagen

35· 240. Tierprozeß, -strafen.

Al1,

Mengis.

ι . Rinder und Schweine, die von Opfern fraßen, galten i m A l t e r t u m nach Plutarch, D e sollert. anim. 2, der Todesstrafe für würdig (Genugtuung an die beleidigte Gottheit). Tötete ein Tier (δποζυγιον ή ζψον άλλο τι) einen Menschen, so sollten nach einem Gesetzesvorschlag Piatons (De leg. I X 12, p. 873e) die Verwandten des Opfers in einem förmlichen Prozeß gegen das schuldige Tier klagen. Das schuldig befundene Tier sollte von den für das Urteil und dessen Vollzug zuständigen Αγρονόμοι getötet und über die Landesgrenze geschafft werden (διαδικαζόντων δέ των αγρονόμων οιαιν áv και όπόσοις προστα'ςη δ προσήκων, τό δέ οφλον ε£ω των δρων της χώρας άποκτείναντας διορίσαι). Ein dem N u m a Pompilius zugeschriebenes Gesetz über das Auspflügen von Grenzsteinen bestimmt : eum qui terminum exarasset, et ipsum et boves sacros esse (Festus s. v . terminus), d. h. der Frevler und sein Ochsengespann sollten dem Juppiter terminus „ g e w e i h t " sein, d. i. geopfert werden (Sühneopfer) l ). Bekannt sind wohl auch die Bestimmungen d e s m o s a i s c h e n G e s e t z e s , die auf der dem Noah und seinen Nachkommen gegebenen Verheißung beruhen, der Herr werde ihr Blut nicht nur an den Menschen, sondern auch an allen Tieren rächen. Demzufolge wurde ein Ochse, der einen Menschen zu Tode gestoßen hatte, gesteinigt, sein Fleisch durfte nicht gegessen werden (Genes. I X 5 ; E x o d . X X I 28—32). Auch hier handelt es sich offenbar u m einen K u l t akt. D a s ist nicht anders, wenn von Arabern ein Hund öffentlich ausgepeitscht wird, weil er eine Moschee betreten hat (unreines T i e r ) 2 ) . Neben solchen k a t h a r t i s c h e n , dem Sakralrecht angehörigen S t r a f e n kommen auch solche a p o t r o p ä i s c h e r N a t u r vor. So wurden in phönikischen Kolonien Löwen, die sich menschlichen Ansiedelungen zu sehr genähert hatten, ans Kreuz geschlagen (Plinius n. h. V I I I 1 6 ) . Derartige Bann-

929

Tierprozeß, -strafen

tiere gehören nicht in das Gebiet des Strafrechts, sondern des Zaubers 3 ). Ein F a l l w i r k l i c h e r , u n s a k r a l e r T i e r s t r a f e begegnet bei den a l t e n Persern. Hat ein toller Hund einen Menschen oder ein Tier gebissen, so soll sein Besitzer, falls ihn eine Schuld trifft, wie für absichtliche Tötung bestraft werden, der Hund aber, obwohl er bei den Persern unter sakralem Schutz stand 4 ), das erste Mal mit dem rechten, das zweite Mal mit dem linken Ohr, bei späteren Wiederholungen durch Verstümmelung der Beine und des Schwanzes büßen 5). Im M i t t e l a l t e r wurde nachweisbar im 13. Jh. in Frankreich 6), gegen Ende des 14. Jh.s auf Sardinien, im 15. Jh. zum erstenmal in Flandern, seit der zweiten Hälfte des 16. Jh.s in den Niederlanden, in Deutschland (Frankfurt 1574), Italien und Schweden gegen Tiere prozessiert. Die große Mehrzahl der Fälle gehört nach Frankreich, auf Deutschland fallen nur 3—4, auf Flandern und Holland 5 und auf England nur 2 (schlecht beglaubigte aus dem 18. Jh.). E s gab weltliche und geistliche T. 7 ).

*) W i l u t z k i Recht 2, 1 3 1 ; K . v . A m i r a Tierstrafen u. Tierprozeß, Mitt. d. Instit. f. österr. Geschichtsforschung X I I (Innsbruck 1891), 576ft. 2 ) Allgem. Zeitg. 1889, 542. 3 ) A m i r a 4 Tierstrafen 575. ) L i p p e r t Kulturgeschichte 1, 49öff. 5 ) A m i r a Tierstrafen 575. e ) E b d . 5 5 2 Α . ι u. 4. ' ) Neben A m i r a : Ε . P. E v a n s The criminal prosecution and capital punishment of animals, London 1906; F r a n z Benediktionen 2, 1 4 ö S .

2. Die Quelle für die mittelalterliche Rechtsprechung gegen Tiere bildete offenbar das Gottesgesetz des AT.es (Exod. X X I 28, s. o.), auf das sich mittelalterliche Rechtsdenkmäler direkt berufen, z. B. das Landrecht des Schwabenspiegels (L. 201 u. 204). Aber aus dem K u l t a k t wurde eine weltliche S t r a fe 8 ). Die älteren Vergeltungsmaßnahmen gegen Tiere tragen deutliche Spuren der P r i v a t r a c h e : ein wegen Menschentötung verfolgter Hund wurde gehängt, und zwar, wenn er ausgeliefert wurde, an der Tür des Klägers, andernfalls an der Tür seines Herrn ®) ; Geflügel oder Ziegen, die auf fremdem Besitz Schaden anrichteten und B f t c h l o l d - S t l u b ü , Aberglaube V I I I

93O

auf frischer Tat ertappt wurden, wurden in „genau umschriebener Form" getötet oder verstümmelt10). Manchmal könnte man an eine Parodie einer Hinrichtung menschlicher Verbrecher glauben. Nach dem Schwelmer Hofrecht durften die auf einem Kornfeld gepfändeten fremden Gänse an einem daselbst errichteten Galgen aufgehängt werden 1 1 ). Dadurch daß solche „Hinrichtungen" oft vom Gemeindediener vollzogen werden, „kann das private Verfahren noch leichter den Schein eines öffentlichen annehmen" 12 ). Nach zeitgenössischen Berichten bildete sich besonders in Frankreich und England mindestens seit dem 13. Jh. die Regel, schädliche Tiere zu konfiszieren. In Deutschland konnten nur einzelne Grundherren und Gemeinden die Konfiskation durchführen, meist mußten sie den Nutzen mit dem Kläger teilen 13 ). Nach dem alten Stadtrecht von Lüneburg (Nr. XCVII) z. B. bekam der Geschädigte zwei, der Vogt und der Rat ein Drittel des Wertes des eingezogenen Tieres. Sowohl Hinrichtung wie K o n f i s k a t i o n des T i e r s c h ä d l i n g s haben sich in irgendeiner Form im mittelalterlichen Tierstrafrecht erhalten u ) . Der weltliche Prozeß wurde nur gegen H a u s t i e r e geführt, zunächst ohne Unterschied der Tierart. Allmählich ging man dazu über, nur den minderwertigen Haustieren wirklich den Prozeß zu machen, während man bei den wertvolleren der Konfiskation den Vorzug gab. Das Verfahren wurde nur angestrengt wegen Tötung (in der älteren Zeit ausschließlich) oder Verletzung eines Menschen. Beklagt wurde immer der Eigentümer des Tieres, die Anklage erhob in Frankreich und Flandern die öffentliche Gewalt, die das Tier schon vor Beginn des Prozesses festnehmen lassen konnte. In Deutschland überließ man noch lange die Anstrengung der Klage dem Geschädigten. Die Form des T.es war die des damaligen ordentlichen S t r a f v e r f a h r e n s 15 ). Wenn nötig, begann die Verhandlung nach der Anklage mit der Beweisaufnahme. Bekam der Kläger Recht, so wurde regel30

931

Tierprozeß, -strafen

mäßig auf Tötung des Tieres erkannt und außerdem die Todesart (gewöhnlich Hängen, auch Lebendigbegraben, Steinigen, Verbrennen, Enthaupten) durch das Urteil genau bestimmt. Seit dem 17. Jh. überläßt man die Wahl der Todesart dem Gerichtsherrn oder dessen Beauftragten (1576 Schweinfurt, 1621 Machern bei Leipzig). Der Kadaver wurde entweder auf den Schindanger gebracht oder verscharrt. Den Übergang von diesem rigorosen Verfahren zu praktischeren Erwägungen stellt ein Genter Urteil vom Jahre 1578 dar, das eine Kuh zum Schlachten verkaufen, ihren Kopf auf einen Pfahl am Galgenplatz aufstecken ließ (Enthauptung) 16 ). Das Urteil wurde öffentlich durch den Scharfrichter vollzogen. Die Rechnungen und Quittungen desselben liefern deshalb wichtiges Material 17 ). Einige B e i s p i e l e aus D e u t s c h l a n d 1 8 ) : zu Uberkusen (?) bei Bergheim, Bezirk Cöln, hatte ein Schwein ein Kind getötet (1582). In dem Urteil der Räte des Herzogs zu Jülich heißt es:

Dieweil dan sollich factum fast erschrecklich und straf lieh: so als ist an statt unsers gnedigen fursten und herren hertzogen zu Gülich, Cleve und Berg etc. unsere meinung und bevelch, das ir das vercken durch den nachrichter hinrichten und folgents auf ein rhatt in die hohe zue gedechtnis und anderen zum abschewlichen exempel hinsetzen lasset. Was aber die Mutter des entleibten kindz anlangt, soll dieselbe von wegen irer nachliessigkeit bei der predig und ambt der heiligen messe an einem Sontag zur öffentlicher buess gehalten und dargestalt werden, und damit ferner straf darnacher enthoben sein und bleiben . . . Detmold. An. 1644. Am 12. Novembris abends zwischen 3 undt 4 Vhr ist ein Ziegenbock in Hrn. vicecantzlarß Tilhennen hauß gelaufen kommen vndt deßen Sohnchen Simon Ludevich genandt, gar gefehrund Jämmerlich gestoßen, also sehr, daß der Knabe inwendig einer halben stunde des todts gewesen und darauf dieser bescheidt gegeben. Bescheidt. Es soll der Ziegenbock vom Scharfrichter auf den offenen Markt zu Detmoldt geführt vndt daselbst eine Zeitlang, von einer virtell stunde gebunden gehalten, darnach öffentlich kundt gemacht vndt angezeiget werden, was es für eine bewandtniß damit hatte, daß nemblich derselbe Ziegenbock einen Jungen vornehmen Knaben mit einem Stooß umb sein leben gebracht, derowegen Er befhelicht wehre, demselben zu abschew-

932

lichen Exempel mit einem beili den halß abzuhawen, undt etzliche stiche hin undt wieder durch den leib zu thuen, auch Endtlich . . . (der

Schluß des Protokolls ist unleserlich).

Derartige T.e und Tierstrafen sind bei den s ü d s l a v i s c h e n Völkern noch bis in die neueste Zeit üblich (Montenegro, Slavonien). So wurde 1864 „im Dorf Pleternica von den versammelten Bauern ein Schwein zum Tode verurteilt, weil es einem einjährigen Mädchen die Ohren abgebissen hatte. Das Fleisch des Schweines wurde den Hunden vorgeworfen. Die Hausgenossenschaft, der das Schwein gehörte, mußte für das Kind als Schadenersatz eine Heiratsausstattung liefern" " ) . Mit diesen T.en und -strafen haben die (sitten- und kult-) polizeilichen Maßnahmen nichts zu tun, die mit der Tötung des Tieres, wie bei der „Wüstung" 2°), die Beseitigung jeder Spur eines Missetäters bezwecken und deshalb sein Hab und Gut vernichten oder im Anschluß an das Mosaische Recht die Erinnerung an das mit Hilfe eines Tieres begangene Verbrechen tilgen und zugleich „das Unreine dem Gebrauch und Genuß der Christen" entziehen wollen 21 ).

8 ) A m i r a Tierstrafen591 fi.; vgl. a u c h S c h ö n b a c h Berthold v. Regensburg I i 2 f . 8 ) G r i m m RA. 665. 1 0 ) E b d . 137, 595; A m i r a Tierstrafen 593. n ) G r i m m Weisthümer 3, 30; W i l u t z k i 12 Recht 2, 1 3 1 . ) A m i r a Tierstrafen 5 9 3 . 13 w ) G r i m m Weisthümer 3, 316. ) Amira Tierstrafen 594. 1 5 ) E b d . 5 5 o f f . ; F r a n z Benediktionen 2, 149; O s e n b r ü g g e n Studien 147;. W u t t k e Sächs. Volksk. 321. l e ) A m i r a Tierstrafen 552Í. " ) E b d . 5 5 4 . 1 8 ) Z f r w V k . 1 (1904),. 69f. 1 8 ) A m i r a Tierstrafen 572Í., nach Mitt.

v. F . S. Krauß. demnare.

21

) Amira

j)u

G a n g e s. v. con-

Tierstrafen 555ft.

3. Im Gegensatz zum weltlichen war der k i r c h l i c h e T. durchaus prohibitiver Natur und wurde nur bei Landplagen, die durch Mäuse, Ratten, Maulwürfe, Engerlinge, Raupen, Maikäfer, Heuschrecken verursacht wurden, nie gegen einzelne Tiere angewendet22 ). Man bezweckte also eine Besserung, d. h. ein Ablassen der Tiere von der drohenden oder schon eingetretenen Schädigung. Die gewöhnlichen Mittel bei solchen Heimsuchungen waren aber Gebet, Weihwasser, Adjuration und Exorzismus, die auch beim Voll-

933

Tierprozeß, -strafen

zug der Sentenz im T. zur Anwendung kamen. Das bezeugt die Lausanner Formel von 1451, die teilweise im Sacerdotale Romanum (225) Aufnahme fand, während heute noch im Rituale Romanum ähnliche Gebete zu finden sind 2 3 ). Der Brauch kam schon früh aus dem christlichen Orient ins Abendland. „ A u s dem Gebet um Abwendung der Plage wurde Befehl und Adjuration". Der Bischof Bonifacius von Ferentino (um 519) befreite, wie Gregor d. Gr. berichtet, dadurch einen Garten von Raupen, während Papst Stephan IV. (f 897) gegen Heuschrecken geweihtes Wasser mit bestem Erfolg anwandte (Migne L. C X X V I I I 1403). Auch bei Belästigungen von Menschen und Kirchen leistete die Beschwörung gute Dienste 24 ). Von Erzbischof Ecbert von Trier (10. Jh.) wird berichtet, daß er die Schwalben verfluchte, weil ihm einer von diesen in der Stiftskirche zu Trier in großer Zahl nistenden Vögel, „eben als er vor dem Altar gestanden und die Sacra verrichtet, auf den Kopf hofieret". Seit jener Zeit soll keine Schwalbe mehr sich in der Kirche haben blicken lassen 25 ). So verfluchte der hl. Hyazinth die Elstern, die sich seither fürchten und aus Groß-Stein wegbleiben (Oberschles.). Dasselbe wird vom sei. Oeslaus erzählt 2 6 ). Noch im Jahre 1559 bannte der protestantische Pfarrer an der Kreuzkirche zu Dresden die Sperlinge 27 ). Gegen Ameisen in der Kapelle des Krankenhauses ging A b t Theoderich von Petershausen (1086— 1116) beschwörend vor, der hl. Bernhard vertrieb bei der Einweihung des Klosters Foigny lästige Fliegenschwärme durch ein lapidares Excommunico eas. Die „Fliegen von Foigny, die man am nächsten Morgen tot vorfand, wurden sprichwörtlich, der Ausdruck excommunicare28) aber, den der Biograph Bernhards (c. 6, A A S S . 20. Aug. IV 271) von der maledictio verstanden wissen will, bürgerte sich von nun an immer mehr ein. Bei Etienne von Bourbon (f 1261) wird die V e r treibung von Schädlingen aus der T i e r w e l t fast immer E x k o m m u n i k a t i o n genannt. In dem undatierten

934

Urteil von Lyon heißt es von der durch den Bischof Wilhelm von Lausanne (1221—1229) über die Aale im Genfer See verhängten Malediction: genus fiisciurn anguillarum ibi tunc copiose existentium juit excommunicatum29). Dagegen spricht Hemmerlin (Tractatus I de exorcismis) von demselben Vorgang in den Ausdrücken: maledixit et exulavit et relegavit. Auch in französischen T.en, die excommunicare bevorzugen, finden sich daneben die Ausdrücke anathematizare und maledicere. Wir haben es also bei der T i e r e x k o m m u n i k a t i o n mit einer im populären Sprachgebrauch mißbräuchlich sogenannten jüngeren E n t w i c k l u n g s s t u f e der T i e r m a l e d i k t i o n zu tun 3 0 ). Gegen Tierschädlinge begnügte man sich aber nicht immer mit der einfachen Beschwörung, man machte ihnen auch den P r o z e ß v o r d e m g e i s t l i c h e n G e r i c h t 31 ). Den Übergang zu dem prozessualen Verfahren stellen die Erlasse von kirchlichen Behörden dar, die gegen die Tiere die Verwünschung aussprechen, wie der Malediktionserlaß des Bischofs Georg von Lausanne gegen die Blutegel im Genfer See (24. März 1451) 32 ). Das Prozeßverfahren, das bezeichnenderweise die T i e r e als b e k l a g t e P a r t e i ansieht, begann nach den authentischen, für das Bistum Lausanne geltenden Anweisungen (1451) damit, daß der heimgesuchten Gemeinde durch den Ortsgeistlichen als iudex ex officio ein P r o k u r a t o r bestellt oder die Gemeinde veranlaßt wird, einen solchen zu wählen. Dieser beantragt die V o r l a d u n g der Tiere. WTird seinem Antrag stattgegeben, so fordert ein amtlicher Bote, die Schädlinge in den Weinbergen, Feldern, Gärten unter Androhung der Verfluchung auf, zu dem bestimmten Termin vor dem Gericht sich von den gegen sie erhobenen Anklagen zu reinigen. A m Verhandlungstag erhebt der Prokurator die A n k l a g e . Darauf nimmt der R i c h t e r , wenn möglich, eines oder mehrere der Tiere in die Hand und w e i s t s i e und die abwesenden Schädlinge unter Androhung der Malediktion a u s d e m h e i m g e s u c h t e n G e b i e t aus. Der 30*

935

Xierprozeß, -strafen

Befehl wird dreimal wiederholt. Bleibt er erfolglos, so wird nach Ablauf der Frist von drei Tagen das weitere Verfahren „in contumaciam" angedroht, die Tiere, die bei der Verhandlung zugegen waren, werden freigelassen. Nunmehr beginnt vor dem geistlichen Gericht, der bischöflichen Kurie oder deren Delegaten, das zweite Verfahren über die Zulässigkeit der V e r f l u c h u n g wegen Ungehorsams gegen das erste Urteil. Wenn möglich werden wieder einige Tiere gefangen und vorgeführt. Auf Grund des Urteils werden die Tiere nun vom Richter verflucht, die anwesenden getötet. Die Exekution der Sentenz findet statt, indem man in einer Prozession unter Mitnahme von Weihwasser hinauszieht und draußen die Malediktion vollzieht 33 ). Aus späteren Aktenstücken lernt man ein umständliches k o n t r a d i k t o r i s c h e s V e r f a h r e n kennen, bei dem auch den beklagten Tieren ein Prokurator (advocatus) gestellt wurde, der auf die ebenfalls durch einen Anwalt vertretene Klage antwortete und ihre Abweisung beantragte mit der fast stereotypen Begründung : Vernunftlose Wesen unterstehen nicht dem kirchlichen Strafrecht. Wenn sie beim Nahrungsuchen tatsächlich Schaden verursachen, so lasse dies Gott zu zur Strafe der Menschen, die durch Besserung „die Prüfung abzuwenden oder abzukürzen" vermögen. Der Richter schritt dann zur Admonitio (monitorium), die die Tiere zum Verlassen der geschädigten Orte aufforderte (Prozeß von Autun 1488). Blieb, wie gewöhnlich, der Erfolg aus, so wurde entweder das Urteil gesprochen oder das kontradiktorische Verfahren wurde fortgesetzt, indem die sachlichen oder formalen Ausführungen der beiden Anwälte, die oft einen ausgedehnten Schriftwechsel im Gefolge hatten, meist so viel Zeit beanspruchten, daß die Tiere inzwischen ihr Zerstörungswerk in aller Ruhe fortsetzen konnten. Das U r t e i l wurde dem Kläger schriftlich zugestellt. Es lautete meist auf Ausweisung der Schädlinge. Während der Messe und der Flurprozession war es zu veröffentlichen und dies Verfahren so lange zu wieder-

936

holen, bis der Erfolg sichtbar wurde (Sentenz von Autun 1488). Bei einem im Bistum Chur im 15. Jh. abgehaltenen Prozeß wurde den beklagten Käfern auf Antrag ihres Prokurators ein bestimmtes Stück Land angewiesen. Davon leitet sich dort der Brauch her, ihnen alljährlich ein Grundstück zu reservieren, wo sie sich treffen können, ohne jemand zu schaden 34). Theologisch kann der T. ebensowenig wie die Malediktion der Tiere gerechtfertigt werden. Deshalb verwarf auch die ältere Scholastik (Thomas v. Aquin) die Tiermalediktion an sich und gestattete nur eine Beschwörung, falls der Teufel, der das Tier bestimmt und leitet, dadurch gezwungen werden soll, sein schädliches Unterfangen einzustellen, ein Standpunkt, den auch die spätere Scholastik teilt, indem sie die Tierexkommunikation als anilis nugacitas bezeichnet. In der Praxis führte der besonders auf der Pyrenäenhalbinsel starke, kirchliche Widerspruch zu amtlichen Verboten, ζ. B. in der portugiesischen Diözese Evora 3 5 ). 22 ) A m i r a Tierslrafen 56öS.; F r a n z Benediktionen 2, 150. 2 3 ) F r a n z Benediktionen 2, 140Í. 162; A m i r a Tierstrafen 561 f. 2 4 ) F r a n z Benediktionen 2, I43f. 2 5 ) F r a n z Benediktionen 2, 146. 2 e ) K i i h n a u Sagen 3, 299 Nr. 1666; 300 Nr. 1667. 2 7 ) E v a n s Cri minai prosecution 3 1 1 ; F r a n z Benediktionen 2, 146, 1. a s ) F r a n z Benediktionen 2, 144fr.; A m i r a Tierstrafen 563. 29 ) F r a n z Benediktionen 2, 156; A m i r a Tierstrafen 563. 3 0 ) F r a n z Benediktionen 2, 1 5 9 ; A m i r a Tierstrafen 563ft. 3 1 ) F r a n z Benediktionen 2, i 5 o f f . ; A m i r a Tierstrafen 564s.; O s e n b r ü g g e n Studien 146; V o r d e m f e l d e Altgerm. Relig. 1 (1923), 103 A. 6. 3 2 ) A m i r a Tierstrafen 562; H a n s e n Hexenwahn 1 1 2 . 33 ) F r a n z Benedi'ktionen 2, i s o f f . ; A m i r a Tierstrafen 564. 3 1 ) F r a n z Benediktionen 2, I 5 3 f . ; A m i r a Tierstrafen 5 6 5 S . ; O s e n b r ü g g e n Studien 146. 3 6 ) F r a n z Benediktionen 2, I47Í. 160. 165.

4. Man hat die seltsame Erscheinung des mittelalterlichen T.es auf die verschiedenste Weise zu erklären versucht. Aber eine Zurückführung auf die Naturbeseelung (Animismus), den Glauben an die Tierseele und auf die Seelenwanderungstheorie scheitert an dem in dieser Beziehung völligen Versagen unserer Zeugnisse. Auch die Annahme einer Personi-

937

Tierquälerei

fikation, einer Vermenschlichung der Tiere vermag die zugrunde liegende Rechtsanschauung nicht zu erklären 36 ). „Der T. ist G e s p e n s t e r p r o z e ß " , in dem also nicht Tiere, sondern die in ihnen wirkenden Menschen- und Dämonenseelen angeklagt und verurteilt, d. h. gebannt werden 3 7 ). Man hat auch dagegen Widerspruch erhoben mit der Begründung, der T. vollziehe sich „nicht in den sonstigen Formen der Dämonenbeschwörung oder auch der Hexenverfolgung, sondern in den üblichen Rechtsnormen". Es handle sich beim T. um die Ahndung eines Vertragsbruchs. ,,Beim T. hat sich die Vorstellung der bindenden K r a f t des Vertrags (der die Tiere dem Menschen dienstbar machte) und der Wirkung der Strafe von dem Tier, dem man dereinst ein Bewußtsein für diese Rechtsakte zuschrieb, auf die mit feierlichen Formen umgebene Rechtshandlung selber zurückgezogen" 3 8 ). Indes hat man, wenigstens für den kirchlichen T., auf die Tierbeschwörung zurückzugehen. Wenn der A b t Theodosios von Sikeon (f 613) bei der Verweisung von Heuschrecken einige der Tiere in die Hand nahm, ihnen die durch sie verursachten Schäden vorhielt und sie schließlich unter Androhung schwerer Strafen in wüste Gegenden bannte, so liegen schon hier die wesentlichsten Elemente des T.es vor : Anwesenheit des Angeklagten, Klage, Admonition und Bannung. Auch in vielen Berichten über den Vollzug von Exorzismen lassen sich Keime eines prozeßartigen Verfahrens feststellen 39 ). Die Möglichkeit besteht nun allerdings, daß es sich hier ζ. T. um alte heidnische Elemente in christlichem Gewand handelt. Die von der um 1250 verfaßten Eyrbyggja saga berichtete, um das Jahr 1000 anzusetzende Gespenstergeschichte von Fródá zeigt heidnischen Brauch und christlichen Exorzismus noch rein äußerlich verbunden Der kirchliche T., der in einigen Ländern (bes. Frankreich) — vielleicht durch Übernahme und Verkirchlichung heidnischer Bestandteile — die Gespensterbeschwörung und den aus ihr hervorgegangenen weltlichen T . verdrängt hatte.

938

wurde trotz seiner allmählichen Verbreitung als etwas Fremdartiges, Unchristliches empfunden und bekämpft. In der Zeit zwischen 1500 und 1750 geriet er immer mehr ins Hintertreffen gegenüber der „Adjuration der spiritus immundi animalibus in damnum hominum utentes" (Breve Clemens' X I . v. J. 1717). Gleichzeitig lebte auch in Frankreich der weltliche T. wieder auf, der in seiner in Oberdeutschland, Dänemark und Slavonien üblichen Form den alten heidnischen unmittelbar weiterführt 4 1 ). 36)Amira Tierstrafen 581ÎÏ.; V o r d e m f e l d e 37) Altgerm. Relig. 102Í. Amira Tierstrafen 3 β 599. ) W u a d t Mythus u. Religion 2, i 6 8 f í . 3 · ) F r a n z Benediktionen 2, 149. 160. 4 0 ) A m i r a Tierstrafen 599f. 4 1 ) E b d . 601. Mengis.

Tierquälerei. In einigen Gegenden Frankreichs sind Gänse oder Hähne Opfer grausamer „Spiele". Meist kommt es darauf an, dem an den Beinen aufgehängten Vogel den Kopf abzuhauen oder abzureißen, wobei durch Erschwerung der Bedingungen die Qualen des Tieres noch gern vermehrt werden 1 ). Reptilien werden mit ausgesuchter Grausamkeit getötet, besonders aber Kröten (dämonisches Tier). Das berühmte royalistische Pamphlet Les Actes des Apôtres spielt darauf an und zeigt die am Ende des 18. Jh.s verbreitetste Art ihrer Tötung: il faudrait se repaître du spectacle de voir tous les démagogues subir le même sort que nous faisons subir aux crapauds dans les campagnes, en les accrochant au bout d'une perche pour les faire mourir, à petit feu! Man hält die Tötung solcher Tiere für verdienstlich, wofür man sich auf von ihnen verübte, in Heiligenlegenden berichtete Vergehen bezog. Ganz schwarze Hühner wurden noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.s mißhandelt, getötet und verbrannt (Hexen?). Auch bei uns werden so manche unschuldige Tiere unter der Beschuldigung von Untaten oft qualvoll getötet, so ζ. B . die Fledermäuse. Im allgemeinen wird aber die T i e r q u ä l e r e i v e r a b s c h e u t , und das Volk erzählt mit gutem Grund die schweren Strafen, die den Tierquäler treffen. Die Ursache für diese Einstellung ist teils in

939

Tiersprache

dem Nutzen mancher Tiere, teils in der Furcht vor der Rache der Tierseele oder vor der Bestrafung durch den Schützer des Tieres (Schutzgeist, Tierpatron u. dgl.) zu suchen (s. Tier). Ein Kind wird an demselben Glied im Alter krank und lahm, an dem es ein Tier martert 3 ). Einem reichen Mann, der die Sperlinge, welche ihm das Korn fraßen, fing, ihnen die Zungen ausriß und sie dann wieder fliegen ließ, wurden fortan lauter stumme Kinder geboren 4). So wurde ein Metzger samt seinen Nachkommen schielig, weil er lebenden Kälbern die Augen auszuschneiden liebte 5 ). Ein unermeßlich reiches Bergwerk im Mittenberg im Raurisertal (Salzburg) verschwand, weil die Bergknappen in ihrem Übermut einen Ochsen lebendig verbrannten e ). Im Pustertal muß ein Tierquäler, der auch sonst manches auf dem Kerbholz hat, nach seinem Tode als Irrlicht gehen : hatte er doch eine lebendige Katze geschunden und dann ihren Leib mit Salz und Pfeffer eingerieben 7). Ähnlich verging sich ein jähzorniger Bauer im Allgäu an seiner Kuh, die er noch lebendig vergraben ließ. Seitdem verfolgte ihn das Unglück. Nachts geisterte es, das Vieh im Stall war nicht zu beruhigen, und vor dem Hause ließ sich jede Nacht ein furchtbares Gebrüll vernehmen, wie von einem rasenden Stier 8 ). 1) Hoffmann-Krayer Tierquälerei im Volksaberglauben u. Volksbrauch Unsere Welt (Godesberg b. Bonn) 10 (1918), 147—-158; 2) Sébillot Folk-Lore 3, 248. Ebd. 3, 16. 26f. 239. 279t. 3 ) R o c h h o l z Kinderlied 319. 4 ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 243 Nr. 256, vgl. B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 77. 6 ) B i r e) H e y l l i n g e r Aus Schwaben 1, 77. Tirol 692f. Nr. 15. ' ) H e y l Tirol 588 Nr. 49. 8 ) R e i s e r Allgäu 1, 290. Mengis.

Tiersprache. Die Vorstellung von „sprechenden" Tieren ist nicht einheitlich. Wenn von solchen die Rede ist, so können darunter sowohl Tiere verstanden werden, die die Sprache der Menschen verstehen und reden *) als auch solche, die eine eigene dem Menschen von Haus aus unverständliche Sprache gebrauchen. Beide Auffassungen wurzeln im Totemismus. Die Gleichstellung von Mensch und Tier mußte dazu führen, daß

940

dem Tiere die Gabe der Rede zuerkannt wurde. Urquell 5, 25Í.

I. Tiere v e r s t e h e n und sprechen die Menschensprache. Daß die Tiere die Menschensprache redeten, mußte bei dem Glauben an die Verwandlung von Menschen in Tiere oder an das Fortleben der Menschenseele im Tierleib 2 ) ganz natürlich scheinen. Die verwandelten Menschen behielten ganz einfach die Gabe der Rede bei 3 ). In den Verwünschungssagen wimmelt es von redenden Kaninchen 4), Hunden 6), Ochsen e), Ziegen7), Vögeln 8), Schlangen 9) usw. Den Glauben an das Sprachvermögen der Tiere, vor allem der Vögel, teilen alle Indogermanen10). Auch bei einigen Primitiven (Hottentotten, Zulu und Bethuanern) besteht er noch u ) . Im Volksglauben der Siebenbürger Sachsen nahm der Teufel den Tieren die Sprache, um sie unter sich und mit den Menschen zu entzweien 12 ). Auch das Verbot, die Namen gewisser Tiere zu nennen (Tabu), beruht auf der Vorstellung, daß diese die menschliche Sprache verstehen 13 ). In Erris (Irland) sagte man den Füchsen Schmeichelnamen in dem Glauben, daß sie sie verstünden 14 ). Das Schweigen der Tiere erklärt der Volksglaube als ein vorsätzliches 15 ). Die Neger Westafrikas sehen in den Affen vollwertige Menschen, die aus Furcht, zur Arbeit gezwungen zu werden, nicht reden 16 ). Bei ganz besonderen Anlässen der Freude oder namentlich der Trauer reden Pferde. So weissagt bei Homer das Roß Xanthos trauernd den Tod des Herrn oder es bringt im Serbenliede dem Helden Vevros sein Pferd die gleiche Kunde 16 ). Der altnordische Held führt mit seinem Rosse traute Zwiesprache 17 ), und im Drange der Not redet Bileams Esel 18 ). Auch bei Ungarn und Burjäten sprechen gelegentlich weiße Rosse 19 ). 2 ) A n d r e e Braunschweig 469. 3) Sébillot 4) T o b l e r Folk-Lore 3, 144. Epiphanie 52. ε ) op. cit. 54. «) op. cit. 54f. 7 ) op. cit. 55. 8 ) op. cit. 53t. 8 ) op. cit. 52f. l0) B r e g e n z e r 1 1 ) op. cit. 112. 12) Tierethik 1 1 3 t Müller 13) Siebenbürgen 155. W u n d t Mythus u. Religion 2, i6of. 1 4 ) W S . 4, 176. 1 5 ) R o c h h o l z 1%) op. Kinderlied 70. cit. 69f.; Grimm Myth. 2, 82of. 1 7 ) op. cit. 2, 546. l e ) op. cit.

941

Tiersprache

3, 189. 1 β ) B r e g e n z e r op. cit. 1 1 3 ; G r i m m op. cit. 3, 189.

2. Tiere haben eine eigene S p r a che. Der Glaube an eine eigene Tiersprache, die der Mensch nicht ohne weiteres versteht, ist über die ganze Erde verbreitet. Man findet ihn bei Indianern, Eskimos, Grönländern20). In China konnte der „Affenkönig" sprechen und wurde unter die Götter aufgenommen21). Bei Grimm 2 2 ) steht ein Märchen von den drei Sprachen der Hunde, Vögel und Frösche 23 ). Auf Kamtschatka glaubte man früher an eine Hundesprache24). Die Lappen erzählten von einer Seehundsprache 25). Bei den Esten gelten die Vögel als sprachbegabt26). Eine nordische Geheimsprache heißt Kragemaal „Sprache der Kraniche" 27). Nach B i r l i n g e r 2 8 ) haben die Gänse ihre eigene Sprache. Salomon hörte die Ameisen untereinander sprechen29). Singende Schlangen begegnen im schlesischen Aberglauben 30). 20 21 ) B r e g e n z e r Tierethik 112Í. ) op. cit. 1 1 3 . 22 ) Märchen 1, 33. 2 3 ) R o c h h o l z Kinderlied 70; de Cock Volksgeloof 90. 2 4 ) B r e genzer op. cit. 1 1 3 . 2 5 ) Ebd. 2e ) Ebd. 2 7 ) Urquell 2,65. 28 ) Volksth. I, 335. 29 ) L e y e n Märchen 119. 30 ) Drechsler 2, 76.

3. Wie der Mensch die Tiersprache erlernt. Die Kenntnis der Tiersprache kann durch Zaubermittel erlangt werden 31 ). Ein solches Mittel ist das mit Kröten in Sahne gekochte Zauberfett der Hexen32). In einem Märchen lernt ein Junge nacheinander bei drei Hexenmeistern durch drei Jahre, was die Hunde bellen, die Vögel sprechen, die Frösche quaken 33 ). Ein marokkanischer Heiliger hat von Allah die Gabe, sich mit den Tieren in deren eigenen Sprachen unterhalten zu können34). Da die Schlange alle Sprachen der Welt kennt 3S ), verleiht der Genuß einer Schlange, ihres Blutes (antik)36) oder eines ihrer Organe (Leber, Herz) 37) Kenntnis der Tiersprache. Namentlich die weiße Schlange (Haselwurm) war hierzu geeignet38). Außer ihrem Fleisch 3e ) aß man auch ihr Fett (Otternfett)40). Ein Beispiel aus der nordischen Mythologie: Sigurd und Gudrun verstehen die Sprache der Vögel, als

942

sie des Drachen Fafnir Herz gegessen41). Antik ist die Vorstellung, daß Schlangen durch Belecken der Ohren Kenntnis der Tiersprache verleihen 42). Will man die Sprache der Gänse verstehen, so haut man einer weißen Schlange den Kopf ab, spaltet ihn, verbirgt darin eine Erbse, vergräbt ihn dann in die Erde, daraus wächst eine Erbsenstaude; ißt man deren erste Schote, versteht man die Gänsesprache (Böhmen) 43). Auch sonst liefert das Pflanzenreich entsprechende Zaubermittel. Im Mittelalter nahm man ein gewisses Kraut in den Mund, und man verstand das Krähen der Hähne und das Bellen der Hunde 44). Wollte man die Sprache der Hunde, Wölfe und Vögel verstehen, mußte man auf das „goldene" Kraut treten 45). Nach einer Schweizer Sage 4e ) verstopft ein Knecht seine blutende Nase mit Gras, worauf er so lange das Bellen eines Hundes versteht als der Graspfropfen in der Nase steckt. Noch jetzt gilt Farnsamen, den man bei sich trägt, als wirksam zum Verständnis der Tiersprache 47). Ein Mittel aus dem Mineralreich: Man legt einen Smaragd unter die Zunge 48). 31 32 ) B r e g e n z e r op. cit. 114. ) Krauß Slav. Volkforschung 72; W u n d t Mythus u. 33 Religion 2, i6of. ) G r i m m Myth. 2, 1017; W o l f Beiträge 2, 398. B r e g e n z e r op. cit. 3 1 1 3 . 3 5 ) ZfVk. 19, 298t. «) W u t t k e 316 § 468. 3 7 ) S t e r n Türkei 2, 433. 38 ) G r i m m op. cit. 2, 82of.; Wolf op. cit. 2, 445; A l p e n burg Tirol 303; W a c k e r n a g e l Epea 17. 3 40 ") B o l t e - P o l i v k a 1, 1 3 1 . ) Drechsler 2, 267. 4 1 ) G r i m m op. cit. 2, 575; 3, 200. 42 ) op. cit. 3, 197. M) W u t t k e 316 § 468. 44 ) op. cit. 2, 1017. 45 ) Ebd. 4») L ü t o l f Sagen 5i8f. 4 7 ) D r e c h s l e r 2, 267. 4S ) G e r h a r d t Französische Novelle 87.

4. S c h e r z h a f t e Deutung der Tierlaute. Ob die sehr beliebten Deutungen von Tierlauten, insbesondere des Vogelrufs 49 ), als Überbleibsel des Glaubens an eine Tiersprache aufzufassen sind, muß in Anbetracht des fast durchweg scherzhaften Charakters dieser Deutungen bezweifelt werden. Ein paar Beispiele aus dem Niederdeutschen50) : Der Hahn spricht: Hir want ríke L ü d „hier wohnen reiche Leute". Die Ente sagt: P r a c h ' l w a r k „Das ist alles Bettler-

943

Tiersymbolik

kram". Die Wachtel ruft: F l i c k de B ü k s „Flicke die Hose". Die Mücke singt: F r ü n d , F r ü n d ! „Freund,Freund". *·) Vgl. namentlich W o s s i d l o 2, 3 ff. so ) Urquell 3, 141.

Mecklenburg

5. W a n n d i e T i e r e s p r e c h e n . Sehr verbreitet ist der Glaube, daß um 12 Uhr in der Christnacht die Tiere reden können 51 ). Sie sprechen mit den Seelen ihrer verstorbenen früheren Besitzer und klagen ihnen ihr Leid, das diese dann Gott mitteilen 52 ). In Belgien (Moelingen) verkünden sie einander Christi Geburt S 3 ). Anderswo besprechen sie in der Christnacht die Ereignisse des kommenden Jahres 5 4 ), reden über Glück und Unglück des Hauses 5 B ). Bekommen sie vom Abendmahl nicht ihren Anteil, beschweren sie sich um Mitternacht (schlesisch) 5e ). Auch kommt es vor, daß die Tiere ihrem horchenden Herrn seinen baldigen Tod vorhersagen " ) . Viele Bauern wagen es nicht, in dieser Nacht die Tiere zu benützen 58 ). In der Bretagne heißt es, daß Rind und Esel sich jährlich nur eine Stunde lang unterreden, und zwar zwischen I i und 12 Uhr in der Christnacht B9 ). Seltener tritt für den hl. Abend die Neujahrsnacht e o ) oder die Nacht vor dem Dreikönigstage e i n 6 1 ). Außer in Deutschland begegnet dieser Volksglaube bei Skandinaviern, Kelten und Slaven e 2 ). Ähnliches findet sich bei Zigeunern und Türken β 3 ). 6 1 ) S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 33. 52 ) W l i s l o c k i Magyaren 32. 53 ) de C o c k Volhsgeloof 55 ) 90. M ) K a p f f Festgebräuche 6. John Westböhmen 207. M ) D r e c h s l e r 1, 37. H ) V e r n a l e k e n Mythen 291; Z f V k . 4, 314; H ö h n Tod Nr. 7 S. 312; J o h n op. cit. 19. 6S ) Ebd. s> ) G r i m m op. cit. 3, 189. ««) S A V k . 24, 65; B i r l i n g e r Volksth. 1, 335. M ) ZfdMyth. 2, 420. • 8 ) B r e g e n z e r op. cit. 140. β3 ) Ebd. Riegler.

Tiersymbolik. Die Kunst der jüngeren Steinzeit, der Bronzezeit und frühen Eisenzeit zeigt unter ihren Tierfiguren besonders häufig die Gestalt eines V o g e l s , an der in charakteristischer Weise nur das Wesentliche wiedergegeben wird, während die Art des Vogels zurücktritt, die Gestalt nur in dürftigen Umrissen, oft nur in den vordersten Partien ausgearbeitet erscheint (Vogelprotomen). So erscheint ζ. B. ein solches Symbol, ein Vogel mit Stierkopf,

944

Brüsten und menschlichen Beinen, auf einem kretischen S i e g e l z y l i n d e r H i e r bei weist der Stierkopf auf das andere beliebte Symbol, das R i n d . Besondere Sorgfalt ist regelmäßig der Ausarbeitung der Hörner gewidmet, die auch allein als Symbole verwendet werden (Kreta), besonders auch zur Helmzier (Überreste eines Astralmythos?) 2 ). Auch unter den Tätowierungssymbolen, die ursprünglich durchaus kultischer oder magischer Natur sind, spielen die Tiersymbole eine hervorragende Rolle 3 ). Als S y m b o l d e s T e u f e l s galt schon den alten Indern und Persern die S c h l a n g e , die List und Treulosigkeit verkörpert, daneben auch Löwe, Wolf, Bär, Hund, Esel, Schwein 4 ). Auch das A T . kennt Tiere, mit denen Gott kämpfen mußte (Schlange, Leviathan), wobei sich fremde (bes. babylonische) Einflüsse nachweisen lassen. In dieselbe Reihe gehören wohl auch die apokalyptischen Tiere 5 ). Die Anschauung des Mittelalters, wie sie uns etwa aus dem „mystischen Tier- und Artzeneienbuch" der hl. Hildegard von Bingen (1150—1160) entgegentritt, faßt das T i e r a l s S y m b o l d e r m e n s c h l i c h e n K r ä f t e , und zwar die Vögel die Ideen der Menschen, die auf der Erde wohnenden Tiere aber die Taten der Menschen. Indes hat auch hier der Physiologus (s. T i e r e § 12) mehr als jedes andere Literaturwerk zur Verbreitung solcher Auffassungen beigetragen. So sieht er im Onager (Wildesel) das Abbild des Teufels: „wenn dieser merkt, daß T a g und Nacht gleich werden, d. h. wenn er sieht, daß die Völker, welche in der Dunkelheit wandelten, zum reinen Licht sich bekehren, so brüllt er Tag und Nacht zu den einzelnen Stunden und sucht seine verlorene Beute". Vom Ende des 12. oder Anfang des 13. Jh.s an bürgern sich die allegorischen Tierbilder in der Kunstdichtung ein, wodurch man der überall festzustellenden Vorliebe für das Wunderbare und Abenteuerliche Rechnung trägt. Die bekanntesten und beliebtesten dieser symbolischen Tiere sind Phönix, Adler, Pelikan, Einhorn, Löwe e ). Deshalb kann Brünhild, als sie verlangt, daß Siegfried

945

Tierverkleidung

und sein Kind sterben müssen, sagen: mit dem Wolfe müsse seine Brut vertilgt werden 7). Die Beliebtheit des Physiologus brachte es mit sich, daß seine Symbole die bisher der Bibel entnommenen allegorischen Gestalten allmählich auch aus der darstellenden Kunst verdrängten (s. T i e r e § 1 1 . 1 2 ) . So geht auf die zweite Eigenschaft, die der Physiologus dem Löwen zuschreibt, der über Portalen mittelalterlicher Kirchen (10.—13. Jh.) „als Wächter des Heiligtums" angebrachte Löwe zurück, der mit erhobenem Kopf und geöffneten Augen daliegt, wodurch das Schlafen mit offenen Augen angedeutet werden soll. Uber Kruzifixen trifft man oft den Pelikan, der sich die Brust öffnet und sein Blut auf die toten Jungen fließen läßt. Auch zum Schmuck von Büchern, Häusern usw. findet diese T. Verwendung 8). War schon früh ein V e r g l e i c h der A l t e r s s t u f e n mit v e r s c h i e d e n e n T i e r e n beliebt 9 ), so stellte man im Mittelalter die v i e r T e m p e r a m e n t e mit Tieren zusammen, um im späteren Mittelalter auch T u g e n d e n und L a s t e r n (7 T o d s ü n d e n ) ihre Tiersymbole zu geben. Französische Miniaturen aus dem Anfang des 14. Jh.s stellen Tugenden und Laster als weibliche Wesen dar, welche auf symbolischen Tieren reiten, wobei die Laster unterliegen 10 ). l ) L a g r a n g e La Crète ancienne Abb. 43a. ) S p i e ß Prähistorie 6fi. 3 ) W u n d t Mythus u. Religion 1, 322. 4 ) G e r h a r d t Franz. Novelle 2 3 7 · 5 ) C l e m e n Neues Test. 99Ü. e ) C a r u s Zoologie 138; L a u c h e r t Physiologus 156Í. ' ) W e i n h o l d Frauen 2, 349. 8 ) L a u c h e r t Physiologus 2o8fl.; C a r u s Zoologie 120Í.; B o l l Lebensalter 98 Anm. 9 ) B o l l Lebensalter 97. 10 ) L a u c h e r t Physiologus 2 1 5 ; B o l l Lebensalter 98 Anm., 125. 3. Mengis. 2

Tieiverkleidung. In der Entwicklungsgeschichte der menschlichen Bekleidung nimmt der natürliche Feilumhang die erste Stelle ein. Noch heute kleidet sich der primitive Jäger in das Tierfell: die Buschmänner Südafrikas tragen auf der Elefanten-, Flußpferd- oder Nashornjagd beim Anpirschen Kopf und Fell eines Hartebeest über den Schultern und ahmen beim Vorgehen alle Bewegungen dieses Tieres nach. Auch Kopf und Flügel eines Geiers, die Haut des Zebras oder die

946

Maske eines Straußes finden Verwendung. Ähnliches trifft man bei den Mambowe (Südafrika). Die Somali verkleiden sich als Strauße, um den Vogel zu schießen, zu fangen und zu zähmen. Die Eskimos verwenden Robbenfelle, um sich an die Tiere heranzumachen 1 ). Dem entspricht, daß der Krieger eines primitiven Volkes, wenn er auf Kundschaft auszieht, sich als Tier verkleidet, um eine Entdeckung durch den Feind zu vermeiden. So wurden z. B . die Pawnee-Indi?ner von den benachbarten Stämmen „Wölfe" genannt, wahrscheinlich weil sie auf ihren Kriegszügen gewöhnlich ein aus Wolfsfellen gefertigtes Kleid mitführten, das ihren Spähern das Aussehen von Wölfen zu geben bestimmt war 2 ). Der ursprüngliche Zweck einer solchen T. war aber nicht nur das Ködern und Überlisten des Beutetiers. Der Jäger hüllt sich in das Tierfell, um magische Gewalt über die Artgenossen des erlegten Tieres zu gewinnen ; oder er trägt das Fell des gefährlichen Raubtiers, um die Zauberkraft dieses Dämons für sich zu erwerben und ihn so apotropäisch zu bannen 3 ). Diese Bestimmung läßt sich vielfach noch im Zaubertanz erkennen. Die Masken, welche bei primitiven Völkern bei solchen Gelegenheiten getragen werden, machen ihre „ T r ä g e r zu G ö t t e r n , D ä m o n e n , G e i s t e r n , die nun in irgendwelcher Begehung religiöser Art, als jene Götter, Dämonen, Geister irgendetwas bewirken" 4). So werden bei einem mexikanischen Fest Götter und Göttinnen im Tanz dargestellt, wobei die Tänzer als Vögel, Säugetiere, Schmetterlinge, Bienen und Käfer verkleidet sind. Auch auf Neuguinea sind solche Festtänze mit Tiermaskeraden üblich 6 ). Böse Dämonen sollen verscheucht, die Menschen vor ihnen geschützt werden durch S c h r e c k m a s k e n , d. h. Masken stärkerer oder für jene schreckhafter Dämonen, wie sie aus Ceylon, von afrikanischen und amerikanischen Stämmen bekannt sind 6 ). Nach Ansicht der Beduinen ist der Esel, besonders der Wildesel, ein sehr starkes, gegen Krankheit gefeites Tier. Daher stellt sich manchmal ein Beduine beim

947

Tierverkleidung

Betreten einer verseuchten Stadt als Esel, indem er auf allen Vieren kriecht und von Zeit zu Zeit wie ein Esel schreit. Dann hält er sich für ganz sicher, der Krankheitsdämon wird denken, er sei tatsächlich ein Esel, den anzugreifen vergebliche Mühe sei 7 ). Religiöse Tänze, bei denen Tiermasken gebraucht werden, gehören auch zu den F r u c h t b a r k e i t s r i t e n . So finden bei den Yuchi-Indianern bei der Feier des reifenden Korns und dem feierlichen Essen der ersten Früchte solche Tiertänze statt, in denen die Bewegungen und Laute der Totemtiere nachgeahmt werden 8 ). Auch bei allerlei Heilzeremonien spielt die T. eine Rolle. Wenn ζ. B. bei den Zentral-Eskimos jemand krank wird, so wird bisweilen der Medizinmann als Hund der Göttin Sedna geweiht. Der Mann nimmt dann den Namen eines Hundes an und muß über seiner inneren Pelzjacke zeitlebens ein Hundegeschirr tragen 9 ). Schließlich dient die T. auch zur Darstellung von T o t e n g e i s t e r n , die, wenn einer gestorben ist, erscheinen, um ihn zu den anderen zu holen 10 ). Dagegen hat nichts mit dieser T. zu tun jene uns aus der antiken Komödie und den possenhaften Vorführungen vieler Völker bekannte Tiermaskerade, die lediglich den Zwecken grotesker Komik dienstbar das Fratzenhafte der Maske durch irgendwelche Angleichung an das Tier bewirkt 11 ). Das zauberkräftige Kleidungsstück des Tierfells, der Mantel „Allerleirauh" des Märchens, geht schließlich über in den Besitz des Zauberers des Stammes, des Priesters, des Königs. Theroide Kostüme dürften wohl die in Griechenland häufig vorkommenden Priesterkollegien mit Tiernamen besessen haben: die άρκτοι der Artemis, die βόες des Dionysos, die ίπποι der athenischen Iobakchen, die lakonischen πώλοι der Demeter, die μελίσσαι derselben Göttin, die μελίσααι in Delphi (Pindar P. 4,60) und in Ephesus, die εσσηνεςϊη Ephesus (Paus. 8 , 1 3 . 1 ; Etym. magn. s. v.), die ephesischen ταύροι des Poseidon; dazu die αετοί, ίεραχες, λέοντες usw. im Mithraskult, die mit dem Pantherfell bekleideten ägyptischen Priester, die römischen Luperci des Faunus (Cie. pro

948

Coel. 26) und die samnitischen Hirpi sorani (Plin. n. h. 7, 19). Κάρνοι gehörten zum Kult des argivischen Apollon χαρνεΐος, als Ιριφοί bezeichnet sich der Dionysosmyste auf den Goldplättchen von Petelia. Der Interpol. Serv. Verg. Aen. 3,46 nennt kyprische Hierodulen der Aphrodite namens πελεΐαι. Πελεΐαι in Dodona sind zu erschließen aus Herodot 2, 54; Sophokles Trach. 170; Strabo 7, 7. 12 ; Suidas s. ν. Δοδώνα. Auf babylonischen Hadesreliefs erscheinen Priester in Fischkostümen. Von dem hermelinverbrämten Purpurmantel des Königs sagt Petrus v. Aragon Chron. 3, 16: una dalmatica de drap vermeil historiat ab obres de aur et ab fullatges ( = pietà aurea et mustela vel pellitio) 12 ). Zugleich haben wir in den Tiernamen jener Priesterkollegien wohl Überreste einer durch die manistisch-anthropomorphistische Periode überwundenen Zeit des Tierkults zu erblicken, die aber noch in den tierischen Bestandteilen, Attributen und Schmuckstücken der Götterbilder nachlebt: Herakles trägt das Fell des Löwen, Argos die Stierhaut, Zeus, Athene und Apollon das Ziegenfell (αίγίς), Dionysos die νέβρις, Hades die magische χύνη des leichenfressenden Höllenhundes, der babylonische Hanni-Oannes Haut und Kopf des heiligen Fisches 13 ). „Der Priester, der sich als Gott kleidet und seine Maske aufsetzt, fungiert als Gott". Die tierischen Tänzer, die den Dionysos, den Herrn der Seele.ai umschwärmen, vor allem die Bockstänzer, die um den Seelengeleiter Hermes, um die aus der Unterwelt emporkommende Kore tanzen, sind die Seelen, die Totengeister. Sie tanzten in Athen am alten Dionysosfest der Anthesterien, dem Blumen- und Allerseelenfest des Frühlings. So ist der Gott des neuen Lebens und der neuen Fruchtbarkeit zugleich auch der Herr des Totenreichs, die Totenseelen zugleich (phallische) Fruchtbarkeitsdämonen 14 ). Der Chortanz der alten Komödie ist zum großen Teil Tiertanz. Aristophanes läßt Frösche, Vögel, Wespen, Störche auftreten, Magnes ebenfalls Frösche und

949

Tierverkleidung

Vögel, Eupolis Ziegen, Archippus Fische, Piaton und Kantharos Ameisen usw. So sehr auch diese Chortänze von den wirklich mimetischen Tiertänzen primitiver Völker abweichen, so bleibt doch die Möglichkeit, daß sie Überreste von Tiermaskentänzen einer primitiven Zeit sind. Von Froschtänzen speziell wird aus Australien, Mexiko u. a. berichtet. Auch die Arier müssen in der Urzeit derartige Aufführungen gekannt haben. In einem Rigvedalied kommt ein ganzer Chor von Regen- und Fruchtbarkeitsdämonen in Froschgestalt vor. Gelegentlich hat der mythische weibliche Vegetationsdämon, die Kornmutter oder Kornalte, Froschgestalt. So besitzt die galizische Stara Babka einen menschlichen Körper, aber den Kopf eines Tieres, gewöhnlich eines Frosches. Zu Vardegötzen in Hannover treten am ersten Pfingstfeiertag der „Hedemöpel", der Vegetationsalte vom vergangenen Jahr, der Laubfrosch (Looffrosch), als Vertreter des im Frühling wieder einziehenden Wachstumsgeistes ganz in dichtes grünes Laub gehüllt und mit einem mächtigen Phallus ausgerüstet, nur durch seinen Namen als Frosch charakterisiert, und die Greitje auf. In dem Kampf zwischen Hedemöpel und Laubfrosch um einen Tanz mit der Greitje siegt selbstredend der Vegetationsdämon des jungen Jahres 15 ). Auf der Balkanhalbinsel hüllen sich die Leute gewöhnlich vor oder in den Fasten, im südlichen Mazedonien am Vorabend des Epiphanientages in Ziegenfelle und maskieren ihr Gesicht. Dieser auch von den Acta Dasii (cap. 3) schon erwähnte Brauch geht letzten Endes auf den Dionysoskult zurück l e ). Auch anderwärts begegnen wir volkstümlichen Darstellungen theriomorpher Fruchtbarkeitsdämonen. Im 18. Jh. wird aus Northumberland folgender Volksbrauch berichtet: Junge Leute ziehen in seltsamer Kleidung mit Musik von Haus zu Haus, führen den Schwerttanz auf und erhalten dafür kleine Spenden. Bemerkenswert ist die Tracht ihres Anführers : Kopf und Rücken hat er mit einem Fuchsfell bedeckt. Im nördlichen Deutschland ist eine originelle Maskerade die des Schimmels oder Schimmelreiters. Sie stellt einen Rei-

950

ter auf weißem Pferde dar, oder es trägt ein Bursche auf einer hohen Stange den Schädel eines Pferdes; ein darunter befestigtes langes Laken verhüllt den Träger der Stange. Ein zweiter Bursche geht voran und führt den so verhüllten an einem Strick. Der Erbsenbär und andere Gestalten begleiten ihn. Der Umzug findet statt zur Erntezeit, zu Martini, Weihnachten, Fastnacht, am Maitag und bei Hochzeiten. Dieser „Schimmel" (Fastnachts-, Adventpferd, engl, wooden horse, franz. chevalet, cheval mallet) ist analog dem Erbsenbär, der Habergeiß, der Kornkatze das Kornroß, Vegetationsroß 17 ). Möglich, daß auch das weitverbreitete Schwärzen der Gesichter (s. schwarz) einen Ersatz für ältere Tiervermummungen darstellt 18 ). In den von Kelten bewohnten Teilen des römischen Reiches gab es eine einheimische Tiermaskerade. Sie läßt sich am Ausgang des Altertums und im MA. in einem bestimmt umgrenzten Gebiet, besonders in Norditalien, Frankreich und England, daneben auch in Spanien und Westdeutschland nachweisen. Die wichtigsten Zeugnisse sind für Norditalien : Ambrosius (gest. 397), in ps. 41 = de interpellatione lob et David 2, 1 (Migne lat. 14, 813); Maximus v. Turin (um 420), Horn. 16 (Migne lat. 57, 257 f.) de Kai. Jan. ; Petrus Damiani (geb. 1006/7 in Ravenna), epistolae p. 384 editionis A. D. 1610, für Spanien: Pacianus, Bischof v. Barcelona (gest. um 390), Paraenesis ad poenitentiam (Migne lat. 13, 1082) ; Isidorus v. Sevilla (gest. 636), de offic. eccl. (Migne lat. 83, 775), für Frankreich: Ps. Augustinus, Horn. 129 (Migne lat. 39, 2001) de Kai. Ian., im 6. Jh. in Gallien verfaßt und dem Bischof Caesarius von Arelate zugeschrieben; ders. Horn. 130 (Migne lat. 39, 2003), Horn. 265 (Migne lat. 39, 2239); Eligius, Bischof von Noyon (gest. 659), Homilía de sacrilegiis (ed. Caspari, Christiania 1886) bietet in § 24 einen Auszug aus Ps. Augustinus Horn. 129, für England liegen keine Homilien vor, dafür umso mehr Bußbücher, für Deutschland: Dicta Abbatis Pirminii (gest. 753, ed. Caspari, Kirchenhistor. Anecdota, Christiania 1883, 175), dazu zwei französische Synodalbeschlüsse,

951

Tierverkleidung

Tours im J. 567 (Mansi 9, 792 ff.) can. 22. 23 und Auxerre im J. 578 (Mansi 9, 913), can. ι , ferner zahlreiche Bußbücher. Als Hirsch oder Kalb, bzw. Färse Maskierte zogen neben anderen vermummten Leuten besonders an den Januarkaienden von Haus zu Haus und bettelten um Gaben. Der dufch die Bußbücher geläufige Ausdruck für diese T. ist cervulum et vetulam facere oder in cervulo et vetula vadere. Die charakteristische Tiergestalt dabei ist der Hirsch; es kommen aber auch andere Tiere, Haustiere (pecudes) und, wenn auch vereinzelt, wilde Tiere (ferae, portenta; oder geht portenta überhaupt auf die Maskerade?) vor. Der Ursprung dieser Hirschmasken ist in der keltischen Religion zu suchen, die einen hirschgehörnten Gott Cemunnos kennt 19 ). Zu den unrömischen Bestandteilen, die sich in der Kaiserzeit mit der nationalen Feier der Kalendae Januariae verschmolzen, gehört diese keltische T., die sich umso leichter organisch einfügen konnte, weil überhaupt bei den Kaienden dämonische Mächte in die Erscheinung traten. So fand schon in sehr früher Zeit die Wintervertreibung in engster Verbindung mit den Neujahrsvermummungen statt 20 ). Als Fruchtbarkeitsfest im Frühling sind die römischen Lupercalia des 15. Februars (Ovid. Fast. 267 —474) anzusehen, deren Ritus —Schlag mit der Lebensrute — einerseits an entsprechende germanische Bräuche erinnert, andererseits aber auch dem Wesen der römischen Kalendae Januariae sehr nahe kommt, insofern „der Anfangszauber dem Agrarkultus dient". Maskenumzüge bei der Feier der Märzkaienden beweist für Byzanz das Trullanum von 692, für Oberitalien im 10. Jh. Atto von Vercelli (Migne lat. 134, 836) »). Das Fest der Januarkaienden kam schon in heidnischer Zeit zu den Germanen. Wahrscheinlich ging in ihm ein altgermanisches Fest auf, nach Annahme der meisten Forscher ein heidnisches Julfest, Seelenfest, das gefeiert wurde zu der Zeit, wo das wilde Heer, das Seelenheer, unter dem Seelenführer Wodan, dem Sturmdämon umherzieht. Im Lauf der Zeiten aber wanderten die Kaienden-

952

riten auf andere Feste (Epiphanias, Weihnachten, Andreas-, Martins-, Nikolaustag) ab. Aus römischem Neujahrsbrauch stammen, wenn auch auf deutschem Boden vielfach ausgestaltet, an Fastnachtsbräuchen das Austreiben des Todes, d. h. des Vegetationsgeistes oder alten Jahres („dr alt Fasnet", Freiburg i. Br.) mit dem Einholen des neuen, der Kampf zwischen Sommer und Winter, Verkleidung (Tiermasken, teilweise unsittliche Frauentrachten), Tanz und Lärm, ebenso wie Gelage und Festspeisen. Dank seiner Herkunft von der Kaiendenfeier ist der Karneval ursprünglich Fruchtbarkeitszauber 22 ). Noch heute sind in manchen Gegenden Deutschlands und der Schweiz um die Neujahrs- und Fastnachtszeit Umzüge mit tierischen oder dämonischen Gestalten üblich. Eigentliche Hirschmasken haben sich noch im Salzburgischen erhalten. Von schweizerischen Gestalten sind zu nennen die „Schnabelgeißen" bei den „Spräggelen"-Umzügen von Obfelden in der Nacht vom 22. auf den 23. Dezember und in der „Stüpfnase-Nacht" (29.-30. Dez.) u. a. 2 3 ). In Germete (Kr. Warburg) verkleideten sich die Burschen an Fastnacht als Büffel und Bären. Ein „Zigeuner" führte einen in Erbsenstroh eingehüllten Tanzbären am Nasenring herum. Auch in Hörde kam ein solcher Erbsenbär, gen. Wullbâr, vor. In Greven wurde ein Mann in das Fell eines Ochsen genäht und dann „geschlachtet" 24). !) F r a z e r Totemism 4, 2 i 6 f . *) Z f V k . 19 3) (1909), 33. E i s l e r Weltenmantel 1, 80. ' ) D i e t e r i c h . Kl. Sehr. 420. 5 ) A n d r e e Parallelen 2, 1 1 4 ; F r a z e r Totemism 4, 226. 285; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 68. e ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 420. ' ) F r a z e r Totemism 4, 208. 8 ) Ebd. 4, 313. ») Ebd. 4, 208. 1 0 ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 420. u ) Ebd. 420; A R w . 11 (19x0), 171. 1 2 ) E i s l e r Weltenmantel 1, 8of.; 2, 672ft. " ) Ebd. ι , 81 fi. « ) D i e t e r i c h Kl. Sehr. 420S. 15) S c h r ö d e r Rigveda 399. 4050. l s ) A R w . 19 (1918), 89ft.; R a d e r m a c h e r Beiträge 108; A. W i n t e r s t e i n Der Ursprung der Tragödie (1925) 15t. 124ft. 1 7 ) M a n n h a r d t Forschungen 166; S c h r ö d e r Rigveda 1 1 5 f . 432. 1 8 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 583. 618; R a d e r m a c h e r Beiträge 95. 1 9 ) Für die T . an den Kalendae Ianuariae sind grundlegend die Arbeiten von N i l s s o n A R w . 19 (1918), 7 1 f t . und S c h n e i d e r A R w . 20 (1920/1), 9 i f f . ; vgl. ferner R a d e r -

953

Tintenfisch—Tisch

m â c h e r Beiträge 87Ö.; S A V k . 7 (1903), i87ff. Ζ. Β. Homilía sancti Augustini de sacrilegia (eine den Caesarius von Arelate benützende Predigt eines Heidenmissionars aus dem 8. Jh., ed. Caspari) § 7, zitiert A R w . 20 (1920/1), 383. 21) ARw. 20 (1920/1), 38of. 383. 388f. 408. î a ) Ebd. 37of. 407f. 23 ) S A V k . 7 (1903), 119; 24 ) S a r t o r i SchwVk. ι , 91. Westfalen 146. Mengis. ΐ0)

Tintenfisch s. Nachtrag. Tirol, wo sich noch Spuren altgermanischen Aberglaubens nachweisen lassen 1 ), spielt im Volksglauben der Oberpfalz und Niederbayerns eine Rolle als Aufenthaltsort für gebannte Geister 2 ). So sagt man in der Oberpfalz: „einen Geist ins Tirol vertragen". Der Grund dafür dürfte darin zu suchen sein, daß die Alpen mit ihren Gletschern und Firnen ganz allgemein gebannte Geister beherbergen (s. Geist, Geisterbann, Geisterworte). !) ZfdMyth. ι (1853), 28off. s ) P o l l i n g e r Landshut 95; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 120. Mengis.

Tisch. Das Alter des T.es in der Bauernstube ist nicht bekannt. Er wird dort heute als eine Art Heiligtum und Vertreter der Häuslichkeit angesehen, indes weist dies in keinerlei Art auf die alten Speiseschüsseln und -bretter zurück, die die Germanen gleich andern europäischen Völkern ursprünglich allein zum Anrichten der Speisen verwendeten 1 ). Auch mit kleinen Anrichtet .ch en für Butter, Fleisch und dergleichen, die in übereinstimmender Art in Skandinavien und in der Schweiz begegnen, bestehen anscheinend keine inhaltlichen Beziehung e n 2 ) . Auch die Sage hält nur e r h ö h t e Steint.e für das Eßgerät von Geistern, verstorbenen Helden und dergleichen 3 ). Wohl aber ist der T. mit den Weihebräuchen alter Speisegemeinschaften schlechtweg verknüpft, an denen auch die Geister teilhaben, wobei hergebrachte T.zucht und Sitzordnung die Bedeutsamkeit der Anschauungen mitbestimmt. Auch formell bestehen Gleichungen zwischen T. und Altar bzw. Opferstein, wenn beispielsweise der Typus des mittelalterlichen Truhent.es im Altart. der orthodoxen Kirche unverändert beibehalten wurde oder der bäuerliche Eßtisch in der

954

alemannischen Schweiz, in Westfalen und der Bretagne wie ein urzeitlicher Opferstein auf seiner klotzförmigen Platte Vertiefungen zum Eingießen der Speisen in der Mitte und außen für die einzelnen T.genossen aufweist 4 ). ι . a) Gleichwie schon Griechen und Römer den Geistern und Göttern Opfert.e aufrichteten 5 ), erbt sich dieser Brauch auch im T . zu bestimmten Festzeiten des Jahres (Allerheiligen, Allerseelen sowie Weihnachten) fort. Charakteristisch hierfür ist der sogenannte B e r c h t e n t . , für den neuzeitliche Belege namentlich aus Bayern, Österreich und Böhmen wie aus Frankreich und von den Südslawen vorliegen und für den wohl ununterbrochene Überlieferung aus dem Altertum anzunehmen ist. Die von der Antike bestimmte gelehrte Überlieferung bezieht ihn in Predigten und Edikten des öfteren in Frankreich wie in Deutschland auf die Schicksalsfrauen, deren Dreizahl durch Anführung von drei aufgelegten Messern bekräftigt wird. Auch die Volkssage hat sich dessen bemächtigt; indes wird in der deutschen Sage neben Berchta und den Schicksalsfrauen auch den Kobolden und Hausschmieden der T. gedeckt und ein Topf Speise hingesetzt e ). H a r t k n o c h (Alt- und neues Preußen, Frankfurt 1684 S. 162 f.) berichtet uns ganz sinnfällig diesbezüglich: „Den Barstucken und Maccopeten setzten sie des Abends in der Scheune [als dem Hauptraum geselligen Aufenthalts in diesen Ländern] einen T., bedeckten denselben sauber mit einem T.tuch, setzten darauff Brodt, Käse, Butter und Bier". Wurde am Morgen nichts vorgefunden, so erhoffte man sich Zuwachs im Hauswesen und Glück im Ackerbau. Man setzt in Schlesien in der Weihnacht von allen Feldfrüchten je einen Teller voll auch auf, damit das Christkind sie segne und reichliche Ernte verleihe. Nach der Mahlzeit bleibt auch das Brot und ein Pfennig auf dem T.e liegen, damit man das nächste Jahr nicht an Brot und Geld Mangel habe. Die Tschechen in Böhmen tragen die Brocken des Weihnachtst.es beim A b -

955

Tisch

räumen am 26. Dezember für die Vögel zu den Bäumen. Im angrenzenden Mähren wird am Heiligen Abend der T. gedeckt, was sonst das ganze J a h r nicht vorkommt (vgl. T.tuch). In Skandinavien bleibt dieser Opfert, bis Dreikönig, ja selbst bis St. Knut unberührt stehen 7 ). Einen solchen Opfert, bedeutet es wohl auch, wenn man bei einem Ungewitter den T. in die Mitte der Stube rückt, auf alle vier Ecken Salz streut und in der Mitte eine Bibel auflegt, aufgeschlagen am Kapitel der Schöpfungsgeschichte. In Signau (Schweiz) wird bei Gewittern der T. unter der Dachtraufe gedeckt. Im südlichen Schwarzwald stellen die Katholiken bei einer Feuersbrunst einen T. des Nachbarhauses, auf dem ein Kreuz steht oder schon einmal das Hochwürdigste gestanden hat, auf die Straße oder an ein Fenster, um den Brand zu hemmen oder nach der entgegengesetzten Seite zu wenden 8 ). Auch für Verstorbene und arme Seelen wird der T., besonders am Samstag, gedeckt, wobei mit „Decken" aber nicht das Auflegen des T.tuches, sondern das Herrichten einer Geistermahlfceit gemeint ist 9 ). b) Man soll den T. auch sonst nicht decken, ohne Brot aufzulegen oder einen Zipfel des T.tuches überzuschlagen 10 ). Der Brotanschnitt soll aufgelegt nicht vom T. wegschauen. Kommt das Brot unangeschnitten vom T., so gehen die Leute hungrig w e g 1 1 ) . Schneidet eine ledige Person das Brot an, so muß sie noch 7 Jahre aufs Heiraten warten, wohl deshalb, weil sie den Unsichtbaren ihr Teil verkürzte 1 2 ). Kocht die Suppe auf dem T., so gönnt sie uns jemand nicht 1 3 ). Ist eine Trud im Hause, so soll man des Nachts den T. nicht abräumen 1 4 ), sonst aber gebietet der pädagogische Aberglaube, ihn in Ordnung zu halten. Wenn man eine Gabel mehr auf den T. legt, als Leute da sind, so ißt die Haushexe mit 1 5 ). Bringt man ein Gedeck zuviel, so hat man einen hungrigen Freund, bei einem Teller zuviel bekommt man einen hungrigen Gast 1 6 ). c) Junge Mädchen o r a k e l n in diesem

956

Sinn mit dem T.decken zu Andreas oder am Hl. Abend nach Mitternacht. Der junge Mann, der zuerst an ihn herantritt, ist der ihm bestimmte Bräutigam 1 7 ). Nicht sehr gottselig hexte eine junge Meistersfrau in Zürich am Silvesterabend in dieser Art, die T.e in Zauberaltäre wandelnd. Auf vier T.e setzte sie je ein Brot und eine Maß Wein. Dann sprach sie die Einsetzungsworte des hl. Abendmahls und aß und trank von jedem. Sogleich bewegte sich zur Tür herein ein Leichenzug, hinter ihm her auf schönem Roß ein schlanker junger Bursche 18 ). Wenige Tage nachher starb der alte Mann, und ein Junger nahm die Witwe zur Ehe. „item allew milichhefen stürzen sy auf den tisch und rauchentz, so stilt man in dy milich nicht. . .", berichtet schließlich ein Papiercodex (14.—15. Jh.) aus S. Florian (Oberösterr.) 19 ). d) Der p ä d a g o g i s c h e A b e r g l a u b e gebietet, über Nacht nichts auf dem T. liegenzulassen 20 ). E s wachen die Englein daran 2 1 ). Auch sagt man, daß sonst das Jüngste nicht schlafen kann (aber auch der Älteste wie in Böhmen, Schwaben usw.) 2 2 ). Insbesondere gilt das vom Brot, ferner vom Wasser — es verkürzt das Leben — und von der Scheere 23 ). Auch der Topf soll nicht offen stehenbleiben, sonst kann man nicht schlafen (Böhmen) 24 ). Ehe die Gäste das Haus verlassen, soll im Erzgebirge die Hausfrau den T. abgeräumt haben, damit dem Vater die Arbeit gelinge, oder es vergessen die Tänzer die Mädchen, man bleibt vor der Haustür stehen. Arbeitsame Mädchen aber heiraten bald 2 5 ). Vor der Reise muß der Tisch abgeräumt werden, sonst wird einem der Weg sauer 26 ). E s darf auch, bis man vom Hofe sich entfernt hat, nichts darauf gelegt werden. Läßt man Strümpfe über Nacht liegen, bekommt man Fußreißen 27 ). Bei andern Dingen ist das Auflegen auf den T. zu vermeiden. Samen darf man vor dem Säen nicht auf den T. legen, sonst geht er nicht auf (Bayern usw., Ostpreußen), ebenso der Teig, wenn die Hefe vorher

Tisch

957 28

auf dem T. war ). Essig verdirbt, wenn man den Essigkrug auf den T. setzt, so wie bei den Römern die Medizin die Wirksamkeit verlor, wenn sie zufällig vor der Anwendung auf den T. gesetzt wurde (Plinius 28, 5) 29 ). Legt der Hausherr seinen Hut oder seine Kappe auf den T., so wühlen ihm die Maulwürfe im Felde 30 ). Neue Schuhe darf man nicht auf den T. stellen, sonst fällt man darin 31 ). Man darf auch nicht auf ihm mit den Fingern trommeln, sonst ruft man Elend herbei, wer in ihn gar hineinsticht, bekommt Zahnschmerzen (Böhmen)32), auch Feuerschlagen an der T.ecke ist verpönt 33 ), T. und Bank mit dem Besen zu kehren, verursacht ansteckende Krankheiten (siehe Besen), ja selbst den Tod eines Hausgenossen. Abwischen mit Papier statt mit dem Wischtuch verursacht Zank und Hader 34). Hier sind also bestimmte an den T.gebrauch geknüpfte Handlungen zu vermeiden ; dies Verbot erstreckt sich aber sogar auf das über den T. hinweg gesprochene Wort. Von seinen Tauben soll man nicht über T. reden, da sie sonst wegfliegen oder sich fortgewöhnen. Wenn man über T. von Vögeln redet, deren Nester man kennt, kommen die Ameisen daran (Wetterau, Böhmen), nach schlesischem Aberglauben verlassen die Vögel die Nester oder der Kuckuck saugt die Eier aus 35 ). Der Franzose, der auch nicht Kinder über den T. hinwegreichen läßt, hört nicht gern schlechte Neuigkeiten so wie Juden nur bei frommem Gespräch die Mahlzeit anschlagen soll 36 ).

958

G r o h m a n n 78,322; H ö f l e r Weihnacht iof.; ZfVk. 14, 259. 266. 8 ) Urquell 3, 1 1 8 ; SchwVk. 5, 46; Meyer Baden 376. 8 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 286 Nr. 9; P o l l i n g e r Landshut 224; Gassner Mettersdorf 96; ZföVk. 3, 2 1 . Vgl. WS. 2, 79ff. I95ff. ι») Grimm Myth. 3. 335 (Rockenphilos. Nr. 16) = Meyer Aberglaube 226. u ) Grimm Myth. 3, 436 Nr. 63; 444 Nr. 298. W. 363 § 547. " ) Ebd. 211 § 293. 1 4 ) R a n k e Sagen 11. l 5 ) W. 403 § 622. " ) W o l f Beiträge 1, 217; K ö h l e r Voigtland 395; D r e c h s l e r 7, 11. 1 7 ) Grimm Myth. 2, 936; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 140 f. ; D r e c h s l e r ι, 24. 1 8 ) SchwVk.2,270. " ) Grimm Myth. 3, 419 Nr. 50. 2 0 ) Grimm Myth. 3, 437 Nr. 9 1 ; 472 Nr. 1004; B i r l i n g e r Schwaben 1, 410; S c h ö n w e r t h 3, 280; R o c h h o l z Kinderlied 332; L a m m e r t 9 1 ; G r o h m a n n 2 1 ) Urquell Nr. 789. 1, 185; G r o h m a n n Nr. 225; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 286. 22) S c h ö n b a c h Berthold υ. R. 1 5 1 ; J o h n Westböhmen 252; Müller Isergebirge 34. 23) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 4041!.; 3, 280; Urquell 5, 227; J o h n Erzgebirge 55. 2 4 ) Groh2 5 mann Nr. 225. ) J o h n Erzgebirge 3 1 ; Westböhmen 252; D r e c h s l e r 2, 12; W. 363 § 547. 2 e ) P a n z e r Beitrag 1 267; 2, 304; Grimm Myth. 3, 448 Nr. 441; W. 407 § 629. " ) W. § 465; Bavaria 2, 297; 3, 379; T o e p p e n Aberglaube 92. 2 8 ) Grimm Myth. 3, 443 Nr. 263; W. 419 § 652; P e t e r österr. Schlesien 248. 2 ·) Grimm Myth. 3, 435 Nr. 34; Panzer Beitrag 1, 264; Z. f. Völkerps. 18. 266. 8 0 ) Grohm a n n 58. 3i) W. 315 § 465. 3 2 ) W. 396 § 609; G r o h m a n n Nr. 104, 226 = W. 312 § 460. 3 3 ) Grimm Myth. 3, 475 Nr. 1091; D r e c h s l e r 2, 59· 3 4 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 288 Nr. 16; G r o h m a n n Nr. 226 = W. 396 § 609; Urquell 4. 94; B a r t s c h Mecklenburg 2, 315. 3 5 ) Grimm Myth. 3 Nr. 941 (Rockenphilos.); W o l f Beitr. i,Nr. 391; G r o h m a n n Nr. 431; P e t e r österr. 3e) Schlesien 212. L i e b r e c h t Gervasius, T h i e r s Nr. 54; Z. f. Völkerpsych. 18, 262.

2. Auf dem T. Sitzt man in der Rauchnacht oder Fastnacht auf dem Tisch, so bekommt man Eiße (so schon *) S c h r ä d e r Indogermanen 48; H e y n e Woh- in Papiercodices des 14.—15. Jh.s in nungswesen 404; S t e p h a n i Wohnbau 2, 703. 5. Florian, Oberösterr. : „item so man 2 ) III. Völkerkunde II/2, 391. 3 ) Heyl Tirol in den Rauchnachten auf ain tisch siezt, 554 Nr. 7; Meiche Sagen 168 Nr. 227; K u h n so habent des iars dy lewt vil aiß . . ."). Westfalen 1, 75 Nr. 65; S t r a c k e r j a n 2, 232 Sogar Aufstützen mit den Ellbogen in Nr. 899; vgl. Kiihnau Sagen 2, 97ft. 4 ) III. Völkerk. II/2 473; R o c h h o l z Glaube 2, 1 1 8 ; der Weihnacht bewirkt das nach dem 5) S a r t o r i Westfalen 107. Mischkowski Glauben der burgenländischen DeutHeilige Tische Dissertation Königsberg 1917; 37 S t e n z e l Opfergebräuche 236; Nilsson Griech. schen ). Auch barfuß darf man nicht hinaufsteigen noch auch das Kind mit Feste 490; U s e n e r Kl. Sehr. 4, 454Í.; ARw. 19, 122; 20, 125; ZfVk. 3, 30; G o l d m a n n Einausgezogenem Fußzeug darauf stellen. Sie führung 70 Anm. e ) Zeitschr. f. Völkerps. bekommen böse Füße oder es kommt 18, 37iff.; Grimm Myth. 1, 34of. 370; W e i s e r 38 Jul 45ff. ; Vogt Weihnachtsspiele 92; G r o h m a n n Zank ins Haus (Mecklenburg) ). Doch trägt im Vogtland der Gatte beim EinSagen ' ) P e t e r Österreichisch-Schlesien 2, 278; D r e c h s l e r 1, 35 = S a r t o r i Sitte 3, 3 1 ; zug die junge Frau vom Wagen ins Haus

959

Tisch

und setzt sie zuerst auf den T. Auch steigt die Braut (als Weiheritus) über den T., tanzt darauf, springt von ihm herunter. Die gleichen Übergangsriten, hergeleitet vom Hissen und Heben des Erwählten begegnen auch in den Handwerksgebräuchen 39), und vom T. springt man auch in das neue Jahr hinein oder mit hohem Sprung mit der Flachssaat in der Fastnacht herunter E. Goldmann hat wohl mit vollem Recht an die Kultverbundenheit des Adepten mit der Gottheit durch Sitzen auf dem Altart. in der Antike 41 ) erinnert, so daß auch hier ältere Beziehungen des deutschen Aberglaubens zutagetreten, deren Entweihung eben mit Schwären am Leibe und dergleichen bestraft wird, wogegen die Weiheformen selbst mutatis mutandis fortleben. In Ostpreußen darf man eine Leiche nicht auf den T. legen, sonst zieht sie jemanden aus der Familie nach. In Oldenburg knackt der T., wenn eine Leiche auf ihn gelegt wird. Legt man den Toten aber an die Stelle, wo der Tisch gewöhnlich steht, auf den Fußboden, so dauert der Schmerz der Hinterbliebenen nicht lange 42). Dieser Aberglaube gehört vielleicht einer älteren Schicht an.

3 ' ) DG. 13, 1 2 1 ; W. 84 § 98; J o h n Erzgebirge 150; G r i m m Myth. 3, 418 Nr. 32; ZfVk. 4, 3 1 1 ; S é b i l l o t Folk-Lore ι, 93. 3 8 ) G r i m m Myth. 3, 440 Nr. 165; B a r t s c h Mecklenburg 2, 50. 39 ) K ö h l e r Voigtland 2 3 4 1 ; W i t z s c h e l Thüringen 2 , 2 3 9 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 71, 109. 124; R a n k Böhmerwald 69; W u t t k e Sachs. Volksk. 366; H a u p t Lausitz 2, 70 Anm. ; Hiiser Beitr. 3, 8; T o e p p e n Masuren 85; J e n s e n Nordfries. Inseln 320; ZfVk. 6, 262; 10, 376. 378; ZföVk. 7, 67, 18; Weimar.Jahrbuch 4, 291; Goldmann Einführung 150! mit Anm. 5. 6; Weiteres bei S a r t o r i Sitte 1, 105. 40 ) J o h n Erzgebirge 183; R e i n s b e r g Böhmen 602; S t r a c k e r j a n 2, 2 Nr. 14; 42 Nr. 123. 1 2 5 ; ZfrwVk. 4, 1 3 ; P a n z e r 2, 55of.; K ö h l e r Voigtland 368; W i t z s c h e l Thüringen 2, 190 (13); D r e c h s l e r Schlesien 2, 53; W o e s t e Mark 56 Nr. 24; W. 421 § 657. « ) G o l d m a n n 42 Einführung i 6 i f . ) T o e p p e n Masuren 107 = Urquell 3, 53 = W. 461 § 729; W o l f Beiträge 1, 2 1 5 .

3. Unter dem Tisch. Plinius (28, 5) erwähnt es als römischen Brauch, daß man die Brocken aufhebe, die unter den T. fallen, Pythagoras aber und Aristophanes lehrten, daß man sie nicht aufheben

960

dürfe, weil sie den Heroen zugefallen seien, und in das Christentum ging der Glaube, wie uns die Ermahnungen der Kirchenväter lehren, in der Form über, daß man meinte, sie seien das Teil der Verstorbenen. Auch überliefert uns Plinius die Volksmeinung: Wird während des Essens eine Feuersbrunst erwähnt, so solle man Wasser unter den T. gießen **). Der Seelenglaube, der hier zugrunde hegt, äußert sich am sinnfälligsten im slawischen Volksbrauch: Bei den slawischen Totenmahlzeiten wurden von den schweigend dasitzenden Teilnehmern Speisebrocken unter den T. geworfen 44). Serben wie Schweden bringen ein Weihnachtsopfer unter dem T. dar. Gleicherweise dürfen in Dänemark am Julabend verschüttete Getränke und Speisen nicht vor Sonnenaufgang unter dem T. hervorgeholt werden 45 ). Nackt unterm T. schafft man sich ein Eheorakel (Westfalen) 4e). Beim Dreschermahl in Kärnten darf der „Nigl" nicht bei T. erscheinen, sondern hat seinen Platz unter dem T., wohin ihm einige Brocken zugeworfen werden, in Oberösterreich muß der Überbringer des Trudelbock nur mehr in den T.winkel flüchten47). In Mittelfranken setzt man bei der gleichen Gelegenheit eine Puppe unter den Tisch, der von jeder Speise soviel vorgesetzt wird, wie jedem andern. In Baden wieder muß ein die Poltergeister nachahmender Teilnehmer bei der Tabakernte unter den T., um Abfall anzuschnüren, wenn man ihn erwischt48). In Bayern kann man mit einer hölzernen Puppe an diesem Ort einen Wechselbalg zurücktauschen49). Nach einer deutschen Volksüberlieferung hegt der Böse unter dem T., an dem zwei Jungfrauen (nach Grimm Nornen ( ? ) ) spinnen, festgebunden, und nach einer dalekarlischen denkt man sich beim Hexenfest gleichfalls den Teufel an einer Kette unter dem T., so wie in Tirol der erwischte Speisendieb beim Brechelfest in Strohverhüllung an ein Tischbein gebunden der Verhöhnung ausgesetzt wird50). In Kalotaszeg (Rumänien) wie im Lavanttal stellt man ein Gefäß mit Viehfutter oder auch Kochgerät unter den T.,

Tisch

çôï

und zieht eine Kette um seine Füße, um Gedeihen auf dem Acker und in der Wirtschaft zu haben. Auch Zäume, Kuhstricke 51) u. dergl. werden unter denT. gelegt oder an einen Fuß angebunden, um das Vieh beim Hause zu erhalten 52 ). Leuchtet man unter den Τ., so stört man die Seelen offenbar, denn es entsteht Zank. Wenn mit der Tischlampe unter den T. geleuchtet wird, sind auch alle Schutzmittel gegen die Gefahren des Gewitters vergebens 53 ). Kinder soll man nicht unter den T. kriechen lassen 54 ). In Tirol durfte die Hebamme mit dem Neugeborenen ihm nicht einmal in die Nähe kommen 55 ). Wenn bei Siebenbürger Sachsen das Kind bisweilen auf den T. gelegt wird 5e) so ist das eine Abwandlung einer älteren rituellen Handlung, der zufolge das Neugeborene, gegebenenfalls auch der Täufling wie zum Herd, so auch, wo der T. steht, auf den Boden, also u n t e r den T. gelegt wird S7 ). Es geschieht in Böhmen, damit es gescheit, arbeitsam und folgsam werde; damit es Käse genug habe, d. h. sein Lebtag genug zu essen, in der Schweiz 58). Schwer sterbende Kinder legt man samt dem Bette wieder an die Stelle, wo sonst der T. steht S9 ). Hier ist wohl eine Erinnerung daran lebendig, d a ß die F a m i l i e n g e m e i n s c h a f t in ä l t e s t e r Z e i t ihren h e r g e b r a c h t e n V e r s a m m l u n g s - und E ß p l a t z auf dem F u ß b o d e n s e l b s t einnahm. Auch das Schwinden des Schmerzes der Hinterbliebenen, wenn der Tote dorthin gebettet wurde, deutet darauf hin, vielleicht liegt hier sogar ein letzter Rest der Kultspeisung im Hause vor. « ) ZfVk. 3, 28; Z. f. Völkerpsych. 18, 359. " ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 399 (aus H a r t k n o c h Alt-

und neues Preußen).

45

) H e s s . Bl. 5, 38.

) K u h n Westfalen 2, 124 Nr. 37b. 47 ) F r a n z i s c i Kärnten 6; österr. Monarchie, Ob.•österr. 164. 4 e ) ZfdMyth. 2, io6f. = M e y e r 4e

Baden

444.

4e

)

Pollinger

Landhut

-240.

) Grimm Myth. 2, 844. 980; R e i n s b e r g -Festl. Jahr 353. 81 ) ZfVk. 4, 312; v. H ö r m a n n Volksleben 228; Sepp Religion gS. 62 ) B o h n e n berger 21; E b e r h a r d t Landwirtschaft 16; W. 450 § 411. 63 ) Grimm Myth. 3, 436 Nr. 47; P f i s t e r Hessen 170; J o h n Erzgebirge 27, 35; D r e c h s l e r 2, 12; B a r t s c h Mecklenburg 2, 317; "W· 374.' 397 §§ 567· 609. 54 ) A. de Cock Volksgeloof 233. ä5 ) BayHfte. 1, 232 Nr. 51. 50

Bächlold-Stäubli,

Aberglaube V I I I

5e

962 )

Wittstock

Mettersdorf

Siebenbürgen 78;

Gassner

32; vgl. F r o n i u s Siebenbürgen

22;

H i l l n e r Siebenbürgen 56. ) Grimm Myth. 3, 440 Nr. 192; Urquell i, 133; K u h n Mark. Sagen 364; K u h n u. S c h w a r t z 430. 58 ) Grohm a n n 1 0 7 , Nr. 7 6 5 — 7 6 9 ; W. 3 8 1 § 5 8 0 . 59 ) S c h u l l e r Progr. Schäßburg 1863, 40 = Urquell 4, 50; Wolf Beitr. i, 215. Vgl. in Ergänzung zu diesem Abschnitt L. W e i s e r Zi37/38.

57

2 1 7 f.

221.

4. a) Den H e r d v e r t r i t t der T. beim Umgang zur Besitzergreifung. Manchmal wird er zu diesem Zweck frei ins Zimmer gestellt 60 ). Bei Koblenz und Köln nannte man dies vor gar nicht langer Zeit sogar noch „ums Hei leiten" 61 ). Die Braut umwandelt mancherorts den T. so wie der einzureihende Lehrling, und auch das Kind wird nach der Taufe oder wenn es krank ist dreimal um den T. getragen62). Schon Aelian (περί ζώων II, 30) schreibt ferner vor, daß man einen neu erworbenen Hahn dreimal um den Speiset, führen soll, um ihn bei Hofe zu halten, so daß also auch die Umwandlung des Tisches mit der antiken Überlieferung zusammenzustellen ist. Sie findet bezeichnenderweise auch gelegentlich von Feiertagsorakeln (Näppelgreifen im Erzgebirge) statt 63 ). Umwandlung muß im übrigen mit Vorsicht angewendet werden. Wenn man Nachts vor Schlafengehen um den T. herumgeht, so wird im Stall kein Vieh ledig (Bayern), aber anderorts soll man nach dem Essen nicht um den T. herumgehen, sonst verirrt man sich im Walde oder die Schafe bekommen die Drehkrankheit und anderes mehr 64 ). b) Mit dem Ritus des D u r c h z i e h e n s (s. d.) ist der Brauch vermengt, wenn man kleineres Getier, um es einzugewöhnen, dreimal um das Tischbein laufen läßt, oder es herumschwenkt und besonders mit „angewachsenen" oder an Herzspann leidenden Kindern so verfährt 65 ). Doch legt man, um Katzen und Hunde anzugewöhnen, auch ein paar Haare von ihnen unter einen T.fuß, was die Bindung an die Häuslichkeit gegenüber dem Durchziehen wieder in den Vordergrund rückt66). eo ) Urquell 4, 112Í; 5, 141 ff.; Nds. 5, 324; 15, 291 f. 259. 298. 318. 372; Grimm RA. Kap. 4; G o l d m a n n Andelang 41 f. e l ) W. 360 § 5 4 2 ; 3 9 0 § 5 9 5 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2 ,

31

Tisch

963 β2) W i t z s c h e l 567. Thüringen 2,228; Westböhmen 148; K ö h l e r Voigtland 235;

John Knu-

c h e l Umwandlung 20; W e i m a r e r J a h r b . 4, 263 f. « 3 ) J o h n Erzg. 151 f . ; W . 233 § 333; S p i e ß Aberglaube 24; K ö h l e r Voigtl. 363 f . ; K n u c h e l Umwandlung

31.

e4)

Panzer

Beitrag

1,

266;

Urquell 4, m ; S c h m i t t Hetlingen 18. e 5 ) Gri-mm Myth. 3, 454 Nr. 577; 455 Nr. 616 = U r q u e l l 4, 113; G r o h m a n n N r . 142; S c h r a m e k Böhmerwald 242; A n d r e e Braunschweig422;

F L . 8,187;

M e y e r Baden 42, 410. 413; B o h n e n b e r g e r 2 1 ; w · 4 3 3 §§ 678. 679. β β ) S c h m i t t Hettingen 15; Stracker jan

2, 232 N r . 491 =

W . 433 § 6 7 9 .

5. a) Auch die T i s c h o r d n u n g ist bedeutsam. Die Wöchnerin soll 6 Wochen lang nicht bei T. essen ; das Kind wird sonst ein Vielfraß und schreit, wenn man sich zum Essen niedersetzt (Schwaben) e7 ). Am hl. Abend darf niemand vom T. aufstehen, bevor nicht die Stubentür geschlossen ist (Erzg.) 68). Man heiratet bald, wenn man bei einer Hochzeit an eine T.ecke zu sitzen kommt, oder den Sitz der Brautleute beim Aufstehen schnell einnimmt (Westböhmen) e9 ). Es bedeutet dies offenbar ein Nachrücken als Nächster an der Reihe, dagegen kommt an die T.ecke bei einer gewöhnlichen Bauernmahlzeit nur ein Außenstehender zu sitzen; und so glaubt man allgemein, wenn ein Mädchen oder überhaupt jemand Unverheirateter an eine T.ecke zu sitzen kommt, er werde erst nach sieben Jahren heiraten, oder das Mädchen bekommt einen buckligen Mann TO), man heiratet jemand Verwitweten 71), bekommt eine böse oder blinde Schwiegermutter 72 ). Auch bringt es kein Glück, wenn man sich bei T. zwischen Eheleute setzt 73 ). Die T.ecke wird damit ominös: Man sieht von hier aus in der Christmette beim Fenster alle Leichen des folgenden Jahres vorbeiziehen oder in den Zwölfnächten steht um Mitternacht, wenn das Mädchen den Kehrbesen an die T.ecke lehnt, der Schatz dort 74 ). b) A b s c h a b s e i von den T.ecken gewinnen mit der zunehmenden Materialisierung der Anschauungen von den magischen Weihungen besondere Kraft. Von drei oder vier Ecken werden sie unter das Viehfutter gemischt, damit die Tiere beim Hause bleiben 75). In Baden gibt man sie dem Scheidenden in die Suppe 76 ), Spänchen davon legt man dem Kind unter das

964

Kopfkissen, um es zu beruhigen (Erzgebirge) oder räuchert damit nebst anderem Beiwerk das Kind bei Veitstanz " ) . Drei Tropfen, die nach dem Abwaschen am T. hängen blieben, von einem Mann getrunken, schaffen ihm einen Liebeszauber für die Abwascherin 78 ). K n a c k e n d e T.e sind vorbedeutend, es werden Gäste kommen oder über dem Tisch ist einmal ein ungerechtes Urteil gesprochen worden (Schlesien), oder es stirbt jemand 79 ). Auch knackt er bei Wohnungswechsel oder wenn eine Leiche darauf gelegt wird (Oldenburg). K l o p f e n d e T.e und das T.r ü c k e n hat nur zeitweilig von den höheren Ständen her in den volkstümlichen Aberglauben Eingang gefunden 80). 6 7 ) H ö h n Geburt 4, 766. 8 8 ) J o h n Erzg. 155. " ) J o h n Westböhmen 123; v e r g i . P o l l i n g e r Landshut 168. 7 0 ) A l e m a n n i a 33, 302 (so a l l g . ) ; J o h n Erzg. 76 = W . 363 § 597; D r e c h s l e r 1, 226; B a r t s c h Mecklenburg 2, 57; K n o o p Hinterpommern 158; Z f V k . 23, 280. 7 1 ) J o h n Westböhmen 252. 7 2 ) J o h n Erzg. 76; D ä h n h a r d t Volkst. 2, 87 N r . 349. 7 3 ) D r e c h s l e r 2, 1 2 . 7 4 ) H ö h n Tod N r . 7, 312; K a p f f Festge-

bräuche

N r . 2, 5.

76)

G r i m m Myth.

3, 455 N r .

616; Unoth 181 Nr. 29; E n g e l i e n u . L a h n 275; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 310; M e y e r Baden — W.

435

§683;

Fogel

Pennsylvania

Nr. 670. 682; 154 Nr. 722; 271 7i)

Meyer

Baden

374.

77)

John

Nr.

145 f . 1408.

Erzg.

55;

L a m m e r t 140; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 208. 7 8 ) G r o h m a n n Nr. 209 f. 7 9 ) S t r a c k e r j a n 1, 134; 2, 232; M e y e r Aberglaube 227 =

l e r 2, 199; Urquell 1,18 = 80)

W . 488 f.

§ 779; K ö h l e r

Drechs-

ZfrwVk 4, 246. Voigtland

401.

6. a) Als Vertreter der Häuslichkeit darf der T. auch n i c h t v o n der S t e l l e g e r ü c k t werden, in Tirol wurde er in den drei Rauchnächten darum sogar angeklampt. In Baden dürfen T. und Christusbild nicht aus dem Haus getragen werden, anderwärts nimmt sogar die Pfändung auf dies Herkommen Rücksicht. In einigen thüringischen Dörfern mußten bei Verkauf eines Hauses T. und Bibel als Inventarstücke darinnen bleiben. In der Oberpfalz, ähnlich im Erzgebirge, wird er mit Brot in die neue Wohnung vor angetragen. Ist er an seinen Platz gesetzt, so wird dies als „T.ruckete" mit einer feierlichen Mahlzeit begangen 81 ), so wie in der Antike der Kult einer Gottheit erst durch Aufstellung von Speiset, und Altar begründet

965

Tischbein—'-Tischtuch

wurde 8 2 ). Wackelt der T., so hat die Frau die Herrschaft im Hause 83). Gegen das Verschreien klopft man auch noch in höheren Ständen an der T.platte (ursprünglich wohl als Meldung an die Geister) 84), s. abklopfen. b) U m s t ü r z e n d e s T . e s : Im griechischen Altertum kam Umstürzen des einer Gottheit geweihten Altart.es der Aufhebung ihres Kultes gleich 85 ). So stürzt man bei Gewitter und Feuersbrunst gleicherweise den T. um (bezeugt von Böhmen bis Schwaben), um die Gefahr zu bannen. In Weiterbildung des Glaubens stellt man ein Kruzifix oder das Bild des hl. Florian zwischen die Beine, schließlich paßt man auch noch ein als magischer Kreis wirksames Wagenrad mit der Umschrift ,,consummatum est" darein ein und legt auf die T.füße oben Brot darauf 8 5 ). Der imitative sakramentale Charakter des Brauches ist hier ganz offenkundig und ist noch sinnfälliger, wenn man einen T. verwendet, auf dem bei der letzten Ölung einmal das hochwürdigste Gut gelegen war (Braunau). Umgestürzt wird der T . auch, wenn jemand nur schwer sterben kann und in Ostpreußen und Pommern genau wie bei den Südslawen bei Begräbnissen 86 ). Schließlich dient es auch als Diebeszauber 8 7 ). Ist in Tirol ein Käufer durch geheime Kunst gefeit, dann braucht man ihn nur auf einen Tisch zu werfen, und sofort ist seine unnatürliche Kraft entschwunden 88 ). 8 1 ) B H f V k 1,230 Nr.33, vgl.34; M e y e r Baden 351; M e i e r Schwaben 382; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,405 Nr. 9; J o h n Erzg. 28,36; G r i m m Myth. 3, 448 Nr. 439. 82 ) W o l f Beitr. 1, 212; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 114; W. 212 §296; ZfVk. 5, 416. 83 ) M i s c h k o w s k i 9. 8 1 ) S t r a k k e r j a n 2, 232 Nr. 491. 8δ) M i s c h k o w s k i 9; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 84 fi. = W. 401 §618; G r o h m a n n Nr. 42. 268; L a u b e Teplitz 60 f.; P e t e r österr. Schlesien 1, 259; ZfVk. 4, 83; P o l l i n g e r Landshut 160; B i r l i n g e r Volkstüm8e ) ZfVk. Ii, 18 f.; liches ι, 200. Krauß Slavische Volkforschung 112. 87 ) G r a b o w s k i Sagen 52 f. Zusammenfassende Darstellung: C. H a b e r l a n d , Ztschr. f. Völkerpsychologie 18, 262 fi. (Siidslavisches Vergleichsmaterial für nahezu sämtliche Anschauungen S c h n e e w e i s Weihnachtsbräuche der Serbokroaten 30 ff. 54 ff. 88 ) ZföVk. Erg. Bd. X V . Zingerle Tirol Nr. 605. Haberlandt.

Tischbein s. T i s c h .

9 66

Tischecke s. T i s c h . Tischordnung s. T i s c h . Tischrücken s. T i s c h . Tischtuch. Das T., für den germanischen Norden auf der Tafel der Vornehmen etwa schon durch das Rigsmal der Edda bezeugt x ), gehört im volkstümlichen Sinn beim deutschen Bauern ebensowenig zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand wie anderwärts in Europa. Das T. kennzeichnet den zum f e i e r l i c h e n M a h l zugerichteten Tisch, wie den Weihnachtstisch oder den Gabentisch der weihnächtlichen Festzeit. In Nordmähren wird der Tisch nur einmal im Jahr, eben am heiligen Abend gedeckt 2 ), und so wohl auch anderwärts. Vielleicht ist in der abergläubischen Bedeutung des T.s aber noch seine urtümliche Verwendung a l s e i n z i g e U n t e r l a g e f ü r d i e S p e i s e n erkennbar, wie sich dies im Alltags- und Festbrauch der Balkanländer bis auf die Gegenwart erhalten hat. Dem Bewohner der Krivoscie (Herzogowina) dient sein Schultertuch („Struka") zugleich als Lager, Körperhülle u. Unterlage für die Speisen, und letzterer Gebrauch wurzelt so tief, daß auch der ärmste Hochalbanier auf Reisen darauf sieht, für die Speisen, sei es auch nur Brot und Käse, ein T. aufzulegen. In Montenegro und Serbien verwendet man, ganz diesen hochaltertümlichen Gepflogenheiten entsprechend, am Weihnachtstage nicht einen Tisch, sondern ein Tuch oder einen Sack als Unterlage für die Speisen, und auch die Kutzowalachen (Aromunen) benützen bei Festen ein langes Tuch als Tisch. Der gleiche Gebrauch besteht auf deutschem Volksboden bei dem Anrichten der Mahlzeit für den Schnitter im Freien seit alter Zeit 3 ). ι . a) Wenn der deutsche Volksaberglaube ein T. als T i s c h l e i n - d e c k - d i c h im Märchen kennt, so gehört dieser Zug wohl hierher, wenn nicht das ganze Motiv überhaupt von der geschilderten Gepflogenheit seinen Ursprung genommen hat 4 ). Wenn man sonst das T. im Freien ausbreitet, bewahrt es vor Hagel, besonders wenn die Osterspeise darauf gegessen wurde 5 ). Auch wirft man es zum Fenster hinaus oder hält 31*

967

Tischtuch

968

wenigstens drei Zipfel ins Wetter hinaus 29; B o l t e - P o l i v ks a 1, 346 ff. 4 6 4 0 . ; 4, ) Eberhardt Landwirt(Württemberg, ähnlich in Oberösterr.) 5 ). 1 1 8 ff. 190 S. schaft 4 ; B o h n e n b e r g e r 2 1 ; B a u m g a r t e n b) DesT.s bedient man sich ferner, um die Aus der Heimat ι , 66. «) W . 426 § 668; v . H ö r segenspendende Kraft der Weihnachts- m a n n Volksleben 2 3 4 ; Z f V k . 7, 3 5 6 ; ZföVk. 6, mahlzeit auch auf den Hausgarten zu 1 2 1 . ' 8) John-Erzg. 1 5 5 = W . 4 1 9 § 6 5 2 ; F F C . 3 1 , übertragen. Die Speisenreste und Bro- 76 f. ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 3.l 0 · ) J o h n Erzg. 1 5 5 . 1 8 3 ; H ö f l e r Weihnacht 2 1 . ) L a n d samen werden unter die Obstbäume ge- s t e i n e r Niederösterreich 46. u ) Rogas. Familbl. schüttelt, die davon fruchtbar werden, 4 (1900), 1 2 ; S c h n e e w e i s 3 0 f t . 1 2 ) S c h ö n 13 Blumen wachsen daraus, Maulwürfe flie- w e r t h Oberpfalz = W . 250 § 3 6 1 . ) G r i m m 6 Myth. 2, 934 Nr. 2 ; 3, 446 Nr. 369; V e r n a hen ). Darum wird auch das Säetuch, l e k e n Mythen 340; D r e c h s l e r Schlesien 1, —bzw. ein Getreide- oder Mehlsack (Un- 2 3 f. 4 7 ; W . 2 5 3 § 3 6 5 ; R e i n s b e r g Hochgarn) — im Erzgebirge wie in Dänemark zeitsbuch 166. gerne als Weihnachtst. gebraucht 7 ). In 2. a) Im südlichen Böhmen losen Württemberg sät man den Flachs gerne aus einem T., auf dem die Fastnachts- die Mädchen im Freien am heiligen küchel gegessen wurden 8). Unter das T. Abend, indem sie sich das zu samt dem gelegt oder in das T. eingeschlagen ver- Eßbesteck zusammengelegte T. auf den bleiben ein angeschnittener Brotleib und Kopf legen. Ein entsprechender Brauch Speisereste am hl. Abend auf dem Tisch herrscht auch in Kephalonia. Im Vogtfür die himmlischen Gäste 9 ) (vgl. Tisch). land nimmt man es zum gleichen Zweck Verschütten von Wein, namentlich Rot- mit neunerlei Speisen unter den Arm. In wein u. dergl., bei der Hochzeit gilt allge- Mecklenburg tritt man in der Silvestermein als Omen (Kindersegen). Mit Ge- nacht mit dem umgeschürzten T. vom genständen, die am Weihnachtsabend Abendessen rücklings zur Tür hinaus und blickt zum Dachfirst nach Vorzeichen für unter das T. gelegt werden, orakelt man Tod, Hochzeit und Geburt aus 1 4 ). Das in Niederösterreich10). Mit Heubüscheln T. von der Taufmahlzeit eines Erstgeunterm T. kann man in Schlesien am hl. Abend losen, was uns an die Bedeutung borenen bringt im sächsischen Erzgebirge, auf eine Unfruchtbare geworfen, dieser des Weihnachtsstrohs erinnert, das in Kindersegen, in Böhmen und Mecklenburg Osteuropa bis heute unter das T. gelegt wird 1 1 ), c) Mädchen losen auch mit bringt es, wenn es dem ledigen Patherrn einem selbstgesponnenen T. am Andreas- bzw. einem Gast nach dem Taufschmaus abend 12 ). Wenn sie ein T. am Weih- über den Kopf geworfen wird, die16 nachtsabend bei der Tür oder am Kreuz- sem die nächste Kindstaufe ins Haus ). weg ausbeuteln, erkennen sie am Vorbei- Im Vogtland bindet die Wöchnerin, die gehenden oder nach der Richtung eines auf den Boden oder in den Keller gehen Hundebellens oder des Echos den Zu- muß, zum Schutz ein T. um den Kopf; künftigen (in Mähren, Schlesien, ganz ist hieran noch die alteuropäische Gleiähnlich wie in Ragusa am Johannis- chung T i s c h t u c h — K o p f - und Schulabend 13 )). J . Grimm meint zwar, dies te r t u c h erkennbar ? In Baden schützten Ausschütteln sei an die Stelle des Aus- sich noch vor etwa 80 Jahren die Weiber breitens eines Tuches oder einer Tierhaut vor Regen, indem sie ein weißes T. über getreten, doch läßt uns die neuste Ver- den Kopf nahmen: die weißen Regenbreitung des Brauches seine Gestaltung tücher, die in Mitteldeutschland verbreinicht auf germanische Vorzeit allein tet waren, sind aber ganz sicher ein osteuropäisches (slawisches?) Überbleibgründen. sel 18 ). Bei den Polen deckt man das T. *) S t e p h a n i Wohnbau 2, 342 f. 7 0 3 ; v g l . 2 auch über die Leiche, beim LeichenH e y n e Wohnungswesen 1 1 0 . 258. ) Höfler 3 Weihnacht 10. ) S c h n e e w e i s 54. 56 ft.; schmause kommt es wieder auf den Tisch, H a b e r l a n d t Kulturw. Beiträge 1 3 ; N o p c s a dann kann niemand etwas genießen, so Albanien 1 0 3 ; A. B a r t e l s Der Bauer 44 Abb. daß also hier ein Durcheinanderspielen 46 (Holzschnitt d. 16. Jahrh.). 4 ) P a n z e r verschiedener Zwecke im Gebrauch vorBeitr. ι , 199. 2, 101 ff.; S c h n e l l e r W&lschtirol

969

Titisteine—Tod

970

ausgesetzt werden muß 17 ). b) In Preußen Tiu s. Z i u (Nachtrag). wird dem „Verrufenen" ein T . überTobias, -segen s. Nachtrag. gelegt, — ähnlich wie dies bei einem von Tochter s. K i n d . der Pogge befallenen Tier geschieht — , und Tod. mit einem Besen kreuzweise darüber geι . Der T. wird im Volksglauben heute strichen 1 8 ). Auch läßt man beim ersten wohl meist als eine Trennung von Leib Ausgang die Pflugochsen über ein T . und Seele, als eine Abreise der Seele schreiten, in das ein Stahl eingehüllt aufgefaßt (s. Seele, sterben). Allerdings ist «). sind dabei die Vorstellungen über Seele 14 ) V e r n a l e k e n Mythen 331 = W . 238 und Leichnam recht unklar ; dieser behält § 341; K ö h l e r Voigtland 368; B a r t s c h noch mehr oder weniger Leben in sich Mecklenburg N r . 1224; S c h r a m e k Böhmer1S wald 116. ) G r i m m Myth. 3 N r . 479 (s. Leiche), und jener haften noch leib(Rockenphilosophie); Bartsch Mecklenburg liche Merkmale an. Aber wenn auch für 2 . 5 ° ; J o h n Westböhmen 116. 1 6 ) W . 379 das Denken die Scheidung schwer ist, § 576 = K ö h l e r Voigtland 437; M e y e r Baden so ist doch für das Gefühl der T. nur als 524. 1 7 ) T o e p p e n Masuren i n = Urquell 3, 199. l e ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 27. 81; H o ein Weggehen der Seele faßbar. Als der 19 v o r k a - K r o n f e l d 2, 223. ) Frischbier Augenblick dieser Trennung wird wohl Hexenspr. 16. allgemein das Aufhören des Atems oder 3. Pädagogischer Aberglaube. Wenn der Herztätigkeit angenommen. Allerman das T . verkehrt auflegt, werden dings kommt noch vereinzelt vor, daß 2 0 die Gäste nicht satt ). Man soll auch sich das Volk nicht an diese medizinischen mit der gleichen Begründung den Mund Erkenntnisse hält, sondern auch Ohnnicht ins T. wischen 2 1 ). Auch darf man mächten, Schlaganfälle und ähnliche Zunicht die Hände darein abtrocknen, was stände dem Tode gleichsetzt, und dann wohl von der mittelalterlichen Tischzucht ein Wiedererwachen aus dem T.e anherrührt. Man reichte nach dem Waschen nimmt !). Das erinnert an die primitive eigene Handtücher herum. Der AberglauAuffassung vom T.e 2 ). Daß der T. als be findet sich schon bei Prätorius, Phil. 188 : Ubergang zur „ewigen Ruhe" nicht eigent„Wenn man sich gewaschen hat und dräuet lich gefürchtet, manchmal vielleicht sogar sich an ein T., so bekommt man Wartsgen", ersehnt wird, hat Naumann wohl richtig wie heute noch ähnlich in Sachsen oder gesehen 3 ) ; aber z u sehr zugespitzt ist 22 Baden ) und mag ursprünglich eine sehr die Formulierung, daß die bäuerlichen reale Grundlage an verschmutzten HandJenseitsvorstellungen nach der Müdigtüchern als Infektionsträger gehabt haben. keit orientiert seien, und auch die VorSchreibt jemand Kreise auf dem T. (vom stellung von einem zweiten T.e, einer vollJahre 1612), dann werden ihm die Leute ständigen Vernichtung, widerspricht den gram 23). Auch soll man das T. nicht über Jenseitslehren der Kirchen, an denen das Nacht liegen lassen, „welcher Volk doch festhält. Der spukende Wiederlässet liegen und die mäuss darauff gänger, der gebannt, oder der Geist, der kommen, und essen die brosam,derwirdt / erlöst wird, sollen damit nicht vernichtet so er dess morgens darauff isset / schwartze werden, sondern sie werden eigentlich zän kriegen, und werden ihm faul / " . nur aus dieser Welt, wo sie nichts zu suchen Es schafft Unfrieden in der Ehe 2 4 ). haben, ins Jenseits verwiesen, zu den 20 ) G r i m m Myth. 3, 454 Nr. 571 = M e y e r andern Toten, die ihren Weg dorthin schon Abergl. 226f.; D r e c h s l e r 2, 1 1 ; P a n z e r gefunden haben. Beitrag 1, 265 = W. 903 § 622. 21) G r i m m Myth. 2, 469 N r . 944 = M e y e r Abergl. 227; S c h m i t t Hetlingen 17. 2 2 ) G r i m m Myth. 3, 443 Nr. 283; W o l f Beitr. 1, 225 N r 285; M e y e r Baden 52, W . 314 § 464 2 3 ) G r i m m Myth 3 Nr. 271. 2 4 ) G r i m m Myth. 3, 454 Nr. 572; ZfdMyth. 3, 316; Urquell 1, 185. Haberlandt.

Titisteine s. 4, 1387 f.

H e m p l e r Psychologie 37ft. 2 ) Z. B. L é v y B r u h l Mentalité primit. 5 8 ! 3 ) N a u m a n n Grundzüge 74.

2. Die T o d e s u r s a c h e n kann man in natürliche und übernatürliche teilen. A l s natürliche werden betrachtet: Krankheit, Altersschwäche und gewaltsamer T . (in

971

Tod

den meisten, doch nicht in allen Fällen). Manchmal werden sonderbare Ursachen angegeben, die auf der Grenze zum Übernatürlichen stehen, so der Glaube, daß, wenn jemand am Schlag sterbe, ihm der mittlere von den 3 Blutstropfen (s. d.) herabgefallen sei, die jeder Mensch im Kopfe habe 4 ). Noch ist der Glaube nicht ausgestorben, daß man einen andern durch Zauber töten könne. Unter den verschiedenen Mitteln des Fernzaubers, die diesem Zwecke dienen, kommt auch das Gebet vor, ,mortbeten' nannte man dies früher 5 ) ; der Psalm 109 wurde dazu verwendet, und noch 1926 wurde in einem Zauberprozeß in Basel dieses Zaubermittel angegeben. Hexen oder andere „kluge" Leute verstehen diese Künste, sowie sie auch Krankheiten hervorrufen können e ). Eine andere in Sagen oft genannte Todesursache ist die Begegnung mit Geistern. Wer eine arme Seele etwas fragt, lebt nicht mehr lange 7 ). Wer den Bilmesschnitter anredet, oder von ihm angeredet wird 8 ), wer den Nachtjäger oder andere Geister sieht, stirbt binnen einer gewissen Frist 9 ). Vielleicht fürchtete man auch Geister, wenn es hieß, man dürfe nicht am Berge graben, sonst müsse man gleich sterben 10 ). Als weitere Todesursache wird das Nachgezogenwerden durch vorher Verstorbene betrachtet (s. Nachzehrer); auch wenn zwei einander recht lieb haben und eines stirbt, so holt es das andere bald nach u ) . Noch andere zauberhafte Ursachen kannte man: so fürchtete man beim Frühlingsbrauch des Todesaustragens, die den Τ darstellende Puppe könnte das Sterben verursachen 12 ). Wenn man es also für möglich hält, daß der Tod durch boshaften Zauber verursacht sein könnte, so darf man vermuten, daß die Angehörigen des Toten diesen Verdacht abweisen wollten, wenn sie sich unmittelbar nach dem T.e entschuldigten und versicherten, sie hätten alles getan, um den Kranken zu retten 13). Während man beim einzelnen Todesfall wohl über die Ursachen nachdenkt, so finden sich wenig legendenhafte Berichte mehr darüber, wie der Tod überhaupt

972

in die Welt gekommen sei, oder warum der eine früher sterbe als der andere w ). Auch daß der T. an und für sich schon eine Strafe für Bosheit oder Sünde sei, wird seltener behauptet. Die Strafe liegt vielmehr in der Todesart, oder sie folgt nach dem T.e (s. Wiedergänger). Das Volk denkt eigentlich selten über die Ursache des T.es im allgemeinen. Die primitive Vorstellung, daß der T. nicht absolut notwendig sei, hat sich nicht erhalten. Entweder hält man sich an die Erklärung der Bibel oder an irgend eine wissenschaftliche Deutung. 4) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 98; A l p e n b u r g Tirol 370. 5) S c h ö n b a c h Berthold. υ. Regensb. 34f. e ) Z . B . J a h n Pommern 1 6 1 ; P a n z e r Beitrag 2, 7 4 Ì ; H ö h n Tod 394; B F . 2, 336; Stall Zauberglaube 1 9 1 ; L i e b r e c h t Z. Votksk. 345; Z f V k . i, 1 5 1 Ì ; Urquell 2, 9 1 ; H e m p l e r Psychologie 21. ') S A V k . 21, 196. 8 ) E i s e l Voigtland 2ogf. ·) M e i c h e Sagen 424; B a a d e r NSagen 100; vgl. K ü h n a u Sagen ι , 269 10 ) K n o o p Hinterpommern 33. 1 1 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 104. l a ) S a r t o r i 3, 131. " ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 280. 14 ) ZrwVk. 1906, 300.

3. Viel wichtiger ist die A r t des einz e l n e n T o d e s f a l l s . Man achtet darauf, ob einer schmerzhaft oder „schön" stirbt, ob der T. erwartet oder unerwartet und ob rechtzeitig oder vorzeitig eintritt (vgl. sterben). Man sucht Gründe, warum jemand schwer stirbt, man fürchtet die Rückkehr plötzlich Verstorbener oder Verunglückter, und es herrscht noch mancherorts die Vorstellung, daß Wöchnerinnen oder junge Leute zu früh verstorben seien und noch umgehen müssen. Es ist nicht nur die verständliche Angst vor einem frühen T. oder einem unvorbereiteten Sterben, die aus solchen Anschauungen spricht, sondern wir haben hierin noch die Reste einer älteren Auffassung vom T., die wir deutlich bei Primitiven erkennen. Ursprünglich betrachtete man jede Todesart (mit Ausnahme der aus Altersschwäche) als gew a l t s a m , folglich als v o r z e i t i g und darum als „ s c h 1 e c h t". Man glaubt, daß andere Menschen den T. durch Zauber verursacht haben, oder daß Geister daran Schuld sind (die Seele geholt haben). Darum muß der Schuldige gesucht und

973

Tod

bestraft werden; man fragt auch den Toten selbst darnach, oder der Tote zeigt es ungefragt an 1 S ). Mit der Zeit werden dann nur noch bestimmte Todesarten als gewaltsam betrachtet, so der T. durch Unglücksfall, durch den Blitz, durch Selbstmord oder durch Verbrechen, wobei man immer noch die Feindschaft eines Menschen oder eines höheren Wesens als Ursache annehmen konnte 1 6 ). Nicht überall werden dieselben Klassen von Toten auf diese Art von den übrigen abgesondert, und wir können nicht immer erkennen, ob die Gründe, die für die Sonderbehandlung solcher Toten angegeben werden, die ursprünglichen sind. Manchmal sind den Toten je nach der Todesart verschiedene Orte im Jenseits bestimmt 1 7 ) (s. Totenreich), manchmal werden ihnen ausdrücklich bessere oder schlechtere Orte zugewiesen 1 8 ), sie werden ohne Ehren begraben, und man fürchtet sie als bösartige Wiedergänger 1 9 ) Je nach den Vorstellungen, die man sich über Todesart oder -Ursache macht, sind die Begräbnisriten, die Begräbnisorte und die Anschauungen über das Schicksal des Toten im Jenseits verschieden. Bei den Batak ζ. B . gilt der T. einer Frau im Wochenbett als höchst entehrend, weil ihr Tondi sich weigert, ein Kind anzunehmen 20 ; bei den Eskimos dagegen kommen verstorbene Wöchnerinnen in die „obere, glücklichere Welt" 2 1 ). Diese besonderen Todesarten werden oft als „schlecht" bezeichnet, damit ist aber gar nicht immer gesagt, daß dem Toten selbst irgend eine Schuld zugeschoben werden soll. Allerdmgs kann es leicht dazu führen, daß man in einer Beleidigung der Götter oder in einer Sünde den Grund findet. Wenn die Vorstellung von der gewalt samen, durch Zauber verursachten Todesart schwindet, so kann die Idee vom „ v o r z e i t i g e n " Tod auftreten, ohne daß dabei über den Grund nachgedacht würde. Zu diesen zu früh Verstorbenen werden auch wieder Verunglückte, Hingerichtete, Wöchnerinnen, aber auch Kinder und junge Leute gehören, und es kann sich die Vorstellung bilden daß diesen Toten noch ein gewisses Quantum Lebenskraft ge-

974

blieben sei und daß sie darum umgehen müssen. Manche Fälle könnten auch so erklärt werden, daß Leute, die in einem besonders „machterfüllten' ' Zustand sterben (Wöchnerinnen, Krieger) von dieser Eigenschaft auch nach dem Tode noch etwas behalten 22 ). Auch im Glauben der Antike finden wir den Einfluß der Todesart auf das Schicksal des Toten: neben den Unbegrabenen (άταφοι) sind es die eines frühzeitigen oder gewaltsamen T.es Verstorbenen (άωροι und βιαιοθάνατοι), die nach dem T.e keine Ruhe finden 23 ) ; ihre Seele hat kurz vor und nach dem T.e die K r a f t der Wahrsagung 24 ). In der Antike finden wir auch schon den Glauben an die dem Menschen zugemessene Lebenszeit, die P r ä d e s t i nation: die vorzeitig Verstorbenen müssen umgehen bis zu der Zeit, da sie hätten sterben sollen 26 ). Derselbe Gedanke findet sich aber auch bei denLoangoNegern: frühzeitig oder gewaltsam Gestorbene müssen mindestens so lang umgehen, wie ihr irdisches Dasein gedauert haben würde 2 8 ). Und im Christentum wurde dieser Glaube gestützt durch die Stelle Psalm 90, 1 0 („Unser Leben währet 70 J a h r e " ) . Andere Bibelstellen wieder lassen einen plötzlichen und vorzeitigen T. als Strafe Gottes erscheinen (4 Mos. 2 3 , 1 0 ; 2, 23, 26; ι , 38, 7 ) 2 7 ) Außerdem nimmt ein plötzlicher T. die Möglichkeit, sich durch kirchliche Mittel vorbereiten zu lassen. Den Glauben an diese vorausbestimmte Lebenszeit finden wir bis heute lebendig. Geiler v. Kaisersberg kannte ihn. „die vor den Zeiten sterben, ee den daz inen Got het uffgesetzet die müssen also lang nach irem todt laufen, bis das zil kumpt, das inen Got gesetzL h a t " 28 ). Dies wird auch in neuerer Zeit /on Selbstmördern, Ertrunkenen und Verunglückten gemeldet 2 9 ). So laufen im neueren Aberglauben über die ν rzeitig Verstorbenen verschiedene Vorstellungen durcheinander : es kann noch gewaltsamer T. sein, sei es durch Zauber, seis durch Unfall oder Verbrechen ; auch der Selbstmord gehört m diese

975

Tod

Klasse. Oder aber es ist vorzeitiger T., ohne daß dem Toten selbst oder einem andern eine Schuld zugeschrieben wird, also schlimmes Schicksal. Alle diese Toten aber sind ungern aus dem Leben geschieden und können sich nur schwer vom Diesseits trennen. Nach einer Erklärung sei in ihnen noch mehr Lebensenergie zurückgeblieben als bei abgezehrten oder ganz alten Menschenso). Nach älterem Glauben fahren solche Tote im Wilden Heere mit 3 1 ). Bei den Russen werden solche „unreine Leichen" abseits und ohne kirchliche Zeremonien begraben. Man fürchtet, daß ihr Begräbnis den „Zorn der Erde" errege, der sich in Kälte, Frost oder Dürre zeige 82 ). Ein plötzlicher, „unnatürlicher" T. wird gefürchtet; man glaubt, er treffe besonders die Freimaurer, die der Teufel hole 33 ). Weil er dem Menschen keine Zeit zur Vorbereitung läßt, sucht man sich durch Gebete dagegen zu sichern (s. Christophorus 2, 69!) 34). Fast immer werden diese Todesarten als ein Unglück betrachtet, und diese Toten müssen umgehen, so die Selbstmörder (s. d.), die Wöchnerinnen (s. Leichenkleidung), die Krieger 36 ), Ermordete und Hingerichtete 3e) ; ungetauft Verstorbene werden Irrlichter 37 ), oder sie kommen in den Frau-Holda-Reigen 38). Selten werden solche Todesarten als gut betrachtet. In Böhmen heißt es, wen der Blitz erschlägt, wird selig 39). Von „Mund auf in Himmel" kommen kleine Kinder, die bald nach der Taufe sterben (also nicht ungetaufte!), Mütter, die bei der Geburt oder innerhalb der Wochen sterben, Soldaten, die im Kampf fallen und Büßer, die nach Rom pilgern und, nachdem sie vom Papst Absolution und Kommunion empfangen haben, tot zusammenstürzen40). Man erkennt, wie hierbei die Vorbereitung (durch Taufe oder Kommunion) eine wichtige Rolle spielt. 15

) E R E . 4, 412ff.; S c h e r k e Primitive iöoff.; Globus 89, 281; 72, 22. 4 1 ; RTrp. 15, 329; ZfEthn. 32, 4 1 5 ; B F . 3, 73f.; L é v y - B r u h l Mentalité prim. 52Í. 65f. ; A R w . 7, 241. 1β ) E R E . 4, 4igf.; J o b b é Les morts malfaisants 593. " ) A R w . 12, 1 4 1 . 454; 17, 595. 1 8 ) W e s t e r m a r c k Urspr. d. Moralbegr. 2, 6 1 1 (Eskimo).

976

1B

) A R w . 18, 306f. 339; W a r n e c k Rei. d. Batak 1 5 ; Arch. f. Anthr. N F . 12, 193; ZfEthn. 50, 96; M o g k Verh. Sächs. Ak. phil. hist. Kl. Bd. 81, H. ι. 20 ) W a r n e c k a.a.O. 2 1 ) W e s t e r m a r c k XJrspr. d. Moralbegr. 2, 6 1 1 . 22 ) S ö d e r b l o m Werden d. Gottesglaubens 7 3 f . 23 ) N o r d e n Aeneis u f f . ; R o h d e Psyche 2, 8 3 ! ; J o b b é Les morts malfaisants 3 8 2 f f ; E i t r e m Opferritus 290. 2 4 ) N o r d e n Aeneis 4 1 . Ebd. 1 1 ; S t ö b e r Z . Gesch. d. Volksabergl. 2 1 . 2β ) P e c h u ë l - L o e s c h e I I I . 2, 226. 305; vgl. W u n d t 2 Völkerpsych. 5, 1 7 5 . ' ) R G G . 5, 1249. 2S ) W o l f Beitr. 2, 1 5 3 . 29 ) L ü t o l f 1 7 2 ; S V k . 7, 76; M ü l l e r Uri i, 7 2 ; S o o d e r Rohrbach 5 8 ; MschlesVk. io, 2 1 ; Z i n g e r l e Tirol 5 3 ; K n o o p Hinterpommern 1 6 7 ; ZfdMyth. 3, 30; Mélusine 2, 2 5 3 ; P a u l i Schimpf u. Ernst Nr. 656; vgl. R T r p . 1 3 , 582 f. 30 ) HessBl. 6, 31 107. ) E . H. M e y e r Germ. Myth. 240; H e l m Religg. 1, 262Í. 3 2 ) Z e l e n i n Russ. Vk. 3 2 7 0 . ; L ö w e n s t i m m Abergl. l o i f . 3 3 ) MSchlesVk. 1 3 / 1 4 , 240; S t r a c k e r j a n 2, 2 1 5 . 34 ) 6. u. 7. B . Mosis 6. 3 5 ) W a i b e l u F l a m m 2, 60; S é b i l l o t Folk-Lore 4, 309; vgl. N o r d e n Aeneis 1 2 ; ZfEthn. 30, 352. 3 5 4 ; Globus 76, 63. J o b b é Les morts malfaisants 5 9 l f . ; A R w . 1 2 , 4 1 0 ; 22, 59. 3 7 ) Z. B. S c h e l l BergS. 304; Gassner Meettersdorf 14; 3e ) W i l l s t o c k Siebenb. 60. »·) W u t t k e 197. 40 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 124.

4. Der Tod als Person. Die Veranlassung, den T. als Person darzustellen, konnte von verschiedenen Seiten ausgehen : von der bildenden Kunst, von der Erzählung (Sage und Märchen) und vom Brauchtum (Todaustragen). Man muß unter scheiden zwischen den wirklich körperhaft dargestellten Gestalten (in Kunst und Brauch) und den nur in Worten geschilderten, die mannigfaltiger aber auch oft undeutlicher oder verschwommener sind ; manchmal handelt es sich auch nur um bildliche Ausdrücke in Redensarten. Bei der ersten Art werden wir eine Tradition annehmen müssen, die bis ins Altertum zurückreichen kann (z.B. Sensenmann). Sehr fraglich ist es dagegen, ob sich in Gestalten der Erzählung Erinnerungen an germanische Mythen (Hei, Wodan) erhalten haben 41 ). Recht verschiedenartig ist die Gestalt des T.es in sagenhaften Berichten. Oft sieht er aus wie ein gewöhnlicher Mensch, ohne daß besondere Kennzeichen genannt werden. Man hört ihn nur klopfen 42 ), er lehnt an der Treppe und wird weggewiesen 43 ), er tritt als harmloser Reise-

977

Tod

begleiter auf 4 4 ). Er wird einfach als ein gewöhnlicher Mensch geschildert 45 ). Als Besonderheit wird etwa die weiße Kleidung hervorgehoben 46 ) ; weiß gefärbt ist die Gestalt auch beim Todaustragen 47 ). Daneben werden vereinzelt andere Formen genannt 4S) : ein Mohr mit Sense oder ein schwarzer Engel 49 ), Taube, geblümte rote Maus, kleiner schwarzer Mann 50 ), buckliges, weißes oder fahles Männchen 51 ), weiße Katze 5 2 ). Am häufigsten als bildliche Darstellung ist der T. als G e r i p p e (s. d.), sie ist hervorgegangen aus der Gleichsetzung des T.es mit dem Toten, öfters erscheint der T. als S c h n i t t e r , als langer, hagerer oder kleiner buckliger Mann, als Reiter, im weißen Hemde mit einer Sense 53 ). Manchmal ist es ein Paar, T. und Tödin, die mit Sense und Rechen ins Land kommen ; dies deutet dann auf ein großes Sterben 54 ). Die Sense als Attribut des T.es stammt wohl schon aus der Antike her; in der Renaissance wurden auch Züge von Kronos übernommen 55 ). Ferner erscheint der Tod als R e i t e r , auf einem Schimmel 5e), auf einem dreibeinigen Pferd oder als solches 57 ), oder man hört nur Pferdegetrappel 58 ). Auch diese Gestalt ist schon alt (Apokalypse) 59 ) und geht vielleicht auf einen Todesdämon in Pferdegestalt zurück ·°). Die allegorischen Darstellungen des Mittelalters, der T. als J ä g e r 61) u. ä. sind wohl nie recht volkstümlich geworden®2). Als S p i e l m a n n taucht der T. vereinzelt in Sagen auf 6 3 ). In den Märchen finden wir den T. als Person in der weit verbreiteten Geschichte von der Überlistung des T.es e4 ) und als Gevatter T. ®5). Er tritt meist ohne besonders kennzeichnende Merkmale in der Gestalt eines Menschen auf. Der T. als Person findet sich auch in manchen Umschreibungen und Redensarten. In Siebenbürgen werden Ausdrücke wie Kaltmacher, Streckfuß, Brotsparer u. a. verwendet ββ). In der Redensart „der ist gut nach dem T. zu schicken" u.a. finden wir dieselbe Auffassung 67 ). Etwas rätselhaft erscheint der Name Alahirzi für den T. und die Deutung, die Rochholz gibt 88 ). Die Ausdrücke ,,er

978

sieht aus wie der T. von Ypern", oder ähnliche, gehen wohl auf bildliche Darstellungen zurück 6e). Weit verbreitet ist die Redensart „der T. geht vorüber" oder „über mein Grab", wenns einen schaudert 70) ; es wird auch so gedeutet, daß jeden Menschen ein Schauder überfalle, wenn er an die Stelle seines künftigen T.es komme 71 ). Eine weibliche Gestalt, die T ö d i n , finden wir hauptsächlich auf slavischem Boden (Smrt u. ähnlich genannt). Der T. ist in den slavischen wie auch den romanischen Sprachen ein Femininum, darum wird er hier auch als Weib dargestellt 72). Sie erscheint meist als weiße Frau, oft mit grünen Augen 73). Auch im Brauch des T.austragens wird sie weiblich dargestellt 74 ). In Kärnten wird die Tödin als großes häßliches Weib geschildert, das die Frauen schreckt, wenn sie am Sonntag oder im Mondschein waschen 75). Daß T. und Tödin als Paar auftreten, haben wir oben schon erwähnt. Die Gestalt des T o d e s e n g e l s scheint aus dem jüdischen Glauben übernommen zu sein 7e) ; als böser Engel findet er sich schon bei Paulus Diaconus 77 ). Heute ist er wohl besonders im Kinderglauben lebendig 78). J. P. Hebel hat in seinem Gedicht „Der Geisterbesuch auf dem Feldberg" aus dem Sensenmann und dem Todesengel eine eigene neue Gestalt geschaffen. 4 1 ) V e r n a l e k e n Mythen 6 5 S . 89. 42 ) K ü h n a u Sagen 2, 534; v g l . Rockenphilos. 839. 43 ) K ü h n a u 2, 535. 44 ) E b d . 2 , 5 3 1 . 5 2 3 = Urquell 2, 66. 45 ) K u h n Mark. Sagen I 3 8 f . ; R e u s c h Samland 46; Z f V k . 20, 395; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 102. 4e ) V e r n a l e k e n Myth. 81 f. 280; M S c h l e s V k . 15, 202. ") Sartori 48 ) 4S ) 3, 1 3 1 . Urquell 2, 90. Schuller Progr. v . Schässb. 1863. 1, 5 f . ; Müller w) Siebenb. 63t. G a s s n e r Mettersdorf 82. 51) Vernaleken Mythen 68; Peuckert Schlesien 227; K ü h n a u Sagen 2, 522. 529. 533. M ) P e u c k e r t Schlesien 84t. δ3 ) M e i c h e Sagen 1 5 2 ; V e r n a l e k e n Mythen 69. 280. 282; B a u m g a r t e n A.d. Heimat 3, 102; S c h u l l e r Progr. v . Schässb. 1863. 1. 1 0 ; K ü h n a u Sagen 2, 235 ; v g l . S c h w e n c k Myth. Slav. 220. ®4) L ü t o l f 1 1 4 ; G r a b e r Kärnten 1 9 5 ; A l p e n b u r g Tirol 3 4 7 ; M ü l l e r Uri 1, 54. 65 ) G. B u c h h e i t Der Totentanz (1926) 8 g f . ; B u r d a c h Ackermann 1, 2 4 4 ^ ; S c h w e M) b e l Tod 2 1 1 . E i s e l Voigtl. 1 2 ; S V k . 1, 19; vgl. S c h m i d t Volksl. d. Neugriechen δ7 ) 225ft. G r i m m Myth. 2, 704; M ü l l e n -

979

Tod

58 h o f f Sagen 2 4 4 f . ) M ü l l e r Siebenb. 35. 5e ) W . S t a m m l e r Die Totentänze (1922) 18. eo ) Ib. arch. Instit. 29, 200f. e l ) Z f V k . 1 3 , 2 5 7 f f . 368ff. M ) S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863. I, 8; vgl. B u c h h e i t Der Totentanz «6ff. e 3 ) K u n z e Suhler S. 1 0 ; V e r n a l e k e n Mythen 7 5 ; S c h w e b e l Tod 182t. e4 ) B o l t e P o l i v k a 2, i 8 8 f . « 5 ) Ebd. 1, 3 7 7 0 . ββ) S c h u l l e r Progr. v . Schässb. 1863, 1 1 . · ' ) G r i m m Myth. 2, 700; K n o o p Hinterpommern V I I ; Z f V k . 6, 2 H . e8 ) R o c h h o l z Sagen 2, i89ff. *') M e n s i n g Schlesw.Holst. Wb. 1, 7 4 7 ; Fränk. Schatzgr. 3, 3 9 f . ; L a m m e r t 97. 70 ) K ö h l e r Voigtl. 3 9 7 ; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 99; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 28; H e y l Tirol 7 8 3 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 288; G r i m m Myth. 3, 4 7 3 ; M e n s i n g Schlesw.Holst. Wb. ι , 7 4 7 ; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 71 2, 9 7 ; L e B r a z Légende ι, 1 1 . ) Klingner 72 Luther 12. ) Döring-Hirsch 101. " ) ZföVk. 4, 1 5 0 ; S u d d Z f V k . 5, 1 2 4 ; Z f V k . 1, 1 5 5 . i ö 2 f . ; 1 3 , 260; 22, 1 5 7 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 2 8 5 ; G r o h m a n n 6, 1 8 6 ; H a u p t Lausitz ι, 1 0 ; W u t t k e Sachs. Vk. 3 7 9 ; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 9 ; ZfdMyth. ι, 260; 3, 1 1 3 ; K i i h n a u Sagen 2, 5 1 8 . 5 z 8 f . 5 3 2 . 7 4 ) J o h n Westböhmen 5 4 ; K ü h n a u Sagen 2, 5 1 7 t . 528. 76 ) G r a b e r Kärnten 1 9 5 ! 7e ) B u c h h e i t Der Totentanz 85; B u x t o r f Judenschul 6 1 3 ; Z f V k . 18, 3 6 3 ; S e l i g m a n n 2, 149. " ) Langobardengesch. V I , 5. 7 8 ) WienZ f V k . 34, 68.

5. Wie beim Sterben (s. d. u. Sterbender), so werden auch unmittelbar nach dem T o d e s e i n t r i t t bestimmte Handlungen vorgenommen, die aus zwei Beweggründen herzuleiten sind: Sorge für den Toten (die Seele) und Sorge fü, die Überlebenden. Verschiedene von diesen Bräuchen werden auch nachher oder wieder nachher, z. B. beim Leichenzug (s. d.) ausgeübt. Ich fasse hier alles das zusammen, was ausdrücklich unmittelbar nach Eintritt des T.es vorgenommen werden soll. Die beiden Motive lassen sich nicht scharf trennen; denn hinter der Sorge für den Toten kann auch die Angst vor dem Toten versteckt sein Lautes K l a g e n wird im allgemeinen vermieden (s. Tote) ; man soll den Toten nicht aufschreien; denn wen der Herrgott abgerufen hat, den soll man nicht zurückverlangen 79), lautet die christliche Erklärung. Auf rom nischem Gebiet kommt dagegen das Klagen und Rufen noch vor 80 ). Wenn ein Papst gestorben ist, so ruft ihn der Kardinal-Kämmerling dreimal laut mit seinem Tauf- und Geschlechts-

980

namen und läßt dann den T. feststellen81). Noch sonderbarere Sitten werden im 18. Jh. aus Korsika berichtet: wenn ein Mann stirbt, reißen die Weiber den Toten aus dem Bett und prellen ihn eine halbe Stunde lang in die Höhe; außerdem wird noch die Witwe geprügelt82). Das läßt sich nur mit primitiven Gebräuchen vergleichen 83). Wie wir beim Sterben schon gesehen haben, ist es das Bestreben der Angehörigen, dem Sterbenden und dem Gestorbenen den Abschied möglichst zu erleichtern. Dazu gehören auch das F e n s t e r ö f f n e n und ähnliche Handlungen. Uberall wird berichtet, daß man beim Sterben oder sofort nach Eint: itt des Todes ein Fenster öffnen müsse, und als Grund wird fast immer hinzugefügt, damit die Seele hinausfliegen könne 84) ; diese stellt man sich etwa in Gestalt eines weißen Vögeleins vor 85). Wird das Fenster nicht geöffnet, so zerspringt eine Scheibe 8e), oder es ist am andern Morgen eine Rauchwolke im Zimmer 87 ). Es muß noch ein weißes Tüchlein aufs Fensterbrett gelegt werden, damit die Seele drauf ausruhen kann 88). In besondern Fällen muß für Wiedergänger ein Fenster dauernd offen stehen 89 ). In Belgien heißt es, es sei ein Todesvorzeichen, wenn der Kranke verlangt, daß ein Fenster geöffnet werde 90). In Kärnten mußten beim Tod einer Hexe alle Fenster aufgerissen werden 91 ). Früher glaubte man auch, man könne Gespenster zum Fenster hinaus jagen 92 ). Oft wird auch vorgeschrieben, Fenster und Türe oder nur diese zu öffnen 93 ). Oder es wird auf dem Dach eine Öffnung für die ausfahrende Seele gemacht, indem ein Ziegel oder eine Dachplatte gehoben wird 94 ), oder die Ofenklappe muß zu diesem Zweck geöffnet werden 95). Seltener wird gesagt, daß Fenster oder Türen nicht geöffnet, oder aber gleich wieder geschlossen werden sollen ; als Grund wird etwa angegeben, der Tote gehe dann nicht so schnell m Verwesung über 9β), oder es geschehe, damit der Tote keine Sehnsucht nach der Heimat bekomme 97 ), oder damit der Teufel keinen Zutritt habe 98).

Tod

Eine weitere Maßnahme, die meist unmittelbar nach Todeseintritt getroffen wird, ist das Verhängen des Spiegels. Oft wird kein Grund angegeben, es heißt einfach· der Spiegel, auch Bilder, werden verhängt oder umgedreht99) ; oder es wird alles Glänzende und Rote im Haus verhängt 10°). Manchmal werden Gründe genannt: wenn eine Leiche sich spiegelt, folgt ein weiterer Todesfall 101 ) ; oder wenn man den Spiegel nicht verdecke, erscheine der Tote als Geist 102 ), der Teufel schaue hinein 103), der Spiegel sterbe ab 1M ), die Leiche sehe beim Hinaustragen darein 105). Frazer erklärt es damit, daß der weggehende Tode das Bild eines Lebenden {d. h. dessen Seele) mitnehmen könnte loe ). Ferner soll bei Eintritt des T.es die Uhr angehalten werden 107 ), wenn sie nicht gar von selbst still steht 108 ). Als Gì und wird angegeben: der Tote finde sonst seine Ruhe nicht 109 ), der Verstorbene habe das Zeitliche verlassen 110 ), die Uhr gehe sonst nicht mehr genau m ) , die Seele solle im Jenseits nicht aufgehalten werden 1 1 2 ) oder nüchtern : man vergesse in der Verwirrung sonst die Zeit des Todes festzustellen 113 ) Eine ganze Reihe von Handlungen, die beim Todeseintritt vorgenommen werden, entspringen der Furcht der Hinterbliebenen, daß der T. um sich greifen könnte, und daß man Menschen, Tiere und Gegenstände von dieser Gefahr bewahren müsse, sonst „nimmt sie der Tote mit", oder sie sterben ab, wie etwa die Begründung lautet. Es liegen also zwei verschiedene Vorstellungen — wenn auch meist unklar — zugrunde: entweder die Furcht vor einem Umsichgreifen des „Todes" wie bei einer ansteckenden Krankheit, oder der Glaube, daß der Tote etwas mitnehme, dies besonders deutlich, wenn es sich um persönliches Eigentum handelt, oder wenn die Handlungen nur beim T.e von Hausherrn oder frau vorgenommen werden. Als Hauptabwehrmittel gelten Bewegen, Rücken, Klopfen, also alles eigentlich „Lebenszeichen", ein weiteres Mittel ist die formelle Anzeige (s u.). Ganz selten finden wir den LLrm al Abwehrmittel; er ist im Gegenteil oft

982

ausdrücklich verboten 1W ). Dagegen wird vorgeschrieben, man müsse mit einem Hammer, einer Axt oder einem Prügel an die 4 Hausecken schlagen 1 1 5 ). Häufiger ist die Vorschrift, daß bei einem Todesfall die schlafenden Menschen im Hause, besonders die Kinder 11β ), geweckt werden müssen 117 ), sonst sterben sie dem Toten bald nach 118 ), oder bekommen Schlafsucht 119 ), oder verfallen in einen Todesschlaf 120 ). Ferner muß das Vieh im Stall geweckt, aufgejagt oder losgebunden werden 121 ), die Pferde müssen in einen andern Stall gebracht und dort 5 Stunden gelassen werden 122 ) ; das Vieh muß recht satt gefüttert und stehend erhalten werden 123 ), sonst wird es krank oder stirbt. Diese Gefahr ist oft unabwendbar: es heißt, wenn jemand im Hause stirbt (besonders der Hausvater), so wird bald, oder in demselben Jahr, ein Stück Vieh (oder die Kälber) sterben 124 ). Die B i e n e n s t ö c k e müssen gerückt oder gehoben werden, oder man klopft daran, sonst gehen die Bienen zugrunde125). Es heißt auch, von einem Toten soll man keine Bienen kaufen 12β ). (Meistens ist dieses Wecken der Tiere mit einer Anzeige des Todesfalls verbunden, s. T. ansagen, oder es werden den Tieren Trauerzeichen angehängt (s. Trauer).) Auch Vögel im Zimmer müssen geweckt, oder der Käfig muß gerückt werden 127 ). Singvögel, Hunde oder Katzen, die dem Verstorbenen gehörten, müssen gleich aus dem Hause weggegeben werden, sonst sterben sie nach 128 ). Ebenso müssen die B l u m e n s t ö c k e gerückt, verstellt oder aus dem Zimmer gebracht werden, damit sie nicht absterben 129) ; um die Obstbäume muß man ein Band binden 130 ). Wenn der Hausvater stirbt, können Bäume oder Pflanzen absterben 131 ). Kartoffeln müssen umgeschaufelt 132 ), Saatfrucht und Sämereien umgerührt oder weggeschafft werden 133 ). Den Leinsamen soll man rütteln, verkaufen oder dem Toten einige Körnlein in den Sarg geben, damit das nächste Jahr dei Flachs gerate 134 ) ; eine alte Vorschrift (15. Jh.) sagt, man müsse für ein Ei

9§3

Tod

neuen Lein dazukaufen; auch dürfe man den Lein nicht durch die Tür des Gestorbenen, sondern durch die Hintertür auf den Acker tragen 135 ). Diese Vorschriften werden auch auf andere N a h r u n g s m i t t e l ausgedehnt: das Mehl muß gerückt oder gerührt werden 13e), ebenso die Milchhäfen137), Kraut- und Rübenstande 138 ), überhaupt alles Eßbare 139 ). Brot, Eier, Sauerteig und auch der Backkübel werden gerückt 140 ). Bier, Essig und Wein werden geschüttelt, oder man klopft an die Fässer, oder man muß ein wenig Flüssigkeit aus dem Faß ablassen141 ). Schließlich wird sogar geboten, daß alle Möbel und Geräte gerückt werden müssen 142). Als Gründe werden angegeben: damit die Seele ungehindert entweichen könne 143 ), daß der Tote nicht umkehre, daß ihm niemand folge, oder das der Holzwurm nicht in die Möbel komme 144). Manchmal betrifft es nur die Möbel, die zum Toten in engerer Beziehung standen (sein Stuhl) 145 ). Wenn Töpfe und andere Gefäße umgestürzt werden müssen, wird als Grund angegeben, die Seele könne sich sonst drin verfangen 14e). Und weil die Seele durchs Wasser gehe, soll alles Wasser, das im Hause ist, ausgegossen werden 147 ). »») H m t K . 40, 85f. »») R T r p . 1 1 , 589; S A V k . 18, 163; P i t r è Usi 2, 208; v g l . 81) P a u l y - W i s s o w a 3, 347f. Celander Ausführliche Beschreibung derjenigen Cere82 ) monien... E r f u r t 1730, 27. Kriinitz Encycl. 73,334f- = Sitten, Gebr. u. Narrh. 279!. 8 3 ) S c h e r k e Primitive 31 f. 8 1 ) Bern, Thurgau, A a r g a u , Unterwaiden, Graubünden, schriftl., S A V k . 24, 63; M a n z Sargans 127; H e e r Altglarn.Heid.ent. 271 ; G r i m m M y i i . 3 , 457; H ö h n Tod 3 1 6 ; L i e b r e c h t ZVk. 3 7 i f . ; M e y e r Baden 269. 582; D H m t . 4, 2; K u h n Mark. S. 367; W o l f Beitr. 2 1 4 ; K ö h l e r Voigtl. 2 5 1 ; Z f V k . 13, 389; 8, 397; 22; 158; Ii, 435; K u h n Westf. 2, 47; Z r w V k . 2, 195; 8, 153; H o o p s Sassen 1 1 6 ; HessBll. 6, 100; 15, 129: Z f ö s t V k . 8, 33; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 107; W i t z s c h e l Thüringen 2, 253; B a varia 2, 322; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 110; S c h ö n w e r t h 1, 242; R o c h h o l z Glaube ι , 146; Z f d M y t h . 4, 4; U n o t h m f ; W l i s l o c k i Siebenb. 34; H e s e m a n n Ravensb. 88f.; K o l b e Hessen 77; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 40; V e r n a l e k e n Alpensagen 400; P o l l i n g e r Landshut 297; A R w . 14, 3 1 5 ; R T r p . 14, 245; V o l k s k u n d e 13, 9 1 ; Urquell 2, 208; B r ü c k n e r Reuss 194; F o g e l Penn-

984 sylvania 134; K e l l e r Grab 3, 56. 73. 85 ) K ü h n a u Sagen 1, Nr. 586. 8e ) D r e c h s l e r Schles. ι , 291. 87 ) M e i e r Schwaben 2, 489. 88) Z f V k . 6, 408; vgl. M e y e r Baden 582. 8e ) R o c h h o l z Glaube 1 , 1 7 2 90) Bull. Folkl. 2, 333. 9 1 ) G r a b e r Kärnten 216. 82 ) L a v a t e r Von Gespänsten (1569) 1 2 1 b . 93 ) L e m k e Ostpr. 3, 49; Z i n g e r l e Tirol 49; J o h n Erzgeb. 120; G a s s n e r Mettersdorf 83; W i e n Z f V k . 33, 59; T r o e l s L u n d 14, 96; W i r t h Beitr. 2/3, 52; A R w . 17, 481; H ö h n Tod 316; H m t K . 40, 85; K u h n Westf. 2, 48; B d b ö h m V k . 13, i n ; vgl. E R E 94 ) 4, 415. B i r l i n g e r ASchw. 1, 395; M e y e r Baden 582; M e y e r DVk. 59; K o h l r u s c h Sagen 296; F L . 18, 370 (Jutland); S A V k . 6, 48; v g l . A R w . 17, 480. 95 ) R o s é n Död 4; Z e l e n i n RussVk. 320. ββ ) T h u r g a u mdl. ; H ö h n Tod 316. 97 ) K o l b e Hessen 77; vgl. K ü c k Lüneb. 263; B F . 2,345. 9 8 ) H ö h n Tod 3 1 5 ; v g l . M ü l l e r Isergeb. 24. " ) MschlesV k . 9, 80; M s ä c h s V k . 2, 24; Z f V k . 19, 274; S t r a c k e r j a n 2, 2 1 5 ; J o h n Westböhmen 1 6 7 ; Schulenburg Wend. Volkst. 237; C a m i n a d a Friedhöfe 136; Bern, Basel, Graubünden schriftl.; Z f ö V k . 7, 122; A R w . 1 7 , 4 1 8 ; B F . 2, 346; Volkskunde 17, 129; 13, 9 1 ; G r i m m Myth. 3, 485; H m t K . 33, 255; Urquell 1, 10; Z r w V k . 20/21, 43; Volksleven 8, 224; 12, 97; H ö r m a n n Volksleben 425; F l a c h s Rumänen 47; B r a n d Pop. Antiq. 2, 232; T e t z n e r Slaven 375; F o g e l Pennsylv. I34f.; vgl. F r a z e r 2, 95. 10°) \ V u t t k e 4 5 9 . 1 0 1 ) D r e c h s l e r Schles. ι , 291; T o e p p e n Masuren 106; Z f ö V k . 3, 1 1 8 ; 8, 33; B a r t s c h Mecklenb. 2, 8 g f . ; M s ä V k . 6, 252; W i r t h Beitr. 2/3, 5 1 ; F L . 15, 206; B e c k e r Pfalz 142; F o x Saarland 3 7 1 ; H m t K . 40, 86; H o o p s Sassen 1 1 6 ; F o g e l Penns. 136; v g l . MschlesVk. 8, 78. 102 ) T e t z n e r Slaven 375. 103 ) W i e n Z f V k . 34, 67. 104 ) Germania 29, 89. 106 ) P e u c k e r t Schlesien 230; v g l . G r i m m Myth. 3, 492. 10β ) F r a z e r 2, 94L ; S a m t e r Geburt 134L ; v g l . E R E . 4, 415. 1 0 ') W i r t h Beitr. 2/3, 52; H ö r m a n n Volksleben 425; Baumgarten A.d. Heimat 3, 104. 108; T e t z n e r Slaven 375; Graubünden mündl.; M s ä V k . 2, 24; W i t z s c h e l Thüringen 2, 255; Egerl. 10, 183; Z r w V k . 20/21, 43; K o l b e Hessen 77; W r e d e Rhein. Vk. 136; M e y e r Baden 583; MschlesV k . 8, 79; Volksleven 8, 224; 12, 97; B F . 2, 346. 108 ) S t r a c k e r j a n 2, 2 1 5 ; MschlesVk. 9, 80; W i e n Z f V k . 34, 72. 1 M ) Z r w V k . 2, 1 9 5 ; F o x Saarl. 371 ; H ö h n Tod 322 ; W i e n Z f V k . 34, 72. 1 1 0 ) H o o p s Sassen 116. l n ) HessBll. 24, 46. 112)

Baumgarten A.d. Heimat 3, 120. HessBll. 6, 99. 1 1 4 ) M e y e r Baden 583. 1 1 5 ) d e r s . Baden 5 8 3 ! ; HessBll. 24, 48; v g l . lle) S a m t e r Geburt 58ff. Urquell 2, 10; S a r t o r i Westf. 100. 1 1 7 ) Z r w V k . 4, 2 7 2 t . ; S t r a c k e r j a n 2, 215 (nur b e i m T o d e von Hausherr oder H a u s f r a u ) ; H e s s B l l . 24, 46; A R w . 17, 480; v g l . S c h e r k e Primitive 123L 1 1 8 ) Urquell 4, 5 1 ; H ö h n Tod 316. » · ) H e s e m a n n Ravensburg 89; K u h n Westf. 2, 47. 120 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 291; S t r a c k e r 113)

985

Tod ansagen

j a n ι, 67; T e t z n e r Slaven 375; S a r t o r i i, 129. 121 ) M e y e r Baden 5 8 3 ! ; ZrwVk. 4, 272Í.; S t r a c k e r j a n 2, 2x5; B a u m g a r t e n A.d. Heimat 3, 108; K u h n Westf. 2, 47; Bern schriftl.; Alemannia 24, 143; K o l b e Hessen 76; ZföVk. 15, 1 7 1 ; MsächsVk. 2, 45; J o h n Erzgebirge I 2 i f . ; P f i s t e r Hessen 169; W i r t h Beitr. 2/3, 52Í. 122 ) W i t z s c h e l 2. 261, K ö h l e r , Voigtland 441. 123 ) K ö h l e r Voigtland 443; vgl. ZrwVk. 4, 272f. 124 ) W e t t s t e i n Disentís 1 7 3 ; Z i n g e r l e Tirol 49; R e i s e r Allgäu 2, 314. 126 ) S t r a c k e r j a n 2, 2 1 5 ; M e y e r Baden 594; Z i n g e r l e Tirol 49; H ö r m a n n Volksleben 425; Schweizld. 1, 235; SAVk. 10, 279; 13, 182; 12, 154; S c h i l d Orossätti (1863) 124; K e l l e r Grab 5, 323; R e i s e r Allgäu 2, 314; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 3 1 6 ; RTrp. 12, 494. 12β ) Schweizld. ι, 235· 127 ) M e y e r Baden 584; R e i s e r Allgäu 2, 3 1 4 ; ZrwVk. 4, 272Í.; K o l b e Hessen 76; D r e c h s l e r Schlesien 1, 292; K ö h l e r Voigtland 442; H ö h n Tod 324; RTrp. 15, 592; vgl. ZföVk. 3, 118. 12S) P f i s t e r Hessen 169. 129 ) Graubünden, Thurgau, Luzern, Bern schriftl.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 89; W i r t h Beitr. 2/3, 52; HessBll. 6, 100; W i t z s c h e l Thüringen 2, 258; B i r l i n g e r A.Schw. 1, 396; H ö h n Tod 323; W r e d e Rhein. Vk. 136; B ö c k e l Volksl. a. Oberhessen XCI; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 518; S a r t o r i Westf. 100; H o o p s Sassen 1 1 6 ; S c h m i d t Hettingen 16; F o g e l Penns. 1 3 1 ; vgl. P i t r è Usi 2, 232. 13 °) S t r a c k e r j a n 1,68. 131 ) S c h u l e n b u r g WendVth. 236; Schweizld. 6, 1445; vgl. BF. 2, 349- 132 ) HessBll. 24, 48. 133 ) M e y e r Baden 3 8 3 ! ; H ö h n Tod 323^ ; ARw. 17, 480; P f i s t e r Hessen 169; HessBll. 6, 100; 24, 47Í.; BF. 2,349; W i t z s c h e l Thüringen 2, 258. 134) S c h ö n w e r t h 1, 247f. 135) ZfVk. I i , 275. 13e ) H ö h n Tod 323; S c h ö n w e r t h ι , 247t. 137 ) H ö h n Tod 323. 138 ) ZrwVk. 4, 1 2 1 . 1 3 i ) H ö h n Tod 322; K o l b e Hessen 77; 140 M e y e r Baden 583Ì. ) BdböVk. 4, 60; Germania 29, 89; H ö h n Tod 323. 141 ) S c h ö n w e r t h i, 247Í.; Unoth 180. i88f.; R o t h e n b a c h 59Í.; SAVk. 12, 154; SVk. 20, 14; G r i m m Myth. 3, 453f. 458; Meier Schwaben 2, 489; Hör m a n n Volksleben 425; H ö h n Tod 323; F o g e l Penns. 192; HessBll. 15, 130. 142) H ö h n Tod 322; MsächsVk. 6, 252; M ü l h a u s e 76; W i t z s c h e l Thüringen 2, 256; D r e c h s l e r Schlesien 1, 290; vgl. P i t r è Usi 2, 232. 143) D r e c h s l e r 1, 29of. 144) H ö h n Tod 322. 145) J o h n Erzgebirge 1 2 1 ; MsächsVk. 2, 24; vgl. BdböVk. 4, 59. 14β) W i t z s c h e l Thüringen 2, 256; P e u c k e r t Schlesien 230; J o h n Erzgebirge 1 2 1 ; vgl. Volkskunde 13, 9 1 ; ZfVk. I i , 279. 147) W e t t s t e i n Disentís 173; W i r t h Beitr. 2/3, 52; vgl. B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 107. Geiger.

986

richtigt ; nur den nächsten Nachbarn zeigt man es oft noch mündlich an. Bis in die jüngste Zeit aber ist dieser Brauch des T. a.s an manchen Orten noch allein üblich gewesen, und zwar in bestimmten Formen: es ist ein bestimmter Kreis von Leuten, die benachrichtigt werden müssen ; die Nachricht wird durch eine bestimmte Person in traditioneller Formel überbracht, und der oder die Anzeigende erhält eine Gabe. Außerdem aber wird der Tod oft nicht nur den Menschen, sondern auch Tieren, Pflanzen und Gegenständen angesagt. Zudem ist das Ansagen von einer Reihe von Abwehrhandlungen begleitet, und der Ansagende wird mit einer gewissen Vorsicht behandelt, so daß Sartori mit Recht das T. a. mit den Vorsichtsmaßregeln zusammenhält, die beim Eintritt des Todes ergriffen werden (s. o. Tod 5). Man erkennt in einzelnen Fällen noch, daß die Furcht herrscht, der Tod könnte um sich greifen, oder der Tote könnte jemand oder etwas mit sich nehmen. Die Anzeige ist dann eine Art Warnung vor diesen Gefahren, manchmal (ζ. B . bei der Anzeige an die Tiere) ein Zauber, der verhüten soll, daß etwas dem Toten folge. Auch die Nachricht selbst und der sie Überbringende bilden eine Gefahr. Das formelle Ansagen des Todes ist manchmal verbunden mit der Einladung zur Leichenfeier und zum Leichenmahl; an manchen Orten sind diese beiden Zeremonien aber noch getrennt 2 ). Hier kommt nur die Anzeige des Todes in Betracht. Wem w i r d der T o d a n g e z e i g t ? Im allgemeinen werden Verwandte und Bekannte genannt 3 ), vor allem die Nachbarn 4 ), auch der Pfarrer 6 ). Es darf ja niemand aus der Verwandtschaft vergessen werden e ). Sogar den toten Verwandten in den Gräbern wird der Todesfall angezeigt 7 ). Die Anzeige wird meist in einer bestimmten F o r m e l mitgeteilt (wie auch die Einladung zur Leichenfeier) 8 ). In Tod ansagen. Im allgemeinen werden heute Ver- Fordon (Preußen) soll früher üblich gewandte und Bekannte durch gedruckte wesen sein, daß die Leichenfrau im Namen Anzeigen von einem Todesfall benach- des Verstorbenen die Mitteilung machte:

987

Tod ansagen

„der Verstorbene ließe ein Compliment machen und grüßete zuletzt noch viel mal" 8). Bei den Herrenhutern war üblich, einen Todesfall durch Posaunenblasen vom Turm bekannt zu machen 10). Die Anzeige wird durch b e s t i m m t e P e r s o n e n überbracht. Oft gehört es zu den Nachbarpflichten 11 ) ; Angehörige oder Verwandte sind ausdrücklich ausgeschlossen 12) ; die Nachbarn geben die Nachricht weiter 13 ). Man schickt ärmere Leute 14 ), Totengräber 15 ), den Wächter l e ), in Ulm früher ein Mädchen 17 ). Es kommt auch vor, daß dieser „Leichensager" die gedruckten Todesanzeigen austrägt 18 ). In Frankreich gab es früher clocheteurs des trépassés, die unter Schellenläuten in den Straßen den Todesfall ausriefen le ). Sehr häufig ist es Aufgabe einer Frau, die Anzeige zu überbringen: Leichenfrau 20 ), Leichenbitterin 21 ), Totenweib 22 ). Die Bezeichnung L e i c h e n b i t t e r , L e i c h e n b i t t e r i n paßt eigentlich auf diese Person nur, wenn sie „zur Leiche bittet", d. h. zur Beerdigung einlädt. Wie schon oben bemerkt, wird beides (Ansagen und Einladung) oft zugleich und von derselben Person besorgt. Sie ist manchmal eine Art Zeremonienmeister bei der Bestattung, hat verschiedenes zu besorgen und nimmt eine besondere Stelle im Leichenzug ein 23). Die Ansager und Bitter sind an der K l e i d u n g kenntlich. Im Wallis trägt der Weibel, der die Anzeige besorgt, einen schwarzen Mantel über den Arm 24 ) ; im Appenzell trug der Leichenbitter für unerwachsene Verstorbene einen Kittel, für Erwachsene einen langen Rock 2 S ). Der Leichenbitter ist schwarz gekleidet, mit Zylinder und Flor 26 ). Auch die anzeigenden weiblichen Personen tragen ein schwarzes Kleidungsstück (Schürze, Halstuch) 27 ); früher war die Leichenbitterin weiß verschleiert28), sie hatte auf dem Rücken ein langes weißes Tuch29), sie trug ein Tischtuch über dem Arm, oder einen großen Strohhut auf dem Kopf 30 ). Weil die Todesbotschaft selbst wie der Überbringer als eine Gefahr betrachtet werden, so finden wir verschiedene V o r -

988

s i c h t s - und A b w e h r m a ß r e g e l n (es betrifft dies sowohl den eigentlichen Ansager wie auch den, der zur Leichenfeier einlädt). Der Leichlader betritt das Haus nicht, sondern sagt seinen Spruch vor dem Fenster 31 ) ; die Leichbitterin soll die Stube nicht betreten, sonst stirbt bald wieder jemand im Haus 32 ). Die einladende Person soll auch nicht angeredet werden 33 ). Dem, der dem Pfarrer den Tod anzeigt, muß man vorher zwei Becher Wein zu trinken geben; sonst kommt der Tote in der Nacht und richtet den Wein im Keller so zu, daß er keinem Käufer mehr schmeckt 34 ). Auch, daß die anzeigenden Mädchen die Haustür weit aufmachen und nachher offen lassen, gehört wohl zur Abwehr 35). Häufig wird berichtet, daß der Leichenbitter einen Stock bei sich hat, mit dem er an Fenster oder Türen anklopfen muß 36 ). Die Einladende darf das Haus nicht betreten 37 ), oder erst wenn sie mit Gerte, Stab oder Schlüssel angeklopft hat; man grüßt sie nicht, und man antwortet auf das Klopfen nicht mit Herein 38 ). Das Klopfen geschieht auch mit weißem Stöckchen 39 ) oder mit einer Keule 40 ). Die Nachricht selbst bringt Gefahr ; drum muß man sie möglichst rasch weitergeben, da, wo ein Nachbar sie dem andern übermittelt. Man soll die Nachricht nicht über Nacht im Haus behalten ; der Letzte muß sie an einen Baum weitergeben, womöglich an einen hohlen 41 ). In Belgien werden Todesanzeigen, ohne daß man sie mit den Händen berührt, ins Feuer geworfen 42). Als Abwehr gemeint war ursprünglich auch die Gabe, die die ansagende Person erhält. Dies ist sehr oft ein Stück Brot oder andere Nahrungsmittel 43 ). Manchmal ist die Gabe in Geld umgewandelt worden und wird dann als eine Unterstützung der armen Leute, die das Ansagen besorgen, betrachtet 44 ). Seltener kommt vor, daß die Entschädigung in einem Kleidungsstück, oder in all dem, was der Tote beim Verscheiden auf dem Leibe trug, besteht 4S). Eine ganz vereinzelte Art der Einladung wird aus Posen gemeldet : am Tag

989

Tod ansagen

der Beerdigung werde eine kleine Puppe in den Häusern herumgetragen, wodurch zum Begräbnis eingeladen werde 46 ). Nicht nur den Menschen, auch T i e r e n , P f l a n z e n und Gegenständen muß der Todesfall angezeigt werden. Diese Ansage, meist in feststehender Formel, ist oft mit dem Wecken, Auftreiben, Rücken verbunden, das oben erwähnt worden ist (s. Tod 5), und auch hier wird beigefügt, daß die Unterlassung ein „Sterben" der Tiere und Pflanzen nach sich ziehen würde. Oft ist auch die Ansage beschränkt auf den Tod des Hausherrn, und die Tiere sollen erfahren, daß sie einen neuen Herrn haben, d. h. wohl, sie sollen nicht dem alten folgen 47). Der Brauch ist weit verbreitet; er findet sich bei den Litauern 48 ), ja sogar bei den Negern 4e). Dem Vieh im Stall, auch dem Hund und anderen Haustieren wird gemeldet : „Euer Herr ist tot" ^ ; manchmal wird gesagt, wer der neue Herr sei 61 ). Die Anzeige findet oft erst beim Heraustragen der Leiche statt M ). Außerordentlich häufig findet sich die Vorschrift, daß den Bienen der Todesfall, besonders der des Bienenvaters, angezeigt werden müsse, sonst ziehen sie weg, oder sie sterben ab M ). Die Nachricht lautet: Ime, din här es dot; Verlatt mi nitt in miner Not 54 j

(vgl. Trauer). Ferner wird der Tod den Obstbäumen58), dem Flachs, dem Leinsamen, dem Schnittlauch, dem Saatgetreide, sogar den Kornhaufen auf dem Feld und dem Acker angezeigt68). Auch den Weinfässern, dem Essig, dem Brunnenwasser S7), sogar der Uhr, den Geräten und Gebäuden soll angesagt werden 58).

ZrwVk. ι, 3 6 « . *) S a r t o r i 1, 1 4 0 ; K r ü n i t z Encycl. 73, 670Í. ; ZfVk. 19, 27of. 3 ) ZrwVk. 5, 252; Höhn Tod 326; G a s s n e r Mettersdorf 87; ZrwVk. 4, 273; Unterwaiden schriftl.; Leoprechting Lechrain 251. 4 ) ZfVk. ι, 2 1 9 ; ZrwVk. 5, 258; W r e d e 5 Eifel 125. ) M e y e r Baden 589; DHmt. 4, 2 ; ZrwVk. 4, 273; G a s s n e r Mettersdorf 86. ·) Höhn Tod 327. ') D r e c h s l e r Schlesien 8 ι, 291. ) M e y e r Baden 589; G a s s n e r Metlersdorf 86; J ö r g e r Vals 5 3 f f . ; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 250. ») K r ü n i t z Encycl. 73, 10 n 711. ) Ebd. 73, 48of. ) Hesemann Ravensburg 89; K ö h l e r Voigtland 2 5 1 ;

99Ο

ZfVk. 1, 2 1 9 ; Unterwaiden schriftl.; H ö h n Tod 3 2 6 f . ; Volkskunde 1 3 , 92. 1 2 ) Thurgau schriftl.; HessBll. 4, 10; J o h n Erzgeb. 1 2 3 . 13 ) Urquell 1, 10. 1 4 ) Bern, Thurgau schriftl. " ) ZrwVk. 4, 273. 1β ) ZfVk. 6, 1 8 1 . « ) K r ü n i t z Encycl. 75, 670L ; vgl. J e n s e n Nordfries. Inseln 336; ZfVk. 19, 2 7 0 ! 1 8 ) R e i s e r Allgäu 2, 297; vgl. H i r s c h Doodenritueel I 7 f f . l e ) E . H. L a n g l o i s Essai... sur les danses des morts ι (1852), 1 4 9 s . 20) Urquell ι, 10. 3 1 ; D i e n e r Hunsrück 1 8 2 ; Höhn Tod 327; J o h n Erzgeb. 1 2 3 ; R o c h h o l z Glaube 1, 196; Bern schriftl.; Schweizld. 7, 4 2 1 ; SAVk. 4, 304; ZrwVk. 4, 2 7 3 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 3 1 4 ; vgl. ARw. 24, 286. " ) M e y e r Baden 525. 589. 22 ) Bavaria 2, 323. î 3 ) ZrwVk. 1907, 2 8 2 f f . ; 1908, 2 5 2 ; H ö h n Tod 327. 342. 348; S a r t o r i 1, 1 4 7 ; 24 M e y e r Baden 588. ) Wallis schriftlich. 2t ) T o b l e r Appenz. Sprachschatz 298. 2e ) J o h n Erzgeb. 1 2 2 ; ZrwVk. 5, 2 5 5 ; H ö h n Tod 328; vgl. Volkskunde 1 3 , 92; 1 7 , 129. 27 ) SAVk. 19, 4 2 f . ; 18, 1 1 4 ; 4, 304. 2S ) S c h u l t z Alltagsleben 225Í.; vgl. H ö h n Tod 3 4 3 ; F e i l berg Dansk Bondeliv 2, I05f. 2 ·) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 188. 30 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 409. 7 1 1 . 3 1 ) T o b l e r Appenzeller Sprachschatz 298. 32 ) DHmt. 4, 148; J o h n Westb. 166. 3S ) B a r t s c h Mecklenb. 2, 95. 34 ) W i t t s t o c k Siebenb. 6 i f . 25 ) ZfVk. 19, 27of. 3e ) Schweizld. 7, 422; 3, 1 0 6 3 ; E u g ster Herisau 1 7 7 ; Meyer Baden 593. 37 ) ZfVk. 3, 1 5 1 ; HessBll. 6, 102. 38 ) D r e c h s ler Schlesien 1, 288 = P e u c k e r t Schlesien 232; ZfVk. 6, 408; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 3S 250. ) S c h u l l e r u s Siebb. Vk. 128. 4 ») ZfEthn. 22, 550 (Gegend v. Lübben). 41 ) S a r t o r i Westfalen ioof. ; Hmtbl.RE. 4, 5 1 7 ; H e s e m a n n Ravensburg 89. 42 ) RTrp. 15, 688. 43 ) W u t t k e Sachs. Vk. 368; ZfVk. 6, 1 8 1 ; Schweizld. 4, 1854; 5, 937; K ö h l e r Voigtl. 251Í.; J o h n Westb. 1 7 0 ; B i r l i n g e r A.Schw. 2, 3 I 3 Í . ; M e y e r Baden 589; Höhn. Tod 328; SAVk. 23, 1 8 3 ; B r u n n e r Ostd. Vk. 1 9 1 . 44 ) R e i s e r Allgiu 2, 297; BdböVk. 1 3 , i n ; J e n s e n Nordfries. Inseln 336; H ö h n Tod 328; C a m i n a d a Friedhöfe 1 7 7 t . 4 5 ) B i r l i n g e r A.Schw. 2, 3 1 6 ; Höhn Tod 328; 4 S c h ö n w e r t h 1, 249Í. ·) MschlesVk. 8. H. 15, 79. ") Vgl. E R E . 2, 22; 4, 416. 4β 49 ) G r i m m Myth. 3, 492. ) PechuëlL o e s c h e Loango III, 2, 105. 324. so ) H m t K . 40, 86; J o h n Erzgeb. I 2 i f . ; H o o p s Sassen 1 1 6 ; W i r t h Beitr. 2/3, 5 2 f . ; MschlesVk. 27, 243; P a n z e r Beitr. 2, 293t.; T o e p p e n Masuren 106; W r e d e Eifier Vk. 1 2 5 ; L a u b e Teplitz 3 3 ; ZrwVk. 1, 3 8 s . ; 5, 288; 6, 292; L e m k e Ostpreußen ι, 57; ZföVk. 8, 33;: Höhn Tod 324; HessBl. 6, 100; S c h ö n w e r t h ι , 248; ZfVk. 1 3 , 389; MsächsVk. 2, 45; ZfVk. 6, 408; W i t z s c h e l Thüringen 2, 256; S t r a c k e r j a n 2, 2 1 5 ; M ü l l e r Isergeb. 24; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 106; ARw. 17, 480; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 103. 5 1 ) G a s s n e r Mettersdorf 8 5 ! 5a ) Höhn Tod 322; D r e c h s -

Tode (zum) Verurteilter—Todaustragen, -austreiben

991

1er Schlesien 1, 292; ZfVk. 9, 444; J o h n Westb. 174; Volksleven 12, 97. 53) S t r a c k e r j a n 2, 215; J o h n Westb. 206; W i t z s c h e l Thüringen

2, 256; Z f V k . 6, 408; 10, i6ff.;

13. 389; S c h ö n w e r t h 1, 248; HessBll. 6, 100; L a u b e Teplitz 33; MschlesVk. 27, 243; HmtK. 40,86; 36, 249; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 160; W i r t h Beitr. 2/3, 53; H ö h n Tod 324; J o h n Erzgeb. 121; ZföVk. 8, 50; SAVk. 14, 291; V o n b u n 114; Graubünden, Thurgau, Bern, Aargau schriftl. ; ZfdMyth. 4, 180; W i t t s t o c k Siebenb. 6of.; W r e d e Rhein. Vk. 136; M e y e r Baden 584; S c h r a m e k Böhmerwald

243; D r e c h s l e r

Schlesien

2, 86; G r i m m Myth. 2, 579S.; Urquell 6, 20Í.; ZrwVk. 8, 155; Z i n g e r l e Tirol 49; Globus 39, 22ofi.; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 3i5f.; BF. 2, 348; Volkskunde 13, 91; B r a n d Pop. Ant. 2, 300Í. 54) W o e s t e Mark 53; vgl. BdböVk. 4, 60; ZrwVk. 5, 247f. 65) MschlesVk. 27, 243; T o e p p e n Masuren 106; HessBll. 24, 48;

Mensing

Schlesw. Holst. Wb.

1,

749;

D r e c h s l e r Schlesien 1, 291; J o h n Westb. 167. 6e ) D e r s . 167; D r e c h s l e r Schlesien 1, 291: M e y e r Baden 585; S c h r a m e k Böhmerwald 235; S a r t o r i Westf. 100. 67 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 291; ZrwVk. 8, 155; Globus 59, 381. 68 ) Globus 59, 381; D r e c h s l e r Schles. ι, 291; T o e p p e n Masuren 106; ZrwVk. 8, 154Í· Geiger. Tode (zum) Verurteilter s. V e r u r teilter. Todaustragen, -austreiben. I . Ein bei Beginn des Frühlings, mitunter auch schon um die Wintersonnenwende üblicher Brauch, durch den alles Böse, das im Winter seine lebensfeindliche Macht zu zeigen schien, aus dem W e g e geräumt werden soll 1 ). E r findet sich namentlich in Süd- und Mitteldeutschland und in den von da aus besiedelten slavischen L a n d s c h a f t e n 2 ) . Gewöhnlich wird eine Puppe aus Stroh oder Lappen, der Tod genannt, in einem kleinen Sarge, auf dem A r m oder auf einer Stange unter d e m Gesänge herkömmlicher Lieder umhergetragen und dann ins Wasser geworfen, verbrannt oder vergraben. Mitunter stellt eine lebende Person den Tod d a r 3 ) . A m häufigsten wird die Handlung in dieser Gestalt am Sonntag Laetare (s. d.) vorgenommen, auch am vorhergehenden Sonntag Oculi sowie am folgenden, Judica (s. d.); ferner am 1. M ä r z 4 ) , am Palmsonntag 5 ), an Mariä Verkündigung (25. März) und a m Himmelfahrtstage e ), am Rupertustage (27. M ä r z ) 7 ) und noch zu Pfingsten 8 ); in Rußland an St. Peter

992

(29. Juni) ®). Auch mit dem Abschluß der Fastnacht hat sich das T . eng verbunden, s. F a s t n a c h t b e g r a b e n . Ostern ist gewöhnlich vom Judasbrennen 1 0 ) oder Judasjagen (am Karmittwoch und Gründonnerstag) 1 1 ) die Rede, vereinzelt auch schon an L a e t a r e 1 2 ) . In Bautzen wurde bereits am Abend vor Petri Stuhlfeier (22. Febr.) „ d e r P a p s t " verbrannt 1 3 ). A n das T . schließt sich oft das S o m m e r e i n b r i n g e n a n 1 4 ) , s. Laetare. Manchmal wird aber auch dem Bilde des „ T o d e s " selbst eine neue Macht zuerkannt, und er feiert eine A r t Auferstehung 1 5 ). Man nimmt ein Stück von dem Stroh des „ T o d e s " mit nach Hause und legt es in den Hühnerkorb; dann legen die Hühner besser 1 6 ). Man bindet ein Stück von seinen Lumpen u m einen Ast des größten Baumes im Garten oder gräbt es auf dem Felde e i n 1 7 ) oder wirft es in die Krippe des Viehes 1 8 ). In diesen Fällen betrachtet F r a z e r 1 β ) mit Mannhardt 2 0 ) den sog. Tod als eine Verkörperung des Vegetationsgeistes. Nach K a u f f m a n n 2 1 ) wird beim T . nicht der abstrakte Tod, sondern ein dem Tode verfallener Gott ausgetrieben, der damit, daß er dem Tode überantwortet wird, Leben schafft. Grimm Mythol. 2, 639 ff.; Mannhardt 1, 155 f. 410 ff.; U s e n e r im RhMus. 30 (1875), 189 ft.; Kiick u. S o h n r e y 66 fi.; R e u s c h e l Volkskunde

2, 52 fi. ; F e h r l e

Volksfeste 50 ff. ;

N i l s s o n Jahresfeste 29 s . ; SAVk. 11 (1907), 239 f.; Clemen in ARw. 17, 144 f.; F r a z e r 4, 233 ff.; K a u f f m a n n Balder 281 fi. 2 ) ZfVk. 3, 356; P e u c k e r t Schlesische Volksk. 97 fi. 3 ) S a r -

tori Sitte 3, 131 A. 2. 4 ) Köhler Voigtland 171 f. 5 ) W l i s l o c k i Magyaren 45. e ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 285 (hier dürfen die Kinder nach dem Tage des Todaustragens Stachelbeeren und andere Früchte essen, auch im Freien baden). 7 ) V e r n a l e k e n Mythen 294. 8 ) Sartori 3, 202 f. ; K ü c k u. S o h n r e y 67 f. ·) Mannhardt 1,414.

10

) S a r t o r i 3,148. 150 f.

u

) Ebd. 3, 139 f.

) Ebd. 3, 132 A. 3. 13 ) H a u p t Lausitz 2, 53 f. 14 ) Mannhardt 1, 155 fi. 15 ) F r a z e r 4, 247. le ) D r e c h s l e r 1,74. 17 ) V e r n a l e k e n Mythen 294. 18 ) F r a z e r 4, 250 f. l e ) 4, 252 f. 20 ) 1, 418. 12

2, 287.

Vgl. A R w . 17, 144 f.

21

) Balder 292.

Vgl. G e s e m a n n Regenzauber 55.

2. Als ,,T." bezeichnet man in Iglau (Mähren) auch das A n s a g e n eines Sterbefalles bei den Ortsgenossen und die Einladung zum Begräbnis. Ein junges Mädchen besorgt das, darf aber erst in das

993

Todesvorzeichen

Haus eintreten, wenn sie mit einer Gerte an die Haustür geklopft hat und zum Eintritt aufgefordert worden ist; sonst brächte sie den Tod ins Haus 22). » ) ZfVk. 6, 408; vgl. ZfrwVk. 1,53 f. f Sartori.

Todesvorzeichen. Die T. sind so zahlreich, daß Strackerjan recht hat, wenn er bemerkt: der Abergläubische müßte sich eigentlich wundern, daß überhaupt noch ein Mensch am Leben ist 1 ). Sozusagen jedes ungewöhnliche oder unerklärliche Ereignis wird irgendwo oder irgendeinmal als T. ausgedeutet. Wir können daraus erkennen, welch starken Eindruck der Tod auf den Menschen macht, wie auch das volkstümliche Denken sich immer wieder damit beschäftigt, und wie es für das unvorhergesehene Ereignis gerne eine kausale Verknüpfung konstruiert. Denn die Vorzeichen sind ursprünglich nichts anderes als die Ursachen des Ereignisses 2). Für das heutige abergläubische Denken aber wird das Ereignis durch das Vorzeichen in einen wenn auch mystischen, so doch faßbaren Zusammenhang eingeordnet. Es tritt nicht plötzlich und unvermittelt ein, sondern der Tod schickt vorher wie im Märchen seine Boten. Freilich erkennt sie der Mensch nicht immer als solche, sondern es wird ihm erst hinterdrein bewußt. So werden auch viele T. erst nach dem Todesfall auf diesen bezogen und somit richtig gedeutet, d. h. die Angehörigen haben das Bedürfnis, nachzuforschen, ob nicht ein bisher als unbedeutend erachteter und darum übersehener Vorfall als Vorzeichen vorangegangen sei. Wird aber das Vorzeichen sogleich als solches empfunden, und tritt das Unglück wider Erwarten nicht ein, so hilft meist das Vergessen drüber hinweg. Von den Vorzeichen trennen müssen •wir das Künden (s. d.), den Glauben, daß der Sterbende oder eben Verstorbene den Tod selbst anzeigt, und bei den Vorzeichen müssen wir die ungesuchten und die gesuchten ( = Orakel) Vordeutungen trennen. Eine weitere Einteilung nehmen wir nach äußerlichen Merkmalen vor, indem wir nach anzeigenden Wesen, Dingen und B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VIII

994

Vorgängen klassifizieren. Daneben könnte man auch die Vorzeichen nach ihrem Geltungsbereich trennen, d . h . danach, ob sie dem Betroffenen den eigenen Tod oder den eines Familienangehörigen, des Mitglieds eines Dorfteils oder der Gemeinde anzeigen 3 ). Femer ziehen sich gewisse Merkmale durch alle Klassen von Vorzeichen hindurch, ich will nur die beiden Farben weiß und schwarz nennen 4). Die nachstehende Darstellung kann natürlich nicht vollständig sein ; sie soll nur Beispiele aus den verschiedenen Klassen der Vorzeichen geben. ι. Tiere. Solche kommen außerordentlich häufig als Vorzeichen vor. Meist ist das Auftreten an einem bestimmten Ort oder zu einer bestimmten Zeit oder auch die Farbe des Tieres entscheidend. Zunächst seien einige genannt, die seltener vorkommen: Hase auf einem Kreuzweg s ), Hirsche 6 ), Eichhörnchen 7 ), das geschlachtete Schwein 8 ), weiße Gemse 9), Spinne 10 ), Bienenschwarm11), Schlange 12), Kröte oder Frosch 1S ), Schmeißfliege M ), Raupe des Totenkopf Schwärmers 15 ). Häufiger werden folgende genannt : a) H u n d . Wenn ein Hund, besonders nachts, „weint", heult oder bellt 1β ), genauer, wenn er mit gesenktem Kopf gegen die Erde heult 17 ), bedeutet es einen Todesfall. Die Richtung; in der er heult, zeigt an, wo der Tod eintreten wird 18). Dasselbe bedeutet es, wenn ein Hund vor dem Hause scharrt 19 ). Zur Erklärung wird gesagt, der Hund sehe den Leichenzug voraus *>), oder er rieche die Leiche 21). Läuft drum ein Hund aus der Stube eines Kranken fort, so stirbt der Kranke bald (was wohl richtige Beobachtung sein wird). b) K a t z e . Wenn Katzen sich vor dem Haus b e i ß e n o d e r wenn man eine schwarze Katze antrifft M ), bedeutet es einen Todesfall. c) Maulwurf. Wenn ein Maulwurf im Hause, unter der Schwelle oder unter der Mauer stößt 2 6 ), wenn er im Garten wühlt und Haufen aufwirft 24 ), „wenn er sich nach dem Krankenzimmer drängt" oder wenn er unter der Schwelle nach 32

995

Todes ν orzeichen

auswärts wühlt (nach einwärts = Schwangerschaft) 28), bedeutet es einen Todesfall. d) Maus. Wenn die Mäuse (oder Ratten) in einem Haus stoßen 2β), wenn Mäuse singen 3°) oder wenn sie zahlreich erscheinen 31 ), ist es ein T. e) P f e r d . Es sieht wie der Hund den Tod voraus 32 ), vgl. die Sagen von den in der Weihnachtsnacht redenden Pferden und Ochsen 33). Das Pferd schwitzt, weil es eine Leiche fahren muß 34 ) ; wenn Pferde unruhig sind oder wiehern, gibts bald eine Leiche 35 ). Pferde wollen nicht an einem Haus oder einer Stelle vorbei, wo es bald eine Leiche gibt, oder wo ein Leichenzug vorbeikommen wird 36 ). Ein T. ist es auch, wenn Füllenspuren auf einem Hauptwege des Dorfes nicht alsbald ausgetreten werden 37 ). f) Schwarzes L a m m . Wenn im Frühling viele schwarze Lämmer geboren werden, ist es ein T. 3 8 ). g) Außerordentlich häufig sind V ö g e l Todesboten. Manchmal ist nur unbestimmt ein Vogel genannt, der in die Nähe des Hauses, ins Haus, vors Fenster eines Kranken geflogen kommt 3 9 ) ; meist aber ist der „Totenvogel" eine bestimmte Art. Zunächst die seltener genannten : ein weißer S p e r l i n g 4 0 ) , ein K u c k u c k 4 1 ) , die F l e d e r m a u s 42), die T a u b e denn sie ruft „Tutenfru" 44), die S c h w a l b e n , wenn sie neue Nester bauen 4S) oder wenn man sie vertreibt 4e). Der eigentliche Totenvogel aber ist die E u l e (Kauz, Uhu). Ihr Ruf wird gedeutet als: „Komm mit" 47) oder „Kled di witt" 4 8 ). Meist heißt es nur, der unheimliche Ruf nachts in der Nähe des Hauses bedeute einen Todesfall 49 ). Eule oder Kauz werden darum etwa „Leichenhuhn" genannt 50 ). Tod bedeutet es ferner, wenn E l s t e r n sich auf ein Haus setzen, worin ein Kranker liegt, wenn sie in der Nähe des Hauses schreien 51 ), wenn sie auf die Erde hinabfliegen oder einen auf dem Wege begleiten 52 ). Wenn R a b e n oder K r ä h e n sich auf ein Haus setzen, oder in der Nähe krähen, bedeutet es einen Todesfall 53 ). Der Ruf der Krähe wird „Starb! starb!" gedeutet 54) ; schreit sie dreimal, bedeutet

996

es Tod eines Mannes, wenn zweimal, Tod einer Frau S5). Einen Todesfall bedeutet es ferner, wenn am Abend die H ü h n e r gackern 5β), besonders wenn eine Henne kräht (wie ein Hahn) 57), oder wenn eine Henne einen Strohhalm unter dem Schweife hat 58), wenn der Hahn hinter dem Backofen kräht (bei einem Todesfall) 69), wenn der Hahn viel oder um Mitternacht oder am Fastweihnachtstag auf einem Wagen kräht eo ), wenn ein schwarzes Huhn stirbt 61 ) ; man soll, wenn ein Huhn stirbt „Gott Lob und Dank" sagen, denn es vertritt die Stelle einer Person im Haus, die hätte sterben sollen 42 ). Ein sagenhaftes Tier ist das E r d h ü h n c h e n oder E r d h e n n l , das hervorkommt, wenn jemand sterben soll 83 ); ebenso ein sonderbarer „Totenvogel", der einen roten Kopf und goldene Flügel haben soll 64 ). h) Andere Tiere. Häufiger gilt als T. ein S c h m e t t e r l i n g ; wer im Frühjahr zuerst einen gelben es ), weißen 6e), schwarzen 67 ) Schmetterling oder ein Pfauenauge ®8) sieht, wird selbst sterben oder einen Trauerfall erleben ββ). Ebenso wird gedeutet, wenn eine G r i l l e im Haus oder unter dem Herd zirpt w ). Seltener werden genannt: Ameisen, (weiße) Spinne, Larve des Johanniskäfers 71 ) und Totenkopf 72 ). i) Überall verbreitet ist der Glaube an die sogen. T o t e n u h r , das Klopfen des Holzwurms als Todesvorzeichen 73 ). Er hat verschiedene Namen: Totenhammer 74), Totenglocke 75), Erdhämmerchen 7e ), Erdschmied 77), Goldschmied 78), Hausschmiedlein79), Toggeli 80 ), Tangelmannli 81), Totenchläfeli 82). x) 2) S t r a c k e r j a n 2, 214. Lévy-Bruhl Mental, primit. 142. 146. 3) Ζ. B. P e u c k e r t Schles. Vk. 227f. 4) A c k e r m a n n Shakespeare 115. n g f . 5) ZrwVk. 15, 106; vgl. M a n n h a r d t . Germ.Myth. 410. β) Pfisterífessew 96. 7) ZrwVk. 8) 15, 106. J e n s e n Nordfries. Inseln 327; Schuller Progr. v. Schässb. 1863, 30. e) V e r n a l e k e n Alpensagen 402; W e t t s t e i n 10 Disentís 173. ) M e n s i n g Wb. 1, 750; L a c h m a n n Überlingen 394. 1 1 ) M e i c h e Sagen 11; L e B r a z Légende 1, 248. 12 ) W i r t h Beitr. 2/3, 47; Germania 29, 101 ; M e n s i n g Wb. 1, 750. 13 ) W i r t h Beitr. 2/3, 47f. 14 ) F o g e l Penns. Germ. 115. 15 ) F L . 11, 344. l e ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 31; H e c k s c h e r 351; P e t e r Österr.-

997

Todesvorzeichen

Schlesien 2, 246; E n d e r s Kuhländchen 83; F o s s e l Volksmedizin 169; D i r k s e n Meiderich 49; A l p e n b u r g Tirol 342; D u r m a y e r Reste 26; K e l l e r Grab 1, 209; K l a p p e r Schlesien 258; K ü c k Lüneb. 242; F o n t a i n e Luxemb. 156; H i i s e r 2, 28; F i s c h e r Oststeir. 1 1 5 ; T e t z n e r Slaven 94; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 79; 3, 101; W e t t s t e i n Disentís 173; K u h n u. S c h w a r t z 452; K u h n Westf. 2, 5 1 ; F o g e l Penns. Germ. 1 1 7 ; Graubünden mdl.; ZrwVk. 4, 270; MittschlesVk. 7, 75f.; H ö h n Tod 308; S A V k . 2, 226; 4, 234; G r o h m a n n Abergl. 54; Mélusine 5, 85; L e B r a z Légende ι, 7; P i t r è Usi 2, 202; R o s é n Död 2; A R w . 17) 24, 282; Volksleven 8, 197. Witzschel Thüringen 2, 256; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 29Í. ; ZrwVk. 15, 105; H a l t r i c h Siebenb. 291; Pollinger Landshut 165; Aargau mdl. 18 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 360; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 101; J e n s e n Nordfries. Inseln 327. 1J ) K e l l e r Grab 1, 82; MschlesVk. 7, 75. 20) F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 97. 2 1 ) U n z e r •Dec Arzt 1, 194. 22) T e t z n e r Slaven 385. 23 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 360; K e l l e r Graft 1, 93. 24 ) ZrwVk. 15, 105; P i t r è Usi 2, 202. 2S ) M e n s i n g Wb. ι, 750; W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; Germania 29, 89; B r ü c k n e r Reuß 194; A l p e n b u r g Tirol 384; MschlesVk. 7, 75; ZrwVk. 15, 106; B a y H f t e . 6, 210; W r e d e Ei fei 76; K ü c k Lüneb. 260; E i s e l Voigtl. 249; HessBll. 15, 131; P o l l i n g e r Landshut 295; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98. 2e ) S c h m i t t Hettingen 15; H o o p s Sassen 116; W i t z s c h e l Thüringen 2, 255; M o n t a n u s Volksfeste 92; F o s s e l Volksmedizin 169; R o c h h o l z Glaube 1, I 5 6 f f . 27 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 337f. 2e ) Bernmündl.; vgl. B a r t s c h Mecklenb. 2, 125. 28) Thurgau mundi.; K o h l r u s c h 341. 30) M e n s i n g Wb. 1 · 75°· 31) F L . Ii, 344; vgl. L e B r a z Légende 32 ) ι , 12. Ackermann Shakespeare 76. 33 ) Z . B . Volksleven 12, 97; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 30. 34) ZrwVk. 20/1, 42. 35 ) S t ö b e r Elsaß 18; F o g e l Penns. Germ. 114. 1 1 7 ; Z r w V k . 15, I05f.; vgl. L i e b r e c h t ZVk. 313. 8e ) D i r k s e n Meiderich 49; S c h e l l Berg. Sagen 403; W r e d e Rhein. Vk. 87; M e n s i n g Wb. 1, 750. 37 ) M e n s i n g Wb. 1, 750. 38) M e n s i n g Wb. 1. 750; vgl. F L . 10, 121. 39) S A V k . 25, 283; V e r n a l e k e n Mythen 204; ZrwVk. 15, I03f.; F o g e l Penns. Germ. 120; Urquell 1, 7; Alemannia 24, 155; P a n z e r Beitr. 2, 293; M a n z Sargans 119; K u h n u. S c h w a r z 4 3 6 ! (Vogel = Seele) ; F o s s e l Volksmedizin 168; R o s é n Död 2; L e B r a z Légende 1, 7; vgl. S a u p e Indiculus 17Í. 40) E i s e l Voigtl. 148. 41 ) M e n s i n g Wb. ι , 749. 42) F L . 16, 73 (Jamaica); ZrwVk. 15, 104; MschlesVk. 7, 76. 43) M e n s i n g Wb. 1, 749; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 32; got. hraiwadubo = Leichentaube: L ü e r s Sitte 67. 44) W o s s i d l o Mecklenb. 2, 135. 45) Rockenphilosophie 758; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 32; vgl. ZrwVk. 15, 105. 4e ) M e n s i n g Wb. ι , 749; vgl. L a n d s t e i n e r Niederösterr. 29. *') A l p e n b u r g Tirol 343; W o s s i d l o Mecklenb. 2, 135f. 48) W o s s i d l o a.a.O. 2, 136. 4») K i r c h -

99»

h o f Wendunmuth 4, Nr. 241; A n h o r n Magiol. (1674) 144; K r ü n i t z Encycl. 73, 758; K e l l e r Grab i , 209; 2,81; HessBll. 15, 131 ; M o n t a n u s Volksfeste 174; S t o l l Zauber gl. 131 f.; A n d r e e Braunschw. 314; ZrwVk. 4, 269; 15, 104; L a u b e Teplitz 51; B a y H f t e . 6, 210; MsächsVk. 7, 112; W r e d e Rhein. Vkde 87; S p i e s s Frank. Henneberg 153; H ö h n Tod 307; S c h m i t t Hettingen 15; F o g e l Penns. 124; P o l l i n g e r Landshut 165. 295; L a m m e r t 99; H a l t r i c h Siebenb. 293; S c h n e l l e r Wälschtirol 244; K u h n u. S c h w a r t z 452; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 89; V e r n a l e k e n Myth. 3iof.; Alpens. 403; F i s c h e r Oststeir. 113; T e t t a u u. T e m m e 280; P e t e r Österr. Schles. 2, 246; M a n z Sargans 122; MschlesVk. 7, 76; S A V k . 10, 279; W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; A c k e r m a n n Shakespeare 73t.; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98; A R w . 24, 282; R o s é n Död 2; P i t r è Usi 2, 202; Volksleven 12, 7; RTrp. 27, 254. 50) H e c k s c h e r 350; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 29; W i r t h Beitr. 2/3, 48; K r ü n i t z Encycl. 73, 758. 51 ) Rockenphilos. 248: umgekehrt: Der Kranke wird gesund. Tod vordeutend: M o n t a n u s Volksfeste 92 ¡ V e r n a l e k e n Alpensagen 4 0 2 ! ; ZrwVk. 15, 104; H e c k s c h e r 381; P o l l i n g e r Landshut 164; H e y l Tirol 789; Thurgau mündl.; S t o l l Zaubergl. 134; 134; W o e s t e Mark 54; W r e d e Rhein. Vk. 88; Eifel 76; L e B r a z Légende 1, 5. 62) K u h n Westf. 2, 50; H a l t r i c h Siebenb. 293. 63) K e l l e r Grab 1, 209; 2, 81 ; Rockenphilos. 181 ; MsächsVk. 7, 112; G a s s n e r Mettersdorf 79; S A V k . 25, 283; 19, 44; Bern, Aargau mündl.; H ö h n Tod 325; F o g e l Penns. 119; H a l t r i c h Siebenb. 293; K u h n Westf. 2, 50; V e r n a l e k e n Alpensagen 404; L a c h m a n n Überlingen 394; D i r k s e n Meiderich 49; A c k e r m a n n Shakespeare 74; Volksleven 12, 15 (Rabe = Teufel); F L . 11, 237. M ) W i r t h Beitr. 2/3, 48. 5S) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 95. 5e ) F o g e l Penns. 115. 67 ) HessBll. 15, 131; K e l l e r Grab 5, 395; MschlesVk. 7, 76; Urquell 4, 29; G a s s n e r Mettersdorf 80; F o g e l Penns. 115; V e r n a l e k e n Alpens. 402; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 30: schwarzes Huhn; P i t r e Usi 2, 202. 58) B a u m 6t g a r t e n A. d. Heimat ι , 92. ) BdböVk. 4, 62. eo ) ZrwVk. 15, 104; F o g e l Penns. 118; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 92; vgl. L e B r a z Légende 1, 6. e l ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 252. e2 ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 299 (Elsaß). e3 ) K ö h l e r Voigtl. 574; Rockenphilos. 222; ZfdPhil. 24, 151 e4 ) E n d e r s Kuhländchen 91. 85) G a s s n e r Mettersdorf 80; ZrwVk. 15, 106; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 1, 121; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 33. ββ) H a u p t Lausitz I, 192; W i r t h Beitr. 2/3, 48. β7) M e n s i n g Wb. ι , 744. 88) M e n s i n g Wb. 1, 750. β ·) Vgl. M a n n h a r d t Germ. Myth. 372f. 70) MsächsVk. 7, 113; G r i m m Myth. 3, 468; S c h m i t t Hettingen 15; F o g e l Penns. 118; M e n s i n g Wb. 1, 750; P f i s t e r Hessen 169; A c k e r m a n n Shakespeare 75. 7 l ) ZrwVk. 15, 106; F o g e l Penns. 115; 72 ) M e n s i n g Wb. 1, 750. L a m m e r t 100. 73 ) K e l l e r Grab 1, 93. 2 i o f . ; K r ü n i t z Encycl. 3 2»

999

Todesvorzeichen

73. 359. Urquell 4, 89. 280; F o s s e l Volksmedizin 169; S t o l l Zaub rgl. 1 3 4 ; SAVk. 2, 2 1 7 , 19, 44; M o n t a n u s Volksfeste 92; W i r t h Beit'. 2/3, 47; H e s e m a n n Ravensberg 88; ZrwVk. 15, 106; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 420; MschlesVk. 7, 75; K u h n Westf. 2, 59; L e B r a z Légende ι , 1 3 ; Volksleven 8, 1 4 5 s . ; M e y e r Baden 5 7 7 ; J o h n Erzgeb. 1 1 3 ; A n d r e e Braunschweig 3 1 4 ; K ö h l e r Voigtland 390; D r e c h s l e r Schlesien 1, 285; E n g e l i e n u. L a h n 250. 74 ) M e n s i n g Wb. 1, 750. 75 ) A l p e n b u r g Tirol 343. '·) A l p e n b u r g Tirol 343; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 2 2 1 ; L a v a t e r Von gespänsten (1569) 2 5 a : Herdmenli. " ) H a r t m a n n Dachau u. Bruck 2 2 1 ; R o c h h o l z Sagen 1, 366 = P a n z e r Beitr. 1, 257; B i r l i n g e r A.Schw. 395; John Westböhmen 164; H ö h n Tod 308; P o l l i n g e r Landshut 295; M e i e r Schwaben 78 2, 4 8 8 ! ; L a m m e r t 100. ) Vernaleken Alpens. 403; Schweiz. Id. 9, 860. 7S ) G r o h m a n n Sagen 207. ·°) M ü l l e r Urnet Sagen 1, 181. S1 ) V e r n a l e k e n Alpens. 420; H ö h n Tod 308; B i r l i n g e r Volksth. τ, 473. 82 ) SchwVk. 10, 32.

2. P f l a n z e n . Als T. gilt es, wenn Kohl oder andere Pflanzen weiße Blätter bekommen M ), ebenso weiße Bohnen oder Blumen M ), eine weiße Rose als T. kommt in Sagen vor 85 ). Wenn Pflanzen, besonders Bäume zur Unzeit blühen, deutet es auf einen Todesfall 86 ), ebenso das Blühen der Hauswurz 8 '), das Welken von Pflanzen 88 ). Wer beim Ansäen oder Pflanzen ein Stück vergißt, „hat sein Gräb gesät" oder „hat einen Sarg gesät", d. h. er selbst oder ein Angehöriger wird in dem Jahr sterben 8e) ; ebenso wenn eine ledige Person denselben Acker zweimal baut ®°). Vereinzelt kommt als T. noch vor: wenn die Galläpfel leer sind 91 ), wenn die Petersilie nicht aufgeht 92 ), wenn Krautstöcke schießen 93), wenn der Holunder unter der Mauer hervorwächst 94), wenn der gelbe Veigel besonders schön blüht 96). 83 ) M e n s i n g W 6 . 1 , 750; W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; Bern, Aargau mündlich; SAVk. 12, 150; ZrwVk. 15, 107; H e s e m a n n Ravensberg 88; S c h m i t t Hettingen 1 5 ; F o g e l Penns. 1 2 1 ; P o l l i n g e r Landshut 166; H o o p s Sassen 1 1 6 ; W i r t h Beitr. 2/3, 48; K l e e b e r g e r Fischbach 46; B r ü c k n e r Reuss 194; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98; vgl. M ü l l e r I sergeb. 35. M ) S t o l l Zaubergl. 1 3 6 ; ZfVk. 23, 163. 86 ) D e e k e Lüb. Gesch. 189; S c h e l l Berg. S. 256. 8«) M e n s i n g Wb. ι, 7 5 1 ; P e t e r österr. Schles. 2, 2 7 1 ; D i r k s e n Meiderich 49; K u h n Westf. 2, 58; F o g e l Penns. 1 2 1 ; Kü cb Lüneburg 260 f. ; ZrwVk 15, io6f.; SAVk. 25. 283. >7) SAVk. 10, 97; S t o l l Zaubergl. 140; Bern mündl. 88 ) R o c h h o l z DGl. 1, 2 1 5 ; H ö h n Tod 309; ZfVk. 24, 1 9 3 ; ZrwVk.

1000

15, 107; G a s s n e r Mettersdorf 80 (umstürzende B ä u m e ) ; P o l l i n g e r Landshut 296; M e i c h e Sagen 11; Ackermann Shakespeare 76. 88 ) J o h n Erzgeb. 1 1 4 ; J o h n Westb. 185; F o g e l Penns 119. 1 2 5 ; B a u m g a i t e n A. d. Heimat 3, 101, F i s c h e r Oststeirisches 1 1 5 ; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 29; B r ü c k n e r Reuss 194; P e t e r österr. Schles. 2, 265; Witzschel Thüringen 2, 2 1 6 ; FFC. 32, 7 6 ! ; L e B r a z Légende 1, 13. eo ) B a u m g a r t e n A.d. Heimat 3, 101. e l ) H ö h n Tod 309. 9a ) F o g e l Penns. 206; ZrwVk. 15, 107; vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 463. , 3 ) F o g e l Penns. 1 1 5 . M ) M e n s i n g Wb. I, 751. 65 ) F o s s e l Volksmedizin 169.

3. Der Mensch. Bestimmtes Verhalten oder bestimmte Zeichen deuten beim Menschen meist auf semen eigenen Tod. Wer mit dem Gesicht nach der Türe schläft, wird noch im selben Jahr als Leiche hinausgetragen96). Wenn 13 an einem Tisch sitzen, muß eins davon innerhalb eines Jahres sterben 97), und zwar das, das dem Spiegel gegenüber oder unter der Uhr sitzt 98). Weiße, gelbe, rote oder blaue Flecken am Körper oder an den Fingernägeln sind Todesvorzeichen 99), sie heißen Reflecken, Kirchhofsrosen u. ä.100) ; ebenso Verlust eines Zahns 101 ), Anschwellen der linken Hand oder des linken Fußes 102 ), brüchige Nägel 103 ), wenn einem ein oder 3 Blutstropfen aus der Nase fließen104) (s.o. Tod2). Wenn ein Mensch seine Art plötzlich ändert, ist das (sprichwörtlich) eine „Änderung vor dem Tod" 105). Wenn jemand im Alter ein Haus baut oder ein Bild von sich machen läßt, wird er bald sterben loe ). Wer nur mit einem Fuß geschuht herumgeht, verliert einen Angehörigen 107 ). Läuten in den Ohren und Niesen deutet auf einen Todesfall W) ; wer sich selbst sieht, stirbt im Lauf des Jahres 109). Bei Kindern sieht man an gewissen Anzeichen („Totenaugen"), daß sie bald sterben u o ). Ebenso achtet man bei Kranken auf verschiedene Vorkommnisse 1 1 1 ). Es gibt bestimmte Leute, die Todesfälle voraussehen. Solche Leute nennt man „Wicker" 1 1 2 ) ; diese Gabe des zweiten Gesichts haben Leute, die in der Neujahrsnacht 1 1 3 ), am Sonntag während der Predigt 114 ), in der Matthiasnacht 115 ), in der Silvesternacht 116 ), an Lichtmeß 1W ) oder Fronfasten 118 ) geboren sind. Man

ΙΟΟΙ

Tod es Vorzeichen

kann sich diese Fähigkeit erwerben, indem man unter einem Sarg durchkriecht 119 ) oder einem heulenden Hund auf den Schwanz tritt und zwischen den Ohren durchschaut 12 °). Diese Leute sehen eine bestimmte Zeit vorher einen Leichenzug 1 2 1 ), oder irgend sonst ein Vorzeichen 122 ). Manchmal ist nicht gesagt, daß der Voraussehende die Gabe des zweiten Gesichts habe 1 2 3 ) (vgl. Leichenzug). W i r t h Beitr. 2/3, 5 6 ; M e n s i n g Wb. 1, 7 5 1 ; vgl. P f i s t e r Hessen 170. 9 7 ) Urquell 3, 299; F o g e l Penns. 1 2 0 ; K e l l e r Grab 1, 1 8 7 f t . ; HessBll. 1 5 , 1 3 1 ; M o n t a n u s Volksfeste 1 3 6 ; S c h u l l e r Progr. ν Schässb. 1 8 6 3 , 2 7 ; W i t z s c h e l Thür. 2, 257. * 8 ) M e n s i n g Wb. 1, 7 5 1 ; Volksleven 8, 1 9 7 ; 9, 196. , e ) M e n s i n g Wb. 1, 7 5 1 ; M a n n h a r d t Germ. Myth. 615ÎÏ.; Schuller Progr. v . Schässb. 1 8 6 3 , 2 8 ; Wallis schriftl.; L e B r a z Légende 1, 9. 1 0 °) Z r w V k . 1 5 , 1 0 8 ; F o n t a i n e Luxemb. 1 5 6 ; M o n t a n u s Volksfeste 101 9 2 ; R o t h e n b a c h Bern 40. ) ZrwVk. 15, 102 1 0 8 ; L e B r a z Légende 1 , 366I. ) Gassner 1(0 Mettersdorf 81. ) W i r t h Beitr. 2/3, 50. 1(4 ) S c h u l l e r Prog. v . Schässb. 1 8 6 3 , 2 8 ; K ü c k Lüneb. 7 6 1 ; Z r w V k . 1 5 , 108. 1 0 5 ) V e r n a l e k e n Alpens. 404; Z r w V k . 1 5 , 1 0 9 ; S A V k . 1 2 , 1 5 0 ; S c h u l l e r Progr v. Schässb. 1 8 6 3 , 2 7 ; H ö h n Tod 3 1 3 ; vgl. M o n t a n u s Volksfeste 92. 10 «) M e n s i n g Wb. 1, 7 5 1 ; Volksleven 9, 1 5 6 . 10? ) S c h u l l e r Progr. ν Schässb. 1 8 6 3 , 26. 108 ) Z r w V k . 15, 1 0 8 ; F o g e l Penns. 124. 10 ») W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 5 5 . 1 1 0 ) S A V k . m 19, 44; vgl. M e y e r Baden 52. ) Birlinger A. Schw. 2, 3 1 0 ; Z r w V k . 1 5 1 0 8 ; F o g e l Penns. 112 124. ) H e c k s c h e r 104 3 5 5 f . ; 1 1 3 ) F r i c k e Westf. 27. 1 M ) S a r t o r i Wet.tf. 75. 1 1 5 ) S c h e l l Berg. S. 4 5 8 ; K u h n Westf. 2, 1 2 4 . l l e ) V e r 117 n a l e k e n Alpen?. 405. ) H m t K . 36, 249. ue ) V e r n a l e k e n Alpens. 3 4 9 ; B a u m g a r t e n Das Jahr 3 1 . « · ) R o s é n Död 1. 1 2 ») M ü l l e n h o f f Sagen 5 7 1 . m ) D i r k s e n Meiderich 4 4 ; K u h n Westf. 2, 5 5 I ; H e y l Tirol 468; S c h e l l Berg.S. 7 3 ; H e s e m a n n Ravi nsberg 88. 1 2 a ) A a r gau mündl ; MittsächsVk. 8, 93. 1 2 3 ) S c h e l l Berg.S. 52. 102. 244. 3 4 1 ; E i s e l Voigtl. 2 4 6 : K u n z e Schles.S. 36.

4. Vorgänge in der N a t u r . Häufig gelten S t e r n s c h n u p p e n als T . 1 2 4 ) , ebenso das Sternbild des Bären, falls es über einem Hause steht 1 2 5 ), auch andere Vorgänge am Himmel werden so gedeutet 128 ). " « ) S t o l l Zaubergl. 130; ZrwVk. 15, 107; MsächsVk. 7, 1 1 3 ; G a s s n e r Mettersdorf 80; K e l l e r Grab 1, 209; 5, 2 3 9 ; F o g e l Penns. 1 1 4 ; V e r n a l e k e n Alpens. 4 1 4 ; F o s s e l Volksmediz. 1 6 9 ; Germania 29, 1 0 3 ; F L . 8, 2 0 3 ! ; M e n s i n g Wb. I, 7 5 2 ; B o l t e - P o l i v k a 3, 2 3 5 . 1 2 6 ) W r e d e Eifel 7 6 ; Z r w V k . 1 5 , I 0 7 f . 1 2 e ) M e y e r Abergl. 138; Liebrecht ZVolksk. 327; Zaunert

1002

Rheinl. 2, 1 9 8 ! ; M e n s i n g Wb. 1, 7 5 2 ; F L . 10, 3 6 4 ; A c k e r m a n n Shakespeare 8 1 . 83Í.

5. Eine Menge von T. können wir unter der Bezeichnung „ u n e r k l ä r l i c h e V o r g ä n g e " zusammenfassen. Es sind an und für sich unwichtige, Ereignisse, wie das Fallen oder Brechen von Gegenständen oder Geräusche, für die scheinbar keine Ursache vorliegt. Weil man sie nun sozusagen nach rückwärts nicht kausal verknüpfen kann (als Folge einer Ursache), werden sie nach vorwärts verbunden ; allerdings bleibt die Art des Zusammenhangs zwischen Vorzeichen und Todesfall vollständig im Dunkeln. Häufig gilt das H e r a b f a l l e n eines Gegenstandes als T . 1 2 7 ) , besonders eines Bildes oder Spiegels 1 2 8 ). Ebenso wird gedeutet, wenn etwas vom Dache fällt 1 2 9 ), oder wenn ein Tuch 1 3 0 ), ein Bund Stroh 1 3 1 ), ein Gefäß 1 3 2 ), Löffel oder Messer 133 ), ein Kranz 1 3 4 ), die Spannkette eines Wagens 13S ) herunterfällt. Ein weiteres Vorzeichen ist das Z e r s p r i n g e n oder Z e r b r e c h e n eines Glases (Trinkglas, Flasche, Spiegel) 136 ), eines Eherings 1 3 7 ), das Zerreißen der Ketten an einem Wagen 1 3 8 ). Ferner das A u f g e h e n v o n T ü r e n oder Fensterläden 139 ); der Tod hat die Türe aufgemacht 140 ). Besonders häufig werden alle möglichen G e r ä u s c h e genannt, deren Ursache man sich nicht erklären kann: Krachen oder Knacken von Möbeln 1 4 1 ), Poltern und Rufen 1 4 2 ), Schlag 143 ), Knarren der Türen 144 ) und andere Geräusche 145 ). Manchmal deutet das Geräusch deutlich auf den Todesfall: Bretter fallen, es tönt, wie wenn Männer einen schweren Gegenstand (Sarg) trügen 14e ). Schon geisterhaft ist ein, meist dreimaliges Klopfen 147 ). Als Vorzeichen gilt es auch, wenn es von dt r Zimmerdecke tröpfelt 1 4 8 ), wenn das Feuer „singt", platzt oder prasselt 149 ) ; wenn Gegenstände sich von selbst bewegen 160 ), vor allem, wenn es Gegenstände sind, die mit dem Begräbnis zu tun haben, wie die Werkzeuge des Totengräbers 1 5 1 ), des Schreiners 152 ), die Schere der Schneiderin 153 ), besonders wenn man das Fallen von Brettern („Totenbrett") (s. o.) im Hause hört 1 5 4 ) oder andere Geräusche,

1003

Todesvorzeichen

die man auf die Beerdigung bezieht 155 ). Ein T. ist es, wenn eine Uhr plötzlich still steht 156 ), auch wenn eine Uhr klingt, schlägt oder tickt 157 ), ebenso wenn sich eine Nähmaschine in Bewegung setzt 158 ) ; ferner wenn ein L i c h t von selbst verlöscht 159), wenn man viele Lichter sieht 1β0 ), wenn drei Lichter zugleich im Zimmer sind 1β1 ), und wenn am Talglicht sich Klümpchen wie Hobelspäne (dän. = Ligspaan) bilden 162). Das Brot dient in verschiedener Weise als Vorzeichen : wenn es beim Backen einen Riß bekommt, „erlöst wird" (Schlesien) 1β3 ), wenn im ersten Brot, das man anschneidet, ein Loch ist 1 M ), wenn Weißbrot mit weißer Oberrinde gebacken wird l e s ), wenn man beim Backen vergißt, einen Laib in den Ofen zu tun 1ββ). Begreiflich ist, daß man das Kreuz als T. ansieht, wenn es zufällig erscheint, so 2 gekreuzte Strohhalme1β7) oder andere kreuzweise liegende Gegenstände 168 ), ebenso kreuzförm'ge Flecke auf der Wäsche 189 ). m ) K e l l e r Grab 1, 208; S t o l l Zauber gl. 139; L e B r a z Légende 1, 5; MsächsVk. 7, 1 1 3 . 128 ) M e n s i n g Wb. 1, 752; F o s s e l Volksmedizin 169; F o n t a i n e Luxemburg 156; P o l l i n g e r Landshut 295; F o g e l Penns. 1 1 8 ; H e s e m a n n Ravensberg 88; ZrwVk. 15, 1 1 2 ; B a y H f t e 6, 210. 12») MsächsVk. 7, 1 1 3 ; H e y l Tirol 782. 1M ) Urquell 1, 18. 131 ) W u t t k e 213. 132 ) S c h e l l Berg.S. 552. 133 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 1 0 1 ; V e r n a l e k e n Mythen 3 1 1 . 134 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 254. 135 ) W r e d e RheinVk. 87; ZrwVk. 15, 1 1 2 . 13e ) K r ü n i t z Encycl. 73, 360; S t o l l Zaubergl. 140; ZrwVk. 15, 1 1 3 ; SVk. 6, 24; 17, 30; SAVk 7, 140; F o g e l Penns. 1 1 6 . 223; H a u p t Lausitz i , 269f.; Volksleven 11, 56. 1 3 ') SVk. 17, 30. 138 ) W o l f Beitr. ι , 213. 139 ) B a y H e f t e 6, 210; M e y e r Baden 579; ZrwVk. 15, 1 1 2 ; V e r n a l e k e n Alpens. 404; F o s s e l Volksmedizin 169; Mélusine 3, 277; S t r a c k e r j a n 1, 164; M e n s i n g Wb. ι , 752. 140 ) B a u m g a r t e n A.d, Heimat 3, 101. 141 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 358; Urquell ι, 17; ZrwVk. 15, 1 1 3 ; G a s s n e r Mettersdorf 8 1 ; J o h n Westb. 165. 142 ) K r ü n i t z 73, 358; S c h ö n b a c h Berth, v. R. 1 3 5 ; Egerl. 3, 59; S c h e l l BergS. ggf.; K ö h l e r Voigtl. 574; H ö h n Tod 309, J o h n Erzgeb. 1 1 3 ; M e y e r Baden 579; M e y e r Abergl. 138; L a m m e r t 97; C y s a t 37; 143 H a l t r i c h Siebenb. 308. ) Witzschel Thüringen 2, 252; P o l l i n g e r Landshut 295; Urquell 1, 8. 144 ) Unoth 188. 146 ) B a u m g a r t e n A.d.Heimat 3, 1 0 1 ; V e r n a l e k e n Alpens. 404; MschlesVk 8, 75; Volksleven 9, 198; H ö r m a n n Volksleben 422; F o g e l Penns. 100; M ü l l e r Uri 2, 103; K r ü n i t z Encycl. 73,

IOO4

3 6 1 ; A c k e r m a n n Shakespeare 78f.; W i t z s c h e l Thür, ι , 246; 2, 255; M e n s i n g Wb. 1, 752, J o h n Erzgeb. 1 1 4 . 14e ) ZrwVk. 15, 1 1 3 ; 147 5, 245; vgl. J o h n Erzgeb. 116. ) Hörm a n n Volksleben 422; K e l l e r Grab 1, 93; M e i c h e Sagen 237; E i s e l Voigtl. 249; K ü c k Lüneb. 2 6 1 ; G r o h m a n n Sagen 70; V e r n a l e k e n Mythen 8 1 ; L e B r a z Légende 1, 20. 14e ) ZrwVk. 15, 1 1 3 ; S c h u l l e r Progr. v . Schässb. 1863, 34; W u t t k e 226; F e i l b e r g 149 Dansk Bondeliv 2, 99. ) F o s s e l Volksmedizin 169; K e l l e r Grab 1, 82. 16°) W u t t k e 2 1 3 ; Egerl. 3, 59; J o h n Erzgeb. 252; M a n z Sargans 1 2 2 ; M e y e r Baden 579. 151 ) C y s a t 37; S t ö b e r Elsaß 18; B r ü c k n e r Reuß 194; MschlesVk. 27, 243, K r ü n i t z Encycl. 73, 362, 152 ) ZrwVk. 20/1, 42; S c h e l l Berg.S. 159. 425; S c h u l e n b u r g n o ; J o h n Erzgeb. 1 1 6 ; K ü c k Lüneb. 243; K r ü n i t z Encycl. 73, 362; M e n s i n g Wb. ι , 752; L e B r a z Légende 1, 5; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 99. 153 ) K u h n Westf. 2, 58; vgl. S c h e l l Berg.S. 337 164 ) K r ü n i t z Encycl. 73. 363; P e t e r Österr. Schles. 2, 246; Rockenphilos. 708; K u h n Westf. 2, 56; M e i c h e Sagen 260; H e s e m a n n Ravensberg 88; S c h e l l Berg.S. 475 1 M ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 1 0 3 ; K u h n Westf. 2, 5 1 , M o n t a n u s Volksfeste 92; L e B r a z Légende 1, i 6 f l . 16e ) S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 34; F o s s e l Volksmedizin 169; W i r t h Beitr. 2/3, 49; MschlesVk. 8, 76 K u h n Westf. 2, 59; F o g e l Penns. 1 1 8 ; L e B r a z Légende 2, 174. 167 ) W i r t h Beitr. 2/3, 47; MschlesVk. 7, 76; 8, 75; K e l l e r Grab 1, 93. l s 8 ) M a n z Sargans 122. 16B) Rockenphilos. 610; H e y l Tirol 780; ZfVk. 6, 407. l e 0 ) K e l l e r Grab 3, 65. W 1 ) W r e d e Rhein.Vk. 87. l e 2 ) M e n s i n g Wb. ι , 7 5 1 ; Urquell 3, 299; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98. l e 3 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 1 3 ; G a s s n e r Mettersdorf 80; J e n s e n Nordfries. Inseln 327; F o g e l Penns. 1 1 6 ; K u h n u. S c h w a r t z 436; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 102; W i r t h Beitr. 2/3, 47; M e n s i n g Wb. 1, 751. " 4 ) W i r t h Beitr. 2/3, 5 1 . l e 5 ) J o h n Westb. 165. 1ββ ) F o g e l Penns. 1 1 7 , vgl. 114. 1 1 6 . 1β7 ) SVk. 17, 30; W r e d e Eifler Vk. 76; ZfdMyth. ι, 240; SAVk. 25, 283; L e B r a z Légende 1, 6; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98. lM ) ZrwVk. 15 i n ; H ö h n Tod 3 1 3 ; R o s é n Död 2. 1ββ ) M o n t a n u s Volksfeste 92; K u h n Westf. 2, 51.

6. Auch zahlreiche ganz g e w ö h n l i c h e V o r g ä n g e oder Ereignisse werden als T. gedeutet: wenn ein Kind sich ausschaukeln läßt 170 ), wenn ein Strohhalm in einer Wasserlache liegt 171 ), wenn ein Messer auf dem Rücken liegt 172 ), wenn man die Hände nebeneinander hält und ihre Größe vergleicht 173 ), wenn man Öl ausschüttet 174 ), wenn man einen Kranz findet175 ) und verschiedenes anderes17·",. 17 m

)

°) J o h n Erzgeb. 115; vgl. MsächsVk. 7, 1 1 3 . ZrwVk. 15, 107. 172 ) J e n s e n Nordfries.

Todesvorzeichen

loos 173

Inseln 327; F o g e l Penns. 116. ) Mensing Wb. ι, 752; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 97. "*) S c h n e l l e r Wälschtirol 244 1 7 5 ) MsächsVk. 7, i n ; vgl. Z a u n e r t Rheinland 2, 199. " · ) Z . B . J o h n Erzgeb. 1 1 5 ; W i r t h Beitr. 2/3, 48; F o g e l Penns. 117. 122Í.; ZrwVk. 15, 107; H ö h n Tod 3 1 3 ; S t o l l Zaubergl. 142.

7. An das Vorspuken von Begräbnisgeräuschen erinnert es, wenn das B e g r ä b n i s s p i e l e n der K i n d e r als T. erscheint m ) ; auch wenn sie vor einem Hause singen oder Löcher graben, hat es diese Bedeutung 178 ). Auch Erwachsene sollen nicht Leiche spielen 17e ).

177 ) Rockenphilos. 156; S c h u l l e r Progr. ν Schässb. 1863, 25; P e t e r Österr. Schlesien 2, 2 1 2 ; F o s s e l Volksmedizin 169; D r e c h s l e r Schlesien 1, 2 1 7 ; A n d r e e Braunschweig 314; S c h m i t t Hettingen 15; ZrwVk. 15, 109; Höhn Tod 3 1 2 ; B a r t s c h Mecklenb. 2, 126. 1 7 8 ) Spieß Frank. Henneb. 153; K u h n Westf. 2, 5 1 ; J o h n Westb. 165. 179 ) G a s s n e r Mettersdorf 81; Urquell 4, 18 f.

8. Von den verschiedenen T r ä u m e n , die als T. ausgelegt werden 180 ), seien folgende besonders genannt: wenn man im Traum einen Zahn verliert, stirbt bald jemand aus der Familie 181 ). Ferner bedeutet einen Todesfall Traum von Wasser, besonders von trübem Wasser 182 ), von Fischen 183 ), von schwarzen Kirschen 184 ), von einem Schimmel 185 ), von Schlangen 186), von Pfennigen 187 ); wenn einem im Traum die Wäsche fortfließt 188 ), wenn im Traum der Ofen einfällt 18β ), wenn man von Verstorbenen träumt 190 ), wenn man von Rosmarin 1 9 1 ), von einer großen Mahlzeit 192 ), von Tanz oder einer Hochzeit träumt le3 ) ; dagegen bedeutet von einer Leiche träumen Hochzeit (s. Leiche E). 180 ) Z . B . ZfVk. 8, 246; ZrwVk. 15, 110; W i r t h Beitr. 2/3, 50; S c h u l l e r Progr. von Schässb. 1863, 36f.; Mensing Wb. 1, 752. 181 ) G a s s n e r Mettersdorf 80; K u h n u. S c h w a r t z 463; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 101; L a n d steiner Niederösterr. 29, K l e e b e r g e r Fischbach 46; W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; VeckenstedtsZs. ι, 435; F o g e l Penns. 76Ì. ; T e t z n e r Slaven 94; Volksleven 9 , 1 9 7 · F L . 12, 71 (Japan). 182 ) F o g e l Penns. 75; W i r t h Beitr. 2/3, 50; G a s s n e r Mettersdorf 81; L e B r a z Légende 1, 10. 183 ) K u h n Westf. 2, 59; W r e d e RheinVk. 87. 184 ) K l e e b e r g e r Fischbach 46; B e c k e r Pfalz 144; W e t t s t e i n Disentís 172. 186 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 100; L e B r a z Légende ι, 10. 18«) MschlesVk. H. 5, 43. 1 8 ') BayHfte 188 6, 210. ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 225. 189 ) Urquell 4, 82; G a s s n e r Mettersdorf 81.

I006

190

) Mensing Wb. 1, 752; W i t z s c h e l Thür. 2, 255; P i t r è Usi 2, 202. m ) Germania 29, 89. 192 ) F o g e l Penns. 78. 193 ) B e c k e r Pfalz 144; P o l l i n g e r Landshut 295; K e l l e r Grab 1, 48; F o g e l Penns. 78.

9. Eine Reihe der bisher genannten T. grenzt ans Geisterhafte. Oft werden aber auch ausdrücklich Geister oder g e i s t e r h a f t e E r s c h e i n u n g e n als vordeutend genannt. Sieht ein Kranker seine verstorbenen Vorfahren (vgl. oben Traum), so stirbt er bald 194), ebenso wenn man seinen eigenen Geist sieht 195 ) ; oft hört man nur eine Geisterstimme rufen 198 ). Es erscheinen geisterhafte Mönche197), weiße oder dunkle Gestalten 198 ), ein Berggeist 199 ), ein Reiter 200), oder andere Spukgestalten 201) ; manche Familien haben ihre besonderen Geister 202). Am bekanntesten ist die weiße F r a u , die in zahlreichen Schlössern aos) und auch sonst erscheint 204). Eine gespenstige Gestalt ist die „Wehklage", „Winselmutter", „Klagemutter", die sich durch klägliches Geheul bemerkbar macht, und manchmal als Frau, aber auch als Schaf oder anderes Tier oder als unförmlicher Knäuel sichtbar wird 205). An andern Orten erscheint ein Totenwibli 206 ). Seltener sind gespenstische Tiere: Hund 207), Schwan 208) oder der Sargfisch 209). Geisterhafte Erscheinungen sind Rufe, Geschrei, Musik 210 ), unsichtbare kalte Hand 2U ), die unheimliche Totenkugel212), und ähnliches 213 ), ferner L i c h t e r : Wannerlichterchens 214 ), Irrlichter 215 ) oder andere Licht- und Feuererscheinungen 216 ). Über das Erscheinen geisterhafter Leichenzüge s. d. ; manchmal sieht man bloß einen Totenwagen oder einen Sarg 2 1 7 ). 1M ) W i t t s t o c k Siebenb. 61. 1 M ) W a i b e l u. F l a m m 1, 2 1 1 ; Müller Uri 2, 107. 19β ) SAVk. 19, 44; Graubünden mündl.; ZrwVk. 15, 109; Müller Uri 2,97. 99. 197 ) M e y e r Abergl. 139, Urquelli, 16; Meiche Sagen 165f. 1 S 8 ) S t r a c k e r j a n ι, 275; P f i s t e r Hessen 73; B i r l i n g e r A. Schw. ι, 49of.; W a i b e l u. F l a m m 1, 47; R e u s c h Samland 43. 199 ) K ü h n a u Sagen 2, 426. 20°) V e r n a l e k e n Mythen io6f.; Meiche Sagen 93; vgl. J o h n Westb. 165. 2 0 1 ) Meiche Sagen 95. 143. 197; A c k e r m a n n Shakespeare 711.) L e B r a z Légende 1, 60. 20a) K ü h n a u Sagen 2, 333; W o l f Beitr. 2, 399; K u h n u. 203 S c h w a r t z ι. ) S c h w e b e l Tod looff.; K e l l e r Grab 3, 58; 5, 331. 334; S t r a c k e r j a n

1007

Todesvorzeichen

2, 3 2 8 ; P j i s t e r Hessen 9 7 ; E i s e l Voigtl. 9 9 , H a u p t Lausitz 1 , 1 5 0 ; M e i c h e Sagen 1 2 5 . 1 6 7 ; K u h n Westf. 1 , 2 2 9 ; Mark. S. 1 2 5 ; B a a d e r N.S. 8 5 ; K r ü n i t z En-ycl. 7 3 , 3 6 1 ; vgl. N d d Z f V k . 5, 1 6 1 f. 204) M ü l l e r Uri 1, n o i . ; M e i c h e Sagen 149, vgl. 1 9 2 ; G r o h m a n n Sagen 6 9 ; E i s e l Voigtl. 1 0 0 ; L e B r a z Légende 1 , 1 3 ; 206 ) B F . 3, I07Í. K r ü n i t z Encycl. 73, 3 5 9 ; B r ü c k n e r Reuß 2 0 7 ; E i s e l Voigtl. 1 2 4 . 2 4 8 ; H a u p t Lausitz 1, 6 2 ; V e r n a l e k e n Mythen 1 0 5 ; M e i c h e Sagen 49. 1 1 8 . 1 3 3 ; P e t e r Osterr. Schles. 2, 2 2 f . ; vgl. L e B r a z Légende 1 , 20. aoe ) 207 ) K u o n i St. Gallen 106. Kirchhof Wendunmut. ( S n m . L i t . Ver.) 5, Nr. 2 5 9 ; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 196. 208) K u h n Mark. S. 6 7 . s w ) M ü l l e n h o f f Sagen 244. 21 ») ZfdMyth. 1, 2 4 9 ; K u o n i St.Gallen 116; Krünitz Encycl. 73, 3 5 9 ; A c k e r m a n n Shakespeare 80. a l l ) H ö h n Tod 3 1 0 ; vgl. K ü h n a u Sagen 3, 501 f. 212 ) V e r n a l e k e n Mythen 105. 213 ) K ü h n a u Sagen 3, 5 0 0 ; Z f d M y t h . ι , 2 4 7 ; Z f r w V k . 6, 2 9 2 ; M e y e r Abergl. 1 4 0 ; L e B r a z Légende 1, 30. 214 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 255. 2 1 5 ) Z r w V k . 1 5 , i n f . ; J e n s e n Nordfries. Ins. 3 2 7 ; G a s s n e r Mettersdorf 80. 2 1 β ) K u h n Westf. 2, 5 8 ; M e i c h e Sagen 2 5 4 ; H e c k s c h e r 105. 3 5 7 ; M e n s i n g Wb. 1, 7 5 2 ; A c k e r m a n n Shakespeare 8 2 ; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2 , 9 9 ; F L . 8, 2 0 5 f f . 2 1 7 ) K u h n Westf. 2, 5 6 ; B a u m g a r t e n A.d. Heimat 3, I 2 ö f , ; B a a d e r N.S. 8 6 f . ; F L . 10, 1 1 9 .

10. Die oben genannten T. sind an keine bestimmte Zeit oder Gelegenheit gebunden. Es ist aber ganz natürlich, daß man bei bestimmten Anlässen besonders aufmerksam auf solche Zeichen achtet, so bei Taufe, Hochzeit und Begräbnis, bei bestimmten Festzeiten und bei kirchlichen Handlungen. Vor allem geschieht dies beim B e g r ä b n i s (s. Begräbnis, Grab, Leiche). Hier seien nur einige Beispiele genannt: auf eine „Freudenleiche" folgt bald eine „Trauerleiche" 218 ). Treten zwei Todesfälle rasch nacheinander ein, so folgt bald ein dritter 219 ), oder die Orte wo die drei Todesfälle stattfinden, bilden ein Dreieck 220). Die erste Leiche im Jahr deutet an, ob mehr Männer oder Frauen sterben werden 221). Alle möglichen Vorgänge beim Begräbnis deuten auf weitere Todesfälle, wenn ein Kranz herunterfällt, wenn die Uhr schlägt u . a . m ) . Bei Hochzeit und Taufe wird etwa darauf geachtet, welches von den Brautleuten zuerst sterbe, oder ob dem Täufling ein kurzes Leben bevorstehe 223 ).

I008

Von den Festzeiten findet man Vorzeichen an W e i h n a c h t e n : wer am hl. Abend in den Keller geht und hier gerufen wird, ohne jemand zu sehen, muß binnen Jahresfrist sterben 224), ebenso, wer seinen Schatten ohne Kopf sieht 22S), oder wer sich selbst sieht 22β ) ; auf Todesfall deutet es, wenn Geschirr zerbrochen wird 227 ), wenn in der Küche etwas Auffälliges vor sich geht 228), wenn ein Leichentuch in der Feuermauer hängt 229), und anderes 23°). Wenn in den Z w ö l f t e n viel Wind geht, sterben im neuen Jahr viel Frauen 2 3 1 ); wenn in dieser Zeit gewaschen wird, stirbt jemand aus der Familie 232). Ähnliche Zeichen sieht man an S i l v e s t e r und N e u j a h r 233). Waschen ist auch für die Karwoche verboten 234). Wenn es am Unschuldigen Kindleintag windstill ist, sterben im nächsten Jahr viel Kinder 23B ), Gewitter an Himmelfahrt deutet auf Tod von Wöchnerinnen *»·) ; wenn es an Pauli Bekehrung regnet, wird „der Kirchhof gedüngt" a 7 ) , liegt am Allerseelentag auf den Gräbern frischer Schnee, so werden viel Kindbetterinnen sterben 238). Von Vorgängen in der Kirche wird besonders häufig als T. ausgelegt, wenn während des Läutens die Uhr schlägt 23e ), oder wenn die Glocke ins Vaterunser . schlägt 240), wenn die Glocken besonders dumpf tönen 241 ), wenn Glocken von selbst läuten 242) und anderes 243 ). Als T. gilt Erlöschen eines Altarlichts 244), der Rauch, der zur Kirche hinauszieht 245), und wenn beim Beten die Betenden plötzlich absetzen 24e). 218 ) S t o l l Zaubergl. 1 4 1 f.; vgl. H ö h n Tod 3 2 6 ; W i r t h Beitr. 4/3, 5 1 . 21 *) B ü h l e r Davos ι, 3 6 4 ; Z f V k . 22, 1 6 3 ; J o h n Erzgeb. 1 1 6 ; Z r w V k . 1 5 , i n ; Volksleven 2, 209. 220 ) S V k . 221) 7, 76. W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 5 6 ; J o h n Erzgeb. 1 1 6 ; vgl. R e i s e r Allgäu 2, 3 1 4 . 222 ) J o h n Erzgeb. 1 1 5 ; M e n s i n g Wb. 1 , 7 5 1 ; Fossel Volksmedizin i68f. ; Baumgarten A.d. Heimat 3, 1 0 4 ; R o c h h o l z Glaube 1, 2 1 4 ; S A V k . 1 6 , 149. 223 ) K o h l r u s c h Sagen 3 4 0 ; S A V k . 25, 2 8 3 ; vgl. Urquell 1, 1 8 ; S A V k . 1 9 , 224 ) 1 8 9 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 288. John 225 ) Erzgeb. 1 1 3 , vgl. ebd. 1 1 4 . Witzschel Thüringen 2, 1 7 3 . 22e ) A l p e n b u r g Tirol 383. 227 ) M e n s i n g Wb. 1, 7 5 2 ; vgl. Rockenphilos. 233. 228 ) G a s s n e r Mettersdorf 80; J o h n Erz22 gebirge 1 1 7 ·) Rockenphilos. 804. 230) B a u m g a r t e n Jahr i o f . ; F o g e l Penns. 1 1 9 ; H e y l

Toledobrieí

1009 Tirol

72;

Dansk

Bondehv

2,

IOIO

98.

aus Brötchen 259), Immergrünblättern 260), Schuhwerfen u.a. 2 ® 1 ); man legt Weizenkörner auf eine Platte vor die Feuerstätte und schließt auf den Tod einer Person, wenn sie sich gegen das Feuer bewegen 242 ). 23e 2/3, 49F o g e l Píkms. 124. ) Ebd. Seltener sind Orakel am Dreikönigs237 ) S c h m i t t Hetlingen 13. 238 ) ZfVk. 8, 397. 2®3), an Allerseelen 284 ), am Thomas239 tag ) P o l l i n g e r Landshut 295; W e t t s t e i n 26S ), tag an Matthias 2 6 e ) und LichtDisentís 173; B a u m g a r t e n A. d. Heimai 3, 103; V e r n a l e k e n Mythen 3 1 1 ; Alpens. ì45; meß2®7). Feilberg

) W i r t h Beitr. 2/3 44. 232 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 175; M e n s i n g Wb. 1, 752; MschlesVk. 7. 75· 233) E i s e l Voigtl. 246; H a l t r i c h Siebenb. 282; B a u m g a r t e n Jahr 12; F o g e l Penns. 116. 234 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 196; W i r t h Beitr.

M1

K e l l e r Grab 5, 8; F o s s e l Volksmediz. 169; Germania 29, 88; SAVk. 25, 283; Graubünden Orakel werden auch gesucht, um zu mündl. ; L e B r a z Légende ι, 10. 240 ) W i r h erkennen, ob ein Kranker sterben werde: Beitr. 2/3, 49; F L . 10, 480; J o h n

Erzgeb. 117.

man kann dies aus dem Urin des Kranken ersehen2®8), man reibt seine Fußsohlen 421 ) Wallis schriftl.; E i s e l Voigtl. 266. 242 ) K e l mit Speck, gibt diesen einem Hund, und 1er Grab 5, 469; H a u p t Lausitz 1, 271; ZfVk. wenn er ihn nicht frißt, wird der Kranke 8, 33. 243 ) E i s e l Voigtl. 266; W i t z s c h e l Th'i sterben 2®8), oder man schließt aus andern ringen 2, 256; ZrvvVk. 15, 112; W i r t h Beitr 2 Anzeichen auf den Tod 270 ). Schließlich /3. 49; F o g e l Penns. 116. 123; s. bes. S a r t o r Glocken 114ff. 244 ) K r ü n i t ζ Encycl. 73, 360, kann man auch erkennen, ob Abwesende H a u p t Lausitz 1, 271; Rockenphilos. 234. tot sind, indem man ein Stück Brot und 246 ) K u h n u. S c h w a r t z 436; B a u m g a r t e n eine Kohle auf den Tisch legt und in der A. d. Heimat 3, 103. 24e ) B a u m g a r t e n A.d. Mitte drüber eine Stopfnadel hält; wenn Heimat 3, 102; v g l . L a n d s t e i n e r Niederosierr. SOsie sich nach der Kohle bewegt, ist der Abwesende t o t 2 7 1 ). I I . Von all den vielen ungesuchten a47 ) J o h n Erzgeb. 117; S t r a c k e r j a n 2, 214; Todesvorzeichen zu trennen, sind die B o u d r i o t Altgerm. Rei. 43; L e B r a z Légende 247 gesuchten, die O r a k e l ). Wie für alle ι, 81 fi. 306. 248 ) J o h n Westb. 165; B a u m Zukunftserforschung sind auch für die g a r t e n D.Jahr 15; vgl. L i e b r e c h t Ζ. Volksk. Todesorakel gewisse Zeiten besonders 326. »*») SVk. 6, 95. 2 6 ( ) L a n d s t e i n e r Niederösterr. 46. 251 ) Mitt. Schönh. 2, 86. 262 ) L i e b geeignet, hauptsächlich die Jahresanfänge r e c h t Z. Volksk. 326; V e r n a l e k e n Mythen (Weihnacht, Silvester, Neujahr). In der 338; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 46; K e l l e r Christnacht kann man „horchen gehen", Grab 1, 83. 2 6 3 ) P e t e r Österr. Schles. 2, 273. 254 dann sieht man, wer im nächsten Jahr ) X e t z n e r Slaven 161. 255 ) P o l l i n g e r Landshut 197. 2 M ) E i s e l Voigtl. 235; A l p e n b u r g stirbt 248), ebenso wenn man während Tirol 343. 257 ) MschlesVk. 7, 75; vgl. E i s e l der Weihnachtsmesse neun Sorten Salz Vogtl 109; W i t z s c h e l Thüringen 2, 180; M ü l bei sich trägt 249 ) ; auf dem Friedhof sieht l e n h o f f Sagen 50; J o h n Erzgeb. 118; ZrwVk. 26 man die Toten des künftigen Jahres °) ; 7, 151 ; ZfVk. 1,180; FL. 11, 345. 26e ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 176; T e t z n e r S / o n e « 161. 259 ) Anman vernimmt den Schall fallender h o r n Majioi. ( 1 6 7 4 ) 1 3 6 . 2 , °) S c h u l l e r Progr. Bretter aus der Richtung, in der jemand v. Schässb. 1863, 19; ZfVk.22,160. 2 e l ) T e t z n e r 2S1 sterben wird ) ; ferner entnimmt man Slaven 161; S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, Orakel aus Lichtern 262), aus Nüssen 253 ), i g t . ; J o h n Erzgeb. 117; D r e c h s l e r S c A / e s . 1, 46; 2β2 S p i e ß Frank. Henneb. 153. ) Schuller Schuhwerfen 254) und Holzscheiten 266). 2β3 Progr. v. Schässb. 1863, 20. ) Baumgarten „Horchen gehen" oder „Sterbschaun" kann 2M Jahr 13; H e y l Tirol 751 f. 753. ) Schuller man auch in den Zwölfnächten 258 ), ebenso Progr. v. Schässb. 1863, 21. m ) J o h n Westb. 2ββ in der Silvester- oder Neujahrsnacht, man 165; B a u m g a r t e n Jahr 5. ) S c h e l l Berg.S. 293. 2β7 ) B a u m g a r t e n Jahr 17. 2 M ) K r ü n i t z muß zwischen 11 und 12 Uhr dreimal ums Encycl. 73, 363f.; J a h n Pommern 165. 170; Haus herum gehen und in den ersten W o l f Beitr. 1, 214. 269 ) K r ü n i t z Encycl. 73, besten dunkeln Raum hineinsehen, dann 363. 270 ) Ebd. 364; ZfVk. ι, 184. 271 ) K u h n sieht man, wer aus der Familie im künfS c h w a r t z 437. Geiger. tigen Jahr sterben wird 257) ; es werden Salzhäufchen für jedes Familienglied geToledobrief nennen wir nach dem Vormacht, und wessen Häufchen einfällt, gang Grauerts eine eschatologische, astroder muß sterben 2S8), oder man weissagt logische Weissagung. Krünitz

fries.

Ins.

Encycl. 73, 379; 350;

Gassner

Jensen

Nord-

Mettersdorf

80;

IOII

Tollkirsche

Am i6. September 1186 fand eine Konjunktion der fünf alten Planeten mit der Sonne im Zeichen der Wage statt. Die Folgerungen, welche die Astrologie daraus zog, zeitigten den Toledobrief. Grauert hat gezeigt, daß er, vom Osten inspiriert, in einer abendländischen Umarbeitung vorliegt. Gewöhnlich wird er einem Magister Johannes Tholetanus zugeschrieben, doch zweifelt Grauert dessen Autorschaft an. Der Brief erfuhr 1129 eine erste Umformung, und ist dann bis ins 15. Jh. in mannigfachen Varianten umgegangen. Siehe Antichrist, jüngster Tag. G r a u e r t i n S i t z b . Mii. 1901, 165 ff. Peuckert.

Tollkirsche (Schlafkraut, Tollbeere, Wolfsbeere; Atropa belladonna). 1 . B o t a n i s c h e s . Stark verästelte, zu den Nachtschattengewächsen (s. Bilsenkraut, Stechapfel) gehörende Staude mit eiförmigen Blättern und braunvioletten, glockenförmigen Blüten. Die Früchte sind etwa kirschgroße, glänzende Beeren. Die T. ist eine sehr starke Giftpflanze, sie wächst besonders auf Waldschlägen. Ob die T. im antiken Aberglauben bekannt war, steht nicht fest. Vielleicht ist unter dem μανδραγόρας des T h e o p h r a s t 1 ) die T. zu verstehen, vgl. Alraun (1, 313. 321 f.). Dazu würde stimmen, daß die T. bei den Rumänen 2) als ..matraguna" ( = Mandragora) bezeichnet wird 3).' 1)

Hist, plant. 6. 2, 9 2 ) H o e l z l Bukowina 158. M a r z e l l Heilpflanzen 162—165; T s c h i r c h Hb. d. Pharmak. 3 (1922), 268; Janus 30 (1926), 2 5 5 — 2 6 0 ; K o b e r t Aus d. Gesch. d. T. 1916, 4 1 — 6 2 ; H o v o r k a u . K r o n f e l d 1, 421. 3)

2. Der Genuß derT.nfrüchte verursacht, wie ihr Name andeutet, Geistesverwirrung, Halluzinationen, Tobsucht, in größeren Gaben den Tod. Der Vergiftete macht den Eindruck, „als hette jn der teuffei besessen" 4 ). Bei der hl. H i l d e g a r d 5 ) erscheint die T. als ,,dolo"; dolo in terra et loco, ubi crescit, diabolica suggestio aliquam partem et communionem artis suae habet". Die T. soll auch ein Bestandteil der Hexensalbe gewesen sein, mit der sich die „Hexen" vor ihren Ausfahrten zu den Teufelsorgien zu be-

IOI2

streichen pflegten 6), s. Stechapfel. Die Subpriorin des Praemonstratenserinnenklosters Unterzell (Unterfranken), Maria Renata Singer von Messau, die als Zauberin am 21. Juni 1749 enthauptet wurde, soll sich der T. bedient haben, die im Klostergarten unter dem Namen „Bärenmutz" (verschrieben für „Bärenwurtz"?) angepflanzt wurde 7 ). Am 27. Januar 1931 wurde vor dem Schwurgericht in Traunstein (Oberbayern) eine Bäuerin aus der Chiemseegegend abgeurteilt, die ihren Mann mit T.n vergiftet hatte. Nach dem Verhandlungsbericht „eilte sie vor dem Mittagessen in den Wald und pflückte genau d r e i z e h n T.n. Eine ungerade Zahl bringe Glück im Unglück, hat einmal eine Bekannte, die als Wahrsagerin einen Namen im Dorfe hatte, zu ihr gesagt. Unterwegs verlor sie eine T. Sie warf eine weitere T. von sich, um wieder eine u n g e r a d e Zahl auf den Tisch neben dem Bett ihres Mannes legen zu können" 8). 4 ) M a t t h i o l i Kreuterbuch 1586, 3 7 6 b . 6 ) P h y e) sika ι , 52. Vgl. G i l b e r t Les Plantes 7) magiques et la Sorcellerie 1899, 3 7 — 4 5 . F r o m a n n D. deutsch. Mundarten 2 (1855), 33; 8 ) Münchener B a y e r l a n d 21 (1910). Neueste N a c h r i c h t e n ν . 28. Jan. 1 9 3 1 , S. 9.

3. Im d e u t s c h e n Aberglauben scheint die T. keine größere Rolle zu spielen. Dagegen ist sie ein sehr bekanntes Zaubermittel im südöstlichen Europa, wo sie z. T. der Mandragora (s. Alraun) gleichgesetzt wird, s. unter 1. Bei den Rumänen in der Bukowina muß ein Mädchen, wenn es den Burschen gefallen und beim Tanze die erste sein will, an einem Sonntag im Fasching zu einei T. gehen, die Wurzel ausgraben und dafür an der Stelle Brot, Salz und Branntwein (Opfer an den Pflanzengeist!) zurücklassen. Auf dem Heimweg muß es die T.nwurzel auf dem Haupte tragen und beim Hin- und Zurückgehen jeden Zank und Streit vermeiden. Sollte es befragt werden, was es denn nach Hause trage, so darf es nicht die Wahrheit sagen, denn sonst würde das Mittel nichts helfen »). Ebendort werden aus der T. unter Hersagung von Zaubersprüchen Liebestränke gebraut 10 ). In Siebenbürgen kennen Zigeunerinnen die T. als „matreguna".

I0I3

Tollkirsche

Die Wurzel macht den Träger bei jung und alt angenehm. Die T. darf nur vor oder nach Sonnenuntergang gegraben werden, wenn sie ihre Zauberkraft behalten soll 11 ). Mädchen tragen in Siebenbürgen die T.nwurzel im Busen, um die Burschen an sich zu ziehen 12 ). Diese vermeintlichen aphrodisischen Wirkungen decken sich mit denen der Mandragora (s. 1,314). Auffällig ist, daß die pharmakologischen Untersuchungen erwiesen haben, daß die Belladonna-Tinktur die libido sexualis beim männlichen Geschlechte nicht steigert, sondern deutlich herabsetzt. Dagegen kommt es beim weiblichen Geschlechte zu Kongestivzuständen des Uterus und der Ovarien 13 ). Als ,,Glückspflanze" wird die T. in Siebenbürgen auch in den Gärten gezogen; man will sie aber nicht da pflanzen, wo sie die Leute allgemein sehen. Wenn man sie setzt, gräbt man vor Sonnenaufgang ein Loch, legt einen Kreuzer, ein Stückchen Brot und etwas Salz und die Wurzel hinein und sagt: Ech Sätzen dich hier ännen Te sîlt mer erfällen Menje Wânsch uch Wällen Äser Herrgott wîl helfen.

Während man die Wurzel setzt, denkt man an das, was man sich am meisten wünscht. Manche geben davon niemandem einen Ableger, andere wieder sagen, man dürfe schon abstechen, aber nur bei abnehmendem Mond und von der rechten Seite und gleich nach Sonnenuntergang. Während dieser Arbeit darf man sich nicht umwenden und muß nachher nach der linken Seite fortgehen. Man darf nichts reden, außer zur Pflanze folgende Worte: Ech gîn vun deser Wurzel e Stäck Awer nâst vu menjem Gläck 1 4 ).

Nach magyarischem Volksglauben gewinnt man beim Kartenspielen (s. Alraun ι , 319), wenn man die berühmte „nagyfugyöker" (soll die T. sein) am nackten Leib trägt. Diese Wurzel kann man nur in der Georgsnacht auf einem Berg graben, auf dem sich die Hexen der Umgegend bisweilen zu versammeln pflegen. Auf die Stelle, wo man die Wurzel ausgegraben hat, muß man ein Stückchen Brot legen,

IOI4

in das man ein Pfefferkorn, etwas Gewürz und Salz hineingeknetet hat, sonst wird man vom Teufel getötet 1 5 ). Auch bei den Slowenen soll die T. Zauberkräfte verleihen 16 ). Befindet sich in einem Garten die T., so darf man sie nicht ausgraben, denn sonst würden die Hausmädchen oder die Hausfrau sterben (Rumänen in der Bukowina) 17 ). Das Ausgraben der T., wie es nach einem alten böhmischen Aberglauben geschildert wird, ist deutlich an die antike Schilderung vom Ausgraben der Mandragora 18 ) angelehnt. Die T. muß zur bestimmten Zeit (Neujahr, Weihnachten) um Mitternacht gegraben werden, der Grabende muß rings um sich einen Kreis ziehen, daß der Dämon, der die T, bewacht, ihm nichts anhaben kann. Hat nun der Mensch die T. ausgegraben, so muß er, bevor er aus dem Kreise tritt, dem Dämon eine schwarze Henne hinwerfen, damit er denke, er erfasse die Seele des Gräbers. Dann muß der Gräber, so schnell er kann und ohne sich umzuschauen, mit der T. davonlaufen; denn der Dämon erkennt inzwischen, daß der schwarze Vogel keine Seele, sondern bloß eine Henne sei und würde den Menschen zerreißen, wenn er ihn noch einholte 18 ). Glaubt man den Dieb zu kennen, so darf man ihm nur eine T.nabkochung in den Speisen beibringen, hat er wirklich gestohlen, so gesteht er den Diebstahl alsbald 20 ). Ob hier Beziehungen zur isländischen „thjöfarat" (Diebswurzel, s. Alraun 1, 322) bestehen? Gegen Gicht muß die T. nach Sonnenuntergang für eine Frau von einem Mann, der über 60 Jahre alt ist und von einer ebenso alten Frau für einen Mann gegraben werden. Denn die Gedanken, die man dabei hat, müssen ernst, anständig und vernünftig sein, denn sie gehen mit dem Trank in den Kranken über. Er wird tobsüchtig, nach einigen Stunden vergeht es ihm wieder samt der Krankheit (Schellenberg in Siebenbürgen) 21 ). Auch verwendet man gegen Gicht drei Scheibchen von der „matregune" in Wein gekocht und bei abnehmendem Monde auf dreimal getrunken 22).

Tollwut—Topfsteine ») ZföVk. 3, 1 1 7 . 1 0 ) HoelzlGaltzien 1 5 1 . 155. » ) KbSbLkde. 23 (1900), 136 f. 1 2 ) Schull e r u s Pflanzen 413. 1 3 ) S c h u l z Vöries, über Wirkung u. Antuend, d. deutsch. Arzneipflanz. 1919, 174. 1 4 ) Hermannstadt u. Umgebung, S c h u l l e r u s Pflanzen 413. 1 5 ) Ethnol. Mitt. aus Ungarn 3 (1893/94), J 5 6 ; ZfVk. 4, 397. le ) ZföVk. 4, 152. " ) ZföVk. 8, 58. 1 β ) Theop h r a s t Hist, plant. 9. 8. 8; F l a v i u s J o s e p h u s Bell. Judaicum VII, 6, 3; s. Alraun ι, 314 f. w ) V e r n a l e k e n Mythen 292 = G r o h m a n n 233 = W u t t k e i n § 145. 20 ) F r i s c h b i e r Hexenspruch 119. 2 1 ) S c h u l l e r u s Pflanzen 413. 22 ) S c h u l l e r u s Siebenb. Wb. 2, 73. Marzell.

Tollwut s. N a c h t r a g . Tonerde. Unter Argilla berichtet Schwenckfeld von den Heilkräften des Tons: Auf Geschwülste der Brüste gelegt, drängt er diese zurück. Mit Eiweiß vermischt und auf den Nacken gelegt, stillt er das Nasenbluten. 1

) catalogus 1, 366.

•(• Olbrich.

Tonne s. F a ß . Topas. Griech. τοπάζιον, lat. topazon, genannt nach der Insel Topasie, worunter man gewöhnlich Ceylon versteht, wo noch heute T.e gefunden werden 1 ). Im Mittelalter glaubte man, ein in kochendes Wasser geworfener T. bringe es aus dem Sieden. Der T. sollte auch Zorn und Unkeuschheit vertreiben und gegen Räuber und Diebe schützen 2 ). Zedier berichtet von dem Aberglauben, der T. könne den Menschen von widerwärtigen Gemütsbewegungen und Traurigkeit befreien und werde für ein herrliches Mittel gehalten, die Galle und gallsüchtige Gemütsbewegungen zu stillen. Nach einigen Autoren sollte der T. auf einen Tisch gelegt, auf dem sich Gift befindet, seinen Schein verlieren und ihn erst wiederbekommen, wenn es weggenommen wurde. Die Kraft des T.es nimmt angeblich mit dem Monde ab und zu 3 ). Eine Eigentümlichkeit des T.es ist es, daß er unter Einwirkung starker Hitze eine Rotfärbung annimmt und elektrisch wird. Vielleicht gab man wegen dieser Elektrizität ihn gebärenden Frauen zur Linderung ihrer Schmerzen. Der Sachsenkönig Ethelred schenkte der Abtei St. Alban einen großen T., der Wöchnerinnen bei gefahrvollen Geburten

I0l6

geliehen wurde und viele junge Leben erhalten haben soll 4 ). Der goldklare T. ist Monatsstein für den November, er sichert den in diesem Monat Geborenen Freundschaft und Liebe und zügelt den Zorn und die glühende Phantasie 5 ). l ) S c h r ä d e r Reallex,2 1, 2 1 2 ; B e r g m a n n 536 f. 2 ) Megenberg Buch der Natur 398; A g r i p p a ν. Ν. ι, 1 1 4 ; M e y e r Aberglauben 5 7 ; S c h i n d l e r Aberglauben 159; L o n i c e r 58; S c h a d e 1432 ft. 3 ) Zedier 44, 1250; vgl. S e l i g m a n n 2,31 ; S t e m p l i n g e r Sympathie 86; S c h a d e 1435 Spalte 1. 4 ) Westermanns Monatshefte 1915, 660. 5 ) H o v o r k a - K r o n f e l d I, 106 u. 2, 884; Th. K ö r n e r Die Monatssteine Nr. I i . t Olbrich.

Topf s. G e f ä ß e . Topfsteine. Unter Fossilien führt Gesner auch Steine an, die von der Natur so geformt sind, daß sie künstlichen Dingen ähneln; er erwähnt dabei den Ostrakites des Agricola ,,auf deutsch T . " : an einigen Stellen Deutschlands würden irdene Urnen ausgegraben, in denen die Aschenreste verbrannter Toten geborgen wurden, ehe die christüche Religion aufkam; das unwissende Volk sei aber überzeugt, daß diese Töpfe innerhalb der Erde entstanden seien. Ebenso berichtet Kenntmann von den in der Lausitz in der Erde gefundenen urnae fictiles, die „Einwohner nennen sie gewachsene Töpfe". Dieser Aberglaube herrscht noch heute in Schlesien, Sachsen, der Lausitz und Polen. Eine Bautzener Chronik sagt, die wundersame Erzeugung solcher Töpfe verrate sich dadurch, daß der Erdboden aufschwelle, als sei er schwanger geworden, auch der schlesische Pastor Herrman aus Massel weist auf Stellen aus zahlreichen Autoren, daß solche Töpfe von selbst in der Erde wüchsen und man an dem Hügel, den sie aufwürfen, ein gewisses Merkmal hätte. ,,Im Winter, Herbst und Frühjahr liegen sie bis 20 Schuh tief in der Erde, dahingegen sie um Pfingsten kaum eme Elle tief anzutreffen sind". Ebenso schreibt der Joachimsthaler Prediger Matthesius in seiner Bergpostille von den „Becherlein, die unter der Erde wachsen" 1 ). Wir haben es hier deutlich mit einem alten

I0I7

Tormentille—tot gesagt

Volksaberglauben zu tun. Andererseits gelten die Graburnen in der Lausitz, Schlesien und an der deutschen Seeküste als Hausrat der unterirdisch wohnenden Zwerge. „Sie geben sie auch ihren Toten zu beliebigen Diensten mit". Im Saterland glaubt man, in den alten Grabhügeln seien ölkers (Zwerge) begraben und nennt die in ihnen gefundenen Urnen ölkerspött (Zwergentöpfe) ; in Pommern heißen sie aschpötte. Das Volk meint allgemein, die Zwerge seien sehr empfindlich, wenn man ihre Hügel aufstöbert; die Landleute halten es deshalb für gottlos, die Urnen auszugraben, und weigern sich oft, mit Hand anzulegen. In Zittau und Löbau findet man prähistorische Urnen in alte Kirchenwände eingemauert ; dies mag vielleicht davon herrühren, daß Neubekehrte die Seelen ihrer heidnischen Vorfahren auf diese Weise der christlichen Seligkeit teilhaftig zu machen glaubten 2 ). 1 ) G e s n e r d. f. I. 87; K e n n t m a n n i nomenclaturae rer. joss. (1565), 8 Nr. 7 ; L . D H e r m a n n Maslographie (Breslau 1 7 7 1 ) = S e g e r in MschlesVk. 1 1 (1904), 8 f.; Schies. historisches Labyrinth (Breslau 1737), 67 ff.; Z e d i e r s. v. lapis ollarius 16, 747; H a u p t Lausitz 1, 25 Nr. 2 3 ; Altschlesische Blatter 1927, 18. *) S e g e r a. O.; H a u p t a. O.; G a n d e r Niederlausitz 40 Nr. 100; M e y e r Germ. Myth. 1 3 3 = K u h n u. S c h w a r t z 424 Nr. 225 u. 521 (Anm. zu 225); M ü l l e n h o f f Sagen 283 Nr. 385; J a h n Pommern 76 Nr. 92; H a n s e n Fries. Sagen 1 5 3 ; K u h n Studien 2, 21 f. f Olbrich.

Tormentille s. B l u t w u r z . Torpedo, Fisch (s. R o c h e ) . Nachtrag zum Volksmedizinischen: „Der Fisch T . gehört mit unter die vortrefflichsten Artzeneyen, die zu den hitzigen H a u p t S c h m e r t z e n dienen". Zitiert werden Celsius und Scribonius Largus 1 ). J ü h l i n g Tiere 35, nach K r ä u t e r m a n n Der curieuse . . . Zauberarzt ( 1 7 2 5 ) 4 1 . f Hoffmann-Krayer.

Torsus, böser Geist, der die Pflanze „blaue Wegeleucht" in der Gewalt h a t 1 ) . Der Name ist das ahd. duris, thuris, mhd. dürse, türse, an. thurs, „Riese, Dämon" 2 ). Als Eigenname Thyrsus-Türsch auch in der Seefelder Riesensage 8 ). Bei Matthioli wird das Türschblut, ein bituminöses öl, das vom Volk für allerlei Gebrechen gebraucht wurde, in der ersten Hälfte des

1018

16. Jh.s Trischernblut genannt 4 ) ; es gab 1880 Anlaß zur Darstellung des Ichthyols 5 ). l ) J o h n Westböhmen 3 1 3 . 2 ) G r i m m Myth. (1854) 4 8 7 f · ; H e y e r Religgesch. 120; M e y e r Myth. d. Germ. 228 f.; W a c k e r n a g e l Altdeutsches Hdwb. (1878), 62. 3 ) P a n z e r Beitrag 2, 61 ff. 441. 4 ) F . A . M a t t h i o l i Commentarli in 6 libros P. Dioscoridis Anaz. de medica materia (Venetiis, zuerst 1533, hier nach ed. 1683), 105. ®) S c h e l e n z Gesch. d. Pharmazeutih (1904), 8 1 5 ; Pharmaz. Zentralhalle 68 ( 1 5 2 7 ) Nr. 1, 5 d. S.-A. Jacoby.

tot geboten. Der Glaube über totgeborene Kinder wird oft nicht unterschieden von dem über ungetaufte (s. d.), weil nach christ icher Lehre die Taufe der entscheidende Punkt ist. Darum kam es früher öfter vor, daß man auch die Totgeborenen noch taufte; man glaubte, manche Heilige hätten die Kraft, das tote Kind wenigstens für einen Augenblick zum Leben zurückzurufen, damit es die Taufe empfangen könne. Sobald man an dem Kind, das vor das Gnadenbild gelegt wurde, ein Lebenszeichen zu erblicken glaubte, wurde rasch die Taufe vorgenommen 1 ). Totgeborene kamen eben als Ungetaufte nicht in den Himmel. Sie durften auch nicht in geweihter Erde begraben werden 2 ). Nach dem Glauben der Ostjaken u. a. verwandeln sie sich in böse Geister 3 ) oder in Poltergeister 4 ). Wie die ungetauften werden sie zu Irrlichtern 6 ). In der Oberpfalz heißt es, ein totgeborenes Kind fliegt für die tote Mutter durch das Fegfeuer®). Bei den Magyaren kann man mit dem Herzen eines totgeborenen Kindes das zukünftige Schicksal erfahren 7 ). ZfVk. 21, 3 3 3 ; 22, 1 6 4 f ; H ö r m a n n Volksleben 399; B F . 2, 149; vgl. G r o h m a n n Abergl. 106. 2 ) D u r a n d Rationale 2 3 ; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 294; RTrp. 18, 30; F F C . 41, 98f. 8 ) F F C . 41, 192ff.; A R w . 18, 3 i 8 f . ; ZföstVk. 3, 3 0 1 ; Globus9i, 314. 4 ) ZföstVk. 3 , 3 0 1 . ' ) L e m k e Ostpreußen 3, 50; RTrp. 14, 1 5 ; vgl. Volkskunde 23, 35Í. : Ungeborene = Bienen. ·) S c h ö n w e r t h I, 206. ') W l i s l o c k i Magyaren 79. Geiger.

tot gesagt. Wird jemand, besonders ein Kranker, totgesagt, so lebt er recht lange 1 ), oder der Kranke wird bald wieder gesund 2 ), oder er wird noch 10 Jahre leben 3 ). Dasselbe wird gesagt, wenn man von jemand träumt, er sei gestorben 4 ).

I0I9

totbeten—Tote (der)

Bei Lavater wird berichtet, wenn man den Geist eines Menschen sehe und er nicht bald darauf sterbe, werde er alt werden 6 ). Bei den Römern mußte ein Totgesagter bei seiner Heimkehr das Haus nicht durch die Tür, sondern durch das Dach herunter betreten, und nach altindischen Berichten wurden an ihnen Wiedergeburtsriten vollzogen 8 ). Unoth 184; H ö h n Tod 312; L a m m e r t 102; S p i e ß Fränk.-Henneberg 153; D r e c h s l e r Schlesien 2, 200; K ö h l e r Voigtl. 396; G r o h m a n n Abergl. 222; Urquell 4, 95; Alemannia 33, 303; S t r a c k e r j a n 2, 215; A n d r e e Braunschweig 404; F o g e l Pennsylv. 133; Germania 29, 88; 2 ) Urquell 4, 280; P e u c k e r t Schles. 232. H ö h n Tod 312; S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863, 29. 3 ) H a l t r i c h Siebenb. 308; W o l f Beitr. 1, 225; ZrwVk. 1, 209; L i i t o l f Sagen 552; vgl. R o s é n Dödsrike 198. «) SVk. 10, 31; K l e e b e r g e r Fischbach 46; HessBll. 15, 130; B e c k e r Pfalz 144; K e l l e r Grab 1,48; Volksleven Ii, 55. 5) von Gespänsten (1569) 40b. ·) Journ. Anthr. Inst. 15, 64. 97; ZfVk. 20, 162. Geiger.

totbeten s. Nachtrag. Tote (der). ι . Der T. ist der Verstorbene nach der Bestattung (im Unterschied zur Leiche, s. d.), er ist also Geist, Gespenst oder Wiedergänger, sofern er den Lebenden erscheint. Er ist das, was nach dem Tode als fortlebend gedacht wird. E r kann sofort und dauernd aus dem Diesseits in ein Jenseits entschwinden; er kann aber auch eine Zeit lang noch zurückbleiben oder wieder zurückkommen und sich den Lebenden bemerkbar machen. Die Art, wie dies geschieht, und seine Erscheinungsformen sind sehr verschieden. Meist herrscht eine dualistische Auffassung, wonach sich vom toten Körper, von der Leiche, die im Grab zerfällt, die Seele (s. d.) als weiterlebend trennt. Doch behält im Volksglauben diese Seele eine ganze Reihe von körperlichen Merkmalen, sie ist durchaus nicht ein rein geistiges Gebilde, und darum verwendet man statt dessen den Ausdruck „Totengeist". Darin will man die körperlichen Merkmale und die übernatürlichen, zauberhaften Fähigkeiten vereinigen. Der Glaube an ein F o r t l e b e n n a c h d e m T o d e ist eigentlich selbstverständ-

1020

lich 1 ), und er wird sich auch gegen verstandesmäßige Überlegungen, die das Gegenteil beweisen wollen, immer halten. Einen Beweis sucht der einfache Mensch gar nicht; denn es ist ihm unfaßlich, daß er aufhören sollte zu existieren. Erst seit der Materialismus als gesunkenes Kulturgut viele Schichten ergriffen hatte, konnte die Vorstellung entstehen, mit der Auflösung des Körpers trete ein absolutes Ende ein. Aber auch diese Auffassung läßt sich oft leicht mit einem Gespensterglauben verbinden; denn Verstand und Gefühl treten oft in Widerspruch, und dieses läßt die Menschen jenem zum Trotz an ein Fortleben glauben. Eine Hauptstütze dieses Glaubens ist eben die „ E r fahrung" von der Wiederkehr der T.n. Die primitivste Auffassung ist die, daß der Tote überhaupt nicht weggeht, d a ß er (oder die Seele) im Hause, am Grab oder im Friedhof bleibt, also in der Nähe der Lebenden, und daher von diesen wahrgenommen werden kann. Meist aber entfernt sich der T . gleich, oder erst nach einer bestimmten Frist, in ein Jenseits, ein Totenreich (s. d.), das gern möglichst weit entfernt gedacht wird 2 ). Die Hinterbliebenen sorgen dafür, daß diese A b reise ungehindert vonstatten geht, und es gilt im allgemeinen als kein gutes Zeichen, wenn der T. länger als üblich im Diesseits verweilt oder aus dem Jenseits zurückkehrt. Diese Klasse von T.n können wir als Wiedergänger (s. d.) bezeichnen. Im Volksglauben finden wir die verschiedenen Anschauungen über Aufenthalt und Abreise des T.n nebeneinander. Vom W e i t e r l e b e n im G r a b erzählen viele Berichte (s. a. Grab, Grabbeigabe). Besonders drastisch ist die Angabe, daß Prinz Heinrich von Preußen (f 1802) im Grab mit dem Gesicht nach dem Schloß hin liegen wollte,damit er sehen könne, was nach seinem Tode dort vorgehe 3 ). In Sagen steigen die T.n aus den Gräbern und verprügeln sich 4 ). T. kommen aus dem Grab zu den Angehörigen und kehren ins Grab zurück 5 ). T. bestrafen einen Grabstörer®). Ein T.r wird als Zeuge aus dem Grab geholt 7 ). Ein Bursche fragt

1021

Tote (der)

die Geliebte im Grab, warum sie gestorben sei8). Eine tote Schwangere holt ein Tuch für ihr Kind ins Grab 9 ). Die Toten zweier Friedhöfe besuchen einander nachts10). Ähnliche Geschichten werden noch manche erzählt 11 ). Ich erinnere auch an die Schlachten, die die T.n wiederholen12). Das Weiterleben der T.n im Grab verrät sich auch durch das Wachsen von Haaren und Fingernägeln13 ). Ein Zauberer wächst unter der Erde weiter 14 ). Über die T.n als Friedhofswache s. Friedhof. Die T.n kehren auch bei oder nach dem Begräbnis in irgendeiner Gestalt zu ihrem Heim zurück. In Böhmen glaubt man, der verstorbene Hausvater gehe in der Nacht nach dem Begräbnis dreimal um sein Haus, damit die Seinigen kein Unglück treffe 15 ). Der T. kommt nach dem Begräbnis nochmals ins Haus zurück, es wird für ihn ein Stuhl hingestellt18). T. erscheinen mehrere Abende hindurch im Haus 17 ); sie kommen als Geister in die Häuser und gehen auf dem Treppengeländer18). Oft wollen Leute einen bestimmten T.n gesehen haben 19 ). Oft ist die Rückkehr des Toten an bestimmte F r i s t e n gebunden. Über den Glauben, daß die Seele bis zum Begräbnis in der Nähe des Leichnams bleibe s. Leiche. Nur ganz vereinzelt heißt es einmal: die T.n wollen nicht mehr auf die Erde zurück20). Als Tage, bis zu denen oder an denen der T. oder die Seele im Diesseits bleibe oder zurückkomme, werden besonders der 3., 7., 9., 30. und 40. Tag nach der Bestattung genannt, Fristen, die im T.nkult (s. d.) und in den Trauerbräuchen (s. d.) (s. a. T.nfeier) eine wichtige Rolle spielen21). Manchmal kommt der Tote schon in der ersten Nacht nach dem Begräbnis zurück und klopft ans Fenster 22 ); man läßt Türen und Fenster offen, damit er ins Haus hinein kann 23 ). Der Geist schwebt noch 3 Tage lang über der Erde, oder er kommt am dritten Tag zurück24); der T. meldet am dritten Tag, er sei verdammt25). Bei den Juden dauert die Zeit der Rückkehr 7 Tage26). Seltener ist die Rückkehr am 9. Tag 2 '). Der 3., 7. und 30. Tag wurde auch von der katholischen Kirche aufgenommen und mit Votivmessen gefeiert ;

1022

begründet wurden diese Termine mit Stellen aus dem Alten und Neuen Testament28). Auch die Feier des Dreißigsten beruht auf der Annahme, daß der T. bis dahin noch nicht weggegangen sei. Nach norwegischem Recht fand an diesem Termin Erbbier und Antritt der Erbschaft statt 29 ). Der Dreißigste ist also der Abschiedstermin für den T.n 30 ), wie an andern Orten, besonders im Osten Europas, der 40. Tag. In Ostpreußen sieht man bis zu diesem Tag die T.n noch in nebelartiger Gestalt 31 ). Auch wenn einer den andern vor Gottes Gericht geladen hat, muß der, der zuerst stirbt, so lange zwischen Himmel und. Erde schweben, bis der andere stirbt, d. h. 6 Wochen32). Bei den Russen kommt der T. 40 Tage lang ins Haus zurück; dann findet das „Geleit der Seele ins Jenseits" statt 33 ). Sogar ein ganzes Jahr lang kann der T. zurückkehren34). Außerdem sind es noch besondere Festtage oder Freizeiten, an denen die T.n wiedererscheinen, so Ostern und Weihnacht oder Silvester35). Nach einer Überlieferung aus dem 14. Jh. soll die Seele von Samstag nachts bis am Montag das Fegfeuer verlassen dürfen38). Zurückkehrende oder -bleibende T. werden etwa an bestimmten Stellen des Hauses vermutet. Im Jahre 1626 wollte ein Knecht eine Witwe glauben machen,, ihr verstorbener Mann sitze hinter dem Ofen37). In Siebenbürgen hatte sich ein Mann ertränkt, und man fand ihn nicht; da rief ihn seine Frau durchs Rauchloch und glaubte, er müsse nun zum Vorschein kommen38). In der Allerseelennacht dürfen die T.n des Hauses unter dem Boden der Stube verweilen39) (s. T.nkult). 1 ) Ζ. B. Preuß Tod und Unsterblichkeit. Tübingen, Mohr, 1930, 4; S ö d e r b l o m Werden d. Gottesgl. 15; ARw. 4, 305 ff. 2) Ebda 30. 3 ) ZrwVk. 14, iff. 4) K u n z e Suhler Sagen 34. 5 e ) H a u p t Lausitz 1, i6yi. ) WienZfVk. 34, 68. ') H e y l Tirol 17. 8 ) Meiche Sagen 15. e 10 ) Meiche Sagen 14. ) T e t t a u u. Temme 167.. 11 ) Ebda 85f.; G r a b e r Kärnten 192; MschlesVk. Ii, 89; B a a d e r NSagen 6; K n o o p Pos. Schatzsagen 3 1 ; ZfVk. 10, I29ÎÏ.; Grohmann Abergl. içof. 12 ) Ζ. B. L a v a t e r Von Gespänsten (1569) 43 b ; Meiche Sagen igfì. 1 S ) S c h r e u e r Zvgl.Rwiss. 33, 352; ZfVk. 10, 125; MschlesVk. 8, 78; ZfEthn. 26, 112. 14 ) A l p e n b u r g Tirol 312. 15 1β ) G r o h m a n n Abergl. 193. ) Toeppen.

1023

Tote (der)

Masuren n o i . ; L e m k e Ostpreußen ι , 59; 2, 279. 1 7 ) S A V k . 21, 176; vgl. S V k . i l , 1») S A V k . 8, 3f. 275. « ) S c h e l l Berg. Sagen 97; B o h n e n b e r g e r No. ι, 7; K i i n z i g Schwarzwaldsagen 221. 20 ) B a y H f t e 6, 210. 2 1 ) Z f V k . 11, 291 ; F r e i s t e d t 22 Altchristliche Totengedächtnistage. ) MschlesV k . i l , 88; B a r t s c h Mecklenburg 2, 100. 28 ) F o n t a i n e Luxemburg 154; vgl. MschlesVk. 24) 8, 81. S t r a c k e r j a n 1, 195; D r e c h s l e r Schlesien 1, 293; T o e p p e n Masuren i n ; vgl. C l e m e n Reste 29; F r e i s t e d t 18. 5 3 S . 26) L a v a t e r Von Gespänsten (1569), 59 a f. 2e ) Globus 91, 362; A n d r e e Z.Volksk. d. Juden 185; Z f ö V k . 7, 123. « ) K ö h l e r Voigtland 443; Toeppen Masuren in; vgl. Jobbé Les morts malfaisants 348f.: Novemdiale bei den 2β Römern. ) T h a l h o f e r Liturgik 2, 252 f . ; F r e i s t e d t 4. 28) M a u r e r Vorlesungen 3, 323. 80) H o m e y er D. 335. Dreißigste 1865; vgl. S A V k . 32, 1 7 t . 3 1 ) MschlesVk 10, 4. 82) B a a d e r NSagen 104. a®) E R E . 2, 24; Z e l e n i n Grundriß S1) 332; S A V k . 32, 1 7 f . Z f V k . Ii, 22; vgl. HessBll. 6, 114. a») S t r a c k e r j a n 1, 220; W u t t k e 4 7 1 ; S A V k . 30, 99; K n o o p HinterM) pommern 1 7 7 I G r i m m Myth 3, 417. " ) R . M a r t i Mitt. a. d. Chorgerichtsverh. v. 3 Saanen Bern, 1930, 31. ») S c h u l l e r Progr. v . Schäßb. 1863, 65. 3») S c h n e l l e r Wälschtirol 238.

2. E r s c h e i n u n g s f o r m des T.n. Der T. erscheint in T i e r g e s t a l t . Es läßt sich nicht immer erkennen, ob das Tier eine „Epiphanie der Seele" ist40) (s. Tierverwandlung) — am klarsten, wenn die Seele als Maus aus dem Munde des Schlafenden schlüpft — , oder ob es sich um eine Verwandlung handelt. Meist wird das Erscheinen in dieser Gestalt als Strafe für ein Vergehen ausgelegt. Über T.n- und Todesdämonen in Pferde- u. a. Tiergestalten s. Malten 41 ). Bei den Römern und im Mittelalter findet sich der Glaube, das Rückenmark des T.n verwandle sich in eine Schlange42). Verwandlungsglaube ist es, wenn zwei Brüder behaupteten, der eine wolle nach dem Tode ein Blüemli und der andere ein Stier werden43), wenn eine Kröte im Haus als die verstorbene Hausfrau betrachtet wird 44 ), oder wenn im Grab eines Zotenreißers eine Kröte sitzt 45 ). In Sagen erscheint der T. oder die Seele in verschiedenen Tiergestalten : als Henne mit Küchlein 44 ), als weiße Maus 47 ), als Fuchs oder Hund 48 ), als Schwein 4 *); in New Orleans glaubt man, die grauen Maulesel seien die Seelen verstorbener Dampfbootschiffer60). Meistens erscheint der T. in m e n s c h -

ι

IO24

l i c h e r G e s t a l t . Dabei sind zahlreiche Formen möglich von der unsichtbaren Seele bis zum „lebenden Leichnam". Sobald sich die Seelen den Lebenden bemerkbar machen wollen, müssen sie irgend etwas Materielles annehmen: man hört sie gehen, sie können sprechen, man sieht sie, und sie haben verschiedene Farben 81 ) ; die Seelen Hingerichteter heißen die „schamroten Seelen" 52 ). Man spürt sie als heftigen Wind 53 ). Im übrigen siehe Seele. Gewöhnlich erscheinen die T.n in ihrer früheren Gestalt 54 ), genau so wie sie im Leben waren 55 ). Als T. erkennt man sie an der Fähigkeit zu verschwinden und durch die Luft zu schweben54), oder daran, daß sie in den Leichenkleidern erscheinen57 ). Als „ l e b e n d e n L e i c h n a m " sollte man nur die Formen des T.n bezeichnen, die irgendein Merkmal der Leiche an sich haben, also die Leichenblässe, geminderte Fähigkeit der Bewegung und des Sprechens, oder Anzeichen von Verwesung, schließlich auch das Auftreten als Gerippe. Wenn aber der T. positiv Fähigkeiten des Lebenden behält, wenn er z.B. gewalttätig auftritt, Leute tötet oder mit Frauen verkehrt, so paßt der Ausdruck lebender Leichnam nicht auf ihn; dann ist er der fortlebende T. Naumann hat auf alle diese leichenhaften Züge besonderes Gewicht gelegt und erklärt „Gespenster sind fast immer nur lebendige Leichen" 58 ); er findet solche Kennzeichen dann bei den Dämonen (schwarze Farbe, Riesengestalt, Steinverwandlung aus Leichenmerkmalen abgeleitet) 59 ). Zweifellos haben die T.n, wenn sie den Uberlebenden erscheinen, oft solche Züge an sich, weil sich das Bild der Leiche als das letzte Erinnerungsbild besonders tief ein prägt. Bei Naturvölkern und auch bei uns im Mittelalter (vielleicht auch nach Kriegen), wo auch die Verwesung öfters beobachtet werden konnte, mußten solche Züge eher am Bild der T.n haften bleiben40). Daneben aber bleibt das Erinnerungsbild des Lebenden (auch im Traum) 41 ), und der T. erscheint durchaus nicht in der Form des Leichnams. Er ist der in

Tote

1025

einer andern Welt Fortlebende, und er unterscheidet sich von den Lebenden durch zauberhafte Fähigkeiten. Bis zur Bestattung behält die Leiche (s. d.) noch allerlei Merkmale von Leben an sich, oder man denkt die Seele noch in der Nähe des Leibs. Wenn dieser verschwunden ist, setzt die neue Vorstellung vom Fortleben der Seele oder des T.n ein, und diese Vorstellung kann gar nicht auskommen ohne körperliche Merkmale, wenn sie nicht ganz unklar und verschwommen bleiben will. Lebender Leichnam in doppeltem Sinn ist eigentlich nur der Nachzehrer (s. d.), dessen Leiche schon „Lebenszeichen" gibt und der unverwest, d. h. eben weiterlebend, im Grab liegt, heraussteigt und die Lebenden nachzieht, bis er richtig getötet wird. Hier liegt ein deutlicher ununterbrochener Zusammenhang des Weiterlebens über die Bestattung hinaus vor. In den anderen Fällen aber haben wir ein körperhaftes Fortleben der T.n, ohne daß man sich dabei um das Schicksal des zerfallenden Leibes kümmert. Ein Zusammenhang zwischen diesem und dem „Totengeist" wird zwar noch angenommen, wenn man den T.n im Grabe lebend denkt (ihn dort speist, besucht, fragt), oder wenn man annimmt, die Seele leide mit dem Körper, der T. zeige die Wunden oder Verstümmelungen, die er im Leben erlitt 62 ); aber die Art dieses Zusammenhangs kann durchaus nicht erklärt werden, sie ist zauberhaft, übernatürlich. Und neben den Resten dieser primitiven Auffassung leben die Vorstellungen von einer mehr oder weniger körperhaften „Seele" 63 ). Eine Folge davon, daß der T.ngeist noch Merkmale des Körpers hat, ist die Möglichkeit, daß er noch einmal getötet werden kann 64 ) (s. Wiedergänger). Die individuellen Merkmale des T.n verschwinden, wenn er im T o t e n h e e r auftritt. Im Toten volk des Wallis („Gratzug", „Volkgang") sieht man nur eine Menge armer Seelen vorbeiziehen; nur im letzten des Zuges erkennt der Beobachter oft zu seinem Schrecken sich selbst 65 ) (vgl. wildes Heer, Geistermesse). 40 )

Tobler

Epiphanie

vgl.

auch

B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I

Boese-

(der)

I02Ó

b e c k N d d Z f V k . 5, 94S. " ) J b . arch. I n s t . 29, 2 3 3 ! 2 4 8 f f . ; v g l . H ö f l e r Kult. Geheimbünde 1, 42 ) tyî. E . H . L a n g l o i s Essai.... sur les 43) danses des morts ι , 1 9 1 . Niderberger Unterwaiden 3, 620. 44 ) W i t t s t o c k Siebenb. 63. 45 ) M ü l l e r 4β ) M a n n h a r d t Uri 2, 93. Germ. 47) Myth. 299. R o c h h o l z Gaugöttinnen 174; v g l . K o h l r u s c h 3 1 4 t . 4β ) K o h l r u s c h 7 7 . 276. 4β ) M ü l l e r Uri 2, 69. 50 ) H . H a u s e r Feldwege 51) nach Chicago 1 9 3 1 , 63. L a v a t e r von gespänsten (1569) 37. 50 ff. ; A c k e r m a n n Shakespeare 1 1 8 f . ; S t r a c k e r j a n 2, 234. 62 ) L ü t o l f Sagen 146. M ) W i t t s t o c k Siebenb. 60. 6 4 ) W i t t 55) s t o c k Siebenb. 6 1 . S t r a c k e r j a n 1, 2 2 1 . 5e) S t r a c k e r j a n 57) S t r a c k e r j a n 1, 222. 1, δβ) 221. Gemeinschaftskultur 33; vgl. D e r s . 5 8 ) Gemeinschaftskultur Grundzüge 74. 42 ff. ; eo) Z . B . : v g l . N i e d d Z f V k . 5, 2 2 3 t J.Meier Gazelle-Halbinsel 237 ff. ; K l e i n t i t s c h e n Mythen u. Erz. e. Melanes.stamms 100: T o t e h a b e n n u r H a u t u n d K n o c h e n , sind m i t E x k r e m e n t e n b e d e c k t ; M a n n h a r d t Germ. Myth. 509; C a s t r é n Vorlesungen 1 2 4 ; P r e u ß Tod u. Unsterb61 ) lichkeit 21 f. S c h r e u e r Z f v g l R w i s s . 33, 3 7 1 ff. e 2 ) J o b b é Les morts malfaisants 5 7 3 f. ; Otto Die Manen 36!; B a y H f t e 6, 7 1 ff. 83 ) Ü b e r d a s F o r t l e b e n der T o t e n s . : H o o p s Reallex. 4, 339 f . ; Lévy-Bruhl Mentalité primit. 5 1 ff.; Z f E t h n . 50, 1 3 1 f . ; Schreuer Z v g l R w i s s . 33 u. 3 4 ; Z f V k . 14, 1 9 ; Z f D k d e 1 9 2 7 , 4 7 2 f . ; N e c k e l Walhall 37 ff.; M o g k N J b b . 43, 104 f . ; P r e u ß Geist. Kultur 17 f.; O t t o Manen 38 ff.; E b e r t Reallex. 7, 2 5 9 ; S c h e r k e Primiβ4 ) Ζ. Β . tive 2 1 0 ; J b h i s t V k . ι , 19. Maurer Island. Volkss. 69. e 5 ) W a l l i s e r S a g e n 2, 235 ff. ; W a l l i s s c h r i f t l . ; V o n b u n Sagen 1 3 ; Sooder Rohrbach 65.

3. M a c h t u n d G e s i n n u n g der T.n. Wer im Leben mächtiger war als andere, behielt früher diese Überlegenheit auch im Tode. Es gab Rangunterschiede auch im Jenseits. Vom mächtigen T.n konnte man mehr Gefahr, aber auch mehr Hilfe erwarten 6e ). Heute zeigt sich ein Unterschied noch darin, daß solche T., die im Leben wegen ihrer Bosheit oder wegen Zauberei besonders gefürchtet waren, auch nach dem Tode mehr gefürchtet werden als andere. Die T.n, die den Lebenden erscheinen, haben meist zauberhaft gesteigerte Kräfte ; selten wird das Gegenteil bemerkt, etwa, daß die T.n nicht sprechen können oder (wie bei Homer) nur in leisem Ton 6 7 ). Die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen, das plötzliche Erscheinen und Verschwinden und die Kenntnisse aus dem Jenseits werden hingegen als Kraftsteigerung aufgefaßt. 33

1027

Tote (der)

Der Gesinnung des T.n traut man nicht, er gilt meist als böse, oder der Verkehr mit ihm ist zum mindesten gefährlich. Diese böse Gesinnung läßt sich erklären aus der alten Auffassung vom Tod (s.d.); weil dieser meist als gewaltsam gedacht wurde, setzte man beim T.n Groll und Rachsucht voraus 68 ). Am deutlichsten erkennt man dies beim Ermordeten, der selbst die Blutrache verlangt e9 ). Die Begräbnisriten der Primitiven und früherer Zeiten, die Geschichten von zurückkehrenden T.n (s. Nachzehrer, Wiedergänger) zeigen, daß man ursprünglich den meisten T.n böse Absichten zuschrieb 70). Als dann nur noch bestimmte Todesarten als „schlecht" angesehen wurden, nahm man nur noch bei T.n, die eines „schlechten" Todes gestorben waren, üble Gesinnung an 71) (s. Wiedergänger). Aber auch den andern T.n ist nie ganz zu trauen. Sie sind neidisch auf die Lebenden; man sieht, wie manche ungern und schwer sterben oder infolge von schmerzhaften Krankheiten, und glaubt, daß der T. sein Schicksal schwer erträgt; er sehnt sich nach den Lebenden zurück, oder er sucht, sie nachzuholen (s. Nachzehrer). Die Furcht vor den Strafen im Jenseits wird auch auf die T.n übertragen, die solche zu erdulden haben und etwa zurückkehren. T. gelten als Urheber von Krankheiten; wenn sie die Seelen Lebender entführen, so ist es eine Art Nachholen 72). Sie verursachen Krankheiten und Tod auch auf andere Arten 7S). Wenn ein T.r jemand im Schlafe berührt, bekommt er schwarzblaue Flecken 74). „Totenkuß" heißt im Nordischen ein Ausschlag 75 ). 1633 behauptet einer in Saanen, wenn junge Kinder krank seien, so komme das von den verstorbenen Voreltern, die nicht zur Ruhe kommen könnten 7β). Nach isländischen Sagen, sind die T.n besonders stark 77) ; Ringkämpfe mit ihnen sind gefährlich 78). Der Gedanke vom Fegfeuer liegt zugrunde, wenn in manchen Sagen erzählt wird, wie die Hand des T.n feurig ist und Zeichen in dargereichtes Holz brennt 79 ) ; daher soll man einem T.n nie die Hand geben 80 ). Besonders

1028

gefährlich ist es, wenn man die T.n, etwa durch Verletzung ihres Grabes, reizt ; sie rächen sich durch Ohrfeigen 81), oder der T. packt den Lebenden 82) (s. Totengewand). Zur unheimlichen Seite des T.n gehört auch, daß er zurückkehren und mit Frauen verkehren, ja sogar Kinder zeugen kann aa), ein Motiv, das oft mit dem Vampirglauben verknüpft ist 84 ). Neben der feindseligen, tritt die h i l f r e i c h e Gesinnung des T.n weniger hervor. Es liegen noch deutliche Anzeichen vor, daß die T.n als vegetationsfördernde Dämonen galten, deren Hilfe man durch Opfer zu gewinnen suchte 85 ). Wenn der Indiculus rügt, quod sibi Sanctos fingunt quoslibet mortuos 8e), so sind wohl damit einzelne T. gemeint, die als besonders hilfskräftig galten. Als Märchen- und Sagenmotiv treffen wir den dankbaren Toten, der einen Dienst durch Hilfe vergilt 87), und die hilfreiche tote Mutter 88). 1474 rief eine alte Frau in Glarus (in Erinnerung an die Legende vom hl. Fridolin) die T.n im Beinhaus auf, weil sie glaubte, das Land sei in Gefahr 89 ). Die T.n warnen auch die Lebenden vor allerlei Gefahren sie können Zukünftiges voraussagen 91 ). Etwas anderes ist es, wenn die T.n durch Zauber oder Beschwörung zur Hilfe sozusagen gezwungen werden (vgl. 2, 216. 214 im Diebszauber; Totenbeschwörung), oder wenn man die „armen Seelen" sogar in Anspruch nimmt, daß sie einen zu einer bestimmten Stunde wecken 92 ). • e ) N e c k e l Walhall 65; L é v y - B r u h l Mentalité prim. 64 f., 7 2 ; P e c h u ë l - L o e s c h e 3, 2„ 305; W a r n e k Rei. A. Batak 15. e 7 ) F L . 14, 2 5 8 ; v g l . I m a g o 7, 347; C r o o k e North. India 149; ββ ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 379 f. Scherke Primitive 144 f. ββ) S c h r e u e r ZvglRechtswiss. 34, 1 7 1 . 70 ) W e s t e r m a r c k Urspr. d. Moralbegr. 2, 442 ff.; V o r d e m f e l d e Religion 156 f . ; C a s t r é n Vorlesungen 122 f . ; C r o o k e North. India 225; N a u m a n n J b h i s t V k . 1, 26; I r l e Die Herero 1 3 1 ; W e e k s Kongo 191. 203. 7 1 ) C r o o k e North. India 147. 168 f. 175. 72 ) O s t j a k e n : F F C . 41, 70; U n w e r t h Totenkult 36 f . ; F r a z e r 2, 54. 61 ff. 73 ) T y l o r Cultur 2, 129; Unwerth Totenkult 17. 39 ff. 49 f·; Koch Animismus 36 ff. ; A R w . 14, 188. 260; A b e g h i a n 1 1 ; C l e m e n Reste 83; S e y f a r t h Sachsen 22; B l a c k Folk-Medicine 25 ff.; S e l i g m a n n 1, 158. 74 ) 76 ) W u t t k e 483. Zimmermann Bad. Volksheilk. 78; v g l . G e r i n g Isl. Aevent. 2, 243.

1029

Tote (der)



) R . M a r t i Mitt. a. d. Chorgerichtsverh. v. Saanen (1930) 43. " ) M a u r e r Isl. Volkss. 77. 78 ) Ebda 67; vgl. U n w e r t h Totenkult 47. " ) B a a d e r NSagen 4 3 ; G r a b e r Kärnten 1 8 7 ; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 2 2 7 ; 80 ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 225 f.; F o g e l Penns. 375. 8 1 ) K ü h 82 n a u Sagen 1, 1 7 0 . ) Die Sagen von dem Mädchen, das an der Schürze festgehalten wird : ζ. B. K ü h n a u Sagen 1, 20 f.; ein Fall, der passiert sein soll: B r u c k Totenteil 36 Anm. 4. 83 ) K ü h n a u Sagen 1, 174 f.; Urquell 3, 6 (is8ä ländisch); Thüle 5, 99; 7, 86. ) Liebrecht ZVolksh. 58; S t e m p l i n g e r Ant. Abergl. 62; Z f V k . io, l a i ; 14, 225 f. Vgl. Atlantis 1, 103 f.; K l e i n t i t s c h e n Mythen u. Erz. eines Melanes.st. 104 f. 85 ) R a n t a s a l o : F F C . 30, 4 5 ; 3 1 , 9 5 ; d e V r i e s : F F C . 94, 19 fi. 2 4 ! ; vgl. L é v y - B r u h l Mentalité 194 f.; F r a z e r 1, 147 f.; A R w . 26, 1 5 2 ff.; 25, 54. 8e ) S a u p e Indiculus 30; M o g k , Verh. sächs. Akad. phil.-hist. Kl. 81, H. 1, 20. 87 ) B o l t e - P o l i v k a 3, 490. 88 ) B o l t e - P o l i v k a ι , 165. 88 ) G. T h ü r e r Kultur des alten Landes Glarus (1936) 426. ·°) S A V k . 3, 97; Z f V k . 10, 128. 8 1 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 1 2 3 ; A c k e r m a n n Shakespeare 7 1 . 92 ) BayHfte. 6, 2 1 1 .

4. V e r h a l t e n der L e b e n d e n g e g e n die T.n. Weil den T.n meist diese üble Gesinnung zugeschrieben wird, so wird im allgemeinen der Verkehr mit ihnen gescheut und gemieden. Die Beziehungen zwischen Lebenden und T.n werden beim Begräbnis geregelt (s. Begräbnis, Leichenzug) ; man tut alles, um ihnen den Abschied zu erleichtern und hofft, daß sie Ruhe finden. Man achtet darauf, ob Totenbrett (s. d.) oder Leichenwaschtuch (s. LeichenWaschung) verfault seien, denn dann ist auch die Leiche verwest, dann hat die Seele Ruhe. Sorge für den T.n und für die Lebenden gehen unentwirrbar durcheinander. Die Pflichten, die der Lebende dem T.n gegenüber hat, werden im Totenkult (s. d.) in feste Formen gefaßt. Im Verkehr mit T.n ist Vorsicht geboten. Ohne Bedenken wagt man etwa dem T.n Botschaft zu schicken, so wenn man einem Sterbenden Grüße an Verwandte im Himmel mitgibt 93 ). In Rußland schrieben Frauen Briefe an ihre gefallenen Männer 94 ). Solche Botschaften in den Himmel sind zu einem beliebten Schwankmotiv geworden 9S). 1926 kam in einem Prozeß in Basel aus, daß eine Betrügerin die Leute glauben machte, sie erhalte Briefe von Toten 9e). Gefährlicher ist es,

IO3O

einen T.n zu Gaste zu laden; man darf mit ihm nicht essen, sonst stirbt man 97). Man sucht alles zu vermeiden, was den Toten zur Rückkehr bewegen könnte. Diese Gefahr, daß der T. zurückgerufen werde, liegt besonders vor, wenn man seinen N a m e n nennt 98 ). Man stört die T.n, wenn man von ihnen spricht " ) , man soll nicht oder nicht viel von ihnen reden 10°), nicht einmal viel an sie denken 101 ) ; besonders soll man nicht seinen Namen dreimal nennen, sonst erscheint er 1 0 2 ). Redet man doch von ihm, so fügt man bei „Gott hab ihn selig" oder ähnliches 103 ) ; heute wird meist nur das „selig" dem Namen angehängt. Niest wer, wenn er von T.n spricht, so muß er sich mit der rechten Hand am linken Ohr zupfen 104 ). Insbesondere ist verboten über den T.n Böses zu reden, de mortuis nil nisi bene los ). Man raubt ihnen sonst die Ruhe 106 ), man reizt sie, und sie können sich rächen 107 ). Der Name des Verstorbenen wird auch im Familienbuch gestrichen 108 ). Einem Kinde soll man nicht den Namen eines vorverstorbenen Kindes geben, sonst folgt es ihm ins Grab 1 0 9 ). Alt und weit verbreitet ist das Verbot, den T.n zu sehr oder zu lange zu beklagen und zu b e w e i n e n ; die Totenklage (s. d.) soll geregelt sein, und ein Zuviel ist schädlich; man könnte den T.n aufschreien, ihn zurückrufen ode/ festhalten u o ). Darum wird auch heute noch dem Weinen gewehrt, oft ist es besonders verboten, solange die Leiche noch über der Erde steht, weil der T. es hören könne und es ihn betrübe m ) , er würde aufgeschrien 112 ). Am offenen Grab soll man nicht zu viel weinen, jede Träne, die zu viel geweint werde, brenne die arme Seele im Fegfeuer 1 1 3 ). Weint man zu viel über den begrabenen T.n, so stört man seine Grabesruhe 1 1 4 ), der T. wacht wieder auf und kommt zurück 1 1 B ) ; es folgt ein neuer Todesfall 1 1 6 ). Besonders einem toten Kinde sollen die Eltern nicht nachweinen, sonst hat es keine Ruhe 1 1 7 ), es muß im Jenseits die Tränen trinken 1 1 8 ). Darauf beruht das Sagenmotiv vom nassen Totenhemdchen oder Tränenkrüglein 1 1 9 ).

Tote (der)

Gegen zurückkehrende T. ist Vorsicht geboten; nach christlicher Auffassung ist die Rückkehr an sich schon ein schlechtes Zeichen (s. Wiedergänger). Als eine Rückkehr des T.n wird auch sein Erscheinen im T r a u m betrachtet. In christlichem Sinn wird es als eine Mahnung des Verstorbenen ausgelegt, daß man für ihn beten, eine Messe lesen oder eineSpende backen soll 120 ) ; wenn der T. in lichter Gestalt erscheint, ist er erlöst m ) . Man soll den Traum binnen 24 Stunden nicht weiter erzählen 122 ), oder man soll sich Datum des Namens- und Sterbetags und die Zahl seiner Lebensjahre merken und in die Lotterie setzen 123). Selten bedeutet der Traum etwas Gutes, wie Einladung zu einer Hochzeit 124 ) ; meist bedeutet es Todes- oder Unglücksfall 125 ) ; öfters deutet man es auf Regen 126 ). *3) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 124 f.; 1752 erschien eine theolog. Abhandlung „ob man den Sterbenden einen Gruß an die Seinigen im Himmel mitgeben könne". Freyberg u. 85 Leipzig. »«) MschlesVk. 20, 63. ) BolteM P o l i v k a 2, 440 fi. ) Basi. Nachr. 7. Spt. 1926; als Sagenmotiv: FL. 15, 336; G r a b e r Kärnten 189 ff. »') S c h a m b a c h u. M ü l l e r 378; Urquell 1, 72 f.; G e r i n g Isl. Aevent. 2, 97 f.; M e i c h e Sagen 525. , 8 ) S c h e r k e Primitive 92. 175; ERE. 4, 441 f.; ZfEthn. 56, 41; e> F r a z e r 3, 349 ff. ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 288 f. 10 °) H ö h n Tod 355; J o h n Westböhmen 101 179; D H m t 4, 153. ) H ö h n Tod 355. 102 ) W u t t k e 473; G r i m m Myth. 3, 463. 103 ) J o h n Erzgeb. 128; J o h n Westb. 178 f.; T e t z n e r Slaven 462. 104 ) WienZfVk. 34, 68. 105 ) R o h d e Psyche 1, 245. l o e ) J o h n Erzgeb. 107 127; WienZfVk. 34, 68. ) SAVk. 22, i n ; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 364; W u t t k e 472; vgl. H ö h n Tod 355; ZrwVk. 1908, 247. l 0 8 ) J o h n Erzgeb.

121.

109

)

Wittstock

Siebenb.

62;

ZfVk. 23, 279; doch vgl. ZfVk. 1, m . "«) ERE. 4, 415; R o h d e Psyche i , 223; S c h r e u e r ZvglRwiss. 33, 355; ZfdMyth. 2, 151 f.; K o n d z i e l l a Volksepos 135 f.; L a m m e r t 107; B o c k e l m Psychologie 2, 185. ) S t r a c k e r j a n 1, 51; 112 2, 215. ) MSächsVk. 2, 24; vgl. H ö h n Tod 113 317. ) B a u m g a r t e n A. d. Heim. 3, 116. 114 ) MdBllVk. ι, 186; WienZfVk. 34, 68; K ü n z i g Schwarzwald 49; HessBll. 15, 130; ZföVk. 10, 143; S c h w a r z Volksglaube 8; T o e p p e n Masuren 112; MSchlesVk. 3, 7; D i e c h s l e r Schlesien I, 293; W i r t h Beitr. 2/3, 67; Graubünden schriftl.; Landsteiner Niederösterr. 30. 115 ) M ü l l e n h o f f Sagen 77; J o h n Erzgeb. 121; G a ß n e r Mettersdorf 95; H ö h n Tod 317; S c h u l e n b u r g Wend. Volkss. 237; R e u s c h Samland n

53 f.

lle

) W i t z s c h e l Thüringen

2, 256.

' ) HessBll. 6, 107; T o e p p e n Masuren 112;

IO32

D r e c h s l e r Schlesien 1, 295 u s ) ZföVk. 3, 373; vgl. ebda 6, 63. l l e ) Lit. s. B o l t e - P o l í v k a 2, 485 fi.; W a s c h n i t i u s Perht 151 f.; vgl. S é b i l lot

Folk-Lore

4,

174; T e t z n e r

Slaven

462;

N a u m a n n Gemeinschaftskultur 34. 12 °) F o n t a i n e Luxemb. 156; ZfVk. 20, 384; B i r U n g e r Volksth. ι, 475; BayHfte 6, 211; ZföVk. 7, 228; J o h n Westböhmen 177. m ) M e y e r Baden 355. 122 ) K n o o p Hinterpommern 116. 123 ) V e r n a l e 124 k e n Mythen 354. ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 89. 125 ) M e y e r Abergl. 145; H ö h n Tod 311; ZfVk. 2, 179; 15, 6; 20, 384; J o h n Erzgeb. 114. 12«) K u h n Westf. 2, 59; ZfVk. 18, 312; Urquell 3, 39; H ö h n Tod 311 ; G e s e m a n n Regenzauber

61.

5. Im Gegensatz zu dem Bestreben, den T.n möglichst rasch in ein Jenseits wegzuweisen und die unerwünschte Rückkehr unmöglich zu machen, stehen die Versuche, den T.n (oder die Seele) im B i l d oder in einem Gegenstand festzuhalten, oder seine Gegenwart durch einen lebenden Repräsentanten darzustellen. Meist geschieht dies nur für eine bestimmte Frist, bis zu dem Termin, da man annimmt, daß der T. endgültig vom Diesseits Abschied nehme. Im Begräbniszeremoniell der alten Könige Frankreichs scheint diese Vorstellung noch nachgewirkt zu haben. Im heutigen Glauben deutet nur noch weniges auf diese Verbindung des T.n mit seinem Bild 1 2 7 ) (Puppe aus den Kleidern eines Ertrunkenen, s. Totenklage). Über die Darstellung der T.n durch Masken s. Masken 128). 127 128

)

Geiger:

SAVk.

) V g l . a u c h H ö f 1 e r Kult.

32, i f f . ,

bes.

Geheimbünde

18 ff. 1, 220.

6. Das E i g e n t u m des T.n. Schon bei Grabbeigabe, Leiche und Leichenzug ist gesagt worden, daß der T. in Verbindung mit seinem Eigentum, besonders mit dem persönlichsten Eigentum (Kleider, Waffen u. a.) bleibe, daß er einen Anspruch darauf behält, und daß man ihm daher Einzelnes mitgibt, anderes zerstört oder nur unter gewissen Vorsichtsmaßregeln wieder in Gebrauch nimmt. Bei Primitiven geht die Zerstörung oder Tabuierung oft sehr weit 128 ). Erklärt wird dieses Vorgehen damit, daß man entweder die Gegenstände dem T.n überlassen, mitgeben will oder sie als verunreinigt ansieht und die Überlebenden von dem anhaftenden Todeszauber bewahren will 130 ). Bei den Zigeunern werden

1033

Totemismu s

auch der Wagen sowie die Gegenstände eines Verstorbenen nicht mehr gebraucht, sondern an Nichtzigeuner verkauft oder vernichtet 1 3 1 ). Weil die Dinge und der T. eng verbunden sind, ist die Gefahr vorhanden, daß man durch Zurückbehalten der Gegenstände den T.n zur Rückkehr zwingt, und daß er allerlei Unheil stiftet, wie in der isländischen Sage Thorgunna, deren Bett nicht, wie sie es gewünscht hat, nach dem Tode verbrannt wird 1 3 2 ). Bei den Balten ging dieses Weggeben des Eigentums in Gestalt eines Wettlaufs um die Habe des Toten vor sich 133 ). In Masuren und Samland wird noch die Habe des Verstorbenen am Begräbnistag an die besten Freunde verteilt 1 8 4 ). An Fürstenhöfen bestand im Mittelalter der eigenartige Brauch, daß beim Tode eines Fürsten vom Gesinde alles Gerät geraubt wurde 13S ). Heute ist noch etwa Brauch, daß Leute, die Ankleiden oder Wache besorgen, Anspruch auf größere Stücke (meist Kleidung) aus dem Nachlaß haben 136 ). Gewöhnlich ist vorgeschrieben, daß das Eigentum des Toten 4 Wochen lang, d. h. bis zum Dreißigsten, unberührt liegen bleibe 1 3 7 ) ; so lange schwebe der Geist umher 138 ) (vgl. Trauer). Eigentum des T.n hat zauberische Eigenschaften: Spinnräder bewegen sich von selbst 139 ) ; solche Erbdinge werden zu Zauber benützt 140 ). Unfertig hinterlassene Arbeiten macht man nicht fertig 1 4 1 ). Wenn jemand stirbt, geht alles, was er gepflanzt hat, nach und nach zugrunde 142 ). Besonders eng verbunden mit dem T.n bleiben seine K l e i d e r , sowie auch die Bettwäsche, worauf er gestorben ist. Wie oben bemerkt, werden diese Stücke an Wächter, Leichenfrau oder Arme verschenkt 143 ). Man muß sie aber erst nach 4 oder 6 Wochen in Gebrauch nehmen, sonst stört man die Ruhe des T.n 144 ). Wer die hinterlassenen Kleider anzieht, wird vom T.n geplagt 1 4 5 ) ; die Pantoffeln werden vor eine fremde Tür gestellt; wer sie nimmt, stirbt 1 4 e ). Man muß die Kleider genau nach Geld durchsuchen ; bliebe solches darin, so könnte der T. nicht selig werden 147 ). Aus Wäsche und Kleidern,

IO34

die man wieder benutzen will, muß man die Namen entfernen, solange noch der T. im Haus liegt, sonst verfaule er nicht oder habe keine Ruhe 148 ). Meist heißt es, die hinterlassenen Kleider halten nicht lange, sie fallen in Stücke, wenn die Leiche vermodert 149 ). Die Wäsche des T.n soll bald gewaschen werden, sonst hat er keine Ruhe 15 °) ; doch heißt es auch, man müsse mehrere Tage damit warten, sonst rumort e s 1 5 1 ) . 129 ) S c h e r k e Primitive 85 ff. 1 7 1 . 1 3 ° ) S c h e r ke 1 7 1 ; E R E . 4, 4 4 1 ; vgl. Acta Abo Hum. IV, 4, 93 f.; ZfEthn. 56, 49; C r o o k e North. India 227 f. 1 3 1 ) S A V k . 15, 147 f. 1 3 2 ) Thüle 7, 126 ff. 133 ) A R w . 17, 485; vgl. 506. 1 3 4 ) Engl. Stud 60, 57. J 3 5 ) S c h u l t z Höf. Leben 2, 463 f. 1 3 e ) S t e h ler Goms 1 0 4 ! ; vgl. B u x t o r f - F a l k e i s e n Basi. Stadt- u. Landgesch. 3, 3. 1 3 7 ) J o h n Erzgeb. 1 2 5 ; MSächsVk. 2, 24; H o m e y e r D. 138 Dreißigste 199 ff.; E R E . 4, 441. ) Gander Niederlausitz 82; vgl. S c h u l e n b u r g Wend. 139 Volkss. 234. ) S c h n e l l e r Wälschtirol 247. 140 ) Urquell 3, 149. 200. 1 4 1 ) T e t z n e r Slaven 461. 1 4 2 ) F o g e l Penns. 129. 1 4 3 ) Urquell 1, 1 1 ; Egerl. 9, 29; ZrwVk. 1907, 274; ZföVk. 4, 268; Germania 29, 89; P o l l i n g e r Landshut 2 9 7 ; F o n t a i n e Luxemb. 1 5 4 ; B i r l i n g e r A. Schw. 2, 320; DHmt 4, 2; L e m k e Ostpreußen 1, 5 7 ; HessBll. 10, 1 1 0 ; SVk. 17, 1 3 ; L e B r a z Légende ι , 394; Béaloideas 1928, 2 1 7 ; vgl. C a l a n d Altind. Toten- u. Bestattungsgebr. 16 f.: Kleider 144 v. Verwandten getragen. ) H ö h n Tod 360; W i t z s c h e l Thüringen 2, 254. 2 5 7 ; W u t t k e Sachs. VA. 368; Z e l e n i n Russ. Vk. 324. 146 ) L a m m e r t 106; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 14β 2 1 9 ; vgl. G a n d e r Niederlaus. 82. ) MsächsVk. 5, 88. 1 4 7 ) Z i n g e r l e Tirol 49. 1 4 8 ) H ö h n Tod 320; W i r t h Beitr. 2/3, 57. 1 4 9 ) L a m m e r t 1 0 5 ; R o c h h o l z Glaube 1, 186; S A V k . 12, 1 5 4 ; S V k . 19, 64; D r e c h s l e r Schlesien 1, 306; Urquell 2, 258; Germania 29, 89; Rockenphilos. 9 7 4 ; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 1 2 2 ; E R E . 4, 15 441. ° ) G r i m m Myth. 3, 458; Z i n g e r l e Tirol 50; L a m m e r t 107; Baselland mündl. 151 ) MittSchönh. 8, 102. Geiger.

Totemismus. E s ist von vornherein wahrscheinlich, daß der T., wenn er nach weitestgehender Übereinstimmung religionsgeschichtlicher Forschung im Untergrunde der meisten entwickelten Religionsformen anzutreffen ist, auch in jener psychischen Schicht heimisch ist, aus welcher der Aberglaube gespeist wird. Deshalb verdient der T. hier besondere Beachtung. Das indianische Wort Totem enthält als wesentlichen Bestandteil „verwandtschaftliche Be-

1035

Totemismus

ziehung", die indeß, was gleich dazu bemerkt sei, nicht im Sinne von Abstammung und Blut gemeint sein muß. Die neuere Forschung faßt T. demgemäß als eine Glaubens- und Lebenshaltung, die auf einer verwandtschaftsähnlichen, d. h. innerlichen, irgend einen wichtig empfundenen Punkt berührenden Beziehung einer menschlichen Gruppe, des Klans, oder eines Individuums zu einer bestimmten Seinsgruppe, eben dem Totem, in der tierischen, pflanzlichen, seltener leblosen Naturumgebung beruht 1 ). Diese verwandtschaftliche Beziehung, die man besser als eine symbiotische und auch sympathetische versteht, in der gewisse Gleichgerichtetheiten in Empfinden und Streben, im Triebleben und in Hinnahme der Welt Totem und Menschen miteinander psychisch zusammenschließen, wird bei einzelnen Völkern auf verschiedene Weise teils ausgedeutet, teils in die Lebenspraxis eingefügt. Manchmal geschieht das durch den Gedanken der Abstammung des Klans von jenem Totem, häufiger weniger direkt durch den Gedanken, daß eine gemeinsame und kaum irgendwie definierbare Unterschicht des Seins existiere, aus der einst in Urtagen der Urtyp des Totems hervorgegangen ist, der seinerseits sowohl das totemische Tier oder die totemische Pflanze, als auch den menschlichen Klan ins Dasein gesetzt habe, also eine Art demiurgischer, schöpferisch-bildnerischer Rolle spielte, nach deren Erledigung er von dem Schauplatz abtrat, um in Gestalt eines alten Felsens oder Baumstumpfs noch in fernste Zeiten hinein zu wirken, etwa durch Aussendung von lebensfähigen Keimen aus dieser seiner Restmasse (so häufig in Australien) 2). Bisweilen wird die intime Verbundenheit durch das Verbot, vom Repräsentanten des Totems zu essen, angezeigt, manchmal gerade umgekehrt durch das Gebot, bestimmte Teile von ihm zu verzehren 3 ). Dazu gesellt sich oft die Vorschrift der Exogamie, d. h. das Verbot des Heiratens innerhalb der Gruppe; doch sind über den Grund dieses Verbots die Meinungen recht geteilt, da viel dafür spricht, daß es nicht in tote-

1036

mistischer Gesinnung seinen Ursprung habe, sondern in rein sozialbiologischen Erwägungen, zum Teil auch in ökonomischen 4 ). Was bei allem Fraglichen aber unveräußerliches Charakteristikum des T. ist, das ist die vital-seelische Verbundenheit an sich, die vermittelt ist durch die gleiche beiden Teilen eignende unsinnliche Kraft nach der Art des Mana5). Durch den gemeinsamen Besitz derselben bilden Mensch und Totem zusammen einen bestimmten Ausschnitt aus der Weltgesamtheit, so daß die Machtbereiche der bekannten Naturwelt durch die Totemverbände oder Klans gleichsam aufgeteilt sind. Daher läßt sich der T. am besten bestimmen als eine Sonderform der symbiotisch-sympathetischen Lebensempfindung, vermöge deren sich der Mensch mit den übrigen Teilen des Weltseins mittels der verschiedenen Klans des Volkes gewissermaßen auf Gedeih und Verderb zusammengekettet weiß 6 ). Die Symbiose mit der umgebenden Wirklichkeit wird vom einzelnen wie von der sozialen Gruppe irgendwie mystisch gefühlt; nicht als eine gesetzlich geregelte Angelegenheit, sondern als eine außerhalb der von uns real genannten Verhältnisse gelegene, dennoch unentrinnbare Ordnung. Sie hängt also vom Willen des Primitiven im allgemeinen nicht mehr ab, als die objektive Naturordnung vom Individuum abhängt. Es existiert zugleich eine rein objektive Nebeneinander-Stellung der beiden Teile und eine vom Menschen empfundene, ihm bewußt werdende Sonderbeziehung zwischen ihm und jenem von ihm als Totem bewerteten Umweltteile (Tiergattung, Pflanzengattung, Stein von auffallender Größe, Wolken, Sternbilder, auch einzelne Sterne, wie Sonne und Mond). Der hinter dieser symbiotischen mystischen Bezogenheit waltende unsinnliche Seinsgrund ist gewissermaßen der herauszudestillierende Begriff des Totems, für den es eben in unserer Sprache und Begriffswelt kein Analogon gibt 7 ). !) E i n e gute Ü b e r s i c h t über die zahlreichen V e r s u c h e zur E r m i t t e l u n g der Grundidee des X. bei A . v a n G e n n e p L'état actuel du problème totémique 1920; dazu J. G. F r a z e r Totemism and. Exogamy 4 B ä n d e 1910 und sämtliche B ä n d e

1037

Totemismus

v o n F r a z e r Golden Bough·, auch Andrew L a n g The secret of the Totem 1905. 2 ) B e t h Religion 3 ) Vgl. E . R e u t e r s k i ö l d und Magie 2 14. 4 ) K . Th. P r e u ß Speisesahramente 1912. Die geistige Kultur der Naturvölker 1923. 6 ) S. Art. Präanimismus, hier Bd. 7, 300 ff. e ) R. T h u r n w a l d Die Psychologie des T. Anthropos 14 u. 15; E . V a t t e r Der australische T. 1925. ') W . H. R. R i v e r s Totemism in Polynesia and Melanesia (Journal of the R o y a l Anthropol. Instit. 1909); Ders. History of Melanesian Society 1914.

2. Nicht auszumachen war bis heute, ob Gruppen- oder Individual-T. ursprünglicher war. Die französische Soziologenschule (Hubert, Mauss, Durkheim) vertritt die Ansicht, daß dem ersteren die Priorität zukomme 8 ). Jedoch da der T. gerade im Bewußtsein der einzelnen stark betont und namentlich mit der Seelen Vorstellung eng verbunden ist, so überwiegt die Wahrscheinlichkeit für Ursprünglichkeit des individuellen T. und allmähliche Entwicklung des kollektivistischen. Geklärt ist indes diese Frage noch nicht. Das ethnische Bild zeigt uns beide Formen gewöhnlich nebeneinander. Ein Australier sagt zumeist: Das Kängeruh, die Beutelratte, die Schwärmerraupe ist mein Totem — auch wenn vorwiegend Gruppen-T. vorhanden ist; und die steinernen und hölzernen Tjurungas (oval, ι bis 3 Fuß lang, Name vom zentralaustralischen Stamm der Aranda, heiligstes Gerät) sind bei sehr vielen Völkern das s'nnl'ch-kultische Verbindungsmittel und gelten vorwiegend als Träger der Totem-Energie des Individuums 8 ). So scharf man auch die Grenze zwischen individuellem und sozialem T. bisweilen ziehen zu sollen vermeinen mag, immer .vieder wird die Grenze im konkreten Falle verwischt und scheint dann selber erst spät entstanden. Stimmen doch zahlreiche Forscher darin überein, daß der N a g u a l i s m u s so häufig der Anhub totemistischer Vorstellungsbildung zu sein scheine, daß die aus ihm entstehende Gestalt als die älteste angesehen werden müsse. Unter Nagualismus versteht man (nach dem Lehnwort aus der Sprache der Indianer von Guatemala) die Wahl eines dem Individuum zugehörigen Schutzgeistes, nagual, der gewöhnlich ein Tier ist und mit dem das Leben des Indivi-

1038

duums verkoppelt ist 10 ). Die Australier nennen das betreffende Tier den Bruder bzw. die Schwester des Mannes oder der Frau. Bei Indianern und afrikanischen Völkern herrscht die Sitte, daß der junge Mann in die Bergwaldeinsamkeit sich für Wochen zurückzieht, um dort unter Fasten, Beten und Meditation seinen, ihm längst bestimmten oder gehörigen Schutzgeist im Traum oder in einer Vision ansichtig zu werden und von da an sein Leben in der Gewißheit von dessen ständiger Nähe und innerer Leitung zu verbringen 11 ). Natürlich wird das Wort Schutzgeist dem Sachverhalt nicht gerecht, da das Individuum mit diesem Geistwesen, das in einem Exemplar einer Tiergattung nur äußerlich schaubar wird, an sich jedoch eher unsichtbar bleibt, verbunden ist ähnlich wie der Ägypter mit seinem Ka. Bei den mancherlei Abschattierungen und Wandlungen, die diese Idee unter primitiven Stämmen erhalten hat, darf man nach immer besseren Entsprechungen suchen, um zu genauerer begrifflicher Form der Verdeutlichung zu gelangen. So geben die afrikanischen Kpelle ein weiteres schätzenswertes Analogon. Das Käsen (ihr Wort für Totem) ist geradezu mit „Geburtsding" übersetzt worden 12), und die Leute selber erläutern es: „was im Rücken eines Menschen ist", womit es fast mit äg. Ka, ev. auch mit nord. Fylgji zusammenfällt, daher Begleitseele, in der das persönliche Schicksal zuhanden ist. Erst in zweiter Linie erfolgt dann der Zusammenschluß derjenigen Volksgenossen, denen das gleiche Totem erschienen ist, zum Klan. Das religiöse Moment ist hier augenscheinlich viel stärker, zumal das individuelle Erlebnis immer aufs neue Ausgangspunkt totemischen Zusammenschlusses wird. Wer angesichts dieser klaren Umstände den T. als eine ursprünglich kollektivistische Erscheinung erfassen will, der muß von allen wahrhaft religiösen Gefühlsmomenten in ihm absehen, die durchweg auf individuelles Erleben hinweisen. Der T. entwickelt sich am lebhaftesten dort, wo das Tier oder die Pflanze oder ein Gestirn in das Einzelleben eingreift, wie

1039

Totemismus

denn ja bei den auf dem nomadischen Standpunkt des Raubbaues, Jagd- und Fischfanglebens stehen gebliebenen Volksstämmen (Australien und ozeanische Archipele, Südamerika) die nachhaltigste Kräftigkeit des T. anzutreffen ist. In den unwirtlichen und ertragsarmen Steppen, wo sich der Mensch vereinsamt vorkommt, findet er die ihm angemessene Vergesellschaftung nur mit dem dort Lebenden, schließt er sich in geheimnisvollem Schweigen mit ihm als einzigem Verwandtem zusammen ; und merkwürdig ist, daß hierbei die sozialen Instinkte fast zurücktreten können. Ohne letztere ist der T. denkbar.

IO4O

tausches der auf menschlicher und totemischer Seite vorhandenen gleichen Energien zu bewirken. Nicht darf in dieser auf Vermehrung gerichteten Feier eine spätere Erweiterung gesehen werden, sondern sie zeigt den Nerv des T. an ; und nur die sakramentale Verspeisung des Totemtieres, die recht selten ist, liegt auf der Linie der Fortbildung über die Grundform hinaus. Jene erwähnten Nachahmungen setzen schon in den Vorbereitungen der Zeremonien ein, mit Bemalungen und Schmückungen der Klangenossen. Eine große Gras- und Daunenkugel z. B. muß die Sonne darstellen bei einer Feier des Sonnent otemklans. Diese Mbatjalka·) H . H u b e r t et M. M a u s s Mélanges de l'histoire tiuma-Zeremonien, wie wir sie nennen des religions 1909; E. D u r k h e i m Les formes élénach den Aranda, bei denen sie am besten mentaires de la vie religieuse ; le systerne totémique beobachtet sind, — Frazer hat dafür das e en Australie, 1912. ) C. S t r e h l o w Die ArandaWort Intichiuma übernommen, aber und Loritjastämme in Zentralaustralien. Frankfurter Museum f. Völkerkunde 1908. 909. Strehlow hat nachgewiesen, daß dieser 10 ) O. S t o l l Die Ethnologie der Indianerstämme Name nicht für die Vermehrungs- und von Guatemala, 1889; Ders. Suggestion und Fruchtbarkeits-Zeremonien gebraucht Hypnotismus in der Völkerpsychologie 1904, wird 1 5 ) — vereinigen natürlich die reliiógff. ; D. G. B r i n t o n Nagualism, in Proceed, of the Amerio. Philos. Soc. vol. 33, u f i . 1 1 ) B e t h giöse und soziale Bedeutung des T. fürs aaO. 257. 12 ) D. W e s t e r m a n n Die Kpelle, ein Volk. Praktisch sind die beiden GesichtsNegerstamm in Liberia 217 f. punkte nicht von einander zu trennen, 3. Sonach ist T. getragen von der Idee ergänzen sich vielmehr zur Einheit des der Ergänzung, Abrundung, Auffüllung totemischen Systems. Denn die Riten für der menschlichen Existenz nach der Seite Vermehrung und Kräftigung der Totemder durch kongeniale Naturseite zu ge- gattung in der Natur sind immer zugleich währenden Eigenheit. Deshalb wird man auf Hebung der sozialökonomischen Verin den Bemühungen um die Vermehrung hältnisse gerichtet; und die Kräftigung der Totemexemplare etwas Wesenswich- der Totemenergie im Menschen, sei es im tiges zu erblicken haben; etwas, aus dem Klan oder in der einzelnen Person, durch der Ursprung der Totemvorstellung selber jene selbigen .Zeremonien geht infolge der abgeleitet werden kann 13 ). Da indes bei völligen Korrespondenz zwischen Totem den diesem Zwecke dienenden Zeremonien und Mensch zusammen mit der Kräftigung die Nachahmung des Totemtieres in Be- der Totemgattung und ihrer einzelnen wegung, Nahrungsaufnahme, Gewohnhei- Vertreter und greift somit auch auf die ten im Vordergrunde stehen, so könnte Hebung der sozialökonomischen Verhältdie Vermutung nahe zu liegen scheinen, nisse über. Dennoch ist es verkehrt, die daß der T. einfach aus dem Spieltrieb sozialen Gesichtspunkte derart in den heraus zu verstehen sei (Ankermann) u ) , Vordergrund zu schieben, daß das indiwie ja kindliches Spiel vielfach solche viduell-religiöse Erleben zu einem ganz Nachahmung und symbiotische Tendenz sekundären Moment abgestempelt wird. verrät. Jedoch ist auch bei solcher An- Das kann nur dort geschehen, wo dem nahme nicht zu übersehen, daß der tote- religiösen Faktor des T. nicht genügend mische Ritus den ganz bestimmten Zweck Rechnung getragen wird. verfolgt, eine nicht spielerische, sondern 1S ) W. R o b e r t s o n - S m i t h Die Religion der sehr ernste Stärkung des symbiotischen Semiten-, C o h n Tiernamen 3, 13; K r a u s s Verhältnisses und wechselseitigen Aus- Slaw. Volksbräuche 332. l 4 ) B. A n k e r m a n n

Totemismus Verbreitung und Formen des (Zeitschr. f. Ethnologie 47. gion u. Magie 318, 321 ff.

T. 1δ)

in Afrika Beth Reli-

4. Das religiöse Moment im T. dreht sich um des Menschen Zentrum (Seele) und dessen Korrelat in der unsinnlichen Welt, das Totem. Aufs mannigfaltigste wird die wesenhafte, nicht eigentlich erst herzustellende, sondern ursprunghaft vorhandene intime Bezogenheit beider aufeinander ausgedrückt. Dabei liegt kein Animismus vor. Hauptsache ist die Parallelität zwischen Mensch (und zwar allererst Individuum) und Naturgegenstand (Totem) in bezug auf Zugehörigkeit zum allgemeinen Lebensfond, Verknüpftheit in Sein und Nichtsein, in Leben und Sterben miteinander. Die einzelnen individualen und volksgeschichtlichen Lebensphasen der betreffenden Tiergattung werden in den australischen Totemliedern besungen als Lebeformen und Phasen des Totem-Urfahren16). Daher ist T. nicht mit Tier Verehrung verbunden oder gar gleichzusetzen und sind Reste von Tierkult nicht Reste von T., sondern nur wenn wirkliche symbiotische Lebensbeziehungen geglaubt werden, darf man von totemistischen Resten sprechen. Die zwölf Brüder des Märchens sind mit Lilien „identisch", d. i. lebens-parallel, in völliger wesenhafter Korrespondenz, und beim Brechen der Lilien werden sie, da ihre eigene Energie entwichen, Raben (vgl. Art. Märchen)17). Die Parallelität geht soweit, daß sich die beiden Parteien in den wichtigsten Dingen vertreten können, was vor allem dem Klan zugute kommt 18 ). Da der Mensch, wie schon der Primitive weiß, gar zu oft säumig in seinen Pflichten ist, so müßte er nur zu häufig auf Fruchtbarkeit verzichten, wäre er lediglich auf seine zeremoniellen Handlungen angewiesen. Tritt trotz seiner Nachlässigkeit Gedeihen ein, regnet es, obgleich er die Mbatjalkatiumas nicht ausführte, so haben die abgeschiedenen Seelen als der im Jenseits wirkende Totembund sie vollbracht, die Iruntarinia. Ja, diese Seelen wachen überhaupt ständig über dem Wohl desKlanes: Sie benachrichtigen

IO42

im Traum das greise Oberhaupt der religiösen Feiern in dem Augenblick, da die Zeremonie notwendig ist. Sie halten auch selber ähnliche Feiern ab. Zeigt sich z.B. großer Überfluß von Raupen oder Emus, ohne daß die Leute des zugehörigen Totems die Zeremonie begangen haben, so beruht der Überfluß auf den Zeremonien der betreffenden Iruntarinia19). Es ist im Grunde dasselbe, wenn in Mexico die Tiere eben diese Zeremònien begehen, ja die Omaha wissen, daß sie ihre Kenntnis der heiligen Zeremonien nur dadurch besitzen, daß die befreundeten Tiere aus ihrem himmlischen Reiche ihre lehrenden Boten zu ihnen sandten. Man muß sich zum vollen Verständnis dieser Gedankengänge dessen erinnern, daß die ganze lebende Natur für diese Menschen zu einem gewaltigen unsichtbaren Reiche zusammenwirkt. Im Frühling sind für den Indianer der Vogelsang, das Girren der Tauben, das Quaken der Frösche, das Zirpen der Grillen, mit einem Wort alle durch die Wiesenbewohner hervorgebrachten Geräusche ebensoviele Anrufungn der oberen Gewalten. Tiere wie Totemisten entbinden durch Tanzen und Singen die in der Natur verborgenen spezifischen Totemenergien für das Gedeihen derTotemexemplare u. Totemklangenossen. Der Glaube, daß Menschen in Tieren fortleben, z. B. die Bujäten in Bienen, die Bororo in Araras, die Madagassen und Maori in Eidechsen, ist möglicherweise Überbleibsel von T., sofern in gegenwärtigem T. die Meinung vertreten ist, daß die Seele in Gestalt eines Tieres, eben des Totems, in die empfangende Mutter eingeht, nachdem der Vater es gefangen heimgebracht hat (Australien)20). Analog wird angenommen, daß nach dem Tode ein Teil der Seele in die ursprüngliche Form zurückgeht, bis eine neue Empfängnis ihm wieder Unterschlupf bietet. Hierher gehört vielleicht die Anschauung, daß die sich auf Wanderung begebende Seele des Schlafenden in Tiergestalt aus- und eingeht (Maus, Hummel) 21 ). Die Zärtlichkeit gegenüber im Hause angesiedelten Kröten, Schlangen, Unken, Igeln dürfte nicht selten ähnlich bedingt sein 22 ). Vor-

1043

Totemismus

zug genießen in dieser Hinsicht die schwarzen oder chthonischen Tiere : da allerdings wird es bedenklich, auf T . zurückzugreifen, der sich nicht mit Vorliebe dieser Klasse zuwendet. I m deutschen Volksglauben begegnet man den W a n a , die höchst wahrscheinlich dem symbiotischen Anschauungsboden des T . entwachsen sind. Denn wenn die W a n a auch später unter Einfluß des Hexenglaubens und der Hexentheorie als Organe oder Verwandlungen der Hexen erscheinen, so sind sie doch ursprünglich Genossen der menschlichen Gesellschaft. I n der ganzen Oberpfalz nennt man so Katzen, die sich zuzeiten in Menschen wandeln, um dann ein ganz menschliches Leben zu führen 2 3 ). W i e bei den Indianern und anderen Stämmen, welche solche Vorstellungen noch im deutlichen Zusammenhange mit T . haben, die Büffel oder Biber oder andere Tiere, zunächst unerkannt, in Menschengestalt in die menschliche Gesellschaft eintreten und mit einem menschlichen Partner eine Familie begründen, so wollen die W a n a als Menschen behandelt werden. Und wenn dann erst von einer möglichen und drohenden Rückwandlung die Rede ist (man denke an das Melusine-UndineMotiv!), blickt der totemistische Untergrund noch klarer hervor, dem die verschiedenen Ideen v o m Übergang zwischen tierischem und menschlichem Sein entsprießen. W i r befinden uns dann auf dem Boden einer Lebensanschauung, welche die Grenzen zwischen Mensch und Tier nicht zieht, gerade auch sozial nicht zieht, sondern Einheit, Parallelität, Identität, Wechselwirkung betont. Die W a n a „ v e r lieben sich öfter in Erdenkinder, denn sie können zu Menschen werden ; ihre Weiber und Kinder werden alle wieder W a n a " 2 4 ) . Zwei Beispiele: ein Graf hatte sich in ein schönes Weib verliebt, das ihn aber nur unter der Bedingung zum Mann nahm, daß er am Mittwoch, dem Wodanstag, nicht nach ihr frage. E r sagte zu, hielt jedoch nicht sein Wort, sondern belauschte sie, wie sie nachts mit den Katzen spielte und von ihnen „ F r a u W a n a " angeredet wurde. Als er sie andern T a g s wegstieß,

IO44

ward sie zur K a t z e ; aber auch er. — E i n Fräulein erwachte durch großes Katzengeschrei. Plötzlich stand ein schöner Mann vor ihr und erklärte : Du mußt mein W e i b werden ! Sie wars zufrieden, erfuhr aber später, daß ihr Mann zum Katzengeschlechte gehöre. E r konnte infolgedessen bei Tische nicht vorbeten, und sie neckte ihn: „ G e h zu, du Teufelswana". D a wurde er zum Kater und sie zur Katze. Man sieht,das B a n d kann anscheinend nicht wieder ganz gelöst werden, denn auch der andere Teil ist mit dem Wana-Wesen begabt — wechselseitig wie im primitiven T . 16 ) Vgl. solche Lieder bei S t r e h l o w aaO. " ) G r i m m KuHM. Nr. 9. 1 8 ) L é v y - B r u h l Das Denken der Naturvölker (deutsch) 217S. 18 ) Ebd. 220f. 20) B e t h aaO. 47f. 2 1 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 179 •— ZfVk. 13, 372, 456f. 22 ) C r o o k e North. India 262ñ.2y8ñ. 23 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 185. 21 ) ebd. 3, 187.

5. Hier muß der p s y c h o a n a l y t i s c h e n Deutung des T . gedacht werden, da sie zu manchem Mißverständnis Anlaß gegeben hat. Sigm. F r e u d macht eine Verwertung des T . durch Bevorzugung jener A u f f a s sung des T . , nach der das Totem der Ahnherr des Stammes oder Klans ist. Dies ist nun ganz sicher eine der jüngsten U m bildungen im T.systems, sofern die sog. totemische „Abstammungsidee" eigentlich nicht auf einen Ahnherrn führt, sondern höchstens auf ein mythisches Wesen, dem als „Urheber"persönlichkeit das Dasein alles Lebenswichtigen verdankt w i r d 2 5 ) . Freud fügt also in eigener U m deutung hinzu, daß das Totem in die Vaterrolle gerückt werde. — N B . als V a t e r wird bisweilen der bei Totemisten verehrte Hochgott angesehen, der aber auch dann, wenn er den Begriff des Zusammenschlusses sämtlicher Totems des Volkes darstellt und diesem Gedanken sogar seinen Ursprung verdankt, nicht genau genommen Bestandteil des T . ist 2 ®). Freud konstruiert diese Vaterrolle des Totems, um nun seine Hypothese v o m Ödipuskomplex daranzuknüpfen, die Vorstellung der bis zum Mord führenden Feindschaft des Sohnes gegen den Vater, und er konstruiert weiter, daß die „ U r horde" dadurch entstanden sei, daß die Söhne, um die Mutter zu besitzen, den

1045

töten

Vater umbringen und danach sich gegenseitig 27 ). „Ein Vorgang wie die Beseitigung des Urvaters durch die Brüderschar mußte unvertilgbare Spuren in der Geschichte der Menschheit hinterlassen" 2 8 ). Zu solchen Spuren gehört nicht bloß der seitdem unausrottbare Haß des Sohnes gegen den Vater und die Bindung an die Mutter, sondern auch als seelische Folge davon das Schuldbewußtsein. Dies trieb den überlebenden Sohn zur Religion, in welcher er den Geist des toten Vaters mittels Opfer zu versöhnen trachtete. Daß diese Konstruktion auch mit allem, was man über früheste Formen von Religion weiß, nicht übereinstimmt, möge nur beiläufig erwähnt sein (s. d. Art. Psychoanalyse). Daß sich aber aus der hier angenommenen psychischen Lage mancher Aberglaube entwickeln konnte, ist sicher; und so kann leicht mit Hilfe dieser psychoanalytischen Theorie eine besondere Ansicht über Wurzeln des Aberglaubens im T. hergestellt werden.

25 ) N. S ö d e r b l o m Das Werden des Gottesglaubens n 6 f f . 2e ) ebd. n 8 f . " ) S. F r e u d Totem •u. Tabu 1 3 8 S . 2e) ebd. 143.

6. Zur Vervollständigung der Charakteristik des T. scheint erforderlich, klarzustellen, daß der T. eine Sonderstellung unter den Religionsformen insofern einnimmt, als er sich fast nie mit Dämonenglauben oder -kult verbindet. Er füllt die Seele so sehr aus, daß er gegen dämonistische Auffassungen sich ausschließend verhält. Er füllt so aus wie etwa das kindliche Identitätsspiel, wo das Kind sich als Tier gebärdet, u. Ähnliches ereignet sich im hypnotischen Zustand. Das Ichbewußtsein des Totemisten ist eigenartig. Die mystische Identifikation mit dem Totem und gegebenenfalls mit einem einzelnen Exemplar desselben ist nur möglich in einer geistigen Lage, die ein voll entfaltetes Menschbewußtsein als gegen anderes Sein abgetrennt nicht herrschen läßt. Die Psychiatrie macht auf Fälle aufmerksam, wo der heutige Kulturmensch infolge seelischer Erkrankung an die Stelle des normalen Selbstbewußtseins für einige Zeit ein abgeändertes Selbstbewußtsein treten läßt, dies oder jenes Tier zu sein, und wo der Betreffende sich als das Tier

IO46

benimmt; ganz so wie derjenige, dem im hypnotischen Zustand solches Bewußtsein suggeriert worden ist 29 ). Wohl aber findet sich häufig innerhalb totemischer Kultur die Idee eines persönlich gearteten Gottes, des sog. Hochgottes, der in Himmelsregionen mit Familie wohnhaft gedacht ist oder auch (bei einigen Indianern) in völliger Einzig-Einsamkeit. Nur angedeutet sei, daß dieser Gott manchmal als Fülle aller Totems beschrieben wird und dann direkt aus der T.grundidee hervorgegangen zu sein scheint; manchmal mehr ein personifizierter Manaträger ist und dann abwechselnd persönlich und unpersönlich vorgestellt wird; letzteres bei nordamerikanischen Indianern 30 ). 29 ) A. S t o r c h Das archaisch-primitive Erleben und Denken der Schizophrenen 1922. 30 ) B e t h aaO. 333fi. K. Beth.

töten. I. Z a u b e r . T. begegnet irr» Volksbrauch als eine m a g i s c h e H a n d l u n g , die das Getötete nicht vernichtet, sondern v e r w a n d e l t , um bewußt oder unbewußt eine Stärkung des „Getöteten" zu erzwingen. Eine derartige Verwandlung ist in der „Tötung" des K o r n g e i s t e s im Erntebrauch zu erblicken 1 ), auch genannt „den Bauer totschlagen" 2 ). In solcher Tötung des „Alten", des „Pfingstl", des Vegetationsdämons, sei es, daß man ihn austrägt, köpft, ertränkt, verbrennt oder vergräbt, um ihn zu v e r j ü n g e n , ist also deutlich der Sinn der Verwandlung und nicht der Vernichtung zu erkennen, man vergleiche die (Schein-) Tötung und Wiedergeburt primitiver Knabenweihen 3 ). Wenn ein in ein Tier verwandelter Mensch, ein verfluchter Geist, eine umgehende Jungfrau durch Köpfen entzaubert werden kann, zeigt sich auch in diesem Märchen- und Sagenmotiv das e r l ö s e n d e T. als (Gegen-) Zauberhandlung 4 ). Daß das T. eines Menschen in Märchen und Sage nicht immer sein unwiderrufliches Ende bedeutet, dürfte das alte Motiv der zauberischen Wiederbelebung getöteter, ja, zerstückelter Menschen beweisen 5 ). Dem Wunsch der endgültigen Vernichtung dagegen nähert sich das T. als Halsabstoßen einer Pestleiche 6 ) oder als Ver-

1047

töten

brennen der Leiche eines Poltergeistes 7 ). Solchen s c h e i n b a r e n treten w i r k l i c h e O p f e r h a n d l u n g e n an die Seite, einmal in s ü h n e n d e r Absicht als Menschenopfer 8 ) oder Tieropfer (s. d.). E r l ö s u n g kann auch durch T. eines Dritten bewirkt werden, es müssen z.B., um drei Jungfrauen zu erlösen, ein Kalb, ein anderes Tier und gar die Eltern des Erlösers getötet werden 9 ). Es kann aber auch ein Wächter des zu Erlösenden sein, der getötet werden muß, etwa ein Höllenhund, der geköpft werden soll 10 ). Um einen Schatz heben zu können, muß man ein Zicklein t., eine schwarze Katze oder einen schwarzen Ziegenbock, denn unschuldig vergossenes Blut erlöse u ) . Zuweilen muß wie oben der Schatzhüter geköpft werden 12 ). Das Tieropfer dient oft dem A b w e h r z a u b e r , wenn z . B . ein T. und Verscharren von Katzen den Wuchs des Flachses, auch des Obstes fördern soll 13 ), oder wenn die erste Otter, die man im Jahre findet, zu t. und (vor Walpurgis!) unter der Stalltüre zu vergraben ist, damit die Kühe nicht krank werden 14 ). Den gleichen Zweck erfüllt es, eine Kröte an einem Tage des Frauendreißigst aufzuspießen und am Spieße sterben zu lassen, das tote Tier dann nachts in den Stall zu legen oder an der Stalldecke zu befestigen 1S). Die Gebeine getöteter Tiere aufzuhängen, um damit eine Seuche unter dem Vieh abzuwehren, hat schon das Konzil von London 1075 verboten 1β ). Vergleiche weiter die Bauopfer 17 ) und besonders die Hahnenopfer 18 ). Auch die V o l k s h e i l k u n d e gibt gerne den Rat, Krankheiten auf Tiere zu übertragen und diese dann einem langsamen Tode zu überantworten, also ζ. B. Warzen mit einer Schnecke zu bereiben, damit hernach das schwindende Leben der aufgespießten, vergrabenen oder verklopften Schnecke und der verdorrende Körper die Warze mitnehme l e ). Ebenso hilft der angetragenen Krankheit das T. eines Schlehen- oder Wachholderzweiges So werden oft Tiere getötet, die sonst besonders geschützt sind, wie Hirsch oder Kröte 2 1 ), um Heil- oder Zaubermittel zu gewinnen. Vom T. von Tieren

IO48

ist kein weiter Schritt zum T. von Menschen, wenigstens im Aberglauben; noch 1911 enthüllte in Oststeiermark ein Prozeß die Ansicht, daß die Apotheker jährlich mindestens ein Weib und einen Mann t., um aus ihnen Medikamente zu bereiten22). Boshaft s c h ä d i g e n d e m a g i s c h e T ö t u n g findet sich unter verschiedenen Formen des F e r n z a u b e r s oder B i l d zaubers23). Daraus erklärt sich die Redensart, daß man einen Juden töte, wenn zwei übers Kreuz das Wasser abschlagen 24). Auch als Berührungszauber erfolgen solche Tötungen 25 ). Hierher gehört ferner das Verbot, mit den Fingern nach dem Himmel zu weisen, sonst steche man einem Engel die Augen aus oder töte ihn 2β ). Auf der andern Seite gibt es m a g i s c h e K r ä f t e , die b e w i r k e n , d a ß ihr T r ä g e r n i c h t g e t ö t e t w e r den k a n n , die ihn „festmachen"; nur wenn man sie beseitigt hat, wird der Tod möglich, also erst wenn ζ. B. drei geweihte Hostien, die in die linke Hand am Daumen in der Maus eingelegt und verwachsen sind, herausgeschnitten werden, kann der stich- und kugelfeste Zauberer sterben 27 ). Ebensowenig ist ein Werwolf zu t. 2 8 ). Besondere Hemmungen walten, wenn aus Kirchenglocken hergestellte Kanonen niemand t. können sollen 2β) oder der erste Schuß aus einem neuen Gewehr nichts zu t. vermag 30). H e x e n und G e s p e n s t e r können nur mit geweihten Kugeln getötet werden 31 ). Umgekehrt droht den Menschen mannigfache Gefahr, von solchen bösen Mächten getötet zu werden. Geister, denen man aus Übermut, infolge einer Wette, entgegentritt oder ungehorsam ist, t. den Frevler durch Schreck, gleich, oder nach drei, acht Tagen 32) ; ebenso strafen sie ihre Verbannung mitunter an dem Bannenden mit raschem Tod 3 3 ). Alpgeister können diejenigen, welche sich durch Fluchen in ihre Gewalt begeben haben, t. 3 4 ). Auch Hausgeister, Kobolde, sind gefährlich, sie t. besonders solche, die ihrer spotten 35 ). Die Nachzehrer t. ihre Angehörigen 36), die Hexen t. und essen Kinder 37 ). M a n n h a r d t 1, 335. 358. 363!.; D e r s . Forschungen 12. 29ff. u. a. m. 3306.; S a r t o r i

1049

töten

Sitte 3, 254f. 131ÎÏ.; N a u m a n n Gemeinschaftskultur 120Í.; F e h r l e Volksfeste 77; F r a z e r 4, 207. 12, 332. 2) M a n n h a r d t Forschungen 31. 3) S c h u r t z Altersklassen H5f.; G e s e m a n n Regenzauber 7of.; W e i s e r Jünglingsweihen 21. 84; vgl. oben enthaupten 2, 856S.; s. a. 3, 1821; 4, 688f.; 5, 295. 1524; Sommer u. Winter. 4) B o l t e - P o l i v k a x, 9. 515. 3, 60. 86; L a i s t n t r Sphinx i, 264ÍI. ; HessBl. 28 (1929), 113s. 127s.; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 77ff.; K ü h n a u Sagen 1, 237. 255. 283! 286f. 512; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 140. 5) M ü l l e n h o f f Sagen ¿ff.; B o l t e - P o l i v k a 1, 422!; 2, 162. «) Z. B. Sangershausen 1565, B e c h s t e i n Thüringen 4, 86 = G r ä s s e Preußen 1, 472; S i e b e r Sachsen 96; N a u m a n n aaO. 56; vgl. enthaupten 2, 858; Nachzehrer 6, 819; pfählen 6, i55of. ') G r ä s s e aaO. 2, 214s. e) N i l s s o n Griech. Feste 109; s. o. 5, 568; 6, I56fí. 9) Müllenh o f f Sagen 350 = M a n n h a r d t Germ. Mythen 666f. 10) M ü l l e n h o f f aaO. « ) S i e b e r Sachsen I53Í.; M a c k e n s e n Nds. Sagen 138; s. o. 7, 12 ) N i d e r b e r g e r ioo7f. Unterwaiden 1, 57. 13 ) R a n t a s a l o Ackerbau i2of. (finn., estn., auch germ.); vgl. J a h n Opfergebräuche 17· s. w. oben 4, 1115. •") DG. 12, 148f. (Wunsiedel). l s ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 97; vgl. oben 5, 6 1 2 I le ) F e h r Aberglaube 127. 17 ) S.o. 1, 963; 4, 479. I i 14; 7, 452. le ) S.o. 3, 1328!!. ; 4 453ff. 499. 19) Z i m m e r m a n n aaO. 73f. 20) Ebd. 74. 21) S. o. 4, 104; 5 , 6 1 3 ! 6 i 7 f i . ; 3, 132. 193. 22) AKrim. 47, 158; aus Gabun wird erzählt, daß dort ein Mensch, um einen Fetisch aus seiner Hirnschale zu gewinnen, eigens zu diesem Zweck getötet worden sein müsse, A. S c h w e i t zer Zwischen Wasser u. Urwald S. 50. 23) S. o. ι,

1 2 9 3 f . ! 2, 2 i 7 f f . ; 3, 3 1 f . 3 9 . 2 4 1 . 1 4 1 1 . 1 7 3 8 .

1 8 0 1 . 1 8 0 8 . 1 8 7 1 . 1 8 9 6 . I 9 I 2 Í . ; 6 , 7 6 3 ; 7, 4 5 9 f f .

1300; vgl. B y l o f f Volkskundl. aus Strafprozessen d. österr. Alpenländer 9. 14. 45. 21) Vgl. Harn 2S) 3, I476f. P o r t a Natürl. Magia (1617) 5, 329s. (mit Blut u. Kot); s. o. 1, 1105. 2 i ) G r i m m Myth. 3, 469 Nr. 937. 947; SAVk. 23 (1921), 220; W. § Ii. 27) K ü n z i g Schwarzwald 31 ; s. o. 2, 1353ft. 2β) A b e g h i a n Armenien 117. 2e) S a r t o r i Buch v. dt. Glocken 134 (Westpreußen). 30) F o g e l Pennsylvania 365; vgl. den nordschwed. Glauben, daß die Jagdflinte magisch "verdorben werden kann, so daß sie nicht mehr tötet, ARw. 28,167. 31 ) S. o. 7,1069; 8, 3; auch ein Kobold kann nicht durch Prügeln getötet werden, VeckenstedtsZs. 1, 77 (Sachsen). 32 ) Ζ. B. R e i s e r Allgäu 1, 344; K ü n z i g Schwarzwald 76. 86; M a c k e n s e n Nds. Sagen 3. 12. 14s. 33) Ζ. B. K ü n z i g aaO. 65; s. o. 3, 34) M ü l l e r 517. Urner Sagen 2, 200. 327. 3S ) Ζ. B. G r ä s s e Preußen 2, 496. 593. 3e) P e u k k e r t Schlesien 39f.; s. o. 6, 8i2ñ. 37) S. o. 3. 1872.

2. V e r b o t . Dem T. als Gebot, um stärkend oder befreiend zu verwandeln, zu erlösen, zu entzaubern oder durch die Kraft des Getöteten Unheil abzuwehren, Segen oder Erlösung zu erzwingen, stehen

IO5O

V e r b o t e , g e w i s s e T i e r e zu t., gegenüber, um Schaden von dem Täter abzuwenden. Offenbar fürchtet man in diesen Tieren gefährliche Dämonen, beseelte Wesen, ja, die Träger von Menschenseelen 38 ). Arndt erzählt aus Schweden, man solle Kuckuck, Eule und Elster, die Zaubervögel seien, nicht ohne Ursache t., ihr Anhang könnte es sonst rächen 3e ). Besonders geschützt sind bei uns die S c h w a l b e n , solche zu t. bringt Unheil 40 ), verursacht vier Wochen langen Regen 4 1 ). Regen fuhrt auch das T. von Regenwürmern 42) oder von Fröschen 43) herbei. Wer einen Storch totschlägt, hat zeitlebens Unglück zu befürchten 44 ). Wenn man eine K a t z e tötet, steht ein großes Unglück bevor 45 ). Ebenso muß man sich im allgemeinen hüten, S c h l a n gen zu t. 48 ) oder einen Hirsch 47 ), desgleichen Frösche 48). Wieder in Schweden ist einst gewarnt worden, K r ö t e n tot zu treten, weil es bezauberte Prinzessinnen sein könnten 49) ; am Bodensee bekommt man noch heute ,,'s Grimmen", falls man eine Kröte tötet oder es stellt sich ein Nervenfieber ein 51 ). Auch das T. von S p i n n e n ruft Unglück hervor 52 ), mindestens abends 53). Oder es heißt genauer, man solle Kreuzspinnen nicht t., weil sie Glück bringen B4). Das gleiche gilt für die H e i m c h e n 5 5 ) und die Herrgottskäferle s e ); tötet man ein solches M a r i e n k ä f e r c h e n , wird es schlechtes Wetter 57). Da das Überwintern einer Stubenfliege Glück verschafft, dürfen die letzten Fliegen nicht getötet werden 58). Wer eine B i e n e tötet, begeht eine Sünde 59 ), er verfällt dem Teufel M), Zuweilen ist das Verbot zu t. z e i t l i c h beschränkt. So darf in Oberösterreich das Mädchen in der Fastnachtszeit keine Maus t., damit sie beim Backen kein Unglück habe 61 ). Am Karfreitag soll man kein Tier t., nicht einmal eine Fliege, sonst wird man das ganze Jahr von solchen Tieren belästigt β2). Allgemein am Freitag ist es nicht ratsam, eine Laus zu t., weil man dann neue dafür bekommt 63 ). Um sonst aber Ungeziefer zu t., als wie Läuse, Fliegen, Wanzen, Ratten und Mäuse, wissen volkstümliche Ratgeber allerlei

Totenbahre—Totenbahrziehen

vernünftige und unvernünftige Mittel und Segen 64 ). Einzelne Tiere soll man sogar als schädlich immer t., so den Maulwurf 65) und, berechtigter, die Maulwurfsgrille ββ ). 38 ) V g l . S é b i l l o t Folk-Lore 2, 7 9 ; s. o. E i dechse 2, 68off., H a s e 3, 1 5 1 1 , K r ö t e 5, 6 i 2 f . , Marienkäfer 5, 1696, M a u s 6, 40ff., Molch 6, 457, Schlange 6, 324; 7, 1136. 1140ft. 1 1 8 1 . 3β ) A r n d t Reise durch Schweden (1806) 3, 18. 40) G r i m m Myth. 2, 560; K ö h l e r Voigtland 423; H a a s Rügen 148; VeckenstedtsZs. 1, 485 (Posen); s. o. 6, 3 1 8 ; 7, 1392. 1396; v g l . Fledermaus 2, 1596, Meise 6, 124, R a b e 7, 452, Rotkehlchen 7, 835. 838; 8, 5. 4 1 ) G r i m m Myth. 2, 560; 3, 446 N r . 378. 42 ) Lörracher Kinderglaube; s. o. 7, 613. 1270 (Schnecke). 43) S. o. 3, 129. " ) Z f K u l t u r g e s c h . 3, 222 (Idstein, N a s sau) ; s. o. 8, 499. 45 ) Rockenphilosophie 90 Nr. 70; W i t z s c h e l Thüringen 2, 281 Nr. 54; V e c k e n stedtsZs. 2, 358; P e u c k e r t Schlesien 237; S é b i l l o t 3, i i 2 f . ; s. o. 4, i m ; z u m T ö t u n g s v e r b o t und Speisetabu v o n K a t z e , H u n d und Pferd (ursprünglich dämonischen Tieren) v g l . E . K l e i n D. Ritus d. T.s bei d. nord. Völkern, 4β ) A R w . 28, i 6 g f f . G r i m m Myth. 2, 5 7 1 ; M e y e r Schleswig-Holstein 61 ; S é b i l l o t 3, 279. 298; s. o. 6, 324. 7, i i 3 6 f . i i 4 o f í . i i 5 6 f . 1 1 7 6 . 1 1 7 9 . " ) S. o. 4, 91. « ) S. o. 3, 128f. «») A r n d t a a O . 3, 19. 50 ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 45. 5 1 ) M ü l l e r Urner Sagen 1, 255. 62 ) R o c k e n philosophie 100; K ö h l e r a a O . ; N o r l i n d Svensha Allm.Liftfi; s.o. 8,276. 63 ) W Z f V k . 3 4 , 30 (Wiener 64 ) D G . Kinderglaube). 5, 198 (Memmingen). 5S ) W o e s t e Mark 55 Nr. 1 6 ; W . § 150; s. o. 3, 5 e 1163. 1166. 1169. ) M e y e r Baden 56; s. o.

5, 1700. 57 ) S. o. 5, 1697f. 5S ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 186. 59 ) L e h m a n n Sudetendeutsche 1 5 7 ; S é b i l l o t 3, 3 0 7 ! β0) D r e c h s l e r Haustiere 10; v g l . R o c h h o l z Kinderlied 319; Grohmann el) 84; W o l f Beiträge 2, 450. Baumgarten Jahr 7 ; wer Ostern einen V o g e l tötet, zieht sich den Zorn G o t t e s zu, S é b i l l o t 3, i 8 8 f . * 2 ) R e i e3 ) P r ä t o r i u s s e r Allgäu 2, 1 1 7 . Phil. 154; v g l . K e l l e r Grab d. Abergl. 5, 418. β4) Ζ. Β . A l b e r t u s M a g n u s (Enßlin) 1, 43ft. 5 1 ; 2 , 6 1 ; 4, 38; v g l . A R w . 28, 169. " 5 ) S. o. 6, i o f i . M ) S. o. 6, 2 7 ! ; s. a. 7, 1 2 5 1 . Müller-Bergström.

Totenbahre. Die T. bekommt durch die Berührung mit dem Toten etwas Zauberisches. Niemand soll sich drauf setzen, sonst holt einen der Tote nach 1 ). Sieht man eine neue T., so frage man nicht, wen sie zuerst drauf tragen werden, sonst ist man selbst der erste 2 ). Die Bahre wird einige Zeit (3, 9 Tage oder 6 Wochen) verkehrt an einen Baum gelehnt, daß der Tote, wenn er zurückkomme, drauf ausruhen könne 3 ). Im Nordischen wurde die Bahre nach Ge-

IO52

brauch zerbrochen 4 ). Wer auf einer T., auf der lauter ehrbare Jungfrauen zu Grabe getragen wurden, sechsmal hintereinander ohne Furcht ausschlafen kann, findet auf dem Friedhof einen goldenen Schlüssel zur Hölle 5 ). Holz von einer T. dient zur Wahrsagung e ) ; vor den Taubenschlag gesteckt, bewirkt es, daß die Tauben nicht wegfliegen 7 ). Asche von Totenbahrholz soll gegen Kröpf eingenommen werden 8 ). x ) B a r t s c h Mecklenb. 2, 93. 2 ) G r o h m a n n 3) 220. B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 119. 4) Troels-Lund 14, m ; Rosén Död 10. 5) G r o h m a n n 129; vgl. Nord. Märchen 2, 86. 6) S c h ö n b a c h Berth, υ. R. 25. 7 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkss. 236; J a h n Pommern 164. 8) B e c k e r Pfalz 136. Geiger.

Totenbahrziehen. Das T. ist eine Art Totenbeschwörung, die aus dem bayrischösterreichischen Gebiet gemeldet wird. Man soll in der Nacht (Christnacht) zwischen xx und 12 Uhr eine Leiche (die einer Kindbetterin) ausgraben und auf der Bahre dreimal um die Kirche tragen oder ziehen 1 ). Oder man zieht nur die Totenbahre herum, dabei setzen sich Tote oder Geister darauf (man schlägt vorher mit dem Eisenring an die Kirchentür und ruft die Toten herauf), man muß sie mit einem Stäbchen oder einer Stola heruntertreiben 2 ). Wenn es vor dem 12 Uhrschlag gelingt, so erhält man vom Teufel viel Geld 3 ), man wird reich, findet einen Schatz 4 ). Soviel Tote einer nur die Kirche zieht, mit so vielen gewinnt er beim Raufen 5 ), man kann sich unsichtbar machen oder das Wild stellen, oder erfährt eine günstige Losnummer 6 ). Wird man bis um 12 Uhr nicht fertig, so verfällt man dem Teufel oder der Macht der Toten '). Der Zauber wurde dadurch erhöht, daß der Umgang nackt ausgeführt wurde 8 ). Verwandt ist der Brauch, einer toten Wöchnerin das Hemd auszuziehen und mit diesem am Leib nackt 12 Uhr dreimal um den Friedhof zu laufen; wer dieses Totenhemd an hat, siegt überall im Raufen 9 ). Knuchel denkt bei der Erklärung an eine Weihung der Toten an den Teufel 1 0 ) ; ursprünglich wollte man wohl einfach die Macht des Toten in seinen Dienst zwingen. Bei den Finnen kommt

1053

Totenbäumchen—Totenbeschwörung

ein Umlauf um die Kirche mit einem Kummet ohne Totenbeschwörung vor, mit dem Zweck, einen Hausgeist zu gewinnen 11 ). Knuchel Umwandlung 48; Graber Kärnten 2 1 1 ; H e y l Tirol 7 8 2 f . ; Z f V k . 8, 5 2 1 . 2 ) K n u c h e l aaO.; G r a b e r Kärnten 211; Z f V k . 23, 1 2 7 ; B a u m g a r t e n Jahr i 6 f . ; H e y l Tirol 66f. 594Í. ; R e i t e r e r Ennstalerisch 49. 3 ) R e i t e r e r Ennstalerisch 49. 4 ) H e y l Tirol 60. 66f. ; B a u m g a r t e n Jahr i 6 f . ; G r ä b e r Kärnten 2 1 1 . 5 ) H e y l Tirol 7 8 2 ! e ) K n u c h e l aaO. ; W e i n h o l d Ritus 8. 7 ) H e y l Tirol 66f.; e R e i t e r e r Ennstalerisch 50. ) Weinhold Ritus 8. ' ) A l p e n b u r g Tirol 354. 1 0 ) aaO. 49. 11 ) C a s t r é n Vorlesungen 165. Geiger.

Totenbäumchen. Totenbäumli nennt man in der Schweiz die Erscheinung, wenn kleine Kinder über der Nase eine stark hervortretende blaue Ader haben, die sich auf der Stirn wie ein Bäumchen verzweigt 1 ). Sie ist ein Zeichen, daß das Kind früh, noch im Stande der Unschuld sterben wird. Das Wort bedeutet eigentlich kleiner Sarg, ähnlich wie im Bergischen dieses Mal „Duadenläddschen" und in Frankreich „bierre" genannt wird 2 ). Die blaue Ader über der Nasenwurzel wird auch in anderen Gegenden als Todesvorzeichen genannt 3 ). In Frankreich erklärte man die Entstehung damit, daß eine Schwangere beim Bett eines Sterbenden gesessen habe 4 ). 1

) Schweiz. Id. 4, 1248; SVk. 3, 39; 19, 63. 2 ) S. o. Bd. ι, 705; T h i e r s Traité (1679) 244. 8 ) Bd. ι , 705; MschlesVk. 7, 74; G r o h m a n n Abergl. 1 5 1 . *) T h i e r s aaO. Geiger.

Totenbefragung. T. ist meist mit Totenbeschwörung (s. d.) verbunden. Die früheren Formen und die Entwicklung dieses Zaubers sind schon unter Nekromantie dargestellt (s. o. 6, 997ff.). Auch in neuerer Zeit ist der Glaube nicht ausgestorben, daß man sich mit den Toten unterhalten könne; bezeichnend ist, daß dies am Grab geschehen muß, an der Wohnung des Toten (s. Grab, Tote). In der Bretagne wird eine alte Frau beauftragt, sich mit dem Toten am Grab zu besprechen 1 ). Der Tote kann über verschiedene Dinge befragt werden : man muß das Grab des zuletzt Verstorbenen öffnen und kann ihn über Lotterienummern befragen 2). Oder man gräbt ein Loch bis auf den Sarg, ruft den Toten

1054

mit Namen an, und wenn er antwortet» kann man ihn bitten, gestohlenes Gut wieder herzuschaffen, indem man ein Stück davon (z. B. das Gebiß eines gestohlenen Pferdes) ins Grab legt; der Dieb muß das Gestohlene zurückbringen, oder er wird sterben 3 ). Wenn bei einem Toten die Einsegnung unterblieben ist, so kann er durch böse Nachbarn geweckt und gefragt werden, wo er sein Geld hat 4)„ Ein totes Patenkind wird am Grab um Fürbitte angerufen s ). Nordischer Glaube ist, daß Tote antworten müssen, wenn man sie durch reines Linnen (das man vor den Mund hält) fragt e ). !) Z f V k . 19, 202 (mit Bild). 2 ) H ö h n Tod 3 5 6 ; K e l l e r Graft 5, 1 0 : am Grab eines Wiegenkinds. 8 ) B a r t s c h Mecklenb. 2, 229S.; W u t t k e 4 8 4 . *) H ö h n Tod 366. 6 ) K u o n i St. Gallen 1 4 5 ; e vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 189. ) ZfVk. 10, 201. Geiger.

Totenbeschwörung. T. ist das Herholen der Toten durch Zauber, damit sie die Zukunft verraten oder ihre Hilfe gewähren. Uber die älteren Formen s. „Nekromantie" und „Dadsisas" 1 ). Vint1er beschreibt die Beschwörung folgendermaßen : So send denn ettlich frawen, die erschlingen vmb die kirchen gen vnd haissent die totten auf sten, vnd niement den ring von der kirchen jn die hand, vnd ruffend ,her für' vnd sprechend ,ich rür disen rink, stett auf, ir alten pärttling 2 ).

tür

In der Oberpfalz betet der Beschwörer durchs Schlüsselloch der Kirchhoftüre, bis die Toten aufstehen und sich wie rasend auf den Menschen stürzen, den der Beschwörer totbeten will 3). In einer mittelalterlichen Legende bestreicht die Frau eines Ermordeten mit einem besonders, zubereiteten Teig den Mund der Leiche und beschwört sie, den Mörder zu nennen 4 ). Eine grausige Art der T. wird aus Island berichtet 5 ). Oft sind es nur besondere Leute, die die Kunst verstehen 6). Ein Mann zitierte Tote, indem er nachts zwischen 11 und 12 mit des Totengräbers Hacke 3 Kreuze in die Kirchentür hackte, sich auf die Gräber stellte und die Namen der Toten rief; er suchte von ihnen Diebstähle und anderes zu erforschen. Die Toten rächen sich aber durch Stein-

Totenbett—Totenbrett

1055

würfe 7). Eine andere Anweisung lautet, man solle sich nachts um 12 Uhr in jeder Hand ein Licht vor einen Spiegel stellen und den Namen des Toten rufen; doch darf man es nicht ohne triftigen Grund tun 8 ). Die Toten werden eben ungern aus ihrer Ruhe gestört ; darum erscheinen sie mit bösen Gesichtern 9 ). Den herbeschworen en Toten darf man sehen, aber nicht sprechen 10 ). In einem Prozeß (Basel 1926) behauptete eine Betrügerin, sie könne Tote erscheinen lassen und von ihnen erfahren, ob sie jetzt an einem guten Ort aufgehoben seien ; der Tote gab in der Weise Antwort, daß die Frau auf ein Blatt schreiben mußte, was er wollte. Nach einer andern Zeugenaussage, wollte sie einer Frau in einem Glas Wasser ihren verstorbenen Mann zeigen (n. d. Akten). Solche Betrügereien kamen schon früher vor 11 ). 1

) Außer der dort angegebenen Lit. s. M u u s

Altgerm. Rei. 4 3 ; A b t Apuleius I2óff.; W y s s Milch 2 5 s . ; S c h ö n b a c h Berthold v. R. 1 3 5 ;

ZfVk. 12, 11; G r o h m a n n Abergl. 191. a ) Grimm Myth.

3, 4 2 4 I

govia 17, 75. nau

Sagen

3

5

) S c h ö n w e r t h 3, 200. 4 ) Ar-

) Urquell 3, 6, vgl 119.

3, 202;

477; W u t t k e 484. *) MschlesVk. 8, 83. 2, 4 7 7 I

10

Bartsch 7

) H e y l Tirol

2, 172 ff., vgl. 154.

e

) Küh-

Mecklenburg

2,

) E i s e l Voigtl. 2 3 4 I ») B a r t s c h Mechlenb. 699.

ll

) K e l l e r Grab

Geiger.

Totenbett. Am T. darf nichts geändert oder abgerüstet werden, bis die Leute vom Gottesdienst nach Hause zurückgekehrt sind Das Bett wird eine Zeitlang aufgehoben und unbenutzt gelassen 2) ; diese Frist dauert 4 Wochen 3) (s. Tote). Man soll die Betten des Toten an die frische Luft bringen, damit die Vögel über sie wegfliegen4). Bei den Rumänen in der Bukowina glaubt man, wenn man auf einem Polster schlafe, auf dem ein Toter gelegen habe, werde man vom Toten träumen B). Bettstroh und Laub aus Laubsäcken wurde früher verbrannt, wenn jemand drauf gestorben war e ) ; in Belgien werden die Leintücher verbrannt ') (vgl. (Leichenstroh). 29.

SVk. 8, 38. 4

)

2

) H ö h n Tod 232.

Schulenburg

Wend.

s

) Egerl 9,

Volkss.

235.

) ZföVk. 8, 58. ·) Bern, Luzern, Thurgau schriftl.; vgl. L i e b r e c h t ZVolksk. 374. ') BF. 3. 17· Geiger. 4

IO56

Totenblume. Als T. gilt meist die Ringelblume (Calendula officinalis) (s.d.). Sie wird zum Grabschmuck gebraucht 1 ) ; darum soll man sie nicht zum Blumenorakel verwenden 2). Auch der Frühlingsenzian gilt als T. ; wenn man ihn abreißt, so stirbt jemand 3 ). Wer eine ,,T." an jemand verschenkt, veranlaßt dessen baldigen Tod 4 ) (s. a. Grabblume). R e i s e r Allgäu 9of. : auch Singrün. 2 ) W u t t k e 237. 3 ) S t r a c k e r j a n 2, 131.

2, 171; Schweiz. Id. 5, Enzian, Hauswurz u. a. M e y e r Baden 577; vgl. ') L a m m e r t 106. Geiger.

Totenbrett. Als T., Re(ch)brett, Leichenbrett wird das Brett bezeichnet, worauf der Tote aufgebahrt wird (s. Leiche D 2). Dieser Brauch war früher weit verbreitet x). Es kam auch vor, daß die Leiche auf dem Brett zu Grabe getragen und mit oder ohne Brett begraben wurde 2). Diese Bretter, die zur Aufbahrung dienten, werden nachher weggelegt oder wieder für andere Zwecke benutzt; im bayrischen, österreichischen und alemannischen Gebiet dagegen war früher weit herum Brauch, das Brett nachher zu schmücken, zu bemalen mit Namen, Zeichen und Inschriften zu versehen und zum Andenken an den Toten aufzustellen, und zwar an verschiedenen Stellen: das Brett wurde am Haus befestigt oder in der Nähe des Hauses aufgestellt 3 ), es wurde am Weg, bei Kreuzen oder Kapellen niedergelegt oder aufgestellt 4 ), es wurde an Bäume gelehnt 5), oder es wurde als Steg über Bäche und sumpfige Stellen gelegt e ), auch auf den Kirchhof gebracht 7) oder auch verbrannt 8 ). Das Brett hatte in einzelnen Fällen die rohen Umrisse eines menschlichen Körpers 9 ). Diese Bretter sind manchmal nicht zur Aufbahrung benutzt worden 10 ), und es werden auch für auswärts Begrabene Bretter aufgestellt u ) . Die Sitte des Bretteraufstellens scheint früher weiter verbreitet gewesen zu sein 12). Meyer vermutet, daß ursprünglich das Brett auf den Toten ins Grab gelegt, später auf dem Grab aufgestellt worden und zuletzt nur noch als Erinnerungszeichen gebraucht worden sei 13 ). Verwandte Bräuche finden sich auch anderswo: in Schweden wird die

Totenbrett.

1057

Stange, an der der Sarg getragen wird, mit Namen, Geburts- und Todesdatum versehen, am Kirchweg aufgestellt 14 ), und bei den Weißrussen erhalten die Frauen kein Kreuz aufs Grab, sondern man macht aus einem Brett oder Balken leichte Brücken über Bäche und sumpfige Stellen; in das Holz werden ein Kreuz, Schuhe, eine Sichel und zuweilen das Todesjahr eingekerbt 15 ). Wenn das T. im Aberglauben eine Rolle spielt, so kommt das offenbar daher, daß es durch die Berührung der Leiche, die darauf gelegen hat, Zauberkraft erhält; es ist also ein Totenfetisch und wird teils mit Vorsicht behandelt, teils zu allerlei Zauber benutzt. Am deutlichsten zeigt sich, daß das Brett in Verbindung mit dem Toten bleibt, in der Geschichte von dem Tischler, der ein gestohlenes T. für eine Bettstatt benutzte, worauf der Tote jedem erschien, der sich in dieses Bett legte l e ). Im Appenzell glaubte man dagegen, das Brett am Haus halte den Toten ab; er sehe dann eigentlich selbst, daß er tot sei und nicht mehr zurückzukehren habe 17 ). Das Brett wird zuerst einige Zeit an einen Baum gestellt, bevor man es wieder gebraucht 18 ). Der Baum ist dann für lange Zeit vor dem Fällen geschützt l e ). Niemand nimmt ein solches Brett weg 20 ). Das Brett soll die Vorübergehenden mahnen, für den Toten zu beten 21 ), unterläßt man es, so bekommt man schwere Beine 2 2 ). Oft erklären die Leute, wenn das Brett verfault sei, sei auch die Leiche verfault und die Seele erlöst 2 3 ) ; oder die Seele habe Ruhe, sobald das Brett durchgelaufen oder entzweigetreten sei 2 4 ). Manchmal aber wird vor dem Betreten des Brettes gewarnt, weil man sonst Fußschmerzen, Abzehrung, schwere Beine bekomme 26 ) ; man darf nicht auf die eingeschnittenen Kreuzlein treten, da es der armen Seele weh tun würde 2β ). Umgekehrt heißt es im Böhmerwald, der Gang über das T. mache die Füße gegen Schmerzen fest 2 7 ). Um die Furcht zu benehmen, soll man sich mit bloßem Hintern auf das Brett setzen, wenn die Leiche davon weggenommen worden ist 2 8 ). Wenn sich eine Bächtold-Stiubli,

Aberglaube V I I I .

IO58

Person getraut, sich sofort, wenn der Tote weggenommen ist, auf das Brett zu setzen, so heiratet sie den verwitwet gewordenen Teil 2 9 ). Wie Sargholz (s. d.) kann das T.holz zu verschiedenem Zauber benutzt werden: wer durch ein T. schaut, kann Hexen sehen 3°) ; Holz von einem T. am Taubenschlag befestigt, verhindert das Wegfliegen der Tauben 31 ), ins Kraut beet gesteckt, bannt es die Raupen 3 2 ). „Wiltu ein laug machen davon ein haur abgaut, so nem die totten bretter und brenn die aschen" 3 3 ). Sogar das Wasser, das man unter einem Totenbett schöpft, ist heilkräftig (gegen Herzleiden) 3 4 ). Als Todesvorzeichen (s. d.) gilt das Fallen des Leichenbretts, besonders in der Christnacht, d. h. ein unerklärliches Poltern im Hause 3 6 ).

*) K o n d z i e l l a Volksepos 3 1 ; NArchf.sächs. Gesch. 28, 4; MschlesVk 12, 155ff.; ZfVk. 4, 463; M e y e r Baden 5 9 8 0 . ; K ö h l e r Voigtl. 2 5 1 ; H ö h n Tod 322; S c h r a m e k Böhmerwald 275ff.; ZfVk. 8, 207; L a m m e r t 104; ZrwVk. 1908, 249; J o h n Westböhmen 162; DG. I i , 268; D r e c h s l e r Schlesien 1, 307; Bavaria 1, 995; G e r i n g Isl. Aevent. 2, 173. 2 ) Urquell 2, 1 0 1 ; M e y e r Baden 598; ZfVk. 8, 208. 3 ) S a r t o r i 1, 1 3 4 ; MschlesVk. 12, 155ft.; ZfVk. 8, 207; M e y e r Baden 5 9 7 ! ; ZföVk. 10, 40; 9, iff.; Appenzell, Thurgau schriftl.; R o c h h o l z Glaube ι, 1 3 8 ; Schweiz Id. 5, 903. 906. «) ZfVk. 8. 205ff.; L e o p r s c h t i n g Lechrain 23of.; B a varia ι, 995; L a m m e r t 104; ZföVk. 10, 1 8 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 307; J o h n Westböhmen 168; M e y e r Baden 597 (Richtung gegen Osten) ; S c h r a m e k Böhmerwald 230; Thurgau mündl. 5 ) ZfVk. 8, 205; R e i s e r Allgäu 2, 293f. ") ZföVk. 18, 27ff.; 9, 238; DHmt. 4, 4; Bavaria 1, 4 1 3 ; ZföVk.n, 46; J o h n Westböhmen 1 7 5 ; S c h r a m e k Böhmerwald 230; M e y e r Baden 597; D r e c h s l e r Schlesien 1. 307. ') HessBll. 24, 52; vgl. DG. 22, 96. ') M e y e r Baden 597; S c h ö n w e r t h ι, 252f. 9 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 109; ZfVk. 8, 206; B r o c k m a n n - J e r o s c h Schweiz. Volksleben 2, Bild 116. 1 0 ) ZfVk. 8, 346. u ) DG. 22,96. 1 2 ) SVk. 19, 12f. 1 3 ) M e y e r Baden 598ff.; 1 4 ) ZföVk. 20, 170. L i i e r s Sitte u. Br. 150Í. " ) Z e l e n i n Russ. Vkde 327. 1β ) ZföVk. 10, 19. 1 7 ) Schriftl. 1 8 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 119. 1 2 1 . " ) ZfVk. 8, 207. 2 0 ) M e y e r Baden 598. 2 1 ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 1 1 9 ; M e y e r Baden 597. 2 2 ) J o h n Westböhmen 169. 23 ) J o h n Westböhmen 169; M e y e r Baden 598; DHmt. 4, 1 5 2 ; MschlesVk. 12, 158. 2 4 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 307. 2 5 ) S c h r a m e k Böhmerwald 257; ZföVk. 10, 18; 6, 109; S c h ö n w e r t h 1, 252f. 2 e ) ZfVk. 8, 206. « ) S c h r a m e k Böhmerwald 230. 2 8 ) S c h ö n w e r t h 1, 252; K ö h l e r 34

1059

Totenerw eckung—Totenfeier

Voigtl. 442; L e m k e Ostpreußen 1, 57; S a r t o r i ι , 138. 2e) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 122. 30) G r i m m Myth. 3, 462; S c h r a m e k Böhmer31 ) wald 258. D r e c h s l e r Schlesien 2, 94; 82 S c h r a m e k Böhmerwald 242. ) Egerl. 10, 183; Urquell 2, 101; F l ü g e l Volksmedizin 27. 3S) B i r l i n g e r A. Schw. 1, 4 5 7 ! 34) S c h r a m e k Böhmerwald 230. 35) D r e c h s l e r Schlesien 1, 286; G r i m m Myth. 3, 473; Grohmann Abergl. 187; P e t e r Österr. Schles. 2, 246. Geiger.

Totenerweckung. Die T. ist eigentlich nichts anderes als die Totenbeschwörung (s. d. u. Totenbefragung), nur geht sie vor der Vorstellung aus, daß der Tote schlafe. Im isländischen Glauben wird angenommen, daß man einen Toten durch Beschwörungen aufwecken könne, obschon der Tote ungern aufwacht. Man benutzt dann den Toten zu irgend einem Schadenzauber 1 ). In einer Walliser Sage wird eine unschuldig getötete Frau durch das Gebet des Priesters und der Gemeinde wieder auferweckt 2 ). Als Märchenschwank verbreitet ist die Geschichte von der mißglückten T., sozusagen eine Parodie zu den T.en durch Christus in den biblischen Erzählungen 3 ). In einer Kärntner Sage weckt der Türmer die Toten auf, weil er nachts unvorsichtigerweise den Stundenruf auch über den Kirchhof bläst 4). 1 ) M a u r e r Island. Volkss. 76ff. ; vgl. M e y e r Germ. Myth. 74t.; A c k e r m a n n Shakespeare 71. 2 ) J e g e r l e h n e r 2,275. 3) B o l t e - P o l i v k a 2, 4 162; Z f V k . Ii, 150. ) G r a b e r Kärnten 198f. Geiger.

Totenfahrmann s. 7, 15680. Totenfeier. T.n sind die besonders hervorgehobenen Tage im Totenkult. Den Toten werden Opfer gebracht, die Gräber werden besucht und geschmückt, man glaubt auch, daß die Toten an diesen Tagen ins Diesseits, in ihr altes Heim zurückkehren dürfen. Solche T.n, die eine bestimmte Zeit nach der Bestattung stattfinden, treffen wir überall, bei Primitiven und Kulturvölkern x) ; auch die christliche Kirche hat sie in ihr Ritual aufgenommen. Wir können zwei Klassen von T.n unterscheiden : die Feier für den einzelnen Toten, deren Datum vom Todestag abhängt, und die Feiern für Gruppen von Toten (Verwandte, die armen Seelen überhaupt), die an bestimmten Daten des Jahres festgelegt sind.

I060

Beide Arten sind schon den Griechen und Römern bekannt 2). Die Kirche hat verschiedenes von antiken T.n übernommen, so ging eine römische T. in das Fest von Petri Stuhlfeier über 3 ). 3) S c h e r k e Primitive 203; E R E . 2, 25; C a l a n d über Totenverehrung·, E. F r e i s t e d t Altchristliche Totengedächtnistage, Münster 1928. 2) C a l a n d über Totenverehrung 69ff.; R o h d e Psyche 1, 235ÎÏ.; S c h m i d t Geburtstag 37ff.; W ä c h t e r Reinheit 54; W i s s o w a Religion 232 ft. 3) D u r a n d Rationale 434; Z f V k . 15, 312; S a u p e Indiculus 9.

A. F e i e r f ü r den e i n z e l n e n T o t e n . Bezeichnend ist, daß bestimmte Tage gewählt werden, besonders häufig der 3., 7., 9., 30. und 40. Tag 4) ; in der christlichen Kirche legte man die Zahlen sinnbildlich aus 5 ). Vermutlich ging heidnischer Brauch in die kirchliche Feier über; denn die Kirche mußte gegen Mißbräuche (Essen, Trinken, Tänzerinnen, Masken) einschreiten e ). Die einfachste Form des Totengedächtnisses ist der G r a b b e s u c h . Meist ist damit Pflege und Schmuck des Grabes verbunden '). Solche regelmäßigen Besuche finden nach jedem Kirchenbesuch statt; man geht an die Gräber der Angehörigen, betet und gibt ihnen Weihwasser 8 ). Ausnahmsweise heißt es, man besuche die Friedhöfe nicht, um die Toten nicht in der Grabesruhe zu stören 9 ). Den Priestern war etwa vorgeschrieben, regelmäßig an bestimmten Tagen „über die Gräber zu gehen" 10). Die katholische Kirche hat durch Seelmessen folgende Tage als T.n herausgehoben: Begräbnistag, Siebenten, Dreissigsten und Jahrzeit. Der 7. und 30. werden vom Todes- oder vom Begräbnistag an gerechnet n ) . Über die Feier am Begräbnistag s. Leichenfeier. Die Feier des Siebenten wird oft auf einen andern Tag, z. B. den nächstfolgenden Sonntag verschoben 12 ). Der Tod wird dann in der Kirche „verkündet" 13). Es findet ein Spendgebet statt, d. h. ein Gebet der Gemeinde, wofür die Angehörigen eine Geldspende an die Kirche entrichten 14). Der Pfarrer darf die Verkündigung nicht vergessen, sonst kann der Tote nicht recht schlafen 15 ). Die Hinterbliebenen müssen

ιο6ι

Totenfeier

in der Kirche erscheinen, sie sitzen in den vordersten Bänken, den sog. Leidbänken und bleiben während des ganzen Gottesdienstes sitzen 16 ). An andern Orten erscheinen die Angehörigen nicht bei diesem Gottesdienst 17 ). In Wurmlingen wurde vom Todestag an 8 Tage lang von Verwandten und Nachbarn jeden Abend gebetet. Am 8. Tag erhalten die Anwesenden einen Trunk und Brot, die Armen auch noch Geld 18 ). Stärker als der erste tritt der zweite Termin hervor, der D r e i ß i g s t e . An diesem Termin fanden schon in heidnischer Zeit meist Erbmahl und Erbantritt statt; die Kirche fügte dann eine kirchliche Feier daran 19 ). Die Feier des Dreißigsten wird heute manchmal schon wenige Tage nach dem Begräbnis gehalten 20 ). Oft wird bis zum Dreißigsten täglich gebetet; die Angehörigen, auch die Nachbarn kommen dazu ins Trauerhaus 21 ) ; oft muß eine besondere Person, die „Dreißigstbeterin", am Grab oder in der Kirche beten 22 ). Auch die Geistlichen besuchten die Gräber 23 ). Am Dreißigsten wird noch etwa ein Leichenmahl abgehalten 24 ) ; in Westböhmen wurde ein Spendbrot an die Armen verteilt 26 ), und in Bayern wurde ein Seelnapf, eine Schüssel mit Mehl und Eiern, nebst einem Brot auf die Bahre gelegt 2β ). In Wales gingen die Angehörigen bis zum Ende des Monats nicht zur Kirche 27 ). Über die rechtliche Bedeutung des Dreissigsten s. Homeyer; über das Fortleben des Toten bis zu diesem Termin s. d. Tote. Eine Leichenfeier am 40. Tag findet sich bei den Slaven (s. o. der Tote) 28 ). Bei den Rumänen in Südungarn wird 6 Wochen lang das Grab mit Weihraiich beräuchert, und ebensolang muß ein Mädchen Wasser aus dem Brunnen des Sterbehauses in ein fremdes Haus tragen, angeblich zur Erquickung der Seele 29 ). Eine Einladung des Toten am 40. Tag mit nachfolgendem Opferschmaus ist bei den Tscheremissen üblich 30 ). Der nächste Termin einer T. ist der Jahrestag, die J a h r z e i t ; auf Grund von Stiftungen werden solche Jahrzeiten wiederholt gefeiert 31 ). Das Grab wurde

IO62

„gezeichnet", d.h. geschmückt 32 ) und besucht 33 ). Spenden an Geistliche und Arme wurden verteilt 34 ). Im Hause wird ein öllämpchen angezündet 35 ). In Siebenbürgen kommt es vor, daß die Mutter am Todestag eines Kindes alljährlich fastet, oder daß die Hinterbliebenen an diesem Tag gewisse Speisen, die der Verstorbene sehr liebte, zu seinem Andenken bereiten und essen 36 ). In Oberbayern wird bei den letzten Seelgottesdiensten ein lebender Hahn um den Altar getragen 37 ). In Frankreich glaubt man, der Tote komme zurück, wenn man nicht die kirchliche Jahrzeit halte 38 ). Statt des Todestages wird auch der Geburtstag eines Verstorbenen gefeiert, indem man sein Bild umkränzt 39 ). Aus den T.n anderer Völker erkennt man, daß man annimmt, der Tote scheide nach einem Jahr nun endgültig ab *>). ) T y l o r Cultur 2, 132. Lehmann

II69

Trommel

Abergl.2 39. 8 1 ) Erich M. von H o r n b o s t e l in Festschrift P. W. Schmidt (Wien 1928), 321 ; S a c h s Geist und Werden 173. 82 ) Ebd. 174. M ) FFC. 18, 78; 30, 49; 63, 256!!.; T h a r s a n der Schauplatz 2, 526ft.; E n g e l Musical Myths 2, 96; D. C o m p a r e t t i The traditionnel Poetry of the Finns (London 1898) 277; Fataburen 1910 S. 15—48. 81—104; F. R e u t e r s k i ö l d De nordiske Lapparnas religion (Stockholm 1912) 148; O h r t Trylleord 10; Ivar A a sen Norske Minnestykke (Kristiania 1923) 103; A. O l r i k og H. E l l e k i l d e Nordens Gudeverden S. 105fit. 34 ) W l i s l o c k i Volksglaube 86; ders. Z i g e u n e r 342. Über Zaubert.n in der Erzählliteratur s. FFC. 107, 132 und 60, 50 Nr. 90. — S. auch: W i e s c h h o f f .Dieafrik. T.n, [1933] 93. 96. 1 1 9 ff.

2. Die eben berührte Anschauung, durch T.lärm böse Geister vertreiben zu können, lebt gelegentlich auch noch im deutschen Brauchtum. So zog man in Thüringen und anderwärts in der Walpurgisnacht t.nd, lärmend und schießend herum, damit die auf der Ausfahrt sich befindenden Hexen nicht irgendwo sich niederließen und Schaden stifteten 35 ). Auch das mit anderem Lärm sich mischende T.n bei Flurumgängen hat apotropäischen Zweck 3β ). Um die Mäuse im Hause los zu sein, t.t man an Weihnachten durchs Haus 37 ). T.musik begleitet auch noch anderes Brauchtum, wobei es freilich vielfach fraglich ist, wie weit denAnlaß dazu einst abergläubische Vorstellungen gegeben hatten. Es sei etwa an das Neujahrst.n in Meersburg38) und vor allem an die Basier Fastnacht 39 ) erinnert. Betreffs letzterer läßt sich nachweisen, daß die hiebei ausgiebig geübte Sitte des T.ns durch die Umzüge bei den alljährlichen Waffenmusterungen an sie herangebracht wurde 40) ; die hervorragende Stellung, welche die T. im Kreise bewaffneter Mannschaft von jeher einnimmt, beruht allerdings ihrerseits letzten Endes auf ihrer alten sakralen und dem Totendienst geweihten Rolle, wie wir sie oben aus primitiven Kulturen kennenlernten 41 ) 35 ) K r u s p e Erfurt 1, 1 7 ; Kalender des bad. Bauernvereins 1928 S. 41. 3e ) v. K ü n s s b e r g Rechtsbrauch und Kinderspiel 19 Anm. 3. Vgl. auch oben 6, 1462 unter ,,Pauke". 37 ) F e h r l e Volksfeste8 1 7 ; G r o h m a n n 61. 38 ) L a c h m a n n Überlingen 404f.; W a i b e l und F l a m m 1, 88. 89 ) R e i n s b e r g Das festliche Jahr 74; R o c h h o l z Teil 1 3 ; H o f f m a n n - K r a y e r 128; Vom J u r a

II70

zum Schwarzwald 8, 2; H e r z o g Volksfeste 219Î.·, B r o c k m a n n - J e r o s c h Schweizer Volksleben 2 (1931) Abb. 261. 262. 266. 268. 40) B r o c k m a n n - J e r o s c h 130ft. 4 1 ) S a c h s Geist und Werden 57. — T.n beim Brautzug zur Abwendung böser Geister in Skandinavien s. A R w . 4, 287 (Feilberg); vgl. auch S a m t e r Geburt 61.

3. Unter den mannigfachen Ausdeutungen des Donnergeräusches spielt auch die auf T.spiel eine Rolle 4a ) ; in Skandinavien wird daher Thor als Gewittergott auch „Trommler" genannt n ) . Trolle und ähnliches Gelichter, die in Thor ihren ärgsten Feind zu sehen haben, fürchten daher auch das T.n 44 ), und es ist in Skandinavien 46 ) wie in Deutschland48 ) eine Erzählung verbreitet, daß ein Bergtroll bzw. Zwerg ablehnt, zu einer Hochzeit oder Taufe zu kommen, als er hört, daß es dabei auch T.musik gebe. Trotzdem nimmt man an, daß das Bergvolk bei Gelegenheit selbst T.musik ausübt. So sollen im kleinen Walsertal an Fastnacht die Bergmännlein morgens mit T.n und Pfeifen wieder heimziehen 47 ). Auch das wilde Heer braust unter T.- und Pfeifenlärm einher und noch andere Geister und Gespenster lassen T.musik verlauten. So spukt in dem elsässischen Masmünstertal das „Dambürli": es t.t nach Sonnenuntergang seinen Marsch auf und zwingt damit jeden Wanderer, ihm zu folgen, wohin es sich begibt 49 ). Unter gedämpftem T.schall marschieren die Untersberger nachts zum GottesdienstB0) ; in Krappfeld, wo Barbarossa mit seinen Reisigen haust, hört man oft T.schlag 51 ). An manchen Stellen glaubt man ferner, das T.n dort umgekommener oder begrabener Tamboure zu vernehmen 52). 42 ) S. oben 2, 3 1 2 ; S c h w a r t z Studien 459; F e i l b e r g Ordbog 3, 825. 43 ) F e i l b e r g Ordbog 3, 857 unter „trommespil" ; Ivar A a s e n Norske Minnestykke (1923), 44: Thor heißt bei den Elben „Tore Trumbeslager"; vgl. auch N e r g a a r d Hulder og trollskap (1925) 138 (stordundere). " ) W. M a r w e d e Die Zwergensagen in Deutschland (1933) 98f. 45 ) F e i l b e r g Ordbog 3, 857; L a n d s t a d Mytiske Sagen fra Telemarken (1926) 52. 4β) M ü l l e n h o f f Sagen Nr. 395 und 396 ( = Müllenhoff-Mensing Nr. 460 und 461); V e r n a l e k e n Mythen 227 (vgl. dazu M e y e r Germ. Myth. 1 1 6 ; M a n n h a r d t Germ. Mythen 120. 208; Wolf Beitr. 328Í.). S. auch oben 6, 47 1462 unter „Pauke". ) Tiroler Heimatbll. 4 (1926), 277 = V o n b u n Sagen2 S. 56 Nr. 10 = L. S t e u b Drei Sommer S. 8 i f f . — Däne-

1171

Trommel

mark. T.- und Pfeifenmarsch vor Sonnenaufgang vom Bergvolk gehört: Ε . T. K r i s t e n s e n Danske Sagn 1, 30 Nr. 136; die Underjordiske üben sich im Waffenhandwerk, so daß man, besonders bei nebligem Wetter, den Klang ihrer T.n hört: T h i e l e Folkesagn 2, 194t. — Frankreich: vgl. S é b i l l o t Folk-Lore ι, 427. 4β) B r ä u ners Curiositaeten (1737) 373," H e r t z Elsaß 33; Meier Schwaben 1, 132 Nr. 146; K i i n z i g Schwarzwald 99; Paul W e i s e Aus dem heimatlichen Sagenschatze (Großenhain 1934) 29 4t Nr. 33 und 34. ) S t ö b e r Elsaß 1, 41t. Nr. 62; H e r t z Sage 76. M ) Bayerland 34, 77. 61 ) G r a b e r Kärnten 104 Nr. 122; vgl. auch Nr. 123. 52 ) K ü h n a u Sagen 1, 4öS. Nr. 34 und 35; B a r t s c h Mecklenburg 1, 333 Nr. 449 und 450; E i s e l Vogtland 247 Nr. 614; Joh. Micko Volkskunde des Marktes Muttersdorf (1926) 24. — Vgl. auch B r ä u n e r Curiositaeten S. 355—60 und H a u b e r Bibl. mag. 22. Stück (1740) S. 684 (England: Tambour als Hausgespenst).

4. Die T. tritt auch unter den Instrumenten auf, die angeblich bei den Hexensabbaten gespielt wurden. Entweder wird sie von einem Teufel selbst geschlagen 63 ), evtl. als Begleitinstrument zur Pfeife M ), oder es müssen an dem Gelage teilnehmende Menschen sie spielen55) ; es geschieht dies mit einem Fuchsschwanz 86).

53 ) S. den Kupferstich nach Michael Heer Hexensabbath auf dem Blocksberg wiedergegeben bei S o l d a n - H e p p e Bd. 1 nach S. 284. 5 1 ) Praet o r i u s Blockes-Berges Verrichtung (Fft. 1668) 6ä M 333. ) BlpommVk. 7, 124. ) SoldanH e p p e 2, 35 (Hexenprozeß 1615). — Dänemark. Ε. T. K r i s t e n s e n Danske Sagn 6/2, m Nr. 401. •—• Norwegen. S t o r a k e r Tiden (Kristiania 1921) 226 (Hexenprozeß 1680). — In einem Zigeunerlied ruft eine Hexe den Teufel zu sich durch T.n, daß er sie küsse: W l i s l o c k i Zigeuner X V I .

5. Glaubt man T.lärm zu vernehmen, so soll das bevorstehenden Krieg bedeuten. Dieser Aberglaube knüpft sich ζ. B. an die Sitte, in der Christnacht um 12 Uhr auf einem Kreuzweg nach einem Gebet das Ohr an die Erde zu legen, um aus den dabei vernommenen Geräuschen die Zukunft zu erfahren 57 ) ; ferner an die Sage von gespenstigen T.ern (s.o.); so soll das Land von feindlichen Truppen überschwemmt werden, wenn man aus den Höhlen des Untersberges T.schall vernimmt 58 ), ein Krieg bevorstehen, wenn man aus dem Königsberg T.n und Pfeifentöne hört 5e ). Im siebenjährigen Krieg kündete ein im dreißigjährigen gestorbener und in Rothenburg begrabener Schweden-

1172

tambour anreitende Feinde oder bevorstehende Einquartierung an e0). T. im Traum gesehen bedeutet Streit oder Prozeß; T.n gehört, Zwist und Verdruß; ein T.er: Feuer 81 ). 67 ) C a l l i a n o Niederösterr. Sagenschatz 3, 82; Misanthropus Audax S. 104 (Losen in Thomas-, Weihnachts- oder Dreikönigs-Nacht) ; vgl. auch Hugo Scholz Die Dörfler (1926) I38f. S8 ) F r e i s a u f f Salzburg 60. 58 ) L y n c k e r Sagen 12f. Nr. 14. H a u p t Lausitz 1, 273 = K ü h n a u Sagen 3, 486. — Norwegen. L a n d stad Mytiske Sagn fra Telemarken (1926) 128; A s b j ö r n s e n Die wilde Jagd („Asgaardsreien") in Norwegen = G r ä s s e Jägerbrevier2 247. — Kampf in der Luft mit T.schlag über dem Hause einer Sterbenden s. Lady G r e g o r y Visions and Beliefs in the West of Ireland, sec. Series (New York and London 1920) 83. el ) H y n e k s Großes Traumbuch, Große Ausgabe (Wien [1932]) S. 152.

6. Nach älterer Anschauung konnte der Schall der T. Wirkungen hervorrufen, wie sie der Träger des Fells, mit dem sie bespannt ist, auszulösen pflegte. So glaubte man, eine mit einem Lammfell bespannte T. gebe nur einen schwachen Laut von sich ®2), bzw. verstumme63) oder zerspringe M ), wenn eine mit einer Wolfshaut überzogene geschlagen werde. Da man annahm, daß die Pferde Elefanten, Kamele und Wölfe haßten, wurde auch behauptet, die Pferde flöhen, wenn T.n geschlagen würden, die mit dem Fell dieser Tiere bespannt sind. Aus Feindschaft zwischen Bär und Pferd schloß man, Bären vertreiben zu können durch Schlagen von mit einem Pferdefell überzogenen T.n M ). Eine T. aus Seeigelsfell sollte alles Gewürm vertreiben, soweit ihr Schall gehört wird ββ ). Ziska, der Führer des Hussitenheeres, soll geraten haben, nach seinem Tode seine Haut über eine T. zu ziehen und diese tapfer zu schlagen, dann würde ihr Ton den Feinden seines Volkes solchen Schrecken einjagen, „als wenn er selbsten in Leibes Leben jnen beywohnete" e7).

e2 ) T h a r s a n d e r Schauplatz 3, 528. e3) A g r i p pa von Nettesheim 1, 127. " ) Staricius Heldenschatz (1623) 63; J . L. R o g e r Tentamen de vi son»(Avione 1758) § 1 4 8 ¡ B r a n d 3, 379. Vgl. auch noch A n h o r n Magiologia 237f. *5) J . B. P o r t a e Magiae Naturalis Libri Viginti. Liber X X cp. V I I S. 659t. " ) A g r i p p a von Nettesheim I, 127. " ) S t a r i c i u s Heldenschatz (1623) 44; M ä n n l i n g 273.

Trompete—Trudenstein

7. Als bemerkenswerte Berichte angeblicher Krankenheilung durch T.n seien genannt: Ein Melancholiker wollte sein Wasser nicht abschlagen. Man t.te dem Kranken vor, es sei eine große Feuersbrunst, die nur er durch sein Wasser löschen könne. Flugs ließ der Patient seinen Urin 88 ). Ein taubes Weib soll gehört haben, während man die T.schlug® 9 ), und ein anderes Weib soll sich die Gicht durch den Gebrauch der T. vertrieben haben 70). M) P. J. S c h n e i d e r System einer medizinischen Musik 2 (1835), 236Í. 69) ebd. 2, 186. "·) ebd. 2, 112.

8. Nach christlicher Symbolik bedeutet das Tierfell der T. den vergänglichen, dem Tode verfallenen Menschen, und die Kirchenväter sahen in der T. die Tugend der Enthaltsamkeit und Abtötung des Fleisches dargestellt 7 1 ). 7 l ) H. A b e r t Die Musikauffassung des Mittelalters 220. Seemann.

Trompete s. H o r n II. Trade (Trate). Im S. O. des Sprachgebietes, soweit die bayr.-österreichische Mundart reicht, aber auch darüber hinaus, wird der Alpdruck der T. zugeschrieben (Namensformen und Verbreitung s. unter Alp § 3). Das Wort ist mhd. als truie bezeugt (ephialtes, incubus: trutt oder der alp der die frauen reitt)1). Da die heutigen mundartlichen Formen sich sämtlich auf dies mhd. trute zurückführen lassen 2 ), ist etymologischer Zusammenhang mit altnord. prMr (walküre) 3 ) unmöglich 4 ), mit mhd. trüt nhd. traut5) unwahrscheinlich; eher zu got trudan, anord. troda „treten, stoßen " 6 ). Der weiblichen T. gesellt sich ein männlicher Truder, Trudner, Truderer ') ; die westfäl. Trudemännekes 8 ) scheinen mehr von der Art der Heinzelmännchen (s. d.), zur gleichen Wortsippe gehören wohl auch bayr. trutsch und trottel „Blödsinniger, Cretin 9 ) (vgl. Butz, Cretin, Elbentrötsch), vielleicht auch trutschel — Kosewort für kleine Kinder 1 0 ). Die Vorstellungen vom Wesen und Treiben der T. s. unter A l p . T.ennacht ist Walpurgis 1 1 ). l ) L e x e r Mhd. Hdwb. 2, 1551; Schmeller Bayr. Wb. i, 648f.; S c h ö n b a c h Berthold

II74

18 u. 22. s ) Schriftliche Mitteilung des Herrn Dr. P f a l z vom bayr.-österr. Wb. in Wien. *) G r i m m Myth. 1, 351; 2, 869; S c h a d e Altd. Wb. 2, 933 (s. v. thrûdhr); M e y e r Germ. Myth. 4) 118; W e i g a n d - H i r t 1, 384. vgl. auch M o g k Myth. 268. «) D W b . 2, 1453; K l u g e Et. Wb7 s. v . drude. ·) M e y e r Myth. d. Germ. 1 3 1 ; G ü n t e r t Kalypso 70. ') S c h m e l l e r Bayr. ^ 6 . 1 , 6 5 0 ; SchönwerthOöer/i/aZz 1, 209; Bavaria 2, 241; H a l t r i c h Siebenbürgen 311 f. ·) Z f V k . 8 , 116. ») S c h m e l l e r Bayr. Wb. 1, 681. 10) Ebd. 1 1 ) M e y e r Germ. Myth. 141. Ranke.

Trudenfuß s. Nachtrag. Trudenstein. Trud, Trut, Drud, mhd. trute bedeutet ein gespenstisches Wesen aus der Sippe der Maren und Alpdrücker. Die Lautform des Wortes ist dunkel; stellt man mhd. trute zu dem Adjektiv traut, so wäre drude ein Euphemismus, wie etwa griech. Eumeniden 1 ). T. nennt das Volk in Oberdeutschland Steine auf Höhen, wo diese Unholdinnen sich zu versammeln pflegten, um zu beraten, welche Menschen von ihnen gequält, getreten (gedrückt) werden sollten 2 ). Ein durch Lage, Gestalt und reichen Sagenkranz besonders ausgezeichneter T . befindet sich auf dem Dillenberge bei Langenzenn in Mittelfranken ; er war vielleicht ein germanischer Opferstein 3 ). Den Namen T. führen aber auch Steine, die als Schutz gegen böse Geister verwendet werden. Ihre mineralogische Beschaffenheit und Größe ist gleichgültig; meistens sind es abgeschliffene Flußgeschiebe. Die Hauptsache ist, daß sie von Natur, nicht künstlich, durchlocht sind, gleichviel ob in der Mitte oder am Rande; auf dieser Durchlochung beruht allein die schützende und abwehrende Kraft, die man den T.en zuschreibt 4 ). Ihr Vorkommen ist bisher nachgewiesen in der Mark, Mecklenburg-Schwerin, auf Rügen, in Hessen, Schwaben, der Schweiz, in Salzburg (Schweden, Holland); es ist aber anzunehmen, daß sie auch in den Zwischengebieten vorkommen 5 ). In Schwaben führen die T.e auch den Namen Schrattensteine, Truttelsteine, daneben kommt Krottenstein und Alpfuß vor; im Schweizer Jura heißt es, mit diesen Steinen müßten die Härdmandli (Zwerge) ihre Kornähren ausmahlen; in Schweden heißt der Drudenstein Alfquarner (Elfen-

1175

Triischí — T u c h

mühle) β ). Nach dem Volksglauben schützen die T.e gegen die Trade, Nachtmare, Hexen, Schrätteln und den Alb, besonders gegen das von ihnen veranlaßte scheußliche, quälende Alpdrücken 7 ). Vor allem leiden darunter die kleinen Kinder in der Wiege, die oft nachts große Beulen davon bekommen, so daß sie nicht schlafen und gedeihen können 8). Auch die Pferde im Stalle werden nachts von den Druden schwer geplagt; oft findet man morgens ihre Mähnen und Schweife so in Zöpfe verflochten, daß man sie kaum auseinanderbringen kann ·). Das einzige Gegenmittel ist der T.n; man zieht durch das Loch ein Bändchen oder einen Riemen und hängt ihn in der Stube, an der Wiege, an den Fenstergittern des Pferdestalles auf. Alte Hebammen besitzen solche Steine und leihen sie Weibern zum Schutz ihrer Kinder 1 0 ). Im Aargau und in Schwaben nimmt das Landvolk T.e mit ins Bett, um sich vor dem Alp zu schützen 11 ). In Schwaben bindet man den Truttelstein (Schrattenstein) in ein Säckchen und trägt dies als Schutz gegen Behexung am Halse 12 ). Besonders gefährdet ist die Wöchnerin; in Bayern werden deshalb T.e an ihr Bett gehängt; dann kann die Trud nicht an sie und das Kind herankommen ; Hebammen führen solche Steine stets bei sich 1 3 ). Gibt eine Kuh keine Milch oder fließt gar Blut aus dem Euter, so ist sie verhext; man melkt dann eine Zitze durch das Loch des Trudensteins (vgl. Donnerkeil, Kuhstein). Gesner (1554) erwähnt diesen abergläubischen Brauch zuerst 14 ). 1678 kommt er in dem Prozeß gegen den Zauberer Jaggel im Salzburgischen zur Sprache 1B ). In der Volksheilkunde fand der T. Verwendung gegen den „Alpstich", eine Art Pneumonie, die durch Behinderung der Atmung zum Tode führen kann; der stechende Schmerz galt als vom Alp verursacht 1β ) (vgl. Alpschoß s. v. Belemnit). x ) K l u g e Et. Wb. s. v . ; S c h m e l l e r 1 , 648; G r i m m DWb. 2, 1 4 5 3 ; H ö f l e r Krankheils2 namen 755. ) V e r n a l e k e n Mythen 270; P a n z e r Beitrag 1 , 106 u. 1 5 1 ; v g l . H a u p t Lausitz ι , 14 ft. 3 ) P a n z e r Beitrag 2, 1 5 1 ! , Alpenburg Tirol 268 f . ; S e p p Sagen 527.

1176

*) P a n z e r a. O . 1 , 4 2 8 ; A n d r e e - E y s n 113; R a n k e Volkssagen 1 2 , 2 7 0 ; G r i m m DWb. 2, 1 4 5 5 ; Z d V f V k . 13 (1903), 295. ») Z f ö V k . 1 3 (1907), 1 1 0 ; Z d V f V k . 15 (1905), 91 f . ; v g l . ebd. 13 (1903), 298 (Süditalien). ·) P a n z e r a . a . O . 2, 5 6 9 ; M e i e r Schwaben 1 7 2 ; B i r l i n g e r Schwaben i , 1 2 0 ; G r i m m Altdänische Heldenlieder 509. ' ) M e y e r Germ. Myth. 119 § 162 u. 1 2 1 ; S i m r o c k Myth. (1864), 4 5 3 ; v g l . S é b i l l o t Folk-Lore 1 , 1 4 2 (Lüttich). 8 ) P a n z e r Beitrag 2, 164. ·) P a n z e r a. a. O. ; Z d V f V k . i l (1901), 351 u. 13 (1903), 2 9 6 f . ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 328 ff.; B i r l i n g e r Volksth. ι , 306 Nr. 492; v g l . K l e e Zopfflechten u. Stallspuk in Z. f ü r Parapsychologie, M a i 1896. 10) P a n z e r a . a . O . 1 6 4 f . ; R e i s e r Allgäu 2, 4 2 7 ; B i r l i n g e r Schwaben 1 , 130; Panzer Beitrag 2, N r . 268; E b e r h a r d t Landw. 13; A b b i l d , bei A n d r e e - E y s n 1 1 2 u. Z d V f V k . 1 3 n ) (1903), 296. R o c h h o l z Sagen 1, 344; M e i e r Schwaben 1, 172 N r . 4. " ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 120. " ) D G . 3, 70, 1 2 8 ; R e u s c h e i Volksk. 2, 25 f . ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 92 f . ; v g l . W u t t k e 92 § i n . " ) G e s n e r d. f . I. 30 f . (mit A b b i l d . ) . " ) Z d V f V k . 1 3 (1903), 296 f. u . 15 (1905). 21 i- " ) Z d V f V k . 13, 297. t Olbrich.

Triieçhe s. A a l r a u p e . Truthahn, P u t e r (Meleagris gallopavo). Nach der Sage bewachen Truthühner einen S c h a t z 1 ) , oder eine g o l dene W i e g e 2 ). Als Hexentier erscheint der Tr. nur bei den Slaven 3 ). Das in England häufige E s s e n eines Tr.s zu Weihnachten hat sich auch in deutschen Gegenden vielfach eingelebt 4 ). a) M ü l l e r Siebenbürgen 86. Bartsch Mecklenburg 1, 266. ' ) K r a u ß Slav. Vforschungen 5 7 ; Rei. Brauch 1 1 2 . 4) A l b e r s Das Jahr 329. j· H o f i m a n n - K r a y e r .

Trutina Hermetis s. H e r m e s m e g i s t o s Sp. 1789 §4.

Tris-

Tuch. I . E h e p f a n d u. andere Geschenke. 2. H u n g e r tuch, Wundertücher. 3. T o d u. Begräbnis. 4. Volksmedizin. 5. Weißes (rotes) T . u. Schlangenkrone u. a. 6. Sonstiges.

In den Uberlieferungen wird oft statt eines sonst näher bestimmten T.es, eines Halstuches (s. d.), Handtuches (s. d.)„ Kopftuches (s. d.), Taschentuches (s. d.) oder auch eines Stückes Leinwand (s. d.) oder Lappens (s. d.) ganz allgemein von einem T. gesprochen, für das im Aberglauben die gleichen Umstände wie bei jenen in Betracht kommen: die Farbe, Form, Herkunft, Art der Verwendung, der Stoff (Leinwand, Seide u. a., aber

I I 77

Tuch

nie der selbst „ T u c h " genannte Stoff 1 )), Stickereien und Verzierungen u. a. I. Wie früher vereinzelt bei der Investitur (Investitura per linteum)2), kommt dem T. eine rechtliche Bedeutung zu, wenn es als Pfand bei der Annahme der W e r b u n g , bei der V e r l o b u n g und H o c h z e i t verwendet wird. Meist wird in diesen Fällen ein Taschentuch (s. d.) geschenkt. Um Lusern (Südtirol) schenkt das Mädchen dem Geliebten ein weißes T . 3 ), in Österreich schenkt die Braut dem Bräutigam ein weißes T., das er am Hochzeitstag an der Brust trägt 4 ). Bei den Rumänen tauschen die Brautleute ein gesticktes T. aus 5 ), in Dalmatien wird der Braut ein Seidentuch als Verlobungspfand gegeben, während sie den Ring erst kurz vor der kirchlichen Trauung erhält. Daher wird die Verlobung svila (Seide) genannt e ). Bei den Bulgaren gibt das Mädchen den Werbern ein T. für den Freier '), und dieser schickt seinerseits am nächsten Tag der Braut Geschenke 8 ). Bei den Magyaren (Csepel-Insel) gibt der Bursche, wenn seine vom „Beistand" vorgebrachte Werbung Erfolg hatte, diesem das Verlobungszeichen, zwei bis drei Seidentücher, mit Blumen, besonders Rosen verziert und in ein buntes, dreieckiges Papier gewickelt, alles mit Bändern und Kunstblumen umwunden ®). Auch sonst wird ein T. als G e s c h e n k gegeben. Seinerzeit beschenkte Kaiser Aurelian das Volk mit T.ern, damit es bequemer als früher, wo ein Zipfel der Oberkleider dazu diente, seinen Beifall bei den Spielen ausdrücken konnte 1 0 ). Bei der Heimführung der Gebeine des Landgrafen Ludwig aus Otranto schenkten seine Begleiter jedem Kloster oder Stifte, wo der Leichnam des Nachts blieb, um seiner Seele willen ein gutes, seidenes T . 1 1 ). Ein seidenes T. mit einem Geldgeschenk erhält der Altgeselle beim R i c h t f e s t im Delbrücker Lande 1 2 ), mit T.ern und Bändern schmückt man in der Umgegend von Ellwangen den M a i b a u m 1 3 ) und im Neckarkreis den auf dem l e t z t e n E r n t e w a g e n stehenden B a u m 1 4 ) . ') Dazu u. zu den verschiedenen Arten der T.er vgl. H e c k s c h e r 262 fi. 494 fi. 1 ) B ä c h -

II78

t o l d Hochzeit 1, 134. 8 ) Z f V k . 11 (1901), 448. 6 ) A. G e r a m b Brauchtum 127. Flachs Rumänische Hochzeits- und Totengebräuche (Berlin 1899) 28, vgl. 31. ·) K r a u ß Sitte u. Brauch 375. ') ZfvglRechtswiss. 27 (1912), 463. e ) K r a u ß Sitte u. Brauch 379. ·) Ethnolog. Mitteil, aus Ungarn 1, 423 = B ä c h t o l d Hochzeit ι , 131. 1 0 ) S i t t l Gebärden 62 f. 1 1 ) Q u e n s e l Thüringen 59. n ) Z f r w V k . 1908, 176. 13 ) M a n n h a r d t ι , 171. 1 4 ) Ebd. I, 193. 4)

2. Fromme Opfergeschenke waren und sind gewöhnlich die nicht selten sehr kostbaren A l t a r t ü c h e r in den Kirchen, zu deren Herstellung früher mitunter Hanfgarn benützt wurde, weil der Teufel den Hanf (s. d.) flieht15). Besonders wertvoll ist zuweilen das F a s t e n t u c h oder H u n g e r t u c h , das in den katholichen Kirchen während der Fastenzeit aufgehängt wird und den Anlaß zu der Redensart „ a m Hungertuche nagen" gab16). Prachtstücke besitzen unter andern das Museum für Volkskunde in Berlin 1 7 ), das Altertumsmuseum zu Dresden und das Schweizerische Landesmuseum zu Zürich. Die zwei letzten stammen aus dem 15. Jahrhundert 1 8 ). Im christlichen Glauben erscheint als W u n d e r t u c h das in manchen Fällen zur weit verbreiteten Gattung der E r i n n e r u n g s t ü c h e r 1 9 ) gehörende T. der hl. V e r o n i k a (s. d.) mit dem Gesichtsabdruck Christi, das der Sage nach vom Papst der Naumburger Domkirche geschenkt wurde, wo es in der Marienkapelle aufbewahrt wurde und bei dem großen Brande von 1532 zugrunde ging 2 0 ). Ein ähnliches Motiv findet sich in einzelnen Sagen, nach welchen ein Geist seine zwei Hände in ein T. einbrennt 2 1 ). Das S c h w e i ß t u c h , das der Engel nach der Auferstehung Christi den drei Marien wies, das Hemd der Jungfrau Maria u. a. hat der Sage nach Karl der Große von einer Kreuzfahrt nach Aachen heimgebracht 22 ). Das Märchen kennt ein W u n s c h t u c h , auf dem alle möglichen Speisen erscheinen, wenn man es ausbreitet. Ein solches muß aus besonderem Stoff und stillschweigend gesponnen sein oder der Hanf dazu muß in einer Tagesfrist gerupft, geröstet, gebrecht, gehechelt, gesponnen und gewoben werden 2 3 ) (s. Nothemd). Im Othello

Tuch

(3. 3) wird ein Z a u b e r t u c h erwähnt, das eine Sibylle wirkte und wozu geweihte Würmer die Seide spannen 24 ).

15 ) R e i t e r e r Steiermark gg. l e ) Vgl. G e r a m b Brauchtum 2 4 ; Rudolf U e b e Westfälische Hungertücher, Die Heimat (Dortmund 1926) 8, io6fi. w) ZfVk. 24 (1914), 354. Vgl. ebd. 21 (1911), 3 2 1 ff. (Hungertuch von Telgte in Westfalen). 1 8 ) M e y e r Konv.-Lex. 6 (1904), 348. " ) ZfVk. 8 (1898), 467 f. 20 ) Quensel Thüal ringen 88. ) Z a u n e r t Rheinland 1, 44 f. 22 23 ) Ebd. I, 74 f. ) G r i m m Myth. 2, 726. ! «) Ebd. 3 > 3 1 7 f.

3. Ein herabfallendes T. zeigt um Elberfeld einen nahen T o d e s f a l l an 2S). In Hochdorf (Freudenstadt) und Beuren (Nagold) wurde früher die mit einem neuen Hemd und Strümpfen bekleidete Leiche in ein neues L e i n t u c h gehüllt, wie es heißt, zur Erinnerung an das Begräbnis Christi. Das Leintuch wurde dann so weit zugenäht, daß nur noch das Gesicht des Toten frei war. Von diesem Brauch hat die Leichenfrau zum Teil noch heute den Namen „Einnäherin" 26). In Oberösterreich legte man seidene Tücher, auf welchen in Gold Marienbilder aufgedruckt waren, dem Sterbenden auf die Brust. Solche bewahrt das städtische Museum in Steyr auf 2 7 ). Sonst hütet man sich, einem Toten ein T. oder Band mitzugeben. Denn wenn es ihm in den Mund kommt, wird er zum Nachzehrer (s. d.) 2 8 ). Im Mittelalter war es bei Adeligen und reichen Bürgern vielfach üblich, daß bei den Leichenbegängnissen ein kostbares B a h r t u c h aufgelegt wurde, das oft zugleich mit anderen Tüchern dem Pfarrer oder der Kirche geopfert wurde 29 ). In Braunschweig erhalten t o t g e b o r e n e oder u n g e t a u f t e K i n d e r in manchen Dörfern keine Blumen auf das Grab, sondern man befestigt ein viereckiges, weißleinenes T. über dem Grabhügel 30 ). Wenn einem viele Kinder hintereinander sterben, so muß man nach norddeutschem Glauben ein T. kaufen und an die Kanzel hängen; dann bleiben die folgenden Kinder am Leben 31 ). 26 ) ZfrwVk. 1908, 245. M ) H ö h n Tod Nr. 7, 3 1 8 . »') ZföVk. 1 3 (1907), 1 1 4 . 28) Vgl. S i e b e r Sachsen 281 f. 29 ) DG. 1 2 (1911), 287. 3 0 ) A n dree Braunschweig 318. 3 1 ) K u h n u. S c h w a r t z 436 Nr. 304.

4. In der V o l k s m e d i z i n finden T.er,

Il8o die in der Sage neben Lappen (s. d.) auch als P e s t t r ä g e r erscheinen 32 ), verschiedenartige Verwendung. Mit einem T. kann man K r a n k h e i t e n ü b e r t r a g e n , so im Erzgebirge Flechten, die man mit einem T. berührt, das dann in ein Grab geworfen wird 33 ). Solche T.er werden auch auf Bäume aufgehängt (s. Lappenbäume). In Tirol bindet man um ein Aiß (Eiterbeule) ein leinenes T. und legt dies dann neben einem Bach auf einen großen Stein. Wer das T. nimmt, bekommt das Aiß an der Stelle, wo es der Kranke hatte 3 4 ). Im Erzgebirge wirft man ein T. des Kranken vor die Tür, wenn vor dem Hause die K l a g e m u t t e r heult. Nimmt sie das T. mit, so stirbt der Kranke, läßt sie es liegen, so wird er genesen 35 ). Um ein Kind von Krämpfen zu heilen, bedeckt man im Erzgebirge sein Gesicht mit dem schwarzseidenen T. einer verstorbenen Patin oder bindet ein solches schwarzes E r b t u c h , das während des Abendmahles in der Kirche getragen wurde, dem Kind um den Hals 3 e ). G e w e i h t e und h e i l i g e T.er, die in der Kirche oder bei gottesdienstlichen Handlungen gebraucht werden und deren Raub nach der Sage schwer bestraft wird 37 ), haben überhaupt eine erhöhte Heilkraft. Vom Wallfahrtsort Maria Kulm im Egerland wird aus dem 17. Jahrhundert überliefert, daß sich Leute mit einem geopferten A l t a r t u c h umwickelten und so um den Altar herumkrochen 38 ). Stücke vom M e ß t u c h oder K e l c h t u c h , in Papier eingewickelt, steckt man in die Kleider der Beschrieenen 3e ). Bei den Ruthenen wird der Fallsüchtige mit einem kostbaren T., auf welchem die Grablegung Christi dargestellt ist, während des Anfalles bedeckt. Dieses T. wird am Karfreitag auf das heilige Grab gelegt und am Ostersonntag auf den Hauptaltar, wo es bis Christi Himmelfahrt bleibt. Am meisten hilft es, wenn man dieses T. in der Kirche stiehlt 4 0 ). Das Z a h n w e h t ü c h l , das noch vor 50 Jahren im Bezirk Neunkirchen in Niederösterreich üblich war, auf den Grabsteinen der Ritterfrauen in Laufen a. d. Salzach sichtbar ist und in der

ι ι8ι

Tuch

Kleidung mancher Nonnenorden in ähnlicher Form erscheint41 ), wird heute noch im Böhmerwald, wo früher die Weiber auch ein K r o p f t ü c h l trugen 42 ), bei Zahnweh umgebunden und gewöhnlich Maultüchl genannt 43 ). 32 ) K ü h n a u Sagen 2, 539 Nr. 1 1 7 7 = P e u c k e r t Schlesien 247; S i e b e r Sachsen 96. 33 ) J o h n Erzgebirge 1 1 0 = S e y f a r t h Sachsen 2 1 1 . »«) H e y l Tirol 802 Nr. 255. Sieber Sachsen 275. 3e ) J o h n Erzgebirge 53 f.; S e y f a r t h Sachsen 272. 274. Vgl. K ü c k Lüneburger Heide 9. 3 ') Vgl. Sieber Sachsen 91. 3e ) Egerl. 18 (1914), 40. 39 ) S e l i g m a n n Blick 1, 342. 40 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 223. 4 1 ) WZfVk. 31 (1926), 102. « ) BdböVk. 17, 3 1 . 43 ) Verf.

5. Besonders zauberkräftig und segensreich ist ein weißes T. (s. rein, Reinheit), zuweilen auch ein rotes oder unter besonderen Umständen verfertigtes T. Gegen die wilde J a g d schützt man sich, wenn man sich auf ein weißes T. setzt 44) (s. Taschentuch). Ein weißes T. muß man ausbreiten, damit der S c h l a n g e n k ö n i g oder die Schlangenkönigin ihre kostbaren Kronen darauf legen 45 ). Es soll nach einer Uberlieferung in einer der hl. Nächte gebleicht sein 4β). An seiner Stelle kann auch ein Mantel47) (s. d.) oder der weiße Kittel eines Mühlburschen hingelegt werden 48 ), aber auch ein Purpurtüchel49) oder ein rotes T., an dessen Zipfel Faden angebunden sind, mit welchen man es, wenn die Krone darauf liegt, aufhebt 50 ). Das T., mit dem man die Schlangenkrone gewinnt, soll ferner ungebraucht und an einem Vollmondstage hergestellt sein 51 ). Oder es soll ein Kelchtüchlein sein 52 ), mit dem der Geistliche bei der Messe den Kelch auswischt M ), an dem daher noch Teile der hl. Hostie haften können, oder es soll ein Brauttuch oder ein bei der Trauung verwendetes T. oder aus einem Garn sein, das ein siebenjähriges Mädchen gesponnen hat. Doch muß man dieses T. vorher dem Priester in das Meßbuch legen54) (s. Nothemd). Auf dieselbe Weise gewinnt man durch Hinlegen eines roten T.es den wertvollen K r ö t e n s t e i n (s. d.), den die Kröte auf das T. speit 55 ), ferner die S p r i n g wurzel (s. d.), welche der Specht (oder Wiedehopf) auf das rote T. vor seinem

1182

Nest, das er für Feuer hält, vor Schreck fallen läßt 5e ) oder dies tut, weil er sie niemand gönnt und daher lieber verbrennen will 57 ), dann den zauberkräftigen F a r n s a m e n (s. d.), den man aber auch durch Anmachen eines Feuers, an dessen Stelle später erst das rote T. getreten sein dürfte 58 ), oder nur mittels neun Patentüchern erlangt, die man in der Sonnwendnacht zwischen 1 1 und 12 Uhr unterlegt, wobei der Same durch acht T.er hindurch fällt und erst vom neunten aufgehalten wird 59 ). Auf ein ausgebreitetes, meist weißes T. fallen endlich die drei B l u t s t r o p f e n , wenn der, welcher hieb- und schußfest oder Freischütz (s. d.) werden will, zur Sonnwendzeit in der Mittagsstunde in die hebe Sonne oder auf die Hostie schießt e0 ).

" ) W u t t k e 20 § 18. « ) W u c k e Werra 39 Nr. 75; Sieber Sachsen 193 f.; K ü h n a u Sagen 2, 39 Nr. 694; 364 ft. Nr. 969 fi. ; G l o ning Oberösterreich 5 1 ; J u n g b a u e r Böhmerwald 109. 4 ·) W u c k e Werra 340 Nr. 582. 47 ) Ebd. 279 f. Nr. 482. 4β) Quensel Thüringen 230 f. 4 ·) K ü h n a u Sagen 2, 372 Nr. 979. ">) P e u c k e r t Schlesien 238 f. 5 1 ) K ü h n a u Sagen 2, 370 Nr. 975. 62 ) Ebd. 2, 380 Nr. 989. 53 54 ) Sieber Sachsen 193 (Nordböhmen). ) 65 J u n g b a u e r Böhmerwald 110. ) Sieber M Sachsen 195. ) Grimm Myth. 2, 813; 3, 289 u. Sagen 6 Nr. 9; 78 f. Nr. 85; K u h n u. S c h w a r t z 459 Nr. 444; K u h n Herabkunft d. Feuers 214; Z a u n e r t Westfalen 286; K a p f f Schwaben 99 (Wiedehopf). 67 ) W o e s t e Mark 44. 5e ) K u h n Herabkunft d. Feuers 222. *·) H e y l Tirol 793 Nr. 198. , 0 ) R a n k e Sagen2 44 f.; Quensel Thüringen 290.

6. Das T. wird auch sonst bei allerlei Zauber verwendet. Man bannt am Johannistag zur Mittagsstunde die sich sonnende versunkene Glocke, wenn man ein T. (s. Kleid) darauf wirft 6 1 ). Mit dem T., das den Abendmahlskelch bedeckt, kann man die Mahr fangen. Wenn sie in Tiergestalt kommt, so muß man schnell die vier Zipfel des T.es zusammenfassen82 ). Nach südslawischem Glauben sieht man den gehörnten Mittag (s. d.), wenn man am Eliasfeste zu Mittag durch ein Seidentuch in die Sonne sieht ®3). Zu W e t t e r z a u b e r wird ein T. mit drei Knoten (s. d.) gebraucht. Beim Lösen eines Knotens entsteht leichter Wind, des zweiten heftiger Wind und des

II83

Tulpe—Tumbo

dritten ein gefährlicher Sturm M ). Ein F e r n z a u b e r liegt vor, wenn nach einer Uberlieferung ein mit einem Arbeiter durchgegangenes Weib mit Hilfe eines besprochenen T.es zur Rückkehr gezwungen wurde e s ). Ein weißes T . mit Fransen benutzt man beim M e l k z a u b e r ® 6 ) . Mit einem Leintuch sammeln die Tauhexen den T a u " ) (s. d.). Mit dem T. oder der Weste einer Leiche vertreiben die Schweden in Finnland R a u p e n und Ungeziefer vom Feld, indem sie, um das Feld gehend, jene hinter sich herziehen 68 ). Ein als Verlobungsgeschenk erhaltenes Seidentuch gibt der finnische Bauer vor der L e i n s a a t in den Korb, in welchem der Same liegt, damit die Fasern des Flachses fein werden 6 β ). In Westböhmen verwendet man bei der Leinsaat ein B e t t t u c h als Säetuch 7 0 ). In Dänemark benützt man zum Säen ein T i s c h t u c h oder ein r e i n e s T., das man zu keinem anderen Zweck gebraucht und von einer Saatzeit auf die andere aufbewahrt 7 1 ). 6 1 ) K u h n u. S c h w a r t z 4 Nr. 3. ea ) Z a u n e r t Rheinland 2, 150. · 3 ) Urquell 3 (1892), 203. '*) Z a u n e r t Rheinland 2, 142. e6 ) G r i m m M ^ i i . ' (1854) 1232 = Z f V k . 7 (1897), 188. «·) Z a u n e r t Westfalen 267. «») F F C . Nr. 55, 23; W u t t k e 76 § 88. e8 ) F F C . Nr. 55, 67. «») E b d . Nr. 31, 75 f. 7 0 ) J o h n Westböhmen 196. n ) C. F . K r i s t e n s e n Danske sagn (1902) 6, 424 = F F C . Nr. 31, 76.

Jungbauer.

Tulpe (Tulipa Gesneriana). Die GartenT.n haben ihre Heimat vorzüglich in Mittelasien und kamen um die Mitte des 16. Jh.s in die europäischen Gärten 1 ). Die T. erscheint ab und zu in Sagen als „Glücksblume" („Vergiß das beste nicht") 2 ). Wenn eine K u h nicht trägt, soll m^n sie mit T.nblättern füttern 3 ). Wenn man eine T. aufs „Nachtkastl" stellt, so stirbt man in dieser Nacht 4 ). Im Volke ist der Glauben weit verbreitet, daß der Duft stark riechender Blumen dem Schlafer den Tod bringe. V g l . S o l m s - L a u b a c h Weizen u. T. 1899; S t r a n t z Blumen in Sage u. Gesch. 1875, 270 bis 290. 2) B e c h s t e i n Thüringen 1, 93; K i i n z i g Schwarzwald-Sagen 1930, 131. 3 ) F o g e l Pennsylvania 167. 4 ) Z f ö V k . 34, 71. Marzell.

Tumbo ( S e g e n ) D e r Schlußteil des ,,Straßburger Blutsegens", 11. Jh., lautet: „Tumbo saz in berke mit tumbemo kinde

1184

enarme; tumb hiez ter berch, tumb hiez taz kint; ter heilego Tumbo uersegene tiusa uunda (Ad stringendum sanguinem)" 2 ). Eine lateinische Variante, 10. Jh. (Bern): „Stulta femina super fontem sedebat et stultum infantem in sinu tenebat. Siccant montes, siccant valles, siccant venae, vel quae de sanguine sunt plenae" 3 ). K a u m von diesen zu trennen ist ein Text bei Marcellus, um 400 (profluvium muliebre): „Stupidus in monte ibat, stupidus stupuit. Adiuro te, matrix, ne hoc iracunda suscipias" 4) (der Schluß ist ein Stück Koliksegen, s. d. § ι mit Anm. 2). Der N a m e tumbo wird gewöhnlich nach Grimm als Bergriese, versteinerter Riese verstanden (dumb = hebes, Dumbo ein isl. Riesenkönig); die stulta femina ist nach Heim der Nebel. Geographisch deutet Laistner: Tumba heißt· ein Berg in Nordfrankreich; vgl. Kögel: ein merkwürdig geformter Felsen war dem Volke ein Riese mit einem Kinde. Physiologisch deutet R. M. Meyer: Tumbo ist der Daumen, der in die Hand gesteckt schläft Wie ein Kind im Vatersarm. Christlich Mansikka: Der hl. Tumbo ist Christus auf Marias Schoß (prinzipiell ähnlich Grimm: Statt des Riesen stand urspr. ein Gottesname). Die L o g i k des Spruches. Gegen die gewöhnliche Auffassung, der gefühllose (dumme) Riese solle die Wunde gefühllos machen, wendet Helm mit Recht ein, daß die Texte nicht Schmerz, sondern Blut stillen wollen. Nach ihm und nach v. Steinmeyer ist die urspr. Pointe bei Marcellus zu suchen: „stupidus stupuit", indem das Adjektiv den (Neben-)Sinn „starr" habe (eher ein bloßes Wortspiel?); diese Pointe sei durch den deutschen Übersetzer — der an einen „dummen" Riesen dachte — verloren gegangen (wie eigl. auch in der spätlat. Form). Merkwürdig ist die z. T. sogar vokabuläre Ubereinstimmung mit einem finnischen Zauberliede 5 ), nach welchem Maria (oder ein anderes heiliges Wesen) das himmlische Feuer in einer Wiege wartet; es entfällt aber (zum Schaden der Menschheit) „der Hand des Dummkopfes, des

II85

Tümmler—Tür

(der) Unbesonnenen", in einer Variante ist erstere Bezeichnung tumpo-n (aus schwedisch dutnb)\ vgl. „stulta femina, (st.) infans in sinu" und die Bedeutung des ahd. tumb „jugendlich, unerfahren, töricht". Ist die Ähnlichkeit keine zufällige, muß man wohl in dem Stultusund dem Tumbosegen sekundäre Einwirkung einer entsprechenden Legende (vgl. „der hl. Tumbo") annehmen und könnte übrigens die Ausführung Helms festhalten. l ) Literatur: G r i m m Kl. Sehr. 2, 147; Myth, ι, 438; M a n s i k k a Uber russische Zauberformeln 70; H e l m HessBl. 8, 1 3 1 f t . ; O h r t ebd. 26, i f f . ; S t e i n m e y e r 376. Bemerkungen auch K ö g e l Gesch. d. Lit. I 1, 265; L a i s t n e r Germania 26, 184; M e y e r Germ. Myth. 23; M e y e r Religgesch. 125. a ) MSD. 1, 18 Nr.6 (2, 52 f.). 3) H e i m Incantamela 498. 4 ) M a r c e l l u s Medicamenta X 35 ( H e i m 498). *) K. K r o h n Magische Ursprungsrunen der Finnen (FFC. Nr. 52) 1 1 5 ff. Ohrt.

Tümmler kann zwei Fische bezeichnen: ι. Delphinus tursio, 2. Phocaena communis, auch Braunfisch, Meerschwein1). In PBB. 5 3 (1929), 3 0 2 wird der T. als G e w i t t e r t i e r bezeichnet und auf die Parallelen anord. leiptr, prov. dalfé „T." und „Blitz" hingewiesen. Auf einer syrakusanischen Münze wird das Hakenkreuz („Zeichen der Gewittergottheit") aus 4 T.n gebildet. Vgl. R o h l f s Sprache und Kultur (1928) und Delphin (Bd. 2, 186), Schweinsfisch. *) L e u n i s Synopsis 2. 5.

d. Tierkunde3 1, § 1 7 5 ; f Hoffmann-Krayer.

Tür. I. Allgemeines. II. Die T. im Recht. III. T. Aufenthaltsort von Geistern. IV. Opfer. V. Die T. muß vermieden werden. VI. Übergangsriten. T. als Grenze, a) Geburt, b) Taufe, c) Hochzeit, d) Tod, e) Austrieb des Viehes. VII. Ort zauberischer Handlungen, a) Schadenzauber, b) Heilzauber, c) Gegenzauber, d) Diebszauber, e) Verschiedene Zauber. VIII. Abwehr und Schutz, a) Sicherung des Segens, b) Bleibende Schutzmittel, c) Schutzmittel, die zu •bestimmten Zeiten angebracht werden, d) Hexenwetter, e) Bei Seuchen, f) Verschiedene Abwehrmaßnahmen, g) Schließen der T., h) Zu bestimmten Zeiten. IX. Orakel. X. Vorbedeutung, a) Verschiedenes, b) Klopfen, c) Die T. geht von selbst auf, d) Andere Todesvorzeichen. XI. Verschiedene Verbote und Gebote. XII. Verschiedenes. XIII. T. muß offen stehen. XIV. T. geht von selbst auf. XV. T. in Märchen und Schwank. B l e h t o l d - S t i u b l i , Aberglaube VIII

1186

I. Allgemeines. Für die T. gilt im wesentlichen dasselbe, das von der Schwelle gesagt wurde (s. d. I). Doch kommt hinzu, daß die T. als sichtbare und wirkliche Grenze gerade in dieser Eigenschaft als Trennung und Eingang etwas mehr hervortritt als die Schwelle. Auf ihre Festigkeit kam es dabei weniger an, da sie durch einfache, aber zauberkräftige Mittel gesichert wurde 1 ). Auch in der Rechtsüberlieferung spielt die T. eine größere Rolle als die Schwelle (s. II). Der großen Bedeutsamkeit der T. im deutschen Volksglauben steht wie bei der Schwelle Heiligkeit und Kult bei den alten Römern 2 ) und anderen Völkern 3) gegenüber. Alte T.n sind oft quergeteilt, in eine Ober- und Untert. 4). l ) S a r t o r i Sitte 2, 24, s. u. Abwehr und Schutz. 2 ) O g l e The housedoor in Greek and Roman Religion and Folklore Am. Journ. of Philol. 1 9 1 1 , 25iff. (Dagegen D e u b n e r AfRw. 20, 419); T.gott, Janus W i s s o w a Religion 108, ebenso Portunus ebd. 1 1 2 ; E i t r e m Hermes und die Toten 33; F r a z e r 2, 384; R a d e r m a c h e r Beiträge 65 .Cardea und Carna Eit r e m Hermes und die Toten 33. 3 ) F r a z e r 2,384. Heiligtum in Ägypten (106), Babylonien, Phönizien, Cypern, Sardinien, Sizilien, Abessinien, Neu-Seeland (107), im alten Mexiko, in China (108); T r u m b u l l The Threshold Covenant. Die Pythagoräer und Ägypter schwiegen beim Durchschreiten von T.n und Toren. Syrische Juden berühren beim Verlassen des Hauses einen am T.pfosten angebrachten Zettel mit dem Namen Gottes oder ähnlichen und küssen die Finger und sagen: Der Herr segne Deinen Ausgang usw. G e n n e p Rites de passage 32 ; ZfVk. 25, 22, 27. S. unter Opfer 4 (IV). ) Z. B. J o h n Erzgebirge 7.

II. Die T. in der R e c h t s ü b e r l i e f e rung. Die Besitzergreifung5), Übergabe®) eines Hauses geschah durch Erfassen oder Berühren der T. Dem Missetäter wurde die T. verpfählt, er mußte einen anderen Weg aus dem Haus nehmen (interdictio portae 7)). Mit auf die T. gelegter Hand wurde nach dem norwegischen Frostatingsgesetz ein Schwur geleistet 8 ). Dem nordischen T.gericht ®) entspricht auch eine deutsche Rechtshandlung 10 ). Vornahme von prozessualen Handlungen an der T. sind in der Lex Ribuaria erwähnt. Für das Asylrecht ist die Kirchent. von bes. Bedeutung u ). Die meisten gotischen Kirchen haben eine sog. B r a u t t . oder 38

1187

Tür

Ehet., durch die das Brautpaar eintritt. An der E h e t . harrte der Priester und stellte die Vorfragen an die Brautleute 12 ). s ) Oder Eingehen durch die T. Grimm RA. 1, 240; NdZfVk. 13, ligi. «) R o c h holz Glaube 2, 144. Gerichtliche Ubergabe eines Hauses wurde dadurch bewerkstelligt, daß der Fronbote einen Span aus dem T.pfosten hieb und dem neuen Besitzer einhändigte. G r i m m RA. 1, 239. ') G o l d m a n n Chrenecruda 157 ff. Nach altrussischem Recht mußte der Beschuldigte, falls er den geweihten Bissen des Gottesurteiles nicht schlucken konnte, unter der Schwelle entfernt werden. Der in Verzug geratene Schuldner mußte sein Haus durch das Dach verlassen (alemannisches Rechtsgebiet ebd. 161 ff.). Nach einer altnord. Satzung soll, wenn der Herr die Mordbuße für seinen Knecht nicht entrichten will, der Tote über die T. des Herrn gehängt werden, bis die verfaulende Leiche herunterfällt. Nimmt er die Leiche herunter, muß er die Buße voll nachzahlen. R o c h h o l z Glaube 2, 155. Ähnlich im alemannischen Recht: Der Hund, der am Tode eines Menschen schuld ist, wird über die T. gehängt, die andern T.n werden verschlossen. Wenn ein Mann sich von seiner Frau schlagen läßt, wird ihm nach dem Benker Heidenrecht die T. verpfählt. G o l d m a n n Chrenecruda 161. 8) G r i m m RA. 1, 242. Auch in der Antike, doch nur spärliche Überlieferungen. Raderm a c h e r Beiträge 65. ·) Duradômr, ein Gericht, das vor der T. des Angeschluldigten konstituiert wird und sofort sein Urteil abgiebt. E y r b y g g j a s a g a 18, 19, 55; L a n d n â m a , A m i r a Vollstreckungsverfahren 275 f. 10 ) G r i m m RA. 1, 459. 1 1 ) ZfvglRw. 34, 103 Anm. 3. Bei der Verknechtung: Exodus 2, 21, 6. Wenn der Knecht seine Freilassung ausschlägt, so bringe ihn sein Herr vor die Götter und halte ihn an die T. oder Pfosten und bohre ihn mit einem Pflock durch sein Ohr und sei sein Knecht ewig. l a ) Kirchl. Handlexikon 1, 728.

III. T. A u f e n t h a l t s o r t v o n Geis t e r n 13). Nach der Saga Erich des Roten k. 6 stehen die Toten vor der T. Die armen Seelen sitzen in der T. 1 4 ), bes. an Samstagen sitzen die letzt Verstorbenen unter den T.angeln 15 ). Hier hielt sich auch ein verwünschter Mönch auf 1 6 ). Ein hessisches Lied beginnt: Ei orm Seelche sass henger de Dehr on guckte ganz trurig hervor 17 ). Die Seelen werden zur Strafe zwischen die T.n gesetzt 18 ). Wenn das Scheunentor knarrt, muß man es schmieren, denn eine Seele büßt dort 19 ). Spukgeister klappern in der Nacht mit T.n 20). l s ) S. Schwelle II. Nach römischem Glauben halten sich die Manen gerne in den T.n auf.

1188 E i t r e m Hermes und die Toten 33. Nach indischen Berichten stehen die Seelen an den T.pfosten. Ebd. 13. 14 ) J o h n Westböhmen 181; D r e c h s l e r 1, 310. " ) S c h ö n w e r t h Oberl e pfalz I, 287 Nr. 14; 3, 279 Nr. 2. ) Kühnau Sagen 1,148. " ) W. 741 §750. « ) ZfdMyth. 1, le) 240; R o c h h o l z Glaube 2, 153. W. 471 §750. 20) S t r a c k e r j a n 1,222.

IV. O p f e r (s. Schwelle III). Wie bei der Schwelle muß man auch bei den Uberlieferungen über die T. die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß alte Opferhandlungen als Abwehr- und Zauberhandlungen umgedeutet wurden. a) In der A n t i k e . Die Athener hingen bei einer Geburt Wollbinden oder Wollkränze an dieT. Beim Ausscheiden aus dem Kult hingen die Kybeleverehrer ihre Haare an der Tempelt. auf. Etwas Ähnliches war wohl früher auch den Römern bekannt 21 ). An der T. wird der Ährenkranz zu Ehren der Ceres aufgehängt. Der eitle Opferer hängt den Kopf des Opfertieres mit Kränzen und Bändern geschmückt an die Haust., sicherlich altem Opferbrauch folgend 22 ). Das B e k r ä n z e n der T. stammt wahrscheinlich aus dem Totenkult 2S ). Lorbeerkränze für Hermes werden an die T. gehängt 24 ). Die T. wurde an den Januarkaienden bekränzt — das kirchliche Verbot dieser Sitte spielt in der Weihnachtsbaumforschung eine bedeutende Rolle 2S ). b) Bauopfer 2 ®). Um Tore fester zu machen, vergrub man ein Opfer darunter 27 ). Über der T. des Elbturmtores in Aken fand man eine Katze eingemauert 2β ). Unter der Kirchent. in Thyholm soll ein lebender Knabe vergraben worden sein; sein Bild wurde an der Kirchenwand eingehauen 2β). Nach einer Vermutung Liebrechts dürften die häufig über T.n und Toren angebrachten Köpfe das Opfer ersetzt haben 30 ). c) B e i V i e h s t e r b e n . Damit die Schafe die Drehkrankheit nicht bekommen, wird das schönste junge Lamm unter der Stallt, vergraben 31 ). Wenn ein Haustier (Kuh) 32 ) stirbt, muß man es so an der großen Haust, (stehend)32) vergraben, daß es in die T. hineinsieht, dann stirbt keines wieder (Bisweilen wird auch das Entgegengesetzte angegeben 33 )). Ver-

wirft eine Kuh, so gräbt man eine lebende Kreuzotter in einem neuen Topf oder einer Flasche unter die Stallt., ebenso bei Krankheit 34 ). Die Schweden auf der Insel Worms schnitten gegen Viehseuchen einem Schaf den Kopf ab und nagelten ihn über die Stallt. 35 ) (s.u. V l l l b ) . 21 ) P l i n i u s nat. hist. 26, 28: Das H a a r sowie die Nägelschnitzel eines Fieberkranken klebt m a n an eine fremde T. und überträgt d a m i t die Krankheit (S. u. Anm. 168). E i t r e m Opfer-

ritus 380.

22

Threshold

Covenant

) Ebd.

23

) E i t r e m Hermes und die

Toten 22ff. 24 ) E b d . 28. Die Griechen befestigten Zypressenzweige an die H a u s t . , u m einen Todesfall anzuzeigen. S a r t o r i Sitte und Brauch ι , 131. In Norwegen und Schweden werden bei einem Todesfall Tannenzweige vor die T. gelegt. " ) AfRw. 20, 118. 2β ) S. Schwelle I l l a . T.opfer bei anderen Völkern: Trumbull c. 1 ; E x o d u s

12,7:

Wo

das Osterlamm gegessen wird, sollen die beiden Pfosten und die Oberschwelle mit Blut bestrichen werden. Ebenso bestreichen die Araber mit dem Blut der geopferten Tiere die T.n E i t r e m Voropfer 429 Anm. 4. Ebenso bei einer Sühnzeremonie im alten Babylon. E b d . 433. Dasselbe geschah in Stambul nach dem großen Feuer 1865 an den T.en der unversehrten Häuser. T r u m b u l l The Threshold Covenant 66f. Bei dem A m t s a n t r i t t des H a u p t r a b b i n e r s in Jerusalem wird unter anderen Zeremonien mit der vom Opfertier blutigen H a n d eine H a n d über die T. gemacht. E b d . 67 (S. H a n d über der T. Anm. 168). H a t ein Eingeborener auf Borneo eine Sünde begangen, so opfert er ein Schwein und besprengt mit dem Blut die T.en seines Hauses, wodurch die Sünde beseitigt ist. AfRw. 17, 380. 27 ) Wird von den Phöniziern berichtet

I190

Tür

II89

Liebrecht

Zur

Volksk.

287f.

Bes.

in Siam unter Stadttoren ZfEthn. 1898, 5; in Afrika A n d r e e Parallelen 1, 20. 2e ) A n d r e e Parallelen 1, 23. 29 ) Aarbog for dansk Kulturhistorie 1892, 27; vgl. S t r a c k e r j a n 1, 108, b, c, e. 30 ) Zur Volksk. 291. 31) S c h ö n w e r t h Oberpfalz

folke 2, 281 f.

1,341.

33

32

) Russwurm

Eibo-

) S t r a c k e r j a n 1, 66 = W .

434 §680 = S a r t o r i Sitte und Brauch 2, 128. ) K u h n Mark. Sagen 379 N r . 27; W . 299

34

§ 439; F e i l b e r g , historie 1892, 18. 2, 281 f.

Aarborg f. dansk Kultur35 ) R u s s w u r m Eibofolke

V. Die T. muß v e r m i e d e n werden. Nach friesischer und oberdeutscher Rechtsüberlieferung soll man die Leiche eines Missetäters durch ein Loch in der Wand, nicht durch die T. hinaus bringen 3e ). Dasselbe gilt in anord. Überlieferung von Toten, deren Wiederkehr und Untaten man fürchtet 37 ). In Dänemark heißt ein zugemauerter Rundbogen auf der Giebel-

wand des Hauses Leichent. (ligport). Die Steine werden herausgenommen, daß der Sarg durchgeschoben werden kann, und wenn das Leichengefolge von der Kirche zurückkam, war die Leichent. wieder zugemauert 38 ). In Italien darf die Leiche nicht durch die Hauptt. hinausgebracht werden, sondern durch eine kleinere Seitent., porta di morti, die sonst verschlossen gehalten wird 3e ). Nach römischer Überlieferung durfte der Totgeglaubte nicht durch die T. in sein Haus zurückkehren40). Dieselbe Vorstellung findet sich bei vielen anderen Völkern 41). Leute, welche schon viel Kinder verloren hatten, trugen die späteren nicht mehr durch die T. zur Taufe, sondern steckten sie zum Fenster hinaus 42 ). Gibt man den Täufling zum Fenster hinaus, so wird er desto länger und gesund leben 43). Sind einem Manne schon mehrere Frauen gestorben, darf die neue Braut nicht durch die T. ins Haus gehen, sondern muß durchs Fenster einsteigen 44 ) (s. u. XV). Vermeidung der T. bei bedeutsamen Anlässen ist auch bei anderen Völkern geboten 48). 3β 3 ) R o c h h o l z Glaube 2, 171. ') Egill Skallagrimssaga 58; Eyrbyggjasaga 33, 60. Vor 100 Jahren war der Brauch noch in Schottland, in früher norwegischen Gebieten, bekannt. 3e ) Abbildung, F e i l b e r g Dansk Bon-

deliv

41 ; D e r s . Ordbog

Nachtragsband. venant 24.

40

39

s. v . ligport, a u c h

) Trumbull

im

Threshold Co-

) P l u t a r c h Quast. Rom. 5.

41

) Es-

kimo, Fr. N a n s e n Eskimoliv 214; R o c h h o l z Glaube 1, 197. I n China bei Verbrechern nach M a r c o P o l o , auch bei anderen Mongolen, F e i l b e r g Ordbog s. v. ligport; China, Alaska T r u m b u l l Threshold Covenant 24. I n Indien darf unter gewissen Konstellationen die Leiche weder durch die T. noch durch das Fenster geb r a c h t werden, sondern durch eine zu diesem Zweck gemachte Öffnung in der Mauer. Bei den Wakikuyu darf derjenige, der den Leichenweg bahnt, beim Rückweg nach Hause nicht durch das Dorftor schreiten, sondern muß sich einen Weg durch den Dorfzaun brechen. ZfVk. Ii, 269. 42 ) G r i m m Myth. 3, 464 Nr. 834; K ö h l e r Voigtland 247; Ostpr. W. 465 43 § 737· ) G r i m m Myth. 3, 443 Nr. 265. 44 ) Ostpr. W . 373 § 565. 45 ) Bei den Ainu dürfen die Reste des geopferten Bären und die erste Beute von einem sehr geschätzten Fisch nicht durch die T. gebracht werden. F r a z e r 8, 189. 256; bei den Giljaken ebd. 8, 193. 196. Bei den Thomson-Indianern in Britisch-Columbia wird das Wild nicht durch die gemeinsame T., die auch von Frauen benützt wird, gebracht, 38·

H9i sondern durch ein bes. Loch. F r a z e r 8, 242t. Bei verschiedenen Indianerstämmen muß ein Mädchen, das zum erstenmal seine Menses hat, u. a. das Haus durch eine bes. T. verlassen. Ebd. ι, 43. 44. In Indien hat bei einem Stamm jedes Haus zwei T.n, wovon die eine nur von menstruierenden Frauen benützt wird. Ebd. I i , 84.

VI. U b e r g a n g s r i t e n : Die T. als Grenze. Die Eigenschaften der T. als Grenze treten vor allem bei den bes. aufgerichteten T.n und Pforten als Eingang in eine neue, reine Welt hervor. Für deutsches Gebiet kommen hier die Ehrenpforten bes. bei Hochzeiten in Betracht 4e). Bei anderen Völkern sind derartige T.n gebräuchlicher47). — Die Mahr kann nur durch ein Loch in der T., das mit einem Harkenbohrer gemacht ist 48 ), hineinkommen. Wer unter der eigenen T. steht, kann nicht beschrieen werden 49). Ü b e r g a n g s r i t e n , bes. S c h u t z m a ß nahmen bei den wichtigen A b schnitten des Lebens: a) Geburt. Während der Geburt müssen alle T.n fest verschlossen sein so ). In die T. steckt man ein Messer (fast allg.), stellt einen Besen verkehrt davor. Das T.schloß muß Tag und Nacht mit einem blauen Schürzenband zugewickelt sein 51 ), gegen den kinderraubenden Wassermenschen B2). Man hält das neugeborene Kind, nachdem es eingebunden ist, an die Stubent. und macht mit seinem Kopf drei Kreuze an die T. Sobald es diese überwachsen hat, kann es nicht mehr beschrieen werden 53 ). Wenn ein Neugeborenes in der Wiege liegt, wird ein Messer in den T.pfosten gesteckt 54). Man legt einen Strohhalm vom Wochenbett an die T., so kann das Jüdel und kein Gespenst in die Stube 55 ). Wenn eine Wöchnerin den ersten Kirchgang unternimmt, wird hinter ihr die Haust, geschlossen, und darf nicht geöffnet werden, als bis die Heimkehrende, die unterwegs mit niemandem reden soll, wieder anklopft Be). In Ungarn nagelt man zum Schutz gegen böse Geister ein rotes Tuch an die T. 8 7 ). Die Griechen bestrichen bei der Geburt die T. mit Pech S8 ). b) T a u f e . Vor demFortgehen der Paten nach der Kirche werden über die Stubent.

Tür

1192

zwei Gabeln oder Messer, auf welche man ein Gebetbuch legt, gesteckt 5e ). Der Taufzug schreitet über eine vor die Haust, gelegte Axt oder Sichel und ein Gesangbuch, damit das Kind arbeitsam und fromm wird 80 ). An manchen Orten schlossen die Kinder die Haust, vor dem von der Kirche heimgetragenen Täufling, um einen Zoll zu erheben 61 ). Bevor das Kind getauft ist, spuckt die Mutter an jeder T., die sie durchschreitet oder macht ein Kreidekreuz über der T. 8 2 ). Das Waschwasser, womit die Kinderwäsche gewaschen wurde, mußte gleich bei der T. außerhalb des Hauses ausgeschüttet werden 83 ). c) Hochzeit. Die römische Braut bestrich, bei ihrem neuen Haus angelangt, die Türpfosten mit Öl und Fett und hängte Wollbinden an ihnen auf 6 4 ). Bei den Südslaven 85) und auf Kreta 86) bestreicht die Braut die T. mit Honig. Wenn die jungen Eheleute von der Kirche heimkommen, müssen sie an der Haust, eine Axt und einen Besen überschreiten 67). Die junge Frau macht mit der rechten Schuhspitze, in der ein Rosmarinsträußehen steckt, drei Kreuze vor der Haust. ®8). Auf Sylt, Föhr und einigen Halligen stieß der Bräutigam seinen Degen über der T. ein, daß die Braut darunter hineingehen mußte 69 ). Bei der Hochzeit ist die T. des Bräutigams verschlossen 70) ; anderwärts findet er die T. der Braut verschlossen 71 ). In Rußland verschloß man alle T.n vor der Hochzeit, damit die bösen Geister nicht hinein könnten 72). d) Tod. Die Leiche wird bei jeder T., durch die man kommt, niedergestellt und ein Vaterunser gebetet mit folgendem, ,Herr gib ihm die ewige Ruhe" 73). Ist die Leiche aus dem Hause, k l o p f t man dreimal an die geschlossene T., damit der Tote nicht wiederkommt74). Die Leiche muß so im Sarg liegen, daß sie aus der T. sieht, sonst kommt der Tote wieder 7S) (s. u. Anm. 229). Ist jemand gestorben im Haus, so darf die Saatfrucht nicht durch die Haust, getragen werden, sondern durch die Stallt. 78 ). Die T.schlösser werden verändert oder Türen versetzt, bes. wenn der Tote ein Selbstmörder ist 77 ) (s. u. Anm.

"93

Tür

191. 192). D i e T. m u ß h i n t e r d e m T o t e n g e s c h l o s s e n w e r d e n 7 8 ) , aber nicht verschlossen 7 9 ), einer muß als Hauswirt zurückbleiben 8 0 ), sonst stirbt bald jemand nach 8 1 ). Die T . darf nicht eher geöffnet werden, als bis die Leidtragenden zurückkehren, nur ein Grabträger darf die T . öffnen 82 ). Man muß entweder Wasser nachgießen, T . n und Fenster geschlossen halten oder auf alle geschlossenen T.n drei Kreuze machen, sonst würde es im Hause spuken M ) . T . n und Fenster der Ställe müssen beim Tode des Hausherrn geschlossen sein, damit die Hexen keinen Schaden anrichten können 8 4 ). Die Haust .n, an denen der Leichenzug vorbeikommt, werden geschlossen, damit der T o d nicht hineinflücHten kann 8 5 ). W ä r e die T . nicht verschlossen, so müßte der erste, der hineingeht sterben 8 e ). In Südhannover darf man bei der Rückkehr vom Grabe nur durch die Haust., nie durch eine Hintert. das Haus betreten 8 7 ). Nach Eintritt des Todes muß man sofort Fenster und T . n ö f f n e n , damit die E n g e l die Seele des Verstorbenen holen können 88 ), damit die Seele hinaus könne 8 9 ). Die erste Nacht nach dem Begräbnis und während des Begräbnisses bleibt die T . offen 9 0 ). Sobald der Sarg über die Hausschwelle hinaus ist, wird die Haust, mit lautem Krach zugeschlagen 9 1 ). e) A u s t r i e b d e s V i e h e s . Man macht vor die Stallt, ein Loch, gießt etwas Milch hinein : dann macht man einen Nagel glühend und steckt ihn in das Loch. Dies schützt vor Behexung der Milch 9 2 ). Man treibt das Vieh über eine Mistgabel, Schaufel, Stallbesen und E i vor der Stallt., bedeckt alles mit Rasen 9 3 ) ; oder über eine A x t und kreuzweise gelegte Besen 94 ) (s. auch unter Schutz und A b wehr). 4e ) W i k m a n Bröllopsträdet, Rig 1924. " ) Eintritt in eine andere Welt, magische Pforte, G e n n e p Rites de passage 27f. Bes. deutlich bei chinesischen Zeremonien : Um den Austritt aus der Kindheit zu bezeichnen und bei Krankheitsfällen werden unter verschiedenen Zeremonien, bei denen die Durchschreitung aus Stäben errichteter T.n den Mittelpunkt bilden, die Kinder in eine neue reine Umwelt gebracht. Die Pforten werden später verbrannt. E bd. 82 f.

1194

Tore als Zeichen, daß ein geweihter Bezirk beginnt: China, Japan, Korea, Siam, Indien, T r u m b u l l Threshold Covenant 104. Eingang zur anderen Welt: Ägypten G e n n e p Rites de passage 225 ft. Bei den Ishogo (Kongo) ist vor der Hütte, in der Zwillinge isoliert leben müssen, eine Pforte errichtet. Ebd. 66. 48) M ü l l e n h o f f Sagen 243 Nr. 2. 4> ) S c h ö n w e r t h 3, 261. 60 ) Vgl. Wenn eine Kuh kalbt, müssen die T.n gut verschlossen gehalten werden. H e u r g r e e n Husdjuren i Nordisk Folhtro 15. Doch auch offen, so in J a v a und Indien: F r a z e r 3, 296. " ) W. 382 § 581, letzteres auch bei W i t t s t o c k Siebenbürgen 60. 5a ) W i t z s c h e l Thüringen ι , 1 5 3 Nr. 149. 53 ) W. 382 § 580 = K ö h l e r Voigtland 430. M ) Fast allg. W. 282 § 581. t5 ) G r i m m Myth. 3, 447 Nr. 389. M ) M e i e r Schwaben 1, 75 Nr. 246. Sie muß sich den Einlaß durch eine Gabe erkaufen. H ö h n Geburt Nr. 4, 267; S c h ö n w e r t h 1 , 1 7 7 . " ) S a m t e r Geburt 189. 58 ) E b d . 156. Bei den Ngumba in Südkamerun wird das Neugeborene vor der Tür und die T. selbst mit roten Strichen versehen. E b d . 188. 5») K ö h l e r Voigtland 246. ,0 ) D r e c h s l e r x, 194. e l ) M e y e r Baden 1 1 3 . • 2 ) Norwegen. R e i c h b o r n - K j e n n e r u d Vàr gamie trolldomsmedisin 2, 90. · 3 ) E b d . 2, 94. ®4) E i t r e m Hermes und die Toten 19. *5) K r a u ß Sitte und Brauch 430. " ) S a m t e r Familienfeste 81. Die akarnanischen Wlachinnen beschmieren bei der Hochzeit die T. mit Butter, ebd. · ' ) W. 373 § 565. ·») M e y e r Baden 3 1 5 . ··) S a r t o r i Sitte und Brauch 1 , 1 1 4 . Bei Abchasen stehen in der T. des Hauses zwei 70 Männer mit gekreuzten Säbeln. Ebd. ) Ebd. I, 70. 90. 144. " ) Ebd. ι , 74. " ) S a m t e r Geburt 28. Vgl. ZföVk. 20, Erg. Bd. S. 136. 73 74 ) R e i s e r Allgäu 2, 300. ) Drechsl e r ι , 302; S c h ö n w e r t h 1 , 252 Nr. 4. ") B a r t s c h Mecklenburg 2, 95. 7e ) E b e r h a r d t 77 Landwirtschaft Nr. 3, 3. ) H ö h n Tod Nr. 7, 356. 78) S a r t o r i Sitte und Brauch 1 , 144; J o h n Erzgebirge 126; K ö h l e r Voigtland 254; H ö h n Tod Nr. 7, 341. 7 ') Weil man sonst den Tod miteinschließen würde. Sartori Sitte und Brauch 1 , 144 Anm. 25. e o ) D r e c h s l e r el 1 , 3 0 2 Nr. 327. ) Allg. A n d r e e Braunschweig 320; S t r a c k e r j a n 1, 56. 68; J o h n Westböhmen 174; K ö h l e r Voigtland 442. Auch bei den Wenden der Oberlausitz ebd. 254; B a r t s c h Mecklenburg 2, 96 f. ; S e y f a r t h Sachsen 26. ZfVk. I, 157 = I i , 267; Urquell 1, 9; 2, 52 (Przemysl); 4, 19. ®2) J o h n Erzgebirge 126; S e y f a r t h Sachsen 26. An einigen Orten Armagnacs finden die vom Begräbnis Heimkehrenden an der T. des Trauerhauses eine Person mit einem gefüllten Wasserkrug und einem weißen Leinentuch, damit sich die Geladenen die Hände waschen können. ZfVk. 18, 370. Bei den niederen Hindukasten in Indien baden die Leidtragenden, wenn sie von der Bestattung heimkehren und berühren an der Haust, einen Stein, Kuhmist, Feuer und Wasser, ebd. 83 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 400 Nr. 78.

1195 M

Tür

e5 ) H a r t m a n n Dachau und Bruck 228. ) ββ ZföVk. 4, 268. ) Erzgeb., W . 465 § 737. · ' ) S a r t o r i Sitie und Brauch 1, 1 5 5 . 88 ) H ö h n Tod Nr. 7, 3 1 6 . »·) ZfVk. 1, 2 1 8 , 1 1 , 268. Ebenso in Devonshire K u h n Westfalen 2, 48 Nr. 1 2 9 ; F r a z e r 3, 309; bei den Masuren. , 0 ) H ö h n Tod Nr. 7, 3 4 1 . 3 5 5 . i l ) S e y f a r t h Sachsen 26. 92 83 ) S c h r a m e k Böhmerwald 238. ) Ebd. *4) Meyer Baden 136.

und schlägt ihn mit drei Schlägen in die T., indem man bei jedem Schlag einen heiligen Namen nennt und fragt, hast du noch Zahnweh? 107 ). Gegen Zahnweh schreibt man den Namen des Kranken in dreifacher Verstellung auf ein Papier, faltet es zusammen und nagelt es dann an die Stubent. 108 ). Aus Westfalen stammt VII. Ort zauberischer H a n d l u n - der Blut stillende Spruch: Ich stand in gen. einer Obert. und sah in eine Untert. a) S c h a d e n z a u b e r 96) (s. Schwelle Das Wasser laß ich fließen, das Blut tu ich VI, d). Viele stehen in dem Wahn, daß schließen. Im Namen Gottes usw. sie durch Anschreiben gewisser Zeichen Amen 109 ). Das Nachtweinen kann daund Anschmieren gewisser Salben an die durch gestillt werden, daß man die WinHaust, ganz verkommen müßten 96 ). Die deln, auf denen das Kind liegt, zwischen Tiere sterben, wenn man die T.pfosten T. und T.stock klemmt 110 ). Gegen Wardes Stalles unter Besprechungsformeln zen nehme man eine große braune mit Blut besprengt87) (sonst Abwehr- Schnecke, nagle sie mit einem großen mittel s. u. Anm. 189). In den T.pfosten hölzernen Hammer an den T.pfosten, vernagelt man unter Nennung der drei höch- dorrt sie, so dorrt auch die Warze 1 1 1 ). sten und desjenigen Feindes Namen, den In Norwegen macht man so viel Knoten man in der Ferne zu töten sucht, den ober- als man Warzen hat, in einen Wollfaden sten Schoß einer Tanne. Mit dem Ver- und vergräbt diesen vor der T. 1 1 2 ). Wenn dorren der Zweige stirbt auch der Geg- ein Kind einen dicken Nabel hat, so nimmt ner 98). Um die Milch der Nachbarskühe man einen gefundenen Nagel und schlägt zu gewinnen, steigt man Samstag nachts ihn unter drei Vaterunsern in der Höhe des nackt, auf allen Vieren und rückwärts Nabels in die T . 1 1 3 ) . Die Verrenkung der aufs Tor des Nachbars, schneidet 3 Späne Hand (Knarrband) kann man wie auf daraus und spricht: ich sneit den dritten der Schwelle auch in der T. heilen. Man spân in aller milch wân " ) . Am Karfreitag steckt die Hand zwischen eine offene T. legen die bösen Geister Stöcke vor die hinten an den Bändern und sagt eine Haust., damit die Bewohner sie anfassen Formel 114 ). Hat man sich vergriffen, so und behext werden 100 ). Wenn man die schneidet man von der T.klinke die T.öffnung umarmt, d. h. mit beiden Hän- Schnur, die zum Heben der T.klinke dient, den an die beiden T.pfosten faßt, so und windet sie um den Arm 1 1 5 ). Weinerwünscht man wenigstens einem derer, die liche Kinder werden in Solde (Norwegen) drinnen sind, den Tod 1 0 1 ), oder der dreimal kreuzweise durch eine T., durch Nächste, der hineingeht, bekommt Herz- die schon eine Leiche getragen wurde, spannen 102 ). Wer unter der T. eines geführt 116 ). Bei den Schweden Finnfremden Hauses steht, beschreit alle lands hebt man die T. aus den Angeln und Menschen, die er drinnen sehen kann 103 ). trägt ein weinerliches, unruhiges Kind Wenn man ein Loch in die T. macht, 3 mal von Osten nach Westen um die T. 1 1 7 ). stirbt eines aus der Familie 104 ). Um den Schnupfen loszuwerden, beb) Heilzauber. Wird ein Kind mit schmiert man den T.drücker mit Naseneinem Fehler geboren, sitzt die Mutter auswurf, und derjenige bekommt ihn, der 11S neun Freitage in der Haust, und be- die T. zuerst berührt ), oder man erfaßt unter Hersagung eines Zauberspruches kreuzt das Kind, so wird das Gedie T.klinke, wer sie nachher berührt, brechen behoben 10S ). Gegen Rotlauf 119 schreibe man außen an die T. J . H. S. bekommt das Übel ). Gegen Wechselund spreche dazu eine Formel loe ). Bei fieber schreibt man über seine T. unter Zahnweh nimmt man einen neuen Nagel, einen Drudenfuß mit Kreide: Wenn das berührt damit den schmerzenden Zahn, ' Fieber kommt, bin ich nicht zu Hause,

1197 oder: Fieber bleib draus, der Ν. N. ist nicht zu Haus 1 2 0 ). Die Inselschweden auf Worms setzten bei Pest ein angebohrtes Stück von einem Vogelbeerbaum in die T.pfosten und verkeilten das Loch mit dem gleichen Holz 121 ). Nach altrömischem Glauben hilft der Schmutz der T.angeln gegen Kopfweh 1 2 2 ). Wenn Tiere Maden hatten oder dieselben im Speck waren, nahm der Schäfer vor Sonnenaufgang aus einem Besen stillschweigend ein Reis und steckte es zwischen Hespe und Haken, worauf die T. ging, und sprach dabei eine Formel 1 2 3 ). c) G e g e n z a u b e r . Beschrieene Kinder wäscht man mit Kohlenwasser und gibt ihnen davon zu trinken, der Rest wird in die T.angeln gegossen 124 ). Wen die Nachtmahr besucht, der bohre ein Loch unten in die T. und fülle es mit Schweinsborsten aus. Dann schlafe er ruhig weiter und verspreche der Nachtmahr, wenn sie kommt, ein Geschenk, sie wird ihn verlassen und das Gelobte am anderen Tag in Menschengestalt abholen 125 ). d) D i e b s z a u b e r . Um gestohlenes Gut herbeizubringen, schreibe man auf zwei Zettelchen folgende Worte . . . . ; dann lege das eine über die T. und das andre unter die Schwelle. So kommt der Dieb am 3. Tag und bringt den Diebstahl 126 ). Einem Knecht war die Kratze gestohlen worden. Zu Hause wird ihm aufgetragen, vor die Haust, zu treten. Da kam der Nachbar, welcher der Dieb war, und stellte die Kratze in den H o f 1 2 7 ) . Von der T., durch die der Dieb gegangen ist, schneidet man in den drei höchsten Namen drei Späne, löst unbeschrien ein Wagenrad vom Wagen und fügt es wieder ein, nachdem man die Späne in die Nabe gelegt hat. Hierauf dreht man das Rad unter Zauberformeln, jedoch nicht allzu geschwind, weil der dadurch zur Umkehr genötigte Dieb sich sonst zu Tode stürzen müßte 128 ). Schreibe die Sator-Formel auf ein Zettelchen, das an die T. geklebt wird 1 2 9 ), oder ein Zauberwort über die T . 1 3 0 ) . In Norwegen stößt man, nachdem man die T. des Vorratshauses verschlossen hat, dreimal an diese T., um Diebe abzuhalten 1 3 1 ). e) V e r s c h i e d e n e Z a u b e r . Soll eine

Tür

Kuh nicht mehr als einmal zum Bullen laufen, so muß ein lebender blinder Hund inwendig vor der Stallt, vergraben werden 1 3 2 ). Man stellt das Butterfaß zwischen die zwei T.pfosten, legt eine Schere darunter und wirft 3 Sprätle Brot und Salz hinein, das beschleunigt das Buttern 1 3 3 ). Der jüngste Pate nimmt das Kind an der Haust, und läuft damit schnell nach der Stube zur Mutter, so wird das Kind schnell 134 ). Um sich die Herrschaft im Hause zu sichern, darf die Neugetraute, wenn sie aus der Kirche kommt, nur unter die T. treten und, die beiden Füße an die Pfosten stemmend, für sich sprechen: Ich stehe oben und unten an, ich bin der Herr und nicht der Mann 1 3 5 ). Wenn bei den Südslaven ein Weib kein Kind mehr zur Welt bringen will, so schließt sie mit den Füßen des zuletzt geborenen Kindes, gleich nach dessen Geburt die T . 1 3 6 ) . 95 ) L i e b e s z a u b e r an der T. in Griechenland und Italien, E i t r e m Hermes und die Toten 37. ββ) S e y f a r t h Sachsen = F i s c h e r Aberglaube 1, 1 3 6 . · ' ) D r e c h s l e r 2, 107. 98 ) R o c h h o l z Glaube 2, 142. »») E b d . 2, 1 5 1 ; G r i m m Myth. 3, 4 1 7 Nr. 30. 1 0 ° ) D r e c h s l e r ι , 86. l 0 1 ) Z f V k . 8, 286 (Island); P r a e t o r i u s 102 Phil. 18. ) E b d . ; D r e c h s l e r 2, 3 1 6 = W . 396 § 609. 1 0 3 ) S c h ö n w e r t h 3, 261. 1M ) Fogel Pennsylvania 117 Nr. 522. 105 ) H a l t r i c h Siebenbürgen 288. 1 0 e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 383. 1 0 7 ) E b d . 2, 122. 1 0 8 ) W 3 2 5 § 482. 1»») Z f V k . 7, 58· 1 1 0 ) S c h r a m e k Böhmerwald 256. m ) G r i m m Myth. 3, 471 N r . 9 7 5 . 1 1 2 ) K r i s t i a n B u g g e s samlinger 3 , 1 4 7 Nr. 1 3 . 1 1 3 ) W o l f Beiträge 1, 208. 1 1 4 ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 69 = Hovorka-Kronfeld 2, 272. Kann auch mit der T. weggeklemmt werden, Norwegen. L i d Joleband og vegetasjonsguddorn 264. l l s ) A n d r e e Braunschweig 4 2 1 ; ue Z f V k . 8, 62. ) Reichborn-Kjennerud Vär gamie trolldomsmedisin 1, 156. In Uganda wird u. a. Zeremonien das Durchgehen durch eine T. als Bestandteil einer Kur angewendet. ll7 F r a z e r 1 1 , 181 f. ) Hembygden 6, 85 118 Nr. 3 1 = K n u c h e l Umwandlung 5 1 . ) M e y e r Baden 5 7 1 ; Thüringen W . 325 § 482. Man speit auf ein fremdes T.schloß, so überträgt man die Krankheit auf das fremde Haus (galizische Juden) Urquell 4, 142. Vgl. Ist ein Kind beschrien, so wische man die T.klinke ab. W . 282 § 4 1 3 = G r o h m a n n Aberglaube 1 5 5 Nr. 1 1 2 4 . 1 1 β ) S e y f a r t h Sachsen 184 = 120 J o h n Erzgebirge 109. ) W. 342 § 509; D r e c h s l e r 2, 302. m ) R u ß w u r m Eibofolke 122 2, 281 f. ) E i t r e m Hermes und die Toten 3 5 ; P l u t . 28, 49. 1 2 3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 5 3

1199

Tür

Nr. 691. Gegen Verhaltung des Urins bei Kindern ergreife das Kind beim Kopf und schlage mit den Füßchen gegen den T.pfosten. Galizische Juden, Urquell 4, 170. 1 M ) H a l t r i c h Siebenbürgen 263 Nr. 9; Böhmen W . 282 § 413. »") G r i m m Myth. 3, 466 Nr. 878. 1 2 e ) S A f V k . 2, 266. m ) Köhler Voigtland 547. l 2 8 ) W o l f Beiträge 1,257, ähnlich R o c h h o 1 ζ Glaube 2, 151. 129 ) W e i n h o l d Festschrift 115. 1S0) E b d . 116 Nr. g. 1 3 1 ) Nils L i d Norske 13a ) Bygder Romerrike 2, 119. Rochholz Glaube 2, 169 = G r i m m Myth. 3, 461 Nr. 755. 133 ) E b e r h a r d t La»áu/jríscAa/< 1 8 . 1 M ) Brandenburg W . 390 § 596. 1 3 5 ) K ö h l e r Voigtland 439. 136 ) K r a u ß Sitte und Brauch 546.

1200 schnauze 1ββ) (bei den Römern). An vielen alten Häusern sieht man über T.- oder Fensteröffnungen einen Holznagel, hinter dem ein geweihtes Pulver steckt, eingeschlagen 1β7 ).

c) S c h u t z m i t t e l , die zu bestimmten Z e i t e n angebracht werden. Am Dreikönigstag s c h r e i b t der Lehrer (ein Kapuziner, der Hausvater) mit geweihter Kreide die Anfangsbuchstaben der Namen der hl. Dreikönige über die T. 1 6 8 ). Am Petritag vertreibt VIII. A b w e h r und S c h u t z . man Ungeziefer (Schwellenvogel) 169 ), a) S i c h e r u n g des Segens. Ein Rad wenn man mit einem Hammer an die T.über dem Torweg bringt Glück 137 ). pfosten klopft 170 ). Am Georgitag schlägt b) B l e i b e n d e S c h u t z m i t t e l . Die T. man einen Dorn in die Stallt. 1 7 1 ). Am schützt man durch Kreuze 138 ) (Wetter- Palmsonntag heftet man ein Trudenkreuz kreuze), Monogramm Jesus Maria 1S9 ), an- aus geweihten Palmen 172 ), Osterpaldere christliche Zeichen140), christlicheWor- men 173) an die T. Am Karfreitag schlägt te, undNamen mit Kreide geschrieben m ) , man drei Nägel in die Stallt., um das Vieh durch Tau-Zeichen, das gegen mancherlei, vor allem Übel zu sichern 174 ). Wer am bes. gegen Gewitter schützt und früher an Walpurgistage drei Kreuze an die T. den meisten Häusern in Tirol verwendet zeichnet, bannt die Krankheit aus dem wurde 142 ) ; durch eine Distel (altnord. Skir- Zimmer 17B ). Am Johannistag hängt man nismâl 31, 6f.); durch Ähren (Ähren, die Kränze 17e ) aus Johanniskräutern und Jobeim Beginn der Ernte geschnitten und hanniskräuter an die T. 1 7 7 ). An demkreuzweise auf den Acker gelegt und dann selben Tag entzündet die Schweizer Dorfan die Haust, genagelt werden 143)) ; zwei knabenschaft ein Notfeuer am T.pfosten kreuzweis aufgehängte Ähren 144 ) ; Büschel eines Hauses 178 ). Am 14. XII. reißt man von drei Ähren 14S ) ; letzte Ähren 146 ), sog. einem Ziegenbock den Bart aus, räuchert Glückskoni; Hufeisen 147 ),gekreuzte Säbel, damit das Haus und schreibt mit einer am ein Gewehr, 2 Flinten 148 ), geweihtes Dreikönigstag geweihten Kreide über die Geld 149 ). Durch ein Pflugrad 160 ) an T.n: Heut' feiern wir des hl. Nicasius' der Stallt, schützt man das Vieh vor Tag, auf daß man keine Maus im Hause dem Erkrummen; neun eingeschnittene sehen mag 1 7 9 ). Um Ratten zu vertreiMonde 151 ), einen Trudenfuß in Form ben, schreibt man am 6. XII. den Namen eines breitgezeichneten Kleeblattes 152 ), Nikolaus oder Medardus an die T. oder auch Schrättlifuß, Alpfuß, Fünfort ge- am 14. XII. Nicasius mit drei Kreuzen an nannt, durch Schrättligatter 153 ), Tru- alle T.n 180). An den letzten drei Donnersdenstein 154 ), blühendes Farnkraut 155 ), tagen (Dienstagen : Kärnten-, Salzburg) der ein bes. Fläschlein mit Weihwasser 156 ), Adventzeit (Bayern, Franken, Baden), Metallblättchen mit einem Heiligenbild157), zwischen Weihnacht und Dreikönig durch eine Nische mit Heiligenfigur, al (Schwaben), am Dreikönigstag (Nürnfresco Malerei über der T. 1 5 8 ) ; durch ein berg) k l o p f e n junge Leute ζ. T. Kinder, an die T. genageltes Pergament 159 ), Haus- an die T., um Unheil zu vertreiben und segen, der selten außen, meist innen an Segen zu bringen, sie erhielten eine kleine Gabe dafür 1 8 1 ). In Norwegen wird zu die T. angenagelt ist 1β0 ) ; Agathenzet161 162 163 Weihnachten auf jede Stallt, ein Kreuz tel ), Pferdefüße ), Eulen, Geier ), Fledermäuse mit ausgebreiteten Flü- mit Kohle, auf die anderen T.n Kreuze geln 164), Elstern " 5 ) (Norwegen), Wolf, mit roter Kreide oder Teer gezeichnet 182 ). d) Gegen H e x e n w e t t e r . Ein WirbelAdler (altnord. Grîmnismâl Β io), Wolfs-

1201

Tür

1202

M0 wind wird gestillt, wenn man Messer, wilde Jagd hindurch ), oder zieht der 183 Wode hindurch und seine Hunde verSicheln usw. vor die T. legt ). zehren alles, was im Hause ist, bes. den e) B e i Seuchen 184 ). 801 f) Verschiedene Abwehrmaßnah- Brotteig, wenn gebacken wird ) ; oder Frau Gaue an der Spitze des wilden men. Man schlägt vor dem Abfahren 202 mit der Axt in dem T.düssel, den Heeres ), und läßt irgendein Tier (Hund Mittelpfosten der großen Tennent., so oder Katze) zurück, das schreit, nichts können die Hexen den Pferden nichts frißt und nicht fortzubringen ist anhaben 185 ). Um Mäuse zu vertreiben, alle stört, Krankheit und Sterben bringt schlägt man Samstag beim Glorialäu- und erst an den nächsten Zwölften wieder 204 ten mit Knütteln an alle T.n des Hau- weggeht ). In manchen Häusern im 186 ses und spricht einen Spruch dazu ). Isergebirge hält man während der ersten Legt man einen Besen vor die T., so kann halben Stunde des Jahres alle T.n gekeine Hexe hinüber 187 ). Wenn ein Haus schlossen. Nur die Hintert. bleibt offen; geweißt wird, macht man rings um die man meint, durch diese bringen die guten 205 Haust, eine Anzahl Klekse, damit der Geister Segen herein ). Hat man am 188 Teufel fem bleibt ). Die T.pfosten mit 6. Januar Brot und Milch für die Perschtl dem Blut eines jungen menstruierenden ins Vorhaus gestellt, so verschließt man 20e ebenso beim HausMädchens berührt, vereitelt allen Zau- die T.n ), 207 189 ber ). In Estland nimmt man von der räuchern ). Während Epidemien müssen T., durch die ein Mensch mit dem bösen bei den galizischen Juden T.n und Fenster Blick gegangen ist, ein kleines Stück bei Nacht geschlossen bleiben, aber auch 208 Holz und verbrennt es 1β0 ). Gespenster 191 ) bei Tag nur wenig geöffnet werden ) vertreibt man durch neue T.n, ebenso Ver- (S. auch VI, a, b, c, d). storbene bes. Selbstmörder192). In Däne137 ) G r i m m Myth. 2, 953 = 3, 444 Nr. 307. mark begrub man einen lebenden Hund Dein Haus gedeihen zu machen, nimm Erde unter der T., um ein Gespenst, das jeden von den 4 Ecken aus dem Haus eines Reichen Abend kam, zu vertreiben 19s ). Geht man und lege sie in ein neues Gefäß und nimm eine die T. aus, ohne die T. zu verschließen, so steckt Schüssel Kleie und begrabe dieses Iunter deines Hauses. MjüdVk. 1900, 67. 3 e ) M ö l l e n 13 man ein grünes Reis auf den T.ring oder h o f f Sagen 557 Nr. 565. *) A n d r e e - E y s n stellt einen Besen verkehrt gegen die T., Volkskundliches 99. 1 4 0 ) S t r a c k e r j a n 2, 222 141 ) S e y f a r t h Sachsen 1 5 2 . Vgl. so kann nichts Fremdes hinein 194 ). Gegen Nr. 470. 168. 1 4 2 ) H e y l Tirol 804 Nr. 270. den Biß des Fuchses ritzen die Isländer ein 1Anm. 43 ) P a n z e r Beitrag 2, 2 1 5 ; P o l l i n g e r Landsbestimmtes Zeichen auf Eichenholz und hut 177. 1 4 4 ) SchwAfVk. 4, 42. 1 45 ) H e y l 195 tun es über die Haust. ). Tirol 804 Nr. 271 f. 1 4 e ) R o c h h o l z Glaube 2, 1 4 1 . 1 4 7 ) S t r a c k e r j a n 2, 222 Nr. 470; W . g) Schließen der T. Nach dem Bet130 § 1 7 6 ; F o g e l Pennsylvania 98 Nr. 396. läuten werden die T.n geschlossen, das 1 4 8 ) SchwAfVk. 4, 42. 14β ) H e y l Tirol 804 Nr. wünscht der wilde Mann 19e ). Gott ver- 2 7 1 . 1 6 °) E b d . 804 Nr. 2 7 3 ; P a n z e r Beitrag 1, folgt im Gewitter den Teufel, deshalb 260 Nr. 5 5 ; Z i n g e r l e Tirol 65. E s gibt nur schließt man T.n und Fenster, weil er eine Art, die Unterirdischen loszuwerden: das Haus in Brand stecken und ein Wagenrad vor sonst ins Haus flüchtet und Gott dieses die Stallt, stellen. M ü l l e n h o f f Sagen 388 Nr. von Donner und Blitz treffen läßt 197 ). 452. 1 5 1 ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 1 1 2 . Häuser und Scheunen, in denen Vorder- 1 M ) H e y l Tirol 8041 5 4 Nr. 271 f. l 5 3 ) R o c h h o l z ) Natürlich durchlochter und Hintert. gerade gegenüberliegen, Glaube 2, 254. Stein. A n d r e e - E y s n Volkskundliches 1 1 3 . sind von dem Durchzug der Nachtgeister 1 5 S ) Dann geht alles gut, so weit die Peitsche und des wilden Heeres heimgesucht198 ). beim Fuhrwerk reicht. G r i m m Myth. 3, 471 15e ) R o c h h o l z Glaube 2, 1 4 1 . l s 7 ) h) Zu bestimmten Zeiten. Früher Nr. 988. A n d r e e - E y s n Volkskundliches gg. 1 6 8 ) E b d . glaubte man, daß in der heiligen Nacht 101. 15 ») H e y l Tirol 804 Nr. 269. 1 β 0 ) A n d r e e der „Metteier" umgehe und sogar in E y s n Volkskundliches 103. l e l ) R o c h h o l z die Häuser komme, wenn die T.n nicht Glaube 2, 168. l e 2 ) M ü l l e n h o f f Sagen 2 1 2 . 3 1M ) Andree-Eysn geschlossen waren 199). In den Zwölften i« ) R o c h h o l z 2, 154.1 β 5 Volkskundliches 1 1 2 . ) N i l s L i d Norske muß man die T. schließen, sonst geht die

1203

Tür

Bygder, Romerrike 2, 122. Schutz gegen Übel und fördert das Gedeihen der Pferde. 1 β β ) Schützt vor Schadenzauber P l i n i u s nat. hist. 28, T57. Beim Einfahren des Getreides wurde eine Kröte an der Oberschwelle aufgehängt. P l i n i u s nat. hist. 18, 303. Auch bei anderen Völkern in Tibet gegen Dämonen ein leuchterartiger Gegenstand über der T. F r a z e r 8, 96; in China hat man Zauberdinge über der T. Trumbul.1 The Threshold Covenant 70. 1 β 7 ) M e y e r Baden 1ββ ) A n d r e e - E y s n 555· Volkskundliches 99. I n Süddeutschland und Österreich fast allg. J o h n Westböhmen 32. Auch bei anderen Völkern wird zur Abwehr auf oder über die T. geschrieben. Inschriften über der T . bei den Ägyptern und Juden (Deuteronomium 6, 4 — 9 ; I i , 13—21). Heute noch bei orthodoxen Juden üblich. Der fromme J.ude berührt die Inschrift, küßt seinen Finger und sagt den hebräischen Segen: Der Herr segne usw. (Vgl. ZfVk. 25, 27). T r u m b u l l Threshold Covenant 69 f. I n Sidon haben die Mohammedaner auf allen Gebäuden Inschriften aus dem Koran, und die Christen machen es da ebenso. Bei Pest werden Sätze mit Menschenblut auf die T.pfosten geschrieben. Die galizischen Juden schreiben bei einer Epidemie auf die T. : Hier war schon Typhus, Cholera usw., und das Haus bleibt verschont. Urquell 4, 119. Auf den Sapudi Inseln malt man bei Epidemien mit Kalk weiße Streifen an die T . , die größtenteils christlichen Bewohner der Insel Ambon suchen die Pocken durch weiße Kreuze an der T. abzuwehren. ZfVk. 23, 158. I n Hillah auf den Ruinen des alten Babylon sind an die T.n rote Hände gemalt, ebenso in Jerusalem T r u m b u l l Threshold Covenant 75, ebenso in Carthago ebd. 78; Zentral Amerika ebd. 81. 83. Bei den Juden in Marocco machen junge Leute mit Opferblut eine ausgespreitzte Hand auf die T.pfosten und Wände des Hauses T r u m b u l l 67 ff. ü b e r einer Küchent. in Neapel war ein Handschuh mit drei Fingern eingenäht, daß die Hörnerfigur entstand, aufgehängt gegen den bösen Blick der Deutschen, die doch fast alle keine Christen seien. OdZfVk. 1931, 50 ff. «») P r a e t o r i u s Blocksberg 117. 1 7 °) W . 398 § 611; S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 98 Anm. 14. 1 7 1 ) H a l t r i c h Siebenbürgen 279. 1 7 2 ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 114. 1 7 3 ) R o c h h o l z Glaube 2, 141. 1 7 J ) E b d . 2, 165. 175) Hovorka-Kronfeld 2 , 3 2 4 . 1 7 e ) R e i s e r Allgäu 2, 1 5 6 . " ' ) G r i m m Myth, ι , 5 1 8 (1699). 1 7 β ) R o c h h o l z Glaube 2, 145 ff. l 7 9 ) Böhmen W. 399 § 614. 1 β 0 ) E b d . 1 8 1 ) Weimarisches 400 § 616. Jahrbuch 2 t l 8 5 5 ) , 124 ff.; M e y e r Baden 195 f.; S a r t o r i 1 8 2 Sitte und Brauch 3, 12. 14. ) Nils L i d Norske Bygder, Romerrike 2, 112; auch an der Westküste, Sogn, usw. Beim Jahreswechsel wird in Peiping das Tor zwischen dem Chinesenund Tartarenviertel auf eine halbe Stunde geschlossen und an die T.n der Häuser rotes Papier geklebt. G e n n e p Rites de passage 255. In Japan wird zu Neujahr (13. I . ) über jede

1204 Haust, ein Fichtenzweig, Orangen, Seil aus Reisstroh und ein gekochter Hummer gehängt. B. H. C h a m b e r l a i n Things Japanese (1902) 158. 1 8 3 ) Tirol, Oberpfalz W. 302 § 444. 1 8 4 ) S. Anmerkung 168 u. 120. 1 8 5 ) Strackerj a n I , 434 Nr. 233. 1 8 e ) D r e c h s l e r 2, 3—4. 187) ZrhwVk. 1906, 202; SchwAVk. 21, 198. 1 8 8 ) Ostpr. W. 287 § 420. 1 8 9 ) A g r i p p a 1, 191, nach P l i n i u s hat das Bestreichen mit Hyänenblut dieselbe Wirkung, ebd. 194. Gegen Künste der Magier beschmierte man die T.pfosten mit Menstrualblut. P l i n i u s nat. hist. 28, 85; E x o d u s 13, 21 ff.: Bei der Erschlagung der Erstgeburt sollten die Juden ein Zeichen aus Blut an die T.pfosten und Oberschwelle machen. In Rom bestrich man bei einer Geburt die T.pfosten mit Pech ( E i t r e m Hermes und die Toten 21), ebenso in Athen an den Anthesterien S a m t e r Familienfeste 113; ders.Geburt 165. Nach Theokrit beschmierten die Griechen die T.pfosten mit dem Saft von magischen Kräutern. T r u m b u l l Threshold Covenant 73. 190) S e l i g m a n n Blick 2, 50. 1 9 1 ) J e c k l i n Volkstümliches 19; T h i e l e Overtro Nr. 710. 192) H ö h n Tod Nr. 7, 356. 1 9 3 ) Aarbog f. 194 ) W . dansk Kulturhistorie 2, 18. 397 § 609. 1 9 5 ) Z f V k 13, 277 Nr. 23. 1 9 e ) H e y l Tirol 346 f.; 351 Nr. 20; wegen der Hexen ebd. 800 Nr. 246. 1 9 7 ) K u h n Westfalen 2, 24 Nr. 66. 1 9 8 ) H e y l Tirol 3 4 6 ! ; 351 Nr. 20. In Pommern maß die Vorder- und Hintert. in der Nacht geschlossen sein, da sonst die wilde Jagd durch das Haus fährt und die ungetauften Kinder mit sich nimmt. ZfVk. 13, 184. 1 9 9 ) R e i s e r Allgäu 1, 82. 2 0 °) K u h n Westfalen 2, Ii Nr. 20; B a r t s c h Mecklenburg 2, 244; der Weltjäger S t r a c k e r j a n 2, 22 Nr. 280. 2 M ) M ü l l e n h o f f Sagen 372 Nr. 500. 202) K u h n u n d S c h w a r t z 413 Nr. 174. 2 0 3 ) Urquell 5, 101 f. 136 f.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 225. 230. 2 0 4 ) G r i m m Myth. 2, 772. 2 0 S ) S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 70. 2 0 e ) J a h n Opfergegebräuche 283 = ZföVk. 14, 266. 2 0 7 ) H e y l Tirol 764 Nr. 65. 2 0 8 ) Urquell 4, 272.

I X . O r a k e l . Steht man am Thomasabend während des Gebetläutens einen Apfel essend unter der Haust., ungesehen und unberedet, so geht das Bild des Zukünftigen vorüber 2 0 9 ). In der Richtung, in der der Mittelbalken der T. (Stud) bei einem Hausbrande stürzt, wird der nächste Brand stattfinden 2 1 0 ). 2 0 9 ) S c h ö n w e r t h 1, 139 Nr. 3. h o l z Glaube 2, 141.

210

) Roch-

X. Vorbedeutung. a) V e r s c h i e d e n e s : Wer an der T. hängen bleibt, ist zurückzutreten gewarnt 2 1 1 ). Wenn man beim Ausgehen sich in der T. umkehrt und nicht alsbald fortgeht, das ist nicht gut 2 1 2 ). Beim

1205

1206

Tür

Eingang in eine Stube soll man sich in der T. nicht umkehren 213). Steht eine schwangere Frau und lehnt sich an den T.pfosten, so wird das Kind bei der Geburt stehen bleiben 214 ). Auf einigen indischen Inseln soll man in der T. nicht stehen bleiben, weil das Wild ebenso stehen bleibt und nicht in die Fallen geht 2 1 5 ). Kleine Kinder müssen vor der Taufe zur T. hinaus sehen, damit sie eine weiße Gesichtsfarbe bekommen218). Läßt der Kranke unabsichtlich die Stubent. offen, so ist mit ihm die Krankheit hinausgegangen 217 ). Mit der T. spielen, bedeutet Streit in der Familie 218 ). Schließt die neue Magd die T. so, daß sie den Rücken zur T. wendet, bleibt sie kein Jahr im Haus 21β ). Wenn ein neu eintretender Knecht sich zuerst nah an die T. setzt, so zieht er bald wieder, setzt er sich entfernt, so bleibt er lange 22°). Die Dienstboten schließen beim Antritt die T. rückwärts, um beim neuen Meister kein Heimweh zu bekommen 221 ). Der Segen des Hauses schwindet, wenn jemand unter der T. kaut 222). Geht die T. nach dem Ofen auf, d. h. ist die Schnalle dem Ofen am nächsten, hat das Weib die Herrschaft 223). Eine erwartete Person kommt, wenn ein ihr gehörender Gegenstand an die T. geworfen wird 224). Knarrt die T. beim öffnen, so gibt es Regen 22B ). Kriecht man durch die Untert., hat man Unglück 228 ). Wenn ein Kind aus dem Haus getragen wird, darf die Obert. nicht zu sein, sonst wächst es nicht weiter 227). Wer die T. nicht auf- oder zumachen kann, hat nicht gebetet 22S ). Die Leiche muß mit dem Gesicht der T. zugewendet liegen, während die umgekehrte Stellung Vorschrift im Leben ist 228). Wenn hinter einem Mädchen die T. zuschlägt, wird es bald heiraten 230). Den Staub vor der T. fegt man in den Laden, so hat man viel Absatz 2S1 ). b) K l o p f e n . Wenn man an die T. klopfen (abends dreimal) hört und beim öffnen niemand findet, sagt 232) sich eine Krankheit an, so stirbt in drei Tagen jemand (aus dem Haus) 233). Bei einer Seuche klopft es abends an die Haust.; so oft es klopft, so viele Menschen sterben

in dem Haus 234). Die alten Römer glaubten, der Todesgenius verkünde sein Kommen durch Klopfen 235). c) Wenn die T. v o n s e l b s t a u f g e h t , dann tritt der Geist238) eines Verstorbenen ins Zimmer 237). Das Auffahren einer geschlossenen T. ist eine Todesvorbedeutung 238 ), kündet einen Todesfall in der Verwandtschaft 238). Dreimaliges Auffahren bedeutet, während jemand krank ist 240), daß der Tod (in 9 Tagen) 241 ) eintreten soll. Die T. öffnet sich von selbst bei einem Todesfall 242). Kurz vor Gustav Adolfs Tod seien im Schloß zu Stockholm alle T.schlösser von selbst aufgegangen 243 ). Geht die T. von selbst auf, so meldet sie unerwartete Gäste 244), sieht jemand etwas ,,Seltsams" 24S) (s. u. XIII). d) A n d e r e T o d e s a n z e i c h e n . Das Abbrechen der T.klinke ist eine Todesvorbedeutung 24e ) ; ebenso starkes Anschlagen der T.klinke von unsichtbarer Hand 247). Die Haust, wirft man dreimal zu, wenn die Leiche aus dem Haus ist. Die Person, die ins Haus tritt oder treten will, wenn die Haust, dreimal zugeworfen und geschlossen wurde, stirbt selbst oder weist mit Alter und Geschlecht auf die nächste Leiche hin 248). ai1

) G r i m m Myth. 2, 9 3 5 ; 3, 442 Nr. 248. ) Ebd. 3, 4 7 7 Nr.' 1 1 3 7 . 213 ) Ebd. 3, 446 Nr. 360. 214 ) Norwegen R e i c h b o r n - K j e n n e -

212

rud

Vor

gamie

trolldomsmedisin

2,

54.

21i)

F r a z e r 1, 114. 2 l e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 217 44 Nr. 73, b. ) J o h n Erzgebirge in. 218 ) Heidelberg Fogel Pennsylvania 89 21β Nr. 348. ) P o l l i n g e r Landshut 168. 22 °) Böhmen W. 212 § 295. 221) M e y e r Baden 332; mit dem Rücken S c h ö n w e r t h 3, 274. 222 ) J o h n Erzgebirge 36. 223 ) S c h ö n w e r t h 1, 224 1 1 4 Nr. 4. ) J o h n Erzgebirge 252. 225 ) ZfrhwVk. 1905, 145. 22e ) R o c h h o l z Glaube 2, 140 = Wolf Beiträge 1, 2 1 7 . 227) G r i m m Myth. 3, 445 Nr. 345. 228) Thüringen W. 223 §317. 22 *) R o c h h o l z Glaube 1, 1 9 7 ; B a r t s c h Mecklen230 burg 2, 95. ) W. 212 § 2 9 6 = G r o h m a n n Aberglatàe 117 Nr. 882.

231

) B ö h m e n W . 454

§ 718. 232 ) D r e c h s l e r 2, 200. 233) Ebd. 2, 286. 234 ) E i s e l Voigtland 49 Nr. 110. 235 ) G r i m m Myth. 2, 702; 3, 252.

23β

) E i n Geist: W . 472

§753; eine arme Seele D r e c h s l e r 1, 310. 237 ) ZfVk. ι, 185. 23e ) J o h n Erzgebirge 1 1 3 ; D r e c h s l e r 1, 286; und sich wieder schließt 239 W. 212 § 2 9 7 . ) J o h n Erzgebirge 1 1 6 ; H a r t m a n n Dachau und Bruck 222 Nr. 74. 24 °) SchwAfVk. 2, 217 Nr. 10. Wenn die T.

1207

Tür

aufgeht und ein weißes Täubchen tot hereinfällt. E b d . 2 1 6 Nr. 7 ; W Z f V k . 34, 72. 2 " ) J o h n 242 Erzgebirge 1 1 3 . ) G r i m m Myth. 3, 328. 243 ) M e y e r Aberglaube 139. 244 ) S t r a c k e r j a n 1 , 3 8 ; 2, 223 Nr. 440. 245 ) F i s c h e r Oststeirisches 1 1 4 . u t ) J o h n Erzgebirge 1 1 3 . 2 4 7 ) H ö h n Tod Nr. 7, 3 1 0 ; D r e c h s l e r 1, 286. 248 ) J o h n Erzgebirge 1 2 6 ; W . 459 §726.

X I . Verschiedene Verbote und Gebote. a) Die T. nicht zuschlagen : sonst wird einem einst die Himmelst, zugeschlagen 249 ), sonst leiden die armen Seelen 250 ) ; man klemmt 251 ) sie oder tut ihnen weh 262). Aus dem gleichen Grunde soll man die T. nicht knarren lassen 253). Wer eine T. in den Zwölften hart zuwirft, hat im Sommer Blitz zu fürchten 2M ). b) Verschiedenes. Man darf nicht den Kopf rasch zur T. hineinstecken, eine Frage tun und ohne zu verweilen wieder davon gehen, man trägt die Hausruhe fort 256). Wenn jemand beim Eintreten in der T. fragt, wie spät es sei, darf man nicht antworten, sonst nimmt er das Glück mit sich 25e). Man (ein Fremder)287) muß zur gleichen T. wieder hinausgehen wie man hereingegangen ist 268) (sonst nimmt er das Glück mit). Man darf die angeschnittene Seite eines Brotes nicht der T. zukehren, weil der Segen aus dem Haus ginge 259 ). Deshalb darf auch das Messer nicht mit der Spitze nach der T. gelegt werden 2eo ). Beim Buttern muß man der T. den Rücken zukehren, sonst buttert man sich den Nutzen zur T. hinaus 2β1 ). Wenn die Webe aus dem Webstuhl genommen wird, darf niemand durch die T. gehen, weder hinein noch hinaus (Norwegen)2β2). Nach dem Abschiednehmen des Gastes soll man die T., die er zugemacht hat, noch einmal öffnen und ihm das Geleit geben, damit er wohlbehalten zurückkomme2e3). Die zur Weissagung dienenden Kränze am Johannistag dürfen nicht durch die T. ins Haus gebracht werden 284).

24 *) D r e c h s l e r 2, 3 ; 1 , 3 1 0 ; W . 396 §609; vom Teufel ZfVk. 1, 189. 25 °) ZföVk. 6, 1 1 0 ; S c h ö n w e r t h 1, 287 Nr. 1 4 ; 305 Nr. 1 1 ; J o h n Westböhmen 1 8 1 ; ZfdMyth. 1, 240; leiden die armen Seelen im Fegefeuer SchwAfV k . 2 5 , 283. M») W o l f Beiträge1, 2 1 4 ; W . 3 9 6 § 609. 2 M ) G r i m m Myth. 3, 472 Nr. 995; D r e c h s l e r ι, 467 Nr. 892; 2, 3 ; W . 481 § 767; S a r -

1208 t o r i Sitte 2, 24 = R o c h h o l z Glaube 2, 1 5 3 . 253 ) J o h n Westböhmen 1 8 1 ; P o l l i n g e r Landshut 224; W . 471 § 750; ZföVk. 6, 110. 2 S 1 ) R o c h h o l z Glaube 2, 1 5 3 . 2 " ) E b d . 2 M ) Böh2 men W . 404 §624. " ) Heidelberg F o g e l Pennsylvania 105 Nr. 439. 25β) Ebd. 364 Nr. 1946; 371 Nr. 1991. " · ) Köhler Voigtland 425. 2 i 0 ) Böhmen W . 3 1 2 § 460. 2 β 1 ) Ober2ea pfalz W . 448 §708. ) Kristian Bugges Samlinger 3, 144. 2 ' 3 ) F a y e Norske Folkeventyr 7 7 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 2 3 ; M e y e r 2,4 Germ. Myth. 67. ) ZfVk. 7, 318. Ostpr.; K ö h l e r Voigtland 376; E n g e l i e n und Lahn_ I, 235 = S a r t o r i Sitte 3, 224.

X I I . Verschiedenes. Bei den Wippachern band man allen Jungfrauen, die das 30. Jahr erreicht hatten, am Aschermittwoch eine T. auf den Rücken, die sie dann ein gutes Stück durchs Dorf schleppen mußten 285). Ein Mann konnte durch verschlossene T.n gehen2ββ). Hexen nehmen Späne von T.n zum Feuermachen auf den Blocksberg mit 2e7 ).

265 ) S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 105 Anm. 59. ««) S c h e l l Bergische Sagen 48 Nr. 71 f. 2< ") P r a e t o r i u s Blocksberg 437.

2

X I I I . T. muß o f f e n stehen, damit die wilde Jagd ungehindert durchkann 288 ). Ein altes Strohhaus hat in der oberen Hälfte seiner Haust, vier in Form eines Malteserkreuzes eingeschnittene Windlöcher. Schloß man, bevor diese Kreuze eingeschnitten waren, nachts einmal unversehens die T., so wurde sie unter Einsturz drohendem Krachen geöffnet, mit großem Geräusch zog das wilde Heer daraus hervor, um Morgens vor der Frühglocke ebenso wieder einzuziehen289). Stehen am Dreikönigsabend drei T.n in einer Reihe offen, so reitet Goden (Göen) hindurch (Dänemark). Da, wo die T.n offen stehen, wünscht er den Hausleuten Gutes, wo sie geschlossen sind, Böses 27°). Ein Bauernhof konnte der Sage nach kein Tor an der Scheune haben, weil der Geist des Schloßherrn jede Mitternacht in einer goldenen, mit vier Schimmeln bespannten Kutsche hier hindurchfuhr 271 ). * » ) L ü t o l f Sagen 2 9 f . ; v g l . R o c h h o l z Sagen 1, 219. 2 S e ) R o c h h o l z Glaube 1, 153· 270 ) N i l s L i d Joleband og Vegetasjonsguddom 252. 2 7 1 ) R o c h h o l z Glaube 1, 153·

XIV. T. geht von selbst auf (s. o. X , c). Nach antikem Glauben öffnet sich eine T. auf ein Gebet oder eine

1209

magische Formel; ebenso beim Nahen eines Gottes 272). Als Papst Gregor V I . auf dem Totenbett lag, wollten ihn die Kardinäle nicht in der Peterskirche beisetzen ; er gab selbst den Rat, die T.n der Kirche fest zu verschließen und sagte voraus, daß sie sich beim Nahen seines Sarges von selbst öffnen würden, wie es auch geschah 273 ). Bei Spuk gehen die T.n von selbst auf 274 ). In den Festzeiten schlägt es mit den T.n, ohne daß man eine Ursache finden kann 276 ). Ein Bauer ging nach seiner Tagesarbeit in eine entfernte Kirche zur Andacht. Die T.n öffneten sich immer von selbst. Einmal bei einer Überschwemmung riß er einen Zaunstecken aus, um durch das Wasser zu kommen. Diesmal war die T . geschlossen. E r ahnte die Ursache, stellte den Zaunstecken wieder an seinen Ort und fand bei seiner Rückkehr die Kirchent. geöffnet 27e ). 272) N o r d e n Aeneis V I , 148. "=>) W . v o n M a l m e s b u r y Gesta regum Anglorum 2 §201 2 7 4) bis 203; G e r i n g Aeventyri 2, 35. Kühnau Sagen 1, I 3 2 Í . ; 1, 9 2 t . 2 7 5 ) E b d . 1, 118. 2*>) M e i e r Schwaben 1, 295 Nr. 333.

X V . T. in M ä r c h e n u n d S c h w a n k . Die verbotene T. im Marienkind 277 ). Die T . soll gehütet werden, man hängt sie deshalb aus und trägt sie auf dem Rücken 278 ). 277)

K H M . Nr. 3 ; B o l t e - P o l i v k a 1, 1 3 t . 278 ) D e r Frieder und das Catherlieschen: ebd. ι , 520. Weiser-Aall.

Türkenbund (Goldwurzzwiebel; Lilium martagón). ι . Botanisches.Liliengewächsmit quirlartig angeordneten Blättern und nickenden, schmutzig roten, dunkelgefleckten Blüten, deren Perigonblätter zurückgeschlagen sind, so daß die Blüte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Turban („Türkenbund") hat. Die schuppige Zwiebel der Pflanze ist goldgelb, daher Goldwurz genannt, ein Name, der aber auch dem Schellkraut (s. d.) gegeben wird. Der T. wächst besonders im mittleren und südlichen Deutschland in Laubwäldern x ). 1)

M a r z eil

I2I0

Türkenbund

Kräuterbuch

457.

2. Vor allem wegen ihrer goldgefärbten Zwiebel war der T. als Goldwurz eine geheimnisvolle Pflanze. Eine lateinische

Beschwörung beim Ausgraben der Goldwurz (Martagón) findet sich in einer St. Galler Hs. des 16. Jhs. 2 ). Bei (Pseudo-) A l b e r t u s M a g n u s 3 ) ist der Saft der „goltwurz" (affodillus) gut gegen Schmerzen der Nieren. Die gekochte Wurzel soll man den Besessenen geben, die „melancolici" sollen die Wurzel (Zwiebel) in einem Tüchlein bei sich tragen, ebenso die zahnenden Kinder. Wenn ein Mensch die Wurzel nachts bei sich trägt, wird er sich nicht fürchten 4 ). Ein altes hs. Arzneibuch der Dresdner Bibliothek spricht von der „edlen Wurz martagón", die alle Schlösser und Banden sprengt (s. Springwurz) und die Gicht sowie Podagra heilt. „Vnnd wer sie bey ihme treget, der kompt in große Wirdigkeit vnnd Ihme mag nimmer ehre vnnd guts zerinnen. Merck, wann du sie grabest, das nirgent kein gewülck am himmel sey, so beginnet es doch also baldt zu regnen. Das kompt von großer krafft der Wurtz 6 ). Ein Sympathiebuch schreibt von der Goldwurz : Geh am Johannesabend hinaus und sprich: 'Goldwurz, ich grabe dich aus mit aller Macht und Kraft, die Dir Gott Vater, Sohn und hl. Geist gab, daß mir's niemand wenden mag denn der, der den Tod am Stamm des hl. Kreuzes nahm'. Man soll zu der Wurzel sprechen: Mit Gott dem Vater

h a b e ich

dich gefunden.

M i t G o t t dem Sohn genommen. M i t G o t t dem hl. Geist will ich dich brauchen · ) .

Die goldgelbe Zwiebel benutzten die Alchemisten, „ u m die Metalle zu verändern" 7 ). Der Name „martagón", der zuerst im 16. Jh. auftritt, scheint in alchemistischer Beziehung auf den Planeten Mars gebildet zu sein 8 ). 2) S c h ö n b a c h 3) Berthold 1 4 1 . Buch der Versammlung 1508. 4) V g l . A l p e n b u r g Tirol 400. 6 ) J ü h l i n g Tiere 2 6 7 f . ·) A u s M i t t e l f r a n k e n : H e i m a t k u n d e , Beil. z. B a y e r . G r e n z boten. F e u c h t w a n g e n 1927, Nr. 5, S. 3. 7 ) M a t t h i o l i Kreuterbuch 1563, 344 = Z f V k . 24, 1 3 ; v g l . auch H e y l Tirol 388 Nr. 66. 8 ) A s c h e r s o n u. G r a e b n e r Synops. d. Mitteleurop. Flora 3 (1905/07), 178.

3. Die g e l b e Zwiebel des T.s soll auch der B u t t e r , bezw. der Milch, zu der man sie legt, eine schöne gelbe Farbe verleihen 9 ). Aus diesem zunächst empirischen Mittel wird dann ein zauberisches, indem man

1211

in der Fränkischen Schweiz am Walburgistag die Zwiebel des T.s (zusammen mit Blüten der „Schmalzblume", d. h. des Scharbockskrautes) den Kühen gibt, damit später das Schmalz im selbigen Jahr eine schöne gelbe Farbe bekommt 1 0 ). In T i r o l u ) und in der Oberpfalz 12 ) ist der T . ein Bestandteil des an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschels. Hier wird die Zwiebel als ,,Schmalzwurz" vorsichtig ausgegraben und den Kühen nach dem Kalbern gereicht. Wegen der gelben Farbe galt die Zwiebel des T.es als ein Mittel gegen die „goldene A d e r " (Hämorrhoiden) 1 3 ). ') E b e r h a r d t s c h e r SchwäbWb. Volksbotanik

Landwirtschaft 216 = F i 3, 744; M a r z e l l Bayer.

206; W a r t m a n n

St.Gallen

45;

auch bei den Slovaken: H o l u b y Trentschin g = H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 280. l 0 ) Heimatbilder aus Oberfranken 1 (1913), 243; 4 (1916), I 5 ° . v gl· Dotterblume 2, 363. 11) Tiroler Heimatblätter 3 (1925), H. 4/5, S. 21. " ) M a r z e l l

Bayer. Volksbot. 53. 1 3 ) L o s c h Volksnam. d. Pflanzen auf d. Schwab. Alb 1899, 18; S c h r e i b e r Wiesen 131.

4. A l t und weitverbreitet ist der Brauch, kleinen Kindern die Zwiebel des T.s als A m u l e t t für l e i c h t e s Z a h n e n umzuhängen (vielleicht deshalb, weil die Zwiebelschalen in F o r m und Farbe einige Ähnlichkeit mit Zähnen h a b e n ? ) 1 4 ) . Zu diesem Zwecke m u ß die Zwiebel am Freitag während des „Vaterunserläutens" geholt und darf nicht mit bloßen Händen angefaßt w e r d e n 1 5 ) . Die Zwiebel muß in ein Läppchen, jedoch ohne am Faden einen Knoten zu machen, eingenäht w e r d e n 1 6 ). 14

)

1212

Türkis

Wolff

Scrut.

amulet,

medic.

1690, 81 ;

A l b e r t u s M a g n u s Buch d. Versamml. 1508; Z a h l e r Simmental 170; B r ä u n e r Thesaur. Santtat.

1728, 3, 50; N e i d h a r t

Pflanzen

56;

B o h n e n b e r g e r 113; L a m m e r t 127 [hier fälschlich als das Schellkraut gedeutet!]. » ) Mittelfranken: Orig.-Mitt. v. W e r n e r 1909. 1β) W a r t m a n n St. Gallen 45, vgl. B r ä u n e r Thesaur.

Sanit.

1728, 3

315.

5. Der T . ist ein a n t i d ä m o n i s c h e s Mittel. Wer die Goldwurz bei sich trägt, dem kann der Teufel nichts a n h a b e n 1 7 ) . Wenn man nicht ausrühren kann, wird das Milchgeschirr mit der Goldwurzel ausgewaschen und das Waschwasser den Kühen als Getränk gegeben 1 8 ), vgl. unter 3. Nach einer Allgäuer Sage setzten sich

drei Burschen, als sie vom Teufel bedroht wurden, schnell auf eine Goldwurz und riefen dem Bösen z u : Wärest du gestern 'kommen. Hättest uns all drei bekommen. D a sie auf der Goldwurz saßen, hatte der Teufel keine Macht über sie 19 ). Ähnliche Sagen gehen vom Dosten, Dorant und Quendel 2 0 ). " ) A l p e n b u r g Tirol 400. 18) N e i d h a r t Pflanzen 56.

1β )

Reiser

Allgäu

1,218.

20

) SAVk.

23. I57Ö6. Legt man einem Kranken „ G o l d w u r z " unter den Kopf, so fängt er an hell zu singen, wenn er sterben w i r d ; schweigt er aber still, so wird er gesund 21 ). Vielleicht ist aber hier unter „ G o l d w u r z " das Schellkraut (s. d.) zu verstehen 2 2 ). 21 ) B u c k Volksmedizin 34. 22) Vgl. R o c h h o l z Glaube 1, 213. Marzell. Türkis. Der T . war den Alten sicher bekannt; wie er aber im Altertum geheißen hat, steht nicht fest; mhd. turkoys, türkis, d. h. aus der Türkei, dem Osten s t a m m e n d 1 ) . Wie Jaspis und Karneol wurde auch der echte T . im Mittelalter als Amulett gegen starke Blutergüsse am Halse getragen 2 ). Zedier berichtet als Aberglauben, der T . bewahre den, der ihn bei sich trägt, vor dem Fallen, indem er den Schaden, der sonst diesen befallen könnte, auf sich n i m m t 3 ) . österreichische Jäger tragen noch heute Ringe mit T.en, u m gegen Schwindelanfälle gefeit zu sein 4 ), und in Tirol herrscht der Glaube, der im Ring getragene T . verhindere das Schwindligwerden und einen Absturz selbst bei Wanderungen an schwindelerregenden A b gründen 5 ). Weiter berichtet Zedier von dem Aberglauben, der T . besitze die K r a f t , Mann und Weib zu versöhnen und alle Feindschaften zu verscheuchen. Er sei so eng mit dem Schicksale seines Trägers verbunden, daß er bei dessen Erkranken bleichgelb werde, bei seiner Genesung die alte Farbe wieder erhalte, bei seinem Tode einen R i ß b e k o m m e e ) . Dieses sympathetische Verhältnis zwischen dem Edelstein und seinem Besitzer lebt noch in einer abenteuerlichen Erzählung aus dem Weltkriege weiter. Dort heißt es auch: der sicherste Beweis, daß in

1213

Türschwelle—Tyromantie

dem T. große Geheimkräfte walteten, sei, daß er „gegen schlechte Behandlung empfindlicher ist als andere Edelsteine". Unter den im Okkultismus bedeutsamen Edelsteinen nimmt der T. einen hervorragenden Platz ein 7 ). Von den vielfachen Heilkräften des T. berichtet eingehend Zedier; Brückmann hebt unter den mancherlei, dem Edelstein zugeschriebenen Wirkungen besonders die gegen Gelbsucht und Verstopfung hervor 8 ). Der mit dem T. verbundene Aberglaube stammt aus seiner Heimat, der Türkei. Dort wird er als Amulett gegen den bösen Blick getragen und gilt als Heilstein bei Masern und Pocken e ). Als Monatsstein ist der T. der echte Weihnachtsstein, denn er bringt den im Dezember Geborenen Reichtum und Segen 1 0 ). 1 ) S c h r ä d e r Reallex* 1, 212; S c h a d e 1436 s. v. turkoys; B e r g m a n n 5 6 4 ! 2) S t a r i c i u s Heldenschatz (1706), 469. 3 ) Z e d i e r 45, 1709; vgl. S c h a d e 1436 Spalte 2; L o n i c e r 58. 4) F o s s e l 5) Volksmedizin 88. Alpenburg Tirol 412. e ) Z e d i e r a. O.; S t a r i c i u s a. O. 469f.; vgl. Westermanns Monatshefte 1916, 660. ') K r o n f e l d Krieg 1670. = Grabinski Mystik 74. 8) Z e d i e r a. O.; B r ü c k m a n n 340. ·) S e l i g m a n n 2, 31. 10 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 884. Vgl. A. von D r o s t e - H ü l s h o f f Die Poesie Str. 3. f Olbrich.

Türschwelle s. S c h w e l l e . Turteltaube s. T a u b e . Türst s. Nachtrag. Tue. Im Heptameron des Petrus von A b a n o 1 ) wird unter den Engeln, die am Sonntag in der Luft herrschen, T. genannt 2 ). Nun erwähnt auch das Sefer Raziel (s. d.) f. 125 b einen isöltO „Tussêl", als Engel, der im Monat Elul wacht. Schwab deutet den Namen ,,1'ange qui plane", wobei er offenbar an öltO» jyitS hebr., aram. und syr. „fliegen u. ä." denkt 3 ). Aber dieser Name T. kommt schon bei den Mandäern vor, wo „der Mann, der die Thora schrieb", also Moses, genannt wird n c c Ν3Ί fcltS » X der Große ist sein N a m e " 4 ) . Lidzbarski erklärt das als Thot und verweist darauf, daß Moses schon bei Artapan mit dem ägypt. Gott Thot (s. d.) gleichgesetzt wird. Dafür spricht nun auch, daß der

1214

Monat Elul (September) zusammenfällt mit dem ägypt. Monat Thot (nach dem alexandrinischen Kalender), der nach dem Gott seinen Namen trägt, den allerdings die aram. Papyri sonst oinD schreiben 5 ). Für den Wechsel von δ , ttf, a und θ s. d. Α. Heber, für den Wechsel von th und t (δ, τ) Τατ, Τβθμωση Πατώτηζ usw. Das Buch der Bilder des Toz (s. Thot) bei Albertus Magnus würde als ein Buch Thot zu deuten sein. *) Über ihn vgl. H. S c h e l e n z Geschichte der Pharmazie (1904) 207—329; Kiesewetter Die Geheimwissenschaften 314. 2 ) A g r i p p a v o n N e t t e s h e i m 4, 131. 132. 3) Vocabulaire 247. 4 ) M. L i d z b a r s k i Das Johannesbuch der Man5) A. U n g n a d däer (1915), 81. Aramäischer Papyrus aus Elephantine («911), 46; W. S t a e r k Jüdisch-aramäischer Papyrus aus Elephantine (1912), 32. Jacoby.

Tympanomantie, Wahrsagung vermittelst einer Trommel (τύμπανον), vereinzelt auftretende, nach antikem Muster geprägte Bezeichnung der besonders von den Lappen geübten schamanistischen Wahrsagemethode 1 ). Die alten Berichte über die Ausführung lauten verschieden; teils handelt es sich um die Erregung eines typisch ekstatischen, die mantische Schau ermöglichenden Zustande 2 ), teils um eine mehr veräußerlichte Form, in der durch das Schlagen der Trommel ein auf dem Fell liegender Gegenstand auf eine der aufgemalten Figuren zu liegen kommt und dadurch die Grundlage für die Wahrsagung bietet 3 ). l ) F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 613. 2) M o m a n De superstitionibus hodiernis (Upsala 1750) 46. 8) P e u c e r Commentarius de praecipuis generibus divinationum (Wittenberg 1560) 142; W o r m i u s Museum Wormianum (Leiden 1655) 385, m. Abb. Über Zaubertrommeln vgl. ferner B u s c h a n Völkerkde. 2 (1926), 1021; W i k l u n d Uppl. Tidskrift 44, Beil. 87—115. S. a. T r o m m e l . Boehm.

Tyromantie, Wahrsagung vermittelst Käse (υνρός), antike Bezeichnung einer nicht näher beschriebenen Wahrsagungsmethode. Im Traumbuch des A r t e m i d o r (2. Jh. n. Chr.) werden nur neben anderen betrügerischen Propheten auch die Käsewahrsager (τυρομάντεις) genannt 1 ), und bei A e l i a n 2) (3. Jh. n. Chr.) heißt es, daß manche Leute mit Mehl, Sieben und kleinen Käsen (τορι'σχοις) wahrsagen.

I2I5

Tyromantie

Auf diese beiden Stellen dürften die Erwähnungen der T . in der späteren Divinationsliteratur zurückgehen, die sich fast ausschließlich mit der bloßen Nennung und Übersetzung des Namens oder einer belanglosen Bemerkung begnügen 3 ). Das ist sehr auffallend, da nichts näher lag, als die T . mit dem bekannten Brot- und Käseordal gleichzusetzen, das, wie so viele Wahrsagemethoden, in erster Linie zur Aufklärung von Diebstählen angewendet wurde 4 ). E s handelte sich in diesem „Schlingordal" darum, daß man dem Verdächtigten ein geweihtes oder mit Zauberwörtern versehenes Stück Brot oder Käse zu verschlucken gab. War er schuldig, so gelang ihm dies nicht, das Stück „quoll ihm im Halse". D a ß dies Orakel durch den Londoner Zauberpapyrus 46 bereits für die griechisch-ägyptische Magie des 5. Jh. n. Chr. belegt ist, konnte man vor dem Jahre 1852 natürlich nicht wissen 5 ), doch war es als anfänglich kirchlich sanktioniertes Gottesurteil, dann als abergläubischer Volksbrauch bis in die Neuzeit in Übung und sicherlich manchem der Gewährsmänner für T . nicht unbekannt®). 1) Oneirokritika 2, 69. 2 ) De natura animalium 8, 5. 8 ) D e l r i o Disquisitiones magicae lib. 4, cap. 2, qu. 7, s. ι, Ausg. Mainz 1603, 176; D e l ' A n c r e L'incrédulité (Paris 1622) 289; ( B o u h o u r s ) Remarques ou Reflexions (Amsterdam 1692) 117; J. P r a e t o r i u s De pollice (1677) 199; F a b r i c i u s Bibliographia antiquaria3 (Hamburg 1760) 613. Auch R a b e l a i s Gargantua

1216

3, 25, dt. Ausg. v. Gelbcke 1, 399, vgl. G e r h a r d t Franz. Nov. 109, weiß mit der T. nicht viel anzufangen. G a u l e Magastronomancer (London 1652) bei B r a n d Popular Antiquities 3 (London 1849), 330 bringt als Erklärung: by the coagulation of cheese. *) S. ο. ι, 606. 1346. 1640; 2, 213. 247; 3, 1034; 4, 1034 und die dort angeführte Literatur, bes. J a c o b y A R w . 13 (1910),525fr. 5 ) P r e i s e n d a n z Papyri Graecae Magicae 1 (Leipzig-Berlin 1928), 189. ·) Besonders auffallend ist, daß P r a e t o r i u s De pollice 159 das „Käse-Essen" zur Diebsfindung kennt, ohne bei der späteren Nennung der X. darauf hinzuweisen. Auch Coscinomantie (Stadtamhof 1677) D 4 kommt P. auf die Käseprobe zu sprechen; die Stelle ist ausgeschrieben aus v. d. B o r n e Kümmerlicher Zustand der Chur und Mark Brandenburg (1641), vgl. F r e n t z Ruppiner Bauerntum (Neuruppin 1929) 32: „ U m den Diebstahl zu erforschen, seien gewöhnliche Divination durch Sieb, den Psalter und Erbschlüssel oder durch beschriebene Käse (dazu sich auch die Pfarrer und Küster aufi den Dörfern gebrauchen lassen) vor die Hand zu nehmen". D e l r i o a. a. O. zitiert kurz vor der T. das im Zusammenhang mit dem Brot-Käseordal öfters angeführte pseudoakronische Scholion zu H o r a z Epist. 1. 10. 9, vgl. o. 4, 1034, in dem freilich nur vom Brot die Rede ist. Als Ergänzung zu den Anm. 4 angeführten früheren Artikeln sei hingewiesen auf Des Coninx Summe cap. 94, hrsg. von T i n b e r g e n 269, auch in Tijdschr. v. Nederl. Taal- en Letterkde. 47 (1928), 102 (einziger Beleg für die Niederlande). Dort auch eine Sonderform zur Auffindung verlorener Gegenstände durch ein Kind, dem man ein Stück Käse mit Ps. 147, 13 zu essen gegeben hat); D e V r i e s Tijdschr. 47 (1928) 109 verweist auf W a r n e c k Die Religion der Batak 43: Klöße aus trockenem Reismehl; wer sie nicht hinunterschlucken kann, ist der Schuld überführt. Ähnliches durch Trinken: F r o b e n i u s Atlantis 8, 223. Boehm.

1217

Übergangsriten

1218

u . Übergangsriten begleiten den Ablauf naturnahen Lebens. Denn der mythisch denkende Mensch steht weniger unter dem Eindruck einer Kontinuität in Zeit und Raum als umgekehrt unter dem der „Grenzen", die mit Ehrfurcht beachtet und nur mit Vorsicht überschritten werden dürfen. Dies gilt zunächst von den Grenzen im räumlichen Sinn. Bei allen Völkern umgibt heilige Scheu die „Schwelle", und nur unter strengen Bräuchen wagt man es, sie z u überschreiten 1 ). Die Römer verehrten den Gott Terminus, und am Feste der Terminalien war es der Grenzstein selbst, den man bekränzte und mit dem Blut des Opferstiers besprengte. Bei den Primitiven in Australien kennt jeder Stamm die Grenzen seiner Gemarkung aufs genaueste, und ein Uberschreiten dieser Begrenzung bedeutet zugleich einen tiefen Einschnitt in sein ganzes Verhältnis zur Natur. Während er in seinem Gebiete heimatberechtigt, mit allen Mächten in tiefster innerster sympathischer Verbindung ist, so daß er sicher sein kann, daß sie ihn tragen und schützen, ist gerade dies in der Fremde nicht der Fall. Nicht nur die Menschen sind dort feindlich, sondern auch der Himmel und die Natur. Will man sich mit ihnen in Einklang setzen, gilt es denn auch, dich aus der alten Verstrickung zu lösen und in die neue hineinzuwachsen — soweit dies möglich sein mag 2 ). Dasselbe zeigt sich psychologisch selbst im Kinderspiel. „Die Linie", die das Heimische, Vertraute, das Eigene scheidet von unbekannten Grenzen, wird mit gewisser abergläubischer Spannung betreten und mit Abenteuerlust überschritten 3 ). Noch stärker aber macht sich dieses primitive oder magische Weltgefühl geltend, wo es sich um Einschnitte in der Z e i t handelt. Jedes Lebens Verhältnis bildet gleichsam einen „ R i n g " des Daseins, einen umhegten Bezirk, zu dem man nur nach geeigneter Vorbereitung Zutritt findet. Und so werden auch die verschiedenen Standesverhältnisse als geschlossener Kreis aufgefaßt, aus dem man B ä c h t o l d - S t a u b l i , Aberglaube VIII

nicht allmählich herauswächst, in den man nicht allmählich und noch weniger von selbst Eingang findet. Durch feierlichen Ritus muß zuerst die eine Periode geendet werden, und durch feierlichen Ritus wird die K r a f t , der eigentümliche psychophysische Zustand der Wesen geschaffen, der ihnen ermöglicht ohne Schaden für sich selbst oder andere den Bedingnissen des neuen Zustandes Genüge zu schaffen 4 ). Die Zeit hat nicht einen bloßen Verlauf; sondern sie ist phasen* mäßig abgeteilt. Jede solche Teilung hat ihren eigenen Charakter. Deshalb ist die Zeit des Neumondes allgemein kritisch; noch kritischer die Zeit des Neujahrsneumondes 5 ). Kritische Zeiten sind für den Einzelmenschen Geburt und Tod, Schwangerschaft und Mutterschaft, Heirat und Geschlechtsreife. Kritisch ist der Umzug in ein neues Heim, der Abschluß und das Ende einer Vegetationsperiode®), Tod und Auferstehung. Die U., mit denen solche Ubergangszeit begleitet und unterstützt wird, zerfallen nach van Genneps Untersuchungen sinngemäß in drei Abschnitte: 1. T r e n n u n g s r i t e n (s. d.) behufs Trennung (séparation) von der früheren Umgebung; 2. Riten der Zwischenzeit (marge); 3. Weihe- oder Anschlußriten (aggrégation) an die neue Umgebung 7 ). Diese Ü. erstrecken sich demgemäß oft über sehr lange Zeiträume, die Monate, manchmal auch Jahre umfassen. Von großer psychologischer Wichtigkeit sind dabei die Methoden, wie die „Zwischenzeit" ausgefüllt wird, jene Zeit, in der man sich „nicht Fisch und nicht Fleisch" fühlt und wo man der Überzeugung ist, daß die gewohnte Ordnung aufgehoben wäre. Diese Zwischenzeit ihrerseits, mag sie nun durch Feste und Gelage ausgefüllt werden (wie in den Zwölften) oder einer strengen Vorbereitung dienen wie bei den Jünglingsweihen oder der Verlobung oder einer Läuterung (Fegefeuer), erscheint stets von besonderen Gefahren umwittert. Hier finden wir auch eine große Reihe von apotropäischen Bräuchen und 39

I2I9

Übergangsriten

1220

ebenso von Riten, die dem Kreise der aller Art Tür und Tor geöffnet. Aber sympathetischen Magie angehören und die nicht weniger gefährlich ist der Überden Anschluß an die Neuaufnahme vorgang vom Mannes- zum Greisenalter, von bereiten sollen. Vor allem aber dienen der Vollblüte des Frauenlebens zur Zeit diese Riten und Bräuche dazu, eine ernach Aufhören der Periode, eine Zeit, die höhte seelische Aufnahmefähigkeit zu heute noch vom Volksmunde Wechsel geschaffen und die psychische Auflockerung nannt wird. An sich ist dieser Übergang zu vermitteln, die Voraussetzung für die keineswegs so schwierig, und die körperSteigerung an „Macht" ist, auf die alles lichen Beschwerden würden keineswegs Ritual letztlich hinausläuft. so groß werden, wenn nicht durch den 1 ) T r u m b u l l The Threshold Covenant or theMangel an seelischer Anpassung Mann beginning of religious rites (1896). 2 ) L. L é v y - und Frau Anforderungen an Körper und B r u h l La Mythologie primitive I3fí.; Dr. W. E. Seele stellen würden, denen die gealterte R o t h Superstition, magic and medicine. North Physis nicht mehr gewachsen ist oder Queensland Ethnography. Bulletin Nr. 5, 26. 3 ) K i i n s s b e r g Rechtsbrauch und Kinderspiel 12. wenn sie nicht überhaupt über Rechte 4 ) H u b e r t et Mauss Etude sommaire de la und Pflichten der neuen Altersstufe im représentation du temps dans la magie et la Unklaren wären oder wenn sie sie nicht religion (Mélanges d'histoire des religions, 1909) 189ft. 6 ) E . Schneeweis Weihnachtsbräuche d. als „Schande" betrachten würden, die Serbokroaten 199ft. β ) S a r t o r i Sitte i8fi.; man verbergen muß, oder der man ausErnst Cassirer Philosophie d. symbolischen weichen kann. Immer wieder steht der Formen I I 137Í. ' ) v. Gennep Rites de passage Psychologe in solchen Fällen vor der Tat(1909) cap. I ; Preuß Naturvölker 67. sache, daß der moderne Mensch, dessen Leben ohne einschneidende Übergänge 2. Die Notwendigkeit solcher Ü. erdahinfließt, sich nicht klar bewußt ist, gibt sich aus sozialen wie aus psychischen in welcher Stufe er sich befindet, sich Gründen. Die moderne Psychologie hat nicht klar bewußt ist, daß jede Stufe uns gelehrt, wie wichtig es ist, daß der eine grundsätzlich andere Einstellung von Mensch sich genau und vollständig an ihm verlangt, und sich auch nicht klar die seelischen und körperlichen Erforbewußt wird, welche Einstellung man jedernisse seines jeweiligen Standes und weils von ihm verlangt. Beim modernen seiner Umgebung anpasse. Eine große Menschen überwiegt so stark das BewußtFülle von Schwierigkeiten ergibt sich sein der Kontinuität des Ichs über das daraus, daß Rudimente der seelischen (oft überhaupt nicht ausgeprägte) BeEinstellung mitgeschleppt werden, willwußtsein für die starken Veränderungen, kürlich oder unwillkürlich, die nicht mehr denen dieses Ich im Laufe des Lebens den neuen Lebenslagen entsprechen. Beunterworfen ist, daß er alles vermeidet, sonders häufig erscheinen infantile Ruwas ihm den Ablauf der Zeit und seine dimente, Bindungen an Mutter oder Vaeigene Veränderung bemerklich machen ter, Bedürfnisse nach Schutz oder Unkönnte. Der moderne Mensch ist auch verantwortlichkeit, oder Gefühle des im sozialen Leben nicht so stark an den Schwach-, Unzulänglich-, SchutzbedürfAblauf der Zeit oder an die Durchschnittstig-Seins, die den seelischen Aufschwung entwicklung einer Altersklasse oder einer hemmen und es unmöglich machen, die sozialen Gruppe gebunden, als vielmehr körperlich schon entwickelte Kraft so an die freie und nicht generell bestimmeinzusetzen, daß sie sich ganz in das Gebare Entwicklung seines individuellen biet ergießt, dem der Mensch sich eben Ichs — und hier wieder ist diese Entwickzuwenden soll. Tut sie das nicht, besteht lung eine stärker lineare als beim Priein Widerstreit zwischen Wünschen und mitiven, und noch viel mehr eine konSollen, zwischen innerer Einstellung, die tinuierliche, bei welcher die äußerlichen sich etwa noch nicht von den Problemen Abschnitte datummäßig — mit Hier und der Kindheit losgelöst hat und den E r Jetzt — zu bezeichnen, nicht gut anfordernissen von Berufs- und Eheleben, ginge. Solche einschneidende Übergänge so ist seelischer Zerrüttung und Leiden

I22I

Übergangsriten

sind etwa noch der erste Schulgang, der das Kind aus dem Frieden des elterlichen Hauses herausnimmt und in eine soziale Gemeinschaft eingliedert, der Abschied von der Schule und der Eintritt ins Berufsleben, die Hochzeit, die eine neue soziale und wirtschaftliche Einheit besiegelt, das Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben und damit aus der sozialen Gemeinschaft, die Ausmusterung als Rekrut oder die Ausmusterung als Offizier aus einer Offiziersschule als Hineinstellung in einen besonderen Stand; diese Übergänge werden auch heute noch in der Regel geziemend gefeiert. Manchmal überwiegen einseitig die Trennungsriten, so bei den Maturafeiern, beim Doktorschmaus; manchmal die Anschlußriten, so bei der Hochzeit oder bei der Konfirmation oder beim Eintritt ins Berufsleben; selten sind heute klar die Dreiteilungen zu erkennen, und fast ganz verschwunden sind jene Rituale, die darauf hindeuteten, daß zwischen dem einen Leben und dem anderen eine Art Tod liegt, ein Absterben des Menschen für die frühere Art des Seins, die notwendig ist, bis er sich mit ganzer Seele und wirklich als ein verwandelter in das neue Sein begeben kann. Gerade dieser letztere Zug zeichnet aber die primitiven Vorstellungen und volkstümlichen Bräuche aus. Die Eigenart primitiven Denkens liegt in einer starken Bewußtheit der Partizipation, einer sympathetisch-symbiotischen Einheit mit den Menschen und mit der Gruppe, mit denen man lebt. Man kann nun nicht mit ihnen in der rechten Weise leben, ohne diese Einheit zu haben; und man kann dieser Einheit nicht ohne weiteres teilhaftig werden, selbst wenn man mit ihnen lebt. Man kann auch aus einer Einheit, der man angehörte, ζ. B. der Einheit der Kinder oder der Gemeinschaft mit den Frauen, insbesondere mit der Mutter, nicht ohne weiteres scheiden, als ob das Band, das einen mit der einen Gruppe verband, nun ohne weiteres zu bestehen aufhören würde, wenn man sich einer andern zuwendet. Vielmehr muß dieses Band vorsichtig gelöst werden, die Mutter

1222

und die Altersgruppe muß einen freigeben, sei es freiwillig, sei es durch physische oder magische Gewalt (Entführung in den Wald), der sich die Mutter beugt, auch indem sie das scheidende Kind als ein „gestorbenes" betrauert) oder indem die ganze Altersgruppe womöglich gleichzeitig durch dasselbe Ritual durchgeführt wird, so daß also in dieser Hinsicht eine Trennung nicht stattfinden muß, die ja aus vielen Gründen ebenso schwierig wie schließlich nutzlos wäre, weil nach längerer oder kürzerer Zeit die ganze Altersklasse doch wieder in magischer Partizipation vereinigt sein müßte. Man findet in den Beschreibungen primitiver Wiedergeburtsriten, in denen sich die Vorstellung ausdrückt, daß der Übergang von einer sozialen Stufe oder einer religiösen Stufe in die andere eine Art Tod sei, der die Auferstehung folge, immer wieder den Gedanken, daß dies mehr oder weniger ein Märchen sei, das man den Außenstehenden, den Frauen, erzähle, um sie in Angst zu versetzen oder ihnen den wahren Gehalt der Mythen zu verdecken. Nichts aber wäre unrichtiger. Teils Scheu, teils Verachtung des fremden Besuchers, teils Unwille und Unkenntnis der eigenen Seele verhindern, daß der Primitive das wahre Motiv solcher Ü. angibt oder jenen tatsächlichen Grund derselben nicht zugeben will. In Wirklichkeit enthält jenes „Märchen" doch das Wesentliche des Motives: Was man da rituell sagt: „Dieser unser Sohn starb, war tot und wurde aus Gott wiedergeboren", ist nichts anderes als was der Ritus genau bezweckt, und was er ganz genau darstellen will, und was er mit vielen Mitteln, die oft hart an den Rand des physischen Todes und darüber hinaus führen, erstrebt. Man muß das Risiko laufen, daß der junge Mensch an den Einweihungsriten stirbt, wenn man den Zweck erreichen will, daß er sich tatsächlich psychisch abstirbt und ein ganz anderer, der Wiedergeburt fähiger Mensch wird. Wenn Briffault die Martern und Peinigungen, mit denen die meisten Ü. verbunden sind, als Prüfungen der Leistungsfähigkeit ansieht, denen Männer und Frauen einander aus ganz rationellen 39*

1223

Übergangsriten

Gründen unterworfen haben, als eine Art sehr zweckentsprechenden Ausleseprinzips im primitiven Kampf ums Dasein, übersieht er, daß dieses Prinzip kein sehr zweckmäßiges gewesen wäre; hat es doch in vielen Fällen junge Menschen auf Jahre hinaus und im Grunde vielleicht fürs Leben untüchtig gemacht, und es wäre zu untersuchen, ob nicht alle durch die übergroße Härte der Disziplin, denen man sie unterwirft, einen Schock erleiden, der ihre Entwicklungsfähigkeit fürs Leben hemmt. Die Beschneidung der Mädchen zum Beispiel, die bei vielen Stämmen geübt wird, ist ein ausgesprochenes Hindernis beim Geburtsakt ; es macht ihn besonders peinvoll und für Mutter und Kind gefährlich. Ebensowenig, wie man aber die U. ausschließlich unter utilitaristischen und rationellen Gesichtspunkten betrachten darf, darf man andererseits ihre große praktische Bedeutung vergessen. Sie gewinnen diese nicht nur dadurch, daß sie den Initianden in den rechten Bewußtseinszustand versetzen, indem sie ihm ganz klar machen, welcher sozialen Gruppe er jeweils angehört, sondern sie versehen ihn auch mit den Fähigkeiten, die Anforderungen dieser sozialen Gruppe zu erfüllen. Dies wird durch magische und (nach unseren Begriffen) rationelle Mittel erreicht. Der junge Mensch in seiner Abgeschiedenheit ist nach primitiven Begriffen nicht „irgendwo", nicht in einem profanen Gebiet, sondern im heiligen Hain, im sakralen Bezirk, in der Hütte, die der Leib des großen Gottes ist, also in Gott. Die ganze Zeit ist er nicht nur Mühen und Beschwernissen unterworfen, sondern er wird auch mit machthältigen Zeremonien umgeben, er wird die heiligen Riten gelehrt, was an sich ein Zuwachs an „Macht" ist, er wird mit den mana-hältigen Sacra des Stammes in Berührung gebracht, mit ihnen gestreichelt, geschlagen, in ihrem Gebrauch unterwiesen, er wird in eine magische Partizipation mit jenen Prinzipien gebracht, mit denen er es von nun an zu tun haben wird. Diese Sympathetik wird konsequenterweise nur allmählich herbeigeführt; allzu schnelle, ruck-

1224

weise Berührung würde den größten Schaden bringen. Gleichzeitig aber ist natürlich diese Einweihungszeit eine solche, wo der junge Mensch oder jeder Mensch im Übergang aktiv (oder passiv, wie ζ. B. der Täufling) eine Vorbereitung auf die neue Stellung im Leben erfährt. Im Gegensatz zu v a n Genneps Theorie des dreiheitlichen Charakters der Ü. gilt es auch festzuhalten, daß zwischen den Ü. verschiedener Art sehr große Verschiedenheiten bestehen, die man nicht übersehen darf, denn es gibt Ü. im engeren Sinn, Riten, die in erster Linie einer inneren Verwandlung des Menschen dienen, und es gibt Ü. im weiteren Sinn, die nur dazu dienen, bei äußeren Veränderungen, sei es zeitlichen oder räumlichen, die notwendigen Partizipationen herzustellen ; und es gibt schließlich Riten, die, ohne überhaupt den Charakter von Ü. zu besitzen, nur aus Analogiegründen eine Dreiteilung aufweisen und daher eine äußerliche Ähnlichkeit mit Ü. zeigen. Noch wichtiger aber ist es, ein weiteres Unterscheidungsmoment einzuführen, um solchen Riten gerecht zu werden, die zwar Übergänge bezwecken oder begleiten, aber als Ü. nur sehr uneigentlich angesprochen werden können. Es ist nämlich darauf zu achten, ob es der Mensch ist, an dem der Übergang stattfindet, oder ein Naturwesen, dessen Übergangsphasen die Riten herbeiführen oder befördern sollen, während der Mensch hierbei allenfalls sympathetisch teilnimmt. Ein Beispiel für Ü. am Menschen direkt sind die Initiationsriten, Taufe und ihre primitiven Analogien, Erwachsenenweihe (Confirmatio, Corroboralo), Eheschließung, Totenbeförderung, d. h. die Riten, durch welche der Eintritt in ein durch die Lebensphasen bedingtes neues Lebensstadium begleitet wird. In Vergleich mit diesen sind als Ü. zweiter Ordnung jene zu nennen, wo eine „Schwelle" überschritten wird, also beim Eintritt in eine neue soziale Gemeinschaftsform, der eine gewisse Anpassung erfordert, beim Betreten eines heiligen Bezirks, Haines, Hauses. Solche Handlungen werden mit Ü. ausgestattet, wenn der Eintritt an eine Bedingung geknüpft

1225

Übergangsriten

scheint, die in einer Änderung der persönlichen Fähigkeit oder Haltung besteht und nicht als selbstverständlich und sich von selbst vollziehend angesehen wird. Die Riten mögen dann in Äußerlichkeiten mit symbolischer Bedeutung bestehen wie Ablegen der Schuhe, Anklopfen, Gruß, Versöhnung des Geistes der Schwelle. Fraglich bleibt die Zugehörigkeit zu den Ü. bei solchen Riten, die, wenn sie auch deren Form angenommen haben, doch andersartige sind infolge dessen, daß die wirkliche innere personale Umwandlung schon abgesehen von den nur akzidentiell erscheinenden Riten vollzogen ist wie bei den Schamanenweihen und Prophetenweihen (die van Gennep zu den Ü. rechnet). Ein prinzipiell anderes aber ist es, wie schon gesagt, wenn ein Übergang in der außermenschlichen N a t u r stattfindet — der Übergang von Nacht zum Morgen, von Frühling zu Herbst, von Winter zu Frühling, von einem Jahr zum andern, von einem Mond zum andern, von einem König zum andern — wobei der neue Frühling eben nicht derselbe ist (wie für den Menschen von heute, sondern ein ganz anderer), wobei der Winter sich zum Sterben bereitet, ja man ihn töten muß, um dem neuen Frühling Raum zu machen, der ein ganz anderer, ein neugeborener ist, wo die alten Monde irgendwo sich aufhalten, weil jeden Neumond ein neuer geboren wird, wo die Sonne jeden Abend „stirbt" ; hier bleibt der Mensch der gleiche und unverändert, aber er hat innerhalb des im kosmischen Geschehen sich abspielenden Wechsels eine doppelte Aufgabe: die magische Aufgabe, den Übergang der Natur zu befördern und für seinen glatten Ablauf zu sorgen, gewissermaßen Hebammen-Dienste zu versehen, und zugleich die vital-mystische Aufgabe, dafür zu sorgen, daß er als Mensch mit den wechselnden Naturerscheinungen stets in richtigem sympathetisch-symbiotischen Wechselverhältnis steht, daß er mit der sterbenden Natur trauert und mit der auferstehenden jubelt, (Adonis-Mythen), daß er sich an den großen Lustren reinigt, um die Reinheits-

1226

kräfte aufzunehmen, die sein eigener Zauber mit geschaffen hat, daß er die Mächte der Dunkelheit und Tiefe geleitet und sich vor ihnen bewahrt, wenn sie zu ihrer Stunde in sein Leben einbrechen. Jene Riten, die solche außermenschlichen oder außerpersönlichen Übergänge begleiten, kann man, wenn man will, natürlich auch Ü. nennen; man muß sich aber stets bewußt bleiben, daß sie ganz anderer Natur sind als die menschlichen Ü. Rein äußerlich zeigt sich dies meist daran, daß bei den Ü. im eigentlichen Sinne der Mensch sowohl Subjekt wie Objekt des Ritus ist, den er im wesentlichen an sich selbst vollzieht, um sich zu verwandeln. Man kann also in diesem Sinne die Ü. im engeren Sinne mit der Mystik vergleichen, die auch eine beständige Läuterung und Vergöttlichung, eine Vervollkommnung des Menschen auf ein vorgesetztes Ziel hin in stufenweiser Entwicklung bezweckt, während die Ü. zweiter Art im wesentlichen magischer Natur sind und nur nebenbei eine Partizipation oder einen Übergang des menschlichen Offizianten herbeiführen sollen. Die Riten des Anfangs dienen ζ. B. vorwiegend dem Interesse kosmischen Zusammenhanges. Wenn der Mensch etwa den Eintritt in das Neue Jahr mit einem Sprung, mit einem Tanz, mit Bräuchen aller Art feiert, so liegt diesen primär der Wunsch magischer Hilfeleistung an den Kosmos und nur sekundär der Gedanke zugrunde, daß der Mensch selbst in das Neue eintreten und den Übergang mitmachen will. 3. Wenn e i n K i n d g e b o r e n w i r d , s o gilt es zunächst, die Nabelschnur zu durchtrennen und die Nachgeburt zu versorgen. Die Nachgeburt muß unbeschrien weggebracht werden; man vergräbt sie dorthin, wo weder Mond noch Sonne scheint, oder man wirft sie in fließendes Wasser oder verbrennt sie im Ofen 8 ). Die Nabelschnur gehört dem Kind. Sie wird sorgfältig aufgehoben und dem Kinde später in das Kleid genäht oder in einer Speise zu essen gegeben. Die „Glückshaube", die ein Kind auf die Welt mitgebracht hat, wird sorgfältig aufbewahrt, auch zur

1227

Übergangsriten

Taufe mitgenommen, und bringt späterhin jedem Glück, der sie besitzt, sie darf nicht ins Feuer geworfen werden9). Gleich nach der Geburt wird das Kind auf die Erde gelegt (s. K i n d ) und von dort von dem Vater (s. V a t e r ) aufgenommen. Es wird dann mit Wasser begossen, manchesmal auch mit Salzwasser gewaschen und bekommt zuletzt Speise. Das Aufheben vom Boden, das Taufen und Speisegeniessen-Lassen waren einst Bräuche der Aufnahme in die Gemeinschaft, gehörten also jener dritten Ordnung an, mit welchen die U. beendigt erscheinen. Heute ist das Übergießen mit Wasser — meist durch Mutter oder Hebamme ausgeübt — nur eine Art Vortaufe, die auf die richtige Taufe vorbereitet. An den alten Brauch, daß die Mutter dem Kinde erst dann Speise geben darf, wenn die Aufnahme schon erfolgt ist, erinnert heute noch der mancherorts befolgte Aberglaube, daß man ein Kind erst an die Mutterbrust legen soll, wenn es getauft ist, und ihm bis dahin nur Zuckerwasser reicht 10 ). Die Zeit von der Beendigung des Geburtsvorganges (Abnabelung als Trennungsritus) bis zur Taufe erscheint nun besonders bedroht, so sehr man auch versucht, sie abzukürzen. Man darf das Kind während dieses Zeitraumes nicht aus den Augen lassen und muß es vor allen schlechten Einflüssen, besonders aber vor den Unterirdischen, hüten, die versuchen, es zu vertauschen. Mit der Taufe und Namensgebung ist der Ubergang beendet. Vor der Taufe darf das Kind nicht mit dem Namen genannt werden, den man ihm geben will, sonst stirbt es; auch dem Geistlichen darf man ihn erst in der Kirche sagen, damit es nicht geschwätzig werde11). Bei primitiven Völkern erfolgt die N a m e n g e b u n g meist noch viel später, die Zwischenzeit ist also eine viel längere. Bei den Dschagga folgt auf die Geburt, der in ähnlicher Weise wie oben die Versorgung der Nachgeburt und des Nabels auf der einen Seite, die Sippenprobe auf der andern Seite und die Entscheidung darüber, ob das Kind aufgezogen werden soll, folgt — wenn es unter unheilverkündenden Zeichen zur Welt kommt, wird

1228

es getötet — auch die Darstellung an den Schwiegervater und die Sippengenossen, die in feierlicher Weise von ihm Besitz ergreifen und ihm ihren Schutz zusagen Diese Feierlichkeit findet etwa 8 Tage nach der Geburt statt. An diesem Tage wird auch die eigentliche Kinderwärterin in ihr Amt eingewiesen18). Die Namensgebung erfolgt aber erst einige Monate später, wenn die Mutter den ersten Zahn findet. Diese Entdeckung darf aber keineswegs von der Mutter selbst verkündet werden. Sie kann nur dem Kindermädchen einen Wink geben; dieses allein ist berechtigt die Freudenbotschaft zu verkünden, und nur unter dem Hirsespeicher stehend. Und auch nur das Kindermädchen darf den Namen als erstes aussprechen. Arme Frauen, die kein Kindermädchen haben, müssen sich doch für diesen Tag der Dienste eines solchen versichern. Damit ist aber bei den Dschagga der eigentümliche Ehrenstand des Unmündigen noch nicht vollständig abgeschlossen. Seine Heiligkeit wird so geehrt, daß niemand zurückfordern darf, was ein unmündiges Kind verschenkt hat, und wäre es des Vaters Ackerhacke13). Der eigentliche Abschluß der Unmündigkeit findet mit einem besonderen Ritus statt, der den Namen führte: dem Kinde Bedachtsamkeit beibringen. Zu diesem Behufe werden Speisen aller Art gekocht und ein Sippenalter — bei Mädchen eine Sippenalte — läßt sie davon kosten und gibt ihnen dabei in feierlicher Weise Lehren, die zeigen, daß es sich dabei nicht nur darum handelte, die Kinder in ihre künftige Arbeit einzuführen, sondern auch um ein „Zusammengewöhnen des Nachwuchses mit den Nahrung spendenden Pflanzen". Nach Vollziehung dieses Brauches dürfen die Kinder dann an Herd und auf dem Acker Dienste leisten, durften sie auch erst zusammengekochte Nahrung genießen. Auch der erstmalige Genuß von Wildfleisch durch das Kind wurde feierlich begangen : ein Fleischstückchen wurde mit dem Blute des Kindes bestrichen und ins Gebüsch hinausgeworfen14). Bei den Osaga-Indianern (Nordamerika) wird das Kind zur Aufnahme von Nahrung dadurch

1229

Ubergangsriten

berechtigt, daß der „Mann, der mit den Göttern gesprochen hat", die Erzählung von der Entstehung der Erde und der Tiere feierlich vorträgt und danach das Kind aus dem universalen Verband des Kosmos löst und der Mutter zur Aufzucht überweist16). In Amerika gibt man dem Kinde, damit es wächst, an seinem Geburtstage für jedes von ihm erreichte Lebensjahr einen Klaps und einen tüchtigen für das nächste16). Wenn bei den Kakadu-Australiern ein Kind gehen gelernt hat, versammeln sich die Klangenossen in ihrem Lager. Man hat zuvor ein Bündel Speere herbei gebracht und auf den Boden gelegt. Zur einen Seite der Speere sitzen die Eltern des Kindes, zur andern die Stammesgenossen in einem Halbkreis. Ein älterer Bruder des Kindes oder sein Onkel mütterlicherseits nimmt es bei der Hand und führt es mitten durch die Menschen zu seinen Eltern hin. Der Vater sagt dann angesichts der ganzen Gemeinde: Dein Name ist so-und-so. Die Speere werden dem Vater geschenkt17). 8) W u t t k e § 574. ·) Ebd. § 579. l 0 ) Ebd. §582. u ) Ebd. §590. 12 ) Bruno G u t m a n n Recht der Dschagga 22Í. 13 ) Ebd. 225. 14 ) Ebd. 227. 15 ) B e t h Religion u. Magie2, 247. 1β ) H. M. H y a t t Folk-Lore from Adams County Illinois, No. 2870. " ) Baldwin S p e n c e r Native tribes of the Northern territory of Australia 339.

4. Am klarsten und typischsten lassen sich die Initiationsriten als Ü. erkennen. Auf einen ersten feierlichen Akt, der sich als Trennungsritus kennzeichnet und irgendwie dazu dient, den Knaben oder das Mädchen aus seiner bisherigen Sphäre herauszuheben, folgt eine Zeit der Abgeschiedenheit, die gleichzeitig dem Unterricht dient, und zuletzt die feierliche Aufnahme in den Stand der wehrhaften oder heiratsfähigen Stammesgenossen. Bei den melanesischen Yabin werden die jungen Männer inmitten des Wehklagens der Frauen in den Wald geführt, wo eine Hütte für sie errichtet ist. Den Frauen ist mitgeteilt worden, daß sie von einem Ungeheuer verschluckt werden, das sie nur wieder ausspeit, wenn man es durch eine genügende Anzahl von gerösteten Schweinen versöhnt. Viele Knaben er-

1230

liegen den Zeremonien. Die Angst der Frauen ist daher mehr als gerechtfertigt. Die Hütte stellt den Leib des Ungeheuers vor. Unter der Türe sind zwei große Augen gezeichnet; darüber hängen die Wurzeln einer Betel-Palme als Haar, und ihr Stamm ist das Rückgrat. In der Hütte wird das Schwirrholz geschwungen und die alten Männer deuten diesen dumpfen Ton : Balum kommt. Sie bringen dann Opfer dar und führen die Beschneidung durch. Nach der Operation müssen die Initianden noch einige Monate in strengster Abgeschlossenheit in der Hütte, d. h. in Balums Leib leben. Während dieser Zeit weben sie Körbe, spielen die heiligen Flöten und lernen verschiedene Zeremonien. Das Ende der Feierlichkeiten begann mit einer Entfesselung des Ungeheuers, das bis dahin mit Fesseln gebunden gedacht wurde, damit es die Jünglinge nicht entführt. Nun gelten sie als erwachsene Männer. Sie baden in der See, dann berührt ein alter Mann mit einem Schwirrholz ihnen Kinn und Stirn. Wenn sie ins Dorf einziehen, müssen sie die Augen fest geschlossen halten und sich von einer Art Paten an der Hand führen lassen. Sie stellen sich an, als seien sie starr und stumm; erst auf wiederholte Aufforderungen hin öffnen sie die Augen und setzen sich nieder. Am darauffolgenden Tage baden sie nochmals, werden dann mit roter Farbe bestrichen und können j etzt wieder mit Frauen sprechen18). Diese Zeremonie zeigt die typischen Formen der Wiedergeburtsriten, jener Riten, die am schroffsten auf die Bedeutung des Überganges hinweisen. Der Mensch, der durch solche Riten durchgeht, stirbt seinem alten Selbst ab und wird als ein neuer und anderer geboren, der allem, was ihm vorher begegnet war, fremd ist. Und in den meisten Fällen ist die Vorstellung dabei auch die, daß er nicht von der sterblichen Mutter, sondern von einem höheren Wesen geboren wird. Die Initiationszeremonien haben ja den Zweck, ihn mit „Macht" zu erfüllen, ihn in Verbindung mit den Ahnengeistern oder anderen Trägern der Macht zu bringen, ihm die Geheimnisse des Stammes bekannt zu machen ;

Ü bergangsriten

daher lebt er gewissermaßen bei ihnen, mit ihnen, in ihnen, ohne daß man eine rationalistische Erklärung hierfür vorbringen dürfte. Bei den Dschagga blieben die Jünglinge nach der Beschneidung in der Hut ihrer Verwandten, bis die Wunden geheilt waren. Dann erst erfolgte der „Haingang". Fünf bis sechs Monate mußten sie im heiligen Hain zubringen Tag und Nacht, ohne Kleider und ohne Regendach, ein Schrecken für die Frauen. Beim feierlichen Auszug mußten sie dann zwischen dem Alten, dessen Aufsicht sie unterstanden, und seinem Gehilfen durchziehen, die sie mit Ruten auf die Beine schlugen 19 ) — der Schlag ist ein sehr häufiges Ritual bei den U. und hat wahrscheinlich sehr verschiedene Bedeutung. Manchesmal, wie hier, zunächst als Fruchtbarkeitszauber gedacht, ist er in anderen Fällen ein Überbleibsel schwerster Peinigungen, an denen einst die Initiationsriten sehr reich waren. Besonders die amerikanischen Stämme Nordamerikas konnten sich nicht genug daran tun, diesen Teil der Ü. als Mannhaftigkeitsprobe zu gestalten und hierbei den Initianden geradezu übermenschliche Folterungen aufzuerlegen. Die Jünglingsweihen hingen ja mit der Zulassung zur Ehe aufs engste zusammen. Wer sich aber eine Frau erwerben wollte, mußte in jeder Weise zeigen, daß er ihrer würdig war. Und das war der Stärkste, der Ausdauerndste, der Schmerz-Unempfindlichste20). Bei den Dschagga war ein sehr wichtiger Teil der Belehrung, welche man den Jungen während des Hainganges zu Teil werden ließ, auf die künftige Ehe und ihr Verhältnis zu den Frauen gerichtet, also auch auf die Ehe, aber mindestens ebenso sehr auf ihre nächste künftige Aufgabe, den Krieg. Bei den Spartanern waren die Epheben unter strengster Disziplin. Sie mußten die Heloten schlagen, sich ihre Nahrung durch Diebstahl verschaffen und wurden gegeißelt, bis sie zusammenfielen. Ob auch mystische Verstellungen mit dieser Praxis verbunden waren, ist nicht überliefert 21 ). Bei den Indern muß der junge Brahmane durch die Upanaya-Feierlichkeit

1232

durchgehen. Er kommt in neuem Gewände, geschoren und geschmückt zum Lehrer, wo ihm nach Darbringung eines Opfers das Schülergewand (Kleid, Gürtel und Antilopenfell) angelegt wird. Dann bittet er um Einweihung, die ihm gewährt wird, indem der Lehrer gewissermaßen von ihm Besitz ergreift. Fasten, Keuschheit, Betteln, Gehorsam und Studium wird von den Knaben verlangt. Der Lehrgang dauert, bis der Schüler den Veda gelernt hat. Ist das Studium beendet, so wird eine große Schlußfeier gehalten, es wird gebadet, den Toten geopfert, Duwagräser geflanzt, ein Wettlauf veranstaltet, die Schülerkleidung ins Wasser geworfen 22 ). Ähnlich sind noch die heutigen Umgürtungsbräuche. Sie enthalten einen bezeichnenden Zug. Vor der Weihe speist der Knabe zum letzten Mal vom Teller der Mutter. Von besonderen Ü. bei den Germanen ist direkt nichts überliefert. Eine Untersuchung von L . W e i s e r 2 3 ) verweist aber darauf, daß die Nachrichten und Bräuche von heute darauf hindeuten. Von der Waffenleite als Mannbarmachung berichtet schon Tacitus. Doch ist damit noch nicht die volle Rechtstellung erreicht, sondern zunächst nur der Stand des Junggesellen, dem vor allem kriegerische Tätigkeit zukommt. Bei den Chatten lassen sich die Krieger Haar und Bart wachsen — bei den Initiationen ist körperliche Vernachlässigung, besonders des Haars, sehr häufig — und schneiden dieses erst ab, wenn sie ihren ersten Feind erlegt haben. Die Tapfersten aber legen sich einen Bleiring an, der sie gleichsam bindet, bis sie sich durch Erschlagung eines Feindes lösen. Sie sind von erschreckender Wildheit, haben weder Haus noch Feld, kommen ungeladen allenthalben zu Gaste; wo sie eintreten, lassen sie sich verschwenderisch bewirten bis sie durch das Alter zum Kriegsdienst unfähig gemacht werden 24 ). Diesen Bericht deutet Weiser so, daß die Chatten einen kriegerischen Männerbund mit religiöser Grundlage hatten, der die Jünglings- und Mannesweihen und damit die Ausbildung der Jünglinge zu volltauglichen Staatsbürgern übernahm 26 ).

1233

Übergangsriten

Etwas ähnliches will sie in den Berserkern erblicken : Junggesellenbünde ekstatischen Charakters, deren Angehörige ohne Brünne kämpfen, rasend wie wilde Tiere, stark wie Bären und Stiere. Sie mordeten die Männer, aber weder Feuer noch Eisen konnte ihnen etwas anhaben 28 ), sie schritten mit bloßen Füßen durchs Feuer und konnten nur mit Keulen getötet werden 27 ). Saxo Grammaticus berichtet auch, daß sie Feuer schluckten 28 ), rohes Fleisch aßen und Blut tranken 29 ). Das alles sind wohlbekannte Proben aus den Initiationsriten; doch muß hier eine besondere Begabung die Grundlage für ein spezifisches kriegerisches Schamanentum gebildet haben, von dessen Initiationsriten und Regeln man noch keineswegs auf die Formen der allgemeinen Weihe zurückschließen darf. Den allgemeinen Formen wird wohl die Vorschrift angehören, ein wildes Tier zu erlegen, sich durch eine bestimmte Tat oder eine bestimmte Probe als tüchtig auszuweisen. Die beiden Kinder Signys, die die Mutprobe nicht bestehen, werden getötet; wie bei primitiven Völkern vielfach jene Männer oder Mädchen, die bei den Proben weinen oder stöhnen, ihr Leben nicht länger fristen können. Als der fünfjährige Thorgils am Spiel der größeren Knaben teilnehmen wollte, sagten sie ihm, man habe ausgemacht, nur derjenige dürfe mitspielen, der schon ein lebendiges Wesen getötet hätte 30 ). Riten, bei denen neu Aufzunehmenden hart mitgespielt wird, kommen heute noch vor, ζ. B. das Prellen als Aufnahmeritus bei den Metzgern 31 ). Bei der Faktorei der deutschen Hansa in Bergen wird der Neuling an einen Strick gebunden, in die Höhe gezogen32), beräuchert, bis aufs Blut gepeitscht und zuletzt auf einer Haut geprellt. Heute vertritt die Konfirmation 33 ) vielfach die Ü. Aber damit ist der Knabe auch doch erst ein halber Mann (halvkar) und darf erst nach einigen Jahren und verschiedenen Proben als „helkarl", ganzer Mann, an der Nachtfreierei u. a. teilnehmen 34 ). Die Pubertät bedeutet auch für die Mädchen einen Übergangszustand, der zu zahlreichen Riten Anlaß gab, die im

1234

wesentlichen denen der Männer analog waren. Auch diese Riten pflegen eine längere oder kürzere Abschließung der jungen Mädchen von der Öffentlichkeit und ihrer Familie zu umfassen, eine Zeit, die sie sehr oft in dunklen Hütten oder auf einer Plattform verbringen müssen, ohne durch Monate oder selbst Jahre die Erde berühren zu dürfen. In anderen Fällen wird die Abgeschlossenheit dadurch herbeigeführt, daß das Mädchen in ein Paket so verschnürt wird, daß es sich kaum regen kann, in den Rauch des Herdfeuers aufgehängt wird, bei spärlichster Nahrung, um so die Zeit der ersten Menstruation und die darauf folgenden Menstruationen zu verbringen. Diese Riten dienen sowohl der Trennung von ihrer Familie wie von ihren früheren Altersgenossen wie auch der Probe auf ihre Standhaftigkeit. Sie werden oft mit Beschneidungsriten verbunden, die mit mehr oder weniger großer Rohheit ausgeführt, ein Zeichen für den Charakter des Mädchens bilden. Ein Mädchen, das den. Schmerz der Beschneidung nicht ohne Zucken ertragen konnte, wird später gar nicht oder nur an einen alten Mann verheiratet, bei dem sie keine Kinder zu erwarten hat. Die Zeit der Reife dient auch der Durchführung von Tätowierungen, der Vermittlung von Unterricht über die verschiedenen Pflichten der Frau, ein Unterricht, der bei weiblichen Kindern viel rationeller und frühzeitiger erteilt wird als bei Knaben, sie ist auch eine Periode der Zwischenzeit im Sinne der van Gennepschen Theorie. Sehr häufig ist mit der Beschneidungsfeier der Mädchen, mit der diese Zwischenzeit entweder begonnen oder abgeschlossen wird, eine Orgie verbunden, die alle Zucht und Sitte innerhalb des Stammes aufhebt und zu voller Promiskuität führt. In manchen Fällen, wo die Beschneidung an einem schon verlobten Mädchen ausgeführt wird, dient sie dazu, die Abstimmung der Geschlechtsorgane beider Partner in ihrer Größe aufeinander herbeizuführen 35 ). Von beim weiblichen Geschlecht vorgenommenen Wiedergeburtsriten im eigentlichen Sinne wird nicht berichtet.

»235

Übergangsriten

Möglicherweise entgingen sie den (meist männlichen) Forschern; vielleicht werden sie von den Frauen vor den Männern überhaupt geheimgehalten. Vielleicht liegt der weiblichen Initiation dieser Gedanke der Macht-Steigerung, wie sie mit ritueller Wiedergeburt eintritt, ferne. Dies erschiene indessen um so verwunderlicher, als primitive Frauen im Besitz großer Macht geglaubt werden, Zauberinnen und Hexen sind und ihrer Zauberkraft wegen oft sehr gefürchtet werden. Briffault, der dieser Tatsache Bedeutung beilegt, meint, daß bei Frauen Machtbesitz und Fruchtbarkeit geradezu etwas Selbstverständliches war, gleichsam als sekundäres Geschlechtsmerkmal, so daß bei Initiationen darauf Bezug genommen werden mußte und die Riten als solche im Sinne der Machtsteigerung verstanden wurden. Daß Menstruations- und Puerperalblut an sich schon Macht enthält, darüber ist kein Zweifel möglich ; daß der Mann diese natürliche Macht fürchtet und sich vor ihr hütete, oder die Absonderung der Frau zu Zeiten, wo diese Macht besonders augenscheinlich wurde, durchsetzte, darüber kann auch kein Zweifel bestehen. Man könnte daher sogar versuchen, die Eigenart der weiblichen Initiationsbräuche bei manchen Völkern, wo sie ganz offensichtlich darin bestehen, die Bewegungsfreiheit der Mädchen zu hemmen und ihre Bewegungstüchtigkeit für das ganze Leben zu beeinträchtigen, als ein Mittel zu betrachten, sie weniger gefährlich zu gestalten und den Ubergang ungefährlich zu machen, wenn nicht immer das Bedenken bestände, daß die Glaubensvorstellungen der Frauen bei primitiven Völkern noch viel weniger bekannt sind als die der Männer. Selbst wo wir von dem Bestehen weiblicher Mysterien wissen, wie bei den Römern, blieben die Einzelheiten doch stets in tiefstes Dunkel gehüllt. Die eigentlichen Primitiven aber sind noch viel zurückhaltender, und die Kluft zwischen den Geschlechtern ist dort noch viel tiefer, so daß man bei ihnen noch viel weniger Schlüsse aus einem Schweigen der Quellen ziehen darf. Viele Legenden drücken freilich ganz unmißverständlich die Furcht des Mannes vor

1236

dem menstruierenden Weib aus und vor dem zu deflorierenden Weib, dessen körperliche und psychische Widerstandskraft gebrochen werden muß, um eine normale Beziehung zwischen den Geschlechtern zu ermöglichen. Auch noch in dem christlichen Teufelsglauben spielt dieses Blut eine große Rolle und ruft gewissermaßen als solches zauberische Wirkungen hervor 36 ). Es ist deshalb unzulässig, bei dem heutigen Stande unseres Wissens Abschließendes zu diesem Problem zu äußern. Jedenfalls aberzeigt der ethnologische Befund zweifelsfrei, daß man nur bei einer beschränkten Anzahl von Ü. die Verbindung mit dem Gedanken der Wiedergeburt deutlich erkennt, während in anderen Fällen der Gedanke der Reinigung oder Vorbereitung oder Übung oder Stärkung den Ablauf des Rituals vorwiegend bestimmt.

1S ) F r a z e r Immortality 1, 35ofi. 1 9 ) G u t mann Recht d. Dschagga 325ft. 20 ) B r i f f a u l t Mothers 2, 187ft. 2 1 ) Nilsson Grundlagen d. 22 spartanischen Lebens 318ft. ) Oldenberg Religion d. Veda 466Ì.; L i p p e r t Kulturgeschichte 2, 365ft.; Α. H i l l e b r a n d t Ritualliteratur (1907) 61. 2 3 ) Lily W e i s e r Altgermanische Jünglingsweihen und Männerbünde pass. 24 ) T a c i t u s c. 31. 26 ) W e i s e r a. a. O. 38. 2e ) Y n g l i n g a s a g a 6. 2 7 ) V a t edaelassaga 45; K r i s t n i s . 2. 28 )hsg. v. P. E . M ü l l e r (1839) 326, 328. 2») H r o l f s G. S. 16. 30 ) Floamannasaga 10. 3 1 ) B e r l e p s c h Chronik d. Gewerke V I 1 2 1 . 3 2 ) L. Holberg Beschreibung d. Handelsstadt Bergen in Norwegen (1753) II 59. 3 S ) F e h r l e Volksfeste3 91. 3 1 ) E r i x o n 106; 109. M ) B r i f f a u l t Mothers II pass.; W e s t e r m a r c k History of Human Marriage pass.; van Gennep Rites de passage 122ft. "·) Görres Geschichte d. Christlichen Mystik Bd. V.

5. Die Hochzeit gibt bei allen Völkern Anlaß zu den verschiedensten und verwickeltesten Zeremonien. Man muß sich dabei bedacht bleiben, daß diese Zeremonien die verschiedensten Aufgaben zu erfüllen haben und daß daher Bräuche verschiedensten Ursprungs und verschiedenster Abzweckung sinngemäß und notwendig nebeneinander bestehen. Die Hochzeit muß ja magisch rituell einmal rein personal Mann und Frau so verbinden, daß diese in eine enge und unauflösliche Gemeinschaft geraten, die ihnen nicht nur gestattet, den sexuellen Verkehr aufzunehmen, sondern auch in eine fruchtbare Verbindung zu treten. Sie muß sie also

»237

Übergangsriten

in eine symbiotisch-sympathetische Einheit versetzen. Diesem Zwecke dienen Zeremonien der Verbindung, der Tausch von Blut und Speichel, der gemeinsame feierliche Genuß von Speise, die äußerliche Verbindung durch Gewand oder Ring, der Tausch von Besitztümern. Zu diesen Riten kann man auch solche der Besitzergreifung rechnen. Wenn das junge Mädchen in den Wald entflieht und der junge Mann sie fängt und heimbringt, so hat er sie damit erworben, und mit diesem Akt der Ergreifung hat sich zwischen ihnen ein Band gebildet, das bei primitiven Völkern •enger ist als bei uns37). Zum zweiten sind diese Menschen auf die verschiedenste Weise bedroht. Die Hochzeitsriten müssen dafür Sorge tragen, daß diese Bedrohung unschädlich gemacht wird, was sie meist durch apotropäischen od. sympathetischen Zauber erreichen. Zum dritten gilt es dafür zu sorgen, daß die Verbindung fruchtbar sei. Es gilt also Fruchtbarkeitszauber aller Art zu üben. Alle diese Riten sind selbstverständlich nicht als Ü. anzusprechen. Will man die hochzeitlichen Ü. erkennen, so muß man von diesen Bestandteilen der Hochzeitsbräuche absehen. Die Ü., die mit Hochzeiten verbunden sind, bezwecken ein anderes. Sie sollen einmal den psychischen Übergang des jungen Menschen von dem Stand des Unverheirateten in den Stand des Verheirateten herbeiführen, und sie sollen zum aweiten den Übergang eines der beiden Teile (bei Exogamie) in eine neue soziale Organisation bewirken, einen Übergang, der sich oft augenfällig in dem Einzug in ein neues Haus und in eine neue Gemeinschaft ausdrückt. Bei voll entwickeltem Ritual findet man, daß für jede dieser Abzweckungen gesonderte Vorschriften bestehen38). Manchmal beginnt das eheliche Zusammenleben, noch bevor alle Ü. beendet sind, manchmal ist es erst ihr Abschluß, manchmal geht es allen Hoch.zeitsbräuchen voran, wenn das junge Paar mitsammen durchgeht, um auf diese in jenen Kulturen nicht anstößige Art die Aufmerksamkeit der Eltern auf ihre Heiratsabsicht zu lenken. Ein sehr reiches und sehr wohlbekanntes

1238

Heiratszeremoniell ist das der Dschagga. Die persönliche Bindung zwischen den Brautleuten in spe pflegt sich anzubahnen und ziemlich weit zu entwickeln, ehe die Eltern offiziell verständigt werden39). Manchmal ist das Mädchen der bekennende Teil. Dann beantwortet sie sein Flehen mit der Versicherung: „Soll ich noch suchen nach einem, der so zusammengeschlossen (vollkommen) ist wie du?". Haben sie sich einander versprochen, so beginnen mehrfache und unverbindliche Sippenbesuche, die dem gegenseitigen Kennenlernen dienen sollen, vor allem aber auch dem Zweck, etwaige Unvereinbarkeiten zu erfahren. Die eigentlichen Ü. beginnen dann mit den feierlichen Biergaben, die ngosa heißen, ein Wort, das wahrscheinlich mit dem ikosa: in den Bereich eines Wesens einführen, eingliedern, darin heimisch machen, zusammenhängt. „Ikosa mana" heißt: ein Mädchen an sich gewöhnen, in die Sippengemeinschaft einführen; und zwar geschah dies durch Gaben und Genüsse, die ngosa, den Brautpreis. Diese Gaben wendeten sich aber nur zum kleinen Teil an das Mädchen selbst ; es galt auch nicht allein und nicht vorwiegend die Bindung des Mädchens an die neue Sippe herzustellen, sondern es geschah weit mehr: die beiden Sippen wurden zunächst aneinander gebunden und sollten magisch sympathetisch vereint werden, damit sie segnend zusammenwirken, um diesem Bund Fruchtbarkeit und Gedeihen zu verleihen. Die erste Gabe ist das Beratungsbier40). Die Brautmutter muß dem Brautvater Urlaub geben, damit er sich auf den Bräutigamshof begebe, wo man alle etwaigen Sippenhindernisse bespricht, die sich dem guten Willen beider Parteien in diesem Augenblick entgegenstellen können. Hat etwa in Vorzeiten ein Rechtshandel die beiden Sippen entzweit, so gibt jetzt die gewinnende Partei von einst einen Teil des Ersiegten zurück. Der Vater aber hat sich zuerst der Zustimmung der Tochter versichert, ehe er die Einladung annahm, die ihm gegenüber ausdrücklich erklärt werden muß. Die zweite Gabe ist das Bruderbier 41 ), bei welcher Gelegenheit

1239

Übergangsriten

die Brüder der Braut Gelegenheit gegeben finden, sich von der Zustimmung ihrer Schwester zu überzeugen und ihre Bedenken geltend zu machen. Die nächste Gabe ist eine Fleischgabe, und zugleich bringt die Schwester des Bräutigams Schmuck, den sie der Braut, die sich heftig sträubt, zwangsmäßig anlegt. Damit ist die Braut „gebunden" 42 ). Es ist also der Übergang in die Bräutigamssippe faktisch schon in diesem Augenblick vollzogen, insofern es sich um die soziale Aufnahme handelt. Diese Aufnahme wird auch ausdrücklich rituell bestätigt. Von der übersandten Ziege schneidet der Brautvater ein Stückchen herunter und übergibt es dem Beistand des Bräutigams, der dessen nächster Verwandter und Mittler bei dieser Werbung ist. Er überreicht das Fleisch der Braut mit den Worten : „Nimm die Orom-Gabe, werde meine Gesippin". Die Braut nimmt die Gabe an und ißt sie (Motiv der Speisegemeinschaft) und sagt dazu: „Dank, mein Großvater", ein ehrendes Prädikat der nächsten Verwandtschaft, womit sie die Bindung für sich anerkennt. Nachdem so die Aufnahme der Braut in die Sippe des Bräutigams vollzogen ist, beginnt erst die Reihe der Trennungsriten von ihrer Familie. Anläßlich der Übersendung des Dracänenbieres befragt der Vater die Tochter, ob sie unversehrt ist. Sollte sie versehrt sein, so gibt er dem Schwiegersohn einen Wink, sie auf dem Felde „aufzuheben" (Scheinraub). Ist sie aber Jungfrau, so folgt die Übersendung eines Schlachtrindes, das den Ahnen geopfert wird, damit sie nun auch ihrerseits der Verbindung zustimmen und sie mit ihrem Segen fördern. Dieses Rind gilt als Äquivalent gegen das „Mutterlamm", die Frau, ,,daß es in Frieden auf den Hof der Bräutigamssippe komme und in Frieden darauf bleibe". Und über diesem Bündelrind spricht nun der Vater der Braut zu seinem nächsten Bruder die Lostrennungsworte : „Wir haben das Kind reichlich abgeschleckt, die Eingewöhnung ist vorangegangen, es soll nun zu seinem Sitze kommen". Der Mundwalt-Onkel wendet sich dann an die Braut und beschwört sie, sich ihrem Manne zu gewöh-

1240

nen und ihn zu lieben. Und zuletzt wendet die Braut sich förmlich an den Beistand,, aber mit einer ziemlich verklausulierten Erklärung, daß sie als Gesippin auf dem Hofe seiner Sippe leben wolle, wenn man sie als Gesippin hält 43 ). Es folgen dann noch weitere Gaben an die Sippe der Braut und weitere Trennungsriten, mit denen diese die Zuwendung des Brautschatzes bezahlt, wie das Zuschneiden der Schuhe, mit denen die Braut zum Bräutigam gehen soll, das Walken des Leders für das Brautgewand — wozu ein Fell vom Brautvater, ein zweites vom Vater des Bräutigams gestiftet wird — der feierliche Abschied von den Eltern, und zuletzt — nach Überreichung von Friedensgaben, schickt sich der Beistand des Bräutigams an, die Braut auf seinem Rücken heimzutragen, während die Braut den ganzen Weg entlang Klagelieder singt 44 ). Damit ist nun ein Teil der Ü. beendet, nämlich jener, der die Einführung der Braut in die Sippe des künftigen Gatten betraf. Nun beginnt der zweite Teil der Ü., der die persönliche Entwicklung der Brautleute zum Ziele hat: die Ehehaltenlehre, die in einer mehrmonatigen Pflege in Zurückgezogenheit in der Hütte und Unterricht der beiden besteht. Der letzte Teil des Unterrichtes kann der Braut nur von ihrer eigenen Mutter auf deren eigenem Hof erteilt werden. Sie kehrt also zu deren Hof zurück, geleitet von zwei Kindern vom Hofe der Schwiegermutter, die sich an ihre Beine halten. Sie geht dabei schwer und langsam auf einen Stock, gestützt. Auf dem Heimweg wird sie von einer Schar jugendlicher Verwandter geleitet. Sobald der Bräutigam ihnen entgegenkommt, wird er von der Geleitschar überfallen und mit Stecken und Gerten verprügelt 45 ). Nach einer Reihe von weiteren Zeremonien, die sinnbildlich die gegenseitige Hilfeleistung von Mann und Frau in der Ehe darstellen, umfaßt der Bräutigam den Oberarm der Braut und spricht: „Laß uns miteinander ackern, für deinen Vater und den meinen". Dann umfaßt so auch die Braut ihres Bräutigams Oberarm. Zwei Tage später erfolgt erst die Zusammengabe.

Übergangsriten

Damit enden aber noch nicht immer die Beziehungen zwischen der Braut und ihrer Sippe. Erst wenn die Ehe fruchtbar ist, und die Kinder etwa 7 Jahre alt geworden sind, werden die letzten Brautgaben gezahlt und die letzten Trennungsriten vollzogen. Diese Umkehrung ist durchaus logisch und zweckentsprechend. Die Braut muß der Sippe des Bräutigams eingegliedert werden, noch bevor die eigene Sippe endgiltig die Ausgliederung vollzieht, soll dieser die Möglichkeit geboten werden, ihr ihren Schutz solange zuteil werden zu lassen, bis sie vermutlich (nach etwa zehnjähriger glücklicher Ehe) keines Schutzes mehr bedarf, weil sie wirklich heimisch wurde auf dem fremden Grunde. Denn niemals kann der Brautvater gezwungen werden, das Schlußstück zu nehmen, er muß es verlangen durch eine sehr wertvolle Aufforderungsgabe. So vielverbreitet solche Reihenfolge der Riten in jenen Ländern ist, wo man den Brautkauf übt und so sehr sie die Stellung der Frau in des Mannes Sippe verbessert, gibt es doch Länder, wo die Trennung der Braut von ihrer Sippe sogleich endgiltig ist und der Einheimung vorangeht. In Japan wird ζ. B. der Braut von ihrer Mutter bei dem Abschied aus dem väterlichen Hause ein Dolch mit der Warnung überreicht, daß er ihre einzige Zuflucht sei, wenn sie sich aus dem Hause des Gatten entferne. In Rom ging die Loslösung aus dem väterlichen Haus der Aufnahme in die Sippschaft des Gatten voran. Nach germanischem Brauch trat bei der Verlobung die Übertragung der Mundschaft in den Vordergrund. Das war sowohl Trennungs- als Aufnahmeritus; die junge Frau war nun Mitglied der Sippe ihres Gatten. Die wirkliche Übergabe erfolgte aber erst zu einem entsprechend späteren Zeitpunkte. An diesen zweiten Zeitpunkt knüpften sich dann der Brautlauf und die Vollziehung der Ehe. Mit der Verlobung, die ursprünglich mit der Eheschließung zusammengefallen sein dürfte, ging später eine symbolische Handlung verbunden, die auf die Übergabe hindeutete46).

1242

Noch heute deuten einige Bräuche auf alte Ü. hin. So soll die Braut mit dem Bräutigam einmal aus einer Schüssel essen oder suppen (ein Brauch der Anbahnung persönlicher Partizipation); der Bräutigam muß der Braut das Brautkleid schenken, sie ihm das Brauthemd (Austausch von Geschenken); die Braut darf acht Tage vor der Hochzeit das Haus nicht verlassen, sonst wird sie verhext (Zurückgezogenheitsperiode) ; sie muß bei der Hausschau ernst sein, bei der Trauung und auch beim Hochzeitsschmauß viel weinen47) (s. Hochzeit). Ein Trennungsritus ist auch das Haarschneiden, dem Bräute oft unterworfen sind48). 37 ) v a n G e n n e p a. a. O. 1 6 5 s . 3 8 ) G u t m a n n a. a. O. 82. »») Ebd. 4 0 ) Ebd. 87Í. 4 1 ) Ebd. 8gfi. « ) 84. « ) Ebd. 100. " ) Ebd. n o f i . « ) Ebd. 1 1 9 . 4e ) B r u n n e r - H e y m a n n Grundzüge der deutschen Rechtsgeschichte 2 2 1 . 4 7 ) W u t t k e § 566ft. 4β ) S a r t o r i Hochzeit 100.

6. Bei den B e g r ä b n i s - und Trauerriten unterscheidet man oft sehr klar jene Gruppen von Riten, die der Abtrennung des Toten von der Welt der Lebenden dient, und jene andere, oft viel kompliziertere und länger dauernde, die ihn begleitet während seines Ubergangszustandes zu der endlichen Ruhe und die schließlich in dem zweiten Begräbnis gipfelt. Bei den meisten Völkern besteht die Vorstellung, daß die Seele des Verstorbenen nicht zugleich mit dem Augenblicke des Todes verschwunden ist; vielmehr hält sie sich noch eine längere oder kürzere Zeit im Hause und in der Nähe des Leichnams auf. Man zündet deshalb ein Licht an, das ihr in der Dunkelheit leuchte, man stellt ihr einen Stuhl hin, der ihr zum Sitzen diene, man öffnet die Fenster, damit sie sich entfernen könne, man nimmt im Handeln und Sprechen auf ihre Gegenwart Rücksicht. Die eigentlichen Trennungsriten setzen dann mit dem Augenblick ein, wo der Sarg mit der Leiche aus dem Hause gebracht wird. Man trägt ihn mit den Füßen voran aus dem Hause, damit der Tote nicht etwa zurücksehe und dadurch den Rückweg wieder nehme. Man gießt hinter dem Sarg Wasser aus und verschließt eiligst die Türe, man fegt die Stube und wirft Kehricht und Besen auf den Kirchhof, man streut

1243

Übergangsriten

Salz und fegt es aus: kurz, man übt alle die bewährten Trennungsriten und geht sogar so weit, daß man den Sarg sehr häufig auf ungewöhnlichen Wegen zur Kirche befördert (s. Trennungsriten; Unsterblichkeit). Auch nach deutschem Aberglauben ist damit aber keineswegs endgültig das Band zwischen Lebenden und Toten abgeschnitten; vielmehr besteht die Vorstellung, daß der Tote, bevor er sich entfernt, noch am Leichenschmaus teilnehme, den man daher möglichst lange ausdehnt. Er kommt wieder an bestimmten Tagen, zu bestimmten heiligen Zeiten, wo die armen Seelen dann unter der Hausschwelle sitzen oder zwischen den Türen, die man nicht zuschlagen darf, um sie nicht zu verletzen49). Bei sehr vielen primitiven Völkern ist die Vorstellung die, daß die Seele des Toten noch so lange auf Erden weilt, als sein Leib nicht verfault ist50). Man bemüht sich daher angelegentlich, die Verwesung zu beschleunigen. Ist diese beendet, so begibt sich die Seele nach dem Lande der Toten, das manchesmal unter der Erde gedacht wird (in solchen Fällen legt man den Leichnam auf die Erde, um ihn in direktere Verbindung mit der All-Mutter zu bringen), oder sie geht an einen bestimmten Punkt des Landes, wo sie in den See springt, oder sie begibt sich auf die oft monatelang dauernde Wanderung in das Reich der Toten. Die Ü. bestehen dann darin, während dieser Zeit dem Toten die Treue zu bewahren. Man rüstet ihn mit Geld, Nahrungsmitteln, Wärme, Schuhzeug aus; man sorgt durch Rezitationen für seine Belehrung über die Gefahren des Weges und die Art und Weise, wie man ihnen begegnen kann; man unterstützt ihn magisch, sein Ziel zu erreichen. Und erst zu der Zeit, wo man annimmt, daß er des zweiten Todes gestorben sei, erfolgt das zweite Begräbnis, mit dem man die Ü. beschließt51). Eine Methode, sich zu vergewissern, ob der Tote noch den Lebenden nahe weile, besteht darin, festzustellen, ob er die Seinen noch unterstütze. Das erkennt man am Jagdglück. Ist dieses günstig,werden die Ü.lange Zeit fortgesetzt. Merkt man nicht viel Erfolg, bricht man sie bald ab 52 ).

I244

Wenn bei den Ostiak von Obdorsk ein Mann stirbt, so legt man ihn (nach den gewöhnlichen Trennungszeremonien im Hause) in ein Kanoe und bringt dieses auf den Begräbnisplatz des Toten, wo man es auf der gefrorenen Erde niedersetzt, die Füße nach Norden. Man gruppiert um die Leiche herum alles, was man glaubt, daß er braucht, hält am Grabe selbst einen Leichenschmaus, an dem der Tote selbst teilnimmt, und begibt sich dann nach Hause. Nun bricht der Tote auf zur Reise nach dem dunklen, kalten Totenland im Norden, die sehr lange dauert, bei anderen Stämmen erklettert er eine Kette, die in den Himmel führt. Die eigentliche Trauerzeit dauert 5 Monate für einen Mann, 4 Monate für eine Frau; doch pflegen die Frauen Puppen, die die Züge des Toten tragen, noch viel länger durch Waschen, Kleiden, Füttern 51 ). Bei den Marquesas gibt es einen Himmel für die Aristokratie der Geburt oder der Tat (Krieger, die auf dem Schlachtfeld, Frauen, die im Kindbett starben) und einen unterirdischen Platz für die Toten, wo das gemeine Volk sich befindet. Zu beiden Plätzen kommt man nur mittels eines Kanoes, das die Lebenden entsprechend beizustellen haben. Vornehme, denen man nicht zumuten kann, selbst eine Arbeit zu leisten, müssen noch mit Rudermannschaft, Vorräten und Bedienung versehen werden. Wenn ein großer Häuptling starb, wurden zwei Personen aus dem gewöhnlichen Volk getötet, von denen einer für den Häuptling auf seiner Reise in die Totenwelt den Gürtel tragen sollte, während der andere den Schädel des beim Leichenschmaus .geschlachteten Schweines trug, der als Opfer für den Wächter des Jenseits bestimmt war, der den neu ankommenden Geist beschimpfen und mit Steinen werfen, ihm zuletzt die Türe vor der Nase zuschlagen würde, wenn er nicht dieses Geschenk erhielte64). Stirbt ein Priester, so kommt es zu einem sakralen Krieg mit den Nachbarn, dessen Veranlassung zunächst die rituelle Notwendigkeit ist, einige Menschen (meist 3) als Totenopfer zu erschlagen; seinen rituellen Charakter aber zeigt dieser Akt

Übergangsriten

klar dadurch, daß der sich anschließende Krieg solange dauert, als der nächste Verwandte des verstorbenen Priesters sich in voller Abgeschiedenheit an einem geweihten Platze aufhält. Während dieser Zwischenzeit bringt man dem Verwandten alles, was er braucht, auch Menschenfleisch. Die Überlebenden haben auch dafür Sorge zu tragen, daß der Tote sich in bester Gestalt vor den richtenden Göttern präsentiert. Dies mag auch so geschehen, daß die Einwohner der Insel Tahatua dafür sorgen, daß die Haut des Toten von dessen Gattin in dreißigtägiger Arbeit mit den Fingernägeln abgezogen wird, weil die große Göttin Upu nur Menschen ohne Tätowierungen annimmt. Dieser Ritus ist sehr bedeutsam: die Tätowierung ist Stammesmerkmal des Lebenden ; sie wird ihm in peinvoller Zeremonie anläßlich der großen Ubergänge in seinem sterblichen Leben eingeritzt; nun, da er in eine andere Gemeinschaft eingeht, muß er sich ihrer entledigen. In gleicher Weise versucht man, den Toten von moralischer oder ritueller Schuld zu befreien. Er wird bei allen Völkern in zeremonieller Weise gewaschen, gekämmt, die Nägel werden ihm geschnitten. Tote, an denen die Totenbräuche nicht vollzogen werden, können nicht in das Jenseits eingehen und kommen nicht zur Ruhe. Die germanische Auffassung unterstreicht ihre besondere Gefährlichkeit auch durch die Mythe, daß das Schiff, das die Riesen zum Weltbrand heranführt, aus den unbeschnitten gebliebenen Nägeln der Toten angefertigt ist. Bei den Ägyptern bleiben die „unreinen" Toten der Aufnahme in die Sonnenbarke unfähig. Wenn die Sonne sich anschickt, in der ersten Nachtstunde ihre Wiedergeburt zu feiern und die richtig begrabenen Toten sie begleiten und an ihrer Wiedergeburt Anteil gewinnen, bleiben sie in einem Vorraum zurück56). Einen etwas anderen Hintergrund hat die Vorstellung, daß Menschen, die in dieser Welt nicht ein Minimum an Macht erreicht haben, nicht in der jenseitigen Welt Zutritt finden, oder in einer Art Fegefeuer oder Hölle verbleiben müssen. Dies gilt

1246

vor allem für Personen, die in dieser Welt nicht durch die Hochzeitszeremonien durchgegangen sind. Nach deutschem Aberglauben ist diese Zeit begrenzt : Mädchen, die als Bräute sterben, tanzen auf Kreuzwegen solange fort, bis der Bräutigam stirbt6®) (Danaiden). In dieselbe Kategorie von Hindernissen gehört auch, die Vorstellung, daß ungetaufte Kinder ewig im Fegefeuer bleiben müssen — also keine Ruhe finden — wie auch die ganze Reihe von Vorstellungen, daß Menschen, keine Ruhe finden, also nicht in das von. der Menschenwelt abgeschiedene und selbständige Reich der Toten eingehen können, solange nicht ihre Leistung auf Erden vollbracht ist. So findet der Ermordete keine Ruhe, solange sein Leben noch hätte dauern sollen, ebensowenig der Selbstmörder; keine Ruhe findet, wer eine Leistung nicht vollbracht hat : so die Wöchnerin, die zurückkommt, um in ihrem Bett zu schlafen, um ihr Kind zu. stillen, der man Nähzeug ins Grab mitgibt, damit sie dort ihre Aufgaben zu erfüllen vermag; so nicht', wer ein Gelübde zu erfüllen unterließ, nicht wer einen Schatz vergrub, sei er auch nur gering 67 ); der verstorbene Hausvater geht in der Nacht nach seinem Begräbnis dreimal um sein Haus herum, damit die Seinigen kein Unheil treffe, und hat damit seiner Pflicht nach dem Tode genügt 68 ). Wer schwere Schuld auf sich geladen, ist gleichfalls in diese Zwischenperiode gebannt und kann nicht des zweiten Todes sterben, wie die Tiefkulturvölker solchen zweiten Übergang bezeichnen. Allerdings bedeutet auch dieser zweite Tod noch nicht immer eine volle und ausschließliche Einbürgerung in dem Jenseits: vielmehr bleiben immer noch, gewisse Beziehungen bestehen. Kein Übergang ist ein ganz endgültiger. ω ) W u t t k e §752 S. 442. w ) v a n G e n n e p 61 a . a . O . 215S. ) F r a z e r Immortality 2, 165. 62 ) Ebd. II 274. 25. 6 3 ) v a n Gennep 2 1 4 s . M ) F r a z e r a. a. O. 2, 366. 5S ) Maspéro Etudes de mythologie et d'archéologie égyptiennes 2, 1 6 3 s . ; J é q u i e r Le livre de ce qu'il y a dans le Hades 19. 5β ) W u t t k e § 749 S. 441. « ) Ebd. 754. 58 ) Ebd. § 747.

7. Die Übergänge im sozialen Leben, das Antreten eines B e r u f e s , das

3247

Übergangsriten

Wechseln eines D i e n s t p o s t e n s , werden selbstverständlich mit entsprechenden Riten begleitet. Von großem Umfang und großer Wichtigkeit sind alle jene Riten, die zugleich Initiationen sind, also das Antreten des Priesterberufes oder generell die Zulassung zu einer geistlichen Gemeinschaft. Auch diese Riten werden, ebenso wie manche Begräbnisriten mit Zügen aus dem Hochzeitsritual versehen. Man kann sich diese Ähnlichkeit vielleicht aus der sachlichen Gleichheit erklären. Dort, wo es sich um engste Verbindung handelt, um eine restlose Einheit, die über die Einheit des Blutbundes und der Sippe hinaus noch eine fleischlich-sinnliche Einheit ganz besonderer Art symbolisieren soll, ist eben das Bild der Ehe das gegebene und daher auch die Rituale der Hochzeit. So feiert der junge Geistliche seine Hochzeit mit der Kirche nach vorausgegangener Trennung von dem profanen Stande69), so feiert die Nonne ihre Hochzeit mit dem himmlischen Bräutigam60). Bei diesen Riten ist die Bedeutung der Zwischenperiode, des Noviziates besonders klar zu erkennen und von dem Vorstadium und dem Schlußstadium am klarsten abgehoben. Dieses Noviziat dauert manchmal jahrelang, manchmal nur einige Tage, so bei der Chamar-Sekte von Sinnârâyani. Wo es sich um soziale Ü. handelt, ist die gemeinsame Mahlzeit, die auch bei den Hochzeitsfeierlichkeiten eine so große Rolle spielt, nicht nur für die Eheleute, sondern noch mehr für die beiden Sippen belangreich. Sie hat bis heute als Verlobungsund Hochzeitsmahl noch ihre Bedeutung erhalten, die aber auch als Totenmahl einen doppelten Sinn behielt, nämlich den, die letzte Mahlzeit zu sein, die man mit dem Toten in Gemeinschaft einnimmt, und das erste Mahl, bei dem sich die Überlebenden ohne den Toten zu einer lückenlosen Gemeinschaft zusammenschließen, eines der sichtbarsten Merkmale für die Aufnahmeriten, von denen sie oft allein zurückblieb 81 ). Man darf nicht vergessen, daß auch heute noch die einzelnen Stände sehr streng voneinander abgeschlossen sind, und daß das „Berechtigungswesen" der höheren Berufe und die Eifersucht der

1248

Gewerkschaften auf alte Riten und Traditionen zurückgehen. Ein anderes häufig vorkommendes Ritual bei Ü. ist der S c h l a g , sei es als Backenstreich des freigesprochenen Lehrlings, sei es als „Ritterschlag" des Kriegers, sei es als Schlag bei Pfingstspielen und Grenzsetzungen62), sei es als Hammerschlag, mit dem Thor die Ehe weiht und in Melanesien die Toten einen neuen Ankömmling aufnehmen. Als eine Abschwächung des Schlages kann man auch den Brauch betrachten, daß jeder seinen Nachbar am Ohr zupfen muß, wenn eine neue Speise auf den Tisch kommt 63 ). Eine ganze Reihe von Ü. knüpft sich an das Beziehen eines neuen Hauses und einer neuen Wohnung. Zunächst gilt es natürlich, das neue Haus zu weihen, d. h. einerseits von bösen Geistern zu reinigen und mit guten zu erfüllen; aber davon abgesehen ist der ganze Hausbau von der Grundsteinlegung bis zur endgültigen Beziehung mit einer Reihe von Riten verbunden, die unzweifelhaft Ü. sind. Ein alter Mann soll demgemäß auch kein Haus zu bauen beginnen, er müßte sonst sterben. Ein anderer Aberglauben besagt, daß der Hausherr stirbt, wenn das Haus fertig wird. Diese Weihe des Hauses bedingt es denn auch, daß durch ein unziemliches Benehmen das Haus verletzt wird, nicht nur die Bewohner, und daß das Haus entsühnt werden muß, wenn etwa bei den Dschagga ein Fremder ohne Erlaubnis in Abwesenheit der Eigentümer es betreten hat, oder wenn die Rituale der Türe und der Schwelle nicht eingehalten werden. übersiedelt man in ein neues Haus oder eine neue Wohnung, so gilt es zunächst die Trennung von der alten Heimstätte durchzuführen. Zu diesem Behufe darf man nicht vergessen, etwas in dem alten Hause zurückzulassen; weder Katze noch Besen sollen mitgenommen werden64), will man es doch tun, muß man besondere Vorsichtsmaßregeln anwenden. Den Besen muß man den Stiel voran hinaustragen, darf ihn nicht auf den Wagen laden, muß ihn vor allem von Fremden tragen lassen ; die Katze muß man über den rechten Arm durchziehen. In die neue Wohnung muß

1249

man vor allem Salz bringen lassen, Brot, damit man stets etwas zum Essen habe, einen neuen oder alten Besen, insbesondere muß man auch Weihwasser oder Gesangbuch, bald Gäste dort sehen, eine „Housewarming-party" geben, wie der Amerikaner sagt 65 ). Ein Ü. ist auch das „ S p r i n g e n " . In Cremlingen mußten die Hirten, wenn sie wieder gemietet wurden, über einen Stock springen. Man springt in das Neue Jahr; man benutzt das Springen über eine auf die Tenne gelegte Gaffel in Merklinghausen zur Verabschiedung der Fastnacht ββ). Ein typischer Neujahrsbrauch ist es auch, daß man vor dem Neuen Jahr alle seine Schulden bezahlt haben muß — man muß „reinen Tisch gemacht haben", ehe man in den neuen Lebensabschnitt eingehen kann. Das neu eintretende Gesinde muß selbstverständlich noch umständlichere Aufnahmeriten durchmachen; natürlich ergibt sich eine Speisegemeinschaft aus Aufnahmeritus, während aber auch das abziehende zum letzten Male noch ein feierliches Mahl einnimmt. Das Gesinde muß den Herd umwandeln, in den Rauchfang blicken, Wasser holen, das alte Gesinde muß fort sein, ehe das neue antritt, die alte Magd darf nicht ihren Scheuerlappen dalassen (Trennungsritus)®7). Der neu eintretende Knecht darf sich nicht nahe zur Tür setzen, sonst bleibe er nicht lange: auch muß er dreimal mit der Mütze die Schwelle schlagen und im Hof zuerst um den Wagen herumgehen®8). Hier muß auch des Übergangs aus alter in neue Wohnung gedacht werden. Dafür haben sich zahlreiche Vorschriften herausgebildet. Beim Einzug ins neue Haus muß man den Besen mitnehmen6®), ebenso einen Sack Salz70) und diesen hinter dem Küchenofen aufhängen 71 ). Salz und Brot mitnehmen72) bedeutet, immer etwas zu essen haben (jüdisch)73); überhaupt etwas Eßbares mitnehmen, bedeutet allgemein dasselbe74). Während das Mitnehmen von Salz, Pfeffer und Zucker glückbringend ist 75 ), so dasjenige von Eiern unglückbringend76). Dagegen wenn empfohlen wird, in die neue Wohnung B i c b t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube VIII

I25O

Übergangsriten

Schwefel77) und Rauchwerk78) mitzunehmen, so fällt das unter die Bräuche des Abwehrzaubers (s. d.)79). Eine lustige Gesellschaft bald im neuen Hause versammeln, bringt sicherlich Glück80). M) v a n Gennep a.a.O. I35ff. e o ) Census of India 1901, in Ethnograph, appendices β1) v a n G e n n e p (1903) I 7 3 f f . a. a. O. 146. β2) R o c h h o l z Kinderlied 534t. ·3) W u t t k e ,4) H y a t t §379. a . a . O . Nr. 8168 u. 8173. M) Sartori " ) E b d . pass. a. a. O. 3, 123. · ' ) W u t t k e §623. · β ) E b d . §295 u. 623. «») H y a t t a . a . O . N r . 8178. E b d . 8201. » ) E b d . 8202. « ) E b d . 8203. '») E b d . 8109. M ) E b d . 8204. 7 S ) E b d . 8188. ' · ) E b d . 8206. " ) E b d . 8207. E b d . 8209. '») E b d . 7413t. 80 ) E b d . 7418.

8. Nur anhangsweise soll hier auch kurz das Gebiet der Natur und der k o s m i sche V o r g ä n g e betreffenden Ü. gedacht sein, denn diese an die Jahreszeiten gehefteten Bräuche sind an anderer Stelle ausführlich besprochen, vgl. die Art. A b wehrzauber, Wintersonnenwende, N e u j a h r , T o d a u s t r e i b e n . Hier muß der Ubergangscharakter solcher Bräuche grundsätzlich, daher mittels geschichtlicher Analogien beleuchtet werden. Im alten Mexiko wurde beim Wechsel des Jahres (vor allem Übergang von der Ernte zur Saat) nicht etwa an eine Gottheit ein Opfer dargebracht, sondern dafür gesorgt, daß die Götter selber sich verjüngen 81 ). Um ihnen dabei behilflich zu sein, wurde ein den abtretenden Gott verkörpernder Mensch getötet, gewöhnlich mittels Köpfung. Daher eine Gottheit ohne Kopf die spezifische Darstellung der Erdgöttin als sich stetig verjüngernder Macht8*). Anfang Februar hob in Mexiko das furchtbare Menschenschinden an zur Einleitung des großen Jahresfestes, in dessen Mittelpunkt der Frühlingsgott Xipe, d. i. der Geschundene, stand, so genannt wegen der wichtigsten Prozedur der Verjüngung, die durch seine Tötung und Häutung ausgeführt wurde. Wie der Mensch, welcher symbolisch den verjüngten Gott darstellte, sich in des alten Haut kleidete, ähnlich gürteten sich zwei Jünglinge bei den römischen Luperkalien mit den Fellen der bei jenem Feste geschlachteten Ziegen und des Hundes, während sie mit Riemen aus selbigen Häuten umherliefen, die 40

übernatürlich

ihnen begegnenden Frauen schlagend83). Man braucht hierbei nicht zu rechten, ob der Zweck des Schlagens das Austreiben von Schlechtem oder die Anregung des Nützlichen (Fruchtbarkeit) bedeute, denn beides läßt sich nicht reinlich scheiden, geht vielmehr in solchen Riten durcheinander, sowohl in antiker wie primitiver Vorstellung. Jedenfalls hat die Reinigung vom Alten immer eine wichtige Rolle, und selbst am Neuen haftet zuerst noch das Gift des Alten. Drum darf man ja vom ersten Schnee nicht essen, er könnte zu giftig sein 84 ).—Die Ü. zu Neujahr haben sich durch die Aufnahme des Augenblickopportunismus gewandelt und diesen Zug in den Vordergrund treten lassen: man soll am Neujahrstag in jedem Schuh ein Nickelstück tragen88), einen Laib Brot, einen Silberdollar und Salz auf den Tisch legen8®), gerade um Mitternacht einen Bottich mit Wasser auf den Hof stellen und einen Pfennig hineinwerfen87), ja diese Magie wird sogar mit religiösem Gebet verquickt: um Mitternacht ein Stück Geld in der Hand halten und dann mit ihm in die Knie sinken und beten, so wird mans ganze Jahr Geld haben88). 81 ) K. Th. Preuß Phänische Fruchtbarkeitsdämonen, in Arch. Anthrop. N. F. 1, i4of. 82 ) Ebd. 142. 83 ) Beatr. H a r r i s o n Prolegomena to the Greek Religion 52. M ) H y a t t a. a. O. ω Nr. 10687. ) Ebd. 8621. ««) Ebd. 8622. «') Ebd. 8623. »«) Ebd. 8624. K. Beth.

übernatürlich ist ein polarer Begriff zu natürlich. N a t u r (s. d.) ist der Kosmos, wie er als in der Zeit Werdendes oder Gewordenes (im Gegensatz zum unwandelbar von sich aus Seienden, als Geschaffenes) im Gegensatz zum Ewigen (Ungeschaffenen, Ur-Wesenden), als Sinnliches (im Gegensatz zum Unsinnlichen oder Übersinnlichen), als Materielles (im Gegensatz zum Spirituellen), als Geformtes (im Gegensatz zum Chaos wie zum Formprinzip), als Physisches (im Gegensatz zum Metaphysischen), als nach Naturgesetzen mechanistischer oder organischer Art Ablaufendes, den Menschen umgibt und einschließt. Dies ist ein sehr komplexer und uneinheitlicher Begriff; man merkt bei näherer Prüfung, wie Menschen ganz ver-

1252

schiedener Geistesrichtung dieses Wortes sich in ihrem Sinne bedienten, d. h. in immer anderem Sinne, und doch blieb von jeder dieser Verwendungen ein Sediment zurück und beeinflußt nun das Resultat dieser. Das Wort U. bedeutet nun zunächst nichts anderes als nicht-natürlich, ein Begriff, der zunächst ohne konkreten Inhalt ist. Jede Geistesrichtung wird ihn darnach mit ihrem eigenen Inhalt erfüllen. Stets aber liegt darin, daß die Natur nur ein Bereich der Realität ist, neben dem ein anderes Bereich existiert, das ebenso reell ist, wie die Welt, ja, dem Realität in ganz besonderer Weise zukommt. Dieses Bereich manifestiert sich durch Vorfälle außergewöhnlicher Art ; man spricht daher bei solchen Vorfällen, die sich nicht auf Mächte und Kräfte zurückführen zu lassen scheinen, wie sie bei den alltäglichen Vorfällen zugrundeliegen, von ü. 1 ). In diesem Sinne ist dann ü. analog den Begriffen „unerklärlich", rätselhaft, wunderbar, nicht normal kausiert, übersinnlich. Der moderne Mensch verwendet diesen Begriff auch manchmal in dem Sinne, daß er damit das GanzAndere, das Transzendente bezeichnet, dem seine Seele sich nur in dunkler Ahnung nähert. So erlebt der Mensch das Ü. manchmal auch im Bereiche des Moralischen ; in einem Augenblick der Einsichtnahme in die ü.e Welt erkennt er zugleich seine eigene Natur aufs schmerzlichste als in Sünden verstrickt und so ganz verschieden von dem Wesen der ü.n Welt, wie er es sich nie gedacht hätte, ehe sich ihm dieser Einblick eröffnete2). So ist die ü.e Welt heute auch ein Bereich, an dem der natürliche Mensch keinen Anteil hat, einen Anteil nicht haben kann, bzw. auch nur in bestimmter Weise erstreben soll. Fr. K i r c h n e r Wörterbuch d. philos. Grund2 begriffe 467. ) E. M a t t i e s e n D. jenseitige Mensch 15.

2. Der primitive Mensch lebt in der nie bezweifelten Überzeugung, daß neben „dieser" Welt der normalen Erfahrung, sie durchdringend und durchwirkend, es noch eine andere Welt gibt, die Welt der

1253

übernatürlich

„Übernatur" oder der „Vornatur", die mythische Welt 3 ). Das ist eine Welt, in der es nicht unsere Zeitordnungen gibt, die große mythische Zeit der Primitiven ist „die Zeit einer Periode, wo es noch keine Zeit gab" 4 ). Es ist eine Welt, wo „jederzeit alles geschehen kann", eine Welt, der nicht die Attribute von Ordnung und Überordnung zukommen wie der natürlichen. Die Kräfte, die in der ü.en Welt der Primitiven herrschen, handeln jede für sich, unverbunden. Sie koexistieren einfach. Die niederen Mächte sind nicht den höheren untergeordnet, und alle zusammen nicht einer höchsten Macht. Es fehlt jedes organische Prinzip 6 ). Alles geschieht dort nach anderen Ablaufprinzipien. Ein wenige Tage altes Kind kann gehen, sprechen, seine Waffen verfertigen. Wo ein paar Blutstropfen des Kasuar in die Erde gedrungen sind, entspringt ein Fruchtbaum, der andern Tags schon Früchte trägt®). Alle Gestalt ist wandelbar'). Wer einen Dema-Stein (einen mit ü.er Kraft ausgestatteten Stein) besitzt, trägt ihn beständig in einem Beutelchen um den Hals, denn ließe man ihn unbedeckt, wüchsen ihm augenblicklich Füßchen und er würde entfliehen 8 ). In dieser Welt besitzt alles eine höhere Art von „ K r a f t " als der Durchschnittsmensch — und kraft dieser Macht werden hier die größeren Wirkungen erreicht. Diese ü.e Welt erscheint zugleich als eine Welt, in der sich eine ü.e Kraft oder mehrere solche Kräfte, gute und böse, wie auch eine Mehrzahl von Wesenheiten manifestiert. Diese alle zeigen sich in der natürlichen Welt. Sie wirken in sie hinein, sei es spontan, sei es auf Andringen eines Zauberers. Keineswegs wird je ein mythischer Mensch zugeben, daß diese Welt von geringerer Realität sei als die natürliche. Im Gegenteil: die natürliche Welt ist aus der ü.en heraus entstanden. Auf Ereignisse, die sich in dieser ü.en Welt abspielten, geht die Einrichtung der natürlichen Welt erst zurück. Wir grämen uns über die Abwesenheit unserer Lieben nur deshalb, weil in der mythischen Urzeit eine Schwester wegen des Ausbleibens ihres Bruders fast gestorben wäre"). Menschen leben

1254

heute auf Erden, weil in der Urzeit die altjirangamitjina sie erschufen und weil diese noch heute lebendigen großen Geister ihnen noch heute ihre Kraft schenken 10 ). Für den Primitiven besteht zwischen der Welt des Natürlichen und des Ü.en keineswegs ein prinzipieller Gegensatz. Für uns ist die Naturwelt ein Kosmos von fester und dauerhafter Struktur. Nicht so für den Primitiven. Wenn die ÜberNatur für ihn instabil ist, so ist das nur eine intensivere Instabilität als er sie auch der Natur zuerkennt. Ihm ist das Prinzip der Determination für natürliche Phänomene zwar bekannt. Doch hält er daran keineswegs mit solcher Entschlossenheit und Konsequenz fest wie der homo faber und der homo intellectualis 11 ). Wenn er auch das Ü.e vom Natürlichen scheidet, ist ihm dies mehr ein Gradunterschied als ein Wesensunterschied. Ihm ist das Ü.e räumlich, zeitlich und psychisch nah; fast alle Naturerscheinungen können Träger des Ü.en werden. Wenn ein Tier in die Hütte eindringt, wird man sich hüten, es zu töten. Ist die Schlange nicht der Geist des jüngst verstorbenen Verwandten, ist der Leopard nicht die Hülle für einen Geist oder Zauberer ? Eine der wichtigsten Aufgaben für den Menschen ist es, in konkreten Fällen ausfindig zu machen, ob es sich um ein wirkliches Tier oder die Verkörperung eines Geistes handelt. Letzteres ist so wahrscheinlich, daß beim Anblick jedes Tieres der Primitive zunächst letzteres vermuten wird. Denn von vornherein hat das Tier wahrscheinlich mehr Anteil am Ü.en als der Mensch, wenigstens in mancher Beziehung (s. T o t e m i s m u s ) ; freilich kommt dieser nicht allen Tieren in gleicher Weise zu. In Polynesien, wo die meisten Tiergattungen in irgendwelcher ü.er Beziehung stehen, unterscheidet man noch immer sehr wohl zwischen einzelnen Individuen dieser Gattungen, die nur ganz einfach natürliche Tiere sind, und anderen, die Medien oder Materiahsationen des Ü.en sind. Daß man es mit einem Geist zu tun hat, merkt man daran, daß sich ein Tier nicht seiner Art entsprechend benimmt 12 ). Wenn also ein 40-

1255

übernatürlich

Vogel, statt vor dem Menschen zu fliehen, wie es natürlich wäre, sich ihm furchtlos nähert, oder ohne offenbare Ursache mit einem Schrei über sein Haupt hinweg fliegt, so wird man glauben, daß er die Hülle eines Geistes ist. Wenn eine Eidechse glänzt, als hätte man öl über sie ausgegossen, manifestiert sich in ihr das Ü. 1 3 ). Oft merkt man erst zu spät, daß man nicht eine gewöhnliche Frucht gegessen hat, sondern ein ü.es Wesen14). So durchdringt sich für den Primitiven das Bereich beider Welten. Aber nicht nur im Ausnahmefall, nicht nur im Außergewöhnlichen, sondern beständig und gewissermaßen natürlicherweise. Der Mensch partizipiert an und für sich (ebenso wie das Tier) an beiden Welten, weil er (wie es) an der großen Lebenskraft an und für sich partizipiert. Daneben kann er dann noch im besonderen Träger von Ü.em sein, wie es etwa bei den Ewe unter den Tieren die Krokodile sind 15 ) oder bei den südafrikanischen Bergdama die Löwen16), im deutschen Aberglauben die Katzen und Spinnen; unter den Menschen gibt es besondere Völkerschaften oder Kasten (Geschlechter), denen man vorzugsweise magische Fähigkeiten zutraut; insbesondere die hervorragend begabten Individuen, Medizinmänner, Schamanen, Zauberer, Magier glaubt man im Besitz von Gaben, die der Durchschnittsmensch entbehrt 17 ), sei es weil die Geister ein für alle Mal in sie eingegangen sind 18 ), sei es weil sie die Gabe erwarben, sich nach Lust mit ihnen in Beziehung zu setzen. Aber auch die ganz natürlichen Tiere 19 ) ebenso wie der Durchschnittsmensch sind mit dem Ü.en in beständiger Beziehung, von ihm getragen. So ist die ü.e Welt eigentlich nur eine Erweiterung der natürlichen, gewissermaßen ihre andere Seite. Görres 2 0 ) spricht deshalb auch nicht von Natur und ÜberNatur, sondern von niederer und höherer Natur, Dacqué 2 1 ) von äußerer und innerer. Der Magier, als der Mensch, der das Wirken der Natur von innen her zu beeinflussen versteht, so daß sie ohne Werkzeug und in der Art, als handelte sie von selbst, seinen Willen befolgt, das

1256

ist der Mensch, der von den Gesetzen und Beziehungen dieser inneren Natur Kenntnis hat, der an ihr Anteil hat, weil er sich ihr zum Opfer hingegeben hat. Denn nie kann man die Ubernatur bezwingen oder mit ihr in Beziehung treten, es sei denn, man zahlte den Kaufpreis und gebe sich an sie hin. Diese Anschauung von der Welt des Ü.en und jenem nah-fernen Bereich, das in unserer Zeitlichkeit und in unserer Räumlichkeit drinn steht, ohne doch mit ihr identisch zu sein, beherrscht auch das deutsche Märchen und den deutschen Aberglauben. Die Welt des Märchens ist eine solche, wo alles möglich ist, wo die Verwandlung der Gestalten (s. Verwandlung) zum Alltäglichsten gehört, wo der Mensch seine Gestalt wie ein Kleid ablegt und wieder anlegt, wo jedes Begebnis mit ü.er Bedeutung geschwängert ist, wo die Macht der Feen und Geister keine Beschränkung kennt, wo andererseits aber auch der Mensch an allem Wunderbaren partizipiert, zumal, wenn er durch irgendeine Aktion (Bund mit dem Teufel, mit den Heiligen, Leisten oder Entgegennehmen von Diensten, durch bloße innere Bereitschaft) dazu prädisponiert erscheint. Auch hier ist nicht jeder in gleicher Weise begabt; die Art, wie einer in diese Welt so intensiv eintritt, daß er dort gewissermaßen aktiv werden kann, bedingt meist eine Vorbereitung längerer oder kürzerer Dauer oder eine solche Vorbereitung ersetzende einmalige große Tat, wenn nicht durch Vererbung oder Einweihung ihm schon die Gabe verliehen ist. Sonst bleibt er nur passiv Spielball und Gegenstand dieser Mächte. Auch hier im deutschen Aberglauben unterscheidet man den Glauben an die „Macht" und an die Träger und Handhaber der Macht, an die Geister und Feen (vgl. den Art. Präanimismus). Am auffälligsten ist, daß man sich der N ä h e dieses Ü.en stets so intensiv bewußt bleibt, bis in unsere Tage hinein. Jeder Vogel kann ein Omen sein, jede unbedachtsame Handlung (Hinwegschreiten über ein spielendes Kleinkind) die Mächte entfesseln. Diese Geisteshaltung unterscheidet sich damit fundamental von allem

I257

übernatürlich

Determinismus und bis zu einem gewissen Grade von allem Mechanismus in der Weltanschauung; aber sie unterscheidet sich noch grundsätzlicher von der spirituellen Geisteshaltung der transzendenten Erlösungsreligionen, so weit sich diese auf den Urgrund der Welt beziehen, auf die Esoterik der Religion. Deshalb versteht man auch, daß sich im Ägyptertum, im Griechentum, im Hellenismus die mythische Weltanschauung neben der monotheistischen Richtung erhalten konnten; die Welt des U.en ist nicht die höchste, erst hinter ihr, dem profanen Geiste unerreichbar, erhebt sich die Welt des Göttlichen. Dies war ein Problem, mit dem besonders die Gnosis rang; die Welt der Geister, Dämonen und populären Götter, zu denen viele ihrer Richtungen auch den Judengott Jahweh zählten, war nur die Welt des Ü.en; wer die Erlösung finden wollte, mußte durch sie durchstoßen und dann konnte er erst in die Welt des wahren Guten gelangen. Diese Welt des Ü.en Schloß wie ein Dach den erlösungsbedürftigen Menschen von dem Schatz des wahren Heiles ab. Und nur in Verkleidung konnte der Erlöser diesen Ringwall um die Erde durchstoßen. Diese Welt des Ü.en ist Urheber der Psyche desMenschen: aus dem Schweiße der „Archonten" ist seine Seele gemacht. Deshalb ist der Durchschnittsmensch hylisch (er hat an der Materie Anteil), psychisch (er hat Anteil an der dämonischen Uber-Natur), pneumatisch aber kann er nur durch ein Wunder (etwa in mysterischer Weihe) und durch die Überwindung dieser ÜberNatur werden. Die Geburt und die darauffolgenden Riten der Aufnahme in die menschliche Gemeinschaft lösen das Kind (s. d.) teilweise aus der ü.en Gemeinschaft, dem es als ungeborener Geist angehörte. Dann folgt im Laufe seines Lebens bei den Primitiven eine immer intensivere Rückeroberung jener Welt — der Mensch wird sich bewußt, daß er Bürger zweier Welten ist und in beiden Machtbefugnis hat. Der dritte Schritt, den die Religionsgeschichte kennt, führt den Menschen dann erst in das Reich des Ganz-Anderen, in das Reich des Geistes.

3)

1258 L. L é v y - B r u h l

La

4of. 74. 80. 223 et pass. kin

Mentalité

P. W i r z

Die

6)

primitive

a. a. O. 5; A. P. E I -

The secret life of the Australian

Oceania III I35f. e)

4)

aborigines,

L é v y - B r u h l a. a. O. 3.

Marind-anim

von

holländisch

Stid-Neu-Guinea I I 70. ') L é v y - B r u h l a. a. O.

37. 301. ») P. Wirz a . a . O . II 178. ») L é v y Bruhl a. a. O. 174. 10 ) Ebd. 29. l x ) Ebd. 223. 12)

R. F i r t h Totemism in Polynesia, Oceania I

305f.;

Th.

Koch-Grünberg

Vom

Ro-

1 3 ) R. F i r t h roima zum Oriniko I I I 187!!. a. a. O. 318. 1 4 ) V . L e b z e l t e r Eingeborenen-

kulturen in Süd-Westund Süd-Afrika 16) Α. Β. E l l i s 167. The ewe-speaking

73f.

M) Ebd. 6.

(1934) peoples

» ) L. L é v y - B r u h l Le Sur-

naturel et la nature dans la mentalité

primitive,

ch. VI, 165—218.

le)

1β)

The african child in proverb,

R . S. R a t t r a y

P. Wirz a . a . O . IV 41.

folklore and fact, Africa I V 469 (1933). ao ) G ö r res Die christliche Mystik II. pass. 2 1 ) Edgar D a c q u é Natur

und

Seele.

3. Es liegt dem Primitiven ferne, die Geisterwelt nach moralischen Grundsätzen zu beurteilen. Selbstverständlich unterscheidet er schon zwischen legitimem und illegitimem Zauber, zwischen Zauber zu erlaubten Zwecken (Fruchtbarkeits-, Heilungs-Zauber u. ä.) und Zauber zu verbotenen Zwecken (Tötungszauber). Andererseits ist der Tötungszauber von selten der berechtigten Medizinmänner und im Stammesauftrag erlaubt22). Jedenfalls aber liegt der Unterschied in der Zwecksetzung und dem freien Willen des Magiers, nicht in der Art der Mächte und Kräfte, mit denen er es zu tun hat. Erst eine viele höhere Entwicklungsstufe scheidet innerhalb des Bezirkes des U.en zwischen Rein und Unrein, Heilig und Besessen, Göttlich und Teuflich. Diese Scheidung ist eine so späte und oberflächliche, daß noch das Alte Testament dasselbe Wort für die beiden, sachlich freilich schon streng unterschiedenen Gebiete, verwendet; der Obergedanke ist dabei, daß es den Gedanken der gemeinsamen Zugehörigkeit beider zum Ü.en und damit den Gegensatz beider zu dem Profanen oder Säkularisierten hervorhebt. Dies enge Ineinander von Göttlich und Teuflisch erklärt viele Wendungen in der Religionsgeschichte23). Bestände dieser Zweifel nicht stets in der Volksseele, daß sie sich zwar klar ist, es mit ü.en Mächten zu tun zu haben, niemals aber ganz sicher ist, ob mit guten oder bösen, mit wohlwollenden oder feindlichen, mit Gott oder

übernatürlich

1259

dem Teufel, daß keine Gestalt dauernd ist und keine Eigenschaft mit Sicherheit als echt angesprochen werden kann, so wäre weder den Kirchenvätern möglich gewesen, die alten Götter des Heidentums einfach in Dämonen umzudeuten, noch die unzähligen Berichte des Hexenglaubens, daß man den Teufel für einen Engel des Lichts gehalten habe und nur zu spät aufgeklärt worden sei, daß man es mit dem Teufel der Lüge zu tun habe. Wieder ist es eine Wendung ins GanzAndere, wenn den Hochgöttern und den Göttern des Monotheismus nachgerühmt wird, daß sie beständig, treu, zuverlässig, unwandelbar, festen Gesetzen nachwirkend, feste Gesetze fordernd, ihren Bund ohne List oder Betrug einhaltend sind. Freilich „hat auch die Hölle ihre Gesetze". Moralische Gesetze aber nur insofern und (religionsgeschichtlich betrachtet) nur insoweit, als das U.e einem größeren Kosmos unter- und eingeordnet erscheint, als die oben geschilderte primitive Anschauung nicht mehr allein herrscht. Jene Gesetzlichkeit, welche auch der Primitive kennt, ist die Gesetzlichkeit der Macht oder der Kontingenz, der Partizipation, keine psychologische oder moralische Gesetzlichkeit. 23 ) B e t h Religion und Magie2 3 7 3 I 301 fi.

23 )

Ebd.

4. Schon auf primitiver Stufe war man sich bewußt, daß man der ü.en Welt nur dann recht bewußt wird, wenn man sich in einen abnormalen Bewußtseinszustand versetzt. Dieser Bewußtseinszustand wurde als menschlich, d. h. als innerhalb der Reichbreite eines besonders begabten menschlichen Bewußtseins gelegen betrachtet. Aber doch galt es durch besondere Mittel eine besondere Reaktionsart hervorzurufen, um die richtige Partizipation zu erreichen. Besonders galt die E k s t a s e , durch welche Mittel auch herbeigeführt, als ein Weg, mit den Mächten in Verbindung zu treten und den Enthusiasmus, die Vergottung, herbeizuführen. Auf der andern Seite freilich kam diese Vergottung ganz zufällig. Ein Primitiver erzählt, wie er in der Wildnis

1260

eine Kokosnuß geöffnet und ihren Saft getrunken hatte, und bei dieser Gelegenheit sei er inne geworden, wie der Geist der Kokosnüsse in ihn eingegangen sei und in ihm Quartier genommen habe24). Deshalb ist der Unterschied zwischen Begeisterung und Besessenheit, zwischen dem Wissen um die Methode, den Weg zu den Ü.en zu finden, und dem beständigen Kontakt mit den Ü.en, bzw. dem Ü.-Sein nur ein gradueller. Und daher rechnet das Volk auch den im dauernden Ausnahmezustand seienden Wahnsinnigen unter die Heiligen, während der Prophet sich in den Ausnahms-Zustand versetzt. Alle diese Grenzen sind fließend. Man kann nur mit dem deutschen Märchen nicht genug stark betonen, daß, wenn man auch nur mit Fingerspitze an diesen Bereich tippt, der Finger dauernd golden wird. Das Ü.e steckt an. „Die wahre Magie liegt in den geheimsten innersten Kräften des Geistes; unsere Geistesnatur ist uns aber noch nicht enthüllt; alle Wunder der Geister lösen sich am Ende nur im Wunder nnseres eigenen Geistes"25) schreibt ein moderner Magier. 2 1 ) L é v y - B r u h l a. a. O. pass. 2S ) J. E n n e m a s e r Geschichte d. Magie (1844) X X V I I .

3. Es gibt drei W e g e , sich dem Reich des Ü.en zu nahen, den Weg der M y s t i k , den Weg der Magie und den Weg des Ritus. Alle drei berühren sich aufs engste. Es wird auch kaum je ein Mensch den Weg der Magie beschritten haben, ohne sich mit Mystik und Ritus zu beschäftigen. Der Weg der Mystik ist das Innewerden und Ausgestalten der Partizipation durch eine Vertiefung in das Wesen des Ü.en in Selbsthingabe und Preisgabe des Ich, dessen enger Bereich durch die angewendeten Mittel zersprengt werden soll. Ritus ist der hingebende Dienst an ein Ü.es, ohne Rücksicht darauf, ob eine Partizipation erreicht werden soll. Ritus erfolgt oft ohne Rücksicht auf die erwartete Unio ja dort, wo man Partizipation für unmöglich hält. Ritus hat oft magischen Charakter. Wenn die ägyptischen Priester die Sonne auf ihrem Nachtlauf begleiten und durch ihre Riten gegen die Mächte der Finsternis stärken.

überschreiten—Überschwemmung

so ist dies offenbare Magie — und nicht einmal ganz selbstlose — aber als kosmische Magie von dem unterschieden, was man im allgemeinen unter dem Wort Magie versteht. Fast nie aber kommt eine magische oder zauberische Handlung ohne irgendeine Art von Ritus oder Mystik zustande. Denn sie setzt immer eine Partizipation des Zaubernden voraus. Dacqué will allerdings zwischen Magie und Zaubereien, die er die (entseelte und mechanisierte) Physik der Magie nennt, einen Unterschied machen. Aber es ist immer nur ein Gradunterschied. Im Grunde hängen die drei Wege aufs engste zusammen. Der Ritus gibt sich hin und befolgt die Regel, den Auftrag des Ü.en, in der Hoffnung, daß einmal, aus freien Gnaden, er vor dem Wesen, dem der Ritus gilt, wohlgefällig erscheinen wird, daß es, wenn man ihm tut, was es liebt, sich auch dem Opfernden neigen wird. Der Mystiker sucht der Nähe des Ü.en inne zu werden, sucht sich ihm so anzupassen, daß die Partizipation enger und bewußter werden kann, indem die Wesensunterschiede geringer werden. Der Magier sucht, da er sich der Partizipation bewußt ist, diese zur Erreichung seiner Zwecke zu verwenden. Als „ H e x e " oder „Zauberer" im engeren Sinn ist der Magier dann anzusprechen, wenn er seine Partizipation mit dem Ü.en zu niedrigen Zwekken verwendet (vom menschlich moralischen Standpunkt aus betrachtet) oder wenn er die Partizipation mit dem Ü.en überhaupt nur um des Machtgewinnes willen gesucht und aufrecht erhalten hat. Deshalb droht jedem Bund mit dem Ü.en Gefahr, wenn der Mensch ihn damit beginnt, daß er sich von dem Ü.en etwas schenken oder versprechen läßt (Rumpelstilzchen), während er gefahrlos sich von ihnen dienen lassen kann, wenn sie sich ihm freiwillig nahen, oder Geschenke annehmen darf, mit denen sie seine ohne Absicht auf Lohn geschehene Leistung vergelten. K. Beth. überschreiten s. s c h r e i t e n über(Nachtrag). Überschwemmung ist oft die S t r a f e für Gottlosigkeit x ) wie die Sintflut (s. d.).

1262

Christus wurde von einem hartherzigen Bauer, als er um Speise und Trank bat, abgewiesen; er ging fort und weinte, die Tränen bildeten einen Strom, der die Felder des Gotteslästerers überschwemmte; so ist der Kälterer See inTirol entstanden 2 ). Ebenso wird Windischmatrei in Tirol oft überschwemmt, weil der ewige Schuster dort keine Herberge fand®). Die Nisselburger 4) verspotteten den wilden Mann, der grub einen See aus, dessen Fluten die Stadt vernichteten (s. a. See). Die angeschwollene Flut ist ein r e i ß e n d e s T i e r , was in einigen Sagen deutlich durchblickt : im Beichental im Elsaß kam bei einer durch Wolkenbruch veranlaßten Ü. ein großer Drache auf dem Wasser angeschwommen, der nur mit Mühe getötet werden konnte B ) ; in Oberdeutschland weilen in manchen Bergen Drachen, deren Hervorbrechen den Beginn einer großen Wasserflut bezeichnet ·). Auf dem heranbrausenden Wasser sitzen, wie auf der Lawine (s. d.), D ä m o n e n , die die U. verursachen; in der Schweiz reiten Hexen auf einem Baumstamm ') oder auf den Wellen sitzend 8) bachab ; wenn die Emme anschwillt, kommt ein grünes Männlein auf einer riesenhaften Schlange den Bach herabgeritten; es schwingt einen Stab in der Luft, aus dessen Schwingungen man ersehen kann, ob die Emme Schaden anrichtet oder nicht 9 ) ; im Schwyzer Wäggitale reitet das Muothiseel, ein wilder Sturmgeist, auf einem Drachen den plötzlich hervorbrechenden Waldwassern vom Gebirge herab voran 1 0 ) ; anderswo läuft vor der Ü. ein Männlein im Flußbett daher, das mit seinem Stock rechts und links ans Ufer schlägt u ) , oder es sitzt, seinen Hut rechts und links schwenkend, auf einem großen Block, der dem Geschiebe vorauseilt 1 2 ) ; in Böhmen reitet der Wassermann auf einem halben Bock den Bach hinunter 1 3 ). Der „Haalgeist" in Schwäbisch-Hall warnt vor der Ü., indem er drei bis vier Tage vorher mit seiner Laterne vom Kocher her auf die Stadt zuschreitet und beständig laut ruft : „ R ä u m t aus, räumt aus" M ). Megenberg berichtet in seinem Buch der Natur (416) von einem großen Meer, in dem sich eine

übertragen—Uhi, upuli

1263

stille Quelle befindet; bläst man in der Nähe auf Schalmeien oder Posaunen, so überströmt das Wasser die Ufer. Das Gleiche tut ein See in der Schweiz, wenn ihm dreimal zugerufen wird 1 6 ). Wenn im März Nebel fällt, folgt hundert Tage nachher eine große Wasserflut 1β ). Gargantua veranlaßt eine Ü. durch Pissen 1 7 ), ebenso die Tochter des Riesen Geirröd in der Jüngeren Edda 1 8 ), als Thor den Wimurfluß durchwatet. Von vielen Seen ist prophezeit, daß sie dereinst ausbrechen und die Ortschaften in der Nähe vernichten werden (s. See). Um U.en zu v e r h ü t e n , finden Prozessionen statt 1 9 ), den Flüssen werden Opfer 20 ) gebracht (s. a. Fluß). In Ordelbach bei Eichstädt gießen die Nonnen Walburgisöl ins Wasser, um das Land vor Ü. zu schützen M ). T r ä u m e von Hochwasser deuten auf Krankheit a ) oder Todesfall 23 ).

X264

was um so zweifelhafter, als im Mnd. die Form Schulle für Scholle belegt ist. 3)

B r e h m 3, 190. Ebd. 155.

2)

BIPommVk. 5, 128. f Hoffmann-Krayer.

Uhi upuli, Zauberworte, die mit dem

fließenden Blut zur Stillung des Nasenblutens dem Patienten auf die Stirn geschrieben werden 1 ), auch in der Form: uPuLu 2 ) O I P U L K 3 ) und OIPULU 4 ). Der Straßburger Arzt von Linderen s ) berichtet: „Sonsten eine lächerliche Cur das Bluten zu stillen, habe offtermahlen von einem Landfahrer gesehen, so cum exoptato successu das Bluten gestillet, blos mit des Patienten eigenem ausfließenden Blut, dieses Wort mit großen Buchstaben an die Stirn OPVLVS, schreibende, woher aber diese Würkung entstanden, lasse ich curiose Gemüther darüber ihre Gedanken fassen". Jüdisch®): „Schreib einem Mann κ'τεκ, einer Frau η'ρηεκ auf die Stirn", „Oder schreibe auf seine (des G r i m m Myth. 1, 481; G r a b e r Kärnten Stirn oder nach 262 fi.; U s e n e r Sintflut 246 f. *) Z i n g e r l e Blutenden) Sagen, Märchen u. Gebräuche aus Tirol (1859) andern (vgl. Ps. 77) oder nach N r . 457 B . s ) H e y l Tirol 680 N r . 158. «) E b d . 343 N r . 15. «) S t ö b e r Elsaß 1 , 50 N r . 71. einer dritten Ansicht npb*" ?). · ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 82 N r . 2. 7 ) Der kurpfälz. Arzt Bäumler gibt folgende L ü t o l f Sagen 40 f . ; M ü l l e r Urner Sagen 1 , 1 2 7 Mitteilung über den Gebrauch des Wortes Nr. 177. 8 ) L ü t o l f a. a. O. 280 f.; M ü l l e r a. a. O. 128. •) V e r n a l e k e n Alpensagen 78ff. bei Nasenbluten8) : „Espflegen auch etliche N r . 62. 63. 1 0 ) R o c h h o l z Sagen 2,13. " ) V e r folgende Buchstaben : O. I. P. U. L. U. mit n a l e k e n a. a. O. 37. i a ) J e g e r l e h n e r Sagen einem Stroh-Halm ins Patienten Blut 1 3 2, 220 N r . 139. ) K ü h n a u Sagen 2, 354. 1 4 ) M e i e r Schwaben 1, 95 f. 1 S ) L ü t o l f a. a. O. eingetunckt auf die Stirn zu schmieren, le) Grimm das Bluten dadurch zu stillen, worauf son277. a. a. O. 3, 444 Nr. 318. 1 7 ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 459. " ) Thüle 20, derlich Agricola und Cardilucius viel hal152. w ) G r o h m a n n 74 Nr. 531. 2 0 ) S é b i l l o t ten, hat auch würcklich bey vielen die Prob a . a . O. 2, 336 ff. 2 1 ) Q u i t z m a n n Baiwaren erwiesen: Ich halte aber davor, und ist 168. M) ZfVk. 4 (1894), 85. 2 a ) ZfrwVk. 4 auch der Vernunfftgemäß, daß der Effect (1907). 272. Hünnerkopf. nicht von den Buchstaben, sondern des übertragen s. Nachtrag. Patienten starker Imagination herrühre, Übertragungstheorie s. Elementar- als wodurch die Natur von ihrem Irrweg abgerissen und auf diese curieuse Stirng e d a n k e 2, 7660. schrifft zu gedencken veranlast wird".

überzählig s. Zahlen Λ.

Uckelei m., W e i ß f i s c h , A l b e l e u. v. a. 1 ) (Alburnus lucidus). In einem Neustettiner Zauberbuch steht der Segen : Die Okelei und die Schule (Scholle?) Gehn beide zur Misbule; Die Okelei stand, Die Misbule verschwand, t t t 2)·

A. Treichel sieht in der „Okelei" nicht einen Fisch, sondern die Krankheit „Uklei" (Reißen oder Blattern am Fuß) 3 ),

1)Musäus

Mecklenburg 103 Nr. 6; B a r t s c h

Mecklenburg 2, 372; Z d V f V k . 7 (1897), 291.

3 ) H o v o r k a u. Urquell 2 (1891), 177. 4 ) Urquell 3 (1892), 199 K r o n f e l d 2, 370. nach Thurneisser; H. S c h e l e n z Geschichte d. 2)

Pharmazie (1904), 260 n a c h J . N . M a r t i u s Magia naturalis (1751). Fr. Balthasar v o n L i n d e r e n Medic. Passe-Par-tout ( S t r a ß b u r g r739)

!>

61

; Seyfarth

Sachsen 173; O h r t

Trylleforsch. 2, 118. · ) M j d V k . N . R . 1906, 8 ) G. S. 116 Nr. 74. ') a. a. O. 116 Nr. 71. B ä u m l e r s Mitleidiger Arzt ( S t r a ß b u r g 1736),

140; Joh. A g r i c o l a schrieb eine Wundarznei

1265

Uhr

(Nürnberg 1643), Cardüucius die neu aufgerichtete Stadt- und Landapotheke (Nürnberg 1677 u. 1684), ferner Magnolia medico-chemica (ebda. 1676), Königl. chym. u. arm. Palast (ebda. 1684). Jacoby.

Uhr. I. Die Uhr (aus hora, ô > û) erscheint heut durchgängig als der normale Zeitmesser. Das ist ein Fortschritt aus einem Stadium, das heut nur noch in einigen verblassenden Resten nachklingt. Der Bauer hatte ehemals andere Merkzeichen, an denen er die Zeit und ihr Fortrücken bestimmte. So ward der Anbrach des Morgens durch den Hahnenschrei bezeichnet 1 ); wenn der Hahn kräht, ist die Zeit der nächtlichen Wesen, des Teufels 2 ) wie der Wiedergänger 3 ) aus. Der erste Strahl der Morgensonne setzt dem Treiben der Trolle ein Ende 4 ). Wenn heut in vielen Sagen die „Geisterstunde" als „Stunde" definiert wird, wenn sie auf die Zeit von 12 bis i 8 ) oder auf die zwölfte Stunde 6 ) begrenzt wird, so setzt das die Kenntnis der üblichen Zeitmessung durch irgendeine U. voraus, ist also als verhältnismäßig jung anzusprechen. Dasselbe wird für die Zeitbestimmung in ostdeutsch-slavischen Sagen zu gelten haben, wenn in ihnen die Zeit des Umwandeins der Mittagsfrau, der Przepolnica auf die Stunde von 12 bis 1 U. mittags begrenzt wird'). Ursprünglich war die Zeit der daemones meridiani wohl nur ein ungefähr bestimmter Zeitabschnitt : die Zeit der dem ländlichen Arbeiter gegönnten Ruhe 8 ). Dasselbe scheint mir für den Schluß der Arbeit am Abend zu gelten; es ist Feierabend, wenn die Sonne untergeht, und wer diese Zeit überschreitet, fällt den Wesen des Dunkels in die Hände»). Daneben treten festere Bestimmungen hervor. Es ist für die Mäher im Hirschberger Tal des Riesengebirges Mittag, wenn die Sonne über dem Mittagstein steht, Abend, wenn sie (freilich nur in den Tagen um Johanni) über der Abendburg untergeht 10 ). Ob der deutsche Bauer die Methode der Schattenmessung kannte, um nach ihr die Mittagsstunde zu bestimmen, weiß ich nicht, scheint mir aber sehr zweifel-

1266

haft, — wie ich auch der Meinung bin, daß die häufig vorgetragene Hypothese, man habe in priesterlichen Kreisen des alten Germaniens raffiniert ausgeklügelte Methoden der Jahresmessung über Erdmarken (Teudt), Steinsetzungen (vgl. Stonehenge), gekannt, bislang wirklicher Beweise entbehrt. Eine Messung nach Sternorten mag früher unter den Bauern in einfachster Art geläufig gewesen sein; noch meine Großmutter konnte aus dem Stand des Sternbildes „Großer W a g e n " die ungefähre Nachtzeit schätzen; — heut ist das Wissen darum wohl verschwunden. Im Kinderspiel, sei anhangsweise noch erwähnt, blasen die Kinder einmal über den Fruchtstand eines abgeblühten Leontodon taraxacum, und soviel Löcher sich auf dem Fruchtboden danach zeigen, soviel ist die U. 1 1 ). L a u f f e r Der Uchtvogel, in FestschriftBorchling 1933; T r e i c h e l in: Urquell N . F. 2, 183. a ) Vgl. etwa P e u c k e r t Schlesien 259f. 3 ) Vgl. P e u c k e r t Schlesien 138. 4 ) H a r t m a n n 5) Trollvorsiellungen 1936, 68. Peuckert Schlesien 124 1 2 4 I 138f. 152. ·) Ebd. 136. ' ) Ebd. 200f. e ) Ebd. 200. ») Ebd. i23f. 199Í. 1 0 ) Vgl. die „Felsuhren" im 201. Berninatal: H. B o c k Die Uhr 1917 2 (ANuG 216), 9. " ) Urquell N. F . 2, 183.

2. Die Fixierung bestimmter Zeitpunkte im Tageslauf ist dem Bauern wohl zunächst durch die Kirche gewiesen worden. Noch heut gilt das Mittag-, Feierabend·Angelus- 12 ) Läuten als Zeitmarke, und das klingt auch in den Sagen noch nach: Einem Bauern, der unter der Burg Schnallenstein nach dem Abendgeläute sein Kleeheu weiter zusammenrechte, rief eine jenseitige Stimme „Feierabend"' so laut zu, daß man es bis im Ort hörte 13 ). — Für Priester und Ordensleute war ja das Festlegen der Stunden um ihrer geistlichen Pflichten willen eine viel stärkere Notwendigkeit als für den Bauern, und aus der Kirche, dem Kloster werden auch die ersten genauen Zeitmesser, Sonnen- 14 ), Wasser- und Sand-U.n gekommen sein, die man aus der antiken Welt übernahm 1 5 ). Schon die übliche lateinische Umschrift vieler Sonnen-U.n weist darauf hin (s. u.). Die Räderuhren hat angeblich Papst Sylvester II. 996 erfunden; Schlaguhren mit Räderwerk treten in

I2Ó7 Klöstern seit dem 12. Jh. auf 16 ), im bürgerlichen Leben seit 1363 17 ); die Taschenu.en seit etwa 1500/151018). Die Ausbreitung der Wand- und Hausuhren scheint erst im 18. Jh. vor sich zu gehen, wie Braunschweiger Beobachtungen lehren 18 ). l a ) Durch obrigkeitliche Verordnung Anfang d. 14. Jh.s in Deutschland eingeführt: R ü h l 13) bei H o o p s Reallex. 4, 305. Peuckert Schlesien 201. 14 ) II. Reg. 20, 9 — 1 1 ; B o c k Uhr 9. " ) B o c k Uhr 9; R ü h l bei H o o p s Reallex. 4, 372. *·) R ü h l in H o o p s Reallex. 4, 372; B o c k Uhr 22. 1 7 ) R ü h l 4, 305; F. F u h s e Handwerksaltertümer 1935, 234 nennt 1352. l e ) F u h s e Handwerksaltertümer 234.

3. U. und L e b e n s z e i t . Aus den soeben •erwähnten Inschriften klingt ein Gedanke in immer neuen Wendungen wieder auf: una ex hiesce morieris19), Ultima necat, oder: vulnerant omnes, ultima necat 20 ), Ultima latet 21 ) usw. Solche Gedankengänge mögen der asketischen Atmosphäre eines Klosters nicht fern liegen, — ich möchte aber glauben, daß •die ursprüngliche Gleichung ,,U." und ,,Lebensdauer" nicht mit der Sonnenu. zusammenhängt ; die Symbolkraft des den Schattenstab umgebenden Halbrunds oder Dreiviertelrunds erscheint mir zu wenig zwingend; auch entbehrte das Altertum, so weit ich sehe, dieses Bild. Hingegen bietet die Tatsache des Ablaufs des ungehemmt rinnenden Sandes in der Sandu. eine viel stärkere Möglichkeit zum Vergleich mit dem Verrinnen des Lebens, — ein Vergleich, der sich ähnlich in dem sich ständig verzehrenden Holzbrand des Meleager, dem LebensLicht bietet. Ich glaube, daß wir deshalb die Bezüge auf Tod, Sterben, Ablauf des Lebens, die an der U. haften, zuerst bei der Sandu. finden werden, mit welcher ja auch seit dem MA. der Tod ausgerüstet erscheint, und die noch in Schillers „Teil" bedeutend nachklingt 22 ). Erst nach solcher Zusammenordnung der Bilder „Lebenslauf" und „ U . " mag die Beziehung "weiter gegriffen haben; sie läßt bei der Wandu., die durch Gewichte betrieben wird, das Bild vom „Ablaufen", noch Verwendung finden22»), ist aber sonst gezwungen, das Motiv neu zu formen; so

Uhr

1268

führt die Anordnung der Ziffern im Dreiviertelkreis bei der Sonnenu. wie die im Kreis bei der späteren Wandu. dazu, das Bild von der einen, ungewußten, die die Sterbestunde sein wird, zu prägen23). Das Ticken der Wand- oder Taschenu. führt zum Vergleich mit dem Herzen und seinem uhrwerkähnlichem Schlagen, ein Bild, das durch die von Löwe vertonte Ballade in weiten Kreisen der bürgerlichen Welt Eingang fand. An den Stundenschlag der Haus- und Turmuhren endlich knüpft eine reiche, auf den Tod bezügliche, Geräusch-Wahrsagung (s. auch d.). 1 · ) Detlev v. L i l i e n c r o n Ges. Werke 2 (1911), 265. 20) Rieh. Z o o z m a n n Zitaten- und Sentenzenschatz d. Weltliteratur 1911, 1470. 2 1 ) C. F . M e y e r Huttens letzte Tage VII. 22 ) Wilh. Teil I V 3. a2a ) ZfdMyth. 3, 174: (Böhmen) In dem Augenblick, da die Seele sich vom Leibe löst, 23 ) Vgl. hört man eine U. schlagen. Zoozm a n n 1470: Umschrift einer Standuhr: Sieh an die U. und sag mir an, zu welcher Stund man nicht sterben kann.

4. U. symbolisiert des Menschen Leben. I. Der Gedanke tritt am deutlichsten in dem Glaubenssatz hervor, daß die U. beim Tode ihres Besitzers stehen bleibe24) ; das Leben des Menschen und das der U. läuft parallel. Gewöhnlicher ist die Annahme, daß die Hausuhr in der Sterbestunde oder -Sekunde stehen bleibe26), bei deren Nahen langsamer gehe25»). Hier ist nicht klar ausgesprochen, daß es sich um den Tod des Hausherrn, also des Besitzers handelt, doch läßt sich das aus mehreren Umständen erschließen, — so wenn der U. wie dem Vieh der Tod angesagt wird 26 ), was gemeinhin nur beim Tode des Hausherrn geschieht. Von der U. fürchtet man in Lothringen, sie bleibe sonst, wenn der Tote der Hausherr war, stehen27), in Schlesien28) und Frankreich28) allgemeiner, sie gehe sonst nicht mehr richtig. Die alte Schmidten in Haasel (Vorgebirge des schles. Riesengebirges) bemerkt: man hat eigentlich nie gehört, daß die U. stehen bleibe, wenn's Weib stirbt; aber wenn Er stirbt, steht sie immer (mündl.). Ich sehe in diesem Gedanken auch den ersten Anlaß, die U. bei Eintritt eines Todesfalles anzuhalten30). Man sagt dafür als Grund,

I2Ó9

Uhr

•die Lebensu. sei abgelaufen 31 ), im fränkischen Niederhessen: das Herz der Familie habe aufgehört zu schlagen32), öfter ist es eine Vorschrift, sie anzuhalten, wenn ein Mensch im Sterben liegt 33 ), er könne sonst nicht sterben34); man glaubt im Braunschweigischen, daß er so leichter sterbe 35 ); ganz offensichtlich gehört das auch in den soeben aufgewiesenen Gedankengang. Ebenso meint man, daß jemand erst sterben könne, wenn der Perpendickel angehalten würde36). An eine ähnliche Beziehung wird man glauben dürfen, wenn es heißt, daß die Fabriku. beim Tode des Mannes, der sie zu stellen hatte, stehen blieb ; es war eben „seine" Uhr 37 ). Fragen Todkranke nach der U. und nennen eine Stunde, so sterben sie in dieser38) ; es hat eine Fixierung der Stunde stattgehabt. Die Zahl der Schläge symbolisiert die Zahl der noch ausstehenden Lebensjahre. Wenn die U. in Pr. Holland (Ostpreußen) während der Trauung schlägt, lebt das junge Paar so viel Jahre zusammen, als die U. Schläge tat 39 ), dagegen muß in Thüringen das Paar nach der Trauung vor Schlag 12 U. in der Wohnung sein, sonst bedeutet es nichts Gutes40). II. Der Gedanke, daß die Hausu. das l e b e n des Hausherrn symbolisiere, hat eine Erweiterung erfahren; ihr Gehen oder Stillestehen betrifft dann alle Mitglieder des Hauses. Das geht recht deutlich aus der Rolle hervor, welche ihr Stehenbleiben im Vorzeichen-Glauben spielt (s. u.). Auch, wenn sie, wie in Mecklenburg, beim Tode oder kurz nach dem Tode eines Menschen nur einen Augenblick stillsteht 41 ), dann weitergeht (Sargans)42), dann ist es eben nur ein Teil der Leben, welche sie repräsentiert, der ausfällt. Ich wies schon darauf hin, daß män der U. so wie dem Vieh den Tod des Herrn ansagt. Und so, wie diesem sich nach dem Begräbnis der neue Herr vorstellt, so steht die U. nur so lange bis der Tote aus dem Hause ist 43 ); nach dem Begräbnis wird sie wieder angelassen44), und zwar muß ein Angehöriges sie aufziehen, wenn der Sarg aus dem Hause

I27O

getragen wird 45 ). In diesen Gedankengang greift ein anderer ein. Repräsentiert ihr Gehen die Summe der Leben des Hauses, dann darf sie nicht stehen, das gefährdet ja die Hausbewohner oder macht die Beziehung zwischen ihnen und ihr unstimmig. Deshalb wird in Hessen ihr Anhalten bei einem Todesfall verboten, weil sie nachher nicht mehr genau gehe46). In Schwaben muß sie bei Eintritt eines Todesfalles von der Stelle gerückt werden47), gleichsam um unberührt von dem Geschehnis ihr Gehen fortzusetzen. Die Hausu. als Symbol des Lebens und Gedeihens im Hause spielt noch in einem andern Zusammenhang eine Rolle. Im Burgenland wird sie als erstes Heiratsgut ins Haus gebracht48), im Erzgebirge muß sie sofort aufgehängt und aufgezogen werden; das ist das erste Erfordernis beim Einzüge in das Haus4*). III. Es gehört, wie bereits bemerkt, in diesen Zusammenhang, daß das plötzliche Stillestehen der U. den Tod eines Familienmitgliedes (im engeren wie im weiteren Sinne) anzeigt50). Die Hausu. oder die U. 51 ) bleiben stehen, wenn etwas vorthalben ist (bevorsteht) 52 ); man sagt, es „verzeigt sich", „zeigt sich an", „hat sich g'öugt", „g'üebt" 83 ), „es wittert sich" 54 ). Es wird meist ein bevorstehender50) oder bereits eingetretener Todesfall 55 ) angezeigt; manchmal hält man es auch nur für das Vorzeichen eines „Unglücks" 56 ). Wenn beim Stillestehen der U. die Frau und Mutter fürchtet, es sei in diesem Augenblick einem aus der Familie draußen etwas zugestoßen57), so ist es der engste Familienkreis, der für ein solches Vorzeichen in Betracht kommt. Aber an manchen Orten wird ein weiterer Kreis erfaßt ; da besagt ihr Stehenbleiben, daß ein Verwandtes58), im Erzgebirge ein Verwandtes väterlicherseits im Sterben liege59) oder jemand aus der Verwandtschaft gestorben sei60). Es scheint demnach, als gelte das Vorzeichen für den weiteren Familienkreis und zwar für abwesende Glieder desselben. Doch wird im Erzgebirge, freilich nur in eine einzigen Aufzeichnung, auch dieser Kreis

I27I

Uhr

überschritten, und man sagt, es sterbe der, an den man im Augenblick des Stillestehens der U . eben gedacht habe 8 1 ). Dann haben mehrere, das Vorzeichen erschwerende, Einschränkungen statt. Ihr Stehenbleiben bedeute Tod, wenn zugleich das Ofentürchen auf- und zufähr' * 2 ), wenn es um 1 1 U. 6 3 ), 12 U. 64 ), 12 I j . abends geschehe 6S ), dann müsse binnen eines Jahres ein Familienmitglied sterben 68 ). I m Sächsischen glaubt man, es sterbe zur gleichen Stunde des folgenden Tages 6 6 ) ein Verwandtes 6 7 ), im Erzgebirge auch, binnen einem Jahr ein Familienmitglied 68). I V . F ü r das Anhalten der U., oder wie in Grünfier (Netzekreis) der U.en, wo alle bis auf die Taschenu. des Hausherrn, die in der K ü c h e an einen Nagel gehängt wird, angehalten werden (mündl.), wird eine weitere Reihe von Gründen angeführt. Ihr Ticken störe die Ruhe des Verstorbenen 69 ) (doch s. u.), und sie wie alle Arbeit im Hause muß stillestehen 70 ). D a s Anhalten gilt als eine Trauergeste 7 1 ). Zuweilen heißt es auch, man wolle die Stunde des Todes fixieren72). N a c h einer Aufzeichnung aus dem früheren Fürstentum Öls geschieht das Anhalten erst beim Begräbnis' 3 ). Zwiespältig ist eine andere Meinung, die das Anhalten der U . zum Entschweben der Seele in Beziehung bringt. Man hält sie an, daß die Seele ungehindert entweichen kann und sich nirgend verhalte 7 4 ). In Schwaben muß die U., während ein Totes im Haus liegt, von der Stelle gerückt werden, damit die Seele nicht hängen bleibt 7 5 ). I n der Steiermark soll, wenn ein Mensch gestorben ist, die U . sofort aufgezogen werden, damit der Seele das Emporschweben erleichtert wird 7 6 ). 24 ) Z f r w V k 5 (1908), 120. 2S ) S A V k . 2, 217; M a n z Sargans 122; P o l l i n g e r Landshut 168; (Stuttgart:) Oberschles. Tagesztg. 3 0 . 8 . 1 9 2 9 ; (Dresden:) ebd.; P e u c k e r t Schlesien 113; (Rokittnitz:) Aus d. Beuthener Lande 2 (1925), 128; L a n g e r DVöB 7, 1 7 7 ; 9, 52; D ä h n h a r d t Volkstüml. ι, 89; (Rügen:): K u h n Westfalen 2, 59 Nr. 172; S t r a c k e r j a n 2, 215; 232 Nr. 491 ; Niederdeutsche Welt (Bremen) 1932, 213; Franz H e m p l e r Psychologie d. Volksglaubens 1930, 46. (England; Oberschles. Wanderer

I272 10./11.8.1929; (Norwegen:) Joh. Th. S t o r a k e r Menneskelivet i den norske Folketro 1935, 66 N r . 390; (Wenden:) E w a l d M ü l l e r .Das Wendenthum in der Niederlausitz (1893), 140; Zentralbl. f. Okkultismus 9, 332; Gust. M e y r i n k Der weiße Dominikaner 1921, 117. 2 5 a ) E . J. H u i z e n g a O n n e k e s Groningervolksverhalen 1930,49 2 e ) R u dolf R e i c h h a r d t Geburt, Hochzeit u. Tod 1913, 131 f. ; (Lothringen :) Globus 59 (1891 ), 381. " ) Globus 59,381. 2 8 ) D r e c h s l e r i , 291. ! , ) L i e b r e c h t Zur FA. 350. 30 ) (ohne sonstige Begründung:) M e y e r Deutsche Volkskunde 269; R e i c h h a r d t Geburt, Hochzeit u. Tod 130; Franz K a i s e r Volksbrauch u. Aberglauben 1935, 85; Anton S t o n n e r Die deutsche Volksseele im christlichdeutschen Volksbrauch 1935,208; Georg G r a b e r Volksleben in Kärnten 1935, 409; G e r a m b Steiermark 57; Carl K r i e g e r Kraichgauer Bauerntum 1933, 37; M e y e r Baden 583; H e ß Luxemburger Volkskd. 198; HessBl. 27, 204; H e ß l e r Hessen2, 7 2 L ; Conrad T e g t m e i e r Sitten und Gebräuche des Kalenberger Landes 1925, 34; W i r t h Anhalt 176; J o h n Erzgebirge 121; (Schlesien:) Handschrift Kordetzky, in meinen Sammlungen; P e u c k e r t Schles. Volkskd. 230; Paul G o e s c h k e Unsere Dorfheimat, aus d. Geschichte u. d. Erleben d. Gemeinden Merschwitz-Herrndorf, Krs. Liegnitz und Gugelwitz, Krs. Lüben 1935, 271 ; L e h m a n n Sudetendtsch. Volkskd. 181; Heimatkd. d. Bezirks K o m o t a u : Viktor K a r e i l Volksbrauch u. Volksglaube 1 (1933), 49; Jos. S c h r i j n e n NederlandscheVolkskd.i (1931), 334; (Perpendikel d. Wanduhr ward ausgehoben: Notscheid, Krs.Neuwied:)ZfrwVk2o/2i (1923/4), 43; W r e d e Rhein. Vk. 185; (Hunsrück:) Z f r w V k 26, 74f.; (Heimsen, Krs. Minden; Gehlenbeck, Krs. L ü b becke:) Ebd. 4 (1907), 272; Mein Waldeck (Heimatkdl. Beilage d. Waldeckischen Landeszeitg. 7 (1930), 20; S a r t o r i Westfalen 100; Heinrich B e i s e n h e r z Das ehemalige Kirchspiel Kurt (1932), 4 2 o ; S t r a c k e r j a n 1 , 6 8 ; 2 , 2 3 2 ^ . 4 9 1 ; K a r l M e y e r - J e l m s t o r f Heimatkunde d. Kreises Uelzen 1931, 591; (Ditmarschen:) Urquell 1, 10; E n g e l i e n - L a h n 250 Nr. 126; Max P o h l a n d t Lebuser Land, Leute und Leben 1 (Mittlgn. d. hist. Ver. f. Heimatkd. Frankfurt a. O. 1928), 44; B a r t s c h Mecklenburg 2, 90; (Pommern:) A . H a a s in Festschrift f. H. Lemke 1898, 232; R . K r a u s e - P e t e r s w a l d e Sitten, Gebräuche u. Aberglaube in Westpreußen (1904), 30; Johan H v e d i n g Folketru och Folkeliv pä Hálogaland 1935, 38; (Wenden:) S i e b e r Wend. Sagen 64; M ü l l e r Wendenthum in d. Niederlausitz 136; S c h u l e n b u r g Wend. Volksth. 110; Handschr. Herbert M e n z e l Bräuche d. Dorfes Böhlitz im Spreewald 1932, 39: (in meinen Sammlungen); (französisch:) L i e b r e c h t Zur Volkskd. 350. 351 ; (Vogesen:) Mélusine 1, 456; L a i s n e l de l a S a l l e Le Berry 2 (1902), 95; Jacques-Marie R o u g é Le Folklore de la Touraine 1931, 1 1 ; G e n n e p Dauphiné 1 (1933), 181; (Bretagne:) M ü h l a u in Beiträge ζ. roman, u. engl. Philologie, dem X . Deutschen Neuphilologentage 31) überreicht . . . Breslau 1902, 80. Heimatblätter d. Krs. Wohlau 4 (1925), 51; Z f V k . 6

™73

Uhr

*) E b d . 2, 37. K r a u ß Südslaven 147. 86 ) P l i n i u s Hist. nat. 29, 81, nach i h m M e g e n b e r g 143, d a n a c h L o n i c e r Kreuterbuch 1577. CCCXXVI A. (vgl. dieselben A n g a b e n bezügl. Eule, K ä u z c h e n : W u t t k e § 1 6 5 ; W o l f Beiträge 1, 251 Nr. 622; K a r l A d r i a n Gegen Trud, Tod u. Teufel 1934, 26); ein zweiter A s t der E n t w i c k lung geht über die K y r a n i d e n : M a x W e l l m a n n Marcellus von Side u. die Koiraniden d. Hermes Trismegistos 1934 (Philologus Suppl. 27 H . 2), β7) ηί. E d m u n d S c h n e e w e i s Grundriß d. Volksglaubens . . . d. Serbokroaten 1935, 76. ω

85)

X I . Medizin. Das Mark auf die Augendes Menschen gerieben,macht diese klar 88 ). Sein Auge zu Asche gebrannt, ist gut bei Augenleiden 89 ). Sein Blut macht krause Haare 90 ). 88) M e g e n b e r g 143. β · ) M a r s h a l l Kästlein 90. , 0 ) E b d . 79.

Arznei-

X I I . Gleichnis. Der U. ist ein Sinnbild des Sünders 91 ), des zuchtlosen Pfaffen 9 1 ). ·') M e g e n b e r g

I294

Ulme

1293

143.

Peuckert.

Ulme (Rüster; Ulmus-Arten). ι . Baum mit unsymmetrischen, am Rande gesägten Blättern. Meist einzeln wachsend in Wäldern, in Flußauen usw. Die U. ist vielleicht die „embla" der Edda, aus der die ersten Menschen hervorgingen 1 ). An manche alte U.n knüpfen sich Sagen. Die „Luther-Ulme" zu Pfifflingheim bei Worms soll aus einem dürren Stab entstanden sein, den ein altes Weib, das eben Luther in Worms gehört hatte, in die Erde steckte mit dem Bemerken, daß es die neue Lehre so lange bezweifeln werde, bis der dürre Stab grüne 2 ). Aus einem dürren

Stab, den der hl. Bonifatius neben der Kirche zu Vargula (Bez. Erfurt) in die Erde steckte, wurde eine U.,von der alle U.n abstammen, die in der Hecke des Pfarrgartens nach der Bonifatiuskirche hin stehen 3 ). Die Göllheimer (Pfalz-)U. steht da, wo die Leiche des Adolf von Nassau lag, der in der Schlacht bei Göllheim fiel4). Die U. bei Wiesdorf (Kr. Solingen) darf man nicht beschädigen. Man glaubt, daß Blut aus ihrer Wunde fließe5), vgl. Baum (1,955). Bei Pallifer (Estland) standen zwei U.n, die in hoher Achtung waren. Sie sollten nach der Sintflut aus angeschwemmten Samen hervorgegangen sein. Bei Krankheiten hängte oder band man an die Zweige der Bäume Blätter, wodurch man gesund zu werden hoffte. Es war streng verboten, die Bäume zu beschädigen e ). s) M o n t a n u s V g l . P B B . 36 (1910), 2 1 9 f. 3 ) W i t z s c h e l Thüringen Volksfeste 1 5 7 . 1, 25. *) H e b e l Pfalz. Sagen 1908, 2 7 ; v g l . ebd. 1912, 268. 5 ) S c h e l l Bergische Sagen 482. e ) R u ß w u r m Sagen aus Hapsal 1861, 189.

2. Bei den Slawen und in Frankreich gilt die U. als a n t i d ä m o n i s c h e r Baum. Mit dem geweihten Baste kann man böse Geister fesseln 7 ), vgl. Linde. Der Nachtwächter trägt bei den Slowaken eine Hellebarde auf einem U.nstiel, damit die bösen Geister nichts schaden 8 ). U.nrinde, in die Kleider eingenäht, schützt in der Normandie vor bösem Zauber 9 ). In der Grafschaft York pflanzt man in den Gärten sog. Zauber-U.n, um sie gegen Behexung zu schützen 10). 7) Grohmann 27; W u t t k e ") H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 424. Folk-Lore 3, 388; R o l l a n d Flore 10) S e l i g m a n n Blick 2, 88.

281 § 412. ·) S é b i l l o t pop. i o , 91.

3. Man ü b e r t r ä g t K r a n k h e i t e n auf die U. : Geh früh morgens vor Sonnenaufgang stillschweigend zu einer Rüster ( = U.), bohre in diese ein Loch und sprich leise dreimal folgenden Spruch: Rüster Atowe I c h bring dir das Fieber K a i o w e I c h bring es dir nicht auf einerlei A r t Sondern auf 77sterlei A r t . I m N a m e n Gottes usw. f f f .

Darauf nimm einen Pflock, der gerade in das Loch paßt, verkeile es damit und entferne dich stillschweigend (Neu-Ruppin) 11 ).

1295

Ulrich, hl.

In Frankreich trägt man Kinder, die vom Keuchhusten befallen sind, zu einer heiligen U . 1 2 ) . Bei den Magyaren soll der Aufguß von U.nrinde mit dem Blut eines Kindes Irrsinnige besänftigen 1 3 ). " ) ZfVk. 7, 68. 12 ) K n u c h e l Umwandlung 54. 13 ) Urquell 3, 269. 4. Die Blätter der U. sollen sich zur Zeit des Sommersolstitiums umdrehen, und die Landleute sollen daraus den Vorübergang desselben erkennen 14 ). Wie die Rüsterblüte, so die Haferblüte 1 5 ). " ) H a g e n Preußens Pflanzen 1818, i, 212. " ) W i r t h Beiträge 6/7, 20. Marzeil.

Ulrich, hl.

ι . U., Graf von Dillingen, starb am 4. Juli 973 als Bischof von Augsburg. Seine 993 vollzogene Heiligsprechung soll die erste durch eine feierliche Bulle vom päpstlichen Stuhle vollzogene gewesen sein 1 ). Seine Verehrung breitete sich besonders im schwäbisch-alemannischen Lande aus; aber auch im Elsaß und in der alten Salzburger Kirchenprovinz ist er volkstümlicher Heiliger geblieben 2 ). Da U. Patron des Bistums Augsburg ist, so ist sein Tag (4. J u l i ) hier kirchlicher Feiertag 3 ). An ihm Heu einzuführen, gilt für Frevel 4 ). Sein Attribut ist der F i s c h , den er auf der linken Hand, manchmal auf einem Buche trägt 6 ). Gesellschaften vereinigten sich, seine Minne zu t r i n k e n e ). Daß er aber übermäßige Trünke segne, ist nur auf einen Scherz zurückzuführen 7 ). *) B e i s s e l Heiligenverehrung 1, 109. H2f. ; K ü n s t l e Ikonographie 564; D o y é Heilige u. Selige 2, 457Í.; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 375f. 8 ) W e i n h o l d in ZfVk. 5 (1895), 416ÎÏ. ; Zoepf D. Heiligen-Leben im 10. Jh. 78ft. 2oof. 2 1 1 . 2i3f. 238. 3 ) R e i s e r Allgäu 2,152. 4 ) Sepp Religion 320. Künstle 564; ZfVk. 5, 423f. In England wurden bei Ulrichskirchen am Patroziniumstage Fische verkauft; die Käufer glaubten damit die Gunst des Heiligen zu erwerben: ebd. ·) Ebd. 5, 418; Franz Benediktionen 1,291 f. ') Mackense η Name u. Mythos 29. Vgl.M e i s i η g e r Hinzu.Kunz 92 f. 2. Seine Heiligsprechung hatte U. in erster Linie seiner bewährten H i l f e in K r a n k h e i t e n zu danken 8 ). Im Kt. Luzern ließ man sich durch sein Meßgewand ziehen 9 ). An seinem Grabe in der St. Afrakirche in Augsburg wog man Kranke zur Wiedererlangung der Ge-

1296

sundheit 10 ). Fieberkranke pflegten dort Stecken -niederzulegen, um gesund zu werden. Wer einen davon entwendete, wurde selbst fieberkrank, bis er das Gestohlene wieder am Grabe niederlegte 11 ). Mit dem U . s s c h l ü s s e l brannte man die Bißwunde toller Hunde 1 2 ). Das U . s k r e u z wurde als Schutz- und Heilmittel gebraucht 1 3 ). Das Wasser der U . s b r u n n e n heilt Augenleiden 14 ). Mehrere dieser Brunnen sind durch den Stab des Heiligen hervorgerufen worden 1 5 ) oder durch sein Gebet 1 6 ). Sie versiegen selbst in den heißesten Sommern nicht 1 7 ). Der Brunnen in Dehlingen, der am Karfreitag entsprang, wurde von U. gesegnet, indem er drei Stückchen Holz hineinwarf. Sie sind noch darin, und sobald man sie entfernt, wird das Wasser trübe 1 8 ). U. wird auch gegen Wassermangel angerufen 19 ). Man weihte Wasser an seinem T a g e 2 0 ). Ein Trunk aus dem U . s k e l c h e im Schlosse Firmian in Tirol hilft in Widerwärtigkeiten, ein anderer erleichtert Frauen die Geburt 2 1 ). Ein Trunk aus dem Kelch, den man bei Öffnung des Grabes U.s auf seiner Brust fand, hilft gegen Tobsucht « ) . 8 ) ZfVk. 5, 418. ") S t ü c k e l b e r g Gesch. d. Reliquien ind. Schweizi,CIX; vgl SAVk. 3 1 , 1 5 5 . 10 ) Franz Benediktionen 2, 46of. 11 ) Elsäss. Monatsschr. 1913, 578. 12 ) ZfVk. 1,299; 11, 208. 13 ) Ebd. 5, 423. 14) Ebd. 5, 4 1 8 ! ; Sepp Religion 2o8f. l s ) B i r l i n g e r A. Schwaben 1, 48f.; BayHfte. 6 (1919), 132; Elsäss. Monatsschrift I I 9 3. 575; R e i s e r Allgäu 1, 375; B i r l i n g e r Volkst. ι, 407. 513. l e ) R e i s e r Allgäu 1, 374. Das Brunnenbecken zu St. Ulrich im Möhlingrunde hat ihm der Teufel verschafft : B a a d e r Sagen 37f. 17 ) ZfVk. 1, 299. 1β ) B i r l i n g e r Volkst. ι, 406; Ders. A. Schwaben i, 271 f. ")ZfVk. ι, 299. 20 ) Franz 1, 106. 2 0 9 ! 21 )Ebd. ι, 292 Anm. 4. 22 ) D o y é Heilige 458. 3. Im besonderen gilt U. als Helfer gegen R a t t e n und Mäuse. Aus diesem Grunde ist sein schon oft abgeschaffter Feiertag immer wieder erlaubt worden 2 3 ). Im ganzen Bistum können sich die Ratten nicht aufhalten 24 ). Man darf am U.stage nicht arbeiten, sonst kommen sie ins Haus 2 5 ). Namentlich die Erde von seinem Grabe besitzt die Kraft, Mäuse und Ratten zu verscheuchen; aber auch der von den Kirchhöfen aller ihm geweihten Kirchen

1297

Ulrichsminne—um, herum

wird die gleiche Eigenschaft zugesprochen 28 ). Noch heute verkauft die Kirche in Augsburg in kleinen Tüten St. U.serde 27 ). Als einst in der Rottenburger Markung zahlloses Mäuseungeziefer hauste, holte man St. U.s Stab in Augsburg, trug ihn in Prozession im Felde herum, und die Mäuse verschwanden alle 28). Auch U.skreuze werden gegen Ratten und Mäuse vergraben 29). Aus Häusern, in denen der Tag des hl. U. gefeiert wird, ziehen die Ratten fort 30 ). Gegen Murmeltiere genügte Staub vom Grabe des Heiligen, auf die Erde gestreut 31 ). Aus dem Schlachthause zu Augsburg hat U. alle Fliegen weggesegnet32). 23 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 189. 24 ) B i r linger A. Schwaben 1, 294, vgl. 45f. 2 S ) Ders. Volhst. ι, ι i g f . ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 3. 2β ) ZfVk. 5, 421 ff.; S e p p Religion 319! " ) ZfVk. 21, 125. 2β ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 407. 2 30 ») ZfVk. 5, 423. ) Meier Schwaben 2, 5 1 3 . 31 ) D o y è Heilige 458. 3 2 ) S e p p Religion 324.

4. U. war auch Patron der R e i s e n d e n , wie der Weingartener Reisesegen (12. Jh.) zeigt ss ). Vielleicht war es aus diesem Grunde alte Sitte in Augsburg, bei St. U. Schlittenkarren als Weihgeschenke aufzuhängen 34). G r i m m Mythol. 3, 494; ZfVk. 5, 4 2 1 ; 34 F e h r l e Zauber u. Segen 24. ) Birlinger Aus Schwaben 2, 23.

5. U. gehört noch zu den Sonnwendfeuerheiligen und schließt den Mittsommerkreis ab 3 5 ). Im kärntnischen Lesachtal wurden am Abend vor U.stag Feuer angezündet und brennende Scheiben getrieben 36). In einem Spruche, mit dem in Aspach (Innviertel) Holz zum Johannisfeuer erbettelt wird, wird auch der hl. U. als Bittsteller genannt S7 ). 36 3e ) G e r a m b Brauchtum 65f. ) ZfVk. 5, 4I9Í. 3 7 ) B a u m g a r t e n Jahr 27.

6. Der U.stag ist Lostag für das Wetter. Wenns an ihm regnet, so gibt das Getreide schlechtes Mehl (Oberösterreich) ; es regnet 40 Tage weiter (Schottland). Wenn es ein Gewitter gibt, heißt es in der Schweiz: der Ule donnert d'Nuss abe. Die Nußernte ist mißraten 38 ). 38

) ZfVk. 5, 421.

7. In die sehr verbreitete Sage von den beiden Riesen mit dem gemeinschaft-

1298

lichen Beil ist U. zusammen mit dem hl. Trutbert geraten 3e ). 3S

) B a a d e r Sagen 31.

-f Sartori.

Ukichsminne. ι . Dem Heiligen Ulrich einen Minnetrunk x ) darzubringen, scheint nur in Schwaben üblich gewesen zu sein. Hier hatte sich die Erinnerung an den heilig gesprochenen Bischof von Augsburg (f 973) sehr lebendig erhalten; wir haben es also mit einem Lokalminnekult zu tun. Nach der Legende 2 ) pflegte der Bischof am Osterfest dreimal einen poculum caritatis bei seinen Freunden umgehen zu lassen, nachdem er selbst daraus getrunken; den Brauch behielten seine Verehrer nach seinem Tode bei, indem sie jedoch nur die caritas sancti Udalrici tranken. Bei dieser Übung geschah angeblich eine Reihe von Wundern (nach dem Zeugnis der Miracula Udalrici), die die Sitte beim Volke rasch bekannt und beliebt machten. !) Vgl. Minne 6, 3 7 5 0 . 2 ) Vita S. Udalrici a Gerardo scripta (Jahr: 982), cap. IV.

2. Die Tatsache, daß anscheinend von Anfang an die caritas, nicht die amor ( = liebevolles Andenken, Übersetzung von Minne) des Heiligen getrunken wurde, erklärt die besondere Bedeutung, die das Volk der Ulrichsminne beimaß. Ein Trunk in lieb und in der ehren St. Ulrichs galt lange Zeit in Schwaben für ein kräftiges Mittel inWiderwärtigkeiten3). 3

) F r a n z Benediktionen 1, 291. 297. Mackensen.

um, herum. Unter diesem Stichwort fassen wir verschiedene Arten der Umkreisung zusammen, die in den folgenden Artikeln (umarmen, umbinden, -fahren, -führen, -fliegen, -gehen, -kehren, -kreisen, -laufen, -pflügen, -reiten, -spannen, -tanzen, -wandeln, -winden) nicht besprochen sind. Es handelt sich hier um einen G e g e n s t a n d , der um ein Lebewesen oder eine Sache als Mittelpunkt herum geführt, getragen, auf dem Boden geschleift, gewälzt oder sonstwie herumbewegt wird. Die Dinge, mit denen die Kreisbewegung vollzogen wird, haben teils sakralen, teils apotropäischen Charakter (Opferspenden und -geräte, Dinge des christlichen Kultes, Feuer, Licht, Wasser, Eisen, Gegenstände,

1299

die mit Toten in Berührung gekommen sind, Sonnensymbole u. a. m.). Beim antiken Opfer wurden Opferkorb und Waschbecken von links nach rechts um den Altar laufenden Schrittes herumgetragen 1 ), vgl. Umkreisung (A I 3 c). 1

) E i t r e m Opferritus

und

Voropfer

6.

1. Im K u l t . ι . H a u s - und A h n e n g e i s t e r v e r e h r u n g . Um ein Eheorakel zu erlangen, trägt die Maid das Festgebäck der Kultzeit nächtlicherweile um das Haus (s. umwandeln Ia, Anm. 1 1 ) . Nach einer oberösterreichischen Handschrift des 14. Jhs. trug man in der letzten Rauhnacht (Dreikönigsabend) einen Brotlaib und Käse ums Haus und biß davon ab. So viel Bissen man tat, so viel Schober bekam man auf dem Felde a ). Obstbäume sollen reichlich tragen, wenn man die erste Frucht des Baumes in einem Sack dreimal ums Haus trägt und dann wieder beim Baum niederlegt 3 ). Gelegentlich des festlichen Kult-(Opfer-) mahles, das in Gemeinschaft mit den unsichtbaren Seelengeistern des Hauses verzehrt wird, kann von diesen ein Orakel eingeholt werden. Zu dem Behufe wird das Opfergerät um die Opferspeise herumbewegt im folgenden Julbrauch. Ein dänisches Augurium beim weihnächtlichen Kultmahl ist die snurregröd („Schnurrgrütze"). Alle Hausinsassen stellten sich um den Tisch, auf dem ein leerer Teller mit einem Löffel stand, der ein wenig Grütze enthielt. Einer aus der Versammlung schnurrte den Stiel des Löffels rasch herum, so daß er sich längs des Tellerrandes im Kreise bewegte. Diejenige Person, bei welcher der Löffel stillstand, mußte den Grützerest aufessen 4 ). 2 a ) J a h n Opfergebräuche 280. ) Bartsch 4 Mecklenburg 2, 166. ) F e i l b e r g Jul (dän. Ausg.) ι , 1 2 1 f.; H ö f 1er Weihnacht i g f .

2. S t e i n k u l t . Unweit vom Hintersee bei Berchtesgaden liegt ein mächtiger Felsblock, um den die Wallfahrer einen großen und sehr schweren Stein dreimal herumschleppen, im Bewußtsein, damit ein großes Werk zu vollbringen und eine Gewissensprobe auszuüben 5 ). 5

) A n d r e e Votive

13ΟΟ

um, herum

105.

3. Verehrung von Stätten des k i r c h lichen Kultes. Am Palmsonntag wer-

den um die Kirche nicht bloß die neugeweihten Palmen herumgetragen, sondern auch der Palmesel e ). Um St. Kolomans Altar werden an manchen Orten Köpfe, Füße, Arme aus Holz herumgetragen und sodann auf dem Altar niedergelegt (nach Höfler eine Ablösung des Menschenopfers7); s.a. umwandeln Ig). Will der Knecht gesunde und fette Pferde haben, so geht er mit einem Bündel Heu in der Christnacht mitternachts dreimal um die Kirche und gibt dann das Heu den Pferden zu fressen 8 ). In der Nikolauskirche zu Lublinitz brachten früher die Bauernweiber weiße Hähne (einmal ein ganz junges Kalb) zum Opfer, die sie beim Opfergang um den Altar trugen und dem Geistlichen überließen *). e ) A d r i a n Von Salzburger Sitt' und Brauch 101 ; ZAlpV. 28 (1897), 152. ' ) H ö f 1er Waldhult 38, Abb. solcher „Kopfdreier" und Holzköpfe 39. ") W o l f Beiträge 120; W u t t k e 450 § 7 1 1 ; R e i n s b e r g D.festl. Jahr 466. · ) S c h n e l l Nikolaus 1, 64.

4. Wohl nicht als christliche Kultstätte, sondern als Totenort ist die Kirche beim „Totenbahrziehen" (s. d.) anzusehen. Wer in der Allerseelennacht, gerade wenn es zwölf Uhr schlägt, eine Totenbahre nimmt und imstande ist, dieselbe, bis es ausgeschlagen hat, dreimal um die Kirche zu schleppen, der bekommt, was er sich wünscht. Die Bahre wird aber immer schwerer, weil sich immer neue arme Seelen auf sie setzen 10 ). So viel einer Tote um die Kirche zieht, mit ebenso viel gewinnt ers beim Raufen 1 1 ). 10 ) Hörmann Tirol 594, 782.

Volksleben

188.

")

Heyl

II. Im A b w e h r z a u b e r . 1. Bewegungen u m P e r s o n e n herum. DemBräutigam wird ein Gefäß mit Wasser dreimal um den Kopf geführt 1 2 ). Um das Brautpaar werden Lichter geschwenkt 13 ). In Indien werden um den Kopf des Kindes sieben Steine siebenmal herumgeschwungen 14 ). Um die Person oder den Gegenstand, den man schützen will, schwenkt man Erde im Kreis h. 1 5 ). 13

12 ) S e l i g m a n n Heil- und Schutzmittel 100. 14 15 ) Ders. 127. ) Ders. 2 1 1 . ) Ders. 144.

2. Um H a u s und Dorf. Durch Herumtragen des geweihten Palmes werden das Haus und die Hühner des Hofes vor

I30I

umarmen

äußeren Gefahren geschützt. In vielen Gegenden umkreisen die Buben damit nach der Heimkehr von der Kirche Haus und H o f 1 β ) . In Baden wird der Palm nach der Weihe dreimal betend ums Haus getragen, um es gegen den Blitz zu feien 17 ) ; früher geschah dies während des Gewitters selbst 1 8 ). Man trägt ihn ums Haus gegen Füchse 19 ). Wenn ein Kind dreimal eine Kette um das Haus schleppt, werden die Schlangen gänzlich aus der Gegend verbannt **). Auch muß man ein Paar Eggen dreimal um das Dorf ziehen (tragen), sie dann am Weg in Zeitform aufstellen und sich darunter setzen 21 ). 1β ) M e y e r Baden 94. S. a. umlaufen. ) Ders. 95. 1 S ) Ders. 94. w ) G r i m m Myth. 3, ao 416 Nr. 13. ) M e y e r a. a. O. 80; \ V u t t k e 3 0 6 § 450. « ) B a r t s c h a. a. O. 2, 266. 17

3. Um V i e h . Wenn bei den Wenden der Schäfer die Lämmer zum erstenmal auf die Weide trieb, umkollerte er mit einem gekochten E i dreimal die ganze H e r d e I n Rußland trägt vor dem ersten Austrieb der Hauswirt einen Kübel voll Wasser in der Richtung der Sonne dreimal um sein Vieh 2 3 ). Ein Pferd befreit man von Bauchgrimmen, wenn man auf eine in der Johannisnacht geschnittene Weide den Hut hängt, den man bei der letzten Kommunion getragen hat, ihn so dreimal um das Pferd herumträgt und spricht: „Lief, Lief, stüre di*'24). 23

!2 ) S c h u l e n h u r g 1 4 4 ; s. a. oben 2, 6 1 2 . ) Ζ e l e n i n 58. S t r a c k e r j a n 1, 95, 108.

4. Um Ä c k e r . Ums Feld trägt man zum Schutz verschiedene übelabwehrende Dinge: gegen Mehltau um ein Erbsenfeld ein Frauenhemd 25 ) ; um von einem Kornfeld das Ungeziefer zu vertreiben, die Pfingstmaie um das Feld, auch wenn die Blätter längst vertrocknet sind 28 ). Bei den Finnen werden um den zu entzaubernden Acker Menschenknochen, Zähne, Haare, Leichenwaschwasser, Leichentuch 27 ), Leichenmaß 28 ), eine Peitsche, die neun Tage unter der Kirchhoftreppe lag 29 ), eiserne Werkzeuge 30 ) herumgetragen. ae S a r t o r i ι, 66. ) Ders. 3, 206. ) R a n t a s a l o 4, I44Í. 28 ) Ders. 145, 146. 3C " ) Ders. 1 5 1 . ) Ders. 154. 27

I I I . E s wird eine Einwirkung v o m M i t t e l p u n k t auf den herumgeführten Gegenstand angestrebt (vgl. umkrei-

1302

sen I I I ) . Ein bezaubertes Gewehr wird vom Jäger dreimal durch die Beine und um den rechten Fuß herumgeführt 31 ). Die Schweden führen eine Rute dreimal um den Unken Stiefelabsatz und geben darauf der kalbenden Kuh drei Schläge damit 3 2 ). Dem Fuß (im Besonderen auch der Ferse) kommt als manistisch bedeutsamem Körperteil magische Kraft zu, die hier im ersten Fall apotropäisch, im zweiten fruchtbarmachend wirkt. Vielleicht kann hier noch ein seltsamer Orakelzauber angeschlossen werden. Hat man eine gewisse Person im Verdacht, ein Schrättlig (Hexe) zu sein, so wickelt man ein sog. Chrützlimesser (Messer mit eingraviertem Kreuz auf der Klinge) in ein doppelt gefaltetes Nastuch und führt dieses dreimal direkt unter dem Arm um den Körper herum. Ist der Verdacht auf die richtige Person gefallen, so fällt das Messer, das sich jetzt seltsamerweise auf der vom Körper abgewendeten Seite des Nastuches befindet, heraus 33 ). Der Körper des Menschen birgt im ganzen (als Seelenträger) übernatürliche Kräfte. Man verwendet sie anscheinend hier zur Erteilung des Orakels. Dabei ist der Umstand nicht außer Acht zu lassen, daß die Umkreisung mit Hilfe von Sonnenzeichen ausgeführt wird (Kreuzmesser, kreuzweise gelegtes Tuch). Dadurch wäre der Gedanke an eine gleichzeitige Umsonnung (s. umkreisen) nahegelegt. 31 3a ) J o h n Westböhmen 324. ) Svenska 33 Landsmaal Jg. 1908, 429. ) M a n z Sargans 110. Weinkopf.

umarmen (Umarmung = Ug.). Das Umschließen eines anderen Menschen, eines Tieres oder Gegenstandes mit den Armen kann sein: I. n a t ü r l i c h e G e b ä r d e u. zw. 1 . mit dem Kuß verbunden oder ohne diesen, der Ausdruck von Liebe und Verehrung, die eine umfassende und innige Vereinigung mit ihrem Gegenstand erstrebt ; 2. ein Festhalten und Schützen; 3. Gebärde des Schutz- und Hilfe-Suchenden. Darin ist ihre Verwendung als Kultmittel und im Rechtsbrauch begründet. II. Die Ug. stellt einen m a g i s c h e n K r e i s her.

Umber—umbinden

ι . Die Ug. im K u l t . ι . Verehrung des H a u s g e i s t e s . An die Hausgeister wendet sich, wer durch Umklammern einer Hausecke Schutz s u c h t 1 ) . OdZfVk. 2, 105.

2. Das U. von B ä u m e n erfolgt gewöhnlich durch Frauen zum Zweck der Fruchtbarmachung. Die Obstbäume werden umarmt und geküßt, um ihre Fruchtbarkeit zu erhöhen 2 ). Das Weib als Fruchtträgerin erscheint hierzu besonders geeignet. Das U. der Obstbäume geschieht vorzugsweise um die Weihnachtszeit, u.zw. mit den vom Kneten des Weihnachtskuchens teigigen Armen 3 ). Wer in Schweden einen B a u m umfaßt, auf dem zwei Kuckucke rufen, kann ein Weib aus Kindesnot erlösen 4 ). Geschieht das U. zur Heilung von Krankheiten, so spielt der Nebengedanke mit, daß durch die innige Berührung das Leiden auf den Baum übertragen werden soll. U m Fieber loszuwerden, geht man vor Sonnenaufgang zu einer Pappel, umfaßt sie mit beiden Armen und raunt ihr zu: „Pappel, du alte, mich schüttelt das Kalte. Ich bring das Kalte nicht allein, siebenundsiebzigerlei Kalte sollen es sein" 5 ). Gegen Gicht umfaßt man eine grüne Elsder unter einem Spruch e ). Auch die Esten heilen Krankheiten, indem sie einen Baum u. 7 ). 2)

S a r t o r i Sitte 2, 119; H ö f l e r Waldkult 123. H ö r m a n n Volksleben 225; R e i n s b e r g D. festl. Jahr 460; Carinthia 114. Jahrg. (1924), 46. 5) *) M e y e r Germ. Myth. i n . Seyfarth Sachsen 195. e ) Ebd. 7 ) K n u c h e l Umwandlung 54. 3)

3. C h r i s t l i c h e s . In Frankreich müssen Kinder, die an Husten leiden, die Statue des hl. Andreas u. 8 ). In Bayern pflegten die Heiratslustigen oder Unfruchtbaren den Leonhardsnagel und den eisernen Liendl zu u., zu heben, zu schützen und zu küssen 9 ). 8 ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 150. a . a . O . ; Andree Votive 100. 108.

9)

Höfler

II. Die Ug. im Z a u b e r . 1. Als m a g i scher K r e i s . Ist ein Stück Vieh gebläht, so lege man, links vom Tier stehend, den rechten Arm gerade vor den Vorderbeinen um seinen Hals und spreche dreimal: „ D a s ich mit meinem rechten Arm umring', Daß es nicht zerspring'" 10 ).

1304

Hat sich bei den Wotjaken jemand „den Nabel verrenkt", d. h. innerlich durch das Heben eines schweren Gegenstandes verletzt, so läßt er sich von rückwärts u . 1 1 ). 10 ) Manz Sargans 93; fast genau so in Schwaben: Meier Schwaben 2 Nr. 521. u ) Urquell 4, 9 1 Nr. 7 2 .

2. Junge Paare u. und küssen einander in den Bräuchen der Frühlingszeit 1 2 ), u m durch A n a l o g i e z a u b e r (Ersatz der Beiwohnung) die Natur zu befruchten. 1S )

SAVk. 2, I9f.; S é b i l l o t a. a. O. 4, 448.

3. Ug. als E n t z a u b e r u n g . Verzauberte Jungfrauen werden durch U. und K u ß , die gewöhnlich an einer schrecklichen, quälenden oder abstoßenden Erscheinungsform der Verwünschten vorzunehmen und mehrmals zu wiederholen sind, e r l ö s t , d . h . in ihre menschliche Gestalt zurückverwandelt 1 3 ). l s ) K u h n Westfalen i, 242 Nr. 276; P a n z e r Beitrag 1, 147; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 398.

4. Andererseits können U. und K u ß als T o d e s w e i h e wirken, die in die Geist erweit versetzt. Zwei weiße Jungfrauen bestrafen so einen Mann, der sein Versprechen, sie zu erlösen, nicht gehalten hat. Er erkrankt und stirbt am vierten Tag " ) . " ) K u h n a. a. O. 1, 134 Nr. 141.

III. Die Ug. im R e c h t s b r a u c h . Als eine Adoption (um sich einen Erben zu schaffen) durch U. des Kindes wird die französische Affatomie aus einem angenommenen etymologischen Zusammenhang heraus gedeutet l s ). 15 )

Hoops Reallex.

i, 39.

Weinkopf.

Umber s. M e e r s c h a t t e n (6, 75). umbinden. Das Binden (s. d.) hat A b wehr kraft, weil die Schnur beim Schlingen des Knotens ein Kreuz bildet." Die Bedeutungen einer Umkreisung (s. d.) können dazutreten. Jene Fälle, wo anzunehmen ist, daß das U. mit einem schütz- oder heilkräftigen Gegenstand lediglich dem praktischen Zweck der Befestigung zu dienen hat, scheiden hier aus. I. Das U. im S c h u t z - und A b w e h r z a u b e r . ι . Weit verbreitet ist das U. eines Gliedes oder Rumpfteiles zu H e i l z w e c k e n . Ein krankes Glied wird umbunden. In Oldenburg geschieht es mit einem

1305

1306

umbinden

„Sehnen-" oder (richtiger) „Segensband" 1 ). Gegen Rheumatismus bindet man eine Schnur, auf welcherFlaschenkorke aufgereiht sind, um das Bein 2). Einen übergetretenen Fuß umbindet man mit einem roten Seidenfaden 3 ). Um eine blutende Hand oder einen blutenden Finger bindet man einen seidenen Faden *). Oberhalb einer Geschwulst bindet man einen roten Seidenfaden um den Körperteil, damit die Schwellung nicht weitergreife 5). Auf Sizilien wird jeder Stich (einer Schlange oder eines Insekts), den man für giftig ansieht, mit einer Schnur, am besten von roter Wolle, umbunden e ). Die Dinkas des Bahr-el-Ghazal binden bei Bronchitis eine Schnur 7 ), die Skagitindianer in BritischKolumbien bei Lungensucht einen Strang fest um die Brust 8 ). An einem fremden, dem erkrankten Körperteil ähnlichen Gegenstand geübt, soll das Verfahren durch Sympathiewirkung Heilung bringen. So umbindet man bei Gicht das Bein eines Melkstuhles und stellt ihn auf die Bühne (unter das Dach) 9 ). Das U. eines Gliedes oder Körperteiles wirkt auch auf andere Körperteile oder auf den ganzen Patienten ein. Nasenbluten hört auf, wenn man den kleinen Finger (meist der linken Hand) mit einem Faden fest umbindet10). Um der Wiederkehr eines Blutsturzes vorzubeugen, soll der kleine Finger der linken Hand straff mit einer Schnur umbunden werden 11 ). Der Fiebernde findet Genesung, wenn ihm in vorgeschriebener Weise ein Strohseil um das Knie gebunden wird 12). Der Gebärenden wird von der Hebamme ein „angerührtes" Band um den Leib gebunden 13). Gegen Gelbsucht bindet man der kranken Person ein gelbes Seidenband um die Brust 1 4 ). Das U., namentlich mit roten Bändern oder Fäden, dient auch zur V o r b e u g u n g gegen Krankheiten oder zum Schutz vor Z a u b e r e i . Den Säuglingen bindet man ein rotes Band um das Handgelenk 15 ), ein Bändchen um Fußgelenk oder Pulse 1 6 ) ; bei den Esten gegen Zauberei, bei den Iren gegen die Pest ein rotes Band um den Hals 1 7 ). Mit dem Gedanken einer Ü b e r t r a g u n g

des Leidens bzw. eines Opfers, ist der Heilzauber des U.s verknüpft, wenn man sich gegen Fieber in Lauenburg und Mecklenburg einen blauenWollfaden neunmal um die Zehen 18 ), oder wenn man in Brabant sich ein Band um den Leib bindet 19 ) und nach neun bzw. drei Tagen den Faden oder das Band an einem Baum befestigt. Um den Kopfausschlag der Kinder zu heilen, knüpft man unter gewissen Förmlichkeiten ein rotes Seidenband um den Hals des Kindes, spricht einen Segen, nimmt dann das Band wieder ab und hängt es an den Kesselhaken 20 ). Warzen werden allgemein mit einem Faden oder einem Pferdehaar umbunden, worauf man den Faden oder das Haar gewöhnlich unter der Dachtraufe vergräbt 21 ). S t r a c k e r j a n 1 , 94 N r . 106. 2 ) D e r s . 1, s ) S e y f a r t h Sachsen 4) U r 98 N r . 1 1 2 . 234. s) F o s s e l b a n Westböhmen 16. Volksmedizin 1 5 3 . · ) P i t r è Medicina popolare Siciliana 297. ' ) H e r m a n t e t B o o m a n s Médecine populaire β 34. ) B a r t e l s Medizin 1 4 7 . ·)Zimmermann 10) Volksheilkunde 55. D r e c h s l e r 2, 2 9 0 ; S e y f a r t h a . a. O . ; S t r a c k e r j a n 1 , 94 N r . 1 0 6 ; Z i m m e r m a n n a. a. O . 2 3 ; D r i e m a a n d e l i j k s c h e B l a d e n 7, 5 3 u n d A n d e l Volksgeneeskunst 372 12) D r e c h s l e r 1S) für Holland. 2, 303. Ur1 4 ) D e r s . 39. 15) Waidhofner b a n a. a. O . 46. 1β) H e i m a t b u c h 328. A n d e l a . a. O . 134. 17) H e r m a n t 18) Dies. u. B o o m a n s 40. 30. M ) D i e s . 78. 20) S t r a c k e r j a n 1, 91 N r . 100. 2 1 ) I m W a l d v i e r t e l ; F o s s e l a. a . O . 1 4 0 ; U r b a n a . a . O . 89; S e y f a r t h a . a . O . ; Z a h l e r Simmenthal 95 ( m i t L i t e r a t u r h i n w e i s e n ) . V g l . d a z u „ W a r z e n k u r e n " in „ V ö l k e r k u n d e " (Wien) 3 (1927), I28ff. I 7 5 f f . H ä u f i g w e r d e n b l o ß so v i e l K n o t e n in d e n F a d e n g e s c h l u n g e n , als m a n Warzen a m Körper hat. D a ß das H a u p t m o t i v des Warzenabbindens neben dem Knotens c h l i n g e n die B i l d u n g eines K r e i s e s ist, z e i g t deutlich folgende dänische F o r m des Heilbrauches : M a n n i m m t einen F a d e n v o n schwarzer S e i d e oder r o t e r W o l l e u n d k n ü p f t d a m i t ü b e r einer W a r z e e i n e n K n o t e n . Sodann wird der F a d e n z u r n ä c h s t e n W a r z e g e f ü h r t u n d hier a b e r m a l s g e k n ü p f t , b i s ü b e r j e d e r W a r z e ein K n o t e n liegt. S c h l i e ß l i c h w e r d e n die E n d e n d e s F a d e n s z u s a m m e n g e b u n d e n , so d a ß ein R i n g e n t s t e h t ( F e i l b e r g Ordbog 4, 1 9 0 1 ) .

2. Ähnlich dem Umwandeln geschieht das U. zum Schutz und zur Fruchtbarmachung an Obstbäumen, namentlich zur Zeit der Wintersonnenwende22) (s. a. umwinden). 22)

Strackerjan

1, 1 2 5 N r . 148.

3. Gegen B e h e x u n g und sonstige böse Einflüsse. Um sich festzumachen,

umdrehen—Umbilicomantie

banden die dänischen Helden einen roten Seidenfaden um ihren Helm 2 3 ). Bei einem Todesfall werden die Obstbäume zum Schutz gegen den Verstorbenen umbunden 24), damit er die Seele des Baumes nicht in das Totenreich mitnehme. Will die Milch keine Butter geben, so bindet man ein Strumpfband um das Butterfaß 25). M ) G r i m m RA. 183. " ) S t r a c k e r j a n 1, 67 Nr. 72; 2, 18 Nr. 275. 25 ) Ders. 1, 445 Nr. 242.

II. Im K u l t . B a u m v e r e h r u n g . In Werroschen wird bei einem Begräbnis auf dem Gang zum Friedhof unter einem Baum Halt gemacht, Branntwein getrunken und ein blauer, roter oder gelber Wollfaden um den Stamm gebunden 2β). Als Kult des Vegetationsdämons (später Zaungeistes) ist möglicherweise folgender Orakelbrauch zu deuten: In Niederösterreich bindet das Mädchen demZaunstecken, den es beim dritten Schritt den Zaun entlang ergreift, ein Band um. Aus der Beschaffenheit des Pfahles schließt sie am Morgen auf das Äußere ihres künftigen Gatten 27). *·) S a r t o r i 1, 14g.

27 )

V e r n a l e k e n Mythen

329· 2. F r e m d e , die zu einer kultischen Gemeinschaftshandlung kommen, werden gebunden. Zimmergesellen umschnüren den Eindringling und legen ihm in einem Spruch nahe, sich durch ein Trinkgeld zu lösen M ). Wenn der Bauer zum erstenmal bei den Schnittern erscheint, werden ihm die Füße mit einem Strohseil zusammengebunden, das erst dann wieder gelöst wird, wenn er ein Geldstück zum Trunk gegeben hat 29). 2e ) M e y e r Baden 378. ! ") S t r a c k e r j a n 2, 129. S. a. a b b i n d e n , b i n d e n , K n o t e n . Weinkopf.

umdrehen s. d r e h e n 2, 610ff. Umbilicomantie. Nabelwahrsagung (lat. umbilicus „Nabel"). Diese lateinisch-griechische Mißbildung ist die ältere 1 ), doch weniger verbreitete 2 ); gebräuchlicher ist die jüngere, rein griechische FormOmphalomantie (gr. δμφβλόί, „Nabel") 3 ). Für die Ausführung der U. werden folgende Methoden überliefert : a) Man deutete die Linien auf der Haut

1308

in der Nähe des Nabels. Eine Linie bedeutete Gelehrsamkeit; zwei: mehrere Verheiratungen; drei: viele Kinder; vier: langes Leben; fünf: hohe Stellung und Ehre; zwei ungleiche Linien unter dem Nabel lassen auf eine bösartigen und unzuverlässigen Charakter schließen. Diese mit der Chiromantie und der allgemeinen Physiognomie eng verwandte Praxis wird als angeblich antik nur ganz vereinzelt von italienischen Autoren bezeugt 4 ). b) Die meisten Zeugnisse erklären die U. als eine Divination, die nicht vom Nabel, sondern von der Nabelschnur ausgeht. Diese Herleitung der Bezeichnung ist zulässig, da sowohl δμφβλός wie umbilicus den Nabel wie auch die Nabelschnur bedeuten kann 5 ). Die Nabelschnur zeigt außer wirklichen Knoten und Verschlingungen, die für den Foetus höchst gefährlich sind, häufig auch harmlose Anschwellungen, Auswüchse, Knoten, Runzeln u. dgl. e ). Auf diese Erscheinungen achteten die bei einer Entbindung Anwesenden, vor allem die Hebammen, im Augenblick des völligen Austritts des Kindes, bevor die Nabelschnur durchgeschnitten oder abgebunden wurde, da man daraus Schlüsse auf die Zahl der späteren Geburten ziehen zu können glaubte. Die älteste Erwähnung dieses Brauches findet sich bei dem berühmten arabischen Gelehrten A b u Ma'sar (geb. 886, von den lateinischen Übersetzern meist A l b u m a s a r genannt), dessen astronomische Werke auch im Abendland in lateinischen und griechischen Übersetzungen verbreitet waren. Nach der uns vorliegenden Übersetzung des H e r m a n n D a l m a t a wird diese Voraussage zwar nicht an der Nabelschnur, sondern an der mitgeborenen Eihülle abgelesen, doch ergibt sich aus dem Zusammenhang deutlich, daß nur die Nabelschnur gemeint sein kann 7 ). Auch die Paraphrase der Stelle bei P e t r u s v o n A b a n o spricht nur von umbilicus in diesem Sinne8). So viele Knoten man feststellt, so viele Geburten sind in Zukunft noch zu erwarten; fehlen sie, so steht weitere Nachkommenschaft nicht in Aussicht. Nach P e t r u s v o n A b a n o beachtete man außerdem

1309

Umbilicomantie

auch die Zwischenräume zwischen den einzelnen Knoten, offenbar um daraus die Zeiten zu erschließen, die zwischen den noch zu erwartenden Geburten liegen würden9). Die Quelle dieser Notiz des arabischen Gelehrten ist nicht festzustellen; bei den antiken Ärzten ist weder über diese Verwendung der Nabelschnur etwas überliefert10), noch über eine andere bei A v i c e n n a (Ibn S i n a , 980—1037), dessen medizinische Lehren doch zum größten Teil auf das klassische Altertum zurückgehen. Seine Angabe weicht von der des Abüma'sar ab und schränkt dessen Behauptung von der allgemeinen Vorbedeutung jener Knoten wesentlich ein. Er erklärt nur, daß man an den Knoten der Nabelschnur erkennen könne, ob es sich bei einer Geburt um Zwillinge, Drillinge usw. handelt. Hat die Nabelschnur des zuerst Geborenen keine Runzeln und Knoten, so ist kein weiteres Kind im Mutterleib; andernfalls richtet sich die Zahl der Foeten nach der der Knoten 11 ). Diese gemäßigte Auffassung hat sich nicht durchgesetzt. Bereits Michael Scotus (13. Jh.) schließt sich ganz dem Glauben an, daß man die Zahl aller zukünftigen Geburten an jenen Merkmalen erkennen könne12), und bei den Divinationsspezialisten13) und auch bei den Ärzten 14 ) der späteren Zeit findet sich diese Meinung immer wieder vertreten; auch bei ihnen werden bisweilen neben der Nabelschnur die Eihäute (secundinae oder secundae) in gleichem Zusammenhang genannt. Begreiflicherweise waren am meisten die Hebammen für die Verbreitung dieses Aberglaubens verantwortlich, die bereits bei seiner ersten Erwähnung (Abüma'sar) genannt werden ; dasselbe gilt für die meisten späteren Gewährsmänner, besonders für Delrio und seine Nachschreiber. C o d e s , in dem man vielleicht überhaupt den Erfinder der Bezeichnung U. sehen darf 15 ), beruft sich ausdrücklich auf seine Mutter, die die erfahrenste Hebamme ihres Jahrhunderts gewesen und deshalb weit und breit gepriesen worden sei. Daher wenden sich auch jene Ärzte, die die Knoten natürlich erklären16), besonders heftig gegen diesen Hebammenglauben17).

1310

Unter den Bekämpfern befindet sich auch Cardan 1 8 ); er widerlegt ausführlich jede spezifische Bedeutung der Knoten und will höchstens gelten lassen, daß im allgemeinen ein fruchtbarer Uterus eine größere Anzahl davon entstehen lasse, als ein unfruchtbarer. Trotz der Aufklärung durch verständige Ärzte hat sich dieser Aberglaube bis in die Neuzeit gehalten, und zwar auch in Deutschland. So heißt es noch in dem weitverbreiteten Hebammenkatechismus des berühmten Geburtshelfers G. W. Stein (1731—1803): „Was sind das für Knoten, die man an der Nabelschnur oft wahrnimmt?" — „Es sind sogenannte Krampf oder Geschwülste der Nabelblutader."— „Dienen diese Knoten worzu?"— „Zu nichts, als den Aberglauben alter Weiber zu unterhalten, die das ungegründete Vorurteil haben, die Frau werde noch so vielmal gebähren, als dieser Knoten viel sind" 19 ). Auch im 19. Jh. ist die gleiche oder wenigstens eine ähnliche Anschauung für die Schweiz, den Frankenwald, Mecklenburg und Pommern belegt20), ferner auch für Island und die Maori auf Neuseeland21), eine mit den alten Zeugnissen auch im Wortlaut auffällig übereinstimmende Parallele wird für Sizilien22) berichtet. Die bereits früh 23 ) gestellte Frage, ob der Ursprung dieses Aberglaubens bei den Ärzten oder bei den Hebammen, also in der Wissenschaft oder in der Volksmeinung zu suchen sei, ist dokumentarisch nicht sicher zu entscheiden. Die Tatsache jedoch, daß er von der ersten Erwähnung an als eine Meinung der Hebammen bezeichnet wird, läßt die zweite Annahme als die glaublichere erscheinen. Da in älteren Zeiten die Herbeiziehung eines Arztes zu einer Entbindung nur ausnahmsweise erfolgte, waren auch die Hebammen in erster Linie in der Lage, solche Beobachtungen an der Nabelschnur zu machen. Vermutlich also ist die Geschichte der U. ein Beleg für die in der Entwicklung der Heilkunde sooft beobachtete Wellenlinie : Volksmeinung — Kunstmedizin —Volksmeinung. Wenn wir die Quelle der frühen Zeugnisse arabischer Ärzte über die U.

13"

Umbilicomantie

wüßten, so könnten wir wahrscheinlich jene Entwicklungskurve um zwei weitere Stationen bis ins klassische Altertum zurückverfolgen. c) Eine moderne Darstellung24) bringt die U. mit der Nabelschau indischer Asketen in Zusammenhang: „Die durch die gezwungene Kopfhaltung herbeigeführte Kompression der Halsblutadern ist wohl geeignet, im Gebiete des Sehorgans eine Blutstauung herbeizuführen und dadurch den Eintritt von Visionen zu erleichtern". Diese Deutung ist wissenschaftlich unhaltbar, denn für Visionen ist das Sehorgan ohne Bedeutung; außerdem fehlt ihr jede quellenmäßige Beglaubigung. 1) Achillinus De chyromantiae principiis (Bologna 1503 8v) „Umblimantia" ; C o d e s Chyromantiae Anastasis (Bologna 1517; die Erstausgabe erschien ebd. 1504) 3r°. 2 ) F l u d d Utriusque cosmi historia (Oppenheim 1617) 46; F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 89. 138. s ) D e l r i o Disquisitiones magicae lib. 4, cap. 2, q. 7, s. ι (Mainz 1603) 2, 177; B u l e n g e r u s De ratione divinationis lib. 3, cap. 14, Opuscula (Leiden 1621) 212; D e l ' A n c r e L'incrédulité (Paris 1622) 272 (diese beiden völlig von D e l r i o abhängig); T o r r e b l a n c a Daemonologia (Mainz 1623) 138 = Epitome delictorum (Leiden 1678) 123; G a u l e Magastromancer (London 1652), bei B r a n d Popular Antiquities 3 (London 1849), 329 „Omphelomancy"; D e l o s R e i e s Elysius Campus (Brüssel 1661) 392; ( B o u h o u r s ) Remarques ou Reflexions (Amsterdam 1692) 106; F a b r i c i u s Bibliographia antiquarie? (Hamburg 1760) 605. 4 ) ¿ o c l e s a . a . O . 3 v b unter Berufung auf P t o l e m a i o s und ein nicht näher bezeichnetes Werk eines P o n t i u s G a l l i c u s . Eine Spur ähnlicher Anschauungen bei C a e l i u s R h o d i g i n u s Lectiones antiquae 4,5: Die Haut um den Nabel herum wird „ A l t e " (γραία) genannt, weil sie durch ihre Runzeln auf hohes Alter deutet. 6 ) M e r i n g e r Omphalos, Nabel, Nebel, in: Wörter und Sachen 5 (1913), 43fi-, bes. 50 und 61; R o s c h e r Omphalos Abh. Leipzig 29, 9 (1913), 6; Neue Omphalosstudien ebd. 31, ι (1915), 6. e ) E u l e n b u r g Realenzyhl. der ges. Heilkunde4 10 (1911), 22öf. 7 ) Introduetorium in astronomiam (Augsburg 1489) lib. i , cap. ι , p. a 4 . Über A b u M a ' s a r vgl. B o l l Sphaera (Leipzig 1903), 4 1 3 ! , über die Unzuverlässigkeit der Übersetzungen DyrofE ebd. 484f. 8 ) Expositio problematum Aristotelis (Mantua 1475) part. 10, probi. 46; diese Schrift wird vielfach unter dem Titel Conciliator zitiert. · ) Auch bei C a e l i u s R h o d i g i n u s a. a. O. werden die spatia zusammen mit den nodi als Mittel zur Geburtenvoraussage genannt. 10 ) Die Behauptung F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 138, daß die Römer jenes Augurium gekannt hätten, entbehrt jeden Beweises. l l ) Canon (Leiden

1498) lib. 3, Fen 21, cap. 16, tract, prim. Eine genaue Übersetzung der Stelle aus dem arabischen Urtext (Canon 2, 569) danke ich Herrn Professor R u s k a , der darauf hinweist, daß das arab. Wort „surra" nach den Wörterbüchern zwar nur den Nabel bezeichne, hier jedoch nach dem Zusammenhang zweifellos die Nabelschnur darunter verstanden werden müsse. Das deutet vielleicht auf eine griechische oder lateinische Quelle, da die zunächstliegende Bedeutung von ¿μφαλός und umbilicus auch dort „Nabel" ist. Die Paraphrase des De P a r t i b u s zu der Stelle des A v i c e n n a a. a. O. bringt nichts Neues bei; in ihr ist stets vom umbilicus die Rede. Spätere Zeugen wollen wissen, daß die Wehemutter in der Erzählung der Genesis cap. 25 an diesem Zeichen erkannt habe, daß auf den zuerst geborenen Esaù noch Jakob folgen sollte, z. B. T o r r e b l a n c a a . a . O . 1 2 ) De procreatione et hominis phisionomia (Basel o. J.) lib. 1, cap. 18. 1 8 ) Besonders bei den von D e l r i o abhängigen Autoren, s . o . ; T o r r e b l a n c a folgt ihm zwar in der allgemeinen Erklärung der Bezeichnung, macht aber dann einen deutlichen Unterschied, indem er für die Eihäute keine Knoten, sondern die Färbung als vorbedeutend annimmt; vgl. oben ι, 369 A m n i o m a n t i e . 14 ) S a l i c e t u s De summa conservations (Venedig 1490) cap. 181, p. 69 V*; M o n t u u s Anasceve morborum (Leiden 1560) lib. 4, cap. 35, p. 509; nach seiner Angabe bewährte sich dies Vorzeichen bei den Geburten der Allerchristlichsten Königin-Mutter, d. h. der Katharina von Medici. P. B a y r u s (De B a i r o s ) De medendis humani corporis malis Enchiridion vulgo Veni mecum dictum (Leiden 1578) lib. 15, cap. 8, p. 4 1 5 ! will aus den Knoten nicht nur die Zahl, sondern auch das Geschlecht der künftigen Kinder erkennen (runde : Knaben, längliche: Mädchen). In Island deuten schwarze Knoten auf Knaben, weiße auf Mädchen: B a r t e l s ZsfEthnol. 32 (1900), 52. l s ) Die Erwähnung in dem ein Jahr früher erschienenen Werk des A c h i l l i n u s (s. Anm. 1) ließe sich leicht daraus erklären, daß dieser mit C. befreundet war und sein Buch der Anastasis als allgemeine Einleitung vorausschickte, wie er in der Vorrede ausdrücklich erklärt und worauf auch der Titel der Anastasis „cum approbatione Achillini" hinweist. l e ) Man glaubte, sie seien gleichsam als „Widerstände" in-den Strom des mütterlichen Blutes eingeschaltet, um es besser durchzuarbeiten: ut mora in illis facta adhuc sanguis amplius elaboretur, C a s t r o De universa muliebrium morborum medicina4 (Hamburg 1662) lib. ι , cap. 90, p. 32. 1 7 ) D e l o s R e i e s a . a . O . ; besonders scharf Joh. L a n g e Epistolae medicinales2 (Frankfurt 1589) lib. 2, cap. 10, p. 600. Dagegen macht es S a l i c e t u s a. a. O. dem Arzte zur Pflicht, die Hebammen bei jeder Geburt zu befragen, ob sie solche zukunftweisenden Knoten beobachtet hätten. ls) De rerum varietate lib. 8, cap. 44, p. 567 (Basel 1581). 19 ) 2. Aufl. (Hanau 1784) 43; freundlicher Hinweis von Herrn Professor D i e p g e n ; vgl. a. Chr. L e h m a n n Historischer

umfahren—umfliegen Schauplatz (Leipzig 1699), 715. 20 ) Vgl. die Zeugnisse bei Bargheer Eingeweide 158; Hopf SAVk. 21 (1917), 40. " ) P l o ß - B a r t e l s Das Weib11 2 (Berlin 1927), 847. 22 ) Archivo trad. Ρ°Ρ· 5. 537· Wenn Wolf Beiträge 1, 212 diesen Aberglauben als „belgisch" bezeichnet, so darf er nicht für das Belgien der Neuzeit in Anspruch genommen werden, wie es von Bargheer geschieht, da Wolf lediglich auf dem 1551 in Antwerpen geborenen D e l r i o fußt. 23 ) D e los R e i e s a. a. O. 392. 24 ) F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 138. Boehm. umfahren (s. a. umkreisen B , Umzug). D a s U . ist die Umkreisung des Objektes mit einem Gespann. A n Stelle des Umreitens (s. d.) der Leonhardkapellen am 6. November finden auch Umfahrten des Bauern mit seiner ganzen Familie oder der jungen Leute (dreimal) u m das Heiligtum s t a t t 1 ) . Die Kirche des Pferdepatrons St. Stefan in München wurde noch bis 1850 von den Droschkenkutschern der Stadt alljährlich am 2. September, dem Tage des Heiligen, u. Die Pferde sollten dadurch vor Erkrankung und Unglücksfällen geschützt werden 2 ). Wie die Braut sonst u m den Herd geführt wird (s. umführen), u m sie in die Hausgemeinschaft einzuführen und unter den Schutz des Herdgeistes zu stellen, so erfolgt ihre Bindung an die Gemeindegottheit, wenn sie aus einem fremden Orte stammt, indem man sie samt ihrem mitgebrachten Brautgut dreimal u m den Roland fährt, bevor sie in das Haus ihres zukünftigen Ehegatten einzieht 3 ). Wie sonst heilbringende Dinge um das Objekt herumgetragen werden (s. u. umführen), so wird, damit der in der letzten Garbe enthaltene Korngeist der Gemeinschaft seine Segenskraft spende, das Dorf und, wenn es der Platz erlaubt, auch der Hof oder das Haus mit dem letzten Erntefuder umfahren 4 ). Bei der großen Wagenrundfahrt, die auf der holländischen Insel Terschelling am Sonntag vierzehn Tage nach Johanni stattfindet, muß nach der Rückkehr wenigstens einmal u m den Kirchhof gefahren werden s ). Eine Verehrung des Verstorbenen, die zugleich sein Hervorrufen aus dem Grabe und Mitnehmen bedeutet, stellt folgende Sitte der Tscheremissen dar: Wenn bei der Gedächtnisfeier des vierzigsten Tages der B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I

T o t e zur Feier abgeholt wird, so fahren die Pferde ein- oder dreimal u m das Grab gegen die Richtung des Sonnenlaufes e ). K n u c h e l 9 3 ; Andree Votive 53f. a )Ders. 66. 3 ) S a r t o r i i , 117; K n u c h e l i 8 . 4 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 110. 5 ) Van der Ven Neerlands Volksleven in den zomer (Filmtext) 27. e ) H o l m b e r g Die Religion der Tscheremissen 27. Weinkopf. umfliegen. Wenn Vögel u m einen erhöhten Gegenstand oder einen Menschen im Kreise herumfliegen, so mißt das Volk unter Umständen diesem Verhalten eine abergläubische Bedeutung im Sinne der magischen Einkreisung bei. In Schlesien rufen die Kinder dem in den Lüften kreisenden Storch ein Sprüchlein zu, worin sie den Vogel auffordern, u m die Stadt ein „ R a d zu machen", d. h. im Fluge einen Kreis zu ziehen x ), den wir wohl als Schutzkreis ansprechen dürfen. Unzweifelhaft ist diese Bedeutung des U.s in folgendem Sagenzug : Bei einer Feuersbrunst, die auch die Kirche bedrohte, hat man drei weiße, fremde Tauben gesehen, die immerfort in gleichem Fluge die Kirche umkreisten. So ist diese bewahrt und unter allen Gebäuden umher allein stehen, ja unversehrt geblieben z ). Eine losere Beziehung zwischen sich und dem Objekt stellt der Seelenvogel her, wenn sein Umflug das bevorstehende Schicksal des umkreisten Lebewesens oder Gegenstandes ankündigt. Sehen wir jedoch mit L é v y - B r u h l 3 ) das eine Vorbedeutung gebende Tier nicht als einen bloßen Boten der Geisterwelt, sondern als Verursacher des Unheils, das er verkündet, an, so können wir auch hier dem U . eine magische Einwirkung auf den Mittelpunkt des Kreises, und zwar im ungünstigen Sinn, zuschreiben. Elstern, die einen Schwerkranken umflattern, sagen seinen T o d voraus 4 ) ; wenn Wildtauben ein Haus u., bedeutet dies Unglück, vermutlich T o d B ) ; wenn Störche u m einen T u r m flattern, zeigen sie eine Feuersbrunst a n e ) . Die genannten Vogelarten sind in besonderem Grade Seelengestalten : Die Taube (s. d.), namentlich die mit der Totenfarbe Weiß, die schwarz-weiße, kreischende Elster, deren Erscheinen auch 42

umführen, umtragen

sonst Unheil anzeigt (s. Elster), der weiße Storch (s. d)., der Schutzgeist des Hauses, auf dem er nistet 7 ), der durch die auffällige rote Farbe seines langen, spitzen Schnabels und der hohen Beine zugleich Feuerbringer ist 8 ). E r ist zudem durch die natürliche Eigenart, hoch in der Luft im Fluge Kreise zu ziehen, ausgezeichnet. *) D r e c h s l e r 2, 227. *) K u h n Westfalen 1, 275 Nr. 315. 3 ) Die geistige Welt der Primitiven 130. 4) S t r a c k e r j a n 1, 26. 5 ) Ders. 1, 27. «) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 84. ') Sare ) K u h n Herabkunft tori 2, 13. 106. Ein gereizter Storch, dem die Jungen aus dem Nest gestoßen worden waren, kam mit einem Feuerbrand im Schnabel geflogen und warf ihn in sein Nest, wodurch das ganze Haus in Brand geriet (ebd.; Wolf Beiträge 2, 435). Weinkopf.

umführen, umtragen. Anstelle der Umwandlung (s. d.) werden P e r s o n e n und T i e r e um das Kultobjekt herumgeführt, bzw. herumgetragen oder -gehoben. Dadurch wird eine B i n d u n g (s. umkreisen) des betreffenden Lebewesens an den Mittelpunkt beabsichtigt. ι . H a u s - und A h n e n g e i s t e r v e r e h r u n g . Neue Mitglieder der Hausgenossenschaft werden auf diese Weise den Geistern des Hauses verbunden. Es geschieht mit der Neuvermählten, mit neu eingetretenen Dienstboten und mit jungen oder frischgekauften Tieren. Die Braut wird (dreimal) um den Herd x ) oder, als Ersatz für die Herdumwandlung, nachdem der Herd vom Mittelpunkt des Raumes an die Mauer verlegt worden war, um den Kesselhaken (s. d.) geführt, bzw. der Kesselhaken um sie geschwungen 2 ). Dasselbe geschieht mit der neuen Magd 8 ). Auch die Knechte werden hier und da um das Hahl geleitet 4 ), statt dessen aber auch auf dem Hof um den Wagen *) oder von den Mägden um die Geißel e ). In Westfalen führt man die Braut bei ihrer Ankunft um den Mist 7 ). Das Neugeborene trägt man nach der Taufe dreimal um den Tisch ; unterläßt man das, so stirbt ihm später meist der Gatte 8 ). In Oberfranken geschieht die Zeremonie in der Absicht, das Kind vor Krämpfen zu bewahren 9 ). Ähnlich verfährt man mit neueingestellten Haustieren. U m ein Huhn, einen Hund, eine Katze usw. an das Haus zu ge-

wöhnen, muß man sie dreimal um den Feuerherd leiten 1 0 ). Auch in Sachsen treibt man die neugekauften Hühner dreimal um den Herd u ) . Statt dessen läßt man sie im Erzgebirge dreimal um das Tischbein gehen 1 2 ). Damit die Katze nicht entlaufe, wird sie in Schlesien dreimal um ein Küchentischbein 1 S ), in Baden mit einem Spruch um den Tischoder Stuhlfuß geführt 1 4 ). In Schlesien werden neugekaufte Hühner, um sie an Haus und Hof zu binden, auch dreimal um das Haus getragen; weiter muß die Hausfrau ihr bloßes rechtes Bein neben ein Tischbein stellen und die Hühner müssen um Menschen- und Tischbein dreimal herumgegeben werden 1 δ ). Die Ahnengeister sollen auf das Tier im Sinn der Zähmung einwirken: Wenn man im Nahetal einem Rind zum erstenmal das Joch auflegte, führte man es dreimal um den Mist ; dann war es geduldig und leicht anzulernen w ) . Durch das Umtragen wird die Hilfe der Hausgeister zu Heilzwecken angerufen. Um das Anwachsen zu heilen, hebt man in Baden das kranke Kind um ein Tischbein herum 1 7 ). In Oberfranken trägt der Pate das kranke Kind dreimal um den Tisch h e r u m 1 8 ). Um zu erfahren, was ein neu beginnendes Jahr einem Mädchen bringen wird, stellt man in der Neujahrsnacht einen viereckigen Tisch mitten in die Stube und legt auf die eine Ecke einen Ring, auf die zweite ein Stück Brot, auf die dritte einen Kranz, auf die vierte Ecke stellt man ein Gefäß mit Wasser. Man führt nun das Mädchen mit verbundenen Augen um den Tisch herum und läßt es " endlich den Tisch aufsuchen. Diejenige Ecke, auf welche es stößt, ist vorbedeutend 1 9 ). x) G e r a m b Brauchtum 134 (Niederösterreich); S t r a c k e r j a n 2, 196 Nr. 441; das eben a) K n u c h e l getraute Paar: Ders. 2, 194. Umwandlung 16; K u h n Westfalen 2, 38 Nr. 107 (mit Hinweisen). a ) Ebd.; Ders. 2, 61 Nr. 182 4) Ebd. 5) K u h n u. 184; Sartori 2, 43. a. a. O. 2, 60 Nr. 181. ·) S c h m i t z Eifel 1, 67. ') K u h n a. a. O. 2, 37 Nr. 105. Auch der Düngerhaufen ist ein Sitz der Hausgeister, zumal auf ihm allgemein der Abort (s. d., er ist Geisterstätte) aufgestellt ist; vgl. ume) W u t t k e tanzen. 390 § 596. ·) L a m -

umführen, umtragen

j 217

1 0 ) S t r a c k e r j a n 1, 124 Nr. 145. m e r t 123. u ) W u t t k e 433 §679. " ) John Erzgebirge 234. 1 3 ) D r e c h s l e r 2, 98. 1 4 ) M e y e r Baden 412. l 6 ) D r e c h s l e r 2,87. 1 β ) ZfrwVk. 1905, 17) Z i m m e r m a n n 292. Volksheilkunde 64. 1β ) L a m m e r t 1β ) S t r a c k e r j a n ι , 106 124. Nr. 122.

2. B a u m v e r e h r u n g . Eine Kuh, die nicht fruchtbar bleibt, führt man um einen schwarzen Kirschbaum 20 ). Wenn die hannoverschen Wenden am Tage Maria Himmelfahrt ihr Hauptfest, das Kreuzbaumsetzen, feierten, wurde das Vieh, damit es gedeihe, um den Baum (eine Eiche) gejagt 21). 20 ) B o h n e n b e r g e r Sagen 332 ff.

22.

21)

Kuhn

Mark.

3. Verehrung des Wassergeistes. Wenn der, welcher den Mockel wirft, von den Dreschern erwischt wird, so wird ihm ein Strohband um den Hals gelegt und er so um den Brunnen geführt 22). 22 )

E b e r h a r d t Landwirtschaft

9.

4. S o n n e n v e r e h r u n g . Sie erscheint mit Ahnenkult verbunden, wenn im Erzgebirge das Kalb vor dem Entwöhnen, damit es das Futter annehme, dreimal um einen Erbschlüssel geführt wird 23 ). Der Schlüssel ist Sonnensymbol24). Man führt eine kranke Kuh gegen die Sonne um einen eisernen Topf 2 5 ) (s. umtanzen I 6). 23 ) W u t t k e 443 § 698. " ) Der Schlüssel erscheint in Darstellung und magischem Gebrauch neben anderen Sonnensymbolen und -zeichen. Mit Schlüssel- und Kreuzfiguren werden die Weihnachtsbrote der Finnen verziert ( R a n t a s a l o Der Ackerbau 3, 100. 116); ein Schlüssel ist neben Sonnenrad und -Scheibe über dem Kircheneingang von Avolsheim im Elsaß eingemeißelt (s. Abb. 72a in J u n g Germ. Götter u. Helden in christl. Zeit 212). Es dürfte die drehende Bewegung bei seinem Gebrauch gewesen sein, die den Schlüssel zum Sonnenbild machte. 25 ) F e i l b e r g Ordbog 3, 457.

5. F e u e r k u l t . Früher führten die Burschen ihre Mädchen um das Johannisfeuer herum 28 ). Eine Kuh wird gegen die Sonne um ein Feuer geführt 27 ). 2β )

M e y e r Baden

226.

" ) F e i l b e r g a. a. O.

6. S t e i n - (Berg-, Terminalgötter-) kult. Zunächst wird die fruchtbarmachende Kraft der Felsen und Steine in Anspruch genommen. Kühe, die schwer trächtig werden, führt man dreimal um den Grenzstein 28 ). Überreste der Verehrung von Grenzgottheiten sind öfter in

1318

solchen Begehungen erhalten. Bei der Grenzbegehung führte man die Knaben, damit sie den Grenzstein besser im Gedächtnis behalten sollten, am Ohr um den Stein herum und besiegelte das Ganze mit einer tüchtigen Ohrfeige 29 ). Um ein Stück neu gekauftes Vieh vor Behexung und Krankheit zu bewahren, führt man es in Schlesien auf dem Heimweg vom Markt um den letzten Hügel, der sich an jeder Waldecke befindet, dreimal herum30). In Schweden pflegt man gekauftes Vieh dreimal gegen die Sonne um einen „erdfesten" Stein zu führen, damit es sich nicht nach seinem früheren Platze zurücksehne 31). Die Huldren (norwegisch, „verborgenes Volk", nämlich die Berg- oder Erdelben, die in Löchern und Höhlen hausen) geben und nehmen der um ihren vette haug geführten Kuh Fruchtbarkeit 32). 2β ) K n u c h e l 58; E b e r h a r d t 16. 2e ) S p i e ß Fränkisch-Henneberg 120. 30) D r e c h s l e r 2, io3f. 31 ) Svenska Landsmaal ock Svenskt Folkliv Jg. 1908, 429. 32 ) M e y e r Germ. Myth. 128.

7. Auf c h r i s t l i c h e Kultstätten wurden ältere Religionsübungen übertragen. Pferde führt man, statt sie zu reiten (s. Umreiten) dreimal um eine Kirche: in Eichsfeld am Sonntag nach einem Marienfeste, damit sie gesund bleiben und die kranken genesen 33 ), in der Oberpfalz am Sebastianstage (20. Jänner) 34), am Martinstage um eine Martinskapelle35), an Georgi 36 ). In Serbien werden die Haustiere am Tage ihres Schutzpatrons, des heil. Klemens (23. November), dreimal um die Kirche geleitet, wobei man opfert 37 ). Man trägt den Täufling um den Altar 38 ), ebenso das Jahrkind, damit es nicht klein bleibe 39 ). Zur Feier beim Begräbnis gehört mitunter ein Umtragen der Leiche um die Kirche Es geschah wenigstens einmal 41 ), bei angesehenen Toten dreimal 42 ). 33 )

W u t t k e 451 § 7 1 1 . 3 1 ) Ebd. 35 ) Ebd. 3T ) S c h n e e w e i s Ebd. Weihnachten 128. 3β ) A n d r e e Braunschweig 291. 39 ) D r e c h s l e r 10 ) Z f V k . 5 (1895), 354. ι , 217. " ) Ebd. 8 (1898), 437. « ) ZfrwVk. 1908, 257.

3β)

8. T o t e n k u l t . Die Kirche gilt als Totenort (s. umwandeln I, 1 h). Schon der nächtliche Zeitpunkt weist bei den 42*

umgehen I, I I

drei folgenden Umkreisungsriten darauf hin, daß sie sich an die Geister der Abgeschiedenen um Hilfe wenden. Im Lauenburgischen trägt man gegen Abmagerung in Ostpreußen gegen die englische Krankheit die Kinder dreimal nachts schweigend um die Kirche **). Einen Kranken, dem der Arzt nicht mehr helfen kann, muß man an drei aufeinanderfolgenden Freitagen, nachts zwischen zwölf und ein Uhr, dreimal um die Kirche tragen 46 ). Hat sich bei einer Gans das Ei festgesetzt, daß sie nicht legen kann, dann soll man sie vor Sonnenaufgang oder nach Sonnenuntergang dreimal schweigend um die Kirche tragen; dadurch löst sich das Ei 4 6 ). In Litauen führt man gegen Leibschmerzen der Pferde und Kühe die betreffenden Tiere dreimal um den Kirchhof 47). Auch die bosnischen Serben führen ihre kranken Pferde dreimal um den Begräbnisplatz In Norwegen werden vor dem Kirchhof die Pferde vom Leichenwagen abgespannt und dreimal um ihn herumgeführt, ehe man den Sarg herabholt49). Die Bahre mit dem Sarg wird um den Kirchhof getragen 50 ). « ) W u t t k e 361 § 545. » ) Ders. 360 § 543. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 0 1 . 4 6 ) Ders. 2, 158. " ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 74. 4β ) K n u 60 c h e l 56. *·) Ders. 43. ) S t r a c k e r j a n 2, 2 1 8 , Nr. 460. 46

9. Als ein Akt der Verehrung für die übrigen Geisterwesen seines Reviers dürfte es aufzufassen sein, wenn beim Erlösungswerk des öfteren die Bedingung gestellt wird, den Geist um einen Berg oder Wald (gewöhnlich den, welchen er bewohnt) oder um eine Kirche zu tragen. Die weiße Jungfer im Heiligengeistbusch bei Einbeck mußte dreimal um dieses Gehölz, das ihr gehörte, getragen werden, wobei sie immer schwerer wurde 61 ). Die weiße Jungfer auf der Heldenburg bei Salzderhelden verlangte von einem Ritter, er solle sie, um sie zu erlösen, zwölfmal um einen gewissen Busch herumtragen 52 ). Die Prinzessin auf den Müggelsbergen verlangte zu ihrer Erlösung, dreimal um die Kirche zu Köpnik getragen zu werden 53 ). Eine von drei geisterhaften Frauen will um den Berg

1320

oder um den Kirchhof dreimal schweigend herumgetragen werden 54). " ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 8gf. 6 2 ) Dies. 79. ) K u h n u. S c h w a r t z 470. '*) K n o o p Hinterpommern 3 1 . ss

10. In einem unter 1 angeführten Beispiel erfolgt die Bindung, außer an das Haus und den Tisch (Stätte des gemeinsamen Mahles als Kulthandlung, Vertreter des Herdes) an die Besitzerin der Tiere selbst. Dazu tritt der Zweck, daß vom menschlichen Bein als M i t t e l p u n k t der Umkreisung aus eine magische Beeinflussung des herumgeführten Wesens erfolgen soll (vgl. umkreisen). Das Bein empfängt von zwei benachbarten Körperteilen übernatürliche Kräfte: vom manistisch bedeutsamen Fuß (s. d.) und von den Zeugungsteilen. Das Durchziehen zwischen den Beinen streift gleich dem Durchkriechen (s. d. 2, 290 f.) anhaftende dämonische Einflüsse ab (vgl. P f i s t e r , Schwaben 39 f.). Beispiele des reinen Brauches: Will die Frau verhüten, daß gekaufte Hühner weglaufen oder die Eier verschleppen, so nimmt sie dieselben im Sack, worin sie gebracht werden, dreimal um das rechte Bein herum55). Wer Hund, Katze, Henne kauft, dreht sie dreimal um sein rechtes Bein, so gewöhnen sie gut ein56). » ) D r e c h s l e r 2, 87.

M

) Z f V k . 4 (1894). Weinkopf.

umgehen I s. Umzug, Umgang. umgehen II. Verbreiteter Ausdruck für das Erscheinen von Menschen- und Tiergespenstern, die in der Oberpfalz heute noch „die umgehenden Dinger" heißen 1 ). Im Hessischen sagt man: ,,Es wandert" (in der Wetterau : „es wannert", vgl. wanken 2 )). Die niederdeutsche Bezeichnung für „spuken" ist w a f e l n (ags. vafian, altn. vafra, vofa, mhd. waberen, hd. webern). Im Tatian 2x0, 3 bedeutet wabarsiuni das spectaculum der aus ihren Gräbern kommenden Toten bei Christi Kreuzigung; altn. vofa wird mit spectrum, ags. vâfersyne mit spectaculum glossiert (Leo Gloss. 7, 2). Laistner vergleicht außerdem ags. vâferlic ( = theatralis) und thät väfre lig (— Waberlohe) mit unserm „webern" = Webereitreiben, in unruhiger Bewegung sein, spuken,

Umkehrung

wafeln 3 ). An der Ostsee glauben die Leute einen Schiffbruch, das Stranden, oftmals vorherzusehen, indem solche Schiffe vorher spuken, einige Tage oder Wochen, an dem Ort, wo sie verunglückten, bei Nachtzeit wie dunkle Luftgebilde erscheinen, alle Teile des Schiffs, Rumpf, Tauwerk, Mäste, Segel, in bloßem Feuer vorgestellt. Das nennen sie „wafeln". Es wafeln auch Menschen, die ertrinken, Häuser, die abbrennen werden, und Orte, die untergehen. Sonntags hört man noch unter dem Wasser die Glocken versunkener Städte klingen 4). W e i z e n ist bayrischer Ausdruck für „umgehen" 8 ). Wiz bedeutet Alb, Weiz (Verlängerung des i in Anlehnung von „weiß" oder „weise", s. Bilwis I), Geisterspuk, Gespenst. Weizenfahrerinnen nannte man auch dämonische Frauen, die in gewissen Nächten auf Tieren reiten, und für die Burkhart von Worms auch den Ausdruck Holda, auch unholda, bietet. Es handelt sich also bei Weizenfahrerinnen um eine andere Bezeichnung für nahtvaren, die Berthold von Regensburg (2, 70) e ) mit dem Bilwis (s. d.) zusammenstellt, in dessen Namen der zweite Bestandteil mit unserem wiz identisch ist. Nach Laistners ansprechender Vermutung hieß die Geisterschar die wizenvar (var = Fahrt, Reise), wie man in Tirol das Wildgfahr kennt statt des wilden Heeres. Die wizenvar ist die Fahrt der Wizen. Diese aber sind abgeschiedene Seelen (ags. gevîtan hat den Sinn „sterben"), Spukgeister, wie ja Holda auch Führerin des Seelenheeres ist. G r i m m Myth. 3, 279; L a i s t n e r Nebelsagen 3 1 7 f . ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 338. 2 ) G r i m m Myth. 3, 279. 3 ) E b d . 3, 278; L a i s t 4 n e r Nebelsagen 248. ) G r i m m Sagen 203 Nr. 280. 5 ) Bavaria 1, 329; G r i m m Myth. 3, 2 7 9 ; 417 Nr. 25; L a i s t n e r Nebelsagen 248. 3 i 7 f . ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 49ft.; P a n z e r Beitrag ι, 98ff. 1 1 7 ; 2, 551; P o l l i n g e r Landshut 99e. 136; S i m r o c k Mythologie 641. e ) S c h ö n b a c h Berthold υ. R. 21; W a s c h n i t i u s Perht itgi.; L a i s t n e r Nebelsagen 317L

s. a. arme S e e l e n , G e i s t , Gespenst. Mengis.

Umkehrung *). Nach primitiver Anschauung ist im jenseitigen Leben alles umgekehrt im Verhältnis zum diesseitigen. Nach Angabe der Dajak bedeuten alle

1322

Worte in der Seelenstadt das Umgekehrte des irdischen Sinnes; ζ. B. ist süß gleich bitter, bitter gleich süß, stehen gleich liegen usw. Nach Annahme der Italmenen ist, wer hier reich war, in der andern Welt arm, und wer hier sündigt, wird dort brav 2 ). Alle Gegenstände, sagen die Altaitartaren, welche hier verkehrt erscheinen, haben in der andern Welt ihr richtiges, gerades Aussehen. Was bei uns links ist, ist dort rechts. Die Ausrüstung der Leichname in frühgeschichtlichen Gräbern entspricht dem Gebrauch der linken, nicht der rechten Hand (Das Schwert wurde ihnen an die rechte Körperseite gehängt) s ). Im Brauchtum und Aberglauben der Völker der Gegenwart wird nun eine Anzahl sehr verschiedenartiger, oft recht seltsam anmutender Handlungen und Meinungen angetroffen, die auf die primitive Anschauung von der U. im Seelenreich zurückgehen. Die U. gilt als das Kennzeichen der Unterirdischen und dämonischen Wesen. Im Auge des Alps und der Hexe sieht man sein eigenes Bild (oder die Gestalt der Hexe) verkehrt 4 ). Eine verzauberte Ziege, die außerordentlich viel Milch gibt, steht in einer niederösterreichischen Sage de? Morgens immer verkehrt im Stall 5 ). Indem der Primitive diese Eigenheit der Unterwelt nachahmt, tritt er mit den Toten in Verbindung und gewinnt ihre Gunst. Umkehrungen werden betätigt in Form von Gebärden, Bewegungen und Stellungen, von Worten und bildnerischen Darstellungen, in Kleidung und mimischen Aktionen; Dinge werden umgedreht und in die verkehrte Lage gebracht, von oben nach unten, von vorn nach rückwärts, von innen nach außen, von rechts nach links ; der Gegensatz kommt zur Anwendung in Gedanke, Lage, Gliedmaßen, Geschlecht. Die U. wird vorgenommen in Trauer- und Bestattungszeremonien, Opferriten, Zauberhandlungen und Orakelbefragungen. Durch U. der Dinge geben die Bewohner der Unterwelt Vorzeichen. Zwecklos, mutwillig oder unachtsam (also nicht magisch oder kultlich) angewendet,

Umkehrung

1323

ist die U. verpönt und wird von den Toten bestraft.

1 ) Vgl. H o l m b e r g in Rig (Stockholm) Vänsterhand och motsols (Links und sonnengegenläufig) J g . 1925, 2 3 — 3 6 ; W e i n k o p f Die U. in Glaube und Brauch OdZfVk. 2, 4 3 — 5 6 . 2 ) F r o b e n i u s Weltanschauung 396. 3 ) R i g 27. 4 ) D r e c h s l e r 2, 82; M a n z Sargans 110. 5 ) K . S ü ß Hundert Ortssagen aus dem Hornergau Nr. 65.

1. Die U. im V o l k s b r a u c h . Die U. wird gebraucht ι . um mit dämonischen Wesen oder der U n t e r w e l t in Verkehr zu treten. Wenn man am Vorabend des Walpurgistages alle Kleidungsstücke verkehrt anzieht und rücklings bis zu einem Kreuzwege kriecht, so kann man in die Gesellschaft der Hexen kommen6). Man zieht die Kleider verkehrt an, wenn man in der Kirche die Hexen erkennen will 7 ). · ) D r e c h s l e r 1 109. then 336.

7

) Vernaleken

My-

2. Die U. bei Tod und B e g r ä b n i s . Weit verbreitet ist der Brauch, nachdem die Leiche aus dem Hause gebracht worden ist, Stühle und Bänke, mitunter auch alle Gefäße im Hause, umzustürzen8). Geschieht es nicht, so bekommt in Schlesien Kopfweh, wer sich zuerst daraufsetzt 9). Das ist die Strafe der Toten für die Unterlassung der ihnen gebührenden Aufmerksamkeit. Die Siebenbürger Sachsen werten die Handvoll Erde ins Grab auf den Sarg mit verkehrter Hand 10 ).

8 ) D r e c h s l e r 1, 290; S c h u l l e r u s Siebenbürgisch-sächs. Vk. 1 3 1 ; V e r n a l e k e n a. a. O. 3 1 6 ; P i t r è Usi natalizi, nuziali e funebri del popolo Siciliano 163, 1 8 1 ; Das Waldviertel β 3. Bd. (Volksk.), 59. ) D r e c h s l e r ι, 291. lc ) S c h u l l e r u s a. a. O. 1 3 2 .

3. Beim Opfer. Schon die alten Römer pflegten mit der linken Hand zu opfern 1 1 ). In Bayern steckt man für die Hasen vier Rübenpflänzchen verkehrt (mit der Wurzel nach oben) in die Erde 18 ) (Schädlinge sind Seelengeister). Beim Schneiden des Getreides pflegte man in Württemberg die drei ersten Handvoll Getreidehalme in umgekehrter Lage zu den übrigen „Sammleten" auf die Erde zu legen 13 ). 13

n ) Rig 23. 1 2 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 1 1 0 . ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 129.

4. Das

ausgedehnteste

Anwendungs-

1324

gebiet hat die U. beim Zauber (hauptsächlich Abwehr- und Heilzauber). Das Hemd verkehrt anziehen hilft im Waldviertel (N.-Öst.) gegen die üblen Folgen des Verschreiens. Wenn eine Kuh nach dem Kalben zum erstenmal angespannt wird, hängt man die Zugstränge verkehrt ein, damit sie nicht behext werde14). Rücklings (also verkehrt gehend) zu einer Holunderstaude treten hilft schon gegen viele Krankheiten 15 ). Eine Ohrfeige, mit der umgekehrten Hand verabreicht, beseitigt das Gerstenkorn 16 ). Um vom Fieber geheilt zu werden, kehrt man sein Hemd um und zieht es so wieder an 1 7 ). Gefallene Mandeln (angeschwollene Halsdrüsen) werden mit dem Löffelstiel gehoben 18 ). Zur Diebsbannung muß man mit der linken Hand eine Hollerstaude umbiegen19). Zum Schadenzauber: Um einem Schützen das Gewehr zu verzaubern, steckt man ein Messer umgekehrt in die Tasche oder man wendet heimlich eine Tasche um 20 ).

" ) W i r t h Beiträge 1, 2 8 ; 4/5, 4. u ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 27. l e ) F o s s e l Volksmedizin 93. 1 7 ) ObdZsfVk. a. a. O. 4 7 ; U r b a n Über volkst. Heilkunde Westböhmens 7 1 ; P i t r è Medicina pop. Siciliana 2 1 5 (bei Nesselausschlag). 1 8 ) U r b a n a. a. O. 29. 1 9 ) Z i n g e r l e Sagen, Märchen u. Gebräuche aus Tirol (1859) 460. 2 0 ) W u t t k e 453, 399.

5. Der U. bedient sich, wer mit Hilfe der Toten einen B l i c k in die Z u k u n f t oder sonst ins Verborgene tun will. Im Thurgau geht das Mädchen rücklings auf sein Bett zu, wenn sie in der Andreasnacht im Traum den Liebsten sehen will 21 ), und zum gleichen Zweck legt sie sich in Niederösterreich in der Thomasnacht verkehrt ins Bett 22 ). Wenn man einen Strumpf oder das Hemd verkehrt anzieht, so erlangt man die Gabe, alle unter der Erde verborgenen Dinge zu sehen23). 2l ) R e i n s b e r g Festjahr 4 1 7 . 2 a ) V e r n a l e k e n 23 343. ) K n o o p Hinterpommern 167 Nr. 126.

II. Die U. im A b e r g l a u b e n . 1. Als Vorzeichen. Schlägt sich bei einem Mädchen der Kleidersaum oft um, so wird es von einem Witwer geliebt 24 ). Im Kanton Bern glaubt man, wenn der Saum eines Frauenkleides sich umdrehe, sei ein Brief oder ein Besuch zu erwarten; in St. Gallen, Schelte stünden bevor 25 ).

Umkehrung

1325 21

) D r e c h s l e r 1, 226.

25

) S A V k . 1904, 270.

2. V e r b o t e zweckloser U. Ein allgemein verbreiteter Volksglaube besagt, wer bei einem Ausgang umkehre, für den werde der Tag bös enden 26). Um die ungünstige Wirkung aufzuheben, muß man sich daheim erst eine Weile hinsetzen 27 ). Den Brotlaib auf die gewölbte Seite, mit der flachen Seite oben hinlegen, ist verpönt und bringt Unheil 28 ). Die Braut darf sich im Hochzeitszuge nicht umsehen (s. d.), sonst verliert sie ihren Gatten bald durch den Tod 29 ). In Flämisch-Belgien geht der Geschenke bringende heilige Martin fort, ohne etwas zu geben, wenn man sich umdreht30). 29 ) z . B . in Wien u. Nied.-Öst.; S a r t o r i Sitte 2, 5 1 für Masuren u. Thüringen; D r e c h s l e r 2, 27 17. ) D e r s . a . a . O . ; S a r t o r i a . a . O . für Schlesien u. Erzgebirge; K n o r t z A merik. Abergl. d. Gegenw. 44. 2 8 ) s. Brot. 2 9 ) Allg.; s. umsehen. 3 0 ) R e i n s b e r g a. a. O. 403.

III. Besondere F o r m e n der U. i.Eine U. kommt im Gegensatz, sei es ein lokaler oder ein ideeller, zum Ausdruck. Nasenbluten stillt man, indem man bei einer Blutung aus dem rechten Nasenloch den kleinen Finger der linken Hand unterbindet und umgekehrt 31 ). Der Gegensatz der Geschlechter spielt namentlich im Heilzauber eine große Rolle. Es ist eine sehr gewöhnliche Vorschrift, daß die Heilhandlung von einer Person des anderen Geschlechtes vollzogen werden soll 32 ). Man empfiehlt der Wöchnerin, ein männliches Kleidungsstück zu tragen, zum Schutz für sich und für ihr Kind 33 ). M. E. könnte das M ä n n e r k i n d b e t t 3 4 ) aus dem mythisch bedeutsamen Geschlechtertausch seine beste Erklärung finden. Der Gedanke der Dämonentäuschung wäre dann erst sekundär; es dürfte vielmehr bezweckt sein, die Seelengeister, die infolge der Geburt eine Seele hergeben mußten und sie zurückhaben möchten, durch die Nachahmung einer Eigenart des Seelenreiches zu begütigen und zu versöhnen. Die L ü g e ist als Gegensatz der Wahrheit ein Kennzeichen des Totenreiches. Ihr Gebrauch verschafft die Gunst der Seelengeister. Wer beim Schwämmesuchen recht viel lügt, der findet die meisten Schwämme 35).

1326

Auf obiger Annahme beruhen die volkstümlichen Lügengeschichten und -lieder. Das Gegensätzliche und Paradoxebringt Erfolg. Wer in Bayern recht viel Rüben ernten will, der spricht beim Pflanzen: I will koa, i mag koa, i brauch koa 36 ).

31 ) Z i m m e r m a n n Badische Volksheilk. 27. ) D r e c h s l e r 2, 2 7 7 ; U r b a n 7 ; F o s s e l 87. 33 ) L a n d s t e i n e r Niederösterreich 4 2 ; S a r t o r i ι , 3 1 . 3 1 ) S. Art. Männerkindbett. Zur Literatur noch: Warren R . D a w t o n The Custom of Couvade, Manchester 1929. 3 5 ) Mitt. d. e naturw. Ver. f. Steiermark 1910, Η. 1. ) Marz e l l a. a. O. 1 1 8 . 32

2. Die Wahl des schräg gegenüberliegenden Körperteils beim Zaubern, namentlich Heilzauber, macht die S c h i e f h e i t zum Totenmerkmal. Das Brot darf nicht schief, sondern muß immer gleich angeschnitten werden. Ein weitverbreiteter Vers besagt: Schneide Brot gleich, so wirst du reich. 3. Ungerade und ungleich herrschen im Totenreich. „Alles Ungerade", heißt es in einer schwäbischen Sage, nachdem von einem Schrättel die Rede war, „hat vor Flüchen Respekt" 37). Davon leitet sich die hervorragende Bedeutung der ungeraden Zahlen im Zauber und Aberglauben her 38 ). Ungerade muß immer die Zahl der zum Brüten untergelegten Eier sein ,9 ). Eine alte, bereits in der Antike nachweisbare Forderung der Zaube t medizin ist die Anwendung des Mittels in ungerader Zahl 40 ). Der Teufel hinkt nicht nur, sondern auch der eine seiner Arme ist kürzer als der andere 41 ). Um einen Waldbrand zu löschen, wandte man sich in Schweden an eine Frau, die, mit unpaarigen Schuhen bekleidet, dreimal ums Feuer ging 42 ). 3 ' ) s. anschneiden; W Z f V k . 32, 82; D r e c h s l e r 2, 1 4 ; MsäVk. 4, 55. 3 e ) L a i s t n e r Sphinx ι , 186. 3 i ) M e y e r Baden 4 1 1 ; MsäVk. 4, 1 3 5 ; Volksleven 1899, 88. « ) OdZfVk 2, 36. 1 1 ) siehe Arm. 1 2 ) K n u c h e l Umwandlung 88.

4. Wenn der Schamane von seiner Reise in die Unterwelt zurückkehrt, weiß er zu berichten, er habe dort ein Volk getroffen, das mit den Füßen gegen unsere Füße gerichtet ging 43 ). Aus dieser Annahme heraus gelangen die F ü ß e und ihr Gebrauch zu manistischer Bedeutung. Das Baumeln mit den Füßen ist im

1327

umkreisen

Kinderaberglauben verpönt 4 4 ). In Tahiti durfte nicht mit den Füßen gegen den Marai gekehrt geschlafen werden 48 ). Die mythische Bedeutung des Fußes geht auf den S c h u h über. Allgemein verbreitet, mit mancherlei Abweichungen, ist das Orakel des Schuhwerfens 4 6 ). 43 ) R i g 32. " ) W Z f V k . a. a. O. 84; D r e c h s l e r 4β ) D a s 2, i l . 45 ) R a t z e l Völkerkunde 265. Schuhwerfen in voller Form schildert G e r a m b Brauchtum 110.

5. Die magische Rolle des R ü c k e n s läßt sich am besten aus dem Gedanken der U. ableiten. Um die Auszehrung zu verlieren, wetzt sich der Steirer mit dem Rücken am Hollerbaum 4 7 ). Bei verschiedenen, sicher uralten Tänzen werden Rücken oder Gesäß betätigt 4 8 ). Ein ganz eigenartiger nordrussischer Tanz bestand darin, daß man sich auf den Fußboden setzte,sich, auf die Hände gestützt, rasch über den Rücken herumdrehte, und dabei abwechselnd mit dem oberen und unteren Teil des Rückens auf den Boden aufschlug 49). 4 ' ) F o s s e l 106. 48 ) So beim Buckeltanz oder Hans A d a m : J u n k Handb. d. Tanzes 42; M a u t n e r Alte Lieder u. Weisen aus d. steyermärkischen Salzkammergute 393; D . Waldviertel a. a. O. 64. 49 ) Z e l e n i n Russ. Volkskunde 343.

6. Darauf, daß im Totenlande statt rechts l i n k s gebräuchlich ist, dürfte die Bevorzugung des Gebrauches der rechten Hand und die volkstümliche Verachtung des Linkshänders zurückgehen. Bekanntlich hat einen schlechten Tag zu erwarten, wer mit dem linken F u ß zuerst aus dem Bett steigt 6 0 ). In einem siebenbürgischen Märchen bittet die alte Hexe sofort um Gnade, als der jugendliche Held sein Schwert in die linke Hand nimmt 5 1 ). Ein konzentrierter Linksheilzauber ist folgender sächsischer: Wird man vom Reißen geplagt, so soll man alles zuerst links ausführen: So mit dem linken Bein zuerst das Bett verlassen, mit dem linken Arm zuerst in den Rock fahren, zuerst die linke Hand waschen usw. 52 ). 60 ) s. B e t t ; W Z f V k . 33, 10. " ) L a i s t n e r 1, 62 ) S e y f a r t h Sachsen 183. 237.

IV. Erklärung. Der Primitive sah die Erde für eine Scheibe an. Es ist daher leicht verständlich, wenn er die Welt an der Unterseite der Erdscheibe sich in

1328

jedem Belang als verkehrt vorstellte. Auch die Sonne läuft in der Unterwelt umgekehrt: sie geht im Westen auf und im Osten unter. Ebenso kann aber auch der Phasenwechsel des Mondes den manistischen Begriff des Gegensatzes und der Verkehrung erzeugt haben. Der helle und der unbeleuchtete (neben dem ersteren schwach sichtbare) Teil der Mondscheibe stellen einen Gegensatz dar; der junge, zunehmende Mond verkehrt sich in den alten, abnehmenden. Der zunehmende Halbmond steht rechts, der abnehmende links, woraus sich ungezwungen die Glücksbedeutung der rechten und die unheilvolle Bedeutung der linken Seite erklären ließen. Die zu- und die abnehmende Mondsichel weisen nach entgegengesetzten Richtungen. Weinkopf. umkreisen (U. = Umkreisung). A. Unter U. (im w e i t e r e n Sinn) verstehen wir die kreisförmige Bew e g u n g , die um ein Ding,oder eine Person zu kultlichen oder abergläubischen Zwecken ausgeführt wird (Über das magische Z e i c h e n des Kreises, die Ausführung der geometrischen Figur in einer sichtbaren, kürzer oder länger bleibenden Spur s. Kreis). Der U. wird eine symbolisch-magische K r a f t innewohnend gedacht, die entweder I. nach i n n e n oder II. nach a u ß e n wirken soll. 1. Die nach i n n e n wirkende U. dient zur B e e i n f l u s s u n g des im Kreismittelpunkt befindlichen Dinges oder Wesens, am häufigsten wohl (jedoch nicht ausschließlich) zu seiner symbolischen E i n s c h l i e ß u n g und F e s t h a l t u n g . ι . Etwas G ü n s t i g e s wird festgehalten, um es zu nützen. So wird der häufig angetroffenen Umwandlung von Götterbildern die naive Vorstellung zugrunde liegen, daß die Gottheit durch den Kreis, den der Devote um ihr Bild zieht, verhindert werden soll, sich zu entfernen. Sie soll seinem Gebete und Anliegen Gehör geben !) M. H a b e r l a n d t in Corr. Bl. d. Ges. f. Anthr., Ethnol. u. Urgesch. 21, 9.

2. Etwas F e i n d l i c h e s wird festgehalten, um sich selbst oder andere davor zu

1329

umkreisen

schützen. Hierher gehören: das Umlaufen 2) oder Umreiten eines Brandes und fallweise das Umfahren einer entzündeten Körperstelle, um das Weitergreifen des Feuers, beziehungsweise der Entzündung zu verhindern; das Bannen eines Diebes, der der Erkennung und Strafe zugeführt werden soll. 2

) S. die Art. über die betr. Sonderarten der U.

3. Durch das Umwandeln (Umfahren, Umreiten, ferner das Herumtragen, -treiben oder -führen von unselbständigen Lebewesen, wie Kindern oder Vieh) soll der aktiv bzw. passiv Umkreisende in eine nähere Beziehung zur umkreisten Gottheit gebracht werden; es wird eine „ B i n d u n g " angestrebt. a) Personen und Lebewesen sollen durch die U. der Huld der Gottheit empfohlen werden. In der Folge wird die U. zu einem Akt der Huldigung und Verehrung ; b) im Rechtsbrauch wird die Bindung zu einer Besitzergreifung; c) Das Herumtragen von Opfern um den Gott ist als ein Teil der Darbringung zu betrachten; d) die Gottheit selbst (ihr Bild), Dinge, welche die Gnade der Gottheit gefunden haben (Herumtragen von Opfern oder christlichen Heiltümern) oder andere segensreiche Dinge (ζ. B. die letzte Garbe), sollen ihren heilbringenden Einfluß auf das Objekt ausüben. II. Die U. mit der Wirkung nach außen beabsichtigt den Schutz des umkreisten Gegenstandes vor von außen kommenden Angriffen. Das Objekt wird umwandelt (umfahren, umritten) oder mit einem Gegenstand apotropäischer Natur umkreist (umrissen, umfahren), um feindliche Dämonen von ihm abzuwehren. Für viele U.sriten besteht die Vorschrift, daß sie mit Rücksicht auf die Richtung des S o n n e n l a u f e s 3 ) auszuführen sind, die einen mit der Sonne (von links nach rechts), die andern gegen die Sonne (von r. nach 1.); schon im Kult der Druiden ist der Umgang mit der Sonne und gegen die Sonne bezeugt 4). Wenn die U. mehrmals (gewöhnlich dreimal) hintereinander erfolgt, so kann sie ζ. T. sonnenläufig, ζ. T. gegensonnenläufig („verkehrt")

1330

vorgenommen werden6). Es ist schwer denkbar, daß die gewaltigste Kreisbewegung, der der Naturmensch täglich ansichtig wurde, an der Idee der magischen U. keinen Anteil haben sollte. Der Primitive stellt sich die Sonnenbahn als eine Kreisbewegung vor, die in ihrer oberirdischen Hälfte von 1. nach r., in ihrer unterirdischen von r.nach 1. erfolgt; in der Unterwelt geht dieSonne imWesten auf und im Osten unter e ). Die Nachahmung der Eigenart und des Wirkens einer höheren Macht erweckt ihr Wohlgefallen. Somit ist die Darstellung eines Kreises als Nachbildung der Sonnenbahn ein Akt der Sonnenverehrung, bringt als solche Heil und erlangt magische Kraft. Wird der U. ein Mittelpunkt gegeben, so kann diesem durch die U. die magische Kraft zugewendet werden. Ob die Idee der symbolisch-magischen Einkreisung oder die einer Nachbildung des Sonnenlaufes vorangegangen ist, wird sich schwerlich je entscheiden lassen. Auf diesen Grundgedanken einer Umsonnung könnten m. E. sowohl der apotropäische als der befruchtende Zweck der U. zurückgeführt werden (dieSonne alsDämonenverscheucherin und Lebensbringerin) und selbst der kultliche (Umsonnung der Toten) 7 ).

3 ) S. Sonne. 4 ) E i t r e m Opferritus u. Voropfer d. Griechen u. Römer. ' ) Eine Zusammenstellung von Umkreisungen mit der Sonne u.gegen die Sonne bringt F e i l b e r g Ordbog 3, 456 f. Die Richtung der S. nach ist glückbringend; gegen die S. verübt man bösen Zauber ( S t r a c k e r j a n 2, 103 Nr. 330). Erfolgt eine U. gegensonnenläufig, so bezieht sie sich auf eine Unterweltsgottheit, einen Ahnen-oder Totengeist ( K n u c h e l Umwandlung 39. 40). e ) Davon die Umkehrung u. Verkehrte Welt. ' ) Daß der tiefere Sinn der U., wenigstens für einen Teil der Überlieferung, in einer Darstellung der Sonnenbahn zu suchen sein dürfte, dafür scheint die häufige Verwendung eines Schimmels zu magisch-kultlichen Umritten (namentlich bei Feuerbeschwörungen) zu sprechen. Das weiße Pferd ist nicht nur Geisterpferd, sondern auch Sonnensymbol (ZfEthn. 1901, 63ff.). Bei der Gründungspflügung der alten Römer wurden ein Stier und eine Kuh von weißer Farbe verwendet.

III. Eine magische Kraft (Macht, Orenda), wohnt im M i t t e l p u n k t der U. Sie hat somit den Zweck, diese vom Mittelpunkt ausstrahlende (befruchtende, reinigende) Kraft auf das herumgeführte

I33I

umkreisen

Ding oder Wesen einwirken zu lassen (s. Art. um, herum III). B. Die U. im engeren Sinn. i. Mit der Wirkungnachinnen. Manumkreistoder umfährt eine kranke Körperstelle mit dem Finger oder mit einem Gegenstand in der Hand. Solche Heilu.en können eine Einschließung bedeuten. Dadurch daß man den Bannkreis um die kranke Stelle zieht, wird das Übel am Weitergreifen verhindert; die eigentliche Heilung erfolgt dann durch eine magische Formel 8 ). Dieser Gedanke mag in jenen Fällen mitgespielt haben, wo man bei Geschwüren einen um sich greifenden Brand befürchtete. Gegen die Verallgemeinerung dieser Deutung spricht aber der Umstand, daß die verschiedensten Leiden mit der U. behandelt werden. Es handelt sich eben einfach darum, sie verschwinden zu machen. Blutende Wunden umfährt man mit Daumen und Zeigefinger, wozu ein Blutsegen gesprochen wird 9 ) oder man nimmt auf freiem Felde den nächstliegenden Stein, umkreist damit die Wunde im allerhöchsten Namen und legt den Stein genau wieder auf seinen früheren Platz zurück 10). Man kann auch unter einem Segensspruch dreimal mit einem Faden um die Wunde herumfahren und ihn sodann „unter der rechten Ecke" gegen die Sonne legen " ) . Das nämliche Verfahren übt man anderwärts nicht nur mit einem Faden, sondern auch mit einer schwarzen Nacktschnecke 12 ). Eine verbrannte Körperstelle wird mit dem Finger dreimal umfahren, u. zw. so, daß man jedesmal mit dem Spruch einmal herumkommt 13). Geschwüre umfährt und bekreuzt man in Steiermark mehrmals mit einer Fuchskralle. Dieses „Umreißen" wird auch gegen Schwund geübt 14 ). Fußgeschwüre werden behandelt, indem der Helfer mit dem Daumen seiner rechten Hand das Geschwür umkreist und fromme Sprüche murmelt 15 ). Der Brauch, ein Geschwür mit einem Knochen zu umschreiben, ist uns bereits durch Plinius überliefert 1β ). Auch fuhr man mit neun Gerstenkörnern in der Linken dreimal um das Geschwür und warf sie dann ins Feuer 17 ). In Schlesien umfährt man ein

1332

Überbein mit dem Daumen und den nächsten zwei Fingern im abnehmenden Mond 18). Mit Vorliebe wird das U. gegen Warzen geübt. Man umstreicht die Warze mit einem Gerstenkorn und wirft es dann ins Feuer 1 9 ) oder setzt es in die Erde 20 ). In Oberösterreich reißt man Waldbäumchen aus, umreißt damit dreimal die Warzen und setzt hierauf die Schößlinge, drei an der Zahl, verkehrt in die Erde 2 1 ). Bei den Schweden werden Warzen mit einem Schmerhäutchen gegen die Sonne dreimal umfahren 22 ). Hat man sich durch schweres Tragen einen Leibschaden zugezogen, so fährt man mit dem Finger dreimal um die leidende Stelle und spricht einen Segen. Alsdann fährt man wieder zurück und spricht den Segen zu Ende. Das macht man dreimal 23 ). Bei Leibschmerzen wird der Bauch mit einem oder mehreren Fingern umkreist24). Auf Sizilien drückt eine Frau, die den kleinen Finger in ein weißes Läppchen gewickelt hat, kräftig auf den Nabel des an Kolik Leidenden und fährt dann dreimal mit dem Finger um den Nabel herum 25 ). Bei Magenkrämpfen fährt man mit dem Daumen bei jeder der drei Besprechungen rund um den Nabel 26 ). Verschiedene Umstände setzen die meisten dieser Heilu.en in Beziehung zur Sonne. So die Richtung des U.s und die Vorschrift, den benützten Gegenstand im rechten Winkel zur Sonnenbahn zu legen. Dadurch wird ein Kreuz gebildet. Der Zopf, mit dem in der Schweiz das mit einem Gerstenkorn behaftete Auge umfahren wird 27 ), steht in Beziehung zur Sonne durch die sich kreuzenden Strähne, aus denen er besteht; der Ehering, mit dem man in Flandern eine verbrannte Körperstelle von rechts nach links umkreist 28 ), ist ein Sonnensymbol. 8 ) K n u c h e l 68. 9 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 289. 1 0 ) F o s s e l Volksmedizin 149. 1 1 ) E b d . ; 12) U r b a n S e y f a r t h Sachsen 235. West1 3 ) K u h n Westfalen 2, 200 Nr. 564; böhmen8ji. 14) F o s s e l B a r t s c h Mecklenburg 2 Nr. 384. l e ) E i t r e m a. a. O. 15. 157. 1 5 ) Ders. 156. 1 7 ) Ebd. 1 β ) D r e c h s l e r 2, 294. 1 9 ) In Steiermark ( F o s s e l 121). 20 ) In Tirol ( W u t t k e 331). 2 1 ) Heimatgaue 22 ) (Linz) 1, 295. Svenska 23 ) D r e c h s l e r 2, Landsmaal Jg. 1908, 422. 24 320. ) K n u c h e l 70; B a r t s c h 2, 371. Diese

umkriechen-ι —umlaufen

1333

U . kann für den Ausgangspunkt der Bauchmassage angesehen werden, die bekanntlich vom Nabel ausgehend spiralförmig in der Richtung des Uhrzeigers (Sonnenlaufes) erfolgt. 25) Pitrè Medicina popolare Siciliana 365. 2β ) D r e c h s l e r 2, 318. « ) K n u c h e l 69. 2β ) H e r m a n t et B o o m a n s La médecine populaire 36.

2. Mit der Wirkung nach a u ß e n (zur Abwehr). Häufig wird zum Ziehen des Schutzkreises eine scharfe Waffe benützt. Eisen ist an sich schon geister- und übelabwehrend; die Schärfe des Instrumentes verstärkt diese Wirkung. Bei den Israeliten in Weinsberg beschreibt eine Frau mit einem Messer einen Kreis um die in Wehen Liegende 29). Nach Plinius schützt eine dreimalige Umschreibung mit einem Schwert gegen noxia medicamenta 30 ). Um das Hochzeitspaar vor Zauber zu schützen, beschreibt bei den Finnen der Zeremonienmeister einen Kreis, indem er ein Messer zwischen den Zähnen hält, eine brennende Fackel in der linken und ein Beil in der rechten Hand trägt 3 1 ). Die alten Preußen umfuhren ihre Lagerplätze zuvor mit einem Spieß, zur Bezeichnung und Übelabwehr zugleich 3 2 ). 29 )

K n u c h e l 12; K n u c h e l 63. 32 ) K n u c h e l 107.

30 )

P f i s t e r Schwaben 67. P f i s t e r a . a . O . 68. Weinkopf.

31)

umkriechen s. k r i e c h e n 5, 562. Umlauf s. U n g e n a n n t (Nachtrag). umlaufen. Zwecke und Formen des U.s sind die nämlichen wie bei der Umwandlung (s. d.). Das Laufen soll die Dringlichkeit des Wunsches zum Ausdruck bringen, seine Erfüllung durch Analogiewirkung beschleunigen und überhaupt die Einwirkung auf die höhere Macht intensiver gestalten. I. D a s U . als K u l t m i t t e l . 1. Verehrung der H a u s - und A h n e n g e i s t e r . Das U. des Hauses erwirbt ihre Gunst und bringt Wohlstand. An Fastnacht soll man spinnen und neunmal um das Haus laufen, dann wird von Garn Bratwurst werden 1 ). Die Hausgeister werden zur Hilfe gegen tierische Schädlinge aufgerufen, wenn man am Faschingsdienstag vor Sonnenaufgang im Hemd (kultliche Nacktheit) ums Haus läuft und drei Schläge mit dem Dreschflegel auf die Wiese macht, alles, um die Maulwürfe zu töten 2 ). Durch den Umlauf

1334

ums Haus findet man beim Herdgeist Schutz vor bösen Geistern. Wird in Tirol jemand von der Gstampa verfolgt, und ist er glücklicherweise in der Nähe des Hauses, wo Rauch aufgeht, so muß er die Dachtraufe zu gewinnen suchen, dann dreimal innerhalb der Traufe ums Haus laufen und aus voller Kehle schreien ; dann ist er sicher 3 ). Das Umkreisen des Hauses in der mittwinterlichen Kultzeit, um Todes- oder Heiratsorakel einzuholen, kann auch laufend erfolgen. Will in Steiermark eine Frau wissen, wer im nächsten Jahr sterben wird, so kehrt sie am Weihnachtsabend neunmal die Stube von vorn nach hinten, drauf läuft sie neunmal ums Haus und sieht beim zehntenmal durchs Fenster ins Zimmer. Sieht sie eine Bahre, so stirbt jemand 4 ). Ebenso läuft man in Schlesien am Heiligen Abend dreimal ums Haus herum. Bemerkt man beim dritten Umkreisen des Hauses auf dem Schornstein einen Sarg, so ist dies ein schlechtes Zeichen für die Hausbewohner 5 ). Das U. kann, wie häufig Orakel, mit einer Opferspende an die Geister des Hauses verbunden sein. Wenn in Tirol eine Dirne mit dem ersten Dreikönigsküchlein innerhalb der Dachtraufe dreimal ums Haus lief und dann das Küchlein hinter sich warf, so sah sie ihren künftigen Bräutigam e ) (Darbringung des Festbrotes der Kultzeit). Die Wenden laufen am Silvesterabend, während in der Stube Licht gemacht wird, dreimal ums Haus, um zu sehen, was im Lauf des Jahres geschehen wird 7 ). In Zilah (Ungarn) deckt um Mitternacht die Maid den Tisch für zwei Personen, läuft dann nackt neunmal ums Haus herum und guckt zum Schlüsselloch in die Stube hinein; am Tische wird sie ihren zukünftigen Gatten sitzen sehen 8 ). Im Geburtsritus der Amphidromien liefen die alten Griechen nackt um den Herd, wodurch die Bindung des Kindes an denselben vollzogen und das Neugeborene in den häuslichen Kultverband aufgenommen wurde 9 ). 1 ) D r e c h s l e r i , 56. 2) J o h n Westböhmen 232. 3 ) H e y l Tirol 429. *) R o s e g g e r Steiermark 430. 5 ) D r e c h s l e r 1, 28. e ) H e y l 751.

umlaufen

1335 7) β)

Schulenburg K n u c h e l 3f-

133.

8)

ZfVk.

4.

3!7·

2. U. im B a u m k u l t . Um sein Fieber loszuwerden, läuft man in Oberösterreich 72 mal (es werden 72 Arten von Fiebern angenommen) unter Hersagen eines Spruches um einen Weidenstamm herum 10 ). 10)

H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 143. 183.

3. Verehrung von F e l d g e i s t e r n . Wer an Schwindel leidet, läuft nachts um ein Flachsfeld " ) . u ) W e i n h o l d Ritus 36; K u h n Mark. 386.

Sagen

4. Verehrung des W a s s e r g e i s t e s . In Böhmen läuft der Fieberkranke dreimal um einen Teich und wirft dabei ein Stück Brot, eine Spindel und ein Stück Flachs hinein 12). Hier ist wieder ein Opfer (an den im Wasser wohnenden Krankheitsdämon) mit einer Umkreisung verbunden. An Petri Stuhlfeier (22. Februar) sprangen in Baden die Kinder dreimal um jeden Brunnen, bis man ihnen Obstschnitzel und Geld hinauswarf 13 ). 12)

Grohmann

163.

13)

Meyer

Baden

78.

5. Orte und Objekte des k i r c h l i c h e n Kultes. Um eine schwere Schuld zu büßen, lief eine Frau bei der Beichte dreimal um den Altar 14). Auch bei der Taufe wird in manchen Gegenden der Altar u. 1 5 ); ebenso von Wallfahrern, die dabei die Steine des Altars berühren und dann mit der Hand sich über das Gesicht fahren 1β). In Baden laufen die Kinder am Urbanstag singend um die Statue des Heiligen 17 ). In Oberschwaben rennen am Palmtag die Buben mit ihren geweihten Palmen aus der Kirche und um diese herum 18 ). 1 4 ) Ders. 522. l s ) Ders. 28 (die Patin läuft dem P a t e n nach); bei den Esten läuft der Vater um le) die Kirche ( B o e d e r Ehsten 22). Meyer a. a. O. 534. " ) S a r t o r i 3, 190. " ) Z A l p V . 28 (1897), 152.

II. A p o t r o p ä i s c h e s U. 1. Mit der Wirkung nach innen. a) Außer den eingangs angeführten Gründen läßt es die drohende Gefahr begreiflich erscheinen, daß man bei S c h a d e n f e u e r n das U. oder Umreiten der Umwandlung (s. d. I 6) vorzieht. Gewöhnlich umläuft man die Brandstätte dreimal, wobei eine Beschwörungsformel gesprochen wird, deren Beginn und Schluß mit

1336

dem des U.s (oder Umreitens) zusammenfallen muß 1 9 ). b) E i n s c h l i e ß e n d e Wirkung kommt ebenso der in Ungarn üblichen Sitte zu, nach der die Hausleute um ihr Haus, in dem jemand gestorben ist, herumrennen, weil sie glauben, dadurch der Smrt (dem Tode) zu entfliehen20 ). c) Ein W e g b a n n e n wird bezweckt, wenn man durch U. Ungeziefer aus Haus oder Acker vertreiben will. So läuft man in Württemberg dreimal um den Acker und macht dabei an einer bestimmten Stelle einen Sprung, wodurch man das Ausgangstor bezeichnen will, durch welches das Ungeziefer den Acker verlassen soll 21 ). Man kann auch in einem eigenen Sprach den Raupen befehlen, den Acker zu räumen, indem man sie gleichzeitig zur Kirchweih einlädt 22 ). Man läuft am Sonntag während des Läutens um das Haus, schlägt mit einer Birkenrute an jede Tür und ruft dabei aus: ,,Hallo, hallo, zur Kirche" 23). Wenn in Baden ein Fuhrwerk nicht vorwärts will, so muß der Fuhrmann dreimal um dasselbe herumlaufen, im Namen Gottes beten und die neunte Speiche des diesseitigen hinteren Wagenrades schlagen. Jeder Schlag trifft die Hexe 24). Die magische Einwirkung erfolgt auf den umkreisten verhexten Wagen. M ) D r e c h s l e r 2, 1 4 1 ; M e y e r a. a. O. 376; 20 ) Z f V k . S A f V k . 2, 268. S. a. Feuersbrunst. ι (1891), 157. 2 1 ) B o h n e n b e r g e r 25. 22 ) E b d . " ) Z f V k . ι (1891), 188. Das Hinwegrufen der Raupen und anderen Ungeziefers zur Kirche, Kirch weih, auf den Markt ( = Seelengeisterversammlung) ist bei solchen Vertreibungsriten eine stehende Formel. 24 ) M e y e r a. a. O. 558.

2. Mit der Wirkung nach außen, a) Das H a u s wird u., um es vor Schaden zu bewahren. In Schlesien geschieht dies am Karfreitag vor Sonnenaufgang 25 ). In Eger gilt es als Schutz gegen Feuersgefahr, wenn jemand am Karsamstag während des Läutens dreimal ums Haus läuft 26 ). In Baden laufen am Vorabend von Petri Stuhlfeier Kinder mit einer Schelle und einer Kette im Haus oder dreimal ums Haus herum 27 ). In Tirol rennt man am Walpurgisabend siebenmal lärmend rund um Haus, Hof und Dorf, um Hexen ab-

Ί

337

umpflügen

zuwehren U m die Mitte des 14. Jhs. rannte ein Lüneburger mit dem Kesselhaken sonnenläufig um seinen Hof, um die Pest fernzuhalten 29 ). Vorzugsweise erfolgt der Ritus zum Schutz der Hühner v o r Raubwild, das man als böse Dämonen betrachtet. So läuft man in Deutschböhmen, um Fuchs und Marder zu bannen, vor Sonnenaufgang dreimal um den Hof 3 0 ). Mit dem eben geweihten Palmbuschen in der Hand vorgenommen, hat solche Umkreisung einen besonders sicheren Erfolg und stellt eine verbreitete Sitte d a r 3 1 ). b) V i e h h e r d e n werden durch U. im Kreise beschützt 3 2 ). c) In England läuft in der Himmelfahrtswoche eine Schar junger Leute unter großem Lärm um die O b s t g ä r t e n , indem sie einen Fruchtbarkeitssegen rufen 33 ). d) Ä c k e r werden u., um das Ungeziefer fernzuhalten. In Erfurt zündete man am Johannistage geweihte Lichter an und lief damit um Getreide- und Fruchtfelder 3 4 ). Die ursprüngliche Form der Sitte bezeugt der englische Brauch, der aus dem frühen Mittelalter belegt ist, wo man brennende Scheite aus der Glut des Johannisfeuers riß und damit um die Äcker lief 3 5 ). U m die Dämonen zu vertreiben, laufen Knaben mit brennenden Strohbüscheln um die Felder 3 6 ). 25 ) D r e c h s l e r 1, 86. 2e ) J o h n Westböhmen 63. »») M e y e r a. a. O. 78. 28 ) K n u c h e l 85. 2 i ) Ders. 65; G r i m m Myth. 30 ) U r b a n 2, gg-¡i. Übervolkst. Heilkunde Westböhmens 118. 3 1 ) Ebd. 213; J o h n a. a. O. 57. 255; Die öst.-ung. Monarchie in Wort und Bild, Bd. Niederöst. 196; 32 ) H ö r m a n n Tir. Volksl. 52. Weinhold Ritus 43. 33 ) K u h n Westfalen 2, 109, Anm. zu 3 36 Nr. 327. «) S a r t o r i 3, 228. ) J a h n Opfer3e ) K n u c h e l gebräuche 38. 75.

III. Wie durch Umwandlung (s. d.), zeigen die G e i s t e r auch durch U. an, daß etwas in ihrem Besitz ist oder daß sie davon Besitz ergreifen wollen. Den Krebsberg zu Finsning in Oberbayern umkreiste nachts ein schwarzes R o ß 3 7 ) . Wenn in Westfalen jemand sterben soll, läuft der Knüppelhund (Welthund) in der Nacht vorher dreimal ums Haus und von da zum Kirchhof 3 8 ).

37 ) P a n z e r Beitrag a. a. Ο. ι , 143.

1338 47 Nr. 59.

39 )

Kuhn

IV. V e r b o t des U.s S.Umwandlung III. Weinkopf.

umpflügen. Die Umkreisung mit dem Pfluge läßt eine erhöhte Wirkung erwarten, nicht nur, weil sie eine deutlich sichtbare, länger andauernde Spur hinterläßt, sondern auch, weil dem Pflug und dem Pflügen eine segenbringende und übelabwehrende K r a f t zugeschrieben w i r d 1 ) . Die Pflugschar ist phänisches Symbol 2 ), sie kann daher zum Fruchtbarkeits- wie zum Abwehrzauber dienen. I. Die a p o t r o p ä i s c h e U. 3 ). Durch sie soll ein größeres Gebiet vor Dämonen geschützt werden. Die antidämonische Wirkung von Erz und Eisen 4) tritt zu der angeführten Abwehrkraft des Pfluges; verstärkt wird diese Wirkung oft dadurch, daß man die Pflugschar glühend macht. Die Abwehrpflügung kannten schon die alten Griechen. Das älteste Zeugnis für ihren Gebrauch bei den Deutschen findet sich im Indiculus paganiarum im Kapitel de sulcis circa villas, womit die Synode von Lestines im Jahre 743 entweder die Umpflügung des Dorfes gegen Seuchen oder seine Umfurchung mit dem Frühlingspflug verbot 6 ). Im deutschen Volksbrauch der Gegenwart begegnen wir der Umpflügung zunächst a) zum Schutz der einzelnen Ä c k e r . Wenn im Frühjahr oder Herbst der Acker bestellt worden ist, darf der Ackersmann den Pflug nicht aus dem Felde heben, sondern er muß erst dreimal um dasselbe hemmpflügen. Geschieht das nicht, so kommt am Johannistag der Bilmschnitter und zerschneidet das Getreide 6 ). In Schlesien führen die Bauern vor der Aussaat den Pflug um ein Stück Acker, das als gemeinsame Hutung brach liegen bleibt 7 ). Ebenso pflegen die Finnen vor Beginn der Pflugzeit immer erst drei Rundfurchen um das Saatfeld zu ziehen 8 ). b) U m die D o r f g e m a r k u n g . In Kärnten fahren die Burschen mit dem Pflug jubelnd um die Ackergrenzen 9 ). Im nördlichen Böhmen wurde früher der „Fasching ausgeackert", indem Burschen im festlichen Aufputz mit einem Pflug

1339

umreiten

um die beschneiten Felder fuhren 10 ). Um die schädlichen Hexen zu erkennen, umzieht man das Dorf mit dem Pfluge u ) ; zum Schutz gegen sie geschieht dasselbe mit zwei schwarzen Kühen 1 2 ). Das U. des Dorfes gegen Seuchengefahr ist bei den Slaven stark verbreitet 1 3 ). c) Der Absicht, schädliche Einflüsse fernzuhalten, entspringt wohl auch die G r ü n d u n g s p f l ü g u n g der alten Römer 14 ). Der Platz einer zu gründenden Stadt oder Kolonie wurde mit dem Pflug umzogen. Dies geschah nach einem uralten Ritual, wobei ein Stier und eine Kuh von weißer Farbe die Bespannung zu bilden hatten (vgl. Umkreisung). *) Vgl. Ε . H. M e y e r Germanische Pflügebräuche in ZfVk. 14 (1904), iff. 2 ) D i e t e r i c h Mutter Erde (3. Aufl.) 97. 100. 109. 3 ) K n u 4 chel Umwandlung 67f. ) Vgl. W e i n k o p f Zur Neuerungsfurcht der Primitiven. Eisen und Erz in „Völkerkunde" (Wien) 5 (1929), 20ÎÏ. 6 ) ZfVk. a. a. O. 1 5 1 . «) K ö h l e r Voigtland 4 1 2 ; K n u c h e l a . a . O . 75. ' ) D r e c h s l e r 2, 110. 8 ) R a n t a s a l o Ackerbau 1, 81 f. ·) M a n n 10 h a r d t ι, 556. ) G e r a m b Brauchtum 20. 11 ) ZfVk. 14, 128; K u h n Mark. Sagen 376. 12 ) ZfVk. 14, 129; W u t t k e 287 § 4 2 0 . 1 3 ) M a n n h a r d t ι, 363. 561 f.; Z e l e n i n Russ. Volkskunde 66; Y e r m o l o f f Volkskalender 72; Ro14 gasFamblatt 1 (1897), 19. ) Knuchel a . a . O . 98ff.; ZfVk. a . a . O . 1 3 I ; P a u l y W i s s o w a 5, i842f.

II. Die Umpflügung im K u l t , um Fruchtbarkeit zu erlangen, a) Verehrung des F e u e r s . Um 1500 wurde in England ein Pflug ums Feuer geführt zu einem guten Anfang am Jahresbeginn 1S ). b) Verehrung der H a u s g e i s t e r . Die Serbokroaten umackern den Weihnachtstisch mit der Teignachbildung des Pfluges 1β ). c) Umkreisung des O p f e r s . Die Russen vergraben bei Viehseuchen ein schwarzes Tier lebend in die Erde und u. es mit einem Hahn, einem Hund und einer Katze «). 16 " ) M a n n h a r d t 1, 553. ) Schneeweis Weihnachten 128. 1 7 ) Z e l e n i n a. a. O. 68.

I I I . U. im R e c h t s b r a u c h : zum Landerwerb. Heinrich der Weife ließ sich von Ludwig dem Frommen so viel Land verleihen, als er, so lange der König zu Mittag schliefe, mit einem goldenen Pflug um-

I34O

ackern oder mit einem goldenen Wagen umziehen könne 18 ). le

) G r i m m RA.

1, 88.

Weinkopf.

umreiten (Umritt) tritt, an die Stelle des Umwandeins. Mitunter mag die Bedeutung des Pferdes als Sonnentier für die Bevorzugung des U. entscheidend gewesen sein (vgl. Umkreisung A II). A. U. zum Zweck einer B i n d u n g . I. V e r e h r u n g : 1 . Von H a u s g e i s t e r n . Wenn im Oldenburgischen der Knecht des Hauses die Leute zur Pfingstfeier einlud, erschien er zu Pferde und ritt, wo es möglich war, um die Feuerstelle *). 1

) S t r a c k e r j a n 1, 103.

2. Von B a u m g e i s t e r p . Der Maibaum wird umritten in Vermummungen und in Verbindung mit Grenzbegehungen im Elsaß und in Deutsch-Lothringen 2 ). Vielfach wurde altgermanischer Baumkult in kirchliche Begehungen umgewandelt. So werden in Kirchberg (Tirol) an Fronleichnam drei Maibäume umritten 3 ). Der Osterritt in Wimpassuing am Tachingersee wurde früher unter anderem durch einen dreimaligen U. um eine Linde gefeiert. Auch der Leonhardiritt in Tölz soll zuerst um einen heidnischen Baum, dann um ein Kreuz und endlich um eine Kapelle stattgefunden haben 4). 2 ) R e i n s b e r g D. festl. Jahr 189. chel 92. 4 ) Ebd.

3

) Knu-

3. Von W a s s e r g e i s t e r n . Zu Pfingsten umritten in Sindelfingen vier Burschen mit vier großen Kuchen, die auf hohe Stangen gesteckt waren, dreimal den Marktbrunnen 8 ). Im Breisgau ritten die Burschen zu Pfingsten durchs Dorf und um alle Brunnen herum ; ähnlich im Württembergischen und Thüringischen 6 ). Vor dem Wettlauf in Weitensfeld im Gurktal, der alljährlich am Pfingstmontag stattfindet, wird von einem Reitertrupp mit geputzten Pferden die bräutlich geschmückte hölzerne Brunnenfigur auf dem Marktplatz im langsamen Trab umritten 7 ). Der schwäbische Pfingstbutz wird nach dreimaligem U. desDorfbrunnens darin gebadet, oder es wird die Regenwasserzisterne vor der Kirche dreimal umritten 8 ). ' ) K a p f f Festgebräuche 17.

·) K n u c h e l 90.

umreiten ' ) F r a n z i s c i Kärnten 39. 350.

8

) M a n n h a r d t ι,

4. U. im T o t e n k u l t . Der brennende Scheiterhaufen oder der Grabhügel der altgermanischen Helden und Könige wurde umritten®). Auf Seeland ergreift am Weihnachtsabend der dänische Bauer einen Korb mit Speisewaren und reitet um den (Toten-) Hügel, in dem das Ellefolk (elbische Seelenvolk) wohnt, dreimal im Umkreis herum und legt dann das Ganze auf einen hohlen (Opfer-) Stein neben dem Hügel nieder 10 ). In der Absicht, die Toten zur Heilung zu bewegen, werden kolikkranke Pferde dreimal um den Kirchhof geritten u ) . u

' ) S a r t o r i 1, 1 5 1 . 1 0 ) H ö f l e r Weihnacht 1 1 . ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 72, 74.

5. U. von Orten und Objekte des k i r c h l i c h e n K u l t e s . Damit die kranken Pferde genesen und die gesunden vor Krankheiten bewahrt bleiben sollen, ist, namentlich in Süddeutschland, das gemeinschaftliche, alljährliche U. von Kirchen und Kapellen an hohen Festtagen oder zu Ehren bestimmter Heiliger (Viehpatrone) gebräuchlich 1 2 ). Auf den heidnischen Ursprung dieser U.e und Umfahrten (s. o.) weist auch der Umstand, daß sie vielfach an Waldkultorte gebunden sind 1 3 ). Die bekanntesten sind meist mit einer Einsegnung der Tiere und einem feierlichen Gottesdienst verbunden. Schon am Vorabend des Festes reiten die Bauern dreimal um die Kirche, beten einen Rosenkranz und ziehen nach nochmaligem U. nach Hause 1 4 ). Auch diese von der kirchlichen Obhut losgetrennte Übung dürfte als Hinweis auf ihren heidnischen Ursprung aufzufassen sein, desgleichen die Opferung von eisernen Tierfiguren oder Hufeisen. Der größte dieser U.e ist der zu Tölz am Tage des heil. Leonhard, den 6. November, um die kettenumspannte Kirche dortselbst 1S ). In den Nachbarländern (Schwaben 1β ), Württemberg 17 ), Oberpfalz 18 ), im angrenzenden Deutschböhmen 19 ), Salzburg 20) und Tirol 2 1 )) kommen auch Leonhardritte vor, jedoch weit seltener. Weitere U.e, meist mit Segnungen verbunden, erfolgen um die Kirchen und Kapellen folgender Volksheiliger: St. Ste-

I342

fan ««), St. Wolfgang *>), St. Koloman « ) , St. Georg 2S ), St. Guido 2e ), ferner am Michaels- 27 ) und Martinstage 28 ). Mehr im nördlichen Deutschland wird der hl. Nikolaus durch U.e an seinem Tage geehrt w ). Die Erinnerung daran bewahrt die Sage: Auf der Schelfe umreitet in der Neujahrsnacht ein Reiter auf weißem Schimmel dreimal die Kirche. An der Stelle derselben stand eine schon vor 1 2 1 1 erbaute Kapelle des heiligen Nikolaus 30 ). In Bayern findet der U. für die Gesundheit der Pferde um die Kirche auch am Tage der Kirchweih statt 3 1 ). Die „Osterreiter" in den deutschböhmischen Dörfern an der sächsischen Grenze ziehen, ein Osterlied singend, dreimal um die Kirche, reiten dann gabenheischend durch das Dorf und wiederholen schließlich die U.e 3 2 ). Die Kirchen-U.e finden zum Teil in Verbindung mit Flur-U.en statt. So werden im Pinzgau zuerst jene Äcker, wo das meiste Getreide steht, umritten, und zum Schluß dreimal die Kirche w ). Bei der flämischen Maifeier reiten die jungen Burschen unter Pistolenschüssen dreimal um die Kirche herum. Bei Haeckendover geschieht dies quer über die Felder hinweg, welche der Kirche zunächst liegen M ). I2 ) K n u c h e l 93; A n d r é e Votive 53 fi.; S a r t o r i 3,273. 1 3 ) H ö f l e r Waldkult 13. " ) A n dree a. a. O. 54. 1 S ) Volkskunst u. Volkskunde ι (1903), 1 1 4 f. 1 4 ) A n d r e e a. a. O. 64. 1 7 ) E b d . " ) Ebd. l e ) J o h n Westböhmen 69, 255 ; ZföVk. 5 (1899), 72. ao ) A d r i a n Von Salzburger Siti 21 und Brauch 125; G e r a m b 51. ) H e y l 46. 22 ) A n d r e e 66 (in Schwand bei Braunau in Oberöst.); H ö r m a n n Volksleben 238 (im kärntnerischenLavant- und Gailtal ) ; G e r a m b Brauchtum 1 1 2 (Murstetten in Nied.-Öst.); F e i l b e r g Jul (dänische Ausgabe) 1, 204 (in Schweden); ZfVk. 3, 13 (mit Literatur). 2 3 ) A n d r e e a. a. O. (bei Ochsenfurt am Main, am dritten Pfingsttag). 21 ) Ebd. (in Bayern und Schwaben, z. B . bei Böhmerkirch). 2 5 ) Ders. 67 (am Ostermontag in der Nähe von Traunstein in Oberbayern). 2e ) Ders. 69 (in Belgien). 2 7 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 120 f. (auf den schottischen Inseln). Bei ihrem ersten Ausritt auf jungen Pferden pflegen die Burschen die St. Michaelskapelle in Dollingen bei Staufen zu u. (Meier Sagen aus Schwaben 419). 2 8 ) S a r t o r i a. a. O. (mittags 12 Uhr um die Martinskapelle zu Innergschwend) ; P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 220 (zu Legenfeld in der Oberpfalz). 2») S c h n e l l St. Nikolaus, der hl. Bischof u. Kinderfreund 1. H. 29, 65 ;

umreiten

1343

Drechsler 1, 19. 30) B a r t s c h Mecklenburg 1, 16. 3 l ) P f a n n e n s c h m i d 282. 3 i ) R e i n s b e r g a. a. O. 146. A d r i a n a. a. O. 34) R e i n s b e r g a. a. O. 177.

6. U. im S o n n e n k u l t . In Oldenburgischen Dörfern wurde früher in der Fastnacht ein Hahn auf einem Baum aufgehängt oder auf einem Pfahl befestigt. Dann ritten die jungen Leute um den Baum oder Pfahl herum, bis es ihnen gelang, den Kopf des Hahnes abzureißen, beziehungsweise mit dem Säbel abzuschlagen 35). S t r a c k e r j a n 2, 57 Nr. 302.

II. U. im R e c h t s b r a u c h . 1. Das U. eines Stückes Land drückt die Besitzergreifung aus 36 ). Die älteste derartige Bestimmung in Deutschland ist in einer Urkunde Chlodwichs vom Jahre 496 enthalten (so viel Land einer auf seinem Esel in einem Tage zu umkreisen vermöge, gehöre ihm) S7). König Dagobert verlieh dem heil. Florentinus so viel Land, als der Heilige mit seiner Eselin zu u. vermöchte, bis der König das Bad verlassen habe und angekleidet worden sei 38 ). Waldemar, König von Dänemark, schenkte dem heil. Andreas so viel Land, als er auf einem neun Nächte alten Füllen, während der König im Bade sitze, u. werde 39 ). Der Rechtsbrauch spiegelt sich in der Volkssage wieder. Eine bayrische Sage erzählt von drei Schloßfrauen, die ihrem Knecht von ihren Waldungen so viel schenkten, als er an einem Tage zu u. imstande war 40 ). Der berüchtigte Ritter von Uchtenhagen bekam vom Kurfürsten ein Stück Land geschenkt, so groß, wie er es vom Morgen bis zum Abend u. konnte 41 ). Ein Hoffräulein soll vom König Heinrich dem Vogelsteller ein großes Stück Land, das sie in einem Tage umritt, zur Brautgabe erhalten haben 42). M ) Literatur bei K n u c h e l 106 und S c h a m b a c h u. Müller 330 Anm. 18. 37) Grimm RA. 86,1. ω )Ders. 87, 3. 39)Ders. 88, 7. « ^ P a n zer Beitrag 1, Nr. 96. 41 ) K u h n u. S c h w a r t z 77 Nr. 78. *2) S c h a m b a c h u. Müller 15 Nr. 18.

2. Die alljährlichen Grenzbegehungen, die als eine Wiederholung des erstmaligen feierlichen Grenzumganges bei der Besitznahme anzusehen sind, werden auch zu Pferde abgehalten („Bannritte") 43 ).

1344

In Jebsheim (Kreis Kolmar) ritten früher am Pfingstmontag die Burschen vermummt durchs Dorf und umritten dann den Bann, wobei ihnen ältere Männer die Grenze zeigten M ). Bei der Erweiterung der Stadt Zittau durch König Ottokar II. von Böhmen im Jahre 1255 ließ dieser mit einem Pfluge (s. umpflügen) eine Furche ziehen, folgte dem nach und umritt in Begleitung vieler angesehener Herren die Stadt. Dieses feierliche U. der Grenze war eine symbolische Handlung, welche die Ausstellung einer Urkunde ersetzte «J. 43) K n u c h e l 107. 108. 44) Sartori 3, 216. " ) W u t t k e Sachs. Volksk. 148.

III. G e i s t e r u. ihr Besitztum 48 ) (vgl. umwandeln, umlaufen). 4*)

Eisel

Voigtland

63 Nr. 144.

B. A p o t r o p ä i s c h e s U. I. Mit der Wirkung nach innen. 1. An die Stelle des Umlaufens (s. d.) tritt bei der F e u e r b a n n u n g durch Einkreisung öfters das U., und zwar meist im Galopp und unter Hersagung eines Segens. Ein Herr v. Arnim pflegte Schadenfeuer auf seinem Pferde im Kreise zu umjagen. Über den von ihm umjagten Kreis hinaus hat sich das Feuer nicht verbreitet 47 ). Das U. erfoigt gewöhnlich dreimal 43 ) ; auf einem Schimmel 4e ). Forstleute u. einen Waldbrand 60 ). Das U. des Feuers geschieht gegen die Sonne 51 ). " ) K u h n Westfalen 2, 94 Nr. 295. 18) B i r linger Volksth. 1, 201; Mitt. Anhalt. Ges. 14, 12; F r i s c h b i e r Hexensprüche 110. 4β) Ebd.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 356; K n u c h e l 87. 50) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 86. 51 ) F e i l b e r g Ordbog 3, 456.

2. H e x e n b a n n u n g . Wenn in Schlesien eine verhexte Kuh sich nicht melken lassen will, so reitet die Beschwörerin auf einer Ofenkrücke dreimal um den Hof und dann in den Stall 62 ). «)

K n u c h e l 85.

3. Versuch einer h e m m e n d e n Einkreisung durch einen schatzhütenden Geist : Als man die vergrabene goldene Wiege in Lauenburg haben wollte, ritt ein Reiter auf dreibeinigem Pferd immer um die Arbeiter herum 53 ). 63)

K u h n a. a. O. 1, 301 Nr. 339 Anm.

II. mit der Wirkung nach a u ß e n , ι . Bei Hochzeiten wird ein Schutzkreis

umschreiben—umsehen

1345

um das B r a u t p a a r gezogen. Vor der Heimfahrt von der Trauung reitet man einigemal um den Bräutigam oder geht zu Fuß um das Brautpaar herum oder der Bräutigam umkreist allein seine Braut. Ehe der Wagen mit den jungen Eheleuten nach der Trauung heimfährt, wird er einigemal langsam umritten, um ihn in eine Art von geweihtem Ring einzuschließen und dadurch gegen böse Mächte zu sichern M ). M)

Fehrle Volksfeste 96.

2. Ebenso wird durch U., gleichwie durch den Flurumgang (s. d., auch Bittgang) zu Fuß ein Schutzkreis um die S a a t e n des Dorfes gezogen 5 S ). Das feierliche U. erfolgt bald mit, bald ohne Teilnahme der Geistlichkeit. Im Erzgebirge umritt man jedes Jahr, ehe der Landmann seine Arbeit begann oder vollendet hatte, in feierlichem Zuge die Saatfelder, um bösen Dämonen den Zutritt zu ihnen zu wehren Be ). In Schlesien wird gegenwärtig an Fronleichnam, früher auch am Ostersonntag, bzw. Ostermontag unter Anführung des Schulzen um die Saaten geritten unter Absingung geistlicher Lieder 6 7 ). In einigen Kreisen ist der Brauch schon längst unterdrückt worden, weil die Knechte meist schon angetrunken in die Kirche kamen und der U. um die Felder dann in ein tolles Jagen ausartete, wobei die am Weg liegenden Felder oft arg beschädigt wurden 5 8 ). In Österreichisch-Schlesien reiten am Pfingstmontag der Dorfrichter und andere Bauern der Gemeinde auf schönen Pferden ins Feld, u. langsam die Äcker, singen und beten s 8 ). In Schwaben ist das „Oeschtreiten" am Pfingstmontag üblich. Der Pfarrer sitzt mit der Kreuzpartikel zu Pferde und alle jungen Männer begleiten ihn reitend e o ). Auch beim U. a m Christi Himmelfahrtstag in Rottenburg reiten die Geistlichen mit, und es werden die vier Evangelien gelesen 8 1 ). A m gleichen Tag wird der Gymnicher Ritt abgehalten 82 ). Besonders reich gestaltet sich der „Auffahrtsumritt" in Beromünster (Kanton Luzern). Die Reiter erhalten dabei Butterbrote M ). Daß diese für die Pferde bestimmt sind, B ä c h t o l d . S t ä u b l i , Aberglaube VIII

1346

lehrt die Aargauer Ankenschnittenprozession, wobei den Pferden Butterschnitten ins Maul gestoßen werden (s. Butter ι , 1751). In Böhmen reitet man am Karfreitag auf einem Besen um die Felder, um sie vor Maulwürfen zu schützen β 1 ). st) K n u c h e l 5e ) Ders. 75; 102 f. John Erzgebirge 194. 57 ) D r e c h s l e r i, 98 f. se ) Ebd. M ) S a r t o r i 3, 216; V e r n a l e k e n Mythen 306. eo) P a n z e r el) Beitrag 2, 90. Birlinger Volksth. 2, 90. «s) ZrwVk. 1914. e3 ) H o f f m a n n - K r a y e r 9 3 . *4) W u t t k e 416, 647. Weinkopf.

umschreiben s. u m k r e i s e n . umsehen. Das Anschauen der göttlichen Gestalt ist gefährlich. Teiresias erblindet, weil er Athene nackt, d. h. in ihrer wahren göttlichen Gestalt gesehen hat1). Aktaion wird aus demselben Grunde von den Hunden der Artemis zerrissen 2 ). Moses muß sein Gesicht bedecken, damit ihn der Anblick Jahwes nicht töte 3 ). Daraus ergibt sich mit zwingender Notwendigkeit, daß man dorthin nicht blicken darf, wo sich eine göttliche oder dämonische Macht bemerkbar macht 4 ). So verhüllt der Römer beim Opfer sein H a u p t 5 ) . Odysseus muß sich beim Totenopfer abwenden 6 ); den Schleier der Leukothea muß er rückwärts von sich werfen 7 ), wie das noch heute bei sympathetischen Kuren erforderlich ist 8 ). Daher kurz gesagt die Vorschrift : Wenn ein Gespenst sich hören läßt, darf man sich nicht u. ·). Am Kreuzweg nicht u., dort spukt es 1 0 ). Wer den wilden Jäger sieht, muß sterben 1 1 ) ; ihm wird der Hals umgedreht oder ähnliches 12 ). Vgl.die Sage von Lots Weib 13 ), die sich auch in Bulgarien M ) und Deutschland findet15). Der Wettermacher dreht den Geistern den Rücken, um nicht in ihre Gewalt zu fallen 1 β ). Wer gegen diese Gefahr gefeit ist, ein Sonntagskind auf dem Wege zur Christmette " ) oder wer mit einem Totenbein rückwärts in die Kirche geht 1 8 ), sieht allerdings sehr merkwürdiges. Oft wollen die Geister das U. provozieren, s. unten die Schatzhebersagen. Im christlichen Gottesdienst ist diese Anschauung regelmäßig umgedeutet, obgleich auch da sichtlich Gott 43

1347

umsehen

gegenwärtig gedacht ist. Auf dem Taufgang 19 ) oder bei der Taufhandlung 2 0 ) oder auf dem Rückweg 21 ) ist das U. verboten, zumal für die Taufpaten. Wer sich während der Wandlung bei der Weihnachtsmesse umsieht, sieht Hexen 22 ). Konfirmanden dürfen sich beim Gange zum Altar 23) oder um den Altar 24) nicht u. Sie sehen sonst den Teufel, der die ihm gerade verloren gehende Seele in diesem Augenblick zu verteidigen erschienen sein wird. Ebenso beim Abendmahl 2 5 ). Beim Hochzeitszug zur Kirche 2e ), beim Gange zum Altar 2 7 ), beim Einsteigen in die Brautkutsche 28), beim Verlassen des elterlichen Hauses 2 9 ) darf sich die Braut (oder beide Brautleute) nicht u.; sonst „sehen sie sich nach einer neuen Ehehälfte u m " , die Ehe dauert nicht lange oder wird unglücklich. 1 ) Literatur bei G u n k e l anläßlich der Geschichte von Lots Weib Märchen 15; Athene R o s c h e r Lexikon 5, 183. 2 ) P a u l y - W i s s o w a 3 ) G u n k e l a. a. O. 4) U s e n e r ι , 1210. Kl. Sehr. 4, 55; S a m t e r Religion 61; R o h d e Psychei, 85 Anm. 2. 5 )Darstellung b e i B u s c h o r Die Plastik der Griechen 1 1 4 ; andere Deutung bei W i s s o w a Religion 396 A n m . 5. 6 8 ) s. Art. Faden. ) Od. 10, 528. ' ) Od. 5, 350. 9 ) G r i m m Myth. 3, 444 Nr. 299, aus der Chemn. Rockenphilosophie, vgl. SAVk. 25, 231; ( K e l l e r ) Grab 5, 261 f.; S c h ö n w e r t h Ober1 0 ) S c h w V k . 2, 74. pfalz 3, 106. " ) Meiche Sagen 427 Nr. 562. 1 2 ) ζ. B. W u t t k e 477 § 761 ; bei Totenbeschwörungen Bechstein Thüringer Sagenbuch 2 , 1 5 1 . 1 3 ) G u n k e 1 Märchen 105. 16) R a n k e " ) Z f V k . 16, 393. Volkssagen 235. 1 β ) P f i s t e r Schwaben 2,151. 89 ff. 1 7 ) B a u m 1 S g a r t e n Jahr u. s. Tage 10. ) Herzog 19) R o c h h o l z Schweizersagen 2, 225. Kinderlied 296; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 168 Nr. 5 ; Wuttke 388 § 593 aus Ostpreußen; vgl. B o e d e r Ehsten 23; H i l l n e r Siebenbürgen 38 2 °) W u t t k e Nr. 5. 390 § 595. 2 1 ) R o t h e n 22) b a c h 13 Nr. 41. Pollinger Landshut 23 ) B a r t s c h Mecklenburg 197. 2, 55. 24 ) S e 25) E b d a . 2β ) F a s t l i g m a n n ι , 175. ganz Mittel- und Norddeutschland, s. Wuttke 2 7 320 § 3 1 3 . ) J o h n Erzgebirge 96; K ö h l e r Voigtland 439. 28 ) J o h η Erzgebirge 95. 29 ) S t r a k k e r j a n 2 , 194; L a m m e r t 155; Alemannia 24,

155·

Das letztere schafft ein Band, das offenbar die Loslösung erschwert (s. sehen), sodaß gelegentlich zur Vorsicht der Braut die Augen verbunden werden 30 ). Überhaupt ist das Umkehren in der Tür nicht gut 31 ). Umschauen bringt Heim-

1348

weh 32) ; man hat dann kein Glück in der Fremde 33 ) ; wer in den Krieg zieht und sich umsieht, kehrt selten heim 34 ). Vor allem ist das U. bei einem Leichenzug bedenklich. Weder die Geleitenden 35 ), noch der Pastor 3 β ) noch vor allem der Kutscher des Leichenwagens 37 ) oder die Pferde 3 8 ) dürfen sich während des Leichenzuges u. ; sonst stirbt bald wieder einer aus der Familie oder auch der sich Umwendende. Man beachte, daß bei einem altrömischen Leichenzuge die Ahnen in Gestalt von maskierten Leuten, die die imagines der Verstorbenen trugen, selbst mitgingen 39 ). Es besteht die Gefahr, unversehens die Geister zu sehen oder von ihnen angesehen zu werden, wie die Pottauotomi in Canada und die Leute von Tahiti ihre Toten bitten, sich auf der Wanderung ins Totenland nicht umzuschauen und ihren Blick nicht auf Lebende zu werfen m ). Unverstanden wird das U. selbst Unglück bedeutend, wenn der Pfarrer von einer Krankenkommunion kommt 41 ) oder ein Kranker zu einer Operation geht 42). 3 °) Z d V f V k . 21, 413. 3 1 ) G r i m m Myth. 3, 446 Nr. 360; 477 Nr. 1 1 3 7 ; Rockenphilos. i n . 32 ) G r i m m Myth. 33 ) K ö h l e r 3, 451 Nr. 502. Voigtland 426; J o h n Erzgebirge 34. 34 ) G r i m m Myth. 3, 467 Nr. 890. Drechsler Schlesien ι , 303; K ö h l e r Voigtland 254; Bartsch Mecklenburg 2, 97; Z f r w V k . 1 9 0 7 , 2 7 2 ; D i r k s e n Meiderich 49; Z f V k . 4, 327; F o g e l Pennsylv. 131 Nr. 603. 3 e ) Z f r w V k . a.a.O. ^ D r e c h s l e r Schlesien 1, 302; B a r t s c h Mecklenburg 2, 9 7 ; S t r a c k e r j a n 1, 55; Z f r w V k . a. a. O. 279 aus 38 ) S A V k . 2, 216; W u t t k e 199 § 269 Minden. 39 ) B l ü m e r aus Ostpreußen. Rom. Privataltertümer 1911,493 f., wo keine Erklärung ver40 4 1 sucht ist. ) S e l i g m a n n 1, 160. ) Wuttke 42 ) J o h n Erzgebirge 216 § 303. in.

Das Motiv ist besonders fest in allen Schatzhebersagen. Ein verbreiteter T y pus, für den hier nur Beispiele gegeben werden können, ist der, daß der Geist den Schatz nicht gutwillig hergibt und durch Anruf oder schreckliches Getöse den Schatzheber verführen will, sich umzusehen 43 ). Geschieht das, so verschwindet der Schatz oder die Tür 4 4 ), oder dem Unvorsichtigen wird das Genick gebrochen 4S ). Ähnlich wird erzählt, wenn es sich um seltene Pflanzen handelt 4 β ). Mit dem Schatzhebermotiv verbindet

1349

I35O

umspannen

sich oft das der Erlösung 4 '), das Euridikemotiv (Orpheus versucht seine Gattin aus der Unterwelt heraufzuführen 48) ). Aber auch sonst gibt es Orte, wo es spukt und man nicht gut tut, sich umzusehen 49). In erhöhtem Maße ist das der Fall, wenn Geister gebannt werden sollen; wer sich dabei umsieht, unterliegt der Macht des zu bannenden Geistes60), vgl. Anm. 16. Es gehört dazu nicht nur der eigentliche Exorzismus, sondern auch das sog. Geistervertragen in eine einsame Gegend, wo er weiter spuken kann 5 1 ). Etwas anderes scheint die Vorstellung zu sein, wenn das eigentliche Bannen durch nicht U. ausgeübt wird; wenn ein Mädchen in der Christ- oder Neujahrsnacht nackt (s. d.) die Stube kehrt, ohne sich umzusehen, dann sieht sie den Zukünftigen am Tische sitzen 52 ). Das Rindvieh gedeiht, wenn man es in der Christnacht ohne umzusehen putzt 5S ) u. ä. 54), als wenn die Geister ähnlich den Heinzelmännchen durch Nichtu. sicher werden und sich auf diese Weise locken lassen. Gelegentlich wird Nichtu. in der Volksmedizin erwähnt, wenn der Geist der Krankheit gebannt wird 5 5 ); so auch bei Primitiven 5e ). Die Anwesenheit von Geistern endlich setzt auch voraus, daß sich nicht u. darf, wer das Garn zum Weber trägt " ) , ein Rest der Anschauung, daß technisches Können Magie sei. 43 ) ζ. B. K ü h n a u Sagen 2, 119 f.; 3, 586 ff. 700. 724 s . ; M e i c h e Sagen 229 Nr. 290; 694 Nr. 858; MschlesVk. 18, 96; G r o h m a n n Sagen 183 f.; B e c h s t e i n Thüringen 1, 240; K n o o p Schatzsagen 9 Nr. 13; E c k a r t Südhannov. Sagen 91 ; S c h a m b a c h u. Müller 112 Nr. 139b; P o l l i n g e r Landshut 106; Graber Kärnten 96. 99 ff. 129; B a a d e r Volkssagen 8. 60; K u o n i S. Galler Sagen 110. 1350.; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 43; H e r z o g Schweizersagen 1, 44 194; 2, 144 u. a. ) L ü t o l f Sagen 458. 46 ) Meiche Sagen 686 Nr. 850. 4β) F i s c h e r 4 Angelsachsen 33. ') Grimm Myth. 2, 807; R a n k e Volkssagen 112; M e i c h e Sagen 191 Nr. 257; 282 Nr. 366; K ü h n a u Sagen 1, 49; 2, 132; K n o o p Hinterpommern 61. 34 f.; B i n d e w a l d Sagenbuch 12. 4β ) R o s c h e r Lexikon 3, 4β 1161. ) ZfrwVk. 4, 282. 50 ) M ü l l e n h o f f Sagen 555 Nr. 561; K u h n u. S c h w a r t z 264; MschlesVk. 21, 132; B e r t h o l d UnverwundbarS1 keit 52. ) K ü h n a u Sagen i, 442. 446 f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 115; R a n k e Volks-

sagen 51 f. M ) W u t t k e 250 § 362 aus Thüringen und Oberpfalz. s a ) W u t t k e 439 § 692 aus Baden. « ) K n u c h e l 84. ") Grimm Myth. 2, 979; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 55; K n o o p Hinterpommern 161; B a r t s c h Mecklenburg 2, 103; S t r a c k e r j a n 2, 181 Nr. 419. M ) F r a z e r 3. !57· 57 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 149 Nr. 7. Aly.

umspannèn. Das U. stellt eine verstärkte Umkreisung dar. Es dient : i. Im Kult zur Hegung geheiligter Stätten; 2. zur Abwehr schädlicher Einflüsse von Stätten, Lebewesen und Dingen; 3. im Rechtsbrauch. I. Im K u l t . Die germanischen Heiligtümer wurden durch Umspannen mit einem Seidenfaden gehegt und geschützt1). Gegen Hexen wird in Frankreich eine Kirche mit einem Seidenfaden umzogen 2). Man zieht Wachsstränge um Kirchen und Städte 3 ). Nach bretonischen Liedern wurden sehr lange, dreimal die Kirche umspannende Wachsgürtel, deren Enden am Altar oder vor dem Kruzifix angezündet wurden, Gott geweiht4). P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 29; K n u c h e l 3 Umwandlung 104. 2 ) Ebd. ) Ebd. 4 ) Andre e Votive 73.

Schon die germanische Opferstätte (z. B. in Upsala) war mit einer Kette umzogen5). Später wurde der Brauch auf die christlichen Kirchen übertragene). Auf baiwarischem Gebiet gibt es noch einige solcher Kirchen. Die Kette ist unmittelbar um das Gebäude gelegt und wird durch eiserne Klammern festgehalten '). Namentlich sind die meist in Wäldern und auf Anhöhen gelegenen Leonhardskapellen kettenumspannt8),wozu allerdings auch der Umstand beigetragen haben mag, daß der Viehpatron St. Leonhard mit einer Kette abgebildet wird. Das U. der Kirchen mit Ketten muß früher stark im Schwang gewesen sein, denn es sind Fälle bekannt, wo sie entfernt wurden 9). Insbesondere dürften dadurch Wallfahrtskirchen ausgezeichnet worden sein; im donaunördlichen Niederösterreich werden Kinder, die zum erstenmal in einen Wallfahrtsort kommen, mit der Erzählung geneckt, sie müßten eine Kette abbeißen10). Die Kette, die aus Ringen besteht, ist Sonnenbild. Ihre Verwendung erhöht somit die abwehrende 43*

1

umspannen

351

Kraft der Umspannung. Dazu gesellt sich die übelabwehrende Bedeutung des Eisens u ) . ' ) M e y e r Germ. Myth. 195. β ) G r i m m Myth. 675. 7 ) A n d r e e a. a. O. 70 ff. β ) H ö f l e r Das Jahr 39; H e y l 1 1 6 . *) A n d r e e a. a. O. 70. l0 ) F r i s c h a u f Ms. l l ) P f i s t e r Schwaben 64 f.

Wohl als Opfer- oder Kultstätte überhaupt wird zur Weihnachtszeit der Eßtisch mit einer Kette umspannt. Im Lavanttal stellt man zuvor das Eßgeschirr unter den Tisch 12 ). Nach einem anderen Bericht werden dort Brot, Fleisch und Salz auf die Platte gesetzt und alle Geschirre und Pfannen des Haushaltes 13 ). Im Bezirk Waldenstein (ebenfalls in Kärnten) erscheint zu Anfang des 19. Jahrhunderts der Brauch bereits abgeschwächt. Der Bauer hängte den Tisch mittels einer Bindekette in einer Ecke der Stube an w ). Im russischen Gouvernement Grodno wird zu Weihnachten der Tisch mit Koppelstricken umschlugen, damit das Vieh das Getreide nicht abgrase 18 ). Als Motiv herrscht der Abwehrgedanke vor, daneben steht der des Zusammenhaltens des Viehs. Der Brauch gehört zu den verschiedenartigen Umkreisungen des Tisches (oder Herdes), wie sie am Weihnachtsabend namentlich bei slavischen Völkern üblich sind 16 ). 12 ) H ö r m a n n Volksleben 228. l s ) F r a n z i s c i u Kärnten 32. ) Carinthia 1 1 4 (1924), 46. w " ) Y e r m o l o f f Volkskalender 523. ) Vgl. S c h n e e w e i s Weihnacht 128.

Der Tanzplatz — beim Reigen als Sonnenverehrung — wird mit einer Blumenkette umspannt. Beim Tanz um den Pfingsttopf wird auf dem Dorfanger durch eine an Pfählen befestigte Blumenkette ein Kreis abgegrenzt17). Im Aargau fügen die Kinder zur Frühlingszeit die hohlen Stengel des Löwenzahns zu einer Kette zusammen, so groß, als der Kreis zum Ringeltanz werden soll 18 ). 17 ) S. umtanzen. Tanzes 298.

18

)

Böhme

Gesch. des

II. S c h u t z k r e i s durch U. Am Vorabend von Maria Lichtmeß spannte man aus selbstgesponnenem Garn ein Seil um das Wohnhaus. Das Garn wurde dann zu Talglichtern benutzt, die teils auf Agatha verbrannt, teils der Kirche gegeben wurden 19 ). An gewissen Orten

1352

der romanischen Schweiz zieht man eine rote Schnur um den Hühnerhof, damit der Fuchs keinen Zutritt habe 20 ). An Walpurgis wird der Düngerhaufen mit Strohseilen umzogen, damit er nicht abnehme 21 ). Die Finnen pflegten früher unter den Feldzaun ein Garn zu legen, das dreimal um das Feld reichte 2Î ). Der Rosengarten der Heldensage ist mit einer Schnur oder einem Seidenfaden umspannt 23). w ) Z f r w V k . 1 9 1 0 , 4 1 . ï 0 ) K n u c h e l a.a. O. 104. ) J o h n Erzgebirge 197. Der Walpurgistag gilt als Schwärmtag der Hexen, an dem man sich durch eigene Maßnahmen gegen sie schützen muB. ™)Ra.nta.s&\oAckerbau 1,44. s 3 ) G r i m m RA. ι, 1 8 3 ; K n u c h e l a. a. O. al

Zum Schutz vor dem Wiederkommen wird im Hannoverlande das Grab der Wöchnerin mit Garn umsteckt, in Sachsen mit einem Hag versehen oder mit weißen Wollbändern umhegt 24 ). Wenn die Parsen einen Totenacker anlegten, schlugen sie in vier Ecken vier große Nägel ein und zogen eine Schnur oder Baumwollfäden dreimal darum 25 ). u

) D e r s . 46 Anm. 4.

as

) G r i m m a. a. O.

In einer Anzahl von Liedern, die an Jahresfesten gesungen werden, ist von einer Seidenschnur, die um das Haus geht, die Rede 26 ). „Die gold'ne Schnur geht um das Haus", singen die Kinder in Schlesien vor den Häusern am Sommertag 27). In diesen Liedchen, unter denen mit einem Tannenbäumchen oder einer geschmückten Gerte den Hausbewohnern der Sommer gebracht wird, heißt es, die Kinder wollten den „Tod" begraben, damit die liebe Sonne scheine. 2e ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 677. *') K l a p p e r Schlesien 268; D r e c h s l e r 1, 74; H o f f m a n n - K r a y e r 154 (in eineiú Mailiede: „ E Chetti vo Guld wohl z'rings um das Hus").

III. Als R e c h t s s y m b o l für den Erwerb eines Grundstückes dient vielfach das U. des Gebietes mit einer Schnur. Die Kuhhautsage mit ihren Abweichungen ist ein Beweis für die weite Verbreitung dieser Sitte 28). Man vgl. den Landerwerb durch Umkriechen, Umpflügen, Umreiten, Umwandlung unter diesen Stichwörtern! Dido erkaufte sich in Afrika so viel Grund und Boden, als sie mit einer Stierhaut umgeben könne;

umtanzen

1353

Raimund erbittet sich in der Sage vom Grafen zu Poitiers so viel Land, als er mittels einer Hirschhaut einschließen könne. Beide schnitten die Haut in lange, dünne Riemen, mit denen sie ein Stück umspannten 28 ) K n u c h e l a. a. O. 105 (mitLit.). a. a. O. 89. 91.

2,)Grimm

Als symbolische Einfriedigung (zum Schutz gegen Weidevieh) wird das Umziehen eines Feldes mit einem Seidenfaden i. J. 1615 erwähnt 80 ). 30 )

K n u c h e l 105.

Weinkopf.

umtanzén. Ähnlich wie das Umlaufen erhöht und sichert das U. als Bewegungszauber die Wirkung der Umkreisung. Wir finden beim U. fast alle Zwecke und Objekte der Umwandlung wieder. 1. Das U. im K u l t . 1. Verehrung der H a u s - und A h n e n g e i s t e r . In der Lüneburger Heide reichte sich früher die Hochzeitsgesellschaft zum Schluß der Feier die Hände und drehte sich tanzend um den Herd und den Mittelpfosten der großen T ü r 1 ) (unter der Schwelle ist ein Ahnengeisteraufenthalt). Auf holländischen Bauernhochzeiten tanzen die Kinder einen Siebensprung um den Düngerhaufen 2). Im Saterlande wurde nach dem Königsschuß beim Pfingstschießen zuerst der Maibaum vor dem Wirtshaus dreimal u., darauf in jedem der drei nächstenNachbarhäuser dreimal der Feuerherd 3 ). S a r t o r i I, 108. 2 ) V a n der V e n Neerlands volksleven in den zomer (Filmtext) 30. 3 ) S t r a c k e r j a n 2, 88.

2. B a u m k u l t . Weit häufiger kommt es vor, daß Bäume als Sitz der Vegetationsgottheit zum Ausdruck der Huldigung und zur Gewinnung ihres Wohlwollens, auf daß sie allgemeine Fruchtbarkeit und Gedeihen spende, u. werden 4). In besonderem Maße stehen gewisse Bäume seit alters im Mittelpunkt urreligiöser Bräuche, so die Eiche 6 ) (s.d.) und die Linde 6 ) (s.d.). Der Reigentanz um die Dorflinde (als Beschützerin der Dorfgemeinschaft) ist aus dem Mittelalter bekannt 7 ). In Thüringen hüpfen die Kirmesburschen vor dem allgemeinen Tanz nach einer besonderen Musik einigemal um die in der Mitte des Angers stehende älteste

1354

Linde herum 8 ). In einem Walde bei Dahle in Westfalen stand ehemals eine große Eiche, zu der die Brautpaare hinauszogen; sie umtanzten sie dreimal singend und schnitten ein Kreuz in ihre Rinde e ). An Hochzeiten werden gern Fruchtbarkeitsriten geübt, die nicht nur auf Kindersegen abzielen, sondern auch zugleich das Gedeihen der Pflanzenwelt günstig beeinflussen sollen. So wird in Norwegen beim „Klotztanz" am dritten Tage des Hochzeitsfestes ein gewaltiger Fichtenklotz von jedem Paar (dem Brautpaar zuerst), nachdem sie auf den Klotz hinauf und wieder herabgestiegen sind, dreimal u., worauf man ihn in den nächsten Bach wälzt 10 ). Die Tschechen glauben durch U. einer Birke die menschliche Fruchtbarkeit zu fördern 11 ). Daß der Tanz um einen Baum nicht dem einzelnen Baumgeist, sondern dem Waldgeist vermeint sein kann, bezeugt eine Sitte der Esten; sie fertigen von dem übelwollenden Waldgeist Metsik alle Jahre ein neues Bildnis an und hängen es auf einen hohen Baum, um den das Volk lärmend tanzt 1 2 ). In Hessen legen die beerensammelnden Kinder die drei schönsten Beeren in die Höhle eines Baumes, den sie dann eine Zeitlang singend u . 1 3 ). Wie durch Umwandlung will man auch durch U. von Bäumen Krankheiten heilen. In Frankreich trug man ein Kind, das einen Bruch hatte, zu einer Eiche, die hierauf von mehreren Frauen umtanzt wurde M ). Durch U. soll ferner die Fruchtbarkeit der Obstbäume angeregt werden. Es geschieht, gleichwie die Umwandlung der Fruchtbäume, vornehmlich in den Zwölften 1S ), der Zeit der Wintersonnenwende. In Schlesien gehen Mann und Weib in der Christnacht mitternachts in den Garten und tanzen um die Obstbäume 1β). Neben der Erwerbung der Geneigtheit des Baumgeistes soll die Zeugungskraft des menschlichen Paares die Fruchtbarkeit des Baumes anregen. Zu Neujahr u. die Knechte die Obstbäume 17 ). 4)

Knuchel 91; M a n n h a r d t 1, 394f. Einige Lit. bei S c h n e e w e i s Weihnachten e ) Ders. 188; H ö f l e r Botanik 42 f. 35 ft. 7 ) F. K e i n ζ Die Lieder Neidharts von Reuenthal 6)

1355

umtanzen

II. β ) R e i n s b e r g D . festl. Jahr 368. · ) K u h n Westfalen 2, 44 Nr. 120. 1 0 ) B ö h m e Geschichte 11 d. Tanzes in Deutschland 1 7 1 . ) Hovorka u. K r o n f e l d 2, 5 1 5 . 1 2 ) M a n n h a r d t 1, 408. 13 14 ) J a h n Opfergebräuche 205. ) K n u c h e l Umwandlung 54. 1 5 ) S a r t o r i 3, 35. 1 β ) D r e c h s 17 ler ι, 39. ) S a r t o r i 3, 70.

Im heutigen Volksbrauch werden insbesondere gefällte und bei den menschlichen Wohnungen wieder aufgestellte Bäume (Maibaum, Johannismai, Kirmesbaum, Christbaum) als Repräsentanten des Pflanzenwuchses von den jungen Leuten an gewissen Festtagen des Jahres u. Der Maibaum wird nach dem Aufstellen 18 ) und wiederum mitunter vor dem Ausgraben u. 1 β ). In Thüringen tanzen nur noch die Kinder um den Johannismai herum 20 ); in Norddeutschland wird eine geschmückte Tanne im Freien 21 ), im Egerland ein in die Wirtsstube getragener Maibaum u. 22). Die Jugend t. um den Kirmesbaum, der auf dem Tanzplatz oder vor dem Wirtshaus aufgestellt ist 23 ) ; in der Hauptstadt Schwedens wird der angezündete Julbaum nach der Weise einer übermütigen Polka 24 ), in Ostergötland der von vier jungen Mädchen in die Stube gebrachte Julbusch von diesen u. 2 5 ). Dasselbe geschieht den als Ersatz der Maien dienenden, mit Laub und Blumen geschmückten Stangen, Laubpyramiden und Blumenkronen. Im Aargau u. man die „Pfingsthütte" 2β), in Schweden die ,.Maistange" in einem großen Ring in Rußland am Johannistag einen mit Blumenkränzen behängten Pfahl 28 ). Im Harz 29 ) und in Holland 30) führen die Kinder um eine von ihnen aufgepflanzte Krone zu Johannis Ringeltänze auf, in Holland auch um die pinksterkroon (Pflngstkrone 31 ) ). In Vertretung eines Baumes steht sicherlich auch die Stange als Mittelpunkt des Bandltanzes 32 ). 18 ) K n u c h e l 92; M a n n h a r d t 1, 3 1 4 ; S a r t o r i 3, 1 7 7 . 203. 207. 2 1 0 ; John Westböhmen 74; S t r a c k e r j a n 2, 88 (beim Vogelschießen zu Pfingsten); R e i n s b e r g a. a. O. 1 7 7 (bei den Flämen in Belgien). 164 (in Schwaben); F r a z e r 1, 203 (in England). 204 (in Bordeaux). In vielen Gegenden Rußlands schmückt man am Himmelfahrtstag ein Birkenbäumchen und tanzt rings im Reigen h e r u m ( Y e r m o l o f f Volkskalender 244). 1 9 ) S a r -

1356

I0 2l t o r i 3, 178. ) R e i n s b e r g 230. ) Kuhn Westfalen 2, 1 7 2 Nr. 480. 2 a ) S a r t o r i 3, 230. 23 24 ) Ders. 3, 2 5 3 ; R e i n s b e r g 372. ) Feil25 b e r g Jul (dänische Ausgabe) 1, 195. ) 2β 27 Ders. 201. ) M a n n h a r d t 1, 323. ) 2 Ders.; F r a z e r 1, 194. 202. ") Z e l e n i n 2e Russ. Volkskunde 372. ) K u h n a. a. O. 30 31 ) V a n d e r V e n a. a. O. ) Nieuwe Rotter32 damsche Courant vom 22. 6. 1924. ) Über den Bandltanz, bei dem farbige Bänder um einen aufgestellten Stab auf- und wieder abgewunden werden, s. Rig (Stockholm), Jahrg. 1924, 129 ff.; A d r i a n Von Salzburger Sitt' und Brauch 362; J u n k Handbuch des Tanzes 2 3 ; G e r a m b Brauchtum 30 ; über den verwandten Kunkeltanz: Rig a. a. O.; B ö h m e a. a. 0 . 1 9 1 .

3. Der K o r n g e i s t wird am Schluß der Ernte durch ähnliche Zeremonien verehrt 33 ). Als Sitz des Korngeistes wird die letzte Garbe auf dem Felde u.34), der Erntekranz 35 ), das Bündel Flachs, das für die Holzfräulein stehen bleibt 3e ), die Strohpuppe, welche als „Fastnacht" begraben wird 37 ). Auch sie stellt ja den Kornwuchs des abgelaufenen Jahres dar. Ebenso wird der Vegetationsdämon in der wachsenden Frucht durch U. verehrt. Im Anhaltischen bestecken die jungen Mädchen die Ecken der Flachsfelder mit Hollerzweigen und tanzen herum, mit dem Wunsch, der Flachs möge so hoch werden wie die Zweige 38 ). ω u ) Knuchel 72 t. ) S a r t o r i 2, 89; ZfVk. 7 (1897, 154; Driemaandelijksche Bladen 1 1 , 74 (Holland); S t r a c k e r j a n 2, 1 2 6 (mit Blumen geschmückter Strauch in den letzten Halmen, Peterbult genannt). 3 5 ) S a r 37 r o r i 2, 97. 3 e ) Ders. 2, 1 1 4 . ) Ders. 3, 1 2 5 . 38 ) W i r t h Beiträge 1, 32.

4. Verehrung des Wassergeistes. Statt des Umwandeins oder Umreitens der Dorfbrunnen kommt auch das U. vor 39 ). In Baden sprangen die Kinder an Petri Stuhlfeier dreimal um jeden Brunnen, bis man ihnen Obstschnitte oder Geld hinauswarf 40 ). Der Kultakt des U.s verfolgt den Zweck, den Wassergeist zur Erteilung eines Orakels zu bestimmen, wenn im Hannoverschen am Abend der Tag- und Nachtgleiche im Herbst die Mädchen ein Gefäß mit Wasser u., in dem drei Gegenstände schwimmen, und dann mit verbundenen Augen nach ihnen greifen, um das ihnen bestimmte Schicksal in Erfahrung zu bringen 41 ).

" ) Vgl. 78. 158.

1358

umtanzen

1357 40) M e y e r K n u c h e l 90. R e i n s b e r g 336.

Baden

4l)

5. Verehrung des F e u e r s . Die Jahresfestfeuer (zur Beförderung des Pflanzenwuchses) werden u. So hüpfen Burschen und Mädchen im Ringeltanz um den Holzstoß des Feuers am ersten Fastensonntag 42 ), das in den alemannischschwäbischen Gegenden das Sonnwendfeuer vertritt. In Schleswig-Holstein tanzt man am Lichtmeßtag 43), in Nordfriesland an Petri Stuhlfeier (22. Februar) 44) um ein Feuer. Die Russen führen beim „Herbeirufen des Frühlings" um ein Feuer einen Chorovod auf 4 5 ). Man u. die Oster- 46 ), in Norddeutschland die Martinsfeuer 47 ), namentlich aber die Sonnwend- oder Johannisfeuer 48 ). Letzteres tun die Mädchen mit dem Wunsch, bald heiraten zu können 49 ), Frauen und Mädchen, auf daß der Flachs (Hanf) hoch wachse 50 ). U. man in Frankreich in der Johannisnacht den Scheiterhaufen, während er am glühendsten ist, dann ist man das ganze Jahr über von Furunkeln befreit 51 ). 42 ) H ö r m a n n Volksleben 30; H o f f m a n n K r a y e r 136; J a h n a. a. O. 86 f. 92. 43 ) S a r t o r i 3, 85. « ) J a h n a. a. O. 85. ")Zelenin a. a. O. 363. 4β) K u h n a . a. O. 2, 135 Nr. 405a; 47 S a r t o r i 3, 149. ) Ders. 3, 271; P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 210. 211. " ) G r i m m M y f i . ι , 514; S a r t o r i 3, 229; J a h n a. a. O. 43. 49 ) R e i t e r e r Ennstalerisch 39; S A V k . 1, 100. 60 ) Ebd.; ZfrwVk. 1910, 35. 61 ) K n u c h e l 52 (in Frankreich).

Auch bei anderen Gelegenheiten werden Feuer, namentlich Strohhaufen, angezündet und u. : Ein in Brand geschossener Strohhaufen am Schluß der Hochzeit in der Gegend von Jüterbog 52 ), die den Fasching darstellende Strohpuppe in der Eifel 53), die letzte Garbe auf dem Felde (s. o.), der letzte Werghaufen von den Hanfbrecherinnen 54). Die Osttscheremissen zünden beim Pflugfest „zur Vertreibung des Teufels" an vielen Stellen Feuer an und tanzen um dieselben 55). *2) S a r t o r i 1, 108. i 3 ) D e r s . 3, 122. 6 4 ) J a h n a. a. O. 201. 55 ) H o l m b e r g D. Rei. d. Tscheremissen 178.

Gleich dem U. der Kirche wurde das der Oster- und Johannisfeuer noch lange als heidnisch gefühlt. Der Teufel stellt sich dazu ein 56) ; ein Mönch, der ums

Johannisfeuer mittanzte, muß nach seinem Tode bis heute alljährlich am Tage dieser Feier ganz allein um den Felsen eine höllische Runde tanzen 57). 5 e ) S t r a c k e r j a n 1, 312 Nr. 194c. ι, 101 (im französischen Jura).

57 )

SAVk.

6. S o n n e n k u l t . Haben Rundtänze im allgemeinen für eine Darstellung des Sonnenlaufes und somit als eine Form der Sonnenverehrung zu gelten, so sind namentlich die alten Volksreigen als eine solche zu betrachten, die „krummen Reigen" (Ringelreigen), die noch im Mittelalter von den Erwachsenen getanzt wurden und heute zum Kinderspiel herabgesunken sind 58 ). Dabei wird ein einzelnes Kind als Mittelpunkt u., indem die übrigen Kinder, sich an den Händen haltend, im Kreis um dasselbe herumgehen. In den Umzügen und sonstigen Fruchtbarkeitsriten der Frühlingszeit wird häufig ein Kind oder erwachsenes Mädchen u., das sich um die eigene Achse dreht und mithin gleichfalls die Sonne darstellt Sfl ). In Nordbrabant u. man eine mit der Pfingstblume (Sonnenbild) bekränzte Jungfrau und singt ein Lied, dessen Anfang lautet: „Pfingstblume, kehr dich einmal um" 8 0 ). Auch das westfälische Brautorakel ist wohl hierher zu stellen. Nach einer Hochzeit treten die jungen Mädchen im Kreise um die Braut zusammen. Man verbindet ihr die Augen, u. sie, nachdem man sie mehrmals herumgedreht, und nun muß sie geradeaus gehen und einem Mädchen den Kranz aufsetzen ; diese wird die nächste Braut 6 1 ). M ) B ö h m e a. a. O. 293; J u n k a. a. O. (s. v. Reigen); N i l s s o n Festdagar och Vardagar 80 ff. s») M a n n h a r d t β0) D e r s . ι, 318. 1, 318. e l ) K u h n a. a. O. 2, 42 Nr. i n .

Das U. von Bäumen ist unter Umständen gleichzeitig als Sonnenkult anzusehen. In Elgersburg bei Ilmenau wird am ersten Pfingsttag eine bis zur Krone abgeschälte Tanne, an der ein Kranz aufgehängt ist, in feierlicher Prozession eingeholt, aufgerichtet und von den Kindern am zweiten Pfingsttag u. Dabei bilden sie einen großen Kreis um den Baum. Zwei aber von ihnen drehen sich, mit einer Hand den Baum umfassend, um denselben bald rechts, bald links, bis

1359

umtanzen

eines das andere wegstößt. Dies treibt wieder eins aus dem Kreise zum Baum, und der Vorgang wiederholt sich. Dabei singen sie: „Der Summer, der Summer ist ane schene Zait, Dos mer sullen lustig sain alle junge Lait. Sehns all af mich und tuens all af mich Dreh dich mal üm und noch emal üm und wieder mal üm" M ). In St. Georgenberg bei Kolbnitz (Kreis Jauer) wurde in früherer Zeit um den Pfingsttopf getanzt. Auf dem Dorfanger war durch eine an Pfählen befestigte Blumenkette ein Kreis abgegrenzt. In seiner Mitte war auf einem bekränzten Pfahl, der den Pfingst- oder Maibaum vertritt, ein Topf befestigt, mit allerlei Blumen, Pfingströschen und Buchsbaumzweigen völlig bedeckt, während das Innere ein mächtiger Blumenstrauß ausfüllte. Am zweiten Pfingstfeiertage versammelten sich die Kinder auf dem Festplatze. Während sich ein Knabe in dem abgegrenzten Raum in die Mitte stellte, bewegten sich die anderen Kinder im Ringelreihen um ihn herum und sangen ein Liedchen des Inhalts, daß der Knabe sein Lieb verloren habe und sichs jetzt suchen müsse. Darauf forderte der in der Mitte stehende Knabe ein in der Reihe befindliches Mädchen zum Tanze auf. Drauf trat ein anderer Knabe in den Kreis. Als alle dran geswesen waren, veranstaltete man ein Topfschlagen, wobei ein Knabe zum Pfingstkönig, ein Mädchen zur Pfingstkönigin ernannt wurde 6 3 ). Topf und Kranz spielen als kreisrunde Dinge oft eine Rolle·*). Das Zerschlagen von Töpfen oder Fässern in Frühlingsbräuchen bedeutet die Befreiung der Frühlingssonne (im Topf ist häufig ein Hahn, im Faß eine Katze eingeschlossen). Auch Tänze um Eichen (s. o.) fallen zugleich unter den Sonnenkult, denn der Eichbaum stand wegen der rötlichen Farbe seines Holzes nicht nur zum Blitz, sondern auch zu einem anderen Himmelsfeuer, der Sonne, in Beziehung 6S). Das Kreuz (mit dem die Eiche im angeführten Hochzeitsbrauch nach dem U. gezeichnet wird) ist Sonnenbild. Hierher gehört auch der österliche „Siebensprung" um die alte Eiche auf

I36O

der Haar bei Iserlohn (in sieben ringsum angebrachte Löcher springen), der nach der einen Überlieferung sonnenläufig erfolgte ββ ). β2 ) K u h n Mârk. Sagen 325; M a n n h a r d t 1, 318 ί. e 3 ) ZfVk. 10 (1900). M ) Vgl. L e s s i a k in ZfdA. 53 (1912), 176. " ) M e y e r GermMyth. · ' ) K u h n a. a. O. 2, 149 ff.

In Frankfurt binden die Böttcher am Fastnachtmontag auf der Eisdecke des Mains ein Faß und tanzen sodann um dasselbe herum β7 ). Wenn am Stefanstag im Saterlande Stefan „aus der Tonne geklopft" wird, tanzt man um die Tonne, in der ein junger Bursche steckt e 8 ) (vgl. oben das Hahnschlagen und Katzenwerfen). In der Gegend von Jüterbog zündete man früher nach der Hochzeitsfeier ein altes Wagenrad an und tanzte um dasselbe herum ββ ). Hierher dürfte auch der mittelalterliche Tanz um den Schiffswagen ,0 ) zu stellen sein. Selbst Rundkuchen 71) werden als Darstellungen der Sonne u. « ) R e i n s b e r g a. a. O. 68. ·») S t r a c k e r j a n 2, 35 Nr. 291. , 9 ) S a r t o r i ! , 108. 70 ) Grimm Myth. " ) J u n k a. a. O. s. ν. Sonnentanz; S a r t o r i 66 (Weißrussen); S c h n e e w e i s a. a. O. 44 (der Sauerteig vertritt den Weihnachtskuchen).

7. Objekte des k i r c h l i c h e n Kultes. Die altheidnischen Opferreigen wurden an christlichen Stätten fortgesetzt, so daß z. B. in den Statuta Bonifacii gegen Tanz unter Gesang in der Kirche geeifert werden mußte 72). Doch mußte man wenigstens den Tanz u m die Kirche gestatten 73 ). Eine Erinnerung an diese später ebenfalls verpönten Reigen um das Gotteshaus ist '"n der Sage erhalten gebh'eben, nach der Leute verdammt wurden, ewig um die Kirche zu tanzen, weil sie so gottlos gewesen waren, solches während der Predigt zu tun 74). In christianisierter Form wurde das U. von der Kirche geduldet. So wurde beim weihnächtlichen „Kindelwiegen" die Wiege Christi 7S ) oder das auf den Altar gestellte Jesuskind u. 7e ). In der Pfalz wurde der Tanz um die Kirche bei Hochzeiten ausgeübt 77 ). In der Eifel wird der erste Tanz am Kirchweihfest um die Kirche gehalten 78). 7a 73 ) M e y e r Germ. Myth. 21. 195. ) Tille Weihnacht 37. " ) K u h n u. S c h w a r t z 161

1361

Nr. 187. '«) T i l l e a. a. O. 53. '«) D e r s . 63. " ) K n u c h e l 19. 7 8 ) S a r t o r i 3, 2 5 1 .

8. T o t e n k u l t . Bei den alten Germanen wurde die Bahre des Toten u.79). 7(l

1362

umwandeln, Umwandlung

) N i l s s o n a. a. O. 88.

II. U. als B i n d u n g allgemeiner Art. Eine von Unholden entführte Wöchnerin gehört erst dann wieder ihrem Mann, nachdem er dreimal um sie und das Kind herumgetanzt ist 80 ). Geister u. ihren Aufenthaltsort (vgl. Umwandlung, Umlaufen): Drei Gespenster hopsen unter allerlei Grimassen um einen Markstein herum 81 ). Als Übertragung des Tanzes um die Kirche auf ein profanes Gebäude dürfte die Sitte anzusehen sein, nach der in Weingarten am Fastnachtssonntag, -montag und -dienstag um das Rathaus getanzt wird (vgl. Umwandlung I 9) 82). 80 ) H e y l Tirol 407. 8 1 ) Ders. 462. l i n g e r Volksth. 2, 34 f.

82

) Bir-

III. Kulte u n b e s t i m m b a r e r Art. Hexen tanzen um einen Stein 83 ), in Katzengestalt auf dem Marktplatz von Löwen um einen großen Tisch, auf dem ein mit Wein gefüllter Pokal steht 84 ). Als ein U. der Opferstelle könnte folgender Brauch aufgefaßt werden. Auf nordböhmischen Kirchweihen geschieht das Bezahlen der Musik, indem alle Paare um einen Tisch in der Mitte des Saales herumtanzen, an welchem ein Bursche mit einem Teller sitzt, auf den die Beiträge gelegt werden 85 ). 83 ) H e y l a. a. O. 799. 8 4 ) Maria v. P l o e n n i s Die Sagen Belgiens (Köln 1846) 32. 8S ) R e i n s b e r g a. a. O. 370.

Apotropäisches U. Man zieht tanzend um Personen einen schützenden Kreis. Bei den alten Römern tanzte man mit brennenden Fackeln um das Kind in der Wiege86 ). Auch Brautpaare sind in besonderem Maße von Dämonen bedroht und werden daher u. Bei den Siebenbürger Sachsen springen die Frauen im Kreise um die Braut herum, während eine von ihnen mit der Braut tanzt 87 ). Krankheiten werden durch rituelles U. vertrieben, ζ. B. in Neapel und bei den Balkan Völkern 88). Vielleicht soll auch die prähistorische Felsenzeichnung aus Spanien, auf der neun Frauen um einen

nackten Mann tanzen89), einen solchen Heilzauber darstellen. *') S e l i g m a n n Heil- und Schutzmittel 1 2 5 . ) S c h u l l e r u s Siebenbürgen 120. 8 8 ) K n u c h e l 63; s. a. J u n k a. a. O., s. v. rot. 8 *) H o e r n e s Urgeschichte der bildenden Kunst in Europa (3. Aufl.). Weinkopf.

87

umwandeln, Umwandlung (Umgang, umgehen, umschreiten). Als eine Sonderart der Umkreisung sucht die U. entweder auf den M i t t e l p u n k t oder auf die Umgebung des Kreises einzuwirken. Knuchel in seiner grundlegenden Arbeit 1 ) unterscheidet zwei Arten von U.en: solche, denen der Gedanke einer „Bindung" zugrunde liegt, und andere, die das Ziehen eines „Schutzkreises" (also eine „Trennung") bezwecken 2). Jedoch ist zu beachten, daß der trennende Schutzkreis zum Schutz sowohl für als gegen das Zentralobjekt gezogen werden kann. Wir unterscheiden demnach: Die Umwandlung.

2

) a. a. O. 3.

I. Die U. mit der Wirkung nach innen, ι . Die U. bezweckt eine „ B i n d u n g " an den kultlichen Mittelpunkt, indem sie eine Verehrung für denselben ausdrückt, um seine Gunst zu gewinnen. a) Der H a u s g e i s t wird verehrt, wenn gewisse Teile des Hauses, die als Sitz der verstorbenen Ahnen gelten (Herd, Tisch, Tür = Schwelle, Misthaufen) umwandelt werden. Zu Neujahr u. Kinder, die von Haus zu Haus gingen, dreimal das Herdfeuer 3 ). Die Südslavenu. mit dem Badnjak (Weihnachtsklotz) und dem Weihnachtsstroh das Herdfeuer 4). Namentlich muß die Neuvermählte im neuen Heim den Herd oder den Mist umkreisen 5 ). Der siebenbürgische Hochzeitszug geht nach der Trauung, bevor er in das Hochzeitshaus eintritt, dreimal um das Kochhaus herum 6). An Stelle des Herdes tritt als „Hausaltar" oft der Tisch. Der Brauch ist vorwiegend slavisch, doch kommt er vereinzelt auch in deutschen Gegenden vor 7 ). Beim holländischen Osterbrauch des Vleugelens schlingt sich die Menschenkette (die Menge reichte einander die Hand) um den Türpfosten, der in der Mitte der Haustür steht, herum 8 ). Um die Hausgeister zur Erteilung eines Orakels geneigt zu machen, geht man um

1363

umwandeln

den Tisch, weit häufiger aber ums Haus, meist mit Opferspende oder Opfergerät in der Hand. In Tirol mußten sich am Dreikönigsabend die Hausleute im Kreis um den Tisch stellen. Der Hausvater ging dreimal um diesen Kreis herum und schaute jedesmal, ob niemand fehle. Wer vom Hausgesinde nicht da war, der starb im selben Jahr 9 ). Beim „Näppelgreifen" im Erzgebirge geht ein Mädchen mit verbundenen Augen um den Tisch und greift nach einem der daselbst aufgestellten, mit Symbolen gefüllten Töpfchen. Der Inhalt deutet auf die Zukunft 10 ). In Tirol geht das Mädchen am Dreikönigsabend mit einem soeben gebackenen Dreikönigsküchlein dreimal um das Haus herum ; wer ihr begegnet, wird ihr Mann11 ). Um zu erfahren, wer im nächsten Jahr sterben wird, geht man allgemein am Weihnachtsabend dreimal ums Haus herum 1=). In Norwegen vollführt man den Umgang am Julabend, um der Person zu begegnen, die man heiraten wird; heiratet man nicht, so trifft man auf einen Sarg 13). 3

4 ) S t r a c k e r j a n 2, 40. ) Schneeweis Weihnachtsbräuche 2 1 . 128. 6 ) K n u c h e l i 5 f f . e ) F e h r l e Feste 98. ' ) S c h u l l e r u s Siebenbürgen 8 116. ) Driemaandelijksche Bladen 13, 42. · ) H e y l Tirol 752. 1 0 ) K n u c h e l 3 1 . « ) H e y l 4 1 7 ; ähnlich zu Weihnachten (ZfVk. 8, 250; H ö f l e r Weihnacht 37, für Gossensaß und am ersten Fastensonntag), H e y l 7 5 5 ; H ö r m a n n Volksleben 2 8 ; ZfdMyth. 1, 237. Weitere Belege für derartige Hausu.en bei K n u c h e l 31 f. 12 ) Heimatkundl. Materialsammlung d. Lehrerschaft des pol. Bez. Waidhofen a. d. Thaya (Waldviertel, N.-Öst.); R o s e g g e r Steiermark 4 3 0 ; F e i l b e r g Jul (dän.) 2, 1 2 6 ; in der Neujahrsnacht: W u t t k e 247, 3 5 7 ; F r i s c h b i e r Hexensprüche 157; S c h u l e n b u r g 132; K n u 13 c h e l 47 f. ) F i a t i n Gamalt fraa Numedal 12, Nr. 24

b) Um für sich selbst oder sein Vieh Gedeihen und Gesundheit oder um vom Baum eine möglichst reiche Ernte an Früchten zu erlangen, wendet sich der Bauer an die Baumseele und sucht sie durch Opfer und Umgang, vielfach auch durch Umtanzen, günstig zu stimmen. Wen das „wilde Feuer" (Gürtelrotlauf) plagt, der geht vor Sonnenaufgang dreimal um einen alten Eichbaum unter einem Spruen • i ). In einen Wollfaden

X364

macht man so viele Knoten, als man Warzen hat, legt ihn bei abnehmendem Mond in einen hohlen Baum und geht dann so viele Male um diesen herum, als man Warzen hat 1 5 ). Ein Schäfer zieht mit seinem kranken Schaf drei Morgen hintereinander vor Sonnenaufgang dreimal um einen Wacholderbusch, und das Tier gesundet 1β). In Hannover geht man in der Neujahrsnacht dreimal um jeden Obstbaum, schüttelt ihn und schlägt ihm ein Geldstück in den Stamm 17 ). Auch künstliche Bäume werden durch U. verehrt. Im Elsaß wird der geschmückte Kirchweihbaum vor dem Tanz von den jungen Leuten dreimal umwandelt, oder auch nach jeder Tanzpause und jeder Tanztour, wobei sich Burschen und Mädchen die Hände reichen 18 ). In Fürth zogen früher am Kirchweihfest sechs Soldaten in Parade um den Freiheitsbaum herum 19 ). " ) S t r a c k e r j a n 1, 82. « ) D e r s . 1, 84. ) D e r s . I, 424. 1 7 ) M e y e r Volkskunde 207; 18 K n u c h e l 72. ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste l 557. · ) R e i n s b e r g Festjahr 372.

le

c) Der Vegetationsgeist einer Feldpflanze (Feldgeist) wird durch U. des Ackers um Hilfe gegen Krankheiten angerufen. Heute sieht das Volk diesen Heilbrauch für eine Übertragung des Leidens auf die Pflanze an M). In der Mark Brandenburg läuft, wer an Schwindel leidet, nach Sonnenuntergang dreimal nackt um ein Flachsfeld; dann bekommt der Flachs den Schwindel 21 ). Im sächsischen Erzgebirge umgeht die Mutter eines mit Hühneraugen behafteten Kindes während eines Begräbnisläutens dreimal ein Gerstenfeld22). Am häufigsten überträgt man auf diese Weise Fieber auf ein Kornfeld 23). In ganz Deutschland, aber auch in Frankreich und England macht man einen Umgang um das gereifte und eben geerntete Getreide, und zwar um die letzten Halme oder die letzte Garbe auf dem Felde, worin der Korngeist anwesend gedacht wird 24 ). Beim ,,Hänseln" der neueingetretenen Dienstboten, die zum erstenmal die Ernte mitmachen, gehen Schnitter und Binderinnen Hand in Hand singend im Kreise um mehrere zusammengestellte Garben 2S).

umwandeln 20 21 ) K n u c h e l 55· ) Ebd. Seyfarth Sachsen 198. 2 3 ) Ebd. 2 1 ) M a n n h a r d t 1; K n u c h e l 73. Auch in Rußland: Z e l e n i n Russ. Volkskunde 38. 2 6 ) S t r a c k e r j a n 2, 129.

d) Verehrung des Wassergeistes. Unter die deutschen Frühlingsbräuche gehört vielerorts ein U. oder Umreiten der Brunnen 26 ). Beim Münchner Metzgersprung am Faschingmontag gehen die freizusprechenden Lehrlinge dreimal auf dem Rand des Fischbrunnens herum 27 ). Die Brunnenumwandlung gehört auch zu den Bräuchen der Schweizer Knabenschaften 28). In Frankreich und England u. Kranke heilige Quellen und Brunnen29). Damit das Zahnweh aufhöre, geht man in Mecklenburg unter Hersagen eines Spruches dreimal um ein Wasser 30 ). 2β ) K n u c h e l 90. 2 7 ) R e i n s b e r g a. a. O. 66; W i s s e l Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit 86 . 2 8 ) H o f f m a n n - K r a y e r 60. 2 e ) K n u 30 c h e l 52 f. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 427.

e) Durch die Feuerumwandlung wird vor allem die Bindung an die neuen Familiengötter vollzogen 31 ) (s. o. unter a). Im 13. Jh. umschritt die Schlesierin mit dem neugeborenen Kind das Herdfeuer, und eine Frau folgte und fragte: „Was trägst du?", und die erste Frau antwortete: „Einen Luchs und einen Fuchs und einen Hasen, der schläft" 32). In den Festfeuern, die zu gewissen Zeiten des Jahres im Freien entzündet werden, ist eine Verkörperung der Sonne zu erblicken. Sie werden oft umtanzt, mitunter umwandelt. Im Mühlviertel gingen die Leute, bevor sie durch die Flammen des Johannisfeuers sprangen, erst betend und einen Spruch hersagend um dasselbe herum 33 ). Im Badischen wird der „Funken" (das Feuer am ersten Fastensonntag) betend dreimal Umschriften34). In Oldenburg ziehen Jünglinge und Jungfrauen in einem weiten Kreise, geistliche Lieder zur Ehre der Auferstehung singend, dem Lauf der Sonne nach, um den brennenden Holzstoß des Osterfeuers herum 35 ). 31 ) K n u c h e l 26. 3 2 ) K l a p p e r Schlesien 287. E s fällt hier auf, daß in Verbindung mit dem Feuer Sonnentier (Fuchs, wohl auch Luchs) und 33 Mondtier (Hase) genannt sind. ) Baumg a r t e n Aus d. Heimat, zit. bei J a h n Opfer34 35 gebräuche 37. ) M e y e r Baden 2 1 4 . )Strakk e r j a n 2, 72.

f)DieU. im Kult von F e l s e n und B e r -

1366

gen. Steine vermögen menschliche (und tierische) Fruchtbarkeit zu bewirken. Im Aargau holt die Hebamme das Kindlein, indem sie an den Kindli- oder Tittistein klopft und pfeifend dreimal um ihn herumgeht 38 ). In Württemberg führt man Kühe, die schwer trächtig werden, in den Nachbarort zum Farren und läßt sie dreimal um den Grenzstein gehen 37 ). Auf ehemals keltischem Boden ist die U. von Steindenkmälern als Fruchtbarkeits- und Heilritus üblich 38 ). 3β ) H o f f m a n n - K r a y e r 24. 3 7 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 16; K n u c h e l 58. 3 8 ) K n u c h e l 27· 57· 55·

g) Die U. von G ö t t e r b i l d e r n , T e m p e l n oder Opfern ist bei nichtchristlichen Völkerschaften reichlich bezeugt. Selbst im christlichen Kult wird die U. als Zeremonie noch angetroffen; so wird in der griechischen Kirche der Trauakt mit einem fünfmaligen Umkreisen des Altars beschlossen 39). Unter den halb religiösen, halb abergläubischen Begehungen, die aus dem Heidentum stammen und von der Geistlichkeit geduldet werden, treffen wir eine Menge von U.sriten. Alte Steinbilder wurden dabei einfach durch das christliche Symbol des Kreuzes ersetzt und die daran geknüpften Begehungen mehr oder weniger christianisiert40). In Posen hilft eine dreimalige U. des Bildes des Heilands gegen Brandwunden 41 ). Noch häufiger treffen wir den Heilumgang um A l t a r oder um die Kirche. In Bayern und Österreich gehen Kopfleidende, tönerne Kopfurnen oder Johannisschüsseln (Schüsseln mit dem abgeschlagenen Haupt Johannis des Täufers) auf dem Scheitel tragend, dreimal um den Altar 42 ). Wallfahrer auf der hohen Salve in Nordtirol tragen gegen Kopfleiden am Tag des heil. Johannes, dem die dortige Kapelle geweiht ist, hölzerne Johannishäupter um den Altar herum 43 ). Gegen Fieber geht man in Deutschland dreimal um die Kirche, betet das Vaterunser und pustet bei jeder Runde ins Schlüsselloch44). In Brabant geht man, nachdem man den Heiligen für sich oder einen Familienangehörigen um Hilfe gegen Krankheit angerufen hat, dreimal in der Kirche und

1367

1368

umwandeln

ebenso oft außen um sie herum 4S). Auf Sizilien ließ man früher gegen den Veitstanz die Kranken dreimal um die Kirche des heil. Leonhard in Castelbuono gehen 46 ). w)

Corrbl. d. Ges. f. Anthropol., Ethnol. u. Urgesch. 21, 10. «) K n u c h e l 58 f. " ) Ders. 59. 4 i ) Andree Votive 145 f. 43) Ders. 146. " ) K n u c h e l 60 (nebst weiteren Beispielen); 4t) H e r E n g e l i e n u. L a h n 262 Nr. 139. m a n t u. B o o m a n s La médecine populaire 197. 4®) P i t r é Medicina popolare Siciliana 432.

Bei der Trauung wird an manchen Orten statt des Altars die Kirche umwandelt 47). Leichenzüge gehen (meist dreimal) um die Kirche oder den Kirchhof herum 48 ). In katholischen Orten Oldenburgs herrscht der Brauch, in der Osternacht oder in der Frühe des Ostermorgens um die Kirche zu gehen, um für die Verstorbenen zu beten 4e ). Verblaßt ist der Kultgedanke, wenn in Oldenburg in den drei letzten Tagen der Karwoche Knaben mit Klappern statt des Glockengeläutes dreimal um die Kirche ziehen 50 ). *») K n u c h e l 19. « ) Ders.38; S a r t o r i 1, 149; P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 413; ZfrwVk. 5, 279. *·) S t r a c k e r j a n 2, 70 Nr. 312. 60) Ders. 2, 69.

h) T o t e n v e r e h r u n g . Bei dem Heidentum noch näher stehenden Völkern gilt die Kirche als Totenort 61 ). In diesem Sinn ist das Gotteshaus das Objekt zauberischer U.sriten. Ein Mann geht mit einer schwarzen Katze im Sack dreimal um die Kirche und erhält aus dieser heraus jedesmal ein größeres Gebot für die Katze. Zum drittenmal bekommt er einen Taler, und zwar einen Hecketaler 52 ). Man lernt die Hexerei, wenn man mit einer schwarzen Henne im Arm dreimal gegen die Sonne um die Kirche geht 58 ). Andererseits mußte ein junges Mädchen, um sich (mit Hilfe der Toten) vom Hexenunterricht zu befreien, dreimal betend mit der Sonne um den Kirchhof gehen M ). 6l) Vgl. M a n n i n e n Die dämonistischen Krankheiten im finnischen Volksaberglauben 16. 29. 37 (man erkrankt in der Kirche durch die t a ) K u h n u. S c h w a r t z Toten leicht). 20 Nr. 24; S t r a c k e r j a n 1, 117 Nr. 138. a ) Ders. ι, 368a. " ) Ders. 1, 368b.

Was die hie und da vorkommende U. des Grabes nach dem Begräbnis betrifft 55 ), ist es zweifelhaft, ob sie ursprünglich eine

Verehrung für den Verstorbenen ausdrücken oder seine Wiederkehr verhindern sollte. M ) S a r t o r i ι, 151; S c h u l l e r u s Siebenbürgen135; K n u c h e l 44; S t r a c k e r j a n 2, 218 Nr. 461 (im 17. Jahrhundert gingen im Sachsenlande· die Frauen dreimal um das Grab).

2. Im R e c h t s b r a u c h wirkte die feierlich bindende U. eines Stückes Land als· Besitzergreifung desselben (vgl. umkreisen A, I, 3, b). Der fränkische König Chlodowich begabte den heil. Remigius, Bischof von Reims, mit so viel Land, als er zu umschreiten vermochte, während der König seinen Mittagschlaf hielt 56 ). Eine dicke Burgfrau erhielt von einem Herzog von Braunschweig einen so großen Teil des Forstes, als sie in einer bestimmten Frist umgehen könne 57). M) Grimm RA. K n u c h e l 106.

86.

« ) Ders. 88.

Vgl.

3. Die z a u b e r i s c h e N u t z n i e ß u n g fremden Eigentums kann durch U. gewonnen werden. Wer am Pfingstsonntag vor Sonnenaufgang um eines Nachbars Felder geht, dem wächst das, was auf diesen hätte wachsen sollen, auf den eigenen Feldern 58 ). In der Mayenne gehen Hexen nachts unbekleidet, den Backofenwischlappen hinter sich herziehend, um die Häuser und Stallungen der Nachbarhöfe; sie bekommen dadurch die Milch der Nachbarinnen in den eigenen Stall 5 e ). » ) S a r t o r i 3, 217.

«·) K n u c h e l 86.

4. Ein Festhalten (Bannung) bezweckt die U. bei der Diebesstellung®0). Um Gegenstände im Freien vor Diebstahl zu schützen, geht jemand, der das· Besprechen versteht, dreimal rücklings um den zu schützenden Raúm, betet das Vaterunser rückwärts und spricht: „Komm, Petrus, mit dem Schlüssel und binde, binde, binde". Wenn der Dieb nach den so geschützten Sachen langen will, ist er plötzlich festgebannt. Der Beschwörer muß ihn vor Sonnenaufgang lösen, sonst wird der Dieb schwarz und muß sterben. Zu dem Zweck geht der Beschwörer dreimal recht (dh. nach vorwärts) wieder um die geschützte Stätte, sagt das Vaterunser recht her und spricht :

1369

1370

umwandeln

„Komm, Petrus, mit dem Schlüssel, und löse, löse, löse" β1).

Man geht gegen die Sonne um ein krankes Tier 7 1 ).

'") S. a. Bann, Abwehrzauber A, 1, d. Dieb M 3. ) S t r a c k e r j a n 1, 119 f. Weitere Diebsbannungen durch U. s. K n u c h e l 86; .ZfVk. 5, 297; Heimatgaue 2, 33; B a u m g a r t e n

• 7 ) Vgl. K n u c h e l 62 ff. " ) J ü h l i n g Tiere 154. ·») ZfrwVk. 1905, 183. '») S t r a c k e r j a n ι, 95; W u t t k e 438 § 688. 7 1 ) F e i l b e r g

Aus

7. Ein w e g b a n n e n d e r Abwehrzauber ist das Vertreiben von Ungeziefer, das man als Dämonen betrachtet, von einem Acker durch U. Im Erzgebirge umwandelt man dreimal das Feld, dabei einen Ausgang lassend, und spricht ein Vaterunser oder die Worte: „Geht der Fuchs aus der Haut, kommen die Raupen aus dem Kraut" 7 2 ). In Schlesien schlägt man, am Gründonnerstag um das Feld gehend, mit einem Stück Holz auf ein Brett und spricht: „Schlüffel ( = Maulwurf), macht euch heraus, eure Zeit ist aus" 73).

der Heimat

2, 84 f . ; B a r t s c h

Mecklenburg

. 339; D r e c h s l e r Schlesien 2, 142; F r i s c h b i e r Hexensprüche 110; R a n t a s a l o Ackerbau 2

4, 140. 142.

5. Eine Bannung mit k o e r z i t i v e m Zweck ist die U. bei Feuerbeschwörungen. Das Feuer wird durch die Umkreisung am Weitergreifen gehindert, durch den dabei gesprochenen Segen und allenfalls durch •ein hineingeworfenes Heiltum β2 ) gebannt und zum Erlöschen gebracht 63 ). Brennt in Schlesien ein Haus, so geht man dreimal um dasselbe herum und wirft geweihtes Salz in die Flammen; dann bleiben die Nachbargebäude verschont 64 ). Der Geistliche geht mit dem Allerheiligsten um den Brand 65 ), besonders wenn die Kirche brennt 66 ). 82 ) Teller, mit christlichen oder magischen Formeln beschrieben, Brotlaib, Agathenbrot ) H e y l 7 1 .

· · ) D e r s . 440.

Wohl als eine Übertragung von der Kirchenu. her im ganz allgemeinen Sinn einer Huldigung ist es aufzufassen, wenn beim Todaustragen die Mägde mit dem Popanz aus den Dörfern der Umgebung nach Oderau kommen und dreimal um das Rathaus herumziehen, bevor sie die Strohpuppe in die Oder werfen 81 ). 81)

Drechsler

1,

70.

II. Die U. mit der Wirkung nach außen. Bei denjenigen Umkreisungsriten, die unter Lärm und mit Verwendung von Feuer, Licht, spitzen oder scharfen Eisengeräten oder anderer Apotropäen ausgeführt werden, ist der Abwehrcharakter deutlich. Fehlen die Abwehrmittel, so ist die Grenze zwischen Abwehr und Schutz nicht immer reinlich zu ziehen (vgl. Abwehrzauber 1, 130). Durch U. sollen vor von außen kommenden feindlichen und schädlichen Gewalten geschützt werden : ι. Menschen. Beim Entwöhnen setzt die Mutter das Kind auf die Stubendiele zwischen frisch bezogene Betten, umgeht es dreimal, dabei laut das Vaterunser betend, stößt hierauf das Kleine mit der großen Zehe um und schenkt ihm eine Zuckertüte und ein Töpfchen 82). 82 )

John

Erzgebirge

65.

2. H a u s t i e r e . Um eine kälbernde Kuh muß eine Frau nackt herumgehen 83 ). Die ganze Viehherde wird (im Freien oder im Pferch) durch U. (unter Hersagen von Gebeten oder Beschwörungsformeln) gegen Raubtiere, die man für böse Dämonen ansieht, und anderes Unheil geschützt. Namentlich geschieht dies vor dem ersten Austrieb. Neben der apotropäischen Funktion der U., die Schutz nach außen bezweckt, besteht hier der Gedanke, das Vieh durch den magischen Kreis einzu-

1372

schließen und zusammenzuhalten, daß es sich nicht verlaufe 84). Die altrömische Feier der Luperkalien geht auf die Sitte der latinischen Hirten zurück, im feierlichen Laufe nackt ihre Hürden zu umkreisen. Durch diesen Umlauf zogen sie einen magischen Kreis um ihren Viehbesitz, den kein Unheil, auch der Wolf nicht, überschreiten konnte 85 ). Ist im Böhmerwald das Vieh unruhig, so geht der Hirt um dasselbe herum und betet drei Vaterunser; dadurch wird eine beruhigende Wirkung erzielt 86 ). Nachdem der Hirt die Schafe eingepfercht hat, geht er dreimal um die Hürde und schlägt dabei mit seinem Hammer auf die Pfähle der Hürde. So glaubt er, seine Herde sichergestellt zu haben 87). Eine spätere Interpretation erfuhren die drei U.en, wenn es heißt: Das erstemal geht der Schäfer gegen den Wolf um den Pferch, das zweitemal gegen das Durchbrechen der Schafe, das drittemal gegen böse Menschen88). Die Esten pflegen gegen Verhexung des Viehes dreimal um die Viehburg zu gehen. Dabei nehmen sie eine Handvoll Salz und lassen immer etwas von dem Salz aus der Hand laufen, bis es zu Ende ist 8e ). Auch in Rußland machen die Hirten zu Beginn der Viehweide einen Umgang um ihre Herde 90 ). An Lichtmeß werden die Bienenstöcke mit brennenden Kerzen umwandelt 92 ). 8 S ) S a r t o r i 2, 1 3 7 . 8 4 ) K n u c h e l 36. 8 5 ) Ders. 1 0 2 ; A R w . 13, 481 fi. 8 6 ) S c h r a m e k Böhmer87) wald 2 3 9 ; H ü s e r Beiträge 2, 28. Der H a m m e r ist w e g e n seiner K r e u z f o r m S o n n e n 8 8 bild und damit Apotropäon. ) Wolf Beiträge ι , 221 N r . 290. 8 9 ) S e l i g m a n n Heilu. Schutzmittel 2 7 1 . 6 0 ) Z e l e n i n Russ. Volkskunde 5 7 . W e i t e r e Beispiele f ü r U . der H e r d e : K n u c h e l a. a. O . ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 151 f.; Z f V k . 2, 2 7 4 ; E b e r h a r d t 2 1 ; S a r t o r i 3, 86 ( B ö h men). Derselbe Brauch, m i t weiterem U m kreis, bei d e n W a l l o n e n m i t einschließender A b s i c h t : O n s V o l k s l e v e n 1 1 , 3 1 . 9 2 ) S a r t o r i 3, 86.

3. Das H a u s als Gesamtheit. Bereits den Neubau u. Mädchen singend mit der Blumenkrone oder dem Maien, der den Giebel krönen soll 93 ). Im Kreise Paderborn geht vor dem Richtfest die Tochter oder Magd des Bauherrn mit dem Kranze, der einige Tage den Giebel zieren soll, dreimal um das neuerbaute Haus. Ihr

1373

umwandeln

voran schreitet ein junger Mann mit einem Besen, die Bewegung des Fegens machend 94 ). In Baden gehen manche Leute in der Dämmerung des ersten Maitages um ihr ganzes Haus herum und besprengen die Wände mit Weihwasser 9 5 ). Mit dem Palm umkreist der Bauer sein Gehöft auch gegen Blitzgefahr 9e ). Sogar den verstorbenen Hausvater glaubt man in der Nacht nach seinem Begräbnis dreimal um sein Haus herumgehend, damit die Seinigen kein Unglück treffe 97 ). Im Erzgebirge ließ man, wenn der Tod in kurzer Zeit wiederholt in einem Hause eingekehrt war, die Chorknaben mit dem Kreuz ums Haus gehen 98). ®3) S a r t o r i 2, 7. Weiteres K n u c h e l 86 f. ) ZfrwVk. 3, 176. K r a n z und Blumenkrone (als Sonnenbilder und zugleich durch die W a c h s t u m s k r a f t der frischen Pflanzen), sowie der Besen sind Abwehrmittel. " ) Meyer 9 e ) D e r s . 501. Baden 385. ·') Grohmann ,8) 193, nach W u t t k e 470 § 747. J o h n Erzgebirge III. 94

4. Die O r t s c h a f t . Im alten Rom feierte man anfangs Februar das Amburbium, den Stadtumgang, eine staatliche festgesetzte Feier, wobei Fackeln getragen und Opfertiere mitgeführt wurden " ) . Der geweihte Umkreis, mit dem bei der Gründungspflügung die Stadt umschlossen worden war, sollte dadurch erneuert werden 100 ). Zu Winterberg zieht man, bevor man das Osterfeuer entzündet, in feierlichem Zuge, Birkenfackeln tragend, um den Ort. Ebenso in der Gegend von Brilon. Zu Grund im Harz findet die U. des Ortes mit Fackeln erst nach Entzündung des Osterfeuers statt 1 0 1 ). Weil es sieben Jahre hintereinander gehagelt hatte, gehen in einem württembergischen Dorfe die Männer an Ostern vor Tag um den Ort 1 0 2 ). In Oststeiermark umschreiten an einem Adventabend 9 Knaben, 9 Männer und 9 alte Frauen mit dem Standbild des hl. Josef und brennenden Lichtern unter Weihnachtsgesängen dreimal den ganzen Ort 1 0 3 ). » · ) P a u l y - W i s s o w a 1, 1816. 1 0 ° ) K n u c h e l 1 0 1 ) K u h n 2, 140 Nr. 408. 102) 100. Eberh a r d t 4. 1 0 3 ) G e r a m b Brauchtum 101.

5. A c k e r u n d F e l d f r u c h t werden vom Besitzer umschritten oder umlaufen (s. d.), die gesamten Felder in feierlicher

1374

Prozession an bestimmten Tagen von der Gemeinde umwandelt (s. a. umreiten, Acker 2, Bittgang, Flurumgang, Fronleichnam, Grenzumgang). Den ausgestreuten Samen sucht der Landmann dadurch vor Vogelfraß zu schützen, daß er dreimal um das Saatfeld geht und dabei einen Spruch hersagt 104 ). In Schlesien nimmt er einige Körner in den Mund und umkreist in tiefem Schweigen dreimal das Ackerfeld, um zuletzt die Körner an den Ecken des Saatgewendes zu vergraben oder im Namen usw. auf den Weg oder in einen Strauch zu spucken. Dann kommt kein Sperling aufs Feld, wenn auch alle Nachbarfelder davon bedeckt wären 105). Am Johannisabend hält man ebendort von der Saat die Hexen ab und hindert sie, Unkraut zu säen, indem man mit Sensen um die Saatfelder g e h t l o e ) . Im Altenburgischen umschreitet man die Rübsaat mit brennender Pfeife 1 0 7 ). Um den Flachs zu schützen, geht man in Schlesien an drei aufeinander folgenden Tagen um das Flachsgewende und spricht den Flachssegen 108 ). Am Johannistage gehen Frauen um das Feld und fassen stillschweigend den Flachs an 1 0 e ). Um Raupen abzuhalten, muß eine nackte Frau das Feld umschreiten n o ) . Ebenso muß um das Feld, auf welchem Erbsen gesät werden sollen, ein Frauenzimmer nackt gehen m ) . In Schottland umkreist man in der Neujahrsnacht dreimal Äcker, Häuser und selbst Schiffe, mit einer Fackel oder einem brennenden Strohwisch in der Hand 1 1 2 ). 106) D r e c h s l e r ) S a r t o r i 2, 66. 2, 56. 1 0 7 ) S a r t o r i 2, 70. ) D e r s . ι , 139. Auch 10e) R a u c h ist ein Abwehrmittel. Drechsler 1 0 " ) S a r t o r i 2, 112. 1 1 0 ) D e r s . 2, 69. 2, 59· 1 1 1 ) W u t t k e 420, § 655. Über kultische N a c k t heit s. Acker 1, 162; nackt. Das Weib wirkt als Fruchtbarkeitsträgerin schützend (vgl. Abwehrzauber ι , 142). m ) H a s t i n g s 3, 657. W e i t e r e solche Einzelbegehungen s. K n u c h e l 75 f· 79 ff· 101

loe

Kollektivbegehungen. Zur Römerzeit wurden in ganz Italien im Mai Grenzbegehungen der einzelnen Gaue zum Gedeihen der Saaten abgehalten. Der Festzug bewegte sich so genau um die Grenzen des Gaues, daß der Weg, den er nahm,

umwinden

1375

für die Grenzbestimmung maßgebend war. So wurde an den Ambarvalien der ager Romanus umgangen, wenigstens so lang •es seine noch geringe Ausdehnung gestattete 1 1 S ). Die Sitte der heidnischrömischen und der bodenständigen germanischen Umzüge um die Feldflur wurde später von der katholischen Kirche übernommen und in verchristlichter Form als Bittgänge (s. d.) weitergepflegt. Dabei wurde mit der Zeit der Rundgang nicht mehr als apotropäischer Ritus verstanden, sondern man glaubte an eine Segenswirkung des um die Felder getragenen Heiltums1M). l13) 114)

Ders. 101; P a u l y - W i s s o w a K n u c h e l 102.

i, 1796.

6. O b s t b ä u m e . Am Dreikönigsabend zieht man im Muotatal lärmend um die Kirschbäume, um sie fruchtbar zu machen 11S ). 115 )

H o f f m a n n - K r a y e r 103.

III. Der o h n e m a g i s c h e n Z w e c k vollführte Umgang hat Unglück zur Folge {vgl. Umkehrung). Nach wendischem Volksglauben hat derjenige, um den ein anderer ringsherumgeht, kein Glück 1 1 6 ). Die Esten glauben, daß Kinder, um welche man herumgehe, zu wachsen aufhören 117 ). In Baden glaubt man, daß die Schafe „Umgänger" würden (die Drehkrankheit bekämen), wenn man um den Tisch herum geht oder l ä u f t 1 1 8 ). Bei den Lappen dürfen die Frauen auch nicht im Kreis um einen heiligen Berg (Sitz eines Steingottes) herumgehen, weil sonst der Gott durch den Rundgang eingeschlossen und veranlaßt würde, auszubrechen und ihnen und ihrem Geschlecht ein Unglück zuzufügen 1 1 *). n*)

S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 124. lle) B o e d e r Ehsten 61. Zimmermann Volkskeilkunde 105; S c h m i t t Hettingen 18. M·) Unwerth Untersuch, über Totenkult u. Odinverehrung hei Nordgerm. u. Lappen 13. Weinkopf. 117)

umwinden ( u m w i c k e l n ) . Das U. kommt vielfach einer Umkreisung gleich. Im Gegensatz zum Umbinden (s. d.) fällt hier die magische Kraft des Bindens weg. U. und Umbinden haben im Volksbrauch und -glauben viel Gemeinsames, und es ist oft nicht möglich, schon infolge des

1376

Schwankens der Ausdrücke in den Quellen, eine scharfe Grenze zwischen den beiden Handlungen zu ziehen. I. Im K u l t . I. Verehrung des B a u m g e i s t e s . Das U. des Stammes der Obstbäume mit Stroh, um sie f r u c h t b a r zu machen, erfolgt meist in der Zeit der Wintersonnenwende, in den Zwölften, namentlich in der Christ- und Silvesternacht, aber auch in der Fastnacht, in den Ostertagen und zu Johanni x ). Abwehr böser Geister und Verehrung des Baumes fließen hier so ineinander, daß ein Herausschälen der ursprünglichen Absicht unmöglich erscheint. Hier nimmt das Volk das U. oder Umbinden der Obstbäume ausdrücklich zum Schutz gegen Hexen vor 2 ), dort wieder kennzeichnet es den Ritus als Kultzeremonie durch die Bezeichnung „schätzen" 3 ) (.„schätzen", ein Geschenk, eine Verehrung geben). Auf Zusammenhang mit einem Opfer deutet die Bevorzugung des Weihnachtsstrohs, das ist jenes Stroh, das auf dem Tisch oder auch unter dem Tischtuch, worauf man das Weihnachtsmahl aß, gelegen ist, oder des Kuchenstrohs, das ist jenes, auf dem der Weihnachtskuchen gelegen ist 4 ), oder desjenigen, auf das die Bauernfrau ihre Würste gelegt hat, nachdem sie gekocht worden sind 5 ). In Niederösterreich legt man den Schaub Kornstroh erst unter den Backtrog, bevor man jeden Baum damit umwickelt e ). Mitunter wird eine Garbe zum U. verwendet 7 ), die unausgedroschen sein soll 8 ). Seltener erfolgt das U. der Obstbäume mit anderen Pflanzen: mit einem Kranz von Lolch nach einem Zeugnis aus dem 10. Jahrhundert ·), mit Weidenzweigen 10 ), mit Efeu- und Mistelkränzen u ), mit roten Bändern 12 ). S a r t o r i 2, 118 f.; K n u c h e l 12 (mit Lit.); S t r a c k e r j a n 2, 38 Nr. 294; Meyer Baden 385; R e i n s b e r g D. festl. Jahr 460. 462; K u h n 2, 108 Nr. 326, 327 (mit Lit.); 116 Nr. 358; SAVk. 2, 264; M a r z e i l Bayer. Volksbot. 3 f.; John Westböhmen 15 (mit Drohung verbunden); F e i l b e r g Jul (dänischeAusg. ) 1, 116 (für Dänemark); S é b i l l o t Folk-Lore 3, 378 (für verschiedene Gegenden Frankreichs); Schneeweis Weihnachten 212. J ) S t r a c k e r 3) W e i n j a n ι, 125 Nr. 248; Drechsler ι, 39. kopf · Naturgeschichte 65.160; Peter Sitten

13 77

Umzug, Umgang

und Bräuche im niederösterreichischen Wein4 lande i n . ) S a r t o r i 3, 3 5 ; D r e c h s l e r a. a. O.; K u h n 1 1 0 (die Inselschweden mit Julstroh); R e i n s b e r g a. a. O. 455 (für Skandinavien). e «) S a r t o r i 2 , 1 1 9 . ) P e t e r a. a. O. 7 ) H o f f 8 m a n n - K r a y e r 110. ) M a r z e i l a. a. O. s 10 ) Z f V k . 14, 10 Anm. 2. ) Hoffmannn K r a y e r 114. ) M o n t a n o s 13, zit. bei K u h n a. a. O. 109. 1 2 ) J o h n a. a. O. 37.

Das kultliche U. der Bäume erfolgt auch zu Heil- und anderen Zwecken: Um sich vom Fieber zu befreien, windet man in Holland einen Strohwisch unter einer Beschwörung um einen Baum 13 ). Auch in Venedig umbindet der Fieberkranke einen Baumstamm14). Beim russischen Semikfeste u. die jungen Mädchen eine schöne Hängebirke mit einem Gürtel oder Band 1S ). Von den Tscheremissen wird ein Opfergürtel 3-, 5-, 7oder 9 mal um einen Baum herumgedreht 1β). 13

14 ) A n d e l Volksgeneeskunst 314. ) Ebd. 15 1β ) M a n n h a r d t 1, 434. ) H o l m b e r g Die Religion d. Τ scheremissen 1 3 1 .

II. U. im Abwehrzauber. 1. U. von Mensch und Vieh zur Heilung. Ein gichtkrankes Glied wird mit Garn umwunden17). Nasenbluten hört auf, nachdem man den kleinen Finger der linken Hand mit einem Zwirnfaden fest umwunden hat 18 ). In Oberösterreich suchte man Warzen zu entfernen, indem man unter Stillschweigen einen Faden neunmal um die Warze und wieder abwickelte19). Um sich von Rheuma zu befreien, wickelt man in Brüssel einen Baumwolldocht leicht um die kranke Körperpartie. In Lüttich windet man sich gegen Neuralgien eine Saite aus Katzendarm um den Hals; in Wallonien gegen Halsweh einen Strähn von roter Seide; in Anvers, wie in Frankreich und Burgund, zur Verhütung von Zahnweh ein Violinsaite um den Zahn Bei Angina wird allgemein ein getragener Strumpf um den Hals gewunden oder gebunden 21 ). Warzen verschwinden, wenn man einen Faden neunmal um sie windet und dann unter der Dachtraufe vergräbt oder den Faden so oft um die Hand windet, als man Warzen hat 22 ). Das entzündete Euter der Kühe wird in Schweden von der Melkerin mit dem unteren Teil B f l c h t o l d - S t f l u b l i , Aberglaube VIII

I378

ihres Hemdes dreimal gegen die Sonne umwunden23 ).

17 ) F o s s e l 166. 1 β ) S e y f a r t h Sachsen 234. 20 " ) W Z f V k . 35 (1930), 37. ) H e r m a n t u. B o o m a n s Médecine populaire 29 f. 2 1 ) A n d e l a. a. O. 208; F o s s e l 1 0 1 ; S t r a c k e r j a n 1, 94 Nr. 106; S e y f a r t h a. a. O. 280; H e r m a n t u. B o o m a n s a. a. O. 1 3 7 2 2 ) H e y l Tirol 802 Nr. 256. 2 3 ) Svenska Landsmaal 1908, 429; ähnlich F e i l b e r g Ordbog 3, 457.

Die Wickelkinder werden in den ersten Lebensmonaten stark „gefascht" (im Kissen mit breiten Bändern kreuzweise umwunden). Das hindert nach dem Wahn des Volkes am besten vor dem Aus-, Anund Unterwachsen 24). Wickelt man das Kind in der Dämmerung (Zeit, da die Geister schwärmen) auf, so wird es leicht von Darmkatarrh befallen25). " ) Volksbildung (Wien) 7 (1927), 348. F o s s e l 70.

26

) Ebd. ;

2. Als Ehrung. In Oberschlesien wird der Herr oder Beamte an seinem Namenstag beim Betreten des Feldes oder Stalles oder der Scheune von den Leuten „gebunden", d. h. ein Strick oder Strohseil wird um seine Füße geschlungen26). Personen, die während der Flachsernte aufs Feld kommen, werden ebenfalls gebunden. Unbeteiligte, die in die Nähe der Brechlerinnen kommen, werden am Arm, seltener am Rumpf, mit Werg umwunden 27).

2β ) D r e c h s l e r 1, 219. " ) G r a b e r Alte Gebräuche bei d. Flachsernte in Kärnten (SA. aus W Z f V k . 1 7 ) 9 f.; H ö r m a n n Volksleben 170 f.

III. Im Rechtsbrauch. Wenn ein Bauer eine Buße nicht zahlen konnte, so spannte ihm die Behörde einen Seidenfaden um seine Weichen, bis er bezahlt hatte 28). Das Verfahren, einen magischen Kreis um den Schuldner zu ziehen, den er bis zur Zahlung seiner Schuld nicht überschreiten darf, findet sich seit alter Zeit bei den verschiedensten Völkerschaften 29 ). 28

150

) ZfVk. 35 u. 36 (1925/26), 154. ff.

2

») A. a. O. Weinkopf.

Umzug, Umgang. Zwischen Umz. und Umg. läßt sich keine scharfe Grenze ziehen. Im Wesen sind sie eins. Im allgemeinen wird der Umz. von mehreren Personen, meist einer größeren Menschenmenge, im Freien, der Umg. hingegen von einzelnen Personen von Haus zu 44

1379

Umzug, Umgang

Haus vollführt. Im bayrisch-österreichischen Sprachgebiet versteht man jedoch unter „Umgang" die Fronleichnams prozession. Der Umz. pflegt an seinen Ausgangspunkt zurückzukehren, so daß eine geschlossene Marschlinie gebildet wird. Hier kommen nur jene Umz.-e in Betracht, die einem Primitivgedanken entsprungen und nicht von vornherein als bloße Schaustellung gedacht sind. Wir gliedern den Stoff nach: I. Zweck und Bedeutung. II. Mitteln. III. Personen. IV. Zeit. V. Ort. 1 . Z w e c k u n d B e d e u t u n g . 1. Aiseiner geschlossenen Kreislinie kann dem Umz. der Sinn einer U m k r e i s u n g (s. d.) zukommen. Demnach ist seine beabsichtigte Wirkung entweder nach innen oder nach außen gerichtet, er zielt auf eine Bindung (Verehrung) oder auf eine Trennung (Abwehr) ab. 2. S a m m e l - und Bettelumz.e. Die erst eren werden von den Burschen, die letzteren von Kindern und Armen veranstaltet. Die Sammelumz.e hängen mit verschiedenem Brauchtum des Jahres zusammen, indem die Teilnehmer entweder für die Durchführung eines Gemeinschaftsbrauches die nötigen Mittel einsammeln (Brennmaterial für Festfeuer, Geld oder Lebensmittel für das gemeinsame Festmahl1)) oder indem sie sich in Form von Naturalien oder Geld die Belohnung für die Durchführung des Brauches holen 2). Ferner gibt es Heischeumz.e, bei denen die Teilnehmer Gaben für übermenschliche Wesen fordern, die sie gewöhnlich — nach ursprünglicher Annahme — selbst darstellen oder von denen sie einen Vertreter mitführen. So ziehen in den österreichischen Alpenländern arme Leute an Allerheiligen oder Allerseelen scharenweise vor die Türen der Bauernhäuser, um sich die Seelbrote („Seelwecken", „Allerheiligenstrützel") zu holen 3 ). Die Armen empfangen die Gaben an Stelle der armen Seelen. Gewöhnlich erfolgt das Sammeln ohne besondere Zurüstung und Dämonenkennzeichnung. Als solche dient die Vermummung. Im Grenzgebiete von Niederösterreich gegen Oberösterreich gehen die Strützelsammler vermummt 4 ). Am be-

I380

kanntesten sind die Masken und Verkleidungen der Fastnachtsumz.e, die auch in den Häusern zusprechen. Die flämischen Gesellschaften, die Karnevalsumz.e veranstalten, sammeln bei dieser Gelegenheit für die Armen 5 ). Die Bitten werden in feststehender Formel und in festgesetztem Tonfall, im Chor halb singend oder, wenn sie von längerer Ausdehnung sind, in Spruchform vorgetragen. Als Gaben werden verlangt und gegeben in erster Linie die Festgebäcke (Kultspeisen) des betreffenden Zeitraumes: zu Allerheiligen und Allerseelen die Seelbrote (meist Zopf-8) und sogenannte Knau.fgebäcke7)); nach Weihnachten die süßen Früchtebrote 8 ) ; die Fastnachtsmasken bekommen Faschingflecken 9 ), Krapfen 10), Brezeln n ) , Schweinsschinken und Würste 12 ) ; zu Ostern die Ratscherbuben Eier 13 ). Die eingesammelten Spenden (Fleisch, Speck, Kuchen) werden an den „Spieß" (der aber ein Holzstab ist 14 ) ) oder an eine hölzerne Gabel 15 ) gesteckt. Beide betrachtet Sartori (a. a. O.) als eine Art „Mai". Beim Gabelzweig, den wir auch in den Händen des Aetti Ruedi, einer schweizerischen Fastnachtsfigur16), finden, tritt die Bedeutung der Toten- und Mondzahl Drei hinzu. Wird ein — menschlicher oder tierischer — Fruchtbarkeitsträger mit herumgeführt, so sind die gespendeten Nahrungsmittel zunächst für diesen bestimmt, wie in den Bettelsprüchen mitunter ausdrücklich gesagt wird. Beim Umz. mit dem Palmbusch singen die holländischen Kinder: Haantjen op η stokkjenBedelt om n brokkjen; Bedelt om η brokkjen brood. Anders geet het haantjen dood 17 ).

Der „Klausesel", ein an einen hölzernen Stab gesteckter Eselskopf, nimmt mit aufgesperrter Schnauze das Geldstück in Empfang 18 ). Bei den altgriechischen Frühlingsumg.en der Kinder mit der hölzernen Krähe oder Schwalbe wurde für den Vogel um eine Handvoll Gerste, Feigen oder ähnliches gebeten 19 ). Nach Meuli gehören die Gaben für das zum Opfertod bestimmte Wesen und sollen es

I38I

Umzug, Umgang

dazu bringen, im Tode den Gebern nicht zu zürnen 20). Der Gedanke, für einen anderen zu sammeln, hat sogar zu einer Personifizierung der Kollekte geführt, wobei die Scheu, für sich selber zu betteln, mitgespielt haben mag. In der Mark und im Oderbergischen gingen früher die Burschen am Donnerstag vor Fastnacht unter einem Liede sammeln, das begann: Zimberte, Zimberte, Zimberte! Gebt dem armen Zimberte . . . 2 1 ).

„Zimberte" bedeutet den Sammelgang22). An manchen Orten wird, statt zu bitten, einfach geraubt. Bei den Fastnachtsumz.en in der oldenburgischen Gemeinde Essen bat man überhaupt nicht, sondern holte unter Anführung des „Hahnenkönigs" die Würste aus dem Wiemen und die Eier aus den Nestern oder Behältern 23). Diese rohere Form des Brauches ist nicht als eine Entartung, sondern als eine ursprünglichere Form anzusehen. Das derbe Fordern oder gewaltsame Rauben wird aus dem Recht des Bluträchers, der zürnenden Totenseele, erklärt 24 ). 1 ) Spenden für das „Burschenmahlerl" im niederösterreichischen Semmeringgebiet : G e r a m b Brauchtum 25. 2 ) D i e „ R a t s c h e r b u b e n " in Niederösterreich holen sich ihre Belohnung für das Verkünden der Gebetzeiten in der K a r woche mittels K l a p p e r n : W e i n k o p f Natur3 ) So früher im geschichte 40. niederösterr. Waldviertel; ferner H ö r m a n n Tiroler Volksleben 189; G e r a m b a. a. O. 94; R o s e g g e r Volksleben 375; S a r t o r i Sitte 3, 262; H ö f l e r Allerseelengebäcke 26. 4 ) G e r a m b a. a. O. 97. ®) R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Das festliche Jahr 56. «) H ö f l e r a . a . O . 24ff. ' ) E b d . 22ff. Höfler sieht diese vierzipfligen Gebildbrote für Teigsubstitute des geopferten Schenkelknochens an. Vielleicht könnte ihre Entstehung mit gleichem Recht auf das Sonnenkreuz zurück8 ) Die Sternsinger zu Dreigeführt werden. königen bekommen in Tirol v o m großen Zeltenl a i b : H ö r m a n n a . a . O . 249; A d r i a n Von 9) Salzburger Sitt' und Brauch 72. Geramb a. a. O. 25. 1 0 ) Heimatgaue (Linz) 3. Jg., 294; 4· Jg·, 30 (die Glöckler in Oberösterreich). « ) S a r t o r i a. a. O. 3, 90. 1 2 ) E b d . 9 4 f f . 1 3 ) S. 14) o. A n m . 2. K u h n Westfalen 2, 125ft. 15) S a r t o r i a. a. O. 93. 95; V a n d e r V e n Neerlands Volksleven 185; S c h n e e w e i s Weihn. 1 7 ) DriemaanBr. 145. " ) S A V k . ι , 188. delijksche Bladen 7 (1907), 3. 1 8 ) S A V k . 1, 57. 1β) M a n n h a r d t 20 ) Bettelumzüge 2, 244. im Totenkult, Opferritual und Volksbrauch: S A V k . 28 (1928), ι — 3 8 . 2 1 ) K u h n a. a. O. 2, 5 Nr. 7.

χ 382

M)

V g l . „ z a m p e r n " S a r t o r i 3, 92. 2 3 ) S t r a k k e r j a n 2, 55. ««) Vgl. S A V k . a. a. O. — Sammelu.e mit Diebstahl und Unfug bei den Südslaven: S c h n e e w e i s a. a . O.

3. Der ursprünglichste und oberste Zweck der U.e ist der, der ganzen Ortschaft oder den einzelnen Familien Fruchtbarkeit, Gedeihen und W o h l s t a n d zu vermitteln. Dies geschieht: a) durch die Darstellung von Fruchtbarkeitsdämonen, Seelengeistern und Naturgottheiten in menschlicher oder tierischer Gestalt; b) durch Mitführen von lebenden oder toten Tieren als Vegetationsdämonen; c) durch das Mittragen oder Überbringen von grünen Pflanzen; d) durch das Mitführen von Lichtern, die teils apotropäisch, teils als Sonnensymbole zu deuten sind; e) durch das Mitführen anderer lebloser Dinge als Heiltümer; f) durch Glückwünsche; g) durch Kulthandlungen und Fruchtbarkeitsaktionen. a) Die Teilnehmer am U. zeigen gewöhnlich durch das Tragen grotesker, oft schreckenerregender Masken 28) und durch eigenartige Verkleidung an, daß sie fremdartige, ü b e r m e n s c h l i c h e W e s e n vorstellen wollen. Die Gesichter sind geschwärzt, selten weiß gemacht26). Das Benehmen der Masken ist teils feierlich ernst, teils ausgelassen wild, teils spaßhaft lächerlich. Seltsame Gangarten27), tolle Sprünge, bestimmte Zugsformen 28 ) und eigentümliche Tänze 29 ) verstärken den Eindruck außerordentlicher Wesen. Durch besondere Altertümlichkeit und malerische Eigenart sind die U.e der Perchten und ähnlicher Gestalten in den deutschen Alpenländern zur Mittwinter- und Fastenzeit ausgezeichnet : der Perchten 30), Klöckler oder Anklöckler 31 ), der Imster Schemenschläger 32), der Huttier 33 ), der Schleicher in Telfs 34). Die Masken sind stumm35) als Totengeister; oder sprechen selten, und wenn, dann nur mit schwacher Stimme; oder verworren und im Gegensatz zur Wahrheit und Wirklichkeit 3e ) oder nur in Reimen 37) oder in Rätseln 38). Sie tragen Glöckchen und Schellen, die Geisterstimmen sind 39 ). Im Äußeren wird das Dämonenhafte gern durch phantastische Mischung ver44*

1383

Umzug, Umgang

schiedener tierischer und menschlicher Körperteile und durch Verzerrung der menschlichen Gesichtszüge in Larven zum Ausdruck gebracht. Beliebt ist die Gestalt des Teufels (als Begleiter des Nikolaus, in den Perchten- 40 ) und Fastnachtsu.n) mit seiner typischen Mischung menschlicher und tierischer Elemente: Hörner, langer Schwanz, lang heraushängende, feuerrote Zunge, ein menschlicher und ein Pferde- oder Bocksfuß. Charakteristisch ist die Verschmelzung von Säugetieren und Vögeln, etwa in der Maske der Schnabel- oder Klappergeiß, einer Ziegenmaske mit schnabelartig verlängerter Schnauze. Zur Darstellung von Tierdämonen werden Hörnermasken und Tierfelle umgenommen 41 ). Gewisse Dämonentiere (die erwähnte Schnabelgeiß oder der Klapperbock 42 ), der Schimmel43)) werden von zwei Burschen gebildet, die mit Leintüchern behängt sind und den aus Holz geschnitzten Ziegenkopf mit beweglicher, klappernder Kinnlade, beziehungsweise einen aus weißen Tüchern geformten, ausgestopften Pferdekopf vorgesteckt haben. Der Klausesel am Nikolausabend ist ein als Esel verkleideter Mann mit hölzernem Eselskopf 44 ). Das weibliche Geschlecht ist von der Mitwirkung ausgeschlossen; die Frauenrollen werden von Männern dargestellt 45 ). Eine stehende Figur der Fastnachtsu.e ist der N a r r . M. E. ist er aus der Vorstellung, daß im Seelenreich das Verkehrte und mithin „Närrische" herrsche, entsprungen. Durch die Nachahmung von Eigenheiten der Seelenwelt soll die Gunst der Seelengeister gewonnen werden. Ferner treten einzelne Vertreter von bestimmten Berufen und Handwerken, die an und für sich durch mythische und kultliche Beziehungen ausgezeichnet sind, mit Vorliebe auf: Schornsteinfeger (schwarz als Geisterfarbe, Beziehung zum Herdgeist), Schinder (hat im Volksglauben manches vom alten Opferwesen bewahrt), Schmiede (er bearbeitet das dämonenverscheuchende Eisen). In den Szenen der Wiederbelebung eines Toten (des abgelaufenen Vegetations- und Sonnenjahres) tritt ein „Doktor" a u f 4 6 ) ; Heb-

1384

ammen leisten bei der Geburt des neuen Jahres, der jungen Sonne, Beistand 4 7 ). Landstreicher („Dörcher" in Tirol), Zigeuner und ähnliches fahrendes Volk, ferner Mohren und Türken 48 ) können als „Fremdlinge", die aus dem Seelenland kommen, für Seelengestalten angesehen werden. Arme läßt ihre zerlumpte Kleidung als „arme Seelen" erscheinen. In der öfter vorkommenden Gestalt des alten Weibes 49) oder alten Mannes 60) wollen wir wieder das alte Jahr erkennen. Die lebhaft gefärbte, buntscheckige Kleidung des Faschingsnarren dürfte auf Sonnenkult hinweisen. Bestimmt ist dies der Fall bei den so häufigen weißen, zum Teil auch roten Gewändern vieler Fruchtbarkeitsu.e. Die Glöckler gehen ganz in Weiß 51 ), ebenso die Lehrlinge beim Münchner Schäfflertanz ®2). Die Kleidung der Tresterer zeigt die Sonnenfarben Weiß, Rot und Gold 63 ). Die Sternsinger in Westfalen hatten ihre Hüte mit weißem Papier überzogen, das rot punktiert war 54 ). Durch die Anpassung an den Gott wird seine Huld erworben 85 ). Der Schimmel, der bei U.n mitgeführt wird (s.o.), ist Sonnentier δβ ). Die Teilnehmer sind oft durch einen reichen, gewaltigen Kopfaufputz ausgezeichnet. Er enthält häufig Pfauenfedern, die als Einaugen für Sonnenbilder genommen werden können, Hahnenfedern, welche die Mondsichel versinnbildlichen, figürliche oder gemalte Darstellungen von Szenen aus dem Bauern - und Handwerkerleben (ursprünglich ein Analogiezauber zur Beförderung dieser Tätigkeiten), Papiermodelle von Häusern, Kirchen, Schlössern, Windmühlen u. a. m. .(Glöcklerhauben) 5 7 ). Der Kopfschmuck der „schönen" Perchten besteht aus zwei übereinander angebrachten, rhombischen Tafeln. Ihre Form, Farbe (roter Samt), Behängung (mit Gold- und Silberschmuck), sowie Nachbildungen von Sonne, Mond und Sternen aus Messingblech 58) kennzeichnen sie als Sonnen- und Mondsymbole. In den U.n der Frühlingszeit wird bald ein in Laub und Blumen gekleideter Bursche mitgeführt, der die junge Vegetation repräsentiert 59 ), bald ein junges Paar,

1385

Umzug, Umgang

das auch schon in den Faschingsbräuchen des Vorfrühlings auftritt eo ). Sie sollen durch ihre ungeschwächte Zeugungskraft die Fruchtbarkeit anregen. Alle diese Figuren werden öfter als Herrscher oder Fürsten bezeichnet (Graskönig, Maigraf, Mai- oder Pfingstkönig und Mai- oder Pfingstkönigin), als der im Wachstum der Bäume, Blumen, Gräser und Kulturpflanzen waltende Vegetationsdämon β1 ). Wie es dem Herrscher gebührt, umgibt sie ein wehrhaftes Gefolge β2 ). In den süddeutschen Faschingsu.n geht häufig ein „wilder Mann" 63 ) mit, ein Waldmensch, der Vegetationsgeist des Baumwuchses und in weiterer Folge des Pflanzenwuchses überhaupt. Er ist in Moos, Baumrinde und lange Bartflechten oder in Felle gekleidet und trägt als Zeichen seiner Würde ein ausgerissenes Bäumchen in der Rechten M ). Später wird der „wilde Mann" aus dem Walde eingeholt und herumgeführt65). Riesenfiguren im Zuge stellen, außer dem Zweck des Analogiezaubers, zugleich die Sonne dar. Bei dem U., der u. a. in Tamsweg im Salzburgischen am Nachmittag des Fronleichnamstages abgehalten wird, ist die Hauptfigur der biblische Held Samsonββ) ; bei der Antwerpener Kermis wird der Riese Antigon, sitzend auf einem Wagen, mitgeführt " ) . Über andere Riesenfiguren bei U.n in Belgien und Nordfrankreich siehe R e i n s b e r g a. a. O. 292 f. Sie wenden das Haupt bald links, bald rechts und drehen sich um die eigene Achse, wozu sie auch in den beim U. gesungenen Riesenliedern aufgefordert werden; daher sind sie als Verpersönlichungen des Sonnengestirnes anzusehen. An den Schweizer Fastnachtszügen erscheint die lange Gret, eine weibliche Puppe von riesiger Länge e8 ). b) Tiere werden als Fruchtbarkeitsträger mitgetragen oder mitgeführt : Füchse, Marder, Iltisse, Krähen, Hähneββ). Sind sie lebend, so wird bei den Heischegängen (s. o.) um Futter für sie gebeten. Wir haben in diesen Tieren wohl mit Mannhardt (1, 395 f.) eine Verkörperung der Frühlingskraft, einen Vertreter des Vegetationsdämons zu erblicken. Die

1386

Siebenbürger Sachsen ziehen zur Fastnacht mit ausgestopften Tieren (Bär, Wolf) um 70 ). Wenn hingegen in den Faschingsu.n der Metzger Kälber oder Ochsen, mitunter ganze Herden von Rindern, auch Pferde, mitgetrieben werden 71 ), so ist mehr an ein Opfer an die die Fruchtbarkeit fördernden Mächte zu denken. Ein in Stroh, gewöhnlich Erbsenstroh, gehüllter Bursche macht einen „Bären" 7 2 ), eine unverkennbare Darstellung der abgestorbenen Vegetation. Mit Vorliebe werden dazu Sonnentiere (Pferd, namentlich Schimmel, Fuchs) und der Bär und Wolf 7 3 ) vielleicht als Mondtiere gewählt (Schwarzmond), ebenso die Ziege (wegen des Sichelgehörns). Mitunter sind die Tiere fremdländischer (Löwe) oder phantastischer Art (Greif). Daß die in wilde Tiere Verkleideten in diesem Zustand ursprünglich für wirkliche Dämonen angesehen wurden, bezeugt die Stelle in den sogenannten Homilien des Augustus, die im 6. oder 7. Jahrhundert in Gallien entstanden sind, über die Maskenu.e beim Kaiendenfest 74 ). Das Herumtragen findet öfter im Anschluß an das gemeinsame Erjagen des Tieres statt. Ein als Bär verkleideter Mensch wird zur Fastnacht aufgescheucht, niedergestreckt und im Triumph durch die Straßen geführt 75 ). Eichhörnchen 76 ), Zaunkönig 77 ) sind in diesem Falle Repräsentanten der alten Sonne, die getötet werden, um der jungen Sonne Platz zu machen. c) Grüne Zweige und Bäumchen sollen Fruchtbarkeit und Segen bringen78). Von Haus zu Haus geht das Christkind, früher auch der heil. Martin 79) und Nikolaus 80) mit einem grünen Bäumchen. Beim Frühlingsbrauch des Blochziehens wurde der mächtige Baumstamm auf einem Wagen oder Schlitten durch den Ort geführt 81 ). Der Brauch zielte in erster Linie auf die Erweckung menschlicher Fruchtbarkeit ab, denn er pflegte ausgeführt zu werden, wenn im abgelaufenen Jahr oder Fasching im Dorf keine Hochzeit stattgefunden hatte 82 ). Maien, welche die abgestorbene Vegetation repräsentieren, sind der Besen,

1387

Umzug, Umgang

der namentlich bei Fastnachtsu.n gehandhabt wird 83 ), und der Stock 84 ). Eine Sonderart des Maien ist die Lebensrute (s. u.). Beim Tiroler Schemenlaufen tragen die Schellenträger in der rechten Hand einen Stab oder Fichtenzweig 85). Beim Sommereinbringen wird der Frühling in Gestalt eines schmucken Bäumchens oder eines grünen Zweiges in die Ortschaft eingebracht und von den Kindern von Haus zu Haus getragen 8e). d) Der U. mit L i c h t e r n von Haus zu Haus oder durch den Ort : In SchleswigHolstein ziehen die ledigen Burschen und Mädchen in den Zwölften in ganzen Scharen von Haus zu Haus; der Anführer trägt ein brennendes Licht in der Hand 87 ). Bei den spätherbstlichen und winterlichen U.n werden brennende Kerzen in Papierlaternen, aber auch in ausgehöhlten Kürbissen oder Rüben mitgetragen 88 ). In Norddeutschland geschieht dies besonders beim Martinsfest 89 ). In den Alpenländern liebt man Lichter in durchscheinenden Kopfbedeckungen 80 ). e) Mitgeführte G e g e n s t ä n d e : Besonders in denFastnachtsu.en kommt ein Rad (Sonnensymbol) vor 8 1 ). Im Vorfrühling werden Pflüge (phallisches Zeichen, Befruchter des mütterlichen Bodens) herumgeführt 92 ), um der Ackerbestellung des kommenden Jahres den Erfolg zu sichern, aber auch zur Beförderung der vegetabilischen Fruchtbarkeit überhaupt. Dies wird deutlich, wenn im Salzburgischen hinter dem Pflug einer geht, der Sägespäne, Nüsse und Zwetschken aussät 93 ). Mitunter tritt an die Stelle des Pfluges eine Egge 9 4 ) oder ein Kelterbaum 95). Auch das Faß ist ein segenbringendes Sonnenbild, mit dem man durch die Ortschaft zieht 9e ). Ebenso der Ofen: in der Schweiz wird ein Backofen umgeführt 97 ). Im ,,Fasserrößl" sind zwei Sonnensymbole (Faß und Pferd) vereinigt 98 ). Die riesigen Scheren aus Holz, mit denen der Träger nach den Kopfbedeckungen der Zuschauer schnappt " ) , sind als Kreuze Sonnenbilder. Die Streckschere der Fastnachtsnarren kann ebenso ge-

1388

deutet werden. Gewöhnlich wird sie als Nachahmung des Zickzackblitzes angesehen, und die Indianer gebrauchen sie tatsächlich in diesem Sinn zur dramatischen Herbeiführung von Gewittern 10°). Durch Umtragen von gewaltigen Würsten 101) will man auf dem Wege des Analogiezaubers eine schwere Menge von Nahrungsmitteln erzeugen. Auf dem holländischen Palmpaasch, mit dem die Kinder umgehen, sind öfters Riesengebäcke (der „Meppelsche Hahn" mißt 138: 50 cm) angebracht 102 ). Bei den Fastnachtsu.en im Thurgau wird das Geld in einem Schuh eingesammelt, den man auf eine Stange gesteckt hat 103 ). Der Schuh verleiht gleich dem Fuß Fruchtbarkeit. Ein ausgesprochenes Sonnenzeichen sind die zwei kreuzweise ineinandergesteckten Reifen 104 ). In Irland wird am ersten Mai ein Reifen mit einer goldenen und einer silbernen Papierkugel darin herumgetragen: Sonne und Mond 105 ). Die Glöckler tragen einen einfachen Reifen in der Hand l o e ). Der drehbare Stern, den die Dreikönigssinger107) als „Stern von Bethlehem" mithaben, ist vermutlich der christliche Stellvertreter eines bei ältern U.en gebrauchten Sonnensterns108). Hierher gehören endlich auch die volkstümlichen U.e mit christlichen Heiltümern, wie Heiligenstatuen und -bildern, Krippen 109) u. dgl. m. Im Pinzgau wird in den Adventnächten eine Darstellung von Marias Heimsuchung von Gehöft zu Gehöft getragen, jede Nacht in ein anderes Bauerngut. Jeder Besitzer freut sich, es zu beherbergen, denn er sieht darin gute Aussichten für ein reiches Erntejahr 110 ). Am Urbanstage tragen die Weinbauer in Prozession ihren Schutzheiligen, Sankt Urban, herum 1 1 1 ). f) Durch G l ü c k w ü n s c h e soll Segen gebracht werden. Besonders zu Neujahr gehen die Kinder, auch ärmere Erwachsene, häufig der Gemeindehirt und der Nachtwächter, von Haus zu Haus, um, oft in Reimsprüchen oder in Liedern, ihre Glückwünsche darzubringen. In Neuern im Böhmerwald ging zu Martini der Hirt von Haus zu Haus, überbrachte Gerten

1389

Umzug, Umgang

für den ersten Austrieb und wünschte dem Hausherrn und der Hausfrau Glück und Segen und Nutzen vom Vieh 112 ). In Oberösterreich kamen die Hirten an Dreikönigen, um den ,,Haltersegen" zu sprechen 113 ). In derselben Gegend gehen die Burschen in der Neujahrsnacht von Bauernhaus zu Bauernhaus, singen im Chor ein Lied und schießen „das neue Jahr an", so daß die Stube von Pulverdampf erfüllt ist 114 ). 25) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 165s.; M a n z 32, Abb. Tafel I — V ; Zweck: P f i s t e r Schwaben 15Í. ; H o f f m a n n - K r a y e r i2gf. (SAVk. I, 195). 2 β ) Mit Kreide sind weiß gemacht die Schweizer Fastnachtsnarren; der hl. Nikolaus im Waldviertel hat sein Gesicht mit Mehl bestäubt (Verf.). 27 ) Trippeln der Zottler und Tuxer (Tiroler Heimatblätter 1. Jg., H. 11, S. 10); das Gehen der Tiroler Schemenschläger besteht in einem eigentümlichen, taktmäßigen Schreiten, wobei sich der Oberkörper bald auf die eine, bald auf die andere Seite wiegt: H ö r m a n n Volksleben 12; die Salzburger Brotperchten machen beim Gehen merkwürdige Sprünge ( A d r i a n a. a. O. 72). 2 8 ) H o f f m a n n K r a y e r 162 (Kreuz, Dreieck, Andreaskreuz im Fronleichnamszug). — Die Glöckler beschreiben, im Gänsemarsch laufend, Achter, Kreise und andere Figuren ( A d r i a n a . a . O . 20; Heimatgaue 2, 37). Sie laufen in Windungen und Kreisen (Heimatgaue 1, 124; 2, 39). 2 i ) „Trestern" der Perchten (Adrian 65). s o ) A n d r e e E y s n a . a . O . ; H ö r m a n n a . a . O . i25fE.; A d r i a n a. a. O. 49fi. 3 1 ) Ders. iff. 3 2 ) H ö r m a n n I2ff. 3 3 ) Ders. 1 4 ! ; Tiroler Heimat3 1 ) Ebd. J g . 1925, blätter ι , H. i l , S. 10. M ) A d r i a n 16. 24. 71. 72. H. 4/5, S. 23Í. 3 e ) Ebd. 72. 3 7 ) Ebd. 16. 3 8 ) Ebd. 23; H ö r m a n n 221. 3 ·) A d r i a n 24; M a n n h a r d t 1, 326f. 4 0 ) A d r i a n 67f. 4 1 ) Über Tiervermummungen s. P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 280. 42 ) J a h η Opfergebräuche 2 6 8 ; A d r i a n 9 i . 43 )Ders. 241 f.; R e i n s b e r g a . a . O . 83. " ) SAVk. 1, 57. 4 i ) Tiroler Heimatbl. 1925, H. 4/5, S. 24. 4β ) Ebd. 4 7 ) D e L l a n o Del Folklor Asturiano 216. 4 8 ) H ö r m a n n a. a. O. 11 ; Tiroler Heimat4 2 bl. a. a. Ο. ·) M a n n h a r d t ι, 4 5." B i l f i n g e r Das germ. Julfest. Die Alte in den Neujahrs- und Fastnachtsu.en europäischer Völker der Gegenwart ist natürlich nicht die Nachfolgerin der vetula der römischen Kalendenfeier, sondern ein Elementargedanke liegt zugrunde. t 0 ) M a n n h a r d t a. a. O. 6 1 ) R e i t e r e r Ennsialerisch 47 (Abb.). S 2 ) R e i n s b e r g a. a. O. 66. S 3 ) A d r i a n 64. " ) K u h n Westfalen 116. 5S ) Vgl. Wiener Zeitung vom 2. 3. 1930, Feuilleton „Faschingsbräuche in Österreich"; ferner W u n d e r l i c h Die Bedeutung der roten Farbe 96 u. a. O. M ) N e g e l e i n in ZfEthn. 67 ) Heimatgaue 1, 1901, 6 3 ! 124; 2, 37. ®8) A n d r e e - E y s n a. a. O.; A d r i a n 55f.;

139O

M) Mannhardt Wiener Zeitung a. a. O. r, e o ) Das 3i2ff.; M a n z 39. „Maibrautpaar" M a n n h a r d t 1 (5. cap.) S. 422ff.; A d r i a n 16. β1 ) M a n n h a r d t ι, 342ff. 355 u. a. O. 6 2 ) Ders. 366. e 3 ) H ö r m a n n a . a . O . 11. 15; G e r a m b a. a. O. 20. e l ) H ö r m a n n a. a. O. 11. 1 5 ! ; Tiroler Heimatblätter 1925, H. 4/5, S. 23. βδ ) M a n n h a r d t ββ ) D e n g g 1, 333ff. Lungauer Volksleben ggff.; A d r i a n 44ff.; Zs.d.d.u.ö. Alp.Ver. 1897, 191. 121. ·') Reinsberg a . a . O . 290 Abb. 291; V a n d e r V e n Neerlands Volksleven in den zomer 14 (Abb.); Ders. Neerlands Volksleven 323. e 8 ) SAVk. 1, 188. M) S a r t o r i Sitte 3, g6f.; F r a z e r 3, 446; U n g e r - K h u l l a. a. O. 256; G e r a m b Brauch70) S c h u l l e r u s tum 46. Siebenbärgen 142. 7 1 ) „Der Tiroler" (Bozen) vom 26. 11. 1921 und vom 23. 2. 1922; S a r t o r i a. a. O. 7 2 ) Ders. 3, 97 (Fastnacht). 250 (Kirchweihfest); T i l l e Weihnacht 29 (Weihnachten, Fastnacht); Reinsberg a. a. O. 84 7 3 ) „ B ä r " und „Wolf" in den (Fastnacht). Neujahrsu.en der Tscheremissen : H o l m b e r g 74) B i l f i n g e r Die Religion der Tscher. 189. a. a. O. 67f. ™) SAfVk. 1, 282. 7 «) S a r t o r i 3, 140. 7 7 ) F r a z e r a. a. O. 2, 442f.; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 189. 7 8 ) S. vor allem M a n n h a r d t ι, i55ff. 161 ff. '») T i l l e a. a. O. 27. 8 0 ) Ders. 30; A. M e y e r Das Weihnachtsfest 120; W e i n k o p f a. a. O. 162. 8 1 ) G e r a m b a. a. O. i8ff. 23ff.; H o f f m a n n - K r a y e r 131; SAfVk. 1, 269 (mit Literatur); R e i n s b e r g a. a. O. 5.:. 8 2 ) H ö r m a n n a. a. O. 10; R o s e g g e r Volksleben 238. 8 3 ) Vgl. S a r t o r i 3, 99. Schilfbesen der Schweizer Legohren: SAVk. 1, 87. 8 1 ) A d r i a n a. a. O. 59. 70. 8 6 ) H ö r m a n n a. a. O. 13. 8 i ) S a r t o r i 3, 1 3 1 ! ; R e i n s b e r g i o i f . ; F e h r l e Feste 52. 8 7 ) S a r t o r i 3, 25. 8 8 ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 211 ff. 474. 481 ; H o f f m a n n - K r a y e r 138; SAVk. ι, 182. 8 ·) S a r t o r i 3, 269; R e i n s b e r g 406. 408; Driemaandelijksche Bladen (Holland) 8. Jg., 68. , 0 ) Die Dreikönigssinger: G e r a m b a. a. O. 11; A d r i a n a. a. O. 44. Die Klöckler: Ders. 21; Heimatgaue 1, 124; 2, 37; R e i t e r e r a. a. O. 47; G e r a m b a. a. O. 9. >l) H o f f m a n n - K r a y e r 130; M a n n h a r d t a. a. Ο. ι, 429f.; Ms. F r i s c h a u f (in Niederösterreich); G e r a m b a. a. O. 26 (Burgenland); S c h u l l e r u s a. a. O. 142; K u h n Westfalen 2, 119. Die Perchten schleppen Spinnrädchen, Schleiferkarren und Radiböcke mit ( A d r i a n a. a. O. 59). · 2 ) Ε . H. M e y e r Indogermanische Pfluggebräuche in ZfVk. 14 (1904); E . M o g k in Nd. Zs. f. Vk. 7, I49f.; M a n n h a r d t a. a. O. 1, 557· 559! G e r a m b a. a. O. i g f . ; R e i n s b e r g a. a. O. 3óf.; S a r t o r i a. a. O. 3, 61. 88; A d r i a n 94f.; H ö r m a n n a. a. O. 26; H o f f m a n n K r a y e r 130; S c h n e e w e i s a. a. O. 146: Weihnachtsu.e mit dem Pfluge bei slavischen Völkern; Literatur. · 3 ) A d r i a n a. a. O. 9 1 ) Ger a m b a. a. O. 20; H o f f m a n n - K r a y e r a. a. O. • 6 ) Ebd. , e ) R e i n s b e r g a. a. O. 68; G e r a m b a. a. O. 18. " ) SAVk. 1, 264. ββ ) H ö r m a n n a. a. O. 14. ··) A d r i a n a. a. O. 59. 10 °) A n d r e e - E y s n 168, 183; B u s c h a n Illustr. Völ-

Umzug, Umgang 101) kerkunde (1909) 71. R e i n s b e r g 52; S A V k . ι , 47. 102 ) Driemaandelijksche Bladen 8 101) (1907), 16. ι » ) S A V k . ι , 181. Frazer a. a. Ο. ι, 198. "») Ebd. 199f. 1 M ) Heimatgaue 107 2, 37. ) R e i n s b e r g a. a. O. 3 i f f . ; H ö r m a n n 108 ) Vgl. auch W Z f V k . 38 (1933), 86. 247fi. i m ) S a r t o r i 3, 45 Anm. 106. Bei den Slaven: S c h n e e w e i s a. a. O. 150. n o ) A d r i a n a. a. O. nl) 25. R e u s c h e J Volkskunde 2, 63; H ö r 112) B l a u m a n n a. a. O. 183. Böhmerw&lder Hirtenleben (Sonderabdr. aus ZföVk. Jg. 17, S. 16). 1 1 3 ) Heimatgaue 3, 294. 1 1 4 ) Ebd. 293.

II. K u l t h a n d l u n g e n und F r u c h t b a r k e i t s z a u b e r der Umziehenden. a) Durch T a n z e n , Springen und anderen B e w e g u n g s z a u b e r wollen sie die schlafende Vegetation erwecken ; unter Umständen sind diese Bewegungen als Kult an die Sonne oder auch an die Seelengeister gedacht. Das Tiroler „Schemenschlagen" soll eine zur Faschingsbelustigung umgewandelte Form des Schwerttanzes sein. An geeigneten Plätzen wird der sogenannte „Kreistanz" aufgeführt, wobei das gleichzeitige Hopsen der mit Schellen behangenen Paare ein gewaltiges Getöse verursacht 115 ). Ähnlich ist der „Schleichertanz" 116 ). Der Tanz der Pinzgauer Perchten, „Trestern" genannt, besteht in hohen Luftsprüngen, Niederknieen und Schuhplatteln 117 ). Die Perchten laufen und springen wie toll 1 1 8 ). Die Huttier 119 ) und Perchten 120) machen Sprünge bis zur Decke, die Glöckler „schrullige" Sprünge m ) . Damit es ein gutes Jahr gebe, läßt der Tiroler Bauer die Sternsinger 122) und die Klöpfler m ) auf den beschneiten Feldern herumstampfen und herumspringen, der OberÖsterreicher die Glöckler über Hecken und Zäune springen 124 ). Die Huttler und Tuxer vollführen in den Wirtshäusern tolle Sprünge und sonstige seltsame Bewegungen 12S ). Bei Sammelumz.en wird mit den Frauen des Hauses getanzt 126 ). b) Das t o l l e , „verrückte" Benehmen der Teilnehmer an den Fastnachtsumz.en, insbesondere der Faschingsnarren, dürfte — außer jugendlichem Übermut und der Freude über das Steigen der Sonne — dem Bestreben entsprungen sein, eine dem normalen Verhalten möglichst entgegengesetzte Handlungsweise zur Schau zu tragen und damit die Gegensätzlichkeit

1392

der Seelenwelt zur Darstellung zu bringen 127 ). Je toller die Fastnacht, desto besser gedeiht im nächsten Sommer die Frucht 128 ). c) Namentlich die persönliche Fruchtbarmachung sollte durch Berühren und S c h l a g e n von Seite der umziehenden Seelendarsteller bewirkt werden 12β). Besonders bei den Fastnachts- und Nikolausumz.en werden Schläge ausgeteilt. Die Zottler und Tuxer suchen alle Begegnenden entweder mit der bloßen Hand oder mit einem mitgeführten Stab oder (berindeten) Naturstock zu berühren, und zwar durch einen mehr oder minder sanften oder kräftigen Schlag auf die Schultern, wobei sie es vor allem auf die Mädchen und Frauen abgesehen haben. In den Wirtshäusern tun sie dasselbe von Gast zu Gast 130 ). Das Schlagen geschieht mit der Pritsche des Narren, mit der Peitsche 131 ), mit wurst- oder ballförmigen Säcken, die mit Stroh, Asche, Sand oder Kohlenstaub gefüllt sind, oder mit luftgefüllten Schweinsblasen 132 ). Am häufigsten ist das Streichen mit Ruten und grünen Zweigen (Schlag mit der Lebensrute) 133 ). d) Kann unter Umständen das Schlagen aus der Absicht gedeutet werden, anhaftende Einflüsse böser Dämonen wegzubringen 134), so ist in diesem Sinn wohl auch das A b k e h r e n der Umstehenden mit den Besen zu betrachten, die namentlich in Faschingsumz.en gehandhabt werden 13S). e) Ungemein häufig kommt das B e n e t z e n mit Wasser in den Umz.n vor, und zwar in Form des Bespritzens oder Eintauchens 136 ). Es soll entweder durch Analogiewirkung dem kommenden Pflanzenwuchs den nötigen Regen sichern 137) oder, gleich dem Abkehren, von dämonischen Einflüssen reinigen und befreien und dadurch Gesundheit, Gedeihen und Zeugungsvermögen der betreffenden Personen befördern. Bisweilen zog man — so unter Trommelschlag die Schweizer Knabenschaft 138 ) — um die öffentlichen Brunnen. f) Indem die Teilnehmer die Gesichter der Zuschauer mit Ruß s c h w ä r z e n 1 3 9 ) ,

1393

Umzug, Umgang

verleihen sie ihnen die Farbe des Geisterreiches; diese Angleichung trägt ihnen die Gunst der Seelen ein. Oft besorgt das Schwärzen die Figur des Kaminfegers 140). Unter den Tiroler Perchten befindet sich ein „Aschenschütze", der den Leuten aus einer Windbüchse Asche und Ruß ins Gesicht schießt 141 ). g) Namentlich in den Fastnachtsumz.en werden von den Teilnehmern P e i t s c h e n gehandhabt, mit denen sie laut knallen142) (zur Vertreibung der bösen Geister, wie es auch sonst an bestimmten Tagen des Jahres geschieht) oder unter den Zuschauern Schläge austeilen (s. o.). Die Peitsche ist ein Attribut des Sonnengottes als Wagenlenkers 143 ). h) Durch G l ü c k w ü n s c h e soll Segen gebracht werden. Besonders zu Neujahr gehen die Kinder, auch ärmere Erwachsene, häufig der Gemeindehirt und der Nachtwächter, von Haus zu Haus, um, oft in Reimsprüchen oder in Liedern, ihre Glückwünsche darzubringen144) (Vgl. oben Sp. 1388). i) G e s a n g und Musik sind den Geistern angenehm. In Steiermark und anderen Alpenländern gehen die Neujahrs- und Lichtmeßgeiger, zwei bis vier Mann hoch, von Tür zu Tür und beginnen überall zu spielen, um dem Hause Glück und Segen zu wünschen. Dabei sagen die Musikanten gemeinsam schöne Sprüche in Versform auf, wobei nach jedem Gesätzlein die Musik die gleiche Weise nachspielt 148 ). j) L ä r m und L ä r m m u s i k e n 1 4 9 ) , namentlich Läuten mit Viehglocken und Schellen1S0), vertreiben die bösen Geister 151 ). Am Schluß eines U.s, den in der Schweiz die Darsteller eines Fastnachtspieles vor jeder Aufführung hielten, zog eine ohrenzerreißende Katzenmusik 152 ). In Schlesien ziehen am Josefstage (19. März) Knaben von Haus zu Haus und machen einen Heidenlärm, wofür sie Geschenke erhalten 153 ). Bei ihren österlichen Bettelu.en machen die Kinder auf den oldenburgischen Dörfern mit Flöten, Trommeln, Topfdeckeln u. dgl. m. einen greulichen Lärm 154 ). Bei den U.en der Kinder in Norddeutschland, namentlich zu Weihnachten und in der

1394

Fastnacht, kommt der Brumm- oder Rummeltopf zur Verwendung 155). Unter Umständen kann er übrigens auch als Geisterstimme aufgefaßt werden. k) Zur Vertreibung der schadenbringenden Dämonen dient auch das S c h i e ß e n . Beim Blochziehen wird hier und da Halt gemacht, gelärmt und mit Böllern geschossen 156 ). In Oberösterreich ziehen die Burschen von Haus zu Haus und schießen das neue Jahr an 157 ). 1) Zur Verständigung mit den Geistern dient das K l o p f e n . In die Adventzeit fallen in Süddeutschland die „Klöpfelsnächte". Burschen, Klöpfler, Glöckler und Anklöckler genannt, ziehen vermummt umher, öfters mit Tiermasken und Lärmgeräten, klopfen an die Fenster der Häuser und lassen sich mit den Bewohnern derselben in Reimgefechte ein. Sie klopfen und klappern mit ihren langen Stöcken 158). m) Anspielung auf die animalische Z e u g u n g bei den U.n sind Überreste eines Analogiezaubers, der in naiven früheren Zeiten mehr oder weniger offen geübt wurde. In den Fastnachtu.en werden Wickelkinder aus Lumpen oder Holz von weiblichen Gestalten mit herumgetragen; mit ihnen werden Frauen und Mädchen geneckt 15e ). Ein Prediger des 6. oder 7. Jahrhunderts rügt in Gallien die Teilnehmer an den Kalendenu.en, weil sie in Tiermasken „jene höchst schmutzige Schändlichkeit mit der Hindin und dem Hirschen" trieben 180). n) N a c h a h m u n g s z a u b e r . Durch Ausführung volkstümlicher, namentlich landwirtschaftlicher Tätigkeiten soll den Arbeiten des Jahres Gedeihen und Erfolg gesichert werden. So wird gepflügt und gesät 1β1 ). Im Maxglaner Hexenzug, einem Faschingsu. in einem Dorf bei Salzburg, wurde auf einem mitfahrenden Bauernwagen gepflügt und gesät, auf einem anderen gedroschen, auf einem dritten gefischt. Auf anderen übten Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Schneider, Schuster usw. ihr Handwerk aus 1 β 2 ). Auf dem Kopfaufputz der „Schleicher" sind Szenen aus dem bäuerlichen Leben, bald plastisch, bald gemalt, dargestellt 163 ).

1395

Umzug, Umgang

o) Eine negative Art, die Fruchtbarkeit zu befördern, besteht darin, in der Vorfrühlings- oder Frühlingszeit eine S t r o h p u p p e , die die abgestorbene Vegetation des abgelaufenen Jahres bedeutet — der Tod, der Winter, der Fasching genannt — in der Ortschaft herumzutragen und sodann außerhalb derselben zu verbrennen, zu vergraben oder sonstwie zu vernichten. Mit ihr soll alles Lebensfeindliche aus der sozialen Gemeinschaft entfernt und unschädlich gemacht werden 1 6 4 ). Häufig ist mit dem „Todaustragen" ein „Sommereinbringen", eine Einführung des Frühlings mit seinen irischen Lebenskräften und mit der verjüngten Pflanzen- und Tierwelt, verbunden 165 ). Außer diesen Riten wird in den Frühlingsu.en mit menschengestaltigen Vertretern des Vegetationsdämons oft der Kampf zwischen Sommer und Winter 1ββ ) oder die Jagd auf den altgewordenen Vegetationsdämon und seine Tötung dramatisch vorgeführt 167 ). ut ) H ö r m a n n a. a. O. 12. 14. 11β ) Tiroler H e i m a t b l . J g . 1925, H . 4/5, 23. l l 7 ) A d r i a n a . a. O. 65ft. U 8 ) H ö r m a n n 16. 246; A d r i a n 59; H e i m a t g a u e 4, 30. Dasselbe beim Pflugt a n z in E n g l a n d : R e i n s b e r g Festjahr 38; vgl. a u c h den eigenartigen, von Trommelschlag begleiteten Narrentanz der Legohren in Oberä g e r i : SAVk. 1, 57. 119 ) Tiroler Heimatbl. 1, H.H., S. 10. 1 2 0 ) A d r i a n a. a. O. 67 f. 121 ) G e r a m b Brauchtum 8. 122 ) H ö r m a n n a. a. O. 251. 123 ) Ders. 224. 121 ) Heimatgaue 2, 40. 125 ) Tir. Heimatbl. a. a . Ο. 12β ) S a r t o r i 3, 95· 127 ) Näheres über die Verkehrtheit der Seelenwelt in einem später erscheinenden Aufsatz des Verf. 128 ) S t r a c k e r j a n a . a . O . 2 , 5 7 ^ . 3 0 1 . 1 2 ·) Vgl. S a r t o r i 3, 47f. iooff. (mit Literatur). 13 °) Tir. Heimatbl. a. a. O. 131 ) Mit der Peitsche d e s H u t t i e r s : R e i n s b e r g a. a. O. 51. 1 3 2 ) S a r t o r i 3, 100, 48; H ö r m a n n 13; A d r i a n 70; R e i n s b e r g 85 (farbige Abb. der Nürnberger Schönbartläufer ebendort). Der Schalksnarr, d e r die Perchten a n f ü h r t , t r ä g t einen m i t Sand gefüllten Kuhschweif in der H a n d ( A d r i a n 58): sicherlich eine der urtümlichsten Formen l33 dieser Schlaginstrumente. ) S a r t o r i 3, i o i f . ; R e i n s b e r g 77. 87. 134 ) So erklären die Tscheremissen ihren Brauch, beim „ S a t a n vertreiben" zu Ostern die Weiber zu schlagen: H o l m b e r g Tscher. 40; vgl. auch F r a z e r 1, 13t 297. ) S a r t o r i 3, 99; H ö r m a n n 14. 13e ) S a r t o r i 3, 100; SAVk. 1, 47. 1 3 ') M a n n h a r d t ι , 314. 13β ) SAVk. ι, 264. 1 3 i ) S a r t o r i a . a. O. 3, 100; M a n n h a r d t ι , 314. uo ) A d r i a n a . a. O. 64; H ö r m a n n a. a. O. 14;

1396

Heimatgaue ι . Jg., 192. m ) H ö r m a n n 16. ) Ders. 14, 246; S a r t o r i 3, 99, 200; A d r i a n us a. a. O. 84. ) J u n g Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit 263. 1 1 1 ) R o s e g g e r Volksleben 184; Oest.-ung. Monarchie, Bd. Niederöst. S. 189. 148 ) Deutsche Heimat, Wien, 28. Jg., H e f t 3—5, S. 14. " · ) H o f f m a n n K r a y e r 9 8 ! i o i f . ; SAVk. 1, 242s.; B i l f i n g e r 8of. (das Lärmmachen zur Weihnachtsund Neujahrszeit ist natürlich n i c h t antiken 150 Ursprungs). ) SAfVk. i , 57; S a r t o r i 3, 200. l i l ) R a n t a s a l o Ackerbau 1, 94. l 5 2 ) SAVk. 1, 264. 163 ) D r e c h s l e r 1, 64. 1 M ) S t r a c k e r j a n 2, 75. 1 δ 5 ) S a r t o r i 3, 46 u. a. O. (siehe Register); R e i n s b e r g a. a . O. 35; G e r a m b a. a. O. 92; Driemaandelijksche Bladen 11 (1911), 114, 40. 15β ) H ö r m a n n a. a. O. 11. IW lt8 ) Heimatgaue 3, 293. ) A d r i a n i6f. ; H ö r m a n n 2i8£E. ; S a r t o r i 3 Reg. unter Klöpfleins- und Knöpflinsnächte ; G e r a m b i o i f . ; R e i n s b e r g 425; Heimatgaue 2, 40; R e u s c h e l 2, 42 (auf Donarverehrung gedeutet). 1 M ) R e i n s 1β0 b e r g a. a. O. 51. ) T i l l e Weihnacht 15. 1W ) H ö r m a n n a. a. O. 15; A d r i a n a. a. O. 94. 1M 1β3 ) Ders. 92 f. ) Tiroler Heimatbl. 1925, 1M H . 4/5, 2 4 ! ) M a n n h a r d t 1, 155, 4 1 0 I ; S a r t o r i Sitte 1, 130ft.; F r a z e r 2, 7off.; P f i s t e r Schwaben 17. l e 5 ) E b d . ; R e i n s b e r g i o i f f . 1 M ) S a r t o r i a. a. O.; P f i s t e r a. a. O. le7 ) M a n n h a r d t 1, 357; F r a z e r 2, 59ff. III. Handelnde P e r s o n e n . Die U.e werden ι . meist von D o r f b u r s c h e n ausgeführt. Das weibliche Geschlecht ist dabei ausgeschlossen ; weibliche Rollen werden durch verkleidete Burschen dargestellt. 2. Ausgesprochene Κ in der u.e sind nicht häufig. Solche sind die zu Martini in Norddeutschland üblichen ιβ8) und die Knabenu.e mit dem Palmpaasch in Holland 1β9). Hingegen sind Bittumgänge einzelner oder einiger weniger Kinder von Haus zu Haus sehr gebräuchlich. 14a

3. Ehemals wurden feierliche U.e an festgesetzten Tagen alljährlich von einzelnen B e r u f e n und H a n d w e r k e r n (Zünften) veranstaltet. Zur Fastnacht hielten die Müller, Bäcker und Schmiede, die Schornsteinfeger, die Ackerknechte und Hirten, die Schiffer und Fischer ihren U. 17°). Besonders prächtig waren die U.e dreier alter Handwerkergesellschaften in Basel, die sie mit ihren „Ehrenzeichen" abhielten 171 ). 4. Sonstige Gemeinschaften. In Saulgau pflegten die Insassen des dortigen Siechenhauses Freitags ihren U. mit

1397

unbegraben—unehrlich

Klappern und in schwarzer Kleidung zu halten 172 ). 16S ) S a r t o r i a. a. O. 3, 268. 1 6 9 ) Driemaan170 delijksche Bladen 7. Jg., 3ff. ) Sartori а. a. O. 3, 95. m ) E . F . K n u c h e l Die Umzüge 172 der Klein-Basler Ehrenzeichen. ) Birl i n g e r Volkst. 2, 294.

5. Die katholische Kirche kennt für ihre Gläubigen an U.en volkstümlicher Art die Fronleichnamsprozession, den U. mit den Palmen nach ihrer Weihe um die Kirche 1 7 3 ), die schon sehr seltenen Palmeselprozessionen 174 ), die Flurprozessionen an den festgesetzten Bitt-Tagen 175 ). 6. Umgänge einzelner Personen erfolgen meist, um Glück zu wünschen. So der des Nachtwächters zu Neujahr 1 7 6 ), der des Hirten zu Martini 1 7 7 ).

173 ) U. mit den Palmstangen in Kirchberg a. d. Donau, Ob.-Öst. Abb. s. Illustrierter Kalender der Volkszeitung (Wien) 1935, I I 1 · 1 7 1 ) S t r e l e i n Z A l p V . J g . 1 8 9 7 , 1 3 5 fi. ; H ö r m a n n a.a. 0 . 4 9 ; A d r i a n a. a. O. 99; H o f f m a n n - K r a y e r 142. 175 ) F r a n z Benediktionen 2, 7, 72. 1 7 e ) S a r 177 t o r i 3, 58. ) B l a u Böhmerwälder Hirtenleben (SA. aus ZföVk. 17. Jg.), 16.

IV. Z e i t . U.e finden zu allen Zeiten des Jahres statt, namentlich aber: 1. um die Zeit der Wintersonnenwende (Weihnachten, Neujahr), wenn die schwärmenden Geister dieser Zeit dargestellt werden; 2. in der Fastnacht als Vorfrühlingszeit und am Aschermittwoch als Fastnachtsende 178 ) ; 3. in den Fastenwochen hat die Kirche die U.e in die Hand genommen (U.e mit den Palmen); 4. in Verbindung mit dem Grünzauber des Frühlings. Insbesondere wird Pfingsten, das letzte Frühjahrsfest, durch festliche U.e gefeiert 1 7 i ) ; 5. gelegentlich der Ernte und Weinlese l8 °) ; б. im Herbst (Lichteru.e) 181 ).

1,e ) Weihnachtsund Vorfrühlingsbräuche stehen einander sehr nahe, indem mancher heidnische Brauch aus der Weihnachts- in die Faschingszeit verlegt wurde ( S A V k . 1, 2 8 1 ; N i l s s o n Jahresfeste). 1 7 9 ) K a p f f Festgebräuche 18 Nr. 2, S. 16. ° ) Der Samsonu. in Krakaudorf bei Murau in Steiermark am 5. August ( G e r a m b a. a. O. 72); U.e mit der Fruchtkrone (ZföVk. 1923, 1 ; Illustr. Kalender der Volks181 zeitung 1935, 1 1 3 ) , um Wien. ) Sartori a. a. O. 3, 269; P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 2 1 1 . 212.

V. Ort. Die U.e erfolgen: 1. durch die Ortschaften; 2. um einen einzelnen Gegen-

1398

stand der Verehrung, wie die Kirche, den Kirchhof 1 8 2 ), das Festfeuer 1 8 3 ) ; 3. um die Grenze der Feldflur 184 ). 18a

) E b d . 388. " a ) J a h n Opfergebräuche 86. ) So hält der Hirt vor dem ersten Austrieb den Markungsu.: F r i s c h b i e r Hexenspr. 144.

1β1

S. a. umfahren, Umkreisung, umlaufen, umreiten, umwandeln, umherum. Weinkopf.

unbegraben. Schon bei Begräbnis, Grab, Leiche (s. d.) ist darauf hingewiesen worden, daß der Tote erst durch ein Begräbnis unter den richtigen Formen zur Ruhe kommt. Daher ist überall der Glaube verbreitet, daß der Tote, den man nicht begraben kann oder will, umgehen muß und bösartigen Charakter hat 1 ). Wenn man den Leichnam, z. B. den eines Ertrunkenen, nicht finden kann, so sucht man dem Toten durch ein Scheinbegräbnis Ruhe zu verschaffen (s. ertrinken). Man straft aber auch Tote damit, daß man ihnen das Begräbnis verweigert 2 ); eine Abschwächung ist die Bestattung im Ungeweihten (vergi. Nachzehrer, Selbstmörder). Unbegrabene irren als gefährliche Wiedergänger umher 3 ); sie verursachen schlechtes Wetter 4 ). S c h e r k e Primitive 59 t. ; L i e b r e c h t ZVk. 398; Z f V k . 14, 3 3 f . ; J o b b é Les morts malfaisants 560 f. ; R o h de Psyche i, 2 i 6 f . ; B r u n n e r DRG. 1, 1 2 7 . s ) K o n d z i e l l a Volksepos 3 5 ; vgl. B r u n n e r DRG. 1, 244; E i s e l Voigtl. 1 4 1 . 3 ) J o b b é 561 f.; L e B r a z Légende 1, 403; Z f V k . 6 , 94Í.; E i s e l Voigtl. 1 4 1 ; J o h n Erzgeb. 126. 4 ) F o s s e l Volksmediz. 1 7 1 ; J o h n Erzgeb. 2 5 1 . Geiger.

unberufen s. Nachtrag. unehrlich. 1. Im Sinne von „betrügerisch, n i c h t r e d l i c h " , s. s t e h l e n , unt r e u ; 2. im Sinne von „der Ehre nicht teilhaft, nicht ehrbar, r e c h t l o s , anrüchig" 1 ). Das deutsche Mittelalter und, langsam abklingend, die Zeit der ihm folgenden Jahrhunderte hat eine ziemlich große Gruppe „u.er", d. h. rechtloser, verachteter Leute gekannt 2 ). Sie umfaßte ursprünglich die U n f r e i e n aus Abstammung oder Ergebung (Verpfändung der Ehre!) und die u n e h e l i c h e n Kinder 3 ), oder man wurde ihr zugesellt durch den einst sehr empfindlichen Verlust der öffentlichen Ehre infolge eines feigen, „u.en" V e r b r e c h e n s 4 ) und der daran ge-

1399

unehrlich

knüpften „u.en" Todes- oder KörperStrafe — s. o. 8, 511 ff. — aber auch durch B e e i n t r ä c h t i g u n g der E h r e in einzelnen v e r a c h t e t e n B e r u f e n wie des Scharfrichters, des Henkers und verwandter übel angesehener oder einer niedrigen, gering geschätzten Arbeit hingegebener Leute. Das Einbüßen der j u n g f r ä u l i c h e n E h r e hatte dagegen nie eine rechtliche Wirkung und ist bis heute vom Volke stets weniger beklagt worden, mindestens solange ein Mädchen einem Liebhaber treu bleibt 8 ); freilich haben sich die Burschen noch immer erlaubt, den Mädchen zur Ehre oder Unehre Maien zu stecken — anrüchigen oder mißliebigen Mädchen S c h a n d m a i e n verschiedener Gestalt, am häufigsten Strohwische— oder den Lockeren Ruß, Sägemehl, Spreu u. a. m. zu streuen 6 ). a) U.e B e r u f e . Bei der Erklärung des Makels der Rechtlosigkeit denkt man beim Nachrichter zunächst an die Möglichkeit der entehrenden, v e r u n r e i n i g e n d e n B e r ü h r u n g der Gerichtsdiener und Nachrichter mit den Verbrechern7) als selber unreinen, dämonisch angesteckten Menschen 8 ). Amira hat nun für den Nachrichter auf das ursprüngliche T a b u hingewiesen, welches in ältesten Zeiten von dem sakralen Hinrichtungsvorgang — s. o. 4, 37 ff. —vom Geopferten = Gerichteten auf den Opferer = Richter geflossen sein müsse, dessen einstige Sonderstellung in christlicher Zeit aus Furcht und Abscheu sich zu reiner A b s c h e u vor dem Nachrichter und zu seiner Zurücksetzung gewandelt habe 9 ). Vor dem 13. Jh., zumal in der fränkischen Zeit erscheint diese Verachtung des Nachrichters jedenfalls noch nicht 10 ). Die aus Angst und Ekel gemischte Abscheu der christlichen Zeit vom 13. bis ins 19. Jh. dürfte sich noch verstärkt haben durch die Furcht vor dem grausigen handwerksmäßigen Können und den geheimen Zauberkünsten des Scharfrichters oder Henkers 11 ) — vgl. Galgen 3, 262ff. ; Hinrichtung 4,40.43 ff.Ob die U.keit aber mehr oder weniger auch nur daher rührt, bzw. sich vom Nachrichter auf andere „u.e" Stände ausgedehnt hat, weil diese als rohe, sich selbst erniedrigende

14ΟΟ

Kerle 12 ) verächtliche Gewerbe trieben, oder weil die Ausübenden im MA. U n f r e i e waren, läßt sich im Einzelfalle nicht immer ausmachen 13 ). Für manche Gewerbe wie Kesselflicker, Schäfer, Leineweber, auch Trompeter und Zöllner, ist letzteres sehr wahrscheinlich, weil sie meist von Unfreien auf dem Lande betrieben wurden 14 ). Andrerseits zieht mit der wachsenden Verabscheuung des Nachrichteramtes dieses seit dem späteren MA. nur noch unfreie oder gar üble Menschen an, welche dann durch weitere anrüchige Geschäfte ihr Amt noch mehr verdunkeln 15 ). So hat also der N a c h r i c h t e r mitsamt Familie und Gesinde für u. gegolten 16 ), der Henker für noch weniger ehrenhaft als der S c h a r f r i c h t e r 1 7 ) . Die Nachrichter erscheinen seit dem 13. Jh. als ehrlos, rechtlich und gesellschaftlich ausgeschlossen und daher mit allen möglichen verächtlichen Arbeiten bedacht 18 ). Der U m g a n g oder gar die Verschwägerung mit Scharfrichter und Schinder hat gemieden werden müssen, denn er machte den Verkehrenden selbst auch u., er war „unpassirlich" 19 ). Schon jede Berührung mit dem Henker machte u., der Gegenstand mancher Sage 20 ). Man hütete sich daher auch im Wirtshaus, neben ihm zu sitzen 21 ). Einen Henker zu Grabe zu tragen, wurde so eine umstrittene Aufgabe, welche noch im 18. Jh. die einzelnen Zünfte einander zuschoben22). Und durch Tanz mit dem Henker wurde eine Frauensperson u., nach dem Ofener Stadtrecht konnte eine Unkeusche dazu als zu einer Ehrenstrafe verurteilt werden23). In Rottenburg wurde Ende des 18. Jh.s ein Schuhmachergeselle, der einen Scharfrichtersknecht vom Tode rettete beim Aufladen eines Pferdekadavers, von der Zunft um 16 Gulden bestraft, und ein Lehrjunge, der im Spaß den Schinderkarren mal über den Neckar schob, galt lange als u.; es hielt in solchen Fällen schwer, bis die Erklärung für ehrlich erfolgte 24 ). Zedier hatte also 1735 noch nicht mit durchschlagendem Erfolg gegen dieses U.werden durch Gesellschaft mit dem Henker geeifert 25 ). Wer H e n k e r s a r b e i t verr i c h t e t e , machte sich also ebenfalls u.,

unehrlich

soweit er nicht früher, d. h. bis ins 15. Jh., als Kläger in eigener Sache eine Strafe vollstreckte (altes privates Strafrecht!). Wenn daher einer etwa dazu kam, einen Dieb hängen zu müssen, ward ihm dafür einst üble Nachrede zuteil26). Schon der Vollzug der Prügelstrafe entehrte' noch im 19. Jh. in der Schweiz einen Gesellen, der sich dazu hatte dingen lassen27). Dies galt auch, wenn man nur dem Züchtiger das Schwert aufhob28) oder wenn man einem, der sich selbst erhenkt, den Strick abschnitt 29 ). Sogar die Hilfeleistung beim Bergen der Leiche der eigenen Frau, welche im Fieberwahn ins Wasser gegangen, konnte einem Mann und seinen Nachkommen noch lange nachgetragen werden30). Das gleiche bewirkte jede Verbindung mit dem Abdecker 31 ) und gar Ausübung von Abdeckerarbeit, und sei sie nur die absichtliche oder unabsichtliche Tötung eines Hundes oder einer Katze 32 ). Und ebenso entehrend war auch jegliche Berührung eines G a l g e n s , weshalb sich ein jeder von der Mitarbeit beim Bau eines Galgens drücken wollte und gemeinsame Errichtung und Ausbesserung notwendig war, welche dann eine Art Volksfeste wurden33). Es mußte dabei ζ. B. ein Oberschultheiß den ersten Axthieb an den Baumstamm für den Galgenbau tun, um die Arbeit für ehrlich zu erklären34). Eine kurpfälzische Verordnung mußte 1703 gebieten, daß Handwerker alles fertigstellen sollten, der Nachrichter aber Galgen, Leiter und Rad aufzurichten habe35). Denn noch im 18. Jh. verfertigten die Handwerker die nötigen Henkers- und Foltergeräte nur gezwungen und möglichst gemeinsam36). Der gleiche Makel der U. k e i t traf den A b d e c k e r oder S c h i n d e r und sein Gewerbe37), die Totengräber, G e r i c h t s diener aller Art, zumal Büttel und Stockmeister38); auch diese wollte noch bis ins 19. Jh. kein ehrlicher Mann zu Grabe tragen39). Neben ihnen waren u. auch die (alsungerecht verhaßten ?) Müller, welche im 16. Jh. durch Reichspolizeiordnungen haben ehrlich erklärt werden müssen und nach oberfränkischen Rechtsordnungen von 1544, 1550 und 1607 dort damals die

1402

Galgenleitern zu liefern und die Galgen zu zimmern angehalten worden sind40), ferner die S c h ä f e r — weil sie einst nur Unfreie waren oder weil sie gleich Abdeckern den krepierten Schafen die Haut abzogen ? 41 ) — diese wurden 1717 ausdrücklich durch kaiserliches Diplom in Schlesien für ehrlich erklärt 42 ), ihre U.keit wurde noch 1773 nach einem Kaiserslauter Ratsprotokoll behauptet, welche Ansicht aber damals unter Strafe fiel43). Für u. sah man auch immer wieder an die B a der 44 ), die Wurzelkrämer, Zahnzieher, Marktschreier, Hausierer, Gassenkehrer45). Seit der germanischen Völkerwanderung sind schließlich als u. d. h. rechtlos betrachtet und behandelt worden die G a u k ler, Possenreißer und gewerbsmäßigen Kämpen 46 ), ursprünglich offensichtlich verachtete romanische Fremdlinge, deren deutsche Nachfolger als f a h r e n d e L e u t e bis zum Sachsenspiegel für rechtlos galten und auch später noch lange sich keiner Achtung erfreuen konnten47). b) U.e S t r a f e n . Neben den u.en Todesund Leibesstrafen, die an Hals oder Hand gehen, standen im älteren Recht auch bloße E h r e n s t r a f e n , zu welchen die P r a n g e r s t r a f e vornehmlich gehörte, die man im 18. Jh. noch schlimmer empfand als Geld- oder Gefängnisstrafe48). Jedem Pranger haftete der Makel des „u.en O r t e s " an49). Dies hatte man in Welschensteinach im Schwarzwald noch nach 1918 nicht vergessen, als dort die Aufstellung eines Kriegerdenkmals auf dem einstigen Lasterstein von den alten Leuten des Ortes empört abgelehnt wurde60). Die Verurteilung zum Pranger bewirkte daher immer U.keit des Bestraften 51 ). Damit verwandt war die U.machung mit dem Schindmesser des Scharfrichters, das dem Veruntreuer öffentlicher Gelder von jenem unters Kinn gesetzt wurde52). U. ist natürlich einst auch der V e r b a n n t e gewesen, mit welchem kein Ehrlicher verkehren darf und der darum auch in Sage und Märchen gemieden erscheint53). Als letzte Strafe für den Hingerichteten wie für den Selbstmörder (und aus Furcht vor ihrem Spuk!) kannte man früher noch das erst im 19. Jh. verschwundene u.e

1403

unergründlich, grundlos

B e g r ä b n i s außerhalb oder in einem abgelegenen Winkel des geweihten Friedhofs 64 ), auf einem Kreuzweg 6 5 ), unterm Galgen, auf dem Schindanger, der Richtstätte Be ). Solches Eselsbegräbnis hat erst die Aufklärung beseitigt, und das 19. Jh. hat für jeden Toten ein ehrliches Begräbnis durchgesetzt 67 ). J ) D W b . Ii, 3, 454; zur Geschichte von W o r t u. Begriff „ e h r l i c h " bei den germ. Völkern vgl. G . N e c k e l Germanen u. Kelten (1929) 104ÎÏ. 91 f. 2 ) G r i m m RA. 1, 443ft. 482ft.; A m i r a Grundriß 146. 217. 3 ) Beispiele der Forderung „ e c h t e r " Geburt in Handwerkersatzungen v o m 13. bis zum 17. Jh. bei R . W i s s e l l Des alten Handwerks Recht u. Gewohnheit (1929) 1, 7 1 f t . ; 4) s. a. O s e n b r ü g g e n Studien 133. Osenb r ü g g e n a. a. O. I2fi. 5 ) Vgl. das Fensterin, z . B . M e y e r Baden 190ft.; s . o . 4, 8 4 1 0 . ; von nicht „ e h r l i c h e n " = nicht keuschen, nicht tugendhaften Mädchen spricht folgender pommerscher A b e r g l a u b e n : Schwangere dürfen bei Mädchen nicht Gevatter stehen, sonst bleibt das Mädchen später nicht ehrlich, K n o o p Hinterpommern 157 Nr. 18; wenn ein B ä r beim A n b l i c k eines Mädchens sehr brummt, ist es nicht mehr ehrlich, sondern eine heimliche Hure, ebd. 158 Nr. 38. 6 ) M e y e r B a i e n 222 ff. 193, S a r t o r i Sitie 3, 175. 205f. ' ) MschlesVk. 27, 204. e ) Vgl. E . K l e i n D. Ritus d. Tötens bei d. nord. Völkern, A R w . 28, 182. 9 ) A m i r a Todesstrafen 228f.; dagegen K l e i n a . a . O . ; s . a . E . A n g s t m a n n D. Henker in d. Volksmeinung. S. Namen u. s. Vorkommen in d. mündl. Volksüberlieferung (1928) S. 75ft. 1 0 ) B r u n n e r Dt. Rechtsgeschichte 2 (1928), 618; A n g s t m a n n a. a. O. 77 Anm. 1. n ) A n g s t m a n n 74. 9off. (d. Henker als Arzt, als Zauberer, als Geisterbanner!); O. B e n e k e Von u.en Leuten (1863) S. 140ft. 1 2 ) A . K e l l e r D. Scharfrichter (1921) i i s f f . 122. I35fif., B e n e k e a . a . O . 8 i f f . 122. 1 3 1 ; A n g s t m a n n 78 A n m . 3. 1 3 ) W i s s e l l a. a. O. 1, 69. 88. " ) E b d . ι , 70. 7 8 0 . ; B e n e k e 66f£.; M. H e y n e D. altdt. Handwerk (1908) i 2 ö f . 1 5 ) A m i r a Todesstrafen 229; A n g s t m a n n 7 8 ! l e ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 442. 445Í.; Volksth. 2, 237; B e n e k e n 8 f f . ; O s e n b r ü g g e n Studien 133ft. (Schweiz bis 19. Jh.); A n g s t m a n n 74ft.; W i s s e l l 1, 87ft. " ) F . H e i n e m a n n D. Richter u. d. Rechtspflege in d. dt. Vergangenheit (1900), 105. 1 2 7 I 18) K e l l e r a. a. O. 107ft. (Augsburger Stadtrecht 1276); ausnehmend ehrenvolle Behandlung in Braunschweig im 16. Jh., A n g s t m a n n 74 A n m . 2. " ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 445; B e n e k e 132ft.; O s e n b r ü g g e n a . a . O . 20 ) Zusammenstellung bei A n g s t m a n n 8off. (d. Schelm v. Bergen!). 2 1 ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 237; W i s s e l l ι , 87 (Neumark 1725), 90. 2 2 ) B e n e k e 196ft. (Husum 17. J h . ) ; K o l b e Hessen n g f . ; W i s s e l l ι , 94ft. 2S ) H a n d b u c h d. d t . Volkskunde ι , 297. 24 ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 237. 2 5 ) Z e d i e r 12, 1360; s. a. K e l l e r 26ofí.; E r s c h G r u b e r 2. S. 5, 32of. (alte L i t . ) ; MschlesVk. 27,

I404

214. 2 e ) F a l l v o n i 4 7 5 , K e l l e r 58 f. ; A n g s t m a n n 87ft.; im Märchen begegnet nie ein Makel der Nachrichtertätigkeit, O. L u d w i g Richter u. Gericht im dt. Märchen (1935) 53. 2 7 ) O s e n b r ü g g e n Studien 134. 2S ) F r a n k f u r t a. M. 1590, A n g s t m a n n 89. 2 e ) B i r l i n g e r Schwaben 1 , 30 ) Herrnstadt a. d. Bartsch 389. 440. 1696, W i s s e l l ι , 90. 3 1 ) E b d . 1, i o o f f . 32 ) E b d . 1 , 105ft.; B e n e k e 213ft.; vgl. S t o r m Schimmelreiter. 3 3 ) B e n e k e 225ft.; H e i n e m a n n a. a. O . 106; K e l l e r 207; W i s s e l l 1, 9of.; K l a p p e r Schlesien 48. i g o f . (16./17. Jh.); K o l b e Hessen u g f . (18. J h . ) ; Protokoll der feierlichen A u f richtung eines steinernen Galgens zu B r ä u n lingen 1708 mit Festzugsordnung, Gebeten, U m gang, Festmahl, Schriften d. Ver. f. Gesch. d. Baar 9 (1896), i 9 o f . ; s. a. Z f V k . 43, 99!. 34 ) K o l b e a. a. O.; B e n e k e 233. 3S ) D G . 5, 1 9 3 ; s . w . Galgen § 2 , oben 3, 260. 3 e ) W i s s e l l 1, 9 i f f . 3 7 ) S . o . ι , 19ft.; s. a. B e n e k e I 2 i f . ; O s e n b r ü g g e n a. a. O. 134; W i s s e l l 1, 97ft. 3 β ) MschlesVk. 27, 204; B e n e k e 8 i f f . ; A n g s t m a n n 8. 3 9 ) W i s s e l l ι , i i 2 f f . 40 ) D G . 28, 1 1 7 ; B e n e k e 11 ff. 226. 230; M e y e r Baden 344; W i s s e l l ι , 81 ff. 4 1 ) „ S c h ä f e r u. Schinder sind Geschwisterkinder", W i s s e l l a. a. O. 42 ) MschlV k . 13, 1 1 2 ; B e n e k e 13ft. 43 ) P f ä l z . Museum 18 (1901), 126. 44 ) S . o . ι , 851; s . a . B e n e k e 57ft. 4 δ ) W i s s e l l ι , 70. 1 1 5 ; O s e n b r ü g g e n a . a . O . 135; s . a . HansGeschBl. 13, i f f . ; Hess. GeschBl. 1907, 35ft. 4β ) H e y n e a. a. O. i o i f f . ; 4 7 ) Sachsenspiegel A m i r a Grundriß 146. ι, 38 § 1 ; vgl. H e y n e i i o f . 122ft.; B e n e k e i 8 f f . ; O s e n b r ü g g e n 136; W i s s e l l 1, 69. 77; s. w. oben 2, i i 2 4 f f . , bes. Sp. 1 1 3 3 ! 1145. 4 e ) O s e n b r ü g g e n 14. 123. 1 1 7 f t . ; A m i r a Grundriß 2 4 2 I 246; G r i m m RA. 2, 162. 301ft.; H e c k s c h e r i86f. ; Schau-ins-Land 1935, 77f. (Freiburg i. B . 1766). 49 ) B a d e r Der Pranger (1935) 77. 80. i 6 o f i . ; s. o. 8, 514 Anm. 11. 50 ) B a d e r 161. 6 1 ) E b d . 148ft. 5 2 ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 498. 5 3 ) M a i l l y Dt. Rechtsaltertümer in Sage u. Brauchtum (1929) 132; A m i r a Grundriß 237ft. 5 4 ) S. o. 3, 88f.; vgl. B e n e k e 2 4 5 I ; B r e n t a n o Gesch. v. braven Kasperl u. d. schönen Annerl (1816). S 5 ) G r i m m RA. 2, 325Í.·, s. o. 5, 518ft. 5 β ) H . F e h r D. Recht im Bilde 112, A b b . 144; S A V k . 26, 163ft. " ) Ebd. 1 6 7 ! ; B e n e k e 2400.; s. w. oben 1, 993; 4, 54; 7, 1631. Müller-Be rgström.

unergründlich, grundlos. Von sehr vielen Seen wird behauptet, daß sie u. seien. Der Bodensee hat nach der Volksüberlieferung seinen Namen daher, weil er keinen Boden h a t 1 ) . Die „Grundlosen" heißen drei Wasserlöcher bei Golmbach in Niedersachsen 2 ). Das „Hexenloch" bei Bühl im Allgäu wollte man einmal ausfüllen und warf Hunderte von Klaftern Steine hinunter, aber es gelang nicht 3 ). Wenn man solche Seen messen will, gelangt das Senkblei nicht

1405

unerschöpflich

zum Grund 4 ), oder es wird von unsichtbarer Hand abgeschnitten 5 ). Aus einer großen Menge von Seen ertönt, wenn man sie messen will, eine warnende Stimme e ) : „Ergründest Du mich, so freß ich Dich" oder ähnlich. Ein Fischer wollte den Kloansee messen, da kam ein Reiter auf einem Schimmel aus dem Wasser und holte ihn hinab 7 ). In den Lucinsee in Mecklenburg ließ man an langen Stricken das Hinterteil eines Wagens hinab, da ertönte eine warnende Stimme, und als man das Seil hochzog, hing statt des Wagenstücks ein Pferdekopf daran 8 ). In den Zarrentinersee ließ man eine zinnerne Kaffeekanne hinab ; da man nicht auf den Grund gelangte, zog man das Seil herauf, aber die Kanne war weggeschmolzen bis auf die Öse 9 ). S. a. Mummelsee. Solche grundlosen Seen stehen häufig mit einem anderen See 1 0 ), dem M e e r u ) , einem Fluß oder Brunnen 12 ) in Verbindung (s. See). Entstanden sind diese Seen sehr oft an solchen Stellen, wo ein Gebäude zur Strafe für einen Frevel versank (s. See). *) S e p p Sagen 345ft. 2 ) Ebd. 331 ff. 3 ) R e i ser Allgäu ι, 232. 4) S c h u l e n b u r g 3; V e r 5) S c h a m b a c h n a l e k e n Mythen 199! u. M ü l l e r 52. 339. e ) B a a d e r Sagen 40; K u o n i St. Galler Sagen i i 2 f . ; R e i s e r a. a. Ο. 1 Nr.262; Q u i t z m a n n Baiwaren 135; P a n z e r Beitrag 2, 105. 237; Y e r n a l e k e n Alpensagen 234. 248; Meier Schwaben 1, 72 Nr. 80; S e p p a. a. O. 703; H e y l Tirol 94 Nr. 56; S c h u l e n b u r g 53; 7 ) H e y l a. a. O. K u h n Mark. Sagen 40. 6 3 ! 8 ) B a r t s c h Mecklenburg 399 Nr. 86. 1, 404. ") Ebd. ι, 393f. 10 ) H e y l a. a. O. 28 Nr. 30 1 1 ) Ebd. 159 Nr. 61. 1 2 ) G r o h man η Sagen 250 Hünnerkopf'

unerschöpflich. Der Glaube, daß eine Sache durch Zauber oder Wunder u. werden kann, findet sich schon im Α. T. in der Erzählung vom ölkrüglein der Witwe 1 ). In Deutschland sind besonders häufig die Sagen vom u.en Garnknäul 2) oder Flachswocken 3 ). Geber ist ein Zwerg, ein Holzmännlein, ein Holzweibel, ein seliges Fräulein, der Geist Hütchen, die Frau Billeweiß, eine Nixe oder ein anderes derartiges Wesen, Empfänger ist meist eine Dirne oder eine arme Frau, manchmal auch ein Schäfer oder ein Knecht. In den meisten Fällen knüpft sich die Bedingung daran, daß man niemanden die wunder-

1406

bare Fähigkeit des Garnknäuls erzählen oder keinen anderen damit spinnen lassen darf, sonst geht der Faden zu E n d e . Ebenso verschwindet er, wenn der B e sitzer oder ein anderer fragt, ob der Faden nie zu Ende gehe 4 ), ferner wenn man fluchtB) oder das Letzte vom Rocken a b spinnt 6 ). Der Knäul des Schäfers ist zu Ende, als er einem Bekannten erlaubt,, davon abzuwickeln, so viel er wolle 7 ), und der Zwirn ist verschwunden, als die Frau das Büchschen öffnet, zu dem der Faden heraushängt 8 ). Ähnliche Bedingungen knüpfen sich an andere u.e Gaben. Die Frau muß schweigen von dem u.n Kornnapf, den die Zwerge ihr gegeben haben 9),. die Kinder auf Rat des treuen Eckart vom Bierkrug der Frau Holla 10 ), der Mann aus dem Emmental von der Weinflasche der Bergleutlein n ) . Der u.e Brotlaib,, den zwei Kinder von einem kleinen grauen Männlein empfangen haben, ist weg, als. das Schwesterlein fragt: „Wird der Laib nie kleiner" 1 2 ) ? Die Biertonne ist leer, sobald ein Fluch darüber gesprochen wird 1 3 ), ebenso der Goldkessel, als der herausschöpfende Knabe den Namen des Teufels nennt: „ W a s der Teufel, die Truhe ist bald voll, und im Kessel kennt sich noch nichts" 14 ). Der u.e Schatz darf nie ganz, geleert 1 5 ), der u.e Käse nie ganz aufgegessen werden (vgl. das Hutzelbrot in Mörikes,, Stuttgarter Hutzelmännlein' ' )16 ) einer fremden Person darf man nichts, davon geben 17 ). Der Heustock der armen Frau, der durch die Gabe eines Weibels u. geworden ist, damit sie ihre Kuh ernähren kann, ist alle, als die Frau selbst hingeht,, um nachzusehen 18 ). Die Quellnymphe verspricht der Jungfrau, die ihr ihren verlorenen Goldkamm zurückgibt, sie solle jeden Morgen neben der Quelle f ü n f Franken finden, solange sie es geheim halte 19 ). Manchmal handelt es sich auch um eine himmlische Gabe zum Lohn der Frömmigkeit : die verschütteten Bergleute kommen mit dem ö l ihres Lichtes und dem Brot, das für einen Tag berechnet ist, sieben Jahre lang aus (vgl. das ö l krüglein der Witwe) 20), aber der Frau,, die dem unerkannten Herrgott seine Bitte um etwas Butter abschlägt, sagt dieser

1407

unfruchtbar

„Hättest Du mir ein weniges gegeben, so wollt ich deinen Kessel so bezahlt haben, daß er stets bis zum Rand voll gewesen und nimmer leer geworden wäre" 2 1 ). Einen Gegenstand, der andere Dinge u. machen kann, haben wir in einer Sage aus Stockarau (Niederösterreich) : mit einem Silberkränzchen, das die Nattern einmal im Jahre ablegen, kann man sein Gut mehren, denn wozu man es legt, sei es Geld, Getreide oder sonst etwas, das geht nie aus 2 2 ). Das gleiche gilt von der Krone der Königsschlange: ein Geizhals vergräbt sie vor seinem Tode in einem Walde, und der ist seitdem außerordentlich wildreich 23 ). E s läßt sich auf recht natürliche Weise erklären, warum die wunderbare Fähigkeit all dieser Gaben vor anderen geheim gehalten werden muß : so oft sich jemand überzeugen will, ob eine Sache, von der es behauptet wird, wirklich u. ist, erlebt er die Enttäuschung, daß sie zu Ende geht. *) ι . Könige 17, I2ñ.; 2. Könige 4, 2ff. ) B e c h s t e i n Thüringen 2, 56. 170t. i 8 i ; E i s e l Voigtland 25 Nr. 47; 40 Nr. 8 1 ; G r a b e r Kärnten 51. 54. 61. 67; G r i m m Sagen 57 Nr. 74; H a u p t Lausitz 1, 42; H e r z o g Schweizersagen ι, 4. 138; 2, 140; H e y l Tirol 166 Nr. 76; 169 Nr. 7 7 1 ; 275 Nr. 90; 336 Nr. 11; 403 Nr. 90; 614 Nr. 80; J e c k l i n Volkstüml. 124; K ö h l e r Voigtland 453; M a n n h a r d t 1, 103; M e i c h e Sagen 342 Nr. 445 ; P r ö h l e Unterharz 168 Nr. 438 ; R a n k e Sagen 170; R e i s e r Allgäu 1, 129; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 1 1 8 Nr. 1 4 1 ; 119 Nr. 142; 137 Nr. 150; T a u b m a n n Nordböhmenz Nr. 1; 25 Nr. 1 3 ; W i t z s c h e l Thüringen ι, 222 Nr. 221. 3 ) E c k a r t Südhannover. Sagen igöf.; K u h n u. S c h w a r t z 243f. 499Í:. 4 ) H e y l a. a. O.; H a u p t a. a. O.; G r a b e r a. a. O. 54. 67. e ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 1 1 8 Nr. 1 4 1 . e ) D e r s . 137 Nr. 150; K u h n u. S c h w a r t z a. a. O. ') W i t z s c h e l a. a. O. e ) R e i s e r a.a.O. 0) S é b i l l o t Folk-Lore 1, 458; u. er Kornsack: M ü l l e r Siebenbürgen 149. 1 0 ) G r i m m a. a. O. 6 Nr. 7; vgl. Goethes „Getreuen Eckart" ; u.e Bierkanne des Zwerges: K ü h n a u Brot 37; der Berchta: B e c h s t e i n a. a. O. 2, 174; vgl. ebd. ι, 106; W i t z s c h e l a. a. O. 2, 76 Nr. 89. n ) V e r n a l e k e n Alpensagen i8of.; vgl. H e r z o g a. a. Ο. ι, 7 1 ; W i t z s c h e l a. a. O. 1, 189. " ) H e y l a. a. O. 75 Nr. 37. 13 ) M ü l l e n h o f f Sagen 338 Nr. 452; u.es Faß: B a a d e r Sagen 1 5 ; V e r n a l e k e n a. a. O. 188; W a i b e l u. F l a m m 2, 1 1 6 ; vgl. G o e t h e Der getreue Eckart. 14 ) M ü l l e r a. a. O. 29. 15 ) J e c k l i n a. a. O. 334; vgl. M e i c h e a. a. O. 473 Nr. 614; Goldhaufen: C o r r e v o n Gespenstergesch. 1 7 ; Geldbeutel: S é b i l l o t a. a. O. 2, 32. " ) G r i m m 2

1408

a. a. O. 2 1 5 Nr. 301. 17 ) L ü t o l f Sagen 483. Weitere Sagen vom u.en Käse: B u c h m ü l l e r Beatenberg 426; H e r z o g a . a . O . 1 , 6 2 ; J e g e r l e h n e r Sagen 2, 174 Nr. 59; K o h l r u s c h Sagen 1 5 ; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 40; R o c h h o l z Glaube 1, i 2 f . ; W y s s Reise 2, 405t. 18 ) L ü t o l f a. a. O. 483f.; u.es Heu des Zwerges: H e r z o g a. a. O. 1, 60. Sébillot a. a. O. 2, 200; vgl. auch ebd. 3, 2o6f. 2 0 ) G r i m m a. a. Ο. ι Nr. 1. ! 1 ) Ebd. 244 Nr. 344. U.er Buttertopf: E c k a r t a. a. O. 96Í.; Talglicht: ebd. 3 1 . 34; Säckchen Erbsen: H e r z o g a. a. O. 1 , 6 4 . 2 2 ) V e r n a l e k e n a. a. O. 2380. 2 3 ) Ebd. 243 f. Hünnerkopf.

unfruchtbar 1 ). Der mächtige Wille zur Erhaltung der Art löst im Volk eine tiefe Abneigung gegen alles u.e Wesen aus. Die kinderreichen Germanen empfanden Sterilität (got. stairö) umso härter, weil sie bei ihnen vielleicht seltener vorkam als bei den alten Kulturvölkern 2 ). Die Juden zählten die U.keit unter die Gründe für Ehescheidung unter Berufung auf Genes. 16,3 3 ). Eine ähnliche Einstellung verrät die Vorschrift: eine u.e Frau soll man bereden, ins Kloster zu gehen ; tut sie es nicht gutwillig, so darf man sie mit Prügeln hineintreiben 4 ). Alte Jungfern müssen nach dem Tod ihre Schuld in dem Schnee und Eis des Rothtalgletschers büßen (s. a. Danaidenmotiv) 5 ). Die Absicht abzuschrecken spricht aus dem Volksglauben, Ehen zwischen Heiden und Christen blieben ungesegnet e ). Vegetabilische und animalische Fruchtbarkeit ist vielfach von feindlichen Dämonen bedroht oder Schadenzauber aller Art ausgesetzt. U. wird alles, was mit einem Toten in Berührung kommt (s. a. Leiche, tot): Das Stück Land, auf dem ein Verbrechen begangen wurde 7 ), der Baum, an den man durch das an ihn gehängte Tuch von der Leichenwäsche die Seele des Toten gebannt hat 8 ), der Rebstock, an den man einen Lappen vom Totenkleid hängt (Siebenbürgen) 9 ). Beim Tode des Meisters wirft man deshalb in Rosenberg (Adelsheim) dennoch vorhandenen Gartensamen weg, weil er durch den Tod taub wird 1 0 ). Bei den Totenopfern bevorzugten die Griechen u.e Tiere u ) . Nach Schol. Theokr. Id. 1 , 125 f. wurden die an das Grab des Aipytos gehenden Tiere u . 1 2 ) . Bei den Dschagga werden

1409

die Toten, die Kinder haben, in der Hütte beigesetzt, die U.n außerhalb. Dieselbe Sitte hatten die Griechen 13 ). Von Zauberern meint man: ,,sy könne ouch, wenn sy über die Lüte erzürnet sye, den Lüten jr garten verflüchen, daz die unberhaft werdent und kein frücht tragent, noch kein gras darin wachsset" 14). Auf Impotenzzauber stand bei den Germanen Todesstrafe 1S ). Im MA. und den folgenden Jahrhunderten glaubte man, daß Sterilität durch Dämonen und böse Menschen (Hexen, durch die Ligatio) hervorgerufen werde. Die Bulle des Papstes Innozenz VIII. vom 5. Dez. 1484, welche den beiden in Deutschland tätigen Inquisitoren Heinrich Institoris und Jakob Sprenger die Ermächtigung gibt, gegen Zauberer und Hexen gerichtlich vorzugehen, bestätigte nur, was mittelalterliche Theologie längst gelehrt hatte w ). Man erzielte U.keit durch Tränke, oft widerlichster Art 1 7 ). Besonders machen Leichenteile u. 1 8 ) : Will man ein Weib u. machen, so reibe man die Genitalien einer männlichen Leiche mit den menses jenes Weibes ein 1β). Eine Frau wird u., wenn ihr ein Weib seine Milch, während die Frau schläft, auf den Kopf melkt 20 ). Eberwurz „entzeucht den fruchtbaren Leuten ihre Kraft Kinder zu erzeugen und giebt dieselbige einem andern u.n Menschen, welches ein gut Mittel ist, die fast abgestorbene Herren Stands oder Adeliche Geschlechter zu erhalten, und vermittelst fleißigem Gebet und Segen Gottes fortzupflantzen" 21). Im Gegensatz zu dieser Auffassung erscheint vielfach U.keit als das Wünschenswertere. Die fälschlich dem Albertus Magnus zugeschriebene Schrift „De mirabilibus Mundi" empfiehlt, für diesen Fall den Urin eines Maultiers oder eines Widders oder auch Hasenblut zu trinken oder die Exkremente eines Hasen über sich aufzuhängen 22). Eine Frau wird auch u., si semen viri sui neglexerit, aut in arborem putridam ponit 23 ). An vielen Orten ist man schon bei der Hochzeit bestrebt, eine möglichst u.e Ehe zu erzielen. Deshalb wirft man ein Reisig aus dem Brautkranz in den glühenden Backofen (Dány, Komitat Pest), oder die B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I

X4IO

unfruchtbar

Braut löscht mit ihrem letzten Menstrualblut einen glimmenden Rosmarinzweig (Szabadka), oder man legt der Braut ein zugesperrtes Schloß vor die Füße, über das sie bei ihrer Hochzeit hinübersteigen muß (Komitat ödenburg) 24 ). Die Braut setzt sich auf dem Hochzeitswagen auf soviele Finger ihrer Hand, als sie Jahre ohne Kinder bleiben möchte und spricht : „Ich setze mich auf so und so viele Finger, um soviel Jahre lang keine Kinder zu gebären". Entsprechend steckt in Bosnien die Braut, wenn sie zur Kirche abgeholt wird und in den Sattel steigt, ihre Hand unter den festangezogenen Bauchgurt. Soviel Finger sie unter den Gurt schiebt, soviel Jahre bleibt sie u.; waren es beide Hände, so wird sie nie gebären 2B). Das Verzehren einer Biene bewahrt die Frau vor der Schwangerschaft, der Genuß eines Johanniswürmchens macht den Mann impotent 2β ). Eine Frau hört auf, fruchtbar zu sein, wenn sie etwas von dem Blut, das von ihr nach der Geburt eines Kindes abfließt, sammelt und in ein fließendes Wasser schüttet 27 ). Aber das waren und sind immerhin Ausnahmen. Im allgemeinen sucht man, der als Unglück betrachteten U.keit durch „bewährte" Mittel zu begegnen. Dabei spielen Abwehr- und Analogiezauber eine große Rolle. Da Lärm böse Geister verscheucht, schießt man unter einem Obstbaum, der nicht tragen will 28 ). In der Andreaskirche von Mantua wird eine Glocke gegen weibliche U.keit erwähnt M ). In manchen Orten an der Lippe glaubt man noch heute, daß man die die Kinderlosigkeit verursachenden bösen Geister durch Peitschenknallen vertreiben könne 30 ). Um den Gefahren der Ligatio zu begegnen, wendete man gegen Ende des MA.s die Benedictio thalami an. So erzählt ζ. B. Aeneas Silvio Piccolomini in seiner Historia Friderici III., daß für das Beilager Friedrichs III. und seiner jungen Gattin Leonore in Neapel (1452) umfangreiche Vorkehrungen getroffen wurden. Natürliche Mittel gegen die Ligatio waren : Entfernung der zauberwirkenden Dinge, ferner Hauswurz, die Galle eines schwarzen Hundes, Brot, das mit dem Blut aus dem 45

unfruchtbar

Daumen des Malefizianten angefeuchtet ist 3 1 ). Um einen Abwehrzauber handelt es sich auch, wenn Weibsleute, sobald sie zu einer kreißenden Frau in die Stube treten, schnell ihre Vortücher lösen und sie jener umbinden, um nicht selbst u. zu werden (Ob der Enns) 32 ). Gegen U.keit nimmt man besonders häufig seine Zuflucht zum Analogiezauber. Hierher gehören die weitverbreiteten Fastnachtsbräuche und Fruchtbarkeitsriten mit ihren Wechselbeziehungen zur menschlichen Fruchtbarkeit 33 ). Mädchen werden im Frühjahr bei den Fruchtbarkeitsumzügen vor den Pflug gespannt, oder vor dem ersten Pflügen muß eine Jungfrau dem Pflüger einen Kuß geben 34 ). Im Saalfeldischen umtanzten nachts Mädchen den Flachs, zogen sich nackt aus und wälzten sich darin. Eine Jungfrau (oder junge Frau) muß am Tag vor der Hochzeit das Brautbett machen, „dann wird das Paar glücklich". In den italischen Provinzen Belluno und Treviso soll eine Jungfrau anwesend sein, während der Eber die Sau bespringt, dann wird die Sau fruchtbarer 35 ). Nach dem Glauben der Esten und anderer Völker wird die im Johannisfeuer versinnbildlichte, zeugende Kraft der Sonne auf u.e Frauen übertragen 36 ). Auch der deutsche Volksbrauch kennt und übt das Überspringen des Johannisfeuers. Das Huhn (s. d.) dient im Hochzeitsritual vielfach als magisches Symbol reichen Kindersegens (Juden in Palästina u. Posen). In Wälschtirol trug der Brautführer eine lebende Henne. In Friesland schenken die Hochzeitsgäste dem Brautpaar „Hochtids-Hennen". Auch in anderen Gegenden Deutschlands sind Hochzeitshahn, Brauthahn und Bräutelhuhn bekannt. In Rußland und Deutschland, wie im alten Griechenland und Rom, ist es üblich, das Brautpaar mit Getreidekörnern zu bewerten, wie überhaupt Körner und Nüsse als Fruchtbarkeitssymbole in der Hochzeitszeremonie vielfach ((Indien, Borneo, Japan, Rumänien, bei Juden, Türken) eine Rolle spielen 37). Wie bei vielen anderen Völkern galt auch bei den Germanen vor allem der

I412

Phallos als magisches Fruchtbarkeitssymbol. Nach Adam von Bremen 4, 26 thronte in Uppsala Fricco-Freyr, der Gott der Fruchtbarkeit, cum ingenti priapo. Noch in geschichtlicher Zeit sind besonders am Unterrhein und in Oberdeutschland Figuren mit großem Phallos bezeugt, von denen u.e Frauen Mutterglück erflehen zu können hofften 38). In Antwerpen war das mit einem Opfer von Blumen und Kränzen verbunden, während bei einem solchen in einer verlassenen Kapelle in Brabant stehenden Götterbild u.e Frauen ein wenig von dem Phallos abschabten und es in einem Glas Wasser einnahmen39). Neben den menschengestaltigen Figuren bezeugen die sog. weißen heiligen Steine (schwed. stenkloten) den über die ganze Erde hin verbreiteten Phallosdienst40). Auf einem Schalenstein bei Niederbronn (Unterelsaß) befindet sich das merkwürdige, roh in Stein ausgehauene, kultisch-sexuale Idol der „Liese", das als gallorömische Gottheit angesehen wird 41 ). Zu solchen Steinen wandten sich sterile Frauen 42). Im alten Athen rutschten die Mädchen mit nacktem Gesäß auf den Gleitsteinen 43 ). Neben solchen beinahe über die ganze Erde verbreiteten Methoden zur Bekämpfung der U.keit findet sich noch eine große Zahl von Mitteln, deren Kenntnis auf einzelne Völker oder Landschaften beschränkt ist. In Bosnien legt ein u.es Weib am Vorabend des Georgstags ein neues Frauenhemd auf einen fruchtbaren Baum. Findet sie am Morgen vor Sonnenaufgang irgend ein lebendes Wesen auf dem Hemd, so hofft sie, noch in demselben Jahr ein Kind zur Welt zu bringen. Darauf zieht sie das Hemd an im Glauben, sie werde ebenso fruchtbar sein wie der Baum, auf welchem das Hemd über Nacht gelegen hat 44 ). Einer u.en Frau, die sich drei Tage zuvor waschen und reinigen muß, legt man ein Stück vom Bauchfell einer Wölfin oder Eselin mit Wolle umwickelt auf den Leib, auch verwendet man dazu Wolle, auf die der Mann einen Samentropfen fallen ließ, oder man nimmt hierzu die Galle einer Hündin oder Wölfin oder Honig, der vom Feuer nie geschmolzen wurde, und

unfruchtbar

mischt ihn mit Bärenmilch, oder die Leber einer Füchsin oder einer Eule 4 5 ). U.e Frauen rufen am Grabe einer in der Schwangerschaft gestorbenen Frau die Tote beim Namen, beißen mit den Zähnen das auf dem Grab wachsende Gras unter wiederholten Anrufungen der Verstorbenen ab und beschwören sie, sie möge ihnen ihre Leibesfrucht schenken. Schließlich nehmen sie etwas Graberde mit und tragen sie im Gürtel immer bei sich herum 46 ). Von den Tränken gegen U.keit ist die Milch einer neumilchenden Kuh, eine halbe Stunde vor der Beiwohnung getrunken, sicher harmlos 47 ). Ziegenmolke oder Branntwein, dem die getrockneten und zerriebenen Genitalien eines Hasen beigemengt sind, oder gar Branntwein 48) vermischt mit Blut einer Erstgebärenden 49) einzunehmen, dürfte schon starke Überwindung kosten. Auch Taufwasser, womit ein Kind getauft wurde, wird getrunken50). Andere werfen auf die u.e Frau ein Tischtuch, das zur ersten Taufmahlzeit gedient hat (Chemnitz) 51 ), verehren ein Stück von ihrem Brauthemd zu einem Altartüchlein, hängen ihre von Wachs gebildeten Geburtsglieder in der Kirche auf oder schaben etwas von einem Gefäß der Kirche ab und nehmen es ein 52). Unter den zahlreichen anderen Mitteln gegen Sterilität 53 ) nimmt nicht nur der Alraun, bzw. das Männegen, eine Wurzel, die wie ein kleines Männchen aussieht, einen hervorragenden Platz ein 54), gerühmt wird auch ein Bad in einer bestimmten Quelle 5S) oder das Übergießen der Frauen mit Wasser 58 ). Daß u.e Frauen die Gottheit um Kindersegen anflehen, ist leicht verständlich. Epidaurische Heilungsberichte (IG. IV 952, 116 ff. 129 ff.) erzählen von u.en Frauen, die durch Tempelschlaf von dem ihnen während des Traumes in Schlangengestalt erscheinenden Asklepios ihre Fruchtbarkeit erhielten 67 ). In einem anderen Fall heilt Asklepios ein u.es Weib durch Handauflegung (IG. IV 952, 60 ff.) 58 ). In China wird am häufigsten ein geweihter Schuh aus dem Tempel der Göttin der Kinder genommen und im Hause der sterilen Frau neben dem Bild der Göttin aufgestellt und verehrt; wird

I414

das Gebet erhört, so stiftet die glückliche Mutter ein Paar neue Schuhe in jenen Tempel 59 ). In anschaulicher Weise verbindet die Meinung, daß das Wasser bestimmter Quellen U.keit heile, mit dem Glauben, daß man sich zur Erlangung von Kindersegen an himmlische Mächte wenden müsse, eine deutsche Sage: Aus dem „Queckborn" zu Dresden, dessen Brunnenhäuschen bezeichnenderweise mit einem Klapperstorch geziert war, tranken u.e Frauen, um mit der Gnade der Gottesmutter mit Kindern gesegnet zu werden. Unter Bischof Johann von Weißen wurde 1512 eine Wallfahrtskapelle zu Unserer lieben Frau Queckborn errichtet eo). Überhaupt galten kirchliche Gebete und Übungen als wirksamste Mittel. So fasten u.e Frauen die neun auf Pfingsten folgenden Dienstage 61 ) oder unternehmen Wallfahrten 62). Als Fürsprecher zur Erlangung von Kindersegen wählte man mit Vorliebe solche Heilige, deren Geburt selbst die Folge besonderer Gnadenbeweise war, ζ. B. den hl. Albert e s ). In Neapel wandte man sich mit solchem Anliegen an die Heiligen Kosmas und Damian 64). Der besonders in Bayern verehrte, unter Chlodwig von Bischof Remigius von Reims getaufte hl. Leonhard (Abt des Klosters Noblae bei Limoges t 6. Ii. 559) tat sich besonders in seiner französischen Heimat als Helfer bei schwierigen Entbindungen hervor. So wurde er zunächst Patron der Wöchnerinnen, an den sich schließlich u.e Frauen um Nachkommenschaft wandten und ihm in diesem Sinn ihre Weihegaben (bes. Krötenvotive: Kröte = Gebärmutter; Beispiele in den Mirakelbüchern) darbrachten ®5). Fast in ganz Süddeutschland, vor allem in Oberbayern und Tirol, werden in diesem Sinn die hl. drei Jungfrauen verehrt, drei aus der Gesellschaft der hl. Ursula in den christlichen Kultus aufgenommene Frauengestalten e6). U.e, reiche Frauen opferten silberne Kinder „der gnadenreichen Bildnuß Mariä der Jungfräulichen Mutter Gottes in der Dannen zu Tryberg auff dem Schwarzwald" 67). 1 ) Vgl. außer den im folgenden angeführten Belegen: de C o c k Volksgeloof 164; F e h rie

I4I5

Ungastlichkeit—ungerechter Mann (Segen)

Keuschheit 11; F r a z e r 1, 142; 12, 179 (Reg.). 475 (Reg.); K r a u s s Relig. Brauch 35. 1 3 6 ; Sitte u. Brauch 678; S t e r n Türkei 2, 265. 4 1 4 ; S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 201. 2 ) H o o p s Reallex. 4, 375. 3 ) B e c k de juribus Judaeorum 135. 4 ) ZfVk. i l (1901), 460. 6 ) K o h l r u s c h Sagen 80 Nr. 39. e ) H e y l Tirol 235 Nr. 48. ' ) K o h l r u s c h Sagen 296; S t r a c k e r j a n 1, 45. 8 ) R o c h h o l z Glaube 1, 1 8 1 ; S a r t o r i Toten8 speisung 26 Α. ι. ) Urquell 4 (1893), 69. 10 ) M e y e r Baden 584. " ) S t e n g e l Kultusaltertümer 149. 1 2 ) Pf i s t e r Reliquienkult 2, 519. 1S ) ARw. 14, 183; R o h d e Psyche 1, 228f.; P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 2144. 1 4 ) SAfVk. 3, 30. 1 5 ) H o o p s Reallex. 4, 375. 1β ) H a n s e n Hexenwahn 25. 536; F r a n z Benediktionen 2, 178ft. 1 7 ) H a n s e n Hexenwahn 291. l e ) H a r t l a n d Primitive Paternity 1, 1 3 . 15. 75. 77. le ) Urquell 3 (1892), 269; W l i s l o c k i Magyaren 70. 2 0 ) Ebd. 8i. 2 1 ) S t a r i c i u s Heldenschatz ( I 75°)54- a 2 ) M e y e r Aberglaube 100. 2 3 ) F r i e d b e r g Bußbücher 67. 24 ) H o v o r k a - K r o n f e l d ι, 163. « ) P l o s s Weib 1, 670; ZfVk. 16 (1906), 3 1 3 · 2 e ) Urquell 5 (1894), 179. 2 7 ) Ebd. 3 28 (1892), 147. ) F o g e l Pennsylvania 209 Nr. 1044. 2 9 ) ZfVk. 8 (1898), 36. 3 0 ) ZfrwVk. 31 1908, 297. ) F r a n z Benediktionen 2, 178ft. 32 ) G r i m m Myth. 3, 460 Nr. 730. M ) B e c k e r Frauenrechtliches 57f.; M a n n h a r d t i , 553ft. 34 36 ) M e y e r Baden 417t. ) F e h r l e Keuschheit 63. 3 · ) K n u c h e l Umwandlung 52; vgl. 3 F r a z e r 10, 203. 338. ') S c h e f t e l o w i t z Huhnopfer iofí. 3 8 ) H o o p s Reallex. 3, 4 1 5 ; 3Í R u d i n Kabbala 34. ) W o l f Beiträge 1, 107. 40 ) H o o p s Reallex. 3, 4 1 5 ; 4, 579f. ; N o r k Festkalender 28; S é b i l l o t Folk-Lore 4, 484 (Reg.). 4 1 ) R ü t i m e y e r Urethnographie 375ft. 42 Abb. 192. ) S é b i l l o t Folk-Lore ι, 3 3 9 I 43 )RütimeyerUrethnographie375ft. 4 4 ) K r a u s s Relig. Brauch 35. 4 5 ) Urquell 4 (1893), 120. 4β ) K r a u s s Relig. Brauch 136. 4 7 ) Urquell 5 (1894V 179. « ) Ebd. ι (1890), 205. 4») Ebd. 3 (1892), 1 4 7 ; vgl. auch B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 105. 5 0 ) S c h u l t z Alltagsleben 1 9 1 ; H i l l n e r Siebenbürgen 38 Nr. 4. 5 1 ) G r i m m Myth. 3, t2 450 Nr. 479. ) S c h u l t z Alltagsleben 1 9 1 , nach M ä n n l i n g Albertäten 169. 53 ) Vgl. noch F r a z e r 12, 179 (Reg.); P l o s s Kind i f f . t4 ) ARw. 4 (1901), 332; S c h l o s s e r Galgen66 männlein 27. ) F r a n z Benediktionen 2, 1780.; H o c k e r Volksglaube 224; M e i c h e Sagen 647 Nr. 797; Urquell 4 (1893), i87f. M ) R ü t i m e y e r Urethnographie 382. ") Deubner de incub. 32 Α. 1 ; W e i n r e i c h Heilungswunder s 927. β») Ebd. 28. ») ZfVk. 4 (1894), 1 5 7 ; vgl. auch P l o s s Kind 1, 3. e o ) M e i c h e Sagen 41 647 Nr. 797. ) ZfVk. 4 (1894), 306. , a ) M e y e r Aberglaube 100; M e y e r Baden 500; P a n z e r Beitrag 1, 6gi. 6 3 ) F r a n z Benediktionen 2 , 1 7 8 f t . ,4 ) L a m m e r t 157. M ) A n d r e e Votive 4 1 . 129ft. " ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 56. β7 ) Alemannia 6 (1878), 284 f. Mengis.

Ungastlichkeit. War Gastfreundschaft (s. d.) zu gewähren höchste Pflicht, einge-

1416

schärft bei strenger Buße l ), so war U. mit irdischer und himmlicher Strafe bedroht 2 ). Gewöhnlich führte Hartherzigkeit und ihre höchste Form, die U., den Untergang des schuldtragenden Hauses oder des Fleckens, ja der ganzen Stadt herbei 3 ). Dies ist ein so s t e h e n d e s Sagenmotiv, die Verbindung U . = Untergang eine so fest gegründete Gedankenfolge, daß auch in der Geschichte von Sodoms Ende, wo der Untergang eigentlich aus ganz anderen Ursachen erfolgt, als Überbegründung der Schuld der Städter noch das Motiv der U. hinzugefügt wird. Der Untergang erfolgt entweder, indem sich, ohne daß weiteres erzählt würde, die Erde öffnet; oder es bildet sich ein See an der betreffenden Stelle 4) ; oder Feuer bricht aus 5 ) ; im Gebirge wird erzählt, daß die Alp verschüttet wurde ·). Manchmal folgt die Strafe direkt, ohne direktes Eingreifen der Verletzten; manchmal belegen sie die ungastliche Stätte mit ihrem Fluche und das hereinbrechende Übel erscheint dann als Wirkung dieses Fluches 7 ). Als Gipfel aller möglichen Strafe aber gilt der Glaube, daß, wer einem Bittenden U. erwies, nun nach dem Tode keine Ruhe finden kann 8). G r i m m RA. 399; F r i e d b e r g Bussbücher 21. 2 ) E. H. M e y e r Germ. Myth. 276. 3 ) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 458; 1, 14. 184. 218. 129. 254; 2, 6. 66. 334. 358 undpass.; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 51. 4 ) Eidg. Nationalkalender 1910, 8of. 5 ) W a i b e l u. F l a m m 2, 347. · ) L e n g g e n h a g e r Sagen 83; Vierwaldstätter Volkskalender 1884, 24f. 7 ) H e y l Tirol 680 Nr. 158. 3 ) G r o h m a n n igöf. Märchenlex. s. v. Gastlichkeit. M. Beth.

Ungeheuer s. Nachtrag Ungenannt s. Nachtrag ungerade, ungleich unpaarig s. Zahlen A. ungerechter Mann (Segen) 1 ). ι . D e r S e g e n v o m u.n M. Beispiele: 14. J h . : „Alz unmaer muz daz ros disem wurm sein, alz unmaer der unserm herren ist, der ein fasischiu urtail vor einem rechten gait (gibt) und ein pezzeriu waiz" (ältester Beleg). 19. J h . : „Blut, v e r g i s s . . . deines Ganges, wie unser Herr des Mannes, der im Gericht sitzt und

1417

ungerechter Mann (Segen)

ein falsches Urtheil spricht und wohl ein besseres weiss". Der Segen — immer als Vergleich gestaltet (s. Segen § 3) — ist seit dem 14. Jh. bekannt; die meisten Varianten, z. gr. T. ungedruckt, gehören dem 15. und 16. Jh. 2 ). Norddeutschland liefert nur wenige Belege ; aber im ganzen Skandinavien mit Finnland ist der Segen sehr beliebt (hier seit c. 1500 belegt) 3). Außerdem liegt eine (ähnliche) czechische Aufzeichnung vor 4). Keine lateinischen Belege 5 ). — Die allermeisten deutschen Varianten vor c. 1700 beschwören innere Leiden (bes. Wurm, auch Gicht u. a.), nur wenige Blut; später, und besonders im hohen Norden, ist Blutstillen häufig der Zweck. Literatur: E b e r m a n n Blutsegen H3ff. ( H ä l s i g Zauberspruch ioof.); O h r t in E d d a (Zschr., Oslo) 9, 2 8 7 0 . ; O h r t VridogBlod 222ft. 2 ) Deutsche Belege. 14. J h . : S c h ö n b a c h H S G . Nr. 592 (oben zitiert); Copie in der preuß. Akademie der Wss. (beide aus München: Clm. 4350 u. 5682). Um 1400: Germania 25, 508 Nr. 4. 1 5 . J h . : Germania 25, 68 Nr. 3 ; M o n e Anzeiger 7, 421 Nr. 4 ; H e m m e r l i n s. unten Anm. 5 ; Danmarks Tryllefml. Nr. 3 5 4 ; S c h ö n b a c h H S G . Nrn. 663. 676. 694. 959. 1033. 1 0 4 5 ; Basel Univbibl. A I V 44. 16. J h . : S A V k . 7, 52 ( ? ) ; Alemannia 22, 120 Nr. 1 ; ebd. 27, 93. 96. 99; Urquell 2 (1897), 105. 1 7 3 ; S c h ö n b a c h H S G . Nrn. 107. 124. 129. 225. 28of. 699. 956 u. drei Kopien aus Freiburg Univbibl. 190. 17. J h . : M o n e Anzeiger 6, 4Ó2Í. ; Alemannia 12, 26. (18. u.) 19. Jh. : S A V k . 6, 5 1 ; ZfdMyth. 4, 1 2 1 Aargau; Z a h l e r Simmenthai i i o f . ; S c h i l d Der Grossätti (1863), 1 3 6 Nr. 44; Elsäss. Monatschr. 3, 3 1 6 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 4 4 3 ; M e i e r Schwaben 1, 522. 5 2 5 ; MschlesVk. H. 6, 3 1 . 3 3 (letzterer oben zitiert); Urquell 1 (1890), 154 Rendsburg; ZfEthn. 3 1 , 462 Pommern. 3 ) Danmarks Tryllefml. 1 — 2 s. die Register s. v. Ting; Norske Hexefml. Nr. I 4 i 3 f f . ; Svenska Landsmâlen V I I 2, 7; V i l i 3, 3 1 3 ! 320. 3 2 2 ; H e u r g r e n Djurskrock (Malmö 1920) 103. 1 3 1 . 1 3 3 t . u. a.; L a n d t m a n Finlands svenska Folkdihtning 7, 1 2 7 t . 1 3 3 ; L e v ó n Verensulkusanat 93ff. 4 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 58. ' ) Bei F e l i x H e m m e r l i n Tractatus de Exorcismis in Malleolus Maleficarum 2 (Frkfurt 1588), 4 1 7 ist der deutsche Text Original, der lateinische Übersetzung.

2. Wer war der u. M.? Ist dieser ,,Mann" von Anfang an ein gewöhnlicher Sündertypus gewesen wie der Müller, Advokat usw. (s. Sünder, bes. § 2); oder ist, wie schon Schild vermutete, urspr. an eine bestimmte Person, nämlich P i l a t u s (vgl. Joh. 18, 38) gedacht? Letzteren

Falls ist der Segen von Hause aus den „Passionssegen" nahe verwandt (s. Wurmsegen § 2), deren Thema die Trauer und Abscheu der Heiligen über das Leiden Christi ist. Mit Sicherheit ist hier kaum zu entscheiden. In zwei alten Fällen (Grundformen oder individuelle Bearbeitungen ? ) will der Text ganz offenbar Pilatus bezeichnen. Um 1400: „Als vnmer" sei dem Übel, „als unserm lieben herren der richter waz, do er an dem rechten sasz vnd ein falsch vrteil sprach" e ). Um 1450 niederdeutsch: „So bede jk dy, ycht, dat dy so let werde syn vlesch vnde syn blot, also de benedyde jomfrwe Maria was de man, der recht wistae, vnrecht vant vnde demaedae vnrecht ouer ere leve kynt" ') (S. auch § 3 unten). Dazu noch die czechische Aufzeichnung s. oben: (Weiche) „wie der Herr Jesus vor dem falschen Richter zurückwich Für die Sonderstellung des „Mannes" und die Pilatushypothese könnte, trotz der Präsensformen (gibt, weiß) der zwei frühesten Varianten, sprechen: a) Das Fehlen einer Berufsbezeichnung, vgl. in den Sündersegen Müller, Kröger usw., auch Richter. In den deutschen Formen des u. M. steht „Richter" überhaupt nur dreimal 8 ) (das einemal ist übrigens eben Pilatus bezeichnet, s. o.), sonst die fast feierliche Bezeichnung „Mann" mit rechtem Wissen, falschem Urteil (vgl. von Christus selbst „der Mann, der den Tod auf dem hl. Kreuz nahm", 14. Jh., oder „der Mensch, der am Palmtag einritt" 9 )). Erst im hohen Norden steht fast immer der Amtstitel Richter, Vogt u. a. b) Bis ins 17. Jh. zeigen mit bloß zwei Ausnahmen 10 ) sämtliche deutsche Varianten des u.en M.es den Werttypus der Passionssegen: „so leid (unmär) wie", während in den Sündersegen (s. d. § 1 bis 2) neben jenem Typus schon seit dem 13.—14. Jh. der Schicksalstypus („bei dem [jüngsten] Gericht", „sicut intrant infemum") vorkommt. Erst in später Zeit, und besonders im hohen Norden, wird im „u.en M." letzterer Typus allgemein, gewöhnlich in der Form: „stehe (Blut oder Tier) wie (der u. M.) in der Hölle steht". — Falls wirklich der Segen urspr.

142Ο

ungesehen—Ungeziefer

über Pilatus handelte, ist er aber schon vom 14. Jh. an von den Sündersegen in einem wichtigen Punkte (die Präsensform) beeinflußt, teils wegen der Anonymität des „Mannes", teils weil ja die Sündersegen früh auch (Advokaten und) Richter vorführten.

*) Germania 25, 508 Nr. 4. ' ) Danmarks Tryllefml. Nr. 354. 8 ) ZfdA. 24, 68f.; L ü t o l f Sagen 544. · ) Germania wie Anm. 6; Alemannia 27, 96; S c h ö n b a c h H S G . Nr. 107. 10 ) M o n e Anzeiger 7, 4 2 1 Nr. 4 „als der wirdig himel verstêt"; S c h ö n b a c h H S G . Nr. 699 „so lützen theil im rieh gotes".

3. V e r d a m m n i s des R i c h t e r s (der R i c h t e r ) J e s u . Diese, demu.enM. formell ähnliche kleine Gruppe deutscher Segenstexte, nur c. 1350—1600 belegt u ) , behandelt tatsächlich Personen der hl. Geschichte. Im 14. Jh. : „Würm . . . dir müzz beschechen, als dem beschach, der valsch urtail über ünsern herrn sprach; diü selb urtail bracht in in den tod. Daz welle üns. herr J . C h r i s t . . . " . Auch hier ist also der Name des Sünders nicht genannt. Die Varianten des 15. u. 16. J h . sind von dieser Form recht abweichend, in der Hauptsache so: „Wurm, dir sye also laid . . als den (en) was, die valsch urtail über u. h. J h . Chr. gaben ; won valsch urtail brachte uns. herren in den tot (also bring ich dich wurm in die not)". Also die Richter in der Mehrzahl. Die Aussage, daß der H e r r in den Tod gebracht wurde, ist hier logisch unbefriedigend und wird auf Mißverstehen eines „brachte ihn (Pilatus) in den Tod" (wie im alten Text) beruhen; die frühchristl. Legende über den S e l b s t m o r d des Pilatus beschäftigte auch im Schluß des Mittelalters vielfach die Phantasie, vgl. Art. Pilatus. n ) 14. J h . Z f d A . 27, 3 1 0 (Bruchstück); S c h ö n b a c h H S G . Nr. 840 (Wien 2817, oben zitiert). 1 5 . J h . S c h ö n b a c h Nr. 628 (Donaueschingen 792, oben zitiert), 16. J h . Ebd. Nrn. 9 1 . 861. 865. 876. Ohrt.

ungesehen s. zusehen. ungetauft s. Nachtrag. Ungewitter s. G e w i t t e r , H a g e l , Wetter, Wind. Ungeziefer. ι . E t y m o l o g i s c h e s . U. = beschwerliches, kleines Getier, im 17. Jh. ungeziffer, unzifer, mhd. ungezibere, un-

gezibele: ursprünglich Getier, das als „unrein" nicht Opfertier sein kann. Vgl. ahd. zebar „Opfertier", got. (durch Konjektur) tibr1). Das Wort ist ins Romanische eingedrungen: tibr > altfranz. (a)toivre „Opfertier" 2 ); ahd. langob. zeber > piemont. seber „Haushund", enggd. zefira, zepia „Aas" 3 ). Während heute unter dem Worte,,Un geziefer" wohl nur parasitische Insekten verstanden werden, umfaßte es in früherer Zeit auch Ratten, Mäuse, Nattern, Kröten, Würmer. Im Franz. und Engl, entsprechen dem Worte vermine, bzw. vermin eigentlich „Gewürm". Über zahlreiche indogerm. Gleichungen für U. aller Art vgl. S c h r ä d e r 4 ) . 1 ) W e i g a n d - H i r t DWb. 2, 1 1 1 7 ; S i m r o c k Myth. 510. 2 ) G r i m m Myth. 1, 33. 3 ) M e y e r L ü b k e REWb. No. 8726. 4 ) Sprachvergleichung 2, 1 5 0 f.

2. E n t s t e h u n g . U. wird von Hexen erzeugt and ausgesandt 8 ). Bei den Tscheroki-Indianern kam das U. aus einem Topf, der von einem Manne im Zorne umgestoßen wurde, so daß der Deckel herabfiel e ). Nach einer sizialianischen Sage war die Laus schon in der Arche Noahs vorhanden 7 ). U. gedeiht, wenn Frauen sich Freitags kämmen 8 ) oder Wöchnerinnen an einem Brunnen Wasser holen e ). 5 ) S t r a c k e r j a n 2, 1 7 6 ; W u t t k e S. 267 § 393. Z f V k . 3, 388. «) Urquell 4, 1 3 1 . ' ) Z f V k . e 16, 386. ) G r i m m Myth. 3, 442 Nr. 2 4 1 . · ) H ö h n Geburt 266.

3. G u t e s und böses Omen. Glaubt man einerseits im Kanton St. Gallen (auch anderwärts), U. an einem Menschen lasse auf gutes Blut schließen 10 ), so zeigt es andererseits in Ostpreußen baldigen eigenen Tod an i 1 ). Tyrannen wurden im Mittelalter zur Strafe für ihre Ruchlosigkeit von U. verzehrt 12 ). 12

10 ) S A V k . 3, 145. « ) Urquell i, 203 Nr. 17. ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 6.

4. V o l k s m e d i z i n . Wenn das Kind U. ißt, zahnt es leicht 13 ) (s. a. Maus). 13

) M e y e r Baden

50.

5. V e r t r e i b u n g , a) Bannung. Man suchte das U. (Mäuse, Ratten, Raupen, Insekten aller Art), wenn es zur förmlichen Landplage geworden war, durch Exorzismen (kirchliche Bannung) zu ver-

Ungeziefer

treiben. Vgl. die feierliche Verfluchung der Würmer in Lausanne 1517 1 4 ) ; in Luzern fanden noch im Jahre 1732 Exorzismen statt 1 5 ). Es war nicht der angerichtete, sondern der befürchtete Schaden, gegen den man die kirchliche Malediktion und Exkommunikation als zweckmäßig erachtete 1β ). Wagte es ein Laie, solche conjurationes vorzunehmen, wurde er der Zauberei und einer heimlichen Gemeinschaft mit dem bösen Geist verdächtig 17 ). Die Fassung einiger Bannsprüche (ζ. B. Rupen, packt ju, de Mân geit weg, de Sun kümmt) zeigt deutlich, wie das U. als etwas Geisterhaftes aufgefaßt wurde 18 ). b) Zusendung. Durch magische Mittel wird dem Nachbar das U. zugesandt 19 ). Besonders Bettler und Zigeuner verstehen es, Wanzen, Filzläuse und anderes U. an den Körper oder ins Haus zu bannen20). In Oldenburg befreit man sich von dem U., indem man mit den Worten: „ji kriegt Volk in't Hus" es unbemerkt einem Kinde zusteckt. Bald zieht sämtliches U. aus und nimmt das neue Haus in Besitz 21). c) Wegwerfen. Es gibt auch eine harmlose Art der U.vertreibung. Man steckt vom U. drei Stück in eine Schachtel und wirft sie weg (Schwaben)22) oder man gibt einige Kreuzer samt etwas U. in ein Päckchen und legt es auf die Straße. Das übrige U. zieht nach 23). d) Kehren. Ein beliebtes Mittel gegen U. ist das Fegen des Fußbodens und der Wände zu gewissen Zeiten, wobei der Aberglaube sich in den Dienst der Reinlichkeit stellt. Vielerorts wird ein Frühlingstag, die Fastnacht, der r. Oster- oder der ι. Maitag dazu benützt, durch Kehren das U., das zu den bösen Geistern des Winters gehört, zu verjagen 24 ). Am Aschermittwoch wird das Haus gekehrt und die Asche auf fremdes Land geworfen 2S). In Schlesien kehrt man am Karfreitag vor Sonnenaufgang Zimmer und Ställe und streut den Kehricht auf einen Kreuzweg 26). Zu Ostern, wenn die Glokken von Rom heimkehren, wird in Ungarn die ganze Wohnung gefegt 27 ). In Mecklenburg fegt man am 1. Mai vor Sonnenaufgang mit stumpfem Besen drei-

1422

mal die Stube und wirft ihn dann unter Hersagen einer Formel auf Nachbarsgebiet 28 ). e) Geeignete Zeiten. Die Wahl des Tages zur Vertreibung des U.s ist, wie gelegentlich gezeigt wurde, nicht gleichgiltig. Am besten vertreibt man es am Karfreitag 29 ), wohl auch am Gründonnerstag 30 ). Weihnachten 31 ), 1. Mai 32 ), Johannestag 33 ) sind gleichfalls beliebte Bannungszeiten. Gewisse Heilige sind bei der Vertreibung des U.s behilflich. In diesem Rufe stand von jeher St. Magnus. Sein Stab wurde in Schwaben, Oberbayern, Tirol gebraucht, um die Engerlinge von den Feldern zu bannen M ). Gegen Krautwürmer (Raupen) wurde am Wurmtag (Magnustag) der Buchstabe M in drei Haselruten eingeschnitten, die dann an drei Feldecken eingesteckt wurden 3S). Ähnlich verfährt man am Tage des h. Abdon 3e). Am Nicasiustage wurden gewisse Buchstaben an die Tür geschrieben, worauf Mäuse und Ratten wegliefen 36 ). Auch bei den Deutschen in Pennsylvanien gilt der St. Abdonstag als günstig für die U.vertilgung 37). f) Lärm. Geister werden durch Lärm vertrieben, so auch das dämonische U. Beliebt ist das Klopfen mit einem Hammer. Ist jemand mit U. behext, so wickelt er drei Stücke davon in ein Papier und schlägt mit dem Hammer drauf 38). Am Tage Petri Stuhlfeier, am Gründonnerstag und Karsamstag ziehen Kinder von Haus zu Haus und klopfen unter Hersagen eines Bannspruches mit dem Hammer an die Türpfosten 39 ). Mit einem Holzhämmerchen klopfte man am selben Tage an die Obstbäume, um die Raupen zu vertreiben 40 ). Am Karfreitag schlägt man irtit einer Axt an die Bettstelle 41 ). Am ersten Frühlingstag wird in Ortenau (Baden) und in Westfalen mit möglichst großem Lärm und dreimaligem Umgang ums Haus die U.jagd begonnen 42 ). Um Lärm zu erzeugen, nahm man Schellen oder Ketten. Mitunter drehte man ein Wagenrad und schliff ein altes Messer daran 43 ). In der Oberpfalz, in Böhmen und Baden war auch das Blasen auf Wetterhörnern oder

1423

Ungeziefer

großen Wettermuscheln üblich 44). Beseitigung des U.s während des Läutens ist in Westböhmen, im Isartal und in Ungarn gebräuchlich 46 ). g) Leiche, Sarg. Bestandteile einer Leiche oder Gegenstände, die mit einer solchen in Berührung waren, schützen vor U., so Armesünderknochen in derTasche46) oder ein am Halse getragener Leichenzahn 47 ) . Ferner vertreibt man U. mit der Asche von dem verbrannten Strohsack einer Leiche 48). Um U. los zu werden, gibt man einiges davon mit in den Sarg (allgemein49) ) oder wenigstens ins Grab60). h) Asche. Asche wird zur Vertreibung des U.s allenthalben verwendet. So brennt man in den Zwölften Asche, die zur Vertilgung des U.s beim Vieh, auf dem Felde und auf Bäumen dient (Ostpr., Vogtl.) 51 ). In Brambach (Kreis Zerbst) werden am Aschermittwoch Hühnerstall und Taubenboden gereinigt und mit Asche bestreut 62 ). Asche verwenden auch die Deutschen Pennsylvaniens am Faschingsdienstag gegen U. bei Vieh und Hühnern53). In Schwaben und im Appenzeller Land wird die Asche des Notfeuers 'auf die Äcker gestreut 64 ). i) Pflanzen. Haselwurz wird in Tirol gegen U. verwendet 6S ). Am Palmsonntag steckt man geweihte Palmen in die Getreidehaufen zum Schutz gegen U. 5 6 ). In Schlesien legt man zweierlei Zweige von Waldblumen, die am Karfreitag gebrochen wurden, in Scheune und Keller 67). j) Einzelheiten. U., besonders Läuse, vertreibt man in Hessen, wenn man etliches davon aus einer Flinte zum Schornstein hinausschießt (Abwehr gegen die Hexe, die Senderin des U.s) 68 ). In Mecklenburg wälzt man sich an einem Maitag vor Sonnenaufgang nackt im Tau 6 9 ). Staricius ®°) bringt einige Rezepte gegen U., bei denen namentlich ö l eine Rolle spielt. Wer U. an sich hat, legt am Karfrêitagmorgen vor Sonnenaufgang einen Knopf von seinem Kleide unbeschrien auf den Weg. Wer ihn aufhebt, bekommt das U. 6 1 ). Wer etwas an sich trägt, das mit Christnachts gesponnenem Zwirn genäht ist, an dem haftet kein

1424

U. M ). Gegen U. am Vieh vergräbt man einen alten Kamm unter der Stalltürschwelle (Oberschlesien) ®3). Eine Elster, Epiphanie der Hexe, in den zwölf Nächten in den Viehstall gehängt, schützt Vieh vor U. 6 4 ). Der Schädel eines Pferdes, seit alters dämonenabwehrend, im Garten an die Stange gesteckt, vertreibt Ratten und Raupen es ). Eisen wehrt Dämonen ab, daher zieht der altindische Priester während der Beschwörung schädlichen Feldu.s mit einem Pflugeisen eine Furche in die Erde 66 ). Nach altrömischem Glauben tötet eine menstruierende Jungfrau durch Umschreiten des Haines der Anna Perenna alles U. 6 7 ). Um die Obstbäume vor U. (Raupen) zu schützen, soll man sie am Karfreitag vor Sonnenaufgang schütteln (Osternienburg) e8). Pflanzen begießt man mit Karfreitagswasser 69 ). Um vom Flachs das U. abzuhalten, muß man nach der Saat an derselben Ecke wieder herausfahren, an der man hineingekommen ist. Da soll dann auch das U. nachfolgen (Nagold) 70 ). Vgl. auch Floh, Laus, Wanze, Raupe, Maus, Ratte. 14)

1 6 ) op. cit. 82. M e y e r Aberglaube 298. Z f r w V k . 1904, S. 73; K e l l e r Grab 5, 266f. 17) P a n z e r 18) Beitrag 2, 272. Knuchel 1β) Umwandlung 80. S a r t o r i Sitte 2, 20. 20 ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 37; K ü h n a u Sagen 3, 83; D r e c h s l e r 2, 257. 2 1 ) S t r a k 22) B o h n e n b e r g e r k e r j a n 1, 126. S. 15. 23 ) F i s c h e r Oststeierisches 24 ) Z f V k . 14, 115. 26 ) F o g e l Pennsylvania 143. 254 Nr. 1319Ì:. 2 β ) MschlesVk. 1, 52. 27) W l i s l o c k i Magyaren 51. 2 e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 266f. 2 9 ) W u t t 30 ) S a r t o r i k e S. 398 § 6 1 1 . Sitte 3, 145. 3 l ) op. cit. 3, 40. 32 ) op. cit. 3, 170. 3 3 ) Mitt. 34 Anhalt. Gesch. 14, 21. ) Sepp Religion 35) 324ft. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 283f. 3e) Ebd. 3 7 ) F o g e l Pennsylvania 258 Nr. 1392. 3S ) G r i m m Myth. 3, 458 Nr. 692 ; Z f d M y t h . 3, 39 ) S a r t o r i Sitte 3, 89; " D r e c h s l e r 2, 274. 40 ) з. Bronner Sitt' u. Art 24Í. 114. 4 1 ) MschlesVk. 1, 52. 42 ) K n u c h e l Umwand43 lung 83. ) B r o n n e r op. cit. 2 4 I 114. " ) E b d . 46 ) S a r t o r i op. cit. 3, 147. 46 ) K u h n 47 ) и. S c h w a r t z 460 Nr. 451. Seyfarth 48 ) W u t t k e Sachsen 290. S. 398 § 6 1 1 . 49 ) D r e c h s l e r 2, 3; W u t t k e S. 398 § 6 1 1 . 60 ) K ö h l e r Voigtland 443. δ 1 ) W u t t k e S. 64 § 74. 6 2 ) Z f V k 7, 74. 5 3 ) F o g e l op. cit. 254!. Nr. 1322. 5 4 ) M a n n h a r d t ι , 502. 521. M ) H e y l Tirol 794 Nr. 199. 5 β ) W u t t k e S. 143 § 196. 5 7 ) MschlesVk. 1, 52. 68 ) W u t t k e S. 397 § 611. 6e) B a r t s c h Mecklenburg 2, 266f.; vgl. auch H e c k e n b a c h De nuditate sacra 51. β0 ) Helden1β)

1425

Unglück

β1) schätz 482f. M e i e r Schwaben 2, 390. 62 ) G r i m m Myth. 3, 445 Nr. 333. 63 ) D r e c h s β4 ) l e r 2, 104; d e r s . Haustiere 12. Ebd. 66 ) Z f V k . 12, 385. ββ ) Z f V k . 14, 7. «') A f R w . 14, ee) 593. Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 23. 69 ) MschlesVk. 1, 52. 70 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft Nr. 3, S. 3. Riegler.

Unglück. „Ein U. kommt nie allein" 1 ), „Holz und U. wächst alle Tage" 2). Aus diesen und ähnlichen Sprichwörtern 3 ) redet die Lebenserfahrung des Volkes. Es weiß, daß das U. dem Menschen viel getreuer folgt als das Glück. Aus Sorge um kommende Widerwärtigkeiten achtet man auf Vorzeichen : Niesen beim Schuhanziehen bedeutet U. 4), ebenso das Finden von Nadeln und Knöpfen 5). Unter den Eiern gibt es U.s-Eier, das sind ganz kleine Eilein®). Man wirft sie über das Haus weg. Selbst die Gestalt des Menschen kann sein U. verschulden 7 ). Bestimmte Zeiten bringen U. : 1. April, I. August, ι . Dezember 8 ) andere Tage wie Neujahr nach dem ersten Begegnis 9 ). Die Karwoche ist unglücklich: Man darf in ihr weder Wohnung noch Dienst wechseln 10 ). Die Begegnung von Hasen, schwarzen Katzen und alten Weibern 11 ), aber auch die von Geistlichen, besonders von Mönchen 12), bringt U. (vgl. Angang u. alte Weiber). Nicht bloß die Zeiten, sondern auch bestimmte Orte sind U.sOrte: Überall darf ein Dieb von Beruf stehlen, nur an seinem U.s-Orte nicht 1 3 ). Mit dem U.svogel ist nicht nur der Mensch von widrigem Geschick gemeint — er fällt auf den Rücken und zerbricht die Nase — sondern es gibt auch bestimmte U.svögel, manchmal von sagenhaftem Charakter 14), andere bekannte, wie die Eule, der Rabe und die Elster, deren Geschrei dem Menschen unheimlich ist 1 5 ), die dazu Tod und U. bringen 16 ). Mit diesem Glauben kommen wir aus dem Gebiete des Zaubers, wo man ζ. B. aus den Schulterknochen des Schweines künftiges Glück oder U. erkennen will 1 7 ), in das Gebiet, da sich der Mensch mit seinem Geschick übermächtigen Personen und Geistern gegenüber sieht und von ihnen abhängig ist. Die Hexen werden Eulen oder bewegen sich in Katzen. Ein armes „Frauli" in Wädenswil, das mit allerhand Waren

1426

hausierte, fluchte Einem U. an, wenn man ihr nichts abkaufte 18). Der Berggeist in Gestalt des Häuers zeigt den Bergleuten U. an; manchmal nimmt er die Gestalt dessen an, der verunglücken soll 19 ). In Tieren, die für den Menschen etwas Unheimliches haben 20), steckt ein Geist: Wer eine Katze umbringt, dem steht großes U. bevor 21 ). Der erscheinende Geist eines Menschen, eines Mönches 22) zeigt U. an, manchmal ein ganz bestimmtes 23 ). Frau Slaczona ist unter den Wenden sehr gefürchtet 24 ). Wer Blauhütel oder den Nachtjäger ziehen sieht, dem bedeutet es U. 2 5 ). Die Sage wendet sich damit zur Unheil bringenden Erscheinung des wilden Jägers und seines Heeres. Wie es möglich ist, einem Anderen U. zu erregen, so kann man sich ein U. zuziehen durch Erzählen des Falles: Das U. wandert. Bestimmte Zusätze: Steen un Been totslagen 26 ), in anderer Gegend auch : Unberufen, unbeschlaggert, schützen gegen das Übergehen. Der unter den Wilden weit verbreitete Brauch, die Köpfe der Feinde gegen heraufziehendes U. auf Pfählen vor dem Dorfe aufzustecken, hat sich gemildert zum Aufstecken von Tierschädeln 27). Selbst ein durch Zeichen bekundetes U. kann abgewendet werden 28 ), ein eingedrungenes herausgefegt, verbrennt im Sonnenwendfeuer 29 ). So kann man auch die „U.sgeister" im Hause beschwören 30). Geht einem Menschen alles nach Wunsch und Willen, so wartet seiner irgend ein U. 3 1 ). Das Widerstreben stiller, furchtbarer Mächte regt sich. Der Gedanke entwickelt sich zu dem fatalistischen, daß Menschen, die in einem unglücklichen Zeichen geboren sind, auf keine Weise den sündlichsten Handlungen ausweichen können, sie müssen dieselben verrichten 32 ). Sie tun das unter dem Einfluß des U.s, das zur Person geworden ist. Das rätselhafte verschiedene Geschick der Menschen, wo der Leichtsinnige Glück hat 3 3 ), den Redlichen aber das U. verfolgt 34); läßt die Vorstellung von dem persönlichen U. entstehen, obgleich die Schicksalsgöttin an sich Gutes

1427

Unglückseier—Unglückstage

und Böses in ihrer Hand hat 3 5 ). Eine eigentümliche, vielfach verirrende Erscheinung, die die individuellsten Züge trägt, ist die vom petit homme rouge der französischen Könige, der auch Napoleon I. Glück und U. anzeigt 3 6 ). Die Bida in Galizien, ein schrecklicher Geist des U.s, der die Menschen aus ihren Häusern vertreibt, scheint doch ein auf Zeit verwünschtes Wesen zu sein 37 ). 2 ) Z d V f V . 6 (1896), i ) U n o t h ι , 188. 183. J o h n Westböhmen S. 61. 4 ) G r i m m Myth. 3, 5 440 Nr. 186. ) Schmitt Hettingen 17. e) B o h n e n b e r g e r 2 2 ; M e y e r Baden S. 4 1 1 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 21; F o g e l Pennsylvania 182 Nr. 876. ' ) Z d V f V . 13 (1903), 8) 269. Lammert 96; F r a z e r 12, 508. s) 10) J o h n Erzgebirge S. 184. Wuttke § 84. i l ) Z f r w V k . 1912, 67. i 2 ) S A V k . 25, 283; G e r h a r d t Franz. Novelle 64. 65. 96. M) Urquell 3 (1892), 136. ") Hopf Tierorakel 19. " ) K n o r t z Vögel 1 2 4 s . ; d e C o c k 1 β Volksgeloof ι (1920), 109. ) Pollinger Landshut 1 6 4 ; M e i c h e Sagen 6 1 7 Nr. 760. 18) " ) W l i s l o c k i Magyaren S. 182. ARw. 1 9 1 7 . 3 7 ; 2 · 269. ") Kühnau Sagen 2, 4 1 7 . 20 ) G r i m m Myth. 3, 440 Nr. 189. " ) E b d . 3, 436 Nr. 68. M ) M e i c h e Sagen 533 Nr. 676. 23) E b d . 121 Nr. 155. « ) E b d . 356 Nr. 465. " ) E b d . 426 Nr. 561. »·) B a r t s c h Mecklen27) burg 2, 3 1 2 ; J o h n Erzgebirge 38. Seligm a n n Blick 2, 1 4 1 . » ) W u t t k e S. 287 § 422. 29) 30 F r a z e r 12, 373. ) S A V k . 1907, 239. 31) E b d . 2, 220. 3 2 ) E b d . 1 9 1 7 , 35. 3 3 ) M ü l 34) hause 73. Krauss ReligBrauch 27. 3 S ) G r i m m Myth. 2, 7 3 1 t . 978; 3, 267. 3 e ) S é 3 7 ) Urquell 2 (1891), b i l l o t Folk-Lore 4, 436. 207. f Boette. 3)

Unglückseier s. E i (und Sp. 1425). Unglücksnächte. Gewöhnlich wird übersehen, daß das einfache Volk den 24 stündigen Volltag nicht kennt und den Tag und die Nächte getrennt betrachtet 1 ). Daher ist bezüglich der Unglückstage darauf aufmerksam zu machen, daß hier zuweilen auch die Nacht dieses Tages in Betracht kommt, besonders für das Schatzgraben. Wahrscheinlich gab es in vorchristlicher Zeit und vor Einführung der Zeitrechung nach Tagen auch in Beziehung auf Unglück eine stärkere Berücksichtigung der Nächte. *) V g l . Martin P. N i l s s o n Reckoning ( L u n d 1920), I i .

Primitive TimeJungbauer.

Unglückstage. ι . Der Glaube an U. tritt uns seit ältester Zeit in zwei Formen entgegen, in der

1428

A s t r o l o g i e der Priester und Gelehrten und in dem davon stark abhängigen V o l k s g l a u b e n , wobei sich „gesunkenes Kulturgut" von vielleicht schon seit Urzeiten vorhandenem primitiven Gemeinschaftsgut schwer sondern läßt. Schon in B a b y l o n i e n , der Urheimat der Sterndeutung (s.d.), war der angenommene Einfluß der Gestirne auf das Geschick der Menschen x ) an bestimmte Zeiten und Tage geknüpft und die Stellung der Gestirne maßgebend, ob die Dämonen, allerdings mit Einwilligung der hohen Götter, den Menschen schaden konnten. Im alten Ä g y p t e n gab es frühzeitig Verzeichnisse von günstigen und ungünstigen Tagen, mehr in Verbindung mit der Mythologie 2 ), da der babylonische Sternglaube erst in der Zeit der griechischen Herrschaft eingedrungen zu sein scheint. Auch bei den G r i e c h e n war die Mythologie die Vorstufe der Astrologie. Hesiod beruft sich zur Begründung seiner Angaben über gute und böse Tage im Monatslauf lieber auf die Geburtstage der Götter als auf den Mondlauf selbst 3 ). An den griechischen U.n (ήμέροκ αποφράδες, μιαραι, ού καθαραί) durften weder Volks- noch Ratsversammlungen noch Gerichtssitzungen stattfinden. In Athen gehörten zu diesen U.n, auf denen ein böses Tabu ruhte, auch die Tage der χόεί, wo die Geister der Verstorbenen umgingen, und die Tage der Plynterien, wo die Stadtgöttin zu Athen abwesend war. Bei den R ö m e r n lieferten die zwei großen Mächte, Religion und Staat, geradezu offizielle U. Dies waren weniger die dies nefasti, welche Ruhe- und Festtage waren, den Göttern gehörten und daher nicht durch Arbeit entweiht werden durften, als vielmehr die mit einer religio behafteten, d. h. tabuierten dies religiosi, vereinzelt noch treffender dies vitiosi genannt. Diese Tage galten als ungeeignet für gewisse A k t e sakraler wie profaner Natur; Eheschließung oder überhaupt der Beginn irgend einer bedeutsamen Handlung, staatliche Akte comitialer oder militärischer Art, Darbringung von Opfern u. a. war entweder ausgeschlossen oder wenigstens bedenk-

1429

Unglückstage

lieh 4 ). Bei der Eheschließung vermied man besonders die den Toten geweihten dies parentales vom 13. bis 21. Februar, den März, in den die Umzüge der Salier fielen, den Mai wegen der Feier der Lemuria und der Argeerprozession, die erste Hälfte des Juni, in welcher der Vestatempel geöffnet war, die drei Tage, an welchen der Eingang zur Unterwelt offen stand (24. August, 5. Oktober, 8. November), die Tage nach den Kaienden, Nonen und Iden (dies postridiani oder atri) und diese selbst, weil sonst der erste Tag im Haushalt auf einen U. gefallen wäre 5 ). Nachtage®) galten überhaupt, wie ähnlich unser Montag (s. d.), neben den geraden Tagen als U. Von den dies nefasti stimmen äußerlich der Zahl nach die 45 feriae publicae mit den meisten 42 deutschen U.n (s. u.) überein. In der späteren Kaiserzeit kamen zu den offiziellen U.n noch die dies aegyptiaci des Volksglaubens (s. ägyptische Tage). Den antiken Glauben an U. pflanzte das Christentum weiter und bereicherte ihn wesentlich. Die Kunst der Sterndeutung hatte Claudius Ptolemäus um 150 n. Chr. in Alexandria als eine Art nüchterner Physik des Weltalls neu zu begründen versucht und damit auf Jahrhunderte hinaus, namentlich auf die Wissenschaft, bestimmenden Einfluß ausgeübt 7 ). Für den Volksglauben selbst bot die Religion den Nährboden, auf dem sich der überlieferte Glaube weiter entwickeln konnte. Dabei kommen die Juden, die sich im allgemeinen vom Aberglauben frei zu halten verstanden, weniger in Betracht, obwohl auch bei ihnen die Tagewählerei (s. d.) bekannt war 8 ). Zu dem altheimischen Aberglauben der einzelnen christlichen Völker haben sicher die Römer am meisten beigesteuert, deren abergläubische Beobachtung der Zeiten, Jahre und Tage fortwucherte, was zuerst von dem Apostel Paulus und später vom hl. Augustinus bekämpft wurde 9 ). Der Kampf der K i r c h e gegen diesen Aberglauben konnte wenig Erfolg haben, da die neue Lehre selbst neuen Stoff bot, indem das Leben

1430

Christi und der Heiligen, wie überhaupt der christliche Jahreskalender, neue U. lieferte, die vielfach auch an Stelle altheidnischer U. getreten sein mögen. Den Anstoß zur Bekämpfung dieses Aberglaubens auf deutschem Boden gaben die Schriften des Bischofs Wilhelm von P a r i s aus der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts, die in Deutschland viel gelesen und benutzt wurden 10). Gleich diesem verwirft der Magister Nikolaus J a u e r , der an der Prager und Heidelberger Universität wirkte, in seiner Schrift „De superstitionibus" (1405) die Beobachtung der dies aegyptiaci (s. ägyptische Tage) und erinnert dabei auch an den damals von vielen geteilten Aberglauben, daß der Tag der unschuldigen Kinder (28. Dezember) ein U. sei, und nicht nur dieser, sondern jeder gleiche Wochentag im ganzen Jahre n ) . Im 13. Jahrhundert hat übrigens auch schon B e r t h o l d von Regensburg in seinen Predigten sich gegen den Glauben an U. gewendet12). Es trat aber eine gegenteilige Wirkung ein. Gerade vom 13. Jahrhundert an liebt man es, Verzeichnisse der Glücksund Unglückstage auch außerhalb des Kalenders (s. u.) zusammenzustellen, die handschriftlich weiter verbreitet werden13). Vieles davon geht auf die Schriften des 735 gestorbenen Theologen Beda zurück 14 ). Diese Verzeichnisse wurden später auch gedruckt und sind entweder als besondere Jahrmarktsdrucke oder eingefügt in Arznei- und Zauberbücher oder Planetenbücher bis in die neuere Zeit herauf immer wieder aufgelegt worden. Zumeist knüpfen sie an den Namen des in der Volkssage zum Zauberer gewordenen Naturforschers Albertus Magnus (s. d.) an 15). Allzu viel Bedeutung darf man diesen Zusammenstellungen von U.n nicht beimessen. Sie wurden nur in den bürgerlichen und höheren Kreisen beachtet, im Volke selbst bestimmt nur von einzelnen Personen, die im Besitze solcher Handschriften oder Drucke waren. Bezeichnend ist, daß man schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts dem Forscher, der in Tirol bei Bauern und alten Mütterchen

Unglückstage

nach einem Verzeichnis der Schwendtage fragte, gewöhnlich die Antwort gab: „ J a , ich habe wohl auch davon gehört, weiß aber nicht bestimmt die Tage" 16 ). Meist sind es 42 U. (s. u.), die sich schwerlich ein einfacher Landmann merken wird. Etwas anderes ist es mit bestimmten Tagen der Woche, des Monats und Jahres, die auch noch im heutigen Volksglauben als U. gelten und daher auch in der folgenden Übersicht vorangestellt werden. Einen festen Platz nimmt im Volksglauben ferner ein, daß Tage, an welchen der Mond abnimmt, zumeist U. sind 17 ). Schwer läßt sich feststellen, inwieweit einzelne U. schon in germanischer Z e i t vorhanden waren, zumal die ursprünglichen germanischen Jahresfeste, die jedenfalls auch hier in Betracht kommen, sich nicht mit voller Genauigkeit erschließen lassen. Das Eindringen des römischen Kalenders war von Verschiebungen aller Art begleitet, und die christliche Festfolge hat die Verwirrung noch beträchtlich vermehrt 18 ). Man kann aber als sicher annehmen, daß schon die alten Germanen bestimmte U. kannten, so im Herbst und im Winter, namentlich in den Zwölften, wo vor allem der G ö t t e r und T o t e n k u l t hereinspielt, dann aber auch Tage im Frühling und Sommer, die in der F e l d - und V i e h w i r t s c h a f t (s. Sonnwendfeuer) sich in ungünstiger Weise bemerkbar machten. Zur E r k l ä r u n g der U. kommt für alle Völker in erster Reihe der Glaube an das unbestimmbare, unfaßbare, über allem schwebende S c h i c k s a l in Betracht, womit sich die F u r c h t vor der ungewissen Z u k u n f t von selbst verbindet. Aus diesem Glauben und dieser Furcht erwuchs erst das Streben des Menschen, diese Zukunft zu erforschen, die Tage, welche besonders verhängnisvoll sein können, festzustellen. Dies glaubte der Gelehrte vor allem aus den Gestirnen lesen zu können, während sich das V o l k mehr an den G ö t t e r g l a u b e n hielt. Dazu kommt in beiden Fällen, in der A s t r o l o g i e und R e l i g i o n , der Glaube

an die geheimnisvolle Bedeutung Z a h l (s.d.).

1432 der

1 ) B o l l Sternglaube 14. Nach B. L a n d s berger Der kultische Kalender der Babylonier und Assyrer ( 1 9 1 5 ) 92. 99 waren die Mondphasentage (1., 7., 15., 28.) mit Ausnahme des 2 1 . Unglückstage (s. kritische Tage). 2 ) L e h mann Aberglaube2 49. 1 5 7 ; Seligmann, 3 Blick ι, 166. ) B o l l Sternglaube 22. 28. 4 ) P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 2 1 5 0 ; W i s s o w a Religion 443fi. 5 ) E. A u s t Die Religion der Römer (1899) 56. 2 1 7 . Auch bei den Griechen waren die den Eumeniden heiligen Tage TJ.„ e vgl. R o h d e Psyche 1, 2 6 g 2 . ) Wissowa Religion 444. 7 ) B o l l Sternglaube 35. 8 ) L e h 2 mann Aberglaube 6 9 ! ; St. Steinlein Astrologie, Sexualkrankheiten u. Aberglaube ( 1 9 1 5 ) i , 50; 2, 103. ») F r a n z Nik. de Jawer 188. 1 0 ) Ebd. 160. u ) Ebd. 189. 1 2 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 5 1 , I49ff. 1 3 ) Ebd. 1 4 9 s . ; Alemannia 22 (1894), 120ff.; 24 (1897), 265ff.; SAVk. 2, i6ji. Vgl. G e r h a r d t Franz. Novelle 1 1 3 . i i 8 f . 14 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. i 4 9 f f . " ) ZföVk. 9 (1903), I 3 7 f f . Nach D i e t e r i c h Kl. Sehr. 199 enthält „Der wahrhaftige feurige Drache", in allerletzter Zeit im Verlag E. Bartels, NeuWeißensee bei Berlin, erschienen, noch ein Verzeichnis der U. 1 β ) ZfdMyth. 2 (1854), 357. 17 ) S a r t o r i Sitte 2, 10. 1 β ) Golther Myth. 598.

2. U. sind bestimmte Tage der Woche, des Monats und des Jahres. Unglückliche Wochentage sind der Montag (s. d.), Mittwoch (s. d.) und F r e i t a g 1 9 ) (s. d.), bei den Magyaren der Dienstag und Freitag 20 ), bei den Südslawen die gleichen zwei Tage und der Mittwoch 21 ), und nur bei den Mohamedanern ist der Freitag ein heiliger und glücklicher Tag 22), endlich innerhalb des Jahres der A s c h e r m i t t w o c h 2 3 ) und Karfreitag24). Bei den Monatstagen spielt, wie auch bei den Wochentagen, wenn sie vom Montag ab gezählt werden, die gerade und ungerade Z a h l eine Rolle. Wie bei den Römern 2S ), so gelten in Ostpreußen die geraden Zahlen als unglücklich, in Pommern dagegen 26 ) und ganz allgemein die ungeraden. Besonders ungünstig ist die Siebenzahl. Der 7. Tag ist stets ein U. 2 7 ) ; wie auch der 17. und 27. 28 ) (s. kritische Tage). An diesen Tagen darf man in Wälschtirol nicht säen, weil sonst die Ernte schlecht ausfällt 29 ). Ebenso gilt bei den Magyaren der 7. Tag eines Monats neben dem 3. und 9. Tag als unheilvoll 30 ). Ein U. ist selbstverständlich

1433

1434

Unglückstage

der 13. Tag eines Monats 31 ). Innerhalb des Monats erhalten auch von Natur aus ungünstige Wochentage erhöhte Unglücksbedeutung. In Baden sind verrufene Tage der letzte Montag im April, weil an diesem Tage Kain seinen Bruder Abel erschlagen haben soll, dann der erste Montag im August, an dem Sodom und Gomorra untergegangen sind, und der letzte Montag im November als Geburtstag des Verräters Judas (s. u.) 32). Unter den U n g l ü c k s t a g e n des J a h res überwiegen die u n g e r a d e n und die, welche die Z a h l 7 aufweisen oder enthalten. Ein besonders böser Tag ist der 17. Juni 33 ), aber auch der 22. Juni (10000 Ritter) 34). In Oldenburg sind der 14. Februar, an dem Judas geboren wurde, und der 21. Dezember, an dem Luzifer aus dem Himmel gestoßen wurde, U. M ). Auch der durch 7 teilbare 28. Dezember, der Tag der unschuldigen Kinder, ist ein U. 3e), ferner in Lübeck der 13. Juni 37 ). An einzelnen Tagen des Jahres fordern die Gewässer ein M e n s c h e n o p f e r (s. Jahresopfer), so am J o h a n n i s t a g 3 8 ) oder zu P e t e r und P a u l , der ein U. ist, weil „zwei regieren" 3e). Der zweite Tag, an dem der Wassermann drei Tote fordert, und der J a k o b i t a g werden in Westböhmen geradezu als Glückstage des Wassermanns bezeichnet 40 ), für den auch jeder Freitag günstig ist 4 1 ). Vom Johannistag heißt es zuweilen, daß er drei O p f e r fordert, eins im Wasser, eins auf der festen Erde und eins in der Luft 4 2 ). Ähnlich sagt man in Niederösterreich, daß sich am 22. Juli (Maria Magdalena) neun Menschen erhängen, neun ersäufen und neun zu Tode fallen 43 ). Opfer fordern auch der Trinitatissonntag und andere Tage 44 ). Häufig kehrt der i . T a g eines M o n a t s als U. wieder 4S). D r e i von diesen gelten als die u n g l ü c k s e l i g s t e n T a g e des J a h r e s , der 1. A p r i l 4 6 ) (s. d.), weil an diesem Tage Judas geboren wurde oder sich erhängt hat oder der Teufel aus dem Himmel gestoßen wurde 47 ), dann der ι . A u g u s t 4 8 ) (s. d.), weil an diesem Tage Luzifer aus dem Himmel gestoßen wurde,

und der 1. D e z e m b e r (s. d.), an welchem Sodom und Gomorra untergegangen ist 49 ). Auch bei den Franzosen gelten diese Tage mit der gleichen Begründung als U. M ). Nach einer älteren Überlieferung sind aber drei M o n t a g e im Jahre, im April, August und Dezember (s. o.) die u n g l ü c k l i c h s t e n T a g e 5 1 ) . An Stelle des 1. Dezembers tritt auch der ι . S e p t e m b e r 5 2 ) oder 1. O k t o b e r 5 3 ) , doch werden stets nur drei Tage angeführt, nie vier Tage, wie dies irrtümlich bei Wuttke geschieht54). Vereinzelt steht, daß mit dem 3. April auch der 1. J u n i und ι . J u l i , die allerdings stets in den Verzeichnissen der U. sich finden, besonders böse Tage sein sollen 55 ). Bei Aufzählung der 42 U. heißt es in den Jahrmarktsdrucken gewöhnlich, daß unter diesen (richtig außer diesen) Tagen f ü n f die u n g l ü c k l i c h s t e n sind, an welchen man namentlich nicht reisen soll, der 3. März, 17. August, 1., 2. und 30. September 56 ). Statt des 3. März wird auch der 13. genannt 57 ) ; in der Schweiz 58) und in Württemberg 59 ) sind diese fünf Tage der ι. März, 18. August, 1., 18. und 30. September. Andere Angaben sind wenig verläßlich, so aus Neudorf bei Graudenz 60 ) der 3. März, 17. August, 30. September, 7. Oktober und 1. November und besonders aus Westböhmen 61) der 3. März, 17. September, 1., 2. und 3. September, wo deutlich ein Schreib- bzw. Druckfehler vorliegt, es 17. August und 30. September heißen soll. Einzelne von diesen besonderen U.n führt eine Freiburger Handschrift des 16. Jahrhunderts unter sechs v e r w o r f e n e n T a g e n des Jahres an 6 2 ). Diese sind: der 25. März, an dem Josef in Ägypten verkauft ward, der 30. April, an dem Scariots Weib ihren Sohn Judas empfing, der 14. Juli, an dem Kain seinen Bruder Abel erschlug, der ι . August, an dem Sodom und Gomorra versank, der 30. September und der ι . Oktober. Die hauptsächlich handschriftlich und in Drucken verbreiteten Verzeichnisse von U.n zählen gewöhnlich die folgenden 42 T a g e auf: ι . 2. 6. I i . 17. 18. Jänner

Unglückstage

1435 8. 16. 1 7 . ι. 12. 13. 15. 3. 1 5 . 1 7 . 18. 8. 10. 1 7 . 30. ι . 7. 10. ι . 5. 6. ι . 3. 18. 20. 1 5 . 18. 30. 15. 17. ι . 7. I i . I . 7. I i .

Feber März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

So überliefert sie das viel verbreitete Büchlein „Albertus Magnus bewährte und approbierte sympathetische und natürliche ägyptische Geheimnisse für Menschen und Vieh. Enthaltend: hauptsächlich viele Pferde-Curen . . . . Fünfte vermehrte und verbesserte Auflage. Braband" 63 ). Auf S. 7 1 dieses Büchleins findet sich vor Aufzählung der U. die Angabe : „Wahrhaftige Prognostica aus Egypten, welches in Ihro Königlichen Majestät bestellten D. Pieni. Horatii Astronomi Turnulli Bibliothek gefunden worden, wie folgt. Als nämlich 42 Tage sind unglücklich in dem ganzen Jahr, wie solches ein Griechischer Autor bezeuget, als welcher an einem hernach gesetzten Tage krank wird, kommt nicht leicht davon". Dieser Hinweis auf Ä g y p t e n (s. ägyptische Tage) und auf einen g r i e c h i s c h e n A u t o r soll die unheilvolle Bedeutung dieser Tage besonders betonen, doch kommt tatsächlich auch ein griechischer Schriftsteller als Quelle in Betracht, Johannes Laurentius L y d o s (um 490 bis 565 n. Chr.) mit seinem Werke über die Himmelszeichen oder die römische Auguralwissenschaft (De ostentis) β4 ), den auch B e d a (s. o.) benützt hat 6 5 ). Was die Z a h l 42 anbelangt, wird man nicht irre gehen, wenn man auch hier einen Zusammenhang mit den rund 40 Tagen (s. d.) und den sechs Wochen (s. d.), die im Aberglauben so wichtig sind, findet. In den sonstigen Überlieferungen w e c h seln hie und da einzelne Angaben bezüglich der Tage. So tritt zuweilen der 17. November an Stelle des 1 1 . , der 10. Juni fehlt und es erscheint dafür der 7. Oktober 66 ) oder der 1. April 6 7 ), oder es tritt der 3. März für den 1. ein, der 17. August für den 18., der 1 . April ist neu, dafür fehlt der 10. Juni, der Novem-

1436

ber hat nur zwei U., den 1 1 . und 17., dafür der September vier, den 1., 2., 15., 30. 6 S ), ferner kann der 10. Juni entfallen und dafür können im Oktober statt zwei drei geänderte Zahlen auftreten, der ι . , 7., 18. e9) ; es können auch eintreten der ι . April für den 3., der 17. und 20. Juni für den 7. und 10. und der 1. September für den 15. 7 0 ). Zuweilen erstreckt sich die Abweichung bloß auf den 7. und 10. Juni, für welche der 17. und 20. erscheinen 71 ). Auch bloß 4 1 T a g e ergeben sich durch Wegfall eines Tages, so des 10. Juni 72 ), wobei zugleich für den 15. und 17. Oktober der 17. und 18. eintreten können 73 ). Auf Abschreib fehler ist zurückzuführen, wenn in handschriftlichen Überlieferungen von 42 Tagen die Rede ist und in Wirklichkeit nur 40 oder weniger aufgezählt werden 74). Umgekehrt kann sich die Zahl der U. durch Hinzufügen anderer vermehren 75 ), kann 45 76), 57, 60 77 ) und mehr betragen, wie besonders in den Kalendern des 17. und 18. Jahrhunderts. So hat ζ. B . der „ S c h r e i b - K a l e n d e r auf d a s S c h a l t j a h r 1 7 2 8 " von Joh. Christoph W a g n e r (Nürnberg) 78 verworfene Tage und führt außerdem als sonst nicht belegte verworfenste Tage des Jahres den 7. Februar, 16. August und 25. September an. Im K a l e n d e r (s. d.) wird es schon frühzeitig üblich, die U. anzuführen. Auf das römische Vorbild geht wohl zurück, wenn der älteste gallische Kalender, der Druidenkalender, den Tagen ein D. oder N. beifügt und damit wohl angeben will, ob nur der Tag oder die Nacht für gewisse religiöse Verrichtungen geeignet ist 7 8 ). In den ältesten deutschen Kalendern findet sich bei den U.n zuweilen der Zusatz D. oder D.Eg., in einem gedruckten Genfer Missale aus dem Ende des 15. Jahrhunderts sogar der Zusatz dies aeger 79). Auf einer hölzernen Kalendertafel des 15. Jahrhunderts sind 39 Tage, die im allgemeinen den obigen 42 U.n entsprechen, durch Einschnitte angemerkt 80 ). Die Kalender nehmen oft Rücksicht auf die Himmelszeichen und die Stellung des Mondes und verzeichnen

1437

Unglückstage

auch, wie ζ. B . besonders ausführlich der 1 5 2 3 zu Oppenheim gedruckte Kalender, die ganz bestimmten Anlässe, für welche die U . und damit die Tagewählerei (s. d.) vornehmlich in Betracht kommt. E i n V e r g l e i c h der überlieferten U . ergibt, daß es sich um d r e i b e s t i m m t e G r u p p e n handelt, deren Ursprung, geschichtliche Entwicklung und gegenseitige Beziehung noch näher zu erforschen sind. E s sind dies: a) Die oben angeführten, auf Albertus Magnus bezogenen 4 2 U . , die auf J o h . Laurentius L y d u s zurückgehen. b) Die auf römische U . zurückgehenden ä g y p t i s c h e n T a g e (s. d.), deren Anzahl ursprünglich 24 betrug, da auf jeden Monat zwei entfielen. Auf sie gehen die v e r w o r f e n e n T a g e (s. d.) im engeren Sinne zurück. c) Die 3 2 S c h w e n d t a g e (s. d.), die auf bayrisch-österreichischem Gebiet und in Siebenbürgen verbreitet sind. Z u diesen kommen endlich als besondere U . die H u n d s t a g e (s. d.) und S c h a l t t a g e (s. d.). Vgl. auch k r i t i s c h e T a g e . 19 ) G r i m m M-yth. 2, 953; W u t t k e 59S. §67ff.; S a r t o r i Sitte 2, 48 s '; A n d r e e Braunschweig1 289; J o h n Oberlohma 165Í. 20) H. v. W l i s l o c k i Magyaren (1893) 70. 2 1 ) S t e r n Türkei ι , 380. M ) Ebd. j, 378. 2 3 ) W u t t k e 84 § 99- 2 4 ) Ebd. 74f. §87; K ö h l e r Voigtland 35g. 26 ) W i s s o w a Religion 436. 2β ) W u t t 27 ke 87 § 105. ) S c h u l t z Zeitrechnung 231. 28 ) M a a c k Lübeck 29. 2 e ) S c h n e l l e r Wälschtirol 247 Nr. 79 = W u t t k e 62 § 73. 30 ) W l i s l o c k i a. a. O. 70. 3 1 ) SAVk. 15 (1911), 6. 32 ) Alemannia 23 (1895), 49. 3 3 ) SAVk. 15, 6; F o g e l Pennsylvania 263 Nr. 1372. 34 ) H o f f m a n n - K r a y e r 163. 3 5 ) S t r a c k e r j a n 2, 90. 36 ) S a r t o r i Sitte 3, 5 3 ! ; R e i n s b e r g Festjahr 226 u. BayHfte 1 (1914), 251 (England). 37 38 ) M a a c k Lübeck 29. ) S a r t o r i Sitte 3, 222; H o f f m a n n - K r a y e r i ö 3 f . ; H e c k s c h e r 39 40 335. ) S a r t o r i a . a . O . 3, 237, ) John 41 Westböhmen2 9of. 261. ) Jungbauer 42 Böhmerwald 51. ) Z a u n e r t Rheinland 1, 239. 43 ) ZföVk. 9 (1903), 141. 44 ) S a r t o r i 7 Sitte 3, 2 1 8 ; W u t t k e 39 §42. " ) John Westböhmen 2 259. 46 ) K ö h l e r Voigtland 359. 47 ) S a r t o r i a. a. O. 3, 167; G e r a m b Brauchtum 31. 48 ) S a r t o r i a. a. O. 3, 167. 237; SAVk. 21 (1917), 225. 4B) Zu allen drei Tagen vgl. R e i n s b e r g Festjahr 226; L e o p r e c h t i n g Lechrain 2 1 2 ; L a m m e r t 96; S t r a c k e r j a n 2, 88; J o h n Westböhmen2 261; P o l l i n g e r Landshut 168; H ö h n Hochzeit Nr. 6, 2 (I); S t e m p J i n g e r Aberglaube 1 1 5 ; Urquell 1 (1890), 66;

ZfVk. ι (1891), 200 (Böhmerwald); ZföVk. 9 (1903), 138; SAVk. 2, 2 2 1 ; Waldheimat (Budweis 1924) ι , 122; T o e p p e n Masuren 76. 50 ) Revue hist. vaud. 1897, 156. 5 1 ) M a e n n l i n g 187ft. = S c h u l t z Alltagsleben 238; A n d r e e Parallelen 2; C r o o k e Northern India 62 (1896) 2, 52. ) S a r t o r i Sitte 3, 167 M a n z Sargans 1 3 5 ; W l i s l o c k i Magyaren 98 f. 53 M ) H ö h n Tod 312. ) W u t t k e 84 § 100. 55 5e ) S t o l l Zauberglauben 168. ) Lammert 95; H ö h n Tod 3 1 2 ; ZföVk. 9 (1903), 1 3 8 ; SAVk. 2, 2 2 1 ; 25, 152; W l i s l o c k i Magyaren 6 δβ 98. ' ) ZföVk. 5 (1899), 1 3 1 . ) Manz Sargans 135. 59 ) H ö h n Tod 312. eo ) Urquell 1 β1 (1890), 66. ) J o h n Westböhmen2 261. β2 ) Alemannia 22 (1894), i2of. 63 ) ZföVk. 9 (1903), 137 = K r o n f e l d Krieg 162; T o e p p e n Masuren 76. Vgl. ZföVk. 5 (1899), 130; W l i s l o c k i Magyaren 98. β4 ) Herausg. von Wachsmuth, 2. Aufl., Leipzig 1897. 66 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 150. ββ ) Urquell 1 (1890), 66. " ) ZföVk. 5 (1899), 130. e8 ) S t r a c k e r j a n 2, 89. ·») S t o l l Zauberglauben 168. ">) M a n z Sargans 134. 7 1 ) L a m m e r t 95, wo der 8. März wohl ein Druckfehler für den 3. März ist. Bei J o h n Westböhmen hieß es in der 1. Auf]. (S. 259), ,,Mai (8. 10. 17. 13.)", das letzte sicher ein Druckfehler für 30. Dies wurde in der 2. Aufl. (S. 261), einfach geändert in „Mai 72 (8. 10. 13. 17.)". ) ZfVk. ι (1891), 200. 73 ) SAVk. 2, 220; 25, 152. 74 ) Ebd. 18 (1914), 36; K u h n u. S c h w a r t z 462 Nr. 460. 7S ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 29 (44 Tage); M e y e r Baden 5 1 1 ; H ö h n Tod 3 1 2 ; Alemannia 23 (1895), 40 (51 Tage). , δ ) D r e c h s l e r 2, i89f. 78 " ) J o h n Westböhmen2 259t. ) Schräder Reallex. 981. 7e ) SAVk. 2, 167t. 8 °) Mitt. antiquar. Ges. Zürich 12 (1858/60), 20 f. 26 ff. 3. In Bezug auf das U n g l ü c k s e l b s t , das dem Menschen an diesen Tagen droht, heißt es oft ganz allgemein, daß a l l e s m i ß l i n g t , was man unternimmt 8 1 ). In den Jahrmarktsdrucken nach Albertus Magnus kehren nach Aufzählung der 4 2 U . meist immer die gleichen vier Punkte wieder: a) So ein Kind an diesen Tagen g e b o r e n wird, bleibt nicht lang am Leben, und so es gleich am Leben bleibt, wird es armselig und elend. b) W a n n sich einer an diesen Tagen v e r h e i r a t e t , die verlassen gern einander, und leben in Streit und Armut. c) W a n n einer r e i s e n tut, kommt er gemeiniglich ungesund wieder nach Hause, oder leidet am Leib oder seinen Sachen Schaden. d) So soll man auch an diesen Tagen keinen B a u anfangen, kein jung V i e h

1439

Unglückszahl—Unheil

absetzen, das zur Zucht bleiben soll, es hat kein Gedeihen, viel weniger etwas a u s s ä e n oder p f l a n z e n , man fange an, was man will, so kommt alles zu Schaden. Darnach folgt gewöhnlich als 5. Punkt ein Zusatz betreffs der fünf unglücklichsten Tage (s. o.), an welchen man nicht reisen soll, und der drei unglücklichsten Tage (s. o.). Wer an den letzten B l u t l ä ß t , stirbt in 7 oder 8 Tagen, und die an einem dieser drei U. g e b o r e n e n Mens c h e n sterben eines bösen Todes oder werden vor der Welt zu Schanden und selten alt 8 2 ). Diese abergläubischen Anschauungen sind auch einzeln verbreitet, namentlich von den an solchen U.n G e b o r e n e n heißt es, daß sie bald, ζ. B. schon am 9. Tage, oder eines gewaltsamen Todes sterben M ) oder daß sie überhaupt entweder sterben oder verderben müssen M ). Auf slawischen Einfluß deutet der in Sachsen 85) und besonders in Preußen 8e) verbreitete Glaube, daß ein solcher Mensch nach seinem Tode zum N a c h z e h r e r wird. Wer an diesen Tagen k r a n k wird, kommt nie mehr zur Gesundheit87) ¡dessen Krankheit wendet sich zum Schlimmen, und er kommt nicht leicht davon 88 ). Dies trifft besonders für die Schwendtage (s. d.) zu. Wer sich an bestimmten U.n einem W a s s e r nähert, kann leicht umkommen (s. o.). Gefahr bringt auch das Reisen. Die Tagewählerei beim Reisen erwähnt schon die Aberglaubensliste in Vintlers Pluemen derTugent, wo V. 7767f. lauten: Vn vil die wellent nit wandren An den v'worffen tagen 8·).

Auch für das S c h a t z g r a b e n , das freilich erst mit dem 17. Jh. zu blühen begann, gibt es U. Eine Handschrift aus dem 16. Jh.80) zählt die folgenden 12 Tage auf, an denen man mit Schätzen nichts anfangen soll: 1. Jänner, 22. Feber, 16. März, 21. April, 22. Mai, 30. Juni, 28. Juli, 22. August, 28. September, 30. Oktober, 21. November, 29. Dezember. Wie man sieht, Tage, von welchen bloß der 1. Jänner unter den obigen 42 U.n vertreten ist.

144Ο

Bezüglich S c h u t z und A b w e h r des Unglücks s. T a g e w ä h l e r e i . 81 ) L a m m e r t 96; John Westböhmen2 259; MaackLübeck29; SAVk. 15 (1911), 6. 82 )ZföVk. 9 (1903), 138. Gleichlautend oder ähnlich ebd. 5 (1899), 130; Urquell 1 (1890), 66; SAVk. 2, 22of.; 18, 36; Manz Sargans 135; John Westböhmen2 26of. Ohne 4. Punkt K u h n u. S c h w a r t z 462 Nr. 460, ohne 5. Punkt L a m m e r t 95; Drechsler 2, 190. Vgl. noch R e i n s b e r g Festjahr 226; S t r a c k e r j a n 2, 89; Meyer Baden 510; S t o l l Aberglauben 168; ZfVk. ι (1891), 200; Alemannia 23 (1895), 49. es) Meyer Baden 511. M ) H ö h n Tod 312. 8 S )Sey8β) W u t t k e f a r t h Sachsen 23. 479 § 765. " ) Drechsler 2, 190; Höhn Tod 312. 88) SAVk. 25, 152. 89) ZfVk. 23 (1913), 6, Lit. 17, dazu noch L a m m e r t 95; John Westböhmen2 261; SAVk. 25, 152. , 0 ) L ü t o l f Sagen 239 Nr. 174.

Zur Lit. vgl. noch die Veröffentlichungen von Max F ö r s t e r im AnSpr. 120 (1908); 121 (1908); 128 (1912) u. 129 (1912) u. in den Studies in English Philology, a Miscellany in honor of Frederick Klaeber (Minneapolis 1929), S. 258— 277 (Die altenglischen Verzeichnisse von Glücksund Unglückstagen). Ferner vgl. H. W e b s t e r Rest Days. London 1916; L. T h o r n d i k e A History of Magic and Experimental Science. London 1923.

Vgl.ÄgyptischeTage, Glückstage, Hundstage, kritische Tage, Lostage, Schalttage, Schicksalstage, Schwendtage, verworfene Tage. Jungbauer.

Unglückszahl s. Zahlen A. Unheil. Die Begriffe Unglück und U. sind nahe miteinander verwandt, im gewöhnlichen Sprachgebrauch werden sie oft promiscue angewendet. Doch ist ein Unterschied zwischen den beiden Begriffen vorhanden, erkennbar für jedermann, er tritt klarer hervor in den Ausdrücken Glück und Heil. Wenn Glück den Zustand des Menschen bedeutet, da ihm alles nach Wunsch und Willen geht, so bedeutet Heil das Wohlbefinden des Menschen im allgemeinen, wobei aber doch der Gedanke zugrunde liegt, daß beide zwar Zustände bezeichnen, die von Ursachen außerhalb der Macht des Menschen mitabhängen, daß aber der Begriff des Heils einen mehr objektiven Charakter trage. Wie die Neigungen des Menschen wechseln, so wechseln auch seine Vorstellungen von Glück, im Laufe des Lebens können sich seine Wünsche auf die verschiedensten Dinge richten.

Das Bestreben ist rein subjektiv, dagegen weist das Wort Heil den Menschen aus sich selbst heraus, zum mindesten auf ein Gut, das einem größeren Verband von Menschen in seinem Werte verständlich und begehrenswert sein kann, es weist auf eine stetig wirkende Macht, von der das Wohlergehen der Menschen abhängig ist. Dasselbe Verhältnis liegt vor in dem Unterschiede der Begriffe Unglück und U. Man kann Unglück eher ertragen als U. Man kann über Unglück spotten 1 ), aber nie über U. So denkt wenigstens der ernste klare Sinn des Volkes. Der gemeine Mann hat im Worte U. sogleich die Vorstellung einer unheimlichen dämonischen Macht, die das Geschick der Menschen bestimmt, sogar bis zu ihrer Unfreiheit 2 ) (vgl. s. v. Unglück). Das U. ist älter als das Heil. Es offenbart sich im Unglücksvogel 3 ) : Rabengekrächz zeigt U. an, ebenso Eulengeschrei 4 ). Als im Jahre 1639 ein großes Sterben geschah, hatten die Raben bei Tage ein greulich Geschrei . . . Im Jahre 1664 des Nachts, ehe in Annaberg 400 Häuser abbrannten, hatten sich etliche Eulen auf das Haus des Bürgermeisters gesetzt und gräßlich geschrien 5 ). Das U. geht eine ganze Menge von Menschen an. Wider dasselbe ist kaum zu helfen. Die Versuche, der Slaczona beizukommen, schlagen fehl®). Der Mensch muß versuchen, sich mit den unheilbringenden Mächten gut zu stellen. Aus dem Grunde soll das Leichengefolge Rosmarin und Zitrone als schützende Gegenstände tragen. Die mitgeführten Lichter und Laternen wehren ebenfalls das U. ab 7). Im Alten Testament wird Saul in das U. verstrickt. Andererseits soll auf einen bestimmten Tag niemand sterben; denn der Herr hat Heil gegeben8). In dem U.-Zauber der Vergeltung sind christliche Gedanken wirksam 9 ). 2 D e C o c k Volksgeloof 207. ) S A V k . 21 3 4 ( 1 9 1 7 ) . 35) K n o r t z Vögel 124ft. ) De 5 C o c k Volksgeloof 109. ) M e i c h e Sagen 617 e Nr. 760. ) E b d . 3 5 6 Nr. 465. ') Sartori Totenspeisung 147. 8 ) Sam. 1 1 , 1 3 . ' ) B o c k e l Volkssage 97. t Boette.

Unhold s. Nachtrag. Uniform als gleichförmige Bekleidung militärischer Personen und Abteilungen Bächtold-Stäubli.

I442

Unhold—Unruhnacht

I44I

Aberglaube V I I I .

wurde erst in der zweiten Hälfte des 17. Jh.s in den stehenden Heeren, vor allem durch Ludwig XIV., dauernd eingeführt *) und später auf staatliche und andere Beamte ausgedehnt 2 ). Bei Einzelheiten der militärischen Uniform mögen hie und da für die Wahl und Verwendung abergläubische Vorstellungen mitwirken, so z. B . wenn das frühere ι . und 2. Leibhusarenregiment in Danzig und das braunschweigische Husarenregiment Nr. 17 an der Pelz- und Feldmütze einen Totenkopf trug und diese Husaren daher T o t e n k o p f h u s a r e n genannt wurden 3 ), oder wenn das Lützowsche Freikorps in seiner U. die schwarze Todesfarbe besonders betonte und daher den Namen „ S c h w a r z e S c h a r " erhielt. Sonst wurde der in neuerer Zeit und namentlich im alten Österreich-Ungarn meist eng anliegenden, kleidsamen U. eine besondere Wirkung im L i e b e s l e b e n zugeschrieben und das Wort vom „Zauber der Montur" geprägt. In der Schweiz verbindet man mit der U. die Vorstellung der e r h ö h t e n m ä n n l i c h e n K r a f t , die von dem Kleid auch auf Menschen übertragen werden kann. So legt im Bernbiet die Kindbetterin die U. ihres Mannes an, um die Geburt zu erleichtern 4 ), und im Emmental heißt es, daß man einem Knaben nach der Geburt zuerst ein Stück von der U. des Vaters anziehen soll, damit er ein guter Soldat wird 5 ).

1 ) Vgl. F . H o t t e n r o t h Handbuch der deutschen Tracht (Stuttgart o. J . ) 7 7 4 s . 2) Vgl. 3 M e y e r Konv.-Lex. 1 9 (1908), 918. ) Vgl. ebd. 637. 4 ) H o f f m a n n - K r a y e r 2 4 ; S A V k . 5 21 ( 1 9 1 7 ) , 179· ) S A V k . 1 5 ( 1 9 1 1 ) , 10. Jungbauer.

unkeusch s. Nachtrag. unrein s. rein. Unruhe s. B ä r l a p p , M a n n s t r e u . Unruhnacht heißt im Mühlviertel in Oberösterreich die Nacht auf den Pfingstsonntag 1 ) oder auch auf die auf den Pfingstmontag 2). Man nennt sie auch Beosetnacht (Bosheitsnacht), weil da von den jungen Burschen allerlei Unfug mit Verstellen von Wagen u. dgl. verübt wird. S. F r e i n ä c h t e .

1 ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 26. 2 ) H m t g . ι , i9of. 2 8 9 ! ·]· Sartori.

46

1443

Unschuld

Unschuld. 1. Die U. im Sinne der Unberührtheit von geschlechtlichen E m p f i n d u n g e n oder E r l e b n i s s e n ist nach allgemeiner, alter, zumal antiker Anschauung die T r ä g e r i n besonderer K r ä f t e . Zur Erklärung vgl. Keuschheit 4, 8410. I29iff. 1333ff.; s.a. Sonntagskind 8, n 6 f f . Die folgenden, das dort Gesagte ergänzenden Belege wiederholen sachlich manches; sie halten sich an den Wortlaut der Quellen des dt.en Volksglaubens, soweit diese von U. sprechen. a) Der U.ige v e r m a g mehr als andere. Er allein kann mit G e i s t e r n v e r k e h r e n und sie erblicken. Nur ganz brave Burschen, die noch keineLiebschaf ten haben, können mit den Saligen tanzen 1 ). Der wilde Jäger tut u.igen Kindern nichts zu Leide 2 ) ; trifft das Mutesheer aber einen, der nicht u.ig ist, den zerreißt es3). Ein u.iges, dreijähriges Kind nimmt einen Geist wahr, den sein Vater nicht sieht 4 ), ebenso einen Menschen, der sich unsichtbar gemacht hat 5 ). Weiße Frauen zeigen sich u.igen Kindern am liebsten®), s. u., desgleichen am Weihnachtsabend das glückbringende goldene Schweinchen7). Auch der Teufel wird nur u.igen Mädchen (und Priestern) sichtbar8). Einem u.igen Kind kann der Teufel nichts anhaben9). Wenn man einem u.igen Kinde während der Fronleichnamsprozession einen Vierklee in die Haare zopft, sieht es alle Hexen10). Der U.ige, ein reiner Knabe, vermag also mehr zu sehen als andere, vor allem in der Zukunft; gerade die Antike hat ihn daher schauend und handelnd beim O r a k e l verwendet, wie uns zahlreiche alte Nachrichten und Rezepte verraten 11 ). Daher finden wir auch bei uns im 16. Jh. einen u.igen Knaben als Kristallschauer empfohlen12). U.ige Kinder sind vor anderen fähig, Diebe und verlorene Sachen zu entdecken13). Bis heute holt man zum Ziehen der Losnummern bei der Gewinnauswahl einer Lotterie gerne die u.ige Hand heran, ζ. B. in Österreich einen Waisenknaben14). Der das Los ziehende u.ige Knabe begegnet bei uns schon in der Lex Frisionum und noch früher im altrömischen Kultus 15 ). Bei einer Hexentortur hat man noch 1753 zwei

1444

u.ige Knäblein kommen lassen, doch „haben sie nichts Außerordentliches gesehen"1®). Groß ist die U n h e i l a b w e h r e n d e , segnende S t ä r k e des U.igen. Man bewahrt das Gedeihen des bestellten Ackers gegen Hexen, wenn nach Beendigung der Aussaat ein u.iges Kind quer über das Land läuft 17 ) — der Pflüger küßt beim ersten Ackern eine Jungfrau ! 18 ) — das Sätuch des Leinsamens muß von der Hand eines kleinen, noch u.igen Mädchens gesponnen sein18). Ebenso muß im Alemannischen ein u.iges Mädchen die letzten drei oder neun Ähren, das Glückshämpfeli, abschneiden, welches im Herbst unters Saatkorn gemischt wird und bis dahin das Haus vor Blitzschlag schützt20). Gegen Gewitter läßt man übrigens auch ein u.iges Kind mit einer kleinen Handglocke vor die Haustüre treten und dort schellen21). DennU. bewahrt nicht nur sich selbst, sondern auch ihre Umwelt vor dem Teufel22) und vor Unheil, vgl. das günstige Abpflücken erster Früchte durch u.ige Kinder 23 ). Mit daher bringt der Angang von Kindern, Knaben, Mädchen, jungen Leuten Glück 24 ). Die Zauberkraft der U. ist natürlich auch im Rechtsleben seit alters benützt worden. Neben dem schon genannten Losen erwartet man ihren Einfluß bei der Grenzbegehung mit der schützenden Umwandlung um die Felder laufender Knaben 25 ). Die entsprechende Abwehr einer Seuche ist noch 1885 in einem russischen Dorfe versucht worden, da sieben jungfräuliche Mädchen, ein fleckenloser Jüngling (und zwei fromme alte Frauen) mitternachts um das Dorf wallen mußten, die Mädchen als Gespann einer von dem Burschen gelenkten Pflugschar, welche eine bannende Furche zog 26 ). Einst sehr geschätzt ist das von einem u.igen Mädchen von bestimmtem kindlichen Alter verfertigte Nothemd oder St. Georgshemd gewesen, das gegen Hieb, Stich und Schuß wie auch vor Gericht schützen sollte27). Die U. vermag jedoch nicht nur Böses abzuwehren, sondern auch Verstricktes zu erlösen. Die Stärke der U. wird oft ausdrücklich gefordert, um eine (weiße) Jungfrau zu erlösen28) oder einen Schatz zu

1445

Unschuld

heben28). Statt der U. von Kindern oder jungen Leuten erlöst auch „u.ig vergossenes" Tierblut30). Vgl. die Gewinnung der Krone des Schlangenkönigs durch einen sittlich Reinen 31 ). Das Opfer eines u.igen K i n d e s strahlt besonders wirksame Kräfte aus. Sein Lebendigeinmauern als Bauopfer überliefert manche Sage32). Auch der bedrohte Deich am Meere wird gestärkt durch Eingraben eines Kindes in einer Tonne, ein Dammbruch wird mit dem Blut u.iger Kinder verstopft 33 ). Andrerseits fordern Naturgewalten gerade das U.ige als Opfer, so als jährliches Opfer des Flußgeistes34). Um das Christophein zum Erfolg zu führen, verschreibt einer sein achtjähriges Kind dem Teufel 35 ). Das Fleisch u.iger Kindlein begegnet 1695 nach einem Schwyzer Protokoll in einer Hexensalbe3®). Das entspricht der Verwendung der Kraft der U. in der Heilkunde. So wird gegen das Bettnässen ein Stück des verunreinigten Hemdes einem u.igen Mädchen heimlich in den Sarg gelegt 37 ). Der „ganz u.ige" Knabe und die „reine" Jungfrau werden als Sammler, Verfertiger oder Besitzer von Heil- und Schutzmitteln gefordert38) oder als Ausüber der heilenden Handlung 39 ), nicht zu reden von dem Blut u.iger Kinder und reiner Jungfrauen als bestem Mittel gegen Aussatz und andere Krankheiten40) oder von dem heilenden Geschlechtsverkehr mit einer noch nicht mannbaren Jungfrau 41 ). Das letzte erscheint gemildert in dem Glauben, ein kleines Büschel Haare von einem kleinen u.igen Mädchen schütze, auf der Brust getragen, gegen geschlechtliche Anstekkung 42 ). Eine dem Blute ähnliche heilende Kraft wohnt dem Harn u.iger Kinder inne43). Man denke auch an die K r a f t der U n g e t a u f t e n und der U n geborenen, an den Zauber mit ihren Händchen und Fingerchen, der, in Osteuropa bis in die Neuzeit, zur Ermordung schwangerer Frauen geführt hat 44 ), vgl. Diebslichter 2, 229ff. 4, 13361 6, 171 f. b) U.ige K i n d e r , w e l c h e s t e r b e n , fliegen über das Fegfeuer hin dem Himmel zu; was sie dabei übrige Schmerzen ausstehen, kommt ihren Eltern zu gut 45 ).

1446

Im Himmel wartet ihrer ein besonderer Platz unter dem Schutze Marias48), soweit sie nicht nach katholischer Lehre als Ungetaufte von der Anschauung Gottes ausgeschlossen sind47). Die Ungetauften haben auch auf Erden ihren vom allgemeinen Friedhof abgetrennten Begräbnisplatz, den „U.igen-Gottesacker" 48 ). Gerade ihre Gräber zu necken, kann dem Spötter übel bekommen49). U.ige Kinderseelen erscheinen als weiße Mäuse50). c) Schien die U. liederlicher Mädchen in Frage gestellt, so sollte sie früher durch den Empfang des Abendmahls erwiesen werden können 51 ), noch heute durch das Gefeitsein vor Bienenstichen52), s. w. § 2a. Mancherlei Zeichen verraten aber die v e r l o r e n e U. Hebt ein Mädchen einen Topf kochendes Wasser vom Feuer und hört dieser auf zu kochen, so ist das Mädchen nicht mehr u.ig 53 ). Und in Schweden hat es einst geheißen : wiehern die Hengste viel beim Brautritt zur Kirche oder springen dem Spielmann oft die Saiten, dann ist die Braut keine Jungfer mehr54), s. w. oben 4, 8450. Den u.igen Mädchen aber erscheint die Kindsmörderin, die sich selbst ertränkt, zur Warnung55). Zur Rettung bedrohter U. vgl. oben 4, 853. !) Z i n g e r l e Sagen 42. 2 ) ZfVk. 13, 1 8 5 1 3) (Pommern). K ü n z i g Schwarzwald 100. 4) L e n g g e n h a g e r Sagen 50. 53. 6 ) Z f V k . 8, 251 f. (Südtirol). ·) G r i m m Myth. 2, 804. ' ) S. o. 7, 1504. β ) Z i n g e r l e Sagen 390. 8 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 50; vgl. Z f V k . 9, 370 (Tirol). 1 0 ) Z i n g e r l e Tirol 107. n ) G r i m m Myth, ι , 487; F e h r l e Keuschheit 54ff.; MschlesVk. 22 (1920), 3; s. o. 3, 315. 1040. 4, 56ofi. 5, 581 fi. « ) K i e s e w e t t e r Faust 479. 1 3 ) F e h r l e Keuschheit 59; s. o. 2, 211. 1 4 ) Münchener Illustrierte 1932 Nr. 22; v. K ü n ß b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel (1920) 29. 1 5 ) S. o. 5, 1362. l e ) D e t t l i n g Hexenprozesse 1 7 86. ) Strackerj a n ι , 54. 426 = S a r t o r i Sitte 2, 66 A. 28. 18 ) M e y e r Baden 4 i 7 f . " ) R e i s e r Allgäu 2, 352. 2 °) M e y e r a. a. O. 431; W. § 6 6 1 ; S A V k . n , 2 6 i f . ; F e h r l e a . a . O . 60; s . a . W. §660. 2 1 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 412 = Z f V k . 7, 365. 22 )

J e g e r l e h n e r Sagen 2, 196. S . o . 4, i299f. 1334f. 24 ) W. §§ 288. 290. 25 ) K ü n ß b e r g a . a . O . 2 9 ! ; K n u c h e l Umwandlung 75. 108; s.o. 3 , 1 1 4 1 . 2β ) U s e n e r in HessBl. i, 202Í.; M a n n h a r d t 1, 56ifi.; s.o. 3, 2i6ff. 7, 953. 27 ) G r i m m Myth. 2, 920. 3, 459; ZfVk. 23, 125; K ü n ß b e r g 31; s. o. 3, 675. 1300. 1 7 1 3 s . 4, Ι 335· 29 ) G r i m m Sagen 9 Nr. 13 = F e h r l e 59f.; E c k a r t Südhannover. Sagen 39t. 201 („ein Mensch, der noch nichts Böses getan hätte"); 46*

1447

Unschuld

S c h a m b a c h u. Müller 45; W o l f Beiträge 2, 245; P a n z e r Beitrag 2, 19gi.; K ü n z i g Schwarzwald 271 ; K u o n i St. Galler Sagen 220; s. w. oben 2 . 935*· Anm. 130. 4, 207. 853. 1299. 2 *) G r i m m Myth. 2, 8 1 1 ; Kiihnau Sagen 1, 615. 3, 563. 569. 612; H e c k s c h e r 1, 109; M a c k e n s e n Nds. Sagen 185; Sieber Harzland 2 1 6 ; Z a u nert Hessen-Nassau 44; K a p f i Schwaben 60. 65; Müller Urner Sagen 1, 282. 287; K u o n i а . a . O . 1 7 3 ; V e r n a l e k e n Mythen 1 3 7 ; H e y l Tirol 34. 510; s. a. oben 4, 1298. 7, iooôfi. 30 )MeicheSagewi53;Hellwig.í4&e»'gíaj«6e 108 f. ; AKrim. 24, 125. 3 1 ) S. o. 7, 1177. 1 1 8 7 Anm. 647. 3a ) A n d r e e Parallelen 1, 18; H e c k s c h e r Hannover ι, 103; K ü n ß b e r g a. a. .O 3 3 ! ; s.w. oben i, 962Í., 3, 1561. 4, 1301. 1338. 1361*1. б, 166f. 3 3 ) K ü n ß b e r g 34. 3 4 ) G r i m m Myth. 1, 409; G r i m m Sagen 4 3 I Nr. 6if. 3 5 ) K ü n z i g a . a . O. 1 1 5 . 3 » ) D e t t l i n g a . a. 0 . 1 0 5 . 3 7 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 116. 38 ) A l b e r t u s M a g n u s (Enßlin) 4, 4. 5; B u c k Volksmedizin 70; B o h nenberger 21 ; W. § 542; F e h r l e a. a. O. 5 9 ! ; vgl. oben 3, 1226. 4, 1300. 8, 554. 3e ) W. § 697; Z a u n e r t a. a. O. 3 1 8 ; SAVk. 10, 103; vgl. oben 6, 1651. 40 ) F e h r l e 61; H e l l w i g Aberglaube 66; B o l t e - P o l i v k a i, 56; Z i m m e r mann Volksheilkunde 73; (W. §497). 4 1 ) S. o. 3, 748; neuere Fälle s. AKrim. 51, 182 (Sachsen 1912). 53, 144; vgl. A v é - L a l l e m a n t Gaunertum 2, 22; Groß Handbuch 1, 531. 4a ) SAVk. 19, 43 215 (Soldatenglaube). ) S. o. 3, 1476. 4, 1295t.; vgl. B a r g h e e r Eingeweide 150. 44 ) H o 46 v o r k a - K r o n f e l d x, 313. ) Birlinger Volksth. I, 475. 4e ) P a n z e r Beitrag 2, 379; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 287t.; s. o. 6, 1453. 7, 949. 47 ) Rochhol ζ Kinderlied 345; vgl. L. Tho ma Andreas Väst! 4β ) A l p e n b u r g Tirol 66; vgl. aber oben 3, 1310. 48 ) Pollinger Landshut 134t.; s. w. oben 3, 88fi. " ) S. o. 6, 40. 6 1 ) S. o. 3, 1038. " ) F e h r l e a. a. O. 56t.; K n o r t z In63 64 sekten 30. ) L a m m e r t 146. ) Arndt Reise durch Schweden (1806) 3, 2 1 ; vgl. K n o o p Hinterpommern 158 Nr. 38. 65 ) Alemannia 5, 96 = K a p f f Schwaben 79.

2. DieU. des zu Unrecht Angeklagten oder gar Verurteilten und Hingerichteten ist begreiflicherweise ein beliebter Gegenstand der Volkssage, die von allerlei Mitteln weiß, die bezweifelte U. ans Licht zu bringen, und von wunderbarem Geschehen erzählt, welches alsbald nach der Anklage oder erst nach dem ungerechten Urteilsvollzug die U. enthüllt. Das christliche MA. hat hier alte magische Verfahren und Vorstellungen vom lebenden Leichnam und der Tierseele mit biblischen und christlichen Legenden zu berufenen und unberufenen,, Gottesu r t e i l e n " verschmolzen, vgl. 3, 997 ff. a) U.- und Treueproben. Die U. im Sinne jungfräulicher Reinheit oder

1448

ehelicher Treue zu prüfen, hat man einst verschiedene Verfahren angewandt, die als Gottesurteile aufgefaßt worden sind, so das Durchkriechen durch eine Höhle oder einen durchlöcherten Stein66), das Tragen von Wasser in einem Sieb67). Nach einer elsässischen Sage stieß ein zweifelnder Gatte im Walde sein Schwert in die Erde, um beim Herausziehen an der Feuchtigkeit des Schwertes die Schuld der Frau zu erkennen; eine alsbald hervorsprudelnde Quelle klagte diese an68). Demgegenüber erscheint sonst die Quelle als Anzeiger von Reinheit und Treue; wenn man dem Mädchen die Nadel des Kragens raubt, welche dem Herzen am nächsten sitzt, und wirft sie in Quellwasser, dann verrät Schwimmen der Nadel U., Untertauchen das Gegenteil69). Oder die Gattin muß die Haiid in die Quelle tauchen: bleibt sie rein und weiß, so ist sie treu, wird sie schmutzig, untreu60). Eine andere Treueprobe wird ebenfalls aus der Colmarer Gegend überliefert, wo ein beweglicher Stein ein gutes Zeichen gibt, wenn er nur mit dem Zeigefinger bewegt werden kann 61 ). Ein beliebtes Verfahren hat man mit einem Magnet stein geübt62). Zu den §2b genannten U.zeichen gehört das folgende: ein des Ehebruchs Beschuldigter will einen dürren Ahornbaum umfassen, welcher durch Dürrbleiben oder Grünen Schuld oder U. bezeugen solle63). Weitere Gottesurteile, welche die U. des Ehebruchs angeklagter Frauen verkünden, vgl. oben 3, 1025, Anm. 164 (Feuerproben!). Solche Gottesgerichte im Falle der Schuld der zu Prüfenden durch listigen Betrug in scheinbare U.zeichen umzugestalten, ist ein altes, verbreitetes Motiv der Weltliteratur64). U.proben im Hexenprozeß s. o. 3, io2gfí. 1858. 6, 928. b) Neben die gesuchten treten die ungesuchten U.zeichen. Um die U. angegriffener Klosterfrauen zu beweisen, wird ein alter Baumstamm zu einem Myrthenbaum66). Ebenso treibt ein loser dürrer Rosenzweig zum Zeichen der U. einer fälschlich der Untreue beschuldigten Gattin drei Rosen66); ein Wunder dieser Art kann auch für einen u.ig Gerichteten

1449

Unschuld

zeugen, s. u. Ein u.ig als Kindesvater verleumdeter Bischof wird nach Gregor v. Tours von einem erst einen Monat alten Kind entlastet67). Dem u.ig Verurteilten helfen gleichfalls mancherlei Wunder im Stil der christlichen Legende. So wird einer, der im Gefängnis ein Marienbild angerufen, wunderbar von seinen Fesseln befreit und als u.ig offenbart68). Einen andern rettet vor der Hinrichtung eine geheimnisvolle Erscheinung, welche mit einem Freischuß in einen mit Zeichen beschriebenen Stein trifft und dadurch den wirklichen Täter tötet69). Ein siebenjähriges Kind, das im Spiel ein Kaninchen erschossen, soll deshalb grausam geköpft werden, doch der Himmel läßt dem Scharfrichter das Beil entfallen, das den grausamen Richter trifft 70 ). Eine U.ige kann nicht ertränkt werden71). Ebensowenig kann ein u.ig Gehenkter sterben, er bleibt Tage, ja, Wochen hindurch am Leben, bis er vom Galgen gelöst wird, wie die verbreitete Legende von den Jakobspilgern berichtet72). Sogar ein u.ig Enthaupteter wird einmal mit Hilfe eines Heiligen (S. Ulrich) wieder belebt73). Neben dem Heiligen erscheint auch der Teufel als Retter eines U.igen74). Es ist schon antiker Glaube gewesen, daß einen u.ig Gerichteten ein Wunder rette75). Zum Dank für die unbegreifliche Befreiung solcher u.ig Verurteilter soll bei uns manche Kapelle gestiftet worden sein76). Ähnlich wunderbar wird ein Ritter zum Zeichen seiner U. bewahrt, als er sich mit seinem Roß in einen Abgrund stürzt77). U.ig Gerichtete aber zu rechtfertigen, läßt sich das Volkslied besonders angelegen sein78). Nach Lied und Sage klagen dann die verschiedensten Zeichen die vollzogene Untat an, vgl. oben 3, 105g ff. (im folgenden ergänzende Belege). Gott weint mit dem U.igen: aus heiterm Himmel fällt Regen herab79). Der Körper eines u.ig Gerichteten hört nicht auf zu bluten80), das B l u t fließt als Milch81); noch aus dem Grabe tröpfelt alljährlich in der Todesnacht Blut aus dem Herzen des u.ig Gerichteten82). Das Blut u.ig Getöteter ist unverwischbar, zum Zeichen des Unrechts haftet es für immer an der Wand

145Ο

oder am Boden83). Aus Märtyrerblut wächst eine immergrüne Eiche84), sprießen Blutnelken auf 85 ). Ebenso grünt das richtende Schwert, die Rute wird zum Baum86). Aus dem Rumpf des u.ig Enthaupteten fliegt eine weiße Taube auf 87 ). Der U.ige geht zum Zeichen als Schaf um 88 ). Ein Mann, der u.ig in einem eisernen Korb in einen Schornstein gehängt worden, um dort sein Leben auszuschmachten, verhieß, daß ewiglich um die Zeit seiner Marter jene Fliegen wiederkehren sollten, „die an seinem Leichname gesogen hätten", zum Zeugnis der an ihm begangenen Untat, und alljährlich schwärmten zur gleichen Zeit zahllose farbige Fliegen aus jenem Schornstein hervor89). Der u.ig Hingerichtete erscheint dem wirklichen Täter, so einer namens Michel jede Michaelisnacht90). Ebenso kehrt der u.ig Ermordete wieder und klagt den Mörder an 91 ). Ein u.ig gehängter Priester fordert seinen Richter vor Gottes Gericht92). Gelegentlich muß deshalb der Urheber der ungerechten Hinrichtung am Todesort spuken, ζ. B. als Pudel an dem Galgen des u.ig Gerichteten93). Oder der straflos ausgegangene Schuldige geht um und ruft: der Surberger (der Name des u.ig Hingerichteten) hat Recht94). Wo aber ein Mensch schuldlos gerichtet oder ermordet worden, zeigt Graslosigkeit des Platzes seine U. an96). Oder der u.ig Hingerichtete hatte gesagt: so wahr ich u.ig bin, sollen auf dem Platz, so weit mein Blut hinspritzt, nur Binsen wachsen; und gleich, als er geköpft war, kamen Binsen aus dem Boden, die man gar nicht vertilgen kann96). Hier erscheint die P f l a n z e , ihre treibende Kraft, als Träger des wunderbaren Einspruchs für die U., vielleicht in animistischem Sinne. Das gilt auch für die letzten Fälle: der Pfahl, mit welchem ein u.iges Mädchen gepfählt worden, wächst jede Nacht97), oder er grünt98); über dem Grab eines U.igen bleibt der Rasen immer grün 99 ); aus dem Grabe u.ig Gemordeter wachsen Lilien100), ein Rosenbusch101). M ) S. o. 2, 487; s. a. 4, 845f. 1303 Anm. 70. " ) S. o. 7, i666f. M) Stöber Elsaß 1, 81 = Sébillot Folk-Lore 1, 183. 253. 6») Sébillot 2, 253f.; vgl. Neue Alsatia 1885, 187s. (Gan-

1451

Unschuldige Kindertag

golfslegende); W e i n h o l d Quelle 60; G r i m m RA 2, 599. «») S é b i l l o t 2, 192. · ι ) Ebd. 4, 49. S. o. 5, 1480f. «3) K r a u ß Relig. Brauch 33, • 4 ) Vgl. Fataburen 1931, 175ft.; der zweideutige Eid im Tristanroman! vgl. W. G o l t h e r Tristan u. Isolde (1907), bes. S. 28. 59fi.; ders. D. Sage V. Tristan u. Isolde (1887) S. 13ft. «5) N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 70Í. , e ) Z i n g e r l e Sagen 564. 6? ) M e y e r Aberglaube 162. 88) S c h e l l 113; auch verschiedene Heilige wie Nikolaus, Leonhard und Dismas retten u.ig Verfolgte und Gefangene, vgl. v. K ü n ß b e r g Rechtl. Volkskunde (1936) 23. 29; H. G ü n t e r D. christl. Legende d. Abendlandes (1910); s. o. 3, 430. 6, 1089. ·») W i t z s c h e l Thüringen 1, 1 5 8 ! *>) E r k - B ö h m e 1, Nr. 64; K ü n ß b e r g Rechtsbr. u. Kindersp. 3 0 ! 7 1 ) G r ä s s e Preußen 2, 538 (Elbing 15. Jh.). '2) SAVk. 2, 223fr; L ü t o l f Sagen 368. 533; B o c k e l Volkslieder 8ff. Nr. 2; G e r i n g Aevenlyri 2, 172; vgl. oben 4, 622. 73 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 47. M) Zaunert Westfalen 304I 356. 76 ) R o h d e Griech. Roman (1900) S. 420 §392. ' · ) SAVk. 2, 224f.; P o l l i n g e r Landshut 91. " ) S c h e l l 224. 78) B ö c k e l Handbuch 107I 131 ff.; H. F e h r D. Recht in d. Dichtung 437ff. 447fí. 462.. 486. '») P f i s t e r Hessen 154. M ) K r u s p e Erfurt 2, 12. 81 ) G ü n t e r a. a. O. 98; ARw. 13, 548; B a r g h e e r Eingeweide 131; S i e b e r Harzland 138; vgl. oben 6, 252. M ) M e y e r Schleswig-Holstein 173. 83) B i r l i n g e r Schwaben 1, 279s. (Zimmerische Chronik); Alpensagen 278.281; C u r t z e Waldeck 385; K u h n u. S c h w a r t z 179ft.; K ü h n a u Sagen 3, 28of. 4290.; Urquell 3, 5. 210. 2 7 0 ! ; B a r g h e e r 6 7 s . 131. 81 ) G ü n t e r 99. 86 ) B a r g h e e r 69. 8e ) Z a u n e r t Westfalen 171; vgl Stabwunderl 87 ) G ü n t e r 148. 191; M e y e r a . a . O . i ö g f . ; P f i s t e r Hessen 154. 88) S i e b e r 8») Harzland 183. P f i s t e r a . a . O . 156. K a p f f Schwaben 151. 81 ) G r ä s s e Preußen 2, 10. , 2 ) S. o. 3, 974; vgl. H a r d u n g Vorladung vor Gottes Gericht (1934), bes. S. 77fi. K ü h n a u Sagen 1, 68f. 67; vgl. oben 7, 693. M ) K u o n i 48. 85 ) S c h e l l 224; L y n k e r Sagen 119; MaiUy Dt.Rechtsaltertümer iggS.9e) K ü n ß b e r g Rechtl. Volkskunde 21. 87 ) M ü l l e n h o f f , 8 ) Egerl. 8, 11; Sagen 141. G ü n t e r 122. *·) M e y e r a. a. O. iogf.; P f i s t e r a. a. O. 153. 10 °) H e b e l Pfalz. Sagen 20; vgl. oben 3, 1061. 5, i3oof. Anm. 4. 101 ) P f i s t e r 153; vgl. A l p e n b u r g Tirol 395. Müller-Bergström.

Unschuldige Kindertag. ι. Der 28. D e z e m b e r ist den Opfern des Kindermordes von Bethlehem geweiht und bildet den Schluß der eigentlichen Weihnachtstage, daher heben schon die Beglückwünschungen zum neuen Jahre an 1 ). An ihm genossen — vielleicht in Nachwirkung der Saturnalien — früher die Kinder allerlei Freiheiten2), namentlich auch die Schüler der mittelalterlichen Klosterschulen (s. K i n d e r b i s c h o f ) 3 ) .

1452

Kinder und Erwachsene üben das „Schlagen mit der Lebensrute" 4 ). In Belgier, werden vorzugsweise die im Laufe des Jahres verheirateten jungen Eheleute mit Ruten gestrichen 5). Frauen werden um die Füße geschlagen, „damit sie nicht räudig werden" 8 ), auch Kindei 7 ) und Bäume zur Förderung ihrer Fruchtbarkeit 8 ). 2) H ö r m a n n Volksleben 240 Sartori Sitte 3, 53; S c h n i p p e l Ost- u. Westpr. 1, 109; Volkskunde 27, I33f.; 28, 116. 3 ) E k k e h a r d Casus St. Galli 26. Vgl. F a b r i c i u s D. akadem. Deposition 15; M e i s e n Nikolauskuli 308. 311. 312 ff. — Augustin kannte das Fest der U. K . noch nicht; dagegen kommt es im afrikanischen Kirchenkalender des 6. Jh. vor: K e l l n e r Heortologie 117. *) S a r t o r i 3, 46; T i l l e Weihnacht 252ft. Die Bezeichnung „kindein" für das Schlagen soll aber nicht von den „unschuldigen Kindern" herrühren, sondern von Kind-Rute: Mitteil. u. Umfragen z. bayer. Volkskunde 1 (1895) Nr. 4, 1. 6 ) M a n n h a r d t ι, 268. e ) P a n z e r Beitr. 2, 307. 7 ) SchwVk. Ii, 45; W l i s l o c k i Magyaren 168. 8 ) G r i m m Mythol 3, 472 (991); W i t z s c h e l Thüringen 2, 175 (32: Rhön).

2. Der Tag gilt als U n g l ü c k s t a g 9). Man soll nicht viel arbeiten und kein großes Geschäft anfangen 10 ), den Stall nicht ausmisten u ), nicht Hochzeit machen i a ). Dienstboten verlassen weder den alten Dienst noch treten sie einen neuen an 13). Im oberen Böhmerwalde ist Holzhauerfeiertag 14). Alles Vieh bleibt im Stalle, und das Fuhrwerk wird eingestellt 1S). Der Wochentag, auf den U.K. fällt, bleibt das ganze Jahr hindurch unglücklich l e ). In Rybnik wird, wenn U.K. einen Dienstag trifft, das ganze Jahr hindurch an einem Dienstag keine Hochzeit gefeiert, obgleich dieser sonst immer dazu gewählt wird. Die Leute glauben, daß eine an einem solchen Tage geschlossene Ehe mit allzu zahlreicher Nachkommenschaft gesegnet sein würde, und wählen daher in einem solchen Jahre immer den Montag oder Mittwoch 17 ). In Schlesien soll man nicht Hirse säen an dem Tage, auf den im vorigen Jahre der U.K. gefallen ist 1 8 ). Dagegen wird an einem solchen Tage in Schwyz der ganze Garten gegraben, damit Mäuse und Maulwürfe keinen Schaden tun können 19 ). Gegen Fliegenstiche trinkt man am U.K. Schnaps20).

1453

Unser Vater—unsichtbar

· ) S a r t o r i 3, 5 4 ; Z f V k . 1 1 , 276 (Ende d. 10 1 5 . Jh.). ) D r e c h s l e r 1, 166. " ) Urquell 12 ι (1890), 1 1 0 (Röhn). ) J o h n Westböhmen 13 132. ) S c h r a m e k Böhmerwald 122. 1 4 ) Ebd. 1 2 2 . 1 5 ) D r e c h s l e r 1, 166; E b e r h a r d t Landwirtschaft 1 4 ; G r i m m Mythol. 3, 454 (594: Pforzheim). 1 β ) Z f V k . 1 1 , 276. » ) MschlesVk. 21 (1919), 106. l 8 ) D r e c h s l e r 2, 5 1 . " ) S A V k . 20 1 5 , 1 8 3 f . (16. Jh.). ) J o h n Westb. 25.

3. Wenn es am U.K. regnet, so ist das keine gute Vorbedeutung für die W ö c h n e r i n n e n des kommenden Jahres 2 1 ). Ist das Wetter trüb, so sollen darin mehrere sterben 22 ). Wenn Federgewölk am Himmel ist, so haben sie ein unglückliches Jahr, insbesondere sterben viele Buben 23 ), oder es gibt viele schwere Geburten 24 ). Ist dagegen helles Wetter, so bringt das J a h r glückliche Geburten 2B ). Wenn es früh schneit, sterben das Jahr hindurch viele Kinder, wenn mittags, viele Erwachsene, wenn abends, viele alte Leute 2 6 ). 21 ) R e i s e r Allgäu 2, 25. 2 2 ) H ö h n Tod 3 1 2 . ) V e r n a l e k e n Alpensagen 395 (56: Zürich). 24 ) Ebd. 344 (Zürich); vgl. S t o l l Zauberglauben 169. 2 6 ) H ö h n Geburt 2 5 7 ; M e y e r Baden 484. ίβ ) Z f V k . 6 (1896), 407 (Iglau in Mähren). S3

4. Im alten Sursee zog am U.K. die Narrengestalt des „Heini von Uri" um, Gaben sammelnd und von der Jugend mit Rüben beworfen (vielleicht eine Art Winteraustreibung) 27 ). In Oberösterreich geht Frau Berhta mit einem Zuge kleiner Kinder um 28). 27

28 ) H o f f m a n n - K r a y e r 112. ) Baumg a r t e n Jahr u. s. Tage 14 A n m . 7. \ Sartori.

Unser Vater s. Vaterunser. unsichtbar. Unsichtbarkeit ist eine Eigenschaft der G ö t t e r und G ö t t i n n e n 1 ) , der D ä m o n e n 2 ) , wie überhaupt aller ü b e r n a t ü r l i c h e n W e s e n , die, meist als luftartig vorgestellt, sich jederzeit in Luft auflösen und zergehen können 3 ). Dies gilt auch für W i c h t e 4 ) , weiße F r a u e n 5 ) und alle übrigen G e i s t e r 6 ) , wozu auch die Geister der T o t e n gehören, die oft unsichtbar in die Häuser der Menschen kommen und auch nach ihrem Begräbnis an ihrem Leichenschmaus teilnehmen 7 ). Den „ U n s i c h t b a r e n " stellt man in den Wohnungen Tellerchen mit Speisen auf 8 ). Denn auch alle H a u s g e i s t e r 9 ) sind unsichtbar; doch kann man evtl. ihren Schatten sehen 10 ), oder aber man sieht sie wie

1454

Schatten u ) ; auch machen sie sich manchmal durch irgendwelche Geräusche bemerkbar 12 ). In Sagen und Märchen wird oft von diesen unsichtbaren Geistern erzählt 1 3 ). Unsichtbar geben sie Menschen einen Auftrag 1 4 ) und üben oft eine strafende und schädigende Macht aus 1 5 ), indem sie Ohrfeigen austeilen 16 ), einen Dieb festhalten 1 7 ) u. a. Unsichtbar ist auch das Jagen und Treiben des w i l d e n J ä g e r s 1 8 ) ; in unsichtbaren Netzen werden nach schwedischem Glauben Mensch und Vieh von den Skogrâs gefangen 1 9 ). Mit unsichtbarer, kalter Hand faßt der T o d sein Opfer an Andere Geister sind den Menschen aber auch unsichtbare Helfer 21 ). Einzelne bevorzugte Menschen haben allerdings die Gabe, diese unsichtbaren Wesen sehen zu können 22 ). Besonders S o n n t a g s k i n d e r gelten als geistersichtig 23 ), ebenso Kinder, die zwei Freitage ungetauft blieben 232 ), oder die im Advent zur Welt kamen 23b ). Und diese Gabe ist auch übertragbar. Wer durch den Ring des eingestemmten Armes einer geistersichtigen Frau geblickt hat, bekommt selbst diese Fähigkeit 24 ). Auch Götter werden durch die Armbeuge sichtbar 2 5 ). Unter den Tieren gilt allgemein der H u n d als geistersichtig 26 ). Die Unsichtbarkeit der Z w e r g e wird meistens dem Besitz einer T a r n k a p p e 2 7 ) zugeschrieben, die ursprünglich, dem etwa bis zum 15. J h . geltenden Sprachgebrauch entsprechend, als langer, mit einer Kapuze versehenen Mantel vorgestellt wurde 28 ). Ihr entspricht im Griechischen die άιδος κυνέη, der unsichtbar machende Helm 29 ). Wenn sonst bei Homer die Götter und Helden in einer Wolke verhüllt werden, so dürfen wir darin wohl eine rationalistische Umdeutung des alten Volksglaubens sehen w ). Neben der Tarnkappe wird die Unsichtbarkeit auch auf den Besitz eines R i n g e s bzw. eines S t e i n e s oder G ü r t e l s zurückgeführt 31 ). Wie die Tarnkappe — ich erinnere an die Siegfriedsage 32 ) — kann auch Ring 33 ) und Stein in den Besitz eines Menschen kommen. Denn begreiflicherweise war zu allen Zeiten das Streben, in den Besitz der Unsichtbarkeit' zu kommen, sehr

1455

unsichtbar

1456

groß, und schon in den ä g y p t . Z a u b e r - hatte sie zur Kerze gesprochen: ,,So wenig p a p y r i finden sich zahlreiche Rezepte, mich der Tote vor dem jüngsten Tag die der Erlangung dieser Gabe dienen sieht, so wenig mag mich der Krämer sollen 34). (den sie bestehlen wollte) sehen" 48 ). Mittel zur E r w e r b u n g der Un- Hierbei beruht der Erwerb der Unsichts i c h t b a r k e i t . Leicht erklärlich ist, daß barkeit also auf einem Analogiezauber. infolge des engen Zusammenhangs, in In diesen Zusammenhang gehört auch die den allgemein die Toten zu den Geistern in Tirol und Oberbayern vorkommende gebracht werden, der Glaube entstehen Sitte des Totenbahrziehens (s. d.): konnte, daß Bestandteile der Toten und Zwischen 12 und 1 Uhr nachts wird hierbei alles, was mit ihnen zusammenhängt, der zuletzt Gestorbene ausgegraben und Unsichtbarkeit verleihe. Besonders bevor- dreimal um die Kirche getragen. Auch zugt werden hierbei natürlich noch un- diese Zeremonie soll neben anderen wunderg e t a u f t e oder gar noch ungeborene baren Wirkungen zur Unsichtbarkeit ver49 Kinder. Daß deren Finger unsichtbar helfen ). Meistens ist aber der Erwerb machen, ist ein überall verbreiteter Glau- dieser Fähigkeit an umfassendere Vorbe 35 ). Teilweise wird auch verlangt, daß kehrungen gebunden. Doch spielen auch man sie trockne und anzünde 3e) ; so lange hierbei T o t e n t e i l e (s.d.) eine große Rolle. sie brennen, werden ihre Träger nicht ge- So muß man ζ. B. nach einem in der Moselsehen. Nach slawischem und ostpreußi- gegend gebräuchlichen Verfahren einem schem Glauben bewirkt dies auch eine Menschenkopf die Z u n g e , die aber Lampe, die mit dem Fett eines Ermorde- noch nicht verwest sein darf, entnehmen, ten gespeist wird37). Auch Glieder von sie abkochen und dann wieder an ihre Gehängten bewirken Unsichtbarkeit37»). frühere Stelle verbringen. Im folgenden Damit verwandt ist eine Vorschrift des Frühjahr wird der Kopf begraben, drei Berliner Zauberpapyros38), nach dem man Bohnen — bekanntlich eine Pflanze, die für diesen Zweck das Auge eines βιαιοθάνατος in sehr enger Beziehung zu den Unterbei sich tragen muß. Auch K i n d e r h e r z e n irdischen steht — darüber gepflanzt und waren hierfür gesucht3e). In Böhmen muß jede mit einem Namen der Dreifaltigkeit man sie deshalb verzehren40). In Mittelfran- benannt. Die Schoten, die an ihnen ken herrschte der Glaube, daß das aus wachsen, werden gedörrt, die Bohnen auf den Genitalien eines unschuldigen Kin- die Zunge gelegt; sie sollen ihren Träger 80 des mittels drei Holzscheiten aufgefan- unsichtbar machen ). In Schwaben füllt 41 gene Blut Unsichtbarkeit verleihe ). man einen Totenkopf mit Erde, steckt Auch der Besitz irgendeines Teiles der drei E r b sen hinein und vergräbt sie in der Leiche einer J u n g f r a u soll diese Wir- Karfreitagsnacht unter der Traufe des kung haben 42 ), desgleichen eine Ader Kirchendachs. Darauf muß man in der aus einem Leichnam 43 ) oder ein Stück Kirche das Glaubensbekenntnis oder das der K o p f h a u t eines Freundes 44 ), ja „Vater unser" hersagen. Auch hierbei selbst Knochen vom Totenmahl45) oder sollen die daraus erwachsenden Erbsen, das Tuch, mit dem die Leiche abgewischt im Mund getragen, Unsichtbarkeit be51 wurde46). Ebenso macht der Genuß von wirken ). Statt eines Menschenkopfes 46a Menschenleber unsichtbar ). In Tirol wird auch öfters der einer K a t z e vermuß man dagegen nachts zwischen 3/4i2 und wendet. Bei all diesen Operationen darf 52 12 Uhr einer Leiche das Totenhemd aus- man aber nicht gesehen werden ). Ähn47 ziehen und ihr das eigene anziehen ). Nach lich ist eine andere Vorschrift: Man erdem zweiten Marburger Hexenprozeß von drossle eine schwarze K a t z e am Grün1580 soll eine Angeklagte sich mittels einer donnerstag mittags zwischen 1 1 und Kerze, die einem Sterbenden eingehalten 12 Uhr, sticht ihr die Augen aus, legt worden war und deren Docht aus Fäden zwei schwarze Bohnen in die Augenbestand, die dem Leichentuch entnommen löcher; die daraus wachsenden Bohnen waren, unsichtbar gemacht haben. Dabei muß man in die rechte Hand nehmen,

1457

unsichtbar

um den gewünschten Erfolg zu haben 53 ). Die gleichen Dienste leistet auch ein schwarzer Hund M ). Einen unsichtbarmachenden Ring erhält man, wenn man eine lebendige Katze zusammen mit zwei schwarzen Bohnen in einen viereckigen Schrein legt, diesen in aller Teufel Namen an einem Freitag vergräbt und sie so neun Tage in der Erde liegen läßt 65 ). Auch sonst werden schwarze Katzen, deren Beziehung zur Unsichtbarkeit ja leicht erklärlich ist, gern zu derartigen Verfahren verwendet. Wenn man ein solches Tier nachts zwischen I i und 12 Uhr bei starkem Feuer kocht, bis das Fleisch von den Knochen fällt, findet man darunter einen unsichtbarmachenden Knochen. Man findet ihn dadurch heraus, daß man jeden einzelnen vor den Spiegel hält. Derjenige, dessen Bild darin nicht erscheint, ist der Gesuchte 5e). Auch am Weihnachtsabend kann man einen schwarzen Kater in ähnlicher Weise zubereiten; findet man einen gabelförmigen Kinnbacken, so hat er die gleiche Kraft. Dasselbe kann man auch um Mitternacht an einem K r e u z w e g machen 57 ). Auch ein weißes Wiesel hat einen derartigen wunderbaren Knochen im Kopf 5 8 ). Wer das getrocknete Herz einer ganz schwarzen Katze bei sich trägt, welches in der Milch einer völlig schwarzen Kuh abgekocht wurde, kann sich ebenfalls unsichtbar machen 59). Es genügt aber auch selbst die Milch einer solchen Kuh zu trinken60). Hierbei ist natürlich überall die schwarze Farbe bedeutsam 61 ). Auch wenn man den Kopf eines schwarzen Raben über der Türschwelle abhaut und ihn in die Erde setzt, so wächst in neun Tagen eine Wunderblume hervor, die ebenfall unsichtbar macht 62 ). Kocht man am K a r f r e i t a g drei schwarze Hennen an einem verborgenen Platz, vergräbt sie nach Sonnenuntergang an einer Wegscheide, jede in einem eigenen Loch, so findet man in dem einen am nächsten Tage einen Ring, der, am Finger oder um den Hals getragen, unsichtbar macht 63 ). Einen jungen Hahn muß man im März von den Hennen trennen; wenn man ihn dann im folgenden Jahr erwürgt,

1458

so findet man in seinem Kopf einen Stein, der, in Silber gefaßt, seinen Träger vor dem Gesehenwerden schützt64). Auch bei einem L a u b f r o s c h , der drei Tage im Mist vergraben und drei weitere Tage in fließendes Wasser gesetzt worden war, findet sich ein unsichtbarmachender Ring 65 ). In Böhmen machen sich die Wilddiebe dadurch unsichtbar, daß sie einen Schlangenkopf in einem A m e i senhaufen abnagen lassen, am G r ü n donnerstag zu Beginn des Gottesdienstes eine Erbse in die rechte Augenhöhle, am K a r f r e i t a g eine in die linke, am S a m s t a g eine in den Mund desselben stecken. Beim zweiten Osterläuten wird der Kopf vergraben. Aus der daraus entstehenden Erbsenstaude machen sie einen Kranz und tragen ihn auf dem Kopf unter dem Hut, während sie die Erbsen in den Mund nehmen ββ). Überhaupt sollen S c h l a n g e n f e t t und E i dechsenköpfe 6 7 ), auch mit E i d e c h s e n f e t t bestrichene Steine die Fähigkeit haben, unsichtbar zu machen68). Aber auch die Ameisen werden öfters zur Erlangung der Unsichtbarkeit verwandt. In einem an einem Donnerstag gelegten Ei findet sich, wenn es neun Tage lang in Mist oder einem Ameisenhaufen lag, ein unsichtbarmachender Stein 69). Verbrennt man Ameisen lebendig und siebt sie dann durch, so erhält man ebenfalls einen dreieckigen Stein in drei Farben: Weiß, Grün, Rot. Auch ihn muß man in einen silbernen Ring fassen und am Finger tragen, um nicht gesehen zu werden. Sollte jedoch der gewünschte Erfolg ausbleiben, muß man folgende Beschwörung sprechen: „Ich beschwöre dich Luzifer, ein Fürst der Teufel und Feind Gottes; der an dem Kreuz gehangen ist zu einer Erlösung des menschlichen Geschlechts und bei dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist und bei der heiligen Dreifaltigkeit und bei Maria, der Magd, die da ist eine Mutter unseres Herrn Jesu Christi und bei allen Gottes Heiligen und bei dem Tag des letzten Gerichts, daß du mir findest und bringest diesen Stein, der unsichtig ist" 70). In einem Ameisenhaufen, auf dem eine blaue Flam-

1459

unsichtbar

me brennt 71 ), liegt ein unsichtbarmachendes Nest 72 ). Auch die F l e d e r m a u s kann als Nachttier Unsichtbarkeit verleihen72»). Sowohl ihr rechtes 73 ) wie ihr linkes 74 ) Auge oder ihr Herz bringt diese Wirkung hervor, wenn es auf dem nackten Körper getragen wird 76 ). Sie muß aber vor Georgi gefangen sein 76 ). Unter den Steinen, die ihren Träger unsichtbar machen sollen, ist wohl am gesuchtesten der B l e n d s t e i n , der sich im Z e i s i g n e s t finden soll 77 ). Um ein solches Nest, das natürlich selbst unsichtbar ist, zu finden, muß man unter den Baum, auf dem man ein solches Nest vermutet, einen Topf voll Wasser stellen. Denn auf das S p i e g e l b i l d erstreckt sich seine unsichtbarmachende Kraft nicht78). Oder man muß die Jungen in einem Nest des Zeisigs daneben an einem Baum aufhängen. Der alte Zeisig fliegt dann bis ans Meer, holt dort den Stein und steckt ihn seinen Jungen in den Schnabel — angeblich weil er sich schämt, daß seine Jungen aufgehängt sind. Da kann man ihn dann wegnehmen und ihn selbst unter der Zunge tragen, um nicht gesehen zu werden ra ) ; ähnlich kann man es aber auch bei einem Krähen- 8 0 ) und R a b e n n e s t 8 1 ) machen. Auch im Nest eines Hähers 8 2 ), Wiedehopfsund S c h w a r z kehlchens 8 3 ) wie auch der Elster83») befindet sich ein solcher Blendstein. Teilweise schreibt man diese unsichtbarmachende Kraft auch K r ä u t e r n und Wurzeln, die sich in diesem Nest befinden, zu 84). Selbst das Zeisigei bewahrt seinen Träger vor dem Gesehenwerden86). Nimmt man aus einem R a bennest ein E i , kocht es ab und legt es wieder hinein, so bringt der alte Rabe ebenfalls den unsichtbar machenden Stein 8e). Auch eine ganze Reihe von P f l a n z e n soll unsichtbarmachende Kraft haben. Überall heftet sich dieser Glaube an den auch sonst als wunderkräftig geltenden F a r n s a m e n 87), der, in der J o h a n n i s n a c h t gepflückt, diese Wirkung hervorbringen soll 88 ). Auch wird erzählt, der T e u f e l teile ihn in dieser Nacht an seine Anhänger aus 89 ). In der Oberpfalz sagt

1460

man, er blühe und reife in der Weihn a c h t s s t u n d e auf K r e u z w e g e n , die in verschiedene Pfarreien führen und auf denen Hochzeiten und Beerdigungen gehen, zwischen zwei Vogelbeerbäumen. Wer ihn in den Schuhen trage, werde unsichtbar90). Um Mittsommernacht blüht das A d l e r f a r n k r a u t , das Glück verleiht und unsichtbar macht 91 ). Am K a r f r e i t a g soll nach böhmischem Glauben eine Wunderblume erblühen, die dieselbe Wirkung hat 92 ). Auch solle man zu diesem Zweck Samen von F i c h t e n z a p f e n verschlucken93). Die W e g w a r t e , in der 12. N a c h t s t u n d e oder am Mittag des J a c o b i t a g e s (1. Mai) mit einem Goldstück unter strengstem Stillschweigen abgeschnitten, verleiht ebenfalls Unsichtbarkeit 94). Gertraudenbüchlein95), K a t z e n p f ö t c h e n 9 6 ) , Haselwurm 9 7 ), E r d r a u c h 9 7 " ) und H i m m e l f a h r t s blümchen 9 8 ) haben die gleiche Kraft. H i r s c h w u r z muß man dreimal um den Leib schlingen99), Sonnenwendel dreimal unter einen Stein legen 10°). Daß Bohnen beim Erlangen der Unsichtbarkeit öfters verwendet werden, haben wir schon früher gesehen. Doch genügt es auch, sie einfach zu zerstoßen101). J a sogar schon ein Span vom nächsten besten Baum macht den Wilderer dem Förster unsichtbar 102 ). Wer mit dem T e u f e l im Bunde steht, kann natürlich von ihm die Fähigkeit, sich unsichtbar machen zu können, erlangen 103 ). Wir haben ja auch schon früher gesehen, daß seine Hilfe bei den der Erlangung der Unsichtbarkeit dienenden Operationen in Anspruch genommen wurde. Hexen erhalten von ihm zu diesem Zwecke eine Kröte 1 0 4 ), auch Nüsse teilt er an seine Anhänger aus 105 ). „Auch hat der böss geist ire etliche geleert das sy zubrachen mit ettlichen Kruten, das sy ungesichtig wurden dass sy nieman mocht gesehen" schreibt der Luzerner Chronist Johann Fründ über die Hexen Verfolgung in Wallis 106 ). Ein Teufel, der alle, die sich seiner bedienen, unsichtbar macht (facit ut qui ilio utitur invisibilis sit et a nemine conspiciatur) wird im T e s t a m e n t u m Salomonis

1461

unsichtbar

erwähnt 107 ). In Sagen wird öfters von Leuten, die sich mit seiner Hilfe unsichtbar machten, erzählt 108 ). Auch von einem S i e g e l s t e m p e l mit der Figur des Teufels erhofft man sich diese Wirkung 109 ). Den Stein aus dem Rabennest muß man in aller Teufel Namen bei sich tragen 110 ). Auch in dem T o t e n b a h r z i e h e n haben •wir eine Wirkung des Toten an den Teufel zu erblicken m ) . Ein Zugeständnis an •den Teufel ist es auch, wenn man das „ V a t e r u n s e r " u m g e k e h r t b e t e t und davon die Gabe der Unsichtbarkeit erhofft 112 ). In der C h r i s t n a c h t muß man auf einem K r e u z w e g einen Kreis ziehen. Dann kommt der böse Geist, von dem man eine Nebelkappe verlangen kann. Doch darf man nicht aus dem Kreis treten, wozu einem der Teufel verführen will 1 1 3 ). Überhaupt kann man, wenn man in der C h r i s t n a c h t , N e u j a h r s n a c h t , B e r c h t e n a c h t wacht, fortan unsichtbar bleiben. Doch wird man auch hierbei stark vom Teufel angefochten. Dagegen hilft ein Kreuz aus den Ästen eines w e i ß e n E l x e n b a u m e s , der an St. Johann noch blühte 114 ). Auch kann man den Teufel überlisten. Denn in der C h r i s t n a c h t muß er bei der Wandlung sein Käppchen abnehmen; er hängt es draußen an die Kirchtüre; wer •es da erwischt, kann sich unsichtbar machen 115 ). Auch h e i l i g e G e g e n s t ände •werden mißbräuchlich zur Erlangung der Unsterblichkeit verwendet. Nach dem Hexenprozeß von Marburg (Steiermark) v . J. 1546 soll eine derselben einem K r e u z b i l d die Augen ausgebohrt und bei sich getragen haben 116 ). Auch Stücke von G l o c k e n r i e m e n sollen diese Wirkung hervorrufen 117 ). Andere wieder versuchen es mit B e s c h w ö r u n g e n . Eine derselben lautet: Grüß euch G o t t ; seid ihr w o h l g e m u t ? H a b t ihr getrunken des Herrn Christi B l u t ? Gesegne euch G o t t , ich bin w o h l g e m u t I c h h a b e getrunken des Herrn Christi B l u t . Christus ist mein Mantel, R o c k , S t o c k und F u ß Seine hl. fünf W u n d e n euch verbergen t u n . Amen. Gesegne euch G o t t . . . usw. Christus, der die Blinden sehend g e m a c h t u n d die Sehenden blind m a c h e n kann, wolle euch eure A u g e n ganz verdunkeln und ver-

1462

blenden, d a ß ihr mich gar nicht sehet noch merket, sondern eure A u g e n stets v o n mir a b wenden m ü ß t . Amen. Gesegne euch . . . N u n in G o t t e s N a m e n , ich bin in Christo reich U n d w a s ich b a t und will und greif D e i n bin ich in Christo gleich A l s die Heiligen i m H i m m e l r e i c h 1 1 8 ) .

Hierbei ist besonders der enge formale Anschluß an das liturgische Gebet bemerkenswert. — Andererseits kann man ungesehen die H e x e n belauschen, wenn man die einzelnen Kleidungsstücke umgekehrt anzieht und den Kopf mit einem Rasenstück bedeckt 11β ). Zuletzt sei noch der weit verbreitete Glaube erwähnt, daß der Besitzer eines D o n n e r k e i l s , der meist in Kugelform vorgestellt wird, unsichtbar mache 120 ). G r i m m Myth. 1, 222. 2 7 1 ; L i e b r e c h t Zur Volhsk. 347. a ) C a s s i a n Collect. V I I I 12 3) A c k e r m a n n M X L X 740. Shakespeare 2 1 ; S e p p Sagen 35 N r . 134. 4 ) G r i m m Myth. 363. 6 ) E b d . 358. e ) D o c h h a t m a n in ihrer N ä h e o f t ein A n g s t g e f ü h l M e y e r Aberglaube 360. 7 ) W e i n h o l d Neunzahl 44. 8 ) Urquell 4, 1893, 150. · ) G r i m m Myth. 1, 421 ; 3, 147. 1 0 ) E b d . u ) E b d . 3 , 1 4 7 ; M ü l l e n h o f f Sagen 323. 1 2 ) R e i s e r Allgäu ι , 2 5 ; B o h n e n b e r g e r 99. 1 3 ) R e i s e r Allgäu ι , 25. 133. 1 4 ) B a a d e r Sagen 1, 20, 26; M a n n h a r d t 1, 91. 1 5 ) M e y e r Aberglauben 359f. i o g f . i e ) M a n n h a r d t 1, 136; M e y e r Aberglaube 359; K ü h n a u Sagen 2, 414. 1 7 ) G r e g o r d. G r o ß e vita Benedicti I I I 22; M e y e r Aberglaube 161. 1 8 ) P r a e t o r i u s Weltbeschreibung 1, 693; G r i m m Sagen 1 , 6 0 , 4 8 ; M a n n h a r d t 1 , 8 2 . l e ) E b d . 130. s 0 ) W u t t k e 225 § 320. 2 1 ) K u h n 22) S c h w a r t z 102. G r i m m Myth. 1 , 280. 23) M e y e r Aberglaube 207; A c k e r m a n n Shakespeare 22 A . 2 ; G r i m m Myth. 3, 3 2 o f . ; L a u b e Teplitz 56; M ü l l e n h o f f Sagen 327 N r . 432; A l p e n b u r g Tirol 9 5 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 241 ; oder, gerade sie können sich nicht sehen. M e y e r Aberglaube 207. 2 3 a ) W o e s t e Mark 56 N r . 20; M a n n h a r d t Germanische Myth. 636; R o c h h o l z Glaube 2, 54; K u h n Westfalen 78. ^ k J W o l f Beiträge 1, 230; R e i s e r Allgäu 2, 230. 26) S a x o " ) G r i m m Myth. 1280. p . 106; M e y e r Myth. 1 2 5 ; R o c h h o l z Sagen 2, 1 6 2 ; V o n b u n Sagen N r . 19. 2 β ) G r i m m Myth. 5 5 5 ! 927; S a m t e r Volkskunde 8 7 ! ; Z V f V . 1 , 1 5 6 ; 1 3 ; 383; A c k e r m a n n Shakespeare 22 A . 1 2 ; S t r a u s s Bulgaren 425; A b b o t Macedonian Folklore 1 0 7 ; N e g e l e i n G m w a w i s c A e Mythologie 18. 2 ' ) G r i m m Myth, ι , 383 t. 3, i 3 2 ; L ü t j e n s 2 ' a j e > ' g 8 o f . ; M e y e r Myth. 1 2 5 ; A c k e r m a n n Shakespeare 21 A , 1 1 ; R e i s e r Allgäu 1, 158; K ü h n a u Sagen 2, 1 3 6 ; 28) t a r n H a a s Mönchgut 13. = verborgen, heimlich; d a n e b e n finden sich a u c h noch die Bezeichnungen h e l k a p p e , h e l k e p l e i n , heliekleit, helkleit, nebelkäppel, nebelk a p p e ; G r i m m Myth. 1 3 8 3 ! ; 3, 1 3 2 ; L ü t -

1463

unsichtbar

j e n s 8of.; H a u p t s Z e i t s c h r i f t 4, 5 i o f . F. H a a s V 845; H e s i o d Schild 226t. u. a. s. P a u l y - W i s s o w a X I 2, 25i9ff.; R o e g e r ΑΙΔΟΣ ΚΓΝΕΗ Graz 1924; Glottai5 (1927), 175; P r e l l e r - R o b e r t Griech. Myth. 1, 789; Rom. Myth. 2, 3, 105, 1; F r i e d l ä n d e r Sittengesch. Roms 4, 99. 30) C h a n t e p i e de la S a u s s a y e Lehrbuch d. Religionsgesch. hg. v. B e r t h o l e t u. L e h m a n n 2, 345. 3 1 ) L ü t j e n s Zwerg a. a. O. auch Meteorsteine machen unsichtbar: G u n d e l Sterne u. Sternbilder im Glauben des Altertums u. d. Neuzeit 82. 3 a ) Vgl. K ü h n a u Sagen 2, 136. 33 ) Zuerst beim Ring des G y g e s P l a t o n Polit. 359 D—360 A ; cfr. Paroemiograph. gr. ed. Leutsch et Schneidewin 2, 20; L u c í a n navig. 42; C i c e r o de off. 3, 38; R a d e r m a c h e r Wiener Stud. 33 (1911), 231; P a u l y - W i s s o w a 1, 838; F r i e d l ä n d e r a.a.O. 90. 34 ) P a p . B e r o l . I 5025, 101p. 8 P r e i s e n d a n z (Papyr. graec. magic. I), 222 p. 12. 247 p. 14; P a p . L u g d . II 189, 18; L o n d o n 46, 488k; 502 k. Vgl. P e t r o n cena Trimalch. 63 p. 56, 24; F r i e d l . A c t . ap. a p o r . I 63, 4 u. a. s. P a u l y - W i s s o w a IV 1380; Philol. Wochenschrift 1925, 481 ff.; 1926, 78ff. 35 ) M e y e r Aberglaube 279; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 537; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 208L; L a m m e r t 26. 84; B o c k e l Volkslieder 31; Z V f V k . 8 (1898), 400; F l ü g e l Volksmedizin 26; H ö f l e r Volksmed. 61, 1; v. K ü n ß b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel 32L 3e ) J. S. H a r t m a n u s Neue Teufels-Stücklein Nürnberg 1721, 66; G r o h m a n n 106, 205; S t r a c k e r j a n 1, 100; ZVfV. 7 (1897), 252; 37 ) K r a u s s Relig. Brauch I44ff. Schäfer Verwandlung 12. Urquell 5, 261. L a c h m a n n Überlingen 13; P a n z e r Beitrag 1, 270. 3 e ) I 249 p. 14 Preisendanz. 39 ) Urquell 2 (1891) 184; 3 (1892) 211; R o s e g g e r Steiermark 70f. vgl. A n d r é e Anthropologie 8. 40 ) S c h ä f e r Verwandlung 12. 41 ) M e y e r Aberglaube 279. 42 ) H o v o r k a K r o n f e l d 1, 277. 43 ) Ebd. 276. " ) Z V f V . 7 45 ) K r a u s s Relig. Brauch 147. (1897), 252. 4e ) Urquell 3 (1892),200. 4 6 a ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 329; H ö f l e r Organotherapie 155. 47 ) Z i n 48) ZVfV. 7 g e r l e Tirol 38. (1897), 190. " ) K n u c h e l Umwandlung 48; ZVfV. 8 (1898), 2 5 Ü 5 (1895). 85. 60) ZfdMyth. ι, (1853), 241; ZrwVk. 1914. 28f. 5 1 ) M e i e r Schwaben 246; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 125; Brandenburgia 1916,178. 62 ) S t r a c k e r j a n 1, 118. 63) K i e s e •wetter Paust 282. « ) Ebd. 66 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 31. 5e ) L y n c k e r Sagen 259. 349; J a h n Hexenwesen 179 Nr. 642. 5 ') R e i n s b e r g Böhmen 581; M a n n h a r d t Aberglaube 7; G r o h m a n n 56. 68 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, δβ ) G r o h m a n n 208. 57; H ö f l e r Organotherapie 241. ZfVk. 8 (1898), 38. e o ) ZfdMyth. β1 ) Auch 1853, 237; W u t t k e 128 § 174. wenn man das rechte Ohr einer s c h w a r z e n Katze in der Milch einer s c h w a r z e n Kuh siedet, einen Däumling davon macht und an den Finger steckt, wird man unsichtbar. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 208f.; vgl. W u t t k e 319 § 474. M a n z Sargans 144; D r e c h s l e r 2, 268 ZfdMyth. ι (1853) 237. »2) J o h n Westböhmen 2»)

1464

318; K i e s e w e t t e r Faust 282. ·») ZfdMyth. 3, 330. Vgl. auch S é b i l l o t Folk-Lore 3,252. 64 ) Z f dMyth. 3, 331. Vgl. S é b i l l o t Folk-Lore 3, 241. 65 ) J o h n Westböhmen 318. ββ ) G r o h m a n n 206. · ' ) S c h ä f e r Verwandlung 12. 68 ) W u t t k e 473 § 318. 6 i ) ZfdMyth. 3, 331. 70 ) Alemannia 2 (1875), 129. Vgl. ZVfV. 1 (1890), 324. 7 1 ) Siehe hierzu G r i m m Myth. 811. 72 ) A m e r s b a c h 2, 43. 72») B o h n e n b e r g e r 21;. SAVk. 7, 51. 73 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 435; Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 8; S c h ä f e r Verwandlung 12; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3„ 208. 74 ) G r o h m a n n 57. '«) Z V f V . 8 (1898),. 400; B o h n e n b e r g e r 1, 16. 7e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 208. " ) G r i m m Myth. 3, 289. 315; Haupts Zeitschrift 3, 361; V o n b u n Sagen 63; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 172; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 98f. 104; J e c k l i n 7e ) V o n b u n Volkstümliches 217. BeiträgeI i 2 f . ; A m e r s b a c h 5 6 f . Vgl.oben4, 63; S c h ä f e r Verwandlung 12; G r i m m Sagen 78 Nr. 85. 7 ' ) G r o h m a n n 72. 80) S t r a c k e r j a n 1, n 8 r 2,164; Sch&ierVerwandlung 12. 8 1 ) K u h n Westfalen 2, 76 Nr. 231; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 987; 104; B a r t s c h Mecklenburg 2^ 29; S c h ö n w e r t h 3, 2o8f.; H e c k s c h e r i n . 82 ) L i e b r e c h t ZVolkskunde 347; ZfdMyth. 1,236. 83 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 172. 83*) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 90. 8 4 ) A m e r s b a c h 56f. 85 ) G r i m m Sagen 78 Nr. 85. ββ ) Z i n g e r l e Tirol 49; M e i e r Schwaben 220; W o l f Bei87 ) K u h n Märk. träge 2, 428. Sagen 206; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 475; A l p e n b u r g Mythen1857, 407.; K r a u s s Sagen 2, 424ft.; H ö f l e r Volksmedizin 4; ZfdMyth. 4, 152; ZVfV. 23 (1913), 117; Naturwiss. Wochenschrift N. F. 8 8e) W e i n h o l d (1909) Nr. Ii. Ritus 46;M e i c h e Sagen 657 Nr. 815; A c k e r m a n n Shakespeare 22 Α.; K u h n Herabkunft 218ff.; Westfalen 1, 276 Nr. 316; G r i m m Myth. 2, 1012; S c h ä f e r Verwandlung 12; W u t t k e 98· § 123; 317 §472. " ) A m e r s b a c h 56. , 0 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 208. · ι ) M a n n h a r d t 337, 3. 93 ) *2) G r o h m a n n 56. G r o h m a n n 207. • 4 ) M e i e r Schwaben 239; Brandenburgia 1916, 167. M ) Z i n g e r l e Tirol 1, 82; W o l f Beiträge• 8e ) W u t t k e 2, 109. 106 §137; 317 §472; M e i e r Schwaben 2, 399 Nr. 81. 97 ) W u t t k e 317 § 472; A l p e n b u r g Tirol378. , 7 a ) M o n t a n u s . Volksfeste 145. e8 ) S c h ä f e r Verwandlung 12. ··) W u t t k e 317 §472. 1 0 ° ) G r i m m Myth. 3,316; M o n e 8, 614. 101 ) ZfdMyth. 3, 332. ll)1!) ZVfV. 1 (1891 ), 188. 103 ) Deshalb sollen vor allem Zauberer,. Hexenkünstler und Hexen diese Kunst besitzen. Brandenburgia 1916, 178; SAVk. 2, 269; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 105; R o c h h o l z Sagen 2, 156; R e i s e r Allgäu 1, 190. 201 f. 221; StollZauberglauben 165; K l i n g n e r Luther i n ; W u t t k e 319 §474; natürlich wird diese Fähigkeit schon dem Erzzauberer S i m o n M a g u s und einzelnen G n o s t i k e r n zugesprochen Iren., adv. haer. I 8f.; E p i p h . Haer. 34; S o l d a n H e p p e 1, 129; S c h i n d l e r Aberglaube 37. 104 ) S o l d a n - H e p p e 106 ) I 276. Meiche Sagen 534 Nr. 677, vgl. H a u p t Lausitz 1, 192.

1465

Unstätte—Unsterblichkeit

10β) H a n s e n Nr. 228a. Hexenwahn 535, 1 1 . 108 ) K i e s e w e t t e r Faust 323. Müllen1 M) ZVfV. 9 h o f f Sagen 78 Nr. 82. (1899), m -226. iWjBartschMecklenburg 2, 29. ) Knum ) •chel Umwandlung 48. Hovorka-Kroní e l d ι , 64. 1 1 3 ) W e i n h o l d Weihnachtsspiele 30. 114) ZVfV. ι 1 1 6 ) Bavaria 3, 309. (1891), 218. l l e ) Z V f V . 7 (1897), 189. 117) Z i n g e r l e Tirol 118) 195; Z V f V . 8 (1898), 37. Schindler Aberglaube 37; G r i m m Myth. 3, 5 0 5 . 1 1 9 ) G r i m m Myth. 2, 312; P a n z e r Beiträge ι , 2 4 0 ! ; K r a u s s Religiös. Brauch i 2 o f . 1 2 °) W u t t k e 317 § 4 7 2 ; A n d r e e Parallelen 2, 32. Zepf.

107)

Unstätte. Aufenthaltsort menschenfeindlicher Dämonen (altheidnischer Götter) oder gebannter Geister (s. a. Abort §3). Bei Eckhardt, comment, de rebus Franc, orient. 1, 426 heißt es: Loca haec vulgus adhuc Unsteten sive loca incerta vocat, de quibus nempe nescitur, ubi sint. Cum enim aliquis hue illucque ambulat, et eum vel morbus subito invadit, vel ei membrum aliquod corporis dolet, rationis ignari dicunt, er seye über eine unstete gegangen sive calcasse eum locum, qui, ubi sit, nesciatur; et quia is sanctus sit, genius loci ilium punisse somniatur, tanquam violatorem et contemptorem sui. Denselben Glauben überliefert der Indiculus superstitionum, der von loca incerta, quae colunt pro sanetis oder von einem locus infaustus spricht. Die Vorstellung geht vielleicht auf biblische Anschauungen von an wüsten Orten gebannten oder irrenden Dämonen zurück (Tob. 8; Matth. 12, 43; Luc. 11, 24). A R w . 2, 98; D W b . I i , 3, 1416; L a m m e r t 82; S a u p e Indiculus 24; W i d l a k Synode v. Liftinae 2ji. Mengis.

Unsterblichkeit hat wie der Tod zu allen Zeiten das Denken der Menschen beschäftigt. Das Problem der U. geht den Sterbenden wie den Uberlebenden an, und immer wieder haben gerade die hervorragendsten Geister sich damit befaßt, eine zureichende Antwort auf es zu geben. Daß nicht wenige dabei zur spiritistischen Theorie gelangt sind, ist bekannt (s. den Art. Spiritismus) und zwar nicht etwa erst neuerlich, sondern schon seit alten Zeiten und auch in der primitiven Völkerwelt. Auf der anderen Seite jedoch gehen die meisten Kulturmenschen an dem Problem vorüber oder scheuchen es als unbequem weg. So kam es, daß

1466

innerhalb der aufsteigenden Kulturnationen mit der starken Überbewertung materieller Angelegenheiten vor den geistigen die Frage nach der U. weithin vernachlässigt wurde, wobei indeß wegen der unabtrennlichen seelischen Bedeutsamkeit des Gegenstandes eben von der verdrängten U.sidee aus der Aberglaube mächtig gespeist wurde 1 ). X. Unsterblich ist nach religiösem und metaphysischem Glauben der Mensch an sich, der Mensch als Mensch, d. h. der Mensch nicht einfach als Seelenwesen, Seeleninhaber; denn hierauf kommt es wahrlich dabei nicht an; nicht die „Seele" ist es, welche — wenigstens nach dem Glauben der alten Völker •— dem Menschen die U. oder die Fähigkeit zu ihr verleiht. Es ist vielmehr das Menschsein im Unterschied von anderem Kreatürlichsein, worin die U. ohne weiteres angezeigt ist. Allerdings muß die Einschränkung auf den Menschen in manchen Zonen überhaupt fortgelassen werden, und dann ist es gewöhnlich das Lebende als solches, dem U. zukommt. Die Inder ζ. B. waren der noch heute in mehreren Kreisen bei ihnen festgehaltenen Ansicht, daß alles Lebende im tiefsten Grunde unvergänglich ist, weil alles Lebende eine Spezialerscheinung des Lebens kat' exoehen, des Jiva, ist, ein Hervorgesprudeltsein des unermeßlichen Dranges nach lebendiger Gestaltung, als deren Verkörperung der Gott Jiva, als deren Prinzip in der Welt das Jivaprinzip oder, nach anderer Ausdruckswendung, das Brahma galt und gilt 2 ) und von den Indern mag man zu manchen einfachen Völkern der Gegenwart schauen und bei ihnen Ähnliches finden, wenn auch nicht gleicherweise durchgebildet. So liegt im Totemismus (s. d.) etwas von diesem naiven U.sglauben. U. heißt in diesem Zusammenhange eines wenig reflektierenden kosmischen Empfindens das Nichtfortgehen, sondern Wiederauftauchen des wesentlichen Bestandteiles des organischen (menschlichen) Wesens. Wie die Menschen der A l t s t e i n z e i t über das Schicksal des Menschen nach

1467

Unsterblichkeit

dem Tode gedacht haben, unterliegt noch dem Streit. Ein Forscher wie M. Ebert meint, daß zwar rituelle Bestattung, aber weder Seelen- noch U.sglaube vorhanden war; solchen Glauben setzt er erst in die Neusteinzeit3). Dagegen R. R. Schmidt findet, daß beim Hervorbrechen der Leitformen der Moustérienkultur in der letzten großen Vereisung Europas durch stärkeren gruppenmäßigen Zusammenschluß ein Seelenleben beginnt, das getragen ist von der Sorge um den Toten: „Der ,Tote' bleibt in der Obhut, im weiten mütterlichheimischen Bereich, in dem es noch keine Seinsgrenzen gibt, nichts wesenhaft Totes" 4 ). Zur gewohnten Schlummerlage in der Bodeneinbettung „hat man ihm die wärmebedürftigen Glieder an den Leib gezogen; wenn er erwacht, liegen die Geräte zu seiner Bereitschaft" 5 ). Sein Gefühl der Lebensfortdauer über das Sterben hinaus trägt dieser altprimitive Mensch in seine ganze Umwelt hinein. So wenig wie Subjekt und Außenwelt wirklich getrennt werden in der urprimitiven „Prälogik" (Lévy-Brühl), so wenig trennt das Sterben zwischen .Leben' und ,Tod', gibt es vielmehr in dieser Urmetaphysik nur fortgehendes Leben. Deshalb werden die Verstorbenen wie noch Lebende behandelt: daher wärmendes Feuer, wärmende Kleider für sie; daher Erneuerung ihrer rötlichen Lebensfarbe durch Ocker und Beilegung des letzteren zu ständiger Benützung; Waffen und Geräte für sie6). Beispiel hierfür die Reliefs von Laussei (Dordogne), welche tote Frauen mit Füllhörnern zeigen, die man als rituelle Darstellungen nehmen kann 7 ). Viele Forscher legen Wert auf das Rot als Farbe des Lebendigen, betonen, daß man die Toten in Rot bettete, um ihnen das am sichersten zu gewähren, was ihnen am sichtbarsten zu fehlen schien. (Man denke daran, wie die alten Ägypter den Mumien alle Lebensfarben wiederzugeben suchten.) Alles dies eben Erwähnte bezeugt, daß man in jenen alten Zeiten gewiß war, daß der ganze Mensch, wie er gelebt hatte, weiter existiere: die Idee des sog. „lebenden Leichnams". Alles wird von den

1468

Uberlebenden so eingerichtet, wie es nötig ist, wenn der Verstorbene sein Leben in etwas abgeänderten Verhältnissen weiterführen müsse; wenn er unter denselben Existenzbedingungen wie bisher fortlebt, so daß man ihm diese Bedingungen herzustellen bestrebt ist. Eben mit dieser Vorstellung hängt es zusammen, daß man den Tod als den Zwillingsbruder des Schlafes auffaßt, was bei den altklassischen Völkern sehr verbreitet war. Auch den alten Christen galten die Toten als die Schlafenden (Paulus), welche Vorstellung jedoch älter als christlicher Glaube ist; bei den Griechen hießen die Friedhöfe Schlafstätten (Koimeterien, Cimeterien), und Lessing hat in seiner gegen Klotz gerichteten Untersuchung „Wie die Alten den Tod gebildet" nachgewiesen, daß wieder und wieder das Bild von Zwillingsbruderschaft von Schlaf und Tod gewählt wird; dabei der Tod dargestellt zumeist in Gestalt eines (geflügelten) Knaben mit umgekehrter Fackel und übereinander geschlagenen Füßen 8 ). Die moderne Psychoanalyse legt Wert darauf, daß diese Stellung der zugleich gekrümmten Beine embryonal ist, was auf Rückkehr in den Mutterschoß des Werdens gedeutet wird9). Jedenfalls ist der Tod, wenn wesenhaft dasselbe wie der Schlaf, allerdings Hinwendung zu demUrwesentlichen, Hinwendung zum wahren Erwachen oder wahren Geborenwerden, und die Erwägung dieses Umstandes bringt den griechischen Dichter zu der Frage: „Wer weiß denn, ob das Leben nicht ein Sterben ist und im Tode die Seele zu ihrem wahren Leben erwache!"10) Denn unter allen Umständen ist es ja die Rückkehr ins Unbewußte, die im Sterben vollständiger als im Schlafe sich zu vollziehen scheint; weshalb die Symbolik für beide so häufig dieselbe ist. Bei allen diesen Sterbens- und Todesvorstellungen, wie sie jetzt aufgetaucht sind, ist nicht notwendig an eine weiterlebende , Seele' zu denken. Die oft stark betonte Frage: war jener U.sglaube der Völker, zumal der Urhorden auch schon mit einer Seelenvorstellung verbunden? wäre hiernach abzulehnen; die Seelen-

1469

Unsterblichkeit

idee scheint erst ziemlich spät mit dem Gedanken der U. verbunden worden zu sein. Sonach sind zwei wesentlich verschiedene Formen des U.sgedankens festzustellen, die man nennen kann denjenigen ohne und denjenigen mit SeelenVorstellung. *) G. T e i c h m ü l l e r Über die U. der Seele (1874). G. R u n z e Essays zur Religgesch. 5 7 f f . K. B e t h U. (in RGG. 2 5. 1 3 9 5 f t . : 1. Begriff, seine Geltung und Bestreitung, 2. das apologetische Problem, 3. Bedeutung im dogmatischen System). H. S c h o l z Der U.sgedanke als philo2 ) H. Z i m m e r Ewiges sophisches Problem. Indien 16ff. 3 ) M.- E b e r t Die Anfänge des europäischen Totenkults, in Prähist. Ztschr. 13. 14. 4 ) R. R . S c h m i d t Der Geist der Vorzeit I04f. 5 ) Ebd. J05. e ) Ebd. i 8 2 f . ') Ebd. 183 und Nr. 3 1 . 8 ) L e s s i n g Werke Ausgabe Ph. Reclam, 5, 3off. 9 ) G. H. G r a b e r Zeugung, Geburt und Tod (1935)96. *·) R o h d ePsyche 7.—8. Aufl. 253.

2. Zweifellos ist heute, daß die älteste Vorstellung der U. die ist, daß man in voller leiblicher Persönlichkeit überlebt; wobei höchstens in dem Punkte der Allgemeinheit kein einheitliches Bild entsteht; denn bisweilen scheint allen Gestorbenen ohne Unterschied die U. zuteil zu werden, bisweilen nur den irgendwie (mit Mana, s. den Art. Präanimismus) besonders in dem hiesigen Leben ausgestattet Gewesenen. Wenn auch die Existenzform (freilich wohl erst auf fortgeschrittener Reflexionsstufe) oft als eine schattenhafte angesehen wird, so ist es immerhin noch lange Zeit der ganze Mensch, wie er von der Erde her gekannt ist, welcher überlebt. Solche Überlebende dokumentieren sich dadurch, daß sie, wie alter Glaube besagt, aus dem jenseitigen Leben ins diesseitige herüberkommen und für längere oder kürzere Zeit hier ihren Aufenthalt nehmen, um wieder an den Freuden (seltener werden die Leiden erwähnt) des irdischen Daseins teilzunehmen. Begegnet man nun in solchen Zusammenhängen nicht selten dem charakteristischen Zuge, daß die auf die Erde Zurückgekommenen ebenso wenig wie die rein überirdischen oder unirdischen Geistwesen nach ihrer Herkunft befragt sein wollen, als ob sie die Erinnerung daran meiden müßten, weil sie sonst sofort dorthin zurückgezogen werden 11 ), so muß

1470

man sich dessen erinnern, daß ein paralleler Glaube sagt, daß alle Menschen (bzw. ihre Seelen) aus jener jenseitigen geistigen Welt her stammen12). Werden doch Geisterland und Totenland oft ganz durcheinander geworfen! Edrik übertritt das Verbot, nicht nach der Herkunft seiner Gattin zu fragen, während er ihr nach anderer Fassung erklärt, sie von den Toten geraubt zu haben; das eine wie das andere hat zur Folge, daß sie entschwindet 13 ). Das Orpheus-Eurydike-Motiv, das hiermit angeschlagen ist, geht durch die Völker weit. Wie Orpheus seine Gattin nicht in die Oberwelt zurückzubringen vermag, wiewohl es b e i n a h e gelingt, so erzählt die Sage sehr vieler Völker vom ähnlichen Mißerfolg d. h. von der Unmöglichkeit, daß ein Toter wieder in die Gemeinschaft der Erdmenschen zurückkomme; andererseits bedeutet dies Motiv doch auch, daß eigentlich die Verbindung zwischen beiden Weltteilen fast die ständige Kommunikation zulassen sollte. Auch Gilgamesch kann seinen Freund Eabani (Engidu) nicht zurückgewinnen, nicht einmal das schon erfaßte U.skraut an die Oberfläche des Weltozeans heraufbringen 14 ). — Anmutig erzählen die Maori vom wirklichen Gelingen: Pane ist aus Liebe zu Hutu gestorben. Dieser betet zu den Göttern, die ihm den Weg in die Unterwelt Reinga zeigen mit dem von ihm beachteten Verbot, irgendwelche ihm dort angebotene Nahrung zu berühren. Er muß es nun darauf anlegen, die Dämonen der Schattenwelt so zu beschäftigen, daß er unter ihren Unterhaltungen mit seiner Frau entrinnen kann. Er läßt die Dämonen auf einen Baum steigen, den er mit einem Seil herabgezogen hat, so daß sie beim Loslassen des Seils in die Luft geschleudert werden. Wie nun die Geister selber das Spiel vornehmen, verfängt sich der Gipfel des Baumes in den Schlingpflanzen ganz oben. Dadurch wird es Hutu und Pane möglich, oben hinaus nach der Erde zu entkommen 15 ). Man erinnert sich, wie Dionysos in den Hades steigt, um die Semele zu holen16) und wie Hermod neun Tage auf Odins Roß reitet, um

1471

Unsterblichkeit

seinen Bruder Balder aus dem Reiche der Hei zurückzuholen 17 ). Dieser Vorstellung vom wirklichen überleben der Person entspricht weiter die Meinung, daß die Verstorbenen auf bestimmten Straßen kommen, wenn sie auf der Erde einher gehen, den .Totenstraßen', die diesem Namen nach -in mehreren Städten bekannt sind (ζ. B. in Breslau 18 ), d. i. auf dem Heiweg 19 ), der dann zur Via della Morte (in Florenz) geworden ist. Auch das Volk, das im Altertum durch seine Pflege der Verstorbenen den hehrsten Ruhm besaß, das ägyptische, wußte offenbar zunächst nur von einer U. ohne Seelenbegriff, von der U. des ganzen Menschen. Die Könige der ersten Dynastien gehen in der ganzen Person in die andere Welt ein, zum Sonnengott, in seine Barke, in sein Reich, und sie sollen fortan, wie bisher auf Erden, mit ihm zusammen regieren über das Land, dabei endlich ein besseres Los haben als zuvor auf der Erde. Alles wird ihnen jetzt in Fülle und bester Qualität zu eigen sein20). Freilich sind es zahlreiche Spezialriten, durch welche die Priestergemeinde ihnen das alles zuwendet, und keineswegs geschieht es schon durch den bloßen Übergang vom Diesins Jenseits. Die Ansicht, daß man dem Verstorbenen behilflich sein müsse, seinen eigenen Wunsch nach Wiederaufnahme des irdischen Seins zu verwirklichen, wird durch viele Riten beleuchtet. Sie zeigen, daß die U. an sich fern dem Erdensein sich auswirkt, manchmal jedoch mit einem starken Verlangen nach der alten Lebeform verbunden ist. Diese Riten sollen zur möglichst reinen Weise des Daseins helfen. Die zu diesem Zwecke eingerichtete Zeremonie des ägyptischen TikenuMysteriums weist scheinbar den Weg zum Verständnis der Hockerstellung bei alten Begräbnissen. Die gewöhnliche Ansicht, daß dem Toten dabei die Beine aufgebunden wurden, damit er in dieser Fesselung sich nicht rühren und somit nicht zurückkehren könne; diese Auffassung des Hokkerbegräbnisses als eines Abwehrzaubers und Trennungsritus scheint sich nicht mit diesem Brauche zu vertragen. Aber auch

1472

die schon erwähnte Deutung auf Konzentrierung der geringen vorhandenen Körperwärme paßt selten, und bei den Ägyptern nicht. Denn hier liegt das ganze Gewicht darauf, daß der (noch lebende) Mensch durch Aufbindung der Beine und weitere Zusammenschnürung zum Embryo gestaltet, also in seine v o r g e b u r t liche Seinsweise zurückgeführt werde, von der an sein neues Leben beginnt. Diese Zeremonie wirft Licht auf das Verhalten gegenüber dem Verstorbenen, der gleichfalls in die embryonale Seinsform zurückgebracht wird, um für ein langes und kräftiges neues Leben befähigt zu sein: auf das „Mysterium des wiederbelebten Leibes" 21 ). Das Beispiel beleuchtet zugleich eine Phase der Entwickelung der U.sidee: die Reflexion ist hier von der an sich selbstverständlichen U. als natürliche Mitgabe jedes Individuums übergegangen zur Mitteilung der U. als einer besonderen Gnadengabe, eines donum superadditum. ll) Wolf Niederländ. Sagen 680. 1 2 ) L i e b r e c h t Volksk. 54. 1 3 ) E b d . 55. 1 4 ) J e r e m i a s Religgesch. 26. 36. Ders. Das Α Τ im Licht des 16) alten Orients 9 7 f . H a s t i n g s 4, 650! 1 β ) G r u p p e Griech. Mythol. 868. 1 7 ) H . G e r i n g ls) Die Edda 345Í. L i e b r e c h t a. a. O. 62. 1β) Grimm Myth 761 f. 20 ) Wurm-Blum 1 2 1) Religgesch . 2i6f. A. M o r e t Mystères Egyptiens 30 ff.

3. Die Sehnsucht nach den Gepflogenheiten des diesseitigen Daseins ist etwas, wodurch der U.sgedanke selber verdiesseitigt wurde, wodurch sein Mark verringert wird. U. ist genau genommen die vorstellungsmäßige Form für den Inhalt jener Lebenssehnsucht, welche von der im Unsinnlichen und Übernatürlichen wurzelnden Seele Besitz ergreift. Eben die in der U. ausgedrückte Jenbezogenheit wird durch die materialistische Abflachung unterdrückt. In einem schlesischen Dorfe sollten die Menschen nach ihrem Tode sehr oft zu den Ihrigen zurückkommen, mit ihnen essen, trinken, ja selbst mit ihren hinterlassenen Weibern fleischlich sich vermischen22). Das ist die Auffassung vom jenseitigen Dasein, wie sie in der Rede vom Nobishaus oder -krug von Hamburg bis in die Schweiz geläufig geworden ist 23 ). Das Wort Nobis (viel-

1473

Unsterblichkeit

leicht weder lat. ,uns' noch griech. abyssos .Abgrund') bezeichnet eine Art Vorhölle, den Nobischratten, wobei chratten eig. der Förderkorb, in dem man hinuntergelangt, und Nobis eine Form für Nachbar ist 24 ). In dem Wirthaus Nobis ists nicht eitel angenehm, wenn auch hervorragend durch die Größe der Fässer, Trinkgeschirre und Brotkörbe 25 ); man stellt es sich dort siedendheiß vor. Auch sonst denkt sich das kindliche Volk das Leben in der U. als „Essen, Trinken, Spielen, Karten, Kegeln, Wettkämpfen, Spazierengehen" 2 6 )— allerdings, die Verdammten müssen steinerne Klöße essen27). Den Genüssen wird ein so breiter Raum gewährt, daß das milde Volksurteil allen denen, die keinen Raub oder Mord auf dem Gewissen haben, den Aufenthalt in dieser Nachbarschenke zubilligt, wo sie schmausend und beim Becher, bei Bier und Schnaps alle angenehmen Spiele zur Verfügung haben 28 ). Anders konnte man sich das Sein in der U. nicht wohl denken, solange man selbst bei den Gräbern der Jüngstverstorbenen schmauste und tanzte, weil man mit den Verstorbenen zusammen feiern wollte — wogegen unmittelbar sich das Konzil von Arelate wandte 29 ). Folge des letzteren war, daß an die Stelle jener Grabfeiern die reichlichen Totenmahlzeiten traten, nicht nur in den Wohnungen sondern auch in Wirtshäusern 30 ). Hielten doch einst die Toten der Nordgermanen ihre Gelage in Helgafell 31 ). Tote, mit denen man so verkehrt, können natürlich wiederkehren; auch wenn es die Überlebenden gar nicht wünschen. Sie sind .Wiedergänger', als welche sie altnordischer Glaube beschreibt. Ob sie nun nach dem Sterben in die umliegenden Berge eingegangen sind oder begraben wurden, auf jeden Fall leben sie so fort, daß sie mit ihrer ganzen und auch mit verdoppelter Wucht zurückerwartet werden können 32 ). Und wenn er schon nicht wiederkommt, so muß man doch seine gute Stimmung erhalten, man wird ihm alles geben, dessen er bedürfen möchte, um seine weitere Existenz befriedigt zu führen. Also wird Alarich mit seinem Roß und vielen Schätzen im Fluß bestattet. B ä c b t o l d - S t i u b l i , Aberglaube VIII

1474

Bei Christiania-Oslo fand sich das Grab der Wikingskönigin Osa, ein reichgeschnitztes Prunkboot, eine andere weibliche Leiche in ihrer Gesellschaft und Knochen von sechs Pferden und vielen Hunden rings um sie, eine Kücheneinrichtung dazu, Wagen und Schlitten, Spinnrocken, Kleidung und Nahrung. Nichts soll dem Toten fehlen — damit es ihm wohl gehe ? damit er nicht Lust verspüre zur Wiederkehr ? Dies bleibt in den meisten Fällen doch die Frage. Nicht in alle Ewigkeit jedoch führt der Tote sein Leben weiter; „mit dem Gedächtnis und der Pflege des Toten seitens der Lebenden zerrann auch sein Leben nach dem Tode' ' 33 ). Auch der erklärte Wiedergänger wirkt nur neun Jahre 34 ). U. schließt nicht den zweiten definitiven Tod aus, hebt sich mit ihm dann auf. Ganz ähnliche Riten bedeuten nun aber das gerade Gegenteil. Ist die Zerstückelung der Leiche noch eine primitive Sitte, die Wiederkehr zu verhindern, desgleichen das Herumlaufen mit der Leiche im Kreise, etwa um einen Baum, damit sie örtlich verwirrt werde 35 ), so entstanden schon früh auch die Riten z u r E r m ö g l i c h u n g der W i e d e r k e h r . Solche liegen in den Pyramidentexten vor : man gab den Toten, deren Wiederkehr man wünschte und mit denen man in Verbindung bleiben wollte, ihre zuvor in der symbolischen Zerstückelung, die das Geschick des Osiris wiederholen sollte, auseinander gerissenen Gliedmaßen in feierlichen Zeremonien zurück und sprach (in Ägypten) den König so an : „Da hast du deinen Kopf, da deine Gebeine, dein Fleisch ist für dich gesammelt, stehe auf, du bist kein totes Ding mehr!" 36 ). Und so heißt es schließlich von jedem Toten: Ich ordne deine Knochen und Füße und alle Glieder zusammen 37 ). Auch hier ist nicht an das Überleben bloß einer Seele gedacht, sondern an dasjenige des ganzen Menschen — trotz der sehr entwickelten Seelenvorstellung bei den Ägyptern. Auch das .schreiende Blut' der Ermordeten setzt voraus den alten Glauben an das Fortleben der ganzen Person. Freilich befindet sich anscheinend die Stimme 47

1475

Unsterblichkeit

jetzt im Blute. Das Blut redet in deutscher Vorstellung wie einst das Abels38). Doch darf um deswillen nicht eingemengt werden, daß das Blut der Sitz der Seele sei. Mag das später gemeint sein, so kennt jene Zeit, in der diese Metapher entstand, noch kaum überhaupt die Seele als Bildner des Persönlichen. Das Blut war so sehr Inbegriff des Gesamtorganismus, daß allmählich das Denk- und Sprechvermögen auf es übertragen werden39) und die Vorstellung entsteht, daß die Verstorbenen Blut zu trinken bekommen müssen, auf daß sie ihre Lebensfunktionen wieder ausführen können40). Hier ist zu beachten, daß neben dem Bluttrinken im Geiste der einfachsten Schichten sehr oft das Fressen ganzer Menschen nötig erscheint: ist das Personhafte verloren gegangen, so muß ganze Menschlichkeit dem Organismus eingefügt werden, und die Repräsentantin des Schattenreichs Hulda wird als Frau Holle zum kinderfressenden Gespenst41 ). Man wolle noch beachten, daß auch der Glaube an die verklärte Streitmacht des „wütenden Heeres", die ja schon Tacitus als deutsche Sondervorstellung (im Stamme der Harier) kennt42) nicht mit leeren, ohnmächtigen Schattenexistenzen und blutlosen Schemen rechnet, sondern ganze Mannen meint. Wohin wir blicken in germanischer Welt, da scheint der Glaube an U. vorhanden, und er wird nicht dadurch gestört oder verhindert, daß des Germanen Leben „so unendlich reich ist, daß er damit voll zufrieden ist", wie Hauser meint43).

22 ) B a s t i a n Psychologie und Mythologie 361. ) R o c h h o l z Glaube 1, 209. 24 ) Ebd. 2 5 ) Ebd. 2e 2 ) a . a . O . 210. ' ) W o l f Sagen Nr. 231. 28 ) P a n z e r Beitrag 1, 97. 2 e ) R o c h h o l z i, 204. 3 0 ) Ebd. 205. 3 1 ) EyrbyggjaSaga c. 1 1 . 32 ) Art. Jenseits §2. 3 3 ) M e y e r Religgesch. 66. 34 ) Ebd. » ) Vgl. Art. Jenseits. 3 e ) Wallis; •Budge Osiris ι, 67ff. 3 7 ) Ägypt. Totenbuch cap. 133, 4. 3 8 ) R o c h h o l z a. a. Ο. I, 54. 3 ») Ebd. 40 ) Ebd. 50. « ) Ebd. 65. Indes ist nicht zu übersehen, daß Sonne und Mond als Kinderfresser erscheinen: die Sonne frißt die kleinen Kinder und der Mond übernimmt die Rolle des Menschfressers, G r i m m K.H.M. Nr. 25. 4 2 ) T a c i t u s Germania cap. 43. 4 ) O. H a u s e r Germanischer Glaube 223. 23

4. Der U.sglaube selber ist neben anderen treibenden Instanzen eine, die den

1476

Begriff der Seele oder des Seelischen hervorbilden hilft. Nicht steht es, wie mit Recht Preuß betont, so, daß der Seelenbegriff den U.sbegriff hervorbringe44). Ferner wird die Ekstase, sowohl die plötzliche wie die künstliche, zur Bestärkung und Sicherung der Idee der U. beigetragen haben. Es ist begreiflich, daß die teilweise oder gänzliche Aufhebung der Erdenschwere, wie sie in der Ekstase erlebt wird, den Gedanken der dem massiven Leibe entgegengesetzten Seele unterstützt. Der Ekstatiker besitzt die eigene Erfahrung davon, daß ein Teil des Personenwesens oder eine Funktionengruppe oder wie immer es ihm erscheinen mag, über den anderen Teil, den leiblichen erhaben, vom Leibe frei sein kann oder sogar soll und daß nach dem Tode dieser Zustand der Seelenfreiheit ein stetiger und vollkommener sein wird45). Die orphischplatonische Idee von der Eingeschlossenheit der Seele in den Leibkerker geht mit dieser Erfahrung zusammen. Da ergibt sich der Selbstbesinnung, daß das Eingeschlossene ein Heiligtum ist, das wesenhaft nicht von dieser Irdischkeit ist, dem folglich U. eignet, wie es aus der Region unsterblichen Seins gekommen ist 46 ). Diese Erfahrungen, auf die sich eine solche (Platonische) Lebensanschauung stützt, beruht eben auf rituellem Verhalten, in welchem das äußere Weltbewußtsein stark, in der Regel absichtlich abgedämmt ist. Auch andere Riten werden schon von primitiven Völkern dazu benützt, die Eigenheit des seelischen Teils seiner selbst zu erfahren und gewissermaßen die U. als eine zunächst noch wieder vorübergehende Zwischenerfahrung vorweg zu genießen. „Durch unaufhörliches Tanzen, verbunden mit strengem Fasten, glaubt man so leicht zu werden, daß man trokkenen Fußes über das Meer kommen oder mitsamt der Hütte direkt vom Tanze herüber in den Himmel gehoben wurde" 47 ). Der indische Rischi, der buddhistische Tera nimmt durch seine analogen Übungen an diesen Erleichterungen und Elevationen seiner stofflichen Substanz teil. Der germanische Berserker macht durchaus ähnliche Übungen mit ähnlichem Erfolg: auch er ist in gewissen Beziehungen den ma-

1477

Unsterblichkeit

teriellen Bedingungen überhoben, ist gegen Eisen und Feuer fest, kann mit bloßen Füßen durchs Feuer schreiten 48 ). Der einfache (primitive) Mensch, der nicht selber die Erfahrung von unvergänglichen Energien in sich macht, verläßt sich auf die Erfahrungen, von denen ihm der Schamane berichtet, auf dessen Himmelsreisen und Göttergesprächen und sieht in solchen Begebnissen eine Bestätigung der Wirklichkeit unsterblicher Bestandteile, gerät auch wohl auf die Meinung von stufenweiser Verwirklichung solcher U. 49 ). Dabei stellt sich der Begriff einer Seele ein, die den Aufstieg zur Welt der U. vollführt, mag sie mit Flügeln begabt sein50) oder nicht 51 ). Angemerkt muß werden, daß aus der Wahrscheinlichkeit höheren Alters der Auffassung von U. ohne Seele keineswegs schon folgt, daß überhaupt die Vorstellung der Seele jünger sei. Zudem ist mit vielen Arten von Vorstellungen der Seele zu rechnen, mit denen der U.sglaube, sobald er sich diese Vorstellung angeeignet hat, arbeitet. Bei den meisten Völkern besteht der U.sglaube in der Form, daß ein seelisch zu nennender Bestandteil des menschlichen Individuums unsterblich ist. Wenn Völker mit geringerer Geisteskultur die U. als eine zeitlich begrenzte ansehen, derart, daß die überlebende Seele nach einer gewissen Spanne den Tod völliger Vernichtung sterbe, so beruht das zweifellos auf einem Mangel an Durchdenkung des mit dem Gedanken der U. an sich übernommenen oder gefundenen Verständnisses des eigenen Lebenszentrums. Je konsequenter dies Verständnis innerlich verarbeitet und eingebettet wird, desto bewußter tritt der Gedanke der U. hervor. Die Philosophie des Aufklärungszeitalters hatte darum die U. als den einen der drei Pfeiler der Weltanschauung erklärt. Hatte Lessing geurteilt: „Ohne den Glauben an ein künftiges Leben kann keine Religion bestehen ; die Heiden haben entweder diesen Glauben gehabt oder sie haben keine Religion gehabt": so sind doch zwei mächtige Religionen sehr alt geworden ohne diesen Glauben, der chinesische K o n f u z i a n i s m u s und der

1478

B u d d h i s m u s . Nicht ebenso trifft dies auf den M o s a i s m u s zu. Zwar hat man immer mit Recht hervorgehoben, daß die Religion des AT. den U.sglauben nicht betont, und daß man sagen darf, er werde darin geflissentlich zurückgesetzt. Aber dieser Tatbestand ist nicht einem Fehlen des U.sglaubens gleichzusetzen. Denn es heißt ζ. B. doch: den Frommen errettet Gott aus dem Rachen der Unterwelt ins Land der Lebendigen; der Fromme wird ins Buch des Lebens eingetragen 52 ). Wenn auch das Symbol des Lebensbaumes nicht ursprünglich israelitisch ist, so zeigt doch seine Zueignung und Verwertung im AT., daß mit der positiven Stellung zu Gott die U. gegeben gedacht ist, während es gerade die Ethisierung der Lebensauffassung ist, welche bedingt hat, daß durch die Sünde das Leben (die U.) verloren geht 53 ). Dazu ist zu vergleichen das konkrete Auferstehungsbild beim späten Propheten Ezechiel und noch genauer im Danielbuch 54 ). Zu solcher einfachen Hinnahme und Behauptung der LT.sidee im Sinne eines jenseitigen, ob nun überzeitlichen oder noch immer zeitlich gedachten, Fortlebens mit selbständigem Seinszweck verhalten sich die beiden anderen genannten Religionen ablehnend, zumindest gleichgültig. Bei Kongfutse steht der U.sgedanke unter der Denkform des Als-ob, z. B. : „Würde ich sagen, daß die Toten Bewußtsein haben, so möchten fromme Söhne ihr Vermögen in Totenfeiern verschleudern; würde ich aber jenes Bewußtsein leugnen, so möchten herzlose Söhne ihre Eltern unbeerdigt lassen" 55 ). Solche auf den Tiefstand der menschlichen Motivationen eingestellte Begründung war dem Buddha gänzlich fremd. Buddha hat zur U.sfrage dieselbe Haltung eingenommen wie zur Gottesfrage: weder bejahend noch verneinend, sondern auf der hohen Warte rein objektiver Überlegung der Formen von Denkmöglichkeiten. Weshalb man sich weder zu einem J a noch zu einem Nein in diesem Problem versteigen soll, das hat Buddha des öfteren klarzulegen versucht, am besten vielleicht in der Antwort an einen völlige Klarheit begehrenden Jünger: „Ist das der Preis, um den du mein Jünger werden 47

1479

Unsterblichkeit

wolltest, zu wissen, ob die Welt ewig oder nicht e w i g . . ., ob der Vollendete nach dem Tode fortlebt oder nicht, oder ob er zugleich fortlebt und nicht, oder ob er weder fortlebt noch nicht fortlebt; so kannst du nicht mein Jünger sein" 66 ). Hier liegt das ganze Schwergewicht in der Fragestellung. Die buddhistische Gemeinde hat sich diese Methode angeeignet, indem sie über das Schicksal des Meisters diskutiert: unzutreffend ist, daß der Vollendete jenseits des Todes ist, daß er nicht jenseits des Todes ist, daß er zugleich jenseits und nicht jenseits ist, und daß er weder jenseits noch nicht jenseits ist; vielmehr ist das Nirwana ein unergründliches Geheimnis und etwas, über das hinaus es nichts Höheres gibt! Das alles heißt: das buddhistische Denken macht den Versuch, die gänzlich andersartige Dimension des nichtsinnlichen Seins, das die Eigentümlichkeit der U. ist, sowohl zum Bewußtsein zu bringen als auch in Worten auszudrücken — was nur mit solchen negativen Wendungen möglich schien. Nichts anderes wird begreiflich gemacht, als daß U. etwas ist, auf das keine dem sinnenfälligen Sein angepaßten Vorstellungen, Worte, Begriffe auf die Daseinsweise des Verstorbenen passen, und daß auch sie alle einfach verneinen, nichts nützt zur Klarstellung des erfaßten Sachverhaltes. Wird der Buddhismus auf diese WTeise recht verstanden, so erscheint seine Stellung zum Glauben an die U. nicht geradezu ablehnend. Man muß hierbei bedenken, daß ja hinsichtlich der Haltung des Buddhismus gegenüber dem Gottesglauben in populären Darstellungen und Beurteilungen gewöhnlich derselbe Fehler begangen wird, wie hinsichtlich seiner Bestimmungen über ein Fortleben. Das C h r i s t e n t u m , das mit der starken Bejahung der von Buddha zurückgewiesenen Vorstellungsbilder aufgetreten ist, befindet sich infolgedessen in der schwierigen Lage, nachträglich an seinen Ausdrücken die gedankliche Besinnung vornehmen zu müssen, durch die das Unzulängliche des Vorstellungsmaterials einsichtig gemacht wird; eine Gedankenarbeit, wie sie Hegel zu bewältigen versuchte. Genau besehen

1480

hat das Christentum ursprünglich die Wiederbelebungshoffnung vertreten (Paulus): der individuelle Leib und die Seele ruht nun in Gott, bis sie dereinst durch schöpferischen Gottesakt einen neuen verklärten Leib empfängt, dessen Anlage schon während des Erdenlebens gebildet war und dessen Vollendung nach Maßgabe des innerlichen Wachstums in der Heiligung vor sich geht. 44)

K. Th. Preuß Tod u. Unsterblichkeit 17. B e t h Religion «. Magie 240. 4®) Ders. Religgesch. 93. 102. 47 ) Preuß a . a . O . 5. ω ) L. 4>) Weiser a. a. O. 45. W. Bousset Die Hitnmelreise der Seele, in ARw. 4, I36ff., R. H o l l a n d Zur Τ y pik der Himmelfahrt in ARw. 23, 207t. M ) H o l l a n d a. a. O. 152. 51 ) Bousset a . a . O . i48f. 52) Ps. 16, 10; 27, 13; 36, gì.; 69, 29. Ex. 32, 32Í. 63) i.Mos. 2, 9; 3, 22. 54 ) Ezech 37, iff. R u n z e Essays 75. 65) R u n z a a. a. Ο. 94I 56) B a s t i a n Der Buddhismus als religionsphilosophisches System 31. R u n z e a. a. O. 90 f.

5. Für die gewaltige Rolle, die der Gedanke der U. im Aberglauben einnimmt, sind von großer Bedeutung die Motive, welche für die Annahme wie für die Leugnung der U. ausschlaggebend sind. Wie sich der Mensch in seinem Aberglauben zur U. stellt und welche Folgerungen er daran knüpft, das fällt auf die Seite des einen oder anderen Motivs. Die Motive des Glaubens an die U. bedeuten aber nicht, daß sie für sich allein ausreichen, diesen Glauben hervorzurufen, oder zu reifen; denn dieser Glaube an ein durchaus unsinnliches Existieren bedarf außer den psychologischen Motiven auch einer realen Erfahrung, eines Entgegentretens der Realität jenes Andersseins, ganz ebenso wie echter Gottesglaube das verlangt. Die Motive geben die Gründe der Stellungnahme zu der ihm begegnenden Realität aus dem Anderssein an. Goethe nannte drei Jahre vor seinem Tode zu Eckermann als solches die Tätigkeit. „Denn wenn ich bis an mein Ende rastlos wirke, so ist die Natur verpflichtet, mir eine andere Form des Daseins anzuweisen, wenn die jetzige meinen Geist nicht ferner auszuhalten vermag." Man hat dasselbe auch als den positiven Lebenswillen bezeichnet. Daß dieser Wille, um die U. anzunehmen, nicht durchaus abstrakt metaphysisch

1481

Unsterblichkeit

gerichtet sein muß, beweist der recht eudämonistisch eingerichtete U.sglaube im Islam und bei germanischen Stämmen. Die Muslims erwarten ganz sinnliche Freuden im himmlischen Paradies; die aite vedische Dichtung Indiens singt von dem Jenseits, wo „alle Wünsche erfüllt sind". Die Germanen lassen ihre Abgeschiedenen festliche Tafelfreuden genießen. Nicht also aus der heiteren Stimmung folgt etwa Ablehnung der U., sondern diese wurzelt in einem opportunistischen Indifferentismus, der, wie er vorhin am chinesischen veranschaulicht wurde und im westlichen positivistischen Naturalismus eine Analogie hat, sich zufrieden mit und heimisch in der diesseitig begrenzten Weltlichkeit erklärt. Der Moralismus dieser Lebensauffassung verlangt die vollständige Vergeltung für das Fazit dieses Lebens schon während des Lebens hienieden. Der buddhistische Standpunkt wird vornehmlich durch die Sorge bestimmt, sich bei einer vorstellungsmäßigen Bejahung der U. in ungenaue, dem wahren Sachverhalt widersprechende Illusionen hineinzuwiegen. Die entschlossene Ablehnung der U. (ζ. B. bei Schopenhauer, D. F. Strauß) aber zeigt sich gewöhnlich in Verbindung mit starrem Pessimismus. Mittels dieses meint Schopenhauer mit Buddha eins zu sein in der Idee des Eingehens in jenes Nichts, wo alle Wünsche (nicht erfüllt, sondern) verstummt sind: er wirft dem Glauben an U. vor eine bloße optimistische Bejahung des Willens zum Leben, in welcher der schwere Ernst des Daseins verwischt werde. Hierzu sieht er die Berechtigung in der populären Gestalt des U.sglaubens, in der eben dasjenige gar nicht erreicht ist, was in der buddhistischen Behandlung der U.sidee die Hauptsache ist, die Abtrennung der sinnlichen Form der Vorstellung der Seele von dem reinen Begriff unsinnlicher Seelenhaftigkeit. Freilich ist noch zweier Umstände zu gedenken, die innerhalb der menschlichen Mentalität dem Ungedanken Abbruch tun. Der eine ist die Wirkung der ethischen Idee, die infolge des von ihr verursachten Schuldgefühls ein Fortleben

1482

unerwünscht macht. In dieser Hinsicht ist oft beobachtet, daß der mit negativem sittlichen Vorzeichen versehene Mensch dem sittlich selbstbewußten ähnelt, sofern beide über einen persönlichen Optimismus verfügen, der die U. erwünscht macht, so verschieden auch die Wurzeln dieses äußerlich verwandten Ergebnisses des Optimismus sind. Der andere beachtenswerte Umstand ist in der Beobachtung der Vergänglichkeit alles Irdischen gelegen, welche die U. durchkreuzt. Dieser Punkt ist aber von einschneidender Wichtigkeit. So eng drängt sich die Vergänglichkeit allgemein auf, daß nicht einmal die Götter polytheistischer Religionen ohne weiteres das Prädikat der Unvergänglichkeit erhalten (vgl. Art. Gott i b in Bd. 3, 950). Diese Götter unterliegen dem Verbrauch ihrer Kräfte in dem Maße, daß sie entweder einer fortwährenden oder einer periodischen Auffrischung bedürfen durch „ U . " zuführendes Getränk und „ U . " verleihende Speise (Nektar und Ambrosia, Amrita, Haoma, Soma, Oedreirsdrek). Da die Auswertung dieses Gedankens der Aufbrauchbarkeit des Lebestoffes in der über die Götter entwickelten Theorie nichts mit dem Ethos zu tun hat, so ist auch die Betonung der Sterblichkeit, „Vergänglichkeit", Abnützbarkeit des Menschen und Menschlichen nicht mit ethischen Erwägungen verquickt oder an sie gebunden und tritt frei von ihnen auf. Der ägyptische König mußte ja gelegentlich seines dreißigjährigen Regierungsjubiläums (am Sed-Fete) von neuem mit der unsinnlichen, auch den Göttern eignenden, ihm teils von seiner göttlichen Geburt her, teils bei der Krönung zeremoniell mitgeteilten SaEnergie ausgestattet werden, um wieder mit ursprünglicher Frische zu herrschen (vgl. Übergangsriten5). Ähnliches bedeutet die oben erwähnte Tikenu-Zeremonie, welche anscheinend mit jedem Ägypter zwecks der Erneuerung seiner Lebensfähigkeit in einer Art Wiedergeburtsfeier vorgenommen werden konnte. Man erinnere sich, wie stark die Vergänglichkeit alles Geschöpflichen in den Psalmen des AT. betont wird und wie in der rein verstandesmäßigen Besinnung (Philosophie)

1483

Unterg ang—Untersberg

seit den Eleaten das Erscheinende (Phänomenale) dem Vergänglichen geradezu gleichgesetzt wird und das Unvergängliche nur in dem reinen Sein, in dem an sich Seienden, dem eigentlichen Sein erblickt wird. Diese Überlegungen haben dahin geführt, daß U. nur dem von der Sinnlichkeit gelösten Seienden zugesprochen zu werden pflegt. K . Beth.

Untergang s. Nachtrag. Unterkleider s. K l e i d . unterlassen s. T a b u . Unternächte, d. h. Zwischennächte, nennt man in Böhmen, in Teilen Österreichs und auch im sächsischen Voigtlande die Zeit zwischen Weihnachten und hl. Dreikönige 1 ). Im Erzgebirge hat man die Bezeichnung Internächte 2 ). S. Z w ö l f t e n . G r i m m Myth. 3, 4 1 8 (35. 4 1 : 14. Jh.); J o h n Weslböhmen 1 2 ; K ö h l e r Voigtland 3 6 1 . ) J o h n Erzgebirge 1 1 5 . 234. j· Sartori.

2

Untersberg 1 ) ( = Berg der Unterwelt 2 ) ; nach Sepp 3 ), jedoch zweifelhaft, möglicherweise Udensberg, volksetymologisch erklärt als „Wunderberg") 4) bei Salzburg an der bayrisch-österreichischen Grenze, gehört in die Reihe der alten Totenberge und der sog. „Wodansberge" 5 ). Die Sage ließ nationale Helden in den Berg entrückt werden 6 ). So versetzte man — nachweisbar seit 1 5 1 9 — Karl d. Gr., Karl V., Friedrich Barbarossa, in den U. An diese Kaiser, bes. an Barbarossa, knüpft sich dann die Sage, daß — ganz wie in der Kyffhäusersage (s. d.) — ihr Bart um den Tisch gewachsen sei, und daß das Welt ende kommt, wenn der Bart dreimal um den Tisch herumreicht. Mit dieser Sage verbindet sich die Sage von der letzten Schlacht auf dem Walserfeld: Barbarossa wird aus dem Berg hervorkommen, seinen Schild an einen uralten Birnbaum hängen, und dann wird die letzte Schlacht gegen den Antichrist geschlagen werden 7 ). — Bei herannahendem Kriege rührt sich Kaiser Friedrich im Untersberge, Waffengetöse erschallt, Ritter und Knappen durchstürmen die Gegend um Mitternacht 8 ). Daß dieser Glaube an das wilde Heer noch lange fortgelebt hat, zeigt folgende Sage: Zur

1484

Zeit der Franzosenkriege wurde der Beamte des Passes am „hangenden Stein" bei Salzburg nachts von einem Zwergmännlein geweckt und aufgefordert, das Gitter aufzumachen. Untersbergmännlein zogen in langen Reihen in Waffen vorbei, das bedeutete K r i e g " 9 ) . Auch wird erzählt, daß Karl d. Gr. mit den Untersbergern am Michelsting oder an allgemeinen Gerichtstagen an der Haberernte teilnehmen soll. Ist das Gericht zu Ende, so ziehen die Untersberger wieder in den Berg hinein 10 ). In dem U.e befinden sich zwei Brunnen aus Marmor, Wiesen mit blühenden Blumen, ein großer See vor einem Dome und ein großer Palast u ) . Um diesen Kern rankt sich noch eine Menge anderer Sagen: Von Leuten, die in den Berg eingedrungen sind, von Riesen und U.smännlein, von ihrem Gottesdienst in den Kirchen der Umgebung, von wilden Frauen, von geisterhaftem Kegelspiel im U., vom Goldbrünnchen, alles Sagenmotive, die ähnlich auch von anderen Orten erzählt werden: 1529 soll ein Mann namens Lazarus Aizner von einem Mönch in den Berg geführt worden sein. Der zeigte ihm alle Sehenswürdigkeiten und die vielen Bewohner des U.s, gab aber keine Auskunft, was diese alle im Berge machten 1 2 ). Auch ein Hirte soll in den Berg geführt worden sein, und er soll Kaiser Karl dort gesehen haben 1 3 ). Ein Brautzug wurde von einem Zwerge in den Berg eingeladen und dort bewirtet. Als die Gesellschaft wieder herauskam, erfuhr sie, daß sie 100 Jahre im Berge geblieben w a r M ) . Ein Fuhrmann mit einem Wagen voll Wein wurde von einem Bergmännlein angehalten und aufgefordert, mit ihm in den U. zu fahren. Hier wurde ihm sein Wein abgekauft und er überreichlich belohnt 1 5 ). Auch ein Bäcker soll Brot in den U. verkauft haben 1 β ). Ein Jäger blieb 4 Wochen trotz allen Suchens verschollen und wurde für tot gehalten. Als aber für ihn die Seelenmesse gelesen wurde, trat er herein und erzählte, er sei in den U. entrückt worden 1 7 ). Eine Bäuerin aus Blasnig ist auch in den Berg

1485

Untersberg

entrückt worden und dort ein Menschenalter geblieben 1 8 ). Ein Bauer wurde von den U.ern als Kegelaufheber engagiert und blieb 7 Jahre weg. Ein Bergmännlein benachrichtete seine Angehörigen, daß er im Berge sei und es ihm gut gehe 19 ). Auch Riesen sind aus dem U . gekommen: Alte Männer aus Feldkirchen erzählen, im Jahre 1645 seien Riesen aus dem Berg herausgekommen und hätten ihnen gute Eimahnungen gegeben 2 0 ). O f t kommen Riesen mitternachts zum Gipfel und schauen nach Osten; wenn es 12 schlägt, erlischt das Flammenlicht, das ihnen vorausgeht 2 1 ). Die U.smännchen betätigen sich als hilfreiche Geister den Menschen gegenüber, sie führen Menschen in den Berg hinein, zuweilen kommen sie selbst aus dem Berg heraus. Auf einer Bauernhochzeit erschien ein Bergmännchen, tanzte, ließ sich bewirten und beschenkte die Brautleute 22 ). Oft halten sie in den benachbarten Kirchen Gottesdienst 23 ) : wenn man mitternachts an eine solche Kirche kommt, kann man sie singen hören 2 4 ). 12 Gänge führen aus dem Berg heraus nach Kirchen und Kapellen in der Nachbarschaft 25 ). A m Geburtstag des Kaisers Friedrich ist auf dem U . Zwergenprozession; ein Mensch, der sich dabei sehen ließe, wäre verloren 2 6 ). Zuweilen wandeln sie mit netzförmigen Häubchen bedeckt unter dem Vieh umher 2 7 ). Wilde Frauen aus dem Berge: Ein Bauer verliebte sich in eine wilde Frau, und schlief bei ihr. Sie aber forderte ihn auf, zu seiner Frau zurückzukehren 28). 1735 kamen wilde Frauen zu Hütebuben, und gaben ihnen Brot zu essen 29 ). Auch zur Zeit der Ährenschneidung halfen sie den Bauern ®°). Einmal nahmen sie einen Hütejungen mit in den Berg. Der Knabe wurde später nochmals auf dem Berg gesehen, als aber seine Eltern ihn holen wollten, k a m er nicht mehr zum Vorschein 31 ). Auch findet im U. ein geisterhaftes Kegelspiel s t a t t 3 2 ) : Bauern bemerkten auf dem Berg eine kegelnde Gesellschaft, oben angelangt sahen sie aber niemanden 33 ).

i486

Gold konnte man auch a m U. erhalten oder finden, wenn man sich geschickt anstellte, manchem wird Gold geschenkt, ein anderer nur damit genarrt. Auch die bekannte Sage v o m Goldbrünnlein wird hier lokalisiert: Ein Hirte legte während des Schlafes seinen Stab in eine Quelle, als er ihn wieder herauszog, war er in Gold verwandelt 3 4 ). Zwei Holzknechte fanden an einer Wand ein Häuflein Kohlen, steckten davon ein, der eine aber warf sie wieder weg, der andere nahm sie mit nach Hause; dort sah er, daß sie zu Gold geworden waren. Ein Dienstknecht fand ein Häuflein Goldsand, steckte es ein, wurde aber unterwegs von einem fremden Mann angehalten, mußte sein Gold ausleeren, und wurde verwarnt, sich nicht mehr hier blicken zu lassen 3 5 ). Ein Salzburger Bürger sah an einer steinernen W a n d eine eiserne Tür, davor einen Mönch, dieser schenkte ihm eine goldene K e t t e von 33/4 P f u n d 3 e ) . Derselbe Mann sah auch von einer Steinklippe Goldsand herunterrieseln, er hielt einen K r u g darunter und holte sich noch oft dort Gold 3 7 ). Eine Kräutelbrockerin sah am U. graue und schwarze Brocken, wie Kohlen, sie brach davon ab, zuhause sah sie, daß darin pures Gold vermischt war 3S ). Einst traf ein Salzburger Müller eine wilde Frau und ein Bergmännlein, die mit einem Hammer Gold aus dem Gestein schlugen. E r bekam auch ein großes Stück davon 39 ). A n einem Felsen sah ein Bauer Goldzacken hängen; als er heimging, seine Hacke zu holen, waren sie verschwunden 4 0 ). Bauern erhielten von den Berggeistern auf ihre Bitte u m ein Geschenk einen Birkenbuschen. Alle bis auf einen warfen ihr Geschenk weg, der andere sah am nächsten Morgen, daß der Buschen zu Gold geworden w a r 4 1 ) . Quellen für die Sagen v o m U . : Sagen der Vorzeit oder ausführliche Beschreibung von dem berühmten salzburgischen U. oder Wunderberg, wie solche Lazarus Gitschner vor seinem Tode geoffenbart. Brixen 1782. Volksbuch : Frater F e i z i a η s merkwürdige Reise zu Kaiser Karl 2) M u c h im U. Salzburg 1787. Z f d A . 47, S. 67. 3 ) AItbayr. Sagenschatz 3 Nr. 1. 4 ) G r i m m 6) D. S. 18 Nr. 27. Helm Religionsgesch. S. 360. e ) S e p p Altbayr. Sagenschatz 3 Nr. 1 ;

1487

untertauchen—Untreue

7) G r i m m W o l f Beiträge, 70/71. Myth. 2, 798; G r i m m D. S. 16 Nr. 24; S i m r o c k Myth. 639; S e p p Altbayr. Sagenschatz S. 624/625; M a n n h a r d t Götter i3öff.; Z i l l n e r Die U.sagen; M a ß m a n n Der U.; S c h ö p p n e r Bair. Sagenbuch S. ι — 1 7 ; P o l l i n g e r Landshut S. 58ft. β ) S i m r o c k Myth. 639; S e p p Altbair. Sagenschatz S. 613; B e c h s t e i n Sagen öst. S. 74. 8) V e r n a l e k e n 10) S e p p Alpensagen Religion 198/199. u ) H o c k e r Volksglaube S.234; G r i m m 12) B e c h s t e i n D.S. 18 Nr. 27. Sag. Österreichs S. 75 = S c h ö p p n e r Sagenbuch S. 5; 1 3 vgl. auch Anm. 1. ) Pollinger Landshut 14) V e r n a l e k e n S. 58f. Alpensagen S. 65. " ) B e c h s t e i n Sagen Öster. S. 88 = G r a b e r 17) B e c h s t e i n Kärnten S. 100. 1 β ) G r a b e r Sagen Östr. s.98; S c h ö p p n e r Sagenbuch S. 12. 1 9 ) Ebd. 2 °) » ) G r a b e r a. a. Ο. Grimm D.S. 117 Nr. 138; B e c h s t e i n S. östr. S. 84. 21) B e c h s t e i n 22 ) B e c h Sagen östr. S. 72. 23) s t e i n Sagen östr. S. 92. Bechstein 24 ) D G . 14, 143; V e r n a l e k e n S. 72. Alpensagen S. 65. 25 ) S e p p Religion 198/199. 2e ) V e r 27) n a l e k e n Alpensagen S. 61. Bechstein 28 ) M a n n h a r d t S. 72. Germ. Mythen 480; G r i m m D. S. 32 Nr. 50; B e c h s t e i n S. 84. 29 " 31 ) B e c h s t e i n S. 84; G r i m m D. S. 32, 50. 32 ) S e p p / 1 « 6 . S. 3 Nr 1 S. 56. s») V e r n a l e k e n 34 ) Alpensagen S. 61. Schöppner Bayr. Sagenbuch 1, S. 13. 3 S ) B e c h s t e i n Sagen Östr. 98; S c h ö p p n e r B.S. S. 13. 36 ) B e c h s t e i n S. 97; G r i m m B . S. 122 Nr. 162; S c h ö p p n e r S 9. 3') B e c h s t e i n S. 94; G r i m m D. S. S. 122 3 e ) S e p p S. 19; Nr. 162; S c h ö p p n e r S, 11. G r i m m D. S. S. 208; B e c h s t e i n S, 97. 3 e ) B e c h s t e i n Sagen östr. S. 87. 40) S c h ö p p n e r S. 17. 4 1 ) V e r n a l e k e n Alpensagen S. 63.

Pehl.

untertauchen s. Wasserguß. Unterwelt s, Nachtrag. Untreue, Treue. 1. T. u n d U. i n L i e b e u n d E h e spielen natürlich in den Gedanken und Wünschen der Menschen eine große Rolle, die sich im Volke in mancherlei magischem Denken und Handeln äußert. a) Man s u c h t und f i n d e t , oft zu bestimmten Zeiten, bedeutungsvolle Z e i c h e n , welche für die Gegenwart oder die Zukunft die T. oder U. eines geliebten Menschen anzeigen oder bewirken sollen, also Spielarten der L i e b e s o r a k e l (2, 574ff.). So wird T. oder U. aus dem Kranzelbinden in der Andreasnacht prophezeit: 6 Grashalme werden zusammengelegt und durch Bändchen gebunden, dann die Enden wahllos verknüpft; ergibt sich ι Kreuz, deutet dies auf T., bei 2 ist die T. fraglich, 3 verraten aber U. 1 ). In der Silvesternacht drückt das Mädchen

1488

so viele Apfelkerne an die Stirne, als es Verehrer hat; wessen Kern am längsten haftet, der ist der treueste 2 ). Der Bursche wirft in der Thomasnacht Blei an des Mädchens Haustor — ein hoher Ton zeigt T. an, ein tiefer U, 3 ), oder er vergräbt ein Stück Blei unter einem Zaun, an welchem das Mädchen oft vorbeigeht, gräbt es in der Neujahrsmitternacht wieder aus, indem er ein Kreuz darüber macht — ist es noch rein, so ist sie t. ; ist es fleckig, u. 4 ). Das Mädchen aber geht in der Thomasnacht unter einen Birnbaum und sucht die abgefallenen Birnen : so viele es findet, so oft hat der ferne Geliebte eine andere geküßt 5 ). In der Johannisnacht wickelt es Johanniskraut in einen Zipfel der Schürze oder des Hemdes und drückt dies; kommt es rot durch, dann ist der Liebste t. 6 ). Liebesu. erkennt man ferner mit einem Blick durch einen Ring 7 ). T r ä u m t eine junge Frau von Eiern, so wird sie von ihrem Mann betrogen 8 ). Ein Traum von einem schwarzen Hund verkündet dagegen T. 9 ). Das Verschütten von Salz bringt nicht nur Streit, sondern enthüllt auch U. des Liebsten 10 ). Wenn ein Mädchen beim W ä s c h e t r o c k n e n gutes Wetter hat, dann ist ihr der Schatz t . 1 1 ) , und umgekehrt gilt natürlich, daß der Mann u. ist, wenn es beim Trocknen der Wäsche regnet 12 ). Wenn der T r a u r i n g verloren geht, wird der Verlierer u., so wie andererseits der nicht zerbrechende Ring im Volksliede die T. der entfernten geliebten Frau anzeigt 13 ). Als alte und verbreitete Zeichen der U. des Freiers oder des Ehemanns begegnen ferner der V e r l u s t eines S t r u m p f b a n d e s auf der Gasse durch eine Jungfer oder Frau 1 4 ), das Aufgehen oder Verlieren der S c h ü r z e 1 5 ) oder des Schürzenbandes 16 ), des Bandes der Unterhose 17 ), das Sichlösen eines Schuhbandes 18 ), das Ausfallen von H a a r n a d e l n 1 9 ) . Fallen einem Mädchen drei Blutstropfen aus der Nase, denn ist der Schatz u. 20 ). Wenn eine Frau auf einmal mehrere Kinder gebiert, wird das mitunter als ein Zeichen ihrer U. angesehen 21 ). Rotes Haar verrät u.n Sinn 22 ). b) Den magischen Zeichen seien die günstigen und ungünstigen m a g i s c h e n

1489

Untreue

149Ο

H a n d l u n g e n und K r ä f t e angereiht. feder eines Hahns leise durch die Hand Wer über Kehricht schreitet, dem wird ziehen36). Auch der Verknüpfungszauber, der Schatz u., weshalb eine Braut den sonst meist schädlich, wird in guter AbBräutigam nicht über den Kehricht gehen sicht geübt: in dem Augenblicke der Einlassen darf 23 ). So heißt es, mancherlei segnung verschlingen zwei Burschen zwei V o r s i c h t üben, um die T. des Geliebten Glockenseile, damit die beiden Eingesegzu erhalten ; aus diesem Grunde muß man neten einander ewig t. bleiben37). Ein beim Kaffeetrinken erst den Zucker und solcher Zauber muß sich auch hinter der dann die Milch in die Tasse geben24). Beim Vorarlberger Redensart verbergen, welche Stricken müssen die Mädchen immer ganz beim Anschneiden eines Brotlaibs geherum stricken, ehe sie aufhören, sonst braucht wird: nimm du de Aschnitt, blibt bleibt ihnen der Schatz nicht t. 25 ). Die der der Schatz t.38). Auch nicht ohne Frau darf ihre Schuhe nie umgekehrt magischen Hintergrund, und sei es nur vors Bett stellen, wenn sie die T. des in der Art eines Verpflichtungszaubers, Mannes nicht gefährden will26). Falls die dürfte das Gebot sein, das Mädchen solle erste Gabe eines Freiers an die Braut dem Burschen ein Osterpackel mit üblichem Schuhwerk ist, wird sie u.; ebensowenig Inhalt geben, damit er t. bleibe39). Wenn ist es umgekehrt ratsam, eine in Nord- eine Braut die Hauskatze sehr reich lieh fütdeutschland weitverbreitete Ansicht 27 ). tert, erhält sie die T. des Bräutigams 40 ); Uber solche Vorsicht hinaus geht man s.w. L i e b e s z a u b e r 5, i279ff., bes. §§4, Den T r e u l o s e n bedroht tödliche nun noch weiter und sucht seit alters, 5. durch allerlei Z a u b e r L i e b e und T. zu R a c h e des enttäuschten Teils; wird der e r z w i n g e n oder für immer zu b e f e s t i - Geliebte u., so muß er sterben, wenn das gen 28 ). Denn wenn ζ. B. der Bräutigam Mädchen eine Kerze mit Nadeln zaudas ihm von der Braut geschenkte Hemd berisch durchbohrt 41 ); man nimmt dazu am Hochzeitstage trägt, gibt es eine eine geweihte Kerze und sticht um Mitterglückliche und t, Ehe 29 ). Daher steckt nacht dreimal mit einer Nadel hinein die Braut auch dem Bräutigam heimlich unter den Worten: ich räche mich, ich ein Rosmarinzweiglein zwischen Hut und steche dich (daß du ewig denkst an mich), Gott strafe dich am Herzen42). Spuckt Futter, damit er ihr die T, bewahre30). In gleicher Absicht nähte einmal eine ein Mädchen dem u.en Geliebten ins GeJägersfrau ihrem Mann einen vierblätt- sicht, dann macht sie ihn wenigstens allen rigen, geweihten K l e e in die Unterhose, andern Mädchen abscheulich43). daß er ihr nicht u. werde 31 ), wie auch Liec) Wenn einer das elterliche Haus verbende einander heimlich vierblättrigen läßt, um in einen Dienst oder in die Lehre Klee zuzustecken pflegen, besonders in zu gehen, gießt man ihm ein Glas Wasser die Schuhe, um t. zu bleiben32). Ist der nach, damit er t. aushalte44) Wenn eine Mann unterwegs, so soll die Frau nach Magd neu zuzieht, so muß sie vor allem dem Mittagessen den Stuhl unter den einen Eimer Wasser holen und in den Tisch schieben, damit jener die T. wahrt33). Schornstein oder in den Ofen schauen, Um einen u.n Ehemann zu fesseln, kann dann wird ihr nicht bange, und sie bleibt man am Gründonnerstag aus drei Brot- dem Hause t.; man muß sie dreimal um stücken, die aus den Haushaltungen dreier den Herd jagen oder führen, so läuft sie „ganzer" Ehen stammen, eine Suppe nicht aus dem Dienst 45 ), Gewöhnungskochen und diese dem Manne geben34). oder B i n d u n g s z a u b e r gleich den LiebeEbenso macht Abendmahlsbrot, im Kaffee und T. zaubern! S. w. 2, 264ff Mit den gegessen, den Mann für immer seinem Mitteln des Liebeszaubers versichert man Weibe t ,35). Da das Turteltaubenpaar sich auch der T. seiner H a u s t i e r e . Läßt das Bild t.er Liebe ist, soll der Bursche man ein neu gekauftes Tier zu Hause die Zunge einer „Doldedube" in den Mund einmal in den Spiegel sehen, dann bleibt nehmen und die Liebste küssen, dann es einem t. 46 ). Um sich einen H u n d t. bleibt sie t. ; oder er muß ihr die Schwanz- zu verbinden, läßt man ein Stück Brot

Untreue

unter seiner Achsel durchschwitzen und gibt es dem Hunde47), s.w. Kauf §§ gf. Vom Hunde erwartet unsere Erfahrung vorzügliche T. gegenüber seinem Herrn48), ebensosehr wie die Katze treulos sein soll49), weshalb die Ausdrücke „hundetreu" und „katzenfalsch" in die Sprache eingegangen sind50). Von manchen Tieren wird besondere L i e b e s t , gerühmt, so von der Turteltaube, die sich zu Tod kränken soll, wenn der Tauberich sie verläßt 81 ), umgekehrt soll die treulose Störchin von ihrem Gatten und anderen Störchen umgebracht werden62). Es gibt schließlich auch Zwingzauber, welche Wolllust und U. e r r e g e n ; so soll 1549 e l n e Hexe zu Erfurt es verstanden haben, durch „wollene Stecknadeln", die sie in der Stadt verstreute, Mädchen, die sie aufhoben und ins Haar steckten, zu Fall zu bringen und Frauen ihren Männern u. zu machen53). d) Man ist überzeugt, daß der U. in der Liebe die härtesten S t r a f e n folgen, bald mythischen, bald christlichen Charakters, besonders in der Form des Umgehens 8 4 ), gleich anderen Verbrechern. Mädchen und Weiber, die ihren Liebhabern oder Männern u. waren, müssen auf feurigen Geißböcken durch Wald, Berg und Tal reiten85), u.e Weiber werden in Eulen verwandelt 56 ). Der u.e Ehebrecher muß umgehen, bis seine Frau ihn liebevoll anspricht87). Den u.en Mann trifft der Fluch der Frau oder Geliebten58) oder als Folge einer Selbst Verfluchung im Falle der U. Krankheit oder Tod 59 ). Die ungetreue Braut holt der T e u f e l , ein häufiger Zug in Volkssage und Volkslied80), oder sie wird zu Stein verwandelt 61 ), es trifft sie ein anderer, g r a u s a m e r Tod 6 2 ). Der treulose Bursche, welcher ein armes Mäddel sitzen gelassen, versinkt mit der reichen Braut in einer Gletscherspalte63); hier hat ein Eismanndl eingegriffen. In einer andern alten Sage verrät der Burggeist dieU. der Burgfrau 64 ). Tödlich wird auch die U. gegen eine Liebste aus der Geist erweit bestraft 65 ). Aber auch die treulos verlassene Braut findet nach ihrem Tod keine Ruhe66). Von der Möglichkeit, wegen treuloser Liebe Verwunschene zu

I492

erlösen, ist selten die Rede; einmal wirkt so eine an ein t.es Liebespaar verteilte Spende67), über fälschlich der U. Beschuldigte, T.proben vgl. u n s c h u l d i g . e) Unser Volksempfinden verwirft so naturgemäß U. in der Liebe von jeher aufs schärfste. Daher setzt man t r e u losen Mädchen, besonders am 1. Mai, Schandbäume 6 8 ), „Spott-Maien", d. h. blätterlose Bäume, Strohmänner, Petersüie. Vogelbeer69), und straft U. öffentlich ab durch Haberfeidtreiben, Streuen von Häcksel oder Sägemehl, durch ein „Volksgericht der Nachtraupen"70) und andere V o l k s j u s t i z dieser Art. Hoch klingt dagegen das L o b der T., wie es Sage und Märchen von t.en Weibern verkünden 71 ). x ) S c h r a m e k Böhmerwald 112. 2 ) W i r t h 3 Pflanzen 11. ) V e r n a l e k e n Mythen 350. 4 ) W. § 342 ; Zauberworte zur Entdeckung der 6 U . eines Mädchens s . o . 1, 237. ) Urquell N . F . ι, 278. «) W . §335 (Halle); vgl. oben 6, 885 (engl. Parallele). 7 ) R o c h h o l z Sagen 2, 162. 8 ) S. o. 8, 233; in Liebe und Geschäft betrogen wird, wer nachts v o n Süßigkeiten träumt, R e i s e r Allgäu 2, 428. ») WZfVk. 34, 71 ; U. des Gatten droht auch, wenn eine Elster der Frau i m Vorbeifliegen die schwarze Seite zeigt, S é b i l l o t Folk-Lore 3, 192. 1 0 ) S. E i t r e m Saltet i Irò og overtro, Fästskrift tili H. F. Feil11 berg (1911) S. 181. ) Alemannia 10, 30. la ) W o l f Beiträge 1, 212 Nr. 103; D ä h n h a r d t Volkst. 2, 87; B e c k e r Pfalz 226. 1 3 ) C u r t z e Waldeck 377; vgl. Z a u n e r t Rheinland 2, 62f.; ZfVk. 20, 66ff.; B o l t e - P o l l v k a 1, 546 (verw a n d t e Fernzeichen der T. im internationalen Märchen wie nicht welkende Blumen, ein weiß bleibendes H e m d , ein sich nicht trübendes 14 Bildnis; vgl. ZfVk. 19, 67). ) Rockenphilosophie (1709) 229 c. 31 = G r i m m Myth. 3, 438 Nr. 124. 474 Nr. 1071 (Bunzlau 1791); P a n z e r Beitrag 1, 260; B i r l i n g e r Schwaben 1, 416; D r e c h s l e r i , 227. 2, 195; S t r a c k e r j a n 1, 50 Nr. 42; ZfVk. 4, 165. 8, 160. 23, 280. 1 5 ) K ü c k Lüneburger Heide 156; SudetendtZfVk. 2, 35; WZfVk. 34, 26 (Wiener Kinderglaube). l e ) S. o. 7. 1379· l ? ) ZfdMyth. 3, 3 I O , 1 8 ) SAVk. 7, 135 (Bern); R e i t e r e r Ennstalerisch 100 (am linken Fuß!). 19 ) J o h n Erzgebirge 75; SudetendtZfVk. 3, 84; D r e c h s l e r 1, 227. 2, 195; SAVk. 7, 135. 20 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 58; W o l f Beiträge ι, 210; W. § 3 1 1 ; s . a . S é b i l l o t 4, 208. 21 22 ) NdZfVk. 7, 155. ) S. o. 3, i25of. 23 ) D r e c h s l e r 1, 232. 2, 6; vgl. oben 4, 1217. 24 25 1234f. ) D r e c h s l e r 1, 227. ) W. § 549. 2β ) W. § 570 (Oldenburg). 2 ') S. o. 7, I325f. Streit § § 3 . 5 (8, 5 3 ° f f · ) ; vgl. V . R y d b e r g Medeltidens Magi c. 4 (Östergötland). 2 β ) Über altdeutsche T.zauber vgl. H . M e y e r Eheschließung im Ruodlieb, Z R G germ. 52 (1932), 2β 276ft. ) B ä c h t o l d Hochzeit 1, 242t.; W .

Untreue

1493

§ 560; vgl. Hemd 3, 1722. M ) M e y e r Baden 285; W . § 565 (der Geistliche erhält einen Rosmarinstengel, fest i n ein T u c h eingenäht, weil sonst d i e E h e nicht hält, Sondershausen). 3 1 ) R e i 32) W . terer a.a.O. § 5 5 0 . » ) J o h n Erzgebirge 34. 3 4 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 120. 3 5 ) S A V k . 18, 1 1 5 ; g e g e n e h e l i c h e U . wirken ferner: Fuchsblut ( W l i s l o c k i Aus d. inneren JLeben d. Zigeuner (1892) 87), Gemsrose, eine Drüse ( H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 177), H a m melherz ( S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 118), das Herz einer Turteltaube ( J a h n Pommern 1 8 5 ! Nr. 689. 693), eine schwarze Henne ( J o h n , Westböhmen 217), S t a u b einer Schlangenhaut, in die Kleider gestreut (W. § 153), der Saphir (s. o. 7, 941). 3 e ) M e y e r Baden 170. 3 ' ) E b d . 294. o«) Z f V k . 21, 267 Nr. 249; v g l . 3 *) S c h r a m e k aber oben 8, 531 A n m . i n . Böhmerwald 146. 4 0 ) B I P o m m V k . 7, 43. 4 1 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 127t. " ) D r e c h s l e r ι , 232; W . §§ 553Í.; vgl. oben 3, 742. 6, 925Í. 4 S ) G r o h m a n n 211, 1469. 4 4 ) W . § 1 1 4 (Oldenburg). 4 5 ) W . §623. 4 e ) H ü s e r Beiträge 26. 47) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 1 1 5 ; v g l . H e u r g r e n 74; s . o . 4, 4 7 6 I 1 1 5 3 0 . 48 ) V g l . oben 4, 487^ A n m . 173; s. a. B o l t e - P o l i v k a 1, 551. 4 9 ) S . o. 4, 1 1 1 7 . 1124. 60 ) D r e c h s l e r Haustiere 1 0 ; D W b . 4, 2, 1930 (18. Jh.). " ) W Z f V k . 34, 72; M e y e r Baden 170. 5 2 ) G r i m m Sagen 371 Nr. 492 (nach Gesta rom. u. A v e n t i n s Bair. Chr.); W o l f Beiträge 2, 435; B i r l i n g e r Volksth. ι , 118; M e g e n b e r g Buch der Natur 146 (S. 1 1 1 : T . des Elefanten i n der E h e ! ) . 83 ) K r u s p e Erfurt 2, 5 3 ; W i t z s c h e l Thü54) V e r n a l e k e n ringen ι , 302. Mythen 9 ; N d Z f V k . 5, 2 i 6 f . ; v g l . oben 2, 589^ 593. »») Z f V k . 8, 443 (Steiermark). «·) G r o h m a n n 57) J u n g b a u e r 194 (Mähren). Böhmerwald 238f. 68 ) M e i c h e Sagen 74. 80. 6 S ) S A V k . 21, 224f. ; v g l . M a c k e n s e n Nds. Sagen 240. m ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 433; B o c k e l Volkslieder 69; abgeschwächt bei M a c k e n s e n a. a. O. e l ) S. o. 8, 422. β2) Bavaria 126. ι , 313. β 3 ) A l p e n b u r g Tirol 103; Z i n g e r l e Sagen 100. e 4 ) P r ö h l e Harz 195 = G r ä s s e Preußen 1, 572. e 5 ) Melusinenmotiv! ζ. B . die Mär v o m Ritter V.Staufenberg, v g l . Die Ortenau 1929, 292ff.; K ü n z i g Schwarzwald I38f. 356; A i g r e m o n t Fußerotik 39; K a p f f Schwaben I29f. β β ) W u c k e Werra 1, 5; vgl. V e r n a l e k e n a. a. Ο. e ? ) G r ä s s e Preußen 1, 154. e 8 ) S c h r a m e k Böhmerwald 152 ; M e y e r Baden 223f.; B e c k e r Pfalz 226; S a r t o r i Sitte 3, 175. 205. e 9 ) M a n n h a r d t 1, i 6 6 f . ,0) Z i n g e r l e Tirol 225 Nr. 1786; zur Treulosigkeit i m Märchen v g l . B o l t e - P o l i v k a 1, 551 ff. 3, 18. 33. " ) V g l . oben 2, 1 7 4 1 t . Anm. 62; s . a . B o l t e - P o l i v k a 2, 372t. 3, 5I7ÉE. 5 3 1 ; E r k - B ö h m e 1, 93ft., W o l f Sagen 1 4 6 0 . ; R o c h h o l z Sagen 2, 355; K a p f f Schwaben i^ji. ; G r i m m Sagen 363 Nr. 487; M a i l l y Rechtsaltertümer (1930) I 7 3 f f . ; G r i m m RA 1, 141. 2. N i c h t nur i m Liebesleben

wird U .

bitter empfunden und nach dem glauben

streng

und

Volks-

o f t wunderbar g e -

1494

ahndet, auch in allen andern Beziehungen des t ä g l i c h e n L e b e n s u n d des menschlichen

Verkehrs,

abgesehen

etwa

vom

Zahlungsverkehr mit öffentlichen Kassen, w o nicht nur der Bauer eine v o n keinem A b e r g l a u b e n verfolgte Schwäche zeigt 7 2 ). Mit steigender K u l t u r h a t sich auch bei uns der H a n g zur U . gemehrt, so bei den H a n d w e r k e r n deutlich seit d e m 13. J h . 7 3 ) . D i e verschiedensten G e w a l t e n führen a n den B e t r ü g e r n die S t r a f e aus v o m T e u fel 7 4 ) bis zur hl. Mutter A n n a 7 5 ) .

Betrü-

g e r a l l e r A r t müssen n a c h ihrem T o d e als Gespenster u m g e h e n 7 6 ) , in Menschenoder T i e r g e s t a l t 7 7 ) , umherreiten, allnächtlich spuken 7 8 ),

o b sie nun i m H a n d e l

unehrlich, wucherisch, mit falschem M a ß verfahren sind 7 9 ), ja, als W i r t e bloß nicht voll eingeschenkt Eigentum

haben 8 0 ),

(Wald!)

oder

ungerecht

gezogen h a b e n 8 1 ) — v g l .

o b sie a n sich

Eidtäuschung

2, 6 6 9 1 , M e i n e i d 6, i i 3 f f . — o b sie betrügerische V e r w a l t e r oder treulose H i r t e n 8 2 ) , ungerechte M ü l l e r 8 3 ) , Geistliche84), ter

und

ungetreue

ungerechte, harte

Amtsleute85)

Rich-

gewesen

sind.

W e n n sie über G r e n z e n u n d R a i n falsch gesprochen 8 6 ), heimlich

Grenzsteine

ver-

rückt haben, müssen sie vermessend, als feurige

Männer,

gehen 8 7 ).

a l s Irrlichter

wieder-

I n solchem Glauben zeigt das

V o l k , wie sehr es, wenn auch nicht ohne magische

Einschränkungen 8 8 ),

all dies

Unrecht empfindet u n d deshalb v o n F l u c h u n d S t r a f e gefolgt sieht 8 9 ).

Denn

gerechtes G u t bringt zur Hölle" 9 0 ),

„un„un-

recht

G u t gedeiht nit, 's k u m m t nit ins

dritt

Glied"91).

Treuloses,

unehrliches

Handeln, zumal in zweifelhaften Berufen, macht

zudem

ehrlos,

vgl. unehrlich.

Manche Tiere u n d Pflanzen sind besonders empfindlich gegen ungetreue Behandlung, so ertragen Bienen, O b s t b ä u m e u n d Werm u t kein Unrecht 9 2 ). " ) V g l . S A V k . 27, 170. '») M. H e y n e D. altdt. Handwerk (1908) i ó 3 f . 7 4 ) L ü t o l f Sagen 76; S A V k . 3, 342; M e y e r Baden 544; M ü l l e r Siebenbürgen 65. 7 5 ) S i e b e r Sachsen 72. 7 β ) B i r l i n g e r Volksth. i , 25. Ó9f. i i 2 f . ; Schwaben 1, 72; L a c h m a n n Überlingen 1 1 3 ; A l p e n b u r g Tirol 183; L e n g g e n h a g e r Sagen 66; J o h n Westböhmen 180; Q u e n s e l Thüringen 3 1 6 ; S c h e l l Berg. Sagen 196; N d Z f V k . 5, 2 2 2 f i . ; W . § 7 5 8 . 7 7 ) Ζ. B . als Schweine, s . o . 7, 1 4 7 4 ;

1495

unverheiratet—unverwest

als schwarzer Hund, M a c k e n s e n a. a. O. 28 u. K u o n i St. Galler Sagen 25 u. W . § 7 5 5 ; als Pferd, B i r l i n g e r Schwaben 1, 194 u. L ü t o l f Sagen 76, u. a. m. 7 β ) K u n z e Suhler Sagen 1 1 ; ZfdMyth. 3, 64f. (Würzburg). *·) B o c k e l Volkssage 1 0 7 ; Bavaria 1, 3 1 2 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 1 3 4 s . ; M e y e r Baden 597; K i i n z i g Baden 1 3 I ; Schwarzwald 49; Z a u n e r t Rheinland 2, 2 1 4 f t . ; M a c k e n s e n Nds. Sagen 38. 2 1 3 ; Hanseat. Sagen 70; S t r a c k e r j a n 1, 259. 80 ) G r a s s e Preußen 1, 3 4 8 ! ; P e u c k e r t Schlesien 1 1 8 ; K ü n z i g 1 4 I ; L ü t o l f a. a. O. 8 1 ) B i r l i n g e r Volksth. I, 60; A l p e n b u r g 154. 1 7 7 ; H e y l Tirol 397. 414. 5 8 1 . 602; K ü n z i g Schwarzwald 5 3 f f . 65f 76; S c h e l l a . a . O . 156. 178. 196. 265. 8 2 ) R o c h h o l z Sagen 1, 303. 366. 2, 47; K u o n i 2 5 . 1 1 6 . 1 6 8 ; R e i s e r Allgäu 1, 25. 82. 88ff. 3 1 3 ; Z i n g e r l e Sagen 226ft.; R a n k e Sagen 65. 8 3 ) S. o. 6, 6i4ff. 8 4 ) W. § 7 5 5 ; R e i s e r 1, 64. 3 0 3 ; M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 1 9 f . 8 S ) S . o . ι , 374. 7, 693; s . a . R o c h h o l z Sagen 2, Einltg. S. 2ofi.; L e n g g e n h a g e r 66; B i r l i n g e r Schwaben 1, 194. 2 1 2 ; Schönw e r t h 3, 1 2 9 f t . ; J u n g b a u e r Böhmerwald 266; K ü h n a u Sagen 1, 67ft.; Z a u n e r t Westfalen 3 2 4 Í . ; M a c k e n s e n Nds. Sagen 2. 2 8 ; vgl. G r i m m RA 2, 410. 8 e ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 508; G r i m m Myth. 2, 765. 8 7 ) M e y e r Baden 5 9 7 ; K ü n z i g Baden 1 2 f . ; Schwarzwald 92; S é b i l l o t ι , 2 3 5 (Elsaß); S c h ö p p n e r Sagen 1, 2 2 3 ; J u n g b a u e r a. a.O. 2 4 3 ; K ü h n a u Sagen 1, 3 3 6 ; J a h n Pommern 4 2 1 ; M a c k e n s e n a a. O. 34ft. ; G o y e r t - W o l t e r 1 5 6 ; s. w. oben 3, 1 1 5 7 Í u. N d Z f V k . 5, 224ft. 6, 109f. 7, 8f. 8 8 ) Vgl. N d Z f V k . 5, 230ft.; s.o. 7, 5Ô7f. 8 9 ) Vgl. Geiz, s. o. 3, 567ÎÏ. · ° ) S c h ö n w e r t h 3, 129. β 1 ) Alemannia 25, 2 5 1 ; Z i n g e r l e Tirol 39 Nr. 3 2 0 ; vgl. Sprüche Salomons 10, 2. 9 2 ) K u h n Westfalen 2, 65; vgl. stehlen § 9 (8, 377Í.).

3. V e r s c h i e d e n e Z a u b e r Knackt der Tisch sehr, so wurde einmal über dem Tische ein unrecht Urteil gesprochen93). Der Urin einer t.en Ehefrau ist schon nach Herodot als Heilmittel für geblendete Augen gebraucht worden 94 ), ebenso die Milch einer keuschen Frau 95 ). Hier offenbart sich die Zauberkraft der Unschuld. Gegenseitige T. ist auch notwendig mit dem Erfolg des Schatzhebens verbunden, das Geld muß redlich unter die Teilnehmer geteilt werden, sonst verschwindet es 96 ). Aber auch die U. kann zauberisch helfen: hält die Kuh beim Melken nicht still, dann schlägt man sie mit einem Stock, den man aus einem Hause entwendet hat, wo der Mann seiner Frau u. ist, und den man nach dem Gebrauch an einen Ort hinlegen muß, wo weder Sonne noch Mond hinscheint97). In Baden gilt ein immer weinendes Kind für „veruntreut ', d. h. ver-

1496

hext 98 ). Ebenso nennt man das Verhextwerden der Wöchnerin durch berufene alte Weiber 99 ).

M ® 3 ) M a e n n l i n g 301. ) W e i n r e i c h Heilungswunder 189f. e 6 ) S. o. 6, 278. 9 e ) G r o l l m a n n 2 1 8 ; K ü n z i g Schwarzwald 1 1 5 . 9 7 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 1 7 ; Bavaria 2, 301 (Oberpfalz) = W . §694; S t a r i c i u s 3öf. 98 99 ) M e y e r Baden 37. ) Ebd. 390. Müller-Bergström.

unverheiratet s. ledig 5, 1103. unverwest. Bleibt eine Leiche unverwest, so ist das ein Zeichen, daß der Tote noch nicht vollständig tot ist. Die Verwesung kann darum als ein zweiter Tod betrachtet werden 1 ). Solange er noch nicht verwest ist, kann der Tote leibhaftig erscheinen (als lebender Leichnam). Er behält besondere Kräfte, wie der Wiking Ivar, der das Land gegen die Feinde schützte 2 ). E s heißt auch, die Seele besuche den Körper, bis er ganz verfault sei 3 ); die Ruhe des Toten werde durch jeden Tritt auf sein Grab gestört, denn solange der Körper nicht verwest sei, stehe die Seele noch mit ihm in Verbindung 4 ). Unverwest zu bleiben ist das Schicksal besonderer Toter (Ertrunkener, Ermordeter) 5 ). 1699 soll die (französische) erste Gemahlin Karls I I . von Spanien unverwest im Sarg gefunden worden sein, woraus man auf eine französische Thronfolge Schloß6). E s sind vor allem zwei außerordentliche Klassen von Toten, die nicht verwesen: Heilige und Übeltäter. Von Heiligen wird außerordentlich oft erzählt, daß ihre Leichen nach Jahren unverwest gefunden wurden 7 ); sie verbreiten dazu noch einen besonderen Wohlgeruch8). Auch von frommen Leuten wird berichtet, daß ihre Leichen unverwest blieben9). Zur anderen Klasse von Toten, die nicht verwesen, gehören vor allem die Nachzehrer (s. d.), daneben auch andere schlechte Tote. In der griechischen Kirche wird beim Begräbnisgottesdienst gebetet, der Leichnam möge sich in seine Bestandteile auflösen. Geschieht dies nun nicht, so ist es em Zeichen von Sündhaftigkeit des Toten 20 ). Solche sündige unverweste Tote zerfallen, wenn sie Verzeihung erhalten 11 ). Verschiedene Sünden ki'nnen Grund der Unverweslichkeit sein 12 ) am häufigsten wird

1497

unverwundbar—Urban, hl.

der Meineid genannt 13 ); Nägel und Haare wachsen diesen Toten weiter 14 ). Auch heißt es, nur das sündhafte Glied verwese nicht 16 ). Bei manchen Toten ist nicht klar, warum sie nicht verwesen 18 ). L e v y - B r u h l Fonctions 378; N a u m a n n Primit. Gemeinschaftskultur 36; Jb.histVk. 1, 2 23. ) Urquell 3, 118. 3 ) S a r t o r i Speisung 37 ( = W l i s l o c k i Zigeuner). 4 ) J o h n Erzgeb. 128. L e B r a z Légende 1, 262. 391; vgl. K l a p p e r Erzählungen 149. ·) K r ü n i t z Encycl. 73, 393. ' ) L u c i u s Anfänge 1 5 1 ; P a u l u s Diac. Langobardengesch. 1, 4; 6, 2; B e d a Hist, eccles. III, c. 6. 8. 19. 30; IV, c. 19; W a i b e l u. F l a m m 1, 123; 2, 250; Schell Berg. S. 8, 508; K ü n z i g Schwarzwald 218. 8 ) S c h r e u e r ZvglRwiss. 33, 379Í.; Singer Schweiz. Märchen 2, 145. ·) K ü h nau Sagen 3, 428; H e c k s c h e r 97; vgl. W a i b e l u. F l a m m 2, 307. 10 ) E R E . 4, 442; MschlesVk. Ii, 68; F L . 18, 331. " ) F e i l b e r g Dansh Bondeliv 2, i3of.; ZrwVk. 1914, 198; B a r t s c h Mecklenb. 1, 366f. 1 2 ) Deeke Lüb. Gesch. 2 6 1 ; W u t t k e 320. 1 3 ) Höhn Tod 357; Z a u n e r t Rheinland 2, 204; S c h a m b a c h u. Müller 241 f. 367; K u h n u. S c h w a r t z 108; Meier 14 Schwaben 313. ) Höhn Tod 357; Meier Schwaben 313. 1 6 ) MschlesVk. 11, 73, vgl. 16, le 247; Meiche Sagen 617. 634. ) Haupt Lausitz ι, ιηοί.) K u h n Westf. 1, 196 (Selbstmord?). Geiger.

unverwundbar s. Nachtrag. Unwetters. G e w i t t e r , H a g e l , Wind. Urban, hl. ι . Der 25. Mai gehört dem 230 gemarterten Papste Urbanus I., doch wurde mit ihm der Bischof Urban von Langres (5. Jh.) verbunden, der in Dijon begraben und in Frankreich Patron der Weing ä r t n e r ist (sein Gedenktag ist der 23. Januar) 1 ). Dasselbe Patronat erhielt in Deutschland, namentlich in Franken, auch im Elsaß, der Papst Urban 2 ). In Künzelsau machte man früher am U.stage einen Bittgang durch die Weinberge 3 ). In Stollhofen zogen die Kinder mit einer U.statue, an der eine Weintraube hing, in den Klosterhof nach Schwarzach; hier beteten und sangen sie und umliefen den Heiligen, worauf sie vom Abte bewirtet wurden 4). So wird an vielen Orten das Bild des Heiligen in Prozession herumgetragen 5 ). In Nürnberg fand bis ins 17. Jh. am 25. Mai das Urbansreiten statt, wobei der Darsteller des U., der ein mit kleinen Spiegeln und Gläschen behängtes Fichtenbäumchen trug, am Schlüsse in einen mit Wasser gefüllten Trog geworfen

1498

wurde. Bei guter Witterang geschah das nicht, und man sah einem gesegneten Herbst entgegen e ). Auch in Sargans wird am 25. Mai das Bild des Traubenheiligen in den Brunnen getaucht 7 ). Diese Wassertaufe ist wohl eigentlich ein Segen- und Fruchtbarkeitszauber, um ein gutes Weinjahr zu bewirken. Auch wenn man dann den Heiligen mit Wein begoß und seine Minne trank 8 ), hoffte man, die Ernte günstig zu beeinflussen. Später ist dann das Hineinwerfen des Bildes in einen Bach oder gar in den Kot, wenn das Wetter am 25. Mai schlecht war 9 ), als eine Züchtigung des Heiligen aufgefaßt worden. In reichen Herbsten dagegen wird das Bild ins Wirtshaus geführt und mit so viel Flaschen und Gläsern behängt, als Bauern hinter dem Tische sitzen 10 ). Als Patron der trinklustigen Winzer sendet der Heilige aber auch die U.splag, das Podagra u ) . D o y é Heilige u. Selige 2, 461 f.; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 3 7 6 5 . ; P f l e i d e rer Attribute der Heiligen 1 7 1 . 176; R e i n s b e r g Böhmen 278; H o c k e r Hohenzollern 97. 2 ) Am 25. Mai erlangte der Winzer das Recht auf den Ertrag des Weinberges: Sachsenspiegel 2, 58 3 = S a m s o n 377. ) E b e r h a r d t Landwirtschaft Ii. 4) M e y e r Baden i i 2 f . 5 ) S a r t o r i Sitte 2, 108; 3, 190; Hmtl. 14 (1927), 277. 283!.; ·) P a n z e r Beitr. 2, 43t.; S c h ö p p n e r Sagen 2, 197; Erlanger Heimatblatt 3 (1920), 85f. 2 i i f . ; H o c k e r Hohenzollern 97Á.; J o s t e s Sonnenwende 1, 9; F r a n z Benediktionen 2, i8f. ' ) H o f f m a n n - K r a y e r 161. 8 ) J a h n Opfergebr. 221. ' ) R o c h h o l z Naturmythen 6. 7; S c h ö p p n e r 2, 248; W ö l f Beitr. 2, i i o f . ; R e u s c h e l Volkshunde 2, 63; E b e r h a r d t Landwirtschaft 1 1 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 162; J a h n Opfergebr. 22ofí.; S é b i l l o t F o / A 10 Lore ι, 124; Oben 1, 1291. ) Rochholz Naturmythen 6f. 1 1 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 473; ZfVk. ι, 296; F r a n z Benediktionen 2, 416.

2. Gutes W e t t e r am U.stag ist nicht nur für den Weinertrag 12 ), sondern auch für die Heu-, Hirse- und Getreideernte günstig 13 ). U. wird der „grobe Heilige" genannt, weil er oft noch Unwetter bringt; nachher kommt kein Frost mehr14). Es ist jetzt die höchste Zeit zum Säen 15 ). Säet man am Tage dieses letzten Frostheiligen, so wird man eine spärliche Ernte haben 1 6 ). „Auf St. Orben ist das Getreide weder geraten noch verdorben" 17 ). Doch wird Gerste gern am U.stage gesäet 18 ), auch Hirse 19 ), sowie Flachs und

Urbansminne—Urei

1499

Hanf 2 0 ). Auch verpflanzt man gern die jungen Kürbispflanzen von den Samenbeeten, denn „Urboan brengt an großen Turboan" 21 ). Dagegen darf man (in Ditmarschen) keinen Buchweizen säen 2 2 ), während es in Mecklenburg und in der Lüneburger Heide wiederum heißt, daß Buchweizen und Gerste am U.stage gesäet werden müssen, wenn sie gedeihen sollen 23 ). Hafer, am U.stage gesäet, heißt es im tschechischen Sprichwort, gedeiht ebensowenig wie Galluskorn 2 4 ). Bienenschwärme, die U. bringt, sind besonders gedeihlich 25 ). Die Kühe pflegte man an seinem Tage gegen den Milchschwund zu sichern 2e ). 12) M e y e r Baden 442; E b e r h a r d t Landwirtschaft 1 1 ; S A V k . 12 (1908), 1 6 ; R o g a s e n e r 13) F a m i l i e n b l a t t 1 (1897), 15. 17. Hocker 14) Hohenzollern 102. D r e c h s l e r i, 116. 15) ZfVk. 4, 1 1 7 (Gossensass); Rantasalo Ackerbau 2,30. Vgl. W i t z s c h e l Thüringens, 200; B e i s s e l Heiligenverehrung 2, 63. l e ) ZföVk. 17) 4, 401. B a r t s c h Mecklenburg 2, 269. le) Drechsler 2, 50; R o g a s e n e r F a m i l i e n b l a t t 2 0 ι (1897), 18. ™) D r e c h s l e r 1, 1 1 6 . ) Bartsch 2, 269; M e y e r Baden 4 2 1 ; H ö r m a n n 86; R e i n s b e r g Böhmen 278; R a n t a s a l o Acker21) Drechsler 22) bau 2, 30. 2, 55. ZfVk. 23) B a r t s c h 24, 58. 2, 269; K ü c k Wetterglaube 36. I n Westfalen soll F l a c h s und H a n f 24) g e s ä e t w e r d e n : E b d . 36. Reinsberg 25) Böhmen 278. W i t z s c h e l Thür. 2, 201. 2 e ) H ö f l e r Krankheitsnamen 764.

3. Ein hoher F e s t t a g war der U.stag in Brunshaupten. Es wurde nicht gearbeitet, kein Brunshaupter ging aufs Feld und zur See 2 7 ). Anderswo soll man kein Brot backen, sonst wird es das ganze Jahr leicht schimmelig 28 ). Dagegen besaßen die Brötchen, die in Olsen jährlich am U.sfeste den beim Gottesdienst Anwesenden gereicht wurden, die Kraft, nie zu schimmeln und Brotmangel in dem Hause, wo sie sich befanden, zu verhindern 2e ). Wer bald heiraten will, soll dem hl. U. zu Ehren einen ganzen Tag strenge fasten 3 0 ). Um Wanzen im Hause los zu werden, soll man am U.stage seine Andacht in der Kirche verrichten und zu Hause auf dem Herde kein Feuer anmachen 3 1 ). Will man nicht so sehr von Fliegen belästigt sein, so soll man die Fenster möglichst geschlossen halten, dann fliegen sie weiter 3 2 ). ")

Bartsch

1,

342f.

28

) ZföVk. 4 (1898),

1500

3 ° ) ZföVk. 145. « ) W o l f Beitr. 2, i n . 4, 31) 32) 145. SAVk. 15 ( 1 9 1 1 ) 243. ZföVk. 4, 145. t Sartori.

Urbansminne. Daß es üblich war, zu Ehren St. Urbans die Becher zu leeren vermögen wir aus zwei quellenmäßigen Andeutungen, die sich mit den Urbansfesten der Weinbauern befassen, zu entnehmen. Eine schwäbische Handschrift des 16. Jh. erzählt, wie die Weinbauern St. Urban, je nachdem das Wetter an seinem Festtage gut oder schlecht ist, feiern oder in rohester Weise beschimpfen: „ist es schön, so tragen sie i h n " (nämlich seine Statue) „gen wein in das wirtshaus, setzen hinder den tisch, behenken ihn mit Weinreben und vertrinkhen ihn, bringen ihn offt ein trunk und halten es von seinetwegen" 2 ). Von hier aus gewinnt eine Stelle aus der Daemonomania des Bodinus 3 ) tiefere Bedeutung, die von der gleichen Unsitte berichtet und angibt, es sei erlaubt, das Heiligenbild „zu reichen herbsten . . . in ein wirtshaus zu führen und mit so viel gutterufen, angstern und gläsern weins zu behenken, als bauern hinter dem tisch sitzen". Der Brauch beschränkte sich augenscheinlich auf die Weinbauern am Rhein und Neckar. 2) ! ) Vgl. den Artikel Minne. Bei J a h n 3 ) Übers, v o n Opfergebräuche 2ii. Fischart I59I» 1 3 9 ; vgl. J a h n Opfergebräuche 222f. Mackensen.

Urei. ι . Der Urgrund alles Lebens und der Welt, vor allem nach orientalisch-orphischer Vorstellung (darüber Ei § 2). 2. In der Landshuter Gegend heißen Eier mit weicher Schale Hexen- oder Ureier 1 ). Brevinus-Noricus spricht vom „Uhr-Eylein" 2 ). In der Oberpfalz 3) heißen diese Eier UrlegerIn oder Irlegerln. In Schlesien bringt das Urigel Unglück über den Hof; man muß es mit abgewandtem Gesicht über das Dach werfen; wenn man aber ein Urigel von einer schwarzen Henne unter dem Arm während eines Monats brüten läßt und in dieser Zeit jeglichen christlichen Gedanken von sich weist und jedes christliche Zeichen unterläßt, kriecht ein Käferle aus dem Ei, das wie der Drache zu Diensten steht 4 ).

Urin—Valentin, hl.

Im Angeltal in der Rothenbaumer Pfarre heißt ein außergewöhnlich kleines Ei Uarigel, auch Kinichal wie der Zaunkönig oder Hexenei. Das Uarigel (HexenSpareier) wirft man in den Ofen oder über drei Hausdächer, in Egerland rücklings 5) (vgl. Windei).

2

) B r e v i n u s - N o r i c u s den in vielen Stücken allzu abergläubischen Christen L. 1721, 1 4 2 s . 3 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 347, 3. 4 ) D r e c h s ler Schlesien 2, 89. ») ZföVk 8, 2240.; vgl. B i r l i n g e r Volksst. 1, 125. J o h n Westböhmen 58; F o g e l Pennsylvania 182, 876. Eckstein.

Urin s. H a r n 3, 1472ft.

1

) Pollinger Landshut 157; S c h m e l l e r Wb. I. 55: Urajerlein: ungewöhnlich kleines Ei.

Valentin, hl. ι . Geb. in Interamna (Terni) in Umbrien. Bischof und Märtyrer um 260. Sein Attribut ist ein Hahn neben einem verkrüppelten Knaben, den er vom Veitstanze geheilt haben soll 1 ). Er gilt als Beschützer des Viehes 2 ) und hilft gegen Krankheiten der Schweine3). In der Nieder-Bretagne wird er um Wind angerufen 4). Der Name des Heiligen hat jedenfalls dazu beigetragen, daß er als Helfer gegen die fallende Sucht gilt 5 ), die geradezu St. V.s Krankheit oder Plage heißt 6 ). Seine Hirnschale diente zur Heilung von Fallsüchtigen '). Geiler v. Kaisersberg erwähnt den Gebrauch von V.wasser gegen die fallende Sucht 8 ). Mit Zweigen von Eibenbäumen, die im Hofe der Kirche stehen, berührt man in Kiedrich die Statue des hl. V. und kocht dann gegen die Fallsucht Tee daraus 9 ). Gegen Zahnweh und Grimmen hilft (in Meran) das Verschlucken von Holzstückchen vom Altare des Heiligen10). Auch gegen Fraisen (Vergicht) hilft V. u ) . In Würzburg setzte man gichtkranken Kindern seine Reliquien auf den Kopf 1 2 ). Er wird bei Gebärmutterleiden angerufen, und es werden ihm wächserne Kröten geopfert ls ). Die Pfarrkirche in Jumièges ist dem hl. V. geweiht, weil alle Ratten, die das Land verwüsteten, sich in die Seine stürzten, als seine Reliquien hindurchgetragen wurden 14 ). Mitunter ist V. mit dem hl. Veit durch Volksetymologie in Verbindung gebracht worden. Sein süddeutscher Name Vaiti wird oft wie Veitl gesprochen 15 ).

' ) D o y é Heilige u. Selige 2, 4 7 3 I ; K ü n s t l e Ikonographie 5 7 4 ! ; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 3 79 f.; H e r z o g - H a u c k 20,

1502

Ursula s. Nachtrag.

417Í.; ZfVk. 19 (1909), 200. 2 ) Oben 3, 1632. 4 ) F o n t a i n e Luxemburg 112. ) Sébillot 6 Légendes de la mer 2, 148. ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 3 3 4 I 360; ZfVk. i, 293; 22, 226; Höhn Volksheilkunde 1, 65f. 132; J o s t e s Sonnenwende 1, 76; K ü n s t l e Ikonographie e 574. ) H ö f l e r Krankheitsnamen 473. 764; D r e c h s l e r 2, 306. ' ) Archiv f. Anthropologie, Korrbl. 13 (1882), 46 = S c h e f t e l o w i t z AltPalästinensischer Bauernglaube 126. 8 ) F r a n z Benediktionen 1, 215. 8 ) ZfVk. 19, 199. 1 0 ) Z i n gerle Tirol 31 (208). Kriss Volkskundl. 319Í. " ) Ebd. 132 ( 1 1 8 1 : Etschland). K r i s s 12 165 ft. ) M e y e r Aberglaube 105; Lam13 mert 125. ) K r i s s Gebärmuttervoiiv 60. 14 ) S é b i l l o t Folk. — Lore 4, 124. " ) ZfVk. ι , 293. 297. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß in Richelbach (Amt Miltenberg) am V.tage in der Kirche Hühner geopfert werden: DG. 1 5 (1914), 82. S. aber K r i s s Volkskdl. 317s. 3

2. Der V . s t a g (14. F e b r u a r ) gilt als U n g l ü c k s t a g , weil an ihm Judas Ischariot geboren sein soll. Alles, was an diesem Tage geboren wird, hat kein Glück und stirbt früh 16 ). Wenn es an diesem Tage donnert, sollen viele Leute, besonders reiche, sterben " ) . Auch für das Vieh ist der V.stag ein Unglückstag 18 ). Wenn ein Stück Vieh fällt, so kommt es nicht auf 19 ). Ein Kalb, an St. Velten-Tag geworfen, dient nicht zur Zucht 20 ). Man darf keine Bruthenne ansetzen, sonst faulen alle Eier (Bayern) 21 ), oder die Jungen werden blind oder lahm oder sterben weg 22 ). In Amden hat der V.stag einer Dämonengestalt, Väledi, den Namen gegeben 1β 17 ) S t r a c k e r j a n 2, 90. ) Reinsberg Böhmen 66. 1 8 ) D r e c h s l e r 1, 53. l e ) P a n z e r Beitr. ι, 260 (63). 20 ) Grimm Mythol. 3, 438 (127¡ChemnitzerRockenphilosophie). 2 1 ) Ebd. 3, 468 (917). 2 2 ) A n d r e e Braunschweig 4 1 3 ; D r e c h s l e r 1, 5 3 f . ; J o h n Westböhmen 36. 23 ) SchwVk. 20 (1930), 88.

3. In England, Belgien und dem nördlichen Frankreich knüpft sich eine Form

1503

Valeriana—Vater

des Mailehens (s. d.) an den Namen des hl. V. und seinen Tag 2 4 ). In England war es Sitte 2δ), daß jeder sich am 14. Februar, an dem sich die Vögel paaren sollten 2e), oder am Vorabend seine Valentine wählte, während er ihr V. wurde 27). Entweder entschied die erste Begegnung am Morgen oder das Los 2a). Man schickt sich gegenseitig kleine Geschenke und Neckereien, besonders Gedichte, zu. In Norfolk klopft der Überbringer an die Tür und sucht sie unbemerkt hineinzuwerfen29). Die Vereinigung der Valentinen galt als eine günstige Vorbedeutung für eine künftige eheliche Verbindung30). Überhaupt wurden allerlei Liebes- und Eheorakel in der Nacht zum V.stage vorgenommen 31 ). Wenn ein Mädchen beim Wasserschöpfen aus dem Brunnen bei der V.skapelle bei Guidesweiler (Kr. St. Wendel, Rheinl.) auf einen davorliegenden Stein tritt, kriegt es sicher einen Mann 32 ).

24 ) M a n n h a r d t 1, 453. 457, vgl. 4 9 5 ; 2, 288Í. ; B e c k e r Frauenrechtliches 59f. ; U h l a n d Schriften 3, 470; S a r t o r i Sitte 3, 88. 2 S ) von 1 4 7 6 an nachzuweisen: W o l f Beitr. 2, 102. 26 ) A n der Rhonemündung beginnen nach dem Volksglauben die Elstern am V.stag zu nisten: S é b i l l o t Folk-Lore 3, 169. " ) M a n n h a r d t 1, 4 5 8 ; N o r k Festkalender 1, 162Ü.; Rochholz 28 Gaugöttinnen 41 f. ) A l b e r s Jahr 91 ff. ; W o l f Beitr. 2, 1 0 2 ; R e i n s b e r g Festjahr 47ff. " ' ) W e i s e r Jul 35. 3 ° ) M a n n h a r d t 1, 4 6 0 ! 31 ) W o l f Beitr. 2, 1 0 2 ; W h i t c o m b e Bygone days in Devonshire and Cornwall 22 f. 3 2 ) Z f r w Vk. 14 (1917). 134. t Sartori.

Valeriana s. B a l d r i a n . Vampir s. N a c h z e h r e r . Vater. ι . Das Wort V. kommt von der idg. Wurzel pitár; die Mehrzahl idg. pitáras, lat. patres bedeutet: Vorfahren. Dazu ist auch das griech. tritopatores zu stellen1), vermutlich Luftgeister, oder Dämonen, die aus den Ahnenseelen 2) entstanden sind, vgl. die Toten als Wildes Heer. Im idg. Gebiet begegnet der V. als „Hausvater", bekleidet mit weitgehender, ja oft unumschränkter Gewalt über die gesamte familia, d. i. je nach der sozialen Ordnung die Großfamilie oder Kleinfamilie, erstere auch die Sklaven umschließend. Unter bestimmten Verhältnissen kam ihm auch die Macht über Leben und Tod der Seinen zu; doch wurde diese

1504

äußerste Verfügungsmacht und Strafgewalt durch die Sitte bald der Willkür entrückt und auf schwere Vergehen beschränkt. Bei den Germanen konnte der V. in Notzeiten Frau und Kinder als Knechte verkaufen 3 ). In Rom waren sämtliche Mitglieder des Haushaltes, Weib und Kinder nicht anders als Vieh und Sklaven, rechtlos gegenüber dem Hausv. 4), auch noch der erwachsene Sohn und sein Nachkommenschaft5). Es war dort Kindern rechtlich unmöglich, ohne den Konsens des V.s eine gültige Ehe zu schließen e ), so daß sie bei seinen Lebzeiten nicht rechtsgültig heiraten konnten, wenn er durch Geisteskrankheit geschäftsunfähig geworden war. Bei Griechen und Germanen hatte der V. das Recht, neugeborene Kinder aussetzen zu lassen 7). Dem Romulus wird das Gebot zugeschrieben, daß bei den Römern alle Söhne aufgezogen werden sollten und von den Töchtern die Erstgeborenen 8). Sollte ein Kind aufgezogen werden, mußte es also vom V. formell in die Famiüe aufgenommen werden. Im germanischen Norden erfolgte diese Aufnahme in der Weise, daß sich der V. das Kind, das nach der Geburt auf den Boden gelegt worden war, reichen ließ und dann seine Entscheidung traf, ob er es anerkennen wolle oder nicht. Nahm er das Kind an, setzte er es auf seine Knie (s. Adoption), gab ihm einen Namen (s. Name) und begoß es mit Wasser9). In deutschen Gebieten genügte es, wenn der V. das Neugeborene auf den Arm nahm, um ihm die Aufnahme in den „Busen" zu sichern10) ; es durfte dann nicht mehr getötet werden 11 ). In gleicher Weise war sein Leben gefeit, wenn es irdische Speise genossen hatte. Die rechtliche Gewalt (Herrschaftsrecht sowohl als Schutzpflicht) des V.s über Kinder und Frau — im deutschen Rechtskreise „Munt" genannt — endete im germanischen Gebiet für die Söhne, wenn sie aus der Hausgemeinschaft des V.s ausschieden12), sei es, daß sie bei dieser Gelegenheit durch Adoption in die Munt eines anderen Hausv.s übergingen, sei es, daß sie eigenberechtigt wurden

Vater

1505

I506

weil sie in fremde Lande zogen oder einen stellte, die Eheschließung komme auseigenen Hausstand gründeten („Abson- schließlich durch die freie und gegenderung aus der Were" des V.s). Knaben, seitige Einwilligung der Eheschließenden deren Väter verstorben waren, wurden zustande, gleichgültig, ob sie großjährig „selbmündig", sobald sie „zu ihren Jah- oder minderjährig seien; es sei nur den ren" gekommen waren (bei den meisten Parteien zu e m p f e h l e n , die väterliche germanischen Stämmen mit demi2. Jahre, Einwilligung einzuholen, nicht aber sei bei den Burgunden und Ripuariern mit diese Vorbedingung; fehlt sie, so bildet dem 15. Jahre 13 ). Die Stellung des v.- dieser Mangel ein impedimentum impelosen Kindes galt als tiefst unglücklich; diens, nicht ein impedimentum diries stand zum Ausgleich unter dem Schutze mens 1β ). Diese Tendenz setzte sich um so leichter und vollständiger durch, als der Götter (s. Waise). Die Frauen standen auch bei den Ger- sie sich mit einer autochthon deutschmanen lebenslänglich unter der Vor- rechtlichen begegnete, welche es abmundschaft des V.s oder seiner Vertreter. lehnte, bei der Eheschließung Zwang zu Bei der Eheschließung „kaufte" der Ehe- üben 20 ). Solche Strömungen begegnen gatte die Munt über die Tochter, seine oft in Gebieten starren Vaterrechts; sie künftige Frau. Nulli mulieri liberae sub bilden einen psychischen Ausgleich gegen regni nostri ditionem legis Langobardo- sonst zu starre Vorschriften; das Kind rum viventem liceat in sui potestatem darf z. B., wenn ihm das Leben unerträgarbitrium, id est selpmundia vivere, nisi lich dünkt, in von der Sitte gebilligter semper sub potestatem virorum aut certe Weise den Ausweg in den Selbstmord regis debet permanere; nec aliquid de res suchen (China, Japan), oder die Sitte mobiles aut inmobiles, sine volúntate billigt die „Entführung", das gemeinillius, in cuius mundium fuerit, habeat same Davonlaufen als eine Art von Ehepotestatem donandi aut alienandi M ). schließungsform 21 ). Auf die Dauer wird Infolgedessen konnte auch in vorchrist- innerhalb der Gebiete des Vaterrechts licher Zeit der V. seine Tochter verheira- die väterliche Einflußnahme aber nie ganz ausgeschaltet werden. Selbst wo das Recht ten, ohne sie zu befragen 15 ). Ähnliche Verhältnisse spiegeln auch sie ausschließt, verlangt sie die Sitte; die alttestamentlichen Erzählungen und und mit der Zeit wird sich die Sitte auch Gesetze. Die Gewalt des V.s über seine im Rechte wieder durchsetzen. Kinder ist lebenslänglich und unumInfolgedessen zeigt in den germanischen schränkt. Er kann sie als Knechte ver- Ländern, insbesondere seit der Reformakaufen, wenn auch nicht an Fremde 16 ) ; tion, die Gesetzgebung in diesen Fragen er verheiratet die Töchter und wählt die meist Kompromißlösungen ; besonders für Frauen für die Söhne 17 ). minderjährige Kinder ist die Einwilligung In Indien war die Macht des V.s durch der Eltern oder des V.s allein zur Ehedie Gesetze nicht in so despotischer Art schließung fast überall erforderlich. 2) festgelegt worden; faktisch aber wurde !) S c h r ä d e r Reallex. 2, 586. Beth sie durch die Gebote der Sitte und der Religion u. Magie2 61. 3 ) T a c i t u s Annal. 4, 72; Tradition so fest verankert 18 ), daß es G r i m m RA. 329, 461; R i c h t h o f e n Zur lex Saxonum 2930.; D a r g u n Mutterrecht und auch heute noch selbst in europäisch ge- Raubehe 49. 4 ) M o m m s e n Römische Geschichte s bildeten Kreisen für Söhne wie Töchter I 74. ) I n s t i t u t i o n e s I. 9. 3. e ) R o ß b a c h für schicklich gilt, die Auswahl des Ehe- Untersuchungen über die römische Ehe 393. partners ganz dem V. zu überlassen und ' ) L i s t Gräko-italische Rechtsgeschichte 60ff.; G r i m m RA. 461; B r u n n e r Deutsche Rechtsjede Begegnung mit ihm vor der Ver- geschichte ι , 76. 8 ) D i o n y s v o n H a l i k a r n a s s 9 ) M a n n h a r d t German. Mythen mählung abzulehnen. I I 15. 312. Diese unumschränkte Verfügungsge- 1 0 ) G r i m m RA. 45S. u ) T a c i t u s Germania 1 2 ) B r u n n e r a. a. O. 1, 7óff. 13) R. walt des V.s in deutschen Landen wurde cap. 19. S c h r o e d e r Lehrbuch der deutschen Rechtsgein späterer Zeit beschränkt, weil das ka- schichte 2yofí. E d i c t u m R o t h a r i 204. nonische Recht sich auf den Standpunkt 1 5 ) R. S c h r o e d e r Geschichte d. ehelichen GüterBlchtold-St&ubli.

Aberglaube V I I I

48

1507

Vater

rechts 1, 7. " ) E x o d u s X X I 7fi.; G a n s Das Erbreckt in weltgeschichtlicher Entwicklung 1,134. 1 7 ) G e n e s i s 24, 4; 28, i f í . ; 38, 6; E x o d u s 34, 16; D e u t e r o n o m i u m 7, 3. 1 8 ) W e s t e r m a r c k History of Human Marriage 2, 334 ft. 1 · ) F r i e d b e r g Lehrbuch d. kath. u. evangel. Kirchenrechts 422. 2 0 ) W e i n h o l d Frauen ι , 304; S a x o G r a m m a t i c u s Historia Danica V 1, 186; W e s t e r m a r c k a. a. O. 2, 319s. 21 ) W e s t e r m a r c k a. a. Ο. ι , 426 fi.

2. M a g i s c h e r S c h u t z . Der V. schützt das Kind nicht nur gegen die natürlichen Feinde, sondern auch gegen die unheimlichen Gewalten der Nacht. Insbesondere in den Zeiten, wo das Kind besonderer Gefährdung ausgesetzt ist. Dies ist vor allem die Nachtzeit und die Zeit, bevor das Kind getauft ist. Solange das Kind diesen Gefahren ausgesetzt ist, darf er sich im Gebiet des Oberamts Napold nach dem Läuten der Betglocke nicht mehr außerhalb des Hauses befinden 22 ) (s. W o c h e n b e t t , W ö c h n e r i n ) . Während des ersten Jahres muß er in den Rauhnächten sich zu Hause halten. In Kreuzburg wird das Kind vor Unfällen geschützt, wenn man des V.s Mütze aufs Bett legt 23 ). Bei Krämpfen hilft V.s Hochzeitsrock 24 ), auch die Hose oder andere Kleidungsstücke in Krankheitsfällen 25 ). Bei den Südslawen räuchert man ein Kind, das in krampfhaftes Weinen zu verfallen pflegt, mit Kuhmist, den man auf Dornen gefunden hat und mengt darunter Haare von V. und Mutter 26 ). Stößt man die Knäblein an V.s Brust, so geraten sie wohl 27 ) Bei schwieriger Geburt kann der V. helfen, indem er einen Pflug oder Schlitten zerschlägt 28 ). In Schlesien muß der V. dem Kinde nach dem ersten Bade ein Vaterunser in den Mund beten, damit es fromm werde 29 ). Bei Naturvölkern wird die Verbundenheit zwischen V. und Kind oft als so enge betrachtet, daß der V. die Arznei nimmt, wenn das Kind erkrankt 30 ). Die Mutter ist bei vielen Völkern nur die Pflegerin, die Bewahrerin des Keims, während der V. allein für die Zeugung maßgeblich erscheint 31 ). » ) H ö h n Geburt Nr. 4, 262. 23 ) D r e c h s l e r Schlesien I, 188. 24 ) F o g e l Pennsylvania 332 Nr. 1765. 2 5 ) G r i m m Myth. 3, 460 Nr. 744. *·) K r a u ß Sitte und Brauch 547. 2 7 ) B i r l i n g e r 2β ) L i e b r e c h t Aus Schwaben 2, 240. Zur 2») D r e c h s l e r a. a. O. 1, 186. Volksk. 322.

1508

30 ) v . d e n S t e i n e n Unter den Naturvölkern 31) Zentralbrasiliens 338. Westermarck History of Human Marriage ι, 288.

3. Die Cou v a d e , welche man bei vielen Völkern beobachtet 32 ), das sogenannte „Männerkindbett", beruht zweifellos auf dem Gedanken einer sympathetisch-symbiotischen Gemeinsamkeit zwischen V. und Kind (und vielleicht auch zwischen V. und Wöchnerin) 3S ) ; es muß heute noch dahingestellt bleiben, ob sie aus dem Bemühen entsprang, in Zeiten des Überganges von V.recht zu Mutterrecht auf magische Weise einen Zusammenhang herzustellen, der bis dahin weder auf natürlicher noch auf rechtlicher Grundlage gegeben schien — oder ob die v o r a u s g e g e b e n e Überzeugung eines solchen Zusammenhanges dazu verwendet wurde, durch das auch sonst bei primitiven Völkern beobachtete Mittel des sympathetischen Leidens Kind und Mutter zu sichern. Beachtenswert in diesem Zusammenhang ist auch der Umstand, daß bei vielen Völkern in Zeiten der Menstruation, der Schwangerschaft oder des Kindbettes der Frau nicht nur der Ehegatte, sondern manchmal auch alle Hausmitbewohner unter einem Tabu stehen, das sie an Arbeitsleistung hindert 34 ). 32 ) S t r a b o 3, 4 § 17. M ) B e t h Religion Magie 238. 34 ) B r i f f a u l t Mothers 2, 420.

u.

4. Bei der Taufe spielt der V. oft eine betont nebensächliche Rolle. Nur die Hebamme und die Paten gehen zur Kirche, der V. bleibt zu Hause, ebenso wie die Wöchnerin 3S ). Oder er darf den Taufzug zwar zur Kirche begleiten, muß aber während der Taufhandlung selbst im Kirchstuhl bleiben 36). Im südlichen Oldenburg mußte der V. das Kind an den Wagen bringen, der die Taufgesellschaft zur Kirche fuhr, und es bei der Rückkehr vom Wagen wieder abholen. Bei dieser Gelegenheit wurde er oft gefoppt. Man reichte ihm ein Bündel ohne Kind. Dann mußte er den Täufling mit einem Glas Branntwein auslösen 37). Im Bergischen muß der K r a m h e r r , so nennt man den V. des Täuflings, dem Pastor gleich nach der Bewillkommnung ein Schüsselchen reichen, in dem Branntwein, Rosinen, weißer Zucker und klein geschnittener Pfeffer-

1509

Vater

I51O

kuchen ist, nachdem er selbst von diesem geschichtlichen Entwicklung auf 4 7 ). Das „kümchesdüeg" gekostet hat. Hierauf Rätsel sagt : linder Vogelflaum — Mutternehmen alle Anwesenden, auch die Kinder, schoß, süßer Honigseim — Muttermilch, Kieselstein — Vaterherz **). davon 38 ). **) M a n n h a r d t Germ. Myth. 300. 47 ) F r e u d Auch beim Taufessen muß er sich oft 48 ) L i i t o l f Totem und Tabu. Sagen 401; 3β abgesondert halten ). In Schöppenstedt S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 67. sitzt der V. auf einem Holzklotz in der 6. Die dem V. gezollte Ehrfurcht entStubenecke, während die Gäste am Tische schmausen40). In Nordthüringen muß er springt zum Teil seiner übermächtigen sich alle Neckereien seiner Gäste gefallen Stellung als Hausvater, zum Teil seiner Stellung als Priester und Machthaber der lassen 41 ) (Anklänge an Gouvade?). In anderen Gegenden gehört es zum Götter, als Verwalter und Eigentümer des feierlichen Taufakt, daß der V. das Kind Familienvermögens, als Träger religiöser in die Kirche begleite, denn eben durch „Macht", wie auch als einst nach seinem diese Begleitung erkennt er es als das Tode in halbgöttliche Stellung Entrücktem, seine an 42 ). Zieht der V. gleich nach der dem künftigen Ahnen; während der Heimkehr den schwarzen Rock aus, wird Wunsch des V.s, Söhne zu zeugen, damit ihm im nächsten Jahr wieder getauft 4 3 ) ; zusammenhängt, daß diese die einstigen ißt er das „Knäußle" (Anschnitt) vom Träger des Ahnenkultes sein werden. Taufbrot, ist das nächstgeborene Kind ein Hier findet eine Wechselwirkung statt: Sohn 44). Im Oberamt Hildesheim darf der V. als Machthaber auf Erden wird er beim Taufschmaus höchstens eine nach dem Tode verehrt, weil man meint, Flasche Wein bezahlen, die zweite be- daß seine Macht diesen überdauern werde; und der einstige Totenkult wirft schon zahlt der Gevattermann 4S). Bei sehr vielen Initiationsriten kann man seinen Schatten voraus. Diese Ehrfurcht die Beobachtung machen, daß der leib- findet sich aber nicht weniger stark in liche V. nur eine untergeordnete Rolle Ländern, die einen ausgesprochenen Totenspielt, während ein anderer Verwandter, kult als religiösen Mittelpunkt besitzen, oft von Mutterseite, als Beschützer und wie China und Japan, wie in Ländern, wo Vertreter des Kindes eintritt. Auch bei es gar keinen Totenkult gibt. Philo beden Deutschen war der V. des Mannes merkt für die Israeliten, daß das Gebot, vorzugsweise Pate des ältesten Sohnes, welches Gehorsam gegenüber den Eltern so geistliche Verwandtschaft (s. das.) zur fordert, unmittelbar auf die Gebote folgt, welche das Verhalten gegenüber Gott reBlutverwandtschaft fügend. 36 ) H ö h n Geburt 269; ZrnVk. 1913, 171; geln. Er begründet dies damit, daß den El3e ) H ö h n Geburt G a s s n e r Mettersdorf 29. tern eine Mittelstellung zwischen menschNr. 4, 270. 37 ) S t r a c k e r j a n 2, 203 Nr. 451. licher und göttlicher Natur zukomme; sie 38 ) ZfrwVk. 1909, 226. 38 ) G a ß n e r Mettersseien Menschen, insofeme es klar ist, daß dorf 33. 40) S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 39. sie geboren wurden und sterben werden, « ) E b d . « ) ZdVfV. 6 (1896), 254. «) H ö h n Geburt 271. " ) Ebd. 273. « ) Ebd. 272. und göttlicher Natur, weil sie Wesen 5. Die Herrschaft des V.s ist hart und zeugten, welche zuvor nicht existierten. strenge, die Mutter milde und weich. Nach Was Gott für die Welt, sind die Eltern für der Sage war H a c k e b e r g ein bitterböser ihre Kinder. Sie sind „sichtbare GötMann, der seine 7 Söhne grausam tötete 46 ). ter" 4e). In Indien heißt es: Wer seine Das Motiv der Tötung der Söhne durch Mutter ehrt, gewinnt diese Welt; wer den V. spielte in der griechischen Ur- seinen V. ehrt, die Götterwelt; wer mythologie (Uranos, Kronos) eine be- seinem geistlichen Lehrer pünktlich geFür die deutsame Rolle. Bei gewissen Tier- horcht, die Brahmanwelt gattungen sind jedenfalls die Jungen Römer galt der Satz : Sacra deorum sancta durch den V. bedroht. F r e u d baut auf apud illos sunt, sancti etiam parentes 61 ). diesem Antagonismus zwischen Vätern In Rußland war der V. (wie der Zar) und Söhnen seine Theorie von der ur- Träger heiliger Rechte, gegen die es keine 48»

Vater

I5II

Auflehnung geben durfte. Ein südslawisches Sprichwort sagt: „Was Gott im Himmel, ist der V. auf Erden" 52 ). Allerdings ist diese Macht nicht unbeschränkt. Denn eine ungebührliche Forderung wird mit dem zurückgewiesen: „Der V. hat mich erzeugt, doch nicht erschaffen". Die Mauren hatten das Sprichwort, daß einem die Eltern noch helfen können, wenn einem die Heiligen fluchen, wem aber die Eltern fluchen, dem können die Heiligen nicht helfen 53). Auch Plato betont mit aller Ausführlichkeit die Wichtigkeit, seine Eltern zu ehren und hochzuhalten, und gleichzeitig ihre Macht, durch ihren Segen das Leben der Kinder glücklich zu gestalten 64). 4i)

P h i l o J u d a e u s Opera I 759ÎÏ.

Jolly

The Sacred

Books

of the East

60 )

Bd.

J.

VII,

XXXI gì.; a. a. O. Bd. XXV, II 230. « ) Ser-

v i u s In Virgilii Georgicon II 473. Sitte u. Brauch

2. 348·

603.

53)

62)

Krauß

W e s t e r m a r c k a . a . O.

" ) P l a t o Gesetze XI 93öS.; IV 717.

7. Auch der große Gott, der „Urgott" oder „Hochgott" führt den Namen V., manchesmal als Beiwort, manchesmal als Bezeichnung seiner kosmischen Funktion, häufig aber auch als Eigennamen. Daß der Urgott die Welt durch Zeugung erschaffen habe (oft durch Zeugung aus seiner mannweiblichen Natur heraus, allein, ohne Gefährtin), ist eine vielen Völkern geläufige Anschauung. Dieselbe Anschauung in einer gewissen Abwandlung begegnet bei den Australiern, wo die Vorstellung besteht, daß die Urgötter Menschenkeime durch Schütteln von sich abgespalten hätten, die nun als Menschen geboren werden, und daß sie selbst unter die Erde gegangen seien, um immer wieder sich gebären zu lassen 65 ). Im besonderen sind einzelne Klassen oder Gruppen oder Familien von Göttern gezeugt. In Japan führt das Kaisergeschlecht seinen Ursprung auf die Sonnengöttin zurück, in Rom leiteten die Julier ihren Ursprung von Venus ab. In germanischen Landen bestand die Vorstellung, daß die verschiedenen Klassen im Volke von Gott Rig gezeugt seien. In Ägypten heißt es, daß der König jeweils von einem Gotte gezeugt werde, der zu der Königin-Mutter eingehe. In mystischerer Konzeption

1512

lautet die Formel: „Geboren ward dieser König (Pepi) seinem V. Atum, als noch nicht geworden war der Himmel und als noch nicht geworden war die Erde" 56). In rein realistischer Auffassung vertreten die Lehre von der göttlichen Zeugung die Hatschepsut-Texte. Die Meinung, daß die Großväter oder auch V. in den Kindern wiedergeboren werden, ist über die ganze Erde verbreitet. In Griechenland scheinen die „Tritopatores" auf sie hinzudeuten. Auch hier findet sich also zwischen göttlichen und menschlichen Personen der Erzeugenden ein enger Zusammenhang ; dadurch wird aber keineswegs die Autorität des leiblichen V.s gemindert. Im Gegenteil. Bei den australischen Kurnai ist der Hochgott nur unter dem Namen „Mungan ngaua" = „Unser Vater" bekannt 57 ) ; Gott Bunjil führt diesen Titel als Beinamen (Marni ngorok = unserV.) 68 ); Gott Daramulun ist den Weibern nur als pabang (V.) bekannt. Wakonda hat befohlen, ihn zu nennen: Unser V. B 9 ). M)

B e t h Religion u. Magie 340ÉÍ. 427. S e t h e Pyramidentexte Spr. 1466. 57 ) B e t h

55)

a. a . O. 2 . 334· 3 3 6 .

se)

a. a. O. 337·

F l e t c h e r The Omaha Tribe 572. 577Í.

69)

A.

8. Die Verletzung der Ehrfurcht gegenüber dem V. galt daher als nicht weniger frevelhaft denn Gotteslästerung. Die Römer straften sie auf gleiche Weise: pari vindicta parentum ac deorum violatio expianda est e o ). Im einzelnen dunkel ist der Satz: Si parentem puer verberit, ast olle plorassit, puer divis parentum sacer esto β 1 ). Die „divi parentum" werden hier als die personifizierten Flüche ( ? ? ) aufgefaßt e 2 ) ; sicher ist, daß die Strafe welche ungehorsame Kinder heimsucht, meist als magische, göttliche Fluchstrafe aufgefaßt wird. Als Wahrzeichen der Stadt Breisnig steht an der Stadtkirche ein Stein, auf dem ein Mann ausgehauen steht, der beide Arme in die Seiten stemmt, zu beiden Seiten je ein Knabe, zur Erinnerung an seine beiden ungeratenen Söhne, die ihren V. angespieen hatten ; zur Strafe war ihnen eine Kröte aus dem Munde gewachsen es ). Die Hand, die den V. schlägt, wächst aus dem Grabe u. a. m.

Vaterunser

I5I3

Als schwerstes aller Verbrechen galt folgerichtig der V.mord 64 ). Die Strafe war daher zugleich realistisch und magisch. Zusammen mit einer Schlange, einem Hahn, einem Affen und einem Hund (der unreine Mensch mit unreinen Tieren) wurde der Mörder in einen Sack genäht, der von zwei schwarzen Ochsen ans Meer gezogen und dort versenkt wurde, damit weder Erde noch Wasser noch Sonne durch seinen Tod verunreinigt würden 65). Die größte Tragik liegt daher darin, wenn unwissentlich und unwillentlich durch Schicksalsmacht dem Sohn es verhängt wird, des V.s Mörder zu werden (Oedipusmotiv) und der V. dadurch, daß er das Verhängnis abwenden will, es eben erst herbeiführt ββ). β0 )

De

V a l e r i u s M a x i m u s ι, I 13. verborum

significatione,

β1 )

verb,

Festus plorasse.

β2)

L e i s t Alt-arisches Jus civile 1,184. e a ) M e i c h e Sagenbuch 636 N r . 785. 6 4 ) F r a z e r Golden Bough 12, 406; S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 202. e6) R o s i n u s roman, antiquitat. corpus (1743)

653; P a n z e r Beitrag

786 Nr. 132.

1, 181.

6e)

Heyl

Tirol

M. Beth.

Vaterunser. Als „Herrengebet" (Matth. 6, 9—13) hat es in der Christenheit von je her eine große Bedeutung gehabt. Schon die Didache (Ι/ΊΙ. Jh.) schreibt dreimal täglich dessen Rezitation vor 1 ). Besondere Verwendung fand es bei der Taufe 2) und beim Exorcismus. Es ist klar, daß das V., weil von Christus selbst gelehrt, für ganz besonders „kräftig" angesehen wurde. Man hat darum schon früh das geschriebene V. als Amulet verwandt 3 ). Ein Anhängsel, über dem drei V. und der Glaube gebetet sind, schützt Kinder vor Gichtern 4). Wann die Ähren reifen, betet man ein V.; das vertreibt den Hagel 5 ). Gegen ein drohendes Unwetter wirft man ein Tischtuch zum Fenster hinaus, indem dabei die vierte V.bitte gesprochen wird 6 ). Begegnet man einer Schwangeren, so betet man ein V-. (wohl als Apotropaion) 7 ). Wer zu Beginn des Jahres sieben V. betet, der „lebt das iar aus" 8). Ehe die Mutter zum erstenmal nach der Geburt zur Kirche geht, betet sie ein V. über ihr Kind, und wenn siedann aus dem Hause tritt, so stößt sie mit dem

1514

Fuße einen Stein über die Straße, um Unheil von dem Kinde abzuwenden 9 ). Besonders schützt das V. vor bösen Geistern. Mit einem Kreuzzeichen und einem V. kann man sie verscheuchen 10). Schreibt man ein V. im Kreise um jemand herum, so bleibt er von Dämonen unbehelligt u ) . Pferde bleiben an unheimlichen Orten nicht stehen, wenn man ein V. betet 12 ). Werden Tiere gelobt, so muß man ihnen ein V. ins Ohr sagen oder an den Hals hängen, damit ihnen nichts Böses geschieht 13 ). Als Schadenzauber wirkt es, wenn man dasV. r ü c k w ä r t s b e t e t 1 4 ) . Eine hervorragende Rolle spielt das V. beim Gesundbeten und Besprechen. Mit 77 V. läßt sich jede Krankheit zurückbeten 15 ). Von altersher galten neun V. als ganz besonders kräftig 16 ). Oft genügt auch das dreimalige Hersagen der ersten drei Bitten 17 ). In verschieden wechselnder Anzahl wird das V. noch zu allerlei sympathetischen Praktiken und Kuren gegen Fieber, Rachitis, Alpdrücken, Untreue des Geliebten usw. benutzt 18 ). Neugeborenen Kindern soll man gleich nach der Geburt ein V. in den Mund hineinbeten 19). Manchmal geschieht diese Prozedur vor der Taufe, oder wenn die Person, die das Kind trägt, das Haus verläßt und wenn sie in die Kirche eintritt; das Kind wird dadurch fromm und lernt einmal gut M ). Dieselbe Wirkung wird erzielt, wenn man dem Kind ein V. in den ersten Brei schnitzelt 21). Von besonderer Wichtigkeit ist das V. beim B l u t s e g e n . Meist genügt ein dreimaliges Anhauchen und Hersagen der ersten drei Bitten, um das Blut zum Stehen zu bringen 22). Das V. ist auch das Gebet, das am meisten für die Toten verrichtet wird. In katholischen Gegenden tritt niemand an die Bahre eines Toten, ohne ein V. zu beten und Weihwasser zu sprengen. Einen vom Meer ans Land geschwemmten Leichnam wagt niemand zu berühren ohne zuvor ein V. zu beten 23). Durch eine bestimmte Anzahl von V. glaubt man eine „arme Seele" aus dem Fegfeuer erlösen zu können 24). Bei den Katholiken wird es als böses

Vegetation

Vorzeichen betrachtet, wenn es während der Wandlung (s. d.) schlägt. In protestantischen Gemeinden ist an Stelle der Wandlung das liturgische Beten des „Unser Vater" getreten 25 ). Das Schlagen kann auch durch ein Geräusch ersetzt werden 26 ). In den Masuren darf man am Erntesonntag vor dem Essen kein V. beten, sonst stirbt jemand 27 ). Damit das Abbeten des V.s „wirksam" ist, wird bei vielen Praktiken eine bestimmte Körperhaltung, eine bestimmte Zeit, ein bestimmter Ort (Stehen vor einem Baum usw.) verlangt 28 ).

1516

Geistesverfassung dem Menschen dermaßen innerlich verwandt, daß ein Austausch wesentlicher Eigentümlichkeiten her- und hinüber stattfinden kann; zur Pflanze besteht beim Menschen ebenso wie zum Tier weitgehende Sympathie (s. d.). Daher weiß der Mensch die V. zu beeinflussen und tut dies um so mehr, wo keine andere Instanz dazwischentritt und jene Unmittelbarkeit stört*). Wo hingegen in höheren Kulturformen die V. durch besondere Götter geleitet und in ihrer Stetigkeit verbürgt wird (V.gottheiten), da sind letztere auch in Kultus x ) Didache 8,3. 2 ) Sacramentarium Gelasiaund Ritus so zwischengeschaltet, daß der num. ed Wilson. Oxford 1894, 57. 3 ) D e i ß m a n n Mensch nunmehr ihnen jegliche BeeinLicht vo:m Osten 1923, 37 Anm. 3; 43 Anm. 2. flussung der V. überläßt und sich höch*) Alemannia 25, 37. 5 ) E b e r h a r d t Landstens mit seiner Spezialsorge an die götte wirtschaft S. 4. ) B o h n e n b e r g e r S. 21. lichen Mächte wendet. Dieselben stehen ' ) H ö h n Geburt S. 258. 8 ) G r i m m Myth. 3, 419 Nr. 64. · ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 45f. gewöhnlich einer für innerlich gleichartig 1 0 ) ZdVfV. 13, 91; W u t t k e 483 § 772. erachteten Gruppe von vegetativen Er1 2 " ) K n u c h e l 63. ) W u t t k e 199 § 269. scheinungen vor, und starke V.sgottheiten 1 3 ) S e l i g m a n n 2, 340. 1 4 ) S c h ö n w e r t h Oberbehaupten sich für mehrere V.sgebiete pfalz 3, 200; S c h e l l Bergische Sagen 442 Nr. 43; H a u p t Lausitz 1, 70. 1 6 ) S e y f a r t h oder wechseln zwischen solchen. Der Sachsen 138. ZdVfV. 14, 135; W e i n h o l d griechische Dionysos ζ. B., wahrscheinlich Neunzahl 47. 1 7 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 3, 370; zuerst Weingott, war zugleich Obstgott 1 β H ö h n Volksheilkunde 1, in. ) W u t t k e 251 § 362;285 § 419;324 § 481 ; 335 § 499;338 § 503;im allgemeinen, ferner wiederum Feigen367 § 553· " ) Urquell 5, 278; W u t t k e 389 gott (Sykites) im besonderen, Gott aller § 595· 2 0 ) B a r t s c h 1. c. 2, 46; M e y e r Baden Blumen (Anthios), Gott des Wachstums 2 1 24; H ö h n Geburt 269. ) SAVk. 15. 10. überhaupt (Phytalmios), als dieser wohl " ) S e y f a r t h 1. c. 138; Geistl. Schild. 161; R e i s e r Allgäu 2, 441; W u t t k e 333 § 495; hieß er auch der Epheugott (Kissios), Manz S a r g a n s 71. 2 3 ) Urquell 3, 300. weil hiermit die in ihm angebetete Ga2 < ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 185; ZdVfV. 11, rantie des Immergrünens angedeutet wur276. 2 5 ) Alemannia 27, 239. 2 e ) W u t t k e 215 de 2). Dionysos ist aber auch der Stier2 7 § 302; W o l f Beiträge 1, 213. ) S a r t o r i 2, 2 β 96. ) ZdVfV. 12, 7; W u t t k e 354 § 529. gott, die Doppelfruchtbarkeitsgottheit eiSchneider. nes vom Viehzüchterleben zum Ackerbau Vegetation. übergegangenen Volks, dem sich die ι. Die V. nimmt in aller Naturreligion, V. auch gern in der Personifikation von weit hinaus über die Grenzen der sog. animalischer Lebens- und Zeugungskraft (des Stiers, Bocks) als FruchtbarkeitsNaturvölker, aus leichtverständlichen Gründen einen höchst bedeutenden Raum energie überhaupt darstellt. Es ist angeein, ja fast in allen Kulturreligionen und sichts dieser Fülle von auf ihn zusammenim geistigen Stratum neben der Religion getragenen Anschauungen begreiflich, daß selber steht die V. ebenfalls an wichtiger sich die Theorie darüber streitet, welche Stelle, wenn schon andere mit steigender derselben die ursprüngliche sei, zumal Geistesschicht sich einstellende Gesichts- auch die dem Dionysos geweihten Feste punkte hier an der Einschränkung ihrer teils sich eine der Bedeutungen auswählen Vorrangstellung arbeiten. Die V., neben teils mit mehreren von ihnen rechnen 3 ). dem Animalischen das zweite Hauptgebiet Treten später bei Änderung des Kulturder Existenzen, dem durch die Totem- und Religionsniveaus die Gottheiten wiezeremonien das Gedeihen gesichert und der zurück, wird ζ. B. mit Preisgabe der gestärkt wird, ist in jener totemistischen polytheistischen Weltansicht die Natur

1517

Vegetation

entgöttert, so pflegt die Obsorge für die V. nicht einfach dem Einen Gott ohne weiteres anvertraut zu werden, sondern entsteht das was man Aberglauben nennt: die zu kleinen Geistern herabgesunkenen Götter werden, ungenannt oder umbenannt, oder in Gestalt ihrer neu entstandenen Substitute, ohne daß man um ihre Herkunft aus alter Gottherrlichkeit weiß oder sich daran erinnert, mit den gleichen Gedanken und Handlungen wie die Gottheiten zuvor bedacht 4 ). Die alten Nordgermanen hatten ähnliche V.sfeste wie die Ägypter, die mehrere männliche (Osiris) und weibliche (Hathor) V.sgötter verehrten und ihnen Feste hielten, wie die Inder s ) (bis zum ländlichen Krischnakult hin), wie die Mexikaner, bei deren alljährlichem Atamalqualitzlifest sämtliche Götter tanzten und deren Göttin Teteoinen am Erntefest ebenso tanzte wie die Maisgöttin und die Blumengöttin an ihren Tagen e). So erscheint Freyr als die zeugende Naturkraft, die man im Hochwuchs der Pflanzen erkannte, weshalb manche Freyr und Freya in dem Kornmann und der Kornfrau (-mutter) sowie im Haferbock und in der Hafergais 7), in Getreidekönig und -königin 8.) wiederfinden. Nicht minder hingen ganz früher mit der Nerthus Feldriten zusammen 9), bei denen getanzt wurde 10). Sie aber hatte in Njördr als dem Repräsentanten der Mannheit ihren männlichen Partner (vgl. den Art. Nerthus, Bd. VI sp. 1009 ff.), wie denn die Ynglinga S. von dem allgemeinen guten Frieden und der großen Fruchtbarkeit spricht, die „in den Tagen Njörds" herrschten. Die größere Tryggvasons S. erzählt Kap. 137 von einem Umzug mit dem Bild des Freyr, Sohnes des Njörd, der sehr ähnlich gewesen zu sein scheint jenem Umzug, den Tacitus aus dem Kult der Nerthus erwähnt u ) . Auch Balder war (nach einigen ursprünglich) ein V.s- und Fruchtbarkeitsgott 12), der starke Ähnlichkeiten mit orientalischen Gottheiten derselben Gattung aufweist ls ) wie Osiris, Adonis und Tammuz. Man braucht jedoch deshalb noch lange nicht (mit Neckel) die Gestalt

1518

Balders aus den orientalischen Kulten herzuleiten 14 ). Eine dagegen von jenen Typen abweichende Gestalt eines V.sdämons ist Holda, die, wie andere V.sdämonen in engster Beziehung zum Wasser steht, den Segen der Wolke spendet, in ihr ihren hauptsächlichen Sitz hat „und daher auch von ihr ausgegangen sein wird" 1 6 ), als Brunnenfrau bezeichnet wird 16 ) (obwohl sie als Attribute Stroh und Sichel hat) und im Harz Wasser in zwei Eimern ohne Boden trägt (was nach Laistner Bewässerung der Fluren durch Nebel und Tau bedeutet 17 ). Die verwandte Perht zeigt sich bei den Slowenen als ungemein starkes Weib, das im Sommer in den tiefen Seen und in Hainen wohnt, im Winter sich in die Berge zurückzieht 18). l ) W S c h m i d t Gottesglaube 1, 221. 2 ) B e t h Religgesch. 17. 3 ) R e u t e r s k j ö l d Speisesakramente 107. 126. 4 ) N i l s s o n Griechische Feste 261. s ) L S c h r ö d e r Rigveda 37. 5 ) K T h P r e u ß Phallische Fruchtbarkeitsdämonen als Träger des mexikanischen Dramas. In: Arch. f. Anthropol. N F . ι (1904), 138f. 159 fï. ' ) M S c h r ö d e r Germanentum 59. 8 ) M a n n h a r d t Forschungen 332f. ·) M e y e r German. Mythologie 287. 10 ) S c h r ö d e r Germantum 54t. " ) M a n n h a r d t i , 5 ó f i . 1 2 ) K a u f f m a n n Balder i o f . l s ) N e c k e l Balder passim. 1 4 ) M S c h r ö d e r Germanentum 16) 39. M a n n h a r d t German. Myth. 269. 1β) W a s c h n i t i u s 1 7 ) ebd. Perht 176. 177. 18 ) ebd. 26.

2. In erster Linie findet man V.sbräuche in Verbindung mit den Pflanzen, die in der Landwirtschaft im Vordergrunde stehen. Da weiß man von Geistern, die eine Feld- oder Gartenpflanze bewohnen, von ihnen ausgehen und zu ihnen zurückkehren, die in Korn- und Flachsfeldern oder in der Graswiese regsam sind, so daß, was von diesen Gewächsen das weniger Wertvolle ist, das Äußerlichere, auch als Kleidung eines solchen Geistes angesehen wird (Flachshalme die Hülle des Flachsgeistes, Getreidestroh das Kleid eines Getreidedämons); daneben jedoch läuft die andere Vorstellung, daß im Felde das Leben, der Geist des Gewächses wohne und den Halmen Schutz gebe 19). Wo eine Art Hüttchen draußen bereitet wird, liegt diese Vorstellung zugrunde. Nur darf man diese Ideen nicht logisch pressen, da sie mit einer gewissen Unbestimmtheit,

Vegetation

wie sie der Naturmystik eignet, leben. Drum wechselt Bild bzw. Vorstellung gern die Gestalt, indem bald ein irgendwie zur Pflanze symbiotisches Tier, bald eine menschliche Figur geradezu an den Platz des pflanzlichen Geistes tritt 20 ). Sowohl an Frühjahrsbräuchen wie an Erntebräuchen bringt sich dies zum Ausdruck. In gegenwärtigem Zusammenhange überwiegt aber das Interesse an ersteren, da sie das vegetative Moment besser betonen, während dasselbe in Erntebräuchen, wie wir sehen werden, wesentlich im dabei geübten Vorausblick auf die kommende Saat und Neupflanzung hervortritt. Gewissermaßen eine Mittellage zwischen tierischer und menschlicher Verkörperung des Geistes ist die beliebte Hineinschau desselben in einen Fruchtbaum. Die Baumseele ist oft als Dämon des Wachstums gemeint, der im Baum residierende oder als Baum gedachte Dämon der V. wird Dämon der gesamten lenzlichen und sommerlichen V.skraft und übertragenerweise wird er zum Schutzgeist des Pflanzenwuchses: der Naturmensch trennt die beiden Momente nicht begrifflich auseinander 21 ). Dieser Baum — auch ein abgehauener, fürs Fest — wird ebenso wie der menschlich dargestellte V.sdämon häufig als Sommer benannt, oder als Mai und die große Klasse der Mai- und Sommerfeste wird mit Puppen gefeiert, welche dieselbe Bedeutung haben. So heißt das junge Bäumchen, das die böhmischen Mädchen, nachdem die jungen Leute eine Puppe als Tod (s. später) ins Wasser gestürzt haben, mit einer Schelle verzieren und mit einer weißen Puppe belasten, Sommer (lito), und beim Herumtragen des Bäumchens durchs Dorf singen sie: „Den Sommer tragen wir ins Dorf" 22). Angehängte Eierschalen und bunte Bänder symbolisieren insbesondre die junge V. (Eier als Sinnbilder neukeimenden Lebens s. den Art. Osterei)23). In Schlesien heißen Kinder, die mit grünen Bäumchen herumziehen, Sommerkinder 24). An die Pfingstbräuche dieser Art kann hier nur erinnert werden, z. B. daß man junge Birken oder Birkenzweige aus dem

1520

Walde holt, mit den Kleidern einer Frau schmückt oder sonstwie aufputzt 25 ). Von Rußland an durch ganz Westeuropa findet sich die Behandlung eines abgehauenen Bäumchens als Frau oder Geist der Frühlings-V. Man nimmt an, daß der V.sdämon während des Winters abwesend ist, präzisiert seinen Entschluß zum Wiederkommen auf Laetare und das Kommen selbst auf Pfingsten oder in den Mai, was zu zahlreichen Bräuchen des „Suchens" nach dem Mai u. ä. geführt hat (vgl. Art. Maibaum, -braut, -dämon). Man meint, der Dämon werde, wenn man ihn (in einer Analogiehandlung) als eine menschliche Person leibhaftig wahrnehmbar mache und durch Einbeziehung in menschliches Geschick sein Los bestimme, zum Nutzen der V.skraft erhalten. Auch die Totemisten stellen ihre Totempflanzen selber durch analogisierende Mimik (Schlangenwindungen einer Schlingpflanze) oder durch Behängen und Bemalen der eigenen Leiber mit der Pflanze dar, fügen sie somit in den Strom menschlichen gesellschaftlichen Geschehens ein, lassen sie in den kultisch vorgetragenen Liedern selber ihre Schicksale singen, dadurch sich unmittelbar manifestieren und verhelfen ihr durch all dies zu vollem Gedeihen. Verstärkt wird die dämonische Kraft vorgestellt, wenn sie als Baum und Mensch zugleich dargestellt wird. Man erinnere sich, daß die Burschen, welche den Maibaum herumtragen, einen in Stroh (in Zabern) oder Laub und Blumen (in Buchsweiler) gehüllten Kameraden mit sich führen, der in allen Tänzen die Hauptperson ist 2β ). Der Bursch kann aber auch von Kopf bis zu Fuß in Birkengrün gehüllt sein, in welcher Aufmachung er in russisch Litauen der grüne Georg heißt, nach dem Georgstag (24. April) 27 ). Dieser grüne Junge wird manchmal im Bach oder Dorfteich gebadet, wodurch für den Sommer reichlicher Regen gesichert wird. Als eine Laubpuppe wird der grün eingekleidete Knabe im Nassauischen bezeichnet. In Bayern erhielt der „Pfingstl" eine hohe Kappe aus Wasserblumen, die ihm schließlich (s. Nr. 5c) als sein Kopf abgeschlagen wurde 28). Im Fricktal gehen zu Pfingsten

Vegetation

einige Knaben in den Wald, und der von ihnen, welcher der „Pfingstlümmel ist", wird ganz mit grünen Zweigen umlaubt, auf ein Pferd gesetzt und mit grünem Zweig in einer Hand durchs Dorf geführt und in den Dorftrog getaucht, wobei aber er jedermann bespritzen darf 29). Es ist also der V.sdämon, der im Frühlingsfest durch eine in Grün gehüllte Person oder durch einen ganz jungen Baum dargestellt wird, jedoch auch als Ersatz durch Äste, die im Zuge herumgetragen werden 30 ). Das frische Grün gilt hinreichend nicht nur als Repräsentanz des V.sdämons an sich, auch nicht bloß der V. selber, sondern als wirkungsvolle V.senergie für alle Arten von Acker- und Gartenwirtschaft; die Bevorzugung von Birken ist durch ihr frühes Grünen vollauf erklärt. Zu beachten ist die vielerorten vorkommende Bekleidung des V.sgeistes mit Frauengewändern, die wie oft in derartigen Vermummungen die Schwangerschaft, d. i. überhaupt Fruchtbarkeit, andeuten sollen. So werden in der Altmark dem mit Maien und Blumenkränzen an Hals und Armen behangenen und mit einer Blumenkrone versehenen „füstgen Mai" zwei Weiberröcke angezogen. Der von den mitziehenden Knaben, die natürlich reichlich beschenkt werden, aber immer nicht genügend, gesungene Vers lautet: wenn ihr uns nicht reichlich Eier schenkt, so „weren wi wischen un koren ok nich", d. h. so gewähren wir Weizen (Wische = Weizen oder Weizenland) und Roggen auch nicht ; die ganze Schar stellt also das dämonische Gefolge des V.sdämons dar, das selbstherrlich über das Gedeihen zu verfügen hat 3 1 ). Die beste antike Parallele ist die griechische Eiresione, ein beim Oschophorienfeste von einem Knaben (am 1. Tage des Monats Pyanepsion) in feierlicher Prozession getragener, mit wollenen Bändern und vielerlei Feldfrüchten behangener Ölzweig, den man zum Schluß vor dem Tor des Apollotempels aufpflanzte oder -hing. An der Spitze dieser Prozession gingen zwei in weibliche Obergewänder gehüllte Jünglinge, die einen mit reifen Trauben behangenen Rebzweig trugen, während

I522

die vornehme Jungmannschaft den offiziellen Wettlauf veranstaltete 32). Hierzu erinnere man sich des Wettlaufs, der bei den eleusinisch-athenischen Frühjahrfeiern zwecks Erlangung der Feldfruchtbarkeit abgehalten wurde, und des Wettritts, der auch beim Einholen des Maikönigs in deutschen Gauen die ganze Schar der V.sdämonen beteiligt zeigt " ) M a n n h a r d t 1 , 7 8 . 2 0 ) ebd. 79. 2 1 ) ebd. 22 23 !55· ) ebd. 156. ) P a n z e r Beiträge 2 , 2 1 1 f. 2 1 ) M a n n h a r d t ι , 157. 2 5 ) ebd. 2 6 ) ebd. 2 28 312. ' ) ebd. 3 1 3 . ) P a n z e r Beiträge 1, 2 3 5 . 29 ) S A V k . I i (1907) 2 1 2 . 3 0 ) M a n n h a r d t 1 , 31 317. ) K u h n Mark. Sagen 321:8. Ders. Norddeutsche Sagen 382. 3 2 ) F r a z e r 2, 8 8 f . 33 31 ) M a n n h a r d t 1, 583. ) F r a z e r 2, 8 8 f . M a n n h a r d t 1, 493. 3 · ) ebd. 606.

3. Nicht nur Pflanzen, die zunächst dazu berufen scheinen, sondern auch Tiere stellen den V.sdämon dar; vielleicht in erster Linie diejenigen, mit denen sich die Vorstellung besonders starker Fruchtbarkeit verbindet, wie der Bock (vgl. den Kult des ägyptischen Bockes von Mendes). Dabei fragt sich jedoch, ob nicht früher als das ganze Tier vielmehr das Geschlechtsorgan im V.sritus zur Verwendung gelangt war. Hierfür sprechen die übereinstimmenden phallischen Anschauungen. Das altindische Pferdefest, dem das römische zu entsprechen scheint, besteht in Darbringung eines Pferdes als Opfergabe für den Fürsten und seine Frauen; diese selber sollen als Inbegriff der Fruchtbarkeit die im Rosse gelegene V.skraft steigern. Die verhüllte Fürstin legte das Zeugungsglied des getöteten Rosses in ihren Schoß, was man auch dahin verstehen kann, daß die V.skraft des Rosses in der Erde Schoß gelegt ward 37 ). Dieser Brauch scheint wieder sehr verwandt einem norwegischen, der bis ins 13. oder 14. Jh. begangenen Volsi-Zeremonie, über welche die (ätiologisch gebildete?) Sage also meldet: Ein Hengst war einem Bauern gestorben, und der ihn abhäutende Knecht wollte das Zeugungsglied aufs Feld werfen; da entriß es ihm der Sohn des Bauern, ging in die Stube und zeigte es den Frauen. Die Magd lachte, die Tochter war unwillig, die Frau aber nahm den Volsi, trocknete ihn, hüllte

Vegetation

ihn in ein Leinentuch, legte Lauch und andere Kräuter dazu, damit er nicht faule, und verwahrte ihn in einer Kiste. Von da an, so heißt es, verehrte sie ihn gemeinsam mit den Hausgenossen; jeden Abend trug sie ihn in die Stube, wo er von einem zum andern gereicht wurde und jeder einen Spruch dazu sagte 38 ). Hier ist ein reiner V.skult unverkennbar bei dem der Roßphallus nicht nur einmal sondern für immer dem Familienacker Fruchtbarkeit verleihen soll: die animalische Zeugungskraft ruft die vegetabilische wach, und zwar durch Vermittlung der Familienmutter; wobei man leicht der großen Rolle gedenkt, welche bei Primitiven die Frau bei dem Erreichen der Feldfruchtbarkeit spielt. Von hier dürfte auch ein Licht auf den oft erörterten eleusinischen Phalluskult fallen, sofern dort ein Phallus, der dann wahrscheinlich ebenfalls ein tierischer war, in der heiligen Kiste aufbewahrt wurde, aus der bei der Einweihung des Mysten von diesem selber herausgenommen wurde; waren doch die Eleusinien zum mindesten mit V.skult verbunden wenn nicht aus ihm entstanden. Das Roß wurde in Deutschland zum V.sdämon 39). Odins Schimmel und der Schimmelreiter verband sich damit, so daß man zur Zeit der V.sriten einen Schimmelreiter bildete 40 ) und das Beschlagen des Schimmels zu einem Teile solchen V.sritus wurde 41 ). Daß der Schimmel an die Stelle des Bockes trat, kommt wohl darin zum Ausdruck, daß er der „Golisch Bock" heißt 42 ). Der Bock wurde bei Erntefesten wie bei Kirchweihe getötet, teils verzehrt, teils zur nächsten Ernte eingesalzen aufbewahrt. Der Genuß des Korngeistes in Bocksgestalt hatte auch für die vegetative und animalische Fruchtbarkeit segensreiche Folgen 43 ). Weiters kommen als V.sgeister die Katze, der Marder, das Wiesel, der Dachs, das Eichhörnchen u ) und selbst der rotschwänzige Fuchs in Betracht 45). Vor allem der Bär, der wohl der Vorläufer des Eichhörnchens war 4e), unter Vögeln der Zaunkönig und der Hahn 47 ). Unter allen diesen Tieren begegnet aber der Bock (und neben ihm allenfalls noch der Bär) weitaus am häufig-

1524

sten. So der Getreidebock (Jul-Bock) in Skandinavien in den Julspielen als Darstellung des V.sgeistes. Überall in Nordlanden verkleiden sich zu Weihnachten junge Leute mit Masken, Strohkleidern, Hörnern und langen Schwänzen als Julböcke, gehen in die Häuser, ergreifen die Kinder, schleppen sie ins Vorhaus, erschrecken usw. In der Gegend von Inowrazlaw gehen am Dreikönigstag ein in Erbsstroh gehüllter Bär, eine in Haferstroh gehüllte Ziege und ein mittels Werg und Linnen sowie mit langem Holzschnabel hergestellter Storch unter Nachahmung der Bewegungen der betreffenden Tiere umher und erhalten Geschenke. Man wird in solchen Gestalten V.sgeister zu sehen haben, wenn auch ζ. B. die nachträgliche Verbindung mit dem christlichen Fest der Drei Könige gelegentlich die Dreizahl mit sich gebracht hat 48). S c h r ö d e r Germanentum 4 2 I 38 ) ebd. 40. P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 522. 40 ) Sart o r i Sitte 3, 96. B a r t s c h 2, 255; K u h n Mark. Sagen 308. Z V f V k . 6, 369. 41 ) In jedem Hause wird das Beschlagen des Schimmels ausgeführt: 42 ) M e i e r Z V f V k . 8, 441. Schwaben 372f. 43 ) H ö f l e r 44 ) Organotherapie 94. Höfler 45 Fastengebäche 93. ) H ö f l e r Organotherapie 74. 4«) ZwVk. 4, 269. " ) M a n n h a r d t 1, 583. ω ) W a s c h n i t i u s Perht 59; ZfVk. 14, 260. 3')

37 )

4. Für die Zeit der V.sbräuche ist ein ziemlicher Spielraum gelassen. Sie bewegen sich zwischen Weihnachten und Pfingsten, indem die Zwölften, der Dreikönigstag, die Fasten, der Mai und Pfingsten ausgezeichnet werden. Es handelt sich ja im Grunde immer darum, der kommenden V. die besten Bedingungen zu schaffen, und zwar nicht durch Feld- und Gartenarbeit, sondern durch magische Beeinflussung mit Hilfe von Riten, welche die vegetativen Kräfte wecken. Das geschieht gern durch S c h l a g e n mit der g r ü n e n G e r t e oder Lebensrute, einem in ethnischer Verbreitung anzutreffendem Gerät bei Fruchtbarkeitszauber, der „Schmackosterrute" 49). In erster Linie wird natürlich der Darsteller der V. oder des V.sdämons geschlagen, die oder der aus dem Winterschlafe geweckt werden soll, sowie man in anderen Riten die Langschläfer mit der grünen Rute weckt 50 ) ; und jedenfalls ist der V.sreprä-

1525

Vegetation

sentant der ursprüngliche Empfänger der Schläge. Der Schlag bedeutet, daß die Triebkraft der V. in Funktion gesetzt werde 51 ). Dann aber findet sich auch die umgekehrte Lage, in welcher der Vs.dämon der Schlagende ist. Der ihn Darstellende schlägt die Frauen und Mädchen; oder die vielen sein Gefolge bildenden Burschen sind mit Ruten ausgestattet und schlagen die Frauen, wie es in den römischen Luperkalien geschah. Und bei dieser Wendung des Gegenstandes werden schließlich die Geschlagenen ebenso wie die Schlagenden zu Repräsentanten der V., deren Rolle nunmehr halbiert ist; denn beide Teile schaffen nun an der Erzeugung bzw. Weckung der V.skraft, immer aber durch •die Erweckung vorhandener vegetativer Energie; und es sind, soweit Menschen in Frage kommen, natürlich in erster Linie die Frauen, in denen man diese Energie feststellt. Im Inntal laufen die Hüttler, welche an ihren Gurten neben Semmeln und Brezeln auch Peitschen und lederne Riemen hängen haben, als V.sgeister herum und schlagen die Weiber, denen sie gewissermaßen zum Zeichen dessen, worauf es ankommt, eine Kinderpuppe mitbringen als Symbol der zu erwartenden jungen V.62). In Weißrußland scheint das älteste Weib die V. darzustellen. Es setzt sich auf die Erde mit einem an ihr befestigten Bündel Nesseln und stellt sich schlafend; während die Mädchen um die Frauen herum tanzen, springt sie plötzlich auf mit allerlei possenhaften Gebärden und schlägt die Mädchen mit dem Nesselbündel auf die Hände 53). Ein anderes vielbräuchliches Gerät ist die Schelle oder Glocke, die zur ursprünglichen Ausrüstung der Wachstumsdämonen gehörte 54 ). Eine große Zahl der als V.sgeister ausstaffierten jungen Leute tragen Schellen, und zwar nicht nur an den Fußknöcheln, wodurch jeder ihrer Schritte hörbar wird, sondern auch um die Hüften und gar unter ihren Laubgewändern. Im Nassauischen wird dem Stellvertreter des V.sdämons, dem „Schnak", nachdem er durch Tücher vermummt worden ist, eine Schelle ans rechte Bein gebunden, damit alle Welt

1526

auf ihn aufmerksam werde 65 ). Die Ansicht, daß diese Schellen bestimmt gewesen seien, die geisterhafte Stimme des V.sdämons auszudrücken, wie denn ja Pfeifen, Schwirren, Quieken, Summen schon bei Naturvölkern die Stimmen der Geister, nicht bloß der abgeschiedenen Seelen sondern der eigentlichen Naturdämonen an sich sind se ), wird sich kaum halten lassen oder ist mindestens als sekundäre Vorstellung zu bewerten. Denn weit eher als an Stimmen von Toten und Geistern hat man an die Stimmen der den Menschen unmittelbar umgebenden Natur zu denken. Die Natur selber, das unüberschaubar mannigfaltige Leben der Natur ist es, das für das feinfühlende Empfinden des ihr nahen und mit ihr eng verbundenen und daher zu ihr hin aufgeschlossenen und wachen Menschen in den verschiedensten Tönen und Akkorden klingt und läutet. Daher deutet er die das neue Jahr, den Lenz, den jungen Mai einläutenden Blumen (Schneeglöckchen, Maiglöckchen usw.) als Musikinstrumente der Jahreszeit oder ihres Geistes. In den durch die feinste Wachstumsbewegung dieser blühenden Schellen und Glocken verursachten leisen Geräuschen vernimmt der für das Schöpfungswort wach gewordene Mensch das Zirpen und Jubilieren der jungen V., und dies Klingen der V. wird in jenen Naturglocken gleichsam sichtbar. Darum läßt man den Repräsentanten der neu erstehenden V. mittels Schellen das Frühjahrsgeläute läuten. — In Griechenland scheint derselbe Gedanke anders verwirklicht zu sein, wenn dort zur Fastenzeit Kinder lenzliche Schwalbenlieder singen 57 ). Auch im Süden und Westen Deutschlands kommt es vor, daß die V.sdämonen durch singende Kinder ersetzt werden 58 ). Das Singen und Klingen der Natur und ihrer Kräfte beginnt nicht erst im Mai, nicht erst mit den aufscheinenden Blüten, sondern weit früher, mit dem ersten Einschießen der neuen Säfte in die Zweiglein, in die Spitzen, mit dem Säfteauftrieb überhaupt, dem allerersten noch nicht sichtbaren Sprossen der Bäume, und das ist in Deutschland zumeist um Neujahr, in

1527

Vegetation

den Zwölften, zur Weihnacht oder, wie das Volk gern möchte, zum Dreikönigstag der Fall. Da erklingt für den draußen Lebenden die erwachende V. in vielsaitigem Zusammenspiel der Melodien des Wachsens und Sprießens; die freie Natur ist erfüllt von Tönen, in denen bereits das Zirpen der Insekten vorweggenommen ist. Die V. kommt aus ihrer Winterruhe. Es ist die Zeit, wenn die in den obersten Lüften jagenden Stürme alles Alte hinwegbrausen und das Neue heranfegen. Es ist eine tiefgreifende Umprägung, wenn, was der ländliche Mensch hierbei empfindet, so konkretisiert wird, daß ein gejagtes Weib über die Gefilde und Wipfel hinfährt und in ihm die Personifikation der ganzen V. verstanden wird, deren üppige Nahrungskraft und Zeugungsfülle durch eine ungeheure Entwickelung der Brüste und durch mächtigen Leibesumfang angedeutet wird und wenn man sagt, daß diese Frau mit dem kommenden Herbst von Tag zu Tag kleiner, dürftiger wird; daß sie, preisgegeben vom sommerlichen göttlichen Liebhaber oder sich ihm entziehend, jene sieben Wintermonate fern bleibt, die im Märchen sieben Jahre sind 59). Demselben Zweck wie der Gertenschlag dient der Feldbeischlaf und das Sichwälzen auf dem Acker als eine den animalischen Befruchtungsakt imitierende und symbolisierende Handlung, die in recht verschiedenen Formen, in verschieden entwickelter und wieder unterdrückter Weise sich erhalten hat. Beim ersten Frühlingsdonner wirft sich der schwedische Bauer auf die Erde mit dem Ausruf: „Wir werden rollen, so daß Korn entsteht in jeder Pflugfurche". Der Arbeit des Pflugs wird gleichsam erst die Vollendung gegeben durch das persönliche Sich-auf-der-Erde-wälzen des Bauern e0). Das ist eine Individualgestalt des weit häufiger kollektiv geübten Brauches, daß sich zusammengebundene Paare (in England im Mai) auf der Erde wälzen oder sich zu Ostern oder Pfingsten vom Hügel herabrollen 61 ). Der ukrainische Bauer verbringt, nachdem der Priester die Saaten am Georgstag gesegnet hat, den Nach-

1528

mittag und die anbrechende Nacht auf seinen Feldern. Die jüngeren Leute und Ehepaare suchen sich ihren eigenen Ort, „alle legen sich auf die Felder, und wer eine Frau hat, wälzt sich einige Male mit ihr auf dem Saatacker herum". Danach wird man bald sehen, was für herrlicher Getreidesegen zum Vorschein kommt 62 ). Der Donner, der in manchen Gegenden im Frühjahr selten ist, wird durch den Ruf des Kuckucks oder eines anderen Vogels ersetzt, indem bei seinem Ertönen das gleiche geschieht. Überhaupt wird aber, ganz abgesehen von dem ersten Donner oder Vogelruf, der Erntesegen dadurch ergiebig, daß man sich auf den Fluren wälzt 63). In der Rhön wälzt man sich schon in der Christnacht auf ungedroschenem Erbsenstroh und mischt dann die hierbei ausgefallenen Erbsen unter die Aussaat, um ihr Gedeihen zu sichern. Urbilder der „heiligen Hochzeit", des hieros gamos der griechischen Mysterien, tauchen in alten Gepflogenheiten dieser Art auf. Das auf dem Acker gehaltene Brautlager geht bis in allerälteste Zeiten hinauf und diente der Absicht, der V. der Felder größere Triebkraft zuzueignen. Eine mehr mythologische Auffassung dieser Zeremonie des Sichwälzens auf dem Felde wird durch einige besondere dabei eingenommene Haltungen nahegelegt. Der Schnitter trifft mit dem V.sdämon feindlich zusammen, indem er dessen Frucht abschneidet. Die spezifischen Kreuz- und Rückenschmerzen des Schnitters werden darauf zurückgeführt, daß der V.sdämon sich an ihm handgreiflich gerächt hat. Mannhardt gibt hierbei zu bedenken, daß. der Knecht, welcher bei der Ernte den letzten Sensenhieb macht, für ein Jahr der Roggenwolf oder Haferbock heißt und,, wie in diesem Namen zu liegen scheine, den Korndämon selber darstelle, der, wie der Baumgeist, durch die Abnahme der Früchte geschwächt worden ist. Also muß· er seine Kräfte ebenso wie der V.sgeist erneuern. Tut jener es, indem er bei der Aussaat mit dem Erdboden in Berührung kommt, so muß auch sein menschlicher Stellvertreter sich diese Berührung verschaffen, durch die er des Erd-Manas

1529

Vegetation

teilhaft wird. Immerhin wäre dieser Zweikampf zwischen dem V.sdämon und dem Menschen mit dem für den letzteren ungünstigen Ausgange sehr verschieden von der hernach zu betrachtenden Vernichtung des Dämons seitens der Teilnehmer am V.sfeste. — Eine Variante der Zueignung des V.smanas findet sich in dem Springen durch das Johannesfeuer mit drei Halmen um den Gürtel (Niederbayern) oder mit drei Ähren erster Sicht auf dem Rücken (Oberpfalz), da in diesen jungen Halmen noch die volle Kraft der V. lebt. Hier sei noch die Meinung angemerkt, daß der Sprung durch das Feuer d. h. durch die Sonne den V.sdämon oder die V. selber zur Reife bringen soll M ). Man wird beachten, daß im Hintergrunde aller solcher Bräuche letztlich etwas Anderes als Geisterglaube liegt, nämlich die viel primitivere symbiotische Sympathetik, vermöge welcher sich der Mensch überhaupt mit der V. äußerst nahe verwandt oder ähnlich gelagert weiß. Ein leiser Anstoß seinerseits ist daher wohl in der Lage, der V. eine erhebliche Förderung zu erteilen. Derart ist vor allem jede Weise der Berührung. Hinzutretender Beischlaf bedeutet lediglich eine Verstärkung. Von V.sehepaaren weiß man viel zu sagen 65), selbst die Zwerge und andere Waldgeister bilden solche Paare, die den Ehesegen auf die V. übertragenββ). Nun wird klar, daß auch die T a n z b r ä u c h e in Verbindung mit V.zeremonien anfänglich dieselbe Absicht verfolgen. Der Hochzeitstanz, den der Waldgeist mit seiner Braut aufführt, ist (in Rußland) der Wirbelwind, der als Bringer der Fruchtbarkeit gilt β7). Das Herumtragen des Baumes endet fast immer in einen Tanz 68) — wobei allerdings nie übersehen werden darf, daß man auch ohne zeremonielle Absichten tanzt! Der feierliche Umgang, von dem ja schon aus der Zeit des Nerthuskults von diesem her berichtet wird, ist auch nicht schon an sich immer demselben Zweck gewidmet, schließt ihn aber nicht selten ein69). Allen diesen Bräuchen und Gepflogenheiten anreizender oder übertragender

1530

Magie stehen einige zur Seite, welche ihr Absehen direkt auf R e g e n haben. Wenn in Altserbien das Volk, Christen wie Muslim, am Georgs- und Eliastage an den großen See geht und dort um Regen betet, ist das die theistische Oberschicht, die über einen alten Brauch gelagert ist. Zugleich wird nämlich ein Widder geschlachtet und dessen Blut in den See gelassen, damit der Herr des Sees, der Stier, seinen Tribut erhalte 70). Es gibt viele ähnliche Schlachtopfer um Regens willen, die darauf beruhen, daß die Regen spendende Naturgewalt als Dämon personifiziert worden ist 7 1 ). Ein rheinischer Beichtvater berührte in der Beichtfrage die Sitte, daß bei großer Dürre Frauen außerhalb der Stadt an einem Fleck, wo Bilsenkraut, das der V. schädlich ist, wächst, eine Jungfrau entkleiden und mit Ruten in den nächsten Fluß treiben, mit den Ruten bespritzen und dabei nach Regen singen 72). Hier ist die Lebensrute im Wasser mit Analogiezauber (s. d.) verbunden.

49 ) M a n n h a r d t 1, 3 1 1 . 6 0 ) K u h n Westfalen 2, 160, 450. 5 1 ) M a n n h a r d t 1, 2 5 1 . 364. 6 2 ) H ö f ler Fastengebäcke 22. 5 3 ) G r o h m a n n Böhmen 10. s 4 ) M a n n h a r d t 1, 327. 6 S ) M a n n h a r d t 1, 3 2 4 ; vgl. weiter zum Anhängen der Schellen ebd. 3 2 5 . 327. 334. 416. 440. 546. — Z V f V k . 7, 364 und 4, 45. W e i n h o l d Weihnacht 26. 5e 57 ) M a n n h a r d t 1, 327. ) H ö f l e r Fastengebäcke 93. 5 8 ) ebd. 50. e0 ) M a n n h a r d t 1, 482. β 1 ) ebd. 480. · 2 ) ebd. 481. 6 3 ) Chemnitzer e4 Rockenphilosophie Nr. 124. ) Mannhardt ι , 486ff. * 5 ) S c h r ö d e r Germanentum 59f. M ) K ü h n a u Sagen 2, X X X I . · ' ) M a n n h a r d t ι, 143. ββ ) ebd. ι, 3 1 2 . e 9 ) K n u c h e l 91, A R w . 2 0 , 3 8 3 . 70 ) G e s e m a n n Regenzauber 12. 7 1 ) ebd. passim. 7 2 ) ebd. 1 1 .

5. Bei einigen der erwähnten Fälle ist schon eine jetzt noch eigens zu besprechende Besonderheit hervorgetreten, nämlich daß zwei V.sdämonen in der Vorstellung bestehen und nebeneinander im Ritus in Funktion treten, der alte vom Tätigkeitsschauplatz abtretende und der neue, künftige. Es ist nicht ein Ringen zwischen beiden in diesen Riten dargestellt. Von solchem Ringen wissen manche Mythen der Völker zu sagen, und die alten Ägypter gaben dem Ringen zwischen dem Gott der V.szerstörung Seth und dem Gotte der jungen V. Osiris auch in ihren

I

53I

Vegetation

Zeremonien einen breiten Raum 73). Indessen in der Form des Kampfes zwischen dem abdankenden und dem sein Amt antretenden V.sgott nicht als ein wirkliches Ringen in die abergläubischen Vorstellungen übergegangen. Denn in ihnen bleibt das Leitmotiv jene zeitliche Zusammenschau beider Mächte, welche die unmittelbare Ersetzung der dahinschwindenden Kraft durch die neue zum Mittelpunkt der Feier oder des Ritus macht; so zwar daß die neue nicht erst bereitet werden muß sondern zur Verfügung bereit ist infolge des im Untergrunde alles vegetativen Geschehens angenommenen allgemeinen regelmäßigen Naturganges. Daß es so sei, lehrte eben, wie die Art der bei den verschiedenen Völkern stattfindenden Bräuche zeigt, allenthalben die ordnungsmäßige Wiederkehr der Jahreszeiten. Infolge dessen begegnet uns wieder und wieder die Vorstellung, daß mit der Aberntung der alten V. ein völliges Ende erreicht sei, welches seitens des erntenden Menschen gleichsam anerkannt, bestätigt werden muß. Und diese Bestätigung gibt er dadurch daß er die Erreichung des Abschlusses des vegetativen Prozesses durch eine gleichsinnige Tat besiegelt: er t ö t e t den a l t e n V.sdämon. Nur leuchtet dem Außenstehenden wie dem Epigonen im Verhältnis zu der Entstehungszeit jener Riten dieser Tötungscharakter des betreffenden Aktes nicht immer sogleich ein. Denn die Tötung wird mehr weniger handgreiflich ausgeführt, sie wird auf mancherlei, bisweilen auch nur eben andeutende Weise vollzogen. In den Mai- und Pfingstriten tritt das Bestreben hervor, den V.sdämon wegzutragen. Man fertigt zur Fastenzeit einen Mann aus Lumpen und trägt ihn ins Feld hinaus (ζ. B. in Schwaben). Hierauf verbindet man einem Burschen die Augen, er geht auf den Mann los, packt ihn und trägt ihn in den Wald. Findet er aber die Puppe nicht, so wird ein Hund auf diese losgelassen, der sie (den „Hetzmann") anbellt und so dem Burschen den Weg zeigt, damit der abgetane V.sgeist auf jeden Fall wegbefördert werde 74 ). Die, welche in Böhmen

1532

den Sommer in und durch das Dorf tragen, haben zuvor eine Puppe als „Tod" ins Wasser gestürzt 7S ). Wird der alte meist nicht ersäuft, so wird er begraben oder eingegraben oder mit dem Holzsäbel oder der Hacke enthauptet (s. o.). Bisweilen wird der hinausgetragene Dämon aus dem Walde am nächsten Tage, nun als junger, zurückgeholt. In Estland wird dieser Waldman (Metsik) wie ein Schutzgeist behandelt. Der in den ersten Wochen des Jahres, jedenfalls vor Frühlingsbeginn hergestellte Strohmann besitzt die Kraft, das Vieh vor wilden Tieren zu schützen und die Grenzen zu bewahren. Deshalb wird er an der Dorfgrenze auf einen Baum gesetzt, wobei die unzüchtigsten Handlungen vorgenommen werden 7β ). Noch heute wird die aus Stroh gefertigte Puppe um Mariae Verkündigung unter allgemeiner Begleitung auf die Dorfweide hinausgetragen, auf einen hohen Baum gesetzt und einige Male umtanzt. Dabei macht man Pantomimem, Faxen, unflätige Gebärden, indem man die Puppe wie eine lebendige Person behandelt, die gebeten wird, das Vieh und Getreide zu beschirmen. Gerade diese Verbindung von seiner Obhut anvertrautem Feld und Vieh weist auf den vegetativen Ursprung der ganzen Gestalt und des Brauches hin 77). Der schwäbische Waldgeist wird sogar bisweilen in einen regelrechten Sarg gelegt und begraben, meist in der Fastenzeit, zu Aschermittwoch. Man sieht das christliche Empfinden einwirken, sofern man glaubt, zugleich das eigene sündige Fleisch mitzubegraben ; wie man's denn auch nennt „Fastnachtbegraben" 78 ). Ähnlich wird in Westfalen „die Fastnacht" als Strohpuppe auf der Miststätte begraben 7e) und in der Eifel ein Strohmann unter dem Namen „der Kirmes" samt Flasche und Trinkglas vor dem Dorfe eingegraben 80). Das alles natürlich mit den immer wiederkehrenden Abweichungen, auf die hier nicht eingegangen werden kann 81). Die Tötung wird, wie beiläufig schon erwähnt, oft als rein symbolische Köp-

1533

Vegetation

fung, nämlich als Abschlagen der für diesen Akt recht hoch aufgerichteten Blumenkrone oder -kappe ausgeführt 82 ), wie es dem Gras- und Lattichkönig in Böhmen geschieht 83 ). Ein starker Trupp junger Leute, bewaffnet mit hölzernen Säbeln und Weidenschalmeien, zieht mit dem in blumenverziertem Ornat aus Baumrinde und mit hoher Rindenkrone daherstolzierenden, aber nicht frei gehenden, sondern mit den Füßen wie ein Tanzbär an ein Seil festgebundenen und mit einem Rutenszepter ausgestatteten Manne von Haus zu Haus, von Gehöft zu Gehöft, und schließlich wird er durch Abschlagen des Kopfputzes „geköpft" 83a ). Die Vernichtung der Puppe, des Baumes usw. wird auch durch Verbrennen vollzogen. Diese Art der Tötung mag damit zusammenhängen, daß, wie auch die oben erwähnte Verbrennung des Pfluges „bis er zu Trümmern fällt" andeutet, der Hindurchgang der V. durch die Sonnenglut des Sommers ihrer Beendigung entgegenführt 84 ). Freilich steht andererseits diese Verbrennung auch mit dem vorsommerlichen oder frühsommerlichen Johannisfeuer in Zusammenhang, was man der Einfachheit gern auf den bevorstehenden, eben aus jenem Feuer hervorgehenden Sommersonnenbrand deutet 8 5 ). Zum Zweck solcher Verbrennung wird auch wohl der in Laub gehüllte oder der in einem Reisiggestell steckende Mensch durch einen den holzsammelnden Knaben vorangetragenen geputzten Baum ersetzt 8e ). Eine Abschwächung dieses Brauches erblicken einige gerade in der Anzündung des Johannisfeuers, durch das in früheren Zeiten die jung verheirateten Ehefrauen zu springen hatten 87 ). Man könnte ja bei dieser Verbrennung zunächst, wie Mannhardt tut, daran denken, daß die Reinigung der Natur von allen die V. schädigenden, das Wachstum hindernden Einflüssen, der Tod aller zerstörenden Insekten und aller Mißwuchsgeister, Mäuse usw. gemeint sei 8 8 ). Dagegen spricht vor allem, daß sich hierfür kein Anhaltspunkt in den Bräuchen selber ergibt, wie solche sonst in ländlichen und frühjahrsmäßigen Abwehr-

1534

zaubern (s. d.) reichlich vorhanden sind; bei diesen V.sriten handelt es sich wirklich durchweg um die Tötung des V.sgeistes oder -gottes selber; so ζ. B. auch bei der oben erwähnten Verbrennung der Puppe Tod, die als der Sommer bezeichnet wird, der zuvor von denselben Leuten ins Dorf hineingetragen worden war. So auch wenn der König (oder die Königin) in Dung eingegraben wird 8 e ). Dies Eingraben selber in den die Keimwärme enthaltenden, die neue Saat produzierenden Mist zeigt klar, worauf es bei all diesen Tötungsriten ankommt; zeigt, daß die jährliche Tötung auch jedes Jahr neues Leben und Wachstum zur Folge hat 9 0 ). Der Tod bedeutet das Ersterben ¿um Neuerstehen und das Mittel zur Mitteilung des Lebenssaftes und der Lebenskraft, welche im Falle der Tötung eines V.sgottes eben als die seine gedacht war 91 ). Denn es ist ganz klar, daß der V.sdämon in der Zeit der Fruchtreife oder Ernte sehr häufig als alter abgelebter Greis, als todgeweihter oder auch bereits toter aufgefaßt und gelegentlich als der Tod selber symbolisiert wurde. Und ebenso wurde dieser Todgeweihte, Sterbende von dem im Lenz vorausblickenden Landmanne, wenn er sich jenes Loses des Hingeschwundenen erinnerte, als der Neuauflebende gedacht, der an die Stelle des Alten tritt; und wenn die Laetare-Puppe mit Sichel und Sense vorgestellt wird 92 ), ebenso wie Holda 9 3 ), wird man diese Ausrüstung am besten darauf beziehen, daß die Puppe eben den zurücktretenden, ausgelebten, ausgedienten Geist der V. bedeutet, wie ähnlich die aus der letzten Garbe bei der Ernte gefertigte Figur, die auch zuweilen eine Sichel in der Hand hält 9 4 ). Daß man gerade im Frühling noch des alten Geistes gedenkt, ist dadurch bedingt, daß der Mensch mit seinem ganzen Sinnen an der Herleitung des Neuen aus dem Alten haftet; wie denn nicht nur die Bibel dieser Beziehung zur Illustration des christlichen Heils voll ist, sondern die allgemeine Religionsgeschichte davon eine Fülle Beispiele besitzt. Osiris ist dem Ägypter sowohl Gott des neuen Lebens des Menschen im

1535

Vegetation

Jenseits, Garant der Lebensneuheit, wie auch Garant zugleich der neuen V. wie des neuen Nils, weil er der getötete, ja zerstückelte und wieder zusammengesetzte Gott ist. Ebenso steht es um die asiatischen Gottheiten der V. Attis, Adonis und Tamuz, in deren Feiern ihr Tod samt ihrer Auferstehung, und zwar in einem Akt begangen wurde 95 ). Die Mexikaner haben den Gott der scheidenden V. alljährlich auf grausamste Weise zu Tode gemartert, indem ein Sklave oder Verbrecher die Rolle des todgeweihten Y.sgottes zu übernehmen hatte. Als Xipe d. i. der Geschundene wurde dieser Mensch durch Herausreißen des Herzens und Aufschlitzen des Rückens getötet und enthäutet 9e ). Der bereit stehende Repräsentant der jungen V. wurde darauf mit der Haut überkleidet und stellte so die künftige V. dar, Im Grunde liegt dieselbe Sitte vor in dem deutschen Brauch, Tod und Begräbnis des ausgelebten Geistes des alten Jahres darzustellen und ihn mit samt allem zugehörigen Vegetativen und selbst Animalischen zu vernichten und in die Brutwärme des Dungs einzugraben, auf daß er daraus in neuer Herrlichkeit erstehen möge. Man wird hierzu den Umstand zu stellen haben, daß die Weihnachts-, Neujahrsund Frühlingsbräuche vielfach durch das Aufstellen, Anstecken und Tragen von grünen Zweigen, unter denen im Norden Nadelholz und Epheu, im Süden Stechpalme und Lorbeer, überall die Mistel bevorzugt werden, gerade an der Ausgangswende der lebensarmen Jahreszeit das U b e r d a u e r n der V. andeuten und daß die Verbindung solcher Riten mit brennenden Kerzen, Fackeln und offenem Holzfeuer das frisch lodernde Leben der V. (während vielleicht loderndes Reisigfeuer das Verbrennen des abgestorbenen Grüns) bezeichnen 97). So treten viel häufiger als erster Blick lehren will die beiden Gedanken, die sich auf die ab- und auftretende V. beziehen, in Verbindung miteinander hervor. Bei den Serbokroaten spielt der Weihnachtsklotz, Badnjak, eine große Rolle, und die Bulgaren salben diesen auf das Herdfeuer

1536

gelegten Baumblock mit besonderer Sorgfalt, indem sie in ein Loch in ihm öl. Wachs, Butter und Weihrauch füllen. Der angesungene Baum verkündet auf die Frage, woher er komme: „Oben im Gebirge bin ich aufgewachsen mit silbernen Blüten und goldenen Früchten. Der junge Gott ist an mir herabgestiegen, der die guten Gaben bringt: Silber, Gold, Edelsteine, Getreide, Wein, Obst . . . Leben, Gesundheit, Freude 98 )." Erinnert sei auch an das altrömische Hirtenfest der Palilien, von dessen Riten man selbstverständlich nicht nur reiche Heu-, Korn- und Weinernte, sondern auch Viehreichtum und Kindersegen erwartete ; denn, wie eingangs erwähnt, wird der Gedanke der V. wieder und wieder mit dem der menschlichen und tierischen Fruchtbarkeit vermengt. Daß alles aber, indem der S p r u n g d u r c h die H a u f e n v o n b r e n n e n d e m S t r o h und Heu gemacht wird, „von welchem bei den Beschreibungen dieses Festes immer am meisten die Rede ist; es ist offenbar der wichtigste Akt". Denn auch dies brennende Stroh und Heu stellt den alten V.sgeist dar, der sterben muß und dadurch, daß ihm der Garaus gemacht wird, dem neuen V.sgeist Raum gibt 99 ). ,3) Über diese Bedeutung des Osiris vgl. B r u g s c h Religion und Mythologie der alten ,4) M a n n h a r d t Ägypter 82f. I47f. 1, 406. , 5 ) ebd. 157. 7e) B o e d e r Ehsten 12. 81. " ) M a n n h a r d t 1, 408. , 8 ) M e i e r Schwaben 1, 371 ff. '*) K u h n Westfalen 2, 131, 394. 80) S c h m i t z Eifel 1, 50. 81 ) vgl. auch R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Böhmen 63. Vgl. hierzu auch den Artikel Todaustreiben. Das Todaustreiben steht hier unter besonderem Gesichtspunkt, s. auch den Art. Abwehrzauber. 82 ) F r a z e r 4, 207. 83 ) R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d a. a. O. 263. 83a ) M a n n h a r d t 321. 81 ) ebd. 5 6 4 I 85) ebd. 493f. 8e ) So in Anspach, Hallstadt, Oberfranken. S. P a n z e r Beiträge 1, 217. 219. 87 ) M a n n h a r d t 524. 88) ebd. 6o7f. 8e ) Vgl. E H M e y e r German. Myth. 137; S c h r ö d e r Germanentum 89ft. 90 ) ZrwVk. 14 (1912) 9 1 269. ) M a n n h a r d t 364; vgl. F r a z e r 4, 2Ó3Íf. 9a ) M a n n h a r d t 421. 93) W a s c h n i t i u a Perht 176. 94) M a n n h a r d t a. a. O. 95) M a n n h a r d t 359f.; J e r e m i a s Religgesch. 42. 7of. 9e ) Preuß Phallische Fruchbarkeitsdämonen 97 ) a . a . O . I42ff. G B i l f i n g e r Das german. Julfest 64. 86. 98) S c h n e e w e i s Weihnachtsbräuche (1925), 175. 99 ) L. v. S c h r ö d e r Arische Religion 2, 220. K. Beth.

Veilchen (Viola-Arten). 1. Das wohlriechende März-V. (V. odorata) ist eine der ersten Frühlingsblumen. In Hecken, an Zäunen, Waldrändern usw. ist es fast überall häufig, oft wird es auch in Gärten gezogen. Als „Hundsv." bezeichnet das Volk verschiedene geruchlose Arten, wie das echte Hunds-V. (V. canina), das Wald-V. (V. silvatica), das rauhe V. (V. hirta). Die Rolle des V.s in der griechischen Mythologie ist schwer zu bestimmen, da die Griechen unter tov, nicht nur das V. verstanden, sondern auch die sonst Xeu/ó-iov genannte Pflanze, die Levkoje (Matthiola incana) oder den Goldlack (Cheiranthus Cheiri)1). Unser V. bezeichneten die Griechen als ιον πορφυροΰν. Nach einer (wendischen?) Sage wurde die Tochter des Götzen Tschernebog in ein V. verwandelt. Alle xo Jahre einmal in der Walpurgisnacht erwacht die Jungfrau zum Leben, und wer das V. in diesem Augenblick pflückt, der bekommt die Jungfrau mit allen Schätzen ihres Vaters 2 ).

Murr Pflanzenwelt 2590.; H e p d i n g A Iti s 1 1 9 ; G i i n t e r t Kalypso 1 7 1 ; F r i e d l ä n d e r Sittengeschichte8 2, 284t. ; ZfVk. 23, 102Í.; S t r a n t z Blumen 1875, 105—128; S c h r ä d e r 2 2 Reallexikon 2, 586. ) H a u p t Lausitz 2 4 3 I ; G r ä s s e Sachsen 488 = K ü h n a u Sagen 3, 478.

2. Als eine der ersten Frühlingspflanzen tritt das V. vielfach in Frühlingsmythen und -festen auf 3 ). Am Wiener Hof war es zur Zeit Leopold VI. (1198—1230) Sitte, im März in den Donau-Auen das erste V. aufzusuchen. Der Finder benachrichtigte sogleich den Herzog, der mit seinem Hofstaate auf den Anger zog, um das V. zu begrüßen. Das sittsamste Mädchen durfte die Blume pflücken. Das Fastnachtsspiel des Hans Sachs „Der Neydhart mit dem Feyhel" handelt über dieses V.fest 4 ).

) Fr. M ö l l e r Das V. im Frühlingsmythus u. seine Bedeutung. In: Programm d. Großh. hess. Realschule Friedberg. 1866. 7—40. *) Gri m m Myth.* 2, 636; H a n s Sachs Weyhe hrsg. v. A. v. Keller u. Goetze. Stuttg. 17, 198.—217; R e i n s b e r g Festjahr2 162; R e h m Volksfeste 32; G u s i n d e Neidhart mit dem Veilchen ( = German. Abh. hrsg. v. Vogt, Heft 17), Breslau 1899; Marze 11 Das V. im deutschen Volksglauben. In: Der getreue Eckart. Wien 1 3

(1924), 258—260.

3. Wie viele andere Frühlingsblumen (s. d.) haben auch die (drei) ersten im Bichtold-Stiubli

1538

Veilchen

1537

Aberglaube VIII.

Jahre gefundenen V. eine besondere Heilkraft, wenn man sie verschluckt. Sie schützen vor dem kalten Fieber 5 ), bewahren das ganze Jahr vor Krankheit e ) oder bewirken, daß man ein gutes Blut bekommt 7 ). Mit den drei ersten V. bestreicht man die Augen, dann bekommt man keine „bösen" Augen 8 ), vgl. Windröschen. ,,Wan ein flüßigeren Koft (Hauptfluß, Nasenkatarrh?) hat nimdt man die ersten blauen fiolen und magdt dordt einen Kranz von und legt den oben auf den Koft das sihet ale feutigkeit außich" »). Der Glaube, daß die ersten V. besondere Heilkraft haben, läßt sich bereits aus einer Rezeptsammlung des (ca.) 6. Jh.s, dem „Antidotarium Bruxellense" belegen, wo es heißt: „ut non infirmeris. violam cum videris, digito medio et pollice decerpe florem, et unum devorato, deinde alteram et tertium. quotquot annis hoc feceris, non aegrotabis" 1 0 ). Nach dem Cod. Sangall. 44 (9. Jh.) bestreicht man bei Kopfschmerzen das Haupt mit einem V. und schreibt auf ein Papier: „emigranius grani, oranio ani. onio ioo" 1 1 ). 5 ) W u t t k e 353 § 528; H ö h n Volksheilkunde 1, 1 5 3 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 261 f.; ZfVk. 4, 84 (Mittelschlesien); Veckenstedts Zs. 1, 436 (Prov. Sachsen); F o g e l Pennsylvanien 273; ebenso in Dänemark (DbotMonatschr. 11 [1893], 75; F e i l b e r g Ordbog 3, 562), in Frankreich ( R o l l a n d Flore pop. 2, 168; S é b i l l o t FolkLore 3, 490) und bei den Slowaken ( H o v o r k a u . K r o n f e l d ι, 432). e)Peter Österreich. Schlesien 2, 244 (am Georgitag gegessen); S c h u l l e r u s Pflanzen 145; W i r t h Beiträge 6/7, 13. ') H ö h n Volksheilkunde 1, 138. 8 ) W i t z s c h e l Thüringen 2,285. *) ZfrwVk. 9, 226. 10 ) T h e o d o r i P r i s c i a n i Euporiston. ed. Val. Rose 1894, 390, vgl. S c h i l l e r Tierbuch 2, 34. 1 1 ) J ö r i m a n n Rezeptarien 12.

4. Die ersten V. können aber auch eine schlimme Wirkung haben. Wer an den Hunds-V. riecht, bekommt Sommersprossen 12 ), das Gleiche glaubt man von verschiedenen anderen (bes. blauen!) Frühlingsblumen, vgl. (Frühlings-) Enzian, Günsel, Sternhyazinthe 13 ). Nach einer rationalistischen Erklärung wirken zur Blütezeit der genannten Pflanzen die Sonnenstrahlen besonders auf die Pigmentierung der Gesichtshaut14). Wer die Blüte eines Hunds-V.s in den Mund 49

1539

Veilchenstein—Veit

nimmt, bekommt einen bösen Mund oder verliert den Geruch 1 6 ). Im Göttingischen heißen die wilden V . „dulie Vijoileken" (tolle V.), weil nach dem Volksglauben das Riechen daran toll m a c h t M ) , vgl. dazu die franz. Benennung „violette folle" (um Anjou) für das Hunds-V. 1 7 ). In England dürfen die ersten V . nicht ins Haus gebracht werden, das gibt ein Unglück und bringt den jungen Enten und Küchlein den T o d 1 8 ) , vgl. Kuhschelle, Schlüsselblume. Andererseits gibt man aber in der Gegend von Ingolstadt (Oberbayern) der brütenden Gans ins Nest V . , damit die Jungen eher ausschlüpfen l e ). " ) BayHfte. 6, 207; Bay. Wochenschr. f. Pflege v. Heimat u. Volkst. 6 (1928), 139. 1S ) Vgl. auch M a r z e l l Bayer. Volksbot. 182. 14 ) Neidh a r t Schwaben 23. 1 5 ) Oberlausitz: Mitteid. Bl. f. Vk. 5 (1930), 168. " ) S c h a m b a c h Wb. 269. " ) R o l l a n d Flore pop. 2, 171. » ) B a r t e l s Pflanzen 11, " ) Archiv des Ver. f. Bayer. Vk. 1909.

5. Besonders in Böhmen besteht der Glaube, daß die V. nach dem ersten D o n n e r nicht mehr riechen 2 ^). Der Glaube ist vielleicht so zu erklären, daß mit dem Auftreten der ersten Gewitter die März-V. (V. odorata) verschwinden und die etwas später blühenden, geruchlosen v.-Arten (V. silvatica usw.) erscheinen, ao ) G r o h m a n n 40; John Westböhmen 239; Erzgebirgszeitung 19 (1898), 248; Egerl. io, 132; auch bei den Slovaken: DbotMon. 14 (1896), 128.

6. Wenn an Medardi (8. Juni) noch die V. blühen, werden Korn und Gerste ,,verkehlen" (den Brand bekommen). Das Grummet wird gering ausfallen 21 ). Wenn es am Josephstag (19. März) V. gibt, so kommt die Ernte früh 22). Wenn die V . lange Stiele haben, so wird auch der Flachs lang M ), vgl. Schlüsselblume. Über das Acker-V. (V. tricolor) s. Stiefmütterchen. 21 )Frankenland 1915, 270. 2 2 ) M a r z e l l Bayr. Volksbot. 127. **) S c h i l l e r Tierbuch 2, 34. Marzell.

Veilchenstein. E s ist ein aschgrauer Stein oder besser ein rötliches Moos, d a s fest an den Felsen haftet, als ob die Stein e aufblühten, er haucht Märzveilchenduft aus. Er findet sich auf steinigen Gipfeln der Sudeten. Sein Geruch ist dem Herzen traut und angenehm. Er wird zu den

154Ο

Kleidern gelegt, teilt ihnen den Geruch mit und schützt sie vor Motten 1 ). Wenn man das Moos abkratzt und in einem warmen Gemache ein Jahr lang wohl in einem Papier verwahrt, so verändert es sich in ein grünes Pulver. Nach Meinung eines Chemikers soll es das sein, von dem Theophrast schreibt, daß es von einem Steine abgeschabt und gepulvert wurde und ein köstliches und bewährtes Mittel sei wider den Blasenstein 2 ). V.e werden im Riesengebirge gefunden und an Reisende verkauft. 2)

S c h w e n c k f e l t dialogus 1,382 s. v. iolithus. N u ß Phoenix 324I f Olbrich.

Veilchenwurzel s. Schwertlilie. Veit, hl. ι . Ein frommer sizilianischer Knabe, der nach der Legende zwölfjährig unter Diokletian den Märtyrertod erlitten hat. 836 kamen seine Reliquien von St. Denis nach Corvey, 1355 durch Kaiser Karl nach Prag. Seine Verehrung hat sich weit ausgebreitet, namentlich in Westfalen und im slawischen Norden und Osten. Er ist einer der 14 Nothelfer, Schutzpatron der Sachsen wie der Böhmen und wird mit einem schwarzen Hahn abgebildet, der in seiner Legende keinen Anhalt hat*). Man opferte ihm lebende H ü h n e r 2 ) und machte mit deren „ K r e b n " Kreuze auf dem Altar *). In Hürtigheim (Elsaß) opferte man ihm für Gichter bei Kindern schwarze Hennen. Sie wurden nach Straßburg auf den Markt gebracht, denn im Dorfe selbst hätte niemand sie gekauft, da man glaubte, daß man mit der Henne auch die Gicht oder fallende Sucht übernehme 4 ). Das böhmische Landvolk brachte jährlich am V.stage im Dom zu Prag einen Hahn zum Opfer 6 ). Landleute an den Elbquellen im Riesengebirge Hähne und Hennen. Die Hähne wurden im Walde freigelassen, die Hennen in einem See, Teich oder Moor ertränkt e ). Unfruchtbare und hysterische Frauen brachten dem hl. V. eiserne K r ö t e n 7 ). Besen opferte man gegen giftige Geschwüre 8 ). Zur V.skapelle bei Zabem pilgerten alle, die an der f a l l e n d e n S u c h t litten 8 ). In Distelhausen im Ochsenfurter Gau pflegten Epileptiker am V.s-

Veit

tage sich den Kirchenglockenstrang um den Leib zu schlingen 10 ). Man trägt gegen diese Krankheit auch „V.sbriefe" (mit einem Gebet) bei sich u ) , s. a . V . s t a n z . In Krems warf man an den großen Kirchenfesten etwas Speise ins Feuer „für den Veidl" M ). In der V.skapelle in Wieseth nahmen viele zum Bilde des hl. V. in Augenkrankheiten ihre Zuflucht; durch eine Öffnung vor dem großen Altar der über die Heilquelle gebauten Kapelle wurden häufig Baumzweige in das unten fließende Wasser getaucht und die kranken Augen damit bestrichen 1S ). Auch dem V.sbrunnen in Syenuc im Saazer Kreise schrieb man Heilkraft gegen Augenschmerzen zu u ) . In Krain gilt als das beste Augenwasser der am V. stage gesammelte T a u 1 5 ) . Heilkräftige V . s b r u n n e n gibt es auch sonst 1β ). In Zweiflingen kommen die Mädchen aus dem V.sbriinnlein 17 ). Die V . s b l u m e (Brunelle) ist ein Zauberkraut 18 ). Besonders verbreitet ist der Brauch, zum hl. V. zu beten, um am Morgen rechtzeitig a u f z u w a c h e n 1S ) (wohl weil er den Hahn trägt). Vor allem die Bettnässer haben ihr Verslein dafür 2 0 ). Ihr Vertrauen rührt wohl von dem Häflein her, mit dem St. V. abgebildet wird. Die Mädchen bitten ihn um einen Mann 21 ). Weil V. in einem Kessel voll siedenden Öles zu Tode gemartert sein soll, haben ihn die Kupferschmiede zum Patron gewählt, außerdem die Tänzer 22 ). In den slavischen Gegenden Kärntens und in Krain ist er Patron des Viehes Μ ). In der Gegend von Mosbach ruft der Schnitter vor dem Schneiden des Komes: „Hl. Veit, geh (gib) ocht, dass i mi net stech und au net schneid" 24). l ) D o y é Heilige u. Selige 2, 525; K ü n s t l e Ikonographie 583ff.; S a m s o n Die Heiligen als Kirchenpatrone 3870.; B e i s s e l Heiligenverehrung ι , 74. 83; K a i n d l Volkskunde 62f.; G. H a n n St. Veit, ein volkstümlicher deutscher Schutzpatron u. die 14 Nothelfer Car. 108 Nr. 1— 6; H m t b l R E . 3 (1922), i6off.; W u t t k e 34Í. (38); ZfVk. ι (1891), 297; P a n z e r Beitr. 2, 43 (Bamberg). Über sein F e s t in Corvey, Nds. 18, 339. Corveyer Sagen: W o l f Beitr. 2, 4 2 3 I ; Z a u n e r t Westfalen n 6 f f . 372. Über S. Veit und Swantewit: Wossidlo in Mecklenburg 14, 47f.; K ü n s t l e Ikonographie 583ff. 2 ) S a r t o r i Sitte 3, 2 2 1 ; B i r l i n g e r A. Schwaben

1542

2, 162; ZfVk. i l (1901), 186. 3 ) B a u m g a r t e n Jahr 26. *) ZfdMyth. 1, 4 0 7 ! 6 ) P a n z e r Beitr. I, 3 1 7 ; S c h e f t e l o w i t z H u h n o p f e r 5 6 . « J R e i n s b e r g Böhmen 3 0 0 ! ; W e i n h o l d Verehrung d. Quellen 43. 7 ) W o l f Beitr. 2, 464; ZfVk. 1, 297; H e r t z Elsaß 16. 185; Globus 82, 71 (Elsaß). 8 ) B i r l i n g e r A. Schwaben 1, 55. ») ZfdMyth. 1, 407. 1 0 ) L a m m e r t 271. " ) ZföVk. 10 (1904), 12 109. ) L a n d s t e i n e r Niederösterreich 44 A n m . 2. 1 3 ) L a m m e r t 23; HessBl. 3 (1904), 9 3 f · ; ZfVk. 21 (1911), 116. " ^ R e i n s b e r g Böhmen 302. " ) ZföVk. 4 (1898), 145. « ) R e i n s b e r g Böhmen 3 0 1 ! ; B e c h s t e i n Sagenschatz d. Frankenlandes ι , 250f. 1 7 ) H ö h n Geburt 259. " f i n g e r l e Tirol i n (956). 1 β ) S a r t o r i 2, 25 Anm. 28; Nds. Ii, 390; 12, 138 (Münsterland); S t r a c k e r j a n 2, 92; M e y e r Baden 52; ZfVk. 9r 355; J o h n Westböhmen 83; SchwVk. 5, 82; ZföVk. 8 (1902), 183. I n Aussee t u n das die Bergl e u t e : G e r a m b Brauchtum 62. Man spricht den Spruch in der T h o m a s n a c h t : V e r n a l e k e n Mythen 343. 2 0 ) S a r t o r i 2, 25 Anm. 27; B a r g h e e r Eingeweide 4 1 2 I , H ö h n Volksheilhunde ι , 1 1 7 ; M e y e r Baden 52; R e i s e r ^ / í g á w 2, 446; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 55. 406; Z i n g e r l e Tirol 1 5 7 ! ; M a n z Sargans 79; SchwVk. 10, 38; Nds. Ii, 390. 409; K ü n s t l e Ikonographie 584f. Oben 1, 1197. Die Bettnässer ziehen nach Schönenbuchen b. Schönau, knieen dort nieder und t r i n k e n aus dem B r u n n e n u n t e r Gebet zum hl. V. : M e y e r Baden 568. Anderswo m u ß der B e t t n ä s s e r während der W a n d l u n g in der Christmette laut seinen Fehler in die Kirche hineinrufen u n d die Anwesenden um ihre F ü r b i t t e zum hl. V. b i t t e n : ebd. 575. I n Neidingen verlangt m a n vom Bettnässer nur, d a ß er ein Stück von seinem H e m d e dem hl. V. in der St. Annakapelle bei G n a d e n t a l weihe: ebd. 576. 21 ) Z a u n e r t Westfalen X . 2 2 ) A n d r e e Votive 23 13; D o y é Heilige 2, 524Í. ) Andree 24 38; vgl. L a m m e r t 24. ) M e y e r Baden 426.

2. Der V e i t s t a g (15. J u n i ) galt etwa seit dem Ende des 13. Jh.s für die eigentliche S o n n e n w e n d e und als l ä n g s t e r T a g 2S). „Veit, scheid't die Zeit" sagt man in Bamberg 26 ). Er bringt die Fliegen mit 27). In slavischen Sagen bringt er die Nachtigall und die Singvögel überhaupt zum Schweigen 28). Die Blätter wenden sich 2e ). In der V.snacht gießen die Mädchen Blei, um das Handwerkszeug ihres künftigen Mannes zu sehen 30). Für das W e t t e r ist der Tag von Bedeutung 31 ). „Sankt V. schütt' gern sein Haferl um" ( = bringt Regen) 32 ). „Wenn St. V.s Häfele umschüttet, so schüttet ers auf vier Wochen um" M ). „Sau as Vitusdag sik hält, is de ganze Harwest bestellt" 34 ). Wenn es regnet, wird ein fruchtbares

1543

Veitstanz—Veil

Jahr 3 6 ). Aber es heißt auch: wenn es am V.stage regnet, so gedeiht der Hafer nicht36) und: „O heiliger V., o regne nicht, daß es uns nicht an Gerst' gebricht" 37). Ehemals mehr als jetzt wurde St. V. zum Schutze gegen Gewitterschäden angerufen; am Main geschieht es noch 38).

25 ) BayHfte. 1 (1914), 205; R e i n s b e r g Böhmen 300. 2 e ) P a n z e r Beitr. 2, 43. Vgl. F e h r l e Johannistag 1 2 ; SAVk. 30, 7; S a r t o r i 3, 221 Anm. I. 2 7 ) D r e c h s l e r 1, 134; L e o p r e c h t i n g Lechrain 1 8 1 ; K ü c k Wetterglaube 70. 2 8 ) D ä h n h a r d t Natursagen 3, 1, 261 ; SAVk.30, 6. 2 8 ) Ebd. 30, 7; K ü c k Wetterglaube 72. 73. 30 ) B i r l i n g e r Volkst. 2, 445. ai) BayHfte. 1, 205. 3 a ) L e o p r e c h t i n g 1 8 1 ; vgl. K ü c k Wetterglaube 70; BayHfte. 6 (1919), 154. 3 3 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 390. 3 1 ) A n d r e e Braunschweig 412. 3t ) P o l l i n g e r Landshut 231. 3e ) K u h n Mark. Sag. 383 (53) ; K ü c k Wetterglaube 70. 3 7 ) F e h r l e Johannistag 12. 3 8 ) BayHfte. 1 (1914), 204f.

3. In einigen paderbornischen Dörfern fasten Menschen und Vieh am V.stag bis Mittag 3S ). Doch wird anderswo auch viel getrunken und werden fröhliche Märkte gefeiert M ). An manchen Orten treibt man das Vieh zum erstenmal aus 41 ). Vor der Stallung soll man ein Gefäß mit Wasser stehen lassen 42). Die Leute, die am V.stage an den sieben Quellen unter dem Schneeberg Hühner opferten, nahmen Wasser, Kränze und Sträuße mit nach Hause. Mit dem Wasser wuschen sie ihr krankes und gesundes Vieh, die Kräuter mengten sie unter das Futter 43 ). Am V.stage soll man K r a u t setzen 4 4 ). Vorher muß man die Hände waschen 45). In Braunschweig aber muß Kohl vor dem V.stage gepflanzt sein, sonst mißrät er; denn „Vîtkôl, Schîtkôl" «). In Inzikofen bei Sigmaringen opferte man früher Eier dem hl. V. um die Zeit des Wergsäens, dann gerät es gut 47 ). In Braunschweig wiederum heißt es: ,,Wer Lîn seit up Sankt Vit, geit de Sät quitt" «). Man soll auch keine Gerste säen („Vietsgast ist Schietgast") 49), wohl aber Buchweizen50). In ganz Niedersachsen ist der Spruch bekannt: ,,St. Vit is de beste BôkwêtenSeihtid" B1 ). Der Hafer hält Odder = er holt Ordre oder Bescheid, was aus ihm wird 52 ). Die Vietsbohnen heißen so, weil sie um den V.stag herum eßbar werden 83 ). In Italien war es im 16. Jh. Brauch, Gerste und Weizen wenige Tage vor dem

1544

Johannis- und auch vor dem V.stage zu säen. Man glaubte, der, für den gesäet wäre, würde glücklich und gut verheiratet werden, wenn das Korn gut aufginge, sonst nicht 84 ). 3e ) ZfrwVk. 4 (1907), 29. 1 0 ) S a r t o r i 3, 221. " ) Ebd. 2, 149 Anm. 1. 1 2 ) S c h r a m e k Böhmerwald 160. 43 ) R e i n s b e r g Böhmen 301. 44 ) J o h n Westböhmen 83 (weil es dann gern regnet); S c h r a m e k Böhmerwald 157; Alemannia 24, 153 (Distelhausen); R e i t e r e r Ennstalerisch 58; E b e r h a r d t Landwirtschaft 3. 1 5 ) J o h n Westböhmen 197. 4β ) A n d r e e Braunschweig 412. 47 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 118. 4B) Andree Braunschweig 226. ind trollkvenna bedeutet ursprünglich wohl auch A n h a u c h oder H a u c h der Trollweiber. D a s entspricht der erwähnten Vorstellung des hug, der ausfliegt und Krankheiten erzeugt, vortrefflich " ) Diese Gleichsetzung hug-vind trollkvenna, Gedanke gleich Anhauch, führt zu einer anderen A r t des V . s :

So wie man den Gedanken ausschickt, eine Krankheit zu verursachen, kann man eine Krankheit „anblasen": 2. A n b l a s e n (s. o. blasen). Im Münchner Nachtsegen 2 5 ) ist von aneblasen (Vers 34) und von anehucchen (Vers 36) des Alps die Rede. Die Überschrift eines Zaubersegens lautet gegen das Zeichen oder Anblasen 2 6 ). Das Anhauchen der Perdita und belauschten Wichte hat Erblindung zur Folge. Durch Hauchen einer Hexe vertrocknet säugenden Müttern die Milch 27 ). Ein Kind wurde verhext, indem ihm die Hexe in den Mund atmen konnte 28 ). Das stimmt genau mit der norwegischen Vorstellung von trottgust (Trollhauch) ; das Vieh kann von dem gefährlichen Hauch getroffen und geschädigt werden 29). Dementsprechend die Krankheitsnamen: W i n d , b ö s e r W i n d , A n f l u g , w i l d e r F l u g für Hautausschlag, Rotlauf, Milzbrand; Z u g u n d Flug für eine Hautkrankheit; waht, anwaht für Seuche, Hexenschuß usw., kleinrussisch ndtcha Anhauch, Verhexung; schwed. kastewind Gicht und fiage (Windstoß, auch Krankheitsanfall 30 )). Vgl. mnd. alfpûste, norwegisch gust (Hauch) alvgust, alvbläst31), Hautausschlag; dänisch elveblcest ; norwegisch gusten 32) von graubleicher Farbe bedeutet wie dänisch blegfis (fise blasen) eigentlich von Elfen angeblasen 33). — Hexen können durch Blasen Läuse anhexen 34 ).

1574

3. V e r s e h e n (s. o. Auge 1, 685). Ansehen, entsehen, mhd. von der elbe wird entsehen vil maneger man 3S ), in der Bedeutung v., verschieren, fries, schír genau ansehen 3e ), übersehen, älter dänisch overseet, vœtteseet (vaette Wicht), ugleseet und ulveseet, was auf den bösen Blick dieser Tiere, Eule und Wolf, hinweist 37 ). Nach altnordischer Überlieferung konnte man das Schwert des Gegners mit dem Blick verderben 38 ). Dieser Glaube, daß die Schärfe einer A x t , Sense usw. durch einen Blick stumpf gemacht werden könne, besteht noch in Norwegen 39 ). Auch bei dieser Art des Zaubers handelt es sich ursprünglich um eine Art Berührung, indem etwas aus dem Auge austritt und nach dem Gegenstand fliegt (nicht umgekehrt), nach Epikur Lichtstrahlen. Derartige Vorstellungen finden sich außer bei den Griechen ^ bei den Hindu 4 1 ), Australiern 42 ), auf Neuguinea 43) und noch bei Agrippa 44). Versehen wird häufig gleichbedeutend mit v . gebraucht. Z . B . : Der Taglöhner mag nicht, daß ein Fremder in den Stall schaut, da wird das Vieh verhext 45 ). Aber auch „verraupen", verrufen kann für ansehen gebraucht werden 48 ). 4. V e r s c h r e i e n , beschreien, besprechen, ansprechen, v e r s p r e c h e n , bereden, berufen, v e r r u f e n , besagen, v e r s a g e n . Diese Gruppe von Ausdrücken für v. ist verbreitet und alt. Es finden sich Gegenstücke fast in allen europäischen Sprachen dafür, daß „sprechen", „rufen", „schreien" in die Bedeutung von „zaubern" und z. T. auch in „durch Zauber (Gegenzauber) (s. besprechen) heilen" übergehen kann. Seltener steht das einfache „Sprechen": spreken, jehen, gechen in einem Spruch gegen die Gicht aus der Niederlausitz. Der Krankheitsname Gicht bedeutet das „Angesprochene" wie verjehen und vergibt 47 ). Viel häufiger wie jehen wird das englische spell48) im Sinne von „zaubern" gebraucht. Vgl. βάαχω „ r e d e n " , βασκαίνω s. ν . „ z a u b e r n " , verhexen, hiervon lat. fascinare ν . mit Anknüpfung an lat. fari „ r e d e n " , γόος „Schrei, K l a g e " , γοής „ Z a u b e r e r " . Wahrscheinlich gehört hierher auch „ A r z t " aus αρχίατρος zu ld „ G e s c h r e i " 1 9 ); ähnlich wie das spätnordische 50*

1575

verhexen

lœknari (Nebenform zu nordisch leege Arzt), mhd. lachenœre „einer, der durch Zauberformeln heilt, Z a u b e r e r " . Man nimmt eine idg. Grundform lepagi Besprecher an und vergleicht skr. Idpati „ s c h w ä t z t " 50 ). Ιπάδω „singe d a z u " , έπψδή „ Z a u b e r " , έπφδό; „ Z a u b e r e r " , lat. incantare „Zauberlieder gegen jemanden singen", frz. charme „ Z a u b e r " 6 1 ).

Altnord, galinn „verzaubert, von Sinnen, rasend" ist Partizip des Zeitwortes gala „schreien, krähen, Zauberlieder singen", ahd. galan, bigalan „singen, v . " . Nhd. dial, vergalstert „verhext, rasend, von Krankheit geschlagen" 5 2 ). Den Übergang von Reden zu Zaubern wird wahrscheinlich oft das Sagen von bösen Worten, Beschimpfen und Verleumden gebildet haben, wie dies wohl folgende Ausdrücke für v . andeuten : Vermalen B3) (vgl. schwäbisch vermälen „anschwärzen, verleumden" 5 4 )), geschalkt85) für verhext zu Schalken „betrügen, falsch sein", mhd. schelken56) „betrügen, beschimpfen, schmähen". Ähnlich wird in Baden „veruntreut" für verhext gebraucht ®7). Beraffein oder verschreien; unberaffelt = unbeschrieen S8). Wie schon unter 1 erwähnt, geschieht das Beschreien oder Verrufen oft durch übermäßiges Loben 69 ). Die nordischen Völker sprechen von Menschen mit der „bösen Zunge" (norweg. valketunge, skjertunge, schwed. tock (dicke) Zunge). Diese Leute schaden ebenfalls vor allem, wenn sie loben M ). 5. A n r ü h r e n , berühren 6 1 ), antun, machen. Sie (die Hexe) hat mich gegriffen, das ich sein mein lebtag genug han 62 ). Ungerupft und unbezupft oder ungezupft sind im Schlesischen gleichbedeutend mit unberufen β 3 ). Im Münchner Nachtsegen ist vom Zucken, Tasten und Rühren verschiedener Unholde die Rede β 4 ). Dem entsprechen Krankheitsnamen wie das (die) Gerührt (e), vlämisch beroerte, beroertheit\ dänisch rörelse Lähmung 6 5 ). Wenn Hexen den Menschen schaden, berühren sie mit einem Rütchen 6 6 ), Stecken 67 ). Dem Kind ist etwas a n g e t a n 6 8 ) . In Schlesien gelten gewisse Krankheiten als „gemacht" 6e ). „ D a s ist ein .getanes' Bein", erklärte die kluge Frau 70). In gleicher Weise wird in den

1576

nordischen Sprachen v. ausgedrückt : forgjöre v., anord. fyrigera, dazu gerningar (pl. von gerning Tat) „Zauber", neunorwegisch g jera aat\ älter englisch to do v . ; mlat. factura, ital. fattura·, altfranz. faiture Z a u b e r 7 1 ). Auch nach dem Volksglauben der Südslawen werden alle Krankheiten „angetan" 72). In der Jülicher Gegend sagt man von einem kranken Kind: „ D a ist eine böse Hand drüber gegangen" 73 ). In Schweden spricht man von Menschen, die „die böse Hand" haben. Die üble Wirkung wird durch Streichen erzielt bei Menschen, Tieren und Sachen, z. B . B r o t 7 4 ) . Durch Streicheln von Kindern bewirken Hexen einen blutigen Ausschlag 75 ). Verhext wird durch über den Rücken streichen, durch einen Gegenstrich wird die Wirkung aufgehoben. Der Strich geht meist verkehrt, d. h. gegen die Haare. Schlägt einem eine Hexe auf die Schulter, so gibt man sogleich einen Streich auf die nämliche Schulter zurück, wodurch die schädliche Wirkung aufgehoben wird 76 ). Schließlich gibt es nach schwedischem Volksglauben auch Menschen mit dem „bösen F u ß " 77 ) ; ähnlich ist auf deutschem Gebiet vom Hexentritt und der „bösen Spur" 78) die Rede (s. o. Hexe 3, 1873). 6. Z e i c h n e n . Wickenweiber zeichnen 7e ). Zeichen erscheint als Krankheitsname β®), ein Segen ist überschrieben gegen Zeichen oder Anblasen 81 ). 7. H e x e n s c h u ß 8 2 ) . Alpschuß, Drachenschuß, Alpstich, Marstich, Schuß, An-, Einschuß, Geschoß sind a) Namen für namentlich rheumatische Lendenoder Kreuzschmerzen, Lumbago, das Kniegeschoß (Bilvizgeschoß, Ischias) ; b) Rasch auftretende Geschwulst an der Innenfläche des Pferdehinterschenkels, c) Hexengeschoß, „ein greulicher erschrecklicher Wehtag durch ein sonderlich Geschwüren an den Fingern oder sonst im Leib, darin Haar, Asche, Faden, Sauborsten, Fischgräten, Federn und andere Dinge mehr gefunden werden" 83). Auch nach neuerer Überlieferung kamen aus einem verhexten Finger, der wie ein Dreschflegel angeschwollen war und den ein Doktor öffnen mußte, ununterbrochen viele Meter

15 77

verhexen

lange, wurmartige, in Spiralen gerollte Schnüre heraus, man wußte nicht, waren es Werg oder Tiere 8 4 ) (ebenso in der schwed. Überlieferung s. u.). d) Hexenteufelschuß oder Teufelsschuß für Milzbrand 8 6 ). e) für Knochenfraß. Der Hexenschuß kommt durch die L u f t , fliegt aber meist im Wagengeleise 8e ). Die Vorstellung, daß gewisse K r a n k heiten durch einen zauberischen Schuß verursacht werden, ist weit verbreitet 8 7 ) und alt. Ags. werden erwähnt, ylfa gescot und hœgtessan gescot88 ) ; engl, dial. awfshot „Hexenschuß"; dän. elleskudt, „ v o n den Elben mit Krankheit geschlagen, todkrank, hyldeskudt verrückt ; norweg. dial, àlvskoten von Lahmheit oder Beinleiden ergriffen. Krankheitsnamen mnd. alfpll und alfschot eine Augenkrankheit 8 9 ). Vgl. norweg. alvpil Benennung eines Knochensplitters, der sich bisweilen im Fleisch geschlachteter Tier findet; norweg. trollskot, alvskot, dverg(Zwerg) skot90 ). In Norwegen und Schweden sind es vor allem die zauberkundigen Lappen und Finnen, die den magischen Schuß senden ; norw. Finnskot, schw. lafip- und finnskot. In einigen Fällen läßt sich nachweisen, daß finnskot sekundär im Vergleich mit alvskot gebildet i s t 9 1 ) . Der Schuß kommt durch die L u f t . A m meisten ist man ihm ausgesetzt in einem plötzlichen Wirbelwind, wenn der Wind v o m Norden weht, wenn viele Menschen beisammen sind; nicht einmal in der Kirche ist man sicher; der Schuß kann durch den K a m i n kommen. Das Geschoß ist entweder ein Pfeil, eine Schweinsborste, Nadel, ein schwarzes Krümmchen, ein Wurm, Schmetterling oder unsichtbar 9 2 ) ; oder eine Kugel und heißt dann norskot, nordsending, finnkula. Die Krankheit sitzt nach norw. Glauben unter der Haut, aber auch andere rasch auftretende Krankheiten, MagenInfektions-Entzündungskrankheiten werden mit den genannten Schuß-Namen bezeichnet 9 3 ). Nach schwed. Glauben gibt es neunerlei Schüsse ®4) (vgl. o. Hexe 3 , 1 8 4 8 ) 8 5 ) . In einem ags. Segen gegen den Hexenschuß wird das Geschoß „haarkleiner Speer" g e n a n n t 9 e ) . Die

1578

Vorstellung hat sich auch in neuerer deutscher Überlieferung erhalten : Ein Mädchen ging auf dem Weg. D a wurde aus einem Hause etwas über die T ü r auf die Straße geschossen; das Mädchen ging darüber hin und hatte von Stund an ein lahmes Bein 97 ). Die Krankheit, das wilde „ G e s c h o ß " , kommt wie mit dem bösen Wind aus dem wilden W a l d geflogen 9 8 ). Wenn die Hexen ein Stück umbringen, sagt man auch: es hat einen „ S c h u ß " bekommen 9 9 ). Nur in ags. und schwed. Segensprüchen tritt der zauberische Schütze, der seine Pfeile mit Gicht und anderem Übel auf Menschen und Tiere schießt, als epische Person auf 1 0 0 ). Einige nordische Überlieferungen zeigen, daß nicht nur das Geschoß, sondern der Zauberkundige selbst im Wirbelwind kommt und die Krankheit zufügt. E s ist dies eine Vorstellung, die auf deutschem Gebiet m. W . nur vereinzelt vorkommt. Eine Frau hatte Streit mit einer Hexe und diese drohte, sie werde ihr eine Plage schicken. Im Frühjahr, als die Frau auf dem Hofe war, hört sie ein Rauschen, wendet sich u m und erblickt einen Wirbelwind, der aus dem nahen Wald auf sie zukommt, sie zu Boden reißt und so heftig tobt, daß sie glaubt, er reiße das ganze Haus darnieder. Kurze Zeit darauf fing ihre Besessenheit a n 1 0 1 ) . 8. G e b e n , s c h e n k e n . Man kann auch v . durch Geben. Wahrscheinlich gehört der Krankheitsname Vergift für Gicht hierher, wie der Franzose vom „ m a l donné" usw. spricht 1 0 2 ). Hexen geben Kindern verschiedene Gegenstände, die mitunter sogar deren Tod bewirken können 103 ) ; daher das allgemeine Verbot an Kinder, von fremden Leuten nichts anzunehmen und auch gefundene Sachen nicht zu essen 104) (s. o. Hexe 3, 1873). 9 . A n d e r e A r t e n d e s V.s: Die übrigen verschiedenen Arten des V.s sind im Artikel Hexe 3, i847f. i860—1875) besprochen worden. Ergänzend kann hinzugefügt werden 1 0 5 ) : K ü h e werden verhext dadurch, daß sie von einer Hexe am Maitag Abend in schwarzer Nacht weggeführt werden 1 0 6 ). Hexen v . durch einen T r u n k 1 0 7 ) , durch

1579

verhexen

Essen1®8). Sie v. andere in Tiere10») (s. auch knüpfen, knoten, binden, nesteln, schnüren, vergraben unter der Tür und Schwelle (s. dd.)). Eine Hexe entrückt ein Mädchen in den Sumpf110).

le ) ZfdA. 53, 142; H e y l Tirol 188 Nr. 88; (vamoan) ZfVk. 8, 444. " ) S e y f a r t h Sachsen 45. 1 8 ) H e y l Tirol 803 Nr. 263; Manz Sargans 104; A l p e n b u r g Tirol 361 Nr. 15. w ) Ebd. Nr. 16. « ) ZfdA. 53, 141. M) H ö f l e r Krankheitsnamen 408. 22 ) N i l s L i d Magiske fyrestellingar og bruk. Den vonde hugen in Nordisk Kultur 19, 3—18. i s ) D a g S t r ö m b ä c k Sejd, Texststudier i Nordisk Religionshistoria, in Nordiske Texter og undersökningar 5 (1935), 175. Textstelle: Thüle 20, 269. 24 ) MoM. 1936, 76 fi. 2 t ) ZfdA. 41, 337. 353. " ) NeuRuppin ZfVk. 8, 393. a ' ) M e y e r Aberglaube 253. * 8 ) SAVk. 2, 243. 2>) L i d MoM. 1921, 50 Anm.2. 3 0 ) H ö f l e r Krankheitsnamen s. v. ; ZfdA. 53. ! 5 3 ί · 3 1 ) R e i c h b o r n - K j e n n e r u d Trolldomsmedisin 1, 20; F a l k und T o r p EtWb. 1, 23. 3 2 ) Ebd. 3 3 ) Ebd. 1, 80. 34 ) W i t t m a n n Die Gestalt der Hexe in der deutschen Sage = S c h m i t z Siebengebirge 24. *·) F a l k und T o r p 2, 1327. 3 e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 52; Bremer Wb. 4, 661; ZfVk. 3, 388. a 7 ) L i d Nordisk Kultur 19, 18. Vgl. He has seen a wolf, von einem Menschen, der plötzlich seine Stimme verloren hat. Dasselbe bei Plinius, Vergil Eel. I X { F a l k und T o r p 2, 1327). 38 ) Svarfdoelasaga 8; L i d Nordisk Kultur 19, 23. 3 *) Ebd. 24. S e l i g m a n n Blick 2, 460. « ) O l d e n b e r g Religion des Veda 481. «·) F i s o n a n d H o w i t t Kamilaroi and Kurnai 248. *3) N e u h a u ß Deutsch-Neu-Guinean-¡-i$. " ) Schindler6erglaube 164. 45 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 37. ··) Ebd. 2, 38 Nr. 26b. « ) L e s s i a k Gicht ZfdA. 53, 144 f. 48 ) ZfdA. 37, 241. " ) ZfdA. 53, 145; F a l k - T o r p 1, 294. t 0 ) Ebd. 1, 673. 51 ) ZfdA. 53, 145; vgl. P f i s t e r ίπψδή in Pauly-Wissowa. * 2 ) F a l k - T o r p 1, 294. ss ) S c h ö n w e r t h 3, 26of. ·*) F i s c h e r SchwäM bisches Wb. s. v. ) Z a u n e r t Hessen5e Nassau 280. ) L e x e r MhdWb. s. v. »') M e y e r Baden 555. t 8 ) ZfdA. 53, 145; M e y e r Baden 574 ; H ö h n Geburt 263. Μ ) Ζ. B. S e y f a r t h Sachsen 46; ZföVk. 9, 2 4 i ; V e r n a l e k e n Alpensagen 341 Nr. 5; L a u b e Teplitz 55; SAVk. 2. 273; D r e c h s l e r 2, 1 1 3 ; ZfrwVk. 3, 167. eo ) L i d Nordisk Kultur 19. 26 ft. 81 ) ZfVk. 6, 443; J e c k l i n Volkstüml. 418! * 2 ) ZfdA. 53, 137. · 3 ) D r e c h s l e r 1, 208; 2, 259. ««) Vers 30. 38. 47 in ZfdA. 41, 3360. β5 ) ZfdA. 53» !37· " ) S c h ö n w e r t h 3, 176. β7 ) Elsäß. Mtschr. 1913, 583. ea ) SAVk. 1917, 34; D r e c h s l e r 2, 274; B a r t s c h Mecklenburg 2, 340; ZrwVk. 2, 1 1 7 ; S e y f a r t h Sachsen 3 1 ; ZfVk. I, 196; W. 260 § 380. · · ) D r e c h s l e r 2, 274. 70 ) Urquell 3, 257. 7 1 ) ZfdA. 53, 150; G r i m m Myth. 2, 862; F a l k - T o r p s. v. förgjöre. 72 ) Auf einem ist ein „Angetanes", K r a u s s Rei. Gebräuche 48fi. 7 a ) Z a u n e r t Rheinland 2, 136. '«) L i d Nordisk Kultur 19, 25f. 7 t ) J o h n Erz-

1580

gebirge 133. ' · ) A l p e n b u r g Mythen 258. 77 ) L i d Nordisk Kultur 19, 26. 7») ZfdA. 53, 157. 7 ·) G r i m m Myth. 3, 462 Nr. 790. 80 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 455 Nr. 2092 fi. 8 1 ) Neu-Ruppin ZfVk. 8, 393; ZfdA. 53, 152. 8> ) Meier Schwaben I, 191 Nr. 214: K u h n und S c h w a r t z 378 Nr. 49; G r a b i n s k i Sagen 59; D r e c h s l e r 2, 245. e 3 ) H ö f l e r Krankheitsnamen 598. Bei Luther vgl. K l i n g n e r Luther 74; ZfVk. 23, 84 8t I25f. ) K f i h n a u 3, 61. ) V e r n a l e k e n Alpensagen 414 Nr. 120. 8e ) G r a b i n s k i Sagen 39. 87 ) B a r t e l s Medizin der Naturvölker 25; B a s t i a n Elementargedanken 1, 68. 88) Anglist. Forsch. 56, 167. β ·) F a l k - T o r p s. v. alv. ,0 ) R e i c h b o r n - K j e n n e r u d 1, 20. 51. 88. « ) L i d Nordisk Kultur 19, 29ft. ·«) Folkloristiska og etnografiska studier 2, 96ff. , 3 ) L i d Nordisk Kultur 19, 29 ff. *4) Folkloristiska og etnografiska studier 2, 98. " ) Vgl. weiter norweg. gand und schwedisch tyre, L i d Nordisk Kultur 19. 34ff. 39ff. " ) G o l t h e r Mythologie n o . 87 ) S c h a m b a c h - M ü l l e r 173 Nr. 193, 1. *8) H ö f l e r Krankheitsnamen 599. · · ) Meier Schwaben 1, 191 Nr. 214. 1IM>) Danske Folkeminder 25, 101. 1 0 1 ) P e u c k e r t Schlesien 97. Vgl. MoM. 1936, 76 ff. 1 0 2 ) ZfdA. 53, 151. 103 ) A n d r e e Braunschweig 383. 104 ) W. 268 § 395· Vgl. W i t t m a n n Die Gestalt der Hexe in der deutschen Sage 61 f. 1 0 S ) Wind- und Wetterhexe: W i t t m a n n a. a. O. 50—58. 1 0 e ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 264. 1 0 J ) M e y e r Baden 553. 108 ) S t r a c k e r j a n 1, 379. 10 *) Q u i t z m a n n Baiwaren 226. Von den bei Quitzmann angeführten Belegen konnte ich nur einen finden: Z i n g e r l e Sagen 427 Nr. 756; S c h ö n w e r t h 1, 373. 374· I m ganzen scheint diese Hexentätigkeit recht selten • zu sein. In Märchen : G r i m m KHM. Nr. 69; P e u c k e r t Schlesiens deutsche Märchen Nr. 39. u o ) S t r a c k e r j a n ι , 371 Nr. 209.

III. Gefahr des Verhextwerdens. Bes. ausgesetzt sind neugeborene111), vorzüglich ungetaufte Kinder (s. Wechselbalg) und Kindbetterinnen. Letztere suchen die Hexen, weil sie bei ihnen neue Kraft zu weiteren bösen Taten schöpfen m ). Dann Tiere, namentlich die jüngeren und zarteren113). Oft muß die Hexe einen Gegenstand, der zur v.den Person oder ihrem Vieh gehört, in Händen haben 114). Daher ist man dem V. ausgesetzt, wenn man etwas ausleiht115). Sie kann v., wenn sie Haare, die am Samstag nach der Vesper ausgekämmt und weggeworfen wurden, bekommt11β) ; wenn man ein Kind spät abends aus dem Hause nimmt117), wenn es bei der Taufe viel Leute ansehen 118), wird es leicht verhext. Kinder werden verhext, wenn sie von fremden Leuten Eßwaren annehmen oder gefun-

1581

denes Brot essen 119 ). Das Rindvieh wird am leichtesten verhext, wenn die Milch davon in fließendes Wasser getragen wird 18°). ) S c h r a m e k Böhmerwald 180. 1 1 2 ) Z a h l e r Simmenthai 3of. 1 1 3 ) S t r a c k e r j a n 1, 371 Nr. 209. 114 ) SchwVk. 1 0 , 2 . 1 1 6 ) W i t t m a n n i 3 t e G í s í o / í m

der Hexe in der deutschen Sage 60.

lle

)

Jecklin

Volkstüml. 557. " ' ) Z i n g e r l e Sitten 31; F o g e l Pennsylvania

1582

verhexen

51 N r . 137.

118

) Zingerle

Sitten

14; F o g e l Pennsylvania 40 Nr. 66. 1 1 9 ) W . 288 § 395· Vgl. ZrwVk. 1910, 152, ein Beleg dafür, daß der Glaube noch 1909 lebendig war. 1M ) K ö h l e r Voigtland 428.

IV. Z e i c h e n d a f ü r , d a ß V. v o r l i e g t : Siecht jemand ohne Ursache hin, so ist er verhext. Verkümmerte, „verhüttete" Kinder sind verhext m ) . In der Volksmedizin kann man nach drei Methoden erkennen, ob ein Kranker verhext ist: a) an den Krankheitssymptomen, b) durch magische Prozeduren, c) durch Indikationsamulette m ) . Anhaltende Krankheiten im Wochenbett kämen nur von Hexen 123 ). Ein Kind ist verhext, wenn es heftig weint und sich nicht beruhigen läßt 124 ), schlecht aussieht 125 ), fortwährend gähnt 1 2 6 ), niest 127 ), die Brust nicht nehmen will 128 ), wenn man beim Lecken seiner Stirn einen salzigen Geschmack spürt 129 ) ; wenn man ein Federbüschel in Gestalt eines Vogels in seinem Bett findet130). Will der Brotteig nicht gehen, so ist er verhext 131 ). Verhexte Tiere zittern und schwitzen, sind traurig, Haare des Schweifes und der Mähne fallen aus, geben keine oder rote oder blaue Milch, bringen tote Kälber zur Welt 1 3 2 ), magern ab und verrecken 133). Nicht fressende Schweine gelten für verhext 134 ). Verhexte Milch gibt keine Butter, schäumt und sprudelt beim Auskochen 135 ). Wenn Hühner kleine Eier mit dünnen Schalen, Windeier, legen, sind sie verhext 138 ). Ein Mensch ist verhext, wenn sein Auge keine oder nur eine undeutliche Pupille hat 1 3 7 ). Die Kroaten in Niederösterreich werfen neun Kohlen ins Wasser. Schwimmt keine Kohle auf der Oberfläche, so ist der Kranke nicht verhext 138). Ist man beim Seifensieden, und eine Frau kommt dazu, dann ist die Frau verhext 139 ).

m

) D r e c h s l e r 2, 248. «>) S e l i g m a n n Blick

1,252.

123

) B i r l i n g e r Schwaben 1, 391.

IM

) Zfd-

Myth. ι, 237; J o h n Westböhmen 108; ZrwVk. 1,60. 1 ί δ ) G r ü n e r Egerland 36. 12e ) S e l i g m a n n Blick ι , 254. 1 2 7 ) W i t t m a n n Die Gestalt der Hexe in der deutschen Sage 58. 1 2 β ) S e l i g m a n n Blick ι , 201. 1 2 e ) K ö h l e r Voigtland 421; V e r -

n a l e k e n Alpensagen 413 Nr. 117. Meiderich

130

46 N r . 3 ; S c h e l l Bergische

) Dirksen Sagen 132

Nr. 22. 1 3 1 ) Heidelberg, F o g e l Pennsylvania 138 Nr. 632. 1 3 2 ) S e l i g m a n n Blick 1, 255. 133 ) W. 265 § 389. 1 3 4 ) M e y e r Baden 405; Z r # V k . 3, 205 Nr. 23. 1 36 ) W. 267 § 391. 13i ) S t r a c k e r j a n 1,420 Nr. 222. 1 3 7 ) G r i m m Myth 2, 898. 1 3 β ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 62. 13e ) F o g e l Pennsylvania 140 Nr. -Nr. 644.

V. S c h u t z und A b w e h r . Das Wesentliche steht in den Artikeln Hexe Sp. 1906—1916, Schwelle VII, Tür VII. a) Vorbeugende A b w e h r . Ein altes Zeugnis für die Angst vor der „Verneidung" (s. ο. II, 1) besitzen wir in einem Steinamulett in der Form eines menschlichen Auges mit der Runeninschrift ,,Gegen Neid", das in der Nähe von Kopenhagen ausgegraben wurde und aus dem 8. Jh. stammen dürfte 140). Wenn eine Mutter ihrem Kind etwas Böses anwünscht, vermag keine Kunst mehr das Kind zu befreien 141 ). Im allgemeinen muß eine Mutter alte Weiber von ihrem Kinde weghalten, die es v. können 142). Gegen das Versprechen hilft oft das Besprechen 143 ), auch ein Fluch 144 ). Lobende Personen müssen das Kind ein wenig an der Nase ziehen und hinzufügen : Daß ich dich nicht verschrei 145 ), oder behüt's Gott 148 ), unberufen 147 ). Kleine Kinder soll man mit Schweinebraten, Schweinehund anreden und im Übertretungsfall gleich Knoblauch, Knoblauch rufen 148 ) ; oder dreimal unter dem Tisch klopfen oder dreimal spucken 149 ). Um nicht verhext zu werden hat man etwas Rotes an sich 16°). Als ein Mittel gegen das Verschreien wird empfohlen, daß man den Kot, den man unter der Fußsohle hat, in einen Fleck bindet und in die Wiege unter das Kind gibt 1 5 1 ). Nennt man einen Hund „Wasser" oder „Strom", kann er nicht verhext werden162), denn das Wasser kann nicht verhext werden. b) H e i l m i t t e l f ü r V. Gegen Verhextsein helfen bestimmte Medikamente153), P u l v e r 1 6 4 ) aus Fünffinger-

1583

Verhexung (Segen)

kraut, schwarzem Kümmel, Totenbein und Holz, das fließendes Wasser auswirft 155 ); Tee aus Beschreikraut; Bäder aus Berufskraut 16e ); Waschungen mit kaltem Wasser 157 ), unter Murmeln von Formeln 168) ; Urin, etwas Geweihtem 15e ) ; T a u : Ist ein Mädchen beschrien, geht es vor Sonnenaufgang unter einen Kirschbaum und schüttelt Tau auf sich 1β0 ) (vgl. Tau am Georgitag ins Futter getan .schützt das Vieh vorm Verhextwerden 161 )). S c h e i n o p f e r : Ist ein Kind vermeint, so macht man aus Lumpen eine Puppe, setzt ihr die Haube des Kindes auf und trägt sie zum Bach, wirft sie mit abgewendetem Gesicht ins Wasser und spricht: Nachtwuone, da hast dein Kind 1 6 2 ). Räuchern mit verschiedenen Kräutern 1β3 ), mit Kehricht aus drei Winkeln, Abschabsei von drei Tischecken und neunerlei Holz 1β4 ). Man bringt das Kind ins Pfarrhaus, wo jede Verhexung ihre Kraft verliert w s ). c) Gegenzauber (s. Hexe Sp. 1912— 1916). Eine Hexe beschmiert die Türklinke und Schwelle mit lauwarmem Wasser und gibt es der von ihr selbst verhexten Kuh zu trinken, das hilft 1ββ ). Das Hemd des verhexten Kindes soll man ausziehen und die Ärmel hinter der Tür „festpetze" 1β7 ). Verhextem Vieh legt man eine heißgemachte Kette um 1ββ ). 140 ) M a g n u s Olsen Valbyamulet, Skrifter utgitt av Videnskapsselsskapet Christiania 1907. ! " ) H e y l Tirol 803 Nr. 263. 1 1 2 ) J o h n Erzgebirge 52. 1 4 3 ) ZfdA. 53, i o i f í . ; Z f V k . 1, 307; F r i s c h b i e r Hexenspruch 3 i f f . 1 4 < ) S A f V k . 2, 275. 1 < 5 ) Z f ö V k . 9 , 214. " · ) S e l i g m a n n Blick 2, 3 2 2 ; K ö h l e r Voigtland 4 2 1 ; S e y f a r t h Sachsen 46; J o h n Westböhmen 108; L a m m e r t 1 1 7 . 147 ) Allg. ζ. B. ZrwVk. 1 9 1 3 , 167. 1 4 8 ) E n g e 14 l i e n u n d L a h n 248 Nr. 1 1 3 . · ) Wien. 150 ) L a u b e Teplitz 5 5 ; Z f V k . 6, 253, Iglauer Sprachinsel; G r o h m a n n 108 Nr. 782. 1 6 1 ) G r ü ner Egerland 36. 1 M ) W. 434 § 68o, Feuer oder Wasser; F o g e l Pennsylvania 143 Nr. 668. Vgl.: Wenn ein Hund verhext ist, daß er nicht bellen kann, biete ihm nur Wasser, dann kann er wieder bellen. Ebd. 139 Nr. 641. 1 6 3 ) S e l i g m a n n Blick 2, 102. 1 S 4 ) ZföVk. 6, 124. 1 6 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 432 Nr. 2004. 1 6 e ) L a m m e r t 83, vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 75. 1 S 7 ) W. 282 § 4 1 3 , Bö. 1 5 8 ) G r ü n e r Egerland 36. 1 6 e ) S e l i g m a n n Blick ι, 283. « · ) Bö. W . 282 § 4 1 3 . 161 ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 24. 1 β 2 ) Zil-

1584

lertal ZfdMyth. 1, 237. 1 β 3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 5 2 ; ZrhwVk. 2, 102; Z f V k . 4, 406 Ungarn. m ) V e r n a l e k e n Alpensagen 4 1 3 Nr. 1 1 7 . 1M ) S A f V k . 21, 34f. ι««) S t r a c k e r j a n ι , 1β7 370. )Heidelberg, F o g e l Pennsylvania 1 3 9 N r . 637· i e 8 ) J e c k l i n Volkstüml. 521 f. Ein verhextes Gewehr bekommt man in Ordnung, wenn man sein Wasser durch den Lauf läßt, F o g e l Pennsylvania 141 Nr. 653, oder lädt es mit einer Haarkugel (ebd. 139 Nr. 642) oder mit silbernen Kugeln (ebd. 1 4 1 Nr. 650) oder mit einem 1 0 Centstück (ebd. 140 Nr. 6 5 1 ) oder man steckt zwei Nadeln so übereinander, daß sie ein Kreuz bilden (ebd. 1 3 9 Nr. 642; 140 Nr. 643). Weiser-Aall.

Verhexung (Segen) x). Es läßt sich hier — wiewohl nicht ganz scharf und sicher — zwischen heilenden (unten § ι—5) und vorbeugenden (§6) Segen scheiden. Die V. kann allgemeiner Art sein oder sich als ein bestimmtes Übel äußern. Wir behandeln hier wesentlich solche Sprüche, die sich gegen „Hexen", böse, mit übernatürlichen Künsten wirkende Menschen wenden, nicht auch solche, in denen ein Übel als unmittelbar von Dämonen oder vom Teufel gewirkt hervortritt; doch kann ein und derselbe Text für beides Ausdruck geben. — Recht selten ( § i u . 6) sind V.ssegen in mittelalterlichen Quellen überliefert, besonders viele aber aus Hexenakten des 16. Jh.s. ι . Christus und Maria, epische Texte des 14. Jh.s in zwei Fassungen. Die kürzere: „Vnser her saz vnd stunt vnder der kirchtur, do gieng sein lieb traut muter her fur; . . . (Jesus): da bin ich an den bulwechsberg gegangen, da schussen mich die bulwechs vnd die bulwechsin vnd als ir gesind in meine bain vnd in meinew knie . . . sy hub auf ir fünf fìnger vnd segnet in mit 55 engel" 2). Die längere, sehr wortreiche Form schildert den Hexenschuß als eine ganze Zerlegung des Körpers und fügt hinzu: „daz taten si allez, umb daz daz er der arm christenhait gelaubt dester pazz" 3 ) (Vgl. Verrenkungssegen § ι Schluß, auch Gichtsegen § 3). — Einzelne andere epische Texte, für Menschen 16. J h . 4 ) und Vieh ca. 1700 s ). 1 ) Viele Belege S e l i g m a n n Blick, besonders ι, 349—384. *); AnzfKddV. 1862, 235 ( G r i m m Myth. 3, 503). Ähnlich skandinavisch vgl. O h r t Da signedKrist 193f. 3 ) ZfdA. 24, 70. 4 ) B a r t s c h

Verhexung (Segen)

1585 Mecklenburg 2, 15. 202.

5

) B i r l i n g e r Volhsth. 1,

2. Zwei böse, drei gute (Augen). Dieser sehr beliebte und verbreitete, vom 14. Jh. an bekannte Segen ist deutsch ζ. T. in gedrucktene) Texten, gewöhnlich jedoch in recht frei variierenden Formen ') vertreten. Ein Text des 17. Jh. (wenn ein Kind oder Vieh „verschrieen" ist): „Kind, es haben dich zwey böse Augen übersehen, heut übersehen dich 3 guote Augen, daß ist Gott der Vater [Sohn, hl. Geist]... " 8). Die bösen Augen können als des Teufels bezeichnet sein, so schon im 16. Jh. (s. Teufel in den Segen § 3 mit Anm. 12—13) ; aber die Sehenden können auch böse Menschen sein: „Zwey hebben dy angesehen, das weren die weiszen frawen gewesen, drei sehen dich wedder an, der ein ist der vater" usw. 9 ), J . 1584. Wie hier, werden in alten Texten auch sonst 10 ) „Augen" (in diesen Zeilen) nicht immer ausdrücklich genannt, die „Drei" sind dann die hl. Personen selbst. Vielleicht sind die „Augen", jedenfalls am zweiten Platz, unursprünglich; die göttlichen „Augen" sind fast immer drei (sehr selten sechs 11 )). — Zu den Augen kann noch die Zunge kommen, z. B. : „Falsche Augen haben dich ubersehen, eyne bosze zunge hadt dich über schrieben. . . " 12 ), 16. Jh. — Ähnliche Fassungen sind englisch, französisch, italienisch, neugriechisch 13 ) bekannt. Hier werden die Augen selten am zweiten Platz genannt (ζ. B. ital. „Du' occhi — tri pirsuni"); auch nicht immer am ersten. e ) Romanusbüchlein 9; WürttVjh. 13, 177 Nr. 81 (Alb. Magnus). 7 ) ZfdA. 24, 69 f., 14. Jh.; KblSbLkde 42, 3 9 s . ; ZfVk. 1, 310; H o v o r ka u. K r o n f e l d 2, 254, beide Böhmen; Meier Schwaben 2, 525; Mone Anzeiger 2, 234, 16. Jh. Thüringen; 6, 471 Nr. 29 Schwarzwald; S e y f a r t h Sachsen 48 (mit mehreren Hinweisen); K u h n u. S c h w a r t z 450 Altmark; B a r t s c h Mecklenburg 2, 15. 16. 22, alle J . 1584; 2, 18, 16 Jh.; BIPommVk. 7, 96 Nr. 5—10. 8 ) Mone 6 , 4 7 1 . ·) B a r t s c h 2, 22. 1 0 ) B a r t s c h 2, 15. 16. " ) ZfVk. I, 310. 1 2 ) Mone 2, 234. 1 3 ) D a l y e l l The darker superstitions of Scotland 27 (u. S e l i g mann Blick ι, 382), J . 1624; SAVk. 12, 1 1 3 ; P i t r è Bibbi, delle tradizioni popolari Siciliane 19, 429 (oben angeführt); S e l i g m a n n ι, 3 7 8 ! ; F L . 10, 164 (Insel Kos).

1586

3. Die Urheber (vgl. Verfangen, Segen wider Verfangen § 3). Dieser Segen ist seit dem 16. Jh. bezeugt; der oben (§2 mit Anm. 12) zitierte Text von Augen und Zunge hat weiter: „Hats gethan ein Man, so buesze dier der liebe hl. S. Dobian ; hats . . . ein Weib, so . . . S. Veit zu rechter Zeyt ; hats . . . ein Knecht, so . . . daz hl. Gottliche Recht ; hats . . . eine Maydt, so . . . die Maria, die viel Re yne" 14 ). Ähnlich noch die Form des Romanusbüchleins (Zyprian st. Dobian) 15 ). Sonst erwähnen die späteren Texte 1 β ) höchstens zum Schluß einen Helfer, bedrohen aber die Urheber, z . B . : „Hat mirs gethan ein Knecht oder Mann, so komm es ihn selber an ; hat . . . eine Magd oder Weib, komm es ihr selber an den Leib" 1 7 ). — Der Segen steht bald für sich, bald als Schluß des obigen (§2).

14 ) Mone Anzeiger 2, 234. 1 δ ) Romanusb. 9; vgl. SAVk. 24, 307 Nr. 5. « ) ZfVk. 1, 309 ff. Böhmerwald; Meier Schwaben 2, 524; Alemannia 17, 244; K ö h l e r Voigtland 407; S e y f a r t h Sachsen 48; G a n z l i n Sachs. Zauberformeln 21 Nr. 45 ( F r i s c h b i e r Hexenspr. 27 Nr. 1 ; 3of. Nr. 5. 10). 1 7 ) K ö h l e r s. Anm. 16.

4. V. der H a u s t i e r e , der Milch, der B u t t e r . Die betreffenden, mannigfachen Segen und Sprüche sind meist kurz und sehr volkstümlich. Übrigens nehmen auch kirchliche (kirchlichtuende) Exorzismen auf Milch- u. Butterv. Bezug : Gott möge hier schützen, der seinen Sohn mit Milch und Honig bespeiste (Jesaja 7,15) und den Patriarchen ein Land gelobte, das mit Milch u. Honig fließt18). — Oft drücken die volkstüml. Sprüche den Sinn eines begeitenden Ritus aus. a) Sprüche an das Tier, das Heilmittel, oder an Gott gerichtet. Oft bei Kräutergebrauch, ζ. B. : „Kuh, da geb ich dir die Gundelreben, daß du mir die Milch willst wiedergeben" 18 ). „Gut Heinrich (das Kraut), du bist mein Knecht; mit meiner Kuh ist's nicht recht; geh das Dorf auf und nieder, bring mir meinen Nutzen wieder" 20). Beim Buttern (vgl. landwirtsch. Segen §4): „Grüß dich Gott, Nesselstrauch, hast 50 Schlüssel auch; gib mir den besten, daß ich aufschließen kann der Zauberin Schloß und ausnehmen einen

1587

Verhinderungszauber

großen Butterkloß" 81 ). Ohne Kräuter z . B . : „Melleck, botteren, rome (Rahm), goth geue myn rechte wonnen guth wedder", 16. Jh. 2 2 ). — Verhextes Pferd: „Du Rosz, bist du verritten, ich wett Gott es wäre vermitten; der Mensch, der wolle dir wieder helfen, der am Palmtag einreitt (d. i. einritt) und weder Sattel noch Zaum überschreitt", 16. Jh. M ). b) Sprüche an die Hexe (den Teufel) gerichtet zur Fortbannung oder Bestrafung. Sausegen, 16. J h . : „Ich gebiete dir, leidige feinde, dasz du sollt gehn und ausziehn in die wölken und wiederum herab auf die erden" 24) (spielt auf Hexenritt an?). Weitere Beispiele s. Teufel in den Segen § 1 mit Anm. 6, ebd. § 3 mit Anm. 15 u. 17. 1β ) Cilia Locupletissimus thesaurus7 (Stadt am Hof 1750) 334Í. « ) MschlesVk. H. 6, 34 Nr. 17; vgl. Mone Anzeiger 3, 278 Nr. 5, 16. Jh.; 6, 468 Nr. 20, J . 1617. 2 0 ) M a r z e i l Pflanzenwelt 102 Erzgebirge. 2 1 ) BIPommVk. 7, 25 Nr. 22, auch handschr. aus Sachsen. 2 2 ) ZhistVerNiedersachsen 1867, 234. Andere Sprüche für Kuh oder Milch, ZfdMyth. 4, 1 1 8 Aargau; ZföVk. 2, 150; S e l i g m a n n Blick 1, 357 Harz. 358 Lüttich. 2 3 ) L ü t o l f Sagen 544, vgl. B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 450 (s. Teufel in den Segen § 3 mit Anm. 14). 2 4 ) ZfdA. 21, 212.

5. S o n s t i g e H i l f s e g e n . Zwei Beispiele des J . 1565: „(Gegen die Anfechtung des Teufels) Hir sind foetstappen (der Hexe?) fallen, nu neme ick dusse f. in goddes namen" (indem ein Klumpen Erde aufgenommen wurde). „Hir legge ick alle min ungelücke dael" (indem drei Scheiben Brot unter einen Flieder gelegt wurden) 26 ). 2i

) Beide ZfVk. 15, 180.

6. S p r ü c h e v o r b e u g e n d e r A r t . In einem Nachtsegen um 1300 wird Schutz erbeten „vor den svarcen vnd wizen, dy di guten sin genant vnde zu dem brochelsberge sin gérant" — Auch hier kommen die Kühe und ihre Milch sehr in Betracht. Im 15. Jh. wurde vor dem Melken den drohenden Unholden gesagt: „ . . . (ich will) si (näml. die Milch) uch nicht laussen, ir bringt mir dan des vass, da gott selber in lag, die windlen u. die wat, da gott selber in gewunden u. gewicklet wart" 27). Mehrere Sprüche, seit Anf. des 17. Jh.s bezeugt, werden

1588

hergesagt, indem bei erstmaligem Melken die ersten drei Milchtropfen der Kuh eingegeben werden; so: „Im Namen . . . der unschuldigen Kindlein, die da seind gestorben an ihrer Muotter milch u. brüst (vgl. Matth. 2, 16), also bistu gefreut (d. i. gefreit), dasz dir die milch bleibt" usw. 28). Auch: „Fragt dich jemand, wo du die Milch hingethan hast, so sprich: Nimmtreu ist gewesen, u. ich hab sie gegessen" M ). Ebenfalls bei dem ersten Milchgeben: „Glück herein, Unglück hinaus" (indem man rückwärts in den Stall geht) 30 ). Ähnliche religiöse und rituelle Sprüche skandinavisch 31 ). — Kurze deutsche Abwehrworte gegen bösen Blick und (gefährliches) Lob sind: „Unbeschrieen", „Unverrufen", „Du kannst ihm im Arsch lecken" u. a. 32 ). — Über den AgathaZettel s. Feuersegen § 8 mit Anm. 26. Benedikta skreuz in einem Spruch gegen Hexen und Gespenster 33 ). 2 «) ZHarzvereins 3, 838. 2 ' ) AnzfKddV. 1854, 36, vgl. ZfVk. 22, 180, 16. Jh. Anders ZfdA. I 5 ° . 16· Jh. , e ) Mone Anzeiger 6, 468 Nr. 19. 2 ·) Heimatbilder aus Oberfranken 5, 9; vgl. BIPommVk. 9, 2f. s») W u t t k e § 704 Westfalen. Hexen und Rahm: Möllenhoff Sagen 5 1 7 Nr. 30. 3 1 ) DanmarksTryllejml. Nr. 1016. ioigfi.; Meddelanden frân Nordiska Museet 1897, 45; H y l t é n - C a v a l l i u s Wärend och Wirdarne (Anhang) X I V . 3 2 ) S e l i g m a n n Blick 2, 366. 368. 3 3 ) M e y e r Baden 560. Ohrt.

Verhinderungszauber ist eine negative Art des Zauberns, der ein Wesen verhindert, nach seiner normalen Art zu funktionieren, zu tun, was ihm sonst selbstverständlich möglich ist. Durch solchen Zauber werden die Hunde gehindert, die Spur des Wildes zu finden 1 ). Das „Stubätimeitli" erzählt dem Hexenmeister, daß es eine Kuh verhext hätte, seine Kollegin hat das Buttern verhindert 2). In vielen Fällen verhindert allerdings die Hexe nicht nur das Melken, sondern melkt auch aus dem aufgehängten Handtuch die Milch in ihre eigenen Gefäße 3 ). Wenn in Anwesenheit der Hexe das Buttern mißlingt, muß man sie austreiben 4). Eine fremde Frau, die in das Haus kommt, lobt das schöne Brot; seither mißlingt es stets durch ihren V. s ). Aber man übt auch A b w e h r - Z a u b e r

1589

Verhinderungszauber

is. d.) als V . Die Hexe wird durch den Besen 4 ) oder über Türen und Fenster gemachte Kreuze oder durch zwei kreuzweise gelegte Stahlfeilen 7 ), durch ein über den Eingang aufgehängtes Hufeisen 8 ), einen alten Schuh im Hauseingang 9 ) oder das Pentagramma gehindert, ein Haus zu betreten. U m die Hexe z u bannen, steckt man eine Ahle unten in den Stuhl, auf dem sie sich niederläßt. Dadurch wird sie nicht nur an den Stuhl gebunden, sondern auch tötlich verletzt, obgleich die Ahle nicht den Stuhl durchbohrt 10). Wird Salz und Pfeffer vermischt, vor dem Haus verstreut, kann die Hexe nicht e i n t r e t e n u ) . Fürchtet man im Schlaf gestört zu werden, so legt m a n eine offene Schere oder eine Silbermünze l 2 ) oder eine Bibel unter das Kopfpolster. Feinde werden auch verhindert, in das Haus zu kommen, wenn man in einer Büchse einen Eßlöffel Essig mit einem Eßlöffel Schwefel vermischt hält. A m Betreten des Pferdestalles verhindert die Anwesenheit eines Ziegenbocks w ) . Wird eine Zauberkugel auf der Türschwelle niedergelegt, ist die Hausfrau gebunden und kann sie nicht überschreiten 14 ). Solange der Dieb die Totenkerze brennend erhält, sind alle Einwohner des Hauses im Schlafe gebunden. Dasselbe erreicht der amerikanische Neger von heute, wenn er sein Nachthemd so über einen Schläfer hängt, daß dieser die Ausdünstung einatmet 1 6 ). Will man den Dieb am Entkommen hindern, schlägt man Nägel in seine Fußstapfen. Man kann ihn auch bannen. So umwandelt ein Mann dreimal seinen Kirschbaum. Die hinaufgestiegenen Diebe können dann nicht mehr entweichen und müssen ihm die gepflückten Kirschen überlassen 1 β ) V o n einem Bannen angreifender Indianerhorden berichtet ein deutsch-amerikanischer Gewährsmann, daß ein mit Namen bezeichneter Geschäftsmann auf die K u n d e von ihrem Nahen nicht die Flucht ergriffen habe, sondern seinen Ladentisch dreimal feierlich, unverständliche Sprüche murmelnd umwandelte, worauf er erklärte, daß die Indianer nicht in seinen Laden und nicht westlich von ihm

I59O

kommen würden. Die Frau, die diese Szene vor vielen Jahrzehnten miterlebt hatte, erklärte, sie sehe „heute noch vor Augen, wie damals die Indianer rückwärts schreitend sich zurückziehen mußten, nachdem Herr G. sie behext hatte, so daß sie nicht in seinen Laden kommen konnten" " ) . Man kann auch den Schlaf binden, indem man das Kopfkissen behext; beim Verbrennen bildet die Asche dann ein K r e u z 1 S ) . Wenn Pferde nicht vom Fleck kommen, sind sie gebunden 1 9 ). Das Haar wird am Wachsen verhindert, wenn man es mit einer Schafscheere scheert und diese dann versteckt 2 0 ). Eine eigene A b a r t des V.s ist das „Nestelbinden", das Impotent-Machen. Man mißt das Glied neunmal mit einem roten Bindfaden und macht dann in diesen 9 Knoten. Trägt die Frau diese Schnur am Leib, so muß der Mann sich zu ihr (und zu keiner andern) wenden, verbirgt sie sie im Hause, so hat sie vor ihm R u h e 2 1 ) . Bodin berichtet, daß es fünfzigerlei Arten des Nestelknüpfens (s. d.) gebe: „eine, damit man allein einen Ehemann könnte einhalten, eine andere, damit man allein ein Eheweib verhindern könne. Auch wäre wieder eine Art der Verknüpfung, da eins das andere zwar lieb hätte, aber nichts desto minder aufs äußerste ihm verhaßt werde . . . . daß man den Mann am leichtesten damit aufhalten könne; ja man könne ihn auch auf einen Tag, auf ein Jahr, auf all seine Lebtage, wenigstens so lange die Nestel verstrickt bleiben, in Kraftlosigkeit gebunden halten . . . A u c h erzählte sie, daß man den Leuten das Harnen verknüpfen könne, welches sie vernageln hieß, wovon ihrer dann viel sterben müßten . . . auch alle besonderen Sagen und Worte, die zu der Verknüpfung gehören . . . Virgilius in seiner achten Ekloge will, man soll 8 Knöpfe machen; sie aber wußte nur von einem und zeigte an, v o n was Leder und von welcher Farbe der Knüpfnestel sein m ü ß t e " 22 ). !) ZfVk. 23 (1913), 130,10. 2 ) S A V k . 25, 287. H y a t t Folklore from Adams County Illinois (1935) Nr. 9288. ») Ebd. Nr. 9294. Ebd.

3)

I

59I

verhüllen

9604. β) Ebd. 9575. ') Ebd. Nr. 9330. 8) Ebd. Nr. 9570. 9 ) Ebd. Nr. 9652. 10 ) Ebd. Nr. 9302. " ) Ebd. Nr. 9635. Ebd. Nr. 9663. 13 ) Ebd. 14 ) Nr. 9163. lä>) Ebd. Nr. 9196. Nr. 9670. " ) Ebd. Nr. 9256. " ) Ebd. Nr. 9257. 18 ) Ebd. Nr. 9314. 1») Ebd. Nr. 9306. 20) Ebd. Nr. 9144. 21 ) Ebd. Nr. 9484, 9485. 22 ) Görres Christliche Mystik 458 f. K. Beth.

verhüllen, vgl. bedecken, bloß, nackt, Schleier. ι . A l l g e m e i n e s : Ebensowenig wie man die Nacktheit auf e i n e n Generalnenner zurückführen kann (siehe nackt), ist das V . von Körperteilen immer „ein die Sitte der gänzlichen V.ung des Körpers abschwächender Ritus" Während wir für kirchliche Gebräuche nachweisen können, daß ζ. B. die V.ung der Hände ein Rest der gänzlichen V.ung im Kult ist 2 ), ist das V. des Hauptes im antiken K u l t immer eine Teilv.ung; und bei den Primitiven der Zonen, wo eine V.ung des Körpers als Schutzmaßnahme gegen die Kälte nicht in Frage kommt, werden zunächst nur die Brüste der Weiber gegen böse Dämonen und den bösen Blick, ferner das Gesicht und die Genitalien, die besonders dem Schadenzauber ausgesetzt sind, verhüllt 3 ) (abgesehen von den Fällen, wo die Schamhülle zunächst ein sexuelles Reizmittel 4 ) war) ; wo bei der V.ung des Körpers der Primitiven das Schutzbedürfnis 5 ) gegen die Witterung, wo der Schmucktrieb 6 ), wo das Schamgefühl 7) im Vordergrund steht, ist eine schwer zu entscheidende Frage; auf alle Fälle darf man nicht das Entstehen der v.den Kleidung auf ein Motiv zurückführen. Wir müssen uns auch hüten, der V.ung von Körperteilen der Primitiven u n s e r e Motive zugrunde zu legen und von „schamhaftem V . " zu sprechen 8 ) : Moseley führt verschiedene Beispiele an, die zeigen, wie ängstlich ζ. B. die Eingeborenen der Admiralitätsinseln den Penis v. 9 ). Die Männer auf den Hebriden v. den Penis, weil sie glauben, daß der Anblick des unverhüllten Gliedes für den Entblößten und den Beschauer sehr gefährlich werden kann ; sie umwickeln das Glied mit Stoff bis zu einem Bündel von zwei F u ß Länge und entsprechendem Durchmesser; das Bündel verzieren sie mit

1592

blühenden Gräsern und tragen es mit einem Gürtel nach oben gerichtet 1 0 ). Oft wird anstatt der V.ung die Tätowierung der Pupenda und der Eichel festgestellt ; beides geschieht nur zu dem Zweck, den Schadenzauber von diesen sehr gefährdeten Körperteilen fernzuhalten u ) ; auf den Nukuroinseln werden die Kinder der Frauen, deren Schamteile nicht tätowiert sind, getötet, weil die Gefahr besteht, daß durch die ungeschützte Vulva böse Dämonen in den Leib der Frau eingedrungen sind 1 2 ). Schließlich hat das V. noch den Zweck, sich gegenüber bösen Geistern unkenntlich zu machen (ein Rest dieser Vorstellung ist das A n ziehen umgekehrter Kleider) 1 3 ). Im Hennebergischen bleibt die Wöchnerin, wenn es irgend geht, zu Hause; muß sie aber das Heim verlassen, dann setzt sie den Hut des Mannes auf, um die bösen Dämonen zu täuschen 1 4 ) ; im Erzgebirge wickelt man das Neugeborene in das Hemd des Vaters ein, angeblich, um zu bewirken, daß das Kind seinen Vater lieb gewinne; in Wirklichkeit wollte man damit ursprünglich die Geister, die vielleicht gefährlich werden können, täuschen 15 ). Im Heilzauber sucht man sich zu verstecken oder setzt zur Täuschung des Krankheitsdämons ein bestimmtes Häubchen auf l e ). Beim Vegetatiönsritus der serbischen Dodola wird ein Mädchen nackt ausgezogen und mit Gras und Blumen so umhüllt, daß man keine Stelle der Haut sieht; als Dodola zieht das Mädchen vor die Häuser und wird dort mit Wasser Übergossen; hier vermittelt die V.ung die Kraft des. Vegetationsdämons 1 7 ) ; ähnlich geht in Rom, wenn bei den Luperkalien der Jüngling mit dem Fell verhüllt wird, das Orenda des magischen Felles in den Menschen über 18 ). Zusammenfassend kann man über den Sinn und Zweck des V.s bei den Primitiven und (wenn auch durch spätere Auslegung und Begründung oft verschüttet) bei den Kulturvölkern der heutigen Zeit feststellen: Einmal soll der v.te Mensch vor bösen Einflüssen der Dämonen, die insbesondere durch Leibesöffnungen in den Körper eindringen wollen, und vor dem bösen Blick bewahrt werden; anderer-

1593

verhüllen

seits soll die Umgebung gegen böse Kräfte, •die dem V.ten i n n e w o h n e n , abgeriegelt werden; weiterhin v.t sich der Mensch, um sich gegenüber den Dämonen unkenntlich zu machen; diesem Zweck dient auch die Maske; die Chinesen bedecken ihre Kinder mit Papiermasken, um die Pockendämonen irrezuführen 1β ). Verh. d. 52. Vers. d. Philologen und Schulmänner 1913, 175. 2 ) SAVk. 20, 14. 3 ) F e h r l e Reinheit 38 A 4. 4 ) W e s t e r m a r c k History of human marriage London 1894, 1 9 2 ; E . G r o s s e Die Anfänge der Kunst L . 1894, 94; F e h r l e 1. c. 39; H e c k e n b a c h de nuditate 2; H i r s c h f e l d Geschlechtskunde (1926) 1, 167 ff. 5 ) S c h u r t z Tracht-, Ausland 64, 455 ff. e ) W . A. M ü l l e r Nacktheit und Entblößung Diss. L . 1906, 3 ff. ' ) S c h u r t z 1. c. 3 fi. 8 ) A n d r e e Parallelen N . F . L . 1889, 208; vgl. „ H e i m a t l a n d " 7 (1920), 61. 9 ) J o u r n a l of anthrop. Inst. 6, 397. 1 0 ) S e l i g m a n n Blick ι , 199 mit L i t . n ) P l o ß - B a r t e l s Weib ι , 259 ff.; Globus 87, 415 ff. 1 2 ) W . J o e s t Tätowieren, Narbenzeichnen und Körperbemalen B . 1887; F e h r l e 1. c. 1 3 ) S e l i g m a n n Blich 2, 222; F F C . 31, 133 ff. 1 4 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch I, 31; R e u s c h e l Volksk. 2, 20. 1 5 ) R e u s c h e l 1. c. 28. H ö f l e r im J a n u s 18, 104 ff. " ) J . B e l o v i c Sitten der Südslaven 122 ff.; J . G r i m m Mythol. ι , 493 ff.; G e s e m a n n 14; M a n n h a r d t !» 3 3 ° ; C r o o k e 39 ff.; F r a z e r 1, 1, 16; F e h r l e Keuschheit 63; M a c C u l l o c h The religion of the ancient Celts 1911,276; J o u r n a l of r o y a l anthropol. Institute 49 (1919) 250. 1 β ) P l u t a r c h Rom. 21; P a u l y - W i s s o w a 11, 2170. 1 9 ) R G G . 2 3, 2038.

2. D a s V. des K o p f e s : a) D a s K o p f t u c h als ein T e i l der T r a c h t : Das Schleiertuch aus feinem Linnen, das im Orient 20 ) apotropäisch zur vollkommenen V.ung des Gesichtes getragen wurde, haben die Ionierinnen zu einem feinen Gewandstück umgestaltet und damit in die griechische Mode eingeführt (die v.ten Frauenfiguren in der Kunst, besonders die Terrakotten zeigen noch den ursprünglichen Zweck) 21 ) ; es wurde über den Hinterkopf gezogen und ließ das Gesicht frei 22 ), Kopf und Schulter bedeckend; so wurde der ursprüngliche Zweck, das Gesicht zu v., umgebogen; das Gesicht wurde enthüllt und das Profil in seiner Linienführung gehoben 23) ; der Schleier wurde dann die Kopftracht der Frauen, genau wie der vom Orient 24 ) übernommene Schleier (diu rìse) die verheirateten Frauen des deutschen Mittelalters auszeichnete; diese Mode war so

1594

zwingend, daß die anständigen Frauen sich sogar die neu aufkommenden gelben25) Kopfschleier gefallen ließen, obwohl diese Farbe den Juden und Dirnen zukam; Berthold von Regensburg beschwor seine Zuhörerinnen, diesen neuen Luxus den Jüdinnen, den Pfaffendirnen und den öffentlichen Weibern zu überlassen2β). Andererseits trugen auch die öffentlichen Dirnen Schleier von bestimmter Farbe; Birlinger führt eine Verfügung des Rates von Stetten an (1440), daß die Huren auf der Straße am Schleier einen grünen Streifen tragen mußten 27). Daß auch im alten Testament die Huren den Kopf v.t trugen (das V. des Gesichts erhöht den erotischen Reiz, wie das V. der pubenda aus diesem Grunde geschehen kann, vgl. a), zeigt eine Stelle aus dem ersten Buch Moses: Da sah sie (Thamar) Juda und hielt sie für eine Hure, weil sie ihr Antlitz v.t hatte 28 ). Die Kirche andererseits bestimmte, daß das V. als Zeichen der Schamhaftigkeit und Keuschheit nur den gottgeweihten Jungfrauen und den keuschen Bräuten zukomme 29 ), und die Synode von Rouen gebot, daß Jungfrauen nur vom Bischof den Schleier erhalten dürften 30). b) D a s V. des K o p f e s im K u l t u s 3 1 ) : Der Hohepriester (er darf die Torarolle nicht mit unv.ten Händen anfassen 32 )) muß vor Gott sein Haupt v. aus Ehrfurcht vor dem Göttlichen 33 ) (nach dem zoroastrischen Ritus muß der Priester den Mund v., um das heilige Feuer nicht mit dem Atem zu verunreinigen) 34) ; dagegen betont Paulus, daß der Mann beim Beten in der Kirche das Haupt nicht bedecken darf, weil er Gottes Bild und Würde an sich trägt; dagegen soll die Frau in der Kirche das Haupt v.; sie beschimpft ihr Haus; denn es wäre ebenso, als wäre sie geschoren 35 ) ; in einer zweiten Begründung sagt der Apostel 36 ): 'Οφείλει ή γυνή έξουαιαν εχειν έπΐ της κεφαλής διά τους αγγέλους. An diese Stelle knüpft der Erzbischof von Bologna an, wenn er in einem Anschlag an der Kirche S. Petronio im Dezember 1900 die Frauen ermahnt, das Gebot des Apostels zu achten und in der

1595

verhüllen

Kirche das Haupt zu v. 37 ). An die zweite Begründung des Apostels, vor allem an „άγγελοι" knüpft sich die Frage, ob diese Maßnahme apotropäisch gemeint ist, ob vor allem die Worte ôtà τοι>ς αγγέλους heißen „wegen der bösen Dämonen"; Lietzmann interpretiert, um die erotischen Angriffe der Dämonen abzuwehren 38 ) ; Reitzenstein deutet dieses V. als Vorsichtsmaßregel, durch welche man sich in besonders feierlichen oder gefährdeten Momenten gegenüber schädlichen Geistern zu sichern sucht 39 ) ; auch Fehrle 40) kam auf diese Deutung; vielleicht hat Paulus nur den Bruch (er tritt ja im ganzen Brief konservativ für alte Sitten ein) der auch sonst lockeren Korintherinnen mit der guten alten Sitte rügen wollen. Feine erklärt 41) : In Gebetsversammlungen hatten sich enthusiastische Christinnen über die alten griechischen Sitten hinweggesetzt und waren nicht v.t aufgetreten. Sickenberger interpretiert: Der Freiheitsdrang hatte auch die christlichen Frauen erfaßt, und sie wollten ihrer Gleichstellung mit den Männern Ausdruck geben 42 ) ; es bleibt aber immer noch die Deutung von άγγελοι. Nach den Bestimmungen der Synode von Auxerre 43 ) (585) muß jede Frau bei der Kommunion ihr Dominikale haben, d. i. ein Tuch entweder zum V. der Hände oder ein Schleiertuch zum V. des Hauptes; in einem Bußbuch lesen wir: Si mulier communicans dominicale super caput suum non habuerit, usque ad alium diem dominicum non communicet; und Papst Leo schreibt an Bischof Theoderich: mulleres possunt sub nigro velamine sacrificium accipere 44 ). In der karolingischen Zeit haben wir eine Vorschrift, nach der die Frauen in der Kirche den Kopf v. mußten, weil durch ihre Schuld die Sünde in die Welt gekommen sei 45 ). Im römischen Ritus v.t der Opfernde das Haupt mit der rückwärts in die Höhe gezogenen Toga 4 8 ); darüber Fehrle 47 ), Diels 48 ), Samter 49 ), Wissowa 60 ), Wächter 5 1 ). Varrò begründet den Ritus: Als Aeneas einst opferte, näherte sich ihm Odysseus, nach anderer Version Diomedes; um das Opfer nicht durch den Anblick des Feindes zu stören, hat Aeneas das Haupt v.t;

1596

und so v. auch die Nachkommen das Haupt, um vor jeder Störung sicher zu sein 52 ). So ist also der Sinn der V.ung der, daß man den rituellen Vorgang vor unbefugten Blicken schützt, aber auch um nicht die Gottheit erblicken zu müssen S3) ; denn der Mensch kann Gott nicht sehen und leben 54). Die V.ung des Hauptes im Christentum ist heidnischen, spez. römischen Ursprungs 55 ). In den griechischen Mysterien ist das Haupt bei der Konsekration v.t 5e) ; ebenso der Kopf dessen, der geheilt wird, im Traumorakel 57 ). c) D a s V. des H a u p t e s bei der V e r l o b u n g und bei der T r a u u n g : Bei den indogermanischen und vielen andern Völkern wird die Braut v.t: Bei den Römern58) geschieht das V. der Braut durch das Anlegen eines Kopftuches von roter59) Farbe : Flammeo amicitur nubens 60) ominis boni causa, quod eo assidue utebatur fiammica id est flaminis uxor, cui non licebat facere divortium; es soll also die Übernahme des Schleiers der Gattin des Flamen sein, die ewige Gatten treue bewahren mußte β1) ; die Kirchenväter erwähnen tadelnd, daß die Neuvermählte verschleiert auf das Glied des Gottes Mutunus Tunus gesetzt wurde, dem auch die Ehefrauen opferten 62 ) ; Samter deutet das V. als ein Zeichen des Substitutionsopfers, das durch die rote Farbe und durch die V.ung symbolisiert wird; die Braut weiht sich durch das V. symbolisch zum Opfer 63) ; Samter läßt aber auch die Möglichkeit offen, daß die V. der Braut als Maßnahme gegen die bösen Geister und gegen den bösen Blick gedacht war M ). A. Dieterich es ) deutet die V. als eine Weihung an die Mutter Erde; Diels stellt die V. in Kult und Hochzeit auf eine Stufe als einen Lustrationsbrauch e6). Für den germanischen Hochzeitsritus haben wir aus der Edda ein Zeugnis: Als Thor dem Riesen Thrymr als Braut zugeführt wird, ist er durch einen leinenen Schleier ganz verhüllt β7 ) : D a schmückten sie Thor mit dem Schleier der Braut und mit dem breiten Brisingenhalsband.

Unter dem Leintuch gehen heißt geradezu

verhüllen

1597 M

„Braut sein" ). Lasicius bringt auch für die alten Samogiten und Litauer den Hinweis, daß die Augen der Braut mit einem Tuch v.t wurden, er führt als Parallele die Römer an e 9 ). Weitere Belege erweitern den Blick für diesen Hochzeitsritus: L. v. Schröder 70) weist hinsichtlich des V.s des Schleiers auf die Esten, bei denen die Braut mit einem Laken oder Tuch ganz v.t wird; wenninWerroschendie Braut bei der Hochzeitstafel sitzt, ist ihr Gesicht zu drei Viertel mit einem Tuch v.t 7 1 ) ; im Kreise Wier (Estland) ist das Gesicht der Braut aus Furcht vor dem bösen Blick so v.t, „daß man kaum die Nasenspitze sehen kann" 7 2 ) ; bei den Neugriechen 73) v.t man das Gesicht der Braut mit einem feuerroten Schleier mit goldenen Fransen; Weinhold führt an: Die dithmarsische Braut hatte früher den Kopf ganz v.t; die Sylter Braut bekam einen Uberhang über Kopf und Oberleib geworfen, in den später ein Viereck zum Heraussehen geschnitten wurde 74 ). In der Oberpfalz empfing die Braut knieend auf einem Schemel, mit einem weißen Tuch bedeckt, den Segen des Vaters 76 ). Bei den Armeniern wird nach Anrieh 7e ) auch der Bräutigam v.t. Samter führt noch die Abessinier an, bei denen die Braut vom Kopf bis zu den Füßen v.t wird, während der Bräutigam nur das Haupt v.t 7 7 ). In Indien werden Braut und Bräutigam von einem Tuch v.t 7 8 ). Daß hinter diesem Brauch die Angst vor Schadenzauber als treibendes Motiv steckt, zeigen weitere Belege: Nach Meyer ist es an einigen Orten des badischen Oberlandes und Württembergs Brauch, daß eine Braut nach den Brautzeitläuten nicht mehr das Haus verläßt; ist sie dazu gezwungen, so muß sie wenigstens ein Tuch um den Kopf binden; sonst könnte ihr jemand etwas antun 79) ; sie bekommt dann einen angeschwollenen Kopf 8 0 ) ; der Bräutigam schützt sich gegen das Antun, indem er den ganzen Hochzeitstag den Hut aufbehält 81) ; weitere Belege bringt Bianchi82). Die malaiische Braut 8 3 ) ist aus diesem Grunde noch heute von Bastmatten ganz v. ; in China ist der Schleier rot, weil diese Farbe in höchstem Maße apotropäisch

1598

wirkt M ). So wird der Zweck des V.s in diesem Falle klar: Braut und Bräutigam, die am meisten von bösen Dämonen an diesem wichtigsten Tag ihres Lebens bedroht sind, sollen möglichst geschützt werden ®6). d) Sonst sind K i n d e r u n d W ö c h n e r i n n e n in erhöhtem Maße dem bösen Blick und sonstigem Schadenzauber ausgesetzt; man v.t dann gerade die am meisten gefährdeten Körperteile, Kopf und Brust usw. 86 ): Die arabische Wöchnerin v.t beim Stillen Brust und Kind, damit sie nicht wegen der Milchfülle beneidet werden kann; die Juden in Tunis halten die Neugeborenen eine Zeitlang hinter dichten Vorhängen gegen den bösen Blick verborgen 87) ; überhaupt durfte bei den Juden die junge Mutter den Busen nicht unv.t lassen und das Kind weder bei Tag noch des Nachts entblößt; das Kind durfte nicht barhäuptig oder barfuß ausgehen 88 ) (vgl. barfuß) ; wenn nach schwedischer Ansicht ein schlechter Mensch die bloße Brust einer säugenden Frau sieht, verliert sie die Milch; daher v.t die Wöchnerin immer die Brust 8 9 ). Muß die Wöchnerin das Haus verlassen, so bedeckt sie den Kopf mit einer Schindel 90) oder einem Brett ; vor allem muß man sich vor dem Schadenzauber hüten, der vom unv.ten Haar ausgeht, darüber ausführlich Pehr Lugn 91 ). Die Wöchnerin darf Keller und Speicher nicht betreten, und viersechstel Wochen nicht aus dem Haus gehen; geht sie in den Garten, so setzt sie zum Schutz den Hut des Mannes auf; im Egerland hängt sie den Brautmantel um; dieser Mantel hat nach ihrer Meinung und „nach dem Unterricht der alten Mütterlein die Wunderkraft, wann ein Weib in das Kindbett gekommen und unter den 6 Wochen im Hause umgehen wollte, hatte sie ihren Brautmantel umgenommen, welcher sie von allen Unfällen und Übeln der Druiden, Verschreyen und Gespenstern beschütze" 92 ). In Böhmen darf eine Schwangere nicht ausgehen, ohne das Haupt zu v., sonst erfolgt eine Frühgeburt 9 3 ) ; eine Wöchnerin muß immer den Kopf v.t haben 94). Der Malaie v.t das Haupt der Wöchnerin mit einem

1599

verhüllen

Netz 96 ). Uberhaupt sind Frauen dem bösen Blick ausgesetzt : Die Süditalienerin v.t den Kopf gegenüber dem Fremden mit der Schürze ββ ) ; auch auffallend schöne Mohammedaner v.ten bei Festen und Messen ihr Gesicht 97 ). Die Neugeborenen v.t man aus demselben Grund: Die Indianerin zieht dem Kind die Kopfbinde über das Gesicht 98 ) ; betritt in Schweden eine fremde Person die Stube, so wirft man geschwind ein Tuch über das Kindlein oder v.t das Lager " ) . In Pommern stellt man die Wiege so, daß kein böser Blick das Kind treffen kann; in der Oberpfalz bleibt das Kind hinter dem Vorhang des Himmelbetts; denn dahinter dringt kein Zauber 10°). Im Peloponnes v.t die Hebamme das Kind mit einem Schleier 101 ). Wenn im Departement Hérault und auch im Pandschab ein Kind eine Lampe ansieht, muß man das Gesicht v., um den bösen Blick abzuwenden 102 ). Kinder darf man nach Rochholz nachts nicht anders als mit v.tem Kopf, größere nur, nachdem sie Weihwasser genommen haben, über die Straße bringen; denn haucht sie eine Hexe an, so werden sie vom Teufel besessen 103 ). Ein Kind soll, wenn es nach dem Betläuten noch ausgehen muß, eine Kappe oder einen Hut aufsetzen, sonst kommen ihm die Fledermäuse ins Haar 1 0 4 ). Nach einer heiligen Zeremonie, ζ. B. nach dem Abendmahl, sind die bösen Dämonen besonders gefährlich: Nach dem Genuß des Abendmahles darf man drei Tage nicht mit bloßen Füßen gehen und muß einige Tage noch eine weiße Haube tragen und darf nicht mit unv.tem Haupt ausgehen 105 ) ; über die apotropäische Kraft der weißen Farbe s. Maier 10e ). Bei den Totenfunden in Bethsan fand man das Gesicht einer Frau mit einem Schleier v.t. 1 2 0 ). e) V. des Kopfes b e i m T o d e s f a l l : Wenn man dem Toten das Gesicht v.t, so können hier zwei entgegengesetzte Motive vorliegen: Einmal will man sich vor dem starren Auge des Toten schützen, damit der Tote niemand nach sich zieht 107 ). Die Angst vor dem Totenblick ist ja furchtbar: Der Mongole näht der Leiche die Augen zu; außerdem v.t er die Leiche mit

l600

einem schwarzen Tuch 1 0 8 ) ; der Kroate bedeckt das Auge mit einem Kreuzer 109 ). Der alt indische Trauerritus schreibt die V.ung aller Gesichtsöffnungen vor 110 ). Dann schützt man den Toten gegen böse Dämonen und gegen den bösen Blick ζ. B. durch eine M a s k e u l ) . Bei den Griechen wird nach Eintritt des Todes der Tote ganz v.t, auch das Gesicht U 2 ) ; bei Homer wird die Leiche des Patroklos in Leinwand gehüllt und mit einem weißen Tuch überdeckt 113 ) ; das Wort für v. καλυπτειν heißt direkt „begraben" 114 ). Im germanischen Kulturkreis heißt „Leichnam" die Leichenhülle, die v.te vermummte Leiche 116) ; im Norden gehört das Bedecken der Leiche mit einem Tuch zu den religiösen Pflichten 11β) ; die Leichenhüfe ist in Skandinavien Pflicht des nächsten Verwandten, dazu gehört auch das V. des Kopfes mit einem Tuch 117 ) ; das isländische Gesetz belegte den, der die Leiche nicht v.te, mit Verbannung 118 ). Die Totengeister heißen in Sage und Märchen „Huldren", die V.ten 11S ). Hoops hat gelegentlich der Deutung einer Beowulfstelle den Brauch für die Angelsachsen nachgewiesen 12°) : Als man den Sarg einer Äbtissin öffnet, wird das Tuch vom Gesicht genommen. Wegen der vom Toten ausstrahlenden bösen Kräfte, durch die die Angehörigen m ) natürlich am meisten gefährdet sind, greift man zur V.ung als Schutz, um sich gegen die Totengeister unkenntlich zu machen 122) ; auf Neuguinea, wo die Eingeborenen sonst nackt gehen, v. sie sich gerade bei den Trauerriten gegen die bösen Totengeister 123 ). So ist der Trauerschleier ursprünglich wohl ein Schutzmittel gegen die Totengeister 124 ). Die V.ung als Zeichen der Trauer in der Kunst ist obwohl ein undankbares, so doch ein häufiges Objekt 125 ) ; auch von trauernden Germaninnen, die ihr Haupt v., haben wir Darstellungen 126 ). In Westfalen ist es Sitte, daß die Frauen auf dem Leichenwagen sitzen; sie haben den Kopf mit schwarzen Schürzen v.t 1 2 7 ). Die Schwälmer Bäuerinnen haben einen Schleier von blauer Farbe (blau ist die Totenfarbe) 128 ). Weiteres Material bei Bianchi 129 ), Fehr-

ι6οι

verhüllen

le 13 °) und Dölger 1 3 1 ). Aus Angst vor dem Toten erfolgt auch das V. des Spiegels: In Mecklenburg verhängt man sofort nach dem Tode den Spiegel des Zimmers, in dem der Tote liegt, damit die Leiche nicht durch Abspiegelung sich verdoppelt 132 ). Auch die Serben v. den Spiegel, sonst würde das Gesicht des Toten dort erscheinen, und auf die Gesichter der Angehörigen würde Totenblässe übertragen werden 13S ). Vom Aberglauben der Litauer berichtet Grimm 1 3 4 ): Es ist nicht gut, wenn eine Leiche so steht, daß sie im Spiegel zu sehen ist; einige sagen, der Tote stehe auf und beschaue sich in dem Spiegel, den man daher lieber v.t. f) H e x e n 1 3 8 ) und V e r b r e c h e r 1 3 6 ) und F r a u e n in m e n s t r u i s sind als gefährliche Kraftträger durch ihren Blick gemeingefährlich; daher v.t man die Augen; oder Frauen, die sich der bösen Kraft bewußt sind, v.n selbst das Gesicht ; das Material bieten Seligmann 137 ) und Frazer 1 3 8 ). Der Römer war der Ansicht, daß menstruierende Frauen durch den Blick bewirken, daß trächtige Stuten abortieren 139 ). Die böse Zauberin Svanhild wird in der nordischen Sage zur Strafe von Pferden zertreten; aber die Pferde fürchten ihren Blick; da v.t man ihr die Augen mit einem Sack 1 4 0 ) ; Stigandi in der Laxdaela-Saga macht durch ein Loch des Sackes, mit dem man die Augen v.t., die Wiesen dürr 1 4 1 ) ; und eine norwegische Hexe, der man die Augen v.t. hat, der man aber auf ihre Bitten die Binde von den Augen nimmt, versengt die Wiesen142). Mit einem Seehundsfell bedeckt man das Haupt eines Zauberers 143 ). Aus diesem bekannten Motiv v. die Friesen das Gesicht des Verbrechers mit einem schwarzen Tuch 144 ) ; auch die Römer trafen diese Vorsichtsmaßregel: In den Zwölftafelgesetzen heißt es: Das Haupt soll v.t und er an einem unfruchtbaren Baum aufgehängt werden 14S ). Die Griechen haben die Totgeweihten ebenfalls v.t 1 4 e ). In einer Femegerichtsformel des 15. Jh.s wird ebenfalls diese Maßnahme besonders betont 147 ). Wegen des bösen Blicks werden die Hexen rückwärts zum Verhör geführt 148 ). Bächtold-Stlubü, Aberglaube VIII

χ 602

g) Bedecken des Kopfes bei F r u c h t b a r k e i t s z e r e m o n i e n , um alle störenden Faktoren wie Bazillen fernzuhalten: Aus der Chemnitzer Rockenphilosophie: Wer großköpfige Hühner wünscht, tue beim Ansetzen der Gluckhenne einen feinen großen Strohhut auf 1 4 9 ); Meyer 180 ) und Bohnenberger 181 ) erwähnen den Brauch für Schwaben und Baden mit der Begründung: um Küchlein mit einem Hut zu bekommen (Analogieumbiegung). Aber nach dem Aberglauben bei Gernsbach im Speierschen muß man die Strümpfe lottern, die Haare fliegen lassen und den schlechtesten Rock anhaben 152 ). Nach der alten Weiber Philosophey muß man „den Sack auff das Haupt setzen, daß die Zipfelein über sich gewendet sind" 183 ). In Gerabronn muß man einen alten Hut aufsetzen, um alle Eier ausschlüpfen zu lassen 164 ). Wenn als Aberglaube im Erzgebirge bei Chemnitz überliefert ist: auf eine unfruchtbare Frau werie man ein Tischtuch, das zur ersten Taufmahlzeit gedient hat, so haben wir da einen Übertragungszwangsritus 186 ). h) V. i m H e i l z a u b e r : Auf Borneo trägt der Medizinmann bei der Krankenheilung einen Schleier, damit ihm die bösen Dämonen nichts antun können 16e ). Die Indianer v. bei einer Krankenbesprechung den Mund, weil die aus dem Kranken ausgetriebenen Dämonen sonst den Zuschauer bedrohen 167 ). Den Kranken selbst v.t. man ebenfalls als Schutzmaßnahme (oft um ihn unkenntlich zu machen). Man setzt ihnen bestimmte Häubchen auf 1 6 8 ). Um die Pockendämonen irre zu führen, v. die Chinesen das Gesicht der Kinder mit Papiermasken 1 8 i ). In der Lüneburger Heide wickelt man ein von Krämpfen befallenes Kind in ein schwarzes, geerbtes Tuch, damit die Krämpfe leichter vorüber gehen 160 ). Dem Sterbenden setzt man ein Lorettokäppchen, eine geweihte, enge Mütze auf, damit er die Einflüsterungen des bösen Feindes nicht höre 1 6 1 ). Die Juden in Galizien bedecken den Kranken mit einem schwarzen Tuch 1β2 ). i) V. beim O r a k e l : Hier will man auch jede Schadenstörung abhalten, auch 51

i603

verhüllen

hier wirkt die V.ung wie eine Isolierschicht 1β3). In der Neujahrsnacht setzen sich die russischen Bauernmädchen auf eine Kuhhaut am Waldrand oder auf einem Kreuzweg und v. den Kopf mit einem weißen Tuch; wenn sie dabei Peitschenknallen hören, so werden sie bald heiraten 1M ). î 0 ) Vgl. R G G . 5, 160; bei den Mohammedanern soll das strenge Gebot der V.ung des Gesichtes iür die Frauen durch die Eifersucht Mohammeds verursacht worden sein: J e r e m i a s Religsgesch. 103; in Persien sind die Mädchen vom neunten Jahre an v . t : J. E. P o l a k Persien ι (1865) 199. 2 1 ) L. H e u z e y Sur les figures des femmes voilées dans l'art grec (Monuments grecs Nr. 2 Paris 1873); H e y d e m a n n Verhüllte Tänzerin, Hallisches Winckelmannsprogramm 1879; S i t t l Archäologie der Kunst 1895, 853. 22 ) J. v. M ü l l e r Griech. Privataltertümer 1893, 84 ff. M ) 1. c. 85 Α. I. 24 ) Wohl zur Zeit der Kreuzzüge: G r i m m DWb. 9, 577; W e i n h o l d Frauen 2 2, 226 ff. 25 ) W e i n h o l d 1. c. 305. M ) S c h u l t z Höf. Leben 1, 184 ff. ; H. a m R h y n Kulturgeschichte 1886, ι, 262 ff.; H o t t e n r o t h Handbuch d. deutschen Tracht 221. 378. " ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 4560.; W e i n h o l d I.e. 305. 2β ) 1 Mose 38.14/15. 2 , ) F a l k £ Ä e 8 . 3°)Hefele Conc. gesch. 3, 97, 9. 3 1 ) D ö l g e r Exorzismus 100 ff. ; A p p e l De Romanorum precationibus 190ft.; P a u l y - W i s s o w a 11, 2160. S 2 ) A R w . 2i, 237 ff.; vgl. 2 Moses 20, 26; 28, 42; H e c k e n b a c h De nuditate sacra 2 Α. Μ ) 3 Mose 21, 10; vgl. 2, 3, 6; 2, 33, 20; 3, 16, 13; Richter 13, 22; S e l i g m a n n Blick 1, 1 8 4 s . ; vgl. ObdZfVk. 1928, 134. 34 ) DieRel.i. Gesch. u. Gegenw. 5, 169; Religionsgeschichtl. Lesebücher 1, 34. 86 ) Korinther 1, 1 1 , 5 . 3*) 1. c. I i , 10; vgl. P. L i e t z m a n n Handb. z. neuen Testament 3, 128 ff. 2 ' ) F e h r l e

1. c. 39 A. 38 ) 1. c. und Verh. d. 52. Vers. d. Philol. zu Marburg 1913, 177 ff. 39 ) Poimandres 230, 1. 40 ) Vgl. SAVk. 20, 120. 41 ) Die Relig.in Gesch. u. Gegenwart III, 1. 42 ) Die Alttestam. Schriften Verlag Hanstein Bonn II, 3, 42. 43 ) H e f e l e Conciliengesch. 3, 46, 42. vgl. 36; D u C a n g e Wb. s. v. dominicalis. M ) D u C a n g e 1. c. 2, 914. 46 ) H o t t e n r o t h I.e. 106. «*) M a r q u a r d t Römische Staatsverwaltung 3, 176 A. 6. 47 ) I.e. 70; SAVk. 20 (1916) 120 ff.; vgl. B i a n c h i in 4β ) SibylMein Heimatland 7 (1920), 59. linische Blätter 122; D i e t e r i c h Mithrasliturgie 167. 4e ) Philologue 53, 537; Geburt, Hochzeit, Tod 149. 185; Familienfeste 35ft. 43ÎÏ. 47ft. 60) Kultus 333; vgl. G a r d t h a u s e n Der Altar des Kaiserfriedens ara pads Augustae 41 ff. S 1 ) W ä c h t e r Reinheit 70. 62 ) F e s t u s p. 322b, 32; S a m t e r Familienfeste 35ff. 63 ) G ü n t e r t Kalypsq 30 A. 4. s 4 ) 2 Mose 33, 20; S e l i g m a n n Blick ι , 184—85; R o s c h e r Lexikon 1, 337 ff. 65 ) A n r i e h Antikes Mysterienwesen 203; G r u p p e Mythologie 2, 1656, 2. M ) R e i n a c h Cultes, Mythes et Religion 1, 299ff. 67 ) G r u p p e I.e. 2, 885, 7; auch Asklepios selbst wird v.t in der

1604

Kunst dargestellt: G r u p p e I.e. 1455, 1; aber auch Zeus und Kronos: 1. c. 1100, 1; schief und unwissenschaftlich : S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 53. 57 ff. M ) F e s t u s Epitome 89, 13; S a m t e r Familienfeste 37; vgl. Sachwb. d. Deutschkunde 546; W i s s o w a Kultus 333 A. 1. 6e ) Die rote Farbe ist hochapotropaeisch : F e h r l e Geoponiker 15ft.; dazu E v a W u n d e r l i c h RVV. 20 (1925); S e l i g m a n n Blick 2, 252ff. , 0 ) Über nubere „verhüllen": Glotta 1 (1907), 325 ff.; G ü n t e r t Kalypso 183. 6 1 ) S a m t e r 1. c. 47; P l e y De lanae usu 43s. · 2 ) W i s s o w a 1. c. 195; S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 54ff. (?); F a l k Ehe 8. , 3 ) 1. c. 57. , 4 ) Geburt, Hochzeit, Tod 149. w ) 102; vgl. Pulcinella 191, 1. M ) Sibyllinische Blätter 122; G ü n t e r t Kai. 30. e7 ) Die Edda übers, v. H. G e r i n g 21 Str. 18; W e i n h o l d Frauen 1, 339ff. ω ) W e i n h o l d 1. c. , 9 ) De diis Samogitarum (bei M i c h a l o n i s L i t u a n i De moribus tartarorum Basileae 1615) p. 56; S c h r ä d e r Reallex. 1, 472. ' · D i e Hochzeitsbräuche der Esten B. 1888, 72ff. ; S a m t e r Familienfeste 47ft. 7 1 ) B ö c l e r Ester. 35. 72 ) S e l i g m a n n Blick 2, 224. n ) R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d 67. 74 ) 1. c. 340. 76 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 76. 7β ) Das antike Mysterienwesen 234. 77 ) 1. c. 50. 7B) S e l i g m a n n I.e. 2, 282. 7>) Baden 265; vgl. B ä c h t o l d Hochzeit 225; vgl. SAVk. 20, 6ff.; vgl. S a r t o r i Sitte u. B. 1, 148. 80 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 415. 8 1 ) M e y e r 1. c.; vgl. ZöVk. 4, 213. 82) Heimatland 7 (1920) 58/61. 83) R ü h l e in RGG. 2 5, 169. 84 ) R ü h l e 1. c. 85) Vgl. auch über die V.ung der Braut: J e r e m i a s Der Schleier von Sumer bis heute 1931 ; hier wird auf M) die Symbolik hingewiesen. Seligmann Blick ι, 199. 214; 2, 2780. 87 ) S e l i g m a n n I.e. 2. 280; vgl. F r a z e r 3, i2off. ®8) S t e r n Türkei 2, 319s. 322; vgl. B u x t o r f Judenschul 151 ff. ZfVk. I i , 313; S e l i g m a n n I.e. 1, 93. s o ) L ü t o l f Sagen 550. 535ft.; R e u s c h e l Volkskunde 2, 20; B i a n c h i 1. c. β 1 ) Die magische Bedeutung der Kopfbedeckung·. Manthrop. Ges. Wien 20 (Wien 1920), 81 ff. ·*) H u ß Aberglauben 46; F e h r l e Feste 80. 96. M ) G r o h m a n n Aberglaube 114, 847. , 4 ) I . c. 115, 863. m ) S c h e f t e l o w i t z Schiingenmotiv 61; hier wirken auch noch die Knoten. M ) S e l i g m a n n 1. c. 280. i 7 ) 1. c. 224, vgl. 281 ; noch viel gefährdeter sind natürlich schöne Mädchen: E b e r t Reallex. 14, 499. ω ) S e l i g m a n n 1. c. 282. »») ZfVk. 11, 325, 12; S e l i g m a n n 1. c. 279. 1 0 °) S e l i g m a n n 1. c. 280. l 0 1 ) 1. c. 224. 102 ) 1. c. 282. 103 ) Kinderlied 320, 803. 1 0 4 ) Bayr. H. f. Vk. 6 (1919), 208. l o s ) B r e v i n u s N o r i c u s 5 ff. 10β ) K. M a y e r Weiße Farbe, Diss. Freiburg 1927. l 0 7 ) R G G * 5, 169. 108 ) S e l i g m a n n 1. c. 1, 160. 10β ) 1. c. vgl. ι , 181; 2, 454. 1 1 0 ) 1. c. ι, 161. 1 U ) 1. c. 3, 2038. 1 1 2 ) D i e t e r i c h Pulcinella 191 Α. ι ; ders. Erde 51 ; G r u p p e Griech. Mythol. 2, 911 ff.; G r i m m Kleine Schriften 2, 212; die Toten unv.t liegen zu lassen, war ein furchtbares Verbrechen : S o p h o k l e s Aias 915ft.; W ä c h t e r Reinheit 45 A. 53; S e l i g m a n n 1. c. 185; P a u l y - W i s s o w a 3, 336. l 1 3 ) Ilias 18, 351. 1 1 4 ) G ü n t e r t Kalypso 31 ff. 64S. mit reichem Materiali 1 1 S ) G ü n t e r t M)

I605

verhüllen

1. c. 64; vgl. Grimm Kleine Schriften 2, 2 1 2 Α. ι. " · ) 1. c. 65. " ' ) Weinhold Altnordisches Leben 474. l M ) P. H e r r m a n n Nordische Mythol. 478; G ü n t e r t 1. c. 66. " » ) G ü n t e r t 1. c. l t 0 ) Engl. Stud. 54 (1920), 19/23· m ) F e h r l e Feste ioiflf.; Globus 87, 413ff. ; S a m t e r Geburt, Hochzeit, Tod 26ff. 1 2 2 ) F e h r l e Feste 99g. i¡») F r a z e r ι, 2, 98. 1 2 1 ) RGG. 2 5 , 1 6 9 . 1 2 5 ) S i t t l Archäologie der Kunst ( = J. Müller Handbuch 6) Mû. 1895, 853. i 2 ·) E b e r t Reallex. 13, 4 1 1 . " ' ) S a r t o r i Sitte ι, 146. 1 2 8 ) H e c k s c h e r 491. " · ) Mein Heimatland 7 (1920), 6ofí. 1 3 0 ) 1. c. 98/101. 131 ) Exorzismus passim. 1 3 a ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 89, 278. 90, 279; ZfVk. ι, 157, vgl. F r a zer 2f 9 4 ^ · ! Grimm Mythol. 3» 492, 2; F o x Saarland 371. 1 3 3 ) B e l o v i c Die Sitten der Südslaven 1 7 1 ; vgl. ZfVk. 1, 1 5 7 ; vgl. 185. 1 3 4 ) Grimm I.e. 3, 492 Nr. 2; vgl. R e u s c h e l Volkskunde 2, 28. 1 3 s ) S c h i n d l e r Aberglaube 292. 1 3 6 ) W ä c h t e r 1. c. 69ÉÍ. gibt viele Belege für die Ansicht der Griechen u. Römer, daß der Blick des Verbrechers schadet. 1 3 ? ) 1. c. 1, 95ft. 2 1 3 ; 2, 132. 270ft. 286. 1 3 β ) 2, 7; ι , 22/25. 44*ί· 48fi. 55. 92. 1 3 ·) Plinius 1. c. 28, 79 (4, 303, 14 Mayhoff): equas, si gravidae sint, tactas abortum pati. 1 4 0 ) Seligmann 1. c. 1, 2 1 3 ; 2, 285. 141 ) Laxdaela Saga her. v. Kr. K a l u n d (Halle 1896) n 2 f f . ; Seligmann I.e. 1, 223; 2, 284. 1 4 2 ) Seligmann 1. c. 2, 284. 1 4 3 ) 1. c. 2, 232. 1 4 4 ) Grimm Rechtsaltertümer2, 26off. 1 4 ) Grimm I.e. I 4 · ) Diels Sibyllinische Blätter 70. 1 2 2 ; W ä c h t e r Ríinheit 70; S a m t e r Familienfeste 47 ff.; Gruppe Griechische Mythol. 2, 9 1 1 A. 1 3 ; E u r i p i d e s Hekuba 430. 1 4 ') Grimm 1. c. 261. 14β ) Schindler Aberglaube 292; Ohle Hexenwahn 8ff. 1 4 ·) Grimm 1. c. 3, 435, 19; F i s c h e r Aberglaube 197. 1 5 0 )1. c. 412. 1 5 1 ) 17. 1 5 2 ) Grimm 1· c. 454. 575· 1 6 3 ) ZfdMyth. 3, 315, 68; vgl. ZfVk. 3, 38. 91. l s 4 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 20; vgl. F r i s c h b i e r Hexenspruch 127s. 1 5 5 ) Grimm Mythol. 3, 450, 479. " · ) RGG. 2 5, 169. 1 6 7 ) Badische Heimat 1, 169; SAVk. 20, 1 2 1 . 1 5 e ) Höfler im Janus 18 (1913), 1040. 1 M )RGG. a 3, 2038. l e o ) K ü c k Lüneburger Heide 1906, 9. 1 , 1 ) W. 723. W 2 ) Urquell 4 (1893), 170, 124; vgl.Mein Heimatland 1920, 60 ff. l e 3 ) SAVk. 20, 122. " 4 ) Kolbe Hessen 1 5 5 ; Mein Heimatland I.e.

3. Der R i t u s der v.ten Hand: Nach den Abhandlungen von A. Dieterich 1β5 ), Bächtold-Stäubli16β) und Fehrle 167 ) genügt hier eine kurze Rekapitulation: Dieterich hatte auf christliche Denkmäler hingewiesen, auf denen Apostel und Heilige mit v.ten Händen heilige Gegenstände trugen oder sich mit v.ten Händen heiligen Personen und Dingen nahten; zwei Gründe legte Dieterich für diesen Ritus bloß: einmal sollten heilige Dinge nicht mit bloßen Händen berührt und damit entweiht werden, dann sollte sich der Mensch nicht mit bloßen Händen dem

1606

Verehrungswürdigen nahen, um es nicht zu beleidigen. Er führte den Brauch auf das Hofzeremoniell der Perser zurück; von da kam er durch Alexander an hellenistische Höfe, drang in den Isiskult ein und gelangte schließlich nach Rom und Byzanz; „in den Handschuhen der Kaiser und Bischöfe setzte sich mannigfach im Mittelalter bis heute der Ritus der v.ten Hände fort" 1 6 8 ). Daran knüpft Bächtold-Stäubli an : An manchen Orten kommen die Frauen mit v.ten Händen zum Abendmahl (vgl. oben 2b). So v. die Frauen in den Abbruzzen die Hände mit den Trägern des Schurzes, wenn sie in die Kirche gehen, „um die Hände warm zu halten" 1ββ ). Bächtold weist nun den Ritus auch bei der Hochzeit nach, besonders bei der feierlichen Trauung in der Kirche. Typisch ist auch hier die Begründung: Im Bellunesischen trägt die Braut den ganzen Tag /die linke Hand mit einem Taschentuch umwickelt „per non far conoscere che essa è la sposa" 17°). Der Ritus findet sich in Deutschland und in der Schweiz nur in Verbindung mit der kirchlichen Trauzeremonie, was zu beachten ist. Es kommt ferner hier zum V. noch das Verknüpfen und Binden dazu; man darf also diese Bräuche mit der Schutzmaßnahme des V.s der Braut nicht so ohne weiteres zusammenbringen und nicht behaupten, es sei einfach eine Abschwächung des V.s des Körpers m ). Fehrle hat dann speziell das V. der Hände bei Zauberhandlungen verfolgt: Man will durch Berührung mit der bloßen Hand die Zauberkraft von dem Gegenstand nicht ableiten; so darf man Sargnägel 172 ) und Totenzähne nicht mit der bloßen Hand anfassen, wenn man sie zu Zauberzwecken gebraucht17S). Man kann das Material nach Belieben vermehren. In der Iciner Gegend heilt man das Überbein dadurch, daß man es mit einem Knochen, den man vom Schindanger mit v.ter Hand aufgehoben hat, dreimal bestreicht und den Knochen dann, ohne zu sprechen und ohne umzusehen, an seine alte Stelle legt 174 ) ; dieselbe Zeremonie wird auch mit einem Heilspruch verbunden 175 ) :

l608

verhüllen Vor allem Gott der H e r r ! Wachse nicht, wachse nicht, du Zeichen, so wie das Gesteine seit der Geburt des Gottessohnes nicht mehr wächst, geh zum roten Meer! Dazu verhelfe mir G o t t !

Im Liebeszauber, um eine Person der Liebe zugetan und auch abgeneigt zu machen: Man fange einen Laubfrosch mit v.ten Händen und kaufe einen neuen Topf und mache Löchlein darein, aber du mußt den Topf bezahlen, tue denselbigen Frosch hinein, mit leimichem Erdreich wohl zugemacht, und trage solchen Topf mit samt dem Frosch zu einem Ameisenhaufen, in der Stunde Veneris, so lasse den Topf 9 Tage in dem Ameisenhaufen stehen, dann tue ihn nach 9 Tagen in der Stunde Venus wieder heraus, so wirst in dem Topf ein Schäufelchen und ein Kratzchen finden; wann du mit dem Kratzchen eine Person kratzest, so wird sie dir zugetan sein, wann du sie aber mit dem Schäufelchen stichst, so wird sie von dir gehen und der Liebe nicht zugetan sein 17β ). Antik ist (meist mit weißem f u c h ) der Ritus der v.ten Hände, wie ich schon in den Artikeln bloß und bedeckt angedeutet habe, bei dem Ausgraben von zauberkräftigen Kräutern. Die H a u p t s t e l l e bietet Plinius 1 7 7 ): Der Stinkwachholder (Juniperus sabina L.) wird ohne ein eisernes Instrument mit der linken Hand ausgegraben; die rechte Hand ist mit der T u n i c a v.t; der Ausgrabende muß gleichsam rasend sein, mit reinem Gewand bekleidet, mit sauber gewaschenen nackten Füßen ; vor dem Ausgraben wird ein Opfer von Brot und Wein dargebracht; die Pflanze wird in einer weißen S e r v i e t t e getragen; die Druiden überliefern, daß sie gegen alle Übel gut sei und daß gegen alle Augenübel der Rauch von der geräucherten Pflanze helfe; der Sade- oder Seviebaum ist ein hexenabwehrender Strauch, auch heute von Tiroler Bauern verehrt 178 ). Die Hände mit weißem Tuch v.t, pflückt auch in Böhmen der Bursche das vierblätterige Kleeblatt 1 7 9 ) ; Grohmann bietet noch weitere Beispiele 180 ). Die Wurzeln eines ausgegrabenen Baumes, den man versetzen will, darf man nur mit v.ten Händen

anfassen, wenn er gedeihen soll 181 ). Wenn bei denElbwendender Kreuzbaum feierlich eingeholt wird, wird der gefällte Baum, mit den Röcken der Hauswirte v.t, ins Dorf gefahren 182 ). In Gilgenburg nimmt man die Lebensrute, wenn man sie einem Kind aus der Hand nimmt, mit v.ten Händen an 1 8 3 ). In Masuren nimmt die Hausfrau aus der Hand des Hirten eine Birkenrute, die Finger mit der Schürze v.t ; diese Rute steckt man in das Getreide und gebraucht sie beim Viehaustrieb 184 ). In Zehbitz (Anhalt) war es untersagt, das erste Bund, das in die Scheune gebracht wurde, mit der bloßen Hand anzufassen, weil sonst die Mäuse in die Scheune kämen 1 8 5 ). Im Gegenzauber gegen den Binsenschneider soll man Ähren, die der Bilmesschnitter geschnitten hat, stillschweigend in ein neuaufgeworfenes Grab tragen; man darf aber die Ähren nur mit v.ter Hand anfassen 188 ). Das erste Ei einer Henne darf man nicht mit bloßen Händen anfassen, sonst bekommen alle späteren Eier weiche Schalen 1 8 '). 1M)

Kleine

Schriften

440/48;

Pauly-Wis-

s o w a 11,2160; L a t t e de saltalionibusGraecorum = R W . 13, 3, 91. ««) SAVk. 20 (1916), 6/14; vgl. Verh. d. 52. Vers. d. Philol. in Marburg 1913, 174ft. " ' ) SAVk. I . e . 120/22. M 8 ) D i e t e r i c h 1. c. 447ff. ι ω ) B ä c h t o l d 1. c. 7, 5. 17 °) 1. c. 12. m ) Verh. d. 52. Vers. d. Philol. in Marburg 175. 172 ) S c h ö n w e r t h 1. c. 3, 244ft. 173 ) W . 219. 252; vgl. 166. 185. 171 ) G r o h m a n n 183, 1287. 176 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 398. " · ) J ö h n Westböhmen 316; ZfdMyth. 3, 328. 177 ) P l i n i u s Hist. nat. 24, 103 (4, 88, 7 M a y h o f f ) ; B e r t r a n d La religion des Gaulois, ¿Íes druides et le druidisme

1897, 130ft.; P a u l y - W i s s o w a I I Reihe 3. Halb. 1132. 17β ) G. H e g i Illustrierte Flora von

Mitteleuropa I (1906), 65 Α. ι u. 93- " ' ) G r o h -

m a n n I . e . 92, 640; vgl. L a u b e Teplitz 51. 1β0 ) 1. c. 200, 1403. 209, 1451. 143, 1055. W 1 ) 1. c. 143. 1055; W . 669. 182 ) M a n n h a r d t WFK. 1, 174; K u h n Märkische Sagen 334. 183 ) F e h r l e Feste 57.

1β1

) Frischbier

Hexenspruch

153.

') ZfVk. 7, 154; S a r t o r i Sitte 2, 70; vgl. Erntekranz verh.: H e s e m a n n Ravensberg 104. 18i ) G r i m m Mythol. 1, 394. 187 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft N. 3, 21; B o h n e n b e r g e r Nr. 1, 18

20.

3. D a s V . v o n T i e r e n u n d L e b e n s m i t t e l n : In Ostpreußen 188 ) und Oldenburg 189) werden die Schweine gegen das Antun mit einem Stück Zeug v.t. Der Araber, der ein schönes Pferd sehen läßt,

1609

verirren—verkehrt

bedeckt sorgfältig die Brust, die Lenden und die Hüften des Pferdes, weil diese Teile dem bösen Blick am meisten ausgesetzt sind 190 ). In Württemberg wirft man dem neu gekauften Vieh beim Betreten des Stalles einen Schurz über den Kopf, „damit es sich nicht fürchtet" m ) . Die Primitivem v. vor allem die Speisen (s. Speisen), so die Waswaheli und die Wakamba 1 9 2 ). An der Küste Estlands entzieht man die gefangenen Fische dem bösen Blick, indem man sie mit einem Tuch oder einer Jacke v.t 1 9 3 ). Allgemein v.t man im Norden beim Bierbrauen die Kufe mit einer Decke gegen das böse Auge 1 9 4 ). Überall in Deutschland und sonst ist der Brauch verbreitet, Milch und Butter, die man über die Straße trägt (besonders nach dem Betzeitläuten) zu v. 1 9 6 ). Vgl. bedeckt A. 21 ff., Müch A. 255 ff. und Speisen 196 ). Bei den Juden mußten,wenn ein Toter im Hause lag, alle Gefäße v.t sein 1ββ ). Bei den Neugriechen dürfen in den Zwölften die Wassergefäße nicht unbedeckt bleiben, man legte auch Asparagoswurzeln oder Ysopzweige auf sie m ) (vgl. dagegen bedeckt A 21).

18β ) L e m k e Ostpreußen 1, 85; vgl. S e l i g m a n n ι, 2 1 5 . 1 7 1 . 1 8 e ) S t r a c k e r j a n 1, 372, 210. " » ) S e l i g m a n n I.e. 1, 214. Eberhardt 182 Landwirtschaft Nr. 3, 15. ) Seligmann 1. c. ι, 238. 1 W ) 1. c. 2, 279; vgl. I, 237. 1 M ) 1. c. ι, 236. 1 8 6 ) S c h ö n w e r t h I.e. 1, 3 3 6 ; S a r t o r i 1. c. 2, 144; ZfVk. 8, 396; S e l i g m a n n l . c. 1, 167; 2, 235. 280; G r i m m Mythol. 3, 4 5 1 , 503; V e c k e n s t e d t 472, 1 9 ; ZfVk. 1 1 , 3 2 2 ; L i e b r e c h t Z. Vk. 318, 45; W. 706, vgl. 709; E b e r h a r d t I.e. 1 8 ; MschlesVk. 8 (1901), 27. 1 M ) F r a n z Nikolaus v. Iawor 1 7 1 . 1 9 ' ) S c h m i d t Volksleben der Neugriechen 149; S a r t o r i Sitte u. Br. 3, 24. Eckstein.

verirren s. i r r e f ü h r e n , I r r l i c h t , Irrsteine. Verjüngung s. Nachtrag. verkaufen s. K a u f 4, 1 1 3 4 f f . verkehrt. Die Abgrenzung des Art. „verkehrt" vom Sachbereiche des Art. „Umkehrung" ist außerordentlich schwierig und oftmals nur nach reiner Willkür zu ziehen. E s sind darum beide Art. in einem Blicke der Betrachtung zu erfassen, der eine als Ergänzung des a n d e r e n aufzufassen. ι . Erwähnenswert sind hier vor allem

l6lO

die Vorschriften, die dahin lauten, daß der zu Zauberzwecken vorzunehmende Akt nach rückwärts hin erfolgen müsse. Hierher gehört das Schlagen 1 ), Kehren 2 ), Greifen 3 ), Brechen 4 ), Schneiden 6 ), e 7 Schießen ), Abbeißen ), Schieben 8 ), 9 10 Schöpfen ), Ausgießen ) nach rückwärts. 2 S c h m i t z Eifel 2, 42. ) s. kehren 1 1 . ) s. greifen 1. 4 ) s. abreißen Kohl, 3. 5 ) s. Hasel 2, W u t t k e S. 451 § 4 1 1 . ·) Meiche Sagen 584 Nr, 726. ' ) s. abbeißen. e ) s. Brot, 18 10 (jüdisch). · ) s. Bleigießen 1 3 9 1 . ) s. Liebeszauber 1295.

3

2. Eine zweite Gruppe stellen die Vorschriften über das S p i n n e n u ) , Mahl e n 1 2 ) , B o h r e n 1 3 ) , D r e h e n 1 4 ) in v.ter Richtung dar. Einige dieser Bräuche sind früh belegt. Das Mahlen in v.ter Richtung ist bereits bei Burchard von Worms (f 1024 1 5 ), das Drehen der „Eichenwide" (beim Aufhängen des Verbrechers) nach links in einem Weistum von 1 4 2 1 bezeugt 1β ).

u ) G o l d m a n n Beitr. z. Gesch. d. fränkischen Rechts 42; K n u c h e l Umwandlung 74; H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 276. 1 2 ) s. mahlen 1507, Mehl 107. 1 3 ) s. Biene 1243, Fuß 234. 14 ) s. durchkriechen 496 d; A m i r a Todesstrafen 95. 1 6 ) s. mahlen 1507. 1 β ) A m i r a a. a. O. 17 ) Literatur s. Umkehrung.

3. In einer dritten Gruppe lassen sich die Vorschriften über das dem Sonnenlauf entgegen erfolgende Gehen, L a u f e n , T a n z e n zusammenfassen, die sich auch im außerdeutschen Aberglaube (nordgerm. ; bei sonstigen idg. und nichtidg. Völkern) finden 17 ). 4. Davon zu scheiden ist eine vierte Gruppe: das G e h e n , L a u f e n 1 8 ) , K r i e c h e n 1 9 ) , S t e i g e n 2 0 ) nach rw. Das Gehen nach rw. erfolgt, um die Zukunft zu erkunden 2 1 ), um Hexen zu erkennen 22 ), bei Krankheitsheilungen 23 ), beim Schatzheben 24), bei Handlungen auf dem Ackerfelde 25 ) und im Stall 2 β ), beim Diebstahl 27 ). le ) G r i m m Mythologie 3, 455 Nr. 604; 473 Nr. 1039. 1 8 ) s. durchkriechen 479. 496; kriechen 562f. 2 0 ) s . D a c h 1 2 1 . 2 1 ) s. Dach a . a . O . ; W u t t k e 236 § 3 3 7 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 236. 2 2 ) s. E i 619, Kornrade 316. 2 3 ) s. Birnbaum 1 3 4 1 , Abend 36. 2 4 ) K n o o p Schatzsagen 1 3 N. 2 1 . ω ) s.Ackerbau 1 5 3 ; K n u c h e l 8 1 ; K u h n Westfalen 2, 28 Nr. 75. 2 «) W u t t k e 446 § 704. 2 7 ) s. Dieb 204, 235.

5. Eine fünfte Gruppe von Bräuchen, das

l6ll

verkehrt

Hersagen von Sprüchen von hinten nach vorne, sowie das R ü c k w ä r t s z ä h l e n wurde bereits im Art. „rückwärts (in Segenssprüchen)" behandelt. 6. Eine sechste Gruppe stellen dieBräuche des R ü c k w ä r t s w e r f e n s dar. Sie sollen eine gesonderte Behandlung erfahren. Den ä l t e s t e n deutschen B e l e g für den Brauch des Wurfes nach rückwärts bringt die Lex Salica (Beginn d. 6. Jh.) im Tit. 58 De chrenecruda28). Den Zweitältesten Beleg enthält die zwischen 1235 und 1250 verfaßte Summa fratris Rudolfi de confessionis discretione 29 ), das älteste Denkmal des Volksglaubens der deutschen Siedler Schlesiens30). Es folgt eine Wiener Handschrift aus dem J . 1387 (s. Schuhwerfen 1356), ferner Vintlers „Blume der Tugend" V, 7938f., verfaßt 1 4 1 1 . Die unseren Brauch betreffenden Vorschriften lauten entweder so, daß der Wurf über den Kopf 3 1 ) oder über die Schulter 32) oder über die rechte Schulter M ) oder über die linke Schulter 3 4 ) erfolgen solle. Oft wird der Nachdruck darauf gelegt, daß der Wurf mit der rechten Hand 3 5 ), mit der linken Hand 3 8 ) vorgenommen werden solle. Mitunter wird auch Werfen mit dem F u ß e gefordert37). Auch Werfen mit dem Munde 3 8 ) ist belegt. Der Wurf hat des öfteren schweigend 3 9 ) zu geschehen. Die Vorschriften über Nüchternheit 4 0 ) beim Zauberakt spielen auch hier herein, desgleichen die Forderung der N a c k t h e i t 4 1 ) . Eine besondere Ausgestaltung des Brauches ist der Wurf durch die gespreizten Beine 4 2 ). Die R i c h t u n g des Wurfes ist sehr verschiedenartig. Oft wird verlangt, daß der Gegenstand ins Wasser 43 ) oder ins Feuer **) geworfen werde. Als Zeit des Wurfes werden die sonst bei Zauberakten üblichen Termine genannt. Die Nachtzeit 45) oder die Zeit vor Sonnenaufgang46) ist besonders bevorzugt. Unter den Gegenständen des Wurfes seien besonders erwähnt: Erde 47 ), 48 49 60 Beeren ), Brot ), Eier ), Erbsen 61 ), Käse 5 2 ), Nadel 53 ), Frosch 54 ), Strumpfband 5S), Zahn 5e). Unter den Zwecken,

l6l2

denen der Wurf dient, steht im Vordergründe der W. zum Zwecke eines Orakels57), vor allem in Liebesangelegenheiten58). Verlorenes soll auf diese Weise gefunden werden 59 ), desgleichen der verlorene Weg 60 ). Der Ertrag beim Sammeln von Beeren und Pilzen wird hierdurch gesteigert 61 ), ebenso der Ernteertrag durch Rückwärtswerfen beim Pflügen 62) und Säen 63 ). Tausendfältig ist die Verwendung des Brauches in der Volksmedizin bei Menschen (Fieber64), Hautkrankheiten65), Warzen66), Husten 67 ), Gicht 68 ), Wunden 69), Zahnschmerzen70) usw.) und bei Tieren 71 ). Verwertung findet der Brauch ferner beim Liebeszauber 72), bei der Abwehr des Feuers 73 ), in dem an die Hochzeit sich knüpfenden Aberglauben 74). Nicht in den Bereich des Aberglaubens gehört das Rückwärtswerfen z u m Z w e c k e der Maßbestimmung, das sich in den deutschen Rechtsquellen so häufig findet75). Der Brauch des Rückwärtswerfen ist über den weiten Bereich der indogerm. Völker und darüber hinaus verbreitet, so daß wir ihn bereits der indogermanischen Urzeit werden zuschreiben dürfen 76 ). Die übliche, wohl zutreffende Erklärung des Brauches lautet dahin, daß man „damit den dem Menschen gefährlichen Anblick eines göttlichen Wesens oder Wirkens vermeiden" will 77 ).

28 ) G o l d m a n n Chrenecruda (Deutschrechtliche Beiträge X I I I Heft 1). 2 > ) c. X 50; K l a p p e r MschlesVk. 1 7 ( 1 9 1 5 ) , 37. 3 0 ) K l a p p e r a. a. O. 26; s. ferner Art. Rudolfus. 3 1 ) G o l d m a n n a. a. O. 7 7 f . 3 2 ) a. a. O. 7 8 ! » ) s. Schuhwerfen 1 3 5 5 . 1362. 3 4 ) a. a. O. 1 3 5 8 ; Katze 1 1 1 6 ; H e p 35 d i n g HessBl. 22, 32t. ) S A V k . 12, 94. 86 ) s. Schuhwerfen 1 3 6 2 ; G o l d m a n n 6of. 37 ) s. Schuhwerfen 1 3 5 5 , Apfel 5 1 3 . 3 8 ) s. Schuhwerfen 1 3 5 5 . 3 e ) s. Maitag 1 5 4 5 ; F o s s e l Volksmedizin 109. 4 0 ) s. abtun 1 2 3 . 4 1 ) s. Schuhwerfen 1 3 5 9 . 4 2 ) s. durchkriechen 491 (angelsächsisch). 4 3 ) s. neunerlei Holz 1058. 4 4 ) s. Brandopfer 1488. 46 ) s. Apfelbaum 5 1 3 ; G o l d m a n n 78. 46 ) s. Maitag 1545, Z d V f V . 7 (1897), 169. « ) G o l d m a n n 8 1 ; s. Kauf 1 1 4 8 . ω ) H e p d i n g HessBl. 22, ι — 5 8 . 4 9 ) s. Brot 1622, backen 768. 6 0 ) s. Brandopfer 1488. 6 1 ) s. Erbse 881. 52 ) G o l d m a n n 81. 5 3 ) s. abschreiben 1 1 9 , Nadel 932. 5 4 ) s. abtun 1 2 3 . 6 5 ) F o s s e l Volksmedizin 87. M ) P r a h n Z d V f V k . 1, 193. 5 7 ) s. vor allem: Schuhwerfen, passim, Apfel 5 1 3 , Glas 854. 68 ) s. Bleigießen 1 3 9 1 , Apfel 5 1 3 , Schuhwerfen, passim. s e ) W u t t k e 4 1 5 § 645. e o ) R o c h h o l z Sagen 1, 79. e l ) H e p d i n g HessBl. 22, 1 — 5 8 ;

1 verkeilen—-Veronika, hl.

S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 122. M ) A . B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 62. Goldmann 79f. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, io6f., W u t t k e es 336 § 499. ) s. abschreiben 119, Ausschlag 728. * ' ) s. abbinden 12, Erbse 881. · ' ) W u t t k e 336 § 500. • 8 ) s. abtun 123, Fluß 1682, Dreieinigkeit 435. · · ) L a m m e r t 191. F o s s e l Volksmedizin 109. 7 1 ) s. Düngeriahren 475, Brennessel 72 1553· ) s. Apfel 5 1 3 . s. Brot 1622. »*) s. Branntwein 1502, Kuchen 678, Glas 854. 7δ ) v. K ü n ß b e r g Rechtsbrauch u. Kinderspiel 40. 7 i ) G o l d m a n n 72—77. 8 4 ! " ) P f i s t e r Schwaben 89f., F e h r l e Zauber u. Sagen 59t., H e p d i n g a. a. O. 3 3 — 3 5 ; W e i n k o p f OdZfVk. 2, 52. Goldmann.

verkeilen s. v e r b o h r e n (Nachtrag). verkleiden s. Maske. verknüpft, s. K n o t e n . Man braucht diesen Ausdruck speziell für das Verknüpfen einer Krankheit, indem der Kranke zwei Zweige zusammenbindet; wer sie wieder löst, bekommt die Krankheit 1 ). Hübsches Beispiel in der Sage 2 ). Umgekehrt kann man auch jemandem die Eingeweide „verknüpfen" 3 ) ; selbst Tiere sind dem ausgesetzt 4). 3

ZföVk. 13, 1 3 1 . s ) K ü h n a u Sagen 3, 5 5 ! ) W u t t k e 268 § 395. *) s. Knoten Anm. 10. Aly.

verlieren. 1 . Ü b l e V o r b e d e u t u n g hat das V. eines Gegenstands bei einer Hochzeit, denn Glück und Unglück bei Beginn eines neuen Lebensabschnittes sind für dessen weiteren Verlauf entscheidend. Geht am Hochzeitstage etwas verloren, so zieht Not und Unglück in die Ehe ein, besonders dann, wenn ein Rad an der Kutsche bei der Fahrt zur Trauung verloren geht 1 ). Wer von beiden Brautleuten auf dem Weg zur Kirche etwas verliert, der verliert bald den Gatten 2 ). In Oldenburg war es Brauch, am Tage vor der Hochzeit die Mitgift auf einem Wagen abzuholen, und es galt als schlimmes Vorzeichen, wenn unterwegs etwas davon verloren ging, namentlich ein Kissen oder ein Stück vom Spinnrocken 3 ). Einen Gegenstand, der dreimal verloren ging, soll man nicht behalten, sondern weggeben, denn damit „hat's etwas" 4 ). Man b e u g t dem V. eines neuen Messers v o r , wenn man den ersten Bissen, den man damit schneidet, einem Hund gibt 5 ). Ein Wechseltaler kann nie verloren gehen e ).

! ) J o h n Erzgebirge 95. s ) W u t t k e 221 § 3 1 3 . ) S t r a c k e r j a n 2, 195. *) J o h n a . a . O . 38. s ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 1 5 1 ; G r i m m Myth. 3, 448 Nr. 438. ") H ü s e r Beiträge 2, 21. 3

2. Eine K r a n k h e i t kann man s i n n b i l d l i c h v. In einer Handschrift vom Ende des 18. Jh.s aus Frankenberg im Erzgebirge heißt es: „Vor die Schwehre Krankheit. So man auff einer rothen Weide siehet einen rothen Holunder Strauch stehen, so soll man Holz von demselben nehmen und ein Creutz f gen davon machen und am Hals hangen, das das Creutz auff der Herzgruben lieget, so das abfället, verlieret sich, obs schon im Bette lieget, soll mans nicht wieder suchen, so verlieret sich die Krankheit auch" 7 ). Bei Rotlauf steckt man das Ringlein eines Toten,das der Totengräber gefunden hat,an den Finger, bis es sich unversehens verliert (hier kommt noch die wegnehmende Kraft des Todes dazu 8 )). Um vor Kreuzweh und Verwundungen bewahrt zu sein, stecken sich Schnitter und Schnitterinnen je drei Ähren stillschweigend in der Weise ins Schürzenband, daß sie leicht verloren werden können e ). 3. Verlorenes s u c h e n s. d.

7

) S e y f a r t h Sachsen 239. e ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 256. 9 ) J o h n Erzgebirge 2 2 1 . Hünnerkopf.

Verlobung s. Nachtrag. vermalen s. v e r h e x e n II, 4. vermeinen s. v e r h e x e n II, 1. vermessen s. Maß, messen 5, 1 8 5 2 s . Vermummung s. Maske. vernageln s. N a g e l (Nachtrag). Verneidung s. v e r h e x e n II, 1. Veronika, hl. Der Legende nach eine fromme Matrone in Jerusalem. Sie reichte dem vor ihrem Hause mit dem Kreuz ermattet und schweißtriefend vorübergehenden Heiland ihren Schleier, in den sich sein Antlitz eindrückte 1 ). Man identifizierte sie mit der blutflüssigen Frau (Matth. 9,2off.; Marc. 5,25ff. ;Luk.8, 43ff.), und so kam ihr Name in die Blutsegen 2 ). Ihr Gedächtnistag ist der 4. F e b r u a r . Acht Tage später, am 1 1 . Februar, kamen bis zur Mitte des 17. Jh.s in der Nähe von Rouen die heiratslustigen Burschen

verpflanzen—Verrenkungssegen

und Mädchen in der Kapelle der hl. V. zusammen und brachten von dort Phallusgebäcke mit zwei Testikeln, in denen Stechpalmzweige steckten, zurück 3 ).

l ) D o y é Heilige u. Selige 2, 487!.; N o r k Festkalender 1, 152Í.; Menzel Symbolik 2, 355 f.; Pileiderer Attribute der Heiligen 18. 2 ) F r a n z Benediktionen 2, 510. Vgl. oben 1, 1454. An ihre Stelle tritt zuweilen Verena: F r a n z 2, 5 1 1 . 3 ) H ö f l e r Fastnacht 16. Oben 3, 389. f Sartori.

I6l6

Nr. ι—30; W l i s l o c k i Volksglaube d. Magyaren (1893) 139; M a n s i k k a Uber russische Zauberformeln 25ofi.; ZfVk. 5, 14; Französ.SAVk. 24, 3 81 Berner Jura. ) Meddelanden irán Nordiska Museet 1897, 32; C h r i s t i a n s e n 50 Nr. 9f. *) ZfdA. 24, 68 (14. Jh.); Germania 17, 75; S c h ö n b a c h HSG. Nr. 126; ZfdA. 21, 2 1 1 (oben zitiert).

b) Die s p ä t e r e n T e x t e 6) zeigen im einzelnen eine recht große Buntheit und sind offenbar großenteils von Alters her verpflanzen s. verbohren. mündlich verpflanzt; doch ist gewöhnlich verpflöcken s. verbohren (Nachtrag). das Grundschema einigermaßen erhalten. Als Beispiele: „Christus der Herr Jesus Verrenkungssegen. I. Der Heilige oder sein P f e r d 1 ) . ging über ein Gass, die war sehr wüst und a) V e r b r e i t u n g ; ä l t e s t e T e x t e . naß; er trat auf einen Stein, verrenkte Diese Gruppe erstreckt sich zeitlich über sich Ader und auch sein Bein. Bein z. B., etwa ein Jahrtausend, örtlich über das ganze Ader zu Α., Blut zu Bl. u. Fleisch zu F . " , deutsche Sprachgebiet, England (hier vom Nahetal J . 1602. Und: „Jesus und Petrus 16. Jh. an bezeugt), Skandinavien (vom ritten die Straße entlang; da wurde P. 17. Jh. an), Finnland und Estland nebst sein Pferd krank; da sagte Jesus: dein Ausläufern ins Ungarische und Slavische 2 ). Pferd soll wieder gesund werden", HanWenige romanische2»), gar keine latei- nover. Ganz oder teilweise gereimte Form nische Belege. Die ältesten deutschen ist sehr gewöhnlich. Die beteiligte Person Texte, beide des 10. Jhs., sind der „ 2 t e " ist sehr oft Christus (Gott) allein (selten Merseburgerspruch (s. d.) und ein Trierer Maria allein), doch nicht ganz selten mit Segen (s. d.), jener mit heidnischen, dieser einer anderen Person (gew. Petrus) zumit christlichen Personennamen. Heid- sammen, die — bzw. deren Tier — dann nische Namen auch vereinzelt in späten den Unfall hat und (von Jesus) Hilfe erschwedischen Varianten (Oden, Freia) 8). fährt, vgl. im Trierer Segen. Ohne ChriÜber diese und über das heidnische Ge- stus vereinzelt Petrus und Paulus, Petrus präge des 2 ten Mersebspr. s. Segen § 14 und Maria. Die Fahrt ist bald ein Ritt, u. 16. ; es kommen unten die christl. Fas- bald ein Gang, und verrenkt wird der sungen zur Behandlung. —Aus der Zeit Heilige oder das Tier, urspr. sicher je nach c. 1000 bis 1600 liegen nur vier hierher dem vorliegenden Falle; doch steht in gehörige Texte vor, einer des 14., drei des einigen Texten der Ritt bei Person- oder 16. Jh.s 4), die drei sind recht wortreich umgekehrt der Gang bei Tier-Verrenkung. und ζ. T. von anderen Typen, besonders Das Tier heißt Roß, Pferd (dies nur norddem Begegnungsschema (s. Segen § 5), deutsch), u. a. vgl. unten. Der Ort wechstark beeinflußt; der vierte (16. Jh.) selt: Wald, Brücke, vereinzelt Feld, lautet: „Der heilig man S. Simeon sol Heide, Grube, Weg, Gasse u. a. Der Unfall gein Rom reiten oder gan; da tratt sein ist neben Verrenkung („verrenkte", „verfolen uf ein stein und verrenkte ein bein. trat" usw.) mitunter Bruch („brach") Bein zu bein, blut zu blut, ader zu ader, oder Krankheit. Sehr häufig ist das Zeilenfleisch zu fleisch..." (der Rest von ande- paar mit „Stein: Bein" ugf. wie oben (steht schon im Texte des 14. Jhs.). Einige rem Typus). Hier „Simeon" (für Simon ?) Male kommt nach dem Unfall eine neue statt Petrus (s. unten) wohl um mit gan (gon) zu reimen; Rom vgl. Art. Petrus § 2. Person, fast immer Maria, hilfreich hinzu. 1 Sehr oft stehen die Beschwörungsworte ) E b e r m a n n Blutsegen ifi. ; C h r i s t i a n s e n (Bein zu B. usw.), mitunter als Wort oder Die nord. u. finnischen Varianten des 2. Mersebspr. i8fí. ; Ohrt Vrid og Blod 51 fi. 2 ) Fremde Tat des Heiligen eingepaßt. Statt ihrer Belege: E b e r m a n n 2fi. ; C h r i s t i a n s e n 2gfí. finden sich doch auch Heilungsanwei36ft. 49ff.; Ohrt 1 9 t 4 8 ! 5 7 ! ; Danmarkssungen (ζ. B. „nimm Schmalz u. Salz" Tryllefml. Nr. 1—49.1102—09; Norske Hexefml.

1617

Verrenkungssegen

usw.) — dies wie die „neue" Person dem Begegnungsschema entlehnt — bes. häufig in Siebenbürger Varianten, welche auch sonst Entlehnungen aufweisen. s) E b e r m a n n Blutsegen 6. 1 2 — 1 5 Siebenbürgische V a r i a n t e n ; S A V k . 8, 1 4 7 ; L a m m e r t 2 1 3 ; Z f r w V k . 1904, 2 1 6 N r . 3 ; 1905, 287. 288 (oben z i t i e r t ) ; 1912, 3 ; 22, 122 Nr. 25 (Sim o n ) ; S t e i n h a u s e n s Z f K u l t u r g e s c h . 8, 300. 304 Hessen; H e ß l e r Hessische Landesu. Volkskunde 2, 102. 1 7 3 ; M e i n Heimatland (Hersfeld) 2, 87; D G . 14, 122 Westfalen; S t r a c k e r j a n 1, 76 N r . 8 1 ; H a n n o v e r l a n d 1910, 75 (oben zitiert); O h r t Vrid og Blod 51 f. Nr. 3 M e c k l e n b g . ; Z f V k . 8, 62 N r . 3 M e c k l e n b g . ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 93.

c) U r s p r ü n g l i c h e r S t o f f u n d S i n n . Auch falls der Segen Verchristlichung eines heidnischen Spruches wäre — wogegen s. Art. Segen § 15 f. — bliebe die Frage bestehen, was der christliche Bearbeiter sich bei seinem Texte gedacht hat. Daß der Segen von Anfang an an einen bestimmten b i b l i s c h e n Stoff knüpfen wollte, ist an sich keine notwendige Annahme, aber durchaus möglich. Hingewiesen ist hier auf Jesu Einritt in Jerusalem (Krohn, s. Segen § 16 mit Anm. 122) und auf den „Stein des Anstoßes" (Christiansen®)). Ist Salonia im Trierer Segen Jerusalem, und ist folo im 2. Mersebspr. notwendig ein Füllen (Mogk, s. Segen § 16 mit Anm. 126), dann haben die Besegner jedenfalls sehr früh derlei Anknüpfung geben wollen. Sehr fraglich scheint es dagegen, ob auf alte Tradition zu schließen ist in den, zwar nicht ganz wenigen, Fällen, in denen ganz späte Texte, deutsche und andere, Biblisches bieten (Esel oder Füllen statt Pferd; Jerusalem), denn der Gedanke an den einzigen Fall, in dem die Evangelien Jesu Reittier erwähnen, lag zu jeder Zeit nahe. — Der S i n n ist wohl von Anfang der ganz einfache, daß Jesus einst eine Fußverrenkung (erlitt und) heilte. Nach Mansikka ') (vgl. Segen § 11) ist aber der Sinn s y m b o l i s c h : Chr. gekreuzigt und auferstanden. Daß spätmittelalterliche Bearbeiter volkstümlichen Segensstoff symbolisch anhauchen konnten, ist unleugbar; aber dies kann für unser Verständnis der einfachen, um 500 Jahre älteren Texte nicht maßgebend sein. Mansikka

1618

führt außer russischen Varianten auch deutsche Texte an; so die Fassung des 16. Jh.s mit „es verrenck vnd bracht sein (Jesu) hl. fleisch, bluet vnd bain" 8) ; aber „fl. bl. b . " stehen an dieser Stelle des Segens ganz ausnahmsweise, die Worte gehören in die Beschwörung und entsprechen hier dem (volkstüml. aufgefaßten) anatomischen Vorgang bei jeder Verrenkung ; die nahe Parallele des 14. Jh. (oben Anm. 4) hat nur „ d a verrancht er sein pain" — obschon eben dieser Bearbeiter einen anderen Segen derselben Hschr. etwas symbolisch prägt, s. Verhexung (Segen) § 1 mit Anm. 3. Weiter zitiert Mansikka einen Longinustext 9 ) gegen Wunden mit dem Schluß: „an dem dritten tag gepot gott dem lichnam, der in der erden lag, fleisch zu fl., pluet zu pl." usw.; hier sind die Beschwörungsworte in einen neuen Zusammenhang gebracht. Endlich den Segen „Gehenkt-verrenkt", hierüber unten § 4. ®) C h r i s t i a n s e n (s. A n m . 1 ) 203ÎÏ. 7 ) M a n s i k k a Über russische Zauberformeln 249 fi. 257. 8 ) Germania 17, 75, v g l . oben A n m . 4. 9) Z f v g l Spr. 13, 56.

2. D i e B e s c h w ö r u n g s w o r t e („Bein zu Bein" usw.), mit denen der § 1 behandelte Segen oft schließt, kommen, im einzelnen sehr variierend, auch ohne epischen Eingang vor, deutsch 10 ), englisch, skandinavisch, lettisch, tschechisch u ). Sicher ist dies ein sehr alter Typus. Kuhn wies auf Ähnliches im Altindischen 12 ) und nahm übereilt gemeinsames Erbgut an. — In welchen Fällen alte Sondertradition und in welchen bloß Vergessen des epischen Eingangs vorliegt, ist nicht zu entscheiden. 10) D G . 15, 14 M i t t e l f r a n k e n ; Mein H e i m a t land (Hersfeld) 2, 8 7 ; E b e r m a n n Blutsegen 22Í. Thüringen (Niedersachsen 1 1 , 323 Lünebg. H e i d e ; B e y e r Kulturgesch. Bilder aus Mecklenburg ι , 63, J. 1590); F r i s c h b i e r Hexenspr. 92 N r . 2 ; v g l . a u c h A l e m a n n i a 27, 1 1 6 . n ) F L . 6, 204 (englisch 16. J h . ) ; Z f V k . 5, 14 (lettisch); H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 406 (tschechisch). 1 2 ) Z f v g l S p r . 13, 58.

3. D e r H i r s c h a u f d e r H e i d e 1 3 ) . Ältester Beleg, 16. Jh. : „ E s lüff ain hünd (Hinde) über ein haid, verrenckt yres bain, do kam Maria die muter gotz : hünd, was stast hie a l a i n . . .dritt mir her uff

Verrenkungssegea minen rechten fûsz, das ist der verrenckin ain gute bûsz" 14) (vgl. für den Schluß den alten Segen „Man gieng", s. Verfangen (Segen) §1). In den späteren Varianten 1S ), die größtenteils auf eine gedruckte Form zurückgehen, ist der Schluß, wenn vorhanden, fast immer: „Da kam der Herr J. Christ und schmiert's mit Schmalz (od. Salz) und Schmer, daß es ging hin wie her". — Eine ältere Richtung (Losch) sah in Christus den Balder des 2. Mersebspr., und zwar „Hirsch und Balder in ihrer Naturbedeutung" (Licht, Sonne). Die urspr. Fortsetzung des Eingangs über Hirsch auf Heiden dürfte in Skandinavien erhalten sein 18 ) : Jesus kommt und erfährt auf Anfrage, daß das Tier an E i t e r und Vergift leidet, und hilft ihm. Grundlage dieses Eitersegens ist der alte, durch die „Physiologus"-Bücher 17 ) weit bekannte Glaube, daß der Hirsch eine Schlange verschlingt und sich nachher durch Quellwasser reinigt ; in der erbaulichen Auslegung des (deutschen) Physiologus ist Christus der rettende Quell. Im Deutschen ist dann der alte Schluß des Segens vergessen, und der Anfang wurde an eine (späte) Form des V. (§ i),wo ja auch Christus und ein Tier vorkam, gekettet, obschon ein Hirsch als Objekt einer Verrenkung etwas fern liegt. 13)

L o s c h Balder 2 8 f l . ; E b e r m a n n Blutsegen I 5 f . ; O h r t H e s s B l . 22, und Da signed Krist 202ff. 1 4 ) A l e m a n n i a 22, 121 Nr. 5. 16) W o l f Beiträge 2, 426; M a n z Sargans 7 5 ; Lammert 2 1 4 ; W ü r t t V j h . 13, 170 Nr. 52 ( A l b e r t u s M a g n u s ) ; 13, 226 N r . 305; M e i e r Schwaben 2, 5 1 6 ; Z f r w V k . 1905, 287; Z f V k . 8, 62 M e c k l e n b g . ; B I P o m m V k . 7, 1 1 7 . 1 β ) Danmarks Tryllefml. N r . 4 4 7 — 4 6 0 ; Norske Hexefml. N r . 105. 110. 1 7 ) L a u c h e r t Gesch. des Physiologus passim.

4. C h r i s t u s g e h e n k t . „ D a h a s t d e i n Bein verrenkt, man hat J. Chr. ans Kreuz gehenkt; thut ihm sein Henken nichts, thut dir dein Verrenken nichts" 18) (Albertus Magnus). So oder ganz ähnlich ist der Segen in neuerer Zeit bekannt l e ). Enger und packender ist der Parallelismus in der ältesten Aufzeichnung, 15. Jh. : „Christus wart erhenkcht, seine glider wurden im verlenkt; Christo schadt das henkchen nit, und dem glid das verlenken n i t " w ) . Dieser Text zeigt

1620

eine eigentümliche Verschmelzung des frühmittelalterlichen Segenstypus, der Christi Unberührtheit von allem Ungemach betonte (s. Christus in den Segen § 2), mit der späteren Neigung zur Ausmalung des Kreuzleidens. Das brutale Strecken der Arme und Füße Jesu schilderten u. a. Bonaventuras vielgelesene Meditationen 21 ) ; vgl. auch im Hymnus Salve Caput: „Membra tua macilenta, quam acerbe sunt distenta" usw. Es ist schwerlich rätlich, mit Mansikka den sehr alten Mersebgspruch und den Segen oben § ι über die Fußverrenkung des hl. Tieres (ev. Jesu selbst) im Lichte eines solchen Segens zu sehen ; und die von Mansikka 22 ) herangezogene Form des letzteren „ J.hat sich den F u ß verrenkt" usw. ist eine vereinzelte Mischform der beiden Segen. Ein Seitenstück hat die ältere Fassung italienisch (gegen Verrenkung): „II Signore sali (stieg) in croce, e tutte le carni si distrasse, il S. di cr. discese, 1.1. c. si ritrasse" 2 3 ),—die spätere magyarisch 24). — Unserem Segen parallel ist der Spruch gegen Verfangen (s. d. § 2) „Chr. gehangen". Nicht gerade wegen der früheren Bezeugung, sondern weil der Vergleich im V. einleuchtender ist, möchte man letzterem die Priorität zuerkennen. l e ) W ü r t t V j h . 13, 170 Nr. 52, v g l . 13, 191 Nr. 140. " ) Z a h l e r Simmenthai 108; L a m m e r t 2 1 3 ; Z f d M y t h . 4, 1 1 7 ; M e y e r Baden 573; S c h m i t t Hettingen 19; A l e m a n n i a 4 0 , 1 4 6 ; Z f r w V k . 1909, 290; Z f V k . ι , 194 B r a n d e n b g . ; U r quell ι (1890), 170 Rendsbg. ; Z f V k . 8, 62 Nr. 2 M e c k l e n b g . ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 92. Auch g e g e n B r a n d w u n d e n W ü r t t V j h . 13, 185 Nr. 1 1 5 ( A l b . M a g n u s ) u. öfter (dann „ g e b r e n n t : geh e n k t " ) . 2 0 ) S c h ö n b a c h H S G . Nr. 809 (Donaueschingen 793); v g l . Germania 25, 71. 21)

Meditationes (Pisauri 1510) Bl. I 2ff. M a n s i k k a Über russische Zauberformeln 250. 23) P i t r è Bibbi, delle tradizioni popolari Sici24 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, liane 19, 292. 407. 22)

5. R i t u s s p r ü c h e , m e i s t gegen „Knarrband" (Verrenkung der Hand u. ä.). Z . B . : „(Bçsegner, mit Beil:) Ick hau, ick hau ! — (Verrenkter, den Arm auf der Schwelle:) Was haust du? — Den Knirrband" M ). Auch skandinavisch 2β). — Vereinzelt andere Ritussprüche 27 ). 26) K u h n u. S c h w a r t z F r i s c h b i e r Hexenspr. 69.

443, S w i n e m ü n d e ; Norske Hexefml.

2·)

1621

verrücken—ι-vertauschen

N r . 34; Svenska LandsmálVXX 2, 9. î 7 ) M ü l l e n h o f f Sagen 5 1 5 N r . 26; E n g e l i e n u. L a h n 264 N r . 1 4 5 ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 68f. Ohrt.

verrücken s. r ü c k e n 7, 8420. verrufen s. v e r h e x e n II, 4. versagen s. v e r h e x e n II, 4. verschlingen s. S c h l i n g e , verschreien s. v e r h e x e n § II, 4. versehen s. v e r h e x e n § II, 3. Versehen s. S c h w a n g e r s c h a f t 7, 1406 ff. Versehen s. S t e r b e n d e r . Verstand. Der V., d. i. die Fähigkeit des Menschen, richtige Begriffe zu bilden und dem Begriff seinen Platz unter der übrigen Erkenntnis anzuweisen, wird vom Volke hoch geschätzt. Namentlich hat es ein sicheres Gefühl für die praktische Gabe der Urteilskraft und kleidet seine Wertschätzung gern in die Worte: Ein Quentchen Mutterwitz ist mehr wert als ein Zentner Schulwitz. In seinem um 1450 geschriebenen Buch der Natur will Konr. v. Megenberg an der äußeren Erscheinung eines Menschen erkennen, ob der Mann hellen Verstand und guten Charakter habe oder n i c h t I m Volke gilt es für ein gutes Zeichen, wenn einem Kinde früh die Nase fließt2). Dann bekommt es V. Näht man aber dem Kinde etwas an seinem Leib, so schadet es dessen V. s ). Bemerkenswert ist, daß das Volk in seinem Sprachgebrauch genau den praktischen Unterschied zwischen V. und Vernunft kennt und ihn auch durchführt. Zu einem Menschen, der vor Zorn „rappelig" wird, wird wohl gesagt: Mensch, nimm doch V. an, öfter aber: Nimm Vernunft an. Nach der Ansicht des Volkes hat das Tier wohl V., aber keine Vernunft. Vernunft hat allein der Mensch. 1 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 39. 3) B o h n e n b e r g e r Beiträge 1, 206.

2)

Wolf 18.

t

vertauschen

(verwechseln).

Boette.

Starke

Blutungen stillt man, indem man die beiden Strümpfe vertauscht 1 ). Um einen Blendstein zu erlangen, gräbt man vor Mitternacht eine Leiche aus und vertauscht ihr Hemd mit dem eigenen (Tirol) 2). Vielfach hängt mit dem Vert.

1622

und Verw. der D ä m o n e n g l a u b e zusammen, so wenn man bei einem Todesfall im Hause den Leinsamen vertauscht oder verwechselt, damit er nicht taub werde s ) ; dazu ist zu vgl. oben r ü c k e n , r ü t t e l n , s c h ü t t e l n . Insbes. das Vert, der Kleider gehört hierher, z. B. ebenfalls bei Todesfällen, wobei man den Dämon täuschen will *) (vgl. Trauerkleider). Das Verw. der Bändchen ist für das Kind unheilbringend8), jedoch vertauscht man gegen den bösen Blick Strümpfe e ) oder Schuhe 7 ) an den Füßen, vgl. dazu bei den Römern das Verw. der Schuhe am Morgen 8). „Im Hochzeitsfestbrauche erscheint der Kleidertausch zwischen den Geschlechtern oder wenigstens kleidet sich die Braut nach Empfang der Gaben um, aber auch der Namenstausch zwischen Braut und Bräutigam kommt vor" 9 ) ; ähnlich beim Vergraben des Maien9»). Selbst ein Vert, der Personen findet sich, wenn z. B. dem die Braut abholenden Bräutigam statt der Braut ein kleines Mädchen oder ein altes Weib, die eben mit der Braut vertauscht wurden, angeboten werden 10 ). Parallel stellt sich dazu ein Brauch der Esten, am Hochzeitstage die Braut mit einem Mannsgürtel, den Bräutigam mit einem Weibergürtel zu versehen u ) ; ähnlich bei den ägypt. Juden des Mittelalters 12 ). Zur Irreführung des Krankheitsdämons tauschen Mann und Frau die Namen 12a ). In Norwegen setzt sich beim Tischorakel der Mann auf Frauenkleider und umgekehrt 12b ). Das Verw. des Kindes verursacht den „Altvater" »). Am wichtigsten wird die Frage des V.s in der Wochenstube, wo das noch ungetaufte Kind am meisten der Vertauschung durch elbische Wesen (Zwerge M ), Hexen 16 ), Nixen 1β) u. a.) ausgesetzt ist 1 7 ); die legen dafür einen Wechselbalg 18 ) ; zur Verhinderung 1β ) dieser Art der Vertauschung gibt es eine Reihe von Mitteln, wie auch, um es rückgängig zu machen *·). Nixfrauen sind Menschenkinder, die vertauscht wurden 21 ) (s. Wechselbalg). i ) H ö h n Volksheilkunde 1, 8 3 ! 2 ) W u t t k e § 474 — A l p e n b u r g Tirol 354; Z i n g e r l e Tirol 38. 3 ) J o h n Westböhmen 167. 4 ) N a u m a n n Grundzüge 88. ' ) J o h n Erzgebirge 61.

1623

1624

vertrocknen—Verwandlung

·) S e l i g m a n n Blick 2, 222. ' ) Ebd. 2, 227; oben 2, 167; R e h m Feste m ; S p i e ß Bauernkunst 211. ®) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 252 (nach Sueton). ·) S p i e ß Bauernkunst 211. R e h m Feste i n ; vgl. oben 2, 167. 9 a ) M e i e r Schwaben 398; S a r t o r i 2, 184. 10 ) N a u m a n n Grundzüge 84. " ) S a m t e r Geburt 92Ì. 1 2 ) Ders. 13) 93. 1 2 a ) Z f V k . 3, 238. 1 2 b ) oben 6, 911. ZföVk. 14, 122. 14 ) G r i m m Mythologie 1, 388. " ) Heimatgaue 5, 305. l e ) DWb. 12, i86ff.; G r i m m Sagen 1, 39. 1 7 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 311; vgl. zum Wechselbalg W u t t k e § 581—585; s. unter Wechselbalg. 1 8 ) DWb. 12, 1867s.; G r i m m Mythol. 1, 388; Heimatgaue 5, 305. l s ) G r i m m Mythologie 1, 388; 3, 450 Nr. 484. 20 ) G r i m m Mythologie 3, 136. 2 1 ) DWb. I2,i867f. Webinger.

vertrocknen s. v e r d o r r e n . Verwandlung ist 1. nach primitiver Anschauung allem zukommend, was zur übernatürlichen (s. ü b e r n a t ü r l i c h ) Welt gehört oder ihr nahsteht x ). Dabei muß man allerdings zwischen Selbstverwandlung und Fremdverwandlung unterscheiden. Der mit übernatürlicher K r a f t Begabte hat in erster Linie die Fähigkeit, sich selbst zu verwandeln. Daß er mit seiner K r a f t auch andere Menschen oder Tiere zauberisch beeinflussen kann, steht daneben außer Zweifel; aber im primitiven Bereich lag es ferne daran zu denken, daß er sich ihrer gerade dazu bedienen könnte, einen andern zu verwandeln, wenn auch Berichte darüber nicht ganz fehlen (s. u.). War doch V . etwas, was eigentlich dem primitiven Wesen inhärent ist und umso umfassender geübt wird, je höher in der Hierarchie der Kräfte und Mächte ein Wesen steht. Die „ D e m a " (Geister) erscheinen nach dem Glauben der Marindanim bald als Menschen, bald als Tiere oder Pflanzen. Jede dieser Gestalten ist ihnen gleich gemäß und gleich wenig wesentlich. Man kann nicht sagen, daß ihnen eine Gestalt mehr zu eigen sei als eine andere, daß sie sich aus einer Grundgestalt in eine andere v.n, sondern ein Wesen, das seiner e i g e n t l i c h e n Natur nach unsichtbar ist, für das Gestalt nur ein Akzidens ist, zeigt sich, je nach den Umständen in einer oder der anderen Form 2 ). Eine etwas andere Auffassung beherrscht den Glauben an die V.sfähigkeit der Totem-Ahnen, altjirangamitjina (s.

Totemismus). Diese s i n d wesenhaft Menschen, sichtbare Menschen, und s i n d sichtbare Tiere; sie waren es wenigstens i n d e r altjiranga-Periode,

d a sie a u f

Er-

den wandelten, mögen sie in der Gegenwart auch unsichtbar geworden sein, oder nur in Stein- oder Baumgestalt noch sichtbar geblieben sein. Ihre Eigentümlichkeit bestand darin, daß sie gleichzeitig, in Konsubstantialität, Menschen und Tiere waren. Und kraft dieser ihrer Substanz, die Anteil hat an der Natur beider Geschöpfe, nehmen sie auch nach Belieben die Gestalten beider an 3 ). Und indem sie die Gestalt Mensch tragen, sind sie zugleich etwa Füchsin, indem sie als Füchsin erscheinen, sind sie zugleich Mensch 4 ). Denn dieser Anteil an beiden Naturen in einem, das ist eben ihr Charakteristikum. Da die Totem-Ahnen aber gleichzeitig auch Geistwesen von hoher Macht waren, konnten sie sich auch in noch andere Gestalten verwandeln, auch wenn sie die betreffende Spezies gerade nicht „waren". Abgesehen davon kommen auch Erzählungen vor, daß sie in einer Mischgestalt aus Mensch und Tier erscheinen, einer jener Mischgestalten ähnlich, die aus den Religionen der Kulturvölker des Abendlandes (Anubis mit dem Hundskopf, der pferdeleibige Zentaur, der bocksfüßige Satyr u. a. m.) s ) kennen. Ein Dema-Schwein, namens Sapi, kam einmal von der Insel Habee nach Jambi. Bei Tage war es ein schöner Jüngling, mit allem Schmuck und allen Waffen, wie ein rechter Marind sie haben soll. Aber bei Nacht verließ er das Dorf, glitt über die Hecken, wühlte in Schweinsgestalt die Pflanzungen um und stahl Yams. Sobald der T a g dämmerte, nahm er aber wieder die Gestalt eines Menschen an und kehrte ins Dorf zurück e ). In Iwòpataka lebten einst viele Menschen-Raben. Der Häuptling wollte einst einen Vogel verfolgen, der sie störte. „ D a nimmt er die Gestalt eines Raben an und fliegt nach Westen" '). Nach dem Mythus der Timeh pflog das erste Weib Umgang mit einem Hund, der sich nachts in einen Jüngling verwandelte 8 ). Die Gabe, sich in eine der Gestalten

IÓ25

Verwandlung

verwandeln zu können, kommt aber nicht nur den großen Ur-Ahnen, den ewigen Unerschaffenen zu, sondern die Konsubstantialität ist Gemeineigentum aller Klanangehörigen. Und wenn der einzelne „mehr kann als Brot essen" oder wenn er irgendwie von den Geistern begünstigt wird, so kann er sich dieser Gabe auch persönlich erfreuen 9). Keineswegs handelt es sich dabei um einen Wechsel der Wesenart oder Wesensstufe wie in späteren V.ssagen. Denn für den Primitiven und nicht für den der totemistischen Stufe besteht kein grundlegender psychischer Unterschied zwischen Mensch und Tier, geschweige eine Kluft. Der Mensch, der sich in einen Wolf, einen Tiger, einen Leoparden verwandelt, der primitive Häuptling, der nach seinem Tode in Löwengestalt weiterlebt 10 ), verliert dadurch nichts an seiner Würde. Im Gegenteil. Das Tier steht nach Meinung der Primitiven dem Göttlichen in vieler Hinsicht näher als der Mensch. Und die V. in Tiergestalt ist eher Zeichen einer Rangerhöhung, denn Erniedrigung, ganz abgesehen, daß die Fähigkeit sich zu v.n schon an sich Beweis für eine hohe Stellung in der Rangleiter der Geschöpfe ist. Viele jener großen Tiermenschen oder Menschentiere aus der Altjiranga-ZeitPeriode, der mythischen Urzeit, haben sich zuletzt noch in Steine verwandelt; sie sind in die Erde gegangen, wo sie auch heute noch sichtbar sind, die Konfiguration der Landschaft bestimmen und in leiblicher Gegenwart und spiritueller Einflußnahme an dem Leben ihrer Geschöpfe teilnehmen. Als Miß Olive Pink das Gebiet eines der nördlichen Arandastämme in Begleitung des Häuptlings dieses Klans durchforschte, zeigte ihr dieser die noch heute sichtbaren „Ahnen". „Diese arumba arumba (wörtlich: DoppelGeister, Großväter väterlicherseits) waren die materiellen Beweise, daß diese Ahnen einst auf Erden gelebt hatten, oder Beweise ihrer Taten und ebenso ihrer Gegenwart, d. h. der Gegenwart des Ewigen an ihnen Da war auch die BlauesJKänguruh-Mutter und ihr K i n d . . .

1626

2 Stücke blauen Felsgesteines, die sich aus dem sandigen Bett eines Wasserlaufes erhoben". An anderen Orten zeigte man ihr die Ahnengeister in Gestalt von Bäumen 1 1 ). Eine Legende der Loritja erzählt, daß die tukutita, die „ewigen Ungeschaffenen", ursprünglich Menschengestalt hatten. Eines Tages erschien ein böses Geistwesen und machte Jagd auf sie. Sie ergriffen zunächst die Flucht und nahmen dazu Tiergestalt an, als Kängurus, Emus, Adler. Nachdem dieser Übeltäter beseitigt war, nahmen viele der tukutita wieder Menschengestalt an, aber sie behielten die Fähigkeit, nach Belieben die Gestalt des Tieres anzunehmen, dessen Namen sie trugen. Zuletzt, am Ende ihrer vielen Wanderungen, verwandelten sich die Körper der tukutita in Bäume, Felsen oder Holz- und Steintjurungas 12 ). Eine ähnliche Vorstellung scheint dem Glauben an die Unnerêrdschen und „witte Wîwer" zugrundzuliegen, Dämonen, die sich durch deutlich erkennbare Beziehungen zur Pflanzenwelt auszeichnen und unter der Erde hausen 13 ). L. L é v y - B r u h l La Mentalité primitive 45; F r a z e r Totemism 4, 374; W u n d t Mythus 3, 563. 2 ) L é v y - B r u h l a . a . O . P. W i r z Die Marind-anim in Holländisch Süd-Neu-Guinea II 10. s ) L é v y - B r u h l a.a.O.pass. 4) Ebd. 58ft., pass. s ) ebd. 72ff. «) P. W i r z II 178. ' ) C. S t e h l o w Die Aranda- u. Loritja-Stämme in Zentralaustralien I 1. 8 ) B a n c r o f t The Native Races III 507. 8 ) L é v y - B r u h l a . a . O . 188; R. N o r d e n s k i ö l d La conception de l'âme chez les Indiens Cuna. Journal des Américanistes Ν. S. X X I V (1932), 1 2 : „Niemals sagt man, daß ein Tier sich in einen Menschen verwandelt hat, denn das Tier war schon der Mensch unter seiner Tiergestalt". 1 0 ) L é v y - B r u h l a. a. O. 57 Anm. 4. u ) Olive P i n k Spirit ancestors in a northern Australian horde. Oceania IV (1933), 186; A. P. E l k i n s Totemism in North Western Australia. Oceania III 462. 1 2 ) C. S t r e h l o w Anranda- u. Loritja-Stämme in Zentral-Australien II 2f. 1 3 ) M a n n h a r d t 1, 3f.

2. In der Mythologie der Kulturvölker ist die Fähigkeit, nach Belieben die verschiedensten Gestalten anzunehmen, eines der Attribute der Götter 14 ). Zeus erscheint denn auch als Wolke, Gans, goldener Regen, Stier, Mensch; Odin verwandelt sich in einen Menschen oder verschiedene Tiere, besonders den Adler16) ;

IÖ27

Verwandlung

die Göttinnen benützen Hemden, Federkleider, Tierhäute 1β ). Athene kommt zu Telemach als Schwalbe und zeigt sich ihm zuletzt in menschlicher Gestalt; ihre tierische Ergänzung ist die Eule. Zeus verwandelt Hermes in einen Adler 1 7 ). Auch die untergeordneten Gottheiten haben diese Gabe. Von dem griechischen Meergott Proteus kommt das Beiwort: proteus-artig. Und insbesondere Wassergeistern, dem Nix, der Melusine, dem Utoplice, einem Wassergeist des Plesser Kreises wird sie nachgerühmt 18 ). Meist freilich wird, wer achtsam ist, die V. erkennen: der Saum an dem Gewand der Wasserfrauen ist immer naß. Ihre Kraft ist auch beschränkt. Innerhalb einer gewissen Zeit müssen sie in ihr Element zurückkehren. Meist ist es das Gebetläuten, der Sonnenuntergang oder der Sonnenaufgang, den sie nicht in ihrer V. erleben dürfen. Das ist ein Zug, der später auch bei den V.en durch Verzauberungen begegnen wird, die oft auf eine bestimmte Zeit beschränkt erscheinen. Zu Grunde liegen dürfte der Gedanke, wie er der primitiven Vorstellung noch fremd war, daß man sich mit jeder V. in ein fremdes Gebiet oder Element begibt, in dem man es längere Zeit nicht aushalten kann. Auf eine gewisse Zeit muß man in die „eigentliche" Gestalt zurückkehren, den Fischschwanz haben, um wieder die übernommene Rolle aushalten zu können. Das Märchen drückt diesen Gedanken, daß es sich bei den V.en um ein eigentlich Ungehöriges handelt, so aus, daß die verwandelte Nixe in den Füßen Schmerzen empfindet, als ob sie über Messer schritte. Im Zusammenhang damit liegt auch das magische „Schamgefühl": wenn man der v.ten Person, dem Geist, der in Menschengestalt lebt, vorwirft, daß er nicht ganz ein Mensch sei, so muß er weichen und kommt nicht mehr wieder. Dieses Märchenmotiv dürfte mit einem Namenszauber (Lohengrin-Motiv) zusammenhängen; sobald man die übernatürliche Macht zwingt, ihren Namen zu sagen, oder ihren Namen nennt, sie also beim wahren Wesen nennt, muß sie verschwin-

Ι02δ

den. Die andere Vorstellung dabei ist die, daß man durch Undankbarkeit gegen das höhere Wesen (das der V. Fähige), das sich zum nicht V.sfähigen gesellt, sich dieses Vorzuges verlustig macht. Wenn also die Krokodilfrau von ihrem Mann beleidigt wird, verschwindet sie mit ihrem Söhnchen M ). Ebenso v.sfähig sind /iie Kobolde Irrwische, Elfen, kurz die Elementargeister aller Art, an die sich eine große Zahl von V.ssagen 21 ) knüpfen. Nicht minder zahlreich sind die V.smärchen 22). Fragt man sich nun, wie es zu diesem Glauben, der in der ganzen Menschheit solche Bedeuhing gewann, gekommen ist, bleibt man auf Vermutungen angewiesen; ist er doch nur ein Ausschnitt, ein Bestandteil der partizipativen, sympathetisch-synibiotischen Weltanschauung, die ihrerseits die magische Denkweise und damit das Denken der Mehrzahl der Menschen auch heute noch bestimmt. Wie kam es aber zu dieser? Sicherlich haben a u c h rationale Motive dabei mitgewirkt, nicht nur psychische. Keineswegs geht es aber an, sich die Entstehung des V.sglaubens oder gar des Totemismus so vorzustellen, daß der Primitive sich zu Raub und Rache mit Hilfe von Tierfellen verkleidete" 23) und sich so einfach daran gewöhnte, in verschiedenen Gestalten zu erscheinen. Damit geht man gerade an dem wesentlichen Moment vorbei, seiner natursichtigen Erkenntnis einer alle Wesen umspannenden Einheit, deren Symptom nur die V. ist. Damit geht man gerade an der Tatsache vorbei, daß dem Primitiven nicht die Medizin, nicht das Gewand allein wichtig ist, sondern die Zeremonie, die damit verbunden ist. Nicht die Verkleidung allein macht die V., sondern daß sich der Rechte verkleidet, der, dem die Gabe der V. an sich schon zukommt oder kraft Standes und Vorbereitung oder kraft Bundes mit höheren Mächten, ζ. B. auch als Geschenk der Tiere 24 ) gewährt wurde. Ausgehen muß man von der All-Kontigibilität bzw. All-Kontingenz, wie auch Mannhardt richtig gesehen hat 2 6 ). l4)

R.M.Meyer Religgesch. 173, 249 u. pass.;

1629

Verwandlung

I63O

anus; letzterer sei der Zauberei so mächtig gewesen, daß er sich „sogleich" (ohne Zaubermittel?) in einen Wolf oder ein anderes wildes Tier habe v.n können 32 ). Menschen, die diese Gabe haben, erkennt man an ihrem kleinen Schwänzchen. Bauern haben sich in Wölfe und Bären v.t, um sich an ihren Peinigern zu rächen 33 ). In Europa herrscht der 3. Die Selbst-V. der geistesmächtigen Glaube an den Werwolf (s. d.) bei GrieMenschen ist manches Mal familienweise chen, Russen, Engländern, Deutschen, In Südverliehen, manches Mal auch (besonders Franzosen, Skandinaviern. dort, wo noch der Totemismus stark ist) frankreich, Holland, Deutschland, Liauf die V. in eine bestimmte Gestalt tauen, Bulgarien, Serbien, Böhmen, Polen, beschränkt. Jeder der Landgeister Rußland ist er vielleicht heute noch nicht M (landvättir) — so sieht es Torhall — be- ganz ausgestorben ). In Dänemark, Schweden, Norwegen, Island kennt man V.en gibt sich als bestimmtes Tier auf den Fahrtag 2β ). Bei den Banana in Afrika in Wölfe und in Bären. Bezeichnendersollen sich die Mitglieder einer bestimmten weise denkt man bei diesen V.en an Wölfe Familie im Dunkel des Waldes in Leo- und an Bären. Bezeichnenderweise denkt parden v.n. Die Leoparden-Gesellschaften man bei diesen V.ssagen zumeist an ein sind auch heute noch mächtig und der Tier, das in der betreffenden Gegend am Schrecken der Polizeiverwaltungen, da häufigsten und am mächtigsten ist; aber sie keineswegs ungefährlich sind, viel- nie finden Verwandlungen nur gerade in mehr unter dem Schutze der magischen dieses statt, wie sich ja aus der oben darScheu, die sie einflößen, unzählige Ver- gelegten allgemeinen Situation ergibt. brechen verüben. In einigen ÜberliefeBisweilen v.t der Zauberer nicht nur rungen heißt es allerdings, daß sie die sich, sondern auch seine Gefährten und Begegnenden nur angreifen, nicht aber Schicksalsgenossen gleich mit. Ein Oberst töten dürfen, sonst bleiben sie Leopar- wird von den Schweden verfolgt; da v.t 27 den ). Umgekehrt handelt es sich um er sich und seine Truppe in Gebüsche, eine „ausnahmsweise" V. von Tieren in an denen der Feind sorglos vorbeizieht 3δ). Menschen, wenn nach einer faröischen Diese Gabe, sich und seine Armee im Sage die Seehunde einmal im Jahre als Bedarfsfalle zu v.n, wird auch dem alten Menschen erscheinen28). Livingstone Dessauer zugeschrieben3e), und ebenso begegnete in Afrika einem Eingeborenen, dem General Ziethen 37 ), der die Östervon dem es hieß, daß er sich in einen reicher so nasführte. Schlimm erging es Löwen v.n könne. Er lebte monatelang in einem ähnlichen Falle der Schar des im Wald und seine Frau brachte ihm das Obersten Sprengepiel zu Vechta; die Essen dorthin 29 ). Die Medizinmänner Schweden schlugen an diesen Pseudohaben natürlich vor allem die Gabe der Büschen ihr Wasser ab, das mußten die Tierv. Bei den Abiponen wird Tiger- Soldaten dann aus den Schuhen gießen. gestalt vorgezogen, in Honduras und Manchmal begegnet solches MißverständNicaragua die der Löwen und Tiger; eben- nis auch einem Hund Als ein Wilderer so in Nordindien30); der nordamerikani- einst vom Jäger sich überrascht fand, sche Schamane v.t sich in einen Coyote, v.te er sich flugs in einen Haselbusch. ein wolfsähnliches Tier 3 1 ) ; auch Sieg- Der gefällt dem Jäger und er bricht sich mund und Singjötli laufen nach der eine Knospe ab. „Damit hat er mir einen Wölsungensage als Wölfe. Bischof Liud- Teil meiner Haare abgerupft und mir prand von Cremona berichtet, Simeon, einen Schmerz zugefügt, daß ich hätte der Fürst von Bulgarien, habe zwei schreien mögen". Als er den Jäger wieder Söhne gehabt, den Petrus und den Bai- traf, sagte er ihm: „Du, Männle, wenn du

S i e c k e Götterattribute 312. " ) Y n g l i n g a S a g a c. 7. " ) H e r t z Werwolf 74s. " ) S t e m p l i n g e r le) Aberglaube 64. K ü h n a u Sagen 2, 294. M) R . N e u h a u s Deutsch-Neuguinea I I I 185. M ) Ranke Volkssagen 152fi. 21 ) H e l m Relig.gesch. 208; N o r d e n Aeneis V I 169; T y l o r Cultur 2, 471 ; W u n d t Mythus 1, 586. M ) R e i t zenstein Wundererzählungen 32 Anm. 2; R a n k e Volkssagen 28. ZdVfVk. 19 (1909), 34. M ) S c h ö n Werth 2, 221. M ) M a n n h a r d t 1, 3f.

Verwandlung

wieder an einem Haselbusch vorübergehst, so brich ihm keine Zäpflein ab, sonst könntest du unglücklich werden" 39 ). Diese Sage wird auch von Rübezahl, dem Geist des Riesengebirges, erzählt, ebenso wie die folgende: Der Hexenmeister sieht einen müden Wanderer, einen Hafner, mit vollbepackter Raufe daherkommen. Flugs verwandelt er sich in einen Block. Der Hafner setzt sich darauf, auch seine Ware findet Platz. Aber plötzlich dreht sich der Block, alles zerbricht. Später ersetzt dann der gutmütige Zauberer dem Hafner den Schaden Ebenso v.t sich der Wilderer in einen „Stock", auf dem der Jäger gar manches Mal Mittagsrast machte 41 ); nicht jeder freilich freute sich dieser Kunst. Ein anderer, der sich auch in einen Stock v.n konnte, sagt oft den jungen Leuten, sie sollten froh sein, daß sie nichts derartiges können, er habe es schon zu weit gebracht42). Als im Tannheimer Tal die Kaiserlichen, die gegen Bregenz zogen, einmal die kräftigen Jungen ausheben, v.t sich der Zauberer, so oft ein Offizier seiner ansichtig wurde, in einen katzgrauen alten Mann und blieb dadurch frei 4 3 ). Von Hexen wird erzählt, daß sie sich in Katzen oder Pferde M ) v.n 4 8 ). Besonderen Spaß machen die Geschichten von den Vielv.en. Der Teufelsschüler Krabat will der Not in seinem Vaterhaus abhelfen. Da v.t er sich in einen fetten Ochsen, den sein Vater dem Viehhändler verkauft; nur den Strick soll er behalten, sonst wird Krabat unglücklich. Während aber der Vater mit dem Geld und dem Strick fröhlich nach Hause zieht, kehrt der Viehhändler in einer Dorfschenke unweit Kamenz ein und läßt den Ochsen in den Stall führen. Als er nach einer Zeit die Stalltür öffnete, schwirrte eine Schwalbe ins Freie, vom Ochsen war keine Spur. Das zweite Mal verwandelt er sich in ein Reitpferd. Der Käufer verspricht zwar, Halfter und Zaum, die nicht mit verkauft wurden, zurückzugeben; aber ohne dieses Versprechen zu halten, schwingt er sich auf das Pferd und reitet es fast zu Tode. Endlich kommt er an die Schmiede und befiehlt das Pferd zu be-

1632

schlagen — ähnlich wie die Hexe (s. d.) mit Hufeisen beschlagen läßt, wer sie reiten muß, um den Alp (s. d.) loszuwerden. Das Pferd aber sagt leise zum Sohn des Schmiedes, während der Schmied die Eisen wählt: „Zieh mir den Zaum ab". Das erschreckte Kind tut dies. Da erhebt sich Krabat als singende Lerche zum Firmament. Aber auch der Teufelsmüller verfolgt ihn in Gestalt eines Raubvogels. Da suchte Krabat ein Versteck in einem Brunnen und wurde zu einem Fisch, dann zu einem goldenen Ring am Finger einer reinen Jungfrau, über die Zauberkünste keine Macht haben. Aber als die Jungfrau den Hühnern Gerste streute, rollte der Ring herab; flugs wurde er zu einem Gerstenkorn unter den andern. Sofort sprang ein großer fremder Hahn herzu und suchte nach diesem Korn. Ehe er es aber herausgefunden hatte, war Krabat zum Fuchs geworden und zerriß den Hahn 4e ). Wir haben hier das Motiv der „magischen" Flucht. Die Hexenverwandlung 47 ) wird durch Zusammenwirken zweier zauberbegabter Personen zum V.skampf 48 ), der im Märchen eine so große Rolle spielt. Eine andere Sage, die deshalb besonders interessant ist, weil sie als ganz natürlich vom Zusammenleben zwischen Menschen und Wasservögeln, bald im Element des Tieres, unter dem Wasser, bald im Element des Menschen, auf Erden berichtet, ganz in der Tonart der primitiven Tiersagen berichtet, erzählt von dem Knaben, der im Glasschloß des Tauchers unter dem Wasser lebt. Die Tochter des Tauchers liebt den Knaben, der Heimweh nach seinen Eltern hat, und möchte lieber mit ihm auf Erden leben, aber ihre Eltern erlauben es nicht. Als die Eltern einst nicht zu Hause waren, nahm sie alle Schätze und schwamm an die Oberfläche. Sie wurden aber verfolgt. Da v.te sie beide in Mandelkrähen und flog auf einen Baum. Die Mutter ließ auf sie schießen. Da v.te sie sich in einen Hasen und in einen Fuchs. Die Mutter rief: „Tötet den Fuchs und fehlet den Hasen". Da schlug sie mit einem Stock auf die Erde, es bildete sich ein Teich und sie wurde zur Ente, er zum Enterich,

1633

Verwandlung

die Mutter konnte sie nicht fangen und platzte vor Schmerz. Dann aber vergaß der Junge sein Versprechen und wollte die Tochter des Königs heiraten. Da kamen eine Taube und ein Habicht herangeflogen und setzten sich auf den Schrank in dem Saale. Die Taube macht nun dem Habicht Vorwürfe, die der Bräutigam mit Recht auf sich bezieht. Die Taube v.t sich schließlich in eine wunderschöne Jungfrau, die er statt der Prinzessin heiratet 4e ). Später wurden diese Tierv.en, insbesondere der Werwolfglaube, satanisiert; im Werwolf sah man das Bild des TierischDämonischen in der Menschennatur60). 26 ) Jung. Olots Saga Tryggr cap. 215· *>) Z d V f V k . 19 (1909), 45. 28 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 17. 2 9 ) A n d r e e Parallelen 1,68; Z d V f V k . 19 (1909), 45. 30 ) C r o o k e Northern India 3250. 31) ZdVfVk. 19 (1909), 46. 3 2 ) Liudprandi Autopodosis I I I 29; Z d V f V k . 7 (1897), 246. » ) H ü s e r Beiträge 2, 10. 34 ) Z d V f V k . 19 (1909), 39. 35 ) H ü s e r a . a . O . 2, 11. 3 t ) B r a n d e n b u r g i a (1916) 179. 3 ' ) K r o n f e l d Krieg 96. » ) S c h e l l Bergische Sagen 285 Nr. 53α. 3 e ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 315. ω ) Ebd. I, 314. 41) R e i s e r Allgäu 1, 210. 42 ) Ebd. 1, 207. 43 ) Ebd. 44 ) I, 208. Petersen Hufeisen 230. 46 ) M ü l l e n h o f f Sagen 212; 244 Nr. 3 0 6 ! 4e) K ü h n a u 47 Sagen 3, 1 6 9 ! ) Klingner Luther 82. 48 ) K ö h l e r Kl. Schriften 1, 6o7f.; L i e b r e c h t Gervasius 156. 49 ) K ü h n a u Sagen 1, 274. M ) Z d V f V k . 19 (1909) 46.

4. Einer Übergangsstufe gehören jene Sagen und Märchen an, die davon erzählen, wie überlegene göttliche Kräfte zur Belohnung oder zur Strafe Menschen in ein Tier v.n und bei solcher Gelegenheit auch (analog den Totem-Ahnen, und doch ganz anders, weil nicht aus der eigenen Natur heraus und nicht in eine göttliche Natur hinein) ganze Tiergattungen schaffen, die dann irgendeine Eigentümlichkeit des v.ten Vorgängers bewahren. So v.t Athene die kunstvolle Arachne in eine Spinne, Demeter den Askalaphos in einen Uhu, Latona die phrygischen Bauern in Frösche, die vor Apollo flüchtende Daphne wird von Gaia aufgenommen und in einen Lorbeerbaum v.t. Eine ätiologische V.ssage der alten Griechen sagt, warum die Schwalbe immer „Itys, Itys!" klagt. König Tereus von Daulis hatte die Schwester PhiloB l c h l o l d . S t t u b l i , Aberglaube VIII

I634

mele (d. i. Nachtigall) seiner Frau Prokne vergewaltigt und ihr, damit sie die Schandtat nicht offenbare, die Zunge ausgeschnitten. Durch ein kunstvolles Gewebe stellte jene das Geschehene dar, worauf Prokne ihren Sohn Itys ermordet und Tereus die Schwestern verfolgt ; dabei werden sie in Schwalbe und Nachtigall, er in einen Wiedehopf verwandelt: jene kann bloß zwitschern, diese ruft immerfort nach ihrem Sohn Itys 6 1 ). Der Specht ist eine v.te Frau; nach einer rumänischen Sage ruft er nach seinem Sohne Gòn (Johann) S2 ). Der Kuckuck war einst eine Bäuerin. Als sie den Herrn Jesus nahen sah, versteckte sie sich, um ihm nicht ein Stück Brot geben zu müssen. Nachdem er sich aber wieder entfernt hatte, steckte sie den Kopf aus dem Fenster und schrie Kuckuck. Zur Strafe ist sie v.t 63). Christus v.te einst einen Baumstrunk im Walde zu Maitnach in einen Menschen. Da dieser Baumstrunk aber oben einen Kröpf hatte, so haben die Walliser seither Kröpfe 64 ). Wer es richtig versteht, der kann aus Sträuchern, Häcksel und anderen Naturbestandteilen überhaupt Soldaten hervorzaubern 84 ). Auch Tiere werden so in Menschen v.t 5 S ). So entstehen auch Menschen aus der Saat der Drachenzähne und aus den Steinen, die nach der Sintflut Kadmos oder Iason oder Deukalion auf Befehl der Götter wirft, um die Erde wieder zu bevölkern. Der Satz, daß Gott sich aus Steinen Kinder erschaffen könnte, ist daher ebensowenig aus dem Rahmen der mythischen Denkweise herausfallend als das Verhalten des Franziskus, der den Steinen, den Vögeln, den Blumen predigt, sich von der magischen All-Partizipation entfernt. Nur der rein rationalistischen Denkweise erscheint er als Absurdität; für die Hörer war der Satz, daß im Falle sie verstockt bleiben, sich Gott aus Steinen die Gefolgschaft schafft, eine sehr reale und eindringliche Drohung. Der Gedanke an die V. in Tiere, welche der Mensch zu gewärtigen hat, wird variiert in der Vorstellung, daß der Mensch (jeder Mensch oder die macht52

Verwandlung

1636

begabten Ausnahmemenschen) nach ihrem gültigen haben, vielmehr einer „Erlösung" Tode in irgendein Tier eingehen, dort oder „Entzauberung", Entwandlung zuweiterleben. Dieser Gedanke wird manches gänglich bleiben. Sie betreffen zunächst Mal in Formen gedacht, die einfach das nur Einzelindividuen. Für diese sind sie Weiterleben in irgendeinem Seelentier, etwas, was ihnen wesensfremd ist und die Schlange ist bei allen Völkern als bleibt. Die Zaubermacht legt über das solches besonders beliebt, oder als Ei- menschliche Herz eine tierische Gestalt, dechse, Maus, oder dem speziellen Totem- zu der psychisch alle Verbindungsfäden tier voraussetzen; manches Mal grenzt fehlen; oder sie macht aus dem Tier eine er an Reinkarnationsvorstellungen, be- menschliche Gestalt, ohne daß das Tier sonders dort, wo je nach den Verdiensten darum aufhörte, Menschen unähnlich zu in diesem Leben das Fortleben in einem sein. Der Besen, den der Zauberlehrling schönen und mächtigen Tiere stattfindet, belebt, bleibt ein Besen und kann (soll) wie oben gesagt, wenn der Mensch sich rückverwandelt werden. Daß diese Disdessen würdig machte. So glaubt man, krepanz zwischen Sein und Erscheinung daß Verstorbene als Löwen oder Alli- eintritt, ist eben die Strafe oder Qual. gatoren weiterleben 56 ), die nach dem Bei solchen V.en liegen bisweilen ätioloGlauben der Kañern dann sich den gische Mythen zugrunde; bisweilen erHeimatstätten der Menschen nahen, ohne folgen sie zur Strafe, bisweilen aus reiner ihnen etwas zu Leide zu tun 5 7 ). In Bosheit oder Freude an der Macht. späteren Zeiten, wo die NaturverbundenBei den meisten Sagen, die auf Verheit schwindet, ist das Weiterleben in steinerungen hinauslaufen, sind die ParTiergestalt Strafe. Die Türken berichten, allelen zu den Sagen von den Totemdaß ausnahmsweise schlechte Menschen Ahnen so enge und die Absicht, gewisse nach dem Tode in wilde Eber v.t werden, Merkwürdigkeiten der topographischen die bei Freund und Feind die Gärten ver- Gestaltung aus den Lebensgewohnheiten nichten 58 ). Unsittlich lebende Pfarrers- jener Verfahren herauszudeuten, so auf köchinnen werden in Pferde v.t 5 β ). der Hand liegend, daß man sie nicht über„tyrannen, Verfolger, räuber und morder, sehen kann. Die Veränderung, die das weil sie in ihrem Leben als Löwen, Bären, Weltgefühl des Volkes unterdessen erWölfe sich erzeygten, werden nach ihrem fahren hat, zeigt sich aber, indem nicht leben mit dergleichen gestalten teufflen nur das Freiwillige in ein Unfreiwilliges wiederumb gepeinigt, ein schindhund, verkehrt wird — was bei den Primitiven ein geitzhals muß sich allda als ein hund Tat höchster Energie in freiem Entschluß wiedrumb quälen und leyden, ein gottes- war, wird hier zum passiven V.t-Werden lästerer mit teuffelszungen geplagt wer- wider Willen und durch eine andere, den" «). fremde Macht — sondern auch durch M Einführung des Gedankens, daß ein « ) N i l s s o n 115. ) ZdVfVk. 23 (1903), 273· G r o h m a n n 68. " ) B r a n d e n b u r g i a (1916) Agens, ein Movens, abgesehen von dem 179. « ) A n d r e e Parallelen 1 (1878), 75f. freien Willen vorliegen muß, damit die M ) L i v i n g s t o n e Südafrika u. Madagaskar V. zustande kommt. An erster Stelle (1858) 238; S o n n t a g Totenbestattung (1878) muß man hier an die unzähligen Sagen 115. ") K r o n f e l d Krieg 141. » ) ZdVfvon den versteinerten Riesen 61 ) und der V k . 14 (1904), 20. *·) A l p e n b u r g 251; R. K ö h l e r Kl. Sehr. 3, 263 f. « ) ZfdMyth. v.nden Kraft der Sonne β2 ) erinnern. In I, 405 f· Hispaniola kamen die Menschen aus 5. Prinzipiell von der Selbst-V. ver- zwei Höhlen; der Riese, der diese Höhlen schieden ist die V. durch andere, die Ver- bewachen sollte, verirrte sich eines Nachts, zauberung (s. Zauber), die nicht, wie die und die aufgehende Sonne v.te ihn in oben dargestellten Fälle, einen ganzen einen Felsen namens Kauta; darauf Stamm, eine ganze Tierart betreffen, die wurden andere von den ersten Höhlenüberdies an sich in der Regel nicht den menschen von der aufgehenden Sonne Charakter des Unwiderruflichen und End- überrascht und wurden zu Steinen, Bäu-

1637

Verwandlung

men, Sträuchern und Tieren·3). Nach einer Sage der Quiché wurden die ältesten Tiere durch die Sonne in Steine v.t M ). Ähnlich erzählen skandinavische Mythen, wie Gott Thor den weisen Zwerg im Frage- und Antwort-Wettkampf, in dem ihm sonst nicht beizukommen war, so lange hinhält, bis die Sonne in den Saal scheint und der Schwarzelbe zerspringt. Der Riese Atlas wird durch den Anblick der Gorgo versteinert und in das Gebirge v.t, das seinen Namen trägt. In den meisten Fällen begnügt sich die Sage aber nicht mit dieser einfachen Konstatierung, sondern führt die Versteinerung auf himmlische Strafe zurück 6S). Frau Hitt in Tirol war eine mächtige Fürstin. In ihrem Übermut peinigte sie die Armen und ritt auch über Brot. Zur Strafe traf sie ein Blitzstrahl und sie wurde versteinert. Christus versteinert in einem andern Fall einen Hartherzigen 6e). Am Wege von Zernim nach Boitin liegen in einem Buchenwalde drei Kreise von je neun Steinen (vermutlich von irgend einer prähistorischen Kultusstätte herstammend), die der „Steintanz" heißen. In der Nähe lag einst das reiche Dorf Dreetz, das im dreißigjährigen Krieg untergegangen ist. Aber die Sage erklärt diesen Untergang anders: einst wurde die Hochzeit eines reichen Paares dort gefeiert. Im Ubermut kamen die Gäste darauf, mit Würsten und Broten Kegel zu spielen, nur ein Schäfer beteiligte sich nicht an dem Spiele. Bald zog drohend ein Unwetter auf. Aber sie ließen sich nicht schrecken. Ein alter Bauer hob drohend die Faust und sagte: „ D u da droben magst anfangen, was du willst, wir lassen uns nicht schrecken". Da traf sie die Strafe des Himmels, sie wurden alle in Stein v.t. Den Schäfer hatte rechtzeitig ein Geist gewarnt. Er sollte fliehen und sich unter keinen Umständen umsehen. Er aber meinte das Schicksal zu überlisten. Ohne sich umzudrehen, schaute er zwischen seinen Beinen durch zurück. Da wurde auch er samt seinem Hunde zu Stein und man sieht die beiden Blöcke noch heute β7 ). Auch in der Geschichte von Loths Weib

1638

ist V. die Strafe des Zurücksehens des Geretteten. Frau Wolle ging einst zu dem salzigen See beim Dorfe Aseleben baden. Ein Schäfer aß gerade sein Brot, als sie vorbeikam, und sie bat ihn, ihr ein Stückchen zu geben. Aber mit Schmähreden wies er sie ab. Da berührte ihn Frau Wolle mit einer Rute, die sie in der Hand trug, und alsbald war er in Stein v.t. Darauf berührte sie die beiden Hunde und endlich die ganze Herde und alle wurden zu Steinen, die noch heute den bezeichneten Berg bedecken. Eine ähnliche Legende wird von der hl. Barbara berichtet. Ein Hirt hatte sie ihrem Vater verraten. Sie schalt ihn deshalb, da wurde er zu einem Marmorstein und seine Herde zu Heuschrecken M ). Die apokryphen Kindheitsevangelien schwelgen in der Erzählung von V.swundern aller Art, sei es, daß im Spiel aus feuchter Erde geformte Vögelchen von Jesus belebt werden, um sie vor Zerstörung zu schützen, sei es, daß böse Menschen in Totes v.t werden. Eine Bäckerstochter aus Jerusalem hatte einst ein Stück des Teiges, der für Christus bestimmt war, erzählt eine andere Quelle, für sich genommen; da wurde sie zur Eule. Prätorius erzählt, daß in der Nähe von Prag ein Edelmann gelebt habe, der zur Strafe für seine Sünden zu einem Hund v.t wurde. Ein Bekannter von ihm hatte diesen EdelmannHund noch persönlich gesehenββ). Das Buch Daniel erzählt, wie Nebukadnezar, der König von Babylon, zur Strafe für seinen Hochmut in ein Tier des Feldes v.t wurde und Gras fressen mußte, bis die bestimmte Zeit vorüber war und er erlöst wurde. Augustinus erwähnt den Glauben, daß Menschen in Zugtiere v.t werden können — die Metamorphosen des Apuleius sind ja allgemein bekannt gewesen und sprachen sicherlich den populären Glauben an die Allverwandlung nur parodistisch aus, wie er dem magischen Denken gerade auch jener Zeit nicht fern liegt. Eine andere, sichtlich nicht mehr ganz verstandene Tradition erzählt: eine reiche böse Frau hat ein Dienstmädchen, das sie schlecht behandelt. Doch findet sich für dieses arme Mädchen ein reicher 52*

1639

Verwandlung

Freier, der sie lieb gewinnt und heiraten will (Aschenbrödel-Motiv). Während einer Reise des Dienstmädchen nimmt die reiche böse Frau aber ihre Kleider (Kleider und Haut, Gestalt ist im Grunde dasselbe) und wird deshalb vom Freier nicht erkannt (erste spontane V.). Die Hochzeit soll schon stattfinden. Da kommt die wahre Braut zurück, der Irrtum wird aufgedeckt und die böse Frau wird in einen Wachthund v.t (zweite unfreiwillige V.) der dann später vom Wassermann ertränkt wird 70 ). Der dritte Typus von V.en ist jener, wo ein Hexenmeister, eine Zauberin oder irgend ein boshaftes oder wohlwollendes Mana-Wesen einen Menschen oder eine Sache in eine wesensfremde Gestalt zwingt: die V.s-Erzählungen im engeren Sinn. Eine Eskimofrau läßt sich trotz des Verbotes ihres Mannes mit einer alten Frau ein, die sich beim Weggehen in einen Fuchs v.t. In der Nacht wacht die junge Frau von fürchterlichen Kopfschmerzen auf. Sie greift sich an den Kopf und fühlt, wie ein Geweih zu sprossen beginnt. Sie verläßt die Hütte und hat schon das Haupt eines Rentiers. Ihr Mann folgt ihr, findet sie in einer Herde und erlöst sie, indem er ihr das Fell abzieht, wie man ihm rät. Er muß sie auf den Rücken werfen, wird ihm genau vorgeschrieben, und sehr achtgeben, damit er sie bei dieser Prozedur des Fellabziehens nicht umbringt. Vor allem muß er aufpassen, daß er nicht ins Fleisch schneidet. Wenn dann die ganze Haut abgezogen ist, soll er einen kleinen Einschnitt in den Bauch machen und die Frau wird herausrutschen71). Die Analogie und die Verschiedenheiten zu dem Märchen von Rotkäppchen und dem von den sieben Geißlein sind auffallend; hier kann darauf aber nur verwiesen werden. Eine junge Frau verliebt sich in einen Zuchthengst; als ihr Mann die Wahrheit erfährt, tötet er das Tier. Die Frau weint. Nach einiger Zeit ist sie verschwunden. Allmählich v.t sie sich in eine Stute 72). Die Löwen und Leoparden, die Menschen angreifen, sind gar keine richtigen Löwen

1640

usw. Das sind Menschen, welche von Zauberern zu diesem Behufe v.t, „geschaffen" wurden, wie die Primitiven sagen 73 ). Manchmal werden nicht lebende Menschen, sondern Leichen in wilde Tiere v.t. „Wenn ein erfahrener Zauberer ein frisches Grab entdeckt, da macht er durch eine Medizin die Leiche lebendig und v.t sie dann etwa in einen Wolf, den er in seine Dienste nimmt und in seinem Garten graben läßt. Er verwendet ihn aber auch zu weniger friedlichen Beschäftigungen. Er läßt ihn für sich jagen, die Pflanzungen seiner Feinde zerstören, Vieh und Menschen fressen So etwas geschieht oft. Manchmal werden die Zauberer vorzeitig gestört. Dann werden die belebten Körper nicht fertig v.t; das sind dann die Idioten, die man im Lande sieht" 74). Krokodile werden aus einem Stück Eisenholz geschaffen — beim ersten Versuch hatte der Rotschnabel ein Stück Blutholz genommen, aber das war von der Strömung weggeführt worden — das auf den Grund sinkt und so sich in ein Krokodil v.t. Es gibt verschiedene Methoden, solche V.en durchzuführen. Man kann ein Modell machen und ihm den Auftrag geben, nur einen bestimmten Menschen zu ergreifen. In manchen Fällen v.t sich das Krokodil, nachdem es den erteilten Auftrag erfüllt hat, von selbst wieder in das unbelebte Bild; oder man legt auch nur einen Zweig eines bestimmten Baumes ins Wasser 75). Ganz kürzlich begab sich ein Häuptling eines Stammes, der nahe beim Fluß Sepik in DeutschNeu-Guinea sich aufhielt, zum Leiter einer europäischen Expedition und klagte einen Einwohner eines naheliegenden Dorfes an, er habe ein Krokodil aus Holz geschnitzt und in den Fluß gesetzt und dieses, lebendig gewordene Krokodil habe dann des Häuptlings Tochter zerrissen76). Ein Lama aus Kunbum in Tibet erzählt dem Pater Hue, daß er und andere Mönche Püger mit Pferden zu versorgen pflegen. Man begebe sich zu diesem Behufe auf einen hohen Berg 30 Meilen vom Kloster, dort werden einen Tag lang Gebete rezitiert und dann nehmen die Mönche einen Pack von Papierpferden und werfen diese

1641

1642

Verwandlung

in die Luft; der Wind trägt sie weg; und durch die Macht Buddhas werden sie in lebendige Pferde v.t, die sich den Reisenden anbieten " ) . Als Eisenspiegel (Eulenspiegel) einst in Geldnot war, v.te er „Roggenschäube" in Säue. Diese verkaufte er an einen Bauer mit der Bedingnis, daß die Schweine in kein Wasser getrieben werden dürfen. Aber der Bauer gehorchte nicht, trieb die Säue durch einen Bach und da v.ten sie sich wieder in Roggenschauben 78). Hexen v.n in Kuh und Esel 7e ), in Vögel 80 ). Der Guttentager v.t alle Leute im Reiche des bösen, undankbaren Königs in Stein 81 ), ähnlich wie in der Odyssee das Schiff der Phäaken, die den Odysseus heimgefördert haben, in Stein v.t wird. Philemon und Baucis werden in Bäume v.t. V.en anderer Art schildert das Märchen von der armen Frau, der böser Sinn Käsewasser und Mist gibt; als sie aber nach Hause kommt, ist es Milch und Käse 82). Wasser, das man dem Armen gibt, wird zu Wein 83 ). Umgekehrt v.t sich Höllengold in wertlose Gegenstände. Eine moderne Sage aus den Vereinigten Staaten erzählt, wie eine alte Hexe immer ein kleines Mädchen haben möchte, die Eltern wollen sich aber nicht von dem Kind trennen. Eines Morgens war das kleine Mädchen verschwunden. Nach 14 Tagen kam ein verlorenes Schaf zu der Herde des Vaters, das sie dort behielten, weil sich kein Eigentümer fand. Im Herbst sollte es geschlachtet werden. Aber der Mann war nicht dazu imstande, obwohl er zweimal ansetzte. Denn das Schaf sah ihn so traurig aus seinen Augen an und Tränen rannen ihm die Backen herab. Da riet ihm jene Hexe, die zufällig anwesend war, er sollte einem Stinktier den Schwanz abschneiden und damit dem Schaf über die Augen wischen — eine für beide Teile unglaublich peinvolle Prozedur. Dann sollte er den Schwanz vergraben, und wenn er verwest sei, werde das Kind zurückkommen. Nach drei Wochen verschwand das Schaf und das Mädchen kam herein M ). Ein verstorbenes Kind kehrt als Vogel zurück: Eines Tages sagte der Vater: Siehst du den gelben Kanarien-

vogel, der bei der Haustür hereinkam und geradewegs durch das Haus flog? Niemand sonst hatte ihn gesehen. Der Vater sagte: Das war meines Sohnes Geist und ich werde ihm bald folgen. In zwei Wochen starb er 85 ). Ein besonderer Zug der V.ssagen sind die Teilv.en. Einige Sagen der nordamerikanischen Indianer schildern Menschen, die nur den Kopf, die Vorder- und Hinterfüße eines Wolfes besitzen 8e). In anderen Fällen ist ein Teil des Menschen vom Zauber frei geblieben — oder er kann sich für eine Zeit dem Zauber entziehen. el

) H e r z o g Schweizer Sagen 2, 32ft. · 2 ) B o l t e -

e3 P o l i v k a 3, 89. ) S e l i g m a n n 1, 167. ·*) Ebd. ««) S c h a m b a c h & Müller 334 Nr. 60. M ü l l e n h o f f 131. M ) SAVk. 14, 16 Nr. 13. • 7 ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 432I ββ ) Wolf

Beiträge 2, 37ff.

64!

70

β

· ) S t e m p l i n g e r Aberglaube

) K ü h n a u Sagen 2, 250.

71

) D.Jenness

Myths and traditions from North-Alaska, The Mackensie river and Coronation gulf. Report

of the Canadian arctic Expedition. 1913·—1918 XIII Eskimo folklore, 57 A. J.A.Teit Thompson tales. Folktales of Salishan and Sahaptin tribes 53. 7 3 ) P . F r . B ö s c h Les Banyam74 wesi (1930) 241 f. ) T h . M . T h o m a s Eleven years in central South Africa (1872) 293. 75 ) G . L a n d t m a n n Folktales of the Kiwai

Papuans 142. Acta societatis scientiarum fennicae. XLVII (1917). , e ) R e p o r t on the Territory of New-Guinea, enthalten im Report to the Council of the League of Nations. Canberra (1930) 120. 77 ) P.Huc et G ä b e t Souvenirs d'un voyage dans la Tartarie, le 7β Thibet et la Chine I I 136 f. ) Birlinger 7e Volkstüml. I , 335. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2

> 373®· 376·

81

M

) Wackernagel

) K ü h n a u Sagen 743.

aus Appenzell II.

83

82

Epea 34.

) D ä h l e r Volkssagen

) J e c k l i n 2, 8; G e l p k e

84 103. ) H . M . H y a t t Folklore from Adams 8ä County Illinois (1935) N r . 9665. ) Ebd. N r . 10462. 8 e ) Z d V f V k . 19 (1909), 88.

6. Sehr häufig vollzieht sich die V. durch bloßen Willensakt, besonders in jenen Fällen, wo es sich nur um das Hervorkehren von einer der mehreren Naturen des sich V.nden handelt. Scheinbar ist diese V. ohne Anwendung von Hilfsmitteln vor allem ein Vorrecht der höchsten Wesen in der Hierarchie der Geister. Sehr häufig wird aber auch erwähnt, daß besondere Anstalten dazu nötig sind, um eine andere Gestalt zu erlangen. Besonders belehrend ist hierbei eine papuanische Mythe. In einer Hütte lebte ganz allein

1643

Verwandlung

mit einigen Mädchen ein Jüngling namens Jasa. Niemand wollte mit ihm etwas zu tun haben, weil sein Körper mit Geschwüren bedeckt war. Nur eines der Mädchen hatte Mitleid mit ihm und warf ihm manchmal etwas Speise zu. Eines Tages sieht der Jüngling einen weißen Reiher. Es gelingt ihm, den schönen Vogel zu fangen und zu töten. Er reißt ihm die langen Federn aus und befestigt sie sich am Rücken und an den Armen. „Er ersetzt seine Augen durch die des Vogels und er nimmt ihm den Schnabel. Dadurch, daß er sich den Körper reibt, bewirkt er es, daß dieser sich mit Federn bedeckt; er borgt sich auch die Füße des Vogels aus. Nun war er nicht mehr ein Mensch; nun war er ein Vogel geworden. Versuchsweise schlägt er mit den Flügeln und sagt : Oh, ich bin wahrhaftig eine weiße Taube (sie) ! . . Nach einiger Zeit zieht er dann die Vogelhaut aus und verbirgt sie". Jetzt erscheint er wieder als Aussätziger. Aber von Zeit zu Zeit legt er die Vogelhaut an und neckt in dieser Gestalt das junge Mädchen, das ihm Speise gibt. Sie bemerkt an den Augen des Vogels, daß er kein richtiger Vogel ist; und ebenso bemerkt sie, daß die Augen des jungen Mannes nicht so aussehen, als ob er wirklich krank wäre. Sie lauert ihm endlich auf und überrascht ihn, wie er die mit Geschwüren bedeckte Haut auszieht, die auch nur angenommen war, und dann die Vogelhaut überzieht, und fortfliegt. Diese Gelegenheit benützt sie, um seine kranke Haut zu verbrennen. Der Vogel kommt nichtsahnend von seinem Ausflug zurück, legt die Haut noch vor der Türe ab und betritt die Hütte mit der Haut in der Hand. Das junge Mädchen entreißt sie ihm unversehens, rollt sie zusammen und verbirgt sie in ihrem Grasschurz. Unterdessen kommen dann die anderen Mädchen zurück, bemerken den schönen jungen Mann, wollen ihn der ersten nicht lassen; diese gibt ihm zuletzt seine Vogelhaut zurück und er fliegt davon . . 87 ). Diese Erzählung zeigt zunächst die Vorstellung, daß man den V.ten ihre V. anmerkt. Auch nach deutschem Aberglauben kann man den V.ten daran er-

1644

kennen, daß er irgend etwas an sich hat, was ihn von einem natürlichen (s. übernatürlich) Tier unterscheidet, Größe, Ausdruck, die Gabe der Sprache usw.88). Zum andern zeigt sich besonders deutlich der Gedanke, daß die Haut ein Kleid ist und das Kleid eine „Haut". Für den Primitiven ist die Haut identisch mit dem Körper. Da der Weiße keine schwarze Haut hat, ist er kein „Mensch". Zuerst wurden die Weißen folgerichtig für Wiedergänger gehalten; heute ist man davon abgekommen ; aber deshalb wird der Primitive noch nicht zugeben, daß sie zu derselben Spezies gehören wie der Schwarze. Man kann sich eine solche Haut „machen" — von dem jungen Mann wird allerdings nur erzählt, wie er sich die Vogelhaut machte, und nicht berichtet, wie er zu der ersten Haut kam. Hat man aber die Vogelfedern am Leibe, so „ist" man ein Vogel und kann also auch fliegen. Kleider heißen bei den Eingeborenen der Insel Kiwai: oboro-tama (Haut [tama] des Geistes) 89). Noch ein anderes Problem ergibt sich dabei: um die magische „Haut" anlegen zu können, muß man nackt sein, zuerst alle anderen Häute ablegen. Deshalb sind die Schwanenjungfrauen und auch die entzauberten Mädchen primitiver Sagen nackt, wenn sie nach Ablegen des Federkleides überrascht werden. Ein junger Jäger überrascht mehrere Mädchen, die nackt Verstecken spielen; es sind Enten ohne Federkleid80). Und sie müssen sich nackt ausziehen, um umgekehrt die V. zu bewerkstelligen90) ; als Nakasunaluk von den Rentieren v.t werden soll, lassen diese ihn zuerst seine Kleider ablegen91). Es ist deshalb ein fundamentaler V.sritus und nicht nur ein Anlegen von Kostümen, wenn bei primitiven Riten die Männer sich in ein sorgfältig vorgeschriebenes und traditionelles Kostüm hüllen. Die Masken geben nicht nur Anteil an dem, den sie nachahmen oder darstellen, sondern sie v.n. Allerdings wird dabei als selbstverständlich vorausgesetzt, daß solche „Haut" vom Berechtigten und Eingeweihten getragen wird; sie muß unter den richtigen Zeremonien

1645

Verwandlung

angelegt werden. Gelegentlich wird von der Zauberkraft der Maske auch ein Mensch ergriffen, der nicht für sie bestimmt ist, aber dann meist zu seinem Unheil. In der Regel bedienen sich ihrer v.nden Kraft Medizinmänner, Schamanen, Geistwesen. Die V. durch „Haut" oder Fell kann natürlich in die verschiedensten Tiere erfolgen (s. oben), meist natürlich in mächtige und gefürchtete Tiere oder die Totemtiere des Klans. So v.t sich die dem EmuKlan angehörige Erlia (die von vornherein an beiden Wesenheiten, Mensch und Emu, partizipiert) durch Überziehen einer Emuhaut in ein Emu ®2). Nach einer Eskimosage kommt die wandernde Frau in eine Hütte und findet dort nur eine Frau, die eine Wolfshaut über den Rücken gehängt trägt. Die Männer sind auf der Jagd. Als sie ihr Nahen hört, nimmt sie die Wolfshaut fester um und eilt ihnen entgegen, und die Besucherin kann sehen, wie sie sich in eine Wölfin v.t und mit dem Schweif wedelt. Auch die Männer sind Wölfe. Bevor sie die Hütte betreten, v.n sie sich in Menschen9S). Bei den Nez-PercésIndianern lebte eine alte Frau. Sie fühlte sich beleidigt. Da nahm sie das Fell eines grauen Bären um, v.te sich in dieses Tier und verließ die Gemeinschaft M ). Es gibt ein ganzes Dorf von Adlermenschen. Dort hängen überall die Adlerhäute herum; für die jungen Menschen Häute, die den jungen Adlern ähneln, für die älteren Häute nach Art älterer Adler 94 ). Die Tiere bewegen sich bei sich zu Hause oft in Menschengestalt. Ein Jäger folgt einer Hindin in das unterirdische Reich der Damhirsche. „Dort befinden sie sich in einem großen Haus und schauen ganz so aus wie die Indianer selbst. Sie sind gut angezogen und tragen Gewänder aus gut gegerbten Hirschhäuten". Als Tiere treten sie nur auf, wenn sie ihr Reich verlassen 9S ). Ganz analog heißt im abendländischen Folklore „sich v.n: sich häuten, seine Haut wechseln" 9e ). Der V. dient Freyjas Federgewand, die Schwanen- und Krähenhemden der Walkyren, Odins Adlergewand. Besonders ausgeführt erscheint

1646

diese Vorstellung im Werwolf-Glauben: Wer durch Geburt, Veranlagung, Übertragung, Teufelsbündnis ein Werwolf i s t , der erreicht durch Anlegen eines Gewandes oder auch nur eines Gürtels* 7 ) Wolfsgestalt. Diese besondere Fähigkeit blieb immer klar vor Augen und eignete namentlich den altnord. B e r s e r k e r n (s. d.), die teils als in Bären- oder auch Wolfsfell gekleidete Krieger (von Lily Weiser e8 )) teils als ekstatische Persönlichkeiten aufgefaßt werden 89 ), die durch ihre zeremonielle Aneignimg gewaltiger Kräfte mit Bären Ähnlichkeit gewinnen (in Bären v.t werden). In späteren Zeiten wurde sie als krankhaft angesehen; die Krankheit bekam den Namen „Lykanthropie" 10 °). Durch Umschnallen eines „Verwünschungsriemens" v.t man sich in einen „Löwenbären"; wird der Riemen nicht wieder aufgeschnallt, ist man ein Löwenbär 101 ). Zahlreich sind die der V. dienenden Mittel; meistens dienen sie der Herstellung einer engeren Partizipation. Auf der Insel Kiwai erzählt man von einem wunderbaren Mädchen, das eigentlich ein Kasuar war; sie „ s a u g t e " an der Feder eines Paradiesvogels und verwandelte sich dadurch in einen solchen102). Gurume v.t sich, indem er eine Vogelfeder roh v e r s c h l u c k t 1 0 3 ) . In der Geschichte von der Tochter des Königsgeiers, die einen Sterblichen heiratet und ihn dann in das Reich der Geier mitnimmt, heißt es, daß sie behufs V. nicht nur ein Federkleid für ihren Gatten mitbringt, sondern auch die Wurzel kumi k a u t und dann über ihn hinbläst 1M ). Zaubertrank und Zauberspeise spielt bekanntlich eine ganz große Rolle bei allen V.en. Diese Mittel brauchen auch manchmal gar nicht genossen zu werden; sie tun auch ihre Wirkung, wenn man sie in den Weg streut oder schüttet 106 ). Die von ihrem Ehemann betrogene junge Frau v.t sich durch beständiges (magisches) Weinen in eine Schlange (eines der vielen Beispiele, wo die V. stufenweise vor sich geht; als die Schwiegermutter zum ersten Male in die Stube schaut, ist erst der Schwanz fertig) 10e ). Die Krokodilfrau wird von ihrem Manne beleidigt. In magischem „Schamgefühl"

1647

Verwandlung

muß sie ihn verlassen und nimmt auch ihr Söhnchen mit. Um dieses in ein Krokodil zu v.n, spricht sie magische Formeln darüber aus (Zauberspruch) 1 0 7 ). Die 7 Raben werden durch den „ Z a u b e r f l u c h " v.t. Ebenso der gestiefelte Kater. Im Hexenglauben spielt die Hexensalbe eine besondere Rolle; manchmal dient eine solche Salbe auch zur Entzauberung 108 ). Im Märchen von Brüderlein und Schwesterlein sind die Quellen behext; wer daraus trinkt wird ein Tier. Der W a s s e r t r u n k 1 0 8 ) verwandelt und auch der S o n n e n s c h e i n u o ) (s. oben). Bei den Kpelle in Liberia herrscht der Glaube, daß ein Leopardenbesitzer sich nach Belieben in einen Leoparden v.n kann; aber es kann auch vielfach ohne und gegen seinen Willen geschehen, aus verschiednen anderen Ursachen. Vor allem, wenn er in den Neumond blickt, werden an ihm sofort leopardenähnliche Gebärden sichtbar, seine Haare wachsen ihm lang auf dem Körper, seine Haut wird scheckig, er springt knurrend umher, springt Menschen an und ist in einigen Minuten ein wirklicher Leopard. Oder er fällt in Raserei, stürzt zu Boden, wälzt sich in Zuckungen, Schaum tritt ihm vor den Mund, so daß nur mit Mühe mehrere Männer ihn bändigen können. Wirklich beruhigen kann ihn nur eine Frau, die ebenfalls das Leopardentotem hat; diese bereitet eine Medizin, die sie in ihrem Munde zerkaut und spritzt sie dem Rasenden in Nase und Ohren ein, worauf er in einen Mann zurückv.t wird m ) . Um sich zu v.n, tanzt eine Hexe im Mondlicht 112 ) ; denn der Mond gibt magische Kraft. V. wirkt Teufelsbrot 113 ) ; die Götterspeise, Nektar, Ambrosia, Soma, das Kraut des Lebens, der Apfel vom Baum der Erkenntnis oder des Lebens gibt göttliche Wesenheit. Die Hexe reicht den giftigen Trank, der V. bringt oder auch den Tod 1 1 4 ). Die Kraft der Erde 1 1 5 ), besonders der feuchten Erde 116 ) ist bekannt. Sieben Brüder essen eine zauberische Pflanze und werden dadurch Hirsche 117 ). Frau Wolle v.t den hartherzigen Schäfer, indem sie ihn mit einer Rute berührt U8 ), dem „Zauberstab", der auch in der Geschichte der Circe er-

1648

wähnt wird, und so vielfach zur V.skunst der Hexen gehört 119 ). Zum Nibelungenhort gehört die T a r n k a p p e , die nicht nur unsichtbar macht, sondern die Kraft gibt, jede gewünschte Gestalt anzunehmen. Bis zu einem gewissen Grade kann man unter die V.smittel auch die Schönheitsgürtel der Göttinnen rechnen, denn ihre Gestalt wird dadurch insofern v.t, daß sie dadurch verschönert wird. Durch Baden in der Quelle des heiligen Berges wird Heras Jungfräulichkeit alljährlich wiederhergestellt J e mehr im Volksglauben die V. nicht mehr freier Entschluß des Wissenden war, dem als solchem selbstverständlich auch die entsprechenden Mittel zur Rückv. zur Verfügung standen, sondern Zwang oder Strafe, um so mehr trat die Wichtigkeit der Entwandlung oder der Erlösung (s. d.) in den Vordergrund der Erwägungen. Keineswegs ist Entwandlung und Erlösung als identisch zu betrachten. Erlösung ist immer tiefer psychologisch gefaßt; forscht man den Erlösungsriten nach, so haben sie meist auf eine seelische oder äußerliche Läuterung, auf die Befreiung von einem Bann Bezug. Denn nur sehr selten vergißt der Aberglaube die grundlegende magische (und psychologische) Wahrheit, daß die V. wie jeglicher Zauber nur an dem dafür prädisponierten Menschen oder Ding geübt werden kann. Diese Disposition war einst Auszeichnung und Zeichen des Anteils an der göttlichen Natur; später erschien sie als Ausfluß angeborener Schlechtigkeit oder des Bundes mit satanischen Mächten; endlich als schuldig-unschuldige Verquickung mit magischen Apparaten. Aber dort, wo sie fehlt, bei der reinen Jungfrau z. B. verlassen alle Künste und die V. unterbleibt. Praktisch ist Entwandlung ziemlich regelmäßig das Widerspiel des V.sritus. Wenn der Prinz durch das Einstecken einer eisernen Nadel in einen Vogel v.t wird, so tritt Rückv. ein, sobald diese Nadel wieder entfernt wird. Die Entwandlung des Mädchens, das durch Saugen an einer Vogelfeder zum Vogel wird, geschieht durch Ausspucken der Feder. Der

1649

Verwandlung

Werwolf muß das Fell ablegen; dem Löwenbären muß der Verwünschungsriemen, durch den er v.t wurde, aufgeschnitten werden; der Rentierfrau muß der Ehemann die Haut abziehen und einen Einschnitt in den Bauch machen; die Federhemden oder die kranke Haut wird weggenommen, versteckt, verbrannt . . . m ) ; all dies ist nur Variation desselben Gedankens in seiner einfachsten Form. Allerdings liebt der Aberglaube sie noch mit anderen Motiven zu verbinden. Die weiße Stute wird wieder eine Dame, wenn sie getötet und ihr Herz entzwei geschnitten wird, während bei der Rentierfrau der Mann korrekterweise darauf bedacht sein muß, sie nicht zu töten und nur einen „kleinen" Einschnitt zu machen 122 ). Andererseits meint man, daß jede Wunde den Zauber löst, und auch jeder Tod 1 2 3 ). Wenn der Prikulitsch, der Werwolf, sich einmal in Tiergestalt v.t hat, kann er sich nicht wieder in einen Menschen v.n, wenn er nicht in dieser Tiergestalt zuvor ein Tier zerrissen und sein Fleisch gefressen hat, er kann also nicht so ohne weiteres sein Fell ablegen. Will er aber seine Disposition, unter der er ja leidend gedacht wird wie unter einer Krankheit, ein für allemal ablegen, soll er sich am heiligen Eliastag mit einem Eisen, das in einem Weihrauchbecken erhitzt worden ist, ein Kreuz in den Nacken brennen lassen. Dann verliert er sein Schwänzchen, das Zeichen wölfischer Natur, und ist befreit. Eine Rumänin zu Mühlbach lebte sehr unglücklich mit ihrem Mann, weil dieser tagelang sich herumtrieb und niemand wußte, was er da machte. Einmal, es war im Jahre 1888, kratzte es des Nachts vor ihrer Haustür; als sie aus dem Fenster sah, bemerkte sie vor der Tür einen großen Hund. Die Frau glaubte, es sei der Teufel. Deshalb nahm sie ein Stück Brot, machte das Zeichen des Kreuzes darüber und warf es dem Hunde vor. Da stand ihr Mann weinend vor dem Hause und begehrte Einlaß. Seit jenem Ereignis war er geheilt 124 ). Eine Vermischung der verschiedensten Erlösungsmotive zeigt eine bretonische Sage. Ein Soldat über-

165O

nachtet in einem behexten Haus. Vorsichtshalber legt er sich unter das Bett. Von da beobachtet er, wie eine große Sau hereinkommt, die ihr Fell ablegt, nachdem sie die Bettücher durchgewühlt, und als altes Weib dasteht. Er erschlägt sie mit dem Säbel und wacht dann die ganze Nacht über dem Fell, das er für teuflisch hält. Am Morgen sieht er, wie das Fell durch den Kamin davonfliegt — die Wolfshemden von Siegmund und Sinfjiötli werden sinngemäß verbrannt und fliegen so durch den Kamin davon 12B) — und damit ist der Zauber gebrochen 12β ). Prinz Marcassin legt jeden Abend sein Fell ab; als seine Frau es versteckt, ist der Zauber gebrochen 127 ). Ein Mittel, den Zauber zu brechen, ist auch die E h e 1 2 8 ) . Das Fell des grauen Wolfs, der eine Bäuerin geheiratet hat, spaltet sich bei Beginn der Messe und er entpuppt sich als ein Prinz 1 2 9 ) — hier spielt vielleicht das Motiv der Übertragung der Reinheit mit. Oft wird dieses Heiratsmotiv dann mit dem Todesmotiv verbunden. Im Märchen vom Froschkönig muß die Königstochter den verzauberten Prinzen nicht nur in ihr Bett nehmen, sondern auch (tötend) an die Wand werfen, damit Entwandlung eintritt. Ein Wolf, der eine Frau geheiratet hat, befiehlt ihr, ihm nach der Hochzeit den Kopf abzuhacken 130 ). Bisweilen ist die D a u e r der V. von vornherein begrenzt, auf neun Tage, auf sieben Jahre, auf ein Jahr. Manchesmal wird dies so dargestellt, als sei nur innerhalb einer bestimmten Zeit die Erlösung (s. d.) oder Entwandlung möglich. Eine Königin wird verzaubert; sie muß ihr ganzes Leben lang verzaubert bleiben, wenn ihr die Erlösung nicht binnen 3 Tagen gebracht wird 1 3 1 ). Manchmal wird der Zauber auch gebrochen, wenn der Zauberer stirbt. Darauf haben die zahlreichen Riten Bezug, wo durch Gegenzauber der Zauberer in Gefahr gebracht wird. Gedacht ist dabei freilich zunächst nur, daß der Zauberer, um sein eigenes gefährdetes Leben zu retten, den Zauber löst. Aber im Hintergrunde vieler Erzählungen, besonders jener, wo es darauf

1651

Verwandtschaft

ankommt, den Zauberer zu fangen und zu vernichten, steckt die Überzeugung, daß damit auch all seinen Übeltaten ein Ziel gesetzt ist 1 3 2 ). Bisweilen ist der Gegenzauber freundlicher. Die Märchen sind voll von Erzählungen, daß die Prinzessin erlöst ist, wenn sie l a c h e n kann; manchesmal muß auch eine andere Person zu einer schwierigen Handlung gebracht werden 133 ). Als dem heiligen Macarius eine Frau vorgeführt wird, die angeblich in ein Pferd v.t war, erklärte er: „Dieses Weib ist nicht v.t, sondern eure Augen sind verblendet". Er übergoß die Stute mit Weihwasser und machte die Zauberin wieder zur Frau 1 3 4 ). Eine wichtige Rolle spielt die magische „ S c h a m " . Die freiwillig v.te Person kann in der Menschengestalt nicht bleiben, wenn die Gesetze des Zusammenlebens gebrochen werden. Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß bereits bei den Primitiven die Vorstellung herrschte, daß die mythischen oder halbmythischen Wesen nicht beständig die angenommene Gestalt behalten oder behalten können. Die Tiere tragen bei sich zu Hause Menschengestalt. Manche Zwei-NaturenWesen sind bei Tage Menschen, bei Nacht Tiere (ζ. B. die Hyänenmenschen, da die Hyänen Nachttiere sind); andere Tiere nehmen ungekehrt nur nachts Menschengestalt an. Andere müssen nur zu gewissen Zeiten, Festen, Zeremonien in ihre andere Gestalt zurückkommen. Dies ist aber nur die eine Seite. Die andere ist die, daß der Bruch des Vertrauens von Seiten des Menschen, der sich in einem Vorwurf, einer Beschimpfung, der Nennung des Namens äußert, eine Unmöglichkeit des Zusammenlebens mit sich bringt 1 3 6 ). So bricht auch den Zauber, wer den V.ten mit seinem Taufnamen anruft 1 3 e ). 87 ) C. L a n d t m a n n Folklore of the Kiwai Papua 493 fi. Acta societatis scientiarum se) W u n d t fennicae X L V I I (1917). Mythus 2, 17711. 8 ·) H e c k e n b a c h de nuditate 35f.; G . L a n d t m a n n Kiwai quos 461. * ° ) D . J e n n e s a. a. Ο. X I I I Eskimo Folklore 57 A. « ) B i n d e M) w a l d Sagenbuch (1873) 133. Spencer & G i l l e n The Arunte I 325Í. D. J e n n e s s M) a. a. Ο. X I I I Eskimo folklore 76 A. S. Thompson Tales of the North American

1652

Indians 91. « ) Ebd. 1670. »·) W. G o l t h e r Mythologie (1895) 100. *') A n d r e e Braunschweig 380. ·*) W e i s e r Altgerm. Jünglingsweihen 44. ··) Vgl. Art. Berserker Bd. 1, 1094 Anm. ι . »») Z d V f V k . 19 (1909), 40. 1 0 1 ) Z d V f V k . l o a ) C. L a n d t m a n n 24 (1914), 416. a. a. O. 213. 1«) Ebd. 281, 506. 104 ) Th. K o c h - G r ü n berg Vom Roroima zum Orinoko II 82fi. 10S ) B a r t e l s Medizin 31 f. 1 M ) Ruth B e n e d i c t Tales of the Cochiti Indians Bureau of American Ethnology Bulletin 98, 95. 107 ) R. N e u ha us Deutsch Neu-Guinea I I I 185. 10< ) M e y e r Aberglaube 270. 1 M ) B o l t e - P o I i v k a 1,80. 1 1 0 ) Ebd. 3,89. 1 U ) W e s t e r m a n n Kpelle 220. 1 1 2 ) B r i f f a u l t The Mothers 2, 599. 1 1 3 ) M e i c h e Sagen 114) 519f. Nr. 665. K i i h n a u Sagen 1, 278. 115) H e y l Tirol 694 Nr. 18. " · ) Ebd. 537 Nr. 107. 1 1 7 ) S é b i l l o t í o / M o r e 3, 52g. 1 1 8 )Wolf Beiträge 2, 3 7 s . 1 1 > ) G r i m m Mythol. 2, 873, 120 ) 915. 794f. L é v y - B r u h l a . a . O . 238. m ) G r i m m Mythologie 2, 917, Anm. 1. m ) Séb i l l o t Folklore 3, 140. m ) M e y e r Aberglaube 270. 1 « ) U r q u e l l 6 (1896), 19. 1 2 5 ) H e r t z la>) S é b i l l o t Werwolf 86. 4, 46. 127 ) Ebd. 3, 56. i 28 ) Ebd. 3, 138. "») Ebd. 3, 5 2 f . 1 M ) Ebd. « i ) Ebd. 13S ) H. M. H y a t t Folklore from Adams County Illinois Nr. 9509, 9513, 9660. 133 ) S é b i l l o t a. a. O. 3, 53. 1 M ) Z f E t h 136 ) L é v y - B r u h l nol. 1 , 5 4 . a . a . O . 241s. 13β ) M e y e r Aberglaube 270. Κ . Beth.

Verwandtschaft.

ι. Allgemeines. V.*) ist ein umfassender Begriff, der sowohl die auf dem Blutsverband beruhenden „natürlichen" Beziehungen umfaßt wie „künstliche" 2 ), durch das Recht oder (ζ. B. durch Nachahmung des Geburtsvorganges) magisch geschaffene Verbindungen, wie Adoption (s. d.), Wahlbrüderschaft, Blutbrüderschaft (s. d.), gemeinsame Patenschaft (s. P a t e n ) , Namensgleichheit (s. N a m e ) 3 ), Schwägerschaft (s. F r e u n d s c h a f t ) . Man kann nicht ohne weiteres behaupten, daß das, was wir heute unter natürlicher oder Blutsv. verstehen, gegenüber der künstlichen stets das primäre gewesen wäre. Denn es gibt ζ. B. sehr primitive totemistische Volksstämme in Australien, wo die Klanzugehörigkeit und damit die V.sbeziehung des Kindes darnach bestimmt wird, wo die Mutter die ersten Kindesbewegungen gefühlt hat; man meint nämlich, in diesem Augenblicke sei der Geist in sie eingegangen, der in dem Kinde wiedergeboren werden will, welchem Verbände dieser Geist aber angehört, das ergibt sich daraus, welchem Verbände der nächstgelegene heilige Platz ange-

1653

Verwandtschaft

hört. Auch reicht bei den Primitiven der Bereich der V. oft über das menschliche Geschlecht hinaus, umfaßt Tiere, Pflanzen, Naturerscheinungen (s. T o t e m i s mus). Wie die V.sbeziehungen errechnet werden, das hängt wieder von Weltanschauung und Kulturauffassung ab. Wir kennen das klassifikatorische System 4) : das vaterrechtliche, das mutterrechtliche (s. Mutter und Ehe) und das heute herrschende kognatische, das die V. sowohl von Vaters wie von Mutters Seite in gleicher Weise berücksichtigt. Freilich ist man sich auch in Fällen, wo das rechtliche System die Zusammenhänge nach der einen oder andern Seite hin vernachlässigt, derselben faktisch und sozial oft weitgehend bewußt. Man darf auch nicht vergessen, daß ζ. B. auch heute noch die Gesetze in manchen Fällen (ζ. B. bei unehelichen Kindern) faktisch bestehende V.sverhältnisse übersehen und vernachlässigen, oder in der einen Hinsicht anerkennen, in der andern aber nicht.

1654

und der Stammesgemeinschaft eingeordnete Organisationsform bei den Südslawen die „bratstvo" 7 ), bei den Griechen die „Phratrie" (später kognatisch erweitert), bei den Römern die gens, welch letzterer noch in historischer Zeit gegenüber den Gentilen Strafgewalt und das Recht der Ausstoßung aus der Gens zukam 8). Im germanischen Sprachgebiet wird diese V. im weitesten Sinn mit dem Worte „Sippe" bezeichnet, got. sibja, an. sif, sift, ahd. sippa, sibba 9 ). Dieses Wort hängt wahrscheinlich mit der SanskritWurzel viç- „eintreten, sich niederlassen" zusammen, so daß die Sippe als die gemeinschaftliche Niederlassung verwandter Menschen aufgefaßt wird. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes war vielleicht: Versammlung, Versammlungsort. Im engeren Sinne hob man später auch noch den Geschlechtsverband der „Sippschaft" hervor (genealogia, maegô, farà)10). 1 Die Hausgenossenschaft umfaßte El) V i s s c h e r Naturvölker 2, 572. a ) Z a c h a tern, Kinder, Geschwister, wie auch heute r i a e Kl. Sehr. 250S. ; K i r c h e r Wein 80 Anm. 6; C i s z e w s k i Künstl. Verwandtschaft; G e n n e p noch Eltern, Mann und Frau, erwachsene Rites de passage 40ÍI. 3 ) N a n s e n Eskimo Life Kinder und teilweise Geschwister zu den 4 230. ) F r a z e r Totemism and Exogamy 2, 330; „nächsten Verwandten" rechnen u ) . Die W e s t e r m a r c k The History of Human Marriage Hausgenossenschaft hieß der „Schoß" ι , 250ft.; C u n o w Das peruanische Verwandtschaftssystem und die Geschlechtsverbände der oder „Busen"; die Magschaft rechnete Inka. man nach Gliedern oder Knien 12 ). Man 2. Im indogermanischen Rechtsgebiet schied dabei auch noch zwischen „Schwertspielte die V. eine hochbedeutsame Rolle magen" (männlicher V. aus dem Mannesauch als militärischers), wirtschaftlicher®) stamm) und „Kunkelmagen" (V. aus und Rechtshilfeverband (Blutrache, Eides- dem Frauenstamm beiderlei Geschlechts hilfe, Erbgemeinschaft u. a. m.). Die eng- und weiblicher V. aus dem Mannessten V.sverbände sind die Hausgemein- stamm) ; Rechte und Pflichten der beiden schaften; sie stehen unter der Gewalt des Gruppen von entfernteren V.en waren 13 Hausvaters; nach seinem Tode zerfallen verschieden ). die einzelnen Hausgemeinschaften, und Es wurde die Vermutung ausgesprounter der Gewalt der Söhne bilden sich chen, daß die indogermanischen Sippen neue; diese vergessen aber nicht ihre ursprünglich „reine Vatersippen" geweeinstige Zusammengehörigkeit, pflegen sen seien 14 ), und erst in verhältnismäßig vielmehr in umfassenderen Verbänden später historischer Zeit auch die V.n von von sehr lebendiger Kraft und weitgehen- mutterseits her zur V. gerechnet wurder Wirksamkeit — die aber meist nicht den 16 ). Dies habe sich schon allein, autoritär, wie die Hausgemeinschaft, son- zwangsläufig aus der Tatsache ergeben, dern demokratisch organisiert sind — daß die Indogermanen großen Wert auf ihre Beziehungen und die Wahrung ihrer Festhaltung ihres Stammbaumes im Gegemeinsamen Interessen. So finden wir dächtnis gelegt hätten, daß man sich aber als der Hausgemeinschaft übergeordnete ohne Zuhilfenahme der Schrift nicht die

1655

1656

Verwandtschaft

Namenstafeln nach beiden Richtungen hin merken könne: Eine unhaltbare Begründung für eine vielleicht richtige Theorie, angesichts der überwältigenden Gedächtnisleistungen bei primitiven Völkern, aber noch mehr angesichts der Tatsache, daß Bezeichnungen für dem Europäer ganz unfaßbare Feinheiten der V.sbeziehungen bei ihnen vorkommen, die dafür zeugen, daß man sehr wohl Blick wie Fähigkeit für weitverzweigte Beziehungen hatte. Eher schiene wohl die rein agnatische Konstituierung der Sippe dadurch erklärlich, das auf der einen Seite die Endogamie eine große Rolle spielte (also die mütterliche Familie identisch war mit der väterlichen), andererseits bei der exogamen Raubehe die Frau aus ihrem eigenen Sippenverbande faktisch und rechtlich gelöst und der Sippe ihres Gatten eingegliedert wurde, — Hochzeitsriten als Adoptionsriten 1β) — ihrem Gatten filiae loco, ihrem Sohne sororis loco gegenüberstand, und daher nach geschehener Versöhnung mit der Muttersippe sich wohl zunächst nur ein Freundschaftsverhältnis, aber nicht mehr, ergeben konnte. Eben die zahlreichen Fälle künstlicher V. sprechen ja dafür, daß es bei dem Begriff der V. nicht so sehr auf Tatsachen des Naturgeschehens (die rein natürliche Abstammung von einem gemeinsamen Stammesahnen) ankam, wie auf rechtliche und soziale Ordnungen — vielleicht analog unseren heutigen Aufnahmen in einen Staatsverband; man konnte als Blutsfremder (durch Adoption) Aufnahme in eine Familie finden, und man konnte, trotzdem man geborener Gentile war, aus dieser ausgestoßen werden. Auch das neugeborene Kind wird ja erst durch einen Formalakt (das Genießen von Nahrung oder das „Aufnehmen" von der Erde durch den Vater) vollberechtigtes Mitglied der Sippe und überhaupt der Welt des Lebens (s. K i n d ) ; die bloße Tatsache der Zeugung oder des Geborenwerdens genügt noch nicht, um ihm den Rechtsschutz der Sippe zu sichern 17 ). Ähnliche Bedeutung hat noch heute der Brauch, daß die Hebamme das neuge-

borene Kind aus den Armen der Mutter nimmt und es in die Arme einer Verwandten legt, die es hierauf einer andern und so weiter übergibt, bis es die Arme aller im Hause aus dem Anlasse der Geburt des Kindes anwesenden Verwandten der Wöchnerin passiert hat l s ). Als die Bedeutung der Sippe als wirtschaftlicher und militärischer Verband schwand, gewann die „Vetternschaft" an Wichtigkeit. Man zog jetzt Grenzen zwischen näherer und fernerer V., insbesondere auch im Hinblick darauf, daß die V.sehen verpönt wurden. Ein Engadiner Spruch sagt: Cusdrins (Vettern 1. Grades), suvrins (oder zavrins, Vettern 2. Grades), basrins (Vettern 3. Grades) e basbrinets (Vettern 4. Grades) Oura schiatta bain et inandret, d. h. mit den genannten Graden „ist die V. richtig aus und zu Ende" " ) . Freilich bleibt man sich auch später noch seiner Beziehungen und Verpflichtungen den entfernteren Graden gegenüber bewußt, wenn man es auch nicht mehr gerne sieht, wenn zu sehr auf diese Verbindungen gepocht wird. Eine Reihe von Redensarten macht sich darüber lustig, wie: die V. ist mit Erbsen auszuzählen (weil zu schwierig und weitläufig) ; verwandt durch drei (zehn) Scheffel (Erbsen-)Aussaat (weil diese weit voneinander kullern), verwandt wie Knoblauch und Zwiebel; verwandt wie Pastinak und Petersilie; die zehnte Suppe vom Pastinak; das zehnte Wasser vom Kisseel; die neunte Kachel vom Ofen ; aus der hundertsten Tasche; verwandt von Adams Zeiten her; sie sind verwandt wie der Wahlendorfer Berg mit dem Mehlkower (also gar nicht, die beiden Berge können sich sehen); nach dem blissenen Bullen von der bunten Kuh; vom bunten Ochsen und der blässenen Stute; die siebente Auskratz und die neunte Bäcke; er will mit mir verwandt werden (anpumpen)20). Doch bleibt auch die entferntere V. noch lange Fest- und Trauergemeinschaft, die sich zur Kirmes und anderen Feiern gegenseitig einlädt 21 ). 5)

T a c i t u s Germ. cap. 7.

β)

C a e s a r De bello

1657

Verwandtschaft

1658

gallico V I 22. 7 ) K r a u ß Sitte u. Brauch 32ff. Man meint, bei Heiraten in der näheren 8 ) S c h r ä d e r Reallex. 2, 408. ») M ü l l e n h o f f V., das Paar müsse entweder sterben und 10 Altertumshunde 4, 322. ) B r u n n e r Überblick verderben oder sterben ohne Erben. Im über die Geschichte d. französischen, normannischen und englischen Rechtsquellen 9.11 ) H öh η Tod Saterlande mußten ehemals verwandte Nr. 7 , 3 5 2 . 1 2 ) D e l b r ü c k Die indogermanischen Ehepaare sechs Wochen lang nach der Verwandtschaftsnamen in AbhLpz. 1 1 , 3 i 8 f f . ; Hochzeit mit dem Priester im Hochamte D i e t e r i c h Mutter Erde 88; S c h r ä d e r Sprach27 Die Ehe zwischen vergleichung 2, 303fí.; R o s i n Begriff d. Schwert- kommunizieren ). Verwandten wird unglücklich 28). magen·, G r i m m RA. 163, 1 7 ; W e i n h o l d Frauen 1 , 1 1 7 . 1 4 ) E . G r o ß e Die Formen der Bei einer Übersicht über die VerhältFamilie u. die Formen der Wirtschaft. 1 6 ) S c h r ä nisse im indogermanischen Rechtsgebiet d e r Reallex. 2, 4075. l e ) R . S c h r ö d e r Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte 70. l ' ) S c h r ö - finden wir sowohl endogame wie exogame d e r a. a. O. 6 7 . 1 8 ) ZföVk. 10 (1904), 97. !») S A V k . Einrichtungen. Bei den Iraniern sind 2 , 1 1 9 . 20 ) Urquell 4 (1893), i 5 6 f . " ) ZfrwVk. V.sehen aller Grade, auch mit Aszenden1907, 3 1 . 29

3. Verwandtenehen. Ethnologisch begegnet strenge Verpönung von V.sehen wie auch eine Vorliebe für solche. Man hat Exogamie oft mit mutterrechtlicher Organisation, Endogamie mit vaterrechtlicher in Verbindung gebracht, auch die Frage aufgeworfen, ob ein natürlicher Abscheu oder gesellschaftlicher Opportunismus oder ein tief beeindruckendes Geschehnis der Urgeschichte als Erklärungsgrund heranzuziehen wäre. West er marck tritt — besonders auch in seiner Polemik gegen Freud — und in Übereinstimmung mit einer großen Zahl von Autoren, wie Montesquieu, Hume, Finck und Müller-Lyer, Bentham, HavelockEllis und vielen anderen, dafür ein, daß zwischen Hausgenossen ein natürlicher und instinktiver Abscheu gegen geschlechtliche Vereinigung bestehe, der eben aus dem engen Zusammenleben resultiere; deshalb sei in der Regel auch der Kreis exogamer Eheverbote ebenso weit bzw. eng, wie der Bereich der Hausgenossenschaft 22 ). D u r c k h e i m 2 3 ) und Reinach M ) halten das Verbot der V.sehen für einen Sonderfall des totemistischen Bluttabus. Auch bei den Primitiven wird das Verbot der V.sehen schon damit begründet, daß sie Unglück bringen über die Ehegatten, die Gemeinschaft oder die Nachkommen 2δ). Im indogermanischen Rechtsgebiet erscheint diese Begründung zum erstenmal in dem Schreiben des Papstes Gregors I. an Augustin, den Missionar der Angelsachsen 2e). Sie hat dann im deutschen Volksleben tief Wurzel geschlagen.

ten, erlaubt ) ; aus der griechischen Mythologie ist die Geschwisterehe bekannt: Zeus und Hera — vielleicht sind auch das Ehepaar Alkinoos und Arete Geschwister — wie auch Njörd der Gatte seiner Schwester ist; die griechische Sage kennt die Ehe mit der Halbschwester väterlicherseits, mit der Mutterschwester (Diomedes), mit der Stiefmutter 30 ) (Iole); Hesiod empfiehlt V.sehen 31 ). Auf germanischem Boden gilt es als „väterliche Sitte", daß der Sohn nach dem Tode des Vaters die Stiefmutter heiratet 32). Bei Litauern und Preußen ist nur die Ehe mit der eigenen Mutter verboten 33 ). Exogame Völker waren bzw. sind die Montenegriner, Römer (auch bei ihnen bedeutete das Wort affinitas ursprünglich Schwägerschaft, Nachbarschaft, deutet also auf Ehen in der Nachbarschaft) und Inder. Bei den letzteren erstreckte sich das Verbot der V.sehe bis auf den 5. Grad mütterlicherseits und bis auf den 7. Grad väterlicherseits34). Auch das Alte Testament 3S ) und der Koran 3e ) kennen das Verbot der V.sehe. 22 ) W e s t e r m a r c k History of Human Marriage 2, 82ff. 2 3 ) D u r c k h e i m La prohibition de Vinceste et ses origines in L'année sociologique ι , 47ÎÏ. 2 4 ) R e i n a c h Cultes, mythes et religions ι , 1 6 5 3 . 2 6 ) W e s t e r m a r c k a. a. O. 2, 1 7 5 0 . 26 ) E . L ö n i n g Geschichte d. deutschen Kirchenrechts 2, 556. 2 7 ) S t r a c k e r j a n 2, 190. 2 8 ) Z i n g e r l e Tirol 26, 156. 2 β ) ZddmorgenländGes. 20, 1 1 2 ; 43, 308; H e r o d o t I I I 3 1 . 3 0 ) S o p h o c l e s Trach. V I 2 2 i f f . 3 1 ) H e s i o d Werke und Tage v. 700. 3 2 ) P r o k o p De bello Gotico I V 20. 3 3 ) H a r t k n o c h Altes und Neues Preußen 177. 3 i ) J o l l y Recht u. Sitte 62Í.; R i g v e d a X 1 0 ; P l u t a r c h Quaest. Rom. 108. 3 5 ) G e n . 24, 4; 29, 19. N u m . 26, 59; D t . 23, 1 ; 27, 2ofi.;

1660

verworfene Tage—Viehtag L e v . 18, 6—18; 20, u f i .

Sure 4, 27, 24,

31· 4. Nach allgemein verbreiteten Vorstellungen lebt nicht nur der Lebende im Kreise seiner Verwandten, sondern auch der Verstorbene. Die Ahnen holen den Sterbenden ein 37). Nach römischer Sitte werden im Leichenzug die Ahnenbilder mitgeführt M ). Eine besondere Stellung im Begräbnisritual wird stets den Verwandten zugewiesen. In Holstein sitzt der nächste Verwandte auf dem Sarg des Toten 3 '), oder er rezitiert anderswo einen bestimmten Vers 40) ; zum Totenmahl wird die V. und Freundschaft geladen. Begräbnisse am Sonntag sollen vermieden werden, sonst stirbt ein Verwandter nach 4 1 ). 3 ' ) S t e i n m e t z E ihn. Studien zur ersten Entwicklung d. Strafe 1, 151: Z d V f V . 15 (1905), 4. 38) M a r q u a r d t Das Privatleben der Römer

1.353i- 3 ' ) S c h ü t z e Holst. Idiot. 4, 2. 4 0 ) H ö h n Tod Nr. 7, 347. « ) Ebd. 345. M. Beth.

verworfene Tage. Als verworfene oder verrufene Tage bezeichnet man, namentlich in Süddeutschland, im allgemeinen alle U n g l ü c k s t a g e (s. d.) der Woche und des Jahres 1 ), aber auch besondere Unglückstage, die mit den gewöhnlich angeführten 42 Unglückstagen wenig gemeinsam haben. So entsprechen in Schwaben und Baden 28 verworfene oder verrufene T a g e 2 ) den S c h w e n d t a g e n (s. d.) Tirols. Nach einem P l a n e t e n b ü c h l e i n s ) gibt es 22 v. T., an welchen man Aderlassen, Schröpfen, Kaufen und Verkaufen, Werben und Heiraten und andere Dinge vermeiden soll. Diese sind: Der i . T a g des neuen J a h r e s . Der 2. Tag nach Lichtmeß . . Der 3. Tag nach Matthias Der ι . Tag im März Der 3. Tag nach Maria Verkündigung Der 10. Tag im April Der 4. Tag nach Georg Der 3. Tag im Mai Der 7. Tag vor dem letzten Mai Der 9. Tag vor Johannis . . . . Der 12. Tag vor Margareta . . . Der 9. Tag nach M a r g a r e t a . . . Der Tag Maria M a g d a l e n a . . . . Der ι . Tag im August

1. Jänner 4. Feber 27. Feber I.März 28. März 10. April 28. April 3. Mai 24. Mai

15. Juni 8. Juli 22. Juli 29. Juli 1. August

Der Der Der Der Der Der Der Der

3. Tag nach A u g u s t i n . . . . 6. Tag nach Maria Geburt Matthäustag 5. Tag nach Michaelis . . . 6. Tag vor Martini 3. Tag nach Katharina . . 2. Tag vor Nikolaus . . . . Tag vor Thomas

31. August 14. 21. 4. 5. 28. 4. 20.

September September Oktober November November Dezember Dezember

Ein Vergleich beweist, daß diese v. T . im engeren Sinne nichts anderes sind als eine durch Weglassungen und Umstellungen entstandene V e r s t ü m m e l u n g d e r ä g y p t i s c h e n T a g e (s. d.), während die 28 v. T. Schwabens und Badens zugleich mit den Schwendtagen (s. d.) auf eine bestimmte Gruppe von 32 Unglückstagen zurückgehen. ' ) G r i m m Myth. 2, 953. 2 ) W u t t k e 88 3) § 106 = S t e m p l i n g e r Aberglaube 116. ZföVk. 9 (1903), 236. Jungbauer.

verwünschen, Verwünschung s. Nachtrag. Verzeigen, auf dem Heuberge Terminus für Tod-Vorzeichen (s. Vorzeichen) oder Künden (s. d.). M e i e r Schwaben 488 Nr. 285.

Peuckert.

Vesuv s. Nachtrag. Vicelin, hl., Apostel der wagrischen Wenden in Holstein, Bischof von Oldenburg, f 1154 in Faldera (Neumünster) 1 ). Nach seinem Tode erschien er seinem Freunde Eppo und verbot ihm das Weinen, weil er alle seine Tränen in seinen Kleidern tragen müsse 2 ). Vielleicht das älteste Zeugnis dieses häufigen Sagenzuges in Deutschland. 1 ) D o y é Heilige u. Selige 491 ; D e e c k e Lübische Sagen 8. s ) H e l m o l d Chronica Slavorum

I, 79 = M ü l l e n h o f f Sagen 144. Andere Sagen von ihm: ebd. 107. 120. f Sartori.

Victoriaiis s. A l l e r m a n n s h a r n i s c h und S i e g w u r z . Vieh s. Nachtrag. Viehriicken s. Nachtrag. Viehschelm s. Nachtrag. Viehsegen s. Krankheitssegen, l a n d w i r t s c h a f tl. S e g e n § 2, V e r h e x u n g (Segen wider) bes. §§ 4 u. 6, Wolfssegen. Viehtag. Ein wohl aus vorreformatorischer Zeit in einer Anzahl rheinisch-

Vielliebchen—Viertelstunde

pfälzischer Orte fortlebender Brauch, einen Tag im Jahr als interkonfessionellen F e i e r t a g zu begehen. Manchenorts fällt der Tag mit dem des bayerisch-österreichischen hl. Leonhard (6. November), des bekannten Schutzherrn des Viehstandes (s. Leonhard), zusammen. Die Arbeit ruht; die Leute tragen Festkleider; Menschen und Tiere f a s t e n (früher wenigstens; s. d.) bis nach dem vormittägigen Gottesdienst, örtliche Überlieferung führt die Feier auf eine am Ende des 18. Jh.s weithin wütende V i e h s e u c h e (s. d.) und einen damals gelobten D a n k - und B u ß t a g (s. d.) unmittelbar zurück Anscheinend hat man es aber doch mit einer Wiederbelebung oder Fortdauer vorreformatorischer Sitte zu tun, die heute ohne Unterschied des Bekenntnisses in evangelisches Kirchentum hereinragt 2 ). Andere ähnlich gefeierte und begründete V.e fallen in eine seit alters bezeichnende Zeit, vor allem ins Frühjahr, so auf den Georgstag (23. April; s.d.), den Quirinstag (4. Juni; s. d.), aber auch schon den T a g des Pestheiligen Sebastian (20. Januar; s. d.). Aus Kerzenheim (Kirchheimbolanden) wird urkundlich über Anlaß, Begründung und Art der Feier des neubelebten evangelischen V.s berichtet s ). 1) A. B e c k e r Kirche und Volkstum (Beitr. z. Hkd. d. Pfalz 14. Zweibrücken 1933)· S. 2 ) Ähnliches: Rieh. A n d r é e 8—9. in Z f V k . 1911, 1 1 3 — 1 2 5 ; A. B e c k e r in Volk und Volkstum, Jb.f.Vk. ι (1936), 306—307. 3 ) B e c k e r Pfalz 112. 364. Becker.

Vielliebchen. Finden junge Leute verschiedenen Geschlechtes bei einem Zusammensein in einer Nuß oder einer Mandel zwei Kerne, so nennen sie diese „Vielliebchen" ; jedes ißt einen davon, und wer bei der nächsten Begegnung dem andern zuerst „Vielliebchen" zuruft, bekommt von ihm ein Geschenk 1 ). Der harmlose Spielbrauch stellt eine bescheidene Abart eines auf bestimmte Zeit geschlossenen Liebesverhältnisses dar. Vgl. M a i l e h e n , Valentin. Die Nuß wird im Volksglauben mannigfach mit der Liebe z u sammengebracht. In Frankreich redet man statt von „Vielliebchen" von Philippe und Philippine 2 ). Wie das Ursprungs-

verhältnis der beiden Formen ist, scheint noch nicht ganz klar zu sein s ). Ζ. B. K u h n Westfalen 2, 46f.; F o n t a i n e Luxemburg 157. J ) M a n n h a r d t 2, 288f. Anm. 2; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 411. 3 ) SchwVk. 11, 5of. t Sartori.

vier, vierblättrig s. Zahlen Β 4. vieräugig. Der vieräugige Hund, der über jedem Auge einen weißen Fleck hat, ist gegen Besprechung durch Diebe geschützt und schützt gegen das Käsmandel, einen Alpendämon 1 ). Im Volksglauben der Zigeuner lebt auch eine vieräugige Hündin, deren Gebell man manchmal im Berge vernimmt. Ihr Lieblingsaufenthalt in Siebenbürgen ist der Berg zwischen Homorod und Almas, wo man gar oft ihr Bellen weithin hören kann. Diese vieräugige Hündin kann man bisweilen an Flüssen sehen, wo sie ihren Durst löscht. So oft sie trinkt, tritt anhaltendes Regenwetter ein 2 ). Von der vieräugigen Hündin Sarama ist schon im alten Indien die Rede 3 ), und die alten Perser sprachen von einem Hund mit zwei Augen und zwei gelben Augenbrauen *). !) W u t t k e § 172. ») Urquell 3 (1892), 206. G u b e r n a t i s Die Tiere 353. 4 ) S e l i g m a n n Zauberkraft 456. f Seligmann. s)

Viertelstunde. Auch diese begegnet zuweilen in den abergläubischen Überlieferungen. In der Gegend des bergischen Ortes Dürscheid ist die Ansicht verbreitet, das F e s t s e t z e n (Bannen) könnten nur katholische Geistliche, und sie müßten immer eine V . Z e i t dazu haben 1 ). Nach einer vlämischen Sage brauchen die H u n d e d e s T e u f e l s , der mit einer Freikugel nach einem weiter als eine Meile entfernten Hasen schießt, eine V., bis sie mit dem erlegten Wild zurückkommen 2 ). Brauchen die Schiffer der Oderkähne Wind, so rufen sie halblaut und in schmeichelndem, vertraulichem Tone, damit nicht zu starker Wind komme, einige Male: „ K û l u p , ollVadder! K û l u p ! K û l u p " . Binnen einer V . erscheint dann der gewünschte W i n d 3 ). In Mecklenburg hat Frau Gode oder Fru Waur in einer V . das verfolgte weiße Weib eingeholt und trägt es vor sich auf dem Pferde 4 ). Und in einer Sage aus dem Böhmerwald klagt

1663

Viñeta—violett

eine verwunschene weiße Frau einem Manne, daß er um eine V . zu spät gekommen sei, sonst hätte er sie erlösen können 5Ί. l) Z a u n e r t Rheinland 2, 174. 2 ) G o y e r t u. W o l t e r 150. 3 ) J a h n Pommern 40 Nr. 53 = Z a u n e r t Natursagen 1, 12. 4) Z a u n e r t a. a. O. ι , 109, nach B a r t s c h Mecklenburg 1, 19 Nr. 23. 5 ) J u n g b a u e r Böhmerwald 118. Jungbauer.

vierundzwanzig s. Zahlen Β 24. vierzehn s. Zahlen Β 14. vierzig s. Zahlen Β 40. Viñeta s. Nachtrag. Vintler, Hans. O . v . Z i n g e r l e , ADB.40, 5 — 7 ; J . v . Z i n g e r l e in der Einleitung zur Ausgabe (s. Anm. 1).

Vintler, Hans (nicht Konrad, wie die Innsbrucker Handschrift schreibt), entstammt einem die Kunst und Dichtung liebenden tiroler Adelsgeschlecht. Sein Oheim Nikolaus erwarb Runkelstein und Heß wohl auch die dort zu sehenden Fresken mit Darstellungen aus der mittelalterlichen Dichtung malen. Hans war 1407 Pfleger des Gerichtes Stein und starb 1419. Sein Geburtsjahr ist unbekannt. E r verfaßte 1411 ein umfangreiches Lehrgedicht von Tugenden und Lastern, die Pluemen der tugent1), in der Hauptsache nach den italienischen Fiori di virtù a ) des Thomaso Leoni, jedoch mit Zutaten nach dem Anhang der Fiori und einigen anderen Quellen : Anekdoten und Erzählungen voll kulturhistorisch interessanten Details. Unter diesen Zutaten ist die große Aberglaubenliste besonders wichtig 3 ) : v . 7731—8245, wovon die Verse 7996—8167 die Legende vom Bischof Germanus als Beispiel für das gespenstige Fahren durch die Luft enthalten. Die Liste zählt zahlreiche abergläubische Anschauungen und Bräuche auf : Teufelsbannen, Schatzgraben, Wahrsagung aus Träumen, Handlinien, Vogelstimmen, Angang, Beobachtung von Glücks- und Unglückstagen ; Zauber allerlei A r t : Nestelknüpfen, Spiegelzauber, Zauber mit Körperteilen eines Gerichteten, Hostienzauber, Bildzauber, Liebeszauber; Totenbeschwörung, Hexerei und Hexenfahrten, Besegnung des Viehs, der Waffen, zahlreicher Krankheiten ; Alraune, Bertha mit der langen Nase, Erodiana

und Diana, die ladinische Orca usw. Eine Erläuterung der Liste aus Vergleichung mit sonstigen literarischen Quellen und heutigem Brauch gaben O. Ebermann und M. Bartels 4 ). Das von V . aufgezählte ist nicht alles von ihm selbst beobachtet. Ein Teil seiner Liste geht zurück B ) auf den Beichtspiegel des Martin von Amberg®), der Übersetzung eines lateinischen Speculum conscientiae, der auch in anderen Schriften seine Spur hinterlassen hat '). In manchem berührt er sich mit Berthold v. Regensburg, Joh. von Nürnberg 8 ) und anderen, aber eine weitere direkte literarische Vorlage ist bis jetzt nicht gefunden ; möglicherweise liegen also hier eigene Beobachtungen vor. Auf Vintlers Liste fußt der um 1525 bei H. Guldenmundt in Nürnberg gedruckte „Spruch von Zauberei und Aberglauben" des Nürnberger Hutmachers Asmus M a y e r . E r folgt dem Druck von i486 mit geringen Abweichungen, indem er namentlich solche Dinge, die ihm unverständlich oder unbekannt waren, unterdrückt, wie der Paralleldruck bei Ebermann deutlich zeigt 9 ). Alter Druck mit dem Titel: Flores virtutum oder das Buch der tugent, Augsburg i486. Kritische Ausgabe von J. v. Z i n g e r l e , Innsbruck 1874; vgl. auch Z i n g e r l e Sitz.-Ber. Wien 66, 279ft. 2 ) Hrsg. von J. U l r i c h , Leipzig 18900. 3 ) Z. Teil auch gedruckt bei G r i m m Myth. 3, 420if. *) Z d V f V k . 23, 1—18. 1 1 3 — 1 1 6 . 5 ) A. E. S c h ö n b a c h Zfdösterr Gymnasien 31, 378ff. ·) Hrsg. von v. d. H a g e n in seiner Germania ( = Neues Jahrb. d. Beri. Gesellschaft f. 7) deutsche Sprache) 2 (1837), 63f. Eberm a n n a. a. O. S. 4. 8 ) G r i m m Myth. 3, 424 Anm. 2. · ) E b e r m a n n a. a. O. S. 4S. druckt die Verse 1—190; der Schluß des Gedichtes in B o i t e s Wickramausgabe, Bd. 3 (Lit.-Verein 229), 328—330. Helm.

violett, veilchenblau, -braun, ist eine erst spät aus dem Französischen (violet, von lat. viola f. Veilchen) übernommene Farbenbezeichnung Vielfach ist es nur ein Ersatz für die nahestehenden Farben Purpur (s. rot) und schwarz (s. d.). Als Symbol der Demut und der Buße ist es unter die liturgischen Farben der röm.katholischen Kirche aufgenommen worden; v . sind die priesterlichen Gewänder in der ernsten, der Selbstbesinnung und

1665

der Buße gewidmeten Advents- und Fastenzeit u. a . 2 ) . In Altbayern und Oberschwaben gilt ein helles Brautkleid für anstößig. Die Braut trägt nur v . oder schwarz (s. d. 3 b ) 3 ) . Im Kanton Thurgau (Schweiz) trägt bei einer Witwen(zweite) Heirat die Braut einen v.en Schleier 4 ). In manchen Gegenden des Rheinlands stuft sich die Kleidung im Lauf der Trauerzeit ab, bis endlich, oft in V., „abgetrauert" wird 5 ). Eine als Zungenübung in Pommern verbreitete Redensart lautet: „Vigelett, vigelett, dat lett recht n e t t " e ). Ein aus dem Jahr 1727 handschriftlich überlieferter (Archiv Donaueschingen) Liebeszauber empfiehlt den v. blühenden Gartensalbei: „Nimb 1 salbinenblatt + stich mit einer ungebrauchten nadlen 3 Löcher dardurch + nimb alwegen von deinem haar eines + und von irem eines -f- zieg in die 3 Locher, daß sie nit mögen heraußfahlen. Nimb das salbinblatt, vermachs in ungebrauchtes Wachs, darnach gehe zue einem tauffstein + legs darauff + sprich : ich tauff dich im Namen Gottes Vatters -+- + amen! Gang dann in das Haus, da sie ist, - f vergrabs undter die thurschwällen, daß sie auß- + eingehet, so muoß sie Dich lieb haben" 7 ). Wer Gilgenwurzel oder die Wurzel der Ringelblume in einem v.seidenen Tüchlein bei sich trägt, ist bei Mädchen und Frauen beliebt «). 1)

F . L . K . W e i g a n d Deutsches Wb.s 2, 1176. G i h r Meßopfer 259fif. 3 ) W e i n h o l d Frauen ι , 343. 4 ) Mdl. Dr. P . Geiger, Basel. B ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 156. 6 ) Aufzeichnungen des Ingenieurs Elbert (Elberfeld 1902) aus seiner Stralsunder Jagendzeit; B I P o m m V k . 4, 134. 3 ) Alemannia 2, 1 3 1 ; M a r z e i l Kräuterbuch 174. •*) B I P o m m V k . 5, 106; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 170. Mengis. 2)

Violine s. G e i g e . Viper s. S c h l a n g e . Virgil 1 ). Die V.sage ist eine Sammelsage. Höchst verschiedenartige Motive, bei denen z. T. alte volksmäßige Vorstellungen zugrunde liegen, wurden mit V.s Namen verknüpft. Der Zauberer der ma.en Überlieferung ist identisch mit dem großen römischen Dichter, der allmählich zum Wundertäter der Stadt Neapel, zum B S c h t o l d - S t S u b l i , Aberglaubt VIII

1666

Violine—Virgil

Propheten, Zauberer und schließlich Teufelsbündler wurde. Er galt seit alters als Weiser und Gelehrter und wurde im Mittelalter wie andere Gelehrte, Galen, Hippokrates, Aristoteles, Pythagoras, Plato, Horaz, Gerbert, Albertus Magnus, Thomas von Aquin usf. als Magier aufgefaßt. Doch hatte diese Überlieferung keinen wesentlichen Einfluß auf die klassische Tradition über den Dichter. Man meinte früher, die veränderte Auffassung der Persönlichkeit V.s aus einzelnen Werken herleiten zu können bes. aus der 8. Ekloge und dem 6. Buch der Aeneide 2 ) ; doch scheint der Grund für die Sagenbildung nicht mehr erkennbar zu sein. Weder die Ansätze zu einer Sagenbildung in der frühesten Biographie V.s, die Donatus (4. Jh. n. Chr.) zugeschrieben wird, noch die Annahme Comparettis 3 ) die Überlieferungen über das Grab V.'s in Neapel hätten die Brücke zwischen literarischen und volkstümlichen Sagenbildungen gebildet, sind hinreichende Erklärungen für die seit dem 12. Jh. in der Literatur auftauchenden Sagen. — Die ersten, die Erzählungen über V. den Zauberer schriftlich überliefert haben, sind Ausländer und Geistliche, von denen unter den ältesten Johann von Salisbury, Konrad von Querfurt, Gervasius von Tilbury und Maître Gossouin Italien bereist und Neapel besucht hatten 4 ). V. wurde damals als wundertätiger Wohltäter der Stadt Neapel angesehen, und seine Stellung gegenüber der Stadt Neapel entspricht am ehesten der eines Schutzheiligen 5 ). Uberhaupt stand V . in dem Rufe einer gewissen Heiligkeit, dadurch, daß man eine zeitlang annahm, er habe in seiner 4. Ekloge Christus geweissagt. Man schlug seine Werke wie die Bibel in kritischen Lagen auf, und merkte sich den Vers, auf den zufällig der erste Blick gefallen war e ). Die wichtigsten Motive, die seit dem 12. Jahrh. von V. erzählt wurden, sind folgende: ι . D i e e h e r n e F l i e g e , die alle Fliegen von der Stadt Neapel abhält. Es ist nicht geklärt, ob es sich hierbei um eine Übertragung der Fliege, die Apollonius von 53

Tyana für Konstantinopel gemacht haben soll, handelt oder ob das Motiv von anderen Vorstellungen herstammt 7 ). *) Über den Zauberer V. liegt jetzt eine ausführliche Monographie vor: J o h n W e b s t e r S p a r g o Virgil the Necromancer, Studies in Virgilian legends. Harvard Studies in Comparative Literatur 10, Cambridge 1934. 2 ) Z· B. S c h a m b a c h Virgil ein Faust des Mittelalters 1, 3 4ft. lyi. ) Domenico C o m p a r e t t i Virgilio nel medio evo 2. Aufl. Firenze 1896 zitiert 4 nach S p a r g o 304ft. ) S p a r g o 302—311. ®) Ebd. iooff. ·) M e y e r Abergl. 146—48; G e r h a r d t Franz. Novelle 104. ') S p a r g o 70Ü.

2. Die Gebeine des V., die in einem Sack in Neapel aufbewahrt werden, und die nach Konrad von Querfurt Sturm verursachen, wenn sie an die Luft gelangen 8). 3. Die Schule V.s und seine prophetischen Gaben (Johannes de Alta Silvia, Dolophatos, Ende des 12. Jh.). V. als Z a u b e r e r (Wolfram von Eschenbach), A l c h i m i s t (Speculum naturale 1250), T e u f e l s b ü n d l e r . In Jansen Enikel's Weltchronik taucht das Motiv auf, daß Teufel in einem Glas V. das Zaubern lehren e). Er veranlaßt die Teufel ins Glas zurückzugehen, sobald er das Zaubern gelernt, oder das Z a u b e r b u c h erlangt hat. Das Z a u b e r b u c h wird im Wartburgkrieg (1278) und bei Reinfrit von Braunschweig (ca. 1300) erwähnt. 4. B ä d e r ohne Arzt. In Puzzuuli und Baja baute V. derartige Bäder, daß Bilder und Inschriften über jedem Gemach genau erkennen ließen, für welche Krankheit jedes Bad Heilung brachte 10).

·) S p a r g o 100—116. 8 ) Über dieses Motiv Teufel im Glas: B o l t e - P o l i v k a 2, 415—419, Nr. 99; o. 2, 1573. 10 ) Alemannia 4, 260.

5. Die Metzgerei. V. bescherte Neapel eine Metzgerei, die das Fleisch geschlachteter Tiere auf lange Zeit frisch erhielt. Es ist dies eine Tat, die keinem anderen Zauberer zugeschrieben wurde u ) . n

1668

Virgil

1667

) S p a r g o 79—86.

6. S c h l a n g e n a b w e h r . V. hielt die Schlangen von Neapel fern, wobei aus den verschiedenen Berichten nicht ganz klar hervorgeht, wie er das bewirkte 12 ). " ) Ebd. 83

7. P f e r d aus B r o n z e , das, solange es unversehrt blieb, die Pferde von einer sehr verbreiteten Pferdekrankheit be-

wahrte. Ähnliche Pferde wurden Apollonius von Tyana zugeschrieben 13 ). 13

) Ebd. 84 ff.

8. D a s E i , das V. machte, um die Festung, die danach Castell dell' Ovo genannt wurde, zu schützen, oder auf dem V. eine Stadt gebaut haben soll. Jansen Enikel erzählt, V. habe die Stadt Neapel gebaut und sie an drei Eiern aufgehängt. Oder V. habe ein Ei verfertigt, von dem das Wohl der Stadt abhing. Diese und andere Varianten zeigen, daß die Berichterstatter nicht mehr verstanden, was sie erzählten. Eine Quelle erzählt, V. habe ein Straußenei aufgehängt. Es ist möglich, daß diese Sage an den mohammedanischen Brauch anknüpft,ein Straussenei in den Moscheen aufzuhängen, möglicherweise spielt der Gedanke an ein Bauopfer dabei eine Rolle 14 ). 14 ) Ebd. 87—99. Vgl. L i e b r e c h t in Germania 5, 483 und 10, 408.

9. A u t o m a t i s c h e K u n s t w e r k e . a ) S a l v a t i o Romae. Alexander Neckam (Ende des 12. Jh.) ist der erste, der V. dieses Kunstwerk zuschrieb, und nach ihm wurde eine Reihe von Sagen über V. nach Rom verlegt. V. soll einen Palast in Rom gebaut haben, in dem eine Holzfigur jeder Provinz mit einer Glocke stand. Sobald eine Provinz sich gegen die Macht des römischen Imperiums erheben wollte, läutete das Bild der betreffenden Provinz mit der Glocke 15 ). Diese Art automatischer Figuren spielt eine große Rolle in den ma. Erzählungen, b) V e s u v regulator. V. verfertigte nach Konrad von Querfurt (1196) einen ehernen Mann, der einen gespannten Bogen hielt (nach Gervasius von Tilbury, ca. 1 2 1 1 , eine Trompete im Mund hatte) und die Asche bringenden Winde vom Vesuv her abhielt. Ein Bauer ließ den Pfeil der Figur abfliegen und dadurch wurde ihre Wind abwehrende Wirkung zerstört 1β ). c) Verschiedene a u t o m a t i s c h e F i g u r e n , die den Eingang zu Palästen, Gräbern, durch fortwährendes Hammerschwingen u. a. beschirmen. Verschiedene Figuren, die den Wechsel der Jahreszeiten, Wochen und Monate anzeigen17). d) E h e r n e I R e i t e r , die alle Abende die Straßen

Virgil

durcheilen und alle, die sich dem Gebot, abends nicht herumzustreichen widersetzten, töten 18 ). e) Sprechender K o p f 1 8 ) . f) Spiegel, der jeden, der Verrat im Herzen nach Rom kommt, zeigt 20 ). Nach Spargo gehen diese Kunstwerke alle auf die wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Versuche mit beweglichen Maschinerien zurück, die Hero von Alexandria (zwischen 200 v. Chr.—50 n. Chr.) beschrieben, und deren mechanischen Antrieb man im Laufe der Zeit vergessen hatte, so daß sie zu wunderbaren Schöpfungen eines Zauberers wurden 21 ). 16 ) S p a r g o 118. " ) Ebd. 119. " ) Ebd. 124. " ) Ebd. 132. 21 ) Ebd. 134.

17

20

) Ebd. 123. ) Ebd. 134.

10. Das K o r b a b e n t e u e r . Das in der mittelalterlichen, orientalischen wie abendländischen Literatur weit verbreitete, und auch noch in der Jetztzeit verwendete Motiv, handelt von einem Liebhaber, den seine Dame bei Nacht in einem Korb in ihre Wohnung (Harem) zu ziehen verspricht, ihn aber halbwegs hängen läßt, so daß ihn am Morgen die Leute da sehen können. Wahrscheinlich wurde das Motiv in einer lateinischen Handschrift des 13. Jh. zum ersten Male in der schriftlichen Überlieferung mit V.'s Namen verknüpft. In dieser Erzählung sind noch orientalische Züge erhalten. Anders in der nächsten lit. Quelle, in der Weltchronik des Jansen Enikel, wo eine reine Frau mit Hilfe ihres Ehemanns V. im Korb hochzieht und hängen läßt. Spargo vermutet, daß in dieser und ähnlichen Fassungen das Aufhängen im Korb als germanische mittelalterliche Strafe mit dem orientalischen Korb als Vehikel des Liebhabers in das Harem verschmolzen wurde 22). " ) Ebd. 145 ff.

1 1 . Verlöschen des Feuers. Dieses Motiv kommt auch allein vor 23 ), aber nach Enikel und bei den meisten von seinen Nachfolgern verlöschte V. als Rache für sein Korbabenteuer (s. 10) alle Feuer in Rom. Schließlich erklärt er, daß das Feuer nur unter einer Bedingung wieder angezündet werden könnte, wenn die Frau, die ihn gedemütigt habe, nackt auf dem Marktplatz stünde und den

1670

Leuten erlaube, ihre Kerzen und Späne an ihrer Person zu entzünden. Das würde so lange dauern bis alle Leute in Rom ihr Feuer geholt hätten, da die Kerzen und Späne sich gegenseitig nicht entzünden würden 24). Das Motiv des Verlöschens des Feuers hängt wahrscheinlich auch mit dem nächsten Motiv zusammen: 23 ) Z. B. G u i r a u t de joglar ca. 1200; S p a r g o 61.

M

Calanso Fadet ) Ebd. 199.

12. V. habe eine ewig brennende Lampe 2 5 ) (ewig brennendes Feuer) 24 ) gemacht. Bei der Ausgestaltung beider Sagen 1 1 und 12 scheint der Brauch von der jährlichen Erneuerung eines heiligen Feuers und der Glaube an die reinigende und sühnende Kraft des Feuers mitgewirkt zu haben 27 ). 2S ) Image du Monde 1245—46; S p a r g o 61. 205. 2β) Roman des Sept Sages, S p a r g o 205. 27 ) Ebd. 205 f.

13. Der Mund der Wahrheit, bocca della verità. V. machte einen Kopf, der die Finger der Ehebrecherin, die diese zum Schwur in seinen Mund legen mußte, abbiß, wenn sie einen falschen Eid geschworen hatte. Dieser Mund der Wahrheit wird verschieden beschrieben, meist als Steinscheibe mit einem halb löwen-, halb menschenähnlichen Gesicht; ein derartiger Stein mit demselben Namen findet sich in Rom in der Kirche S. Maria in Cosmedin. Die Grundlage dieser Sage scheinen alte Volksüberlieferungen zu sein28). 2e

) Ebd. 208—27.

14. Cäsars Grabmal. An den Obelisk in Rom, den Papst Sixtus V. 1586 an seinen jetzigen Platz bringen und die bis dahin auf der Spitze befindliche Kugel entfernen ließ, knüpften sich sagenhafte Überliefungen. Nach Jean d'Outremeuse sagt V. Cäsars Ermordung voraus, und gab dann den Rat, dessen Asche in einem Apfel auf einer 20 m hohen Säule in der Mitte von Rom aufzustellen. Ein spanischer Verfasser bringt eine erweiterte Fassung, nach der V. den Obelisk in einer Nacht vom Judenland nach Rom bringt29). 2

«) Ebd. 228—35.

15. Mauern und B r ü c k e n aus L u f t . Schon in den frühesten Quellen ζ. B. bei Alexander Neckam wird von

1 Vision—-Vitriol

1671

einem Garten V.'s erzählt, der von Mauern aus Luft umgeben war. Im Laufe von 400 Jahren wachsen die Sagen von V. ständig an und im ersten Viertel des 16. Jh. schrieb ein unbekannter Franzose Les faictz merveilleux de Vergille, eine vollkommene Lebensbeschreibung über V. Abhängig von diesem Volksbuch sind zwei weitere Lebensbeschreibungen V.'s, eine holländische und eine englische, wovon die letztere aber in der Hauptsache eine Übersetzung der holländischen zu sein scheint. In der Hauptsache unterscheiden sich die beiden letzteren Fassungen von dem französischen Volksbuch durch die unter 3 erwähnten Motive, Auffindung der Teufel und Erlernung der Zauberei und durch das Motiv der mißglückten Verjüngung 31 ). 31

3°) Vgl. Übersicht ) Ebd. 2 3 6 s .

bei

Spargo

60—68.

16. Verjüngung. V. befahl seinem Diener, ihn in Stücke zu hauen und in ein Faß zu tun, das unter einer Lampe stehe. Nach 9 Tagen werde er verjüngt sein, wenn die Lampe gefüllt und das Faß unberührt bleibe. Aber nach 7 Tagen vermißt sich der Kaiser V. und zwingt den Diener, ihn zu dem Faß zu führen. Als er die Tat des Dieners sah, tötete er ihn sofort. Da sahen die Leute des Kaisers ein nacktes Kind dreimal um die Tonne laufen und sagen: „Verflucht sei die Stunde, in der du kamst". Darauf verschwand das Kind; in dem Faß aber lag der tote V. Die Kunst der Verjüngung wird vielen Zauberern z. B. Roger Bacon, Albertus Magnus, Agrippa von Nettesheim, Parazelsus zugetraut ; möglicherweise ist V. der erste, dem sie zugeschrieben wird. Das Motiv ist aus dem Altertum bekannt und durch die Legende des hl. Nikolaus weit in der hagiographischen Literatur verbreitet 32). Unabhängig von den erwähnten franz., holl., engl. Volksbüchern ist das deutsche Gedicht „Von Virgilio dem Zauberer" M ), das um 1520 gedruckt wurde und zum Teil auf Enikel's Weltchronik zurückgeht. Ein andere deutsche Fassung der V.sage, ein deutsches „Volksbuch", gibt es nicht. Die Erzählung, die bei Karl Simrock, Die deutschen Volks-

1672

bücher, gesammelt und in ihrer ursprünglichen Echtheit wiederhergestellt, Frankfurt a.M. 1847,6,325ff., abgedruckt ist> ist eine Übersetzung aus dem Holländischen oder Englischen M ). Die holländische Fassung wurde wahrscheinlich schon 1676 ins isländische übersetzt. Während sich in der bildenden Kunst und in der Literatur Motive der V.sage lange erhalten haben 35 ), scheinen sie in größerem Ausmaß keinen Eingang in die neuere volksmäßige Überlieferung gefunden zu haben 3e ). 32 ) Ebd. 248f.; M a c C u l l o c h The Childhood of fiction, London 1905, g6f. 33 ) von J . B o l t e entdeckt, bei S p a r g o 453 ff. abgedruckt. 34 ) S. S p a r g o 251t, 424 Anm. 1 1 . 35 ) Ebd. Kap. 10 und 1 1 . 3e ) Verjüngungssage: S o m m e r Sagen 178. Weiser-Aall.

Vision s. Nachtrag. Vitriol. Vitriol wurde im Altertum vielfach als Heilmittel verwendet. In Deutschland war seine Anwendung als Arznei im 16. Jh. allgemein. Dem V.öl schrieb man stärkere Heilkräfte als dem Schwefel zu, da es besser in den Körper eindringen könne. Besonders heilkräftig galt es bei allen aus Fäulnis entstandenen Krankheiten, besonders gegen Pest 1 ). Lammert beschreibt seine Verwendung bei der Mundfäule 2 ). Das früher bei frischen Wunden, aber auch bei alten, eiternden Schäden verwendete „sympathetische Pulver" war eine V.lösung. Neben dem Hauptbestandteil des von Paracelsus erfundenen Laudanum (einem Opiat) war V. vornehmlich wirksam und hat wohl zu den von Paracelsus angegebenen Heilungen mitgeholfen3). Lonicer erwähnt den Gebrauch des V.pulvers gegen Nasenbluten, zur Reinigung von Nasen- und Ohrengeschwüren und zur Vertreibung der Ohrenschmerzen und des Ohrwurms4). In Westböhmen wird pulverisierter Blaustein (Kupfervitriol) mit anderen Bestandteilen zu einer Salbe verarbeitet, die in von Krätze befallene Stellen eingerieben wird. In Teplitz legt man, um starke Blutungen zu stillen, einen Lappen mit dem frischen Blute in einen neuen irdenen Topf und bestreut ihn mit Eisenv. 8 ). Das Romanusbüchlein empfiehlt den

1673

Vitus, hl.—Vogel

Gebrauch gebrannten V.s gegen den Brand der Schweine e ). Ein altes Mittel gegen Zahnschmerzen war: gepulvertes Eisenv. auf den blutigen Zahnstocher zu streuen, diesen dann in ein reines, weißes Läppchen zu hüllen und an einem möglichst dunklen Ort aufzubewahren '), wo der übertragene Krankheitsstoff durch Lichtentziehung sich verflüchtigen soll. P e t e r s Pharmazeutik 2, 133 u. 1, 1 6 5 ; F o s s e l Volksmedizin 150. 2 ) L a m m e r t 122. 3 ) Bressl. Samml. 7, 76ffl.; H e l l w i g Kalender 4) 6 o f . ; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 272. Lo5 nicer 54. ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 7 5 6 ; L a u b e Teplitz 61. ·) Romanusb. 40. ' ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 841. t Olbrich.

Vitus, hl., s. V e i t . Vogel. Den V.n kommt eine große volkskundliche Bedeutung zu, wohl nicht so groß als den Säugetieren, doch viel größer als den Fischen und Insekten 1 ). Sie werden daher ziemlich genau nach Arten unterschieden, wie die Unmenge V.namen zeigt 2 ). Hier kann nur eine Ubersicht geboten werden, wobei im allgemeinen die Einzelheiten unter den verschiedenen V.n zu suchen sind. V. a l s O m i n a . Besonders die Eule, Elster, Krähe, Taube, Wigglen, der Kuckuck und Rabe sowie unter den Hausv.n der Hahn und die Henne (s. d.) geben Todesvorzeichen 3 ). Zuweilen tritt ein ungenannter V. in derselben Weise wie die bekannteren auf, ζ. B . fliegt ein V . ins Haus, so bedeutet es einen Sterbefall 4 ). Pickt ein V . ans Fenster, bedeutet es dasselbe oder einen B r i e f 6 ) . Die ominöse Bedeutung des Adler-Schlangenkampfes ist wohl nur antik ( K ü s t e r Schlange 127ff.). Aus dem Fluge der V . weissagt man β ), ζ. B. der rechtsfliegende ist gewöhnlich ein Glückszeichen, auch der Uber Aug ist bedeutsam. Bei dieser Art Auslegung, die die alten Römer besonders pflegten, kommt die Art des V.s sowie die Weise, Anzahl und der Ort des Erscheinens in Betracht. Die Anzahl V., die man am Hochzeitstage sieht, bestimmt die Anzahl Kinder ( F o g e l Pennsylvania 70 Nr. 232). Paarweis fliegende V. sind glücklich und umgekehrt (ZfdMyth. 2, 418). Wem ein V . zufliegt, hat Glück ( D ä h n h a r d t Volkst. 1, 98 Nr. 29). Be-

1674

sonders in der Form des A n g a n g s (s. d.) waren solche Deutungen dem klassischen Altertum und dem Mittelalter bekannt 7 ). Auch der Gesang bzw. Geschrei ließ sich deuten 8 ). Auf vielerlei Weise fand man in dem Erscheinen der V. Orakel und Omina 9 ), ζ. B. kommen fremde V . ins Land, so kommen auch fremde Völker, d. h. Krieger 1 0 ). Bei der Schiffahrt ließen verschiedene Völker V . los, um ihre Fahrt nach deren Flug zu richten ( L i e b re c h t Zur Volksk. 405). Besuch erwartet man, wenn der Stubenv. flattert ( J o h n Erzgebirge 33) ; ein toter V. am Wege bedeutet Unglück ( R e i s e r Allgäu 2, 427 Nr. 15) ; fliegen V . dicht über eine Frau, während sie Windeln wäscht, so steht ihr eine Krankheit bevor (ZfdMyth. 2, 418 Nr. 8) ; kommen V . auf das Fenstergesims, so erwartet man eine Hungersnot (SAVk. 8, 269 Nr. 29) ; verschmähen V . den vom Sämann ausgestreuten Samen, so bedeutet es baldigen Tod und umgekehrt (mündlich, Uster, Zürich). Auch das Wetter zeigen die V. an: Fliegen sie hoch oder kommen sie früh im Frühling, so wird das Wetter schön sein, ein fliegender V . im Frühling ist auch eine gute Vorbedeutung n ) . Schmiert sich ein V . die Federn mit Fett, setzt er sich aufs Fenstergesims und ruft, mausert er früh oder schreien und baden sich die V., kommt gewöhnlich Regen 12 ). 1 ) K n o r t z Die Vögel in Geschichte, Brauch und Literatur 1913 (ganz unzulänglich); F e i l b e r g Bidrag 1, 3 8 0 ! ; 4, 1 6 2 t . ; M e y e r Germ. Myth, ioçff. § I47ff.; G r i m m Myth. 2, 5 5 7 f f . ; R o l l a n d Faune populaire-, H a r o u De vogelen in het volksgeloof en de volksdichtveerdigheid Ons Volksleven in den Bänden 3—6. 11. 12; M a r e k The mythology of wise birds Journ. Anthrop. Inst. Gt. Brit. 27, 2 0 9 — 3 2 ; M a r i a n u Ornitologia poporanä romàna, Cernâutï 1883; S é b i l l o t Folk-Lore s. Register; G r u n d t v i g Fuglene i Folkets Digtning og Jro, 1883. Reiche dänische Sammlung in Kopenhagen, s. F F Comm. 1, 5. 2) S u o l a h t i Die dt. V.namen; ZfdPh. 2 1 , 2 0 7 — 1 4 ; MschlVk. 15 ( 1 9 1 3 ) , 288; ZfVk. 1, 284; 12, 4 5 7 — 6 2 (u. Lit.); SchwVk. 4, 3 1 ; Schulenburg Wend. Volkst. 66 (Beispiele lautnachahmender Namen); S é b i l l o t FolkLore 3, i79ff.; R o l l a n d Faune populaire; F. R o b e r t Les noms d'oiseaux en grec ancien, 3) Diss. Neuchâtel 1911. Vgl. im allg. Grimm Myth. 2, 95off.; Ackermann Shakespeare 75; Schwebel Tod u. ewiges Leben I 2 i f . ; Urquell ι, 8; K r o n f e l d Krieg

Vogel 120; V e r n a l e k e n Alpensagen 402 Nr. 90; K u h n Westfalen 2, 50 Nr. 140; Müller Siebenb. 72; M a n n h a r d t Germ. Mythen 729f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 271 f. «) F o g e l Pennsylvania 120 Nr. 5 4 1 ; D r e c h s l e r Schlesien 2, 200; ZfVk. 15, 7. *) H ö h n Tod 307; R o c h h o l z Schweizersagen 2, 45; J o h n Erzgebirge 114, 1 3 3 ; Z f V k . 13, 99; L i e b r e c h t Zur Volksk. 329 Nr. 140; SAVk. 2, 8; W u t t k e 2 1 2 § 297; F e i l b e r g Bidrag 4, 162. · ) G r i m m Myth. 2, 946t. 948f.; 3, 3 2 5 ! 429; M e y e r Germ. Myth. 109 § 147; ZfVk. 23, I4Í.; S o l d a n - H e p p e 1, 48. 288; S i m r o c k Myth. 534; M e y e r Relgesch. 1 4 3 ; F i s c h e r Angelsachsen 26; J e r e m i a s Relgesch. 258 (Register); G e r h a r d t Frz. Novelle 104. i n ; S a m t e r Rei. d. Griechen 34; S t e m p l i n g e r Abergl. 46S.; R. C y s a t 55 (Versammlung d. V . zeigt Konstanzer Konzilium an). Man verbot das Prophezeien darnach, s. F r i e d b e r g 26; MschlVk. 17 (1915), 41 Nr. 32. ' ) G r i m m Myth. 2, 9360. 938. 944fi.; 3, 3 2 3 ; A n d r e e Parallelen 1, 1 1 fi. ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, i92f. β ) ZfVk. 1 1 , 277; 15, 7; 23, 5, 1 4 ; G r i m m Myth. 3, 401. 403; G o l t h e r Myth. 6 3 9 ! ; P a n z e r Beitr. 2, 257; S é b i l l o t FolkLore 3, 195. 197ft.; K r a u ß Slav. Forsch. 95; S t e r n Türkei 1, 421 fi. ») ZfrwVk. 1 1 , 2 6 1 ; A. de Cock Volhsgeloof 1 (1920), iogf. ; H o p f Tierorakel 12, 28; S t ä h l i n Mantik 230. 10 ) SAVk. 2, 222; 19, 209. " ) Reiterer Ennstalerisch 57; Urquell 4, 88; D r e c h s l e r Schlesien 2, 198; vgl. F i s c h e r SchwàbWb. 2, 1598. 1 2 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 207. 2 1 1 ; SAVk. 8, 280 Nr. 1 5 4 ; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 155 Anm. 3.

Verschiedene B r ä u c h e haben Bezug auf V . ι . Die S a a t schützt man gegen V.durch Besegnungen und Zauberformeln oder dadurch, daß man während des Aussäens drei Körner unter die Zunge legt und sie später da, wo man den Acker betreten hat, hinlegt oder dadurch, daß man die V . zu dem Acker eines anderen hinschickt 13 ). 2. Eine V . s c h e u c h e wird oft gebraucht, V . von der Saat fernzuhalten M ), ob sie eine tiefere Bedeutung (apotropäisch, fetischistisch, wachstumfördernd) hat, bleibt unsicher. 3. Bei einem T o d e s f a l l verhängt man den Käfig (s. d.) oder trägt den V. in ein anderes Zimmer 1 5 ). 4. Am hl. A b e n d und auch sonst füttert man die V . 1 8 ). 5. V o g e l f a n g : Eine Art Knoblauch liefert ein Mittel, V. so unsinnig zu machen, daß man sie mit Händen fängt ; dasselbe bewirkt man auch, „wenn man ihnen

1676

Salz auf den Schwanz schüttet" 1 7 ). Erstickte V. durfte man nicht essen 18 ). Über V.fang haben etliche geschrieben 1β ). 6. Schon in heidnischen Zeiten ließ das belagernde Heer V. Feuer in die Stadt tragen 20 ).

l3 ) ZfrwVk. ι, 1 5 3 ; 4, 2 2 3 ; M a a c k Lübeck 33f. 62f.; ZfVk. 12, 425 ( = K n u c h e l 81); 16, 175 Nr. 2 5 ; J a h n Opfergebräuche 70ff.; E b e r h a r d t Landwirtschaft 4; Mitt. Anhalt. Gesch. 14, 24; S t r a c k e r j a n 2, 154 Nr. 383; Grimm Myth. 2, 1 0 0 4 I ; S a r t o r i 2, 69; Pollinger 14 Landshut I 7 5 f . ; H a l t r i c h Siebenb. 305. ) M a n n h a r d t 2, 1 2 7 ; S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 202; H a l t r i c h Siebenb. 262; Selig mann 2, 86 Anm. 169; E b e r h a r d t Landwirtschaft 4; S a r t o r i Sitte 2, 69. 1 5 ) Höhn Tod 324; M e y e r Baden 584; K ö h l e r Voigtland 442. l e ) S a r t o r i Sitte 3, 29; ZfVk. 15, 9f. 17 ) SAVk. 25, 155; M a n n h a r d t Germ. Mythen Ì17I. 1 8 ) Apostelgesch. 21, 25; Urquell 3, 182; doch vgl. F r i e d b e r g 50. " ) Z . B . S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 357; J . Chr. H e p p e Der V.fang Nürnberg 1797; W.H. v. H o c h b e r g Unterricht was mit den V. auch außer d. Fang ... man sich ... machen könne Coburg 1707. 2 0 ) L i e b r e c h t Gervasius 81 Anm. 2. 262; Meiche Sagen 637 Nr. 787; L a i s t n e r Nebels. 252; Engl. Hist. Rev. 31, 9 8 — ι ο ί ; Mod. Philol. 23, 7fl.; F e i l b e r g Bidrag 4, 163.

Einzelheiten: V. schützen sich gegen den bösen Blick (antik, vgl. S e l i g m a n n 1 , 2 1 7 ) ; martert man junge V., so hat man kein Glück ( W u t t k e 1 1 8 § 156) ; ist ein V . in der Kirche während des Segens, so ist ein Verbrecher anwesend ( J o h n Erzgebirge 36) ; sehen V. in ein Milchgefäß, so nimmt die Milch ab ( S e l i g m a n n 1 , 1 2 3 ) ; V.weihe an Ostern ( F r a n z Benediktionen I, 582. 585. 589) ; das Kleine lernt schön singen, wenn ihm V.futter gegeben wird ( J o h n Erzgebirge 57). V . sind oft als Seelen aufgefaßt ; es wird ihnen daher g e o p f e r t D i e s e S e e l e n v . kommen vereinzelt u. in Schwärmen vor, und welche Form des Glaubens die ältere ist, mag dahingestellt bleiben; die wilde Jagd besteht zuweilen aus V.n, besonders Zugv.n (s. d.). Geister erscheinen in V.gestalt (s. v.gestaltig; gänsefüßig). In einigen Sagen folgen dem Leichnam V. 23 ). Mit dem Seelenv. verwandt ist das Freilassen von gefangenen V.n, auch wenn ein Mensch im Sterben liegt"). !1

) M e y e r Germ. Myth. 63 §92; M a n n h a r d t

1677

Vogel

Germ. Mythen 298f.; L i e b r e c h t Gervasius 1 1 5 f . ; K ö h l e r Voigtland 537; ZfVk. 15, i f f . bes. Anm. 2; F r a z e r 3, 330.; W e i c k e r Der Seelenvogel·, H o c k e r Volksgl. 233; Alemannia Ii, 83; L a i s t n e r Nebels. 52; F e i l b e r g Bidrag ι, 380; 4, 162. M ) ZfVk. 15, 7 Anm. 2. 9. 10 Anm. 1 ; A b t Apuleius 221; J a h n Opfergebräuche 349; Grimm Myth. 2, 557; 3, 192; Wolf Beitr. 2, 426; Joh. Groß Kurtze Baseler Chronik (Basel 1624) 75; B r a n d a n Vita 12; S t e m p l i n g e r Abergl. 59; M a a c k Lübeck 36. M ) Wallis ι , 165 Nr. 144; ZfVk. 15, 5; Hörmann Volksleben 458. « ) Sébillot Folk-Lore 3, 190. Volksliteratur25). Märchen und Sagen berichten oft von der Verwandlung in V. a e ). Bei der Königswahl der V . wird der Zaunkönig (s. d.) zum König. Die F a b e l 2 7 ) ist als äsopisch bezeugt, doch nicht überliefert. Alt ist die Fabel von den in einem Netze gefangenen V.n, die dem V.steller so lange entlaufen, bis sie zu zanken anfangen ( L i e b r e c h t Zur Volksk. 1 1 4 ) . In den Märchen und Sagen zeigen sich die V. besonders als Berater, Helfer, Warner und Wegweiser 28 ). Doch scheint der V . in einer verbreiteten Sage, die von einer Empfehlung von Bibemell als Pestmittel erzählt, an die Stelle einer anderen Figur getreten zu sein 29 ). V . hannes heißt ein schlesisches Gespenst M ). Sagen erzählen von ungeheuer großen und von unheimlichen V.n S 1 ). Oft verkünden V. Unglück 3 2 ). V. bringen Feuer zu den Menschen ( S é b i l l o t Folk-Lore 3, 156). Im Mittelalter erzählte man von den Kämpfen unter den V.n ( M e y e r Abergl. 79). Beliebt war einst das Thema der V.parlamente und im Volksliede die V.hochzeit (s. d.). Früher erzählte man von dem Baume, worauf V . paarweis wuchsen 3 3 ) und von dem fabelhaften Alter, das einige V., z. B. Krähe, Rabe (s. d.), Schneegans erreichen sollten. 25 ) S. auch Vogelhochzeit. Vgl. besonders F e i l b e r g Bidrag i, 38of.; 4, i62f. *·) Meiche Sagen 585 Nr. 728; P a n z e r Beitr. 2, 169 ff. 474; B o i t e u. P o l i v k a 1, 422; W a c k e r n a g e l Epea 34; A b t Apuleius 53; Grimm Myth. 2, 558; Urquell 5, 92; R a n k e Volkssagen 200 (Wassermann als V.); H e y l Tirol 253 Nr. 69; 616 Nr. 83 (Orco als V.); S t ö b e r Elsaß 1, 12 Nr. 17 (Gelddrache als schwarzer V.); S é b i l l o t Folk-Lore 3, 206 δ. Vgl. auch vogelgestaltig, gänsefüßig. *') A a r ne Typenverzeichnis (FFComm. 4) Nr. 221 ; B o l t e u. P o l i v k a 3, 278ft. Nr. 1 7 1 ; AfRw. 20, 35; F e i l b e r g Bidrag 4,

1678

1183 (örn. 43); 4. 163 (Fuglekonge). « ) K ü h nau Sagen 2, 410 Nr. 6. 658; S t r a c k e r j a n 2, 154 Nr. 383; Grimm Sagen 93 Nr. 108; 243 Nr. 342; K u h n Westfalen i , 168; R u s t m a n n Alte Steine 162; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 277 Nr. 296; Meiche Sagen 552 Nr. 682; Schell Bergische Sagen 350 Nr. 53; Wolf Beitr. 2, 2 1 1 ; B e c h s t e i n Thür. Sagen 1, 68; v. d. L e y e n Sagen 1, 8 7 ! ; A g r i p p a ν. N e t t e s heim ι, 245; Helm Relgesch. 1, 279; MschlVk. 21 (1919), 79ff.; W a c k e r n a g e l Epea 21 fi.; Widlak Synode v. Liftinae 2of. ; Sébillot Folk-Lore 3, 191 fi. 199; Miillenhoff Sagen 353 und K n o o p Schatzsagen 14S. Nr. 25 (weiset Schatz); Müller Siebenb. 53 f. (Wegweiser); Wolf Beitr. 2, 4 2 7 ! ; Grimm Myth. 1, 324 (bringen Speise); Schulenburg Wend. Volkst. 43 (helfen beim Graben); P a n z e r Beitr. 1, 223 Nr. 251 (zeigen Ort f. Kirchenbau); Grimm Myth. 3, 650 (bringen heilkräftige Pflanzen, s. auch Schöllkraut, Schwalbe). *·) B i r l i n g e r Volkst. ι, 240 Nr. 372 u. Anm.; Meiche Sagen 654 Nr. 810; Schönwerth Oberpfalz 3, 2of.; B o c k e l Sage 89 Anm. 554; ZfVk. 35/36, 164ft. Kiihnau Sagen 1, 586. 589. 591; vgl. J a h n Opfergebräuche 314. 3 1 ) S t r a c k e r jan 2, 154 Nr. 383; Meiche Sagen 45; ZfrwVk. 6, 271; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 201 f. Nr. 188. 1 9 1 ; KUhnau Sagen 1, 566. 590. 6 4 1 ! ; S e l i g mann ι, 1 2 4 ! ; ZfVk. Ii, 435; K n o o p Hinterpommern 79 f. Nr. 163 (in einem niederbrennenden Haus); Schell Bergische Sagen 138 Nr. 3 (beim Fortzug d. Zwerge); E i s e l Sagen 148 Nr. 405 (feurige Zwerge auf langbeinigen V.n). *») Z. B. K u h n Westfalen 1, 168 Nr. 174a (Untergang einer Stadt); Meiche Sagen 617 Nr. 760; 627 Nr. 772; Schell Bergische Sagen 363 Nr. 1 ; R a n k e Sagen 233. s s ) Carus Zoologie igoß.; v. Spieß Mythos 8fi. 13ft.; B r ä u n e r Curiositäten (1737) 662. In der V o l k s m e d i z i n spielen die V . eine bedeutende Rolle 3 4 ), da sie wohl z . T . an Stelle blutigen Opfers treten. Dabei sind die meist vertretenen V . die gezüchteten (Huhn, Gans, Taube, Ente usw.) und die an das Haus gebundenen (Schwalbe). Raubv. kommen auch vor, doch fehlen die Meeresv. fast ganz. Nur gelegentlich werden fremde, ausländische V . verschrieben. Die volksmedizinischen Anschauungen betreffs V. darf man nach Magnus {Die Volksmedizin Abh. z. Gesch. d. Med. H. 1 5 , 1905) einteilen: 1 ) der Benutzung wirklicher E r fahrungen kommt wenig Bedeutung zu, 2) der Analogieschluß ist der Grundsatz der umfangreichsten Gruppe, 3) Übertragung von Krankheiten auf V. läßt sich gelegentlich nachweisen, 4) religiöse Anschauungen erkennt man in den V.omina,

1679

Vogelbeere—Vogelhochzeit

5) astrologischen und zahlenmäßigen Beziehungen begegnet man meist in der orientalischen Volksmedizin, 6) Farbensymbolik ist nur nebensächlich.

34 ) Allgemeines bei H ö f 1er Organotherapie; H o v o r k a - K r o n f e l d ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 203 ff. ; u. a. Eine ausgezeichnete Übersicht gibt A r n d t Die V. in der Heilkunde, Journ. f. Ornith. 73 (1925) 46—76. 214—46. 475—93· Taylor.

Vogelbeere s. E b e r e s c h e . Vogelfrei. Das Wort, das erst Ende des 15. Jh. belegt ist, entstammt der Rechtssprache. Die Bedeutung ist nicht „frei wie der Vogel, auf den jedermann schießen kann", sondern eine Lehnübersetzung aus der alten Verrufungsformel: wer „aus dem Frieden in den Unfrieden, von Sicherheit in Unsicherheit" gerufen werden sollte, wurde erteilt „dem Vogel in der L u f t " (avibus permissus), den wilden Tieren im Walde, dem Fisch in der Woge und jedem (zur Tötung). Das Wort hat also rechtsgeschichtliche Bedeutung und hat nichts mit dem Aberglauben zu tun. S. die Lit. bei G r i m m DWb. unter V o g e l und v o g e l f r e i ; B o r c h a r d t - W u s t m a n n Die sprichwörtlichen Redensarten im deut. Volksmund· (Leipzig, 1925) 486; A. de C o c k Oude Gebruiken 74. Taylor.

vogelgeetaltig sind die primitiven Dämonen. Die Auffassung scheint gemeingermanisch zu sein und ist auch außergermanisch zu b e l e g e n N o c h sind viele Dämonen v. 2 ), s. auch gänsefüßig, Götter und Zauberer gebrauchen unter Umständen Vogelgestalt 3 ). Über v.e Festgebäcke s. ZfVk. 12, 201. 1 ) H e l m Religesch. 1, 205. 2 ) G e s e m a n n Regenzauber 88; R o c h h o l z Schweizersagen 1, 3 3 1 ; 2, 44; Q u i t z m a n n Baiwaren 178; K u o n i St. Galler Sagen 16; N i d e r b e r g e r Unter walden 3, 98; S é b i l l o t Folk-Lore 1, 443. 447; 2, 403Í.; 4, 3 1 7 ; B a a d e r Volkssagen (1859) 88; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 1 1 6 ; E i s e l Sagen 148 Nr. 406; L e n g g e n h a g e r 165; W o l f Beitr. 2, 344. 3 ) G r i m m Myth. 1, 271; 2, 997; W a c k e r n a g e l Epea 3 4 s . ; ZfVk. 7, 191. Taylor.

Vogelhochzeit. Das Lied von der V. gehört in den größeren Kreis der Tierhochzeitslieder. Es ist bereits in alter Zeit mit dem norddeutschen Verwunderungsliede zusammengesungen worden. Eine Abart der V. ist die Käferhoch-

1680

zeit. Der Name V. muß schon im 16. Jh. gebräuchlich gewesen sein; vom Anfang des 17. an kommt er regelmäßig vor. Das Verdienst, auf die V. aufmerksam gemacht zu haben, gebührt Uhland. Freilich hat er sie falsch verstanden; denn die V. ist nicht ein , .luftiges, frühlingsheiteres, sinniges Scherzlied", sondern ein cantus obscoenus. Schon in der ältesten erreichbaren Version (fl. Bl., Nürnberg, gedruckt von Kunegund Herrgott, ca. 1527) ist die V. bewußt zweideutig: (1) es handelt sich um ein ausgeführtes Wortspiel, dessen Spitze die Gleichung Vogel = penis und V. halten = vögeln = coire ist; (2) eine große Zahl der an der V. teilnehmenden Vögel (z. B. Gimpel, Nachtigall, Kuckuck, Wiedehopf) hat phallische Bedeutung; (3) diese Version ist mit einem andern alten zotigen Liede („vom fischen = coire auf der Heide") kontaminiert; (4) die Überlieferung der V. während der letzten vier Jh.e bis auf die heutige Verewigung mittels der Schallplatte beweist klar, daß es sich um ein Schamperlied handelt. Beheimatet scheint die V. während dieser Zeit gewesen zu sein vornehmlich in Bayern, Egerland, Böhmen, Riesengebirge, Grafschaft Glatz, Schlesien, Mecklenburg und Pommern, einem geographisch und historisch zusammengehörigen Gebiet, das sich im allgemeinen mit dem der Verbreitung des Liedes von der Käferhochzeit deckt. Obwohl die Deutschen längst nicht das einzige Volk sind, das V-s. (und Käferhochzeits-)lieder hat, so scheint die V. (und die Käferhochzeit) doch ein selbständiges, nicht etwa ein von den Slawen entlehntes Lied zu sein ; denn die V. (und Käferhochzeit) hat ihren eigenen, klar erkennbaren mittelalterlich-deutschen Hintergrund, nämlich die Hochzeits- und Badehausgebräuche des (spätestens) 15. Jh.s und zwar so, daß auf erstere in der VH., auf letztere in der Käferhochzeit angespielt wird. Zwickauer Facsimiledrucke Nr. 11 : Die älteste deutsche Vogelhochzeit. Jörg G r a f f Das Lied vom Heller. Nürnberg, Kunegund Hergott, o. J. (herausg. von A. Goetze). Zwickau S. 1912; U h l a n d Schriften zur Ge-

ι68ι

Vogelkäfig—Vogelschießen

schichte der Dichtung und Sage. Stuttgart (Cotta) 3 (1866), 75—78; E r k - B ö h m e Liederhort I, 510—521 Nr. 163—165 (Nr. 163a—g: V. ; Nr. 164 a—d: Käferhochzeit ; Nr. 165 a—b: Verwunderungslied); Richard W o s s i d l o Mecklenburgische Volksüberlieferungen. Wismar 1899. II, ι, Die Tiere im Munde des Volkes, 426—430, mit den dazu gehörigen Nummern im Text (V., Verwunderungslied, Kontamination der beiden); A. K o p p Ein Liederbuch aus dem Jahre 1650, in: ZfdPh. 39 (1907), 215 (Drucke aus dem 16. und 17. Jh.); Gustav J u n g b a u e r Bibliographie des deutschen Volksliedes in Böhmen. Prag 1913, 3 1 ; für Vergleichung mit dem Ausland kommen besonders, abgesehen von Uhland, in Betracht: Otto B o c k e l Deutsche Volkslieder aus Oberhessen. Marburg 1885, XCIV, und Johannes B o l t e , ZfVk. 12 (1902), 168—9 (grundlegend). Kunstmann.

Vogelkäfig s. K ä f i g 4, 912 f. Vogelmiere (Hühnerdarm; Stellarla media). Pflanze mit dünnen verästelten, meist schlaff am Boden liegenden Stengeln, gegenständigen, eiförmigen Blättern und kleinen weißen, sternförmigen Blüten. Die V. wächst überall in Äckern, Gartenland, auf Schuttplätzen usw. 1 ). Die V. wird auch als Hühnerdarm bezeichnet, unter dem „roten" Hühnerdarm ist jedoch eine andere Pflanze, der Gauchheil (s. d.), zu verstehen. Dieser „Hühnerdarm" ist es wohl, der gegen „Beschreien" verwendet wird 2). J ) Marzell Kräuterbuch 327. Oberpfalz 1, 187.

2

) Schönwerth

2. Wenn man an Johanni Mittag während des 12 Uhr-Läutens den „Hühnerdarm" an allen vier Ecken des Hauses ausjätet, dann kann man ihn gänzlich ausrotten s ). 3

) R e i s e r Allgäu 2, 1 5 1 .

3. Um Cham (Oberpfalz) legt man den „ r o t e n " Hühnerdarm ( = Gauchheil), den K n a b e n in die Wiege, den „ w e i ß e n " ( = V.) den M ä d c h e n , damit sie von der „Frois" (Eklampsie) verschont bleiben 4), vgl. Scharfgabe, wo auch die rotblühende den Männern, die weiß blühende den Frauen helfen soll. *) Marzell Bayer. Volksbot. 156.

Marzell.

Vogelmist. V. am Fenster bringt Glück, auch wenn er aus der Luft fällt 1 ). In der V o l k s m e d i z i n ist V. ein oft gebrauchtes Mittel, als Prophylaktikum und als Heilmittel für Magenkrankheiten 2 ), s. unter den einzelnen Vögeln, z. B. Schwalbenkot.

2

1682

!) ZfVk. 20, 383 Nr. 30; SAVk. 14, 2 7 1 . ) F r o n i u s Siebenb. 29. Taylor.

Vogelnest. Einzelnes findet man unter den verschiedenen Vögeln 1 ). Die Schutzkraft eines V.s gegen Blitz ist wohl eine Erinnerung an das Schwalbennest (s. d.) 2 ). Der Glaube, daß ein V. Glück und Wohlstand bringt, ist bei Wilhelm von Auvergne bezeugt, und diese Stelle hat man irrtümlicherweise, wie Zachariae beweist, in Beziehung zu Deut. 22, 6 gebracht 3 ). Auch dieses Stück Aberglauben darf man wohl in eine Reihe mit dem glückbringenden Schwalbennest (s. d.) bringen. Allgemeine Vorschriften und abergläubische Bemerkungen, die keinen Bezug auf einen bestimmten Vogel haben, kommen seltener vor. Findet man ein V. und spricht davon, so zerstören es die Schlangen 4 ), oder so entstehen in den Eiern Ameisen, die die Eier zerstören. Schnauft man in ein V., so verlassen es die Vögel oder werden die Eier faul 6 ). Ein gesottenes V. ist ein Mittel für Verstopfung des Hames ®). Ein V. macht unsichtbar '). !) Vgl. besonders Schwalbennest. S. auch S é b i l l o t Folk-Lore 3, 1 6 9 5 . und F e i l b e r g Bi2 drag 3, 28 (rede, 4). ) K u h n u. S c h w a r t z 455 Nr. 4 1 1 . 3 ) ZfVk. 19, 142—49, vgl. dazu n , 277!. 279. 462f.; G r i m m Sagen Nr. 86. *) F o gel Pennsylvania 369 Nr. 1 9 1 5 ; G r o h m a n n 63 Nr. 4 3 1 ; ZfdMyth. 2, 419 Nr. 27; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 1 7 3 ; RogasFambl. 5, 12. 5 ) F o g e l Pennsylvania 369 Nr. 1976; 385 Nr. 2068—9; G r o h m a n n 63 Nr. 430. e ) J ü h l i n g Tiere 246. 7 ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 56. Taylor.

Vogelorakel s. Vogel. Vogelschießen (s. auch Gansreiten, Hahnschlagen). Ein Brauch, der entweder in Mai, zu Pfingsten oder zur Erntezeit stattfand, war das V., das gewöhnlich nach dem betreffenden Vogel genannt wurde. Man schoß oder hieb nach einem Vogel, der auf einer Stange oder sonstwie angebracht war, dabei gewann einer den Preis bzw. den Vogel, und es folgte später öfters ein Festessen. Der Beziehungen des V.s zum Frühlingsritus sind augenscheinlich wenig. Nur in Siebenbürgen ist der Gegenstand des Festes am 2. oder 3. Ostertag ein Vogel, sonst ist zu jener Zeit das Opfer gewöhnlich ein

1683

Vogelsprache—Vorahnung

I

1684

Bock 1 ). Etwas verbreiteter scheint die Sitte des V.s bei der Hagelfeier, das oft auf das Pfmgstfest übertragen wurde »). So ist das ursprüngliche Opfer zu einem Spiele geworden, obwohl die ursprüngliche Bedeutung, die eines Erntefestes, noch zu erkennen i s t 3 ) . Zuweilen wird das V. mit der Kirchweih verbunden 4 ). Die erste Erwähnung fällt ins Jahr 1286, und seit dem 14. und 15. Jahrhundert ist das V . reichlich bezeugt, sogar bis in die neuste Zeit.

B o l t e Nr. 562. *) Bibliographie bei B o l t e u. P o H v k a 3, 283; s. Vogel ( O m i n a ) und auch S c h w V k . 4, 3 1 ; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 1 8 1 ; G ü n t e r t Sprache 5 ö f . 89. *) S . K r a n i c h ; B o l t e u. P o l i v k a 2, 532Í.; de C o c k Volksgeloof 1 (1920), i i 2 f f . ; P a u l y - W i s s o w a 2. R . 2, 771 (42). Taylor.

J a h n Opfergebräuche 137. ») E b d . 1 4 8 g . ; K u h n u. S c h w a r t z 381 N r . 62. 5 1 3 ; S a r t o r i Sitte 3, 2 1 3 A n m . 86. 3 ) Die beste E i n f ü h r u n g ist w o h l P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 5 8 5 — 9 1 und J a h n Opfergebräuche 234 ff., dazu noch D u l l e r Das dt. Volk 136; S c h m i t z Eifel 1, 4 9 Í . ; L i p p e r t Christentum 695; M a n n h a r d t 1, 375· 3 7 9 ; S A V k . 19, 129; Z f V k . 3, 276; 14, 2 7 9 ; A l b e r s Das Jahr 225; W r e d e Rhein. Volksk. 1 9 2 ; R e i n s b e r g Das festliche Jahr 25öS.; L a u b e Teplitz 4 2 f . ; H m t b l . R E . 1. 3 0 1 — 3 . *) S a r t o r i Sitte 3, 253; Spieû Fränkisch-Henneberg 135. Taylor.

vorahnen kann in Schleswig-Holstein der, der einen Vorbrand zu sehen vermag 1 ). Gabe des Spökenkiekers (s. d.), — Vorgeschichte.

Vogelsprache. Unter V. wird hier eine wirkliche Sprache verstanden; die Literatur über die verschiedenen Deutungen von Vogelgeschrei bzw. -ruf s. unter Vogel. Die Kunst, die V . zu verstehen, gilt als etwas ganz besonderes, das oft dem Helden aus Not h i l f t 1 ) . Auch Mittel, diese Kunst zu erwerben kannte man früher, z. B. das Essen von Schlangenfleisch (s. Schlange) 2 ). Ein mittelalterliches Exemplum erzählt von dem Mann, der einem Vogel zuhörte und dabei die Zeit vergaß; 300 Jahre vergingen, ehe er aufwachte 3 ). Die wirkliche V., der Vogelruf, läßt Deutungen zu 4 ), z. B. das Schwalbenlied (s. Schwalbe), und die Erzählung von der Zeugenschaft der Vögel, beruht auch darauf 5 ). *) S i n g e r Schweiz. Märchen 1, 41 ff.; S é b i l l o t Folk-Lore 3, i 6 o f f . i 8 o f i . ; Z f V k . 22, 94; P a n z e r Sigfrid 2 8 1 ; L i e b r e c h t Gervasius 1 5 5 ; M e y e r Abergl. 7 9 ; Urquell 5, 266; A m e r s b a c h Grimmelshausen 2,60; F e i l b e r g Bidrag 4 , 1 6 3 (Fuglem i l ) . V g l . doch die Geschichte in den 7 Weisen Meistern, w o die K e n n t n i s der V . den Helden in N o t bringt und d a n n endlich z u m G l ü c k , K ö h l e r Kl. Sehr, ι , 145. ' ) G r i m m Myth. 2, 560. 1 0 1 7 ; K u h n u. S c h w a r t z 154, 487 ( F a r n s a m e ) ; P o l l i n g e r Landshut 159; S a r t o r i Westfalen 48; Z f d M y t h . 3, 331 ; A g r i p p a ν . N e t t e s h e i m ι , 264; A l p e n b u r g Tirol 3 0 3 ! ; F r a z e r 1, 158, v g l . 8, 146. ») S é b i l l o t Folk-Lore i, 256ff.; S c h e l l Bergische Sagen 451 N r . 6 1 ; P a u l i ed.

Völkergedanke s. Elementargedanke. Volksmedizin s. Nachtrag. Vellmar s. Z w e r g . Vollmond s. Mond.

') M e y e r

Schleswig-Holstein

236.

Peuckert.

Vorahnung I, in Tirol Fürweilung 1 ), Fürweiling oder Voarweiling 2 ), in der Oberpfalz fürgehen, firgain 3 ). In Schlesien, Siebenbürgen ahnt es einem 4). Vgl. auch in der Hochsprache : es schwant ihm. Zur Definition des Begriffs s. Vorzeichen. Die V. ist am einfachsten wohl als eine psychische Depression zu erklären, in welcher der Ahnende ein von ihm als nahe bevorstehend angenommenes Unglück stimmungsgemäß vorerlebt. Alpenburg nennt es eine Voarweilung, wenn sich, ohne zu wissen, warum, das Herz zusammen schnürt und die Seele wie trostlos niedergeschlagen ist 6 ). Agrippa von Nettesheim, im Zusammenhang mit der „natürlichen Magie", erklärt sie als eine Art Instinkt, den er „Naturgefühl" nennt 6 ). Durch dieses Naturgefühl erkennen die Rebhuhnkücken ihre rechte Mutter usw. 7 ). „Ebenfalls in Folge dieses Gefühls befallen oft, wenn etwas Schädliches und Grauenhaftes vorhanden ist, einen Menschen Furcht und Schauder, ohne daß er das Geringste davon weiß oder daran denkt. So flößt ein in einem Hause versteckter Räuber, von dessen Anwesenheit man nicht das Geringste weiß oder vermutet, den Einwohnern des Hauses Unruhe, Furcht und Schauer ein, — allerdings vielleicht nicht allen, denn nicht alle, sondern nur wenige Menschen besitzen ein solches Naturgefühl 7 ). Agrippa lenkt hier in eine Er-

1685

Vorahnung I

klärung ein, die im Grunde genommen die heut sich durchsetzende vorwegnimmt, welche die V. als einen Ausdruck besonderer psychischer Sensibilität, mehr eines parapsychischen Phänomens, erkennt 8). Für Agrippa bieten sich aus seiner Erklärung und seiner Weltanschauung Möglichkeiten, die V. zur Grundlage der Vorzeichen und Auguralpraxis zu machen. Wir sehen, wie auf gewisse Tiere das Licht der Vorempfindung und Ahnung herabkommen kann, und wie in ihren Gebärden, ihrer Bewegung, ihrer Stimme, ihrem Fluge, ihrem Gange, ihrer Speise, Farbe u. dgl. sich die Zeichen der Dinge ausdrücken. Denn nach der Lehre der Platoniker e ) wohnt den untern Dingen «ine gewisse Kraft inne, vermöge deren sie zum großen Teil mit den oberen übereinstimmen und weshalb auch die Tiere mit den himmlischen Körpern zu harmonieren, und ihr Körper sowie ihr Naturell mit solchen Kräften ausgestattet zu werden scheinen, welche ihren oberen Vorstehern, denen sie zugeteilt sind, entsprechen. Man muß daher in Betracht ziehen, welche Tiere saturnisch sind, •welche dem Jupiter, dem Mars angehören usw. So werden alle Vögel, die dem Saturn und Mars angehören, als Tod und Unglück weissagend bezeichnet, wie die Nachteulen, die Käuzlein... 10). Wir haben hier zu den unter den Vorzeichen besprochenen Versuchen einer Erklärung aus der „zauberischen" und der „vernünftigen" Welt, die Erklärung der „Vorzeichen" im Bezirk der „magischen Kultur" 11 ). Es mag schließlich noch darauf hingewiesen werden, daß die V. den simpelsten Ausdruck, sozusagen die Vorstufe, jener Begabung darstellt, die das Eigentümliche des Sehers ausmacht, und deren nächste Stufen „Vorspuk" und „Prophetie" heißen u ) . Sie ist eine in den verschiedenen menschlichen „Kulturen" aus diesen nicht wesentlich veränderte Depressions-, Schwäche- oder Angstäußerung, die ihr Objekt in den dem Träger der Äußerung zunächst liegenden Lebenserscheinungen findet. Heyl

Tirol 272 Nr. 87.

4)

Alpenburg

Χ 686

Tirol 341. 343. Alpenburg vermengt den Begriff mit den benachbarten „Vorzeichen", „Vorspuk", „Vorbedeutungen", ein Fehler, der übrigens häufig ist; vgl. etwa S c h e l l Berg. Sagen 125f. 3) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 289. 4) s) G a ß n e r Mettersdorf 81. Alpenburg e) Tirol 343. A g r i p p a ν. Nettesheim i, 257f. η Ebd. 258. >) D r i e s c h Die wissenschaftl. Parapsychologie d. Gegenwart, Anhang zu: H. de G e y m ü l l e r Swedenborg u. d. übersinnliche Welt 1936, 3 5 7 I ·) Lies: 10 ) A g r i p p a Neuplatoniker, Hermetiker. ν. n) N e t t e s h e i m 1, 2 6 1 ! Vgl. P e u c k e r t Deutsche Volkskd. 1937.

2. Als Hauptinhalt der V.en wird man Unglücksfälle, Katastrophen, Todesfälle, bezeichnen dürfen. Sie betreffen zumeist den Träger der V. selbst, höchstens noch ihm Nahestehende 12 ), oder den Menschen als Teil eines größeren Ganzen 13 ). Wenn Wuttke behauptet : eigentliche Todesahnungen kommen im Volksaberglauben fast gar nicht vor 1 4 ), und Lammert gegenerklärt : Der Glaube an Ahnungen ist unter allen Ständen weit verbreitet 15 ), — s o glaube ich, diesen Gegenspruch so klären zu dürfen, daß V.en zwar sehr häufig sind, aber nur dann, wenn sie sich erfüllen, zum Gegenstand einer Überlieferung, einer Mitteilung werden. Manche Familien scheinen psychisch besonders disponiert zu sein. So heißt es, daß dem Wölsungengeschlecht die Gabe der V. eigentümlich war 1 β ). Auch in meiner Familie, um den heroischen die schlichte Welt des bäurischen Menschen gegenüberzustellen, ist die Anlage sichtbar vorhanden: Meiner Mutter Urgroßvater war 96, als er gestorben ist. Er hat früh noch Gerste reingemacht. Da spricht er, wenn ich ock noch könnte die Gerste durch den Wind schlagen. Ich muß heut noch sterben. Da fragen sie ihn warum und wieso. Und er spricht: Ich krieg schon kalte Füße. — Wie er die Gerste fertig hat, geht er rein, setzt sich hinter den Ofen, und ist denselben Tag nachmittag tot. " ) Vgl. Nachw. 24. 27. 13 ) H e y l Tirol 272 Nr. 87. " ) W u t t k e 225 § 321. " ) L a m m e r t 103 unter Berufung auf S o n n t a g De spectris et ominibus morientium, Altdorf 1703. 14 ) Völsunga saga c. 4 = Thüle 21, 45.

3. Im Jahre 1807 mußte zu Alpbach

1687

Vorahnung II—Vorbedeutung

ein Mann im Winter ins Gebirg gehen; dreimal hatte er zu Hause etwas vergessen und jedesmal kam er zurück. Er sagte zum Weib: ich weiß nicht, was es ist, daß es mich heut nicht fortlassen will ; am Ende erwies es sich als eine Voarweilung; er kam unter einer Lawine ums Leben 1 7 ). Einige Tage vor dem 17. August 1891 kam in Kollmann ein altes Weiblein zum Geistlichen und legte ihm einen Fünfguldenzettel hin mit der Bitte, er möge ja schnell Messen für die armen Seelen lesen, sie fühle sich so beklommen, es sei ihr, als ob die ganze L u f t voll Teufel wäre, es müsse etwas Schreckliches geschehen. A m 17. August brach die Gandermur los 1 ). Seine Ermordung vorausgeahnt hat u. a. der französische König Heinrich IV. 1 8 ), ihren gewaltsamen Tod die Marschälle Bessières 1β ), Lannes M ) und General Lassalle 2 1 ) ; zahlreiche V.en von Teilnehmern des Krieges 1914/18 werden mitgeteilt 22). Der Musiker von Hove soll seinen Tod vorgeahnt und seine Kapelle einen Trauermarsch haben spielen lassen, bei dessen letzten Tönen ihm der Taktstock entglitt 23). Eine Taubstumme ahnt einen Schiffsuntergang voraus 2 4 ). Der Mathematiker Böhm wird aus einer Gesellschaft fortgetrieben und zu Hause angetrieben, sein Bett in eine andere Ecke des Zimmers zu stellen; dann wird er ruhig und geht wieder in jene Gesellschaft; in der Nacht bricht die Decke über jener Stelle nieder, wo es stand 2 S ). Beim Grabstein-Modellieren ritzt angeblich ein Schüler seinen Namen auf dem Stein ein; wenige Zeit darnach stirbt er 26 ). Fremde, nicht eigene Unfälle oder den Tod sah jene vorhin erwähnte Taubstumme voraus 2 4 ) und soll Napoleon I. in Hinsicht auf seine Generäle usw. vorausgeahnt haben 2 7 ). Wir sehen, um diesen Umstand noch hervorzuheben, daß eine V. sich nicht nur als Gefühlsdruck und Vermutung zu äußern braucht, daß sie auch durch eine Handlung, deren tiefster Sinn unbewußt bleibt, ausgedrückt werden kann 2 β ). Wir sehen, daß sie zu irgendwelchem Handeln

l688

treibt 2 8 ), das man an sich nicht immer als logisch begründet bezeichnen kann 2 9 ), wenn die uns überlieferten Angaben nichts fortlassen oder beifügen. 17 ) A l p e n b u r g Tirol 343I 18) Max K e m merich Prophezeiungen 1911, 90ff. 19) Kiesew e t t e r in Psych. Studien 17 (1890), 402! nach De B a u d u s Études sur Napoléon-, nach Κ. K e m m e r i c h Prophezeiungen iióff. 20) Ebd. 118 nach Just. Kerner Magikon 3, 262. 21 ) Ebd. 2, 263 = K e m m e r i c h 118 = Du Prel in Psych. Studien 17, 207. 2a) Z a u n e r t Rheinland 2, 200; A. Reimers Prophetische Stimmen. u. Gesichte aus dem Weltkrieg 1916, 59s. 23) Lübener Stadtbl. 15. 1. 1929. 24) Heinrich J u n g - S t i l l i n g Theorie d. Geisterkunde 1808, 84 = Museum d. Wundervollen II 2, 152 = Kemmerich Prophezeiungen 6 3 ! —· V.sSagen vom Typ der eben genannten sind aus. der okkultistischen Literatur zu Hunderten zu erheben; vgl. etwa Zentralbl. f. Okkultismus 7, 4880.5230. 588; 8, 51. 2 9 4 f. 10, 135I 237I usw. 25) J u n g - S t i l l i n g 78f. = K e m m e r i c h Prophezeiungen 61 f. 2e) Wiener Kinderglaube: WienerZfVk. 32, 39. 2 ') K e m m e r i c h Prophezeiungen 119. 28) Z a u n e r t Rheinland 2, 200; S t r a c k e r j a n i, I55ff. gebraucht für künden den Ausdruck V., Ahnung. Peuckert.

Vorahnung Π. Als V. bezeichnet Bartsch folgende, aus Mecklenburg berichtete Erscheinung: Die mit dieser V. Begabten sehen ungefähr neun Tage vor dem Tode einer Person um den Kopf derselben einen leichten, grauweißen Nebel erscheinen, der von Tag zu Tag sich mehr verdichtet, bis er einem weißen Schleier gleicht, der den Kopf umhüllt. Dann ist die Todesstunde gekommen. Diejenigen, welche dies sehen, sind zugleich durch innere Notwendigkeit gezwungen, solche Wahrnehmung irgend jemanden mitzuteilen 1 ). 1 ) B a r t s c h Mecklenburg artigem Beleg.

2, 88f. mit sagenPeuckert.

Vorbrand s. V o r g e s c h i c h t e . Vorbedeutung. Die Begriffe. V. und Vorzeichen werden weithin synonym gebraucht; es empfiehlt sich aber, zwischen beiden reinlich zu scheiden. Vgl. zur Definition beider „Vorzeichen". ι . Psychologische Situation. Das Wesen der V. wird man am besten fassen, wenn man sie zwischen die beiden ihr benachbarten Vorgänge „Vorahnung" und „Vorzeichen" stellt. So wie die Vorahnung erwächst die V. gewöhnlich aus einem psychischen Depressionsgefühl.

Vorbedeutung

Über die Vorahnung führt aber der Umstand hinaus, daß dieses Gefühl in äußeren .Zeichen seine Bestätigung oder Unterstreichung sucht. Damit wird V. nahe an „Vorzeichen" herangebracht. Was sie von diesem unterscheidet, ist, daß die äußeren „vorbedeutenden" Zeichen in ihrem Gleichniswert in keiner Art „festliegen". Ihr Sinn ergibt sich jedesmal erst aus der Situation. Ein solches Zeichen kann möglicherweise also heute dieses, morgen jenes bedeuten. Es kann natürlich ebensogut geschehen, daß nicht die psychische Depression der Mutterboden ist, aus dem die V. sozusagen aufsprießt, sondern daß umgekehrt ein äußerer Vorgang so stark erregend auf das Seelenleben des Menschen oder einer Gruppe von Menschen wirkt, daß aus dem „Zeichen" die böse „Ahnung" keimt. Aber auch hier sind beide Faktoren, wenn auch in umgekehrter zeitlicher Folge, festzustellen. 2. Weltanschauliche Situation. Die für die volkskundliche Beurteilung entscheidende geistige Situation wird wohl am besten so umschrieben: Selten wird ein bedeutendes Unglück sich ereignen, welches nicht durch besondere Zeichen angekündigt worden ist 1 ). Mag diese Ordnung der Dinge nicht der entsprechen, die uns gewohnt ist, so wird in eben diesem Satz doch eine „Ordnung" deutlich sichtbar, auf welche zwar hier nicht näher eingegangen werden kann, die aber für das rechte Verständnis dieser und ähnlicher Erscheinungen die Grundlage gibt. η SAVk. 1917, 82.

3. Vorbedeutungen. Es ist begreiflich, daß uns eine Erscheinung, die eher einen Schwebe- als festen Zustand darstellt, verhältnismäßig wenige Belege liefert. Vor allem liegen diese Belege jenseits des Volksmäßigen, gehören der schriftlichen Überlieferung an (die Unbestimmteres in seinem ursprünglichen Wert zu behalten vermag). Die meisten dieser Belege berichten über die V.en, die einer abgeschlossenen Handlung vorausgingen. Das läßt uns nur die Fakta, nicht aber, was uns wichtiger wäre, den psychologischen Ablauf, klar erkennen.

I69O

So zählt Albert Guibert von Nogent kurz nach 1100 die Ereignisse auf, welche der Ermordung des Bischofs Gerard von Laon vorausgingen und diese folglich anzeigten: ein Stein fällt aus der Luft, in der Kathedrale werden drei Balken vor den Knien des Gekreuzigten sichtbar, Dämonen lärmen, Feuersbrünste erhellen in der Nacht den Himmel 2 ). Bei der Krönung Georg Podiebrads fällt ein Edelstein aus der Krone; das bedeutet etwas Schlimmes vor 3 ). Vierzehn Tage vor König Ludwigs Tode heulen und brüllen die Löwen im Prager Schloß4). Ehe Rudolf II. starb, starben wenige Tage vor ihm zwei Adler und ein alter großer Löwe im Prager Schloß6). Vor dem Tode König Heinrich IV. von Frankreich löst sich am Kruzifix im Veitsdom zu Prag der Totenkopf und fällt auf den betenden König 6 ).

2 ) M e y e r Abergl. 139, nach Guibertus Novigent. de vita sua III, 11. 3 ) P o l Jahrbücher d. Stadt Breslau 2, 18. *) Ebd. 2,14. 6) Ebd. 5, 108. e )Erasmus F r a n c i s c i Der höllische Proteus 394f.

4. Es läßt sich leicht verstehen, daß ein Zeichen wie das letztgenannte zur Ausdeutung als einer V. verlockt. Hier löst der äußere Vorgang, das „Zeichen", die Ahnung aus. In entscheidenden Situationen, deren Bedeutung jedem Teilnehmer klar ist, harrt umgekehrt der Eingestimmte auf das Zeichen. Dann werden selbst belanglose Vorgänge vorbedeutend. So fürchtet man in Breslau 1741 bei der Huldigung vor Friedrich d. Gr., als es am Morgen regnet, die Illumination könne verlöschen und das eine üble V. geben 7 ), so hält man ebenda ein Gewitter für eine bedenkliche V. für öffentliche Angelegenheiten 8). Ein Regenschauer, ein Donnerwetter wird zur V. für die Staatsaktion. ') Eugen T r ä g e r Breslauisches Tagebuch.... Steinbergers 1891, 308. 8 ) Ebd. 228.

5. Wenn man die vorgeführten Belege überblickt, lassen sich leicht zwei Formen der Überlieferung erkennen; die erste Gruppe erscheint als „Sage", das ist also ein „historischer" Bericht; die zweite Gruppe gibt registrierte Volksmeinungen wieder. Gerade aber die Form der zweiten Gruppe ist es, wie Kenner leicht bezeugen können, in welcher die V.en laut werden.

1691

Vorgeschäft—Vorgeschichte

Hier haben wir einen weiteren Grund dafür, warum in unsern Sammlungen so wenig von ihnen sichtbar wird; die „Meinung", die V. verfliegt gemeinhin mit der Stunde, die sie gebar, und mit dem Zeichen, das verschwindet; selten daß eine Chronik, ein Tagebuch, ein registrierender Beobachter dies „abergläubische Zeugs" als Kuriosum streift. Wer aber im Volke steht, der weiß, wie oft dergleichen aufscheint, für kurze Zeit die Dunkelheit erhellt, und — schwindet. Es festzuhalten, ist eine Notwendigkeit, die leider noch nicht beachtet worden ist, die aber nicht länger versäumt werden sollte. Peuckert. Vorgeschäft im Bergischen Bezeichnung für Vorgeschichte (s. d.).

G. H e n ß e n Rheinische Volksüberlieferung 934. 15 f; Ders. Zur Geschichte d. berg. Volkssage 20; Ders. Neue Sagen aus Berg u. Mark 120Í. 1 2 3 ; K o r t u m Jobsiade III 25 Vers 2099 (Kürschners Deutsche Nationalliteratur 140, 362); S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 745. Peuckert. I

Vorgeschichte.

Z u r b o n s e n Das zweite Gesicht 1908; Ders. Neuere Vorgesichte 1920; Carl d u P r e l Das zweite Gesicht 1882.

Im O s n a b r ü c k i s c h e n u n d Braunschweigischen 2) Vorspook, Vôrspoik 2 ), im Kalenbergischen und Hildesheim Vorgelat 3 ), Vorspiel im Amt Dillenburg4), im Braunschweigischen und in der Lüneburger Heide Vorlât 5 ), in Dortmund Vüär begriff ®), im Sauerland „schichtern" 7), im Bergischen Vorgeschäft 8 ), um Dortmund Vorgesicht9), im Oldenburgischen Vörspauk, Vörlop, V., Schichtkieken 10) und (wie auch verbreiteter) Spökenkieken u ), auf Norderney Voerloop 12 ), während in Schleswig-Holstein von vörspökeln, vörduden, vöröben, vörlaten, vörmunkeln, vörwarnen 13 ), w hellsehen ) die Rede ist, im Westjütischen Waar 16 ), im dänischen Forvarsel, im Groningschen veurloop erscheint1β). Als üblich wird V. bezeichnet17). Doch wird der Inhalt der Worte oft erweitert und t-s muß Begriffe wie Anzeichen/Künden, Vorzeichen, Vorspuk, Vorschau decken18), sowie der Begriff „zweites Gesicht" im Krs. Saatzig (Südpommern)1β). Vgl. auch schottisch Taisch M).

1692

') Jos. Christoph S t r o d t m a n n Idioticon Osnabrugense 1756, 267. 2 ) A n d r e e Braun3 schweig 372. ) Conrad T e g t m e i e r Sitten u. Gebräuche d. Kalenberger Landes 1925, 38; S e i f a r t Hildesheim 1, 187. 4 ) Z a u n e r t HessenNassau 236. 3 i 2 f . ') A n d r e e Braunschweig 372; Ders. Sagen aus d. Boldecker u. Knesebecker Lande: ZfVk. 7 (1897), 1 3 1 ; S c h ü t t e Sagen: Braunschweigisches Magazin 5 (1899), m (in Bedeutung von ,, Vorzeichen "); D a η η e i 1 236 = H e c k s c h e r 356. Vörlat: K ü c k Lüneburg. Heide 242f. ·) ZfrwVk. 1914, 200; Sart o r i Westfalen 74, (auch Vorbedrîf). ') ZfrwVk. 18, 48 = H e c k s c h e r 356. 8 ) G. H e n ß e n Zur Geschichte d. berg. Volkssage 20; Ders. Rheinische Volksüberlieferung 1934, 15f.; Ders. Neue Sagen aus Berg u. Mark i 2 o f . 123. i2ofl. ; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 745; K o r t u m Jobsiade III 25, 2099. 9 ) ZfrwVk. 1914, 200. 10) S t r a k k e r j a n 1, 135 (Schichtkieken auch S a r t o r i Westf. Vk. 75). u ) oben8, 307; ferner S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 1 3 5 ; A n d r e e Braunschweig 372 (Westfalen); S a r t o r i Westf. Vk. 75; K ü c k 242; Fr. P l e t t k e Heimatskd. d. Bez. Stade ι (1909), 317. 12 ) Benno Fide S i e b s Die Norderneyer 1930, 150. 13 ) M e y e r SchleswigHolstein 224. 14 ) Heimat 31 (1921), 5 1 ; 32 (1922), 153t. 15 ) Jens K a m p Danske Folkeminder 1877, 2of. (ebd. 422 Nr. 1409: Waarstand.) l e ) E. J. H u i z e n g a - O n n e k e s Groninger volksverhalen 1930, 53ff. 17 ) ZfrwVk. 1914, 200. Gehört hierher der Ausdruck „Großvater hat das Gesicht": A. K a r a s e k - L a n g e r u. S t r z y g o w s k i Sagen der Beskidendeutschen 1 9 3 0 , 1 0 2 ? 18 ) Vorgeschäft: Vorzeichen: S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 1024. 1027. Fritz K n a c k Beitr. z. Landes- u. Volkskd. aus dem Krs. Saatzig 1912, 44Ì·; Ders. Pommersche Spukgeschichten, Sagen u. Märchen aus d. Krs. Saatzig 1922, 58f. 66 Nr. 300. 20 ) John B r a n d Observations on popular antiquities 2 (1813), 480; Β. weiß nicht, ob Taisch: mean the power of seeing or the thing seen.

2. Wir fassen unter den Begriffen V., Vorspuk und Vorschau jene visionären Erlebnisse eines einzelnen oder mehrerer zusammen, die das zukünftige Geschehen in einem Bilde oder einer Bilderfolge, seltener in einem akustischen Erlebnis, sinnlich wahrnehmen lassen 21 ). Man darf dabei vielleicht auf die dem „Propheten" (s. d.) eigentümliche Veranlagung hinweisen, der die Zukunft auch nicht in ihren bloßen Ergebnissen voraus sieht, sondern dem sie sich im Bilde, geschehend, zeigt. Unzweifelhaft bestehen hier Zusammenhänge, — wie sich unten auch der Übergang von der V. zur „Weissagung" zeigen wird. Ferner ist zwischen dem Sehen des Vorschauers und dem der andern zu

Vorgeschichte

scheiden; ihre Gesichte treten ohne, ja gegen ihren Willen, auf; der Vorschauer führt die Seinen absichtlich herauf (s. Vorschau). Was nun V. und Vorspuk betrifft, so muß man zwischen ihnen folgendermaßen unterscheiden: in einem Vorspuk wird ein künftiges Ereignis bildhaft ang e d e u t e t ; in der V. wird es in seinen einzelnen Zügen vorausgesehen. Oder, um es am Beispiel zu erläutern : wer einen, dem der Tod bevorsteht, im Totenvolk wandeln sieht, der sieht die Schar der Toten und jenen Bestimmten, vielleicht durch seine Kleidung noch besonders bezeichnet, unter ihnen; er sieht einen Begräbniszug von dessen Wohnung ausgehen, — das Gesicht deutet damit an, daß ein Begräbnis von dort herkommen werde, deutet den nächsten Sterbenden an. Ich sage „deutet an", denn das Gesicht zeigt nicht vorbildend den Begräbniszug des X . Den zeigt hingegen die V. in allen seinen, oft sonderlichen Einzelheiten. Walter Schulte vom Brühl berichtet folgende Familiensage: Ein Jude ging mit einem Martenschen Bauern über Feld und packte den Mann plötzlich erregt am Arme und fragte ihn, wer denn auf dem Schultenhöfe gestorben wäre, daß dort der Leichenzug nach dem benachbarten Kirchdorfe wandere. E s wären doch die beiden Braunen des Schulten, die den Leichenwagen zögen. Der andere sah nicht das mindeste und glaubte fast, der Jude sei übergeschnappt Aber andern Tages war der Erbschulte vom Sadelhof, mein Großvater, tot. Als die Leiche überführt werden sollte, trat der Hoferbe, Ohm Fritz, aus der Haustür, als erster den Zug der Leidtragenden zu eröffnen. Da sah er die braunen Gespanne vor dem schwarz verhangenen Sargwagen und herrisch befahl er, ein anderes Pferdepaar des Hofes anzuschirren, denn im Bezug auf die Braunen sollte wenigstens der verdammte Jud, wie er sich ausdrückte, nicht recht behalten. Aber da erwies es sich, daß alle andern Gäule so weit auf dem Acker oder über Feld waren, daß nur mit einem sehr großen Aufenthalt der Befehl hätte ausgeführt werden können, und so sei die Sache genau so vor sich gegangen, wie es der Jude in seinem V . erschaut hatte 2 2 ).

Die V. ist also mit der oft gehörten Wendung, eine Tatsache werfe, bevor sie in die Wirklichkeit trete, ihren Schatten rückwärts in die Gegenwart 23 ), richtig charakterisiert, wenn man auch lieber, um ganz deutlich zu sein, statt „Schat-

1694

ten": „Bild", „Abbild" sagen wird. Damit wird aber auch für den Psychologen das Problem gestellt. Ein Vorspuk kann in den Bereich der Vorahnungen und ihres bildhaften Spieles gestellt und aus ihm erklärt werden: die von der Schwere des Kommenden bedrückte Seele bildet es vor. Die V., für deren Realität unzweifelhafte Zeugnisse vorhanden sind 24 ), stellt — es mag hier nur auf Charles Richet, Traité de Métapsychique 1923 — verwiesen werden, die Frage nach der Richtigkeit unserer Ansicht von der Weltordnung selbst. Anders versucht das Volk die V. zu deuten. Meyer faßt seine Meinung zusammen : Die Seele des Menschen verläßt beim Tode den Körper und lebt für sich weiter, so sagen viele im Volke, und oft findet sie keine Ruhe, so erzählt man, sie wandert umher und zeigt sich den Lebenden. Sie kann ihnen auch Zeichen geben, aber nicht alle Menschen sehen oder hören die Zeichen und begreifen, daß es vörspökeln, vördüden usw. kann " ) .

Ähnlich hören wir aus den braunschweigischen Kreisen von Spökenkiekern, welche Gespenster sehen können, und von solchen Leuten, die das Vorlât (Vorgesicht) aus dem Verkehr mit den Seelen Verstorbener besitzen 2β). Bei dänischen Schichtern findeh wir Züge, die zur Vorschau weisen. Jens Hansen etwa geht jeden Sonntag vor die Scheunentür, — er hat kein Fenster auf den Kirchweg, -— und sieht da die, die in der kommenden Woche sterben, so daß der Totengräber ihn fragen kann, wie viele Gräber es geben wird 2 7 ). Maren Björn geht zur Vorschau am Neujahrsabend auf den Kirchhof und sieht da Leichenzüge, wie sie der Schichter sieht 24 ). Zur Erklärung der Erscheinung beachte auch Kristensen, Danske Sagn 2, 465 Nr. 472. 21 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 3 5 ; Evald Tang K r i s t e n s e n Danske Sagn 2 (1893), 4 2 7 0 . 22 ) Walter S c h u l t e v o m B r ü h l Sechs Jahrzehnte 1918, 1 7 3 t 2 3 ) W u t t k e 223 § 319. Vgl. zu dem Ausdruck auch S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 879. 24 ) Vgl. etwa S t r a c k e r j a n 1, 1 3 6 . 25 ) M e y e r Schleswig-Holstein = M e y e r Rendsburg 74. 2 ' ) L a u f f e r Land u. Leute in Niederdeutschland 1934, 1 8 7 nach O. Hahne bei G ö r g e s - S p e h r - F u h s e Vaterland. Geschichten 3 (1929), 428. a 7 ) Evald Tang K r i s t e n s e n

1695 Danske Sagn 2 (1893), 403 Nr. 263. 2, 405 Nr. 268.

Vorgeschichte

1696

urteilen, (wobei wir aber nicht wissen, ob der terminus „zweites Gesicht" das Rechte 37 3. Verbreitung. „Die Deuteroskopie ist trifft, — vgl. u.) ). Sonst fehlen mir die es hier über die ganze Welt verbreitet, konzen- mecklenburgische Belege, auf 38 triert sich jedoch in bestimmten Herden, besonders ankäme. Rügen ) und Pomdie aus Volksveranlagung und Land- mern zu beiden Seiten der Odermündung 3e schaftseinwirkung zu erklären sind" 2S ). erscheinen bereits als Verfallsgebiete ). In der Uckermark sehen Sonntagskinder Es wird meist hervorgehoben, daß die die Leichenbegängnisse Hellseherei und damit die V. von allen mit „Vorgesicht 40 deutschen Gegenden besonders stark in voraus" ). Ein Bericht aus Neu-Ruppin Westfalen auftrete, und hier wiederum von 1791 könnte als Zeugnis für einen (zweites Gehör) angesprochen am meisten im heidereichen Münster- Vorbrand 41 die Altmark sind Helllande und gebirgigen Sauerlande 30 ). Die werden ). Für 42 Belege führen aber ebenso auch nach dem seher bezeugt ). Braunschweig und Hüdesheim wurden Ravensbergischen, und nicht minder nach Oldenburg 31 ). Ebenso behauptet Andree : bereits genannt; ein Beleg aus Goslarwir haben es hier mit einem weit durch Zellerfeld könnte4S als Relikt noch hierher Niedersachsen und darüber hinaus ver- gezogen werden ). 44Angaben aus Rudolund Gera ) können höchstens breiteten Glauben . . . zu tun; auch der stadt werden, westfälische Spökenkieker . . . ; sehr ver- als Belege für Streulage gewertet 46 breitet ist der Glaube an den Vorspuk ebenso der Mainzer Beleg ). Eine einigerauch im Oldenburgischen. Von den maßen sichere Grenze vermag ich im friesischen Inseln sagt Laß: Ich habe in Rheinland nicht zu ziehen, weü hier die meinem Leben nicht mehr vom Vorbrand, Sagensammlungen versagen ; ich lasse von Geschichten, die schon gesehen, deshalb die Grenze vielleicht zu weit östaber nicht geschehen sind, und dergleichen lich verlaufen, bis sie nördlich Keveverläßt. Auch ein gehört, als in diesen fetten Provinzen; laer das Reichsgebiet 46 es fängt schon im Bremischen an 32), und schlesischer Beleg ) steht isoliert. Außerhalb der Reichsgrenzen sind Holvon Sylt Camerer: besonders liegt ihnen 47 48 Norwegen49), das sogenannte Vorspuken, nämlich, daß land ), 80Dänemark 1 ), vor dem Sterben eines Menschen etwas Schweden ),52 Island® ), Schottland und von unbekannten Wirkungen vorhergehen die Orkneys ) anzuschließen. In Venddie Norweger müsse, als auch das Vorbrennen, (daß syssel (Nordjütland) galten 63 sich ein Feuer oder Licht vorher an den durchweg als Schichter ). Im schwescheint Häusern sehen läßt), im Kopfe 33 ). Und: disch bevölkerten Teile Finnlands M Der Glaube an das vorlât ist noch allge- die Nordgrenze zu verebben ). Wie schon und worauf die mein auf dem Lande (Braunschweig) die letzten Orte andeuten 22 verbreitet und kam selbst in Städten vorhin mitgeteilte Sage ) auch schließen vor M ). Kück sagt von der Lüneburger läßt, ist die Gabe, V.n zu sehen, nicht als anzuHeide: Der Glaube an V. ist bei Männern eine S6 Stammeseigentümlichkeit ). und Frauen gleich verbreitet 3S ). Das sehen 2i ) H e c k s c h e r Vk. d. germ. Kulturkd. Hauptgebiet scheint aber heut in Schles2. 355· S a r t o r i Westf. Vk. 74. 31) L a u f f e r 3e wig-Holstein und Jütland zu liegen ). Land «. Leute 188. 32) Besondere Nachricht Aus SW-Mecklenburg teilte eine Hage- von Nordstrand 1757 in: Joh. Friedr. C a m e r e r nowerin Bartsch mit: Andere Arten von Vermischte historisch politische Nachrichten in Vorahnungen, welche genau mit demjenigen Briefen von einigen merkwürdigen Gegenden der Herzogtümer Schleßwig u. Hollstein 1 (1758), übereinstimmen, was als das „zweite Ge- 30g = H e c k s c h e r 356. C a m e r e r 2 (1762), sicht" schon anderweitig bekannt ist, . . . 665. 34) A n d r e e Braunschweig 372. 36) K ü c k 3e übergehe ich hier, weil diese Art des Aber- Lüneb. Heide 242. ) M e y e r Schleswig-Holstein glaubens in Hagenow nicht abweicht von 224ff.; Moritz B u s c h Schleswig-Holstein. Briefe ι (1856), i8ifi.; L a u f f e r Land u. Leute 185t den auch anderswo zum Teil noch gang- 37) B a r t s c h Mecklenburg 2, 89. 38) (ed. Ludbaren und allgemein bekannten Vor- wig Theobul K o s e g a r t e n ) Karl Nernst's Wände28

) Ebd.

I698

Vorgeschichte

1697

,Hamburg

Stettin?

ι Groningen t

\ Ν eu Ruppi η Berlin

0

Braunsctmpig

\

~Ί °6oslar

-j òKotn ι ζ?;* . SSauerld.

i

aatzig

Lüneburg0

o Gera Rudolstadt

ν*.

I Kobteni

f>

\

V

Mainz

Deutsche Südgrenze für das

„Zweite Gesicht"

rungen durch Rügen 1800, 166; L a u f f e r Land u. Leute 1 8 9 I ; E. M. A r n d t Nebenstunden 1826, 458 = H e c k s c h e r Vk. d. german. Kulturkrs. 105; vgl. auch H a a s Rügensche Sagen 3 ·) H a a s 1896, I07Í. Nr. 106. Pommersche Sagen 1926, 12 Nr. 20; 15f. Nr. 28; i o f . Nr. 16; K n a c k Beiträge 44f.; Ders. Pommersche Spukgeschichten 58f. B r u n n e r Ostd. Vk. 190. Karl Eduard H a a s e Sagen aus d. Grafsch. Ruppin 1887, 13 Anm. 1. 4S) Altmärkischer ω) Sagenschatz 223. S i e b e r Harzland 197. ω) **) Q u e n s e l Thüringen 311. Zaunert Rheinland 2, 130. *·) D r e c h s l e r 1, 284. *7) H u i z e n g a - O n n e k e s Groninger volksverhalen 193; (Drente?): J. de V r i e s Van Alven en Elfen: Nederl. Tijdschr. 36 (1931), 6. **) Evald Tang K r i s t e n s e n Danske Sagn 2 (1893), Teil H. J. = 346—589, u. die unten zitierte Literatur; S t o r a k e r Menneskelivet 64. **) Joh. Th. S t o r a k e r Mennes-

kelivet i den norske Folketro 1935, 64. M ) ( A r n d t bei) H e c k s c h e r 106; S t o r a k e r Menneskelivet 64 ;Folkminnen och iolktankar 16,17891 ; i7,2off. ; s. auch die unten zitierte Literatur. 61 ) Konrad M a u r e r Isländische Volkssagen i860, 90. 52 ) B r a n d Popular antiquities 2 (1813), 481 nach John S i n c l a i r Statistical Account of Scotland 3 (1792), 380: the belief of the Second Sight is general; P r e l 8; Rob. H e r o n Observations made in a journey through the Western Countries of Scotland 2 (1793), 227 = H e c k s c h e r 355; Daniel S t e w a r t Sketches of the Charakter, Manners and Present State of the Highlanders of Scotland 1822 Append. 31; M. M a r t i n A Late Voyage to St. Kilda 1698, 133; A. G o o d r i c h - F r e e r Outer Isles 1902, 70; James B o s w e l l Tagebuch einer Reise nach den Hebridischen Inseln 1787, 197; Moritz B u s c h Schleswig-Holsteinische Briefe 1 (1856), i 8 i = L a u f f e r Land u. Leute 185. E. M. A r n d t

1699

Vorgeschichte

Nebenstunden 1826, 394 = Hecksche.Vk. d. germ. Kulturkrs. 1 0 ; f . gehört nicht hierher. ®3) E v a l d T a n g K r i s t e n s e n Danske Sagn 2 (1893), 406f. Nr. 273. V g l . Samuel H i b b e r t Description of the Shetland Islands 1822, 548 = H e c k s c h e r 3 5 5 f . 54 ) Vgl. die wenigen ss) Belege nach W e ß m a n unten. Dagegen L a u f f e r Land und Leute 191.

4. Zeitliche und soziologische Grenzen. Der niederdeutsche Reinke de Vos, Rostock 1539, spricht von Antöginge 6 e ) ; aber diese Anzeigungen nennen wir heut Vorahnungen (s. d.) oder Vorbedeutungen (s. d.). Der älteste mir bekannte Beleg über V.n findet sich in Johann von Münster zu Vortlage „christlichem Underricht von den Gespensten" 1591; als nächsten führt Strackerjan einen Mag. Heinrich Schwarz zu Oldenburg während des 3ojähr. Krieges an 57 ). Doch ist die Erscheinung viel weiter hinaufzurücken; sie ist, wenn auch nicht, um mit Moritz Busch zu reden, „uralt" 68), doch sicher alt. Was die soziologischen Grenzen der Vorstellung betrifft, so reicht diese durch alle Schichten der Bevölkerung 5 9 ) in Dorf und Stadt e o ). M ) L a u f f e r Land und Leute 189. « ) Strakk e r j a n 1, 1 3 5 I s e ) L a u f f e r Land u. Leute 186. " ) S t r a c k e r j a n 1, 135. ·°) A n d r e e Braunschweig 372.

5. Bewährung der V.n. Die Frage nach der Verteilung des V.-Glaubens im soziologischen Raum hängt aufs engste mit der nach ihrer Bewährung und Glaubwürdigkeit zusammen. Der Rationalist der bürgerlichen Welt wird sie ebenso bestreiten, am Ende gar auf Magenbeschwerden zurückführen β 1 ), wie der Okkultist von ihrer Bewährung überzeugt ist M ). In der bäurischen Welt scheiden sich ebenso Ungläubige β2) und Gläubige, doch überwiegen weitaus die letzteren ®3). Nâloop (Nachspuk) gift't neet, man Voerloop gift't, sagen die Norderneyer M ). Nicht nur der Schichter selbst ist von der Wahrheit seiner V. überzeugt, so überzeugt, daß er heut schon die Stationen des Kreuzwegs betet, den er vorsieht ·*), daß er ratet, ein vorbrebnendes Haus zu versichern ββ ), ja, daß er vor einem brennenden Hause erstaunt in den Ruf ausbricht: ich habe aber doch das andere

1700

brennen gesehen und sich erst beruhigt, als man ihm sagt: Ja, das ist schon herunter 67) ; und ein Mann hindert seine Frau bei einem Schadenfeuer am Einpacken der Sachen : Laß alles stehen ; ich habe den Brand längst gesehen, er geht nicht weiter 67 a ), — auch die andern sind gemeinhin von seinen V.n überzeugt. Sie versichern ihr Haus e8) ; ja, es entsteht eine Panik, als eine ganze Straße vorbrennen gesehen wird ®9). Skeptiker wollen sogar, was für die Bewährung ihrer Voraussagen bezeichnend ist, in dem Schichter den Brandstifter sehen; wer sonst hätte es so genau angeben können 7 1 ). Und in der Überzeugung der Gläubigen müssen gerade die Versuche, eine V. Lügen zu strafen, dazu dienen, ihre Bewährung zu fördern (s. u.). In den schottischen Ebenen wird der Glaube an die V. schon zu Anfang des vorigen Jh.s als schwindend beschrieben; nur the grossest people glaube es noch 72 ). e l ) Vgl. auch S t r a c k e r j a n 1, 1 3 6 f . ; L a u f f e r Land u. Leute 1 9 1 ; (Magenbeschwerden:) F r a n z Jostes Westfäl. Trachtenbuch 1904, 107. í 2 ) Mor. B u s c h Schleswig-Holst. Briefe 1 (1856), 182 = L a u f f e r Land u. Leute 186: nur selten noch g e g l a u b t ; ähnlich B u s c h 2, 144 (: hie und da einige Halbgläubige). V g l . auch die Schwanke bei S t r a c k e r j a n 1, 1 7 4 t . ; A n d r e e Braunschweig 375 : natürlich h a t der Glaube an solche Prophezeiungen stark abgenommen. N i c h t eingetroffen: K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 538 Nr. 217. ®3) L a u f f e r Land u. Leute 189. 190. M) 1 9 1 ; v g l . oben § 3. Benno Fide S i e b s Die Norderneyer 1930, 150. 85 ) Z a u n e r t Rheinland 2, 194 = S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 9 3 5 ; v g l . auch den Schichter, der vor Leichenzug seine Mütze zieht: Z a u n e r t Rheinland 195 = S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 147. ββ) S t r a c k e r e 7 j a n ι , 182. 183. 187. ) Meyer Schleswig-Holstein 238; d e r s . Rendsburg 89. " a ) S t r a c k e r jan 1, 165 = Freudenthal Feuer 363. w ) S t r a c k e r j a n 1 , 1 8 3 . 1 8 7 , dagegen S t r a c k e r j a n ι , 182. e») S t r a c k e r j a n 1, 188. ">) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2,541 Nr. 228. 7 1 ) S t r a k k e r j a n 1, I 7 3 f . ; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 65; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 538 Nr. 218. ,2) B r a n d Popular antiquities 2, 482.

6. Das V o r g e s i c h t . Was nun die Eigenart des Vorgesichtes betrifft, so wird es, seinen Bezeichnungen entsprechend, meist als ein visuelles, seltener als ein akustisches Erlebnis 7 3 ), ein zweites Gehör 7 4 ), beschrieben; noch seltener wird es durch Geruch oder Gefühl wahrgenommen 75 ),

Vorgeschichte

Dies visuelle Erlebnis besteht entweder aus einem Bild 7β) oder aus einer ganzen Folge von Bildern, einer fortlaufenden Bilderreihe 77 ). Seltsamerweise wird das „Gesicht" mit rein körperlichen Zügen ausgestattet; der Schichter fällt über die Zeltleinen des Lagers, das er vorschaut 78), der Nicht-Schichter über den Leichenzug, durch den er schreitet und dem der Spökenkieker ausweicht 79 ), oder es wird gesagt, daß der Schichter nicht durch das Bild des Sarges, den er sieht, hindurchschreiten kann, dieser ist undurchdringlich wie ein fester Körper 8 0 ). Das Gesicht des Schichters kündet gewöhnlich bedeutungsvolle, durchweg unangenehme Begebenheiten des Lebens, Todesfälle,Leichenzüge, Brände, Kriege 81 ). Es macht das bevorstehende Geschehnis in seinem Kerninhalt sichtbar, indem es entweder dieses ganz abspiegelt, — ein goldumrändertes Kreuz, das als Straßenschmuck dient, wird vorher in seiner vollen Gestalt an der Stelle gesehen 82 ), ein Leichenzug passiert (s. u.), ein Mann wird gesehen, dessen Kopf unter Wasser liegt 8 3 ) usw., — oder indem ein Hauptzug herausgegriffen wird, der das ganze Geschehnis repräsentiert: ein Sarg in der Diele (s. u.), der Garten voll schwarzgekleideter Menschen M ), das Heraustragen von Möbeln als V. eines Brandes 85 ) usw. Meist wird zwar das ganze Geschehnis sichtbar, aber ein besonderer, auffälliger Zug springt heraus : Braune 2 2 ) vorm Leichenwagen, Schimmel 86 ) im Trauerzuge, der Pastor trägt bei den Begräbniszeremonien graue Hosen statt der schwarzen 87), ein Trauernder einen sonderbaren Hut 8 8 ), dem Tischler fällt beim Laden des Brautfuders der Hut vom Kopf 8 8 ) ; es sind die Züge, die — wie hier — so in der „primitiven Gemeinschaft" das Auge auf sich ziehen, vom Sinn des Ganzen ablenken. Sie sind nach dem Empfinden der Gemeinschaft unerlaubt, weil sie form- und normwidrig sind; der Schichter kann sie also — auch unterbewußt — nicht wollen; wenn sie trotzdem erscheinen, bezeugen sie die „Realit ä t " des Gesichtes. Dasselbe ist durch den nächsten Zug der Fall: das Gesicht

1702

ist zweideutig oder der hervorstechende Zug „unerklärlich". Es ist zweideutig, und wird darum falsch gedeutet: man sieht das Feuer eines Vorbrennens, versichert aber ein falsches Haus 9 0 ), man deutet einen Leichenzug, der vorm Hause nur anhält, als einen, der aus dem Hause komme 9 1 ) ; man sieht einen Sarg und glaubt an den Tod eines kränklichen Hausbewohners; in Wahrheit ist der Schichter der Todeskandidat 92). Man sieht einen Toten im Sarg die Treppe heruntertragen, während die Schlafzimmer doch unten liegen, — eine Frau, die stirbt, mußte oben entbinden 93). Der Zug ist unerklärlich: es kommt eine vornehme Leiche aus einem armen Hause, — ein durchreisender Geistlicher stirbt dort 94) ; es folgt einem Leichenzug nur ein Mann, was in Neuenkirchen nie Brauch war, — ein fremder Kaufmann stirbt, den niemand kennt und begleitet 95) ; der Leichenzug kommt kirchwärts her, — weil der Tote in der Nachbarkirche begraben wird 9 6 ) ; der Leichenzug, es ist dürres Wetter, fährt durch Wasser, — ein Gewitter bricht plötzlich los 97) ; die Pferde halten verkehrt, — die Leiche kommt aus einem andern Dorf 98) ; man nimmt nicht den Kirch weg, — er ist grundlos 99 ), verschneit 10°) usw. Immer zeigt sich, was vorher unerklärlich schien, nachher, im Geschehen, als begründet, — und immer geschieht dies anscheinend Unsinnige, — das Vorgesicht wird utdan 101 ). Ja, es geschieht auch, wenn man die V. Lügen strafen will, oder vielmehr, gerade durch den Versuch, sie zu hindern, wird sie utdan. Die Schwester hat ein Vorgesicht, der Bruder werde zu ungewöhnlicher Zeit in die Ferien kehren und an ihrem Schlafkammerfenster klopfen; die Schule wird geschlossen, er will die V. zu schänden machen und klopft an einem andern Fenster, und dahinter schläft — nach einem Zimmertausch — nun eben die Schwester 102) ; in der V. wird eine auffällige Bespannung des Trauerwagens 1 0 3 ), ein besonderer Platz desselben im Zuge 104 ) genannt, trotz aller Versuche läßt sich das Gesicht nicht zuschanden machen; der Nachbar fährt mit einem Schim54

1703

Vorgeschichte

m e i * ) und als Dritter im Zuge 105 ) usw. Oder: I m Stedingerlande diente ein Knecht, der die Gabe hatte, Vorspuk zu sehen. Wenn ein Todesfall bevorstand, mußte er aus dem Bette und auf die Diele gehen, wo dann der Sarg stand, und jedesmal starb der, welchen er gesehen, in Jahresfrist. Als es ihn einmal wieder auf die Diele trieb, sah er den Sarg, aber den Toten, der darin lag, erkannte er nicht. Warte, dachte er, ich will dich schon wieder kennen, wenn ich dich antreffe, nahm ein Messer und schnitt dem Toten über der Stirn ein Büschel Haare ab. A l s sie am nächsten Morgen beim Trinken saßen, sagte die große Magd zum Knechte: Du, wer ist dir bei den Haaren gewesen ? Der Knecht erschrak und sah, daß er selbst der Tote gewesen sei, dem er das Haar abgeschnitten. E r kündigte sofort den Dienst, denn der Tote muß in dem Hause sterben, wo er gesehen, — und verdang sich anderswo. Aber nach einiger Zeit fühlte er eine große Sehnsucht nach seiner alten Herrschaft und machte sich, da er sich ganz wohl fühlte, auf, um dieselbe zu besuchen. Wie er aber im Hause war, starb er. — In Butjadingen heißt der Schluß: Nach Jahren traf der Bauer seinen früheren Knecht in dem Wirtshause seines Dorfes, wo derselbe übernachten wollte, und lud ihn ein mitzugehen. Der Knecht nahm die Einladung an und starb in derselben Nacht in dem Hause seiner alten Herrschaft. In Fladderlohausen stirbt der Knecht, als er a m nächsten Sonntag nach seinem Abgange ein vergessenes Bündel Kleidungsstücke abholen will; in Altenoythe, als er im Hause der früheren Herrschaft einen Toten ansagen muß. E r will nicht bleiben, läßt sich aber herbei, einen Augenblick Platz zu nehmen, wird plötzlich unwohl und stirbt 1 0 «). So wird die V., trotz alles Widerstrebens, utgedan, und die, die glaubten, stoßen einander an, oder fragen den ungläubigen Thomas: War es nun nicht so107) ? Die meisten V . n betreffen bekannte Personen, Verwandte 1 0 8 ), — aber anscheinend nicht nächste Blutsverwandte, — höchstens Geschwister 1 0 9 ), Nachbarsleute u o ) , Dienstleute und Wirtsleute im H a u s e 1 U ) , den Freier der T o c h t e r 1 1 2 ) , Bekannte aus dem D o r f 1 1 3 ) , Respektspersonen 1 1 4 ), aber auch Fremde und Unbekannte11δ). 73 ) S a r t o r i Westfalen 75; S t r a c k e r j a n I, 144; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 445f. Nr. 305; 430 Nr. 354. 355; 431 Nr. 358; 432 Nr. 362; 435 Nr. 369; 434 Nr. 367; 437 Nr. 377; *) Dazu, daß so oft ein Schimmel vorgesehen wird, vgl. die Bemerkung K u h n Westfalen 2, 57t Nr. 165.

1704

436 Nr. 374; 4 3 7 I Nr. 378 usw. 71 ) M o r i t z B u s c h Schleswig-Holst. Briefe 1, 183 = L a u f f e r Land u. Leute 186; s. auch u. 75 ) S a r t o r i Westfalen 75; Jens K a m p Danske Folkeminder 1877, 22 Nr. 23. 7e ) S t r a c k e r j a n 1, 1 4 5 ! 1 7 6 ! 1 7 7 1 usw. S. u. 77 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 4 4 ! 7S ) S t r a c k e r j a n 1, 142. 7") H e n ß e n Neue Sagen aus Berg U.Mark 1 2 5 ! ; Z a u n e r t Westfalen 247 f.; S t r a c k e r j a n 1, 142 Nr. 156; A n d r e e Braunschweig 376; M e y e r SchleswigHolstein 226f.; Heimat 32 (1922), 153. 80) S t r a k 81 ) S a r t o r i k e r j a n 1, 142. Westfalen 75; S t r a c k e r j a n 1, 135. 82) S t r a c k e r j a n 1, 188. e3 ) S t r a c k e r j a n 1, 184. M ) Jos. W i n c k l e r 85 ) Pumpernickel 1926, 3i8f. Strackerjan χ, 186. ββ) S a r t o r i Westfalen 75. 87) S t r a c k e r j a n I, 180. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 459 Nr. 449. 8») S t r a c k e r j a n 1, i 8 i f . 90 ) S t r a k n) k e r j a n 1, 183. S t r a c k e r j a n 1, 1 8 2 ! *2) S t r a c k e r j a n 1, 177 = L ü b b i n g Friesen 161 f. ί 3 ) B . F. S i e b s Die Norderneyer 150. M ) A n d r e e Braunschweig 374. βδ ) S t r a c k e r j a n I, 1 6 7 ! , e ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 459 Nr. 450; 462 Nr. 460. " ) S t r a c k e r j a n 1, 176. , 8 ) S t r a c k e r j a n 1, i82f. 89) M e y e r SchleswigHolstein 227i. 10 °) Ebd. 228; M e y e r Rendsburg 76; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 404 Nr. 264. 1 0 1 ) S t r a c k e r j a n 1, 179. 102 ) Strackerjan I, 183. 103 ) Z f r w V k . 10, 60 f. ; S t r a c k e r j a n 1, i8of. ; K u h n Westfalen 2, 57 Nr. 163. 165; Z a u n e r t Westfalen 249; M e y e r SchleswigHolstein 228; Jens K a m p Danske Folkeminder 1877, 271 f. Nr. 882; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 450 Nr. 419—425; 457 Nr. 442; 458 Nr. 447. 448; 463 Nr. 465; 474 Nr. 506; 479ff.; 589 Nr. 421; Nachw. 13. In Dänemark wird statt des Schimmels auch eine Blesse genannt: K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 404 f. Nr. 267. 1 M ) S t r a c k e r j a n 1, i8of. ; M e y e r SchleswigHolstein 228; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 458 106 ) Nr. 447; 4 6 3 ! Nr. 466. Strackerjan I, i8of. l o e ) S t r a c k e r j a n 1, 177Í.; ähnlich (von einem Seemann): B . E . S i e b s Norderneyer 107 ) 150f. Z a u n e r t Hessen-Nassau 312I; S t r a c k e r j a n 1, 1 7 5 ! 180. 186. 188. 191 f. i46f. 108 ) S t r a c k e r j a n 1, 185. 177. 1 0 i ) S t r a c k e r j a n ι , 183. n o ) S t r a c k e r j a n 1, i 8 o f . ; Z a u m ) n e r t Rheinland 2, 1 9 5 ! Strackerjan 1,181 f.; M e y e r Schleswig-Holstein 228; Heinrich B e i s e n h e r z Kurl. 1933,376.Lehrling: Z a u n e r t Rheinland 2, 196. 1 1 2 ) S t r a c k e r j a n 1, 178. 113) S t r a c k e r j a n 1, 186; M e y e r SchleswigHolstein 227. 228f.; Z a u n e r t Rheinland 2, 194t. 1 1 4 ) S t r a c k e r j a n 1, 180. 141. 116 ) S t r a c k e r j a n ι , 183; Z a u n e r t Rheinland 2, 195. 7. Inhalt der V.n. Α . : Privatleben. I. Hochzeit. Der Schichter sieht den Freier der Tochter eines Bauern oder die Hochzeit der beiden 11 ®); sieht zwei, die sich nicht kennen, als Paar wandeln 1 1 7 ), die Trauung, — seltsamerweise im Unterschlag 1 1 8 ), den Hochzeitszug 1 1 β ), das A b holen der B r a u t 1 2 0 ) — und zwar auf-

Vorgeschichte

fälligerweise mit drei Braunen und einem Schimmel 121 ), die Kistenwägen auf der Diele 122), die Fahrt zur Hochzeit, wobei die Pferde vorm Wagen sich auffällig benehmen 123 ). Manche haben auch die Hochzeitsmusik vernommen 124). Auch hier haftet der Blick auf Details, die in Erfüllung gehen, obwohl man sich wehrt, — etwa ein bestimmtes Kleid zu tragen 126 ). Ein Hochzeitszug bietet dem Schichter einen furchtbaren Anblick; das Gefolge einer Leiche geht ehrbar und würdig mit gesenktem Haupte einher und macht den ernsten Eindruck, welchen die Gelegenheit verlangt; aber Hochzeitsgäste und Begleiter eines Brautpaares verzerren die Gesichter, grinsen und sehen mit den geöffneten Lippen und den langen weißen Zähnen greulich aus 12β ). Die Dänen sagen, ein Brautlauf komme in rascher Fahrt ; könne man seine Trompeten hören, wird er glücklich, sonst unglücklich sein m ) . lle ) S t r a c k e r j a n 1,178; K r i s t e n s e n D a n s k e Sagn 2, 407 Nr. 274. l l 7 ) B u s c h SchleswigHolstein. Briefe 1, 182 = L a u f f e r Land und lle Leute I, 185. ) S t r a c k e r j a n 1, i 8 i f . 118 ) V o g e s Braunschweig Nr. 125; John B r a n d Observations on popular antiquities 2 (1813), 479; Heimat 1896, 161; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 553 Nr. 292. 294—296. 298. 301. 12 °) S t r a k k e r j a n 1, 1 7 5 I m ) S t r a c k e r j a n 1, 175Í. is 2 ) K i i c k Lüneb. Heide 242. 1 2 3 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 399Í. Nr. 257; 466f. Nr. 478. 124 ) Ebd. 2, 467 Nr. 479; 553 Nr. 293; 555 Nr. 300 vgl. auch ebd. 2, 559 Nr. 316. 1 2 ί ) Ebd. 2, 554 Nr. 297. 12β ) S t r a c k e r j a n ι , 175; ähnlich M e y e r Schleswig-Holstein 224; M e y e r Rendsburg 74; B r i n k m a n n Erzählen in einer Dorfgemeinschaft 36; V o g e s Braunschweig Nr. 125 I; vgl. auch K r i s t e n s e n Danske Sagn 127 2, 399 Nr. 252. ) K r i s t e n s e n 2, 4 6 6 ! Nr. 478.

II. G e b u r t . Nur eine mir bekannt gewordene V. bezieht sich auf eine Geburt, — diese wird also noch seltener als eine Hochzeit vorgesehen. Der Mann und Bruder der Kreißenden sahen das ganze Haus mit Lichtern erleuchtet 128 ). 128

) S t r a c k e r j a n i , 189.

III. T o d . Die älteren, aus der Literatur bezeugten Vorgänge, sind nicht ganz klar zu fassen. So berichtet man, ein Fieberkranker habe die Ermordung Jakob V. von Schottland den Tag vorher gesehen 12β ) ; Katharina von Medici die

1706

Nacht vorher (im Traum) den Mordanschlag auf Heinrich IV. von Frankreich und während ihrer Erkrankung den Fall des Prinzen von Condé in der Schlacht von Jarnac 130) usw. Den Tod des Kleinknechtes beim Tor fabtragen hat in Haßmoor der Großknecht in der Nacht vorher gesehen 131 ). Das Hereintragen eines Verunglückten ist Gegenstand einer dänischen V.132). Den am Wagen hinschleppenden Körper eines Knaben, der sich im Spiel mit der Peitschenschnur erdrosselt hatte und geschleift wurde, sahen viele vor 133). In Gribbohm hörte ein Bauer das Herabstürzen seines Knechtes von der „Bühne" vor 134), im Dänischen das Einbrechen ins Eis überm Ry Vandsted-mose 136). Oft scheint dagegen in England der Todesfall Inhalt der V. zu sein 13e). Häufiger wird aber der Tote n a c h erfolgtem Unfall gesehen, so Ertrunkene im Wasser 137) oder an diesem stehend 138 ), ein Ertrunkener mit einer Leiter 13e), ein Mädchen auf dem Wege liegend, das mit Holz erworfen wurde 1 4 °), ein blutender Mann, der vom Pferde stürzte 141) ; man hört das Aufwerfen des Brotmessers auf den Tisch, mit dem man einen Erhängten abschnitt U 2 ). Ein Schicht er sieht zwar nicht, wie ein Toter ums Leben kommen wird 143), wohl aber, daß man ihn mit einem Schimmel und einem Fuchs heimbringt, die es im ganzen Ort nicht gab, (da hatte ihn ein auswärtiger Händler aufgeladen) 144 ). Im Urnerischen sah man den Zug vor, der die von einer Lawine Verschütteten suchte 145 ). Auf Seeland hebt die Frau bei Nacht die kalte Hand ihres Mannes auf und legt sie ins Bett zurück. Als sie sich ermuntert, weiß sie erst, daß er wo anders schläft; es war ein Ligvarsel 14e ). Andere V.n zeigen den Geistlichen auf seinem Versehgange zum Sterbenden 14? ) ; die Lichter seines Wagens 148 ), sein Steckenbleiben im Schnee 149 ), zeigen ihn die Leichenpredigt haltend 1 6 0 ). 12 *) Erasmus Fiancisci Höllische Proteus 716. °) Augustin C a l m e t Von Erscheinungen der 131 Geistern 1 (1752), 366f. ) M e y e r SchleswigHolstein 225 = ders. Rendsburg 80. 132 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 560 Nr. 319; 561 13

1707

Vorgeschichte

Nr. 321. 133) S t r a c k e r j a n 1, 146; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 571 Nr. 354. 134 ) M e y e r Rendsburg 80. 135 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 4 4 8 ! 13e ) B r a n d Popular antiquities 2, 482. 137 ) 138) S t r a c k e r j a n 1, 184. Kristensen Danske Sagn 2, 414t. Nr. 299. 13>) S t r a c k e r j a n I, 183. 140 ) M ü l l e r Urner Sagen 2, i n Nr. 641 I. 1 4 1 ) John B r a n d Observations on popular antiquities 2 (1813), 479. 142 ) K r i s t e n s e n Danske 143 ) Sagn 2, 440 Nr. 390; vgl. ebd. Nr. 392. S t r a c k e r j a n 1, 186; O p e d a l 197. 1 M ) S t r a k k e r j a n 1, 186; vgl. Z a u n e r t Rheinland 2, 194. 146 ) M ü l l e r Urner Sagen 2, 115 Nr. 651. 14β) Kamp Folkeminder 260 Nr. 856. 147 ) S t r a k 148 k e r j a n 1, igii. ) S t r a c k e r j a n 1, 164. 14») Ebd. ι , 186. "») Β. E. S i e b s Norderneyer 15°·

IV. B e g r ä b n i s . Wie der letzte Abschnitt zeigt, sind V.n, in denen es um das Sterben, den Augenblick des Hinscheidens eines Menschen geht, selten; nicht dieser, sondern die Leichenfeierlichkeiten, Särge und Leichenzüge werden am meisten gesehen 151 ). Im Hof oder vor der Tür vernimmt man das Abladen der Sargbretter 1 M ), man hört, wie sie geworfen und zusammengeschlagen werden 153 ). Beim Tischler hört man das genaue Geräusch der bald eingehenden Arbeit 1 5 4 ) in dem Räume, in dem dieser gezimmert werden wird 1 5 6 ), an der Hobelbank des Gesellen, der ihn machen muß 15e ). Der Schichter sieht ihn nach Holz und Geräten gehen 1 6 7 ), sieht ihn, mit der Tonpfeife im Munde, arbeiten, wo er demnächst zu tun haben wird 1 5 8 ). Das Kopfbrett des neuen Sarges liegt zubereitet plötzlich da 15e ). Ein Mann sieht kurz vor seinem Tode das Gespann des Tischlers vor der Tür halten 1β0 ). Ebenso sieht er den Toten aufgebahrt 1 β 1 ) auf dem Schoof 1 6 2 ), dem Brett 1 β 3 ), im Sarge liegen 1 M ), er fühlt, wie für den Toten ein Kissen aus dem Bett gezogen w i r d i e s ) , hört das Geräusch des Totenhemdsuchens 1ββ ), das vom Nähen des Totenkleides 1β7 ), das des Ankleidens des T o t e n 1 M ) , den man auf einen Tisch l e g t 1 M ) , das Bringen des Sarges 17 °), er sieht die Kübbungen für die Kühe verhängt m ) , die Frauen, welche den Toten kleiden 172 ) und ansagen 173 ) sollen, über die Wurt kommen, die Diele oder den Garten voll schwarzgekleideter Men-

1708

schen 1 7 4 ), die Trauerfeier im Hause mit allen Lichtern, so daß er sogar den Namen des Toten auf den silbernen Schildern der Kerzen zu lesen vermag 1 7 S ), manchmal sogar, während dort getanzt und Hochzeit gefeiert wird 1 7 β ), das Hinausbringen des Toten mit Gepolter 1 7 7 ) durch das Fenster, weil er nicht durch die Tür geht 1 7 8 ), durch die Seitentür 1 7 9 ), das Fortbringen mit dem Leichenwagen 180 ), dessen Zurechtmachen oder das der Pferde 181 ), das Herunterfallen eines Wagenteiles bei der Abfahrt 1 8 2 ), oder in einem Sonderfalle, wo die Träger durch das Glatteis behindert werden, das Fortbringen auf einer Schleppe 183), das letzte Betrachten der Leiche 184 ), den Trauerzug 185 ) mit allen vorhin zum Teil schon berührten Zufällen 1 8 8 ), das Abweichen vom Leichenweg, wenn dieser unbenutzbar ist 1 8 7 ), das Halten an einer bestimmten auffälligen Stelle (trotz alles Widerstrebens) 188), ja sie hören den Text der Predigt 1 8 9 ) und des Liedes 1β0 ), das Grabgeläute m ) , endlich das Geräusch des Leichenmahles m ) . Auch den Platz, den ein Toter auf dem Kirchhof haben wird, vermag der Schichter zu sehen 193 ), das Herstellen des Grabes zu hören 194). Beim „zweiten Gehör" vernimmt der Schichter einen klagenden Ruf (s. Klageweib, Vorzeichen) vor den Häusern, denen ein Todesfall droht 1 8 5 ), den Hilfeschrei des Ertrinkenden 195 »). Im norwegischen Glauben zeigt sich die V. vor dem Tode eines guten Menschen ; zeigt sie sich als Nachspuk, war er unfromm, böse 1 9 6 ). 1 5 1 ) Joh. v. M ü n s t e r 9. 44. 51 ; J o s t e s Westfäl. Trachtenbuch loyi.; Heimat 6 (1896), 161; S a r t o r i Westf. Vk. 74; ZfrwVk. 18, 48; Z a u n e r t Westfalen 247; K ü c k Lüneb. Heide 242; V o g e s Braunschweig Nr. 125. Gehört hierher auch K u h n Westfalen 2, 58 Nr. 166? 1 M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 432 Nr. 362. 153) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 435 Nr. 369; 434 Nr. 367; 437 Nr. 377. 1 M ) B e i s e n h e r z Kurl 37öf.; S a r t o r i Westfalen 75; M e y e r Rendsburg 81. 155 ) S t r a c k e r j a n 1, 144; B e i s e n h e r z Kurl 3 7 6 I 1 5 ') S t r a c k e r j a n ι , 188. 1S7 ) B u s c h Schlesw.-Holst. Briefe 1, 182 = L a u f f e r Land 1M) u. Leute 186. B e i s e n h e r z Kurl 377. 1M) S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 888; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 434 Nr. 366. 16 °) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 430f. Nr. 357.

Vorgeschichte

1709

" ' ) Karl W e h r h a n Westfäl. Sagen 1934, 60. ) S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 66; hört es bereiten: K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 437 Nr. 377; 445 Nr. 404. l*3) M e y e r Rendsburg 75f.; vgl. S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 745. 1M ) S t r a c k e r j a n 1, I45Í. 176. 177. H 7 f . I92f. = Z a u n e r t Westfalen 248 = Nachw. 106; M e y e r Schleswig-Holstein 230; Z a u n e r t Rheinland 2, 196; M e y e r Rendsburg 79; D r e c h s l e r ι, 284; Halldor O. O p e d a l Makler og Menneske 2 (!934). 1Φ'· K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 406 Nr. 2 7 2 ; 4 1 2 Nr. 2 9 1 . 292. 2 9 4 ; V. E. V. W e ß m a n Mytiska sägner 1931, 566f.; vgl. K r i s t e n s e n 2, 412 Nr. 290. 1β5) Jens K a m p Danske Folkeminder 1877, 22 Nr. 22. 1M ) S t r a c k e r j a n I, l9of.; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 1144; M e y e r Rendsburg 79t. l e 7 ) S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 727; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 441 Nr. 392. 1ββ) S t r a c k e r j a n 1, 146. S. auch S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 930; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 447 Nr. 412 (417). 1 , e ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 400f. Nr. 259; vgl. 439 Nr. 383. 170 ) S t r a c k e r j a n 1, 192. 171 ) M e y e r Rendsburg 75f. 172 ) M e y e r Rendsburg 76 f. 173 ) S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 844; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 413 Nr. 295; 432t. Nr. 363; 438 Nr. 379; (Bote:) 433 Nr. 364; 438 Nr. 379. 174) S t r a c k e r j a n 1, I76f. = L ü b b i n g Friesen 1 6 1 ; Josef W i n c k l e r Pumpernickel 1926, 3 i 8 f . ; B.E. S i e b s Norderneyer 150; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 401 Nr. 260; 449fi. 454f. Nr. 432. 434. 17S) M e y e r Rendsburg 79; ders. Schleswig-Holstein 229. 17β) V. E. V. W e ß m a η Mytiska sägner 1931, 566 f. "') Schell Berg. Sagen 1922 Nr. 291. I , e ) M e y e r SchleswigHolstein 228f. ; S c h e l l Bergische Sagen 1922 Nr. 169; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 456 Nr. 438. "») S t r a c k e r j a n 1, i 8 4 f . 1β0 ) S t r a k k e r j a n 1, i82f. 185. 1βι ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 430 Nr. 355; 431 Nr. 358; 437f. Nr. 378. 182 ) Ebd. 2, 430 Nr. 354. 183 ) M e y e r SchleswigHolstein 229. 1M ) S t r a c k e r j a n 1, 185. 18S ) S t r a c k e r j a n 1, 1 7 1 ; Z a u n e r t Westfalen 247; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 227. 663. 749. 841. 195 = Z a u n e r t Rheinland 2, I94Í.; ebd. 2, 194; ZfrwVk. 5, 242; io, 6of. 6 1 ; H e n ß e n Neue Sagen aus Berg und Mark 123; K ü c k Liineb. Heide 242; Altmärkischer Sagenschatz 1 9 3 f . ; Z a u n e r t Hessen-Nassau 250; V o g e s Braunschweig Nr. 126 II. V; M e y e r Rendsburg 74; Heimat 32 (1922), I53f.; Otto B r i n k m a n n Das Erzählen in einer Dorfgemeinschaft 1933, 32 ; D r e c h s l e r 1, 284; Joh. Th. S t o r a k e r Menneskelivet i den norske Folketro 1935, 63 Nr. 372 bis 374; Halldor O. O p e d a l Makter og Menneske, Folkeminne ifrä Hardanger 2 (1934), 197; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 400 Nr. 258; 455 Nr.436 437- 439· 44°; 460 Nr. 453—458; 462 Nr. 460. 1M

462.

464—467;

467

Nr. 481.

483—486;

473

Nr. 502; B r a n d Popular antiquities 2, 479; James B o s w e l l Tagebuch einer Reise nach d. Hebrid. Inseln 1787, 197; Daniel S t e w a r t Sketches of the Charakter, Manners and Present State of the Highlanders of Scotland 1822, Append. 3 1 ; A. G o o d r i c h - F r e e r Outer Isles 1902, 70;

H e c k s c h e r 357. 1M ) Weiter S t r a c k e r j a n ι, 1 7 1 . 192. 165t. 181 f.; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 402; K a m p Folkeminder 271 f.; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 397t. Nr. 248; 401 f. Nr. 261; 406 N r . 2 7 1 ;

467 Nr. 481;

411

Nr. 289;

467f.

450 Nr. 4 1 9 — 4 2 2 ;

Nr. 482;

469t.

Nr. 492;

4 7 i f . Nr. 499; 475 Nr. 509; 476 Nr. 5 1 2 .

513.

) Nachw. 99. 100; M e y e r Schleswig-Holstein 227f.; ders. Rendsburg 76. 188) K r i s t e n s e n Danske Sagn 404 Nr. 265. 18 ·) M e y e r SchleswigHolstein 229. I9 °) Ebd.; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 452f. Nr. 426; 466 Nr. 476. m ) Z a u n e r t Rheinland 2, 194. m ) W e ß m a n Mytiska sägner 567 Nr. 3. 1M ) H e n ß e n N. Sagen Nr. 125. 1M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 436 Nr. 374; vgl. ebd. 375. 195) B u s c h Schlesw.-Holst. Briefe ι, 183. 1953 ) Brandenburgia 25, 154 Nr. 10. m ) Joh. Th. S t o r a k e r Menneskelivet i den norske Folketro 1935, 64 Nr. 373. 187

V. Der T o t e . Der Tote wird, wenn er anders nicht erkennbar ist, aus der Art des Sarges 197 ), aus dem Gefolge, das hinter dem Sarge geht, erschlossen 198 ). Meist aber gibt der Trauerort 19S ), der Name auf den Leichenkerzen 175 ), das Grab, das er (an dem der Familie gehörigen Platz auf dem Kirchhof) graben sieht 20°) die Möglichkeit, ihn festzustellen, wenn er nicht einfach erkannt wird. In einer südjütischen Sage kann man aus der Stimme der Mitsingenden schließen, wer als Leiche nicht in Betracht kommt 2 0 1 ). Nur sich selbst vermag der Schichter gewöhnlich nicht zu erkennen, weder als Leiche 202) noch als Leichenbegleiter 203), Kutscher 204), noch im Trauergefolge 205). Man sieht ein fremdes Gesicht 206 ), das man am Ende noch zeichnet, um es erkennen zu können und dabei sich selbst zeichnet 10e ), sieht alle im Zuge außer sich selbst 207), erkennt es nur an den eignen Leuten, die hinter dem Sarge gehen, daß man sich selbst als Toten sieht 208), —• ja man zerreißt sich in der V. als Leidtragender den Rock, ohne sich zu erkennen, und begreift erst, wenn der Fall in Wahrheit geschieht, daß man sich sah 2 0 S ), sieht sich kopflos 20i ) usw. Ein solcher Schichter, dessen Tod bevorsteht, sieht nur die Diele voll schwarzer Menschen 210 ), aber sich selbst nicht unter den Trauernden 210a ), eine Leiche in der Stube aufgebahrt, die er für ein Verwandtes hält 211 ), drei, ohne zu wissen, daß er einer der drei ist 211a ). Einer, der

Vorgeschichte

sich selbst zu sehen glaubte, hatte den I, 175. 176. 207) M e y e r Schleswig-Holstein 230; Onkel liegen sehen 212 ), der Knecht des vgl. S t r a c k e r j a n 1 , 1 7 6 ! 208) M e y e r SchleswigHolstein 230; K r i s t e n s e n Danske Sagn 1, 477 Siddinghausener Pfarrers, der die V . Nr. 518; 478 Nr. 520. 523. 20*) K r i s t e n s e n (Sarg auf Diele) auf die kranke Haus- Danske Sagn 2, 405 Nr. 268. 210 ) S t r a c k e r j a n 1, 176; B r i n k m a n n Erzählen in einer Dorfhälterin bezog, hatte sich gesehen 2123 ). 33. 210a ) K u h n Westfalen 2, 56 Unklarer ist eine braunschweigische Fas- gemeinschaft Nr. 160. a u ) S t r a c k e r j a n 1, 177 = L ü b b i n g sung: ein Schichter sieht einen Sarg und Friesen 161 f. 2 1 l a ) B r i n k m a n n Erzählen in ahnt, daß es ihm gelte 213 ). Ein anderer einer Dorfgemeinschaft 34. 212) S t r a c k e r j a n hört es bei einem Tischler arbeiten und ι , 176. 212a ) K u h n Westfalen 2, 56 Nr. 162. 376. 2 U ) M e y e r entnimmt daraus, daß er gemeint sei, 213) A n d r e e Braunschweig 215 ) Z a u n e r t Schleswig-Holstein 2 3 0 . Westfalen weil in Wahrheit dort nichts geschah 2M ). 249. 2 l e ) M a u r e r Island. Volkssagen 90. In einer westfälischen Sage hört ein *") W u t t k e 225 § 321. 2le ) K u h n Westfalen Tischlerlehrling den Sarg machen und den 2, 56 Nr. 160; Z a u n e r t Westfalen 248; J o s t e s Schmerzensschrei seiner Mutter, der ihm Westfal. Trachtenbuch 107f.; P. B a h l m a n n Westfälische Spökenkieker (1898), 6S. nach gilt, ohne daß er das Gesicht verstand 21S ). J. R. S e b r e g o n d i Eine d. Vernunft u. OffenEin Isländer, der viel sah, vermochte auch barung entsprechende Ansicht über die Fernhin und wieder die eigne Zukunft einzu- gesichte, Mitgefühle u. Vorgeschichte, Münster e e Braunschweig 375; sehen, nur das Ende seines Lebens war 1840, 62Í. 21β) A n d r220 M e y e r Rendsburg 7 8 ! ) K r i s t e n s e n Danske ihm nicht klar erkennbar, sondern stets Sagn 2, 403 Nr. 263; 476 Nr. 516. m ) V o g e s wie durch einen dichten Rauch verhüllt; Braunschweig Nr. 125 X. 22a) M e y e r SchleswigHolstein 230; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 465f. er verbrannte auch 216 ). 473. 223) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 477 Seltener sind V.n, in denen der vom Nr. Nr. 517. Tod Bedrohte sich sieht und erkennt 217 ), VI. Ungewöhnliche Begebenheiten. entweder sich im Sarg liegen 218 ) oder den des Bruders zu ungewöhneignen Leichenzug sieht 21β ). Er folgt im Der Besuch 224 des Herrn oder Gesicht hinter dem Sarge 220). Nach licher Zeit ), die Rückkehr 22S ), das Klopfen des Einkehr eines Gastes braunschweigischem Glauben ist das noch Schlafschrecklicher zu sehen als eine Hoch- rückkehrenden Bruders an das 224). kammerfenster der Schwester Eine 221 zeit ). Am Eiderdeich wird einem, der V. vom Anrücken der Polizei, die einen ein Vorgesicht von einer Leiche am Abend 22β eines Begräbnisses hat und ausruft : Schon Übeltäter holen will ) und die des Wicken-Thies, der die Einlieferung eines wieder einer! Wer ist das denn? zuge227), fallen aus dem Verbrechers voraussah rufen: Das bist du! Er antwortet: Noch in zwanzig Jahren nicht! und muß nun gewohnten Rahmen heraus. Das Vorzwanzig Jahre krank liegen 222). In Süd- gesicht von der Dienstmagd oder Frau, 228 jütland begegnet der Küster Peder einer die unterwegs ihre Tasche verlor ), das einer Strafpredigt gegen ein diebisches Leichenschar und fragt einen im Geleit, 229 wen man da bringe. Das ist der alte Dienstmädchen ), das des alten Jochen Brandt, der ein Wagenunglück vorausKüster Peter, erhält er zur Antwort. Er 23°), einer Frau, die ein Boot mit sieht 223 stirbt drei Tage darauf ). Fremden sieht 231 ), eines Mannes, der l n ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 452 Nr. 425. Leuchter für ein Begräbnis einkauft 232), 18S) Z a u n e r t Rheinland 2, 1 9 4 I ; M e y e r das vom Ankleiden zu einem Begräbnis233), Rendsburg 78; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 399 19β Nr. 251; 4¿9Í. Nr. 492. ) O p e d a l 197 f. vom Beziehen einer neuen Wohnung 234), 200) Altmärkischer Sagenschatz (Beiträge z. einer Subhastation 235), das von einem Volks- u. Heimatkd. d. Altmark IX) 1908, 193. Käufer des Hauses 23e ), des Heimkehrens 201 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 427 Nr. 345. eines Familienmitgliedes 237). 202) W u t t k e 225 §321; S t r a c k e r j a n 1, 175; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 400 Nr. 258; 452 Nr. 425; 457 Nr. 442; 478 Nr. 521; O p e d a l I97Í. 203) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 402 Nr. 262; 476 Nr. 514. 2 M ) Ebd. 2, 476 Nr. 512. 205) 513 (Kutscher erkennt sich!). Henßen N. Sagen 123Í.; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 476 Nr. 515. 516; O p e d a l 197. 20e) S t r a c k e r j a n

224 ) S t r a c k e r j a n i , 183. 2 2 6 ) B r a n d Popularantiquities 2, 481 Anm. 482; L a n d t m a n n 832. 22β) H u i z e n g a - O n n e k e s Groninger volksverhalen 55f.; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 580 227 ) A n d r e e Nr. 389. Braunschweig 374. 22e) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 4o6f. Nr. 273. 22 ·) Ebd. 2, 557 Nr. 310. 23°) M e y e r Rendsburg

ι;ΐ3

Vorgeschichte

80 f. 231 ) M. Martin A Late Voyage to St. Kilda 1698, 133 = H e c k s c h e r 357. 232) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 438 Nr. 380. a33) Ebd. 2, 443 Nr. 398. 2M ) Ebd. 2, 557 Nr. 309; 565 Nr. 335; vgl. M0rch Fra gamie dagar 46. 235) K r i s t e n sen 2, 560 Nr. 320. 23β) Ebd. 2, 565 Nr. 336. 23? ) O. C a p p e l i n Gammal sed och tro i Kivik 1932, 116 (Joh. Th. S t o r a k e r Menneskelivet i den norske Folhetro 1935, 63?).

Β. Öffentliche Unglücke. I. Feuer. Das Vorgesicht eines Schadenfeuers tritt an Häufigkeit dem eines Trauerfalles an die Seite; das erweist schon der Umstand, daß ein eigener Terminus für diese Art Vorgesicht besteht: vorbrennen. Vom Vorbrennen weiß schon Johann v. Münster 238), ja ein Vorgesicht van vuer berichtet der Chronist Westhofi schon zu 1545 2Se ), und die Häufigkeit derselben hat nach unsern Sagen noch nicht abgenommen 240). Es ist außer in dem oben festgelegten Raum für V.n in der Oberpfalz und Oberösterreich nachzuweisen 240a). Man sieht das eigene 241) wie ein fremdes Haus 242) vorbrennen, ebenso Stadt, Dorf 243) und Schloß ^ ; hört das Weinen des Betroffenen 245) ; der Sehende sieht die rote Lohe, hört den Lärm des Brandes 24e ), der Löscharbeiten 247), des Wasserschöpfens 248), des Herausrückens der Möbel249), das Brüllen des Viehes 260), das Stürmen der Glocken 251 ), Zufälle beim Heranholen der Spritze 262). Auch besondere Züge werden genannt: in Haiger wirds brennen, sagt ein hessischer Schicht er voraus, und der Amtmann in Dillenburg wird in blanken Schuhen und seidenen Strümpfen auf einem Schimmel zu Brand reiten, — was sich dann 263),wie ähnliche Vorbedingungen sonst 254), erfüllt. Auch bis zum Brand unverständliche und unerklärliche Züge kehren wieder 255). Auf solche Art sollen die großen Brände von Ahaus, Neheim, Oespel, Ramsdorf 2δβ ), Gribbohm 257) vorbedeutet worden sein. Allgemein bekannt ist, daß man am Ständer feststellen kann, was eigentlich droht ; will es brennen, fühlt er sich warm an; wenn er sich kalt anfühlt, wird eine Leiche angezeigt 258). Es ist ein bestimmter Ständer, aus dem allein das Feuer auskommt und wer ihn weiß und beseitigt, kann sich helfen 259). In Westfalen heißt

1714

es dagegen, daß es bald brenne, wenn der Pfosten warm, erst später, wenn er noch kalt sei 260). In Ohmstede fühlte ein Bauer die Wand an, und als er sie warm fand, sann er auf Abhilfe 2β1). Allgemein gilt es als Pflicht, einen Besitzer, dessen Haus man vorbrennen sah, zu warnen 2β2 ), damit er auf Abhilfe sinnen kann 2β3). Eine jütische Sage erzählt von einem Schichter, der sich nicht recht getraut, davon zu sprechen, obwohl er mit dieser Absicht auf den Hof kommt, und der nun Zeuge des wahren Feuers werden muß 264). Uber Abwehrmittel s. u. Es liegt hier nichts daran, zu erwägen, welche physikalische und sonstige Voraussetzungen möglicherweise hinter dem Erlebnis stehen; dagegen ist es notwendig, darauf hinzuweisen, daß man der V. glaubt 2β5 ), vorbrennende Häuser versichert 2ββ), daß ein Vater auf dem Sterbebett noch seinem Sohn Anweisung gibt, wie er bei dem ausbrechenden angezeigten Brande zu verfahren habe 2β7) usw. Auch besondere Zufälle usw., die beim Wiederaufbau der Gebäude geschehen, werden vorgesehen 268). 238 ) J o h a n n v o n M ü n s t e r zu Vortlage Ein christlicher Underricht von den Gespenstern 1591, 10. 44. 238) ZfrwVk. 1914, 200. 24°) Strakk e r j a n 1, 165ft.; L a u f f e r Land u. Leute 1, 185f. = B u s c h Schleswig-Holst. Briefe 1, 1 8 1 ; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 65. 359; K ü c k Lüneb. Heide 242; ZfrwVk. 10, 60; 1907, 268; 1921, 300; W u t t k e 224 § 320; ZfVk. 3, 381; M e y e r Schleswig-Holstein 236 ff. ; L ü b b i n g Friesen 165. 193; J e n s e n Nordfries. Inseln 1891, 326; Z a u n e r t Hessen 3 1 3 ; V o g e s Braunschweig Nr. 125; S a r t o r i Westf. Vk. 74; Z a u n e r t Westfalen 249 = S t r a c k e r j a n 1, 175; vgl. auch die folgd. Nachw. 240a) F r e u d e n t h a l Feuer 363. 241) S t r a c k e r j a n 1, 182. 187. 186. 242) B a h l m a n n 9, nach L. F. v. S c h m i t z Peter Schlinkert der Seher im Möhnethale 1850; S t r a c k e r j a n 1, 182. 183. 187. 188, und zwar zumeist Häuser geiziger, hartherziger Leute: ebd. I, 179. 243) Joh. v. M ü n s t e r 9. 44. 5 1 ; Meyer Schleswig-Holstein 238; F r e u d e n t h a l Feuer 362 nach Niedersachsen 16, 472; 17 167; Urdhs-Brunnen 3, I29f. 244) Joh. v. M ü n s t e r 9. 44. 51. 245) V. E. V. W e ß m a n Mytiska sägner I 9 3 I . 57° Nr. 794 II. 24e) S t r a c k e r j a n 1, 189; Meyer Rendsburg 90; H e y l Tirol 41; S c h e l l Berg. Sagen 160; F r e u d e n t h a l Feuer 362, nach H a u p t Lausitz 266; J. R a b e n Folkesagn og gamie Fortaellinger fra Als og Sundeved 1923, 14Í.; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe i, 82; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 463 Nr. 464;

Vorgeschichte 539 N r . 222; 542 Nr. 235—239. 243—251; 247 ) 545 Nr. 254; 546 Nr. 256—262. Meyer Schleswig-Holstein 238 f. 239; Ders. Rendsburg 89; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 183. 248 ) K o r t h Bergheim 45. 249 ) M e y e r SchleswigHolstein 239; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 539 Nr. 221. 2S0) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 2Sl) 54of. Nr. 227. Huizenga-Onnekes Groninger volksverhalen 9 . 5 4 . 252 ) B a h l m a n n 9, nach S c h m i t z Peter Schlinkert. 253 ) Z a u n e r t Hessen 312t. 254) Huizenga-Onnekes Groninger volksverhalen 56. 256 ) S t r a c k e r j a n ι , 186. 187. 25 ·) S a r t o r i Westfalen 76. 2 " ) M e y e r Rendsburg 89. 25S ) S t r a c k e r j a n 1, 164. 182; S a r t o r i Westfalen 75Ì.·, Z a u n e r t Westfalen 247; K u h n Westfalen 2, 58; Herrn. R e c k e i s Volkskd. d. Krs. Steinfurt 1 (1932), 124; M e y e r Schleswig-Holstein 236; Ders. Rendsburg 88f.; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 182. 259 ) M ü l lenhoff-Mensing Sagen 264 Nr. 396 = Meyer Schleswig-Holstein 237 = Busch Schlesw. Holst. Briefe 1, 182. 26°) S a r t o r i Westfalen 76. 2β1 ) S t r a c k e r j a n 1, 182. 2β2 ) J o h . v . M ü n s t e r 61 ; M e y e r Rendsburg 90. 2 , a ) S t r a k k e r j a n 1, 179. 2 M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 463 Nr. 464. 2β5 ) s. § 5. Vgl. auch M e y e r Schleswig-Holstein 238. 2ββ) S. § 5 ; K r i s t e n s e n Danska Sagn 2, 543 Nr. 242. 2β7 ) S t r a r . k e r j a n ι , 185. 2β8) B a h l m a n n g ì .

II. W a s s e r - und S e e n o t . Schon Joh. v. Münster weiß von Vorgesichten, die von Wassersnot handeln 2ββ). 1652 sieht eine Frau im V. Fische im Backofen, und ihr Mann deutet das recht auf eine Sturmflut 27°). Auch das Heulen der Sturmglocke wird im zweiten Gehör vernommen 271 ). Schiffsunglücke sind vor allem an der Küste 272), aber auch am Niederrhein 273) Gegenstand von V.n. Der Tod auf See wird ebenso vorgesehen 274). 2ββ) 27 °) Ein Christi. Underricht 44. Meyer Schleswig-Holstein 235f. 2 7 1 ) K i i c k Lüneburger 272 Heide 242. ) L i i b b i n g Friesen 165 = J o h a n n s e n 250; (Rügen): L a u f f e r Land u. Leute i 8 9 f . (Warnemünde: L a u f f e r 190 rechne ich nicht hierher; es handelt sich um Vorspuk, nicht um V . n ) ; K a m p Folkeminder 2of. ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 482ff. 5855. 273 ) Z a u n e r t Rheinland 2, 194; Β . E . S i e b s Norderneyer 152ff. 274 ) C a p p e l i n Kivik 1 1 3 ; S i e b s Norderneyer 1 5 1 t ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 1, 4820.

III. E r d r u t s c h e . Am heiligen Meer ist ein Erdeinbruch vorhergesehen worden 2 ' 5 ). 275 )

Jos. W i n c k l e r Pumpernickel

1926, 320f.

IV. V i e h s e u c h e . Der alte Sören Markmand in Tingelev hatte ein Vorge-

1716

sicht von einer Viehseuche und wie die gefallenen Stücke verscharrt wurden 276). 2,e)

K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 562 Nr. 324.

V. K r i e g und Schlacht. V.n von Kriegsereignissen bestehen in großer Zahl. Solch wichtige Begebenheiten, welche ein ganzes Land oder doch eine ganze Gegend in ihren Wirkungen ergreifen und in Bewegung setzen, Feuersbrünste, Kriegsgeschichten usw. zeigen sich besonders gern fortlaufend an 277 ). V.n von Kriegen gehen stark um, wenn die Zeiten unruhig sind 277 ). Schon von 1546 ist eine aus Unna berichtet 278), zu 1790 die von Kalteiche in Hessen 279), zu 1848/51 und 1864 aus Schleswig-Holstein 280) und Jütland, zu 1820, 1840 und 1854 M1 ) wie zu 1875 und 1895 aus Westfalen 282). Paderborn, Soest, Unna, Hamm, Dortmund, Rietberg, Minden, Osnabrück, Münster haben Sagen und V.n von großen Bränden und blutigen Kämpfen 283). Die Gesichte weisen eine starke Uniformität auf. Man sieht Heere marschieren 284), Züge von weiß- oder andersfarbig 285) gekleideten Soldaten, deren Uniformen und Waffen blitzen 286), hört Pferdegetrappel und -gewieher, Waffenklirren 287), Artillerie ziehen 288), Kanonen 289 ), Kriegsmusik 290). Zuweilen werden die Soldaten genauer bestimmt; so war vor der Franzosenzeit von silbernen Reitern mit silbernen Kugeln auf dem Kopfe, an denen ein schwarzer Roßschweif flatterte = französische Kürassiere 291 ), von Gesindel auf Pferden wie Katzen, in der Hand eine lange Stange mit eisernem Stachel dran = Kosaken 2 9 1 ) die Rede. 1812 sah Immermanns Hofschulze die französische Armee über den Hellweg ziehen 292), im Rendsburgischen sah man Rotröcke 293). Die Truppen ziehen einen bestimmten, oft unwahrscheinlichen Weg »*). Es wird von Einquartierungen gesprochen 29S) ; Soldaten dringen in das Gehöft ein 2ββ) ; Wagenparke werden gesehen 297) ; der Anführer der Soldaten nimmt Aufenthalt in einem Kloster 298) ; Patrouillenreiter 2 " ) , Wachen 30°) zeigen sich; ein Kriegsgefangener steht in der Diele 300a) ; drei französische Sappeurs

\η\η

1718

Vorgeschichte

werden in der Kammer des alten Vaters gesehen 301 ) ; ein Marketenderwagen hält im Hof 302) ; Haus und Hof wimmeln von Soldaten, aber man kann ihre Art und Herkunft nicht erkennen 303) ; das Haus wird zum Lazarett eingerichtet 304). Oft werden Schüsse gehört B"5), und oft ist von Gefechten oder Schlachten die Rede 306 ), die auch die Pferde in der Koppel vorsehen 307). Gefechtsvorbereitungen werden sichtbar 308). Das Gefecht und die Besiegung der Österreicher durch die Franzosen 1790 bei der Kalteiche wird von den Einwohnern im Vorgesicht vierzehn Tage vor dem Kampf beobachtet 279), ebenso wie man einen Alarm 309), den Sturm auf die Düppler Schanzen vorsieht 310). Auch die Heimkehr aus dem Kriege wird vorgesehen 311 ). Meist fühlt der Seher oder Schichter sich während seines Gesichtes von Soldaten umringt und umgeben 312 ). Auch hier treten wieder auffällige Einzelzüge hervor: Kavallerie reitet auf der Landstraße, ihr Anführer daneben •quer durch die Äcker 313 ). Der Anführer kommt an die Tür, fragt nach dem Wege und reitet weiter 314). Man sieht landende Truppen im Jadebusen 315 ), das Dorf voll von Soldaten 316 ), russische Truppen auf dem Marsch nach Jever, denen ein sehender Bauer bis zum Morgengrauen folgt 3 1 7 ), Türken vor Varel 3 1 8 ), den Einmarsch der Franzosen in Vechta 1809, für den der Schichter als Zeichen gesetzt hatte, daß ein bestimmtes Haus fertig geiteilt und man „Komm, heiliger Geist" singen werde 3 1 9 ), die Belagerung von Oldenburg 320), Jever 321 ), Münster 322). Nicht selten geht, wie Strackerjan bereits bemerkte 323), die V. in eine Weissagung über; die Erfüllung der V. steht noch aus 324). So wird jenem Einmarsch der Franzosen in Vechta 1809 ein zweiter folgen, verbunden mit einer Flucht der Preußen 319 ), so steht noch eine Schlacht bevor 32δ). Auch die Erinnerung scheint an derlei Gesichten mitzugestalten. So sah ein Bauer im Herbst 1852 bei hellem Tage die Vorpostenkette von Jagel nach Ellingstedt wieder aufgestellt, ganz wie einst Willisens

Truppen mit den Gesichtern nach Norden gewendet. Einer erblickte, ebenfalls lange nach Beendigung des Krieges, ein mächtiges Lagerfeuer zwischen Groß- und Kleinheide, und vernahm ein großes Gejapp und Gejauchz 32e ). Wie ich in meiner „Sibylle Weiß" bereits feststellte, vermengen sich diese Vorgesichte oft mit Reminiszenzen aus dem literarischen Weissagungsschatze des Volkes, etwa den Sibyllen-Büchern. Ich will ergänzend hier auf die Beschreibung dessen, was Oldenburg 1866 befürchtete, verweisen 327). Vielleicht stehen auch hinter den Weissagungen von der Birkenbaumschlacht (s. Schlachtenbaum) beide Kräfte. Und Zaunert bemerkt : Die ganze Gegend zwischen Ems, Lippe und Ruhr, vom Rheine bis an die Weser wird von unsern Wickern und Schichtern zum Schauplatz künftiger blutiger Kämpfe gemacht; fast keine Stadt, kein Dorf soll von den Schrecknissen dieses Zukunftskrieges verschont bleiben 283). 2 " ) S t r a c k e r j a n 1, 145. Der von L a u f f e r Land u. Leute 188 aus Rudolf Eckart Aus dem alten Niedersachsen 1 (1907), 88f. zitierte Bericht erzählt nur von einem L u f t gesicht (Vision) anno 1678. 17β ) S t r a c k e r j a n 27 *) 1, 145. Z a u n e r t Hessen-Nassau 236. 280) M e y e r Schleswig-Holstein 222; Busch M1) Schlesw. Holst. Briefe 1, i 8 3 f . Zaunert Westfalen 238 f. M 2 ) E b d . 240. *») E b d . 238. 2M) M e y e r Schleswig-Holstein 222; Z a u n e r t Westfalen 238. 239f.; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 845; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 577 Nr. 285 ) 378. 380; vgl. folgd. Nachw. Zaunert Westfalen 238; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe ι , 184. 185; Herrn. R e c k e i s Vk. d. Krs. Steinfurt ι (1932), 122; M e y e r Rendsburg iyl. 2M) S t r a c k e r j a n 1, 150; M e y e r SchleswigHolstein 222; Z a u n e r t Westfalen 239; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 577 Nr. 378. M 7 ) M e y e r Schleswig-Holstein 222; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 572f. Nr. 363. 2 ω ) Z a u n e r t Westfalen 238f. *») S t r a c k e r j a n 1, 168. *»») S t r a c k e r j a n ι , 1 4 9 ! ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 579 Nr. 384. 385. Z a u n e r t Westfalen 227. 2»2) E b d . 238. 2 i 3 ) M e y e r Rendsburg 87f.; vgl. auch K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 574 Nr. 368. 2M) *>*) E b d . 2, 5811. Nr. 398. Meyer Schleswig-Holstein 222; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 577 Nr. 376; 5 8 0 ! Nr. 393. 397; 5 8 2 ! Nr. 403. 2 M ) S t r a c k e r j a n ι , 148; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 575 Nr. 371. s " ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 581 Nr. 394. 2*8) S t r a c k e r j a n ι , 168. 2 M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 3M) 573 Nr. 366. K r i s t e n s e n Danske Sagn

2, 575Í.

300i )

Brinkmann

Erzählen in einer

Vorgeschichte 301

Dorfgemeinschaft 34f. ) S t r a c k e r j a n 1, 146. ) B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 186. m ) S t r a c k e r j a n 1, 147; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 574 Nr. 368. s»4) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 574 Nr. 368; 579 Nr. 386. 30ls) Z a u n e r t Westfalen 238; M e y e r Schleswig-Holstein 222; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 184. i85f.; 30e vgl. folgd. Nachw. ) Z a u n e r t Westfalen 2 3 8 s . ; Z a u n e r t Hessen-Nassau 236; M e y e r Rendsburg 85ÍL; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 184. i85ff.; R e c k e i s Krs. Steinfurt 122; A n d r e e Braunschweig 375. 307 ) M e y e r Rendsburg 87. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 573 Nr. 365. 367. 30e) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 573 Nr. 365. 310 ) M e y e r Schleswig-Holstein 222, nach J . R a b e n Folkesagn og gamie Fortaettinger fra Als og Sundeved 1923, 12. 3 n ) Kristensen Danske Sagn 2, 564 Nr. 3 3 2 ; 578 312 Nr. 382. ) Strackerjan 1, 1 5 5 ; vgl. Spielbähn bei P e u c k e r t Sibylle Weiß c. 3. 313 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 4 6 ! ; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagen 1, 582 Nr. 402. 3 1 1 ) M e y e r Rendsburg 86. 3 1 5 ) S t r a c k e r j a n I, 1 4 8 ! = L ü b b i n g Friesen 168. 3 l e ) M e y e r Rendsburg 87. »») Strakk e r j a n 1, i5of. = L ü b b i n g Friesen i65f. 318 ) S t r a c k e r j a n 1, 149f. 3 1 S ) S t r a c k e r j a n I, 149. 320 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 5 4 1 3 2 1 ) Ebd. I, 1 5 1 = L ü b b i n g Friesen i66f. 322 ) R e c k e i s Krs. Steinfurt 122. 3 2 3 ) S t r a c k e r j a n 1, 145. .321) Ygi etwa K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 576 Nr. 372—375. 377. 326 ) Z a u n e r t Westfalen 238; B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 184. 3M ) B u s c h Schlesw. Holst. Briefe 1, 184. 827 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 5 4 I ; vgl. auch K r i s t e n sen Danske Sagn 2, 578f.; 580 Nr. 390—392; 582 Nr. 402. 403; 584 Nr. 408; 585 Nr. 409. 302

C. Auf züge u. dgl. Häufig wechseln Vorgeschichten von Kriegsereignissen mit solchen, in denen von Manövern oder Truppenlagern die Rede ist, so daß sich nicht immer recht entscheiden läßt, in welche unserer beiden Gruppen die V. fällt 328). Eine Falkenburger V. berichtet von einem Truppenlager und daß sie zwei Jahre später ausgetan wurde 329), ein dänische von einem Manöver und dem Spiel der Militärkapelle vor einem Hof330). Aber auch friedfertigere Aufzüge können vorgesehen werden: Schützenfeste 331 ), Aufzüge zur Einkehr von Fürstlichkeiten 332 ), Pfarrereinholungen 333) usw. Es scheint aber doch, daß in V.n, in denen größere Menschenmassen eine Rolle spielen, Kriegsereignisse und Trauerzüge vorherrschen, — ja, daß überhaupt lieber größere Ansammlungen als Geschehnisse mit wenigen Personen bevorzugt werden. 32e ) Etwa Z a u n e r t Westfalen 239f.; S t r a k k e r j a n 1, 1 5 5 ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2,

1720

582 Nr. 401. 32») S t r a c k e r j a n 1, I42Í. 33 °) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 407 Nr. 274. M1 ) S t r a c k e r j a n 1, 155. f 3 2 ) Ebd. 1, 147. *») Ebd. I, 155.

D. Bauten. 1. Eisenbahnen. Diese vor allem scheinen in den V.n sich wiederzuspiegeln. Es geht etwa ein Mann abends über die Heide und hört es hinter sich brausen***), mit großer Schnelligkeit etwas an sich vorbeibrausen 33S ), sieht einen dunklen Gegenstand, unten Feuer und oben Rauch, hinter sich 336 ), oder etwas Undeutbares 337). Man hat die Eisenbahn, ehe man etwas von ihr wußte, fahren gehört 338), ihr Pusten 33e ) und Pfeifen 340) vernommen. Man sah mehrere Wagen 341 ), die glühenden Augen der Lokomotive U2 ), diese mit Lichtern und dahinter vier bis fünf Wagen 343), eine Reihe von Wagen, durch Feuer angetrieben344), vor allem: den Wagen 345 ), feurigen Wagen ohne Pferde Me ), der mehrere Wagen zog 347). Man sah die Strecken, die sie fahren würde 348); zuweilen sogar durch Lichterreihen 34e) bezeichnet ; ja, einmal stob eine Schar Kühe grund- und sinnlos auseinander, an dieser Stelle verlief später die Bahn 360). Der Bahnhof 381 ), oder die Station 362), eine Eisenbahnbrücke in der Nacht mit ihren Lichtern quer über den Himmel 353 ), die Draisine der Aufsicht mit einem roten Segel 364 ), ein Verladebahnhof365), ja ein Eisenbahnunglück 356) ist im Vorgesicht beobachtet worden. Noch, als Eisenbahnen längst im Bau waren oder durch das Land liefen M7 ), nicht nur vor ihrem Erscheinen, sind derlei V.n verzeichnet worden. Aus allen verdient der Satz von den Wagen ohne Pferde, der wahrscheinlich eine literarische Quelle hat, eine vorzugsweise Untersuchung. ***) M e y e r Rendsburg 83; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 5 5 5 ! ; 556Nr.305. 335 ) S t r a c k e r j a n ι, 152 = Z a u n e r t Westfalen 250. ! B e ) Meyer Schleswig-Holstein 2 1 6 ; Heimat 6 (1896), X V I I seq. 337 ) M e y e r Rendsburg 84; Schell 338 Berg. Sagen 1922 Nr. 803. ) HuizengaOnnekes Groninger volksverhalen 54. 339 ) S t r a k k e r j a n 1, 154. 310 ) M e y e r Schleswig-Holstein 2 1 7 ; Ders. Rendsburg 83; Z a u n e r t Rheinland I, 53; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 380; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 556 Nr. 306. Kristensen Danske Sagn 2, 555Í.

Vorgeschichte 342

) S t r a c k e r j a n 1, 153. 154; Meyer Schleswig-Holstein 2 1 7 ; Kristensen Danske Sagri 343 2, 556 Nr. 305. ) S t r a c k e r j a n 1, 153. J44 ) Zaunert Rheinland 1, 52, nach Schell Berg. Sagen 1922 Nr. 380. ^ Strackerjan I, 152; Meyer Schleswig-Holstein 2 1 7 ; Ders. Rendsburg 83; Reckeis Krs. Steinfurt 124. a4e ) S t r a c k e r j a n 1 , 1 5 2 . 347 ) S t r a c k e r j a n ι, 152. 34S) Meyer Schleswig-Holstein 216Í.; Ders. Rendsburg 84; S t r a c k e r j a n 1, I3öf. I52ÎÏ.; Reckeis Krs. Steinfurt 124; Zaunert Rheinland 1, 52f.; Schell Berg. Sagen 1922 380. 349) Meyer Rendsburg 84. ω ο ) Strackerωι j a n ι, 154. ) Meyer Schleswig-Holstein 2 i 6 f . ; Ders. Rendsburg 83. 84. 3S2 ) Kristensen 363 Danske Sagn 2, 536 Nr. 207. ) Meyer Schleswig-Holstein 217. 354) Meyer 217. 365) Ebd. 3δβ 217. ) Huizenga-Onnekes Groninger volhsverhalen 57. 367 ) S t r a c k e r j a n 1, 1 5 3 ; Huizenga-Onnekes Groninger volhsverhalen 57·

I722

und Singen vorgedeutet 372). Eine Heilstätte durch viele „elektrische Lichter" 373 ), ein Krankenhaus durch viele Kreuze über dem Haus : da sammelt sich viel Kreuz374) ; Gasthäuser deuten sich durch wüsten Lärm 375), Schmieden durch Hämmern und Feilen 376) oder Licht 376) an; auch Mühlen 377) und Holzlager 378), Gehöfte oder Häuser durch Lichter 37β) und zwar durch solche mit heller, klarer, ruhiger Flamme 380) werden in V.n angezeigt, so wie der Abbruch eines Hauses 381 ). Ein anderer Schichter sah das Aussterben eines Hofes voraus382).

3M ) Heimat 6 (1896), X V I I . 3«5) Zaunert Westfalen 250; Kristensen Danske Sagn 2, 532 Nr. 190; 534 Nr. 201. 3ββ) Z a u n e r t Westfalen 250. 367 ) Meyer Schleswig-Holstein 218; II. K a n ä l e . Da, wo der Kaiser- Kristensen Danske Sagn 2, 535 Nr. 206; Wilhelmskanal durch Schleswig-Holstein 538 Nr. 215, vgl. ebd. Nr. 216, wo man aus dem zieht, waren, ehe er gebaut wurde, die Vorgesicht eines Hauses an Stelle eines, das steht, dessen Abbrennen erschließen Pferde eines Bauern aus Westerrönfeld dort schon will. 3ββ) Meyer Rendsburg 83 =Ders. Schleswignicht voran zu bringen; die sahen ihn Holstein 218; Kristensen Danske Sagen 2, schon 358). Auch andere sahen Schiffe 533 Nr. 192; V. E. V. Weßman Mytiska sägner über die Hügel ziehen36e), wie man in 573 Nr. 803 I. 3ββ) Reckeis Steinfurt 124; 194, nach Schell Berg. Holland Segel ziehen sah, wo später ein Zaunert Rheinland 2, 1922 Nr. 935. 37 °) S t r a c k e r j a n 1, 187. Kanal entstand 380). Unter den Schiffs- 3Sagen 71 ) Vonbun Vorarlberg Nr. 97. 3 , 2 ) Meyer bildern, die den Kaiser-Wilhelmskanal Rendsburg 83; Ders. Schleswig-Holstein 2 1 8 ; 2, 537 vorzeigten, war besonders ein ganz weißes vgl. auch373 Kristensen Danske Sagn n 1, 155. 374) WinckSchiff 361 ), auch Schiffe mit Kanonen und Nr. 212. ) S t r a c k e r j a376 ler Pumpernickel 320. ) Meyer Rendsburg weißem Zeug 362). Ebenso ward der Bau 82. 83; Ders. Schleswig-Holstein 218. 37e) Kri312 längst vorher gehört ). Im Krs. Stein- stensen Danske Sagn 2, 535 Nr. 202. 377 ) Makfurt wurde vorgesehen, daß ein Kanal kensen Hans. Sagen 45. 37e ) Meyer Rends82 f.; Ders. Schleswig-Holstein 218. verschwinde und an seiner Stelle eine burg 37e ) Kristensen Danske Sagn 2, 533 Nr. 1 9 1 . Wiese mit roten Kühen sein werde, was 193—196. 198. 200. 203. 204. 206. 209. 210. sich dann auch austat 3β3). oo») Ebd. 2, 536 Nr. 209. s«1) Meyer 35β ) Meyer Schleswig-Holstein 218. 3δ ·) Ebd. Rendsburg 82; Kristensen Danske Sagn 2, 3β0 217. ) Huizenga-Onnekes Groninger 534 Nr. 197; 562 Nr. 324. ***) Kristensen volhsverhalen 53. 54. 3el ) Meyer Schleswig-Hol- Danske Sagn 2, 565 f. 3ea stein 2 1 7 ; Ders. Rendsburg 85. ) Huizenga7 E. Tiere. Auch das Schicksal von Onnekes Groninger volhsverhalen 53 f. 3e3 ) Tieren wird zuweilen in V.n sichtbar. Reckeis Krs. Steinfurt 1 2 1 .

III. Siedlungen. Der Bau eines Dorfes 364) wurde in einer V. durch Lichter 365), Lärm und Geläute 366), in einer andern durch das Bild eines Hauses mitten im Felde 3e7 ) angezeigt. Ebenso wird eine zukünftige Kirche durch ein Bild derselben vorgesehen 368). Kapellen zeigen sich bildhaft 36e ) oder man vernimmt das Schellen des Glöckleins zur Wandlung 37°) ; von einem Kloster wird der Zug der Klosterfrauen gesehen371) ; eine Schule wird durch ein großes Haus

S. oben 7 IV. So vernimmt ein Schmied, wie ein Hirsch totgeschlagen wird384), andere den Sturz oder Tod eines Gespannes 385). 384

352.

) Kristensen Danske Sagn 2, 570f. Nr. 385 ) Ebd. 2, 571 Nr. 354.

8. V. nicht beachtet. Es wurde schon bemerkt, daß diese Art Vor spuk körperlich, dinghaft erscheint. Infolgedessen kann jemand, der — von einem Schichter gewarnt — einer V. nicht aus dem Wege geht, körperlich zu Schaden kommen 386). Ein Groninger Bauer fährt drauf los auf

1723

Vorgeschichte

einen Leichenzug, stürzt in ein Loch, und seine Frau ist zeitlebens ein Krüppel 387 ). In Dänemark muß der, der nicht ausweicht, auf dem Sterz des Wagens mit zum Kirchhof folgen 388), doch hat auf der rechten Wegseite oder im linken Graben der Leichenzug keine Macht 389). Dagegen ist ein Hattinger Fuhrmann, ohne Schaden zu nehmen, durch einen Leichenzug gefahren 390). Meist aber handelt es sich um ein Durchschreiten desselben, wobei der Schichtende vergebens versucht, seinen Freund zur Seite zu halten, und selbst an der Seite stehen bleibt 391 ) oder sonst ausweicht 392). Dem Durchschreitenden wird eisig zu Mute 393 ), er fällt, stolpert dauernd 394), rennt gegen den Sarg, daß er stürzt 394a), gewöhnlich schreitet er über die Deichsel hinauf, den Sarg fort und stürzt dann hinten herunter, während er nur glaubt, er stolpere 395 ), oder er glaubt, zwischen lauter Steine und Malter holzstücke geraten zu sein, liegt immer in den Knien, und als er am meisten darüber flucht, stößt er eben an den Pastor 396). Im Rendsburgischen verhindert der Schichter durch Beiseiterufen, daß sein Enkel über die Leiche eines Ertrunkenen, die man getragen bringt, fällt M7 ). Einem, der nicht aus dem Wege ging, gab der Kutscher des Leichenwagens einen Schmitz, daß er niederfiel398). Im Dänischen soll man sich niederwerfen ; da geht der Zug wie ein Flug Gänse über einen weg 399) ; ein beiseite Gestoßener fühlt ihn, als ob lauter Gebündel auf ihn geworfen würden; das letzte erdrückt ihn fast Kommt man gefahren, so stehen die Pferde und es ist, als breche etwas am Wagen 401 ). 38e ) S. auch K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 468 Nr. 483. **') H u i z e n g a - O n n e k e s Groninger 388 ) K r i s t e n s e n volksverhalen 55. Danske Sagn 2, 464 Nr. 468. ¡»»J Ebd. 2, 474 Nr. 506; vgl. Andreas M a r c h Fra gamie dagar; Folkeminne frà Sigdal og Eggedal 1932, 41 f. 39°) Zaun e r t Rheinland 2, 195, nach S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 1 1 3 . 3>1 ) H e n ß e n N. Sagen 1 2 3 ; S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 1 1 7 8 ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 474 Nr. 506. 507; 589 Nr. 421. 3 K ) S c h e l l Berg. Sagen 1922 Nr. 879. 3»3) A n d r e e Braunschweig 375; vgl. K r i s t e n s e n 2, 589 Nr. 421. 3 M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 470 Nr. 494—497; 475 Nr. 509. 3 M a ) K u h n Westfalen 2, 56 Nr. 1 6 1 . 3 , s ) S t r a c k e r j a n 1, 142;

1724

Z a u n e r t Westfalen 226Í.; H e n ß e n N. Sagen I25f.; A n d r e e Braunschweig 376; V o g e s Braunschweig Nr. 125 II; Altmärkischer Sagenschatz I93Í.; M e y e r Schleswig-Holstein 22ti. ; Ders. Rendsburg 75; Heimat 6 (1896), 1 6 1 ; 32 (1922), 1 5 3 ; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 475 Nr. 510. 5 1 1 (wie über ausgespannte Seile: K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 469 Nr. 489. 490). 38e ) V o g e s Braunschweig Nr. 125 III; ähnlich K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 472t. Nr. 5 0 1 ; 397 475 Nr. 508. ) M e y e r Rendsburg 75. 39e ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 474 Nr. 505. 3 M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 469 Nr. 487. 488; 474 Nr. 504. 506. 40 °) Ebd. 2, 470 Nr. 493. 4 0 1 ) Ebd. 2, 473f. Nr. 503; 473 Nr. 502; 4 7 i f . Nr. 499.

9. Ansprechen. Ein Vorgesicht a n z u r e d e n , ist gefährlich. Ein Mann, der es getan hatte, zehrte ab und starb, warnte aber noch vor seinem Tode inständigst vor solchem frevelhaften Tun. Meist verschwindet die V., wenn man spricht 402). In der Altmark ist es verboten, die V. auszuplaudern, sonst geht es einem selbst an den Kragen 403). Ein Ungläubiger will versuchen, ob die Räder der Wagen auch schnarren, wenn er seinen Stock in die Speichen hält, muß mit und jeder Wagen geht über ihn 404). 40S ) S t r a c k e r j a n 1, 179; vgl. K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 472 Nr. 500; Jens K a m p Danske Folkeminder 2of. 403 ) Altmärkischer Sagenschatz 193- 404 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 466 Nr. 474.

10. L i c h t . Kommt man, nachdem man eine V. sah, in den Schein einer Lampe oder dgl., wird man schwer krank 405). 405 ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 471 497; 472 f. Nr. 501.

Nr.

1 1 . A u f h e b e n . Obwohl im allgemeinen die V. ausgetan werden muß, werden doch Fälle mitgeteilt, in denen durch menschliche Einwirkung das verhindert worden ist. So hat ein Schichter einmal den Leichenwagen eines Bedrohten umgelenkt, wollte das aber nie mehr tun, denn die Pferde wollten ihn mit Gewalt beißen 40e). Maren Björn schob den Tod von Hans Nielsen in einer Lehmgrube hinaus bis in die dritte Generation 407) ; dasselbe kann mit einem Brand geschehen m ) , den ein Mann in Kalvslund dagegen bis zu dem Tage hinaussetzte, da er in der Erde sei; der Hof brennt, als die erste Scholle auf seinen Sarg f ä l l t m ) . Der Schichter, der hören muß, daß er

Vorgeschichte

selbst der Tote sei, setzt eine Frist 222 ). Am ehesten scheint es möglich, ein Feuer aufzuhalten, das sich vor brennend ankündigte, am einfachsten, indem man den Ständer oder Balken, an dem es auskommen will, beseitigt 259). Oder man läßt fürbitten 41 °), was nach dem Glauben auf den friesischen Inseln in einer Kirche jenseits des Wassers geschehen muß 4 n ), — ein Jahrgebet in der Kirche sprechen 412 ), was, wie manche meinen, zehn, höchstens hundert Jahre den Brand hinausschiebt413), —vom Pater, oder in drei Kreuzkirchen, drei Sonntage nacheinander beten 414 ), was noch Mitte vorigen Jh.s üblich war, seit Ende des 18. Jh.s zwar amtlich verboten wurde 414 ), aber half 4 1 5 ). Auch Opfer gelten als wirksam, sei es, daß sie für das eben erwähnte Gebet gespendet werden 416 ), sei es, daß man so jährlich einen Scheffel Roggen den Armen spendet 417 ) oder an die Armen Brote verteilt, so oft man buk 418 ). Es heißt, so viel Körner der Scheffel enthalte 419) oder so viel er über ein gestrichenes Maß habe 419 ), sei das Haus nun gesichert; das trifft zu der Meinung, daß es meist geizige harte Leute seien, die abbrennen420). Hört man mit dem Gebet und Opfer auf, so brennt das Haus ab 421 ). In Schleswig-Holstein und Dänemark verbannt man das Feuer in einen Baum 422 ), einen Stein 423), Hügel 424), in die Erde 426 ), ja sogar in einWasser 42β ), und zwar muß das der Schichter tun 427), der dazu sagt: Brenne, brenne, aber nicht so lange dieser Baum steht 427). Hat einer es an einem Hause vorbrennen sehen und sagt zu dem Eigentümer: Dein Haus hat vorgebrannt, so muß der antworten: Nein, es war nicht meines, sondern deines! oder er nennt einen andern; dann ist das schlimme Zeichen abgewandt und übertragen 427). Maren Björn nahm von einem Haus, das sie vorbrennen sah, Dachstroh und zündete es an; so viel Halme sie verbrannte, so viele Jahre ist das Feuer hinausgerückt 428). Ein Schichter steckt Strohhalme beiseit in die Erde; so lange sie unberührt liegen, ist das Unheil

1726

hinausgeschoben 42β ). Ein anderer Schichter erhob unter seinem rechten Schuh eine handvoll Sand, warf sie über den Kopf und sagte : Gott gebe, daß das Haus noch so viele Jahre, als das Sandkörner waren, stehe 430), ein Pfarrer sagt einfach: Brenne nicht vor hundert Jahren 431 ). Oder es werden solche Bestimmungen getroffen: das Feuer soll nicht auskommen, so lange man auf dem Hof einen Schimmel hält 432) u. dergl. 4oe ) S t r a c k e r j a n 1, 179. 407 ) Kristensen Danske Sagn 2, 402 f. Nr. 269. 40e ) Ebd. 547 t. Nr. 264. 4°») Ebd. 548 Nr. 266. 4 1 0 ) S t r a c k e r j a n ι, 182; Meyer Schleswig-Holstein 241; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 545 Nr. 253 u. folgd. Nachw. 4 1 1 ) M ü l l e n h o f f - M e n s i n g 264 412 Nr. 395. ) S t r a c k e r j a n 1, 164; K u c k Lüneb. Heide 243. 4 1 3 ) S t r a c k e r j a n 1, 164 414 ) S a r t o r i Westfalen 76. 4 1 5 ) S t r a c k e r j a n ι, 182. 41«) Ebd. ι, 182. 4 " ) S t r a c k e r j a n ι, 179 = F r e u d e n t h a l Feuer 364. 4le ) J o hannsen 25of. = L ü b b i n g Friesen 165. 41 ·) S t r a c k e r j a n 1, 179. 4i0 ) S t r a c k e r j a n 1, 179. 4 " ) S t r a c k e r j a n 1, 182. 4 «) Müllenh o f f - M e n s i n g 264 Nr. 397; Meyer SchleswigHolstein 239f. ; J . R a b e n Folkesagn og gamie Foriaellinger fra Als og Sundeved 1923, i8f. 22. 34; K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 55of. Nr. 281 bis 291. 423 ) M e y e r Schleswig-Holstein 239. 240. 4M ) K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 548 Nr. 268 bis 270; 549 Nr. 273. 425 ) Ebd. 2, 549 Nr. 273. 275. 428 ) M e y e r Schleswig-Holstein 240; K r i stensen Danske Sagn 2, 549 Nr. 272. 271. *x>) Meyer Schleswig-Holstein 239; F r e u d e n thal Feuer 364. m ) Kristensen Danske Sagn 2, 406 Nr. 269. « · ) Ebd. 2, 548 Nr. 267. »">) Ebd. 2 > 538 Nr. 217; 548 Nr. 265. ω ι ) Ebd. 2, 549 Nr. 274. ^ J Ebd. 2, 550 Nr. 277.

12. Z e i t des E i n t r e f f e n s . J e später nach Mitternacht man eine V. wahrnimmt, desto bälder trifft sie ein; je früher vor Mitternacht, desto später 488 j. " 3 ) K u h n Westfalen 2, 58 Nr. 167.

13. Aufhören der V.n. Der alte Schmiedemeister Linke in Klein-Schöppenstedt lehrte: Wir schreiben jetzt die Hundert der Jahreszahl (i8hundert) mit einer geraden Zahl, da spukt es weniger; aber im kommenden Jh. ( 1 9 . . ) , wenn die ungerade Zahl wieder an der Reihe, dann wird es viel spuken 433a ). 433a

) Andree Braunschweig 375.

14. Profane Benützung. Auf profane Benützung der Vorstellungen im politischen Kampf deutet eine Bemerkung aus den Jahren des Kampfes um SchleswigHolstein; Busch erzählt 1856: Eine Frau

Vorgesicht—Vormittag

im Amte Tondern hatte vor kurzem ein Gesicht, in dem sie den neueingesetzten Pfarrer hastig aus seinem Hause kommen und auf einem Leiterwagen wegfahren sah. Sie wunderte sich darüber, erzählte es weiter, der Pfarrer wußte von nichts, merkte aber den Wunsch, welcher der Vision zugrunde gelegen,zeigte es an,unddie Seherin wurde auf ein paar Tage eingesteckt434).

1728

namentlich Pferde, das Wasser nicht lassen kann, so nimmt man einen Teller mit Wasser, besprengt damit des Tieres Blöße und spricht, wenn die Besprechung am V. geschieht: „Guten Abend". Erfolgt sie am Nachmittag, so sagt man: „Guten Morgen". Hierauf wird der Segen gesprochen :

Vorgesicht s. V o r g e s c h i c h t e . Vorlât Vorgelat.im Braunschweigischen Bezeichnung für Vorgeschichte (s. d.).

Du dummes Tier, warum siehst du so bleich aus ? Was werd' ich nicht bleich aussehen. Ich habe 24 Stunden lang mein Wasser aufgehalten. Oben Wasser, unten Wasser! Im Namen usw.

Vormittag. Auch dieser ist im Aberglauben mehrfach vertreten, wobei dem V. bestimmter Tage, so am Sonntag (s. d.), am Palmsonntag (s. d.), meist im Hinblick auf den zu dieser Tageszeit abgehaltenenen Gottesdienst, besondere Bedeutung zukommt. Der V. hat Z u k u n f t s b e d e u t u n g . Aus allerlei Zeichen schließt man auf Glück und Unglück. K l i n g e n im rechten Ohr am V. (nachmittags im linken) besagt, daß man etwas gern hören wird. J u c k e n im rechten Auge am V. (nachmittags im linken) bedeutet Glück, oder daß man etwas Liebes sieht. Dagegen kündet Klingen im linken Ohr oder Jucken im linken Auge am V. Unglück an (Schlesien) 1 ). In anderen Gegenden gilt das Umgekehrte2). Eine Spinne am V. bringt Glück, weshalb man sie nicht töten darf 3 ). Am V. soll der D i e n s t a n t r i t t erfolgen, denn nachmittags eintretende Dienstboten sind faul 4 ) und bleiben nicht lange B). Will man nicht Heimweh kriegen, so muß man am V. eine Wanders c h a f t antreten "). In dieser Zeit finden gewöhnlich auch T a u f e n , meist nach dem Gottesdienst7), und B e g r ä b n i s s e , besonders in katholischen Gegenden fast immer um 10 Uhr 8 ), statt. H e i l h a n d lungen sind am V. selten, bloß aus Preußen ·) ist eine Besprechung mit einer bezeichnenden Umkehrung der Zeitangabe überliefert. Wenn dort Vieh,

Auch auf das W e t t e r des Tages schließt man am V. Um 9 Uhr bekommt, wie man in Schlesien sagt, der Tag „Order", d. h. wird seine Witterung bestimmt 10 ). Regnet es zwischen 10 und 1 1 Uhr v.s, so regnet es den ganzen T a g 1 1 ) oder es „wird nachmittag noch besser wetter, wann die alten weiber sich ausgereuspert" 12 ). Die Witterung am V. des Jakobitages sagt die vor Weihnachten voraus, die am Nachmittag dieses Tages die nach Weihnachten 13 ) (s. Hundstage). Besondere und fast durchweg günstige Vorbedeutung hat der V. für die A u s s a a t . Dabei gibt oft die Stellung des Mondes den Ausschlag für die Wahl des V.s oder Nachmittags. In Finnland und Dänemark bestellt man die Saat bei zunehmendem Mond am V., bei abnehmendem Mond nachmittags M ). In Deutschland wählt man oft den V. zum Säen und Pflanzen 1S ). In Schlesien sät man den Weizen bei Vollmond v.s, bei Neumond nachmittags 1β ). In Wagensteig bei Freiburg wird der V. bei der Aussaat vorgezogen, weil dann das Getreide besser wächst 17 ). Besonders günstig ist der V. für die L e i n s a a t 1 8 ) . Dann blüht der Lein auch am V. und gedeiht gut, während der nachmittags gesäte in der Nacht blüht und nicht gut gedeiht1·) oder immerzu blüht, so daß keine Ballen werden " ) . In Westböhmen heißt es in bezug auf die Leinsaat: Scheint am Faschingdienstag v.s die Sonne, so ist eine Frühsaat, wenn mittags, so eine Mittelsaat, wenn nachmittags, so eine Spätsaat zu erwarten 21 ). Auch K a r t o f f e l n werden oft am V. ge-

B u s c h Schlesw.-Holstein. Briefe 2, 144. Peuckert.

A n d r e e Braunschweig 372; A n d r e e Sagen aus d. Boldecker u. Knesebecker Lande: ZfVk 7 (1897), 131 ; Seif a r t Hildesheim 1 , 1 8 7 ; Conrad T e g t m e i e r Sitten u. Gebräuche d. Kalenberger Landes 1925, 38; s. Vorgeschichte § 1. Peuckert.

Vorschau—-Vorzeichen

1729

setzt 2 2 ) und vom K l e e sagt man im Erzgebirge, daß er gedeiht, wenn man am Karfreitag oder letzten Freitag im Monde v.s Asche auf die Felder streut 2 3 ). Ganz vereinzelt begegnet in einer schwäbischen Sage eine Gestalt aus der G e i s t e r w e l t , die nur am V . oder nachmittags gerade zur Vesperzeit bei den Schnittern erscheint, ein schönes Fräulein in schwarzseidenem Gewand, das stets einen Krug Wein und einen Laib Brot bringt und den Schnittern ihr silbernes Messerlein leiht, das sie aber immer zurückbekommen muß. Als es ihr einmal ein roher Knecht nicht mehr gibt, verschwindet sie verzweifelt für immer 24 ). D r e c h s l e r 2, 196. 2 ) W u t t k e 218 § 308. Ebd. 206 § 283. «) S a r t o r i Sitte 2, 40. *) J o h n Westböhmen2 338. e ) S a r t o r i a. a. O. 2, 49 (Thüringen). 7 ) M e y e r Baden 23. 8 ) ZfrwVk. 1908, 261. s ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 96. 1 0 ) D r e c h s l e r 2, 189. « ) Z f V k . 24 (1914), 59 (Dithm.). 1 2 ) G r i m m Myth. 3, 463 Nr. 826. 13) R o c h h o l z Naturmythen 6; R e i n s b e r g Wetter 158; H a l d y Die deutschen Bauernregeln (Jena 1923) 65. " ) F F C . Nr. 31, 61. 1 5 ) S a r t o r i a. a. O. 2, 63; vgl. ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 2, 194. l e ) D r e c h s l e r 2, 50. 1 7 ) M e y e r Baden 420. 18 ) W u t t k e 421 § 657; P a n z e r Beitrag 2, 162; 19) M e y e r Baden 422. F F C . Nr. 31, 62. M) Drechsler 2, 51; ZföVk. 5 (1899), 295. 2 1 ) J o h n Westböhmen* 40. 2 2 ) W u t t k e 4 2 4 §664; F o g e l Pennsylvania 197 Nr. 964. 23 ) W u t t k e 4 2 4 1 6 6 3 . 24 ) K a p f f Schwaben 62. Jungbauer. 3)

Vorschau s. Nachtrag.

Vorschloß· Adam Lebenwaldt berichtet: eine mir bekannt gewesene Person machte zu gewisser Zeit ein V. vom zukünftigen Jahr. Da erschien ihr ein Totenkreuz und sie war so betrübt, daß sie keinen Trost angenommen, sondern aus Melancholie gestorben ist. V. also: Vorschau, losen gehen. Adam a L e b e n w a l d t Achtes deß Teuffels List und Betrug 21.

Vorspiel,

Bezeichnung

Tractätl von Peuckert.

für

Vorge-

schichte (s. d.) im Amt Dillenburg. Z a u n e r t Hessen-Nassau

236.

Peuckert.

Vorspuk I s. N a c h t r a g . Vorspuk IL Vorspöker oder die Witten

(Weißen) hießen die verhüllten und vermummten Gestalten, die in einigen uckermärkischen Dörfern am Nikolaustage in die Häuser kamen, um die Kinder je nach ihrem Betragen zu loben oder zu strafen. B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V I I I

1 7 30

Ihr eigentlicher Umzug fand aber erst am Weihnachtstage in folgender Ordnung statt: „Stutenfrau" mit kuchengefülltem Korb (Stuten: Gebäck) Bär und Schimmel, die drei Witten, zum Schluß die drei Schwatten (Schwarzen), um nach der Vorstellung auszufegen. Sie brachten ihre Besen dabei gern mit den Anwesenden in Berührung, was als glückbringend galt. B r u n n e r Ostdeutsche

Volhskd.

203. Peuckert.

Vorzeichen, Prodigia. Man faßt unter dem Begriff V. allgemein alle Vorgänge gleichnishafter Art zusammen, durch die ein in der Zukunft liegendes Geschehnis angezeigt und sein Ablauf vorbedeutet wird. Eine Aufgliederung des unter dem Oberbegriff V. hier zusammengefaßten Komplexes kann nach mehreren Gesichtspunkten erfolgen. Geht das gleichnishafte Ereignis dem Geschehen zeitlich voran, so sprechen wir von V o r b e d e u t u n g (s. d.), V o r a n k ü n d i g u n g , V o r z e i c h e n ; geschieht es gleichzeitig mit ihm, aber an einem andern Orte, ohne daß vernünftigerweise ein Einfluß des Geschehnisses auf die Gestaltung des Gleichnisses angenommen werden kann, von A n z e i g e n oder K ü n d e n (s. d.). Ist das gleichnishafte Vorgeschehen nur einem Berufenen,besonders veranlagten Menschen zugänglich, so wird es sich zumeist um einen V o r s p u k (s. d.) handeln; Vorbedeutungen, Vorankündigungen und V. kann hingegen jeder erleben. Der Vorspuk liegt meist jenseits der realen Wirklichkeit, im parapsychologischen Gebiet, während V., Vorankündigungen und Vorbedeutungen der physischen, physikalischen bzw. paraphysischen Wirklichkeit angehören. All diese Vorgänge geschehen „von selbst", ohne Veranlassung des Empfängers. Werden sie dagegen gesucht und erfragt, so sprechen wir von A n g a n g (s. d.), A u g u r i u m (s. u.). V., Vorankündigungen und Vorbedeutungen sind demnach gleichnishafte Vorgeschehen, die unerfragt in dieser Wirklichkeit sich zeigen, und die von jedem wahrgenommen werden können. 55

1731

Vorzeichen

Zwischen den eben genannten Vorgängen und dem Vorspuk steht die V o r a h n u n g (s. d.). Auch sie tritt unerfragt ein und ist nicht nur besonders Veranlagten gegeben, aber der Vorgang liegt im psychischen Gebiet. Und hier gerinnt er kaum zu einem Bild, sondern allein zu einem dumpfen Vorgefühl von bösen, demnächst eintretenden Ereignissen.

1732

nach dem Charakter des Vorgeschehnisses. Ich will sie der Reihe nach erörtern. ι . E m p f ä n g e r . Wie vorhin schon gesagt worden ist, kann Jeder Empfänger eines V.s sein. Im allgemeinen wird er es aber nur dann sein, wenn durch ein Geschehen, eine Erwartung, eine schwierige Lage sein Leben beunruhigt worden ist. Man hat die Katzen auf dem Dachboden oft gehört, ohne dem Vorgang Es hebt sich aus einer größeren Beachtung zu schenken; wenn aber ein Gruppe die engere von V., Vorbedeutung Krankes im Hause liegt, dann wird (im und Vorankündigung heraus. Auch unter Landshutischen) dieses Laufen, einander diesen wird eine klare begriffliche ScheiNachlaufen, ein V. des Todes 6 ). Der dung notwendig und nützlich sein. Von Vorbedeutung werden wir dann zu i Mensch hat in der Situation den Willen zum V. sprechen haben, wenn ein auffälliges, Im allgemeinen hat zu gelten, daß ein ungewöhnliches Ereignis — eben um seines besonderen Charakters willen — V. „von selbst" geschehe, durch menschliches Wollen unbeeinflußt und unbeeinzu der Erkenntnis führt, es müsse mehr flußbar sei, ja, man wird das als ein als nur ein bloßer Vorgang sein. Anders Charakteristicum des echten V.s anzugesagt, daß es „etwas bedeute". Was es sehen haben. Das aber gilt nur vom bebedeutet, bleibt entweder noch dunkel wußten Willen aus. Im Unterbewußtsein oder wird dumpf erahnt, ertastet. wird jedes V. gewollt und — über dieses In dem soeben besprochenen Falle liegt hinaus — erfragt; nur daß dies Wollen es am Menschen, ob er den Sinn und die und Erfragen eben im Unterbewußtsein Bedeutung des Vorgeschehnisses erkennt. bleibt, oder, um es geläufiger auszuAnders bei einem Vorzeichen, wo die Bedrücken, man achtet und horcht, ob sich deutung des „Zeichens" feststeht, nicht ein V. erweise. erst erahnt, erdeutet werden muß. Hier Wir werden also, um den verschwomwird dem Menschen „ein Zeichen gemenen Begriff so wie das Schwanken in geben", in einer festgelegten Gleichnisden vorhin besprochenen Bezeichnungen sprache ihm etwas mitgeteilt, — während zur Klärung zu führen, das V. als e i n die Vorbedeutung einem Sprechen in Zeichen von gleichnishaftem Wert einer fremden Sprache vergleichbar ist, f e s t s t e l l e n , das nicht b e w u ß t e r dessen Sinn der Hörer nur rein intuitiv fragt wird, und dessen B e d e u t u n g erfassen kann. in der V o l k s a n s c h a u u n g f e s t l i e g t ; I. Das echte Vorzeichen. s e i n I n h a l t b e t r i f f t e i n in der Im Amtsbez. Achern braucht man Z u k u n f t liegendes Geschehen, das für V . : „anmelden" 1 ), am Heuberge: eben sich zu g e s t a l t e n beginnt. „verkünden" 2 ), in Unterwaiden „äs hat e) P o l l i n g e r Landshut 295. si kündt" 3) ; in der ländlichen Umge2. Sender. Die Frage, wer das V. sende, bung Kölns heißen die Todes-V.: Vörjeergibt eine reiche Antwortenreihe. brööch 4 ), im Krs. Heinsberg: VürgelEs ist erstens eine geheimnisvolle höhere 4 röckels ), in Niederdeutschland VorMach·:, welche es veranlaßt 7 ) oder lenkt 8 ). 5 spuk, Vorspauk ). Meyer bemerkt über den V.glauben H o f f m a n n Ottenau, 78. 2) M e i e r Schwades MA.s: Hinter den sinnlich wahrnehm3 ben 488 Nr. 285. ) N i d e r b e r g e r Unterwaiden baren V. dachte man sich allerdings Gott I I I ι , 191. 4) W r e d e Rhein. Vk. 120. 6) L a u f f e r Niederd. Vk. 87. und war auch infolgedessen überzeugt, E m p f ä n g e r . Bei beiden, dem V. wie daß dieser die Menschen die betreffenden der Vorbedeutung, erheben sich die Fragen, Zeichen wahrnehmen lasse e ). Er kommt wer es sende, wer es empfange und die mitLavater überein, der da meint, daß Gott

1733

Vorzeichen

durch V. und Vorbedeutungen warnen wolle 10 ). Auch die Dämonenwelt scheint in Frage zu kommen. Das Erscheinen eines dämonischen oder elbischen Wesens allein kann schon als V. gelten. Da schaut etwa ein uraltes Mütterchen in Tracht zur Tür herein, wenn jemand sterben soll u ) . Die Melusine erscheint, wenn eins aus der Familie Enghien sterben wird 12 ) ; im Stettiner Schlosse zeigt das schwarzgekleidete Petermännchen einen Trauerfall im Fürstenhause a n 1 3 ) ; der Schloßgeist 1 4 ), die weiße F r a u 1 5 ) wie in der Familie der Stosch l e ), eine Mönchsgestalt 17 ), feurige Erscheinungen 18 ), der Klabautermann 1 9 ), das Rotmannel in den Tuilerien 20 ) melden etwas an oder geben ein V. Ein weibliches Spukwesen warnt einen Edelmann 2 1 ). Die Pest als menschenähnliche weibliche Gestalt zeigt sich und kündet die Seuche an 22 ). Oft auch zeigt sich der Todesdämon in eigner Gestalt, als „Tod" 23 ), als Wehklage 2 4 ), Totenwibli 24 ), Klagemutter 2 4 ) oder Klageweibel 24 ), furiengestaltige Riesin 25 ), furchtbarer 26 ), schwarzer Mann 27 ), Poltergeist 2 8 ), als schwarzes Ungeheuer 29 ), Hel-Pferd 3 0 ), Hund 3 1 ) — wie die Pest als Fledermaus 32 ). Aber auch als schöner Jüngling zeigt sich der Tod und deutet damit sein nahes Eingreifen a n 3 3 ) ; ein unbekanntes Kind erscheint 3 4 ). Wie der Tod gibt der Tote V. 35 ). Oft wird er, wie Naumann zeigte, hinter den schönen Jünglingen 3 3 ) und Jungfrauen, den schwarzen Männern 2 7 ), weißen Gestalten 36 ) zu suchen sein. Die weiße Frau 16 ) ist ja oft die Ahnfrau 37 ), der Ahnherr 38 ) eines Hauses und meldet als solche den Tod an. Dem Cid erschien am Vorabend seines Todes Vater und Sohn 3 9 ). Ein „dankbarer Toter" zeigt seinem Helfer den Tod drei Tage zuvor an 4 0 ). Das ganze Seelenvolk, die Nachtschar, kündet einen nahen Todesfall an 4 1 ). Seelenwesen, wie ζ. B . eine Kröte, begleiten den nächtlichen Wanderer, dessen Familie ein Todesfall bevorsteht 42 ). Diese Liste wäre leicht ins Endlose zu verlängern ; aber es kommt j a hier nur darauf an, festzustellen, daß aus den eben genannten Bereichen V. ausgehen.

I734

Zu diesen Ausgangsstellen des Zeichens, die sich uns als gestaltlose Macht oder persönliche Wesen ergaben, tritt als ein dritter Bezirk derjenige, den wir als „magische Korrelation" bezeichnen. In den Dithmarschen hält man es für ein V. glücklicher Art, wenn bei dem Umzug, bei Dienstantritt, beim Richtfest des Hauses etwas zerbricht 4 3 ). Infolgedessen ist man bemüht, ζ. B . beim Richtfest, ein Glas zu zerbrechen; man versucht, sich Glück zu zaubern. Wir sehen, wie V. und zaubrische Handlung auf innigste Weise zusammenhängen ; das V. wird künstlich herbeizuführen versucht und damit zum Ausgangsort einer Wirkung; beide bedingen sich wechselseitig. — In meiner Kinderzeit lag in Kaiserswaldau die Frau des Inspektors im Sterben 4 4 ). Eine Krähe ließ sich auf einem Baum nahe dem Hause nieder und schrie, — was j a allgemein als übles V. gilt. Der Inspektor hat verschiedentlich versucht, sie zu verjagen, — nicht um der Kranken eine Aufregung zu ersparen, — er arbeitete dem V. entgegen. Das, was er tat, ist Zauberei; er wollte durch das Vertreiben der Krähe das Leben der Frau erhalten; die Zauberei wächst aus dem Glauben an V. hervor. Aber, ist zuzufügen: die Krähe kam immer wieder, war nicht fortzubringen 44 ), — das V. geschieht in der zaubrischen Welt, ist aber nicht zu beeinflussen; es geschieht ohne den Willen des Empfängers und läßt sich durch Willenshandlungen nicht umkehren oder aufheben. Aus derlei Feststellungen läßt sich vielleicht die Möglichkeit einer neuen Deutung finden. Wenn Zauber und V. sich wechselseitig bedingen, — und wenn andrerseits der Zauber auch ein reales Tun, etwa die Jagd, fördert ; wenn er einem realen Übel, etwa einer Vergiftung, entgegenarbeitet, — dann ist das V. in dieser Welt kein Besonderes mehr, sondern es steht hier gleichwertig und -artig neben den andern, kausal bedingten, Vorgeschehnissen. Ob wir das V. in dieser Welt als Ursache, das Geschehen als Folge zu verstehen haben, — etwas, wofür nicht Weniges spricht, — möchte ich hier nicht untersuchen. Aber 55*

1735

Vorzeichen

wir dürfen es als sinnvoll und richtig in einer durch den Zauber geformten und gerichteten Welt erkennen. So wie es in einer späteren, religiös geformten Welt sinnvoll erscheint, daß eine Gottheit durch ein V. warnt. Der Wunsch, das Zukünftige an einem Vor-Zeichen zu erkennen, das menschliche Begehren ist hier und dort das gleiche; nur, was der Mensch als die enthüllende Macht ansieht, ist in den verschiedenen Kulturen verschieden. Ich kann hier nicht das ganze Belegmaterial anführen, das sich überdies oben unter den einzelnen Stichworten findet, sondern muß mich begnügen, jeweils typische Fälle zu zitieren. ') Vgl. etwa ZfVk. 10 (1900), 286 Nr. 4. ) Etwa, wenn Kinder Begräbnis spielen (Niederösterreich): ZfdMyth. 4, 29; G a ß n e r Mettersdorf 81; Z a u n e r t Rheinland 2, 199; Károly V i s k i Volksbrauch d. Ungarn 1932, 183. 8 ) M e y e r Abergl. 199. 10) De spectris. In: Theatrum de veneficis 1586, 179. Vgl. auch Die Edelste Eitelheit Oder Abgenöthigte Verteidigung . . . der Geomantia . . . Freystadt 1704 (Breslau, Univ. Bibl. Phys. IV. Duod. 57), i8ff. 11 ) Jos. W i n c k l e r Pumpernickel 1926, 319Í. 12 ) Joh. Wilh. W o l f Niederländische Sagen 1843 Nr. 224. 13) Ders. Deutsche Märchen u. Sagen 1845 Nr. 373. " ) Z a u n e r t Hessen-Nassau 3 1 0 ! " ) T h a r s a n d e r 2780.; Balthasar B e k k e r Die bezauberte Welt 4 (1693), 14öS.; B r a e u n e r Curiositaeten 52911.; K ü h n a u Mittelschles. Sagen Nr. i 3 i ; P r ö h l e Unterharz 27. Graue Dame, jütisch: Henrik P o n t o p p i d a n Totenreich 2, 1 8 4 ! 1«) Heimatblätter d. Krs. Wohlau 2, 40. 17 ) T h a r s a n d e r 278ÎÏ.; W o l f Deutsche Sagen Nr. 372. 18) K ü n z i g Schwarzmaid 41. l e ) Oben 4, 14370. ; M e y e r Schleswig-Holstein 55; P o n t o p p i d a n Totenreich 2, 185. 20 ) S t ö 21 b e r Elsaß 438I ) Die Edelste Eitelkeit 2of. M ) Erasmus F r a n c i s c i Holl. Proteus 420; (399) ; (schwarzgekleideter Mann u. Frauen:) Κ r u s p e Erfurt 2, 32ff.; Pestfrau. 23 ) H ü b n e r Die Sagen 59, 71; G a ß n e r Mettersdorf 81. 24) Oben 4, 1439s.; K u o n i Sagen 106 Nr. 219; H e n n e a m R h y n 412 fi.; F r a n c i s c i Proteus i o i 6 f . ; D r e c h s l e r 1, 285. 25 ) P l u t a r c h Dion. c. 55. 2β ) P l u t a r c h Brutus c. 36. 48. " ) F r a n c i s c i Proteus 541. 542Í. 399. 28 ) W a i b e l u. F l a m m ι, igof. 2β) M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 44. 30 ) M e y e r Schleswig-Holstein 79; vgl. auch G r i m m Myth. c. 28; das „fahl Pferd" des dem Tode Bestimmten: Die edelste Eitelkeit 106. 31 ) Vgl. Nachw. 46—48. 32) (Slavisch:) K r a u ß Volksglaube 64. 33) F r a n c i s c i Proteus 648; N a u m a n n Gemeinschaftskultur 45 f. M ) Z a u n e r t Hessen-Nassau 311. 35) W o l f Deutsche Sagen Nr. 425. 3e ) M e y e r Schleswig-Holstein 2 34." J o h n Erzgebirge 113. 37 ) Oben 1, 230; 8

1736

ZfrwVk. 10, 219; Eilhard Erich P a u l s Ende d. galanten Zeit 1924, 1780.; K ü h n a u Mittelschles. Sagen Nr. 451; Die Edelste Eitelkeit 21; P e u k k e r t Pansophie 1936, 3581. 38) W o l f Deutsche Märchen u. Sagen 499. 3β) Carolina M i c h a e l i s Romancero del Cid 1871, 330! ; vgl. Zentralbl. f. Okkultismus ir, 226f. (Vater erscheint und zeigt zu bestimmter Zeit Tod an). 40 ) B r a e u n e r Curiositaeten 539ff. 41 ) J e c k l i n 3, 33. 42 ) ZfrwVk. 5, 244. « ) ZfVk. 20, 382. 383. M ) P e u k k e r t SchlesVk. 228.

2 a. Volkskundliche Deutungen. Erscheint in den uns zugänglichen Kulturen bald eine „Macht", bald eine Gottheit, bald eine magische Vorbedingung als Ort, von dem das V. ausgeht, so hat die Deutung dem Rechnung zu tragen. Das heißt, wir werden nicht nur zu erörtern haben, in welcher Kultur ein Zeichen als V. erkannt wird, ob es ζ. B. erst im bäuerlichen Kreis entsteht, — sondern wir werden auch die Gleichberechtigung mehrerer Deutungen bei jenen V. zugeben müssen, die sich in mehr als einer Kultur nachweisen lassen, die — an sich „primitives Gemeinschaftsgut" — dem Sinn der jeweiligen Kulturen unterworfen werden. Vor allem tritt — für den von der Volkskunde vorzugsweis behandelten Raum — die „mythologische" und die nüchternphysikalische Deutung hier nebeneinander, von denen keine die richtige, sondern von denen jede in einer „Kultur" die sinnvolle und damit gegebene ist. Das Heulen des Hundes führt nach dem Gesetz der magischen Partizipation die Situation der Leichenklage (und damit ihre Ursache herbei 46)). Der Hund als Leichenfresser 4β) ist ein Totendämon 47 ) ; sein Heulen zeigt den Hunger des Todes und dessen Forderung an 48 ) ; besonders gilt dies für den vieräugigen Hund 49 ). Schließlich wird in der Welt, die nicht mehr religiös, sondern „wissenschaftlich" deutet, das Heulen des Hundes vor einem bald eintretenden Todesfall damit erklärt, daß ihm als Tier mit feiner Witterung die durch den nahen Tod veränderte Ausdünstungen des Kranken zuwider seien60). Welche der Deutungen ist die richtige ? Keine von ihnen ist „die" richtige; jede ist richtig — für ihre Kultur. Wir kommen zur Relativität des Richtigen.

1737

Vorzeichen

Das aber bedeutet, daß mehrere Erklärungen desselben V. bestehen können, bestehen müssen, je nach der Lebensdauer desselben durch soundsoviele Kulturen hindurch. Oben ι, 471 fi· 4β) R o s c h e r Kynanthropie 25 ff. ; B u c h h o l z Homerische Realien I 2, 192fr. 1 9 7 ! ; S p i e g e l Eranische Altertums47 kd. 3, 703. ) R o s c h e r Kynanthropie 25f. Nachw. 48. 4 8 j Oben 1, 4 7 1 . 4 7 2 f f · ; (bereits babylonisch:) J a s t r o w Religion of Assyria and Babylonia 398; Z f V k . 8, 246; 12, 266; Η. S ö i b e r g Seekönig 6 1 ; F r a n c i s c i Proteus 1069; K e h r e i n 2, 269 Nr. 247; B r a e u n e r Curiositaeten 4 9 9 s . ; Augustin C a l r a e t Von Erscheinungen der Geistern 1 (1752), 401. 4e ) Kerberos, vgl. R o h d e Psyche 1, 28o 2 ; Rgveda X 1 4 Ii ; G r i m m DM. 3 1 9 1 ; Z f V k . 13, 2 6 5 ; Z a u n e r t Westfalen. 60 ) C a l m e t Erscheinungen d. Geistern i, 401. Häufig in meinen Sammlungen aus Schlesien.

3. Objekt. Bei den Objekten, an oder durch die das V. geschieht, handelt es sich zumeist um sichtbare oder durch das Gehör vermittelte Eindrücke. Weniger häufig sind die durch das Hautgefühl 81 ), noch weniger häufig die durch das Geruchsorgan52) gegebenen. Zum V. wird, was irgendwie auffällt, — so wenn die Glocke beim Läuten nachklingt 83), sich bei einem Begräbnis schwer läuten läßt M ), wenn die Uhr ins Läuten schlägt88), — also auch alles, was der täglichen Übung und der Sitte zuwider ist: wenn einer mit einem geschuhten und ungeschuhten Fuß herumgeht 56), wenn Brot und Salz auf dem Tisch fehlen 57 ). Jedes ungewöhnliche Ereignis: wenn die Gänse nachts schreien58), beim Weben plötzlich der Tritt abschnappt M ), die Glocke von selbst im Turm läutet eo ), die Mühle rückwärts statt vorwärts geht el ), — alles, was wider den regelmäßigen Lauf der Natur erscheint: der Heerbrandβ2), Schrei der Hirsche zu ungewöhnlicher Zeit e3 ), das Krähen der Henne u ) , Vogelkriege®6), Heerzüge von Tieren ββ) oder weiße Mäuse 87), Mißgeburten e8 j, Wundergeburten ββ). Hierher sind auch die verschiedenen Himmelszeichen zu zählen : die Sonne geht blutrot auf oder unter 70 ), Nebensonnen 71 ), Sonnenfinsternisse72), 73 Sternschnuppen ) und Kometen 74 ), Zeichen am Himmel und in den Wolken wie rote Ruten 78), Schwerter 7e), Kreuze und

1738

Kreuzregen77), feurige Männer78), Häupter 79), Schlachten80), Elmsfeuer 81 ), Nordlichte82), neue Sterne M ), Ortswechsel der Sterne 84 ), Blutregen 85 ), Erdbeben 8e). Auch alle ungewöhnlichen oder als auffällig betrachteten Erscheinungen am menschlichen Leibe wie zusammengewachsene Augenbrauen87), Hervorstehen der oberen Schneidezahnreihe 88), leichenfarbene Flecken auf den Händen89), Besonderheiten an den Fingernägeln90), Ausfallen eines Zahnes 91 ), Nasenbluten92), die Werlhoffsche Blutfleckenkrankheit93), Stolpern94), Jucken 95 ), Niesen96), wie überhaupt alles Regelwidrige am eignen Leibe 97 ) und ungewöhnliche Zufälle im Hause: das Aufstoßen eines Maulwurfes in oder vor diesem98), das Pochen der Totenuhr " ) , versiegendes Wasser 10 °), Poltern 101 ), knarrende Balken 102 ), Aufspringen der Tür 1 0 3 ), Kreuze im Betttuch 104 ), in der Wäsche 105 ), oder daß der Ruß der Lampe in Kreuzesform niederfällt 10e ), das Heulen von Hunden48) oder Katzen 107 ), gelten hierher, wie der Umstand, daß die Schwalben ein Junges aus dem Nest werfen 108 ), die Sense klingt 109 ), eine Kette fällt n 0 ), der Spiegel zerspringt 111 ), das Feuer nicht brennen will 1 1 2 ). Das gilt auch für Acker und Feld: wenn die Rüben weiße Blätter zeigen u3 ), ein Obstbaum zur Unzeit blüht 114 ), beim Säen ein Beet, eine Furche ausgelassen wird 116 ). Die letzten V. leiten hinüber in eine zweite Gruppe : das V. deutet als Gleichnis das spätere Geschehen an. Wenn Kinder Krieg 1 1 6 ), Prozession 117 ) oder Begräbnis 118 ) spielen, sagt das einen Krieg 1 1 6 ), eine Pest 1 1 7 ), ein Begräbnis 118 ) voraus. Das Leben wird durch ein Licht symbolisiert; wessen Licht unter mehreren heller, länger brennt, der lebt länger, wessen verlöscht, der stirbt usw.119). Regen bei der Hochzeit bedeutet Tränen in der Ehe 12 °). So deutet die ausgelassene Furche an, daß für einen weniger Brot anzubauen ist. Und wie ein wahrer Vorzauber mutet es an, wenn Leichespielen in lustiger Gesellschaft einen Todesfall vorbedeutet 121 ). Es wird ein Teil des zukünftigen Ge-

17 39

Vorzeichen

schehnisses oder dessen Folgen im V. vorweg genommen. Efeu — die Grabpflanze — zeigt ein Unglück a n 1 2 2 ) . Nagen die Mäuse an der Kleidung eines Schlafenden, ist das e i n V . seines Todes 1 2 3 ). Schmückt sich ein Knabe mit einem Kranz, ist das ein V., daß er bald sterben m u ß ; das aufgebahrte Kind trägt einen Kranz 124 ). E i n Anfang, eine erste Handlung und ihr Ausgang deutet den Ausgang der späteren (ähnlichen) an. Wer am Neujahrstage Geld bei sich hat, wird es das ganze J a h r über h a b e n 1 2 5 ) . Der nächste Tote ist vom Geschlecht dessen, der dem Leichenzug zuerst begegnet 1 2 6 ). Ist die erste Gabe der Geladenen zur Hochzeit ein Hahn, dann wird das erste Kind ein männliches sein 1 2 7 ). Fängt ein Unternehmen übel an, hat es einen schlimmen F o r t g a n g 1 2 8 ) . Man sieht, wie nahe diese Gruppe zuweilen dem Zauber stehen kann, wie hier die Sätze nur umgekehrt zu werden brauchen: man muß dem Brautpaar als erste Gabe einen Hahn schenken, d a m i t das erste Kind ein männliches sei. Das B i l d des Menschen ist er selbst; es entspricht also das Geschehen im V., wenn s e i n Bild von der Wand fällt 1 2 β ), dem wirklichen Geschehen : der Tod fällt ihn. Das E i g e n t u m eines Menschen ist ein Teil seines Selbst, an ihm also können sich V., die s e i n künftiges Geschick andeuten, erweisen. Das Eigentum Oxenstiernas geht vor seinem Tod unter 1 3 0 ). Hausgeräte krachen 1 3 1 ), Bilder und dergl. fallen von den W ä n d e n 1 3 2 ) ; die Leiste springt von der Wasserkanne a b ; vor Gustav Adolfs Tode fällt die Krone des schwedischen Wappens h e r a b 1 3 3 ) ; der B a u m zeigt den Tod seines Besitzers an 1 3 3 a ) usw. Auch das künftige Eigentum ist hier einzubeziehen ; die Leichenausstattung rührt sich : die Sargbretter, die einer sich selbst schnitt, bewegen sich 134 ) ; die Truhe mit Leinwand klappt a u f 1 3 5 ) ; ein Schoof Stroh fällt auf die Diele 136 ), das Pferdegeschirr des Leichenwagens 1 3 7 ) bewegt sich im Stall und dieser selbst rührt sich 138 ) ; das Pferd, das an der Reihe ist, den Totenwagen zu ziehen, ist unruhig

I74O

im S t a l l 1 3 9 ) ; die Geräte derer, die die Totenausstattung besorgen, rühren sich (s.u.). Begegnen, das ist Teilhaben an Wesen, wie Finden von Dingen mit starkem Orenda, bedeutet Glück, das Gegenteil Unglück — : Angang. Hinüber in dämonistische Bezüge leitet es, wenn das Erscheinen bestimmter Tiere als V. gilt. So gilt das Erscheinen der leichenfressenden Tiere am Haus, wie R a b e (s. d.), Nachtrabe (s. d.), Krähe (s. d.), Marder 14 °) als ein Vorzeichen des Todes; vgl. auch Hund 4 6 · 4 8 ). Nachttiere und ihr Ruf „Komm m i t " sind Rufer ins Reich des Todes, das man sich als ein nächtliches denkt; s. Kauz, Eule. Versteht man den Ruf der Meise als „komm m i t ! " , dann hält man analog ihr Erscheinen als V. des Todes 1 4 1 ). Häufig gilt R u f e n 1 4 2 ) , beim Namen rufen 143 ), ein unerklärliches Geräusch 144 ) und Weinen 14S ), Klopfen ans Fenster 146 ) oder an die Tür 147 ), wie einer, der Einlaß begehrt, anklopft, Klingeln 148 ) als V. des Todes. E s ist der Todesdämon, der ruft. I m Dom von Breslau 149 ) wie dem von Lübeck 15 °) läßt Gott eine weiße Rose erscheinen, sobald ein Domherr sterben muß, im Kloster Corvey erschien eine weiße Lilie 151 ) ; in der Stiftskirche Merseburg geschah ein Schlag auf den Stuhl des Domherrn, der sterben sollte 152 ). Im Teich eines Klosters stirbt immer ein Fisch, wenn ein Mönch s t i r b t 1 5 3 ) . Als Unglücks-V. vor einer Schlacht verschwindet das hl. Sakrament 1 5 4 ). Schließlich ist der „Gesetzmäßigkeiten" der nachreligiösen Welt zu gedenken 15S ), so wie den V., in denen das Künftige durch „Schriften" der Menschheit mitgeteilt wird, ob diese nun auf Heuschreckenflügeln (s. d.), auf Blättern von Pflanzen 15e ) stehen oder ob sich die Handlinien zu einem M (ors?) zusammenfügen 1 5 7 ). Die eben versuchte Staffelung in V. der magischen, religiösen und nachreligiösen Welt ist noch um einen Grad zu erweitern. Wenn es als böses V. güt, den Trauring zu verlieren 15S ), so ist dieses V. entweder antiker Herkunft, denn der

Vorzeichen Trauring kommt uns von dort, oder der Glaube ist jung entstanden, obwohl er alte Züge aufweist. Der Glaube an den Schlag der Uhr, das Stehenbleiben derselben als V . (s. Uhr), kann sich erst entwickelt haben, nachdem es Räderuhren gab, und diese, zu wenigstens als Turmuhren, verbreitet wurden; das ist seit dem 1 4 . J h . der Fall. Der Glaube, daß das Leben im Gehen der Uhr vorbedeutet werde, ist aber, wie vorhin schon bemerkt, eine in älteste Zusammenhänge zurückweisende Anschauung von der Ordnung der Dinge. Wir kommen damit als Träger für diese V . zu einer, der Naumannschen „primitiven Gemeinschaft" ähnlichen Schicht, die dauernd vorhanden ist, die noch heut — wie stets — V . denkt. Eine Entwicklung geschieht in ihr nicht ; uralte Gedankengänge bleiben dauernd lebendig. Wohl aber unterliegen diese Gedankengänge der Ausformung durch den Kulturgedanken der jeweiligen Kultur, welcher die Gruppe angehört. Sie ist in ihrem V.-Glauben, der ja hier nur zur Untersuchung steht, gleichzeitig „primitiv" und „vorbäurisch", oder „ p r i m i t i v " und „bäurisch", oder „primitiv" und „bürgerlich" 1 5 9 ). 51 ) Jucken in H a n d : Nachw. 95; Spuk gibt Schlag = V. des Duelltodes: F r a n c i s c i Proteus 4; Geister kneifen = Werlhoffsche Blutfleckenkrankheit: ZfrwVk. 5, 241; Nachw. 214. 52) Vgl. Niesen als V.: oben 6, 10720.; Nachw. 212. 213. t3 ) Oben 5, 946; D r e c h s l e r 1, 2 8 7 ! ; (Grünfier, Netzegau:) in meinen Sammlungen; H. S ö i b e r g Seekönig 77. 54) P e u c k e r t Schles. Vk. 228. 55) s. Uhr; oben 5,947f. 56) Oben 1,922; G a ß n e r Mettersdorf 8f. 57) Vgl. oben 1, 16230. 58) Niederschlesien: in meinen Sammlungen. 69) ZfrwVk. 5,246. 60) F r a n c i s c i Proteus 1031 ff. e l ) M e y e r Schleswig-Holstein 232; oben 5, 946f. e2 ) Z a u β3 n e r t Rheinland 2, ig8f. ) Oben 4, 102. Wetteränderung: M e i e r Schwaben 512. ·*) Herrn. G l o e d e Märkisch-pommersche Volkssagen i 6 f . 17. 17t.; s. Rabe, Krähe, Eule usw. ββ) Schles. Provinzialbl. 46, 2090. 67) ZfrwVk. 5, 244. e9 «·) S t r a c k e r j a n 1, 18. ) W o l f Niederl. Sagen Nr. 257. 70) ZfdMyth. 3, 32. 71) Schlesien, 72 in meinen Sammlungen. ) Oben 2, 1 5 1 4 Î Ï . ; U s e n e r KISchr. 4, 3 0 7 ! ; S t r a c k e r j a n 1, 19. 73 ) G a ß n e r Mettersdorf 80; S t r a c k e r j a n 1, i8f. 74) Oben 5, 8 9 s . ; weiter Bunzlau. Monatsschr. 7 (1780), 2 3 1 ! ; P o l l i n g e r Landshut 166; K n o o p Kolberger Volkshumor 108f.; K n o o p Posen I 2 f . ; ZfVk. 9, 231. 75) K n o o p Posen 1 3 ; s. oben 5, I54ff. 7e ) K n o o p Posen 1 3 ; s. oben 5, I54ff. , 7 ) K n o o p Posen 1 3 ; Z a u n e r t Hessen-

I742

Nassau 309; s. oben 5, 1540. 7e ) Lausitz. Magazin 1790, 180. 7 ·) K n o o p Posen 13. 80 ) K r u s p e Erfurt ι, 63f. 8 l ) Oben 2, 7 9 i f . ; S t r a c k e r j a n ι, 21. 8S) Bunzl. Monatsschr. 7 (1780), 231 f.; K n o o p Kolbetger Volkshumor 108f.; S t r a c k e r j a n ι, 20; Hermann G l o e d e Märkisch-pommersche Sagen 16; H e r t z in Correspondenzbl. 12 84 (1881), 42. ) K i i n z i g Schwarzwald 41. 8S ) S t r a c k e r j a n 1, I 9 f . ; oben 1, I44óf. 8β ) Oben 2, 891; M ü l l e r Siebenbürgen 69 f. 87 ) Oben ι, 704. 88) P o l l i n g e r Landshut 169. M ) Germania 36, 395f.; vgl. oben 3, 1383f. 90 ) Oben 2, I500Í.; ZfVk. 20, 382; S c h ü t z e Holstein. Idioticon 1, 116; Zentralbl. f. Okk. 10, 514; M e i e r Schwaben 503. 91) F r a n c i s c i Proteus 645. , 2 ) Oben ι, 14595.; Globus 35, 62; G a ß n e r Mettersdorf 81. " ) ZfrwVk. 5, 241. M ) Oben 8, 492ff. ; M e i e r Schwaben 478; Bayr. Hefte ι, 245. w ) Oben 4, 788fi.; Globus 35, 6 i f . ZfdMyth. 3, 175. 9β) Oben 6 , 1 0 7 2 s . ; Globus 35; 59ff. 97) Carl H a b e r l a n d Die V. am eigenen Körper: Globus 35 (1879), 582.; ZfVk. 15, 350 nach Dania 2, 251. 98) P o l l i n g e r Landshut 295; ZfrwVk. 5, 244; 10, 62; S t r a c k e r j a n 1, 23. 99 ) ZfVk. 13, 389; ZföVk. 4, 1 5 1 ; A l p e n b u r g Tirol 341/45; P o l l i n g e r Landshut 295; B i r l i n g e r Volhsth. 1, Nr. 700 = W a i b e l u . F l a m m 2, 145; ZfrwVk. 5, 244; S t r a c k e r j a n 1, 38; D r e c h s l e r 1, 285; P e u c k e r t SchlesVk. 228; Lausitz. Magazin 1725, 2 5 9 s . ; (Leobschütz:) in meinen Sammlungen; J e a n P a u l Siebenkäs c. 19. 10 °) ZfrwVk. 5, 245. 1 0 i ) B r a e u n e r Curiositaeten 537 f. 102 ) ZfrwVk. 5, 245; vgl. oben ι, 856a. 103 ) F r a n c i s c i Proteus 648; P o l l i n g e r Landshut 295; ZföVk. 4, 1 5 1 ; K r u s p e Erfurt 1, 6 3 ! ; D r e c h s l e r 1, 286; P e u c k e r t SchlesVk. 228; in meinen Sammlungen. 104 ) ZfrwVk. 5, 245; S t r a c k e r j a n 37· l o s ) Z a u n e r t Rheinland 2, 199; S t r a k k e r j a n i , 37. l o e ) Zentralbl. f. Okk. 9, 332. 107 ) Oben 4, i i o g f . ; ZfrwVk. 5, 244. 108 ) ZfVk. 13. 389. 109 ) ZfrwVk. 5, 245. n o ) ZfrwVk. 5, 244. 246; oben 4, 1284. 1 U ) ZfrwVk. 5, 246; S t r a k k e r j a n 1, 38; K e h r e i n Nassau 2, 269 Nr. 243. 112 ) ZfrwVk. 5, 246. 113 ) M e i s i n g e r Rappenau 49; P o l l i n g e r Landshut 166; S t r a c k e r j a n ι , 28. "«) Oben 1, 1 4 3 1 ; P e u c k e r t Schles. Vk. 229; S t r a c k e r j a n 1, 27t.; K e h r e i n Nassau 2, 270 Nr. 252; D r e c h s l e r x, 285. 115) P e u k k e r t SchlesVk. 229; S t r a c k e r j a n 1, 28; K n o o p Posen 126; P o l l i n g e r Landshut 1 7 5 ; (Schlesien:) in m. Sammig.; (Russisch:) Z e l e n i n Russ. Vk. 29. u e ) Alte Weiber Philosophey, ZfdMyth. 3, 3 1 0 ; Germania 25, 429 Nr. 3 3 ; oben 4, 1386. l l 7 ) Oben 4, 1386. Vgl. Z a u n e r t Rheinland 2, 199. 118 ) D r e c h s l e r 1, 2 i 6 f . ; ZfdMyth. 4, 29; M e i e r Schwaben 491 Nr. 302; V i s k i Ungarn 1 8 3 I ; G a ß n e r Mettersdorf 8 1 ; K e h r e i n Nassau 2, 270 Nr. 256; oben 4, 1386. u · ) Oben 5, I 2 5 i f . ; F r a n c i s c i Proteus 548f.; B r a e u n e r Curiositaeten 496 nach C h r y s o s t o m u s Homil. 21 ad populum Antiochenum. 120 ) ZfVk. 13, 3 8 7 ! ; M e i e r Schwaben 485 Nr. 277; vgl. gut W e t t e r : günst. V. f ü r E h e : ZfEthn. 31 (292). 121 ) G a ß n e r Mettersdorf 81.

Vorzeichen

1743

" » ) Oben 2, 559. 1 2 3 ) ZirwVk. 5, 244. 1 2 4 ) Z a u n e r t Rheinland 2, 199; vgl. oben 5, 4170. 1 2 t ) R a d e r m a c h e r Beiträge: Sitzber. Wien 187 H. 3, 99ff·; ARw. 19, 63ff.; 20, 372ft.; W r e d e Rhein. Vk. 120.

lae

) Meisinger

Rappenau 49.

) G a ß n e r Mettersdorf 68. 1 2 e ) D r e c h s l e r 2, 194. " » ) P e u c k e r t Schles. Vk. 228; oben I, 1297. 1 3 0 ) F r a n c i s c i Proteus 1056, 1 3 1 ) G a ß n e r Mettersdorf 81; S t r a c k e r j a n 1/38; K e h r e i n Nassau 2, 269 Nr. 242; D r e c h s l e r 1, 286. 1 3 2 ) P e u c k e r t Schles. Vk. 132; K e h r e i n Nassau 2, 269 Nr. 243; D r e c h s l e r i , 286; Deutsche Gaue 1919, 22; Z a u n e r t Hessen-Nassau 311. 133) K r u s p e Erfurt 1, 63t. 1 3 3 a ) L a u f f e r 127

ZfVk. N . F . 7 (1937), 215 ff.

Schicksalsbaum:

) ZirwVk. 10, 149; S t r a c k e r j a n 1, 32. 143; D r e c h s l e r 1, 286. 1 3 S ) ZfrwVk. 5, 246. 13 ·) S t r a c k e r j a n 1, 28. 1 3 ') ZfrwVk. 5, 246. 1 3 8 ) ZfrwVk. 10, 231 f.; oben 5, ii43f. 1 3 9 ) ZfrwVk. 10, 231 f.; 5, 244; das des Geistlichen senkt den K o p f : ZfrwVk. 5, 244. 1 4 0 ) G l o c k Elsental: Alemannia 25 (1897), 251 Nr. 117. 1 4 1 ) (Lothringen:) Globus 59, 380. 1 4 2 ) V. des eignen: ZföVk. 3, 21, eines andern Todes: P e u c k e r t 134

Schlesien

113.

143

) P e u c k e r t Schles. Vk. 229;

man soll nicht darauf antworten, wird man beim Namen gerufen: in meinen Sammlungen. 1 4 4 ) ZfVk. 6, 407; P o l l i n g e r Landshut 295; Siebenmal Nagel aufschlagen gehört: ZfrwVk. 5, 245; Tisch knackt: ebd. 246; Treppenstufen: ebd. 246; Kiste zuschlagen: ZfrwVk. 5, 245; Knall im Holz: W u t t k e 224 §320; J o h n Erzgel·. 113.

14i

) P e u c k e r t Schles.

Vk. 228;

(Unerklärt. Seufzer:) ZföVk. 4 (1898), 151. ) P e u c k e r t Schlesien 146; ders. Schles. Vk. 228; M e i e r Schwaben 492 Nr. 303; K n o o p

146

Posen 124; E . L e h m a n n Vom Kronwald u. vom Krottenpfuhl 1921, 40; ders. Neue Sagen

aus d. Schönhengstgau 1924, 66; Deutsche Gaue 20 (1919), 22; in meinen Sammlungen; oben 4» I537Í-; vgl. B r a e u n e r Curiositaeten 501 f. " ' ) W r e d e Rhein. Vk. 121. 1 4 8 ) Oben 4, 1 5 3 1 ! ; Laus. Magazin 1788, 322; M e i e r Schwaben 488; Weinsberg. Chronik: W r e d e Rhein. Vk. 118. 146) K i i h n a u Nr. 1904; P e u c k e r t Schlesien i n ; B i i s c h i n g Volkssagen 1812, 3 9 4 ! 1 5 °) Bal-

t h a s a r B e k k e r Die bezauberte Welt 4 (1693), 145; F r a n c i s c i Proteus 1 0 5 9 s . ; B r a e u n e r Curiositaeten 536f.; D e e c k e L ü b e c k i 8 g f f . ; B ü s c h i n g Volkssagen 1812, 392Í.; M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 4 2 f f . ; vgl. W o l f Deutsche Sagen N r . 378.

) Oben 5, 1300; B ü s c h i n g Volkssagen 39if.; 162) F r a n c i s c i Proteus 1056! Büsching

151

Volkssagen

392;

Francisci

Proteus

1058;

B r a e u n e r Curiositaeten 535f. 1 5 3 ) Oben 2, I533S-; W o l f Deutsche Sagen Nr. 378, vgl. Nr. 102. 97.

1M

) W o l f Deutsche Sagen Nr. 375.

) (Schrift am Schwarzen Brett d. Univ. Marburg:) M e y e r Abergl. 140. 1 δ β ) Bunzl. Monatsschr. 7, 2 3 1 ! ; P e u c k e r t Schlesien 63. " ' ) P o l l i n g e r Landshut 164. 1 5 β ) ZfVk. 20, 383. 1M

) Vgl. weiter: P e u c k e r t Deutsche Volkskunde 1937·

4. Ort. Die meisten, das Schicksal des

1744

einzelnen betreffenden V. geschehen in oder beim Hause 1β0 ), im Hofräum 1β1 ), im Garten 1β1 ) oder auf dem Acker 1β2 ) dessen, den sie angehen. Seltener sind V., die auf dem Wege von oder zur Wohnung, draußen, geschehen; sie widerfahren dann gewöhnüch der Hebamme 1β3 ), dem Pfarrer, dem Boten zu ihnen 1β6 ) oder zum Arzt, zur Apotheke 16e ), oder herbeigerufenen Angehörigen. Daneben besteht als weiterer Umkreis das Dorf 168 ) mit Kirche16») und Kirchhof 1 7 0 ). Aber die V. in diesem Raum lauten gemeinhin nicht auf den X oder Z, sondern auf „einen aus der Gemeinde", „den nächsten Sterbenden" usw. Endlich geschehen V. am Unglücksort 171 ) ; es ruft Hilfe aus dem See, in dem ein Mensch ertrinkt 172 ), eine Stimme sagt: Die Stunde ist da 173), ein Mann erhebt sich aus dem Wasser 174). Ebenso wird ein Schlachtort vorangezeigt 17S ). Wenn auf der Tenne unter dem Bodenloch Blutstropfen stehen, stürzt bald jemand herab 17e). l e o ) Vgl. Nachw. 102 fi. 1«) S. u. Eule, Kauz, Krähe, Rabe. l e a ) Nachw. 113. 115. 251. 252. 1β3) SchönwerthOberpfalz 1, 1 5 6 ! 1 M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 157. 1 β β ) P e u c k e r t Schlesien. 1 β β ) Nachw. 118. 61. 126. 1 β ·) Nachw. 60. 119. 1 7 °) Nachw. 126. m ) Nachw. 238. 172 ) Brandenburgia 25, 154; S c h a m b a c h - M ü l l e r Nr. 85. « » ) D r e c h s l e r 1, 289. "*) F r a n c i s c i Proteus 1725, 239. 1 7 5 ) s. Schlachtfeld. 1 7 e ) S t r a c k e r j a n 1, 34.

5. Zeit. Die V. sind im allgemeinen zeitlich nicht fixiert, was sich aus dem vorhin Gesagten ja schon ergibt; eine zeitliche Festlegung würde einen ersten Schritt zum Erfragen von V. bedeuten, das wir natürlich auch haben, aber begrifflich deutlich vom „Vorzeichen" abscheiden müssen. Doch heben sich immerhin einige Termine heraus, an denen gemeinhin V. zu beobachten sind: der Augenblick der Schwängerung 177 ), die Schwangerschaftszeit 178), die Geburtsstunde 179 ), die Taufe 180), der Kirchgang der Sechswöchnerin 181), der Hochzeitstag und an diesem besonders die Trauung 182 ) mit dem Wege zur und von der Kirche 183 ), das Fest selbst 184 ), das Besteigen des Brautbettes 18S), Krankheit 18e ), die Stunde eines

1745

Vorzeichen

Todes 187 ), Begräbnisses 188 ), vor allem bei einem Familienmitglied 189 ). Im Jahreslauf haben die Zwölften 19 °), vor allem der hl. Abend 191 ) und die*) Neujahrsnacht 192 ), der Neujahrstag 193 ), Matthias 194 ), die ersten Begegnungen im Frühling 195 ) Bedeutung. Die Tagesstunde erscheint nicht entscheidend; doch scheinen die meisten V., denen eine Gehörwahrnehmung zugrunde liegt, abends oder nachts zu geschehen. 1 7 ') D r e c h s l e r 1, 1 7 7 ; oben 2, 8ogf. 1 7 8 ) Oben 7, 1 4 2 6 ! ; 2, 7 8 7 ! ; D r e c h s l e r 1, 179. 192; K e h r e i n Nassau 2, 261. 1 7 9 ) Oben 3, 4 0 7 s . ; D r e c h s l e r 1, 182. 184; s. auch oben 3, 822. 1 β 0 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 169. 170; Gaßn e r Mettersdorf 2gi.; D r e c h s l e r 1, 192. 195. 196; P e u c k e r t Schles. Vk. 1 7 7 ; ZfdMyth. 4, 3 ; M e i e r Schwaben 475 Nr. 243. l e l ) D r e c h s l e r ι, 207. 208. 1 8 a ) Oben 4, 162; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 8off. ; M e i e r Schwaben 4 8 3 S . ; W r e d e Rhein. Vk. 120; K e h r e i n Nassau 2, 259. 2 6 4 ! ; ZfVk. 3, 188; 10, 378; D r e c h s l e r ι, 2 5 8 0 . ; P e u c k e r t Schles. Vk. 2 1 3 ; (Lothringen:) Globus 59 (1891), 380. 1 8 3 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz I, 80. 8 1 ; S t r a c k e r j a n 1, 2 i f . 105; D r e c h s l e r 1, 257. 1 M ) D r e c h s l e r 1, 2 6 7 ! ; F i n d e l Vierlande um die Wende d. 16.—IJ. Jh.s = Programm Eilbeck-Hamburg 1907, 21 ; ZfVk. 18, 3 1 1 ; 10, 378; H o f f m a n n Ortenau 39. 1 8 S ) ZfVk. 13, 98; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 1 1 2 . 1 8 e ) M e i e r Schwaben 508; ZfVk. 8 (1898), 2 4 5 ! 1 8 7 ) D r e c h s l e r 1, 286f.; P e u c k e r t Schles. Vk. 2 2 8 : 2 6 1 . 1 8 8 ) Oben 4, 496; P e u c k e r t Schles. Vk. 228. 2 3 3 ; D r e c h s l e r 1, 288f. 304; 2, 200; K e h r e i n Nassau 2, 269 Nr. 246; 270 Nr. 259; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 2 6 1 ; S t r a c k e r j a n I. 33; P o l l i n g e r Landshut 295; G a ß n e r Mettersdorf 8 1 ; Germania 36, 395; ZfrwVk. 5, 246; M e i s i n g e r Rappenau 49. 1 8 ·) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 2 6 1 ; K e h r e i n Nassau 2, 270 Nr. 258. 260; M e i s i n g e r Rappenau 49; G a ß n e r Mettersdorf 8of. ; D r e c h s l e r 1, 288; S t r a c k e r j a n 1, 32. 1 8 0 ) ZfVk. 1, 179; 9, 442; D r e c h s l e r 1, 286. 1 M ) G a ß n e r Mettersdorf 80; P e u c k e r t Schles. Vk. 228; D r e c h s l e r 2, 200; S t r a c k e r j a n 1, 35. l i 2 ) ZfVk. 1, 179. 180; S t r a c k e r j a n 1, 51 ; P e u c k e r t Schles.Vk. i2of.; weitere Belege in meinen Sammlungen. 1 9 3 ) Zfd Myth. 3, 3 2 ; ZfVk. 1, 180; W r e d e Rhein. Vk. 120; vgl. das Material in den in der Note unten angegebenen Aufsätzen. 1 M ) Germania 36, 395f. ι ω ) S t r a c k e r j a n 1, 27. 28f.; P e u k k e r t Schles. Vk. 1 2 5 ; oben s. v. „stolpern".

*) Von hier aus erheben sich Bedenken gegen die von Nilsson (Studien z. Vorgeschichte d. Weihnachtsfestes: ARw. 19, 50—150) und Radermacher (Beiträge z. Volkskunde aus d. Gebiet d. Antike: Sitzb. Wien 187, 1919, III, 86—126) begründete Theorie, daß die NeujahrsOmina Erbe der Antike seien.

1746

6. I n h a l t . Die V. umfassen und begreifen alle entscheidenden Ereignisse, sowohl des Einzel- wie des öffentlichen Lebens. Sie treten in Erscheinung angesichts entscheidender Begebnisse im Einzelleben. Geburt. Schon das junge Mädchen 1ββ ), die Braut am Hochzeitstage 197 ), die junge Frau 1 9 8 ), das Paar im Augenblick der Zeugung 199 ) beachten V., die natürlich die Schwangerschaft über 20 °) sich vermehren. Eine Patenschaft kündigt sich vor 2 0 1 ). Liebe. Die jungen Mädchen beachten V., die sich auf das eigentliche Liebesleben (Küsse usw.) 2 0 2 ), auf Wartenmüssen 2 0 3 ), Ledigbleiben 2 0 4 ), auf den Zukünftigen 2 0 5 ), seine Werbung 2 0 6 ), die Brautzeit und Treue 207 ) beziehen. Aber auch sonst wird auf V. geachtet, die eine Hochzeit anzeigen 2 0 8 ). Tod. V. mit Bezug auf den Tod übertreffen alle andern an Zahl 2 0 9 ). Sichtbare 21 °), hörbare 2 U ) konkurrieren miteinander; daneben stehen andere, die durch den Geruch 212 ) bzw. das Geruchsorgan 213 ), durch das Hautgefühl 2W ) wahrgenommen werden. Auch die allgemeine Körperschwäche wird in mehreren Formulierungen zum V. 216 ). Neben den V., die für den Einzelfall Geltung haben, steht eine ganze Anzahl, in der der Tod eines Gemeindemitgliedes, also eines noch Unbestimmten unter vielen, angezeigt wird 21 «). Es darf hier auch mit einem Wort auf die Empfänger von Todes-Vorzeichen eingegangen werden. Die, denen sie gelten, sollen sie im allgemeinen selbst nicht bemerken 217 ). Dagegen sind Empfänger vor allem die Mitglieder der Familie und Verwandtschaft. Auch die Nachbarn werden oft Zeugen eines V.s, wenn ζ. B. das Käuzchen ruft u. dergl. Weiter empfangen die amtsmäßig Beteiligten V., wie der Bote, der den Arzt holen soll 2 1 8 ) ; das Pferd des Pfarrers wird unruhig 219 ), es klopft beim Küster 2 2 °), beim Totengräber rühren sich die Handwerkszeuge 221 ), knarren die Bahren 222 ), wird das Seil über die Stube geworfen 223 ) ; beim Leichenbitter fällt der Stab um 2 2 4 ); auch beim

1747

Vorzeichen

Tischler rührt sichs im Handwerkszeug 225 ), die Säge klirrt 226 ), Bretter klappern, fallen 227 ), der Hobel 228 ), das Handwerkszeug schwitzt 229 ), die Meßschnur schnellt auf 230 ), es klopft bei ihm 284 ), rührt sich im Ofen 231), arbeitet in der Werkstatt 232). Beim Schneider, der das Totenhemd näht, klirrt die Schere 233 ), beim Totenbarbier das Messer im Kasten oder er wird gerufen 234) ; ähnliches vernimmt die Leichenfrau, -Wäscherin 235). Ist jemand zum Tode verurteilt, rührt sich beim Scharfrichter das Schwert 236). Auch das Nachsterben eines Familienmitgliedes wird oft angezeigt 237). Häusl. Leben. V. für eine Feuersbrunst werden in großer Zahl genannt 238), weniger solche, die das Schicksal des Hauses 239) oder des Schiffes 240) betreffen. Weiter nennt man V., die eine Reise 241 ), einen bevorstehenden Besuch 242), einen Brief 243) wie überhaupt Neuigkeiten 244), Klatsch und Nachrede 245), Zank 246 ), ein Geschenk 247), Geld 248), ja einen bevorstehenden Tanz 249) usw. anzeigen. Zu diesen V., in denen das private, häusliche Leben im Brennpunkt steht, tritt eine zweite Gruppe, die auf das W i r t s c h a f t s l e b e n Bezug haben. Hier steht das Gedeihen der Ernte 2S0 ) und der Früchte, des Viehes in dem Vordergrund, der zukünftige Stand und damit Preis der Früchte 251 ), an dem die Frage „Mißwachs", „Teuerung" und „Hungersnot" hängt, und damit endlich auch die eine der entscheidenden Vorbedingungen, das Wetter. Es kann sich dabei natürlich nicht um mehr oder minder physikalisch begründete „Wetterregeln" handeln, sondern um V. vom Typus des folgenden: wenn es viel Wachteln gibt, bekommen wir viel Gewitter 252), wie um die „Lostage" (s. d.). Endlich beschäftigen sich die V. mit zukünftigen wichtigen Ereignissen des öffentlichen Lebens. Sie betreffen in der Dorfgemeinde Feuer 238 ), den Tod eines Gemeindemitgliedes 216 ), Seuchen und Pest 253 ), Hungersnot 2&i ), Wassersnot 255 ), Krieg 256 ), eine bevorstehende Schlacht 257 ), den Tod des Fürsten 258).

1748

Endlich — und nicht die geringste Anzahl derselben — sagen die V. ganz einfach Glück 259) oder Unglück 2β0) voraus, zumeist für den einzelnen, doch auch für die Haus- und öffentliche Gemeinschaft.

1ββ ) P e u c k e r t Schles. Vk. 126. l f ") H o f f m a n n Ottenau 39; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 93; D r e c h s l e r 1, 2 6 7 ! ; S t r a c k e r j a n 1, 2 1 ; hierher gehört auch M e i e r Schwaben 478 Nr. 257; 198 487 Nr. 281. ) K e h r e i n Nassau 2, 261. 1M ) D r e c h s l e r 1, 177. 200 ) D r e c h s l e r 1, 179. 192; oben 7, 1426f. 2 0 1 ) D a n n e i l Piatti. IVb. 23; P e u c k e r t Schles. Vk. 126; in meinen 202 Sammlungen. ) Oben 2, 1482; 5, 861 f.; D r e c h s l e r 1, 227; P e u c k e r t Schles. Vk. 125. 207; K e h r e i n Nassau 2, 263; M e i e r Schwaben 487 Nr. 282. 283; in meinen Sammlungen. 203 ) S t r a c k e r j a n 1, 42. 49. 50; M e i e r Schwaben 506; P e u c k e r t Schles. Vk. 126. 207; D r e c h s l e r 1, 226; K e h r e i n Nassau 2, 264; in m. Sammig. 204 ) D r e c h s l e r 1, 226; oben 5, 861. 206 ) Oben 2 575. 1042; S t r a c k e r j a n ι 42. 49. 50; K e h r e i n Nassau 2, 264; D r e c h s l e r ι , 22öf.; P e u c k e r t Schles. Vk. 126. 207; P o l l i n g e r Landshut 168; M e i e r Schwaben 505. 506. 20e ) S t r a c k e r j a n 1, 23 (vgl. oben 4, 1 1 0 7 ) . 36; K e h r e i n Nassau 2, 263 Nr. 1 7 3 ; D r e c h s l e r 2, 195; P e u c k e r t Schles. Vk. 126; ZfEthn. 31 292. 2 0 ') Oben 1, 1524; 2, 575; M a n z Sargans 1 2 4 ; S t r a c k e r j a n 1, 37. 49. 50; K e h r e i n Nassau 2, 263 Nr. 169; 264 Nr. 1 8 1 ; D r e c h s l e r 1 , 227; 2, 195; P e u c k e r t Schles. Vk. 2ί8 207; ZfEthnol. 3 1 , 292. ) Oben 2, 575; S t r a c k e r j a n 1, 25. 28. 37; D a n n e i l Plattd. Wb. 23; K e h r e i n Nassau 2, 252 Nr. 1 2 ; F o g e l Pennsylv. 84 Nr. 320. 209 ) Vgl. oben § 3. 21 °) Ich nenne nur die Stichworte und verweise auf die einzelnen Artikel oben: Irrlicht (4, 784); Drache: M e i c h e Sagen 3 1 1 Nr. 408; Familienheiligtum: „Glück v. Edenhall": K u o n i St. Gallen 40; ZfdMyth. 1, 249!. usw.; Lichter vor Allerseelenbild: Heimatkd. Außig; H ü b n e r Sagen 59; Sternschnuppe, Sternbilder: W r e d e Rhein. Vk. 1 2 1 ; Zeigefinger gelb: S c h ö n w e r t h 1, 264; Fingernägel blühen; Augen tränen; Schattenbild d. Menschen; (Pferd (oben, sehr lückenhaft) ; Katze, Hund, Maulwurf, Ratten, Mäuse, Tiere des Waldes: L a n g e r DöDB. 9, 51 f.; Fledermaus, Vogel fliegt ins Haus: D r e c h s l e r 2, 200; Storch, Schwalbe, Bachstelze, Huhn, Fisch, Frosch, Schmetterling (oben 7, 1250), besonders „ T o d " : D r e c h s l e r 1, 285; „Totenvogel": S c h ö n w e r t h ι , 262; Seidenschwanz: P e u c k e r t Schles. .Vh. 228; Rose, zur Unzeit blühender B a u m (Nachw. 1 1 5 ) , Blume, Blühen d. Kohls, weiße Blätter an Kulturpflanzen (Nachw. 1 1 3 ) , dürre Blätter, gelbe Blätter, Bohnen, verdorrender Baum, absterbende Zimmerpflanzen, Petersilie, Hauswurz: G o e t z Siegelau 43; Licht, Totenlicht, brennender Span und Räuber, Lichtschein fährt durchs Zimmer: M e i e r Schwaben 488; Rauch von Kerzen, von Leichenstroh, Herdfeuer, feurige Kugel, Rostflecke,

1749

Vorzeichen

schwarze Flecke, Kreuze, Faßreifen springt, Brot, Kuchen (: rumänisch, Globus 92, 284f.), Butter, Messer, Tür geht auf, Fallen von Gegenständen, Bildern usw., von Sauerteig, Spiegel, Ring, Glas, Teller, Tasse zerspringen, Arzneiglas zerbricht, etwas fällt einem aus Händen, Erdlöcher stürzen ein, zum Neujahrsglückwünschen kommen als erste Kinder weibl. Geschlechts: S t r a c k e r j a n 1, 29; Kinder singen und tanzen vorm Haus, spielen Begräbnis; Kleinkind fürchtet sich: S t r a c k e r j a n 1, 29. 2 1 1 ) Schrei eines unsichtbaren Wesens, Rufen (Nachw. 142), Weinen und Wimmern (Nachw. 145), Klopfen ans Fenster (Nachw. 146), an die Tür, Wand, Bett, unter dem Fußboden, die Wehklage (Nachw. 24), und ähnl. klagende oder rufende Wesen, Aufspringen der Tür, Wühlen im Schrank oder Schublade, Husten während der Fürbitte am Sonntag, Schritte im Haus, Unruhe des Viehs im Stall, Hund (Nachw. 48), Katze (Nachw. 107), Fuchs, Eule, Kauz, Krähe, Rabe, Meise, Vogelgeschrei (ZfVk. 15, iff.), Gans (Nachw. 58), Elster, Dohle, Wasserralle: W r e d e Rhein. Vh. 1 2 2 ; Rohrdommel, wilde Taube, Kiebitz, Hahn, Huhn (Nachw. 64), Totenwegerli : G o e t z Siegelau 43; Totenuhr (Nachw. 99), Totenhämmerlein, Grille, Heimchen, Mühle geht, Uhr, Geräusche wie das Knarren und Krachen von Möbeln, Verrücken derselben, Umfallen eines schweren Gegenstandes, Zerspringen der Tischplatte, plötzlicher Knall in der Nacht, Klirren von Küchengeschirr, Häfen singen beim Kochen : G o e t z Siegelau 43; Messer und Gabeln im Schube, Schlag überm Tisch, die „Totenkugel" (Jos. U l l r i c h Kuhländchen 221), eine Kugel fällt und rollt durchs Zimmer, Kette fällt, Geräusch ähnlich rieselndem Wasser im Zimmer, Sausen und Brausen im Ofen, Balken knarren, Sägen und Sensen klirren, Sargholz fallen, Sarg zunageln hören (Braeuner Curiositäten 526 und Sarg), Glocke (s. Läuten), Geräusch hinter Spiegel, Mörtel rieselt unsichtbar von der Wand, desgl. Schnee vom Dach, Geräusch wie Abspringen des Leistens von der Kanne, Schuß beim Neujahrsschießen, Kinder spielen Begräbnis (Nachw. 118). — Glocke 212 klingt nicht. ) Stracker jan ι, 34. 213 214 ) D r e c h s l e r 2, 195. 196. ) Schönw e r t h Oberpfalz 1, 2 6 3 ! Nr. 23. 24. 26. 215 ) ZfVk. 13, 99; K e h r e i n Nassau 2, 269 Nr. 238; D r e c h s l e r 2, 200; vgl. S t r a c k e r j a n I, 105 (Haare). 2 1 β ) P e u c k e r t Schles. Vk. 227. 228. 247; D r e c h s l e r 1, 289. 304; K e h r e i n Nassau 2, 269. 271. 289; S t r a k k e r j a n 1, 21. 27. 32. 33. 39; M e i s i n g e r Rappenau 49. 2 1 7 ) G o e t z Siegelau 43; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 262; D r e c h s l e r 1, 286; 2IS J e a n P a u l Siebenkäs c. 19. ) Deutsche Gaue 1 5 (1914), 156· 2 1 9 ) ZfrwVk. 5, 244. 220 221 ) S t r a c k e r j a n 1, 143. ) Schönwerth Oberpfalz 1, 263; ZfVk. 6, 407; M e i e r Schwaben 491 Nr. 297; P o l l i n g e r Landshut 296; D r e c h s l e r I, 286; P e u c k e r t Schles. Vk. 228; S t r a k 222 k e r j a n 1 , 143. ) S t r a c k e r j a n 1, 143.

223

I75O 224

) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 260. ) Meyer 22S Schleswig-Holstein 231 f. ) Schönwerth Oberpfalz 1, 26of.; ZfrwVk. 5, 245f.; M e y e r Schleswig-Holstein 231 f. 2 2 ·) SchwVk. 5, 1 ; D r e c h s l e r 1, 286. 2 2 ') ZfrwVk. 10, 62; M e y e r Schleswig-Holstein 2 3 i f . ; S t r a c k e r j a n 1, 1 4 3 ; Urquell 1 , 8 . «») S t r a c k e r j a n 1.143. 2 2 9 )ZfrwVk. 5, 245f. " » ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 261. 231 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 26of. 232 ) S t r a k k e r j a n 1 , 1 4 3 f . 233 ) M e y e r Schleswig-Holstein 232. 234 ) S t r a c k e r j a n 1 , 143. 23S ) M e y e r Schleswig-Holstein 232; Pollingei Landshut 296. 23e ) D r e c h s l e r 1 , 286; K ü h n a u Sagen Nr. 1896. 1 9 1 1 . 237 ) S. die Stichworte: Grab fällt ein. Grab offen: Mittwoch, Freitag, Sonntag, Sarg schließen, Erdschollen auf Sarg, Leiche erstarrt nicht, lächelt, hat rote Lippen, offene Augen, Kopf liegt schief, Licht, Rauch vom Licht, vom Leichenstroh, Grabtücher verkehrt, Unordnung bei Begräbnis, Tür bleibt offen, Eigentum eines Trauernden fällt ins Grab, Uhr, Läuten, Fuhrmann, Leichenzug, Träger usw. 23S ) Oben 3, 1 4 1 8 0 . ; dazu F r a n c i s c i Proteus 1055; M e y e r Schleswig-Holstein 237Í.; Kühn a u Mittelschles. Sagen Nr. 5 1 4 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 83f.; Heimatkd. Außig: H ü b n e r Sagen 59; L e h m a n n Neue Sagen aus d. Schönhengstgau 1924, 53. 239 ) Oben 3, I 5 5 2 f f . ; S t r a k k e r j a n 1, 25. 38. 104; 2, 2 2 1 ; Z f V k . 20, 383; K e h r e i n Nassau 2, 253 Nr. 27 usw. 24 °) S t r a k k e r j a n 1, 23. 25; 2, 232. 2 4 1 ) S. Storch, Schlange, Zähne, stolpern, Fingernagel usw. 242 ) S. oben ι 1 1 7 2 ff. Fensterschweiß, Tür, Kesselhaken, Geschirr rührt sich, Strohhalm, Zündhölzer verschüttet (bei den Rumänen d. Bukowina: Globus 92, 284). 243 ) S. oben Brief; Vogel am Fenster, Uhr, Kleider, Schuhe verkehrt angezogen, , , K u ß " auf Kaffee: W r e d e Rhein. Vk. 1 1 9 . "**) S. Jucken, Hahn usw. 24S ) Ohr klingt, Wange brennt, Schlucken, Jucken, Strumpfband, Riemen, Haarnadel löst sich: W r e d e Rhein. Vk. 1 1 9 . 24e ) Hund, Katze, Finger, Hand, Herdfeuer, Wäsche verkehrt angezogen, Waschwasser, Salz, Pfeffer verschütten: M e i e r Schwaben 505 Nr. 375. 247 ) J u k ken, Kitzel in Nase, Niesen usw. 248 ) Jucken, Treppe hinaufstolpern, Haar, Ohren, Zähne, Handflecken, Niesen, Kuckuck, Schmetterling, Kaffee schäumt usw. 24 ·) Fuß juckt: D r e c h s l e r 2, 196. 25i) ) Oben 2, 939Ü ; W r e d e Rhein. Vk. 1 2 7 ; Z f V k . ι , 179. 2 5 1 ) D r e c h s l e r 2, 1 9 7 s . 252 ) D r e c h s l e r 2, 199. 253 ) Oben 6, i s o i f . ; dazu F r a n c i s c i Proteus 4 1 3 f t . ; M ü l l e r Siebenbürgen 6gi.; J e c k l i n 3, 3 3 ; P a n z e r Beitr. 2, 293; K e h r e i n Nassau 2, 253 Nr. 23; Alte Weiber Philosophey: ZfdMyth. 3, 3 1 0 ; ebd. 4, 41 (nach L o n i c e r ) ; (Ztschr.) Grafschaft Glatz 17, 14. 254 ) Oben 4, 502f.; weiter Lausitz. Magazin 1790, 180; Zfdmyth. 4, 4 1 ; ZfVk. 10, 1 8 3 ; D r e c h s l e r 2, 198; S o m m e r t Tillenwunder 107; Nachw. 2 25e 251. 85. " ) S A V k . 22, 245. ) Oben 5, 570f.; Zentralbl. f. Okk. 8, 682ff.; dazu: apokalypt. Reiter: K n o o p Posen I 2 f . ; Reiter: U n w e r t h Totenkult 129; ZfrwVk. 1914, 2 0 1 ; feur. Männer: Z a u n e r t Hessen-Nassau 311;

1751

Vorzeichen

spukhafter Pferdefuß: ZfrwVk. 17, 38; Schüsse in d. Luft: F r a n c i s c i Proteus 490; U d l Kometen; (Nachw. 74); Nordlichte (Nachw. 82), Sonnenfinsternisse (Nachw. 72), Sturmfluten, Vogelkriege (s. Rabe), Poltern unter Predigt: F r a n c i s c i Proteus 1 2 7 ; Quelle fließt. Fliegen in Galläpfeln: ZfdMyth. 4, 4 1 ; Floh auf Stirn; Libellen: oben 5, 1239; Mäuse, Schmeißfliegen, Erbse mit roter Blüte, Gänseblümchen, Geburt vieler Knaben, Kinder spielen Soldaten, Krieg. 267 ) S.Nachtrag: Schlacht. 268 ) s. Jagd, Gemse; Nachw. 2 7 0 . 2 7 1 . 26e ) B l p o m m V k . 3 , 1 0 5 s . ; d a z u : Lauffeuer, Drache: M e i c h e Sagen 3 1 1 Nr. 408; Braut am Hochzeitstag, Blühen d. Nagels, Niesen, Jucken, Vieh kommt naß aus d. Stall: ZfVk. 20, 383 ; Pflug ziehend, gefundenes Hufeisen oder altes Eisen, weiße Katze, Hund, Rabe, Vogelschmutz am Fenster, Storch, Schwalbe, Schlange, Frosch, Spinne, Altweibersommer, Heimchen, Marienkäfer, Schmetterling, Holunder, Klee, Flieder, weiße Bohne unter den übrigen, Zwillingsähre, heiles Korn im Brot, Donnerkeil, Nadel mit abgewandter Spitze, Kleider oder Schuhe verkehrt anziehen. Zerbrechliches zerbricht, Treppe hinauffallen, Erbsen werden bei Kochen dunkel, Wein vergossen (Minorca: Globus 59, 278) usw. s· 0 ) M e y e r Abergl. 1 3 4 ; BlpommVk. 3, i o ¡ 3 . ; dazu Frohe Stimmung am Morgen (vgl. auch G a ß n e r Mettersdorf 81), Niesen, Augen beißen, Hände oder Finger besehen, Weiberjauchzen und Hennenkrähen, Katze, Gänse, Pfauenfedern, Spinne, fünfblättriger Klee, Efeu im Zimmer, Fuchsie, Malve, Hortensie, Calla, Mohnblüten, Perlen, Haus in Weizen-, Roggenfeld, über Brunnen gebaut, Herdfeuer verlöscht, Klöppel der Glocke fällt ab, Sparei, Brot, Wein vergießen, Salz, Pfeffer, Fallen, Bewegen, Zerbrechen d. Spiegels, Zerspringen d. Ringes, Verlieren desselben, zerbrochenes Hufeisen, altes Eisen, Nadel, Spinnwirtel, Kleider verkehrt angezogen, linker Strumpf, Schuh, der auf Tisch stand, Kreuze, Leichenzug begegnen usw.

7. V. bestimmter E r w e r b s s t ä n d e . Wie der bäurischen Welt, so sind den Angehörigen anderer Berufe und Gewerbe bestimmte V. eigen, was ja aus dem oben Gesagten bereits hervorgeht. Entweder richten diese sich an Handwerker oder dergl. als Mittler, und ihr Inhalt ist ein allgemeiner. So wird der Hebamme etwa jedesmal ein V., wenn man sie in der kommenden Nacht rufen wird 2β1 ) ; andere V. an Tischler, Totengräber, Schneider, Küster usw., durch die „ein" Todesfall angezeigt wird, wurden bereits erwähnt; vgl. 6 I. Aber auch in Hinsicht auf das eigene Handwerk oder Tun haben die nichtbäurischen Berufe bestimmte V. ; der Gastwirt etwa erhofft einen Betrunkenen,

1752

ein übel beleumdetes Frauenzimmer als ersten Gast, weil dies dem Geschäft Glück bringt, und gleichermaßen achten nicht wenige Geschäftsreisende auf glückliche oder unglückliche Anzeichen ihrer Reisetage 2β2). Dem Bergmann bedeutet das „Arbeiten" der elbischen Bergleute2β3), dreimal Klopfen 264) den Tod, einen Hahn krähen hören 2β5) Unglück. Dem Kegelspieler bedeutet ein Hund Unglück2ββ). Auch für Kartenspieler bestehen besondere V.267).

281 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 156. 2e2 ) Adolf S p a m e r Die deutsche Volkskunde 1 (1934), 9. 2β3 2M ) F r a n c i s c i Proteus 579. ) Ebd. 589. 2ω ) Ebd. i o i 7 f . 2««) ZfVk. 4, 473t. 2 " ) P e u k k e r t Schles. Vk. I 2 5 f . J ü d i s c h e V. zur Zeit der römischen Kaiserzeit: ZfVk. 3 (1893), 135.

8. Sonder-V. Für Einzelpersönlichkeiten, Familien oder Gruppen sozial herausgehobener Schichten gelten bestimmte, genau formulierte Sonder-V. Von der weißen Frau auf Schloß Neuhaus in Böhmen heißt es: es soll sich aber dieses Gespenst nicht allein vor dem Absterben eines Herrn von diesem Geschlecht sehen lassen, sondern auch wenn einer geboren wird oder sich in den Ehestand begeben soll. In diesem Falle aber sind die Vorzeichen unterschiedlich, denn wenn einer sterben soll, so trägt sie an beiden Händen schwarze Handschuhe, sonst aber ganz weiße 2β8). Dergleichen weiße Frauen oder Ahnfrauen haben auch andere Familien 37), nicht zuletzt die der Hohenzollern. Eine zweite Gruppe von V. vereinzelt Allgemein-V. Es läßt sich, ehe ein Papst stirbt, in der Gruft Sylvesters ein Geräusch wie von Knochen hören2ββ) ; ein Elentier zeigt den Tod des letzten Piasten an 270), Schreien der Hirsche zu ungewöhnlicher Zeit 271 ), Stehen des Wassers der Fulda mehrere Stunden lang 271 ) den Tod eines Landgrafen. Die „göttliche" Vorsehung, die insonderheit auf große Standespersonen acht hat 272), erhebt hier das V. zu einem in seinem Hinweis genaueren Anzeichen dessen, was bevorsteht. Dabei erscheinen an Stelle oder aus der Zahl der oft simplen Symbole die besonders „edlen" am häufigsten oder beinah ausschließlich. Noch deutlicher

1753

Vorzeichen

muten derartige Hinweise an, wenn etwa vor dem Tode Gustav Adolfs das Schiff „Wasa" unterging 273), also das Ende „des Namens" angezeigt wird. Ich kann hier den Sonder-V. deutscher Häuser nicht nachgehen, nur an das häufigste, Abfallen oder Zerbrechen des Wappens erinnern 274), und nur noch zwei Gruppen herausgreifen, die kirchlicher „Familien" und die Magistrate. In jenen begegnen weiße Rosen 149) 15 °), Lilien 151 ) u. dgl., in diesen das Selbstläuten einer Glocke 276), oder deren Verstummen 276), das Reißen des Glockenstrickes 277). 2ββ 2ββ ) K i i h n a u Sagen Nr. 1 1 5 . ) Gering Isl. aeventyr. 2, 33. 2 7 °) K ü h n a u Mittelschles. Sagen 396i. 2 7 1 ) Z a u n e r t Hessen-Nassau 309. 272 ) S t r a c k e r j a n 1, 18. 2 7 3 ) F r a n c i s c i Proteus 1 0 5 5 f . 274 ) KünzigSchwarzwald42. 2 7 5 ) K ü h 27β n a u Sagen Nr. 1874. 1905. ) Ebd. 1 8 9 5 ; M a c k e n s e n Hanseat. Sagen 42. 2 7 7 ) K ü h n a u Sagen Nr. 1874. 1884.

9. Abwehr. Eine Abwehr eines echten V.s bzw. des durch ein solches angekündigten Geschickes ist nicht möglich, da es ja zu seinem Wesen gehört, daß es unabhängig und unbeeinflußbar vom Wollen des Menschen geschieht (s. o.), — womit selbstverständlich die Frage des Wollens aus dem Unterbewußtsein nicht angerührt worden ist. Trotzdem hat das geängstigte Herz immer wieder versucht, irgendwelchen Einfluß auf den Ausgang zu gewinnen, sei es, daß man sich die Ohren zustopft, wenn der Hund heult 27S ), sei es, daß man auf den Ruf 143) nicht antwortet, denn dann trifft es jemand anders 279), sei es, daß man selbst der Wehklage ein Opfer anbietet: kann es nicht ein Hund sein? usw. Im allgemeinen ist man aber des Glaubens, daß dem Spruch des Schicksals nicht zu entrinnen ist; wen es treffen soll, den trifft's. 27e

27β ) Alte Weiber Philosophey: ZfdMyth. 3, 3 1 3 . ) K ü h n a u Sagen Nr. 1 1 7 0 .

10. Ablauf des Geschehens. Das vorbedeutete Geschehen verhält sich zu seinem V. im allgemeinen, wie das ausgeführte Gemälde zu seiner Skizze. Das unterscheidet auch das V. vom Vorspuk, wo genau dasselbe geschieht, was vorgesehen wurde 280). Im Gegensatz zum Vorspuk gibt das V. auch nur den

1754

Hauptzug des bevorstehenden Ereignisses „Tod des X . " , „Feuer im Hause des Y . " , „Krieg", „Wittmann als Bräutigam" an, und verzichtet auf jede eingehendere Malerei. Man könnte von hier aus das V. durchaus Bild-gewordene Vorahnung nennen. V. erfüllen sich gemeinhin auch in absehbarer Zeit, gehen nicht wie der Vor spuk, den Ereignissen um Jahrzehnte voraus. 280

) M e y e r Schleswig-Holstein

232.

Ii. Geltungsbereich. Die meisten der uns geläufigen V. sind auch außerhalb des deutschen, ja des europäischen Volkstums bekannt; wir finden sie oder ihre Entsprechungen bei den antiken Völkern und den Naturvölkern. Dabei ist freilich nicht zu übersehen, daß das einzelne V. in seinem Schwergewicht Veränderungen unterworfen ist; V., die in meiner Kinderzeit, um 1900, unter den niederschlesischen Landleuten, noch ernsthafte Glaubenssätze darstellten, sind heut zu landläufigen „Meinungen" ausgeblaßt, — ein Vorgang, den jeder aufmerksame Beobachter auch anderorts feststellen kann ; andere wiederum sind neu entstanden oder wohl besser „wieder entstanden"; der alte Gedanke und die gewohnte Richtung des Denkens wurden in einer neuen Form fest. Auch landschaftliche Verschiedenheiten sind festzustellen. Wrede berichtet aus dem Rheinland: Weibliche Personen glauben noch stark, daß jemand an sie denkt, wenn sich ihnen ein Strumpfband oder ein Riemen löst oder eine Haarnadel fällt 281). In Schlesien gilt es fast nur noch als „Meinung", daß der Schatz an einen denkt, oder ein Freier untreu wird, wenn eine Haarnadel sich löst ; „es heißt " wird die betreffende Angabe eingeleitet. Hier freilich täten genauere Studien not; eine zeitliche und räumliche Kurve des Geltungsbereiches einiger bekanntesten V. würde einen nicht unwichtigen Beitrag zur Kenntnis des Lebens der Volkspsyche geben. W r e d e Rhein.

Vk.

119.

II. V. erfragen. Das süchtige Herz des Menschen, das begierig auf ein Zerreißen des dunklen Schleiers wartet, welcher die Zukunft birgt, hat nicht genug mit den

1755

Vorzeichen

Blitzen, die unverhofft, und einen Blick eröffnend, hervorschlagen; es bemüht sich, in das Geheimnis des Kommenden einzudringen. Das treibt zum Erfragen der Zukunft. Ein solches Erfragen hat auf allen Stufen statt. Schon der vorbäurische Mensch der zaubrischen Kultur kennt Mittel und Wege dazu, und dergleichen Versuche setzen sich bis ins Heute fort; ich will nur an das Pendeln, an die Wahrsageuhren usw. erinnern. Mit einem der antiken Literatur entlehnten Ausdruck hat man dieses Erfragen der Zukunft „ a u g u r i u m " genannt. Ein kurzer Überbück über die Geschichte der Vorstellung wird am besten den älteren Inhalt des terminus kennen lehren; freilich darf nicht vergessen werden, daß es sich dabei lediglich um literarische Bezeugungen desselben handelt; was an primitivem Gemeinschaftsgut dauernd daneben lebend war, ist kaum zu erahnen, geschweige denn zu erschließen. I. Tacitus, Germania c. 3 berichtet, daß den Deutschen der Klang des Schlachtgeschreis als augurium g a l t 1 ) . c. 10 ist ausführlich über die deutschen Schicksalserfragungen die Rede; vom Los wird berichtet, daß, wenn es ungünstig fällt, die Sache für den laufenden Tag nicht weiter verhandelt werde; das erinnert an römische Augurien-Praxis 2 ). Augurium nennt er drei: Vogelflug und -schrei; Wiehern der heiligen Rosse,Zweikampf. Sie ergänzen die Losweissagung.Der Priester deutet sie; denn er ist es, der das Wiehern der Rosse beobachtet, die Losstäbe deutet. Private V . deutet der Hausvater. — Omen, augurium, auspicium heißt ahd. heil, heilisunga; augurari: ahd. heilisón 3 ). Das Wesentliche der V.deutung ist die Frage an die Gottheit, ob sie einer Handlung zustimme; Minucius Felix machte die Dämonen für die Antwort verantwortlich 4 ). So hat noch Chlodwig vor der Schlacht gegen Alarich die Meinung des Christengottes erforscht, indem er in eine Kirche schickte und berichten ließ, was eben gesprochen würde s ). Aus dem Frankenreich liegen viel Äußerungen über

1756

das V.wesen vor; sie beziehen sich aber durchweg nur noch auf den Gebrauch, Angang, Vogelflug und -schrei zu beobachten e ), wovon schon Josephus und Procop als einer germ. Wahrsagekunst wissen 7 ). Synodalbeschlüsse 8), Bußordnungen 9 ), Kapitularien 1 0 ) beschäftigen sich mit dem Verbot der Augurien, genau so wie bei den Angelsachsen n ) . Der Incliculus superstitionum verzeichnet es 1 2 ), es wird dagegen gepredigt 1 3 ). In den Dekreten Burchards von Worms (f 1024) wird es verboten 14 ). Fast immer ist die Beobachtung des Vogelfluges und -schreis gemeint (quod augurium assenditur in gestu et can tu et in vola tu auium) 15) ; nur der erwähnte Indiculus handelt c. X I I I „de auguriis vel avium cquorum vel bovum stercora vel stemutationcs". Hartliebs Buch aller verboten Kunst 1455 nennt diese „Weissagung", weil sie im Luftraum geschieht, Aremancia l e ). Michael Scotus zur Zeit Friedrich II., der sich mit allerlei verbotenen Weisheiten beschäftigte, soll zwölf Gattungen von Augurien angeführt haben; die zur Rechten: Fernova, Fervetus, Conferí, Emponentem, Skimasarnova, Skimasarvetus ; zur Linken: Confemova, Confervetus, Viaram, Herrenam, Skassarnova, Skassarvetus. Ich führe zur Probe an: Fernova ist dasjenige Augurium, wenn du ausgehst, um irgend ein Geschäft zu besorgen, und du siehst einen Menschen oder Vogel, gehend oder fliegend, so daß er sich vor dir zu deiner Rechten setzt; das ist für dich ein Zeichen von guter Bedeutung 1T ). — Agrippa von Nettesheim hat in seiner geheimen Philosophie ausführlich über das Augurium gehandelt, viel Fälle verzeichnet und sich um die Erklärung bemüht 1 8 ). Sie werden durch das Licht des Natursinnes beglaubigt. Dies Naturgefühl geht über jeden menschlichen Begriff und steht der Prophetengabe am nächsten. In Folge dieses Gefühls befallen oft, wenn etwas Schädliches oder Grauenhaftes vorhanden, einen Menschen Furcht und Schauder 1 9 ). Dazu fügt er eine zweite, die pansophische Erklärung : Nach der Lehre der Platoniker wohnt den untern Dingen eine gewisse Kraft inne, vermöge deren sie zum großen

1757

Vorzeichen

Teil mit den oberen übereinstimmen 20 ). Agrippa v. Nettesheim behandelt nicht nur Angang und Vogelschau, sondern auch das Weissagen aus Blitzen, Wunderzeichen, — das ganze Gebiet des röm. Auguralwesens. Er bietet das ausführlichste Kompendium. Eine Magdeburger Handschrift „Praecepta quaedam propter superstitiones" des 15. Jh., die auf Wilhelmus Parisiensis steht, hat: Manche wollen die Zukunft verkünden aus dem Schwatzen (garritus) der Vögel, dem Fluge oder andern Bewegungen derselben. Diese heißen auguria, zu deutsch vogelwicken (wicken nd. = wahrsagen). Und weiter: Die, welche solche Beobachtungen (sc. V. und Angang) anstellen, heißen augures, deutsch wedderwicken 2~). Paracelsus im Liber philosophiae de arte praesaga unterscheidet fünf Weissagungen und nennt das Augurium als fünfte : dieselbig nimpt sich auß den Thieren und Creaturen, also das man in den Createn sieht vnnd erkennt, was dem Menschen zu will stehn In der Philosophia sagax scheidet er natürliche und übernatürliche Magica und dementsprechend Auguria; was die Natur durch jhre Kräfft thut, das ist Natürliche Magica; was die Himmlischen Kräfft in vns thun, ist die Himmlische Magica 24 ). Natürliche Auguria kennt er fünf, aus den Vögeln, den vierfüßigen Tieren, den Fischen, den Würmern, Figuren in Hölzern oder Steinen, monströse Geburten 25 ). Die Tiere werden hier durch die Natur, Agrippas Naturgefühl, getrieben. Also werden auch Vögel geregiert vom ewigen Himmel, durch die dasselbige Augurium auch geschieht usw., als im Esel Balaams; das sind coelestia auguria 28 ). Für Paracelsus ist also Augurium gleichbedeutend mit V. In diesem Sinne wird der Ausdruck auch heut häufig gebraucht 27) ; aus praktischen Gründen wird man, wenn überhaupt das Wort beibehalten werden soll, wozu keine Notwendigkeit vorliegt, es auf den Begriff „V.erfragen" einengen und zurückführen. ' ) E . N o r d e n Die germ. Urgeschichte in Tacitus Germania 1920, 1 1 5 f t . 2 ) Vgl. A m m i a n 3 1 , 2.

1758

3

) Möllenhoff Altertumskunde 4, 22gf. ) T y l o r Cultur 2, 180. 6 ) G r e g o r v . T o u r s Historia Francorum I I c. 37. 6 ) W a s s e r s c h i e b e n : 367. 3 8 0 . 4 1 4 . 4 8 1 . ' ) J o s e p h u s Anti· quítales jud. 18 c. 67; P r o c o p de bello goth. 4 c. 20. 8 ) MonGerm. L L . : Concilia II. 1, 4 (von 742), 25 (von 747), 209 (von 800). · ) W a s s e r s c h i e b e n 367. 482. 576; und aus späterer Zeit 598. 643. 1 0 ) MonGerm. L L . Capitularía 1, 58. 104. 1 1 0 . n ) W a s s e r s c h i e b e n 201. 239. 272. 327. 1 2 ) MonGerm. L L . Capitularía 1, 2 2 3 (von 7 4 3 ) = G r i m m Myth. 3, 403 = S a u p e Indiculus 17 f. 1 3 ) Predigt des hl. Eligius in der Vita E. von A u d o e n u s r o t o m a g e n s i s = G r i m m Myth. 3, 401. 1 4 ) Ebd. 3, 4 0 8 ! 1 6 ) J o h . H e r o l t Tractatus de decern praeeeptis — Z f V k . 22, 243 Nr. 19. 1 β ) G r i m m Myth. 3, 429. 1 7 ) In A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m Geh. Philosophie = A g r i p p a ν. N e t t e s h e i m 1, 2 4 i f f . l e ) Ebd. 240. " ) Ebd. 258f. 2 0 ) Ebd. 261. 2 2 ) Z f V k . I i , 277. 278 Vgl. auch des Fraters R u d o l f u s De officio cherubyn c. 10 — Theol. Quartalschr. 8 8 , 4 3 1 . 2 3 ) Bücher und Sehn ff ten ... P h i l i p p i Theophrasti Bombast von Hohenheim, Paracelsus genannt, durch Johannem Huserum 9 (1590), 82. Vgl.96ff. " ) Ebd. 1 0 , 2 9 7 . 2 S ) Ebd. 2e 1 0 , 9 1 f. Vgl. T y l o r Cultur i,iigf. ) Paracelsus 10, 3 i 6 f . Vgl.auch „fragmentum auss der Philosophia, super Esaiam prophetam 10, 491 u. K . S u d h o f f Versuch einer Kritik d. Echtheit paracels. Schriften 2 (1899), 528f. « ) K r a u ß Relig. Brauch 164 f. 4

2. Die wichtigste Methode der Zukunftserfragung älterer Zeit ist in diesem Überblick sichtbar geworden. Sie im Einzelnen hier zu erörtern, ist nicht meine Aufgabe. Ich habe nur zu konstatieren, daß das Meiste davon noch heut, wenn auch in „primitiverer" Fassung lebt. Das Achten und Deuten auf Vogelflug und -geschrei, Auguralpraxis im engsten Sinne des Wortes, hat in einfacherer Art, heut noch statt. Nur tritt das „Erfragen" zurück. Ähnlich steht es mit dem „Angang" (s.d.). Ein willentliches „Erfragen" von V. hat aber in den mannigfachen Übungen statt, die am Andreasabend (s. d.), in den Zwölften (s. d.), am hl. Abend (s. d.), Silvester (s. d.), Matthias28), Thomas, Johannis (s. d.), üblich sind, um nur die wichtigsten Termine zu nennen. Das Mädchen tritt etwa, in kultischer Nacktheit, zur bedingten Stunde (um Mitternacht) an einen vorbedingten Ort, etwa den Grenzzaun zweier Äcker und Wirtschaften, und setzt die Bedingungen des V.s:

17 59

Votive

Lieber Zaun, ich schüttle dich, laß ein Hiindlein wittern sich, laß ein Hündlein bellen siehr (sehr), heut vor meiner Schwieger Tür 2e). 2 f) W r e d e Rhein. Vk. 126. a8) D r e c h s l e r 1, 9.

Ähnliche Praktiken haben auch an den Hoch-Zeiten des menschlichen Lebens statt. Wenn man im Hannoverschen zwei Lichter auf die Hochzeitstafel vor Braut und Bräutigam setzt und beobachtet, welches der beiden länger brennen wird, um daraus festzustellen, wer von den beiden zuerst sterbeä0), so ist das eine Frage an die Zukunft, nicht unähnlich der eben besprochenen. Endlich sind hier die Praktiken zu erwähnen, die wir als „horchen gehen", „losen gehen" bezeichnen; sie zielen zumeist auf eine Vorschau hin, erscheinen zuweilen aber auch als ein Erbitten von V. In einem Dorfe des Egerlandes lebte einmal vor vielen Jahren ein Hirt, der alte Martin, welcher bei den Bauern ringsum geachtet war und oft um Rat gefragt wurde. Es war um die Zeit, als Napoleon im Kriege gegen das deutsche Reich stand. Alles war in Angst; man wußte nicht, wohin sich Napoleon mit seinen Armeen wenden werde. Martin wollte es aber wissen. A m hl. Abende, wie alle in die Mette fortgegangen waren und er allein zu Hause sich befand, nahm er eine Schüssel voll Sand, bestreute damit den Boden der Stube und murmelte dabei seine Beschwörungsformeln. Dann machte er in den Sand Punkte mit einem Stocke. D a ist Straßburg, da Dresden, da Berlin, da München — und so fort, bis er alle größeren Städte Deutschlands bezeichnet hatte. Als er fertig war, setzte er sich auf den Backofen und wartete ab, bis es 12 schlug. Kaum war der letzte Schlag dieser Stunde verklungen, ging die Türe auf und eine Schar weißer Mäuse lief herein, marschierte in Reih und Glied wie Soldaten auf dem Sande herum und zog zuletzt wieder ab. Der alte Martin stieg vom Ofen herab, besah, welchen Weg die Mäuse genommen hatten und räumte den Sand wieder weg. Wie die Leute aus der Mette zurückkamen, erzählte er ihnen, wohin im Frühjahre die Franzosen ziehen werden. Und wirklich, wie er es vorausgesagt hatte, so traf es auch ein 3 1 ).

Was dieses Beispiel den vorigen an die Seite stellt, ist, daß es sich um ein Erfragen des Kommenden handelt, das, — eine nächste Gleichung, — an einem alten dafür in Frage kommenden Termin stattfindet; was es unterscheidet, ist das Singuläre sowohl der Praxis als der Frage. Es wird nicht ein Zeichen für etwas, was

1760

menächen-alltäglich ist, erheischt, sondern die Antwort auf eine bestimmte und in ihrem Ziel einmalige Frage. Wir sehen den Übergang vom Nor med-V., das erfragt wird, zur Zukunfts-Enthüllung durch den „Seher" 32), wie sie das Tun der Vçlva auch bezweckt. Stärker als jene Zeichenerfragung in der Andreasnacht, wie sie die jungen Mädchen treiben, ist dieses Fragen schwarzkünstlerischer Art 33 ), — wenn man auch jenes schon für unerlaubt und für gefährlich hält. 30) D r e c h s l e r 1, 267Ì.; F i n d e r Vierlande um die Wende d. 16.—17. Jh.s = Programm Hamburg-Eilbeck 1907 21; Z f V k . 18, 311. 31 ) G r a d i Egergau Nr. 132. 32) Vgl. P e u c k e r t Deutsche Volkskunde 1937 3a) J os · K e r n Sagen d. Leitmeritzer Gaues 1922, 55f. Peuckert.

Votive, vom Volke „Opfer" genannt, sind allerlei Gaben, welche überirdischen Mächten gespendet werden, sei es, um sie zur Erfüllung einer Bitte zu bestimmen, sei es als Dankeserweisung für gewährte Hilfe oder endlich infolge eines Gelübdes (ex voto) l ). V. werden darum gewöhnlich nur an solchen Orten aufgestellt, an denen sich eine Macht besonders wirksam erweist, also meist an Wallfahrtsorten. In der Frühzeit warf man auch Opfergaben in hl. Quellen und Flüsse, oder hängte sie an Felsen und Bäume, es scheint dies aber auch in neuerer Zeit noch vorgekommen zu sein 2 ). Die Gaben werden in erster Linie der hl. Maria geopfert, dann den Viehpatronen Leonhard und Wendelin, den Seuchenheiligen Rochus u. Sebastian sowie vielen andern Heiligen, die als Nothelfer in den verschiedensten leiblichen und geistigen Nöten angerufen werden 3 ). Man opfert die verschiedenartigsten Dinge. Die Hauptmasse der Opfer besteht in Nachbildungen von Körperteilen : Köpfen, Augen, Zähnen, Armen, Händen, Brüsten, Herz, Leber, Lunge (sog. „Lungeln"), Geschlechtsteilen (wobei die Gebärmutter oft durch eine Kröte oder Stachelkugel dargestellt wird), Beinen, Füßen 4) ; auch ganze Figürchen finden sich 5 ), kurz Gegenstände, wie sie auch bei Ausgrabungen antiker Wallfahrtsstätten zutage kamen 6 ). Die Darbringung dieser Dinge beruht auf dem Ge-

1761

danken des stellvertretenden Opfers. Man weiht mit der Nachbildung das kranke Glied selbst, u m ein gesundes zurückzubekommen. Daneben weiht man noch V o t i v t a f e l n , auf denen das Konterfei des Petenten und der Grund, der ihn zur Gabe veranlaßte, gemalt erscheinen. Oft enthalten sie aber auch weiter nichts als eine Dankinschrift 7 ) ; ferner Nachbildungen von Tieren 8 ), Hufeisen 9 ), Krükken 1 0 ), eiserne „ K l ö t z e " die das Gewicht des Opfernden haben u ) , Kerzen mit der Länge des Bittstellers 1 2 ), silberne und goldene Herzen, Rosenkränze, Schmuckstücke, Uhren, usw., auch Naturalien l s ) . Zu Ehren eines Heiligen oder „in einem schweren Anliegen" läßt man Votivm e s s e n lesen ( z . B . : Missa pro tempore pestilentiae; pro infirmis; pro pest. animalium; ad petendam pluviam; ad postulandam serenitatem u. a . 1 4 ) ) . Das Material der Gaben besteht aus Holz, Eisen 16 ), Ton, Wachs, Stein und Edelmetallen. Gewöhnlich stellt man sie in der Nähe des Gnadenbildes auf — je näher dabei, desto lieber — nachdem man zuvor ge-

B&chtold-Staubli , Aberglaube VIII

1762

Vulkan

beichtet und kommuniziert hat. Heutzutage wird jedoch dieses Prinzip mehr und mehr durchbrochen, so daß man V.tafeln auch in gewöhnlichen Kirchen und neuestens sogar V.anzeigen in religiösen Zeitschriften finden k a n n 1 β ) . T y l o r Cullur 2, 406. 408; A n d r e e Votive i f . a ) S a u p e Indiculus 33; G r i m m Mythol. 3, 402; H e y l Tirol 554 Nr. 7; A n d r e e Votive 22. 3 ) A n d r e e I . e . gS. 4 ) A n d r e e i i 2 f l . ; ZdVfV. I i , 181; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 436; ZföVk. 4, 266; Abbildungen bei A n d r e e und ZdVfV. Ii, 183!, bei H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 336 u. 433. ") ZdVfV. 14, 215; A n d r e e 94s. «) ZdVfV. Ii, 227. ' ) A n d r e e 167; ZdVfV. 21, 122; J o h n Westböhmen 293; D i e t e r i c h Kl. Schriften 204. s ) A n d r e e 62f.; ZdVfV. 9, 326 und 436 nebst Abb. ' ) A n d r e e 74. 1 0 ) J o h n 1. c. 293. u ) A n d r e e 100; ZdVfV. 21, 108. I J ) A n d r e e 80; F r a n z Benediktionen 2, 457. 13 ) A n d r e e 177. 160. 14 ) Missale Romanum; G i h r Meßopfer 170. 297. 1 5 ) ZdVfV. 9, 324; P a n z e r Beitrag 1, 117; R o c h h o l z Schweizersagen ι, 387; A n d r e e 58. w ) Z. B. St. Konradsblatt Nr. 38, 1926: „Herzl. Dank der Mutter Gottes, den Armen Seelen und dem hl. Antonius für wunderbare Hilfe zu einer Stelle. Veröffentlichung versprochen." Schneider.

Vulkan s. Nachtrag.

56