Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 5 Knoblauch - Matthias [Reprint 2019 ed.] 9783111729688, 9783110999174


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German Pages 936 [943] Year 1932

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Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens: Band 5 Knoblauch - Matthias [Reprint 2019 ed.]
 9783111729688, 9783110999174

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HANDWÖRTERBÜCHER ZUR D E U T S C H E N VOLKSKUNDE H E R A U S G E G E B E N VOM DEUTSCHER VEREINE FÜR

VERBAND VOLKSKUNDE

ABTEILUNG I

ABERGLAUBE

BERLIN

UND

LEIPZIG

1932/1933

W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. VORMALS C. J. GÖSCHEN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J . GUTTENTAG. VERLAGSB U C H H A N D L U N G - G E O R G R E I M E R - K A R L J. T R Ü B N E R - V E I T & COMP.

HANDWÖRTERBUCH DES DEUTSCHEN ABERGLAUBENS HERAUSGEGEBEN U N T E R B E S O N D E R E R M I T W I R K U N G VON

E. H O F F M A N N - K R A Y E R UND MITARBEIT ZAHLREICHER FACHGENOSSEN VON

HANNS B Ä C H T O L D - S T Ä U B L I

BAND V

BERLIN

UND

LEIPZIG

1932/1933

WALTER D E G R U Y T E R & CO. VORMALS G. J. GÖSCH EN'SCHE VERLAGSHANDLUNG - J. GUTTENTAG, VERLAGSB U C H H A N D L U N G - GEORG R E I M E R - K A R L J. T R Ü B N E R - V E I T & COMP.

Copyright 1933 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp. Berlin und Leipzig.

Archiv-Nr. 46 09 33 Druck »on Walter de Gruyter & Co , Berlin W 10

K. Knoblauch (Allium sativum). 1. Botanisches. Allbekannte, wohl aus dem Orient stammende Nutzpflanze, die bei uns häufig in Gärten gebaut wird. Kennzeichnend für den Knoblauch ist die zusammengesetzte Zwiebel; die Nebenzwiebeln, „Zehen" genannt, sind von einer weißen Haut eingeschlossen. Der K. spielte schon in der Volkskunde des alten Ägyptens sowie des klassischen Altertums eine bedeutsame Rolle 1 ). In älteren Berichten läßt sich nicht immer unterscheiden, ob unter der Bezeichnung „Lauch" wirklich der K. zu verstehen ist. B u s c h a n Vorgesch. Botanik 1895, 94 f. ; H e h n Kulturpfl. u. Haustiere• 1894, 189—203; S c h r ä d e r Reallexikon* 2, 710; weitere Literatur bei M a r z e i l Heilpflanzen 31.

2. Der K. galt wohl wegen seines starken Geruches schon im Altertum als Apotropaeum 2). Man hing ihn den Kindern als Präservativ gegen die Strix um den Hals s ). K.Stengel ohne Köpfe, im Garten verbrannt, vertreiben die Raupen *). Damit die Vögel nicht an den Baum gehen, hängt man Lauch (axöpoBov) im Baume auf s ). In den beiden letztgenannten Anwendungen ist der Übergang vom empirischen (der starke Geruch soll die Raupen bzw. die Vögel abhalten) zum dämonischen Mittel zu beobachten. Als Amulett für Kinder erscheint der K. („allacum") auch bei Bernard v. Siena (1388—1444)6). Die Zwerge werden vertrieben, wenn man ihnen Milch vorsetzt, in die K. geworfen wurde 7 ). Dem neugeborenen Kinde werden drei K.zwiebeln in die Wiege gelegt 8 ). Besonders wirksam ist der K. gegen das „Verrufen". Wenn man ein kleines Kind lobt, muß man gleich „K.! K.!" rufen, sonst wird es behext 8 ), ebenso wenn man das Vieh 10 ) oder das Getreide11) Bächtold-Stäubli,

Aberglaube V

rühmt. Beim Einführen des Getreides legt man in die erste Garbe zwei oder drei K.köpfe hinein gegen die Hexen 12 ). K. schützt vor dem Behexen und macht hieb- und stichfest13), vgl. den verwandten Allermannsharnisch (1, 264 ff.). Mit K. in der Tasche sieht man in der Neujahrsnacht in der Kirche die Traden 14), er bewahrt überhaupt vor Zauberei 16 ), auch legt man ihn zum Gelde, dann können es die Traden nicht entwenden. Wenn das Ausbuttern nicht geht, dann legt man an Dreikönig geweihten K. ins Butterfaß. Das hilft gegen die Hexen14). Auf die apotropäischen Eigenschaften des Kn.s bezieht es sich wohl, wenn man ihn einsteckt, „um gut gehen zu können" «), vgl. Beifuß. Am Tage St. Paul Bekehrung gegessener K. schützt vor Schlangenbiß18). Vielfach wird der K . im Viehzauber verwendet. Man hängt ihn über der Stalltür auf 19 ), bestreicht (am Abend des 30. April) damit die Stalltüren 21 ) oder gibt ihn dem Vieh zu fressen22). Ins Trinkwasser der jungen Gänschen legt man K., damit sie nicht verrufen werden ls ). Damit die Pferde nicht verhext werden, hält man einen von K. geflochtenen Zopf im Stall 24 ). Beim erstmaligen Austrieb des Viehes bestreicht man dessen Hörner mit K., „dann stoßen die Tiere nicht" 26) (wohl erst eine nachträgliche Erklärung). Wenn dem Vieh der Nutzen genommen ist, stößt man Weihrauch, Myrrhen und roten K. an einem Donnerstag zu gleichen Teilen zusammen und gibt es dem Vieh aufs Brot 2S ). In Ostdeutschland gibt man an Weihnachten K. den Hähnen, Gänsen (Gänserich) oder den Haushunden, damit sie „scharf", bissig bzw. wachsam werden und sich nicht fürchten 27), ebenso bei den Tschechen M ).

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Knoblauch

Der Ausgangspunkt dieses Aberglaubens ist wohl weniger im Dämonischen als im Empirischen zu suchen: der scharfe K. soll die Haustiere „scharf" machen. So fütterten schon die alten Griechen die zum Wettkampf bestimmten Hähne mit K., und in den „Rittern" des Aristophanes ruft der Chorführer dem Wursthändler zu: „Ein K.-Frühstück mache hitz'ger dich zum Streit" 29). Auch bei vielen anderen Völkern gilt der K. als antidämonisch (als Mittel gegen den „bösen Blick", gegen das Beschreien der Kinder usw.), so besonders bei den Slaven 30), dann in Bosnien u. d. Hercegowina 31 ), in MacedonienM), bei den Esten 33 ), den Türken34), den heutigen Griechen 3S), den Ungarn 3S), den Rumänen37), in Palästina3®), bei den Zigeunern3'), den Italienern40), den Franzosen41), den Angelsachsen42), den Skandinaviern43). Auch der Glaube, daß man das Glück weggibt, wenn man (Salz und) K. aus dem Hause gibt 44 ), gehört wohl hierher. In manchen Gegenden kommt der K. auch in den an Mariae Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschel4S). „K.smittwoch" heißt der Mittwoch in der Pfingstwoche, wo man K. ißt, um das ganze Jahr gesund (ursprünglich wohl Hexenschutz) zu sein48). *) Persius Satyr. 5. •) P a u l y - W i s s o w a 1, 58; Stemplinger Aberglaube 76. 4 )Palladius De Agricultura 1, 35, 6. 4 ) Geoponica rec. Beckh 1895, 10, 80; das Mittel ist auch in die alten deutschen Wirtschaftsbücher Ubergegangen: Drechsler 2. 81. «) ZfVk. 22, 129. ' ) Wolf Beiträge 2, 320. •) Wittstock Siebenbürgen 79. ' ) Engelien u. Lahn 249. 10 ) Knorrn Pommern 127. l l ) Knoop Pflanzenwelt 11, 77. " ) KblSbLkde 4, 29 = Haltrich Siebenb. Sachsen 306. 1 3 ) Knoop Pflanzenwelt 11, 77. " ) KblSbLkde. 16, 51. » ) Haltrich Siebenb. Sachsen 297; Schullerus Pflanzenwelt 96. " ) Pollinger Landshut 158. " ) John Erzgebirge 248. M ) Bacher Lusern 1905, 76; Fogel Pennsylvania 220; als Mittel gegen Schlangenbiß auch bei Dioskurides Mai. med. 2, 152. " ) Erzgebirgszeitung 21, xio; S e y f a r t h Sachsen 197; Schullerus Pflanzen 97. i l ) Niederlausitz. Mitteil. 1 (1888), 282. 22 ) Marzell Bayer. Volksbotanik 203; an Weihnachten: Drechsler 1, 36. Treichel Westpreußen 3, 3. ! 4 ) Haltrich Siebenb. Sachsen 278. " ) E n gelien u. L a h n 273. M ) Pachelbel Beschreib, d. Fichtelberges 1716, 155. i 7 ) Grohmann 89; John Westböhmen 228; J o h n Erzgebirge 248; '

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Knoop Pflanzenwelt n , 77. 2S ) RTradpop. 18, 91. *•) Nach Sterne Sommerblumen 1884, 89; vgl. auch Säbillot Folk-Lore 3, 492. 30 ) Grimm Myth. 902; Schneeweis Weihnacht 55. 66; Krauß Slav. Volkforschung. 37. 66; ders. Sitte u. Brauch 398; Andree Parallelen 1878, 41; Strauß Die Bulgaren 1898, 393. 3 1 ) WissMittBosn. Herc. 4, 483. 487; 6, 615. 650. 3 2 ) A b b o t t Maced. Folklore 1903, 141; Journ. Royal Anthr. Instit. of Great Brit. and Ireland 53 (1923), 162. B o e d e r Ehsten 667. 34 ) Stern Türkei 1, 294. 354; MAG. 26, 146 (Albanien); ZfVölkerpsych. 5 (1868), 295. 35 ) Dossios Abergl. d. heut. Griechen 1894, 8; ZfVk. 22, 129; Lawson Modern Greek Folkl. 1910, 140. 3 ') Ethnol. Mitt. aus Ungarn i, 54. 37 ) ZföVk. 3. 181. 38 ) Canaan Abergl. u. Volksmed. im Lande d. Bibel 1914, 64. 78. 3t ) Wlislocki Zigeuner 142. 40 ) Gubernatis Plantes 2 , 7 ; ATradpop. 5, 119. 41 ) ZfVölkerpsych. 17, 375 (nach DeNore); Sebillot Folk-Lore 3, 483. «) Fischer Angelsachsen 32. 43 ) Afzelius Volkssagen 2 (1842), 295; Meyer Germ. Myth. 209. 44) Haltrich Siebenb. Sachsen 298. 15 ) Schiller Tierbuch 1, 24; Marzell Bayer. Volksbot. 54. 48) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 20; Sartori Sitte u. Brauch 3, 207; über ein K.fest (Erntefest) vgl. Kühnau Sagen 2, 592.

3. In der Sympathiemedizin findet der K. häufige Anwendung. Vielfach glaubt man, daß der K. die Krankheit an sich zieht (vgl. Zwiebel), man hängt ihn deswegen in der Stube auf 4?). 9 (oder 25) „K.zehen" hängt man gegen Gelbsucht an einem Faden um den Hals. Wie die Schalen vertrocknen, so verschwindet die Gelbsucht48); sehr interessant ist, daß dies Mittel gegen Gelbsucht auch auf der Insel Kuba bekannt ist 49 ). Auf ähnliche Weise werden die Würmer (der K. ist ein altes empirisches Mittel gegen Eingeweidewürmer) vertrieben M ) und der Harnstein 51 ). Ein ähnlicher Brauch ist auch das „K.Absprechen" der galizischen Juden 8a ). Gegen „Eissen" wird K. im Sacke (Hosentasche) herumgetragen und zwar so viel „Zehen" als man „Eissen" hat S3 ). Den „angewachsenen" (rhachitischen) Kindern legt man K. auf die Herzgrube M ). K. mit Essig und Lehm wird gegen Hexenschuß aufgelegt85). Lauchblätter (ob K. ?) sollen mit den Worten des Fiebersegens beschrieben und gegessen werden88). Wenn zwei in einem Bett schlafen, wovon der eine K. genießt, der andere nicht, so wird letzterer nach

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und nach in Siechtum verfallen und sterben 67 ). Der K . wird manchmal im B i b e r n e l l (s. 1,1223) -Pestspruch genannt. 4 7 ) Z. B. S e y f a r t h Sachsen 197; Erzgebirgs.zeitung 19 (1898), 124 (amhl. Abend); 21 (1900),. 1 1 7 ( K . an Dreikönig geweiht). Schweizld. 7, 246; S A V k . 12, 153. 4> ) G u b e r n a t i s Plantes 2, 8 (nach P i r o n L'ile de Cuba 1876); D y e r Plants 294. 60 ) F o s s e l Volksmedizin 79; S6b i l l o t Folk-Lore 3, 489. e l ) Z a h l e r Simmenthal 198. **) Urquell N . F . i , 271. t 3 ) W a r t m a n n St. Gallen 10. M ) S c h i l l e r Tierbuch 1, 24. » ) K l a p p e r Schlesien 98. s«) Ebd. < " ) V o n b u n Beiträge 132.

4. In der Nacht vor J o h a n n i s muß man die Blätter des K.s zusammenbinden, da sonst der K . in der Erde verschwindet 68 ). An Johanni muß man in den K . schlüpfen, damit er nicht ins Kraut wächst 69 ). K . soll man im Dreißigst stupfen 60). In der „tauben" Woche (vor Ostern) setzt man keinen K."). M ) K n o o p Pflanzenwelt n , 77. 69 ) Alsatia ,0) F i s c h e r 1852, 140. SchwäbWb. 4, 539. **) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 286.

5. V e r s c h i e d e n e s . Die T r u d e n kann man am Georgentag sehen, wenn man vor dieser Zeit eine Schlange erschlägt, in den Kopf eine K.-„Zehe" setzt, beides unter die Dachrinne legt und mit dem herausgewachsenen K . in der Hand abends die Traden erwartet ®2); an Stelle des K.s wird auch eine E r b s e (s. 2, 880) genommen. Damit dir ein Dieb im Traume erscheint, binde K . und Brot beim Zubettgehen auf den linken Arm, dann erscheint dir der Dieb im Traum; beim Aufwachen darf man aber das Hinterhaupt nicht mit der Hand reiben, sonst vergißt man den Traum 6 3 ). In den Ostkarpaten schmiert man mit dem auf den Weihnachtstisch gelegten K., den Klöppel der Kirchenglocke ein und läutet an drei aufeinander folgenden Tagen, dann findet man den Dieb ®4). K . den eigenen Pferden aufs Gebiß gebunden (oder eingegeben), schwächt die nachkommenden Pferde, so daß sie ermüden, wenn sie auch noch so stark sind 86 ), das gleiche glaubt man von der E b e r w u r z (s. 2, 530). Wer mit K. füttert, nimmt den Tieren des Nachbarn das Gedeihen M ).

62 ) H a l t r i c h Siebenbürger Sachs. 297. 311 f . ; das Mittel ist wohl slavischer Herkunft, vgl. G r i m m Myth. 2, 902; WissMittBosn.Herc. 4, 490. 63 ) M o s t Sympathie 67; J a h n Hexenwesen 358; J o h n Westböhmen 323. M ) ZföVk. 8,123. « ) T r e i c h e l Westpreußen 6, 3. •«) W i r t h Beiträge 6/7, 19. Literatur: L . A s c h o f f Das K.lied aus dem Bower Manuskript. I n : Janus 5 (1910), 4 9 3 — 5 0 7 ; J o l l y in Festschr. f. Roth 1893, 1 8 — 2 0 ; V . L o r e t L'ail chez les anciens Egyptiens. Sphinx 8 (1904), 1 3 5 — 1 4 7 ; H e n r i L e c l e r c Histoire de l'ail. Janus 1918, 1 6 6 — 1 9 1 ; S e l i g m a n n Blick 2, 6 9 — 7 3 ; S t e r n Türkei 1, 314 ff.; M a r z e i l Der K. im Aberglauben. I n : Natur u. Kultur 9 (1912), 609—614 (dazu ZföVk. 22,438); R e i c h b o r n - K j e n n e r u d X o « geurter 38f.; A n g e l o N a r d o - C i b e l e Sull'aglio elecipolle. Usiepregiud. Veneti. I n : ATradpop. 8, 385—400; H o l u b y K. als Volksmittel bei den Slovaken Nordungarns. I n : DbotMon. 2 (1884), 47—49. Marzeil.

Knochen. In Relikten spiegelt sich auch bei uns heute noch die große Bedeutung wieder, welche den menschlichen und tierischen K . im Glauben primitiver Völker beigemessen wurde und wird: die körperliche Fortdauer nach dem Tode war an die Erhaltung der K.substanz gebunden; die K . sind der Sitz der Kraft, der Seele 1 ). K . geschlachteter Tiere werden nicht den Hunden überlassen, sondern sorgfältig gesammelt und vergraben; denn die Tiere werden wieder auferstehen2). Das Märchen „Von dem Machandelboom" kennt diesen Glauben ebenfalls, und das Sammeln der K . und die Wiederbelebung des Menschen oder Tiers ist ein häufiger Zug im Märchen aller Zeiten3). Geht ein einziges Knöchel aber verloren, so ist die Wiederbelebung verunmöglicht 4). Quälgeister kann man nur dann unschädlich machen, wenn man auch den letzten K . von ihnen verbrennt 6 ). Das Schrätteli wird man los, wenn man den K . verbrennt, in dem es am Morgen verwandelt am Boden liegt 6 ). K . darf man auch nicht zerbrechen 7 ); das germanische Recht setzte deshalb eine so hohe Buße auf gewalttätigen K.bruch 8). Auf der andern Seite verrät der blutende •) oder der singende K . 1 0 ) noch nach Jahren den Mörder. Das äußerste Maß der Verachtung und Schmach ist es, zu sagen: man wird mit deinen K. noch die Birnen und Nüsse herunterbengeln u ). Durch das 1*

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Opfer von K., durch die Errichtung von Knochengalgen oder durch Brote in K.form sucht man der erbetenen Macht quelle, der Gottheit, die Kraft der Menschen oder Tiere, von denen die K. herrühren, zu widmen 12 ). Wegen dieser den K. innewohnenden Kraft finden die K. Heiliger schon sehr früh große Verehrung1S) und werden die K. sehr oft zur Wahrsagung verwendet (Astragalomantie)14). Des Teufels Musikinstrument ist oft nur ein K . 1 8 ) ; K. verwandeln sich oft in Gold 1S ). Frazer Der goldene Zweig (deutsche Ausg.) 768ff.; Rochholz Glaube 1, 217ff.; Hastings 2, 791; T y l o r Cullur 2, 150f.; E. H. Meyer Germ. Myth. 72; W u n d t Mythus 1, 85. 2 ) Frazer 8, 225. 238 ff. 243. 2560.; ZföVk. 4, 149; vgl. Thors Böcke, J a h n Opfergebräuche 41. s ) Grimm KHM. Nr. 47, dazu B o l t e - P o l i v k a 1, 412 ff. 422 f.; Rochholz Glaube 1, 219 ff.; ZfVk. 3 (1893), 5. 4 ) Ranke Sagen 58; Müllenhoff Sagen 283; Kuhn u. Schwartz 100 ff. Nr. 1x6 und Anm. S. 482; Urquell 3 (1892), 88. *) Kühnau Sagen 1, 491 Nr. 520. e ) Zimmermann Volksheilkunde 37. ' ) ARw. 14, 309; Frazer 8, 285. 258 f. 8 ) Grimm RA. 1, 109 f. ' ) Bolte-Polivka 2, 532; Singer Schweizer Märchen 2, 139 ff.; Urquell 3 (1892), 87; Müller Uri 1, 67 Nr. 98. 99; Kohlrusch 231 f.; Rochholz Sagen 2, 122 f.; Naturmythen 57; Herzog Schweizersagen 1, 12 f. 180 f.; 2, 241 f.; Kuoni St. Galler Sagen 187. 188. 200; Lütolf Sagen 399f.; Meiche Sagen 662 Nr. 822; Ranke Sagen 42 f.; Vernaleken Alpensagen 325 f.; SAVk. 2, 89; 8, 309; SchwVk. 5, 29f.; H a stings 2, 791. 1 0 ) Bolte-Polivka 1, 260 ff. zu Grimm KHM Nr. 28; Köhler Kl. Schriften 1, 49. 54; Singer Schweizer Märchen 2, 1466.; ZfVk. 2, 212; Kohlrusch 332; v. d. L e y e n Märchen 56. 142; RTrp. 2, 365; 4,464; 5, 178; 6, 560; 7 (1893), 129 ff. 223. n ) Rochholz Glaube 1, 292; Urquell 4 (1893), 18. 78. u ) J a h n Opfergebräuche 40 f.; ZfVk. 3, 4 f.; 12 (1902), 433. 435. 442; Liebrecht ZVolksk. 405f.; Urquell 3 (1892), 307f.; Grimm Myth. 2, 656 Anm. 3; Mannhardt Forschungen 188 ff.; KuhnMärA. Sagen 323 f.; Kuhn und Schwartz 79 Nr. 53; Rochholz Glaube 1, 245 f.; Höfler Ostergebräuche 42 f.; ZfVk. 12, 434 f. 442. Beissel Verehrung der Heiligen 1, 18; Hastings 2, 791 f.; Grässe Preußen 2, 4 Nr. 6; Aigovia 3 (1864), 132; vgl. Reliquie. M ) P a u l y - W i s s o w a 2, 2, 1793 f.; Dornseiff Alphabet 1 5 1 ; Rütimeyer Vrethnographie igof.; Schönbach Berthold v. Reg. 34; Gerhardt Novelle 109. 1 5 ) Müller Uri 1, 174 Nr. 255, 2 a. 256; Kühnau Sagen 2, 574 f. Nr. 1224. " ) ZföVk. 4 (1898), 281; Gress Holzland 184.

2. Isländische Zauberinnen „stehlen auf dem Kirchhofe ein Ribbe (Rippe), stehlen anderwärts Wolle, in welche sie jene

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wickeln, nehmen in der Kirche den Abendmahlswein, speien ihn aber, sei es nun einmal oder dreimal, darüber statt ihn zu trinken, und daraus erwächst dann der Z u t r ä g e r ('Tilberi'), welcher sofort in Gestalt eines grauen Vogels, andere sagen in Gestalt eines Wurms, in fremde Ställe geschickt wird, um hier den Tieren die Milch auszusaugen", und sie der Hexe zuzutragen17). Das erstemal, wenn der 'Zuträger' mit dem Abendmahlswein oder -brot gespeist wird, liegt er ganz still; das zweitemal fängt er an, sich zu rühren, das drittemal erhält er seine volle Kraft und springt aus dem Busen der Zauberin, wo er als in Wolle gewickelte Rippe bisher war, hervor 18 ). Ebenfalls auf Island herrscht der Glaube, „man könne aus dem Gebein eines Toten einen R ä c h e r in Menschengestalt hervorzaubern". Ist aber derjenige, dem dieser böse Botschafter zugeschickt wird, so klug oder so glücklich, daß er den Menschenk., woraus das ganze Gespenst hervorgezaubert ist, durch einen Hieb oder Stoß treffen oder wohl auch den Toten mit seinem rechten Namen nennen kann, dann verliert der Zauber seine Gewalt 19 ). Eine große Rolle spielt die G e w i n n u n g besonders z a u b e r k r ä f t i g e r K . : Wenn man einen Laubfrosch in einen Ameisenhaufen legt und so lange dort läßt, bis das Fleisch von den Knöchelchen abgefressen ist, so haben diese Knöchelchen eine zauberische Kraft. Wer ein solches Knöchelchen bei sich trägt, dem geht jeder Wunsch in Erfüllung ao) (vgl. oben 3, 139). In Pommern kennt man folgendes Mittel, sich unsichtbar zu machen: Setz dich in der Neujahrsnacht in ein hell erleuchtetes Zimmer, in dem sich ein Tisch, Stuhl und Spiegel befindet. Mit dem Schlage Elf wirf einen kohlrabenschwarzen Kater, der an den vier Füßen gebunden ist, in das Wasser hinein, welches in einem Kessel über dem Kaminfeuer erhitzt ist, und laß darin das Tier, ohne auf sein ängstliches Schreien zu achten, bis um 12 Uhr kochen. Dann lege den Kater vor dich auf den Tisch und lies, ohne dich umzuschauen, die Knochen aus dem zerkochten Fleische heraus.

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hebe jeden einzeln in die Höhe und halte ihn vor den Spiegel. Einer ist darunter (es pflegt der letzte zu sein), der im Spiegel einen hellen, blauen Schein wiedergibt, wie ein Diamant. Sobald du den hast, wird der Teufel kommen und dir das weitere sagen. Du kannst dich dann, wenn du den K . bei dir trägst, unsichtbar machen, so oft, wo und wann du willst 21 ). K. von Hingerichteten im Geldbeutel bringen dem Kaufmann Glück **). Wenn man in Ostpreußen einen K. von einem eignen verstorbenen Kinde auf dem bloßen Leibe trägt, ist man gegen die göttlichen Strafen des Meineids geschützt 23). Im Abwehrzauber trägt man K. bei sich gegen den bösen Blick 2 4 ), gegen die Bleichsucht 25 ), Rheumatismus 28 ); Schinkenknochen, ins Wasser geworfen, vertreiben den Wassermann 27 ). Wer im Schlafe redet, soll einen K. aus dem Beinhause nehmen und ihn unter das Kissen legen, dann hört er auf zu sprechen 28). Das Zauberbuch der Schüler zu Skälholt (Island) aus dem Jahr 1664, dessen Inhaltsverzeichnis allein uns erhalten ist, enthielt in Cap. 35 Ratschläge: Verstorbene sich nicht angreifen zu lassen: mit Menschengebeinen, Segnungen und Kreuzeszeichen, in Cap. 7 1 : Einen rasenden Menschen zu halten: ein Zeichen auf einem Menschenknochen w ). Die K. des am Karsamstag oder Ostersonntag mit andern Lebensmitteln geweihten Fleisches dürfen bei den Slowenen nicht den Hunden zum Fräße oder unter die Abfälle geworfen werden, sonst gibt es Unglück; sie werden vielmehr unterm D a c h verwahrt, damit der Blitz nicht einschlägt, und schließlich verbrannt 30 ). In Tirol findet man unter dem Küchenherd öfters ganze Lager von Knochen. Die alten Leute behaupten, man hätte von alters, wenn irgendwo ein Herd gesetzt wurde, Tiere (Hunde, Katzen, Lämmer) geschlachtet und unter dem neuen Herde beigesetzt. Das habe dem Hause Glück gebracht. In noch älterer Zeit habe der Hausvater sogar eines seiner

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Kinder getötet, um es unter dem Herde zu vergraben (vgl. Bauopfer 1, 962 ff.) 3 1 ). Im Böhmerwald warf der „alte Nal" (Großvater) an der „Foast-Rauhnacht" (s. Januar) einen K. in die Herdglut, um die Rauhnachthexe zu besänftigen; sie sauste dann mit ihrem Raube zum Schornstein heraus, daß es krachte und heulte 32 ). In Luxemburg verbrannte man unter der Stalltüre K. gegen Hexerei M ). Noch im Jahre 1914 glaubte ein mecklenburgischer Bauer, das Unglück in seiner Wirtschaft stamme von einem K., der böswilligerweise in seinem Stall vergraben worden sei **). Im Amt Salza bei Meiningen heißt es, am Schweine befinde sich ein K., „der Jud auf der Wanne" genannt. Das Stück Fleisch wird Fastnachts gekocht, der K . aber unter Asche gemengt, welche die Nachbarn am Peterstage (22. Februar) einander gegenseitig als Geschenk gebracht haben, und sodann unter den Saatlein gemengt M ). In Österr.-Schlesien umreiten die Bauern am Pfingstmontag mit Gebet die Äcker, dadurch soll die S a a t fruchtbar werden. Wer das schönste Pferd hat, ist König. Dieser muß ein schwarzes Schaf braten lassen. Jeder Bauer nimmt von dem Schafe einen Knochen und steckt ihn am andern Morgen vor Sonnenaufgang in die Saaten, damit dieselben gedeihen38). Hat ein O b s t b a u m wenig getragen, so legt man einen Aask. in seine Äste, dann „schämt er sich und trägt reichlicher" »). Ein ma.licher Schriftsteller aus England (Harlej. Sammlung) schreibt: In v i g i l i a Beati J o h a n n i s colligunt pueri in quibusdam regionibus ossa et quaedam immunda et insimul cremant, et ex inde producitur fumus in aere M ). Schon Joh. Beleth berichtet 1162: Solent hoc tempore (in festo s. Johannis) ex veteri consuetudine mortuorum animalium ossa comburi 39 ). Spätere Berichte haben wir von Gregor Strigenitius (1548—1603) Martin Bohemus 41 ) und Hildebrand 42 ). Und aus dem Belgischen überliefert

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Knochen

Montanus43) den Brauch, ein Pferdehaupt in das Johannisfeuer zu werfen. Durch K. kann man R a t t e n und Mäuse vertreiben M ). Wenn im Norden das erste Fuder Getreide in die Scheune gefahren wird, muß man mittelst des Daumens einen Kreis um den rechten Fuß auf dem Boden der Heudiele schreiben. Darein müssen zwei Feldsteine nebst dem Schienbein eines toten Mannes gelegt und die erste Garbe darauf gesetzt werden. Dann wird gesprochen: „Mäuse u. Ratten dürfen dieses Korn nicht fressen, ehe sie diese Steine und dieses Bein gefressen haben" 4S). Spaltet man in Ungarn einen vom zu Ostern geweihten Fleische abgelösten K. in vier Teile und steckt diese in die vier Ecken eines Ackers, Garten usw., so wird auf dem Gebiet kein Maulwurf die Erde aufwühlen 48). Gegen die V ö g e l steckt man in Schlesien einen K. vom Karfreitagsbraten in den Acker 4 '). Am Fastnachtsdienstag werden in der Rheinpfalz die Knochen des Festmahles möglichst weit in einem Kreise um das Haus geworfen; so weit, glaubt man, habe der Habicht keine Gewalt auf das Federvieh 48). In Oberbayern werden Leichenk. gegen F l ö h e und Gewandläuse unter das Kopfkissen gelegt 49 ). Auch von einem Kalbe vertreibt man im Kt. Bern das Ungeziefer, wenn man ihm ein Menschenbein anhängt so). Will man in Schwaben die Schaben auch außer dem Karfreitag vertreiben, so verbrenne man nur täglich die Beiner, die vom Fleische abfallen 51). In einigen Dörfern, namentlich in der Nähe des Ostseestrandes, war es noch bis vor kurzem Sitte, daß bei Festlichkeiten einer der Gäste alle übrig gebliebenen K. auf einen Faden zog, sie sich um den Hals hing und damit tanzte 52). 1 7 ) M a u r e r Island. Sagen (1860), 93 f. ") F e i l b e r g in Urquell 3 (1892), 88, nach A r n a s o n 1, 430. " ) Urquell 3, 88 f.; A r n a s o n 1, 317. 321. i 0 ) G r o h m a n n 82 Nr. 588. » ) J a h n Hexenwesen 179 Nr. 642. 22 ) W u t t k e 445 § 718. **) Ebd. 272 § 401. " ) S e l i g m a n n 2, 141 f. **) P o l l i n g e r Landshut 284. 2 8 i ) F o g e l Pennsylvania 327 Nr. 1741; Allerlei Aberglauben (Erfurt) 91. " ) ZfVk. 12 (1902), 433 = W u t t k e 286 § 419. " ) W e t t s t e i n Disentis 174 Nr. 31.

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» ) ZfVk. 13 (1903), 269. 30 ) ZföVk. 4 (1898), 149. 3 l ) H e y l Tirol 597 Nr. 59. 32 ) S c h r a m e k Böhmerwald 128. G r e d t Luxemb. Sagen Nr. 258. M ) M a a c k Lübeck 61 f. 3 t ) M a n n h a r d t Forschungen 187; M e y e r Germ. Myth. 291; vgl. W i t z s c h e l Thüringen 2, 218 Nr. 36; 2, 189 Nr. 1 1 ; M ü l h a u s e 67. 3 ' ) V e r n a l e k e n Mythen 306 f. 3 7 ) G r o h m a n n 143 Nr. 1050; J a h n Opfergebräuche 213 f.; M a n n h a r d t Forschungen 188; S a r t o r i Sitte 3, 34. 120; vgl. aber W u t t k e 15 § 13. 38 ) J a h n Opfergebräuche 40. 3 ') Ebd. 40) E c c a r d Francia orienlalis 1, 425. 4 l ) Kirchenkalender (1608), 377. «) De Diebus festis (1701) 96. " ) Volksfeste 34; vgl. a. F r a z e r 10, 142. 203. 44 ) K n o o p Tierwelt 32 Nr. 277; 33 Nr. 287. 46 ) Urquell3 (1892), 87 f. « ) Z f V k . 4 (1894), 396. " ) D r e c h s l e r 2, 57. « ) Bavaria 4, 2, 378. « ) H ö f l e r Volksmedizin 172. R o t h e n b a c h (1876) 33 Nr. 266. s l ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 404. 52 ) Urquell 2 (1892), 115.

3. In der V o l k s m e d i z i n haben die K. reiche Verwendung (vgl. auch oben 2, 1716f.; 3, 877). Valentini (1704) erwähnt, daß nach dem letzten Türkenkriege Säcke voll Türkenschädel auf die Messe in Leipzig kamen (s. Kopf, Totenknochen)63). In der geraischen Gegend wurde früher W u n d e r p u l v e r (wozu?) aus den Knochen hingerichteter Verbrecher zubereitet 53a ). Menschliche und tierische K. dienen vor allem zur Heilung von Überbeinen, Gewächsen und Geschwüren, Vertreibung von W a r z e n usw.: man bestreicht einfach mit dem K. das Übel. Meist muß man ihn nach der Prozedur wegwerfen oder vergraben; die ursprünglich allein wirkende Heilkraft des K.s ist kontaminiert mit der Übertragung der Krankheit mittelst des K.s 64 ). Oft wird verlangt, daß es ein „unversehens" gefundener K. sein müsse M ), und wird beim Bestreichen ein Zauberspruch gesprochen, z. B.: „Überbein, nimm ab, wie der Tote im Grab" s6), „Loudarboin, vodreib ma man Überboin" " ) , „K., ich klage dir" etc. S8). Ein hds. Pflanzenbuch des 15. Jhs. aus Haßlers Bibliothek in Ulm empfiehlt (S. 159) für Heilung frischer Wunden: „ir solt nemen die pain von dem osterlamp vnd solt sy zu p u l v e r prennen in einem newen haffen und darnach klein stossen in einem morser vnd seyberlich durch ein sib gefad vnd also sawber be-

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Knödel-I —Knopf

halten piss man sein bedurffe; es ist auch gut das pain von einem jeden lamp doch das gesegent ist das peste" 8 9 ). Das Einnehmen von K . a s c h e ist alt und weitverbreitet 60 ): in Oldenburg gibt man solche von K . aus dem Beinhaus oder vom Kirchhofe gegen Ausschlag oder Geschwüre; der Kranke darf aber nicht darum wissen 81 ), in Steiermark und Schottland gibt man sie gegen Epilepsie 82). Abschabsei von K. helfen gegen Bettnässen (Schwaben) 93 ), gegen Viehschäden mancherlei Art M ). Im Badischen muß man, bevor man Finger- und Zehennägel gegen Gicht verbohrt, ein unter Zaubersprüchen bereitetes Pulver aus Menschenk. einnehmen 95 ). Abschabsei von dem Schienbein eines toten Mannes, einem Dieb im Getränke gegeben, bewirkt sogar, daß er ein Geständnis ablegt 66 ). t 3 ) Vgl. H ö f l e r Organotherapie 56 = Apothekerzeitung 1896 Nr. 5 u. 6. t 3 a ) K ö h l e r Voigtland 418 = H a h n Geschichte von Gera 2, 857. M ) ZrwVk. 1910, 54; Siebenmal versiegeltes Buch (6. u. 7. Buch Mosis) 56; L a m m e r t 183; S c h r a m e k Böhmerwald 283; ZfVk. 8 (1898), 199 Nr. 17; E n g e l i e n u. L a h n 263; B e r g e n Superst. 102 Nr. 887 f.; J a h n Hexenwesen 187 Nr. 709; F o s s e l Steiermark 163 f. " ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 64; H e y l Tirol 801 Nr. 253; S c h ö n w e r t h 3, 235, 1 ; P o l l i n g e r Landshut 287. 288; J ü h l i n g Tiere 243; Z f V k . 13 (1903), 99; S e y f a r t h Sachsen 291; F o g e l Pennsylvania 169 Nr. 804; 322 Nr. 1713; B e r g e n Superst. 102 Nr. 887. *•) L a m m e r t 183; Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 64. " ) S c h ö n w e r t h 3, 235, 1; P o l l i n g e r 287; " ) Z f V k . 8 (1898), 58; J ü h l i n g Tiere 343. M ) Germania 24 (1879), 75; F r a n z Benediktionen 1, 582. , 0 ) H ö h n Volksheilkunde I, 64; F r a z e r Totemism 1, 75. , l ) S t r a c k e r j a n 1, 90. , 2 ) F o s s e l 91; B l a c k Folk-Medicine 96. • 3 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 117. M ) Z r w V k . 1905, 246 (a. 1777); B a r t s c h Mecklenburg 2, 156 Nr. 709. 65 ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 55. ••) Urquell 3 (1892), 88.

4. K . b r u c h (s. Beinbruch 1, 1011). In den Zwölften muß man Zwirn spinnen und damit gebrochene Arme oder Füße bis sechsmal umwinden, so heilts bald S7). Im Badischen legt man gekochte Wurzeln von der Wahlwurz (Symphytum offic.) auf oder man spricht Zaubersprüche 68). " ) K u h n u. S c h w a r t z 410 Nr. 156.

")

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Z i m m e r m a n n Volksheilhunde 65; B l a c k FolkMedicine 78 f. Bächtold-Stäubli.

Knödel s. K l ö ß e s. 4, 1546 ff. Knopf. 1. Mit dem Worte K . wird nicht allein der K l e i d e r k . bezeichnet, sondern auch manches andere, was k.-ähnlich ist, so G e l d m ü n z e n im allgemeinen und im besonderen der N o t k . , die als K . an den Kleidern getragene und in Zeiten der Not verwendete Münze *); dann die als Handhabe dienenden K.e bei Gebrauchsgegenständen, z. B. Topfstürzen, die in einer Schatzsage zu Goldstücken werden 2 ), ferner eine Blütenknospe, ein Auswuchs u. a. s ), im schwäbischen Gebiet vor allem knödelartige Speisen 4 ). Wichtig ist, daß mit demselben Wort oft auch ein K n o t e n (s. d.) bezeichnet wird 6 ). Wenn aber ein kleiner, im Wachstum zurückgebliebener Mensch ein „Knopf" genannt wird, so braucht dies nicht damit erklärt zu werden, daß man diesen Menschen in seiner Kindheit durch einen später nicht gelösten Knotenzauber im Wachsen gehindert habe 6 ). Im Folgenden wird nur auf den Kleiderk. Bezug genommen, der nicht bloß als Gebrauchs-, sondern auch als Prunkstück in zahllosen Formen verwendet wird 1 ), worüber am anschaulichsten das K.museum der K.-fabrik Waldes in Prag unterrichtet. In Graubünden werden neben anderen Dingen auch Hemdk.e beiEheversprechengeschenkt 8 ). Durch den Fund von versteinerten Seeigeln u. a. (s. Echeniten, Krötensteine) wurde wohl der Glaube veranlaßt, daß die R i e s e n große K.e mit einem Kreuz darauf hatten »). 2. Im A b e r g l a u b e n sind der Stoff und die Herkunft, dann die Zahl der K.e, ferner die Umstände beim Annähen, Weglegen, Verlieren oder Finden wichtig, endlich auch, ob der K . geschlossen ist oder nicht (s. Band, binden, Knoten, lösen). Wie die gläserne Kugel, so tölet ein s i l b e r n e r K . den Kugelfesten 10 ). Ist es ein silberner E r b k . , so genügt es, ihn in der Tasche zu tragen, wenn man einen Festgemachten erschießen will. Mit

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Knoten

einem solchen kann man auch Werwölfe erlegen 1 1 ). Ein g e w e i h t e r O s t e r k . , den man durchbohrt und in der Schlafstube auf das Fenster oder die Türschwelle legt, schützt gegen Alp und Hexen, die über Geweihtes nicht hinüberkönnen 12 ). Ebenso vertreibt schon das K r e u z allein, das beim Annähen von K.en entsteht, den Teufel 1 3 ). Zwei alte, von einem Metzger getragene G a m a s c h e n k . e gebraucht man in der Pfalz bei Behandlung von Klumpfüßen der Kinder 1 4 ). Im Erzgebirge glaubt man, jemand „verhexen", d. i. schädigen zu können, wenn man ihm d r e i K.e von einem Kleidungsstück abschneidet 1S ). Einen K . darf man auf dem Körper n i c h t a n n ä h e n 1 8 ) , sonst bekommt man Seitenstechen 17 ). R e i ß t ein K . früh beim Ankleiden, so hat man am Tage Unglück 1 8 ). Im Erzgebirge hat der Glück, der einen Hemden- oder Hosenk. f i n d e t " ) , in Schlesien aber Ärger, wenn er einen solchen a u f h e b t 20). In Schwaben befreit sich der von Läusen, der am Karfreitag vor Sonnenaufgang einen K . von seinem Rock unbeschrien a u f d e n W e g legt. Wer ihn aufhebt, bekommt die Läuse 21 ), wie in Tirol der so viele Aißen (Eiterbeulen) erhält, als in einer von ihm gefundenen Schnur K.e ( = Knoten) sind 2 2 ). Vereinzelt ist der Glaube, daß man beim Begegnen einer barmherzigen Schwester an e i n e n K . des eigenen Anzuges g r e i f e n und etwas wünschen soll; dies geht dann in Erfüllung 2 3 ). Damit eine Kuh die Milch nicht zurückhält, müssen in Württemberg alle anwesenden Frauenspersonen (Oberamt Freudenstadt) oder bloß die Melkerin (Oberamt Welzheim) die Haften und K.e an ihren Kleidern a u f m a c h e n 24 ). Nach magyarischemGlauben kann man von einem Augenübel freiwerden, wenn man am Samstag reine Leibwäsche anzieht und d a s n i c h t z u g e k n ö p f t e Hemd von einer Hebamme am Hals und Handgelenk mit einem roten Faden zubinden läßt 2 5 ). Diesen Formen von Analogiezauber steht ein Fruchtbarkeitszauber bei den Finnen gegenüber, wo der Bauer beim Säen u n g e k n ö p f t e Hosen hat, wenn er nicht

überhaupt nackt geht. Der estnische Bauer hat hie und da beim Säen den Penis außerhalb der ungeknöpften Hosen 2 6 ). *) S c h i n d l e r BayWb. i, 1352. ») Vgl. Q u e n s e l Thüringen 241. 3 ) DWb. 5, 1470 f. 8 «) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 542 ff. ) Vgl. G r i m m Myth. 3, 416 Nr. 17; P o l l i n g e r Landshut 291. •) Schweizld. 3, 746 s . 7 ) Vgl. H e c k scher 262f. 265. 2 6 9 ! 494!. 498. ») B ä c h t o l d Hochzeit 1, 127. ») M ü l l e n h o f i Sagen (1921) 10 ) Q u e n s e l 283 Nr. 417. Thüringen 148; ll) Temme K ü h n a u Sagen 3, 170 f. Pommern 288. 308 = H e c k s c h e r 384. 1 J ) Z a u 13 ) Ebd. n e r t Rheinland 2, 151. 2, 156. ls) " ) L a m m e r t 143. John Erzgebirge 134 = S e y f a r t h Sachsen 60. " ) ZfVk. 20 (1910), 385 (Ditmarschen). " ) W u t t k e 315 § 465 (Schwaben). Vgl. Kleid § 15. 18 ) Z i n gerle Tirol 33; F o g e l Pennsylvania 101 Nr. 416. 20) D r e c h s l e r " ) John Erzgebirge 38. 2, 194. " ) W u t t k e 315 §466. ») Zingerle 23 ) Alemannia 33 (1905). Tirol 35 Nr. 278. 302 (Heidelberg). " ) Eberhardt Landwirtschaft 17. » ) ZfVk. 4 (1894), 308. " ) FFC. Nr. 31, 129. Jungbauer.

Knoten, s. b i n d e n , l ö s e n , v e r k n ü p f t . Der K . oder oberdeutsch Knopf (s. d.) eines Fadens, Bandes oder Tuches stellt allgemein eine Bindung oder Hemmung dar. Das braucht nicht immer etwas Schädliches zu sein; er kann auch eine feste Verbindung symbolisieren. Aber in der Phantasie des Volkes steht das Hemmende, das Binden des Bösen, Aufhalten des Guten durchaus im Vordergrunde. a) K . a l s B i n d u n g o d e r Hemm u n g steht andern bindenden Riten wie dem Weben der Schicksalsfrauen 1 ), der Fessel (s. d.), den Schlingen (s. d.) nahe. Auf seine Verbreitung unter den Primitiven kann hier nur kurz hingewiesen werden 2 ). K . in einer Weide (für deren besondere Bedeutung s. d.), besonders von einer Hexe gemacht, kann töten 3 ). Diesen Vernichtungsk. kennt schon das Judentum 4 ). In Schlesien erleidet der „Geknüpfte" nur allerlei Gebrechen; die Heilung hängt von der Lösung des K.s a b 5 ) . Das bezieht sich vor allem auf Leibweh, eine Ansicht, die selbständig auch auf Tahiti 6 ) auftritt. Sehr alter Beleg bei Burchard von Worms (vor 1025): cingulum

mortui

pro

damno

alicuius

in

Neben dem Gürtel des Toten spielt eine große Rolle das Totentüchel, das immer einen K . hat nodos

colligasti7).

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Knoten

(s. u.). Abgeschwächt hat der Glaube in Schwaben zu der Redensart geführt: der hat de Knopf ufdon, wenn ein Kind plötzlich wächst 8 ). Gegenmittel ist natürlich, daß möglichst alle erreichbaren K . gelöst werden 9 ). Auch Tiere können „ufgeknuppt" werden10) (beim Pferdekauf) und werden gesund, wenn der vom Zauberer geschürzte K . leicht aufgeht 1 0 a ). Mit einem K . in der Weidenrute „verdirbt" der Wilddieb den Jäger 1 1 ). Der Dieb kann damit gestellt werden 1 2 ), nach einem alten Segen auch feindliche Reiter 1 3 ). Wenn also der Böse erst folgen kann, wenn der K . gelöst ist, so muß man Kreuzk. machen 14 ) oder recht viele 1 S ); dann wird er mit deren Lösimg nicht rechtzeitig fertig, oder man muß rasch fortlaufen 1 $ ). Dieser Glaube lebt in Norddeutschland 17 ), Westpreußen 18 ), Niederlausitz 1 '), Voigtland 2 0 ) und der Oberpfalz 21 ). Daraus erwächst weiter die Furcht, das Lösen eines K.s könnte etwas Schädliches frei machen **), während man im Aargau jeden K . lösen soll, weil ein Schaden hineingeknüpft sein könnte 23 ) (s. u.). Besonders weit verbreitet ist die Anwendimg des K.s in der Volksmedizin. Äußere Ähnlichkeit führt dazu, den K . mit der Warze, seltener dem Hühnerauge und ähnlichen Bildungen, zu verbinden. Abgesehen von Varianten in der Ausführung (für jede Warze ein K . oder 3 K . oder Kreuzk. oder Berührung mit K . — fast immer ist Verfaulenlassen oder Begraben der K . geboten) ist der Brauch so gut wie allgemein verbreitet, das Böse der Warze in einen K . zu binden und sie mit diesem vergehen zu lassen. Nachgewiesen in Preußen 2 4 ), Mecklenburg 25), Mark 2 6 ), Oldenburg »), in Schlesien 28), Böhmen 2 9 ), Erzgebirge 30 ), Sachsen 3 1 ), Halle 3 2 ), Braunschweig 33 ), Detmold 3 4 ), Westfalen 34 *), Oberpfalz 3 5 ), Landshut 34), Schwaben 37 ), Tirol 3 8 ), Hessen, Baden 3 9 ), Schweiz: Sarganserland 40), B a s e l " ) , Bern «*), Simmental 43 ), Schwyz 4 4 ), Waadt 4 5 ), also kurz gesagt im gesamten deutschen Sprachgebiet und auch bei den Deutschen in Pennsylvanien 1 6 ). Die Vorstellung, daß die

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Krankheit eingeknotet ist, erkennt man gut an der Warnung, daß, wer die K.schnur aufhebt, wozu durch ein befestigtes Geldstück verlockt wird, die Warzen bekommt 4 7 ). Daher allgemein: ein Bändel mit K . soll man nicht aufheben 48). Auch das Herumlegen um die Warze wird ausdrücklich befohlen 49 ). Auch andere Krankheiten kann man einknüpfen. Man beachte im folgenden die lokal verschiedene Entwicklung. Um die Krankheit auf den Faden zu übertragen, wird gemessen (s. d.) und dann geknotet s o ), so in Sachsen 61 ), Schlesien 82), Westfalen 53), aber auch in Bulgarien findet sich ein Anklang M ). Das hilft gegen Überbein 85) in der Oberpfalz, gegen Hämorrhoiden 86) in Mecklenburg, gegen den Kropf 57 ), gegen Bruch 58) in Oberfranken, gegen Gicht in Thüringen 59 ), während umgekehrt der Gichtzettel (s. d.) in Mecklenburg keinen K . aufweisen darf; das würde die Heilung stören 60 ). Ferner gegen Bläschen auf der Zunge 81 ), in Königsberg gegen Wasserschneiden (kalte Schiffe) 62 ), in der Oberpfalz 8S), Ober- und Unterfranken, in Schwaben 64 ), im Simmental 65 ). Dann allgemeiner gegen Schmerzen, wobei die Bedeutung langsam in den heüenden K . (s. u.) übergeht. Hier mögen zwei Belege aus Dalmatien und Tripolis an der Spitze stehen 66 ). Gegen Kopfweh hilft Messen und Verk. in der Oberpfalz 6 7 ), gegen Zahnweh im Voigtland 68 ) und in Unterfranken 6 9 ), gegen fallende Sucht Breslauer Handschrift aus dem 14. Jh. 70 ). Dann das Fieber, das besonders gern dämonisch vorgestellt wird, wobei die Weide wieder ihre Rolle zu spielen pflegt, in Mecklenburg 7 1 ), Oldenburg 72) und den Niederlanden 73 ), aber auch in Oberösterreich 74 ). Man nennt das: das Fieber wegknütten75). Besonders intime Leiden werden so behandelt. Schon Marcellus Empiricus (4. Jh.) empfiehlt, ne inguen ex ulcere intumescat, außer anderem: VII nodos facies et per singulas nectens nominabis singulas anus viduas et singulas feras (d. h. die Krankheitsdämonen) 78). In andere Richtung gewandt macht der K .

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oder auch nur Nähen den Türken impotent " ) ; selbst das Zuknöpfen des Rockes nach der Einsegnung ist gefährlich, s. Nestelknüpfen. Dagegen ist der K . in Ungarn gerade bei einem Ritus zur Heilung der Impotenz erforderlich 7S ), und mit Recht macht Krauß 79) auf die vielfältige Bedeutung des K.s aufmerksam. Hier überwiegt die verhindernde Kraft. Deshalb soll die Braut keinen K . im Brautkleide haben (jüdisch 80), aber auch in Schlesien 81 )), was die Empfängnis behindert. Am klarsten sagt das die schottische Erzählung bei L i e b r e c h t , wo unmittelbar vor dem Segen dem Brautpaar alle K . gelöst werden 81a ). Umgekehrt kann sich die Braut durch K . vor der Empfängnis schützen (für jedes Jahr einen K.) 8 2 ). Dasselbe glauben die Frauen in Slawonien 83) und Kamschatka(!) 84). Bei der Geburt ist der K . schädlich. Das glauben die Lappen 8S ) ebenso wie die Siebenbürger Sachsen 86), und die antiken Religionen kennen zahlreiche K.verbote, die am vollständigsten bei H e c k e n b a c h 86a) zu finden sind. Dahin gehört, um nur ein Beispiel zu geben, die Sitte, die Haare offen zu tragen, barfuß zu gehen, bisweilen bis zu ritueller Nacktheit gesteigert, den Gürtel zu öffnen, Ringe abzulegen u. a. m. Vereinzelte Belege beweisen diese Anschauung auch für den deutschen Aberglauben. In Böhmeji und Schlesien darf der Verband einer Wunde nicht geknotet werden 87). Das gleiche ist im Simmental bei krankem Vieh berichtet M ). Und wenn in Westböhmen der Verkäufer dem Tier einen k.losen Strick mitgeben muß, so ist das eben Symbol für das Nichtvorhandensein irgend eines Dolus 89). Grimm spricht geradezu von dem Segen des k.losen Fadens 90). Wir verstehen nun, welche Bewandtnis es mit den sprichwörtlich gewordenen K . gehabt hat, dem G o r d i s c h e n K . und dem H e r k u l i s c h e n K . Man hat sich zur Erklärung an ihren ursprünglichsten Sinn zu halten. Als Alexander nach Gordion in Phrygien kam, fand er dort in einem Tempel einen K . vor, an dem die Prophezeiung haftete, daß Weltherrscher werde, wer ihn löste. Alexander

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hat das auf irgendeine Art — die Überlieferung schwankt 9 1 ) — getan. Dieser K . fesselte also eine göttliche Macht, wahrscheinlich zunächst zugunsten des phrygischen Königs, die frei geworden, nach Märchensitte ihrem Befreier diente. Der Herkulische K . dagegen, lat. nodus Herculeus oder Herculaneus, griech. auch 'HpaxXeuimxöv Sy^ta, schützte die Braut, d. h. doch wohl deren Jungfräulichkeit bis zu dem Augenblick, wo ihn der Bräutigam löste. Da die Heraklessage keinerlei Anhalt zur Erklärung des Namens bietet, scheint dieser Name nur die Unmöglichkeit der verfrühten Lösung, also den sicheren Schutz zu bezeichnen. Allerdings trugen ihn auch die Vestalinnen, die ewig jungfräulichen, und er diente bei Wunden zu apotropäischen Zwecken, wie wir den K . allgemein verwandt finden werden 92). Auch andere Kulte kennen derartige Kn. Den König Olaf d. H. schützte ein K . vor jeder Versuchimg, bannte also den Teufel 93 ). In diesen Rahmen scheint der K . zu gehören, den das Kind am 7. Geburtstage auflösen soll 94 ). Der K . im Wickelband bedeutet wohl die Sicherstellung der ersten Kindheit, die mit dem 7. Jahre abgeschlossen ist, gegen schädliche Einflüsse. Belegt aus Schwaben 9S) und Nordböhmen 96). Es bleiben noch zwei Fälle von hemmendem K . : Tote werden von K . im Leichenhemd oder -kissen belästigt. Sie kommen wieder (Schlesien) 97) oder finden keine Ruhe (Siebenb. Sachsen) 98) oder können nicht auferstehen (Schweiz) " ) oder ähnl. Weitere Belege des Glaubens stammen aus Mecklenburg100), Böhmen 101 ), Ostpreußen 102 ) und Siebenbürgen 10S ). Auch Lebende können auf Bettstroh nicht schlafen, in dem sich ein K . befindet 104 ). Überhaupt haftet am Strohseilk. gerade, weil er so häufig ist, ein besonderer Aberglaube. Weil ein Zauber hineingebunden sein kann, soll man ihn öffnen in Schlesien 10B), im Vogtland 10< ) und in Böhmen 107). Ungelöste K . soll man weder in Friesland anrühren 108 ) noch auf den Dunghaufen 109) oder den Acker u o ) tun. Der Acker trauert 7 Jahre. Das nimmt oft die Form an, daß mit dem öffnen

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Knoten

eine arme Seele erlöst wird (Schlesien m ) , B ö h m e n l i a ) , Oberpfalz 113 ), Luxemburg 114 )). Im Stalle aufmachen ist gefährlich; man weiß nicht, was dabei herauskommt 115 ). Wie mit dem Acker, so ist auch jede Verbindung des Samens mit K . zu vermeiden, etwa durch Verknotimg des Sackes oder des Sätuches, wieder aus Schlesien 114 ), Böhmen 1 1 ? ) und dem Erzgebirge 118 ) belegt. l) Güntert 2) Kalypso 253. Frazer 3, 293ff.; A n d r e e Parallelen 1, 33 f.; D e 3) Wolf o n n a Croyances rel. 240, 1. Beiträge 1, 226. ' ) S c h e f t e l o w i t z Schiingenmotiv Ii, 2. 5; D r e c h s l e r Schlesien 2, 256 u. 247. *) L i e b r e c h t Zur Volksk. 322. ' ) s. 8) Anm. 6. B i r l i n g e r Volksth. 1, 489. 9 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 36. 10) K ü h n a u Sagens, 195. l0a ) W u t t k e 4 4 6 § 702. l l ) G r o h m a n n 207. S c h e f t e l o w i t z Schiingenmotiv 59. 1 3 ) Alemannia 19, 138. " ) K u h n 11. S c h w a r t z 69. " ) Ebd. 470. " ) H ü s e r Beiträge 2, 20f.; E i s e l Voigtland 257 Nr. 646. " ) s. Anm. 14. " ) Seefried-Gulgowski u ) Gander 191. Niederlausitz 72 Nr. 190. 2 0 ) E i s e l Voigtland 117 Nr. 303. " ) Schönw e r t h Oberpfalz 1, 315 Nr. 7. " ) B o e d e r Ehsten 145; K ü h n a u Sagen 3, 55 f. Vonb u n Beiträge 125 f. 2 4 ) F r i s c h b i e r Hexenspruch 95; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 241. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 119. 2 8 ) ZfVk. 8, 199 f.; W o e s t e Mark 55 Nr. 13. " ) S t r a k k e r j a n 1, 81. l B ) D r e c h s l e r 2, 85 f. M ) S c h r a m e k Böhmerwald 282. 3 0 ) J o h n Erzgebirge 109 f. 3 1 ) S e y f a r t h Sachsen 218, vgl. S. 210. 33) Andree M) ZfrwVk. 1908, 98. Braun3t) schweig 418 f. ZfrwVk. 1906, 231. M a ) ZfrwVk. 1904, 98; 1908, 98. 35) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 237. 3 6 ) P o l l i n g e r Landshut 290. 3 7 ) L a m m e r t 186. 3 8 ) W u t t k e 331 3 ») W u t t k e 40) Manz I492. 331 §492. Sargans 59. 4 1 ) SAVk. 12, 151. « ) Ebd. 7, 43) Zahler 138. Simmental 96. " ) Stoll Zauberglauben 75. 4 5 ) SchwVk. 2, 78. 4 6 ) F o g e l 4 7 Pennsylv. 325 f. Nr. 1736. ) SAVk. 2, 280 f. 4 8 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 497. 4 ») L a m m e r t 186; Urquell 3, 249; G r o h m a n n 171. Zac h a r i a e Kl. Sehr. 231 fi. aus T a m b u r i n i , Anf. 17. J h . 6 1 ) S e y f a r t h Sachsen 233. M ) D r e c h s l e r 2 314. i s ) ZfrwVk. 1908, 98. " ) S e l i g m a n n 1, 262. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 236. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 111 f. " ) Stoll Zauberglauben 98. 5 8 ) L a m m e r t 257. M ) W u t t , 0 k e 329 § 489. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 409. 8 1 ) F r i s c h b i e r Hexenspruch 36. , 3 ) L a m m e r t 258. " ) H ö h n Volksheilkunde 1, 116. ,s) ,e) Z a h l e r Simmental 91. HovorkaK r o n f e l d 1,241 f. " ) ZfVk. 21, 152 f. (auch m) in Schlesien). S e y f a r t h Sachsen 234. ••) L a m m e r t 237. G r i m m Myth. 2, 981. n ) B a r t s c h Mecklenburg 2,116. n ) S t r a c k e r j a n 1, 84. 89; 2, 18 Nr. 276. 7 S ) G r i m m

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Myth. 2, 979. 7 4 ) ZfVk. 23, 70. 7 8 ) Urquell 2, 96. 7 ') M a n n h a r d t 1, 20. " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 165. 7 8 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 269. 7 ' ) K r a u s s Relig. Brauch 142. 8 0 ) A n d r e e Juden 145. 8 1 ) D r e c h s l e r 2, 256. 8 l a ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 322. 8 a ) ZfVk. 16, 3x3. 8 3 ) Urquell 3, 277 f. 84) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 241; solche vereinzelte Parallelen sollen natürlich nicht das ethnographische Material S8) L i e b r e c h t darüber darstellen. a.a.O. 8 «) H i l l n e r Siebenbürgen 15. "«») H e c k e n b a c h de nuditate 69 ff., vgl. S a m t e r Geburt 122—130; K ö c h l i n g de coronarum vi 18; N i l s s o n Griech. Feste 345, 2; Eranos 16, 51 ff. " ) Grohmann 170; D r e c h s l e r 2, 289. 8 8 ) SAVk. 15, 8; Z a h l e r Simmental 191. 8 ») J o h n Westböhmen 209. Myth. 2, 978. n)P\\it.Alex. 18; C u r t i u s I I I 1,11. " ) B l ü m n e r Privataltertümer (1911) 351, 5- * 3 ) ZfVk. 13, 164. »') H ö h n Geburt 261. ••) G r o h m a n n 110 f. " ) D r e c h s l e r 1, 293 f. , 8 ) Urquell 4, 52. •») SAVk. 24, 63. w o ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 92. 1 0 1 ) J o h n Westböhmen 171. M ») W i t t s t o c k im) W u t t k e 461 § 731. Siebenbürgen 61. 1 0 4 ) G r i m m Myth. 3, 438 Nr. 113. " » ) D r e c h s l e r 2, 247 ff. " » ) K ö h l e r Voigtland418. 1 0 7 ) W u t t k e 307 § 452. 1 0 8 ) M ü l l e n h o f f Sagen 212. l M ) J o h n Westböhmen ll°) Eberhardt 253. Landwirtschaft 14; D r e c h s l e r 2, 247 f. 1 U ) Ebd. l u ) G r o h m a n n 1 1 3 198. ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 287 Nr. 13. 114) R a n k e 11S) D r e c h s l e r Volkssagen 61. a.a.O. "•) D r e c h s l e r 2, 57 f. 1 1 7 ) J o h n Westböhmen 185. 1 1 8 ) J o h n Erzgeb. 220. b) G l ü c k s k . K . im Strumpfband wird so genannt 119 ) und bedeutet, daß man etwas geschenkt bekommt. K . in der Angelschnur bedeutet guten Erfolg 1 2 0 ). Durch ihn wird offenbar eine dämonische Macht verpflichtet. Derselbe Zauberzwang wird ausgeübt, wenn man in Oldenburg durch Zusammenknüpfen von Grashalmen das Schicksal befragt 1 2 1 ). Unverstanden kann der K . überhaupt als segenbringend angesehen werden 122 ). Besonders alt ist er im Liebeszauber: er bindet den Geliebten (in antiker Zauberei häufig 1 2 3 ); ein drastischer Beleg aus Bern ist 1917 zutage gekommen) l t t a ). Femer gibt er in besonderer Ausgestaltung Macht über die Windgeister und stellt so eine einfachere Form des Windsackes (Schlauch des Aiolos u. ä.) dar. Windund Regenmacher sind überhaupt beliebt. Für Deutschland nennt den Glauben B r ä u n e r 1737 124 ). Sonst hat er sich in Sagen niedergeschlagen m ). Er ist bisher auch in Frankreich 1 2 i ), Däne-

Knöterich

23

mark 1 2 7 ) und Lappland 1 2 8 ) nachgewiesen. Allgemeiner schafft ein K . im Pferdeschwanz bei der Aussaat Gedeihen 129 ) i n O l d e n b u r g ; fiuerum calamo

nodate

bene-

dicunt (aus Schlesien) 130 ). Heilende Wirkung des K.s kennen wir nicht nur aus Indien und dem Talmud 1 3 1 ), sondern auch aus Schlesien (K. im Strohhalm) 132 ) und für das Vieh aus Baden X33) und dem Erzgebirge 1 3 4 ). So bekommt der K . apotropäische Kraft etwa beim Binden der Obstbäume (Lausitz, Mecklenburg) 13S ). Von dort ist kein weiter Weg zu den weitverbreiteten K.amuletten (s. Amulett), die wir in Altägypten 1 3 S ), in Indien 137 ), in der Südsee 138 ) nachweisen können. Der verbreitete Gebrauch des Netzes in gleichem Sinne hängt damit zusammen (s. Netz). Den geknoteten Strick trägt der Sizilianer bei sich 1 3 i ). Eine k.ähnliche Zeichnung am Scheunentor in Süddeutschland und der Schweiz heißt „Zwifelstrick"

1 4 °).

D e r K . in der Schürze,

den wir oben als Zeichen der Verlobung hatten, schützt auch gegen Berufen 1 4 1 ). Und der Talmud empfiehlt K . gegen den bösen Blick 1 4 2 ), wie das auf den Hebriden bei den Pferden gehandhabt wird 1 4 3 ). u ») Z f V k . 8, 160. "») Ebd., vgl. S c h e f t e l o m ) w i t z Schiingenmotiv 44. Strackerjan 2, 18 Nr. 276. «*) H e y l Tirol 790 Nr. 169. m ) A b t Apuleius 76, 2, vgl. V e r g i l buc. 8, 77 f. necte iribus nodis . . . Veneris vincula. 1*3®) Bund vom 18. Okt. I9i7,s. SchwVk.8, 11. 1 2 4 ) Curiositäten 554. M ö l l e n h o f f Sagen 222 Nr. 301; 225 f.; S c h e l l Berg. Sagen 524 Nr. 63; B o c k e l Volkssage 78; vgl. G r i m m Myth. 1, 532. « • ) S ö b i l l o t Folk-Lore 1, 102. " ' ) S c h e f t e l o w i t z Schiingenmotiv 18, 5. 1 I B ) H o v o r k a K r o n f e l d 1, 242. 12 *) S t r a c k e r j a n 1, 54. 13 °) MschlesVk. 1915, 30. m ) Scheftelowitz 132 ) MschlesVk. Schiingenmotiv 30. 4, 86. l u ) M e y e r Baden 401. 1 M ) J o h n Erzgebirge 134; vgl. G r i m m Myth. 3, 416 Nr. 17; W e i n h o l d Neunzahl 32. 1 3 i ) W u t t k e 131 § 180. 134) Scheftelowitz Schiingenmotiv 39 ff. 1 3 7 ) C r o o k e Northern India 211. l 3 8 ) S c h e f t e l o w i t z a . a . O . 18, 5, vgl. S. 38 f.; H e c k e n l 3 *) S e l i g m a n n b a c h de nuditate 108 ff. 2, 228. 14 °) Ebd. 2, 293. 1 4 t ) G a s s n e r Mettersdorf 19. M i ) S e l i g m a n n 2, 228. " 3 ) Ebd.

Aly.

Knöterich (Polygonum-Arten). 1. B o t a n i s c h e s . Mit dem Ampfer verwandte Gattung der K.-Gewächse (Polygonaceae), die dadurch gekenn-

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zeichnet sind, daß sie am Grunde des Blattes eine stengelumfassende, dütenförmige Scheide besitzen. Die Blüten der meisten Arten sind klein und unscheinbar. Es kommen folgende Arten in Betracht: der Vogel-K. (P. aviculare), dessen Stengel meist am Boden kriecht; er ist ein gemeines Unkraut an Wegen (daher auch „Hansl am Weg" genannt), auf Äckern usw. Der Nattern-K. (Natterwurz, Schlangenk.; P. bistorta) mit schlangenähnlich gewundenem Wurzelstock und rötlich-weißen, in walzenförmiger Ähre angeordneten Blüten; ziemlich häufig auf feuchten Wiesen. An Wegrändern, an feuchten Orten wächst der Floh-K. (P. persicaria), dessen Blätter gewöhnlich einen dunklen Flecken tragen, was zu verschiedenen Sagen Anlaß gegeben hat. Ähnliches gilt vom Wasserpfeffer-K. (P.hydropiper). Hauptsächlich im Gebirge wächst der kleine K n ö l l c h e n - K . (P. viviparum) l ). M a r z e i l Kräuterbuch 252. 336. 356.

2. Verschiedene K.-Arten spielen in der S y m p a t h i e m e d i z i n eine Rolle. Doch scheint es sich hier meist nicht um deutschen Volksaberglauben, sondern um spätantike bzw. um gelehrt-mystische Tradition zu handeln. Im PseudoApuleius heißt es von der „herba proserpinaca" ( = Vogel-K.): a d o c u l o r u m v i t i a u e l d o l o r e s . Herba proserpinaca, uadis ad herbam ante solis ortum uel occasum et circumscribis eam cum anulo aureo et dicis tollere te eam remedium oculis; uadis ibi postero die ante solis ortum, sublatam circumdabis collo, proficiet diligenter 2 ). Der Floh-K. dient gegen das dreitägige Fieber, wenn man ihn vor Sonnenaufgang unbeschrien sammelt und um den linken Arm bindet 3 ). Auch im Pseudo-Apuleius (bzw. in den Zusätzen zum Apuleius-Text) dient die „herba proserpinaca" gegen viertägiges Fieber. Sie muß am Donnerstag, im abnehmenden Mond gesammelt werden *). Nach der „Signatur" der dunklen (blutunterlaufenen Stellen gleichenden) Flecken auf den Blättern (daher auch der Name .rWasserblut") wird der Floh-K. auf gequetschte oder wunde Körperstellen

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Knöterich

aufgelegt. Das Kraut wird zuerst durch kaltes Wasser gezogen, dann auf die verletzte Körperstelle gelegt, bis es warm ist. Hierauf wird es, solang es noch warm ist, in Pferdemist gelegt. Wenn das Kraut verfault ist, ist die Wunde geheilt 5 ). Ähnlich wird das Zahnweh vertrieben. Ausführlich hat P a r a c e l s u s 6 ) über diese „magnetische Kur" gehandelt. Im Cod. Pal. germ. 255 (16. Jh.) findet sich ein Segen „des hern Jörgen von ebeleben [ ? ] zu den wunden vor gestochen, gehawen, geschossen, gebrochen und vorgeschnitten. Wan es aber gebrochen ist und allt, so mach den bruch wider new oder frisch und der segen soll drew mol gesprochen werden also, vnd grabe ein gebiesterten stein aus vnd nim in zu dem kraut, genant rötich [ = Floh-K.] und sprich: Röttich, ich plantz dich im namen des vatters und des suns und des hl. geists. amen. Das du aussdreibst die maden und das faul fleisch und heilest von grund heraus, sprich ein pater noster . . . vnd so solcher segenn gesprochen wirtt, so nim das kraut und den kiselstein vnd grabe das kraut vnder den kisellstein, do er vor ist gestanden vnd du in aus host graben, das er versorgt sej, das man in nit ausgrabe, vnd wan das krautt fault, so heilt die wunde; das ist pferden und hunden gut. Probatum est vere" 7 ). Eine „benedictio super colubrum" (Naterwurz) bringt die Münchner Hs. Cod. lat. 7021 (14. Jh.) 8). Ob sie sich auf den Nattern-K. bezieht, läßt sich nicht entscheiden. Wenn man mit dem K. die schmerzenden Hämorrhoiden berührt, und ihn dann in den Rauch hängt, so verschwinden die Beschwerden 9 ). Der Vogel-K. wird übrigens noch jetzt in Niederösterreich gegen Hämorrhoiden verwendet 10). J)

Corp. Medicor. Latinorum 4(1927), 54; in der ags.Apuleius-Übersetzung: CockayneLeechdoms 1, 113; H o o p s Pflanzennamen 47. 3 ) M a r t i n 4 ) Corpus u. L i e n h a r t ElsässWb. 1, 529. Medic. Latin. 4 (1927), 289. *) S c h r o e d e r Apotheke 1693, 1089; F r o m m a n n De Fascinatione 1011. •) Bücher u. Schriften durch J. H u s e r u m 7 (Basel 1590), 74 ff. 131. ' ) Urquell N. F. 2, 174 f.; vgl. auch S t a r i c i u s 1682, 355. 8 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 145. » ) W o l f f Scrutin. amulet. med. 1690, 207. 10 ) H ö f e r u.

K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. 1889, 50.

26 Pflanzen

3. Gewisse K.-Arten dienen im Z a u ber bzw. im Gegenzauber. Wenn man die Wurzel des Nattem-K.s ohne Wissen des Beteiligten unter das Kopfkissen legt, so hilft sie gegen vieles Träumen u ) . Es geht dies zurück auf (Pseudo-) A l b e r t u s , wo es von der „serpentina" („noterwurtz") heißt: „Dies Kraut mit Blättern von Klee begraben bringt es rote Schlangen hervor und grüne, daraus ein pulver gemacht und dann getan in eine Ampel die brennt, so erscheint ein Haufen von Schlangen und so man das auf das Haupt legt, so träumt man nicht mehr" 12 ). Ein ursprünglich antidämonisches Mittel liegt wohl vor, wenn man in Siebenbürgen zur Vertreibimg der Raupen die Krautpflanzen mit einem Absud des Wasserpfeffer-K.s besprengt 13 ). In Oberfranken gab man früher am Walpurgisabend dem Vieh zerschnittene „Drachworzl" (Drachenwürz; vielleicht NattemK. ?) ins Futter 1 4 ). In Ostpreußen wird der Nattern-K. als „Kehrwiederwurzel" (damit die durch Schadenzauber versiegte Milch wiederkehrt) den Kühen gereicht, damit sie mehr Milch geben 1 S ). In Steiermark wird der Knöllchen-K. unter der Bezeichnung „Bringherwieder, -würz, Bringmirswieder" den Kühen, die keine Milch geben, ins Futter getan 1 8 ), vgl. S c h u p p e n w u r z . Im Badischen ist der Nattern-K. auch ein Bestandteil des Kräuterbüschels " ) . n ) N e i d h a r t Schwaben 48. u) Albertus M a g n u s 1508 cap. 16. l s ) S c h u l l e r u s Pflanzen 374. 1 4 ) Heimatbilder aus Oberfranken 4 (1916), 150. »5 T r e i c h e l Westpreußen i, 90. l ' ) U n g e r u. K h u l l Steir. Wortsch. 117; H ö f e r u. K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 51. l 7 ) M e y e r Baden 105.

4. Nach einer weitverbreiteten S a g e rühren die dunklen Flecken auf den Blättern des Floh-K.s und verwandter Arten (siehe unter 1) vom Blute Christi her, das auf die Pflanze tropfte, als er am Kreuze hing 1 8 ), vgl. auch K n a b e n k r ä u t e r . Der gleiche Glaube findet sich in Flandern " ) , bei Lüttich 2°), in Schottland 2 1 ), bei den Wenden 22 ) und in den Ver. Staaten v. Amerika 23). Schon den

knüpfen-— K o b a l t

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alten deutschen Kräuterkundigen fielen diese Flecken auf; so sagt B r u n f e l s 2 1 ), daß die Blätter aussehen „als ob ein blutstropff daräff getröpfelt wer. ein mächtig groß wunderzeychen / welches mich meer verwundert / dann alle andere mirackel der kreutter". Auch als Tropfen v o m Menstruationsblut der hl. Maria werden die Flecken gedeutet 2 5 ), vgl. L ö w e n z a h n , (Ähren-) T e u f e l s k r a l l e . Damit hängt auch zusammen, daß man einen Tee aus dem Kraut bei Regelstörungen verwendet 2 4 ) oder gegen zu starke Unterleibsblutungen in die Schuhe l e g t 2 7 ) . In den beigefügten „Curae" des P s e u d o Apuleiustextes (siehe Fußnote 2) findet sich folgende Verwendung der „herba proserpinaca" (Vogel-K.) „ a d profluuium mulieris": „ U t supra das potionem incantans: Herbula Proserpinaca, Horci regis filia, quomodo clusisti mulae partum, sie cludas undas sanguinis huic'' 28 ) 1S)

S t r a c k e r j a n 2, 1 3 1 ; D ä h n h a r d t Naturgesch. Volksmärchen 1898, 8 1 ; Mitteil. A n h a l t . Gesch. 1922, 1 5 ; W a r t m a n n St. Gallen 5 9 ; S c h u l l e r u s Pflanzen373.375. " ) R o l l a n d Flore pop. 9, 1 9 4 ; W o l f Niederl. Sagen 670; F F C . 3 7 , 90. M ) R T r a d p o p . 19, 299. 2 1 ) Flora 18 1835, M) 271. S c h u l e n b u r g 268; d e r s . Wertd. Volksth. 162. B e r g e n Animal and Plantlore 120. " ) Kreuterbuch 1532, 168. u ) J b n d S p r . 34, 61 (Bilsdorf b. H a l b e r s t a d t ) ; Z i m m e r m a n n i n Tschirch-Festschrift 1926, 256 (Glottertal i m breisgauischen S c h w a r z w a l d ) ; ebenso in B e l g i e n : R T r a d p o p . 19, 299. 2 *) Z i m m e r m a n n a . a . O . 258. " ) S c h u l l e r u s Pflanzen 374. M ) Corp. Medic. L a t i n o r . 4 (1927), 289; v g l . auch H ö f l e r Botanik 12, w o diese B l u t - B e s p r e c h u n g auf d e n W e g e r i c h ( P l a n t a g o ) bezogen wird. Marzell.

knüpfen s. K n o t e n Spalte 16ff. Knud (Knut, Canutus), Name mehrerer dänischer Fürsten, so K.s des Großen (1018 —35), K . s des Heiligen (1030—86) und K . s mit dem Zunamen Laward (Lord, als Herzog von Schleswig, 1131 ermordet), Bruderssohns K . s des Heiligen, dessen Fest am 10. Juli ist, während K . Laward seinen T a g am 7. Januar hat, dem Tage seiner Ermordung. An diesem Tage wird in Schweden und Norwegen die Weihnacht ausgetrieben, die in ihrem engeren volkstümlichen Festkreis bis Epiphanie (6. Januar, Dreikönigstag) währt, in ihrem kirchlichen freilich in katholischen Ländern bis Maria Lichtmeß (2. Februar)

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dauert. Der unter den nordischen Bauern bis ins 18. Jahrhundert gebräuchliche Runenkalender zeigte den K.stag mit einem abwärtsgewandten Trinkhorn an zum Zeichen, daß das julöl (Jul- oder Weihnachtsfestbier) getrunken sei, oder mit einer Peitsche als Hinweis auf den Brauch des Julaustreibens am K.stage. Auf diesen Brauch, bei dem das Birken reis als kraftspendende Lebensrute eine Rolle spielt, weist auch die Redensart hin: K . kör julen ut. Auch brennt man am K . t a g in der Stube einen Birkenklotz aus. Innere Beziehungen zwischen dem hl. K . und solchen Julbräuchen bestehen nicht, nur äußere infolge des Zusammenfallens des Endes der Julzeit mit seinem Festtage. Zeitweise lag das Julende a m 13. Januar, weshalb dieser T a g Tjugonde (der zwanzigste) K n u t hieß, von Weihnachten an gerechnet. A n B o l l 23 (1904), 370; B u c h b e r g e r Kirchliches Handlexikon 2, 420; D o y 6 Heilige und Selige der röm.-kath. Kirche 1, 6 6 1 ; S c h u b e r t Kirchengeschichte v. Schleswig-Holstein 1 (1907); S a r t o r i Sitte und Brauch 3, 81 (42). Wrede.

Knurrhahn, bei Gesner Redfisch (Trigla hirundo L.). Der K . gehört zu der Familie der Seehähne, die einen sonderbar grunzenden Laut von sich geben, wenn man sie aus dem Wasser nimmt. Daher macht der K . nach der Sage beim Fest der Fischkönigswahl Musik 1 ). B l l P o m . V k . 5, 139.

Hofimann-Krayer.

Kobalt. Die Bergleute glaubten, in den Schächten hause ein kleiner Berggeist, der böse Wetter mache, das Silber heimtückisch raube und verzehre, das E r z verschlechtere und anderes Unheil verursache. Als sie nun Gesteine fanden, die wie Kupfer aussahen, beim Schmelzen aber kein brauchbares Metall ergaben und bösen Giftrauch entwickelten, glaubten sie, das tückische Bergmännchen (der „schwarze Teufel") hätte sie mit unnützem Metall betrogen und das gute Erz verderbt. Sie bezeichneten deshalb das neue Mineral mit dem Namen des Berggeistes „ K o b o l d " oder „ K o b a l t " , das geschmolzene Metall mit dem Namen „ K o baltkuchen" (vgl. Kobaltkies, Speiskobalt,

Kobold

29

Erdkobalt, Kobaltblüte). Diese Bezeichnung findet sich bereits bei Agricola (1546). Die Wichtigkeit des Erzes, vor allem zur Blaufarbebereitung, wurde erst im 17. Jahrhundert erkannt. Seitdem ist die alte deutsche bergmännische Bezeichnung in den Sprachschatz aller europäischen Völker übergegangen 1 ). G r i m m DWb. 5, 1 5 3 7 f . ; B e r g m a n n Deutsch. Wörterb. (1923), 149 s. v . ; K l u g e EtWb. 254 s. v . ; M ü l l e n h o f f Natur 16 f.; J . K e n t m a n n i nomenclaturae rerum fossilium (1565), 74; Q u e n s t e d t 674; B e r g m a n n 295 u. 78 (Das Bergmännlein „Bergkobalt"). Vgl. Nickel. f Olbrich.

Kobold l). Verfehlt scheinen die Versuche, den Ursprung des K.s in einer Einzelerscheinung zu suchen, es handelt sich vielmehr darum, die vielen verschiedenen Vorstellungen zu bestimmen, die im Laufe der Zeit im Begriff K . zusammengefaßt worden sind 2 ). K. ist vor allem ein Gesamtname für die landschaftlich verschiedenen Namen (s. § 2) des Hausgeistes 3 ). K . bedeutet aber im Sprachgebrauch der neueren Überlieferung auch verschiedene, z. T. außerhalb des Hauses sich aufhaltende Neck- 4) und Naturgeister. In Norddeutschland bedeutet K. vorzugsweise eine bes. Art des Hausgeistes nämlich Drache (s. o. Drache II) 5 ), selten auch Alraun 9 ) (s.d.). 1. S p r a c h l i c h e s und G e s c h i c h t l i c h e s . Die wahrscheinlichste Deutung von K . ist die Hildebrands. K. bedeutet „Hauswalter". Der erste Teil ist anord. kofe ags. kofa G e m a c h ,

Kammer

(vgl.

nhd. Schweinekoben), der zweite Teil gehört zu dem Zeitwort „ w a l t e n " . K . i s t d e m a g s . cofgodu,

cofgodas

„penates,

l a r e s " gleichzusetzen 7 ). Eine derartige Zusammensetzung ist auch aus einem deutschen Dialekt bekannt. Im 13. Jh. erwähnt Frater Rudolfus aus Schlesien p e n a t e s , die das Volk stetewalden nennt. Der Name bedeutet „ W a l t e r des P l a t z e s " 8) und entspricht genau dem schwedischen tomte aus tomteräiare. Auch sachlich befriedigt diese Deutung am besten. In den ältesten mhd. Belegen bedeutet K . „ a u s H o l z g e s c h n i t z t e , oder aus Wachs geformte Fig u r e n " •). Aus verschiedenen Gruppen

30

der Überlieferung geht übereinstimmend hervor, daß die Hausgeister der Germanen z. T. Hausgötzen waren: 1. Aus zwei Uberschriften des Indiculus superstitionum (743): de s i m u l a c r i s de p a n n i s f a c t i s und de s i m u l a c r o de consparsa farina10). Aus den altnorwegischen Gesetzen, die den Leuten verboten, Götzen und Altäre im Hause zu haben u ) . 2. Berichte über alten Kult in alter und neuer Überlieferung. Die Fridthjofssaga berichtet, daß man im Hause Götzen mit Butter salbte und am Feuer trocknete. Das geschah noch bis vor kurzem in Norwegen mit götzenartigen Holzfiguren, die dem Hause Glück und Fruchtbarkeit brachten 12 ). Die Vorliebe der K.e für Butter ist vielleicht ein alter Zug, der auf diesen Kult deutet 1 3 ). Nach dem Traktat de d e c e m p r a e c e p t i s des Thomas Ebendorfer (1387—1464) betete man Götzen an und brachte ihnen Opfer dar 1 4 ). Nach Voetius (t 1634) stellte man beim Fest der Bekehrung Pauli einen Strohmann neben den Herd und schmierte ihn mit Butter ein 18 ). In den deutschen Alpenländern ist die Erzählung verbreitet, daß Hirten einen Strohmann namens Hansl, oder einen Holzgötzen, täglich mit Butter füttern; wurde es einmal vergessen, wurde er lebendig, und rächte sich furchtbar 18 ). Vereinzelt wurde alter Kult auf ein hölzernes Christkind übertragen, das alle Weihnachten gewaschen werden und ein reines Hemd bekommen mußte. Vergaß man das, so erhob sich in der Nacht ein fürchterliches Gepolter, das erst aufhörte, wenn der Fehler gutgemacht wurde 17 ). 3. Namen der K.e, die Götze, Puppe, Ding bedeuten (2, A. ff.) 18 ). *) Nordische Überlieferung F e i l b e r g Der Kobold in nordischer Überlieferung, ZfVk. 8, 1 ff. 130 ff. 264 fl.; F e i l b e r g Nissens historie, Danmarks Fcükeminder 18, mit zahlreichen slavischen, englischen, französischen Parallelen; Norwegisch: K j e t i l A. F i a t i n Tussar og Trolldom. Oslo 1930 (Norsk Folkminnelag 21); Provenzalische Überlieferung: M a a s Mistral 1 4 f f . ; H o l m b e r g Religion der Tscheremissen 44 f. 51, FFC. 61; W e i s e r Germanische Hausgeister und Kobolde N d Z f V k . 4, 1 ff. ») N d Z f V k . 4, 1. s ) D W b . s. v. 4 ) Z. B. N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 22; lebt in der Wildnis K u h n West-

Kobold

3i falen Nr. 150.

' ) Z. B. R a n k e Sagen 168 fi.

32

ruhenden Einzelheiten her. Eine Reihe von Eigenschaften, z. T . das Äußere, K l u g e EtWb. s. v . ; H e l m Religgesch. 1, 31; G o l t h e r Mythologie 141; Mogk Mythologie 292; haben K.e mit kretinhaften Kindern g e Ranke Sagen 159. Andere Etymologien: K. aus meinsam, manchmal werden Kretins für griechisch xoßaXot DWb. s. v. III; Grimm Myth. K.e gehalten 2 7 ). Das zeigt sich z. T . 416; F a l k und T o r p s. v.; G ü n t e r t Kalypso in Namen, die teils zur unter A behandel76; Schröder Streckformen (1906) betrachtet ten Gruppe gehören: B u t z wird auch ein K. als Streckform einer Wurzel hold, kolt, kolz, „ p o l t e r n " ; K . = „Polterchen". verbutzelter d. h. verwachsener, kleiner, e ) K l a p p e r Schlesien 36. •) G r i m m Mylh. schließlich blöder, stumpfsinniger Mensch 1, 4148.; 3, 145. 10 ) Ebd. 3, 404. u ) WS. 1, 39. genannt, norwegisch tosse, tusse 28 ); pus") Berge Husgudar iöfl. » ) NdZfVk. 4, 13; o. ling, schwedisch pysling „Knirps" „ K . " Butter § I. ")ZfVk. 12, 5. ") Grimm Myth. !> 5 1 - i e ) J a h n Opfergebräuche 259; A l p e n - dazu schweizerisch Pfosi in derselben b u r g Alpensagen 62 f. 1 7 ) S o m m e r Sagen 38 Bedeutung 2 9 ), Schratt, Schratte 3 0 ). GeNr. 33. « ) NdZfVk. 4, 10 fi.; L i p p e r t Christenmeinsame Namen für Kretin und K . sind tum 450 f. ferner: Alb, Drut, Elbentrötsch, Tatter2. N a m e n . Aus der Unzahl land- mann usw. schaftlich verschiedener K.namen seien C. N a m e n , d i e s i c h a u f d a s A u s die wichtigsten Beispiele nach Gruppen s e h e n b e z i e h e n : a) nach dem A n z u g : geordnet angegeben: Hütchen 31 ), Timpehut, Langhut 32 ), HopA) Namen, die auf Fetischpuppen hin- fen, Eisenhütel 33 ), Rotmützchen 34 ), Helleweisen 19 ). Hierher gehört wahrscheinlich keplein 35 ). Rotjackiger 36 ), roter 37 )„ das ostmd. Wort Gütel (s. d.), ein Demi- grüner 3 8 ) Junge, b) nach ihrer Tiernutivum von Gott 20 ). Putz, Pütz, Pitz, gestalt: Bes. Katernamen: Hinz, HinzelButz, Butzemann; Grundbedeutung von mann, Heinz, Kunz, Veit, Katzenveit, Butz ist „Baumstrunk" (s. o. Butz) 21 ). Bullerkater 3»), Satzigkater, Satzigziege 40 ), Rawuzl, Wuzel mit der Bedeutung läng- Ekerken 41 ) (Eichhörnchen), roter Hahn 42 ). liches Wergbündel M ). Doggeli, Poppele, D. N a m e n , d i e s i c h a u f E i g e n Pöpl, Popelmann; Docke, das deutsche s c h a f t e n b e z i e h e n : Anord. ärmäpr, Wort für frz. pouppö, bedeutet wie poupp6 „ P e r s o n , die i m D i e n s t e einer „Holzstück, Flachsbündel" 23 ). Die nord. anderen steht und für diese alle K.e, vor allem die schwedische bära, erAngelegenheiten für Haus und scheint als Garnknäul, Strohhalm, Spindel. H o f zu b e s o r g e n h a t " 4 3 ) . Ostdt. Solche Dinge kann man auch durch Bestetewalden (s. o. § 1 ) , K n e c h t c h e n , schwörung in dienstbare Geister verF u t t e r m ä n n c h e n 4 4 ) , norweg. gdrdsM wandeln ). Schließlich ist noch das vord" „ B e s c hützer, Pfleger des german. Wort „wicht", das häufig für H o f e s " , W e r t l a (Wirtlein")). Nach K . gebraucht wird, ein derartiger Name. Wicht bedeutet ursprünglich „ W e s e n , ihrer Eigenschaft als Poltergeister heißen sie Klopfer (s. d.), Hämmerlein 4 8 ), S a c h e " 2S). Ein solcher Name ist einerKlocker (klocken = klopfen) 47 ), Bullerseits ein Tabuname wie afrz. m a l e s c h o s e s . m l a t . b o n a e res, dt. „ D i n g e r " mann **), Schlurkerle, weil man ihre 49 oder „ b ö s e D i n g e r " für K.e. Anderer- Füße am Boden schlurfen hört ). Nach der Lieblingsspeise, einer Schüssel mit seits scheinen gerade harmlose GegenMilch,Beckli (Milchnapf) 50), Napfhans 6 1 ). stände durch irgend einen Zufall bösen E. K o s e n a m e n : Kosenamen sind sehr Willen oder unerwartete Macht zu äußern und werden so zu Bösewichtern, K.n verbreitet, sie sind einerseits Tabunamen, (s. § 1. 11). Es handelt sich um eine völlig hannlos und ungefährlich ist der K . doch nie S2), andererseits drücken sie Personifikation der „Tücke des Obdas trauliche Verhältnis zwischen Mensch jektes" 2«). und K . aus: Hänschen 82), Chimmeken M ) , B. K r e t i n n a m e n . Neben derartigen Chim (Joachim), Wolterken (Walter) M ) , Personifikationen geht im Volksdenken Jockel 6 5 ), Joggeli 6 8 ), Niggeli 6 7 ), nord. ein Drang nach auf Beobachtung beNiss, lille Nils (letztere aus dem Platt4)

Kuhn u. Schwartz 420f. »)DWb. a. a. O.;

Kobold

33

deutschen entlehnte) Koseformen von Nikolaus 68). Guter Johann 59). F. M e n s c h l i c h e R u f n a m e n : Peter Holl, Hollepeter 60 ), Hannpeiter 41 ), Andreas, Marten, Eitel 6 2 ). G. T e u f e l s n a m e n (s. u. § 10): Steppchen 63), Steppken M ), Jackerl 8S ), Puck (s. Anm. 29). H. L i t e r a r i s c h e N a m e n : Gesamtname, Hausgeist (s. d.) 6 S ), Heinzelmännchen, das erst durch Kopisch's Gedicht allgemein bekannt wurde 68 ). I. N a m e n d e s D r a c h e n : Alf 8 7 ), Alber (s. Drache II), Drak 88), Rodjakte 8 9 ), gliande Schab oder Schabbok 7 0 ), Alrun 71 ), Tragerl 72 ), Herbrand, Lang-, Kortschwanz, Schlingsteert 73). K. V e r s c h i e d e n e N a m e n : Mönch 74), Herdmannl n ), Schrackagerl 78 ) usw. 1») NdZfVk. 4, 10f. 20 ) K l u g e EtWb. s. v. ) IF. 16, 154 ff.; F a l k - T o r p s. v. bul. 2 ä ) L i p p e r t Christentum 450. 23) F a l k -Torp 21

s. v.

dukke.

24

) Grimm

Myth.

3,

315.

) F a l k - T o r p s. v. vätte. 2«) NdZfVk. 4, 10. " ) ZfdPh. (hs. v. Ernst Höpfner) 3, 331 ff. 2S 28

) F a l k - T o r p s. v. tusse. *•) E b d . s. v. pusling;

Grundbedeutung dick, geschwollen; vgl. den K.namen Puck, Grundbedeutung: etwas Geschwollenes,Buckeliges, „ K o b o l d , T e u f e l " ; F a l k - T o r p s. v. Fuge. 3 0 ) Anord. shratti Zauberer, ahd., skraz W a l d t e u f e l , K. bayr. schrätz „ e i n im W a c h s t u m z u r ü c k g e b l i e bener M e n s c h " F a l k - T o r p s. v. skrante. S l ) Grimm Sagen 1 Nr. 75. 3») NdZfVk. 4, 2. M ) Grimm Myth. 1, 420. 3 4 ) S i m r o c k Mythologie 453. 3 S ) K l u g e EtWb. 211. 3«) K u h n Mark. Sagen 42 Nr. 43; 55 Nr. 57. 3 ' ) A n d r e e Braunschweig 389. 3 8 ) W o l f Beiträge 2, 332. 3

») NdZfVk. 4, 3. 4 0 ) K ü h n a u Sagen 2, 58. ) G r i m m Sagen 1 Nr. 79. 4 a ) E n g e l i e n n . L a h n

41

1, 77. 1 3 ) F r i t z n e r Ordbog over det gamle norske sprog s. v . E i s e l Voigtland 54 Nr. 122. 4 5 )

Vgl. norw. gärdsbonde = Hausherr. " ) DWb. s. v. « ) H e y l Tirol 586 Nr. 106. 4 S ) R o c h holz Sagen 1, 285 f. 4 9 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 57- t 0 ) R o c h h o l z Sagen 1, 285. 6 1 ) G r i m m Myth. 1, 422. 3, 147. Vgl. Name wie Tückbold. K u h n Mark. Sagen 372.

Nr. 30; 34 Nr. 31. Volksk.

79.

M

)

M

t2

) S o m m e r Sagen 33

) L a u f f e r Niederdeutsche

Müllenhoff

Sagen

318;

Grimm Myth. 1, 417. 422. " ) Schwäbisch. M ) R o c h h o l z Sagen 1, 285. " ) Ebd. 1, 294. " ) Auch der verbreitete Dämonennamen Nickel scheint zu Nikolaus zu gehören. Nach G ü n t e r t Kalypso 124 hängt Nickel mit den heidnischen Neck, Nix, Nickelmann anord. nikr zusammen und wurde bei der Christianisierung bewußt dem Schutzheiligen mit anklingendem Namen gleichgesetzt. »•) M ü l l e n h o f f Sagen 323 Nr. 436. , 0 ) M a n n h a r d t Gern». Mythen 261 (andere B a c h t o l d - S t i u b l i . Aberglaube V

34

Deutung). 8 1 ) NdZfVk. 4, 9. , a ) W o l f Beiträge 2. 345- 334- , 3 ) S o m m e r Sagen 33 Nr. 30; ZfVk. 12, 66. M ) Grimm Myth. 2, 838; 3, 146. 296. •*) S c h ö n w e r t h 1, 372 Nr. 3. Vgl. slawisch: G r o h m a n n Aberglaube 16 Nr. 74. •') K l u g e EtWb. 2ii. •') ZfVk. 1, 79. «>) Ebd. 2, 78. •*) Ebd. 1, 79. 7 0 ) G e r a m b Steiermark 54. 7 1 ) s. d.; S t r a c k e r j a n 1, 484 Nr. 254. M ) V e r n a l e k e n Mythen 260 f. ra) Sartori Westfalen 63.

76

74

) S o m m e r Sagen 35 N i . 32. 72.

) ZfVk. 18, 183.

7

«) G r o h m a n n 16.

3. U r s p r u n g des K.es. Neben den Namen zeigen die zahllosen Uberlieferungen über den K., daß sich schon in alter Zeit Verehrung von Hausgötzen, Gerätfetischismus, zufällige Personifikationen, Glaube an verschiedene Naturwesen, Wald- und Feldgeister, an Totenund Ahnengeister untrennbar vermischt haben. Daraus erklären sich die bes. widerspruchsvollen Überlieferungen über den K . Seit dem 13. Jh. ist wohl kein wesentlicher Zug mehr zur K.Vorstellung hinzugekommen. Eine genaue Abgrenzung gegen verwandte Gestalten ist unmöglich 77 ). A) Bes. deutlich ist die Herkunft von dem Wesen, das über den Bauplatz waltet stetewalden-tomterddaren

(o.

1)

und

von

anderen Naturgeistern. Vgl. Butz, es gibt Haus-, Tobel-, Alp-, Wald-Bütze (Vgl. Hausbau 1). Ein Bergwichtel legte einst in der Mittagspause den schweren Grundstein eines Hauses, mit dem sich die Arbeiter umsonst geplagt hatten. Später wurde er in dem Hause Hausgeist 78 ). a) W a l d g e i s t e r a l s H a u s g e i s t . Waldweiblein 79), Holzweibel, Holzfräulein 80), Waldmännchen 81 ), wilder Mann, Fanggen 82), wilder Küher, Geißler 83). b) B a u m g e i s t e r 84). Vgl. die grüne Kleidung u. 4a. Der K. kommt mit dem ersten Balken ins Haus 85 ), wohnt im Schutzbaum M ). c) K o r n g e i s t e r 87). K . schenkt ein nie weniger werdendes Brot 8 8 ). Brote aus dem letzten Teig heißen Wirt, Gotzleibel, Gotzkuchen, solange es im Hause ist, gibts keine Not 8 9 ). In Skandinavien wird die letzte Garbe zu Weihnachten im Hause wie ein Hausgötze verehrt 90 ). Die erwähnten norwegischen Hausgötzen „Fakser" sind vielleicht mit der letzten Garbe identisch 91 ). Korndämonen überwintern im Hause 92). d) S a l i g e , s e l i g e 2

35

Kobold

Fräulein» 3 ), Nachtfrauen94), e) Erdmännchen* 5 ). f) B e r g m ä n n c h e n M ). g) Zwerge u. K. sind nahe verwandt 97 ). B) T o t e , Seelen. Der K. ist ein im Hause Verstorbener98), Ermordeter") und nahe verwandt mit Gespenstern und Spukgeistern, Poltergeistern100), die Seele eines ungetauften Kindes 101 ), eine Kinderseele loa ), überhaupt eine Seele10S). Dagegen wird auch ausdrücklich gesagt, den Hausgeist verwechselt niemand mit einem Gespenst oder einer armen Seele 101 ), vgl. u. 10. C) F e u e r g e i s t oder Herdgeist 10S). In Schwaben leben die K.e im Feuer 106 ), vgl. Feuer, Herd. Meist sind Gerätfetischismus (Herd, Herdgeräte), Ahnenkult am Herde und Feuerkult zusammengeflossen 107). D) K.Drache. Eine Verschmelzung von Meteor-, Teufel- und Seelenglauben108) (s. Drache II). E) Legende. Die K.e stammen von den mit Lucifer zusammen gestürzten Engeln, die nicht alle in die Hölle kamen, sondern z. T. auf die Erde fielen109). 7 7 ) NdZfVk. 4, 1—18; L a n d t m a n n Folkloristiska och etnografiska Studier 3, 1 ff. 78 ) A l p e n b u r g Tirol 112. ™) W i t z s c h e l Thüringen 1, 213 Nr. 212. 80) S c h ö n w e r t h 2, 36öS. 379. 81 ) G r i m m Myth. 1, 453. Parallelen Skandinavien, Griechenland: F e i l b e r g 7 f. 82 ) M a n n h a r d t 1, 90. 83 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 211; V o n b u n Beiträge 50; H e y l Tirol 23; R o c h h o l z Sagen 1, 319. 84) M a n n h a r d t 1, 64; R a n k e Sagen 177. M ) K r o h n 86) M a n n h a r d t Skandinavisk Mytologi 38. 87 ) Ebd. 2, 172 1, 44. fi. 88) Ebd. Stuttgarter Huzelmännle. 89) H ö f l e r Allerseelengebäcke, Ergänzungsheft 13 zur ZföVk. , 0 ) M ) Nils K r o h n Skandinavisk Mytologi 35. L i d Joleband og vegetationsguddom 161—165. 168. Skrifter utgitt av det norske videnskaps-akademi i Oslo 1928 2. Bd. i 2 ) M a n n h a r d t x, 81. « ) Ebd. 1, 100; H e y l Tirol 168. **) V e r n a l e k e n Alpensagen 231. 203 96 Nr. 148. ) Z. B. M e i c h e Sagen 300 Nr. 389. H ) Z. B. N i d e r b e r g e r XJnterwalden 1, 22; s. o. 1, 1080. 97 ) R a n k e Sagen 159; H e y l Tirol 228 Nr. 40; H e r z o g Schweizersagen 1, 163 f.; F e i l b e r g 8 f . ; L a n d t m a n n Etnografiska och etnologiska studier 3, 13 f. S8) Meier Schwaben 1, 266; ZfdMyth. 3, 68; Urquell 4, 83; R o c h h o l z Sagen 1, 294. Bei den Schweden Finnlands soll der, der das Haus erbaut oder als erster Feuer darin angezündet hat, der Hausk. werden. L a n d t m a n n Etnografiska och etnologiska studier 3, 380. '•) G r i m m Sagen 1 Nr. 72. 10°) Z. B. B a r t s c h Mecklenburg 1, 168.

36

101)

K ö h l e r Voigtland 476 Nr. 50; K ü h n a u Brot 42. 102) R a n k e Sagen 160.285. 103) M a n n h a r d t Germ. Mythen 719 f. 104 ) R o c h h o l z Sagen 1, 285. 1 M ) A. K u h n sah alle K.e als ursprüngliche Feuergeister an, und die Verehrung des Herdfeuers als Grund ihrer Verehrung: G r i m m Myth. 2, 756 Anm. 1. Vgl. Wolf Beiträge 2, 238. Nur vereinzelte Überlieferungen deuten darauf hin, daß der K. als Feuergeist aufgefaßt wird. 106) S a r t o r i Sitte 2, 22. 107 ) NdZfVk. 4, 15; MAG. 56, i f f . ; L a n d t m a n n Etnografiska och etnologiska studier 3, 17 f. 19. 108) G e r a m b Blätter zur Heimatkunde 2 Nr. 2/4, 9 ff. (Hsg. vom Historischen Verein für Steiermark); U n o H o l m b e r g Bjärans klotform, en komparativ Studie, 1927. Vgl. OdZfVk. 3, 64. 14*) A l p e n b u r g Tirol 144; V o n b u n Sagen 50; F e i l b e r g 24. 97.

4. Aussehen. K.e verwandeln sich in Tiere, Gegenstände und Feuer 110 ). Oft heißt es, den K. habe niemand gesehen 1 U ), er lasse sich nicht gerne sehen, a) In M e n s c h e n g e s t a l t : Man kann nur die Hand des K.s sehen oder fühlen 118 ). Die Hand ist wie eine Kinderhand aber kalt und leblos, das unsichtbare Gesicht fühlt sich an wie ein fleischloses Totengerippe 113). Auf Dringen der Magd zeigt er sich als einjähriges nacktes Kind, dem zwei Messer kreuzweise im Herzen stecken 1 U ). Kinder 116 ), Sonntagskinder 116 ) sehen de® K., Kranken erscheint er zuweilen bei Vollmondschein 117 ). Der K. ist klein 118 ), hat dieG estalt eines kleinen (1-, i1/,-, 3- 119), 4jährigen)120) Kindes mit buntem Röcklein, ist faustgroß 121 ). Einige meinen, er hätte ein Messer im Rücken oder sonst eine „Mißgestaltung" 120). Er hat einen alten 122 ) (großen)123) Kopf, lange Arme, kleine helle, kluge 124 ) (kurios glotzende125), funkelnde, feurige)126) Augen. Er hat die dünne Stimme eines schreienden Kindes 127 ), eine angenehme Stimme128). Kindern zeigt er sich mitunter als schönes Kind mit langem, krausem Haar und rotem Röckchen129) oder mit rotem Samtröckchen und Perlenstiefelchen 1S0). Die Farbe des K.s ist schwarz oder grau 131 ). Er sieht aus wie ein altes (graues132), rotes 133 )) Männchen mit vielen Runzeln (verschrunzelt wie die Rinde eines Baumes)134), aber nicht fürchterlich von Angesicht, mit kurzem, krausem Haar 135 ). Er ist ein kleines Männchen mit blauen Hosen 136 ). Oft werden

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Kobold

die Kleider beschrieben : E r trägt die altfränkische Tracht der Bauern und Schützen. Er hat rote Strümpfe, lange graue oder grüne (rote) Jacke 1 3 7 ), ein grünes Kleid 1 3 8 ), einen engen grünen Rock 1 3 8 ). Er hat eine weiße Zipfelmütze, weiße Strümpfe mit Schnallenschuhen und eine Pfeife im Mund 140 ). Der K. trägt ein Schellenkleid 1 4 1 ) (s. Anm. 223). Alle K.e haben eine Mütze oder einen Hut, der sie unsichtbar macht 142 ). Oft wird die Kopfbedeckung besonders genannt : ein kleiner Filzhut 143 ), eine rote spitze Mütze 144 ) (s. o. 2 e). Er hat weiche Pantoffeln 14S ). Der K . sieht aus wie ein Mönch 148 ). Er hat aber auch eine scheußliche Gestalt 147 ). Sein großer Kopf mit stark vorspringender Nase saß tief zwischen den Schultern, an denen lange dünne Arme hingen. Die Beine waren säbelförmig gebogen und schienen zu schwach, den plumpen Körper tragen zu können. Das struppige, rote Haar bedeckte beinahe ganz die grauen kleinen Augen 148 ). b) als T i e r : Der K. erscheint als alter grauer Kater 1 4 9 ). Im Bett des Hinzelmanns fand man einen Abdruck wie von einer großen Katze 150 ), er zeigte sich auch als Wiesel und Schlange 1B1 ). Sehr oft hat der K. die Gestalt von Schlangen, Hausottem 152 ), Kröten oder Unken 1 8 3 ), weiter erscheint er als Ziegenbock 154 ), Kalb, Dohle 155 ), Huhn 15 «), roter und schwarzer Vogel 157 ), als Fisch 158 ), dreibeiniger Hase 159 ), Käfer 160 ), Hummel m ). c) A l s G e g e n s t a n d : als Feder 182 ), Topfscherbe 183 ) usw. (s. o. 2 a). no) R a n k e 1U) Sagen 162. Birlinger Schwaben 1, 342; Volksth. 1,48. 57. U 2 ) Grimm Sagen 1, 95. 99. 1 1 3 ) Ebd. 1, 95. 111 ) Ebd. 1, 96. Etwas anders in L u t h e r s Tischreden Ed. Aurifaber 421 a. 1 1 5 ) Grimm Sagen 1, 96; A l p e n b u r g Tirol 101. "•) Möllenhoff Sagen 327 Nr. 432. u ' ) K ü h n a u Sagen 2, 450. i l 8 ) Helm Religgesch. 1, 31. «») Müllenhoff 1 2 0 ) Grimm Sagen 319. Sagen 1, 78. U l ) L ü t o l f Sagen 54. 1 2 2 ) Alpenburg Tirol lM) 101 ; NdZfVk. 4. 10. Müllenhoff Sagen 319. 1 2 4 ) H e y l Tirol 586 Nr. 106. l 2 S ) S o m m e r Sagen 29 Nr. 25. 1 M ) W o l f Beiträge 2> 333- 12T ) R o c h h o l z Sagen 1, 345. 1 2 > ) Grimm Sagen 1, 89. m ) E b d . 1, 97. 1 3 0 ) W o l f m ) Sagen 48. B i r l i n g e r Volksth. 1, 55.

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) ZfVk. 1 9 1 1 , 286. 1 3 3 ) Urquell 3, 316. 1 M ) las) W o l f Beiträge 2, 332 f. (Belgien). B a r t s c h Mecklenburg 1, 66 f. 1 3 < ) R e i s e r Allgäu i , 162. m ) Müllenhoff Sagen 319. 13>) W o l f Beiträge 2, 232; M a n n h a r d t 1, 64. 14B 1 3 9 ) S o m m e r Sagen 29 Nr. 25; 31 Nr. 26. ) Meier Schwaben 1, 266. l 4 1 ) Grimm Myth. 424; Grimm deutet Beziehungen zwischen K. und Hofnarren an, vgl. dazu L ü t j e n s Zwerg 50. 60. 1 4 a ) G r i m m Myth. 1,423: W. 43 §47. l 4 3 ) Grimm Sagen 1, 80. 1 4 4 ) Müllenhoff Sagen 319; W o l f Beiträge 2, 333. 1 4 S ) Müllenhoff Sagen 319. 1 4 e ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 53; S o m m e r Sagen 35. 37 ff. Nr. 32 ff. " ' ) Müllen148) V e r n a l e k e n hoff Sagen 319. Mythen 236. Auch der Drache erscheint im Hause als kleiner Knabe mit roter Mütze: R a n k e Sagen 162. Außerdeutsch, Nordisch: Der K. ist grün gekleidet, wie ein Bauer der entsprechenden Landschaft. Oder er ist behaart, hat vier behaarte Finger, keinen Daumen, ein behaartes Gesicht. Daneben gibt es auch K.e, die sehr groß sind und ein Auge in der Mitte der Stirn haben: F e i l b e r g 36f. l 4 *) E n g e l i e n und L a h n 1, 22; K u h n Märk. Sagen 138 Nr. 128. Grimm Sagen 1, 86. l t l ) Ebd. 88. 1 5 , ) H y l t ¿ n - C a v a l l i u s 2 Nachtrag X X X I V . l u ) L i p p e r t Christentum 502; L i e b r e c h t Zur Volksk. 333; L a u b e Teplitz 51. l M ) M a n n h a r d t 2, 172 f. 175 f.; K u h n Märk. Sagen 191 f. 1 M ) K ü h n a u Sagen 2,45. 1 M ) R a n k e Sagen 162.166. " ' ) K u h n Märk. Sagen 193 Nr. 181. "») W o l f Beiträge i , 140; K u h n u. S c h w a r t z 83, 479; B o l t e - P o l i v k a 1, 147. "•) K u h n Märk. Sagen 55. l e 0 ) S o m m e r Sagen 34 Nr. 3 1 ; W1) S o m m e r Meiche Sagen 299 Nr. 388. Sagen 33 Nr. 30. 1 M ) Grimm Sagen 1 Nr. 76. 1 M ) M ü l l e n h o f f Sagen 382. ,M

5. G e s c h l e c h t : Der K. wird oft als männlich oder geschlechtslos vorgestellt 184 ). Manchmal versucht er die Heirat seiner Herrin zu verhindern und verschwindet, wenn der Geistliche bei der Trauung das Amen ausspricht 185 ). Hinzelmann verhinderte die Heirat seiner beiden Herrinnen, doch erzählte er, daß er selbst eine Frau namens Hille Bingels habe 188 ). Der nordische K. ist mitunter weiblich 167 ), aber fast immer handelt es sich bei solchen Angaben um ursprüngliche Wald- oder Wassergeister, wie in der deutschen Überlieferung bei Holzweiblein, seligen Frauen usw. In Schleswig erzählt man vom Hochzeitszug der Pucke 168 ). 1 M ) G r i m m Myth. 1, 4 1 3 ; W o l f Beiträge 2, 333. l M ) W o l f Sagen 49. "•) G r i m m Sagen 1, 84. 1 W ) Etnografiska och etnologiska Studier 3, 36. 41. 1 M ) M ü l l e n h o f f Sagen 327 Nr. 432.

6. A u f e n t h a l t : Der K. ist gerne im 2»

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Haus, beim Ofen und Herd 169 ), im Aschenloch des Herdes 170 ), auf dem Herd 1 7 1 ) (s. Herd 6), im Schornstein172), in einem eigenen kleinen Zimmer 17S ), in der Bodenkammer, in abgelegenen Winkeln 174 ), an heimlichen Stellen im Dachgebälk 17S ), in der Giebellucke, in einem Loch in der Wand 176 ), auf dem Boden 177 ), im Keller 178 ), im Holzschuppen m ), in einer kleinen Lade 18 °), in Schränken, Tonnen 181 ), Kasten 182 ), in den Lucken des Kirchturmes 183 ), besonders in Mühlen 1 M ).

169 ) Vonbun Beiträge 59. 1 7 °) Alpenburg Mythen 9. m ) Sommer Sagen 27. m ) Wolf Beiträge 2, 334. 1 7 3 ) Grimm Sagen 1 Nr. 76. 174 ) Kühnau Sagen 2, 45. 1 7 5 ) L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 75; Reiser Allgäu 1, 162. " • ) Möllenhoff Sagen 318 ff. 332. » ' ) ZfVk. 21, 286. 1 7 8 ) Vgl. Kellermännchen Grimm Sagen 1 Nr. 40; Witzschel Thüringen 1, 210 Nr. 209; 245 Nr. 250. 1 " ) Kühnau Sagen 2, 45. 18 °) Sommer Sagen 26 Nr. 22. 1 8 1 ) Wolf Beiträge 2, 335. 18a ) Möllenhoff Sagen 322 f. 183 ) Kuhn Mark. Sagen 159 Nr. 151. Im Norden hält sich der K. an denselben Stellen auf, außerdem auch oft in einem großen Stein in der Nähe des Hauses und im Schutzbaume des Gehöftes: NdZfVk. 4, 3; Schutzbaum, vgl. Mannhardt 1, 44 (deutsche Parallele( ?)). 51 f. 59 f. Im Norden werden öfters Kirchennisser erwähnt Feilberg 101. 184 ) Z. B. Grimm Sagen 1 Nr. 74.

7. Wesen und E i g e n s c h a f t e n : a) Allgemeines: Der K. kann sich in alles verwandeln186), s. 4. E r ist reizbar und unzuverlässig, witzig und rührig, nur selten wird er als durchaus gutartig geschildert 18S ). E r ist sehr empfindlich, verträgt das Fluchen 187 ), Spotten, rauhe Rede 188 ), Kecken und Befehlen 189 ) nicht, ist sehr rachsüchtig (s. e), auch boshaft 190 ). E r weiß mehr als Menschen191), gibt gute Ratschläge 192 ), entdeckt Diebe 19S ), kündet Tod 1 9 4 ) und Unheil an 1 9 5 ), ist ein untrüglicher Wetterprophet196). E r spielt mit Kindern 197 ), b) Helfer des Menschen 198 ):s. Hausgeist, Drache 2. Einige Einzelzüge seien hervorgehoben. Er hat eine besondere Vorliebe für Pferde 199 ). In der Schweiz und im Norden flicht er Zöpfe in die Mähne der Pferde, die man nicht auflösen darf 200). Er hat für bestimmte Stücke des Viehes seine Vorliebe oder Abneigung; er haßt z. B. Schimmel201). E r macht den Bauer

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reich (allg.) 202). Soll der K. eine bestimmte Arbeit verrichten, muß man bisweilen vor sich hinsagen: Nicht zu viel und nicht zu wenig. Vergißt man es, so wird z. B. das ganze Heu vom Boden heruntergeschafft 203 ). c) K i n d e r schreck 204). d) S c h a b e r n a k : Wird der K. geärgert oder vernachlässigt 20S ), so spielt er mehr oder minder harmlose Possen 206), oft auch ohne gereizt zu werden m ) . Er bindet Pferde und Kühe los; hängt die Kühe so nahe aneinander, daß man sie nur mit Mühe auseinander bringt (allg.) 208). Er treibt Unfug 209 ), plagt die Mägde 210 ), richtet Schaden an ohne zu helfen 211 ). K.e stehlen und geraten dabei untereinander in Streit 212 ). E r lärmt und poltert, ist oft nicht genau von Poltergeistern zu unterscheiden 21S ). e) R a c h e : Gefährlich ist seine Rache: er zündet das Haus an 2 1 4 ), hackt den Küchenjungen in Stücke und kocht ihn 2 1 S ), reitet Pferde in die Mistgrube816), tötet die beste Kuh 217 ), verursacht Krankheit und Tod 218 ), wer ihm nachstellt wird krank 219 )„ legt den schlafenden Knecht über den offenen Brunnen 220), peinigt die, die sein Essen verzehrt haben 221 ). f) L a chen: Vor Freude über einen gelungenen Streich lacht der K. laut und lange 222 ) (allg.). Vgl. die Metallnamen Kobalt und Nickel, die man, weil sie nutzlos waren, als Erzeugnisse von boshaften K . ansah 222a ). 18S ) Lötolf Sagen 54. " « ) Z. B. B i r l i n g e r Volksth. 1, 57. 1 8 7 ) Bartsch Mecklenburg 1, 68; Grohmann 16. 188 ) Ranke Sagen 167. 168, hockt dem Nachahmer auf; Kuhn Westfalen 18 1, 146 Nr. 1 5 ö S . ') Strackerj an 1, 484; W. 44 § 47. " " ) H e y l Tirol 470 Nr. 34. Vgl. NdZfVk. 4, 17. Weiß, wo Sachen vergraben sind, Kuhn Westfalen 1, 371 Nr. 416. m ) Grimm Sagen x Nr. 75. 76 bringt Verlorenes wieder: Kuhn Westfalen 1, 307 193 1M Nr. 346. ) ZfVk. 2, 80. ) Grimm Myth. 1, 418; 3, 146; Rochholz Sagen 2, 199; Kühnau Sagen 2, 176 Nr. 806; Meyer Germ. Myth. 69. 1 9 i ) Köhler Voigtland 534. »») Rochholz Sagen 1, 294. 379. Das Erscheinen eines K.s namens Wettermandl bringt Regen: SchweizId. 4, 287. 197 ) Grimm Sagen 1, 97; Mannhardt German. Mythen 308. 198 ) Bräuner Curiositaeten 279f.; Kuhn u. Schwartz 15f.; RocKholz Kinderlied 346; ZfVk. 2,79 416; K ü h n a u Sagen 2, 45. 199 ) ZfVk. 12, 18f.; ZfdMyth. 1, 263 f. 200) ZfVk. 12, 18; Feilberg 95. Vorliebe

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201 ) für bes. Tiere, Rassen, Farben. Kuhn Mark. Sagen 1 0 3 Nr. 9 8 . Will nichts mit Schafen 202 zu tun haben: F e i l b e r g 4 5 . ) Z. B. K u h n Mark. Sagen 8 4 f.; W o l f Beiträge 2 , 3 3 6 . 203 ) M e i e r Schwaben 1, 7 6 ; R o c h h o l z Sagen 1, 2 8 5 . 2 M ) M a n n h a r d t 2 , 1 7 1 ff.; L i p p e r t Christentum 4 5 0 ; Schweizld. 4 , 2 6 7 , Logerermandl; K ü h n a u Sagen 2, 5 8 . 206) R a n k e Sagen 1 6 1 . 2 M ) Urquell 4 , 2 0 4 . S07 ) W o l f Beiträge 2 , 3 4 4 ; B i r l i n g e r Volksth. 1, 4 8 . 20») Z. B. H e y l Tirol 2 6 Nr. 2 8 ; NdZfVk. 8 , 2 6 4 . 209 ) E i s e l Voigtland 5 1 Nr. 1 1 7 ; W o l f Beiträge 2 , 3 4 4 ; K u h n u. S c h w a r t z 8 1 f. Nr. I, 2 . 21 °) H e y l Tirol 2 2 5 f. Nr. 3 6 ; E i s e l Voigtland 5 2 Nr. 1 1 7 . 2 1 1 ) G r i m m Myth. 1, 4 1 8 ; R o c h h o l z Sagen 1, 2 9 5 ; R e i s e r Allgäu 1, 3 3 0 ; Kühnau Sagen x, 1 0 8 ; S A V k . 11, 1 3 6 f. 2 1 2 ) M ü l l e n h o f f Sagen 3 3 1 Nr. 1, 3 2 5 ; prügeln sich untereinander 3 3 7 Nr. 1. 2 l 3 ) K u h n Mark. Sagen 4 2 Nr. 4 3 ; 5 5 Nr. 5 7 ; ZfVk. 2 , 4 1 6 . 2 1 4 ) K u h n Mark. Sagen 4 2 Nr. 4 3 ; 5 5 Nr. 5 7 . 215 ) L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 7 9 (Jahr 1325). " • ) R o c h h o l z Sagen 1, 3 7 0 ; K u h n Mark. Sagen Nr. 4 8 . 2 " ) Z f V k . 2 , 4 4 ; M ü l l e n h o f f Sagen Nr. 4 3 8 . 218 ) E n g e l i e n und L a h n x, 7 5 . 2 " ) H e y l Tirol 5 8 6 Nr. 1 0 6 . 220 ) M ü l l e n h o f f Sagen 2 3 2 . 2 2 1 ) G r i m m Sagen 1 Nr. 7 4 ; V e r n a l e k e n Mythen 2 3 5 . 22a ) G r i m m Myth. 1, 4 1 4 . 4 2 4 ; DWb. s. K . ; B i r l i n g e r Volksth. 1, 4 7 f. 222a ) F a l k - T o r p s. v .

8. Opfer (s. 1): a) Der K. muß für seine Dienste entschädigt werden. Er bekommt täglich ein Schüsselchen mit Milch, jedes Neujahr ein neues Zwilchkleid In Tirol gab ein Bauer dem Nörglein ein rotes Kleid, es hätte ein grünes oder graues haben sollen, das rote vertreibt es 224). Regelmäßig bekam der hölzerne Hausgeist in Norwegen am Julabend ein Stück Stoff und eine Schere auf den Tisch gelegt, damit er sich Zeug zu einem neuen Rock abschneiden könnte 225 ). Vgl. das Christkind, das alle Weihnachten ein reines Hemd haben mußte (o. 1 Anm. 17). Nach zwei alten Quellen opferte man den K.n Spielsachen, Schuhe, Pfeile und Bogen 286). Meist wird nur von einem Speiseopfer berichtet: Man muß dem K. täglich Milch, Grütze, Butter 227), Milch und Semmel geben, für ihn mitdecken, einen Teller hinstellen und sagen: iß mit 229). Sie müssen ein Speiseopfer an allen Donnerstagen 230), an den hohen Festen haben 2S1 ). Die Brocken, die vom Tisch fallen, gehören ihnen 232), ebenso die verschüttete Milch und das beim Brauen verschüttete Bier 233). Gelegentlich gebührt ihnen ein

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blutiges Opfer 234 ). Das erste Brot gehört dem K., der Anschnitt von Brot oder Käse wird auf den Boden geworfen. Wahrscheinlich verraten einige Brot- und Getränknamen, die zugleich K.namen (s. u. 2 E, F) sind, den einstigen Empfänger: Nigl (Brot und Kuchen, oststeirisch), Biernickel (bayr.), Haidnickel (kärntnerisch), Wuzl (Salzburg.), Rawuzl (niederösterr.), Faule Heinrich, Hinrichs (Blutkuchen, Pommern), Apfelkunz, Hansadamche (Aschaffenburg), Kirschenjockel (Heidelberg), Kirchenmichel (Mannheim), Kuchelmichel, Ölgötze (Thüringen). In Sachsen sagt man, der K. sitzt in der Käsespitze, daher schneidet man sie ab und legt sie beiseite. K. heißt ein Getränk (Breslau), Hanzl heißt das Tropfbier (Wien), Hainz, Hainzrucker schlechter Wein, Tropfwein, Kaspar 2. und 3. Aufguß des Bieres (Zips), Peterl das Nachbier23®). b) Weitverbreitet ist aber der Glaube, man dürfe dem K. keine Kleider schenken, sonst müsse er das Haus verlassen 236). Der K. faßt die neuen Kleider als Entlohnung und Entlassung auf 237), oder die Kleider kommen ihm zu fein für seine Arbeit vor und er geht deshalb 238). Auch Schuhe vertreiben den K. 239). Die K. nehmen die neuen Kleider und ziehen weinend und wehklagend weg 240). Diese Züge sind nicht recht verständlich241) (s. 10) (vgl. Kleid § 11). 22S ) R o c h h o l z Sagen 1, 2 8 5 ; W i t z s c h e l Thüringen 1, 2 3 9 Nr. 2 4 0 ( 1 7 3 1 ) ; S o m m e r Sagen 3 2 Nr. 2 8 . Vgl. G r i m m Sagen 1, 3 7 . Der Mecklenburger Pück verlangte für seine Dienste: tunicam diversis coloribus et tintinabulis plenam (1559): R o c h h o l z Sagen 1 , 3 7 0 f. 224 ) In England vertreibt der Bauer den K . dadurch, daß er statt eines feinen Leinenhemdes ein grobes blaues hinlegt: F e i l b e r g 8 7 . 226 ) B e r g e Husgudar 2 0 . 226 ) Predigt des Hl. Eligius 5 8 8 — 6 5 9 , G r i m m Myth. 3 , 4 0 8 Nr. 6; Burchard von Worms G r i m m ebd. 1, 3 9 8 . 227 ) W o l f Beiträge 2 , 3 3 6 f. 228) Urquell 3 , 3 1 6 . 22B) M e i e r Schwaben 1, 7 7 . 230 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 4 9 . 5 3 . 2 5 8 . 4 0 9 . 4 7 7 . 2 3 1 ) ZfVk. 1 0 , 2 0 0 ; 2 , 4 1 6 ; V e r 719 ff. n a l e k e n Mythen 2 3 5 ; F e i l b e r g 5 8 ff. 232 ) Z f V k . 2 5 , 2 6 . 23S ) M ö l l e n h o f f Sagen 1 2 5 . 234 ) R o c h h o l z Sagen 1, 3 7 0 . 236) N d Z f V k . 4 , 1 4 . 236 ) Z. B. E i s e l Voigtland 5 4 Nr. X 2 2 . Nord.: F e i l b e r g 5 8 . 8 6 ff. 237 ) M e i e r Schwaben 6 3 Nr. 7 1 . 7 4 . Nord. engl.: F e i l b e r g 9 1 . 23S ) F e i l b e r g 8 8 ff. Schweden. Westfalen. Eifel. Flandern. Ziem-

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lieh allg. in Süddeutschland, Schweiz, Tirol, u*) England, Frankreich, Spanien. BolteP o l i v k a i , 365; P r ö h l e Unterharz 9 Nr. 30; 14 Nr. 44; K u h n u. S c h w a r t z 15 Nr. 17; W i t z s c h e l Thüringen 1, 185 Nr. 182. 224; E i s e l Voigtland 55 Nr. 123; V e r n a l e k e n Alpensagen 212. , 4 0 ) S c h ö n w e r t h 1, 300 ff. 326. 332; 2, 379 Nr. 21; P r ö h l e Unterharz 113 Nr. 296; 150 Nr. 379; Z f V k . 2, 323 (Tirol); A l p e n b u r g Tirol 115 Nr. 27; F e i l b e r g 92 ff. M 1 ) Vgl. F e i l b e r g 98 ff.; M a n n h a r d t 1, 80 f. versucht eine Erklärung. Diese K.e sind ursprünglich Vegetationsgeister, die im Hause überwintern; wenn das Korn grünt und die Bäume neues Laub ( = neue Kleider) bekommen, müssen sie hinaus in die Natur. Vgl. NdZfVk. 4, 15.

9. E r w e r b e n und L o s w e r d e n : a) erwerben 242 ): Man kann den K. anlocken. Ein Mann sieht eine Vertiefung in der Wand, dachte, das könnte eine Wohnung für den Nißpuck sein. Er nagelte ein Brett darunter, stellte Grütze mit viel Butter hin und rief: nun komm lieber Nißpuck. Bald kamen sie, sahen das neue Haus an, und einer blieb. Wenn ein K. im Hause ist, trägt er einen Haufen von Spänen zusammen, füllt die Milchfässer mit Milch, beschmutzt sie aber. Der Haufen muß liegen bleiben und die Milch getrost verzehrt werden, dann bleibt der K. 24S). Am Johannistag mittags zwischen 12 und 1 Uhr geht man in den Wald zu einem Ameisenhaufen, man findet da einen Vogel sitzen. Man muß gewisse Worte zu ihm sprechen, dann verwandelt er sich in einen kleinen Kerl und springt in einen bereitgehaltenen Sack 244). Der K. sitzt in Balken, man kann ihn manchmal bekommen, wenn man altes Gebälk kauft und in sein Haus einbaut 245). Der K . sucht selbst seinen Herrn 246); man muß aber einen Spruch sagen, um ihn festzuhalten 247). Der K . wird als Band ins Haus gebracht, beherbergt man ihn mehr als 24 Stunden, wird man ihn das ganze Leben nicht mehr los 248). Ein vogelgestaltiger K. saß am Wege und schrie: ich bin herrenlos. Ein vorbeigehender Schuster nahm ihn mit und wurde reich 249). Nach dem Tode des Hausherrn geht der K. manchmal zu dessen Verwandten 250). Man kann den K . kaufen 2S1 ) (in Auerbachs Keller in Leipzig) 252). Er kann gestohlen werden253).

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Meist ist der K. im Hause, ohne daß die Bewohner etwas dazutun 254), b) L o s w e r d e n : Den K. kann man nicht loswerden 255). Verbreitet ist die Geschichte, daß der Bauer sein Haus anzündet, um den K. los zu werden. Auf einmal hört er den K. auf dem Wagen sagen: Wären wir nicht so gerannt, wären wir fast verbrannt 256). Er zieht mit ins neue Haus 257 ). Doch wird auch erzählt, daß er das Haus nicht verläßt 258) und verschwindet, wenn das Haus abbrennt 259). Um den K . zu vertreiben, trägt man ihm eine Arbeit auf, die er nicht schaffen kann 260), verlangt zu viel von ihm 2 6 1 ). Man verjagt ihn durch neue Schuhe (s. 8 b) und direktes Kündigen 262), durch Fluchen 26S) (s. 7 a). Beim Hausabbrechen muß man die Türschwelle zurücklassen 244 ). Der K. wird durch einen B ä r e n vertrieben 2*5). Man trägt ihn über einen Kreuzweg und schüttet ihn aus 266), bringt ihn über einen Fluß 267), versenkt ihn in einen Teich 2M ), schießt auf ihn 26 »). Man beschwört ihn in den drei heiligen Namen 27°). Mit allerlei Zaubermitteln kann man ihn an einen bestimmten Ort bannen 271 ). Nur ein sündenfreier Priester kann den K. bannen 272). Man kann den K. verkaufen 273 ); er kann aber nur zweimal verkauft werden, der Dritte muß ihn behalten 274). Er v e r s c h w i n d e t von selbst, wenn er die herkömmlichen Opfer nicht mehr erhält 2 , s ). Der K., der Speise bringt, verschwindet, sowie er einen Lauscher bemerkt 27S). Mit dem Aussterben der Familie verschwindet der K. 277). Hinzelmann scheidet freiwillig, nach vier Jahren 278). Der K. bleibt im Hause, solange einer von den Hausgenossen, die im Hause waren als der K . kam, am Leben ist 279). M 1 ) Litauisch: ZfdA. 1, 146; R o c h h o l z Sagen 1, 354. 243 ) M ü l l e n h o f f Sagen 518. 532; G r i m m Sagen 1 Nr. 72. 244) K u h n u. S c h w a r t z 393 Nr. 92. l 4 5 ) Ebd. 15 Nr. 18. " • ) ZfVk. 2, 416; F e i l b e r g 38 f. s " ) ZfVk. 2, 79. " • ) R a n k e Sagen 166 f. "») K u h n Mark. Sagen 192. U m einen K . zu bekommen, müssen die Finnen in der Osterwoche das Kummet einer Mähre um den Hals nehmen und damit neunmal um die Kirche herumgehen: W o l f Beiträge 2, 337. , 6 °) W. 44 § 47. 2 " ) R a n k e Sagen 157; M ö l l e n h o f f Sagen 321 Nr. 434;

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Meiche Sagen 295 Nr. 384; Feilberg 40. *•*) Sommer Sagen 33 Nr. 29. Eine bes. Art von K., schwedisch Bära, kann man selbst herstellen: Grimm Mylh. 2, 912 u. Anm. 290. iM «*) ZfVk. 2, 79. ) Ranke Sagen 157. * " ) Kuhn u. Schwartz 82 f. 479; Kuhn Märk. Sagen 107 Nr. 103; Grimm Sagen 1 Nr. 44 Erdmännchen. Man muß ihm eine andere Herberge verschaffen. Feilberg 39; 2U Meiche Sagen 301 Nr. 389. ) Grimm Sagen 1 Nr. 73; Ranke Sagen 163. England, Skandinavien Feilberg 84 f. 257 ) Eisel Voigtland 54 Nr. 122; Witzschel Thüringen I, 244; Grimm Myth. 3, 148; Feilberg 85 f.; Meier Schwaben 1, 79. 82; Meiche Sagen 292 Nr. 382; Kuhn u. Schwartz 81—83; Bechstein Thüringen 2, 139; Reiser Allgäu 1, 163; Möllenhoff Sagen 335. S5e ) W. 43 §47. « • ) Alpenburg Mythen 112. Kuhn Märk. Sagen 385 Nr. 73; ders. Westfalen 1, 371 Nr. 416. M1 ) Sommer Sagen 27 Nr. 24. ***) Kühnau Sagen 2, 63. S63 ) Meier Schwaben Nr. 90; Ranke Sagen 164 f. In Norwegen vertreibt man sie, wenn man Donnerstags arbeitet. F a y e Norske sager 44. l M ) Reiser Allgäu 1, 330. S M ) Alte Wandersage. In der Lit. schon ca. 1317 von Heinrich von Freiberg behandelt: Das Schrätl und der Wasserbär; Kögel Literaturgeschichte 226. Z. B. Eisel Voigtland 53 Nr. 192; Engelien und Lahn 1, 21; Möllenhoff Sagen 257 (ein Wassermann wird vertrieben). Motivgeschichtl. Untersuchung Reidar Th. Christiansen Kjaetten paa Dovre. Videnskapsselskabets Skrifter II. Histor. filos. iM Klasse 1922 Nr. 6, Kristiania. ) Kuhn Märk. Sagen 192. l " ) Engelien u. Lahn 1, 78. "») Wolf Beiträge 2, 335 f. »••) Urquell 4, 204 f. I7 °) Sommer Sagen 28 Nr. 24; Ranke Sagen 163. 166. *») Heyl Tirol 586 Nr. 106, unter einem Stein Grimm Sagen 1 Nr. 44, in einen Balken Möllenhoff Sagen 337 Nr. 1. 2 " ) Sommer Sagen 29 f. Nr. 25. i 7 3 ) Reiser Allgäu i, 330. " « ) Kuhn u. Schwartz 65 Nr. 68 Nr. 3; Möllenhoff Sagen 322. 27S ) Rochholz Sagen 1, 285 f. " • ) ZfVk. 2, 80. " ' ) ZfVk. 4, 16. »«) Grimm Sagen 1, 98 Nr. 76. "») Ebd. 77 Nr. 72.

10. K . u. C h r i s t e n t u m : Der K. wird durch die hl. drei Namen beschworen und kann den hl. Namen nicht aussprechen 2®°), er kann nicht beten 281 ). Der Hinzelmann dagegen sagt von sich: ich bin ein Christ wie andere Menschen und hoffe selig zu werden. Auf die Frage, ob er die K.e und Poltergeister kenne, sagt er: Was gehen mich diese an? Das sind teuflische Gespenster, zu denen ich nicht gehöre. Er konnte beten und den Glauben sagen, aber einige Teile sagte er leise, undeutlich und stammelnd. Er sang viele geistliche Lieder mit sehr hoher,

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nicht unangenehmer Stimme 2S2 ). Der Mönch konnte das Beten gut leiden u a ) . Das Heugütel bleibt nur in Häusern, in denen die Bewohner fromm und christlich leben 2M ). Oft wird der K . (s. Drache 2) dem Teufel gleichgesetzt, der Besitzer darf nicht beten, nicht in die Kirche oder zum Abendmahl gehen. Jeden Dritten nimmt der K . in die Hölle mit; lebt ihm wer zu lange, so weiß er viele Wege, ihn aus der Welt zu schaffen MS ). Im Norden meint man zum Teil, es komme fast einem Pakt mit dem Teufel gleich, einen K . zu haben 28a ). Der K. ist ein gefallener Engel (s. 3, E). Man glaubt auch, daß der K. eine sündige Seele sei, die ihre Schuld durch treue Dienste abbüßen müsse. Deshalb weinen die K.e, wenn sie aus dem Dienst verjagt werden (s. 8, b) M7). lM ) Ranke Sagen 163. 165. M 1 ) Sommer Sagen 28 Nr. 24. ***) Grimm Sagen 1, 89 Nr. 76. Vgl. Luther hält die Wichtlein und Poltergeister für Teufel: Klingner Luther 49.62. ,li3 ) Birlinger Volhsth. 1, 53. * M ) Ranke Sagen 160. *») ZfdMyth. 1. 263 f.; Schambach u. Möller 163 Nr. 182. Vgl. o. 2, G, Namen, die zugleich K.- und Teufelsnamen sind. Vgl. Spiritus familiaris. l M ) Feilberg 94 f. K.e können das Läuten der Kirchenglocken nicht vertragen. Ebd. 97. « ' ) Ebd. 98.

1 1 . D a r s t e l l u n g e n : Der größte Teil der üblichen Darstellungen wurde schon genannt, Pfahlgötzen, Stroh- und Teigmänner u. 1, 2 A. Schon Grimm machte auf die K.köpfe an Geräten, die in späterer Zeit nur mehr als Zierat angesehen werden, aufmerksam 288 ). In einem Einzelfall kann man den Übergang von Fetischpuppen in Ausschmückung des Hausrates beobachten. Von einem der genannten norwegischen Hausgötzen wird gesagt, er habe genau wie eine Bettschere ausgesehen. Ein anderer wurde als Bankabschluß an eine Bank genagelt. Ein Dritter wurde in den Bettpfosten eingesetzt und bekam da seine Opfer, bis er schließlich vergessen wurde M9 ). Allerlei Pflöcke und Holzgeräte, die die Arbeit erleichtern 290), werden halb scherzend wohl, als Knecht und Schalk bezeichnet, Stiefelknecht, Stiefelhans; die Schnitzbank(Hoanzlbank)ist außerdem mit einem roh geschnitzten Kopf versehen m ) .

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Koch

Bekannt sind die K.gestalten an Gesimsen, als Säulenträger und Wasserspeier an romanischen und gotischen Kirchen; K.köpfe und Gestalten an Leuchtern, Lampen, Tischen, Schränken, Stöcken 292), Nußknackern, Pfeifen, schließlich Gartenfiguren und aus Holundermark geschnitzte Stehaufmännchen usw. 293) (s. i . 2 A). ,s> ) Grimm Myth. i, 414 Anm. 2. m ) Berge Husgudar 32. i M ) Vgl. anord. dverg (Zwerg) kurze Pfosten unter dem Dach, norwegisch dial. verg, Pfosten am Pflug F a l k - T o r p s . v. dverg. Much WS. 1, 35 ff. Von dem Abt Trithemius wird erzählt, er habe sich aus Holz eine Dienerin geschnitzt, die alle Hausarbeiten verrichtete: Rochholz Sagen 1, 361. Vgl. die selbstverfertigte bära o. Anm. 252. Lit. NdZfVk. 4, 4 Anm. 3. Vgl. o. Anm. 108. Die Esten machen einen Hausk. aus einem alten Besen, vgl. Goethes Zauberlehrling Grimm Myth. 3, 315. M1 ) Steiermark, Niederösterr.: NdZfVk. 4, 12. iM ) Bes. Hirtenstabe u. Ladestäbe. Vielleicht gehört der Bericht Thietmars von Merseburg hierher (ca. 1071). Es handelt sich um einen Ladestab, der von dem Hirt des Dorfes von Haus zu Haus getragen wird. Beim Eintritt sprach der Träger: „Wache, Hennil, wache". Dann schmausten sie selbst u. meinten durch seinen Schutz gesichert zu sein. Meiche Sagen 432 Nr. 571; Grimm Myth. 2, 625; 3, 323. lM ) NdZfVk. 4, 12; Wolf Beiträge 2. 346. Stehaufmännchen Kuhn Märh. Sagen 372.

12. A b w e h r : Der K. geht nur nachts aus, man hält ihn fern, wenn man eine Lampe brennen läßt 294). SM

) ZfVk. 2, 79. Auch slaw. ZfdMyth. 3,111.

13. V e r s c h i e d e n e s : Wer einen K. hat, kann sich in eine Katz verwandeln 2W ), kann nicht sterben 298). Hexen haben einen K. 297 ). K.e tragen Kinder fort, ehe sie neun Tage alt sind. Ihre dafür hingelegten Wechselbälge sterben immer bald. Erst beim zehnten Kind wußte die Hebamme Rat: Ins Wickelband wurden Doste, Dorant und Dille gebunden usw. 2>s ) Sommer Sagen 62 Nr. 55. 8M ) Ebd. 30 Nr. 25. ,9T ) Alemannia 37, 5; Eisel Voigtland 52 f.; s. Drache, Hausgeist. Weiser-Aall.

Koch. Der K. hat in dem einzelnen Haushalt kaum eine Rolle gespielt, und an den Fürstenhöfen wurde meist ein fremder (französischer) verwendet. Daß große Heereszüge seiner bedurften, schimmert noch aus Sagen durch: so folgt er in Schwaben dem Zug des Schim-



melreiters. Er erscheint zu Fuß und trägt einen Bund Kochlöffel auf dem Rücken 1 ). Ein besonderer sich an den K . knüpfender Aberglaube fehlt, im Scherz wird er unter dem Herd begraben 2 ). Wenn im Haushalt ein weiblicher Dienstbote ausschließlich das Kochen besorgt (s. kochen), kommt es ebenfalls nicht zur Herausbildung eines besonderen Aberglaubens der Köchin, sondern nur zu dem des Dienstboten (s. 2, 254 ff.). Eine allgemein verbreitete Einzelheit ist es, die Köchin und jede weibliche ledige Person, die das Essen bereitet, mit Verliebtheit zu necken, wenn sie die Speisen versalzen hat 3 ). Ob darin ein letzter Rest von dem Glauben an die Zukunftserforschung durch Salz zu erkennen ist *), kann bestritten werden, da auch die offenkundige Unachtsamkeit der Köchin, wenn sie Schmalz ins Feuer kommen läßt (Umgebung von Innsbruck5)), so gedeutet wird. Begreiflicherweise steht sie durch ihren Aufenthalt und ihre Tätigkeit mit Küche und Herd in Beziehung und dadurch wird ihre abergläubische Stellung beeinflußt (s. Herd, Herdfeuer, Küche). Sie gilt als Hexe, wenn in der Küche die Besen nach aufwärts stehen (Unterinntal, Salzburg) •). Daher tritt sie am Sonnwendtag dem Herdfeuer nicht so nahe wie gewöhnlich, wegen der an diesem Tag tätigen Geister (Oberbruck, Kr. Thann) 7 ). Die Stellung des K.s bzw. der Köchin im Hochzeitsbrauchtum (s. Hochzeit) : Diese ist auffallend bedeutend; sie haben mit der Braut in manchen Gegenden drei Ehrentänze 8 ), die Köchin nimmt der Braut den Kranz ab (Ultental, Tirol *)), sie sammeln unter Scherzen von den Hochzeitsgästen Trinkgelder ein10), kehren einer Braut, die aus dem Dorf heiratet, allen Unrat mit dem Besen n a c h u ) und vollziehen so einen Trennungsritus.

l ) Wolf Beiträge 2, 157. 2 ) Fogel Pennsylvania 187 Nr. 909ff.; Grimm Myth. 3, 444 Nr. 291; Strackerjan 2, 136 Nr. 474; Zingerle Tirol* 10 Nr. 78. *) Globus 42, 282. s ) Zingerle Tirol3 10 Nr. 80. •) Ebd. 60 Nr. 521. ') Sartori Sitte 3, 222'. ») Ebd. 1, 105». ») Ebd. 1, 101. 10 ) Ebd. 1, 99. " ) Ebd. 1, 104. Jungwirth.

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kochen

kochen. Primitives — rituelles — im Totenbrauch — im Hochzeitsbrauch — einzelne Speisen — bestimmte Tage — Verbote — Kochopfer — Vorschriften — Köchin — Vorzeichen und Orakel — sympathisches — zauberisches K. — übertragene Bedeutung.

Wenn unter K . hier nur das berücksichtigt wird, was sich lediglich auf die .Zubereitung von Speisen bezieht, so sei für das übrige Material auf S i e d e n verwiesen; eine rein sprachliche Scheidung läßt sich nicht durchführen, da „ K . " und „Sieden" meistens unterschiedslos für den gleichen Vorgang gebraucht wird. Eine ganz p r i m i t i v e A r t des K.s stellt die Verwendung erhitzter Steine dar. W o die Herstellung und der Gebrauch von Tongefäßen noch unbekannt ist, werden erhitzte Steine in eine mit Wasser gefüllte Grube geworfen, wie es bei dem nordwestindianischen Stamm der Assiniboin und auch bei den Itelmen noch üblich w a r 1 ) . Wie weit Herodots Angabe, die Skythen kochten in Eingeweiden, zuverlässig ist, bleibe dahingestellt, doch sei auf die Isländer verwiesen, von denen das K . in Fellen berichtet wird 2 ). Mag auch die älteste Zeit über ein Schmoren von Fleischstücken an Spießen nicht hinausgekommen sein, so gehört jedenfalls das K . und Sieden des Fleisches einer älteren Stufe als das Braten an. Im O p f e r b r a u c h der alten Zeit wurde das Fleisch nie gebraten, sondern stets in Kesseln gekocht. Daran erinnert noch in Tirol die Gewohnheit, an Kirchtagen einen Stier zu schlachten und sein Fleisch gekocht öffentlich zu verteilen. Das Fleisch wurde in sieben Kesseln gesotten und mußte bis zur Vesperzeit fertig sein 3 ). In Armenien scheint das K . von Opferfleisch sich in den christlichen Kult eingedrängt zu haben. Nach Kanon 99 der Trullanischen Synode vom Jahre 692 „geschieht es, daß in Armenien einzelne innerhalb des Heiligtums am Altare Fleisch sieden und Stücke davon, nach jüdischer Art, den Priestern geben; die Priester dürfen solches nicht nehmen" 4 ). Im T o t e n b r a u c h sind die Anschauungen über das K . nicht ganz einheitlich. In manchen Ländern darf in dem Sterbe-

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haus, in dem der Tote noch eine Zeitlang das Regiment führt, nichts gegessen oder wenigstens nichts gekocht werden. Bei den Indern beschränkt sich dieses Verbot auf den ersten Tag des Trauerfalls; in Korea ist es drei Tage lang nicht gestattet, im heutigen Griechenland, solange der Tote noch nicht beerdigt ist s ). Es mag sich hierbei kaum um ein Fasten zu Gunsten des Toten handeln, sondern eher darum, daß man den unheimlichen Toten möglichst bald losbekommt, wenn er merkt, daß nichts mehr für ihn gekocht wird. Etwas humaner, aber nicht minder für den Verstorbenen verständlich, geschieht die Loslösung vom Hause durch ein letztes Abschiedsmahl. Wenn bei den alten Litauern die Leiche an den Ort kommt, wo sie bestattet werden soll, wird sie niedergesetzt, der Sarg geöffnet und unmenschlich geheult und geschrien. Dann k. sie einen großen Topf voll Fleisch, setzen sich neben der Leiche nieder und essen das Fleisch auf. Hierauf bitten sie die Seele, im Himmel zu bleiben und sie nicht mehr auf Erden zu beschweren 8). Ein Ablösungsopfer an den Toten kennen auch die Bewohner der Banks-Inseln. Wird nach einem Sterbefall bei den Mahlzeiten der Ofen geöffnet, so wird für die Toten ein Stück Speise beiseite gelegt mit den Worten: „Das ist für euch, laßt unsem Ofen gut kochen" 7 ). Was die Speisen betrifft, stehen dem Toten im allgemeinen dieselben zu wie dem Lebenden. Daher werden die Speisen meistens gekocht 8 ). Bei den Negern in Sierra Leone wird das Fleisch eines gekochten Hahnes auf das Grab gelegt 9 ). In der Berberei teilt man am Abend des Begräbnisses gekochte Speisen an die Armen aus (Stellvertretung) 10 ). Bei den Litauern mußte der Leichenschmaus womöglich an einem Eichenaste oder unter einer Eiche gekocht werden 1 1 ). Nicht durchsichtig ist der Sinn des Schweizer Totenbrauchs: Man glaubt, daß alle zwischen Tod und Beerdigung gekochte und genossene Speise in einer Unze mehr Kraft ergeben soll als an andern Tagen zwei Pfund 1 8 ). Als Initiationsritus kommt das K . im

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kochen

H o c h z e i t s b r a u c h vor. In Ottenau bei Rastatt kocht die Braut ihrem Bräutigam eine Suppe aus den Brotschnitten, welche die Brautleute auf dem Ladegang erhielten. Diese Suppe wird am Morgen des Hochzeitstags gemeinsam von ihnen verzehrt, „daß sie allewil z'friede blibe", oder daß späterhin der Mann lieber rechtzeitig nach Hause gehe 13 ). Am Drömling werden in die Brautsuppe kleine Teile des Küchengeschirrs und von den Krippen des Viehs gekocht, und je besser die Suppe schmeckt, desto besser gedeiht die Wirtschaft des Paares 14 ). In Schlesien muß die junge Frau zum ersten Mittagessen Reis in irgendeiner Form k.; wie der Reis quillt, so wird der Wohlstand sich mehren 1S). In Thüringen dagegen darf die Braut beim K. nicht beteiligt sein 1S). Bei der Zubereitung e i n z e l n e r Speisen ist auf mancherlei Rücksicht zu nehmen. So darf nach der Chemnitzer Rockenphilosophie von einem erstgebornen Kalbe nichts gebraten werden, sonst verdorret die Kuh. Das mag eine Erinnerung daran sein, daß der Erstling als Opfertier gesotten, aber nie gebraten wurde 1?). Mit dem Erstlingsei (Zahnei) einer Henne fährt man dem Kinde im Munde herum; dieses Ei kocht man ihm dann in eine Suppe 18). In der Wetterau und in Schwaben legt man es gekocht auf einen Balken auf dem obersten Boden 19). Dem Wasser von gekochten Ostereiern kommt mannigfache Bedeutung zu 20). Die Kühe bekommen es als Mittel gegen alle Krankheiten 21 ), den Ochsen wäscht man damit die Hälse, damit das Joch nicht scheuert 22 ); man gießt das Wasser an die Stallwand, dann werden die Euter der Kühe nicht wund 22a ). Bei den Menschen verursacht dieses Wasser Warzen und Handgeschwüre, auch Blasen auf der Zunge 23). Beim K. der Wurst geht es ohne besondere Vorsichtsmaßregeln nicht ab. Wer Blutoder Leberwurst kocht, darf während des K.s nicht reden, sonst kocht die Wurst aus 2 4 ); er soll vorher in den Kessel spucken, dann geht keine entzwei26); das Haus muß vorher verriegelt werden,

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daß kein Fremder hereinkommt, da sonst die Wurst platzen würde 28). Damit die Wurst nicht auskocht, darf man an dem Feuer unter dem Wurstkessel keine Pfeife oder Zigarre anzünden 27 ). In Baden bittet man den hl. Antonius (Sautoni), daß beim Auskochen der Speck nicht auslaufe 27a ). Schweine sind bei zunehmendem Mond zu schlachten, damit das Fleisch beim Sieden recht aufläuft und quillt und auch mehr ergiebig ist 28 ). Die Tagwählerei beim Schweineschlachten ist heute noch in Hohenzollern nicht außer Geltung gekommen. In Reischach bei Wald wird nicht gern im Zeichen der Fische geschlachtet, mit der Begründung, der Speck siede aus; auch der Wassermann wird gemieden. Der Schlachttag wird an Hand des Kalenders festgelegt, am liebsten der Tag, der im Zeichen der Waage steht. Will man Erbsen haben, die sich kochen lassen, so sät man sie am Gründonnerstag nachmittags 29), oder man steckt ein Messer in die Erde mit der Schneide gegen den Wind 30 ). Erbsen und Linsen werden nur in weichen Zeichen (Jungfrau, Wassermann, Fische) gelegt, sonst können sie nicht weich gesotten werden 81). Tosifta und Talmud brandmarken als Brauch der Amoriter: „Wenn eine Frau die Graupen anscheinen läßt, damit sie rascher kochen, oder Schweigen gebietet, daß die Linsen besser kochen, oder tanzt, damit der Brei gelinge" 32). In Württemberg kocht man in den Kindsbrei drei Buchstaben, um den Kindern das Lernen zu erleichtern 33). Im Bregtal wird dem Kind das ABC „igschtriche" mit dem Brei, in den die Mutter einen Zettel mit dem ABC gekocht hat 34). Der Kindsbrei (Bappe), den man den kleinen Kindern kocht, ist besser als irgendeiner, weil Gott selber drei Tropfen hineinfallen läßt 35). In Ludwigsdorf bei Görlitz gab man der Wöchnerin, welcher das Kind im Tode vorausgegangen war, ein Töpfchen oder einen kleinen Tiegel, einen Löffel und einen Quirl mit, damit sie dem Kindek.könne 3 "). Schönheiterlangtman, wenn man gekochte Speisen kalt ißt 37 ). Für b e s t i m m t e T a g e des Jahres wird

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das K. bestimmter Speisen gefordert. Bei den Kaschuben wurden abends am Neujahrstage für das Gesinde große Klöße gekocht, damit der Roggen gut gedeihe38). Im thüringischen Niederhessen kocht man Weißkraut, weil man glaubt, man habe das ganze Jahr hindurch „weißes" Geld (Silber und Nickel) 3 '). In Japan kocht man am Neujahrstag mit dem geschöpften „jungen" Wasser einen Tee, den alle Familienmitglieder trinken, weil er Glück bringe 40). An Fastnacht muß reichlich gekocht werden. Am Tage vor Fastnachtsonntag kochen viele im Odenwald für die lieben Englein, setzen es abends auf den Tisch und öffnen die Fenster 41). In Schwaben soll man am rechten Fastnachtstag ein Sauerkraut k. und das Gesinde essen lassen. In die Krautschüssel soll man nachher Rettigsamen, oder was man sonst säen will, tun, so beißt's kein Erdfloh 42 ). Um viel Kohl zu erzielen, muß in Hessen die Frau vielerlei Speisen kochen, dann aber auf den Herd springen und rufen: „Häupter wie mein Kopf, Blätter wie meine Schürze und Dorsen wie mein Bein" 43). Siebenoder neunerlei Speisen muß die Hausfrau k., darunter auch Hirse und Hering, so wird man das ganze Jahr Wohlstand im Hause haben 44). In Böhmen kochen manche Hirsebrei, der vor dem Essen mit einer Schleiße umgerührt wird, welche dann in den Leinsamenhaufen gesteckt wird, damit der Flachs wohl gerate 4S). Im Voigtland kocht man vor Sonnenaufgang Fleisch und wirft die Knochen davon in die Scheune; dann fliehen die Mäuse46). In Westböhmen soll am Donnerstag vor Fastnacht unter allen Umständen Fleisch gekocht und gegessen werden; hat man keines, zeigt man den Hintern zum Fenster hinaus 47 ). Auf diesen etwas merkwürdigen Brauch scheint auch ein Donaueschinger Spottvers hinzuweisen, welcher der Jugend besonders am „schmutzigen" Donnerstag geläufig ist: s' wohnt en Beck in dr Kirchestross, er isch so dick und fett, er schtreckt sin Asch zum Fenschter rus und seit, es si en Weck.

In Mecklenburg kocht man Gründonners-

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tag Kohl von grünen Nesseln 48 ). In Österreich (Traunviertel) werden in der Osternacht um i Uhr, um zwei und drei auf freiem Felde Feuer angezündet. Die Bäuerin gibt rohes Fleisch mit, welches an diesem Feuer gesotten und gleich verzehrt wird 49) (Überrest einer alten Opfermahlzeit). Die beim Pfingstfeuer gekochte Speise bewahrt vor Fieber 80 ). Am Johannistage pflegte man in Ebingen auf einem öffentlichen Platze ein Feuer anzuzünden und Erbsen daran zu k. Später wurden die „Hansersche" (Johanniserbsen) in den Häusen gekocht und den Kindern zu essen gegeben. Sie wurden nur mit Wasser gekocht und sollten ganz bleiben; auch wurden sie aufbewahrt und bei Quetschungen und Wunden für heilsam erachtet 51). Auch im Ermland werden am Johannisfeuer gekochte Erbsen aufbewahrt 52). Im Herzogtum Bremen und Verden kochte man nach Beendigung der Ernte eine Suppe von einem schwarzen Hahn, weil man glaubte, daß ein gutes Kornjahr folgen werde H ). In Gastein wird das Abendessen reichlicher und fetter gekocht, damit, wie die Knechte sagen, „der Percht das Messer abgleitet, wenn sie den ihr Zuwiderhandelnden den Bauch aufschneiden will" M ). Grüner Kohl wird an Weihnachten im Wismarischen gekocht M ). Für die Zwölfnächte existieren besondere K o c h v e r b o t e . Es darf kein Nachtmahl gekocht werden, vielmehr muß zu Mittag so viel Speise zubereitet werden, daß es auch für das Abendessen reicht; wer dawiderhandelt, wird das nächste Weihnachtsfest nicht mehr erleben M ). In Schwaben bekommt man „Aissen", wenn man in dieser Zeit Erbsen und Linsen kocht 57 ), auch Blutgeschwüre, Krätze und Aussatz, die Schafe werden räudig, ja sogar Ungeziefer steht in Aussicht S8 ). In den Masuren mag es das Gesinde nicht, wenn man Erbsen kocht, weil man sonst in Gefahr kommt, von der Herrschaft im nächsten Jahre Prügel zu bekommen s*). Wenn ursprünglich dem Kochfeuer selbst als Opfer ein Teil der Speisen dargebracht wurde, so wurden später die armen Seelen als Empfänger genannt. Wenn die Haus-

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kochen

frau kochte, gab sie dem Feuer seinen Anteil und sagte dabei: Feuerl, Feuerl, da hast du i. dein Sach, an anders mal i wida dein Sach recht mach' 0 ).

In Kärnten wird beim K. der Speisen etwas für die armen Seelen ins Feuer geworfen w ) ; in Westböhmen nimmt man einen Teller voll Mehl, geht hinaus und streut es in den Wind mit den Worten: „Hoi Melusine, koch' dein Kind a Brei!" oder „Wind, gäih ham zu dein Kind, da hast du a weng Mehl, koch' an Brei und bleib' dabei'*«2). Die kochende Person muß sich an gewisse Vorschriften halten, da Unachtsamkeit Schaden bringt; die erziehliche Tendenz der Gebote schaut aber oft zu deutlich durch. Um Mutter und Kind nicht zu schädigen, muß darauf gesehen werden, daß die für die Wöchnerin bestimmte Speise nicht überkocht 83). Beim K. der Milch kann man den Kühen Schaden zufügen, wenn man nicht bestimmte Ausdrücke meidet und dafür andere anwendet M ). Milch darf beim K. nicht überlaufen und darf nicht verschüttet werden, sonst geben die Kühe weniger (Mähren) 6B). Bringt man einen Topf mit Milch zum K., so muß, wenn die Milch überkocht und ins Feuer läuft, die Hexe verbrennen 6S ). Aus den Töpfen, in denen gekocht wird, soll nichts vom Essen herausgenommen werden, sonst wird das Essen nicht gehörig gekocht sein 67). Den Dreifuß soll man nicht über Nacht auf dem Herde stehen lassen, damit die Hexen darauf nicht k. können 68). In Enneberg in Tirol läßt keine Bäuerin den Pfannknecht leer über dem Feuer, sobald gar gekocht ist; sie stellt ihn entweder schleunig zur Seite oder legt ein Scheit darauf, sonst müßten die armen Seelen darauf braten 69 ). Die Latwerge brennt nicht beim K. an, wenn man eine Kupfermünze oder einen Pfirsichkern in den Kessel legt 70 ) (die Wirkung wird in der kreisenden Bewegung auf dem Kesselboden liegen); auch Murmeln empfehlen die Kochbücher. Die Aufforderung, beim Seifek. keine Brotkrümel in den Kessel fallen zu lassen 71), will lediglich die Verhinderung

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des Prozesses durch Verunreinigung kennzeichnen; auch beim Eink. von Mus hält man die Kinder mit ihren Broten vom Einmachtopf fern mit der Begründung, das Eingemachte werde nicht gut, wenn Brot hineinkomme. Unter behextes Wasser, das nicht sieden will, lege man nur dreierlei Holz (Pforzheim)72). Wenn ein Mädchen Wasser, das nicht zu k. braucht, zum K. kommen läßt, wird es sieben Jahre lang nicht zur Heirat kommen 73). Viel verbreitet ist die Sitte, daß bei der Hochzeitstafel die Köchin auftritt, die für ihre angeblich verbrannte Schürze oder Hand ein Schmerzensgeld von den Hochzeitsgästen verlangt. Diese komische Figur hat in anderen Gegenden Deutschlands eine tiefere Bedeutung. Die Köchin führt in Bayern vor und nach dem Mahle die Braut in die Küche, also zur Herdstätte. In Mecklenburg ist daraus ein Köchinnentanz, in Siebenbürgen sogar der dritte Hochzeitstag zum Festtag für die Köchinnen gemacht worden 74 ). Wenn im Schwarzwald Leute bei einer Metzelsuppe am Tisch sitzen, singt vor dem Fenster draußen eine ledige Person ein Heischelied. Wer gut laufen kann, holt den Sänger ein, worauf er unter dem Jubel der Gäste an den Tisch gesetzt wird und nun zur Belustigung dient. Namentlich streichelt die Köchin ihm mit ihren rußigen Händen das Gesicht und macht ihn schwarz, bis er endlich wieder unter schallendem Gelächter losgelassen wird75). Das Verhalten k.den Wassers oder von Speisen nach dem K. wird als Vorzeichen gedeutet. Wenn beim K. das Wasser summt, heißt es in Schlesien: „die Not pfeift", d. h. sie naht dem Hause 76). In Schwaben bedeutet heulendes, siedendes Wasser allgemein Unglück 77 ). Singt das Wasser beim K. auf der Platte, weinen die armen Seelen, und man muß für sie beten 78 ), oder es wird bald jemand im Hause sterben 79 ). Wenn das Wasser im Ofentopfe ganz ausgekocht ist, so hat sich eine Seele darin gereinigt80). Hebt ein Mädchen einen Topf kochendes Wasser vom Feuer und hört dieser auf zu kochen, so ist das Mädchen nicht mehr keusch 81). Wenn man gekochte Kartoffeln aus dem

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Topfe schüttet und es bleiben etliche darin hängen, so kommt Besuch 82 ). Sicher wird Regen kommen, wenn das Wasser beim K. überwallt oder wenn Molken über die Milch steigen 83 ). Genau so glaubt man in England und Amerika, daß ein überkochender Teekessel Regen prophezeit 84 ). Kocht das Spülwasser, dann geht die Köchin bald aus dem Hause weg 8 S ). Wenn ein Gericht im Topfe, nachdem es vom Feuer ist, nachkocht, zeigt es an, daß keine Hexe im Hause ist M ). Nach anderer Meinung aber gibt es in einem solchen Falle Streit, oder die Köchin wird sogar von ihrem Manne geschlagen (Chemnitzer Rockenphilosophie) 8 7 ). Auch zu O r a k e l z w e c k e n eignet sich das K . : In die Knödel, welche am Thomasabend gekocht werden, steckt man Zettel mit Nummern. Derjenige Knödel, welcher beim Kochen zuerst an die Oberfläche des Wassers kommt, enthält die Nummer, die in der Lotterie zu setzen ist (Böhmen) 8 8 ). Am Vorabend von St.Barbara setzen die Südslaven einen Kessel mit Feldfrüchten jeder Art über das Feuer, damit der Inhalt über Nacht aufkoche. In der Frühe schaut man nach, auf welcher Seite der Brei aufgequollen ist, und in derselben Richtung bebaut man im kommenden Jahr die Felder mit Früchten, weil man glaubt, daß sie dort am besten gedeihen werden89). Das Mädchen, welches in der Christnacht ihren künftigen Bräutigam sehen will, kocht vor Mitternacht einen Topf mit Linsen, dessen Deckel mit Lehm verklebt ist. Dann werden die Linsen auf den Tisch gesetzt und das Eßgerät verkehrt aufgelegt. Das Mädchen verläßt das Zimmer und schaut von außen durch das Fenster herein. Heiratet sie, so erscheint der Bräutigam und ißt die Linsen 90 ). Im Voigtland tritt das Mädchen, das an Neujahr Milchhirse gekocht hat, mit dem Quirl in die Haustür; der erste dann vorübergehende Mann zeigt den Stand des Gatten an 91 ). Kocht man in der Christnacht grünen Kohl und geht mit der Kelle, womit man ihn gerührt hat, unter der Schürze verborgen an die Kirchtüre, so kann man die Hexen an einer sonst unsichtbaren Kopfbedeckung erkennen 9 2 ).

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In der Neujahrsnacht schlägt man in Thüringen Eier in kochendes Wasser und prophezeit aus der Form des geronnenen Eiweißes M ). Auf das Handwerk des zukünftigen Mannes schließen die heiratslustigen Mädchen am Johannisabend, indem sie an einem brodelnden Topf horchen. Das Wallen des Wassers weist auf den Beruf hin **). Das ist auch am Andreastag üblich 9 5 ); am Morgen des Oster- und des St. Georgstages suchen die Zigeunerinnen aus dem Brodeln des siedenden Wassers den Namen ihres Mannes kennen zu lernen M ). Beim K. kann es vorkommen, daß die Speisen v e r h e x t sind. Behexte Milch sprudelt und schäumt beim K. aus dem Topfe, ebenso verhält sich beschrieene Butter 9 '). Wenn man Seife kocht, und es kommt ein Weibsbild dazu, dann ist die Seife verhext 9 8 ). Hat die junge Frau einen bösen Ehemann zu zähmen, so kocht sie ihm eine Suppe mit Freitagsregen (Aargau) " ) . In der Oberpfalz kann der Bauer die Bäuerin ärgern, indem er, wenn sie Eier sieden will, seine Geschlechtsteile (s. d.) in die Hand nimmt; die Eier werden dann nicht hart 10 °). Hexen k. mit Hüfe eines Hexenmeisters. Eine Frau kochte über Erwarten schnell das Mittagessen. Man erzählte sich, beim K. stehe immer ein grünes Männchen auf der Kunst bei ihr; diesem schlage sie jedesmal mit einem „Waschlumpen" über den Hinterteil, worauf es jedesmal ein fertiges „Chüechli" in die Bratpfanne fallen lasse 1 0 1 ). Die Kunst des K.s wird vornehmlich den Bergmüttern, H o l z w e i b c h e n , aber auch Zwergen und R i e s e n zugeschrieben 1 0 2 ). Die Fenskeweibel am Heßberge bei Herrmannsdorf mahlen auf den „Kaffeemühlen" Kaffee, auch tragen sie Holz, zusammen und k. 1 0 3 ). Auch die Fenichmännchen (Fenskemännchen) backen und kochen und teilen gern guten Leuten davon m i t 1 M ) ; als Meister der Kochkunst verraten sie schönen Jungfrauen ihre Küchengeheimnisse 10s ). Doch darf man den kochenden Zwergen nicht vorwitzig zusehen. Ein Knecht, der dieses tat, wurde am nächsten Morgen vom

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kochen

Hausgesinde in einem fremden Kessel gesotten aufgefunden m ) . Steigt aus Felsen D a m p f empor, so sagt m a n : „der Fuchs oder Hase siede, oder der Berggeist k o c h e " 107 ). „ K o c h s t e i n e " werden Steine benannt, in deren Innern man unaufhörlich Brodeln h ö r t 1 0 8 ) . Quellen kochen zu bestimmten Zeiten, so z. B . eine in der Bretagne in dem Augenblick, in dem der Priester an Dreifaltigkeit die Präfation a n s t i m m t 1 0 9 ) . Haben die Hünen mittags ihren Brei gekocht, dann reichen sie diesen einander über das Pyrmonter T a l z u 1 1 0 ) . Verwunschene Personen kochen Kaffee m ) . D a s Dellermändle hinderte die Mägde a m K . , indem es Schmutz in die Pfanne w a r f 1 1 2 ) . D e r Koch des Predigerklosters zu Lübeck wurde 1351 nachts durch eine Stimme aufgefordert, für 36 Klosterbrüder und 2 Gäste zu kochen, weil sie abreisen müßten. Wenige T a g e darauf starben 36 Mönche und 2 G ä s t e 1 1 3 ) . D e r Ubergang zur ü b e r t r a g e n e n Bed e u t u n g von K . läßt sich aus dem Ausspruch erkennen, daß der Fluor albus entstehe, wenn die Gebärmutter Schleim k o c h e 1 1 4 ) . Ein Sprichwort endlich sagt: „ W a s der Juli und August nicht k., das kann der September nicht braten" 1 1 S ). 1 ) M a n n i n e n Einige Mitteilungen über das K. mit Steinen. Suomen Museo = Finskt Museum 24 (1917), 20—22. *) T y l o r Cultur 1, 42; H e r o d o t 4, 61. 3 ) H e y l Tirol 758—761. 4 ) H e f e l e Concgesch. 3, 342. 6 ) S a r t o r i Totenspeisung 56 f. •) D e r s . 19. ') D e r s . 48. 8 ) D e r s . 29. •) D e r s . 18. 10 ) D e r s . 66. u ) D e r s . 24. ls) R o c h h o l z 13) M e y e r Glaube 1, 195. 14 ) S a r t o r i l5) Baden 267. Sitte 1, 74. D r e c h s l e r 1, 281. l s ) W i t z s c h e l Thüringen 17 ) 2, 230 Nr. 35. Jahn Opfergebräuche 303. " ) W u t t k e 392 Nr. 599. ") Jahn 304. s o ) W u t t k e 2, 71 Nr. 82; S t r a c k e r jan 71 Nr. 312; P h i l i p p Ermland 135. " ) S a r t o r i Sitte 3, 158 Anm. 55; D e r s . Westfalen 156. " ) K n o o p Hinterpommern 180 = S a r t o r i Sitte 3, 152 A n m . 23. •*») W u t t k e 442 Nr. 695. M ) D e r s . 119 Nr. 156 = C u r t z e Waldeck3 378 Nr. 49 = F i n d e r Vierlande 2, 226. M ) K n o o p 172. 2ä ) F i n d e r 2,222. 26) E n g e l i e n u. L a h n 273 Nr. 209. 27 ) B a r t s c h 2, 137 Nr. 608. " » ) M e y e r 409. 28) W u t t k e 450 Nr. 710; S t r a c k e r j a n 1, 126 Nr. 150; P o l l i n g e r Landshut 157. 2t ) W i t z s c h e l 2, 215 Nr. 9. s o ) B a r t s c h 2, 164 Nr. 773. S1 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 151. '•) B l a u Zauberwesen 66 Nr. 5. sl) P f i s t e r Schwaben 36. M e y e r 16. **) R o c h h o l z Kinderlied 291 Nr. 646. «•) M-

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schlesVk. 10 (1908), 7. S7 ) W u t t k e 309 Nr. 456. »«) S a r t o r i Sitte 3, 66 Anm. 51. *•) H e s s l e r Hessen 2, 443. 40) S a r t o r i Sitte 3, 71 A n m . 78. 41 ) G r i m m 3, 467 Nr. 896; J a h n 115. **) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 434. " ) W o l f Beiträge x, 228 Nr. 325; W u t t k e 425 Nr. 665. 4 1 ) D e r s . 83 Nr. 97. 45) J o h n Westböhmen 195. 49 ) K ö h l e r Voigtland 369 = W u t t k e 399 Nr. 615 = 47 ) S a r t o r i 3, 116 Anm. 116. J o h n 36. 48 ) B a r t s c h 2, 257 Nr. 1343. *•) J a h n 126. M ) S i m r o c k Mythologie 2. Aufl. 568. 5 l ) M e i e r Schwaben 2, 427 Nr. 114; G r i m m 1, 514; R e i n s b e r g Festjahr 197; S a r t o r i 3, 235 Anm. 78; S i m r o c k 571. 62) P h i l i p p Ermland 143. 5S ) S a r t o r i 2, 96. M ) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 161. B a r t s c h 2, 226 N r . 1176. M) Urquell 3 (1892), 42 Nr. 7. 67 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 469. 6B) P a n z e r Beitrag 2, 306; G r i m m 3, 458 Nr. 687; B a r t s c h 2, 248 Nr. 1282; H e s s l e r 2, 443. M ) T ö p p e n Masuren 54. , 0 ) B a u m g a r t e n Jahr 9; W u t t k e 294 Nr. 430; L i p p e r t Christentum 441 ; S a r t o r i Speisung 48. 81 ) L i p p e r t 441; S a r t o r i Sitfe 2, 22 Anm. 6. , a ) J o h n 238. M ) F i n d e r 14. M) M) S a r t o r i Sitte 2, 144. Grohmann 138 = W u t t k e 447 Nr. 705. M ) M ü l l e n h o f f Sagen 558 Nr. 565. " ) G r o h m a n n 225 = W u t t k e 402 Nr. 620. *•) Z i n g e r l e Tirol 60 Nr. 523. «•) H e y l Tirol 783 Nr. m . n ) F o g e l Pennsylvania 188 Nr. 914. 71 ) D e r s . 376 Nr. 2020. " ) G r i m m 3, 456 Nr. 651. " ) S t r a c k e r j a n i , 49 Nr. 42; W u t t k e 222 Nr. 317; F o g e l 65 Nr. 204. 74) M e y e r 313 f. 7S ) M e i e r Schwaben 2, 495 f. 76) D r e c h s l e r 2, 5. 77 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 399. 7a ) MschlesVk. 8 (1906), 113. 7*) Alemannia 25, 43. M ) G r o h m a n n 198 Nr. 1389 = W u t t k e 472 Nr. 753. , l ) L a m 82 ) K ö h l e r 83 ) m e r t 146. Voigtland 395. M) D r e c h s l e r 2, 199. G e s e m a n n Regenzauber 68. 8S) W o l f Beiträge 1, 218 Nr. 203 b ; B a r t s c h 2, 130 Nr. 547. s s ) G r i m m 3, 477 N.\ 1135; M e y e r Germ. Myth. 137. 87 ) G r i m m 3, 445 Nr. 323; G r o h m a n n 226 Nr. 1602. 88) V e r n a l e k e n Mythen 354 Nr. 80; W u t t k e 234 Nr. 335. 89) K r a u s s Relig. Brauch 165. V e r n a l e k e n 330; W u t t k e 251 Nr. 362. n) K ö h l e r Voigtland 364 = W u t t k e 251 Nr. 364. 92) K u h n u. S c h w a r t z 405 Nr. 135 = G r i m m 1033. , s ) W i t z s c h e l 2, 177 Nr. 44. M ) MitschlesVk. 2 (1897) 24. »5) W i t z s c h e l 2, 155 Nr. 1 ; D r e c h s l e r 1, 11. i a ) W l i s l o c k i Volksglaube 131. , 7 ) G r o h m a n n 138 Nr. 1013; 155 Nr. 1120; W u t t k e 267 Nr. 391. , 8 ) F o g e l 140 Nr. 644. *•) R o c h h o l z Glaube 2, 52; W u t t k e 380 Nr. 578. 100 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 282 Nr. 4. 1 0 1 ) S A V k . 21 (1917), 215. 102 ) L a i s t n e r Nebelsagen 17. 244 Anm. z u S. 63. l 0 i ) K ü h n a u Sagen 2, 106; MschlesVk. 4 (1900), 58. 104 ) MschlesVk. 5 (1902). 105 ) K ü h n a u 2, 102. 108) S c h e l l Bergische Sagen 390 Nr. 38. 1 0 7 ) L a i s t n e r 16 f. 108 ) E i s e l Voigtland 252 Nr. 631. 10t ) S é b i l l o t FolkLore 2, 212. n o ) K u h n Westfalen 1, 273 a = R a n k e Sagen 224. l u ) L a i s t n e r 1 7 . 1 U ) R e i s e r Allgäu 1, 174 f. l l s ) Zimmernsche Chronik 4,

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Kochlöffel—Kohl

318 = S t e m p l i n g e r Aberglaube 25. l1 *) P a u l i Pfalz (1842) 87. 11S ) B a r t s c h 2, 215 Nr. 1106. Karle.

Kochlöffel (s. a. Löffel). Der K. als S i n n b i l d des H e r r s c h a f t s b e r e i c h e s d e r H a u s f r a u tritt — gleichsinnig mit Schöpf- oder Rührlöffel — nicht nur im deutschen Sprachgebiet auf, sondern scheint romanischer Kochsitte zu entstammen. Wenn im Friaulischen die Schwiegertochter ihren Einzug in das neue Haus hält, kommt ihr die Schwiegermutter mit dem Rührlöffel im Gürtel entgegen, umarmt sie nach hergebrachtem Ausfragen und übergibt ihr den Löffel. Ebenso wird anderwärts hier der Braut Besen und Rührlöffel dargereicht 1 ). Heiratet im Luxemburgischen die Braut in ein anderes Haus, so öffnet ein Familienmitglied die Tür von innen und reicht der Braut einen K . Diese weigert sich, ihn anzunehmen, zum Zeichen daß sie nicht Herrin sein will und nimmt statt dessen einen Besen. In der Eifel wird die junge Frau um die Feuerhai geführt und ihr ein K. angehängt. Zum Spott geschieht letzteres lästigen Lungerern in der Küche, vor allem Kindern 2 ). Im Ammer- und Saterland wird der Braut beim Herd ein großer Ausschenklöffel überreicht 3). Der deutsche Aberglaube rügt dementsprechend M a n g e l h a u s f r a u l i c h e n S i n n e s in seiner Handhabung an den Mädchen. Ißt ein Mädchen mit dem K., bleibt es noch lange ledig, leckt es ihn ab, wird es in die Fremde heiraten, ein Kind, mit dem K. gefüttert, wird daran blöde und dumm 4 ). Im übrigen bedient sich die Köchin auf deutschem Gebiet eines K.s beim Hochzeitsmahle vielfach zum Einsammeln der Gaben. Ebenso wird er bei englischen Umgängen von ältlichen weiblichen Personen, bei deutschen Maiumgängen von einem Koch gehandhabt, was W. Mannhardt gewiß mit Recht letzten Endes auf eine Zeit des Einsammelns von Naturalspenden zurückführt. Wird er bei der Hochzeit zersprungen dargeboten, so ist dies aber wohl bedeutsam 6 ). Von der G e i s t e r m a h l z e i t hergenommen ist der Aberglaube, daß man am Weihnachtstag alle (!) Speisen mit einem (!) K . umrühren

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und ihn, ohne ihn abzuwischen, unter die Schürze stecken soll, dann begegnet das Mädchen dem Zukünftigen bei der Straßenecke 6 ), oder es erkennt im Erstkommenden den Beruf des Gatten, wenn es sich mit Rührlöffel und Quirl der Milchhirse unter die Türe stellt 7 ). In Kamem erkennt man mit dem Grünkohllöffel vom Christtag in der Kirche die Hexen 8 ), in Siebenbürgen muß man den K., der beim Kochen der Ostereier im Farbtopf verwendet wurde, in den Gürtel stecken und beim nächsten Viehtrieb auf einen Baum steigen, um die Hexen zu erkennen9). Als m a g i s c h e s W e r k z e u g leistet der K. auch im Hause Dienst. Klopft man mit einem neuen K . das Euter einer Kuh, so gibt sie viel Milch 10 ). Ein Überbein schwinden zu machen, soll man es mit dem K. vom Hafen weg dreimal klopfen l l ). Rührt man mit dem K. im Hafen und denkt dabei lebhaft an jemand in der Ferne, so kann derselbe nicht mehr ruhig am Orte bleiben 12 ). Ein Wettermacher im Kemptischen hatte in einem Tüchlein am Leibe drei Schöpflöffel, mit denen er von der Straße immer etwas aufschöpfte, als er es tat, regnete es; je schneller er schöpfte, je dichter 1S ). ') R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Hochzeitsbuch 103. *) F o n t a i n e Luxemburg 118. 129. 149. 4 S t r a c k e r j a n 2, 226. ) G r o h m a n n 117. 229 = W. 363 §547; G r o h m a n n 109. *) R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Hochzeitsbuch 125. 143. 202; M a n n h a r d t 350. 428. •) V e r n a l e k e n Mythen 331. ' ) K ö h l e r Voigtland 364. ' ) Ebda. 405. •) ZfVölkerspychologie 18, 283. 10 ) S c h ö n w e r t h 1, 334. u ) Ebd. 3, 236. » ) Z f V k . 5. 416. 1 3 ) R e i s e r Allgäu 1, 202. Haberlandt. 3)

Kohl (Gemüsekohl; Brassica oleracea). 1. Botanisches. — 2. Säen und Pflanzen des K.s. — 3. Gedeihen des K.s. — 4. K. als Kultspeise. — 5. Orakelwesen. — 6. Verschiedenes.

1. B o t a n i s c h e s . Von den zahlreichen Spielarten dieser Gemüsepflanze kommen volkskundlich vor allem in Betracht: der Blätterk. (Braunk., Griink.; Br. ol. acephala) mit lockeren, verschieden gefärbten (dunkelgrün, bräunlich, bläulich) Blättern und der Kopfk. (Käppis, Kraut, Kumst; Br. ol. capitata), bei dem die inneren Blätter fest aneinanderliegen und einen „Kopf" bilden. Sauerkraut (s.d.) ist

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Kohl

ein (geschnittener, eingesalzener) Weißk., der durch einen Gärungsvorgang sauer geworden ist 1 ). Wie sprachliche Zeugnisse beweisen, stammt die K.kultur aus Italien, vor allem waren es die Klöster, die den K. bzw. seine Spielarten in Deutschland bekannt machten 2 ). Marzeil Kräuterbuch 190 f. 2 ) S c h r ä d e r Reallex. 2 1, 6 1 2 ; H o o p s Reallex. 2, 150; P a u l y W i s s o w a n , i, 1034 ff.; HessBl. 9, 161 ff.

2. Über das Säen (bzw. Pflanzen und Stecken) des K.s gibt es eine Menge mehr oder minder abergläubischer Meinungen. Als günstig gelten der Gregorstag (12. März) s ), der Abend von „unse leven Fruen" (25. März) 4 ), Aschermittwoch 5 ), Gertrud 6 ), Gründonnerstag7), Karfreitag 8), Georgi •), Walpurgisabend 10 ), u Veitstag (15. J u n i ) ) , am Vortag von St. Veit 1 2 ), Johanni 1 3 ), Jakob 1 4 ). K. muß am Gründonnerstag1S) oder am Himmelfahrtstag 16 ) unter dem Glockenläuten gesät werden, wohl damit die Köpfe so groß wie die Glocken werden, s. K ü r b i s . Dagegen darf man im ganzen Mai keinen Weißk. pflanzen: „Weißen K. im Mai gibt Köpfe wie ein E i " " ) , an Medardi (8. Juni) gestecktes Kraut bekommt keine Köpfe 18 ), am St.Erasmustag (2. Juni) gesteckt, fressen es die Ratten 19 ), wohl ein etymologischer Aberglaube wegen des ähnlichen Klanges von „Ratten"und „Erasmus". Am 1 . April (Narrentag) darf man keinen K. setzen, sonst werden „Narren" daraus 20). Vielfach werden auch die S t e r n bilder beachtet: K . darf man nicht im Zeichen gefräßiger Tiere setzen 21 ) (sonst werden die Pflanzen abgefressen), nicht im Steinbock M ) (das Kraut wird sonst hart und holzig), auch darf man das Kraut nicht im Krebs umsetzen, weil sich sonst an der Wurzel kleine Würmchen (Drahtwürmer usw.) ansetzen **), nicht im Schützen 24). Setzt man das Kraut in den Zwillingen, so gibt es auf jeden Setzling zwei Krautköpfe M ). Gute Zeichen sind Widder („dann bekommst du Haupte wie Kübel") * ) und Fische"). Entsprechend heißt es auch, daß man das Kraut im Herbste in einem „weichen" Zeichen (Zwilling, Jungfrau, Wage) einmachen müsse, damit es beim Kochen

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weich werde 28). Sauerkraut darf man nicht im Zeichen der Fische einmachen, weil es sonst schleimig wird 29). Wenn man den K. nicht bei zunehmendem Mond pflanzt, so bildet er keine Köpfe 30). Am Mittwoch darf man kein Kraut säen, sonst bekommt es doppelte Herzen 81 ) (weil der Mittwoch die Woche in zwei Hälften teilt?). Die erste Krautpflanze muß ein Mann setzen, damit das Kraut vom Wild verschont bleibt 32 ). Weißkraut gedeiht gut, wenn es von einer Schwangeren in die Erde gesetzt wird 33 ). Die Sechswöchnerin soll nicht Kraut (oder Rüben) setzen, sonst wird es schwammig 34). Bevor man Kraut steckt, wäscht man sich die Hände, damit es rein von Raupen bleibt 3S ). Auf verschiedene Weise sucht man recht große K.köpfe zu erzielen. So sprachen die Weiber im Saalfeldischen beim Krautstecken: „Durschen (s. Rübe) wie mein dickes Bein, Haide (Häupter?) wie mein Kopf, Blätter wie meine Schürze" 36 ). Den Korb, in dem die Pflanzen auf das Feld getragen wurden, pflegte man umzustülpen, damit aus den Pflanzen recht große Köpfe wüchsen. Dabei sagte man: „So hoch sollst du werden" 37 ). Auf das K.beet legt man einen großen Stein, damit die K.pflanzen diesem nacheifern und ebenso groß werden 38 ). Beim Krautsetzen muß man die nächststehende Person auf die Erde werfen, damit die Krautköpfe recht groß werden 39 ). In Westböhmen trugen die Mägde beim Krautstecken rote Röcke und wurden dabei von den Knechten mit Erde beworfen. Umgekehrt bewarfen die Mägde die Knechte beim Krautackern 40 ). E s dürfte sich hier wohl um einen Fruchtbarkeitszauber bzw. um dessen Rudimente handeln, vgl. Brautlager auf dem Acker, Wälzen auf der Erde usw.41). Die K.samen werden vor dem Aussäen in Weihwasser gelegt (15 Jh.) 42) oder auch mit Asche vom Aschermittwoch vermischt 43 ), dann bleiben sie von Erdflöhen verschont. Wenn man die aufgegangene K.saat vor Erdflöhen sichern will, so muß man den Samen in einer Schüssel, aus der man den ersten Weißkohl gegessen hat, linausgewaschen aufheben und daraus die Weißk.-

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Kohl

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saat säen 44). Damit die Vögel der jungen K.saat nicht schaden, ging man am Johannistag zwischen n und 12 Uhr dreimal um den Acker, blieb an jeder der vier Ecken stehen und sagte jedesmal mit Nennung der heiligen Namen „Maul zu" 1, dann waren die Vögel gebannt (obere Nahe) 45). Beim Krautsetzen zieht man die Spitze der Pflanzen durch den Mund, dann geht kein Hase daran 46), oder man pflanzt einige Setzlinge für den Hasen, damit er die übrigen verschont4?). Man legt ungesehen zu der ersten Pflanze ein neu gekauftes Messer, damit die Wurzeln nicht abgebissen werden 4S). Beim Krautsetzen muß man, damit keine Hasen ins Kraut kommen, tüchtig spucken 49). Wenn man die Hasen vom K. abhalten will, so steckt man an die Ecken des Feldes vier Hölzer, an denen die Würste im Rauch gehangen habenB0), vgl. auch Rübe. Am Gregoriustag (12. März) findet man unter den Blättern des K.kopfes Samen, der sich vorzüglich zur Saat eignetS1). Am Peterstag findet man zwischen 11 und 12 Uhr mittags die Blätter des Krautes mit Samenkörnern bedeckt. „Diese Erscheinung hat bis jetzt noch keine genügende Erklärung gefunden, wird aber selbst von gebildeten Leuten nicht angezweifelt" (Hessen) 52). Von dem im Keller aufbewahrten K. fällt durch Schütteln in der heiligen Nacht der beste Same ab 68 ). Es erinnert dies an den Aberglauben vom Farnsamen (s. d.). Vielleicht haben auf der Unterseite des Blattes abgelegte Insekteneier (Kohlweißling usw.) o d e r Pilze zu dem Glauben Anlaß gegeben. Das Kraut muß, bevor der Hirte nach Hause treibt, ausgesät werden, weil es sonst sog. „Trandel" (durch tierische Parasiten wie Kohlfliege oder Kohlrüßler verursachte Auswüchse) bekommt64). Sonst heißt es, daß man den K.samen nicht abends, wenn der (Schweine-) Hirte eintreibt, säen dürfe, weil sonst daraus lauter weiße Rüben aufgehen würden85). Überhaupt spielt diese „Verwandlung" des K.s in Rüben (beide Pflanzen sind ja in Blättern und Blüten einander sehr ähnlich und können im blühenden Zustande leicht verwechselt Bacbtold-Staubli,

Aberglaube V

werden) im Aberglauben eine große Rolle. Wenn man den Samen des Häuptelk.es an einem „unrechten Tag" abschneidet, so bekommt man von diesem Samen nicht Kopfk. sondern lauter weiße, Rüben. Daher schneiden viele diesen Samen auch an einem Sonntag 6S). Wenn die Weiber den K.samen aussäen, und es begegnen ihnen Schweine, so wachsen statt des K.s lauter Rüben, „welches durch öfitere Erfahrung soll verificiert worden sein" M ). Wenn man Krautsamen in der Tasche trägt, so werden daraus Dorschen (Rüben)8S). Wenn man jemand beim Säen von K.samen „beschreit" und sagt: „Säest Dorschen oder säest Rüben" und dgl., so werden daraus Dorschen oder Rüben statt Kraut 69 ). Wenn die Frauen den K.samen säen, so sagen sie: „Wird es sein oder wird es nicht sein" ? Die Worte, die auf den letzten Wurf fallen, sagen das Gedeihen des K.s 40 ). s) T r e i c h e l 4 ) DithWestpreußen 9, 276. marschen: Z f V k . 24, 58; H u n t e m a n n Die plattd. Nam. uns.Kulturgew. 1913, 75. ' ) H u n t e m a n n a . a . O . ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 256. •) JbElsLothr. 3 (1887), 143; F o g e l Pennsylvania 201. ' ) ZfrwVk. 4, 21; B a r t s c h Mecklenburg?, 258; J o h n Erzgebirge 225; W i l d e Pfalz 140; vgl. dazu S c h r o e d e r Arische Relig. 2, 636 und E r b s e (2, 882). 8 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot.23; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1862, 140 (vor Sonnenaufgang); F o g e l Pennsylvania 196. •) S c h r a m e k Böhmerwald 150. 1 0 ) J o h n Westböhmen 73. 197. n ) Schmeller BayWb. 1, 1385; M a r z e i l Bayr. Volksbot. 105; MVerBöhm. 22, 122; Festschr. D. Anthr. Ges. 1895, 69; T r e i c h e l Westpreußen 9, 281. »») MVerBöhm. 22, 122. « ) ZfrwVk. 12, 84. ") W i l d e Pfalz 141 (bei Sonnenaufgang). " ) W o l f Beiträge 1,228. ™) ZfdMdA. 1 9 1 8 , 1 4 0 . " ) ZfrwVk. 6,184. l 8 ) D r e c h s l e r 2, 55. ^ B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 387. 20 ) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 117. s l ) W i r t h Beiträge 6/7, 20. 33 2 2 )Unterhaltungsbl. z. Kaufbeurer Anz. 27 (1902), 867. " ) M a r z e i l Bayr. Volksbot. 99. ») Toppen M) Masuren 85. " ) JbElsLothr. 8, 179. F i s c h e r SchwäbWb. 4 , 7 0 5 . 2 7 ) Die Oberpfalz 7, 158. 28 ) Mittelfranken: Orig.-Mitt. v. K r a f t 1922. 2 ") F o g e l Pennsylvania 187. 30 ) Veckenstedts Zs. 4, 388 (Prov. Sachsen). 8 1 ) M a r z e l l S2) Bayer. Volksbot. 106. Niederbayern: Orig.-Mitt. aus d. Archiv des Bayer. Landesver. f. Heimatschutz München 1909. M ) M a r z e l l Bayr. Volksbot. 117. G r o h m a n n 115. M)

J o h n Westböhmen 198; MVerBöhm. 22, 122. Journal v. u. f. Deutschi. 7 (1790), 2. 28; Witzschel Thüringen 2, 2 1 7 ; vgl. auch Mannhardt 1, 277; Festschr. Deutsch. M)

3

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Kohl

Anthrop. Gesellsch. 1895, 73; Marzeil Bayer. Volksbot. 121. »') Wirth Beitrag 6/7, 20. Posen: Knoop Pflanzenwelt 9, 77; ebenso in Estland: FFC. 32, 31. Marzeil Bayer. Volksbot. 1 1 7 ; Witzschel Thüringen 2, 217; ebenso bei den Wenden: Schnlenburg Wend. Volksth. 116. John Westböhmen 198. " ) Mannhardt 1, 48öS. « ) ZfVk. 11, 274. a ) Bartsch Mecklenburg 2. 256; Drechsler 1, 61. Keller Grab d. Abergl. 5/6, 316. « ) ZiVk. 12, 428. *•) Wilde Pfalz 140. " ) Meyer Baden 422. *') Marzell Bayr. Volksbot. 118. *') Schramek Böhmerwald 235. M ) Nordthüringen: ZfVk. 10, 212. 61 ) Töppen Masuren 60. M ) Festschr. Deutsch. Anthrop. Gesellsch. 1895, 69; ähnlich auch bei den Wenden, wo es heißt, daß der am Peterstag um 12 Uhr auf den Blättern erscheinende Same nach 12 Uhr wieder verschwunden ist: Schulenburg 251. Vgl. auch ZfrwVk. 26, 173 f. 53 ) Leeb Sag. Niederösterr. 1872, 70. " ) Witzschel 2, 217. M ) Noth- u. Hilfsbüchlein f. Bauersleute o. J. (ca. 1790), 271; M Die Oberpfalz 7 (1913), 158. ) Mnböhm. Exc.-Kl. 22, 257. , 7 ) Pachelbl Beschreibung des Fichtelberges 1716, 160. Marzell Bayer. Volksbot. 118. " ) MVerBöhm. 22, 122. , 0 ) Rogasener Familienblatt 3 (1899), 31.

3. Eine Anzahl abergläubischer Meinungen betreffen das Gedeihen usw. des K.s. Vor allem werden die Raupen 81 ) durch verschiedene zauberische Mittel vertrieben. In einer „benedictio" des 14. Jhs. „contra uermes holerum" muß der Garten vor Sonnenaufgang umschritten und der K. mit Weihwasser benetzt werden42). In Oberbayern benetzte man den K. mit „Peterswasser" (Wasser vom Petersbrunnen b. Leutstetten) um den grünen Wurm (wohl Raupe der KohlEule) abzuhalten M ). Um die K.raupen (auch die Baumraupen) zu bannen, umgeht man in Anhalt (Zehmitz) dreimal (bei Sonnenuntergang bzw. -aufgang) den Ort und spricht: Maria ging in den Garten, Sie hatte Früchte von manchen Arten. Da kam der Engel Michael, Und der Engel Raphael. Die sprachen untereinander: Ich sehe viel Ungeziefer und Raupen, Die woll'n hier die schönsten Früchte abfressen. Räuplein, ich gebiete Euch in dieser Stund' Ihr sollt gehen alle zu Grund . Und nicht mehr fressen mit Eurem Mund I Hurtum, Hurtum, Hurtum " ) .

Auch der bekannte „Wurmsegen" („Christus und Petrus gingen über den Acker, sie ackerten über 3 Furch und Würmer" usw.) wird gegen die „Würmer" im Kraut

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angewendet65). Ferner werden die Raupen „angeredet", wenn sie aus dem Krautacker verjagt werden. Man läuft mit drei Ruten, die nackend nachts 12 Uhr rückwärts gebrochen wurden, durch das Krautfeld und spricht: Juchhe 1 Rippen t Rappen ! Sollt mit mir auf die Kirchweih tappen ! Im Namen Gottes usw. (muß dreimal ge-

schehen 66)). Ähnlich geht der Feldbesitzer an einem Tag, an dem in der Nachbarschaft Kirmes ist auf seinen Krautacker, und ruft: „Dort ist Kirmes", dann ziehen die Raupen fort, oder man ruft: „Barthel (vgl. unten) ins Kraut, Raupen aus dem Kraut in die Ruhl zur Kirmes" 4 7 ). Ob man hier an die ominöse Redensart „auf die Kirchweih laden" ( = lambe me podicem) denken darf? Am ersten Jahrmarktstag nach Bartholomäi werden die Raupen von den Krautäckern auf den Markt getrieben. Eine Weibsperson läuft vor Sonnenaufgang nackt dreimal um den Acker. Dann ziehen die Raupen von der Ecke, an welcher das Laufen begonnen hat, von dem Acker aus auf den Markt48). Auch in Finnland werden auf ähnliche Weise von einer nackten Frau die Raupen verjagt 4i ), s. „Nacktheit" (als Apotropäum) und Lein. Vgl. auch die Vorschrift bei Plinius 7 0 ), daß die Rüben (s. d.) nackt gesät werden müssen. Die Raupen verschwinden, wenn der K. von einer schwangeren Frau abgefegt wird 71 ). Man peitscht die K.pflanzen mit drei Birkenruten (s. d.), die in der Mittagsstunde im Namen der hl. Dreieinigkeit schweigend geschnitten worden sind, und ruft den Raupen zu: „Zu Markt, ihr Jungfrauen " 72). Auf dem mit den Birkenruten geschlagenen K. sterben die Raupen, gleichviel ob man sie trifft oder nicht7S). Man fährt mit dem Besen, mit dem man am Karfreitag die Stube gekehrt hat, im Sommer über das Kraut 74 ). Gegen die Raupen steckt man ein Stück Holz von einem aus der Erde gegrabenen Sarg ins Kraut 7B ) oder man bestreicht den K. mit einer Totenrute (Rute, die ein Toter in den Händen gehabt hat oder die im Sarg gelegen war?) 74). Gegen Raupenfraß streut man an Johanni Holz-

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asche auf den K. "). Am Johannistag werden Zweige auf die Krautbeete gesteckt, damit das Kraut besser wächst 78 ). Auf dem Kraut (oder Rüben-)acker darf man nicht essen, sonst fressen die Raupen das Kraut 79 ). Dienstag, Donnerstag und Samstag darf man nicht in den K. gehen, sonst kommen die „Graswürmer" (Raupen der Graseule [Charaeas graminis] ?) daran 80). Der Spruch „Sanct Mang (6. Sept.) schlagts Kraut mit der Stang" (damit es feste Köpfe bekommt)81) hat vielleicht ursprünglich Beziehung auf den St. Mangenstab gegen Ungeziefer usw.88). Die Bauern legen nie ihren Hut auf den Tisch, weü sonst die Maulwürfe die Krautbeete zerwühlen würden83). Offenbar vergleicht man den auf dem Tisch liegenden Hut mit einem Maulwurfshaufen. In der Veitswoche soll man kein Kraut hacken, sonst bekommt es den Brenner M ), hackt man es in den Hundstagen, so wird es lausig (Erdflöhe !) 8! ). K. muß an drei Freitagen hintereinander behackt werden (Ostpommern)8B). Weißk. darf nicht vor St. Jakob gehackt werden, sonst bekommt er nicht viel Häupter 87 ). Man pflanzt Grünk. zwischen den Flachs, und wenn dann ein Vorübergehender sagt: „Wie schön steht der Flachs", so sagen die K.pflanzen zueinander: „Ach wir armen K.pflanzen" und beginnen stärker zu wachsen (Norderditmarschen) 88). Im August versammeln sich die Krautköpfe zu einem großen Rate und machen aus, wer die größten Köpfe tragen müsse. Die dazu Bestimmten wachsen dann Tag und Nacht 8S ). An Johannis Enthauptung (29. August) soll man im Kraut herumlaufen, dann gibt es große Krautköpfe (Analogiezauber) 90). Auch sonst wird dieser Tag mit dem K. in Verbindung gebracht. Nach einer Sage der Moldau wurde der hl. Johannes auf einem K. enthauptet, daher darf man an diesem Tag keinen K. kochen 91 ), und die Kleinrussen behaupten, daß aus dem K.kopf Blut fließe, wenn man ihn an Johanni Enthauptimg anschneide82). Ein alter und weitverbreiteter Aberglaube besagt, daß man am Bartholomäustag (24. August) nicht in den Krautacker gehen dürfe,

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weil man sonst den „Barthel" verjage, der an diesem Tage die K.köpfe fest und dick mache *s). An Gallus (16. Okt.) darf man nicht in den Krautgarten gehen, sonst bekommt man bitteres Kraut M ), ein etymologischer Aberglaube (bitter wie Galle!). Aus dem gleichen Grunde darf man an diesem Tag kein Kraut einmachen n ) . In manchen Gegenden geschieht das „Schrecken" des Krautes: An Johanni gehen Weiber bloß mit einem Hemde angetan (wohl Rudiment für die ursprüngliche Nacktheit, vgl. oben) ins Krautfeld, schlagen mit einer Rute auf die Krautpflanzen und bewirken dadurch, daß die übrigen in Schrecken gesetzt, rasch wachsen und schön werden 94). Es scheint, daß hier ein primitiver Fruchtbarkeitsritus (Nacktheit! Schlagen mit der Rutel) vorliegt. In der Schwalm geschieht das „Schrecken" des Krautes an Jakobi (25. Juli), dabei wird der Spruch „Jakob du Dickkopp, Häupter wie mein Kopp" (vgl. Anm. 36) gesagt 97 ). In Schwaben muß man an Jakobi jedem Krautkopf einen Stoß geben 98). Will man eine neue und bessere Art K. bekommen, so wickelt man am Katharinentag (25. Nov.) welke K.blätter zusammen, umbindet sie mit einem Stück Wollenzeug, etwa einem alten Strumpf, vergräbt sie einen Fuß tief und nimmt sie am 6. März wieder heraus, so sitzt in allen Adern der neue Same (Oldenburg)94). " ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 68. •*) F r a n z Benedictionen 2, 168. M ) P a n z e r Beilrag 2, 23; vgl. auch G r i m m Myth. 3, 428. M ) W i r t h Beiträge 4/5, 34. " ) John Westböhmen 332. ••) J ä c k e l Oberfranken 168. «') W i t z s c h e l Thüringen 2, 217.«) W i t z s c h e l a. a. O. •») FFC. 55, 44. 62 70 ) Nat. hist. 18, 131. " ) F r i s c h b i e r Naturkunde 326; vgl. dazu den a n t i k e n Aberglauben, daß die menstruierende Frau die Raupen verjage, z. B. P l i n i u s Nat. hist. 17, 266; A e l i a n Hist. animal. 6, 36. 72 ) M e y e r Deutsche Volkskde. 1898, 228. '») ZfVk. 10, 212. '«) A n horn Magiologia 1674, 134; vgl. auch B i n s f e l d Zauberei 1591, 16 a, wo als Aberglaube berichtet wird, daß ,,zu etlichen gewissen Tägen zu morgens früh das gabeskraut (Kohl) mit Besen gekehrt wird". '•) Rockenphilosophie 2 (1707), 333; Bavaria 2,299. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 167. " ) Prov. Brandenburg: Orig.-Mitt. von T e m p e l 1925. ™)Knoop Pflanzenwelt XI, 78. " ) J ä c k e l Oberfranken 199; M a r z e i l Bayer. Volksbot. 118. ««) SAVk. 15,1. n ) L e o p r e c h t i n g 3*

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Lechrain 193; vgl. auch Heiser Allgäu 2, 166. M )Bavaria2,839. e3)Knoop Pflanzenwelt XI, 78. M ) F i s c h e r ScAu)ä6W6. 4, 705. " ) F o g e l P«««sylvania 202. 8 4 ) T r e i c h e l Westpreußen V I I , 524. • ' ) R e i n s b e r g Festjahr* 259. M ) M e y e r Volhsk. 227. »») JbEls.-Lothr. 10, 240. M ) F i scher Schwäb.Wb. 4, 100. 705. w ) H o l l a n d Flore pop. 2, 33. M ) Y e r m o l o f f Volkskalender 375**) Rockenphilosophie 2 (1707), 2 1 4 ; G r i m m Myth. 3 , 4 3 8 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 1 7 ; P e t e r Österr.-Schlesien 2, 267; Heimatbild, aus Oberfr. 6 (1926), 39; Das Bayerland 20 (1909), 574; Spessart 10 (1924/25), Nr. 4, 1 6 ; J o h n Westböhmen 198; MnböhmExc. 14, 4 1 ; R o l l a n d Flore pop. 2, 33 (filmisch). •«) Oberamts-Beschreib. Künzelsau 1883, 142. * 6 ) ZfVk. 6, 183 (Thüringen); F o g e l Pennsylvania 192. **) S c h r a m e k Böhmerwald 235. • ' ) Festschr. d. Deutsch. Anthropol. Gesellsch. 1895, 73. »») B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 387. '») W u t t k e 425 § 665.

4. Vielfach erscheinen K.-Arten als K u l t s p e i s e bes. um Neujahr, Fastnacht und Ostern 100 ). An Weihnachten ißt man K . 10l ) f auch Kühe und Pferde (jedoch nicht die Schweine) bekommen ein Blatt 1 0 2 ). In Posen heißt dieser K . Stephanskohl 103 ). Wer an Weihnachten keinen Braunk. ißt, bekommt Eselsohren 1 M ). In der Christnacht muß man Grünk. aus dem Garten des dritten Nachbars holen und den Tieren im Stall davon geben, das schützt gegen Hexerei 105 ). In Anhalt füttert man in der Silvesternacht die Pferde mit gestohlenem Braunk. 1 0 4 ). K . (mit Brot oder geweihtem Salz) während der Christmette den Pferden gegeben, bewahrt diese vor der Kehlsucht 107 ) und überhaupt vor allerlei Krankheiten 10S ). Die Hexen erkennt man, wenn man die Kelle, mit welcher der zum Christfest gekochte Grünk. umgerührt wurde, unter der Schürze verborgen mit an die Kirchentüre nimmt 109 ). Wenn man an Neujahr 1 1 0 ), Lichtmeß m ) , Fastnacht 1 1 2 ) oder am Gründonnerstag 118 ) Kraut ißt, dann geht einem das ganze Jahr das Geld nicht aus oder man hat immer Glück, vgl. H i r s e . An Fastnacht soll man Kraut essen, dann bekommt der Fuchs kein Huhn 1 M ), in der Pfalz werden die Reste des am Fastnachtsdienstag übrig gebliebenen Sauerkrautes an die Hühner verfüttert, damit sie nicht vom Habicht geholt werden 1 1 6 ). Das an Fastnacht gekochte Kraut muß ganz aufgegessen

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werden, sonst muß man später viel im Flachs grasen u s ), wohl ein Analogiezauber (unreine Krautschüssel — unreines Flachsfeld!). Wirft man in der Christnacht ein Stück Brot in den Garten, so wächst im kommenden Jahr das Kraut gut 1 1 7 ), wohl das Rudiment eines Opfers an den Vegetationsgeist. „Nimm am Christmorgen drei grüne K kröpfe (mißverstanden für K.köpfe?), melke aus jeder Zitze der Kuh drei Strahlen auf jeden Kropf und gib der Kuh die Kröpfe zu fressen, so wird sie das ganze Jahr hindurch gut michen (mingere?) und milchen" (aus einer Hs.) U 8 ). 10 °) Vgl. auch H ö f l e r in HessBl. 9. 184 s . ; ZföVk. 9, 187. 1 M ) S c h e l l Berg. Volksk. 107; W i r t h Beiträge 6/7, 5. 1 0 2 ) Anhalt: Z f V k . 6 , 4 3 0 . " s ) K n o o p Pflanzenwelt X I , 78. 1 M ) ZfVk. 6. 430. 105 ) K u h n u. S c h w a r t z 405; vgl. Veckenstedts Zs. 1, 397. 1 M ) W i r t h Beiträge 4—5, 13. l07 ) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 7. 1 0 e ) P o l l i n g e r Landshut 197. m ) K u h n u. S c h w a r t z 405. 110 ) W i l d e Pfalz 140; W i t z s c h e l Thüringen 2, 187; ZfKulturgesch. N. F. 3 (1896), 223 (Nassau im 17. Jh.); B a r t s c h Mecklenburg 2, 242; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 65; ZfVk. 4, 3 1 9 m (Ungarn). ) F i s c h e r SchwäbWb. 6, 720. 111 ) Mittelfranken (die Krautschüssel muß dann unter den Tisch geworfen werden): Orig.Mitt. aus d. Archiv Bayer. Landesver. f.Heimatschutz in München; vgl. auch R o l l a n d Flore pop. 2, 33. 1 W ) Rheinpfalz: Orig. Mitt. v. Müller 1909. l w ) Mittelfranken: Orig.-Mitt. v. ni H o c h t a n n e r 1914. ) W i l d e Pfalz 140. » • ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 17. » ' ) Ebd. 6. na) E n g e l i e n u. L a h n 274.

5. Vielfach erscheint der K . im O r a k e l w e s e n . Wie auch sonst bei Kulturpflanzen (vgl. z. B. B o h n e , E r b s e , K l e e ) bedeuten weiße (Fehlen des Blattgrüns !) K.blätter den Tod des Feldbesitzers oder eines Familienmitgliedes 119 ). Ebenso bedeutet es einen Todesfall, wenn der K . im ersten Jahr in den Samen schießt (zum Blühen kommt)" 0 ). Als Heiratsorakel spaltet das Mädchen die Wurzel einer K.pflanze und steckt dadurch die Wurzel einer zweiten K.pflanze. Wenn die beiden Pflanzen anwachsen, so kommt die Hochzeit zustande 121 ). Oder die Pflanzen werden dicht nebeneinander gesetzt, und je nachdem sie sich einander zuneigen oder voneinander entfernen, wird auf das Zustandekommen der Ehe geschlossen 1 2 2 ); vgl. F e t t h e n n e (2,1386).

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Kohle

In Lothringen wird je eine K.pflanze aus dem Garten der Braut und des Bräutigams geholt 123 ). Auch bei anderen Völkern spielt der K. als Eheorakel eine Rolle, so in England und Irland 124 ), auf den Hebriden 125 ), in den Ver. Staaten von Amerika126) und bei den Serbokroaten127). In Deutschland und Frankreich erscheint der K. auch als Hochzeitsspeise bzw. in Hochzeitsriten128). Die Jungfernschaft eines Mädchens wird bestätigt, wenn es beim Krautstecken eine Pflanze auf einen Stein setzt und diese „bekommt" 129 ). Man stellt an Neujahr drei Gefäße auf den Tisch, eins mit K., das zweite mit Sand und das dritte mit Wasser gefüllt. Dann greift man mit verbundenen Augen zu. Trifft man das erste, so feiert man im nächsten Jahr Hochzeit, das zweite, so bekommt man Trauer, das dritte, Taufe 130 ). »») Z. B. Lüpkes Ostfries. Volkskde (1907), 1 1 7 ; Urquell 1, 8 (Dithmarschen); B a r t s c h Mecklenburg 2, 124; Veckenstedts Zs. 3, 232 (Gnesen); ZfVk. 5, 98 (Thüringen); L a m m e r t 1 0 1 ; J ä c k e l Oberfranken 234; J o h n Erzgebirge 1 1 5 ; Fogel Pennsylvania 1 2 1 ; Feilberg Ordbog 2, 354 f. l i 0 ) Grimm Myth. 477; Fogel Pennsylvania 1 1 5 . 120; Bergen Animal and Plant Lore 105 (New Hampshire). m ) Journal v.u. f. Deutschi. 7 , 2 (1790), 29 (Saalfeld); Witzschel Thüringen 2, 218; ahnlich auch Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 16 (1881), 242; Mülhause 40; Heßler Hessen 2. 327- 535; W i r t h Beiträge 6/7, 12; B a r t s c h Mecklenburg 2, 56; Urquell N. F. 1, 269 (Böhmen); Schulenburg Wend. Volksth. 1 1 7 . m ) ZfrwVk. 3, 64. 1 M ) F r a z e r Totemism 1, 33. l i < ) Brand Pop. Ant. 1900, 207; F r a z e r Balder 1 (1913), 242. «*) FL. 13, 53. 124 ) Bergen 147 ) Schneeweis Superstitions 55 f. Weih1 M ) HessBl. 9, 187 f.; nacht 137. Sébillot Folk-Lore 3, 515. "») John Westböhmen 198. 13 °) Nds. 14, 124.

6. Verschiedenes. Nach der Sage ist der „Mann im Mond" ein Bauer, der nachts in des Nachbars Garten K. stahl. Die dunklen Flecken im Mond sind der Dieb und der K.strunk 131 ). Nach einer jüdischen Legende wurde Christus an einem K.stengel aufgehenkt132). Mehrfach (bes. in Belgien und Frankreich) findet sich auch der Glaube, daß die Neugeborenen aus dem K. kämen 133 ). In Westthüringen blasen am Vorabend die Musikanten begleitet von der lärmenden

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Jugend „ins Kraut", vielleicht der Rest eines alten Kultes, um durch Lärmen die Dämonen zu verscheuchen134).

131 ) Treichel Westpreußen 2, 194; HessBl. 9, 187. m ) Meyer Germ. Myth. 261; Neckel Überlieferungen v. Gotte Balder 1920, 182 f. 13s ) Kuhn u. Schwartz 469; Wolf Beiträge 2, 359; RTradpop. 22, 306; Söbillot FolkLore 3, 474; F o n t a i n e Luxemburg 144; SchwVk. 3, 78 f. im) Herwig Idiotism. aus Weslthüringen (Jahresber. Realprogymn. Eisleben) 1893. 19Literatur: M. Höfler Der Kohl. In: HessBl. 9, 161—190, bringt die Verwendung des K.s als Beispiel dafür, wie die antike Volksmedizin noch jetzt fortlebt und wie der heutige Volksbrauch noch von der Antike beeinflußt wird. Mit dem Importe des K.s in vorahd.(?) Zeit wanderte auch der an ihm haftende antike Volksglaube. Marzell.

Kohle 1 ). Kohlen, besonders glühende, spielen im Volksaberglauben keine geringe Rolle. So benutzt man sie in Oldenburg als Schutz gegen Hexen 1 ). In Mecklenburg wirft man einer Hexe, die begraben wird, eine Schaufel brennender Kohlen hinterher, damit sie nicht ins Haus zurückkehrt 2 ). Im hannoverschen Wendland trägt man das Kind vor der Taufe über eine Schaufel glühender Kohlen 3 ), in Mettersdorf wirft man glühende Kohlen in das Badewasser neugeborener Kinder 4 ). In einigen Orten ist es Brauch, daß während der Einsegnung ein Familienmitglied eine glühende Kohle in die bloße Hand nimmt und sie schüttelt, bis sie erlischt; mit ihr werden dann Kreuze an die Türen gezeichnet, um böse Geister fernzuhalten 5 ). Altbekannt und verbreitet ist der Brauch, am Abend vor Walpurgis auf die Hausund Stalltüren drei Kreuze mit geweihter Kohle zu machen, damit die Hexen sich nicht heranwagen. Er wird erwähnt von Prätorius und ist belegt als üblich im Hunsrück, aus Hessen, Pommern und auf Rügen *). Im Frankenlande steckt man in eine Ecke des Deckbettes des Ehebettes drei Kohlen, damit böse Leute dem Ehepaar nicht beikommen können 7 ). In Ansbach und Umgegend trägt man als Schutzmittel drei Stückchen Kohle bei sich 8 ). Im Voigtlande und im Meininger Oberlande dürfen die Kohlen vom Christabend am ersten Weihnachtstage nicht erloschen sein; man bewahrt sie auf,

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Kohle

damit sie das Haus das ganze Jahr vor Unglück schützen ®). Ebenso bewahrt man in Thüringen und in der Pfalz die Kohlen des „Christklotzes" während des ganzen Jahres als Schutz gegen Feuersgefahr und anderen Schaden 10). Kohlen und angebrannte Holzstücke vom Osterfeuer gelten als Schutz gegen jeden Zauber u ) . Im Allgäu bedient man sich ihrer, um Hexen kenntlich zu machen l s ). Karsamstagskohlen legt man in der Oberpfalz auf den Acker als Schutz gegen den Bilmesschneider13). Wer Osterfeuerk.n im Flintenkolben bei sich trägt, dem kann die gespenstische Hasenfrau nicht schaden14). Alles, was vom Blitze herrührt, besitzt nach dem Volksglauben Kraft, den Blitz abzuwehren (vgl. Donnerkeil, Belemnit, Blitzstein, Echenit), so auch Kohlen von einem durch Blitzschlag abgebrannten Hause. In Oldenburg trägt man eine solche Kohle bei sich als Schutz gegen den Blitz 18 ). Solche Kohlen gelten auch als besonders zauberkräftig16). In Oldenburg schützt man sich gegen Behexung und Krankheit, indem man morgens nüchtern drei Messerspitzen Kohlenstaub von einem durch Blitz abgebrannten Hause einnimmt17). Aber auch andere Kohlen, besonders die an heiligen Tagen sich findenden, wirken zauberkräftig. So wehren am Lorenztage (10. August) nachts zwischen 11 und 12 gegrabene Kohlen dem Gewitter (Baden)18), in Schwaben bewahrt man sie im Kasten als Schutz gegen Feuersbrunst. In Landshut benutzt man sie als Schutz gegen Brandwunden (weil Laurentius nach der Legende auf glühendem Roste verbrannt wurde) und mischt sie unter den Saatweizen, damit er nicht brandig wird1®). Am Johannistage sollen sich auf allen Wiesen, wenn man den Boden aufgräbt, Kohlen finden, besonders unter Beifußstauden (Wahrscheinlich sind nach Linné damit die steinharten, alten Wurzelstöcke dieser Pflanzen gemeint). Sie schützen nach dem Volksglauben, ebenso wie die Osterfeuerkohlen, vor dem Einschlagen des Blitzes und auf dem Fruchtboden das Korn vor Würmern20). Im Allgäu legt man die Karsamstagskohlen ins Feld

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als Schutz gegen Wetterschlag 21 ), in Schwaben und Nassau wirft man sie bei Gewitter ins Feuer, damit der Blitz nicht einschlägt22). Am Lechrain steckt man angebrannte Holzscheite vom Johannisfeuer ins Flachsfeld, um das Gedeihen zu fördern2S), am Niederrhein streut man zu gleichem Zwecke zerstoßene Kohlen vom Johannisfeuer unter das Saatkorn oder in den Garten 24). In der Eifel legt man die verkohlten Reste des Christbrandes in die Konibar, damit die Mäuse das Korn nicht beschädigen2B). Kohlen vom Frühlingsfeuer bindet man auch an Obstbäume, um ihr Gedeihen zu fördern2S). An einigen Orten wird am Allerheiligentage eine Schicht Kohlen auf die Gräber gelegt 27 ). Dieser Gräberschmuck findet sich schon in den römischen Katakomben, der Brauch ist vielleicht eine dunkle Erinnerung an den früheren heidnischen Leichenbrand und wahrscheinlich aus Italien frühzeitig nach Deutschland gebracht 28). Kohlen, vor allem glühende, verwendet das Volk auch, um das Vieh vor Verheximg zu schützen. In Mecklenburg gibt man z. B. in den Trog, bevor das Vieh daraus getränkt wird, eine glühende Kohle 29 ). Bei der Enthexung einer Kuh in Münchengrätz spielt eine ins Wasser geworfene glühende Kohle die Hauptrolle 30). Krankes Federvieh wird im Harz in einem Siebe über Kohlenfeuer hin- und hergeschwenkt31). Im Allgäu gibt man dem Vieh Karsamstagskohlen ein 32). In Schwaben legt man verzauberte Butter, gießt man verhexte Milch auf glühende Kohlen; dann werden die Hexen derart geplagt, daß sie nirgends ruhen können oder, wie Luther sagt, herbeikommen müssen 33). Bei dem Ausräuchern der Ställe im Oberamt Blaubeuren spricht wohl der scharfe Geruch des Verbrannten mehr mit als die Kohlen im Räucherhafen 34). Ins Gebiet des Aberglaubens aber gehört es wohl, wenn der Masurenhirt, um seine Herde zusammenzuhalten, die Kohlen seines Waldfeuers stets sorgsam zusammenscharrt3S). Will man wissen, ob jemand „verneidet" ist, so gibt man drei (neun) Stück

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Kohle

glühende Kohlen in ein Gefäß mit Wasser; sinken sie unter, so ist er verneidet, andernfalls nicht 36 ). Ist jemand plötzlich ohne sichtbare Ursache erkrankt, so geht eine alte erfahrene Frau zu einer Quelle, schöpft, ohne jemanden dabei anzureden, Wasser daraus und wirft drei Kohlenstückchen hinein; gehen sie unter, so ist der Kranke beschrien (Saalfeld S. Meining) S 7 ). In Böhmen will man beim Kohlenorakel aus der Zahl der untersinkenden erkennen, ob der Beschreiende ein Mann, eine Frau, ein Jüngling oder ein Mädchen war ss ). In Thüringen schöpft man, wenn ein Kind die Brust verweigert,dreimal nachein ander fließendes Wasser gegen den Strom, sagt dabei „Im Namen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes", wirft eine glühende Kohle in das Gefäß und stellt es unter das Bett des Kindes. Sinkt sie unter, so ist das Kind verhext ,9 ). Ähnliche abergläubische Bräuche finden sich in Siebenbürgen, bei den Südslawen, Polen, Juden u. a.40). Kohlen werden auch als Heilmittel verwendet. Die Kohlen, die man in Norddeutschland und Schwaben am Johannistage zwischen n und 12 mittags unter Klettenwurzeln oder Beifußstauden sucht, gelten als wirksam gegen allerlei Krankheiten und andere Übel 4 1 ). Kohlen des Osterfeuers verwendet man in Westfalen, zerstoßen und zu einer Salbe gemengt, gegen das „wilde Feuer", den Rotlauf 4 2 ). In Oldenburg schreibt man Kohlen von abgebrannten Häusern besondere Heilkraft bei Brandwunden und dem „wilden Feuer" zu, auch werden sie gerieben gegen ansteckende Krankheiten verwendet 43 ). Gegen Quartanfieber nimmt man in der fieberfreien Zeit gepulverte Holzkohle ein **). Einem Kinde, das den „Nachtbrand" (Ausschlag im Gesicht und am Kopfe) hat, schüttet man in der Pfalz unter einem Zauberspruche drei Schippen glühender Kohlen über den Kopf 4 5 ) (wahrscheinlich bringt man sie dem Kopfe so nahe, daß die feuchten Stellen dadurch austrocknen). Im Simmenthai zieht man bei Zahnschmerzen den Dampf glühender Kohlen durch einen Trichter

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auf den schmerzenden Zahn 4S). In der Oberpfalz verwendet man glühende Kohlen bei Hühneraugen; in Siebenbürgen gegen Blattern auf der Zunge, in Pommern gegen Warzen 47). Staricius rühmt die Wirkung des auf Wunden gestreuten Holzkohlenpulvers 48 ). Die bereits von Plinius erwähnte Wirkimg der Kohle gegen Karbunkel beruht ausschließlich auf der Gleichheit der Namen (lat. carbo, carbunculus); heute ist sie noch in Böhmen bezeugt 4 *). Kohle im Munde gehalten soll das Sodbrennen stillen s0 ). In Oldenburg ißt man Kohlen von einem abgebrannten Hause und solche, die man im Frühling, sobald man die ersten Schwalben sieht, unter seinem rechten Fuß findet, als Mittel gegen das kalte Fieber, in Schlesien trägt man diese bei sich gegen Fieber n ) . Unter Beifuß gefundene Kohlen (sog. Thorellensteine) hing man an den Hals als Schutz gegen Fieber und Fallsucht M ). Mit Kohlenwasser wäscht man in der Untersteiermark Kindern das Gesicht, wenn sie von einem „bösen Auge" getroffen sind; bei Kopfschmerz läßt man Wasser trinken, in dem drei glühende Holzkohlenstücke gelöscht wurden 63). Von weiterem mit Kohle verbundenen Aberglauben ist anzumerken: Läßt man beim Verlassen des Hauses glühende Kohlen zurück, so bannt man das Feuer, indem man im Namen der hl. Dreifaltigkeit ein Kreuz darüber schlägt (Schlesien) B4). Kohlen soll man nie mit Wasser löschen (Disentis)55). Zwei glühende Kohlen auf dem Backofen schützen das Brot vor dem Verbrennen 6e). Wenn man Kohlen ißt, lernt man gut singen (Allgäu) w ). Wenn man auf brennende Kohlen spuckt, bekommt man Blattern auf der Zunge S8). Wenn die glühenden Kohlen wenig Asche haben, so kommt bald Regen (Mecklenburg) 69). Wenn an einem vom Feuer genommenen Topf Kohlen hängen bleiben, so kommt Besuch (Erzgebirge )eo). Das Glück schwindet, wenn am Einzugstage in das neue Heim zuerst Kohlen dorthin gebracht werden 41 ). Auch in Liebesund Fruchtbarkeitsangelegenheiten gilt die Kohle als Orakel ea ). Zu den Losbräuchen gehört das in Schlesien übliche

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Kohle

Tellerheben, unter denen Kohle, Kamm, Lumpen, Brot liegen83). Greift man dabei eine Kohle, so bedeutet das Krankheit oder Tod «4).

x) S t r a c k e r j a n 2, m ; vgl. G a s s n e r Mettersdorf 20; S e l i g m a n n 2, 96 (England, Irland, Persien). 2 ) B a r t s c h 2, 38 Nr. 33. *) S a r t o r i 1, 36; vgl. L e m k e Ostpreußen 1, 42. *) G a s s n e r 15; vgl. S a r t o r i i , 24 (Esten). s ) ZfVk. 4 (1894), 320. •) P r ä t o r i u s Blockes-Berges-Verrichtung 436; H e s s l e r Hessen 2, 98. 170. 327; W u t t k e 70 § 81; H a a s Rügen 93 Nr. 97; J a h n Pommern 340 Nr. 426; Hexenwesen 10; Opfergebräuche 131; zur Kohlenweihe vgl. F r a n z Benediktionen 1, 427. ' ) W u t t k e 374 § " ) S e l i g m a n n 2, 98; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 355. •) K ö h l e r Voigtland 415 u. 362; G r i m m Myth. 3, 452 Nr. 526; 476 Nr. 1109; 465 Nr. 855; vgl. K u h n Westfalen 2, 103 f.; P e r g e r Pflamensagen 292. 10) W i t z s c h e l 2, 172 Nr. 9; B e c k e r Pfalz 292; vgl. M a n n h a r d t 1, 228 f. u. F o n t a i n e 87. u ) S t r a c k e r j a n 2, 74; W r e d e Rhein. Vk. 132; W u t t k e 143 §97; J a h n Hexenwesen 130(132). u ) R e i s e r 2, 426 Nr. 4. l 3 ) B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 42. 46. l l ) R o c h h o l z Naturmythen 259. l s ) S t r a c k e r j a n i , 69. M ) W u t t k e 94 §116. " ) S t r a c k e r j a n 1, 68 u . 3 5 1 ; S e l i g m a n n 2, 241. 1 8 ) M e y e r Baden 508. " ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 119 Nr. 4 (432); S e p p Sagen 17 Nr. 7; L e o p r e c h t i n g Lechrain 190 Nr. 10; P o l l i n g e r Landshut 222; vgl. J a h n Opfergebräuche 253. Zu den Kohlen, auf „denen der hl. Märtyrer St. Lorenz gebraten wurde" vgl. B o c c a c c i o Decamerone 6. Tag 10. Nov. (Inselverlag 2, 276). 2 0 ) W o l f Beiträge 1, 391; W u t t k e 305 §449 (79 §92) u. 304 §448; M e i e r Schwaben 427 Nr. 115; K l a p p e r Schlesien 275 (277); G r i m m Myth. 1, 517; L a u b e Teplitz 39; vgl. M a n n h a r d t 1, 503 i. u. F l ü g e l Volksmedizin 28. " ) R e i s e r 2, 126. 2 2 ) B i r l i n g e r Volkst. 1, 472 Nr. 14; K e h r e i n Nassau 142 Nr. 2; vgl. S a r t o r i 2, 64; M e i e r Schwaben 391 f. u. 432 Nr. 130; H ö r m a n n Tirol. Volhsl. 59. " ) L e o p r e c h t i n g a.a.O. i 4 ) M o n t a n u s K o / A s / « / e i 2 7 . M ) S c h m i t z Eifel 4. 2 «) J a h n a . a . O . 9 8 . 2 7 ) R e i s e r 2, 170Í.; L e o p r e c h t i n g 198 f. 2 8 ) H o v o r k a - K r o n f e l d i, 188s.v.Grab. 2 , ) B a r t s c h a . a . O . 2 , 2 4 7 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 16; vgl. ZdVfV. 3 (1893), 170; S e l i g m a n n 2, 96; L i e b r e c h t Zur Volksk. 315 Nr. 34 u. 318 Nr. 45 (Norwegen). * ) G r o h m a n n 134. , l ) W u t t k e 94 § 116; J a h n Opfergebräuche 29. 8 I ) R e i s e r a . a . O . 2, 126. M ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 408; K l i n g n e r Luther 77; vgl. L i e b r e c h t a. a. O. 315 Nr. 44 (Norwegen) u. S e l i g m a n n 2, 95 u. 248 (Normandie, Irland). M ) E b e r h a r d t a . a . O . 14; vgl. S t ö b e r Elsaß (1858), 284 Nr. 222. Zu den zauberabwehrenden Räucherungen vgl. M a r z e l l Pflanzenwelt 107 f. M ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 146; S a r t o r i 2,152. M) Grimm Myth. 3, 451 Nr. 515 (3, 473 Nr. 1012); ZdVfV. t (1891), 312; G a s s n e r Met-

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tersdorf 21; W u t t k e 239 § 343; W e i n h o l d Neunzahl 21. 3 7 ) S e l i g m a n n i , 258; G r i m m a.a.O. Grohmann 1550.; S c h r a m e k Böhmerwald 281; W u t t k e 282 §413. 3 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 268 Nr. 34. Hillner Siebenbürgen 23 Nr. 80; G a s s n e r Metlersdorf 19 f.; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 355 f. u. 2, 194 u. 868 f.; S e l i g m a n n 1, 257 f. u. 315 f.; Urquell 1 (1897), 270 f.; 4 (1893), 42 u. 210. 4 1 ) G r i m m Myth. 3, 441 Nr. 217 u. 1, 517; S e l i g m a n n 2, 95; K u h n u. S c h w a r t z 393 Nr. 94; B a r t s c h Mecklenburg 2, 290 Nr. 1445; H ü s e r Beitr. (1893), 28. « ) K u h n Westfalen 2, 137 Nr. 406; J a h n Opfergebräuche 124; vgl. S e y f a r t h Sachsen 259 ( J o h n Erzgebirge I 95)- ö ) S t r a c k e r j a n 1, 68. 93. 104. ") L a m m e r t 261. « ) Ebd. 138; ZfrwVk. 1905, 182; W u t t k e 361 § 454. " ) Z a h l e r Simmenthai 71. " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 263; S c h u s t e r Siebenb. Volksdichtung (1865), 312 NT. 182; J a h n Hexenwesen 135 Nr. 392. * 8 ) S t a r i c i u s Heldenschatz (1679), 115. * ' ) P a u l y - W i s s o w a 11, 1, 1038fi.( P l i n . n. h. 37, 118); H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 400. i 0 ) F o g e l Penn. 275 Nr. 1442; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 89. " ) S t r a c k e r j a n a. a.O. i , 93; ZdVfV. 23 (1913), 120 f.; vgl. ebd. 7 u. H a l t r i c h Siebenbürgen 266 f.; D r e c h s l e r 2, 229; W u t t k e 353 § 529 u. 121 § 159; G r i m m Myth. 3 441 Nr. 217. M ) P r ä t o r i u s BlockesBerges-Verrichtung 113t.; T a b e r n a e m o n t a n u s Kräuterbuch 30; K u h n Westfalen 2, 176 f. Nr. 487 = W o l f Beiträge 1, 235 Nr. 407 (Notiz aus D e l r i o Disquisitiones magicae; J a h n Hexenwesen 188 Nr. 716); S t ö b e r Elsaß (1858), 40f.; vgl. F r a z e r 12, 195. S 3 ) F o s s e l Volksmedizin 65. 86; vgl. S e l i g m a n n 1, 344 (Siebenbürgen). Zu ähnlichen Bräuchen bei anderen Völkern vgl. S e l i g m a n n 2, 95 f. M ) D r e c h s l e r a. a. O. 2, 145 Nr. 522 u. 4, 359. " ) Wettstein Disentis 174 (40). »•) Urquell 4 (1893), 74. " ) R e i s e r Allgäu 2, 447. t 8 ) Urquell 4. 274. »•) B a r t s c h a. a. 0 . 2 , 209 Nr. 1030. ••) W u t t k e 211 § 294; vgl. G r o h m a n n 42. 8 1 ) J o h n Erzgebirge 28. , 2 ) ZdVfV. 16 (1906), 313; S c h ö n w e r t h 1, 146 Nr. 15; vgl. Urquell 4 26 u. G o e t h e Faust II „Hell erleuchtete Säle". • a ) K l a p p e r Schlesien 251; vgl. W i t z s c h e l a. a. O. 2, 178 Nr. 53. " ) H u s s Aberglauben 7 Nr. 3.

Kohlen werden zu Gold. Es ist ein häufig wiederkehrender Zug in deutschen Sagen, daß elbische Wesen Menschen für geleistete Dienste oder Leuten, die in Not geraten sind, etwas Wertloses schenken oder sie finden lassen. Der Empfänger wirft es geringschätzig (oder aus Angst) weg, aber die im Korbe, Sack usw. zurückgebliebenen Reste erweisen sich als Gold (Geldstücke, Diamanten u. a.). Kehrt er dann eilig zurück, um das Weggeworfene zu suchen, so ist es

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verschwunden, oder er findet die Stelle nicht mehr. Dieser Sagenzug findet sich besonders häufig bei Kohlen, die sich in Gold verwandeln45). Luther erwähnt den Aberglauben, daß Frau Holle bei ihrem jährlichen Umzüge als Gastgeschenk Kohlen zurücklasse, die sich dann in Gold verwandeln; er weist dabei auf die lateinische Redensart „carbonem pro thesauro invenire" hin, die unserem Sprichwort „Es ist nicht alles Gold, was glänzt" verwandt ist 64 ). Nach Agrippa besitzt der Geisterfürst Aratron die Macht, Schätze in Kohlen und Kohlen in Schätze zu verwandeln47). Aus der Fülle der hierhergehörigen Sagen, die z. T. als Schatzsagen auftreten, können nur einige wiederholt wiederkehrende Züge hervorgehoben werden. Dankbare Zwerge spielen z. B. in ihnen eine Rolle. Sie füllen dem Geiger, der ihnen im Zauberschlosse aufspielte, den Hut 48 ), der Hebamme, die einer Zwergin beistand, die Schürze mit Kohlen; läßt sie achtlos einige davon fallen, so warnt eine Stimme „Je mehr du fallen läßt, je weniger hast du" 69 ). In anderen Sagen sind es verwünschte Jungfrauen, die klagen, wenn man nicht alle Kohlen mitnimmt; denn dann wären sie erlöst worden 70). Auch der Teufel tritt selbst oder als schwarzer Hund in solchen Sagen auf; so verwandeln sich die von einem schwarzen Hund bewachten Kohlen in der Hand eines Bauern zu Pferdekot, den er wegwirft; was aber dabei in seine Schuhe fiel, rollt, als er sie auszieht, als Dukaten heraus n ) . Dienstmädchen, die früh am Morgen keine Kohle zum Feueranmachen haben, erhalten sie von geheimnisvollen, gespenstischen Wesen; auch diese Kohlen stellen sich später als Gold heraus7a) usw. In einer zweiten Gruppe von Sagen sehen Menschen ein Feuer brennen, meistens ohne den zu entdecken, der es entzündete. Gedankenlos, aus Spielerei oder um die ausgegangene Tabakspfeife anzuzünden, nehmen sie einige von den glimmenden Kohlen und entdecken später zu ihrer Freude, daß sie zu lauter Gold wurden73). Auch die Kohlen, die sich in der Johannisnacht unter Beifußwurzeln

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finden, verwandeln sich, wenn man besonderes Glück hat, zu Gold; alte Schatzgräbersagen knüpfen daran an 74 ). M) Liebrecht Zur Volksk. 1 0 0 Abs. 2 ; W i t z s c h e l Thüringen 2 , 2 9 0 Nr. 1 4 3 ; H e y l Tirol 2 5 6 Nr. 7 1 ; 6 9 0 Nr. 11; 6 2 0 Nr. 8 6 ; 1 6 0 Nr. 6 5 ; Andrian/lussee 1 4 2 ; B i r l i n g e r Volks!. 1, 7 4 ; G r ä s s e Sachsen 4 7 3 Nr. 5 ; G r i m m Sagen Nr. 1 6 3 ; V e r n a l e k e n Mythen 18; ZfdMyth. 2 (1854), 183f.; R o c h h o l z Naturmythen 1 1 9 Nr. 1 3 ; Z i n g e r l e Tirol 3 0 8 Nr. 5 4 4 ; vgl. S 6 b i l l o t Folk-Lore 1, 2 5 9 f. ••) K l i n g n e r Luther 5 0 * . , T ) A g r r i p p a v. N. 5 , m . M ) R o c h h o l z Sagen i , 3 1 1 f.; S e p p Sagen 1 9 . ••) R e i s e r Allgäu 1, 1 3 6 Nr. 1 3 7 ; W y s s Reise 2 , 4 1 4 ; G r i m m Myth. 2 , 8 1 2 1 ; K o h l r u s c h Sagen 2 4 ; V e r n a l e k e n Alpensagen 2 1 6 ; S e p p a . a . O . 5 7 2 ; J e c k l i n Volkstüml. 2 0 . 8 8 ; Z i n g e r l e Tirol 1 9 6 Nr. 3 2 8 ; R o c h h o l z Naturmythen 1 2 0 Nr. 15; V o n b u n Beiträge 5 2 ; M e i e r Schwaben 5 9 Nr. 6 7 ; J e g e r l e h n e r Oberwallis 2 Nr. 2 ; 2 4 7 Nr. 2 ( 1 9 0 Nr. 8 5 ) ; vgl. S c h ö p p n e r Sagen 3 , 1 3 3 Nr. 1 0 8 5 . 7 0 ) H e y l a . a . O . 3 9 5 Nr. 7 7 ; 2 5 1 Nr. 6 8 ; P a n z e r Beitrag 1, 2 f.; Z i n g e r l e Tirol 3 0 1 Nr. 5 3 6 ; 3 0 2 Nr. 5 3 7 ; 3 0 6 Nr. 5 4 3 . » ) S t r a c k e r j a n 1, 3 2 8 ; vgl. R e i s e r a . a . O . x, 24Öf. Nr. 2 8 4 u. L o h m e y e r Saarbrücken 7 1 Nr. 1 7 1 . 7 S ) K n o o p Hinterpommern 1 5 f. u. 2 9 f.; R o c h h o l z Naturmythen 1 6 6 Nr. 1 4 ; S e p p a. a. O. 5 7 2 f.; S c h r ö e r Beitrag 2 0 ; Z i n g e r l e Sagen 3 5 2 Nr. 5 8 5 ; Tirol 3 0 5 Nr. 5 4 1 ; 301 Nr. 5 3 5 ; 3 3 2 Nr. 5 8 5 ; ZföVk. 4 ( 1 8 9 8 ) . 2 3 1 ; E i s e l Voigtland 4 6 Nr. 1 0 2 u. 1 8 5 Nr. 4 9 2 ; P r ö h l e Harz 1 8 Nr. 1 8 ; S o m m e r Sagen 6 5 Nr. 5 7 ; G r ä s s e Preußen 4 6 5 Nr. 5 1 3 ; 6 4 2 Nr. 6 8 3 ; B i n d e w a l d Oberhessen 1 u. 2 0 1 ; L o h m e y e r Saarbrücken 1 2 7 Nr. 3 2 3 ; Stöber Elsaß 3 4 Nr. 2 5 ; W o l f Hess. Sagen 1 x 5 Nr. 1 7 9 ; G a n d e r Niederlausitz 7 3 Nr. 1 9 1 ; J a h n Pommern 2 6 7 Nr. 3 3 5 ( 3 0 0 Nr. 3 8 2 ) . ™) K u h n Märk. Sagen 3 1 ; Z i n g e r l e 3 3 2 Nr. 5 8 4 ; B a r t s c h a.a.O. i,237f.; E n g e l i e n u . L a h n 4 1 Nr. 2 1 ; B i r l i n g e r Volkt. 1, 9 6 Nr. 1 3 2 ( 9 9 Nr. 1 3 9 ) ; P f i s t e r Hessen 1 1 7 Nr. 3 ; B i n d e w a l d Oberhessen 2 1 9 ; W o l f Hess. Sagen 1 1 6 Nr. 1 8 0 ; S c h e l l Bergische Sagen 1 0 8 Nr. 5 7 ; 4 4 4 Nr. 4 8 ; S c h ö p p n e r Sagen 2 . 2 8 8 Nr. 7 7 1 ; E c k a r t Südhannover 1 7 8 ! ; H t t s e r 2 , 1 9 ; S c h o b e r Spessart X 4 0 Nr. 2 6 ; 2 0 0 Nr. 2 5 ; 3 2 0 Nr. 6 0 ; N i e d e r h ö f f e r Mechlenburg 3.1511.58 f . ; L o h m e y e r a. a . 0 . 1 0 8 Nr. 2 8 0 ; 1 1 6 Nr. 2 9 9 ; K f l h n a u Sagen 1, 3 9 6 f.; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 8 9 ; vgl. K ü h n a u Sagen 1. 4 3 4 . M ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 5 8 s. v. Beifuß; W u t t k e 1 0 6 § 1 3 7 . Weitere Sagen, in denen Kohlen zu Gold werden: R e u s c h Samland 132; B a a d e r Volkssagen 1 9 ; L ü t o l f Sagen 53; VogesBraunschweig 1 5 4 N r . i 2 8 ; M ü l l e n h o f f Sagen 3 5 6 f.; B e c h s t e i n Thüring. Sagenb. 2 , 1 6 8 ; F r e i s a u f f Salzburg 8 7 ; W a i b e l u. F l a m m 2 , 2 2 0 ; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 5 1 ; K n o o p Schatzsagen 5 ; S c h e i b l e Kloster 2 , 1 0 6 . 5 8 1 ; H e r z o g Schweizersagen 1, 11 f.; K u o n i St. Galler Sagen 3 1 u. a. Vgl.

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Kohlweißling—Kolik

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Im 13. und 14. Jhdt. heißt es: ,,wem weh ist in dem Bauche, das heißt passio colica, da hast dieses zu kennen: er ist träg und unmuthig und schwillt groß an binnen in dem Leibe und ihm wird das Fieber, das da heißt acuta" 3). Genauer unterscheidet Tabernaemontanus von dem Ileus die „Colica passio, seynd Grimen dess vnderen oder groberns Gedärms", Kohlweißling. Dieser häufigste Tag- aber „diese zwo arten der Grimmen sein falter (Pieris brassicae) ist im Deutschen einander so nahend verwand daß man und in anderen Sprachen nach Färbung sie zwo Schwestern nennt" l ). Nun aber und Nahrung benannt. erzählt uns Tabernaemontanus, daß die Als mundartliche Namen seien ange- „Illiaca passio" von dem gemeinen Mann führt berg. wessflog (Derschlag) 1 ), siegerl. die „Mannsmutter" genannt wird. Diese wiße ftatter*), weiß feil (Erzgebirge) 3 ). Verwechslung von Kolik und Globus Französische Namen: papillon blatte, hystericus, vielleicht entstanden aus der „weißer Schmetterling", papillon de chou Vorstellung, daß beide aus eingeschlosse„Kohlschmetterling", dem ital. cavaloja nen Winden herrührten s ), veranlaßt Kon(cavolo = Kohl) entspricht *). Im Engli- rad von Megenberg zu der Äußerung: schen heißt er wegen des mehlartigen „grimmen in dem leib, den man haizt die Flügelstaubes milier „Müller" 5 ). Be- permuter und haizt ze latein colica", und, sondere Erwähnung verdient der Wald- gleichfalls im 14. Jh., setzt die „Dudesche viertler Name Krautscheißer, der auf der Arstedie" für Bauchkolik den Ausdruck Volksmeinung beruht, die Eierhäufchen „heuemoder" 8 ). Auch heute noch ist an der Unterseite der Krautblätter seien die genaue Differenzierimg der vielen die Exkremente des Schmetterlings 6 ). Arten von Darmleiden und hysterischen Auf die Schmetterlingsmetamorphose be- Krankheiten dem Volke unmöglich. Im zieht sich trent. usel da rughe „Raupen- Neustettiner Zauberbuch wird das Regen vogel" 7). Als Name der Larve seien verder „Mutter" als Krankheit angesehen und zeichnet veron. rughe dei brocoli, rughe dele mit „Kolik oder innerlich Reißen in den 8 verse „Kohlraupen" ), womit sich kämt. Därmen" zusammengestellt 7 ), in Bayern Krautwurm vergleicht 9 ). spricht man bei Kolik von der Bärmutter, Aberglaube: Viele K.e deuten auf die „steigend worden" ist 8 ). Die ostkommenden Krieg 1 0 ). preußische „Koolk" ist ein Wesen im x) L e i t h a e u s e r Volkskundliches I 2, 31. Leibe, das Krankheit verursacht, wenn J ) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 12. 3 ) J o h n es sich rührt. Es scheint aber mit dem Erzgebirge 240. *) R o l l a n d Faune 13, 206. Leben des Menschen eng verbunden, ®) Ebd. •) W e i n k o p f Naturgeschichte 95 1 . ' ) G a r b i n i Aniroponimie 468. •) Ebd. ») Cadenn wenn es den Körper verläßt, muß rinthia 96, S. 61. " ) J o h n a . a . O . Riegler. der Mensch sterben *). Die Koolk haust Kolik. 1. W e s e n u n d E n t s t e h u n g . nicht an einem bestimmten Ort im Körper, K . ist anscheinend aus dem lat. colica sie kann im Kopf, Mark, Herzen oder passio = Darmschmerz entstanden 1 ). im Eingeweide krampfende Schmerzen Ob „ K o l k " oder „ K u l k " , früh daneben- verursachen. Die vielen verschiedenen stehend, aus K. geworden oder durch Kolikarten zeigen ähnlich, wie wenig Angleichung an ähnliche nd. Wurzel ge- greifbar die Krankheitsvorstellung ist. bildet ist, bleibt unklar. In Ostpreußen Man spricht von Wind- oder Blähkolik und nimmt an, daß sie aus „verschlagenen heißt der Eingeweideschmerz noch heute „Koolke"2). Er erscheint nicht ge- Winden" entstanden sei, von Darmbunden an ein bestimmtes Organ, wie kolik und Darmgicht, Darmgrimmen, denn die ältere Überlieferung gleichfalls von Mutter- oder Frauen-K., Nieren-, ein ganz unklares Krankheitsbild ergibt. Gallen-, Herz-K. 1 0 ). Entstehungsursache

M a i l l y Friaul 51; W l i s l o c k i Zigeuner X I V ; K r a u s s Slav. Forsch. 79 1 ; M a n n h a r d t 1, 142 (616); S i b i l l o t Folk-Lore 4, 438 f.; F r a z e r 11, 60 ff. Eine gute Zusammenstellung solcher Sagen bei S e p p Sagen 17 fl. Nr. 7; 573 u. 690 f. Eine Zusammenstellung der Sagen und Legenden über die Entdeckung der Steinkohlen bei S t e i n e r Mineralreich 106f.; dazu S c h e l l Bergische Sagen 3 Nr. 1 ; G r ä s s e Sachsen 183 Nr. 253. t Olbrich.

85

Kolik

ist neben den Blähungen Erkältung, auch wohl der Genuß von Obstwein oder unreifen und faulenden Obstes u ) . In Unterund Oberfranken spricht man von „Nabelaushöhlung" oder gebrochenem Nabel, den man nun durch Heben und Ziehen zu heilen und einzurenken versucht 12 ).

*) Grimm DWb. s. v.; Höfler Krankheitsnamen 291. *) Frischbier Hexenspruch 7 1 , 4 ; ZdVfVk. 5 (1895), 22. 3 ) Höfler Krankheitsnamen 291. *) Bargheer Eingeweide 416. «) Plinius Nat. hist. XI, 37 (84). •) Bargheer Eingeweide 416. ' ) BllpommVk. 9, 124. •) Höfler Volksmed. 196f.; vgl. Goldschmidt Volksmed. 103. •) Bargheer Eingeweide 417; l0 ) Höfler Krankheitsnamen 291 f.; H o v o r k a - K r o n f e l d Volksmed. 2, 127; Bargheer Eingeweide 403 f. u ) 6. u. 7. Buch Mosis 35. 12 ) Hovorka-Kronfeld Volksmed. 2, 125.

2. Heilung der K. Man legt dazu ein wenig Brot auf den Nabel, befestigt darauf ein brennendes Kerzlein und stürzt ein Trinkglas darüber. Dadurch wird der Nabel herausgezogen. Nimmt man Erkältung als Entstehungsursache an, so wird Wärme durch aufgelegte „Wärmsteine", heißgemachte „Sterze" (Hafendeckel), warme Schmalzlumpen zugeführt 13 ). Die „verschlagenen Winde" müssen abgetrieben werden durch Einreiben mit Spirituosen Flüssigkeiten oder durch Einnehmen von Kümmel- oder Anisöl. Auch Pfeffermünz- oder Schafgarbentee helfen 14 ). Heilmittel aus dem Pflanzenreich sind neben vielen anderen: Bärenwurzel, Gewürznelken in Wein, Kümmel, Brennessel, Schöllkraut 16 ). Auch organotherapeutische Mittel kommen in Anwendung. Am gebräuchlichsten sind die, bei denen man offenbar gleiches mit gleichem bekämpfen will. In der Pfalz drückt man 12 Tropfen aus frischem Pferdemist und nimmt sie in Branntwein gegen K. 1 S ), ähnlich verordnet das Neustettiner Zauberbuch 17 ). Eine sächsische Handschrift von 1856 meint: „Wenn ein Mensch oder Tier die Colica oder Reißen im Leibe hat, so zwinge drei Tropfen aus Pferdedreck, dieselben werden in Branntwein eingenommen" 18 ). In Mecklenburg und in der Schweiz soll das gleiche Mittel helfen " ) , das in schwäbischen Handschriften bereits um 1600 und 1800 vor-

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kommt und das Staricius 1679 bringt M ). Die „Düdesche Arstedie" gibt gegen K . oder „heuemoder": „Nym hundeshaer vnde duuenhoer . . . Item eyn ander. Nym hart mynschenhar vnde duuenhoer vnde czegenhoer vnde honrehaer", das alles zu einer Salbe verarbeitet werden soll 81 ). In Schwaben half gebranntes Wasser von Kuhdreck ta ), in der Gegend von Insterburg nimmt man gegen „Kolke" frischen Kuhmist mit Milch ein 23 ); sogar Menschenkot wird in der Steiermark empfohlen 21 ). — Vom Knochen im Wolfskot sagt Plinius: quae in excrementis lupi diximus inveniri ossa, si terram non attigerint, colo medentur adalligata bracchio **). Ebenso äußerlich angewandt half in Tirol gegen K. „ein Beinlein, welches im Wolfskoth gefunden wurde, an einem Faden um den Hals . . . oder ein Gürtel von Hirschhaut, in welche Wolfskoth eingenäht ist, um den Leib gebunden w ). Das 16. und 17. Jahrhundert läßt das Mittel innerlich nehmen. Becher sagt: Wolffs-Koth der wird auch wol in Wasser eingenommen / Ein Drachma denen hilflt / die Colicam bekommen " ) .

Zauberhaften Einschlag verraten Heilvorschriften, nach denen drei Tropfen Blut einer frisch getöteten Maus oder Taube in Branntwein genommen werden sollen oder gar Teile vom „Helm" oder der „Glückshaube": Das Häutlein so zu Zeit die Frucht umbgeben thut/ Ist vor die Colic und das Grimmen trefflich gut").

Heilzauber liegt auch anscheinend vor, wenn „die Matery aus einer Liechtbutzen" mit Branntwein getrunken wird 29), wenn das Abschabsei der 4 Tischecken helfen soll 30 ) oder ein Messer mit weißem Heft 3 1 ). An Plinius' Vorschrift, das Heilmittel dürfe die Erde nicht berühren (s. oben) erinnert der Gebrauch von Eicheln, die vom Baum gepflückt und in Säcken gesammelt sind. Die Berührung mit der Erde würde sie ihrer Heilkraft berauben 32). Will man sich vor K. bewahren, muß man sich am Karsamstag am Boden wälzen M ). Hier wird also die Berührung mit der Erde gefordert. —

8;

Koliksegen

Als K . s e g e n (s.d.) werden häufig Bärmuttersegen gebraucht. So sagt eine ostpreußische Handschrift des 18. Jahrh. gegen die „Kolke": Steh liebste Mutter steh; geh du in deinen rechten Stand wie dir dein Gott geschaffen hat 34 ).

In Merklingen-Blaubeuren heißt es noch deutlicher: Für Kohlich. Bärmutter wo wilst du hin, zu den Menschen. Was willst du bei den Menschen thun Ihr Fleisch zerhacken. Bärmutter geh hin in die Stadt wo man unsern Heiland gekreuzigt hat ss ).

Sonst kommt auch dieser seltsame Reim in Anwendung: Ein Hirsenbrei, ein schwarz Stück Brot, ein rot Glas Wein, das soll dir N. für Kolik sein *•).

Das kann auf ein Rezept deuten, Wein und auch Brot 37) werden häufiger verordnet, jedoch 38steht für Hirsebrei auch Hirschgeschrei ). 13 ) H ö h n Volksheilkunde 1 , 1 1 4 ; H o v o r k a Kronfeld 124. 14 ) 6. u. 7. Buch Mosis 35; Hovorka-Kronfeld 2, 125, vgl. 6. u. 7. Buch Mosis 99, 31; Frazer 12, 222; Fronius Siebenbürgen 29; Fossel Steiermark 117; Romanusbüchlein 54. 1S ) 6. u. 7. Buch Mosis 97f.; Schulenburg 106; Peter Österreichisch-Schlesien 2, 240; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 129. " ) Pauli Pfalz 68. " ) BllpommVk. 5, 106; Schmidt Mieser Kräuterbuch 37. " ) MsaVk. 6. 257" ) Blanck-Wilhelmi 214; Stoll Zauberglaube 89. 20) Staricius Heldenschatz (1697) 448; Bargheer Eingeweide 310 f. al ) Norrbom Düdesche Arstedie 131, 24. » ) Buck Volksmed. 45; vgl. Höhn Volksheilh. 1, 110. " ) Urquell 1, 137. 2 1 ) Fossel Steiermark 117. 2S ) Plinius Nat. hist. 28, 14 (59). 27 *•) Bargheer Eingeweide 312. ) Ebda. as ) Ebda. 281 u. 328 f. « ) SAVk. 10 (1906), i0 272. ) Fogel Pennsylvania 271 Nr. 1408. 31 ) Vernaleken Alpensagen 398 Nr. 70. 3J ) 6. u. 7. Buch Mosis 97 f. M ) Fossel Steiermark 117. Schnippel 49. 3 ') Höhn Volksheilkunde 1, i n . 36 ) Ebda., ahnlich Fossel Steiermark 1x7. ® 7 ) Hovorka-Kronfeld 2, 127. 38 ) Bargheer Eingeweide 425. Bargheer.

Koliksegen. 1. Die Kolik heilte man schon in der Spät-Antike mittelst Besprechungen der als lebendiges, unruhiges (tierisches) Wesen aufgefaßten Gebärmutter, deren Bewegungen (nach dem Herzen hinauf) vermeintlich diese und andere Krankheiten verursachten. Sie wurde beschwo-

88

ren, nicht zu wüten und schaden, sondern sich an den rechten P l a t z — in christl. Segen dann auch: den von Gott verordneten Platz — zu setzen. Ein besonderes Motiv (kaum klassisch belegt) kommt in deutschen, und zwar schon den ältesten Segen, hinzu: die Gebärmutter hat kein Interesse an dem Tode NNs, denn sein Grab wird auch ihr eigenes. Beispiele. Auf griechischem Papyrus, eigl. jüdischer Spruch: „Ich beschwöre dich, Gebärmutter . . . dich weder an den rechten noch an den linken Teil der Rippen anzulehnen, noch das Herz anzubeißen, wie ein Hund, sonderr* stehe und bleibe an deinem eigenen P l a t z . . . " 1 ) . Vgl. lateinisch gegen Bauchgrimmen, 4. Jh. „Quid irasceris, quid sicut canis iactas te, quid sicut lepus resilis ? Quiesce, intestinum . . .*' 2 ). Sehr lebhafte Schilderung in alter schweizerischer Hschr.: „Adiuro te matrix . . . que ruges tamquam leo, volueris sicut rota (etc.) . . .ut recedas a loco et vadas vbi ante eras, et redi in locum proprium" 3 ). — Nach solchen Mustern deutsch (in späten Aufzeichnungen) z. B. „Kolik, Kolik, wo willst du hin? Willst du in mein Leib hinein, willst mir die Därm zerreißen, willst mir das Herz abbeißen? Kolik, Kolik, geh hin, wo dich Gott ...verordnet hat"*). „Mutter, heg di, Mutter, leg di, leg dich an dieselbe Wand, wo dich Gott hat hingesandt" 6). „Frau Mutter, ich packe dich, ich drücke dich, geh du nur zur R u h e in deine K a m m e r , wo dich der liebe Gott erschaffen hat" 8). — Ähnliche Sprüche bei Nachbarvölkern 7). Das Grabmotiv kommt deutsch schon vom 12. Jh. 8) an vor. Es heißt z. B. (im 14.?): „Bermuter, leg dich, bist als alt als ich; bringst du mich zu der erde, du musst mit mir begraben werden.. ."•). Im 19. Jh.: „ . . d a ß du nimmer regest dich, sonst stößt du mir und dir das Herz ab, sonst müssen wir beide ins Grab" 10 ). — Vgl. noch Darmgicht und Gichtsegen § 6b. ') Denkschriften der Wiener Akademie 42, 28, vgl. ebenda S. 68 f. 2 ) Heim Incantamenta 5. 479; ähnl., aber in falschen Zusammenhang gebracht, bei Marcellus De medicamentis X 3 35 (Heim S. 498). ) Alemannia 16, 236;

89

Komet

vgl. Klemming Lake- och Oerleböcker (Stockh. 1886) S. 229. *) S c h m i t t Hetlingen S. 19, vgl. ZfVk. 1, 176 (lateinisch 15. Jh.). s ) ZfdMyth. 4, 109 (Aargau); Birlinger Aus Schwaben 1, 447, u. öfter. •) Frischbier Hexenspr. 5, 71 Nr. 6 (Grimm Myth. 3, 570). Vgl. noch z. B. ZföVk. 13, 137; Grimm Myth. 3, 503; Frischbier S. 70 f. passim. ') Z. B.: Französisch; ZfVk. 24, 138 Nr. i, 261 Nr. 40. Schwedisch H y l t i n - C a v a l l i u s Wärend och Wirdarne S. 413. Aus den Masuren Toeppen

90

Eigentümlichkeit der äußeren Formen, die verhältnismäßige Seltenheit der Erscheinimg, die scheinbare Eigenwilligkeit der Bahnen, die verschiedenartige Farbigkeit dieser Himmelserscheinungen ließen die Menschen die besonderen Ereignisse des Daseins dem Einfluß auch dieser Gestirne zuschreiben. Da die K.enerscheinung bei den meisten eher GeMasuren S. 50 („Macica", d. h . G e b ä r m u t t e r ) . fühle des Schreckens als der Freude Vgl. noch M a n s i k k a Litauische Zaubersprüche auslöste, sind es die Unglücksfälle des 34 ff. 46 ff. 8) Germania 18, 52. •) ZfdA. 19, Lebens, die auf die K.en zurückgeführt 473 f- (vgl. ZfVk. 1, 176, 15. Jh.). 10) BIBayVk. 2, 24. Vgl. Lammert S. 252; Höhn Volksheil- werden, und zwar fast ohne Ausnahme kunde 1,113; Hovorka u. K r o n f e l d 2,201 Unglücksfälle, die das Leben der A l l Odenwald; Frischbier Hexenspr. S. 70. — g e m e i n h e i t heimsuchen. Von den wohl Dänisch DanmTryllefml. Nr. 241 f. 2. E p i s c h e Segen, a) B e g e g n u n g . noch heute in weiten Kreisen des deutÄltestes Beispiel J. 1575 (ohne Eingang): schen Sprachgebietes verbreiteten Vor1 „Bärmutter, war soltu gahn? Ich gehe stellungen ) sei das Wesentliche hier zuüber feld, dem (N) sein herz abstoßen. sammengestellt. K.en verkünden a) U n g l ü c k s z e i t e n , insbesondere B., du solst es nit thun, die Messen sind 1. U n h e i l (Oldenburg l a ), Braungesungen" u ) usw.( vgl. Rosensegen). Im schweig 2), Voigtland s )); Zauberbuch „Albertus Magnus" begegnet 2. W e l t u n t e r g a n g (Westböhmen 4), der „Mutter Gottes" (für: Gebärmutter) 6 )); 12 Deutschland der Heiland und weist sie ab ). Ähn3. K r i e g und E l e n d (Schlesien 8 ),österlich niederländisch13). — b) D r e i W e i reichisch-Schlesien 7 ), Tirol 8 ), Zürcher ber (im Sande), eine Form der marOberland'), Sächsisches Obererzcellinischen Dreifrauensegen (s. d. § 1). gebirge 10), Voigtland " ) , Waldeck " ) , Ähnliche Segen sind in Schweden beSchwaben 1S ), Pfalz, Baden, Nasliebt 14 ). B ö s e s W e i b s. Pferdesegen 14), Oldenburg16), Braunschweig 14 ), sau § 2. Mecklenburg " ) , Böhmerwald 18 ), so» ) ZfdA. 21, 2ii. ") Höhn Volksheilkunde 1, m ; vgl. W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. S. 8 6 ; wie bei den Wenden in DeutschZfVk. 7, 289 Mecklenbg. 13) Ons Volksleven Schlesien w ) und den Deutschen in 6, 58. ") Skrifter utg. av Svenska LitteraturPennsylvania-U. S. A. 20 )); sällskapet i Finland XCI Nr. 23 S. 200. 4. H u n g e r s n o t und T e u r u n g (El3. R i t u e l l e r Segen. „Ein alter Schosaß a ) , Schwaben 22), Böhmerwald 23), renschopf, ein alter Leibrock, ein Glas Schlesien 24), Voigtland 2S), Baden 28), voll Rautenwein — Bärmutter, laß dein Zürcher Oberland 27 )); Grimmen sein" (indem der Kranke, in 5. K r a n k h e i t , P e s t (Braunschweig2®), ein Weiberkleid gehüllt, „Rautenwein" Böhmerwald 29), Westböhmen M ), trinkt) 1S ). — S. auch Pferdesegen. Schlesien 81 ), Elsaß 82 ), Pfalz 88 )); ") ZfdMyth. 4, 109 Aargau; Hovorka u. K r o n f e l d 2, 126 (127); F l ü g e l Volksmedizin 6. K ö n i g s t o d (Mecklenburg84)); S. 41; ZfVk. 7, 289 Nr. 1 Mecklenbg. Einfacher 7. Ü b e r s c h w e m m u n g (Elsaß 85 )); Höhn Volksheilkunde 1, m . 113. Ohrt. 8. K a t z e n s t e r b e n (Westfalen, zum K. Komet. des Jahres 1668 88)); 9. M ä u s e j a h r (Pfalz 87 )); I. Der I n h a l t der K . e n p r o g n o s e n . Keine Erscheinung des gestirnten Him- 10. R a u p e n f r a ß (Pfalz 88 )); 11. K. v e r t r e i b t die Heringe (Schonen, mels hat seit den ältesten Zeiten, und zum K. des Jahres 1313 89 )); man kann wohl sagen, bei allen Völkern, b) G l ü c k s z e i t e n neben den Finsternissen (s. d.) solche Macht auf das Gemüt des Menschen aus- 12. G l ü c k und F r i e d e n (Luserne in Tirol, wenn der K. weiß erscheint *°)); geübt wie das Aufleuchten der K.en. Die

Komet

91

13. G u t e s W e i n j a h r (Deutschland 41 )); c) N a t u r w u n d e r 14. formt auffällige Hühnereier (Deutschland«)); Dazu sei ausdrücklich bemerkt, daß die K.en auch heute noch vielfach als Künder und V o r b o t e n g r o ß e r w e l t s t ü r z e n d e r E r e i g n i s s e im allgemeinen, d. h. ohne deutliche Erwartung bestimmter Vorkommnisse, aufgefaßt werden (s. die folgenden Abschnitte). l ) Für die Lebendigkeit der K.enfurcht noch i. J. 1910 ist charakteristisch, was F. S. A r c h e n h o l d K.en, Weltuntergangsprophezeiungen u. der Halley'sche K. (Berlin, Treptow-Sternwarte 1910) S. 55 f. über eigene Erlebnisse beim letzten Besuch des Halleyschen K.en berichtet. la ) S t r a c k e r j a n 2, 107. 2 ) A n d r e e Braun3 schweig 404. ) K ö h l e r Voigtland 385. *) J o h n Westböhmen 234. Vgl. für Italien: S t r a f -

forello

Errori

1

fi.

s

) Urquell

4

(1893),

160. •) Ebd. 1892, 108; D r e c h s l e r 2, 135. ') P e t e r österr.-Schlesien 2, 258. 9 ) Zing e r l e Tirol 119 Nr. 1065. •) M e s s i k o m m e r 1,

189.

10

Voigtland

15

Sachs.

) Spieß

Nr. 186; J o h n 385.

la

Obererzgebirge

18

Erzgebirge 249. " ) K ö h l e r

) C u r t z e Waldeck

413 N r . 206.

) M e i e r Schwaben 507 Nr. 388. ") K l e e b e r g e r Fischbach 46; M e y e r Baden 515. 16 ) K e h r e i n Nassau 253 Nr. 23. l e ) S t r a c k e r j a n 1, 20,23.

17

) A n d r e e Braunschweig

404.

" ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 202. ") S c h r a m e k Böhmerwald 249. 20 ) S c h u l e n b u r g Volkstum

167.

21

)

Fogel

Pennsylvania

Nr. 430. 2J ) Elsäss. Mtschr. M ) M e i e r Schwaben 2, 507. Böhmerwald

249.

25

103

1 (1910), 90. u) Schramek

) U r q u e l l 3 (1892), 108;

D r e c h s l e r 2, 135. 2«) K ö h l e r Voigtland 385. 2 ') M e y e r Baden 515. !7 ) M e s s i k o m m e r 1, 189. l 8 ) A n d r e e Braunschweig 404. 2 ') S c h r a m e k Böhmerwald

234-

249.

,0

)

John

" ) Urquell 3 (1892), 108.

Westböhmen

»2) Elsäss.

M t s c h r . 1 (1910), 90. M ) K l e e b e r g e r Fischbach 46. S 1 ) Z f V k . 5 (1895), 431. 3 5 ) E l s ä s s . M t s c h r . 1 (1910), 90. 3 9 ) M e y e r Aberglaube 13. 3

') K l e e b e r g e r Fischbach 46. 3 i ) Ebd. 46. j Arch. i. Fischereigeschichte 6, 223. 40 ) Z i n g e r l e Tirol 119 Nr. 1067. " ) B o l l Sternglaube* 51; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 148. 498. 42 ) ZfVk. 27 (1917), 31 f. für die Gegend von Hamburg i. J. 1911. Vgl. F. A r c h e n h o l d Alte K.eneinblattdrucke Nr. 23: das Bild zeigt den K. von 1702 über Neapel; rechts Abb. eines zu Rom gelegten K.eneis mit Bild eines K.en, Sternen und sonstigen Zeichen. Dazu Bemerkungen und weitere Bilder bei A r c h e n h o l d K.en,

3,

Weltuntergangsprophezeihungen

und

der

Halley-

sche K. (Berlin, Treptow-Sternwarte 1910) S. 49 f. 53- 87 f.

II. G e s c h i c h t e des K.envolksglaubens.

europäischen

92

Die geschichtlich ältesten Beobachtungen der K.en sowie deren Ausdeutung zu mantischen Zwecken findet man wie stets in der Geschichte der Gestimbeobachtung bei den B a b y l o n i e r n . Man scheint hier die K.en freilich nur im Zusammenhang mit Sternstellungen untersucht zu haben, wie es ähnlich auch mit Meteoren, Blitzerscheinungen, Stürmen u. a. geschah. Die Deutungen sind also astrologisch (s. u. Abschn. III). Von ägyptischen oder jüdischen Beobachtungen der K.en ist meines Wissens nie etwas bekannt geworden. Früh hingegen begegnet K.englaube in der A n t i k e ö ) . Dem Volksglauben der älteren Zeit dürften die K.en als von Zeus gesandtes Wunderzeichen erschienen sein, wie der Meteor in der Ilias M ). K.en sind hier im allgemeinen Künder des Unheils, zunächst m e t e o r o l o g i s c h e r Natur; sie verursachen Stürme und Trockenheit (Aristoteles) 4S), beim Untergang Regengüsse (Poseidonios 48)). Bei Seneca steht, der K. sei die Ursache der ein Jahr lang anhaltenden Regengüsse und Stürme 47). Ebenfalls werden Springfluten, ja selbst Erdbeben 48) im griechischen Vorstellungskreis auf das Erscheinen der K.en zurückgeführt. Neben den meteorologischen stehen die p o l i t i s c h e n Prognosen. Hungersnot und Krieg und Tod verkündend, wird der K. zu einem den Griechen furchtbaren Zeichen, mit dessen Aufleuchten am Himmel in der Folgezeit alle umstürzenden politischen Vorgänge verbunden werden 49). Der K. des J.es 372 v. Chr. verkündete „den Spartanern ihre Niederlage (371 Leuktra ) und den Verlust ihrer Hegemonie über Griechenland" 60). Viele Ereignisse des 1. vorund nachchristlichen Jahrhunderts verbindet auch r ö m i s c h e r Glaube mit den K.en 81 ). Die Ereignisse der Bürgerkriege, Pharsalus und Aktium, die Varusschlacht, die Einnahme Jerusalems und andere, werden mit K.en zusammengebracht 52 ). In dieser Zeit taucht die Idee auf, den K.en als den T o d e s v o r b o t e n g r o ß e r M ä n n e r aufzufassen. Bekannt sind die K.en, die auf den Tod des Augustus, Claudius, Nero, Vitellius, Vespasian u. a.

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wiesen 63). Der Glaube hält sich bis ins späte Altertum. Auch Justinians Ende soll ein K. der Welt angezeigt haben M ). Hingegen ist antikem (wie deutschem) K.englauben die Vorstellung, daß ein anderer Mensch durch die Erscheinung des Gestirns seinen Tod geweissagt erhalte, im allgemeinen fremd; wenn dieser Gedanke an den Kaisern haftet, so erklärt sich das aus ihrer Stellung als der für das politische Leben des Imperium Romanum verantwortlichen Männer. Endlich sind der Antike die K.en K r a n k h e i t s k ü n der; allgemein herrscht die Ansicht, sie bringen Pest oder sonstige Seuchen5S). Die Nachricht, daß mit dem Erscheinen eines K.en der B e g i n n einer neuen Weltperiode angezeigt werde, ist vereinzelt überliefert als Deutung der K.enerscheinung vom Jahre 44 v. Chr. durch den Mund eines etruskischen Haruspex86). An einer anderen Stelle aus etwas späterer Zeit wird mit dem Erscheinen der K.en ähnliches erwartet 57 ), und viertägiges Leuchten des K.en Typhon soll Z e r s t ö rung und V e r n i c h t u n g des Weltganzen nach sich ziehen 58). Hier wirken auf die K.en Vorstellungen zweifellos die eschatologischen Ideen der letzten Jahrzehnte des 1. Jh.s v. Chr. ein. Es ist daher kein Wunder, wenn der Gedanke hernach bei christlichen Schriftstellern ernstlich erwogen wird 59 ) und seitdem zu den stereotypen K.enprognosen gehört. Das Gesamt der politischen Prognose faßt eine Bemerkung des Bischofs Synesios von Kyrene anschaulich zusammen: „Unglücksfälle für das ganze Volk, Versklavung von Völkern, Aufstände von Städten, Untergang von Königen, nichts Kleines, nichts in mäßigen Grenzen sich Haltendes, sondern alles schlimmer als das Schlimmste" 60). Daher konnte Claudian auch zu dem im Jahre vor der Schlacht bei Pollentia (402) erscheinenden K.en sich äußern, daß man niemals ungestraft am Himmel einen K.en erblicke * 1 ). Der Gedanke der Furcht beherrschte seit Jahrhunderten die Massen. Gegen diese Fülle des Unheils, das die K.en dem antiken Menschen verkünden, kommen die wenigen G l ü c k s p r o p h e -

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zeiungen nicht an. Dreimal wird einem großen Menschen das Aufleuchten des K.en als gutes Vorzeichen gedeutet; dem Korinther Timoleon, dem König Mithridates von Pontus und dem Kaiser Augustus 42 ). — Die günstig lautenden Emteprognosen entstammen babylonischer Astrologie M ) (s. u. III). Von den in der Antike umgehenden und in mehr oder minder kurzen Abhandlungen überlieferten K.envorstellungen ist das ganze deutsche M i t t e l a l t e r samt den anliegenden Gebieten abhängig. Von sich aus sind die Germanen zu keinem K.englauben gekommen. Erst die Verbreitung römischer Kultur, dann die Beschäftigung mit antiker Astrologie im 10. Jahrhundert vermittelt diese Vorstellungen und ihre die Menschheit quälenden Ängste auch dem Norden. Die Prognosen erscheinen in derselben Form, wie wir sie im Bereich der römischen Kaiserzeit kennen gelernt haben. Ihre schriftliche Fixierung auch in Werken mittelalterlicher Geschichtsschreibung sorgte dann für die Tradierung. Neue Momente treten also nicht auf. Es mag in diesem Zusammenhang genügen, eine Stelle aus Liudprands Antapodosis (V 2 p. 1 3 1 , 9 ed. Becker) anzuführen, die sich auf einen K.en des Jahres 939 in Italien bezieht: „sed et in Italia octo continuis noctibus mirae magnitudinis cometa apparuit, nimiae proceritatis igneos ex sese radios fundens, subsecuturam non multo post famem portendens, quae magnitudine sua misere vastabat Italiam". Zur weiteren Orientierung über die Tradierung des antiken Glaubensgutes sei auf die Zusammenstellungen bei R. Boese, Superstitiones Arelatenses S. 18. 25. 39. 52. 73 und bei A. Schultz, Das höfische Leben der Minnesänger 1, 127 ff. (für die Zeit von 1100—1315) verwiesen 64). Für das englische Mittelalter ist die antike Tradition im K.enaberglauben nachgewiesen von Th. 0 . Wedel in seiner in den Yale studies erschienenen Arbeit „The mediaeval attitude toward astrologie particulary in England". Der Verfasser bezeichnet Isidoras von Sevilla als Aus-

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gangspunkt der mittelalterlichen Überlieferung (Revolution, Pestilenz 65 )); der erste mittelalterliche Gelehrte, der die Tradition fortsetzt, ist der von Isidor abhängige Beda 88 ), bei dem beispielsweise die Sarazeneneinfälle in Gallien von 729, ferner der Tod Osrics und Egberts mit K.enerscheinungen kombiniert werden 87). Übrigens hat sich der Glaube an böse K.enwirkungen bis heute in England erhalten 88). Frankreich ••) und Italien 70 ) machen von diesen Anschauungen keine Ausnahmen. So gelangt die K.enmantik unwidersprochen zu den Menschen der R e n a i s sancezeit. Vielleicht kann man zwischen den antiken und mittelalterlichen Vorstellungen einerseits,denen der Renaissance anderseits insofern einen Unterschied erkennen, als die Bevölkerung wenigstens von Süd- und Mitteleuropa die K.enerscheinung seit der Renaissance als A n k ü n d i g u n g einer S t r a f e G o t tes für ihre Sünden auffaßt — daher der Vergleich des K.en mit einer Zuchtrute oder ähnlichem (s. u.) in der Hand Gottes 71 ) —, während eine Anschauung, die den K.en mit der strafenden Gottheit verbindet, aus dem Altertum und Mittelalter nicht bekannt zu sein scheint. Das Sündengefühl vor allem des ausgehenden 15., sowie des 16. und 17. Jahrhunderts mag die in diesen Jahrhunderten gegenüber den vorhergehenden Zeiten gesteigerte K.enfurcht erklären 72). Die A u f k l ä r u n g hat hier keine nachhaltige Wirkung zur Behebung der K.enfurcht auszuüben vermocht, und bis auf unsere Tage ist die im wesentlichen antike K.enmantik nicht ausgestorben 73 ). Noch zu B e g i n n des 19. J a h r h u n d e r t s sogar hören wir auch unter den Gebildeten durchaus ernsthaft das K.enphänomen mit seinen Folgen diskutiert; Napoleon bezog die später zu zitierenden Verse aus Shakespeares Caesar auf sich 74 ), wohl im Zusammenhang mit der Erscheinung des K.en von 1812. Auf Grund derselben Erscheinung denkt der dänische Geschäftsträger in Petersburg, Madrid und London, Joh. G. Rist in seinen Lebenserinnerungen

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düster der Zukunft: „Die Zeichen der Zeit standen also zum Kriege. Der K . wies nach Nordosten, und wir erwogen unablässig das Für und Wider des großen Kampfes, der unabänderlich schien" 7B). Die Strafe Gottes vollzog sich nach der Annahme der vorausliegenden Jahrhunderte durch Heraufführung des W e l t u n t e r g a n g s 76). Seitdem die Berechnung der K.enbahnen und die Entdeckung periodischer K.en gelungen war (Ende des 17. Jahrhunderts durch Dörfel und Newton) 77), begann die Weltuntergangsidee wieder aufzuleben. Ihr neuer Schöpfer war der Engländer Whiston, der auf Newton und Halley gestützt in dem K.en von 1680 den Urheber der Sintflut und des Jüngsten Gerichts fand, das er für diesen K.en auf das J . 2255 festlegte, dessen Kommen er aber bei jedem K.en als möglich bezeichnete. Gottsched wird ein Hauptverfechter der Idee in Deutschland 77a). Jedesmal, wenn ein K . die Erdbahn kreuzte, packte die Gemüter das Entsetzen ob dem, was kommen würde. Charakteristisch für das schnelle Einwurzeln dieser Ideen in weiten Kreisen der Völker ist der Vorfall mit dem Vortrag des Franzosen Lalande im Jahre 1773. Es verbreitete sich damals in Paris das Gerücht, der genannte Astronom gedenke der Akademie eine Arbeit vorzutragen über die K.en, die der Erde sehr nahe kommen. Wegen Überfülle an anderen Stoffen konnte der Vortrag nicht gehalten werden. Nun hieß es plötzlich, Lalande habe den Zusammenstoß eines K.en mit der Erde und deren Untergang auf den 12. Mai nachweisen wollen, was von der Polizei, um eine Panik zu vermeiden, verboten worden sei. Die darauf folgende Bestürzung war ungeheuer; weder Lalandes Erklärungen über den wahren Sachverhalt noch die Verbreitung seines Vortrags durch Druck konnten der Angst Abbruch tun; sie verlor sich erst, als der unglückselige Maitag ohne Störung vorübergegangen war 78 ). 1832 lebte die alte Furcht nochmals auf, weil in d e m Jahr nach den Berechnungen des Astronomen Olbers der Bielasche K. am 29. Oktober die Erdbahn kreuzen sollte.

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Die furchtsamen Gemüter beachteten gar nicht, daß dies in 1 1 Millionen Meilen Entfernung von der Erde stattfand '•). 1 8 5 7 verbreitete ein müßiger Kopf ähnliche Ideen und fand noch immer Gläubige. E s sollte der große, schon 1264 und 1 5 5 6 beobachtete K . wiedererscheinen und den Weltuntergang bringen ; indes die Berechnung war falsch, der K . blieb aus 8 0 ). N u r selten begegnet der Gedanke, daß eine K.enerscheinung eine entscheidende Wendung zum Besseren bringen könne; eine Schrift des Jahres 1 8 3 4 faßt den K.en so auf 8 1 ). Auch unsere Gegenwart kennt nur den Unheilskünder, der Krieg, Teurung usw. im Gefolge hat. Mit dem Beginn des Weltkrieges ward ein K . in Zusammenhang gebracht 8 2 ). Neben diesen Vorstellungen taucht seit dem Anfang des vorigen Jahrhunderts noch jene auf, daß der K . g u t e Weine hervorbringe w ) ; vielleicht erklärt sich die Idee aus den meteorologischen Theorien, die die Astrologie der Renaissance entwickelt hat (s. u.). Man möchte vermuten, daß solcher Glaube auch in den vorhergehenden Jahrhunderten schon verbreitet war, wenn auch kein Beleg dafür vorhanden ist. **) Der folgende Abschnitt ist Referat aus W. G u n d e l Kometen bei P a u l y - W i s s o w a 1 1 , 1, 1145; doch zitieren wir die Stellen nach jener Arbeit auch hier, weil vielleicht nicht jedem Besitzer dieses Lexikons PaulyWissowas Realencyklop. zugänglich ist. **) II. IV 75: B o l l denkt an einen Meteor (nach G u n d e l PW. a. a. O), manche antike Kommentatoren (z. B. D i o Cass. 78, 30, 1) an einen K.n, so auch G u n d e l a. a. O. und B o l l Sternglaube* 89. «) met. I 7, 8. «) Schol. in Arat. 1083 = p. 544 M und 1093 = p. 546 M, weitere Zitate bei Gundel ebd. Sp. 1146, 44; vgl. G i l b e r t Die meteorol. Theorien des grieck. Altertums 652. ") Nat. quaest. V I I 28, 2; vgl. P t o l . T e t r . I I 10 ed. Melanchthon, Basel 1553, p. 102. " ) Springflut: A r i s t o t . met. I 7, 10; Erdbeben: Senec. nat. quaest. V I I 16, 2, 2. 82; P a u s a n . V I I 24, 8. **) G u n d e l a. a. O. Sp. 1147, 20 ff. M ) D i o d o r X V 50. ») Material bei G u n d e l de stell, appell. 233 fi. (141 ff.). n ) Pharsalus: z . B . L u c a n . I 528; Actium: Man. I 914 (vgl. D i o 50, 8, 2), Varusschlacht: Man. I 8980. M ) Augustus: Cass. D i o 56, 29; Claudius: Suet. Claud. 46; Nero: Tac. ann. X I V 22; Sen. Oct. 231 fi.; Vitellius: Cass. Dio 65, 8, 1 ; Vespasian: Cass. Dio 66, 17, 2; S u e t . V e s p . 23; daselbst auch des B l c h t o l d - S t i u b l i , Aberglaube V

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Kaisers geistreicher Witz über die Unmöglichkeit einer Beziehung des K.en zu ihm: da einem Kahlkopf der Haarstern nichts weissagen könne, gelte das Zeichen dem Partherkönig, der langes Haupthaar trüge. M ) Georg. Cedren. hist. comp, bei Migne PGr. 1 2 1 , 638. 66) Manil. I 180; Schol. Luc. I 529; Corp. gloss. lat. V 182; Isid. orig. I I I 70, 10. M ) Der Haruspex hieß Volcanius, vgl. B a e b i u s M a c e r bei Serv. Dan. zu Verg. Bucol. 9. 46. M ) Man. I 903; Sil. I t a l . I 464; Orac. s i b y l l . I I I 796. " ) K a m pester bei L a u r . L y d u s de ost. p. 45, 1. ••) Joh. Damasc. de fide orthod. I I 7; Orig. c. Cels. I 59 p. 373. ,0 ) Eric, ca.lv. ed. Migne PGr. 66 p. 1185, 73, vgl. Plin. h. n. I I 92. «») de bell. Gotk. 243: 'et nunquam caelo spectatum impune cometen'. , a ) Timoleon: Diod. 16, 66, 3; Mithridates: J u s t i n u s 37, 2, i f f . ; Augustus: P l i n . n.k. I I 93; Verg.Eclog. 9,48; vgl. Gundel s. v. Kometen in P a u l y - W i s s o w a Sp. 1186, 44 fi. , s ) s. G u n d e l a. a. O. 1150, 22 ff., wo auf J a s t r o w Ret. d. Bob. u. Ass. II 2, 696, 1 verwiesen wird. M ) Zur weiteren Behandlung vgl. G u n d e l bei B o l l Sternglaube* 187. , s ) S. 28. Isid. de rer. nat. 26, 13 (Mign. P. L. 83, 1000). ••) B e d a de rer. natur. 24 (Migne P. L. 90, p. 243 A) zitiert I s i d o r wörtlich. " ) B e d a histor. Ecclesiastica 4, 12; 5, 23. 24. , s ) F i s c h e r Angelsachsen 22. 49) S i b i l l o t Folk-Lore 1 , 5 1 ff.; 4,441. '») S t r a f f o r e l l o Errori iff. " J V g l . z . B . J u n c t i n u s Adnotat. in cometis ( = Speculum astrologiae, Lugduni 1583) II, 1225 b; Luther bei K l i n g n e r Luther 95, zit. auch ZfVk. 27 (1917), 19, seine „antiken" Anschauungen in den Briefen über den K.en von 1531 bei A. W a r b u r g Heidn.-antike Weissagung in Wort und Bild zu Lutkers Zeit ( = Sitzungsber. Heid. Ak. d.Wiss. igigphil.-hist. Klasse 26 S. 69 A. 134); weitere Zitate für die allgemeine Verbreitung der Anschauung z. B . G u n d e l in HessBl. 1908, 89 u. ö. (meist Belege aus dem 17. Jahrhundert) und weiter u. '*) Diese Furcht geht so weit, daß man in dieser Zeit plötzlich „entdeckt", was K. heißt. Man verstand nämlich nicht, wie in der Antike stets richtig geschehen war, die Bezeichnung K c f i i ^ T r , ; , S t e l l a crinita (danach die deutsche Übersetzung „Strobelstem") von der Erscheinung des Gestirns, sondern hörte schon aus dem Namen „Komet" mit Zittern das kommende Unglück heraus, denn er nannte sich gleichsam den „ c o m i t e m et socium rerum fatalium" oder auch „comoediam", denn mit seinem Aufleuchten „ist eine Newe Comoedi am Himmel" (Gundel de stell, appell. 141 ff. [233 ff.]). '») Vgl. u. die TabeUe, Abschn. I X und Hovorkas Belege; über den Kampf der Aufklärung gegen den K.englauben s. Abschn. III. 7 1 ) Caesar I I 2, 30, weiter unten Sp. 148 zitiert; Napoleons Äußerung vgl. G u n d e l in HessBl. 7 (1908), 1 1 1 . '*) Zitiert nach ZfVk. 27 (1917), 13 f. " ) Vgl. o. Anm. 54. " ) Über die moderne wissenschaftliche K.enforschung orientiert kurz der Artikel „Kometen" in H. G r e t s c h e l s Lexikon der Astronomie 4

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(Leipzig, Bibliogr. Institut) S. 259 äff.; H e ß (Titel s. Anm. 216) S. 309. "=>) Heß a. a. O. 310 f. '») Ebd. S. 258 b; G u n d e l in HessBl. 7 (1908), 108. ™) G r e t s c h e l s Lexikon d. Astronomie s. v. 258 b. Ebd. 81 ) G u n d e l in HessBl. 7 (1908),114. M ) s . die Tabelle in Abschn. IX. 83) Gundel in HessBl. 7 (1908), 107; ders. bei P a u l y - W i s s o w a s. v. Sp. 1150, 35, wo auf die Verse V e r g i l s Ecl. 9, 46 s . verwiesen ist, die mit dem sidus Iulium das volle schöne Ausreifen der Traube verbinden. Doch dürfte dies kaum Voraussetzung der modernen Anschauung geworden sein.

III. B e h a n d l u n g der K . e n in d e r Astrologie. Neben dieser K.enmantik gibt es astrologische Kometologie. Sie ist erheblich komplizierter, da sie nicht nur die Erscheinung des K.en als solche erörtert, sondern seine Stellung in den Tierkreisbildern, zu den Planeten und örtern des Tierkreises beobachtet und ausdeutet (s. Horoskopie Sp. 359 ff.) sowie seine Farben für die Prognosen berücksichtigt. Der Einfluß dieser Art von Vorhersage auf die Entstehung des Volksglaubens war, da in ihren Voraussetzungen zu kompliziert, natürlich wesentlich geringer als der der einfachen K.enmantik. Dafür war vielleicht die Wirkung dieser viel differenzierteren Prognosen auf die unglücklichen Erwartungen der Menschen in den einzelnen Jahren stärker. Das scheint mir deutlich aus der Haltung der Menschen um 1500 hervorzugehen, die, nach den damals ungemein reichlich verbreiteten astrologischen Prognosen zu urteilen, ständig in Ängste über ihre Schicksale versetzt wurden durch Ankündigungen, in denen zu einem ganz erheblichen Teile gerade K.en (die Prognosentitel sprechen fast immer von dem erschroeklichen Cometen oder ähnlich) M ) Ausgangspunkt der Unglücksprophezeihungen waren. Schon bei den B a b y l o n i e r n wurden die K.en auch unter astrologischen Gesichtspunkten interpretiert M ). Zu einem K.en in der Ekliptik wird Preiserniedrigung und Aufruhr notiert. Erreicht ein K . den Jupiter, schießt er über ihn hinweg, und verschwindet er im N. oder S., dann folgen Gedeihen der Ernte und feste Preise. Holt Merkur den K . ein.

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gedeihen Korn und Sesam. Ferner beachtet man die Himmelsrichtung, die der K . nimmt. Verschwindet er nach N. aufwärts, tritt auf der Erde Frost ein, ist er mit dem Kopf gen Himmel gerichtet, bringt er in diesem Jahre Regen, weist sein Kopf aber zur Erde, tritt Hochflut ein; beide Weissagungen sind für Babylon günstig. Auch die Farbe ist wichtig: ein feuriger K . bringt zerstörenden Regen, ein feuriger K., in dem drei sichtbare Sterne stehen, läßt auf Pest schließen. Griechische Überlieferung verschiedener Astrologen über die K.en bei den Babyloniern läßt erkennen, daß es um das 4. Jh. v. Chr. in Babylonien Systeme der astrologischen K.enmantik gibt, die vielleicht auf die spätägyptische Astrologie des Nechepso-Petosiris (so Gundel), sicher auf die astrologische Interpretation der K.enerscheinungen bei den Griechen eingewirkt haben 88). Wie in der Horoskopie werden auch in der astrologisch bestimmten K.enmantik die für die arabische wie mittelalterlichrenaissancische und nachrenaissancische Astrologie maßgebenden Grundlagen im Wir fassen zur H e l l e n i s m u s gelegt. Orientierung in einem kurzen Bericht zusammen, was W. Gundel (bei PaulyWissowa) aus der antiken Überlieferung ermittelt hat 8 7 ): So wenig wie in der Antike in den Fragen der Horoskopie ein Vorgehen nach einem einheitlichen System erreicht worden ist (s. Horoskopie Sp. 373), so wenig in der Ausdeutung der K.enerscheinungen. Gleich in der Stellungnahme zu einem von K.en angekündigten Ereignis war man sich nicht klar: die einen nahmen an, daß K.en nur Böses verkünden könnten, während andere Astrologen die K.en in gute und böse teilten 88). Wenn die K.en als von den Planeten erzeugt angenommen werden oder je ein K. einem Planeten zugewiesen erscheint, dann muß man entsprechend den Planeten (s. d.) auch die K.en in gute und böse teilen (s. a. Horoskopie Sp. 364). Demnach sind Jupiter- und Venusk.en gute, Marsund Saturnk.en unglückliche Boten; Merkur scheidet aus 8 '). Die Zuweisung be-

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stimmter K.en zu den einzelnen Planeten geschah nach ihrer Farbe und FormM). Die diesbezüglichen naturwissenschaftlichen Forschungen der griechischen Philosophie sind auf die Astrologie von weitreichendem Einfluß gewesen91). Die Astrologen legten Listen an, in denen nach den genannten Prinzipien die Zuweisung vorgenommen wurde; aus diesen als wissenschaftlich zu bezeichnenden Arbeiten wurden dann für den Volksgebrauch einfache Tabellen mit Prognosen excerpiert 92 ). Ein anderes System faßt die K.en nur als Unglückskünder auf. Die Art des Unglücks gewinnt man aus der Beobachtung des Planeten, der vom Schweife des K.en getroffen wird. Der K. erscheint als selbständiger Himmelskörper M ). Die Folgen werden unkompliziert ermittelt. Aspekt zu Jupiter kündet Aufruhr am Königshof, zu Venus Tod der Frauen, insbesondere der Königinnen an. Marsaspekt hat Krankheit und Tod unter den Kriegsleuten im Gefolge, Saturnaspekt Verderben der Früchte und Hungersnot, Merkuraspekt deutet auf Vertragsbruch und Verleumdungen M ). Sonne und Mond scheiden aus, da der K. sie nicht „überleuchten" 86) kann. Um die Weltgegend zu ermitteln, die im Gefolge der K.enerscheinung heimgesucht wird, beobachtet man Bahn und Erscheinungsort am Himmel und bestimmt, welcher K. erschienen ist Nicht jeder K . verkündet an jeder Stelle des Himmels dasselbe. Daneben existiert freilich auch noch ein einfacheres System, nach dem ein K. im Osten Asien, ein solcher im Westen Europa bedroht Andere wieder sind mit rein meteorologischer Auswertung der Erscheinung nach der Himmelsrichtung zufrieden. Im Norden verkündet ein K . Trockenheit, im Süden Stürme, im Osten Hungersnot, im Westen gute Ernte *8). Astrologischer gedacht ist die Forderung der Berücksichtigung der Sternbilder, durch die der K. seinen Lauf nimmt. Von den nur wenigen Nachrichten seien genannt: ein K. in der nördlichen Krone bringt den Persern Aufruhr, im Kopf einer der Schlangen

Giftmord, der K. Hippius im Bootes Frost, Stürme und äußere Feinde •*). Bei den beiden zuletzt erwähnten Kombinationen wird die Deutung aus den Praesagien der Astrologen zu den Sternbildern gewonnen, die sich ihrerseits aus dem Katasterismus oder den zu den Zeiten ihres Aufgangs und Untergangs gemachten Witterungsbeobachtungen (s. Sternbilder) ergeben 10°). Ebenfalls wurden K.en im Tierkreis auf ihre Wechselwirkungen hin untersucht: Listen fehlen indes. Ein Hephaistionzitat notiert zu einer K.enerscheinung in den Fischen Morde in Syrien und Ägypten und kündet sonstige Übel für diese Länder, z . B . lange Zeiten des Aufruhrs; mit nach Norden gerichtetem Schweif ergeben sich bei Stellung des K.en im Schützen Kummer und Mißernte an Baumfrüchten W1 ). Fordert man die Berücksichtigung der gesamten, hier einzeln vorgeführten Ausdeutungswege, so erhält man die Methode der K.eninterpretation, nach der die wissenschaftliche Astrologie des P t o l e m a i o s vorging 102 ). Seine Vorschriften decken sich mit denen, die die Astrologie auch bei der Deutung etwa des Sirius und der Finsternisse (s.d.) anzuwenden pflegte; wegen der ungeheuren Nachwirkung des Ptolemaios sei einiges von seinen Vorschlägen wörtlich zitiert: „Acht gegeben werden muß für die Betrachtimg der allgemeinen Verhältnisse auch auf die zu Körpern verdichteten Erscheinungen der K.en, sowohl wenn sie bei Finsternissen als auch sonst zu irgendeiner beliebigen Zeit aufleuchten, so auf die sogenannten Balken- oder Trompeten- oder Faßk.en oder wie sie sonst gestaltet sein mögen. Sie nämlich vollziehen die Ereignisse, die durch Mars erzeugt werden und durch Merkur, wie Kriege, Hitzeperioden, große Unwetter und alles, was mit ihnen zusammen noch eintritt. Die Orte, denen sie ihre Ereignisse auferlegen, zeigen sie sowohl durch die Grade des Zodiaks an, in denen die Kerne selbst aufflammen, als auch durch die Neigungen des Schwanzes in Entsprechung der ganzen Form. Durch die Form der ganzen (K.en-) Erscheinung offenbaren sie dann die Art und den 4*

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Gegenstand, den das Unglück treffen wird. Durch die Dauer ihres Aufflammens belehren sie uns über die zeitliche Ausdehnung der Ereignisse, durch die Stellung zur Sonne über den Beginn derselben. Denn erscheinen sie morgendlich, so geben sie schnell eintretende Ereignisse, abendlich glühend, langsamere kund" 103). Listen solcher Interpretationen existieren, in ihnen sind alle Motive der antiken K.enmantik erhalten. Die Quellen gestatten auch die Möglichkeit, die Entstehung dieser astrologischen K.enmantik zu erkennen. Der meteorologische Untergrund ist babylonisches Erbe, das später mehr und mehr mit politischen Prognosen überbaut wird, in denen eine hellenistische und römische Stufe aus manchen Modifikationen der historischen Weissagungen deutlich zu machen ist 104 ). Endlich führt die Beobachtung der K.enerscheinungen in den einzelnen Monaten des Jahres zusammen mit Finsternissen zur Aufstellung von Kalendern, die den Weissagungen zugrunde gelegt werden 106). So mögen gerade auch manche historische Notizen in anderen Listen entstanden sein. Über Beobachtung der K.en im Horoskop liegen aus dem Altertum keine Notizen vor (doch vgl. das Ps. Ptolemäische Centiloquium Nr. 99, p. 229 in Melanchthons Ausg. der Tetrabiblos von 1553). Auf diesen Grundlagen begann das a r a b i s c h e M i t t e l a l t e r seine ausgedehnten, von der Renaissance und den Folgezeiten fortgesetzten Arbeiten. Wie in Art. Horoskopie (Sp. 377 f.) gezeigt wurde, waren die ersten Kommentatoren griechischer Astrologie die Araber, die auch die K.enmantik weiterbildeten. Wir erwähnen sie hier, weil die Arbeiten der Renaissanceastrologen wiederum ohne sie nicht denkbar sind, von denen vor allem Abumasar und Haly Abenragel häufig zitiert werden106). Behandlung ihrer Fragestellungen ist noch nicht möglich, da bisher jede speziellere Arbeit zur arabischen Astrologie aussteht. Die antike Tradition allein mag ein Zitat aus Abumasar in einer römischen Hs. aufweisen, das die Anschauung einer Kongruenz zwischen

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Planetengröße und Größe des verkündeten Ereignisses vertritt und die Ansicht, daß K.en schlechte Ereignisse nach sich ziehen, tradiert. Der Text heißt: „Er (Abumasar) erkannte, daß jeder K. jedesmal ein schlechtes Vorzeichen ist, und daß die K.en große Begebenheiten bewirken, und daß die Begebenheiten der K.engröße entsprechen. Denn wenn der K. groß ist, bewirkt er große Begebenheiten, wenn er aber klein ist, sehr geringfügige" 107). Was im a b e n d l ä n d i s c h e n Mittelalter über die K.en gedacht und niedergeschrieben worden ist, gehört fast ausschließlich dem Gebiet der Mantik an (s. Abschn. II); die wenigen wissenschaftlichen K.ologien 108), die etwa in der Zeit um 1300 entstanden sind, ahnen schon den Geist der beginnenden Renaissance, sind aber wohl Bildungsgut einzelner Geister geblieben, wenn sie auch später nicht ohne Nachwirkimg waren (s. Abschn. IV). Die antiken Versuche wissenschaftlicher Begründung der Zusammenhänge zwischen den K.enerscheinungen und den Folgen für die Erde nahm erst die Renaissance in Italien in weitem Umfang wieder auf; die Arbeiten ihrer Hauptvertreter wie Bonattis und Cardanus' vor allem haben die hauptsächlich zwischen 1480 und 1620 blühende volkstümliche K.enprognose beeinflußt. Statt Namen und Werke zu nennen, sei es gestattet, die A r t der neuen Forschung an den Arbeiten eines Mannes ausführlich klarzulegen. Wir wählen H i e r o n y mus C a r d a n u s (Gerdnino Cardano, 1501—1576). Dieser, Arzt und pantheistischer Naturphilosoph extremaristokratischer Ausschließlichkeit, bezog in seine Betrachtungen über den Zustand der irdischen Dinge auch die Astronomie und Astrologie ein, die er nach den Theorien des Seneca, Ptolemaios und der Araber studierte; so wurde er gezwungen, sich auch mit der K.entheorie zu befassen. Ausgehend von Versuchen, das Wesen der K.en als nicht zur Sphäre der Elemente gehöriger Gebilde zu erklären (s. weiter u. Abschn. IV), kommt er zu wesentlich spezielleren Erklärungen

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über die Art der K.eneinwirkung, als sie bisher gelungen waren. Wenn auch hier die traditionellen Verkündigungen wiederholt werden, die etwa den K.en als Künder von Krieg, Seuche und Fürstentod ansehen, so erscheint doch bei Cardanus alles in einem anderen Licht und wird in einem anderen Geist vorgetragen, insofern er den Versuch macht, die Art der K.enwirkungen aus dem Wesen der Gestirne, ihrer Substanz möchte man fast sagen, zu v e r s t e h e n und nicht zu tradieren. Seine Erklärungen zur Tetrabiblos des Ptolemaios sind ein Werk von großem Format und keine Paraphrase, wie etwa der Kommentar des Piacesen Georgius Valla 10í ), und wir haben ein Recht, aus ihnen wie aus einigen anderen seiner Schriften einige Stellen anzuführen. Wichtig ist der Grundsatz, daß der K. keine causa efficiens, sondern ein Signum ist u o ) . So sind die auf seine Erscheinung folgenden Ereignisse auf natürliche Ursachen (nach Cardanus auf Luftverdünnving) zurückzuführen, die gleichzeitig oder besser kurz vorher auch sein Aufleuchten bedingen. Alle „calamitates" werden aus der Luftverdünnimg erklärt, die die wahre causa sei; die Erscheinimg des K.en, der ständig vorhanden ist, kündet somit den Menschen lediglich die Luftverdünnung an, aus der sich das Unglück ergibt. Wie Cardanus sich dessen Äußerung im Leben der Natur und der Menschen erklärte, mögen seine eigenen Worte dartun: „Inde fit, ut siccessente aere maria multum agitentur tempestatibus et ventorum flatus persaepe maximi succedant et nobiles ac principes, qui curis vigiliis odoratisque cibis tum vinis potentibus siccantur, mortem oppetant. contingunt et hac causa et aquarum imminutio et piscium mors et sterilitas et legum mutationes et seditiones et regnorum subversiones. quae omnia ab immodica tenuitate ac siccitate aeris fiunt" m ) . In der Schrift de rer. var. ergänzt er diese Erklärungen, daß zuweilen auch eine große Dürre folgen würde, weil die dünne und trockene Luft, die Dämpfe, aus denen der Regen entstünde, nicht behalte: „es trocknen auch die Wind gar sehr; der-

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halben wann kein Regen ist, kommen auch etwann ein unfruchtbar Jahr, um der Ursach willen auch ein Sterben", von dem der Reihe nach Fürsten, Volk und Adel ergriffen werden. Besonders interessant ist die ebenda versuchte Begründung, daß mit der K.enerscheinung Aufruhr usw. verbunden sei. „Daher kommt es auch, daß sich die Feuchtigkeiten von wegen der subtilen Luft in Gallen verändern, daß Aufruhr und Krieg entstehn, denn was gar zu dünn ist, das ist auch trocken" 112 ). Die Erklärung der Aufruhrneigung ist also physiologisch. Der Aufruhr ist eine Sache des Temperaments, dieses eine Äußerung des jeweiligen Gallenzustandes, der besonders reizbar wird, wenn die Luft verdünnt ist 113 ). Hier ist deutlich, wie Cardanus den K.en, der ja ebenfalls nur bei verdünnter Luft sichtbar wird, als ein signum kommenden Unheils auffaßt. In ähnlicher Weise flaut das Unheil mit zunehmender Luftverdickung wieder ab, womit auch die K.enerscheinung verschwindet 1M). Kommt indessen ein zweiter K. nach einiger Zeit in die Sicht, qui vel contraria sit natura vel vi sua aliud agendo evertat prioris decreta, so werden nur die Gefahren aufgehoben, die mit der Luftverdünnung bei der Erscheinung des ersten Kometen entstanden sind. Dasselbe ist der Fall, wenn eine Finsternis oder eine Konjunktion entgegengesetzter Natur an den dem K.en entgegengesetzten Orten eintritt 116 ). Aus solcher Methode der Untersuchimg ergibt sich die Möglichkeit der seit der Renaissance versuchten, vorher unbekannten, unendlich detaillierten K.enprognose. Dies letzte Zitat weist auf die Annahme verschiedener Natur bei den K.en, wie im Altertum auch angenommen wurde. Hier ist nun freilich von Cardanus auf eine natürliche Erklärung verzichtet. Die Natur der kommenden Ereignisse läßt sich spezieller deuten aus der Form, der Farbe und der Dauer der K.enerscheinung. Wie Cardanus sich die Sympathie zwischen der Form und Farbe (letztere deutet auf planetarische Einwirkung, denn jeder K. erscheint mit einem Planeten verbunden 116 )) und den irdischen Vorgängen

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denkt, ob z. B. dadurch die Luft besonders qualifiziert oder der jeweilige Planet zur Einwirkung gezwungen wird, bleibt unerklärt. Dabei ist für den Interpreten der K.enerscheinung diese Beobachtung von besonderer Wichtigkeit, denn nicht jeder K. bringt Unheil. Ausdrücklich wird einer hervorragend weißen (exacte Candidus) K.enerscheinung Jupiternatur zugeschriebenU7), was ein Vorzeichen guter Ereignisse ist: denn so hat die K.enerscheinung „heilbringende und fruchtbare Winde" im Gefolge, freilich gelegentlich auch Unglück u 8 ). Interessant ist die Begründung dafür, daß K.en neben Unglück auch Glück im Gefolge haben können: calamitas unius est fortuna alten 1 1 9 ); doch überwiegt das Unheil. Auch der Form nach teilt Cardanus die K.en, von denen er im Lib. de errat, stellis a. a. O. neun aufzählt, den Planeten zu; sieben bringen Unglück; aber 'Argentum' (weiße Farbe!) und 'Rosa' sind günstige Zeichen. Ersterer „significat mutationem regni et vitae, quae licet bona sit"; doch offenbart sich auch bei ihm gewaltsame Umformung des Daseins, denn „fiunt cum multa perturbatione". Dazu freilich Uberfluß an Getreide und mäßiges, heilsames Klima 120 ). Auch 'Rosa* bezeichnet eine mutatio in melius, mit einer Sonnenfinsternis zusammen sogar „wunderbare Erfolge". In der Frage der Gegend, die von der K.enerscheinung Böses zu gewärtigen hat, wird die Lehre des Ptolemaios (II 8 s. o. 102) vorgetragen. Der Erscheinungsort am Himmel entspricht den Orten der Erde 121 ): „es zeiget die Spitz den Ort an, über welchen dieser Jammer kommen wird". Die Größe des K.en ist Anzeichen der Größe des Ereignisses, wie bei AbuMacsar schon gelehrt wird 122 ). Ebenfalls wird entsprechend die Lehre von der Dauer des K.en interpretiert, wobei Cardanus erklärt, daß die Nachwirkung einer solchen Erscheinung sich nicht auf ein Jahr, sondern auf Jahrzehnte, ja sogar auf Jahrhunderte erstrecken würde. Dafür ein Beispiel: Der bei Christi Geburt erschienene Stern ist ein K. gewesen,

der nur darum als Stern bezeichnet worden sei, weil er sehr schön war und den Sternen ähnlich, die in der Nacht aufleuchten. Dieser K. wurde Künder der Unruhen, die die Ausbreitung des Christentums nach sich zog: „tot exilia, tot martyres, inde regnum pacis constituendum atque salutis, cuius quidem author atque rex Christus in ipso cometae fulgore natus est, quod cometes in Oriente apparuerit, verumtamen effectus ipsius, scilicet praedicatio, legis promulgatio, seditio populi, conturbatio, persecutiones, exilia, mortes, bella, regna nomine Christiano inchoata vix post triginta annos initia habuere et ad hanc usque diem perseverant", wobei freilich wieder eine Schwierigkeit der natürlichen Erklärung sich zu ergeben scheint, insofern als immöglich die Luftverdünnung von solcher Dauer gewesen sein kann, es sei denn, daß Cardanus annahm, daß die K.en, die einander folgten, einander ablösten123). Schließlich wird ebenfalls wie in der Antike (s. o. Sp. 101) sorgfältig beachtet, mit welchen Sternbildern der K. erscheint. Bei der Leier stehend kündet er „der Edlen und Wollüstigen Abgang", bei der Krone „der Könige Abgang", bei den Schlangen und dem Skorpion Pestilenz, bei den Trigona Schaden für die Weisen 124). Auch im Horoskop läßt Cardanus den K.en nicht außer acht, wie sich aus seinem Comment. in Ptol. a. a. O. p. 212 b (mit einem Beispiel aus Haly) ergibt. Hier ist die antike Lehre vermutlich erweitert. Darüber noch einige Angaben aus den Darlegungen eines andern Astrologen dieser Zeit, nämlich aus der Schrift 'Adnotationes in cometis' des F r a n c i s c u s J u n c t i n u s (*i523 zu Florenz, 11580 zu Lyon, Karmeliter und Doktor der Theologie), die sich am Ende des 2. Bandes seines Speculum astrologiae finden (erschienen zu Lyon 1583); aus ihnen erhellt speziell diese Einbeziehung der K.en in die Horoskopiepraxis dieser Zeit deutlicher als aus Cardanus. Vornehmlich gilt die Beobachtung der etwaigen Stellung eines K.en im Horoskopos (über die Bedeutimg dieses Hauses

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vgl. Horoskopie Sp. 355): „Cometa si apparuerit in horoscopo nativitatis vel fundationum alicuius loci vel alterius radicis..., significat mortem nati vel destructionem illius rei, cuius ascendens fuit illud signum" 12S). In gleicher Weise sind Kometen von starker Einwirkung, wenn sie im MC (vgl. Horoskopie Sp. 356) stehen, und zwar mit dem Tierkreisbild zusammen, das einem Menschen die „Dignitates" gekündet hat (vgl. Horoskopie Sp. 356): „elevato in dignitatum periculum imminebit" m ). Für genaue Interpretationen der Wirkung eines K.en im Horoskop ist wie bei der Planeteninterpretation die Qualität des Tierkreiszeichens maßgebend, in dem der K. erscheint (vgl. Horoskopie Sp. 360): „cum cometae in signis terreis fiunt, sterilitates portendunt ob siccitatem, cum in aqueis ob imbrium abundantiam et sterilitates et pestes, in areis ventos ad seditiones et pestilentiam etiam, sed non Semper tarnen, in igneis autem bella" 127). Daneben ist wieder die planetarische Natur des K.en maßgebend wie bei Cardanus: ein K. etwa „de natura Saturni" beschließt dem Lebewesen melancholische Krankheiten, Katarrhe, Schwindsucht, viertägiges Fieber, Epilepsien, Schlafsucht, Krebs, Lepra usw.: „kurz gesagt, chronische Krankheiten, qui sicuti longi sunt et lenti" 128 ), ganz der planetarischen Natur des Sterns entsprechend (vgl. Horoskopie 364 und Planeten). Erhebt sich ein K. über einen Planeten, so ergeben sich die Prognosen wiederum aus der Planetennatur; als Autoren solcher Prodigien nennt Junctinus Araber, vor allem Abenragel. Über dem Saturn stehend bezeichnet der K. „infirmitates magnas et fortes", über dem Jupiter den Tod bedeutender Leute usw. 129 ). Sodann werden Beobachtungen über das Verhältnis der Wirkung zwischen K. und Tierkreiszeichen als jeweiligem Erscheinungsort des K.en ohne Rücksicht auf die hervorragenden Punkte im Horoskop und die planetarische Natur des K.en für notwendig erachtet: für diese Fälle legt Junctinus Listen vor, wie sie seit der Antike für Beobachtungen

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der Beziehungen zwischen Planeten und Tierkreisbildern, Fixsternen und Tierkreisbildern in Gebrauch sind. Auch hier ist die Interpretation stets mit der Natur und dem vorgestellten Wesen des Zeichens übereinstimmend: „si apparuerit in signo Cancri aliqua ex stellis cometis, significabit multitudinem locustarum destruentium messes et casum vermium in frumentum et in arbores ac paucitatem frugum et multitudinem vermium in eis" 1S0). Endlich ist für die Prognose der schnell oder langsam eintretenden Wirkung des K.en seine östliche oder westliche Stellung zu beobachten 1S1 ): steht der K. im Osten, tritt die Wirkung schnell ein, im Westen langsam und zögernd (wie bei Ptolemaios, s. o. Sp. 103). Auch Quadratur und Trigonalaspekt zu einem der Fixsterne ist zu beachten 1M ). Eine Notiz über den Saturnk.en im Horoskop der Welt (Thema mundi) sei wegen des Zusammenhangs mit verwandten antiken Ideen besonders erwähnt; die Prognose ist wie die der meisten mit Saturn1SS) zusammenhängenden Prognosen übel: „dabit perniciem multorum, famem ac pestem, exilia, inopiam, angustias, luctus, terrores et brutis hominum usui aptissimis detrimenta. • .significat igitur tempestates adversas, nubes densas, caligines, nivium magnam vim, ventos validissimos, naufragia, piscationis iacturam etc." 134). Erklärungen physikalischer Natur über die Entstehung der K.enwirkungen treten bei Junctinus gegenüber den Tatsachen der Wirkung ganz zurück. Dagegen ist gegenüber Cardanus ein anderes Moment in der Diskussion über das Wesen der K.en wahrzunehmen: Für Junctinus sind die K.en Zeichen der göttlichen Regierung in der Welt. Mit dieser Vorstellung wird Junctinus zu der These geführt, daß die Erscheinung der K.en am Himmel nicht auf Zufälligkeiten beruht 185 ). K.enverachtung ist demnach nicht nur Zeichen der Unkultur (barbaries), sondern nimmt auch jede Frömmigkeit: „sind doch die K.en Zeichen (signa), die richtigen und frommen Meinungen über Gott in uns zu befestigen, so daß wir urteilen, daß es

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sich um Zeichen handelt, die von der Gottheit eingesetzt sind, bestimmt, die Menschen zu mahnen, von Gott Hilfe zu erflehen" 138 ). Die Idee des K.en als göttlichen Zeichens, zur Erscheinung gebracht, um die Menschen zur Buße aufzurufen, dürfte bei Junctinus aus der allgemein verbreiteten Volksansicht über die Bedeutung der K.en stammen, die seit dem 14. Jahrhundert im Abendland, vor allem in Deutschland, umgeht (s. u. Abschn. IV). Wie Melanchthon die Bedeutung der Astrologie dahingehend umschrieb, daß sie dem Menschen die Erforschung von Gottes Willen und die Buße ermögliche, also ein Weg zum wahren Christentum sei, so auch bei Junctinus: Abbitte verhütet die bösen Einwirkungen 13? ). Der K. steigert die Gottgläubigkeit: Solent cometae futurorum malorum magna ex p a r t e . . . praenuntii, sequentibus annis vaticinari horrenda, ut admoneantur pii Deum precibus flectere, quo in dignationem suam avertat 138 ). Indessen sei abschließend bemerkt, daß auch nach der K.enlehre des Junctinus manche K.en gute Wirkungen im Gefolge haben 139). Den Gedankengängen des Cardanus verwandt hat in der N e u z e i t K e p l e r sich über Unglücksfälle und ihre Entstehung in Verbindung mit einer K.enerscheinung geäußert 14°). „Wenn etwas Seltsames entweder von starken Konstellationen oder von neuen Bartsternen am Himmel entstehet, so empfindet solches und entsetzet sich gleichsam darob die ganze Natur und alle lebhaften Kräfte der natürlichen Dinge. Diese Sympathie mit dem Himmel gehet sonderlich diejenige lebhafte Kraft an, so in der Erden stecket und deren innerliche Werke regiert, davon sie gleichsam entsetzet, an einem Ort, nach dessen Qualität, viel feuchte Dämpfe auftreibet und herfürschwitzet, daraus langwieriger Regen und Gewässer und damit, weil wir aus der Luft leben, allgemeine Landseuchen, Hauptwehe, Schwindel, Catarrh (wie Anno 1582), auch gar die Pestilenz (wie Anno 1596) entstehet". Durch eine erhitzende Einwirkung des K.en auf die

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Kraft des Erdbodens werden im Innern der Erde dürre Dämpfe erzeugt und pulverisierte Stellen, die schließlich angehen und mit Macht einen Ausgang suchen, wodurch „ein Erdbeben verursachet wird" 1 4 1 ). D e r Unterschied zwischen der Anschauung des Cardanus und der Keplers ist freilich der Sache nach wesentlich, insofern Kepler die K.en als wirkend auffaßt und eine gleichsam psychische Reaktion der Erde bei der mit dem Aufleuchten des K.en einsetzenden brennenden Wirkung annimmt, auf die auch die Gemüter der Menschen reagieren. Denn die Menschen haben nach Kepler verborgene auf den Himmel aufmerkende Kräfte, „so durch solche im Himmel von neuem einkommende Cometensterne gleichermaßen verunruhigt und bestürzet werden", was nicht nur zu Krankheiten führe, sondern auch zu starken „Affektionen Ursach gebe" 142). Kepler belegt die Beeinflussung des Menschen mit einem Beispiel: Der König Sebastian von Portugal habe 1577 einen zu schnell und hitzig eingeleiteten Krieg gegen die Mohren unternommen, der ihm das Leben gekostet habe. Dies Unglück sei ihm nur widerfahren, weil der K. des Königs Natur verborgenerweise so erhitzet habe, daß er seine Ratgeber nicht hörte. Indessen lassen sich dergleichen Affektionen überwinden, wenn man die Kraft zur Einsicht aufbringe, denn solche Affektionen reizten wohl, zwängen aber nicht. Diese Reizung des menschlichen Gemüts gleichwohl ist für Kepler die Erklärung dafür, daß im Gefolge von K.en Kriege die Menschen heimzusuchen pflegen 143). Im übrigen unterscheiden sich seine Anschauungen über die Bedeutung der K.en auch darin von Cardanus, daß seine K.enlehre auf einen religiösen, dem Junctinus angenäherten Ton gestimmt ist. Dies ist also ein bisher unbekanntes Moment in der Kometologie, in deren Geschichte Junctinus und Kepler demnach einen neuen Abschnitt trotz ihrer den Renaissancegelehrten verwandten physikalischen Anschauungen einleiten. Auch bei Kepler sind die K.en von Gott an den Himmel gestellt. Sie sollen die Menschen an ihre Sterblichkeit

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erinnern und verkünden, daß über kurze Zeit ein großer Teil von ihnen von „dieser Welt abgefordert werden solle" 1M ). Der K . gibt die Anzeige, daß die ganze Welt, auch der Himmel vergänglich sei, so daß die Menschen um so weniger Ursache hätten, über die Vergänglichkeit ihres Ichs sich zu beklagen, wenn sie sähen, daß auch der Himmel dieses Schicksal mit ihnen teile 145 ). Hier ist der K.englaube Teil einer bestimmten Form christlicher Religiosität, die in einem ganz extremen Sündenbewußtsein wurzelt und vornehmlich das 16. und 17. Jahrhundert charakterisiert. Diese Auffassung des K.en bedingt auch ein anderes, an dem gleichfalls Kepler teilhat, das massenhafte Prognostikonschreiben jener Zeit. Durch Interpretation der K.enerscheinungen muß man in den Willen Gottes einzudringen suchen 14t ). Wir führen die Prognostiken des 16. und 17. Jahrhunderts hier an, weil sie auf den wissenschaftlichen Arbeiten des Bonatti, Cardanus und anderer neben den Arbeiten der Araber fußen 147) und somit der wissenschaftlichen astrologischen Kometologie zugehören und nicht der traditionellen abergläubischen K.enmantik. Keplers Prognostiken geben das beste Beispiel ab. Ergänzend sei zur Verdeutlichung der religiösen Stimmung auch dieser pseudowissenschaftlichen Literatur ein instruktiver Satz aus einer K.enprognose des M. Paulus Nagelius von 1620 zitiert. Nach ihm sind die K.en „Postboten des großen gewaltigen und erschrecklichen Gottes, des Herrn Zebaoths", die man beachten muß, „denn die Zeit steht vor der Tür", und „und daß deswegen gar hohe Zeit sei, vom Schlaf der Sünden aufzustehen und sich von Herzen zu dem Höchsten zu bekehren" 14S). Ähnlich ist überall in den Prognostiken dieser Zeit neben die wissenschaftliche Deutung der Wirkung die Erklärung über die Notwendigkeit der Erscheinung gestellt, versucht aus theologischen Spekulationen über den religiösen Zustand der Welt. Diese K.enprognose ist durch ein neues, Mittelalter

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und Renaissance zusammenfassendes Denken charakterisiert. In diesem Augenblick indes setzte der Einfluß des a u f k l ä r e r i s c h e n Denkens ein, dessen religiöse Betrachtungen über den Zustand der Welt überzeugend Standpunkte herausstellten, denen das astrologische Denken unterlag. Die ersten Zweifel begegnen schon am Ende des 16. Jahrhunderts bei Tycho Brahe. In dem 1602 erschienenen Werke „Astronomiae restauratae progymnasmata I. de admiranda nova Stella anno 1672 exorta" (Prag 1602), das gegen die in einem Schreiben an den Landgrafen Philipp v. Hessen aus Tübingen von Philipp Apianus ausgearbeitete astrologische Ausdeutung der genannten K.enerscheinung gerichtet ist, wird S. 543 der Satz aufgestellt: „nec tarnen ea, quae post Cometarum procreationem in terris eveniunt, ab his omnia dependunt, cum procul dubio alias habeant causas"149). Auch in den kleinen Schriften des erwähnten Nagelius ist der Kampf aufklärerischer Geister gegen die Kometologen bereits gestreift und verdammt 1M ), ohne Aussicht auf Erfolg für die folgende Zeit, die diesen Wahn bei den Gebildeten erledigt. Wissenschaftliche astrologische K.enforschung — für den unbewiesenen Aberglauben gilt dies nicht — gibt es, so weit ich sehe, von da an bis zur Gegenwart nicht mehr. Wo ihre Gedanken noch einmal begegnen, wie bei dem Franzosen François Vincent Raspail (19. Jahrh.), der, Arzt, Chemiker, Journalist und Politiker in einer Person, in einer „Meteorologie" von K.eneinfluß auf die Vorgänge im irdischen Leben spricht, sind sie der Tradition entnommen und wenig interessant 161). Auch die moderne Astrologie hat im wesentlichen, nach den Handbüchern zu urteilen, K.eninterpretation aufgegeben. Nur bei Tiede finde ich den Satz, daß auch heute noch in einem Horoskop ein K., namentlich in der Nähe der Spitze eines Ortes stehend, als Unheilsverkünder für die dem betreffenden Orte unterstehenden Verhältnisse angesehen werde" 2 ). Indes, den aus dem Mittelalter den Menschen des 15. und

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16. Jahrhunderts überkommenen Volks- zunächst zu ergründen, um dann in einem glauben hat die Arbeit der Renaissance- zweiten Teile eine „Historia omnium cogelehrten, deren Ergebnisse den Prognosti- metarum" zu versuchen, ausgesprochen ken weiteste Verbreitung sicherten, vor mit der Absicht aus den geschichtlichen allem in Deutschland nur gestärkt. E s Überlieferungen seit den Urzeiten nachsind gerade darum die genannten Jahr- zuweisen, daß auf jede K.enerscheinung hunderte die Jahrhunderte gesteigerter schlechte und gute Ereignisse gefolgt K.enfurcht, von der zumal bei den beste- sind, woraus der Schluß gezogen wird, henden religiösen Spannungen selbst ein daß ein Zusammenhang zwischen diesen Mann wie Luther nicht frei war. Schon Ereignissen und den K.enerscheinungen in Abschn. II wurde bemerkt, daß die •nicht vorhanden sein könne. Die SammAufklärung der abergläubischen K.en- lung umfaßt die Beschreibung von 415 angst des Volkes nicht Herr zu werden K.en und zeugt von einer ungeheuren vermochte. Gerade die Astrologie machte historischen Belesenheit ihres Verfassers mit ihren detaillierten Untersuchungen und dessen Talent in der darstellerischen die Allgemeinheit der differenzierten Aus- Bewältigung des Stoffes 15i ). Die Anlegung der K.enerscheinungen geneigter; triebe zu dem zweiten Werk, den Penihre Ergebnisse wurzelten sich im Volke sées diverses sur une comète des frantief ein und verdichteten die schon be- zösischen Aufklärers und Philosophen stehenden mantischen Vorstellungen um Pierre B a y l e , liegen tiefer. Bayle macht ein Erhebliches. So scheinen auch die hier den Versuch, den K.enaberglauben, d e t a i l l i e r t e n Vorstellungen, die in un- der ihm anläßlich der Erscheinung des serer Gegenwart über die K.eneinWirkung großartigen K.en von 1680 so mächtig im Volke verbreitet sind, nicht so sehr vor die Augen trat — ganz Frankreich, auf die antike und mittelalterliche K.en- auch die Gebildeten, war ihm anheimmantik, sondern auf die astrologischen gegeben 1 M ) —, aus metaphysischen AnRenaissanceforschungen zurückzugehen, sichten über das Wesen Gottes und seine nur der Untergrund dieser Angst vor der Beziehung zur Welt als unsinnig zu ereben nicht alltäglichen, physikalisch der weisen. Auch bei ihm begegnet der Gedamaligen Zeit unerklärbaren K.en- danke, daß K.en ebenso wie das Schlechte erscheinung ist mittelalterlich-antik. Das auch das Gute bringen müßten, wenn wird sofort deutlich, wenn man die oben man ihnen überhaupt einen Einfluß auf Abschn. I zusammengestellten modernen die Welt zugestehen kann, was verneint Glaubensvorstellungen mit den geschicht- wird. Außerdem widerspricht die Existenz lichen Ausführungen vergleicht. der K.enmacht dem Wesen Gottes, der Unter den Werken der Aufklärung, selbst Götzendienerei befürwortet haben die den wissenschaftlichen K.enaber- würde, wenn er die K.en als Mächte der glauben ad absurdum führten, stehen Unglücksweissagung zugelassen hätte 1 5 S ). zwei an erster Stelle; sie seien hier noch Mit diesen Werken war im wesentlichen genannt, weil mit ihnen die moderne die bisherige Methode der K.eninterpretaErforschung „cometischer Art", wie Pa- tion überwunden 15s ), wenn auch dafür racelsus sagt, beginnt, die doch ohne die manch anderer Unsinn auftauchte, wie astrologischen Irrwege, die derselbe wissen- Chr. Gotti. S e m l e r s These, daß auf den schaftliche Geist der Wahrheit ging, K.ensternen vernünftige Einwohner sich nicht denkbar ist. Sie schließen gleichsam befinden möchten 1S7 ). Doch lassen diese die Geschichte des wissenschaftlichen K.en- Theorien die Beeinflussung des Menschen aberglaubens. Das erste Werk ist Stanis- durch die K.en im wesentlichen endgültig laus L u b i e n i e c k i s monströses Theatrum aus dem Spiel. M ) z. B. Jac. H e e r b r a n d Von dem ercometicum. In ihm sucht der Verfasser schröcklichen Wunderzeichen (1621) (G. S t e m p durch Veröffentlichung von Beobachl i n g e r Aberglaube 29); ferner: Auslegung Peter tungen der ganzen Welt über die K.en C r e u t z e r s vber den erschrecklichenCometen von 1664 und 1665 deren wahres Wesen (1521) Abb. des Titelblatts bei H e l l m a n n Bei•

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träge zur Geschichte der Meteorologie i (1914) (= Veröff. d. Kgl. Preuß. meteorol. Inst.Nr. 273), S. 108. Weitere Titel gleichen oder ähnlichen Wortlauts findet man auf den von F. A r c h e n hold herausgegebenen Alten Kometeneinblattdrucken (1925), vgl. Nr. 9. 14. 20 [Überschrift], Nr. 12. 15. 16 [1. Textzeile], und bei L u d e n d o r f f Die K.enflugschriften des XVI. und XVII. Jahrhdts. inZtschr. f. Bücherfreunde 12 (1908/09) Bd. 2 S. 505. •») Vgl. G u n d e l bei P a u l y W i s s o w a s. v. Kometen Sp. 1154. 28fi. Die Zitate bei J a s t r o w Rei. d. Babyl. undAssyr. II 2, 696, 1. ••) G u n d e l a . a . O . 1154, 6jü. 1155, 52ff. OT) Ebd. 1156—1163. **) Ebd. » J P l i n . a n einer verlorenen Stelle, vgl. S e r v . Aen. X 272. Vgl. die Liste bei L y d u s de ostent. p. 31, 3ff. n ) B o l l Sternglaube* 50. 54 u. den Art. Horoskopie Sp. 363 f. M ) 2. B. CCA VIII 174 ff., dazu vgl. G u n d e l bei P a u l y - W i s s o w a Sp. 1157, 63 ff.; vgl. 1174 ff. a ) s. L y d . de ost. X p. 28 ff., vgl. 31, 4: où TÒ auti 5è airoTcXoüst, •unità òè nóvTE;. **) So G u n d e l bei P a u l y W i s s o w a Sp. 1156, 54 ff. L y d . p. 30, 11: reptXdfi'^cii, d. h. mit seinem Schweife verhüllen kann (vgl. ebd. p. 29). M ) Stellen bei G u n d e l in P a u l y - W i s s o w a Sp. 1158, 13 ff. " ) L y d u s m ) P r o c i , in Tim. 34 A. 30, 14. ••) Plin. n. h. II 93. 96; zu K. Hippius s. L y d u s de ost. p. 39, 4 ff. 100 ) Vgl. Griech. Kalender herg. v. Fr. B o l l 4 ( = Sitzber. Heid. Akad. 1914 phil.hist. Kl. 3. Abh.) S. 22ff. Zum Bootes ebd. p. 27 (Aufgang des Arktur am 22. Febr. in cod. V) und V. S t e g e m a n n Astrologie und Universalgeschichte ( = Stoicheia IX) 71 und B o l l Sternglaube4 55f. 1 M ) Heph. v. T h e b . ed. Engelbrecht 122 p. 91,2 ff. 90, 20 f. Zur Art der Interpretation von einer Kombination eines Gestirns mit einem Tierkreisbild v g l . B o l l Sternglaube 53f.; Beispiel einer Tierkreisbildauslegung s.v. Horoskopie Sp. 3öof. 101) Vgl. G u n d e l in P a u l y - W i s s o w a Sp. 1159, 25 ff. 10») Die Stelle Tetrabl. II 8 p. 90 Mitte ed. Melanchthon, Basel 1553. 1 M ) Gundel bei P a u l y - W i s s o w a Sp. 1159, 46ff. 10s ) ebd. Sp. 1162, 19ff. 10*) z . B . bei C a r d a n u s im Comm. in Ptolemaei de astror. iudic. ( = opera ed. Sponius Lugd. 1663 tom. V) p. 212, 6ff.; de subtil, (op. tom. III) p. 420 a; bei J u n c t i n u s z . B . Spec. astrol. II 1128a u. b. 1129a; in Prognostiken z. B. in Practica Teutsch auf das Jahr 1557 (Heidelberg Universitätsbibl. in Q 7518») cap. 1. 2. " ' ) CCA V 1 150, 25 ff. "•) z. B. die des A l b e r t u s M a g n u s , vgl. ausführlich über sie u. Sp. 126. 1M ) Commentatio in sec. Ptol. apotelesmaton librum § 90, abgedruckt in P r u c k n e r s Ausgabe des F i r m i c u s M a t e r n u s Basel 1583. "«) de subtil. ( = opp. III p. 420b). m ) ebd.; vgl. de rer. var. I 1 ( = opp. III p. 2 b). m ) Zitiert nach der alten Übersetzung von derer, var.-. C a r d a n u s Offenbarung der Natur übers, v. Huld. Fröhlich v. Plawen (Basel 1591) S. 4 = opp. III p. 2 b. 113 ) Ebd. „Daher kommt es auch, wenn sich die Flüchtigkeiten von wegen der subtilen Luffts in Gallen verändern, daß Aufruhr und Krieg entstehen: denn was gar zu dünn ist, das ist auch trocken".

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m) us) Comm. in Ptol. de de rer. var. Ii. astr. iud. II textus LIV ( = opp. V p. 212 a). "•) Ebd. p. 210 b. " ' ) Ebd. p. 209 a. "•) Ebd. 210 b. u > ) lib. de Septem stellis erratic. (opp. V) p. 427 b. l t 0 ) Ebd. p. 428 a. m ) Comm. in Ptol. p. 211 a; de rer. var. X I V 70 p. 276 b. "») Probl. nat. sect. I § 7 = opp. III p. 627 b. la) Comm. in Ptol. 211 b. "«) de rer. var. X I V 70 ( = opp. III 276b). J u n c t i n u s a. a. O. (vgl. Anm. 106) 1127 b. "«) Ebd. U I ) Ebd. 12i ) Ebd. "») 1128 b. "•) 1129 a; die Liste reicht bis 1131 a. l s l ) Ebd. u ») 1125 b § 14. J u n c t i n u s zitiert hier den Ptol.; auf welche Stelle er sich bezieht, weiß ich nicht (auch die des Centiloquiums Nr. 99 kommt nicht in Betracht); in dem oben Sp. 102 ff. angeführten Zitat steht nichts von solchem Quadratur- und Trigonschein. m ) V. S t e g e m a n n Astrol. und Universalgeschichte (Stoicheia IX) S. 90 ff.; B o l l Sternglaube* 147 z. S. 58. Vgl. die iran. Verwendung des Thema mundi bei J u n k e r Über die iran. Quellen der hellenistischen Aionvorstellung ( = Vorträge d. Bibl. Warburg I [1921/22]) S. 165—171. m ) 1127 b. u l ) 1124 b : cometae sunt testimonium, quo significatur, hanc totam naturam ab aliqua mente gubemari, itaque eius modi impressiones non temere fiunt in aere neque existent casu. 1 , 6 ) 1126 a § 21. U 7 ) 1125 b. "») 1126 a § 21. "») 1126 b § 11. freilich mit Berufung auf andere Autoren. 14°) Die Astrologie des Joh. Kepler, eine Auswahl aus seinen Schriften von H. A. S t r a u ß S. 84 (Bericht über den Cometen von 1607). m ) Ebd. "») Ebd. "») Ebd. S. 85. 1M ) Ebd. S. 86. 1) G u n d e l a. a. O. S. 92 f. "*) E b d . a. a. O. S. 94. , 7 6 ) G u n d e l ( a . a . O . 9 5 , 1 ) denkt an Anaximenes, vgl. D i e l s Fr g. d. Vors. I, 23, 22; vgl. Z e l l e r Gr. Phil. I', 324 s . 176 ) A r i s t o t e l . meteor. I, 7; vgl. G u n d e l bei P a u l y - W i s s o w a 1164; O. G i l b e r t Die meteorologischen Theorien usw. 646; Z a h l f l e i s c h Zur Meteorol. des Aristoteles ( = Wien. Stud. X X V I , 1904, 55 Nicht unwichtig auch M. P i n g r é Cométograpkie ou traité historique et théorique des comètes, Paris 1783, tom. I, 47—50. 177 ) Lib. I Meteororum tractat. I I I = A l b e r t u s M a g n u s opp. omnia ed. A . Borgnet (Paris 1890) vol. I V , 499 fi. " • ) a. a. O. cap. V , p. 502 b Borgn. 179 ) a. a. O. p. 503 a Mitte : Stella quae dicitur caudata, fit e x fumo spisso ignito, qui quia cito convertitur, aliquandiu circumvolvitur c u m igne. 180 ) I n der Physica ( a . a . O . p. 503 a Mitte). Der merkwürdige Schlußsatz heißt: „ A l i q u a n d o autem cum eo ignis extinguitur propter nimiam materiae grossitiem, et remanet fumosum: et tunc apparet sicut carbo niger et extinctus: et ideo est, quod ioramina nigra in coelo videntur, quod a vulgo vocatur coeli perforatio". 1 M ) Albertus zitiert (p. 503 b) : ..Alphagranus autem in Astronomia sua". Alphagranus sicher K o n t a mination aus dem Beinamen des arab. Astronomen und Astrologen Omar ibn al-Farruhan (ca. 8ooinBagdad). 1 M ) a . a . O . 503; die Schlußfolgerung stammt von Albertus, nicht von Omar. 183) Darlegung a. a. O. 502 b/503 a. Zustimmung zu den arabischen Ausführungen p. 504 a : ratio etiam huic sententiae sußragatur, quia constat quod flamma non est nisi fumus accensus: est autem cometes flamma quaedam, u t apparet in visu: ergo fumus est accensus. 1 M ) a. a. O. cap. 1 — 4 und 6. 18S ) Über das Mißverstehen der Arbeit und Forschergesinnung des Albertus vgl. s. v. 'Aberglaube' 1, 76. ,8') 187 ) Mit dieser a. a. O. cap. V Anfang. Äußerung ist nicht die Behauptung aufgestellt, d a ß die Erhaltung derartiger Phantastereien, wie sie sich im Volksglauben über den Kosmos offenbaren, zur Erhaltung der Menschen dienen würde: Die von der Aufklärung geschaffene Situation ist nicht mehr aufzuheben. Aufklärung ist Bekenntnis zum Willen, aus eigener K r a f t das Leben zu tragen; aber die Allgemeinheit hat die Stärke nicht und wird zur seelischen Leere geführt. Alle geschichtliche Betrachtung der kosmologischen Volksvorstellungen führt immer zu dieser trüben Einsicht; den Versuch, das metaphysische Gefühl darzustellen, scheint mir eine sehr wesentliche Aufgabe der Volkskunde, eine Erhellung, die zur Besinnung über die Neuschöpfung metaphysischer Bindung 188 ) zwänge. a . a . O . p. 504, v g l . Anm. 183. " • ) Z V f V k . 27 (1917), 18. 1 M ) M e g e n b e r g Buch der Natur 59. m ) E b d . 60. l M ) E b d . 60.

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m ) v . d. H a g e n Minnesänger 2, 379, auch zitiert Z V f V k . 27 (1917), 17 f. 1 M ) Alemannia 10 (1882), 49. 1 M ) de rer. var. I 1 {opp. I I I , lM) p. 1 b). de sübtilit. {opp. III p. 420 a). l") de rer. var. I 1 (opp. I I I p. 2 b). " 8 ) de subtil, (opp. I I I p. 420 a). "*) de rer. var. I 1 200 ) (opp. I I I p. 1 b). J u n c t i n u s berichtet Speculum astrol. I I p. 552 b die K.entheorie nach Albertus Magnus, teilweise mit wörtlichen Zitaten; ebd. p. 1124 a/b betrachtet er die andern Theorien in referierender nicht originale Ideen vertretender Form. Über T y c h o vgl. T e x t zu Anm. 149. Die anderen Stellen bei D . Cornei. G e m m a De naturae divinis characterismis Antwerpen 1575, L i b . I I . Eine weitgreifende Übersicht über antike, mittelalterliche und neuzeitliche K.entheorien mit eigener Stellungnahme bei R i c c i o l i Almagestum novum Bononiae 1651, V I I I 5 ( = B d . II, 29 ff.). Über die meisten handelt P i n g r é a. a. O. 1, 63—88. 201J H e v e l i u s Cometographia, Gedaniae 1668. Über seine Ideen P i n g r é a. a. O. 1, 118 ff. 202) Diskussion über Cardanus' Theorie siehe bei P i n g r é a . a . O . 1, 7 0 ff. 203 ) P a r a c e l s u s ed. Huser, Straßb. 1616 Fragm. Astronom. B d . II, p. 516 b, vgl. 483 a. 2W) Meteor. I de in opp. Bd. I I p. 99 258 ; auch abgedruckt in Schriften Theophrasts von Hohenheim genannt Paracelsus ausgew. u. herg. von Hans K a y s e r (in „ D e r D o m " ) Leipzig 20S 1921, S. 365 f. Nr. 247. ) G u n d e l in HessBl. a . a . O . S. 99; vgl. P a r a c e l s u s (s. Literaturverz.) 148; = opp. Bd. I I p. 37; vgl. !< ") G u n d e l p. 127. a . a . O . — D a z u noch einige Einzelheiten: K . mit langem Schwanz bedeutet langen Handel, mit breitem Schwanz breiten, weitläufigen Handel, mit Schwanz, der ein Ende nimmt, frisches und fröhliches Ende ( P a r a c e l s u s 148; die Stelle opp. B d . I I p. 37). 207 ) S. o. T e x t zu Anm. 144 und 2°8) 145. K e p l e r Ausführlicher Bericht von dem newlich im Monat Septembri vnd Octobri diss 1607. Jahrs erschienen Haarstem . . . Kepi. op. ed. Frisch vol. V I I 25 f. (zitiert auch in G r e t s c h e l s Lexikon der Astronomie s. u. Kometen S. 268f.). 20*) Vgl. Anm. 200. 21 °) P a r a c e l s u s opp. omnia X , p. 415 f. 2 U ) Astron. dan. opp. S. 6. Auf den Zusammenhang mit der Anm. 210 zitierten Stelle machte G u n d e l HessBl. a. a. O. S. 100 2 1 i ) Comm. aufmerksam. in Ptol. de astror. indie, zu Ptol. I I 9, t e x t . L I I I . = opp.Vp. 209 b. werden Regiomontanus' Beobachtungen zitiert, ebd. sind p. 212 b f . H a l y ' s Beobachtungen verwertet. 2 l s ) Lib. de sept. erratic. stellis: De cometis i 1 4 ) D a s beweisen Stellen (opp. V , p. 427 b). wie de rer. variet. X I V 69 (opp. I I I , s. 274 a) und X I V , 70 (ebd. 276 b). 2 " ) Vgl. L y c o s t h e n e s Prodig. zu Jahren 1223, 1240, 1241, 1255, I 53 I » I 53 2 > 1533 usw.; E i s e l Voigtland 259 Nr. 651; L u b i e n i t z Theatr. cometic. Teil

11 z. B . zum Jahre 1000 und 1180. «•) s. Abschn. V I I I ; dazu W . H e s s Himmüsund Naturerscheinungen in Einblattdrucken des XV.—XVIII. Jahrhunderts ( = ZfBücherfreunde N. F . I I 1 [1910]), S. 2. 316 f .

137

Komet

217 )

H i n d - M ä d l e r Die Kometen Lpz. 1854, 3; G r e t s c h e l s Lexikon d. Astronomie s. u. Kometen 259 a.

V. A b w e h r m a ß n a h m e n . Im germanischen Himmelsbild sind K.en nicht bekannt. Da infolgedessen auch von einem Einflußglauben, besonders mit bösen Folgen, keine Rede sein kann, gibt es keine heidnischen Abwehrmaßregeln gegen den K.enschrecken. Diese werden vielmehr erst mit dem christlichen Mittelalter aus den oben dargelegten historischen Gründen notwendig. Die nicht astrologischen Abwehrriten sind unseren freilich sehr spärlichen Nachrichten zufolge indes keine Schöpfung der Antike, wenn auch Gundel mit Recht, wie mir scheint, annimmt, daß derartige primitive Bräuche, wie sie in der Antike zur Abwehr des Siriuseinflusses in Übung waren (Waffenklirren und Opfer 218 )), in alter Zeit auch gegen den K.eneinfluß angewandt wurden, da K.enfurcht der Antike etwas Geläufiges war 219 ). Erst bei Synesios ist von einem W e g o p f e r n des K.eneinflusses durch die Zeichenschauer die Rede 22°). Das Mittelalter ging mit Mittagsläuten gegen den K.eneinflusses vor; •wenn Papst Calixtus III. den K.en von 1456 in den Bann tat, was neuere Forschungen freilich als Legende erwiesen zu haben scheinen, so stellt das eine gegen den K.endämon (Drache, Teufel) gerichtete Handlung dar 221). Doch sind auch aus dieser Zeit die Berichte über Abwehrmaßregeln nicht eben häufig, und die Zeremonien dienen z. T. weniger der K.envertreibung, als dem Schutze des eigenen Besitzes, den man dem K.eneinfluß entziehen will. So ist es z. B. zu verstehen, wenn einmal berichtet wird, man solle das Haus, über dem der K. sichtbar sei, mit Weihwasser einsegnen 222). In diesem passiven Verhalten liegt die Anerkennung der K.enmacht und der Glaube an die verhältnismäßig sicher eintretenden Folgen eingeschlossen. Religiöser Trost hilft eben über die Ansicht von der Konsequenz der natürlichen Entwicklung nicht hinweg. Erst mit dem Augenblick, in dem die

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Auffassung vom K.en als einem Boten Gottes Anerkennung findet, werden Riten zur Abwehr des drohenden Unheils sinnvoll, da die Wirkung nicht mehr von der Erscheinimg des Gestirns, sondern von Gottes freiem Willen abhängig ist. Freilich können sich diese Riten nicht gegen den K.en richten, etwa indem man diesen bannt oder sonstwie zu vertreiben sucht, sondern indem man durch B u ß e v o r G o t t seine Sünden ablegt, da er die Ursache der Erscheinung des K.en und seiner im Weigerungsfalle des Menschen eintretenden Folgen ist: Man muß Gott versöhnen und durch Selbsteinkehr erwirken, daß er das Zeichen seines Zornes wieder in den Himmel hineinholt. B u ß t a g e , Gebete und P r e d i g t e n dienen dieser Selbstbesinnung des Menschen auf seine Sündhaftigkeit 223); sie vermögen mindestens die von Gott in Aussicht genommenen Strafen zu mildern, von denen das drohende Weltende die härteste war 224). Wir zitieren hier eine behördliche Anordnung über die Abwehr der K.enverkündigung aus der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt; sie enthält Anweisung anläßlich des K.en von 1618: „Nachdem wegen dez in jungst verrückter Zeitt, gesehenen Comet undt Sterns, so ohne Zweiffell Gottes Zorn undt straff antreuwen und verkundiegen thutt, bey den Benachbarten Bussepredigt undt Bethstundte ahngestelt undt im Busseckerthall auch unsere sundte zu bereuwen, solche seiner Almacht ab: undt das er unser gnediger gott und vatter sein, undt nit mit uns nach unserm Werth undt verdinst handeln will, zu bitten, hochvonnothen, So ist hirmit unser ernster befelch bey Vermeidung hoher ohnnachlessiger straff, daß Morgen Freytags vor Mittag, alle Man undt weibs Persohnen, Als Menner weyber Kinder undt gesindt im Busseckerthall, sich zum Gehör Gottliches wordts verfügen, dasselbe mit Andacht anhören, die sündte bereuwen, seibiege Gott abbitten, undt hinfuhro ein Christliches ohnstraffliches leben fuhren sollen" (folgt Siegel und Unterschrift)226). Zu dem K.en von 1680 berichten ältere Zeitungen, daß die österreichische Re-

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Komet

gierung in Wien in den Erblanden die E i n s t e l l u n g aller Art v o n V e r g n ü g u n gen anordnen wolle, um Gottes Zorn zu besänftigen: so wurden unter anderem nächtliche Schlittenfahrten und andere Nachtspiele verboten, femer „daß in dero Erbländern alles üppige und ruchlose Wesen gänzlich abgeschaffet und wöchentlich gewisse Fest- Büß- und Bettage gehalten werden sollen" 226). Christliche Kirchengebiete schlössen an ihr Bekenntnis der Betrübnis und Bußfertigkeit des Sünders die flehentliche Bitte, Gott möge sie in seinem Zorn und gerechten Eifer nicht strafen; bei dem Gedanken an das mit der Erscheinung womöglich verbundene jüngste Gericht überkommt den Menschen nochmals die Furcht vor seiner sündigen Torheit; dies steigert die Intensität seiner Bitte 2 M ). Anderseits nimmt gerade manche Predigt des 17. Jh.s aus dieser Verbindung von K.enmacht und Weltuntergang die Hoffnung auf Erlösung von den Übeln der Welt, freilich meist nicht, ohne im Gebet den Ton der Angst vor eigener Strafe zu verbergen 228). Erst mit der Mitte des 19. Jh.s schwand diese Idee, da der Weltuntergang niemals trotz der Prognosen eingetreten war, und mit ihr die Notwendigkeit der religiösen K.enabwehr 229). Ein interessanter Abwehrbrauch der gesteigerten religiösen Empfindung des 16. und 17. Jh.s ist die Prägung von K.enmed a i l l e n 224a). Ein solches auf der Zürcher Stadtbibliothek befindliches Stück zeigt auf der Vorderseite einen K.en mit der Unterschrift: „A. 1680 16. Dez. 1681 Jan.". Auf der Rückseite stehen die Worte : „Der Stern droht böse Sachen — Trau nur Gott — wirds wohl machen" 2S0 ). Vielleicht wurden diese Medaillen als Amulett gegen persönliche Bedrohung durch K.en getragen M1 ). Auf sicher magischen Voraussetzungen fußt der ZVfV. 21 (1911), 292«. mitgeteilte russische S c h u t z b r i e f wider den K.en Halley, der 1910 in Samara von einem mönchisch gekleideten Menschen an die Bevölkerung verteilt wurde und eine Verfluchung des K.en enthält. Die a s t r o l o g i s c h e K . e n a b w e h r er-

140

gibt sich aus der Ansicht von den natürlichen Vorgängen, die seine Erscheinung und ihre Folgen bedingen. Von einer Aufhebung der natürlichen Kausalzusammenhänge konnte daher keine Rede sein; ein derartiger Gedanke mußte angesichts solcher Naturkräfte lächerlicher Wahnwitz sein. So entwickelt man in der Renaissance die Idee, den Körper gegen die allzu verheerende Einwirkung der K.en gleichsam präservativ zu schützen, wie z. B. „ihn vor die Colera wohl zu purgieren und andere praeservative durchs Jahr zu gebrauchen", ferner, „sich vor jedem Zorn zu hüten oder doch bald davon abzulassen" 2S2). Da gemäß den seit dieser Zeit verfeinerten Untersuchungen die durch Unmäßigkeit im Essen und Trinken sowie im Liebesgenuß geschwächten Körper durch die die K.enerscheinungen begleitenden Naturvorgänge besonders gefährdet sind 2S3 ), wird vor allem davor gewarnt oder „ungeheure" Vorsicht angeraten. Von den besonderen Mitteln, die die Astrologen, wie zu vermuten steht, ihren Delinquenten empfohlen haben, ist selten die Rede. Mit Kräutern, in denen siderische Kräfte wirksam sind, kann man allerdings den Einfluß der Sterne bannen: Gestirneinfluß wird durch Gestirneinfluß bekämpft. Die astralischen Krankheiten sind mit Hilfe „der bequemen Influentzen dess Gestirns zu praeservieren, die Kräuter und andere Arzteneyen mit Hilfe dess Gestirns in ihren Kräften zu erhöhen und vermehren, sonderlich aber der Chymia sich befleißigen" 234). Anderseits verlangt der Astrologe Junctinus Gebete zu Gott als Abwehr, da für ihn die K.en Zeichen sind ^ . Näheres ist über die Geschichte der „astrologischen K.enabwehr" bisher nicht ermittelt. 1 W ) G u n d e l in P a u l y - W i s s o w a s. v. Sirius Sp. 336, 34 ff. 2 1 t ) Ders. s. v. Kometen Sp. 1163, 8 ff. 2S0) Synes. calv. encom. = M i g n e P. Gr. 66,

p. 1185, 73: xal (povivtE; Sc t^pac tlal itovrjpdv, otte ol TEpaToaxditot xai ol (xävTeit ¿xSOovxai. Ml ) G u n d e l in HessBl. 7(1908), 102; S t e m p l i n g e r 28. Literatur in: Zfkath. Theolog. 28 (1904), 404. Dagegen auf Grund einer [mir unzugänglichen] Arbeit von J. S t e i n Calixte III et la comite Halley (Roma 1909), H e ß [Titel s. Anm. 216] S. 319 f. Danach ist wohl S t e m p l i n g e r

Komet

141

S. 2 8{. zu revidieren. 222) S c h 1 o s s a r in Germania 36, 389. verwertet bei G u n d e l a. a. O. 223) Literatur sind alle K.enprognostiken, Flugblätter, -Schriften mit K.engedichten (s. Abschn. VI). Vgl. die Zitate, in denen die Prognostikontitel angeführt sind, ferner Gundel HessBl. a. a. 0.113 f. und die Texte zu denBildern bei H e s s Himmels- u. Naturerscheinungen

(s.

Anm. 216). ««) G u n d e l a. a. O. 113 f. m ) Mitgeteilt HessBl. 9 (1910), 198 f. "•) Behandelt von L a u f f e r in ZVfVk. 27 (1917), 22 f. Die Stellen bei E. B u c h n e r Das Neuste von gestern 1, 14öS. li7 ) So bei Garthius s. G u n d e l a. a. O. 113. «•) Ebd. S. 114 aus einer Kirchengebetsordnung für die Stadt Roten228 burg o. T. von 1690. ) s. o. Text zu Anm. 79, 80. "»») A r c h e n h o l d K.en usw. S. 50; Münzen mit K.enbildem von 119 v. Chr. —1650 n. Chr. in Nr. 3491 der Leipziger Illustrierten Zeitung vom 26. III. 1910, 990. 229) Gretschel Lexikon der Astron. s. v. Kometen 258 a; ZVfVk. 27 (1917), 24. — Eine Abb. bei G. F . C h a m b e r s The story of the cornets (Ox-

ford 1909) 103. t m ) ZVfVk. 27 (1917), 24: Vermutung A r c h e n h o l d s a . a . O . 231) G u n d e l a. a. O. 106 mit den Literaturangaben. 232) Vgl. C a r d a n u s oben Text zu Anm. m . Vgl. de rer. var. I, 1 (= opp. III 2 b) „dann (d. h. bei K.enerscheinung in heiterer Luft) erfolget der schwachen Leuten Tod (die sich nicht üben: die in schweren Sorgen stehen: die sich scheuterhaften Speisen gebrauchen: die viel der Liebe pflegen: die bald krank werden: die sich zu Alter nahen: und wenig schlafen" (zitiert nach der Übersetzung von 233 der rer. var. (vgl. Anm. 112) S. 4). ) Vgl. C a r d a n u s , oben Text zu Anm. 111. 231) Von Gundel a . a . O . zitiert aus J. M a g i r u s Dis-

curß von den Cometen . . . F r a n c k f . 1665 a m

Ende.

135

) s. Text zu Anm. 137.

VI. K . e n f l u g s c h r i f t e n . dichte.

K.enge-

Lebte bis zur Erfindung der Buchdrukkerkunst, wie es scheint, der K.enaberglaube mündlich oder in Handschriften 436) tradiert fort, wie das Wissen von den Folgen der Finsternisse, Meteorfälle usw., wobei man nicht den Eindruck besonderer Interessiertheit der Allgemeinheit an diesen Phänomenen gewinnt, so ist das ganz anders, seit der K.englauben durch gedruckte Flugschriften verbreitet wurde. Nicht nur der eindringlich warnende Ton der Prognostiken, sondern schon die zahllose Menge von K . e n f l u g s c h r i f t e n , die fast alle dem 15.—17. Jh. angehören, läßt auf die große Bereitschaft der Aufnahme bei der Bevölkerung in

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diesen Zeiten schließen, auf die wir oben des öfteren hinweisen mußten. Diese Bereitschaft dürfte auch schon der dem 15. Jh. vorausliegenden Zeit eigen wesen sein. — An der Abfassung dieser Flugschriften sind Deutsche, Italiener, Franzosen und Spanier beteiligt; gerade Deutschland ist in ihrer Erzeugung sehr produktiv gewesen M 7 ). Diese Flugschriften sind hervorgegangen aus Holzschnitt, Kupferstich und Buchdruck 238). Sie sind teils Einblattdrucke, teils dünne Heftchen, letztere meist in Quartgröße. Die ersteren führen die Erscheinung bildlich (s. u. Abschn. VIII) mit oder ohne einen Text vor (nur mit Text versehene Einblattdrucke sind sehr selten), der die Erscheinung und ihre Wirkung mehr oder minder kurz beschreibt. Über die Darstellungen wird in Abschn. V I I I gesprochen; der Text pflegt die kometomantischen oder astrologischen Deutungen zu enthalten, über die in den vorigen Abschnitten gehandelt worden ist. Die Flugschriften sind umfangreicher und enthalten meist ausführlichere Angaben über die Erscheinung. Oft schließt sich Diskussion über das Wesen des K.en an, wobei meist die aristotelische Erklärung nicht selten unter ausdrücklicher Zurückweisung anderer Ansichten vorgetragen wird. Ein besonderer Abschnitt befaßt sich mit der Ausdeutung, wie auf den Einblattdrucken, nur ausführlicher. Endlich pflegen eine Menge Bußmahnungen zu folgen, deren Inhalt ebenfalls oben besprochen worden ist 239). Für die Z a h l der zu den einzelnen K.en in dem bezeichneten Zeitraum herausgegebenen verschiedenen Einblattdrucke fehlen Zusammenstellungen. Für die Flugschriften sind solche gemacht. Danach lassen sich zu nachstehenden K.en, gleich oder später veröffentlicht, folgende Flugschriften nachweisen (Angaben in Zahlen, wobei freilich die Zahl der wirklichen Veröffentlichungen meist einige Prozent höher anzusetzen ist)2«):

Komet

143 Erscheinungsjahr der Kometen

1472 1492 ?

1506 J527 I53I 1532/33

1556 1572 1577 1604 1607 I6l8 (3 K.en) 1652 1661 1664/65 1680

Anzahl der veröffentlichten Flugschriften 3

1 1 2 2 5 10 10 über 20 etwa 60 „ 20 12 » 120 30 20 130 etwa 130

Erscheinungsjahre der Flugschriften

1472, 1474, XV. Jahrh. 1500 1506 1527 ?

1556

1531. 1532

N. B. Bei Ludendorfi fehlen von hier an Angaben über die E r scheinungsjahre, so daß ich annehme, daß alle ihm bekannt gewordenen Flugschriften in dem Erscheinungsjahr des K.en herauskamen.

Für die folgenden Jahrzehnte fehlen mir Angaben, doch dürfte die Zahl der Flugschriften des 17. Jahrhunderts kaum überboten worden sein. Der festgestellten Steigerung des religiösen Gefühls entsprechen die gegenüber den bescheidenen T i t e l n des 16. Jahrhunderts aufgemachten breiten Überschriften in den Prognostiken des 17. Jh.s. Lautete der Titel der Ausgabe von 1472 „Thuracensis philisti (sie! statt physici, gemeint ist der Zürcher Arzt Schleusinger) Tractatus de cometis ineipit" 241 ), ferner der Titel der Paracelsusschrift zum K.en von 1531 „Usslegung des Cometen ersehynen im hochgebirg zu mitten Augsten Anno 1 5 3 1 " 242), liest man im 17. Jahrhundert z. B. „Johann Procopius, KoixijToSixatoXoiipoataata. Oder K.enbutzer. Das ist: Eine glaubwürdige Copey Articulierter unnd rechtmäßiger Klag desz guten, unschüldigen Cometen, welcher im 1618. Jahr erschienen... dem Gott Apollini durch ermeldetes Cometen wohlbestellten Anwalt... übergeben. Gedruckt in Parnassischer Buchdruckerey, 1 6 1 9 " 243). Freilich, Autoren wie Kepler, bleiben auch in dieser Zeit mit ihren Titeln immer schlicht 244), aber für die Masse der Flugschriften besteht dieser Unterschied der Ankündigung. Auch auf Einblattdrucken kann man einen ähnlichen Unterschied zwischen der Mode des 15. und 16. Jh.s einerseits

144

und der des 17. anderseits feststellen 245)> Indes liegt es in der Natur dieser Blätter, wenn die Uberschriften hier immer etwas kürzer und präziser lauten. Druck und Papier pflegen bei diesen Ausgaben schlecht zu sein; der Text ist meist in Prosa gegeben. Indessen fehlt es nicht an K . e n g e d i c h t e n , die meist auf den Einblattdrucken, zuweilen auch in den Flugschriften begegnen. Einige Beispiele dieser primitiven und doch für die Zeit so anschaulichen „Poesie" müssen hier eingerückt werden, um diese Quelle des Aberglaubens deutlich zu machen. Sehen wir von den weiter unten besprochenen, den K.englauben ironisierenden Gedichten ab (s. Abschn. VII), so lassen sich fünf Gruppen solcher Verifikationen, unterscheiden, nämlich: 1. Gedichte, die einfach und allgemein auf kommende Gefahr hinweisen: Kein Komet ist je gesehen Draufl nicht böses ist geschehen 2 ").

2. Gedichte, die die acht auf K.enerscheinungen folgenden Unglücke aufzählen : Achterley vnglück ein Comet Bedeut, wann er am Himmel steht: Gross wind, gewessr, vnfruchtbarkeit, Pestilentzisch seuch vnd grossn neid, Erdbeben vnd eins Fürsten end, Darzu endrung im Regiment 2 4 ').

3. Gedichte, die zur Buße und Milderung von Gottes Zorn auffordern: Als die G o t t e s Feuer-Ruthen Die Cometen zeigen an sieht bereit ein jeder Mann Bey so hartem Krieges-Wuthen. Jener, der vor wenig Jahren uns viel Böses h a t gedrau't den man weit und breit geschau't Lies uns leider ! viel erfahren.

Demnach ist es hoch vonnöthen daß man solches wohl betracht und auf GOttes Drauung acht Uhren seind sie, die Cometen. Die uns allzeit sehr erschrecken. Dann sie weisen wenig Guts doch ihr Christen gutes Muths I Lasst uns so das Ziel verstecken:

Komet

145 Last mit Beten uns zusammen tretten, wie uns mahn't bereit unsre liebe Obrigkeit So wird GOttes Zornes-Flammen Sich von uns in Gnaden wenden und die krause Feuer-Ruth •wider unsrer Feinde Wuth Kehren, und uns Friede senden M> ).

Ein anderes Gedicht ist kürzer und weniger zuversichtlich: Schau, ein neuer Schreck „Comet" Uns am Himmel vorgestellt; Als ein Gottes Strafi-Prophet, wo man nicht zu füssen fällt. Mit gesamter Herzens-Buss, Gott, der da erzürnet ist, Änderst er sonst straffen Muss, Merck, erkenns, mein guter Christ u '). 4. Gedichte, die das Abwendungsgebet der Gefahr enthalten: Lass Himmel dies Gestirn und deinen Zorn verschwinden Und stelle deine Raach und unsre Straffen ein: Sol aber der Comet doch was gefährliches würken. So schütte Deinen Grimm auf Tatara und auf Türken , s o ). 5. Die Vorstellung von dem K.en als einem lebenden Wesen (s. o. Sp. 120) läßt einen Dichter den K.en redend einführen und ihn seine Verzweiflung über die menschlichen Sünden und die menschliche Arroganz also äußern: Ach mein Gott, nimm mich nun hin, Decke mich mit einer Wolke, Ich genug gespottet bin Von dem armen Sündenvolke I Ob ich gleich die müde Nacht Hab mit eilen zugebracht: Könt ich doch den Sünderhauffen Nicht ereilen und erlauffen. Ob gleich meiner Fackel Strahlen Fast den Himmel zugedecket, Ob ich gleich sie oftermahlen Angezündt, und aufgestecket Meiner Rechten ungeheur Anzusehen foller Feur. Könt es doch den blinden Augen So gar nicht zur Busse taugen 251 ). Vielleicht sind die ironisierenden Spottgedichte, die im folgenden Abschnitt behandelt werden sollen, ein Ausfluß dieser K.enpoesie und als eine Art Persiflage dieser volkstümlichen Verse zu werten. B l c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

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»•) Darüber unten Abschn. VIII, Sp. 150. " ' ) Vgl. H. L u d e n d o r f f Die K.enflugschriften des XVI. und XVII. Jahrhunderts = Zf. Bücherfreunde 12 [1908/09], 2, S. 501 ff. Einen interessanten Einblick zum Anteil der Nationen an den Flugschriften liefert Hellmanns Behandlung der Literatur, die auf J . Stöfflers böse Prognose für das Jahr 1524 (s. Horoskopie Sp. 38z) in allen europäischen Liedern erschien Beiträge zur Metorologie 1 (1914), 17. 22 f. ***) Darüber spricht ausführlich W . H e s s a. a. O. (s. Anm. 216) S. 10 ff. *») Vgl. das Büchlein von Janus v. der G a s t o w Eyn kürten Bericht von dem Comet oder neuen Stern, der allhie in Hamburg im Jahr Christi 1632, den 11. Dec. am Abend gesehen . . . und noch wird gesehen. Beschreibung und Excerpte in ZVfVk. 27 (1917), 24 f. Ferner Kurtze Beschreibung deß Cometen oder Strobelsterns, welcher im Hewmonat dieses 1596. Jars am Himmel ist gesehen worden (Univ. Bibl. Heidelberg, beigebunden an B 2 6 3 1 , 15). Die Zusammenstellung nach den in dem Aufsatz von L u d e n d o r f f (Anm. 227) gemachten Angaben. , u ) L u d e n d o r f f a . a . O . 502 a. M J ) Ebd. S. 502 b. Ebd. S. 505 b. «") S. Anm. 208. *«) s. die Abbildungen bei H e s s a . a . O . M*) Vom Jahr 1665; L u d e n d o r f f a . a . O . 506b. Zweifellos liegt hier eine Verdeutschung vor von Claudians bekanntem Vers (s. o. Anm. 61) oder dem späteren griechischen Sprichwort oOoeli *o(j./j tt); fort« oü -¿axov cpipij (über seine Entstehung aus einem Zitat des Synesios vgl. Gundel bei P a u l y - W i s s o w a s. v. K.en Sp. 1149, 4 6 ff.; eine deutsche Übersetzung auf einem Einblattdruck von 1664 bei F. A r c h e n h o l d Alte K.eneinblattdrucke Nr. 15). Deutsch auch: „Die K.en-Schreckpropheten" ZVfkV. 27 (1917), M7 21, 26. ) v. Jahre 1579, L u d e n d o r f f a. a. O. 506 b; ähnliche Verse mit der Aufzählung des ,,achterley Unglückes" ebd. und ZVfVk. 27 (1917), 26. Ferner F. A r c h e n h o l d Alte K.eneinblattdrucke Nr. 1 1 und ders. K.en, Weltuntergangspr. usw. S. 46.; eine lateinische Fassung ebd. Nr. 3; eine andere Hess a. a. O. S. 303. **•) v. Jahre 1675, s. Hess a. a. O.; Zf. Bücherfreunde N. F. II, 1 (1910), Abb. 12, S. 81. Ähnliche Mahnung enthält das Gedicht auf Abb. 13 S. 83 (vom Jahr 1677). Vgl. das Gedicht von 1661 (ZVfVk. a. a.O. 21), das eine Mischung von Gruppe 2 und 3 darstellt. 219 )ZfBücherfreunde N. F. III, 2 (1912), Abb. 1, S. 329 auf einem Flugblatt auf den K.en von 1680 (gesehen in Nürnberg). v. Jahre 1672, L u d e n d o r f f a. a. O. 506 b; ähnlich äußert sich der Verfasset des Flugblatts Abb. 15, S. 87 bei Hess a. a. O. (vom Jahre 1687). s « ) G u n d e l in HessBl. 7 (1908), S. 93 in einer Schrift von 1681. VII.

K . e n g l a u b e in d e r Literatur.

neueren

Dem heutigen Gebildeten sind alle diese Anschauungen meist bekannt aus 5b

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148

Komet

den mehr oder minder ausführlichen Zitaten in der dichterischen Literatur der Renaissance- und Neuzeit, von der ein Teil freilich den Glauben zu ironisieren versucht. Da die Verwendung des Motivs in der dichterischen Literatur nicht nur Beleg für die Konstanz des Aberglaubens ist, sondern wenigstens zum Teil auch Beleg für den Kampf aufgeklärter Geister (s. o. Sp. 115) gegen die K.enfurcht, seien abschließend einige Stellen ausführlicher hier angeführt, wobei die neuste Zeit zuerst zu Wort kommen soll 252 ). Am bekanntesten ist Schillers Zitat aus der Kapuzinerpredigt 25s ): Den Kometen steckt er wie eine Rute Drohend am Himmelsfenster aus.

Ironisch behandelt derselbe Dichter den Wahnglauben in dem Gedicht „Rousseau" 2M ): Neu und einzig — eine Irresonne Standest du am Ufer der Garonne Meteorisch für Franzosenhirn. Schwelgerei und Hunger brüten Seuchen, Tollheit rast mavortisch in den Reichen; Wer ist schuld ? — D a s arme Irrgestirn.

Dazu vergleiche man Goethes Spottgedicht „Drohende Zeichen" 255 ): Tritt in recht vollem klaren Schein Frau Venus am Abendhimmel herein, Oder daß blutrot ein Komet Gar rutengleich durch Steme steht. Der Philister springt zur Tür heraus „Der Stern steht über meinem Haus 1 O weh I Das ist mir zu verfänglich !*' D a ruft er seinem Nachbar bänglich. „ A c h seht, was mir ein Zeichen dräut I Das gilt fürwahr uns arme Leut 1 Meine Mutter liegt a m bösen Keuch, Mein Kind am Wind und schwerer Seuch', Meine Frau, fürcht' ich, will auch erkranken, Sie thät schon seit acht Tag' nicht zanken; Und andre Dinge nach Bericht I Ich fürcht', es kommt das jüngste Gericht".

Der Franzose Rabelais ironisiert den Volksglauben Frankreichs in ähnlicher Weise 254). Bei Hebel wird erzählt, daß einst eine Hexe einer schwäbischen Gräfin aus einem K.en ein Unglück vorhergesagt habe. Der Dichter bemerkt dazu: „wird aber hoffentlich nichts geglaubt haben. Denn selbiger Wandelstern mit seinem silbernen Haar hatte nichts mehr zu bedeuten, sondern sollte in Berlin und Polen das große Kriegsunglück und

die blutigen Schlachten ankündigen, kam aber zu spät, wie manchmal ein Feuerreiter, wenn das Häuslein schon verbrannt ist" 257). Bestimmtes Interesse hat hier auch ein Gedicht von Friedrich dem Großen; in ihm spielt der König selbst geistreich mit den Vorstellungen, die zum K.en des Jahres 1743 im Volke umgingen. Wir führen auch von diesem Gedicht einige Verse an, da es weniger bekannt ist; seine Überschrift lautet: 258) An Jordan über den K.en, der 1743 erschien. Bebst du noch immer Jordan?

Schreckensbleich Macht Hektor dich, der grausige K o m e t ? Zerstörte ihn der Himmel doch sogleich E h ' diese Welt durch ihn zugrunde geht I U m dich, ach, wäre es mir herzlich leid —

Drum wünscht ich sehr, daß dieses Ungeheuer, daß dieser ungeziemliche Komet Mit seinem langen Schweif aus Höllenfeuer Dich zu versengen sich nicht untersteht. — Doch müßt' i c h scheiden, stürbe eine Seele Nicht ohne Wildheit und nicht ohne Fehle. D u weißt ja, daß ich, noch ein junger Fant, Systeme umzustoßen mich erfrechte.

Du weißt auch, daß mit frevlerischer Hand Ich mehr als einen greulichen Panduren Zur Hölle und zum Teufel heimgesandt Beim mörderischen Kampf in Schlesiens Fluren. Wenn Hektor, dieser gräßliche Komet, Auf mich Erbärmlichen nun niederbricht. Sein Feuer auf mein schuldig Haupt entlädt — Ja, meiner Treu, so Unrecht hätt' er nicht.

Übrigens sind Shakespeare und Grimmelshausen ®59), die noch großenteils den kosmologischen Ideen der Renaissance huldigen, in ihren Anspielungen emster. Neben dem bekannten Wort der Calpumia im Caesar 260): Kometen sieht man nicht, wenn Bettler sterben: Der Himmel selbst flammt Fürstentod herab

steht Glendowers überzeugte Äußerung zu Percy Heißsporn im Heinr. IV. (1. Teil) a»1): als ich zur W e l t kam, war Des Himmels Stirn voll feuriger Gestalten Und Fackelbrand;

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150

Komet

und Bernardos Worte beim Beginn seines Berichts im 1. A k t des Hamlet lassen deutlich das Unheilbringende der Erscheinung fühlen 262 ): Die allerletzte Nacht, als eben jener Stern, vom Pol gen Westen, In seinem Lauf den Teil des Himmels hellte, -wo er jetzt glüht, da sahn Marcell und ich usw. Auch die Erinnerung an das sidus Iulium bei Caesars Tod, dessen einige Verse weiter gedacht wird, ist von der gleichen Empfindung des Respekts vor kommenden Unordnungen im Dasein getragen. Die Erinnerung an die künstlerische Verwendung des Motivs durch Tolstoi in „Krieg und Frieden", wo der Dichter die düsteren Empfindungen des Volkes bei dem Erscheinen des Wunderzeichens von 1812 angesichts des drohenden Krieges mit Napoleon wirkungsvoll der freudig gehobenen Stimmung Pierres — aus seiner seelischen Individualität begründet — entgegensetzt, soll die literarischen Zitate beschließen 263). JS2) Die Hinweise bei L a u f f e r ZfVk. 27 (1917), 30.14. i M ) Wollenst. Lager 8, 27 ff. ZVfVk. a. a. O. 30. "») Gedichte Parabolisch Nr. 13. 2M ) Gerhardt Franz. Novelle 113. 117. Mitgeteilt von B i r l i n g e r in Alemannia 1 (1873), 292 aus H e b e l s Schriften G A V I I I 214. s " ) Übersetzt v . G. B. V o l z (Die Werke Friedrichs des Großen in deutscher Übers. Berlin 1914, Bd. X , Dichtungen S. 76. «•) Stellen bei A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 72. Grimmelshausen erklärt zwar die Deutung von Himmelserscheinungen einschl. der K.en für verwerflich, „wann die Deutung die Schranken der natürlichen Ordnung überschreitet". Trotzdem aber kündige Gott zuweilen Ereignisse mit Himmelszeichen an. „ K . e n bringen Tod der Herren, wie man aus langen Erfahrungen weiß". Im Ewigen-Kalender S. 144 Sp. 2 zeigt ein K . die Eroberung Jerusalems durch Chosroe's II. Feröz (614) an. Doch bemerkt Grimmelshausen andererseits ironisch: „ A b e r es gibt auch gestorbene Herren ohne K.en, deren Tod Krieg nachfolgt und fallen Kriege ein ohne großer Herren Tod". S8°) Caesar II 2, 30. »») Heinr. IV. A, III 1, 14 ff.; A c k e r m a n n Shakespeare 82. »») Hamlet I 1, 1 1 7 s . 293) Bd. I I Ende. VIII. B i l d l i c h e Darstellung der Kometen in der kometomantischen und älteren astronomischen Literatur (mit Tafel). 1. A l l g e m e i n e s . Neben dem Prosatext und dem Reim halfen b i l d l i c h e Darstellungen der ver-

schiedenen K.enarten, den Menschen des Mittelalters und der Neuzeit die K.enfurcht lebendig zu halten. Die Ikonographie dieser Bilder ist noch ungeschrieben. Das reichlich vorhandene Material aber, interpretiert im Zusammenhang mit den überlieferten Vorstellungen der Antike, die bis Lubienitz Ausgangspunkt der K.ensystematisierung sind, dürfte die bisher gewonnenen Vorstellungen vom kosmischen Denken und Fühlen jener Menschen des Mittelalters und der Neuzeit, von denen oben die Rede war, aufschlußreich ergänzen. Lediglich in diesem (ergänzenden) Sinne ist die folgende vorläufige Materialsammlung und Problembesprechung aufzufassen und gedacht: als Ausgangspunkt für Forschungen auf diesem unbearbeiteten Gebiet 2 M ). 2. D a s

Material.

Die hier zu erwähnenden Bilder der Neuzeit finden sich zunächst in den kosmographischen Werken der Zeit. Wir verwenden die Materialien aus I.D.Cornelius G e m m a de naturae divinis characterismis (Antverpiae 1575) lib. II (die K.enbilder finden sich auf S. 120); 2. H e v e l i u s Cometographia (Gedaniae 1668; die Tafeln mit den K.enformen S. 445. 446. 448; ab S. 452 folgen Bilder mit eigenen und zeitgenössischen Beobachtungen); 3. St. Lub i e n i t z Theatrum cometicum (Leyden 1667 und 1681), Teil II. Neben Beobachtungsdarstellungen der Zeitgenossen enthält das Werk mehrere Tafeln mit schönen, für die Ikonographie wichtigen Bildern historischer K.enerscheinungen. Von R i c c i o l i s Almagestum novum (Bononiae 1653), auf dessen Abbildung zu 112, a p. 196 G u n d e l bei P a u l y - W i s s o w a s . v . K.en Sp. 1180, 12 verweist, ist mir keine illustrierte Ausgabe zu Gesicht gekommen; auch auf die in Edward S h e r b u r n e The Spere of Manilius (London 1675) 188 ff. enthaltenen Kupfertafeln (s. G u n d e l a . a . O . Sp. 1145, 25) mit K.enbildern kann ich nur hinweisen, da ich sie ebenfalls nicht habe einsehen können. Die kometomantische Literatur ist hauptsächlich vertreten durch L y c o s t h e n e s ' Prodigiorum ac ostentorum chronicon (Basel 1557); 7 verschiedene Typen begegnen, durch sein ganzes Werk hindurch verteilt als Illustrationen zu registrierten K.enerscheinungen. Neben Lycosthenes treten d i e E i n b l a t t d r u c k e ; einige dreißig sind veröffentlicht. Das Hauptwerk schuf F. A r c h e n h o l d Alte Kometeneinblattdrucke (Verlag der Treptow-Sternwarte, BerlinTreptow 1925), von dem bis jetzt eine Mappe mit 25 Drucken vorliegt. Einige andere Drucke sind reproduziert in F . A r c h e n h o l d

i5i

Komet

K.en, Weltuntergangsprophezeihungen und der Halleysche K. (Berlin-Treptow, Sternwarte 1910). Weiteres, auch koloriertes Material findet man bei W. Heß Himmels- und Naturerscheinungen in Einblattdrucken des XV. bis XVIII. Jahrhunderts (Abd. 3. Ii. 12. 13. 15. 17. 25) = Zeitschr. f. Bücherfreunde N. F. II, 1 und 2 (1910/11) 1 ff. und bei P. Gulyäs 4 Einblattdrucke über den Kometen vom Jahre 1680 = dieselbe Zeitschr. N. F. III 2 (1912), 328 ff. Eine Abbildung aus einer französischen Hs. -des 16. Jahrhunderts und 1587 findet man bei A. Warburg Heidn.-antike Weissagung in Wort und Bild zu Luthers Zeit ( = Sitzungsbericht d. Heid. Ak. d. Wiss., phil. hist. Kl. Jahrg. 1916, 26. Abb. S. 69). Auch die Prognostiken enthalten auf ihren Titeln zuweilen K.enbilder (vgl. ebd. Taf. I von einem Progn. aus d. Jahre 1521 und Strauß Der astrol. Gedanke i. d. deutschen Vergangenheit S. 74 f., -wo man Bilder von Progn. von d. Jahren 1531 und 1532 findet). Große Materialien besitzen •die Petersburger Sternwarte zu Pulkowa und •die Crawford-Bibliothek der Sternwarte zu Edinburg. Dazu vgl. Ph. Carls Repertorium, München 1864. (Diese Angaben entnehme ich H. Ludendorffs Aufsatz Die Kometenflugschriften des XVI. und XVII. Jahrhunderts ( = Ztschr. f. Bücherfreunde XII, 2 [1908/09] S. 501). Ein Katalog der in der Bibliothek zu Bamberg, der Staatsbibliothek in München und der Graphischen Sammlung in München enthaltenen Einblattdrucke bei Heß a. a. O. S. 390 ff., die Blätter der Treptow-Sternwarte beschreibt Archenhold K.en usw. 79 ff.

3. Die T r a d i t i o n der Formen. Die Voraussetzungen der Typenaufstellung von K.enerscheinungen der N. Z., wie sie in diesen Bildern versucht ist, sind zunächst bildliche Darstellungen der vorausliegenden Epochen. Aus eigenen Anschauungen sind mir keine bekannt. Die wohl älteste Darstellung findet sich auf der T a p e t e von B a y e u x 2 M a ) : man sieht den K.en von 1066 (Schlacht bei Hastings, Tod König Haralds von England!), der von erregten Menschen betrachtet wird. H a n d s c h r i f t e n des M. A.s illustrieren zuweilen ihre Beschreibungen der Himmelskörper, darunter auch die der K.en. Solche Bilder finden sich z. B. in einer Hs. des X I I . und in einer des XV. Jh.s i6S ). Letztere enthält eine Reihe von Bildern, die K.en in Verbindung mit Tierkreiszeichen zeigen. Diese Bilder sind wichtig zur Erkenntnis dessen, wo und wann zuerst die in den späteren Prodigienwerken, etwa bei Lycosthenes, auftretenden differenzierten Bild-

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typen entstanden sind; ferner, von wo sich ein Teil der auf Einblattdrucken und Prognostiken verwendeten Bilder herleitet. Es ist wohl anzunehmen, daß diese K.enbilder, in der N. Z. mit der gleich zu besprechenden antiken Kometographie immer wieder verglichen und korrigiert, letztlich auf antike Vorlagen zurückgehen, wie es auch bei den Sternbildertypen der Fall ist (s. Sternbilder). Leider sind außer einigen Darstellungen auf Münzen des Mithridates und des Augustus keine antiken Bilder überliefert288"). Da man aber schon im Altertum den Standpunkt vertrat, daß die Form des K.en von Einfluß auf das Ereignis sei, hat man die Formen, die wissenschaftlich untersucht und beschrieben waren (s. o. Sp. 102), sicher auch bildlich veranschaulicht. Die antiken Autoren, die sich in den neuzeitlichen Diskussionen über die möglichen K.enformen einer besonderen Autorität erfreuen, sind Aristoteles (met. I 7) und Plinius (n. h. II 22, 89). Die bei Aristoteles aufgestellte Einteilung der K.en in Bartk.en und Schweifk.en (s. o. Sp. 125), an deren Stelle die spätere Antike (so auch Plinius) auf Grund anderer voraristotelischer Forschungen (Gundel a. a. O. Sp. 1174, 49 ff.) viel mehr Formtypen aufführte, taucht wieder auf, und zwar nicht nur in zünftiger Literatur, wie bei Hevelius (er scheidet die K.en in 1. Cometae oder Crinitae, 2. Caudatae oder Barbatae 288)), sondern auch auf Flugblättern, wobei die mir bekannten Texte freilich die barbatae als Sondertyp der caudatae behandeln 287). Neben Aristoteles' Zweiteilung wird aber die z. B. bei Plinius vorliegende differenziertere Einteilung nicht aufgegeben, aber der Versuch gemacht, sie mit der Zweiteilung des Aristotelischen Systems in Einklang zu bringen. Wohl typisch für den Einfluß der antiken Formsystematisierung der K.en ist der Brief Melanchthons an Camerarius über den K.en von 1531 (Warburg Heidn.-antik. Weissagung S. 68), in dem er mitteilt, einige versuchten, den K.en als zur Klasse der £«piac des Plinius gehörig zu bestimmen, unddenAdres-

Komet

153

154

Zum Artikel KOMET Abschnitt VIII. KOMETENTYPEN IN DER KOMETOMANTISCHEN LITERATUR DER NEUZEIT T Y P U S I: CAUDATA ""¡äiSg Fig. 1. Lycosth. 241

Fig. 2. Archenhold 20

Fig. 3. Guiyis 1

T Y P U S I I : CRINITA HSKSmP

H. W ' m

Flg. 5. Archenhold 22

Fig. 4. Lycojth. 324

Fig. 6. Flg. 7 Lubienitz z.J. 1107 Strauss Abb. 71

T Y P U S H I : BARBATA

TYPUS I V : C A U D A T A ohne Stern

"""»ÄASr &1ÌJ im Fig. 9. Archenhold 8

--..i-r^ .- •- j 'i||«iJII| ~'i Flg. 10. Hess 3 Fis. 13. 1. Lubienitz

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Flg. 11 Strauss Abb. 73

Flg. 8. Lyc. 245 Zum Vergleich:

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H F Î f

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Fig. 14. 2. Hevelius Fig. K (nach S. 448) Nr. 35 (Conilormis der Acontlae)

Fig. 12. Lycosth. 373

T Y P U S V: X I P H I A S ¿^v I Vi r



m V ) Trier 1227 = F e h r 139; 74) Prag 1356 c. 8 = H. 6, 719. 7S) Arles 443 oder 452 c. 23 = H. 2, 301; Tours 567 c. 22 = H. 3, 26; Auxerre 585 c. 3 = H. 3, 42; Toledo 693 c. 2 = H. 3, 350; Szaboles 1092 c. 22 = H. 5,205; London 1102 c. 26 = H. 5,269; Trier 1227 c. 6 = H. 5, 949. n ) Tönsberg (Norwegen) 1346 = H. 6, 646. " ) Neuching 772 c. 6 H. 3, 614 f. 78) London 1075 = F e h r 127. ™) Vennes 465 c. 16 = H. 2, 595; Agde 506 c. 42 = H. 2, 657; Orléans 511 = H. 2, 665; Auxerre 585 c. 4 = H. 3, 42; Aachen 789 c. 4 = B i n t e r i m 2,251; Responsa Nicolai I c. 77 = H. 3, 350; Trier 1310 c. 80 = H. 6, 492. 80) Nicolai Responsa c. 62 = H. 4, 349. 81) Toledo 693 c. 2 = H. 3, 350. 82)Trier 1310c. 82. 8i )Trullanum 692 c. 62 = H. 3, 338; Trier 1310 c. 82; Prag 1356 c. 8 = H. 6, 719. M ) Hippo 393 c. 4 = H. 2,56. e6) Berghampstead 697 c. 13 = H. 3,355 Paderborn 785 c. 9 = H. 3, 636. 8S) Clermont 535 c. 3 = H. 2,761; Auxerre 585 c. 12 = H. 3, 45; SynodaJstatuten des Hl. Bonifaz c. 20 = H. 3, 585. 87) Marciac 1326 c. 25 = H. 6, 626. 88) Paderborn 785 c. 7 = H. 3, 636. 8 ') London 1102 c. 26 = H. 5, 269. Trier 1227 c. 6 = H. 5, 949. n ) Deutsches Konzil 742 c. 5 = H. 3, 500; Tours 567 c. 22 = H. 3, 26. M) Englische Synode 1080 = F e h r 127. " ) Elvira 306 c. 6 = H, 1,158. M ) Tribur 895 c. 50 = H. 4, 557. M ) Trier 1227 c. 6 = H. 5,949. *•) Aachen 789 c. 64 = H. 3, 669; Paris 829 c. 2 = H. 4, 66. S7) Tarragona 1282 c. 11 = H. 6,225. ®8) Elusa c. 3 = H. 3,9. " ) Auxerre 585 c. 1 = H. 3, 42; Trullanum 692 c. 62 = 46)

201

Kopf

H. 3. 338. 10°) Auxerre 585 c. 4 = H. 3, 42; Narbonne 589 c. 14 = H. 3, 54; Reims 624/5 u c. 14 = H. 3, 76; Trullanum 692 c. 61 = H. 3, 338; Paderborn 7860.23 = H. 3,637; Aachen 789 c. 64 = H. 3, 669; Riesbach 799 c. 15 = H. 3, 730; Paris 829 c. 2 = H. 4, 66; London 1 0 7 5 = F e h r 127; Rom. 1083 c. 25 = H. 5, 176; Tarragona 1282 c. 11 = H. 6, 225; Straßburg 1300 c. 15 = F e h r 148; Trier 1310 c. 79 = H. 6, 492; Utrecht 1310 und 1343 = F e h r 153; Valladolid 1322 c. 25 = H. 6, 616; Würzburg 1329 und Augsburg 1355 = F e h r 153; Benevent 1378 c. 5 = H. 6, 936; Basel 1505 c. 1 = F e h r 162; Florenz 1517/8 5. Rubrik c. 4—7 = H. 8, 747 f. 101 ) Laodicea zwischen 343 und 381 c. 36 = H. 1, 770; Toledo 633 c. 29 = H. 3,82. 102 ) Paderborn 786 c. 23 = H. 3. 637. 103 ) Riesbach 799 c. 15 = H. 3, 370. l 0 1 ) Tours 1236 c. 9 = H. 5, 1050. l05 ) Lambeth 1330 c. 10 H. 6, 632. 106) Orléans 511 c. 30 = H. 2,665; Toledo 693 c. 2 = H. 3, 350; Mainz 1261 c. 30 = H. 6 , 7 3 ; Nogaret c. 4 = H. 6, 260; Torcello 1296 c. 23 = H. 6, 368; Mainz 1310 c. 136 = H. 6, 501; Rouen 1353 c. 15 = H. 6, 643; Prag 1349 c. 56 = H. 6, 688. l07 ) Sevilla 1512 c. 5 = H. 8, 546 f. i°8) Basel 1505 c. 4 = F e h r 162. 10») Trullanum 692 c. 62 = H. 3, 338. »°) Riesbach 799 c. 15 = B i n t e r i m 2, 224; Paris 829 c. 2 = H. 4, 66; Aachen 789 c. 18 = H. 3,66. lu) Laodicea zwischen 343 und 381 c. 36 = H. 1, 770; Irische Synode unter Patrik 450 — 5 6 c. 16 = H. 2, 586; Aachen 789 c. 18 = H. 3,666; Riesbach 799 c. 15 = H. 3, 730; Paris 829 c. 2 =• H. 4, 66; Torcello 1296 c. 23 = H. 6, 368; Würzburg 1298, Straßburg 1300 c. 15 = F e h r 148; Trier 1310 c. 82 = H. 6, 492; Rouen 1321 c. 12 = f. 6,609; Valladolid 1322 c. 25 = H. 6,616; Rouen 1335 c. 15 = H. 6,643; Tönsberg 1340 = H. 6, 646; Prag 1349 c. 56 = H. 6, 688; Köln 1356 und Magdeburg 1370 = F e h r 155; Meißen 1413, Lübeck 1420 und Straßburg 1432 = F e h r 157; Breslau 1445, Würzburg 1446, Eichstätt 1447 und 1453 = F e h r 158; Basel 1505 c. 1 = F e h r 153 (hier werden Pythone und Pythonissen erwähnt); Sevilla 1512 c. 5 = H. 8, 546 f.; Florenz 15/7/8 = H. 8, 747 f. Karle.

Kopf. 1. Im Nhd. hat K. das ältere „Haupt" verdrängt. Ob die frühere Bedeutung für K. = Trinkschale, Becher, Hohlgefäß, heute erhalten in den Mundarten oder z. B. in Tassenk., Pfeifenk., Schröpfk. 1 ), den Schluß auf einen tatsächlichen Gebrauch der Hirnschale als Hausgerät zuläßt oder ob nur ein Formvergleich vorliegt, wird nicht leicht zu entscheiden sein. Wir haben zahlreiche Zeugnisse für den Brauch, aus Schädeln zu trinken, die sicher oft der Ungewöhnlichkeit des

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Geräts oder besonderem Glauben ihre Entstehung verdanken. Bei den Naturvölkern werden vielfach Rachsucht oder Ahnenkult vorliegen, hier stammen die Belege der Ethnographie aus allen Erdteilen a ). Vorzeit, Antike, Mittelalter und Neuzeit kennen den Schädeltrunk. Prähistorische Schädelschalen fand man in der Grotte von Piacard, bei den Schweizer Pfahlbauten und in späteren Schuttlagern. Herodot erzählt von der Verwendung menschlicher Schädel als Trinkgefäß durch die Issedonen 3), Livius weiß von dem in Gold gefaßten und als heiliges Trinkgefäß benutzten Schädel des von den Bojern erschlagenen Consuls Lucius Postumius 4), Plinius kennt den Schädeltrunk wie viele andere s ). Das Mittelalter spricht ähnlich in der klassischen Stelle bei Paulus Diaconus und öfter zu uns s ). Im Heiligenkult dient der Schädeltrunk dem Gedächtnis des Toten und der Mitteilung von Heilkräften. Um 570 schon berichtet Antonius von Placentia, daß er in Jerusalem aus einem Heiligenschädel getrunken habe 7 ). Gabriel Tetzel aus Nürnberg schreibt um 1466 aus Neuß am Niederrhein: „Do sahen wir in der kirchen einen kostlichen sarch, dorin leit der lieber heilig sant Quirinus und sahen sein hirnschalen. Daraus gab man uns zu trinken" 8). Später soll dieser Trunk gegen Kopfschmerz helfen. Von der Pest blieb verschont, wer zu Ebersperg in Oberbayern Wein aus dem in Silber gefaßten Schädel des hl. Sebastian trank 9 ), der Schädel des hl. Makarius in der Marienkapelle zu Würzburg, am 2. Januar aufgesetzt, hilft gegen Kopfleiden, in Ansbach ließ man die umwohnenden Heiden aus dem Gumpertusschädel trinken 10 ), und so geht es fort in der Überlieferung 1 1 ). 1 ) H e y n e DWb. 2, 431; S c h r ä d e r Reallex. 277; Z V f V k . 22, 1 ff. J ) Globus 81 (1902), 5; Z V f V k . 22, 1 ff.; A n d r e e Parallelen 1878, 135t. 3 ) H e r o d o t 4, 26 u. 65; 7, 3. 7. *) L i v i u s 23, 24. I i . *) G r i m m Geschichte d. deut. Sprache1 1, 100. 4 ) Historia Langobard. M. G. S. 1, 27; ZVfVk. 22, 1 ff. ») Z V f V k . 22, 1 ff. ' ) A n d r e e Parallelen 1878, 134 t.; L a m m e r t 26. •) Ebd.; A n d r e e - E y s n Volhshundliches 271. 10 ) L a m m e r t Bayern 25; A n d r e e - E y s n Volhshundliches 147; Bavaria 4, 220. 1 1 ) R o c h -

203 h o l z Glaube u. Br. 1, 228 ff.; P f i s t e r

Kopf Schwaben

(1924) 75-

2. Mag zur Verehrung des K.s des hl. Johannes (s. Johanniskopf) und des Kolomank.s 12 ) außer der biblischen Überlieferung und der Legende schon eine vage Vorstellung von gewissen L e b e n s und S e e l e i i k r ä f t e n beigetragen haben, so wird dieser Glaube deutlicher im Kult mit dem K. Verstorbener. Bei den Ägyptern hat zu den Körperteilen, die man einer gesonderten Bestattung für würdig erachtete, schon früh vor allem das Haupt gehört 13 ). Man schnitt den K. ab und legte ihn dem Toten zwischen die Beine, eine Behandlungsart, die an mittelalterliche Bestattungsgebräuche erinnert 14 ), vor allem aber an die grausigen Leichenschändungen an vermeintlichen Blutsaugern (s. Nachzehrer). Neben dem Herzen, das man im Vampyr als Sitz des Lebensrestes zu vernichten suchte 1S ), ist es vornehmlich der K . als Hauptsitz der Sinnesorgane, den man abtrennt, um dem lebenden Leichnam seine Kraft zu nehmen 1S ). Seltsam ist, daß trotz solcher Behandlung Wiederkehrer als Gespenster mit dem K. unter dem Arm oder zwischen den Beinen in Sagen und Erzählungen erscheinen, ein Beleg dafür, daß der K. allein nicht Lebens- und Seelenträger nach Volksanschauung sein kann. Einen Einfluß auf die Bildung des k.losen (s. d.) Gespensts hat neben älteren Bestattungsriten und der Vampyrbehandlung auch die uralte Exekutionsart des Hauptabschlagens oder -abpflügens gehabt. Der eines so plötzlichen Todes sterbende Mensch geht mit dem Zeichen seiner Verstümmelung so lange um, wie sein Leben normalerweise noch gedauert hätte 1 7 ). Das k.lose Gespenst zeigt den Tod an wie der k.lose Schatten um die Jahreswende 18). Im modernen Schädelkult, wie er im südlichen Teil des deutschen Sprachgebietes beobachtet wurde 19 ), scheint der alte Seelenglaube durchkreuzt von Gedanken der Pietät oder der Ahnenehrung, wie sie in ganz reiner Form in einem Bericht aus der Bretagne vor uns treten, nach dem die K.beisetzung ein Privileg

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besonders angesehener Familien war Im Gegensatz zum Schädelkult steht die Volksanschauung, daß die im K. wohnende Seele keine Ruhe finde, wenn dieser nicht bestattet sei 2 1 ), ein Glaube, der schon früh auf Pfähle gesteckte Häupter heimlich bestatten ließ, was nach der lex salica mit 15 solidi gebüßt werden sollte 22), der auch heute noch den Nordseefischer veranlaßt, aufgefischte Schädel der Erde zu übergeben oder doch mitzunehmen 23), der endlich das Motiv hervorbrachte vom Frevler, der einen Schädel raubt und dafür vom toten Besitzer verfolgt wird 24). 12) M e y e r Baden 507 f . ; Hovorka-Kronf e l d 1, 2 2 5 f . ; K r i ß Volkskundliches (1930) 1 1 0 ; B a r g h e e r Eingeweide 352; S A V k . 14, 287 fr. 13) Wiedemann Bonner Jahrb. 86, 42 ff.; Museon 46 ff.; Z r h w V k . 14, 3 — 3 6 ; B a r g h e e r Eingeweide 8. " ) D i e t r i c h S c h ä f e r in Sb. der preuß. A k a d . (1920) 26; B a r g h e e r Eingeweide 9 ff. ") Mannhardt Aberglaube 19; B a r g h e e r Eingeweide 37 ff. w ) B a r g 17 ) Ebd. 18) heer Eingeweide 87. 160. Toeppen Masuren2 ( 1 8 6 7 ) Nr. 63; Liebr e c h t Zur Volksk. 326; Z f d M y t h . 4 (1859), 1 5 1 ; Z V f V k . 7, 3 5 5 ; Germania 5, 188; W e i n h o l d Tolenbestatlung (1858) 1 5 5 ; P r a d e l i n MschlesVk. 6, 12, 37 ff.; G r i m m D.S. 1, 398. M) A n d r e e - E y s n Volkskundliches 27; ZföVk. 2 °) A R w . 1 1 , 412 f. 2l) A n d r i a n 1 , 8 0 f. 288. 2J) Altaussee 1 1 8 ; v g l . A R w . 9 (1906), 264. 23) Mündlich V o r d e m f e l d e 1, 1 5 7 . Finken24 ) Zimmernsche wärder. Chronik 1, 256; Z r h w V k . 1, 2 3 7 ; K u h n - S c h w a r t z Sagen 233.

3. Im Motiv vom geraubten Schädel läßt die Sage ihn zuweilen sprechen, ein Märchen aus dem Elsaß erzählt von einem redenden Totenk., der einen Wanderer in das Reich der abgeschiedenen Seelen führt 25 ). Odin hält Zwiesprach mit Mimirs abgeschnittenem K., so oft er Rats bedarf 26 ). K . m a n t i k , Kraniomantie, Kephalomantie ist auch sonst belegt. Eine Mailänder Hs. des 14. Jhdts. gibt eine magische Vorschrift, wie man einen Menschenschädel behandeln muß, um ihn zur Beantwortung von Fragen zu bringen 27), im 15. Jhdt. heißt es in deutscher Überlieferung „von dem totten haubt, das rede vnd anttwurtt geitt: Es ist noch ain böser, schnöder list der kunst nigramancia, der gät zu mit ainem totten haubt. das beswärt man vnd macht darzu gut wolschmeckend räch, auch kertzen, dann so

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Kopf

gibt das haupt antwurt. o armer mayster deiner Vernunft vnd synn, du mainst das haubt antwurt, so ist es der bös tewffel darynn, der antwurt dir. er sagt dir oft war, bis er dich verfürt, vnd verlaitten mag" 28). Zweifel an der wirklich und wahrhaftig erfolgenden Antwort werden nicht gehegt, nur die Wirksamkeit des Teufels ist verwerflich. Lercheimer, oder der aus Westfalen stammende Heidelberger Professor Witekind erzählt vom Papst Silvester II.: „daß er des teufels eigen seyn wolte, den er inn oder bey eim kupfern menschenhaubt hatte, darauß er ja antworte wann er warumm gefraget ward" 2 9 ). Die weiterhin von Witekind ausgesponnene Anekdote von diesem weissagenden K. beweist, daß der Glaube an das geheime Weisheiten kündende Haupt damals in Deutschland durchaus lebendig war. Eine K.mantik liegt auch vor, wenn in Böhmen gesagt wird: „Willst du die Zahlen wissen, welche in der Lotterie herauskommen, so lege dir in der Nacht einen Totenk. unter den Polster, und er wird sie dir nennen" 29a). Im 17. Jhdt. ist es der Schweizer Anhorn, der von „zauberischer Waarsagung" aus dem Tierhaupt redet. Nach ihm war „die Ke'faXotiofiavteia oder K.-Zauberey / bey den Alten Teutschen üblich, / welche einen Eselskopf auf der Glut gebraten / und dann bey sonderbaren Gemerkzeichen / jene Waarsagerey verrichtet haben. An statt deß Eselskopff / haben die Longobarden einen Ziegen- oder Geißkopf gebraucht" 30). Der Eselskopf wird vielleicht auch ein Roßkopf gewesen sein, noch Montanus erwähnt die Art der Schwarzkünstler „aus einem angebrannten Roßschädel . . . zu wahrsagen" 31 ), und ein Stockmeister bei Weisbach in Nordböhmen nutzt noch um 1907 den festsitzenden alten Glauben an die weisende Kraft des Roßhauptes, um einen Dieb zum Geständnis zu zwingen 32). Das redende Tierhaupt ist ein bekanntes Märchenmotiv. Bei Grimm spricht die Gänsemagd mit dem Haupte ihres treuen Pferdes Falada; Bolte weist auf die seltsame Übereinstimmung mit den Namen von Rolands Pferd, das Veillantif, Valentich, Velentin oder Valentin

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genannt wird 33 ). Der Glaube an zauberhafte Kräfte im Tierhaupt ist früh belegt. Gregor I. muß den Franken verbieten, Götzenopfer, in Tierköpfen bestehend, den Göttern darzubringen 34 ): ut de animalium capitibus sacrificia sacrilegia non exhibeant, und nach der lex Frisionum wird der Eid „in pecunia" 35 ) geleistet, was Brunner und nach ihm Vordemfelde deuten als einen Eid, der auf ein Tierhaupt abgeleistet wurde 3S). Bekannt ist die Stelle in Tacitus Annalen, wo von den an Baumstämmen befestigten Pferdeschädeln aus der Varusschlacht die Rede ist 37), und die Stelle bei Saxo Grammaticus: immolati diis equi abscissum caput M ). Ob aus einem möglichen Tieropfer weiter auf eine Entwicklung zur dargelegten Craniomantie geschlossen werden kann, ist zweifelhaft. Zur K.mantik im weiteren Sinne gehört endlich noch die Stirnprobe. Plinius sagt schon: frons et aliis, sed homini tantum tristitiae, hilaritatis, clementiae, severitatis index 39 ). Vielleicht hat diese Äußerung im Verein mit wunderlicher Auffassung der Humoralpathologie zum Brauche der Stirnprobe geführt: Kindern, von denen man den Eindruck hat, daß sie verhext sind, leckt man die Stirn. Schmeckt sie salzig, so ist das eine Bestätigung für die Annahme 40 ). Der Stirnschweiß verrät Verborgenes: man wischte ihn in Schwaben mit Brot ab und warf dies einem Hunde vor. Fraß es der Hund, genas der Kranke, wenn nicht, mußte er sterben 41 ). In Westfalen rieb man ähnlich die Stirn mit Brot und die Füße mit Speck. Fraß der Hund, dem man beides reichte, zuerst das Fleisch, so durfte der Kranke am Leben bleiben, im andern Falle glaubte man an seinen Tod 42 ). 25 ) Alsatia 1858—61, 264 ff. 2«) Yngl. saga cap. 7; M o g k Germ. Myth. TJ-, Z V f V k . 16, 415 f. « ) G u n d e l Sterne und Sternbilder 333!. ") H a r t l i e b Verp. Kunst 25, 1. " ) L e r c h e i m e r (1597) 34, 14; vgl. noch die Belege bei K a h l e 29a) G r o h m a n n in Z V f V k . 16, 415 f. 228. 30 ) A n h o r n (1674) 520, vgl. 555 f. al) Mont a n u s (1854—58), 119. 32 ) E d e r Nordböhmen in ZföVk. 13 (1907), 135 f. ») BolteP o l i v k a 2 (1915). 273 fi. M ) M i g n e Patrol. 8 t lat. 9, Ep. 11. » ) 12, 1. ) Vordem3t) f e l d e 1, 110. *») Lib. 1 cap. 61.

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Kopf

p. 75; G r i m m Mythol. 1, 42; S c h i e r g h o f e r in Bayer. Hefte 8, 80 f . 3 ' ) Nat. hisloria 11, 37 (51). V e r n a l e k e n Alpensagen (1858) 413; R o s e g g e r Steier. Obld. (1870) 23. Buck Schwaben (1865) 45. « ) H ü s e r Beiträge (1898) 28.

4. Menschen- und Tierhaupt haben umfassende Z a u b e r v e r w e n d u n g gefunden. Hirn- und Sinnesorgane machen es begehrenswert als Lebens- und Seelensitz 43), wenn das ganze Haupt verwendet wird, mag vielfach darum Häufungszaubef vorliegen. Als Apotropaion (s. Abwehrzauber) findet der K. seinen Platz. Die im Norden früher übliche „Neidstange" (s. d.) mit dem Pferdekopf stellt sich an die Seite der Dämonen abwehrenden Fratzen und Masken 44 ). Selten und nur noch versteckt ist vom m e n s c h l i c h e n K. im Zauber die Rede. Der Finkenwärder Seefischer führt heimlich im toten Raum unter dem Bugspriet den selbstgefischten, möglichst einem Weibe entstammenden Totenschädel, der Unheil und Gefahr, Verhexung und Seenot abwendet, der im Nebel den rechten Weg zeigt und Glück im Fang verbürgt ) M ü l l e r Urner Sagen 2, 108 Nr. 635; SAVk. 25, 233; G r e d t Luxemburg Nr. 731. "») K ü h n a u Sagen 1, 608; H a u p t Lausitz 1, 163 Nr. 194; G r ä s s e Preußen 1, 1 2 1 Nr. 1 2 5 ; ZfVk. 6, 82; H e y l Tirol 3 1 3 Nr. 1 3 1 . m ) W o l f Sagen 25 N r . 33; B i n d e w a l d Sagenbuch 43; B i r l i n g e r Volksth. 1, 25 Nr. 28. 12a ) E b d . 1, 18 Nr. 19; M e y e r Germ. Myth. m 67; E n d e r w i t z Breslauer Sagen 92. ) G r ä s s e Preußen 1, 585 Nr. 629. l M ) G a n d e r Niederlausitz 6 Nr. 1 6 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 323 Nr. 76; ZfVk. 7, 355; W u t t k e 29 § 2 5 ; m K u o n i St. Galler Sagen 279 Nr. 409. ) W u t t k e 225 § 322; Urquell 4, 169; M ü l l e r 128 127 Nachtjäger 88. ) E b d . 320. ) Gander Niederlausitz 13 Nr. 38. 128 ) S c h u l e n b u r g 129 130 132. ) E b d . 135. ) Knoop Hinterpommern m 107 Nr. 222. ) G a n d e r Niederlausitz 6 Nr. 18. K ü h n a u Sagen 1, 223. l 3 3 ) S c h a m -

229

kopflos

b a c h und M ü l l e r 200 Nr. 217. 1M ) L o h m e y e r Saarbrücken 90. I35 ) K n o o p Hinterpommern 149 Nr. 302. l38 ) K u o n i St.Galler Sagen 234 ff. 137) C r o o k e Northern India 161. «») G r ä s s e Preußen 1, 121 Nr. 125; ZfVk. 7, 103; M ü l l e r Urner Sagen 2,5 Nr. 425; G r o h m a n n Sagen 22. 13i ) W a i b e l und F l a m m 2, 94. 14°) Meier Schwaben 1, 121 Nr. 136. " l ) ZfVk. 13, 188. 142) G r ä s s e Preußen 2, 143 456 Nr. 409. ) Ebd. 2, 666 Nr. 740. 144) K ü h n a u Sagen 1, 223. 145) L o h m e y e r Saarbrücken 87. 1M ) W a i b e l und F l a m m 2, 94. 147 ) B i n d e w a l d Sagenbuch 17. 44; G r e d t Luxemburg Nr. 722. 729; H a u p t Lausitz 140 Nr. 157. l48 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 27 Nr. 33. "») Ebd. 1, 296 Nr. 468; H e y l Tirol 463 Nr. 21. im) Wolf Niederl. Sagen 643. 151) M e i c h e Sagen 4l2ff. Nr. 545; Urquell 4, 253. 152) K ü h n a u Sagen 1, 223. 343; R e i s e r Allgäu i , 337ff.; S c h a m b a c h und M ü l l e r 216 Nr. 229. 183) Fr. S i e b e r Wendische Sagen lS4 (1925) 24. ) K u o n i St.Galler Sagen 279. les ) M e i c h e Sagen 421s. Nr. 545; K n o o p Hinterpommern 107 Nr. 222; B a r t s c h Mecklenburg 1, 8 Nr. 9. 1M ) G a n d e r Niederlausitz 96 Nr. 250; S c h e l l Bergische Sagen 43 Nr. 59. 157 ) J a h n Pommern 428 Nr. 543; S c h a m b a c h und M ü l l e r 207 Nr. 223. l58 ) G r o h m a n n Sagen 282. 15i ) H e y l Tirol 313 Nr. 131; 364 Nr. 40; K r a u ß Slav. Volkforschung 114; SAVk. 25, 233; S t r a c k e r j a n x, 237. 1M) R o c h h o l z Sagen 2, 261. 1U) V e r n a l e k e n Mythen 49. 1M ) J a h n Pommern 427 Nr. 542. 1«3) K ü h n a u Sagen 1, 508. 1M ) Urquell 5, 197. 1«) V e r n a l e k e n Mythen 54. "•) H e y l Tirol 364 Nr. 39. 187) V e c k e n s t e d t Sagen 314. 1,8 ) M a i l l y Sagen aus Friaul und den Julischen Alpen (1922) 2. u ») E i s e l Voigtland 65 Nr. 1 5 3 ; M ü l l e r Nachtjäger 240 ff.; Urquell 6, 124; G r ä s s e Preußen 2, 781 Nr. 910; S c h e l l Bergische Sagen 196 Nr. 134. 17°) G r ä s s e Preußen 1, 504 Nr. 557; R o c h h o l z Sagen 1, 107. m ) V e c k e n s t e d t Sagen 411. 172) G r e d t Luxemburg Nr. 729; S c h a m b a c h und M ü l l e r 202 Nr. 220 (4). 173) Ebd. 202 Nr. 220 (5). l74 ) Urquell 4, 354; S c h u l e n b u r g 137; K n o o p Hinterpommern 72 Nr. 143; J a h n Pommern 259 Nr. 328. 1 , s ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 68 Nr. 94; 296 Nr. 468; H e y l Tirol 364 Nr. 40; M ü l l e r Nachtjäger 240 ff. 178) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 210; G r ä s s e Preußen 2, 666 Nr. 740; W u t t k e 52 §59; Urquell 4, 191. 177) G r ä s s e Preußen 2, 645 Nr. 712; R e u s c h Samland 48 Nr. 44; G r e d t Luxemburg Nr. 729; Urquell 4, 168. 178) S i b i l l o t Folk-Lore 3, 152; B i r l i n g e r Volksth. 1, 29 Nr. 35; G a n d e r Niederlausitzg^ Nr. 242; P r ö h l e Harz 28 Nr. 46. 179) L o h m e y e r Saarbrücken 41; G r e d t Luxemburg Nr. 726; W a i b e l und F l a m m 2, 94. 18°) K ü h n a u Sagen 1, 302; Urquell 6, 221. 181) G a n d e r Niederlausitz 6 Nr. 16; G r e d t Luxemburg Nr. 722; Urquell 4, 8. 129. 182) L e o p r e c h t i n g Lechrain 120. 183 ) K u n z e Suhler Sagen 31. 184) H e y l Tirol 149 Nr. 44. l8S ) M e i c h e Sagen 123 Nr. 160;

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ZfVk. 11, 338. 188) S c h e l l Bergische Sagen 441 Nr. 42. 187) G r o h m a n n Sagen 282. 188 ) Urquell 4, 40. l8*) M a i l l y Friaul 2; G r ä s s e Preußen 1, 35 Nr. 22. 19°) B ö c k e l Volkssage 30; G r ä s s e Preußen 2, 393 Nr. 341; M e i c h e Sagen 165 Nr. 225; M ü l l e r Urner Sagen 2, 108 Nr. 635, 2 und 3 ; V e c k e n s t e d t Sagen 143; Urquell 4, 193; 6, 221; C r o o k e Northern India 159; H e n d e r s o n Folk-Lore 326. m ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 323 Nr. 76; M e y e r Germ. Myth. 67; MschlesVk. 1 2 , 37ff.; Urquell 4, 169; W u t t k e 221 §314. 1 M ) S c h a m b a c h und M ü l l e r 202 Nr. 220, 1; V e r n a l e k e n Mythen 275; J a h n Pommern 426 Nr. 539. 1M ) G r e d t Luxemburg Nr. 339. 1M ) S c h e l l Bergische Sagen 441 Nr. 42. 1M ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 35 Nr. 43. 1M ) S c h u l e n b u r g 138. 1,? ) Urquell 4, 191. 198 ) S c h a m b a c h und Müller202Nr. 220,5. 188) G a n d e r Niederlausitz 13 Nr. 39. 20°) Ebd.; G r o h m a n n Sagen 282; J a h n Pommern 258 Nr. 326. M1 ) M ü l l e r Urner Sagen 2, 5 Nr. 426. îoa ) B a r t s c h Mecklenburg 188 Nr. 236. î03 ) G a n d e r Niederlausitz 2 Nr. 6; S o m m e r Sagen 7 Nr. 3. ,04 ) B a r t s c h Mecklenburg 1,8 Nr.9; G a n d e r Niederlausitz 12 Nr. 35. 205 ) G r e d t Luxemburg Nr. 719; M ü l l e r Nachtjäger 88; M ü l l e r Urner Sagen 2, 3 Nr. 421. 2M ) K u o n i St. Galler Sagen 222. 207) G a n d e r Niederlausitz 2 Nr. 6; K u h n und S c h w a r t z 427 Nr. 245. 208) S c h u l e n b u r g 257. 2M ) H e y l Tirol 463 Nr. 21. K u o n i St. Galler Sagen 279. «») S é b i l l o t Folk-Lore 3, 436; B a r t s c h Mecklenburg 1, 270 Nr. 354. , u ) H e y l Tirol 463 Nr. 21. ,13 ) M o g k Altgerm. Spukgesch. 103ff.; H. D e h m e r Primitives Erzählungsgut in den Islend. Sögur (1927) 26ff.; N e u b e r g 26ff. 214. *") Urquell 4, 8. 218) L i e b r e c h t Zur Volksk. 323 Nr. 76; 326 Nr. 96. 2l8 ) Urquell 4, 8. ,17 ) Ebd. 4, 7. "») Folk-Lore-Rekord I, 20; H e n d e r s o n Folk-Lore 326ff.; Urquell 4, 39; 5. 78. > w ) Urquell 6, 124. 220) S é b i l l o t Folk-Lore 4, 425 (unter „acéphales"). 2 t l ) Urquell 4, 122. 22a) V e r n a l e k e n Mythen 54. 358; V e c k e n s t e d t Sagen 143; Urquell 4, 40; 5, 197. 223) A c k e r m a n n Shakespeare 29ff.; Urquell 4, 40. 224) E i s e n - E r k e s 77. 225 ) A n d r e e Parallelen 1, 77; C r o o k e Northern India 159ff.; Urquell 4, 40. 122. 254. t 2 ') K. P r e i s e n d a n z Akephalos Beihefte z. a l t . Orient 8. Lfg. (1926) 6ff. 227) H i l l e b r a n d t Vedische Mythologie 2 (1927), 412. S28) M e y e r Aberglaube 84. 22t ) G e i l e r v . K a i s e r s b e r g Emeis 21 ff. 230) A c k e r m a n n Shakespeare 29. 231 ) Urquell 5, 78. S3Î ) H. F e h r Massenkunst im 16. Jh. (1924) Tafel Nr. 60. 233) Urquell 6, 123. 234) M ü l l e r Urner Sagen 2, 3 Nr. 421. 235 ) T y l o r Cultur 1, 4 i i f f . 238) A c k e r m a n n Shakespeare 29 ff. S37) W u t t k e 52 §59; 483 §771. 238) Z i n g e r l e Tirol 26 Nr. 213. 23») B i r l i n g e r Volksth. 1, 23 Anm. 1. 24°) V e r n a l e k e n Mythen 47. , 4 1 ) B a r g h e e r Eingeweide 16. I9ff. 212 ) N a u m a n n Gemeinschaftskultur i8ff. 243) M o g k Altgerm. Spukgeschichten 103 ff. Lerche. 8*

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Kopfschmerz

Kopfschmerz. 1 . Über Wesen, U r s a c h e n und E n t s t e h u n g von K. herrschen unklare und widerspruchsvolle Anschauungen. Noch im 19. Jh. sagt das Henkenhagener Arzneibuch am Schluß eines Rezepts wider das Hauptweh: „Jedoch könnte man fragen, ob diese Schmerzen innerhalb der Hirnschale sind oder außerhalb" 1 ). Das Gehirn als Krankheitssitz herrscht nicht vor 2 ). Die Bezeichnungen Hauptweh, Hauptsucht, Hirnweh, Kopfpein, Kopfwehtag finden reiche lokale Abwandlungen. Die tatsächliche Buntheit der Schmerzempfindungen spiegelt sich wieder in Ausdrücken wie: „anhaltendes, bald vorübergehendes, eingewurzeltes, fixes, geringes, gewöhnliches, gewohnheitliches (habituelles), heftiges, idiopathisches, immerwährendes, kurzes, langanhaltendes, langwährendes, nachlassendes, ohngefährliches, periodisches, rumziehendes, schweres, stumpfes, symptomatisches Kopfweh" 8 ). Sondernamen wie Hauptscheid und Geschoß (s. d.) deuten auf Entstehungsvorstellungen, in denen dämonistische Ursache angenommen sein kann. 1633 bekennt ein iöjähriger Zauberer, daß er Leuten das Gehirn aus dem Kopfe gezaubert habe durch Berühren mit einem vergifteten Stäbchen 4), nach wendischem Glauben verursacht der böse Blick Kopfschmerzen6), in der Elbgegend wird K. angehext durch besprochene Süßigkeiten 6). Unausrottbar scheint der Glaube, daß Tiere im Hirn K. erzeugen, der wohl entstanden ist aus der Beobachtung von Tierhirnkrankheiten, etwa der Zerstörungen, die durch den Drehwurm, Coenurus cerebralis, am Schafhirn verursacht werden7). Schwarze, weiße und rote „Elben" sollen K. bringen 8). Die schon an prähistorischen Schädelfunden beobachtete Trepanation läßt solche Auffassungen vermuten •), im altdeutschen Gedicht von Reinhart Fuchs kriecht dem Löwen eine Ameise ins Hirn und veranlaßt sein Siechtum 10 ). Nach Finkenwärder Glauben sind es die Ohrwürmer, die ins Hirn kriechen und K. bringen, auch soll man sich hüten, an Blumen zu riechen, es

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könnte ein Käfer ins Hirn gelangen 1 1 ). Eine Notiz aus Paris von 1786 läßt einen Arzt eine Dame von den heftigsten K.en kurieren, „indem er eine Öffnung in dem Kopf machte, aus welcher drei Ohrwürmer herauskamen" 12 ). Auf sympathetische Weise kann man K. bekommen, wenn man sein ausgekämmtes Haar aus dem Fenster wirft. Die Vögel benutzen es zum Nesterbau, der Druck beim Brüten teilt sich dem Hirn mit, denn Haar und Hirn stehen in Wechselbeziehung zueinander 13 ). Endlich werden die Ursachen für K. nach der Säftelehre gesucht. Hildegard von Bingen unterscheidet drei Arten von K., nämlich capitis dolor ex melancolía, ex stomachi fumositate und ex flegmate. Die erste Art soll entstehen, wenn durch Fieber die schwarze Galle erregt wird, daß sie „aquosum fumum ad caput et ad cerebrum hominis mittit" u ) , der Dunst aus dem Magen bringt die zweite, ähnlich wie nach der Lehre der Hippokratiker, die dritte ist besonders schmerzhaft, weil „flegma in homine multotiens superhabundet et ita exsurgit et ad caput illius tendit" 15 ). An die zweite Art erinnert die Bemerkung bei Tabernaemontanus, daß bisweilen der Magen „arge erfaulte feuchtin in das Haupt schickt" 18 ). Alle drei Deutungen haben im neueren deutschen Volksglauben ihre Spuren hinterlassen. Nach der Ansicht im Frankenwald sollen Kopfkrankheiten aus dem Magen stammen, „und darum klagen so viele Mütterchen und andere Leute, daß ihnen die Dünste in den Kopf gestiegen seien" 17 ). Der Pfälzer unterscheidet drei Arten von K., nämlich solchen von übermäßig „nach dem Kopf steigenden Geblüte", solchen bei dem die Galle in den Kopf gestiegen ist und endlich die Schmerzen, „wenn der Fluß sich auf den Kopf geworfen hat" 1 8 ). In den Elbmarschen kennt man K . aus Blutandrang: „Kuppwehdag von't Blot", aus Erkältung: „de Kupp is vull Slim" und aus dem Magen 19 ). Man verschafft dem Kopf Linderung, indem man die Emunktorien öffnet. Das geschieht am besten durch Niesen. Hildegard bringt einen Vergleich mit dem

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Kopfschmerz

Meer, das ohne Stürme träge und krank werde: ita homo si non stemutaret, vel si nasum per emunctionem non purgaret, interius putresceret *>). Tabernaemontanus schließt sich solcher Meinung an: „Niesen ist eine sonderliche bewegung dess Hirns / die vberflussige feuchtin oder materi auszutreiben . ." 21 ). i) BUpommVk. 8, 154 f. 2 ) B a r g h e e r Eingeweide 347; H ö f l e r Das Hirnweh, Urquell N. F. *) H ö f ler Krankheitsnamen 792; D e r s . 4 s Volksmed. 226. ) Alemannia 4, 170. ) S c h m a l e r - H a u p t Wenden (1843) 2 6 1 ; v. S c h u l e n b u r g Wenden 1, 225. •) Mündlich 1924. 7 ) Janus 1897, 5 o r ' ) Kuhns Zs. 13, 1 4 2 6 . ; G r i m m Myth. 3, 498 s . ; ZfdA. 4, 389; W o l f Beitr. 2, 228 f. •) Lit. bei B a r g h e e r Eingeweide 347. 1 0 ) G r i m m Myth. 4, 980. u ) Mündlich: vgl. Manz Sargans 81. l s ) B u c h n e r Arzte und Kurpfuscher. München (1922) 302 Nr. 377. l s ) B u c k 56; BllpommVk. 8, i 5 4 f . ; ZrhwVk. 2, 204; MschlesVk. 2, 7; S c h l e i c h e r Sonneberg 149; J o h n Westböhmen 249; K ö h l e r Voigtland 4 1 8 ; P o l l i n g e r Landshut 277; W u r t h Niederöstr. 2, 289; W o l f Beitr. 1, 224; v. S c h u l e n b u r g Wenden 1, 225; SAVk. IO > 34>" 7. 134; S c h ö n w e r t h Oberpf. 1, 1 6 1 ; 3, 246; M e n g h i n Südtirol 120; A n d r i a n Altaussee 136; Z a h l e r Simmenthai 20 f.; Bohnenberger 108; Grohmann 83; W i t z s c h e l Thüringen 2, 282; C u r t z e Waldeck 380; K e h r e i n Nassau 2, 266; H ö h n Volksheilk. 1, 1 2 1 ; F l ü g e l Frankenwald 24; M e i e r Schwaben 509; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 192. M) H i l d e g a r d i s causae et curae (ed. Kaiser) 90, 18. l s ) ib. 90 36. " ) T a b e r n a e m o n t a n u s Artzneyb. (1597) 125 d. " ) F l ü g e l Frankenwald (1863) 62. 1S ) P a u l i Pfalz (1842) 14. " ) Mündlich 1931. 2») H i l d e g . c. et c. 38. « ) T a b e r n a e m o n t a n u s Artzn. (1597) 45 b.

2. Damit ist schon das Gebiet der Heilung des K.s betreten. Es ist unmöglich, alle Dinge aufzuzählen, die außer dem Niespulver gegen K. verwandt werden. Man legt kühlende Blätter fleischiger Pflanzen auf den Kopf 2 2 ), macht kalte Umschläge, nimmt warme Fußbäder 23 ), setzt Schröpfköpfe oder legt sich Zitronenscheiben auf die schmerzende Stelle 24). Von Tierorganen kommt das Hirn als Heilmittel in Anwendung in begreiflichem Glauben an Analogiewirkung. Plinius empfiehlt ohne besondere Auswahl Geier-, Krähen- und Eulenhirn 25 ). Karlstat verschreibt 1528 in seinem Büchlein „über bewerter Ertzney": „Zum haupt . . . für großen schmertzen darinn. Nym ein Geyers

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hym / misch mit 51e vnd legs an die nasslöcher" 24). 35 Jahre später heißt es: „Für das hauptwee / zerstoß das hirn von disem vogel (Geier) / vnnd bestreych damit das haupt vnnd die schlaaffaderen" 27 ). Wenn Becher sich ähnlich ausdrückt 28 ), so scheint für alle Beziehung vorzuliegen zu Plinius Heilmittel gegen K . : „vulturis cerebrum cum oleo et cedria peruncto capite et intus naribus inlitis" 29). Weiter wird die Gemskugel gegen K. gebraucht, vielleicht im Anschluß an die Vorstellung, daß ein schlecht arbeitender Magen K. verursache (s. oben). Man soll mit der Gemskugel die Schlafhaube räuchern?0). Gegen K. soll in Schwaben Katzendreck und Essig helfen S1 ), in der Steiermark tut es Hundekot 32 ). Selbst Leichenreste werden nicht verschmäht M ), bei Plinius und auch in neuerer Zeit empfiehlt man gelegentlich den Armsünderstrick 34 ), von dem Praetorius sagt 1677: „Der Strick / daran ein Dieb erhieng / hilfft für das Hauptweh / gebunden um den Krancken Kopff" as ). Eine Art balneum animale schlägt das dem 13. Jh. entstammende Pfeiffersche Arzneibuch gegen K. vor: „schürfe (ausweiden) einen hannen unde wirf daz ingetuome ouz oder dü nim ein weif (Junges von Hunden oder wild. Thieren) unde bint ez alsö warmez umbe daz houbet, sö muoz daz gesüht fliehen . . " 38). Nach einem Zauberbuch aus dem 19. Jh. soll man einen Ameisenhaufen kochen, „läse hernach in Flaschen und disteliere es an der Sonne; dan mit dem waser den Kopf waschen, ist es gar bös, so thue noch ein wenig Esels blut darin, und dan bade darin, dan wird es beser" 37 ). Beim Hahn oder Hund soll anscheinend die entfliehende Lebenskraft helfen, beim Ameisenhaufen ist eine Deutung schwierig, will man nicht Analogien suchen zu den Vorstellungen von Tieren als Krankheitserregern im Hirn. — Neben den Dingen greift man zu Heilhandlungen. Die Stirn soll mit dem unteren Hemdrand dreimal im Namen der Dreifaltigkeit gerieben werden. Dazu soll man dreimal ausspucken38). Man soll den Urin in

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Kopfschmerz

einen Pferdeschädel lassen *•), oder sich einen Totenschädel auf den Kopf legen40). Eine Art transplantatio findet statt, wenn man in der Oberpfalz einen Wasen aussticht, ihn eine Zeitlang auf den Kopf legt und dann umgekehrt in den Ausschnitt wieder zurücksetzt 41 ). Soll ein Vogelnest für kurze Zeit über den Kopf gebunden werden 42), so ist wohl an ein Rückwärtszaubern gedacht (s. o.). Der Vogel selbst nimmt die K.en mit, wenn man einen Faden dreimal um den Kopf windet und ihn in Form einer Schlinge an einen Baum hängt. Der hindurchfliegende Vogel bekommt den Schmerz übertragen **). Aus Ostpreußen und Pommern stammt das Mittel des Bregenaufkochens: „Dem Kranken muß Wasser auf dem Kopf kochen! Das geschieht mittelst eines irdenen Topfes und einer Schüssel. Das Wasser kocht ohne Feuer und verschwindet ganz. Und so wie das Wasser verschwindet, sind auch die Kopfschmerzen weg" **). Waschung mit Osterwasser soll K. vertreiben 45) wie auch die Opferung von Votivköpfen oder die Berührung mit Häuptern von Heiligen 4B). „Für Kopfschmerzen lassen ihnen einige das gschoß gießen" heißt es in einer Tiroler Handschrift des 18. Jh. 47 ). Ob an die Kopfkrankheit „Geschoß" (s. d.) gedacht ist, oder ob man Teile des Kranken, etwa Haar oder Schweiß mit einer Kugel goß, um die K.en wegzuschießen, bleibt zweifelhaft. Die Heilung durch das Wort sieht Segen gegen die „kleinen Leute", die „Elben" in der Mark 48), vor. Gegen sie wird gesprochen: N. N. ich rathe dir für die kleinen Leute für die rothen ,, ,, blauen „ „ schwarzen ,, „ grauen „ „ gelben „ „ grünen „ „ weißen. Kleine Leute geht von dem (der) N. N. fort Im Namen . . . * * ) .

Sie sollen verbannt werden: Ihr kleinen Leutl Ihr liebe Leutl Alle die ihr seid!

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Geht hinaus aus dem Haupt, „ „ ,, „ Leib und Bein, „ hin zum Wasser, daliegt ein breiter Stein, Da werdet ihr finden zu essen und zu trinken! Im Namen . . . so ).

K.schmerzsegen ausdrücklich gegen „Geschoß" oder „Hauptscheid" sind nicht selten 51 ), gewöhnlich wird die „Anwart" oder „Anwaht" in Wasser oder einen öden Ort gebannt. Oder es heißt: Hirn verschließe dich, wie Maria ihren Leib verschlossen hat vor ihrem Mann 52 ).

In einem ebenfalls der Bibel entlehnten Vergleich heißt es in Oldenburg: „Im Namen Jesu! Moses schlug mit seiner heiligen Rute in das Meer, das Wasser zerteilte sich, und es sollen sich diese Schmerzen im Kopf zerteilen" 83). In neueren Zauberbüchern, wie dem des „Albertus Magnus" in den „Egyptischen Geheimnissen" heißt es gewöhnlich: Nun, es walte über deinem Kopf Des Gottes Namen. Ich sah zum Laden hinaus. Ich sah in Gottes Haus, ,, einen weißen (weisen) Mann, „ Der dir dein Haupt segnen und helfen (heilen) kann").

Ein kurzes Gebet gegen Kopfweh: „N. N. hast du des Tages Gicht oder die wachsende Gicht, oder die laufende Gicht, oder die Gicht der sieben und siebzigerlei, da helfe dir der liebe Jesus Christ t t t " 5 S ) spricht wie ein Segen des 16. Jh. von Gicht als einer Hirnkrankheit 68 ) und leitet über zu den häufig ins Volk gedrungenen kirchlichen Segen, die auch eine coniuratio contra migraneam, matrem malorum vorsehen67). Zur KrankheitsVerhütung wird geraten, sich beim ersten Gewitter mit einem Steine dreimal vor den Kopf zu schlagen, dann bleibt man das ganze Jahr von K. befreit 68 ), auch soll man sich Mittwochs nicht den Kopf waschen 5 '). Man soll nicht von Tierköpfen essen, vor allem keine Fischköpfe 6o ). Eine Wiener Hs. von 1387 sagt: quidem stulti homines propter dolorem dencium vel capitis sancto Johanni vovent, stulte, quod nullo animalis capite uti volunt w ).

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Kopftuch

im französischen Aberglauben heißt es: „ne point manger de têtes d'animaux, pour n'avoir jamais mal à la tête" 62). M ) SAVk. 8, 149; ZrhwVk. 1, 91; 8, 238. » ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 188. 24) Mündlich, Elbmarschen 1931. 25 ) P l i n i u s Nat. hist. 29. 6 (36). 26) S c h ö n e r von Karlstadt (1528) 27) 28) Bi. G e s n e r - F o r e r 1 (1563) 76. B e c h e r (1663) 66; vgl. T r u t t m a n n (1677) 230. 2>) P l i n i u s Nat. hist. 29, 6 (36). 30) 31 ) A l p e n b u r g Tirol (1857) 381 f. Buck Schwaben 45. 32) F o s s e l Steiermark (1886) 86. 34) P l i n i u s S e y f a r t h 287. Nat. hist. 28, 5 (12); 4 (13). S6) S e y f a r t h Sachsen 287. »•) P f e i f f e r Arzn. I I 146, 33. « ) S A V k . 2, 258; vgl. A R w . 3, 286 f. 3S) D r e c h s l e r 2, 309. ä») W l i s l o c k i Siebenb. 1 (1893), 99. " ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 189. 41 ) S c h ö n w e r t h Oberpfah 3, 238. «) Ebd. 43) K u h n Mark. Sagen 384; Altmark 2, 303; M i e l k e Brandenburg 160. M ) L e m k e Ostpr. 1, 53; BllpommVk. 5, 86. 45) K ö h l e r Voigtland 352. «) S. „ K o p f " ; B a r g h e e r Eingeweide 352 f. 4?) Bayr. Hefte 1, 231. 4S) M i e l k e Brandenburg 160. 49) F r i s c h b i e r (1870) 74. M ) Ebd.; ähnlich: W o l f Beitr. 1, 256. 61) H ö h n Volksheilk. 125; S c h n i p p e l 50; M e i e r Schwaben (1852) 516. 52) H ö h n Volksheilk. 1, 125. w ) S t r a c k e r j a n 1, 77 f. H ) J a h n Pommern (1886) 103; H ö h n Volksk. 124. " ) Bayer. Hefte 6, 204. 5») M. bayrVk. N. F. 18 (1909), 142. M ) F r a n z Benedikt. 2, 508 (15. Jh.). " ) D r e c h s l e r 2, 136. ») Ebd. 60) Mündlich 186 und 267. Elbmarschen. " ) S c h ö n b a c h Berthold 136. **) L i e b r e c h t Gervasius 245. Vgl. Z f V k . 18, 443; 21, 154; 22, 120. Bargheer.

Kopftuch. Wenn auch schon stark vom Hut zurückgedrängt, ist das K . doch auch heute noch in Deutschland bei der weiblichen Landbevölkerung stark verbreitet 1 ). E s wird zuweilen, wie in Pfuhlsborn 2 ), aber auch bei den Serben 3 ) und Rumänen 4 ), als V e r l o b u n g s g e s c h e n k gebraucht. Im Erzgebirge ist das K . die Kopfbedeckung für die l e d i g e n M ä d c h e n , die Haube (s. d.) die der verheirateten F r a u s ) . Im A b e r g l a u b e n kommt dem K . , das auch Geschlechtszeichen ist 4 ), eine mindere Rolle zu als der Haube (s. d.), dem Hut (s. d.) und anderen Kopfhüllen, ferner auch dem Brautschleier (s. d.), an dessen Stelle oft ein einfaches, meist weißes Tuch tritt, mit dem z. B . zu Nabburg die Braut überdeckt wird, wenn sie auf einem Schemel kniend den Segen des Vaters empfängt 7 ). In Württemberg

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darf die W ö c h n e r i n das Haus ohne K . nicht verlassen 8 ). In der V o l k s m e d i z i n haben ererbte K.er (Erbtuch) besondere Bedeutung. Im Erzgebirge heilt man ein Kind von Krämpfen, indem man sein Gesicht mit dem schwarzseidenen Tuch einer verstorbenen Patin bedeckt 9 ). Hat jemand in Rauen bei Fürstenwalde Kopfweh, so sagt man, er habe die verkehrten oder schwarzen Elben. Dieser muß eine Nacht lang ein Tuch um den Kopf tragen, das am nächsten Tag einem klugen Mann übergeben wird, der es „ b ü ß t " (bespricht); dann gehen die Elben fort 1 0 ). Im Böhmerwalde heißt es von einer K u h , die blutige Milch gibt: „Sie ist gebissen worden". Dann genügt es, wenn die Bäuerin oder Stalldirne das K . abnimmt und das Euter damit tüchtig abwischt (s. H e m d ) u ) . Das K . einer unfreiwilligen Teilnehmerin der G e i s t e r m e s s e wird, wie alle anderen zurückgelassenen Kleidungsstücke, von den Toten zerrissen 12 ). Bei den Südslawen legen die Burschen am Ostermontag K.er von Mädchen unter das Kopfkissen. Dann sehen sie im Traum die Z u k ü n f t i g e 1 3 ) (s. Hose). Ebenda ist das K . das Zeichen der verheirateten Frau. Daher verwenden die heiratslustigen Mädchen bei einem Heiratszauber am Georgstag ein neues K . 1 4 ) . Bei einigen Stämmen im Süden der Insel Mindanao hat jeder, der einen Feind erschlagen hat, das Recht, ein r o t e s K . (Blut) zu tragen. Ursprünglich war dies wohl ein Schutzmittel gegen die Geister der getöteten Feinde, und erst später wurde daraus eine ehrende Auszeichnung und ein Zeichen der K r a f t und Kühnheit 1 5 ). Bedenklich ist die Ausdeutung von K . e m , die in der Göttersage vorkommen, als Sinnbilder des M o n d e s , wie z . B . beim K . , welches Nanna für Frigg aus Hels Reich sendet 1 6 ). 2) Vgl. H e c k s c h e r 270 f. 501 f. F. S c h m i d t Sitten u. Gebräuche bei Hochzeiten, Taufen u. Begräbnissen in Thüringen (Weimar 1863) 13 f. 3 ) V i l o v s k y Die Serben im südlichen Ungarn, in Dalmatien, Bosnien und in der Herzegowina (Wien u. Teschen 1884) 397. 4 ) A. F l a c h s Rumänische Hochzeits- u. Toten-

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Korakomantie—Koralle

gebrauche (Berlin 1899) 26. Vgl. Bächtold Hochzeit 1, 130 f. e ) John Erzgebirge 42. •) Vgl. Storfer Jungfr. Mutterschaft 55. 7 ) Schönwerth Oberpfalz 1, 76 Nr. 2. Vgl. Samter 8 Familienfeste 48 ff. ) Höhn Geburt 265. ") John Erzgebirge 53 f. = S e y f a r t h Sachsen 10 272. ) Kuhn u. S c h w a r t z 443 Nr. 339. u ) Verf. 1 2 ) Vgl. Sieber Sachsen 292. 1 3 ) K r a u ß Sitte u. Brauch 164. Vgl. MSchönhVk. 4 (1908), 37. " ) Krauß Relig. Brauch 35. l s ) ZfVk. 23 (1913), 259. l e ) Siecke Götterattribute 256. Jungbauer.

Korakomantie, Wahrsagung durch Raben (griech. xopaS = Rabe). Gelehrte, nach antiken Vorbildern geprägte Bezeichnung 1 ). Der Rabe und die anderen Krähenvögel spielen bekanntlich in der Mantik des klassischen wie auch des germanischen Altertums eine sehr wichtige Rolle und werden auch im heutigen Aberglauben vielfach als zukunftkündend angesehen 2). Da die Bezeichnung ohne weitere Deutung überliefert ist, kann nicht festgestellt werden, ob sie sich auf eine bestimmte Meinung oder auf die Gesamtheit aller mit dem Raben zusammenhängenden Wahrsagungen bezieht. Vgl. Rabe. x ) Fabricius BiUiographia antiquaria8 (1760) 611. 2 ) Vgl. z.B. Hopf Tierorakel n o f f . Boehm.

Koralle. 1. Der K. schreibt das Volk ganz allgemein unheilabwehrende Schutzkraft zu 1 ). Daher hing man kleinen Kindern Halsketten und Armbänder aus K.n um, damit das Zahnen erleichtert wird und es überhaupt gegen böse Einflüsse geschützt sei 2 ). Die Braut trägt K.nschnüre2a). K.n helfen gegen Kopfschmerzen 3), gegen Epilepsie 4) und gegen Hautausschlag 5). Man vergrub sie auf dem Feld, um die Frucht vor Gewitterschaden und Hagel zu schützen 6 ); am Stall vergraben schützt die K. die Kühe vor dem bösen Blick 7). Gegen Impotenz wurden K.n mit Pfingstrose und Nachtschattenwurzel in einem kleinen Beutel um den Hals getragen 8). Auch im Hexenzauber wird die K. erwähnt8). *) Megenberg Buch der Natur $jy f.; Keller Grab 5, 249 f.; Carus Zoologie 55. 466. 489; F r a n z Benediktionen 2, 41; Seligmann 2, 32 ff.; Simrock Mythol. 446; Schultz Alltagsleben 57 f.; Schönbach Berthold v. R. 52 f.;

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Paracelsus 190; A n d r e e - E y s n Volhskundl. 141; A b t Apuleius 103; Berthold Unverwundbarkeit 57; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 27. 245; 2, 1 1 5 ; F r a z e r 12, 226; Söbillot FolkLore 2, 129; B o e d e r Ehsten 22; Melusine 8, 108; MschlesVk. 23 (1922), 79; Alemannia 1 (1873), 195 fi.; 26 (1898), 265. 2 ) Rochholz Kinderlied 2 8 3 ! ; Sartori 1, 96; Schindler Abergl. 347; ZdVfV. 6 (1896), 176; 23 (1913), 257; Seligmann 2, 32 f. 2 a ) Lehmann Sudetend. Vk. 174. 3 ) A g r i p p a v. Nettesh. 4, 189. 4 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 212; Höhn 6 Volksheilk. i, 131. ) G. Schmidt Mieser Kräuterbuch 62; Grohmann 182. 6 ) Schönbach Berthold v. R. 52; H e y l Tirol 795 Nr. 214; Staricius Heldenschatz 30; Megenberg Buch d. Natur 377 f. 7 ) ZdVfV. n (1901), 325. 8 ) Seligmann 2, 97 fi. 9 ) B a r t s c h Mecklenburg 2. 33-

2. Dieser Volksglaube ist bereits seit der späten Hallstattzeit vom Süden nach der Schweiz und Süddeutschland vorgedrungen 10 ). In Süditalien sind K.nZweige, meist phalloid gestaltet, das häufigste Abwehrmittel gegen den bösen Blick, und man trinkt gepulverte K.n 1 1 ). Plinius (32, 1623) kennt bereits für das Altertum diesen Glauben, berichtet zudem auch über denselben Glauben bei den Kelten, die in der Tat ihre Waffen mit K.n geschmückt haben, und führt den Volksglauben letztlich auf die Inder zurück (32, 23). Dies wird durch die einheimisch indische Überlieferung und durch die heutigen Volksanschauungen in Indien bestätigt 12 ). Daß wir es hier nicht mit einem bodenständig germanischen Volksglauben zu tun haben, lehrt schon das Wort selbst, das auf lat. corallum(i), cural(l)ium, gr. xopotM.iov, xoupaXXiov, xtopäXtov zurückgeht. Die schwankenden griech. Formen weisen auf das bestimmteste auf fremde Herkunft; wahrscheinlich ist das semitische g ö f ä l (hebr. g ö r ä l „Loossteinchen, Loos", arab. jaral „Stein") „Steinchen" der Ausgangspunkt der europäischen Benennimg: so mochten die semitischen Händler ihre als Amulett geschätzten K.n genannt haben 13 ). Auch Slawen und Tataren kennen den Brauch 14 ), wie viele primitive Völker 15 ). l0 ) v. Duhn bei E b e r t Reallex. 7, 47 f. ) E b e r t Reallex. 7, 47; Seligmann 2, 32. 12 ) Vgl. P a u l y - W i s s o w a 11, 1373 ff. 1376; über Indien: Garbe Die ind. Mineralien 76;

u

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Korb

.ZdVfV. 23 (1923), 258; C r o o k e Northern India 195; S e l i g m a n n 2, 32. l 3 ) S c h r ä d e r Reallex. 1, 628 f.; L e w y Semit. Frentdw. im Griech. 1895, 18 fl.; B o i s a c q diction. etym. de la langue Grecque 1916,493. 1 4 ) S e l i g m a n n 2, 3 3 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 263. l s ) K.n-Amulette .findet man in vielen ethnolog. Museen, s. noch H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 245. Güntert.

Korb.

K.e gehören zum Urhausrat Europas*) und werden heute wie vordem als im ganzen wertlose und leicht ersetzbare Behältnisse behandelt, denen nur altes Herkommen bei feierlichen Gelegenheiten Bedeutung verleiht. So verwendete sie schon das klassische Altertum bei Opfern und religiösem Brauch für Früchte und andere Gaben 2 ), und noch heute erscheinen sie so bei der Kräuterweihe am Frauendreißigst 3 ), wie besonders als Weihkörbe für Fleisch, Eier, Butter beim österlichen Hochamt mindestens durch die ganzen Ostalpen hindurch. In England werden am Gründonnerstag so viel Arme auf Kosten des Hofes gespeist, als der König oder die Königin Jahre zählt. Die Speisen werden für jeden Armen sorgfältig in einen Korb verpackt und dann verteilt. Von dieser Sitte heißt der Tag in ganz England „Maundy Thursday", d. i. „Korbdonnerstag" 4). Bedeutsam ist auch das Körbetreiben und -brennen zu Martin (mit Abschluß des Fruchtjahrs), „mierteskorf", das auf einer Anhöhe mit allen unbrauchbar gewordenen Körben im Orte in Nordwestdeutschland und Luxemburg nicht eben selten noch geübt wird und in Norddeutschland auch sonst in Kinderreimen überliefert scheint 5 ). M a n n h a r d t meint, sie enthielten ursprünglich vielleicht wie jetzt noch in Dordrecht allerlei Obst, das im Brennen herausgeschüttelt und — wohl als heilbringend — aufgegriffen wurde. Der 10. November heißt dort noch „Schüddekorfsdag", „Korbschütteltag". Auch Tiere wurden in solchen Körben verbrannt In Echternach wurde am Martinsabend eine junge Buche auf dem Erzner Berge aufgerichtet, mit Stroh umwunden, auf ihrer Spitze ein Korb befestigt und das ganze entzündet 7 ). Man wird bei der weitgehenden Ent-

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sprechung zum Besenbrennen (s. Besen) bei solchen Ubergangsriten nicht immer den Opfergedanken veraussetzen müssen. Speisek.e erscheinen öfter auch imHochzeitsbrauch. Im Oberpfälzer Hochzeitszug — wie auch wohl anderwärts — trug eine Kranzeljungfer im K . eine Opfergabe für den Altar 8 ). In Tirol überbrachte die Braut oder die „Körbeljungfrau" darin dem Bräutigam das oder die Hochzeitshemden9), in Oberösterreich trägt die Braut es in einem K . hinter dem Brautfuder her 1 0 ). Anderwärts bekommt die Braut oder Brautmutter einen K. mit Gebäck und anderen Spenden für die Hochzeitsgäste beim Hochzeitsmahle vorgesetzt u ). Zur Ü b e r b r i n g u n g der Minnespenden und H o c h z e i t s g e schenke des Bräutigams ist er namentlich in Frankreich und im mediterranen Afrika noch bezeugt und im Französischen bedeutet „corbeille de marriage" übertragen die Gesamtheit der Geschenke, meistens Kleidungsstücke und Schmuckgegenstände, die der Bräutigam der Braut zu geben hat 1 2 ). Die Gepflogenheit, der die Übergabe der Braut fordernden Schar einen K. mit Speisen vom Dach des verschlossenen Brauthauses herunterzulassen, entspricht wohl der Handhabung von AufziehVorrichtungen an wehrhaften Burgen 13 ). Vornehmlich diesem ritterlichen Lebenskreise gehört im Mittelalter ja auch das bis in die Neuzeit weitum volkstümlich gebliebene Motiv des in einem K. Hochziehen und in Schwebe lassen zur Verspottung eines Liebhabers („Der Schreiber im Korbe") zu, ein Schwank, der schon bei den Novellisten des 14. dann im 15. Jahrh. in den Geschichten des Zauberers Virgil begegnet 14 ). In manchen dieser Lieder und Gedichte wird der Insasse des Korbes plötzlich von der Höhe fallen gelassen oder der K. ist so eingerichtet, daß der Boden plötzlich durchbricht und der Liebende durchfallen muß. Dies führt uns auf den Schandkorb (Korbpranger) und das Schnellen, womit Felddieben, auch Bäckern, die zu geringes Brot gebacken, eine Ehrenstrafe (ursprünglich vielleicht ein Ubergangsund Sühneritus) zuteil wurde, bei dem

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Korb

sie „durch den Korb springen mußten" bzw. aus ihm in ein Wasser geschnellt wurden, über dem der K., hoch aufgerichtet wie ein „Storchennest", angebracht war 1 S ). Ob es damit zusammenhängt, daß verlassenen Bräuten in der Oberpfalz ein K . mit einem Strohmann aufs Haus „gesteckt" wurde — je höher je lieber, damit man ihn nicht übersehe — bleibt dahingestellt 18 ). „Einen K . kriegen", „durch den K. fallen", „körben": H. Bächtold gebürt das Verdienst, die ursprüngliche Bedeutsamkeit des K.es, die zu diesen Redensarten Anlaß geboten hat, an Hand gründlicher Literaturstudien klarer herausgearbeitet zu haben " ) . Mit der Übersendung der „corbeille de marriage" hat sie kaum zu tun, da sie just dem romanischen Sprachgebiet fremd ist 1 8 ) und das bindende Verlöbnis der Übersendung der Bräutigamsgeschenke ja voraufgeht. Auch die Redensart: „mit einem leeren K.e abgewiesen werden" läßt hierauf keinen Rückschluß zu, da ja eher der volle Korb zurückzusenden war 1 9 ) und weist eher auf den Brauch hin, demzufolge bis ins 18. Jahrhundert Personen, von denen man einen ehelichen Antrag auch nur vermutete, ein K . hinter die Haustür gesetzt wurde, der keinen Boden hatte 20 ). Durch einen solchen leeren K. mußte bei Lösung eines Verhältnisses manchenorts der betroffene Teil durchkriechen oder es wurde ihm der K . über den Kopf gestülpt, so daß er zur Erde fiel21). Im Bergischen kroch bei dieser „Drühwäsch" (Trockenwäsche) vor Eingehung eines neuen Verhältnisses der Jüngling durch einen K., das Mädchen wurde durch ein langes Handtuch, dessen Enden zusammengebunden waren, gezogen 22 ). Im romanischen Sprachgebiet im Westen des deutschen Volksbereichs kam der Verschmähte mit einem Wagen voll durchlöcherter K.e seine Minnegaben zurückfordern, es wird die Übersendimg der Gaben also sozusagen rückläufig gemacht, in den Ardennen dagegen wird der Verschmähte auf einer durch die Henkel eines bodenlosen K.es gesteckten Stange reitend von zwei Burschen zum Hause des Mädchens getragen, wo

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er zwei Brote als Ablöse bekommt ö ) . In der gleichen Art holt man in Thüringen die Gäste, die am dritten Hochzeitstage zu spät aufstehen, in einem schadhaften unter ihrer Last durchbrechenden Spreuk. ein 24 ). Wenn im Böhmerwald die Hochzeitsgesellschaft zur Triumphpforte vor den Eingang zum Gehöfte kam, stand dort ein altes Weib in einem K., dem der Boden fehlte, mit einem aus Hadern gemachten Kind auf dem Arm, für das die Braut Geld auf ein Kindermus zu entrichten hat 2 5 ). J. Pauli, Schimpf und Ernst S. 33 (österley) bringt leider keine eindeutige Aufklärung darüber, ob es vordem nicht vielleicht auch diese Art Korbpranger gab („Uff ein zeit was ein fraw, die het beschult, das man sie offenlich straffen solt, als an etlichen orten ist vnd sie in das halsyssin stell und fr ein brieff an die stirn machen; daran ir bossheit geschrieben ston in etlichen Stetten hat man ein korb" 26)). In manchen Gegenden Tirols und Kärntens sagt man statt „einen K . bekommen", „er hat den Schlägel gekriegt". Auch hier liegt wieder Beziehung zu einer Ehrenstrafe vor. Den Burschen wird auch ein K. oder Schlägel aufs Haus gemalt 27 ). Es gibt auch „Korbbriefe" 2S) für den abgewiesenen Freier. Für das „Durchfallenlassen" usw. steht in Tirol meist ein Siebreiter in Verwendung (s. Sieb). Magisch wirksam ist das nackt im K. Sitzen geworden, sofern man dann den Zukünftigen schaut 2 i ). Inwieweit der Korbtanz, bei dem ein Überzähliger jeweils einen K. zu halten bekommt, mit der Abweisungssymbolik zusammenhängt, wird am ehesten durch den entsprechenden „Besentanz" (s. Besen) eingeschränkt 30 ). Gegen das Verschreien des Neugeborenen müssen, wenn jemand mit einem K . in eine Wochenstube geht, drei Stückchen davon abgeschnitten und in die Wiege gelegt werden oder es heißt, man müsse von einem Tragk. einen Span in die Wiege stecken, sonst nimmt man Mutter und Kind die Ruhe weg 8 1 ). Korbgeflecht wurde voralters auch zu den verächtlichsten Strafzwecken ver-

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Körfchenwurzel—Kork

wendet (Ersticken von Verbrechern im Sumpf „injecta insuper crate" wie Tacitus berichtet) 32 ). Eine Korbflechterin — als Gegenstück zur Spinnerin im Monde — begegnet uns im Volksglauben der Oberpfalz, im Elsaß gehört es zum unerfüllten Schicksal der alten Jungfern, K.e flechten zu müssen und in Schlesien, erzählt die Sage, ist es gelungen, einen Geist zu bannen, dadurch, daß man ihm einen bodenlosen K . mitgegeben hat, in dem er die Tannholznadeln im Wald einlesen soll, bis er voll sei 3 3 ). S c h r ä d e r Reallex. 457. s ) P l e y de lanae usu 27. 67; ZfVk. 4, 53. 3 ) H ö r m a n n PoZÄs4 leben 63. 128 f. ) A l b e r s Das Jahr 154; 6 R e i n s b e r g Festjahr 125. ) J a h n Opfergebräuche 241 fl. 247; Pfannenschmid Erntefeste 595 f.; S c h m i t z Eifel 1, 43—45; W o l f Beitr. 1, 49, 43; W o e s t e Mark 28 f.; R e i n s b e r g Festjahr 406. Vgl. auch den Kohlenk. der Zunft der Schmiedstuben in Zürich, bei dem ein Mann in einem K . herumgetragen und beim Zunfthaus durch Umkehren des K.s in einen Brunnen geworfen wurde: V e r n a l e k e n Alpensagen 364. •) M a n n h a r d t 1, 516. 7 ) F o n t a i n e Luxemburg jgi. 8 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz i , 7 8 N r . i . •) K o h l Tiroler Bauernhochzeit 212; Z i n g e r l e Tirol 24. 1 0 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 58. u ) Das Land Tirol. Ein Handbuch für Reisende 17 f. Innsbruck 1838; P i p r e k Hochzeitsbräuche 26. 1 2 ) REthn. 4 (1911), 236 Anm. 4; Zeitschr. f. vergl. Rechtswissensch. Erg.-Bd. z. 40. Bd. 246. 323; B ä c h t o l d Hochzeit 1, 182 f.; H . O d o La Provence (Paris 1902) 32; Rtrp. 5 (1890), 425; ZfdMyth. 3, 173. " ) H ö r m a n n Tirol 369; Das Land Tirol 18; Cori Deutsche Burgen 126. M ) B ä c h t o l d Hochzeit 1, 57 f. mit Literatur (Anm. 3); B o c k e l Handbuch 346; L i e b r e c h t Zur Volksk. 86; Hochziehen in einem K . an einem Seil als Naturmythus vgl. W u n d t Mythus und Religion 2, 305 f. " ) G r i m m RA.3 726; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 48s; Ders. Volksth. 2, 231. w ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 58. " ) DWb 5, 1800 f.; A d e l u n g 2, 1722; S c h i n d ler i, 1287; T r o e l s - L u n d Dagligt liv inorden 9, 116 ff. (Anmerkungen). 1 8 ) B ä c h t o l d Hochzeit 1, 58. w ) S c h e f f l e r Volksdichtung 1, 164. 20 ) Dagegen B ä c h t o l d Hochzeit 56 (Anm. 2) ff.; F r i d . B r u h m Diss. jur. de scommatibus. Altorffi 1680 (Schaffhauser Stadtbibliothek MA 1, X X I V ) ; A. de Cock Vrouwen 135 f.; Ders. Oude Gebruiken 209f.; O s e n b r ü g g e n Studien 365; J e n s e n Nordfries. Inseln 297. 2 l ) F o n t a i n e Luxemburg 145; S c h m i t z Eifel 1, 52; Dreimaand. Blaaden 6, 31. M ) M o n t a n u s 23 Volksfeste 82 = ZfVk. 10, 163. ) Rtrp. 3 (1888), i n f.; 18, 592. " ) S c h m i d t Thüringen 41 f. M ) Veckenstedts Zs. 2, 572. M ) B i r linger Aus Schwaben 2, 489 f. 2 ' ) F r a n z i s c i

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Kärnten 7of.; H ö r m a n n Tirol 356; vgl. K ü c k 2 Lüneburger Heide 157. ' ) J e n s e n Nordfriesische Inseln 276 ff. " ) K u h n Westfalen 2, 123 Nr. 375. MschlesVk. 21, 175; ZDOAV.55, 142. n ) G r ü n e r Egerland$6\ G r i m m Myth. 3. 32 434 Nr. 1. ) T a c i t u s Germania cap. 12. M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 75 f.; S t ö b e r Elsaß 1, 33 Nr. 44, 124; K ü h n a u Sagen 1, 446. Haberlandt.

Körfchenwurzel s. Zaunrübe.

Korbinian hl. Erster Bischof von Freising. Gest. um 730. Gedächtnistag: 8. S e p t e m b e r A n der K.quelle in Weihenstephan wäscht man sich die kranken Augen 2 ). x ) K ü n s t l e Ikonographie 388 f. Legenden von ihm: S c h ö p p n e r Sagen 1, 475 (459. 460); Z i n g e r l e Sagen 389 (688). 2 ) L a m m e r t 26. Sartori. Koriander

(Wanzendill;

Coriandrum

sativum). 1 . B o t a n i s c h e s . Unangenehm (wanzenähnlich) riechender Doldenblütler mit fein gefiederten Blättern und kleinen weißen Blüten. Die aus den Mittelmeerländern stammende Pflanze wird bei uns wegen der als Brotgewürz oder zu arzneilichen Zwecken dienenden Früchte hie und da angebaut 1 ). 1 ) M a r z e l l Kräuterbuch 199; T s c h i r c h Hb. d. Pharmakognosie 2 (1912), 840 f.; S c h r ä d e r Reallex. 267. 2. Wie andere s t a r k riechende Doldenblütler (s. Dill, Fenchel, K ü m m e l , L i e b s t ö c k e l ) , gilt der K . als a n t i d ä m o n i s c h . A m Johannisabend steckt man K . und Dill in die Stallpfosten (Ostpreußen) 2 ). Wer sich sträubt, mit K . gewürztes Brot zu essen, ist eine H e x e 3 ) , das gleiche glaubt man vom Kümmel- (s. d.) Brot. Der Glaube, daß 1 1 oder 1 3 K.körner in reines Linnen gebunden und von einer keuschen Person an den Schenkel gehalten den Geburtsvorgang beschleunigen *), stammt aus (Pseudo-) Apuleius5). 2 ) W u t t k e 435 § 682 = S e l i g m a n n Blick 2, 74, vgl. ebd. 1, 264. s ) T r e i c h e l Westpreußen 4, 9; 5, 35. 4 ) F i s c h e r Angelsachsen 32; O r i b a s i u s Opera 1 (1533), 83. 4 ) Corp. Medic. Latinor. 4 (1927), 185. Marzell.

Kork. Drei K.stöpsel, die im Namen Gottes mit dem Finger in das erste Brot, das man in den Ofen schiebt, gesteckt

Korn—Kornblume

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sind, schützen das Haus so lange, bis das Brot verzehrt ist; zerschnitten und in das Getränk gelegt, das ein Tier nach der Niederkunft zuerst bekommt, schützt er dies vor Behexung 1 ). Gegen Milchfieber wird der K.propf eines Arzneiglases um den Hals gehängt 8 ). W i t z s c h e l Thüringen Geburt 263.

2, 265 § 18. * ) H ö h n Marzeil.

Korn s. R o g g e n . Kornähre s. G e t r e i d e 3,787!. Kornblume (Roggenblume, Tremse; Centaurea Cyanus). 1. B o t a n i s c h e s . Korbblütler mit schmalen linealen, graufilzig behaarten Blättern und schönen blauen Blütenköpfen. Die K . wird in der Namengebung manchmal mit der (rotblühendenl) Kornrade (s. d.) verwechselt. Sie ist ein häufiges, oft recht schädliches Unkraut in Getreidefeldern 1 ). Ihr Volksname „Ziegenbein" und „dolle Hund" (Roggenhund) nimmt vielleicht auf die Vorstellung von Korndämonen bezug 2 ), vgl. M u t t e r korn. J ) M a r z e l l Kräuterbuch 380 f. ! ) M a n n h a r d t Forschungen 297; Roggenwolf 1865, 8; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 66.

2. Als S y m p a t h i e m i t t e l wird die K. am Fronleichnamstag zwischen 11 und 12 Uhr aus dem Boden gerissen. Eine solche K. in der Hand gehalten, bis die Pflanze warm wird, stillt das Blut (Nasenbluten usw.) 3 ). Wer starkes Nasenbluten hat, nehme eine Wurzel der K., rieche daran und sage dazu: Drei Brunnen stehn im Paradies, Ihr Wasser ist wie Honig süß, Der eine fließt, der andere gießt. Ein Blümchen aus dem dritten sprießt — Steh still — wenn ich will (Österreich) 4).

In S c h e f f e l s „Ekkehard" 5) reicht die Griechin Praxedis dem aus einer Schramme blutenden Kellermeister Rudiman eine blaue K. mit der Wurzel und spricht: „Haltet sie mit der Rechten, bis sie darin erwärmet, das stillet euer Blut". Vielleicht brachte man die blaue K . mit der (bläulichen) Farbe des venösen Blutes (Nasenbluten) in Verbindung? Nach T a b e r n a e m o n t a n u s 6 ) stillt die K . das Bluten der Nase und von Wunden, wenn man

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die Wurzel im Munde kaut, an den Hals hängt oder das Pulver davon in die Wunden streut. Hier ist das Sympathiemittel anscheinend zum empirischen geworden. Oder ist letzteres das primäre? Mit den e r s t e n K.n, die man im Jahre findet (s. F r ü h l i n g s b l u m e n ) bestreicht man die Augen; das stärkt diese und verhütet Krankheiten daran 7 ). In der Saazer Gegend schauen die Mädchen durch einen Kranz aus blauen K.n ins Johannisfeuer und sagen dazu: „Johannisfeuer, guck, guck, stärk mir meine Augen" 8 ) oder „ . . . s t ä r k mir meine Augenlider, daß ich dich aufs Jahr seh wieder" 8). Der gleiche Brauch findet sich noch häufiger bei einem anderen b l a u blühenden Getreideunkraut, dem R i t t e r s p o r n (s. d.). In der altern bzw. der Volksmedizin ist die K. ein häufiger Bestandteil von „Augenwässern" (um die Augen zu stärken) 10 ). Auch sonst spielen die K.n im Johannikult (vgl. oben Johannisfeuer!) eine Rolle. Beim „Johannisritt" im Kreis Kalau werden dem mit K.n geschmückten „Johannisreiter" die Blumen abgerissen. Frauen und Kinder haschen nach den für heilkräftig geltenden Blumen u ) . Beim „blauen" Husten (Keuchhusten) muß man Tee aus blauen K.n (Signatura rerum!) trinken 12 ). 3) Rockenphilosophie 2 (1707), 263 = G r i m m Myth. 3, 439; S t a r i c i u s 1682, 565; W o l f f Scrutin. amulet. medic. 1690, 197; Z. f. Kulturgesch. N. F . 2 (1895), 188 (Rheingau im 17. Jh.); D r e c h s l e r 2, 290; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 234; L a m m e r t 197; B o h n e n b e r g e r 113. 4 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2. 7. 5 ) 191. Aufl. Stuttg. 1903, 348. ') Kreuterbuch 7) G r o h m a n n 1613, 441. 98; V e r n a l e k e n Mythen 314; Die Oberpfalz 7 (1913), 216 (Mockersdorf, B A . Kemnath). J o h n Westböhmen 86. •) Das Land 18 (1910), 422. 10 ) Z. B. T a b e r n a e m o n t a n u s Kreuterbuch 1613, 443; S c h m i d t Kräuterbuch 51; Urquell 4, 277. u ) B r u n n e r Ostdeutsche Volksk. 231. 1 2 ) W i l d e Pfalz 149; Blätter z. bayr. Volkskde 11 (1927), 5i-

3. V e r s c h i e d e n e s . K.n („Hungerblumen") darf man nicht ins Haus bringen, denn sonst schimmelt das Brot 13 ); sie heißen daher - auch „Schimmelblumen" 14 ). Weil die K.n dem Getreide auf dem Felde schädlich sind, so glaubt man

249

Korndämonen

wohl, daß auch das Brot durch diese Blumen gefährdet sei, vielleicht spielen auch Anschauungen über Korndämonen (s. unter 1) mit herein. Unter den „K.n", die vor Blitzschlag schützen sollen 1S ), ist wohl meist die Kornrade (s. d.) gemeint. Wenn eine ledige Person zwei K.n, eine für sich und eine für die Geliebte gleich zwischen der Samenkapsel (gemeint ist wohl der Hüllkelch) und den Blüten abschneidet und in den Busen steckt, so soll die Liebe nur bei einer von den beiden sein, wächst nur eine von den „Samenkapseln" aus; wachsen beide aus, so ist gegenseitige Liebe da; wachsen sie kurz aus, so währt die Liebe nicht; wachsen sie lang aus, so dauert sie lange 16 ). Es ist dies ein Orakel wie es ähnlich auch mit der nahverwandten F l o c k e n b l u m e (s. d.) angestellt wird. Auch in Belgien dient die K. im Liebesorakel H ). Unter einer w e i ß e n (weißblühende Formen kommen ab und zu in der Tat vor) K. liegt ein Dukaten verborgen 18 ), vgl. die w e i ß b l ü h e n d e Wegwarte. Um Feinde zu überwinden, geh in der Johannisnacht in der Mitternachtsstunde aufs Feld, zieh einige K.n aus und sprich dabei die Worte: „Ab. Mab. Bab". Hierauf nimm die Blüten und iß sie, so wirst du alle deine Feinde und Widersacher besiegen und weder Hieb, Schlag noch Stich fühlen 19 ). Ähnliches wird von der ebenfalls blau blühenden W e g w a r t e (s. d.) berichtet. 13) K u h n u. S c h w a r t z 445; T r e i c h e l Westpreußen 1, 88. 1 4 ) K n o o p Hinterpommern 175. " ) J o h n Westböhmen 86; B o h n e n b e r g e r 112; K a p f f Festgebräuche 64. w ) S A V k . 21, 42 (Bern um 1827). " ) S i b i l l o t Folk-Lore 3, 504 = R o l l a n d Flore pop. 7, 153. 1 8 ) D r e c h s l e r 2, 213. *•) Aus einem „Zauberbuch" : J a h n Hexenwesen 316 (in Balt. Studien 35). Marzell.

Korndämonen. 1. Begriffsbestimmung. 2. Methode der Darstellung. 3. K . als Wind im Korn (1 Karte). 4. K . als Kinderschreck (1 Karte). 5. K . im Ernteschlußbrauch: a) männliche Gestalten (1 Karte), b ) weibliche Gestalten (1 Karte), c) Kindergestalten (1 Karte), d) Tiergestalten (2 Karten), e) Garbenpuppen, f ) Garbenopfer. 6. K . im Drescherbrauch. 7. Neue Aufnahmen des A D V .

1. Unter dem besonders seit Wilhelm

250

Mannhardts Forschungen allgemein eingebürgerten Begriff K. versteht man ein mythisches Wesen, das sich als Fruchtbarkeitsgeist im Getreidefeld, seltener in anderen Anpflanzungen (Flachs, Hanf, Gras, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln, Wein, Obst, Hopfen) zeitweise oder dauernd aufhält. Die verschiedenen Stufen des Kornwachstums bedingen zahlreiche Berührungspunkte und Ubergänge zwischen Korngeistern und mythischen Gestalten des Windes, Wassers und Waldes. Obwohl wir K . im wesentlichen nur aus der Volksüberlieferung der letzten 100 Jahre kennen, darf aus dem gemeinsamen Vorkommen bei germanischen, indogermanischen, ja bei allen ackerbautreibenden Völkern der Erde auf eine schon prähistorische Existenz geschlossen werden 1 ). *) H o o p s Reallex. 3, 91 ff.

2. Die Werke Wilhelm M a n n h a r d t s 2 ) sind bis heute für die Erforschung dieses Zweiges der deutschen Mythologie von grundlegender Bedeutung geblieben. In der Zentralstelle des A t l a s der d e u t schen V o l k s k u n d e konnte durch das Entgegenkommen der Preußischen Staatsbibliothek der gesamte Fragebogen-Nachlaß Mannhardts der Verarbeitung nach der geographischen Methode zugeführt werden. Als die erforderlichen einheitlichen Gesichtspunkte ergaben sich die verschiedenen Erscheinungsstufen der K. (Wind, Kinderschreck, letzte Garbe, Ausdreschen), die schon in Mannhardts Fragebogen von 1864/5, weniger in seinen historisch-kritischen Werken, hervortreten. *) M a n n h a r d t Korndämonen-, Roggenwolf; Wald- und Feldkulte; Mythologische Forschungen. A b k ü r z u n g e n : M = Fragebogen von Mannhardt. A D V = Probefragebogen des Atlas der deutschen Volkskunde. 1. = letzte(r); 1. G. = letzte Garbe. — A l l e A n g a b e n , die

(außer der Ortsbezeichnung) keinen Vermerk

traget!, stammen aus Mannhardts Nachlaß der F r a g e b o g e n v o n 1864/5, die für jede Untersuchung dieser A r t Grundlage und Voraussetzung sind. Aus dem gleichen Grunde ist von einer E i n z e l z i t i e r u n g der Werke M a n n h a r d t s abgesehen.

3. K. als W i n d im K o r n . Mannhardt stellte in seiner „Bitte" die Frage: „Gibt es unter dem Volk einen

251

Korndämonen

besonderen Ausdruck dafür, wenn der Wind im Korne Wellen schlägt (wie: Der Eber geht im Korn, die Wölfe jagen sich im Korn, das Korn wölket, webt usw.)"? Den Überblick der Antworten gibt die im Atlas der deutschen Volkskunde gezeichnete Karte. Der Vergleich mit den späteren Karten der kinderschreckenden Korndämonen und denjenigen des Ernteschlusses zeigt zunächst, daß diese mythische Vorstellung nur

252

(wie beim Ernteschluß) ihre Erhaltung sicherte. Auch die Hinzunahme der Ausdrücke das Korn wogt, wölkt, walkt, webt, weht, webelt, bülgt, büllert, bölgert, wellt, zittert, stiebt, raucht, dampft, mühlt usw. würde das Bild nicht verändern, da sie über das ganze Gebiet gleichmäßig verteilt sind, allein oder zusammen mit mythischen Vorstellungen. Diese Ausdrücke sind Stoff für eine wortgeographische Karte. Übergänge aus

SEZ- R BEI TL Karte 1.

Grundkarte der durch W. Mannhardts Fragebogen erfaßten Orte in Deutschland.

noch oder überhaupt eine geringe Verbreitung hat, deren Häufungsgebiet im westlichen Mitteldeutschland liegt. Sachsen, Schlesien, Mecklenburg, West- und Ostpreußen — Gebiete, in denen auf anderen Stufen des Kornwachstums Dämonen in größter Zahl genannt sind — treten hier auffallend zurück. Besondere Gründe für das Fehlen sind nie angegeben und auch nicht ersichtlich, wenn man nicht annehmen will, daß das Aussterben mythischer Vorstellungen da zuerst einsetzen konnte, wo kein praktischer Zweck (wie beim Kinderschreck) oder eine stark ausgebaute begleitende Brauchhandlung

dem rein Sprachlichen finden sich selten: z. B. das Korn begattet, verpaart, befruchtet sich, rammelt usw. (s. unten). Die männliche Gestalt erscheint als Verursacher der Windbewegung im Korn nur in Mittel- und Süddeutschland häufiger: Die Kornmännercher, Kornmänner gehen, das Kornmännle kommt, da ist, jetzt läuft ein Kornmännlein, das Korn macht Männlein s ). Wenn die Saaten im Winde wogen, heißt es imEgerland: Das Kornmannl geht um 4 ). Da sieht man die Kornmännchen am Johannistag (24. Juni) 5 ) auch als Mittagsgeister. In Niederösterreich ist das Troadmandl

Konidämonen

253

konnte sich eine betont christliche ablösen: die Engel fahren über das Korn und segnen es und der Herrgott geht durch das Korn (Mitteldeutschland). Das schweizerische: der Hömdlima chunt, ist deutlich aus dem Kreis der schreckenden K. entlehnt. Die weibliche G e s t a l t spielt eine noch geringere Rolle als die männliche. Besonders auffallend ist ihr Fehlen in Ost- und Westpreußen und in Mitteldeutschland, wo wir sie auf der späteren

im Korn. In Hessen sagt man unbestimmt: der Mann geht im Korn. Ebenso oft (in Hessen, Sachsen, Schlesien, Ostpreußen) wird der Schäfer genannt: Der Schäfer geht im Kom, jagt über das Feld, zieht; der Schäfer treibt aus, fährt mit der Herde durch das Korn, fährt darinnen und jagt die Herden. In Ostpreußen heißt es der Teufel dreht sich, der Teufel haust im Korn; in Thüringen der Teufel peitscht seine Großmutter. Auch der wilde Jäger kommt, ist im Korn,

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(LÄMMER- H A S E )

Karte 2. Korndämonen als W i n d im K o r n .

das Wildgjaid fährt übers Korn (östliches Bayern), das wilde Heer kommt (Thüringen). Dazu gehört wohl auch: es jagen die Reiter im Korne (Hessen). In Mecklenburg geht der Vietzbuhr im Korn. In Mitteldeutschland sagt man: dä Weitenklöpper is da, der Weizenklepper oder Weizendrescher geht im Kom; dazu die unbestimmte Redensart: der Weizen wird geklopft, wenn der Wind das Korn bewegt. In Thüringen geht der Komengel um. Aus der mehrfachen Bedeutung (männlich, weiblich, kindlich; schreckend, freundlich) dieser Gestalt

Karte der schreckenden K. bei weitem in der Übermacht sehen werden. Gerade deshalb ist es beachtenswert, daß die wenigen Zeugnisse hier ein Gebiet (nördlich und südlich des unteren Main) belegen, das auf jener folgenden Karte gleichfalls inselhaft wiederkehrt. Es heißt da: in der Blut, wenn die Kornmutter geht, da vergatt sichs minanner oder einfach die Kornmutter ist, sitzt, geht im Kom. Ähnliche Redensarten finden sich seltener in Hannover: die Kornmutter geht durch die Frucht, die Kornfrau läuft übers Feld. In Pom-

255

Korndämonen

merellen sagt man: die Kornmutter wölket das Kom, in Ostpreußen: die Kornmutter ist zornig. Mit der Vorstellung des sich drehenden Teufels verwandt ist wohl der für das benachbarte Gebiet belegte Ausdruck: die Hexen tanzen im Korn; auf die eigentliche Wetterhexe deutet auch der hessische Bericht, daß man nur bei Wirbelwind sage: eine Hexe macht ihre Possen. In der Gegend der oberen Weser sagt man: Frau Holle geht im Kom. Schon aus dieser Karte geht hervor, daß die weiblichen Gestalten unter den K. — im Gegensatz zu den männlichen und besonders zu den Tiergestalten — eigentlich nur einen Haupttypus, die Kornmutter, kennen, der andere Gestalten nicht aufkommen ließ oder verdrängt hat und der auch in sich nur einige wenige charakteristische Variationen einging. Die Identität der „Kornmutter mit der an der Spitze des wilden Heeres daherreitenden oder vom wilden Jäger gejagten Frau", die Wilhelm Mannhardt als sicher behauptet, erscheint aus dem Kartenbild seiner Fragebogen äußerst anzweifelbar. Als objektiver Durchschnitt des Volksglaubens in Deutschland darf es mehr Beweiskraft beanspruchen als die dort in vorgefaßter Absicht aus verschiedenen Zeiten und Völkern zusammengebrachten Belege. Nach dem Bild unserer Karte hat die weibliche Gestalt unter den Verursachern der Windbewegung im Korn nur die Geltung der Ausnahme. Die T i e r g e s t a l t e n überwiegen die männlichen und weiblichen zusammen fast um das Dreifache an Zahl. Am häufigsten wird die Bewegung des Korns dem Schwein zugeschrieben. Die männliche Form Eber neben der weiblichen Sau 4), Einzahl neben Mehrzahl sowie der Zusatz „wild" finden sich über das ganze Gebiet des Vorkommens in ziemlich gleichmäßiger Abwechslung. Nur die östliche Nordküste hat den Zusatz wild seltener. Die wilden Säue sind, gehen, laufen, fahren, ziehen, rennen im oder durchs Korn. Sie jagen einander darinnen, greifen sich im Roggen. Sie wälzen sich,

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wühlen, toben im Korn. Gelegentlich wird von einer ganzen Herde von Schweinen gesprochen, die im Korn läuft, wühlt. Die Ursache wird mit der Erscheinung noch unmittelbarer in Beziehung gesetzt: das Schwein bewegt das Korn, die wilde Sau regiert das Korn, die wilden Säue wölken. Auch die Wellen selbst, die der Wind im Korn schlägt, werden wilde Säue genannt. Während etwa der Ausdruck Windsau nie vorkommt, wird doch in der Schweiz gesagt: der Wind säuet im Kom. Hierher gehören vielleicht auch die unbestimmten Ausdrücke: der Wind treibt, wühlt das Kom, jagt darin. Die Vorstellung des Schweines als Wind im Kom zeigt seine Gestalt und Tätigkeit auffallend einförmig, was bei der großen Zahl der Gesamtbelege vielleicht auf eine schon früh zur Formel gefestigte Mythe schließen läßt. Naheliegende Zusammensetzungen wie Wildschwein oder mundartliche Formen wie Küjjel für Eber kommen kaum vor. Mit dem Schwein teilt der W o l f 7 ) als Verkörperung der Windbewegung des Getreides das gleiche gemeindeutsche Vorkommen, wenn auch in geringerer Dichtigkeit. Doch sei darauf hingewiesen, daß — wohl kaum zufällig — die Fragebogen aus Mecklenburg, Rheinland, Schlesien, Bayern den Wolf unter den Tiergestalten allein oder doch vorwiegend nennen. Dieses im ganzen nach Süden gerückte Auftreten des Wolfes wird uns bei den späteren Karten noch beschäftigen. Die gedachten Tätigkeiten dieser Gestalt decken sich in der Hauptsache mit denen des Schweines. Bald werden sie einem Wolf, bald mehreren zugeschrieben. Die Wölfe laufen, der Wolf ist, läuft, zieht im oder durch das Kom, jagt über das Feld. Es wird auch gesagt: der Wolf streicht durch das Kom und — eine Vorstellung, die wir beim Schwein nicht fanden — der Wolf liegt, die Wölfe sitzen im Kom. Zuweilen wird auch wie bei jener Tiergestalt das Wellenschlagen des Windes oder die Kornwelle selbst als Wolf bezeichnet. Wenn das Sich-kriegen, Sich-jagen, Sich-wälzen der Wölfe auf

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kommende Fruchtbarkeit deutet, so wird andererseits gesagt: die Wölfe toben im Korn und wollen dasselbe verderben. An die obenerwähnten Redensarten vom ziehenden Schäfer, aber auch an die Vorstellung von Treibhunden erinnert der Wolf, wenn er die Herde, die Schäfchen jagt (Ostpreußen). Hunde werden besonders in Mitteldeutschland mehrmals genannt: die tollen Hunde laufen, die Hunde sitzen im Korn, die Hunde jagen sich im Korn. Selten ist der Fuchs: der Fuchs geht, läuft durch das Korn, die Füchse sitzen im Korn (Bayern, Mecklenburg). Einmal findet sich die Redensart: der Saufisch ist im Korn. Nicht öfter wird auch der kornbringende Hausdrache als Winddämon gesehen: der Drache durchzieht das Korn (Westpreußen). Eine größere Gruppe bilden die Schafe. In Bayern und Mitteldeutschland, aber auch in anderen Landschaften sagt man: die Schafe laufen, ziehen durch das Getreide, da läuft ein Haufen Schafe. Die Tiere gehen in das Bild des Windes selbst über: die Schöpse, die Schafe laufen über dem Korn, fahren, laufen über das Korn. Wiederum wird die Erscheinung des bewegten Kornfeldes ganz in die Metapher einer rennenden Herde überführt: es sieht aus, als würden die Schafe gejagt. Zugleich ist hier der Übergang einer Mythe in einen bewußten modernen Vergleich vollzogen. An der Grenze gegen Litauen und Polen verbindet sich diese Tiergestalt mit einer religiösen Vorstellung: Gottes Schafe laufen durch das Korn, Herr Jesus hütet die Lämmer. Im gleichen engbegrenzten Bezirk häuft sich die Nennung von Böcken: die Böcke gehen, weiden im Korn, sie jagen sich, der Wind treibt Böcke durch das Korn, Hammel laufen. In Bayern, Mitteldeutschland und Westpreußen erscheint der Hase in mehreren Redensarten: da gibts Hasen, die Hasen wallen, laufen, jagen sich im Korn, jetzt kommt der Has, das Korn macht Hasen. Kaum noch bekannt sind Rehe und Hirsche: die Hirsche laufen (Hannover) die Rehe sitzen im Korn (Altmark); B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

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Korndämonen

bei Bitterfeld glaubt man, es (das Reh) habe einen güldenen Fuß, d. h. es befruchte den Acker. Auf ganz Deutschland verteilt trifft man einzelne Redensarten, die auf die Fruchtbarkeit des Kornwindes deuten, ohne eine Personifikation vorzunehmen. Das Korn selbst erscheint belebt: die Ähren begrüßen sich, nicken einander zu, das Korn säet sich zum nächsten Jahre aus, es feiert seine Hochzeit, es heckt, rammelt, verpaart sich, balzt. Daß der Kreis der aus der Windbewegung des blühenden Kornes hergeleiteten Dämonen mit den kinderschrekkenden zur Reifezeit kaum einen Berührungspunkt hat, geht — wie wir noch deutlicher sehen werden — schon aus der Verschiedenheit der Hauptgestalten, aber auch aus dem fast völligen Mangel an Übergängen hervor. Nur in vereinzelten Fällen wird in den Fragebogen Mannhardts darauf hingewiesen, daß der Dämon des Windes auch als Kinderschreck gilt; so die wilden Säue in Hessen, das wilde Schwein, der Kornwolf an der unteren Oder. Wenn der Wind im Korn Wellen schlägt und zugleich, um die Kinder abzuschrecken, sagt man in Oberhessen: die Kornmutter ist im Feld. s ) S e p p Sagen 4 7 2 ; B i n d e w a l d Sagenbuch 87. 4 ) J o h n Westböhmen 199; L e h m a n n Sus detendeutsche 113. ) J o h n Westböhmen 199. 7) •) S i m r o c k Mythologie 590. S e n n Charakterbilder 109; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 65; S i m r o c k Mythologie 590; R a n k e Sagen 2 0 3 f . ; L a i s t n e r Nebelsagen 221 fi.; M e y e r Germ. Myth. 210; F r a z e r 12, 228. 408. 440; 7, 271 fi.

4. K. als K i n d e r s c h r e c k . Dieser Karte der kinderschreckenden K. entspricht die Frage Mannhardts: „Hat man eine besondere Redensart, um die kleinen Kinder vom Verlaufen in ein Getreidefeld abzuhalten (wie: Die Kornmutter, die Baba, Babajedza, Zitnamatka, wend. Sserpashija sitzt im Korn und drückt die Kinder an ihre eisernen Brüste! Der Wolf sitzt im Korn usw.) ? Man bittet genau in der Sprache oder Mundart des Volkes anzugeben, wie dasselbe sich ausdrückt". Im Vergleich mit der Grundkarte der 9

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Korndämonen

Frageorte und im Gegensatz zur vorhergehenden Karte der Winddämonen sehen wir den Glauben oder wenigstens die Vorstellung von kinderschreckenden K. über das ganze Gebiet stark und in gleichmäßiger Dichtigkeit verbreitet. . Die m ä n n l i c h e G e s t a l t behält im Verhältnis zur Gesamtzahl der Belege die untergeordnete Bedeutung bei, die sie im Kreis der Winddämonen hatte. Auch die Landschaften des häufigsten Vorkommens sind im ganzen dieselben. Ungleich reicher dagegen sind die Formen, unter denen männliche Schreckgestalten auftreten. Der K o r n m a n n ist auf unserer Karte in Bayern, Sachsen und Schlesien belegt. Man kennt die Redensarten: der Kornmann ist, steckt, sitzt im Korn; er kommt, er fängt dich. Er zieht die Kinder hinein, nimmt sie mit, haut ihnen den Kopf ab, erwürgt sie. Der Hafermann sitzt im Korn mit schwarzem dreizipfligem Hute und einem gewaltigen Krückenstab. Er entführt die Kinder durch die Lüfte (Hessen). In der Mehrzahl erscheint der Kornmann nicht, dagegen mit gleichen Eigenschaften als Kornmännlein. Er nimmt die Gestalt der Roggenmuhme an: der Kornmann sitzt im Korn und drückt die Kinder an seine eisernen Brüste. Im Egerland ist das Troimannl (Getreidemännlein) im Korn. Das Kommannl, das in der Saatzer Gegend und in Niederösterreich im Kornfeld sitzt, hat graue Farbe. Das graue Männchen, Kornmannl kennt man in Mitteldeutschland und Schlesien. Den Feuermann, das Feuermändel sieht man in Schlesien kommen oder im Korn sitzen. In der gleichen Gegend spricht man öfters vom s c h w a r z e n M a n n , der einerseits den Teufel, andererseits das moderne abgeblaßte und allgemeine Schreckgespenst bedeutet: der schwarze Mann kommt, sitzt im Korn und paßt auf euch auf; der schwarze Mann, der Bubu, kommt. Den schwarzen Mann nennt man auch in Litauen, Mitteldeutschland, in der Schweiz und im Pustertal, hier zusammen mit dem Unterberger Mannl oder Weibl.

In der St. Pöltener Gegend sagt man geradezu: der Waldteufel ist im Korn. Ein Teufel mit Pferdefüßen ist der Borfuß, der in Schlesien im Korn sitzt und jeden verschlingt. Da Hans, Hänschen in der deutschen Sage häufig den Teufel bezeichnet, ist er wohl auch in den Redensarten der Schweiz gemeint: der Kornhansli, der Hanselima chunt; er schneidet die Finger,: die Hände, die Ohren ab. Aus dem Hänselima ist so zuweilen ein Häntelima oder ein Handhauer geworden. In großer Zahl finden sich S c h r e c k g e s p e n s t e r 8 ) , die zum Teil wie der schwarze Mann späte, aus Gesichts- und Gehörseindrücken zusammengesetzte Mythenbildungen sind, zum Teil aber auch aus anderen Motivkreisen des Volksglaubens entlehnt wurden. In den deutsch-slavischen Grenzlandschaften erscheint der Bubu, Bobo, Buba, Buback, Bombatz, Bubbelinx, der im Korn sitzt, kommt, die Kinder mitnimmt, sie frißt oder mit seinen großen Krallen festhält. Wie an allen finsteren Orten sitzt da der Mummematz, Mummatsch auch im Korn. Im bayerischen Wald sagt man: der Popanz steckt im Korn, der Popens kimmt; im Rheinland: een Spuk sitt en de Rock. Auch in Ostpreußen sitzt der Spuk im Korn. Viele Redensarten in Bayern, Mitteldeutschland, Schlesien und im Nordwesten Deutschlands nennen den B u t z , sonst in der deutschen Sage meistens der Name wirklicher Gespenster (Seelen Verstorbener), als irreführenden und tötenden Bewohner des reifenden Korns. Der Boz, Botzeratz, der schwarze Boratz, der Potzemann, Putzelmann, Butzemann, Bötzmo, Buzekerl sitzt im Korn, der Bussemann, Bumann, Bullemann kriegt dich. In Schleswig kommt der Bollerkill, im Memelland sitzt der Buschebau (vgl. Bubu in Schlesien) im Korn und steckt die Kinder in den großen Sack. Am Mittelrhein schreckt man die Kinder mit dem Verschen Kummt, Hanger, flöck et kummt de Bökterök.

(Mannhardt las Bökteräk). Das soll eine sagenhafte Person sein, die besonders um Mitternacht (vgl. die Mittagsfrau) im

Korndämonen

2ÖI

Kom haust. Vielleicht ist sie verwandt mit dem Bockkerl, der in Hannover die Kinder mitnimmt und mit dem Bockemann, der in Bayern Wald und Kornfeld unsicher macht. Ein Kerl (Rheinland), der Käl (Westfalen) sitzt im Korn.

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Steppchen (Mitteldeutschland; vgl. Steppchen als Sturmwind oder Korndrache); der Zabbelzappel kriegt dich (Rheinland); Putkelütt sitt im Koahre, Kiekenapp und et Kornwiew kummt im nimmt dik mit (Hannover). Beide sind wohl Zwerge,

1 TIER V ( OKWWOLF) 1 WEIB (r)tRW-R066ENMUTTER) , MANN W ( RW KORNMANN)

"-tk •.Ajr , Vi:!* • \ ** I1 \ / fc v n

u i R.eeiTL Karte 3.

-TIER (SCHEMA •• WEIB > OER — MANN I GRENZEN

Korndämonen als K i n d e r s c h r e c k .

Dem Butz entspricht in Schlesien der P o p e l , der auch außerhalb von Feld und Acker allgemein als Kinderschreck und Gespenst auftritt. Wenn einer bei der Arbeit sich selbst vor dem Licht sitzt, sagt man, er popelt sich. Im Kornfeld sitzt der Popel, Popelmann meistens mit einem großen Sack, in den er die Kinder steckt. Einmal gewinnt er Ähnlichkeit mit dem Nickelkerl (s. unten) des Wassers: Giehe mir ja ni nei, denn dir Popelmoun sitzt eim Kurne, dar hot an grußa Sack uf im Ricka; do steckt a sulchene klene Kinder nei und schmeißt sie dernochert ei a ganz grußes, großes Wosser. Wie der schwarze Mann, der Butz und Popel kaum alte und ursprüngliche K. sind, so weisen auch folgende vereinzelt belegte Gestalten in benachbarte Sagenkreise:

mit denen die Kornmännlein auch sonst gelegentlich das Aussehen teilen. Auch der Wichtelmann holt in Mitteldeutschland die Kinder, das Waldmännchen nimmt sie mit oder die Erdmannli holen sie (Schweiz). In der Steiermark kommt der Bartel oder ein Niklo. Bei Nürnberg lauert der Weiberpritscher den Kindern auf, ohne daß man zu sagen wüßte, was er mit ihnen anfange. In Nordböhmen kennt man den Hehmann, der halb wilder Jäger, halb aufhockendes Dorftier ist: der Hehmann ist im Korn, ruft laut gellend heh; wer so antwortet, dem springt er auf den Nacken. Bei Budweis sieht man einen wilden Mann im Korn. In Mähren sitzt der zahnlose Tod mit einer Sense oder ein Mann ohne Kopf darin. In der Gegend von Graz warnt man die Kinder: 9*

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Korndämonen

gea nit eini, kunt der Maru-Maru drinn sein, er pockat di mit, wonst eini gangast. Unter den männlichen Gestalten im Kom nimmt der Kornjude eine besondere Stellung ein. Man kennt ihn vereinzelt in Schlesien, öfter in Ostpreußen gegen Litauen zu und in auffallender Häufimg im Rheinland. Der Zusammenhang mit den tatsächlichen jüdischen Ansiedlungen dieser Gegenden liegt zutage und ist auch dem Landvolk manchmal bewußt: „Die Litauer bedienen sich gegen die kleinen Kinder der Warnung der Jude sitzt im Korn. Dies mag wohl dadurch entstanden sein, daß die in hiesiger Gegend stark hausierenden russischen und polnischen Juden sich oft in das Getreide flüchten und verbergen, um den Späheraugen der Gendarmerie und der Zöllner sich zu entziehen" (Prökels). Im Rheinland sah man die Juden aus der unteren Maingegend oft auf ihren Handelsfahrten am Rand der Felder rasten oder ihren Imbiß nehmen. Auch als „Kornjuden", als Aufkäufer des Korns, waren sie den Bauern bekannt genug. Diesen Namen tragen auch die besonders hoch aufgeschossenen Ähren oder manche Insekten des Ackers, z. B. die langfüßige Kornspinne. So entstanden die Redensarten: der Jude sitzt, der böse Jude huckt im Korn (Ostpreußen), der Komjude, der polnische Jude kriegt dich, steckt dich in den Sack, draußen im Kom sitzt ein alter schwarzer Jude mit einem großen Sack, in den steckt er die kleinen Kinder (vgl. schwarze Farbe und Sack wie bei den oben genannten Gestalten); einmal auch die Mehrzahl: die polsche Jüdde sind im Koer, die kriege dech (Rheinland). Mit dem tatsächlichen Motiv verband sich die traditionelle Legende des jüdischen Ritualmordes an kleinen Kindern, um diese Gestalt in die nächste Nähe der mordenden Roggenmuhme oder des gefräßigen Buba zu stellen. Diese Fassung ist sogar die häufigere. Im Rheinland hört man: et sitzt ne Jud im Kor, de schlacht dich, der Blutjude ist im Korn, der Packjude sitzt im Getreide, der greift dich, macht dich tot und saugt dir das

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Blut aus. Man gebraucht die Redensart do kümmt der Jüd, weil man glaubt, daß diese im Korn versteckt lägen und kleinen Kindern auflauerten, um sie zu schlachten und ihr Blut zu gebrauchen. In der gleichen Gegend halten sich die Seelenverkäufer im Korn versteckt, fangen die Kinder und führen sie weg, um Seife aus ihnen zu machen. — In Deutschland scheint die Gestalt des Blutjuden auf das Rheinland beschränkt zu sein; weiter verbreitet ist sie in Rußland in der Zeit vor Ostern als Kinderschreck allgemeiner Art. — Wirkliche Erfahrungen und Legenden haben auch den Zigeuner in die Reihe der K. gestellt. In Schlesien warnt man die Kinder vor den Zigeunern, die im Kornfeld sitzen, um sie zu erwürgen. Wirklicher Anschauung scheint auch die Gestalt des Pannemanns, des Bannhüters zu entstammen, der kommt und die Kinder fängt (Mecklenburg). Dasselbe gilt ferner von den wenigen Fällen, wo auf eine Vogelscheuche, auf den Kornbutz oder eine Kornpuppe hingewiesen wird. Mit auch sonst gebräuchlichen allgemeinen Drohungen schreckt man in der Schweiz die Kinder: Mai, wend i d'Frucht iegohst, so chunst in Rollhafe n'abe; mand, du mußt is Botehüsli. Gelegentlich kommen märchenhafte und religiöse legendäre Züge hinein: Tretet nur hinein und ihr werdet im nächsten Winter Hunger leiden müssen (Rheinland), wer ins Korn hineingeht, muß soviele Jahre vor dem Himmel stehen, als er Halme geknickt hat (Mittelelbe). Der himmliche Vater läßt donnern, oder er zankt; der liebe Gott weint, wenn du ins Kornfeld läufst (Bayern). In Westfalen sagt man den mohnpflückenden Kindern, wer mit einer solchen Pflanze in der Hand strauchele, bekomme die fallende Krankheit. Geschlechtlich unbestimmte Gestalten sind der Kornrieb und der Kornengel. In anderen Zusammenhängen bedeutet zwar Kornrieb die Wachtel, als Kinderschreck scheint er aber als menschliches Ungeheuer gedacht: Der Kornrieb kommt, sitzt im Korn; hüte dich, wenn der Korn-

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rieb kommt, wird er dich fressen; der Kornrieb kriegt dich, hörst du ihn schreien (Mitteldeutschland) ? Der K o r n e n g e l — im Ernteschlußbrauch als Kind vorgestellt — geht als Kinderschreck in verschiedene Gestalten über (zwischen Saale und Mulde). Der Kornengel sitzt im Korn und holt die Kinder, er lauert ihnen auf. Wie die Mittagsfrau soll er besonders in den Mittagsstunden im Korn umgehen. Ein Bericht aus Sachsen nennt neben dem Kornmännl auch den Kornengel und meint, diesen auf die erste Gestalt zurückführen zu müssen. Bei Leipzig sagt man: der Kornengel kommt und erwürgt euch; und um die Kinder von seinem Dasein zu überzeugen, zeige man ihnen die Gänge, die vielfach durch Getreidestücke gehen. Man setzt ihn also gleich mit dem Bilmesschnitter. Der B i l m e s s c h n i t t e r , Binsenschneider, selbst wird im nördlichen Bayern öfter als Kinderschreck genannt: er sitzt im Korn, und man muß ihn grüßen, wenn man nicht sterben will; er schneidet den Kindern die Füße ab. Die gleiche Gestalt meint man wohl auch mit dem Fußnager, der Ungehorsame fängt. Sehr häufig gehen im gesprochenen Volksglauben W a s s e r d ä m o n e n in solche des Kornfeldes über, wobei die Gleichheit der Absicht, oft die örtliche Nähe und endlich die Ähnlichkeit der gefährdenden Handlungen stark befördernd wirkten. In Mitteldeutschland, besonders im Stromgebiet der Elbe, sitzt der Nickelmann im Wasser, aber auch als Nickelkerl oder Nickelbock im Kornfeld und steckt die Kinder in einen großen Sack. Im Hunsrück ist der Putzelmann in Teichen und im Fruchtfeld. Der Bumann und Butzemann (vgl. o.) hält sich in Dithmarschen auch in den Brunnen versteckt. Im Rheinland und in Hessen werden die Kinder vielerorts von Brunnen und Gewässern mit dem Wassermann oder Hakemann mit dem langen eisernen Haken verscheucht. Unter dem gleichen Namen ist er in Bayern als K. bekannt: der Hackemann liegt, der Hackenmann steckt im Korn. In der Schweiz ist es der Höggelima.

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Wie die Roggenmuhme als Erbsenweib auch diese Fruchtart schützt, so erscheinen männliche K., manchmal unter neuen Namen, im Erbsenfeld und Weinberg. In Bayern warnt man die Kinder vor dem Erbsenschlägel (vgl. die mecklenburgische Redensart: in't Kurn sitt dei will mann un smitt di mit sinen isen Knüppel). In der Schweiz lauert der Hänselima in den Reben, auch der Rebhansel, das Trubemändli, Trübelmändli, und wie Waldma, Wildma, wilde Ma aus dem Wald ins Kornfeld übersiedeln, so sitzt auch das Bergmändli im Weinberg. Die weibliche G e s t a l t unter den K. bildet, im ganzen gesehen, auf unserer Karte ein keilförmiges Gebiet, dessen Schwerpunkt im Osten liegt. Während sich unter den männlichen Dämonen mehrere Gruppen das Gleichgewicht hielten, gibt unter den weiblichen eine Hauptgestalt Namen, Aussehen und Tätigkeit fast für alle berichteten Redensarten her. Es ist die K o r n m u t t e r 9 ) , die im deutschen Osten öfter so heißt, sonst aber vorwiegend unter dem Namen Roggenm u h m e 10) vorkommt. Wie diese beiden Namen keinen Gestaltunterschied bedingen, so finden wir dieselben wesentlichen Merkmale auch beim Kornweib u ) , bei der Kornfrau 12 ) und bei der Roggenmutter. Einige scheinbar abweichende Namen gehen bei näherem Zusehen auf Mundart und volksetymologische Erklärung zurück (s. u.). Die über das ganze Gebiet verbreitete Vorstellung von der Kornmutter oder Roggenmuhme ist die einer alten Frau, die. im Korn sitzt, steckt oder daraus hervorkommt. Sie packt die Kinder, fängt sie auf, entführt, verschleppt und verkauft sie. Manchmal hat sie auch einen großen Stock oder einen Sack wie der Kommann. Gleichmäßig bekannt, aber schon weniger häufig, ist die Vorstellung der t o d b r i n g e n d e n Alten. Sie frißt die Kinder, verschlingt sie sofort, greift, schlachtet und verzehrt sie. Wie der Blutjude saugt sie den Kindern das Blut aus (wohl eine Umkehrung aus der Mythe, daß sie selbst die Kinder mit schwarzer Milch, Teer oder Blut zu Tode säugt), sie

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Korndämonen

erwürgt sie wie der Zigeuner oder läßt sie verhungern. Einmal (in Barby bei Magdeburg) scheint dieser Zug auch märchenhaft ins Freundliche gewandelt zu sein: Geh ja nicht hinein, denn darin lauert die Kommutter, welche besonders die kleinen Kinder lieb hat und deshalb auch nicht wieder von sich läßt, sondern euch, da sie kein Brot für euch schaffen kann, verhungern läßt. Auch die seltene Deutung des Kornwindes als Kornmutter, die spazieren geht und Nahrung sucht, klingt hier an. Unter den konkreten, im allgemeinen nach Osten weisenden Vorstellungen der Kornmutter selbst ist die des Zitzenweibes (Tittenwief) mit langen, schwarzen oder eisernen Brüsten weitaus die allgemeinste. Sprichwörtlich ist sie in die Sage übergegangen als Frau Anna Marlene Ittchen mit ihren eisernen Tittchen 13 ). Das Kornweib und Roggenweib (Kornbaba, Rogiu boba) drückt die Kinder an den eisernen Brüsten tot oder läßt sie daran saugen (Ostpreußen, Mitteldeutschland) : Nehmt jo in Acht, wenn de Kornmöhme jo krigt, denn packt se jo mit ern isernen Arm und drückt jo an er isemen Brüste in Grus und Moos. Ursprünglich waren wohl nur die Saugwarzen eisern gedacht (Memelland), denn die eisernen Brüste vermögen zu säugen und sind beweglich. Wenn die Kinder die eisernen Zitzen nicht nehmen wollen, schlägt sie sie ihnen um die Ohren (Memelland). Wie das Drücken ist auch das Trinken tödlich. In Ostpreußen und an der mittleren Elbe wechselt diese Auffassung häufig mit der von schwarzen, gleichfalls todbringenden Brüsten. Die Roggenmöhn fängt die Kinder und legt sie an die schwarze Zitze, so daß sie an der Milch, die giftig ist, sterben müssen. Auch die Milch selbst ist zuweilen schwarz, und in Ostpreußen heißt es: die schwarze Roggenmöhn sitzt drin, die gibt die schwarze Titten, da müßt ihr sterben. In Ostpreußen wird Blut als der Inhalt der schwarzen Brüste bezeichnet: die Kornmutter sitzt im Saatfeld und drückt die Kinder an ihre eisernen Brüste. Wollen sie nicht saugen, so werden sie

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von der Kornmutter getötet, saugen sie dagegen, so kommt Blut aus den Brüsten und die Kinder müssen ebenfalls sterben. An verbreitete Hexensagen erinnert auch das andere Motiv, daß die Kinder solange saugen müssen, bis zuletzt Blut kommt, das sie tötet. Ein Bericht aus Tilsit, es sei die Rogiu boba eine strengschauende Frau, habe eiserne Brüste mit Teer gefüllt und eine Rute in der rechten Hand, gibt die Verbindung zwischen den schwarzen Brüsten und der Teerstulle, die die Roggenmuhme den Kindern schmiert und zu essen gibt (Mitteldeutschland). Wer diese schwarze Teerstulle aufißt, muß sterben, wer die Brotschnitte nicht annimmt, dem wird der Kopf abgeschlagen. Beide Vorstellungen werden verbunden: de Roggenmäuh sitt do. De gifft ju'n Teerstull und druckt ju an ehr isern Bost un sett ju up'n Dornrauh. Aus diesem Motiv hat sich im gleichen Gebiet die Redensart entwickelt, daß die Kornmutter den kleinen Kindern die Augen mit Teer einschmiere. Sie klebt ihnen die Augen zu oder hat eine Teerbuddel, aus der sie die Kinder ganz und gar mit Teer beschmiert. — Die Blendung kommt auch als selbständiger Zug vor (nördl. Posen): die Roggenmutter sitzt im Kornfeld und pustet den Kindern die Augen aus. Dasselbe ist wohl mit dem bösen Hauch der Konimutter gemeint, der an den Anhauch der Gestalten der Dorfsage erinnert; der Mensch, der davon getroffen wird, schwillt und muß sterben. In Ost- und Westpreußen und in Mitteldeutschland schreckt man die Kinder mit dem großen Faß, in dem die Kornmutter sie zerstampft. Wie die Brüste sind auch Faß und Mörser aus Eisen. Meistens ist ein Butterfaß genannt, darin die Kinder gebuttert, zu Brei zerstampft oder auch nur eingesperrt werden. In Ostpreußen hetzt die Kornmutter ungezogene Kinder in die Salztonne. Die Roggenmuhme mit dem Butterfaß hat große Ohren, nimmt auch die Kinder in die Erde mit, um sie dort mit einem scharfen Eisen zu zerstampfen (Mitteldeutschland).

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In verschiedenen Gegenden wird die Gestalt des Kornweibes mit Feuer und Glut in Verbindung gebracht. Seine Brüste sind glühend (Mitteldeutschland), glühendes Eisen (Ostpreußen), tragen glühende Eisenspitzen M ), an brennenden Brüsten müssen die Kinder saugen (Niederösterreich). In der Steiermark tötet das Komweibel die Kinder mit ihren brennenden Fingern und Brüsten, brät und ißt sie. Aus dem Fichtelgebirge wird ein Sprüchlein berichtet, das das Motiv der Blendung mit zu enthalten scheint:

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mal bezeugt: die Roggenmuhme färbt die Haare grün, flicht grüne Kränze in die Haare, bindet die Kinder an (Mitteldeutschland); sie kann verschiedene Gestalt annehmen, sich in Tiere, z. B. in eine Schildkröte, verwandeln (Westpfeußen). Sehr altertümlich und nur im Grenzgebiet gegen Litauen berichtet ist die Begleitung von Pferd oder Hund. Man sagt: dort reitet die Kornmutter auf einem Pferde herum und drückt alle kleinen Kinder an ihr eisernes Herz. Zur Metapher verblaßt ist das Pferd in der O bleibe von dem Felde fern Redeweise: das alte Weib greift die Kinder Es sitzt die alte Baba drin. und läuft mit ihnen um die Wette und Die hütet das Getreide gern. ruht nicht eher, als bis die Kinder tot Läßt ungestraft nichts fürder ziehn. niederstürzen, denn das alte Weib läuft Sie hat ein feurigs Augenlicht. so schnell wie das schnellste Pferd. Wo Kind hüte dich und frevle nicht. die Hunde erscheinen, vermischt sich die Der eiserne Stämpfel der Kommutter Gestalt der Kornalten selbst mit der hat neben sich noch mehrere ähnliche eines Wolfes: babajedza sitzt in Gestalt Werkzeuge aus Eisen, die stechen, zwängen, zwicken. In Mitteldeutschland eines Wolfes im Korn. Sie wird von stechen die eisernen Zitzen selber wie kleinen Hündchen begleitet, welche die Hechel. In Ostpreußen soll die Alte die Kinder aufsuchen und so lange festKinder durch Umschlingen mit einem halten, bis die babajedza selbst hinzuBettuch gefangen, an ihre kalten, spitzigen kommt und sie an ihre eisernen Brüste eisernen Brüste gedrückt und dann mit drückt. Mit eisernen oder schwarzen tödeiner eisernen Geißel gehörig durchge- lichen Brüsten erscheint in Mitteldeutschprügelt entlassen haben. Das Kornweib land auch die Arfkenmöhm, das ErbsenSie scheucht die Kinder, holt kneift mit der eisernen Zange (Mittel- weib. deutschland). Gegen Litauen zu hat aber auch selbst die Früchte. Man kann die Roggenmuhme eiserne Schuhe, welche sie nicht sehen, aber man hört sie in den sie den gefangenen Kindern anzieht, oder Ranken rascheln. Auf den Bedeutungswechsel des K o r n einen Kantschuh. Sie legt Fußangeln 18 ins Feld. Es heißt dann: es liegt eine engels ) haben wir schon beim KornAuch die kinderFußangel drin (Untere Elbe, nördl. mann hingewiesen. Posen), Nägel sind darin (Nordböhmen). raubende Kommahme heißt in vielen In Hannover sitzt das Raalweib (Ralen = Gegenden Komengel"). In Gr. BadeKornblumen) im Kornfeld mit einer Pike gast und Gr. Kühnau warnt man auch vor dem Kopf und einer in jeder Hand. junge Frauen, allein durchs Kom zu gehen: Auch mit den Halmen sticht sie die Du, laß dich nicht vom Kornengel Kinder (Mitteldeutschland). In der Mark kriegen 18 ), was wieder auf einen männBrandenburg werden die Kinder vor lichen Charakter dieser Gestalt schließen den Stichen der Roggenmuhme gewarnt, ließe. In Thüringen und Sachsen holt und in Schlesien schlägt ihnen die Korn- er die Kinder 19 ). Zuweilen hört man: der schaufel Zwecken in den Popo. Im Ge- Kornengel straft dich 20). In Quellendorf biet von Posen zieht eine Frau mit sehr tritt er in Gegensatz zur Kornmuhme, inlangem Arm die Kinder ins Korn. Bei den dem sein Umgang Fruchtbarkeit, das ErWenden kommt Serpownica, ta ten serp scheinen jener aber Teuerung bedeutet 21 ). (die hat die Sichel); auch Sichelfrau 15 ) Der weibliche M i t t a g s g e i s t teilt manheißt sie. che Züge mit der Kornmutter. In SteierFolgende beiden Züge sind nur je ein- mark läßt er sich im Korn- und Weizen-

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feld sehen, fruchtbringend oder, wenn er dem Besitzer zürnt, Schaden stiftend. Wer im Rheinland zwischen 12 und 1 Uhr auf dem Felde ist, den bringt die Kornmutter um. Im badischen Klettgau bringt die Kornmutter der Mittagsstunde Wechselbälge 22). In der Gegend von Frankfurt am Main wird dem reifenden Korn die Kornmutter, dem reifenden Obst aber die Untermutter zugesellt. Sie geht im Untern (daraus auch Enungermutter gebildet), d. h. von 11 bis 1 Uhr mittags. Wer am Niederrhein zu dieser Zeit auf dem Feld arbeitet, den kriegt die Enongermur oder Einuhrsmutter. Sie schreckt durch sonderbare Redensarten, ohne sich sehen zu lassen. Sie führt in die Irre. Da sie mit der zweiten Frühstückspause identifiziert wird, heißt es am Rhein von der letzten Garbe: da tut der Bauer den Enonger ein; er hat ihn in den letzten Schobben gebunden. Häufiger findet sich diese Gestalt in den slavischen Grenzgebieten. In Böhmen faßt polednice die Kinder und schlägt ihnen Nägel in die Fersen. Findet sie die Sechswöchnerin von 12 bis 1 Uhr mittags und von 6 bis 8 Uhr abends im Bett, so verrichtet sie für jene die Feldarbeit, wenn nicht, gibt es ein Unglück. In Troppau ist sie eine gefürchtete Hexe, die in der Mittagsstunde schläft, zugleich aber außer dieser Zeit keine Macht hat. In der Bautzener Gegend erscheint sie unter dem Namen pripolnica den Hirten auf dem Felde, die ihr stundenlang von ein und derselben Sache (gewöhnlich vom Flachs) erzählen müssen, wenn sie nicht erwürgt sein wollen. Sie holt um Mitternacht uneheliche Kinder, verzaubert vor Sonnenaufgang die Wiesen und nimmt Kühen die Milch. Sie trägt eine Sichel 23 ). In Kärnten und Krain klauben die Vilen herumliegende Sicheln auf und mähen zur Mittagsstunde weiter 24 ). Diese Gestalt ist bei den Slowenen, Tschechen, Wenden, Ostfinnen und Russen bekannt25). Neben Kornmutter, Kornengel und Mittagsgeist erscheint in einiger Häufigkeit nur noch die H e x e als weiblicher Kinderschreck. Auch sie ist wohl oft mit Kornweib und Baba gleichzusetzen. Man

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denkt sich im Memelland unter der Babajedza ein altes scheußliches Weib in Lumpen, ein Korngespenst. In Österreich zeigt sie Attribute des Kornweibes: eine alte Hexe sitzt im Korn, nackt, schwarz, mit glühend roten eisernen Fingern, mit denen sie den Kindern die Augen aussticht und sie spickt, bis sie gebraten sind. In Schlesien sagt man nicht selten: Die Hexe sitzt dort, sie wird dich nehmen. Auch bezeichnet man da das Rauschen des Getreides als Lispeln der Hexen. Man spricht von der alten Hexe und zugleich von der Alten, die im Korn sitzt (Schlesien). Die folgenden Namen der weiblichen Gestalt sind vereinzelt und weisen zum Teil in andere Mythenkreise hinüber. Durch die eisernen Zitzen mit der Kornmutter identisch ist die mitteldeutsche Muggel, die sonst mundartlich als Name der Kuh im Ernteschlußbrauch erscheint. Auch die Kornmaid, die Getreidemagd, die alte Magd sitzt im Korn und verschleppt Kinder (Schlesien). Eine Frau ohne Kopf, die Alte mit dem Tragkorb, die Stiefmutter, ein Wesen ist im Korn, das die Kinder packt und frißt. Im Osnabrückischen schreckt man mit der Tremsemutter 28). In Hannover sitzt Frau Wode im Korn und nimmt Ungehorsame fort. An Frau Holle denkt man, wenn in der Altmark die Roggenmöhr um Dreikönig allerhand Possen spielt, wenn sie den Rocken nicht abgesponnen haben 27 ). Im östlichen Bayern sieht man die Oidrau im Getreide und Fraupert ist der allgemeine Kinderwauwau. Eine ähnliche Rolle spielen in der Schweiz das Haselfräuli und am Rhein die Weiser Juffer und die Vutica (?), welche letzteren lokaler Tradition entsprungen zu sein scheinen. Wie der Kornmann verwandelt sich auch die Kornmutter gelegentlich in einen Wasserdämon. In Mecklenburg sitzt die Möm im Sod und zieht die Kinder hinein. An der mittleren Elbe beißt die Robbemuhme die kleinen Kinder, drat se denn noa de Elbe und schmit se doarin. Sie macht sie auch tot und steckt sie ins Bulderlock (Mitteldeutschland). Mit der

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Brunnenmutter schreckt man in Siebenbürgen. Schließlich sei noch auf zwei volksetymologische Umdeutungen hingewiesen. Die stechende Roggenbiene hat die Eigenschaft von der Kornmutter, den Namen von der Roggenmühne und Roggenmiene, •welche Formen in der Nähe bezeugt sind (Brandenburg). Der Roggenmörder bei Magdeburg leitet sich aus der Roggenmöder her. Von der Wesermündung stammt ein Bericht, in dem ein anderer Gedankengang zum selben Ziel führt: (man sagt) de Roogemöder (sie !) sit in Rogge, de kriggt di. Später sucht man den Kindern die Furcht vor dem Roggenmöder dadurch zu nehmen, daß man die Mühle als denselben darstellt. Sie stehe im Roggen und mördere denselben. Unter den tiergestaltigen kinderschreckenden Komdämonen hat der Wolf 2 8 ) fast dieselbe überwiegende Geltung wie die Roggenmuhme unter den weiblichen. Er ist zu gleicher Zeit das Tier, das mit der weiblichen Gestalt die meisten Eigenschaften und Äußerungen gemeinsam hat. Züge der Roggenmuhme gehen wörtlich auf den Wolf über, wenn es in der Gegend von Wittenberg an der Elbe heißt: da sitt de Wulff un geft di'n Theerstull oder pedst Angeln in Foot. Im Vergleich zur Karte der Winddämonen ist hier das geographische Verbreitungsgebiet des Wolfes nach Norden gerückt. Jedenfalls gehört die Ostseeküste mit dem Hinterland ihm fast allein. Die hauptsächlichen Erscheinungsweisen sind über alle Gegenden des Vorkommens gleichmäßig verbreitet. Der Wolf ist, sitzt, steckt, liegt, geht im Korn. Er kriegt die Kinder, nimmt sie mit, beißt, zerreißt und frißt sie auf. Selten wird er als ein böser (Sachsen) oder großer (Gegend von Danzig) Wolf bezeichnet. Im Rheinland heißt er durchwegs Kornwolf. Der Werwolf, der die Kinder frißt oder totbeißt, ist in Westpreußen und an der unteren Oder da und dort bezeugt. In Pommern sitzt der Grauelwolf im Korn. Im Weichseldelta sagt man: da steht der Gelbzahn; ähnlich im Memelland: der Speilzahn, der Splitterkopf sitzt im Korn.

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In Pommern hat man die Vorstellung, daß der Wolf sein Hegen im Kom habe, und die Redensart: vor de Aust kümmt man de Wulf heil ut de Rogge rut. In der Nähe des Kornfeldes darf man den Namen Roggenwolf nicht aussprechen. In starkem Gegensatz zu den Winddämonen erscheinen in diesem Zusammenhang nur ausnahmsweise mehrere Wölfe: Getreidewölfe (Memelland), Wölfe sitzen im Kom (Hessen). In der Gegend von Frankfurt an der Oder kennt man zu den Worten, der Wolf sitzt im Korn den alten Zusatz: „wenn er euch frißt, müssen eure Seelen von Baum zu Baum flattern, bis das Getreide eingefahren ist". Bär, Fuchs, Hund, Bock, Schwein, Bull, Kater sind weit seltener als der Wolf, aber unter sich in ziemlich gleichmäßiger Zahl als Kinder schreckende Tiere genannt. In Pommern, in der Gegend von Magdeburg und in Bayern sagt man: der Bär 29 ), der Brummbär ist, sitzt, geht im, kommt aus dem Korn und beißt, frißt, zerreißt die Kinder. In Pommern beißt sie auch der Brunnenluchs. — Der beißende, kinderraubende Fuchs, die Füchse kennt man in Mecklenburg und Westfalen. Im Memelland erinnert seine Erscheinung an die Roggenmuhme, die die Augen auspustet: gehet nicht ins Kom, ihr wißt, in demselben ist der Fuchs; der fährt euch mit dem Schwanz über die Augen, dann nimmt er euch zum Spielzeug für seine Kinder mit. In Hessen erzählt man von wilden Füchsen, in Mecklenburg vom wilden Fuchs, der — ähnlich dem slavischen Fußnager — den Kindern die Beine abfrißt. In Mittel- und Westdeutschland sitzt, liegt der Hund im Kom, der tolle Hund kommt aus dem Kom. In Hannover sollen sich die Kinder vor den Kiddelhunden hüten, die sie sonst zu Tode kitzeln. In Bayern steckt der Heupudel im Kom. Wie der Wolf ist der ihm verwandte Hund groß (Schleswig) oder böse (Rheinland). Im mittleren und nordöstlichen Deutschland schreckt man die Kinder mit dem Kom-, Roggen-, Erbsen- oder Bohnenbock, der sie stößt, frißt oder tot macht.

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Auch das wilde Schwein, die wilde Sau 30 ), die eiserne Range, der wilde Eber erscheinen nur selten (Pommern, Mitteldeutschland). Im Rheinland an der Lippemündung nimmt die Sau Züge des Kornweibes an: im Kornfeld liegt eine eiserne Sau, woran die Kinder saugen müssen. Der Bull liegt im Korn, sagt man in Ostpreußen, wenn sehr starkes Korn ist. In Mecklenburg spricht man vom Bullback oder Bullkater. In Thüringen gehen der Kornkater oder die Kornkatze im Kom und holen die Kinder. Gegen Bayern zu wird die Holzkatze genannt. J e einmal sind folgende Tiere bezeugt: der Unk ist im Korn (Thüringen; auch die Kornmutter wird mitunter als Schlange gedacht!); die Drache springet im Korn ume (Schweiz); du kriegst Läus oder der Wolf packt dich (Nordbayem); der Hase sitzt im Korn (Schlesien). Hase und Hahn, die wir im Brauch des Ernteschlusses die größte Bedeutung gewinnen sehen, sind auf dieser Karte nicht vertreten. Wie aus der Wahrnehmung der Windbewegung im Korn, sehen wir hier aus einer bestimmten Absicht (Erregung von Furcht) ein Prinzip der Gestaltenauswahl sich herleiten.

') T e t z n e r Slaven 513. •) B e c h s t e i n Thüringen 2, 200; H e r t z Elsaß 76. 2 1 3 ; H o c k e r Volksgl. 271; H o i f m a n n - K r a y e r 70; K u h n und S c h w a r t z 429; L a i s t n e r Nebelsagen 282; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 106. 1 1 0 ; S e n n Charakterbilder 104; S t ö b e r Elsaß 1, 79; W e i n h o l d Frauen 1, 48; W u n d t Mythus u. Religion 1, 5 8 1 . 1 0 ) E n g e l i e n u. L a h n 247; Drechsler Schlesien 2, 60; Maack Lübeck 37; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 363; R o c h h o l z Sagen J > 375; T e m m e Altmark 82. 80; W i t z s c h e l Thüringen 1, 208; Grimm Sagen 82; Grohu m a n n Aberglaube 15. ) S c h a m b a c h u. Müller 76. 349; Grimm Sagen 82. 1S ) Meyer Germ. Myth. 221; R o c h h o l z Glaube 1, 68. 1S ) K u h n u. S c h w a r t z 429. " ) W u t t k e 48. " ) S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 66. 148. " ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 398. " ) R o c h h o l z Sagen 1, 345; Grimm Myth. 3, 138. " ) ZfVk. 7, 150; S a r t o r i 2, 72. l ») S i n g e i Schweiz. Märchen 1, 15 f. 20 ) Maack Lübeck 37. ")ZfVk. 7,150. 2a ) W u t t k e 48. a 3 ) G r i m m Myth. 3, 138. " ) K r a u ß Relig. Brauch 81. " ) Zelenin Russ. Volksk. 391. " ) Grimm Myth. 1, 394. " ) T e m m e Altmark 80. 82. ,a ) Maack Lübeck 37 f.; W u t t k e 422; S a r t o r i 2, 72; H a a s Usedom 10. *•) ZfVk. 3, 393. Meier Schwaben 1, 149.

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5. K . im E r n t e s c h l u ß b r a u c h . Die folgenden Karten und Ausführungen stützen sich in der Hauptsache auf die Ergebnisse der Frage 8 in Mannhardts „Bitte", die allein 38 Zeilen umfaßt und den Kern des ganzen Fragebogens ausmacht. Zugleich bringt uns hier der Probefragebogen des ADV zahlreiche durch ihre zeitliche Nähe (1929) zum Vergleichszweck sehr erwünschte Beiträge. Wir wählen (etwa statt „Letzte Garbe") den Ausdruck Ernteschlußbrauch, um einerseits Mähen, Binden, Aufstellen, Laden, Einfahren und Erntemahl zu einer Brauchstufe zusammenzufassen und andererseits den Drescherbrauch davon getrennt zu halten. Der Fruchtbarkeitsmythus erreicht in den Erscheinungen und Handlungen der Ernte seinen Höhepunkt und schafft einen solchen Reichtum der Gestalten und Namen, daß sich auch für die Kartenskizzen eine Trennung nach den Gruppen: Mann, Weib, Kind, Tier empfahl. Weitere, zum Teil impersönlich gewordene Riten fassen die Kapitel Garbenpuppen, Garbenopfer zusammen. a) Die männliche Gestalt, die unter den Dämonen des blühenden, reifenden Korns — als Wind und Kinderschreck — eine verhältnismäßig geringe Rolle spielte, gewinnt im Ernteschlußbrauch so stark an Häufigkeit und geographischer Ausdehnung, daß sie in ganz Deutschland gefunden wird, besonders aber (unter dem Namen der Alte) als breiter Streifen das Gebiet vom Nordosten nach dem Südwesten durchzieht. Als stary oder stary dziad (Großvater) setzt sie sich in den slavischen Grenzgebieten fort. Der Schnitter der letzten Halme, weit häufiger aber die Binderin der letzten Garbe haben den Alten 31 ). In Gebieten, wo man auch die Alte kennt (Unterlauf der Weichsel), wird diese in Ausdeutung des Fruchtbarkeitszaubers dem Binder, der Binderin aber der Alte zugerufen. Unter Spott und Gelächter ruft man, du hast den Alten, meistens mit dem Zusatz: und sollst ihn auch behalten. Das kann auf den Namen gezielt sein, den der Betroffene bis zum Ernteschmaus,

Korndämonen

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bis Weihnachten oder bis zur nächsten Ernte als Vertreter des Korngeistes tragen muß; möglicherweise ist damit aber auch die Gabe der letzten großen Garbe gemeint, die oft dem Schnitter, der Binderin oder anderen Personen gleichfalls in ihrer

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oder wurde von der Binderin im Tanz geschwungen. In Mecklenburg hieß der Wasserkübel (Regenzauber), aus dem die Schnitter zwischen Nesseln nach Beeren fischten, Austvater oder Buntvater.

. A N D E R E MÄNNLICHE GESTALTEN

6EZ

Karte 4.

R- B E I T L

Korndämonen im E r n t e s c h l u ß b T a u c h :

Eigenschaft als Verkörperung des Vegetationsgeistes zukommt. Aus solchen Unterschieden der Auffassung erklärt es sich, daß der Alte meist gemieden, oft aber auch begehrt wird. Wie der Name, haftet die Sache am Betroffenen. Wer den Alten kriegt, muß den Alten (d. h. die Puppe) machen (Pommern) oder muß ihn anbringen und dem Inspektor überreichen (Mecklenburg). Früher wurde der Alte dem Gutsherrn oder dem Besitzer feierlich mit Lied und Spruch überbracht, doch ist diese volle Form des Brauches schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts selten geworden. Der Name des Alten geht auch auf das Erntefest über. Es heißt das Fest des Alten oder Ollenköste (Brandenburg), man verzehrt den Alten (Pommern). Früher saß die Strohpuppe mit zu Tische

M ä n n l i c h e Gestalten.

Gelegentlich wird der Alte mit Tiergestalten gleichgesetzt und dann auch als entfliehend gedacht: Aufgepaßt, gleich kommt der Alte oder darin sitzt der Alte, der Hase, gleich muß er heraus (Westfalen). In den Randgebieten des Vorkommens finden sich manche Namensveränderungen des Alten. Am Niederrhein heißt die letzte Garbe der alte krumme oder der alte graue (auch der arme oder graue) Mann. Ein Altmann ist wohl auch der schlesische Ult- oder Ultimann, wie die letzte Garbe beim Aufladen oder die letzte jedes Wagens (jeder Getreideart) beim Abladen heißt. In der Nachbarschaft dieses Namens kennt man auch den alten Mann. Wer die letzte Garbe bindet, heiratet einen alten Mann oder einen Witwer (Schleswig, mittlere Elbe, Hessen, Bayern).

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Korndämonen

Im Verhältnis zum Alten kommt den folgenden Namen männlicher Gestalten mehr untergeordnete Bedeutimg zu. Die Bezeichnung Mann kennt man in verschiedenen Gegenden, doch meist in unmittelbarere Beziehung auf die Strohpuppe 32). Aus den letzten sieben Garben wird eine Puppe verfertigt, welche den Namen Roggen-, Weizen-, Gersten-, oder Habermann erhält und auch einen Mann darstellt (Rheinland). Der letzte Binder wurde mit Hafer umwunden, als Hafermann ausgerufen und umtanzt (Provinz Sachsen). In Niederösterreich wird die letzte Garbe, das Feldmandl, mit Kornblumen geschmückt, auf dem letzten Fuder heimgeführt und auf einen besonderen Platz in der Scheune hingestellt 3S). In Hessen steckt man einen Stock in die Erde, bindet oben einen kleineren quer und verziert das Ganze mit Frucht und Feldblumen. Dann umtanzen die Schnitter diese Gestalt, das Männchen oder die liebe Frau, mit ausgelassenen Tänzen. Man stellte das Männchen auch auf den letzten Hücken und beim Einfahren auf den letzten Wagen. Diese Garbe wurde mit sieben (vgl. oben die sieben Garben) Bändern gebunden (ADV Meinerzhagen in Westfalen). Andere Namen der letzten Garbe sind: Ährenmännlein34), Gaugermanderl (Münchendorf in Niederösterreich), Strudelmandel (Oberösterreich), Hänselmännchen (ADV Rotensee in Hessen). Das Hänselmännchen hat die Form des Harkelmais oder einer Kornscheune: 10 bis 15 Halme blieben stehen, in deren Mitte ein Stock oder Reis gestellt wurde. Um diesen Stock werden Halme, durch Weide zusammengehalten, und Feldblumen geflochten. Schnaps wird eingeschenkt, Mäher und Binderinnen umtanzen die Garbe mit Singen und Jauchzen. Ganz ähnlich wird bei Eisenach der Waldmann und Wichtelmann, unweit davon der Sämann gefeiert. Die aus der letzten Mandel geformte Gestalt nennen in Böhmen die Deutschen Schnittermann, die Tschechen froher Mann. Bettelmann heißt die letzte Garbe in einer Gegend, wo das Ährenlesen durch die Armen noch

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allgemein üblich ist (Kreis Liegnitz, Schlesien). Außer dem Kornalten oder dem Kornmann sind männliche Namen der letzten Garbe nur in lokal begrenzten Traditionen zu finden. Waul (Wodan) ist in Hannover noch vereinzelt bezeugt. Mit dieser Gestalt vermischt sich der Waudl 3S ) oder Oswald in der Passauer Gegend. Die letzten Halme umbindet man mit Gras und Blumen. Um diesen Oswald wird getanzt, gesprungen und zuletzt sitzend gebetet (Bayrischer Wald). — Um den Haferkönig, eine Garbe von doppelter Größe, lagern sich die Schnitter zu Essen und Trinken (bei Nordhausen, Provinz Sachsen). Das Letzte der Ernte heißt Bauthahn oder König (ADV Rheinland), der König wird hoch auf die letzte Hocke gesetzt (ADV Westfalen). Der Komkönig (Asch in Böhmen) wird zweimal gebunden, mit roten Bändern geschmückt und von Weibern lachend auf einen Berg getragen, wo er bis zum Sonnenuntergang bleibt. — Den Bräutigam hat, wessen Schwad nicht mehr ganz zu Ende reicht (Mecklenburg), in Sachsen kennt man den Haferbräutigam, der mit der Haferbraut beim Erntefest tanzt«). Am Niederrhein trägt die Garbenpuppe den Namen Kerl 37 ), beim Flachsbrechen in Hannover wird das letzte Bündel als Scheefkerl dem faulen Nachbar geschickt. Die Bedeutung eines zwerghaften Kerlchens hat häufig der Butsel, Putz, mit dem man in der Lausitz die letzte Garbe und überhaupt das Letzte einer Arbeit bezeichnet, und der Popel, Weizen-, Gersten-, Korn-, Schoten-, Scheunpopel, der in Schlesien und bei den Slaven 38) bekannt ist. In Bayern hat die letzte Binderin den Tennwendel und muß mit ihm die Kirmes tanzen. Der Schnitter der letzten Halme gerät in die Gewalt des Korngeistes, ist unterlegen, so daß er der Faule (Westfalen), fauler Michel (Westpreußen), der Dumme (ADV Knobelsdorf, Sachsen) heißt. Bei Pilsen heißt die Garbe der Schnitternarr. b) Im Ernteschlußbrauch tritt die weibliche Gestalt von ihrer Bedeutimg

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Korndämonen

als Kinderschreck im reifenden Kornfeld stark zurück. Einigermaßen zusammenhängende Gebiete bildet außer der Hure nur die Alte; an der unteren Weichsel steht neben ihr die Baba, gegen Litauen zu wird die deutsche Form ganz

Ostpreußen band man sechs Garben zusammen, hing neun kleinere daran und nannte das Ganze die Alte mit den neun Jungen (ADV). Der Name geht auch auf die Binderin (ADV Ostpreußen), auf das letzte Fuder (ADV Weichsel-

. DIE ALTE ' ANOERE WEIBLICHE 6ESTAITEN

SEZ- R- BEITL

Karte 5. Korndämonen im ErnteschluGbrauch: W e i b l i c h e Gestalten.

durch die Rugiuboba (Roggenalte) abgelöst. Vereinzelt ist die Alte genannt in der ost-westlichen Zone, in der die Roggenmuhme das Hauptgebiet hatte. Das Kartenbild, das der Probefragebogen des ADV für sein Gebiet ergab, zeigt, daß die Vorstellung der Alten in den gleichen Gegenden erhalten geblieben, außerdem aber im südlichen Hessen, im nördlichen Rheinland und Westfalen, in Sachsen, Mecklenburg und vom Weichseldelta aufwärts nach Königsberg sich ausgedehnt oder neu angesiedelt hat. Das häufigste Merkmal der Alten (als Kompuppe) ist ihre besondere Dicke als Ausdruck der Gebärkraft. Am Neckar und in Franken heißt die letzte Garbe nur, wenn sie besonders groß ist, Alte, wenn sie kleiner ist, Bock. Die Olle wird dreimal so dick gebunden (ADV Westfalen). Sie wird tragend gedacht. In

delta) über oder wird getauscht: Man bindet sie recht groß und bauchig, stellt sie gesondert auf und gibt ihr den Namen der Binderin, während diese den Necknamen de Ollsch erhält (ADV Ostpreußen). In Schlesien bindet ein Schnitter die Weizenalte. Auch der letzte Kartoffelstock (ADV Rheinland), die letzte Hopfenstange (Mittelfranken) heißen die Alte. Manchmal erscheint die Garbe namenlos als die, nach der man die ganze Ernte lang' gesucht hat (österreichischSchlesien; ADV Rheinland), um die man die ganze Arbeit ja nur gemacht hat (ADV Westfalen), die man mit der Laterne suchen muß, ehe Schnaps zum Besten gegeben wird (Unterlahnkreis). Als Baba kennt man die Alte bei den Tschechen und an der unteren Weichsel (ADV gibt für Ostpreußen nur einen Beleg), als Bobas, Bambus oder Baubus

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Korndämonen

im Regierungsbezirk Gumbinnen. Die Baba wird aus 8, 10 oder 12 kleineren Garben zusammengesetzt, mit drei Seilen gebunden, von sechs Männern auf den Wagen gehoben (Gegend von Marienwerder). Der Name, geht auf den Schnitter über oder Schnitter und Rafferin bilden ein Bobaspaar, das verspottet wird, beim Erntemahl aber den größten Krapfen, die größten Kuchen und Kringel erhält. Die Fruchtbarkeitsbedeutung der weiblichen Gestalt tritt noch deutlicher hervor im Namen Mutter, ohne daß die äußere Gestalt von der der Alten abwiche. Die aus sieben Bunden gefügte 1. G. heißt Großmutter (ADV Ostpreußen, häufiger im St. Sachsen). Bei Magdeburg heißt sie alte Großmutter, im Regierungsbezirk Erfurt Große Mutter, in Westfalen (ADV) und Oldenburg39) Beßmoder, in der Schweiz Großmütterli. — Kornmutter nennt man die 1. G. in Südsteiermark, in der Pr. Sachsen, in Schleswig und Ostpreußen (M und ADV). Wenn die 1. G., die Kommutter, von den Schnittern mit Stockschlägen bedacht oder zerrissen wird (Hannover, Rheinland), kann die Tötung oder auch die Austreibung und Gefangennahme des Korngeistes vorschweben. Im Lande Hadeln (Hannover) rufen sich die Männer und Frauen dabei zu: Deen (oder Jung) wahr di, dat se di nich packt. In Westpreußen heißt die 1. G. Roggenmutter (M und ADV), wofür auch Baba gesagt wird. Baba ist auch das Erntefest. Bei Linz in Oberösterreich wird die Ährenmutter als zehnte Garbe auf die letzte Mandel gesetzt, in Schlesien (Kreis Grottkau) die Heimmutter ungewöhnlich groß oder klein gemacht. In Oldenburg formt man die Erntemutter besonders dick und hoch. Um sie lagert man sich singend und trinkend. Früher wurde sie unter Tanzen verbrannt 4Ü). Die 1. G. heißt auch allgemein Muttergarbe (Schlesien), Mutter-, Mühnenbund (Pr. Sachsen), Moerschob, Mutter (Rheinland, Hannover), Moorgarbe (ADV Niederrhein); wenn sie besonders dick ist, wird sie Moengarwe genannt (ADV Niederrhein). In gleicher Bedeutung wie Alte und Baba finden wir die Bezeichnung Weib

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(Schlesien, untere Weichsel; ADV Hannover), altes Weib (Ostpreußen, Schleswig, Rheinland), Gerstenweib (Schleswig). Bei Eisenach wird die arme Frau für die Bedürftigen auf dem Felde zurückgelassen. Dasselbe geschieht in Hessen, wo außerdem um die liebe Frau getanzt wird. In der Pr. Sachsen heißt die 1. G. die alte Frau, in Steiermark Kornfrau 41 ). Wie der Alte, der arme Mann, haben auch der König, der Bräutigam weibliche Entsprechungen. Die Schnitterin der letzten Halme ist die Erntekönigin (ADV Rheinland); die Ährenkönigin 12 ) kennt man in Steiermark 43). Wenn ein Mann die 1. G. bindet, heißt er Bräutigam, ist es ein Mädchen, heißt sie Braut, für die die Garbe, selbst ohne Namen, auch die schönsten Ähren zum Kopfschmuck hergibt (Gegend von Wiener Neustadt). In Schüttenhofen (Böhmen), wird die Brautgarbe vom Jüngsten gebunden. J e nach der Fruchtart heißt die Binderin Weizenbraut (M Österreichisch-Schlesien)**) oder Haferbraut 4S). Im Kreis Münsterberg (Schlesien) geht im Zug, der den Erntekranz überbringt, neben Narr, Erbsenbär, Großmutter auch eine als Haferbraut verkleidete Mannsperson. Auch einfach Garbenbraut heißt die Schnitterin (ADV Hannover). — Die Jungfrau (Westfalen; bei Eisenach), die Jungfer oder Komjungfer (bei Wolfenbüttel) 46) nähert sich in ihrer unbestimmten Stellung zwischen männlicher, weiblicher und kindlicher Gestalt dem Kornengel. Eine Jungfrau schneidet die letzten Halme (ADV Rheinland, St. Sachsen, Ostpreußen). Sie heißt Edeljungfrau (ADV St. Sachsen), die 1. G. Jungferngarbe (ADV Hannover). In Ostpreußen bildet die H u r e , alte Hure, als Garbenname ein Gebiet von bemerkenswerter Geschlossenheit. Wenn eine Binderin eine Garbe zu binden vergaß (vgl. u. Wiegenstroh), ist sie eine Hure. Wie die trächtige Alte baut man aus einer großen und neun kleinen Garben die alte Hure mit ihren neun Kindern. Wer das letzte Fuder hat, fährt die Hure. Im übrigen Deutschland ist diese Gestalt nur vereinzelt bekannt als Badhure,

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Korndämonen

wie die Heizerin der Flachsbrechelstube in Oberbayern heißt, ferner als Zuruf für vorbeigehende Fremde (bei Kiel), die auch sonst (in den Bindebräuchen) als Substitut des Korngeistes, bzw. des mit ihm in Verbindung gesetzten Erntearbeiters gelten. Die 1. G. heißt Hurengarbe (ADV Ostpreußen); so auch, v/enn sie als Einzelgarbe vor das Ende der Garbenreihe gestellt wird (ADV Hannover). — Wenn das letzte Korn abgemäht ist, nehmen in Westfalen 47) die Knechte ihre Kappen ab, werfen sie und rufen: Waul, Waul, Waul, die Lütken-Breimer Miäckens sin Haum. Eine ähnliche Sitte kennt man in Schaumburg-Lippe und in Bayern. Zuweilen erhält die 1. G. Personennamen. Die Jule (ADV Westpreußen), die Grät (ADV Hessen), die Liese (Reg.Bez. Frankfurt a. O.) wünscht sich niemand. Dem faulen Michel wird im Weichseldelta die faule Trine gegenübergestellt. In Schwarzwaldau (Österr.-Schlesien) heißt die 1. G. die Tote. Jeder Besitzer vergräbt die seine. Nach zwei Wochen wird gemeinsam nachgesehen. Diejenige Tote, die am meisten ausgekeimt hat und so den größten Erntesegen verspricht, wird allein völlig ausgegraben und ein Hahn in sie eingebunden, dessen stärkeres oder schwächeres Krähen abermals die Höhe des nächsten Jahresertrages voraussagt. Die Fragebogen des ADV geben mehrere Beispiele, in denen das Schneiden der letzten Halme einer weiblichen Person zufällt, ohne daß sie einen besonderen Namen erhält. So ist nicht immer zu entscheiden, ob sie als Vertreterin des Komweibes oder als Partnerin des Alten {vgl. o.) gedacht wird. Frauen schneiden die 1. Halme mit Sicheln (ADV Hessen), die Hausfrau (ADV Hessen), die Großmagd (ADV Westfalen), die älteste Binderin (ADV Westpreußen), Jungfrauen mit einem Messer (ADV Ostpreußen), das jüngste Mädchen des Bauern (ADV Hannover) schneiden den Rest. Eine Kleinmagd muß über die 1. Halme springen (ADV St. Sachsen). In West-

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falen (ADV) muß zuweilen von der Hausfrau eingefahren werden. Bei Glatz in Schlesien wird die erste Magd bekränzt über das abgemähte Feld geführt. Nicht selten wird die Fruchtbarkeitsbedeutung der Alten in die Zukunft verlegt. Der Schnitter, der die Alte hat, wird eine alte Frau (Pr. Sachsen, Westpreußen), eine Witwe (Schleswig, Brandenburg, Pr. Sachsen, Hessen) heiraten, der Mäher der ersten Gabe bekommt ein junges, der der letzten ein altes Weib (Kreis Bentheim). c) Eine Kinder-Gestalt erscheint unter den Korndämonen nur in Brauch und Spruch des unmittelbaren Ernteschlusses. In der Mehrzahl der Fälle ist sie wohl nicht identisch mit dem in der deutschen und englischen Sage bekannten Kornkind 4!() oder schweren Kind, das in Kornfeldern liegt, Glanz ausstrahlt, so schwer ist, daß viele Leute es nicht zu heben vermögen, das sich zuletzt in den Himmel schwingt, Fruchtbarkeit oder allgemeines Sterben verkündend. Manche Züge des Kornkindes in dieser Gestalt weisen auf den Kornengel, wie im östlichen Bayern auch die 1. G. Engel heißt. Überhaupt wird das Kind beim Ernteschluß verhältnismäßig selten als selbständige Gestalt gedacht. Wenn jemand in der Erntezeit erkrankt, besonders wenn Hände oder Füße leiden, sagt man: er hat das Erntekind (Holstein). Die Garben, die kein volles Schock mehr bilden, heißen, kreisförmig zusammengestellt, das Kind (bei Bremen), das letzte Flachsbündel nennt man Flachskind (Schaumburg-Lippe, Westfalen, Rheinland), die 1. G. Kind, Kindsgarbe (ADV Hannover), Kindelbiergarbe (ADV Mecklenburg), Nesthäkchen, Nächtgewäggl (ADV Hessen), Kerlken (ADV Westfalen). Während das im Ernteschlußbrauch nicht bekannte schwere Kind selbst Symbol der Segensfülle ist, beziehen sich die genannten Namen auf etwas Kleines, Restliches, Letztes. Das Nestscheißerl heißt die letzte Garbe, wenn sie besonders klein geraten ist, sonst Austbund (bei Wien). Die Vorstellung des Kindes ergänzt

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Korndämonen

sich durch die einer (meist unehelichen) Mutter und eines Geburtsvorgangs, der vor, während oder nach der Ernte sich abspielend gedacht wird. Die Ausdrücke Pepek, Pimpek, Pömpek, Pumpeck ( = Nabel), die nach unserer Karte im Gebiet

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lands sind die Bezeichnungen Kind, uneheliches Kind, Hurenkind, Horputtel, Haumpanzen (ADV), Haurnblage (ADV), — im Rheinland Hurenpüppchen, Hurenditzchen gebräuchlich; diese Bezeichnungen gelten in der Mehrzahl der Fälle

< PEPEK - WIESE / ENGEL SEZ R BEm. Karte 6. Korndämonen im Ernteschlußbrauch: K i n d e r g e s t a l t e n .

von Posen geschlossen vorkommen, leiten sich aus der Anschauung her, daß mit dem 1. Sichelstreich die Nabelschnur durchschnitten, das Kind von der Mutter getrennt wird. Beim Fertigen der 1. G. sagt man heute noch den Nabel zubinden oder der Binder bleibt, ist der Pimpeck, hat ihn (ADV Ostpreußen). Fast ausnahmslos ist dieses Kind ein Bankert oder Hurbalg, wie wir schon die Hure von ihren Jungen umgeben fanden. Banks oder Bankart heißt die 1. G. nordwestlich von Danzig. Beim Aufladen der 1. G. müssen sich Jünglinge und Jungfrauen schnell entfernen, sonst gibt es einen Bankart. Dieses kleine Gebiet und der nördliche Zipfel des Pimpek decken sich auffallend mit der Umgrenzung der Alten und Baba auf der früheren Karte. Im Nordosten Deutsch-

für die nicht voll gewordene 1. G. der Ernte oder auch jeder Feldecke. Beim Flachs heißt die 1. kleinste und zweimal gebundene G. Horenjunge. Kein Mädchen will sie ins Wasser legen (ADV Hessen). In das zuletzt ins Wasser gelegte Flachsbündchen steckt man ein Butterbrot oder eine kleine Puppe (Kreis Pyrmont). Es heißt Reppekind und wird mit Bändern verziert der Hausfrau übergeben oder neben der Haustüre aufgehängt (LippeDetmold). Wenn bei Lübeck beim Aufhocken der G. eine unpaarige übrig bleibt, so wird gespottet: dor hett ener bi lagen. Der Name ist Oarn- (Ernte-) oder Horn-(Huren-) Kind 49). Auch im Kreis Bentheim wird der Arbeiter, der Häufler, selbst als Vater des Bankerts, als Hurenjäger, bezeichnet, wenn er viele unvollständige an den

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Korndämonen

Ecken oder Enden des Feldes übrig läßt. Weit häufiger wird der weiblichen Arbeiterin die Vertretung des fruchtbaren Kornweibes zugesprochen, wobei meist die Blickwendung in die Zukunft vollzogen wird. Die Binderin muß das neugeborene Erntekind stillen. In anscheinend lokaler Überlieferung an der unteren Elbe hat sie den Küster, Köster, Kuter und muß ihn säugen. Küster mag eine scherzhafte Namensübertragung sein, da für den Küster manchmal die 1. G. auf dem Felde blieb. Küster heißt auch der Osterjunge (= Offerjunge), dem die Bauersfrau beim Erntefest den Tanz nicht abschlagen darf (ADV St. Sachsen). Im Nordosten Deutschlands sagt man zur Einträgerin, sie komme mit dem Hurkind, zur Binderin, sie bekomme den Jimgen, in Westfalen muß sie den dicken Jungen machen. Wenn eine Garbe zu viel oder zu wenig ist (M und ADV Ostpreußen), wem beim Flachsriffeln das in ein Bund versteckte Püppchen zufällt (Pr. Sachsen) oder wer überhaupt das Getreide nicht ordentlich ins Band kriegt (Pr. Sachsen), der bekommt ein uneheliches Kind, verliert die Jungfrauschaft (Westpreußen, Holstein). Wer eine Garbe ungebunden liegen ließ oder eine Schwad überschlug, hat ein Hurenkind liegen lassen (Mark Brandenburg). Um — nicht selten berichtete — schwere Kränkungen zu vermeiden, wurden diese Redensarten gemildert zum Ausdruck ehelicher Fruchtbarkeit oder überhaupt der Heirat im kommenden Jahr. Wer den Alten (die 1. G.) hat, wird ein Kind (ADV Ostpreußen), einen Knaben gebären (Pommern), die Hausfrau wird niederkommen (Kreis Leipzig). Der Binderin wird ein Wunsch bezüglich der leiblichen Fruchtbarkeit zugerufen (Pommern). Sie behält den Bräutigam ADV (Ostpreußen), wird bis zur nächsten Ernte Braut (Thüringen). Bei Unpaarigkeit der Garben gibt es eine Hochzeit (Pommern). Wer die 1. G. hat, muß bald wiegen (ADV Westfalen), hat die Wiege, das Wiegenstroh. Diese Redensart weist Bächtold-S täubli, Aberglaube V

unsere Karte für die Schweiz, Hannover und St. Sachsen nach. In den beiden letzten Ländern haben die Belege durch die Fragebogen des ADV eine ziemlich örtlich genaue Deckung erhalten. Oft kommt zum Ausdruck, daß die Frau zur Zeit der Erntearbeit schon schwanger gedacht wird: die Binderin hat Wiegenstroh liegen lassen für ein bald zu erwartendes Kind (ADV Westfalen), man schiebt die 1. G., das Wiegenstroh, gewöhnlich einer schwangeren Frau, einem schwangeren Mädchen zu, jener zur Ehre, diesem zum Hohn (ADV Hannover). Im St. Sachsen (ADV) ist auch die slavische Bezeichnung Boie, Bojenstroh gebräuchlich. Bei Lübeck ruft man beim Erntesfest oder wenn eine weibliche Person bei anderer Gelegenheit das Letzte des Getränkes bekommt: de Neeg, de Weeg, oder du kriegst över Johr wat Lütts B0). Seltener als beim Alten oder beim Komweib wird beim Kind ein Mensch Vertreter des Korngeistes. Doch wurde in Friesland (ADV) beim Einholen der 1. Rapsfrucht ein Kind mit ins Tuch gesetzt; ein Kind sprang über die 1. Halme (ADV Westfalen); das Letzte schneidet ein Kind (M Bayern, ADV Rheinland), der Jüngste (Schweiz); die 1. G. wird vom Jüngsten aufgestellt (ADV Hannover), dem Kleinjungen zum Heimtragen gegeben (ADV Ostfriesland). Bis 1880 wurde ein Kinderwettlauf um die 1. G. veranstaltet (ADV Rheinland). Die größte Wurst, die beim Schnitterfest verzehrt wird (und die besonders beim Drescherbrauch oft den Korngeist ersetzt) trägt das jüngste Kind an einem Heuseil in die Stube (Gegend von Meiningen). d) UnterdenTiergestaltenbeimErnteschluß ist die Verschiedenheit der Namen größer und durchgehender als bei den Gestalten des Mannes, Weibes oder Kindes. Im Verhältnis der Karte der kinderschreckenden Dämonen zu jener der Windbewegung schien der Wolf sich auf Norddeutschland zurückzuziehen. Diese Bewegung setzt sich hier in der dritten Brauchstufe noch entschiedener fort. Unter Ausschließung jeder anderen Ge10

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Komdämonen

stalt (auch Alter und Kornweib finden sich hier nicht) und in auffallender Annäherung der Grenzen beschränkt er sich auf Mecklenburg. Die allgemeinste Verbreitung weisen Hahn und Hase, also zwei ausgesprochene Tierdämonen der

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sind beim Schneiden und Binden der 1. Halme, daneben aber auch beim 1. Drischelschlag üblich. Die Betze (Hündin) wird nur im sächsischen Drescherbrauch genannt. Der Probefragebogen des ADV gibt

Karte 7. Korndämonen im ErnteschluGbrauch: T i e r g e s t a l t e n .

Fruchtbarkeit auf, die in den ersten beiden Brauchstufen überhaupt nicht erschienen. Der Hase ist außer dem Grenzbogen um die Tschechoslowakei fast überall berichtet, besonders vorherrschend jedoch am Niederrhein und in Ostpreußen. Der Hahn wird am häufigsten in Mittel- und Westdeutschland (besonders Lausitz und Westfalen) und in der Nordschweiz genannt. Ziemlich klar tritt auch die Verbreitung von Bock in den Landstrichen nördlich und südlich des Mains hervor. Kleinere Gebiete bilden in Württemberg und in der Schweiz Gans und Mockel (Kuh). Sau und Bär (Eber), die als Winddämonen die wichtigsten Gestalten waren, beschränken sich fast völlig auf Bayern und Schweiz. Die Redensarten: er hat den Esel, die Matz (Hündin), das Fetzchen (Fötzchen),denZagel (Schwanz),

für sein Gebiet folgendes Bild: die zu Mannhardts Zeit häufigste Gestalt, der Hase, ist selten geworden und gerade in einem seiner Hauptgebiete, Ostpreußen, ganz verschwunden. Der Wolf hat sich, bei gleichbleibender Beschränkimg auf Mecklenburg, noch weiter nördlich zurückgezogen. Im Westen beherrscht der Hahn, Ernte- und Stoppelhahn, das ganze Gebiet und zwar so, daß die Stellen der größten Belegdichte sich von denen der älteren Karte kaum unterscheiden. Es sei auch darauf hingewiesen, daß im Hessischen der Name Bock und im St. Sachsen die Bezeichnung Betze, Wachtel, Fetzchen auf beiden Karten sich ungefähr decken. Die Vorstellung des Fangens, Tötens oder Verzehrens des Vegetationsdämons ist unter den Tiergestalten beim H a h n

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Korndämonen

am lebendigsten geblieben. Er ist auch das einzige Tier, das selbst heute noch in körperlicher Form (aus Stroh, Holz Metall usw., vgl. u. Garbenpuppen) im Ernteschlußbrauch dargestellt wird. Neben dem allgemeinen Namen Hahn (bei den

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Namen auf das letzte Fuder oder das Erntefest über (vgl. u.). Vereinzelt bezeichnet man die 1. G. als Hahngarbe (Pr. Sachsen), Stoppelhahngarbe (ADV Westfalen). p Zahlreich sind die Redensarten, die

' WOLF \ HASE ® EBER c ZIEGE 2 BOCK ( PUDEL o HAHN • WACHTEL ? MAUS A FUCHSSCHWANZ S SCHWANZ F FETZCHEN * BATZE C KATER W WIESEL

QEZ- B A R S

Karte 8. Korndämonen im Ernteschlußbrauch: T i e r g e s t a l t e n . Nach den Probefragebogen des ADV

Wenden kokot) finden sich landschaftliche Abwandlungen: Stoppelhahn (M Sachsen, Hannover; ADV Westfalen), Bauhahn (Rheinland, Westfalen), Bauthahn (ADV Westfalen), Erntehahn (M Thüringen, Westfalen, Brandenburg; ADV Westfalen, Hannover, St. Sachsen), Schnitthahn (Bayern »), Österreich) " ) , Sensenhahn und Sichelhahn (St. Sachsen), Strohhahn (Westfalen), Krähhahne (Schweiz), Sommerhahn (ADV Hessen, Rheinland), Herbsthahn (ADV Westfalen), Bratenhahn (ADV Hannover), Güggel (Schweiz); selten nach der Fruchtart: Weizenhahn, Haferhahn, Roggenhahn B3), Bohnenhahn (Hannover). In Schmallenberg (Westfalen) löst jedes Jahr der neue Hahn den alten Hahn am Scheunenfirst ab. In manchen Gegenden gehen diese

sich auf das Herausjagen, Einfangen, Wegfliegen des Korntieres beziehen (M Sachsen, Hannover; ADV Westfalen, Rheinland). Im Spreewald heißt der Ernteschluß geradezu Hahnhasch, in Hessen Haansen, im Rheinland (ADV) Hähnen. Der Glaube an die wirkliche Gegenwart des Tieres ist lebendig in dem dreimaligen Krähen (vgl. 0. Krähhahne) dessen, der die 1. G. bindet und herbeibringt (Pr. Sachsen). Wenn es zum Rest geht, rufen die Leute Kikeriki (ADV Rheinland). Das 1. Roggenbüschel wird auf dem 1. Wagen unter dem jubelnden Geschrei: Kokot, Kokot! nach der Scheune gefahren (Kreis Kalau bei Frankfurt a. 0.). Im Kreis Guben wurde eine Person in die 1. G. gebunden, neben die Mandel gestellt, wo sie krähen mußte, bis sie einer befreite.

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Korndämonen

Ebenso häufig wird die Tötung des Tiefes ausgesprochen. Der Hahn wird erschlagen (Pr. Sachsen), totgemacht (Rheinland), ihm wird der Hals abgeschnitten (ADV Rheinland). Von den Bringern des Letzten wird ein lebender Hahn getötet (Soester Börde), ein Knecht darf einen Hahn totpeitschen (Schmallenberg in Westfalen). Der Bauer muß einen Hahn zum Köpfen hergeben und eine Hahnensuppe zubereiten (Ostfriesland). Aus diesen Brauchhandlungen haben sich Umformungen und Übertragungen mannigfacher Art entwickelt. In vielen Gegenden wurde der Hahn das Hauptfestgericht des Erntemahles und entwickelte sich zu einer traditionellen Leistimg des Besitzers, der Hausfrau, des Dorfschlächters. Der Korngeist wurde künstlich sichtbar gemacht, im Ährenbüschel nachgeformt (Rüdersdorf bei Berlin), für den jährlich wiederkehrenden Brauch in Holz oder Metall geschnitten, bemalt und verziert (M und ADV Westfalen), durch welche Verkörperung der mythische Brauch selber wieder ein zälieres Leben erhielt. In Echtershausen (ADV) wird ein Hahn aus Stoff vom Besitzer beim Mähen der 1. Halme „gefangen". Beim Getreidemähen blieb im 1. Feld als Rest ein kreisrundes Stück stehen. In die Mitte steckte man eine Stange, auf der ein aus Lumpen hergestellter Hahn befestigt war. Die Schnitter begannen nun von allen Seiten mit Sicheln auf den Hahn zuzumähen, jeder bestrebt, ihn als erster zu erreichen (ADV Röhl im Rheinland). Diese Brauchhandlung zeigt die immittelbare Vorstufe zum Hahnschlagen, Hahnköpfen, Topfschlagen S4), Spiele, die zu allen Festzeiten des Jahres als Gesellschaftsspiel, als Sport, Kinderspiel oder Narrenauftrag in Deutschland noch heute bekannt sind. Eine Karte über diese Frage Mannhardts wird gezeichnet werden, wenn der erste allgemeine Fragebogen des ADV, der diese Frage ebenfalls enthält, Vergleichsmöglichkeiten bietet. Selten werden Huhn und Henne neben Hahn genannt. Stoppelhuhn heißt im Rheinland (an der unteren Sieg) die 1. G.

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(ADV) und das Erntemahl (M und ADV) ; im St. Sachsen ist Stoppelhenne Name des Schnitters (ADV), im Frankenwald Stadelhenne, Schnitthenne der des Mahles. In Friesland ist dafür die Bezeichnimg Tüt (Gluckhenne) oder Tuit, in der Pr. Sachsen Glucke gebräuchlich. Der Hase wird im Emteschlußbrauch noch häufiger, aber in weit geringerer Mannigfaltigkeit des Namens und der Erscheinungsweisen als der Hahn genannt. In Holstein heißt er Maindje, bei Tilsit Zuikis, in der Schweiz das Häsli. Der besonderen Beweglichkeit des Tieres entsprechend hat sich die Vorstellung des Fangens am stärksten entwickelt. Über das ganze Gebiet des Vorkommens verbreitet sind die Ausdrücke: in der 1. Ecke (Hasenecke), unter der 1. G. sitzt der Hase; paßt auf, jetzt kommt er, läuft, springt er heraus, aus dem 1. Ährenbüschel; jagt den Hasen aus dem Korn, greift, fangt ihn. Trinkgeld oder Branntwein wird gefordert mit den Worten: unter der 1. G. sitzt der Hase. Er geht nicht weg ohne geschmiert. Die Mythe wird ausgedeutet: so schnell wie der Hase läuft, so geschwinde ist die schwere Arbeit vollbracht (Mecklenburg-Strelitz); da läuft der Hase mit der Arbeit hin (Pr. Sachsen). Wie die Puppe des Alten in das noch ungemähte Nachbarfeld gestellt wird, so sieht man den Hasen in das nächste Ackerstück laufen und geht ihn suchen (Niederrhein). Unter dem Ruf: Has, Has ! wirft man zugleich mit dem letzten Kartoffelstrauch auch das Konitier in das Nachbargut (Niederrhein). Zum Hasenfang, Hasengreifen wurden früher (Schleswig, Mecklenburg, Pr. Sachsen) und werden heute (ADV Hannover, Rheinland) Kinder aufgefordert. Die ursprünglichere Form des Fruchtbarkeitszaubers erblicken wir in folgenden Bräuchen : Frauenzimmer setzen sich hin und die Mäher rufen: „Paßt up, de Haas kümmt" (Kreis Bentheim). Im Kreis Eger schlug die Binderin über dem fingierten Tier die Schürze zusammen und lief, von cillen mit Lachen und Auf ¡-Rufen umringt, in die Feldmitte. Am Niederrhein ruft der

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Korndämonen

Schnitter der bindendenMagd zu: Schnapp den Hasen. In der gleichen Gegend werden die Mädchen aufgefordert, den Hasen in der Schürze zu fangen (ADV). Jede Schnitterin möchte ihn fangen (Hessen). In der Tilsiter Gegend wird ein wirklicher Hase selten gefunden; man hält den Brauch für ein Überbleibsel aus der Zeit, da man in der 1. G. die Roggenmuhme zu greifen glaubte (ADV). In Ostpreußen will man den Hasen greifen, um nicht den Alten zu bekommen, nicht altes Weib zu heißen. Die Tötung wird in engster lokaler Beschränkung in der Nordschweiz sechsmal erwähnt: der 1. Schnitter hat den Hasen erschlagen. Von den M-Fragebogen, die im Ernteschlußbrauch vom Wolf berichten, entfallen über 60 auf das Gebiet von Mecklenburg, nur sechs auf das übrige Deutschland. Mannhardt scheint, da er eine kartographische Austragung nie versuchte, dieses auffallende Verhältnis nicht bemerkt zu haben. Das Kartenbild, das der ADV aus den Probefragebogen ermöglicht, zeigt dasselbe Verhältnis in seiner Einseitigkeit noch verstärkt. Auf dieses Hauptgebiet beziehen sich die folgenden Angaben über den Wolf, soweit nichts anderes bemerkt ist. Der Wolf 55) sitzt in den 1. Halmen, in der 1. G. Man ruft dem Schnitter, der Binderin oder beiden zu, sie hätten den Wolf, er beiße sie, sie müßten ihn binden, aus dem Korn jagen. Zu einem Mädchen zu sagen: du hast'n Wulf, der Wolf beißt dich, gilt als Beschimpfung. Auch der Schnitter selbst heißt Austwolf (ADV), der neue Mäher heißt am ersten Tag Wolf (Pr. Posen); wenn die Hintermänner rasch mähen, jagen sie den Wolf (Pr. Posen). Im 1. Fuder fährt man den Wolf ein (Pommern). Wer den Wolf fährt, darf nicht langsam fahren, sondern muß stets Trapp jagen. Die Bezeichnung Roggenwolf kennt man in Mecklenburg (M) 86), Lübeck 67), in der Wendei68). Je nach der Fruchtart auch Gersten- oder Weizenwolf heißt die 1. G. in Mecklenburg (M)69); den Kornwolf kennt man in der Schweiz 60). Sau ist als Name der 1. G. in der Nord-

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schweiz und, neben Saubär, Bär (mundartlich für Eber), im südlichen Bayern verbreitet. Im St. Sachsen heißt der Eber auch Haksch (Mund ADV), Gerstenhaksch. Sonst findet sich Bär vereinzelt im Rheinland (ADV), Sau in Mitteldeutschland und in Ostpreußen, Basse in Schleswig. Um Tondern wurden früher bei der Einfahrt des 1. Fuders Basselieder gesungen. Bei Augsburg wurde der Rest so stehen gelassen, daß jeder Schnitter halmweise zu schneiden hat, und wen der 1. Halm trifft, sagt man, der kriegt die Sau 61 ). Wer den Rest schneidet, ist die Woaizmog, Köremoog, Grumbeeremoog (moog = Mutterschwein; ADV Rheinland). Wer in Baden den 1. Arm voll zur 1. G. trug, hieß Korn- oder Habersau 62). In Österreich bekam der Bauer, der zuletzt schnitt, einen Spaßkranz, den Bären, ins Haus 63). In der Schweiz führt man den, der die Sau hat, an einem Seilchen nach Hause, wo er gefüttert oder beschenkt wird. Die Roggensau wurde mit Sicheln getötet M ). Wie der Hahn ist der Bär, Eber, Erbsenbär, Weizenbär, oft mit Umdeutung zum Tanzbären, in den Brauch der Hauptfestzeiten des Jahres (Erntefest, Kirmes, Adventsumzüge, Weihnachten, Neujahr, Fastnacht, Frühlingsfeier, Pfingsten) eingegangen (vgl. Erbsenbär). Bock als Name der 1. G. findet sich außer dem auf der Karte bezeichneten Gebiet sporadisch in Hannover, Mecklenburg, Ostpreußen, Steiermark. Der Bock, das Böcklein wird, dem Hurbalg vergleichbar, meistens als besonders kleine Garbe gemacht. Die unvollendete Garbe jedes Ackers (Kreis Wetzlar), der unvollzählige Hausten (Garbenstand; ADV Rheinland) heißt Bock. Er sitzt in der letzten halbvollen G. (Ostpreußen). Der Kombock wird mit einer Sennenglocke um den Hals im Triumph heimgeführt, von Getränken fast überschüttet und als erster zum Mahl geholt (Kanton Thurgau). Wie vom Wolf und Stier sagt man auch vom Oarn- oder Austbuk, daß er den ermüdeten Schnitter gestoßen habe (Mecklenburg) 65). Wer beim Kartoffelgraben mit seinem Teil nicht nachkommt,

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Korndlmonen

läßt den Bock stehen (ADV Rheinland). Wer die 1. G. bindet, ist Austbock für das kommende Jahr (ADV Mecklenburg). Wer sie sehr klein macht, ist Bockbinder (Oberhessen). In der Gegend von Passau werden dem 1. Garbenstand zwei Horner aufgesetzt, so daß er ein gehörnter Bock wird. In der Dithmarschen (in Gegend des Hurkindes als Garbenname!) wird dem am Ackerfeld Vorbeigehenden: Horbuk, Horbuk! (Hurenbock) zugerufen, bis er den Hut zieht. Mythe und Metapher (vgl. Sägebock, Turnbock) treffen zusammen, wenn die Garbe Bock heißt, die als Stock für den Kasten (Garbenstand) gebraucht wird (ADV Rheinland). Das Korn in Hocken bringen, heißt man bei Eisenach böckern. Als allgemeiner Name des Garbenstandes bildet Bock zwei kleine in sich geschlossene, aber gegenseitig horstähnlich getrennte Gebiete in der südlichen Rheinprovinz (ADV). Die weibliche Ziege, Bitz (ADV Rheinland), Häppe (Thüringen), Gaiß (Bayern, Österreich) ist selten und in keiner einheitlichen Anwendung genannt. Die 1. G. (ADV St. Sachsen, Hessen), der 1. Wagen Heu (Schwarzwald), die Spottpuppe für den zuletzt erntenden Bauern (Böhmerwald)6S) heißen Ziege oder Gaiß, die stehenbleibenden unreifen Ränder des Ackerfeldes Geißen (ADV Rheinland). Im Rheinland (ADV) muß bei ungünstigem Wind ein Kind die Bitz lede, d. h. das Getreide mit einer Bohnenstange sachte der Sense zudrücken. Im Kanton Thurgau unterscheidet man eine Weizen-, Korn- und Habergeiß. In der Gegend von Teplitz in Böhmen heißt die erste G. Habergeiß, die 1. dagegen Alte. In der 1. G. ist die Habergaiß (Oberbayern). Die Mockel, Muchel, nur in der Schweiz auch unter dem schriftdeutschen Namen Kuh, zeigt die Karte als Bezeichnung der 1. G. in Württemberg, im bayrischen Schwaben und in der Schweiz. Wenn die 1. G. besonders dick wurde, hieß sie Mockel, sonst Häsli (Kanton Thurgau). Wer die Mockel hat, bekommt eine große Dampfnudel 67 ). Er bekommt bei der Flegelhenke das größte Küchlein M ). Diese

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Züge erinnern uns an die Sau. Meyer •') weist darauf hin, daß Muche in älterer Sprache die Zuchtsau bedeutet. Im Rheinland fanden wir die Woaizmoog als Schwein. Wer bei der Weinlese zuletzt fertig wird, ist Herbstmuck (ADV Rheinland). Mockel und Sau wechseln als Garbennamen (M Schweiz) 70). In Schwaben heißt Mockel das 1. Büschel Ähren71), der Schnitter selbst wird Weizen-, Korn-, Gersten-, Hafermockel 72 ). Knecht oder Magd mußte die Mockel als menschliche Strohfigur unter Gespött bis in den Bauernhof tragen 73 ). Man ließ auch einige Ähren am Wege stehen, band sie an einem Stock fest und bekränzte sie 74). Auch der hineingesteckte Maie heißt Mockel. Selten nennt man die 1. G. Kornstier (Schweiz), Halmstier (Oberbayern), Bull (Ostpreußen). In der Rhön bildet die Matz (Hündin) ein kleines Sondergebiet 75 ). Der die 1. Halme schneidet, die 1. G. bindet, hat die Matz (Maatz, Motz). In Schlesien kennt man den Weeßbeller (Weizenbeller) und Schutamups (Schotenmops), in Mecklenburg den Pudel (ADV). In der Vorstellung des Volkes scheint die (der) Mutz Menschenähnlichkeit zu gewinnen. Bei Fulda wird sie als Puppe in Menschengestalt eingefahren. Dem Bauer, der das Getreide noch auf dem Halm stehen hat, wird ein Mutz, ein Strohmann mit einer Sichel in der Hand auf den Acker gestellt (Kreis Fulda). In der gleichen Gegend stellt bei der Obsternte ein schöner Ast mit vielen Früchten, von einem Kind getragen, die Mutz dar. Wie es neben der Schneidmutz eine Dreschmutz gibt, wird auch die Betze (Hündin) im Staat Sachsen, außer im Ernteschlußbrauch, (M und ADV) beim Drischelschlag genannt. Dasselbe gilt vom Esel, der im bezeichneten, der Mutz benachbarten Gebiet und einige Male auch in Schlesien als Korn-, Hafer- und Scheunesel erscheint. In Österreich (Bastelberg) wird der Jahresel gemacht, indem man die 1. G. in grobe Leinwand stopft. Wie der Erbsenbär tritt er zu Weihnachten wieder

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Korndämonen

auf als Kinderschreck. — An der Elbemündung bei Stade sagt man beim 1. Schnitt: de Foß sitt drin, holt en fast. In der Nordschweiz heißt die 1. G. gelegentlich Fuchs, in Hannover Voßschwanz (ADV). — Noch seltener ist der Kater als Schnitter- oder Garbenname (ADV Liebtal bei Guben). Da wird beim Mähen der 1. Halme auch das Koaterwischen gefeiert. An der Bober in Schlesien wird der Kater gehascht. — Nachtwieselein heißt die kleine 1. G. im Kanton Thurgau. Im Rheinland (ADV) sagt man beim Schnitt des letzten: heute jagen wir das Wiesel. — Die Maus geriet durch zahlreiche gegen sie gerichtete Abwehrzaubersprüche auch unter die K. In der 1. G. sitzt die Emtemaus (ADV Hessen). Die Binderin heißt Roggenmaus (ADV Westfriesland), hat die Schabmaus (Steiermark). Jener Zusammenhang zeigt sich auch im Garbennamen Niclitmäusfresser (Gegend von Iglau in Mähren). — Als Gans bezeichnet man die 1. G. in Schwaben und in Schlesien. Man kennt eine Stoppel-, Ernte-, Wickengans. Martergans nennt man die 1. G., Martelsgans das Erntemahl im Rheinland (ADV). — In Franken und im südwestlichen Sachsen und nordwestlichen Böhmen ist die Wachtel öfter berichtet und zwar bei M und ADV in örtlicher Übereinstimmung. Schon im reifenden Kornfeld verkündet die Wachtel gute Ernte (Rheinland, Thüringen). Die 1. G. ist die Wachtel (ADV), in ihr ist sie (ADV), aus den 1. Halmen fliegt sie aus. Man treibt die Wachtel aus (Kreis Eger; Tirol). Im 1. Strich Getreide sind die Wachteln verborgen. Einer wird den Wachtelkönig bekommen, der in der Schweiz Rätschvogel (vgl. Ratsche als Name der Karfreitagsknarre) heißt 76 ). In Penig im St. Sachsen nennt man die 1. G. Eule (ADV). Ein Storch erscheint im Ernteschluß im Kanton Thurgau und in Böhmen (Kr. Budweis). Wenn man beim Schneiden nicht immer beim selben Schnitter bindet, sagt man, der Storch picke einen (Schweiz). Zur Gruppe der Korntiere zu stellen sind auch die Redensarten, die dem Fertiger der 1. G. die Vuth, Strohvut,

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Hundsfud (Bayern), das Fetzchen oder Fötzchen (St. Sachsen und ADV) zuschreiben "). Wer in der Erntezeit krank wird, ist ein Matzfotz (Niederösterreich). — Daß auch der Schwanz des Tieres als pars pro toto gedacht wird, deutet die Redensart an, daß man dem Hasen den Schwanz abhaue im 1. Schnitt (Ostfriesland). Es besteht auch die Vorstellung, daß vom Schwanz her das ganze Tier sich regeneriere. Ein Schweineschwanz wird bei der Aussaat ins Feld gesteckt 78 ). Häufiger als Schwanz (ADV Gegend von Posen) ist das mundartliche Zagel, Zaal, Zeal (Schlesien), Zoll, Göll (Bayern) belegt. In dem auf der Karte verzeichneten geschlossenen Gebiet in Schlesien heißen die 1. Halme, die 1. G. Zagel, Zeul, Zahl. Die Zahlgarbe wird sehr groß gemacht und mit Reisern geschmückt. Wer zuletzt bindet oder drischt, hat den Zoal. Die kleinen Feste nach der Ernte heißen Kum-, Weßzol. e) G a r b e n p u p p e n . Die Nachbildung des Komdämonen in der Garbenpuppe darf als alte und allgemein verbreitete Sitte betrachtet werden. Sowohl die männliche als die weibliche Gestalt, besonders die des Alten und der Alten, werden im ganzen Gebiet ihres Vorkommens in rohen Umrissen oder mit Kleidern und Beiwerk angetan aus dem Stroh der 1. G. dargestellt. Eine Übersicht, die nach den Fragebogen Mannhardts hergestellt wurde, zeigt jedoch, daß die wohl ursprünglicheren naturalistischen Formen im nördlichen Ostdeutschland, in Pommern, Ost- und Westpreußen vorzüglich sich finden. Besonders ist die von den Binderinnen gemeinsam vorgenommene Ausstattung der Puppe des Alten mit männlichen Geschlechtsteilen (aufgerichteter Penis mit Aster und angebundenen Kartoffeln; Tuch mit zwei Steinen an die G. gebunden usw.) nur aus diesen Landstrichen berichtet. Bemerkenswert ist, daß die an die Alte und die Baba anschließende Hure (vgl. Karte der weiblichen Gestalten) nie als Puppe dargestellt wird. Einen eigenen Hinweis verdient der Gegensatz menschen- und tier-

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förmiger Garbenpuppen, der auf eine verschiedene Stufe der historischen Entwicklung schließen läßt. Die Nachbildung von Korntieren wird in den Jahren 1864/65 häufiger nur für den Erntehahn in Westfalen, für Wolf, Pferd, Schwein, Bock aber nur noch aus ungenauer Erinnerung berichtet. Der Hahn mag später als andere Tiere in den Kreis der K. aufgenommen worden sein, andererseits war das Jahre überdauernde Material (Holz, Pappe, Metall) der Herstellung und eine lokal festüberlieferte Technik (vgl. die Erhaltung mythischer Tiergestalten bis heute in Gebildbrot und Gebäck) des Brauches der Dauerhaftigkeit des Hahnenbildes förderlich. Außerhalb Westfalens und seiner Umgebung werden Korntiere nicht mehr dargestellt, weder der Wolf in Mecklenburg oder der Hase in Ostpreußen, noch Hahn und Hase in den Landschaften des mittleren Deutschlands. Dieses starke Fehlen der bildlichen Darstellung bei tierförmigen K. widerspricht der weitgehenden Gleichstellung tier- und menschenförmiger K., aus der Mannhardt auf ein gleiches Alter und gleiche historische Entwicklung schließen wollte. Die Erinnerung an die in der 1. G. eingebundenen oder durch sie dargestellten K. ist ferner lebendig in den aus ganz Deutschland berichteten Ersatzbräuchen : in der 1. G. wird ein Stein, ein Brot, das Vesperbrot, Halbabendbrot, eine Flasche Schnaps eingebunden. Die Garbe wird mit 2, 3, 6, oft mit 7 Strohseilen umwickelt, meistens, weil sie zugleich besonders dick und an sich oder durch die eingebundenen Steine sehr schwer gemacht wurde. Unübersehbar sind die Belege für das parallele Auftreten von 1. G. und E r n t e k r a n z n ) , Ährenzopf, Ährenbüschel, Erntestrauß (vgl. Ernte; Kranz) und für die Übergänge der 1. G. in diese abgeleiteten Symbole. Auch das Fruchtbarkeitssymbol des grünenden Reises 8 0 ) (vgl.Mai; Lebensrute) begleitet die 1. G. fast überall, besonders selbständig auf westfälischem Gebiet in der Form des noch heute ziemlich häufigen Harkelmais. Ferner deuten

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das Schlagen (vgl. Lebensrute), und Begießen 8 l ) der 1. G. (vgl. Regenzauber) und ihrer Überbringer, das Rufen, Jauchzen, Schießen, Klappern beim Einfahren (vgl. Abwehr-, Lärmzauber) auf den K., auch wo seine Verkörperung in Name und Gestalt in Vergessenheit geraten ist (vgl. Ernte). f) Garbenopfer. In der großen Mehrzahl der Ernteschlußbräuche erscheint der K. als Mittelpunkt eines Fruchtbarkeitszaubers. Doch finden wir in allen deutschen Landschaften Zeugnisse, die die 1. Halme oder die 1. G. als Opfer oder Abgabe bezeichnen, mit denen man die Fruchtbarkeit spendende Macht sich gnädig stimmen will. Einige mythische Gestalten, die ursprüngliche K. sind oder zu solchen übergehen, sind uns nur in diesen Opferbräuchen überliefert (vgl. Vergodendeel). Die aus den 1. Halmen gefertigte Kornscheune oder Kornengelscheune ist dem Kornengel oder dem Kornmännchen geweiht (bei Leipzig). Der früher im Gebiet von Hannover verbreitete Brauch, den Rest des Getreides für Wode, Wodan stehen zu lassen, ist heute wohl als völlig ausgestorben zu betrachten (ADV Hessen, Hannover). An seine Stelle tritt der bayrische Oswald. Früher ließ man etwas für den Helljäger stehen (ADV Hannover). Den Zwergen ließ man etwas, weil sonst die kommende Frucht verdürbe (Gegend von Barmen). Der Rest war für die Kleinen, die Unterirdischen (ADV Hannover). Der Wichteismann wird stehen gelassen mit dem Spruch: wer ihn kriegt, der hat ihn (bei Eisenach). Die 1. G. blieb auch dem Binsen-, Bilsenschnitter (vgl. dort). Wenn nicht die 1. G. auf dem Acker verfault, wird der Spuk im Hause keine Ruhe lassen (Westfalen). Aus Angst vor bösen Geistern verzichtete man auf die 1. Halme (ADV Hessen). In Rußland widmet man den Rest, den Bart häufig dem Propheten Elias, Gott, Christus, dem Erlöser, dem hl. Nikolaus. Diese christliche Umdeutimg ist in Deutschland ganz selten. Man läßt die 1. Halme stehen, um Gott zu zeigen, daß man nicht ungneisig (geizig)

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ist (ADV St. Sachsen). Die Petrusgarbe — in Oldenburg heißt sie noch heute vielfach Peiterbült — erinnert wohl wie der Peterspfennig an kirchliche Abgaben 82). Mit dem gleichen Spruch, mit dem man allerorten die Mäuse abwehrt, sucht man auch Petrus milde zu stimmen: Petrus, hier hast du das Deinige L a ß einem jeden das Seinige (Oberschlesien).

Um die Kornmutter zu befriedigen, wirft man ihr die drei ersten Ähren der Ernte ins Feld (Kanton Zürich). Die 1. G. ist für die Kornmuhme (Anhalt) M ), für die Roggenmuhme (ADV Hannover) M ), für das Kornweib (AJ>V Hannover). Die Kornmuhme mag die 1. Halme verzehren (Lindau) 8S). Auch die drei ersten Körner der Aussaat gehören der Kommöhme (Lübeck) 86). Bei den 6—8 ersten Halmen sagt man in Oberfranken: Wir gebens der Alten Sie soll es behalten Sie sei uns im nächsten Jahr So gut wie sie es diesmal war.

Die guten Kornelfen sollen eine Zuflucht haben (ADV St. Sachsen). Frau Holle gehören der Rest (ADV Hannover), drei Halme, damit sie nicht aus der Scheuer frißt (Reg.-Bez. Erfurt). Die Moosfraale segnen das Emtefeld, wenn ihnen ein Rest Gras, die drei ersten Ährenbüschel geopfert werden (Wunsiedel im Fichtelgebirge). Einige Halme, mitunter ein Beet, bleiben dem Waldfräulein (Oberfranken), die zu einem Zopf geflochtene letzte Handvoll Flachs, etwas Heu vom Fuder dem Holzfrala (Oberfranken). Den Schauerjungfrauen 87) legt man das letzte Bund Flachs in die Feldmitte (Steiermark). Für die wilde Frau müssen einige Ähren (ADV Rheinland), eine Garbe liegen bleiben (ADV Rheinland). Der Rest war für die alte Hexe (ADV Rheinland). Von den Getreideopfem im deutschen Erntebrauch hat das V e r g o d e n d e e l die Mythologen am meisten beschäftigt. Vergodendeel, Vergodendelstruß heißt in Hannover, Braunschweig, Westfalen, Pommern, Mecklenburg und Brandenburg (M)88) der Erntestrauß, der zustande kommt, indem man den letzten Armvoll

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Halme mit einem Strohseil zusammenbindet, mit einem Hieb schneidet und dann schmückt 89 ). Auch das Erntefest heißt Vergoudendelstag ,0 ) oder Vergodendel, die 1. G. Vörgodendeelsgarf (Pr. Sachsen). Der Probefragebogen des ADV berichtet diesen Namen der 1. G. oder des Erntefestes aus dem Lüneburgischen, dessen südlicher Teil auch in der Mitte des 19. Jahrh. als Kerngebiet, bzw. Rückzugsgebiet des Brauches erscheint. Jakob Grimm 91) warf die Frage auf, ob der erste Teil des Wortes als fru oder fro anzusprechen, ob also die mythische Gestalt, der der „Teil" gewidmet werde, Gott oder Göttin sei. Im Gegensatz zu Jakob Grimm und Adalbert K u h n M ) wurde später von manchen Seiten die Annahme einer mythischen Gestalt überhaupt abgelehnt und Vergodendeel im Sinne volksetymologischer Erklärungen als für (den Besitzer) guten Teil 93 ) oder (aus Vergundeil) als „gegönnter Teil" M ) gedeutet. Es ist schwer zu verstehen, wie man bei ruhiger Prüfung der Zeugnisse zu diesen gezwungenen Erklärungen kam. Neben den Schreibungen Vergodendeel, Vigodendeel, Vögodendeil, Vigodendail, Frohgodentheil, Frougoudentheil stellen frohes gutes Teil, Fürgutenteil und für Gutenteil mehr lautlich naheliegende Umschreibungen als wirkliche, zu obigen Schlüssen führende Umdeutungen dar. Den auch syntaktisch ungelösten Widerspruch von ursprünglichem Sinn und erklärender Schreibung zeigt schlagend ein Bericht aus Jeggau im Kreis Gardelegen: „Wenn alles abgemäht ist, sagt man, jetzt gibt's für guten Teil, nun wollen wir den Hahn schlachten". Außerdem haben die letzten beiden Bezeichnungen und die genannten wissenschaftlichen Deutimgsversuche in allen übrigen Ernteschlußbräuchen und -Sprüchen kein Gegenbeispiel. Beachtenswert ist auch, daß sich in den Antworten auf den Probefragebogen des ADV für den bis 1914 oder bis heute bestehenden Brauch allein die Schreibung Vergodendeel (im Lüneburgischen) findet. Die näheren Eigenschaften der gedachten Gestalt lassen

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Korndämonen

sich freilich aus den Volksüberlieferungen mit Bestimmtheit nicht mehr feststellen95). Außer dem weltlichen und kirchlichen Zehnt gab und gibt es traditionelle Abgaben vom Ernteertrag an Schnitter, Mägde, Flurwächter, Küster, Kutscher usw. Daneben wurden in allen deutschen Landschaften im Sinne christlicher Wohltätigkeit die Nachlese der Ähren den A r m e n überlassen. In manchen Fällen, z. B. bei der Prachergarbe (Pracher = Prager Musikant, Bettelvolk; vgl. rotwelsch: prachern 88), in Ostpreußen), erstarrte dieser Brauch, in anderen Gegenden, besonders in Schlesien und Böhmen ging der Bettelmann in die Vorstellung eines K. über. So erklären sich die Bräuche, die 1. G. die arme Frau zu nennen (bei Eisenach), sie für die arme alte Frau (bei Eisenach), für den armen Mann auf dem Felde zu lassen. Die Annahme Mannhardts, daß man in diesen Orten einen ursprünglichen K. durch den Schnitt sich verarmt denke, ist somit wohl entbehrlich, umso mehr, als sie — wie etwa die Erklärung „gegönnter Teil" — aus den übrigen Emtebräuchen sich nicht belegen läßt. Ausdrücklich für Tiere wird selten etwas auf dem Felde gelassen und dann nicht als eigentliche Opfergabe. Man überläßt die letzten Ähren den Vögeln, dem Wild. Allgemein verbreitet war die Verfütterung der 1. G. an Hühner, Kühe, Pferde, überhaupt an die Haustiere beim Erntefest oder in den Zwölften, um Fruchtbarkeit und Gesundheit zu bewirken. Eine Opfergabe läßt sich am ehesten erblicken in den Halmen oder dem geflochtenen Ährenzopf, die man den Herrgottsvögelchen (M und ADV Gegend von Fulda) bestimmte. Wie der hl. Martin im Rheinland ist auch der hl. Oswald in Bayern von Vögeln begleitet gedacht, denen man die 1. Halme von Korn und Flachs schenkte. 31 ) W u n d t M y t h u s u . Religion i , 514; B a u m g a r t e n Heimat 1, 141. s 2 ) G e r a m b Brauchtum 70; S a r t o r i 2,98. S 3 ) J a h n Opfergebräuche 173. 178. M ) S e p p Sagen 472 f. 3 5 ) M e y e r Germ. Myth. 137. *•) S o m m e r Sagen 160; W e i n h o l d Weihnachtsspiele 6 f . ; R i e t s c h e l Weihnachten 110; Simrock Myth. 548.

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*') K u h n Westfalen 184. M ) T e t z n e r Slaven Stracker509. 38 ) S t r a c k e r j a n 2, 128. 41 j a n 2, 127. ) G e r a m b Brauchtum 70. " ) Q u i t z m a n n 122; F r a z e r 7, 146. 4 3 ) G e r a m b Brauchtum 70. u~) V e r n a l e k e n Mythen 310; G e r a m b Brauchtum 70; ZfVk. 12, 340. 45 ) B r u n n e r Ostdeutsche Volksk. 241; A l b e r s Das Jahr 266; Q u i t z m a n n 122; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 106. 4 ' ) K u h n Westfalen 2, 184. 4 7 ) d e r s . 178. 4 8 ) K o h l r u s c h Sagen 322 ff.; R o c h h o l z Glaube 1, 67 f.; S i n g e r Schweiz. Märchen 1, 7 ff.; J e c k l i n Volkstüml. 133; G r i m m Sagen 10 f.; S i m r o c k Myth. 295; M e y e r Germ. Myth. 212; R e u t e r s k i ö l d Speisesakr. 106; F r a z e r 7, 151. 4 ' ) M a a c k Lübeck 88. s o ) d e r s . 88 f. « ) L e o p r e c h t i n g t2 Lechrain 193. ) G e r a m b Brauchtum 75. 53 ) M a a c k Lübeck 85. M ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 402. H ) S a r t o r i 2, 87; zahlreiche Nachweise. M ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 310. M " ) M a a c k Lübeck 85 f. ) Schulenburg Wend. Volksthum 146 f. " ) B a r t s c h Mecklen,0 burg 2, 311. ) S i n g e r Schweiz. Märchen 1, 31. 81 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 328. *2) M e y e r ,a Baden 428. ) G e r a m b Brauchtum 74. 6S " ) M e y e r Germ. Myth. 103. ) Maack 6e Lübeck 90 f. ) R a n k Böhmerwald n o f f . " ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 356. 8 8 ) M e i e r 68 Schwaben 2, 441. ) M e y e r Baden 429. 70 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 377. n ) P a n 72 z e r Beitrag 2, 234. ) M e i e r Schwaben 2, 440; M e y e r Baden 428. , 3 ) P a n z e r Beitrag 2, 233. 74 ) M e i e r Schwaben 2, 440 f. 7 5 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 64. 7 8 ) S i n g e r Schweiz. Märchen !» 33- " ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 64; ZfVk. 12, 338 f. 7 8 ) M e y e r Germ. Myth. 103. 7 ' ) S a r t o r i 2, 91, Nachweise. 80 ) ebd. 81 ) G e s e m a n n Regenzauber. 8 2 ) Dagegen: S i m r o c k Myth. 590. 8 3 ) ZfVk. 7, 154. M ) J a h n Opfergebräuche 183. « ) ZfVk. 7, 154. 8 8 ) M a a c k 87 Lübeck 31. ) L a i s t n e r Nebelsagen 10 f. 221 f. 313; J a h n Opfergebräuche 183. 8 8 ) K u h n u. S c h w a r t z 394; K u h n Mark. Sagen 337. 88 ) A n d r e e Braunschweig 364. 8 0 ) ZfVk. 372. 8l ) G r i m m Myth. 1. 209. , 2 ) K u h n Westfalen 2, 178. »3) U r q u e l l 5, 45 t. 8 4 ) ZfVk. 6, 372 f. 85 ) Dazu vgl. auch: S i m r o c k Myth. 639; Go I t h e r Myth. 291; S c h w a r t z Studien 28; L i e b r e c h t Gervasius 55; J a h n Opfergebräuche 166 f. 169; K ü c k Lüneburger Heide 152 t.; L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 113. 8 i ) H e c k s c h e r 406.

6. K . im D r e s c h e r b r a u c h . Da das Ausdreschen nicht immer schon im Sommer beginnt, sondern sich vielfach über den Winter bis zur Fastnacht und länger hinzieht, ist schon aus dieser zeitlichen Freizügigkeit zu verstehen, daß die meisten K. im D r e s c h e r b r a u c h abgeblaßte und vereinfachte Formen aufweisen. Andererseits sind einzelne Züge (Opferspeisen oder Fütterung des Korn-

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tiefes, Einbinden seines Stellvertreters, Wanderung der Strohpuppe zum Nachbar) erstarrt und haben sich dadurch länger und gleichmäßiger erhalten. Daß eine Trennung der primären Mythen der Erntezeit von den sekundären der auch örtlich vom Ackerfeld getrennten Dreschzeit angebracht ist, bestätigt auch ein Blick auf die nach den M-Fragebogen gezeichneten Pausen 1 : 1 000 000 (in der Zentralstelle des ADV), auf denen bei den Namen der Dämonen der Zusatz beim Mähen, Binden, Dreschen regelmäßig vermerkt wurde. In der ganzen Nordhälfte Deutschlands (von HessenRheinland bis Ostpreußen) tritt der Dreschbrauch gegen den Emtebrauch fast völlig zurück. Mecklenburg z. B. hat neben zahlreichen Angaben über die 1. G. (vgl. o. Wolf) keine einzige über Drescherbräuche. Im St. Sachsen werden diese häufiger und noch südlicher, in Schlesien und Bayern, die Regel. In diesen beiden Landschaften kehrt sich das Verhältnis oft sogar um, und die Erntebräuche sind es, die ganz fehlen. Wenn dazu noch die Namen der mythischen Gestalten in Schlesien und Bayern häufig die gleichen sind (z. B. Mäusehirt, Zagel, Esel, Hund), so gewinnt dieser Zusammenhang an Bedeutsamkeit. Die geringe Zahl von Namen der K . im Dreschbrauch erlauben eine zusammenfassendere Betrachtung. Von m ä n n l i c h e n Gestalten erscheint der Alte am häufigsten, mit einiger Regelmäßigkeit jedoch nur in der Lausitz, in Böhmen, Bayern und Württemberg. Das Hauptgebiet dieser Gestalt (vgl. Karte 4) kennt sie nur beim Mähen und Binden der 1. Halme. Wer den 1. Drischelschlag macht, hat das Hafermandl (Kreis Eger), den Drescher (Thüringen); er hat den Korl, Warzl, Haberl (Korn-, Weizen-, Haferkerl) erschlagen (bayrischer Wald). Dummer Lippl, Hans, Botzenlippl heißt der Letzte in Niederösterreich, Popel, Scheunpopel im schlesischen Kreis Glatz, Butz in Schwaben ®7). In Böhmen wird die Strohpuppe als Jude maskiert, in Kärnten wird der Nigl mit einem Strohkranz gekrönt 9S).

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Ein w e i b l i c h e r Name ist, wie im Erntebrauch, beim Abschluß des Dreschens verhältnismäßig selten. Die Alte hat der Letzte bei Limburg an der Lahn. Die Baba bleibt auf ihm (Böhmen). Er hat die Scheunbabe (Kreis Glatz in Schlesien), die Annamirl (Niederösterreich); er hat die alte Magd erschlagen (Zwickau und Leitmeritz). Bei Marburg (Steiermark) ist die 1. G. beim Ernten die Kornmutter, beim Ausdreschen der Sohn der Kornmutter. Die Vorstellung von t i e r f ö r m i g e n Dämonen überwiegt im Dreschbrauch. Die Hündin als Betze, Scheunbätze (St. Sachsen), als Mutz (Gegend um Fulda) wird am häufigsten genannt. In Stockhausen bei Sonderhausen sagt man beim Geräusch der Dreschflegel: der hölzerne Hund läuft (bellt). — In Württemberg ist der Letzte Mockel (Kuh) und wird mit einem Strohseil um den Hals zum Nachbar geführt; er wird auch zu spät in den Himmel kommen. — Das Schwein wird genannt als Sau, Roggensau M ), Saubär (Steiermark), Erbsenbär (Gegend von Köln), Scheunhacksch (St. Sachsen). Wer den 1. Drischelschlag tut, wird in den Saustall geführt (Württemberg). — Zwischen Rhön und Frankenwald, vereinzelt auch in Schlesien, heißt der Letzte Korn-, Hafer-, Gerstenesel, in Böhmen Scheunesel. Der Baumesel (bei Wien) wird mit einer Kappe von Stroh und einem Strohseil am Fuß (vgl. o. Mockel und Sau) im Dorf herumgeführt. Bock kommt neben dem Namen der 1. G. im Drescherbrauch kaum vor. In Baden 10°) heißt der Letzte Korn-, Spelzoder Haferbock. Die Garbe, an die der Haring in Oberbayem gebunden wird, heißt Habergaiß. Die Tötung des Korngeistes wird — wie beim Kornkerl und bei der alten Magd — beim Banzen-, Banselhahn ausgesprochen (ADV St. Sachsen). Der Letzte ist Dreschhahn (bei Wien), Hühnermeister (Niederösterreich), bekommt den Hühnerdreck (Steiermark). Der Name Stadelhenne bleibt ihm den ganzen Winter durch (Krems in Niederösterreich). In der Steiermark heißt so das Dreschermahl. Der säumige

3"

Korndämonen

Drescher heißt in der Gegend von Marburg (Steiermark) Wolf bis zum Weihnachtsabend. Dann wird er in ein Ziegenfell gehüllt und als Erbsenbär von Haus zu Haus geführt. Dieses Nebeneinander verschiedener Gestalten ist auch im Ernteschlußbrauch eine gewöhnliche Erscheinung. Durch die zeitliche und örtliche Unmittelbarkeit der Eindrücke, die der Vorstellung von K. zugrunde liegen, entrollt sich im Ernteschlußbrauch die agrarische Mythologie in der ganzen Fülle und Verschiedenartigkeit der Gestalten. Zugleich wurde aber durch die drängende Arbeit selbst, wenigstens vor der Bergung der ganzen Ernte, die Ausformung von Redensarten und Meinungen zu umständlichen oder scherzhaften Brauchhandlungen erschwert. Umgekehrt ist, wie angedeutet, das Verhältnis im Dreschbrauch, in dem wir den Kern des Mythus durch die zeitliche und örtliche Verlegung geschwächt, dagegen das Brauchtümliche im Bannkreis von Haus, Hof und Nachbarschaft stark entwickelt finden. Das im Ernteschluß selten gewordene E i n b i n d e n der Person, die den K. vertritt, ist beim 1. Drischelschlag allgemein gebräuchlich. Wer die alte Magd erschlägt, dem wird das Oberkleid über dem Kopfe zusammengebunden, die steif ausgestreckten Arme werden mit Stroh umwickelt. Mit einem Strohwisch in der Hand wird er zur Scheune hinausgejagt (Böhmen). Der Alte wird in eine Strohschütte gebunden, schwarz gemacht und durchs Dorf gekarrt (Dreba in SachsenWeimar). Der Eingebundene konnte sich mancherorts durch ein Trinkgeld lösen. In vielen Gegenden wurde das Stroh, in das man gewickelt wurde, als Geschenk verstanden. Die erhaltenen Stufen des Brauches lassen folgende Entwicklung erkennen: der Letzte wird als Vertreter des K. in Stroh gewickelt — es wird ihm auf den Rücken, zwischen die Hände gebunden — er bekommt eine Strohpuppe, ein Strohbüschel — der den Alten hat, darf das Stroh zum Trost für den Spott behalten — der Letzte erhält Stroh vom Drusch geschenkt zu eigenem Verkauf.

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Ebenso allgemeine Verbreitung in Bayern, Sachsen, Schlesien zeigt der Brauch, die Scheunbetze, den Scheunpopel, den Strohmann, also den jeweiligen Vertreter des K. zu v e r t r a g e n , d . h . dem Nachbar, der noch nicht ausgedroschen hat, unbemerkt auf die Tenne zu werfen, in die Stube oder vor das Fenster zu stellen. Schon beim Ernteschluß fanden wir den Gedanken lebendig, daß der Korngeist aus dem abgeernteten, eigenen in das noch auf dem Halm stehende Ährenfeld des Nachbarn entfliehen, bzw. dahin vertrieben oder in Gestalt der Garbenpuppe getragen werden könne. Da im Dreschbrauch das Vertragen auch als Verspottung der fauleren Drescher verstanden wurde, konnte sich leicht eine Umkehrung in dem Sinne entwickeln, daß die Einbindung mit Stroh erst geschah, wenn der Überbringer vom Nachbar erwischt wurde. In Stroh gewickelt, gefesselt, geschwärzt, begossen kommt der abgelehnte Vertreter des K. zurück. Aus solchen Gepflogenheiten gingen mit Notwendigkeit die Unzahl der N a r r e n a u f t r ä g e (z.B. das Schicken nach dem Mäusegam, Windsack, nach der Scheiterschere) hervor, in denen der Mythus sich schließlich verflüchtigt. Andererseits sehen wir den Brauch dort, wo er noch den ersten Sinn behält, vielfältiger als irgend einen Erntebrauch sich wandeln, wiederholen, ins Gegenteil verkehren. Aus der Strohpuppe wird ein Topf, oft noch mit Strohseilen umwickelt (Gegend von Bautzen), mit Backobst gefüllt, ein Topf voll Apfelschalen, faulen Nüssen (ADV Rheinland), ein Sack voll Steine (vgl. 0. Getreidepuppe), die zum faulen Nachbar getragen werden. Von diesem erwischt, wird der Scheunbatze angerußt, mit Strohseilen festgebunden und auf einem Wagenrad durchs Dorf gefahren (Gegend von Bautzen). Ein Junge wird zum Nachbar geschickt, die Banselschabe zu holen und kehrt von diesem Narrenauftrag mit einem Beutel voll Wurst und Obst oder — in bezeichnender Wendung zum Ulk — voll Steinen, Briketts und Pferdeäpfeln (Rheinland, Sachsen) zurück.

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Kornelius—Kornelkirsche

Fruchtbarkeitszauber, bzw. Speiseopfer, die in der Beschenkung des K. geübt werden, gewinnen noch größere Selbständigkeit in den E ß s i t t e n des Dreschermahles. Wer beim Dreschen Letzter geworden ist, erhält Speise und Trank in besonderem Maß (Oberpfalz). Beim Festmahl spielt der Scheunpetz die Hauptrolle (bei Dresden). Wer die Mutz hat, darf mehr trinken als die übrigen (bei Fulda). Der den Alten hat, muß die Schüssel ausessen (Thüringen). Dem Dreschesel wird doppelt aufgetragen (Nordbayern). Der Alte darf bei der Sichelhenke erstens für sich, und zweitens für den Alten essen (Württemberg). Dem Bobas wird der erste Krapfen gereicht (Ostpreußen). Der K. erhält beim Mahl einen besonderen Platz. Die Stadelhenne muß allein auf dem Boden aus einer kleinen irdenen Pfanne essen (Niederösterreich). Auch der Scheunesel muß in Stroh gewickelt in der Stube getrennt von den anderen sein Mahl verzehren (Reichenberg in Böhmen). Beim Dreschermahl kommt der K. häufig auch als tier- oder menschenförmiges B a c k w e r k auf den Tisch. In Oberbayern wurde eine Nudel in Form eines Schweines gebacken. Wer Sau geworden ist, muß einen sehr großen Kuchen von schlechtem Mehl verzehren, ehe er andere Gerichte genießen darf (Schwaben). Im östlichen Bayern wird außer dem Komtier auch Drescher und Drischel nachgebildet. Ein gebackenes Weib mit Bändern und Ähren geputzt, eine Dampfnudel mit Strohhalmen besteckt, werden in Württemberg vorgesetzt. In Ostpreußen wird die Bobaspuppe gebacken. Die Stadelhenne erhält dreifache Portion und einen Kuchen in Menschengestalt (Steiermark). Wie bei der Ernte wird auch beim E»reschermahl der Fremde in den Brauchkreis aufgenommen; gelingt es ihm, das am Scheunentor hängende Strohbund aus der 1. gedroschenen G. ungesehen wegzunehmen, so darf er bei der Flegelhenke mitessen (Mittelfranken). PS. Die ganze unter dem Stichwort

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K. behandelte Frage wird unter ein helleres und teilweise völlig neues Licht gerückt werden durch die Aufnahmen des ADV. Der erste, jetzt in der Zentralstelle in Ausarbeitung befindliche Fragebogen des ADV, der die Frage nach Kinderschreck u. Wind im Korn enthielt, brachte dem Verfasser Aufschlüsse hauptsächlich in folgenden Richtungen: 1. Der grausame Realismus vieler Gestalten wird gemildert. 2. Scharf umrissene Gestalten (Konimutter, Kornengel, Kornrieb, Bilmesschnitter, Kommännlein, Bubu usw.) haben ihr Verbreitungsgebiet teilweise verengert, teilweise erweitert, das Zentrum ihres Vorkommens oft aber auffallend festgehalten. 3. Das zahlenmäßige Vorkommen der brauchtümlichen Redensarten hat sich seit Mannhardt eher gesteigert, wo ein praktischer Zweck (Behütung der Kinder vor dem Verlaufen) erhaltend wirkte, dagegen um etwa das Zwanzigfache verringert, wo die Redensart allein auf der mythischen Geisteshaltung des Volkes beruhte (Emteschlußbrauch). 4. Zu beobachten ist, daß die alten Vorstellungen von der jüngeren und jüngsten Mythik der Gespenster, Bütze, bösen und besonders schwarzen Männer immer stärker überlagert werden. Was an Altertümlichkeiten und Intensität der Gestalten verloren geht, wird häufig durch Multiplikation ersetzt. In dem vom ADV belegten Gebiet Deutschland, Österreich, Luxemburg, Danzig, Tschechoslowakei, Siebenbürgen nennen auf die Frage nach dem Kinderschreck im Korn 46 Orte je 6—9 Gestalten; 55 Orte nennen je 5 Gestalten. *') B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 332. • 8 ) F r a n z i s c i Kärnten 9 f. M ) M e y e r Baden 10 436. °) ebd. Beitl.

Kornelius, hl. s. 2,104 f. Kornelkirsche (Dierlitze; Cornusmas). 1. Botanisches. Baum oder Strauch mit eiförmigen, gegenständigen Blättern, kleinen, in einfacher Dolde angeordneten Blüten und länglich-eiförmigen, etwa kirschgroßen, roten Steinfrüchten. Die K. kommt besonders in Süddeutschland

Kornradi

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hie und da wild vor, sonst wird sie häufig in Gärten und Anlagen angepflanzt x ). x ) M a r z e l l Kräuterb. Reallex.2 1, 630.

102 f.;

Schräder

2. Kindern, die zuviel K.n („Dierlitzen, Tierli") essen, droht man mit dem „Dierliwurm" oder dem „Thierli", das in ihrem Bauch aufwachsen werde 2 ). Natürlich handelt es sich hier um eine Anspielung auf den Volksnamen „Tierli" (Tier), der übrigens mit „Tier" nichts zu tun hat. Im deutschen Aberglauben spielt die K. anscheinend keine weitere Rolle, dagegen erscheint sie bei den Serbo-Kroaten und anderen Südslaven, ferner bei den Albanesen häufig als „Lebensrute", als Apotropaeum usw. 3 ). J ) R o c h h o l z Kinderlied 3 3 3 . s ) S c h n e e w e i s Weihnachten 41. 42. 57. 58. 73. 9 9 f . ; WissMittBosnHerc. 4, 445 f. 486; 6, 623; S t r a u ß Die Bulgaren 1898, 349. 360. 398; ZföVk. 6, 1 7 0 ; M a n n h a r d t 1, 269; S t e r n Türkei 1, 3 8 5 ; K r a u ö Slav. Volkforschung. 75 Marzell.

Kornrade (Rade, Raal; Agrostemma githago). 1 . B o t a n i s c h e s . Zu den Nelkengewächsen gehöriges Getreideunkraut mit gegenständigen, linealen Blättern und fünf roten, von dunkleren Streifen durchzogenen Blütenblättern. Die Frucht ist eine fünffächerige, vielsamige Kapsel 1 ). Die K . wird manchmal wie Centaurea cyanus als (rote) „Kornblume" (s. d.) bezeichnet. Im Braunschweigischen schreckt man die Kinder, wenn sie K.n abpflücken wollen, mit dem „Kornwif" (Komweib; vgl. Mutterkorn) oder dem „Raalwif" (Radelweib) 2 ). *) M a r z e l l Kräuterbuch 367 f. 2 ) M a n n h a r d t Forschungen 297; A n d r e e Braunschweig 389.

2. Wegen der roten Farbe und der Blütezeit im Hochsommer wird die K. mit dem B l i t z in Verbindung gebracht. Bei Gewitter darf man keine K . („Gewitterblume") im Haus haben, sonst schlägt der Blitz ein 3 ). Auch in der Gegend von Halle glaubt man, daß die ins Haus gebrachte K. den Blitz anziehe und Feuer entstehen lasse *). Aus diesem Grunde scheut man sich im Anhaltischen, die K. in die „Johanniskränze" zu winden 5 ) oder sie dem Vieh ins Futter

-Kornreuther

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zu geben *). Andererseits heißt es aber (wie bei vielen sonst als „blitzanziehend" geltenden Blumen!), daß die K . vor dem Blitz schütze7). 3 ) ZfVk. 19, 440 (Mansfeider Seekreis). ) A d l e r in Beil. z. Jahresber. d. Latein. Hauptschule zu Halle a. S. 1901, 20. ®) ZfVk. 7, 1 4 7 ; Mitt. Anh. Gesch. 1922, 1 5 ; auch in Kujawien darf man die K . nicht in die „Wianki" (geweihten Kränze in der Fronleichnamsoktave) binden, weil sie die „bösen Geister" und den Blitz anzieht: K n o o p Pflanzenwelt X I , 78; HessBl. 3, 124. e ) W i r t h Beiträge 6/7, 19. ' ) Nordthüringen: Z f V k . 9, 232. 4

3. Will man erkennen, wer eine Hexe ist, so muß man rückwärts zu einem Roggenfeld gehen, muß in derselben Weise K.n pflücken, davon einen Kranz flechten und sich diesen unter die Mütze setzen 8 ), vgl. Gundelrebe. Damit das Obst nicht grün abfalle, winde man einen Kranz von K.n um den Stamm und lege einen Stein durch die Wurzel •). So viele Körner (Samen) in der „Kornblume" (es ist wohl die K. gemeint) sind, für so viel Gulden wird das Getreide dieser Art, worin die K. wächst, verkauft werden 10 ), vgl. B e c h e r p i l z e (s. v. Pilz). Auf dem Felde wachsen keine K.n, wenn man den Getreidesamen während einer Vollmondnacht uneingeeggt liegen läßt u ) . • ) K u h n Westfalen 1, 28. • ) W i r t h Beiträge 6/7. 15- 1 0 ) G r o h m a n n 98; ähnlich auch in Unterfranken: Orig.-Mitt. von K i r c h n e r 1910. 11 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 102. Marzell.

Kornreuther. Unter dem Namen eines Augustinerpriors Joh. K. laufen mehrere Beschwörungsbücher um: 1. Nobilis Johannes Kornreutheri Ordinis St. Augustini Prioris Magia Ordinis artium et Scientiarum abstrusarum Anno 1515. Post partum Mariae 1 ). Es soll auf einer Orientreise des Verfassers aus Belehrungen in der Kabbala des Arabers Thagi-Alfagi 1495 erlernt worden sein, der auch in einem Gertrudenbüchlein genannt ist i ). Das lateinische Buch ist nahe verwandt der „Schwarzen Magie" des Herpentil (s. d.) und dem Almuchabosa sowie dem Compendium magiae nigrae des Michael Scotus (s. d.). 2. Gewaltige Citation und Beschwörung des vermaledeiten Teufels Astaroth Beelzebub Dierle Bassiel 3 ). 3. Der gerechte Kornreuther 4 ). Horst 6 )

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Korona—Körper

hat das erste um 1780 als Druck in der Bibliothek des Klosters Arnsburg bei Gießen gesehen, 1748 wurde es in einer Zeitungsanzeige gesucht und danach als in Würzburg vorhanden nachgewiesen 6 ). Nach Kiesewetter 7 ) ist es Vorlage des Herpentil und gehört dem 16. Jahrhundert a n ; dafür spricht Horsts 8 ) Mitteilung, daß es auch mit dem von Reginald Scot erwähnten Secretum Sceretorum von 1570 zusammenhängt neben seiner Verwandtschaft mit der auf M. Scotus zurückgehenden Magia naturalis et innaturalis F a u s t ' s 9 ) . Der „ger. K o m r . " beruft sich auf Cornelius Agrippa 1 0 ). *) Abgedruckt in Jezira (E. Bartels, BerlinNeuweißensee) i , 151 ff.; Hd. vom Ende des 18. Jhdts. im Germ. Mus. in Nürnberg; H o r s t Zauber-Bibliothek 1, 158 ff.; Z V f V k . 15 (1905), 413 Nr. 7; 114 Nr. 17; 415 Nr. 22; 422. *) Z V f V k . 15, 423. 3 ) Sammlung der größten Geheimnisse außerordentlicher Menschen in alter Zeit. K ö l n a. Rh. bei Peter Hammer 1725 (Pseudonym für Scheible); HessBIVk. 12 (1913), 120f. 4 ) Jezira 2, 201 ff. *) A . a . O . 1, 160. •) A . a . O . 1, 158. 7 ) Faust 2, m . •) ZauberBiU. 1, 176. •) K i e s e w e t t e r Faust 2, 29. l 0 ) Jezira 2, 204. 206. Jacoby.

Korona, hl. s. 2,106 f. Korporale und Purificatorium, auf denen man den Fronleichnam und den Kelch für die Messe konsekriert. Der handschriftliche Camifex exarmatus id est Apotheca ecclesiastica Wiblingensis schreibt darüber: „ V o n denen C o r p o r a l und P u r i f i c a t o r i i s . Gleichwie die Lehrjünger des Teufels, wann sie einen fetzen oder stücklein des Gewands, so am Galgen gehangen etc. Also, und mit weit besserem fuog gebrauchen die Hochbeflissene Exorcisten jene stücklein zusammen zu samlen, welche der unschuldige Leichnamb Jesu, der am Creutz-Galgen aus Liebe des Menschen gestorben, berühret hat, und brauchen dieselbe in unterschiedlich erlaubten Begebenheiten, mit aller gebührender Reverentz, und zwar: 1) Wann etwa einer von dem unverschämten Asmodaeo, durch unterschidliche unreine Vorstellung geplagt wurde, oder versucht, alßdann rathet der Exorcist demselben, er solle ein stücklein von der reinen Leinwath sambt einem benedicirten St. Johannis-Bild mit Gold, Weyrauch und

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Myrrhen bey sich tragen, oder in sein Beth einmachen lassen. 2) Werden sie auch gebraucht in die Amulethpulver, wie auch zu pulver, so zu legen gewidmet. 3) Für die Kleider der Hochzeit-Leuth, in einem Malefitz-Zetul eingewickelt, in die Kleider eingemacht. 4) Vor die Windel und neue wiegen, worin die neugebohrene Kind gelegt wirgt" x ). 1)

Birlinger

Aus

Schwaben 1, 430. Bächtold-Stäubli.

Körper. 1. Dem W o r t s i n n nach erscheint K . früh als Bezeichnung für den Leichnam, wird jedoch schon um 1300 auf den lebendigen Leib bezogen. Auf die Geschlechts- und Formwandlung von corpus zu K . haben vielleicht Leib und ahd. href Einfluß g e h a b t x ) . Den Ubergang begünstigten ohne Zweifel die Eingangsformel im Sakrament des Abendmahls, ganz allgemein der christliche Reliquienkult und die Ärztekunst. In der Umgangssprache des Neuhochdeutschen wie in der Mundart herrscht noch das alte „Leib", vor allem in Redensarten und Zusammensetzungen, K . findet selten Eingang. Scherzhaft wird im Nhd. vom corpus wie vom cadaver gesprochen, K . braucht man im niederdeutschen Sprachgebiet nur bei Krankheitserscheinungen, jedoch ist dann häufig allein der Rumpf gemeint 2 ). Allgemein durchgedrungen ist K . im modernen deutschen Sprachgebrauch von Wissenschaft und Technik, wo es auch im Vergleich in Anwendung kommt, vor allem aber in der K.pflege bei Turnen und Spiel. In der Vulgärsprache des Sports heißt K . haben, K . geben, körperlich sein oder spielen heute soviel wie ungeschlacht, kräftig, robust, unfair, ungeschliffen, ungeistig sein oder spielen 3 ). !) G r i m m DWb. 5, 18830.; H e y n e DWb. 2, 440 f.; K l u g e * 221; H e y ne Hausaltertümer 3, a ) Lüneburger Heide, Oldenburg, Ost193. friesland, Bentheim, Elbmarschen, Hamburg 1931, mündlich. *) Erhebung 1931, mündlich.

2. Schon früh müssen dem Menschen Gedanken gekommen sein über den Zusammenhang von K ö r p e r , Lebensk r a f t und S e e l e . Im Kampf, bei Hinrichtungen, bei Jagd und Fischfang, beim Opfer, beim Schlachten, bei der Beob-

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Körper

achtung des Sterbevorgangs, des Schlafes drängte sich die Vorstellung von Kräften auf, die unsichtbar im K . wohnen 4 ), ihn zeitweise, ja völlig verlassen können. Die Frage nach der Herkunft dieser Kräfte, der Art ihrer Verbindung mit dem K., ihrer Wesenheit und ihrem Verbleiben nach dem Sterbevorgang hat bis heute eine Fülle von Antworten erfahren. Außer den Gottheiten und Dämonen sind es Naturkräfte jeder Art, die gesamte Erscheinungswelt des umgebenden Kosmos, die dem K . Leben und Seele spenden und entziehen können. Dem ersten Menschen ersteht der K . aus Erde, Gott haucht ihm den Odem ein, kindlich-naiv dargestellt schon im Hortus Deliciarum 5 ), die Streitfrage, wann im Zeugungs- und Geburtsvorgang K. und Seele sich verbinden, beschäftigt bis heute die Theologie 4 ). Die anscheinend in Anlehnung an die Antike dazu gebildete christliche Anschauung, wonach Adams K. aus den Elementen des Kosmos zusammengesetzt wird, enthält trümmerhafte Vorstellungen der Jatromathematik: „Deus omnipotens de octo partibus fecit hominem, primam partem de limo terre, secundam de mare, terciam de sole, qvartam de nubibus celi, qvintam de vento, sextam de lapidibus terre, septimam de spiritu sancto, octavam de luce mundi" 7 ). Der K . ist eine Welt im kleinen, Naturdinge und Naturvorgänge beeinflussen ihn. Die Gestirne üben ihren „Einfluß" aus auf den K . Die Beziehungen sind so eng, daß elementare Sympathie besteht etwa zwischen Sonne und Herz, Saturn und Milz samt der Schwarzgalle, Mars und Gallenblase mit der Gelbgalle, Jupiter und Leber, Venus und Magen, Merkur und Gehirn, Mond und Lunge 8). Die Fixsterne geben der Materie die Form, die Tierkreiszeichen die Varianten. Der moderne „astrologische Volkskalender" für 1927 gibt zum Zeichen der Fische, Neptun und Jupiter, die vom 20. Februar bis 21. März wirksam sind: Gefahr von Schwindsucht, schwache Füße, Herzleiden, Nerven- und Nierenkrankheiten, bei Frauen außerdem unregelmäßige Menses und Erkrankung an den Eierstöcken 9 ). Vom Mond glaubte

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Hildegard von Bingen: sed in animalibus brutis in augmento lunae sanguis augetur et detrimento eius m i n o r a t u r . . d i e Menstruation der Frau soll bei abnehmendem Monde schwach, bei zunehmendem stark sein 10). Megenberg sagt: „des wolfs hirn nimt auf und ab näch dem mönn, und wie daz sei in allen tieren, doch ist ez an dem wolf mer und an den hunden" u ) . Der Glaube an den Einfluß des Mondes auf den K . ist bis heute geblieben, nicht nur die Mondsucht allein rechnet hierher, zuweilen wird auch die Epilepsie 12 ) auf den Mond zurückgeführt. Geburten können nur stattfinden bei zunehmendem Monde 13 ). Letztes Nachklingen der alten Anschauungen von der Beziehung des K.s zu den Sternen mag der Kinderglaube sein, daß jeder Mensch einen Stern am Himmel für sich habe. Wenn dieser Stern herabfällt als Sternschnuppe, dann muß der Mensch sterben " ) . Unruhe am Himmel teilt sich den K.ern auf der Erde mit. Kometen bringen Krankheit und Unglück 1 5 ). So glaubte man 1911, als der Halleysche Komet erwartet wurde, er verursache vor allem Gallenkrankheiten. Von dem gleichen Kometen schreibt 1607 Wilhelm Neweheusser, er bringe „gelbe colerische Krankheiten... als da seyn calidissimae et acutissimae febres, Podagra, colica passio oder Bauchgrimmen / Ictericus oder Gelsucht / Dysenteria oder rote Ruhr / welche alle von vermischter Gallen oder Colera . . . herkommen" 16 ) (s. Sonne, Mond, Sterne, Krankheit). In seltenen Fällen haben auch die Dämonen der Tiefe Einfluß auf den K. Eine schleswig-holsteinische Sage erzählt von heftigen K.schmerzen, die ein Graf Ranzau verspürt, als er das glückwahrende Geschenk der Unterirdischen fortgibt"). — Der Gedanke an die Lösung des K.s von Seele und Lebenskraft im Tode führt zu den Vorstellungen vom Ausfahren der Seele aus den Leibesöffnungen 18 ), von einer Art K.lichkeit der Seele und zum Glauben an den Lebensrest im Leichnam (s. d.), der eine Art Körperseele darstellt, die vermeintlich im K. bleibt, bis er in Staub zerfällt. Wieweit die konservierende Be-

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Korsett

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Leichen: „ q u e r i t a mortuis veritatem stando super tumulos et eos invocando vel per alium m o d u m superstitiosum, ut suis ossibus, crinibus, vestibus, feretro, clavis inde extractis v e l terra sepulcri volunt occulta prenoscere, que supra cogitationem suam naturalem sunt, scilicet, ') B a r g h e e r Eingeweide V. 5 ) Abb. ebda. S. 16. ®) G u i y Moraltheologie. dtsch. von Wes- an sit hoc tempore moriturus v e l 11011, an fortunatus v e l infortunatus" 22 ). Der selack (Regensburg 1869) 189. 7 ) ARw. 12, 160; 11, 483; R . K ö h l e r Adams Erschaffung Indiculus spricht: „ d e sacrilegio ad seaus acht Teilen in Germania 7 ( 1 8 6 2 ) , 3 5 0 — 5 4 ; pulchra m o r t u o r u m " 23 ) und meint vield e r s . Kl. Schriften 2, 1 ff.; G r i m m Myth. leicht ähnliche Dinge oder Leichenschau. 468 fr.; G u n d e l Sterne und Sternbilder (1922) 198. •) B a r g h e e r Eingeweide 4 f. *) Uranus- „ A u s der Gestalt toter leichnam nach Verlag (Duphorn) Oldesloe o. J. 62. 10 ) H i l d e springung der glider" 24 ) soll man 1484 g a r d i s c. et c. (ed. Kaiser) 79, 3 u. 78, 10. geweissagt haben. — Der Nutzen, den u ) Megenberg Buch d. Nat. 148. " ) H ö f l e r man der im K . und seinen Teilen beKrankheitsnamen 712. l a ) B a r g h e e r Eingeweide 2. " ) ZfVk. 1, 218. » ) L a u f f e r in ZfVk. schlossenen Seele oder Lebenskraft ab27, 13—35" ) HessBl. 7 , 7 8 — 1 1 5 . zuringen sich mühte, hat in Zauber und " ) Möllenhoff Nr. 512, 2. 1S ) B a r g h e e r Medizin eine unendliche Reihe von ZeugM Eingeweide 6 f. ) Dietrich S c h ä f e r in S.-B. nissen erbracht. Die weiße und schwarze der preuß. Akademie ( 1 9 2 0 ) 2 6 ; Bargheer 20 Magie operiert mit Vorliebe mit K.teilen Eingeweide 8 ff. ) Naumann Gemeinschaftsk. 29. (s. d.) 2 5 ), die Organtherapie 2 S ) hat in ihren Grundgedanken die Medizin aller 2. Der Zusammenhang des K . s mit Zeiten beschäftigt (Erkrankung, Heilung Gottheiten, Dämonen, Naturkräften läßt und Pflege des K . s s. bei Krankheit, ihn willkommen erscheinen für Zwecke Volksmedizin, Aderlaß etc.). von M a n t i k , Z a u b e r und M e d i z i n . 21 ) B a r g h e e r Eingeweide 443 (s. v. Vampyr). Manche Eigenarten des l e b e n d e n K . s aa " ) ZfVk. 12, 11. ) S a u p e 5—9; vgl. werden auf zukünftiges Schicksal geZföVk. 11, 277. M ) G e f f c k e n 112. " ) B a r g deutet, wie etwa die Form der Augenh e e r Eingeweide 159 ff. *•) ebd. 229 ff. brauen (s. d.), der Verlauf der unter der Bargheer. Korsett. Mit dem Worte K . wird nicht Haut sichtbaren Adern (s. d.), Form und bloß die S c h n ü r b r u s t (Schnürleibchen, Farbe der Fingernägel (s. d.), die HandSchnürmieder), sondern auch zuweilen linien werden gedeutet (s. Chiromantie) das jackenähnliche, zum Zuknöpfen einwie der Haarwuchs (s. Haar), fast alle gerichtete M i e d e r , auch Leibchen oder K.teile (s. d.) hat man in den Bereich Kamisol genannt, b e z e i c h n e t 1 ) . Als ein der Mantik gezogen. Bei der Geburt jüngeres, der Mode unterworfenes Kleiachtet man auf Abweichungen. Mißdungsstück ist es im Aberglauben fast geburten (s. d.) bringen meistens Unglück, gar nicht vertreten. B l o ß im Erzgebirge Nabelschnur und Nachgeburt (s. d.) werwird es, was seinen Zusammenhang mit den einer peinlichen Schau unterzogen. dem Geschlechtsleben erkennen läßt, von D a s Muttermal (s. d.) wird auf Sitz, Farbe, den Mädchen z u Silvester beim E h e Umfang und F o r m untersucht. Vorgänge o r a k e l verwendet. Die Verliebte bindet a m Körper und Abscheidungen zeigen sich an jeden F u ß ein Korsett, geht dann Verborgenes an (s. Ohr, Finger, Nase, auf den Oberboden und sieht zum Fenster Blut, K o t , Urin usw.). A m t o t e n K . hinaus. Der zuerst vorbeigehende Mann werden Augen, Farbe der Wangen und wird der zukünftige Gatte 2 ). In Groden Lippen, Bewegungen des Mundes, Eingehörte zur B r a u t t r a c h t ein schartreten der Starre auf das Schicksal der lachrotes Korsett ( = Mieder) 3 ). Ein Hinterbliebenen g e d e u t e t 2 1 ) (s. Leiche, r o t e s Mieder l ä ß t sich nach einer Sage Nachzehrer). Thomas Ebendorfer sagt aus Thüringen ein Mädchen aus einer 1439 in seiner Schrift „ d e decem praeRäubern abgenommenen purpurroten ceptis" von dem Divinationszauber an B ä c b t o l d - S i i u b l i , Aberglaube V 1• handlung von Leichen in der A n t i k e und vor allem im Mittelalter 1 9 ) den Seelenglauben oder den Wiederkehrerglauben, die Anschauungen v o m „lebenden Leichn a m " 20 ), zum Grunde haben, ist nicht nachzuweisen.

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Koskinomantie

Decke machen und trägt es beim Kirchweihtanze, wird aber dabei von einem fremden Herrn, dem Räuber, erstochen 4 ). l ) Zur Geschichte vgl. F. Hottenroth Handbuch der deutschen Tracht (Stuttgart o. J.) 971 (Korsett). 973 (Mieder); K. S p i e ß Die deutschen Volkstrachten (ANuG. Nr. 342, Leipzig 1911) 22 f.; H e c k s c h e r 269. 497 f.; M e y e r Konv.-Lex. 11 (1905), 514. a ) J o h n Erzgebirge 182. 3 ) Z i n g e r l e Tirol 24. 4 ) Q u e n s e l Thüringen 150 f. Jungbauer.

Koskinomantie, Siebwahrsagung (griech. xoaxtvov = Sieb). Eine innfassende Darstellung, die vor allem auch die noch heute oder bis vor kurzem verbreiteten Formen berücksichtigt, bleibt dem Artikel „Sieblauf" vorbehalten. Hier sollen nur die frühsten Zeugnisse zusammengestellt werden, die über die Vorgeschichte des Brauches Auskunft geben und für die Frage seiner Herkunft von Wichtigkeit sind. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen mantischen Methoden, die in den Schriften des ausgehenden Mittelalters unter scheinbar antiken Beziehungen aufgezählt und beschrieben werden, handelt es sich bei der K . um eine bereits im Altertum bekannte Divination. Freilich ist für diese Zeit außer dem Namen so gut wie nichts überliefert, so daß wir nicht wissen, ob eine der späteren Methoden auf die Antike zurückgeht. Wir erfahren nur, daß die K . Auskunft darüber gab, ob ein Liebender Gegenliebe f ä n d e 1 ) . Sie wurde besonders von alten Frauen ausgeübt, die mit ihrem Sieb auf dem Lande umherziehend den Hirten weissagten und Viehkrankheiten heilten 2 ). In späterer Zeit betrieben auch Gaukler und Charlatane aller Art die Kunst ®), das Sieb wurde zu einem machtvollen Symbol, durch das der Zauberer, neben anderen Requisiten, den Dämon zu seinem Willen zwang 4 ). Bei Vertretern „vornehmer" Wahrsagekünste, z. B . der Traumdeutung, galt die K . als eitler Schwindel 5 ). Die frühste Erwähnung der K . in d e u t s c h e r Sprache dürfte in einem Gedichte der Wiener Hs. 428,154 d vorliegen, das von G r i m m 6 ) dem österreichischen Schwankdichter Stricker (13. Jhd.) oder einem seiner Lands- und Zeit-

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genossen zugeschrieben wird. Dort wird der Glaube an Unholden bekämpft und u. a. gesagt: „ U n d daz ein wip ein sib tribe sunder vleisch und sunder ribe d a niht inne waere, daz sint allez gelogniu maere". Nach einer in das 13. Jhd. zu setzenden Münchener H s . 7 ) stach man, um einen Diebstahl aufzuklären, durch ein Sieb eine Spindel, setzte diese auf einen Wirtel und ließ das Ganze so von zwei Personen halten. Nachdem nun die des Diebstahls Verdächtigen angetreten sind, spricht der eine der beiden Ausübenden: „er ist hinne, der daz hat verstolen", dann der andere: „ern ist (nicht)". Dies Zwiegespräch wird dreimal (dri stunt) gehalten. Dann heißt es weiter: vnd sprich den „ n u seze es got üf den recht schuldegen" vnd lege den ein salz üf das sip in dem namen des vaters, in dem namen des suns, i. d. n. des heiligen geistes, i. d. n. aller heiligen, i. d. n. des heiligen cruzes vnd sprich den disiu Worte in criucis weise: „pecto, pertho, pecho, perdo, pedo". Was weiter geschehen soll, wird nicht gesagt. Wahrscheinlich sollte dann das Sieb in Drehung geraten, wenn der Dieb da vortritt. Dies kann man aus der oben unter „Kleidomantie" angeführten kirchlichen Vorschrift für die Psalterprobe aus dem 12. Jhd. schließen, die auch in anderen Einzelheiten, so in dem Zwiegespräch, dem vorliegenden Rezept sehr ähnlich ist. Anderseits erinnert die Verwendung einer Spindel und eines Wirteis aufs stärkste an eine Ritualvorschrift des 14. Jhds. für die Ausführung der „Probe des drehenden Brotes" 8). Wenn die K . im Gegensatz zu den genannten zwei Schuldproben niemals unter den von der Kirche anfänglich anerkannten und durch ihre Assistenz sanktionierten Gottesurteilen auftritt, so ist dies vielleicht daraus zu erklären, daß sie bereits im klassischen Altertum als eine typische Erscheinung niederen Aberglaubens galt und deshalb zur Aufnahme in das christliche Ritual ungeeignet war. Durch die Verwendung des weltlichen Gerätes an Stelle des geweihten Brotes oder des Psalters konnte sie geradezu als eine Parodie jener Ordalien gedeutet werden.

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Koskinomantie

Die ausführlichste alte Beschreibung der K. findet sich bei P i c t o r i u s (aus Villingen, gest. 1569), von dem mehrere der späteren Autoren abhängig sind 9 ). Danach wurde das Sieb zwischen die beiden Schneiden einer Schere eingeklemmt ; die beigegebene Abbildung zeigt, daß es sich um ein großes Getreidesieb mit Holzrand und um eine aus einem Stück gearbeitete und in sich federnde Schere handelt, wie sie im Altertum allgemein und neben der zweiarmigen „Scharnierschere" bis ins 16. Jh. hinein gebräuchlich war 10 ). Die Schneiden der Schere berühren den kreisrunden Holzrand des Siebes im Sinne von Tangenten, sodaß Schere und Sieb in einer senkrechten Ebene liegen. Zwei Personen halten die Schere, indem sie die Spitze des Mittelfingers je einer Hand (nach der Abbildung ist es eine r. und eine 1. Hand) an die Stelle drücken, wo die beiden Arme der Schere von dem federnden Kopfbogen ausgehen. Dann sprechen sie sechs sinnlose Zauberworte (dies, mies, ieschet, benedoefet, dowima, enitemaus) und nennen die Namen sämtlicher Verdächtiger. Bei der Nennung des Schuldigen bewirkt der durch jene Formel beschworene Geist, daß das Sieb in kreisende Bewegung gerät. Eine andere a l t e u ) , später gleichfalls mehrfach wiederholte12) Beschreibung der K. besagt, daß ein Sieb auf eine mit je zwei Fingern gehaltene Schere gelegt und unter Zauberworten hochgehoben wurde; bei Nennung des Schuldigen fängt das Sieb an zu zittern, zu wackeln oder sich zu drehen (tremebat, nutabat, movebatur vel convertebatur). Man hat sich diese Ausführung wohl so zu denken, daß das Sieb auf der Spitze einer senkrecht gehaltenen Schere balanziert wurde 13 ). In ähnlicher Weise wurde nach einer anderen Beschreibung das Sieb auf eine Axt gelegt, die in ein rundes Holzscheit geschlagen war 14 ). Wird hier die K. durch Axinomantie (s. d.) verstärkt, so bedeutet es eine gewisse Verbindimg der K. mit der Psalterprobe (s. o. Bibel, Kleidomantie), wenn ein Gesangbuch in das an der Schere hängende Sieb gelegt werden soll 16 ).

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Das Sieb soll ein Mehl- oder Haarsieb 16 ) oder ein Grützsieb 17 ) sein; in neueren Vorschriften wird meist ein Erbsieb und eine Erbschere verlangt. Neben den oben erwähnten Zauberworten wird in nordischen Rezepten auch die Satorformel angewendet, außerdem Anrufungen Jesu, Marias, der hl. Dreieinigkeit, der Heiligen Paul, Peter, Kilian und verschiedene Schwurformeln18). Neuere Vorschriften verlangen ein ähnliches einleitendes Zwiegespräch, wie es die oben zitierte Hs. des 13. Jh.s verordnet 19 ). Der Anlaß zur K. ist in den allermeisten Fällen der Wunsch, einen Dieb festzustellen. Doch wird auch nach anderen verborgenen Dingen geforscht 20). Die Bewegung des Siebes wird in älterer Zeit auf unmittelbare Einwirkung eines Dämons zurückgeführt, wofür auch die angewendeten Zauberworte sprechen 21 ); seltner treten an deren Stelle die erwähnten christlichen Gebete, die dem Ritual der von der Kirche anfänglich zugelassenen Gottesurteile nachgebildet sind. Von den weltlichen und kirchlichen Behörden des 16. und 17. Jh.s wurde die K . als Zauberei bekämpft und bestraft 22 ); gläubige oder vorsichtige Leute hielten sich daher von ihr fern 23). Die K. gehörte in dieser Zeit offenbar in Deutschland wie in anderen Ländern zu den verbreitetsten Formen mantischen Aberglaubens24). Sie war nicht nur, wie viele andere Divinationen, ein Kunststück, das von Magiern oder Gauklern einem besseren Publikum vorgeführt wurde, auch nicht eine blutlose Gelehrtenerfindung, sondern sie wurde, wie noch bis in die Gegenwart (vgl. Sieblauf), im Volke selbst ausgeführt. T h e o k r i t Idyll. 3, 31 f. (dies die früheste Erwähnung der K . ; die Scholien 2. d. St. bringen 2) T h e o k r i t nichts Wesentliches). a. a. O . ; P h i l o s t r a t o s Vita Apoll. Tyan. 6, 1 1 ; vgl. a. 3, 43. 3 ) L u k i a n Alexander 9. 4 ) Gr. Par. Zauberpapyrus v . 2303, bei P r e i s e n d a n z Griech. Zauberpapyri (GZP.) 1 (1928), 145. Wenn hier anscheinend von dem Sieb als einenr oxsöoi naXatrfv die Rede ist, so erinnert dies an das E r b s i e b späterer Zeiten. *) A r t e m i d o r o s Oneirokr. 2, 69; P h i l o s t r a t o s a. a. O. 3, 43. Nur den Namen der K . erwähnen C h o i r o b o s kos bei B e k k e r Anekdota Graeca 3, 1193; P o l l u x Onom. 7, 188; J o s e p h o s Hypomnesticum cap. 144, ed. Fabricius (2. Ausg. Hamburg 11*

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Kosmogonie

1741) 326, auch bei M i g n e P. G. 106, 160. Zur antiken K . vgl. G a n s c h i n i e t z bei P a u l y W i s s o w a 11, 1481; B o u c h i - L e c l e r q Hist. de la Divination 1, 183; H o p f n e r Offenbarungszauber 2, 146 § 309; H a l l i d a y Greek Divination 219; F e h r l e in A R w . 19, 549. •) Myth. 2, 875 f. ebd. 928: „ D a s Sieb ist leer, ohne Fleisch und Bein". ' ) B i r l i n g e r in Alemannia 8, 303. 8 ) Cod. Luxemb. 50, MGH. Leges 5, 687; F r a n z Benediktionen 2, 360. 385. 388; D i e r manse in NdlZfVk. 34, 16, wo die Frage, wie das von der Spindel durchbohrte Brot gehalten wurde, ausführlich besprochen wird. In unserm Fall muß man wohl annehmen, daß der Wirtel auf das untere Ende der Spindel geschoben wurde, um dem Sieb, das sonst von der Spindel herabgefallen wäre, einen Halt zu geben. Diese Praxis der K . hat sich in den Hauptzügen im Aberglauben der Gegenwart erhalten, s. W Z f V k . 33, 136: Man spießt eine Schere in das „Reiberl", dreht es unter einem Vaterunser und sagt dann: „Also, jetzt hilf mir den Dieb finden". Dann nennt man alle verdächtigen Personen; wo es hält, der ists (Waldviertel). •) P i c t o r i u s Varia (1559) 69, auch bei A g r i p p a Opera ed. Bering 1 (1580), 487, dt. Ausg. 4, 179; C a r d a n u s , den P. sonst mehrfach benutzt, ist hier nicht die Hauptquelle; seine Beschreibung der K . in De Sapientia 4, Opera 1 (1663), 567 a erinnert zwar z. T. an die des P „ ist im ganzen aber weit dürftiger. Von P. mehr oder weniger stark abhängig sind u . a . : Volksbuch von Fausts Famulus Wagner, s. F r i t z Andtr Teil D. Joh. Fausti Historien von seinem Famulo Christoff Wagner (1593) 81; W i e r u s De praestigiis (1564) 159; B u l e n g e r u s Opuscula (1621) 221; F a b r i c i u s Bibliogr. antiquaria* (1760) 599. Auch neuere Darstellungen, z. B. F r e u d e n b e r g Wahrsagekunst 49. l 0 ) F e l d h a u s Die Technik 907. u ) D e l r i o Disquis. magicae üb. 4, c. 2, qu. 6, s. 4; Opera 2 (1603), 171. Bei Erwähnung der (nicht wörtlich wiedergegebenen) Zauberformel bezieht sich D. auf Pictorius, doch weicht die übrige Beschreibung von diesem ab. 12 ) P e u c e r De praecipuis generib. divinationum (1560) 170; L o n g i n u s Trinum magicum (1611) 93; B o i s s a r d u s De divinatione (1615) 18; D i e t e r i c h Ecclesiastes 2 (1632), 702, auch in Alemannia 11, 288; H e r r n s c h m i d Sünden-Rolle 4 bei P r a e t o r i u s De Coscinomantia oder vom Sieb-Lauffe (1677) C 1 v. Übrigens bringt diese von abstruser Gelehrsamkeit strotzende und ziellos abschweifende Schrift des Praetorius (auch u. d. T. De Coscinomantia sive Cribro Magico in demselben Jahr erschienen) trotz des verheißungsvollen Titels sachlich so gut wie nichts. l 3 ) So auch bei G r i m m Myth. 2, 928 (dänischer Aberglaube), vgl. a. T h o r p e Northern Mythology 2 (1851), 272. " ) P f u e l Elecla physica (1665) 150; A n h o r n Magiologia (1674) 519. M) B a n g Norske Hexeformularer in Skrifter udg. av. Vid. Selsk. i Christiania 1901 Nr. 1, 581 (Hadeland, Norwegen, v. J. 1793). Eine

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Verbindung von K . und Hydromantie beschreibt T h o r p e a. a. O. 3, 15: Ein Sieb wird auf ein mit Wasser gefülltes Faß gesetzt; Schlüssel und Schere, in das Sieb gelegt, beginnen bei Nennung des Schuldigen zu tanzen, im Wasser erscheint ein Bild, wie der Diebstahl geschah. u ) A n o n y m u s Moncalvariensis bei A g r i p p a Opera ed. Bering 1 (1580), 692, dt. Ausg. 5, 363. 1 7 ) B a n g a. a. O. Hier wird die Schere ausdrücklich als Schafschere bezeichnet, womit wohl jene altertümliche, aus einem Stück gefertigte federnde Form gemeint ist, die für die Schafschur noch lange in Gebrauch geblieben ist. 18 ) B a n g a . a . O . 580 f. " ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 292. 20 ) P i c t o r i u s a. a. O. erzählt z. B., wie er sich mit Hilfe der K . nach den Beschädigern seiner Vogelnetze und nach dem Verbleib seines entlaufenen Hundes erkundigt habe. K . zur Feststellung von Krankheiten: de V r i e s Tijdschr. v. Ndl. Taalen Letterkde. 47, 108 (Finnland); Erkundung des Freiers: G r i m m Myth. 2, 927, vgl. M e y e r Baden 166. 2 1 ) Außer den angeführten Zeugnissen von P i c t o r i u s , D e l r i o u. a. vgl. E e k hof in Nederl. Archief v. Kerkgeschiedenis N. S. 8, 214. 2 i ) B i r l i n g e r in Alemannia 11, 84 (Todesstrafe in Sachsen); E e k h o f a . a . O . 205B. (Ausschließung vom Abendmahl, Amsterdam 1641). Eine heftige Polemik richtet gegen die Teufelskunst der K . B o d i n Dämonomanie (1580) 118, nachdem er aus eigener Kenntnis von einem jungen Mann berichtet, der die K . in einem vornehmen Pariser Zirkel vorführte; er setzte das Sieb lediglich durch ein paar französische Worte in Bewegung. Anderen gelang dies nicht, auch wenn sie die gleichen Formeln sprachen. Daraus schließt B. auf einen Pakt mit dem Teufel. Für die Ausübung der K . in feinen Kreisen spricht auch ihre Erwähnung unter den Künsten des Mr. Trippa bei R a b e l a i s Gargantua 3, 25, dt. Ausg. v. Gelbcke 1, 398, vgl. G e r h a r d t Franz. Nov. 109. " ) P i c t o r i u s a . a . O . bekennt, daß er die K . mehrfach in seiner Jugend mit Erfolg betrieben, dann aber davon abgelassen habe, „timens ne daemon veritate, qua praeter naturam in me usus fuerat, os mihi subliniret et amplius seducendo illa quaeret". a4 ) A n o n y m u s M o n c a l v . bei A g r i p p a Opera ed. Bering 1 (1580), 692, dt. Ausg. 5, 363: cuius usque ad nostra tempora invaluit usus in nostra Gallia, maxime apud idiotas et plebeios; C a r d a n u s Opera 1 (1663), 567 a: urbibus et villis notissima; A m e r s b a c h Grimmelshausen 2, 76; Z a n c h i u s De divinatione (1610) 12; E e k h o f a. a. O. 214; M e y e r Aberglaube 284; S c h i n d l e r Aberglaube 217; G r i m m Myth. 2, 928. Auch als poetisches Motiv: Ben J o n s o n The Alchemist 1. A k t 1. Szene; G r y p h i u s Geliebte Dornenrose 3. Aufzug. Boehm.

Kosmogonie. Die in den Überlieferungen der Kulturvölker (vorhandenen) entstandenen Niederschläge (Systeme) der

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Kot

Anschauungen von der Entstehung der Welt und ihrer Teile sind im allgemeinen zu kompliziert, als daß sie im völkischen Aberglauben seßhaft geworden wären l ). Es müssen schon ganz besondere Ereignisse, wie mächtige Katastrophen sein, die dadurch, daß sie das Gedächtnis von Generationen überdauern, beim Verblassen der Erinnerung mit einem kosmogonischen Bestandteil in Verbindung gebracht werden 2 ). In Bayern sollen sieben Dörfer auf einmal weggeschwemmt worden sein. Man weiß, daß dies durch einen Wolkenbruch von Milch geschah 3 ). Wie denn weißliche Wolken „ursprünglich als eine Art himmlischer Milch gedacht wurden, dem Gewittertier, der Himmelsziege Heidrun entstammend". So erzählt man noch gelegentlich heut von einer riesigen Gaiß, die auf dem Hohenbogen lebte, mit ihrem Rücken die höchsten Bäume überragte, jeden Tag zwei Morgen Land kahl fraß und aus deren herabgerissenen Zitzen sich zerstörende Milchflut auf die Erde ergieße. Wie diese Ziege auch eine umgeformte Urkuh nach Art der Riesenkuh Audhumbla, der Nährmutter des Riesen Ymir, der Edda sein könnte, so mag in dem Riesenochsen der schwäbischen Sage, der den Bodensee im Durchwaten austrank, eine Vermengung jener eddischen Kuh und des durstigen Gottes Thor vorliegen 4 ). In der Oberpfalz erklärt das Volk die Sterne daher, daß die alten Riesen mit Kugeln nach dem Himmel warfen und ihn durchlöcherten, so daß durch die Löcher sein Licht dringt 5 ). Darin scheint eine kosmogonische Erinnerung zu schimmern. Die Edda erzählt nämlich anders und doch ähnlich. Die erwähnte Urkuh hatte in drei Tagen aus dem salzigen Eisstein den Buri hervorgeleckt und dessen Enkel Odhin, Vili und Ve erschlugen den Urriesen Ymir, schleiften seinen Leichnam an die gähnende Kluft und machten daraus unsere gegenwärtige Welt, indem sie aus dem Schädel den Himmel formten und daran die aus Muspelheim lose herfliegenden Funken befestigten 4 ). Der Ursprung der Sterne wird hier indirekt und nur teilweise

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vom Riesen hergeleitet: die Darstellung des Volkes vereinfacht die komplizierten Züge der ursprünglichen Erzählung. Elard Meyers Ansicht, daß die Zerstücklung Ymirs in die Teile der Welt „nichts volkstümliches, nichts germanisch-heidnisches an sich hat" 7) und wie die ganze eddische Kosmogonie aus dem Christlichbabylonischen stamme, ist nicht haltbar, zumal die indische Auffassung der Welt als aus den Teilen des Gottes Prajäpati hervorgegangen neben anderen eine sprechende arische Analogie ist 8 ). Dazu ist auch die lettische Kosmogonie zu vergleichen, nach welcher Gott aus den von seinem Wort-Wind entstandenen Adler die Teile der Welt bildete 9 ). Daß man daneben erzählt, daß die tiefen Täler durch die Fußtritte der Riesen entstanden sind, ist nicht vereinzelt und braucht kaum erwähnt zu werden 10 ). An die „Blutlache" in der Tempelhöhle in Nieder-Österreich knüpft sich die Sage, es sei ein Überrest des Blutes des Ymir, der durch seine Erschlagung gleichsam sich rächend die Erde überflutete, und das erste Menschengeschlecht ersäufte, von welchem nach der Edda bloß Bergelmir mit seinem Weibe überlebte 1 1 ). An die Regenbogenbrücke, welche zum Asenberg führte, erinnert vielleicht die Sage von der ledernen Brücke, welche sich vom Karlstein bei Reichenhall bis zum 800 Fuß entfernten Tal Amering spannt 12 ). ' ) M e y e r Eddische Kosmogonie; Franz L u k a s Die Grundbegriffe in der Kosmogonie der alten Völker, 1893; Peter J e n s e n Kosmogonie der 2 3 Babylonier. ) B e t h Religgesch. m f. ) S c h w a r t z Volksglaube 10. *) Q u i t z m a n n 194; ZfdMyth. 1, 439. *) S c h ö n w e r t h 2, 263. >) Edda 1, 46. ' ) M e y e r Edd. Kosm. 79. ») Sapatha-Brhmana 1, 7, 4. •) Veckenstedt 10 ZfVk. 2, 3 ; 4, 238 f. ) Z. B. S c h ö n u werth a.a.O. ) V e r n a l e k e n Alpensagen Nr. 200. 1 J ) Q u i t z m a n n 195. K . Beth.

Kot. 1. als gemeindeutsche B e z e i c h n u n g erst nach dem 15. Jh., vor allem unter dem Einfluß der Bibelübersetzung, sich verbreitend, ist in seiner Verwandtschaft mit mhd. quät wie Unflat und Unrat zunächst verhüllende Bezeichnung für ster-

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Kot

cus und merda*). Ältere Namen für Leibeskot wie Mist und Dreck stehen in bunten Formen vielfach neben einer stattlichen Reihe von Sonderbezeichnungen im Wortschatz der Mundarten. — Wie in allen Naturdingen suchte man auch im K. besondere K r ä f t e , vielleicht in Anlehnung an die früh beobachtete Dungkraft, vielleicht später in seiner Eigenschaft als Substitut. Die antike Anschauung von der wunderbaren Selbstzeugung von Fliegen, Mücken, Würmern usw. aus K. hat neben der biblischen Erzählung von Adams Erschaffung nachhaltig auf die deutsche Überlieferung eingewirkt. Hildegard von Bingen sagt: „si de noxiis et malis humoribus, qui in homine sunt, vermes in aliquo homine excreverint " 2) und Megenberg läßt „spinnen an unkäusch auz faulen dingen" erstehen 8), Bienen kommen „auz frischen waltrinder päuchen", die man mit Mist bedeckt hat, und „auz faulem atem werdent peinen, die ze latein culices haizent " 4 ). Noch 1808 schreibt der Professor der Physiologie Philipp von Walter: „Die Eingeweidewürmer sind Produkte der Krankheit und entstehen durch äquivoke Zeugung mittelst Synthese der Infusorien, die sich im Darmschleim finden. Die Krätzmilben entstehen nicht aus Eyern, sondern durch freiwillige Zeugung und ebenso die Läuse" 8). Solche und ähnliche Vorstellungen können auch heute noch gelegentlich festgestellt werden. Gewisse Fliegenarten entstehen nach norddeutschem Glauben aus K., Ungeziefer wird aus Schmutz geboren '). Die Fledermaus entsteht nach Zigeunerglauben aus Teufelsk. 7). Die Völkerkunde hat vereinzelt Beispiele beigebracht, nach denen es Erzählungen gibt von der Erschaffung der Menschen aus Exkrementen. Man hat sogar versucht, aus diesen Vorstellungen eine „mythische Urschicht vor dem Mythos" zu erschließen 8). Von einer Art Personifikation des grumus merdae (s. d.) als Wächter war oben bereits die Rede 9 ), scherzhaft-bildlich freilich ist häufiger der K. personifiziert. K.haufen heißen: Naakt Husoren, Professers, Arm Lüd, Kahlköppt Jungens oder Kruus-

332 köpp, was dem Volke Veranlassimg gab zur Bildung des Rätsels: Achter unsern hus' steit Peter Krus', hett nich huut oder hoor, liker steit he door1*).

Im Schimpfwort setzt man K. und Menschen in Vergleich, auch der Tod wird in Beziehimg gebracht mit den täglichen Abscheidungen u ) .

*) Heyne DWb. 2, 446; K l u g e EtWb* 222. *) Hildegardis causae et curae (ed. Kaiser) 209,33. 4 ) Megenberg! Buch der Natur 295, 1; vgl. 286, 29. «) ib. 292,22. 5 ) v. Müller Spekul. (1914) 9; vgl. Bargheer Eingeweide 405. •) mündlich (1928) Elbmarschen, Lüneburger Heide. 7 ) Wlislocki Zigeuner 123. 8 ) ARw. 22, 154—175; vgl. Bargheer Eingeweide 106f.;VJ-undtMytk.u.Rel. 1,97. * ) B a r g h e e r Eingeweide 103ff. 1 0 )Wossidlo 1,33. l l ) B a r g heer Eingeweide 106 f.

2. K.mantik kommt bisweilen vor. Wer im Zürcher Oberland in Menschenoder Hundsk. tritt, hat Glück an demselben Tage 12 ), während in Schlesien derjenige, der von Menschenk. träumt, Ärger, Unglück, ja sogar Krankheit und Tod zu gewärtigen hat 1S ). In Thüringen glaubt man, daß wer von gelbem K. träume, Geld bekomme14) (s. unten), in Frankreich gilt bisweilen der vor dem Haustore fallen gelassene K. als Vorzeichen für Reichtum 16 ). Zur genauen Erforschung der Zukunft, z. B. des Gelingens eines Unternehmens, dient der K. bei den Zigeunern16). Ob solche oder ähnliche Bräuche im Indiculus geahndet und ausgerottet werden sollen ist möglich. Es heißt dort: de auguriis vel avium vel equorum vel bovum stercora vel sternutationes " ) . Wenn auch der von Höfler angenommene Zusammenhang von stercus mit augurium nicht ohne weiteres besteht, so könnte doch die Zusammenstellung und das nachfolgende sternutatio, das doch sicher im mantischen Sinne gedacht ist, einen Hinweis auf K.mantik bedeuten. u )Messikommer 1 (1909), i84. l s )Drechsler 2, 202; vgl. ZfrhwVk. 3 (1906), 231. u ) S c h l e i cher Sonneberg (1858) 148. " ) ZfVk. 12 (1902), M 384. ) Wlislocki Zigeuner 123 u. 117. " ) Saupe 1 7 f . ; Höfler Organotherapie 194.

3. Vom Zauber am gelassenen K. unter Benutzung der sympathetischen Beziehungen zwischen ihm und dem

333 früheren Träger ist häufig die Rede 18 ). „Man saget, das wenn einer eines Arsch ängsten oder blatterich machen wolle, ein solcher stercus humanuni recens excretum nehmen müsse und im Feuer verbrennen" 19), denn: „es giebt die Erfahrung / daß die kleinen Kinderlein anfangen zu hitzen und kranken / wann etwas von ihren excrementis mit dem Kehricht in Ofen wird geworfien" 20). Bei den Wenden glaubte man um 1880 jemandem Brennen im Mastdarm und Schwären verursachen zu können, wenn man seinen K. verbrannte oder in einer Art Bildzauber in den K. mit Nähnadeln s t a c h w a s beinahe wörtlich so Fischer in seinem Aberglaubenverzeichnis schon 1791 bringt 22). Darum sagt man auch heute noch, daß jemand Krätze bekommt, wenn man seine Exkremente mit glühenden Kohlen und Asche bestreut 2S ), er bekommt einen schlimmen After, wenn man den K. mit neunerlei Holz verbrennt 24). Um dem Vieh des Feindes zu schaden schleicht man sich nachts in den Stall, sammelt von dem K. und verbrennt ihn zu Hause; die Tiere fallen dann ab, nagen am Holz, geben schlechte Milch und nässen beim Melken 2S). Dem Wolf konnte man schaden, wenn man seinen K. verbrannte und die Asche vom Winde verwehen ließ. „Andere machen ein Loch in die Erde, thun die Excremente hinein und schlagen einen Keil darauf: durch ersteres Experiment soll der arme Wolf Bauchgrimmen bekommen und seine Spur verlieren, im anderen Falle aber mit einer Obstruction bestraft werden. Letzteres Verfahren mit menschlichen Excrementen angewandt, hat denselben Erfolg" 2S). Schaden kann man auch den Schelmen, die Hof oder Abort verunreinigen, indem man den K. mit Feuer oder Wasser behandelt. So soll man einen „feurigen Zundel" auf den warmen Dreck des Übeltäters legen, er bekommt dann „den Arsch voll Rosen" 27). Besonders Kinder, die ihr Bedürfnis verrichten an verbotenen Stellen, kann man strafen mit Blasen auf dem Hintern, wenn der Unrat mit heißer Asche bestreut28) oder gar verbrannt wird 29). Im Rauch des

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Kamins aufgehängt bringt der K. dem früheren Träger Schwindsucht und Abzehrung 30), tut man ihn in einem Säckchen in fließendes Wasser, so hat der Betreffende so lange Diarrhöe, bis man den K. wieder aus dem Wasser nimmt sl ). Das erinnert an den Bosheitszauber, den Praetorius beibringt: „so er wolle zu wege bringen / das eines sein Bette / mit dem König David die gantze Nacht überschwemme / oder bepinckele / so müsse er den frisch gestulgangeten Mist nehmen / ihn in ein Tüchlein thun / und ins frische vorbey fliessende Wasser hengen: nach dem Verzeichnisse eines Anonymi in Magneticä Medicina" 32). Man kann einem Widersacher auch Unruhe machen, wenn man seinen K. in einen Ameisenhaufen bringt M ), einem Zauberer, der beim Schweineschlachten stört, kann der Schlächter schaden, wenn er mit seinem Schlachtmesser dreimal im Stall in den Schweinemist sticht und dazu sagt: sit, sät, sat 34). Am Walpurgisabend schütten Hexen auf den Düngerhaufen Leichenwasser, um den Kühen die Milch zu nehmen. Kuhk., der in der Nacht vom Karfreitag zum Karsamstag entwendet ist, verleiht dem Zauberer ein Jahr lang Macht über das Vieh. Man muß also den Düngerhaufen umstecken mit Dornen, frischen Rasenstücken oder zwei Haselgerten. Dazu kommen Reisig, Eggen, Rechen, Mistgabeln und Wirtschaftsgeräte. Man schießt wohl auch kreuzweise darüber 3S). Auf jede Weise versucht man gegen vermeintlichen Zauber den K . zu hüten, fällt der K . einer Kuh vor ein Hexenhaus, darf man ihn beileibe nicht liegen lassen se ), seine eigenen Exkremente soll man mit Erde bedecken gegen Zauberei37), eine Sitte, die man auch bei Wilden (z. B. den Bewohnern Neu-Britanniens) beobachtet hat 38). In seltsamem Gegensatz zu dem Schadenzauber durch K.verbrennung steht nun die Weisung, zur Zauberverhütimg den K. durch Feuer zu vernichten, wie es mit dem Kindspech in Norwegen geschah 39), das auf dem Herd verbrannt werden mußte, an welchem die Mutter mit dem Kinde saß. — Man darf auch

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nicht auf Wegen oder Stegen seine Not-: dürft verrichten, es wird einem sonst etwas angetan " j , man bekommt einen Schaden am After oder nach häufigerem Glauben ein Gerstenkorn am Auge 41 ). Wer in einen solchen K.haufen am Wege oder gar auf einem Kreuzwege tritt, bekommt nun das Gerstenkorn 42). Eine Art Häufungszauber liegt vor, wenn man in Böhmen einen Span von einem Sarge mit dem Exkremente eines Menschen in Leinwand von einem Totenhemd wikkelte und im Kamin aufhängte. Der Mensch trocknete dann aus. Wollte man ihn dagegen anschwellen lassen, so begoß man das Aufgehängte; heilen konnte man ihn wieder, wenn man es vor Sonnenaufgang in einen Hagebuttenstrauch legte 43). Zu harmloserem Zwecke, jemandem Stuhlgang zu verschaffen, tat man von des Patienten K. in eine abgesägte Schienbeinröhre eines Toten, goß Wasser darauf und kochte das ganze am Feuer **), jedoch scheint ein ähnliches Rezept früher anderem Zauber gedient zu haben. In Speidels Speculum von 1627 heißt es: . . . item / wann sie Menschenkot nehmen / und in eines Todten Rörenbein thun / darnach in Brunnen werffen / so dorren die Personen aller aus / welche von dem Wasser trincken 45), und später heißt es, wieder in Anlehnung an den sympathetischen K.glauben, daß man einem Menschen den Tod zusprechen könne, wenn in dem Abort ein hohler Menschenknochen so aufgehängt wird, daß der Abfall desjenigen, dem der Tod zugedacht ist, durch diesen Knochen fällt 46). Ganz harmlos wird schließlich das Rezept bei dem Arzte Most. Er berichtet von einem Versuch: man nimmt zwei Federposen, füllt sie mit dem K. des Menschen, der purgieren soll, verschließt sie mit Siegellack und kocht beide Posen im Wasser. Der Mensch muß dann so lange abscheiden bis die Posen wieder erkalten. Ein Arzt hat nach Most einen Spötter auf diese Weise „10 mal schnell hintereinander purgiren" lassen, „weil dieser über ihn und seine Curen an Table d'höte öffentlich gespottet hatte". Es wird beteuert, „daß die Einbildung

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hier keinen Einfluß haben konnte, da der junge Doctor vom Experiment nicht das Geringste wußte" 47). w)

Phil.

B a r g h e e r Eingeweide 402. 9.

20)

Seyfarth

Sachsen

19 )

Praetor.

5 9 aus

Leh-

mann Ober-Erzgebirge (1699) 833. 2 1 ) S c h u l e n b u r g Wenden 1 (1880), 245; vgl. F o g e l Pennsylvania

295 N r . 1559.

22)

Fischer

Aber-

glaube 1 (1791), 137. 23 ) Urquell 4 (1893), 211. 24) D r e c h s l e r 25 ) 2, 259. 248. ZöVk. 13 (1907), 25. 2«) K r e u t z w a l d Esten (1854) i 2 i f . 2 ') SAVk. 13, 64. 28 ) T o e p p e n Masuren 40. 2») W u r t h Niederöstr. 2 (1866), 292. so ) Most (1842) 138; ähnl. S e y f a r t h Sachsen 59; W u t t k e 269 § 395; 414 § 643; J a h n Pommern 31 ) D r e c h s l e r 163 Nr. 538. 2, 248, 259. 32) P r a e t o r i u s Phil. 9. 83) John Westböhmen 317 (Handschr. d. 19. Jh.). 34) S c h u l e n b u r g Wenden 2 (1882), 114. 85) A. John Westböhmen 72 u. 202. 8 ') F i s c h e r c. 64. 3T) S e y f a r t h Sachsen 59.S8) Urquell 3 (1892), 85.3») L i e b r e c h t Zur Volksk. 318. 40) ZVfVk. 23, 282; Urquell 3 (1892), 247. 41 ) BllfpommVk. 3, 67; A. de C o c k Een Weeroog in SAVk. 20, 75 ff. SAVk. 3, 231; W l i s l o c k i Siebenb. 1 (1893), 83. ^ G r o h mann (1864) 199 f. 44) L u x Scharfrichter (1813) 141. « ) J a c o b y in ZVfVk. 21, 293 ff. *•) E d e r Nordböhmen in ZföVk. 13 (1907), 132. 4 ') M o s t (1842) 138.

4. Der Z a u b e r mit K. ist zum größten Teil Z a u b e r a b w e h r . Schon im 5. Jh. n. Chr. sollen die Ammen und Wärterinnen die Stirn des Kindes mit K. bestrichen haben, um sie vor Neid und bösem Blick zu schützen 48). Conlin bringt den gleichen Brauch am Anfang des 18. Jh.s der Theologe Fischer etwa 100 Jahre später so). Die Rockenphilosophie gibt den Vers: Welch unvernünftig Wesen erdenkt das Weiber-Hirn, Daß sie mit Dreck und Koth der armen Kinder Stirn Besudeln und beschmieren für Neid und Zauberey ? Ich kann gar nicht begreifien, daß das vernünftig sey 6l ).

Auch heute noch ist gleicher Brauch aus gleichem Glauben üblich 52). Gegen den Alpdruck schmiert man die Brust mit K. ein oder legt ein mit Menschenk. bestrichenes Tuch auf 62). Über Abwehr von Schiffszauber berichtet im 17. Jh. der estländische Pastor Boeder: „Es haben mir Strand-Bauern erzehlet, daß manchmal ihre Böhte bezaubert würden, so gar, daß sie auch bey bestem Winde weder hinter noch vor sich kommen könnten. Wenn ihnen nu solch Übel

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begegnet, wüsten sie kein ander Mittel, in Abscheidungen (s. d.) oder in Organen alß daß sie zusehen, wie sie das Excremen(s. d., z . B . Herz) die schädigende dämonitum puellae incorruptae bekommen möch- sche Macht und sucht sie zu quälen, zu ten, womit sie dann die Gänge und Bänke zitieren oder zu vernichten. Am Niederdes Bohts bestreichen und also solches rhein, in der Gegend von Meiderich wurden Übel abwendeten. Sie sagen auch, daß die Exkremente und der Urin eines verder Teufel mit nichts eher vertrieben hexten Kindes in einem eisernen Topfe werde, er auch nichts weniger leiden über das Feuer gestellt und mit einem könne alß das Excrementum foeminarum Deckel verschlossen. Sämtliche Schlüsselmenstruatarum" M ). Von einem ähnlichen löcher wurden verstopft, und dann durchZauber berichten Pauliini 1714 5 5 ) und schnitt man beim Kochen die Masse Bräuner in den Curiositaeten von 1737 S6). kreuzweise. Man glaubte, die Hexe müsse Liebeszauber bricht man, indem man sich darauf einstellen 6S). In der Gegend Unrat von dem Übeltäter sich in den von Trier nahm man bei Viehverhexung Schuh legt 5 7 ). Der Jäger löst sich vom etwas Dünger der betreffenden Tiere, tat Zauber, den ihm jemand angetan hat, sie in einen Sack und bearbeitete diesen indem er ihm entgegen der Gepflogenheit mit Prügeln, weil man annahm, die Hexe Glück wünschte oder der auf ihm lastet, spüre jeden Schlag und sei nun dadurch wenn er beim Auszuge einem alten Weibe gezwungen, sich selbst anzugeben 70 ). begegnet, indem er einmal das Haus um- Dem Milchzauber begegnet man mit schreitet und seine Notdurft verrichtet 68 ). Menschenk. Luther sagt in seinen TischK.rauch vertreibt Hexen. Man bewahrt reden darüber: „Dr. Pommers Kunst den ersten Stuhlgang des Kindes auf ist die beste, daß man sie (die Teufel) und benutzt ihn später beim Räuchern mit Dreck plaget und den oft in der Milch gegen „Verschreien" M ), am beliebtesten rühret, so stinket ihr Ding aller; denn als jedoch ist der Rauch von Teufelsdreck, seinen Kühen die Milch auch gestohlen asa foetida. Er soll sicher helfen bei Ver- wurde, so streifte er flux die Hosen ab zauberung von Mensch und Vieh 60 ), und brocket dem Teufel einen Wächter er wird darum von Hirten im Hirtenstab in einen Asch voller Milch und rührets getragen 41 ) oder in einem Topf unter der um und sagt: Nun fret, Teufel! Drauf Stallschwelle vergraben. Der Mensch, wart ihm die Milch nimmer entzogen" 71 ). der das Vieh verhext hat, muß im letzteren Für gewöhnlich gibt man in neuerer Zeit Falle „bei gehendem Leibe" verdorren 62). die Milch mit Menschenk. der Kuh ein n ) Die Hexe im Wirbelwind kann durch oder man beschmiert den Melkkübel mit den Ausdruck „Saudreck" zum Weichen Unrat, beim Buttern mit verhexter Milch gebracht werden. Das Schimpfwort als verfährt man ähnlich 73). Ganz allgemein Apotropaion wechselt in den Mundarten. schützt man das Vieh gegen Verhexung, In der Schweiz sagt man „Süidreck " 83), vor allem beim ersten Austreiben und in Pommern „Schwiensdreck" M ) oder, besonders das Jungvieh, indem man wenn man den fliegenden Drachen sieht, ihnen Exkremente um den Hals hängt, „Schwiedrecksbrauder" 65 ). In Nassau an die Horner, ins Maul schmiert 74 ). ruft man „Sauarsch" oder „MuckenSchadenzauber kann verübt werden, inarsch" a6), in Bayern wieder „Saudreck" 67 ), dem man Wolfsk. in einen Schafst all was ähnlich für die Nürnberger Gegend bringt; die Schafe laufen dann ängstlich aus dem Jahre 1551 bezeugt ist. Nach umher 7S). Schnepfenk., unter das Pulver Ausweis der Malefizbücher gibt damals gemischt, ergibt einen unfehlbaren der Schafdieb Georg Fischer an, er könne Schuß 78). K. als Geschenk der Dämonen den Teufel vertreiben mit einem Segen, verwandelt sich in Gold in Sage und der von seinem Vater stamme, und der Märchen 77 ). „Säudreck, Säudreck" laute 4S ). In 48 ) S t r a c k e r j a n 1, 2; B a r g h e e r EinExkrementen von Menschen und Vieh, geweide 221 ff. " ) B i r l i n g e r Schwaben i , die verhext sind, sucht man wie auch sonst 393; ähnlich A n h o r n Magiologia (1674) 151.

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339 w

) Fischer a 138. 51 ) S e l i g m a n n 2, 39 f. ) Meyer Baden 41; S c h ö n w e r t h Oberpf. 1, 188 Nr. 13; S e l i g m a n n 2, 219. **) Wolf Beitr. 1 (1852), 227; W u t t k e 274 § 403; 285 § 419; Meyer Baden 43; G r o h m a n n 26; Z i m m e r m a n n Voiksheilk. 38; Meyer Germ. Myth. 136; SAVk. 15 (1911), 8. M ) B o e d e r w Ehslen 130 f. ) P a u l l i n i Dreck. Ap. x, 345. " ) B r ä u n e r Curiositaeten (1737) 555•') D r e c h s l e r 1, 233; W i t z s c h e l Thüringen 2, 270 Nr. 53; B r ä u n e r Curiositaeten (1737) 1087; vgl. SAVk. 3, 2 3 f . ; Alpenburg Tirol (1857) 383. ««) D r e c h s l e r 2, 201. M ) F i s c h e r b 128; dieser erste Stuhlgang heißt in Finkenwärder „Düwelsdreck", vgl. Kuhn Westfalen (1859). «•) F r i s c h b i e r (1870) 23; J o h n Westböhmen 320f.; K r e u t z w a l d Esten (1854) 19f.; D r e c h s l e r 2, 105. 41 ) K r e u t z w a l d Esten 116. M ) D r e c h s l e r 2,114, vgl. 106 u. 249; vgl. K n o o p im Urdhs-Brunnen 2 (1883/85), 162; ebenso mündlich aus Ostpreußen 1927. **) M. S o o d e r im SAVk. 25, 49; vgl. F r i s c h bier Preuß. Sprichw. 242. M ) BllpommVk. 4, 4. •*) Ebd. 4, 141. ••) K e h r e i n Nassau 2, 278. •') P a n z e r 2, 209. ••) H a m p e Malefizbücher (1925) 58. ••) ZrhwVk. 1, 205. *») Ebd. 10, 9. 71 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 409 = L i e b r e c h t ZurVk. 353. '*) B a r t s c h Mecklenburg 2, 39; F r i s c h b i e r Hexenspr. 18 f. " ) Gredt Luxemburg (1885) 481; A l b e r t u s Magnus 5 1 ; J o h n Pommern 172 Nr. 591; H u s s Abergl. 27; S e l i g m a n n 2, 219; Z a h l e r Simmenthai 1 1 7 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 18; S t a r i c i u s Heldensch. (1679) 393; B a r t s c h Mecklenburg 2,136; vgl. D r e c h s l e r 2, 133 f. '*) S e l i g m a n n 2, 219; Zahler Simmenthai 115; Z a u n e r t Rheinland 2, 139; B a r t s c h Mecklenburg 2, 136; W u t t k e 440 § 693; J o h n Westböhm. 321. , e ) Alemannia 5 (1877), 60. " ) G r o h m a n n 208; W u t t k e 452 § 414. " ) B a r g h e e r Eingeweide 223; R e i s e r Allgäu 1, 94 u. 258; J u n g b a u e r Böhmerwald 97; S t r a c k e r j a n 1, 335; BllpommVk. 4, 141; ZVfVk. 26, 254 u. 266; W l i s l o c k i Zigeuner 61 f. u. 117; P a u l l i n i Dreckap. 1 (1714), 13; A n d r e e Parallelen 2 (1889), 11. S2

5. Sicher hat bei der Verwendung des K.es als Heilmittel die apotropäische Kraft mitgesprochen. Vielleicht sind es aber auch besondere Eigenschaften, die man im K. suchte. Auffällig ist, daß in der Rezeptur fast aller Zeiten und aller Völker die Exkremente auftreten78). In der heutigen deutschen Volksmedizin taucht nur gelegentlich ein K.rezept auf, jedoch erweisen Kinderverse den alten Brauch. In Saarbrücken wird z. B. bei Verletzungen gesagt: Häle, häle, Katzedreck Morje frie is alles w e g " ) .

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In der Pfalz heißt es ähnlich 80) so, rheinabwärts sagt man: Häle, häle, Gausebleot, Streyke up diän kranken Feot Häle, häle, Gausedreck Muargen freo is alles weck 8 1 ).

In Mecklenburg heißt die Parodie auf einen Segen: Ik still, ik still mit de kolle hand, wo schiten de hun'n, wo stöwt dat sand M ).

Im Faschingszuge in Südtirol werden Pillen ausgeboten, die aus „Geißkügelchen", „Roßfeigen" und ähnlichen Dingen bestehen M ), und schon Fischer verspottet 1794 die K.ärzte, indem er eine Notiz von 1786 niedriger hängt, in der von dem Osterodischen Wunderkind die Rede ist, dessen „Exkrementen man Wunderkraft zuschrieb, seinen Urin und das Wasser, worin es war gerathen worden, trank, und die mit seinem Koth beschmutzten Tücher auf die Schäden legte" M ). Doch ist an dem Ernst, mit dem man an K.heilmittel glaubte, kaum zu zweifeln. In ägyptischen Texten ist vom K.schlucken des öfteren die Rede M ), Plinius hat nichtgegeizt mit K.rezepten 84). Galen rät dem Arzte: medicus sane optimus ignorare non debet medendi rationem per stercora w ). Die frühmittelalterlichen Antidotarien geben K.mittel an 88), auch die Poenitentialen zeugen von K.verwendung wenn es heißt: Si quis corporis sui cutem vel scabiem vel vermiculos... stercorave commedit etsuam bibiturinam, cum impositione manus episcopi I annum poeniteat cum pane et aqua 88). Luther sagt in einem Gemisch von Zweifel und Glauben: „Profecto, mich verwundert, daß Gott so hohe Artzeney in den Dreck gesteckt hat" 90). Erst im 17. Jh. jedoch wird die K.medizin systematisch ausgebaut. 1621 preist Minderer „in Bayern Rath und Leib-Medicus" den K . : „Behilf dich derowegen mit diesen einfältigen, geringen Stücklein und sage Gott Dank darumb, daß er deiner auch in dem geringsten nicht vergessen, also daß auch die Excrementa animalium und gezürch der Pferd und Esel, auch anderer Thier, deiner Gesundheit dienstlich und behülflich sein mögen" 91). Gufervon Mem-

341 mingen gibt in seiner 1673 erscheinenden Hausmedicin viele K.mittel M ), Becher und Tabemaemontanus wetteifern in K.rezepten, Schröder fügt den Tierbeschreibungen in seiner Jagd-Kunst K.heilmittel bei. Die erschöpfendste Zusammenstellung gibt jedoch Kristian Frantz Pauliini. Seine „Neu-vermehrte, heylsame Dreckapotheke, wie nämlich mit Koth und Urin fast alle, ja auch die schwerste, giftigste Krankheiten und bezauberte Schäden vom Haupt biß zu den Füßen innerlich und äußerlich glücklich curiret worden. erschien 1714. Den Zweiflern setzt er unerschütterlichen Glauben entgegen: „Zeige mir doch einen eintzlen Dreck in der gantzen weiten Welt (möchte ihn gern sehen), dem die Güte des Herrn nicht eine sonderbare Heylkraft eingedruckt habe" *s). Seine Rezepte sind ausdrücklich für die Armen, denn: „Jedem Bauren wächst seine Apothecke aufl seinem Hoff, hinterm Zaun und auff den Misten" M ). Die Offizinen haben denn auch die angegebenen Medikamente geführt, wie die Durchsicht der ApothekerOrdnungen im 17. und 18. J h . ergeben hat M ). Noch heute wird in Apotheken unter dem Decknamen „weißer Enzian", „Witten Enzian" ••), weißer Hundskot verlangt. Holfert-Arends geben als in solchem Falle zu verabreichendes Mittel conchae praeparatae an , 7 ). Allgemeine Erläuterungen der H e i l k r a f t sind häufig gegeben. In einem Kalender von 1750 heißt es: „Was für Krafft das Kühekoth habe, ist schier nicht zu beschreiben... frisch aufgestrichen, löschet er die Entzündung der Wunden... Mit Essig wol zertriben und überleget erweichet und zertheilet es allerhand harte ungeschlechte Knollen, Beulen und Köpff. Trücknet hefftig und zeucht starck an sich, daher dienet es zu der Wassersucht..." 9 8 ). Die kühlende Eigenschaft rühmt auch Becher: Kuh-Kot das kühlet / so man ihn thut Uberschlagen / So man auch drüber trinckt / thut er die Hitz verjagen " ) .

Vom Gänsek. heißt es ebenda: „GänsKoth erwärmbt und trocknet hefftig /

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öffnet / treibt den Harn / der Weiber Zeit / die Nachgeburth, Ist gut in der Geelund Wassersucht / in Scharbock..." 10 °). Taubenk. soll stark erwärmen „wegen seiner scharpffen nitrosität / macht die Haut roth / und etzet a u f f . . " 1 0 1 ) . Plinius sagt von Ziegenmist: „aperit, extrahit, persanat" 1W ). Diese Eigenschaften in Zusammenhang mit der zauberabwehrenden Kraft vor allem des Menschen-K.es lassen ihn geeignet erscheinen vornehmlich b e i E n t z ü n d u n g e n , G e s c h w ü r e n , Wunden und ähnlichen Affektionen. Daß an Zauberwirkungen auch dabei gedacht wird geht aus Bechers Lobgesang auf den stercus humanuni hervor: Die große Schmertzen so durch Hexerey gemacht / Die werden durch den Koth dess Menschen weggebracht.

Menschen-Koth stillet die Schmertzen / zeitiget und erweicht / wird derohalben in äußerlichen Schmertzen / so einem durch Zauberey angethan . . . übergeschlagen" los ). Die „Düdesche Arstedie" sagt im 14. J h . schon: „Wo men swelle rype maken schal edder sweren... nym dyn egen haer vnde bint dat darvp" 1 M ). In neuerer Zeit geht das emplastrum aus Menschenk. unter dem Namen „Vergülden Pflaster", „Goldsalbe", „golden Pflaster" 108 ), es wird fast stets gegen Entzündungen gebraucht 106 ). Geschwollene Brüste bei Wöchnerin und Säugling heilt man mit deren eigenen K. 1OT ). Im sächsischen Erzgebirge und in der Steiermark 108 ) wird Menschenk., offenbar in Anlehnung an die Rezepte im 6. und 7. Buch Mosis 1 M ), bei Pauliini u o ) und in älterer Z e i t m ) gegen Krebsgeschwüre gebraucht, in Bayern heilt er den „Wurm am Finger" (Panaritium) 1 1 2 ). Geschwüre und Geschwülste werden durch Menschenk. aufgezogen 1 1 S ), namentlich Exkremente von einem Kinde, das die Mutterbrust bekommt, sind dafür geeignet 114 ). Bei Brandwunden verhütet es Entzündungen 1 1 6 ). Selbst bei gerissenen Wunden hält man den Menschenk. für heilsam 116 ). Innere Entzündung bei Mensch und Vieh U 7 ), ja sogar Knochenbrüche, heilt Menschenk. 11S ). — Das

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„aperit, extrahit, persanat" trifft vor den ze pulver und siut daz pulver mit allem aber auf den Tierk. zu. Plinius ezich unde temper daz mit honege unde K.rezepte sind unsterblich: „Varicum mache dar uz ein phlaster unde lege ez dolores sedat fimi vitulini cinis cum lilii über die geswulst, sö wirt dir baz" 136). bulbis decoctus addito melle modico, Schweinek. wird gegen „Erdtritt" d. h. itemque omnia inflammata et suppura- „wenn die Fußsohle rot und geschwollen tiones minantia . . . eadem res et podagris erscheint" und gegen Panaritium aufprodest et articularis morbis e maribus gelegt 13S), auch wohl gedörrt und pulpraecipue vitulis, articulorum adtritis fei verisiert aufgestreut, „wenn einem der aprorum vel suum linteo calefacto inposi- „Zagl" weh tut oder Löcher hat, die tum, vituli qui nondum herbam gustaverit faulen wollen" 140). Gliedwasser wird in fimum, item caprinum cum melle in aceto Schwaben gestillt, indem man K. von gedecoctum" 119 ). Die Überlieferungen der mästeten Schweinen auf dickes Kartendeutschen Volksmedizin lauten durchaus papier streicht und auf den Schaden ähnlich. Im Lüneburgischen fand ein legt 141 ). Fast immer werden HautArzt häufig „Umschläge von Kuhk., krankheiten bekämpft: „Für alte, flieum Entzündungen zum Erweichen zu ßende Schäden; Nimb weißen Hundsbringen" 12°), in der Schweiz wird Kuh- k o t h , laß ihn dürr werden, mache ihn mist gegen Geschwüre und „Umlauf" zu pulver, und säe desselben pulvers in (Panaritium) aufgelegt 121 ). In Schwaben den Schaden, es thut gar recht" 142 ). heilt Kuhk. den Rotlauf; gebrannten Gegen „Schrunden am Hintern" hilft Mist von einem unverschnittenen Farren „Hundsdreck mit Rosenöl" 143). Gegen soll man auf Drüsen, Beulen und Ge- die Rose soll man den K a t z e n k . brauschwüre legen 122 ), bei Hamburg auf chen 144), der sogar einen Dorn aus dem Fingerentzündungen123) und „offene Halse ziehen kann 146). Gegen den „Wurm Beine" 124 ), d. h. Beine mit eiternden im Leibe" heißt es: „Sperre eine Katze Geschwüren. In Lippe dient Kuhk. in einen Sack, solange, bis sie darein gegen Geschwüre, vereiterte Wunden und hofiert; dann nimm den Kot und mische Rose 12S), ebenso in Westfalen 126). Frische ihn mit Honig zu einem Pflaster" 146 ). Wunden werden mit Kuhk. bestrichen127), Genau das gleiche Rezept ist noch zweiebenso Dornstiche128). Gegen Giftbiß mal, in Sachsen und Berlin verzeichnet rühmt Tabernaemontanus: „Kot von worden 147). Eine sächsische und eine allen vierfüßigen Thieren" 129). Auch die bayerische Hs. lassen in wörtlicher Übervon Plinius erwähnten Gliederkrankheiten einstimmung den Gänsek. verwenden, fehlen nicht. Im Zürcher Oberland heilt wenn sich „ein Mensch heimlich bei einer Kuhk. Gliederentzündungen, er zieht die Hure verbrannt hat" 148). Lepra heilt Schmerzen heraus, Geschwülste bringt er schon Hildegard von Bingen mit Hennenzum „usgo" 13°). Auf erfrorene Glieder k.: „De incontinentiae lepra . . . de streut man Kuhk. zu Pulver gebrannt, arvina anseris quantum voluerit, accipiat nachher bindet man warmen Kuhk. dar- et bis tantum arvinae Gallinarum ac über m ) , Brandblasen heilt man ähn- modicum stercoris gallinarum et inde lich 132 ): „Für die brön blätteren. Brön unguentum faciat . . . eodem unguento Küh Koth zu Wasser Vnd Wäsch den orth se perungat ac in lectum se recollocet", darmit" 133 ). Pferdek. soll Glieder- denn „stercus vero gallinarum sordes, schwamm heilen 134), in der Gegend von quae residuae sunt extrahit, et sie ille Insterburg grub ein Mann sich in Pferde- sanabitur" 149 ), also eine Erklärung im dünger ein, um von der Syphilis befreit Sinne des Plinius. In Tirol wird Hennenzu werden 13B). S c h a f m i s t heilt Brand- mist bei Rotzkrankheit der Pferde bewunden l s e ) und Krebs 137 ). Ziegenk. nutzt 16°), in Schwaben heilt er die wird schon im 13. Jh. empfohlen: „Si aver „Hitzblätterlein" an der Nase oder entder fuoz sö geswollen, daz er welle üz giftet Bißwunden 161 ), in Pommern hilft vallen, sö nim geizinen mist und brenne er gegen Grind 182 ). Auf Taubenk. ver-

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weist im 13. Jh. Bartholomäus oder sein Abschreiber unter Berufung auf Dioskurides: „man sül nemen toubenmist unde girstin mel unde temper diu zwei zesammen mit ezich unde lege daz plaster über diegswulst, so entswillet si" 15s ). Abscesse, Furunkeln, Ais, Schlier genannt, erweichte man in Bayern mit einer Salbe, die Taubenk. enthielt 1 M ). K.rezepte gegen A u g e n e n t z ü n d u n g e n kommen vereinzelt vor, so in Bayern, wo man bei Hornhautgeschwür Gänsek. überschlägt 155 ), bei Schröder, der 1728 Turteltaubenmist gegen „Flecken in denen Augen" empfiehlt 158 ), in großer Ausführlichkeit bei Paullini und im Physiologus, der vom Vogel Caradrius berichtet: „Ein mist, der uon ime uert, der ist ze den tunchelen ougen uile güt" 157 ). H a l s e n t z ü n d u n g e n werden in der Antike mit K. geheilt: „Aeschines Atheniensis excrementorum cinere anginis medebatur et tonsillis uvisque carcinomatis . . .hoc medicamentum vocabat botryon" (s. oben) »»). In Tirol soll 1 Lot Hundsk., zu Pulver gestoßen und in einem Löffel eingenommen, Halsgeschwüre heilen 159 ), in der Steiermark hilft eine ganze K.liste gegen Angina 160 ). Maulwurfshaare, vermischt mit Honig und weißem Hundsk. ist als Heilmittel gegen heftige Halsübel in Siebenbürgen bekannt m ) . — In einer Art Ähnlichkeitswirkung nach dem Grundsatz der Korrelation der Organe soll nun K. auch V e r d a u u n g s s t ö r u n g e n und Leiden des Verdauungstraktes wie Kolik, Verstopfung, Magenschmerzen, Grimmen, Diarrhoe und Ruhr beheben 142). Einige Tropfen, aus Pferdek. gepreßt, gewöhnlich in Branntwein genommen, ist das beliebteste Mittel 1 M ). Gegen Kolik gibt die „Düdesche Arstedie": „ N y m hundeshaer vnde duuenhoer... Item eyn ander. Nym hart mynschenhar vnde duuenhoer vnde czegenhoer vnde hourehoer" zu einer Salbe 1 M ). Tabernaemontanus erzählt von dem „gemein vnd Bawrsmann", daß er „sich mehrmals solcher Artzneyen gegen Grimmen auß Winden gebraucht / so bereit zur Hand seynd / vnd nicht viel k o s t e n . . . : Nim frisches kukot bey ein lot / dz zertreib in Reinfall / trucks durch

ein tüchlin vnd trincks / es wirt von vielen gelobt" 1S6). In Schwaben half gebranntes Wasser mit Kuhk. von „Wind und Blästen" 1 M ). Bei Insterburg nimmt man gegen „Kölke" (Magenkrämpfe) frischen Kuhmist in Milch 18?). Megenberg lobt Mausk.: „der mäus mist waicht in dem leib gar ser, dar umb trinkent in die loter (liederliche Menschen) mit wein oder mit wazzer für erznei" 168 ). Die „Düdesche Arstedie" rät: „Stot musekotel myt solte unde bynt dat vp dat hol" 1 6 9 ). Becher meint: „Der Koth (der Maus) überzuckert / fünft auch wol sechs Gran eingeben / öffnet den Kindern den Leib" 170). Gegen Verstopfung gibt man im Kanton Uri wie im Zürcher Oberland den Kindern Mäusek. ein 171 ), in Schwaben führte Mausedreck ab 1 7 2 ). Knochen aus Wolfsk. helfen gleichfalls: „quae in excrementis lupi diximus inveniri ossa, si terram non attigerint, colo medentur adalligata bracchio" 1 7 3 ), in Tirol half gegen Kolik: „ein Beinlein, welches im Wolfskoth gefunden wurde, an einem Faden um den H a l s . . . oder ein Gürtel von Hirschhaut, in welche Wolfskoth eingenäht ist, um den Leib gebunden" 174 ). Innerlich genommen gegen Grimmen wird der Wolfsk. im 16. Jh. 1 7 5 ). Becher sagt 100 Jahre später: Wolffs-Koth der wird auch wol in Wasser eingenommen / Ein Drachma denen hilflt / die Colicam bekommen " • ) .

Vom Hundsk. heißt es: Der weiße Hundes-Koth / mit Rauten Saflt vermengt / Ein Löffel voll hilfft dem der Wind und Bauchweh t r ä n g t 1 , ? ) .

Gegen Ruhr hilft der weiße Hundsk. in Steiermark 178), bei Durchfall Schweinek. 179 ), der auch Bauchgrimmen nach ostpreußischem Glauben stillt 18°). In Schwaben 181 ), Bayern 182) und T i r o l m ) gilt Gänsemist als Purgans. Schafk. vertreibt die Winde nach Tabernaemontanus 184), in Oldenburg soll er Schweiß treiben 18S), Hennenk. heilt nach schwäbischer Vorstellung Kolik 1 8 8 ). „Der Krähen-Koth soll seiner Nitrosität halben gut in der Ruhr, auch allerhand Bauch-

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Schmertzen zu stillen gut seyn" 187 ). Krankheiten v e r s c h i e d e n s t e r Art werden durch K. geheilt. Masern bekämpft man mit „Schopsköteltee" 188), Hundsk. gegen Fieber kennen Schlesien189) und Ostpreußen 19°), mit Katzenk. hat schon die Antike Fieber kuriert 191 ), in Tirol hängt man sich gegen das Quartanfieber Katzenk. auf die Herzgrube m ) , auch wird Gänsedreck in Wasser 19s ), in Schwaben Hennendreck getrunken 194). In der Pfalz helfen gegen Wechselfieber Teufels-, Gänse-, Tauben- oder Hundsk. 196 ) „Kühkotwasser" rühmt Tabernaemontanus gegen Vergicht der Kinder 196 ), der Parnassus medicinalis meint „Guckgucks-Mist getrunken / hilfft / wann einen ein wütender toller Hund beißt" 197), Hunde- und Taubenk. waren in der Pfalz Antiepileptica 198 ). Katzenk. soll in Schwaben gegen Kopfweh helfen 199 ), Hundek. in Mecklenburg gegen Tollwut 20°). In der Steiermark wird gestoßener Hühnerk. gegen das Nachtweinen der Kinder gegeben 201), gegen Schwindel in Tirol Eichhörnchenk. 202). Schweinek. nützt beim Blutstillen seit alter Zeit: Man trincket auch den Koth / der erst gedörrt muß seyn / Das Blut auswerfen / und das hustlen stellt er ein 2oa ).

Gegen Nasenbluten kennt man den Schweinsk. in Altbayern 204) und in Westfalen 20S). Gegen Wassersucht soll man Schweinek. im linken Schuh tragen 2M), im 9. oder 10. Jh. heißt es: „Antidotum ad ydropicos... Sumis femus bubulin u m . . . " 207). Gegen Bleichsucht nahm man im Lüneburgischen Gänsek. mit Wasser oder Milch 208). Bei Frauenkrankheiten halfen Hühnerk. und Katzendreck 209), gegen Gelbsucht wird Gansdreck oder Pferdemist genommen210). Ziegenmist und Mäusek. befreien von Bettnässen 2U ), in der Schweiz wird „Roßmisttee" gegen Rheumatismus getrunken 212). In Westfalen sammelte 1915 ein Knabe weiße Hundsexkremente, die seine Großmutter gegen Auszehrung in Anwendimg brachte 218). „Für den Stich", gleichfalls eine Lungenkrankheit, heißt es im 17. Jh.: „Nimb frischen nüwen ancken

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vnd tubenkhaat.. .' ) P a u l y - W i s s o w a II, 47 1562 nach Aristoteles. ) Ebd. nach P l i n i u s nat. hist. X 38. «») (lettisch) D ä h n h a r d t 3, 315. " ) M e g e n b e r g Buch d. Natur 147. t0 ) A e l i a n hist. an. X 203; O v i d fast. I I 89 = P a u l y - W i s s o w a 11, 1562; J o h . Bapt i s t a P o r t a Magia naturalis 1713, 33 Nr. n ; Else L ü d e r s Buddhist. Märchen 229. 357 ff.; indisch: G u b e r n a t i s Tiere 527; P a n t s c h a t a n t r a , I . B u c h ; E . L e m k e Asphodelos 1914, 135 f.; D ä h n h a r d t 4, 188; ZfdA. 22, 18; A g r i p p a v. N e t t e s h e i m 1, 116; ( P o m m e r n : ) D ä h n h a r d t 4, 184 f.; K ö h l e r Kl. Sehr. 518; DWb. 6, 1969; N i e d e r h ö f f e r Meckl. Sagen 4,208; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 178. ") PaulyW i s s o w a 11, 1562; P o r t a Magia naturalis 1713. 33 Nr. 12; 37 Nr. 34; doch G u b e r n a t i s 533. M ) A e l i a n hist. an. V 48; P l i n i u s X 207 = P a u l y - W i s s o w a 11, 1562; A g r i p p a v. N e t t e s h e i m 1, m ; P o r t a Magia naturalis

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M 1713, 37 Nr. 34. ») Sibillot Haute-Bre63 tagne 2, 166. ) (Faröer:) Görlitzer Wegweiser 1832, 631 f. **) Megenberg Buch d. Natur 147. w ) Plinius n. h. X 32 = P a u l y Wissowa 11, 1562. M ) Ebd. nach Aelian V I 46. " * ) SudetendtschZfVk. 3 (1930), 231. " ) Ebd. nach Aelian I 35.

3. Fremde Mythologien. In der Mythologie 68) wie im Kult 59) mancher nordamerikan. Indianerstämme spielt die K. als guter, in Westafrika60) als böser Geist eine Rolle. In Japan sind K.n die Boten und heiligen Vögel der „drei Göttinnen" auf der Insel Miyajima40*). In Indien umgeben sie den Streitwagen der Maya 41 ), hausen als böse Wesen bei Kali 62 ). Yama, der Gott der Toten, nimmt K.n-Gestalt an48). Ein Lichtvogel ist sie dagegen (vgl. Rabe) in estnischen Märchen44). Nach der griech. Mythe ist die K. die wegen ihrer Untreue von Apollo verwandelte Nymphe Koronis, die Mutter des Asklepios4S). Apollo im Riesenkampf nahm K.n-Gestalt an 46 ). Athene ist der K. gram 4 ') (nachdem sie einmal ihr Lieblingsvogel war) 48 ), wohl als dem athenischen Hochzeitsvogel (s. 2) 69 ), diese meidet darum die Akropolis70), nach andern Athen und die sonstigen Heiligtümer der Göttin 71 ). Weil die K. ihre Jungen mit großer Liebe hegt, soll sie das Tier der Juno Sospita geworden sein 7a), in deren Dienst die corniscae standen73). Auch kannten die Römer K.n als dämonische Wesen74). In der Antike werden von Magiern K.n geopfert 7S); ebenso bringt man in Indien den K.n als den Manen Opfer74). M ) VisscherNaturvölker 1 , 1 8 1 ; Dähnhardt Natursagen 1, 145 f.; W. Krickeberg Indianermärchen aus Nordamerika 1924, 71. 151. 302. *») ZfVk. 19, 45; ARw. 14, 251. •») Hopf Tierorakel 43, nach Andree in Mittlgn. Anthropol. Ges. Wien 6 (1876), 38. eoa) Vossische Ztg. 11. V. 1930, Erste Beilage. J 1 ) Emil Abegg Der Messiasglaube in Indien u. Iran 1928, 102. « ) Ebd. 118. , s ) Gubernatis 533. , 4 ) G u b e r natis Tiere 536. " ) Ovid met. II 549 ff. ; P a u l y - W i s s o w a 11, 1565; Keller Antike Tierwelt 2, 103. 105; Verwandlung der Leukippe: Aelian III 42; Ovid met. IV 408; P a u l y - W i s s o w a 11, 1565. *') Gubernatis 533. • ' ) P a u l y - W i s s o w a 11, 1562. Hyggin fab. 166 = P a u l y - W i s s o w a 11, 1565. " ) Keller Antike Tierwelt 2, 106; E. Lemke Asphodelos 1914, 134. 70 ) P a u l y Wissowa 11, 1562, nach Aelian. hist. an. V 8 .

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" ) Ebd. nach Plinius nat. hist. X 3 0 . " ) K e l l e r Antike Tierwelt 2, 106. , 3 ) P a u l y - W i s s o w a 11, 1564; Wissowa Religion 1 1 5 ; E. Lemke Asphodelos 134 f. will die K.n als Höhentiere mit der Burggöttin zusammenbringen, ebenso weil sie wetterverkündend waren. '*) Wünsch im ARw. 14,318. A b t Apuleius 221. ' • ) K e l ler Antike Tierwelt 2, 109; ZfVk. 15 (1905), 8; Hopf Tierorakel 120.

4. Die K. im deutschen Dämonenu. Seelenglauben. Wenn die K. als Bote des hl. Oswald (s. d.) erscheint, dürfte der Glaube an Wodan und seinen Raben (s. d.) zugrunde liegen 77). In K.ngestalt begegnet der Hauskobold78); der Wassermann trägt einen K.npelz 79), ein K.nhemd die Wunschjungfrauen, WalkürenM), die ursprünglich als Tötende, Leichenverzehrende, als aasfressende Vögel angesehen werden40i). Im Wolfdietrich braucht freilich Marpalie nur die Hände überm Kopf zusammenzuschlagen, um als K. davonzufliegen 81), wie im plattdtsch. Märchen ein Spruch zur Verwandlung genügtM). Auch die Hexen M ) vermögen sich (nach nord. Glauben zur Julzeit) M ), in K. zu verwandeln, wie mancherorts die Hexenmeister85). Im Märchen kann die Hexe erst sterben, wenn K.n sie tottreten 84). St. Burkhard hatte zwei K.n, die ihm alle Taten des Gesindes hinterbrachten87), was sonst von Hexenkatzen berichtet wird. Schwarzkünstler lassen K. erscheinenM), gebrauchen sie zu allerhand Teufeleien88®). Von selbst kommen die Schwarzkrähen, wenn im Höllenzwang, 6. und 7. Buch Mose gelesen wird89). Sie begleiten den Teufel90), oder sind selbst Teufel 91 ), wie denn dieser — ebenso wie das Pferd des Wod91*) — mit einem K.nfuß erscheint 92), und wie eine mecklenburg. Hexe ihre Buhlschaft mit ihm in K.ngestalt 93) zugab. Sonst erscheint auch der Teufel, der einen Menschen besitzt, in K.ngestalt94), so wie die Seele der Hexe 95 ). Die Freimaurer sitzen in der Loge als K.n auf dem Ofenstengel94). Als K. erscheinen Teufel an der Leiche von Selbstmördern und Teufelsbündnern 97). Ein Schwärm von K.n sammelte sich auf dem Grabe einer Ermordeten und 12*

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zeigt so den Gatten als Mörder an 97a ). Verlorne M ) oder gebannte Seelen••) haben K.ngestalt. Schon die Inder hielten die K.n für den Schatten eines Toten 100 ) f brachten ihnen Speisen als Opfer (s. 3 ) 1 0 1 ) . Sammeln sich K.n auf einem Hause, wohnt in diesem ein Gespenst 1 0 2 ). Da dieK.als langlebig gilt,hält man dafür, daß sie den Lebenswasserquell wisse 1 0 3 ); aber sie gönnt sein Wasser andern nicht und beraubt Alexander d. Gr. desselben104). In Mecklenburg und Lübeck 1 0 5 ), Nieder-österreich 106 ), bei den Siebenbürgner Sachsen 1 0 7 ), in Böhmen und Mähren 1 0 8 ), vielleicht auch bei den alten Griechen 1 0 9 j bringt die K . die Kinder. Im August sammeln sie sich nach siebenbürg. Glauben und ziehen, jede mit einer Ähre, zum babylonischen T u r m 1 1 0 ) . Als Zeichen des göttlichen Zornes haben die K.n Amrum verlassen m ) ; den Bauplatz der Kirche in Andreasberg haben sie gewiesen 1 1 1 4 ). " ) G u b e r n a t i s Tiere 536; vgl. Goswin F r e n k e n Wunder u. Taten d. Heiligen 1925, 142. '•) S i e b e r Sachsen 1926,260. '•) Aus unserer Heimat, Beilage z. Anzeiger f. Bad Carlsruhe OS. 1924, 26 f. 8 0 ) Völsungasaga c. 2; Neckel Walhall 79; Hertz Werwolf 48; H e n n e - a m - R h y n Dtsch. Volkssage 1879, 1 3 7 ; ZfdA. 22, 1 2 ; Grimm Myth. 2,919; S i m r o c k Mythologie 1878,465. Vgl. B a r t s c h Mecklenburg 1,479; B o l t e - P o l i v k a 2, 46. B o e h l i c h in MschlesVk. 30 (1929), 68. 8 1 ) Grimm Myth. 2, 919. 82 ) Wilh. Wisser Plattdeutsche Volksmärchen 1 (1919), 202. 8 3 ) Grimm Myth. 2, 919; A l p e n b u r g Tirol 258; SAVk. 21, 35; Wolf Niederl. Sagen 373 f.; K n o o p Hinterpommern V I I I ; J a h n Hexenwesen 7; Fr. Meyer ScMeswig-Holsteiner Sagen 1929, 288; Klara S t r o e b e Nordische Volksmärchen 2 (1915), 63 f.; K r a u ß Rel. Brauch 1 1 3 ; Ders. Slav. Volkforschung 60. 84 ) S t r o e b e Nord. 8 5 ) Arndt Volksmärchen 2, 117. Märchen u. Jugenderinnerungen (Hesses Klassikerbibl.) 6, 253; K. W. W o y c i c k i (übers. Levestam) Volkssagen u. Märchen aus Polen 1921, 66. " ) W i s s e r Plattdeutsche Volksmärchen 1, 245. »') SAVk. 14, 241. 8 8 ) Josef Kern Sagen d. Leitmeritzer Gaues 1922, 42 f.; Brandenburg 200; Schulenburg in Niederlaus. Mittlgn. 18 (1928), 297; (Südlausitz) Mitteid. Bl. f. Vk. 6 (1931). 197; Volk u. Heimat (Hindenburg OS.) 1 (1924), 90. 8 ! a ) (Aussig-Karbitzer Lehrerverein:) Heimatkd. d. Bez. Aussig 1929. I I 1, 55. 89 ) Herrn. Lübbing Fries. Sagen 1928, 190; Sieber Sachsen 246 f. 248; Meiche Sagen 527. 530; ders. Sagenbuch d. Sächsischen Schweiz 1929, 83 ff.; Jos. Kern Sagen d. Leitmeritzer Gaues

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1922, 40f.; (Aussig-Karbitzer Lehrerverein:) Heimatkunde d. Bezirkes Aussig 1929. I I 1, 54. 57. 104; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 48 f.; K ü h n a u Sagen 3, 163 ff. 193; 1, 378 = D r e c h s l e r 2,230; K. E b e r h a r d u. H. W a l t h e r Was die Heimat erzählt. Sagen aus dem Kreise Reichenbach im Eulengebirge 1930, 52; Kurt Nordheim Sagen aus Stadt- u. Landkreis Liegnitz 1922, 72 f.; (Kleinitz): Grünberger Hauskalender 1927, 54; Gander Niederlausitz 24; S c h u l e n b u r g 1930, 106. 108; Engelhardt K ühn Der Spreewald 1889, 1 3 1 ; K ü h n a u Sagen 1, 489; 3, 192 f. 226. 262. 263. 269; Alfred K a r a s e k - L a n g e r u. Elfr. S t r z y gowski Sagen d. Beskidendeutschen 1930, 169; Sudetendtsch. Ztschr. f. Vk. 2 (1929), 125; bei Freikugelguß: SAVk. 25, 133 f. »») K ü h nau Sagen 1, 378 = D r e c h s l e r 2, 230; Joh. Brunsmann Das geängstigte Köge 1674, deutsch durch M. J . J . L. Blatt B 9a. «) Grimm Myth. 833; V i n c e n t i u s Spec. hist. 26 c. 26 = Wier de praestigiis 1586, 414; K a r a s e k - L a n g e r u. S t r z y g o w s k i Sagen d. Beskidendeutschen 1930, 189; D r e c h s l e r 2, 230; Wilh. S c h r e m m e r Schles. Volkskd. 1928, 134 Nr. 79; P e u c k e r t Schlesien 87 = K ü h n a u Sagen 3, 199 f.; Grünberger Hauskalender 1927, 54; S c h u l e n b u r g 1930, 108; Gander Niederlausitz 19; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 7 1 ; Z a u n e r t Westfäl. Sagen 300 = ZfrwVk. 1906, 292; de Cock Volksgeloof 1, i n ; S t r a c k e r j a n 2 , 164 Nr. 393; A r n d t Märchen u. Jugenderinnerungen (Hesses Klassikerbibl.) 6, 257; G r i m m K H M . Nr. 107; G u b e r n a t i s Tiere534; H e c k s c h e r 77, nach Samuel H i b b e r t Description of the Shetland Islands 1822, 573; Dahome: Andree Parallelen 1, 15. M a ) M a c k e n sen Hanseatische Sagen 1928, 23. " ) B a r t s c h Mecklenburg 1, 434; H e c k s c h e r 333; Wilh. W i s s e r Plattdtsch. Märchen 2, 174; Korrespondenzbl. d. Ver. f. niederdtsch. Sprachforschung 15,27 = H e c k s c h e r 333. ,3 )ZfdPhil. 6, 161. M ) Brandenburg 202. •*) Temme Nr. 248. 249; S e i f f e r t 78; M ü l l e n h o f f Sagen 2 1 1 Nr. 287; Herrn. L ü b b i n g Friesische Sagen 1928, 176 f.; K r a u ß Rel. Brauch 1 1 2 ; ders. Slav. Volkforschung 57. 60. ••) P e u c k e r t Schlesien 96; s. Freimaurer. »») S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 107; L a n g e r ÖDB. 12, 184 (Isergebirge); K ü h n a u Sagen 1. 379 f- 441- 464; 3, 200; P e u c k e r t Schlesien 87; E. L e h m a n n Vom Kronwald und vom Krottenpfuhl 1921, 61; ZfrwVk. 1914, 86. , 7 a ) K ü n z i g Schwarzwaldsagen 176. , 8 ) D ä h n h a r d t Natursagen 3, 479; G u b e r n a t i s Tiere 534; K e l l e r Antike Tierwelt 2, 97; Du Canges. v. corbitor; H. Gnielczyk Sagenborn d. Heimat 1922, 1 3 7 f . ; Anton Mailly Niederösterreich. Sagen 1926, 1; J u n g b a u e r Böhmerwald 228; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 108. 1 1 5 . 117. 119. 1 2 1 ; J u n g b a u e r Böhmerwald 266 zu S. 224; E i s e l Voigtland 146 Nr. 399 = H e n n e - a m R h y n Dtsch. Volkssage 1879, 137; Meiche Sagen 93; S t r a c k e r j a n 2, 164 Nr. 393; E. L e m k e Asphodelos 1914, 137; M ü l l e n h o f f

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Sagen 2 1 1 ; B a r t s c h Mecklenburg 1, 4 3 1 ; A r n d t Märchen u. Jugenderinnerungen 6, 3 1 ; S A V k . 25, 126; G r i m m KHM. Nr. 107; Volkskunde 5, 93 N. 1.; B o l t e - P o l i v k a 3, 14 (1, 50. 53); K ö h l e r Kl. Sehr. 286. " ) K ü h n a u Sagen 1, 441 f.; P e u c k e r t Schlesien 158 f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 114. 122. 124; J u n g b a u e r Böhmerwald 228; B a c h e r Lusern 112 f.; Fr. M e y e r Schleswig-Holsteiner Sagen 1929, 2 7 7 ; M ö l l e n h o f f Sagen 195; Oberlausitzer Heimat (Kalender) 1927, 6 5 f . I 0 °) G u b e r n a t i s Tiere 534. 1 0 1 ) Ebd. 533. 1 M ) R o t h e n b a c h Bern 39 Nr. 345. l o s ) Aug. v. L ö w i s of M e n a r Russische Volksmärchen 1914, 62. 1 1 0 ; G u b e r n a t i s 536; vgl. Ovid met. V I I 274. 1 0 4 ) G . J u n g b a u e r Märchen aus Turkeslan u. Tibet 1923, 198. 1 0 5 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 405 f.; Lutz M a c k e n s e n Hanseatische Sagen 1928, 33. 1M ) Germania 20, 353. 1 0 7 ) W i t t s t o c k Sieben10 bürgen 79. >) (Brzesowie, Grfsch. Glatz) Glatzer Heimatblätter 5, 84; G r o h m a n n 65. 105; J o h n Westböhmen 103. 220; ZfdMyth. 4. 333- 3 9 i ; W u t t k e 54 § 60; 123 § 162. 10 ») M a n n h a r d t in ZfdA. 22, n f . l l 0 ) M ü l l e r Siebenbürgen 167 = W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 176 = M a n n h a r d t in ZfdA. 22, 1 7 ; P e u c k e r t Sibylle Weiß. » " ) M ü l l e n h o f f Sagen 138 = G r ä s s e Preußen 2, 1095 = Herrn. L ü b b i n g Fries. Sagen 1928, 253 = E . L e m k e Asphodelos 1914. 1 3 3 = Fr. M e y e r Schleswig-Holula steiner Sagen 1929, 105. ) J u n g bau er Böhmerwald 155.

5. Vorbedeutung und Angang. In A f r i k a m ) , Asien U 3 ) wie Europa hat die K. vorbedeutende Kraft. Aus griech. Quellen wissen wir zwar wenig darüber 1 1 4 ); Aesop erzählt aber, daß sie ehemals den Raben um seine Weissagungsgabe benieden habe 1 1 S ); Apollo pflanzte ihr diese ein 1 1 6 ). In der röm. Auguralpraxis spielte die K. eine große Rolle 1 1 7 ). Auch ma.liche Autoren wissen viel davon zu sagen 1 1 8 ). Doch scheint der Glaube an die K. als Orakeltier bereits germanisch gewesen zu sein 1 1 9 ). Beachtet wird Flug 1 2 0 ) und Geschrei 121 ). Bei den Siebenbürger Sachsen ist nur eine einzeln erscheinende K. vorbedeutend 122 ). Ihr Erscheinen (ein unsaeligiu krä begonde schrien: Walther v. d. Vogelweide) bedeutet (in Kärnten um 1600 dem Jäger) 1 2 2 ") Unglück 123 ), besonders wenn sie in die Hofstatt schreit 124 ), oder zur Julzeit auf dem Dach krächzt m ) . Als unangenehm empfinden sie auch Kabylen 1 2 s ), Bretonen 127 ), Böhmen 128 ). K.nkriege und -züge in der Luft zeigen Krieg

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an 1 2 9 ), wie große K.nscharen Hungersnot 13 °), daher wohl auch hungrkräka = Hunger-K., ihr Schrei bei Nacht Aufruhr 131 ). Als Krieg vorbedeutend gilt die K . auch den Letten 1 3 2 ), den Westafrikanern 133 ). K.nscharen zeigen große Seuchen und Sterben an (Glatz 1832) 1 3 4 ). Römern 135 ) und Indern 136 ) galt die K. im allgemeinen als Unglücksvogel. Schlimm war es, wenn sie während des Sommers 137 ) oder links 138 ) erschien. Ihr linksseitiges Erscheinen wurde auch bei den Toda in Indien 139 ), in Sansibar 140 ) nicht gern gesehen. Im MA. galt als glückhaft, wenn die K. von links nach rechts flog oder links schrie 141 ). Olaf Trygvasson weissagte sich daraus Gutes oder Böses, wenn die K . auf dem rechten oder linken Fuß stand 142 ). Französ. Aberglaube lehrt: über uns fliegend: künftiges Unglück; zur rechten: schon vorhanden; zur linken: eins, dem man noch ausweichen kann; krächzend über uns: Tod 1 4 3 ). Sitzt sie auf einem Haus, in dem ein Kranker liegt, hat das ungünstige oder zweideutige Bedeutung 144 ). Die K. sieht den Tod 144 «) des Menschen voraus 145 ). Jedes Haus hat zwei K.n; wenn das Familienhaupt stirbt, sitzen sie schreiend auf dem Dach und verschwinden bei dessen Begräbnis (Bretagne) 148 ). Von einem, dessen Kleider zerrissen sind, heißts im Saterlande: mit dem gehen die K.n bald weg 147 ). Tod bedeutet es, wenn sie krächzend überm Haupt fliegen148), wenn sie sich auf oder beim Hause versammeln, krächzen 149 ), grab-grab, starb-starb rufen (Schlesien, mündl.), vor einem Leichenzug herfliegen 149a). Zeigt sich nach dem Besuch des Geistlichen zuerst eine K., stirbt der Kranke 160 ). Fressen sie beim Säen von den Körnern, geht der Sämann im Lauf des Jahres zur Ruhe 1 5 1 ). Auch sagt man, daß, wenn sie beim Schweineschlachten nicht zum Hause kommen, jemand aus dem Hause stirbt 152 ). Im Traum gesehen, sagt die K. (indisch) Unglück 153 ) voraus, im Altertum Sturm 154 ). Unsere Traumbücher lehren: K.nfangen: Trauer, Unfrieden; K.nsehen:

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Todesfall, einzeln: Gewinn machen, auf Bäumen: Zusammenkunft von Verwandten ; schreien hören: böse Nachrichten 15S). Zur Abwehr des Bösen warf man ihr in Phrygien einen Stein nach1S8). Während es als gutes Vorzeichen besonders für die Ehe galt, wenn einK.npaar erschien167) (eine einzelne dagegen ließ Böses erhoffen und mein rief: Jungfrau, verscheuch die Krähe!), sehen die Böhmen ihr Erscheinen nach der Trauung als schlimm an 158 ). Mit ihrem Gekrächz verrät sie Diebe168®). Ihr Erscheinen auf dem Dach bedeutet Gäste159), der Schrei der Rabenkrähe im Albanischen Geburt eines Knaben u o ). Am Lechrain ist ihr Angang glückbringend 180a); ebenso bringt es in Indien Glück, wenn sich K.n vorn auf das Fahrzeug setzen1801»). u *) A n d r e e Parallelen i, 14 f.; unten Anm. i i j . 1 2 1 . 1 2 8 . l l 3 ) AndreeinMittlgn. Anthropol. Ges. Wien 6 (1876), 34.37 = ders. Parallelen 1,14; H o p f Tierorakel 119ff.; unten Anm. 127. 142; S c h e f t e l o w i t z Huhnopfer 23. l " ) S t a e h l i n Mantik 179 f. 189. A e s o p 212 = P a u l y W i s s o w a 11, 1565. , w ) Ebd. 11, 1564. U 7 ) E b d . 1 1 , 1564; H o p f Tierorakel 115. 116. U 8 ) P e t r u s B l e s e n s i s ep. 65 = Hopf 1 1 7 ; B u r c h a r d von Worms XIX c. 137; J o h a n n e s Sarisberiensis (+ 1182) = H o p f 30. 117; M i c h a e l S c o t u s Physionomia c. 56 = Hopf 31. 117; A g r i p p a v. N e t t e s h e i m 1, 245; vgl. Anm. 129. "») P r o c o p Bell. goth. IV 20 = Hopf 116; C a s s i o d o r Hist. V 27; G r i m m Myth. 2, 947 = H o p f 116f.; S i m r o c k Mythologie 1878, 534 usw. M0 ) Anm. 112. 115. 125. 126. 129. 131. 136. 143. 145. 146. l t 0 ") H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 293. m ) Fast durchgangig, auch beim Flug. u l ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 293. l m ) ZföVk. 10, 51 f. m ) A n d r e e Parallelen 1, 11 N.5; S t e m p l i n g e r Aberglaube 46f.; H o p f 1 1 7 ; M e y e r Germ. Myth. 1 1 2 ; H e c k s c h e r 100. 101. 349; Urquell 1, 65; ZfrwVk. 15, 106; K ü h n a u Sagen 1, 378; (Neumark:) ZfVk. 1, 189; H a l t r i c h Siebenb.Sachsen 293; C u r t z e Waldeck408; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 274; DWb. 5, 1969; SAVk. 2, 281; W u t t k e 201; T e t z n e r Slaven 164; A n d r e e Parallelen 1, 13. SAVk. 24 (1922), 64. "») Klara S t r o e b e Nord. Volksmärchen 2 (1915), 117. m ) ZfVk. 23 (1913), 387. 1 , 7 ) A n d r e e Parallelen i, 13; H o p f Tierorakel 1 1 9 ; S i b i l l o t Haute-Bretagne 2, 167. 1M ) G r o h m a n n 65; M a n n h a r d t in ZfdA. 22, 13 f. 128 ) SAVk. 19, 209; H e ß l e r Hessen 453: (Troppau) Deß mitternächtigen Postreuters.. Paßport.Magdeburg 1631,37; K ü h n a u Sagen 1, 378 f. = H a u p t Lausitz 1, 275 = E. L e m k e Asphodelos 1914, 137; K n o r r n Pommern 134 Nr. 160; P r ö h l e Vnterharz i8f. 1 3 0 ) L a n g e r

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ÖDB. 12, 139; L e u t e l t Die Königshäuser 112. 113; H o p f 1 1 6 ; dagegen G r i m m Myth. 2, 947. m ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 293; Zank und Stieit: S t o l l Zauberglaube 133. "2) R u ß w u r m Eibofolke 2, 197; A n d r e e Parallelen 1, 12; H o p f 39. " ' ) Ebd. 43 nach A n d r e e Parallelen 1, 15. 131) Volksfreund in d. Sudeten 1832, 388; vgl. (Bulgarien) ZfVk. 2 (1892), 181; 15 (1905), 7; E. L e m k e Asphodelos 1914, 132. l3S ) P l i n i u s nat. hist. X 30; V e r g i l eclog. 1, 18; K e l l e r Antike Tierwelt 2, 97; P a u l y W i s s o w a 11, 1564; Thom. T h o m a u s Hörtulusmundi 1621,138; ZfdA.22, 14. 1 3 t ) A n d r e e in Mittlgn. Anthropol. Ges. Wien 6 (1876), 34; K e l l e r Antike Tierwelt 2,108 f. 137) H o p f 116. lM ) Ebd. 43. w ») ZfVk. 23, 387. "») A n d r e e in Mittlgn. Anthropol. Ges. Wien 6, 38; Ders. Parallelen 1, 15; Hopf 43. m ) G r i m m Myth. 2, 946; F r i e d b e r g 93; H o p f 1 1 7 ; K l a p p e r Deutsches Volkstum am Ausgang d. Mittelalters 1930, 24. 142 ) G r i m m Myth. 2, 947; H o p f 116 f. l43 ) Wolf Beiträge 1, 250. l " ) G r i m m Myth. 2, 950. "*») In der Grafschaft Glatz kennt man eine besondere Totenkrähe, die einzeln fliegt und mit höherer Stimme ruft: Guda Obend (Kalender) 10, 95. 1 4 i ) N a u m a n n Grundzüge 73; S t r a c k e r j a n 2, 164 Nr. 393; 1, 26; Vinc. H a s a k Der christl. Glaube d. dtsch. Volkes beim Schluß d. MA.s 1868, 187 f.; ZfdPhil. 16, 189. " • ) A n d r e e Parallelen 1, 13; Hopf 119. Vgl. S é b i l l o t 147 Folk-Lore 3, 193. ) S t r a c k e r j a n 2, 164. l4> ) P r o c o p Bell. goth. IV 20 = Hopf 116; Illerthal: Hopf 118; R o c h h o l z Glaube 156 = H o p f 118; B i r l i n g e r Volksth. 1, 123; ZfVk. 15 (1905), 7; Cock Volksgeloof 1, 110. m f.; K u h n Westfalen 2, 50. 14>) H e c k s c h e r 350; Rud. R e i c h h a r d t Geburt, Hochzeit v. Tod 1913, i 2 i ; 0 d Z f V k . 1, 101 ; ferner R o t h e n b a c h Bern 44 Nr. 402 f.; SAVk. 2, 281; 7, 140; 15, 1 1 ; 25, 283; H a r t m a n n Dachau u. Bruch 221 Nr. 72; J o h n Westböhmen 164. 220; Ders. Erzgebirge 1 1 5 ; G r i m m Myth. 3, 438 Nr. 120; 450 Nr. 496; MsäVk. 7, 112; K ö h l e r Voigtland 388; D r e c h s l e r 1, 285 f.; 2, 230; MschlesVk. 13, 76; 14, 76; 19, 87; Der Oberschlesier 3, 568 = P h i l o v. W a l d e Schlesien in Sage u. Brauch 152; Glatzer Heimatblätter 5, 84; P e u c k e r t Schles. Volkskunde 1928, 228; Rogasener Fambl. 2 (1898), 48; K n o o p Tierwelt 26 Nr. 229ff.; BIPommVk. 5, 59; Dithmarschen: Urquell 1, 7 ; D i r k s e n Meiderich 49 Nr. 7; ZfrwVk. 15, 104; Urquell 4 (1893), 88; N a u m a n n Grundzüge 73 ; M. A. Le N o r m a n d Les souvenirs prophétiques d'une Sibylle 1814, 22; ZfVk. 4, 327; 13. 94; 23, 387 (Philippinen); G u b e r n a t i s Tiere 530 (aus Sizilien); H o p f 39 (Letten). "•*) SAVk. 25, 63. "") B o e d e r Ehsten 67. »") (Sursee, Luzern:) Germania 13, 212; vgl. auch Gunnar L a n d t m a n Växtlighetsrider 1925, 73. wa ) SAVk. 8, 274; 24, 65; vom Raben: Meyer Baden 578. l s 3 ) Julius v. N e g e l e i n Traumschlüssel d. Somadeva 216 ff. 207 (105 f. 212.215). 154 ) K e l l e r Antike Tierwelt 2, 99. 1M ) Großes Traumbuch des Universal-Verlag, Berlin, 73.

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1M)

157 ) (s. 2) P a u l y - W i s s o w a n , 1564. P a u l y - W i s s o w a ix, 1564; K e l l e r Antike Tierwelt 2, 106; A g r i p p a v. N e t t e s h e i m i, 245 f.; £ . L e m k e Asphodelos 1914, 134. 1 M ) G r o h m a a n 77; ZfdA. 22, 13 f.; W u t t k e 203 § 277. l t 8 a ) (böhmisch:) W u t t k e 202. " * ) B r a e u n e r Curiositaeten 404; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 293. l e o ) H o p f 119, bezieht sich ( A n d r e e Parallelen 1, 12) auf den Raben. « o a ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 89. M°l>) D s c h ä n a s ä g a r a Ratnatschuda, verdeutscht v. Joh. Hertel (Indische Erzähler 7) 1922, 112.

6. W e t t e r u n d W a c h s t u m . Die K. ist, was auch Omithologen bestätigen 1 W ), ein wetterkundiges Tier, schon bei den Indern eine Inkarnation Indras, des Regengottes 162 ), im Norden die illvidriskräka w s ) . Ihr Schrei kündet schlecht W e t t e r 1 M ) , Regen an 1 6 S ). Regen steht auch in Aussicht, wenn eine K. einsam am Strande läuft 1 6 a ), — wenn sie in Bäumen hängen 1 8 7 ), im Graben sitzen 188), sich zusammenscharen 169 ); hoch 170 ), gegen den Wind 1 W a ), am Morgen 170b ), vom ebenen Lande dem Gebirge zufliegen 170c ); übrigens gilt auch die Hollkrah (Schwarzspecht) als Regenvogel 171 ). Sitzen die K.n in den untersten Ästen 17a ), steigen sie in die Luft auf und krähen 1 7 3 ), schreien sie spät 1 7 3 a ), gibt es rauhes, stürmisches Wetter 1 7 3 b ). Einen großen Sturm und Regen gibt es, wenn die K.n aus der Tiefe auf und mit einem Umweg wieder auf den ersten Platz fliegen 173c ), Wind, wenn sie aufs Wasser fliegen und baden 174 ). Die K., der „Martinsvogel 175 ) bringt den Herbst 1 7 6 a ), den kalten Winter ins Land" 1 7 8 ); sie ruft Schna, Schna (Schnee) 176a ); kommt sie in die Nähe der Häuser, gibts Schnee und Kälte 1 7 7 ); ebenso, wenn K.n im zeitigen Herbst bei schönem Wetter früh auf ihrem Zuge zu sehen sind177®), wenn sie im Frühjahr nach Nordost 178 ) in die Dörfer 179 ) ziehen. Kommen die K.n im Winter aus dem Walde 18°) und schreien Draa-ik (Dreck, Schmutzwetter) 181 ), dann gibts Tautage, ebenso wenn sie ihr Wohlbehagen auffällig zu erkennen geben 1 8 1 a ). Sie gurren 18a), sitzen in den Wipfeln der Bäume, wenns schön werden will 1 8 3 ), auf dem Acker bei veränderlichem Wetter 1 M ). — Nach ihr bestimmt man auch das Wachstum der Saat; Georgi 1 M a ), Markus 184b), Maitag 1 8 4 c ), muß diese so hoch

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sein, daß sich die K. in ihr verstecken kann. Im schwedischen Finnland wird gesät, wenn das Birkenlaub so groß ist, daß sich die K . darin verstecken kann 184d ). Steckt aber die K . zu Weihnacht im Klee, sitzt sie um Ostern oft im Schnee 184 *). l e i ) H o p f Tierorakel 1x9; vgl. K e l l e r Antike Tierwelt 2, 98 f. 1 M ) G u b e r n a t i s Tiere 535. » 3 ) G r i m m Myth. 2, 947. l " ) Urquell 3 (1892), 77 = K i i h n a u Sagen 1, 378; MschlesVk. 29 (1928), 290; Heimatblätter d. Kreises Wohlau (Schlesien) 9 (1930), 88; SAVk. 25, 126; H e c k s c h e r 101. l « ) V e r g i l Georg. I 388 = H o p f 115 f.; K e l l e r Antike Tierwelt 2, 98; (Noel C h o m e l ) Oeconomisch-Physikalisches Lexikon 5 (1753), 1266; M. Gottfr. V o i g t s Neuvermehrter PhysicalischerZeit-Vertreiber 1694, 277; S t o l l Zauberglauben 134; SAVk. 25, 126; SchwVk. xo, 35; Glatzer Heimatblätter 6, 4; ZfrwVk. 15, 83; NdlTVk. 33 (1928), 152; vgl. ZfVk. 6, 127 f. 1 M ) P a u l y - W i s s o w a 11, 1565; H o p f 115. l,T > B a r t s c h Mecklenburg 2, 208 Nr. 1018. "») M ü l l e r Isergebirge 14. "») B a r t s c h Ai>cA/e«i>Krg 2,209 Nr. 1031; S e e f r i e d G u l g o w s k i 180; E. L e m k e Asphodelos 1914, l w ) NdlTVk. 132. 33 (1927), 2; F o g e l 170a) Pennsylvania Germans 232 Nr. 1193. K n o o p Tierwelt 26 Nr. 227. 17°l>) H e c k s c h e r 101. 170c ) P e t e r Österreich-Schlesien 2, 260. 1 7 1 ) ZföVk. 10 (1904), 53. 107 (aus dem Gurktal, Kärnten); Guda Obend-Kalender 10, 94. I 7 J ) Glatzer Heimatblätter 6, 4. l 7 S ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 207. 173a ) NdlTVk. 33 (1927). 93. 173b ) NdlTVk. 33,153; auch französisch: ebd. 777. 173c ) V o i g t Physical. Zeitvertreiber 1694, 17< ) Sturmkündend, schon indisch: K e l l e r 175 ) D i e t e r i c h Antike Tierwelt 2, 109. im A R w . 8 Beiheft 95 = D i e t e r i c h Kl. Sehr. 334; W a c k e r n a g e l Epea 7. 176a ) Heimatblätter des Kreises Wohlau 9 (1930), 87. " • ) W a c k e r n a g e l 7; S u o l a h t i 182. i&s;C.GeQnei Tierbuch, von den Vögeln C L X I V ; ZfdMyth. 4, 122; DWb. 6, 1969; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 384 Nr. 704; NdlTVk. 33 (1927), 152; G r i m m Reinhart C X X V I = K e l l e r Ant. Tierwelt 2. 92; P a u l y - W i s s o w a 11, 1564; vgl. auch Carl H a u p t m a n n Aus meinem Tagebuch 1910, 197; Andreas S c u l t e t u s in Karl S c h i n d l e r Der schlesische Barockdichter Andr. Scultetus 1930,55; strenger Winter und baldiger Schnee, wenn sie oft, mit viel Geschrei, in Scharen durch die Gegend ziehen: Oppelner Heimatblatt 1927 Nr. 21. 17>a ) H a l t r i c h Volkskd. 155. 1 7 7 ) Glatzer Heimatbl. 6, 4; K n o o p Tierwelt 26 Nr. 228; vgl. Fr. N i e t z s c h e s „die Krähen schrein und ziehen irren Flugs zur Stadt; bald wird es schnein": Gedichte u. Sprüche 1916,136; Mttlgn. Heimatkd. Jeschken-Isergau 6 (1912), 183. 1 7 7 a ) Ebd. " ' ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 207. " • ) K e l l e r Ant. Tierw. 2, 92. w o ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 209 Nr. 1032. 1 H ) Glatzer Heimatbl. 6, 4; doch vgl. (Glatzer) Guda Obend (Kalender) 11, 95, wo der Ruf Regen anzeigt. 1 M a ) NdlTVk. 33

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(1928), 153. 1 8 a ) P a u l y - W i s s o w a n , 1 5 6 4 1 . ; R e i t e r e r Ennstalerisch 57. 1 8 3 ) Glatzer Heimatbl. 6, 4; M ü l l e r Isergebirge 14. 1 M ) M ü l l e r Isergebirge 14; mit großer Vorsicht, wie alte Mitteilungen Müllers aufzunehmen. 1 M a ) P e u k k e r t Schlesische Volkskd. 70; A n d r i a n Altaussee 124; P e t e r Österreich-Schlesien 2, 262; Rabe statt K. in der Romintener Heide: NdZfVk. 8, 55, aber das zeigt eine Mißernte an. 184 181 t>) S c h m i t z Ei fei 1, 175 Nr. 1 1 . c) S c h ü t z e Holst. Idioticon 2, 347. 1 8 1 d ) Gunnar L a n d t m a n Växtlighetsrider 1925 (Finlands Svenska Folkdiktning V I I 2), 69. l84 ) T h e u e r d a n k 107, r ff.; S c h ä r 1 1 3 . 120 ff. 130. 159 f. 164. 179; D W b . 5, 40 ) 2044. Zürcher Taschenbuch 1883, 192. " ) S A V k . 3, 140. «») Vgl. a u c h S A V k . 3, 140. 43 ) H ö h n Geburt 269. 44 ) M e y e r Baden 35. 4S ) Mit G a n s z y n i e c ( P a u l y - W i s s o w a 2, 1588 ff.). « ) S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 68. 4') 48 ) H ö r m a n n Volksleben 159. Niederdeutsche Strohkranzrede v o n S. J. E . S t o c h

1793-

IV. K . - G e b r ä u c h e k u l t i s c h e r und zauberischer Art. 1. Nachdem im Vorhergehenden die Möglichkeiten profaner Erklärung einzelner K.gebräuche aufgezählt sind, gehen wir zur kultischen Verwendung des K.s über, d. h. zu seinen Erscheinungsformen innerhalb des bäurischen Jahresfestkreises. Hierbei ergeben sich mitunter enge Beziehungen zu den eben genannten Bräuchen, diese werden eingeordnet in das Gebiet der Volksreligion 49) und erscheinen als Produkte kultischer Entleerung. Die Rolle des K.es bei den Frühlingsbräuchen bezeichnet sein Wesen am deutlichsten. Die hierzugehörigen Gebräuche erstrecken sich über das ganze Gebiet des Frühlingsfestkreises. Der F r ü h l i n g s - , M a i - oder P f i n g s t k . ist Träger der wiedererwachten Vegetationskraft. Er ist zurückzuführen auf den Maibaum (s. d.), an dessen Spitze er meistens hängt. Der Maik. hat keine eigene abergläubische Bedeutung, er unterstreicht die des Maibaumes, indem er an die Stelle der eigenen Krone des Baumes80) tritt. Der Maibaum gibt dem K. die unmittelbare Verbindung zum Gebiet des Baumkultes (s. d.) S1 ). Der eigentliche Festtag dieser Maibräuche ist Pfingsten geworden.

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Der Maibaum (Johannisbaum) 52), für den die Zeugnisse bis insMA. (Deutschland 1225, Frankr.) reichen 62 ) und dessen Identität mit griechischen und römischen Kultbäumen durch Mannhardt u. a. aufgezeigt ist M ), ist ein hoher Stamm eines Baumes (Fichte vor allem bei den Slaven M ), die größte Eiche des Waldes 55 ), eine Birke 54 )), der oft unter besonderen Zeremonien gefällt oder sonst wie besorgt " ) und zubereitet wird und an dessen Spitze eine „Krone", ein K . mit Blumen und Bändern befestigt wird (ebenso in Frankreich und England) w ) . Oft bleibt der Stamm stehen. Dann wird die Krone in feierlicher Weise unter Tanz und Singen jährlich erneuert55). Dieser „Kronenbaum" 5 4 ) (Pfingst57 baum) ), neben dem sich im Slavischen noch der heilige „Kreuzbaum" findet, genießt kultische Verehrung 54 ). Weiterhin tritt der Maik. losgelöst vom Maibaum auf. So ist er im Harz ein K. auf einer Stange, die das Ziel des Pfingstreitens bildet 59 ). Oder es werden K.e über den Straßen, an und in den Häusern, in den Stuben aufgehängt 60). Den Mittelpunkt vieler K.e bildet oft eine bebänderte Blumenkrone, unter der getanzt wird 4 1 ). Wie überhaupt der K. der Mittelpunkt der Feiern ist 4 2 ). Oft geschieht die Verteilung der K.e bei einem Umzug der Burschen, Knechte oder Mädchen 43 ), als Ehrenk.e für diejenigen Bauern oder Wirte, bei denen das Pfingstvergnügen stattfindet 44 ). In Borken (Westfalen) verfertigen die Kinder schon im April die sogenannte Tremse, ein kronenartiges Gestell, mit Flittergold, Eierschalen, Papier und K.en geschmückt. Am 1. Mai wird die Tremse über der Straße an einem Seil aufgehängt. Als Maibaum wird abends eine Tanne von den Knaben aufgestellt. Der Platz von Maibaum und Tremse dient Tanz und Spiel. Die Tremse bleibt den ganzen Monat hängen 4S ), wie anderwärts der Maik. das Jahr über hängen bleibt 44 ) als Träger der Frühlingskraft. 4») Sartori Westfalen 147; Wächter M ) F r a z e r Gold. Zweig 175 ff.; Reinheit 141. T e t z n e r Slaven 384; Z f V k . 26, 329; S a r t o r i

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Sitte 3, 207s. " ) P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 2148. 2170; E i t r e m Opferritus 6 4 s . ; M a n n h a r d t 1, 251 ff.; F r a z e r 7, 2, 45 ff. " ) N i l s s o n 53 ) D e r s . Grieth. Jahresfeste 10. Feste 55. 61. 117. 165. 363. 433. M ) T e t z n e r Slaven 332 f.; K ü c k und S o h n r e y 203 f.; vgl. B o d e m e y e r Rechtsaltertümer 140. •*) K ü c k und S o h n r e y 113; G r i m m Myth. i*. 5 1 ; T e t z n e r Slaven 501. H ) T e t z n e r a. a. O; 501. *') T e t z n e r Slaven 332 f. ••) M a n n h a r d t 1, 387; Nilsson Jahresfeste 5; F r a z e r Zweig 176. *•) ZfdMyth. 1, 80, 3; P r ö h l e Harzbilder 66 = M a n n h a r d t 1, 387. S c h m i t z Eifel 1, 35; S a r t o r i Sitte 3, 178; Z f V k . 26, 329. " ) S t r a c k e r j a n 2, 48. 318; K u h n und S c h w a r t z 391, 82; M a n n h a r d t 1, 388. w ) ZrwVk. 5, 105 ff.; S t r a c k e r j a n 2,79. 84; S a r t o r i Sitte 3, 208. M ) K u h n Märk. Sagen 315. , 4 ) S t r a c k e r j a n 2, 82; Nds. 5, 270. " ) H i i s e r Beiträge 2, 3 6 f . ; Nds. 15, 284 f. = S a r t o r i Sitte 3, 178. ••) K u h n Mark. Sagen 315.

2. Selbständige Bedeutung hat das Einholen des Mai in den Gebräuchen erlangt, die wir unter dem Namen K.Tag 47 ) zusammenfassen. In der Schweiz feiert man den S c h ä p p e l i t a g , d. h. Kränzchentag (vom mhd. schapel, scheppel = K.) am Palmsonntag, allgemein jedoch zu Pfingsten 48 ). Von Kindern und Mädchen werden Blumen gepflückt und K.e gewunden. An dem Rückmarsch ins Dorf dürfen nur Ledige (k.geschmückte Mädchen, alte Jungfrauen) teilnehmen"). Im Böhmerwald ist der Kranzeltag ebenfalls eine wichtige Feier. Sämtliche Blumen von zauberischer Wirkung werden zu einem K . zusammengebunden und in der Kirche geweiht 70 ). Mit diesen geweihten Blumen räuchert man Haus und Stall gegen böse Einflüsse aus oder man gibt von Zeit zu Zeit den Haustieren von denBlumen zum Fressen71). Grimm nennt für dieselbe Sitte in Norddeutschland den Himmelfahrtstag. Die Mädchen winden K.e aus roten und weißen Blumen und hängen sie in die Stube oder in den Stall über dem Vieh bis zum nächsten Jahr auf 7 2 ). Die am Festtage (hier also Himmelfahrtstage) gepflückten und zum K . gewundenen Blumen sollen besondere Heilkraft besitzen 7S). Anderwärts gelten dieseBräuche für Fronleichnam (§6). Auch außerhalb der Gebräuche des K.tages werden geweihte K.e nicht nur 13*

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im Haus und Stall, sondern auch in Feld und Flur aufgehängt zum Herbeizaubern guter und zur Abwehr böser Einflüsse 74 ). n ) Meier Schwaben 399; Bavaria, 1, 378; Birlinger Aus Schwaben 1, 388; Trede Heidentum 3, 224 f.; Sartori Sitte 3,186. 210. " ) Sartori Sitte 3, 210. ••) Kück und Sohnrey 74 f. 70 ) Meyer Baden i02f. 7 l ) SchramekBöhmerwald 156. , a ) Bragur. Ein literarisches Magazin der deutschen und nordischen Vorzeit hg. von HäOlein und Gräter 6, 1, 126 =• Grimm Myth. i 1 . 51. 73 ) Sartori Sitte 3, 186. » ) Stoll Zauberglauben 129.

3. Ebenso werden alle für das Leben der agrarischen Gemeinschaft besonders wichtigen Gegenstände mit K.en geschmückt, etwa die Brunnen 7S ) oder zu Himmelfahrt in der Schweiz die Christusgestalt 76 ). Bei den Flurumgängen werden K.e oder, wie am Himmelfahrtstag in Baden, ein mit einem K. von Kornähren geschmücktes Kruzifix (Sympathiezauber) " ) mitgetragen, aber auch bei Heischegängen nehmen die Kinder K.e mit. So am Fastnachtsdienstag in Nassau eine Stange mit einem grünen K.chen 78 ) oder in der Pfalz am Sonntag Lätare einen mit bunten Bändern und Brezeln behängten Buchsbaum 79). Verständlich weiterhin, daß der Frühlingsk. zu allerhand Z a u b e r verwandt wird. In den Vogesen schützen aus Weide und Lorbeer gewundene und am Palmsonntag geweihte Kronen das Geflügel, das man unter ihnen durchgehen läßt, vor Ungeziefer 80 ). In Brandenburg hat man gegen das „rote Wasser" folgendes Rezept: Nimm am 2. Pfingsttage einen Maienzweig mit nach der Kirche und mache, während der Pastor das Evangelium liest, einen K. davon. Durch diesen laß das Vieh hindurchpissen und drücke dann dreimal mit dem K. auf den Rücken des Viehs 81 ). Auch durch Bekränzen muß das Vieh der Lebenskraft der erwachenden Vegetation teilhaftig werden. Es ist daher allgemeiner Brauch, die Haustiere zu Pfingsten (aber auch zu anderer Zeit)82) mit einem K . zu schmücken89), besonders erhalten diesen Vorzug die wertvollen Tiere, der Zuchtstier M ) etwa, der Pfingstochse 8S) oder die beste Kuh 86)

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usw.87). Die bekränzten Tiere werden in feierlichem Zuge durch das Dorf geführt und hinterher mit den K.en gefüttert 88). Dasselbe gilt für den Viehaustrieb am Pfingstmorgen 89). Es findet ein Wetteifer um den Pfingstk. statt. Derjenige erhält ihn für sich oder für seine Tiere, der zuerst auf der Weide ankommt90). Ebenso wird der Knecht oder die Magd durch einen K. allen kenntlich gemacht, der der letzte beim Austrieb ist 9 1 ). Das gleiche gilt für das Heimtreiben92), auch für das endgültige im Herbst 93 ). 75

) Grimm Myth. i», 51; Sartori Sitte 3, 70 f. 152. 174. 187. 190. 202. 207. 232; K ü c k und Sohnrey 13911.; Meyer Volksk. 144. n ) K ü c k und Sohnrey 109. " ) Meyer Baden550; G r i m m Myth. 1, 47. ™) Kehrein Nassau 148f. = Sartori Sitte 3,94. 7*) Kück und Sohnrey 65. ,0 ) S £ b i 11 ot Folk-Lore 3, 221. " J E n g e l i e n und Lahn 230. 276 = ZfVk. 8, 390. »») Tetzner Slaven 188. 243. 83 ) Wolf Beiträge 1, 229 = Sartori Sitte 3, 195; Kuhn Westfalen 2, 162 Nr. 456. M ) Drechsler i, 123 = S a r t o r i Sitte 3, 195. 85) Töppen Masuren 70; B a r t s c h Mecklenburg 2, 284; Andree Braunschweig 257; Nds. 5, 288; MsäVk. 5, 345; J a h n Opfergebräuche 315 f.; Kuhn Westfalen 2, 161; Sartori Sitte 3, 195. M ) ZrwVk. 4, 28; Sartori Sitte 3, 195; Kück und Sohnrey 128 f. »') Kuhn Mark. Sagen 327t. **) ZCVk. 7, 92; Sartori Sitte 3, 192. 195; HessBl. 6, 174. M »•) Meyer Baden 137. ) ZfVk. 6, 3 7 1 ; Sartori Sitte 3, 193. 195; Meier Schwaben 402; Nds. 15, 287; Hüser Beiträge 2, 35. " ) Kück und Sohnrey 128 f.; Kuhn Westfalen 2, 161 fi. 165 f.; Bartsch Mecklenburg 2 , 2 8 4 ; John Westböhmen 77; ZfVk. 8, 445; Kuhn Mark. Sagen 316; Sartori Sitte 3, 191. 193 ff.; Nds. 15, 287; ZfVk. 7, 92; 8, 445: 12, 425; 26, 329; Meyer Baden 155 f.; Mannhardt 1, 389 ff.; Jahn Opfergebräuche 305 s . ; S t r a c k e r j a n 2, 80. •*) Kuhn Mark. Sagen 316; Kuhn und S c h w a r t z 388; Meyer Baden 155; Sartori Sitte 3, 195. M ) Kück und Sohnrey 100 f.

4. Der durch den Maik. geehrte beste Hirte erhält einen besonderen Namen M ). E r wird identisch mit jenem Burschen, der den Vegetationsdämon, den wiederkehrenden Sommer, personifiziert, und für den wir als Sammelname den des Maikönigs haben. Der K . oder die Krone, die er trägt, ist der deutlichste Ausdruck seiner Rolle und zugleich in vielen Fällen der Spender seiner Vegetationskraft 9S ). Einige Beispiele: Der

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König der Hütejungen in Westfalen, der sein Vieh als erster ausgetrieben hat, trägt einen Blumenk.96). Der Graskönig in Thüringen hatte eine hohe hühnerkorbähnliche Pyramide aus Pappelzweigen, deren oberer Teil, die Krone, aus Blumen bestand. Der „Quack" im Rheinpfälzischen, der Führer einer Schar von Knaben und Mädchen, ist mit einem K . von Frühlingsblumen geschmückt95). Auch eine Gestalt, wie der Vortänzer im Schwerttanz, der „König", trägt einen K. 9 '), wie der englische Jack in the Green eine Blumenkrone und der Walber eine Ährenkrone auf dem Kopf hat 98 ). Ein Anfangsstadium dieses Brauches zeigt die Kärntnische Sitte, zu Ostern einen Umzug mit dem bekränzten Vieh zu veranstalten unter dem Schutze des grünen Georg, der durch eine mit Blumen, K.en und Tüchern geschmückte Tanne oder Pappel dargestellt wird 99 ). Eine nächste Stufe der Entwicklung sehen wir dann dort, wo der „Fischermeier" ganz in grünes Laub gehüllt ist l0 °). Die letzte Stufe ist dann die, daß der grüne Schmuck auf den K . oder die Krone, die der Maikönig trägt, reduziert ist 100 ). Dieser K. vereinigt dann wie beim Maibaum so auch hier Bedeutung und Kraft des Ganzen in sich 1 0 1 ). Er unterliegt besonderen Gebräuchen, die seine Wichtigkeit zeigen. Die Jungen, die den „Füstjemeier" krönen wollen, müssen die Blumenkrone, die von den Mädchen im Hause versteckt ist, erst suchen 102 ). Nach dem Umzug wird er besonders zu ehrenden Personen überreicht 103 ) oder wie in Köln feierlich neben dem Stadtbanner aufbewahrt 104 ). Da die Vegetationskraft des Sommers vielfach nicht durch einen einzelnen, sondern durch das k u l t i s c h e P a a r erzeugt wird, so ist es klar, daß der K. auch bei diesen Bräuchen seine wichtige Rolle spielt. Die M a i b r a u t oder Pfingstkönigin 105 ) ist entweder etwa die erkorene Führerin der Mädchen 108 ) oder die Siegerin im K.-Auskegeln 107 ) (Harz), oder sie wird vom König erwählt 10S ) und feierlich mit dem K . geschmückt109). Ähnliche Bräuche der Bestimmung der

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Königin bzw. des Paares zu Johannis unter der Rosenkrone u o ).

M ) Bunte Junge, Pfingstkerl: K ü c k und Sohnrey 130; Fischermeier, Fiistjemeier, Füstge-Mai: K u h n Mark. Sagen 321 f.; K ü c k und S o h n r e y 94. 120; S a r t o r i Sitte 3, 1 9 8 ! ; M a n n h a r d t 1, 378. 4^5 ff. *5) F r a z e r Zweig 182 ff.; S a r t o r i Sitte 3, 198 s . ; K ü c k und S o h n r e y 1 2 1 ff.; M a n n h a r d t 1, 378. 388. 405 S . ; K u h n und S c h w a r t z 400, 1 1 7 ; K u h n Westfalen 163. 458; K r u m m h o l z 94. ••) B a r t s c h Mecklenburg 2, 278 f.; K ü c k und S o h n r e y 128 f.; S a r t o r i Sitte 3, 196. *') M e s c h k e Schwerttanz 35. , 8 ) M a n n h a r d t 1 , 312. 322. 342. w ) K ü c k und S o h n r e y 94; N i l s s o n Jahresfeste 26; F r a z e r Zweig i82ff. 10 °) D e r s . 1 2 0 f f . ; K u h n Mark. Sagen 321 f. 101 ) M a n n h a r d t x, 377. 606. 1) G r i m m DWb. 5, 2060. 2062; S a r t o r i Sitte 3, 120; Jb. d.

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Landeskde. d. Herzogt. Schleswig-Holst. u. Lauenburg 5 , 1 4 3 f. 145 ff.; R e u s c h e l Volksk. 2, 64; H ü s e r Beiträge 1, 5; ZfrwVk. 4 (1907), 19 f.; K u h n Westfalen 2, 163 Nr. 458; S o m m e r Sagen 153; K u h n und S c h w a r t z 400 Nr. 117. 113 ) K u h n Mark. Sagen 324 f. 1 U ) K ü c k und S o h n r e y 132 ff. 135 f.; R e h m Volksfeste 17; M a n n h a r d t 1, 387a. "«) K u h n Nordd. Sagen 390, 81; M a n n h a r d t 1, 388. " • ) S a r t o r i Sitte 3, 214; K u h n Westfalen 2, 166. 464; K ü c k und S o h n r e y 117) 132 f.; ZfdMyth. 1, 8of.; Nds. 5, 272. K u h n a . a . O . 400, 1 1 7 ; M a n n h a r d t 1, 396. 118 ) ZfrwVk. 1907, 19; K u h n und S c h w a r t z 400, 117; K u h n Westfalen 163, 458; M a n n h a r d t 1, 388. ll ») S a r t o r i Sitte 3, 213; Nds. 9, 264; K u h n Westfalen 2, 163 Nr. 458; K u h n Mark. Sagen 324 f.; A n d r e e Braunschweig 255; M a n n h a r d t 1, 388. 396; 120) R e h m Feste 17. R e h m Feste 17f. m ) F r a n z i s c i Kärnten 6 3 t . ; A l b e r s Das 3 Jahr 224. "*) S o m m e r 153. " ) DWb. 5, 2094. m ) K ü c k und S o h n r e y 136; S a r t o r i Sitte 3, 213. >») D W b . 5, 2046; U h l a n d Volksl. Nr. 2. 3; E r k - B ö h m e Nr. 342; M e y e r Baden 201; H a r t m a n n Weihnachtslied 55; W e i n h o l d Frauen 288; B ö h m e Liederbuch Nr. 271. 281; L i l i e n c r o n Deutsches Leben 180; B ö c k e l Psychologie 170; R o c h h o l z Kinderlied 201; B ö c k e l Handbuch 16. 203, 330. " • ) Straßburg 1578, 250 b.

6. F r o n l e i c h n a m ist als einer der höchsten katholischen Feiertage besonders geeignet, K.en, die in seinen heiligen Handlungen geweiht werden, qualifizierte Bedeutung zu geben. Diese Fronleichnamsk.gebräuche beziehen sich auf zwei Gelegenheiten, bei denen die Feier vollzogen wird: in der Kirche und bei der Prozession. Alle Altäre, Betstöcke, Himmel und Fahnen der Kirche werden im Gebiet des Lechrain am Vorabend mit K.en aus Singrün geschmückt. Den Eingang ziert in Ungarn oft das in einen Blumenk. gefaßte J. H. S. An den Wänden hängen eine Menge von Blumenkränzlein (1000 bis 1500) 12V ). Außerdem werden vier K.e von viererlei Laub aus jedem Hause in einem großen Kretzen (Korb) nächst dem Hochaltar aufgestellt 128) oder dort hingelegt, wo der Priester das Sanctissimum hinstellt 129 ). Während des Antlaßumganges werden sie von einem Knaben in einem Weidenkorb auf dem Kopf herumgetragen und bei jedem Evangelium auf den Altar gestellt; dadurch werden sie „hochgeweiht" 13°)

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(Lechraingebiet). Sie bleiben in der Kirche bis Ende der Antlaßwochen, dann werden sie noch einmal durch einen Friedhofumgang geheiligt und darauf in die Häuser zurückgeholt 131 ). Am Abend besprengen Bauer und Bäuerin sie mit Weihwasser, zerreißen sie im Namen der h. h. Dreifaltigkeit und werfen sie durch die Lüfte über die Felder 132 ). Anderswo werden die K.e vor die Fenster gehängt 133 ) oder in der Sonne gedörrt und am Johannistage zerrieben und ins Feuer geworfen, oder es wird damit auch geräuchert 134 ). Träger: Besonders mit K.en geschmückt sind bei der Prozession die Personen, die der heiligen Handlung unmittelbar zugeordnet sind, wie z. B. aus der Ordnung des Fronleichnamsfestes in Nürnberg vom Jahre 1442 zu ersehen ist: auch muß der pfleger bestellen schön kränz von rosen den hofirern (musikanten) vor dem Sakrament, aber die zwen die den priester führen (ratsherren) sullen ihr kränz selbst bestellen 13S) (dagegen verbietet eine Ulmische Verordnung von 1411: „kein mannsbild solle weder federn, kränze noch glocken und schellen [an Kleidern] in die Kirche tragen"). In Ungarn sind die ,,Sakramentskinder" mit Myrtenkränzen auf dem Kopfe geschmückt 138 ). Eine Verblassung der Gebräuche liegt vor, wenn an Stelle der früheren großen Kränze aus selbstgeflochtenen Heckenrosenzweigen die Chorknaben in Sempach heute nur noch Kronen aus grünem Papier mit Stechpalmen und Lorbeerschmuck umfragen 1 3 7 ). Aber auch weltliche Teilnehmer führen K.e mit 1 3 8 ), etwa die Tiroler K.jungfrauen, die sich beim Umgang K.e aus Flittergold und Blumen aufs Haar setzen 13s ). Die solcher Art geweihten K.e haben nun mannigfache, meist apotropäische Wirkung: sie wehren böse Geister 140 ), Hexen und Druden ab, besonders wenn sie unter dem Strohsack gelegt werden 141 ), sie schützen gegen Blitz, Unwetter 142 ) und Krankheit von Menschen und Vieh 143 ). Ein „Prangerkranzel", in die erste Ernte-

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garbe gebunden, hält Feuer und anderes Verderben von dem gesamten Erntevorrat ab 1 4 4 ). Andererseits gibt die Kuh, die nach dem ersten Kalben durch ein „Prangerkränzel" hindurchgemolken wird, mehr Milch 14S ). Kinder, die man in einen geweihten Fronleichnamsk. hineinstellt, werden ungemein groß und gedeihen auch sonst gut 1 4 6 ). Auch Bienenstöcken werden solche K.e beigegeben 147 ). Auf die Absicht, Wachstum und Fruchtbarkeit zu erlangen und zu vermehren und gefährdende Kräfte unwirksam zu machen, deutet auch schon die Einordnung dieser K.gebräuche in den Gesamtverlauf der Fronleichnamsprozession, die in Deutschland bald nach ihrer Einführung den Charakter von Flurund Wetterumgängen angenommen hat 148 ). Unter den Sitten, die den Ernst der heiligen Vormittagshandlungen am Nachmittag durch besonders ausgelassene Fröhlichkeit und Festerei ausgleichen, findet sich das „K.einweichen" im Wirtshaus 149 ). >") ZfVk. 40 (N. F. 2), 47. «») L e o p r e c h t i n g Lechrain 187; über die Zahl 4 : ZfVk. 37, 121. I 2 ' ) M e y e r Baden 506. ,3 °) L e o p r e c h t i n g a. a. O.; H o i f m a n n - K r a y e r 160.163. »«) ZfVk. 40 (N. F . 2), 47. ">) L e o p r e c h t i n g Lechrain 187. l 3 3 ) a . a . O . ; P a s c h 1. Beitrag zur Kunde der Sagen, Mythen und Bräuche im Innviertel: 2. Jahresbericht des Gymnasiums in Ried (Ried 1872—73), 11. 134) S a r t o r i Sitte 3, 227 = P a n z e r Beitrag i , 212; Programm von Kremsmünster 1860, 28. »»«) AGermMus. 1865, Sp. 68 tg. DWb. 5, 2048. »») ZfVk. 40 (N. F . 2), 47. 1>7 ) SchwVk. 1 M 5. 45) L e o p r e c h t i n g Lechrain 187; Rote Erde 1, 226 ff. " » ) H ö r m a n n Volksleben 109; L e o p r e c h t i n g Lechrain 187. 140) Ml) Pollinger K n o o p Posen 332 (103). Landshut 215. 1 4 2 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 187. "») S a r t o r i Sitte 3, 220 = R e i s e r Allgäu 2, 147; R e i n s b e r g Böhmen 287; J o h n Westb. 83; ZfVk. 4, 402. 1 4 4 ) P o l l i n g e r Landshut 178. 1 4 i ) a. a. O. 155; G r i m m Myth. 3, 449 Nr. 462. 1 4 ') M e y e r Baden 506. 1 4 7 ) S a r t o r i Sitte 3, 220 Anm. 10. 1 4 i ) a. a. O. 219 Anm. 1 = F r a n z Benediktionen 2, 72 ff., vgl. 106 f.; G r i m m Myth. i 4 , 47. 1 4 > ) M a n n h a r d t 1, 371. 381 (betonte Teilnahme des Maigrafen an der Prozession); S a r t o r i Sitte 3, 219 = H ö r m a n n H2f. 322 f.

7. Wie an manchen Orten der Maibaum, das wichtigste Requisit der Maifeiern, den Mittelpunkt des J o h a n n i s feuers bildet 16°), so haben wir über-

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haupt an diesem Tage noch einmal eine Ansammlung aller Frühlingsbräuche vor uns. Die Natur prangt in sommerlicher Fülle und gibt reiches Material für Kult und Zauber. Der Maibaum ist der Johannisbaum oder Kronenbaum geworden, und dieser gleicht in allen seinen Riten des Herbeiholens und Zurichtens völlig jenem 151 ). Um ihn wird das Feuer errichtet, und während es schon brennt, holen die Burschen noch die K.e von seiner Spitze herunter152). Wir haben weiterhin die Reduzierung des Johannisbaumes zur Johanniskrone153) und zum Johannisk. in Analogie zum Maik., und was für jenen galt, gilt auch für diesen. Auch sie sind Träger der vegetativen Kraft, man schmückt mit ihnen deshalb Menschen (in West-Cornwall alle Mädchen154)), das Vieh zu seinem Segen und zur Verspottung des Hirten ganz wie zu Pfingsten 15S ). Man bekränzt die Brunnen 156 ), schmückt Straße, Haus und Stuben 157 ). Überallhin trägt man die Johanniskraft. Unter der Johanniskrone, die über besonderem Platze hängt, um den Johannisk. auf dem Johannisbaum, wird gemeinsam getanzt 158). Weiter bildet der Johannisk. den Siegespreis bei den Spielen, beim Wettrennen, K.singen usw. 159 ). Er ist feierlich in der Kirche geweiht worden 160). Johannisk.e werden bei Heischegängen mitgenommen161), die Johanniskrone wird in Schweden der Mitsommerbraut als „Kirchenkrone" geliehen162). 1M ) S a r t o r i Sitte 3, 224; R e i n s b e r g Böhmen 308; J o h n Westböhmen 85 f.; M a n n h a r d t 1, 177 ff.; LeoprechtingZ.eeÄrai» 182. 151 ) K ü c k und S o h n r e y 147 f.; S a r t o r i Sitte 3, 230 ff.; W e i n h o l d Frauen 2, 287 t.; M a n n h a r d t 1, 173; Globus 77, 224; 81, 271; T e t z n e r Slaven 384. 501; K u h n Mark. Sagen 331 f. 13a) S a r 153) a . a . O . 231; ZfVk. 7, t o r i a . a . O . 227. 148; ZfrwVk. 12, 30 ff.; R e h m Feste 37; S o m mer Sagen 156. 181. l M ) S a r t o r i a. a. O. 232. 156 ) T e t z n e r Slaven 80. 464; J o h n Erzgebirge 206; K u h n und S c h w a r t z 393 f.; Nds. 7, 300; Globus 73, 319; F r a z e r 1, 2,127; S c h m i t z Eifel 1, 40 ff.; K u h n Westfalen 277; S a r t o r i a . a . O . 231. 156) S i m r o c k Mythologie3 562. " ' ) R e h m Feste 38; ZfdMyth. 1, 176; W r e d e Rhein. Volksk. 193; A l b e r s Das Jahr 249; D r e c h s l e r 1, 141; J o h n Erzgebirge 206; ZfVk. 7, 147; K u h n und S c h w a r t z 391; R e i n s b e r g Festjahr 182; K n o o p Hinterpommern 181;

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K u h n Westfalen 2, 173; N i l s s o n Jahresfeste 14; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 145; S a r t o r i a. a. O. 229. 158) ZfdMyth. 1 (1853), 176; N i l s s o n Jahresfeste 14; M a n n h a r d t Germ. Mythen 420. 169) Nds. 8, 291; D r e c h s l e r 1, 140; B o c k e l Psychologie 185. 191; S a r t o r i a. a. O. 234. 16°) B o e t t e 129; P a n z e r Beitrag 1,212. 181 ) K ü c k und S o h n r e y 146 f. 1 M ) F r a zer Zweig 194 ff.

8. Mehr als der Maik. dient der Johannisk. dem Zauber- und Orakelwesen. Wichtig wird dabei sein Material. Er muß meistens aus dreierlei163), siebenerlei164), vor allem neunerlei166) (s. d.) verschiedenen Blumen und Kräutern zusammengesetzt sein oder nur aus einerlei Kraut bestehen. So bannt man in einigen Gegenden Böhmens durch Beifußk.e Gespenster, Hexen und Krankheiten, hauptsächlich Augenweh 166 ). Uberhaupt wird den Johannisk.en und -krönen, die man in den Zimmern und an den Häusern und Ställen aufhängt, Wirkung gegen alle möglichen Gefahren, Brand, Blitz, böse Geister, Hexen, Zauberei, Krankheiten zugeschrieben167). Ja, man stärkt die Augen beispielsweise, wenn man durch einen K. von Wiesenblumen ins Feuer sieht 168 ). Am Vorabend des Johannistages flechten Kinder und Frauen in der Eifel K.e aus Kamillen mit Donnerkraut oder aus weißen Wucherblumen, sogenannten Johansblumen. Diese K.e, Johangränz genannt, werden am Johannistage des Abends beim Angelusläuten auf das Dach des Hauses geworfen. Jede Seite des Daches muß einen K. haben, damit Haus, Stall und Scheune gegen Blitz gefeit sind. Es hat böse Vorbedeutung, wenn der K. nicht während des Läutens auf dem Dach hängen bleibt 169 ). Vielfach liegt, auch außerhalb jeder Kultzeit, ein B i n d e z a u b e r vor: In Bayern dient es als Heilmittel, wenn man eine zum K. geflochtene Weidenrute 8 Tage am Arm trägt, sie am neunten in den Rauchfang hängt und danach in fließendes Wasser wirft 170 ). Der Pfarrer Kaspar Dulichius zu Kamenz besaß einen von Haaren geflochtenen K., mit dem er die Herrschaft über die Geister des Schattenreiches ausübte 171 ), wie

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überhaupt ein K. das geeignete Zauberinstrument ist, um einen Bannkreis zu ziehen172). Oder Hexen vermögen durch diesen Hexenk. Streit zu stiften oder den Tod zu bringen, indem sie beim Bettenstopfen die Federn (aller Farben) zusammenflechten173). Im Slavischen hat man folgendes K.orakel für Mädchen: von einem Büschel, das aus sechs Grashalmen besteht, die mit einem siebenten umwunden sind, bindet man je zwei und zwei Halme an beiden Enden des Büschels zusammen; ergibt sich, daß alle sechs Halme einen K. bilden, so bleibt man .ledig, bilden sich zwei K.e, so wird das Mädchen heiraten, bilden sich drei K.e, so hat sie unverheiratet ein Kind zu erwarten m ) . Das K.orakel dient vor allem Liebesangelegenheiten 175). Er verhilft den Mädchen dazu, im Traum oder nachts an einer bestimmten Stelle im Bache, nämlich dort, wo am Ufer ein Baum steht, den Zukünftigen zu sehen. Man hat den K. dabei auf dem Kopfe 176 ). Ebenso kann man in der Nacht zwischen dem ersten und zweiten Pfingsttag mit einem K. von neunerlei Blumen auf den Kopf den Zukünftigen oder die Zukünftige erkennen177). Im Egerland stellen sich Burschen und Mädchen um das Johannisfeuer gegenüber auf und schauen sich durch K.e und durchs Feuer an, um zu erfahren, ob sie sich treu bleiben werden178). Auch der K. unterm Kopfkissen läßt im Traum den Zukünftigen erkennen, jedoch sind besondere Vorbedingungen zu erfüllen. Der K. muß mit der linken Hand gewunden sein während des Feierabendläutens und darf nicht über einen Bach oder eine Schwelle getragen worden sein (Tirol), sondern muß mit einer Schnur durchs Fenster ins Schlafzimmer gezogen sein179). Die Beziehung zum Baumkult ergibt sich deutlicher, wenn man einen K. solange auf einen Baum am Bach werfen muß, bis er hängen bleibt. Die Fehlwürfe bezeichnen die Zahl der Jahre, in denen man noch ledig bleiben muß180). Die heruntergefallenen Halme geben die Zahl der Kinder an 181 ). Slavische Mädchen gehen heimlich in den Wald,

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flechten K.e und werfen sie den Rusalky hin, die ihnen dafür Liebhaber verschaffen 18a ). Man wirft auch die K.e ins Wasser, um zu erfahren, ob man im kommenden Jahr am Leben bleiben oder sterben wird, je nachdem, ob der K. schwimmt oder untersinkt 18S ). Im Oberelsaß warfen die Rekruten kleine Pechk.e ins Feuer, die als leuchtende Ringe emporgetragen wurden, dabei nannten sie den Namen eines Mädchens184). Das Flechten selbst hat orakelhafte Bedeutung. Die Mädchen machen aus sechs Schmielen einen K. in bestimmter Verschlingung und ziehen ihn dann auseinander. Es entsteht entweder ein einfacher Kreis und deutet auf Treue, oder ein doppelter Kreis und bezeichnet einen Bruch des Verhältnisses18S). Das K.opfer ist bei uns Sonnwendbrauch geworden. Wie man Tiere oder Knochen im Feuer verbrennt, so auch Blumen und K.e 186 ), um damit alles böse Geschick zu verbrennen und fernzuhalten 187 ). In der Eifel beräuchern die Kinder mit den brennenden K.en unter Leitung einer alten Frau die wilden Stachelbeerhecken, von denen danach erst gegessen werden darf 188 ). Vermittelst der K.e entzündet man auch das Feuer des Herdes mit dem Johannisfeuer189). An anderen Orten bleibt der Johannisk. das ganze Jahr hängen und schützt das Haus vor Unwetter und Unglück 190 ). Weinhold hat auf die Beziehung des Johannisk.es zum Sonnenrad aufmerksam gemacht 191 ). Sie wird besonders da zu suchen sein, wo der Johannisk. eigene Bedeutung gegenüber dem Maik. aufweist. Andererseits spielen auch schon Gebräuche des Emtek.es herein. 16S ) D r e c h s l e r 1, 145. 1 U ) K ü c k u n d S o h n 186 ) W u t t k e r e y 146. 48 § 90; 233 § 332; 244 § 352; 246 § 356; G r i m m Myth. 1, 514; D r e c h s l e r 1, 144 f. 152; M e y e r Baden 165. 1M) R e i n s b e r g Böhmen 310; vgl. K r a u ß Slav. Volkforschungen 39. 187 ) S a r t o r i a. a. O. 229; T e t z n e r Slaven 491; A l b e r s Das Jahr 249; J o h n Erzgebirge 26. 206; Z f V k . 8, 227; B r o n n e r Sitt' und Art 191 fi.; K ü c k und S o h n r e y 146; S c h m i t z Eifel 1, 40; D r e c h s l e r 1, 136 ff.; W i t z s c h e l Thüringen 2, 210; B i r l i n g e r Volksth. 2, 102 f . ; T ö p p e n Masuren 73; Frischbier Hexenspr. 114;

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S t r a c k e r j a n 2, 92; Höfler Sommer 6; ZfVk. 9, 459; F r a z e r 1, 2, 127. l 6 ') W u t t k e 350 § 524; S c h m i d t Volhsk. 103; Reinsberg Böhmen 310 f. , M ) Wrede Rhein. Volhsk. 193; 170 Schmitz Eifel i, 40. ) Kück und Sohnrey 100 ff. I 7 1 ) Meiche Sagen 534 Nr. 677. "*) K ü h 173 nau Sagen 1, 266 ff. ) Müllenhoff Sagen 223 Nr. 304. 1 M ) Urquell N. F. 1 (1897), 269. »'«) W u t t k e 236 § 337; Toeppen Masuren 71 f.; Lemke Ostpreußen 1, 20f.; Engelien und Lahn 1, 234; ZfVk. 1, 181; Kuhn Westfalen 2, 176; John Erzgebirge 205; Drechsler 1, 144 s.; Reinsberg Böhmen 31t f.; Urquell 1, 1 1 ; F r a n z i s c i Kärnten 78 f.; Haltrich Siebenb. Sachsen 287; ZfVk. 4, 402; H e y l Tirol 758 Nr. 91; Strauß Bulgaren 348; Krauß Relig. Brauch 34; Reinsberg Festjahr 181 f. l " ) Vernaleken Mythen 331; W u t t k e 48 § 90; 246 § 356; 244 § 352. >») Meyer Baden 165. , M ) Hörmann Volksleben 1 1 5 ; Weinhold Frauen 2, 287 f.; Mannhardt 1, 434. 464. 466; Reinsberg Böhmen 308; G r i m m Myth. 1, 514f.; S a r tori a.a.O. 228. " • ) Hörmann Volksleben 1 1 5 ; Drechsler 1, 145. 1M ) Drechsler 1 , 1 4 4 s . 152; Köhler Voigtland 399; W u t t k e 233 § 322; G r i m m Myth. 2, 936; Sartori a. a. O. 224. m ) J o h n Erzgebirge 140. 18a ) Grohmann 10. 1 M ) Kuhn und S c h w a r t z 464 Nr. 478; Grohmann 10. 1 M ) Kück und Sohnrey 148 f. 1«) W u t t k e 236 §337. 198 ) J ahnOpfergebräuche 42 ff.; ZfVk. 1, 298; Vernaleken Mythen 307 f.; Sartori a.a.O. 227. liT ) Schöppner Sagen 2, 249. 1 M ) Schmitz Eifel 1, 42; Sartori a. a. O. 235. 18») ZfrwVk. 4, 19 => Sartori a.a.O. 103. 1 M ) Kück und Sohnrey 146t. m ) Weinhold Frauen 2, 287 f.

9. Die E r n t e (s. d.) macht wiederum fruchtbringenden Zauber notwendig. Die hierhergehörenden Bräuche kulminieren im Erntek. und in der Erntekrone, so wie die kultische Kraft des Mai zusammengefaßt ist im Maik. 192 ). Die Beziehung zwischen Johannis und Ernte wird durch folgenden anhaltischen Brauch hergestellt: die über der Haustür aufgehängte Johanniskrone wird, sobald der erste Roggen eingefahren wird, herabgenommen, in vier Teile zerrissen und je ein Stück davon in die vier Ecken der Scheune gelegt als Mittel gegen Mäusefraß, ähnlich hilft in Holstein getrockneter Johannisk. gegen Krankheiten 193 ). Mit dem K . wiederholt die Ernte alle K.gebräuche, das Bekränzen des Viehs zu Erntebeginn 194 ), die K.spiele 195 ) und vor allem die feierliche Erhöhung des K.es selbst in folgenden

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Formen: Eingeleitet wird die Ernte oft durch ein Opfer (vgl. § 8). Ein k.geputzter Ziegenbock wird vom Turm gestürzt, sein Blut und K . als Heilmittel verwandt 19e ). Die ersten drei Halme werden am ersten Tag des Mähens der Gutsherrschaft unter einem Spruch als K. oder Krone überreicht. In ihnen sitzt die Fruchtbarkeit, sie bringen Glück 197 ). Aus der ersten Garbe wird der Erntek. für die Kirche gebunden 198 ). Das erste Fuder wird dann geschmückt mit der bebänderten und bekränzten Fichte 199 ). Bei Ernteschluß wird der stehengelassene Halmknoten bekränzt und zur Erhöhung dieses Sympathiezaubers noch ein Stückchen Brot oder ähnliches zwischen Knoten und K . gesteckt 20°). In Mähren wird der Weizenrest von der „Weizenbraut", die mit einem K. aus Weizenähren geschmückt ist, abgemäht. Das bringt gegenseitig Heil: Fruchtbarkeit der neuen Ernte und Verlobung des jungen Mädchens. Anderswo wird diejenige, die den Erntek., der meistens auf dem Felde geflochten wird, auf dem letzten Erntewagen 201 ) sitzend, heimbringt, Weizenbraut genannt 202). Der K . wird in feierlicher Prozession der Herrschaft überreicht, mit Sprüchen, die in ihrer Form mitunter auch in ihrem Inhalt den alten Handwerksreimen ähnlich sind 203 ), und danach an einer besonderen Stelle des Hauses oder der Scheune aufgehängt bis zum nächsten Erntefest 204). Das Ganze erweckt den Eindruck einer agrarischen Opferhandlung 20S). In einigen Gegenden wird der Erntek. von allen Mädchen und Burschen begleitet, zum Dorfe hinausgetragen und dort a b g e t a n z t , d.h. man tanzt eine Zeitlang um ihn herum, danach wird er auf den Hof zurückgebracht und überreicht 2M ). Oft wird der Vorschnitter, der den K. überreicht, begossen. Erntefest und damit auch Erntek. haben wegen ihrer Wichtigkeit auch Eingang in das k i r c h l i c h e Festjähr gefunden. Der K. wird mitunter nach einem Umzug während des Gottesdienstes von festlich gekleideten Mädchen

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auf den garbengeschmückten Altar gelegt a>7). Weitere Erntek.gebräuche vgl. unter Ernte § 12. Das Gesagte bezieht sich nicht nur auf die Roggenernte, sondern in Variationen auf Trauben-, Flachs-, Kartoffelernte usw. Der K. wird aus der geernteten Frucht jeweils gebildet 208). J a sogar ein E i s ernte fest wird in Osterode (Ostpr.) gefeiert, wenn das von den Brauereien usw. benötigte Eis eingekommen ist, mit einer Eiserntekrone, einer gefärbten Pyramide aus vereistem Stroh- und Eiszapfen, die nach einer Umfahrt durch die Stadt auf dem Eishaufen einer Firma in Art eines Richtk.es errichtet wird 209).

1 , 2 ) B y s t r o n Zwyczaje zuiwiarskie w Polsce (Erntegebr. in Polen), Krakau 1916; ZfVk. 35, 1 2 ; F r a z e r Zweig 181 f.; Grimm Myth.1 1, 51. 193 ) ZfVk. 3 1 , 174 f.; Nds. 7, 301; S a r t o r i a. a. O. 229. 1 M ) F r a z e r Zweig 1 5 9 3 . ; M a n n h a r d t 1, 136; J o h n Westböhmen 91. 1 M ) K u h n und S c h w a r t z 400 f.; M a n n h a r d t 1, 396 = S a r t o r i Sitte 2, 98; T e t z n e r Slaven 333. , M ) D r e c h s l e r 1, 148 f.; R e i n s b e r g Böhmen 363 ff.; M a n n h a r d t 1, 36; J ahn Opfergebräuche 317 = S a r t o r i a . a . O . 3, 239. * " ) J a h n a . a . O . 159; B a r t s c h Mecklenburg 2, 298 f.; P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 431 = Sartori a. a. O. 2, 79. 198 ) Grimm Myth. 3, 485 (15); J o h n Erzgebirge 221 = S a r t o r i a. a. O. 2, 81. i n ) M e y e r Baden 432; M a n n h a r d t 1, 192 = S a r t o r i a. a. O. 2, 80 ff. 200 ) P a n z e r Beitrag 2, 2 1 1 . 215 i.; J o h n Westböhmen 189; P o l l i n ger Landshut 176 f.; S a r t o r i a . a . O . 2, 84. 201 ) S a r t o r i a. a. O. 2, 91. l 0 2 ) F r a z e r Zweig 595. 203 ) M e s c h k e Schwerttanz 186f.; ZiVk. 9, 8 5 5 . ; io, 86 f.; 37, 19; B ö c k e l Handbuch 330; K u h n Mark. Sagen 341. 2 M ) T o p p e n Masuren 95; F r i s c h b i e r Hexenspr. 134 ff. = S a r t o r i a . a . O . 2, 99. 20S ) S a r t o r i Sitte 2, 93 ff.; Nds. 13, 86; Meyer Baden 433 f.; D r e c h s l e r 2, 68 ff. ; K ö h l e r Voigtland 2 2 1 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 220 ff.; L e m k e Ostpreußen 1, 25 f.; A n d r e e Braunschweig 260; ZfVk. 1, 187; K u h n Mark. Sagen 338 ff.; J o h n Erzgebirge 223; F r a z e r Zweig 622; ZfrwVk. 1909, 186 f.; T e t z n e r Slaven 188. 491; K ü c k und S o h n r e y 152. 158. 161 ff.; Hüser Beiträge 3, 11; P f a n n e n s c h m i d 413 ff.; Urquell 4, 197. 2 M ) K u h n Mark. Sagen 443; S i m r o c k Mythologie 566 § 145; ZfVk. 20, 90; B a r t s c h Mecklenburg 2, 305; S a r t o r i a. a. O. 2, 95. 97; Nds. 4, 350; 1 3 , 8 5 f. 207 ) S i m r o c k a . a. 0 . 1 4 1 ; J o h n Erzgebirge 223; K ö h l e r Voigtland 2 2 1 ; K ü c k und S o h n r e y 1 7 0 f . ; Nds. 3,44; S a r t o r i a . a . O . 2,94. 208 ) K u h n Westfalen 2, 185; H ü s e r Beiträge 3, 1 2 ; Nds. 12, 19; S a r t o r i a . a . O . 2, 107. 1 1 5 ; K ü c k und S o h n r e y 178. 20») ZfVk.39 (N.F. 1), 179 ff.

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10. Eine nächste Zusammenfassung der K.gebräuche innerhalb des bäuerischen Jahres findet sich anläßlich der K i r m e s feier (s. d.). Auch hier sind die kultischen Träger des Festes, etwa die Kirmesbitter, die zur Feier einladen, mit einem K . geschmückt 21 °). Vor allem aber findet sich wieder der kultische Baum mit dem K. an der Stelle seiner Krone und bildet den räumlichen Mittelpunkt des Festes dort, wo ein wirklicher Dorfbaum fehlt 211 ). Weiterhin schmückt man mit K.en das Dorf, wie überhaupt je nach der Wichtigkeit, die das Fest annimmt, Gelegenheit zum Wachsen der K.gebräuche, wie wir sie kennengelernt haben, gegeben ist. 21 °) D r e c h s l e r 1, 57; S a r t o r i ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste HessBl. 8, 193 f.; S a r t o r i a . a . O . und S o h n r e y 1 8 1 . 187; ZfVk. 26, Volksfeste 51. 2n

Sitte 3, 246. 269. 2 7 3 0 . ; 253; K ü c k 329; R e h m

1 1 . Eine letzte derartige Zusammenballung finden wir in der A d v e n t s und Weihnachtszeit. Der Adventsk. allerdings stammt erst aus neuerer Zeit, und seine Verwendung ist noch fast ganz freigeblieben von abergläubischen Wucherungen. Im Weihnachtsbaum dagegen kehren mitunter die Gebräuche wieder, die die heiligen Bäume des Vegetationsjahres gestaltet haben. Er ist in Schweden und zuweilen auch in der Schweiz ein Fichtenstamm, der bis zur Spitze abgeschält ist und nur eine Nadelkrone trägt 2 1 2 ). Wo dann innerhalb der Weihnachtszeit sich die Verwendung eines K.es findet, ist eine Verbindung mit diesem Vegetationsbaum herzustellen213). Auch im alten Rom der Kaiserzeit bis zur Völkerwanderungszeit und darüber hinaus (vgl. Abs. II) wurden die Januarkalenden mit Kränzen und „Maibäumen" an den Häusern usw. gefeiert 214 ). In Siebenbürgischen Dörfern wird während der Christnachtwoche das „Kränzchenbinden" vorgenommen, d. h. K.e aus Immergrün geflochten und mit Kerzen besteckt, dazu wird Kranzsingen mit Rätselstellen abgehalten (s. § 14) 21S ). Die Zeit der 12 Nächte ist in besonderer Weise Zauber- und Orakelzeit. Daher findet man hier das K.orakel der Johannis-

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nacht wieder 216 ), daher gibt man jetzt I Dorfplatze um den Wegweiser oder um dem Vieh den Erntek. zu fressen 217 ). eine Rolandsäule ein Tanz möglichst aller Dorfbewohner aufgeführt 228). Der In England werden stellenweise zwei mit Nägeln ineinander befestigte Reifen auf- Name „ K . t a n z " bezeichnet jedoch verSo werden beim gehängt, die mit Immergrün, Äpfeln usw. schiedene Tänze. geschmückt sind 218 ). Auch die Tötung „Kranzeltanz" im Böhmerwalde am des Winters und die Neuerweckung des Faschingsdienstag die Mädchen ausgeSommers wird in dieser Zeit schon lost 229). Der „Kränzeltanz" jedoch im vorgenommen 219 ). In Niederösterreich Bayrischen Gebirge und anderswo ist wird am Silvesterabend der Tölpel unter ein Hochzeitstanz, bei der der Brautk. dem Hausgesinde mit einem Strohk. abgetanzt oder den Dirnen der K. von zum Silvesterkönig gekrönt und zum den Buben mit List abgerungen wird 230 ). Erwähnt werde auch das mittelalterliche Tor hinausgejagt 220). Außerdem hat die Weihnachtszeit auch ihre „Braut", Tanzen kranzgeschmückter Paare oder die schwedische Lucie, ähnlich dem deut- jene Ringel- und Reigentänze, bei denen schen Christkind, die mit einem Lichterk. die Burschen ihr K.lied sangen und als geschmückt ist und gute Gaben austeilt. Auszeichnung von der Erwählten einen K. erhielten oder ihr einen gaben 2 3 1 ). In Ableitung dieser Sitte wird dann auch einmal eine Kuh mit solchem Weinsberg erzählt zum Jahr 1584, daß Lichterk. versehen 221 ). Beim Kitz- man am 1. August (St. Petri Kettenfeier) gericht, der Entrichtung des Erbzinses Umzüge durch die Stadt veranstaltete, Feuer abbrannte, darüber sprang, sich am Dreikönigstag in Thüringen, erhält der Amtmann von den Frauen und ins Wasser warf, und „man dansste am Kranss", das Ganze eine Veranstaltung, Mädchen einen kranzgeschmückten, mit Nüssen, Zuckerobst usw. behangenen wie wir sie zu Johannis kennengelernt haben 232). Buchsbaum 222). , 1 1 ) N i l s s o n Jahresfeste 14. 19. ,l3) W i t z s c h e l Thüringen 2, 182 f.; M e y e r Baden 494; JbElsaß-Lothr. 3, 118; S a r t o r i a . a . O . 74. »") N i l s s o n Jahresfeste 21. 58. 1 1 5 ) ASiebLk. 10, 142 ) DWb. 5 , 2 3 5 8 ff.; ZfVk. 2 6 , 2 2 9 ff. 374 S7

17. Im Mai- und Brautk. haben wir die bedeutendsten K.bräuche. Darüber hinaus soll der K . allen feierlichen Anlässen des Lebens Glück und Segen bringen. Die Formen, die sich dabei ausbilden, kehren immer wieder, so beim Ist das Haus fertig im Hausbauen. Rohbau, der Dachstuhl errichtet, dann findet das R i c h t f e s t 379 ) statt. K.mädchen haben den Richtk. gewunden380), der zum Fest einladende Bursche hat die Bänder für den K . gesammelt 881 ). In feierlichem Zuge bringt man den Richtk. zum neuen Haus. Die Tochter oder Magd des Bauherrn umschreitet hinter einem Besenkehrer (s. d.) dreimal mit ihm das Gebäude 382 ). Der Zimmermeister hält vom höchsten Firstbalken eine Rede 883 ), in der er Gott um Abwendung von Feuer, Blitz und Sturm bittet und der Mitarbeiter ehrend gedenkt. Das Haus wird dem Bauherrn übergeben und der Richtk. am Giebel befestigt 384 ). Statt des K.es hat man oft seine ursprüngliche Form, den Maistrauch, oder seine weiter entwickelte, die Richtkrone 385 ). Alle drei Arten des Fruchtbarkeitsbaumes sind mit Eiern, Äpfeln, Nüssen, Rauschgold, Tüchern behängt. Oft ist ein Hahn (s. d.) auf der Krone angebracht 386 ) oder eine Puppe hineingesteckt 387 ), die hinterher entzweigeschlagen wird 388 ) (vgl. Abs. II), oft hängt Schinken und eine gefüllte Flasche daran 389 ). Durch all das soll Glück und Segen in das neue Haus einziehen 39 °). Ein K . (Laubgewinde mit fünf Rosen) als H a u s m a r k e oder Baumeisterzeichen soll sich am Eingang zum alten Ruprechtsbau in Heidelberg befinden 391 ). Ein grüner K . an W i r t s h ä u s e r n (s. v. Bier) war das Zeichen für Ausschank von Wein und Bier und wurde zum Erkennungsmal für Wirtshäuser überhaupt 392 ). 37») Meyer Baden 2 7 8 ff. 38°) John Erzgebirge 1 7 ; Sartori Sitte 2 , 9 . 381 ) ZfrwVk. 5 , 1 7 5 ; Sartori a. a. O. 2 , 6. "*) ZfrwVk. 5 , 1 7 6 .

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Kranz

»") R e h m Volksfeste 89. 3 M ) K ü c k und S o h n r e y 211; R o c h h o l z Glaube 2, 92; R e i s e r Allgäu 2, 391 f.; K ö h l e r Voigtland 231; S p i e ß Obererzgebirge 148; D r e c h s l e r 2, 1; Globus 91, 336; S c h m i t z Eifel 1, 97; H a r t m a n n Westfalen 85 f.; ZfrwVk. 5, 175 f.; S a r t o r i a . a . O . 2, 7. 385 ) N i l s s o n Feste 5; M a n n h a r d t 1, 219; S a r t o r i a . a . O . **•) S t r a c k e r j a n 2, 887 221; S a r t o r i a . a . O . ) M a n n h a r d t 1, 38B 218fi. ) S t r a c k e r j a n 2, 222; S a r t o r i a. a. 0 . 2 , 7; MittfGesch. u. Altersk. d. Hasegaus 5, 22. 38*) S a r t o r i a. a. O. 2, 7. 3®°) M a n n h a r d t 1, 218 fi.; ZfEthn. 1898, 47; S a r t o r i a . a . O . 2, 7. 3 ") S c h l e i d e n 175. 3 M ) ZfVk. 17, 195 ff.; 20, 203; Globus 82, 19; ZfdMyth. 4, 174; K ö h l e r Voigtland 208 f.; J o h n Erzgebirge 217 ff.; ZfrwVk. 3, 90; 4, 225 f.; DWb. 5,

426

heißt 404 ), oder unter dem Rosentopf oder um ihn herum, der die Krone abgelöst h a t m ) . Nach alledem nennt man etwa eine Tanne mit K.en, wie man sie beim Umzug trägt, in Westfalen den Rosenbaum 406). Weiterhin ist der Rosenk. Tanz- und Liebesschmuck 407) und besonderes Sieges- und Ehrenzeichen auch schon im Mittelalter 408). Die geschichtlichen und volkskundlichen Beziehungen, die sich hier ergeben, zum frühma. Rosengarten u. a. 409) einerseits und zum Rosenk. als Gebetsschnur 410 ) s. d. 3,s ) K r e u t z w a l d - L ö w e Estn. Märchen 356. ) DWb. 5,2058; S c h u l t z Höfisches Leben 2. 439; M a r z e l l Pflanzenwelt 24; vgl. Unoth 1 (1868), 140 ff. 3 M ) H ö f l e r Organotherapie 39f.; D i e r b a c h Flora myth. 1 4 8 0 . ; ZfVk. 26, 160 ff. 3»«) DWb. 5, 2058. 3»') K u h n Westfalen 2, 28 Nr. 76; S o m m e r Sagen 58; M e y e r Germ. Myth. 141. s , i ) M e y e r Baden 269 f. 3 " ) B y r o n Childe Harold IV 4, 4 f. = ZfVk. 35, 276. t M ) D i e r b a c h Flora mythologica 148s.; H. S c h e l e n z Pflanzensymbolikb. Shakespeare, ZfVk. 26, 149 ff. 168. 174. 401 ) S a r t o r i Sitte 3, 336; ZfVk. 26, 158 f. «") P e s c h e k a. a. O. 2, 478. *03) K ü c k und S o h n r e y 139 ff.; Progr. zu Kremsmünster 1860, 5. ) K u h n Mythol. Studien 2, 40; Z i n g e r l e 1. c. 176, 1468; S a r t o r i I . e . 54; H ö r m a n n Volksleben 186; R o c h h o l z Glaube 1, 324. 4 0 ) S c h r a m e k I.e. 184. 4 1 ) Z i n g e r l e Tirol 194, 1689; ZVfVk 1913, 126; vgl. H e y l 417, 101; 755, 25. ZVfVk. 1898, 250 ff. « ) ARw. 8, Beih. 91. M) Witzschel I.e. 216, 18; vgl. A r n a u d o f f Bulgarien 79 ff. 4 5 ) D e r s . 2 1 3 , 1. Im Zillertal bekommen das Fell die armen Seelen: Z i n g e r l e 1. c. 124, 1124. " ) Witzschel 1. c. 2, 190, 1 2 ; J a h n Opfergebräucht 1 1 7 0 . 4?) Heyl Tirol 644, 1 1 3 . « ) H ö f l e r Fasteng.

kratzen—Krätze

433

79. " ) S c h r a m e k 1. c. 321. t 0 ) R o s e g g e r Steiermark 2, 178. 6 1 ) Z i n g e r l e Tirol 175, 1491. ™) J o h n Westböhmen 191. " ) ZföVk. 1896, 196. M ) Z V f V k . 1907. 73. 69; Globus 1893, 93- " ) M ü l l e r Uri 1, 109, 147. Eckstein.

kratzen. Eines der fälschlich Pythagoras zugeschriebenen „ S y m b o l e " , die der Humanist L . G. Giraldi aus Ferrara (1479—1552) in seiner Schrift „Philosophi Pythagorae symbolorum interpretatio" aufführt, lautet: „Beim Ausgehen muß man den Vorderkopf, beim Heimkehren den Hinterkopf kratzen" *). Norwegischer Glaube besagt, daß, wenn sich einer am Kinn kratzt, bald ein bärtiger Mann stirbt 2 ). In Walliser Sagen wird von einem Zwerge berichtet, welcher eine Frau in Abwesenheit ihres Mannes besucht und von ihr verlangt, daß sie ihm am Rücken kratze. Der Ehemann verkleidete sich darauf als Frau, und zerkratzte dem Zwerge, als er wieder mit seinem Begehren kam, mit der Hechel den Rücken s ). Als der Riesen-Bäcker sich einst am Kopfe kratzte, daß man es weithin hörte, meinte der benachbarte Riese, er kratze den Backtrog a u s 4 ) . „Wenn sich Abends der Respel am Spanlicht sperret, so kömmt des andern Tages ein Gast; und wenn man Salz darauf streuet, so muß sich derselbige Gast im Hindern k . " 6 ). Wenn die Katze mit der Pfote an der Wand kratzt, so wird es regnen 8 ). S.a. beißen, jucken. l) Boehm in Z d V f V k . 25 (1915), 22. 28 Nr. 27. ' ) L i e b r e c h t ZVolksk. 327 Nr. 109. *) J e g e r l e h n e r Oberwallis 190 Nr. 84; 247 4) Z a u n e r t Nr. 1 u. Anm. dazu S. 326. Rheinland i , 62 f.; K u h n Westfalen 1, 123 Nr. 137; 189 Nr. 209 (u. Anm.). ' ) Rockenphilosophie 898 Nr. 28. •) K n o o p Tierwelt 24 Nr. 209. Bächtold-Stäubli.

Krätzex) (s. a. Ausschlag 1, 728 f.). Man glaubt im Badischen, die K . sei angehext, man werde „räudig", wenn man eine Kröte anharne, und man fürchtet die K . wie alle „erblichen" Krankheiten 2 ). „ I n denen zwölf Christnächten, nämlich von Weynachten biß Heil. Dreykönigstag, Bächtold-Stäubli,

Aberglaube V

434

soll man keine Erbsen, Linsen, oder andere Hülsenfrüchte essen, man bekommt sonst selbiges Jahr die K . oder Schwäre", überliefert die Rockenphilosophie 3 ). Aber am Gründonnerstag muß man bei den pennsylvanischen Deutschen etwas Grünes essen, sonst bekommt man die K . *). Die K . bekommt man auch, wenn man den Schaum von den Kochtöpfen zur Erde schüttet und darauf t r i t t 6 ) , oder wenn die Kinder sich auf das nicht angebrannte Ende des Christblocks setzen 8 ). Zur Heilung der K . gebrauchte man Abführmittel, weil die K . auf „schlechtes, unreines, giftiges" Blut, auf „zurückgeschlagenen Schweiß" zurückgeführt w i r d 7 ) . Man wendet dagegen Salben an, in denen neben „venetianischem" Terpentin namentlich Butter enthalten ist 8 ). Aber man hat Bedenken, daß sich die K., wenn zu schnell abgeheilt oder ganz vernachlässigt, auf die „edleren Teile" werfe ®). „ W e r in der Christnacht ins kalte Bad gehet, der bekömmt selbiges Jahr die K . nicht, oder so er sie schon hat, so vergehet sie d a v o n " 1 0 ) . In Böhmen soll man am Karfreitag vor Sonnenaufgang dreimal im Flusse untertauchen und dazu sieben Vaterunser und A v e und den Glauben beten u ) . Krätzige sollen sich mit dem Wasser waschen, worein der Schmied glühendes Eisen gelegt h a t 1 2 ) . Es wird ihnen auch angeraten, sich morgens ganz nackt im Tau des Getreides zu wälzen 12a ), sich mit ihrem eigenen Urin zu waschen 13 ), sich von Hunden lecken zu lassen 1 4 ) (nach Lucas 16, 21). Man steckt den an K . Erkrankten in einen Mehlsack 1 S ), oder man heizt einen Backofen mittelmäßig an und legt ihn mit Brettern aus; der mit Teer bestrichene Patient kriecht dann hinein und bleibt eine Stunde darin, worauf er mit Aschenlauge abgewaschen wird 1 4 ). Staricius empfiehlt Quecksilber gegen K . 1 7 ) , in Steiermark trägt man dagegen ein Hemd, in welchem ein Weib menstruiert hat, durch drei Tage auf dem Leibe 1 8 ). In der französischen Novelle des 16. Jhs. wird der hl. Mevennus gegen die K . angerufen 19 ). 14b

435

Krätzkraut—1•Kräuterbücher

H ö f l e r Krankheitsnamen 326. a ) Z i m m e r m a n n Volksheilk. 79. s ) Rockenphilosophie 73 Kap. 57 = G r i m m Myth. 3, 436 Nr. 56; 458 Nr. 687; P a n z e r Beitrag 2, 306 Nr. 13; M a n n h a r d t Germ. Myth. 135 A s m . 3; L a m m e r t 180. 4 ) F o g e l 256 f. Nr. 1336. 5 ) Urquell 4 (1893), 74 Nr. 27 (galizische Juden). *) M a n n h a r d t 1, 228 (Lothringen). 7 ) F o s s e l Steiermark 135; Z i m m e r m a n n Volksheilk. 79. •) SAVk. 8, 150; L a m m e r t 180; F o s s e l 135. *) L a m m e r t 181. l 0 ) Rockenphilosophie (1759) 86 Nr. 67. " ) G r o h m a n n 45 Nr. 288. l a ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 486 Nr. 26; L a m m e r t 180; F o g e l Pennsylvania 285 Nr. 1506. 1 2 a ) G e r h a r d t Franz. Novelle 86. 1 S ) S c h m i d t Mieser Kräuterbuch 49 Nr. 56. M ) L a m m e r t 180; F o s s e l Steiermark 135. " ) ZfVk. 1 (1891), 191 d 1 (Mark Brandenburg). w ) Urquell 3 (1892), 70 (Ostpreußen); F o s s e l Steiermark 135; 17 ) H ö f l e r Volksmedizin 51. Heldenschatz (1679), 452 f. 18 ) F o s s e l 135. 1 9 ) G e r h a r d t Franz. Novelle 55. Bächtold-Stäubli.

Krätzkraut s. S k a b i o s e . Kraut s. K o h l 5, 62. Kräuter s. n e u n e r l e i , Kräuter.

siebenerlei

Kräuterbücher. Unter K . n versteht man (im engeren Sinne) die vom Ende des 15. Jhs. bis ins 18. Jh. hinein gedruckten Pflanzenbücher, in denen die Kräuter hauptsächlich vom praktischen Standpunkte aus (vorzüglich als Heilkräuter) abgehandelt werden. Manche dieser Kräuterbücher (es werden an dieser Stelle nur die d e u t s c h e n Erstausgaben und zwar mit gekürzten Titeln zitiert; die meisten dieser K . sind auch lateinisch und in vielen späteren Auflagen erschienen), besonders das von B o c k 1 ) , sind als Quellen für den Pflanzenaberglauben der damaligen Zeit von Bedeutung 2 ). Übrigens beruht der sich auf Pflanzenaberglauben beziehende Teil dieser K . (ebenso wie der medizinische Inhalt) zum größten Teil auf der antiken Überlieferung (vor allem P l i n i u s , D i o s k u rides), ist also durchaus nicht immer deutscher Volksaberglaube. Das älteste dieser (in deutscher Sprache) gedruckten K . ist der „ G a r t d e r G e s u n d h e i t " (Hortus Sanitatis) 3 ), der in seinen 435 Kapiteln 382 Pflanzen und 35 Mittel aus dem Tier- und Mineralreich behandelt 4 ). Dieses K . ist fast eine reine Kompilation aus antiken (bzw. früh- I

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mittelalterlichen) Autoren. Es bringt nur wenig einheimischen Pflanzenaberglauben, z. B. daß das zwischen Maria Himmelfahrt und Maria Geburt gesammelte Singrün (s. I m m e r g r ü n ) , über das Haustor gehängt, den Teufel abhalte (cap. 79), daß die „Rittersblomen" (s. R i t t e r s p o r n ) , in Jungfrauenwachs gewickelt und umgehängt, die Augen gesund erhielten, wenn man gleichzeitig eine Messe lesen lasse (cap. 96), daß dem „Dufelsa b b y ß " (s. T e u f e l s a b b i ß ) der Teufel die Wurzel abgebissen habe aus Zorn, weil diese so heilsam sei (cap. 261). Der oben erwähnte B o c k (1498—1554), ein geborener Pfälzer, berichtet Abergläubisches z. B. von der Eberwurz (2, 79 r), vom Farn (1, 161 r), von der „Dreisdistel" (2, 81 r), der Dürrwurz (1, 42), dem „ P a l m " (Ausg. v . J. 1551, 403 v), der Spitzklette (2, 75 r), den Eichengallen (Ausg. v . J. 1551, 415 v), dem Widerton (1, 158 V), der Mistel (Ausgabe v . J. 1551, 358 r). Weniger ergiebig für den Pflanzenaberglauben sind die Kräuterbücher von B r u n f e l s 6 ), F u c h s 4 ), L o n i c e r 7 ) , M a t t h i o l u s 8 ), T a b e r n a e m o n t a n u s 9 ). Viel astrologischen (gelehrten) Aberglauben enthält das Kräuterbuch L. T h u r n e i s s e r s 1 0 ) und das von B . C a r richter u). 2 x) Kräuterbuch, Straßbg. 1539. ) Marzell Volkskundliches aus den Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts in ZfVk. 24, 1—19. 3 ) Mainz 4 bei Peter Schöffer 1485. ) M a r z e l l Das älteste gedruckte Kräuterbuch in deutscher Sprache, In: Natur, Leipz. 13 (1924/25), 281—285. 5) Contrafayt Kreutterbuch, Straßb. 1532. ') Neu Kreuterbuch. Basel 1543. ') Kreuterbuch, Frankf. a. M. 1557. 8 ) Deutsche Ausg. von H a n d s c h , Prag 1563. •) Kreuterbuch, Frankf. a. M. 1588, spätere Ausgaben von C. und 10 H. B a u h i n u s . ) Historia u. Beschreibung usw., Berlin 1578. u ) Kreutterbuch, Straßbg. 1577-

Literatur: A. A r b e r Herbais. Their origin and evolution, 1470—1670, Cambridge 1912; H. M a r z e l l Alte Kräuterbücher. In: Heilu. Gewürzpflanzen 10 (1927), 91—100 (hier weitere Literatur angegeben); E. H. F. M e y e r Geschichte der Botanik, 4. Bd., Königsberg 1857; W. L. S c h r e i b e r Die Kräuterbücher des J5. und 16. Jhs., München 1925; Charles S i n g e r The herbal in antiquity. I n : Journal of Hellenic Studies 47 (1927); T s c h i r c h Handb. d. Pharmakognosie, 1. Bd., 2. Abt., Leipz. 1910. MarzelL

Kräuterbüschel—Kräutersegen

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Kräuterbüschel s. K r ä u t e r w e i h e . 1

Kräutersegen ). 1. Aus der A n t i k e sind uns recht viele Sprüche über Kräuter überliefert ä ), in einigen Fällen sehr lange, auch dichterisch reizvolle. Gewöhnlich wurde das Kraut beschworen, seinem Besitzer für den gegegebenen Zweck (fröhlich) zu dienen, bes. für Liebeserweckung, Abwehr von Krankheiten, auch ganz allgemein „ad quod te colligo" (lat.), „für jeden Bedarf" (griech.). Ein religiöses Moment tritt stark hervor: das Kraut ist von den Göttern gesäet und gezogen und birgt daher Himmelskräfte in sich (griech.); es wird bei „Dem, der es erschaffen hat" beschworen, ein Gott hat das Kraut oder dessen Kräfte entdeckt (erfunden ?), „repperit", „invenit" (lat.). Ein lateinisches Beispiel (Pseudo-Apuleius): „Te precor, herba hedyosmos, per eum qui nasci te iussit, venias ad me hilaris cum tuis virtutibus et effectu tuo et ea mihi praestes, quae fide a te posco" s ). Oder: „ . . . cum gaudio virtus tua praesto sit et ea omnia persanet que Scolapius (Aesculap) aut C(h)iro centaurus, magister medicinae, de te adinvenit" 4). Das Kraut Argemon hat Minerva gefunden (repperit). Lateinische Sprüche spätantiker Verfasser waren auch in Deutschland im frühen Mittelalter üblich; viele finden sich in einer Breslauer Hschr. des 9. (?) J h . s 5 ) ; einzelne noch in Hschrr. des 10. u. 1 1 . Jh.s (Trier, Wien) e ), so: „Herba Betonica, que prima inuenta es ab Esculapio, his precibus adesto" etc. (Trier). Irgendwelche Aufzeichnungen deutscher nationalheidnischer Kräutersprüche finden sich nicht. — Innerhalb des großen altenglischen volkstümlich geformten „Neunkräutersegens" 7) (wider Gift) macht sich Einwirkung der Antike deutlich geltend, so die Benennung „wyrta modor", teilweise auch der Inhalt 8 ). Literatur (nur für die Sprüche; die Bräuche fallen außerhalb dieses Artikels): Hälsig Zauberspruch S. 69 ff.; F r a n z Benediktionen 1, 393 ff.; K l a p p e r MschlesVk. H. 14 S. 51 ff.; M a r z e i l Pflanzenwelt S. 80 ff. und in Natur u. Kultur 12, 12 ff.; Ohrt Herba gratia plena, FFC. Nr. 82. 8 ) Beispiele Denkschriften der Wiener Akademie 36, 5 1 ff. 82 ff. 1 1 9 f.

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griechisch; H e i m Incantamenta S. 475. 488. 493. 497; M a r c e l l u s De medicamentis X X V 1 3 ; MschlesVk. H. 18 S. 1 5 ff. lateinisch. 8 l ) RhMus. 48, 636. ) Romania 17, 344. 5 ) Romania 17, 343 f. • ) ZfdA. 52, 1 7 5 ; H e i m Incantamenta S. 502 f. 5 5 3 f. 7 ) Z. B. J A m F l . 22, 190 f. Vgl. Art. Segen § 14 Schluß. 8 ) H o o p s Pflanzennamen S. 63 f. „Mutter der Kräuter" byzant. P r a d e l Gebete S. 29.

2. Die K i r c h e mußte alle „heidnischen" Zaubersprüche verurteilen; so heißt es im 6. Jh. 9 ), daß bei Einsammlung von Arzneikräutern keine Inkantationen gestattet sind, „nisi'tantum cum symbolo divino et oratione dominica", d. h. man darf hier nur das Credo und Vaterunser sprechen. Dagegen wurden besondere Gebete für kollektive Kräuterweihe in den Kirchen approbiert, bes. viele für die Weihe an Mariä Himmelfahrt 1 0 ). *) Nach B u r c h a r d s Decretalien Lib. X C a p . 20, M i g n e Patr. Lat. 140, 836. 1 0 ) Texte F r a n z Benediktionen 1, 398 ff.

3. Deutsche K r ä u t e r s e g e n . Die volkstümlich-christlichen deutschen — vom 13. Jh. an vorliegend — und die spätlateinischen K . lassen in ihrem Aufbau und Stil z. T. die klassischen Muster erkennen. Sie bezwecken gewöhnlich: erotische Liebe u ) , Schutz vor Gericht 12 ) oder gegen Schadenzauber 1S ), endlich Glück mittelst der Wünschelrute (s. d.). — Ganz nach Art der klassischen Sprüche ist der älteste deutsche K., 13. Jh., auch später üblich: „Ich gebiute dir, edeliu würz Verbena in nomine (etc. Beschwörung bei Gott, seinen 72 Namen, bei Engeln und Evangelisten), daz du neheine tugende in dirre erde verlazest, dune sist immer in miner gewalt mit der chreft unde mit den fügenden unde [sie] dich got beschaffen hat unde gezieret" M ). Hinweis auf den Schöpfer z. B . auch (15. Jh.) : „Grueß dich got, schusling, der mich vnd dich beschaffen h a t " 1 6 ) (zu dieser Form vgl. Koliksegen § 1). Im Französischen: „Herbe, qui de Dieu es créée, montre la vertu que Dieu t'a donnée" 1S ). Dem religiösen Gedanken der antiken Sprüche, daß eine Gottheit die Pflanze selbst oder ihre Kräfte „gefunden hat",

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Kräuterweihe

entsprechen in deutschen und anderen Segen legendarische Züge: Gott, Maria (die volkstümliche Schützerin der Heilkräuter 17 )) oder Petrus haben das Kraut geweiht, ausgegraben oder gesäet; das Kraut kann daran gemahnt werden (das Mahnen schon im altengl. Neunkräuterspruch). Um 1400 (Liebeszwang): „Ich beswer dich madelger (Kreuz-Enzian), ain wurtz so her, ich mannen dich dez gehaizz, den dir S. Petter gehiez, do er sinen stab dristund durch dich stiez, der dich usgruob vnd dich haim trug . . . " 1S). Im 19. Jh. (gegen Gicht): „Einbeere, wer hat dich gepflanzt? Unsere Frau mit ihren fünf Fingern . . . " 19). Oder Maria hat den Widerthon gebrochen und ihm geboten, allem Schaden abzuwehren20). Auch wirken Maria und Jesus zusammen; in lateinischem Segen gegen böse Herrschaft, 15. Jh., segnet Jesus auf seiner Mutter Gebet die Pervinca (Immergrün), indem er sie u. a. mit dem rechten Fuß tritt 2 1 ); in deutscher Form (J. 1727): „(Christus) fuohr auss gehn ackher . . . und bouwet, der edlen singgrien (Immergrün) wuchs auff unser lieben frawen both (Beet) . . . (das Sinngrün klagt nun, daß andere Kräuter es „zeihen", Maria tröstet: ich will) dir kraft und tugendt verleihen; wer dich des tags ansieht (etc.), der muoss Glück haben zue allen Rechten . . . " 22); dänisch und norwegisch ähnliche Segen über den Baldrian 23 ). — Niederländische, englische und dänische Segen24) bringen Heilkräuter mit Jesu Passion in Verbindung; z . B . wurde die Verbena auf dem Calvarienberg gefunden und hat Christi Wunde geheilt; der Herr schuf Heilkräuter, „während er hing" (Neunkräutersegen 11. Jh.); der Baldrian entsprang aus Jesu Blut (verwandtes Motiv auch in deutscher Legende 25)). — Wenig volkstümlich sind in lat. und älteren deutschen K. lange Beschwörungen bei himmlischen Mächten etc. 2t ). Siehe noch Wünschelrutensegen, landwirtsch. Segen, Heiratssegen. Außerhalb der „Kräutersegen" liegen die Sprüche, die Übertragimg von Krankheiten auf

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Pflanzen vermerken, s. Fiebersegen § 3a, Gichtsegen § 6 a. l l ) ZfdMyth. 2, 170; S c h m e l l e r BayWb. 1 2 ) Beispiele unten. 1, 1568; ZföVk. 3, 272. 1 3 ) MschlesVk. H. 18, S. 18; Z a h l e r Simmenthal S. 62; Z f V k . 1 , 1 9 8 Böhmerwald. M ) K r o n f e l d Zauberpflanzen u. Amulette S. 73; M a r zell Pflanzenwelt S. 97, 15. Jh.; Jühling 1 5 ) MschlesVk. Tiere S. 291, 16. Jh. H. 14, S. 56; vgl. ZföVk. 3, 272. " ) S 6 b i l l o t Folk1 7 Lore 3, 495. ) Vgl. M a r z e i l Pflanzenwelt S. 1 1 6 f . « ) ZfdMyth. 2, 170; S c h m e l l e r BayWb. 1, 1568. 1 9 ) S c h r a m e k Böhmerwald 20 ) A l p e n b u r g S. 282. Tirol S. 408; vgl. niederl. P r i e b s c h Deutsche Handschriften in England 1, 81, 15. Jh. 2 1 ) ZfdA. 38, 19; zum Treten vgl. ZfdMyth. 3, 320 f., um 1600. a a ) Alemannia 2S ) O h r t 2, 126. Da signed Krist S. 196; Norske Hexfml. Nr. 216 (c). 24 )

Mone Übersicht der niederländ. VolksLiteratur S. 335, 16. Jh; Choice Notes S. 112, 17. Jh.; D a l y e l l The darker superstitions of Scotland S. 29; J A m F l . 22, 1 9 0 f . ; Dänisch wie Anm. 23. M ) M a r z e l l Pflanzenwelt S. 124. 25 ) Z. B. S c h ö n b a c h Berthold v. R. S. 142 — 1 4 5 ; K r o n f e l d s. Anm. 14. Ohrt.

Eräutetweihe. 1. In katholischen Gegenden, besonders im Süden und Westen des deutschen Sprachgebietes, findet an Mariä Himmelf a h r t (15. August) eine kirchliche Weihe verschiedener wildwachsender oder auch angepflanzter Kräuter, die Kr., statt. Benediktionsformeln für diese Kr. sind schon aus dem 10. Jh. bekannt*). Einen lateinischen Kräutersegen, der wahrscheinlich bei der Kr. am 15. August vom Geistlichen gesprochen wurde, enthält die Wiener Hs. 2531 des 14. Jhs. (70 b) 2). Eine kirchliche „Benedictio herbarum in Festo Assumptionis B. M. Virginis" lautet: „Domine sancte, Pater omnipotens, qui ab initio fecisti hominem ad imaginem tuam, condidisti coelum et terram, solem et lunam, stellas et omnia coelestia et terrestria, Tu, Domine, dominaris potestati maris, tu habes potestatem abyssi magnae, tu condidisti omnia elementa; benedicere, et sanctificare digneris has creaturas herbarum, sicut benedixisti quinque panes in deserto, et duos pisces, et satiasti quinque milia hominum virorum: omnesque, qui utentur ex eis, benedicere et sanctificare dignare, ut sint eis sanitas animae et corporis in nomine Patris etc.: et ab omnibus homi-

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Kräuterweihe

nibus, pecoribusque, qui ex his gustaverint, oranem putredinem, et omne phantasma diaboli amovere, et omnem morbum, et pestilentiam, ac dolorem expeliere digneris. Qui in trinitate perfecta vivis et regnas Deus: per omnia saecula saeculorum. Amen" 3 ). S e b a s t i a n F r a n c k 4 ) berichtet: (an vnser frawen himmelfart) da tregt alle weit obs / büschel allerley kreuter / in die kirchen zu weihen / für alle sucht und plag uberlegt / bewert. Mit disen kreutern gschicht seer vil Zauberei". G e i l e r v o n K e i s e r s b e r g (15. Jh.) spricht ebenfalls von den Blumen, die man an unser Frauentag, der Himmelfahrt, weiht; „die blumen man geben zessen fych (die géweihten Kräuter werden dem Vieh ins Futter gestreut, vgl. unter 3) und leuten für fulen (Fäule; vgl. „putredinem" der kirchlichen Benediktion") inwendig" 6). Ein „Papistenbuch" des 16./17. Jhs., das anscheinend auf die Augsburger Verhältnisse anspielt, schreibt: „an unser Frawen Himelfart; da tregt alle weit Obsbüschel, allerlei kreuter in die Kirchen zu weihen für alle sucht und plag übergelegt gewer. Mit disen kreutern geschieht sehr vill Zauberei; die knaben tragen öst mit öpfeln und darauf gemacht vögel, die da in die öpfel bicken, der schönst ist „Kinig" " 6 ), also ganz ähnlich wie beim „ P a l m " (s. d.). Eine Leininger Polizeiordnung vom J. 1566 verbietet die Kr. 7 ). Die Kr. (Wurzweihe) ist wohl ein verchristlichtes Naturfest, ein Erntedankfest (darauf weist hin, daß der Kräuterbüschel vielfach die Getreidearten und andere Feldfrüchte enthält) bzw. dessen Vorfeier. „Die Erntefeier war ehemals mit einem Seelenkult verbunden. Die Versöhnung dieser Seelengeister, von deren Huld und Gunst der Ausfall der Ernte abhing, brachte den Opfergaben den Wert eines übernatürlichen, d. h. durch die Communio mit den versöhnten Seelengeistem besonders wirksamen Fruchtbarkeits- und Heilmittels, welche Kraft dem letzten Teil der Ernte und den Erstlingen derselben innewohnte, gleichsam „immanent" war. Älterer Seelenkult verband sich mit dem christlichen Marien-

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kult" 8). Daß die hl. Maria hier die Rolle einer Freya (oder sonst einer germanischen Naturgöttin) spielt, hält H ö f l e r für nicht bewiesen. 2. Die b o t a n i s c h e Z u s a m m e n s e t z u n g des an Maria Himmelfahrt geweihten Kräuterbüschels (auch Weihbüschel, Würzbüschel, Würzbürde, Würzwisch, Wasch, Kruthenne, Wiehenne, Weihsange, Sange, Zange ( = d'Sange), in der Schweiz auch Augustmaien, Himmelfahrtsstrauß oder Marienkräuterstrauß 9) genannt) ist landschaftlich verschieden. Doch sind gewisse Pflanzen wie die Königskerze (meist in der Mitte des Kräuterbüschels), das Hartheu, der Rohrkolben, das echte Labkraut (Marienbettstroh) und andere „Frauenkräuter" meistens darin vertreten. Häufig hört man die Vorschrift, daß der Kräuterbüschel aus einer bestimmten Zahl von Pflanzen bestehen müsse, so aus 9 10), 12, 66, 72, 77 oder gar aus 99 u ) . Hie und da heißt es auch, daß der Kräuterbüschel nur aus wildwachsenden Blumen bestehen dürfe, während er anderwärts fast ausschließlich aus Gartenblumen oder sonstigen Kulturpflanzen zusammengesetzt ist. Wohl dem ursprünglichen Einfluß der Geistlichkeit ist es zuzuschreiben, wenn im Kräuterbüschel häufig die aus Südeuropa stammenden und von den Klostergärten in die Bauerngärten übergegangenen Heil- und Nutzkräuter (z. B. Alant, Salbei, Raute) vertreten sind. Die landschaftliche Zusammensetzung des Kräuterbüschels sei an einigen Beispielen (man beachte die altertümlichen, oft auf zauberische Eigenschaften anspielenden Pflanzennamen!) gezeigt. ImErmland besteht der Kräuterbüschel aus allen Getreidearten, Dill, Donnerknotte (Centaurea jacea), Klette, Alfsrankel (Solanum dulcamara), Reifoa (Tanacetum vulgare), Wundenkraut (Hypericum perforatum), Wulwalei (Senecio jacobaea; ursprünglich Name der Arnika !), Kreuzkraut (Senecio vulgaris), Odenskopp (Inula britannica), Schappschar (Achillea millefolium), Baüajan (Valeriana officinalis), Knäwelduck (AJlium sativum) ( gelbe Palme (Trifolium agrarium), graue

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Palme (Trifolium arvense), Tarant (Aconitum napellus; eigentlich Dorant, s. d.) 12 ). Ein westfälischer Kräuterbüschel (aus Siedlinghausen, Rgbz. Arnsberg): Salwey (Teucrium Scorodonia), Roine Wüörte (Tanacetum vulgare), Merter (Tanacetumbalsamita),Dunnerkrout (Sedum purpureum), Schopesriwe (Achillea millefolium), Beyfaut (Artemisia absinthium), ölanskopp (Buphthalmum salicifolium; sicher falsche Bestimmung, es wird sich wohl um eine Inula-Art handeln I), Mutterguares Berrestrau (Hieracium silvaticum), Kaffeboinckes (Sanguisorba officinialis)13). Der luxemburgische Kräuterbüschel hat folgende Hauptbestandteile : Hardenol oder Chreschtblut (Hypericum perforatum), Peipels (Artemisia vulgaris), Batteralzem (Artemisia absinthium), Jungfrabettstre (Origanum vulgare), Leifstak (Levisticum officinale), Getreidearten,Gemüse (Möhre, Saubohne), Gewürze (Zwiebel, Schalotte, Knoblauch), dazu kommen noch als Nebenbestandteile Salfei (Salvia officinalis), Wurmkraut (Tanacetum vulgare), Raut (Ruta graveolens), Pfeffermenz, wele Menz (Mentha rotundifolia), Katzeschwanz (Achillea millefolium), Eihrepreis (Veronica officinalis) 14). Ein badischer Kräuterbüschel (aus Mühlhausen bei Wiesloch): Wielestengel (wohl Verbascum), Dunnerdistel, Altmotterskraut (wahrscheinlich eine Minzen-Art), Liebrohr (Levisticum officinale), Wermet, Raute, schwarzer Kümmel (Nigella), router Herrsche (Amarantus), braune Doschte (Origanum vulgare), weißer Doschte (Achillea millefolium), Routlafekraut (Eupatorium cannabinum), Tausegildekraut, Rai(n)faht (Tanacetum vulgare), Oude(n)mennlin (Agrimonia eupatorium), Hatemagen (Mohn), Bluttröpflein (Sanguisorba), Moda(r)gottesdeffilin (Muttergottespantöffelein; Linaria vulgaris), drei Haselgerten, drei Eichenzweige, ein dreiklumpe (n) Nuß und drei kleine Haselnüsse " ) . Im Elsaß (Hindisheim, Kr. Erstein) besteht der Kräuterbüschel aus neun verschiedenen Blumen, dazu gehören Bolle (Sanguisorba officinalis), Hertenau (Hypericum perforatum), Schofklette (Agrimonia eupatorium), Ise-

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krüt (Verbena officinalis), Tausiggüldekrüt, Wermut16). Aus dem Bayrischösterreichischen sei ein Tiroler Kräuterbüschel angeführt: Himmelbrand (Verbascum), Frauenschuh (Lotus comiculatus), Wegwarte, Mohn, brennende Liebe (Lychnis chalcedonica), Rauten, Johanniskraut, Wermut, Wohlgemut, Mutterkraut (Chrysanthemum parthenium), Singrün, Tausendgüldenkraut, Karbendlkraut (Thymus serpyllum). Donnerkugeln (Datura stramonium), Baslgoam (Ocimum basilicum), Edelweiß, Sonnenblumen, Ringelblumen (Calendula)l7). Aus diesen Beispielen geht hervor, daß gewisse Pflanzen immer wiederkehren, so im fränkischen Kräuterbüschel der Rainfarn (Tanacetum vulgare) und der Alant (Inula helenium), während die Königskerze (Verbascum) des bayrisch-österreichischen Kräuterbüschels meist zu fehlen scheint. Die Pflanzen des Kräuterbüschels werden in Süddeutschland oft als „Dreisgenkräuter" (s. Frauendreißiger) bezeichnet. 3. Den Pflanzen des Kräuterbüschels wird eine besondere K r a f t (als Heiloder Zauberkräuter) zugeschrieben, die sie aber erst durch die kirchliche Weihe bekommen (vgl. Palm). Im Ermland werden sie daher abends gepflückt und nicht unter das Dach gebracht; sie müssen jenseits der Traufe bleiben. Die Weihe findet ebenso draußen vor der Kirche statt 18 ). Am Niederrhein mußten die Kräuter an dem der Weihe vorhergehenden Donnerstag bei Sonnenaufgang und zwar ohne Anwendung eines Messers (vgl. dazu die antike Vorschrift, daß Heil- oder Zauberkräuter „sine ferro" gesammelt werden müssen 1) gesammelt werden li ). Der getrocknete Kräuterbüschel wird im Hause (oft auf dem Dachboden) aufbewahrt und gegen allerlei Unheil im Haus und Stall verwendet. Bei starkem Gewitter werden Teile des trockenen Büschels ins Feuer geworfen 20). In Oberbayern (Obergrainau, BA. Garmisch) wickelte man früher bei schwerem Hagelschlag drei Hagelkörner in die geweihten Kräuter ein und zündete diese dann auf dem Felde an 21 ). Eheleute legen etwas

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vom Kräuterbusch ins Bett, damit sie Glück in der E h e haben; auch trug die Braut früher ein Stückchen aus der W ü r z bürde im rechten S t r u m p f 2 2 ) . Mit Vorliebe werden die Kräuter dem Vieh ins Futter gestreut, damit es gesund bleibt, ihm die Hexen nichts anhaben können usw. Auch beim erstmaligen Austreiben des Viehs (im Frühjahr) werden sie diesem unter die „ M i e t " (Geleck) geworfen 2 3 ). Die kalbende K u h erhält etwas von den getrockneten Kräutern 2 4 ). I m Bayrisch-Österreichischen wird an den „heiligen Zeiten" (Weihnachten, Rauhnächte, Neujahr, Dreikönig) mit den getrockneten Kräutern geräuchert. Nicht selten wird auch dem Toten etwas von den Kräutern in den Sarg gegeben 2 5 ) oder der Sarg wird mit den Weihkräutern ausgeräuchert 2 6 ). Mit Hilfe der Weihkräuter kann man die Hexen erkennen: Der Teufelsbanner wirft die Kräuter ins Herdfeuer und macht in der Flamme ein „Seck" (Pflugmesser) glühend. Mit diesem zeichnet er ein Hufeisen auf ein Stück Holz, und das eingebrannte Zeichen erscheint dann auf dem Rücken der Hexe 2 7 ). Auch was mit dem Kräuterbüschel in Berührung war, hat besondere K r a f t (vgl. P a l m ) . Das Band, das die geweihten Kräuter zusammenhielt, bindet man um den verrenkten A r m 2 8 ) . In die Mitte des Wurzbüschels kommt ein Stück ungesalzenes Schweinefett, mit dem im nächsten Frühjahr der Pflug bei seiner erstmaligen Benutzung geschmiert wird 2 9 ). Das geweihte Getreide wird mit dem Saatkorn gemengt 3 0 ). Der Kräuterbüschel wird mit der Geiselschnur gebunden, die man an Walpurgi zum „Auspeitschen" der Hexen verwendete. Wird diese Schnur später wieder gebraucht, so folgt das Vieh leichter 3 1 ). 1 ) F r a n z Benediktionen 1, 398; vgl. auch W i d l a k Synode von Liftinae 28. 2 ) Schönbach Berthold v. R. 147. 8 ) Cilia Locuplet. Thesaurus etc. 9 (1766), 70f.; vgl. K l a p p e r Schlesien 100. 4 ) Weltbuch 1534,132. e ) Stöber Gesch. d, Volksabergl. 1856, 56. •) Birlinger Aus Schwaben 2, 162. ' ) Pfälz. Museum 39 8 (1922), 148. ) Höfler s. u. „Literatur". •) Stoll Zauberglaube 99. 1 0 ) Vgl. neunerlei Kräuter; ferner Weinhold Neumahl 11 f. " ) Wrede Eifeler Volksk.2 224. " ) Philipp

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Ermland 126. 1 3 ) ZfrwVk. 18, 41. u ) Nach Reiser, s. unten Literatur! 1 6 ) Meyer Baden 105. u ) Mein Elsaßland 1 (1921), 169. 1 7 ) H ö r mann Volksleben 128. 1 8 ) Philipp Erniland 126. « ) Montanus Volksfeste 39. 2ffl) Z. B. Menghin Südtirol 144; Reiser Allgäu 2, 157; Marzeil Bayer. Volksbotanik 56. 2 1 ) Marzeil a. a. O. 22 ) Meyer Baden 107. 241. 2 3 ) Reiser 24 Allgäu 2, 157. ) Z. B. Heimatbilder aus Oberfranken 4 (1916), 149; BIBayVk. 1, 34. 2S ) ZfdMyth. 1, 230; F o l l m a n n Wb. d. Deutsch-Lothr. Mda. 1909,545; W r e d e Rhein. Volksk. 137. 26 ) Meyer Baden 590. 2 7 ) B i r linger Aus Schwaben 1, 406. 28 ) Meyer Ba2> den 570. ) Marzeil Bayer. Volksbot. 56. * ) Wrede Rheinische Volksk. 147. 81 ) Schönwerth Oberpfalz 1, 318. Literatur (es sind nur Schriften genannt, die sich ausführlich mit dem Stofi beschäftigen): A l p e n b u r g Tirol 402 ff. (wenig zuverlässig); Forsteichner Naturbildet9 1903, 167—181 (Oberbayern); F r a n z Benediktionen 1, 393—421; M. Herbert Der Frauenkräutltag in: Die Oberpfalz x (1907), 118—121; Höfler Der Frauen-Dreißiger in ZföVk. 18, 133—161 (wichtigste Arbeit!); Hör mann Volksleben 127—132; A. Koenig Die Kräuterweihe am Feste Mariä-Himmelfahrt. In: Ons Hémecht 1913, 305—313. 345—349; Marzeil Pflanzenwelt 33—36; Bayer. Volksbot. 51—57; Meyer Baden 105; M. R a i c h Religiöse Volksgebr. im Bisthum Augsburg, IV. Kräuterweihe. In: Der Katholik 82 (1902), 2, 136—150 (Kompilation aus H ö f l e r , N e i d h a r t , L e o p r e c h ting); Fr. Reiser Beiträge zum (luxemburgischen) Kräuterbund. In: Luxemburger Familienfreund. Sonntagsbeil, zum „Luxemb. Wort" 1913, Nr. 32 vom 10. Aug.; Reiser Allgäu 2, 156f.; S c h l i c h t Bayer. Land u. bayer. Volk 1875, 322—334; K. Sp. ( = Karl Spiegel) Der Wurzbüschl am Feste Mariä Himmelfahrt in Unterfranken. In: Mitt. u. Umfr. z. bayer. Volksk. N. F. 26/27 (191 1 ). 201—212; Strobl Altbayer. Feiertag 1927, 51—56; J. Urban Die Krautweihe. Eine culturhist.-bot. Skizze. In: Verh. des bot. Ver. d. Provinz Brandenburg 14 (1872), 71—76 (bezieht sich auf Warburg in Westfalen); W i l d e Pfalz 150—152. In poetischer Form ist abgefaßt: [Schmittdiel] Krautweihlegende, 1. Paderborn (Bonifacius-Druckerei) 1891. Uber die Kr. im Polnischen vgl. Seweryn Udziela Swiecenie ziela (Die Krautweihe) Kraków 1921, 8 S. Marzeil. Krebs ( T i e r ) . 1. A l l g e m e i n e s , S p r a c h e , S p r i c h w o r t . Der Artenreichtum der K . e (etwa 6000 lebende und 2500 fossile Arten) macht eine Festlegung der gemeinten A r t in den Zeugnissen unmöglich. Doch ist vorwiegend wohl der Fluß- oder Bachk.

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(astacus fluviatilis) gemeint. Seine zoologischen Eigentümlichkeiten, das Rotwerden beim Kochen, die K.steine oder K.äugen (vgl. diese), besonders aber die Vielgliedrigkeit und das Rückwärtsbewegen haben die Stellung des K.es im Aberglauben bestimmt. Das drückt sich in S p r a c h e und S p r i c h w o r t aus. Die grapsenden, greifenden Bewegungen des K.es haben die Aufmerksamkeit zunächst gefesselt. Wahrscheinlich sind K . (ahd. chrebazo) und Krabbe mit krabbeln wurzelverwandt; nord. krafla „mit den Händen kratzen", krafsa „mit den Füßen scharren". Beziehung zu ahd. krapfo „Haken"; demnach K . = „Hakiger" 1 ) ? Im Volksmunde führen auch andere krabbelnde vielgliedrige Tiere den Namen „ K . " : Maikäfer = Kritzekrebs 2 ) (thür.); Kornwurm = Kornk. 2 ); Maulwurfsgrille3) (gryllus gryllotalpa) = fliegender K . oder böser K . oder Erdk.; Kugelk. 4 ). Die Scheren lassen den K . als Schneider s ), die spinnende Bewegung der Füße als Spinner 6 ) erscheinen. In Sprichwort und Redewendung spielen das Rückwärtsgehen 7 ), das Kneifen 8 ), die rote Farbe des gekochten 9) K.es hinein. x ) K l u g e EtWb. unter „ K „ Krabbe, Krapfen, krabbeln"; D W b . 5, 2129. 2 ) Ebd. 3 ) M e y e r Germ. Myth. 95. 99. 1 1 3 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 106. 285 f. 485; B r a n d Pop. Ant. 1, 307. 334; Jahrb. f. Meckl. Gesch. u. Altertumskd. 2, 188 u. 134; K n o o p Tierwelt 32; J a h n Opfergebräuche 34; G r i m m Myth. 2, 589; F r i s c h b i e r Naturkunde 316. 4 ) M a n n h a r d t Roggenwolf 15. 6 ) In Übersetzung des Don Quichote von 1767 Bd. 2, 267. *) D W b . 5, 2128. ' ) E b d . 5, 2128; S i m r o c k Spr. 10276: „Der thor bessert sein leben wie der krebs seinen gang". 8 ) „ D i e K.e kneipen" = Geiz (ein K . im Beutel kneift die hineinlangende H a n d ) ; „einen K . im Beutel haben" (Adelung) -DWb. 5, 2128. •) E b d . : Fischart rät einer Frau, deren Mann abends trunken heimkommt, „esz du krebs darfur" (rot ist die Farbe der Fröhlichkeit).

2. B i o l o g i s c h e s . Der Volksglaube, daß der K . den After unter dem Munde, die Augen hinten habe, erklärt sich aus dem Rückwärtsgehen 10 ). Die halbkugeligen K.steine (s. d., auch „Krebsaugen") dienen ihm während des Schälens zur Stärkung u ) . Als Speise ist uns der K . schon im 10. Jh. aus England bezeugt 1 2 ), jedoch wird er wegen seiner Aasnahrung

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noch heute vielfach verschmäht 1S ). „K.e man ißt, wenn kein R im Monat ist" (in Italien in den Monaten mit R 1 4 ) ) . Das K.fleisch sieht das Volk für Knochenmark 15 ) an. Ist der Darm des K.es gefüllt, so ist der K . gut, ist er weiß und leer, so schädlich zu essen 16 ). l 0 ) K n o o p Tierwelt 63; über das Rückwärtsgehen des K.es vgl. M e g e n b e r g Buch der Natur u ) 12) 208 f. S c h u l e n b u r g 267. WrightW ü l k e r Anglo-Saxon and old English Vocabularies 1, 94, in H o o p s Reallex. 3, 99. 1 3 ) H o 14) v o r k a u. K r o n f e l d 1, 256. Wander 16) H ö f l e r Sprichwörterlex. 2, 1599. Organotherapie 54 f. l e ) M e g e n b e r g Buch der Natur 209.

3. A b w e h r z a u b e r . Die Abscheu, die man gegen den K . empfand, läßt die Verwendung im Abwehrzauber erklären. Auf antiken Tonschalen und Münzen wurde ein K . mit G o r g o n e n a n t l i t z abgebildet"). Die Esten schützen ihre Bienenkörbe gegen den b ö s e n B l i c k , indem sie K.scheren in die Bienenkörbe oder das Haus des Neidischen 18) legen. Tauben bleiben gesund, wenn man einen K . in den Schlag tut 1 9 ) (Oberpfalz). Ein K . im Stall verhindert das Viehsterben 20 ) (am Arzbach in Ob.-Bay.). In Italien, Griechenland und Kleinasien schützt man Kinder gegen den bösen Blick, indem man ihnen K.scheren um den Hals hängt 2 1 ). Aus den apotropäischen Eigenschaften des K.es erklärt sich die F e i n d s c h a f t g e g e n T i e r e . Staricius 22) warnt Händler davor, Schweine unter dem Wagen durchlaufen zu lassen, sonst müssen die K.e sterben. Umgekehrt bewirkt ein unter dem Schweinetrog faulender K . das Verfaulen der Schweine 23) (Meckl.). Schlangen empfinden Qualen, wenn die Sonne durch den K.geht (Thrasyllos) 24 ). Megenberg empfahl eiertragende K.e als Gegengift gegen Schlangenbisse 2S) (vgl. hierzu Abschnitt „Volksmedizin"). Aus demselben Grunde werden K.e von Schweinen gefressen 2S ). Im Altertum tötete man Skorpione mit zerriebenen K.en 27). Ein K . im Taubenschlag vertreibt die Tauben (Schwaben 28 ), Oberpfalz 29)). Wo sich K.e aufhalten, müssen Ungeziefer und Schädlinge weichen: Mäuse (lebender K . im Mauseloch, Böhm.30) u. Mähr. 81 )); in

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Meckl. wird mit einem toten stinkenden K. die Scheune ausgeräuchert32); Wanzen (lebender K. wird eingemauert. Wien33)), Baumschädlinge (toter K. auf Baum Schles.34)), Vögel (die Samen werden mit Wasser besprengt, in dem K.e 10 Tage gelegen haben, Frankr.85)).

Wirtschaft den K.gang 42). Kleine Kinder soll man nicht „Krebschen" nennen, sonst „verbutten"43) sie. Von K.en träumen bedeutete im Altertum **) Schicksalsschläge oder Auswanderung (bei Armen und Gefangenen Glück 4S)), heute Rückgang.

4. Sein Aufenthalt im Wasser macht den K. zum Regenmacher und Regenpropheten. Burkhard von Worms (•J- 1025) berichtet vom „Krebsgang" im Kieinsprengel: Bei Regenarmut wird eine Jungfrau von ihren Genossinnen mit Ruten unter das Wasser getaucht, darauf unter Nachahmung des K.ganges ins Haus zurückgeführt (transpositis et mutatis in modum cancri vestigiis 36)). Colerus berichtet, daß die K.e vor Sturm und Regen am Röhricht hinaufklettern 37), Steine und Sand in Mund und Scheren nehmen38) oder aufs Land klettern. Letzteres berichtet auch Aldrovandus (De crustatis II, 58 39)).

6. Die mannigfache Verwendung des K.es in der Volksmedizin ist vorzugsweise wohl aus dem Analogieglauben zu erklären (z. B. gegen K.krankheit, s. u.), sodann aus der Vorstellung, daß der K . mit seinen Scheren die Krankheit aus dem Körper herauszieht 4e). Für letztere Annahme spricht, daß der K . vorzugsweise bei Geburten und solchen Krankheiten angewendet wird, deren Behandlung in der Entfernung von Fremdkörpern, wirklichen oder angenommenen Krankheitsstoffen besteht: Wassersucht, Geschwüren, Fieber, Wunden, Steinleiden. a) Analogie: Die krebsfußähnlichen Aderschlängelungen um das K.geschwür herum legten schon Galenus 47) den Vergleich mit dem K.tier nahe. Man schrieb daher auch die Ursache der K.krankheit einem bösartigen fressenden Tier 48) oder gar dem Flußk. zu. Fliegen übertragen die Krankheitsstoffe vom verfaulten (Ob.-Österr.49) u. Pos.50)) oder gekochten 61 ) K. (Ruppin) auf Menschen. Als Mittel gegen K.geschwüre wurde im Altertum K.asche genossenS1) (Dioscurides), bei Gebärmutterk.82) ein zerstoßener weiblicher K. gebraucht (Plinius). In neuerer Zeit wird auf krebskranke Stellen Salbe aus frisch gestoßenen K.en gelegtS3) (Übertragung der K.krankheit auf den Flußk. s. u.). Das Besprechen von Brand und Rose beruht mitunter auf der Analogiewirkimg der roten F a r b e :

17 ) S e l i g m a n n Blick 2, 124. 1 8 ) W i e d e m a n n Esthen 393; weitere Belege bei S e l i g m a n n Blick 2, 124. 1 9 ) W u t t k e 433 § 678; Reiher legten zum Schutz gegen den bösen Blick K.e in ihre Nester ( S e l i g m a n n Blick 2, 20 124). ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 257. 41 ) S e l i g m a n n 2, 124. 2 2 ) S t a r i c i u s (Ausg. v. 1734) 321. 2 3 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 183. a4 ) S t e m p l i n g e r Sympathie 15. 2 6 ) M e g e n b e r g Buch der Natur 209. 2 6 ) S t e m p l i n g e r Sympathie 15. 2 7 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 256 (Dioscurides). 2 8 ) B i r l i n g e r Schwaben 1, 436. 2 S ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 353. 3 0 ) W u t t k e 399 § 614; G r o h m a n n 63. 3 1 ) Ebd. 32 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 176. 3 3 ) Germania 20 (1875), 356. 3 4 ) D r e c h s l e r 2, 81. 3 6 ) S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 357.

se ) W a s s e r s c h i e b e n 665; G e s e m a n n Regenzauber 1 1 ; C o l e r u s oeconomia ruralis et äomestica. Maintz M D C X L V p. 120. Ähnliches in Hinterindien ( F r a z e r 1, 289). 3 J ) C o l e r u s a. a. O. p. 7 nr. 147. 3 S ) Ebd. p. 7 nr. 148. *•) H o p f Tierorakel 226.

5. Unglückstier. Analogieglaube brachte mit dem Rückwärtsgehen des K.es Rückgang des Glückes in Verbindung. Anwesenheit eines K.es (auch aus Metall, Marzipan usw.) im Zimmer bewirkt Rückgang in allem Tun 40 ) (Oberschles.). Ein Haus, in dem ein K. weilt, brennt ab (Ob.-Östr.). Bringt man Brautleuten die Asche einer zerpulverten ausgefressenen K.schale unter das Essen, so geht die B ä c b t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

40 4l ) D r e c h s l e r 2, 193. ) Baumgarten Heimat 1, 18. 4 2 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 129 Nr. 8. 4 3 ) G r i m m Myth. 3 , 4 3 5 Nr. 9 (aus der Chemnitzer Rockenphilosophie). **) P a u l y W i s s o w a 1 1 , 2, 1865. 4 S ) W a n d e r Sprichwörterlex. 2, 1599 Nr. 33.

Wie hoch ist der Heben Wie rot ist der Krebs Wie kalt ist die Totenhand, Damit ich stille diesen Brand

M

).

b) Herausziehen der K r a n k h e i t : Arzneibücher des 16. Jh.s verordneten 15

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Krebs

einen Trank aus dem Saft lebendig zerstoßener — am besten weiblicher68) — K.e bei schweren G e b u r t e n 8 6 ) oder zögernder N a c h g e b u r t 6 7 ) . Wie die Camerar. memorabil. I X , 2 1 (16. Jh.) berichten, wurde ein lebendiger K . auf die Schamlippen gebunden 58 ). In Schwaben vertreibt man das „Nachwesen" durch eine Brühe von drei zerstoßenen K.en 69 ). Man „losset" (löset) G e s c h w ü r e und H i t z e durch Auflegen von K.salbe 60 ) (16. Jh.), ganzen 61 ) oder zerstoßenen 62 ) K.en. Wassersüchtigen verordnete man den Genuß von K.saft (Gessner 63 )). „Vor den s t e y n " nahm man im 15. und 16. Jh. Pulver 64 ) von ersäuften K.en, lebendig zerstoßene65) oder mit Heilpflanzen zubereitete eiertragende66) K.e, oder man legte einen Sack mit heißen K.en 67 ) auf. Als Mittel, das „den B r a n d Auss zeucht", galt das aus den K.en gedrückte Wasser 68 ). P f e i l e entfernte man im späteren Mittelalter durch Auflegen gestoßener K.e mit Magnetstein ®9). Ähnlich beseitigte mein Kugeln70), „ S p r e i s s e n Vnd D o r n " (Hs. von 1 7 7 2 n ) und bei Gessner 72 )), W ü r m e r n ) . Brühe von gesottenen K.en „bewegt den s t u l g a n g und h a r n " 74 ); Salbe von weichen K.en vertrieb G i c h t und Z i p p e r l e i n 7S ). Gegen F i e b e r wird heute die schleimige Absonderung von ersäuften K.en 76 ) oder Branntwein, in dem K.e ertränkt wurden, getrunken 77 ) (Böhm., Ostpr.). W a r z e n vertreibt man im Spreewald durch Bestreichen mit dem Schaum von Wasser, in dem K.e gekocht werden 78 ). c) Die oben (Abschn. a) erwähnte Annahme vom K . als Krankheitsträger erklärt die mannigfachen Versuche, K r a n k h e i t e n v o m Menschen auf den K . zu ü b e r t r a g e n . Man schiebt einem K . N ä g e l t e i l e des Kranken (selten H a a r e ) unter den Panzer oder bindet sie ihm auf den Rücken und wirft den K . dann in fließendes Wasser. Dadurch heilte man Fieber (im Mittelalter 79 ), im Spät-Mittelalter 80 ), im 17. Jh. 8 1 ), in neuerer Zeit 8 2 )), Gicht 83 ), Wassersucht 84 ), Lungenleiden85), Rheuma 85 ) (Westböhm.) und Krankheiten im allgemeinen86). An die Stelle der Nägel tritt auch ein Z e t t e l

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mit dem N a m e n des K r a n k e n 8 7 ) . Allgemein üblich ist es, auf krebskranke Körperteile einen lebenden K . a u f z u binden und sterben zu lassen 88 ). Dasselbe wird in einem Arzneibuch des 16. Jh.s gegen Gelbsucht empfohlen 89 ). Zuweilen wird der K. unter Beten von 3 Vaterunsern v e r g r a b e n (mit ihm die Krankheit) 90 ); statt des K.es kann auch ein B e u t e l mit zerstoßenen K.en91) oder ein mit krebsähnlichen Zeichen bemalter Z e t t e l 92 ) genommen werden. In Oberösterreich überträgt man die K.krankheit auf einen K., der im Topf fault 93 ). d) Eine große Erweiterung dieser medizinischen Verwendungsmöglichkeiten mag sich allein aus der Beachtung erklären, die dem K. wegen seiner Absonderlichkeiten gezollt wird. Das P u l v e r von gebrannten K.en, im Trank eingenommen, wirkt gegen Krämpfe 94 ), Epilepsie 95 ) (Ostpr.), den Biß toller Hunde 96) (dass. schon bei Dioscurides 97 )), Ruhr (K.asche mit rotem Wein 98)), dient als Blutstillmittel 99 ) und wird angewandt, wenn eine Frau die Kinder nicht „vortragen" kann 10 °). Bei Geschlechtskrankheiten wird das Pulver auf den „offenen Schadten" gestreut 101 ), dasselbe bei Wunden 102 ). Den S a f t von zerstoßenen K.en wendet man an bei trockenem Ausschlag 103 ), Bräune 104 ), Herz- und Bauchschmerzen 105 ), Fallsucht 106 ), Schwindsucht 107 ), „ufstigen der motter" und Mutterfluß 108 ) (16. Jh.), ferner als schmerzstillendes109) (16/17. Jh.) und schweißtreibendes Mittel u o ) (16.Jh.). Durch Gurgeln mit diesem Saft vertreibt man Halsbräune 111 ), durch Bestreichen Geschlechtskrankheiten 1 1 2 ). K.salbe wendet man an bei Beinbrüchen 113 ) (Tirol), Schwindsucht u 4 ) , verkrümmten Gliedern 1 1 5 ), Kopfausschlag 116 ) (Tirol), Biß von Schlangen und tollen Hunden (Plinius 117 ) u. im 16. Jh.) 118 ), Drüsenerkrankungen 1 1 9 ) (Schwaben). Der roh zerriebene oder gestoßene K . wird äußerlich angewandt gegen Hautausschlag 120 ), Fingerbruch m ) (alt), gegen Risse ein Händen und Füßen, Frostbeulen und krebsige Geschwüre 122 ) (Dioscurides); kleinen Kindern dient er zur Stärkung 1 2 3 ).

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Krebs

In Frankreich war er im 1 7 . J h . Arznei gegen Schwindsucht und K o l i k 1 2 4 ) . K.g e r i c h t e gab man Frauen im Spät-MA. {Geßner) zur Stärkung der weiblichen Fruchtbarkeit U B ) oder während der Geburt 1 2 6 ) oder um die Empfängnis zu fördern 1 2 '). Auch die Alten schrieben dem K . animalische Fruchtbarkeit 1 2 8 ) zu. Dioscurides empfahl Lungenkranken, K . e zu essen 1 2 9 ). Genossene K . e vertreiben Melancholie. Die Wirkung steigert sich mit der Strömungsgeschwindigkeit des Wassers, aus dem der K . s t a m m t 1 3 0 ) . e) T e i l e d e s K . e s . Zerstoßene K . s c h a l e n gab man früher (16. J h . ) Ruhrkranken 1 3 1 ) und von tollen Hunden Gebissenen l s a ) , F ü ß e , S c h w ä n z e und Scheren Schwindsüchtigen 1 3 S ). K.g a l l e empfahl man im 1 8 . J h . zur Reinigung der B r u s t 1 8 4 ) . 4 *) Eine ähnliche Vorstellung liegt auch der Behandlung von Kleptomanie (Celebes) zugrunde. Man bindet einen Beutel mit K.en oder Spinnen auf die leidende Hand: F r a z e r 9. 34- " ) J ü h l i n g Tiere 315. 4 8 ) Vgl. H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 401. 4 9 ) B a u m g a r t e n Heimat 1, 144. 6 0 ) K n o o p Tierwelt 26. S 1 ) ZfVk. 7 (1897), 290. M ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 2 5 6 f . ; A b t Apuleius 139. 6 3 ) H ö f l e r Volksmedizin (1888) X X I X ; J ü h l i n g Tiere 114; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 257; 2, 312; L a m m e r t 206 (Ob.-Bayern); W u t t k e § 477 (bayr.). M ) ZfVk 7 (1897), 64 (Brand.); ähnlich W u t t k e §231. 5 5 ) J ü h l i n g Tiere 109. » ) Ebd. X12. ") Ebd. 109. 110. 112.. *•) L a m m e r t 169. *») Ebd.; B u c k 53. 6 0 ) J ü h l i n g Tiere i n . 4 1 ) Ebd. 64. 6 2 ) Ebd. 108. •*) Thierbuch II, CXCII. " ) J ü h l i n g Tiere 111. ««) Ebd. 107 f.; G e ß n e r Thierbuch II, CXCIII. S 6 ) J ü h l i n g Tiere 109 u. i n . Ebd. 109 (Arzneibuch Herzog Friedrichs v. Sachsen). 6 8 ) Ebd. 112; Z a h l e r Simmenthai 75 = 16. Jahresber. d. Geogr. Ges. Bern (1898) 207; ähnliches wird in einer magyarischen Hs. aus Siebenbürgen (17. Jh.) empfohlen ( H o v o r k a u. K r o n f e l d 2,368). 8 9 ) J ü h l i n g Tiere 110. 7 0 ) Ebd. 1 1 2 f. 7 1 ) Z a h l e r Simmenthai 75. ™) Thierbuch I I , C X C I I I b. 7 S ) Ebd. C X X V I I . 7 4 ) Ebd. C X I I u. CXCII. 7 5 ) J ü h l i n g Tiere 107 f. »•) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1,144. " ) Ders. 1,146; S c h m i d t Kräuterbuch 39 Nr. 14; J ü h l i n g Tiere 1 1 5 ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 52. 7 8 ) S c h u l e n b u r g 103. 7 9 ) A l b e r t u s Magnus 4, 52. 8 0 ) C a m e l a r memorabil. I X , 19, zit. bei L a m m e r t 262; Colerus in Urquell 3 (1892), 198. 8 1 ) S t a r i c i u s (1734) 295. 8 2 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 72 u. 323; ZfVk. 8 (1898), 178 (Tirol); 7. 71; J ü h l i n g Tiere 1 1 3 (Tirol) u. 1 1 4 ; W u t t k e § 499 (Frank.); B a r t s c h Mecklenburg 2, 106f.; S e y f a r t h Sachsen 191. 8 3 ) Ebd.

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191; R o s e g g e r Bergpredigten 238 (Ausgew. Schrift. X X , Wien, Lpz., Pest 1885); Schweizld. 3, 782. 8 4 ) W u t t k e § 499 (Frank.); Bavaria 4, 1. 8 5 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 270. 86 ) ZfVk. 7 (1897), 71; M a n n h a r d t Germ. Mythen 630; auch in Frankr.: S e b i l l o t Folk-Lore 2, 300; vgl. oben 1, 113. 8 7 ) S c h l e i c h e r Sonneberg 806; Z i n g e r l e Tirol 94; W u t t k e § 499- 8 8 ) S t a r i c i u s (1734) 278; B a r t s c h Mecklenburg 2, 101 u. 394; B o h n e n b e r g e r 20 (Saulgau); H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 402; in Frankr. S S b i l l o t Folk-Lore 3, 357; J ü h l i n g Tiere 112 (Tirol). 8 9 ) Ebd. 107. 9 0 ) L a m m e r t 208 (Bay.); H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 401; Bavaria 4, 1. 9 1 ) ZfrwVk. 1 (1904), 201 (Ruhr, Emscher). 9 2 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 144. * 3 ) B a u m g a r t e n Heimat 1, 144. M ) J ü h l i n g Tiere 108. 9 6 ) Urquell 3 (1892), 67. 9 8 ) J ü h l i n g Tiere 109 f. 111. 9 7 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 256. * 8 ) A m e r s b a c h Grimmelshausen 59; Urquell NF. 1 (1897), 167; J ü h l i n g Tiere 113. " ) Ebd. 110. 10 °) Ebd. 108. 1 0 1 ) Ebd. 110. 1 0 2 ) Ebd. 110. 1 0 i ) Ebd. i n . 1 0 4 ) Ebd. 112. 1 0 6 ) Ebd. 109. 1 M ) Ebd. 107 f. « 7 ) Geßner Thierbuch I I , CXCII. 1 0 8 ) J ü h l i n g Tiere 342. 1 0 »)Ebd. i n . u o ) G e ß n e r Thierbuch I I , CXCIII. 1 « ) Ebd. CXCII f.; L a m m e r t 1 4 1 ; ZfVk. 8 (1898), 178. 11!! ) B u c k Volksmedizin 53. 1 1 3 ) ZfVk. 8 (1898), 179; J ü h l i n g Tiere 113. l l 4 ) Ebd. 111; H ö h n Volksheilkunde 1, 94; Z a h l e r Simmenthai 75. 1 1 6 ) J ü h l i n g Tiere n o f . 114) Ebd. 1 1 3 ; ZfVk. 8 (1898), 179. U 7 ) G u b e r n a t i s Tiere 611. 1 1 8 ) J ü h l i n g Tiere m . «•) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 319. 12 °) J ü h ling Tiere 115. 1 2 1 ) Ebd. 108. 1 2 2 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 256. 1 2 3 ) H ö h n Geburt 278. 1 2 4 ) S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 357. 1 2 5 ) G e ß n e r Thierbuch II, C X X V I I ; vgl. L a m m e r t 151. 1 2 5 ) Ebd. CXII. 1 2 7 ) Ebd. 128) K e l l e r Tiere 2, 496; H ö f l e r Volksmedizin 209. 1 2 9 ) Hov o r k a u. K r o n f e l d 1, 256. 13 °) J ü h l i n g Tiere 115. 1 3 1 ) Ebd. 112. 1 3 2 ) Ebd. 110. l 3 3 ) Ebd. 109. 1 3 4 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 35. 7 . Als D ä m o n tritt uns der K . im Altertum entgegen als K . g e s p e n s t K a r kinos 1 3 5 ), in deutschen Ortssagen als R i e s e n k . 1 3 6 ) , als Ungeheuer, das die S t a d t m a u e r 1 3 7 ) oder den K i r c h t u r m 1 3 8 ) abfrißt. Über den K . als T o t e m t i e r vgl. Frazer, Totemism 1 , 5 . 8 u. 1 4 ; 2, 1 5 9 ; 3 , 1 7 5 ; über die Bedeutung des K.es und verwandter Arten in der a n t i k e n M y t h o l o g i e vgl. Gubernatis, Tiere 6 1 1 ff. und Pauly-Wissowa 1 1 , 2, 1665 ff. 1 3 5 ) A b t Apuleius 146; ARw. 20, 236. 13>) K ü h n a u Sagen 2, 365 t.; S e p p Sagen 369; K u h n Mark. Sagen 246; H a u p t Lausitz 1, 80. 137) K n o o p Hinterpommern 102. — Krebssagen s. K ü h n a u Sagen 3, 440; K u h n Mark. Sagen 119 u. 243; B a u m g a r t e n Heimat 1, 144; K r a u ß Religiöser Brauch 12; Grimm Sagen 1, 301; B a r t s c h Mecklenburg 1, 523 (warum 15*

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Krebs

der K. alle Jahre wechselt); Löwis of Menar Balten 73 (warum der K. rückwärts geht), in Frankr. Sebillot Volk-Lore 3, 358. Groth.

Krebs (Tierkreisbild)s. S t e r n b i l d e r l . Krebs (Carcinom), ein um sich fressendes Geschwür (s. d.), das ahd. unter dem Einfluß der alten Schulmedizin mit „cancher" oder mhd. mit dessen Verdeutschung „krebez" bezeichnet wird 1 ). Megenberg (320, 32 ff.) verwechselt mit K. eine schwärenartige Wucherung an After und Geschlechtsteilen, die seit dem Mhd. nach dem Aussehen einer Feige den Namen erhalten hat. Man heißt ihn noch heute „'s bös Übel", „'s bös Wesen, Gott b'huet is darvor", ein Zeichen, wie gefürchtet er ist 2). Das Krebsgeschwür wurde schon früher auf den Biß eines Dämons3) und auf Verwünschungen zurückgeführt 4). Nach dem Glauben in Posen ist das Tier K. die Ursache der Krankheit: Stirbt nämlich ein K. auf dem Lande, so verwandelt sich seine Farbe in Giftstoffe, die dann, durch Fliegen auf den Menschen übertragen, das Geschwür bilden 6). In Bern meint man, man bekomme die Krankheit auch, wenn man einen an Gesichtsk. Leidenden lang anschaut6). Am Johannistage darf man nichts vor dem Hause stehen lassen, sonst fliegt der „böse K . " darüber (die Sonne steht Johanni im Zeichen des K.es), und man kriegt selbst einen K.schaden 7). In K. kann nach der Meinimg des Volkes jede kleine Wunde, Warze, Pocke übergehen 8). Am Niederrhein bestrich man, um festzustellen, ob K. vorliege, diejenigen Stellen, die als krank bezeichnet wurden, mit einer Mischung von Spieköl und Terpentinöl. Empfand der Patient Prickeln oder ein kitzelndes Gefühl in der Haut, so war die Krankheit zweifellos K.»). Zu seiner Heilung verwendet man die verschiedensten Mittel: Salben und Pflaster, roten und weißen Präzipitat, blauen, weißen Vitriol, Höllenstein, Kohlenpulver, Absude von Kamillen, Bilsenkraut, Gerberlohe, Mangold-, Nußblätter10), man ißt (in Tirol) Odermennig in jeder

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Speise u ) , brennt aus faulen Äpfeln ein Wasser, netzt einen leinenen Lappen darin und legt ihn auf 1 2 ). Die Egyptischen Geheimnisse des Albertus Magnus (1, 15) 1 8 ) teilen „Theophrasti Paracelsi geheimnisvolle Cur, den K. zu heilen" mit: „Diese bestehet darinnen, wenn nehmlich ein Mensch einen lebendigen Maulwurf (s. d.) in seiner rechten Hand mitten umfaßet, einigermaßen fest hält, bis erdarinnen krepiert, so bekommt dieselbe Haut eine solche Kraft, daß hernach solche K.beulen, ehe sie aufbrechen, vergehen und verschwinden, wenn man zu verschiedenen Malen mit derselben darüber herfähret". Im Vierten Theil (4, 48 Nr. 167) schreibt aber Albertus Magnus; „ . . . so bekommt diese Hand die Kraft . . . " usw., so steht es auch in seiner Quelle, dem Heldenschatz des Staricius (1679, S. 525). In schlimmen Krankheitsfällen zog man einer lebendigen Maus das Fell ab und legte sie (doch wohl das Fell?) auf 1 4 ). Man rühmt auch das Auflegen von noch blutigem, warmen Rind- oder Kalbfleisch oder von Hühnern, Tauben, Sperlingen usw. Das Fleisch bleibt 24 Stunden lang liegen und wird dann unter einer Dachtraufe vergraben oder einem Hunde oder Raben stückweise vorgeworfen. Der K. wird alsdann gereinigt und wiederum Fleisch aufgelegt 1S ). Schafgalle oder Geißenkot helfen gleicherweise M ). In Tirol empfiehlt man: Spieß eine Kröte auf und dörre sie in der Sonne, hernach schlag eine Schlange tot, brenne beide zu Pulver, das tötet den K . " ) . Man bindet aber auch eine lebende Kröte auf die kranke Stelle und läßt sie dort, bis sie verendet ist. Man muß aber vorher ein Kreuz über sie machen ls ). Schon Albertus Magnus19) und das 6. u. 7. Buch Mosis (S. 60) raten das Mittel an, das sie wie so manche andere aus Staricius Heldenschatz (1679) S. 524 f. entnommen haben: „Man verbindet einem lebendigen K. die vorderen Scheeren, damit er nicht kneipen könne, und befestigt ihn dann über den Schaden, wo er so lange bleiben muß, bis er gestorben ist. Ist der Krebs des Menschen noch nicht aufgebrochen,

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Krebsauge, Krebsstein

so verschwindet er hiernach, wäre der Schaden aber schon offen, so wird er doch dahin gebracht, daß er nachher mit guten Pflastern leicht geheilt werden kann". Der tote K . wird dann vergraben. Dieses Mittel war sehr gebräuchlich 20). Häufig werden auch S e g e n gebraucht. Ein solcher aus dem 16. Jh. lautet 2 1 ) : „Kreps, du hast die N. vmpfangen; ir haut vnd ir brüst vnd hâst gebaud ein haus vnd bei ir wird wonen der kreps vnd wirst Ir saugen N. ir mark aus den painen vnd aus der brüst heraus; zw derselbigen frist khumbt vnser lieber hêrr Jesu Christ; spricht kress vnd kreps: was thuest du hie? sô haben mir N. vmgfangen vnd vmsessen jr hauth vnd jr brüst vnd wellen ir saugen ier blue aus den painen, aus der brüst! Sprich Gott: des solt ir nicht tun! solt die N. ir brüst gesund lân: solt hin gên Babylon gang, dâ stên drei brunnen. Aus dem ersten flües ayder, aus dem andern flies milch, aus dem dritten rôdes blued. dâselben solt ir auch bauen ein haus und sold drinkhen vnd saugen daz mir auch drunkhen gued, drinck und saug es aus dem grund sprich Gott der herr vnd lond die N. ir brüst gsund, daz ir gsund bleib es wohr; das geschach das Longinus der Rider Gott dem hêrren in sein heillige göttliche brüst stach, die nit säurt und nit fault und nit gird und nit schwirt; alsô sol die N. brüst auch geschegen; daz zell ich dier zw buess. Im namen" usw. 22). Die geheime Kunst-Schule (Teil des 6. u. 7. Buchs Mosis, S. 17) schreibt vor, man solle mit Honig auf ein Glas schreiben: „Der Herr verletzt und verbindet, er zerschmeißet und seine Hand heilet"; „nimm alsdann deine ordentliche Salbe, wische damit die Schrift weg, vermische die Salbe durcheinander sehr wohl, . . . , so wirst du sehen, daß das Wort des Herrn deine Gesundheit wenigstens um die halbe Zeit befördert". Le Médecin des Pauvres enthält auch einen K.segen: „Chancre blanc, chancre rouge, chancre douloureux, éteins ton feu et ta rougeur comme Judas a perdu sa couleur quand il a trahi Notre Seigneur" M ).

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x ) H o o p s Reallex. 3, 99; H e y n e Hausaltertümer 3, 134; J ö r i m a n n Rezeptarien 133. 2) 3) Zimmermann Volksheilkunde 92. H o o p s Reallex. 3, 99. 4 ) G e r h a r d t Novelle 101 f. 5 ) K n o o p Tierwelt 26 Nr. 232; vgl. Insekten als Ursache des K.s S ö b i l l o t Folk8) S A V k . Lore 3, 305. 8, 269 Nr. 34. ') B a r t s c h Mecklenburg 2, 289 Nr. 1441 a f i . = S a r t o r i Sitte 3, 222 Anm. 6; ZfVk. 23 (1913), 8) 282 Nr. 22; L i e b r e c h t ZVolksk. 347. L a m m e r t 207. *) ZrwVk. 1 (1904), 201. l 0 ) L a m m e r t 207 = H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 401; Romanusbüchlein 61 f.; 7 mal versiegeltesjBuch (Teil des 6. u. 7. Buchs Mosis) 31 = Romanusbüchlein 55; ZrwVk. 1 (1904), 201; S c h r ö d e r Apotheke (1718), 208, 1 2 0 . 6 4 0 ; F o s s e l Steiermark 1 5 5 ! . ; G. S c h m i d t Mieser Kräuterbuch 60 Anm. 203. u ) A l p e n b u r g 401; vgl. J a h n Hexenwesen 192 Nr. 758 (Stindwurzeln) = A l b e r t u s M a g n u s Egypt. Geh. 2, 40 f. A l b e r t u s M a g n u s Egypt. Geh. 4, 42 Nr. 146; vgl. L a m m e r t 206. l s ) = L a m m e r t 208. " ) M o s t Symp. 114; L i e b r e c h t ZVolksk. 3 4 7 ! ; L a m m e r t 208. 1 5 ) L a m m e r t 208; M o s t Encyklopädie (1843), 325; W u t t k e 349 § 523; F o s s e l Steiermark 155; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 401. M ) G . S c h m i d t Mieser Kräuterbuch 60 Nr. 89; L a m m e r t 208. " ) H e y l Tirol 788 18 ) Nr. 153; F o s s e l Steiermark 155 f. Birl i n g e r Volksth. 1, 485 Nr. 18; B u c k Volksmedizin 52 f.; F o g e l Pennsylvania 156 Nr. 737; L a m m e r t 208; S £ b i l l o t Folk-Lore 3, 286. 19) Egypt. Geh. 4, 48 Nr. 167. 20 ) S A V k . 7, 138 Nr. 89 (Bern); F o s s e l Steiermark 155; Bavaria 4, x (1866), 223; L a m m e r t 208; M o s t Encyklopädie (1843), 325, vgl. ZrwVk. 1 (1904), 201. 2 1 ) Germania 17 (1872), 76 Nr. 4. 2S ) Vgl. einen weiteren Segen aus einer Heidelberger Hs. bei H e i l i g Alemannia 27 (1900), 111 f. = Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 92. 23 ) Z f V k . 24 (1914), 152 Nr. 15; vgl. andere franz. Segen: S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 496. Bächtold-Stäubli.

Krebsauge, Krebsstein. Das Volk sagt, der Krebs hat zwei Steine, um sich zu stärken, wenn er sich schält, da er sonst nicht essen kann. Es liegt hier eine richtige Beobachtung zugrunde: vor der Häutung bildet der Krebs nämlich an den beiden Seitenwänden seines Magens Kalksteine, die bei der Häutung samt dem alten Kauapparate in die Mundhöhle geworfen und dort aufgelöst werden, so daß sich aus ihnen die neue Schale und ein neuer Kauapparat bilden können 1 ). Der Krebsstein galt seit Paracelsus als ein vielseitiges Heil- und Hausmittel, das geradezu unentbehrlich war. Man glaubte, er dämpfe und entziehe wegen seines Kalkgehaltes dem Körper alle Säuren a ). In der Schweiz verwendet man ihn noch

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Krebskreuz—Kreide

heute gepulvert innerlich gegen Seitenstechen 3 ). Luther erwähnt eine Arznei gegen den Blasenstein, in der gepulverte Krebsaugen enthalten sind 4 ). Sie werden genannt als Bestandteil von Pulvern gegen Blutspeien, Seitenstechen, Blähungen, Fieber und Kopfweh 5 ). Die Epilepsiepulver, das seinerzeit berühmte Stahesche Pulver gegen Sodbrennen, Magensäure u. dgl., ebenso das medicamentum Swietenianum gegen Syphilis bestanden zum größten Teil aus Krebssteinen 6 ). Im Erzgebirge gibt man noch heute Kindern gegen Krämpfe Krebsaugen ein 7 ). Jühling kennt eine Arznei gegen Blutspeien, das aus Beschädigung innerer Organe entstanden ist, in der außer anderen Bestandteilen Krebsaugen enthalten sind8). Krebsaugen dienten früher als Krankheitsorakel: man gab einem Verwundeten oder Infizierten in Wasser aufgelöste gepulverte Krebsaugen ein; behielt er sie bei sich, so wurde er gesund, gab er sie von sich, so starb e r 9 ) . Unter den Amuletten, die im Egerland das Bett der Wöchnerin zieren, befinden sich auch Krebsaugen 10 ). Den Namen Krebsauge erhielt der Stein wegen seiner Verwendung bei Augenleiden (similia similibus). War ein Fremdkörper ins Auge geraten, so legte man ein Krebsauge in den Bindehautsack; dann spülte der durch den rauhen Stein verursachte Tränenfluß ihn heraus (allgemein) u ) . In Mecklenburg läßt man den Krebsstein unter den Augenlidern durchgehen, um die hautartige Decke zu beseitigen, die den Augen Schmerzen bereitet 1 2 ). Bei beginnendem Star wendet man Krebsaugensalbe an, die von gewissen Leuten heimlich verkauft wird 1 S ). In Tirol meinen die Hirten, wer einen Krebsstein bei sich trage, dem könnte, wenn er auch noch so tief herabstürzte, kein Leid geschehen. Es soll auch Glück bringen, wenn man den Krebsstein zu gewissen Zeiten aus dem lebendigen Krebse nimmt 1 4 ). Der Krebsstein galt als gutes Mittel gegen Sodbrennen 1 6 ); noch heute wird er von manchen als Mittel dagegen in den Apotheken und Drogerien verlangt. Noch vor wenigen Jahren ver-

460

kaufte man dort als Krebsaugen 2 bis 10 mm große Kalksteinkügelchen 1 6 ).

* ) M ü l l e n h o f f Natur 68 Nr. 100; H u x l e y

Der

Krebs

(1881) 281;

Schade

1410 s.

v.

rostem; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 246. 2 ) Zedier 15, 1822; S c h a d e 1411; Breßl. Samml. Regb. 451; Most Encyklopädie 324. 3 ) SchwVk. 7, 10.

4

) K l i n g n e r Luther 125; ebenso

J ü h l i n g 113; ZdVfk. 8 (1898), 179; S t a r i c i u s

Heldenschatz (1734), 236; H ö h n Volksheilhunde 1, 115 u . 118. 6 ) G . S c h m i d t Mieser Kräuter-

buch 59 u- 37; H o v o r k a - K r o n f e l d

187 u. 29; J ü h l i n g 110. i n .

6

2, 88;

) J ü h l i n g 115.

8) J ü h l i n g ' ) J o h n Erzgebirge 53. 110. 9 ) S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 353; ZdVfV.

22

n

(1912),

161.

10

) Grüner

Egerland

35.

) Zedier a . a . O . ; A g r i p p a v. N. 1, 103;

G r i m m DWb. 5, 2131; F o s s e l Volksmedizin 94; F l ü g e l Volksmedizin 64; J ü h l i n g 113; ZrwVk. 1 (1904), 91; 1914, 164; M a n z Sargans

70; Messikommer 1, 176; H o v o r k a - K r o n feld 1, 257; L a m m e r t 230; S c h r a m e k

Böhmerwald 285; L a u b e Teplitz 60; ZföVk. 9 (1903). 215; S c h u l e n b u r g 100; A l p e n b u r g Tirol 390; A n d r i a n Altaussee 134; L e m k e Ostpreußen 1, 93. 1 2 ) B a r t s c h 2, 102 Nr. 373.

) ZrwVk. 1914, 164. " ) A l p e n b u r g a. a. O.; Zedier a . a . O . ; ZdVfV. 8 (1898), 179. 1B ) H o v o r k a - K r o n f e l d 257; F o s s e l 114. l e ) Mündlich. f Olbrich. M

Krebskreuz. In Dalmatien legt man bei Magenkrampf auf den Nabel das K . , eine aus 3 Simsenruten (Juncus maritimus) geknüpfte Schlinge. Beim Hin- und Herwälzen des Kranken löst sich der Knoten, und damit schwinden auch die Schmerzen: H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 89 (Abb.) u. 130. GrOth. Kreide. Verbreitet ist der Aberglaube, daß die Kreide gegen Böses schützt Wer über einen Kreuzweg gehen muß, nimmt seine Mütze ab und macht in sie ein Kreidekreuz; dann können ihm die Hexen nichts anhaben 2 ). Gegen Behexung schützt ein auf die Schuhsohle gezeichnetes Kreidekreuz 3 ). Vor dem Bette der Wöchnerin macht man auf die Fuge zweier Dielen einen Kreidestrich; dann kann kein Wechselbalg hinüber 4 ). Wer Irrlichter ungestraft beobachten will, schützt sich durch einen mit geweihter Kreide um sich gezogenen Kreis 6 ). In katholischen Gegenden wird die Kreide kirchlich geweiht; solche gilt als sehr "wirksam und wird besonders zum Anschreiben von schützenden Zeichen

46I

462

Kreis

verwendet Mit ihr werden am Dreikönigs- oder Dreifaltigkeitssonntage die drei Buchstaben C. M. B. an jede Tür geschrieben 7). In der Oberpfalz und in Schwaben glaubt man, diese an Tür, Decke und Diele geschriebenen Zeichen schützten vor Wassersgefahr und Feuer und löschten ausgebrochenes Feuer 8 ). Besonders aber gelten sie als Schutz gegen Hexen, Druckgeister und Unholde9). Dasselbe bewirken drei mit geweihter Kreide an die Haus- und Stalltüren gezeichnete Kreuze 10). In Schlesien geschieht dies Bezeichnen am heiligen Abend 11 ). In anderen Gegenden nimmt man es am Abend vor der Walpurgisnacht vor, um die Hexen, die in dieser Nacht ihr Wesen treiben, fernzuhalten. Prätorius spottet über die vielen in Haus und Stall als Schutz gegen Unholde angemachten Kreuze und den Aberglauben der Leute, die am Walpurgistage nachsehen, ob die Hexen nicht ein Spänlein davon abgeschnitten hätten 12 ). Geweihte Kreide ins Schatzfeuer geworfen, hilft, den Dämonen die emporgestiegenen Schätze abgewinnen13). Gegen Behexung der Kuh macht man ein Kreidekreuz unter den Milchkübel (Oldenb.) w ). Die neugekaufte Kuh bezeichnet man vom Kopfe bis zum Rücken mit geweihter Kreide, damit sie gedeiht und immer den Weg in den Stall findet (Oberpf.)16). Man gibt einer Kuh, die gekalbt hat, ein mit Kreide bestrichenes Butterbrot, dann gibt sie reichlich Milch 1S ). In den Rauchnächten streut man dem Vieh neben Salz und Brot auch Kreide ins Geleck 17 ). Um schädliches Ungeziefer zu vertreiben, mischt man zermahlene geweihte Kreide unter die Erde des Gartens (Schwab.)18). In Bayern legt man ein Stück Kreide neben die Getreidehaufen; dann kann niemand etwas davon wegnehmen 19). Wer viel Geld hat, soll ein Stück Kreide dazu legen, dann können böse Leute ihm nichts davon wegnehmen 20). In der Trebnitzer Gegend schreibt man besondere Kraft der Kreide zu, die man beim Genüsse des Abendmahls verborgen so im Munde hält, daß die Hostie sie berührt; alles, was man mit

solcher Kreide schreibt, wird „erscheinen" »). x ) W u t t k e 95 § 118 (Erzgeb.); Drechsler 2, 244. ») W u t t k e 283 Nr. 416. 3 ) Ebd. 282 4) K ö h l e r Nr. 414 (Thüringen). Voigtland 436; W u t t k e 382 § 5 8 1 ; vgl. Rochholz Kinderl. 289 (Juden). *) W u t t k e 478 § 762 (Thüring.). •) F r a n z Benediktionen 1, 434; S c h r a m e k Böhmerwald 126; Schönwerth Oberpfalz 1, 313. ' ) S e l i g m a n n 2, 334; M e y e r Baden 506; B i r l i n g e r Volkst. 2, 16; M e i e r Schwaben 472 Nr. 233; K a p f f Festgebräuche 9; D r e c h s l e r 1, 49 Nr. 5 1 ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 157 u. 222; H ö r m a n n Tirol. Volksl. 243; K e h r e i n Nassau 154 Nr. 9; B r o n n e r Sitt' u.Art 16; H a u f f e n Gottschee 70. 8)

B i r l i n g e r Volkst. 1, 199 Nr. 6 u. Schwaben 1, 428; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 2, 87 § 13. 9 ) D r e c h s l e r 2, 177 u. 205; B a r t s c h Mecklenburg 2, 265 Nr. 1380; L a n g e r Ostböhmen 57: K ü h n a u Sagen 3, 107; H e y l Tirol 659 Nr. 135. 10) D r e c h s l e r 1, 51 u. 2, 250 Nr. 629; E b e r h a r d t Landwirtschaft 13. l l ) D r e c h s l e r 1 2 ) Frauenzimmerlexikon 1, 30 Nr. 22. 394; M a n n h a r d t Germ. Myth. 25; E i s e l Voigtland 210 Nr. 5 5 1 ; G r i m m Myth. 3, 437 Nr. 90. 13) K n o o p Schatzsagen 13 Nr. 21; K ü h n a u Sagen 3,696. " ) W u t t k e 445 § 7 0 1 . 1 5 ) S c h ö n M) w e r t h Oberpfalz 1, 321 Nr. 4. Wuttke 443 § 697 (Erzgeb.). « ) Ebd. 435 § 683 (Süd18) B i r deutschl.); S c h ö n w e r t h 1, 312. l i n g e r Schwaben 1, 428; vgl. D r e c h s l e r 2, 244. w ) W u t t k e 95 § 118. 20 ) G r i m m Myth. 3, 434 Nr. 5; M e y e r Aberglaube 228; P a n z e r Beitrag 2, 297; K e l l e r Grab 4, 239 f. 2, 244 u. 205 Nr. 579.

21)

Drechsler

Im Altenburgischen bestreicht man Warzen dreimal im Namen der Dreifaltigkeit mit Kreide, macht im Rauchfang mit ihr drei Kreuze und wirft dann die Kreide hinter sich oder vergräbt sie. Wie die Kreuze im Rauchfang vergehen, so verschwinden die Warzen; hebt jemand die weggeworfene Kreide auf, so überträgt sich die Krankheit auf ihn 22). In Braunschweig nimmt man bei Nasenbluten ein Stück Kreide in den Mund 23); dort und in Unterfranken ißt man bei Sodbrennen geschabte Kreide u ) . a2) S e y f a r t h 23) A n d r e e Sachsen 227. 24 ) Braunschweig (1896) 308. HovorkaK r o n f e l d x, 168; vgl. S t a r i c i u s Heldenschatz (1706), 450. t Olbrich.

Kreis. 1. Allgemeines. 2. Der einschließende (bannende, bindende) K . 3. Der ausschließende (apotropäische, Schutz-) K . 4. Andere Arten des K.es.

i . Allgemeines. Der K. hat im deutschen Aberglauben zahlreiche, auf ur-

463

Kreis

alte Vorstellungen zurückgehende Verwendungen, deren Bedeutungen oft ineinander übergehen oder nebeneinander gehäuft werden. Die magische Bedeutung geometrischer Figuren überhaupt findet sich schon bei den Naturvölkern la ). Von einem K. im geometrischen Sinne, wie ihn die gelehrte Magie verwendete, werden wir auf dem Gebiete des Volksaberglaubens absehen und unter K. alles K.ähnliche oder überhaupt nur in sich Geschlossene verstehen lb ). In dieser Geschlossenheit und damit auch A b geschlossenheit liegt das Hauptcharakteristikum und die Hauptkraft des magischen K.es. Die K.linie bewirkt eine Trennung des K.innern von der Umgebung, eine Zweiteilung des Raumes in ein „Drinnen" und „Draußen", wobei das „Drinnen", der von der K.linie umschlossene Raum, eine eigene Machtund Wirkungssphäre bildet, was für abergläubische Handlungen in verschiedener Weise ausgenützt wird. Der magische K. um eine Sache kommt zustande: 1. durch körperliche A b sperrung von der Umwelt, indem man die Sache von allen Seiten mit einem meist zauberkräftigen Material umgibt. So wird beim Schatzheben ein K. von neunerlei Kräutern gelegt 2a ), und um Schlangen legte man im Altertum die Pflanze Vettonica 2b). Durch einen K. von Zweigen soll das Wild von bebautem Land abgehalten werden3), und in einem K. von drei Reisern verschiedener Bäume oder von Weißdornranken werden in Thüringen die Hühner gefüttert, damit sie vor Gefahren geschützt seien und nicht weglegen 4). Derselbe Brauch wird an anderen Orten auch mit einem Reifen ausgeführt 5) oder mit einem K., der aus einem Seil oder einer Kette gebildet ist 6). Auch beim Losen (s. d.) legt man eine Kette 7) um sich auf den Boden oder einen K. von Stroh 8 ) oder von Steinen 9 ). Wer einen K. von Schlangenhaut um sich legt, sieht die Hexen dahinfahren10). Mit Gold und Silber u ) wird die zauberkräftige Pflanze Sinngrün vor dem Ausgraben rings umgeben 12 ). Bei einer Beschwörung wird der K. von Totengebeinen gebildet 13 ).

464

Auch Menschen können einen magischen K. schließen u)._ Hier seien auch die k.förmigen Dinge, wie Reifen, Ringe, Ketten usw. erwähnt, die auch eine Art körperlichen Umgebens darstellen, ebenso wie der „hegende Faden" (s. u. 4). Der K. wird gebildet: 2. durch Umziehen mit einem ebenfalls meist zauberkräftigen Instrument, welches Spuren seiner Anwendung hinterläßt und also eine physische K.linie erzeugt. Häufig wird der K. mit einer Eisenwaffe 15 ) gezogen, mit einem Schwert 16 ), Säbel 17 ), oder Messer18). Auch Kreide, zumeist geweiht, wird gerne zum K.ziehen verwendet 19 ). Zauberkräftig ist auch der K., der mit einem Kreuzdornstock20), einer Hasel- oder Weidenrute 21) gezogen wird. Der K. entsteht 3. durch die bloße k.förmige B e w e g u n g um eine Sache, wobei keine physische K.liniegezogen wird, die Absperrung aber nur mehr symbolisch angedeutet ist, wie beim Umgehen, Umladen, Umreiten usw. Soweit eine Trennung möglich ist, soll hier die k.förmige Bewegung ausgeschaltet werden, um eine besondere Behandlung zu erfahren, s. Umgehen, Umbinden, Umwickeln, Umwinden, Umpflügen, Umspannen. In allen drei Fällen wird die magische Kraft des K.es noch durch die Kraft des Materials, das etwas umgibt, des Instruments, das um etwas einen K. zieht, und des Umkreisenden unterstützt. Je nach dem Zweck, der beim Ziehen eines magischen K.es verfolgt wird, lassen sich mehrere Arten des K.es auseinanderhalten, von denen als primäre und sinnfällige der einschließende und der ausschließende K. am klarsten zu fassen sind. l a ) Festschrift für Johannes Volkelt. Münlh) chen 1918, 22 f. Vgl. G r i m m DWb. 2a) 5, 2147, 4, b ; ZfrwVk. 27, 14. Kuhn Mark. Sagen 148. *•>) P l i n i u s nat. hist. 3) R o c h h o l z 4) 25, 101. Sagen 2, 147. Eberhardt Landwirtschaft 21; Bohnenb e r g e r 25. s ) D ä h n h a r d t Volkst. 2, Nr. 340; Z f V k . 4 (1894), 319; vgl. M e y e r Baden 410 u. 6) E . H ö r m a n n Volksleben 58. H. M e y e r Deutsche Volkskunde (1898) 215; Wuttke4 § 674 f.; ZfrwVk. 1907, 14; 1909, 196; J o h n Westböhmen 40; R e i s e r Allgäu 2, 116; W i t z s c h e l Thüringen 2, 196 Nr. 25; vgl. W e i n k o p f Naturgeschichte auf dem Dorfe 1 1 6 A. 2. 7 ) V e r n a l e k e n Mythen 345. •) E b d .

465

Kreis n

466

bannung zugrunde, s. Feuerreiter, Umgehen, Umreiten. Der K. wird auch mit m a n n Die magischen Heil- und Schutzmittel einem Haselstocke um das Feuer ge156.1600. 12 ) Alemannia 2, 135. 13 ) K r o n f e l d Krieg 117. 1 4 ) M e y e r Religgesch. 146 f . ; ZfVk. zogen 29). Verbreitet ist der Brauch, Teller 15 27, 98 ff.; ZfdMyth. 4, 47. ) Über die magische oder Brotlaibe ins Feuer zu werfen, um Kräfte des Eisens s. S e l i g m a n n Die mag. Hetldieses zu bannen 30 ); vielleicht spielt 3tnd Schutzmittel S. i 6 r f f . 1 S ) G r i m m Myth. 2, 17 da neben der Vorstellung von der Zauber1001. ) S c h e l l Bergische Sagen 301 N r . 15. 18 ) K r o n f e l d Krieg 116; H ö h n Geburt 260; A l y wirkung des Brotes 31) und des SpeiseMärchen 196 f . 1 9 ) M e i c h e Sagen 695 N r . 860; gerätes 32) auch die von der magischen 737 Nr. 907; J o h n Westböhmen 8; W u t t k e Kraft k.förmiger Dinge mit, die sym§ 478. § 762; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 223; K ü h n a u Sagen 3, 268 f.; S c h r a m e k Böhmer- bolisch für den bannenden K. stehen. wald 116. 118. 129; B a u m g a r t e n Jahr 16; V e r Der K., der bei Krankheitsheilungen n a l e k e n Mythen 335; ZfVk. 4, 320; P a n z e r um die krankhafte Stelle des Körpers geBeitr. i , 9 5 f . ; R a n k e Sagen 79; J a h n Pommern 33 15, Nr. 16. 21 ) B a u m g a r t e n Jahr 16; ZfVk. 8, zogen wird, ist nach Knuchel ) ebenfalls ein bannender K., der die Krankheit am 390 f. Weitergreifen hindern soll. Tiere werden 2. Durch E i n s c h l i e ß e n in einen K. von einer Krankheit befreit, indem ein K. bekommt man das Eingeschlossene in um sie gezogen wird, in den die Krankseine Gewalt. Schon uralter Rechtsbrauch heitsdämonen gebannt werden; das erste kennt B e s i t z e r g r e i f u n g eines Land- Lebewesen aber, das nachher diesen K. stückes durch Umkreisung desselben M ). betritt, wird von ihnen ergriffen 3i ). Wer ein zauberisches Geldstück bei sich Auch gefährliche Tiere werden in einen festhalten will, legt es in ein Glas, auf K. eingeschlossen und so unschädlich dessen Deckel er mit Kreide einen K. gemacht. Zieht man um eine Schlange zieht 23 ), und in einem von Herodot über- mit einer Haselrute einen K., so kann sie lieferten, altmakedonischen Märchen wird diesen nicht mehr verlassen und muß erzählt, wie der junge Perdikkas den Son- darin sterben 36). Ähnliche Berichte finden nenschein auf der Diele des Gemaches mit sich bei Plinius36) und im altnorwegieinem K. umzieht und in seine Tasche schen Speculum regale 37). Jeglicher K., schöpft M ). Oft wird die Gewalt über auch unabsichtlich gezogen, bannt in der das im K. Eingeschlossene dazu benützt, Nähe weilende Geister. Daher der Aberdieses darin f e s t z u b a n n e n , zumal wenn glaube, daß, solange ein Leichnam im es sich um eine gefährliche Macht handelt, Hause liegt, k.förmige Bewegungen zu die auf diese Weise ungefährlich gemacht vermeiden sind 38 ); die Seele des T o t e n werden soll. Beschworene Geister werden könnte festgehalten werden. Aus demin einen K. gebannt, damit sie dem Be- selben Grunde werden im neugriechischen schwörer nicht schaden können 25). Inner- Aberglauben dem Toten alle Ringe abhalb des K.es freilich hat der einge- gezogen39). Auch Menschen werden durch Im alten Indien schlossene Geist vollständige Gewalt; da- einen K. gebannt. her wehe dem, der in einen K. gerät, in suchte der Herr seine Sklaven am Entdem ein böser Geist festgebannt ist 26 ). laufen zu hindern, indem er seinen Urin Der Teufel, der nach Ablauf der Frist um die Schlafenden im K. ausgoß 40). Im den Schmied holen kommt, wird von deutschen Aberglauben findet der Mendiesem in einem K. von weißer Kreide schen bannende K. namentlich bei der festgebannt 27 ), und ebenso kann der Diebsbannung Verwendung. Diese beWilde Jäger durch Einschließen in einen steht darin, daß man die Sache, die man K. unschädlich gemacht werden28a). Zu- vor dem Diebe schützen will, in einen K. weilen wird der Teufel in den eigenen K. einschließt, den der Dieb zwar betreten, •des Beschwörers gebannt28b). Der- aber nicht mehr verlassen kann 41 ). Der selbe Gedanke des Einschließens einer Bauer sucht alles, was über Nacht im gefährlichen Macht liegt auch dem Um- Freien bleibt, Wäsche, Obst auf den kreisen des Feuers zum Zweck der Feuer- Bäumen, Bienenkörbe usw. auf diese 345. ») E b d . 335.

10)

Pröhle

Harz 39.

)

Über

•die Zauberkraft von Gold und Silber s. S e l i g -

4 67

Kreis

Weise vor Diebstahl zu sichern 42 ). Auch das Vieh wird so geschützt; ein Schafdieb mit einem Schaf auf dem Rücken kann den K. nicht verlassen und wird entdeckt 43). Auch das ganze Haus wird von einem K.e umzogen, in dem der Dieb, wenn er nicht das Gestohlene von sich wirft, festgebannt warten muß, bis der Tag kommt und er durch den Hausherrn befreit wird 44 ). Das Festgebanntwerden kann dem Diebe auch das Leben kosten; wird er nämlich nicht innerhalb 24 Stunden vom Bann des K.es losgemacht, so hat er sich, da er seinen Kopf nach der Sonne drehen muß, nach Verlauf dieser Zeit das Genick abgedreht. Nach anderem Aberglauben muß er nach dem Siebenstern sehen, und weil der morgens untergeht, muß er vor Sonnenaufgang erlöst sein, da er sonst das Genick bricht Das Motiv des im K. Eingeschlossenseins ist hier zu völliger Regungslosigkeit fortgebildet. Das Lösen des K.bannes oder „ ö f f n e n " des K.es geschieht durch denjenigen, der den Bannk. um einen Dieb gezogen, indem er den K. wieder zurückgeht48) und so den Zauberfaden gleichsam wieder aufwindet, oder indem er einen lösenden Spruch sagt 4? ). Doch auch der gebannte Dieb selbst kann sich losmachen, indem er sich nackt auszieht und auf den Kleidern, die er vor sich hinbreitet, vorwärtsschreitet oder indem er rückwärts im K. herumgeht49). Auch wenn ein Dieb rückwärts in den K. tritt und vorwärts wieder hinaus, wird er nicht gebannt 49 ). Wie sich der Dieb durch Zurückgehen des K.es wieder losbindet, so kann man sich auch umgekehrt durch Umkreisen in Gewalt und Bann des Umkreisten geben. Der Gedanke einer solchen B i n d u n g des Umkreisenden an das Umkreiste liegt nach Knuchel zahlreichen Riten zugrunde, die bei Geburt, Hochzeit, Dienstboteneinstand, Begräbnis usw. geübt werden so), s. Umgehen usw. 22 ) Knuchel Umwandlung 105 ff.; ZfrwVk. 27, 16; kreiz für Grenze in der Magdeburger Schöppenchron. s. Grimm DWb. Kreis, N. 9, c. 2 S ) Meie he Sagen 304 Nr. 394. 2 1 ) A l y Märchen 196 f. 2«) HessBl. 4, 169; S ö b i l l o t Folk-Lore 1, 205; S h a k e s p e a r e Heinr. VI.,

468

2. T., 1, 4, 22. 2 6 ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 292 Nr. 299; vgl. S t r a c k e r j a n 2. 18 Nr. 277. 2 7 ) P a n z e r Beitrag 1, 95f. 2 8 a ) Vgl. Zimmernsche Chronik 2 (Tübingen 1869), 201 f. Mb) ZfrwVk. 27, 27 f. 2 9 ) ZfVk. xi, 6. 3 0 ) B o h n e n b e r g e r 25; W i t z s c h e l Thüringen 2, 293 f. 31 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 34. 3 2 ) Vgl. Zs. f. Völkerpsych. 17 (1887), 381; Teller mit Salz. ZfVk. 9, 439 f. 3 3 ) Umwandlung 68 ff. 3 4 ) ZfVk. 8 (1898), 390 f. 3 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 452 Nr. 2079. ™)Hist.natur. 22,60. S 7 ) E i t r e m Opjerritus 21. 3 8 ) Höhn Tod 325. 3») E i t r e m Opferritus 61. 1 0 ) H i l l e b r a n d Ritual-Literatur 172. 4 1 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 274 Nr. i " ) S t r a c k e r j a n 1, 119 Nr. 142. 4 S )Urquell5 (1894), '289. 1 4 ) R a n k Böhmerwald 1, 162. « ) Urquell 2 (1891), 125 f. 48 ) ZfVk. xx, 68. " ) Urquell 2 (1891), 125. Schönwerth Oberpfalz 3, 2 1 3 f. 49 ) Urquell 2 (1891), 126. so ) K n u c h e l Umwandlung 3 ff.; vgl. E i t r e m Opferritus 8 Anm. 3. 12 f.

3. Die magische Gewalt über das vom K. Umschlossene kann auch benützt werden, um alles Fremde und Feindliche davon auszuschließen und a b z u wehren, indem die K.linie als magische Grenze gesetzt wird, die selbst die stärksten Mächte nicht zu überschreiten vermögen. Dieser ausschließende, a p o tropäische oder Schutzk. nimmt einen breiten Raum bei abergläubischen Handlungen ein, wie ja auch der Abwehrzauber einen großen Teil des Zaubers ausmacht. Der Schutzk. bildet bei der B e s c h w ö rung das wichtigste Schutzmittel des Beschwörers; besonders der Teufel wird in einem solchen K. beschworen 51 ), doch auch andere mehr oder minder bösartige Geister82). Zumal wenn das Abdanken des beschworenen Geistes auf Schwierigkeiten stößt (s. Beschwörung), spielt der K. mit seinem Schutze eine große Rolle. So sitzen auf einer Alm im Wildgerlostale drei Melcher, die den Teufel zitiert haben und nicht wieder wegbringen können, tagelang im schützenden K., bis endlich ein Geistlicher aus dem weit entfernten Saalfelden imstande ist, den Bösen abzudanken63). Ähnliches berichtet eine Kärntner Sage 54 ). Fast immer wird bei einer Beschwörung auch der K. erwähnt 55 ), ja er ist als zur Beschwörung gehörig schon phraseologisch geworden86). Auch wenn die Beschwörung selbst nicht mehr überliefert ist, ist doch der K. erhalten geblieben " ) . Gern stellt

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Kreis

man sich auch beim Losen (s. d.) in einen K., daher auch die Bezeichnung K.stehen für diese abergläubische Übung. Zuweilen scheint es dabei, als ob der K. nicht nur schützenden Charakter hätte, sondern auch den Kontakt mit der Geisterwelt herstellte (s. u. 4). Auch beim Schatzgraben und -heben wird oft ein Schutzk. gezogen, zumal wenn dabei eine Beschwörung des schatzhütenden Geistes oder des Teufels als des Herrn aller verborgenen Schätze erfolgt 68). Überhaupt bei jeder Art gespenstischer Erscheinung oder sonstiger Gefährdung wird der Schutz des K.es angewendet. Die vom Wilden Jäger Verfolgten flüchten in einen K., der von Wanderern, die sie flehentlich darum bitten, um sie gezogen wirdB9). Befiehlt dann unter Drohungen der Wilde Jäger, den Schützling auszuliefern, so lassen sich auch manche einschüchtern und stoßen die Verfolgten trotz flehentlicher Bitten aus dem schützenden K. hinaus Doch auch zum eigenen Schutze zieht man beim Nahen der Wilden Jagd einen K. um sich 61 ). In Kärnten legen sich in diesem Falle die Burschen in K.form auf den Boden, so daß sie ein Rad bilden 6Z). Visionen verschwinden 63) oder vermögen nicht zu schaden 84), wenn man schnell einen K. um sich zieht. In Dänemark hat sich dieser Aberglaube im Kinderspiel erhalten; beim Fangenspielen ziehen die Kinder einen K. um sich, indem sie „helle" (d. i. heilig) rufen, und können so nicht gefangen werden85). Der K. schützt vor den g e f ä h r l i c h s t e n Mächten, vor Zwergen46), Hexen 67 ), bösen Geistern68), ja sogar vor dem Teufel, wenn sich einer ihm verschrieben hat und er ihn nun holen kommt 69 ). Hilfsb e d ü r f t i g e Menschen sucht mein durch einen Schutzk. vor etwaigen bösen Einflüssen zu bewahren; daher werden Gebärende in einen K. eingeschlossen70). Auch Haustieren läßt man die schützende Kraft des K.es angedeihen; so werden die Hühner an bestimmten Tagen durch einen Reifen getrieben 71) oder in einem K. gefüttert 7i ), damit sie weder Habicht noch Fuchs hole (s.u. 4). Und um bebautes

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Land werden ringsum im K. Zweige in den Boden gesteckt, um es vor Wild zu schützen 73). Vielleicht ist die alte Rundform der menschlichen Wohnung diesem Aberglauben an die schützende Kraft der K.form entsprungen 74). Jedenfalls liegt er dem Brauch der Mohammedaner zugrunde, den Kindern gegen den bösen Blick einen K. auf die Nasenwurzel zu malen 7S) oder deutschen Bräuchen, beim Säen gegen Wildschaden eine k.förmig geflochtene Haselrute am Arm zu tragen76) und gegen den Bilmschnitter den Ehering an den Finger zu stecken 77). Denn der K. wird schließlich zum S c h u t z m i t t e l xat' ¿So/^v, zum S y m b o l des allseitigen Schutzes gegen alles Böse und überträgt mit der Form seine schirmende Kraft auch auf alle k.förmigen Dinge. Daher die schützende Bedeutung des gebogenen Armes (Umarmung)78), des rings um etwas gezogenen Fadens (s. u. 4), der Gürtel, Kränze, Halsbänder und -ketten 79), Reifen und besonders der Ringe, die bei vielen Völkern Apotropaia sind ao). S. die betr. Artikel. Sprachlich wird zuweilen Ring (== Schutzk.) direkt dem Begriff Segen gleichgestellt; so heißt ein alter Haussegen: „Ein güldener Ring um Haus und Hof" 81). Der S c h u t z des K.es wird im Volksaberglauben oft in naiver Weise näher ausgemalt. Bei Beschwörungen ist die K.linie die Grenze zwischen Tod und Leben. Verlassen des K.es bedeutet Tod und Verderben 82); ja wer bloß die Hand83) oder nur einen Finger84) aus dem K. streckt, wird sofort von den Dämonen herausgerissen und ist verloren. Glimpflicher kommt einer davon, der nur mit dem Absatz aus dem K. hinausgetreten; im Nu war ihm dieser abgeschnitten 8S). In einer schlesischen Sage zieht der Kaplan, der den Teufel mit einer geraubten Wöchnerin zitiert hatte, die Frau, die der Teufel vor dem K. niedergelegt hatte, mit seiner Stola in den K., um ja den schützenden Boden nicht zu verlassen86). Auch beim K.stehen darf der Losende den K. nicht verlassen 87), daher bindet einer seinen furchtsamen Genossen an einen Baumstrunk an 88 ).

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Denn die bösen Geister versuchen den im K . Stehenden aus dem K . herauszubringen, indem sie durch scheinbares Herannahen furchtbarer Gefahren ihn zu erschrecken und zur unüberlegten Flucht zu bewegen suchen. Felsblöcke stürzen dicht neben dem K . nieder 8 9 ), Bäume drohen quer über ihn zu fallen 90 ), Wagen von feurigen Rossen gezogen 8 1 ) oder Hunde mit glühenden Augen 9 2 ) kommen gerade auf ihn zu usw. Doch alle diese Erscheinungen vermögen den K . nicht zu überschreiten und daher nicht zu schaden, wenn man unerschrocken im K . drinnen bleibt. Auch durch Trugbilder sucht der Böse zum Verlassen des Schutzk.es zu bewegen M ). Doch kann der Schutz des K.es auch ohne Verlassen desselben u n w i r k s a m werden, wenn der im K . Befindliche kein reines Gewissen hat **) oder beim K.stehen spricht 95 ) oder sonst einen Verstoß begeht 96 ). Eine Tiroler Sage berichtet von einem Schutzk. um ein Gut, der immer enger werde, bis das Gut wieder dem Teufel zugänglich sein werde 9 7 ). Der Schutz des K.es kann auch willkürlich aufgehoben werden durch „ ö f f n e n " des K.es, indem die K.linie verwischt und zerstört wird 98 ). Der Schutz des K.es wird v e r s t ä r k t , wenn die Mittel, mit denen er hergestellt wird, ebenfalls schutzkräftig sind (s. o. 1). Zuweilen wird er überdies mit Weihwasser besprengt 99 ), bekreuzt 1 0 °), mit Lichtern 1 0 1 ) und heiligen Namen und schützenden Zeichen versehen 1 0 2 ). Ein dreifacher K . 1 M ) bewirkt wohl einen dreifachen Schutz. Die sogenannte T ü r des Schutzk.es, in der Magie ein mit heiligen Namen beschriebener Ausgang, durch den der Beschwörer sicher aus- und eingehen konnte 1 0 4 ), findet sich vereinzelt auch im Volksaberglauben reflektiert 106 ). M ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 275 Nr. 2; B o h n e n b e r g e r 1 1 ; G r o h m a n n Sagen 2 1 1 ; K l a p p e r Erzählungen Kr. 120; C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h Dialogus (Deutsch v. MüllerHolm, Berlin 1910) 5, 3; Weinhold Weihnachtsspiele 30; Bavaria 3, 308; ZfrwVk. 27, 25 f. " ) G r a b e r Kärnten 26 Nr. 28; BayHfte. i (1914). 256. " ) ZfVk. 9 (1899), 272 f. M ) G r a b e r Kärnten 289. " ) P a n z e r Beitrag 2, 272. es ) S h a k e s p e a r e Heinr. V., 5, 2,

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304. " ) K l a p p e r Erzählungen Nr. 8. *•) G r a b e r Kärnten 26 Nr. 28; P o l l i n g e r Landshut 106; ZtöVk. 4, 228; Meiche Sagen 695 Nr. 860. " ) S c h n e l l e r Wälschtirol 205. 2 1 1 . 212; J a h n Pommern 20 f. Nr. 24; K n o o p Hinterpommern 13 Nr. 18; BIPommVk. 2, 118 Nr. 49; C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h Dialogus 12, 12; Zimmernsche Chronik 2 (hg. v. Barack, Tübingen 1869), 201 f. , 0 ) J a h n Pommern 19 Nr. 22; K u h n Westfalen 1, 363 Nr. 405; K u h n u. S c h w a r t z 131 Nr. 1 5 1 ; R a n k e Sagen 79; J a h n Pommern 15 Nr. 16. 61 ) Wolf Beiträge 2, 163 f.; S é b i l l o t Folh-Lore 1, 176; vgl. Zimmernsche Chronik 2, 201 i. *2) G r a b e r Kärnten ,3 81 Nr. 97; 86 Nr. 105. ) Caesarius v. H e i s t e r b a c h Dialogus 12, 9. *4) K n o o p ,s Hinterpommern 12. ) E i t r e m Opferritus 19. " ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 121 Nr. 144. «') S c h e l l Bergische Sagen 301 Nr. 15; ZfVk. 4 (1894), 320. *') S t r a c k e r j a n 1, 196 Nr. 171 b; K ü h n a u Sagen 3, 268f. ••) M ü l l e n h o f f Sagen 198; vgl. ZfVk. 16 (1906), 3 1 1 f. ">) Höhn Geburt 260; ZfVk. 1 1 (1901), 274; ZfrwVk. 27, 27. 71 ) M e y e r Baden 410; H ö r m a n n Volksleben 58. n ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 2 1 ; R e i s e r Allgäu 2, 1x6; B o h n e n b e r g e r 25. M ) R o c h h o l z Sagen 2, 147. '*) Vgl. E i t r e m Opferritus 18. 7t ) S e l i g m a n n Blick 2, 292. '•) U. J a h n Hexenwesen 729. " ) K ö f e r l Der politische Bezirk Tachau. Eine Heimatkunde (Tachau 1890), 166. ™) Meyer Germ. Myth. 247; L a i s t n e r Sphinx 2, 243 t. " ) L e s s i a k Gicht 176; E i t r e m Opferritus 64fr. 80 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 809; E i t r e m Opferritus 61 f. 81 ) H ü s e r Beiträge 2, 24 Nr. 3. " ) G r o h m a n n Sagen 2 1 1 . , 3 ) Meiche Sagen 451 Nr. 589. M ) C a e s a r i u s v. H e i s t e r b a c h Dialogus (Berlin 1910) 5, 3. , 6 ) P a n z e r Beitrag 2, 73. M ) K ü h n a u Sagen 2, 690. 8 ') B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 16; M e i c h e Sagen 234 Nr. 296; V e r n a l e k e n Mythen 335. 345. ,s ) G r a b e r Kärnten 210 Nr. 283. " ) G r a b e r Kärnten 26Nr.28. *°) Meiche Sagen 738 Nr.907. " ) V e r n a l e k e n Mythen 333. 335. 345. •*) Ebd. 333; S c h r a m e k Böhmerwald 116. *3) ZfVk. 16(1906), 3 1 1 . M )ZfdMyth. 1, 300f. * ' ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 15 f. ••) S c h r a m e k Böhmerwald 1 1 8 ; Meiche Sagen 451 Nr. 589. »') H e y l Tirol 661 Nr. 137. •») S c h n e l l e r Wälschtirol 205. ••) K ü h n a u Sagen 3, 268f.; S c h r a m e k Böhmerwald 116. 118. 129. l0 °) K n o o p Hinterpommern 12; J a h n Pommern 15 Nr. 16; 20 Nr. 24; A n d r e e Braunschweig 275. 1 0 1 ) R o c h h o l z Sagen 2, 167; ZfdMyth. 1, 300 f. 1 M ) Meiche Sagen 695 Nr. 860; K i e s e w e t t e r Faust 393 f. 399 ff. 1 0 3 ) Meiche Sagen 695 Nr. 860; R o c h h o l z Sagen 2, 167; K i e s e w e t t e r Faust 399 ff.;" vgl. ZfVk. 27 (1917), 100 f. Anm. l 0 4 ) A g r i p p a v. N e t t e s h e i m 4, 107. 1 0 5 ) Meiche Sagen 696 Nr. 860; Alemannia 2, 132 Nr. 22; vgl. M ü l l e n h o f f Sagen 214 Nr. 190 und S t r a c k e r j a n 1, 1 1 9 Nr. 142. 4. Alle ü b r i g e n A r t e n des K.es zeigen mehr übertragene Bedeutungen,

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die sich aus seinem sinnlich-örtlichen magischen Wirken nach innen oder außen mehr oder weniger einfach ableiten lassen. Vielfach handelt es sich hiebei auch um die den K. symbolisierende B e w e g u n g , die jedoch hier nicht ausführlich behandelt werden soll (s. o.). Bei ihr kommt als bedeutsamer Faktor noch die Person oder Sache hinzu, die die K.bewegung ausführt. Dabei gilt das Gesetz, daß sich die Wirkung des magischen K.es wie auf das Umkreiste so auch auf das Umkreisende erstrecken kann, wobei eine gegenseitige Vertauschung der Rollen ohne Bedeutungsänderung typisch ist. Als besondere Art der K.bewegung sei der K.tanz erwähnt, der wie der K.lauf eine magische Steigerung des Umgehens darstellt. S. Tanz, Umtanzen, Umlaufen. Mit der apotropäischen Kraft des K.es, die das draußen befindliche Böse ausschließt und abwehrt, berührt sich seine reinigende, kathartische Kraft, indem durch Umkreisen einer Sache das in sie bereits eingedrungene und in ihr vorhandene Böse entfernt werden kann. Man kann sich diese Kraft der Umkreisung auch aus der apotropäischen Kraft des K.es entstanden denken, indem das Mittel, das ein Übel fernzuhalten vermochte, zum Mittel gegen ein schon vorhandenes wurde 106 ). Knuchel 107 ) hält in diesen Fällen an dem apotropäischen Sinn der Umkreisung fest, die nur mit reinigenden Zeremonien, wie Fackeltragen, Räuchern usw. verbunden werde und dadurch scheinbar k a t h a r t i s c h e Bedeutung erhalte. Sicher ist jedenfalls bei diesen Bräuchen zu beobachten, daß sich oft Apotrope und Katharsis nicht trennen lassen 108 ); ferner daß hiebei eine bedeutende Rolle dem reinigenden Umkreisenden, dem L u s t r a m e n , zukommt, welches das Unreine und Böse, bei Heilhandlungen den Krankheitsstoff, sozusagen in sich aufnimmt und entfernt 109 ). Doch scheint es, als ob dabei das Umkreisen ein notwendiger Bestandteil der Reinigung wäre und den Zweck hätte, Lustramen und zu Lustrierendes aneinander zu binden, d. h. das Unreine des letzteren im Lustramen festzubannen I

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und so zu entfernen. Natürlich kann unter Vertauschung der Rollen das. Lustramen das Umkreiste sein, um das sich das zu Lustrierende bewegt u o ). Als Weiterbildungen des apotropäischen K.es kann man jene Fälle einsehen, in denen der K. geradezu segenspendende und magisch stärkende Kraft hat, wie dies in zahlreichen Umwandlungsbräuchen des Landvolkes zum Ausdruck kommt, die Segens- und Gedeihenswünsche für die umwandelten Äcker und Grundstücke und den sonstigen Besitz beinhalten und denen der ursprünglich apotropäische Charakter oft noch anhaftet m ) , s. Umgehen usw. Wie der K. das Umschlossene den bösen Einflüssen der Umgebung entzieht, so vermag er es auch von ihren Hemmungen und Bindungen zu befreien und ihm geheime Kräfte, ja Z a u b e r k r ä f t e zu verleihen oder aus ihm hervorzuholen 118 ). So macht er hellseherisch;, in einem K. stehend, der zugleich schützt, kann man in die Zukunft blicken (s. o. 3, K.stehen) und das Treiben der Hexen 1 1 S ) und Irrlichter 114 ) beobachten, Schatzgräber ziehen einen K., damit der Schatz sichtbar werde 115 ). Durch k.förmige Dinge blickend sieht man sonst Unsichtbares. Der Blick durch einen" Ring läßt Liebesuntreue erkennen116)_ Durch den eingestemmten Arm einer geistersichtigen Frau wird Odhin auf weißem Rosse sichtbar 117 ), und durch einen Rockärmel wie durch ein Rohr schauend sieht man die Teufel in der Tanzstube den Tanz begleiten 118 ). Ähnliches gilt auch vom Blick durch ein Astloch (s. d.). Wenn beim Eheorakel 1 1 9 ) oder beim Diebsorakeliao) von mehreren Personen eine ausgelost werden soll, so wird von diesen ein K. gebildet oder es werden ihre Namen im K. aufgeschrieben; durch ein Tier (Gans) oder einem im K. gedrehten Schlüssel wird dann die betreffende Person gefunden. So selbstverständlich hier der K. für das Auslosen ist, so mag doch auch der Gedanke an den magischen K. und seine Zauberkräfte mitspielen; vielleicht ist es auch ein Anklang an die altgermanische Sitte, jegliche feierliche Sitzung in Kreisform

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zu vollziehen (s. u.). In Makedonien wird bei Viehkrankheiten das Tier, das den Krankheitsdämon trägt, erlöst, indem ein K. um alle Tiere gezogen und ein Gegenstand unter sie geworfen wird. Das getroffene Tier ist das gesuchte m ). Ähnlich wird im deutschen Aberglauben ein Werwolf entlarvt, indem man ihn dreimal umkreist122), und im schwedischen führt Umwandlung einer behexten Kuh zur Auffindung des „trolltyget" (Koboldszeugs), das die Behexung der Kuh hervorgerufen hat 123 ). Der K. wird so zu einem Hilfsmittel des Zaubernden, das für alle Fälle fördert und magisch unterstützt, indem er das Wirkungsgebiet einer Handlung wie ein „magnetisches Feld" abgrenzt 124). Dem b a n n e n d - b i t t e n d e n Zweck einer Beschwörung und Anrufung dient der K. in jenen Umkreisungen, die sich mehr als Verehrungsformen in Umgängen, Umzügen, Umritten und christianisierten Bittgängen erhalten haben, in denen der Umkreisende die umkreiste Macht, d. h. Herd- und Hausgeister, Feuer-, Brunnen-, Baum- und Feldgeister und schließlich die Heiligen christlicher Stätten, gleichsam auf sich aufmerksam machen, durch Herumgehen in seinen Bann bekommen und für sich gewinnen will, damit sie ihre Kräfte auf ihn, den Umkreisenden, übertrage 12S). Man kann diese Umwandlungsbräuche auch so erklären, daß sich der Umkreisende in die G e w a l t des Umkreisten gibt 126 ), sich an ihn bindet und so seine Hilfe gewinnt. Vgl. die Umwandlungsriten bei Geburt, Hochzeit, Dienstboteneinstand usw., s.o. 2. Auch hier wirkt der K. segenspendend, doch ist seine Grundbedeutung nicht apotropäisch, wie oben Anm. 114, sondern bindend und bannend. Er nähert sich auch der kathartisch wirkenden Umkreisung, mit der er .gemeinsam hat, daß vorhandene Übel behoben werden sollen. Während aber dort das Übel an das Lustramen festgebunden wird, soll hier die umkreiste Macht Heil und Segen ausstrahlen 127) und ihre heilende Kraft an den Umkreisenden gebunden werden. In manchen Fällen schließt der K. eine

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Handlung von der profanen Umgebung ab, um dadurch den Ort der Handlung zu schützen und zu weihen und die Handlung selbst feierlich und bedeutungsvoll zu machen, ja zu einer heiligen zu gestalten. Dies ist alter germanischer Volksbrauch; ursprünglich wohl die natürlichste Form einer Versammlung, verlieh die K.-form außerdem geheime Kraft, schuf einen gebannten Raum, der Friede hatte. So wurde die Verlobung im „Ring der Verwandtschaft" geschlossen12S), wie überhaupt jede feierliche Beratung und Versammlung im K.e abgehalten wurde 129 ). Daher wird auch der Kampfplatz für Zweikämpfe130) und die Gerichtsstätte131) feierlich nach außen hin abgesteckt und durch Einkreisung „gehegt". Der K. wurde von einem an einen Pfahl gebundenen Pferde geschlagen132). Zuweilen geschieht die „ H e g u n g " eines Ortes oder Gegenstandes durch symbolische Umspannung mit einem Faden 133), s. Faden, Hegung, Umspannen. Dieser „hegende Faden", der in deutschen und nordgermanischen Sagen und Liedern häufig erwähnt wird, ist auch dem apotropäischen K. nahe verwandt und wird, wie z. B. der Ring, direkt zum Symbol des Schutzes1S4). Als feierliche Einhegung kann man auch den Brauch betrachten, bei Gewinnung h e i l k r ä f t i g e r P f l a n z e n den Ort vorher im K. abzustecken; so befiehlt ein aus dem 18. Jhdt. stammendes badisches Rezept zur Gewinnung der Pflanze Singrün, welche bewirkt, daß man von aller Welt geliebt werde: „mach ein krayß darumb, mit silber, golt, laß darbey ligen über nacht" 135 ); am Morgen wird dann erst die Pflanze gepflückt. Im römischen Aberglauben wird bei ähnlichen Bräuchen 136) ein ein- oder mehrfacher K. mit einem Schwerte gezogen, was Eitrem 1S? ) als ein „Desakralisieren" auffaßt oder „allgemeiner als einen rite de passage, der vom Profanen zum Heiligen hinüberleitet". Die Einkreisimg mag auch zugleich apotropäisch sein und den Zweck haben, die Handlung zu schützen und unbeeinflußt von bösen Mächten gut gelingen zu lassen. Silber und Gold im

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Kren—Kreuz

deutschen Brauch bedeuten wohl auch ein stellvertretendes Opfer für den Raub der Pflanze. Zur E i d e s l e i s t u n g 1 3 8 ) wird ein K . gebildet und auch das G o t t e s u r t e i l 1S9) findet im heiligen K.e statt, wie überhaupt der Platz j e g l i c h e r sak r a l e r H a n d l u n g in einen K . eingeschlossen wird 140 ). So wird in Thüringen beim Kirchweihfest der Platz mit dem Opfertisch für den Kirchweihhammel durch feierliches Umschreiten geweiht 141 ). Weiteres s. Umgehen. Solch eine Absperrung des Opferplatzes sieht Höfler 142 ) auch in dem weitverbreiteten Brauch der H ü h n e r f ü t t e r u n g i m K., s. o. 1. Der durch Kette, Seil, Reifen oder Reiser gebildete K . stellt den abgesperrten Opferplatz dar, in dem ein Körneropfer an die Dämonen dargebracht wird, damit die Tiere vor Gefahren bewahrt blieben und ihre Fruchtbarkeit erhöht würde. Auch bei S p i e l und T a n z , beides oft noch Reste kultischer Übungen, findet sich der K. 1 4 3 ).

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Sachs Das heiss Aysen, s. ZfrwVk. 27, 28 f. 140) vgl. E i t r e m Opferritus u. Voropfer 6 ff. u. G o l d m a n n Einführung 98 ff. 141) P f a n nenschmid Erntefeste 287. 142) Weihnacht 26 f. 143) Grimm DWb. Kreis 5; ZfrwVk. 27, 20 f. Straberger-Schusser.

Kien s. M e e r r e t t i c h .

Kreuz. Durch das Neue Testament, insbesondere durch die Deutung, die Paulus der K.igung Jesu damit gegeben hat, daß er sie aus der zeitlich-räumlichen Bedingtheit eines historischen Ereignisses in die unendliche und ewig gültige Sphäre des Mythos erhob, ist das Kr. zum beherrschenden Symbol der christlichen Kirche und ihrer Weltanschauung geworden. Als solches geriet es im Zusammenhang mit der dämonistischen Erklärung zahlreicher Lebenserscheinungen auch in den Bannkreis magischer Vorstellungen und entwickelte sich so zum wirksamsten und weit verbreiteten Schutzzeichen und Amulett, dessen Geschichte eine reiche Entfaltung abergläubischen l o s ) Vgl. ARw. 16, 130. 107 ) Umwandlung Brauchs aufweist. Wenn auch das Kr. 79. 109 ff. 108) K n u c h e l Umwandlung 74 Anm. 1 mit religiös-magischer Bedeutimg schon u. 2. 80. 83 f.; vgl. E i t r e m Opferritus u. Vorvorchristlich und außerchristlich bekannt opfer 17 f. 109 ) S c h e f t e 1 o w i t z Huhnopfer 30 ff.; ist (s. Hakenkr., Svastika, Kr.zeichen, vgl. E i t r e m Opferrilus u. Voropfer 15 f. l l u ) Vgl. E i t r e m Opferrilus Radkr., Thau), so gewinnt es seine überu, Voropfer 15 f. m ) K n u c h e l Umwandlung75 ff.; S t r a c k e r j a n ragende und umfassende Geltung doch 1, 69. 76. m ) Vgl. E i t r e m Opferritus u. Vorerst mit der Anknüpfung an das Sinnbild opfer 20. U 3 ) P r ö h l e Harz 39; S c h r a m e k des Todes Christi und hat die Fülle anderer Böhmerwold 129; A n d r e e Braunschweig 275; 114 ) G r o h m a n n ZfVk. 4 (1894), 320. 21. überlieferter Schutz- und Sicherungsl l s ) Meiche Sagen 737 Nr. 907. u s ) R o c h h o l z zeichen zwar nicht außer Kurs gesetzt, Sagen 2, 162. u ? ) Ebd. 118 ) V o n b u n Sagen aber immerhin in die zweite Linie zurück119 ) K a p f f Nr. 19. Festgebräuche 5; P o l gedrängt und ihnen den Rang abgelaufen. l i n g e r Landshut 195; Meier Schwaben 2, 454 Nr. 183; 2, 461 Nr. 199; John Westböhmen 8. Mit der steigenden Tendenz zum magisch 12 °) D r e c h s l e r Schlesien 2, 48; G r o h m a n n wirkenden Mittel in einer Welt, von der m 204. ) E i t r e m Opferritus u. Voropfer 19. man glaubte, daß sie durch den Teufel 122) W u t t k e 278 § 408; T o p p e n Masuren 32. 12S ) Hembygden 6, 86 Nr. 41. m ) Vgl. E i t r e m und die bösen Geister unsicher gemacht Opferritus u. Voropfer 19. 1 2 t ) K n u c h e l Umwerde, von seinen Anfängen, auch den wandlung 51 ff. 90 ff. 128) Vgl. E i t r e m Opfervorchristlichen, an behaftet, verbindet ritus u. Voropfer 24. 1 2 ') Vgl. ebd. 128) Grimm es heute noch bei vielen Menschen diesen RA. 433. "») Grimm DWb. Kreis, 3, d. Sinn mit seinem einfachen, aber gedanken»so) ZfVk. 11, 4; W e i n h o l d Altnordisches Leben 289. 1S1 ) ZfVk. 11, 3 f.; Grimm RA. 2, 437 ff. schweren Bild. Bereits in der Frühzeit 483 ff. l M ) Grimm DWb. Kreis, 3, b, c. des Übergangs des christlichen Glaubens 13S ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 3050.; K n u c h e l aus seiner Heimat in die hellenistische 134 Umwandlung 104 f. ) Vgl. L i e b r e c h t Zur Umwelt zeigt sich dieser Sinn, zunächst Volksk. 307. 1 3 i ) Alemannia 2, 133 Nr. 33. 134 ) Belegstellen aus Plin. hist. natur. s. bei beim Exorzismus, dann immer allgemeiner G r i m m Myth. 2, 1001; E i t r e m Opferritus das ganze Dasein umhegend und beschiru. Voropfer 20 f. 13T) Opferritus u. Voropfer mend. Dabei ist es nicht leicht, die kul21. 138) Stelle aus dem Saalfeldner Stadtr. tisch-liturgische und symbolisch-spirituelle s. bei Grimm DWb. Kreis, 1, e. 139) Hans

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Kreuz

Bedeutung des Kr.s überall deutlich von der magisch-realistischen zu unterscheiden und abzugrenzen. Soll jene als erinnerungstechnisches Sinnbild die Idee der Geborgenheit in Christi Schutz durch seinen Erlösungstod und der durch ihn gewirkten Überwindung teuflischer Anfechtung und des Unheils wecken und den Glauben stärken, so schreibt diese dem Kr. an sich objektive Kraft und übersinnliche Wirkung zu. Die Grenzen zwischen beiden Anschauungsformen bleiben fließend und verwischen sich leicht. Während Kr .wein und Kr.wasser, wenn auch kirchlicher Brauch, mit Recht als abergläubisch bestritten wurden (s. Kr.zeichen), so ist z. B. das Aschenkr. des Aschermittwochs an sich als Bußzeichen nicht ebenso zu beurteilen, wohl aber, daß die geweihte Asche als heilkräftig gegen Kopfleiden galt oder zur Förderung des Wachstums in Garten und Feld und zu andern Zwecken diente 1 ). Das Kr.schlagen kann als Zeichen dafür, daß man sich unter Gottes Schutz stellt und ihm empfiehlt, rein religiöse Geberde sein, sofern man vermeidet, dem Zeichen an sich Wirksamkeit zuzuschreiben. Die Bekreuzung von Kerzen und Broten, die als Opfer am Seelenkultfest der Südslaven für die Ruhe der Toten gegeben werden 2), kann, wie die des Teigs oder des zum Anschnitt bereiten Brotes oder des Kr.brotes3), rein religiöse Heiligung und Weihimg bedeuten, durch andere Deutung aber auch abergläubisch werden. Das Hals- oder Brustkr., wenn es nicht bloßes Schmuckstück ist 4 ), kann Zugehörigkeits- und Bekenntnissymbol der christlichen Gemeinschaft sein, wenn es aber etwa mit einer magisch wirksamen Weihe oder durch eine dementsprechende Aufoder Inschrift u. ä. (s. Benediktus-, Zacharias- usw. -kr.e) übernatürliche Kräfte empfängt, so gehört es ins Gebiet des Aberglaubens. Die öfters berichtete Bußhandlung des Kr.tragens, bei der in realistischer Auslegung von Mt. 10, 38; 16, 24; Mc. 8,34; io, 2 1 ; Lc. 9, 23; 14, 27 die Büßer ein schweres Holzkr., häufig in Prozessionen, daherschleifen 5 ), würde im Sinn der Reformatoren wohl Aberglauben

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heißen, braucht jedoch nicht so gedeutet zu werden, wenn mit der Handlung wirklich bußfertige Gesinnung verbunden ist, die sich nur in der übernommenen äußeren Leistung einen sichtbaren und körperlich fühlbaren Ausdruck sucht. Die Beispiele mögen die Schwierigkeit der Abgrenzung dartun und zur Vorsicht bei der Beurteilung des Stoffs mahnen. Anders liegt es, wenn Krankheiten durch Kr.schlagen im Verein mit Zauberworten vertrieben werden sollen e), wenn man Gespenster u. ä. durch das Zeichen des Kr.es verjagt 7 ), wenn abends die Magd, nachdem das Vieh versorgt ist, über der Stalltür unbemerkt das Kr. macht 8) oder man an bestimmten Tagen, etwa dem Dreikönigstag, ein Kr. an die Tür malt, „welches kreuz für viel Unglück und Gespenst helfen soll" 9 ) (s. Kr.zeichen). Solche K.re werden auch Schirmkr.e genannt M). Den Hintergrund der Übung bildet hier überall die dämonische Welterklärung mit ihren Wahnideen. Auf der gleichen Stufe stehen Heilungen, wie sie Gregor von Tours u ) von der hl. Monegunde erzählt; nach der einen benutzt die Heilige „pampini viridis folium, saliva linivit, fixitque super eum crucis beatae signaculum" als Heilmittel, das sie einem kranken Knaben, der giftige Schlangen in sich hatte, auf den Leib legte, nach einer anderen legte sie auf „folia cuiuslibet holeris aut pomi, saliva inlinebat, faciensque crucem super ulcus, imponebat folium". Auch hier hat das Kr. natürlich magische Wirkung wie ferner in dem Brauch, aus dem ersten Garn, das ein Mädchen gesponnen hat, Kr.e zu nähen, die man dann unter dem Rock eines Burschen einnäht, um diesen vom Soldatendienst zu befreien12), oder wenn man das Nothemd (s. d.) mit Kr.nähten näht 13 ). Dahin gehören auch die aus dem Wachs der geweihten Lichtmeß- oder Osterkerzen gemachten Kr.e, die an allerlei Orten zum Schutz angebracht werden und die Joh. Eberlein schon 1525 mit Recht als abergläubisch bekämpft M ). Auch die Andreas- (s. d.), Antoniter- (s. d.), Benediktus- (s.d.), Caravaca- 15 ) (s.d.), Druden- (s. Kr .zeichen, Drud und Traden-

Kreuz

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fuß), Elfen- (s. Kruzifix), Frais-, Gichter-, Krebs-, Reliquien-, Scheyersche-, Spanische (s. Caravacakr.) Thau- (s. d.), Ulrichs- (s. d.), Wehen-, Wendelins-16), Wiblingen, Zachariaskr.e (s. zu diesen verschiedenen Kr.en den Art. Kr.zeichen) sind dazu zu rechnen. Weiter die mit Kr.en bezeichneten (eingeritzt, eingeprägt usw.) Gegenstände wie Messer17), Münzen, Nägel, Schlüssel18) (Kreuzschlüssel) usw. (s. Kr.zeichen). Ferner Tiere, die am Körper durch ein Kr. kenntlich gemacht sind und dadurch mit besonderer Kraft und Fähigkeit ausgestattet gedacht werden, der Kr.vogel, Kr.schnabel die Kr.otter, Kr.spinne (s. die Artt.). Ein Käfer, der auf den Flügeln ein Kr. trägt, gilt als weisendes Tier und bezeichnet einen Ort als Bauplatz für eine Kapelle 19 ), der Kr.hirsch (s. d.) spielt in Legenden und Volkssagen eine bedeutsame Rolle. Von Pflanzen ist der Kr.dorn zu nennen (s. Kr.zeichen), von Mineralien der Kr.stein (s. d.). Kr.e an Felsen usw. wie auf Bäumen 2°) haben oftmals exorzistische Bedeutung (s. Kr.zeichen). Die Unterlassung der Bekreuzigung gilt als gefährlich a ) (s. Kr.zeichen). Ein in besonderer Weise geschlungener Knoten heißt Kr.knoten (s. d.) und ist wohl das gleiche wie das von Conlin erwähnte Hexenknödle 22). Kr.wege (s. d.) nehmen als Tummelplätze der Geister, der Toten und des Teufels seit alters im Aberglauben einen breiten Raum ein; Kr.häuser treffen wir an in den Uberlieferungen vom wilden Jäger, Kr.lichter nennt man Blitze und Kr.kinder Kinder mit kr.ähnlicher Hirnschalbildung, die omenbedeutend ist (s. Kr.zeichen). Auch die Kr.woche (s. d.) hat ihre Bedeutung; die Saat, die in dieser Zeit in den Boden gebracht wird, bleibt vom Brand frei 23 ), und in dieser Woche finden die Kr.trachten statt (s. Kr.zeichen). Das Kruzifix, das mit dem Corpus Christi geschmückte Kr., ist nicht minder von allerlei abergläubischem Brauch und Glauben umsponnen, der sich als wunderbare Erscheinung mit und an Kruzifixen offenbart oder mit Teilen von solchen getrieben wird und besonders in den VorBächtold-Stäubli, Aberglaube V

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Stellungen vom Freischütz und Freischuß seinen Ausdruck findet (s. Kruzifix). Eine umfassende Sammlung der Sagen und Legenden, die von Kr.en und Kruzifixen handeln, würde eine eingehende Untersuchung ermöglichen, die gewiß beachtenswerte Resultate ergeben würde. Oft werden am Himmel erscheinende, atmosphärische Kr.e und Kruzifixe gemeldet (s. Kr.zeichen und Kruzifix). Die österliche Erhebung des am Karfreitag verhüllten und begrabenen Kruzifixes ist mit anderm Brauch der Passionswoche parallel der alljährlichen antiken Verhüllung und Enthüllung des Kultbildes. In Legende und Sage begegnet ferner das Kr.holz und der Kr .bäum (s. d.) in zahlreichen Abwandlungen und ist daraus in die Heilsprüche, aber auch sonst in abergläubischen Brauch übergegangen 23a). Uber die Steinkr.e, Wegekr.e (Pest-, Mord-, Gerichts- usw. Kr.e), Wunderkr.e und die damit verknüpften Vorstellungen usw. s. die betr. Artikel. Endlich ist in dieser zusammenfassenden Übersicht hinzuweisen auf Handlungen und Erscheinungen, die kr.weise, kr.förmig, übers Kr. u. ä. geschehen (s. kr.weise, übers Kr.). Derartige Handlungen dienen in Krankheiten und Leiden, zum Schutz gegen Behexung und Unfälle, schirmen vor Geistern und Gespenstern, sichern Schatzfunde usw. und werden mit den unterschiedlichsten Gegenständen und Materien, Strohhalmen, Holzstücken, Besen, Mistgabeln, Messern, Degen, Scheren, Stricknadeln, Salz, Wasser, Pflastern usw. vorgenommen. Man vollzieht sie durch Pusten und Hauchen oder Blasen24), Streichen 25), Messen 26), Schlagen 27), Reiben und Drücken28), Legen und Stellen 29), z. B. der Hände, eines Pflasters usw., Hängen30), Wickeln 31 ), Schneiden 32), z. B. der Nägel oder Haare, Besprengen und Benetzen 33), Streuen 34), Binden 35), Zerreißen36), Gehen 37), Schießen 38 ), Drehen39), Betten 40 ), Säen 41 ) usw. in Kr .form. Mit dem Sinn des Kr.es als Leidensund Todessymbol, als welches es in den bei Pestseuchen erscheinenden Kr.zeichen auftritt (s. Kr.zeichen), hängt die kr.16

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Kreuz Christi Milch goß

weise Lage von Holz, Stroh usw. zusammen, die als Todesorakel 42 ) gedeutet wird (s. kr.weise). Unheilbringend ist auch das kr.weise Legen von Messer und Gabel auf dem Teller 4 3 ) (s. kr.weise) oder das kr.weise Zubinden des Deckbetts auf einem Kind 4 4 ) oder das sich übers Kr. die Hände reichen 45 ). Durch die Vorstellung eines Bindezaubers ist die kr.weise Verschränkung von Händen, Armen, Beinen die kr.weise Faltung eines Schurzes u. ä. zur Verhinderung eines Vorhabens, etwa eines Schusses 46 ), zu erklären (s. kr.weise) 4 7 ). *) F r a n z Benediktionen 1, 467; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 420. 426. 429. 432. 433; 2, 59. *) J . L i p p e r t Die Religionen der europ. Culturvölker (1881) 85. 3 ) W r e d e Rhein. Volkskunde 193. vgl. Kr.zeichen. *) W r e d e a . a . O . 82. &) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 1 7 3 ; ders. Volksth. 2, 169 ff. Nr. 172 (Creuztrager). 294 Nr. 293 (Kreuzschleipfer) ; S t ö b e r Elsaß 1 , 9 5 Nr. 130. In dem Roman Un pénitent de Fumes (Plon-Nourrit, Paris 1925) von H. D a v i g n o n steht im C. 7 S. 9 1 — 1 1 5 : „ L a kermesse de pénitence" eine Beschreibung des seit der Mitte des 17. J h . in Furnes (Flandern) begangenen „Ommegang" mit kr.tragenden Büßern, der am letzten Julisonntag stattfindet; vgl. auch Procession de pénitence de Furnes. Boetprocessie van Veurne, 25 bei H. Morez-Decroo in Furnes erschienene Ansichten der Bußprozession, die Büßer Nr. 22. •) B i r l i n g e r Aus Schwaben 378, vgl. Kr.zeichen. 7 ) B i r l i n g e r a . a . O . 1 , 2 1 2 (gespenstige Lichter); K ü h n a u Sagen 2, 204. 287. 303 (Wassermann u. a. Gespenster), vgl. Kr.zeichen; W r e d e a . a . O . 328 (denBösen B) von der Leiche verscheuchen). Wrede a . a . O . 215. •) L i p p e r t a . a . O . 156, nach S e b . F r a n k Weltbuch 50 b, vgl. Kr.zeichen. , 0 ) K ü h n a u 2. 671. " ) MGH. Scr. rer. Merov. 1, 2, 738 f. (Hb. vit. patr. 19 c. 1). 763 (Glor. conf. c. 24). 12 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 398. " ) a. a. O. 1, 485. " ) a. a. O. 1, 363 Nr. 398. 4 2 9- 433: W r e d e a. a. O. 146. 201. 243; F r a n z Benediktionen 2, 633, vgl. Kr.zeichen. 1 5 ) B i r l i n g e r a . a . O . 1,362. 1 S ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 162. 1 7 ) E b d . 1, 399. l i ) D e r s . Aus Schwaben 1, 108. »•) S t ö b e r Elsaß 1, 58 Nr. 79. Ein Bock mit schwarzem Kr. auf dem Kücken ist gut gegen Zauberei im Stall, vgl. Das 6. u. 7. Buch Mosis (Buchvers. Gutenberg, Dresden), 81. 2 0 ) F o n t a i n e Luxemburger Sagen u. Legenden 1882, 170 Nr. 336 (ein Ritter haut mit dem Schwert als Schwurbekräftigung drei Kr.e in einen Felsen ; als er sein Gelöbnis bricht, leuchten die Kr.e auf und er wird vernichtet); S c h o p p n e r Sagen 3, 289 Nr. 1298, vgl. Kr.zeichen. 2 1 ) S c h ö p p n e r a. a. O. 1, 56 Nr. 59; F o n t a i n e a . a . O . 78 Nr. 153, vgl. Kr.zeichen. , J ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 377. *3) D r e c h s l e r

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2 , 5 0 . 2 3 a ) Vgl. auch V . I . M a n s i k k a Über russische Zauberformeln (1909), 1 5 9 . 1 7 0 ff. 184 ff. 192. 204. 222 f. 225 ff. 235 ff. 239. 245 fr. 281. 2 9 5 ff- 3 ° ° . wo viel Material aus dem byzant. Kulturkreis über den Kr.baum und seine Verwertung in den Formeln zu finden ist. " ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 83; B a r t s c h Mecklenburg 2,376. 441; E n g e l i e n und L a h n 251 Nr. 130; 252 Nr. 1 3 3 ; 257 Nr. 1 3 7 ; 261 Nr. 139; ZfrwVk. 1908, 94" ) ZfVk. 8 (1898), 199; S e y f a r t h Sachsen 77. 246; W o e s t e Mark 51 Nr. 2; D r e c h s l e r 2, 289; ZfrwVk. 1 (1904), 218. 2 «) K l i n g n e r Luther 124. « ) ZfVk. 10 (1900), 49; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 276 Nr. 2 ; D r e c h s l e r 2, 107. s s ) S e y f a r t h Sachsen 104. 226. 239; Urquell 3 (1892), 248; ZfVk. 7 (1897), 163. 165; B a r t s c h Mecklenburg 2, 109. 136. 2 9 ) L a m m e r t 168; W u t t k e 440 §693; ZfVk. 1 (1891), 185; 3 (1893), 1 7 3 ; S e l i g m a n n Blick 2, 335; H e y l Tirol 351 Nr. 20; S t a r i c i u s 130 f.; S c h m i t t Hetlingen 16; Urquell 1 (1890), 3 3 ; ZfdMyth. 1 (1853), 2 0 1 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 2 1 ; A n d r e e Braunschweig 382; SAVk. 2, 2 7 1 ; M e y e r Baden 37. 427; S t r a c k e r j a n 1, 426 Nr. 229; M a n z Sargans 80; ZfrwVk. 1 (1904), 2 1 9 ; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 23; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1 , 3 1 4 Nr. 5 ; M e y e r Germ. Myth. 99; B i r l i n g e r Volksth. 1, 34; D e r s . Aus Schwaben 1, 129 Nr. 152; 203 Nr. 194; 3 1 1 Nr. 3 5 1 ; S e n n Charakterbilder 31 30) S t ö b e r 1,104. Elsaß 1 , 3 7 Nr. 54. ) 32) D i e s . H o v o r k a und K r o n f e l d 2, 1 1 3 . 3 3 2, 1 1 4 ; W u t t k e 439 §691. ) M e y e r Baden 37; H o v o r k a und K r o n f e l d 2, 56. 3 4 ) W u t t k e 258 §376; 440 §693; 446 §704; S t r a c k e r j a n 1, 433. 3 5 ) M e y e r Baden 390; L a m m e r t 120. 3 ' ) S e y f a r t h Sachsen 238; W u t t k e 359 § 542. 3 7 ) E b e r h a r d t Landwirtschaft 4; G r o h m a n n 38) J o h n 208; W u t t k e 453 § 7 1 5 . Westböhmen 71. 3 > ) ZfVk. 7 (1897), 166. 4 0 ) M e y e r Baden 37. 4 1 ) J o h n Erzgebirge 220. 4 2 ) H ö h n Tod 3 1 3 ; ZföVk. 3 (1897), 2 1 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1. 264 Nr. 39. 4 3 ) ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 2, 239; W u t t k e 3 1 2 § 460. **) R o t h e n b a c h Bern 11 Nr. 17. 4 5 ) K ö h l e r Voigtland 4') B i r l i n g e r 425. Aus Schwaben 1, 1 1 3 Nr. 1 3 1 ; 208 Nr. 199, 17; Le Dragon rouge (Ausg. von c. 1820), 97; Der wahrh. feurige Drache (Adonist. Verlag E . Bartels, BerlinWeißensee), 71. 4 7 ) S. auch W e i n h o l d Ritus 2 4. Jacoby.

Kreuz Christi Milch goß usw. Eine Besprechungsformel, die in einigen, nur unwesentlich von einander abweichenden Varianten überliefert ist 1 ), lautet: Kr. Jesu Christi Milch goss, Kr. Jesu Christi Wasser goß. Kr. Jesu Christi Haben goß. Sie dient gegen Behexung, wenn einer Kuh die Milch genommen ist, und zum Erkennen der Hexe. Bekannt ist sie aus dem Romanusbüchlein, dem Geistlichen Schild und dem Albertus Magnus (s. d.

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Kreuz in der N u ß — K r e u z b a u m

Artt.). Mansikka2) möchte darin, wohl mit Recht, eine Form des Segens von den drei Brunnen sehen. Vielleicht ist das Wort Milch aus dem einmal in einer Variante3) stehenden „mild (epos)" entstellt, das in Blutstellungen begegnet4): „Unser herr Jesus Christ, der west dry brunnen. der erst war milt usw." und 5 ): „Longinus usw. daar wdh wloth wather vnde blot, dath was mildh wnde got usw.". Das unverständliche „Haben" müßte dann für „Blut" stehen. Zu „goss" vgl. in einem verwandten Spruch 6 ): „In dem heiligen Jordan, do stene drei edeler brunnen, der eine flos, der andere gos, der dritte stund still" usw. Der Spruch ist jedenfalls nicht in Ordnung. W ü r t t Y j h . 13 (1890), 185 Nr. 1 1 8 ; 204 Nr. a n ; ZföVk. 1896, 150; S c h e i b l e Kloster 3, 496; Das 6. u. 7. Buch Mosis (Adonist. Verlag, Berlin-Weißensee, Romanusb. 9; Jezira, das ist das große Buch der Bücher Mosis (Bartels, Neuweißensee) 3, 89. s ) Über russische Zauber3 ) W ü r t t V j h . 13, formeln (1909) 239. 185 4 ) B i r l i n g e r Aus Nr. 118. Schwaben 1, 459; E b e r m a n n Blutsegen 70. 6) K l e m m i n g Läkeoch Örteböcker (Stockh. 1886), 452. «) Urquell N F . 2, 105; E b e r m a n n a. a. O. 69 f. Jacoby.

Kreuz in der N u ß . Als Kr. i. d. N. wird ein Rätsel in Oberösterreich bezeichnet, über dessen Lösung befragt die Bergmännlein dem Fragenden zu dessen großem Nutzen Bescheid geben *). Gemeint ist das Fleisch der Nuß in den Querwänden, das in Kreuzform steht 2). Die Nuß ist seit alters bildlicher Ausdruck für eine schwierige Sache, ein Rätsel usw.3), sprichwörtlich: eine harte Nuß zu knacken haben, vgl. Griebelnuß (von „grübeln"), juglans putamine durissimo4), „wir lazzen die (der ?) grübelnüzze walten den sanft mit grübelnüzzen sei" (in Religionssachen) 5). *) G r a b e r Kärnten 11. 73. 79; Bockel Volkssagen (19x4) 66. 2 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 74. s ) D W b . 7, 1013. 4 ) S c h m e l l e r BayWb. i , 1764. 6 ) L e x e r MhdHdwb. 1, 1097. Jacoby.

Kreuzbaum (Kronenbaum). Beide sind den Dörfern des Lüneburger Wendlandes eigentümlich. Der K r e u z b a u m , aus Eichenholz, war viereckig zurechtgezimmert, einige zwanzig Ellen hoch, von unten bis oben mit hervorstehenden

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(Kronenbaum)

Pflöcken beschlagen; oben darauf stand ein hölzernes Kreuz und darüber ein eiserner Hahn. Zu seiner Herstellung wurde am Tage vor Mariä Himmelfahrt (15. August) der beste Baum des Waldes von sämtlichen Hauswirten gefällt, an die Stelle des alten Kreuzbaumes gefahren, hergerichtet, und nachdem der alte umgeworfen war, am Marienhimmelfahrtstage aufgestellt. Dann stieg der Dorfschulze hinauf, setzte den Hahn über das Kreuz und begoß ihn mit Bier. Darauf allgemeines Gelag. Der Kreuzbaum sollte seinen Verehrern Glück und Segen und namentlich dem Vieh Gedeihen bringen. Dieses wurde zusammengetrieben, von dem Schulzen mit einem Wachslicht und einem Glase Bier umwandelt, mit Bier besprengt und dann um den Baum getrieben. Die meisten Leute verrichteten kniend ihre tägliche Andacht an diesem. Niemand durfte die Stätte mit kotigen Füßen betreten (s. Sp. 497). Wenn ein Mann oder ein Weib in ein anderes Dorf heiratete, so wurden sie dort nicht eher gelitten, als bis sie um den dortigen Kreuzbaum getanzt hatten. Junge Frauen von auswärts mußten etwas Geld hineinstecken, und das geschah auch, wenn jemand durch Reiben an dem Baume von einer Wunde oder einem Schaden geheilt war. Der Kreuzbaum ist erst nach der allgemeinen Kirchenvisitation in der Grafschaft Dannenberg i. J. 1671 abgeschafft worden. Der Kronenbaum, ein Birkenstamm, war rund, alle Äste waren bis an den Gipfel abgenommen, die Rinde abgestreift, nur die obersten Zweige blieben stehen. Er wurde jährlich am Tage vor Johannis von den Weibern jeder Dorfschaft ausgesucht, gefällt und zurechtgehauen. Am Johannistage zogen ihn die alten Weiber auf einem Wagen nach seiner Stätte; die jungen gingen singend nebenher. Dann wurde der alte Kronenbaum umgeworfen und der neue, mit Blumen und Kränzen behängt, an seiner Statt aufgerichtet. Die Kraft des Baumes bestand namentlich darin, daß er allen Weibern, die ihn verehrten, in ihren Nöten und Anliegen half 1 ). 16*

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Kreuzbaum, Kreuzholz

Über beide Bäume: K u h n Märk. Sag. 3 3 1 ; T e t z n e r Slaven 382 ff. 5 0 1 ; Globus 81, 269 ff.; K ü c k u. S o h n r e y 153 f.; B e c k e r Frauenrechtliches 3 1 ; Niedersachsen 31, 426 ff. 699 f.; S a r t o r i Sitte 3, 230; L i p p e r t Christentum 548 s . ; S a m t e r Familienfeste 28 f. Sartori.

Kreuzbaum, Kreuzholz. Es liegt in der Natur der Sache, daß das Denken und Sinnen der christlichen Kirche von alters sich mit dem Symbol ihres Glaubens, dem Kreuz, beschäftigte und Dichtung und Legende darum eifrig ihre Ranken legten. Den von Paulus 1. Cor. 15, 21. 22 formulierten Kontrast zwischen Adam und Christus brachte Irenaeus *) mit dem für die Zukunft bedeutsamen Bilde zum Ausdruck: „quemadmodum per lignum facti sumus debitores Deo, per lignum accipiamus nostri debiti remissionem". Damit ist der Baum des Sündenfalls mit dem Kr. in eindrucksvolle Parallele gesetzt und ein Ausgangspunkt einer reichen Legendenentwicklung geschaffen. Die (legendäre) Auffindung der Kr.reliquie durch die Kaiserin Helena, die einer älteren Form der Erzählung in der Abgarlegende angepaßt ist 2 ), entfesselte die Phantasie, und der an die Reliquie sich anschließende Kult des Kr.s verstärkte die Befruchtung der Kreuzdichtung ungemein. Nicht das Mittelalter erst hat die Kr .sagen entwickelt; ihre Anfänge und grundlegenden Motive gehen alle ins christliche Altertum zurück. In diesem Sinn muß die Forschung auf eine neue Basis gestellt werden. Den Anstoß zur Entwicklung dieser Legenden geben die Versuche, im Alten Testament Weissagungen auf das Kr. zu finden und mit Hilfe typologischer Erklärung auf dieses zu deuten. Solche Versuche begegnen uns von der ältesten Zeit an. Dabei wurden auch alte jüdische Legenden herangezogen. Man kann eine ganze Reihe Motive unterscheiden, die alle irgendwie, auch wo die Zusammenhänge nicht ohne weiteres klar zutage liegen, auf alttestamentliche Vorbilder zurückzuführen sind. >) Adv. haer. ed. Harvey 2 (1857), 371. *) Hauck RE. 1 1 , 92; L . Couard Altchristi. Sagen ü. d. Leben Christi u. d. Apostel (1909), 32; L u c i u s Heiligenkult 165 ff. 505 ff.

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1. Der d r e i f a c h e B a u m . Bis in die Volkssage der Gegenwart hinein spielt der Baum mit dreierlei Laub bzw. die drei Bäumchen u. ä. eine Rolle; das Motiv ist nur Fortsetzung und Ausklang mittelalterlicher Kr.legenden 3 ). Aber diese Legenden sind älteren Ursprungs und stammen aus dem Osten. In mehrfacher Überlieferung kennen wir eine Erzählung, nach der Abraham den Lot nach dessen Versündigung im Weinrausch mit seinen Töchtern (Gen. 19, 30 ff.) zum Nil, „der aus dem Paradies kommt", hinsendet, um dort drei Baumreiser zu holen. E r hoffte im stillen, der Sünder würde unterwegs den Wildtieren zur Beute oder verdursten und also seine Sünde büßen und sühnen. Aber der Neffe kam wohlbehalten zurück und brachte 8aXot>? Tpet? iteuxTjv xai xeopov xai xuita'ptaaov, die Abraham mit Lot auf einem einsamen Berg (gemeint ist der Morija Gen. 22, 2; 2. Par. 3, 1 in Jerusalem) im Dreieck (Trinitätssymbol) pflanzte und von Lot aus dem Jordan begießen ließ. Sie wuchsen zu einem Stamm zusammen, nur die Wurzeln blieben getrennt. Der Baum stand bis in Salomos Regierungszeit; aXXa xai rspi toö £uXot> toutou ¿v £T£pu> xatpw 8r()>u>30[iev, der Berichterstatter kennt also auch die ferneren Schicksale des Baumes 4 ). In noch frühere Zeit führt uns eine Chrysostomus zugeschriebene Predigt „de adoratione preciosae crucis", die, wenn auch unecht, doch dem christl. Altertum zugehören wird und unter andern üblichen Weissagungen auf das Kr. die folgende hat 6 ): xat 6 'Hoatac, iroOsv t(v, xai Ttoia toi $uXa to6 otaupoö Xeyer iv xomipicjam xat itsuxifl xat xsSptp, a|*a Soia'aai t4v tottov cqtov. Gemeint ist Jes. 60, 13: xat r; 8o£a xnu Aißa'voo rrpoc as yest, Iv xurapiaaiu xai Teux-fl xai xs5p(|>, apa oo£aaat xov toitov tov aqfiöv fioo wozu Origenes noch die im hebr. Text stehenden Worte: xai tov xoirov täv iro85»v (100 So£a'ato ergänzte, auch 35, 1 ff., das im Neuen Testament oft benutzte messianische Kapitel, insbesondere: xai l£av!)ijast xai d-jak\tdoe.zai toc epijfia toS 'IopSa'vou. xai 8o£a tou Aißa'voo 186!)ij oÖTfl Auch der Autor der Predigt kennt also schon die Legende von dem aus drei

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Kreuzbaum, Kreuzholz

Bäumen zusammengewachsenen Krh.; die meisten mittelalterlichen Zeugen variieren nur in den verschieden übersetzten Baumnamen. Aus Jes. 60, 13 erklärt sich auch die immer wieder betonte Herkunft des Kr.s vom Libanon '). Daß von drei getrennten Wurzeln und einem Stamm die Rede ist, wird in der Deutung von Jes. 11, 1 seinen Grund haben, wo der Zweig (1C5n) aus „seinen Wurzeln" (rant^c) Frucht bringt. Das Begießen ist nötig, weil Jes. 53, 2: ? pt'C« ¿v ffl 8tia« aütf(s (i. e. pä[j.vou) ütipai? rt öopiat irpu ) S a r t o r i Sitte Kreis J a h n Pommern 3 1 2 Nr. 396,1 ; 324 Nr.408. u. Brauch 2, 3 2 ; Urquell 1 (1890), 111; K ö h l e r 146 ) Jezira 1, 149. 147 ) Jezira 2, 9. 148 ) J a h n Voigtland 419. 430; S c h r a m e k Böhmerwald Pommern 333 Nr. 4 1 5 ; W u t t k e 70 § 80; 74 254; ZfrwVk. 1906, 202; H ö f l e r Ostern 1 6 ; § 87; 97 § 121; 434 § 680; 448 § 707; S t r a c k e r B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 3 4 ; M a n z Sargans j a n 2, 19 Nr. 278; S e l i g m a n n Blick 2, 74. 5 1 ; D r e c h s l e r Schlesien 2, 255; M e y e r Baden 3 3 5 ; S t e m p l i n g e r Aberglaube 77. 125 (gegen 375; ZfVk. 24 (1914), 56; K u h n u. S c h w a r t z Wuttkes Deutung, die aber doch wohl für die 164 Nr. 189, 2 ; B i r l i n g e r Volksth. 1, 493 spätere Zeit gilt); K u h n Herabkunft d. Feuers Nr. 706, 4; W u t t k e 402 § 620; S e l i g m a n n 46. 187. 201. 236. 149 ) Das 6. u. 7. Buch Mosis Blick 2, 336; Jb. Elsaß-Lothr. 25 (1909), 104 (Buchversand Gutenberg, Dresden-A. 16), 218; Nr. 1 8 ; 26 (1910), 330 Nr. 4; Journal von u. W u t t k e 108 § 1 4 2 ; K u h n a . a . O . 2 1 8 . für Deutschland 1786, x, 180 Nr. 20; M160 ) G r e d t Luxemburg 146 Nr. 266; John schlesVk. 9 (1902), 78; L a i s t n e r Sphinx 2 , 1 9 6 ; Westböhmen 274: man schreibt bestimmte W i t z s c h e l Thüringen 2,265. 285 13°) S c h r a Worte in Kreuzform auf einen Teller, den man m e k Böhmerwald 254; S e l i g m a n n Blick 2, ins Feuer wirft; das gleiche Mittel hilft auch 336; H. L e r o n d Lothringische Sammelmappe gegen Hagel: Jezira 1, 1 1 7 . IS1 ) T h i e r s 1, з, 22; K u h n Mark. Sagen 381 Nr. 47; S a r t o r i m 377. 152 ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 4; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 33. ) Act. Set. Boll. Jan. 2, Sitte u. Brauch 2, 23. 153 ) D e l r i o Disquis. 494; M a b i l l o n Analecta Ord. S. Bened. 2, mag. 1 0 6 1 . 1 6 4 ) Lib. in glor. matt. c. 9 (Mon. 282f., vgl. H ö f l e r Weihnacht 70f. Der KreuzGerm. Hist., Scr. Rer. Merov. 1, 2, 495). schnitt auf den Broten auch auf den Mithras156 ) Bull. Soc. arch. d'Alexandrie 5, 86. 154 ) S e hostien P. W e n d l a n d Die hellen.-römische l i g m a n n Blick 2, 19. 335; S e y f a r t h Sachsen Kultur (1912, Hdb. z. N. Test. I, 2) Tafel 13, 4. 13a ) A. J. B i n t e r i m Denkwürdigkeiten der Christ- 273; W u t t k e 144 § 2 1 0 ; J o h . P r a e t o r i u s Philologemata abstrusa de pollice etc. (1677), kath. Kirche (1825 ff.) 2 , 2 , 208 f. 133 ) W u t t 55. " ' ) H a u c k RE. 1, 473. 158 ) K l u g e k e 3 1 0 § 457; J o h n Erzgebirge 30; J o h n EtWb. s. v. 159 ) R e u s c h Samland Nr. 68; Westböhmen 256; S t o l l Zauberglauben 1 2 9 ; S c h e i b l e Kloster 12, 709; G r i m m Myth. 3, P o l l i n g e r Landshut 164; K ü h n a u Brot 2 7 ; 442 Nr. 224; W u t t k e 4 1 2 § 640. l s 0 ) S t r a c k e r M e y e r Baden 375; ZfVk. 4 (1894), 81. 84; j a n 2, 19 Nr. 248; W u t t k e 408 § 633; 4 1 5 M a n z Sargans 5 1 ; K ö h l e r Voigtland 4 1 9 ; § 645; F. W a l t e r August Becker u. die VolksS e l i g m a n n Blick 2, 336; R e h m Volksfeste kunde (1931), 58. M 1 ) W u t t k e 455 § 719. и. Volkssitten 9 1 ; ZfrwVk. 1906, 202; JbElsaßl82 ) H e y l Tirol 524 Nr. 92. 183 ) B a u m g a r t e n Lothr. 26 (1910), 3 3 7 ; P a n z e r Beitrag 1, 257; Aus der Heimat 1, 30; S e y f a r t h Sachsen 265; ZfdMyth. 4, 148; H i n t z Die gute alte Sitte W u t t k e 347 § 5 1 9 ; 382 § 5 8 1 ; 4 1 2 §640; 448 in Altpreußen 109; H. L e r o n d Lothr. Sammelm. § 707; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 397; HessBl. 3, 22; B i r l i n g e r Volksth. 1, 493 Nr. 706, 1; 5, 5 1 ; 27, 279; T h i e r s 1, 184; Jezira 1, 1 1 7 K u h n u. S c h w a r t z 445; K u h n Mark. Sagen (Hagelzauber); J a h n Pommern 41 Nr. 53; 381 Nr. 4 1 ; P r ö h l e Kirchliche Sitten (1858), 3 1 3 Nr. 396, 2 ; 324 Nr. 406; B i r l i n g e r Volksth. 252; Journal v. u. f. Deutschi. 1786, 1, 180 Nr. 22; 1 7 9 0 , 2 , 2 9 N r . 42; W i t z s c h e l Thüringen I, 324 Nr. 524, 4; W i t z s c h e l Thüringen 2, 134 164 2, 285. ) Thesaurus Pract. ed. Dielherr 263. 266. ) K n o o p Hinterpommern 73; 18S (1679V 183. W u t t k e 445 § 7 0 1 ; 447 § 705; ) A l p e n b u r g Tirol 366 f. "«) K n o o p 167 S a r t o r i Sitte u. Brauck 2, 144; ZfVk. 1 0 Hinterpommern 144. ) A. a. O. 130. 19S (1900),, 2 0 8 f . ; 11 (1901), 306; S t r a c k e r j a n ) R e u s c h Samland Nr. 85, 2 ; W u t t k e i , 426 Nr. 229; S e l i g m a n n Blick 2, 336; 278 § 407. « 9 ) W u t t k e 452 § 714. SeyD r e c h s l e r Schlesien 2, 111; B i r l i n g e r Volksth. f a r t h Sachsen 184. 171 ) H o v o r k a u. K r o n 138 172 1, 323 Nr. 524, 2. ) W u t t k e 448 § 707; f e l d 2, 274. ) S i m r o c k Mythologie 625. 17S 449 § 708; D r e c h s l e r Schlesien 2, i n ; ZfrwVk. ) W u t t k e 76 § 89; 144 § 200; M a n n h a r d t 1906,204; 1 9 1 3 , 272; S t r a c k e r j a n 1, 80. 426 Germ. Mythen 24; M e y e r Myth. d. Germ. Nr. 229. 1 3 s a ) Ein Verfahren, bei dem die Hexe 356 ff.; M e y e r Germ. Myth. 57 ff.; ZfVk. 4 mit den Füßen nach oben auf ein Kreuz steigt: (1894), 4 1 9 ; 14 (1904), 1 3 5 ; P f a n n e n s c h m i d Urquell 2 (1891), 157. 1 3 7 ) Die Briefe des hl. Erntefeste 352; K u h n Herabkunft d. Feuers 2 0 1 . Bonifatius übers, von M. Tangl (Geschichtschr. »«) H a u c k RE. 1, 469. 473. 176 ) ZföVk. 1 3

559

Kreuzzeichen

(1907), 105. 17e ) G r ü n e r Egerland 35. Bleikreuz auch. H e i m Incantamenta 552. 177 ) M e i c h e Sagen 587 Nr. 730. 178 ) K ü h n a u Sagen 2, ln 506 Nr. 1135. ) M e y e r Baden 576. 180 ) D r e c h s l e r Schlesien 1,182; M e y e r Deutsche 181 Volkshunde 187. ) S e y f a r t h Sachsen 239. Ein Kreuz aus zwei Zweigen am Hals D e l r i o 182 Disqu. mag. 493. ) S t r a c k e r j a n 1, 472 Nr. 252. 183 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 27. 184 185 ) ZfrwVk. 1913, 297. ) Seligmann Blick i , 262. l 8 S ) L a c h m a n n Überlingen 39. 187 ) Heldenschatz 34. 1JS ) S e l i g m a n n Die mag. Heil- u. Schutzmittel 28. 18») H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 680; S e l i g m a n n a. a. O. 84. 19 163. 232. °) J o h . d e R o b l e s Gründliche Histori v. d. Kreuz zu Carauaca in Hispanien (Augsburg 1619). w l ) M e y e r Aberglaube 337. 192 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben I, 431. 193 ) Urquell 4 (1893), 144; H a u c k RE. 1, 469; 1M F r a n z Benediktionen 2, 53. ) Hauck RE. 1, 473; B i r l i n g e r Volksth. 1, 2 5 1 ; Alemannia 2 (1897), 52; K ö h l e r Voigtland 567; S e l i g m a n n Blick 2, 336; M e y e r Aberglaube 176; F r a n z Benediktionen 2, 53. l 8 4 a ) D e l r i o Disquis. mag. 480. 196 ) M e y e r Deutsche Volkskunde 104. 117. 1 M ) M e y e r Baden 37. 197 ) Urquell 4 (1893), 144. l9S ) Dial. mirac. 5, 47. 19> ) M a r t e n e De antiquis ecclesiae ritibus 3, 535; F r a n z Benediktionen 1, 612. 200 ) D u C a n g e Gloss. med. et inf. latin. 2, 675; M e y e r Deutsche Volkskunde 219. 201 ) ZfrwVk. 1909, 288. 202 ) A. W r e d e Eifeler Volkskunde (1924), 206; S a r t o r i Sitte u. Brauch 2, 59. 203 ) S e l i g m a n n Die mag. Heil- 1*. Schutzmittel 80; Alemannia 25, 52; ZföVk. 6, i n . 203a ) W u t t k e 452 § 714. 204 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 691. "*) A. a. O. 2, 336. 20") W u t t k e 351 § 526; G r o h m a n n 169. 207 ) M e y e r Baden 576, vgl. ZföVk. 6, m . 20e ) B o h n e n b e r g e r 24. 209 ) M e y e r Deutsche Volkskunde 245, s. auch Kruzifix. al °) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 322; 2, 210; ZfVk. 3 (1893), 1 4 1 ; A g r i p p a v. N e t t e s h . 1, 229; S t o r f e r Jungfr.-Mutterschaft 1 9 1 ; T h i e r s 1, 339; SAVk. 29 (1929), Heil. Längenmaße, 2n Absch. 9. ) K r a u ß Relig. Brauch 137. 212 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 257; S e l i g m a n n Blick 2, 336 (eingeätztes Kr.). î 1 3 ) L. S l i s a n s k y Newe Reisebeschreibung naher Jerusalem undt dem H. Landte (Voigtländers Quellenbücher Nr. 76), 40. 2 l 4 ) R ö h r i c h t - M e i ß n e r Deutsche Pilgerreisen (1880). 216 ) So sind vielleicht auch die Kreuze auf Menhirs und römischen Denkmälern und nicht wie im Annuaire 1931 de la Société des amis des musées d. 1. Grand-Duché de Luxembourg 17. 28 als Grenzmarken zu deuten; ZfrwVk. 1906, 202. 2 M ) 1. 16 tit. 10 § 25 ed. Mommsen-Meyer (1905) i , 905. 217 ) L a s a u l x Der Untergang des Hellenismus (1854), 142; G r e g o r M a g n . Dial. 2, 8. 218 ) Act. Set. Boll. Juli 6, 590; L. D u c h e s n e Les fastes épiscopaux de l'ancienne Gaule 2, 381 n. 2. 21") ElsässMonatsschr. f. Gesch. u. Volksk. 1 9 1 1 , 179; H. L e r o n d Lothringische Sammelmappe 3, 33 fi. 22°) Comptes-rendus de l'Acad. d. inscr. et belles-lettr.

56O

1903, 332. 221 ) Journal von u. für Deutschland 1785, 1, 141. 222 ) H. S c h r e i b e r Die Feen in Europa (1842), 78. 223 ) Elsäss. Monatsschr. a. a. O. 83 u. Bl. 3 Fig. 13. 224 ) C a s a l i u s De prof, et sacris ritibus 3, 19. 22S ) K r a u ß Relig. Brauch 111. 226 ) H a n s e n Hexenwahn 699 Reg.; S o l d a n - H e p p e 2, 436. 227 ) H a n s e n a. a. O. 158. 228 ) A. a. O. 159. 229 ) A. a. O. 195. 23 °) Darauf geht vermutlich auch die Mitteilung S c h i l t b e r g e r s in seinem Reisebuch um 1400 (Insel-Bücherei Nr. 219), 53 zurück, daß die griech. Christen das Kreuz auf die 1. Hand machten, was nicht stimmt (sie sind Ketzer!). D e l r i o Disquis. mag. (Köln 1679), 855; T h i e r s 2, 322. S31 ) W u t t k e 257 § 374. 232 ) R e i s e r Allgäu 2, 448; A l p e n b u r g Tirol 359. 233 ) ZfVk. 12 (1902), 176. 234 ) C a e s a r i u s H e i s t e r b . Dial, mirac. 5, 44. 23s ) K r a u ß Relig. Brauch 31 f. Andere Kreuze an Bäumen werden auch anders ätiologisch gedeutet z. B. K r o n f e l d Krieg 140. **•) B e c h s t e i n Thüringen 1, 107; W u t t k e 20 § 18; G a n d e r Niederlausitz 6 Nr. 19; B i r l i n g e r Volksth. 1, 35. 237 ) Man machte an Bäumen und Steinen Kreuze, um damit den terminus, die Banngrenze zu bezeichnen, vgl. D u C a n g e Gloss. 2, 679. 23S ) P a n z e r Beitrag 2, 69; L ü t o l f Sagen 461 f.; D r e c h s l e r Schlesien 2, 163; ZföVk. 3 (1897), 7; W u t t k e 20 § 18; 47 § 52; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 258; G r o h m a n n Sagen 80; A l p e n b u r g Tirol 5; DG. 12, 297; M a n n h a r d t 1, 83. 84; G r i m m Myth. 2 (1854), 881; G r i m m Sagen Nr. 47; M e y e r Myth. d. Germ. 196; O. B ö c k e l Die deutsche Volkssage (1914), 76. 23*) F r a n z Benediktionen 2, 345; D e l r i o Disquis. mag. 706; G l i t s c h Gottesurteile 58. 61. 240 ) D e l r i o a . a . O . 492; T h i e r s 1, 418. M 1 ) K ü h n a u Sagen 3, 604. F r a n z Benediktionen 2, 345. 243 ) F r a n z a. a. O. 2, 468 fl. 244 ) F r a n z a. a. O. 1, 461 ff.; W r e d e Rhein. Volkskunde 179; ZfrwVk. 1906, 147; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 135; M a r t e n e a. a. O. 2, 122. 187; F o n t a i n e Luxemburg 27. *«) ZfdMyth. 1 (1853), 174 f. 246 ) Noch in der Agende f. d. evang. Kirche i. d. preuß. Landen (1829) 2, 4 und bis heute üblich; L u t h e r Werke ed. O. Clemen 3 (1913), 312. 247 ) H ö f l e r Weihnacht 69. 7 0 f . ; H ö f l e r Ostern 1 4 s . 65. 67; H ö f l e r Fastnacht 46. 64. 92; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 144. ***) T h i e r s 1, 264. "») T h i e r s 1, 264. 26°) Urquell 2 (1891), 9; M e y e r Deutsche Volkskunde 224. 247; H o o p s Sassenart 45; HmtblRE. 1, 2 2 6 f f . ; Allgem. kirchl. Zeitschr. 13 (1872), 527. 261 ) F r a n z Benediktionen 2, 1 1 6 ; F r a n z Nik. de Jawor 181 ff. 2 5 ! ) T h i e r s 1, 31. 263 ) S o c r a t e s Kirchengesch. 5, 17; S o z o m e n u s Kirchengesch. 7, 1 5 ; S u i d a s s. v. oxaupo«. 264 ) R u f i n u s in seiner Übers, von E u s e b i u s Kirchengesch. ed. Schwartz-Mommsen 2 (1908), 1034 f. s®6) S l i s a n s k y a.a.O.96. 2 M ) Ausgew.Schriften d. syr. Kirchenväter übers, von Bickell (Bibl. d. Kirchenväter) 171. Eine ähnliche Geschichte von einem getauften Juden bei M a r t e n e a. a. 0 . 1 , 139, nach A u g u s t i n sermo 19 n. 6. 257 ) G r e g o r v. T o u r s Hist. Franc. 4, 5; Lib.

5

Kribskrabs->—kriechen

6I

in glor. mart. c. 50 (Mon. Germ. Hist., Scr. Rer. Merov. 1, 1, 145; 1, 2, 523). 258) A. K i r c h e r De peste (1659), 414 f.; A d a m a L e b e n w a l d t Land-, Stadt- und Hauss-Artzney-Buch (1705), 12. 26°) D u C a n g e Gloss. 2, 681; ZfGesch. d. Oberrheins 34 (1882), 370; M e y e r Aberglaube 133. 142; ZfrwVk. 1914, 200; Mon. Germ. Hist., Scr. i , 33. 34; 6, 27. 29. 190. 332. 335. 561. 615. 281 ) 282) ZfrwVk. 1914, S. Anm. 64. 199. 283 ) Mon. Germ. Hist., Scr. 6, 214. 728. 2M ) A. a. 0 . 220. 734, vgl. M e y e r Aberglaube 155. 365 ) K i e s e w e t t e r Die Geheimwissenschaften 675. a86 ) C a e s a r i u s H e i s t e r b . Dial, mirac. 8, 17. 18; 10,3 7; Mon. Germ. Hist., Scr. 6, 253. 465. 541. 730; K ü h n a u Sagen 3, 450. 451. 387 ) Mon. Germ. Hist., Scr. 17, 200. 244. 268) J. B. A u f h a u s e r Konstantins Kreuzesvision (1912; K l . Texte f. Vorl. u. Üb. von H. Lietzmann Nr. 108). 2 ' 9 ) M e i c h e Saeen 624 Nr. 768. a7 °) S t ö b e r Elsaß 1, 26 Nr. 36." 271 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 257; K ö h l e r Voigtland 420; W u t t k e 284 § 418; F o n t a i n e Luxemburg 42; H. L e r o n d Lothring. Sammelmappe •9 und 10 (1901), 32; S i t t l Gebärden 127; Ztschr. f. Kulturgesch. N. F. 2 (1892), 178. 253 ; Neue Jahrbücher f. d. klass. Altert. 21 ) Z f V k . 4 (1894), 418. 2S1 ) W u t t k e 415 § 645. 282) K u h n Herabkunft d. Feuers 237. 28S) Z f V k . 7 (1897), 234. 2M ) H ö h n Geburt 261. 28S) W o l f Beiträge 2, 280. S88 ) K ü h n a u Sagen 2, 712; S c h ö n w e r t h 287) H o v o r k a Oberpfalz 3, 41 Nr. 3. u. K r o n f e l d 2, 89. 28S) a. a. O. 2, 707. 289) MschlesVk. 16 (1906), 29; ZfVk. 24 (1914), 144. *">) S c h m i t z Eifel 1, 47. 2M ) G r i m m Myth. i (1854). 583; W o l f Beiträge 1, 75. 292) S e y f a r t h Sachsen 192; W u t t k e 327 § 487. «•») L a m m e r t 33. 2M ) Dial. c. Tryph., J u s t i n i Cpp. (Paris, Morellus 1615), 259 B. 295) Über •die Kreuzigung vgl. H a u c k RE. 11, goff.; P a u l y - W i s s o w a 4, 2, 1725 ff. ; W. B a u e r Das Leben Jesu i. Zeitalter d. neutest. Apokryphen (1909), 212 ff. 298) S c h e l l h a s Das Kreuz im vorchristlichen Amerika; Vossische Zeitung, Sonntagsbeil. 29. März 1891; G o b l e t d ' A l v i e l l a Migration 17ff. 21. i43ff.; D e o n n a Croyances relig. 368 s . ; D e o n n a Armoiries de Genève 39ff. s o f f . ; S e n f Das heidn. Kreuz «. s. Verwandten zwischen Oder u. Elbe (Arch. 1.

Anthrop.

20);

Hein

Mäander,

Kreuze,

562

Hakenkreuze und urmotivische Wirbelornamente in Amerika; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 168; V i s s c h e r Naturvölker 2, 564; F r a z e r 12, 232; v. S p i e s s Prähistorie 18 ff.; M. E b e r t Reallexikon der Vorgeschichte 7, 101; 11, 9. 10; J e r e m i a s Religgesch. 77. S. a. Hakenkreuz und Radkreuz. 2"7) Vgl. noch S i m r o c k Mythologie 440; B a c h o f e n Gräbersymbolik Reg.; Mannus 1, 53 ff.; B u g g e Heldensagen 589 Reg.; L i p p e r t Christentum 691; J e n n i n g s Rosenkreuzer 2, 237 Reg.; S a r t o r i Westfalen 202; W l i s l o c k i Zigeuner X I V ; W l i s l o c k i Magyaren 179; W r e d e Rhein. Volkskunde 136. 139; R u b i s Käbbala 30 Anm.; P a r a c e l s u s 256; P f a n n e n s c h m i d Weihwasser 223; T i e d e Gotteserkenntnis 341; S t e r n Türkei 2, 396; S t o r f e r Jungfr. Mutterschaft 191; S t o l l Kirchenväter Reg.; S c h w a r t z Studien 459; G e r h a r d t Franz. Novelle 115 Reg.; G i h r Meßopfer 299 ff. Jacoby.

Kribskiabs, mit junger Nebenform: K r i m s k r a m s , bedeutet ursprünglich Zaubercharaktere, magische Zeichen, aber auch gelehrtes Kauderwelsch, das wie Zauberformeln klingt 1 ). Das Wort tritt seit dem 16. Jhdt. auf. Die noch unerklärte Herkunft des Ausdrucks ist wohl in dem hebr. fS'Pj? zu suchen, nach Buxtorf 2 ): „sie vocant Judaei, qui in Germania depunt, cantiones rhytmicas, quas in Sabbatho et festivis diebus in Synagogis suis cantillant"; so schon Elias Thisbi um 1500, der das Wort als deutsche verderbte Aussprache des bei den französischen Juden m a n p lautenden Wortes erklärt, im Midrasch Schir. 3, 6 also mit i statt u geschrieben. Daraus dürfte jüdisch-deutsch Kribs entstanden sein, weil die Zauberformeln vielfach die hebräischen Gebete (die man sang) nachahmen, dem dann ähnlich wie in Mischmasch (so bezeichnet z. B. Fr. A. Christiani 3 ), ein jüdischer Konvertit, die jüd. Gebete), Schnickschnack, das Krabs hinzugefügt wurde. F. K l u g e Etym. Wb. (1915), 262. a ) Lexicon chaldaicum ed. Fischer (1869), 1051. 3) Der Juden Glaube und Aberglaube (1713), 36. Jacoby.

kriechen, eine sehr altertümlich anmutende Handlung, die in verschiedenen Zauberbräuchen vorwiegend älterer Zeit zu treffen ist; es ist auch dem römischen Altertum bekannt Aus der Bunzlauischen Monatsschrift, Jahrgänge 1791

Kriechenpflaume

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und 1792, teilt Grimm 1 ®) mit: „Wer (am) Walpurgisabend alle Kleider verkehrt anzieht und rücklings bis zu einem Kreuzwege kriecht, kommt in Gesellschaft der Hexen". Ein Papiercodex des 14. (15. ?) Jahrhunderts in der Bibliothek zu S. Florian 2 ) überliefert folgendes Mittel der Hexen, um den Nachbarinnen die Milch (s. d.) ab- und sich zuzuwenden: „item an dem sunnbenttag (Sonnwendtag), so geht aine ersling (ärschlings = rückwärts) auf allen viern mit plassem (bloßen) leib zu irs nachtpahirn tar (Nachbarin Tor), und mit den fuzzen steigt sy ersling an dem tar auf, und mit ainer hand halt sy sich, vnd mit der andern sneit (schneidet) sy drey span aus dem tar vnd spricht zu dem ersten span spricht sy: •ich sneit den ersten span, noch aller milich wan.'

Zu den andern auch also, zu dem dritten spricht sy: 'ich sneit den dritten span, nach aller meiner nappaurinnen (Nachbarinnen) milich wan',

vnd get ersling auff allen viern her wider dan haim". Zur Beschwörung (Erlösung) eines Geistes in Freudenthal (österreichisch-Schlesien) kroch der damalige Hoch- und Deutschmeister Caspar von Ampringen zur Mitternachtszeit von der Post bis zum Friedhofstore. Unterwegs hatte er einen fortwährenden heftigen Wortwechsel mit dem Geiste ®). Wenn in Böhmen 4) das Kind nicht schlafen kann, kriecht die Mutter auf allen Vieren im Zimmer herum, sagend: „Ich suche den Schlaf dir liebe (Anna)", welche Worte sie so lange wiederholt, bis das Kind einschläft. Das Kriechen findet sich verbunden mit der Umwandelung (s. d.), so z. B. in Böhmen6), wo sich ein Raubschütze auf 24 Stunden in folgender Weise unverwundbar machen kann: Am Morgen des hl. Johannes des Täufers vor Sonnenaufgang geht er in den Wald, wo er sich einen Fichtenzapfen aussucht, der nach oben wächst. Er kriecht um ihn, trocknet ihn zu Hause und nimmt die Samen heraus. Wenn er dann in den Wald

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gehen will, um etwas zu schießen, so schluckt er am Morgen vor Sonnenaufgang nüchtern einen solchen Samen und ist dann den ganzen folgenden Tag unverwundbar. Der letzte Schloßherr von Felsberg (Graubünden) muß während Fronfasten alle Jahre nachts, eines begangenen Unrechtes willen, von einem Hunde mit feurigen Augen begleitet, siebenmal um den Schloßhügel, auf allen Vieren 6), k. Auch andere Umgehungen werden k.d ausgeführt 7 ). Wer die Nesselsucht hat, muß rückwärts nackend in einen frisch ausgeschütteten Mehlsack hineink.; dann vergeht sie an demselben Tage 8), s. w. durchkriechen, gleiten. Andree Votive 31. i a ) Mythologie 3, 475 Nr. 1082. 2) Ebd. 3, 417 Nr. 30 = Weinhold Ritus 44. 3 ) Peter Österreichisch-Schlesien 2 (1867), 54 f. = Kühnau Sagen 1, 480 Nr. 509. *) Grohmann 109 Nr. 796. 8) Ebd. 205 Nr. 1426. •) J e c k l i n Volkstümliches 273. 7 ) Knuchel Umwandlung 54; Wolf Beiträge 2, 444 = Baader Sagen 155; Panzer Beitrag 1, 67 Nr. 83; Andree Votive 3 1 ; Meyer Baden 534. e ) J a h n Hexenwesen 154 Nr. 478. Bächtold- Stäubli.

Kriechenpflaume (Haferschlehe, Krieche, Spilling, Zipper; Prunus insiticia). 1. Botanisches. Mit der Pflaume nah verwandter Obstbaum mit schneeweißen (nicht grünlichgelben Blüten) und kugeligen, schwarzvioletten Früchten. Die K . wird besonders in Westdeutschland häufig kultiviert, aus den modernen Obstgärten verschwindet sie allmählich1). l

) Marz eil Kräuterbuch 107 f.

2. Wie die nahverwandte Z w e t s c h g e (s. d.) erscheint die K. als Liebesorakel. In der Thomasnacht nach dem Gebetläuten schüttelt man den „Zipperbaum" und spricht: „Zipperbaum i schüttel di(ch) Freundeslible ( = Feinsliebchen ?) rüttl di(ch), Und wo si werd mei Freundlibla meld'n, Doa wird a Hündia bell'n" 2). *) Marzeil Bayer. Volksbot. 10; vgl. auch Leoprechting Lechrain 205.

3. Wenn die K. in der letzten Apriloder ersten Maiwoche blüht, so ist die Roggenernte noch vor Jakobi 8 ), oder

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Krieg

„so vSl Weke (Wochen) nä Wulprecht (1. Mai) de Krekelbom biegt, so vel Weke nä Jakob ös d a t K o m r!p" 4 ), vgl. Schlehe. 3) F r i s c h b i e r Naturkunde 320; T r e i c h e l Westpreußen V I I , 572; Y e r m o l o f f Volkskalender 217. 4 ) F r i s c h b i e r a. a. O.

4. In einer oberösterreichischen S a g e befreit ein Handwerksbursche ein Haus dadurch von Nattern, daß er um einen „Kriechenbaum" dürres Holz und Reisig im Kreise legt. In den Kreis stellt er sich und beschwört die Schlangen, nachdem er das Holz angezündet. Diese kommen herbei und verbrennen im Feuer 8 ), vgl. E s c h e (s. 2, 999 f.). Die Frucht des „Zibartlibaumes" erscheint in Zwergensagen als eine für besser geachtete Speise6), vielleicht ein Hinweis auf eine sehr alte Kultur der K . 6) e)

B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 1862, 119. L ü t o l f Sagen 369. Marzeil.

Krieg (frz. guerre, ital. guerra) ist ein verhältnismäßig junges Wort, ahd. werra = Verwirrung, Streit J ). Der Weltkrieg hat Anlaß zur Entstehung einer umfassenden Literatur gegeben 2). 1. Wenn auch nicht beständiger aktueller Kriegszustand, so war doch NichtFrieden das Normalverhältnis zwischen sozialen Verbänden, welche nicht durch religiöse oder Blutsbande (was eigentlich identisch ist) vereinigt waren 3 ). Dies dürfte damit zusammenhängen, daß bei totemistischen Verbänden der Stamm sich selbst als Mikrokosmus, d. h. als Widerspiegelung der Totalität des Kosmos auffaßt 4 ), eine Weltanschauung, welche für einen anderen Stamm neben dem eigenen keinen Platz hat. Primitivste Jägervölker pflegen den Jagdbereich anderer Stämme zwar zu schonen und dadurch Reibungen zu vermeiden. Treten die Völker aber in das Stadium der Expansion, wie die Germanen der Völkerwanderungszeit, so entsteht ein tatsächlich andauernder Kriegszustand. S c h r ä d e r Reallex. 1, 650 f. 2 ) G. C. F e r r a r i Leggende e superstizioni di guerra, Rivista di psicologia 15 (1919), 219ff.; G e m e l l i Folklore di guerra, Vita e pensiero 1 (1917), 1 fi.; ARw. 19, 540fi.; 20, 299fi.; Kulturgeschichte

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des Krieges (ANG. 561); K . W e u l e Der Krieg in den Tiefen der Menschheit; B e l l u c c i Folklore di Guerra (Tradizioni popolari italiane Nr. 6) Perugia 1920; H. B ä c h t o l d Aus Leben und Sprache des Schweizer Soldaten4 1916 = S A V k . 19 (1915), 201 ff.; ders. Deutscher Soldatenbrauch u. Soldatenglaube. Straßburg 3) 1917. F r a n z Benediktionen 2, 300 fi.; W ä c h t e r Reinheit 73; W u n d t Mythus u. Religion 2, 432 fi. 4 ) B e t h Über die Exogamie bei den totemistischen Stämmen Australiens unter dem Gesichtspunkt der Fruchtbarkeitsriten. Abhandlung der Wiener Anthropologischen Gesellschaft 1917.

2. Verwaltung des Kriegsgeschicks, wo nicht tatsächliche Anführerschaft im Kriege, ist stets Amt des höchsten Gottes 5 ). Bei den Germanen war der Blitzgott Ziu, welcher mit dem römischen Mars verglichen wurde, der älteste Kriegsgott ®), so daß noch Kaiser Heinrich IV. paganico auspicio am dies Martis, dem Dienstag, alle Kämpfe begann 7 ). Der Besitz seines Schwertes verbürgt dem Attila die Weltherrschaft 8 ), wie Sigmund mit Odins Schwert viele Schlachten gewinnt, bis es an des Gottes eigenem Speer zerschellt 9). Auch Thor, der ebenfalls Blitzschleuderer ist, war Gott des Krieges 10 ). Insbesondere aber war es Odin-Wotan, der Anführer des wilden Heeres, als Windgott l l ). Bei den Germanen wie bei anderen indogermanischen Völkern 12 ) gibt es auch Kriegsgöttinen: Freya gehört die Hälfte der Gefallenen; sie reicht den Einheriar das Trinkhorn ls ), die Walküren sind Totenwählerinnen, Schenkmädchen, die Nornen der Schlacht 14 ), wie bei den Griechen Athena als Pallas Kriegsgöttin war. s ) W u n d t Mythus u. Religion 3, 557; R . M. M e y e r Religgesch. 179; v. d. L e y e n Sagenbuch 1, 268. 6 ) E. H. M e y e r GermMyth. 220. 7 ) Ebd. 221. 8 ) S i m r o c k Myih. 271. 9 ) Ebd. 175. 10 ) M a n n h a r d t Götter 207. " ) E. H. M e y e r GermMyth. 232. l 2 ) H a u p t Lausitz 1, 13. 1 3 ) S i m r o c k Myih. 336; zum K u l t einer wendischen Kriegsgöttin vgl. M e i c h e Sagen 433 Nr. 573. 1 4 ) S i m r o c k 359.

3. Kriegsdienst wird als Gottesdienst aufgefaßt 15 ). Der Krieger muß sich in einem Zustand kultischer Reinheit befinden 16 ). Er muß darum während des Krieges insbesondere die Keuschheit wahren 17 ) und mancherlei andere Bräuche

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Krieg

beobachten 18 }. Der engen magischmystischen Verbindung halber erstreckt sich dieses Gebot der Keuschheit bei vielen primitiven Völkern auch auf die Frauen, welche überhaupt symbiotischsympathetisch an dem Tun ihrer Männer Anteil zu nehmen haben. Es mag sein, daß beim Gebrauch des Keuschheitsgürtels im Mittelalter nicht nur männliche Eifersucht, sondern ein ähnliches Moment mitspielte. Man muß in diesem Zusammenhange an die vielen Erzählungen erinnern, in welchen es Helden, die jahrelang in einem Krieg verschollen waren, gelingt, auf wunderbare Weise heimgekehrt, noch im letzten Augenblick die schon zur Heirat mit einem anderen entschlossene Frau davor zu bewahren 19 ). Die Frauen können durch magische Handlungen, insbesondere Tänze a0 ), den Gang der kriegerischen Unternehmung auch direkt beeinflussen. Die Germaninnen der Frühzeit nahmen aktiven Anteil 2 1 ). Ihr anfeuerndes „Rufen", das stets betont wird, wird wahrscheinlich auch magische Wirkung gehabt haben, nicht nur psychologische. Eine ganze Reihe von spätmittelalterlichen Sagen berichten noch, wie Frauen durch ihr Eingreifen einen Kampf entschieden haben 22). Der Intervention der Frauen haben die Langobarden ihren Sieg zu verdanken; auch sonst erscheinen die Frauen mit Vorliebe als Erdenkerinnen der Kriegslisten. Noch im 17. Jahrhundert wurde von den Frauen zur magischen Abwehr der Feinde ein Zauber (durch Aussprechung obszöner Worte und Entblößung) angewendet, teuer von den Häuptern der Stadt erkauft 23), weil man offenbar erwartete, daß dieses gegen Dämonen meist geübte Abwehrmittel (s. Abwehrzauber) sich auch gegen Feinde bewähren würde. In einer Reihe von Fällen wird berichtet, daß die Frauen den Ziegen brennende Fackeln an die Horner banden und so das Heer der Feinde in Verwirrung brachten 24). Von Aufhäufen von Erde 25) und mancherlei anderen rein rationellen Erfindungen der Frauen 26) wird berichtet. " ) G o l t h e r Mythol. 5 5 ö S . " ) 5. Mos. 23, n f l . " ) F e h r l e Keuschheit 31. 1 8 ) F r a z e r

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3, 157 S. « ) S i m r o c k Mythol. 180 ff. 20 ) B e t h Religion u. Magie 2 176 ff.; W u n d t Mythus u. Religion 3, 557. 2 1 ) O t t o Deutsches Frauenleben (ANuG. 45) S. 17. 2 a ) L ü t o l f Sagen passim. 23 ) S A V k . 2t (1917). 97. 24 ) SchwVk. 2, 90 u. 2,75. 25 ) W i t z s c h e l Thüringen 1, 4 Nr. 3. 26 ) L ü t o l f Sagen passim.

4. Man sicherte sich selbst nach Möglichkeit schon bei Kriegsbeginn den Schutz der Gottheit; so wetzten die ausziehenden Krieger ihre Schwerter am Odinstein 27). Gleichzeitig versucht man über seinen Gegner den Zorn des Gottes heraufzubeschwören oder den Gott dadurch zu gewinnen, daß man ihn an dem Sieg der eigenen Partei beteiligt und interessiert. Nach biblischem Gebrauch wurde im Krieg über das ganze feindliche Volk und sein Eigentum 28 ) oder über einen Teil desselben 29 ) der Bann verhängt, d. h. die Menschen sollten im Falle Gott Sieg gab, getötet werden, die Dinge fielen, soweit sie nicht vernichtet wurden, in den Tempelschatz. Ähnliche Vorstellungen herrschten in Deutschland. Als der Schwedenkönig Erich die Schlacht bei Fyriswall gegen Styrbiörn schlagen sollte, opferte Styrbiörn dem Thör, aber Erich dem Odin, weihte sich ihm und bestimmte die Frist seines Todes auf zehn Jahre. Da sah er einen großen Mann mit breitem Hute, der gab ihm einen Rohrstengel in die Hand, ihn über das feindliche Heer mit den Worten zu schießen: „Odin hat euch alle!" Als das geschah, erschien ein Wurfspeer in der Luft und schlug die Gegner mit Blindheit 80 ). Die Gefangenen werden geopfert 31 ). Dies ist ja der Sinn der Weihe, daß sie dem Gotte damit geschenkt werden M ). Gefangene sind dort, wo Menschenopfer überhaupt dargebracht werden, die wohlgefälligsten Opfer als tapfere und kraftvolle Männer (s. Opfer). So haben die Ureinwohner Mexikos gewisse Kriege nur zu dem Zwecke geführt, um Gefangene für die notwendigen Opfer zur Verfügung zu haben. Aber auch der eigenen Gemeinschaft entnimmt man Krieger und andere Personen, um die zur Gewinnung des Kriegsgottes nötigen Menschenopfer 33 ) zu haben; abgesehen von

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der Selbst weihe der Könige und Fürsten 34), zu der der Teufelspakt des den Hahnenschrei nicht ertragenden Wallenstein ein später Nachzügler ist. Solcher Selbstweihe kommt natürlich der hervorragenden Stellung des Opfers wegen besondere Kraft zu. Man dachte die Gottheit persönlich beim Kampfe anwesend 3S ); die Toten gingen zu ihren Heerscharen ein; die Hälfte zu OdinWotan, die Hälfte zu Freya. Sie genießen nun der ewigen Wonne täglich erneuten Kampfspieles. Daraus entwickelte sich die (präanimistisch gefärbte) Vorstellung vom lebendigen Weiterexistieren der Toten als wildes Heer oder wilde Jagd 3 4 ), wie auch die weitere von dem mit seinem Anführer in hohlem Berge schlafenden Kriegsheer und weiterhin von einzelnen Heeresgruppen, welche allmählich oder nur zu gewissen Zeiten sich immer wieder zum Kampfe erheben 37 ). In späterer Zeit gab es verschiedene Zaubermittel für den ins Feld ziehenden Krieger, um ihn vor den bevorstehenden Fährnissen zu schützen. In Schweden (17. Jh.) gab man ihm zu essen 38 ); mancherlei Segen wurden für ihn verfaßt 39 ); er wird „festgemacht", unverwundbar 40 ); Kriegsgebete 41 ), Kriegssegen werden ihm mitgegeben. Das ,,Nothemd" wird von zwei unschuldigen, noch nicht sieben Jahre alten Mädchen in der Christnacht gesponnen, gewebt und genäht. Auf der Brust zeigt es zwei Häupter, zu beiden Seiten je ein Kreuz u ) . Religiöse und magische Vorstellungen in unlösbarer Verkettung bestimmten Kriegstänze, fernerhin Kriegsschmuck 43), Kriegsmaske M ), Kriegsgeschrei, Kriegsbemalung, Kriegslieder 45 ), Kriegszauber **). *') K u h n Herabkunft 226; S c h w e n n Menschenopfer 142. » ) Jos. 6, 18 f. » ) Ebd. 8, 2. 3 °) S i m r o c k Myth. 176. 3 1 ) S c h w e n n Menschenopfer 199; S c h e l l Berg. Sagen 501 Nr. 15; J a h n Opfergebräuche 67 über Opferung von Kriegsgefangenen auch beim Opfer zu Hethra. 3 2 ) SimM xoc\LMyth. ) R . M . M e y e r Religgesch. 413. M ) S i m r o c k Myth. 176 f. » ) Ebd. 175 fl. 3«) E . H. M e y e r GermMyth. 240. 3 7 ) W o l f Beiträge 2, 152 ff. » ) H ö f l e r Weihnacht 23. 3») SAVk. 4l 21 (1917), 233. 40 ) K r o n f e l d Krieg 11. ) DG. 15, 195 f. " ) G r i m m Sagen 188 Nr. 254.

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) S i m r o c k Myth. 275. 44 ) A n d r e e Parallelen 2, 118. « ) B o c k e l Volkslieder L X I V . "> N i l s s o n Griech. Feste 403 ff.; E. H. M e y e r Myth. 253.

5. Die ungeheure Fülle von Kriegsvorzeichen 47), wie sie das Volk in mancherlei Begebenheiten48) erkennt, sind zum (geringeren) Teil rein rationale Konstatierungen oder psychologisch richtige Beobachtungen. Treiben die Schulknaben immer kriegerische Spiele 49)„ sind Ziegenfelle billig und die Käse teuer so), schlägt der Tambour besonders stark 5 1 ), spielen Kinder mit Steinen (hier könnte man freilich zweifelhaft sein, ob es sich nicht um einen sympathetischen Zauber handelt 5a )), so führt die allgemeine Aufregung oder Not voraussichtlich zum Krieg.

47 ) E . M. K r o n f e l d Der Krieg in Aberglauben und Volksglauben; Alemannia 15 (1887), 70. 48 ) K l i n g n e r Luther 99; W e h r h a n Kriegsvorbereitungen ZfrwVk 16, 48. 4> ) SAVk. 2, 2 2 1 ; G r i m m Myth. 2, 7 8 4 ' ; 3, 438 Nr. 106; ZfdMyth. 3, 310; D r e c h s l e r 1, 2 1 6 — 2 1 7 ; W u t t k e 208. 391 § 287; Urquell 3 (1892), 39. 50 ) SAVk. 2, 282. " ) K ü h n a u Sagen 1, 42. M ) ZfVk. 1 (1891). 189.

6. Oft werden aber irgendwelche a u s sergewöhnliche N a t u r e r e i g n i s s e als Kriegsvorzeichen gedeutet: so z. B. das Einfallen unbekannter Vögel 53 ), vieler Vögel Flug M ), das zweimalige Blühen eines Kirschbaumes85), übermäßige Fruchtbarkeit überhaupt M ), das Schreien der Elstern 57 ), das Auftreten von vielen Mäusen58), starke Röte auf den Bergen 69)„ am Himmel Morgenrot am Neujahr 61 )„ Verbrecherblut am 2. Januar 82), ein Nordlicht 83 ), das Wachsen von Galläpfeln 64), eine feurige Kugel am Himmel 85 ), wildes Lärmen in den Lüften, mag man es einem unbestimmten geisterhaften Kriegsheer 6S ), der wilden Jagd 87)K oder nur dem Wind 68) zuschreiben; ungewöhnlich starkes Wiehern und Schnauben von Rossen 69 ), zahlreiche Knabengeburten 70), Waldbruch 71 ), fremde Soldaten 72), Anschwellen von Wassern 73)„ schweres Herabhängen der Fahnen, die Erscheinung eines Kometen, Blütenregen, das Heulen der Wölfe, Luftspiegelungen 74 ); Sturm in den Internächten„ aber auch Sonnenschein in den Zwölften 75 ).

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M) G r o h m a n n 63; M ü l l e r Siebenbürgen 196 f. M ) P a n z e r Beitrag 1, 265. * 5 ) G r i m m M) Mythol. 2, 952; 3, 477 Nr. 1116. Meier 87 ) G r o h m a n n 68 ) Schwaben 1 XV/9. 67. E b d . 60. 8») S A V k . 19, 44. «») Heidelberg: Alemannia 33 (1905) 300; s. a. E i s e l Voigtland 259 ff. e l ) H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 284. * 2 ) K o h l r u s c h 339. 63 ) S ö b i l l o t Folk-Lore 1, 96. 64 ) G r i m m Mythol. 3, 471 Nr. 968. 66 ) SchwVk. 10, 35. 68 ) M ü l l e n h o f f Sagen 247 U r . 341; R e i s e r Allgäu 1, 297. *') S 6 b i l l o t Folk-Lore 1, 173; E . H. M e y e r GermMyth. 238; W u t t k e 19 § 17. 68 ) E . H. M e y e r Germ. Myth. 232, 238; S c h u l e n b u r g Volkstum 124. 69 ) G r o h m a n n 53; ders. Mäuse 31. 70 ) W u t t k e 71) 72) 212 § 296. J o h n Erzgebirge 244. 7S ) B i r l i n g e r " W u t t k e 226 § 323. Volksth. 1, 137. 74 ) M e y e r Aberglauben 137. 7 5 ) J o h n Erzgebirge 150.

7. K r i e g s z e i c h e n sind auch übernatürliche Erscheinungen; ein angeschnittenes Brot vergießt Blut 76 ). Der heilige See bei Lommatzsch, an dessen Ufern die heidnischen Daleminzier ihre politischen Beschlüsse faßten und ihre •Götter verehrten, ist mit Getreide bewachsen, solange der Friede währt. Krieg .zeigt er an durch Blut und Asche 77 ). Am Tage vor Ausbruch des deutschiranzösischen Krieges sah man am Himmel zwei Wolken in Gestalt gegeneinander kämpfender Krieger und ein lichtes Kreuz 78 ); ähnliches wurde im Mai und Juni 1870 im Spreewalde beobachtet79). •Zu Mildenau lief vor dem Einfall der Feinde ein gespenstisches Kalb laut blökend durch das Dorf 80 ). Eine Biene läßt sich vor dem Aufstand der Schweizer nach dem Sempacherlied auf des österreichischen Herzogs Schwerte nieder81). 7 6 ) M e i c h e Sagen 633 Nr. 779. 7 7 ) Ebd. 637 Hr. 788. 78> S c h e l l - B i j g . Sagen 160, 51. 7 ") S c h u l e n b ü r g Volkstum 167. 80) M e i c h e Sagen ¿ 4 Nr. 56. 8 1 ) L ü t o l f Sagen 358.

8. Auch g e s p e n s t e r h a f t e E r s c h e i n u n g e n , Gesichte und übernatürliches Geräusch weissagen Krieg: so das Erscheinen einer nackten männlichen Gestalt mit dem Schwert in der Hand, klagender Mädchenscharen82), das Erscheinen des Nachtraben 83), Drachen- M ) bzw. Drakenflug85). Ein halbes Jahr vor Beginn der Kriegsgreuel im Muottatal (1798—1800) hörte man dort fürchterliches Geheul und Kanonendonner und sah viele Wachtfeuer86), oder es wird

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berichtet, daß ein Kriegslager erscheint 87), man vernimmt Kriegslärm 88), die Zwerge ziehen aus 89 ); auf dem Begräbnisplatze der Schweden in einem Wäldchen bei Weckersdorf hört man Trommelschlagen90), anderswo Singen unter der Erde 91). Der Gerichtsstein fällt um 92); der Nicki im Heigraben bei Waldsassen in der Oberpfalz trommelt in der Mittagsstunde 93); der Wassermann regt sich 94 ); das Petermännchen zu Schwerin trägt statt seiner gewöhnlichen grauen Tracht rote oder schwarze Kleider 98 ). Vor dem siebenjährigen Krieg hörte man beim Erforschen der Zukunft in der Silvesternacht am Kreuzweg großes Wagenrasseln; Antreiben der Pferde 96 ). Krieg kommt, wenn sich die Waffen in den Zeughäusern von selbst bewegen 97). Als ein Sonderfall des allgemeinen Glaubens, daß der Auszug des wilden Heeres Krieg bedeute, sind die Sagen aufzufassen, wonach der Auszug des wilden Heeres aus dem Schnellerts98), das Hervorgehen der toten Helden aus dem Friedensberg bei Flensbug in Angeln, durch welches der dort errichtete Stein umgeworfen wird 99 ), das Erscheinen des Bissinger auf seinem Schimmel100), der Aus- 101 ) bzw. Umzug 102 ) des Rodensteiners103), der Zug der Unterbergsmännchen 104), der Auszug Kaiser Karls aus dem Donnersberg106) oder Untersberg 106) oder Odenberg1OT), als Vorzeichen des K.es aufgefaßt werden. 82 ) M ü l l e r Siebenbürgen 196 f. 83 ) Schamb a c h und M ü l l e r 69. 84 ) N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 62. 8S ) S t r a c k e r j a n 1, 328 Nr. 198. 86 ) L ü t o l f Sagen 129 f. 8 7 ) S t r a c k e r j a n 2, 283. 88 ) K o h l r u s c h S. 365. 89 ) Q u i t z m a n n Baiwaren 174. 80) G r o h m a n n Sagen 24. 8 1 ) B i r l i n g e r Volksth. 1. 238. 92 ) M ü l l e n h o f f Sagen 247 Nr. 340. S3 ) P a n z e r Beitrag 2, 80. M) 88 ) K u h n und S c h w a r t z 426 Nr. 205. Ebd. ®6) S c h u l e n b u r g W Volkstum 132. 97 ) M e y e r 98 ) Aberglaube S. 137. Panzer Beitrag 1, 195. •») W o l f Beiträge 2, 153. 10 °) 102) B a a d e r 151. 1 0 1 ) G o l t h e r Myth. 287. R a n k e Volkssagen 97, 276. 1 0 3 ) G r i m m Sagen 163 Nr. 169. 104 ) V e r n a l e k e n Alpensagen 64. 105 ) E . H. M e y e r GermMyth. 242. 10t) W o l f Beiträge 2, 153. 1 0 7 ) Ebd. 1, 59; 2, 99.

9. Zahllos sind die Kriegsweissagungen 1 0 8 ). Die „Harkbüre" z. B. soll die napoleonischen Kriege und die Revo-

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krimineller Aberglaube—Krippe

lution 1848 vorausgesagt haben 109 ), andere Weissagungen bezogen sich auf die Kriege 1864, 1866, 1870/71 110 ), nicht zuletzt wurde auf 1913 Krieg prophezeit 1 U ). Der dreißigjährige Krieg soll von einem wilden Männlein dem Kurfürst Johann Georg I. prophezeit worden sein 112 ), Belagerung und Einäscherung verkündet ein Aschenweibchen 11S ). Man erwartete Krieg, wenn im Pfennigstedter Felde ein rotes Haus gebaut würde 1 M ). Eine Prophezeiung, deren Erfüllung man durch die Schlacht am 31. VII. 1849 gegeben glaubt, bezieht sich auf eine Schlacht bei Schäßburg; wenn ein bestimmter Hollunderstrauch zum drittenmal ausschlägt 118 ). Das Motiv des ausschlagenden Baumes (allerdings gehört dazu auch das des ausziehenden Kaisers) 116 ), der erscheinenden Libussa 1 1 7 ), leitet zu den Weissagungen vom letzten Krieg über 118 ), welcher das Ende der Welt bedeutet. Diese Vorstellungen vom ersten und letzten Kriege 1 1 9 ), vom Krieg, welcher durch den Goldhunger in die Welt gekommen ist und das Ende der Welt herbeiführend eine Ära ewigen Friedens, wo Gold nur Spielzeug ist, einleitet, nach einer Zeit höchster Not und sittlicher Verwilderung, gehören zum moralischen unvergänglichen Schatz des Germanentums. Sie sind der völkerpsychologische Hintergrund noch zum englischen Schlagwort vom „War to End War". 108 ) Z. B. ZrwVk. 12, 65 ff.; 15, 131; 16, 48 f.; usw. ; Brandenburgia 1916, 161; Légendes, Prophéties et Superstitions de la Guerre, S A V k . 9, 14; ig, 209. 1 0 i ) M e y e r Baden 561. 110) G r a b i n s k i Sagen 57. l n ) D G . 13, 257. 1 1 2 ) M e i c h e Sagen 347 Nr. 451. 1 1 3 ) Ebd. 197 Nr. 266. 1 1 4 ) S t r a c k e r j a n 2, 304. 1 1 6 ) M ü l l e r Siebenbürgen 74. l l e ) V e r n a l e k e n Mythen 122. u 7 ) G r o h m a n n Sagen 50 fi. 1 1 8 ) Ebd. 60 ff. l u ) S i m r o c k Mythologie 149 ff.

10. K r i e g s k a s s e n und vergrabene Schätze. Der früher mit dem Kriege so eng verknüpfte Beutegedanke läßt die Phantasie 120 ) des Volkes sich jetzt mit Vorliebe m ) mit der Erbeutung von Kriegskassen, die oft ganz nach Art von verwunschenen Schätzen verschwinden 122 ), und der Auffindung 123 ) verborgener, vergrabener 124 ) Schätze beschäftigen.

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Auf praktische Erfahrung und richtige Erinnerung mögen auch manche der Erzählungen von in Kriegszeiten vergrabenen Schätzen 12S ) zurückgehen. Mit der Zeit wird es immer mehr der lebhafteste Wunsch des Kriegers, vom Kriegsdienst vollkommen befreit zu werden oder heil heim zu kommen 126), ein Zweck, dem zahlreiche Praktiken dienstbar gemacht wurden 127 ). 120 ) S c h e l l Berg. Sagen 377 16. lal) Knoop Schatzsagen 24 f. m ) K ü h n a u Sagen 3, 679. 1 2 3 ) Ebd. 3, 582. 1 2 4 ) M e i c h e Sagen 7 1 7 Nr. 888; 746 Nr. 915. 126 ) K ü h n a u Sagen 3, 690 ff. 1 2 6 ) L a r s e n Der Mensch, der Krieg Mitt. Verb, d. Ver. f. V k . N r . 9 (1909) 3; U. B u n z e l Kriegsaberglauben MschlesVk. 20 (1918), 41 ff.; A . W e r m i g h o f f Bibliographie des Kriegs- und Soldatenaberglaubens A R w 19, 541; Kulturgeschichte des Krieges (ANuG. 561); Brandenburgia 1916, 166. m ) W u t t k e 454 § 719.

M. Beth.

krimineller Verbrecher.

Aberglaube s.

Recht,

Krimskrams s. Kribskrabs. Kriemhild, die Schwester der drei Burgundenfürsten im Nibelungenliede, nach der Zürcher Sage eine Hexe, die am Türlersee wohnte und durch Abgraben des Sees die Einwohner von Hefferswil, die sie geärgert hatten, zu schädigen suchte 1 ). Die Sage knüpft sich an den Flurnamen „ K r i e m h i l t e g r a b e n " , der, wie Kriemhiltenstein, -berg, -spiel, auch anderwärts vorkommt 2 ). V e r n a l e k e n Alpensagen 25. 2 ) G r i m m Myth. 1, 307 u. A . 3. Hoffmann-Krayer.

Krippe. Das Wort und die Sache waren den Germanen sicher schon bekannt. Doch handelte es sich dabei nicht um die heutige Form des holzgezimmerten Krippentroges, sondern um einen geflochtenen Futterkorb, wie wir ihn auf mittelalterlichen und auch auf späteren Darstellungen der Weihnachtskrippe noch durchaus sehen können x ). Das Wort (ags. cribb, ahd. krippa, schwed. krubba u. kripfa) hängt wahrscheinlich mit mhd. krebe-, Korb, zusammen und geht auf eine germanische W u r z e l t e t (flechten) zurück, von der auch mhd. kerve (Fischreuse) abzuleiten ist 2 ). Dazu stimmen sehr gut die Wörter kripp und kripf, die im

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Kristall

15. Jh. für Hürde, Pferch u. dgl. verwendet werden, ebenso die in Österreich noch heute so genannte „Kohlkrippen" (der geflochtene Wagenbehälter für Holzkohlen) 3) und endlich engl, crib, niederl. krib und oberpfälzisch krippl für Wiegen und Kinderbettchen4). In den wenigen Beziehungen des deutschen Volksglaubens zur K. handelt es sich einerseits um das betreffende Viehund Stallgerät (vgl. daher auch „Stall" und „Vieh") und andererseits um die K. des Christkindleins (vgl. „Weihnachtskrippe" und „Wiege"). Der Zusammenhang mit der Sorge um das Vieh wird besonders klar aus dem mehrfach bezeugten Brauch, die verkohlten NotfeuerBrände in die K. u. Futterraufen der Viehställe einzulegen, um dadurch das Vieh vor Seuchen zu bewahren s ). Ebenso gehört hieher der folgende Brauch aus dem Lechrain: „Wenn das Vieh verhext ist, bohrt man in den Barn (Futterkr.) mit einem Einbohrer, der in einer ungraden Stund verfertigt worden, Löcher, welche mit drei Bröseln Osterbrod, drei geweihten Palmkatzeln, zwei Johanneshänden, einem Benediktuspfennig und geweihtem Ostersalz, alles in einem Haderl (= Tuchflecklein) zusammengebunden, ausgefüllt werden und stöpselt das Ganze mit einem Pfropfen von Elsenbeerholz, darein drei Kreuze geschnitten sind, im Namen der hl. Dreifaltigkeit zu. Das muß an einem Freitag geschehen, und das Eisenbeerholz muß an einem goldenen Sonntag vor Sonnenaufgang in drei Schnitten, gegen Morgen gewendet, geschnitten werden, ohne An- und Widergang" 6). Ebenso legt man in Bayern Gründonnerstagseier in die Vieh-K., um das Vieh vor Unheil zu bewahren 7). Dagegen spielt wohl schon die Weihnachtsk. mit herein, wenn bei den Mönchgutern auf Rügen in der Neujahrsnacht die Knechte zuweilen in den Pferdek. schlafen, um die Zukunft zu erträumen8). Ganz klar ist der Zusammenhang mit der heiligen K., wenn in Reutlingen (Schwaben) der Glaube bezeugt war, daß man bei Kopfschmerzen mit dem rechten Fuß. in eine Stallk.

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treten, den Kopf mit beiden Händen vorne und hinten halten und dazu sprechen müsse: „In die K. tret ich, das Hauptgeschoß heb ich, niemand ist der mir helfen kann, als der Mann, der in der Krippe seine Ruhe fand. Im Namen usw." 9). *) So z. B. noch bei der Weihnachtsdarstellung in „Unser lieben Frauen Leben" von Albrecht Dürer, wo die Krippe geradezu als Korb gezeichnet erscheint. Selbst die im Jahre 1756 vollendete berühmte obersteirische Weihnachts-Krippe von Thaddäus Stammel im Stift Admont zeigt noch den geflochtenen Krippenkorb. ( R i n g l e r Deutsche Weihnachtskrippen, Innsbruck 1929, Abb. 16 u. 17). 2 ) F a l k u. T o r p Elym. Wb. 1, 585. 3 ) G r i m m DWb. 5, 2322. 4 ) Ebd. 5, 2323. 6 ) Z e d i e r 24 (1740), Sp. 1427 u. F r e u d e n t h a l Feuer 209 u. 5 1 5 ff. *) L e o p r e c h t i n g Lechrain 28 f. 7 ) C. H a b e r land im Globus 34, 60; P a n z e r Beitrag 2, 212 u. L e o p r e c h t i n g Lechrain 171 u. 1 7 5 . 8 ) Globus 18 (1870), 107. ' ) Meier Schwaben 2, 516 Nr. 453. v. Geramb.

Kristall. Griech. xpüstaXXoc = Eis, erst später auf den ebenso durchsichtigen Bergkristall übertragen, lat. crystallum, ahd. christalla, mhd. kristalle, kristall 1 ). Im Altertum glaubte man, der Kristall sei aus Eis entstanden, das im Laufe der Zeit erhärtete. Das Mittelalter übernahm diese Anschauung, obgleich bereits damals darauf hingewiesen wurde, daß der Stein sich auch in Ländern finde, die von Frost und Eis niemals berührt würden. Wie der Beryll diente auch der Kristall als Brennspiegel zum Entzünden von Zunder und zum Hervorrufen des Osterfeuers *). Bis heute gilt der glitzernde Kristall als Schutzmittel gegen Beschreien und Hexerei 3 ). Er gehört deshalb zu den Schrecksteinen 4). Bei Staricius und Zedier führt er den Namen „Schwindelstein"; er sollte nämlich vor Schwindelanfällen schützen, wenn man ihn auf dem bloßen Leibe trug 6 ). Zedier führt auch eine Reihe von Krankheiten an (Ruhr, Bruch, Mutterfluß u. a.), bei denen Kristallpulver innerlich verwendet wurde 8). Ein in Silber gefaßter Kristall wurde früher Kindern umgehängt, um bei Zahnschmerzen kühlend zu wirken 7 ). >) S c h r ä d e r Reallex1, 212. 2 ) Plin. «. h. 17 § 2 3 ff.; M e g e n b e r g Buch d. Natur 379; L o n i c e r 6 1 ; B. v. R e g e n s b u r g (Pfeiffer-Strobl)

Kristallomantie

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1, 437, 8; S c h a d e 1 3 8 5 ! ; A. K ü h n m.subt. 8, 19; Kopp Geschichte d. Chemie 3, 253 f.; Grimm Myth. 1, 513 1 . 3 ) J a h n Opfergebräuche 129f.; S e l i g m a n n 2, 28; vgl. K l i n g n e r Luther 127 1 . 4 ) ZföVk. 13 (1907), 1 1 3 ; AndreeE y s n 139. B ) S c h w e n k f e l d t catalogus 1, 376; Zedier 36, 513; S t a r i c i u s Heldenschatz (1706), 480 Nr. 13; S c h i n d l e r Aberglauben 159; vgl. ARw. 15, 146 (Palästina). «) Zedier a. a. O.; Höhn Volksheilkunde 1, 125; Megenberg a.a.O. ' ) S c h w e n k f e l d t a. a. O.; Hellwig Kalender 64 f. u. Lexik. 44; Frauenzimmerlexikon 397.

Im Zauberwesen des Mittelalters spielte das K . s e h e n eine große Rolle. Besonders veranlagte Menschen, Hexen, Zauberer behaupteten, in einer Kristallkugel, einem Kristallspiegel, das Künftige und Vergangene zu erblicken und auch bei ihnen Rat suchende Menschen es schauen zu lassen 8 ). So offenbarte z. B. die Kristallkugel den Dieb einer Sache 9 ). Das Kristallsehen ist wahrscheinlich auf gelehrtem Wege, etwa durch Beichtspiegel, in den deutschen Volksglauben eingedrungen. Von der Kirche wurde es verboten und hart als Zauberei bestraft 10 ). Paracelsus wendet sich wiederholt gegen die mit Kristallen und Beryllen getriebene Schwarzkunst, Erscheinungen hervorzurufen u ) . Auch Luther hat keine schwarze Kunst so scharf bekämpft wie den Unfug des Kristallsehens12). Prozeßakten gewähren noch einen Einblick in den weitverbreiteten Aberglauben, in das Treiben der gewinnsüchtigen Betrüger 13 ). In Märchen und Sagen begegnet uns das Kristallsehen wiederholt u ) . Romantiker haben es in phantastischen Erzählungen verwendet1S). Es wird erwähnt in Goethes Faust (Osterspaziergang), spielt eine Rolle in Hebbels Genoveva (IV, 6) und in Ludwigs Fragment „Der Engel von Augsburg". Neuerdings versucht man das Kristallsehen als hypnotischen Zustand zu erklären, wobei unbewußte Vorstellungen im Bewußtsein auftauchen 16 ). 8 ) Meyer Aberglaube 285 u. 283; S c h i n d l e r Aberglauben 253; G r a b i n s k i Mystik 202 f.; Huss Aberglauben 23 Nr. 2 (32); Zedier 5, 2291; Grimm DWb. 2482=; R o c h h o l z Sagen 2, 150; K i e s e w e t t e r Faust 386 f.; ZdVfV. 5 (1895), 286 f. u. 7 (1897), 190. 9 ) Andree Braunschweig 249; vgl. K ü h n a u Sagen 3, 258 Nr. 1619 u. F r a n z Benediktionen 1, 469 u. 2,

Bächtold-Stäubli,

Aberglaube V

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492. 10 ) MschlesVk. 21 (1919), 82 f.; Grimm Myth. 3, 431 c. 90/91; P a n z e r Beitr. 2, 270; ZdVfVk. 23 (1913). 934- u ) P a r a c e l s u s 155. 1 2 ) K l i n g n e r Luther 70 u. 134. l 3 ) ZfdMyth. 1 (1853), 272 u. 275 f. u ) Grimm Sagen Nr. 110; Meiche Sagen 490 Nr. 636; H a u p t Lausitz 1, 181 Nr. 215; K l a p p e r Schlesien 254; W o l f Niederländ. Sagen 378 Nr. 295. 1 5 ) MschlesVk. 12 (1910), I 3 i s u. 23 (1922), 80. 1 6 ) L e h m a n n Aberglaube 447 ff. 451. 434.

Die ausgedehnten Kristallhöhlen der Hochalpen führten zu dem Aberglauben, daß dort unten leuchtende Kristallpaläste wären; der blitzende Kristall, sein säulenartiger Aufbau wirkten dabei mit 17 ). In Kristallgrotten wohnen nach dem Mythus die Zwerge und die Saligen Fräulein, in Kristallpalästen Laurin, Feen und Elfen; Zwerge schmieden den Kristall (als Waffe für Donar? vgl. Blitzstein 18 )) usw. In E. T. A. Hoffmanns „Bergwerk von Falun" funkeln in der Tiefe die flimmernden Kristalle (Ausg. Hesse 6, 174 f.). K l u g e Hdb. d. Edelsteinkunde 372. S i m r o c k Myth. 446; M a n n h a r d t Germ. Myth. 455 3 u. 452 1 ; H e y l Tirol 639 Nr. 105; K o h l r u s c h Sagen 22; Sepp Sagen 6. 644. 648; VernalekenJWyiAeM4f.u 12ff.u.a. fOlbrich. l8)

17)

Kristallomantie. Wahrsagung vermittelst eines Kristalls (griech. xpuütotXXo?). Die Bezeichnung ist für die Antike nicht belegt, sondern eine der zahlreichen Neubildungen des ausgehenden Mittelalters. Auch von einer Ausübung der K. im Altertum wird nichts berichtet 1 ), dagegen spielt die K. seit dem ausgehenden Mittelalter bis heute in der Mantik eine nicht imbedeutende Rolle. Sie gehört zu der Gruppe jener mantischen Methoden, die angewendet werden, um aus wirklichen oder vorgestellten Erscheinungen auf einer spiegelnden Fläche (Wasser, Spiegel, Becken, Fingernagel, Schwertklinge u. a. m.), z. T. auch unter Hinzutreten akustischer Phänomene, die Zukunft zu deuten, vergangene oder entfernte Vorgänge zu schauen, den Ort verborgener Dinge oder den Urheber dunkler Taten festzustellen, vgl. Hydro-, Katoptro-, Lekano-, Gastro-, Onychomantie. Zusammen mit diesen anderen Formen der Spiegelwahrsagung im weitesten Sinne wird die K. in kirchlichen Verboten des Mittelalters gelegent19

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Kristallomantie

lieh genannt 2 ); genauer unterrichtet sind wir erst seit dem 15. Jh. Angesichts der engen Verwandtschaft der K. mit den anderen Spiegelwahrsagungen legen die Beschreibungen, besonders die älteren, nicht selten keinen besonderen Wert auf nähere Angaben über Art und Gestalt des verwendeten Steines: Spiegel, mit Wasser gefüllte Flaschen oder Becken können an die Stelle des Kristalls treten, ohne daß sich das Ritual und der Erfolg wesentlich ändern. Auch wird in den Beschreibungen oft kein Unterschied zwischen der K . und den verwandten Methoden gemacht. Wo ausdrücklich von einem Kristall die Rede ist, hat man wohl an einen Bergkristall zu denken, der auch von manchen modernen Kristallsehern gefordert wird 3 ). Der Kristall muß tadellos klar und blank poliert sein 4), zur Verstärkung der Glätte wird er auch mit ö l eingerieben 5 ). An Gestalt ist er entweder kugelförmig oder zylindrisch oder prismatisch 6). Auch von gemmenartigen Kristallen, die in einen Fingerring gefaßt sind, wird berichtet 7 ). Neben dem Bergkristall wird auch der Beryll (s.d.) verwendet 8 ); P a r a c e l s u s nennt ihn wiederholt neben dem Bergkristall und faßt die gesamten Spiegelwahrsagungen unter dem Begriff Berillistica, ihrerseits einer Untergruppe der Nigromantie, zusammen 9 ); vereinzelt wird auch der Jaspis zur K . verwendet 10 ). Der Shew-stone des berühmten Kristallsehers John Dee (1527—1608) u ) soll aus glänzender schottischer Steinkohle bestanden haben 1 2 ); auch Paracelsus nennt Kohlen neben Spiegeln, Beryllen usw. als Erscheinungsort der Geister 13 ). Natürlich konnten als Ersatz für echte Kristalle auch Glaskugeln oder kuglige, mit Wasser gefüllte Gläser eintreten, wie sie bei der Gastromantie (s. d.), die ihren Namen davon hat, verwendet wurden 14 ). Im 70. Kapitel von „Fausts Höllenzwang" beschreibt Mephistopheles die Herstellung solcher künstlicher Kristalle: Faust soll an einem Dienstag in der Stunde des Mars zu einem Glasbrenner gehen und das Gewünschte in Auftrag geben. Er kann sich einen Kristall in Gestalt eines Uringlases

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oder eines Steines bestellen, muß aber jeden dafür verlangten Preis zahlen. Auch muß das Kunstprodukt, um Zauberkräfte zu bekommen, zunächst wie der Erdspiegel (s. d.) in einem Grabe eingegraben werden. Ein zweites Rezept in dem gleichen Kapitel schreibt vor, daß ein gekauftes Kristallglas 3 Wochen lang in das Taufwasser eines erstgeborenen Knaben gelegt werde. Dann gießt man unter Verlesung des 6. Kapitels der Offenbarung Johannis das Wasser auf einem Kirchhof aus und läßt noch einen christlich gefärbten Segensspruch folgen 1S ). Die moderne K. bedient sich der verschiedensten spiegelnden Gegenstände, z. B. gläserner Briefbeschwerer, versilberter Christbaumkugeln, Glaslinsen u. a. m. 1 6 ). Die Befragung des Kristalls geht unter einem mehr oder weniger reichhaltigen Ritual vor sich. Der Kristall wird nach H a r t l i e b s Angabe geweiht 17 ). Eine solche Weihung durch einen Priester war möglich, da bekanntlich gewisse Edelsteine zu Heilzwecken benediziert werden durften, wogegen jede „abergläubische" Verwendung von der Kirche abgelehnt wurde 18 ). Möglich war es natürlich auch, eine solche Weihung des Kristalls zu erschleichen, indem man ihn irgendwie bei einer kirchlichen Benediktion einschmuggelte oder mit zur Messe nahm 19 ). Er wird sorgfältig, wie ein Heiligtum, aufbewahrt, in Tücher gehüllt 20 ) oder in einem Futteral verwahrt 21 ), Weihrauch und Myrrhen werden dazugelegt 22). John Dee (s. o.), der mit mehreren größeren und kleineren Kristallen arbeitete, errichtete ein vor profanen Blicken geschütztes Allerheiligstes mit einem „heiligen Tisch", auf den das auf ein goldenes Untergestell montierte Kleinod 23 ) gesetzt wurde, mit Vorhängen, Leuchtern usw. Der Gebrauch von Lichtern mag — neben den angeblich dargebrachten Rauchopfern — für Hartlieb ein Grund gewesen sein, die K. der Pyromantie zuzuweisen 24). Auch die moderne K. empfiehlt die Verwendung von Kerzen 25), doch wird die Praxis je nach Veranlagung der Medien in dieser Hinsicht verschieden gehandhabt 2S). Die Wahl bestimmter Zeiten

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Kristallomantie

und Räume sowie die Beobachtung gewisser Reinheits- und Kleidungsvorschriften und die Darbringung von Rauchopfern wird nur von Hartlieb bezeugt: „Wann sy die kunst. treiben wollen, so wartten sy vff gar ainen schön tag oder haben ain rain gemach vnd darynn gar vil geweichter kertzen. die maister gänd dann gen bad vnd nemen dann das rain chind mit jn vnd beclaiden sich dann jn raines weiss gewandt vnd sitzen nider vnd sprechen jr zauber bätt vnd prennen dann jr zauberopffer . . ." 27 ). Daß sich gleichwohl die charlatanistischen Großmeister der K . solche zeremoniösen Verbrämungen, besonders was die Kleidung betrifft, selten haben entgehen lassen, ist wohl anzunehmen; auch hierfür sei auf die Anm. 23 angeführte Szene in Goethes Groß-Kophta verwiesen. Im Gegensatz zu anderen Divinationen, deren kunstmäßige und zeremoniöse Brauchform ein abgekürztes und vergröbertes Gegenbild im Volksbrauch hat, ist die K . der älteren Berichte fast ausschließlich in der Hand mehr oder weniger zünftiger Magier und kann nicht ohne deren Vermittlung vom gemeinen Mann betrieben werden. Fast in allen Fällen bedienen sich diese „Meister" der Hilfe von Medien. A m geeignetsten hierfür sind, wie bereits im Altertum und dann im Mittelalter bei zahlreichen anderen Wahrsagemethoden, unschuldige Kinder, Mädchen und besonders Knaben, daneben auch Schwangere 28 ). Die Rolle, die das kindliche Medium bei der K . spielt, wird von Hartlieb anschaulich beschrieben 2 9 ): Der Meister flüstert dem Knaben „verporgen wort" ins Ohr und läßt ihn dann auf den Kristall blicken. „Darnach fragen sy den knaben, ob er jcht seh ainen engel, wann der knab spricht ja, so frägen sy jn, was varb er an hab". Ist nun der Engel rot gekleidet, so ist er zornig, Opfer und Gebete müssen verstärkt werden, ebenso wenn etwa ein schwarzer Engel erscheint. Erst ein weißgekleideter ist von günstiger Bedeutung. Der Meister fragt dann, was der Engel in der Hand habe. „ E r frägt jn also lang, bis er spricht, jch sech ain zedel jn des engels hand, so

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frägt er dann so lang, bis er sieht püchstaben". Aus diesen Buchstaben setzt dann der Meister Worte zusammen, die die Antwort auf die Anfrage enthalten. In der heutigen K . scheinen, wie überhaupt, weibliche Medien bevorzugt zu werden. Aus Hartliebs Schilderung geht deutlich hervor, daß die zeitgenössischen Meister der K . ein christliches Mäntelchen umhängten. Die dem Knaben ins Ohr geflüsterten Worte „süllen vast hailig sein"; Hartlieb, der an einer früheren Stelle bei Schilderung der Onychomantie wenigstens eins der Zauberworte (Oriel) mitgeteilt und die anderen „von ergrung wegen" 30 ) verschwiegen hat, beschränkt sich hier auf die Behauptung: „die wort sind tewfflisch", wie er ja überhaupt die gesamte Wahrsagerei als verbotene Kunst und Teufelsdienst hinzustellen bemüht ist 3 1 ). Auch sonst ist an Zauberworten und dgl. wenig überliefert, woraus natürlich nicht zu schließen ist, daß dergleichen nicht im Gebrauch w a r 3 2 ) . Das Rezept im 72. Kapitel von „Fausts Höllenzwang" ^ ist gleichfalls christlich gefärbt. Es schreibt vor, daß der Kristallseher sich unmittelbar nach Sonnenaufgang nach Osten wendet, mit Olivenöl ein Kreuz auf dem Kristall macht und darunter die Worte „Sancta Helena" schreibt. Dann muß er hinter dem Knaben, der den Kristall in der rechten Hand hält, niederknien und dreimal „mit großer Andacht und Ehrerbietigkeit" ein Gebet an die hl. Helena 34 ) sprechen, in dem diese angefleht wird, ihm in dem Kristall zu zeigen, was er wissen will. Auch hier erscheint dann ein Engel und gibt Antwort. Auch der ländliche „weise Mann", der mit einem Kristall Pferdekrankheiten heilt, schreibt vor, man solle dabei den Segen sprechen: „Wie unser Herr Christus am Kreuz stand, so soll auch die Schwachheit stillstehen"35).. Bemerkenswert ist Hartliebs Angabe (s. Anm. 3 1 ) , daß die beschworenen Geister, wie bei Zauberhandlungen üblich, nach Beendigung der Befragung mit „groß hätten vnd beswerung" verabschiedet wurden. Darüber, wie sich die Visionen in dem 19*

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Kristallomantie

Kristall darstellten, lauten die Berichte sehr verschieden. Häufig sprechen sie sehr allgemein von Figuren oder Zeichen, die erscheinen38); doch auch davon, daß man deutlich abgebildet sieht, wonach man gefragt hat 3 7 ), daß das Medium einen entfernteren Vorgang sich abspielen sieht 38), „vil gesicht, was über etlich meil geschieht" 39 ), auch ferne örtlichkeiten; so heißt es von einem kindlichen Medium einmal in Luthers Tischreden: „Ich seh ein stad oder schlos, es ist abr ein großer dampf odr nebel darumb, daß ich die spitzen nicht kan sehen" Wenn es sich, was sehr oft der Fall ist, um die Aufklärung eines Diebstahls handelt, so erscheint bisweilen der Dieb selbst im Kristall tt). Sehr oft diente auch die K . zur Aufspürung verborgener Schätze 4i ). Auch Mordtaten glaubte man mit Hilfe der K . aufdecken wie auch vorhersagen zu können 43 ). In Liebesangelegenheiten bediente man sich gleichfalls der K . ebenso bei Krankheit und Bezauberung 45) und zu politischen Zwecken 48). Ganz vereinzelt steht der in der Zimmernschen Chronik mitgeteilte Fall, daß durch K . die unterirdische Beschädigung einer Zisterne festgestellt wurde 47 ). Ähnlich, wie in Hartliebs Schilderung ein Engel im Kristall erscheint und die Prophezeiung vermittelt, so erscheint nach einer anderen Schilderung dem Medium ein schwarzer Mann und zeigt ihm den Dieb 48). An dieser Stelle wird auch behauptet, daß die Erscheinimg Antworten auf die an sie gerichteten Fragen gebe. Akustische Phänomene (Klopftöne und dgl.) stellten sich angeblich auch bei den ersten Versuchen des John Dee ein 49). Sonst werden Geräusche in den älteren Beschreibungen der K . nicht erwähnt, während sie für die verwandte Form der Lekanomantie (s. d.) typisch sind. Eine jenem schwarzenMann verwandte Erscheinung spielt auch in einer öfters nacherzählten Schilderung des Joachim C a m e r a r i u s eine Rolle M ), der sich auf den wahrheitsgetreuen Bericht des bekannten Nürnberger Reformators Lazarus S p e n g l e r (1479—1534) beruft. Zu diesem kam ein (nicht mit Namen genannter) vornehmer Nürnberger, der

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ihm erzählte, daß er einen runden Kristall (gemma crystallina rotunda) besitze, den er vor 3 Jahren von einem Unbekannten als Gegengabe für gastliche Aufnahme erhalten habe, und zwar mit der Weisung, er solle ihn, wenn er etwas wissen wolle, durch Vermittlung eines reinen Knaben befragen. Er habe auf diese Weise vieles erfahren, ohne Medium sei nichts zu sehen gewesen; seine Frau habe jedoch auch die Erscheinungen im Kristall wahrgenommen, als sie mit einem Knaben schwanger ging. Es sei immer ein Männchen mit einer Kappe (offenbar handelte es sich um die bei humanistischen Gelehrten beliebte Kappe mit herabhängenden Ohrenklappen) erschienen. In welcher Weise das Männchen seine Auskünfte gab, ob durch Worte oder Zeichen, wird nicht deutlich gesagt, nicht ganz klar ist auch die Angabe, man habe es oft auf den Straßen oder in Kirchen gesehen (tatsächlich oder nur in der Kristallvision?). Jedenfalls sei das Männlein in der Stadt in den Ruf gekommen, daß es alle Geheimnisse entdecken könne; selbst in wissenschaftlichen Fragen hätten die Gelehrten seine Entscheidung angerufen. Schließlich sei ihm, dem Besitzer, die Sache aber doch nicht recht geheuer gewesen, daher schenkt er ihn Spengler, der ihn in tausend Stücke zertrümmert und samt dem seidenen Tuch, in das er eingehüllt war, in den Abort wirft. Er bewahrte sich dadurch vor einem Schicksal, wie es einem Erfurter Zauberer beschieden war, der vom Teufel einen wahrsagenden Kristall bekam und so zu Reichtum und Berühmtheit gelangte. Als er jedoch einmal jemanden fälschlich des Diebstahls bezichtigte, wurde er gefangen genommen und verbrannt 51 ). Gleichfalls in Nürnberg soll im Jahre 1530 ein Priester bei dem Versuch, einen ihm vom Teufel im Kristall gezeigten Schatz zu heben, durch einen schwarzen Hund erschreckt und von einer einstürzenden Mauer verschüttet worden sein 62 ). Interessant sind die Angaben aus einem hessischen Hexenmeisterprozeß tun 1630, da sie auf die Ausübung der K . im Landvolk und beim kleinen Mann ein Licht werfen 63 ). Der ange-

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klagte „Zauberer", der von einem als In den Besitz des Kristalles kommt man „weiser Mann" bezeichneten Schmied durch den Teufel. So bemerkt Luther in einen Kristall bekommen hatte, mit dem der Erzählung von dem Erfurter Zauberer (s. Anm. 51), daß diesem, als es ihm noch er Pferdekrankheiten heilte (s. Anm. 35 und 45), sagte zunächst aus, der Kristall jämmerlich ging, der Teufel „visibili „seie nur ein schwindelsteingen, sehe nicht specie" erschienen sei und ihm große Verdarein, wenn ihne iemandts umb rat sprechungen gemacht habe, wenn er der frage". Später gab er zu, „in dem stein Taufe und der Erlösung durch Jesus seie ein schwarz dingeigen, das zittere, Christus abschwöre; er habe daraufhin daraus könne er sehen, was dem vieh einen Vertrag mit dem Satan gemacht. fehle". Als er, rückfällig geworden, Als dieser sich später nicht an die Abwiederum vernommen wurde, sagte er aus, machung hielt und zuließ, daß der Mann in dem Kristall „were etwas wie ein festgenommen wurde, trug der bußfliegeigen gewesen, so ein schwantz, auch fertige Magier kein Bedenken, in der ein anzliz wie ein mensch, hend und füß Beichte alles zu enthüllen, was ihn zwar gehabt und drin gewispeit". Wenn er nicht vor dem Feuertode bewahrte, ihm den Kristall bei sich hatte, erkannte er aber doch eine gewisse Anerkennung eindie Zauberinnen des Dorfes daran, daß trug. „Also", so schließt die Notiz in den sie beim Kirchgang Milchzuber auf dem Tischreden, „hat sich der Teufel in seyne Kopfe hatten. „Das steingen were in eigene Kunst beschissen et revelatus est seiner hand herumb gelaufen und wenn in consiliis suis". Auch der Unbekannte, es stillgestanden, habe es gezeiget, wo der dem Freunde Spenglers den Kristall eines oder das andere gewesen". Man schenkte (s. Anm. 50), war wohl der sieht deutlich, wie sich hier verschiedene Teufel oder ein von diesem Beauftragter. abergläubische Elemente anderer Art ein- Der Teufel ist auch der Urheber der Ermischen, so z. B. die Vorstellung vom scheinungen im Kristall. Luther sagt in Spiritus familiaris in Fliegengestalt, das seiner Predigt über den Dekalog aushellsichtige Erkennen von Hexen, die drücklich, die K. sei „prestigium diaboli mantische Verwendung sich drehender figuras fingentis in cristallis, quantum Körper. Der Angeklagte wurde im Jahre sibi permittitur. Non enim semper nec 1632 hingerichtet, jedoch nicht wegen der coram omnibus id potest, ut compertum K., sondern wegen seiner eingestandenen est"«®). Ähnlich urteilt Hans Sachs 67 ): „So ist der christallen gesicht lauter geAufenthalte im Venusberg. Die hier gegebene Übersicht über die spenst teuffels gedieht". Die im Kristalle 68 Anwendung der K . zeigt, daß es sich erscheinenden Gestalten sind Dämonen ), keineswegs um Mantik im engeren Sinne, also Abgesandte des Teufels oder der d. h. Zukunftserkundung, sondern auch Teufel selbst, der darin seine „Guglfur" 89 um eine „rückwärts gewendete Wahr- treibt ), die Kunst des Zauberers besteht darin, die Geister in den Kristall zu sagung" handelte. Man erforschte mit bannen wie in einen Zauberkreiseo). ihr in der Tat „verborgene geschehene ding oder auch zukünftige begegnüsEin Versuch, die K. auf natürlichem sen" 64). Wege zu erklären, findet sich in älterer Bereits die ältesten Erwähnungen der Zeit nur einmal bei Paracelsus: „beK. (s. o. Anm. 2) verwerfen sie vom schweren ist nichts anders, dann ein ding kirchlichen Standpunkt aus als Zauber- recht mercken, wissen und verstehen, werk. Mochte in der offiziellen Klassi- was das ist. Crystall ist ein Figur des fizierung der Divinationen die K. auch Luffts, darinn alles, das im Lufft bewegals „divinatio sine invocatione expressa" lich oder unbeweglich gesehen wirdt, das oder „cum invocatione tacita" 65) gelten, erscheint auch in eim Spiegel, in Cryso wird sie doch bis ins 18. Jh. hinein stallen und Wassern. Dann Lufft, Wasser unmittelbar mit dem Teufel oder den vnd Crystallen muß zum Gesicht für bösen Geistern in Verbindung gebracht. Einss gelten, als ein Spiegel, darinn man

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die Replica verkehrlich sihet" 41). Gleichwohl rechnet Paracelsus an anderer Stelle die K. zur Nekromantie 62) und bezeichnet die „Cristallisten" zusammen mit Auguristen, Divinatoren usw. ebenso wie Wieras als „Magier" ®3). Wenn hier K. fast mit Wahrsagerei schlechthin zusammenfällt, so entspricht dies der geltenden Auffassung, die von Hexen, Zauberern, weisen Männern und Frauen ohne weiteres annahm, daß sie sich auch mit dieser Kunst befaßten M ). Von Späteren gab eine natürliche Erklärung John Webster 65), der die Aussagen der Medien als bloße Einfälle oder auch als verabredete Schwindeleien erklärte, wie man auch sonst im 17. und vollends im 18. Jh. vielfach doch schon geneigt war, in der K. eine bloße Betrügerei zu sehen *'). Unter dem Einfluß der kirchlichen Brandmarkung der K. als einer Teufelskunst 67) wurde ihre Ausübung von den weltlichen Behörden schwer bestraft. Nach einer hessischen Strafordnung vom Jahre 1572 wurden die „Crystallenseher und Weissager am Leib und Leben ohne alle Barmherzigkeit abgestraft, desgleichen diejenige, welche sich solchen Dingen anhängig machen und zu den Wahrsagern und Crystallensehern lauffen und Rath bey ihnen suchen, sollen in Haft gebracht und ein Leib und Gut nach Gelegenheit der Verfahrung gestraft werden" 68). In Sachsen wurden nach einer Nachricht vom Jahre 1706 Leute, die „durch Crystall und Spiegel sehen", als Zauberer mit dem Schwert hingerichtet6®). Ohne Zweifel wird in zahlreichen Prozessen gegen Hexen und Zauberer der Nachweis der K. strafverstärkend gewirkt haben. Und noch im Jahre 1909 wurde eine Zigeunerin bestraft, weil sie Geld für Befragung des Kristalls genommen hatte 70); im allgemeinen freilich kennen die heutigen gewerbsmäßigen Vertreter und Vertreterinnen der K., die Mittel und Wege, sich der gerichtlichen Bestrafung zu entziehen. Ihre wissenschaftliche Erklärung fanden die der K. zugrunde liegenden psychologischen Vorgänge in der Erforschung der Hypnose. Für die Hervorbringung

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des hypnotischen Zustandes ist das scharfe Ansehen von glänzenden Gegenständen bekanntlich von großer Bedeutung. James Braid (1795—1860) stellte als erster diese Zusammenhänge fest 71 ) und schuf so die Möglichkeit einer objektiven Erklärung der K. Beim Fixieren eines Kristalls oder einer anderen spiegelnden oder blanken Fläche scheinen sich bei geeigneten Personen Halluzinationen vorzugsweise in dem Übergangsstadium vom Wachsein zum eigentlichen hypnotischen Zustand einzustellen 72). Die beste Übersicht über die K. im Rahmen der heutigen psychologischen und okkultistischen Forschung mit einer Reihe von höchst interessanten, in Einzelheiten nicht selten an die Schilderungen des 15. und 16. Jh.s erinnernden Versuchsberichten, geben die Aufsätze von Miß GoodrichFreer und W. H. Myers n ). Daß neben dieser wissenschaftlichen Erforschimg der Kristallvisionen die alte K. mit ihrem magischen Zeremoniell besonders von großstädtischen Wahrsagerinnen auch heute weiter betrieben wird und Gläubige findet, ist aus Zeitungsnotizen, wie den Anm. 14 angeführten, leicht nachzuweisen. Über die Herkunft der K. läßt sich mit Bestimmtheit nichts feststellen. Die bisweilen behauptete orientalische Provenienz ist nicht unmöglich, aber nicht zu erweisen, immerhin ist zu beachten, daß bereits ein Zeugnis von der Mitte des 16. Jh.s davon spricht, daß in Konstantinopel „Turcae viri et mulieres, cum primis Aegyptiae (Zigeunerinnen?) . . . . nonnumquam ex aqua, speculo, vitro et id genus similibus organis praesagiunt" 74). Auch ist bekannt, daß andere Spiegelwahrsagungen seit alter Zeit im Orient stark verbreitet sind und besonders die Verwendung von Knabenmedien durch die Zauberpapyri schon für das alte Ägypten sicher bezeugt ist. Daß durch das Anstarren von Wasser in einem Glasgefäß oder einer polierten Steinkugel visionäre Wahrnehmungen hervorgerufen werden können, ist eine auch außerhalb Europas, z. B. bei Indianern, Nordafrikanern, Austrainegern und Dajaks be-

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kannte Tatsache 7 5 ). In Europa war die K . im 16. und 17. Jh., der Blütezeit der Hexenprozesse, besonders stark verbreitet, und zwar am meisten in England, das geradezu als die Hochburg dieser Wahrsagekunst bezeichnet werden muß; auch in jüngster Zeit wird die wissenschaftliche, oft freilich ins Okkultistische hinüberspielende Erforschung des „Cristal-Gazing" dort am lebhaftesten betrieben. Englische Gerichtsprotokolle, Verordnungen usw. liefern vom ausgehenden Mittelalter an auch für die alte K . eine Fülle von Einzelmaterial 76 ). x ) Der von P l i n i u s Nat. Hist. 37, 192 genannte diamantartige Stein Anankitis, den die Magier bei der Hydromantie zur Hervorrufung von Götterbildern benutzten, diente offenbar nur zur Verstärkung des hydromantischen Verfahrens. Die bei L i c e t u s Antiqua Schemata {1653) 174 abgebildete, angeblich antike Gemme stellt anscheinend ein Opfer für Asklepios oder Hygieia, keinesfalls aber eine kristallomantische Szene dar, wie J o n e s Finger-Ring-Lore (1877) 101 annimmt, vgl. R o s s i - M a f f e i Gemme antiche 2 (1707), Tai. 58; L i p p o l d Gemmen und Kameen (1922) 149 Nr. 7. Auch B o u c h 6 L e c l e r q Hist. de la Div. 1, 185 Anm. 1 kann kein antikes Zeugnis beibringen; seine Vermutung, daß unter K . vielleicht auch eine Zukunftdeutung auf Grund der Eisfiguren (zp'jaTctXXo; = Eis) auf Glasscheiben verstanden werden könne, entbehrt der Unterlagen. 2 ) K l a p p e r in MschlesVk. 21, 82, Benedikt von Massilia, gest. um 1262, Hs. U.-B. Breslau X F 240 Bl. 289 rb und Hs. I F 335 (Mitte 15. Jh.s) s) G e ß m a n n Bl. 127 vb. Katechismus 55, s. jedoch unten. 4 ) H a r t l i e b Buch aller verbotenen Kunst, hrsg. v. U l m (Halle 1914) Kap. 89: „ettlich haben gar ain lautern, schönen gepulierten cristallen"; W i e r u s De praestigiis (1564) 155; P e u c e r De praecipuis generibus divinationum (1560) 156 r; G o d e l m a n n - N i g r i n u s Von Zauberern (1606) in Alemannia 9, 73; L o n g i n u s Trinum magicum (1611) 92; B o i s s a r d u s De divinatione (1611) 17. s ) H e m m e r l i n (gest. 1464) in Alem. 9, 74. •) D e l r i o Disquis. mag. lib. 4, c. 2, q. 6, s. 4 (Mainz 1603) 169; C a m e r a r i u s De natura daemonum (1576) 37 v ; G o d e l m a n n a . a . O . ; B u l e n g e r u s De ratione divinationis, Opuscula (Leiden 1621) 200. Vereinzelt steht der von B a r t s c h Mecklenburg 2,331 mitgeteilte Fall: Auf die Fläche des Prismas ist ein Gesicht eingeschnitten. Man muß durch das Glas sehen und an der Ähnlichkeit des Gesichtes den gesuchten Dieb erkennen. ') C a m e r a r i u s a . a . O . ; B o d i n u s Dimonomanie (1598) 130, s. a. Anm. 50. 8 ) H a r t l i e b a. a. O.; DWb. 5,2483 (Hans Sachs); 2,383 (Seb. Franck). Die englischen Kristallseher verwendeten besonders gern Berylle, s. K i t t r e d g e

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Witchcraft in Old and New England (Cambridge U. S. A. 1929) 184 ff.; Proceedings of the Soc. f. Psychical Research 5 (1888/9), 501. 9 ) P a r a c e l s u s hrsg. v. Sudhoff 12 (1929), 336. 448 f. 10 ) P a c h e l b l Ausführt. Beschr. d. Fichtelgeb. (1716) in Bayr. Wschr. f. Heimat und Volkstum 9, 336; auf diese Quelle geht auch zurück H u ß Aberglaube 23. 1 1 ) Über Dee unterrichtet am besten der oben Anm. 8 zitierte Aufsatz (von G o o d r i c h - F r e e r ) in den Proc. Soc. Ps. Res. auf Grund des 1659 erschienenen Werkes von M. C a s a u b o n A True and Faithful Relation of What Passed for Many Years between Dr. John Dee and Some Spirits. Vgl. K i e s e w e t t e r Faust 473 ff.; Diet, of Nat. Biogr. 14, 271 ; K i t t r e d g e a . a . O . 1 8 9 ! 12 ) Angeblich werden einige von Dees Steinen noch im Britischen Museum aufbewahrt, doch ist die Identifizierung strittig, s. K i t t r e d g e 189. 504 und die dort angeführte Literatur. 13 ) K i e s e w e t t e r 474; P a r a c e l s u s hrsg. v. Sudhoff 12 (1929), 89. 14 ) Die „Berliner Nachtausgabe" vom 27. Februar 1932 bringt einen Bericht über die „Kugelfrau" von N ü m brecht bei Köln, die aus einer mit Brunnenwasser gefüllten Glaskugel Schicksale wahrsagt, verborgene Schätze offenbart usw. Die „Berliner Illustrierte Zeitung" 1930 Nr. 38 bringt eine Abbildung einer modernen Großstadtsibylle; die darauf dargestellte „magische Kugel des Cagliostro" ist offenbar eine große Glaskugel. 16 ) K i e s e w e t t e r 472 f. Ein hsl. Rezept aus dem Ashmolean Museum verlangt einen Kristall oder ein venezianisches Spiegelglas von 3 Quadratzoll Fläche, das an drei Mittwochen oder Freitagen in das Blut einer weißen Henne gelegt werden soll: Proceedings Ps. Res. 5, 501. Über die Weihung von Steinen durch das Blut von Vögeln s. G e r v a s i u s bei F r a n z Benediktionen 1,438. 1S ) Proceedings a . a . O . 505; B e ß m e r in Stimmen aus Maria Laach 74, 166. 17 ) Kap.89, 18 ) S. 54, 20. F r a n z Benediktionen 1,435. 1 9 ) Die Weihung von Spiegeln zu magischen Zwecken war von der Kirche verboten. Dagegen hat sich eine kirchliche Weiheformel v. J . 1574 (aus der Krakauer Diözese?) erhalten, durch die am Aschermittwoch Spiegel zum Zweck der Heilung von Augenkrankheiten geweiht wurden, s. F r a n z Benediktionen 1, 468; 2, 492. 20) Alemannia 9, 73; B r ä u n e r Curiosi21 ) täten (1737) 75. K i e s e w e t t e r 475. 22 )

H a r t l i e b 54, 21; diese Zutaten dienten apotropäischen Zwecken, s. F r a n z 1, 427. 23 ) Vgl. den Dreifuß, auf dem in Goethes Groß-Kophta 3, 9 die „erleuchtete Kugel" befestigt ist. Goethes Quelle war die Mémoire pour le Comte de Cagliostro, Paris 1786, s. Alemannia 9 , 7 1 . M ) 54, 24. 27. s s ) G e ß m a n n Katechismus 55. 2 ') Proceedings 5, 505. 27 ) 54, 22 ff. In einem späteren Abschnitt (56, 20 f.) fügt Hartlieb dieser Darstellung hinzu, daß manche Meister „gar schlechticlich mit jren cristallen umbgänd" und jene Zeremonien nicht beachten. „dieselben mainent dann, das jr kunst die aller pest sey, darum das sy so leichticlich vnd schlechticlich zu g ä t " . 28) H a r t -

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l i e b 54, 14 ff. ; R e i s c h Margarita phylosophica (1504) 171 v ; C o d e s Chyromantie Anastasis (1517) 3 r a ; C a m e r a r i u s De natura daemonum (1576) 37 v (die mediumistische K r a f t des K n a b e n zeigte sich in diesem Fall bereits, bevor das Kind geboren wurde, s. u.) ; Alemannia 9, 73, 78. 81, aus H e m m e r l i n , Z e i l l e r (Dialogi 1653, 741: Kind der Zauberin als Medium), P a r a c e l s u s ) ; K i e s e w e t t e r 466 (aus F a u s t s Höllenzwang Kap. 72, ohne Quellenangabe bei S c h i n d l e r Aberglaube 253); K l i n g n e r Luther 70; B u l e n g e r u s O p u s c . (1621)199; G e ß m a n n Katechismus 55 ; Proceedings 5, 496 (über Madirni, das b e r ü h m t e Medium des J o h n Dee, ein kleines Mädchen von 7—9 Jahren). Übrigens bediente m a n sich in England neben kindlichen Medien auch erwachsener „scryers", s. K i t t r e d g e a . a . O . 189. 2S) 54, 28 fi. 30 ) 5 1 , 1 5 . 31 ) Vgl. 55, 22 fi. : „die a r m e n maister sind groß betrogen, w a n n es ist ein rechter vngelaub vnd so du y e mer vasten, b ä t t e n v n d Opfer legest, so d u ye mer sündest, w a n n zu aller Zeit legst d u dem tewfel gütliche ere a n " . 56, 11: „ w a n n d a n n die maister j n diser k u n s t jren engel, der ein rechter tewffel ist, v r l a u b geben . . .". a2 ) P a c h e l b l a. a. O. spricht gleichfalls von Segen u n d Sprüchen vor der K . u n d der Katoptromantie, vgl. auch T h e Antiquary 23 (188283), 199: Zauberformeln eines Magiers aus Yorkshire (18. Jh.), Christliches und Heidnisches vermischend; K i t t r e d g e 189 ff. 3 3 ) K i e s e w e t t e r 466, vgl. C a r d a n u s De rerum varietate 16, 93 (Basel 1557) 1 1 0 9 ! ; W i e r u s De praestigiis (1564) 397; T h i e r s Traité, auch bei L i e b r e c h t Gervasius 260 Nr. 479. 34 ) Oben 3, 1702. Die hl. Helena, die Finderin des hl. Kreuzes, wird angerufen, weil es sich bei der K. meist auch u m E n t d e c k u n g verborgener Dinge h a n d e l t , vgl. F r a n z Benediktionen 2,363. 35 ) C r e c e l i u s in ZfdMyth. 1, 272. M ) R e i s c h Margarita (1504) 171 v ; W i e r u s (1564) 155, v o n i h m abhängig G o d e l m a n n (De M agis 1591) 42 in Alemannia 9, 73 u n d B o i s s a r d u s De divinatione (1615) 17. 37 ) C a m e r a r i u s De natura daemonum (1576) 37 v. Comm. de generibus div. (1575) 129; Alemannia 9, 73. 76. *») E b d . 9, 78 (nach Z e i l l e r Dialogi 741 f.). 3») H a n s S a c h s 5, 286 (Keller) u n d D W b . 5,2483. « ) W. A. der Tischreden 5, 165, auch bei K l i n g n e r Luther 70. 41 ) D i e t e r i c h Ecclesiastes 2 (1632), 287, in Alemannia 1 1 , 287; H e m m e r l i n ebd. 9, 74; K i t t r e d g e a . a. O. 188. Zur E r k u n d u n g von Diebstahl d u r c h K. vgl. ferner A n h o r n in Alemannia 9, 73; K l i n g n e r Luther 70; P a c h e l b l a. a. O.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 3 3 1 ; SAVk. 25, 13. I n England diente die K . f a s t ausschließlich diesem Zwecke, s. K i t t r e d g e 185 ff. 190. 192. 42 ) L u t h e r Werke W.A. 1 0 , 1 , 1 , 5 9 0 , auch bei K l i n g n e r 69; D e l r i o Disqu. mag. (1603) 169; D W b . 5, 2482 ( D r y a n d e r 1543); K i t t r e d g e 206. Auch bei d e m A n m . 14 angeführten Fall aus d e m J a h r 1932 handelte es sich 43 u m Schatzsucherei. ) Kittredge 184; Alemannia 9, 75: F a u s t s F a m u l u s W a g n e r

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täuscht m i t angeblicher Mordaufklärung einen Mörder (vgl. die novellistisch eingekleidete Szene bei K i e s e w e t t e r 496 f., in der einem General der französischen Revolutionszeit durch die Erscheinungen auf einer m i t Wasser gefüllten Glaskugel seine Hinrichtung vorausgesagt wird). Hayllinger, von dem angeblich F a u s t die K . erlernte (s. K i e s e w e t t e r 85. 87), wird, wie i h m dies d u r c h seine K u n s t vorausgesagt worden war, ermordet. 44 ) P a c h e l b l a. a. O. Vgl. die W o r t e des Mädchens in G o e t h e s Faust, Osterspaziergang 880: „Mir zeigte sie ihn im Kristall". F r a n c i s c i Holl. Proteus (1708) Kap. 78. 180 ff. läßt sich gleichfalls ein Freier seinem Mädchen von einer Alten als Soldat im Kristall zeigen. 45 ) Seb. F r a n c k Weltbuch (1542) 133, auch bei S c h m i d t Volkskunde 128; B a r t s c h Meckl. 2, 318 (aus d. J . 1563). Auch bei Viehkrankheiten: ZfdMyth. 1, 272 (v. J . 1628). Auch bei Viehkrankheiten: ZfdMyth. 1, 272 (a. d. J . 1628). 46 ) Alemannia 47 9,78. ) Zimmernsche Chronik hrsg. v . B a r a c k , 2. Aufl. 1 (1881), 502. E s geht aus d e m weiteren W o r t l a u t der Stelle nicht m i t Sicherheit hervor, o b auch die Absicht „ p e r magicas a r t e s " das Grab des hl. Rudolf festzustellen, m i t Hilfe der K . ausgeführt werden sollte. Der hier genannte J o h a n n Werner v o n Zimmern (2. He. des 15. Jh.s) war, wie S. 500 mitgeteilt wird, in magischen K ü n s t e n wohlerfahren. 48 ) H e m m e r l i n in Alemannia 9, 74. 49 ) Proceedings Ps. Res. 5, 496; K i e s e w e t t e r 50 473) C a m e r a r i u s De natura daemonum ( r 576) 3 7 v ; D e l r i o 1 6 9 f . ; B o d i n u s Démonomanie (1598) 129 f., vgl. K i e s e w e t t e r 478; Alemannia 9, 76. 61 ) L u t h e r Tischreden W. A. 4, 459 f. Nr. 3618 ( v . J . 1537); K l i n g n e r 69; K r u s p e Erfurt 2, 57. 62 ) M e l a n c h t h o n Initia doctr. phys. (1559) i 2 9 r ; Godelmann De Magis (1591) 42; D e l r i o a. a. O.; K i e s e 63 w e t t e r 478. ) C r e c e l i u s in ZfdMyth. 1, 272 f. S4 ) A n h o r n in Alemannia 9, 73. 66 ) B o d i n u s 129. S8 ) W.A. 1 , 4 1 0 . Die Einschränk u n g im letzten Satz findet sich ähnlich auch in den Tischreden. WA. 5, 165, wo L u t h e r nach d e m Hinweis auf das gelegentliche Versagen der kindlichen Medien (s. Anm. 40) schließt: „ D a s ist es, d a ß der Teufel nicht alles k a n n sehen". 57 ) Fastnachtsspiel v . J . 1531, K e l l e r 5 , 2 8 7 ; K l i n g n e r 70. Vgl. H a r t l i e b 5 4 , 1 7 . 55, 10: „ W a n n d a n n den tuiffel bedunckt, d a s er dienst genug h a t , so lasst er erscheinen d e n engel jn weiß". 56, 12: „ j r e n engel, der ain rechter tewffel i s t " ; Alemannia 9, 76 ( L e r c h h e i m e r 1585); 1 1 , 2 8 7 ( D i e t e r i c h 1632); 9,82f. (Andere Theologen, Gelehrte u n d Dichter des 16.—18. Jh.s). 68 ) R e i s c h Margarita (1504) 171 v ; L u t h e r W.A. 10, 1 , 1 , 5 9 0 ; K l i n g n e r 69. *•) Alemannia 9, 73 ( G o d e l m a n n - N i g r i n u s Von Zauberern 1606). „ G u g l f u r " = Treiben v o n Zauberei (zu ahd. gaugal „praestigium" u n d abgeleiteten W o r t e n s. G r a f i Ahd. Sprachschatz 4, 134 f.) ist nach L e x e r Mhd. Wb. u. d. W . goukelvuore seit der 2. H ä l f t e des 13. J h . s belegt, s. a. D i e f e n b a c h

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Krithomantie

Gloss. (1857) 457 b; DWb. 4, 1550. Vielleicht dient hier das Wort als Wiedergabe des lateinischen „colludente in his diabolo" bei W i e r u s I 55Wichtig auch der weitere Wortlaut: „In plerisque enim minuta specie, alias materiae alterius, conditus delitescit (vgl. die Erscheinungen als Männlein, Fliege usw.) depictas notas atque liguras eventuum ac rerum quaesitarum quasi vaticinans suis magis renunciat". Vgl. ferner D e l r i o a . a . O . 169; B o i s s a r d u s a . a . O . 17; Anhorn Magiologia in Alemannia 9, 73. In einem i. J . 1549 in London abgehaltenen Prozeß gestand der Angeklagte, daß er vermittelst eines Kristalls den Geist Scariot (Ischariot) mehrfach wegen gestohlenen Gutes angerufen habe, und zwar auf Anordnung des Lord Protector Somerset. , 0 ) K i e s e w e t t e r 84; Hansen Zauberwahn 293 (aus T r i t h e m i u s 1508). 4l ) Opera ed. Huser 6, 389. Nüchtern auch die Erklärung bei I b n K h a l d u n (1332— 1406) Prolegomena, übers, v. S l a n e in Notices et Extraits 19 (1862) 1, 221. 82) Werke, hrsg. v. Sudhofi 12 (1929), 336, vgl. Alemannia 9, 81 und oben Anm. 9. Zur Nekromantie wird die K. auch von T r i t h e m i u s bei H a n s e n a. a. O. und von C o d e s Chyromantie Anastasis (1517) 3 ra gezählt. Wenn P a c h e l b l a. a. O. von einem „nekromantistischen" Kristall spricht, so gebraucht er den Ausdruck wohl, wie auch sonst belegt, einfach im Sinne von „magisch" oder „prophetisch". 63 ) Werke, hrsg. v. Sudhoff 11 (1928), 394. «4) F r a n c k Weltbuch (1542) a. a. O., auch bei S c h m i d t Volkskunde 128; P a c h e l b l a . a . O . ; Rockenphilosophie (1759) 3 („hartnäckige, alte abergläubische Weiber, Segensprecherinnen, Crystallenguckerinnen und derselben getreuer Anhang"). 65 ) In seinem 1677 erschienenen Buch Displaying of Supposed Witchcraft, s. dazu K i t t r e d g e 343 f. 6 i ) Alemannia 9, 81. 67 ) Außer den Anm. 2 erwähnten mittelalterlichen Zeugnissen s. a. S c h n i p p e l Ostpreußen 1,56 (Kirchenordnung v. J . 1558). 6 8 ) Alemannia 11, 83. , 9 ) Alemannia 11, 83 aus K i r c h g e ß n e r Tribunal Nemesis 242, s. a. DWb. 5, 2485 (Polizeiverordnung v. J . 1668); P a n z e r Beitrag 2,270 (Bayrische Verordnung v. J . 1611); K i t t r e d g e 318 (Prozeß des John Dee).553 (englische Gesetze gegen K.). 70 ) Journal of the Gipsy Lore Society N. S. 5, 115. 71 ) P r e y e r Die Entdeckung des Hypnotismus (1881); Der Hypnotismus (1882). 72) L e h m a n n Aberglaube, 3. Aufl. (1925), 581 f. 73) Recent Experiments in Crystal-vision in Proceedings of the Soc. for Psychical Research 5 (1888—89), 486 ff.; Myers The subliminal Consciousness, ebd. 8 (1892), 436 ff. Vgl. ferner B e ß m e r Visionen im Kristalle, in Stimmen aus Maria Laach 74 (1908), 165 (mit kritischer Stellungnahme zu den angeführten englischen Aufsätzen); W i e s e n d a n g e r in Psych. Studien 13 (1896), 339 f.: Versuche mit dem sog. Bruhnschen Kristall; D e s s o i r Vom Jenseits der SeeleP (1931) 82. 142; F r e u d e n berg Wahrsagekunst 49; Me 1 vi 11 e Crystalgazing and the wonders of clairvoyance (London 1920).

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Weitere Literatur zur modernen K. bei B a l d w i n Dictionary of Philosophy and Psychology 1 (1901), 247. 74 ) W i e r u s De praestigiis (1564) 157, vgl. auch das Zeugnis des I b n K h a l d u n Anm. 61. 76 ) B e r n o u l l i Merowinger 284, nach L a n g Making of Religion 90 ff. (Crystal visions, savage and civilised); Gomes Seven years among the Sea Dayaks (1911) 166. 7e ) Vgl. besonders das im vorstehenden öfters zitierte Werk von K i t t r e d g e Witchcraft in Old and New'England (Cambridge U. S. A. 1929) 185 ff. Boehm.

Elfithomantie. Wahrsagung durch Gerstenkörner (xptttat). Die K. war offenbar aufs engste verwandt mit der Aleuround Alphitomantie (s. d.), wird auch in den Quellen mit diesen Divinationsformen zusammen erwähnt 1 ). Dort wie hier handelte es sich nicht um eine gelegentlich von jedermann, sondern um eine von herumziehenden Winkelpropheten (xptdojiavTei;) gewerbsmäßig betriebene Kunst. Da über die Praxis nichts überliefert ist, und sich die Divinationsliteratur des 16. und 17. Jhs. auf Registrierung und Wiederholung der antiken Quellen beschränkt2), so ist man auf Vermutungen angewiesen8). Von besonderer Bedeutimg ist vielleicht ein Brauch aus dem heutigen Sizilien, wo antike Überlieferungen bekanntlich besonders lebendig geblieben sind: In Mazzara werfen die Mädchen enthülste Gerstenkörner ins Wasser; bleibt das Korn auf der Oberfläche, so bedeutet es eine glückliche, sinkt es unter, eine unglückliche Ehe. Dieser Weissagungsbrauch stimmt genau mit einem für Böhmen belegten überein, nur daß hier Haferkörner verwendet werden 4). In ähnlicher Weise verfuhr man im MA., um einen Dieb ausfindig zu machen6). Ist in diesen Fällen die K. mit der Hydromantie kombiniert, so weisen mittelalterliche Beichtfragen auf das Vorhandensein einer mit der Pyromantie verbundenen Form hin: Man warf auf den gefegten, noch glühend heißen Herd Gerstenkörner. Sprangen sie hoch, so galt dies als ungünstiges Vorzeichen, blieben sie liegen, so deutete man es in günstigem Sinne 6). Auch sonst werden Getreidekörner zu Zwecken der Zukunftserkundung verwendet. In Thüringen füllte man in der

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kritische Tage

Neujahrsnacht verschiedene Getreidearten in ein Gefäß, schüttelte den Inhalt auf den Tisch und brachte ihn dann wieder in das Gefäß. Je nachdem nun die Körner mehr, weniger oder ebensoviel Raum einnahmen wie vorher, deutete man auf guten, schlechten oder mittelmäßigen Ausfall der E r n t e 7 ) . In Schlesien säte man in der Christnacht verschiedene Getreidesorten in erdgefüllte Teller. Die Sorte, die am meisten „perlte", sollte im künftigen Jahre am besten geraten 8 ). In Thüringen zog man zu Weihnachten Stroh aus dem Dache eines ererbten Hauses und drosch es; fand man einige Getreidekörner darin, so bedeutete es großes Glück fürs nächste Jahr. Fand man in der Asche in dem Ofen oder unter dem Tische in der Neujahrsnacht ein Roggenkorn, so schloß man auf ein fruchtbares J a h r 9 ) . Inwieweit diese modernen deutschen Gebräuche durch die antike K . beeinflußt sind, ist nicht mit Sicherheit festzustellen; wahrscheinlich ist es nicht. Auch außerhalb des antiken und deutschen Kulturkreises ist Weissagung durch Getreidekömer oder dgl. belegt: Bei den Azteken wurden 20 Maiskörner oder rote Bohnen auf eine Decke geworfen; wenn sie sich dabei kreisförmig anordneten, bedeutete es ein Grab; wenn die Körner so lagen, daß ihre Zahl durch Ziehung einer geraden Linie genau halbiert werden konnte, bedeutete es Genesung; fielen die Körner aber regellos zerstreut nieder, so kündete sich dadurch für einen Kranken ein schlimmer Ausgang seines Leidens an 10 ). Zur Erklärung von Hesekiel 1 3 , 1 9 hat man eine in Syrien betriebene Weissagungsmethode mit Gerstenmehl und Dattelkernen herangezogen, von der aber Einzelheiten nicht feststehen 1 1 ). x ) C l e m e n s AI. Protr.i p. 10 f.; Pott. p. 11 Stählin = E u s e b . Praep. ev. 2, 3, 4; J o h a n n e s C h r y s o s t . in Jerem. 1 p. 15 E ; S u i d a s s. v. TTf/OfprjTEMt. ' ) P e u c e r Commentarius de praecipuis generibus divinationum (1560) 196; C a m e r a r i u s Cotnment. de gen. div. (1575) 9 (K. mit Alektryomantie gleichgesetzt); D e l r i o Disquis. Magicae (1603) 176; B u l e n g e r u s Opusc. (1621) 222; F a b r i c i u s Bibliogr. antiquaria3 (1760) 593. 599. s ) B o u c h l - L e c l e r q Hist. de la divination 1, 182; G a n s z y n i e c b. P a u l y - W i s s o w a 11, 2. *) P i t r £ Usi e costumi

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(1887) 14, 7. Ähnlich der sardinische Brauch zur Erkennung des bösen Blicks: Folkl. Ital. 2, 205. vgl- S e l i g m a n n Zauberkraft 418. W u t t k e §338. •) Oben 3, 1031. •) W a s s e r s c h i e b e n 649; vgl. Folkl. Ital. 2, 204; Mein Heimatland 15, 196. ' ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 181 Nr. 72; Z f V k . 10, 89 (Anhalt). 8 ) MschlesVk. 1. 59. •) W u t t k e § 339; oben 2, 125; P e u c k e r t Schlesien 89. 1 0 ) D a n z e l Magie und Geheimwissenschaft (1924) I. u ) Robertson S m i t h in Journ. of Philol. 13, 284fi. Vgl. noch A l e u r o mantie, Alphitomantie. Boehm.

kritische Tage. In der V o l k s m e d i z i n beruht der Glaube an die kr.n T., an welchen sich bestimmte Krankheiten entscheiden, zunächst auf der Beobachtung der siebentägigen Perioden des M o n d w e c h s e l s , die auf alle irdischen Dinge von größtem Einfluß s i n d 1 ) , und damit auf der S i e b e n z a h l (s. d.). Der Glaube an die böse Sieben ließ schon in der babylonisch-assyrischen Heilkunst nicht zu, daß der Arzt am 7. 14. 21. und 28. Tage den Kranken berührte 2 ). Seit Hippokratcs beachteten die Ärzte auch einzelne u n g e r a d e T a g e . Nach Angabe des C e l s u s waren diese dies morborum critici, an welchen gleichsam über die Kranken entschieden würde, der 3. 5. 7. 9. 11. 14. und 21. Die alten Ärzte warteten die Anfälle der ungeraden Tage ab und reichten dann erst dem Kranken die Nahrung, als ob nun leichtere Anfälle zu erwarten wären. Dies verwarf A s k l e p i a d e s , und auch Celsus betonte, daß der Arzt nicht die Tage zählen, sondern die Anfälle selbst beobachten und darnach beurteilen soll, wann dem Kranken Speise zu geben i s t 3 ) . Dagegen gibt G a l e n o s den R a t : „ B e trachte die kr.n T . u n d den Lauf des Mondes in den Winkeln einer Figur von 16 Seiten; findest du diese Winkel günstig gestellt, so wird es dem Kranken gut gehen, schlecht aber, wenn schlimme Zeichen herrschen". Nach ihm sind der 7. 14. 20. und 27. T a g kr. T . erster Ordnung 4 ), und vor allem .seinem Einfluß ist es zuzuschreiben, daß sich der Glaube an die kr.n T. über das Mittelalter herauf bis in die neuere Zeit bei Ärzten und im Volke erhalten hat 5 ). Im W e t t e r g l a u b e n bedeuten kr. T . solche, an welchen Wetterkatastrophen

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Krokodil

auftreten. In neuester Zeit hat Rudolf F a l b durch seine Schriften •) diesen Volksglauben wesentlich gefördert, der ebenfalls den E i n f l u ß des M o n d e s , diesmal auf das Wetter, zur Grundlage Nach Falb (1838—1903) waren hat. alle Tage mit Neu- und Vollmond „kritisch", aber mit Abstufungen. Je nachdem nämlich Sonne und Mond der Erde näher oder ferner sind oder diese Gestirne in der Äquatorebene der Erde stehen, wird die Luftmasse verschieden stark beeinflußt. Außerdem konnte das erwartete Wetter sich auch bis zu zwei Tagen verfrühen oder bis zu drei Tagen verspäten. Da Neu- und Vollmond im Jahre rund 25 mal eintritt, so gab es samt diesen Verschiebungsmöglichkeiten nicht weniger als 150 kr. T. im Jahre, an denen in Mitteleuropa irgendwo, denn örtliche Vorhersagen lehnte Falb ab, Gewitter, vermehrte Niederschläge, Wirbelstürme, Schneefälle u. a. eintreten konnten 7 ). Außer den kr.n T. kannten die Alten auch k r i t i s c h e J a h r e (anni climacterici), bei welchen der Glaube an die Unglückszahl sieben maßgebend ist. Denn gefährlich ist darnach das 21., 42. und 84. Jahr des Menschenlebens, noch gefährlicher das 49. Jahr (7 x 7) und am allergefährlichsten das 63. Lebensjahr (7 x 9) 8). Vgl. P e r i o d e . K r i t i s c h e Z e i t nennt man den Zeitraum vom 181. bis einschließlich 302. Tag vor der Geburt eines Kindes •). Über k r i t i s c h e s A l t e r ( = Klimakterium) vgl. S t u f e n j ä h r . *) S t e m p l i n g e r Aberglaube 116. 2 ) K r o n f e l d Krieg 162. Über die bes. Stellung dieser vier „bösen" Tage u. des 19. Tages vgl. P . J e n s e n Die siebentägige Woche in Babylon u. Niniveh in ZfdWortf. 1 (1900), 152 ff. 3 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259 f. *) S t e m p l i n g e r Aberglaube 116 f. Uber die Verschiedenheit der Tagesangabe vgl. St. S t e i n l e i n Astrologie, Sexual-Krankheiten u. Aberglaube (München u. Leipzig 1915) 2, X03 f. *) L a m m e r t 15 Anm. 3; 97 Anm. 4. •) Kritische Tage, Sintflut u. Eiszeit (Wien 1895) u. bes. Kalender der kritischen Tage (Wien 1892), in mehreren Auflagen, später als „Neuer Wetterkalender", stark verbreitet. ' ) Karl K a ß n e r Das Welter* (Nr. 25 von „Wissenschaft u. Bildung", Leipzig 1918) 30 f. •) S t e m p l i n g e r Aberglaube 117. Vgl. L ü t t i c h Zahlen 10. •) M e y e r Konv.-Lex. n (1905) 719. Jungbauer.

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Krokodil. Das K. spielt im deutschen Glauben keine Rolle; es sind nur Meinungen antiker Schriftsteller in der deutschen Literatur wiedergegeben 1 ). Die Glossatoren verdeutschen crocodilus mit ahd. nihhus, nichus 2 ). Wenn auch J. B. Porta mitteilt, daß „so man das feil von Hyena, Crocodil / oder Meerkalb auffm Gut vmbher tregt / oder im Meyer hoff oder Pallast auffhenget / wenn du den Hagel nahe spürest, so werde er nicht fallen" 3), so überliefert er damit keinen deutschen, sondern antiken Glauben 4). Das Gleiche ist der Fall mit dem, was Megenberg vom K. erzählt: „ain cocodrill ist sö reich an milch, daz es si auz wirft an den steten, da ain pfuol ist oder hüel, und dar umb volgt im der pellicän allzeit nach" 5). „ez hat kain zungen wenn ez aines menschen ertoett, s6 waint ez in" 6 ). Der Bestiarius des Cod. Hamilton (77 fol. i6 b ) berichtet als erster von dieser letzten Anschauung: Hic dum invenit hominem si poterit eum vincere, comedit. Post et semper plorat eum 7 ). Die übertragene Verwendung der Redensart von den K . s t r ä n e n als falsche, geheuchelte Beileidsbezeugung ist wohl zunächst im Humanistenlatein des 15. Jhdt. aufgekommen 8 ). Erasmus scheint für die Verbreitung der Redensart entscheidende Bedeutung gehabt zu haben; er erklärt in der Adagia (1500) h 3 b : Crocodili lachrimae: Crocodilus eminus conspecto homine lachrymare dicitur atque eundem mox devorat. Inde proverbii Crocodili lachrymae: in eosque se graviter feru simulant incommodum eorum, quibus ipsi incommodum attulerunt. Ritter Arnold von Harff 9 ) (1496—1499) berichtet: die huyde (der K.e) laissen die koufflude dan darren ind brengen sij in dese lande zo verkouffen ind sagen, idt sij eyn huyt van eyme lyntworme, j dat geloegen is, as mich zo Rome gewijst wart in der kirchen ad Mariam de portecu eyne groisse huyt eynes kokodrulli in ij seren ketten hangen in saichten mir, idt ! were eyn huyt van eyme lyntworm, des ich do geloecht, bijs dat ich it geloegen vant". Durch solche Weise und die | Möglichkeit, daß dann und wann K.e

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Krokodil

auftreten. In neuester Zeit hat Rudolf F a l b durch seine Schriften •) diesen Volksglauben wesentlich gefördert, der ebenfalls den E i n f l u ß des M o n d e s , diesmal auf das Wetter, zur Grundlage Nach Falb (1838—1903) waren hat. alle Tage mit Neu- und Vollmond „kritisch", aber mit Abstufungen. Je nachdem nämlich Sonne und Mond der Erde näher oder ferner sind oder diese Gestirne in der Äquatorebene der Erde stehen, wird die Luftmasse verschieden stark beeinflußt. Außerdem konnte das erwartete Wetter sich auch bis zu zwei Tagen verfrühen oder bis zu drei Tagen verspäten. Da Neu- und Vollmond im Jahre rund 25 mal eintritt, so gab es samt diesen Verschiebungsmöglichkeiten nicht weniger als 150 kr. T. im Jahre, an denen in Mitteleuropa irgendwo, denn örtliche Vorhersagen lehnte Falb ab, Gewitter, vermehrte Niederschläge, Wirbelstürme, Schneefälle u. a. eintreten konnten 7 ). Außer den kr.n T. kannten die Alten auch k r i t i s c h e J a h r e (anni climacterici), bei welchen der Glaube an die Unglückszahl sieben maßgebend ist. Denn gefährlich ist darnach das 21., 42. und 84. Jahr des Menschenlebens, noch gefährlicher das 49. Jahr (7 x 7) und am allergefährlichsten das 63. Lebensjahr (7 x 9) 8). Vgl. P e r i o d e . K r i t i s c h e Z e i t nennt man den Zeitraum vom 181. bis einschließlich 302. Tag vor der Geburt eines Kindes •). Über k r i t i s c h e s A l t e r ( = Klimakterium) vgl. S t u f e n j ä h r . *) S t e m p l i n g e r Aberglaube 116. 2 ) K r o n f e l d Krieg 162. Über die bes. Stellung dieser vier „bösen" Tage u. des 19. Tages vgl. P . J e n s e n Die siebentägige Woche in Babylon u. Niniveh in ZfdWortf. 1 (1900), 152 ff. 3 ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 259 f. *) S t e m p l i n g e r Aberglaube 116 f. Uber die Verschiedenheit der Tagesangabe vgl. St. S t e i n l e i n Astrologie, Sexual-Krankheiten u. Aberglaube (München u. Leipzig 1915) 2, X03 f. *) L a m m e r t 15 Anm. 3; 97 Anm. 4. •) Kritische Tage, Sintflut u. Eiszeit (Wien 1895) u. bes. Kalender der kritischen Tage (Wien 1892), in mehreren Auflagen, später als „Neuer Wetterkalender", stark verbreitet. ' ) Karl K a ß n e r Das Welter* (Nr. 25 von „Wissenschaft u. Bildung", Leipzig 1918) 30 f. •) S t e m p l i n g e r Aberglaube 117. Vgl. L ü t t i c h Zahlen 10. •) M e y e r Konv.-Lex. n (1905) 719. Jungbauer.

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Krokodil. Das K. spielt im deutschen Glauben keine Rolle; es sind nur Meinungen antiker Schriftsteller in der deutschen Literatur wiedergegeben 1 ). Die Glossatoren verdeutschen crocodilus mit ahd. nihhus, nichus 2 ). Wenn auch J. B. Porta mitteilt, daß „so man das feil von Hyena, Crocodil / oder Meerkalb auffm Gut vmbher tregt / oder im Meyer hoff oder Pallast auffhenget / wenn du den Hagel nahe spürest, so werde er nicht fallen" 3), so überliefert er damit keinen deutschen, sondern antiken Glauben 4). Das Gleiche ist der Fall mit dem, was Megenberg vom K. erzählt: „ain cocodrill ist sö reich an milch, daz es si auz wirft an den steten, da ain pfuol ist oder hüel, und dar umb volgt im der pellicän allzeit nach" 5). „ez hat kain zungen wenn ez aines menschen ertoett, s6 waint ez in" 6 ). Der Bestiarius des Cod. Hamilton (77 fol. i6 b ) berichtet als erster von dieser letzten Anschauung: Hic dum invenit hominem si poterit eum vincere, comedit. Post et semper plorat eum 7 ). Die übertragene Verwendung der Redensart von den K . s t r ä n e n als falsche, geheuchelte Beileidsbezeugung ist wohl zunächst im Humanistenlatein des 15. Jhdt. aufgekommen 8 ). Erasmus scheint für die Verbreitung der Redensart entscheidende Bedeutung gehabt zu haben; er erklärt in der Adagia (1500) h 3 b : Crocodili lachrimae: Crocodilus eminus conspecto homine lachrymare dicitur atque eundem mox devorat. Inde proverbii Crocodili lachrymae: in eosque se graviter feru simulant incommodum eorum, quibus ipsi incommodum attulerunt. Ritter Arnold von Harff 9 ) (1496—1499) berichtet: die huyde (der K.e) laissen die koufflude dan darren ind brengen sij in dese lande zo verkouffen ind sagen, idt sij eyn huyt van eyme lyntworme, j dat geloegen is, as mich zo Rome gewijst wart in der kirchen ad Mariam de portecu eyne groisse huyt eynes kokodrulli in ij seren ketten hangen in saichten mir, idt ! were eyn huyt van eyme lyntworm, des ich do geloecht, bijs dat ich it geloegen vant". Durch solche Weise und die | Möglichkeit, daß dann und wann K.e

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Krommyomantie—Krone

aus „Menagerien" entkamen, wurde der Glaube an die Drachen bei uns stets neu bestärkt 1 0 ). Nach Brauner soll das K. „ein wohlgeschmackt Fleisch, so wie Capaunen schmeckt, haben, und schön weiß seyn: dahero es auch bey den Römisch-Catholischen an den Fast-Tagen genossen wird" u ) .

*) P a u l y - W i s s o w a 11, 2, 1 9 4 7 s . ; H a stings i, 509 f.; F r a z e r 12, 236 (Register). ) Grimm Myth. 1, 404. 3 ) Natürliche Magia (1617), 343; vgl. auch Alemannia 8 (1880), 4 129 Nr. 29. ) Vgl. z. B. F e h r l e Geoponica 10 f. 19. *) 210, 20 ff. •) 233, 10 f. 14 f. ' ) L a u d i e r t Gesch. des Physiologus 146. 303 ff.; Schulz Fremdwörterbuch 1 (1913), 407. ') S c h u l z 1, 407 f. (mit Lit.); Goetze Luther 15 f.; B o r c h a r d t - W u s t m a n n Sprichwörtl. Redensarten' (1895) 282; A. de Cock Volhsgeloof 1 (1920), 136 f. •) Pilgerfahrt (1860) 10 82 f. ) Rochholz Sagen 2, u Nr. 245. ll) Curiositaeten (1737) 631. Bächtold-Stäubli. s

Krommyomantie, Wahrsagung durch Zwiebeln (griech. xpoajxuov = Zwiebel). Gelehrte, nach antiken Mustern geprägte Bezeichnung. Die Zwiebel (s. d.) wird bekanntlich auf vielerlei Art zur Erkundung der Zukunft verwendet. Unter dem Stichwort K. berichtet ein Autor des 17. Jh.s, daß die Zwiebeln in der Christmette auf den Altar gestellt wurden, nachdem man sie vorher mit den Namen der Personen bezeichnet hatte, über die man etwas in Erfahrung zu bringen gedachte. Besonders bedienen sich die Mädchen dieses Orakels; die Zwiebel, die zuerst keimt, gibt den Namen des zukünftigen Gatten an 1 ). ' ) Boissardus De divinatione (1615) 19. Ähnlich, doch ohne bestimmte Angabe von Zeit und Ort der Vornahme: ( B o u h o u r s ) Remarques ou reflexions (1692); hier wird die K. ausdrücklich als ,,une superstition assez commune en Allemagne" bezeichnet. Boehm.

Krone. Die Verwendung der K. im Aberglauben *) ist fast die gleiche wie die des Kranzes 2 ). K. (Maik., Pfingstk., Johannisk., Kirmesk., Erntek., Brautk., Totenk. usw.) wird in diesem Falle unter Kranz behandelt. Die K. des Volksbrauches hat sich aus dem Kranz herausgebildet, häufig in Nachahmung der Fürstenk., deren Entstehungsgeschich-

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te sie damit im kleinen wiederholt. Lat. corona bezeichnete vor allem den Triumphkranz der politischen Sieger, dann auch den Strahlenkranz der Götter und Kaiser, war jedenfalls zunächst ein Kranz, besonders aus Lorbeer, und ist wohl als solcher, allenfalls schon in irgendeiner metallischen Nachahmung, in ahd. Zeit übernommen worden. Ahd. coröna bedeutet also die Übernahme einer neuen Sache mit dem neuen Wort. Es bestanden daneben sowohl der Kranz in seiner Bedeutung von lat. corona, vitta, diadem 3 ), als auch eigene Zeichen der germanischen Köngswürde 4 ). Der römische Einfluß s ) liegt vor in der Emmeraner Glosse: laureatus, mit lörpaumes pletirum, haupitpantü kachrönöt. Die lomb. eiserne K. hieß kurz laurea. Heinrich VII. ließ 1311 die K. zu seiner Krönung in Mailand in Form eines Lorbeerkranzes fertigen, und noch die Vokabularien des 14. und I 5- J h . geben laurea mit K. wieder. Neben dieser Linie wird für die Einführung von corona ins Deutsche der biblische und kirchliche Sprachgebrauch wichtig 6 ). Otfried hat nebeneinander für Christi Dornenk. thurnina coröna und thurninaz houbitpant. Für den Kopfschmuck der Vornehmen bürgert sich also auf diesem Wege der römische Name ein. So verschmelzen in ahd. coröna, mhd. kröne allmählich römische und germanische Tradition, die jede für sich auf einen Blätterkranz zurückgehen. Dementsprechend sind dann die Fürstenk.n zunächst breite Reifen, deren oberer Rand mit Blättern verziert ist. Wie sind die sogenannten „Weihek.n" des 1. Jahrtausend n. Chr. in diese Entwicklung einzuordnen, jene Weihegeschenke hochgestellter germanischer Personen, die in den Kirchen an heiliger Stelle aufgehängt wurden 7 )? Anscheinend liegt in ihnen eine Sondertradition kultischer Opfergabe vor. Auch Konstantin stiftete der Sophienkirche solche Weihek. 7 ). Ihren Niederschlag scheint die Sitte im Volksbrauch gefunden zu haben: auf der Bauernhochzeit Peter Breughels sehen wir — mit Haberlandt —

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Krone

ein solches Weihekrönchen aus zwei kleinen konzentrischen Kreisen an zentraler Stelle (hinter der Braut) hängen 8). Jedenfalls spielte auch sonst die K ö n i g s k . in der religiösen Sitte des Volkes eine Rolle. Davon ist hier kurz zu handeln. Die Dornenk. Christi 9 ) bildet um sich einen Kultus. Sie hat ihren besonderen Festtag, „der heiligen durnen chron tag unsers heren" ®). Ihre Heilkraft macht man sich in Frankreich zu nutze, indem man eine Blumenk. aus einer bestimmten Dornbuschart, mit rosa Blüten, windet, die dann alles Unheil fernhält. Die Kraft geht von der K. auf den Strauch über. Der Weißdorn heilt kranke Kinder, die man betend vor den blühenden Busch legt 1 0 ). Die K., die Maria trägt, bezeichnet sie als Himmelskönigin. Durch den biblischen Sprachgebrauch und durch die Sitte des Jungfernkranzes kommt man dazu, in der K. der Maria auch eine Jungfernk. zu sehen. In der Eifel soll solch eine K. vom Marienbild der Braut beim Gang zur kirchlichen Trauung verliehen worden sein, bis sie einmal durch eine „gefallene" Braut mißbraucht worden sei. Darauf sei sie „schwarz" geworden und nie wieder als Brautk. verwendet worden 11 ). Die Knaben des Dreikönigstages, der Dreikönigsspiele, des Sternsingens usw. tragen goldene K.n, dazu weiße Hemden 1 2 ). Sie sind mannigfach in den bäurischen Festbrauch einbezogen, ohne daß sie in besonderer Weise eine Rolle für den Aberglauben spielten 1S ). Auch die Quempasjungen in Siebenbürgen und Thüringen haben, wohl in Anlehnung an die Dreikönige, solche Papierk.n aufgesetzt 14 ). Die K. jedoch auch von Goldpapier, aber mit brennenden Kerzen, die das Christkind trägt, weist auf andere Zusammenhänge ebenso wie die K. der schwedischen Lucia 1 5 ) (s. u. Kranz). In Märchen spielt die goldene Königsk. eine weitverbreitete Rolle, besonders als des Schlangenkönigs 16 ) (s. d.). Dabei verbinden sich mythologische Motive von dem Gold (s. d.) im Wasser 1 ? ) mit Vorstellungen von der Schlange als dem

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mythologischen Tier der Unterwelt 18 } und vielleicht auch mit astrologischen Motiven 19 ). Die Unterirdischen schmieden die K. des Schlangenkönigs, die dann mit ihrem magischen Glanz alle Schlangen zum Konvent herbeizieht 20 ). Gelangt man in den Besitz solcher K.„ wie sie etwa die Waldjungfrauen vor dem Baden ablegen, dann erhält man Gewalt über den Besitzer 21 ). In der K. ist die magische Kraft des Zauberwesens gebunden. Ein K.nopfer stillt das Toben des Sturmes 22 ). Den Schimmer des Goldes (der Prinzessinnenk. im Bodekessel, der Schlangenk. in der Mosig) sieht man von der Oberfläche des Wassers 23 ). Ein Anrühren der K. bringt Unwetter 22). Die K. kommt von selbst in bestimmten Frühlingsnächten an die Oberfläche 24). Hingewiesen sei auf die astrologische Terminologie der Babylonier, nach der Mond, Venus u. a. von einer K. aus Sternen umgeben sind 2S ) und im Zusammenhang damit auf Maria als Himmelskönigin, nach der wohl die pfälzische Brautk. mit 12 Sternen geschmückt ist 26 ). Über die Baumk. s. u. Kranz § IV, 1 und u. Baum. ») DWb. 5, 2367 a . ; K l u g e EtymWb. s. v. Krone; L e x e r s. v. Krone; E b e r t Realiex. 7, 102 ff.; S c h r ä d e r Reallex,2 1, 651; G r i m m RA. i 4 , 148. 242. 334 fl.; S t o c k e Urkeltischer Sprachschatz 216. 2 ) D W b . 5, 2358 fl. 3 ) Ebd. 5, 2043. 4 ) H o o p s Reallex. 3, 87s.; K l u g e a.a.O.;

DWb.

Dieterich mantel

18.

5, 2369.

Byzanz

5,

2366s.;

13 ff.; E i s l e r

5)

Welten-

•) D W b . 5, 2367.

DWb.

' ) E b d . 14, 665;

H o o p s Reallex. 4, 498; Z f V k . 40 (N. F. 2), 12. ») ZfVk. a . a . O . •) D W b . 5, 3269; L e x e r 1, 1746. ,0) S6bi 11 ot Folk-Lore 3, 368. 417. 485. " ) S c h m i t z Eifel 1, 53; D W b . 5, 2357; S c h ö n w e r t h 1, 83. l l ) S a r t o r i Sitte 3, 78. 13 ) K u h n Mark. Sagen 347. 351; K ü c k und S o h n r e y 42. ,4 ) K ü c k und S o h n r e y 36. 1S ) N i l s s o n Jahresfeste

44 f.

")

Lud

21, 228—232;

H.

P o g a t s c h e r Über Schlangenhörner u. Schlangenzungen im 19. Jh. Rom 1898; ZfVk. 35, 51. " ) S c h w a r t z Studien 497. 511. 18 ) R e i t z e n s t e i n Die nordischen, persischen und christlichen Vorstellungen vom Weltuntergang. Vortr. d. Bibl. Warburg 1923—24, 149 S. l t ) S i e c k e 20) Götterattribute 44. 248 f. 251. Kreutzw a l d - L ö w e 26 fl. 230 ff.; S c h w a r t z Studien 70 ff. 21 ) W o l f Beiträge 2, 217t. 22) S c h w a r t z Studien 511. 23) a . a . O . 497; M e i c h e Sagen.

603

Kronenbaum—Kropf

925 Nr. 925; S ö b i l l o t Folk-Lore 2, 358. " ) S c h w a r t z Studien 497. 25) B o l l Sternglaube iof. Meschke.

Kronenbaum s. K r e u z b a u m . Kronschlange s. S c h l a n g e ,

Krone.

Kropf (Struma). Nicht überall wird der K. für eine Entstellung gehalten; oft heißt es (scherzweise), er mache die Zahl der gesunden Glieder erst voll, und mannigfache K.neckereien sind im Umlauf 1 ). Man meint, daß der K. durch heftige Anstrengungen, starkes Husten, schwere Geburt, Verhalten des Atems usw. entstehe 2 ), man führt ihn auf das Trinkwasser 3 ) zurück. Oft bewirkte wohl die jahrhundertelange Inzucht Vererbung des K.s und Kretinismus 4 ). Einem tirolischen Hexer, der dem Henker aus dem Strick gefallen war, wuchs ein K., weil der Strick um seinen Hals gelegen s ). In Steiermark bekommt einen K., wer aus Schadenfreude lacht oder im Finstem trinkt 6), in Ettenheim (Baden), wer eine Zwillingszwetschge ißt 7 ). Der K. ist aber auch eine Strafe Gottes: Seb. Brant erzählt, wie, als der hl. Remigius einst eine Hungersnot weissagte und darum Korn im Vorrat sammelte, trunkene Bauern seiner spotteten und nachts die Scheune anzündeten. Als der hl. Remigius das hörte, sprach er: „das feur ist allwege gut zu wermen, aber die es entzündet haben, dieselben und ire Kinder sollend umb die sünd straf leiden und ire töchter gewinnen all kröff an den helsen und die man werden all an irem gemecht zerprechen". Das geschah alles in demselben Dorf 8 ). Vom hl. Deodatus (s. d.) wird erzählt, er habe die Bewohner von Ammerschweier damit bestraft, daß alle Kinder fortan mit Kröpfen geboren wurden 9). Die Stretlinger Chronik überliefert, daß Gott die widerspenstischen Untertanen der zwölf Kirchen mit mancherlei Plage bestraft habe: „also daß etlich von den gesiechten, die da nit trüw warent der kilchen und dem kilchherrn des Paradises, wurden kropfech mit großen halsen" 10). Die Legende berichtet, wie Christus auf Petrus Bitte aus einem Baumstrunk den ersten

604

Walliser schuf: der Auswuchs des Strunks wurde zum K . n ) . In Steiermark scheuen sich die Bauern, den K. zu vertreiben; denn „der K. gehört zu den g'raden Gliedern", sie halten ihn für einen sichern Schutz gegen Lungenleiden lla ). Ansätze zu medikamentösen Kuren finden sich dann und wann 1 2 ). Das Volk kennt sog. K . b r u n nen, deren Wasser den K. heilt, von denen aber vielfach auch die Sage geht, daß sie K. verursachen 1S ). Verbreitet war der Gebrauch von K . s c h w a m m M ) (Polyporus fomentarius), K . s t e i n 1 5 ) , K.s a l b e n 16) usw. 17 ). Meist aber werden sympathetische Mittel angewandt: Wer den K. vertreiben will, muß ihn mit dem H e m d eines t o t e n Kindes oder überhaupt eines Toten berühren 18 ). „Als Doktor Dodd in dem abgewichenen Jahr in London aufgeknüpft ward: so rollten Carossen herbey, aus welchen Damen stiegen, die gewisse außerwesentlichen Theile im Gesichte und in der Rundung des Halses hatten — in dem gemeinen Leben nennet man es Warzen und Kröpfe — und ließen sich von der wunderthätigen Hand des Gehenkten berühren, um von ihren Reliefs los zu werden" w ). Bei Gernsbach im Speyerschen bestrich man mit dem Docht aus der Lampe, die in eines Sterbenden Zimmer brannte, den K. 20 ). An andern Orten verwendet man ein seidenes Tüchli, das eine Sterbende um den Hals getragen. Gleich nach ihrem Tode nimmt man dasselbe und legt es über den Kopf an, dann heilt er 2 1 ). Frauen, welche bei der Geburt durch die Wehen einen K. erhalten haben, binden sich ein schwarzes Samtband um den Hals; Neugeborenen, die ein Kröpflein zur Welt bringen, muß die Patin ein rotseidenes Band um den Hals wikkeln 22). In der Pfalz wird gegen den K. und gegen andere Geschwülste gegerbte M e n s c h e n h a u t in Form eines Halsbandes getragen w ). „Die N a c h g e b u h r t (oder statt deren, der Nabel eines Kindes) tauget sehr wohl zu den Kröpffen" erklärt Schröder (Apotheke V, 33) 24 ). Schon Porta behauptet in seiner „Natürliche Magia" (1617, S. 89), daß durch

Kropf „Aufschmierung" des S p e i c h e l s gewisser „auß deß Gestirns vnd Himmelbegabung" besonders befähigter Menschen K . geheilt werden kann 2 B ). Im K t . Bern soll man, um einen K . zu vertreiben, «in Bernsteinhalsband beständig tragen 26 ). „So ist es auch eine wunderbare, an der Zahl Sieben gemachte Erfahrung, daß immer das 7. männliche K i n d , ohne daß ein Mädchen dazwischen hineingeboren wurde, die Kraft besitzt, durch bloße Berührung oder durch das Wort Kröpfe zu vertreiben 27 ), eine Gabe, die auch den K ö n i g e n von England und Frankreich zugeschrieben wurde 28). In Bayern ist die hl. B a l b i n a Schutzheilige gegen den K. 29 ), um Landshut muß man bei abnehmendem Monde an drei aufeinanderfolgenden Tagen nachts aufstehen und drei Vaterunser für die armen S e e l e n beten 30). Weitverbreitet sind auch S e g e n gegen K.: Am letzten Freitage bei zunehmendem Monde bestreiche man unbeschrien an einem einsamen Orte mit der Hand dreimal kreuzweise den K . und spreche, indem man den Mond anschaut: „ W a s ich greife, soll abnehmen; was ich sehe, soll zunehmen", und bete ein Vaterunser. Wie es in Bayern Sitte war, so auch in zahlreichen andern Gegenden 3 1 ). Aus dem 14.—15. Jh. ist uns überliefert: item zu derselben zeit (d. h. Weihnacht) so ains chrophat ist so wirt er sein also an, so ains chlocht, vnd spricht 'se hin mein chropt an deiner chsoph' und greife an den chroph vnd tüt das venster die weil auf vnd wirft in hinaus, so verget es im glucklaw 32 ). Ein schwäbisches Rezeptbuch schreibt vor: „ K . , Gewächß und Überbein zu vertreiben. Es muß ein Stein von dem Dachtraif genommen werden ohnbeschriieen, und mit diesem Stein reibe drauf rum und sprich: Stein ich (hebe) dich auf unter dem Dachtreif, das vertreib Kröpf, Gewächß und Überbein,

und wenns gerieben ist, so muß man den Stein hinlegen, wo er gelegen ist, und muß dreimal im abnehmende (Mond) gebraucht werden drey freitag nacheinander" 33). In andern Segen wird der

606

„Ähnlmann" angerufen 34 ) oder „Jerusalem, du hilliges Feld" 3S ). Wenn man das Schlucksen hat, muß man an drei kahlköpfige oder kropfige Männer denken und es hört auf 3 6 ). Im oststeierischen Fastnachtszug sind kropfige Männer, denen der K . „operiert" wird: man schneidet ihnen eine mit roter Farbe und türkischem Weizen gefüllte Blase auf 3 7 ). Die Woche vom 6. bis 12. Juni wird in Österreich-Schlesien die „ K . w o c h e " genannt : es wird weder Kraut gebaut, noch werden Rüben gesteckt, weil das in dieser Zeit gepflanzte Kraut keine Häupter ansetzt, die Rübe aber kropfig und holzig wird 38). !) M e y e r Baden 164; H ö h n Volksheilkunde 1, 8 5 ! ; S A V k . 20 (1916), 184 s . ; M e i e r Schwaben 2, 360 Nr. 401; Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 66 f.; F l ü g e l Volksmedizin 66f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 163; ZfVk. 8 (1898), 443; vgl. M a n z Sargans 72f.; S t e b l e r Lötschberg 103; H e y n e Hausaltertümer 3, 137. 2 ) L a m m e r t 238; H ö h n Volksheilkunde 1, 86f.; F l ü g e l 66 f. 3) Schon M e g e n b e r g 103, 23ff.; ZfVk. 8 (1898), 443; H ö h n Volksheilkunde 1, 87; Alemannia 12 (1884), 193 § 1 8 (Schneewasser der Alpen); Bavaria 4, 1, 228; F o s s e l 4) H ö h n Volksmedizin 158. Volksheilkunde 1, 87; Bavaria 4, 1, 228; H. v. O r e l l Neue Beyträge zur nähern Kenntniß des Schweizerlandes 1 (1791), 55 = M a n z Sargans 72 f.. B) H e y l Tirol 433 Nr. 122. e ) Germania 36 (1891), 393. 7 ) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 67. 8) Leben d. Heiligen 2, 11 b = W o l f Beiträge 2, 31 f. *) S t ö b e r Elsaß 1, 94 Nr. 127; W o l f Beiträge 2, 32. 10) Ed. Bächtold (1877) 135, 18 fi. u ) L ü t o l f Sagen n o f . l l a ) F o s s e l I 59- 12 ) J ö r i m a n n Rezeptarien 136. 13 ) B u c k Volksmedizin 58; L ü t o l f Sagen 304 Nr. 244; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 16. 14 ) G ä b e l k h o f e r Artzneibuch (1618), 163 fg.; umrankt von zauberhaften Anweisungen: S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 442 f. (vgl. dazu B e c k e r Volkskunde 135 f.); S c h r ö d e r Apotheke (1718) 376, 126; Siebenmal versiegeltes Buch (Teil vom 6. und 7. Buch Mosis) 45; A l b e r t u s M a g n u s Egypt. Geh. 1, 41; H ö h n Volksheilkunde 1, 87; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 17; F l ü g e l Volksmedizin 67; F o s s e l Volksmedizin 158; vgl. J ü h l i n g 16 ) Tiere 269 f. K ö h l e r Voigtland 351 = S e y f a r t h Sachsen 262. l s ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 19; 1, 203; B u c k Volksmedizin 48 (aus gebranntem Roßhuf), nach G ä b e l k h o f e r 17 ) Artzneibuch (1618), 163. Krötenpulver: L ü t o l f Sagen 352; Braunwurz: H u ß Aberglaube 6; Hauswurz: H ö h n 1, 87 (aus Gäbelkhofer). 18) W e t t s t e i n Disentis 174 Nr. 35; A l p e n b u r g Tirol 372; ZfrwVk. 10 (1913),

6o 7

Kropfschwamm—Kröte

68; HessBl. I, 1 8 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 260 Nr. 7 6 ; F o s s e l 1 5 9 ; Urquell 3 (1892), 303 f.; F o g e l Pennsylvania 296 Nr. 1 5 6 5 ; H e n d e r s o n Northern Counties 1 5 3 . H ) K e l l e r 20 Grab 3 (1778), 1 7 2 . ) G r i m m Myth. 3, 4 5 4 Nr. 5 7 3 = W o l f Beiträge 2, 3 7 7 = Z f V k . al 1 7 (1907), 3 7 3 . ) M e s s i k o m m e r i, 172; 6. und 7. Buch Mosis 84; W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 5 4 Nr. 1 6 ; vgl. L a m m e r t 239. 2 2 ) F o s s e l 2S 1 5 8 ; vgl. Unoth 1, 1 7 9 Nr. 2. ) Becker Pfalz 1 3 5 ; L a m m e r t 2 3 8 ; Schlangenhaut: Notes and Queries, Folk-Lore (1859), 36. M ) V g l . S A V k . 1 2 , 1 1 9 Nr. 2 ; F o g e l P « M M sylvanien 2 7 7 Nr. 1454. 2 S ) Vgl. S A V k . 7, 1 3 8 Nr. 9 1 ; Z i n g e r l e Tirol 3 1 Nr. 2 1 8 . 2 6 ) S A V k . 8, 2 7 2 Nr. 76. 2 7 ) A g r i p p a v . N . 2, 1 8 ; S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 3 4 f . ; Notes and 28 Queries, Folk-Lore (1859), 59. ) Anhorn Magiologia (1674) 828 f.; G e r h a r d t Novelle 64; G r i m m Myth. 3, 3 3 5 ; S i t t l Gebärden 3 2 4 ; M i r z a l Memorabil. Cent. num. 66 = S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 3 5 . 2 9 ) L a m 30 sl m e r t 238. ) P o l l i n g e r 291. ) Lammert 2 3 9 ; P a n z e r Beitrag 2, 3 0 2 ; R e i s e r Allgäu 2, 446 Nr. 2 2 3 ; F l ü g e l Volksmedizin 41; Bavaria 3, 2 (1865), 944; Alemannia 1 7 (1889), 2 4 3 ; H ö h n Volksheilkunde 1, 88. 3 2 ) G r i m m Myth. 3, 4 1 9 Nr. 53. "*) H ö h n Volksheilkunde 1, 88; V e r n a l e k e n Alpensagen 399 Nr. 72. **) Germania 36 (1891), 393. 3 6 ) J a h n Hexenwesen 104 Nr. 234. *•) Z i n g e r l e Tirol 3 1 Nr. 2 1 9 . 3 7 ) F i s c h e r Oststeierisches 5 3 . P e t e r Österreichisch-Schlesien 2, 267. Bächtold-Stäubli.

Kropfschwamm s. S c h l a f ä p f e l . Kropfstein (Lapis Spongiae, Schwammstein). Seit alters wurde vom Volke der Meerschwamm gegen den Kropf verwendet. Als lapis Spongiae oder Spongites wird er in alten Quellen öfters erwähnt; das Volk nannte ihn Kropfstein und verstand darunter schwammige, aschfarbene oder weiße Kügelchen von der Dicke einer Mandel. Die alten Pharmazeuten stellten solche aus einem Gemisch von „Meerschaumasche", Schokolade, Zucker und Eiweiß her. Der gepulverte Meerschwamm wurde mit Essig vermischt eingenommen. Man inhalierte auch den verbrannten Schwamm oder trug Säckchen mit gepulvertem am Halse. In Schlesien legte man „gepulverten Kropfschwamm" auf den dicken Hals oder Kropf. Außer gegen Kropf sollte der Stein auch gegen Blutfluß, Geschwüre, Skrofulöse, Gicht, Podagra, Zipperlein und Würmer der Kinder helfen. Schwenckfeldt nennt gebrannten Schwamm das wirksamste Mittel gegen

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Blutungen, Hellwig hält ihn für ein gutes Mittel gegen Steinleiden. Das Volk gebrauchte ihn aus Erfahrung mit Erfolg, ohne zu wissen, was dabei wirksam war. Die Wissenschaft suchte lange vergebens nach der Ursache der unbestreitbaren Wirkung, hielt anfangs Soda für das „wirksame Prinzip", gab aber den Gedanken bald auf, da Soda für sich allein wirkungslos war. Die chemische Analyse konnte keine weiteren wirksamen Stoffe im Meerschwamm nachweisen; man hielt es für einen Volksaberglauben. Erst als 1 8 1 2 das J o d entdeckt, seine mächtige Wirkung festgestellt und Jod in den Meerschwämmchen nachgewiesen wurde, war die Lösung des Rätsels gegeben 1 ). ! ) J . K e n t m a n n i nomenclaturae rer. foss. ( 1 5 6 5 ) p. 9 3 ; L o n i c e r 60 f.; S c h w e n k f e i d t catalogus 2, 4 5 6 ; H e l l w i g 202 u. Z e d i e r 1 6 , 7 5 1 s. v . ' Schwammstein; F l ü g e l Volksmed. 67; F o s s e l Volksmed. 1 5 8 ; D r e c h s l e r 2, 295 ; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 1 6 ; K ö h l e r Voigtland 2 6 3 ; M ü l l e n h o f f Natur 70 Nr. 1 1 2 ; L i e b r e i c h Deutsche Medizinalzeitung ( 1 8 9 5 ) Nr. 3 8 ; K r ä u t e r m a n n s. v. Schwammstein 2 3 9 ; S e y f a r t h 2 6 3 ; Z f V k . 2 3 ( 1 9 1 3 ) , 3 7 9 f. Olbrich.

Kröte (s. a. Frosch 3, 1 2 4 iL). 1 . N a turwissenschaftlicher Aberglaube. Die mittelalterliche aus dem Altertume übernommene x ) Anschauung, daß die K . g i f t i g sei 2 ), hat sich im Volke bis heute erhalten 3 ): Man muß sich vor ihr hüten; denn, wenn sie den Menschen beißt, „anseicht" oder „anpustet", d. h. ihren giftigen Saft anspritzt, entstehen an der getroffenen Stelle böse und schwer heilbare Geschwüre 4 ). Man warnt die Kinder sogar, hinzutreten, wo eine K . gesessen hat *). Man hält sie für so giftig, daß man ihr zwei Lebern zuschreibt 6 ). Man bereitete deshalb Gift aus ihr 7 ). Als Mittel gegen diese Vergiftung wird im Harz 8 ) angeraten, binnen 1 2 — 2 4 Stunden an dieselbe Stelle zu gehen, wo die K . einen angespritzt hat; dann komme sie wieder und sauge das Gift aus dem Körper heraus. Sonst könne einem nichts auf der Welt helfen. Da und dort gilt die K . als u n v e r w u n d b a r 9 ) oder heißt es, daß es unmöglich sei, sie vor Sonnenuntergang vollends zu töten 10 ) (s. § 2), sie werde

Kröte

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sehr a l t u ) ; ihre roten Augen rühren davon her, daß sie sie sich wegen einer Ehrenkränkung rot geweint hat 1 2 ). Die K.n sind W e t t e r t i e r e : „ E s goupet (schleicht) e Chrott über d' Strouss", heißt es in der Schweiz, „es chunnt ge regne" 13 ). Im Z o r n e bläht sie sich bis zum Zerspringen auf 1 4 ). Den Kühen saugt sie die Milch aus 15 ) ; um das zu verhüten empfiehlt ein altes Rezeptbuch aus der Schweiz 16 ) : „Nimm Wagenschmär in ein Schirblein und seze es in den Stall, so kann dir keine K . hinein: Ist aber eine oder mehr darinnen, so wandern sie wieder hinaus; denn sie könnens nicht riechen". Sie beißen auch oft die Kühe, so daß sie rote Milch geben. Man fängt dann eine K., kocht sie und läßt sie trocknen und gibt sie der Kuh in Wasser zu saufen. Darauf wird die Kuh sofort wieder gesund 1 7 ). Fast allgemein verbreitet herrscht heute noch die Meinung, daß, wenn man K.Laich in Wasser trinke, man K . im Leib bekomme, und daß diese K.n lang im Menschenkörper leben könnten 18 ). Das mhd. Gedicht „Moriz von Craon" (1215) erzählt von Kaiser Nero, daß er wissen wollte, wie einem schwangern Weibe wäre, und daß er von seinem Arzte verlangte, ihm zu solchem Gefühl zu verhelfen (Vers 159 ff.): des antwurt im der a r z â t : ' E s wirt harte guot r ä t ; ich verende al dîne bete'. und g a b ihm ein pulver, daz ein krete wuchs in sînem magen. dô begunde der künic traged ein bürde harte swœre, swie lîhte er ir âne waere. do diu krete in dem m a n grôze wahsen began, do gelîchte er einem wîbe vornen an dem l î b e l i ) .

Im Braunschweigischen glaubt man, daß Hexen gern K. in den Leib anderer zaubern und dadurch Krankheiten verursachen 20) (s. Kröten votive). Kindern, die ihre Eltern mißhandeln, wächst eine K . aus dem Munde 21 ). Gegen die K . im Hals kennt das Volk zahlreiche Mittel 22 ). Dem ganzen Mittelalter galt die K . als Symbol des G e i z e s und des N e i d e s ; der Geiz wurde oft in Gestalt einer K . B i c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

dargestellt 23 ). Diese Anschauung stammt von dem Glauben, daß die K . sich von Erde ernähre, aber sich nie davon satt, sondern tagtäglich nur so viel fresse, als sie in ihrem linken Fuß fassen könne, aus Angst, sie könnte die Erde sonst auffressen und hätte dann keine Nahrung mehr 24 ). Das Mittelalter wußte noch vieles von der K . zu erzählen: „wer ain kroten zu pulver prennt und den pulver laezt liegen, da werdent lebendig kroten aus" 2 6 ). Nach anderer Anschauung entstehen sie aus Erde oder faulenden Stoffen 26 ). „Durch das essen sonderbarer Kräuter verlängert sie ihr Leben", schreibt Albertinus 27). „Wenn der kroten ain aug verdirbt, so izt si ain besundert kraut", berichtet Megenberg (S. 296), „da mit si das gesiht widerpringet". Nach Albertinus 28) waffnet sie sich „mit dem Saft deß Wegrichkrauts wider das beissen der Spinnen", die ihr Erzfeind ist 2 9 ). „Alexander spricht", überliefert Megenberg (S. 295 f.) 3 0 ): „diu krot izt gern salbai und vergift der salbai wurzeln nümmer, dar umb schol man der salbai stat mit rauten umbgeben, wan der rauten taw und ir saff ist der k. toetlich schad". ,,Ez ist ainr lai k. in wälhischen Landen", erzählt der gleiche Schriftsteller 31 ), „die habent stimm sam die pusaunn, und wenn man si auz dem land pringt, so verliesent si die stimm". Sie flieht „den edlen smack der Weingärten" oder „sö si an draeht der reben bluot" 32). N B . Angesichts der großen Masse des Materials haben wir nachstehend jeweils nur einige Belegstellen angeführt. *) P l i n i u s 32, 50; schon im A l t e n T e s t a m e n t gilt sie als unrein: 3 Mos. 1 1 , 29. 2) V i n c . B e l l o v . 20, 5 7 ; M e g e n b e r g 1 7 5 . 295. 297; G e s n e r Tierb. 169; A n h o r n Magiologia 722; M e y e r Abergl. 79; F r a n z Benedictionen 1, 308 f . ; H ö f l e r Organoth. 141. 3) Vgl. u. a. A n d r e e Braunschweig 401; S c h r a m e k Böhmerwald 246; Z f V k . 23, 282; J ü h l i n g 118. 120; G r i m m Myth. 3, 199. 4) M e g e n b e r g 296; J ü h l i n g 120; Z f V k . 23, 282 Nr. 33 (Schleswig-Holstein); ZfrheinVk. 4, 232 ( L i p p e ) ; D r e c h s l e r 2, 224; Urquell 4, 124. 252 Nr. 22. 260; Schweizld. 3, 8 7 7 ; S A V k . 21 (1917), 203; Z i n g e r l e Sitten 94 Nr. 8 1 1 ; Y e r n a l e k e n Alpensagen 421 Nr. 156; Meyer Baden 548; Sieber Sachsen 195; 20

Kröte

6n Fogel

Pennsylvania

323

Nr. 1721

(1719);

325 Nr. 1729. 6 ) J ü h l i n g 120; Urquell 4, 124; ZfrheinVk. 4, 232. ") SAVk. 6, 54; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 261; H ö f l e r Organotherapie 140. 7 ) P o r t a Magia 1617, 330 ff. 8 ) P r ö h l e Harzbilder 87. 9 ) D r e c h s l e r 2, 224; H a l t r i c h 292; vgl. hier § 5 die Erzählung bei C a e s a r i u s v. Heisterbach Dialog. 10, 67. 10 ) V o n b u n Churrhaetien 121. n ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 83 f. 1 2 ) H a a s Pommersche Sagen (1926) 1 1 7

Nr. 221; ders. Grimmen 69 Nr. 95; B a r t s c h 13 Mecklenburg 1, 520. ) Schweizld. 2, 388; 3, 877; SAVk. 12, 19; vgl. F i s c h e r Schwab14 Wb. 4, 784. ) Schweizld. 3, 877; A l b e r t i n u s 360; DWb. 5, 2417. " ) BllfhessVk. 18 1, 13. ) SAVk. 6, 57. 1 7 ) G r o h m a n n 130 Nr. 949; Urquell 3 (1892), 272; G r i m m Myth. 3, 417 Nr. 22; SAVk. 6, 57; RogasFambl. 2 (1898), 4; HessBl. 1, 13. 1 8 ) Z a h l e r 24; F i s c h e r SchwäbWb.

4, 784;

Gubernatis

Tiere

633;

L a m m e r t 2 5 4 ; Alemannia 26, 264f. 1 9 )ZdVfVk. 16, 233; Kaiserchronik V. 4140 ff.; Zimmernsche Chronik 4, 56; G e s n e r Tierb. 169'; Schweizld. 3, 878 ( R u e f Von den Empfengknussen. Zürich r 554); F i s c h a r t Gargantua cap. 36; L a m m e r t 254. 2 0 ) A n d r e e Braunschweig 383. 21 ) M e i c h e Sagen 636 Nr. 785; S i e b e r Sachsen 116. 2 2 ) Herrigs Archiv 151, 278 f.; S t a r i c i u s Heldenschatz 451. 2 3 ) Urquell 3, 191; Z i n g e r l e Sitten 94 Nr. 813; ZfdMyth. 1, 361. 362 (Tirol); M ü l l e r Uri 1, 283 Nr. 394; B a a d e r Sagen 97 Nr. 109; vgl. weiter folgende Anm. 2 4 ) A l b e r t u s de Animalibus 26, 8; V i n c . B e l l o v . 20, 57; M e g e n b e r g 295; R e n n e r Vers. 4 8 0 7 0 . ; A l b e r t i n u s der Welt tummel- u. schawplatz 361; D W b . 5, 2416; Z i n g e r l e Sitten

94 Nr. 809. 26 ) V i n c . B e l l o v . 20, 57; M e g e n b e r g 296; A l b e r t i n u s a . a . O . 361. 26 ) V i n c . B e l l o v . 20, 57 (ex libro de natura rerum); DWb. 5, 2416; G e s n e r Tierb. 169; vgl. P o r t a Natürl. Magie (1617) 374 f.; A b e l Vorweltl. Tiere 24. 2 7 ) A. a. O. 359. 2 8 ) A. a. O.

359- a 9 ) M e g e n b e r g 296; G e s n e r Tierb. 169; R o l l a n d Faune 3, 51 Nr. 7. a o ) V i n c . B e l l o v . 1. 20, c. LVII; G e s n e r Tierb. 169. 31 ) S. 295; V i n c . B e l l o v . 1. 20, c. 57; A l b e r t u s M. De Animalibus 26, 8. 3 2 ) M e g e n b e r g 296; v. L a s s b e r g Liedersaal 3, 25.

2. Z a u b e r . Besonders gefährlich sind die K.n in den Zwölften 33 ) (s. u.). Die an Walpurgis zum Vorschein kommenden K.n werden für Hexen gehalten 34 ) (s. u. Sp. 625). Zu gewissen Zeiten werden sie verjagt. An Petri Stuhlfeier (22. Februar) wurden sie, zusammen mit Schlangen und Molchen, „ausgeklopft" 3 5 ), in Westböhmen geht am Karsamstag während des Glorialäutens der Hausvater mit einem Schlüsselbund klimpernd im Wohnhaus und im Hof herum und bis in den Hof hinab, um von Mäusen und K.n verschont

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zu bleiben 38), im Erzgebirge trägt man die K., mit Pfeffer bestreut, in den Bach 3 7 ). In der schönen Jahreszeit sitzen sie gerne in offenen Brunnen und ziehen das Gift an, das darin enthalten ist. Deshalb darf man nur in der Zeit von Georgi oder Walpurgis bis Michaeli aus solchen offenen Brunnen trinken, in der übrigen Zeit, oder wenn keine K.n sich darin aufhalten, ist es gefährlich 38 ) (s. unten § 3, Sp. 617ff.); deshalb darf man K.n nicht aus Brunnen (oder Kellern) vertreiben 39 ). K.n dürfen nicht gequält und nicht getötet werden 40), ja man soll sie nicht einmal beleidigen 41 ), weil man in ihnen arme Seelen yermutet 42) (vgl. unten § 5, Sp. 627). Wer sie tötet, dem brennt das Haus ab 43) oder der bekommt Krätze 44), dem stirbt das schönste Stück Vieh ; wer sie quält, bekommt Bauchweh, wer nach ihr schlägt, Rücken weh 4 6 ), wenn sie dabei dreimal schreit, muß man sterben 4 7 ); wenn man auf sie spuckt, wachsen einem K.n auf der Zunge 48 ). Wer sich dagegen mit ihr befreundet, dem bringt sie Geld 49) (norwegisch), und wer ihr in Nöten beisteht, dem verleiht sie wunderbare Kraft, wie eine Handschrift um 1700 es bezeugt 6 0 ): „Wan du dartzu kömbst das eyne krötte vnd eyne schlänge oder natter mytteynander streitten, so zyhe dein schwerdt aus, vnd thue der krötten eynen bystandt, vnd erschlage die natter, vnd dis schwerdt behaldt alsdan. so du dan siehst das ein vnfriede ist, vnd sich mit bloßen schwerdtten eynander schlagen wollen, so gehe hynzu vnd zeuch dein schwerdt auch aus, vnd gebeutt ihnen den friede, so balden werden vnd müssen sie friede haltten". Eine K. im Stall, an einer Schnur aufgehängt oder an die Stalltüre genagelt 61 ), schützt das Vieh vor bösen Leuten und vor Seuchen, K.n im Getreideacker bewahren ihn vor Hagel (ähnlich wie die Schildkröte im Altertum 62)) oder vor Vögeln 63). An gewissen Tagen, z. B. in den DreißigTagen 54), zwischen den Frauentagen (2. Februar und 25. März) 65), am 20. März Bi ) usw. getötete K.n sind besonders heilsam (s. unten § 3, Sp. 6i7ff.). Dagegen muß

613

614

Kröte

man sich hüten, sie abends und namentlich am Allerseelentage zu töten, eben weil „arme Seelen" drin sind 67 ). Während die K. bei den Griechen und nach einzelnen Belegen auch im Mittelalter als glückbringendes Tier betrachtet wurde 68), geht man ihr in Siebenbürgen aus dem Wege, weil es eine Hexe sein kann 59). Wenn eine K. auf der Schwelle des Hauses sitzt, ist es nach bernischem Volksglauben ein schlimmes Vorzeichen; doch wagt man nicht, sie zu entfernen, aus Furcht vor noch größerem Unglück 60). Eine K. in der Stube bedeutet Unglück (Ostpr.) 61). Wenn am Silvester eine K. im Hause ist, stirbt ein Glied der Familie innerhalb eines Jahres62). Dem, „der den Teufel hat", verkündet ihre Begegnung Unglück und Tod 63). Sie begleiten den Wanderer, in dessen Familie ein Todesfall bevorsteht 64). „Wemmr ene draußen uf'n Faid unnerm Misthaufen d'rwischen", glaubt der erzbirgische Bauer, „dar gihts schlacht, dä mit dar hot'swos" 65). Wird in Hettingen (Baden) zufällig eine K. in eine Garbe eingebunden, so fällt der Erntewagen sicher um ®6). Frauen erschien es in Engelberg (Unterwaiden) als schlimme Bedeutung, wenn vor ihnen eine Kröte quer über den Weg ging 67). Um dem Unheil zu entgehen, spießt man die K. (oder Blindschleiche), die über den Weg kriecht, auf und sagt: „Heit ist a heiliga Son-oder Man-Ta. ." 68 ). Weitverbreitet ist der Glaube, daß es Unglück bringe, wenn eine K. die Haare eines Menschen in ihr Nest ziehe. In Böhmen siecht er infolgedessen unrettbar dahin 69), in der Schweiz wird er blind (Sargans)70) oder bekommt er das „Hifallend" (Epilepsie) (Graubünden)71), oder verliert er den Verstand (Norwegen)72) (s. Haar). Sagt man zu einem Menschen oder einem Tier: „du K.", dann nimmt der so Angeredete drei Tage lang ab 73 ). Vor allem Kinder darf man nicht „ K . " nennen, weil sie sonst nicht mehr wachsen 74). Eine große Rolle spielt die K. wohl infolge der faszinierenden Kraft ihrer Augen 76 ) im Spiel- und Schießzauber:

Eine K. oder ein K.nfuß (s. Sp. 623) in der Tasche sichert Gewinn im Spiel 7S ). Sticht man abends einer K. mit einer Nadel durch beide Augen, zieht einen Faden dadurch, und bindet man diesen Faden über Nacht um die Fingergelenke der linken Hand, so gewinnt man alles im Spiel 77 ). Ähnlich geht man vor beim Schießzauber: Wenn man am 1. März eine K. findet, so nimmt man eine Nähnadel mit einem karmesinroten Seidenfaden, sticht ihr durch die Augen, zieht den Faden hindurch und tut von diesem Faden ein wenig in die Kugeln, dann trifft jede davon 78). Ebenfalls mit ihrem Blick zusammenhängend ist der folgende Glaube: „Einen wachend oder schlaffend zu machen: Man muß einer lebendigen K. subtiel den Kopff lebendig und in einem Hieb abschneiden, und diesen Kopff trocknen lassen, dergestalt, daß das eine Auge zugemacht, und das andere offen bleibe; dieses welches offen ist, machet wachen, das andere aber, so zu ist, hingegen schlaffen, wenn man es bey sich träget" 79). Will man beim Stehlen sicher sein, so fängt man am Karfreitag eine K., tötet und dörrt sie und zerreibt sie zu Pulver und trägt dieses Pulver bei sich 80). Im Liebes- und Hexenzauber wird die K. unter der Schwelle vergraben: Wenn z. B. eine Hexe will, daß ein Mann seine Familie verlasse und zu ihr komme, vergräbt sie unter der Haustüre des Mannes eine K. Sobald nun der Mann über die K. schreitet, geht er schnurstraks zu der Hexe und hängt ihr an, bis die Frau die K. findet und sie verbrennt (Böhmen)81). Damit keine Hexe ins Haus kommen könne, vergräbt man im Berner Oberland ein Tier, besonders eine K., unter die Schwelle 82). „Viele stehen in dem Wahn", schreibt Fischer 1791 in seinem Buch vom Aberglauben (1, 136), „daß sie durch das Anschreiben gewisser Zeichen oder durch das Anschmieren gewisser Salben an die Haüsthür, oder durch Vergrabung einer K. oder Eidexe unter der Thürschwelle ganz verkommen müßten". Vergräbt man unter der Schwelle eines Stalles eine K. und sagt drei derbe Flüche dazu, 20*

6i5

Kröte

so sollen nach böhmischem Glauben M ) alle Tiere, die darüber schreiten, draufgehen. U m zu bewirken, daß jemand, vom bösen Blick getroffen, von langsam zehrender Krankheit ergriffen wird und stirbt, ohne daß jemand den Grund erkennen kann, soll man nach englischem Glauben 8 4 ) alle Nächte ausgehen, bis man neun K . n gefunden hat. Diese K . n müssen an eine Schnur gebunden miteinander in ein Loch vergraben werden. S o wie die K . n hinsterben, so verzehrt sich das Leben der Person, die man töten will. U m jemanden vom Nervenfieber zu heilen, bringt man in Mecklenburg 86 ) eine lebende K . in einen neuen irdenen Topf, gießt darauf den vor Sonnenaufgang gelassenen Harn des Kranken, deckt den Topf fest zu und vergräbt ihn mittags 1 2 Uhr an einen Ort, wo weder Sonne noch Mond hinscheint. Niedersächsische Volkssagen wissen zu berichten, was schon im Simplicianischen Galgen-Männlin (cap. 3) erzählt wird, daß Hexen in den Butterhafen K.n legten; die Butter nimmt dann nie ab; setzen sie sie ins Butterfaß, so entsteht rasch und mühelos die schönste Butter 8 4 ) (vgl. Anm. 197). Tote K.n werden auf das Spundloch der Weinfässer gelegt, um abgestandenen Wein wieder aufzufrischen 87 ). Durchspießt man die erste K . , die man im Frühling sieht, mit einem Bohnenstichel, setzt in dieselbe eine Maienbohne, nimmt von der daraus hervorgehenden Ranke eine Blüte, dazu eine Hollunderblüte, so sieht man in der Küche die Hexen 88 ). Gegen üble Nachrede schützt man sich im Nahetal 8 9 ), wenn man mit einem Handschuh eine K . fängt, sie in den Handschuh steckt und den Handschuh mit der K . an die Decke im Stall oder auch sonstwo im Dunkeln annagelt. Gräbt man eine K . aus, so kommt man nach brandenburgischem Glauben bald ins Kindelbier ®°) (s. unten Sp. 626 f.). Ein großer Teil der volksmedizinischen Verwendung der K . beruht auf solchem Glauben an ihre zauberhafte Kraft. w ) W. 155; B a r t s c h Mecklenburg 2, 244 Nr. 1267; vgl. ZfVk. 6, 429. 34 ) G r o h m a n n 83 Nr. 594. S5 ) Meyer Mythologie 216; K u h n Westf. 2, 1 1 9 ; M a n n h a r d t Mythen 16; J a h n

6l6

Opfergebräuche 96; M e y e r Baden 79. S6 ) J o h n 64; vgl. B i r l i n g e r VT. i , 472 Nr. 8. w ) J o h n Erzgebirge 239. 3 8 ) S c h ö n w e r t h 2, 171 f.; vgl. Grohmann 51 Nr. 326 (vom Frosch an Stelle der Kröte); ZfdA. 3, 361 Nr. 10 (Memingen); Heinsius Schatzkammer 2,1245; B o h n e n b e r g e r i 3 - S9 ) R o l l a n d Faune 3, 52. 40 )W. 155; L i e b r e c h t 332; ZföVk. 13 (1907), 133; S6billot Folk-Lore 3, 279. 280 f.; F i e n t Prättigau 241; Fogel Penns. 316 Nr. 1678; 161 Nr. 762. 4I ) Wolf Beitr. 2, 464. " ) J o h n Westböhmen 221; L i e b r e c h t 333 Nr. 178. J o h n Erzgebirge 239. 44 ) K n o o p Tierwelt 26 Nr. 234. 46 * ) Schweizld. 3, 877. ) B i r l i n g e r Schwaben I, 410; W. 155; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 784; R o c h h o l z Sagen 1,344. 47 ) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 784. 48 ) S c h r a m e k 246; K ü h n a u Sagen 3, 410 Nr. 1783. 4S ) L i e b r e c h t 333 Nr. 177. M ) ZfdMyth. 3, 322 f.; L i e b r e c h t 333. s l ) Rot h e n b a c h 38 Nr. 330 f.; SAVk. 7, 141 Nr. 126; B i r l i n g e r VT. 1, 489 Nr. 50; 1, 488 Nr 46; MwürttVk. 3, 1 3 ; Z i n g e r l e 94 Nr. 810; W i t z schel Thüringen 2, 269 Nr. 40; Z a h l e r Simmenthal 40 (mit Lit.); Stoll Zauberglaube 123; M e y e r Baden 396; ZfrhwVk. 2 (1905), 290. 292; Fogel Pennsylv. 137 Nr. 627 fg.; S e b i l l o t Folk-Lore 3, 282 f. S2 ) F e h r l e Geoponica 21. M ) BllpommVk. 7, 152; SAVk. 24, 64; R o t h e n bach 38 Nr. 331. M ) Z i n g e r l e 169 Nr. 1407 ff.; ZfdMyth. 1 , 1 6 f . ; V o n b u n Churrhaetien 1 2 1 ; A l p e n b u r g Tirol 265; Schulenburg Wendisches Volkstum 47. 66) J ü h l i n g 1 1 8 ; R o l l a n d Faune 3, 49 Nr. 15 = Romania 1877, 89; Manz Sargans 74; B a u m g a r t e n Jahr 291. s «) J ü h l i n g 118. « ) W. 763; John Westböhmen 181. 68 ) Hopf Tierorakel 196; ZfVk. II, 277; M e s s i k o m m e r 1, 184. 59 ) H a l t r i c h 292. 60) Schweizld. 3, 877. 6 1 ) W. 252. 62 ) J o h n Erzgebirge 1 1 5 ; vgl. Z i n g e r l e Sagen 198 Nr. 333. ÄS ) J o h n Erzgebirge 239. 64 ) ZfrheinVk. 5 (1908), 244. 6S ) J o h n Erzgebirge 240. 68) Meyer Baden 427. " ) Schweizld. 3, 877. 68) B a u m g a r t e n Heimat 1, 115. 69) J o h n Westböhmen 221; G r o h m a n n 83 Nr. 592. 7») SAVk. 12, 278. 71 72 ) V o n b u n Beiträge 122. ) Liebrecht 333 Nr. 176; vgl. ZfVk. 10 (1900), 2 1 1 . 73 ) W. 395; B a r t s c h Mecklenburg 2, 182 f. Nr. 872. 74 ) D r e c h s l e r 1, 212. 209; M e y e r Baden 51; Schmitt Hettingen 14; Meiche Sagen 484 Nr. 628; B a r t s c h Mecklenburg 2, 182 f. Nr. 872. 76 ) S e l i g m a n n Böser Blick 1, 133 f.; schon von C a r d a n u s De Herum Varietate X V I , c. 90 bezeugt; Notes and Queries, folklore (1859) 16. 76 ) Schweizld. 3, 878 (Graubünden, Toggenburg); P e t e r Oesterr. Schles. 2,241. 77 ) Schild Grossätti (1863), 129 Nr. 5. 78 ) J o h n Westböhmen 326. 328. '•) S e y f a r t h Sachsen 148 = T e t z n e r Werdauer Altert. 365 ff. 80 ) W. 400 (Erzgebirge); B a u m g a r t e n Heimat 2, 85. 81 ) G r o h m a n n 210 Nr. 1462. 82 ) SAVk. 7, 141 Nr. 126. 8S ) G r o h m a n n 132 Nr. 964. 84 ) ZdVfVk. 1 1 , 307. 8 5 )W. 493. 8S ) M ü l l e r - S c h a m b a c h 166 Nr. 1 8 4 ! ; M e y e r Aberglaube ygi.; R o c h h o l z Sagen 1, 343; S t r a c k e r j a n 1, 385. 87 ) W. 155; R o c h h o l z Sagen 1, 343. M ) R o -

6i 7

Kröte

t h e n b a c h 57 Nr. 547 f. 89 ) ZfrheinVk. 2, 290; Messi kommer i, 172; R o c h h o l z Naturmythen 201; Sagen 1, 343. , 0 ) ZdVfVk. 1, 191 Nr. 5.

3. Volksmedizin. Wie die K. das Gift im Brunnen an sich zieht, so tut sie das bei Krankheiten des Menschen und des Viehs. Man legt z. B. an „giftigen" Krankheiten Leidenden, ohne Wissen der Kranken, lebende K . unter oder in das Bett 9 1 ). Vielfach wird sie lebend auf die kranke Körperstelle gebunden92) und dort gelassen, bis sie stirbt 93 ). Da und dort muß man vorher ein Kreuz über sie machen M ). Man sperrt sie auch in ein Loch und liegt mit der kranken oder schmerzenden Stelle darauf. Dann verschwindet der Schmerz, die K. aber stirbt 9S ). Das hilft gegen offene Wunden, Muttermale, Brustkrebs, Rheumatismus, Blutfluß usw. Nach dem schlesischen Wirtschaftsbuch von 1712 98) geht man in der folgenden Weise vor: „So ein Mensch den Wurm hat, der nehme eine K., nicht allzu groß, und tue sie in einen dicken sämischen Beutel und hänge sie dem Kranken an den bloßen Leib, nicht weit davon, da der Wurm ist, und laß sie ihn bei sich tragen drei Tage urd drei Nächte; danach nehme man ihm die K . ab und werfe sie in ein fließend Wasser; es hat nächst Gott vielen Leuten geholfen". Die schweizerische Volkssage 97) weiß von Heilk.n zu erzählen, die freiwillig zum Kranken kommen und ihm das Gift aus Wunden wegsaugen. Meist aber muß die K . zu Heilzwecken langsam und martervoll getötet werden. So heilt man in Schlesien beispielsweise schweißige Hände und Warzen damit, daß man eine K . in der Hand langsam sterben läßt98). Gegen übermäßiges Nasenbluten soll man eine lebende K. so lange in der (linken?) Hand halten, bis sie erwärmt 99). Um Augenkrankheiten zu heilen, sticht man im Kt. Solothurn 10 °) einer lebenden K. die Augen aus und hängt das Tier in einem Zwilchsäcklein auf die Brust. Einzelne Tage des Jahres sind besonders geeignet für solche grausame Heilprozeduren, vornehmlich die sog. „Frauen-

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tage" oder die „Dreißiger, Frauendreißiger" (d. h. die dreißig Tage zwischen dem 15. August, der Mariä Himmelfahrt, und dem 8. September, Mariä Geburt, einschließlich der Oktave); denn in dieser Zeit ist die ganze Natur dem Menschen hold und freundlich, und die giftigen Tiere verlieren ihr Gift, so daß man sich ihrer am besten bemächtigen kann 1 0 i ). Auch der Georgstag 102 ) und Johanni 103 ) u. a. sind gelegentlich dafür geeignet. „Man soll nehmen eine K. im Lentzen oder Mertzen", empfiehlt ein Arzneibuch des 16. Jh.s als bewährte gute Blutstellung Dr. Johann Neuens 104 ), „vnnd solsie an einen Spieß stecken vnnd sol sie im Schatten, doch nicht an der lufft trucknen, vnnd wann sie trucken worden ist, sol man sie in einen schwarzen Zendel einnehen vnnd beyseits thun vnnd zur notturfft behalten". „So ein weyb iehre seuche zu uiel hatt", schreibt ein anderes Arzneibuch um die Wende des 16./17. Jh.s vor 1 0 S ), „so nimm ein erdtkrotte vnnd spieße sie im Augustmonde vnnd stegke sie Auf einen Zaum, daß sie derre wirdt vnnd vermache sie wol vnnd bindt sie dem weyb vnder den rechten Arm iiij tagck lang, so vorgehett sie die seuche; du mußt sie aber wol auf dem Zaune an der sonne laßen dürre werden. Auch vorstellest du eynen iedenn menschenn daß blutt darmitt, es sey auß der naße oder Auß wundenn, so du sie im vndter dem Rechtenn Arm bindest; ist bewert". Die Verwendung solcher gespießter und getrockneter K.n war früher offizineil, namentlich gegen die Pest. J . H. Lavater erklärte 1668 in seiner „Neue Pestordnung der Stat Zürich" (S. 69) 1 M ) über das Ausziehen des Giftes durch Hühnchen und Tauben: „Das (was) ich dem Gebrauch der dürren Krotten vorziehe, weil diese das innerliche Gift, so es nämlich sterker ist als das äußerliche, tun versterken". Heinsius empfiehlt sie in seiner „SchatzKammer der Kaufmannschaft" (2,1245) ebenfalls sehr: „Wenn eine K . gespisset und ausgetrucknet wird, ziehet sie zur Pestzeit das Gift aus dem Menschen, so oft sie auf die Pestbeule geleget wird". Es ist deshalb nicht verwunderlich, daß

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Kröte

die so präparierte K . vom Volke für alle möglichen Leiden verwendet wurde und noch wird und daß sorgsame Hauseltern davon in der geeigneten Zeit Vorräte anlegten, um stets gewappnet zu sein 107). Neben Blutungen 108) wird sie gebraucht, gegen Krebs 109 ), Rheumatismus n o ), 1 1 1 Gicht ), giftige Bisse 112 ), Warzen 1 1 3 ), Schwären 114 ) usw. 115 ). Im Rauchfang gedörrte K.n werden Frauen, welche die Menstruation verlieren, ohne ihr Vorwissen ins Bett gelegt 1 1 8 ). Gegen den Brand des Viehs räuchert man dasselbe damit, und zwar mit der linken Seite der K., wenn die rechte Seite des Viehs angesteckt ist und umgekehrt 117 ). Sie hilft aber nicht nur, wenn sie auf kranke Körperteile aufgelegt wird, sondern kann auch noch in anderer Weise verwendet werden: Eine „Dreissgenkröte" im Estrich aufgehängt, zieht in Tirol alle „bösen Winde" 118 ), an einem Faden in der Stube aufgehängt, im Kt. Bern alle giftigen Dünste in sich "•). Vor allem im Stalle leisten sie so zur Beschützung des Viehs vor Seuche und Behexung gute Dienste 12°). Neben diesen dürren K.n wird auch das K.npulver gebraucht. Es wird in der Weise hergestellt, daß man eine gedörrte K . zu Pulver zerreibt oder aber eine K., welche die Sonne nie beschienen hat, aus einem Keller oder Brunnen, in ein neues Töpfchen setzt, es gut vermacht, es an einen Ofen stellt, etwa wenn der Hafner brennt, und sie zu Pulver verbrennt 121 ). „Ob wohl, die Kroth vergifft ist / jedoch wann sie zu Aschen verbrent ist worden / verlieret sie die Krafft deß Giffts / vnd wird artzneyisch / stercket die Haut vnd Glider des Menschen / vnd verdürret die Wunden", erklärt Albertinus in „Der weit tummel- vnd schawplatz" (1612), S. 361. Noch 1829 wurde K.npulver in der Medizin innerlich und äußerlich angewendet 122). Solche pulverisierte K.n sind gut gegen Blutungen 123 ), Krebs 1 2 4 ), Hautausschläge 125 ), Aussatz 126 ), Trunksucht 127 ): „Vor altte Fließende vnnd briichische Schäden, die schwehr zu heilen sind", empfiehlt es ein Arzneibuch des 16. Jh.s 1 2 g ). „ . . . T r a g e mit dir aschenn

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von einer Kröten, so mag kein blut vonn dir. Wiltu das bewärenn, so nim die Asche vnnd henge die einer henne an den halß vnnd todt sie dann, so gehet kein blut von Ir" 1 2 9 ). Innerlich wird es eingenommen gegen das Ungerechte, Kolik 130), gegen Fieber usw. 131 ). Mit K.npulver wird aber auch Z a u b e r e i getrieben: Hildesheimer Hexen machten sich 1521 des Verbrechens schuldig, solches einigen Leuten ins Getränk getan und sie dadurch verhext zu haben I32 ). „Das Scheibenziehl zu treffen, daß dich keiner abschüsse", empfiehlt ein westböhmisches Zauberbuch 133 ): „Im Frühling nim die erste Krötte, brene sie in einen neuen Topf zu Pulver, bestreiche damit das Ziehl und schüsse, du trifst das Centrum, und wird dich keiner abschüssen". Wenn man am Karfreitag vor Sonnenaufgang eine K. fängt, dörrt und zu Pulver reibt, und dieses Pulver bei sich trägt, so ist man beim Stehlen sicher, nicht erwischt zu werden 134). Noch auf eine dritte Art findet die K. in der Volksmedizin Verwendung: „Nim Baumöel", schreibt ein altes Arzneibuch vor 1 3 S ), „thue das in ein glasiert häfflein vnnd eine Krötte, die voller Tipflein vnnd sprencklein ist in das öl, vnnd die Krott soll lebendig sein, vnnd decke das Häflein mit einem Hafen decklin vnnd verlutis oder kleib das Haflein fast wol. Darnach setz in ein fewer oder Kolenn vnnd laß es wol brennen vnnd sieden; so du meinest, das die Krothe wol versotten sey, so thue es vom fewer vnnd laß ein Weil erkalten. Darnach brich das häfflein auff vnnd hüte dich vor dem rauch, das er mit nichten in dich gehe vnnd seige es durch ein Tuch". „Es sollen aber die Krötten" (bevor man sie in Baumöl siedet), rät Felix Würz in seiner „Wund-Arznei" (1612) 136 ), „mit einem spitzigen Holz durchstochen und so lang aufgehenkt werden, bis sie ersterben". Solches K.nöl wird als Schmiermittel gebraucht bei Wolf, Frostbeulen, Hautröte u. dgl.137) und in Form einer Suppe eingenommen gegen Ruhr und Kolik 1 3 S ). Vielfach aber kürzt man das Verfahren ab und tötet einfach eine K.

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Kröte

und reibt z. B . den Unterleib mit ihr ein gegen B r u c h 1 3 9 ) , oder man durchsticht bei Sonnenaufgang mit einer Heugabel eine K . und bestreicht mit dieser die Warzen; sobald die K . , gegen Abend, abstirbt, verschwinden die Warzen. Man darf aber niemandem etwas sagen 1 4 0 ). 91 ) Schweizld. 3, 878 (Bern); L ü t o l f 352 Nr. 302; L e o p r e c h t i n g 83 f.; Manz Sargans 69 (mit Lit.). 92 ) W . 516; J ü h l i n g 37. 42. 118; G r o h m a n n 170 Nr. 1204; L a m m e r t 196; F o g e l 291 Nr. 1542; H e r z o g Schweizersagen 2, 81; B i r l i n g e r Volkstümliches 1, 485; SAVk. 8, 299; 8, 147; D r e c h s l e r 2, 317; H e i n s i u s Schatzkammer 4, 128. 8S ) L a m m e r t 185. 208; Schweizld. 3, 878 (Solothurn); ZföVk. 4 (1898), 216 Nr. 527. M ) L a m m e r t 208; B i r l i n g e r Volksth. 1, 485. »«) Z a h l e r 72. , 6 ) D r e c h s l e r 2. 317. " ) L ü t o l f 351 Nr. 302; M ü l l e r Urner Sagen 1, 254 Nr. 363. 98 ) D r e c h s l e r 2, 224; S t r a c k e r j a n 1, 93; Germania 20 (1875), 355 Nr. 88; J ü h l i n g 41. " ) K r ä u t e r m a n n 75 = J ü h l i n g 118; K e l l e r Grab 5, 437; P a n z e r Beitrag 2, 295; J ü h l i n g 41; F o s s e l 145. M0 ) Schweizld. 3, 878. 101 ) S a r t o r i 3. 241; Fischer SchwäbWb. 2, 363 f.; V o n b u n Churrhaetien 121; ZfdMyth. 1, 7. 102 ) H u s s 103 Abergl. 5 Nr. 10. ) Schulenburg Wendisches Volkstum 47; D r e c h s l e r 1, 143. 1M ) J ü h l i n g 116. 106 ) Ebd. 117. 106 ) Schweizld. 3, 878; s. a. ein Rezept aus dem 17. Jh. in SAVk. 15, 183 Nr. 57. 58; 6, 54; J a h n Hexenwesen 180 Nr.649; Notes and Queries,Folk-lore (1859), 10 f. (1658); E b e r h a r d t Landwirtschaft 13; S c h m i d t Mieser Kräuterbuch 40; H e y l Tirol 787 Nr. 144; H ö h n Volksheilk. 1 , 1 5 1 ; D r e c h s l e r 1, 143; ZfVk. 8 (1898), 173. l 0 ' ) H o v o r k a K r o n f e l d 2, 436. 437. 108 ) J ü h l i n g 116. 117. 119; L a m m e r t 196. l o s ) J ü h l i n g 118 = F o s s e l Steiermark 155; SAVk. 8, 147. 299; 11, 233 Nr. 2; ZfVk. 8, 174; H e y l Tirol 788 Nr. 153; L a m m e r t 208; F o g e l Pennsylvania 156 Nr. 737; B i r l i n g e r Volksth. 1, 485 Nr. 18; J ü h l i n g 116. 117. 118; Urquell 3 (1892), 66. 110 ) ZdVfVk. 7, 172 Nr. 29 (Ruppin); SAVk. 7, 138 Nr. 85 (Bern); 15, 243 Nr. XLVI; R e i s e r Allgäu 2,445 Nr. 206. l u ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 110 Nr. 416; 2, 183; W. 534; J ü h l i n g 118; F o s s e l 117. 166f. 112 ) J ü h l i n g 118. 119; BlifpommVk. 7, 152; 8, 94; H u s s Abergl. 5 Nr. 10; Schweizld. 3, 878; ZföVk. 4, 307; 6, 112; D r e c h s l e r 2,' 292; A l b e r t u s M. Egypt. Geh. 2, 69; Urquell NF. 1 (1897), 168 Nr. 12; P e t e r Oesterr.-Schlesien 1, 241; H e i n s i u s Schatzkammer 4, 128; F o g e l 291 Nr. 1542; J ü h l i n g 118. 119. l l 3 ) Meyer Baden 549; W. 487; ZfrheinVk. 5, 96; Urquell 1, 205 Nr. 6. 1 1 4 ) Schweizld. 3, 878. 115 ) ZdVfVk. 8, 173 (Tirol); vgl. dazu die Parallele in F e h r l e Geoponica 24 f. 116 ) H ö h n Volksheilk. 1, 95; M e y e r Baden 573; ZfdMyth. 2 (1854), 54; Manz Sargans 74. 117 ) M e y e r Baden 573; W. 155; M a n z Sargans 74. 118 ) ZdVfVk. 8, 174. "») Schweizld. 3, 878.

12

°) Z a h l e r 40; R o t h e n b a c h 38 Nr. 330; W. 682; ZfrheinVk. 2, 292; M e y e r Baden 396; R e i s e r Allgäu 2, 158 Nr. 7; 2, 438 Nr. 131. 121 ) L a m m e r t 207; J ü h l i n g 116 (16. Jh.); D r e c h s l e r 1, 143. 122 ) J ü h l i n g 120. 12a ) F o s sel Steiermark 145; BUpommVk. 7, 152; G e s n e r Tierb. 169 b; ZfVk. 1 (1891), 324; Alemannia 7 (1879), 80Nr. 2; L a m m e r t 147.194; J ü h l i n g 37. 38 f. 39. 40. 42; B u c k Volksmedizin 52; K r ä u t e r m a n n 189. l 2 4 ) J ü h l i n g 117; F o s s e l Steiermark 155; SAVk. 6, 52. 126 ) BlifpommVk. 7, 152; G r o h m a n n 211 Nr. 1467; H o v o r k a K r o n f e l d 2, 730; ZdVfVk. 7,55 Nr. 5; D r e c h s l e r 2, 224. l 2 6 ) J ü h l i n g 119. 127 ) Urquell 1 (1890), 136 Nr. 3; vgl. S c h u l e n b u r g 104. 128 ) J ü h l i n g 116; ZdVfVk. 8, 174; D r e c h s l e r 1, 143. 12> ) J ü h l i n g 1 1 5 . 1 1 7 . l a o ) J ü h l i n g 117. lsl ) B a r t s c h 2, 183; L a m m e r t 261; J ü h l i n g 119; Urquell 4, 173 f.; D r e c h s l e r 2, 304. 132 ) AfKulturgesch. 10, 113; vgl. auch W. 269; m T o e p p e n 38. ) J o h n Westböhmen 328, vgl. 326. 1 M ) W. 400 (Erzgebirge). 135 ) J ü h l i n g 115 f. 196 ) Schweizld. 3, 878. 1 3 ') J ü h l i n g 115 f. 116. 119; BllpommVk. 7, 152; D r e c h s l e r 2, 284; R o c h h o l z Kinderlied 339 Nr. 901; Meyer Baden 549; A n d r e e Braunschweig 420; W. 703. 138 ) F o s s e l Steiermark 119; J ü h l i n g 117. w ») ZfrheinVk. 1,98. 1 4 0 )W. 487. 4. E i n z e l n e T e i l e d e r

K.:

a) K . n b l u t verursacht nach Gesner (Thierbuch 169 b) Haarausfall und ist schuld an Kahlköpfigkeit. Der Kannelitermönch Peter Recordi war 1 3 2 9 angeklagt, verschiedene Wachsbilder angefertigt, sie mit Giftstoffen und K.nblut vermischt 1 4 1 ) und sie dann unter die Schwelle der Häuser von Frauen gelegt zu haben, mit denen er in geschlechtlichen Verkehr zu treten wünschte. Töte eine K . und streiche ihr Blut auf eine Warze; sie wird in drei Tagen weg sein, glaubt man in englisch-sprechenden Gegenden 1 4 2 ). 141 ) S o l d a n - H e p p e 1, 201; H a n s e n Zauberwahn 312 ff.; ders. Quellen 449. 142 ) B e r g e n Superstitions 105 Nr. 927.

b) K . n f e t t . Wenn einer einem andern einen Possen spielen und ihm einen Hund oder Menschen blind machen will, so kann er es mit K.nfett tun. Dazu soll er in dem Hause, wo er schaden will, die Handtücher oder sonst die Tücher, womit sich die Leute abwischen, mit K.nfett einschmieren 1 4 3 ). Das Fett der K . ist ein wesentlicher Bestandteil der Hexensalbe 1 4 4 ).

623 143)

v. S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 46 f. Veckenstedts Z f V k . 3 (1891), 263, I I ; K r a u ß Volksglaube 1 1 7 ; ders. Volkforschungen 73. 144 )

c) K.nfuß findet in der Volksmedizin wie die ganze K. Verwendung. Man haut der K. z. B. die Vorderfüße ab, und je nach ihrem Links oder Rechts reibt man die Bilgern (gingivae) des Kindes damit von innen und außen, um das Zahnen zu erleichtern14S). Oder man hängt dem Kinde die abgeschnittenen Hinter- und Vorderpfötchen um 146 ). Der rechte Hinterschenkel einer Dreißgenkröte, über der Herzgrube aufgehängt, heilt das dreitägige Fieber 147 ). Gegen rauhen Hals soll man die Füße einer K. auf den Hals binden 148), gegen Abzehrung (Atrophie) das Kind bei abnehmenden Mond mit einem K.nbein bestrichen werden149). Kropf wird geheilt, wenn man einer K. zur Zeit, da der Mond still steht, die Füße abhaut und mit ihnen den Auswuchs bestreicht 15°). Von einem, der viel Glück im Spiele hat, sagt man in Graubünden: „Der hot a krottabe" oder „a;n krottafueß im sack" 151 ). K.nfuß wird im Schwäbischen der Trudenfuß genannt. Beim Zeichnen des achtspitzigen Sterns sprechen die Kinder: „Kri, Kra, Krotenfuß, D'Gäs laufet barfuß" 1S2). 14S ) Rochholz Kinderlied 338 Nr. 932; F o g e l Pennsylvania 293 Nr. 1550; S c h m i d t Mieser Krauterbuch 45 Nr. 33. 148 ) R o c h h o l z a.a.O. 338 Nr. 931; Hovorka-Kronfeld 2, 834. 1 « ) Z d V f V k . 8, 174 (Tirol); J ü h l i n g 1 1 7 ; vgl. M a n z Sargans 82 (gegen Hüftgelenkentzündung auf die kranke Stelle gelegt); S c h ö n w e r t h 3, 266 Nr. 20 (gegen Brandwunden). 148 ) F o s s e l Steiermark 89. 99. 1 4 S ) 16 °) ebd. 85. J ü h l i n g 119; BllpommVk. 7, 151) 152. Yonbun Churrhaetien 122; vgl. 1 5 2 Anm. 76. ) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 786; D W b , 5, 2421; B i r l i n g e r VT. 1, 305; M e i e r Schwaben 172; Alemannia 20, 289; H ö f l e r Krankheitsnamen 175; vgl. F o s s e l Steiermark 64.

d) K.nhaar. Wer ein solches angebliches Haar einer K.n bei sich trägt, hat Glück im Spiel (scherzhaft?)163). „Um's Krotenhaar" bedeutet im Schwäbischen 'beinahe'154). l t 3 ) Schweizld. 2, 1508; Martin-Lienhart Elsäss. Wb. 1, 365. 1 5 4 ) F i s c h e r SchwäbWb. 4. 786.

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Kröte

e) K.nhaut. Bei Rheumatismus wird das Tragen von getrockneter K.nhaut verordnet 156). Die Häute müssen geschenkt werden. Man gewinnt sie, indem man drei K.n an den Ostgiebel eines Hauses nagelte und dort ließ, bis sie ausgetrocknet waren. Darauf wurden sie abgenommen, auf die rheumatischen Stellen gelegt und solange getragen, bis sich die Schmerzen gelegt hatten 166). K.nhaut nennt man in der Oberpfalz die rauhe Haut einer besonderen Zwergart 1S7). 1 5 6 ) S t o l l Zauberglauben 124. 1 5 6 ) ZfrheinVk. 5, 97. 1 5 7 ) S c h ö n w e r t h 2; 307.

f) K.nherz. Wie das Fledermausherz, auf einen Schlafenden gelegt, so bewirkt das Herz einer K., auf die linke Brust eines schlafenden Weibes gelegt, daß es alle ihre Geheimnisse offenbart 158 ). 158)

A g r i p p a v . N. 1, 105.

g) K.nknochen. Gegen Gicht und Galle soll man den Kranken mit dem Gebein einer am 20. März getöteten K. bestreichen, und zwar soll dies am ersten Tage wenig, am zweiten stark und am dritten wieder geringer sein 159). Ebenso nimmt man gegen Zahnweh, wie ein Rezept von 1580 vorschreibt, das Knöchlein aus dem rechten (Vorder-?)Fuß einer K. und berührt damit den kranken Zahn160). 159) F o s s e l leo) Steiermark 166. Jühling 37. 38. 118; ZföVk. 3, 343 Nr. 2; K r ä u t e r m a n n 75; R o c h h o l z Kinderlied 338 Nr. 931 f.; Urquell 3 (1892), 197 Nr. I.

h) K.nlaich. „Nim weißen Parchant, reibe den mit frischem Krötengerücke, las ihn treuge werden, vnnd thue das dreimahl nacheinander", verordnet ein Arzneibuch des 16. Jh.s, „so einem die Adern verhawn sein" 161 ). Gedörrten K.nlaich bindet man in Tirol einem' Pferd, das durch irgend etwas verwundet worden ist, über den Schaden162). 181)

J ü h l i n g 116.

"») Z f V k . 8, 174.

i) K.nleber. „Nimm eine K.", empfiehlt ein schweizerisches Arzneibuch168), „wann einem Menschen bis auf den Tod mit Gift vergeben ist", „reiß sie auf, nimm die Lebern davon (denn eine jegliche K.

Kröte

hat zwei Lebern)184), lege sie beyde auf einen Ameisenhaufen, welche die Ameisen am meisten bekriechen, die nimm, denn sie ist die beste, hacke sie klein, und gieb sie dem Kranken heimlich in einer Suppe zu essen, daß ers nicht weiß, so wird er wieder gesund". " » ) S A V k . 6, 54.

164)

s. A n m . 6.

k) K.nnabel. „Der hat einen K.nnabel im Sack", sagt der Schwabe von einem, der „unmenschliches" Glück hat 14S ). "5) Fischer

SchwäbWb. 4, 786.

5. Sage. Weit verbreitet ist die Anschauung, daß die K. ein Hexen- und T e u f e l s t i e r sei168). Sie erscheint oft bei geheimnisvollen Anlässen, besonders wo Geisterspuk im Werke ist; denn Hexen verwandeln sich gern in K.n und kriechen und hüpfen in dieser Gestalt aus dem S t a l l m ) , saugen den Kühen die Milch aus 168 ) usw. Deshalb haben die K.n wie die Hexen auch rote Augen 1M ). Namentlich K.n, die an Walpurgis zum Vorschein kommen, sind Hexen und müssen mit einem glühenden Schloßnagel gebrannt werden 17°). Die der K. beigebrachten Verwundungen zeigen sich nachher an der in K.ngestalt gewesenen Hexe und verraten sie als solche 171 ). Einem Siebenbürger Bauern stahl eine Trude das Korn aus dem Kasten. Einst kam er vom Felde und fand eine K. im Kasten. Er wollte sie mit der Axt töten, vermochte es aber nicht, da er diese in der rechten Hand hatte. Als er sie in die linke nahm, verschwand die K. 172 ). In den Hexenprozessen spielt die K. oft eine Rolle. „Auch hatt der böß geist ire etliche gelert das sy zubrachten mit etlich kriiten, das sy ungesichtig wurden, daß sy nieman mocht gesehen", erzählt der Luzerner Geschichtsschreiber Hans Fründ 173 ). Das Hexenfett (s. o. Sp. 622) wird u. a. auch aus K.n hergestellt174), und beim Teufelsbündnis werden die Hexen vom Teufel mit einer „Krottenhand" gezeichnet17S). Die Hexen bedienen sich der K.n, wie wir schon § 2 gesehen haben, zu mancherlei Zauber: sie hauen sie mit einer Rute, damit sie ihnen Hühnereier legen. Bei jedem Schlag lassen sie ein Ei fallen 176). Sie

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zaubern sie als Ungeziefer herbei 177 ), namentlich wenn man zur Zeit der Zwölften spinnt178) und verursachen den Menschen als „Lork", d. h. Kröte, das Alpdrücken 179). Auch der Teufel bedient sich ihrer: Als der Dom in Bamberg gebaut wurde, schickte der Teufel zwei K.n, den Bau zu unterwühlen, und auch in Ebrach warfen zwei riesige K.n in der Nacht zusammen, was am Tage gebaut worden war 180 ). Unter der Kirche in Sargans (Kt. St. Gallen) 181 ) ruht auf einem unergründlich tiefen Wasser eine riesige K. Wenn diese sich einmal umdreht, wird die Kirche zusammenstürzen. Caesarius von Heisterbach erzählt in seinem Dialogus (X, 67) eine wunderbare Geschichte aus Kerpen (Diözese Köln): Ein Knabe trat auf dem Felde beim Ausjäten von Unkraut zufällig auf eine K. Diese erhob sich drohend gegen ihn, worauf sie der Knabe mit einem Stücke Holz totschlug. Nun aber verfolgte ihn die tote K. bei Tag und Nacht, obschon er sie noch mehrmals tötete und zuletzt sogar zu Asche verbrannte. Als er einst mit einem Freunde auf die Jagd ritt, kletterte die K. am Schweife seines Pferdes herauf, bis sie wieder getötet wurde. Endlich gelang es ihm aber auf folgende Weise, die Bestie los zu werden: Als die K. einst wieder erschien, entblößte er seine Hüfte und ließ sich von der K. beißen, damit diese endlich einmal ihre Rachgier befriedigen könne. Dann schnitt er die Wunde rasch mit einem Rasiermesser aus und warf das ausgeschnittene Fleisch weg. Dieses schwoll alsbald bis zur Größe einer Faust an, die K. aber erschien nicht wieder, da sie sich nunmehr gerächt hatte 182 ). Wie die Hexen so können auch Zwerge und Nixen K.ngestalt annehmen. In zahllosen Varianten ist die Sage, wie z. B. aus Schwaben überliefert wird 183 ), verbreitet: „Eine Bäuerin sah bei der Arbeit auf dem Felde eine K. und rief der Magd zu: „Schlag doch die wüste Krott todt". Aber die Magd sprach: „Nein, das thue ich nicht, bei der steh ich wohl noch einmal Gevatter". Und nach drei Tagen wurde sie in der Tat in den See abgeholt.

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Kröte

stand zu G e v a t t e r und die K., die nun eine Frau war, gab ihr einen Gürtel für die Bäuerin und ein Bündel Stroh für sich. Als sie den Gürtel um einen Baum band, wurde derselbe in tausend Stücke zerrissen, das Stroh warf sie fort, ein übriggebliebener Halm war Gold" 184). Die Sage weiß sonst noch mancherlei von der K. zu berichten: wie sie Anspruch darauf macht, zum K ö n i g der Tiere gewählt zu werden 186), wie sie mit der Schlange im Streit liegt und Kaiser Karl entscheidet18S), und wie der hl. Pirmin im Anfange des 8. Jh.s die bis zu seiner Ankunft von Schlangen und K.n schwer heimgesuchte Insel Reichenau durch Aufrichtung eines Kreuzes säuberte 187 ). Im Märchen ist die K. oft ein verwunschenes Fräulein 188). K.n finden sich in den meisten Schatzsagen als Schatzhüterinnen. Menschen, die einen Schatz versteckt haben, hüten ihn nach dem Tode als K. und können durch drei Küsse erlöst werden189). Wo K.n sich häufig aufhalten, ist deshalb mit Wahrscheinlichkeit ein Schatz zu vermuten. Oft wandeln sich Geld in K.n und K.n in Geld190). Die K. leistet wie die Alraune gute Dienste als „Geldbrüter": Holt man nämlich im Emmenthal aus einem Rabennest eine „gewisse" Wurzel, so verwandelt sich diese in eine K., die, unter den Ofen gebracht, das Geld, das man unter sie legt, über Nacht verdoppelt 191). Anderwärts (Oberpfalz) springt, wenn eine Kuh zum erstenmal trägt und zwei Bullenkälber zur Welt bringt, zugleich ein kleines Tier hervor, welches wie ein Frosch oder eine K. aussieht und sogleich in das Wasser springt. Man fängt es und setzt es in einen Milchnapf und pflegt und bewahrt es gut mit Semmel und Milch und hüllt es in Baumwolle. Legt man diesem „Reindl" oder „Altreindl" eine Silbermünze unter, so brütet es jeden Tag eine neue dazu 192). Namentlich im Alpengebiet sieht man in der K. arme Seelen, die auf der Erde in dieser Gestalt herumirren und ihre Sündenschuld abbüßen müssen. Deshalb schaut man sie mit Grauen und Mitleid und tut ihnen aus Barmherzigkeit gegen

die armen Seelen kein Leid an, warnt auch die Kinder streng davor, ihnen etwas zu leide zu tun, denn sie würden sich an einer armen Seele schwer versündigen und einst in einer ähnlichen Lage keine Barmherzigkeit finden19s). Besonders solche K.n, die im Friedhof herumhüpfen, muß man schonen 194). An Quatembertagen erscheinen diese armen Seelen in K.ngestalt bei Kapellen und namentlich bei Wallfahrtsorten 195). Um die in die K. verwünschte Seele zu erlösen, warf man in Obwalden die K. aufs Hausdach, damit sie dort verdorre und aus der Hülle die gefangene Seele frei werde 196). Die K. wird in Süddeutschland und vor allem in der Schweiz direkt zum Hausgeist; man hält sie im Keller und gibt ihr täglich aus einem silbernen Löffelchen einige Tropfen Milch oder Milchschaum als Nahrung zu lecken oder stellt ihr frischgemolkene Milch in einer Zinntasse hin und unterhält sie so bis zu zwanzig Jahren. Manche halten ihre Hauskröten im Glauben, daß ihnen durch deren Einfluß das Geld nie ausgehen werde. Man darf aber Ungläubigen nichts davon erzählen197). Diese Hausk. zeigt durch Farbenwechsel einen Todesfall im Hause an 198), sie zieht mit den Hausbewohnern aus 199 ), sie führt ihnen das Korn aus des Nachbars Tenne zu 20°), trägt ihnen, wenn sie krank sind, Wunderkräutlein herbei 201 ). Die K. erscheint auch als Korndämon202) und im Regenzauber (s. Frosch)203). 168 ) John Erzgebirge 133. 201. 239; M e y e r Baden 556; M e y e r Aberglaube 8 0 f . ; S t r a c k e r j a n 2, 1 7 1 ; S c h u l e n b u r g Wendisches Volkst. 47; Alemannia 9 (1881), 232; S c h l o s s e r Galgenmännlein 43; Notes & Queries, Folklore (1859), 82; P e u c k e r t Schles. Sagen 9 9 f . ; Egerl. 3 (1899), 59; Bavaria 2, 249; MschlesVk. 13 (1903), 83; A l p e n b u r g Tirol 259; H a l t r i c h Sieb. Sachsen 3 1 1 ; K ü h n a u Sagen 3, 53 f. 100 f. l 8 7 ) J o h n Westböhmen 201;: Egerl. 2, 59; Schweizld. 3, 878; A n h o r n Magiologia (1674) 578; G r i m m Myth. 2, 896; S t r a c k e r j a n 1, 412 ff. 438 f. 16S ) Rogasener Fam. Bl. 2 (1898), 4; vgl. F i s c h e r SchwäbWb. 1") Anhorn 4, 784. Magiologia 578 f. 722; W o s s i d l o 2, 1, 330; B a r t s c h Mecklenburg I, 520; D ä h n h a r d t 4, 2, 93; 3, 60. l ' ° ) W . 155 (Böhmen). m ) E b d . 1 1 7 ; S t r a c k e r j a n i , 4 i 6 i . ; K n o o p Tierwelt 26 f.; L ü t o l f 204 f.; Z d V f V k . 5, 271; S o o d e r Rohrbach 21; J o h n Erzgebirge

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Kröte

134. 172 ) H a l t r i c h 3 1 1 . m ) H a n s e n Quellen 535; v gl- S o l d a n - H e p p e 1, 276; B a r t s c h Mecklenburg 2, 14 ff. 174 ) S o l d a n - H e p p e 1, 246. 178 ) A n h o r n Magiologia 642; S o l d a n H e p p e 1, 276. 176 ) F i s c h e r Schwab. Wb. 4, 784; B i r l i n g e r VT. 1, 332 Nr. 557. l " ) W. 393178 ) Ebd. 74. 17s ) Ebd. 402. 180 ) Wolf Beilr. 1, 463; V e r n a l e k e n Alpensagen 149 f. 181 ) K u o n i 182 Sagen 82 Nr. 173. ) Meyer Abergl. 80; Wolf Beitr. 1, 464; vgl. SAVk. 26, 64 f.; H e r z o g Schweizersagen 1, 227 f.; H e r t z Elsaß 187; Eidg. Nationalkalender 1910, 79. l 8 S ) M e i e r Sagen 1, 69 Nr. 4; Wolf Beitr. 2, 291. 184 ) Theodor E l z e Die Sage v. d. Ring der Frau K. Dessau 1889; B a a d e r 78; M ü l l e n h o f f 289; B a r t s c h Mecklenburg 1, 50f.; 1, 90 Nr. 99; Wolf Beitr. 2, 315 f.; ZdVfVk. 5,124 f.; 2, 411 f.; MittAnhGesch. 14, 24 ff.; Z i n g e r l e Sagen2 Nr. 328; V o n b u n Churrhaetien 122; ders. Sagen Vorarlbergs 6 Nr. 6; H e y l Tirol 29 Nr. 34; L u c k Alpensagen 3 4 f . ; Meyer Mythologie 64; R o c h h o l z Sagen 1, 268. 341; L i e b r e c h t 333; K ü h n a u Sagen 2, 224ff. Nr. 861 ff.; Heiser Allgäu 1, 136 ff.; M e i c h e Sagen 379 Nr. 499; Urquell 1 (1890), 120; 2, 1 1 0 ; B o l t e P o l i v k a 1, 366; P e u c k e r t Schles. Sagen 2 1 1 ; So o d e r Rohrbach 89; H a a s Grimmen 35 Nr. 39; ders. Greifswald 38 Nr. 40 usw. 18B) Marner ed. Strauch S. i n . 167; D ä h n h a r d t 4, 2 192; B o n e r XLVI; K u r z B. Waldis Esopus II, S. 46 d Anm. 18S ) SAVk. 17, 200; Schweizld. 3, 878; R o c h h o l z Sagen 1, 341 f.; S t a u b e r Aberglaube 40ff. 187 ) M e y e r Abergl. 81; vgl. B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 40 f. l e 8 ) G r i m m Märchen Nr. 64 und Nachweise dazu bei 189 Bolte-Polivka. ) D r e c h s l e r 2, 224; L ü t o l f 350 Nr. 300; SAVk. 16, 5; V o n b u n Churrhaetien 121 f.; B a r t s c h Mecklenburg 1, 269ff. Nr. 352. 356. 362; S i e b e r Sachsen 196; R o c h h o l z Sagen 2, 49 ff.; ZfdMyth. 1, 7; SAVk. 2, 3 f.; M ü l l e r Uri 1, 277 ff. Nr. 358, 1. 387, 4. 389. 395, 2; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 1, 88; H e r z o g Schweizersagen 2, 79; S t a u b e r Abergl. 70ff.; S o o d e r Rohrbach 98. 100. 103; B o h n e n b e r g e r 8; Meier Schwaben 1, 35 Nr. 32; S t ö b e r Elsaß 92 Nr. 124, I I ; 173 Nr. 243, I I ; ZföVk. 13 (1907), 133; 4 (1898), 232; K n o o p Hinterpommern 3 1 I ; G r i m m Myih. 2, 892; M e i c h e Sagen 571 Nr. 710; 579 Nr. 720; B a r t s c h Mecklenburg 1, 269 f. Nr. 352; 1, 271 Nr. 356. 1 M ) R o c h h o l z Sagen 2, 47f.; B a a d e r NSagen (1859), 77 Nr. 107; 58 Nr. 84; vgl. die Verwendung „Kröten" pl. für Geld DWb. 5, 2419. 181 ) BUfbernische Geschichte 9 (1913), 2 f. (Emmenthal). 1S2 ) Bavaria 2, 301; vgl. auch L ü t o l f 192 f. Nr. 127 b; ZfdMyth. 2 (1854), 73; unter Butterfaß gelegt: R o c h h o l z Sagen 1, 343; S c h a m b a c h - M ü l l e r Nr. 184 f. 359; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 376; ZrwVk. 1909, 272; Urquell 5 (1894), 192; M e y e r Aberglaube 79 f.; S i e b e r Sächs. Sagen 267; G r ä s s e Preuß. Sagen 2, 946 Nr. 1179; M ü l l e r Uri 1, 247 Nr. 335 a—d; 1, 249 Nr. 356; S o o d e r Rohrbach 94. 10a ) ZfdMyth. 1, 7 ff.; Z i n g e r l e Sagen 196 ff.; ders. Sitten 94 Nr. 807 f.;

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L ü t o l f 351 Nr. 301; V e r n a l e k e n Alpensagen 149 f.; M e y e r Mythologie 63. 73; H ö f l e r Organotherapie 140 f.; W a i t z Anthropologie 6, 670; P a n z e r 2, 479; R o c h h o l z Sagen 2, 20; F i s c h e r Oststeierisches 205; S c h ö n w e r t h 1, 286; 2, 388; 3, 108. 1 1 6 ; Urquell 3, 191 f.; K ü h n a u Sagen 1, 233; 3, 62. 1 M ) ZfdMyth. 3, 30 Nr. 18 (Kärnten); ZdVfVk. 25, 1 2 3 0 . ; Urquell 2 (1891), 102. m ) M e y e r Mythologie 74; W. 763; ZfdMyth. 1, 8 f.; Wolf Beiträge 1, 251. 18S ) L ü t o l f 351 Nr. 301; Schweizld. 3, 877. 197 ) S t o l l Zauberglauben 123; W. 763; L i e b r e c h t 333; S i e b e r Sachsen 195; Wolf Beitr. 2, 344; ZfVk. 1, 188; 10, 2 1 1 ; M ü l l e r Uri 1, 250 Nr. 358; L ü t o l f 192 f.; S c h l o s s e r Galgenmännlein 13; S c h ö n w e r t h 1, 338. 1,s ) R o c h h o l z Glaube 1, 147; K ü g e l g e n Jugenderinnerungenu (Berlin 1883) 46. "») Schweizld. 3, 877. 20 °) H a l t r i c h Siebenbürgen 292. 201 ) K u o n i Sagen 226 Nr. 395. 202 ) M a a c k Lübeck 92 f. 20S ) F r a z e r 1, 292 f. K . n k ö n i g s. Anm. 1 8 5 ; oft mit dem F r o s c h k ö n i g (s.d.) verwechselt. Heinrich von Mügeln wechselt zwischen Fröschen und K.n ab in seinem Liede: ez säzen frosche zinses fri und vorchte 1er, die bäten lange umb einen konig ern J ü p i t e r . . der kroten schare rif und schrei daz ander mäl2M). Nach oberschlesischem Glauben trägt der Krötenkönig eine goldene Krone 2 0 5 ). 204 ) B a r t s c h Liederdichter des 13.—14. Jh. 282; DWb. 5, 2416; H a u p t Lausitz 1, 247 Nr. 301. 20S ) HessBlfVk. 1, 13. K . n r e g e n . Wie von den Fröschen glaubt man auch da und dort von der K . , daß sie als Regen vom Himmel falle 206 ). 208 ) DWb. 5, 2422. 2424; R o l l a n d Faune 3, 48 Nr. 14 u. Anm. K . n s e g e n . Zur Vertreibung von K.n angewendet, worauf Eberlin von Günzenburg hinweist ( 3 , 1 5 4 ) : „Darumb sprechen sie den k.nsegen über sie (d. h. die K.), d. i. thu mir nichts, so will ich dir auch nichts thun" 207 ). Zum Schutze gegen Wunden im Kampfe wird der K.nsegen im Gargantua erwähnt: „Etlich zogen ihre kinderpölglin herfür die andern krottensegen" 208 ). In der Hanauer Kirchenordnung von 1659 209 ) werden die Hebammen angewiesen, zur Erleichterung der Geburten keine K.nsegen zu gebrauchen. Auch Fischart nennt in der „Geschichtsklitterung" 210 ) neben andern Schutzmitteln ,, Jungfrawpergament mit Kinderschmaltz

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geschrieben" und „Krottensegen". Es dürfte sich dabei um Alpsegen handeln, denn der Alp oder die Trud wird auch „Krott" genannt, entstellt aus Trott, Drodd, vgl. Krottenfuß 2 1 1 ) für Trudenfuß; auch heißt die Trud Lork, d. i. Kröte 212 ). Diese Erklärung des Wortes ist wahrscheinlicher als der Hinweis auf die Votivkröten 21S ). 207) D W b 5 ) 2422 f.; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 787. 208 ) DWb. 5, 2423. 2 M ) Elsässische Monatsschrift f. Gesch. u. Volksk. 1910, 609.' 21 ° ) Scheible Kloster 8, 430. 2 U ) K ü h n a u Sagen 3, 136; Meier Schwaben 1, 177 Nr. 1 3 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 1 3 ; Birlinger Volksth. 1, 305 Nr. 488. a l 2 ) M e y e r Myth. d. Germ 1 3 1 ; W u t t k e 273 § 402. 2 1 S ) Eis. Monatsschr. a. a. O.

K.nstein (Bufonites, Batrachites). Darunter versteht man 1. den Stein, der sich im Kopfe gewisser K.n finden soll. 2. Donnerkeile (Belemniten). 1. ,, Lapis in capite bufonis inuentus", schreibt Vinc. Bellov. (1. X X , c. LVII), „et ab homine gestatus: veneni malicias arcet". Auch Albertus führt einen Stein borax an, den die K. auf dem Kopf trage: „borax lapis est qui ita dicitur a bufone quod in capite ipsum portat" 214 ). Megenberg unterscheidet (S. 436 f.) zweierlei Arten: „der ain ist weiz, der ist pesser und ist seitsein, der ander ist swarz vnd tunkel und ist ain klain gelblot. der selb ist der pest vnder den tunkein. wenn man den stain auz ainer lebentigen kroten nimt, diu noch zabelt, sö hat er ain äugel. wenn aber man in nimt auz ainer kroten, diu lang töt ist gewesen, sö hat der kroten vergift daz äugel vertilgt vnd den stain gepcesert".

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Nach einem „Erczeney Buch" aus dem Jahre 1560 217 ) wird er in der folgenden Weise gewonnen: „Welche krotte 4 augenn (?) hat, oder ihr die äugen bormen ( = brennen), die treget ahn Zweifel ein stein. Lege ihr ein roth thuch für vnnd nim dan ein geblicht holtz vnnd trucke sie mit der gabell auf ihren hals, so lest sie den stein farenn". E r kommt, wie Heinsius in seiner Schatz-Kammer (2, 1245) mitteilt, „einiger Meinung nach, von alten K.n, welche, wenn sie auf rothen Scharlach gesetzt werden, solchen Stein ausspeyen sollen" 218 ). Heute beschafft man sich ihn in der Weise, daß man eine K. in einen unter einem Stein befindlichen Ameisenhaufen setzt. Dann findet man nach einigen Tagen in dem Haufen nur noch das Gerippe und kann daraus den Stein nehmen 219 ).

Auch die mhd. Dichtung kennt den K.nstein. Im Ortnit 215 ) heißt es (Str. 501 f.):

Über die verschiedenen Ansichten von der Natur dieses K.nsteins gibt Heinsius in seiner Schatz-Kammer (2,1245) Auskunft. Er schreibt: „Krötenstein, Batrachites und Brontia oder Lapis bufonis, Borax ombria auch Geratronium genannt,... Die heutigen Naturkundigen aber behaupten, daß sie aus der Erden, wie andere Gesteine, wachsen. Noch andere meinen, es seyen die Backen-Zähne von dem SeeWolfe, oder Lupus marino. Man findet inzwischen derer K.nsteine zweyerley Arten: Eine gantz und die andere ovalrund. Beyde sind gelbbraun, wie Haar-Farbe, oben etwas erhaben und glatt... Boetius schreibt, daß dieser Stein zuweilen in der Größe eines Eyes gefunden werde, und bisweilen bräunlich, bisweilen rötlich, gelblich oder grünlich sey. Jedoch hält man diejenigen, welche nur etwan eines Fingernagels groß seyn, für die besten und aufrichtigsten" 22°).

510. „Der haiden sprach: ain pulge leit noch vor dir vol, ez ist noch nicht gewachsen, das man dir geben sol, ez bringet dir edle staine, ich sag dir, sprach der pote. „ez ist auz dem garten ain abrahemische 2 1 S ) krote. 5 1 1 . Svenne dev gewachset, deV pringet ainen stain, daz in der weit dev sunne so guetes nicht beschain..."

Solche K.nsteine wurden vor allem im 16. u. 17. Jh. in Gold und Silber gefaßt und als Ringe getragen. Sie verleihen ihrem Träger große Kräfte, schützen ihn vor Krankheit, Unglück und Zauber 221 ). Kurpfuscher trieben damit gegen Ende des 19. J . noch ihr Unwesen 222 ). Man wendet sie allgemein an beim „Streichen" in der Volksmedizin 223 ) und beim Be-

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Kröte

sprechen und Bekreuzen einer leidenden Körperstelle, so z. B. bei Rheumatismus 224), berührt damit Wunden und Geschwüre 22S) oder nimmt sie mit dem Essen ein 226). Um einer Frau die Milch zu vertreiben, hängt man ihr einen K.nstein auf den bloßen Rücken 227). Gegen Behexung legt man ihn in die Wiege 228), Pferdeknechte klemmen ihn heimlich hinter die Krippe, damit niemand den Pferden etwas anhaben kann 22®). Berührt man damit ein Frauenzimmer, so springt alles Gebundene, Zugeknöpfte und Zugenestelte an ihr auseinander2S0). Wer einen K.nstein unter den Korb legt, dem gedeihen die Bienen wohl 231 ). Die vornehmste Kraft des K.nsteins besteht aber darin, daß er schwitzt, wenn Gift in der Nähe ist und dadurch seinen Träger warnt 232 ). 2. „Etliche nennen sie (die Donnerkeile) Schlangen-Eyer und K.nsteine, weil sie von Schlangen- und K.n-Speicliel oder Schaum, zusammen gewürcket seyn sollen", schreibt Heinsius, Schatz-Kammer (1, 902 f.). „Man findet sie an unterschiedlichen Orten. Sonderlich sollen sie in Dännemarck bey dem Adelichen Gute Orndrup häuffig liegen...". s. Artikel: Donnerkeil. Der K.nstein wurde oft mit dem ebenso genannten Echenit (s. d.) verwechselt. Ein altes bergmännisches Wörterbuch führt als Bezeichnung desK.nsteins an: „Froschstein", „Knopfstein", „Echenit", und beschreibt ihn als versteinerte Schale eines Seeigels. Auch die lateinischen Bezeichnungen des K.nsteins „Ceraunea, Brontias, Ombria" weisen deutlich auf den Echeniten als Gewitterstein hin 233). Die Wissenschaft wies nach, daß die meisten der sogenannten K.nsteine fossile Pflasterzähne eines Fisches (Lepidothes maximus) sind 234). sl4 ) Grimm Myih. 2, 1020; 3, 199. 2 1 S ) v. d. Hagen Heldenbuch 1 (Lpz. 1855), 59; G r i m m Myth. 2, 1020. 2 1 < ) = Kr. aus dem Paradiese, vgl. G r i m m Myth. 2, 1020. 1037; DWb. 5, 2423; B e n e c k e - M ü l l e r 1, 5. * " ) J ü h l i n g 297 f. Sli ) SAVk. 26, 78 f.; P o r t a Magia (1617) 333; Sieber Sachsen 195; Z e d i e r 3, 692 f. 2 1 t ) S e y farth Sachsen 263; D r e c h s l e r 2. 224; MittAnhaltGesch. 14, 9; Grohmann 83 Nr. 593;

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vgl. Schles. Wirtschaftsb. 617 bei D r e c h s l e r 2, 224; vgl. weiter Alemannia 10 (1882), 189 (1610). 2S0 ) Vgl. auch T h a r s a n d e r Schau-Platz 3 (1742), 255ff. 2 2 1 ) J ü h l i n g 298; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 787; S i e b e r Sachsen 196; W i t z schel 2, 102. 105; DG. 10, 295; S a n d e r s ErgänzungsWb. 5 1 7 ; S e y f a r t h 268; Drechsler 2, 224; ZdVfVk. 8, 174; 23 (1913), 7. 1 1 (Siegstein); R o c h h o l z Naturmyth. 201; Dyer Folh-l.ore of Shakespeare (1883) 246; G e r h a r d Franz. Novelle 89; Z e d i e r Universallex. 1 5 , 1 9 5 5 . 2M ) S e y f a r t h 260. 2 2 3 ) Ebd. 246. 22«) Ebd. 99 f. 225 ) W. 516; v. S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 47; H a u p t Lausitz 247 Nr. 301; K o h l r u s c h 174; Veckenstedts ZfVk. 1 (1889), 202 Nr. 3. 228 ) M e g e n b e r g 296. 437; P o r t a Magia ( 1 6 1 7 ) 333 - 2 2 7 ) L a m m e r t 176; B a r t s c h Mecklenburg 2. 355 Nr. 1667; WürttJahrb. f. Statistik 1909, 263; A l b e r t u s Magnus Egyptische Geheimnisse 4, 46 Nr. 160; Urquell 6, 172; ZdVfVk. 8, 174; F i s c h e r SchwäbWb. 4, 787; S t a r i c i u s 228 Heldenschatz (1679) 519 f. ) Drechsler 1, 208; E n g e l i e n u. L a h n 248 Nr. 109. 228 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 489; vgl. J a h n Hexenwesen 195 Nr. 781; Veckenstedts ZfVk. 2 (1890), 359 Nr. 9. 2S0 ) G r o h m a n n 83 Nr. 593. 231 )-Urquell 6 (1896), 20 Nr. 4 = J a h n Hexenwesen 195 Nr. 780. 2 3 a ) M e g e n b e r g 2 9 6 . 4 3 7 ; ZdVfVk. 8, 174 (Tirol); A l p e n b u r g 388 f.; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 263; S t a r i c i u s Heldenschatz (1679) 29; Alemannia 10, 47 f. ( F o r e r Gesner Thierbuch 1563, iögb). 2 3 3 ) B r ü c k m a n n 343; H a u p t Lausitz i, 247; B e r g m a n n 306; Gesner a . a . O . ; DWb. 5. 2423. 2 3 1 ) Vgl. Fossilien 2, 1718.

K.nvotivc. Die Vorstellung des klassischen Altertums, daß die Gebärmutter ein lebendes, selbständiges Wesen sei, welches im Körper umherwandeln könne, ist heute noch im Volke durchaus lebendig 235 ). Während sie im Braunschweigischen z. B. als Maus gedacht wird 236), wird sie in Süddeutchsland, den Alpenländern und im Elsaß als K . angeschaut, die beißt, kratzt, schlägt, auf- und absteigt, die gefüttert werden muß und die hysterische oder sonstige Unterleibskrankheiten der Frauen herbeiführt. „Und wie man das Bild anderer kranker Organe oder Glieder den Heiligen, Fürbitte und Genesung erflehend, opferte, so brachte und bringt man noch die Gebärmutter in der vom Volke gedachten Gestalt als wächserne, silberne oder eiserne K. zur Gnadenstätte" 237 ). So werden in den St. Rochuskapellen z. B. bei Riedhausen (O.-A. Saulgau, Württemberg) neben anderen Weihgehängen auch eiserne K.n als Symbol der Gebärmutter auf-

) ZfVk. 1 1 , 200. 28). Auf ähnliche Weise wird der Teufel erlöst in der Sage vom Schmied 430). Eine dankbare Zigeunerin sprach in Baudissin über eine arme Hütte den Feuersegen aus und gab die Anweisung, beim Entstehen eines Brandes einen Kuchendeckel auf den Schornstein zu legen; das Mittel soll sich bewährt haben 431). Auch sonst werden Kuchenund Küchengeräte apotropäisch gebraucht, so bei den Südslaven die Feuerzange 432) und in Tirol der glühende Küchelspieß gegen Butterzauber 433). Ein Opfer, das apotropäische Bedeutung bekommen hat, finden wir in der Schweiz: Wenn man die ersten zwei Biestküchli (aus der Biestmilch bereitet) von einer jungen Kuh dem nächsten Armen ins Haus trägt, kann ihr die erste Milch nicht entzogen werden 434). G r o h m a n n 207 Nr. 1439. 42S ) ZfdMyth. 3. 343- 4 M ) A l p e n b u r g Tirol 358; vgl. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 416. 427 ) Z i n g e r l e Tirol 75 Nr. 627. S e l i g m a n n Blick 1, 383. 429 ) K ü h n a u Sagen 1, 279 ff. Nr. 244, 2. 430) Ders. 2, 709 Nr. 1329. 431 ) M e i c h e Sagen 591 Nr. 735, 2. *32) Anthropophyteia 10, 41. 433) H e y l Tirol 801 Nr. 250; vgl. 169, 78. 434) Schweiz Id. 3, 144.

29. K. im H e i l z a u b e r : Wenn einer in Velburg in der Oberpfalz den Fröra oder Freara hat, backt er aus Mehl und seinem Urin einen K. und wirft ihn hinterrücks in einen Bach, wo Fische sind 435). Wenn einer Frau die Kinder wegsterben; schneidet sie ein Rohr ab und gießt Wein hinein; dann legt sie das Rohr nebst neun Kuchen von Weizenmehl und einem alten Messer in einen Beutel und näht den zu; mit dem Beutel unter dem linken Arm watet sie in fließendes Wasser und läßt den Beutel fallen 4S5a ). Wenn in Böhmen ein Kind an der Schwindsucht abmagert, so erbittet man sich in neun Häusern Mehl, macht daraus einen K. und legt ihn an einen Kreuzweg In Le Vexin werden die Wiegenkinder geheilt, indem man ihnen einen Butterk. gibt, der in eine heilige Quelle getaucht

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ist 43? ). In Ostpreußen zieht man ein krankes Kind durch ein in einen großen K. aus Roggenmehl gemachtes Loch hindurch, trägt es dreimal um die Kirche und haucht dreimal in das Schlüsselloch der Kirchentür 438). Nach schwedischem Aberglauben muß die Frau, wenn das Kind an Brotrachitis erkrankt ist, von neun Orten Mehl betteln, einen Teig daraus machen, diesen um ein Faß legen und durch den so entstandenen Rundk. das Kind dreimal ziehen 439). In der Gegend von Göding in Mähren bittet ein Lungenkranker in neun Häusern um Mehl und entfernt sich ohne zu danken; dann holt er sich von neun Brunnen Wasser, backt einen Kuchen mit einem großen Loch in der Mitte und zieht sich durch; diesen K. trägt er auf einen Kreuzweg, wo ihn die Hunde fressen und so die Krankheit bekommen 441 ). In Mähren bittet man an drei Stellen um Mehl, backt daraus einen Kuchen und zieht das lungenkranke Kind hinüber; der Kuchen wird dann zu einem Kreuzweg getragen 442). Über Blutk., Widderhirnk. (1685). Milzk. usw. siehe Hovorka-Kronfeld 442a). In der Schweiz gibt man Kindern mit schlechtem Geblüt den ,,Aronatotsch" (Aronkraut in K. gebacken) 412b ). 435 ) S c h ö n w e r t h 1. c. 3, 259, 2, vgl. 258, 1. ») S t e r n Türkei 2, 339. 4 M ) G r o h m a n n 1. c. 179, 1259; S e l i g m a n n i, 282; W e i n h o l d Neunzahl 29; W. 545. 437 ) S e b i l l o t 2, 277. 438 ) W. 503. 43 ') W e i n h o l d 1. c. 29. 440 ) G r o h m a n n 1. c. 441 ) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 59. 412 ) Ders. 2, 661. 1, 416. M2 b) R o c h h o l z Kinderlied 333. 436

30. K. in V i e h h e i l z a u b e r u n d V i e h h a u s m e d i z i n : Wenn eine Kuh zum ersten Mal kalben soll, so soll ihr die Hauswirtin eine in Brot gesteckte Fledermaus geben, dann bereite sie aus Hafermehl einen Kuchen, in welchen sie eine Nußschale und einen halben Apfel bäckt, die zu diesem Zweck am Christabend in geweihtem Salz aufbewahrt wurden. Die Kuh wird dann ein schönes Kalb zur Welt bringen und viel Milch geben 44s ). In Thüringen nimmt man die zweite Brut der für das Haus glückverheißenden Zaunkönige, knetet die Jungen lebendig in Teig und backt diesen; alle Haustiere

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bekommen von diesen K . ; dadurch gedeiht das Vieh, wird vor Krankheiten und vor allem vor Hexen bewahrt 444). Im Oberamt Mergentheim bekommt eine rindernde Kuh einen warmen Platz, dann bleibt sie trächtig 445 ); bei den Brahmanen gibt man die Reste des Mannenkuchens dem Vieh 449). 4") ««) G r o h m a n n 1. c. 231 Nr. 1678. W i t z s c h e l 1. c. 2, 292, 148. 44S) E b e r h a r d t Landwirtschaft 16. 446) ZfVölkerpsych. 18, 370.

31. T r ä u m e n v o n K. und s o n s t i g e r A b e r g l a u b e n : Wer im Traume K., Reisbrei oder semen virile genießt, erleidet nach dem Traumschlüssel heftigen Schmerz, Kummer und Tod 447). Träumt man von K., so hat man nach ostpreußischer Ansicht Verdruß durch Klatschereien zu erwarten 448). Kuchenessen bedeutet allgemein Unglück 449). Wenn die Nase juckt, bedeutet das in Mittelschlesien Kuchenessen 4S0). Wer bei einem Gastmahle K., Fleisch oder sonst etwas zerlegt oder austeilt, hat keine andere Wahl, als er muß ein Tropf sein oder ein Grobian 4S1 ). Während das Brot im Ofen ist, darf man keinen K. a n s c h n e i d e n , sonst wird das Brot spintzig 451a ). Wenn ein Mädchen einen K. anschneidet, freit es ein oder sieben Jahr umsonst 451b ), vgl. auch anschneiden § 5. « ' ) E W . II, 227 Nr. 28. «») Urquell 1, 203, 12. 44S) W. 325. 4S0) ZfVk. 4, 81. 451 ) P a n z e r Beitr. 1, 263 Nr. 108. " ' " j Bavaria 3 a, 304. "*51b) H. D u n k e r Werbung . . . . in SchleswigHolstein. Diss. Kiel 1930, 18, 23.

32. K . i m M ä r c h e n : Uber den K., der „en ole Hex un twee mije Meidjes" davonläuft und dessen Begegnung mit Has, Fuchs usw. siehe Müllenhoff 452). 4M ) Heimat 16, 311; M ü l l e n h o f f Sagen8 486 Nr. 624; M e n s i n g Wb. 3, 249; vgl. L e f i t z Elsäss. Volksmärchen 1931, 76, 15. Eckstein.

Küchenschelle s. K u h s c h e l l e . Kuckuck. Der K . hat durch das auffallende Wesen, das er zur Schau trägt und die mancherlei ganz aus der Regel fallenden Lebensgewohnheiten, die man an ihm beobachten kann, von jeher die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf sich gezogen. Eine reichliche und in ihrer

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Auswirkung fast unübersehbare Anzahl abergläubischer und irrtümlicher Vorstellungen ist mit ihm verbunden: es finden diese ihren Ausdruck in den verschiedensten Formen volksmäßiger Überlieferung, wie Sitte, Brauch, Lied und Sage, und werden ergänzt durch das wissenschaftliche vogelkundliche Schrifttum vom Altertum an bis herab zu den jüngsten Jahrhunderten. Nachstehende Werke und Abhandlungen werden im folgenden öfters genannt: A l b . : = A l b e r t u s M a g n u s de animalibus, hrsg. von Herrn. Stadler, Münster 1916 ff. A i d . = Ulyssis A l d r o v a n d i Ornithologiae Uber V (cp. 17). Frankf. 1630. D V A . = Die handschriftlichen Sammlungendes Deutschen Volksliedarchivs in Freiburg i. Br. Gesn. = Vogelbuch erstlich durch Doctor Conradt Gesner in Latin beschriben neulich . . . . durch Rudolff Heußlin in das Teutsch gebracht. Zürich 1557. H. = James H a r d y Populär History of the Cuckoo in: The Folk-Lore Record Vol. II (London 1879), S. 47—91. Jonst. = Joh. J o n s t o n u s Historiae Naturalis de auibus libri VI. Francofvrti ad Moenum 1650 (Tit. II cp. II art. VI S. 26 ff.). L o t t . = Der Kukuk, oder des Hr. A. J. L o t t i n gers . . . . Nachrichten über die Natur-Geschichte dieses wunderbaren Vogels. Aus dem Französischen übersetzt. Straßburg 1776. M. = W. M a n n h a r d t Der Kukuk. ZfdMyth. 3, 209—298. 395—408. Merck. = G. A. M e r c k l e i n Neu Außgeferligtes Historisch-Medizinisches Thierbuch. Nürnberg 1696. PW. = Artikel Kuckuck von GossenSteier in: P a u l y - W i s s o w a 1 1 , 2 , 2099 ff. R. = R e u s c h Der Kuckuck in: Neue Preußische Provinzial-Blätter hrsg. v. A. Hagen Band V (Königsberg 1848), 321 ff. Sco. = S c o t t u s Physica curiosa II. Herbip. 1662. Sto. = Joh. Th. S t o r a k e r s Samlinger 1—4 = Norsk Folkeminnelag 2 (Tiden), 8 (Rummet), 10 (Elementerne), 18 (Naturrigerne). Kristiania 1921. 1923. 1924. 1928. Sw. = S w a i n s o n Folk-Lore of British Birds 1886. Vinc. B. = V i n c e n t i u s Bellovacensis Speculum naturale, s. 1. e. a. (Liber 17. cp. 67). Zorn = Johann Heinrich Zorns Petino-Theologia. I (Pappenheim 1742), II (Schwabach 1743)1. Name. 2. Lebenskundliches. 3. Deutende Tiermärchen. 4. Der K. als Frühlingsvogel und Zukunftskünder. 5. K. und Witterung. 6. Der K. als Gespenst und Seelenvogel. 7. Der K. als Vegetationsdämon. 8. K. und Zauber. 9. K. und Pflanzenreich. 10. K. und Krankheiten. 11. K.sart und Sprachgebrauch. 12. K. und Götterlehre.

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i . In den meisten idg. Sprachen führt der K. einen Namen, der den Klang des von ihm ausgestoßenen Rufes widerspiegelt 1 ). Eine Ausnahme machen die germanischen Dialekte, die den K . einst *3auka? nannten, ein Wort, das in den skandinavischen Sprachen als schwed. gök, dän-norw. geg, gauk, isl. gaukur noch heutzutage lebendig ist und auch im Nordenglischen als skandinavisches Lehnwort in der Form „gowk" 2) weiterlebt. Aber auch das ae. wies ein 3eac s ) als Benennung unseres Vogels auf, ebenso das ahd. und mhd. ein gouh bzw. gouch, ein Wort, das heute zwar noch verstanden, zur Bezeichnung des Vogels aber nicht mehr verwendet wird. Nur wenn wir annehmen, daß die sonst geltenden Lautgesetze im vorliegenden Falle Störungen erlitten haben, ist es möglich, das urg. •jauka? auf die sonst im Indogermanischen geltenden Namensformen des K.s zurückzuführen 4 ); gesicherter ist daher eine Erklärung des Wortes, die in ihm eine Ableitung von der idg. Wurzel gheu (sanskr. havati ,er ruft', an. geyja .bellen, spotten') sieht 5 ); darnach hätte also der Germane den K., dem ja ein eigentlicher Gesang fehlt, zwar nicht nach dem Klang, wohl aber nach der Auffälligkeit seiner Stimme als Ruf- oder Schreivogel bezeichnet. Das angestammte „Gauch" verlor sich im Deutschen unter dem Einflüsse eines allmählich von Norden nach Süden siegreich vordringenden mnd. „kukuk" ®) ; in der Übergangszeit wurden in Oberdeutschland auch allerlei Misch- und Koseformen geschaffen 7 ). In England wurde der angestammte Name des K.s durch das „cocu" der normannischen Eroberer verdrängt 8). Alle diese Ausdrücke bezeichnen von den vielen K.sarten, die es gibt, lediglich cuculus canorus, da im Gebiete der germanischen Kultur nur diese eine Art vorkommt 9 ). Erwähnt sei hier, daß im isländischen Volksglauben Vorstellungen, die sonst im Norden mit dem K . verknüpft sind, auf den „hrossagaukur" (die Bekassine) übergegangen sind 10 ). l ) s. S c h r ä d e r Reallex.2 1, 652; S u o l a h t i Vogelnamen 4. a ) s. die Belege bei M u r r a y

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A New English Dictionary unter " g o w k " , 3 ) Formen und Belege s. ebd. unter " y e k e " . 4 ) Für diese Erklärung tritt G r i m m im DWb. 4, 1, 1, 1524 f. ein; auch S u o l a h t i Vogelnamen 5 möchte in "^auka^ wenigstens eine dem germ. Stamme ursprünglich eigene onomatopoetische Bildung erblicken; N o r e e n stellt es im Abrift der urgermanischen Lautlehre (1894), 133 zu s ) Fr. L. lat. cuculus. K. W e i g a n d DWb. i , 630 und F a l k - T o r p EtWb. 1, 322; weitereseinschlägiges Schrifttum s. bei F a l k - T o r p 2, 1470. ") S. die Belege im D W b . 5, 2520 fi.; S u o l a h t i 6. Auch das Mittelniederländischehat ein cucuuc, s. die verschiedenen Formen bei F r a n c k Etymologisch Woordenboek der Nederlandsche Taal2 329. 7 ) s. S u o l a h t i 6 f. 8 ) s. M u r r a y 2, 1236. *) Einen merkwürdigen Fehlgriff beging H. H. F r e y in seiner örjpofitfiXtoi (Leipzig 1595), 'Op^tHo^ifiXia Bl. 121 v°, der ihn mit dem in der Vulgata genannten See10) vogel „larus" zusammenwirft. Auch im Dänischen ist „horsegog" (Roßkuckuck) dieBezeichnung für capella gallinago, s. S c h i a l e r Danmarks Fugle 1, 233 Nr. 135; B l ö n d a l g i b t im Islandsk-dansk Ordbog 360 für hrossagaukur die Bedeutungen gallinago scolopacina und scolopax gallinago an.

2. Wenn der K. im Frühling zu uns kommt, soll er als schlechter und leicht ermüdender Flieger die lange Reise auf den Schultern des Weihs zurücklegen 11 ). Seine Ankunft wird vielfach zu einem ganz bestimmten Tag erwartet; so gilt in Deutschland der 14.12) oder 15. 13 ) April als K.stag. Man nimmt auch an, daß der K. von einem gewissen Tag an (3-13a), 9-14)' " - 1 4 a ) . I3-1S), i4- 16 ). I5-"), 20.18), 22.19), 23.20), 24.21), 27. IV. 22 ), i.V. 2 3 )) rufen muß; tut er es nicht, so berstet er 24 ). Um zu Stimme zu kommen, benötigt er eine bestimmte Zehrung: Sauerklee 25), Vogeleier 2S ), grünen Haber 2 7 ) oder Eichenlaub 28 ). Über die nun bald einsetzende und beim K . in so eigentümlicher Form sich äußernde Sorge um Nachwuchs waren viele irrige Anschauungen verbreitet; zur besseren Beurteilung des Folgenden sei erwähnt 2 9 ): Das K.sweibchen beobachtet die in Betracht kommenden Vögel beim Bauen und wird durch ein frisch errichtetes Nest zum Legen angeregt. Hat die auserkorene Ziehmutter ihr zweit- oder drittletztes Ei gelegt, so legt die K.in ihr Ei in das fremde Nest, wobei sie vorher ein Nestei herausnimmt und dieses während des Legens vielfach im Schnabel behält;

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das Männchen lenkt unterdessen durch offenes Dasitzen die Aufmerksamkeit der Pflegeeltern auf sich. Das K.sei entspricht nach Farbe und Zeichnung im Durchschnitt den Eiern der Vögel, bei denen der K. schmarotzt, doch trifft dies nicht in allen Fällen zu. Das K.sweibchen legt in einem Frühjahr bis zu 18 Eier, jegliches in ein anderes Nest. — Für die selbst heute noch nicht völlig geklärte Frage, warum der K. nicht selbst brütet, hatte man, schon vom Altertum her, mancherlei angebliche Erklärungen: der K. sollte wegen der Kälte seiner Natur zum Brutgeschäft untauglich sein 30 ); er müßte seinen Jungen eine andere, zartere Nahrung verschaffen, als er für sich selbst zu suchen gewohnt sei 3 1 ); er sei ein halber Bastard und solche Vögel brüteten nicht; außerdem sei er zu geil, um sich zu paaren 32). Oder man nahm an, es seien psychologische Gründe daran schuld: der K. wisse, daß er zu schwach zum Brüten und Ätzen sei 33 ), daß er seine Brut — infolge seiner Feigheit — gegen Angriffe nicht verteidigen könnte 34 ); die andern Vögel würden aus Haß gegen ihn seine Brut überhaupt nicht aufkommen lassen 3S). Schon die antiken Schriftsteller bemühen sich, die Vogelarten aufzuzählen, denen der K. Eier in die Nester zu legen pflegt 38 ); die zuerst bei Aelian 37 ) auftretende Bemerkung, es seien dies solche Vögel, deren Eier den seinigen glichen, wurde vielfach nachgeschrieben und bis in die jüngste Zeit wahrgehabt 3S ). Der oben geschilderte Vorgang beim Legen konnte natürlich leicht zu der Vorstellung führen, der K . saufe die Eier des fremden Geleges aus 3> ). Wie es sich damit auch verhalten mag: dem Volke gilt der K. als ein Eierräuber schlimmster Art, und diese angebliche Eigenschaft hat auch zu allerlei Volksreimen Veranlassung gegeben40). Manche Schriftsteller berichten auch, der K. nehme aus dem fremden Nest so viel Eier heraus, als er eigene hineinlege 41 ), oder er zerstöre und zerbreche die fremden Eier 4i ). Merkwürdig lange konnte sich auch die irrige Meinung halten, das K.sweibchen lege nur ein einziges Ei 4 3 ). I

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Daß der K. ein recht verliebter Vogel ist, hat man zu Recht beobachtet. Das Volk spinnt diese Beobachtungen weiter und besingt vor allem in seinen Liedern den K. als Freiersmann 44) oder Liebeswerber 45), und es sei erwähnt, daß diese Lieder z. T. althergebrachte Hochzeitslieder sind und in dem Wunsche reichlichen Kindersegens enden48). In anderen Liedern besingt man den K. als Ehemann, der sich zum mindesten ein halbes Dutzend Weiber anschafft 47 ). Auf einen anderen Ton ist ein Gottscheer Liedchen gestimmt, wie der K. aus Kummer über die Treulosigkeit seines Schatzes stirbt«). Über Brut und Aufzucht ist folgendes festgestellt 49 ): Da das K.sei nicht als letztes Ei in das fremde Nest gelegt wird (s. o.), außerdem anscheinend einer etwas kürzeren Brutzeit, als die übrigen Eier bedarf, schlüpft der K. als erster aus. Mit 10 Stunden erwacht in ihm der Trieb, alles was im Neste sich befindet, hinaus zu befördern; dieser Trieb dauert an, bis er vier Tage alt ist, dann ist er aber auch Alleinherr im Nest. Um die hinausgeworfenen eigenen Jungen kümmern sich die Eltern nicht, sie widmen sich lediglich der Aufzucht des unersättlichen Nestinsassen. — Auch um diesen Vorgang hat sich Mißdeutung und Aberglaube in reichlichem Maße gerankt. Schon bei Pseudo-Aristoteles ®°) finden sich verschiedene Erklärungen zusammengetragen, weshalb die Stiefgeschwister des jungen K.s dem Tode geweiht sind: die Zieheltern würfen ihre eigenen Jungen hinaus, wenn der K. groß geworden; die Mutter töte ihre eigenen Kindern und gebe sie dem K. zu fressen 5 1 ); da dieser schöner sei, wolle sie von ihren eigenen Jungen nichts mehr wissen M ); der alte K. komme und fresse die jungen Vögelchen 83 ); der junge K. schnappe seinen Stiefgeschwistern alle Atzung weg, so daß diese verhungern müßten; er töte sie, weil er stärker sei. Angemerkt sei, daß selbst der so scharf beobachtende Lottinger nicht daran glauben will, daß der junge K. seine Geschwister aus dem Neste wirft und meint, der alte K . be-

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fördere bereits die Eier aus dem Neste, in das er zu legen gedenkt 54 ). Das schlimmste, was man dem K. andichtete, war, daß er, groß und flügge geworden, seine eigene Ziehmutter auffresse oder zu Tode beiße s s ); man prägte aus dieser Vorstellung die Redensart: undankbar wie ein K. 66 ) und das Sprichwort: du lohnest mir, wie der K. der Grasmücke 57 ). Genannt werden muß hier noch ein Tiroler Aberglaube: wenn ein Rotschwänzchen unpaar ausbrüte, so schlüpfe aus einem Ei ein K. 58 ), und in der Schweiz glaubt man, wenn ein K. ein Ei in ein Rotkehlchennest lege, so entschlüpfe diesem ein „Röteligeier" 69). Über das Leben des K.s weiß man weiterhin zu erzählen, daß er die meisten Vögel zu Feinden hat 60). Es soll dies daher rühren, weil er ihre Gelege zerstöre 81 ), oder auch, weil er dem Habicht gleiche62). Er wird daher von den Vögeln bekämpft63), ist jedoch feig und flüchtet sich vor ihnen M ); wird er verfolgt, so setzt er sich, als schlechter Flieger, einem Weih auf den Rücken und läßt sich von diesem davontragen 65 ). Wie zum Weih soll der K. jedoch ein besonderes Verhältnis auch zum Wiedehopf haben. Schon Konrad von Megenberg will in seiner Jugendzeit beobachtet haben, daß die beiden Vögel abwechselnd einander zusangen 6e ); da beider Vögel Rufe eine gewisse Ähnlichkeit miteinander haben, glaubt man, der Wiedehopf wolle dem K. nachsingen, und man heißt den Wiedehopf daher auch „K.sküster" 67). Da die Bleibezeit des Wiedehopfs der des K.s ähnlich ist, nennt man ersteren auch „K.slakai" 68 ); auch K.skönig 69 ) nennt man ihn, sowie „Ossekuckuck" 70 ). Sein Nachtquartier schlägt der K. jeden Abend auf einem anderen Baume auf 7 1 ). An einem der Wochentage singt er nicht 72 ), und sein Singen soll er nach einem merkwürdigen Schweizer Aberglauben mit dem Schwänze bewerkstelligen 73 ). Im Mittelalter sagte man ihm nach, er wage, aus Angst, es könnte dadurch Nahrungsmangel für ihn eintreten, nicht einmal ein ganzes Blatt (!) auf einmal aufzuzehren 74 ) (vgl. Kröte Anm. 24), und auch heute noch gilt

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der K. im Volksglauben als ein Geizkragen 7S). Ihn auszuspotten ist gefährlich: Kinder, die dies tun, ziehen sich dadurch Sommersprossen zu 7 6 ); im Ausland hält man noch andere Folgen für unvermeidlich 77). Ist die Zeit des Brütens vorüber — volkstümlich ausgedrückt: sieht der K. die erste Kornmandel 78 ) — so verstummt er. Das muß neun Tage vor Jacobi geschehen, andernfalls berstet er 79 ). Bevor er mit Rufen aufhört, ißt er sich dreimal an Kirschen satt ®°); dies reichliche Kirschenessen bedingt seine Heiserkeit 81 ). Nach anderer Anschauung soll er die Stimme bereits verlieren, wenn er die erste „Gries" frißt 82 ), es heißt auch, er könne nicht mehr schreien, wenn er schwarze Kirschen antreffe M ). Eine andere Annahme ist, er müsse gegen den längsten Tag hin schweigen, weil er um diese Zeit keine Vogeleier mehr finde, seinen Schnabel damit zu salben 84). Ebenso unrichtig ist natürlich, daß er um Johanni „von dem vielen Geschrey, wodurch er seinen Halß erhitzet" die Bräune bekomme und damit die Stimme verliere 8S). Natürlich hat auch das frühzeitige Verschwinden des K.s Anlaß zu allerlei Fabeleien gegeben. Er soll von den Würmern gefressen werden 8e), eine Anschauung, die auf den alten Aberglauben zurückgeht, der K. werde von den Zikaden verzehrt, die aus seinem Speichel (s. Kuckucksspeichel) sich bildeten87). Nach siebenbürgischem Aberglauben erwürgt er an jungem Haber 88 ). Sehr verbreitet ist die Annahme, der K. verwandle sich im Herbst in einen Habicht oder Sperber 89 ); auch von einem Aar *°) oder Raben 91 ) ist gelegentlich die Rede. Abgewandelt lautet diese Vorstellung auch, der K. werde nach 3 92), 7 93) oder 9 M ) Jahren zum Habicht oder er sei nur das erste Jahr ein K., im zweiten werde er zum jungen Adler 95 ), „Taubenstessl" 95a ) oder Stoßgeier, der seine Brüder und Schwestern auffrißt, um am Ende sich zum Hennengeier zu wandeln96). Alte Leute des Böhmerwalds sollen sich übrigens den K. wie eine Art Katze vorstellen 97 ). — Man glaubt aber auch, der

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Kuckuck

K. halte sich den Winter über in Baumund Felshöhlen versteckt98) und liege dort wie räudigM), seiner Federn entblößt 10°); er soll sich in seinem Versteck von Vorräten ernähren, die er den Sommer über dort aufgespeichert hat 101 ); man nimmt aber auch an, er halte dort einen Winterschlaf wie Bären und Schlangen 102). Man wußte sich zur Bekräftigung dieser Anschauung eine Geschichte von einem Zürcher Bauern zu erzählen, der einst im Winter seinen Ofen mit einem Baumklotz heizte; da hörte er auf einmal den K. im Ofen schreien 103). Im Frühling soll dann der K. sein Versteck als eins der ersten Tiere wieder verlassen 1M). Man verleiht dem K. sogar die Unsterblichkeit: jahraus jahrein ist es immer derselbe Vogel, der im Walde kuckt105).

u ) I s i d o r v. Sev. Orig. lib. 12 cp. 7; V i n c . B . lib. 17 cp. 67; von M e g e n b e r g (Pfeiffer) S. 179 angezweifelt; A i d . V cap. 17 S. 216 („occultae preculdubio amicitiae privilegio"); J o n s t . 27 b. Bei Aegidius A l b e r t i n u s Der Welt-Tummelvnd Sckaw-Platz (München 1612), 510 ausgedeutet auf die schwachen Christen, die sich auf den Achseln Christi, Mariae und der Heiligen zur himmlischen Glorie tragen lassen. S. auch noch DWb. 5, 2525. l a ) Bayerland 23, 724 (mit einem auf das Gerstensäen bezüglichen Aberglauben). 13 ) Y e r m o l o f f Volkskalender 183; s. a. 182. Südlichere Gegenden erwarten ihn natürlich zu einem früheren Tag, so die Venetianer schon zum 8. IV. (Sw. 112). England erwartet ihn z. T. für den 21. IV. (H. 52), in Sussex gilt jedoch bereits der 14. IV. als „first Cuckoo-Day" (H. 52). Hier glaubt man, ein altes Weib habe die Wartung der K.e und fülle mit ihnen im Frühjahr ihre Schürze. Ist sie guter Laune, so läßt sie an dem genannten Tag einige derselben fliegen ( S w . 1 1 2 = H. 67). Zum K.stag in England s. ferner noch: Y e r m o loff Volkskalender 182; Sw. m f. In Norwegen heißt der 1. Mai „Gaukmesse" und wurde in den Kalendern u. a. durch einen in einem Baum sitzenden K. bezeichnet. Aus dem K.sruf weissagt man vor allem an diesem Tage ( S t o r a k e r 1, 97; s. a. 54). I m norw. österdal ist erst der 12. V. der „gaukdag": N e r g a a r d Skikk og Bruk (Oslo 1927) 37. 127. Sowohl in Norwegen als in Schottland erwartet man zur Zeit der Ankunft des K.s ein Unwetter: gaukrid ( S t o r a k e r 3, 57; N e r g a a r d a. a. O. 127) bzw. gowk-storm (Sw. 1 1 2 = H . 52 f.; M u r r a y A New Engl. Diel. 4, 322). l 3 a ) A. S t ö b e r Elsässisches Volksbüchlein 1 (1859), 79 Nr. 324. 14 ) Schweizld. 2, 184; ZfrwVk. 12, 179. l l a ) ZfrwVk. 12, 179. 1S ) S c h m i t t Hetlingen 18; ZfrwVk. 12, 179; Ed. R o e d d e r Das südwest-

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deutsche Reichsdorf (1928), 368; vgl. ebd. 351 (10. IV.). »•) D ö b e l Jägerpraktikai 1 (1754), 6 1 ; W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1697 Nr. 6; handschriftlich aus Gornhausen, Kr. Bernkastel (14. und 15. IV.). " ) Y e r m o l o f f Volkskalender 183; ZfrwVk. 1914 269; W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1697 Nr. 1. 6. 1 8 ) K l e e b e r g e r Fischbach 77. L e m k e Ostpreußen 1, 97; zweionzwanzigste Aprel / singt de K . kann Werra sein bi et wöll: hdschr. Aufz. von Lehrer Nie. Laubenthal-Willroth (Rhld.) 1928. 20 ) F i s c h e r SchwäbWb. 3, 901. " ) A n d r e e Braunschweig ^ 6 3 . 2 a ) A n d r i a n Altaussee 125. 13 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 408. Weitere Termine s. n. ZfrwVk. 12, 179 f. Anm. 10. Betr. Frankreich vgl. RTrp. 32 (1917), 36 f. 14 ) ZfrwVk. 1914, 269; 1915, 179; S t r a c k e r j a n 2, 165 = 104 Nr. 396; A n d r e e Braunschweig2 463; H e c k s c h e r Neustadt a. Rbge. 325. 25 ) L e m k e Ostpreußen 1, 97, vgl. 75. 26 ) M e n s i n g SchleswWb. 3, 358; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 901; B i r l i n g e r Schwaben 1, 413; F r i e d l i Bärndütsch 2, 218; G r i m m Myth. 2, 565; vgl. H. 58 f. = M. 212; R. 321 f. Tschechisch: G r o h m a n n 69 Nr. 482. B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 95; Schweizld. 2, 185. Tschechisch: G r o h m a n n 69 Nr. 482. *•) Der Basilisk 5 (Basel 1924), Nr. 15 S. 3. Auch Erlenlaub: ZfrwVk. 12, 179. Ähnliche Anschauungen auch im Ausland: in Dänemark sagt man, der K. müsse ein Gerstenblatt haben, um hinein zu kucken (Skattegraveren 5, 38 = F e i l b e r g Ordbog 2, 324 a); die Isländer glauben, der „hrossagaukur" ( = Bekassine s. o . ) könne erst rufen, wenn er von der Nachgeburt einer Stute gefressen habe (J6n A r n a s o n 2 Islenzkar ßjdSsögur 1, 623). *) S. Oskar und Magdalena H e i n r o t h Die Vögel Mitteleuropas 1 (Berlin-Lichterfelde, 1926), 298 ff. M ) A e l i a n i De natura animaliutn li'uer 3, cp. 30; Adam L o n i c e r u s Naturalis hist. opus novum (Fft. 1 5 5 1 ) Bl. 294 ( = Aelian); Aid. 210; Kreuterbuch durch Adam L o n i c e r u m (Fft. a. M. 1603) 343 v°; Joh. C o l e r u s Oeconomia ruralis (1645) 1, 636; M e r c k . 276. s l ) Von Z o r n 2, 130 a l s irrig abgelehnt. 3 i ) Ansicht Z o r n s 2, 1 3 1 . M ) A l b . 1, 610 (lib. 7 tract 2 cp. 5 Abs. 93). M ) P s e u d o - A r i s t . 9. Buch cp. 29 (p. 618 a). " ) P l i n i u s Nat. hist. X, 26 (hsg. v. Mayhoff Vol. I I S. 226). S. auch O p e l in Journal f ü r Ornithologie 6 (1858), 299 ff. I m englischen Volksglauben herrscht die Annahme, das. K.smännchen würde die Eier auffressen und das Weibchen vom Neste jagen, weshalb dieses, in ein fremdes Nest zu legen gezwungen sei (Sw. 121 = H. 70). Dänischer Volksglaube ist, der K. sei wegen der H ä r t e seines Bauches unfähig zum Brüten: E. Tang K r i s t e n s e n Jyske Almueliv Till. 1, 144 Nr. 1456. M ) S. dazu. PW. " ) A e l i a n i De natura animaliutn Uber I I I cp. 30. 3 g ) S. hierüber: Verhandlungen d e r ornithologischen Gesellschaft in Bayern 6, 150 ff. 39 ) Quelle auch hier antik: s. A r i s t o t e l e s . iaro(f(ai ntpl (löatv lib. VI cp. 7 (p. 563 b ) ; Alex. N e c k a m De naturis rerum cp. 72 (hsg.

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Kuckuck

v o n Th. W r i g h t , London 1863, S. 117); V i n c . B . (Sperlingseier); A l b . 1, 463 (lib. 6 t r a c t . 1 cp. 6 Abs. 53); ebd. 610 (lib. 7 t r a c t . 2 cp. 5 Abs. 93); G e s n . S. lxx v 0 .; S c o . 985; D ö b e l Jägerpraktica2 1 ( 1 7 5 4 ) , 6 1 ( „ d a ß er die E y e r aussauflfe, wo er hineinlegen will, dieses ist w a h r u n d gar wohl zu g l a u b e n " ) ; F l e m i n g Der vollkommene Teutsche Jäger 1, 157 („dasselbe ist n i c h t s unmügliches: doch h a b e ichs nicht erf a h r e n " ) ; K u r t z e r Begriff der Edlen Jägerey (1733). 335 (nicht geglaubt); Z o r n 2, 131 („ob es wohl an d e m ist / d a ß er a n d e r n Vögel ihre frischen E y e r aussauge; so bestehet doch darinnen seine N a h r u n g nicht allein"); er rechnet i h n daher 2, 246 zu den Raubvögeln. L o t t . 8 h ä l t die Sache f ü r ungewiß, z u m wenigsten geschehe es nicht allemal, denn er bewahre ein E i auf, das der K. nebst drei anderen u n versehrt a u s d e m Neste, das er einnahm, herausgeschafft habe. I n den „Anmerkungen eines Liebhabers der Natur-Historie zu Straßburg — angedruckt a n L o t t . — S. 74 wird Lottingers A n n a h m e angezweifelt. O p e l h ä l t in J o u r n a l f. Ornithologie 6, 292 auf Grund eigener Untersuchungen übrigens d a r a n fest, d a ß der K . Eier der Nestvögel frißt und auch B r e h m Tierleben4 7, 436 spricht sich dahingehend aus. 4 0 ) Vgl. F r i e d l i Bärndütsch 3, 134; K . K. / r ö p p sinen egen N a m e n u t / S u p p a n n e r e Vüegel de Eier u t : H e i m a t ( D o r t m u n d ) 5 , 7 4 ; K . / Eierschluck: G i l o w De Diere ( 1 8 7 1 ) , 316; vgl. noch K u h n Westfalen 2, 75; A. R a k e r s Grafschafter Volksreime 1 (1930), 7 1 ; H e c k s c h e r Neustadt a. Rbg. 467; S t r a c k e r j a n 2,165 u n d 104 Nr. 396 c; Herrn. E s s e r u. Heinr. K l e i b a u e r Heimatbuch f. den Stadt- u. Landkreis Iserlohn ( 1 9 2 5 X 2 4 1 ; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 901. K. der Dieb / h a t mich b e t r ü b t / h a t m i r meine Eier ausgesieft — K. (DVA. A 9 572 a u s Hessen); ZfrwVk. 12, 186; d o r t auch d e r Kinderglaube angeführt, wenn der K. mehrmals schnell hintereinander rufe, so finde er jedesm a l ein E i u n d verzehre dies (Hunsrück), wozu S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 174 zu vergleichen ist; M a r t i n u. L i e n h a r t ElsässWb. 1, 204. I m Westfälischen legen Kinder Steinchen in ein N e s t ; diese sollen Eier vorstellen, u n d der K . m u ß sie suchen u n d aussaufen: K u h n Westfalen 2, 73 = ZfdMyth. 2, 94 f. = M. 215. Die gleiche Vorstellung i m französischen Volksg l a u b e n : R o l l a n d Faune 2, 93. I n E n g l a n d g l a u b t m a n , der K . n ä h r e sich von den Eiern f r e m d e r Vögel; der Wendehals helfe ihm b e i m Aufsuchen; Sw. 121 = H . 62; in N o r t h a m p t o n shire heißt der K . 'suck-egg' (s. Sw.). 4 1 ) V i n c . B.; M e g e n b e r g (Pfeiffer) 178; vgl. Adam L o n i c e r u s Nat. hist. opus novvm ( F f t . 1 5 5 1 ) , 2 9 4 . 42 ) A i d . 216; S c o . 985. 4S ) P s e u d o - A r i s t . iorogCai ni(il Ctitov lib. 6 cp. 7 (p. 5 6 4 a ) ; A l b 2, 1148 (lib. 17 t r a c t . 1 cp. 1 Abs. 6); Alex. N e c k a m De naturis rerum (hsg. v o n T h . W r i g t h , London 1 8 6 3 ) , S. 1 1 7 ; G e s n . S. lxx v o ; T u r n e r u s Avivm praecipvarvm historia (Coloniae 1544) S. D 4 ro (Auszug a u s Aristoteles). E i n F o r t s c h r i t t i n d e r E r k e n n t n i s

700

wurde erst d u r c h Z o r n erzielt (s. auch Journal f. Ornithologie 73, 626), der 2, 133 f. berichtet, d a ß er 1740 den Eierstock eines K.s untersuchte u n d m i t bloßem Auge einige Dutzend Eilein zählen konnte. 4 4 ) E r k - B ö h m e Nr. 596; M a r r i a g e Volkslieder aus der badischen Pfalz ( 1 9 0 2 ) Nr. 6 0 ; L ä m m l e Die Volkslieder in Schwaben ( 1 9 2 4 ) Nr. 9 u n d 1 0 ; J u n g b a u e r Bibliographie des deutschen Volksliedes in Böhmen ( 1 9 1 3 ) 3 1 f. Nr. 1 4 1 usw.; E r k - B ö h m e Nr. 880 b — c ; W o l f r a m Nassauische Volkslieder ( 1 8 9 4 ) Nr. 4 5 3 usw. S. ferner das Lied bei E . M e i e r Schwab. Volkslieder 108 Nr. 29. 4S ) E r k - B ö h m e Nr. 880 d. 4 8 ) Vgl. R e i f f e r s c h e i d Westfälische Volkslieder S. 145 f., der in d e m Lied „ D e r K . auf d e m Zaune s a ß " eine alte heidnische Grundlage s u c h t ; es sei in ihm einst besungen worden, was der Gott getan, und die segnenden W o r t e seien darin mitgeteilt worden, die er zu seiner B r a u t gesprochen habe; vom Lied h a b e m a n eine gleiche W i r k u n g erhofft, wie sie die W o r t e des Gottes gehabt hätten. S. a u c h W o s s i d l o Mecklenberg 2, 269ff. mit A n m . S. 444. ") E r k - B ö h m e Nr. 881; Fr. M. B ö h m e Kinderlied u. Kinderspiel2 S. 153 N r . 727; W i r t h Beiträge 4/5, 56f.; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 273 ff. m i t A n m . S. 446; P i n c k Verklingende Weisen 1 ( 1 9 2 6 ) , 2 4 1 f. 4 S ) Wiener SB., phil.-hist. Kl. 65, 414 f. = H a u f f e n Gottschee 324 f. Nr. 94. — Vereinzelt t r e t e n auch noch andere Züge a u f ; so wird bei M e i n e r t Alte teutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhländchens S. 182 f. v o m K . erzählt, wie er sich neben seinem alten W e i b noch „ a jounge D i e n e " h ä l t ; als verschwiegener Buhler wird er in d e m Liede bei D i t f u r t h Deutsche Volksund Gesellschaftslieder des iy. und 18. Jhs. ( 1 8 7 2 ) , 29 N r . 27 gepriesen; in einem anderen Liede dagegen wird er gescholten als spitzbübischer Verräter von Liebespärchen: DVA. A 3 1 3 9 7 . Über d e n K. i m Schnaderhüpfl vgl. W e r l e Almrausch (Graz 1884) 65. Über den K . im Volksliede vgl. auch n o c h : H a u f f e n Gottschee 439; S c h u s t e r Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder 4 ( 1 8 6 5 ) 4 1 4 ; R . 3 2 8 ff. ») O. u n d M. H e i n r o t h Die Vögel Mitteleuropas 1, 298 ff. 50) lltoi Ciamv larofiin B u c h 9 cp. 29 (S. 618 a). S. dazu A l b . 1, 160 (lib. 7 t r a c t . 2 cp. 5 Abs. 93); J o n s t . 27 b. 6 1 ) So d a n n auch G e s n . S. lxx vo; Kräuterbuch durch A d a m u m L o n i c e r u m ( 1 6 0 3 ) S. 343 vo. e 2 ) An dieser Anschauung (s. a. P l i n i u s hist. nat. X 27, hsg. von Mayhoff 2, 227) h a t m a n m i t besonderer Vorliebe festgehalten, vgl. M e g e n b e r g hsg. von Pfeiffer 178; V i n c . B.; A l b . 2, 1450 (lib. 23 Abs. 38); Aeg. A l b e r t i n u s Der Welt Tummel- und Schawplatz ( 1 6 1 2 ) , 5 1 0 ; A d a m L o n i c e r u s Nat. Hist. opus novum ( 1 5 5 1 ) Bl. 2 9 4 ; A i d . (unter „generatio"). 53 ) noch von D ö b e l Jägerpraktica* M ( 1 7 5 4 ) , 6 1 aufgetischt. ) L o t t . 5 f. M ) P l i n . hist. nat. X 27 (hsg. v. Mayhoff 2, 227); A l b . 2, 1450 (lib. 23 Abs. 38); Alex. N e c k a m De nat. rerum cp. 72 (hsg. von T h o m a s Wright, London 1863, S. 117 f.); Odo de C i r i n g t o n i a (hsg. v. H e r v i e u x Les Fabulistes Latins Bd. 4)

Kuckuck

7oi N r . 4 a; s. a . H e r b e r t Catalogue of

Romances

3 (1910). 37 Nr. 41; S. 39 Nr. 7; S. 42 Nr. 8; S. 44 Nr. 9; S. 47 Nr. 11; S. 50 Nr. 8; E. V o i g t Ysengrimus S. L X X I V u. 224 zu lib. IV, 527 f.; A i d . 216; J o n s t . 27 a ; Kräuterbuch durch Adamum L o n i c e r u m (1603) 343 v°; M e g e n b e r g (Pfeiffer) 178; V i n c . B . ; M a e r l a n t ' s Naturen Bloeme (uitg. d. E. Verwijs 1878) 1, 203 = Buch 3, 985 ff.; M e r c k . 276; W a n d e r SprichwörterLex. 2, 1698 = L u t h e r Tischreden, s. a. DWb. 5, 2525 Abs. I I 1. c.; W a n d e r a . a . O . 2, 1698 Nr. 29; DWb. 4, 1, 1, 1526. Abgelehnt wird •diese Anschauung in: Kurtzer Bericht der Edlen Jägerey (1733). 335; bei F l e m m i n g Der vollkommene

teutsche Jäger 1, 157; b e i Z o r n 2,

716. L o t t i n g e r 3 f. bringt einen interessanten Bericht über eine Grasmücke, die beim Füttern eines in einen Käfig gesetzten K.s zwischen den Stäben stecken geblieben war; der hungernde K. h a t t e ihren Kopf in den Schlund genommen. Man brachte die beiden in den Hörsaal des Prof. Gottsched in Königsberg, der nun daran dozierte, der K. verzehre aus Hunger und Einfalt die Mutter, auch wohl den Pflegevater, wenn er flügge geworden, wie es der vorgeführte gerne getan hätte. Als Volksglaube belegt: Gespräche

J. P. E c k e r m a n n

mit Goethe,

Ge-

spräch vom 8. X. 1827 (Ausg. von H. H. Houben, Leipzig 1909. S. 524); B a r t s c h Mecklenburg 2, 174 Nr. 827; R. 336 f.; Urdhs Brunnen 2, 137 (Solliog). England: D y e r Folk-Lore of Shakespeare (1883) 105 f. (King Lear I, 4; Henry IV V, 1); H. 64 f. Dänemark: F e i l b e r g Ordbog 2, 324 b ; Schweden: H y l t i n - C a v a l l i u s 345 (nachdem er zum Sperber geworden); Norwegen:

Folkeminne

M. M o e

frd

B eherad

(1925) 132 Nr. 259 (nachdem er zum Habicht geworden); Tschechoslov.: G r o h m a n n 68 Nr. 476. M ) W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1701 N r . 79; 2, 1703 N r .

116. 128; D W b . 5, 2525

Oeconomia

(1645), 636; A i d .

Abs. I I 2 b ; H. 65, der außerdem auf eine Rede Melanchthons über die Undankbarkeit des K.s aufmerksam macht. " ) Joh. C o l e r u s ruralis

1

219;

W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1702 Nr. 103. ) Z i n g e r l e Tirol 78 Nr. 647. M ) F i e n t Prättigau 249. *°) M e r c k . 276. " ) Aid. 216; J o n s t . 27 b ; Alb. 2, 1148 (lib. 17 Abs. 6). I m österr. Waldviertel glaubt man, der K. raube die Nestjungen kleiner Vögel: W e i n k o p f

is

Naturgeschichte

122 A n m . 22.

,2

) Aid.

217;

J o n s t . 27 b. , 3 ) Alb. 2, 1450 (lib. 23 Abs. 38); G e s n . S. lxxj. *•) A l b . 1, 423 (lib. 7 Abs. 67). * 5 ) M e r c k . 277. " ) (Pfeiffer) 228; s. a. Germ. 24, 414. , T ) G r i m m Myth. 2, 567; Germ. 24, 415; D W b . 5, 2525; M e n s i n g Schlesw.

Wb. 3,

361. 362; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 362 f. (mit Lit.); H e c k s c h e r 200 u. 443 Anm. 54; ebd. 219; BlpommVk. 8, 107; H a a s Vogelsagen aus

Pommern

58;

Wirth

Beiträge

4/5, 39;

( = Bd.

XXVIII,

Urdhs-Brunnen 2, 136 f. (Solling); A l p e n b u r g Tirol

386;

DVA.

E

8349

970/5); s. a. M. 281. Eine unmögliche Erklärung bei S i m r o c k Myth* 461. •») D ö b e l Jäger-

praktica1

1 ( L e i p z i g 1754), 61; D W b . 5, 2525;

702

A l p e n b u r g Tirol 386. * a ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 363. 70 ) BlpommVk. 8, 106. — I n England ist der Wendehals „K.sgenosse", er hilft ihm die Eier aufsuchen, s. o. Anm. 40; vgl. auch schwedisch göktyta = Wendehals. ,l ) Ency.superstitions 610b (woher?). ™) M ö r i k e Hutzelmännlein 4; s. F i s c h e r SchwäbWb. 1, 1182. 7S ) Schweizld. 2, 186. '•) F r e i d a n k 88, 3 ff. S. a. T o m a s i n von Zirklaere, hsg. v. Rückert 199; ferner M. 227; U h l a n d Schriften 3 (1866), 89 und 166. Es handelt sich bei dieser Vorstellung um die Variante einer ähnlich auch vom Frosch oder der Kröte erzählten, von den Moralisten gegen die Geizigen ausgemünzten Geschichte: vgl. S e e m a n n Hugo von Trimberg (1923), 198.

und ")

die Fabeln Rochholz

seines Renners Kinderlied 78.

w ) Belege s. u. bei Abschnitt 10. Spottreime auf den K. s. W o s s i d l o Mecklenburg 2, 180 f. 411 f.; R. 340. S. a. J. B l ö s l Die Sprachinsel Deutsch-Brodeck-Wachtl 2, 119 f. Vgl. ferner M e g e n b e r g (Pfeiffer) 178 und Alex. N e c k a m

De laudibus

divinae

sapientiae

(hsg. v o n

Th.

Wright 1863) S. 393. " ) Nach bosnischem Aberglauben sterben solchen Kindern sogleich Vater und Mutter: ZfVk. 2, 182; der K. flucht ihnen: ebd. 2, 182 f. (südslav.). I n Skandinavien glaubt man, man dürfe den K. nicht verspotten, da er sich sonst verblute: F e i l b e r g Ordbog Tillag 281; E. Tang K r i s t e n s e n Danske Sagn 2, 222; M. M o e Folkeminne

fra

Baherad

132 f.; Norsk Folkeminnelag 16, 37; 6, 194; 12, 114; S t o . 4, 194; L i e b r e c h t Zur Volksk. 332 (Norwegen); H y l t e n - C a v a l l i u s 1, 345; E v a W i g s t r ö m Folkdiktningen

i Skäne 1 (1880),

205 (seine Zunge blutet). Die roten Flecken auf dem Birkenlaub sollen von dem blutenden K. herrühren; vgl. außer den eben angeführten Stellen noch S t o . 2, 53; 4, 194 f. " ) ZfVk. 10, 210 (Nordthüringen); B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 95; Norwegen: Norsk Folkeminnelag 16, 37. '») W o s s i d l o Mecklenburg 2, 408. Der Basilisk 5 (Basel 1924). Nr. 15 S. 3 (Schlesien); Schweizld. 2, 185. England: Encyklop. Superstitions 610 b ; D y e r Folklore

8l of Shakespeare (1883), 105. ) Rochholz Gaugöttinnen 167. 8 2 ) B i r l i n g e r Schwaben 1,

413; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 901. Frankreich (Vogesen): der K. verliert die Stimme durch die erste Erdbeere, die er verzehrt. 8 3 ) V o n b u n Beitr.

108.

84

) F r i e d l i Bärndütsch

3, 131 f . ;

B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 96. Dänem a r k : E. Tang K r i s t e n s e n Jyske Almueliv Till. 1, 145 Nr. 1464. Vgl. den engl. Reim: She (der K.) sucks the small birds e g g s / t o make her voice clear ( G r i m m Myth. 31, 195). *5) Kurtzer Begriff der Edlen Jägerey ('733). 355- Ähnliche Anschauungen, wie die oben aufgezählten, sind weiterhin in außerdeutschem Kulturgebiet zu belegen, so, daB der K. bgim Reifen der Gerste eine Granne in den Hals bekomme, was ihm die Stimme nehme: Schwed. Finnland, s. R u ß w u r m Eibofolke 2, 196 § 358; Frankreich: Le barbe d'orge / Lui coupe la gorge ( S i b i l l o t Folk-Lore 3, 165);

703

Kuckuck

Irland: s. M. 237 f. Ein kleiner Vogel fliegt ihm in den Hals (Schweden), s. S t o . 4, 194; fängt er an zu stammeln, so ist es ein Zeichen, daß er bald mit seinem Kufen aufhört, man muß dann die Heuernte vorbereiten: L a n d t m a n Växtlighetsriter (1925), 179; die Heuschober verschlagen ihm die Stimme: ebd. 190; er bekommt den Mund voll Heu: K . S t r o m p d a l Gamalt frä Helgeland (1929), 114 Nr. 490. 8S ) G r a b e r Kärnten 357 Nr. 481. 87 ) I s i d o r von Sevilla Etym. lib. 12 cap. 4; von J o n s t o n u s 27 b als e8 ) „fabulosum" zurückgewiesen. M. 237. 8 i ) Daß diese Anschauung bereits in der Antike lebendig war, zeigt eine bei P l u t a r c h (Vita Arati cap. 30; Abdruck auch in AiSioTteiujv |j.jHcuv ouvaY) Schweizld. 2, 185, s. a. M. 244 und R . 341 f. I3 °) J ü h l i n g Tiere 225 - B a r t s c h Mecklenburg 2, 175 Nr. 828. 231 ) Ausg. Pfeiffer 5 (Leipzig 1877), 68. Von Lachmann (Ausgabe 73, 31—32) ist die Stelle mißverstanden worden. Vgl. auch noch E. V o i g t Ysengrimus (1884) S. 4, Anm. zu I, 20. l M ) A i d . 218; M e r c k . 276; G e s n . 5. L X X I ; G r o h m a n n 70 Nr. 487 (Riesengebirge); W u t t k e 204 § 280 (Schlesien, Böhmen); Z i n g e r l e Tirol 85 Nr. 719; W l i s l o c k i Siebenb. Volhsgl. 179. Bei den Esten wird bevorstehendes Unglück ebenfalls gefolgert s. B o e d e r Ehsten 140. i 3 3 ) W u t t k e 204 § 280 13< ) S c h n e l l e r (Böhmen). Wälschtirol 244 Nr. 63; vgl. W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1701 Nr. 73; M e n s i n g SchleswWb. 3, 360. Die Esten schließen auf Abbrennen des Hauses: 23S B o e d e r Ehsten 140. ) W i r t h Beiträge 4/5, 29. i 3 < ) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 264. Ausländische Belege: Z f V k . 2, 181 (Südslawen); C a m p b e l l Highlands (Glasgow 1900), 251 (keltisch); R u s s w u r m Eibofolke 2, 196 f. §358; R o c h h o l z Gaugöttinnen 170 = H a h n Alb. Stud. 1, 158; de C h e s n e l Dictionnaire des superstiiions (1865), 244. M 7 ) Z i n g e r l e Tirol 85 Nr. 718; s. a. S c h n e l l e r Wälschtirol 244 Nr. 62; W u t t k e 204 § 280 (Böhmen). *38) W e i n k o p f Naturgeschichte 46 (österr. 2 Waldviertel). " ) S A V k . 2, 217. Zingerle Tirol 85 Nr. 719; Heimgarten 1, 306; Bayer. Wochenschr. f. Pflege von Heimat u. Volkstum 6, 326; S i b i l l o t Folk-Lore 3, 196. * " ) L e o p r e c h t i n g 79. In Norwegen befürchtet man einen Todesfall, wenn der K . ins Haus fliegt: N e r g a a r d Skikk og bruk (1927) 37. 75; S t o . 4, 196 (in Nordmere bedeutet es ausnahmsweise Glück, wenn der K . sich aufs Hausdach setzt und ruft). Betr. schwed. Finnland s. Budkavlen 9 (1930), 120. Zum K . als Todverkünder vgl. M. 263 f. (Rußland, Bandainseln). 2 4 i ) H e y l Tirol 786; s. a. S c h n e l l e r Wälschtirol 244 Nr. 63 = W u t t k e 204 §280. S. noch A i d . 218; R o c h h o l z Kinderlied 79; H o p f Tier143 orakel 152. ) Deutsches Museum hsg. von Prutz 2,2 (1852), 588; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 411. Vgl. den Ruf: K . , schneid' Speck auf: C u r t z e Waldeck 285 mit Belegen; H e c k s c h e r HannovVk. (Neustadt a. Rbge.) 467; R o c h h o l z Gaugöttinnen 166; W o s s i d l o 2, 411 zu Nr. 1323. Wenn der K . ruft, muß der Speck angeschnitten werden: ZfVk. 10, 210 (Nordthüringen); W i r t h Beiträge 4/5, 29; A n d r e e Braunschweig* 463; M e n s i n g SchleswWb. 3, 360f.; U r d h s - B r u n nen 2, 135; H e c k s c h e r Hannov. Vkde (Neustadt a. Rbge.) 467 u. 815 (Schinken). S44 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 175 Nr. 829. M S ) Dänemark: R u f t der K. auf blattlosem Zweig, so bedeutet dies Krieg, s. F e i l b e r g Ordbog 2, 325 a; oder daß viele Mädchen verführt werden (ebd.) bzw. es viele uneheliche Kinder geben wird (ebd. Till. 281). Viele uneheliche Kinder erwartet man in diesem Falle auch in Norwegen: LundeKynnehuset (1924), 194; L a n d s t a d Fra Telemarken, Skik og Sagn

732

(1927), 77 f.; ferner in Schweden: H y l t d n C a v a l l i u s 1, 326; in Schwedisch-Finnland glaubt man, daß dies eintritt vor allem, wenn der K . noch während der Heuernte ruft: Landtmann Växtlighetsriter (1925), 190. England: Sieht man den K . sitzen, so geht das Jahr über alles nach Wunsch (Encycl. Superst. 611 b, Shropshire); hört ein altes Weib den K . am Mittsommertag rufen, so lebt sie am nächsten nicht mehr (ebd. 611 a; E x moor); hört man den K . vor dem 6. April, bringt es Unglück, Glück jedoch fürs ganze Jahr, wenn man ihn am 28. hört (H. 52 = S w . 112 = D y e r English Folklore 57; Wales); findet jemand ein K.snest, so wird er einst verwitwen (Campbell Highlands 237). Tschechoslowakei: R u f t der K . , während die Henne brütet, so streut die Hausfrau Futter; nähert sich der K . diesem, so bedeutet dies das Gedeihen der Küchlein ( G r o h m a n n 69 f.); K.sruf auf dem Weg bedeutet Glück in den Verrichtungen, nur dem Dieb bedeutet es Unglück (ebd. 69); Hirten, die auf fremdem Feld weiden, lassen sich von ihm andere Weide zeigen und glauben, daß sie dort niemand antreffe (ebd. 69). Serbien: Der K . muß den Räubern mit seinem Ruf die Zukunft offenbaren ( H o v o r k a - K r o n f e l d i , 265). Zigeuner : Findet jemand zu Ostern oder Pfingsten ein Vogelnest mit einem K.sei darin, so hat er in diesem Jahr in seinen Unternehmungen Glück ( W l i s l o c k i Volksglauben 147 = S A V k . 14, 270).

5. Der K. gehört zu den Vögeln, ; aus deren Verhalten man Schlüsse auf Witterung und Wachstum zieht. Wie man annimmt, daß bei seinem i Erscheinen nochmals ein Rückfall in Schneewetter eintrete 24$), so befürchtet man auch Schlechtes für die Witterung des Jahres, wenn er besonders frühzeitig ! eintrifft. Er soll erst kommen, wenn 1 er sich im Laub verstecken kann 247 ); ! trifft er ein, ehe noch die Bäume ausgeschlagen haben, dann wird es in diesem Jahre frühzeitig Winter 248) und er selbst muß rascher schweigen 249), die Kühe geben wenig Milch 25°), das Schmalz wird teuer 2S1), die „Pybolitzen" bleiben leer 252), jedoch werden viel Eier erwartet 253). Auch im germanischen Norden erwartet man schlechte Zeit, wenn der K. auf bloßem Aste ruft 2St ). Ruft er vor dem 4. April, so gibt es ein hungriges Jahr 255), und wenn er vor dem 15. ruft, so muß er sich, wegen schlechten Wetters, noch 14 Tage lang in einem hohlen Baum verstecken 256). Ruft er, ehe die Tauben

733

Kuckuck

gurren, dann wirds nochmals kalt 257). Freilich herrscht auch der Glaube, früher K.sruf bringe ein gutes Jahr 258) oder es gäbe wenigstens einen guten Frühling, wenn der K. frühzeitig im März sich hören lasse 25B) bzw. viel im März rufe280) ; der Frühling ist dann nimmer weit 281 ). Ruft er erst nach dem 15. April, so schlägt der Roggen auf 282). Schreien im Frühling viele K.e, so folgt ein nasses J a h r 2 M ) ; schreit der K. viel um Mittag, so verkündet er einen warmen Frühling 2M ). Wenn er sich das erstemal hören läßt, so schließt man aus der Anzahl seiner Rufe auf den Kompreis zur Erntezeit 28S ). Auch aus der Zeit seines Verschwindens zieht man Schlüsse. Man beobachtet vor allem sein Verhalten um die Zeit der Sommersonnenwende. Um Johanni soll er schweigen 2M ); tut er's nicht, so ist Mißernte zu befürchten: „Der K. kündet teure Zeit / Wenn er nach Johanni schreit" 287). „Schreit nach Johanni der K. noch lang / Wirds dem Bauer um seine Ernte bang" 288). Ein anderer Spruch lautet: „Wenn der K. nach Johanni singt / Einen nassen Herbst er uns bringt" 289). Weinländer besorgen einen sauren Wein 270). In Tirol schließt man auf einen kalten Winter 271 ), dem entgegen steht aber die Ansicht, daß es bald anfange zu frieren, wenn der K . bereits an Johanni aufhöre zu schreien, rufe er bis Peter und Paul, so gäbe es einen warmen Herbst 272). Auch sagt man, soviel Tage, als der K. nach Johanni schreie, soviel Tage komme kein Frost nach Michaelis (29. IX.) 273 ). Das Verhalten des K.s um Johanni gibt auch Aufschluß über den Getreidepreis. Schreit er zwei oder drei Tage nach Johanni, so soll der Roggen kaum zwei oder drei Groschen gelten, schreit er länger hernach, so soll er mehr gelten 274 ); oder auch: schreit er in diesen Tagen wenig, so wird das Korn wohlfeil sein, tut er viel Schläge, soll es teuer werden 27S). So viel Tage, als der K . nach dem längsten Tage schreit, um so viel Batzen wird das Brot aufschlagen 278). — Auch andere Tage als

734

Johanni werden prophezeiend mit dem K.sruf in Verbindung gebracht; so soll Teuerung zu erwarten sein, wenn der K. lange nach Fronleichnam noch sich hören läßt 277 ); in der Steiermark glaubt man, daß es in der Adventwoche zuschneie, wenn der K. lange nach Peter und Paul rufe 278). Auch unabhängig vom Kalenderdatum weiß man das Schreien des K.s für die Witterungsvorhersage zu werten. Sein Ruf 279) bzw. „Lachen" 28°) soll Regen bedeuten, nur vereinzelt glaubt man, sein Singen bringe gutes Wetter 281 ). Gutes Wetter erwartet man auch, wenn er auf dem Heckpfahl sitzt 282). Je näher er bei den Häusern schreit, desto früher erwartet man Schnee 283 ); kommt er zu den Häusern heran, so gilt dies im besten Fall als Zeichen eines herannahenden Witterungsumschlages, viel häufiger jedoch befürchtet man Unwetter und Regen 2M ), Kälte 285) und Hagel288). u> ) R e i t e r e r Waldbauemblut 22; s. W e i n kopf Naturgeschichte 97. 2 " ) F i e n t Prättigau 249. 2 4 ') A n d r i a n Altaussee 125. In Rußland prophezeit man ebenfalls Frost: Y e r m o l o f f Volkskalender 109. In Frankreich glaubt man, je nachdem der K. im kahlen oder schon belaubten Walde rufe, gäbe es mehr Korn oder mehr Stroh: Y e r m o l o f f Volkskalender 110; R o l l a n d Faune 2, 85 f.; Sw. 114. " * ) F i s c h e r 25 251 Schwab. Wb. 3, 901. °) E b d . ) Vonbun Beiträge 107; Schweizld. 2, 185; Z ü r i c h e r Kinderlied 105 Nr. 1568. Ähnlich England: Encycl. Superstitions 611 b; vgl. Sw. 1 1 4 ; S l o e t Dieren 202; H. 58. Rußland: Y e r m o l o f f Volkskalender 109. 2 5 2 ) ZföVk. 15, 173 (Gott253 schee). ) F i s c h e r SchwäbWb. 3, 901. ,M ) In Norwegen erwartet man ein schlechtes Jahr bzw. einen schlechten Sommer: Sto. Elementerne 5 7 ; F e i l b e r g Ordbog Till. 281; N e r g a a r d Skikk og Bruk 37. 127. In Schweden befürchtet man ein trockenes Jahr: E v a W i g s t r ö m Folkdiktning i Skäne 1 (1880), 205; die Schweden in Finnland glauben, daß Mißwuchs bevorstehe: A. A l l a r d t Nyländska folkseder och bruk (1889) 96; s. ferner A. R 0 stad Frd gamel Tid (1931), 76; L a n d t m a n Växtlighetsriter (1925), 28 (Schwed.-Finnland); K. S t r o m p d a l Gamalt frd Helgeland (1929), 1 1 4 Nr. 499. 2 5 5 ) ZrwVk. 12, 180. " • ) E b d . 12, 179. s " ) SAVk. 12, 18 (Baselland). 2SS ) ZrwVk. 12, 180. 2 M ) R o c h h o l z Gaugöttinnen 165; s . a . W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1700 Nr. 6 1 . 2eo ) ZrwVk. 12, 180; Schiern 7 (1926), 378. 261 ) W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1701 Nr. 74 (Pfalz). 2 t 2 ) E b d . 2, 1700 Nr. 58 = F i r m e n i c h 3, 185 (Iserlohn). — Nach ungarischem Glauben

735

Kuckuck

soll es keine Raupen geben, wenn der K . vor dem Georgstag ruft (ZfVk. 4. 400). " 3 ) M. 222 (Prov. Preußen); R. 328. 2 M ) W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1698 Nr. 31; Y e r m o l o f f Volkskalender 109. M S ) W r e d e Eifel 176; ZfrwVk. 12, 184; M. 235 (Schwaben: Gulden den Scheffel). , M ) Schon Aldrovandus gibt an, der K . rufe „apud Germanos ad festum usque D. Joannis". Vgl. auch den Kinderreim bei J. van V l o t e n Nederlandsche Baker- en Kinderrijmen 2 (1852), 12 Nr. 2. — Bei E n g e l i e n und L a h n 279 findet sich die Angabe: solange der K. vor Johanni schreit, solange ist er nach Johanni still. 387 ) J o h n Erzgebirge 236. "') A l b e r s Festpostille* 251. — Weitere Belege: Kurtzer Begriff der Edlen Jägerey (Nordhausen 1733) 334 (als „gemeiner Wahn des Pöbels" bekämpft); Z o r n Petino-Theologie 2 (1743), 555; G r i m m Mylh. 34, 467 Nr. 904; M. 235 f.; M o n t a n u s Volksfeste 173 ff.; Y e r m o l o f f Volkskalender 301; M e n s i n g SchleswWb. 3, 360 (ruft der K . 9 Tage nach Johanni, so ruft er teure Zeiten herbei); S t r a c k e r j a n 2, 165 Nr. 396; Baltische Studien 33, 143 (Pommern); W i r t h Beilr. 4/5, 29. 57; K u h n Westf. 2, 75; ZrwVk. 12, 87; 180; MittSächsVk. 1906, 114; G r i m m Myth. 34, 442 Nr. 228 (Chemnitzer Rockenphilosophie); F i s c h e r SchwäbWb. 3, 902; L e o p r e c h t i n g 79; W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2,1701 (Bayern); P o l l i n g e r Landshut 166; V o n b u n Beiträge 108; Z i n g e r l e Tirol 85 (s. auch Anm.: saurer Zürcher Wein); H o v o r k a und K r o n f e l d 1, 264 (Tirol); Heimgarten 1, 306. — Ausland: Dänemark: T h i e l e Sagn 8 Nr. 34; Holland: d e C o c k Volksgeloof 126; Luxemburg: F o n t a i n e Luxemburg 63. Norwegen: Sw. 114 (wenn er noch ruft nach dem ersten Heuschochen). Schweden: H y l t i n - C a v a l l i u s 1, 326 (Teuerung, wenn der K. noch bei der Heuernte ruft). Wenden: S c h u l e n b u r g Wend, Volkstum 155 (Teuerung, wenn der K. noch schreit nach Fertigstellung der ersten Garbenmandeln). » • ) Y e r m o l o f f Volkskalender 301; ZfrwVk. 12, 180; Hdschr. Pfarrchronik des Dorfes Flechtingen geschrieben 1879—1911 von Pastor Willing; W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1701 Nr. 67 = S c h m i t z 1, 172, 51. , i 0 ) M e r c k . 276; A i d . 218; J o n s t . 27 b; G e s s n e r S. L X X I ; I71) F i s c h e r SchwäbWb. 3, 902. Zingerle Tirol 85 Nr. 716; Heimgarten 1, 306. , 7 i ) M. 230 = Salamonis G u b e r t i Ackerstudent (Riga 1688) 74. t 7 3 ) Y e r m o l o f f Volkskalender 301; W a n d e r Sprichwörter-Lex. 2, 1701 Nr. 67 (Krain). I 7 4 ) D r e c h s l e r 2, 198. »»*) Z f V k . 23, 61 = W . H. von H o h b e r g Georgica curiosa 1 (Nürnberg 1682), 192 f.; Joh. Christophorus S t u r m i u s De agricolarum regulis (Altdorfi s. a.) S. 8 Nr. (17): ,,Ex cuculi voce sive cantu post Johannis festum nonnulli vaticinantur agricolae quanto in pretio sit futura siligo, prout seil, paucioribus aut pluribus vieibus iteratur". " • ) F r i e d Ii Bärndütsch 3, 131. Ähnlich ZrwVk. 12, 180 (15. V I . ; Batzen); Urdhs-Brunnen 2, 136 (Solling). t 7 7 ) Z i n g e r l e Tirol 85 Nr. 717. — K . als Teuerungsverkünder (aber unter

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welchen Umständen ?) auch H e l b o k Volkskunde Vorarlbergs (1928) 61. 1 7 S ) A n d r i a n Altaussee 126. " • ) Z i n g e r l e Tirol 85; ZrwVk. 12, 181; M e n s i n g SchleswWb. 3, 360 (unablässiges Rufen). 280) ZfVk. 24, 59 (SchleswigHolstein); M e n s i n g SchleswWb. 3, 360; R. 328. — Der K . als Regenbringer s. auch ElsässMtsschr. 1 (1910), 35. In Frankreich wird das Regenwetter erwartet, wenn der K . im Norden ruft, ruft er im Süden, so gibt's schönes Wetter: R o l l a n d Faune 2, 87; S l o e t Dieren 200 = S w a i n s o n A handbook of weather folk-lore (1873) 235. Dänemark: K.sruf beim Heuen bringt Regen ( F e i l b e r g Ordbog Till. 281); starkes Rufen bedeutet ebenfalls Regen, einzelner Ruf trockenes Wetter (ebd. 2, 325). Norwegen: Klingt der Ruf des K . s heiser, so bedeutet dies Regen, nassen Sommer, Nordwind usw. (Sto. Elem. 57 Nr. 225); Regen erwartet man auch, wenn der K . am hellichten Tage oder während des Fliegens schreit (ebd. Nr. 221 und Anm. 2). K.sruf im Süden und Osten bringt Unwetter, aus den anderen Himmelsgegenden gutes (ebd. Nr. 223); einen weiteren Beleg ähnlicher Art s. bei N e r g a a r d Skikk og Bruk 137. — Angefügt sei hier noch, daß man in Skandinavien von der Richtung, aus der man den Ks.ruf zum erstenmal im Frühling vernimmt, auf das Wetter der folgenden Zeit schließt: in Dänemark glaubt man, daß aus jener Richtung die meisten Winde das Jahr über kommen ( F e i l b e r g Ordbog 2, 325), in Norwegen erwartet man ein kaltes und spätes Frühjahr, wenn der K . zuerst im Norden rief, rief er im Süden, so hofft man auf ein mildes und gutes (Sto. Rummet 16). Böhmen: Klingt der Ruf: ,,Ku k u " , so ist schönes Wetter zu erwarten, lautet er „patoky, patoky", so gibt's Regen ( G r o h m a n n 69). l 8 1 ) ZrwVk. 12, 181; B a r t s c h Mecklenburg 2, 209; M. 222 (Prov. 282 ) M e n s i n g SchleswWb. 3, 360. Preußen). l83) A n d r i a n 2 M ) A i d . 218 Altaussee 128. (pluvias et tempestates); M e r c k . 276; Gesn. S. L X X I ; M e n s i n g SchlesWb. 3, 360 (schlechtes Wetter); M. 222 (Prov. Preußen); M ü l l e r Isergebirge 15 (Regen); R o l l a n d Faune 2, 96 Nr. 13 (Vogesen); Sw. 114; Mélusine 1, 454; R. 328; B i r l i n g e r Schwaben 1, 401; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 902; R e i s e r Allgäu 2, 437; Schweizld. 2, 186; Z i n g e r l e Tirol 112 Nr. 973; A n d r i a n Altaussee 150 (Sturm); W e i n k o p f Naturgeschichte 45. 123 (Waldviertel); H a l t r i c h Siebenbürger Sachsen 294 (kommt er in Hausund Hofgärten, so regnet es); W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 179; Skandinavien: M. 222 f.; s. a. L a n d t m a n Växtlighetsriter (1925), 28; A . R e s t a d Frä Gamal Tid (1931), 76 (Norwegen). Verwiesen sei hier auch auf eine oberfränkische Ortsneckerei, die erzählt, die Bussbacher hätten einst den K . mit dem Backwisch verjagt, da sie ihm das Regenwetter zuschrieben ( P a n z e r Beilr. 2, 172 = M. 222). t85) F i s c h e r 2SS ) SchwäbWb. 3, 902. Ebd.

6. Sieht ein Teil der bisher genannten

Kuckuck

737

Vorstellungen im K. einen Vogel mit Eigenschaften und Kräften, die bereits stark über das Natürliche hinausreichen, so fehlt es auch nicht an solchen, die dies zum Geisterhaften und Dämonischen übersteigern. So nehmen nach dem Volksglauben gespenstige Wesen zuweilen K.sgestalt an. „In der Guggern" heißt eine Schweizer Flur; dort haust der Vogel „Guggehu" und krächzt des Nachts wie ein kranker Mensch; kein Jäger kann ihn erlegen, seit Jahrhunderten ist's beständig das nämliche Geschöpf 287). Man erzählt ferner von einem verwünschten Wesen, das manchmal als schöner Jüngling sich zeigt, sonst aber in K.sgestalt umgeht 288). Auch der wilde Jäger kann sich in einen K. verwandeln; als solcher hat er einst in Schlesien ein Kind in einen Zaubergarten gelockt 288). Auch ein augenverblendender Kinderschreck zeigt sich als K.290). Ferner stellt man sich zuweilen auch die Schutzgeister der Markung 291 ), vielleicht auch die der Almen 292) in dieser Erscheinungsform vor. Angeführt sei auch, daß Gespenster, die Schatzgräber zu betrügen suchen, sich des K.srufs bedienen 293). In Anhalt hält man den K. für ein überirdisches Wesen, das die Menschen neckt und betört, die Rat von ihm wollen 294). Vielleicht liegt gleichfalls die Vorstellung von dem dämonischen Charakter des K.s der alten Geschichte zugrunde, ein Mann habe sich erhängt aus Furcht, er müsse zum K. werden 295). Wir müssen noch weiter unten darauf zu sprechen kommen, daß man den Teufel vielfach mit dem Ausdruck „ K . " bezeichnet. Hier sei angeführt, daß man in gewissen Gegenden im K. einen Teufelsvogel, wenn nicht gar Satan selbst erblickt, weshalb der Wanderer sich bekreuzigt, wenn er seinen Ruf vernimmt296); man soll daher auch keine verfänglichen Fragen an den K. richten 296a). Nächtlicher (!) K.sruf gilt in Tirol als „bedenkliches Aber" 297). Man erzählt sich vom K., er weihe den Wiedehopf in Satanskünste ein 298) und nennt ihn selbst „des Teufels Küster" 299). In einem 1559 zu Nürnberg gedruckten B&cbtold*StäubIif

Aberglaube V

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Liede wird erzählt, wie der Teufel an Fastnacht in eine Jungfrau fährt; es heißt von ihm: „hat sich im Hauß lassen sehen / gleich wie ein Guckgu schrey" 299a). Im Aberglauben des Auslandes sind noch deutlichere Belege für den K. als vogelgestaltige Seele zu finden 300).

287 ) L ü t o l f Sagen 354 f. Nr. 309 = Schweizld. 2, 189. * 8 8 ) M o n t a n u s Volksfeste 1 7 3 . 289 ) MschlesVk. 1 0 (1908), 88 = K ü h n a u Sagen 2, 484 = Z f V k . 3, 97. 2 8 °) M o n t a n u s Volksfeste 1 7 3 . ' " ) W o l f Beilr. 2, 349 = ZfdMyth. 3, 265 ff. 2 8 a ) L ü t o l f Sagen 3 5 5 Nr. 309. Der bei der Sennenkirchweih auf einer Stange herumgetragene Gugger soll nach einer anderen Erklärung sich darauf beziehen, daß die Sennen zuweilen „Vorbruch" machen, d. h. die Milch zu sauer käsen und dadurch den Käse verderben, s. Schweizld. 2, 186. 2 9 3 ) M e i e he Sagen 7 1 4 Nr. 885 = P r a e t o r i u s Der abenteuerliche Glücks231 topf 477 ff. ) W i r t h Beiträge 4/5, 30. l " ) P r a e t o r i u s Weltbeschreibung 2, 359, s. R o c h h o l z Kinderlied 7 8 ; M a e n n l i n g 149. " • ) H. 85 = A . von G ü n t h e r Tales and Legends 287 of the Tirol 1 1 8 . 2 9 «') H e c k s c h e r 1 1 9 . ) A l p e n b u r g Tirol 386. 2 8 8 ) H e y l Tirol 790 f., s. W o s s i d l o Mecklenburg 2, 363. " » ) N d Z f V k . 5, 180. 2 e 9 a ) Berlin Staatsbibl. Y e 3786: „ E i n Wunderbare / vnnd Erschröckliche Geschieht /

geschehen zur Platten " . 3 0 0 ) So vor allem serbisch: vgl. Z f V k . 2, 1 8 2 ; R o c h h o l z Gaugöttinnen 1 7 0 ; s. a. G r i m m Myth. 2, 950. In Rumänien gilt der K . als der Geist einer nicht erwiderten Liebe: Encycl.Superstitions 6 1 0 b .

7. Mehrfach kamen in den vorausgehenden Kapiteln Anschauungen zur Sprache, die dem K. als einem Vogel des Frühlings und der Fruchtbarkeit eine gewisse Macht über Wachsen und Gedeihen in der Natur zuschreibenS01). Von hier aus ist es kein großer Schritt mehr, im K. eine Art Vegetationsdämon zu sehen; allerdings sind überzeugende Belege hierfür aus deutschem Kulturgebiet nur sehr spärlich beizubringen. So weiß Praetorius 302) von einem gespenstigen Wesen, dem Katzenveit, zu erzählen, den er „den rechten Baumherrn" nennt. Einmal baute sich eine Saufgesellschaft zu Pfingsten Hütten aus Laub. Über diese Plünderung ärgerte sich der Katzenveit und machte sich durch allerhand Spuk unliebsam bemerkbar. Das erste, was er tat, war, daß die Zecher den K.sruf aus dem Laube heraus zu hören bekamen. Eine uralte und über viele Länder 24

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Kuckuck

verbreitete Sitte ist es, zu Weihnachten das Herdfeuer durch einen besonderen Holzklotz, den Christblock, zu speisen303). Diese Sitte herrscht u. a. auch auf Gotland, und zwar dient hier zur Feuerung ein bis zu 7 Ellen langer Baumstamm, der „Gräupack", der öfters bis zum Erscheinungsfest durchhalten muß. Seine verkohlten Reste dienen, wie andernorts, zur Förderung des Wachstums in Stall, Garten und Feld. Es heißt nun, man dürfe den Gräupack nicht völlig verbrennen, sonst fliege ein Vogel heraus; kurz, ehe der Stamm ausgebrannt ist, kann man ihn rufen hören: es ist ein K.304). Ergänzend sei bemerkt, daß die Gotländer auch sagen, im Julblock halte sich ein Waldgeist („Bysen") auf 305). Vielleicht erweist eine Erzählung aus dem Luxemburgischen 306), wonach in einem Julklotz einst ein K. habe zu singen angehoben, als jener warm wurde, einen dem skandinavischen ähnlichen Glauben auch fürs deutsche Kulturgebiet; möglich ist ferner, daß die bereits oben3"7) genannten Erzählungen von dem überwinternden K., welcher aus einem ins Feuer geschürten Klotz herausflog, als eine rationalistische Umformung einer auf Dämonenglauben beruhenden Anschauung zu werten sind. Anderes ist freilich recht unsicher. So wollte Mannhardt 308) die bereits von Plinius 309) erwähnte Sitte, säumige Winzer mit dem K.sruf zu necken 310), durch die Eigenschaft des K.s als eines Frühlingsdämons erklären. Noch fraglicher ist 3 U ), ob der K. infolge der genannten Eigenschaft in der Schweiz die Rolle des Ostereierlegens übernommen hat 312 ). Vom außerdeutschen Kulturgebiet lassen sich allerdings einige weitere Belege, nach denen der K. als Vegetationsdämon aufgefaßt zu werden scheint, beibringen 313). 3 0 1 ) Vgl. dazu auch das rheinische: Abrelshoover es Gugugshoover, man glaubt also, daß der K . das Wachstum z. B . des Hafers mitbestimmt ( W r e d e Ei fei2 176). 302) Ein

gründlicher Bericht vom Schnackischen Katzenveit (1651) = M e i c h e Sagen 90. 3 0 S ) S a r t o r i Sitte 2, 42—45; T i l l e Weihnacht 11 ff. 286f.;

vgl. auch Deutsche Monatshefte 4, 584 (Dal-

740

matien). 3 M ) F a t a b . 1907, 240; in einen größeren Zusammenhang gestellt ebd. 1908, 95; H.

Celander

Nordisk

Jul

1 (1928), 162 ff.

) C e l a n d e r a . a . O . 161. 3 0 8 L a F o n t a i n e Luxemburg 6 f.; es heißt dann anschließend, man habe den K . herausgenommen und im Frühjahr in Freiheit gesetzt. Vgl. auch H . 66: In Gassendus Physicae &c the cuckoo is said to have issued from a Christmaslog in Champagne. 3 0 7 ) S . Anm. 103. 308) Forschungen 53 ff- 3 0 9 ) Hist. not. X V I I I 249 (Ausg. v. Meyhof! I I I , 212); s. auch H o r a z sat. I, 7 v. 23. H . 57- 3 1 0 ) S. a. Der Basilisk 5 (Basel 1924), Nr. 15 S. 3 ; als noch lebende Sitte mir auch aus der Erzählung meines Weingärtners aus Grantschen, O.-A. Weinsberg, bekannt. 3 1 1 ) Vgl. ZfVk. 35/36, 177. 3 1 2 ) R o c h h o l z Kinderlied 79; SchwVk. 6, 41; Schweizld. 2, 185. 3 1 3 ) I n Rußland gehen an sieben Donnerstagen nach Ostern die Mädchen in den Wald, um die Waldnymphe oder den K . zu taufen ( Y e r m o l o f f Volkskai. 247); nach W l i s l o c k i Volksgl. 12 ist der K . der Bote der Keshalyi (Schicksalsfrauen, Waldgeister), die ihn aussenden, um zu erfahren, ob Frühling sei; wenn man in Frankreich am ersten Mai keinen Maien aufs Hausdach pflanzt, so befürchtet man, der K . verunreinige dieses ( R o l l a n d Faune 2, 960); in Shropshire sagt man bei Sonnenregen: the c. is going to heaven ( S w . 122). 306

8. Infolge der verschiedenen dämonischen Eigenschaften, die man dem K. zuschreibt, ist es erklärlich, daß er bei mancherlei Zauber eine Rolle zu spielen hat. Federn des K.s finden Verwendung, wenn ein Schütze sich Freikugeln314) bzw. eine unfehlbar treffende Flinte315) verschaffen will. Wenn man in Norddeutschland schüchternen Freiern rät, ein Ei oder die Feder eines K.s mit sich zu führen 3ia ), so dürfte darin eine Art Liebeszauber zu erblicken sein. Anderes, so namentlich gewisse anläßlich von Hochzeiten geübte Gebräuche, wird als ein auf der im vorangegangenen Kapitel geschilderten Eigenschaft des K.s beruhender Fruchtbarkeitszauber zu deuten sein. So versteckte man in der Brautkammer außer dem Haushahn auch einen K. 317 ), und in Schaumburg befand sich auf dem Stab des Hochzeitsprechers ein solcher 318). In diesen Zusammenhang ist wohl auch zu stellen, wenn auf den Halligen319) und in Hannover320) ein „K.stanz" gerade bei Hochzeiten getanzt wird und man bei solchem Anlaß Lieder singt, in denen der K. eine Rolle spielt321).

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Im Auslande finden sich noch weitere Vorstellungen von Zauberhandlungen, die in Verbindung mit dem K. stehen322). 3 1 4 ) S. Art. Freigewehr 3, 5 Anm. 48. 3") Ebd. Anm. 56a. s w ) S l o e t Bieren 203; W a n d e r 317) Sprichwörter-Lei2, 1704. P r ö h l e in Deutsches Museum hrsg. von Prutz 2/2, 588. 31») ®18) M a n n h a r d t Götter 198 ( = H. 71). MB ) J e n s e n Nordfries. Inseln2 405. Kolbe Hessen 179. 321 ) So singt man das Lied: „Der K . auf dem Zaune saB", mit Zusatzstrophen, die der Braut einen reichlichen Kindersegen wünschen, den Neuvermählten in der Brautnacht: W o s s i d l o Mecklenburg 2, 445; Wossidlo sieht mit R e i f f e r s c h e i d Westfälische Volkslieder 145 ff. gegen K ö h l e r (AfdA. 5, 269) in dem Liede alte mythische Bestandteile. S. a. M. 258 u. o. Anm. 44—46; ferner H e c k s c h e r 239. Wenn R o c h h o l z Kinderlied 79 aus dem verbreiteten nd. Reim: K . givt Kindelbeer schließt, daß der K . in Schleswig-Holstein kinderbringend sei, so schießt das über das Ziel hinaus. Zum Reim siehe noch W o s s i d l o Mecklenburg 2, 280 Nr. 1791. Bei einigen Völkern herrscht übrigens der entgegengesetzte Aberglaube, daß der K . unfruchtbar mache, so bei gewissen Negerstämmen, s. Encycl.Superstitions 612 a, ebd. 612 a/b ein Beleg für die Anschauung, daß die Unfruchtbarkeit einer Frau durch den Genuß eines K.seis herbeigeführt werden kann. Femer sind die Huzulen der Anschauung ( K a i n d l 105), man solle keine Hochzeit feiern, solange der K . ruft, sonst würde die Ehe unglücklich sein. 3 n ) Der Ast, auf dem ein K . saß, wird von russischen Jägern als Talisman geschätzt: Z f V k . 1909, 452; erlegter K . , verwendet zur Herstellung einer an Silbergeld nie versiegenden Kiste: FFC. 63, 25 (Asien am Tremjugan); nach lappischem Aberglauben besitzt der K . unter dem Flügel eine Feder, die beim letzten Atemzug auffährt; man muß sie erhaschen, denn ihr Besitz führt zum Glück: ZfVk. 35/36, 108. — Die südungarischen Zigeuner geben ihren Haustieren am ersten Ostertage K.seier zu fressen, dann vermehren sie sich und gedeihen: W l i s l o c k i Volksglaube 147; wenn in Schwedisch-Finnland ein K . auf einem Baume ruft, so sucht man, ohne daß der Vogel wegfliegt, ein Stückchen Rinde abzuschneiden, das man dann in den Stall legt, so gedeiht das Vieh: R u ß w u r m Eibofolke 2, 196 § 358; M. 243; ebendort ist man der Ansicht, man müsse Korn säen, wenn drei K.e rufen ( L a n d t m a n Växtlighetsriter 69), auch die Erbsenaussaat hat sich dort nach dem ersten K.sruf zu richten (ebd. 204). In Estland bedeutet es eine glückliche Gersten-, Hafer- und Flachssaat, wenn die K.e während des Säens sich gegenüber rufen. R u f t beim Rübensäen kein K., so muß jemand von unsichtbarer Stelle aus den K.sruf nachahmen, dann gibt es große und wohlschmeckende Rüben: FFC. 31, 18. Als einen lebensweckenden Zauber haben wir wohl auch folgenden schwedischen Aberglauben anzusehen: Sitzen und rufen

zwei K.e auf ein und demselben Baum und gelingt es jemand, diesen Baum zu umarmen, solange die Vögel noch rufen, so gewinnt er die Kraft, durch seine Umarmung eine Frau in Kindsnöten sofort zur Entbindung zu bringen: H y l t 6 n - C a v . 1, 326; ferner F e i l b e r g Ordbog Till 281.

9. Pflanzen, die nach dem K. benannt werden, gibt es eine Unmenge. Vielfach sind es solche, die frühzeitig blühen und daher, wie der K., Frühlingskünder sind. Die betreffenden Benennungen erstrecken sich mehrfach nicht nur über das gesamtgermanische Sprachgebiet, sondern greifen auch aufs Romanische über. Da es doch recht zweifelhaft ist, in welchen Fällen den einzelnen Namen eine tiefere Bedeutung zuzumessen ist, sei hier von einer Aufzählung abgesehen; an Hand von Marzell 323) läßt sich überdies leicht eine Übersicht gewinnen, dort sind auch verschiedene auf Aberglauben beruhende Beziehungen des K.s zur Pflanzenwelt (Fruchtbarkeit, Erotik, Weissagung, Gewitter) namhaft gemacht 324). Nur einiges wenige sei hervorgehoben. In vielen Sprachen wird der Sauerklee (Oxalis acetosella) 32S ) als K.sbrot 328) bezeichnet; wir hatten schon oben 327) Gelegenheit, auf den ostpreußischen Volksglauben hinzuweisen, nach welchem der K. von dieser Pflanze essen muß, um Stimme zu bekommen; es heißt, sie sei seine Lieblingsnahrung 32S). An manchen Pflanzen kann man im Frühjahr den speichelähnlichen Schaum einer Zikade wahrnehmen, den das Volk für K.sspeichel (s.d.) hält; diese Pflanzen (vor allem Cardamine pratensis 329), auch die rote Lychnis flos cuculi M0 )) tragen daher ebenfalls den Namen K.sblume. Die Flecken, die sich auf den Blättern mancher Knabenkraut- (Orchis-)arten befinden, schreibt man dem K. zu a 3 1 ), auch für diese Pflanze ist die Benennung K.sblume weit verbreitet; hier kann außerdem Geschlechtliches mit hereinspielen 332). 323) Pflanzennamen Reg. S. 221 f.; Text bes. S. 160 ff. und 179 ff. 3 M ) Vgl. auch noch R . 332 f.; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 900. 903; Schweizld. 2, 188. Betr. England s. H. 78 ff.; Niederlande: de C o o k Volksgeloof 19 f.; Dänemark: F e i l b e r g Ordbog 2, 325 f.; Frankreich: S c h r ö f e l Mohn 64; Schwed. Finnland: A. A I -

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Kuckuck

l a r d t Nyiändska folkseder och bruk (Helsingfors 1889), 97. 3 « ) Marzell a . a . O . 186 f.; H. 80 f.; Sw. 122; Mensing SchleswWb. 3, 362 f. * M ) Marzell a . a . O . 1 6 1 ; Grimm DWb. 5, 2528; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 899; Schweizld. 2, 189; M u r r a y A new Engl. Dict. 2, 1237: cuckoo's meet. 327 ) S. Anm. 25. 328 ) Montanus Volksfeste 173 ff.; s.a. ZfrwVk. 12, 185; M. 240; Grimm Myth. 2 4 , 568. « • ) Marzell a . a . O . 182; M e n s i n g SchleswWb. 3. 362; H. 82. 330 ) Marzell a.a.O. 184; H.82. 3 3 1 ) Marzell a.a.O. 186. Vgl. dazu den in Anm. 77 genannten skandinavischen Aberglauben, der die roten Flecken auf dem Birkenlaub ebenfalls dem K . zuschreibt. M 2 ) Marzell a. a. O. 29; M. 260 ff. 10. Eine sympathetische Beziehung besteht zwischen dem K . mit seinem gesprenkelten Gefieder und den Sommersprossen ; diese heißen daher auch Guckerschecken 3 3 3 ) oder K.s-Sprecklein 3S4 ). Kinder sollen sie bekommen, wenn sie den K . ausspotten 3 3 5 ), oder man glaubt, Sommersprossigen habe der K . ins Gesicht gelacht 3 3 6 ) oder sie mit seinen Exkrementen angespritzt 3 3 7 ). Will man die Sommersprossen los werden, so muß man beim ersten K.sruf an einen Teich gehen, sich waschen und dazu sprechen: Kuckuck, ich rufe dich, Meine Sommersprossen warten auf dich 333 ) Oder man spricht den Reim: Kuckuck, ich höre dich rufen. Abwasche mich meine Sprussen, Daß se dich bestehn Un mich vergehn 33>). In der Steiermark versteht man unter „Guckerschecken" die Leberflecken, welche die Kinder erhalten sollen, wenn sie um die Zeit des K.schreies entwöhnt werden 340 ); ferner erzählt Rosegger 3 4 1 ) von einem Mädchen, das um die Zeit, wenn der K . schrie, eine Anzahl dunkler Sternchen im Gesicht zu haben pflegte, weshalb boshafte Leute sie die kleine „ K . s d i m " nannten. Der K . ist auch in einer Reihe von Rezepten vertreten. So preist Plinius 342 ) K.skot in Wein genommen als Mittel gegen Hundstollwut, was ebenso fleißig nachgeschrieben wurde S 4 3 ) wie die anderen Angaben dieses Verfassers, daß ein K . in einem Hasenbalg eingenäht und umgebunden Schlaf verschaffe 344 ). Gepulverte K.sasche soll gut sein gegen

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Magenschmerzen 34S ) in Fieberanfällen 348 ), bei Fallsucht 3 4 7 ) und anderweitigen Krankheiten 3 4 8 ); dieselbe in warmem Wein eingenommen, war ein beliebtes Mittel gegen Zipperlein und Gliederreißen 3 4 9 ). Gegen Fallsucht kocht man das Baumzweiglein, auf dem der K . gerufen hat, in Wasser 350 ). Nicht ganz klar ist das Heilverfahren, das Brevinus Noricus in einem Gedicht auf den Aberglauben erwähnt 3 5 1 ): Hat jemand ein Glied verrenckt/ Der schrey Guckuck auf der wiesen. Auch bei außereuropäischen Völkern werden K.svögel medizinisch verwendet 352 ). 333 ) Höf ler Krankheilsnamen 559 mit Belegen. s"4) Grimm DWb. 5, 2529. 3 3 i ) A n d r i a n Allaussee I i i ; B a u m g a r t e n Aus der Heimal 1, 96; Heimatgaue 3, 32; Germ. 24, 415; Weinkopf Naturgeschichte 46. 124. Gegenrufe an den K. z. B.: K.! To good Dickbuuk usw., s. C. Schumann Volks- und Kinderreime aus Lübeck und Umg. (1899), 60 f.; Züricher Kinderlied 106 Nr. 1575: Guggu / En Narr bist du; vgl. ebd. Nr. 1569; Wehrhan Frankfurier Kinderleben (1929) 71 Nr. 1013. 33e ) H ö f l e r Krankheitsnamen 340; s. a. R. 342. 337 ) ARw. 3, 286; H ö f l e r a . a . O . 668; vgl. noch M a n n h a r d t 33s Germ. Myth. 31 f. ) S e y f a r t h Sachsen 187; s. a. Weinkopf Naturgeschichte 124. 33t ) Wirth Beitr. 4/5, 29 f. 56. In Schwedisch Finnland muß man sich, um keine Sommersprossen zu bekommen, mit „K.sschnec" waschen, d. h. mit Schnee, der noch übrig blieb, als der K. zum erstenmale rief: F o r s b l o m Magisk Folkmedicin (1927), 438; das gleiche Mittel wird angewendet, um im Sommer nicht durch die Sonne zu verbrennen: ebd. S. 439. M0 ) H ö f l e r a. a. O. 154; vgl. Weinkopf Naturgeschichte 124 f. 3 4 1 ) „Ein Jahr aus dem Leben einer Dorfschönen", Heimgarten 2, 70. Vgl. auch noch M ü l l e r - F r a u r e u t h 2, 1 1 7 : Durch Riechen an der K.sblume ( = Lungenkraut) bekommt man Sommersprossen. W2 ) Nat. hist. X X V I I I , i56(hsgb. v.Mayhofi IV, 328). ^ A l d . lib. V cap. 17 S. 218; Adam LonicerusKreuterbuch (1603) 343 V0; P a u l i i n i Dreck-Apotheke (1697) cp. 6 S. 13, m. Belegen. 344 ) Nat. hist. X X X 140 (hrsg. v. Mayhoff IV, 471); Gesn. 7 1 ; Aid. lib. V cap. 17, S. 218; Merck 277. S. a. Sw. 122. M 5 ) Aid. a. a. O. (aus: R o n d o l e t i u s Uber de ponderibus)\ Merck. 277; J o n s t . 28*; s. a. Sw. 122. 348 ) Merck 277; s. a. Sw. 122; Urquell 3 (Mark Brandenburg Ende 16. Jh.). 347 ) M. 265 (aus: B e c h s t e i n Naturgeschichte 1, 1142). M8 ) Merck. 277; Urquell 3, 198 (der K . muß im Mai geschossen sein). 34> ) S t a r i c i u s Heldenschatz (1679), 447; ZfVk. 8, 168 (Tirol) = J ü h l i n g Tiere 225. 350 ) Gaßner Mettersdorf 78. 3 5 1 ) Allzuabergläubiger Christ (1721), 443. 35ä ) Indochina: Rachitische Kinder erhalten

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Kuckuck

ICsfedern zwecks Gewichtszunahme um den Hals gehängt: Journal für Ornithologie 73, 238; das Fleisch zur Kräftigung empfohlen: ebd. 238; Japan: K . geröstet bei SchwindelanfäUen nach Geburten: ebd. 240.

11. Bereits weiter oben wiesen wir mehrfach darauf hin, daß über die Lebensweise des K.s manche irrtümliche Anschauung verbreitet ist. Bei der starken Beachtung, die man dem Vogel schenkt, und der Neigung breiter Schichten, die Handlungsweise von Tieren in sittlichem Sinne aufzufassen, lebt im Volke ein teilweise völlig unberechtigtes Bild von der Wesensart des K.s, das zudem eine starke Auswirkung auf unsere Sprache ausübt. Gewiß beruht manche auf den K. bezügliche Redensart auf richtiger Beobachtung, so wenn an einer Stelle des Nibelungenliedes das Wort „gouch" im Sinne von „Bastard" angewendet wird353) oder wenn man eine schlecht sorgende Mutter als „K.smutter" bezeichnet SM ). Wenn man in der Schweiz eine weibliche Person von auffallender geistiger oder leiblicher Eigenschaft mit dem Namen unseres Vogels benennt355) oder in Schleswig-Holstein ein „Blitzmädel" eine K.dern heißt 358), so hängt dies wohl mit dem auffälligen Wesen des K.s zusammen. Seine starke Geilheit führte dazu, Buhler mit seinem Namen357), verliebte Närrinnen mit dem Ausdruck „Gäuchin" zu bezeichnen 358) und von Buhlliedern als von „Gauchliedern" 359 ) zu reden; ferner sowohl die männlichen360) als die weiblichen381) Geschlechtsteile und die Schamhaare362) mit dem Namen K. zu belegen; außerdem galt dieser Name auch als Schimpfwort für Huren363). Auf richtiger Beobachtung der Paarungsgewohnheiten des K.s beruht auch, wenn das Wort K. die Bedeutung von „Hahnrei" annimmt 384), im Gegensatz von lat. „cuculus", das als Schelte für einen geilen, auf Abwege geratenen Ehemann gebraucht werden konnte 36S). Eine unberechtigte moralische Wertung seines Benehmens liegt aber bereits vor, wenn man schlaue Menschen, die einen übervorteilen 366) oder Schelme überhaupt

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„ K . " oder Gauche heißt 367), und ganz unberechtigt ist, unter letzterem Worte einen Feigling zu verstehen 368) und von einem „undankbaren K . " zu sprechen 369 ). Das auffällige und verliebte Gebaren des Vogels faßt man als Ausfluß einer närrischen Veranlagung; „den gouch treiben" ist daher soviel wie „Possen treiben" 370), „Narretei" kann mit „Gaucherei" bezeichnet werden 371 ), „Narrenwerk" mit „Gauchwerk" 372), so wie „Gauch" — schon in althochdeutscher Zeit — ein Ausdruck für „Narr", „Tor" ist 373), eine Verwendung des Wortes, die sich auch außerhalb des Deutschen nachweisen läßt 374). Von solcher Bedeutung ging wohl die Verwendung des Namens unseres Vogels als Familienname (und Übername) 37S) sowie, wenigstens zum Teil, als Ortsschelte S78) aus. Noch schlimmer ist es, Kretins mit „Gauch" zu bezeichnen 377). Der K. muß daher seinen Namen für allerhand Wertloses oder auch Anfechtbares hergeben. Einmal auf dem Gebiete der Nahrungsmittel: Wittenbergisches Bier nennt man „Guckuck", angeblich vom Fälschen mit zugegossenem Wasser 378 ); „guggern" nennt der Schweizer das Sauerwerden der Milch 379) oder sagt in diesem Fall von ihr, er habe den Gugger drin 380). Ebenso sagt der Münchner von einer hohlen Semmel, der K. sei drin 381). In einem in das Wunderhorn 382) eingegangenen Spottlied auf die Backnanger, die des Schneiders Geis als Rehbock verzehrten, heißt es, sie hätten den Guckuck für eine Taube gegessen. Im Elsässischen bedeutet „vergöuchen": verfaulen 383), im Schweizerdeutsch „verguggern": zugrunderichten, „guggern": mißlingen 384). Mit dem Namen unseres Vogels bezeichnet ferner der Schwabe ein dürres, verwahrlostes, krüppelhaftes Füllen 38S ), der Bayer ein kleines Schulkind, das zu Ostern zwar beichten, aber nicht kommunizieren darf 386), der Schleswig-Holsteiner einen Aufseher bei Arbeiten, von denen er selbst nichts versteht s87 ). Diese Verächtlichkeit, mit der man den K. ansieht, findet ihren Ausdruck außer-

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Kuckuck

dem in der Heraldik: er ist hier der Gegensatz zum stolzen Adler, bzw. bezeichnet man letzteren, wenn man über ihn spotten will, als K . Belege dafür finden sich in Liedern der Freiheitskriege, indem man von Napoleon nach seinem Sturze sang: „ F o r t , fort, du stolzer Vogel itzt, / Hier hast du keine R u h ! / D u jetzt kein Adler nicht mehr bist, / j e t z t bist du ein K u c k u " S88 ). Oder auch: „ D a haben die Russen den Adler verjagt / U n d haben aus ihm einen K . gemacht" 3 8 9 ). Ferner sangen früher in Hannover die Kinder auf den preußischen Adler folgenden Reim: „ E s kam ein Vogel geflogen / Ins hannoversche Land, / H a t geraubt und gestohlen, / E r wird K . genannt" 3 9 0 ). In Bayern nannte man früher den preußischen Groschen „Guckezergroschen" 3 9 1 ), das Stempeln mit dem Adler nannte man „den preußischen K . aufdrücken 3 9 2 ), den roten Adlerorden betitelte man „gelber K . " 3 9 3 ). In der Reichswehr heißt der Reichsadler auf der Mütze „ K . " 3 M ) , ebenso spricht man vom Adler auf den Pfändungsmarken als vom „blauen K . " 3 9 5 ) und von der Tätigkeit des Gerichtsvollziehers als vom „ K . ankleben" 3 9 6 ). A m tiefsten abgesunken ist der K . in der Hinsicht, daß sein Name euphemistisch für den Teufel verwendet wird; „geh zum K . " , „der K . soll dich holen" sind allgemein gebräuchliche Redensarten; die Beziehungen zum Dämonischen, über die wir weiter oben uns schon ausließen, mögen diesen Sprachgebrauch unterstützt haben; es sei jedoch ausdrücklich betont, daß er sich nicht übers 1 6 . Jahrhundert zurückverfolgen läßt 3 9 7 ). 353 ) Hrsg. v. Lachmann V. 810, 1 ; vgl. G r i m m Myth. 2,567; A. de Cock Volksgeloof 1 (1920), 127; O. B a t e r e a u Die Tiere in der mhd. Lit. (1909), 58. 3 M ) W r e d e Ei fei2 140. aM ) Schweizld. 2, 187 f. 356 ) Mensing SchleswWb. 3, 361. »») G r i m m DWb. 4, 1, 1, 1527. " » ) Ebd. 1535. »») Ebd. 1536. * ® ) F i s c h e r SchwäbWb. 3, 897. 300; G r i m m DWb. 4, 1, 1, 1530; W o s s i d l o Mecklenburg 2, 279 Nr. 1587 fi. mit Anm. S. 448. 3 i l ) W o s s i d l o Mecklenburg 362 2, 448: Schepermäken Dickbuuk . . . . ) G r i m m DWb. 4, 1, 1, 1530; H ö f l e r Krank3 3 heitsnamen 185. ' ) Mensing SckleswWb. 3, 361. 3 M ) Belege s. G r i m m DWb. 5, 2526 (u. a. aus Ayrer); s. a. ebd. 4, 1, 1, 1526 f. Dazu franz.

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cocu < cocuault mit Übergreifen auf viele andere Sprachen: engl, cuckold, schwed. kukkuvall, isl. kokkäll: vgl. M u r r a y New Engl. Diet. 2, 1235; Diez Etym. Wb.4 1 1 4 f.; K ö r t i n g LatromWb. 320; Du C a n g e Glossarium 2, 643. 645 f.; vgl. dazu S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 202: träumt ein Mann, der K . rufe, so betrügt ihn seine Frau (auch umgekehrt). 368 ) P l a u t u s Asinaria 923 u. ff.; s. G r i m m Myth. 2, 567; de Cock Volksgeloof 1, 127; vgl. ferner M u r r a y New English Diet. 2, 1237: *cuckqueau = vom Manne betrogene Frau. 368 ) M a r t i n - L i e n h a r t ElsässWb. i, 204. 3 " ) G r i m m DWb. 4, 1, 1 , 1530. 368 ) Ebd. 1530. a< ") S. o. Anm. 56; MschlesVk. 10 (1908), 88; H. H. F r e y ötjpoßißM* (1595) '0pvi9oß(ßXict bl. 1 2 1 v°; D r e c h s l e r 2, 229; Bayr. BllVk. x, 248 87 (Shakespeare). °) P a u l i Schimpf und Emst Nr. 452; s . a . G r i m m 4, 1, 1, 1532 und 1533 „gäuchen" und „gauchen". 3 n ) G r i m m DWb. 4, 1, 1, 1533; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 96. S74 ) G r i m m DWb. 4 , 1 , 1, 1537. 3 7 3 ) Ders. Myth. 2, 566; D W b . 4 , 1 , 1 , 1 5 2 8 ; B a t e r e a u Die Tiere in der mhd. Lit. (1909), 58; K a h l o im Sauerländ. Gebirgsboten 36 (1928), 94 f.; F i s c h e r SchwäbWb. 3, 94. Auch schon lateinisch, z. B . P l a u t u s Persa 282. 374) Engl, gowk, to hunt the gowk, gowk's errand: s. M u r r a y New Engl. Diet. 4, 322; cuckoo: ebd. 2, 1236; kelt.: coeg = Narr: s. H. 72. Vgl. dän. „ta ae kuk frae jaen = jemand den Pfipfes nehmen: F e i l b e r g Ordbog 2, 323. 376 ) Z. B. F i s c h e r SchwäbWb. 3, 902; Schweizld. 2, 188 (schon 1464); Pfälzisches Museum 1925, 24 (14. Jh. als Zuname); H e c k scher HannovVk. (Neustadt a. Rbge.) 367 (Übername); an.: Sigurör gaukr ( F r i t z n e r Ordbog 1, 566). 376 ) Meist rankt sich irgendeine lustige Geschichte um die Schelte, s. z. B . F i s c h e r SchwäbWb. 3, 897. 902; Schweizld. 2, 188; Wolf Hess. Sagen 162 Nr. 239; S t a u b e r Zürich 1, 64; ZfrwVk. 12, 180. 184; M a r r i a g e Volkslieder aus der bad. Pfalz Nr. 183; H. L i e n h a r t Elsäss. Ortsneckereien (1927), 210; M. 268 ff. 37 ') H ö f l e r Krankheitsnamen 185. 378 ) G r i m m DWb. 5, 2528; M. 399. 379 ) Schweizld. 2, 190. 380 ) Ebd. 2, 189; SAVk. 19, 48. 3 8 1 ) M. 400. 382 ) 2, 370; Einsendung Nehrhchs. 383 ) M a r t i n L i e n h a r t ElsässWb. 1 , 197. 384 ) Schweizld. 38S 2, 190. ) F i s c h e r SchwäbWb. 3, 900. Anders dänisch „ i gal kuk" von einem feurigen Roß gebraucht: F e i l b e r g Ordbog 2, 323. »o) S c h m e l l e r BayrWb. 1, 886. 387 ) M e n s i n g SchleswWb. 3, 361. Norw.: Gauk = jemand, der unerlaubterweise Branntwein verkauft ( F a l k - T o r p Norw.-dän. etymolog.Wb. 1, 322). ***) D i t f u r t h Die hist. Volkslieder der Freiheitskriege 1812—1815 (Berlin 1871), 82; vgl. S o l t a u Hundert deutsche Volkslieder (1845), 594. 3 8 ' ) D i t f u r t h a. a. O. 99; vgl. außer der genannten fünften Strophe auch die folgenden. 38 °) H. Z i ß l e r Vor 60 Jahren = Die Spinnstube J g . 381 1927, 6. ) S c h m e l l e r BayrWb. 1 , 886. 3 2 » ) S i m r o c k Myth.« 503 f.; R . 338. 3 8 3 ) G r i m m DWb. 5, 2528. 3 M ) Mir aus Stuttgart bekannt. 3 " ) Fliegende Blätter Nr. 4357 v .

Kuckuck

749 31.1. 1929 S. 79.

393)

W ü r t t . Haus- und Grund-

750

seien, so ist auch der Anschluß an den Gott gewonnen 401 ). Genau so deutet G r i m m DWb. 5 b, 2526 f.; F i s c h e r SchwäbWb. ihm die Verwandlungsfähigkeit zum Ha3» 897. 900. 902; Schweizld. 2, 186f.; G r i m m Myth. 2, 567. 833; D r e c h s l e r 2, 229; B a r t s c h bicht auf eine elbische Eigenschaft und Mecklenburg 2, i 7 4 N r . 827; D e K i e p e n k e r l 5, 64; damit wieder auf Donar oder auf Frö 402). M a r t i n - L i e n h a r t ElsässWb. 1, 204; F r i e d l i Der Ausdruck: „Dich soll der K . holen!" Bärndütsch 3, 13g; 2, 554; R o c h h o l z Kindersoll auf einen Aufenthalt bei Donar nach lied 78; S c h r i j n e n NederlVkd. 1, 97; d e C o c k Volksgeloof 128. In einer elsässischen Fassung dem Tode hinweisen m ) . Gewisse Kinderdes Liedes von der dem Teufel verfallenen unreigen, in denen der K . genannt ist, will getreuen Braut erscheint der Gottseibeiuns in Mannhardt als Reste chorischer Aufder Gestalt eines K . s : K a m der K . geflogen / führungen von religiösem Inhalt betrachUnd setzte sich / Auf der Braut ihren Tisch ( M ü n d e l Elsässische Volkslieder N r . 4); a u c h tet wissen 404). Wenngleich es sich bei im Kinderlied ist die Verwandlung des Teufels den genannten Beweisen um Trugschlüsse zum K . mehrfach vollzogen: s. L e w a l t e r handelte und auch das Bild, das man sich S c h l ä g e r Deutsche Kinderlieder und Kindervon Donar und gar Frö machte, mehr spiele in Hessen (1911) 64 N r . 209 m i t A n m . S. 322 f. oder minder trügerisch war, so läßt sich 12. In einem früheren Stadium mytho- doch verstehen, daß der K. immerhin logischer Forschung glaubte man, unsere noch längere Zeit in einschlägigen Abheidnischen Vorfahren hätten im K . handlungen als Göttervogel gebucht wurden Boten oder gar die Verkörperung de 405); bedauerlich ist aber, daß dies z. T. eines Gottes gesehen und es ließe sich noch in neuester Zeit geschieht 406). — dies auf Grund des mit dem K. verbun- Noch ein zweiter Trugschluß muß gedenen Aberglaubens noch heute durch- nannt werden. Man glaubte, der K. stehe schauen und beweisen. Am nachdrück- im Dienste der hl. Gertrud 407); da man lichsten hat Wilh. Mannhardt diese An- ferner annahm, jene Heilige sei eine Stellvertreterin Freyas oder Idunas, so nahme (in dem öfters zitierten Aufsatz ZfdMyth. Bd. 3) zu stützen gesucht und war dadurch eine weitere Anknüpfung an den heidnischen Götterhimmel gegelangt dabei zu dem Ergebnis, es müsse Donar gewesen sein, der nach dem Glau- wonnen 408). Man achtete dabei freilich ben unserer Altvordern in K.sgestalt zu nicht auf den Umstand, daß die hl. Gertrud lediglich infolge der Lage ihres erscheinen pflegte, oder auch der mit Gedenktages zum Frühling in Beziehung ihm in gewissem Sinne verwandte Gott trat, hierin also ein nachträglicher VorFrö (s. d.) S98). Freilich sind gerade jene Beweise, welche die Verbundenheit des gang zu sehen ist und nicht eine unmittelK.s mit Gestalten der höheren Mythologie bare Übernahme alten Erbes 409). dartun sollen, die schwächsteij der ganzen Ich möchte noch beifügen, daß die Abhandlung; so z. B., wenn Mannhardt einzige Stelle, aus der wir über eine aus den Anschauungen über Wetter und mythische Rolle des K.s aus germanischer Witterung, die sich an den Vogel knüpfen, Überlieferung etwas erfahren, nicht darauf dessen Zugehörigkeit zum Wetter- nach aussieht, als hätten unsere Vorfahren gott, der über alles Wachstum waltet, im K . den Vertreter eines Gottes oder schließt 3 "). oder wenn ein Kinderreim, einen Gott selbst gesehen: Paulus Diain dem erzählt wird, der K. sei im Bier- conus berichtet nämlich 410 ), es sei, als schaum ertrunken, aus den Erzählungen man nach der Wahl dem langobardischen über die großen Trinkleistungen Thors König Hildebrand der Sitte gemäß eine erklärt wird 400). Selbst für die naturLanze gereicht habe, ein K. herbeigeschichtliche Tatsache, daß der K . seine geflogen und habe sich auf deren Spitze Eier in fremde Nester legt, weiß Mann- gesetzt. Einige Weise schließen daraus: hardt eine mythologische Parallele bei,,ejus principatum inutilem fore". zubringen: den Glauben an WechselWir werden also kaum annehmen dürbälge ; da solche von Zwergen herstammen, fen, daß der K. einst zu einem Heidenletztere aber als Elben Gefährten Donars gotte in Beziehung stand und, wie man besitzerzeitung

27. J g .

(1929),

S.

184.

3")

75i

Kuckucksblumi

weiter folgerte, durch die Christianisierung mit jenem des Teufels wurde. U m so sicherer ist seine Bedeutung als Frühlingsbote und Friihlingsbringer. Dem Zauber, der in dieser Hinsicht von seinem Rufe ausgeht, wird das Menschenherz immer wieder von neuem unterliegen; und mit der Empfindung des Frühlings, die er so eindringlich wachruft, wird sich die von neuem Leben und Sprießen, von Liebe und Glück verknüpfen. Für den einfachen, naturverbundenen Menschen ergibt sich da von selbst der Schluß, daß dieser merkwürdige Vogel eine bestimmende Macht über diese allbegehrten Güter besitze, und diese Anschauung rief als zeugende K r a f t einen großen Teil jener vielgestaltigen abergläubischen Vorstellungen ins Leben, über die wir auf den vorausgehenden Seiten zu berichten hatten. 3M)

M. 211. 291. 39ä ) M. 222. 400 ) M. 226 ff. 402 ) M. 276. 403) M. 264 f. 404 ) M. 215. 405 ) L a n d s t e i n e r Niederösterreich 56; K ö h l e r Voigtland 389; vgl. J o h n Erzgebirge 236; S l o e t Dieren 203. Bei W u t t k e 122 § 161 doch einigermaßen in Frage gezogen; dort noch weitere ältere Belege; s. ferner ZfdMyth. 2, 94. 40S ) Z. B. Heimatdankkalender 1919 S. 70; Deutsches Geschlechterbuch Bd. 45 (1924), 124 f. (mit ganz unmöglicher Etymologie). Auch S c h r i j n e n Nederlandsche Volkskunde 1, 86 betrachtet den K . als ein Tier, das einem Gott heilig war. 407 ) R o c h h o l z 40s) Gaugöttinnen 162. 165. S i m r o c k Myth• 5 0 4 1 ; S w . m . 113. 118. Vgl. auch ZfdMyth. 2, 94 (andere Begründung der Zugehörigkeit zu Fria). 4 0 ') Vgl. oben 3, 705. 4 1 0 ) Hist. Langob. lib. 6 cap. 55 (MG. hist. Ser. rer. langob. (1878), 184). Seemann. 4 0 1 )M.272.

Kuckucksblumes. G ü n s e l , K n a b e n kräuter. Kuckucksbrot s. S a u e r k l e e . Kuckucksspeichel heißt der zur Frühjahrszeit an manchen Sträuchern und Pflanzen, vor allem dem Wiesenschaumkraut, sichtbare Schaum, den die Larven gewisser Zikadenarten zu ihrem Schutze absondern 1 ); man glaubt er sei v o m Kuckuck hingespuckt 8 ), und es entwickelten sich aus ihm die Zikaden 3 ). Der Kuckuck galt damit als deren Erzeuger. In Naturgeschichten findet sich die Angabe, daß im Sommer sich die Zikaden unter den Flügeln des Kuckucks

-Kuckucksspeichel

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einnisten und ihn zu Tode quälen, so daß er, der einst seine Ziehmutter tötete, nach dem Gesetz der Wiedervergeltung durch seine eigenen Geschöpfe sterben muß. Darum hört man seine Stimme auch nimmer nach Erscheinen des Siebengestirns 4 ). Megenberg 5 ) will beobachtet haben, wie aus dem K . ein hohles, silbernes Röhrlein um einen Baumast sich bildete. Nach niederländischem Volksglauben soll dort, wo der Kuckuck hinspuckt, eine Kuckucksblume entsprießen 6 ). Dem Mecklenburger verkündet der K . Regen 7 ). In der Volksmedizin wird der K . als Mittel gegen Ausschlag verwendet; er muß aber vor Sonnenaufgang schweigend aufgewischt werden 8 ). ^ A b b i l d u n g : B r e h m Tierleben2 (1926), 160. — Zum Namen vgl. DWb. 5, 2530, M e n s i n g SchleswWb. 3, 361 f.; S t r a c k e r j a n 2, 166 (auch: Kuckucksspütter); V e r n a l e k e n Alpensagen 133. Guggerspeu: s. G r i m m Myth. 2 4 , 568. N d . : K u k u k s spijen: ZfdMyth. 3, 273. Ndl.: Koekoeksspog. Ebenso in fremden Sprachen; dänisch: gegespyt (jütl.: kukkemandsspyt, k u k k u k s p y t : F e i l b e r g Ordbog 2, 326; auch allgemein: fuglespyt: ebd. i, 382); englisch: cuckoo-spittle, cuckoo-spit: M u r r a y New Engl. Dict. 2, 1237; ZfdMyth. 3, 326; B r a n d 2, 198; franz.: crachet de coucou: S w a i n s o n Folklore of British Birds 122. Daneben auch andere Bezeichnungen: Teufelsspeichel, s. V e r n a l e k e n Alpensagen 133; M e n s i n g 1, 968; entsprechend dänisch: fandens spyt ( F e i l b . 1, 268) bzw. troldespyt (ebd. 3, 853), auch troldsmör (ebd. 3, 855); schwedisch: troll-spott ( H y l t 6 n - C a v a l l i u s 1, 283). Ferner: Hexenspeichel, s. G r i m m Myth. 2 4 , 568; M e n s i n g 2, 787; entsprechend dänisch: heksespyt, er soll von Hexen herrühren, die ihn nachts ins Gras spucken, um damit das Vieh zu schädigen: F e i l b e r g Ordbog 1, 583; norw.: troldkjärringsspyt (ebd. 1, 583; G r i m m Myth. 2 4 , 568). Der Engländer denkt noch an Kröten- oder Schlangenspeichel, vgl. M u r r a y a. a. O. 10. 1, 92 unter: toadspit und 9. 1, 300 unter snake-spit; s. a. S w a i n s o n a. a. O. 122. 2 ) T h i e r e r Ortsgeschichte von Gussenstadt 1, 243; M e n s i n g SchleswWb. 3, 361; H e c k s c h e r HannovVkd. (Neustadt a. Rbge) 325; Buch v o m Aberglauben 99 f.; Adam L o n i c e r u s Naturalis Historiae opus novum (1551) Bl. 1 7 1 a = Kreuterbuch (1603) 207; Conrad G e ß n e r Vogelbuch (Zürich 1557) S. l x x v°. 3 ) I s i d o r u s d e S e v . Orig. lib. 12 cap. 8; M e g e n b e r g (Pfeiffer) 179; Alex. N e c k a m . D e laudibus divinae sapientiae, hrsg. v. T. Wright (1863), 393; R o l l a n d Faune 2, 98 ( = Jean de L u b a Ortus sanitatis); Ulissis A l d r o v a n d i Ornitho-

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iogiae liber 5 cap. 17, pag. 218; Jacob van M a e r l a n t ' s Naturen Bloeme, uitgegeven door Dr. E . Verwijs (1878) Buch I I I Vers 1002 ff. ( . . .crekelen, die int gras te springhen plien). England: M u r r a y a . a . O . 2, 1237 unter: cuckoo-spittle. In Devonshire glauben die Knaben, die Zikadenlarven im Speichel seien junge Kuckucke: S w a i n s o n a. a. O. 122. 4 ) Ulyssis A l d r o v a n d i Ornithologiae lib. 5 cap. 17, pag. 2 1 7 ; vgl. ZfdMyth. 3, 273; S w a i n s o n a . a . O . 122. *) Buch der Natur (Pfeiffer) 179. «) de C o c k Volksgeloof 1,20. ' ) B a r t s c h Mecklenburg 2,174. I n England wird jedoch schönes Wetter erwartet: s. M u r r a y a . a . O . 10, 2, 271 unter „wood-sear". *) B a r t s c h Mecklenburg 2, 102. 175 = J ü h l i n g Tiere 225. — In Dänemark ist der K . ein Mittel gegen Blindheit, s. F e i l b e r g Ordbog 2, 326 = Skattegraveren 8, 1 1 8 . In England herrscht der Glaube, daß, wenn man sich an einem Maimorgen mit K . die Augen einreibt, man die Elfen sehen kann ( M u r r a y a. a. O. unter cuckoo-spittle). Seemann.

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Ein eigenartiger in einem Fruchtbarkeitszauber wurzelnder Brauch bestand in Oberkirch. Die K. trugen ein Bildnis des hl. Urban unter sonderbaren Gesängen herum; blieb das Wetter schön, nahmen sie die Statue in das Wirtshaus mit, regnete es, warfen sie diese in einen Brunnen 7 ). Zum Gesellenmachen, das durch das sog. Schleifen erfolgte ®), s. Handwerker 3, 1413 ff. Als K.zeichen und Dekoration spielt der Fisch eine große Rolle. Auch der wandernde K.geselle verwendete das Fischzeichen in verschiedener Stellung zur Bezeichnung von Häusern der Meister9). R o c h h o l z Sagen 2, 95. *) H e r t z Elsaß s 210 (68). ) SAVk. 1 1 , 260; 14, 9 7 f f . ; H o f f m a n n - K r a y e r 73; Basler Nachrichten 2. Beil. z. Nr. 139 (23. Mai 1912); S a r t o r i Sitte 3, 120 l 3 7 . *) R e i s e r Allgäu 2, 419. 5 ) S e p p Religion 85. •) A d r i a n Salzburger Sitte 251 ff. ') A m e r s b a c h Grimmelshausen 1 , 48. *) W i s s e i l Des alten Handwerks Recht und Gewohnheit 2, 465 ff. •) SchwVk. 8, 44. Jungwirth.

Kudlkiaut s. Quendel. Küfer (Binder, Böttcher). Ein Aberglaube, der sich speziell auf den K. bezöge, liegt zumindestens in der volkskundlichen Literatur nicht vor. Den auf seine Erzeugnisse bezüglichen s. bei Kugel. 1. Symbolik. 2. Mantik und Spiel. 3. NutzButte (1, 1722), Eimer (2, 694), Faß {2, 1230). In naher Beziehimg steht der und Schadenzauber. 4. Schießzauber. 5. Sage. Ihre geometrisch-physikalische EigenK. natürlicher Weise zum Wein (s. art verschafft der K. eine besondere Weinfaß) und gemeinsam ist den K.n und Winzern der hl. Urban (25. Mai) als Stellung sowohl in der Symbolik und Schutzpatron (Wiener Faßbinderinnung). Mantik als auch im Zauber und in der Daher kennt die Sage zu den mancherlei Sage. unterirdischen Weinkellern auch einen 1. Die K.symbolik ist im wesentK . Ein solcher klopft unter der Erde lichen oberschichtig. In der Darstellung zur Zeit der Sonnenwende in Aschaffen- nicht immer mit Sicherheit von Ring, burg, ein anderer am Perchtentag (6. Ja- Kreis und Scheibe zu unterscheiden, ernuar) zu Waldhausen bei Wertheim. scheint die K. zunächst einmal als Abbild Unter dem Falkenstein im Philippsburger- der Sonne x), vor allem auf Münzen neben tal klopft einer, um ein gutes Weinjahr dem ebenso häufigen Stern und neben der anzuzeigenx). Wie andere Handwerker Sichel als dem Zeichen des Mondes 2). tritt auch der K. gespenstig auf 2). Die auf Pythagoras, Aristoteles und K . z u n f t : In dem überall unter den Eudoxus zurückgehende Vorstellung von K.n reich blühenden Innungs- und der K.gestalt der E r d e und der Welt Zunftwesen spielt der K.tanz unter den ist die Voraussetzung für die etwa seit sonstigen derartigen Tänzen eine sowohl der römischen Kaiserzeit nachweisbare hinsichtlich des Alters als auch der Verwendung der K. als eines Sinnbildes Pflege bedeutende Rolle, so der Basler der .Herrschaft. Geschmückt mit K.tanz s ), der Reiftanz in Memmingen 4), Siegesgöttin und Adler bildet sie vermutder Schäfflertanz in München5), der lich den Vorläufer für den in gleicher Bindertanz in Wien, der auf die Pestzeit Bedeutung von Laien- und Kirchenund die dabei von Faßbindern bewiesene fürsten geführten R e i c h s a p f e l mit Tapferkeit zurückgehen soll; ferner der Kreuz, Lilie, Kleeblatt, Schwertgriff, StaReiftanz der Halleiner') K. und andere. chel oder kleinerer K. 3 ).

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In dieser Auffassung macht die antike Kunst die K. des weiteren zum Attribut der Glücksgöttin, und die Verbreitung der astronomischen Wissenschaft der Alten seit dem 12. Jahrhundert legt auch der mittelalterlichen Kunst die Verwendung der K. in ähnlichem Sinne nahe. So sprechen denn die Dichter von des Glückes Ball oder Scheibe 4 ); Fortuna ist die K.göttin; das Glück rollt seine K. oder ist selbst k.rund ®). Dabei wirkt natürlich auch die durch die K.spiele (vgl. 2) genährte Übertragung des rollenden Laufes der K. auf die Unbeständigkeit der Glückszufälle mit. Im übrigen ist die Vorstellung von der Glücksk. bei weitem nicht so geläufig wie die vom Glücksrad (s. d.) Sa). Gelegentlich aber ist sie auch in den Volksglauben eingedrungen; so zeichnete man um Hallstatt in der Thomasnacht Ring, Haus, Schlüssel, K. (als Glücks-) und Kohle (als Unglückssymbol) auf Zettel, rollte diese zusammen und zog mit ihnen sein Los 6 ). Schließlich wird auch die E w i g k e i t unter dem Bilde der K. begriffen: Gleichwie an einer K . rund. Kein Anfang und kein End ist kund. Also, o Ewigkeit an dir. Noch Ein- noch Ausgang finden wir 8 »). !) Vgl. S i e c k e Götterattribute 174 fi. 2 ) F r i e d e n s b u r g Die Symbolik der Mittelaltermünzen 1 (Berlin 1913), 35. 3 ) Vgl. ebd. 8 f. *) W a c k e r n a g e l Das Glücksrad u. die K. des Glücks. Kleinere Schriften 1 (Leipzig 1872), 253 ff. 6) D W b . 5, 2535 ( K . i c ) . 2541 (K.göttin). 6») Vgl. 2544 (k.rund). D ö r e n Fortuna im Mittelalter u. in d. Renaissance. Berlin-Leipzig 1924, 71 fi. •) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 5. 6 a ) Katholische Kirchengesänge. Köln 1625. 620 = A r n i m u. B r e n t a n o Des Knaben Wunderhorn. Leipzig (Reclam) 184 f. = S i m r o c k Die deutschen Volksbücher. Basel o. J. 8, 581; vgl. 616.

2. Eine volkstümliche Bereicherung erfahren diese Vorstellungen durch den Gebrauch der K. in Mantik und Spiel. Dahin gehört die Ausgestaltung des siderischen Pendels zu einer K. So wird den Venedigern der Besitz einer wunderbaren K. nachgerühmt, die ihnen beim Goldsuchen die Richtung wies. Sie war aus Messingblech gefertigt, das von jedem Metall ein Stückchen enthielt, und konnte auch durch ein in Leder

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eingenähtes Ei ersetzt werden. An einem Faden zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten, geriet sie in Bewegung und schwang nach der Seite hin aus, wo der Schatz verborgen war 7 ). Ein Augsburger Weber gebrauchte zu demselben Zwecke und in ähnlicher Weise eine K. aus dunkelgrauem Horn 8). Die Franzosen sollen verzauberte K.n haben über den Boden hinrollen lassen, um vergrabene Schätze ausfindig zu machen 9), und in gleichem Sinne ist die folgende Nachricht 10) zu verstehen: „Da haben müssen die zauberische k.n im fels, im freithof, in häusern, in zimmern herum laufen . . . die k.n (so) haben . . . wann sie still gestanden, den zweck und das ort des schatzes des in der flucht eingegrabenen geldes . . . verratten". Der „Höllenzwang" lehrt, wie man eine solche ,,Fünde-K." aus dem Electrum magicum gießen kann 108 ). Aus Westböhmen endlich ist überliefert, daß man aus den Bewegungen einer K . die Diagnose einer Krankheit stellte u ). Hier kannte man auch ein L i e b e s orakel in der Andreasnacht unter Verwendung von K.n: Das Mädchen formt drei Brotkügelchen und steckt in zwei derselben einen Zettel, der den Namen eines der beiden Liebhaber trägt. Darauf wirft sie alle drei in eine Schüssel mit Wasser und erlost sich nun in dem sich zuerst auflösenden ihr Liebesgeschick12) (vgl. ergänzend oben 4, 554 f.). Dieser Brauch erinnert entfernt an die Los- und Stimmk.n, mit denen eine Gemeinschaft über die Aufnahme neuer Mitglieder oder die Wahl von Bevollmächtigten entschied. So heiß es z. B. im Augsburger Stadtrecht: „ . . . dry stürmaister uz ir nemen sullen uf ir aid mit briflinen in k.achen ( = Küglein)" 1S ). Bei den Freimaurern wird das alljährliche Todesopfer nach dem Glauben der Leute an Silvester durch ein Spiel mit verschiedenfarbigen K.n bestimmt 13a ). Auch in anderer Weise kommt die K . als R e c h t s a l t e r t u m vor. So wurde die Wasserscheide im bayrischen Sprachgebrauch mit der Formel bezeichnet „wie k. walzt und wasser lauft" und auch tatsächlich bei der Grenzziehung

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mittels einer K. oder eines rollenden Eis festgestellt"). In ähnlichen Beispielen 15 ) erscheint die K. zum mindesten sprachlich als Ausdruck des ungewissen Geschicks oder des zweifelhaften Ausgangs einer bestimmten Angelegenheit, und in dieser Bedeutung wird die Herkunft solcher Beziehungen von den aus allen deutschen Landschaften überlieferten K . s p i e l e n ersichtlich. 7 ) Alpenburg Tirol 274; Jecklin Volkstüml. 569. •) Panzer Beitrag 2, 134. ») Kuoni St. Galler Sagen 159. 10 ) DWb. 5, 2537. u ») K i e s e w e t t e r Faust 282. n ) John Westböhmen 288. " ) Ebd. 4. " ) DWb. 5, 2537. wo auch weitere Beispiele aufgeführt sind. l3») Oben 3, 40. M ) Schmeller BayrischesIVb. 2, 287 = DWb. 5, 2537. Vgl. Grimm Kl. Sehr. 2, 50f.; Heyl Tirol 355. " ) DWb. 5, 2536 f.

3. Wesentlich andere Vorstellungskreise erschließt die Verwendung der K. im N u t z - und S c h a d e n z a u b e r . Ein L u s t r a t i o n s r i t u s liegt schon vor in dem vogtländischen Brauche, das von der Taufe zurückgebrachte Kind auf dem Bette der Mutter herumzuk.n, damit es nicht behext werde und später nicht gefährlich falle 16 ). Eindeutiger ist der Gebrauch von K.n als H e i l m i t t e l , A m u l e t t und F e t i s c h . Bestreicht man ein marktreifes Stück Vieh mit einer in einem Ameisenhaufen gefundenen schwarzen K., so wird man es schnell losschlagen " ) . Es handelt sich dabei um die Puppe des Rosen- oder Goldkäfers (Cetonia aurata), die unter dem Namen „Glücksk." auch noch zu manchen anderen Dingen gut ist: Kinder, denen man sie um den Hals hängt, zahnen leicht; Erwachsene gewinnen mit ihr die Zuneigimg geliebter Personen; eine Stunde lang ins leere Butterfaß getan, läßt sie die Butter geraten; sie schützt gegen Fieber und andere Krankheiten, überhaupt gegen alle Hexerei und macht den Inhaber gesund und stark, darf aber nicht fortgegeben werden 1S ). Ähnliche Eigenschaften rühmt man der Gemsk. nach (s. Bezoarstein, oben 1 , 1 2 0 6 f.; 3, 632). Aber auch einfache Bleik.n können Wunder wirken; am geeignetsten sind gefundene 1 ') oder benutzte so ), besonders aus geschos-

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senem Wild herausgeschnittene Sie werden innerlich in Pillen- oder Pulverform angewendet als Mittel gegen Darmerkrankungen 22 ), äußerlich, meistens als breitgeschlagene Auflage, gegen Überbein, Rotlauf, Nasenbluten und Zahnweh M ) 2 1 ). Außerdem machen sie k.fest M ), wie z. B . auch ein auf dem Altar gesegnetes und vor dem Kampf geschlucktes Mehlteigkügelchen in Jungfernpergament mit der Aufschrift „ J n r i " 22a). Vor Unglück anderer Art bewahren die Feuerk.n, die von den Zigeunern zum Dank für Beherbergung in die Häuser der Wirtsleute gemauert und gepflöckt wurden M ). Anderseits gibt es aber auch K.n, die einem Schaden tun können. Da fand man z. B. in Geyerswalde eines Tages in einem Graben eine K „ und plötzlich setzte ein Viehsterben ein, das erst erlosch, als die Bauern einen großen Stein auf die K. wälzten 24). Oder man entdeckt zierliche Hexenk.n in seinem Bette, und kundige Leute wissen, daß sie die Ursache von Krankheiten sind. So wurde einst ein impotenter Bauer von seinem Leiden befreit, als die Geistlichen solche K.n auf einen eigens für den Zweck errichteten Scheiterhaufen warfen, wo sie unter Erregung eines Unwetters verbrannten 2S). Zur Festigung dieser Überzeugungen mag der einfache Umstand beigetragen haben, daß die festen Medikamente meistens in K.form verabreicht wurden, und daß auch manche zusammengesetzten Zaubermittel erst zu einer K. verarbeitet werden mußten 28). Das ist beispielsweise auch für ein Feuerlöschmittel bezeugt 27 ), und in dieser Gedankenverbindung spricht man gelegentlich schon von der zeichnerischen Darstellung eines Kreises, in den der Feuersegen hineingeschrieben werden soll, als von einer Feuerk.28).

" ) Köhler Voigtland 436. 1 7 ) J a h n Hexenwesen 173. « ) Ebd. 173 f. " ) ZfVk. 8, 61. s °) Hovorka u. Kronfeld 1, 73. " ) Ebd.; Heyl Tirol 788; Fossel Volksmedizin m ; ZfVk. 5, 412. 2a ) Hovorka u. Kronfeld 2, 136; ZfVk. 5, 412. **») Staricius (1618) 134 t. 23 ) Keller Grab d. Abergl. 4, 195 f.; Schön werth Oberpfalz 3, 162; Bauernfeind Nordoberpfalz 29; Wuttke 401. Vgl. Freudenthal Feuer 385 u. oben 2, 1430. M ) Hovorka u.

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mendes Blei geeignet; auch ein Stück eines Bleiknopfes tut gute Dienste 51). Bevorzugt jedoch werden bereits benutzte K.n, die ihr Ziel nicht verfehlt haben; man schneidet solche „Treffer" aus dem 4. Die Hauptrolle aber spielen solche Leichnam heraus und verwendet sie als besonderen K.n natürlich als Geschosse, Geschoß 62) oder auch als k.fest machendes deren ursprüngliche K.gestalt ja den Amulett 83 ) (vgl. 3). Bisweilen wird Blei Namen 29) hergegeben hat auch für die verlangt, das durch die Augenhöhlen ganz anderen Geschoßformen der mo- eines Totenschädels geflossen ist B3a). dernen Handfeuerwaffen. In einer Fülle Als Z u s ä t z e zur Gußmasse kommen von Einzelüberlieferungen weist der Volks- zunächst einmal Metalle in Betracht, so glaube vor allem der unmittelbar in- Kupfer 84), Zinn, Arsen, Wismut 84a ), Anteressierten Jäger an, wo, wann und wie timon 6S) und Meteoreisen 66), Schrot aus man K.n zu gießen, nachzubereiten oder der Kette eines Erhängten 37) 44), von zu laden30) habe, die sicher treffen, auch einem Totenbahrnagel oder einer Nadel, k.feste Ziele erledigen, selbst fest machen, mit der ein verstorbenes Mädchen eingedie Verhexung der eigenen Büchse auf- näht wurde 37). Ferner sind tierische Beiheben 31) oder sonstigen Zauber bre- mengungen erwünscht: eine lebende Flechen 32 ). dermaus 54) oder nur deren Herz und Le87), ber des weiteren Schwalbenherz, Derartige Freik.n (s. d.) oder Blutk.n (s. d.) gießt man am besten auf Kreuz- Wiedehopfflügel und Regenwurm 68), Blut wegen 33) oder an einem Orte, wo drei aus des Jägers rechter Hand 59) oder von verschiedene Wege zu einer Kirche füh- Johanniskäfer, -würmchen und -krautren 34 ). Als Zeit wird bevorzugt die blümchen60) und wiederum Stücke von Mitternacht35), der Freitag „vor Tags" der Gemsk. 61 ). Als pflanzliche Zusätze oder in der Nacht auf den Sonnabend 36), werden vor allem Samenkörner gewählt: im besonderen der Karfreitag 37 ) „unter Gersten- und Weizenkorn62), Fichtender heiligen Wandlung" S8 ); geeigneter zapfen 63), Farnsamen 64), Erbse 66); außernoch sind „gewisse Lostage" 39), so vor dem wird Holz von blitzgetroffenen Bäuallem die W e i h n a c h t s - u n d Silvester- men verwendetJS)S9) und gelegentlich Moos nacht 41) zwischen 11 und 12 oder Schlag von einem Totenkopf als Zwischenladung 12 Uhr, femer die Andreas-42) und die zwischen Pulver und Blei gefordert 66 ); Johannisnacht43), sowie der Abdonstag44) der Teufel lehrte einst einen Wildschützen, und die Zeit „in den Tämpper Tagen an zur Erlangung eines sicheren Schusses einem Mittwochen" 4S). Im übrigen soll Kräuter in die K.n zu gießen66a). Schließgegossen werden, wenn der Mond zu- lich treten noch auf: Späne vom Donnernimmt 46) oder im Schützen steht **); keil 67 ), roter Seidenfaden89), Heiligensonst ist „die Stunde des Monds" nicht bildabschürfungen 68) und Dreifaltigkeitsrecht geeignet, vielmehr „die Stunde des salz «9). Jupiters" vorzuziehen 47). Bei der HandAls E r s a t z s t o f f für das Blei wird am lung ist Stillschweigen geboten 48). Als häufigsten erwähnt die Silberk., sowohl glückliche Gesamtzahl für einen Guß als bannbrechendes Geschoß 70), wie auch wird vereinzelt zwölf angegeben36). als schützendes Amulett 71 ). Daneben G r u n d s t o f f für den K.guß ist das wird empfohlen die Gold-, Salpeter-72), Blei; doch wird schon in einem „alten Glas- 73 ) (s. d.), Leinwand-73a), HolunderManuscript" zur Durchdringung von Kü- mark- 72), Haark. 74), Hufnägelabfall (oben rassen und Harnischen ein Bleimantel- 4, 446) oder ein Stück von einem stählergeschoß mit Stahlkern verlangt 49 ). Im nen Pfeil 78 ), ein Holzbolzen aus einem besonderen ist gefundenes oder ent- gebrauchten Richtrad 76 ), ein Froschwendetes 50), von alten Friedhofskreuzen stein aus einem Ameisenhaufen76"), die oder Kirchenfenstereinfassungen M ) stam- Gemsk. als Ganzes 77 ) und die Brotk. 78), K r o n f e l d 2, 316. 26 ) v. L i n d e r n Venusspiegel. Straßburg 1743, 195 ff. = Alemannia 8, 283. s e ) Vgl. z. B. D W b . 5, 2539. a ' ) Der ... Curiöse Künstler4,335 = Germania 22,262 = F r e u d e n 28 t h a l Feuer 384. ) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 411.

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vor allem wenn sie aus Almosenbrot 47 ) oder aus der im Munde aufbewahrten Abendmahlsspeise 79 ) gefertigt ist; gelegentlich erscheint ein Ring als Geschoß 80 ). Eine verhexte Büchse reinigt man wohl auch, indem man eine Schlange oder Blindschleiche lädt und abschießt 80 ®). Zur V o r - o d e r N a c h b e r e i t u n g wird die K . abgelöscht in Spiritus v i n i 5 4 ) , Absud von Eisenkraut 8 1 ), „Jungfrauwachs vom ersten H o n i g " 6 4 a ) , dazu in Gift, Quecksilberund Seelsuchehorn(?) 72 ), eingetaucht in oder bestrichen mit Wiedehopfgalle 47 ), mit Blut von Fledermaus 82 ), Taube und Maulwurf 6 9 ), vom Finger des Jägers 88 ) oder von einer geschossenen Hostie 84 ), geweicht in Schusterschwärze (Kupferwasser) mit hineingeschnittenem Knoblauch 85 ), eingebettet „ i n ein rund ledern fett Trümmlein" 8 6 ) oder Wachs 5 4 a ), umwickelt mit einem „Lucaszettel" 86a ), bekritzelt mit Zeichen und Worten 87 ), gerieben, bis sie grau wird 86 ), und schließlich verkehrt geladen 88 ). Häufig wird gefordert, daß die K . geweiht sein müsse 89 ), und auch dieses Mittels bedient sich wiederum der Gegenzauber; durch K . s e g e n 7 1 ) (s. d.) kann man sich fest machen. D a heißt es z. B . in einem „Morgensegen für die K.abweis u n g " " ) aus dem 30jährigen Kriege: „Heut ist mein außgang, der heilige name Jesus ist mein Vorgang, die heilige dreyfaltigkeit mein umfang, die heilige fünff wunden wollen mich behüten und bewahren, heut und zu aller gtundt, die heilige fünff wunden, wollen mir mein feind gebunden und gefangen geben, sie seyen sichtbar oder unsichtbar amen". Einfacher und bestimmter wird zu den heiligen drei Königen gebetet: „ S e i ober mir, vor mir, hinter mir und wende alle K.n von mir a b " 9 1 ), oder zu Gott: „ I c h bitte im Namen unsers Jesu Christi Blut, daß mich keine K . treffen möge, sie sei von Gold, Silber oder B l e i " 9 2 ) . (Zur K.abweisung vgl. im übrigen festmachen II, oben 2, 1 3 5 3 ff.) Für das E n t f e r n e n von K.n aus dem Leibe empfiehlt Staricius 92a ) u. a. Bibernellwurzelsalbe. «•) DWb. 5, 2537 (K. I I 4). 3 °) Über Schieß-

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pulverbeimengungen vgl. 55 ), M ), M ) und oben 3, 4. 3 1 ) Oben 3, 5. 32 ) Z. B. die Saat bereinigen ( V o r d e m f e l d e Religion 1, 39 Anm.), einen Ochsen entzaubern (Heckscher 383), Geisterspuk vertreiben (Alpenburg Tirol 358; J a h n Pommern 426). 3 3 ) R o c h h o l z Sagen 2, 149; F o g e l Pennsylvania 248; W u t t k e 452; Brnd. 1916, 177. 34 ) R o c h h o l z Sagen 2, 149. 3 6 } ZfEthn. 15, 88; Meyer Dorf 158 (Geisterstunde). 3a ) J a h n Hexenwesen 175. 3 ' ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 97. 38 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 471; ders. Aus Schwaben 1, 387. 39 ) Germania 36, 400. 40 ) Oben 3, 3; dazu F o g e l Pennsylvania 248. 256; R o c h h o l z Sagen 2, 149 f.; W u t t k e 452. 4 1 ) A l p e n b u r g Tirol 358 f.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 2 3 1 ; F o g e l Pennsylvania 256. 42 ) J o h n Westböhmen 3; L a c h m a n n Überlingen 395. 4S ) S c h i n d l e r Aberglaube 262 f.; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1 , 228; SAVk. 17, 66; Urquell N. F. 1, 184. «), Oben 3, 3. 46 ) SAVk. 19, 217. 40) J a h n Hexenwesen 175. — Schießt man bei abnehmendem Mond, so muß man später beim Schießen etwas höher halten, da die K . zu kurz geht: A l p e n burg Tirol 358. 47 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 94. 48 ) Z. B. F o g e l Pennsylvania 248; W u t t k e 452. — Oder erst beim Laden der K . : B e c h s t e i n Thüringen 2, 32. 49 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 348. 60) ZfEthn. 15, 88; MschlesVk. 8, 93. 5 1 ) J a h n Pommern 426. 5 2 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2, 94; F r i s c h b i e r Hexenspr. 155; Alemannia 8, 45; ZfEthn. 15, 8 7 ! ; vgl. oben 3, 4. 63 ) W u t t k e 320 = H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 364; F r e y t a g Bilder aus d. dtsch. Vergangenheit 3, 86; vgl. oben 2, 1358. H o v o r k a u. K r o n f e l d i, 377; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 204; K ü h n au Sagen 3 , 4 2 0 ! ; SAVk. 19, 227. M ) S t a r i c i u s 376 f.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 347. — Und Silber: J o h n Erzgebirge 239. " » ) S t a r i c i u s 376 f. M) E b d . — Zur Pulverbereitung: K r o n f e l d Krieg 118. — Als Spießglanz, -glas bei der K.herstellung: oben 2, 1365; F r e y tag a. a. O. 3, 84. 56 ) J o h n Westböhmen 326 („so sich die Sterne reinigen"). 67 ) J a h n Hexenwesen 175; dazu oben 2, 1588; з, 4. 6S ) K r o n f e l d Krieg 114; dazu oben 3, 4. ) Oben 3, 4. 80 ) S c h i n d l e r Aberglaube61 262 f. = Brnd. 1916, 176. ) Alpenburg Tirol 382; ZfVk. 8, 46. 62 ) J a h n Hexenwesen 193; F r e y t a g a. a. O. 3, 84; J e c k l i n Volkstüml. 438; F i e n t Prättigau 244; oben 3, 698; dazu oben 2, 1365. 63 ) J o h n Westböhmen 324; K r o n f e l d Krieg 114. >4) Unters Schießpulver gemischt: A n h o r n Magiologia 776. 86 ) Nach genauer Vorschrift gekeimt: oben 2, 880; vgl. K r o n f e l d Krieg 114. 8e ) J a h n Hexenwesen 163. 88a ) J e c k l i n Volkstüml. 561. 87 ) Oben 2, 327; 88 2, 1365. ) Germania 36, 400. 68 ) Unters. Schießpulver gemischt: K u o n i St. Galler Sagen i n . 119. 70 ) Oben 2, 1365; 3, 1 5 1 3 ; dazu K u h n и. S c h w a r t z 89; K u o n i St. Galler Sagen 99. i n . 119; G r a e s s e Preußen 1 Nr. 362 = Meiche Sagen 563; R o c h h o l z Sagen 1, 149 f. („Suhrer Zauberk.n"); J e c k l i n Volkstüml. 34; W u t t k e 160. 283; V e c k e n s t e d t Sagen 87; Mitteil. AnM

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Kugel

halt. Gesch. 14, 10; F o g e l Pennsylvania 141. — Silbergeld in verhexte Milch schießen: ebd. 178; vgl. 141 (Nr. 651). 7 1 ) Oben 2, 1358. » ) Oben 2, 1365. 7 3 ) Ebd.; 3, 861. 1585; B e c h s t e i n Thüringen 2, 32 = W i t z s c h e l Thüringen 2, 67. — Zerstoßenes Fensterglas: S t r a c k e r j a n 1,98. 116. 73a ) Von Gam, das von einem Mädchen unter sechs Jahren gesponnen ist: V e r n a l e k e n Alpensagen 399. , 4 ) F o g e l Pennsylvania 139. 141. — Hexen schießen aus dem hohlen Stiel •eines Tiegels Geschosse aus Haar-, Nägel- und Flachsabfällen: D r e c h s l e r 2, 251. n ) H e c k •scher 383. " ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 2 . 97; v gl- oben 2, 1365. '•») Nach 9 Tagen hat •ein mit Glasgefäß in einem Ameisenhaufen vergrabener Laubfrosch „sich versehen und findt •ein stein in dem glass und wann du schiessen wilt, triftest du damit was du wilt": Alemannia 2. 184. " ) K o h l r u s c h Sagen 101 f.; F r e y t a g •a. a. O. 3, 80; SAVk. 15, 46; vgl. oben 1, 1207; 3, 632. 634. 7S ) M e i e r Schwaben 246 Nr. 269 = Brnd. 24, 178; S t r a c k e r j a n i, 385 = K ü h n a u Brot 27; W e t t s t e i n Disentis 175; J e c k l i n Volkstüml. 348; 368. 7 , ) K u h n u. S c h w a r t z 429; J a h n Hexenwesen 191; B o e d e r Ehsten 63; vgl. oben 3, 8; 4, 415. 8 0 ) K u h n Westfalen 1, 357 = \ V u t t k e 2 8 3 . 80») S t r a c k e r j a n 1, 98; B o e d e r Ehsten 9 1 ; M ü l l e r Siebenbürgen 26; W l i s l o c k i Sieb. Volksgl. 181. M ) Oben 2. 739. 8l») S t a 8a r i c i u s 374. ) Oben 2, 1588; vgl. 3, 4 3 '. s3 ) Oben 3, 15. M ) Oben 3, 8; M e y e r Dorf 158. M ) A l p e n b u r g Tirol 357. ••) K r o n f e l d Krieg 118. 8'a) W u t t k e 283. "') SAVk. 19, 226; A l p e n b u r g Tirol 358 (Kreuz); B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, n o f l . (Herrgott). 8 8 ) Oben 3, 9. 8 ' ) Oben 2, 1365; dazu P a n z e r Beitrag 2, 91 = L a i s t n e r Nebelsagen 15; K u o n i St. Galler Sagen 119 (ebd. 111: K., „die während •einer heiligen Messe vnter das Altartuch gelegt worden war"); V o r d e m f e l d e Religion 1, 39 Aom.; M e i c h e Sagen 482 f.; A l p e n b u r g Tirol 257; M e s s i k o m m e r 1, 171 f.; W u t t k e 383; Germania 36, 400; SAVk. 19, 229 (Zauberspruch). , 0 ) Alemannia 14, 74. , l ) W u t t k e M 240 = B e r t h o l d Unverwundbarkeit 58. ) M e y e r Dorf 247. •*») 171 f.

5. K . als s a g e n h a f t e Erscheinung. In dem Keller einer ehemaligen Görlitzer Bastei sollen aus der Zeit des 30jährigen Krieges zwei ungeheure steinerne K.n liegen, die in bestimmten Nächten von unsichtbaren Händen unter starkem Getöse wie Spielbälle umhergeschleudert werden M ). Von derartigen Vorstellungen ist der Weg nicht weit zu den häufig überlieferten, mehr oder weniger grauslichen Begegnungen mit K.n draußen im Freien. Da rollt eine schwarze K. in der Dunkelheit vor dem Wanderer her 94 ) 103 *); eine große goldene K. kommt aus dem Boden eines Bergschlosses und

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wälzt sich vor die Füße spielender Kinder M ), oder sie wird gesehen, wie sie, einer Weltk. gleichend, langsam und feierlich dreimal den Friedhof umkreist96). Meistens verfolgen solche Erscheinungen furchtsame Menschen unter dumpfem Rollen und Krachen. Man haut und sticht in sie hinein, aber sie werden immer größer"), und erst wenn man betet, entfernen sie sich wieder 98). Mitunter aber ist die letzte Rettung ein Wegkreuz"), und mancher muß die Begegnung mit langem Krankenlager bezahlen M ). — Im besonderen aber sind es glühende K.n, die sich dergestalt zeigen. Sie wandern z. B. nach Regentagen des Abends zwischen 7 und 8 Uhr vom Kirchhof aus über die Felder. Stockschlägen weichen sie aus, Hunde verkriechen sich vor ihnen; wer auf sie schießt, verfällt schwerem Siechtum100) oder verschwindet spurlos94). Sie verfolgen Feiertagsschänder bis zum Bachsteg, der dann „wie mit glühenden Kohlen übersät" zu sein scheint 101 ). Häufiger werden sie auf Bergen gesichtet, von wo sie funkensprühend und unter schaurigen Geräuschen zu Tal rollen 102), oft in der Größe eines Ohmfasses, und unter ohrenbetäubendem Knall zerplatzen103). Oder aber sie schweben durch die Luft daher 104 ), fliegen besonders auf Kreuzwegen herum 10S ), leuchten heller als der Mond und werfen selbst bei Tage Schatten und zergehen unter Rauchund Schwefelentwicklung m ) . In dieser Gestalt sind sie zuweilen mit einem Glutschweif ausgestattet und setzen Gebäude in Brand 107 ). Auch der Feuermann (s. d.) schießt nach Mitternacht auf die Vorübergehenden mit glühenden K.n; „mehr als einem", wird überliefert 108), „seien solche K.n zwischen den Beinen durchgeflogen". „Was es aber bedeutet, weiß keiner" »•), heißt es nur selten; der Volksglaube setzt vielmehr seine ganze mythologische Phantasie an die E r k l ä r u n g und Deutung solcher gespenstischen Erscheinungen in K.form. Wenn man sich ihnen nähert, „hatte man einen schauerlichen Anblick, die K. sah dann aus wie eine

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kugelfest—Kugelsegen

menschliche Gestalt, die ohne Kopf war und einen Stecken in der Hand hielt" 108 *). Meistens sind es arme Seelen, die sich dergestalt den Menschen zeigen. So sind Ritter und Schloßbewohner verurteilt, nach ihrem Tode mit goldenen K.n nach silbernen Kegeln zu werfen 109). „Wer aufhorcht, kann ganz gut das Rollen der K.n und das Fallen der Kegel hören, dazwischen das Ächzen und Stöhnen der Burggeister" u o ), ja, er kann selbst zu diesem Spiel eingeladen werden m ). Grenzverrücker, Selbst- und Doppelmörder, ,,reuelos Hingerichtete" gehen als große Feuerk.n wieder 112 ), überhaupt Seelen, die durch Furchtlose erlöst werden wollen 103 ). Einmal nimmt die K. ein menschliches Gesicht an, und plötzlich stehen drei weiße Frauen da; hätte der Begegnende sie gefragt, wären sie erlöst worden; doch er rennt nach Hause und ist einige Tage später tot 1 1 3 ). Aber auch dämonische Naturgeister erscheinen als K.n: der Alp 1 0 1 ), der Feuerdrache 114 ), der Wassermann*8) und Orco, der Gebirgsgeist ••), die Wilde J a g d 1 1 5 ) und, wenn er nicht k.speiend auftritt l l 6 ), schließlich der Teufel 1 1 7 ); so in einer Einzelüberlieferung: Ein Jäger, dessen Hennen der Teufel plagte, ließ eine Flintenk. in den Hühnerstall legen. Da fiel von oben eine ganz ähnliche herab, rollte auf die erste zu „und putschte sie gräßlich von einem Winkel in den andern, bis sie doch nachgeben mußte und durch eine Ritze wieder wegrollte. Das war der Hennenteufel gewesen", der nunmehr verscheucht war, „weil die Flintenk. härter war als er" 118 ). Will man die K. als Naturerscheinung nicht ganz in das Gebiet der Fabel verweisen, wird man zur naturwissenschaftlichen Erklärung merkwürdige Wolkenbildungen119) und vor allem Feuererscheinungen wie Meteor, K.blitz, Irrlicht heranziehen; so heißt es schon bei Konrad von Megenberg: „ . . . ez kümpt auch ze stunden, daz der vaizt dunst zesamen gewalzen ist als ain k . . . . " 120 ). Doch begnügt sich der Volksglaube selbst da nicht mit solchen Erklärungen, wo er ihnen an sich zu-

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stimmt. Für ihn bleibt immer noch die Frage zu beantworten, zu welchem Zwecke denn Gott solche Naturphänomene den Menschen vor Augen stellt. Und das gilt nun im besonderen noch von den vorbedeutenden Himmelszeichen, unter denen die K.n, zumeist in feuriger Form, recht häufig sind; sie zeigen Krieg oder Feuersbrunst a n 1 2 1 ).

M ) H a u p t Lausitz 1 , 170 = K ü h n a u Sagen 1, 37. M ) E i s e l Voigtland 170 f.; ,s L a c h m a n n Überlingen 104. ) Baader Sagen 112 = H o f m a n n Bad. Franken 29. 6 • ) K o h l r u s c h Sagen 387. " ) K ü h n a u Sagen 1, 524 f. »9) Ebd. 2, 298 f. •») A l p e n b u r g Tirol 74. 10 °) B a r t s c h Mecklenburg 1, 409. Vgl. L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 78. 101 ) G r ä b e r Kärnten 142. 1 0 2 ) Meiche Sagen 254. 1 0 3 ) B i n d e w a l d Sagenbuch 169 f. Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 480. 1 0 4 ) H e y l Tirol 479. 105 ) Mensing SchleswWb. 3, 357. 1 M ) L a i s t n e r Nebelsagen 344. 1 0 7 ) Alemannia 14, 63. 1 0 8 ) K u o n i St. Galler Sagen 116 f . 108») L a c h mann Überlingen 104. 1 0 ' ) J e c k l i n Volkstüml. 238. 339 f. 3 7 9 . 3 8 1 ; B i r l i n g e r Volksth. 1, 7; L ü t o l f Sagen 507; H e n n e - A m R h y n Die deutsche Volkssage. Leipzig* (o. J . ) 43 f. 110 ) K u o n i St. Galler Sagen 10, vgl. 201. m 224. ) H e n n e - A m R h y n a . a . O . 43. lu ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 132. 113 ) S c h e l l Bergische Sagen 170; vgl. B a r t s c h Mecklenburg 1, 409. I U ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 292. l l s ) K u h n u. S c h w a r t z 1 1 7 . 1 M ) S c h a m b a c h u. M ü l l e r 161. U 7 ) Wolf Niederl. Sagen 460. l u ) J e c k l i n Volkstüml. 363. "•) L a i s t n e r Nebelsagen 24. 48.76. l i 0 ) M e g e n berg Buch der Natur 2, 12 (ed. Pfeiffer 78). 121 ) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 15 f. 361 und oben 2, 1443. Freudenthal.

kugelfest s. f e s t m a c h e n , Freik u g e l : K u g e l 4, K u g e l s e g e n . Kugelsegen u ). Seit dem Obsiegen des Kugelgeschützes in der Kriegsführung traten die alten Schwert- (und Speer-) Segen zurück; die Waffensegen mußten jetzt mit den neuen Verhältnissen rechnen. Dies konnte so geschehen, daß bei übrigens ganz allgemeinem Inhalt (altübernommen oder neugeschaffen) die Adresse das notwendige hinzufügte, z. B. : „Das Blut Jesu Christi behüte mich vor Geschoß und Geschütz, Hellebarden, Hacken, stichige Messer . . . vor allerlei Mittel, es sei Eisen oder Blei, Messing oder Holz . . . " lb ) ; vgl. Überschriften wie „Gewehr* oder Waffenstellung". Seltener wurde ein alter Vergleich auf die Kugeln

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Kuh

übertragen: „die Kugeln sollen lind werden wie (der) Blutesschweiß Jesu Christi" 8 ); vgl. im 14. Jh.: „das alliu waffen as lind gegen mir sient . . . as der sweis was, den . . . Marias swist", nl. bei der hl. Geburt s ). — Aber zugleich wurden neue Segen eben für Kugelabwehr und Büchsenstellung ersonnen, z. T. auch solche, deren Bildersprache nur für diese verwendbar war. Wir behandeln unten nur diese Sondersegen; s. für das übrige Passauer Kunst, Philipp von Flandern, Schutzbrief, Waffensegen (für Pfeilausziehen s. Pfeilsegen). '») Lit. O l b r i c h MschlesVk. H. 4, 88 ff. J b) Z f V k . 22, 63. 2 ) Z f ö V k . 3, 6 Nr. 6. 3 ) M S D . 2, 286.

2. K u g e l s t e l l u n g und - a b w e n d u n g . Hauptmotive. Durch gedrucktes Buch sehr verbreitet ist dieser Segen: „Es seynd drei hl. Blutstropfen Gott dem Herrn über sein hl. Angesicht geflossen, die hl. Blutstropfen sind vor das Zündloch geschoben. So rein als unsere 1. Frau vor allen Männern war, ebenso wenig soll ein Feuer oder Rauch aus dem Rohr gehen. Rohr, gib du weder Feuer noch Flammen noch Hitz" usw. 4 ). Hier sind also die hl. Geburt und die hl. Passion verwendet: ein Maria- und ein Jesusmotiv. Maria (vgl. Art. Maria und Feuersegen). Ihre Jungfrauschaft als Motiv auch häufig in dieser Form: „(Geschütz) behalte dein Feuer, wie Maria ihre Jungfrauschaft behalten hat vor und nach ihrer Geburt. . ." 8). Auch „Rohr behalt deine Gluth"; in der ältesten bekannten Fassung (Zeit des 30 jährigen Krieges) aber „Bley, behalt dein prob" usw.6). Parallelen finden sich im Norden 7 ). Bloß als Terminus, ohne sinnlichen Vergleich, vom 16. Jh. ab: „Ich bespreche dich büchse, krauth und loth, das du nicht abgaest, ee Maria einen andern söhn geberet" 8) (J. 1586). Jesus. Das Motiv der Blutstropfen (s. oben) auch in anderen Zusammenstellungen 9 ). — „ B i e g e n " : „Ich NN beschwöre alle Kugeln, die von der Sündfluth an bis hierher sind geschmiedet (Schwertsegenmotiv) und gegossen worden, daß sie sich biegen vor meinem

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Leib, wie sich der Herr J. Chr. gebogen hat vor dem hl. Frohn Cruz" 10). Das „ V e r h a l t e n " : „Püx verhalt, als die Juden mit Christum verhalten haben" 1 1 ). Ohne christl. Motiv, für die Jagd: „Jakob Klein (Name), schieß was du willst, doch schieß nur Haar und Federn mit, und was du den armen Leuten gibst" 1!!). — Scherzhafter K. in Grimmelshausens Simplicissimus Buch V I Kap. 13. 4 ) Z. B. S c h e i b l e Kloster 3, 513; K u h n Westfalen 2, 196 Nr. 54; Z f V k . 9, 387. 6 ) S c h e i b l e Kloster 3, 505; W ü r t t V j h . 13, 159 Nr. 6. 7 ) DanmTryllefml. •) Alemannia 14, 72. Nr. 8 ) B a r t s c h Mecklenburg 806 ff. 2, 32; vgl. Alemannia 19, 135; K u h n Westfalen 2, 196 Nr. 549; S c h e i b l e Kloster 3, 513 (gedr. Buch). Schwedisch H y l t i n - C a v a l l i u s Wärend och 9 ) Alemannia Wirdarne 417. 19, 135. 137. l 0 ) Alemannia 19, 136. u ) B i r l i n g e r Schwaben 1 2 1, 462. ) K u h n Westfalen 2, 196 Nr. 550; S c h e i b l e Kloster 3, 513 (gedr. Buch).

3. T r e f f s i c h e r m a c h e n . Sprüche für diesen Zweck, beim Gießen zu sprechen, sind selten überliefert. Ein Gebet: „Hubert, St. Hubert mein, laß dir den Guß befohlen sein" usw.13). Jagderfolg kann auch anderweitig, durch Bannen des Wildprets angestrebt werden 14). 1 S ) Mitteil. Anhalt. Gesch. 14. 10. Vgl. Alemannia 17, 240. 1 4 ) K r o n f e l d Krieg 118 f.; vgl. Z f V k . 23, 130. Ohrt.

Kuh. Mensch u n d K u h . Weissagende K ü h e . Wenn Rinder bei der Tränke den Kopf steif hochhalten, muß der Herr sterben 1 ). Springen die Kühe in die Höhe, so ist jemand dem Tode nahe 2 ). Sind sie des Nachts unruhig und rasseln sie stark mit den Ketten, so trifft ein schweres Ungemach das Haus 3), es gibt bald eine Leiche im Haus 4). Brummen sie nachts, so sind Hexen im Stall 5 ). Sieht ein junges Mädchen oder eine junge Witwe eine junge Kuh mit rot-weißen Flecken, die gut im Futter steht, so bedeutete das Glück, einen Bräutigam oder Hofmacher 6 ). Wenn die Kühe weit in den Wald gehen, gibt es gutes Wetter 7 ). Sind sie des Nachts im Freien unruhig, so ist am nächsten Tage ein Gewitter 8 ), wenn sie stark muhen Regenwetter 9 ) zu er-

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warten. Prustet (niest) das Rindvieh, so will es schneien 10 ). Ein Todesfall im Haus, besonders auch der Tod der Hausfrau, muß den Kühen angesagt werden u ) . Die Kühe werden aufgejagt und erhalten Futter, daß sie nicht brüllen 12 ). Die Sattelkuh wird aufgejagt 13 ). Beim Tode des Herrn werden den Ochsen die Schellen für ein ganzes Jahr abgenommen, damit auch sie um den Herrn trauern 14 ). Diese Pflicht, den Todesfall dem Vieh anzuzeigen, darf nicht vernachlässigt werden. Als eine Kuh nach dem Tode des Bauern keine Milch gab, hieß es, man habe ihr den Tod nicht angesagt 1S ). 2 ) ZfrwVk. i) W u t t k e 200 § 269. 1904, 43. 8 ) Ebd. 1909, 195. 4 ) Ebd. 1907, 270. 5) W o l f Beiträge 1, 290; G r i m m Myth. 3, 449 Nr. 454; D r e c h s l e r 2, 252. 6 ) ZfVk. 18 (1908), 312. ' ) Ebd. 10 (1900), 51. 8 ) Ebd. 24 (1914), 61. ») SchwVk. 10, 35. 10 ) S t r a c k e r j a n I , 22. u ) M a r t i n y Molkerei 11. I 2 ) S c h u l e n b u r g 236; Wend. Volkstum 110; ZfrwVk. 1904 37; W i r t h Beiträge 2 3, 52. 13 ) W i r t h 14 ) Beiträge 2 3, 52. G r ü n e r Egerland 60. M ) ZfrwVk. 1909, 292.

Sorge des Menschen f ü r die K u h im S t a l l . Man bemüht sich, daß die Kuh sich im Stall wohlfühlt, daß ihr nicht „ahnd", d. h. nicht weh wird, namentlich, wenn sie kürzlich gekauft, nicht heimweh werde 16 ). Man läßt sie nicht gern allein im Stall stehen, sie hat es zu kalt und verliert denHumor17). Gehen Kühe ungern aus dem Stall, so haben sie den Meister nicht gern 18 ). Empfindet die Kuh Hunger, so brüllt sie nach ihrer Herrin „Fru", damit diese ihr Futter gebe 19 ). Die alten Kühe verstehen alles, was man redet; daher ruft die Bäuerin der Ihrigen, wenn sie „liänt" (schreit), wohl zu: „Still, Mause, ich weiß, daß du Hunger hast, ich komm geschwind" 20). Um ihr die Arbeit zu erleichtern, hilft die ganze Bauernfamilie den Wagen schieben. Wenn sie „emört" (vorher und von selbst) nicht zieht, soll man sie nicht schlagen, denn es laufen ihr die „Poppein" (Tränen) herab 21 ). Zwischen Weihnachten und Neujahr soll man den Kühen satt zu fressen geben, damit sie nicht brüllen, sonst kommt der Teufel ins Haus 23 ). Über besondere B a c h t o l d - S t i u b l i , Aberglaube V

77 o

Kuh

Gaben zu Weihnachten s. unter Schutz der Kuh vor Unholden ( Sp. 772). Bei der Rückkehr vom Abendmahl wirft die Frau den Kühen Heu vor, sie gedeihen dann gut 28). Eine Palme aus der Kirche unter die Krippe gelegt, macht, daß die Tiere gern heimgehen 24). Auch bei den Indern gab der Bauer nach einem Opfer den Zugtieren etwas Geweihtes zu fressen25). 1 0 ) M e y e r Baden 399. " ) ZfVk. 10 (1900), 49. » ) SchwVk. 10, 36. 1 9 ) ZfVk. 13 (1903), 94. 20 ) Ebd. 10 (1900), 49. 2 1 ) Ebd. 10 (1900), 49. 22) S t r a c k e r j a n 1, 330; 2, 38. 2 3 ) W u t t k e 439 § 692- 2 1 ) G r i m m Myth. 3, 416 Nr. 10. 2 S ) S a r t o r i Sitte 2, 61.

Weil die R i n d e r des B a u e r n w e r t v o l l s t e r B e s i t z sind, wahrt er sich ihn durch bestimmte, an ihrem Körper angebrachte Zeichen M ). Vieh und Vermögen decken sich (vgl. got. faihu „Geld", lat. pecunia; englisch fee). Um Meßkirch heißt das Vieh „die Ware" oder „Habe", in Tirol „Lebeware", in Niedersachsen früher „blodige Have" 2 7 ). Rinder wurden früher z. B. in Tirol an Stelle von Geld verwendet 28 ). Das „liebe Vieh" heißt es in Schlesien29). In vielen Gegenden, z. B. in Anhalt, bezeichnet man noch jetzt die Wohlhabenheit eines Bauern nach der Zahl der Rinder 30 ). Wegen seiner Bedeutung für den Besitz hat das Rindvieh durchweg E i g e n namen.alsobes Menschenkinder wären31 ). Deswegen auch werden Krankheiten und Unarten vorbeugend abgewendet und, wenn bereits vorhanden, wieder vertrieben 32). Die besonders vertraute Stellung der Kuh zum Menschen zeigt sich auch in den Namen, die sie erhält: „Hübschi, Stolzi, Goldi, Blüemli, Strüßi, Blänki, Silberi, Resi, Sterni, Zieri, Figi, Waldi" 33 ). Sie werden oft nach den Farben oder Blumen benannt : Falbe, Mause, Bräunele, Nuße usw. 34) ; Schimmel, Scheck, Brune, Silbere, Bläß, Wißkopf M ) ; Blömeke (mit rotem Kopf, Niedersachsen), Witkop, Swartkop. Nach den Hörnern oder sonstigen Kennzeichen : Krumhoom, Kaal-steert 3S ). Nach Standund Gangart auf dem Stall und vor dem Wagen: Boveman-Koh, Achteren-Koh 3S). Nach gewissen Eigenschaften: eine 25

771

Kuh

schlanke Kuh heißt „Ziara", eine den Kopf hochtragende „Stolzi" 37). Sonst auch vielfach „Mutschgi", Mutschge (Tirol), Motsche, Motschekuh, auch in der Kindersprache. In Baden ist die Verleihung der Namen an Rinder an keinen bestimmten Tag noch Brauch gebunden88). In Ostfriesland erhält wohl das Kalb, das am Geburtstag eines Kindes zur Welt kommt, danach den Namen oder den Namen des betreffenden Kalendertages 39 ). In Westfalen hat man eine Art Taufhandlung bei Anbruch des i . Mai 40 ). In Bayern erhält das Kalb Namen, wenn es der Kuh weggenommen wird 41 ). Rindernamen erfahren wir schon aus dem österreichischen Gedicht Meier Helmbrecht (13. Jh.) 4 2 ): Uwer, Raeme, Erge, Sunne. Nicht weniger als 67 Ochsennamen finden sich in einem schwäbischen Gedicht von 1633 42). Die Mönche des Klosters Salem gaben folgende Rindernamen: Blaß, Falk, Rapp, Scheck, Schimmel. Im Gegensatz zum fränkischen hat das alemannische Weidegebiet Namen in reicher Zahl, die zum großen Teil schon die urdeutschen Hirten kannten und über ganz Deutschland verbreiteten. Die meisten Namen der Rinder sind von der Farbe, Schattierung, Zeichnung der Haut gewählt, andere nach Geburtsmonat oder -tag 4 3 ). Altnordische Stiernamen, die auf die mythische Vorstellung Stier-Wetterwolke zurückgehen, bedeuten: Sturm, Heuler, Rauscher, Brauser 44 ). Im Kinderreim heißt die Kuh: „Tritt-herzu", „Hack-up-to" *). Im Volksrätsel erscheint sie ebenfalls: Vierhangige, viergangige, zwei glitzige, zwei spitzige, und einer zottelt nach „Viere hangen, zehne langen, Hölzerne, schnapp auf" (Kuheuter, Finger, Tubbe) 47 ). Das Lied vom „Kue- unnd Biendreck" nach der Art des Liedes vom Buchsbaum und Felbinger 48). '•) SAVk. 11 (1909), 171; A n d r e e Braunschweig 162 = S a r t o r i Sitte 2, 126. I7 ) G r i m m RA. 565 = M e y e r Baden 398. ") Heyl Tirol 790 Nr. 168. l») D r e c h s l e r 2, 99. M ) W i r t h Beiträge 4 5, 8. 10. 31 ) Meyer Baden 131. 3S) S t r a c k e r j a n 2, 140. M ) Meyer Baden 132. 34) ZfVk. 10 (1900), 49. 35) Meyer Baden 132. 3S) L ü p k e s Ostfries. Volksk. 191. " ) M e y e r Baden 133. Dazu K ü c k Lüneburger

77 2

Heide 45; D r e c h s l e r Haustiere 5. 38) M e y e r Baden 132. 3t ) L ü p k e s Ostfries. Volksk. 191; D r e c h s l e r Haustiere 6. 40) Meyer Baden 131. " ) Ebd. 132. «) Ebd. 131. ») Ebd. 132. D r e c h s l e r Haustiere 5. " ) M e y e r Germ. Mythol. 104. 2 5 7 = P r u d e n t i u s Peristephanon 5; T e r t u l l i a n libr. II ad uxorem. 44) F e h r Aberglaube 10. 46) S i t t l Gebärden 172. 4e ) S i e b s 19. 47 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 119.

7. Mit der K u ß h a n d werden die Unerreichbaren gegrüßt. Den fern am Himmel wohnenden Gottheiten wirft man K.hände zu. In Peru wurde die Sonne auf diese Weise verehrt48), bei den Semiten Sonne und Mond 49). In Griechenland und in Italien gebührte die K.hand den Gestirngöttern, dem Helios, der Selene, den Sternen, selbst sogar den Winden 60). Beim Eintritt und auch beim Verlassen der Tempel verehrte man nicht selten die Götter durch eine .K.hand 51). Um sich nicht niederzuwerfen, konnte man sich bei der Verehrung der Götter schon mit einer K.hand begnügen. 'Auch sonst begrüßte man Altäre, Statuen, geweihte Steine und hl. Haine mit diesem Gestus. Der lateinische Ausdruck für anbeten lautet adorare = die Hand zum Munde führen ®2). Die Sitte der K.hand ist vom Christentum übernommen worden. In Spanien und in Neapel wurden früher die Heiligenbilder auf die nämliche Art verehrt 53). In Schwaben werfen heute noch fromme Bauersleute dem Kruzifix oder den Heiligenbildern am Wege K.hände zu, und in Steiermark zeigt man

848

den kleinen Kindern, sobald sie verstehen gelernt haben, die Bilder von Christus und Maria und lehrt sie, „ein Busserl hinaufgeben zum Himmelvater und zur Himmelmutter" M ). Ein K.hand warfen die Griechen den Toten zu, eine Gebärde der Verehrung des Höheren 6S). Im Privatleben wird die K.hand von Sklaven und Bettlern verabfolgt, wenn sie sich nicht zu nähern pflegen 5e). In der römischen Kaiserzeit warf der Schauspieler und Musiker dem Volk, von dessen Gunst sein Erfolg abhing, beim Auftreten eine K.hand zu und dankte beim Applaus ebenso statt einer Verbeugimg. Auch vortragende Schriftsteller hielten sich an diese Gepflogenheit. Tacitus tadelt das plebeische Benehmen Othos, der bei seiner Thronbesteigung der jubelnden Menge K.hände zuwarf 57 ). Vorübergehende grüßten den Kaiserpalast, Philosophen das Lehrgebäude mit einer K.hand Bf>). 48) H e i l e r Gebet(3. Aufl.) 103. 4») Hiob 31, 2 7 ; 5 Mos. 4, 19; R G G . 3, 1441. 60) P l a t o Leg. 10. 887 e; S i t t l 182. 61 ) L i v i u s 5 , 2 2 , 4 ; A p u l e i u s Met. 4, 28, 17. 62 ) S i t t l 182. 63) D e r s . 64) H e i l e r 183. 103 f. = F i s c h e r Oststeierisches 242. e6 ) R o h d e Psyche 2, 346. B i ) S i t t l 57 ) 1 7 1 ; J u v e n a l 4, 1 x 7 f . Hist. 1, 36. 68) S i t t l 171.

8. Der allgemeine Brauch, einem Verwandten oder sogar Freunden einen K. zu geben, leitet sich aus der Übung des Orients her 59 ). Nach Herodot soll der K. als Begrüßung bei den Persern aufgekommen sein, und zwar wurden Gleichgestellte auf den Mund, Niedrigere auf die Wangen gek.t; wer um vieles niedriger war, fiel zu Boden und leistete die icpo?xuvr^aic. Von hier aus sei der K. im griechischen Orient und in Ägypten gebräuchlich geworden und dann auch in Italien eingeführt worden40). War der K. als Begrüßung zur Zeit der römischen Republik noch fremd in Rom, so wurde er unter Titus und Trajan allgemein üblich 61). Die Etikette bestimmte, wer auf den kaiserlichen K. Anspruch hatte, und wer nicht. Dem Nero und dem Trajan soll es sehr verübelt worden sein, daß sie beim Betreten und Verlassen der Stadt sich der Verpflichtung entzogen

Kuß

849

hatten, die Senatoren zu k.n 62 ). Im Mittelalter ging die Wirtin dem Gaste entgegen und fügte dem Gruße einen K. zu. In den vornehmen Kreisen wurde der Willkommensk. nur dem ebenbürtigen •oder dem durch seine Stellung ausgezeichneten Manne zuteil 63 ). In Serbien muß jede Frau dem Manne, dem sie begegnet, auch wenn er jünger als sie ist, die Hand k.n (islam. Einfluß) ®4). Dem Willkommensk. entspricht der Abschiedsk. Im heroischen Zeitalter k.t die Gattin den Wagen des scheidenden Mannes. Umgekehrt k.t Epaminondas den wiedererlangten Schild wie einen guten alten Bekannten bei der Begrüßung65). Der Abschiedsk. schützt; daher k.t der Onkel den Neffen, der zum Kampfe gegen die Räuber auszieht, auf die Stirn 66). Nicht umsonst wünschen in Schlesien die Zurückbleibenden dem Scheidenden Glück und k.n ihn dreimal übers Kreuz 47). Auch den Toten gilt der Abschiedsk. 68). *•) C u m o n t Orient. Rel. 159; vgl. F r i e d l ä n d e r Sittengeschickte Roms 6. Aufl. 204. 160. 60) 1, 134 = Siebs 7; S c h r ä d e r 1, 669. M) V o r b e r g S2) Siebs Gloss. Erot. 424. 7. 63) W e i n h o l d Frauen 2, 185. 203; ZfVk. 11 (1901), 441. 84) K r a u ß Sitte 501 f. 65) Siebs 6 f. CT)

®6)

Krauß

Slav.

Volkforschung

Drechsler 2, 18 = S a r t o r i M ) 1 Mos. 50, 1.

396.

Sitte 2, 49.

9. Es ist verständlich, daß der Begrüßungsk. vorzugsweise den Freunden gegeben wird. Bekannt ist der Judask. als mißbräuchliche Verwendimg dieses Freundschaftssymbols 69). •9) Ev. Luc. 22, 47 f.; vgl. II Sam. 20, 9.

10. Friede und Versöhnung werden durch K. besiegelt. Esau k.t den Jakob und David den Absalom zum Zeichen des Friedens 70). Daher gibt sich die Brüdergemeinde die Pax vor der Kommunion. Unter christlichem Einfluß drang der Friedensk. ins altwestfriesische Recht ein: „nachdem die Sache gesühnt und der K. gek.t ist, und jeder von ihnen, der den Friedenseid schwört, hat mit dem Munde zu k.n und die Fehde aufzugeben" 71). Auch bei den Slaven wird die Blutfehde durch K.n beseitigt 72). Der iranischen Religion selbst fehlt der Friedensk. nicht 73). Ein eingehendes Zeremoniell

850

wurde in Byzanz beim Friedensk. beobachtet 74). Dem Untertan gegenüber wird der verzeihende K. aus dem Mund des Königs zum Gnadenk.7S). Zum Zeichen der Herablassung k.t Absalom jeden, der sich seinem Thron anbetend nähert 76). 70) I Mos. 33, 4 ; II Sam. 14, 33. 71 ) v. R i c h t h o f e n Alt friesische Rechtsquellen (Göttingen 1840) 387, 3; 411, 35. 72) Urquell 1 (1890). 185; vgl. K r a u ß Sitte und Brauch 53 ff. 73) Modi The hiss of peace in Journ. Anthr. Soc. Bombay 84—95 = ARw. 17, 250. 74) D i e t e r i c h Byzang 76) 50 ff. 76) II Sam. 19, 39. Ebd. 15, 5.

11. Der Huldigungsk. kommt in der travestierten Form des Teufelsdienstes vor. Der K., mit dem man dem Teufel seine Huldigung leistete, wird zuerst den Ketzern, später den Hexen zur Last gelegt. Er scheint der weltlichen Huldigungszeremonie des Homagiums abgesehen oder eine Verdrehung des christlichen Adorationsk.es zu sein 77). Schon im Prozeß gegen die Templer erscheint dieser K. als Anschuldigung, und 1303 wird der Bischof von Coventry angeklagt: quod diabolo homagium fecerat et eum osculatus fuerit in tergo 78 ). In der „Teufelsmesse" betet man den Teufel an und k.t ihm den After, was der Teufel damit erwidert, daß er Gestank von sich gehen läßt, während sein Assistent ihm den Schweif aufhebt 79). Die Bulle Gregors IX. beschreibt den Initiationsritus der Ketzer folgendermaßen: „Wenn ein Neuling aufgenommen wird, so erscheint ihm eine Art Frosch, den man auch Kröte nennen kann. Einige geben ihm einen schmachwürdigen K. auf den Hintern, andere auf das Maul und ziehen die Zunge und den Speichel des Tieres in ihren Mund. Dann erscheint ein Mann von wunderbarer Blässe, abgezehrt und mager, nur noch Haut und Knochen. Diesen k.t der Novize und fühlt, daß er kalt wie Eis ist, und nach dem K.e schwindet alle Erinnerung an den „katholischen Glauben bis auf die letzte Spur in seinem Herzen" 80). Der Sinn des K.es liegt offen zutage: durch den K. wird der Ketzer ein Mann (homo) oder Vasall des Teufels 81). Der volkstümliche derbe Imperativ: „Küß mir den Hintern" mag eine vergessene Anspielung auf den Teufelsk.

Kuß

85I

sein. Statt des Teufels selbst oder statt der Kröte kehrt öfters ein Bock oder ein Kater wieder82). Die Ketzer nannte man kurzweg „Katzenküsser" 83). In der Hexenversammlung zeigt der Bock den Versammelten seinen Hintern, und jedes Mitglied k.t ihn auf diesen Körperteil. Die Neulinge werden verblendet und glauben, einem großen Fürsten die Hände zu k.n M ). Nach der Anschauung der siebenbürgischen Zigeuner soll der Teufel beim ersten Jahresfest der Hexe den Fuß k.n, der dann zu einem Entenfuß werde85). w ) Grimm Myth. 2,851. n ) Ders. 2,891; S c h i n d l e r Aberglaube 273. SoldanH e p p e I, 273. 80) Ders. 1, 142. 140. 143; F e h r 143. 81) S o l d a n - H e p p e 1, 148. 82) G r i m m 2, 891. 83) Schweizld. 3 (1895), 529; Siebs 6. Das Katzenküssen ist noch im Kinderlied erhalten R o c h h o l z Kinderlied 435 = Geiler von Kaisersberg (1507) „Herr König, ich diene gern" BI. 84. 89; L e h m a n n Aberglaube 120; Havelock E l l i s Geschlechtstrieb u. Schamgefühl (4. Aufl.) 303. Abbildungen bei P r a e t o r i u s Blocksberg und in N. R e m i g i i Daemonolatria Hamburg 1693 = S o l d a n - H e p p e 2, 130; vgl. W l i s l o c k i Magyaren 151. 86) Ders. Volks-

glaube

121.

12. Aus der Vorstellung heraus, der K. bedeute Seelentausch, bekräftigt man den Abschluß einer W a h l v e r w a n d schaft durch einen K. 86). Damit das Freundschaftsband noch enger werde, k.n sich die Südslaven über geflochtene Weidenkränze hinweg 87). 86 )

87 )

Ciszewski

Ders.

Künstl.

41 ff.; vgl.

Verwandsch.

Mannhardt

38.

1,434.

13. Verlobungs- und Hochzeitsk. sind lediglich Symbol geschlechtlicher Vereinigung. Das zeigt sich deutlich im Brauch der Oberpfalz. Vor der Hochzeit wirft der Bräutigam vor allen Anwesehden, die schon neugierig warten, die Braut auf das soeben aufgestellte Brautbett, legt sich selbst hinein und gibt ihr einen K. 88). Wenn auch dieser Akt als symbolische Ablösimg des früher öffentlichen Beilagers zu deuten ist, so kann der zeremonielle Hochzeitsk. nur als sublimierte Form des ehelichen Einswerdens gelten. Auch dem Verlobungsk. kommt keine andere Bedeutung zu. Ebenso wie bei der Hochzeit wird er von Mahl und Trunk, den ältesten Bekräftigungssymbolen, be-

852 gleitet 89). Nach langobardischem Recht gelten K. und Trunk als Verlobung80). Im Ruodlieb (11. Jh.) nimmt bei der Verlobung das Mädchen den Ring vom Schwertgriff, das Paar k.t sich, die Menge stimmt den Brautgesang an 91). Daher haben Brautleute das Recht, sich öffentlich zu k.n. Im Oberschwäbischen k.t man die Stirn, weil der K. auf den Mund als „Judask." gilt (prüder christlicher Einschlag) 92). Als eindeutig geschlechtliches Symbol erweist sich der K. durch folgenden Brauch auf dem Balkan: Wenn die Braut am Hause des Bräutigams angekommen ist, werden ihr drei siebenjährige Knaben aufs Pferd gereicht, die sie k.t und beschenkt (Fruchtbarkeitsritus) 93). Auf alte Promiskuität mag hindeuten, wenn in Neuenburg bei Lauenburg früher die Braut sich in die Türe stellte und niemand eher hineinließ, als bis sie von ihm einen K. erhalten hatte 94). Ebenso wird im Jeverland dem Spender der Hochzeitsgabe ein K. der Braut zuteil 96 ). In Rußland findet am Tage nach der Hochzeit für die beiderseitigen Verwandten ein Gastmahl statt. Die Hauptfeierlichkeit dabei bildet die allgemeine Küsserei der Verwandten 96). Im böhmischen Riesengebirge nimmt die Braut Abschied, indem sie Kuh, Tisch, Bank und Stuhl umarmt und k.t, so daß man sie nur mit Gewalt losreißen und auf den Wagen tragen kann 97 ). In Bosnien macht die Braut beim Einzug in das neue Haus drei Verbeugungen vor der Türschwelle, k.t dann den Boden vor dieser Schwelle und dann diese selbst. Nach der Trauung k.n Braut und Bräutigam den Herd, auf welchem brennende Kerzen stehen 98). In den Iglauer Dörfern k.t der Hochzeiter dem Vater Hände und Füße, der Mutter den Schoß 99). In der Hochzeitsmesse wird den Brautleuten das Evangelienbuch oder auch das Traubuch zum K.n gereicht 10°). Während der Trauung trat früher der Bräutigam bei der Pax an den Altar, empfing vom Priester die Pax und gab sie der Braut weiter 101 ). Bei Johannes Murner (16. Jh.) findet sich die Bezeichnung „Kußmonat" für die Flitterwochen 102).

88 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 71. Vgl. „Geküßtes Weib — verheiratetes Weib". 8 ') B ä c h t o l d Hochzeit 1, 278 f.; H e s s l e r Hessen 415. so)

Bockel

854

Kuß

853

Volkslieder

55 f .

91)

14, 59—89

= W e i n h o l d Frauen 1, 309. 311. ®2) K o n d z i e l l a Volksepos 118 f. = B i r l i n g e r 2, 328. S3 ) S a r t o r i 1, 96 Anm. 5 = Globus 94, 318. M ) K n o o p Hinterpommern 159. , 6 ) ZfdMyth. 2, 137; ZfVk. 8, 431 = S a r t o r i 1, 99. »•) S c h r ä d e r 1, 669. " ) L a n g e r DVöB. 8, 89 = S a r t o r i 1, 77. 98 ) S a m t e r Geburt 140; A b e g h i a n Armenien 70. **) M e y e r Volksk. 177. 10 °) S c h ö n w e r t h 1,88; P o l l i n g e r Landshut 254; M e y e r Baden 246. 296. 1 0 1 ) S i e b s 9. 102 ) W e i n h o l d 2, 1.

14. Die B e f r u c h t u n g des Ackers durch wirkliche Paarung hat sich in der verblaßten Form des K.es erhalten. In den badischen Dörfern gibt eine Jungfrau dem Pflüger beim ersten Ackern einen K. 1 0 3 ). Es scheint nicht unwahrscheinlich, daß das K.n der Kornmutter am Ende der Ernte weniger einen Akt der Verehrung als der Befruchtung darstellt. Das ergibt sich daraus, daß man die letzte Garbe als „Alte" verkleidet, daß ebenso ein aus Halmen geformter und mit großen Geschlechtsteilen versehener „Alter" von der letzten Harkerin gek.t werden muß 104). Der K. soll die Fruchtbarkeit im nächsten Jahre garantieren. Es ist auch bezeichnend, daß in der Normandie nach dem Erntemahl die Bäuerin oder deren Tochter einen derben K. bekommt (Stellvertreterin der Kornmutter) 105). An Weihnachten „chust man item die paum, so werden sie fruchtper des jars" 10S). In Oberösterreich k.t man am Dreikönigsabend einen oder alle Apfelbäume, damit sie recht viel tragen. Man füllt sich zu diesem Zweck den Mund mit „Koch" oder „Krapfen" und spricht dabei, indem man den Baum umarmt: „Bäm ih, bäm ih buss di. Wir sä voll as wie ma Maul!" 107). (Verstärkter Fruchtbarkeitszauber durch Analogiezauber Krapfen = Äpfel). Wenn in Armenien große alte Bäume, welche für heilig gelten, durch Lichter, Opfer und K.n verehrt werden, so ist hierbei nur an den Adorationsk. zu denken, wie er Heiligem zusteht 108 ). Das Geld wird dagegen gek.t, damit es sich mehre und Segen bringe 109 ). Wer einen geweihten Pfennig k.t, gibt dem Teufel eine Ohrfeige (christliche Um-

deutung) 110 ). Opferpfennige für Tote werden daher von den Opfernden vorher geküßt 1 U ). 103)

Meyer

Baden

143 = S a r t o r i 2, 61. schungen

417 = Z f V k . 14 1M)

(1904),

M a n n h a r d t For-

339 = M e y e r GermMyth.

139 N r . 176

(letzte Garbe = „alte Hure" = oben 4, 511); J a h n Opfergebräuche 173. 105 ) L i e b r e c h t Gervasius 55 f. = S a r t o r i 2, 89. 106 ) G r i m m 3, 419 Nr. 47. 107 ) B a u m g a r t e n Aus der Heimat 1, 127 = J a h n 212. 288 = S a r t o r i 2. 1 1 9 ; 3 . 7 7 A n m . 25 = Z f V k . 14 (1904), 274 f .

A b e g h i a n 58. 109 ) ZföVk. 1, 288. »») Zing e r l e Tirol 59 Nr. 510. l n ) Bavaria 1, 413 f . ; 108 )

W r e d e Rhein.

Volksk.

141.

15. Der allmächtigen Erde ist der Verehrungsk. zu zollen, da sie sonst sich rächt. Wenn in Burgeis ein Kind zum ersten Male auf die Alp geht, dann muß es eine Platte, der ein Kreuz eingemeißelt ist, k.n, sonst bricht es auf dem Rückweg den Fuß U2 ). Wer sich in Mähren beim ersten Frühlingsgewitter dreimal bekreuzt und dreimal die Erde k.t, der schützt sich vor Blitzschlag im ganzen Jahr 11S ). Wenn man etwas verloren hat, so muß man die Erde dreimal k.n, man wird es dann finden 114). Die Gotteslästerer müssen zur Strafe niederknien, auf die Erde ein Kreuz machen und diese k.n. 1 1 S ). In Guinea warfen sich im vorigen Jahrhundert, so oft eine angesehene Person nieste, alle Anwesenden auf die Erde, k.ten sie und wünschten Glück 116 ). n 2 ) Z i n g e r l e 220 Nr. 1757. 11S ) W u t t k e 304 Nr. 448 = G r o h m a n n 40 Nr. 243. 1 1 4 ) Ders. 227 Nr. 1621. 116 ) Schweizld. 3, 528; B u c h m ü l l e r Beatenberg 155. 1 W ) T y l o r Cul-

tur

1, 99.

16. Wenn B r o t auf die Erde fällt, wird es ehrerbietig aufgehoben und geküßt (Sühnek.), deswegen, weil man unbedachtsam mit der Gabe Gottes umging 117 ). Der Egerländer k.t nicht nur das Brot, sondern legt es auch an einen Ort, wo es nicht mehr mit den Füßen getreten werden kann 118 ). 1 1 7 ) G r o h m a n n 102 Nr. 714 = W u t t k e 311 Nr. 458; F r i s c h b i e r Hexenspr. 124; Z i n g e r l e 36 Nr. 289; S c h ö n w e r t h 1, 403; MschlesVk. 2

(1897), 8; 5 (1902), 79.

118)

G r ü n e r Egerland

32.

17. Dem K.n der Toten mögen mannigfache Vorstellungen zugrunde liegen. Man

«55

Kuli

kann sich denken, daß der letzte Hauch des Sterbenden in einem K.e aufzufangen sei, was bei den Römern für nicht ungewöhnlich erachtet wurde 119 ). Auch den Juden scheint dieser Brauch nicht fremd gewesen zu sein 120). Die Toten verehrt der Grieche durch eine K.hand m ) . Für den deutschen Totenbrauch ist ein Auffangen der scheidenden Seele nicht anzunehmen. Es handelt sich durchweg um den schon aufgebahrten Toten. Es bleibe dahingestellt, ob man durch den Fußk. den Toten als Mächtigeren anerkennen will oder ob man ihn als Abschiedsk. auffaßt 1 2 2 ). Doch scheint das Wichtige darin zu liegen, daß man sich vor dem Wiederkommen des Verstorbenen, gleichgültig ob vor dem wirklichen oder dem nur traumhaften, durch den K . sichern will. Der Tote erhält als Ablösung einen letzten K . ; damit sind seine sämtlichen Anrechte auf Küsse von den Lebenden abgegolten, er hat daher nicht mehr wiederzukehren 123 ). Diese Auffassung erhält eine Stütze durch Folgendes: Von den Kindern verlangt man, angeblich um ihnen das Fürchten vor den Toten abzugewöhnen, sie sollten die große Zehe des Toten k.n oder in diese hineinbeißen. Durch das Beißen nun wird der Tote gehindert, seine Füße bei einer etwaigen Rückkehr weiterhin zu gebrauchen, er soll nicht mehr gehen können und bleiben, wo er hingehört 124 ). Daß man bestimmt mit dem Wiedererscheinen des Toten rechnet, läßt sich daraus entnehmen, daß man rotbraune Flecken auf den Backen der Kinder dem K.e eines wiedergekehrten Abgestorbenen zuschreibt 12S ). Will man den Toten bei Nacht nicht sehen, so genügt es schor, statt seiner selbst nur den Sarg zu k.n 126). Ganz allgemein heißt es: „Tote sind nicht mit Tränen, sondern mit K.n zu beweinen" 127). Der K . an Tote feit gegen Geistererscheinungen überhaupt 128 ). Dem althergebrachten Brauch sucht die Aufklärung zu begegnen mit der Drohung, man werde krank, wenn man einen Toten küsse 129 ). Wenn nach dem Konzil von Auxerre dem Toten weder die Eucharistie noch der Friedensk. gegeben werden darf,

856

auch Velen und Pallen über ihn nicht gebreitet werden dürfen, so ergibt sich daraus, daß einerseits der Tote als Lebender behandelt wurde, daß anderseits Eucharistie, Friedensk. und hl. Tücher ihn schützen sollten 130). "») B l ü m m e r Die

römischen

Privataltertümer

483. 501. 120) 1 Mos. 50, 1; vgl. A R w . 19, 211. m ) R o h d e Psyche 2, 346 = I S i t t l 182. 122 ) K ö h l e r Voigtland 253: J o h n Erzgebirge 125; S c h ü l l e r Progr. von SchäQburg 1865, 11 f. = S a r t o r i 1, 141. 123 ) G r o h m a n n 192 Nr. 1353 = W u t t k e 464 Nr. 735. 124 ) S a r t o r i 1, 138 (Belegstellen). »») V e c k e n s t e d t Sagen 4 5 1 . «•) Z f V k . 3 (1893). 33. 1 2 ') D r e c h s l e r 1, 293. 128 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 374 Nr. 5 (Portugiesisch). I M ) H ö h n Tod325.130) Konzil zu A u x e r re 585 alias 578 c. 12 = H e i e l e 3, 585; Synodalstatuten des hl. Bonifaz 20 = H e f e l e ebd.

18. Der G e i s t e r k . bleibt nicht ohne verderbliche Wirkungen. Es gibt böse Geister, welche die Schlafenden an ihrer Seele schädigen, indem sie ihnen die Lippen k.n und mit ihnen buhlen 131 ). Nachtmare legen ihre Pfoten um den Körper des Schlafenden und drücken ihn, daß er kaum noch atmen kann, wobei sie ihn zugleich k.n und beflecken 132 ). Wer in einen Geisterzug hineingerät und gek.t wird, bekommt um den Mund Ausschläge als Merkmal dieses K.es 1 3 3 ). Ein Gespenst hatte es besonders auf Frauenzimmer abgesehen; es ergriff sie, tanzte dreimal mit ihnen herum rings um einen Birnbaum und k.te sie zuletzt 134 ). Wenn ein alter Mann mit einem langen Bart ein Mädchen k.t, bekommt dieses auch einen Bart. Ist es noch keusch und rein, so verliert es ihn wieder durch Waschen mit heilkräftigem Wasser 135 ). Den Kindern droht man Ähnliches an, falls sie sich von einem Mann k.n lassen sollten 138). Küsse der Hexen sind besonders zu meiden. In Kilchberg hatte eine solche ein Lämmlein, das ihr zugelaufen war, gek.t, worauf dieses einging 137 ). Eine Hexe gesteht, durch K.n Kinder krank gemacht zu haben 138 ). Eine Wöchnerin darf nicht mit bloßen Füßen auf den Boden treten, sonst k.t der Teufel ihre Fußstapfen (Besitzergreifung) 139). ,31)

A b e g h i a n 35. 132 ) T ö p p e n Masuren 24. Schweizld. 3, 528. l 3 4 ) E i s e l Voigtland 72 Nr. 178. , 3 S ) K u h n Westfalen 1, 149 Nr. 153 a. 1 3 ') B i r l i n g e r ««) J o h n Westböhmen 250. 1M)

«57

Kuß

Aus Schwaben 1, 139. l3S ) D e r s . 1 , 1 4 5 . 1 3 t ) G r o h m a n n 115 Nr. 859 = W u t t k e 380 Nr. 577.

19. Im L i e b e s z a u b e r bringt der K . dem erstrebten Ziele näher. Die Mädchen können nichts versagen, wenn man beim K.n eine Turteltaubenzunge in den Mund nimmt 140 ). Die Zunge der Turteltaube wird bevorzugt, weil dieses Taubenpaar als Bild treuer Liebe gilt 1 4 1 ). Andern Orts versieht man sich zum gleichen Zwecke mit einer Schwalbenzunge 142 ). Dem Liebhaber kann man die Braut abspenstig machen durch einen K., denn dieser r a u b t ihm die E r i n n e r u n g an sie (als Märchenmotiv bekannt) 143 ). Auch der Teufelskuß (Homagium) bewirkt das Schwinden der Erinnerung 144 ). Doch kommt es im Märchen auch vor, daß ein K . das G e d ä c h t n i s wieder e r s t a t t e t . Hierin offenbart sich die e r l ö s e n d e M a c h t des K.es (Dornröschenmotiv) 145 ). Zu den von Verwunschenen geforderten Liebesdiensten gehört das K.n. Dies wird aber dem Küssenden nicht gerade leicht gemacht, obwohl meistens nur drei K.e verlangt werden. Es muß eine Kröte, eine Schlange, ein Drache oder der Verzauberte selbst in abstoßender Gestalt gek.t werden. Vor dem dritten K.e entfällt den meisten der Mut; gelingt die Erlösung, so geht es nicht ohne bedeutende Belohnung ab 1 4 6 ). I40 ) A l b e r t u s M a g n u s 2, 9; F o g e l Pennsylvania 62 Nr. 192; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1,406. 141 ) M e y e r Baden 170. 1 4 i ) K u h n u n d S c h w a r t z 460 Nr. 447. ,43 ) G r i m m Myth. 3, 318; ders. Märchen Nr. 113. 193; B o l t e P o l i v k a 2, 527; K ö h l e r Kl. Sehr. 1, 168. 172; Simrock Mythologie 52g; SchambachM ü l l e r 338; ZfVk. 14 (1904), 28. 144) S o l d a n 14S ) G r i m m H e p p e 1,142. 2, 922 = Z f V k . 14, 28. " • ) W u t t k e 30 Nr. 29. Vgl. oben 2, 929 und Anm. 39—41, ferner A m e r s b a c h Grimmelshausen 1, 18; B a a d e r Sagen 64 Nr. 73; 75 Nr. 104; B i n d e w a l d Sagenbuch 54. 64; B o l t e - P o l i v k a 1, 9; 2, 37; 2, 236; B u s c h Volksglaube 241 f.; C a e s a r i u s v o n H e i s t e r b a c h 138; Dialog 3 , 7 — 1 1 ; 5, 31—33; 7 , 3 2 ; C a m i n a d a Friedhöfe 51; E c k a r t Südhannover. Sagen 122. 185; G r i m m Myth. 3,287; 2,806; D e r s . Sagen 169 Nr. 222; H e r z o g Schweizersagen 1, 20; 1, 248 f.; 2, 20; H e y l Tirol 261 Nr. 76; H o c k e r Volksgl. 235; H o f f m a n n Ottenau 157; H ü s e r Beiträge 2, 11 Nr. 8; J e c k l i n Volkstüml. 238; K l a p p e r Erzählungen 112; K o h l r u s c h Sagen 271. 351; K ü n -

858 z i g Schwarzwaldsagen (1930) 137 f. 213; K u o n i St. Galler Sagen 15. 96 f. 185. 253 f. 256; L i p p e r t Christentum 496; M a n n h a r d t Germ. Mythen 66; M e i c h e Sagen 569 Nr. 710; M e i e r Schwaben 1, 310 f. Nr. 349; i , 7; M e y e r Germ. Myth. 283 Nr. 367; M ö l l e n h o f f Sagen 183 Nr. 250; P a n z e r Beitrag 1, 32; S c h ö n w e r t h 2, 370; Q u i t z m a n n 166; SAVk. 2, 4; S i b i l l o t Folk-Lore 1, 227. 244; Tegeth o f f Amor und Psyche 95; V e c k e n s t e d t Sagen 251 N r . ' 1 7 ; 253 Nr. 19; W i t z s c h e l Thüringen 2, 61 Nr. 7 1 ; W o l f Beiträge 2,245 ff.; ZfdMyth. 2 (1854), 227.

20. Ist der K . imstande, Verwünschten Erlösung zu vermitteln, dann ist es nicht mehr zu verwundern, daß K r a n k h e i t e n und G e b r e c h e n durch K.n verhindert und geheilt werden können. Die H e i l k r a f t ist in der Regel nur auf bestimmte Personen beschränkt, die so gefeit sind, daß sie das fremde Übel ohne Schaden hinwegnehmen können. Die Grafen von Alt-Rapperswil standen in dem Ruf, Kinder vor Stammeln und Blindwerden zu bewahren 147 ). Auch die Grafen von Habsburg heilten stammelnde Kinder durch einen K. 1 4 8 ). Wenn ein Kind den blauen Husten hat, so hilft dagegen der K. eines Negers. K.t ein solcher Kinder unter einem Jahr, so bekommen diese überhaupt nicht den gefährlichen Husten 149). Hat ein Kind Gichter, so muß eine nicht zum Hause gehörige Person, die unbesprochen das Haus betreten hat, es k.n, dann vergehen die Krämpfe und kommen nicht wieder 1S0 ). Krätze befällt einen da, wo kurz vorher eine Hexe gesessen hat. Will man sie loswerden, dann hat man zu sprechen: „Schlechte Frau, gute Frau, kamen auf neun Wegen. Neunerlei Krätze geh' zur schlechten Frau. Reine Frau, bleibe rein und küsse du mich reinl Krätze in die Erde geh" 1S1 ). Gregor von Tours wurde nach seinem eigenen Bericht von einem Zungen- und Lippengeschwür befreit, als er das Grabgeländer des hl. Martin ableckte und den Vorhang der Gruft k.te 162 ). Wenn diese Art von Heilungswundern in der christlichen Literatur häufig erwähnt wird, so weisen die antiken Heilwunderberichte nur selten solche Fälle auf 1 5 3 ). Von Bernardino von Siena (14.—15. Jh.) wird das K.n der Knie als Mittel gegen

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Kuß

Schmerzen in den Füßen aufgeführt 154 ). Zahnschmerzen kann man vertreiben, wenn man einem Esel einen K . gibt (Übertragung) 15S ). Um sich gegen Rücken weh zu schützen, soll man die erste Ähre k.n 156 ). " ' ) R o c h h o l z Kinderlied 3 2 1 Nr. 808 = Rickhemanns Chronik = Zürch. Antiqu. Mitt. 6, 225. 1 4 8 ) R o c h h o l z 3 2 1 = P h i l o Magiologia (1675) 830. " • ) F o g e l Penns. 337 Nr. 1791/2. ,so ) ZfrheinVk. 1905, 1 8 1 . 1S>) W l i s l o c k i Volksglaube 1 1 9 . 1 6 2 ) S t e m p l i n g e r Volksmedizin 21. 1M ) W e i n r e i c h Heilungswunder 7 3 ! ; P a u l y W i s s o w a 1 1 , 2 1 5 9 . 1 M ) Z a c h a r i a e Kl. Sehr. 3 5 8 f. = ZfVk. 22 (1912), 130. l " ) W o l f Beiträge 1, 224 Nr. 270 = W u t t k e 3 5 2 Nr. 5 2 7 ; B u s c h Volksglaube 170. 1 M ) B o h n e n b e r g e r 2 ; E b e r h a r d t Landwirtschaft 5.

21. Das K.n der K i n d e r ist verschiedenen Einschränkungen unterworfen. Mancherorts k.t zuerst der Vater das Neugeborene 157 ); dieser schenkt dabei der Hebamme, die das Kind nach dem ersten Kindsbad zum K.e dargereicht hat, ein Geldstück 158 ). In Baden wird das Kind nach dem K. des Vaters der Mutter gegeben, die es k.t mit den Worten: „Werd' ein guter Christ" 1 5 9 ). In der Mark Brandenburg erhält die Mutter zuerst das Kind zum K.n 16°). Wenn das Neugeborene der Mutter gezeigt wird, k.t sie es dreimal 161 ). Ein Mädel darf der Vater nicht als erster k.n, sonst bekommt es einen Bart; k.t die Muter zuerst einen Knaben, so soll dieser bartlos und weibisch bleiben 162 ). Spaßigerweise sagt man im Schwäbischen: „Wenn ein großes Mädchen ein kleines Büblein k.t, so kriegt es einen Mädlebart" 143 ). Ein ungetauftes Kind gilt für unheimlich und ist noch mancherlei bösen Einflüssen ausgesetzt. Daher dar! man es nicht k.n, bevor es mit dem hl. ö l gesalbt ist 1 6 4 ). Schwangere Weiber können die heftigsten Zahnschmerzen stillen, wenn sie ein ungetauftes Kind k.n 165 ). Kinder, deren Stirn beim K.n salzig schmeckt (verhexte Kinder), sterben bald 16s ). Wenn die Gotte (Patin) das Kind aufnimmt, um es zur Taufe zu tragen, muß sie es k.n, dann zeigen sich später beim Lachen jene Grübchen, welche die Alten so gern sehen 167 ). Bevor das Kind die Stube verläßt, wird es allen Anwesenden zum

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K.n dargeboten, damit sie es im späteren Leben gern haben 168 ). Nach der Rückkehr wird der Täufling von allen gek.t, um ihm „langes Leben" einzuhauchen 169 ). Zur Tauffeierlichkeit kommen alle, das Kind zu „possen", d. i. k.n 17 °). Sonst wird vor dem K.n von Kindern, namentlich wenn sie noch im ersten Lebensjahr stehen, gewarnt, um sie vor verderblichen Einwirkungen zu bewahren 1 7 1 ). „Ein Kind boßt mer net aufs Maul, bis es gezahnt hot, oder's zahnt hert (hart)" 172 ). Kleine Kinder soll man nicht auf den Mund k.n, weil sie dabei lange nicht sprechen lernen 173 ). K.e auf die Füße verhindern das Wachsen 174 ). Eltern sollen ihre Lieblinge nicht auf den Hintern k.n, da diese ihnen später grob begegnen 175 ). Kinder unter sich, die noch nicht sprechen können, soll man nicht sich k.n lassen 178 ), sonst lernen es beide schwer und spät 177 ), oder keines von beiden lernt es 178 ), oder das Geküßte bleibt stumm 179 ) oder erlernt die Sprache nicht in der üblichen Zeit 18 °). Küssen sie sich trotzdem, dann wachsen sie nicht mehr, eines sogar muß sterben 181 ). Küßt eine Mutter ein totes Kind und sterben nachher die anderen Kinder, so liegt die Ursache in diesem K.e 182 ).

,S7 ) G r ü n e r Egerland 36; H ö h n Geburt 260; K o n d z i e l l a Volksepos 86 f. 1 5 8 ) J o h n Westböhmen 105. , 5 i ) M e y e r Baden 15. 1 6 °) Z f V k . 1 (1891), 183. " ' ) H ö h n 260. • " ) Urquell 5 (1894), 2 7 8 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 42 Nr. 56. 1W ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 404. 1 M ) ZföVk. 10 (1904), 97. 1 6 5 ) W l i s l o c k i Volksglaube 84. "•) Rochholz Kinderlied 280 Nr. 6 1 5 . 167 ) Ders. 295 Nr. 657 = M a n n h a r d t Germ. Myth. 6 3 5 ; R o t h e n b a c h Bern 1 3 Nr. 38 f. "«) ZfVk. 6 (1896), 254. "») Urquell 2 (1891), 21 ; l70 W l i s l o c k i Volksglaube 76. ) Drechsler 1, 198. m ) B a r t s c h 2, 42; Urquell 5 (1894), 17S 278 = S a r t o r i 1. 27. ) F o g e l Penns. 48 Nr. 116. 1 7 3 ) S c h r a m e k Böhmerwald 1 8 1 . 2 5 6 . 171 ) B a u e r Volksleben 228 Nr. 16. 1 7 S ) D r e c h s l e r 1, 2 1 5 . l 7 e ) G r i m m Myth. 3, 477 Nr. 1 1 2 7 ; S p i e s s Fränkisch-Henneberg 100: W i t z s c h e l 2, 249 Nr. 49; H i l l n e r Siebenbürgen 5 1 Nr. 7 ; ,77 A n d r e e Braunschweig 288. ) Grohmann 1 1 2 Nr. 837; S c h r a m e k 257; Z f V k . 1 3 (1903). 178 384. ) J o h n Westböhmen 109; B a r t s c h 17 2 , 5 1 Nr. 122. *) Urquell 1 (1890). 1 6 5 ; 5 180 (1894), 278; F i n d e r Vierlande 2, 32. ) W o l f 1 , 2 0 8 Nr. 46: Urquell a. a. O.; B a r t s c h 181 2 , 4 2 Nr. 5 7 ; W u t t k e 394 Nr. 604. ) John 182 Erzgebirge 54; G r i m m 3, 463 Nr. 8 3 1 . ) W o l f 1, 2 1 4 Nr. 133.

Kuß

22. V o r b e d e u t e n d e Eignung bleibt dem K. nicht versagt. Bei der Rückkehr der Braut vom Altar möchte jede Freundin die erste sein, die von ihr gek.t wird, weil sie dann bestimmt im Laufe eines Jahres unter die Haube kommt 183 ). In Niederösterreich ist es Sitte, daß heiratsfähige Mädchen an Allerseelen auf einen Kreuzweg gehen. Dort fragen sie den ersten jungen Mann, der ihnen begegnet, nach seinem Taufnamen, geben ihm einen K . und laufen eilig davon, denn sie wissen jetzt den Namen ihres zukünftigen Mannes 184 ). Am Andreastag wird eine Statue des Heiligen von den Mädchen, die sich einen Bräutigam erbitten, gek.t 1 8 s ). Wer am hl. Abend ein fremdes Mädchen k.t, der hat Vaterfreuden zu erwarten 186 ). In Mecklenburg wird am Silvesterabend von Personen verschie denen Geschlechts eine halbe Walnußschale mit einem brennenden Lichtlein darin in eine Schüssel mit Wasser gesetzt. Treiben die beiden Schalen gegeneinander, daß sie sich berühren (man sagt, sie k.n sich), dann kommen die jungen Leute zusammen m ) . Wenn sich die Bauern k.n, so sagt man, wird es regnen 188 ). Beißt einen die Nase, so bekommt man einen K. 1 8 9 ). Einen K. hat die Person zu erwarten, auf deren gefüllten Kaffeetasse Schaum schwimmt 190 ). In Schlesien heißt dieser Schaum auf Wein und Bier „Kussel", weil man am gleichen Tage noch einen K . oder ein Geschenk bekommt m ) . Setzt ein Mädel den Hut von einem Mann auf, so will sie einen K . m ) . Hat ein Mädchen zufällig irgendwo den Rockzipfel aufgestülpt, so hat es ein Mann gek.t 1 M ). Die Wäschenäherinnen versprechen sich für jedes Stechen mit der Nadel einen K . 1 M ) , oder die Trägerin des Kleides erhält darin einen solchen 195 ). Sticht sich ein Herr an seiner Krawattennadel, so wird ihn seine Geliebte mit einem K . beglücken 198 ). ,83 ) Drechsler 1,262. l M ) Reinsberg Fest jahr 3 3 1 ; Vernaleken Alpensagen 124. 18S ) Philipp Ermland 147. I M ) John Erzgebirge 153. 187 ) B a r t s c h 2, 239 Nr. 1239 b. 188 ) Rogasener Familienblatt 3 (1899), 40 Nr. 2. l 8 ') Fogel Penns. 96 Nr. 390. 1*°) F i n d e r 2, 220. m ) D r e c h s l e r 2, 1 1 . 1 M ) Fogel Penns. 376 Nr. 2018. 193 )

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Zingerle 11 Nr. 97. , M ) J o h n Erzgebirge 94; Andree Braunschweig 405; ZiVk. 1 (1891), 189 Nr. 24. 1 , s ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 414; J o h n Westböhmen 250; S t r a c k e r j a n 1, 37 Nr. 27; Finder 1, 2, 221 = W u t t k e 220 1M Nr. 3 1 1 . ) Alemannia 33 (1905), 302.

23. An b e s t i m m t e n T a g e n werden alte K.rechte ausgeübt. Am Dreikönigstag überreicht in Golmuthausen die „Kitzjungfer" nach der Bewirtung anläßlich der Pachtzahlung einen aufgeputzten Baum dem Amtmann, und jede Frau und jedes Mädchen muß dem Amtmann hernach einen K . geben 197 ). Am Aschermittwoch springen zwei ledige Burschen in Munderkingen in einen Brunnen. Wenn sie wieder heraussteigen, rennen sie unter die Menge, machen sie naß und k.n einige Mädchen (Fruchtbarkeitsritus)198). Das Mädchen, das im Frühling die erste Patenrebe findet, hat das Recht, den ersten ihm entgegenkommenden Mann zu k.n 199 ). In der Gründonnerstagsnacht begeben sich manche Leute auf einen ölberg und geben einander den „Judask." 20°). In England wird am Ostermontag und -dienstag jemand in einem Lehnstuhl oder auf den Armen emporgehoben in drei unterschiedlichen Absätzen, worauf der Gehobene von den Hebenden gek.t wird und diesen ein Geschenk zu machen hat 2 0 1 ). Die Reine de Mai dankt mit einem K . für die dargebrachte Gabe 202). Unter „Küssetanz, Kissentanz" (s. d.) versteht man einen Tanz bei Erntefesten (Kerben, Kilben), zuweilen auch den Kehraus bei Hochzeiten 203). Die tanzenden Paare machen während des Tanzes vor einander Verbeugungen; vertraute Paare k.n sich, statt sich zu verbeugen, was früher allgemein üblich war 204). In Baden tanzt das Mädchen mit einem Tragkissen auf den Burschen zu und gibt es ihm. Im Elsaß kniet das Mädchen auf das Kissen nieder und wird gek.t 20S ). Das Kissen scheint aus sprachlichem Mißverständnis in den Tanz aufgenommen worden zu sein, der elsässische Brauch scheint noch das Ursprüngliche zu zeigen. Bekannt ist der englische Brauch des Mistelk.es, wonach jedes Mädchen, das man unter dem aufgehängten Mistelzweig

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Küster—Kylikomantie

antrifft, sieh k.n lassen muß. Statt des Mistelzweiges werden auch in der Küche zwei Reifen, die mit Immergrün, Äpfeln und Orangen geschmückt sind, aufgehängt. Dies ist der „kissing bush"; nachts wird ein brennendes Licht hineingesetzt 206). In der Spinnstube nehmen sich die Burschen das Recht heraus, die wegen eines geringen Verstoßes weggenommene Kunkel den Spinnerinnen gegen einen K. auszulösen 207). Im Arader Komitat wird am 15. März jeden Jahres der „Kußmarkt" abgehalten. An diesem Tage ist es allen Mädchen und Frauen gestattet, nach freier Wahl fremde Männer zu k.n (scheint eine Spur sakraler Prostitution zu sein) 208). Zu Megara feierte man zu Beginn des Frühlings die Diokleiadurch einen Wettkampf der Jünglinge im K.n 209). "') Witzschel 2, 182 f. = S a r t o r i 3, 74 198 ) B i r l i n g e r Anm. 8. Volksth. 2, 30 ff. = S a r t o r i 3, 106 Anm. 67. 189 ) M ü l l e r Siebenbürgen 172. 20°) R o s e g g e r Steiermark (1. Aufl.) 2 , 4 1 . 201 ) R e i n s b e r g Fest jahr 118. 202) M a n n 203) P f a n n e n s c h m i d h a r d t 1,346. Erntefeste 581. 204) D e r s . 582. Scheint auch in England bekannt gewesen zu sein. In einem alten Schauspiel von 1C04 wird ein Tanz genannt: John, come kiss me now. 205) M e y e r Baden 208) M a n n h a r d t 304. i , 249; N o r k Fest2 0 ') kalender 2, 1003 f . = S a r t o r i 3, 37 f. M e y e r Baden 175. 208) A R w . 17, 342 f. i0») L i c h t Griechische Sittengeschichte 1, 116. Karle.

Küstet

(in

der evangelischen, Meß-

ner = M. in der katholischen Kirche) ist der beamtete Aufseher über die kirchlichen Gebäude und gottesdienstlichen Geräte und Helfer beim Gottesdienst. Hierbei wird er unterstützt von den Ministranten. Das Amt wird meist in der Famüie weiter vererbt. Die Benützung eines von der Pfarrgemeinde beigestellten Grundes bildet einen Teil seiner Entlohnung. Für die Pfarrgemeinde besorgte er das Wetterläuten (s. Wetterläuten). Dafür wurde er mit der M.garbe entlohnt. Diese war die letzte von einer bestimmten Anzahl von Kornschobern, welche bei der Ernte zurückgelassen und vom M. eingesammelt wurde. Sie ist heute meist mit Geld abgelöst (Baden 1 ), Oberes Mühlviertel2) und sonst). Wegen der Besorgimg des Wetterläutens und weil auch dem Priester der Wetterzauber zugeschrieben wird (s. Geistlicher 3, 561 ff.,

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Priester, Wetterzauber) mag auch der M. als sein Gehilfe manchmal alsWettermacher angesehen worden sein, so der in der Meransen (Tirol). Er legte dem Priester etwas, unter das Meßtuch, stahl von dem Taufwasser und trieb allerlei abergläubisches Zeug in der Kirche und Sakristei. Während des Gewitters, das er selbst gemacht hatte, ließ er seine Magd auf eine Korntruhe schlagen, wodurch sich diese füllte 8 ). Begreiflich ist es, daß der M. bei der Geistermesse beteiligt ist (s. 3, 536 ff.). Er wird aufgefordert, um Mitternacht einem Priester zu ministrieren, er soll aber den Kopf nicht wenden und bei der heiligen Wandlung nicht das Meßgewand in die Höhe heben 4). K. und Pfarrer gehören enge zusammen; sterben sie gemeinsam, so folgen bald mehrere nach 5). Wer am Morgen zuerst dem K. begegnet, stirbt bald 6 ). K. Regen ankündigend: mäht er den Friedhof, kommt bald Regen 7 ). M e y e r Baden 125. 2 ) Mündl. s ) H e y l Tirol 664 Nr. 141. 4) S e b i l l o t Folk-Lore 4 , 1 7 5 . 178. s) W e t t s t e i n 6) E b d . Disentis 173 Nr. 17. Nr. 14. ') W u t t k e 212 § 296. Jungwirth.

Kuttelfisch s. T i n t e n f i s c h . Kyathomantie, Wahrsagung vermittelst eines Bechers (gr. xuaöo?). Gelehrte Bezeichnung für die mit der Hydro-, Gastround Lekanomantie (s. d.) verwandte Becherwahrsagung, vorzugsweise angewendet für die durch 1. Mose 44, 5 bezeugte Zukunftdeutung Josephs mit Hilfe eines silbernen Bechers 1 ). ') F a b r i c i u s Bibliogr. antiquaria (1760) 599, unter Verweisung auf N a u d 6 Apologie (1679) 172 f. und verschiedene Exegeten zu der angeführten Stelle der Genesis. Auch die bei antiken Trinkgelagen übliche Geschicklichkeitsprobe des Kottabismos wird von F a b r i c i u s a . a . O . 608 willkürlicherweise als „divinatio ex poculis" zur K . gezählt. Boehm.

Kybomantie s. W ü r f e l o r a k e l .

Kyffhäuser s. N a c h t r a g . Kyklomantie s. Z i r k e l w a h r s a g u n g . Kylikomantie, Wahrsagung vermittelst eines Bechers (gr. xüXi?). Vereinzelt auftretende Bezeichnungx) für die sonst Lekano-, Kyatho-, Gastromantie u. ä. genannte Unterform der Hydromantie (s. d.). C a s p a r i Homilia (1886) 20. 24, als Benennung des in der behandelten pseudoaugustinischen Predigt (§ 9) verbotenen „ c u m orcios ( = urceis) divinare". Boehm.

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Labkraut (echtes L., Liebfrauen-, Marienbettstroh, Muttergottes-, Unser Frauen-Bettstroh; Galium verum). 1. B o t a n i s c h e s . Der schwach vierkantige Stengel trägt mehrere Quirle von steifen, schmal linealen, auf der Oberseite glänzend grünen Blättern. Die kleinen, sternförmigen, zitronengelben, n a c h Honig duftenden Blüten stehen in reichen Rispen an den Stengelspitzen. D a s echte L . ist häufig an trockenen Rainen, an Wegrändern usw. 1 ). Andere L.-Arten wie das weißblühende gemeine L . (G. mollugo) spielen im Volksglauben keine nennenswerte Rolle. *) M a r z e l l Kräuterbuch 269.

2. Die (besonders im westlichen Deutschland) gebräuchlichen Namen Liebfrauen-, Marienbettstroh usw. (s. o.) beziehen sich wohl darauf, daß man die wohlriechende Pflanze den gebärenden Frauen ins Lagerstroh legte, vielleicht u m sie vor bösem Zauber z u bewahren 2 ). H ö f l e r 3 ) sieht hier eine Parallele mit dem antiken xvswpov (vielleicht Daphne gnidium) und dem ayvot (Keuschlamm; V i t e x agnus castus), das sich bei den Thesmophorien die Frauen „ z u r Reinig u n g ihrer Genitalien und als Lagerstroh zu Fruchtbarkeitszwecken" unterlegten. Ähnlich wie einst das L . werden noch jetzt in Unterfranken der gebärenden F r a u (die ebenfalls g e l b blühenden!) Strohblumen (s. d.) ins Kissen (Rudiment für das Lagerstroh!) gelegt. Ein altes Rezeptbüchlein schreibt, d a ß aus dem L . ein T r u n k bereitet wird, u m die Nachwehen der „ k i n d e n d e n " Frauen z u heilen 4 ). A u c h den Kindern wurde das L . „wider Zauberei" in die Wiege gelegt 5 ). N a c h B o c k 6 ) baden die Weiber die Kinder in einem A b s u d von L . gegen „ M ä g e r e i " 7 ) , wohl zunächst ein antidämonisches Mittel (s. B e r u f k r a u t ) . Noch deutlicher geht dies daraus hervor, d a ß der ausgepreßte S a f t des L . s gegen Konvulsionen und Epilepsie (typische dämonistische Krankheiten!) der Kinder verwendet wurde 8 ). Vielleicht hat auch der aus Ostpreußen berichtete Brauch, B ä c b t o I d ' S t ä u b l i » Aberglaube V

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Labkraut

die Milchgefäße mit L.-Absud auszukochen 9 ), ursprünglich einen apotropäischen Hintergrund (daß die Milch nicht verhext wird!), s. Gundermann. Der Indiculus superstitionum der Synode von Liftinae (743 n. Chr.) spricht „ D e petendo ( = petenstro?, Bettstroh), quod boni vocant sanctae Mariae" 10 ). Das L . ist auch ein häufiger Bestandteil der an Mariae Himmelfahrt geweihten K r ä u terbüschel (s. d.). N a c h der christlichen Legende bettete die Muttergottes in der Krippe das göttliche K i n d auf das Stroh des L.s, denn nur solches ließ der Esel u n b e r ü h r t u ) . In England (Lincolnshire) erzählt man, d a ß die Pflanze „ l a d y ' s bedstraw" früher unbedeutende weiße Blüten gehabt habe, als aber der Stall, in dem der Heiland geboren wurde, mit der Pflanze bestreut wurde, habe sie lange Zweige voll goldener Blümchen bekommen18). Die Bezeichnung „Marienbettstroh" u. ä. findet sich auch in anderen germanischen Sprachen so ndl. OnzeLieve-Vrouwebedstroo 1 3 ), engl. L a d y ' s B e d s t r a w 1 4 ) , schwed. Jungfru Maria sänghalm, dän. Jomfru Marias sengehalm 1 S ). Übrigens führen auch andere „Frauenkräuter" den Namen „Marienbettstroh", so das H a r t h e u , der Q u e n d e l und (in Hessen-Nassau) das W e i d e n r ö s c h e n 1B ), s. d. Höilei Krankheitsnamen 695. s ) Botanik 117. R o c h h o l z Sagen 1, 340 = R o c h h o l z Glaube 2, 101 — P l o ß Weib' 2, 280. 5 ) S c h r o e d e r Apotheke 929; Z i n c k e Oeconom. Lexikon 2 (1744), 3093; jetzt noch wird, .Mariabettstroh" [ob unsere Pflanze ?] den Kindern in die Wiege gelegt: Orig.-Mitt. von S t ä b l e i n 1908. •) Kreuterbuch 1 (1539), I46f. 7 ) Abmagerung, vgl. H ö i l e r Krankheitsnamen 386; daher auch „Megerkraut" genannt. 8 ) O s l a n d e r Volksarzneymittel 1838, 235. •) F r i s c h b i e r Preuß. Wb. 2, 527. 10 ) W i d l a k Synode v. Liftinae 28; S a u p e Indiculus 23. 1 1 ) Schlesien: H ö f e r u. K r o n f e l d Volksnam. d. niederösterr. Pflanzen 1889, 69. l 2 ) D ä h n h a r d t Natursagen 2, 18. M ) H e u k e l s Woordenboek 1907,109. " ) B r i t t e n a n d H o l l a n d Plantnames 31. 1 5 ) J e n s s e n - T u s c h Nordiske Plantenavne 1867, 97 f.; vgl. F e i l b e r g Ordbog 2, 558. " ) Hessenland 4)

2)

33 (1919). 473. I n Siebenbürgen heißt das echte L . „Gebonnesblom". Allen, die den N a m e n 28

868

laichen

867

J o h a n n e s haben, bindet man aus diesen Blumen (an Johanni) Kränze und wirft diese aufs Dach. Fällt der Kranz herab, so stirbt der betreffende im Lauf des Jahres " ) . Der Brauch scheint slavischer Herkunft zu sein, denn bei den Slovenen, Serben und Bulgaren spielt das L. an Johanni eine große Rolle 1 8 ), vgl. auch den slovenischen Namen „ivanova trava" (Johanniskraut) 19 ). Auch in Finnland bestreut man an Johanni mit dem echten L. den Boden 20 ). 17

) S c h u l l e r u s Pflanzen 390. 18 ) ZföVk. 1 1 , 123. " ) S u l e k Jugoslav. Imen. Bilja 1879, 520. 20) Atradpop. 9, 353.

4. In der Nürnberger Gegend soll (erscheint mir [Marzell] sehr zweifelhaft!) noch in neuerer Zeit bei fieberhaften K r a n k h e i t e n ein Bündel von „Liebfrauenstroh" (möglicherweise ist hier jedoch das Hartheu gemeint) an das Kopfende ins Bett gehängt worden sein, und der Kranke mußte beim Niederlegen sagen: Heil sei dir du heilig Kraut Hilf uns zum Gesunden, Auf dem ölberg wurdest du Allererst gefunden. Du bist gut für manches Weh, Heilest manche Wunden. Bei der Jungfrau heil'gem Strauß Lasse uns gesunden 21 ).

Mit einem inhaltlich ähnlichen Spruch wurde in England das E i s e n k r a u t (s. d.) angerufen 22). Wenn man das echte L. in einer Gaststube auf den Ofen legt oder einem Gaste auf den Stuhl legt, so werden die Gäste miteinander in Streit geraten, wenn das Kraut warm geworden ist, daher soll auch der dän. Name „klammerurt" ( = Zankkraut) für das L. herrühren 23). Vielleicht gehört auch der Volksname „Hadderkraut'* (Haderkraut) für das L. hierher24). Der Glaube wäre erklärlich, wenn das erwärmte L. narkotisch wirkende Dämpfe entwickelte, ähnlich wie die auf den Ofen gestreuten Bilsenkrautsamen 2S ), was jedoch sicher nicht der Fall ist. Auch vom T e u f e l s a b b i ß (s. d.) berichtet die „Chemnitzer Rockenphilosophie", daß die unter den Tisch geworfene Pflanze Zank unter den Gästen hervorruft 28 ). In einem Märchen

(wohl Kunstmärchen) läßt sich ein König am Rhein aus dem „Liebfrauenbettstroh" einen Unsterblichkeitstrank machen 27).

21 ) S t e r n e Sommerblumen 1884,196. 22 ) E b e r m a n n Blutsegen 41. 2S ) P a u l i Quadripartitum Botanicum 1667, 3 1 5 ; S c h r o e d e r Apotheke 929, M o n t a n u s Volksfeste 140. M ) F r i s c h b i e r PreußWb. 2, 527. 2S ) M a r z e l l Heilpflanzen 167. 2 2 *) G r i m m Myth. 3, 449. ') M o n t a n u s Volksfeste 40; Zeitschr. d. hist. Ver. f. Niedersachsen 1865, 91. Marzell.

lachen.

1. Leben. 2. Tod. Trauer. 3. Erlösung. 4. Schöpfung. 5. Rosenlachen. 6. Aussaat. 7. Wetter. Einzug. 8. Geister machtlos. 9. Geister lachen nicht. 10. Kinderspiel. 11. Tote. 12. Sterbende. Paradies. 13. Sardonisches Lachen. 14. Wirkung. Erreger. 15. Heilige. 16. Kinder. 17. Anzeichen. 18. Orakel. 19. Entdeckter Täter. 20. Verbote. 21. Unwirksam. 22. Teuflisches Gelächter. 23. Strafe. 24. Verschiedenes.

1. Lachen als Äußerung der L e b e n s lust kann den Bann des Todes brechen und Leben bewirken J ). In Westböhmen sollen am Pfingstsonntag Mädchen und Burschen auf dem Weg zur Kirche laufen und scherzen, damit das Vieh recht munter bleibt 2 ). Die Christen, die in der Fastenzeit und an den letzten Tagen der Karwoche Anteil nahmen am Leiden und Sterben des Herrn, wurden am Auferstehungstage mit dem Ostermärlein erfreut. Im MA. und auch noch vereinzelt in neuerer Zeit herrschte beim Ostergottesdienst die Gepflogenheit, daß der Prediger von der Kanzel herab ein heiteres „Ostermärlein" erzählte, wodurch die Gläubigen zum „ O s t e r g e l ä c h t e r " (Risus Paschalis) angeregt wurden 3 ). Wer in Steiermark bei der Erzählung des Ostermärleins so viel lacht, daß ihm die Tränen in die Augen kommen, der hat eine arme Seele erlöst 4 ). Es mag nicht unerwähnt bleiben, daß im Kult der Magna Mater am 25. März die Hilaria gefeiert wurden; ein orgiastisches Freudenfest bildete den Höhepunkt der Feier, nachdem maßloser Schmerz um den Tod des Attis vorausgegangen war 8 ). 1 ) F e h r l e Das Lachen im Glauben der Völker = ZfVk. N. F. 2 (1930), 1 fl. 2 ) J o h n West3 böhmen 208. ) L i p p e r t Christentum 419; B r o n n e r Sitt' u. Art 139; Hagelstange Süddeutsches Bauernleben im MA. 226 f.; T r e d e

86p

lachen

Heidentum 4, 124 = S a r t o r i Sitte 3, 167; J e r e m i a s Das Alte Testament im Lichte des Orients 677; S c h m i d De risu Paschali. Diss. Rostock 1847. 4) R o s e g g e r Steiermark1 2, 48, 5) W i s s o w a Religion 321.

2. Es dürfte nicht richtig sein, wenn man die aufkommende Fröhlichkeit beim Leichenschmaus der ländlichen Gegenden als Impietät gegen den Toten auffaßte. Das Fröhlichsein ist ein Anrecht der Lebenden und zugleich eine A b w e h r d e m T o d e gegenüber. Daher spielt die Musikkapelle bei der Rückkehr vom Kirchhof einen lustigen Marsch. Im Ma. trieben bei der Totenfeier Lustigmacher ihre Scherze in der Vorhalle, und Weiber tanzten 4 ). In Sardinien war es bis ins 19. Jh. hinein Sitte, daß beim Wegtragen der Bahre eine Spaßmacherin die Frauen zum Lachen bringen mußte 7 ). Lachen, das die Macht des Todes bricht, ist ein Symbol des Lebens. Wenn die archaische Kunst in ihrer Unbeholfenheit den Statuen den Ausdruck der Belebtheit geben wollte, so erreichte sie das mit dem Lächeln in den Gesichtszügen der Dargestellten 8). Beim Frühlingsfest der Luperealien wurde eine symbolische Tötung und Wiederbelebung vollzogen. Mit einem Messer, das in Opferblut getaucht war, wurde die Stirne von zwei Jünglingen berührt; darauf wurde das Blut mit Wolle, die in Milch gelegt war, abgewischt; dabei mußten die Jünglinge auflachen, was die Rückkehr zum Leben versinnbildlichte 9 ). Wer um Tote trauert, wird durch L. dem Leben wiedergegeben. Demeter, die um die geraubte Persephone untröstlich (cqeXaatoi) ist, wird durch die primitiv-derben Späße und Künste der Baubo zum L. gebracht 10 ). Auch in der germanischen Mythologie findet sich ein ähnliches Beispiel von Aufheiterung. Skadi, ein unheimliches Wesen in den Bergen Norwegens, trauert um ihren erschlagenen Vater. Unter anderm stellt sie die Forderung, man solle sie zum L. bringen. Da verknüpft Loki den Bart einer Ziege mit seinen Hoden durch eine Schnur, und während Loki und die Ziege hin- und herziehen, schneidet er solche Grimassen und wirft sich endlich in den Schoß der Skadi, daß diese laut auflachen

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muß u ) . In einem sardinischen Märchen bringt ein Frosch die schmerzhafte Muttergottes zum L. durch seine drollige Erzählung l z ).

•) L i p p e r t 419. ') F e h r l e 3. •) S i t t l Gebärden 344. •) P l u t a r c h Romulus 21; M a n n h a r d t Forschungen 75. 99; ARw. 13 (1910), 498. 501; W i s s o w a Religion 210; E i t r e m Opferritus 53. 440 = F e h r l e 3. l0) R o s c h e r Lex. 1, 753, vgl. die Version mit Jambe 2, 12; U s e n e r Kl. Sehr. 4, 470; D i e t e r i c h Kl. Sehr. 127; ARw. 12 (1909), 285 ff. n ) Snorra Edda 1, 212 f. = H o o p s Reallex. 4, 186 = F e h r l e 1; S i m r o c k Mythologie 320. ia ) Usener Kl. Sehr. 4, 470; F e h r l e 3.

3. Eine Prinzessin, welche von einer Hexe in eine Maus (s. d.) verwandelt war, kann e r l ö s t werden, wenn man ihre Schwester, die immer traurig ist, zum L. stimmen kann 1 S ). Der schönen Lau im Blautopf von Blaubeuren war von ihrer Schwiegermutter geweissagt worden, sie vermöge nicht eher eines lebenden Kindes zu genesen, als bis sie fünfmal von Herzen gelacht haben würde M ). ») S ö b i l l o t Folk-Lore 3, 53. " ) M ö r i k e Stuttgarter Hutzelmännlein. Nach S i b i l l o t 2, 294 berichtet ein Pfarrer, er habe in eine Quelle Brotkrumen und Stecknadeln für die Fee hineingeworfen, welche dann vortrefflich gelacht habe.

4. Durch L. kommt die S c h ö p f u n g zustande. In einem griechisch-ägyptischen Weltschöpfungstraktat steht: „Siebenmal lachte Gott, und auf sein L. wurden die sieben weltumfassenden Götter geboren. Beim siebenten Male lachte er Freudentränen, und geboren ward Psyche 1 S ). 15) D i e t e r i c h Abraxas i6ff. 24. 28f.; vgl. R e i t z e n s t e i n Die Göttin Psyche S.B. d. Heidelbg. Akad. (1917) 10, 30; N o r d e n Geburt 66.

5. Im Märchen hat der Held die Macht, durch L. die Blumen zum Blühen zu bringen 16 ). In Heinrichs von Neuenstadt ApoÜonius von Tyrus, der um 1400 gedichtet worden ist, heißt es Z. 182: „ W ä sach man rösen l a c h e n ? " , und dann wird ein Märchen erzählt, in dem ein Rosenlachender auftritt: „der lachet, daz es vol rösen was / perg und tal, laub und gras". Ein niederländisches Sprichwort lautet: „als hy lacht, dan sneuwt het rozen" 17 ). Im Pentamerone erhält 28*

8;x

lachen

Marziella von einer Alten am Brunnen die Gabe, daß ihr Rosen und Jasmin aus dem Munde fallen, wenn sie lacht 18 ). Auch nach einem neugriechischen Liede fallen, wenn eine reizende Jungfrau lacht, Rosen in ihre Schürze 19 ). Auf das Rosenlachen weisen heute noch die Eigennamen Rosenlacher, Rosenlächner, Rosenlechler hin 20).

ie ) Bergsträsser Neuaramäische Märchen 27f.; Wesselski Märchen des MA. 186 = Fehrle 2. 17 ) Grimm Myth. 2, 921 f.; 3, 318; Hannhardt Germ. Myth. 439 Anm. 2. 18 ) 20 Ders. 431. " ) Grimm Myth. 2, 921. ) Ebd. u. DWb. 8, 1209; Schönwerth 3, 315.

6. In der Gegend von Mosbach soll die Frau 1. beim Pflanzen der Petersilie, sonst geht der „Peterling" nicht auf; wenn er aber nicht aufgeht, dann stirbt jemand im Haus 21 ). Hier ist die Beziehung der Petersilie zum menschlichen Leben klar ausgesprochen: Lachen bedeutet Leben, daher geht die Pflanze auf, wenn man lacht. Durch die sympathische Verbundenheit mit der Pflanze stirbt man, wenn diese eingeht22). In ähnlicher Weise singen und 1. die Russen beim Flachsrupfen, sonst verdirbt er beim Rösten; auch beim Flachsbrechen muß gescherzt werden 23 ). In Oldenburg dagegen soll man bei der Aussaat nicht 1., sondern lieber weinen24). Diese Vorschrift geht auf die Einwirkung der Psalmstelle 126, 5 f. zurück: „Die unter Tränen säen, werden mit Freude ernten. Unter Tränen streuten sie den Samen aus" 25 ).

21 ) Meyer Baden 423 = W u t t k e 425 Nr. 666; Sartori 2, 65, vgl. E b e r h a r d t Landwirtschaft 3. 22 ) Fehrle Baden i, 63; BayHfte. 1 (1914), 200 f. 23 ) Mühlhause byt. S t r a c k e r j a n 2, 125 Nr. 360; 2, 181 Nr. 417 = W u t t k e 419 Nr. 653 = Sartori 2, 65. *•) ARw. 28, 251.

7. Wenn L. in übertragener Bedeutung vorzugsweise der Sonne zugeschrieben wird 26 ), dann ist es erklärlich, daß die Wäscherin, will sie gut W e t t e r zum Trocknen und zum Bleichen haben, zuerst dreimal in eine Unterhose hineinlachen muß 27 ). In Schlesien begrüßt man beim Beziehen eines neuen Heims den Hausgeist, wenn man in das Ofenloch hineinlacht2i). Vielleicht befördert das

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L. das schnelle Eingewöhnen29). Mit mehr Wahrscheinlichkeit aber scheint hier das L. einen zurückdrängenden Sinn zu haben. Durch das L. gibt man dem Hausgeist deutlich zu verstehen, er solle sich auf sein eigenstes Gebiet, auf den Ofen, beschränken und nicht mehr wie bisher das ganze Haus beherrschen, da Lebende das Haus in Besitz genommen haben 30). 2 «) DWb. 6. 16. 27 ) J o h n Erzgebirge 38. ) MschlesVk. 10 (1908), 13. 2») Drechsler 2, 2; Peuckert Schlesien 47. 30) Vgl. Seligmann 2, 200. 28

8. L. bricht Z w a n g und Macht. Im 39. Märchen der Brüder Grimm wird erzählt: „Einer Mutter war ihr Kind von den Wichtelmännern aus der Wiege geholt worden und dafür ein Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Augen hineingelegt, der nichts als essen und trinken wollte. In ihrer Not ging sie zu ihrer Nachbarin und fragte sie um Rat. Die Nachbarin sagte, sie solle den Wechselbalg in die Küche tragen, auf den Herd setzen, Feuer anmachen und in zwei Eierschalen Wasser kochen. Das bringe den Wechselbalg zum Lachen, und wenn er lache, dann sei es aus mit ihm. Die Frau tat alles, wie die Nachbarin gesagt hatte. Wie sie die Eierschalen über das Feuer setzte, sprach der Klotzkopf: ,Nun bin ich so alt wie der Westerwald und hab' nicht gesehen, daß jemand in Schalen kocht', und fing an, darüber zu 1. Indem er lachte, kam auf einmal eine Menge von Wichtelmännern, die brachten das, rechte Kind, setzten es auf den Herd und nahmen den Wechselbalg wieder fort" 3 1 ). Eine andere Version des Motivs ist folgende: „Eine Frau worfelte das gedroschene Korn, da saßen die beiden Knaben dabei. Da fing der eine plötzlich an zu 1. .Worüber lachst du?', fragte die Frau. ,Ach', sagte das Kind, ,da kam eben mein Vater herein und holte sich eine halbe Tonne Roggen, und als er wieder hinausging, fiel er und brach das Bein.' Da sprach das Weib: ,Du bist es, nun geh, wo du hergekommen bist!' Damit nahm sie den Knaben und warf ihn durchs Fenster der Tenne hinaus, und

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lachen

sie sah nachher weder ihn noch seinen Vater wieder. Man muß übrigens die Tenne nicht gegen die Sonne, sondern mit der Sonne fegen, sonst stehlen die .Unterirdischen' das Korn, und damit hatte es wohl die Frau versehen" S2). Ähnlich geht es mit einer „Seligen" aus. „Eine Selige diente als Dirn. Während sie nun in der Kirche war, stellte die Bäuerin auf dem Herd herum Eierschalen auf. Wie nun die Selige vom Amt heimkommt und die Eierschalen gewahrt, da lachte sie und sagte: ,1 woaß die weiße Wand / wie a Kinderhand, den Schlearn / wie an Nußkearn, den Karerwald / neunmal Wies und Wald, aber so viel Hafelen auf dem Herd hab ich mein Lebtag nicht gesehen*. Darauf verschwand sie für immer" 33). 3l) F e h r l e 3; M ü l l e r Siebenbürgen 31; S i m r o c k Mythologie 435; D r e c h s l e r 1, 187; W u t t k e 384 Nr. 585; L i e b r e c h t Gervasius 1 3 1 ; M a a O Mistral 22. 3J ) M ü l l e n h o f f Sagen 314 Nr. 425, 3. 33) H e y l Tirol 406 Nr. 92.

9. Kobolde und Selige dürfen als Angehörige des Geisterreichs n i c h t 1. Durch das L. wird man Mensch, das L. ist ein symbolischer Zug für das Eingehen der Seele in menschliches Wesen, in menschliche Gebärde und Empfindung M ). Ausdrücklich bezeugt die Sage, daß die Gesellschaft der Frau Holda im Venusberg nicht 1. darf 3 5 ). Damit mag auch zusammenhängen, daß auch in der Hölle jedes Lachen aufhören muß 3S). In der Mark muß ein mit Blumengirlanden behangener Pferdejunge, der das geschmückte Pfingstroß besteigt, während des Umzugs strengen Ernst bewahren, obwohl man alles vornimmt, um ihn zum L. zu verleiten 3 '). Weil der Junge den Vegetationsgeist darstellt, muß er sich nach Geisterbrauch des L.s enthalten 38 ). Auch ein grimmer Riese muß sich vor dem L. hüten, da es sonst um ihn geschehen ist. Doch ein Zwerg bringt ihn durch sein l.erregendes Seiltanzen zu Fall 3 9 ). 31 ) 3S ) M a n n h a r d t Germ. Myth. 309. ZfdMyth. 1, 275. 3«) Vgl. D W b . 6, 21: „ W e n n ich ohne Straf u. Gefahr in der Hölle 1. könnte". 37 ) G r i m m Myth. 2, 656 Anm. 2 = K u h n Mark. Sagen 327f. 38) M a n n h a r d t 1, 384.

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Wenn bei der Hochzeit dem jungen Manne das Gewerbe, dem er obliegt, von Vermummten in absichtlich ungeschickter Weise vorgeführt wird, damit er lache ( S a r t o r i i , 84), so gehört das lediglich zu den Hochzeitsneckereien. 38) D a u t h e n d e y Akeleis Reise. Kempten 1922, 81 ff.

10. Der Glaube, daß L. bzw. Nichtl. einen Geist verrät, läßt sich noch im K i n d e r s p i e l nachweisen. Trotz der christlichen Verbrämung kann man unschwer erkennen, wie der Kobold am Lachen sich enthüllt. Bei einem Kinderspiel in Tübingen nimmt die Mutter die Kinder bei der Hand und führt sie im Kreise herum, indem sie spricht: „Guck übersehe und lach nit, wer lacht, der isch e Teufele, wer nit lacht, isch en Engele". Lacht dann eines aus der Reihe, so ist es das Teufele 40 ). Anderwärts muß das Kind dreimal, ohne zu 1., über einen Strich springen 41 ). Unwesentlich bleibt es, wenn das Spiel soweit verblaßt ist, daß das lachende Kind als gekauft gilt 42) oder nur ein Pfand zu geben hat, wenn es beim Kitzeln lacht 4 3 ). 10 )

M a n n h a r d t Germ. Myth. 275 f. 282. M ü l l e n h o f f Sagen 487 Nr. 7; M a n n h a r d t 280. 309. *') D e r s . 278. l 3 ) R o c h h o l z Kinderlied 430 Nr. 50. 41 )

11. Die nordeuropäische Sage spricht den T o t e n , auch wenn sie den Menschen erscheinen, die Fähigkeit zu 1. ab, und wer Geistererscheinungen gehabt hat oder sonst mit ihnen in Berührung gekommen ist, soll nie wieder 1. können 44 ). Mancher, der einen Geist im Ranzen wegtrug, hat das L. verlernt, siecht dahin und stirbt bald 46 ). Eine vom Freiburger Kirchhof heimgekehrte Scheintote lebte noch sieben Jahre, sprach aber wenig und lachte nie mehr 46 ). Schon Caesarius von Heisterbach schreibt: „De resurgentibus dicitur, quod ridere non soleant" 47). In dem alten Gedicht von Ulrich von Württemberg heißt es von einer geisterhaften Frau, die ihm erscheint: „Der Ritter sah die Frau an, vil ser er zweifeln began, ob si icht 1. wolte, des si nicht tuen wolte" 4 S ). Unheimlich muß es der Volksanschauung vorkommen, wenn ein Toter die Augen offen hält und lächelt. Damit zeigt er an, daß er dem Leben

lachen

875

noch nicht gänzlich abgeschieden ist und vermöge dieser Lebenskraft nochmals zurückkehren kann, um jemand aus dem Hause nach sich zu ziehen49). **) M a n n h a r d t Urner

Sagen

Forschungen

2, 178 N r . 654.

99;

46

)

Müller Kühnau

Sagen 1, 444 f . ; P a n z e r Beitrag 2, 139; S c h ö n w e r t h 3, 115. 4S ) B a a d e r N. Sagen 36 Nr. 50. 47)

Dialogus x, 32.

99 f.

4

48

Forschungen

) Mannhardt

*) W o l f Beiträge 1, 214 Nr. 129; L a m -

m e r t 106; S t r a c k e r j a n 1, 32 Nr. 19; 2, 181 Nr.

417; R o c h h o l z

2, 188 (Südslaven); i, 132 Anm. 2.

Glaube

1,

14, 21 f.

196; ZfVk.

=

Sartori

12. Lächeln beim Eintritt des Todes drückt Einverständnis mit dem Tode aus. Wenn der Mensch beim Sterben ruhig lacht, so ist seiner Seele gute Aufnahme im Jenseits beschieden®0). Dem Streiche des Todes mit unverwandtem Auge entgegensehen, unter dem Biß der Natter lachend sterben, sind Züge altnordischen Heldenmuts61). Der Schlußvers in Ragnar Lodhbröks Sterbelied heißt: „Mit lachenden Lippen erleide ich den Tod" 62). Nach armenischer Vorstellung erhält der sterbende Gerechte von einem guten Engel einen Apfel und einen Blumenstrauß; dann stirbt er ohne Qualen, sprechend und lachend 53). Der Eintritt ins P a r a d i e s eröffnet sich dem Lachenden. Eine Mauer umgibt das Paradies. Hat man diese erstiegen, so sieht man das Paradies vor sich und hebt zu 1. an. Wenn man sich ordentlich müde gelacht hat, tut man einen lustigen Satz und ist drunten im ParadiesS4). w

) L a m m e r t 103.

") DWb. 6, 18; S i m -

r o c k Mythologie 189. 62 ) R o c h h o l z Glaube 1, 196. t 3 ) A b e g h i a n Armenien 17. 5 4 ) H e y l 140 Nr. 29.

13. Wenig erhellt ist der Sinn des „ S a r d o n i s c h e n Lachens". Nach dem Genuß der Sardonica Herba befällt es den Menschen, der seinen Mund zu krampfhaftem L. verzieht und daran stirbt 6S ). Eine andere Deutung geht dahin, es sei ein verzweifeltes und unnatürliches L. der Verzweiflung über etwas Schlimmes. Es wird Gefangenen und über 70 Jahre alten Leuten nachgesagt, die geopfert wurden und dabei lachend dem Tode entgegengegangen sein

876

sollen56). Nach Strabos Bericht 16, 776 beerdigten die ägyptischen Nomaden ihre Toten unter L. ®7). Auch die Urbevölkerung Sardiniens, die Sardi oder Sardoni, sollen beim Töten der alten Leute grausam gelacht haben, wobei sie mit dem L. offenbar den Gegensatz zum Tode betonen wollten S8). 55

) Pauly-Wissowa

Forcellini

Totius

2. R.

Latin'tatis

1, 2495, vgl.

Lexicon

5, 340.

Auch A g r i p p a v o n N e t t e s h e i m 1, 112 erwähnt eine Pflanze Apium Risus; wer davon esse, sterbe vor L.

B6

) P a p e Wbch. der griechi6

schen Eigennamen 3. A . 1346 c. 49 (1922), 208. 6 8 ) M ü l l e r Fragm.

') N J b b . Hist.Graec.

1. 999 = F e h r l e 3.

14. Das „ S i c h zu Tode l a c h e n " ist mehr als eine geläufige Redewendung; in der Tat hat sich schon mancher zu Tode gelacht. Textor ließ 1746 eine Dissertation erscheinen über große Männer, die sich zu Tode gelacht hatten 69). Die andern Redensarten wie 1., daß man schüttert, sich krümmt, in Stücke geht, bucklich, scheckig wird, geben einen Hinweis, daß der Volksglaube den E r reger des Lachens als einen Kobold auffaßt, der am Körper die Veränderungen bewirkt 60 ). In der Antike ließ man das Lachen von einer personifizierten Gottheit, dem Gelos oder Risus, ausgehen 61 ). Gelos hatte zu Sparta eine Kapelle und eine Bildsäule und wurde in der Begleitung des frohen Dionysos dargestellt62). Risus wurde jährlich durch Spiele in Thessalien gefeiert. In der Grabinschrift des Plautus trauert er zusammen mit Ludus, Jocus und Numeri um den toten Dichter 63). 5i

) Neue Mannheimer Zeitung 1932 Nr. 150,

3; R o h d e Kl. Sehr. 1, 372 Anm. 1; S i t t l Gebärden 9. Vgl. A b r a h a m a S a n t a C l a r a Judas der Erzschelm

1» 415;

44 N r . 47.

3.

n

)

tionen 260 fl. w

2 (1689), 196.

144; DWb. Hense

62

6,

Poetische

) Roscher

) D e r s . 4, 128.

40

21;

Lex.

) Grimm

Wuttke

Personifika-

1, 1610 f.

15. H e i l g ö t t e r geben durch ihr Lächeln eine Wendung zum Bessern kund. Der griechische Gott und im Anschluß daran der christliche Heilige treten lächelnd zu dem Menschen heran, dem sie Hilfe bringen wollen64). Auch Bilder 1. 65). Das Gnadenbild aus dem Kloster

lachen

8 77

878

Manslage bekundet durch Lächeln, daß es in Telgte bleiben will 66 ).

( i 9 3 ° ) . 86 fi. Gegen diese Auffassung C o r s s e n im Philologus 81 (1925), 45 ff.; D e u b n e r 71 ) M e y e r Baden 51; s4 ) W e i n r e i c h Heilungsttmnder 3 Anm. 2; im Gnomon 1, 166 f. D e u b n e r De incubatione 11. 73. 77. 46 ) W e i n - H ö h n Tod 313. 263. Der Exeget P h i l a g r i u s zu V e r g i l Eclog. 4, 60: si ante quadragesimum r e i c h 146. •') S t r a c k e r j a n 2, 349 Nr. 544. die, indicium mortis = N o r d e n 64 Anm. 2. ,2 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 240. 73 ) SAVk. 16. K l e i n e K i n d e r 1. vor einer be15 (1911), 10. 74 ) Unoth 1, 189 Nr. 7; Urquell 76 stimmten Frist (etwa 6 Wochen) nicht 67 ).

Wunderkinder 1. schon am Tage der Geburt, wie es von Zoroaster bezeugt wird 68 ). Vom Wunderknaben Sührab heißt es: „Der Knabe weinte nicht, er hatte neugeboren gelächelt schon" 69 ). Daher ist das Kind, welches in Vergils 4. Ekloge gefeiert wird, ein Wunderkind, ein Abkömmling des lachenden Helios70). L. Kinder in den ersten vier Wochen viel, dann 1. sie in den Himmel, d. h. sie sterben bald 71 ). Wenn ein Kind allzu früh lacht, wird es ein elendes Kind 72 ). Man sieht es nicht gern, wenn Kinder in den ersten 14 Tagen 1., sie werden gerne dumm 73 ) (vgl. „Am L. erkennt man den Narren") oder Stotterer 74 ). Im Erzgebirge ist man anderer Meinung: Lacht ein Kind unter 14 Tagen, so stellt sich der Storch das Jahr darauf wieder ein; lacht es zweimal, dann bringt er Zwillinge75). Kinder, die frühe 1., sind als Dämon verdächtig. Eine Mutter ließ das Kind an die Brust mit dem Fluche: „Da trink dir alle Teufel hinein"! Sogleich fing das Kind, kaum 8 Tage alt, zu 1. an und zwickte beim Trinken den Mund so sehr zusammen, daß ihm die Brustwarze im Munde blieb 76 ). Einem Kinde, das im Schlafe lächelt, soll eine schwere Krankheit bevorstehen77). Man nimmt ferner an, es habe Leibschmerzen78) oder das „ Jüdel" spiele mit ihm 79 ) oder es werde von Dämonen geschreckt ®°). Allgemein aber neigt man dazu, das L. schlafender Kinder auf das Spiel mit dem Engel zurückzuführen, der ihm ein Freudlein ins Ohr sagt 81 ).

67 ) P r e y e r Seele des Kindes 195; L y d u s De mensibus 4, 21 p. 85 W . ; P l i n i u s N. H. 7, 2 = N o r d e n Geburt 64 Anm. 2. , 8 ) P l i n i u s

N. H. 7, 2.

•») R ü c k e r t

Rostem u.

Sührab

1, 11 = N o r d e n 65 Anm. 1. 70 ) N o r d e n 67. Für die Fassung v o n V. 62: qui non risere

p a r e n t i v g l . B o l l Sulla quarta ecloga di Vergilio

1923; d e r s . in Deutsche LitZtg. 1924, 7 7 ! ; W e i n r e i c h Phil. Wochenschr. 1924, 8996.; Wiener Blätter für Freunde der Antike 6

6

(1895), 180.

) John

Erzgebirge 57.

")

S c h ö n w e r t h 1, 233. " ) F i n d e r Vierlande 78 2, 31. ) F o g e l Pennsylvania 49 Nr. 122. ™) G r i m m 3, 436 Nr. 62 (Chemnitzer Rockenphilosophie); M a n n h a r d t Germ. Myth. 308; K ö h l e r Voigtland 398; S c h u l t z Alltagsleben 208. 80 ) L a m m e r t 119. 81 ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 492 Nr. 3; C u r t z e Waldeck 371 Nr. 6; D r e c h s l e r 1, 211 Nr. 239; F o g e l Penns. 49 Nr. 124; G r o h n a n n 109 Nr. 797; H i l l n e r Siebenbürgen 51 N r . 2; 52 N r . 20; J o h n

Erzg.

57; R o c h h o l z Kinderlied 348 Nr. 972; S c h l o s s a r Steiermark 392; S c h m i t t Hetlingen 13; S t e i g e r Frömmigkeit i , 61 fi.; Urquell 1 (1890), 134 N r . 1 1 ; W o l f Beiträge 1, 206 N r . 9 ;

W u t t k e 386 Nr. 587.

17. Lacht ein Erwachsener im Schlaf, so kann er damit seine Gottlosigkeit nicht verhehlen82). L. mit lauter Stimme verrät einen unverschämten Menschen83). Lacht man, daß einem die Augen übergehen, so gibt es Zank 84 ); daher soll man nie 1., daß die Augen übergehen M ). Juckt einem das rechte Auge, so bedeutet es Weinen, das linke L. M ). Wer in ein Gefäß lacht, aus dem er gerade trinkt, bleibt ledig 87 ). Des Kuckucks L. ist unheilbringend88). Wenn die Tücher „schnappen" (schallendes Geräusch, das entsteht, wenn die Wäscherinnen die Wäsche zupfen), so lacht der Schatz 89). Wer Montags oft 1. muß, dem „ahnt" etwas90). Da nach dem Sprichwort „L. und Weinen in einem Säckle sind" oder „Wer zuerst flennt, lacht am End", ist es zu verstehen, wenn derjenige abends weinen muß, der am Morgen lacht 91 ). Ebenso wird am Sonntag weinen, wer am Freitag viel lacht 92 ). Eine Braut, die am Hochzeitstage lacht, hat Unheil zu erwarten, entweder wird sie als Frau viel zu weinen haben 93 ) oder es steht ihr baldiges Ableben bevor 94). In Tirol muß sich die Braut schon während des ganzen Brautstandes tunlichst des Lachens enthalten95), in der Oberpfalz bei der „Hausschau" 96). 82

) Unoth 1, 180 Nr. 21.

83

)

Megenberg

879

lachen

Buch der Natur 37. M ) G r i m m 3, 455 Nr. 625. • s ) Unoth 1, 188 Nr. 166. M ) L a m m e r t 227; T o p p e n Masuren 70; G r i m m 1, 935; F i n d e r M) 2, 227. " ) J o h n Erzg. 31. Bartsch 2, 174 Nr. 827. ••) H e ß l e r Hessen 2, 330. ,0) J o h n Erzg. 35. 91 ) Z i n g e r l e Tirol 32 Nr. 227. 228; F o g e l Penns. 87 Nr. 338. •*) J o h n Erzg. 38; B r o n n e r Sitt' u. Art 46; D ä h n h a r d t Volkst. 2, 89 Nr. 370: ZfVk. 17 (1907), 453 Nr. 13. , 3 ) S c h ö n w e r t h 1, 87; P o l l i n g e r Landshut 256; B i r l i n g e r Volksth. 479; J o h n Erzg. 95; Z i n g e r l e 20 Nr. 128; F o g e l Penns. 68 Nr. 219. M ) L a m m e r t 1 5 5 ; G r o h m a n n 120 Nr. 910 = W u t t k e 372 Nr. 564. , s ) Z i n g e r l e 24. *') S c h ö n w e r t h 1, 55 = W u t t k e 369 Nr. 559.

18. Wenn jemand in der längsten Nacht um 3/412 Uhr in den Spiegel lacht, sieht er, wen er w i l l " ) , oder er tut einen Blick in seine Zukunft, wenn er in jeder Hand ein brennendes Licht hält. Die Wirkung bleibt dieselbe, ob er dreimal seinen eigenen vollen Namen ruft oder laut auflacht 98). Wenn in der Johannisnacht das Mädchen den rechten Moment der Sonnenwende trifft, so sieht es aus dem Wasserspiegel niemand anders herauslächeln als seinen künftigen Liebesund Lebensgefährten"). Gelingt es einem Mädchen, siebenmal nacheinander sieben Sterne zu zählen, so heiratet es den Mann, der ihm am andern Morgen zuerst lachend begegnet 10°). Das L. der weißen Schlüsseljungfrau ist von Vorbedeutung für ein gutes Weinjahr 101 ). " ) Z i n g e r l e 185 Nr. 1528. " ) S t r a c k e r j a n 1, 108 Nr. 124. •*) R o s e g g e r Steiermark 1. A. 2, 69. 10°) J o h n Erzg. 249. 101 ) S t ö b e r Elsaß 180 Nr. 252, 2.

19. Die zauberhafte Wirkung des L.s geht aus dem Diebssegen hervor: ,,Da Maria in den Garten trat, Begegneten ihr drei Jünger zart, Der eine hieß Michael, Der andere hieß Gabriel, Der dritte Daniel. Daniel fing an zu 1. Maria sprach: ,Was lachest du?' Daniel sprach: ,Ich sehe in der Ruhnacht einen Dieb dahergehen, Der will dir dein lieb vertrautes Kindlein stehlen' usw." 102 ). Wenn die Zigeuner den Dieb entdecken wollen, achten sie auf das L. eines Kindes während des Zauberspruchs. Lächelt dieses, so ist der Dieb ein Bekannter oder ein Verwandter des Bestohlenen, oder das gestohlene Gut befindet sich in der

880

Nähe 103 ). Ein Wirt, der seinen Gläubiger erschlagen hatte, lag in seinem Bette, als die Sonne gar herrlich durch das Fenster in seine Kammer hereinblickte. Da fing er an, vor sich hin zu 1. Von seiner Frau nach dem Grund des Lachens gefragt, bekennt er nach langem Zögern die Tat, die später allgemein durch die Frau bekannt wird 104 ). Adalbert von Chamisso hat den Stoff unter Weglassung des Lachmotivs behandelt in „Die Sonne bringt es an den Tag". , 0 2 ) B a r t s c h 2, 35 Nr. 1615. l 0 3 ) W l i s l o c k i Volksglaube 77. 104 ) S c h ö n w e r t h 2, 57.

20. Im V e r k e h r mit G e i s t e r n soll man das L. u n t e r l a s s e n . Soll die Beschwörung helfen, so darf man keine ungehörige Bewegung machen, am wenigsten aber 1., da L. die Geister vertreibt 105 ). Der S c h a t z g r ä b e r wird gern durch sonderbare Erscheinungen zum L. verlockt. Wenn z. B. ein Heuwagen von zwei Enten gezogen wird oder wenn kleine Männer Possen machen, dann muß er standhaft bleiben 104 ). Wer am Kreuzweg Farnsamen gewinnen will, darf sich nicht zum L. verleiten lassen, nicht einmal eine Miene dazu verziehen, wenn kleine teuflische Männer herumtanzen, er würde sonst auf der Stelle vom Teufel zerrissen 107 ); kann er sich beherrschen, wird er mit einer Tüte Farnsamen beschenkt, der die Kraft von 20—30 Menschen verleiht 108 ). Wer in der Osternacht von 1 1 — 1 2 auf einem Kreuzwege vom Teufel durch lächerlichschreckliche Erscheinungen sich nicht aus der Fassung bringen läßt, dem verleiht der Teufel Gewinn bei jedem Karten- und Würfelspiel, Sieg beim Raufen, Unverwundbarkeit und die Gabe, sich unsichtbar zu machen 109 ). Bei der B e schwörung eines Grenzsteinverrückers muß jedes L. unterbleiben 110 ). Wer die Hexen zu ihren Versammlungen ziehen sieht und dabei über sie schimpft und lacht, wird von ihnen mißhandelt m ). Ein Mädchen, das Blocksbergsritter auf einer Maus reiten sieht, zerplatzt zur Strafe, weil es gelacht hat 1 1 2 ). Ein Müller vertreibt durch rohes lautes Gelächter die Erdmännlein der Haseler Höhle U 3 ).

881

lachen

«•) B a r t s c h 2, 318 = W u t t k e 323 Nr. 478; H a a s Pommersehe Sagen 26 Nr. 49. 104) S c h a m b a c h - M ü l l e r 113 Nr. 139, 8; K ü h n a u 3, 562 f.; Urquell 6 (1895), 26; B a a d e r Sagen 370 Nr. 421 = R a n k e Sagen 243; R o c h h o l z Naturmythen 61; K u h n Mark. Sagen 65 f.; I07 ) H e r r l e i n Spessart 177 Nr. 17. Meier Schwaben i , 242 Nr. 267 = W u t t k e 98 Nr. 123; B a a d e r N. Sagen 106 Nr. 139. 108) M e y e r Baden 481. 109) Z i n g e r l e 150 Nr. 1292 = W u t t k e 263 Nr. 384. ") M ü l l e r Urner Sagen 2, 78 Nr. 575. m ) W u t t k e 158 Nr. 215. ll2) L ö w i s of M e n a r Balten 49 = L ö w e n 113 ) s t i m m Aberglaube. R o c h h o l z Sagen 1, 277.

21. L. macht u n w i r k s a m . Schere, Messer, Nadeln, überhaupt etwas Spitziges müssen lachend gegeben werden, damit die Liebe nicht zerschnitten oder zerstochen wird 1 1 4 ). In Schlesien muß man 1. und darf nicht danken, wenn man eine Medizin überreicht 116 ). Während man von einer Biene gestochen •wird, soll man nicht 1., sonst bleibt der Stachel im Fleische stecken 116 ). 1 1 4 ) Alemannia 33 (1905), 300; D r e c h s l e r 1, 231; J o h n Westböhmen 250; K ö h l e r VoigtSand 426; L a u b e Teplitz 53; P o l l i n g e r 158. 248; S c h l o s s a r Steiermark 401; S c h ö n w e r t h 3, 281; S p i e ß Fränkisch-Henneberg 152; W u t t k e 366 Nr. 553. u 5 ) D r e c h s l e r 2, 23. l i e ) R o s e g g e r Steiermark 66.

22. Das s c h a d e n f r o h e , übelwollende L., das vorzugsweise dem T e u f e l nachgesagt wird (des mag der Teufel wohl gelachen) 117 ), vernimmt man nicht selten von neckenden und narrenden Geistern118). Ein Geist sitzt den Leuten auf und läßt sich den Berg hinauftragen; oben erhebt er ein weitschallendes Gelächter und läßt den Wanderer keinen Augenblick rasten 119 ). Ein am Karfreitag gehetzter Fuchs lockt einen Jäger hinter sich her. Als der Jäger die Büchse zum Schuß erhoben hatte, sah der Fuchs mit höllischem Gelächter sich um und verschwand, einen Schwefelgestank zurücklassend 120 ). Eine Dirne wollte sich hängen. Als sie sich mit dem Strick um den Hals umschaute, sah sie hinter sich den Teufel stehen und 1.m). Im böhmischen Gebirge führt der Teufel die Wanderer in die Irre, schwingt sich auf einen Baum und läßt ein höhnisches Gelächter hören 122 ). In einem Frauenkloster kitzelt der Teufel die Nonnen an den Fußsohlen, daß sie

882

sich hätten zu Tode 1. müssen, wenn man ihnen nicht beigesprungen wäre 1 2 3 ). Der Teufel hindert ein Fuhrwerk und läßt ein Höllengelächter erschallen, doch der Fuhrmann läßt ein Christusbild herbeischaffen, worauf dem Teufel das L. vergehtm). Ein Reiter steigt ab und will eine Geldbörse aufheben; da greift er einen großen grünen Frosch, zugleich ertönt L. 1 2 S ). Ein Kobold rechnet einem beschwörenden Priester lachend seine Sünden vor 1 2 6 ). Kobolde suchen einen frommen alten Bergmann, der sie bannen will, durch Gelächter einzuschüchtern 127 ). Die Godullahütte hat eine gefährliche Strecke; kommt ein Bergmann an den verrufenen Ort, so hört er gellendes, markerschütterndes L. 1 2 8 ). Ein Nürnberger Hausgeist vertreibt die Gäste durch grelles Auflachen 129 ). Wer in der Oberpfalz nachts ein Gelächter gleich dem Klappern hölzerner Brettchen hört, fällt und bricht das Bein, worauf das Gelächter noch ärger wird 130 ). Auf dem Schneeberg sendet ein verwunschener Ritter den Leuten, die ihn nicht achten, ein Hohngelächter nach 1S1 ). Das höhnende L. ist ein beständiges Merkmal des Wassermanns 132 ). Wenn einer in der Elster ertrinkt, so zeigt diese es vorher an durch einen Laut gleich einer gellenden Lache, wobei das Wasser hoch aufspritzt 133 ). Der ,,Vogelhannes" neckt in Gestalt eines Knäbleins eine Frau, die ihm etwas suchen soll; auf einmal verschwindet das Kind, und von einer Fichte herab erschallt ein helles Gelächter 134 ). Derselbe Geist wirft einem ihn schimpfenden Lehrbuben einen Felsblock vor die Füße, ein furchtbarer Schwefelgeruch erfüllt die Luft, ein höllisches Gelächter erschallt aus dem Walde 1 3 S ). Der Daumenhansl narrt die Leute, wenn sie etwas verloren haben, und lacht dann in einem fort 1 3 6 ). Eine Hexe lockt die Leute durch ihr Gelächter auf den Heuboden; will man sie schlagen, so erschallt das L. aus einer andern Ecke 1 3 7 ). In einem Walde geht die „Kutterappel" um, weil sie beständig „gekuttert" (gekichert) hat 1 3 8 ). Ein Knecht wird von einer laut lachenden Drud gepackt, erwischt aber

88 3

Lachs, Salm

eine Feder von ihr und verbrennt dabei die ganze Hand 1 ® 9 ). Ein Geisterweib lacht bei der Alpauffahrt und weint beim Abtrieb 140 ). Sobald den umreitenden Seelen im wütenden Heer eine Untat geglückt ist, 1. sie laut auf 1 4 1 ). Bei einer Beschwörung darf man sich nicht täuschen lassen, wenn lustige Personen zum Vorschein kommen, die durch lautes L. und Schäkern den Anschein erwecken wollen, es ginge in der Hölle heiter und fidel zu 142 ). Beim mißglückten Schatzheben hört der Bauer ein klägliches Weinen auf der einen Seite und ein höhnendes L.n auf der andern Seite 143 ). Bei der Beschwörung des Schatzes setzt sich der Teufel außerhalb des magischen Kreises auf einen Geldsack und lacht so recht satanisch 144 ). Der Grund, warum der Teufel lacht, wenn ein Mädchen pfeift 1 4 S ), ist darin zu erblicken, daß ein Mädchen, das gern pfeift, eine Hure wird, denn Huren pfeifen 146 ). 117 ) DWb. 4, 2841. "») S c h ö n w e r t h 3, 106; S t ö b e r Elsaß 1, 5 Nr. 8; K ü h n a u 2, 322. " • ) Zingerle 57 Nr. 493. 120 ) S t r a c k e r j a n 2, 289 Nr. 517 h. m ) S c h ö n w e r t h 3, i n . 122 ) A b r a h a m a S a n t a Clara Judas der Erzschelm 2, 178. 1 2 3 ) E b d . 124 ) K ü h n a u 2, 687f. 12S ) Meiche Sagen 145 Nr. 191. lse ) >27 Sommer Sagen 30 Nr. 25. ) Kühnau 2, 429. 1! ») MschlesVk. 4 (1901), 48. 12> ) P a n z e r 130 Beitrag 2, 107. ) S c h ö n w e r t h 3, 243. l31 ) Ders. 2, 174. 13a ) K ü h n a u 2, 257 Anm. 1. 133 308; MschlesVk. 5 (1903), 22. ) Eisel Voigtland 252 Nr. 630. 1 3 4 ) K ü h n a u 1, 583ff. Nr. 622. 13s ) Ders. 1, 583 Nr. 617. «•) H e y l Tirol 81 Nr. 44. 1 3 ') J e c k l i n Volkstüml. 1 7 1 . 138 ) Meier Schwaben 1, 40 Nr. 40. 1 3 ') S c h ö n w e r t h 1, 228. 140 ) Müller Urner Sagen 2, 241 Nr. 865, 9. »") Grimm 2, 789. 142 ) Hochholz Glaube 1, 150 = Aus dem Benedictionale des Franziskanermönchs Friz, Kempten 1737. 143 144 ) H e y l 691 Nr. 12. ) Ders. 103, 67. ' " ) Grohmann 224 Nr. 1575; M e y e r Baden 52; W u t t k e 395 Nr. 607. 14e ) S c h ö n w e r t h 1, 1 1 3 ; Spieß Fränhisch-Henneberg 1 1 6 ; F o g e l Penns. 84 Nr. 3 2 1 ; DWb. 4, 2, 1959.

23. Unangebrachtes L. zieht S t r a f e nach sich. Wer aus Schadenfreude lacht, bekommt einen Kropf 1 4 7 ). Wer einer Leiche folgt und dabei lacht, dem wächst die Hand zum Grabe heraus 148 ). Beim Milchessen ist L. Sünde 1 M ). Wer in der Kirche lacht, kränkt Gott zehnfach 16°). Wer am Sonntag das Asperges

884

versäumt, darf die ganze Woche nicht 1., wenn er sich kein Unglück auf den Hals laden will 1 S 1 ). Weich Liegen und L. wird zwar für die größte Sünde gehalten 152 ), aber auch das Sprichwort hat seine Geltung: „Wer lacht, tut keine Sünde" und „Die Lacher hat Gott lieb" 153 ). Ein Hirt, der beim Fall einer Kuh lachte, muß nach seinem Tode als Geist sie auf den Berg hinauftragen. Oben fällt sie wieder herab, und jedesmal muß der Hirt darüber fürchterlich 1. 1 S 4 ). 147 ) Schlossar 393. 14*) J o h n Erzg. 127. ») Zingerle 32 Nr. 225. 15 °) Wolf 1, 238 m Nr. 444; R e u s c h Samland 61 Nr. 58. ) 152 Zingerle 32 Nr. 229. ) Strackerjan ,63 2, 181 Nr. 417. ) DWb. 6, 18. 28 = S i m r o c k 1M Sprichwörter 325. ) R a n k e Sagen 52 = R e i s e r Allgäu Nr. 441. 14

24. Nach griechischer und auch nach deutscher Vorstellung wird das Donnergeräusch als ein L. aufgefaßt 155 ). In der Normandie behauptet man, der Mond verzehre die Strohdächer, über welchen er lacht 158 ). Wenn die Gotte (Patin) das Kind zur Taufe trägt, muß sie es zuvor küssen, dann bekommt das Kind später Grübchen beim L. 1 6 7 ). JM ) S c h w a r t z Studien 318. "«) S i b i l l o t 1, 77. 167 ) R o c h h o l z Kinderlied 295 Nr. 657. Karle.

Lachs, Salm (Salmo salar L.). In manchen Gegenden wird der Fisch, wenn er wohlgenährt mit schmackhaftem, rotem Fleisch im Frühjahr bis Sommer aus dem Meer die Flüsse hinaufsteigt, S. genannt; nach dem langen Fasten in den Flüssen, wobei das Fleisch weiß und fettlos geworden ist, dagegen L. So schon bei M a n g o l t u n d Gesner 2). In der Volksmedizin wird das F e t t des L.es gegen Lähmung und Ohrenleiden verwendet 3 ). Vorzeichen: Reicher Salmenfang bedeutet fremde Gäste 4 ). Die altnordische S a g e erzählt von der Verwandlung Lokis in einen L. „Thor ergriff ihn mit den Händen, und obwohl er durch diese hindurch zu gleiten suchte, blieb er doch mit dem Schwänze hängen. Infolgedessen ist der L. hinten so schmal" 5 ). Als B r a u c h aus dem 17. Jh. sei das

885

Lachsner—]-Lachtaube

886

A u f h ä n g e n eines lebenden L.es an der | und K r o n f e l d 2 355. 7) J o s . Maaler Die $) teutsch spraach 1561 S. 274. Hovorka K i r c h e n t ü r des Klosters Rheinau wäh- und K r o n f e l d 1 200. •) J. M u r a l t Eydrend der Prozession erwähnt. Zappelte genössischer Lust-Garte (Zürich 1715), 76. er, so schlössen die Kirchenbesucher auf w ) H. Zwingli hg. v. S c h u l e r u n d S c h u l t h e ß ein langes Leben des Abtes. Über diesen 1 (1828), 414. unerklärten Brauch s. a. F i s c h (2, 1542), 3. Den Einfluß der L. ersehen wir aus H e r i n g (3, 1782), K a r p f e n (4, 1011). Mandaten, die Zürich auf Betreiben der 3 ») Fischbuch 137. s ) Fischbuch 182») Geistlichkeit gegen sie erließ in den J ü h l i n g Tiere 31 (altes bair. Arzneibuch). 4 ) Grimm Myth. 2, 951 (nach Jahren 1533 u ) , 1628 12 ), 1650, 1674 usw. Justinger Berner Chronik 379). *) Gylfaginning 50 bis ins 18. J h . hinein 1S ). Noch aus (Gering Edda übers. 347); s. a. ZfdMyth. neuerer Zeit wird uns der Glaube an 2, 315; Simrock Myth. 104. 106; Dähnder L. in der h a r d t Natursagen 1, 202 (zit. auch RTrp. übernatürliche Kräfte Schweiz bezeugt 14 ). 8. 557)- — Eine vielleicht verwandte Sage

in Finnland: S i m r o c k Myth. 112 f. Hoffmann-Krayer.

Lachsner. 1. E t y m o l o g i s c h e s 1 ) . Das Wort L. ist eine Substantivierung des Zeitw. lachsnen „zaubern"; von mhd. lächenaere, die einer germ. Wortfamilie 2 ) angehören, deren Bedeutung ursprünglich Arzt, heilen usw. war. Got. lekeis 3 ), ahd. lächider Arzt; ahd. lächinon heilen; ahd., mhd. lachen4) Heilmittel; mhd. lächentuom Heilung. Da Arzneikunde mit Zauberei verbunden war, verengte sich der Begriff infolge des Einflusses der Geistlichkeit und der Entwicklung der wissenschaftlichen Medizin zu Zauberer, Quacksalber (ne. leech = Bauern vieharzt); mhd. lächenaerinne Hexe; lächenie Zauberei.

» ) W i r z Zürich 2. 113 ff.

11 )

Ebd.

13 )

Vgl.

D. W y ß Politisches Handbuch für die erwachsene Jugend der Stadt und Landsch. Zürich 1769

S. 419; Grimm Myth. 3, 411; Schwld. 3, 14 ) V e r n a l e k e n 1045. Alpensagen S. 400 Nr. 83; P e s t a l o z z i Werke. Cottasche Ausgabe Bd. 4, 381.

4. Zur Abwehr gegen die L.innen schlägt man mit einer Haselgerte auf den Kehricht, den man mit einer Haselgerte gekehrt und dann in einen Sack getan hat, wobei die Hexe jeden Streich fühlt 1 5 ). Gegen Krankheiten, die von L.ei herrühren, empfiehlt Muralt 1S ) den blauen Streit (Pflanze Clematis Daphnoidis). 1S)

H o v o r k a und K r o n f e l d r, 200.

w

)

Eydgenössischer Lust-Garte. Zürich 1715, S. 76.

Groth.

Lachtaube (Columba oder Streptopelia ') Zu diesem Abschnitt s. Schwld. 3, 1044 f.; DWb. 6, 31. 32; Grimm Myth. 2, 866 u. risoria), eine der Turteltaube (s. d.) sehr 933; 3» 305; L e x e r Mhd. Wb. 1 1809; M ü l l e r - nahe verwandte A r t J ) , die aber nach Z a r n c k e Mhd. Wb. 1 925. *) Grimm Myth. | Brehm nur in Nordostafrika und Indien 2 963. *) Vgl.Zs. f. vergl. Sprachf. 5, 32 ff. 4) vorkommt. Der folgende Aberglaube S e r v a t i u s V. 724 in ZfdA. 5, 99.

wird also entweder auf einer Verwechslung mit der Turteltaube beruhen oder sich nur auf die im Käfig gehaltenen L.n beziehen. Nicht recht verständlich ist daher, wenn Hopf (Tierorakel 160) den von der Turteltaube genannten Aberglauben in Württemberg (Meier, Schwaben 218) auf die L. anwendet. Auch Blümml und Rott (ZfVk. 12, 460) sagen, daß die L. in Westböhmen, Niederösterreich und Tirol durch Verwechslung „Turtltaubn" genannt würden. Friderich (Nat. Gesch. der deutschen Zimmer-, Hausund Jagdvögel 2 320 f.) sagt deutlich, e ) S t a l d e r 2, 150; G w e r b Leuth- und Vych- daß die L. in Europa nur zahm gehalten Besägnen. Zürich 1646, S. 92 f. *) H o v o r k a würde; einzig auf den borromäischen

2. Mit L. bezeichnete man meist Quacksalber, die unter Vorgabe übernatürlicher Kräfte Menschen und Vieh durch Segenssprüche und geheimnisvolle Mittel heilen 6), Dämonen durch Berühren der kranken Stelle mit dem in Opferblut getauchten L.finger (Ringfinger) austreiben 6 ). Jedoch erstreckte sich der Begriff L. auch auf Wahrsager 7 ), Hexen, die den Kühen die Milch entziehen8), Krankheiten übertragen 9 ) oder „us tüfels beschwören anzeigend, mit disfem oder jenem werk helfe man dem todten . . . " 10 ).

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lahm

8S8

Inseln im Lago Maggiore lebten sie in freiem Zustande. W e t t e r p r o p h e t . „Von der L. sagt man, daß, wenn sie, vorzüglich zur Nachtzeit, viel rucksten, dieses Veränderung des Wetters bedeute" 2 ). V o l k s m e d i z i n . L.n, im Zimmer gehalten, ziehen Gicht (Thüringen) oder Schwindsucht (Oldenburg) an sich 3 ).

Leichenstege bei Grobsdorf (Sachsen) zuweilen umgeht, hat einmal einer, der auf dem Anstand war, das Gewehr angelegt. Dem erlahmte der Arm, daß er ihn ganzer neun Wochen lang nicht hat brauchen können 10 ). Der Junge, der mit einem Steinwurf die Krone der Schlange abschlug, hatte von Stund an einen l.en Arm, den er auch Brehm Tierl. * 7, 416. *) Orphal Wettermit ins Grab genommen h a t u ) . Auf propheten 88. 3 ) W u t t k e 119 §157. der Flucht vor dem Geiste, den er erHofimann-Krayer. 1 lösen sollte, fiel der schlesische Holzlahm (s. h i n k e n 3, 58 ff., S c h l a g - hauer zu Boden und blieb seitdem gelähmt 12 ). Dem Pfarrer, der die Kantorsanfall). 1 . Nach mährischer und walachischer frau aus Gerlachsheim (Sachsen) auf den Sage ist der T e u f e l 1. oder hinkend 1 ). Urberg verbannte, erging es übel dabei; 13 Als unansehnliches Männchen, das lahmt, denn er wurde l. ). 2 kennt ihn die schlesische Sage ). Ein Fuhrmann fuhr im Spätherbste Im Norden sind die Z a u b e r i n n e n 1., von Löbau nach Bernstadt. Am Berge weil sie sich am innern Schenkel eine „rasaunte" der wilde Jäger über ihn kleine Wunde machen, die Haut aus- weg. Da stürzte dem Kutscher das eine ziehen, um eine Art von Zitze zu machen, Pferd, und sein andres erlahmte 14 ). 8 ) Grässe Preußen 2, 1100 Nr. 1362. •) an der sich der „Zuträger" festsaugt 3 ). SAVk. 3, 205 ff. 296 (a. 1546). 7 ) Cod. pal. L. ist der geisterhafte (dreibeinige) 212, 536 = Grimm Myth. 3, 472 Nr. 1 0 1 1 ; Hase«), 475 Nr. 1040; J a h n Hexenwesen 183 Nr. 667.

Vgl. im allgemeinen H e y n e Hausaltertümer 3, 121 ff.; H ö f l e r Krankheitsnamen 345 ff. *) Grimm Myth. 2, 845; 3, 294. *) P e u c k e r t 3 Schles. Sagen 255. ) A r n a s o n 1, 431 = Urquell 3 (1892), 118. «) Veckenstedts ZfVk. 1 (1889), 348 Nr. 6; Knoop Tierwelt 14 Nr. 108; 61 Nr. 507; Gredt Luxemb. Sagen Nr. 534.

2. L.heit rührt oft von H e x e r e i her; ein Scharfrichter, der eine Hexe mit Ruten strich, wurde krank und erlahmte 5 ). Der Kirchherr Hans Baster in Entlibuch (Schweiz) behauptete (1541), durch Hexerei 1. geworden zu sein 8 ). „Wiltu ein pfert hinkent machen, so nimb des baums da der hagel ein hat geschlagen, und mach daraus ein nagel, oder eins neuen galgen, oder von einem messer, das einer pfaffenkellerin ist gewesen, oder von einem stumpf von einem messer, do einer mit erstochen ist worden, und drucks in den trit" (Fußspur) 7 ). Die Lausitzer „Elben" buken zauberhafte Kuchen und gruben sie auf den Weg, daß, wer über sie hinschritt, erlahmen mußte 8). Als der Hirte im Bannwald holzte, wurde seine Hand 1.*). Auf einen Mann ohne Kopf, der am

') H a u p t Lausitz 1, 65 Nr. 67. *) L a p o r t e Voyage en Suisse 88 = S i b i l l o t Folk-Lore 1, 293. 10) Sieber Sachsen 284 = Meiche Sagen 84 Nr. 104 = E i s e l Voigtland 67 Nr. 158. ll ) Grässe Preußen 2, 894 Nr. 1098. «) Kiihnau Sagen 1, 257 Nr. 233, 4. Vgl. auch l3 G r e d t Luxemb. Sagen Nr. 384. 1093. ) ,4 Sieber Sachsen 298. ) Ebd. 170; vgl. S c h w a r t z Studien 5 1 7 (Reg.); ders. Volksglaube 123. 204.

3. L.heit ist vielfach die Folge einer V e r f l u c h u n g : „Schließen wird sich die (Schatz-) Höhle, die Dir Reichthümer gab, auf immer für Dich und Deine Nachkommenschaft und sich nicht eher wieder für einen Besitzer dieser Burg öffnen, als bis drei derselben als Krüppel auf derselben gelebt haben, nämlich ein Lahmer, ein Stummer und ein Blinder", flucht der geblendete Hirte dem Grafen von Falkenstein 1S ). In Gerlachsheim lebte ums Jahr 1660 ein reicher, aber hartherziger Bauer. Den baten einmal wandernde Zigeuner, die dem Verschmachten nahe waren, um Herberge. E r aber stieß sie unbarmherzig von seiner Türe. Da sprachen die Zigeuner einen Fluch über ihn, und es vergingen

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Lambertus hl.—Lamm

kaum vier Wochen, so fingen alle Hausbewohner an, erst am Leibe zu verlahmen; dann verloren sie sämtlich den Verstand und sind so in Raserei gestorben 1 9 ) (s. a. oben 2, 874: Erblichkeit). 1!) G r ä s s e Preußen 1, 571 Nr. 611. ") M. K ä u f f e r Geschichte von Gerlachsheim (1847) = H a u p t Lausitz i , 206 Nr. 245.

4. Zur Heilung der L.heit bieten die volkstümlichen Hausbücher mehrere M i t t e l " ) : In Oldenburg rät man, vor Sonnenaufgang schweigend durch einen gespaltenen Eichbaum zu kriechen 1 8 ) (s. 2, 480). Anno 1437 verloben ein Kaufmann und seine Frau aus Werffen bei Salzburg ihren siebenjährigen l.en Knaben „mit einer kirchfahrt und eysenem bild, alles in allmusen zu erheischen" 19 ). „Man hat den St. Verena Brunnen (zu Ingelswies), . . . . . allzeit für ein besonder gesund Wasser gehabt, und haben vor Jahren die alten Weiber, so erlahmt gewesen, darin gebadet, mit dem Glauben, daß sie davon wieder grad werden sollten" 20). Erzählungen über Wunderheilungen von Lähmungen sind uns zahlreich aus der Antike überliefert 2 1 ). 17 ) H ö h n Volksheilkunde 1, 135; Romanusbüchlein 55; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 247. " ) S t r a c k e r j a n 1, 83 §88. »>) P a n z e r Beitrag 2, 27 Nr. 4. 20) W a i b e l u. F l a m m 21 1, 218. ) H e r z o g Die Wunderheilungen von Epidauros (1931), 98 ff. Bächtold-Stäubli.

Lambertus, hl., Bischof zu Tongern und Mastricht, um 708 ermordet. Sein Leichnam ist seit etwa 720 in Lüttich beigesetzt. Gedächtnistag: 17. September 1 ). Sein Mörder, Graf Dodo, hatte sechs Finger an einer Hand, und sein ganzes Geschlecht behielt diese Mißform. Noch jetzt ist ein Kind im Lütticher Lande verachtet, wenn es sechs Finger hat; man glaubt, daß es aus dem Stamme Dodos sei 2 ). In Ellingen und Oesling werden dem hl. L . zugunsten der Hühner Eieropfer dargebracht 3 ). In Noyers Pont-Maugis gab es früher keine Nattern, weil der h. L . sie verflucht hatte; erst als ihm dort eine Kirche errichtet worden war, kamen sie in Massen *). Sein Name hat bewirkt, daß er auch bei Lahmheit angerufen wird B ).

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In Münster i. W . fing am 17. September die Arbeit bei Licht an 4 ). Hier und in einigen andern Orten des Münsterlandes werden abends auf den Straßen laubund blumengeschmückte Holzpyramiden errichtet, mit Lämpchen beleuchtet und umtanzt, wobei besondere, altherkömmliche Lieder gesungen werden 7 ). Die Haferfelder müssen an L. kahl sein 8 ). Es ist gut Roggen säen 9 ). „Trokken wird das Frühjahr sein, ist St. Lambert klar und rein" 10 ). l ) W e t z e r und W e l t e 7, 1336f.; K ü n s t l e Ikonographie 394 f.; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 260ff.; A l b e r s Das Jahr 265ff. Über seinen Schädel: Z f V k . 22, 10 Anm. 1. 2) W o l f Niederländ. Sagen 93; S t r a c k e r j a n 2, 243. ®) F o n t a i n e Luxemburg 109. *) S i b i l l o t Folk-Lore 3, 262. s ) M a c k e n s e n Name u. Mythos 27; Melusine 8, 286. •) Z f V k . 5, 174 f. 177. ») Ebd. 5, 174 ff.; ZfrwVk. 10, 56 ff.; S a r t o r i Sitte 3, 256 f. Anm. 4; D e r s . Westfalen 167!.; Z f V k . 40, 149. 8 ) A l be rs Jahr 266 f.; Dortmunder Zeitung v . 11. Oktober 1929. •) S t r a c k e r j a n 2, 93. 10 ) S i e p m a n n Uralte Freiheit Volmarstein 360. Sartori.

Lamia s. H e x e . Lamm. 1. L . - O p f e r 1 ) waren verhältnismäßig selten, da wir nicht allzu viele Zeugnisse dafür haben: Man glaubte, daß das Opfer eines s c h w a r z e n L.s zur Fastnacht Erlösung aus Dämonengewalt (Fieberdelirium) bringe 2 ); zur Abwehr der Drehkrankheit wurde das schönste L a m m (als Sühnopfer) l e b e n d i g unter der Stalltür e i n g e g r a b e n (Oberpf.) 3 ) (s. Schaf 2 38 ), und bei Halberstadt hielten die Mädchen, noch bis 1850, zu Pfingsten ein „ L a m b ö m - L a u f e n " um ein a m Maibaum aufgestelltes L. 4 ) (s. Hammel i 2 " 4 , Schaf i 8 , Widder i 7 ) . G e b i l d b r o t e als ehem. Opferspeise kennt man noch im Kremstal und in der Schweiz, wo man Lebkuchen-Lämmer ißt, ferner in Braunschweig, Lüneburg, Holland zu Weihnachten ®) (s. Hammel i 4 , Schaf i 7 , Widder i 8 ). Ferner erinnert das Tiroler „ L a m p l b r o t " 6 ) an einstige Opfer, die zum Teil als Stellvertreter des Bock- bzw. Schweineopfers anzusehen sind. Zum Teil aber spielen antike und vor allem christliche Einflüsse hinein. Christliche

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Lamm

Beeinflussung ist unverkennbar in den O s t e r l ä m m e r n aus Butter, die in Schwaben beim Osterfestmahle auf dem Tisch erscheinen 7) (s. Osterlamm). 1) 2) H ö f l e r Organotherapie 89. Höfler Fasten 29; D e r s . Organotherapie 89 = F r i e d 3 r e i c h Symbolik 494. ) Q u i t z m a n n 241 = Schönwerth Oberpfalz 1, 341. Derartige Sühnopfer fielen dem G o t t e Linos a m sog. L ä m m e r t a g e im F r ü h j a h r z u m Schutz gegen L.seuchen und wurden ihm zu Ehren auch verzehrt ( H ö f l e r Org. 88f. = N i l s s o n Grieth. Feste 418), in E n g l a n d opferte m a n ein L . z u m Schutze der Herden gegen B e h e x u n g ( F r a z e r 10, 301 f . ) ; nach dänischer Ü b e r lieferung mauerte m a n unter dem A l t a r der Kirchen ein L . ein, das sich nach dem V o l k s g l a u b e n o f t in der Kirche oder auf dem Friedhof sehen l ä ß t und dann einen Todesfall vorhersagt ( J a h n Opfergebräuche 18 = Grimm Mythol. 2, 956), nach griech. Volksglauben ist d a s L . ebenfalls als Bauopfer notwendig ( G r i m m Myth. 2, 957). V g l . noch S i m r o c k 6 Mytho4) logie 510. A n d r e e Braunschweig 356 = K u h n und S c h w a r t z 5 1 3 Nr. 68. 386 (68). 6 V g l . M a n n h a r d t 1, 396. ) Z d V f V . 12 (1902), 199; H ö f l e r Weihnacht 63. — A u c h die Serben b a c k e n Weihnachtsbrote in L . - G e s t a l t ( F r a z e r 10, 259). •) H ö f l e r Weihnacht 15. ') S e p p Religion 147.

2. Das L. ist S y m b o l der W a c h s t u m s k r a f t 8) (s. Hammel 1, Schaf i 8 , Widder 1). Auch sah man in den W o l k e n Lämmer 9 ) (bes. in Norddtl.). Frau Holle (Brand.)10) oder der Herrgott (Schw.) u ) treiben sie aus, Maria mit dem Christkind fährt in einem von einem Lamme (Wolke) gezogenen Wagen (Schwz.) 12 ). Damit mischen sich Vorstellungen des Seelenglaubens. Denn diese Lämmer sind wahrscheinlich Mären, d. i. Seelen. In den Kinderspielen werden die Seelen als Lämmer bezeichnet1S), die Kinderseelen bei Frau Holle haben Schafgestalt 14 ). Nach aargauischem Glauben 1S) wird das Kind recht glücklich, wenn in seiner Geburtsstunde die Wolken am Himmel Schäfchen bilden (auch Schwaben), am Tage der „Unschuldigen Kindlein" aber bedeuten sie für die Wöchnerinnen ein unglückseliges Jahr; es werden besonders viele Knaben sterben 16 ) (s. Schaf 1, Widder 2). 8)

Reuterskiöld Speisesakramente 118. •) R o c h h o l z Naturmythen 2 1 2 Nr. 4; v g l . 10 ) M e y e r Germ. Mythol. 227. W u t t k e 25 u ) § 2 3 ; M a n n h a r d t Götter 276. Mannh a r d t German. Mythen 245* = M e i e r Schwaben

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263 f. 1 2 ) M a n n h a r d t a. a. O. 448 1 . « ) E b d . 298 f. w ) E b d . 490. 1 6 ) M e y e r Germ. Myth. 171 = Mannhardt Germ. Mythen 307 4 ; R o c h h o l z Kinderlied 283 Nr.622. M ) W u t t k e 179 § 2 6 5 .

3. Der Glaube, daß weder der Teufel (Oberpf.)17) noch H e x e n und Walridersken (Old.)18) die G e s t a l t des Lammes annehmen dürfen, zeigt den starken christlichen Einfluß (vgl. dagegen: Hammel 4, W i d d e r 5, s. auch Schaf 6140). ") Schönwerth Oberpfalz 3, 39. S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 142 Nr. 372.

ls)

4. Über die leichte Beeinflußbarkeit des L.es durch verschiedene schädliche Einflüsse, besonders den „bösen B l i c k " 19) und durch K r a n k h e i t e n , ferner über das L. als z u k u n f t w e i s e n d e s und Orakel-Tier 2 0 ) s. Schaf 2, 3, Hammel 2. 18) Bereits bei Vergil und heute noch in Italien (vgl. S e l i g m a n n Blick i , 216). 20) W e r nach irischem Glauben im Frühling zuerst ein schwarzes L . s t a t t eines gefleckten oder weißen erblickt, wird v o r Ablauf des Jahres sterben Z d V f V k . 23, 148.

5. Das L. spielt eine wichtige Rolle im S c h u t z z a u b e r der Jäger. „Sich gfroren", d. h. kugelfest und schußsicher, machen kann sich ein Jäger durch den Genuß des „Lämmleinbrotes", was im Pustertal besonders bei alten Jägern noch im Gebrauch sein soll. Dieses Brot muß in der Christnacht während der Mette (Tirol) 21) oder am Ostersonntag während des Osterhochamtes (tschech. Böhmen)22) gebacken werden aus einem Mehl, das während der Mette (des Hochamtes) gemahlen, und dem Blute eines L.es, welches während derselben Zeit geschlachtet wurde, gebacken werden. Uber die Abwehr der Drehkrankheit s. o. 1 und Schaf 2, Widder 3. 2 1 ) H o v o r k a und K r o n f e l d 1, 4 1 6 ; Brandenburgia 1916, 168 = Z i n g e r l e 75 N r . 6 2 7 ; A l p e n b u r g Tirol 358; K r o n f e l d Krieg 98. 22 ) W u t t k e ^320 § 475 = Grohmann 207 Nr. 1439 = Casopis 1854, N r . 539.

6. In der V o l k s m e d i z i n finden neben dem B l u t 23) und der Galle 2 4 ) Verwendung: im 16. und 17. Jh. die Leber gegen Ruhr 2S ), die Lunge gegen Schwindsucht, Asthma und Keuchhusten26) und

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Lampadomantie—Lampe

eine Suppe aus Lämmerbeinchen mit Nußöl und Zucker gegen das Blutharnen 27 ) (s. H a m m e l 3, S c h a f 4, W i d d e r 4). ») S. Schaf 4. " ) H o v o r k a und K r o n f e l d 2, 211; s. Schaf 4. " ) H ö f l e r Organotherapie 171 = J ü h l i n g Tiere 156. 157. 2 ') H ö f l e r a. a. O. 274 = J ü h l i n g 46. iJ ) Jühl i n g a. a. O. 156. — In Weißrußland wirft man die L.-Knochen hinterrücks auf die Felder, um das Korn gegen Hagel zu schützen oder hebt sie im Hause auf und verbrennt sie bei Gewitter zur Verhütung des Blitzschlages (Mannhardt Forschungen 188).

7. Das L. als S y m b o l C h r i s t i im Aberglauben bezeugt die Anschauung, daß sich zu Ostern ein Lamm in der Sonne sehen läßt (Old.) 28) bzw. daß ein Glas Wasser, am Ostermorgen vor Sonnenaufgang hingestellt, das Osterlamm zeigt (Altm.) 29), ferner eine vogtländische Sage 3 0 ).

" ) S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 142 Nr. 372. — Nach poln. Glauben badet sich am Karsamstag ein L. mit Fahne in den Strahlen der Sonne {Höfler Ostern 24). »») Simrock Mythologies 378 = Temme Sagen der Altmark 85. ao) E i s e l Voigtland 342 Nr. 822. S. a. Agnus Dei.

8. S a g e n von L.ern sind in der volkstümlichen Überlieferung ziemlich zahlreich. So von gespenstigen weißen und schwarzen L.ern (Eis., Niederl. 3 1 ); Bay., Oberpf., Tir. 32 ), Vogtl. *»), Schwz. 3 «)), die die Leute irreführen (Oberpf.) 3S ) (Dorftieren); von L.ern, die sich, nachdem man sie getauft, in Ungeheuer verwandeln (Schwz.) 3 6 ); von einem L., das von den Bewohnern einer Stadt geschunden wurde und Ursache des Unterganges dieser Stadt wird (Schwz.) 37 ), von einem L. als Schatzopfer (Vogtl.) 3 8 ) oder einem Schatz in Gestalt eines goldenen L.es (Riesengeb.) 39) (s. Hammel 4, Schaf 6, Widder 5). s l ) M a n n h a r d t German. Mythen 490 = S t ö b e r Elsaß 173. 176. 225. 228. 240. 309; , a Wolf Niederl. Sagen 551. 647. ) Q u i t z m a n n 177 = P a n z e r Beitr. 1, Nr. 88. 145. 197. 305; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 194; Z i n g e r l e Tirol Nr. 191. a3) E i s e l Voigtland 124 Nr. 320. **) R o c h h o l z Naturmythen 91 Nr. 23. 3S) P a n z e r Beitr. 181 f. *•) J e g e r l e h n e r Sagen 2, 15 Nr. 20. Vgl. 1,79 Nr. 9; Walliser Sagen 1, 177 Nr. 153. " ) R o c h h o l z a. a. O. 84 Nr. 9. 3") E i s e l a. a. O. 177 Nr. 474. »•) K ü h n a u Sagen 3, 726.

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Vgl. Hammel, Schaf, Widder, Osterlamm. Herold.

Lampadomantie, wörtlich = Wahrsagung vermittelst einer Fackel (Xapitofc), doch sprechen die spärlichen darauf bezüglichen Notizen nur von der Verwendung von Kerzen. Es handelt sich also lediglich um eine Namendublette zur Lychnomantie 1 ), vermutlich willkürlich gebildet zwecks Bereicherung der seit dem 16. Jh. beliebten Register von allerlei Wahrsagemethoden 2 ). S. d. und oben 4, 1245; F r e u d e n t h a l Feuer 178 s . *) D e l r i o Disquis. mag. lib. 4, c. 2, qu. 7, s. 1. 2 (1603), 178; hier wird die L. lediglich auf die Sitte bezogen, dem hl. Antonius eine Kerze zu weihen, um verlorenes Gut wiederzufinden. Die mit den vorbedeutenden Zeichen an Lampen beschäftigte Mantik wird von Delrio als „lucernaria" (sc. divinatio oder ars) bezeichnet, s. a. B u l e n g e r u s De ratione divinationis 3, 22, Opera (1621) 221; F a b r i c i u s Bibliogr. antiquarias (1760) 602. Boehm.

Lampe (siehe auch L i c h t ) . Die Bedeutsamkeit der L. geht oft aus der allgemeineren des Lichtes hervor, so wenn L.n beim Toten brennen, jeweils solange es dunkel ist, bis er begraben w i r d l ) , eine besondere Aufmachung wird aus Herford 1870 berichtet, wo man am Begräbnistage an den Eckpfosten der Tenne neben langen befranzten Handtüchern noch brennende L. aufhängte 2 ). Es heißt auch, wenn abends zufällig drei Personen jede mit einer L. zusammenkommen, gibt es bald eine Braut im Hause oder: Stehen drei L. in einem Raum, gibts Brautglück (Schaffhausen) 3 ). Man darf wohl als eine Voraussetzung dieser Anschauung das biblische Gleichnis von den törichten und klugen Jungfrauen ansehen, das die Volksmeinung der Lichterfülle der hochzeitlichen L.n stets eingedenk erhielt. Mangel an Speise und Trank tritt ein, wenn am hl. Abend die L.n nicht gefüllt sind 4 ). Die L. fordert an solchem Tag besonders die Unterhaltung ihrer lebendigen Kräfte wie nur rücksichtsvolle Aufmerksamkeit in ihrer Betreuimg überhaupt sie wirksam bleiben läßt. Schon die Römer löschten eine L. nicht aus, sondern ließen sie stets von selbst ausgehen 5 ).

895

Landmesser—landwirtschaftliche Segen

896

S. z. B. RhMus. 55, 79; C a t o De agricultura Cap. 160. 2 ) J A m F l . 22, 174 ff.; vgl. Komania 7, 348.

keit ausdrücken, an den Hof gewöhnt, z. B. :„ Bleib beim Haus, wie's Bein beim Leib" oder „Du gehörst in mei(n) Haus wie der Büttel aufs Rathaus" 8 ). Skandinavien bietet Seitenstücke4). Ein verwandtes Motiv ist: die Sünder und ihre Strafe, s. Sünder in den Segen. — A b r a hams Garten, z. B.: „Ich laß euch (Hühner) 'naus in Abrahams (auch: Adams) großen Garten, heut Abend um Sechse will ich euch erwarten" 8 ); eigentlich wohl ein Schutzsegen. „Abrahams Garten" hier so viel wie Paradiesgarten, auch deutschen Dichtern des Mittelalters bekannt, bedeutet letztlich sicher den Hain Mamre (1. Moses 18, 1), an welchem Ort seit vielen Jh.en ein uralter Baum verehrt wird (s. Abraham § 1 und 4). In der Mahnung an J e s u A u s h a r r e n im Leiden wird das Pferd zum Stillestehen gebracht, der Ochs an das Joch gewöhnt. So im 16. Jh.: „Ich bebeut dir, ros . . . daz du weder lauuffest noch inndert gest, als vnser lieber her Jh. Cr. still stund, do in die hl. drei nageil durch hend vnd durch füs wurden geschlagen"6). Dem Ochsen: „Wie Jesus sein Kreuz getragen, so trage auch du dein Joch" 7 ). — Das beim Beschlagen unruhige Pferd stillen die D r e i K ö n i g e (s. d.); so im 15. J h . : „Caspar te teneat, Baltazar te ligat, Melcior te ducat" 8). Deutsche Formen seit c. 1600 9 ); jetzt gewöhnlich so: „ K . hebe dich, Melcher binde dich, B. strecke (stricke) dich" 10). Die Könige, Patrone der Reisenden, waren laut der Legenda aurea 11 ) beritten (zwar auf Kamelen); Vorbild unseres Spruches ist ein Reisesegen wie dieser gewesen (J. 1466): „C. me ducat, B. me regat, M. me salu e t . . . " 12 ). Auch ein böser Spruch ist für Festbannen eines Pferdes beim Beschlagen oder Verschneiden (übrigens auch, mit anderer Adresse, für Jagdglück) überliefert: „Satan, halt mir dieses Tier, ich geb dir Leib und Seele dafür" 1S ). — S. noch Bienensegen u. vgl. Entwöhnung.

2. Haustiere, a) Das „ G e w ö h n e n " und F e s t b a n n e n : Das Federvieh wird mit Vergleichen, die enge A n g e h ö r i g -

b) Gedeihen und E r g i e b i g k e i t . Vereinzelte Sprüche bekannt, wie: „ I binn di aa zum Deie unn nit zum Schreie"

So sind, wenn die Tischl. von oben ausgeblasen wird, alle Schutzmittel gegen die Gefahren des Gewitters umsonst6). Ihr aus der Antike hergebrachter Nährstoff, das öl, zieht von der Umgebung auch abergläubische Qualitäten an. Wenn man einen Kropf heilen will, so bestreicht man ihn mit dem öl aus einer L., die bei einem Sterbenden brannte7) (Schwundwirkimg). Auf den Qualitäten des Glases im allgemeinen (s. d.) beruht dagegen der Aberglaube, wenn ein L.nzylinder zerspringt, stirbt binnen eines Jahres ein Familienmitglied8). Die Halteschraube zum Fällstück der altvolkstümlichen Bergmannsl.n weist regelmäßig eine Hahnenfigur als Griffteil auf 9). Ob sich daran ein Aberglaube knüpft, wissen wir nicht. B a r t s c h Mecklenburg 2, 95. 2 ) ZfrwVk. 1907, 282. 3 ) SchwVk. 3, 74. 4 ) J o h n Erz8 gebirge 1 5 1 . ) B a c h o f e n Gräbersymbolik 89 f. J o h n Erzgebirge 27. ' ) W o l f Beiträge 1, 224; Amulett- und Heilwirkung des Öls des ewigen Lichtes nach griechisch-orthodoxem Volksglauben: S e l i g m a n n Blick 1, 339. 8 ) J o h n Erzgebirge 1 1 5 . •) Museum für Volkskunde Wien und andere Sammlungen; vgl. S e l i g m a n n Blick 2, 312. Haberlandt.

Landmesser s. G r e n z e . landwirtschaftliche Segen (Sprüche für Tierkrankheiten s. Krankheitssegen und Pferdesegen, s. auch: Segen wider Verhexung). 1. Schon in der A n t i k e waren Sprüche und Gebete für Hof- und Feldwirtschaft üblich 1 ); die uns bekannten Texte sind doch für die deutsche Überlieferung ohne Bedeutung, während altenglische, christlich geprägte Ackersegen an antike Gebete an die Erde erinnern 2 ). Die deutschen Segen — von den Krankheitssegen abgesehen — gehören meist der mündlichen Überlieferung an und sind größtenteils erst nach 1500 oder noch viel später aufgezeichnet (vgl. hierüber Segen § 17).

897

landwirtschaftliche Segen

(dem erstmals an die Krippe gebundenen Kalb) 1 4 ). „Luter Biple (Hennen) un kei Gickerle (Hahn)" (der brütenden Henne) 18). Für Milchgeben der Kuh ein Spruch aus dem J. 1565 16 ). — Schirm der Haustiere gegen Untiere s. Wolfssegen. Zum Schirm des Federviehs werden Überbleibsel oder auch Steine den Raubvögeln mit einer Ritusanzeige (s. Segen § 3) zugeworfen; auch ist ein Gebet an den hl. „Henderich" (aus Henne gebildet) überliefert 17 ). 3 ) W u t t k e § 674; E b e r h a r d t Landwirtschaft 20; vgl. M e y e r Baden 413; L i e b r e c h t Zur Volksk. 356. *) DanmTryllefml. Nr. 711 ff. ») M e y e r Baden 413; S c h m i t t Hettingen 15; vgl. G r i m m Myth. 2, 1037 (Wolfssegen). Vgl. ebenda 2, 1020; 3, 371; M e y e r Germ. Myth. § 112 (175); The J ewish Encyclopedia i , 9 3 ; B a e d e k e r Palestina s. v. Mamre. •) Alemannia 27, 106; vgl. MschlesVk. H. 6, 34. ') M e y e r Baden 402; vgl. ZfrwVk. 2, 292; 18,57; BlpommVk. 7, 56; Württ. V j h . 13, 175 Nr. 72 (Alb. Magn.). Dänisch DanmTryllefml. Nr. 720. 8) S c h ö n b a c h H S G Nr. 634. ») ZfdMyth. 3, 324. »®) Alemannia 8, 125; J a h n Hexenwahn 145; MschlesVk. H. 6, 34 Nr. 16; vgl. Germania 26, 238; WürttVjh. 13, 184 Nr. i n (Alb. u ) Leg. aur. ed. Graesse 89. Magn.). ") F r a n z Benediktionen 2, 268. 13 ) Z f V k . 1, 187 Brandenburg; B a r t s c h Mecklenburg 2, 448; K u h n und S c h w a r t z 429 Altmark; vgl. dänisch DanmTryllefml. Nr. 765 f. " ) Aleman15 ) M e y e r nia 25, 240. Baden 412; vgl. schwedisch H y l t 6 n - C a v a l l i u s Wärend och Wirdarne 386. " ) Z f V k . 15, 180 Braunschweig. " ) W u t t k e §675, nach W o e s t e Mark 53; Frischbier Hexenspr. 128 f.; Z f V k . 8, 229 (Salzburg?). Hinweise auch S a r t o r i Sitte 2, 131 Anm. 10.

3. F e l d und G a r t e n , a) D a s S ä e n : Der Wunsch „Bis an die Kniee" (und höhere Körperteile); ein Vers über dieses Motiv, auch mit z. T. obscönem Ritus der Weiber verbunden, ist weit bekannt (von 1611 an belegt), besonders als Flachssegen 1 8 ). Die Form variiert nicht wenig; in Böhmen heißt es z. B . : „Gout grüße dich mai lieber Flachs, doß d'mer bekämst en guden Wachs; doß d'mer ne ofängst ehnder zo blühn, os bis d'mer thust gihn bis zun Knien, doß d'mer ne ehnder thust knötteln, bis d'mer thust rechen zu Görteln" (1611 ist der Reim „Knott: bis an die Fott"). Entsprechende Wünsche für G a r t e n k r ä u t e r , z. B.: „Heiter (Häupter) wie B A c h t o l d - S tftubli, Aberglaube V

898

mein Kopf, Blätter wie meine Schürze" (Thüringen) 18 ), oder „Du (Wurzel) schast wassen as en Been dick un as en Arm lank" (Holstein) 20 ). Vgl. französisch: „Dieu veuille, que les navets que je sème deviennent aussi gros que ma tête" (und: „les carottes . . . grosses que ma cuisse") 21 ). — Gebet mit Ritus bei den Balten in ihrer heidnischen Zeit ungefähr wie im deutschen Flachssegen, ist von Grimm herangezogen 22). — Beim K o r n s ä e n sind Abwehrsegen, teilweise religiös geprägt, verbreitet, besonders mit dem Reim „Namen-Samen", z. B. „Ich säe meinen Samen in Mariens Namen, in Märiens Kind, daß alle [schädlichen] Dinger werden blind" M ) (Vgl. Fiebersegen § 3 b, Gerste § 2, Heirat-Segen § 1 ) . — Andere Sprüche für das Getreide vereinzelt 24 ). S. auch Mäusesegen und Wurmsegen § 9. b) D a s O b s t . Ein Gruß an die Bäume am Neujahrstag ist aus Oberfranken und besonders aus Braunschweig überliefert, z. T. mit Riten (Schlagen, Umwickeln) verbunden; z. B. so: „Freue ju Börne, Nüjar is komen; sittet vull, draget vull, dit Jar ne Kare vull, up det Jar en Wagen vull" 25). Ähnliche Riten und Sprüche flämisch, dänisch (Weihnacht, „Freue dich, Apfelzweig, wie Maria die J. Chr. gebar", 17. Jh.), englisch (französisch)26). 1S ) Literatur hierüber: M a r z e i l HessBl. 11, 16 fï. u. a. mit dem ältesten Belege. Andere Belege z. B. G r o h m a n n 144 Nr. 1066 (oben zitiert). Vgl. J o h n Westböhmen 196; M e y e r D. Volksk. 226; Alemannia 17, 245 (J. 1675); D r e c h s l e r 2, 59. " ) M e y e r D. Volksk. 228; mehr Hinweise S a r t o r i Sitte 2, 67 Anm. 45 t. 20) M ü l l e n h o f f Sagen 516. ") Sébillot Folk-Lore 3, 457. " ) G r i m m Myth. 2, 1037. 2>) M e y e r D. Volksk. 222 Hessen (vgl. J o h n Westböhmen 185); ZfrwVk. 12, 109; Z f V k . 1, 186. Vgl. noch M e y e r Baden 419. 422. « ) Z . B . Z f V k . i , 314; J a h n Opfergebräuche 90; ZfdMyth. 1, 200. Erntespruch an Wode W o s s i d l o Erntebräuche 30 f. Beim Dreschen P a n z e r Beitrag 2, 225s. — R a n t a s a l o Ackerbau (in den FFC), bes. Bd. I V passim. 15 ) Heimatbilder aus Oberfranken 5, 19; Z f V k . 10, 65; J a h n Opfergebräuche 214; vgl. S t r a c k e r j a n 1 1, 106. *•) ZfdA. 7, 533; DanmTryllefml. Nr. 782 ff.; B r a n d ( - E l l i s ) Populär Antiquities (London 1849) 1, 9 (Sé b i l l o t Folk-Lore 3, 375 f.).

4. D i e P r o d u k t e ,

a) B u t t e r : Ver29

Länge Christi

899

einzelte Sprüche für das oft so schwierige Buttern sind überliefert, z. B . : „In Gottes Namen rühr' ich aus, ein Butter wiere (wie ein) Haus" 27). Oder: „Butter tu dich z'samm wie die Fraa ze ihrem Mann und der Borsch ze seiner Dirn, Buttern tu dich zamma rührn" 28). Die Grenze gegen die Sprüche der sich fremder Leute Butter herzaubernden Hexen ist recht offen; so ist letzterer Spruch als „Butterhexreim" bezeichnet; umgekehrt ist folgender, bei dem dies nicht der Fall ist, inhaltlich ein Hexenspruch: „Botta, Botta Lenze, kam't von alle Grenze, Botta, Botta ut er Stadt, kam't bi mi ön't Botterfatt" 29) (vgl. Schadenzaubersprüche; s.auch „Verhexung, Segen wider"). — „Unschuldige" Sprüche auch englisch, französisch, skandinavisch ; im Norden auch Butterhexsprüche seit dem 16. Jh. bekannt 3 1 ). b) B r o t . Wenn das Brot in den Backofen geschoben wird — norddeutsch: „ D a t Brot is im Aben, unser Herr Gott is bäben"; Schluß entweder „Wenn't keen Brot will Warden, lat't luter Stuten Warden" 32 ), oder stilreiner „All dei dorvon eten, ward de leiw Gott nich vergeten" 33). — Man vergleiche einen sizilianischen Spruch, der aber das Wachsen des Jesuskindes heranzieht: „Crisci, pani, 'nta lu furnu, comu Diu crisciü alu munnu (Welt)" (auch: wie Jesus im Windel) M ). " ) Urquell 5 (1894), 281, vgl. 282; 6, 131 S8) Heimatbilder aus Oberfranken Holstein. 2i) F r i s c h b i e r 5, 9. Hexenspr. E b e r h a r d t Landwirtschaft 18. m )

125; vgl. Halliwell

The nursery rhymes of England 136, 17. J h . ; Söbillot Folk-Lore 3, 84, 1 5 . J h . ; Norske Hexefml. N r . 2 3 3 . a l ) DanmTryllfml. Nr. 982ff.; L i n d e r h o l m De stora häxprocesserna i Sverge 1,

206.

S2)

Bartsch

(1890), 18. blioteca

Kuhn

Mark.

Mecklenburg

delle

2,

Sagen

134;

Vgl. backen § 5. trad.

pop.

Siciliane

M)

382.

**)

Urquell

Pitrö

I

Bib-

1 8 , 336.

Ohrt.

Länge Christi (s. auch Christi Länge 2, 64). Nachdem meine eingehende Untersuchimg über die L. Chr. erschienen i s t 1 ) , kann auf diese verwiesen werden. Inzwischen ist mir weiteres Material z. T. neu aufgestoßen, z. T. zugänglich gemacht worden, über das hier in Vorwegnahme genauerer Behandlung kurz be-

900

richtet werden soll. G. Uzielli 2 ) führte den Ursprung der L. Chr. auf mittelalterliche Längenmaße zurück; wenn diese Beziehungen überhaupt zu Recht bestehen, so kann man vielleicht darauf hinweisen, daß die Ägypter die „heilige Elle des Thot" als Erfindung des Gottes kannten 3 ), eine später auf Joseph übertragene Vorstellung, von dem Artapanus4) berichtet: TOÖTOV 8 S xai jiexpa eupeiv. Auf die mit dem Objekt verbundenen abergläubischen Ideen geht er nicht ein, doch bringt er einige L.n Chr. bei aus mittelalterlichen Codices des 13., 14. und 15. Jh.s, von denen der erste ein Christusbild der ganzen Gestalt in Vorderansicht gibt, * darunter den Maßstrich, die beiden anderen zwei weitere Maßstriche mit erläuternder Unterschrift; die Länge des Körpers Christi variiert danach zwischen 1,60 m und 1,80 m. Unter dem Christusbild steht: „Hec linea bis sexties ducta mensuram dominici corporis monstrat. Sumpta est autem de Constantinopoli ex aurea cruce facta ad formam corporis Christi", weist also auf das von mir a. a. O. erwähnte Kreuz in Byzanz zurück. Eine zweite kleine Abhandlung Uziellis s ) bespricht ein fliegendes Blatt italienischer Herkunft, wohl aus der ersten Hälfte des 16. Jh.s, das neben einer Reihe von Gebeten auch die „misura del nostro Saluatore Jesu Chrysto" enthält; es ist eine Parallele zu dem elsässischen Pestblatt von ca. 1500 und den „Teufelspeitschen"'). Die „Orazione della misura di Cristo", ausgesprochen abergläubisch, ist gegen Ende des 15. Jh.s in Italien öfters gedruckt worden 7 ). Ein besonders wertvolles Exemplar der L. Chr. ist ein dem Thomasstift in Straßburg i. Eis. gehöriges Ölgemälde, das ein Brustbild Jesu im Profil zeigt, vermutlich 17. Jh., dessen Unterschrift lautet: „Jesus Nazarenus Rex Judaeorum. Dises bildt Christi ist gestalt Wie es Lentulus hat abgemalt und geschick gen Rom dem Senat Von Jerusalem aus der Stadt seine lenge ist dieser linien Zehen mahl" (folgt der 19 cm lange Maßstrich). Das Porträt ist demnach auf Grund des apokryphen

901

Länge Maria—Langschläfer

Lentulusbriefs 8 ) entworfen, der erstmals bei Anselm v o n Canterbury begegnet; ein anderes besitzt die Universitätsbibliothek z u J e n a * ) , ob mit Maßstrich, ist mir nicht bekannt. Der Hexenh a m m e r 1 0 ) empfiehlt bei der Folterung von H e x e n : ,,ea quae supra t a c t a sunt de sale et aliis rebus benedictis: cum Septem verbis, quae Christus protulit in cruce, in schedula conscriptis: insimul colligatis, collo eius alligentur, longitudo Christi super nudum corpus, et extra benedicta circumligatur: Siquidem longitudo ipsa commode haberi potest: E x perientia docuit miro modo his rebus ipsa molestari, v i x q u e retinere: praecipue autem reliquias sanctorum " . Freilich bezweifelt das Delrio 1 1 ). Die Kapelle des hl. Kreuzes in Braine-le-Chäteau (Brabant) h a t an der W a n d einen Eisenstab „ l a mesure du B o n D i e u " bzw. „mesure de Notre Seigneur JésusChrist"12). Z u m „ F u ß der M a r i a " ist z u vergleichen der Fußabdruck der hl. Barbara in ihrer Marmorbadwanne, dessen Maß sich die Pilger „ z u r Gesundheit und Heilung" nahmen " ) . Die Seitenwunde Jesu ist gegen 1500 in einem niederdeutschen Gebetbuch abgebildet M ) . Bei den palästinensischen Juden messen schwangere Frauen mit einem Seidenfaden die Tempelmauer und winden den Faden dann u m ihre H ü f t e n ; dies behütet sie v o r dem Verlust des Segens ihres L e i b e s 1 S ) , womit der Gebrauch der Maßschnüre des hl. G r a b e s w ) zusammengehört, dem er wohl nachgebildet ist. Mit den Längenmaßen von Heiligen darf man wohl die Nachricht der jüngeren Olafssaga Tryggvasonar c. 2 2 8 1 7 ) verbinden, beim Althing J . 1000, als Island das Christentum annahm, habe eine feierliche Prozession z u m Thingplatz stattgefunden: „ n a c h der Messe gingen sie zum Gesetzberg, sieben geistliche Männer in ihren Gewändern, und sie trugen vor sich zwei große Kreuze, dieselben, welche jetzt zu Skard y t r a sind; das eine zeigt die Höhe des K ö n i g s Olaf Tryggvason, das andere aber die Höhe des Hjälti Skeggjason" 1 8 ). 1)

SAVk. 29 (1929) : Heilige längenmaße.

902

2)

Misure lineari mediavoli e l'effigie di Cristo (Firenze 1899). *) H. B r u g s c h Religion u. Mythologie der alten Ägypter (1891) 447. *) J. A. F a b r i c i u s Codex pseudepigr. Veteris Testamenti 1 (1713), 788. s ) L'orazione della misura di Cristo (Estratto dall' Archivio Storico Italiano, Dispensa 2 a - del 1901). •) SAVk. 28 (1928), 81 ff. ') L'orazione etc. 10 ff. ») S. den Text des Briefs bei F a b r i c i u s Cod. apocryphus Novi Testamenti i (1703), 301 ff. •) Hauck RE. 23, 308; Atti del II 0 Congresso internazionale di Archeologia cristiana tenuto in Roma nell' Aprile 1900 (Roma 1902), 9 fi. 10) Malleus maleficarum 1 (Lugduni 1669), 249 p. III. qu. 16 (Ende des 15. Jh.s). n ) Disquisitiones magicae (Köln 1679), 767. 1%) Le Folklore Brabançon 3, 75 f. 13) S t e m p l i n g e r u) Volksmedizin 87. J. Scherr Deutsche Kultur- u. Sittengeschichte (1930) 166 Abb. 39. " ) H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 538. l6 ) SAVk. 29. " ) K. Maurer Die Bekehrung des norwegischen Stammes i (1855), 422. 18) Vgl. noch H o v o r k a u. K r o n f e l d 1, 94 ff.; 2, 566; Enchiridion Leonis, Papae serenissimo imperatori Carolo Magno. A Rome, 1740 (franz. Ed., Neudruck), 61; Jezira das ist das große Buch der Büeher Moses (Neudruck von Bartels, Neuweißensee) 2, 121 fi.; Volk und Schule (München) 2, 161; S t e m p l i n g e r a . a . O . 86f. Eine Abbildung der „grosse und gestalt" des Nagels, „damit Christus an das creutz genagelt ist gewesen. Ist dieser einem waren originalnagel, der bey keyserlicher maiestat vorhanden, nachgemacht worden und denselben angerührt" findet sich in A. W i l t h e i m s Collectaneen, Hd. in Luxemburg, Publications de la Section historique de l'Institut GrandDucal de Luxembourg 51 (1903), 281 (177) Nr. 129, vgl. SAVk. 29 (1929). Jacoby. Länge M a r i a s. C h r i s t i Länge Christi. lange Nacht T h o m a s hl.

s.

Länge

und

Durchspinnacht,

langsam s. g e h e n . Langschläfer. 1. Z u m rechtzeitigen Aufwachen hilft neben andern Mitteln namentlich ein Gebet zum h. V e i t 1 ) . L . können durch ein solches Gebet in der Thomasnacht ihrem Fehler a b h e l f e n 2 ) . Wenn ein Mädchen lange schläft, bekommt es die Bleichsucht 3 ). Der L . ist mannigfachen Neckereien ausgesetzt 4 ). ») S a r t o r i Sitte 2, 25 Anm. 28; Nds. 11, 390; 12, 138; S t r a c k e r j a n 2, 92; John Westböhmen 83. *) V e r n a l e k e n Mythen 343. s) Drechsler 2, 17; W u t t k e 314 (463). *) Wossidlo Mecklenburg 3, 46f.; ZfrwVk. Ii, 133 f. — In der mittelalterlichen Literatur 29*

903

längster Tag

wird die Redensart ,,hyr is to lange geslapen** u. ä. oft sprichwörtlich angewandt, wo es sich um ein schlimmes Versäumnis überhaupt handelt: KblNdSpr. 5, 75 fr.; 6, 6 f. (ältester Beleg Kudrun 1360). Vgl. auch schon H o m e r II. 2, 61; KblNdSpr. 6, 49. Umgekehrt rät das Sprichwort, früh aufzustehen, wenn man etwas erreichen will: Ebd. 5, 60. 74 f.; 6, 49. Der Ausruf „Wie habe ich also lange geslaffen!" begegnet übrigens auch in vielen Ausrufen und Liedern, die von einer Totenerweckung handeln: Z f V k . 13, 21 Anm. 3.

2. A n b e s t i m m t e n T a g e n , die einen Anfang bezeichnen, tritt dieser Spott besonders stark und nachdrücklich in Worten und Handlungen hervor 5 ). So namentlich an denen der J a h r e s w e n d e , am Thomastage 6 ) und an Silvester 7 ). Im Zürcher Oberlande gehen am Silvestermorgen Knaben und Mädchen gruppenweise von Haus zu Haus und wecken die Schläfer. Der letzte, der kommt, ist der Silvester und wird gehänselt und bewirtet 8 ). Man sieht also in ihm gewissermaßen eine Verkörperung des neuen Jahres, die zunächst freudig und mit glückverheißender Heiterkeit begrüßt, dann aber — aus Necklust, Schadenfreude (denn der zu spät Kommende spielt im gewöhnlichen Leben oft eine tragikomische Rolle) und mitunter auch wohl aus erzieherischen Gründen verhöhnt und verspottet wird. Ziemlich deutlich treten diese verschiedenen Gesichtspunkte in den am Stefanstage (26. Dezember) in dem schleswigischen Dorfe Viöl geübten Brauche hervor. Hier erhielt das Kind, das zuletzt aufstand, den Namen Steffen und mußte zum Nachbarn auf einer Heugabel reiten, wurde dort zwar mit Leckerbissen bewirtet, dann aber mit den Worten zur Tür hinausgejagt: „ D u bist ein fauler Hund und sollst das ganze Jahr der Faulste sein, du L . " 9 ). *) ZfrwVk. I i , 140. *) S a r t o r i 3, 21; ZfrwVk. 11, 135 f. (In Salzig, Kr. St. Goar, sagt man: Wer am Thomastage nicht ausgeschlafen hat, der schläft das ganze Jahr nicht aus). 7 ) S a r t o r i 3, 21 Anm. 6. 8 ) M e s s i k o m m e r 1, 160f. •) M a n n h a r d t 1, 403.

3. A m H i m m e l f a h r t s m o r g e n , zu M a i t a g und P f i n g s t e n ist diese Verspottung des Langschläfers ebenfalls üblich 1 0 ); vor allem bei den H i r t e n , wenn sie zum erstenmal wieder das Vieh

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austreiben 1 1 ). Mannhardt sieht in diesen Frühlingsgebräuchen in dem zuletzt aus dem Bett Gekommenen die aus dem Winterschlafe zu neuem Leben erweckte Triebkraft des alten Jahres 1 2 ). Diese Auffassung wird unterstützt durch den nicht selten an dem L. vorgenommenen Regenzauber. In Polen, Schlesien und Siebenbürgen wird das Mädchen, das Ostern die Frühmette verschlafen hat (d. h. das zuletzt erwacht ist), gewaltsam gebadet, damit der Flachs gut gerate 1 S ). In der Lüneburger Heide wird der Hirtenknabe, der am längsten geschlafen hat, als Pingstbötel, mit Grün und Blumen geschmückt, herumgeführt und schließlich ins Wasser geworfen 14 ). 10 ) S a r t o r i 3, 187 Anm. 5 (Aurich). 191 f. Wer am 1. Pfingsttag am hellen Tage schläft, kriegt den Brand in den Weizen: ZfrwVk. 11, 140. u ) S a r t o r i 3, 191 f. 193 f.; ZfrwVk. 11, 137. 12 ) M a n n h a r d t 1, 319. 392. 438. 444. Auch das Korn selbst wird ja oft durch besondere Bräuche aufgeweckt: ebd. 1, 548. Vgl. auch das Lerchenwecken: ebd. 1, 253. 319. l s ) M a n n h a r d t 1, 328. 14 ) K ü c k Lüneburger Heide 38 f. 41. Vgl. G e s e m a n n Regenzauber 57 (6). 73 (21). 80. 82.

4. Zu gewissen Zeiten werden die L . von den früher Aufgestandenen frühmorgens noch im Bette m i t R u t e n g e s c h l a g e n , namentlich am Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dezember) 1 S ), Fastnacht 1 6 ), Aschermittwoch 1 7 ), Palmsonntag 18 ), Ostern w ) , Maitag *"). Man sucht die mit dem Schlage der „Lebensrute" Bedachten wohl weniger deshalb bereits in ihren Betten heim, weil sie da wehrlos sind, als vielmehr, weil sie nackt sind und also die zauberische Wirkung des Schlages um so besser aufnehmen können. " ) M a n n h a r d t 1, 268'; S a r t o r i 3, 46 Anm. 108. w ) M a n n h a r d t 1, 254; S a r t o r i 3, 102. ») Z f V k . 7, 74 (Anhalt). " ) M a n n h a r d t 1, 257 (Russen). " ) Ebd. 1, 259 Anm. 2 ; S a r t o r i 3, 1 5 4 0 . S a r t o r i 3, 183. Sartori.

längster Tag. Den 1. T. des Jahres annähernd zu bestimmen, war man wohl schon in ältester Zeit bestrebt, wenn auch die genaue chronologische Feststellbarkeit kaum möglich w a r 1 ) . Auch in der Gegenwart spielt der astronomisch

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längster Tag

wird die Redensart ,,hyr is to lange geslapen" Ti. ä. oft sprichwörtlich angewandt, wo es sich um ein schlimmes Versäumnis überhaupt handelt: KblNdSpr. 5, 75 fr.; 6, 6 f. (ältester Beleg Kudrun 1360). Vgl. auch schon H o m e r II. 2, 61; KblNdSpr. 6, 49. Umgekehrt rät das Sprichwort, früh aufzustehen, wenn man etwas erreichen will: Ebd. 5, 60. 74 f.; 6, 49. Der Ausruf „Wie habe ich also lange geslaffen!" begegnet übrigens auch in vielen Ausrufen und Liedern, die von einer Totenerweckung handeln: ZfVk. 13, 21 Anm. 3.

2. An b e s t i m m t e n T a g e n , die einen Anfang bezeichnen, tritt dieser Spott besonders stark und nachdrücklich in Worten und Handlungen hervor 6 ). So namentlich an denen der J a h r e s w e n d e , am Thomastage 6 ) und an Silvester 7 ). Im Zürcher Oberlande gehen am Silvestermorgen Knaben und Mädchen gruppenweise von Haus zu Haus und wecken die Schläfer. Der letzte, der kommt, ist der Silvester und wird gehänselt und bewirtet8). Man sieht also in ihm gewissermaßen eine Verkörperung des neuen Jahres, die zunächst freudig und mit glückverheißender Heiterkeit begrüßt, dann aber — aus Necklust, Schadenfreude (denn der zu spät Kommende spielt im gewöhnlichen Leben oft eine tragikomische Rolle) und mitunter auch wohl aus erzieherischen Gründen verhöhnt und verspottet wird. Ziemlich deutlich treten diese verschiedenen Gesichtspunkte in den am Stefanstage (26. Dezember) in dem schleswigischen Dorfe Viöl geübten Brauche hervor. Hier erhielt das Kind, das zuletzt aufstand, den Namen Steffen und mußte zum Nachbarn auf einer Heugabel reiten, wurde dort zwar mit Leckerbissen bewirtet, dann aber mit den Worten zur Tür hinausgejagt: „ D u bist ein fauler Hund und sollst das ganze Jahr der Faulste sein, du L . " 9 ). 6) ZfrwVk. 11, 140. •) Sartori 3, 21; ZfrwVk. 11, 135 f. (In Salzig, Kr. St. Goar, sagt man: Wer am Thomastage nicht ausgeschlafen hat, der schläft das ganze Jahr nicht aus). ') Sartori 3, 21 Anm. 6. 8) Messikommer 1, 160f. 9) M a n n h a r d t 1, 403.

3. Am H i m m e l f a h r t s m o r g e n , zu M a i t a g und P f i n g s t e n ist diese Verspottung des Langschläfers ebenfalls üblich 1 0 ); vor allem bei den H i r t e n , wenn sie zum erstenmal wieder das Vieh

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austreiben 11 ). Mannhardt sieht in diesen Frühlingsgebräuchen in dem zuletzt aus dem Bett Gekommenen die aus dem Winterschlafe zu neuem Leben erweckte Triebkraft des alten Jahres 12 ). Diese Auffassung wird unterstützt durch den nicht selten an dem L. vorgenommenen Regenzauber. In Polen, Schlesien und Siebenbürgen wird das Mädchen, das Ostern die Frühmette verschlafen hat (d. h. das zuletzt erwacht ist), gewaltsam gebadet, damit der Flachs gut gerate 13 ). In der Lüneburger Heide wird der Hirtenknabe, der am längsten geschlafen hat, als Pingstbötel, mit Grün und Blumen geschmückt, herumgeführt und schließlich ins Wasser geworfen 14 ). 10) Sartori 3, 187 Anm. 5 (Aurich). 191 f. Wer am 1. Pfingsttag am hellen Tage schläft, kriegt den Brand in den Weizen: ZfrwVk. 11, 140. u ) Sartori 3, 191 f. 193 t.; ZfrwVk. 11, 137. 12) M a n n h a r d t 1, 319. 392. 438. 444. Auch das Korn selbst wird ja oft durch besondere Bräuche aufgeweckt: ebd. 1, 548. Vgl. auch das Lerchenwecken: ebd. 1, 253. 319. l s ) M a n n h a r d t 1, 328. 14) K ü c k Lüneburger Heide 38 f. 41. Vgl. Gesemann Regenzauber 57 (6). 73 (21). 80. 82.

4. Zu gewissen Zeiten werden die L. von den früher Aufgestandenen frühmorgens noch im Bette m i t R u t e n g e s c h l a g e n , namentlich am Tage der unschuldigen Kindlein (28. Dezember) 15 ), Fastnacht 1 6 ), Aschermittwoch 17 ), Palmsonntag 18 ), Ostern 19 ), Maitag 20 ). Man sucht die mit dem Schlage der „Lebensrute" Bedachten wohl weniger deshalb bereits in ihren Betten heim, weil sie da wehrlos sind, als vielmehr, weil sie nackt sind und also die zauberische Wirkung des Schlages um so besser aufnehmen können. 16) M a n n h a r d t 1, 268; Sartori 3, 46 Anm. 108. w ) M a n n h a r d t 1, 254; S a r t o r i 3, 102. " ) ZfVk. 7, 74 (Anhalt). 18) M a n n h a r d t 1, 257 (Russen). M ) Ebd. 1, 259 Anm. 2; S a r t o r i 3, 1540. w ) S a r t o r i 3, 183. Sartori.

längstet Tag. Den 1. T. des Jahres annähernd zu bestimmen, war man wohl schon in ältester Zeit bestrebt, wenn auch die genaue chronologische Feststellbarkeit kaum möglich war 1 ). Auch in der Gegenwart spielt der astronomisch

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Lappenbäume

Zwischenträger zu verwenden, erklärt sich der Glaube, daß es g e f ä h r l i c h ist, L., die man irgendwo findet, a u f z u h e b e n 1 2 ) . Die Sage betont aber auch mitunter die Tatsache, daß durch L. und Kleider (s. d.) Krankheiten übertragen werden. So werden in einer sächsischen Sage L. einer Abfallgrube als Träger der Pest bezeichnet 13 ), die in einer schlesischen Sage in Gestalt eines schwarzen Tuches w ), sonst aber meist als ein blaues oder schwarzes Wölkchen erscheint (s. Pest). B ö s e n Z a u b e r kann man mit einem L., mit dem eine Leiche abgewaschen wurde, auf Menschen und Tiere ausüben u ). Dieser soll im Voigtlande von einem Kleide des Verstorbenen selbst abgeschnitten sein und muß mit in den Sarg gelegt werden. Ist der L. von dem Kleid eines noch Lebenden genommen, so hat dieser zeitlebens keine Ruhe mehr 16 ). Von den Serbinnen in Südungarn wird erzählt, daß sie einem Toten einen L. in den Mund stecken und darin über Nacht lassen. Am Morgen schweifen sie ihn in Wein aus und geben diesen dem Mann zu trinken. Davon wird dieser still und stumm wie ein Toter, so daß die Frauen tun und treiben dürfen, was sie wollen 17 ). Nach dem Glauben der Siebenbürger Sachsen bringt ein L. vom Kleide eines G e h ä n g t e n , wie sonst der Strick (s. d.), dem Besitzer G l ü c k 1 8 ) . Im Erzgebirge wird zum L i e b e s z a u b e r ein Waschhader benützt, auf den das Mädchen jenen Burschen, dessen Liebe es gewinnen will, sitzen läßt, ohne daß er darum weiß. Daher soll die Redensart kommen: „Auf dem Waschhader sitzen". Ebenda hat ein Hader die gleiche Bedeutung wie sonst der Schuh (s. Schuhwerfen). Wirft die Mutter ihrer zum Tanz gehenden Tochter einen Hader nach, dann hat diese viele Tänzer und unterhält sich gutw). Im Saterlande sollen früher heiratslustige Burschen, um sich als solche kundzugeben, mit einem roten oder bunten L. am Rücken zur Kirche gegangen sein20). L. und Kleiderfetzen, die sonst auch als O p f e r an Bäume (s. Lappenbäume) gehängt werden, wurden neben Werg u. a.

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am Lechrain dem W i n d gefüttert 2 1 ) und im Norden neben anderen Dingen auch dem W a s s e r m a n n geopfert 22 ). s) P o l l i n g e r Landshut 289 f. Fogel Pennsylvania 320 Nr. 1695 t- Vgl. L a m m e r t 186. *) S e y f a r t h Sachsen 220. *) Ebd. 211. Vgl. 214. «) Z f V k . 7 (1897), 59. •) F o g e l Pennsylvania 353 Nr. 1883. 7 ) G r i m m Myth. 3, 475 Nr. 1098 (Neue bunzlauische Monatsschrift 1791/92). •) J u n g b a u e r Böhmerwald 197. •) G e r a m b Brauchtum 37. 10) S e l i g m a n n Blick 2, 223. u ) Verf. " ) K n o o p Hinterpommern 168. l a ) S i e b e r Sachsen 95. ") K ü h n a u Sagen 2, 539 Nr. 1177. w ) F r i s c h b i e r Hexenspr. 6. M ) K ö h l e r Voigtland 440. «) K r a u ß Relig. Brauch 143 f. 18) Urquell 4 (1893), 99. Vgl. ebd. N F . 1 (1897), 132. «) J o h n Erzgebirge 76. i0 ) S t r a c k e r j a n 2 , 1 8 9 Nr. 435. Sl ) L e o p r e c h t i ngLechrain 101 ff. = J a h n Opfergebräuche 57 f. 2 2 ) H e c k s c h e r i 3 7 . Vgl. L a p p e n b ä u m e , L e i n w a n d , T u c h . Jungbauer.

Lappenbäume. Nur zum geringsten Teil sind die L., wie behauptet wurde x ), bloß eine andere Form der Steinhaufen (s. d.), die als fromme Opfergaben auf Stellen entstehen, wo ein Mensch umgekommen ist oder begraben liegt. 1. In den meisten Fällen handelt es sich um das U b e r t r a g e n v o n K r a n k h e i t e n auf B ä u m e , wobei die Kleiderlappen als Zwischenträger dienen, oft die Pflaster von Geschwüren oder Wundverbände sind 2). Diese Heilhandlung ist gegenwärtig besonders bei den Magyaren beliebt 3 ). Diese verbinden bei Kopfschmerzen den Kopf über Nacht mit einem in Essig getauchten Lappen, den sie vor Sonnenaufgang unter Segensworten an einen Baum hängen 4). Dasselbe geschieht bei einer Hodenanschwellung mit einem Lappen, der, mit Leinsamenbrei bestrichen, vorher aufgelegt wurde B ). Damit die Pocken keine Narben hinterlassen, wird ein mit Milchrahm oder frischer Butter bestrichener Lappen auf das Gesicht des Kranken gelegt. Dieser wird jeden Tag durch einen neuen ersetzt und der alte Lappen mit den Worten: „Nimm und stopfe damit deine Fußspur zu!" auf einen Baum geworfen 8). Hier ist eine Beziehimg zum Krankheitsdämon, als dessen Fußspur die Pockennarben aufgefaßt werden. Herrscht bei den Kaschuben eine an-

909

Lappenbäume

steckende Krankheit oder wird jemand von einem längeren Leiden geplagt, so hängt man ein Stück von den Kleidern des Kranken auf einen Baum außerhalb des Dorfes oder man vergräbt es auf einem Kreuzweg. So wie das Stück verwittert und verfault, vergeht auch die Krankheit 7 ). Abwehr von Krankheiten dürfte meist auch der Zweck des Opferns von Kinderkleidern gewesen sein, die man als Ersatz eines ursprünglichen Kinderopfers gedeutet hat 8 ). Nicht selten ist das Aufhängen von Lappen mit dem Vernageln (s. d.) der Krankheit in den Baum begleitet, so bei Negern Ostafrikas und in Sansibar 9). Andree Parallelen 1 (1878), 58. Zur Lit. vgl. Weinreich Heilungswunder 903. ) S e y f a r t h Sachsen 196. Vgl. ARw. 10 (1907), 313 f. 3 ) Wlislocki Magyaren 20; Hovorka und Kronfeld 1, 268. 4 ) Wlislocki a.a.O. 139. s ) Ebd. 137 = Hovorka und Kronfeld 1, 269. •) Wlislocki Magyaren 140 f. = Hovorka und Kronfeld 1, 270. 7) SeefriedGulgowski 176. >) Vgl. Höfler Waldkult 4. 20. 72; Urquell NF. 1 (1897), 34. 133. •) Andree Parallelen 1 (1878), 300 f. z

2. Zum Übertragen der Krankheit wählte man b e s t i m m t e B ä u m e , so auf Höhen stehende und w e i t h i n s i c h t b a r e , wie bei den Magyaren 10 ) und in Patagonien u ) , oder h e i l i g e Bäume, wie in den Ostseeprovinzen12) oder im Kaukasus, wo man nicht allein Fetzen von Kleidungsstücken der Kranken daran hängt, sondern auch Holzstückchen dieser Bäume in Zeug einwickelt und den Kranken um den Hals bindet 13 ), ferner auch v e r k r ü p p e l t e Bäume, die man im mohamedanischen Nordafrika „Marabutbäume" nennt 14 ), dann Bäume bei B e g r ä b n i s s t ä t t e n , wie dies bei den Tscheremissen der Fall ist 1 S ), solche in der Nähe eines H e i l i g e n g r a b e s , wie z. B. zu Neopaphos am Grabe der Solomini 16 ), in Cilicien " ) und in Nordindien 1S ), ferner solche bei W a l l f a h r t s o r t e n 1 9 ) . Auf Lesbos hängen die Kranken nach einem Gottesdienst in der kleinen Kapelle des hl. Therapon einen Gewandfetzen an einen Baum bei der Kapelle auf, zum Zeichen, daß sie ihre Krankheit so zurücklassen M ). Solche heilige Bäume stehen oft neben

910

B r u n n e n und H e i l q u e l l e n und zeigen daher auch hier einen Zusammenhang mit der Heilung der Krankheit, die aber dann durch das Heilwasser erfolgt, während die Lappen entweder bloße B i t t o p f e r sind, welche der Kranke aufhängt, um gesund zu werden, oder D a n k o p f e r , wenn er genesen ist. An solche Bäume befestigten die Kelten Schottlands Lappen u ) . Beim Zudelborn gegenüber Stublach im Voigtland war es Brauch, daß jeder, der daraus trank, einen alten Lappen an den ringsum stehenden Sträuchern zurückließ. Von diesen vielen Zudeln soll der Brunnen seinen Namen erhalten haben 22). Wer in Ungarn zur rechten Zeit, d. h. wenn der Wassergeist gut aufgelegt ist, sich in bestimmten Brunnen badet, dem wachsen die fehlenden Glieder nach. Als Gabe läßt man auf den neben den Quellen stehenden Bäumen Kleidungsstücke und Haupthaare zurück M ). Nicht selten mag sich der abergläubische Brauch erst später entwickelt haben. Von einem großen Baum in Westafrika wird berichtet, daß er mit vielen Lumpen und Zeugschnitzeln behängt ist, die ursprünglich dem Wanderer anzeigten, daß in der Nähe Wasser sei. Im Laufe der Zeit ist aber daraus ein so fester Brauch geworden, daß es niemand wagt, an dem Baum vorbeizugehen, ohne etwas daran zu hängen24). Zuweilen kann bei L.n auch ein Dankopfer für die Errettung aus einem Unglück, z. B. aus Ertrinkungsgefahr vorliegen, wie eine Stelle bei Horaz (Oden 1. 5) erkennen läßt 25 ).

10 ) Wlislocki Magyaren 20. n ) Andree a. a. O. 61. la ) Ebd. 59 t. " ) C. Hahn Heilige Haine und Bäume bei den Völkern des Kaukasus, Ausland 64 (1891), 811. l4 ) Andree a. a. O. 60. " ) FFC. Nr. 61, 21. " ) M. OhnefalschRichter Kypros. Die Bibel und Homer (Berlin 1893) 120. 170. Tafel 18. " ) Hovorka und Kronfeld 1, 155. 18 ) Crooke Northern India2 i (1896), 162 f. " ) Vgl. S i b i l l o t Folk-Lore 2, 300 f. B. Schmidt Das Volksleben der Neugriechen 1 (Leipzig 1871), 81. 21 ) Andree a. a. O. 59 = Samter Geburt 204. Si ) Eisel M Voigtland 257 Nr. 647. ) Hovorka und Kronfeld 1, 267L u ) Andree a. a. O. 60; 26 ARw. 17 (1914), 342. ) Andree a.a.O. 59. Vgl. Söbillot Folk-Lore 2, 162.

3. Auch ohne jede B e z i e h u n g auf

Lärche

9H

K r a n k h e i t e n genießen manche Bäume besondere Verehrung, die sich im A u f hängen von Lappen und Kleiderfetzen, aber auch anderer Opfergaben, z.B. Muscheln an der Westküste des Viktoriasees, w o diese L. Geisterbäume heißen 2 6 ), äußert. Man hat es da meist mit Opfern an die im B a u m hausenden Geister oder Gottheiten z u tun. Solche g e w e i h t e B ä u m e , die man mit Bändern behängte, welche dadurch selbst wieder eine Weihe erhielten, g a b es schon im Altertum27). Betreffs der Langobarden berichtet die Vita S. Barbati (602—683) v o m Jahre 661, daß sie einen heiligen B a u m hatten, an dem sie „corium", w a s als H a u t oder Fell lebender Wesen gedeutet wird, befestigten. Dieser aufgehängte Gegenstand wurde dadurch selbst heilig und dann „gegessen" 2 8 ). A u c h sonst war das Aufhängen von Tierhäuten und anderer Opfer an Bäume bei den alten Germanen üblich 2 9 ), wie dies noch gegenwärtig bei den Wogulen und Mordwinen Brauch ist, die Renntierhäute und Geweihe an die B ä u m e hängen 3 0 ). I m Orient werden solche heilige Bäume besonders von Pilgern mit Fetzen b e h ä n g t 3 1 ) . In Turkestan verehren Reisende uralte, meist einzeln stehende Bäume dadurch, daß sie Fetzen von ihren Kleidern reißen und an die Zweige binden 3 2 ), was aber k a u m allein aus Dankbarkeit für den gewährten Schatten g e s c h i e h t M ) . Überhaupt wird in neuerer Zeit oft unverständlich gewordener Brauch gefühlsmäßig gedeutet. N a c h einem Bericht aus dem Beginn des 19. Jh.s pflegten dem auf der höchsten Höhe der Tauern, dem sogenannten Thörl, stehenden Herrgottbild die vorübergehenden Älpler ein Kleidungsstück hinzuwerfen, damit den Herrgott nicht friere 34 ). M

)

G l o b u s 89 (1906), 84 =

2

Relig.

. 5 4 ' f . ; 3. 187.

Magyaren

Schwarz

D e n d r o l . G e s e l l s c h . 42 (1930), 184—186.

Samter

26 ff. " ) G r i m m

Wlislocki

Geburt Myth.

160. « ) Andree a. a. O. 60 ff. »») Ebd. 61 =

Samter

Geburt 204 =

Franz v.

4. Noch a n d e r e G r ü n d e sind f ü r die Entstehung von L.n z u nennen. D i e F u r c h t , daß jemand a l t e , unbrauchbar gewordene Kleider oder Schuhe (s. d.) zu b ö s e m , dem früheren Besitzer schädlichen Z a u b e r v e r w e n d e n könnte, m a g hier und da der A n l a ß gewesen sein, d a ß man sie an Bäume oder Stangen befestigte, sie so einer Gottheit weihte und allem Irdischen entzog. Ferner kommt die F u r c h t v o r d e n T o t e n in Betracht, deren Kleider die Tscheremissen auf den Begräbnisplätzen aufhängen, damit sie nicht in der E r d e verfaulen 3 S ). In einigen magyarischen Gegenden werden die Kleider derjenigen, welche in der Fremde verstorben sind, entweder auf Bergen vergraben oder dort an Bäume gehängt, damit der heimkehrende Tote nur bis z u dem betreffenden B a u m und nicht weiter vordringen und die Hinterbliebenen nicht quälen kann. Erscheint im Klausenburger K o m i tat ein Toter den Angehörigen oft im Traum, so wickelt man Erde von seinem Grab in eins seiner zurückgelassenen Kleider oder in einen Fetzen davon u n d hängt diesen an einem B a u m beim Grabe a u f 3 8 ) . A u c h beim R e g e n z a u b e r trifft man L . : In der Gegend von Makö in Ungarn hängt man bei anhaltender Dürre Lappen, die früher einmal in Weihwasser getaucht wurden, an Bäume, u m Regen z u erhalten 37 ). ") FFC. Nr. 61, 21. »•) H o v o r k a und K r o n f e l d 1, 270. ") Ebd. Vgl. K l e i d und die einzelnen Kleidungsstücke, besonders H e m d , dann L e i n wand, Tuch. Jungbauer. Lärche (Larix decidua). 1. B o t a n i s c h e s . Nadelbaum mit sommergrünen (im Herbst abfallenden) Nadelblättern, die in dichten Büscheln an den Zweigen stehen. Die L . ist in den Alpen und in manchen Mittelgebirgen heimisch, in der Ebene findet man sie oft a n g e p f l a n z t 1 ) .

205. " ) Lit. bei P l e y De lanae usu 55 ff. " ) M u u s Altgerm.

912

Turkestan, die Wiege der indogermanischen Völker (Freiburg i. B . 1900) 206. 8 3 ) V g l . A R w . M 10 (1907), 313 f. ) E b d . 17 (1914). 342 n a c h

Karl Julius W e b e r Deutschland 2 (1827), 468.

l

) M a r z e i l Kräuterbuch 83; Mitt.

Deutsch.

2. Die L . wurde kultisch verehrt wie ihr Vorkommen an Wallfahrtsorten, ferner Sagen von Marienbildern auf L . n usw.

Lärm

beweisen, so das Muttergottesbild bei Steineck in Südtirol 2 ), das Gnadenbild aus dem Lärchenstock zu Waldrast 3 ), die heilige L. bei Nauders 4 ), F e h r l e Volksfeste 48. 35 ) S A V k . 19, 1 9 ; 2, 1 4 3 ; H o f f m a n n - K r a y e r 1 1 4 ; H e ß l e r Hessen 2, 352. 378. 4 3 3 ; HessBl. 1, 4 0 f f . ; P f a n n e n s c h m i d 2 6 4 s . ; S c h m i t z Eifel 1, 48; 2, 1 4 1 ; F o n t a i n e Luxemburg 1 1 6 ; Z f V k . 6, 363; A n d r e e Braunschweig 294; für Versteigerung bes. B e c k e r Frauenrechtliches 13. 30 ) J o h n Westböhmen 44. 3 ' ) Im Kreise Saarlouis raubte der Bursche das Mädchen zur Kirchweih, das er im kommenden Jahr zum Tanz führen wollte, was man (z. B. M a n n h a r d t 1, 455) wohl irrtümlich als „eine ganz altertümliche F o r m " bezeichnet; vgl. L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 7 7 ; L y n c k e r Sagen 234. 39 ) S t r a c k e r j a n 2, 80 f. 3») D r e c h s l e r 1, 43. 40 ) Im Maibrauch M a n n h a r d t 1, 3 8 0 f . ; A n d r e e Braunschweig 249; K ü c k u n d S o h n r e y 1 1 7 f . ; M e y e r Baden 83. 102. 194; L a u f f e r Niederdt. Volksk. 122 u. a. 4 1 ) A n d r e e Braunschweig 355. " ) F o n t a i n e Luxemburg 24 f. 43 ) Z f V k . 7, 8 7 f . ; M a n n h a r d t 1, 396; N i l s s o n Griech. Feste 62. 44 ) S c h m i t z Eifel 1, 99. « ) E b e r 4> h a r d t Landwirtschaft 19. ) Reinsberg Böhmen 53 f. 4 ' ) A n d r e e Braunschweig 3 5 4 ; M e y e r Baden 1 8 2 ; S c h m i t z Eifel 1, 7; J o h n Westböhmen 37. 49; S A V k . 2, 1 4 3 f . ; 4i D r e c h s l e r 1 , 5 6 ; ZfrwVk. 1909, 195. )

Andree 2. 378.

I008 Braunschweig

355; Meier

Schwaben

3. Die besondere Bedeutung der L.en in den einzelnen Bräuchen, z. B. auch in der T a u f e 4 9 ) (s. d. u. Gevatter) sei hier nur kurz erwähnt. L.e Paten bringen Glück werden bevorzugt S1 ), besonders beschenkt und geschmückt, gefeiert oder beachtet 52 ). Lauter l.e Paten bringen dem Täufling baldigen Tod 5 3 ), aber ein L.er gibt Glück zum Heiraten und Kindersegen 54 ). Daß L.e g l ü c k b r i n g e n d sind, zeigt sich vielfach, selbst noch, wenn es heißt, die Wäscherin muß zuerst die Hose eines L.en aufhängen, um Trockenwetter zu behalten 55 ) (vgl. auch Verwendung des Junggesellen im Heilzauber)56). Am auffallendsten und bedeutsamsten ist die Sonderbehandlung der L.en beim B e g r ä b n i s 5 7 ) . „Uberall sind besondere Riten mit der Beerdigung Unverheirateter verbunden" 58). Allgemein werden L.e durch L.e zu Grab getragen 59 ) — (auch Kinder 60 ) und im Kindbett gestorbene Frauen) 61 ) —, die meist dem gleichen, manchmal auch dem anderen Geschlecht angehören 62). L.e müssen die L e i c h e n w a c h e bei L.en halten 63 ). Der S a r g wird bei l.en Toten besonders und reichlich bemalt, Sarg und Grab besonders geschmückt64), (Blumen68), Krone aus Flittergold66), Papierherzen67), mehrere Kränze, vier mit künstlichen Blumen umwickelte Fackeln auf dem Grab68)), der l.e Tote ausgezeichnet durch weißen Sarg 69 ), weiße Blumen 70 ), weiße Kränze 7 1 ), weißes Bahrtuch 72 ), durch weiße Tücher und Schärpen,Ehrenkleidung der Träger und Leidtragenden 73 ). Behördliche Verordnungen suchen die seltsam verschwenderische und abergläubische B e v o r z u g u n g L.er einzuschränken74). Die Träger und L.en im Gefolge tragen besondere Trauerbilder voran 7S), ein Sträußchen links im Knopfloch 76 ), Rosmarinkränzchen am linken Arm oder im Haar 77 ), ein rotes Seidentuch unter dem Arm 78), wie überhaupt Rot eine Rolle spielt 79 ), ähnlich wie bei der Hochzeit. Eine Hochzeit feiert man dem L.en mit den L.en im Gefolge nach 8 0 ), man schmückt das Trauerhaus 81 ) und richtet das Mahl wie

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ledig

bei der Hochzeit 8S), und schmückt das l.e, ehrbare Mädchen als B r a u t 8 S ) , mit weißem Kleid, Schleier und Kranz M ). Der T o t e n k r a n z zumal, den auch Jünglinge mitunter erhalten 8S ) (auch kleine Kinder) 86 ), der feierlich (auf Kissen, von einem L.en des anderen Geschlechts) dem Toten nachgetragen wird 87 ), mit dem (aus dem im Liebeszauber bedeutsamen Sinngrün geflochten) im 18. J h . z. B. in Niederösterreich allgemein die L.en b e i d e r l e i Geschlechts bestattet wurden 88 ), läßt „eine fortlaufende Überlieferung erkennen, daß die Bestattung Unverheirateter mit dem Gedanken einer himmlischen Hochzeit gefeiert wurde, und daß der Kranz, mit dem der Tote geschmückt oder der auf dem Sarg befestigt wurde, eigentlich der Brautkranz ist" 89), also eine ähnliche Rolle spielt, wie man sie dem attischen „Xoüipö®opoc" auf dem Grabe L.er beilegt 90 ). Die Bezeichnung „Himmlische Hochzeit" würde freilich dem Brauch den Stempel christlicher oder antiker Ausdrucksweise geben, während er wie ein blut- und erdgebundener Protest des bäurischheidnischen Sippengedankens gegen die gefürchtete Unrast alles ausgegliederten Einzellebens wirkt. Vieles von dem Angeführten, auch in anderen Völkern sich findend* 1 ), erinnert an die „ S c h e i n h o c h z e i t " , wie sie am Grabe L.er (auf slavischem Gebiet) formell vollzogen wurde 92). Die alten Russen gaben dem verstorbenen Jüngling ein ihm vor ihrer Tötung feierlich angetrautes Mädchen mit ins Grab 93 ), und in China pflegen die Eltern ihre verstorbenen Kinder nachträglich zu verheiraten94). Schräder erinnert an die Opferung der Polyxene für Achill, aber im Altnordischen ist weder das vielgenannte Witwenopfer 95) noch die Spur einer Scheinhochzeit am Grabe L.er bezeugt 96 ), so wenig wie eine Abneigung gegen die Heirat von Witwen oder Bräuten Verstorbener. Das große Beispiel von Brynhilds Selbstmord und Verbrennung neben Sigurd hat weder mit Witwentötung noch mit Totenhochzeit etwas zu tun. Eine heidnisch-germanische ScheinBächtold-Stäubli, Aberglaube V

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hochzeit am Grabe L.er könnte nur (ähnlich der Blutrache, die dem Erschlagenen die Verbundenheit und Zugehörigkeit zur Blutsgemeinschaft weiterhin sichert) den Sinn gehabt haben, dem l.en Verstorbenen seinen Platz in der Kette der Generationen zu sichern, weil er sonst, nachkommenlos, gleich dem Geächteten, dem Sippenlosen, dem bußlos Erschlagenen, im Tode keinen F r i e d e n (und keinen Ahnenkult) haben kann 97 ). Der Glaube, daß l.e Verstorbene ruhelos bleiben, „begegnet nicht nur bei allen arischen Völkern" 98 ), sondern ist allgemein verbreitet. Bei den Wadschagga gelten die unvermählt Verstorbenen als „verlorene" Geister; die Fidschi-Insulaner kennen einen Unhold als „Vernichter" eheloser Seelen 99 ). Auf Korea werden unverheiratet gestorbene Mädchen auf der Landstraße beerdigt, damit der über das Grab gehende Verkehr den unruhigen Geist müde mache. In Hellas tanzen sie im Tode den Hochzeitstanz, saugen als Vampyre jungen Männern das Blut aus 100 ). Auch nach deutschem Volksglauben tanzen l.e Mädchen auf Kreuzwegen 101 ), friedlos wie die Seelen der Ungetauften (s. d.) 1 0 2 ); der Glaube, daß dem Tod eines Jünglings der eines Mädchens bald folgt 1 0 3 ) oder die Sitte, daß die K i r c h e aus dem Nachlaß eines L.en ein „Brautgeschenk" bekommt 1M ), gehört wohl hierher. Vielleicht auch, wenn es heißt, um ein Kind darf niemand trauern, um einen L.en höchstens die Mutter 10S ). Und schließlich gehört hierher ein Teil der abergläubisch betonten A n g s t vor dem L.-Bleiben, die darauf achten lehrt, daß das Mädchen keinen Herrenhut aufsetzt, keinen Spazierstock trägt 108 ), daß L.e sich nicht zugießen lassen, nicht die Butter anschneiden147), sich nicht Sand auf die Füße werfen u. a. m.108). Diese „Friedlosigkeit" 1. Gestorbener, auch in vielen Sagen von ruhelosen Jungfrauen lebendig, kommt besonders zum Ausdruck in den vielfältigen Vorstellungen vom besonderen T o t e n o r t der L.en und von ihrem sinn- oder rastlosen T r e i b e n dort 109 ), das nicht immer verächtlich und oft von „kosmischer" Art ist, so etwa, wenn die 32b

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a.n J.n abends aus der abgenutzten Sonne die Sterne schneiden, und die Junggesellen sie im Osten heraufblasen müssen110), wenn sie Schnee sieben, Nebel schichten, Wolken schieben, Felsen abreiben, Blöcke schieben oder einsalzen, Ameisen Drahtringe durchs Maul ziehen, Linsen klaftern, Gänsekot weiß kauen müssen u. a. m. U 1 ). Es ist wohl berechtigt, von hier aus auf die bis zum Weltende kämpfende Friedlosigkeit der Einherier in W a l h a l l zu verweisen 112 ), dem Totenort der außerhalb bäurischer Herdperspektive gefallenen Helden, dem „Männerparadies" der zunächst l.en Wikinger, das seine Friedlosigkeit, noch ohne den Einschlag des Spottes und der Verachtung, der gleichen Auffassung von dem auf Ahn und Erbe angewiesenen Menschentum verdankt. 49 ) Vgl. H i l l n e r Siebenbürgen 32; Grimm Myth. 3, 439. 442; G a ß n e r Mettersdorf 23; F o n t a i n e Luxemburg 142; D r e c h s l e r 1, 190. M ) W u t t k e § 594; J o h n Erzgebirge 59; P a n z e r Beitrag 1, 261. 309. M ) H ö h n Geburt 267. 52 ) Ebd. 273. 268 u. a. 53) J o h n Erzgebirge 59. M ) P a n z e r Beitrag 1, 308 f. 55) W u t t k e 56 ) Z . B . K u h n Mark. § 621. Sagen 377. 57 ) S a r t o r i 1, 152 mit Lit.; vgl. u. a. S t a u b e r Zürich 1, 34; Bavaria 1, 411 ff.; H e y l Tirol 781. •5S) N a u m a n n Gemeinschaftskultur 39. 59) U. a. H ö h n Tod 339; M e y e r Baden 592 f. 60) A n d r e e Braunschweig 317; Z f V k . 3, 152; M e y e r Baden 591; R e i s e r Allgäu 2, 300. e i ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 45; S c h ö n w e r t h 1, 205 f. M ) H ö h n Tod 339; D r e c h s l e r 1, 300; B i r l i n g e r Volksth. 2, 407. 83) K u h n Westfalen 2, 48; H e y l Tirol 780. 61 ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 323; G r ü n e r Egerland 61; J o h n Westböhmen 174. 66) H ö h n Tod 332; A n d r e e Braunschweig 318. M ) J o h n Westböhmen 174. " ) Vgl. NJbfklassAlt. 8, 1, 356. , s ) A n d r e e Braunschweig 319. 69) C a m i n a d a Friedhöfe 163. ,0 ) S t a u b e r Zürich i , 71 ) ZfrwVk. 72 ) 27. 1908, 259. Grüner Egerland 61; S c h m i t z Eifel 1, 66. n ) R e i s e r Allgäu 2, 300; H ö h n Tod 340; J o h n Westböhmen 175; S c h r a m e k Böhmerwald 228. 74 )

Zumal die Zahl der (kostbaren) Kränze; SchwVk. i i , 1 4 f . ; „so seheten wir lieber, daß -dergleichen eitles und zu nichts dienliches Wesen gar unterblieben". Straßburger Post 1909,10.1. Bes. heftig äußert sich ein Verbot aus Schafihausen 1647: B i r l i n g e r Schwaben 2, 322. 75 ) S a r t o r i 1, 153; A n d r e e Braunschweig 318. 7») H ö h n Tod 340. 77 ) Ebd. 343; J o h n West78 ) böhmen 174. J o h n Westböhmen 175. 79 ) Z f V k . 8, 411. M) S c h m i t z Eifel 66; SchwVk. II, 12. 81 ) Mit Kränzen und Maien M ) Z f V k . 3, 152; G a ß n e r SchwVk. 11, 12. Mettersdorf 85; S a r t o r i Totenspeisung 22. 83 ) H ö h n Tod 321; S a r t o r i 1, 132; Urquell 4,

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281; Z f V k . 17, 321. 84) R e i s e r Allgäu 2, 293; S c h m i t z Eifel 1, 66. M ) H ö h n Tod 321; SchwVk. 11, 16. 86) B o e s c h Kinderleben 27. 8J ) D r e c h s l e r 1, 300. 88) U n g e r Die Pflanze als Totenschmuck und Gräberzier, Wien 1867. 89) J a c o b y in SchwVk. 11, 19. Schräder Totenhochzeit 5 ff.; andere Deutung: Badewasser für den Toten, Abwehrmittel; Z f V k . 18, S1 ) Hochzeitszurüstung beim Tod von 376. Kindern und L.en bei den Huzulen, Z f V k . 17, 92) N a u m a n n 321. Gemeinschaftskultur 38. 93) Ebd. M ) W i l k e n Haaropfer 266. 95 ) Vgl. S6 ) H e u s l e r i. Germ. Wiedererstehung 164. Vgl. Helgilieder der Edda (Lenorenmotiv, Totenhochzeit im Grab) G e r i n g Edda-Kommentar 2, 30. 97) N a u m a n n Gemeinschaftskultur 38 stellt den Totenkult unter das Diktat der Furcht, wenn er sagt: „Unverheiratete haben keine Nachkommen, die ihnen die Totenopfer vollbringen könnten; sie sind daher als Wiedergänger und Opfererpresser besonders gefürchtet" (vgl. a. S a m t e r Geburt 146). 98) B e t h Relgesch. 93. " ) T y l o r Cultur 2, 2 2 ; N a u m a n n Gemeinschajtskultur 39. 10°) B e t h Rel.gesch. 93. 101 ) W u t t k e § 749. 102) M e y e r 10S ) H ö h n Germ. Myth. 62. Tod 326. 104 ) D r e c h s l e r 1, 306. 105 ) Z f V k . 6, 411 (Iglauer 1 0 ') Sprachinsel in Mähren). J o h n Erzgebirge 75. 107 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 57; K ö h l e r Voigtland 427. 108) W u t t k e § 3 1 7 ; H e y l Tirol 784; M a a c k Lübeck 72; H o f f 109 ) m a n n - K r a y e r 96. S. „alte Jungfer" 1. 336 34i ff- 110 ) M ü l l e n h o f f Sagen 359. m ) S A V k . 2, 56. 112 ) Edda Vm. 41; vgl. Thüle 20, 86. Kummer.

Lehm. Frischer L. gilt seit jeher in der Volksheilkunde, besonders in Verbindung mit Essig, als altbewährtes Heilmittel bei allen äußeren Entzündungen, Bienenstichen, Wunden, Geschwüren usw.; er wird in ein Tuch gebunden und auf die schmerzende Stelle gelegt x ). Beim Wundsein kleiner Kinder gilt als bestes Streupulver feingestoßener L. aus dem Backofen 2). L.umschläge werden in Ostpreußen bei Kopfschmerzen verwendet 3 ). Wasser, aus den blauen Adern des gemeinen L.s destilliert, galt früher als Universalmedizin 4). Paracelsus sagt, es sei nicht zu jeder Zeit gut, L. und Lette zu graben, sondern es müßte nach Monat, Mond, Zeichen und zu besonderer Stunde am Tage geschehen s ). Zedier kennt den Aberglauben, zu Gebäuden verwendeter L. müßte „im alten Mond" gegraben werden, denn wenn man ihn im neuen oder wachsenden Monde graben ließ, zeugten oder heckten sich gern darin die

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Heimchen oder Grillen6). Wer beim Tellerheben am Andreasabend L. hebt, stirbt übers Jahr 7). l) L o n i c e r 56; K ö h l e r Voigtland 350; ZfrwVk. 1914, 172; F o g e l Penns. Germ. 302 Nr. 1596. *) Urquell 3 (1892), 70. 3 ) Ebd. 70. 4 ) Bresl. Samml. 3, 711. s ) P a r a c e l s u s 141 f. u. 143. •) Z e d i e r 16, 1599 s. v. Leimen. Heimchensingen verkündet Unglück und Tod G r i m m Myth. 3, 477 Nr. 1128 u. 468 Nr. 930; W u t t k e 206 §283; Krankheitsdämon: S e y f a r t h 19. 7 ) P h i l o Schlesien 131. f Olbrich.

Christian Lehmann. J . C. K n a u t h Kurtzer Bericht von den fürnehmslen Historicis des Meißner Landes. Dresden 1708; G. D i e t m a n n Die gesamte der . . Augsburg. Konfess. zugethane Priesterschaft. Dresden u. Leipz. 1725; Jöcher Gelehrtenlexikon II (Halle 1751), 2341 ff.; G. Fr. O e s f e l d Historische Beschreibg. einiger mercktvürdigen Städte im Erzgebirge. . . . Halle 1776/77; Chr. S c h r e i t e r Beiträge zur Gesch. Chr. L.s. Sächsische Provinzialblätter 1803, S. 403—422; C. B . D i e t r i c h Kleine Chronik von der freien Bergstadt Scheibenberg. 2 Hefte. Leipz. 1839. 1855. Das erste zusammenfassende, noch heute grundlegende Werk über Chr. L . : J . P o e s c h e l Eine erzgebirgische Gelehrtenfamilie. Halle 1883. Über L.s Sprache: E . G o e p f e r t Aus dem Wortschatz eines erzgeb. Chronisten. ZfhdMa. i (1900), 37—68; F . R o t h Untersuchungen über Chr. Lehmann (/. Leben, II. Abergläubische Anschauungen), Diss. Marburg 1932.

1. Leben 1 ). Chr. L. wurde geb. zu Königswalde im Erzgebirge am 11. Nov. 1611 als Sohn des Pfarrers Theodosius L. 2). Am 9. Juni 1622 wurde er in die Fürstenschule von Meißen aufgenommen. Seit 1625 lebte er als Kurrendaner in Halle. Nachdem er schwere Hunger- u. Pestjahre 3) glücklich überstanden hatte, siedelte er 1627 nach Guben (Niederlausitz) über. Kriegswirren trieben ihn 1631 nach Stettin, wo er Aufnahme i. d. Paedagogium regium illustre fand *). 1632 war er Hauslehrer im Pfarrhaus zu Löckenitz (Pommern), bis er im folgenden Jahre als Substitut seines Vaters nach Eiterlein berufen wurde. Im April 1638 trat er das Pfarramt in Scheibenberg an, das er bis zu seinem Tode mit Eifer u. Fleiß versehen hat. Er erlebte in seiner Gemeinde 32 große Truppendurchzüge, 20 Haupteinquartierungen u. unzählige räuberische Einfälle. L. starb am 11. Dez.

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1688 als Senior der Annaberger Inspektion. Wann und wo er seine akadem. Studien beendet hat, läßt sich nicht ermitteln. Daß er den Magistertitel nicht geführt hat, wird heute mit Recht allgemein angenommen 5).

x ) Vgl. P o e s c h e l a. a. O. S. 19—47. 2 ) Uber ihn vgl. P o e s c h e l a . a . O . S. 5 — 19. 3 ) Ergreifende Schilderung: Episteln S. 75. 76. 4 ) Die letzte Angabe ist zweifelhaft; einzige 5 Quelle J ö c h e r a. a. O. S. 2341. ) Vgl. L. B ö n h o f f , Neues Archiv f. sächs. Gesch. 33 (1912), S. 350—352; E . K r o k e r N. Archiv f. s. G. 43 (1922), S. 239; im Gegensatz zu diesen: M. S c h n e i d e r War Chr. L. Magister? N. Archiv

f . s. G . 34 (1913), S . 164—168.

2. W e r k e 6). L. ist der Verfasser zahlreicher Schriften, die für die Volkskunde und Kulturgesch. des 17. Jh.s von großer Bedeutung sind. Über den Umfang seiner schriftstellerischen Tätigkeit unterrichtet ein Brief seines zweiten Sohnes, des Superintend. J. Chr. L. vom 20. Dez. 1702 '). Eine willkommene Ergänzung ist die Inhaltsangabe der L.schen Schriften auf einem Druckbogen im Annaberger Pfarrarchiv 8 ). Wir besitzen auch einiges, was dort nicht genannt ist. Eine Gesamtausgabe fehlt. Von seinen größeren Werken ist nur der „ H i s t o r i s c h e S c h a u p l a t z " 9), von seinen Söhnen herausgegeben, im Druck erschienen (1699). Die übrigen sind handschriftlich erhalten: K r i e g s c h r o n i k 10), B e r g c h r o n i k n ) , S i t t e n c h r o n i k 12) und eine E p i s t e l s a m m l u n g 13 ). Kirchenchronik, L a n d c h r o n i k u. A n n a l e n sind verschollen. Doch läßt sich das Verlorene aus der Stoffsammlung der „Collectanea" 14) zum Teil wiederherstellen. Kleinere Schriften L.s sind: „ C h r o n i c o n Scheibenbergense"1S), „Descriptio N i g r o m o n t a n a " 16) und „ N a c h r i c h ten über die W a h l e n " 1 7 ) . •) Vgl. P o e s c h e l a . a . O . S. 80—179, außerdem P o e s c h e l Jahresbericht der Fürstenschulc Grimma.

1888/89.

S . 5—48.

' ) D. Chr.

Leh-

manni literae ad amicum de Scriptis parentis sui ineditis; abgedruckt: Nova literaria Germania, Hambg. 1703, S. 137 ff.; übersetzt: T e n t z e l Curieuse BiUiothec. Berlin, Leipz. 1704, S. 43 ff. Dort auch ausführl. Besprechg. des Hist. Sch. «) Vgl. L. B ö n h o f f Noch ein neuer L.fund. Neues Archiv, f. s. Gesch. 33 32b*

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Christian L e h m a n n

(1912), S. 342—350. Ausführt. Besprechung: P o e s c h e l Gel. {am. S. 1 0 8 — 1 3 3 . 1 0 ) Vgl. ders. Jahresbericht S. 5 — 3 2 . 1911 druckte Bönh o f f Auszüge a b unter dem Titel Das sächsische Erzgeb. im Kriegesleid (Mitteilgen, des u ) Annaberger Geschichtsvereins 4, 1916). V g l . P o e s c h e l N . A r c h i v 33 (1912), S. 1 4 5 — 1 5 0 . D i e Hs. befindet sich heute i. d. Tschechol2) Vgl. slovakei (Privatbesitz). E. K r o k e r N . A r c h i v 43 (1922), S. 2 3 9 — 2 5 0 ; Fr. S i e b e r Kulturgesch. aus L.s Sittenchronik, Mitteilungen des Landesv. f. sächs. Heimatschutz 18 (1929), S. 9 — 1 2 . l a ) V g l . K . H e l m Chr. L.s Episteln M s ä V k . 7 (1916), S. 73 ff. m i t 3 Textproben. 14) Vgl. P o e s c h e l Jahresber. S. 3 3 — 3 9 . ") 2 Fassungen: D i e kürzere abgedruckt u. m i t Anmerkgen. versehen v o n Chr. Schreiter, Sächs. Provinzialblätter 1801 (X.), S. 481—503. " ) D a s Gedicht wurde v o m Sohn Theodosius vollendet. A b g e d r u c k t b. S c h ö t t g e n - K r e y s s i g Diplomatische u. curieuse Nachlese der Historie von Obersachsen. 7, S. 529—546. 1 7 ) V i e l leicht Collectanea zur Bergehr.; v o n L . s E n k e l ergänzt u. 1764 herausgegeben, v g l . L . L a m e r N . Archiv 35 (1914). 155 ff-

3. E i g e n a r t von L.s Schriftstellerei. Was wir besitzen, ist das Werk einer Schriftstellerfamilie. Nach dem Tode des Scheibenberger Pfarrers wurde die Arbeit von seinen Söhnen in gleichem Sinne fortgeführt, so daß sich der geistige Anteil der Fortsetzer nur selten von dem des ursprünglichen Verfassers scheiden läßt 1 8 ). Schon Großvater und Vater L.s haben, wie dessen Hinweise auf „MSC. avi" und „Diarium parentis" zeigen, ihre tägl. Beobachtungen gesammelt. Chr. L. selbst war von einem unermüdlichen Sammeleifer erfüllt. Er durchwanderte das rauhe Gebirge, erforschte die Bergwerke und suchte die Bewohner bei ihren verschiedenen Berufen auf. Seine Beobachtungen mit dem aus Quellen Erschlossenen w ) in Einklang zu bringen u. die Ergebnisse zu einem religiösen Weltbild zu vertiefen, war sein Lebensziel Bei der Stoffülle mußten die Pläne immer wieder geändert, das Material aufs neue umgruppiert werden 21 ). So erklären sich viele Dubletten und Widersprüche im einzelnen. Als Quelle benutzt L. in erster Linie die Heilige Schrift; es folgen zahlreiche klassische u. theologische Autoren, ferner Humanisten u. Historiker. Auch naturwissenschaftliche Schriftsteller der an-

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gehenden Neuzeit werden angeführt. Die Zeichen K B , Chr, MSC. deuten auf Studium von Kirchenbüchern, Chroniken u. Manuskripten; von seinem lebhaften Briefwechsel zeugen außer den Episteln die Bemerkungen „ex literis domini pastoris", „ex literis ipsius". Auf mündliche Erzählung weisen „ex ore ipsius", „relatum ex ore filiae", „testis oculatus". Seine eignen Erfahrungen kennzeichnet L. durch „exp." ( = experientia). Die Frage nach literarischer oder unliter. Herkunft des Stoffes, nach mittelbarem oder unmittelbarem Zitieren der Quellen ist gleichgültig für die Stellung L.s zum Aberglauben seiner Zeit. 18) Über L.s Söhne: vgl. P o e s c h e l G. Farn. S. 5 0 — 7 9 . — Ausführliches über L . s literar. Tätigkeit: Poeschel G. Farn. S. 80—90. D o r t auch Untersuchg. über L . s Quellen. — Über die Vorlagen der Kriegsschr. 19) v g l . P o e s c h e l Jahresber. S. 2 4 — 3 0 . Vgl. die häufigen Bemerkungen über Ausleihen, Tausch und R ü c k g a b e von Büchern i. d. „ E p i steln" (S. 19. 70. 1 1 9 f. 373). 20 ) v g l . Einleitung und K a p . x des „ H i s t . S c h . " . 2 1 ) A m besten zu erkennen an d e n Durchstreichungen, E i n fügungen u. Redaktionszeichen der „Collectanea".

4. A b e r g l a u b e u. W u n d e r 2 2 ) . In seiner zwiespältigen Stellung ist L. ein Kind seiner Zeit. Die körperliche u. seelische Zerrüttung des 30 jährigen Krieges hatte ein Anwachsen des Aberglaubens und zugleich eine Verstärkung der mystischen Stimmungen hervorgerufen. Hinzu kam für L. der Aufenthalt in dem an Naturgeheimnissen reichen Erzgebirge. Wenn er, tiefverwurzelt in den Anschauungen des Volkes, als Gelehrter den Versuch machte, sich mit den Erscheinungen des Aberglaubens wissenschaftlich auseinanderzusetzen, mußte er in einen steten Kampf mit sich selbst geraten. Da ihm die unzulänglichen Forschungsmethoden seiner Zeit manches brennende Rätsel nicht lösen konnten, wurde er auch gegen ihre bereits feststehenden Ergebnisse mißtrauisch. So stellte er sich, namentlich wenn ihm sein Gefühl Recht gab, lieber auf die Seite des Althergebrachten. Dieses Festhalten an gewissen religiösen Vorstellungen (alle Begebenheiten sind Erziehungsmittel Gottes!) Verleitete ihn zu

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weiteren Zugeständnissen. Oft führt L. die vernunftgemäße Erklärung eines Vorgangs (Erdbeben, Kometen, Irrlichter) an, lehnt sie aber sofort ab! Sein System des Aberglaubens ist nirgends zusammenhängend und mit bewußter Absicht dargestellt; man muß sich den Stoff an den verschiedensten Stellen seiner umfangreichen Schriften zusammensuchen. a) D i e v o r b e d e u t e n d e n Nature r s c h e i n u n g e n : Wunder- u. Warnungszeichen am Himmel, Erdbeben (Gottes Hand!), Krieg verkündende Sturmwinde u. Wunderregen (Feuer, Blut, Steine, Seide usw.), ungewöhnliches Blühen der Pflanzen (Omen für Krieg oder Pest), Irrlichter (Schwefeldämpfe als Lockmittel des Satans). b) D i e W u n d e r a m M e n s c h e n , umfangreiche Aufzählung von der Geburt bis zum Tode: Weinen im Mutterleib als Warnungszeichen; Muttermale u. körperliche Mißbildungen durch „Versehen" der Schwangeren oder als Merkmal der Erbsünde; Ahnungen u. Träume, wobei L. zwischen „Realahntungen" u. „abergl. Gauckeleyen" zu scheiden versucht (Umständliche Klassifizierung der Träume). Zu den letzten zählt er den Glauben, daß auf gespenstisches Poltern ein Todesfall erfolgen müsse. Es wird also nicht abgestritten, daß das Poltern von Gespenstern ausgeht, wohl aber jeder Einfluß abgelehnt. — Übertragung eines Unglücks vom Menschen aufs Vieh ist Satans Werk zur Stärkung des Aberglaubens. Die Grundhaltung L.s ist streng dualistisch: auf der einen Seite Gott und die Engel, auf der anderen der Teufel und seine Gespenster. c) G e s p e n s t e r g l a u b e . Viele „wahre" Geschichten von Poltergeistern, Jüdeln, Hexen in den Episteln. Hist. Sch. ergänzt mit dem wilden Heer, mit Wald-, Feld-, Wasserteufeln und Geistern von Abgeschiedenen. Sittenchr. u. Coli.: zahlr. Erzählungen von Berggespenstern, Teufelsdrachen und Spektren. — Nie ein Zweifel an der Wirklichkeit dieser Erscheinungen, aber stets ein Hinweis auf das einzige Gegenmittel: Gebet u. Gott-

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vertrauen. Abergläubisch dagegen ist es, für den Menschen eine Macht in Anspruch zu nehmen, die nur Gott eignet, u. fürwitzig die Geheimnisse des Höchsten aufzuspüren. d) A b e r g l ä u b . M i t t e l , Z a u b e r e i . Verwerfung des Nativitätenstellens, der Induration, des Bannes, gewisser magnetischer und transplantatorischer Kuren („altvettelische Lappalien"). Die Gewißheit oder wenigstens Wahrscheinlichkeit eines Erfolges steht für L. fest. Oft weiß er die Grenze zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem nicht zu ziehen und begnügt sich mit der Aufforderung zum Maßhalten. Wahnsinn und Zauberei sind Teufelswerk. Im Chron. Scheibenberg.: Verbot der Hexerei mit Sieb und Schlüsseln. **) Vgl. P o e s c h e l G. Fam. S. 91—104; d e r s . Wissensch. Beilage der Leipz. Ztg. 1884 Nr. 68—71: Ein System des Aberglaubens im 17. Jh. -, H. R ö s c h Wiss. Beilage d. L. Z. 1883, Nr. 27; L. B ö n h o f f Über Chr. L. u. seine Stelig. gegenüber dem Abergl. seiner erzgeb. Heimat. Beiträge zur sächs. Kirchengesch. 25 (1912), S. S—25; F. S i e b e r Sächs. Sagen. Jena 1926.

Es ist Aufgabe einer späteren Arbeit, die Linien aufzudecken, die L.s abergl. Anschauungen mit der germanischen bzw. slavischen Mythologie und den Vorstellungen anderer deutschen und außerdeutschen Landschaften verbinden 2S ). Spuren alter Naturreligion wird man nur insoweit finden, als sie durch Material der Bibel oder klassischen Schriftsteller gestützt werden. Denn die selbständigen Reste des alten Volksglaubens bekämpft L. als verwerflich und lächerlich (wilder Jäger und wütendes Heer werden nur durch Berufung auf Arrian „gerettet'.', während er Zwerge und Holzweibel für Fabelwerk erklärt!). Viele Züge weisen über die erzgeb. Grenze nach Böhmen; auffallende Parallelen finden sich in Schlesien und im Oberharz M ). Daneben steht natürlich eine Fülle von Stoff, die unabhängig von Zeit und Landschaft allen primitiven Volksbräuchen zugrunde liegt (z. B . Viehbezauberung, Klopfgeister, Versehglaube, Hexenspiegel im Wasserbottich usw.). a ) Vgl. H. R ö s c h a. a. O. S. 157; F. S i e b e r u) in der Einleitung seines Sagenbuches. Wanderungen der Bergleute; vgl. E. B o c h -

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Lehninsche Weissagung

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zollern feindlich gesonnen war 6 ). Die Einordnung der LW. in die geistigen Progr. Dresden-N. 1889; E. B o r c h e r s SprachStrömungen des 17. Jh.s hat Kampers und Gründungsgesch. der erzgeb. Kolonie im Oberharz. Deutsche Dialektgeographie 22, 1927. versucht 7). Man wird zusammenfassend feststellen dürfen, daß ein prokatholischer 5. Stellung der Nachwelt zu L. Im Gegner der Hohenzollern das Lehninense 18. Jh. wird L. oft rühmend als Verfasser im vorletzten Jahrzehnt des 17. Jh.s unter des „Hist. Sch." erwähnt. Seine übrigen Verwertung erstens älterer WeissagungsWerke, die in Privatbesitz übergegangen (s. 2.) und zweitens gleichzeitiger historiwaren, kannte man nur dem Titel nach scher Literatur (Rentsch, Brandenburgiund sah sie mit Bedauern als verloren an. scher Cedernhain 1682) in einer an 1756 veröffentlichte Kreysig zwei kleine Vaticinien reichen Zeit 8) verfaßte. x Proben aus der ihm gehörenden Kriegschr. ) Guhrauer 8 ff.; F r a n z K a m p e r s Die Als im 19. Jh. das allgemeine Interesse für Lehninsche 3Weissagung 1 8 9 7 , 14 f . 419 f. 2 ) S a Volkskunde geweckt war, tauchten die b e l l 32. ) H i l g e n f e l d 116. ) Z ö c k l e r in H a u c k RE. 11, 351 ff.; H i l g e n f e l d 3 ff.; Schriften L.s allmählich in der Öffentlich- J . E . L . G i e s e l e r Die Lehninsche Weissagung keit auf und fanden die gebührende Be- 1849, 21 ff. 31 ff.; Otto W o l f f Die berühmte Weissagung 1 8 5 0 ; K a m p e r s 15. achtung. — L.s abergl. Vorstellungen Lehninsche 6 ) Mutmaßungen über den Verfasser: S a b e l l wurden von Tentzel 25 ) und Grabner ae ) 34 ff.; G u h r a u e r 9 9 0 . ; H i l g e n f e l d 117 ff.; unbeanstandet hingenommen. Erst bei O t t o S c h u l z Die Lehninsche Weissagung 1846. Oesfeld (1776) findet sich ein Wort der Vgl. auch F. Rohr Die Geschicke Deutschlands 1 9 1 8 , 1 0 3 ff.; Kritik 27 ). Und Schreiter (1803) muß im Lichte alter Prophezeiungen G. B ü r g e r (s. u.) 23 ff. e ) K i e s e w e t t e r gestehen, „daß vieles nach dem Aber- Okkultismus 2, 334; Guhrauer 61 ff. und die glauben der vorigen Zeiten schmecket"28). genannten Autoren. 7 ) K a m p e r s 22. 34 ff. 8 Aber bezeichnend ist, daß der Aberglaube ) K a m p e r s 34 ff.; Guhrauer 33. 1350.; L.s stets entschuldigt und seine große vgl. etwa dazu Schlachtenbaum, dürrer Baum, ferner die betr. Teile von Gottfr. historische Bedeutung von allen Be- ASibylle, r n o l d Kirchen- und Ketzergeschichte 1 7 0 0 . trachtern rückhaltlos anerkannt wird. M 2. Auf die religiös-mythologischen Züge ) T e n t z e l a. a. O. S. 64. 75. 237. ») Th. G r a b n e r L.s göttl. Führungen. Dresden des Lehninense hat Kampers aufmerksam 1725. S. 43. 27) O e s f e l d a . a . O . 2, S. 96. gemacht. Die elf stemmata führt er auf 28 ) S c h r e i t e r a. a. O. S. 414. Roth. Dan. 7 und Apoc. Joh. 13 zurück 9 ); am Ende steht der Fürst des Verderbens, der Lehninsche Weissagung. Text bei E d u a r d W i l h . S a b e l l Literatur Antichrist, den die Juden (s. Antichrist, d. sogenannten Lehninschen Weissagung 1 8 7 9 ; Jude) annehmen; ihm folgt der FriedensG . E . G u h r a u e r Die Weissagung von Lehnin fürst (s. Schlachtenbaum), und es wird 1850, 150ff.; A d o l f H i l g e n f e l d Die Leheine Herde und ein Hirte sein. Das alles ninsche Weissagung über d. Mark Brandenburg 1875, 69 ff. u. öfter. Ein zweiter Text = G r ä s s e ist freilich verblaßt und verwischt, und Preußen 1, 8 f. Note = S a b e l l 24f. (S. a. schimmert, nur noch zu erahnen, durch die Haino Flörke), ein dritter: S a b e l l 27f.; beide Hohenzollernprophetie durch. Nach Kamhaben mit der bekannten LW. nichts zu tun. pers hat die Friedrichsprophetie in ihrem Die LW., angeblich von einem Bruder Zusammenhang mit der sibyllinischen LiteHermann des brandenburgischen Klosters ratur hier einen letzten Sproß getrieben10). Lehnin 1300 verfaßt*), behandelt in ein•) K a m p e r s 34 ff., nach Guhrauer 45 ff. hundert leoninischen Hexametern die 1 0 ) Ebd. 43 ff.; K a m p e r s Kaiserprophetie Geschicke Lehnins, der Mark Brandenburg 150 f.; vgl. auch Hartmann G r i s a r in: Stimmen und ihrer Herrscher. Wir haben hier d. Zeit 96 (1919), 420 ff. ein Vaticinium, das nicht vor 1682 2), 3. Als ein politisches Tendenzgedicht wohl nicht nach 1686 8), sicher aber vor entstanden, ging die LW. die ersten 1693 4) in der überlieferten Form vorlag. Jahrzehnte nur in vertrauten Kreisen um. Der Verfasser ist unbekannt 6 ); nur das Erst 1723 kommt sie im Druck heraus geht aus dem Vaticinium hervor, daß er (Georg Peter Schulz in: Gelehrtes Preußen den evangelischen Kirchen und denHohen- II, 4 = Juli 1723); in den ersten Jahren m a n n Zusammenhänge zwischen den kerungen des Obererzg. u. des Oberharzes.

BevölGymn.

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Friedrichs II., des Großen, wird sie dann häufiger gedruckt " ) . Die Zeit der preußischen Niederlage 1806/07 1 2 ), das Unruhj a h r 1848 1 S ), der 1866er K r i e g 1 4 ) , der K u l t u r k a m p f 1 5 ) lassen das Interesse erw a c h e n . I m 19. Jh. dringt die L W . ins breite Volk 1 6 ), wozu die Tageszeitungen u n d billigen Broschüren 1 7 ) das ihre taten. V o n einer besonderen W i r k u n g kann aber — außer um 1848 — k a u m die Rede sein; d a geschah a m T a g e der Schlacht von N o v a r a , die unstreitig den Papst restituiert, die Frankfurter Kaiserwahl: pastor gregem recipit, Germania r e g e m 1 8 ) . Einer W i r k u n g ins Breite stand die auch in Übersetzungen schwer verständliche Art u n d Form im Wege. Dagegen k a m sie 1914/18 19 ) zur Geltung und spielte besonders in französischen Weissagungen eine große Rolle 20 ), obwohl mit Friedrich Wilhelm I V . als stemmatis ultimus das Vaticinium ablief. A u c h in der Notzeit nach dem Kriege tauchte es a u f 2 1 ) . Durch Interpolationen und Anderslesungen hat man zu jeder Zeit verstanden, es den veränderten Zeiten anzupassen. Sogar mit der Birkenbaumsage (s. Schlachtenbaum) wurde es zusammengeworfen und vermengt M ) . 1 1 ) Europäischer Staats-Wahrsager 1742. 1, 138 ff.; Vaticinium metricum D . F. Hermann . . . durch E i n e n Erforscher der Wahrheit. Berlin 1746 (Breslau Univ.-Bibl. H . Germ. I V . Brandenb. 209; A u t o r nach O. W o l f f 20: J. C. 1!) W e i s e ) ; H i l g e n f e l d 30«. Ebd. 4 7 s . ; v g l . V a l e n t i n H e i n r . S c h m i d t Die Weissagung des Mönchs Hermann von Lehnin 1820. H i l g e n f e l d 5 5 « . ; O. W o l f f 22ff.; (J. C. L. G i e s e l e r Die Lehninsche Weissagung . . . E r f u r t 1849); Die Weissagung d. Bruders Hermann v . Lehnin über unsere Zeit. Bonn 1848 (Bonner Univ.-Bibl. O 5 0 3 ) ; Ferd. S c h r e i b e r Prophe¿eihung d. Mönchs Hermann in Lehnin. Breslau 1848 (Breslau, Univ.-Bibl.); Dr. S ( c h o r n ) Prophetische Geschichte d. Klosters Lehnin . . . v. Mönche Hermann. Breslau 1848 (Breslau, Univ.-Bibl.); dagegen: O t t o W o l f f Die berühmte Lehninsche Weissagung 1850; Bunzlauer Sonntagsbl. 1849, 146: Der Kastanienbaum, der in Berlin zum Andenken an die Vermählung Friedrichs d. Gr. gepflanzt wurde, ist teils v o m Sturm, teils v o n Altersschwäche niedergeworfen. Man bringt seinen Sturz mit der Prophezeiung des Klosterbruders von Lehnin zusammen, d a ß der gegenwärtige der letzte K ö n i g von Preußen .sein werde. » ) H i l g e n f e l d 66ff. »*) S a b e l l ioßß.; 1287—1887. Weissagung über die Geschicke v. Preußen u. Deutschland v . Her-

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mann, A b t v. Lehnin. Halle u. Leipzig . . . im Jahre d. Beendigung d. Kulturkampfes (1887) (Breslau, Univ.-Bibl.). " ) Ich hörte als K i n d von einer geheimnisvollen Weissagung über Deutschlands Geschicke als der L W . 1 7 ) E t w a A r n o l d R e n n e w (Wenner) Frater Hermann. Weissagungen über die Schicksale des Hauses Brandenburg. Borken, s. a . ; Die höchstdenkwürdige Weissagung des hochwürdigsten Pater Abt Hermann v. Lehnin über Preußens ältere und neuere Geschichte von 1322 bis 2000, Bremen 1848 ; Das Ende kommt, das 1000 jährige Rcich ist nahe. Bewiesen durch die bereits in Erfüllung gegangenen Weissagungen des Propheten Daniel, der Offenbarung Johannis, sowie aus den wunderbaren Orakelsprüchen des Fraters Hermann von Lehnin und den Schriften des Emanuel Swedenborg, Joh. Albr. Bengel und anderer erleuchteter Männer (Bunzlauer Sonntagsblatt 1849, 54). 18 ) Bote aus dem Riesengebirge 1849, 473. 1B ) G r a binski Neuere Mystik 218; Grobe-Wut i s c h k y Der Weltkrieg IÇI4; Reinh. G e r l i n g Der Weltkrieg 1914/1915 im Lichte der Prophezeiung, Oranienburg s. a. 49f. 5 4 6 . ; A. R e i n e r s Prophetische Stimmen und Gesichte über den Weltkrieg 1916, 32ff. 20 ) J. H . L a v a u r La fin de l'empire allemand 1914; Ders. Comment se réalise en ce moment mime la fin de l'emp. allem. 1914, darnach zusammenfassend: Joanny B r i c a u d La guerre et les prophéties 1916, i f f . ; vgl. ferner Lucien B a r d e s Le Christ vainqueur de Guillaume II 1917, 87; F r a n c - N o h a i n et Paul D e l a y Histoire anecdotique de la guerre de 1914/15 1 (1915), 91 (Wilhelm II., letzte der Hohenzollern; ebenso L a v a u r La fin 34s.); Louis D u b o i s L'histoire de l'abbaye de Morimond 1852 2 , 503: Hermann prophezeit la reconstitution de l'unité germanique und Wiederkehr des kathol. (Habsburg) Hauses nach Untergang der Hohenzollern; ebenso: Florent D u m a s Hermann et les Hohenzollern 1891, 151 ff. ; zusammenfassend: Y v e s de la B r i è r e Le destin de l'Empire allemand 1916, i 8 f f . ; Sadova und Sedan vorausgesagt; Wilhelm II., der letzte: Gabriel L a n g l o i s Les prophéties relatives à la guerre de 1914/15. 1915, 22 f. 21 ) Martin Karpinski Unsere Zukunft im Lichte der Weissagungen 1921, 21 ff.; Georg K r ö n e r t Die Die Weissagung v. Lehnin 1924; A . T e h a Weissagung v. Lehnin im Lichte der Geschichte 1927; Ders. Der Traditionsweg der Weissagung M ) Y v e s de la B r i è r e v. Lehnin 1927. Le destin . . . 1916 2 , 4 9 I , nach l'Univers 26, juillet 1875 und l'Echo du Merveilleux 1898, 391 f. In Verbindung mit der Lehninschen Weissagung wird gewöhnlich das Vaticinium eines Andreas O t t o , D o m - K u s t o s in Berlin 1620, erwähnt, die von des O t t o Schwager H a i n o Flörcke mitgeteilt worden sein s o l l 1 ) . D a s Vaticinium post eventum erscheint in (Georg D a n . Seylers = Zoroasters) Preußischem Wahrsager 1 7 4 1 zuerst im Druck und dürfte

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kaum viel früher entstanden sein, denn es rechnet mit der glückbringenden Regierung Friedrichs II., des Großen, und dessen Krieg gegen das antichristliche (katholische) Reich 2 ). Kampers vermutet auch in dieser Prophetie Überreste eines älteren Friedrich-Vaticinium 3 ). Der T e x t bei G r ä s s e Preußen 1, 6ff.; im Auszug bei Eduard Wilh. S a b e l l Literatur der sogenannten Lehninschen Weissagung 1879, 24 ff. 2 ) G. E . G u h r a u e r Die Weissagung von Lehnin 1850, 830.; Franz K a m p e r s Die Lehninsche Weissagung 1897, 23; O t t o W o l f f Die berühmte Lehninsche Weissagung 1850, 3®. 3 ) E b d . 440. Peuckert.

Lehre (Rat). L. und Rat sind für den einfachen Menschenverstand eng verbundene Begriffe, sowohl in aktiver wie in passiver Bedeutung: der eine lehrt, der andere wird gelehrt, der eine rät, der andere wird beraten. Für den gemeinen Mann ist Rat und Tat, raten und helfen, keine formelhafte Verbindung, sondern bezeichnet das Wesen der Dinge, d. i. die Fürsorge des Höheren und des Älteren für den Geringeren und Jüngeren. Es ist hier wieder aufs deutlichste zu erkennen, wie der Sprachgebrauch der Bibel die Worte L. und Rat bei dem Volke, das nach seiner Schulzeit nicht mehr viel liest, sondern in der Kirche Gottes Wort hört, wie dieser Reichtum der Bibel die Begriffe des Volkes auch an dieser Stelle bestimmt und entwickelt: Gott weiß zu allen Dingen Rat, niemand ist Gottes Ratgeber gewesen. Der Herr gibt Gnade dazu, daß Rat und L. fortgehe 1 ). Es ist natürlich, daß der Rat von Erfahrenen nicht verachtet und ihre L. genutzt wird. Selbst die wilden Urstämme von Australien fügen sich der überlegenen Einsicht ihrer Häupter 2 ). Aber wenn sich der Grundsatz auch in einem Gemeinwesen durchsetzt, so nicht immer in den Verhältnissen der einzelnen Familie. Die L.n, die ein sterbender Vater seinem Sohne gibt, gleichsam als eine Summa seines Lebens, sind aus vielen Zeiten und Gegenden überliefert, aber nicht immer befolgt, sehr zum Schaden des Sohnes 3 ). Die Volkssage weiß zu berichten, daß die Geister des Waldes und Feldes, die sich sonst vor den Menschen zurückziehen,

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zu Zeiten geneigt sind, den Menschen etwas kund zu tun und ihnen zu raten 4 ). Selbst die Riesen gaben den Menschlein manchen guten Ratschlag, sie kamen aber nicht wieder, als sie von den Menschlein in der Kunst des Feldbaues überholt waren s ). Von den Zwergen gilt das noch mehr. In einer Pest gibt das Stubaier Ung'schicht zwei alten übriggebliebenen Leuten den Rat: E ß t Kranewitt und Bibernell, Dann packt enk der Tif el nöt so schnell*).

Die von Heyl gesammelten Tiroler Volkssagen enthalten manche Erzählungen von dieser Art. Sie sind umso wertvoller, da sie aus neuerer Erkundung stammen. Je einsamer die Gegend und j e größer die Natur, desto treuer bewahrt das Gedächtnis des Volkes' alte Überlieferung. — Aus mitteldeutscher Gegend gibt „das vertriebene Holzweibel" die Geschichte wieder, daß sich das Waldwesen der Familie eines Bauers gar hilfreich erweist, gute Räte gibt, aber als es von der Bäuerin verhöhnt wird, die Hausfrau zornig anschreit: Hast du mir gebacken Kümmel brod, Bukst du dir selbst die schwere Not.

Das Weiblein verschwindet, der Hof zerfällt 7 ). ' ) Sir. 39, 9 0 . 10. F r a z e r 1, 336. 3 ) L i e b r e c h t Zur Volksk. 37; K l a p p e r Erzählungen 461. 4 ) H e y l Tirol 148. ®) Ebd. 149. «) Ebd. 84. ' ) B e c h s t e i n Thüringen 185f.; Witzschel Thüringen 1, 214 Nr. 212; R a n k e Volkssagen 286. -j- Boette.

Leib s. K ö r p e r . Leibschmerzen s. B a u c h w e h . Leichdorn s. H ü h n e r a u g e 4, 460. Leiche. A. Der lebende Leichnam. 1. Geschichtliches. 2. Lebenszeichen. 3. L.nstarre. 4. Aussehen, Gesicht. 5. Augen. 6. Mund, Nase. 7. Erklärungen. B. Zauberkraft d e r L. 1. L. unrein. 2. Ansehen. 3. Berühren. 4. Zehe. 5. Heilzauber. 6. Hand, Finger. C. L. i m H a u s . 1. Haus, Angehörige. 2. Wasser, Speisen, Feuer. 3. Haus gezeichnet. 4. Arbeit einstellen. 5. Verschiedenes. D. A u f bahrung. 1. Raum. 2. Boden, Stroh, Brett usw. 3. Füße gegen die Tür. 4. Gesicht. 5. Fesseln. 6. Wasser und Licht. 7. Verschiedene Schutz-und Abwehrbräuche. E . L. i m T r a u m .

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Ebenso A. 1. Aus praktischen Gründen haupt- einer Seele sprechen könne. sächlich bezeichne ich hier als L. den sieht V i e r k a n d t (Globus 92) im ZauberVerstorbenen bis zu seiner Bestattung, glauben der voranimistischen Stufe Stoff während ich alle übrigen Bräuche und und Körper mit einer besonderen Kraft Der Tote wird zunächst Anschauungen, die am Begrabenen haften, ausgestattet. also den Kult, den Glauben an seine als ein gefahrbringender Stoff gescheut. Wiederkehr u. a. unter „Toter" zusam- Furcht vor der Seele des Toten (die aus menfasse, sofern nicht schon geprägte def Furcht vor zauberischer Femwirkung Ausdrücke wie „Totenhochzeit", „Toten- entstanden) konnte nur aus der Furcht Auch klage" mich zwingen, vom Einteilungs- vor der Leiche sich entwickeln. bei andern Forschern, die noch auf dem schema abzuweichen. Das Sterben (s. d.) ist ein Übergang Animismus fußten, trat deutlich ein von einem Zustand in einen andern. Nach Unbehagen gegenüber der Seelenvorsteldem Volksglauben ist der Tote eben nicht lung zutage, indem sie die Seele als sehr tot, wenigstens nicht sofort. Der Leich- materiell oder als mit dem Körper zu nam behält alle möglichen Lebenszeichen einer Einheit verbunden annehmen mußan sich, in Ausnahmefällen sogar beson- ten (z. B. Negelein, ZfVk. 11, 271 und 14, 19; Wasmannsdorff 6 f f . ; Sartori, ders deutliche und starke; er kann nicht nur hören, er sieht, ja er bewegt sich Totenspeisung 61). Wundt suchte sich sogar. Darum werden auch alle Rück- mit der „Körperseele" zu helfen. Tiefer sichten auf ihn genommen, wie wenn es geht L é v y - B r u h l (Fonctions mentales 1910), indem er, fußend auf der prälogisich eben um einen Lebenden handelte. Und die Verabschiedung, sein Hinaus- schen, mystischen Denkart, überhaupt schaffen erheischen ganz besondere Rück- auf den Seelenbegriff wie auch auf die sichtsnahme, damit er nicht durch irgend Begriffe „Leben" und „Tod" verzichten ein Versehen beleidigt werde und sich will, weil wir aus unserem Denken immer nachher räche. Dieser Glaube schimmert eine falsche Deutung hineintragen. Er in vielen Bräuchen noch durch, wenn spricht von „Participationen", die zwiauch manchmal nur unklar oder um- schen den Lebenden und den Toten begedeutet. Er findet eine starke Stütze stehen und sich allmählich lösen, so in der Pietät, die auch der nicht Aber- daß der Tote mehrere Übergangsstadien gläubische der Leiche gegenüber empfin- passiert (Fonctions ment. 71. 92 f. 378. 358; Mentalité primitive 72. 189. 506 f.). det. Diese Beobachtungen haben dazu ge- Die „ L . " entwickelt sich also zum „Toten", führt, daß der Begriff vom „ l e b e n d e n der ein gesteigertes, zauberhaftes Dasein L e i c h n a m " geprägt wurde, und es ist hat; die Zwischenzeit wäre vielleicht mit Stadien der Initiation zu vergleichen. nötig, der Entstehung dieses Ausdrucks, Polemisch gegen Wundt, aber ohne der beinahe zum Schlagwort geworden Kenntnis von Lévy-Bruhls Angriffen geist, nachzugehen. Sein Aufkommen hängt zusammen mit dem Kampf gegen gen den Animismus, stellt N e c k e l (1913 den durch Tylor begründeten Animis- Walhall; 1925 Altgerman. Kultar n o f f . ) mus, und es ist charakteristisch, wie den Begriff „lebende L . " auf und möchte verschiedene Forscher unabhängig von- auch das Wort „Seele" eliminieren. Der einander und von verschiedenen Gebieten Tote „war" der Körper; aber er zeigt herkommend auf diesem Wege zusammen- außergewöhnliche Kräfte; der Verwandlungsglaube kann damit verknüpft sein. getroffen sind. Schon P r e u ß , der (1905/6 im Globus Dieselben Feststellungen macht M o g k (NJbb. 43, 1919): in heidnischer Zeit Bd. 86 u. 87) eine präanimistische Stufe des primitiven Denkens feststellte, kam gibt es bei den Germanen keinen Seelendabei auf eine monistische Auffassung des glauben, der Tote lebt fort; im Toten Toten, von dem ein Vemichtungszauber, lebt die „Macht" fort, er hat die Ver„das Tote" ausgehe, ohne daß man von wandlungsfähigkeit. B ä c h t o l d - S t a u b l i , Aberglaube V

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Von Arbeiten H. Branners ausgehend kam Schreuer (1916 ZfvglRechtswiss. 33. 333 ff- u. 34, 1 ff.; auch Hoops Reallex. 4, 339 ff.) auf rechtsgeschichtlichem Gebiet zur Formulierung der Auffassung vom „lebenden Leichnam" (der Ausdruck findet sich, soviel ich sehe, zuerst bei ihm). Es besteht eine Einheit des lebenden Körpers vor und nach dem Tode; der Tote ist der lebende Körper, dessen Rechte (Totenrecht) weiter berücksichtigt werden müssen, mit dem sich die Hinterbliebenen auseinanderzusetzen haben (Totenpflege). Letzte Reste dieses Totenrechts verfolgt Schreuer bis in die neueste Zeit. Der lebende Leichnam bedeutet für ihn die L., soweit sie als lebendig behandelt wird, nicht aber der wiederkehrende, körperlich aufgefaßte und mit Eigenschaften der L. ausgestattete Tote. Neckel und Schreuer, sowie auch Ebert (PrähistZschr. 13/14, 1 ff.) suchen von hier aus auch die Frage zu beantworten, ob die Leichenverbrennung (s. d.) mit einer großen Umwälzung im Glauben, mit dem Entstehen des Seelenglaubens zusammenhänge. 1920/21 hat H. Naumann, zunächst ohne Kenntnis von Schreuers und Levy-Bruhls Arbeiten, von Preuß und Vierkandt ausgehend, den Totenkult an den Präanimismus angeknüpft, den lebenden Leichnam durch den Glauben verschiedener Völker verfolgt und versucht, auch den Dämonenglauben damit zu verbinden (Primitive Gemeinschaftskultur 18 ff.; Grundzüge d. deutschen Volkskunde 1922, 72 ff.). Er lehnt die Beziehungen zum Machtglauben, die Mogk annimmt, ab, verfällt aber dann manchmal in eine einseitig materialistische Auffassimg (Prim. Gemeinsch. 38). Gegen Einseitigkeiten Naumanns und des Präanimismus überhaupt hat sich W. O t t o (Manen 1923, 38ff.) kritisch geäußert, indem er die Erklärungsversuche auf Grund unseres rationalen Denkens (dessen Anwendung er Animisten wie Präanimisten vorwirft) sowie die Voraussetzung, das Einfachere müsse das Ältere sein, als fehlerhaft zurückweist. Er wendet dagegen ein, lebender Leichnam und Toten-

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geist können von Anfang an (wie heute noch) nebeneinander existiert haben. Es scheint mir richtig, wenn er nachdrücklich auf die von Levy-Bruhl vertretene Ansicht hinweist, daß wir bei der Erklärung primitiven Glaubens (auch im heutigen Aberglauben) mit der primitiven Denkart operieren müssen, und wenn er dabei betont, daß diese auch heute noch eine viel größere Rolle spielt, als es Levy-Bruhl klar geworden ist x ). Wir werden uns also bewußt bleiben müssen, daß wir wohl theoretisch die Züge, die zum lebenden Leichnam gehören, von den andern die auf eine dualistische Seelenauffassung deuten, trennen können; praktisch gehen sie aber durcheinander. Ferner müssen wir auseinander halten, ob wir uns unter lebendem Leichnam die als lebend aufgefaßte L., oder auch den gespenstisch mit Leichenmerkmalen zurückkehrenden Toten vorstellen wollen. Vgl. noch Naumann in JbHistVolksk. 1; H. Boesebeck NieddZfVk. 5, 94 ff.; E b e r t Reallex. 7, 259 f.; Neckel ZfDeutschkde. 1927,

472 f.;

Söderblom

Werden

des Gottes-

glaubens 13ff. 82; Ankermann ZfEthn. 50, 1 3 1 f . ; C a s s i r e r Die Begriffsform im mythischen Denken 1 9 2 2 .

2. Noch heute treffen wir vielfach das Gefühl, daß die Leiche heimlich lebe, die Unmöglichkeit, sich den Verstorbenen wirklich tot vorzustellen. Der Tote hört und sieht alles, was bis zum Begräbnis um ihn vorgeht, nur kann er nicht sprechen 2 ), der Tote hört noch 3 Stunden oder länger, die Seele löst sich erst nach 2 Stunden oder erst beim Glockengeläute3), er geht im Hause um und beobachtet die Trauer der Überlebenden4). Der Tote will Ruhe haben 8 ), man soll nicht zuviel weinen und klagen (s. sterben) 6 ); der Tote kann (in Sagen) einen Lebenden packen und festhalten 7 ); man ruft ihn beim Namen, damit er die Starre verliert und gekleidet werden kann 8 ). Wenn es donnert, steckt man in Posen ein Stück Stahl neben den Toten in den Sand, worauf er ruht, sonst würde er weiterwachsen 9 ). Daneben finden wir die dualistische Auffassung: die Seele bleibt bis zum Begräbnis beim Körper und wird

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Leiche

zuweilen sichtbar10), ein alter und weit verbreiteter Glauben 11 ) (vgl. Trauerzeit, Totenkult). Über das Weiterleben des Toten im Grabe, seine Wiederkehr s. Nachzehrer, Tote, Wiedergänger. Wie die L. noch im modernen Recht als Persönlichkeit ehrenvoll behandelt wird, hat Schreuer gezeigt (Eisenbahntransport in Personenzügen, Beförderungsschein nicht Frachtbrief) 12 ). Die Unterschrift des Toten unter ein Testament gilt, wenn sie mit seiner Hand geschrieben, solange die L. noch warm ist 1 3 ). 2

) ZfVk. 6, 410; MSchönhVk. 8, 101; Urquell 2, 257; Globus 91, 360; Höhn Tod 355; Grohmann 192; MschlesVk. 10,Heft 19,2; Vordemfelde Religion 1 5 1 ; vgl. FFC. 41, 89. 3 ) WienZfVk. 34, 72; mündl. Graubünden; ZföVk. 3, 118; 7, 227; ARw. 17, 489. *) Drechsler 1, 310. s ) Landsteiner Niederösterr. 30; vgl. L e B r a z Ugende 1, 250. *) Höhn Tod 317. 355; Sartori Sitte u. Br. 1, 138; S t r a c k e r j a n 1, 5 1 ; 2, 215; WienZfVk. 34, 68. 7 ) B a r t s c h Mecklenburg x, 449 f.; vgl. Bruck Totenteil 36 Anm. 4; K r ü n i t z Encycl. 73, 475 berichtet, wie zum Tode Verurteilte Angst hatten, nachher seziert zu werden. 8) John Westböhmen 171. ») MschlesVk. 8, Heft 15, 78; WienZfVk. 33, 59: wenn der Blitz einschlägt, wird die L. lebendig. 10 ) John Erzgebirge 116; Toeppen Masuren 108 u. m ; ZfVk. Ii, 19. 1 1 ) ARw. 17, 481 u. 500; 16, 225; 4, 342; 19, 216; ZfVk. 22, 159; F r a z e r 3, 37t.; ZfVk. 9, 107; 10, H7f.; 11, 17; ARw. 24, 290; RTrp. 15, 507; F l a c h s Rumänen 44; Rohde Psyche 1, 26f.; T y l o r Cultur 2, 151 f.; S i b i l l o t Folk-Lore 3, 250; Clemen Reste 29; E R E . 4, 434. 12 ) 13 ZvglRechtswiss. 33, 346. ) Brand Pop. Antiqu. 2, 234.

3. Wird die L. lange nicht s t a r r , so stirbt bald, binnen 3 Monaten oder Jahresfrist, wieder jemand aus der Familie oder dem Hause 14 ), der Tote holt einen nach 1 S ); ausnahmsweise bedeutet es langes Leben für die Hinterlassenen16). Auch wenn Hände, Finger des Toten weich bleiben, das Gesicht welk ist, oder die L. den Kopf herunterhängen läßt, bedeutet es Todesfall in der Familie 17 ). Ist die Leiche beim Ankleiden steif, so muß man sie dreimal beim Vornamen rufen, dann wird sie weich 18 ). Deutlicher heißt es auch, wenn die L. nicht starr werde, hätte der Verstorbene noch leben können, oder er werde ein Wiedergänger 19 ). " ) ZfVk. 11, 277; 22, 163; 14, 22; 3, 15;

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1, 218; 2, 188; 10, 136; Schweizld. 3, 1014; Manz Sargans 123; Unoth 1, 183; L ü t o l f Sagen 552; Urquell 1, 9 u. 16; 4, 19; 3, 280; SAVk. 2, 216; 6, 719; 7, 139; 12, 150 u. 214; 14, 292; 21, 202; SchwVk. 19, 64; Grimm Myth. 3, 463; Drechsler 1, 289; Witzschel Thüringen 2, 256; S e y f a r t h Sachsen 23; S t r a c k e r j a n 1, 32; ZfrwVk. 4, 271; Kühnau Sagen 1, 1 5 1 ; ZfrwVk. 5, 242; 15, m; HessBl. 6,103; Toeppen Masuren 106; Reiser Allgäu 2, 313; Lemke Ostpreußen 1, 57; Meier Sagen 2, 489; Meyer Baden 583; Globus 59, 380; Lammert 104; Alemannia 25, 43; Höhn Tod 316; Birlinger Volksth. 1, 476; Stoll Zauberglauben 177t.; Woeste Mark 57 Nr. 29; MschlesVk. 8, H. 15, 74; Baumgarten A. d. Heimat 3,104; Fogel Pennsylvania 127 Nr. 582; Feilberg Dansk Bondeliv 2, 98; L e B r a z Légende i, 215; Keller Grab d. Abergl. 3, 57; FL. 15, 453. 15 ) Urquell 3, 299; Andree Braunschweig 321; Schulenburg 110; J o h n Erzgebirge 116. " ) Schweizld. 3, 1014. 17 ) John Erzgebirge 116; Jensen Nordfries. Inseln 328; Grohmann 188; Leoprechting LccAj-ain 250; SAVk. 8, 273; Gaßner Mettersdorf 81 u, 90; Wrede Rhein. Volkskunde 87. 18 ) Drechsler I, 294; John Wesiböhmen 171. 19 ) MschlesVk. II, 83; Gaßner Mettersdorf 90; Kühnau Sagen 1, 196.

4. Ebenso unheilvorbedeutend wirken auch andere Erscheinungen, die den Leichnam als noch lebend erscheinen lassen: Warmbleiben, Lächeln, Rotbleiben des Gesichts. Bleibt der Leichnam, eine Hand oder auch nur das Leintuch lange warm, so folgt bald ein neuer Todesfall in der F a m i l i e S i e h t der Tote freundlich aus, so holt er bald jemand aus der Familie oder dem Dorfe nach 2 1 ) ; oder es heißt, er lacht sich in den Himmel hinein, wird selig 22 ). L ä c h e l t der Tote, so zieht er einen Verwandten nach, der ihm lieb war 2 3 ). Dasselbe geschieht, wenn sich das Gesicht wenig ändert 2 4 ), wenn die Fingerspitzen blau werden25), oder wenn die L. auf dem Stroh noch einmal seufzt M ). Anderseits gilt in Legenden das Frischbleiben der L. als Zeichen der Heiligkeit (vgl. unverwest)27). Behält die L. ein rotes G e s i c h t , rote B a c k e n oder L i p p e n , so folgt ihr bald jemand aus der Familie 28 ). Dazu steht in Widerspruch (und deutet wohl auf fremden Einfluß), wenn früher im Vintschgau den Toten rote Backen gemalt wurden 29). Der Tote wechselt seine Farbe erst, wenn das Glocken33*

Leiche

geläute verkündet, daß das Grab fertig sei; er sehnt sich nach der Erde 30 ). Werden die L. oder Teile von ihr aber s c h w a r z , so ist das ein Zeichen, daß sie dem Bösen verfallen ist 3 l ). Berührt man die Stirn des Toten mit der Zunge und empfindet dabei einen säuerlichen Geschmack, so hat der Teufel die Seele geholt, und Hexen waren an der Krankheit schuld 32 ). Hat der Tote den linken Fuß länger als den rechten, so stirbt nach slavischem Glauben bald ein Frauenzimmer im Hause, falls der rechte länger ist: ein Mann 33 ). " ) ZfrhwVk. 15, I i i ; H ö h n Tod 316; S A V k . 2, 217; Alemannia 33, 300; B F . 2, 338; B i r l i n g e r Volksth. 1, 476. S1 ) R o t h e n b a c h Bern 43; Schweizer. Merkur 2 (1835), 236; A n d r c e Braunschweig 321; W u t t k e 213 § 298; ZfVk. 2, 188; B a r t s c h Mecklenburg 2, 90; J o h n Erzgebirge 116; K ü c k Lüneburg 263; D r e c h s l e r 1, 289. " ) H ö h n Tod 316; Z f V k . 2, 188; B F . 2, 344; Unterwaiden schriftl.; F L . 11, 345 (England). ») ZfdMyth. 1, 240; S a r t o r i Sitte 1, 132; L a m m e r t 106; W o l f Beiträge 214; Z a u n e r t Rheinland 2, 203; ZfrhwVk. 15, I i i ; 23, 130; T e t z n e r Slawen 375; S t r a c k e r j a n 1, 32; S e y f a r t h Sachsen 23. 21 ) K ö h l e r Voigtland 254 u. 442; J o h n Erzgebirge 116; D r e c h s l e r 1, 289. ! S ) J o h n ss) Erzgebirge 116. G r i m m Myth. 3, 463; 17 ) S c h u l l e r Progr. v. Schässb. 1863, 29. ZfrhwVk. 11, 198; H e y l Tirol 568 Nr. 23; vgl. H u i z i n g a Herbst d. MA. 188 f.: Gesicht is) vornehmer Toter angemalt. Rockenphilosophie 707 = G r i m m Myth. 3, 446; B r ü c k n e r Reuß 195; K r t i n i t z Encyclop. 73, 140; K ö h l e r Voigtland 442; Urquell 2, 91; SchwVk. 10, 32; J o h n Erzgebirge 116; MsäVk. 2, 24; ZfrhwVk. 4, 271; Urquell 1, 9; S e y f a r t h Sachsen 23; Z f V k . 10, 132. s t ) H ö r m a n n M) Volksleben 425; vgl. Pitrfc Usi 2, 210. G r i m m Myth. 3, 463; G a ß n e r Mettersdorf 90; K n o o p Hinterpommern 116 f. 31 ) R o c h h o l z Sagen 2, 95; G r o h m a n n 193; H e y l Tirol 539 Nr. 107; M ü l l e r Urner Sagen 1, 93 u. 122; W a i b e l u. F l a m m 2, 344; L a c h m a n n Überlingen 164 Nr. 108; Zürich mündl.; vgl. B F . 2, 344; K ü h n a u Sagen 1, 16. M ) H ö h n Tod 325. 33) Z f V k . 2, 188.

5. Allgemein Brauch ist es, daß dem Toten die A u g e n zugedrückt werden, sobald der Tod eingetreten M ); es ist Pflicht des Sohns, des nächsten Angehörigen 35), oder es muß es ein Nachbar, ein Fremder tun 38). In altnordischer Zeit gehörte es zur „Leichenhilfe" 37 ). Unterläßt man das Schließen der Augen, kann man sie nicht zudrücken, oder

1032

öffnen sie sich immer wieder oder auch nur eines, und hat der Tote einen starren Blick, so sieht er sich nach jemand aus der Verwandtschaft um, der ihm bald folgen soll 38 ). Hat der Tote nur ein Auge offen, so stirbt nur einer oder einer aus der Verwandtschaft, hat er beide offen, sterben zwei oder einer aus der Familie 39 ), bleibt das rechte Auge offen, so stirbt jemand aus der Verwandtschaft, ist es das linke, stirbt jemand aus der Familie40). Um die Augen geschlossen zu halten, legt man auch in Branntwein getauchte oder feuchte Lappen 4 1 ), Feuersteine, Kastanien, Pferdebohnen (Kindern) 42 ), Scherben 43 ) oder kleine Geldstücke (Kupfer) drauf 44 ). Die Geldstücke werden vor dem Einsargen wieder weggenommen und an den ersten Bettler verschenkt 45 ) oder Angehörigen als Heckpfennige gegeben 49). Nach slavischem Glauben darf das Sargbrett über dem Gesicht kein Loch haben, wohl weil sonst der Tote, falls er die Augen offen hat, Schaden anrichten könnte 47 ). Im Tirol heißt es, braune Augen behalten im Tode ihr Licht, blaue Augen brechen 48). Nach schweizerischem Glauben leben Kinder mit sog. ,,Totenaugen" nicht lange 49). M ) B r ü c k n e r Reuß 194; F o n t a i n e Luxemburg 152; W i t t s t o c k Siebenbürgen 99; W r e d e Eifler Volksk. 126; S t r a c k e r j a n 2, 216; A R w . 17, 480; Mélusine 10, 60; P a u l y - W i s s o w a 3, 356; T h a l h o f e r Liturgik 2, 465. ») K ö h l e r Voigtland 251; Z f V k . 11, 313; J o h n Westböhmen 166; Egerl. 10, 183; H ö h n Tod 316; R o c h h o l z Glaube 1, 196; G a ß n e r Mettersdorf 83; W r e d e Eifler Volksk. 126; M e y e r Baden 583; E R E . 2, 19; S c h w a l l y Leben n. d. Tode 8; P i t r é Usi 2, 211; R o h d e Psyche 1, 23; A R w . 24, 285; vgl. S e l i g m a n n Blick 1, 160. " ) F l a c h s Rumänen 44. 37) ZfVk. 11, 313 = W e i n h o l d Altnord. Leben 474. " ) G r i m m Myth. 3, 463; K e l l e r Grab 3, 56; H ö h n Tod 316; S e y f a r t h Sachsen 23; K r ü n i t z Encyclop. 73, 684; D r e c h s l e r 1, 238 u. 28gf.; Z f V k . 14, 21; S t r a c k e r j a n 1, 32; S c h u l e n b u r g 112; Germania 29, 89; M e y e r Baden 583; Z f V k . 10, 118; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 228; W i t z s c h e l Thüringen 2, 252; ZfVk. 22, 163; Bavaria 2, 322; K ö h l e r Voigtland 442; Z i n g e r l e Tirol 48f.; R e i s e r Allgäu 2, 313; HessBl. 6, 102; R o c h h o l z Glaube 1, 196; S A V k . 16, 149; G r o h m a n n 188; G a ß n e r Mettersdorf 80 f.; MSchönhVk. 2, 86;

1033

Leiche

8, l o i f . ; M ü l l e r Isergebirge 23; J e n s e n Nordfries. Inseln 328; BayHfte. 6, 210; ZfrwVk. 1 5 , i n ; MschlesVk. 8. Heft 15, 74; S c h m i t t Hetlingen 1 5 ; H a l t r i c h Siebenbürgen 308; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 104; T e m m e Pommern 339; P e t e r österr. Schlesien 2, 246; L a n d s t e i n e r Niedern sterreich 30; ZföVk. 3, 1 1 8 ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 250; Urquell 4, 19; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 98; B F . 2, 337f.; H e r p i n Noces et baptêmes 160; A n d r e e Juden 184; Urquell 2, 257; Volksleven 8, 224; 1 1 , 55; L e B r a z Légende 1 , 214 f.; F o g e l Pennsylvania 122 Nr. 550. M ) H ö h n Tod 316; F o s s e l Volksmedizin 170; vgl. ZfVk. 2, i87f. 40 ) G r o h m a n n 188; L e B r a z Légende 1, 215. 41 ) MsächsVk. 7, 3 1 ; Egerl. 10, 183; vgl. A R w . 24, 285. **) S c h u l e n b u r g 1 1 0 ; Melusine 10, 60. 43 ) A n d r e e Juden 165; ZföVk. 7, 122; H ö h n Tod 320 (Juden) ; Urquell 2, 1 1 0 (Juden). 44 ) Mélusine 10, 60; D i e n e r Hunsrück 181 ; W i r t h Beitr. 2/3, 52; Urquell 3, 50; S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863, 41 f.; ZföVk. 7, 226; S a r t o r i Westfalen 100; MschlesVk. 8, Heft 15, 79; BdböVk. 12, 225; ZfrwVk. 2, 195 f.; R o s é n Död och begravning 6; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 107; Z e l e n i n Grundriß 3 2 1 ; M e y e r Germ. Myth. 70; vgl. B F . 2, 338; Th. H a r d y The master of Casterbridge 143. BdböVk. 12, 225; ZföVk. 7, 226; W i r t h Beitr. 2/3, 52. 1 8 ) 47 S a r t o r i Westfalen 100. ) Urquell 3, 50. 4a ) Z i n g e r l e Tirol 48. «») SAVk. 19, 44.

6. Gleiche Vorschriften und gleicher Aberglaube gelten für das Verschließen des Mundes; er soll sofort nach Todeseintritt verschlossen werden M ), man bindet ein Tuch ums Kinn oder legt eine Zitrone oder ein Gesangbuch oder eine Bibel drunter 61 ). Die Juden der Bukowina legen dem Toten einen Scherben auf den Mund 52 ), im Tirol soll man ihm früher den Mund verstopft oder gewaltsam zusammengepreßt haben M ), in Ungarn geschieht das Verstopfen mit Erde nur bei unverhofft Gestorbenen84). Wie bei den Augen heißt es auch hier, wenn der Mund offen bleibe, hole der Tote bald jemand nach, er rufe einen5*). Deutlich auf Nachzehrerglauben weist es hin, wenn es heißt: falls dem Toten etwas in den Mund falle, hole er die ganze Familie nach 58 ), oder man müsse dem Toten einen grünen Rasen unters Kinn legen oder das Halstuch fest zuschnüren, damit er nicht an den Kleidern schmatzen und nachzehren könne (s. Nachzehrer) 57 ). Als Warnung heißt es, wer Löffel stehle oder wer auf dem Kirchgang esse, während die Glocken

läuten, dem bleibe im Tode offen stehen 58 ). Selten wird dem Toten Nase zugebunden59) oder ihm Nase und Ohren mit verstopft 60 ).

1034 der Mund auch die es werden Baumwolle

60 ) W i t t s t o c k Siebenbürgen 99; F o n t a i n e Luxemburg 152; S c h m i t z Eifel 65 f.; H ö h n Tod 3 1 6 ; ZfVk. 1 1 , 3 1 3 ; RTrp. 15, 154 (man bittet den Toten um Erlaubnis); SAVk. 6, 44; Verwandte eines an Tuberkulose Gestorbenen verlangten, der Mund müsse sofort zugebunden werden, damit keine Bazillen herauskämen: Bern mündl. 5 1 ) Volksleven 12, 97; L e m k e Ostpreußen 1, 5 6 f . ; Volkskunde 12, 144; S e y f a r t h Sachsen 25; S c h u l e n b u r g 1 1 2 ; F r i e d l i Bärndütsch {Lützelflüh) 564; Graubünden, Bern mündl.; K ü c k Lüneburger Heide 261; ZföVk. 7, 226; R o s é n Död och begravning 6; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 107; R o h d e Psyche 2, 337; P i t r è Usi 2, 2 1 1 ; ARw. 17, 481; 24,285. M) ZföVk. 7, 122; vgl. C a l a n d Altindische Toten- u. Bestattungsgebräuche 11. « ) H e y l Tirol 780 Nr. 90; vgl. P i t r è Usi 1, 2 1 1 . " ) W l i s l o c k i Magyaren 5. M ) K ö h l e r Voigtland 442; T e m m e Pommern 339; A n d r e e Juden 184; S e y f a r t h Sachsen 23; ZfVk. 22, 163; B F . 2, 338. M ) J o h n Erzgebirge 1 2 1 ; S c h u l l e r Progr. v. Schäßb. 1863, 29. »') K e l ler Grab 3, 85 f ; G r i m m Myth. 3, 463. M ) Rockenphilosophie 936 Nr. 52; W i r t h Beitr. 2/3, 63. '») H ö h n Tod 316, Bern mündl.; MschlesVk. 1 1 , 86 (einer Hexe die Nasenlöcher mit Erde verstopft); vgl. H o o p s Reallex. 4, 209. 80) ZföVk. 6, 66 (Bosnien).

7. Als Erklärung, warum Augen und Mund des Toten verschlossen sein müssen und auch Ohren, Nase und überhaupt alle Leibesöffnungen verstopft werden, heißt es, die Seele entweiche durch diese, und man wolle sie dadurch im Körper festhalten; drum kommt es vor, daß schon am Sterbenden (s. d.) diese Handlungen vorgenommen werden; man hält damit die Seele im Körper gefangen, begräbt beide und braucht den Toten nicht mehr zu fürchten 41 ). Daneben lebt aber auch noch das nicht-animistische Gefühl, daß offene Augen, offener Mund, rote Backen, Ausbleiben der L.nstarre ein Weiterleben des Leichnams verraten, das als unheimlich, gefährlich empfunden wird und verhindert werden muß 4a ). Die offenen Augen speziell können den bösen Blick haben 63 ), der offene Mund die Neigung zum Nachzehren verraten. Drum werden alle diese Merkmale auch

1035

Leiche

dem Nachzehrer (s. d.) zugeschrieben M ). Harmloser ist die Erklärung: wenn dem Toten die Augen nicht geschlossen werden, sei er unter den letzten, die bei der Auferstehung erwachen6S), oder man wolle ihn als Schlafenden erscheinen lassen66). 61 ) W i t t s t o c k Siebenbürgen 61; S c h e r k e Primitive 220; MschlesVk. 10, Heft 19, 3; T h u r s t o n Southern India 133 f. 162; F r a z e r 3, 31; W e e k s Kongo 198 f.; ZiVk. 14, 28; ZfEthn. 10, 402; B o d e m e y e r Rechtsaltert. 190; vgl. W i r z Totenkult 16. 22 f. 24. 6S) Journ. Anthrop. Instit. 15, 7 1 ; Globus 89, 197; E R E . 4, 417; P i t r S Usi 2, 211 (Frauen, deren toter Mann die Augen ofien hat, klemmen ihn in die „pudende", um zu sehen, ob er wirklich tot sei). •3) S e l i g m a n n 1, 160 u. 224; ZfVk. 11, 313; 14, 22. u ) Melusine 10, 58. «S) S c h u l t z Alltagsleben 236. *•) MschlesVk. 10, Heft 19, 3.

B. 1. Die L. ist tabu, d. h. ihr Zustand wird als unrein empfunden, sie besitzt Zauberkraft, die entsprechend den verschiedenartigen Gefühlen der Hinterbliebenen bald als gefährlich gefürchtet, bald als heilkräftig benutzt wird. Diese von der L. ausgehende (gute oder böse) Z a u b e r k r a f t kann sich auf alles, was in der Nähe ist, übertragen, auf das Haus, die Angehörigen, Leute (und Dinge), die mit ihr in Berührung kommen; schon das bloße Ansehen kann gefährlich sein67). Allgemein verbreitet ist die Furcht vor einer L., auch der eines Angehörigen; doch bleibt meist unbestimmt, wovor man sich eigentlich fürchtet. Der L. haftet etwas Unreines, Gefährliches an; Sarglegen (s. d.), Teilnahme am L.nzug (s. d.) machen unrein, darum muß man sich nachher die Hände waschen, in Frankreich tut man dies auch, wenn man der L. Weihwasser gegeben hat 68 ). Diese Befleckung und Reinigung der Beteiligten ist alte und weit verbreitete Sitte 69 ). Der Glaube, daß ein Fluß eine L. nicht länger als 9 Tage behalte, daß „Wasser keinen toten Leichnam leidet", geht wohl auch auf die Unreinheit zurück70). Schädigende Zauberkraft, die von der L. ausgeht, zeigt sich in folgendem: Eine L. an Bord bringt dem Schiffe den Untergang 71 ); man darf sie nur 24 Stunden an Bord behalten, sonst dauert die Reise dreimal länger 72 ). Die

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Stelle, wo eine L. gelegen, wird 3 Jahre nicht mehr grün 73). • 7 ) E R E . 4, 419. •») RTrp. 11, 590. «») V o r d e m f e l d e Religion 159; Globus 89, 384; A R w . 17, 380ff.; W ä c h t e r Reinheit 43 fi.; E R E . 4, 434; C l e m e n Reste 125; S c h e r k e Primitive 1 1 8 f . ; A R w . 19, 216; B a c h o f e n Gräbersymbolik 133; K o c h Animismus 83; F F C . 41, 128 f.; F r a z e r 3, 83. 106 f. 138. 70 ) M e i e r Schwaben 507; 140 ff.; F L . 12, 278. Rockenphilosophie 1001 Nr. 95; G r i m m Myth. 3,449; vgl. W a i b e l u . F l a m m 2 , 2 7 1 . 71 ) S t r a k k e r j a n 1, 51 = W u t t k e 453 § 716; vgl. L e B r a z Ligende 1, 423. 72 ) T e m m e Pommern 349. 7S) M ü l l e r Urner Sagen 1, 29.

2. Gefährlich ist es auch, eine L. anzusehen: Wer den Toten zuletzt anschaut, stirbt bald darauf 74 ). Eine L. durchs Fenster sehen, bringt Kopfschmerzen oder Gelbsucht76). Einem Toten, der auf See über Bord gelassen wird, darf man nicht nachsehen, sonst zieht er einen nach 76). Wer essend den Toten anschaut, dem fallen die Zähne aus 77 ) ; bei einer L. darf man nicht mit bloßem Haupte stehen, sonst fallen einem die Haare aus 78 ). Besonders Schwangere dürfen keine L. ansehen, sonst stirbt das Kind, oder es bekommt eine blasse Farbe 79 ). Man trifft Vorsichtsmaßregeln: sieht man eine L., so mache man drei Kreuze über sie und drei über sich, und man wird sich nie fürchten80). Man soll die L. mit Du anreden, man soll nicht nach dem Alter des Toten fragen 81 ). Fremde Leute dürfen die L. vor dem dritten Tag weder sehen noch anrühren82). Auch anderswo fürchtet man vom Anblick einer L. schlimme Folgen 83 ). Gefährlich ist es auch, eine L. zu küssen, weil man sonst krank werden könnte 84 ); nach bretonischem Glauben dient das Küssen gerade zu Abwehr- und Heilzwecken85), oder es nimmt einem die Furcht vor dem Toten 8S ). Zu verhüten ist auch, daß etwas von den Lebenden in den Besitz, die Macht des Toten falle (Grabbeigabe B, L.nkleid), daher soll man keine Tränen auf die L. fallen lassen8?), sonst hat der Tote keine Ruhe im Grab 88 ), oder, was wohl die ältere Form des Glaubens ist, der Tote wird im Hause spuken89), wird

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einen nachholen oder man bekommt die Auszehrung B1 ). »«) S A V k . 7. 139. 7S ) MschlesVk. Heft 3, 7; T o e p p e n Masuren 107; W l i s l o c k i Magyaren 134. " ) S t r a c k e r j a n 1 , 5 1 . " ) J o h n Erzgebirge 123. '") D r e c h s l e r 1, 294; umgekehrt in Bulgarien: S t r a u ß Bulg. Volksdichtung 100: die nächsten Verwandten stehen barhaupt in der Nähe des Toten. '•) W i r t h Beiträge 2/3, 50; B r ü c k n e r Reuß 178; H o o p s Sassenart 81; K u h n Mark. Sagen 383 Nr. 56; J e n s e n Nordfries. Inseln 217; G a ß n e r Mettersdorf 9; H ö h n Geburt 265. 257; MschlesVk. Heft 3,6. 80) G r o h m a n n 188. « ) Z i n g e r l e Tirol 49. M ) J o h n Erzgebirge 123. , s ) Z f V k . 20, 128; ZföVk. 7, 122; A R w . 17, 386; Pitrfe Usi 2. 224f.; F L . 15,89.94; A R w . 24, 305 Anm. 1 (Niesen bei einer Leiche gefährlich). M ) H ö h n Tod 325; vgl. F L . 15. 207. >5) L e B r a z l J g e n d e 1, 261 f. M ) WienZfVk. 34, 68. " ) B r ü c k n e r Reuß 194; S p i e ß Fränk. Henneberg 154; R e i s e r Allgäu 2, 314. •*) Rockenphilosophie 797 Nr. 69 = G r i m m Myth. 3, 447; P f i s t e r Hessen 169; K ö h l e r Voigtland 441; MsäVk. 2, 24; W i t z s c h e l Thüringen 2, 255; Z f V k . 13, 389; 20, 398; ZrwVk. 4, 274; J o h n Erzgebirge 121; G r o h m a n n 192; H o o p s Sassenart 116; K l a p p e r Schlesien 301; W i r t h Beiträge 2/3, 67; H ö h n Tod 325; HessBl. 15, 130; Urquell 2, 257; P e u c k e r t Schles. 230. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 100. W i t z s c h e l Thüringen 2, 256; vgl. FL. 15, 207; S c h u l t z Alltagsleben 236; n) T e t z n e r Slaven 375. Bavaria 2, 320; S t r a c k e r j a n 1, 33; Urquell 3 (1892), 53.

3. Das B e r ü h r e n der L. wird, je nachdem die von ihr ausgehende Zauberkraft als schädigend (unrein) oder heilend empfunden wird, verschieden aufgefaßt. Die Furcht vor Übertragung der Unreinheit kommt noch in folgendem zum Ausdruck: wenn man die L. im offenen Sarg berührt, hat der Tote keine Ruhe im Grab 92). Bevor man eine L. berührt, betet man ein Vaterunser M ). Wer den Toten (beim Waschen und Ankleiden) berührt hat, soll nicht seine Haare berühren, sonst fallen sie ihm aus M ). Es gehört dies zur oben erwähnten Gefährlichkeit des Leichnams, die natürlich durch Berührung am leichtesten übertragen wird 95 ). Auf einer anderen Voraussetzung beruht es, wenn die Berührung der L. geradezu geboten wird, heutzutage allerdings mit Begründungen, die nicht ursprünglich sein können. F. Pfister") hat wohl recht, wenn er, ausgehend vom Anfassen der Totenzehe, diese Bräuche

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zurückführt auf die ursprüngliche Absicht einer Kraftübertragung, die allerdings anfänglich nur einen Sinn hatte bei besonders „machtbegabten" Toten, heutzutage aber auf alle gleichmäßig sich übertragen hat. Daraus erklärt sich, daß gerade bestimmte Teile des Toten (Kopf, Hand, Fuß) berührt werden, aber auch daß es manchmal speziell von Kindern ausgeführt werden soll. Zu trennen von diesem Brauch ist die Vorschrift, bei der Totenverabschiedung (s. Leichenzug) der L. die Hand zu reichen. Sieht man eine L. an, so soll man sie an Arm, Hand oder Zehe fassen oder ihr mit der flachen Hand über die Wange streichen, dann erscheint einem der Verstorbene nicht 9 7 ). Wer die Furcht verlieren will, muß, ohne daß andere es wissen, nach Dunkelwerden zu einer L. gehen, das Gesicht derselben mit der Hand überstreichen, seine Hand in die der L. legen und deren beide Füße mit seinen beiden Händen eine Minute lang halten 98). Auch das Berühren des Sargs hat wohl denselben Sinn 99 ). .Um die Furcht vor dem Toten zu verlieren, soll man ihn auch an der N a s e fassen100). n) Z f V k . 13, 390. , 3 ) J e n s e n Nordfries. Inseln 343. " ) B F . 2, 337 (Belgien). " ) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 181 f.; M ü l l e r Urner Sagen 1, 28; Globus 87, 400. ••) Münchn. N. Nachr. 1927 Nr. 59; vgl. A R w . 27, 102. •') D r e c h s l e r 1, 294; SchwVk. 13, 43. Vgl. RTrp. 15, 154; B F . 2, 341; F L . 11, 210: 10, 254 u. 477; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 113; L e B r a z Légende 1, 261 f.; T h u r s t o n Southern India 183 u. 191. ••) B a r t s c h Mecklenburg 2, 341; F o g e l Pennsylvania 130 Nr. 593; Germania 29, 89. ••) B a r t s c h Mecklenburg 2, 96. 10°) W u t t k e 317 § 470; B a r t s c h Mecklenburg 2, 93.

4. Besonders eigentümlich, ja abstoßend mutet uns heute die Vorschrift an, die L. bei der Z e h e zu f a s s e n oder gar h i n e i n z u b e i ß e n . Vielfach heißt es, von Furcht im allgemeinen oder vor dem Toten könne man sich befreien, wenn man ihn an der Zehe, speziell der großen Zehe des rechten Fußes anfaßt, sie schüttelt oder klemmt 101 ) ; manchmal wird es von den Hinterbliebenen102), manchmal nur von den Kindern verlangt 103).

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Mit derselben Absicht soll man den Toten in die Zehe beißen 104 ), auch dies soll speziell von Angehörigen und Kindern 105 ) getan werden. Als Zweck des Anfassens und Beißens wird auch angegeben, der Tote erscheine einem dann nicht, kehre nicht zurück 106 ). Eine Abschwächung liegt wohl vor, wenn es heißt, man müsse die Zehe oder nur die Schuhsohlen bloß küssen 107). 1667 wurde die L. des Papstes in der Kirche so aufgebahrt, daß das Volk die Füße küssen konnte 108). Pfister sieht in diesem Brauch, indem er Parallelen aus primitiven Kulturen heranzieht, einen Zauber, um Kraft aus dem Toten auf den Lebenden übergehen zu lassen109). Dieser Deutung am nächsten kommt es, wenn etwa vorgeschrieben wird, einer L. in die Zehe zu beißen oder auch ihr die Nägel an Händen und Füßen abzubeißen, um sich von Zahnweh oder schwerem Leiden zu befreien110) (s. abbeißen). Abgeblaßt liegt der Brauch wohl auch darin, wenn es heißt: Kinder oder Verwandte sollen dem Toten die Socken anziehen, das sei Pietätsdienst 1U ). In Bosnien darf niemand am Kopfende des aufgebahrten Toten, sondern nur am Fußende vorbeigehen 112 ). 101 ) Bavaria 2, 322; G r i m m Myth. 3, 453 Nr. 544; H ö h n Tod 318; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 287; W i r t h Beiträge 2/3, 58; B e c k e r Pfalz 236; HessBl. 15, 130; D r e c h s l e r 2, 268; B a r t s c h Mecklenburg 2, 99; B i r l i n g e r Schwaben 1, 396; K ö h l e r Voigtland 442; P a n z e r Beitrag 1, 268; J o h n Westböhmen 170; R e i s e r Allgäu 2, 314; W u t t k e 317 § 470; B i r l i n g e r Volksth. 1, 475; HessBl. 6, 103; D H m t . 4, 152; G r o h m a n n 184; ZföVk. 15, 171 (Fuß berühren); W i t t s t o c k Siebenbürgen 61 (mit 102 ) W i t z s c h e l Umwandlung). Thüringen 2, 257; W u t t k e 133 § 183; 460 § 729; L a u b e Teplitz 32 f. lffls) M e y e r Baden 583; ZrwVk. 2, 196 (16. Jh.); J o h n Erzgebirge 126; H ö h n Tod 318; Urquell 4 (1893), 52. 1 M ) D r e c h s l e r 2, 268 u. 238; M ü l l e r Isergebirge 26; Z f V k . 4, 423. 106) Urquell 4, 52; W u t t k e 460 § 729. 1 M ) MsächsVk. 2, 24; D r e c h s l e r 1, 294; H ö h n Tod 318; Z f V k . 4, 423; L e o p r e c h t i n g Lech107 ) rain 250; L a m m e r t 103. Grohmann 192; L i e b r e c h t Zur Volksk. 374; Z f V k . 6, 4 0 8 f . ; SchwVk. 5, 9 1 ; W u t t k e 460 § 729. 108 ) J. Chr. L ü n i g Theatr. ceremoniales (1720), 581. 109) Münchn. N . Nachr. 1927 Nr. 59 und B I B a y V k . H e f t 1 1 , 42 ff.; vgl. B a s t i a n Die Vorst, v. d. Seele 21 f . ; Z a p p e r t Ausdr, d.

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geist. Schmerzes 1 1 1 f. u. oben Bd. 2, 870 (Erblichkeit). In Sardinien gingen die Verwandten eines getöteten Banditen an seiner Leiche vorbei, indem sie seinen linken Fuß berührten, wodurch nach dem Volksglauben schlimme Folgen für die Familie beschworen wurden, Basl. Nachr. 2. I I I . 1928. l l ° ) Z a h l e r Simmenthal 96; W u t t k e 133 § 183; HessBl. 6, 103; 1U) W u t t k e 335 § 497. H ö h n Tod 320. l l l ! ) Z f ö V k . 6, 62.

5. Berührung der L. dient speziell dem H e i l z a u b e r . Den Ausübenden scheint dabei vorzuschweben, daß man damit entweder ein Leiden auf den Toten überträgt (s. Grabbeigabe), es mit ihm verwest, verschwindet, oder daß von der L. eine abtötende Zauberkraft ausgehe. t Seltener ist die Auffassung, die L. eines vorzeitig Gestorbenen enthalte noch mehr Lebens- und Zauberkraft 113 ). Allerlei Übel werden so durch Berühren einer L. geheilt : Handschwitzen heilt man, indem man mit der Hand einem über das Gesicht herunterfährt114); ebenso Warzen, indem man sie über eine L. oder speziell deren Gesicht streicht115), sie verschwinden, wie der Tote verwest. Auch Geschwüre, Ausschlag, Auswüchse bringt man auf diese Art zum Verschwinden 116 ), oder man bestreicht das Gesicht einer L., am besten der eines unschuldigen Kindes mit der Hand und mit dieser das kranke Glied 117 ); s. a. durchziehen (unter dem Arm einer L.) oben 2, 491. 113) W u t t k e 133 § 183; T h i e r s Traité (1679) 332; S e y f a r t h Sachsen 209 s . ; S t r a k 114) k e r j a n 2, 216. B i r l i n g e r Volksth. 1, 487 = L a m m e r t 183. U 6 ) D i r k s e n Meiderich 4 7 ; A n d r e e Braunschweig 419; J e n s e n Nordfries. Inseln 352; Z r w V k . 5 (1908), 97 u. 270; 10 (1913), 1 9 1 ; S t r a c k e r j a n 1, 89; Volksleven 8, 199; ZfVölkerk. 1927, 1 2 8 g . 1 7 5 0 . 1 1 9 ) Urquell 4 (1893), 153; Z f V k . 7, 412 u. 165. » ' ) W u t t k e 335 § 497.

6. Sehr oft lautet die Vorschrift, daß man ein Übel mit der L.nhand bestreichen müsse ; so vertreibt man Warzen, indem man spricht: „Waarte fui af as de Dode in sin Graff"; man streicht dreimal kreuzweis darüber; man läßt die Hand solange drauf, bis die Stelle kalt geworden 118 ). Ebenso heilt man Flechten und Ausschlag 119 ), Muttermäler und Leberflecken 12°), sehr häufig auch

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Kröpfe (schon bei Plinius) 121 ), eine Vorschrift aus dem Rheinland lautet: der L. wurden mit einem Strick die Hände zusammengebunden, der Kranke mußte den Strick später lösen, dann unter Anrufung der hl. Namen die Hände des Toten 3 Minuten lang sich um den Hals legen und den Strick, womit die Hände des Toten gebunden waren, 3 Tage •unter dem Hemd auf der bloßen Haut tragen 122 ). Ebenso werden Überbeine, Gewächse, Brüche, Halsschmerzen, Zahnweh, Augenleiden, Brand- und andere Wunden geheilt 123 ). Spezielle Vorschriften lauten: es müsse die Hand eines toten Kindes sein 124 ), es muß verstohlen, schweigend, in der Dunkelheit geschehen 125), der Tote muß vom anderen Geschlecht als der Leidende sein 126 ). öfters wird auch ein Spruch dazu gesagt, z. B.: „Der Himmel ist hoch, Der Krebs ist rot, Die Todeshand ist kalt, Damit still ich diesen Brand" 127 ). Auch bloßer Spruch ohne Berührung kommt vor 128 ). In manchen Fällen, besonders bei Zahnschmerzen, wird vorgeschrieben, bloß mit dem F i n g e r einer L. — am besten wirkt der Zeigefinger der rechten Hand — die schmerzende Stelle zu drücken oder streichen129). Vereinzelt stehen folgende Zauberwirkungen der L.: Taucht man in die Milch den Finger eines Toten, so setzt sich der Rahm so hoch im Topfe an, als der Finger eingetaucht war 130 ). Der Leib eines Menschen gegen Mauern geschossen, bringt diese zum Wanken 131 ). Mit Blut und Speichel eines Irren soll man das Hinterhaupt eines Toten befeuchten, damit der Kranke soviel Verstand bekomme, als der Tote gehabt 132 ). 1 1 8 ) S t r a c k e r j a n 1, 89; S e y f a r t h Sachsen 286; M e y e r Aberglaube 104; Z r w V k . 5, 270. 9 7 ; A n d r e e Braunschweig 3 1 5 ; Z f V k . 8, 198; W u t t k e 334 § 497; D r e c h s l e r 2, 238 u. 287; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 420; Urquell 3 (1892), 209f.; H e s e m a n n Ravensberg 9 1 ; Wirth Beiträge 2/3, 58; K e l l e r Grab 4, 238; A l p e n b u r g Tirol 372; K u h n u. S c h w a r t z 444 Nr. 341 a ; F o g e l Pennsylvania 318 Nr. 1686; F o s s e l Volksmedizin 140. 1 1 9 ) Z r w V k . 5, 270; Z f V k . 7, 55 f.; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 420; W u t t k e 343 § 512; B a r t s c h Mecklenburg 2, 107; Urquell 4, 278. 120 ) S t r a c k e r j a n 1, 89; ZrwVk. 5, 97; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 420;

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W o l f Beiträge 1, 225; E n g e l i e n u. L a h n 248 Nr. 106; G r i m m Myth. 3, 473; Urquell 3, 247; W i r t h Beiträge 2/3, 58; SeefriedG u l g o w s k i 205; K u h n u. S c h w a r t z 431 Nr. 267; F o g e l Pennsylvania 296 Nr. 1567; F o s s e l Volksmedizin 134; J a h n Pommern 164; M o s t Sympathie 125 f. m ) A l p e n b u r g Tirol 372; L a m m e r t 184 u. 235; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 157 u. 420; Z f V k . 1, 1 9 1 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 260; C a m i n a d a Friedhöfe 97; MsächsVk. 6, 132; K o l b e Hessen 7 7 ; M ü l h a u s e 79; W i r t h Beiträge 2/3, 58 f . ; S t r a c k Blut 52 (1699); W e t t s t e i n Disentis 174; F o s s e l Volksmedizin 159. m ) ZrwVk. 2, 283. 123 ) S e y f a r t h Sachsen 212; H e s e m a n n Ravensberg 9 1 ; K ü c k Lüneburg 241; John Erzgebirge 109; W u t t k e 334 § 497; 352 § 527; Z f V k . io, 120; 7 , 1 6 5 ; 11, 327; 8, 202; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 419 f . ; D r e c h s l e r 2, 294; Z r w V k . 1 1 , 163; HessBl. 24, 59; T e t z n e r Slawen 375; L i e b r e c h t Zur Volhsk. 312 t. ; R o s é n Död och begravning 7; P i t r è Usi 2, 222; L e B r a z Légende 1, 262; T h i e r s Traité (1679) 332; F o g e l Pennsylvania 296 Nr. 1566; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 108; B a r t s c h Mecklenburg 2, 381; L e m k e Ostpreußen 1, 47; Urquell 1, 1 1 ; Heimat (Kiel) 33, 1 1 5 ; HessBl. 15, 130; H o o p s Sassenart 118; B l a c k Folk-Medicine 43. 101. l a 4 ) S t r a c k Blut 52 (a. d. J. 1408); F o s s e l Volksmedizin 134; C a m i n a d a Friedhöfe 97; H e s e m a n n Ravensberg 113. 125 ) Z f V k . 7, 165; Z r w V k . 5, 270; M ü l h a u s e 79; W i r t h 12e) Beiträge 2/3, 58. S t r a c k e r j a n 1, 89; K u h n u. S c h w a r t z 431 Nr. 267. 127 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 3 8 4 s . , vgl. 13; E n g e l i e n u. L a h n 253 u. 257; Z f V k . 1, 194; 7, 6 4 f . u. 409; 8, 305. "») D r e c h s l e r 2. 238. 12®) F r i s c h b i e r Hexenspr. 103; T e t z n e r Slawen 163 f.; Urquell 1, 137 (mit Spruch) ; L e m k e Ostpreußen 1, 55; T o e p p e n Masuren 107; H o 13 °) v o r k a - K r o n f e l d 1, 4 1 9 t . Schramek Böhmerwald 242; vgl. R o c h h o l z Glaube 1, 180. m ) 132 ) W l i s l o c k i B o h n e n b e r g e r 21. Magyaren 70 (auch Schadenzauber).

C. i . Die Anwesenheit einer L. macht das Haus und die Angehörigen unrein, dieser Zustand greift oft aufs ganze Dorf über 133 ). Die Folge ist besonderes Verhalten der Hinterbliebenen, Unterlassen verschiedener Tätigkeiten, Kenntlichmachen des gefährlichen Hauses, Abwehrmaßregeln besonders, wenn die'L. das Haus verlassen hat. Dabei gehen wieder die zwei Vorstellungen durcheinander: daß die L. selbst noch Gefühl hat und rücksichtsvoll behandelt werden will und daß die Seele sich bis zum Begräbnistag bei dem Körper aufhält und man sich hüten muß, sie zu belästigen oder zu verjagen.

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Die A n g e h ö r i g e n dürfen das Haus nicht verlassen, besonders die Hausmutter, wenn das Verstorbene ein Kind ist; sie dürfen nicht über Feld gehen134). In Wirtschaften nimmt man andere Leute zum Servieren 135). Fahren wird vermieden, oder man darf bloß Pferde, kein anderes Zugvieh benützen136) (s. Trauer). Das Haus ist unrein; Leute, die aus dem Trauerhaus kommen, müssen sich waschen (Bosnien)137); im Tessin kam in neuerer Zeit noch vor, daß die Angehörigen das Haus einige Tage verließen 138). Daß man nach einem Todesfall 4 Wochen lang nichts im Haushalt ändern soll, hängt wohl mit dem Glauben an die Rückkehr des Toten zusammen139). Manche Leute fürchten sich, nachts an einem Sterbehaus vorbeizugehen, aus Angst vor dem Toten 140 ). 133 ) T h u r s t o n Southern India 214; C r o o k e Northern India 220; W ä c h t e r Reinheit 4 6 f . ; R o h d e Psyche 1, 219; A R w . 17, 400. 134 ) H ö h n Tod 325; HessBl. 10, 109. 136 ) Bern mttndl. «•) H ö h n Tod 325, vgl. MsächsVk. 2, 45. 137 ) ZföVk. 6, 62. 138 ) F r a n s c i n i La Svizzera Italiana 431; vgl. K r a u ß Relig. Brauch 154. 139 ) MsächsVk. 6, 233; vgl. F L . 8, 76 u. 15, 207. 140 ) Xhurgau, Graubünden mündl.

2. Vor allem gelten Wasser und andere Flüssigkeiten als unrein und müssen sofort nach Todeseintritt ausgeleert werden, meist mit der Begründung, daß die Seele durchgefahren s e i m ) . Bei den Juden wird auch das Wasser in je drei Nachbarhäusern rechts und links vom Trauerhaus ausgeschüttet, weil der Todesengel sein Schwert drin abgewaschen habe 142 ). Im Erzgebirge wird auch das Röhrenwasser abgesperrt143). Auch die Speisen werden unrein; was an Speisen zur Zeit des Absterbens bereitet worden, darf von keinem Menschen gegessen werden, es wird den Tieren vorgeworfen; man sagt, die Milch, das Brot usw. seien gestorben (Huzulen) 144 ); in Schottland wird ein Stück Eisen in die Speisen gesteckt, damit sie nicht verderben145). Solange eine L. im Haus ist, soll man kein Brot backen 14e ); Leichbrot und L.nmahlkuchen dürfen nicht im Hause gebacken werden 147 ).

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In Minden heißt es, wenn beim Todesfall kein gebackenes Brot im Hause sei, verderbe die Familie 148 ). Solange die L. im Sarg liegt, darf niemand im Hause Brot essen, sonst fallen ihm die Zähne aus 149 ). Das Verbot, im Sterbehause zu backen und zu kochen, hängt damit zusammen, daß auch das Feuer als verunreinigt angesehen wird 180 ). Im Erzgebirge wird das Feuer im Stubenofen gelöscht 151 ) ; alles Feuer im Hause wird ausgelöscht und kein neues gemacht, solange der Tote im Hause 182 ), und das Essen wird den Angehörigen von Nachbarn geschickt 183 ). Mit anderer Begründung heißt es auch: im Zimmer dürfe kein Feuer brennen, um den Toten nicht zu beunruhigen184). 141 ) Solothurn u. Bern schriftl.; ZfdMyth. 4 , 178; S A V k . 10, 279; M e y e r Baden 582; K ö h l e r Voigtland 443; G e m p e l e r Heimathunde 3 5 7 ; J o h n Erzgebirge 121; Urquell 2, 108; B F . 2, 345; ZföVk. 6, 62; RTrp. n , 589; C a m i n a d a . Friedhöfe 30; Bull, du Glossaire 13, 79; E R E . 4„ 415; Z e l e n i n Russ. Vkde. 324; L e Braz Légende 1, 256; H e c k s c h e r 170; L i e b r e c h t l 4 a ) ZföVk. ZVk. 350 i. 7, 122; Globus 80» 159; B u x t o r f Judenschul 606; F L . 15, 1 8 6 f . ; A n d r e e Juden 165; Globus 91, 360; L i e b r e c h t a . a . O . ; bei den Griechen: A R w . 24, 314 f 149) J o h n Erzgebirge 121. 144 ) G l o b u s 6 9 , 9 1 ; Z f ö V k . 6, 62 (Bosnien); vgl. Globus90, 328; R T r p . 14, 346; S a r t o r i Speisung 64. 146 ) L e B r a z Légende 1, 256; F r a z e r 3, 236. " • ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 90; K u h n u. S c h w a r t z 435 Nr. 296; Z e l e n i n Russ. Vkde. 325. l 4 7 ) Johr» Westböhmen 170; HessBl. 10, 109. l48 ) ZfrwVk. 4, 273. 149 ) W u t t k e 464 § 735 (Erzgeb.); v g l . F L . 18,404. 160) W ä c h t e r Reinheit 47; C i e r n e n Pers. Relig. 139; A b e g h i a n Armenien 71 f . ; S a r t o r i Speisung 56 f. l s l ) J o h n Erzgebirge 121. l62 ) ZföVk. 6, 62 (Bosnien); B r a n d Pop. Antiqu. 2, 235; ZfEthn. 10, 405; E R E . 4, 43^ (Yorkshire, Malta); F L . 8, 206; 14, 141; H e c k s c h e r 170; S a r t o r i Sitte u. Br. 2, 23; E i t r e m . Opferritus 137; WienZfVk. 31, 115 (Sardinien). 163 ) ZföVk. 6, 62; E R E . 4, 439; F L . 18, 405 fi.; P i t r è Usi 2, 228; F L . 14, 141; vgl. Journ. Anthr. Instit. 15, 90 fi. l 6 4 ) G a ß n e r Mettersdorf 83; vgl. A b e g h i a n Armenien 71.

3. Das Haus, worin eine L. liegt, wird als unrein g e z e i c h n e t , manchmal mit Mitteln, die nicht nur die Leute warnen, sondern wohl auch böse Einflüsse abwehren sollen, wie bei Römern und Griechen die Zypressenzweige158); auch die ganze Gemeinde wird so gezeichnet16S). In katholischen Gegenden

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werden sog. Beinbretter (mit Bildern von Totenschädel und Gebein) vor der Haustüre aufgestellt 1 S 7 ). Im Bergischen und Belgien wird ein schwarzer Flor (blau für Kinder) an der Haustür angebracht U 8 ) . In Köln wurden vier hölzerne Leuchter von roter Farbe aus dem Fenster gehängt oder ein Kreuz aufgestellt 1 5 9 ), im Rheinland und Belgien ein schwarzes oder weißes Kreuz 1 6 °) oder ein Kreuz aus Backsteinen und dazwischen ein Andreaskreuz aus Strohhalmen 1 S 1 ). In Österreich stellte man ein aus Stroh gemachtes sog. L.n- oder Totenhuhn auf die Straße 1 6 2 ). Solche Zeichen aus Stroh sind hauptsächlich in Holland und Belgien Brauch: man legt vor die Tür des Sterbehauses ein Büschel oder ein Kreuz oder einen hohen Haufen von Stroh; die Größe oder die daran gehefteten Zeichen (Backstein, Buchs, Blumen) zeigen Alter oder Stand des Toten an. Manchmal wurde es nachher verbrannt, oder es muß verfaulen, oder es wird an Arme verteilt 1 M ). Ein Zusammenhang mit dem L.nstroh (s. d.) ist nicht ersichtlich. Oder war es vielleichtursprünglich das Bettstroh ? In Sizilien legt man die Matrazen vors Haus, um zu zeigen, daß der Kranke gestorben 1 M ) . In Rumänien werden geschmückte Fahnen oder Bäume vors Haus gestellt und letztere nachher aufs Grab gesteckt 1 6 S ). In Sizilien war Brauch, die Türen schwarz zu färben; in der Bretagne hängte man zwei schwarze Trauermäntel vors H a u s 1 4 6 ) . Wenn in Luzem ein kleiner R a t gestorben war, wurde bei der Spitalkirche ein alter schwarzer, mit Pelzwerk gefütterter Mantel aufgehängt und einen Tag so gelassen 1 4 7 ). Heute werden in der Schweiz und anderswo am Trauerhaus die Läden ganz oder halb geschlossen 1 8 8 ) ; in Köln schließen auch die nächsten im Unterhause wohnenden Nachbarn ein wenig den Fensterladen 1 8 *). Früher war Brauch (wo?), daß der Nachtwächter, solange die L . im Hause lag, am Abend einen Sterbegesang vor der Türe sang; dies sollte die Wirkung haben, daß die Seele gut zum Himmel fahre 1 7 °).

IO46 15S

) E R E . 4, 419; P a u l y - W i s s o w a 3, 350;

Rohde Psyche 1, 219 f.; Wächter

4 7 f . ; ZfEthn. (Verh.) 25, 334.

l

Reinheit

" ) Urquell 2.

172 (Portugal); Thurston Southern India 184.

" ' ) RGG. S i, 857.

158

) ZfrwVk. 5, 2 5 1 ; B F . 2,

347. " • ) Wrede Rhein. Vkde. 136; vgl. Mon-

t a n u s Volksfeste 91 (Bahre mit Kerzen). 1M ) W r e d e a . a . O . ; B F . 2, 347 f. m ) Volksleven 1 1 , 81; B F . 2, 346. l n ) Y e r n a l e k e n

Alpensagen 400 f.

1M

) Volkskunde 17, 128;

18, 1 8 1 ; 13, 91 f.; 16, 68; B F . 2, 344 s . ; Volksleven 8, 19; 12, 97 f.; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 518. 1 M ) P i t r è Usi 2, 232. 1 M ) F l a c h s Rumänen 48; vgl. S a r t o r i Sitte u. Br. 1, 131. »•) P i t r è

Usi 2, 233; Le Braz Légende 1, 247.

lw

) Ge-

schichtsfreund 10, 244. 1 , B ) Basel; Volksleven 8, 18; ARw. 25, 69; Höhn Tod 316; B F . 2, 345; Volkskunde 16, 68; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 106 (Fenster verhüllt). " ' ) W r e d e Rhein. Vkde. 136; ARw. 25, 69. " 0 ) K r ü n i t z Encyclop. 73, 730f.; vgl. Höhn Tod 329.

4. Die Unreinheit, die von der L . auf alle Gegenstände übergeht, ist wohl ursprünglich der Grund dafür, daß, solange der Tote im Haus ist, n i c h t s v e r k a u f t , v e r s c h e n k t oder h e r g e g e b e n werden soll. Eine Erklärung wird meist nicht gegeben, oder es heißt: die Kuh, von der man Milch hergibt, wird sterben 1 7 1 ). Alle nicht notwendige A r b e i t soll u n t e r l a s s e n werden; auch hier greift das Verbot oft auf die ganze Gemeinde 1 7 2 ) über und bezieht sich meist auf die Arbeit „in der E r d e " 1 7 1 ) , die auch den Angehörigen speziell verboten i s t 1 7 3 ) . Hier liegt wohl noch der Glaube vor, daß die Arbeit (die Saat) durch die von der L . ausgehende schädigende Zauberkraft verdorben werde; drum heißt es auch in Rußland, die Saat würde nicht aufgehen 1 7 4 ). Ferner soll, solange der Tote im Hause liegt, darin nichts rundum gehen 1 7 S ), besonders soll nicht gesponnen werden 1 7 8 ), sonst sterben einem die Finger ab 1 7 7 ), oder der Tote hat keine Ruhe im G r a b 1 7 8 ) ; auch kein Wagen soll fahren, die Mühle des verstorbenen Müllers wird stillgestellt 179 ). Man darf nichts waschen 1 8 °), sonst liegt der Tote naß181). Sonst heißt es meist bloß, man solle alle Arbeiten, besonders die lärmenden unterlassen 182 ) ; darum wird auch die Hausglocke abgenommen 1 8 3 ). öffentliche Belustigungen, Tänze werden im Dorfe abgesagt 1 8 4 ). Ganz vereinzelt steht die Notiz von

1047

Leiche

Rochholz: Ist eine L. im Haus, so gibt die Milch viel Nidel (mit rationalistischer Erklärung) 186 ). Steht eine L. über den Sonntag im Haus, so stirbt bald, binnen einer Woche, wieder jemand aus der Verwandtschaft18®) ; liegt eine L. am Karfreitag im Ort, so gibts im Lauf des Jahres ein Schadenfeuer, meist durch Blitzschlag 187 ). Wird eine Hochzeit gefeiert, während im Dorf eine L. liegt, so stirbt je nach deren Geschlecht zuerst der Bräutigam oder die Braut 1 8 8 ). 1 7 1 ) MsächsVk. 2, 24; H ö h n Tod 325; HessBl. 10, 109; D r e c h s l e r 1 , 3 0 1 ; K ö h l e r Voigtland 441; J o h n Erzgebirge 123. 172 ) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 189; ZföVk. 6, 63; RTrp. 14, 346; L e B r a z Légende 1, 258 fl.; ZfEthn. 17, 69; Z e l e n i n Russ. Vke. 325; vgl. E R E . 4, 419. 173 ) Egerl. 9, 29; D H m t . 4, 2; M e i e r Schwaben 2, 490; H ö h n Tod 324; L e B r a z Légende 1, 257. l 7 4 ) Z e l e n i n a. a. O. 178 ) M e i e r Schwaben 2, 490; H ö h n Tod 325; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2,108; s.o. 2, 415 (drehen). 176 ) M o n t a n u s Volkfeste 114; H ö h n a . a . O . ; G r i m m Myth. 3, 477; vgl. W a s c h n i t i u s Perht 164 f. u. 181 (Spinnruhe u. Seelen) ; A R w . 25, 93*. " ' ) D r e c h s l e r 1, 294. l78 ) S t r a c k e r j a n 1, 51 ; T o e p p e n Masuren 106. 179 ) W i r t h Beiträge 2/3, 52; H ö h n a. a. O.; HessBl. 24, 63. 1M) G r i m m Myth. 3, 477; H ö h n Tod 325; M o n t a n u s Volksfeste 114; vgl. A b e g h i a n Armen. 1 2 f . ; S a r t o r i Speisung 22 Anm. 1. 181 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 90. 182 ) Wallis, Thurgau, Bern schriftl.; H a r t m a n n Altsankt galt. Landschaft 152; R e i s e r Allgäu 2, 294; K ö h l e r Voigtland 251; MsächsVk. 2, 24; G a ß n e r Mettersdorf 83; W u t t k e Sachs. Vkde. 368; F L . 18, 406. 183 ) M e n s i n g Schlesw.-Holst. 184 ) Wb. 1, 749. Wallis schriftl.; K ö h l e r Voigtland 255. 185 ) R o c h h o l z Glaube 1, 180. ie«) w i r t h Beiträge 2/3, 49; D i r k s e n Meiderich 49; ZfrwVk. 15, i n ; ZfVk. 14, 429; 4, 327; ZfrwVk. 4, 272; W u t t k e 464 § 735; H ö h n Tod 345; R e i s e r Allgäu 2, 313; D r e c h s l e r 1, 289; S A V k . 7, 140; 12, 150; 25, 283; Basel, Bern schriftl.; vgl. SchwVk. 17, 30; Volksleven 12, 96; B F . 2, 344 (auch Freitag). 187 ) D r e c h s l e r 1, 90. 188) P e t e r Österr.-Schlesien 2, 227.

5. Solange die L. im Hause liegt, nimmt man alle Rücksicht auf den Toten, damit er nicht gestört, die Seele nicht verscheucht werde. Abwehrbräuche setzen erst ein, wenn der Sarg gehoben und hinausgetragen wird (s. Leichenzug). Der Stubenboden wird nicht gewischt, damit es nicht im Hause so leer werde (Huzulen) 189), man bestreut ihn nicht mit frischem Sand, weil ihn der Tote sonst

IO48

im Schöße hinaustragen müßte 19°). Wenn nach der Aufbahrung die Stube gewaschen wird, muß ein Stück freibleiben, d. h. nicht gewaschen werden, sonst findet der Verstorbene keinen Platz im Himmel 191 ). Stube und Haus werden mit einem neuen Besen gekehrt und dieser auf den Boden hinter einen DachIn Siebenbürgen sparren gesteckt 192 ). darf man kein Messer mit der Schneide nach oben liegen lassen, solange die L. im Hause, sonst müßte die Seele auf der Klinge reiten 19S ). Das Haus oder ein Fenster wird offengelassen, solange die L. im Haus ist 1 9 4 ). In Graubünden muß die Haustür bis zum Begräbnis Tag und Nacht offenbleiben, sonst stirbt bald jemand im Haus. Niemand schließt sie nachher gern zum erstenmal (mündl. Mitteilung). Ob die Vorschrift der Bußordnung (auch bei Burchardt v. Worms c. 83): „ Q u i ardere facit grana, ubi mortuus est homo, pro sanitate viventium et d o m u s . . . " ein Reinigungs- oder Abwehrzauber war, wird schwer zu entscheiden sein 195 ). In Tirol galt ein Haus, in dem sich eine L. befand, als Freistatt 196 ) (Weiteres über Rücksichtnahme und Abwehr gegen den Toten s. Leichenwache, Leichenmahl). 18B) Globus 69, 91; Z e l e n i n Russ. Vkde. 324; L e B r a z Légende 1, 255 f. l t 0 ) ZföVk. 7, 227. m ) J o h n Westböhmen 171 = DHmt. 4, 152; vgl. ZfVk. I i , 265. 192) K ö h l e r Voigtland 443. 193 ) F r a z e r 3, 238. 1 M ) T r o e l s - L u n d 14, 97; L e B r a z Légende 1, 270; Graubünden mündl.; A R w . 24, 286. m ) W a s s e r s c h i e b e n 200. 482 u. 648f.; S a u p e Indiculus 22; vgL 198 ) „Aleuromantie". K o n d z i e l l a Volksepos 181.

D. Die A u f b a h r u n g der L., die immer vorgenommen wird, sofern diese nicht sofort bestattet wird, hat ursprünglich den Zweck, den Toten auf sein weiteres Schicksal, den Wegtransport aus seinem Heim und die Bestattung vorzubereiten. Er wird gewaschen, gekleidet, geschmückt, vielleicht auch vorsichtshalber gefesselt, bewacht, gespeist. Die Totenklage wird angestimmt. So wird seine Trennung von den überlebenden Angehörigen langsam durchgeführt, seine neue Stellung zu ihnen wird reguliert, zu seiner und der

1049 Angehörigen Zufriedenheit und heit 197 ).

Leiche

Sicher-

1,7) v. G e n n e p Rites de passage 209 ff.; L 6 v y - B r u h l Fonclions mentales 360. 369 ff.; S c h r e u e r Zfvgl.Rechtswiss. 34, 128.

1. Die L. wird meistens im Sterbezimmer auf einem Bett oder im Wohnzimmer aufgebahrt 1 9 i ). Der Tote darf vor dem Begräbnis nicht aus dem Sterbezimmer gebracht werden 199 ). Manchmal erfolgt die Aufbahrung auf der Diele (im Sarg) unter dem „Leichbalken" 200), im Hausflur unter der Stiege ins obere Stockwerk ^ J , in der Scheune oder Tenne 202), in einer abgelegenen Kammer, einem dunklen Raum **), wenn der Hausflur zu eng ist, auch im Freien vor der Tür 2 0 1 ). Im 16. und 17. Jh. sollen die geschmückten L.n auch auf Straßen und Kirchhöfen zur Parade ausgestellt worden sein 20S). Der Brauch, den Toten in der Kirche aufzubahren, war wohl als Schutz gegen die Angriffe böser Geister gemeint 208). Meist wird Platzmangel der Grund für Aufbahrung außerhalb der bewohnten Räume sein, auch wenn die L. in den Backofen oder in den Keller verbracht wird 207). Immerhin kann auch die Furcht vor dem Toten noch wirksam sein ^ J ; es kann auch vorkommen, daß er sich wegen unschicklicher Aufbahrung durch Spuken bemerkbar macht 209). Manchmal wird ausdrücklich geboten, die L. im E r d g e s c h o ß aufzubahren; man soll einen Toten nicht eine Stiege hinauftragen, sonst stirbt bald wieder jemand aus der Familie, oder er hat keine Ruhe 210 ). Das Verbot hängt wohl mit der Sitte zusammen, den Toten auf die Erde zu legen. 1 , a ) R e i s e r Allgäu 2, 292; L e m k e Ostpreußen 1, 57; H ö h n Tod 317; B F . 2, 340; Wallis, Bern, Unterwaiden, Thurgau, Luzern schriftl. l " ) ZföVk. 4, 268; vgl. S c h u l l e r P r o g r . v . Schäßb.1863, 29: nicht in ein anderes Haus tragen, sonst stirbt dort jemand. 200) K U c k Lüneburg 262; S a r t o r i Westfalen 103; F i n d e r Vierlande 23; ZfrwVk. 4, 275. *«) ZföVk. 4, 293. S K ) W i r t h Beiträge 2/3, 56; R e i s e r Allgäu 2, 293; ZfrwVk. 4, 282; H ö h n Tod 337; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 122; P e u c k e r t Schlesien 231; 203) L e o p r e c h t i n g 250. H ö h n Tod 322; 2M ) Thurgau miindl. J o h n Erzgebirge 123; S a r t o r i Sitte 1, 141. i05 ) B o d e m e y e r Rechts-

I050

altert. 189 f.; vgl. T r o e l s - L u n d 14, 128. K r ü n i t z Encyclop. 73, 488 (im Mailändischen); B. H a l l e r Bern in s. Ratsmanualen 1, 207 ) 55 f. L a m m e r t 112; Schönwerth Oberpfalz 1, 207 (Wöchnerin). 208) FL. 11, 346 209) G r a b e r Kärnten 195 Nr. 257. i10 ) H ö h n Tod 325; W i t z s c h e l Thüringen 2, 258; L a m m e r t 105; ZfrwVk. 5, 249; S p i e ß Frank. Henneberg. 154; W u t t k e 460 § 729; K ö h l e r Voigtland 441; Wallis schriftl.; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 105 f. (Oberstube). tMj

2. Die L. wird oft nicht im Sterbebette aufgebahrt. Selten noch findet oder fand sich der Brauch, die L. wie auch den Sterbenden (s. d.) auf den E r d b o d e n zu legen 2 U ), meist nicht unmittelbar, sondern auf S t r o h (Schoof), das entweder auf der Erde ausgebreitet wird 212) oder auf die Bank, das Brett, worauf man den Toten legt 2 1 3 ). Oder man nimmt das Federbett weg und legt die L. (im Bett) auf Stroh 214). Liegt der Leichnam auf einem Federbett, so soll noch jemand sterben, oder es folgt im nächsten Jahr große Dürre 21&). Oft wird der Tote aus dem Bett genommen und auf eine B a n k 216) oder ein B r e t t gelegt. In Graubünden wurde eine solche Bank in der Kirche aufbewahrt und jeweilen ins Trauerhaus geholt 217 ). Das Brett (L.nbrett, Rechbrett, s. „Totenbrett") wurde manchmal auf den Boden gelegt 218 ), manchmal wird es auf Stühlen oder einem Gerüst aufgestellt 219 ). In Böhmen ließ man nur Wöchnerinnen im Bett, andere L.n kamen aufs Brett 220 ); in Mettersdorf nimmt man ein geflochtenes Wagenbrett 221 ). Der Tote wird aufs Brett gebunden und in den Backofen gesteckt 222); das Festbinden geschieht, damit er nicht herabfalle, weil er sonst bald jemand aus der Familie nachholen würde 223). Man ließ den Kopf der L. übers Brett hinunterhängen, daß der Tote ins Himmelreich schauen könne224). Manchmal wird der Tote auch auf dem T i s c h e aufgebahrt 225), worauf man Stroh ausbreitet 226), oder es werden nur (getaufte) Kinder auf dem Tisch aufgebahrt 227). Kinder legt man auch in die Wiege, in oder auf eine Truhe 228 ), in den Keller auf den Erdäpfelstand 229), im Zimmer auf eine umgedrehte Backmulde 230).

i05i

Leiche

In alten Häusern war eine bestimmte Stelle, wo der Sarg stehen mußte 231 ); an manchen Orten legte man den Toten an die Stelle, wo gewöhnlich der Tisch •steht, dann dauerte der Schmerz der Hinterbliebenen nicht lange 232 ); aber es heißt auch umgekehrt, die L. dürfe nicht auf dem Tisch oder an dessen Stelle stehen, sonst sei der Tote bald vergessen, oder er hole jemand nach 233). In Sardinien wird der Tote am Herde aufgebahrt 234). Das Drapieren des L.nzimmers war besonders in früheren Zeiten und bei den höheren Ständen Brauch235). 211 ) Thurgau mündl.; Urquell 2, 108 (Juden); Südd. Monatshefte Febr. 1916 S. 798; K r ü n i t z Encyclop. 73, 284 (Königsberg); F F C . 41, 9 6 ; -vgl. S a m t e r Geburt 4 ; P e u c k e r t Schies. 230 (aufs Ziegelpflaster od. auf Nesseln). 2 1 2 ) ZföVk. 7 , 1 2 1 (Juden). 226; H ö h n Tod 322 (Juden); •ZrwVk. 10, 161; MSchönhVk. 4, 39; F o x Saarl. Vk. 371; W i t t s t o c k Siebenbürgen 99; T e t z ) B r o n n e r Sitt' u. Art 3 5 2 ; 31 320 Urquell 2, 1 0 1 . ») H ö h n Tod 339. ) ARw. 321 ) i 24, 288. Z e l e n i n Russ. Volksk. 324; 1 S t r a c k e r j a n 1, 66; Volkskunde 1 3 , 95; 322 ) j T h u r s t o n South. India 134. Brand I Pop. Antiqu. 2, 246 f. 289; F L . 1 5 , 4 4 1 ; M a r i e 323 ) W e b b Precious Bane 32ff. Sartori Totenspeisung 2. 65; E R E . 4, 436; ZfVk. 4, 345 (Zurückführung auf Kannibalismus?); vgl. ZfVk. 11, 435; SchwVk. 22, i s f . 3 2 4 ) L e m k e Ostpreußen 1 , 57; S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 1 1 2 ; G a ß n e r Mettersdorf 85; W i r t h Beitrage 2/3, 52; Graubünden mündl.; Egerl. 10, 1 8 3 ; H ö h n Tod 325. 325 ) S c h ö n w e r t h 06erpfalz 1 , 246 f. 32») ZfVk. 18, 353 ff.; ARw. 14, 3 1 5 ; 25, 82; SchwVk. 11, 3; ZfVk. 11, 435'; M e y e r Baden 582; vgl. C a l a n d Altind. Toten3M) J o h n u. Best.gebr. 82. Erzgebirge 123. 3 M ) G r i m m Myth. 3, 408; vgl. ZföVk. 9, 194. 3J ») W i t t s t o c k Siebenbürgen 6 1 ; F L . 15, 83 (Jamaica); 18, 88 (Sierra Leone); FFC. 6 i , 1 9 ; S c h e r k e Primitive 63 (die Herero springen über die L., um sie am Aufstehen zu verhindern); L e h m a n n Mona 1 9 ; F r a z e r 3, 423 f.

E. T r ä u m t man von einer L., einem L.nzug oder vom Sterben, so wird es bald eine Hochzeit geben 330), oder eine große Freude, Geldgewinn 3 3 1 ), oder auch Regen und Tauwetter 332 ), oder einen Todesfall 833). Wer sich im Traum selbst als Toten sieht, heiratet bald 334) (vgl. „Toter"). 33 °) L a m m e r t 94; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 2 5 3 ; G r o h m a n n 228; W o l f Beiträge 1 , 2 1 1 ; F o g e l Pennsylvania 74, Nr. 252; H ö h n Tod 3 1 1 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 57. 3 3 1 ) W u t t k e 332 ) W u t t k e 2 2 8 2 2 8 § 3 2 5 ; H ö h n Tod 3 1 1 . 3 0 § 3 2 5 ; B a r t s c h Mecklenburg 2 , 3 1 4 . ) H ö h n Tod 3 1 1 ; M a n z Sargans 1 2 2 ; SAVk. 334 2, 218. ) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 89. Geiger.

Leichenbitter s. Tod ansagen. Leichenbrett s. T o t e n b r e t t .

IO6I

Leichenfeier

Leichenfeier. Zur katholischen und auch reformierten L. gehört Teilnahme der Kirche, des Priesters; man sucht womöglich Beteiligung mehrerer Geistlichen zu erreichen 1 ). Eine kurze Feier kann in oder vor dem Hause stattfinden, die Hauptfeier ist in der Kirche, manchmal auch am Grabe, meist in Gegenwart des Toten, der oft noch als lebend vorgestellt wird, oder dessen Seele noch in der Nähe weilt 2 ). Eine kirchliche L. ist notwendig, auch wenn der Leichnam (eines Ertrunkenen) nicht gefunden werden konnte (s. Begräbnis I. 1.). Eine Leichenpredigt, meist mit Lebenslauf des Verstorbenen, gehört zu einer schicklichen L . ; ihr Fehlen gilt als entehrend 3 ). Doch wurde sie schon in früheren Zeiten oft verboten, weil zu viel gerühmt werde *). In einer Sage erscheint ein schwarzer Hund mit glühender Zunge auf dem Sarg, weil der Pfarrer den Toten zu sehr gelobt h a t 5 ) . Andererseits soll aber im Lebenslauf auch nichts Nachteiliges über den Toten gesagt werden 4 ). Früher kam öfter vor, daß ein Nicht-Geistlicher (Verwandter, Lehrer, Nachbar, Hochzeitslader oder Vorbeter) im Haus oder am Grab eine Rede (oft Abdankung genannt) hielt; in Westböhmen redet er dabei im Namen des Verstorbenen'). Früher wurde die L e i c h e i n d i e K i r c h e getragen; jetzt ist es mancherorts verboten. Die Füße des Toten sollen gegen den Altar gerichtet sein, nur bei Geistlichen gegen die Kirchentür, d. h. gegen das Volk gewendet. Wird die Leiche nicht in die Kirche gebracht, so steht an Stelle des Sargs die Tumba oder der Katafalk«). In früherer Zeit durfte die Leiche erst begraben werden, wenn sie während eines Sonntagsgottesdienstes in der Kirche gestanden und „nochmals eine Predigt angehört" hatte 9 ). Manchmal heißt es, nur verstorbene Wöchnerinnen dürfen in die Kirche getragen werden, um vorgesegnet zu werden, während man nach Durand früher gerade diese Leichen nicht in die Kirche tragen wollte, ,,ne pavimentum Ecclesiae sanguine polluatur" 10 ).

1062

Die Kirche wird etwa schwarz behängt, in Belgien der Boden mit Stroh bedeckt 1 1 ). Während des Gottesdienstes werden Kerzen gebrannt, bei der Tumba, bei der Kanzel 1 2 ), oder die Verwandten tragen rote Wachskerzen, die sie nachher opfern 13 ). Das „Totenweib" trägt nach dem Gottesdienst auch zwei Lichter aufs Grab 14 ). Erlöscht während der Messe ein Licht auf dem Altar, so stirbt bald jemand aus der Familie l ä ). Flackern die Lichter, so ist das ein Zeichen, daß die Seele des Verstorbenen im Fegfeuer viel leiden müsse 16 ). Während oder nach dem Gottesdienst findet der Opferumgang statt; darüber s. Totenspende (vgl. Altar). Die Angehörigen, manchmal auch die Träger, zeigen ein besonderes Verhalten: sie nehmen besondere Plätze ein (Klagstühle, Surregbank 17 )), die Frauen knien auf der E r d e 1 8 ) , haben eine gebückte Haltung 1 8 ), die Männer behalten auch in der Kirche den Hut auf 2 0 ). Die Angehörigen singen nicht 2 1 ) (s. Trauer). Der Priester kann während der Messe das Schicksal der Seele erfahren: wenn er den Namen des Verstorbenen ausspricht, erscheint ihm die Seele und offenbart ihm ihren Zustand 22 ); wenn er vor der Wandlung lange betet und langsam zur Wandlung kommt, und dabei die Kerzen hell brennen, erfährt er, ob die Seele selig geworden 2S ). E s erscheinen im Meßbuch weiße, rote oder schwarze Tüpfchen, die anzeigen, ob die Seele im Himmel, Fegfeuer oder in der Hölle sei 2 4 ). War der Verstorbene ein großer Sünder, so kann der Priester den Kelch nicht oder nur mit Mühe aufwandeln, und von der Hostie soll schon Blut herabgeflossen sein 2 5 ). Man glaubt, der Priester könnte den Toten, wenn er ein gewisses Wort über ihn spricht, ins Leben zurückrufen, und er muß sich beim Begräbnis in acht nehmen, daß ihm dieses Wort nicht unabsichtlich entschlüpft 2 S ). Wenn der Pfarrer bei der Leichenpredigt niest, stirbt bald jemand 2 7 ). J e n s e n Nord/ries. Inseln 334; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 1 6 1 ; R e i s e r Allgäu 2, 302; B i r l i n g e r Volksth. 1, 281. 3 ) Über 34*

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Leichenfetisch

die kathol. Riten und deren Bedeutung: T h a l hofer Liturgih 2, 4 6 3 0 . ; S c h r e u e r ZvglRechtswiss. 34, 136; Heimat (Kiel) 33, 255. s ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 261; vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 281 (Leichenpredigt vor Hinrichtung). *) ZfrwVk. 5, 265 ; F r i c k a r t Kirchens) gebräuche 144. S c h a m b a c h u. Müller 235 Nr. 242. •) Höhn Tod 348 W i t t s t o c k 7 Siebenbürgen 104. ) J o h n Westböhmen 172Î. (mit Text); Höhn Tod 347; Schweizld. 2 . 352; J e n s e n Nordfries. Inseln 342; W i t t s t o c k Siebenbürgen 103 f.; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 254; Bavaria 1, 413; B i r l i n g e r Volksth. 2, 410; Kuhn Thurgovia sacra I. 2, 1 7 1 ; Beitr. z. sudetendVk. 16, 140.; K r ü n i t z Encycl. 8 ) Thalhof er Liturgih 2, 469 ff.; 73. 395N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 163 f.; ZfrwVk. 5, 251; ZfVk. 6, 410; Seefried-Gulgowski 222; Volksleven 8, 20f.; K ö h l e r Voigtland 252; Wallis schriftl.; RTrp. 12, 522; BF. 2, 361; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 118 (Füße gegen die Tür). •) K ü c k Lüneburg 263. 10 ) ZfVk. 19, 276; DHmt. 4, 4; Egerl. 9, 31 ; ZfrwVk. 4, i n ; Durand Rationale (1565) 23; Heimat (Kiel) 33, 255. n ) S c h r a m e k Böhmerwald 228; Volkskunde 20, 72f. u. 30ff.; BF. 2, 361 ; vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 239 f. 12 ) J o h n Westböhmen 176; Unterwaiden schriftl. " ) Bavaria 1, 413 f.; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 164 f.; B F . 2, 365; Volkskunde 23, 69; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 1 1 7 ; F r a n z i s c i Kärnten 81. 14 ) Bavaria 1, 993. 15 ) MschlesVk. 7, Heft 14, 77; B r u n n e r OstdVk. 195. l e ) P o l l i n g e r Landshut 300. 17 ) Höhn Tod 348; J e n s e n Nordfries. Inseln 345; ZfrwVk. 4, 284; ZfVk. 19, 276. » ) BdböVk. 4, 61. 18 ) ZfVk. 19, 276; vgl. Köhler Voigtland 255. i 0 ) Meyer Baden 595; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 310; Meier Schwaben 2, 490; Reiser Allgäu 2, 302 f.; Dirksen Meiderich 51; Höhn Tod 348, 21 ) Höhn Tod 348; R ü s c h Kt. Appenzell 116. 22 ) SAVk. 16, 149; Zingerle Tirol 50; S t r a c k e r j a n 2, 218 Nr. 461; vgl. L e B r a z Légende 1, 365. ®3) S t r a c k e r j a n 1, 220Nr. 177. **) B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 123. 26) B a u m g a r t e n a . a . O . ; Zingerle a . a . O . as ) MSchönhVk. 8, 102. a7 ) Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 30. Geiger.

Leichenfetisch. 1. Unter L. verstehe ich hier Gegenstände, die mit der Leiche in Berührung gekommen sind und dadurch Zauberkraft erhalten haben; nicht inbegriffen sind also Leichenteile, Totenfetische (Dinge, die von dem begrabenen Toten ihre Kraft haben), Totenknochen usw. Alles was mit der Leiche in Berührung kommt, kann so zum Fetisch werden, dessen Kraft zu Abwehr-, Schaden- oder Heilzauber verwendet werden kann. Darum mußte man die Leiche bewachen, damit

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sie nicht bestohlen wurde1). Nahe verwandt mit den L.en sind die sog. künstlichen Reliquien im Heiligenkult, besonders die Tuchlappen2) und auch die Fetische von Hingerichteten s ). Die Anschauungen über die Wirksamkeit gehen durcheinander: manchmal glaubt man in den Dingen eine „Todeskraft" vorhanden, die alles, was mit ihnen in Berührung kommt, zum Schwinden, Verwesen bringt (so kann man es oft im Heilzauber auffassen) 4 ); andere Male ist es mehr eine glückbringende Zauberkraft. Das W a s c h t u c h , womit die Leiche gewaschen worden, soll man an einem Ort aufbewahren, wo weder Sonnennoch Mondschein dran kommt; man kann, wenn ein Stück Vieh krank wird, das Tier durch Berührung mit dem Tuche heilen 5 ). Man kann Warzen, die Rose und Wunden damit heilen 6 ); bindet man es um den Leib, wenn man vor Gericht erscheinen muß, verwirrt es den Richter, so daß er den Angeklagten freispricht'); man fährt über die Speisen des Leichenmahls, „um Ersparnisse zu machen" 8 ); man drückt den in Schnaps getauchten Lappen, nachdem man damit den Toten gewaschen, aus und mischt die Flüssigkeit einem Säufer in den Schnaps, um ihn von seinem Laster zu heilen 9 ). Nur im Kanton Bern belegt ist der Brauch, das Waschtuch des Toten um einen süßen Apfelbaum zu binden, meist mit der Angabe: wenn das Tuch verfault sei, sei auch der Tote verfault und zur Ruhe gekommen; oder wenn man es nicht um den Baum wickle oder dem Toten mitgebe, erfolge bald wieder ein Todesfall in der Familie. Auch andere Gründe werden angegeben: die Seele werde in den Baum gebannt, komme nicht mehr ins Haus zurück.. Man will daraus auf das Schicksal des Toten schließen10). Vielleicht liegt auch ein Fruchtbarkeitszauber zugrunde u ). Verwandt damit scheint der Brauch im Erzgebirge, ein Stück vom Bettuch, worauf der Mensch gestorben ist, abzureißen und um einen Baum zu wickeln, um die Rückkehr des Toten zu verhindern 12 ).

1065

Leichenfetisch

Auf ähnliche Weise dienen auch der Lappen, den man dem Toten aufs Gesicht gelegt hat, das Tuch, womit man ihm das Kinn heraufgebunden, das Mundtuch, Schweißtuch, Leichentuch (meist wohl das Leintuch gemeint) zum Heilen von Rose, Geschwulst, Flechten, Warzen und Sommersprossen13), oder um das Vieh gedeihen zu machen M ), um Prozesse zu gewinnen1S), um bei der Auslosung vom Militärdienst loszukommen 14 ); in Branntwein gelegt heilt es Trunksucht " ) ; man kann durch ein solches Tüchlein alles sehen18). Wenn man einen solchen Lappen in ein fremdes Gehöft wirft, so stirbt dort das Vieh w ). Legt man ein Tischtuch auf den Toten und deckt damit den Tisch zum Leichenessen, so kann niemand etwas genießen 20). MsächsVk. 2, 24. ') L u c i u s Heiligenkult 132 u. 1 9 4 ! ; P f i s t e r Reliquien 430 f. 3) Vgl. P i t r è Usi 2, 222 f. 4) H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 15; D r e c h s l e r 1, 305; S t r a c k e r j a n 1, 52; L a m m e r t 107; vgl. Globus 69, 91. 5 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 91; H o o p s Sassenart 118; vgl. W i t t s t o c k Siebenbürgen 60; Z f V k . 18, 358; 13, 389 (Pulver v. verbrannten Tüchern). «) MschlesVk. 7, Heft 14, 87; F o g e l Pennsylvania 320 Nr. 1699, vgl. 385 Nr. 2070; vgl. B F . 2, 339; W i r t h Beiträge 2/3, 59; HessBl. 2 4 . 59- ' ) A R w . 18, 296 f. 8 ) T o e p p e n Masuren 112; W u t t k e 467 §740. ') BayHfte. 6, 206. 10 ) S A V k . 1, 218; 11, 263; 15, 11; 24, 63; mündl. Mitt.; S o o d e r Rohrbach 13; S A V k . 7, 140; 8, 274; F r i e d l i Lützelflüh 564; SchwVk. 5, 6; vgl. WienZfVk. 33, 59; SchwVk. 18, 23; S t o i l Zauberglaube 179. n ) S A V k . 7, 140 u. 8, 274 f.; ungenau W u t t k e 463 §732, nach R o c h h o l z Glaube 1, 181, nur hier die Auslegung, daß der Tote an den Baum gebannt 1J ) sei; vgl. C r o o k e Northern India 220. J o h n Erzgebirge 126. 13 ) S c h u l e n b u r g 112; T e t z n e r Slawen 385; ZfVk. 23, 132; A n d r e e Braunschweig 315; B F . 2, 339; L i e b r e c h t Zur Volkskunde 312 f.; W i r t h Beiträge 2/3, 58; Urquell 2, 208; T h i e r s Traité (1679) 325. 1S ) " ) W u t t k e 133 §183. K r a u ß Relig. Brauch 141; S c h u l e n b u r g Wend. Volksth. m . " ) W u t t k e 454 § 719 = Urquell 3, 200. 17 ) ZfrwVk. 5, 98; W o l f Beiträge 215. »•) J o h n Westböhmen 319. 14 ) W i r t h Beiträge 2/3, 57. ï 0 ) T o e p p e n Masuren 111.

2. Stücke von der Kleidung des Toten wirken ebenfalls zauberkräftig: das Halstuch des Toten oder das eigene, das man ihm eine Zeitlang umgebunden hat, wendet man an gegen Kröpfe, oder damit einem der Tote nicht im Traum erscheine21).

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Stücke vom Totenhemd, besonders von einem Kinde, werden zum Heilzauber benutzt 22), das Zopfband einer Toten dient gegen Kopfweh 23). Bei den Slaven wird auch das Band, womit man dem Toten die Füße zusammengebunden hat, zu allerlei Zauber benutzt 24 ). Bänder von der Totenkrone, vom Kreuz, das mitgetragen wird, vertreiben den Kropf 2S ). Hierher gehört auch die Stelle bei Burchard v. Worms: „cingulum mortui pro damno alicuius in nodos colligasti" 24). Sogar das Tuch womit man sich selbst bei einer Leiche die Tränen abgewischt hat, kann zu Zauber benutzt werden 27 ). Zu Heilzwecken dienen ferner ein Seidenfaden oder schwarzes Sammetband, die man dem Toten um den Hals gelegt, durch die Hand oder den Mund gezogen hat und nachher um die kranke Stelle (Kopf usw.) bindet, manchmal muß man es dem Toten mitgeben oder vergraben 28). Der Rosenkranz, den der Tote in der Hand hatte, kann als Zaubermittel benutzt werden 2i ), das Gesangbuch oder ein Schlüssel von einem Verstorbenen dienen als Heilmittel M ). Man streicht eine Kerze über die Leiche und vertreibt damit dann Hühneraugen 31). Das Seil, womit man die Leiche ins Grab gelassen hat, dient dazu, einer Kuh das Ausschlagen abzugewöhnen 32). Man gießt dem Toten Branntwein in den Mund, nimmt ihn nach 24 Stunden wieder heraus und gibt ihn einem Trinker gegen Trunksucht 33 ); oder man legt ein Geldstück in den Mund des Toten und nachher in Branntwein zum selben Zweck M ). Man legt dem Sterbenden oder Toten einen Apfel in die Hand, Käse unter den Arm, rohes Fleisch in die Achselhöhle und gibt es gegen Trunksucht oder Schwindsucht: das Fleisch legt man auf Muttermäler 3S). Auch Wasser, worüber eine Leiche getragen wird, ist heilkräftig (vgl. Begräbnisläuten und Leichenzug). Andere L.e s. Leichenkleidung, -Waschung, -wasser, Sarg. 21 ) M e s s i k o m m e r 1, 172; MsächsVk. 2, 24; vgl. H ö h n Tod 325; G r o h m a n n 227; Z e l e n i n Russ. Vkde. 322; K r a u ß Relig. Brauch 142;

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Leichenfett—Leichenkleidung

22) B r a n d Pop. Antiqu. 2, 233. Gaßner Metlersdorf 84; S t r a c k Blut 62 u. 80; H e s e 23) H ö h n m a n n Ravensberg 113. Volksheilkunde 1, 123; B o h n e n b e r g e r 21. 24) K r a u B Relig. Brauch 140 ff. 25) HessBl. 24, 59; W i r t h Beiträge 2/3, 58. 26) G r i m m Myth. 3, 408. " ) Urquell 4, 69. 28) H ö h n Tod 325; H a l t r i c h Siebenbürgen 308 f.; F o g e l Pennsylvania 281 Nr. 1479; MschlesVk. 25, 93; D r e c h s l e r 2, 295; S t o l l Zauberglauben 125; S c h u l e n b u r g 225; H o v o r k a - K r o n f e l d 2, 19; vgl. K r a u ß Relig. Brauch 139 f. 2>) Urquell N. F. 1, 94. 30) Schulenburg 222; weiteres: Krauß Relig. Brauch 135 u. 142. 31 ) F o g e l Pennsylvania 274 Nr. 1429; vgl. K r a u ß a . a . O . 142 f.; L e B r a z Légende 1, 262. 32) B a r t s c h Mecklenburg 2, 149; D r e c h s l e r 2, 106 f. 33) B a r t s c h Mecklenburg 2, 355. M) B a r t s c h a. a. O.; S c h u l e n b u r g 235; H o v o r k a - K r o n M) f e l d 2, 357; K r a u ß Relig. Brauch 140. Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 62; H ö h n Tod 318; BayHfte. 6, 205 f.; S e y f a r t h Sachsen 286; Bern mündlich (aus neuester Zeitl); J a h n Pommern 167. Geiger.

Leichenfett. Man versteht darunter Leichenwachs (Adipocire), das sich an Leichen unter besonderen Umständen bilden kann 1 ), oder auch Fett, das direkt aus der Leiche geschnitten oder aus Leichenteilen ausgelassen wird. In Steiermark glaubt man, die barmherzigen Brüder in Graz hätten das Privileg, jedes Jahr einen jungen Menschen zu Tode zu kitzeln, seine Leiche auszusieden und Fett und Knochen in der Apotheke zu verwenden 2 ). Nach ungarischem Glauben kann man von den Toten selbst bei ihrem Mitternachtsgottesdienst ganze Töpfe voll Menschenfett erhalten 3 ). Es muß meist Fett von jungen Leuten, ungeborenen Kindern, Verbrechern sein. Es wird als Heilmittel gegen Krankheiten 4) oder zur Anfertigung von Diebskerzen gebraucht, die den Dieb unsichtbar machen sollen 6 ). Es schützt auch gegen Ungeziefer 6 ). In Schwaben wird das aus Gräbern geholte Leichenfett alt aih ( = Altee) genannt (s. auch Leichenteile, Menschenfett). *) H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 133 u. 276. 3) F o s s e l Volksmedizin 172. Wlislocki 4) Magyaren 76f. H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 133 u. 2, 270 u. 293; K ü h n a u Sagen 1, 45; SchwVk. 5, 20; F o s s e l Volksmedizin 142; B a u m g a r t e n Heimat 2, 96 (Fett eines Er5) trunkenen); SudetendZs. 1, 1 0 3 ! Mont a n u s Volksfeste 625; K r a u ß Relig. Brauch 1 4 4 f . ; S t r a c k Blut 72f. 80; vgl. Urquell 2)

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3, 60; H e c k s c h e r 361; M a n n h a r d t Aber7) glaube 2x f. °) F o s s e l a. a. O. Fossel a . a . O . ; vgl. F i s c h e r SchwäbWb. 1, 160; B u c k Volksglauben 47. Geiger.

Leichenfrau. Mit L. und ähnlichen Namen wird die Frau bezeichnet, die oft das Waschen und Ankleiden der Leiche, oder auch die Anzeige des Todesfalls bei Verwandten und Bekannten besorgen muß. Es ist bezeichnend, daß hierfür so oft Frauen, und zwar meist ältere, genommen werden 1 ). Die L. weiß voraus, wer sterben wird 2 ). Ihre Benachrichtigung darf durch keine zum Hausstand gehörige Person erfolgen 3 ). Kommt sie ungeraten ins Haus, so stirbt binnen Jahresfrist ein Familienglied 4 ). Kommt sie in eine Stube, in der ein kleines Kind liegt, so nimmt sie es aus der Wiege, drückt es an sich und herzt es. Dadurch wird verhütet, daß das Kind sich später fürchtet 5 ). Über die Geschenke, die sie bekommt u. a. s. Leichenkleidung, Leichenwaschung und Todansagen. 1) T r o e l s L u n d 14, 93 ff. ; K r ü n i t z Encyclop. 73, 7 1 1 ; L e B r a z Légende 1, 250; W i r t h Beitr. 2/3, 53; F i s c h e r Schwab. Wb. 6, 1762. 2) H ö h n Tod 310. 3) J o h n Erzgebirge 123. 4) Ebd. 115; K ö h l e r Voigtland 393. 6 ) K ö h l e r Voigtland 429. Geiger.

Leichengeleite s. L e i c h e n z u g . Leichenhand s . L e i c h e B 6, H a n d . Leichenkamm s. K a m m . Leichenkleidung. 1. Das Ankleiden der Leiche wird wie das Waschen (s. d.) meist nicht durch die Angehörigen besorgt, sondern durch N a c h b a r n * ) oder besondere Leute. Manchmal ist es Pflicht des „Toten-", „Kleidenachbars" 2 ), oder Nachbarn, Verwandte und Bekannte werden (in Norddeutschland) formell zum „Kleiden" eingeladen, besorgen es aber meist nicht selbst, sondern überlassen es einigen alten Frauen, während sie selbst sich an K u chen, Kaffee und Wein gütlich tun 3 ). Sehr oft ist das Einkleiden Aufgabe einer F r a u (Leichenfrau, s. d. 4 ), Leichensägerin ®), Totenweibchen 6 ), Seelnonne 7 ), Leichenwäscherin 8 ), Frau des To-

tengräbers9), ärmere, ältere Frau 10 )), selten eines Mannes 11 ). Diese Leute haben Anspruch auf die Kleidung, die der Tote trug oder ein Stück davon 12 ), auf das Bettuch, worauf er verschieden13), früher sogar auf den Schmuck, den er t r u g u ) (vgl. Tote). Die Kleider, in denen jemand gestorben ist, werden auch weggeworfen, Zigeunern geschenkt oder dem Toten mit in den Sarg gegeben, sonst stirbt der, der sie nachher trägt 1S ). In England glaubte man, wenn man den Frauen, die die Aufbahrung besorgten, die Kleider des Toten nicht überlasse, würde es Unglück bringen; die Frauen gaben die Kleider stückweise, als glückbringend, fort 16 ). Das Ankleiden der Leiche ist mit Gefahr verbunden, darum ist den Angehörigen manchmal direkt verboten, dabei zu helfen 17 ). Bei den Israeliten gilt es als gutes Werk 18 ). Wer den Toten angekleidet hat, muß seine Hände mit Salz einreiben, damit sie sich nicht verschlafen19). Abwehr liegt vielleicht auch darin, daß den Nachbarn, die das Kleiden besorgt haben, nachher Kaffee gereicht wird80), und daß alle Hausbewohner nach der Einkleidung etwas essen müssen21). Ist die Leiche schon starr, so muß man sie dreimal beim Namen rufen, dann wird sie wieder gefüge, so daß man sie kleiden kann. Nachher fordert man sie auf, wieder zu schlafen, und sie wird starr 22 ). l ) SAVk. 6, 243 f. ; Graubünden, Bern, Wallis schriftl.; K ö h l e r Voigtland 252; R e i s e r Allgäu 2, 292; ZfrwVk. 2, 195; 5, 242; H e s e m a n n Ravensberg 89; H ö h n Tod 317; ZfVk. 19. 271; 3. 268. 2 ) S a r t o r i Westfalen 101; ZfrwVk. 4, 274. 3 ) ZfrwVk. 8, 84; ZfVk. 9, 54.' J e n s e n Nordfries. Inseln 337; vgl. T r o e l s L u n d 14, 99. 4 ) H ö h n Tod 317; K ö h l e r Voigtland 252; Egerl. 9, 29; DHmt. 4, 2; Heimat (Kiel) 33, 210; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 107; BF. 2, 344; RTrp. 18, 459. 5 ) H ö h n Tod 317; Thurgau mündl. •) M e y e r

Baden 585. ») U r q u e l l 2 (1891), 91; S c h m e l l e r Bayr. Wb. 22, 257. 8 ) K ö h l e r Voigtland 251.

•) S c h r a m e k Böhmerwald 225; R e i s e r Allgäu 2, 291 f. 10 ) R e i s e r a . a . O . ; H ö h n a . a . O . ; Bern, Luzern, Thurgau schriftl.; L e B r a z Légende 1, 250.

1070

Leichenkleidung

1069

u

) C a m i n a d a Friedhöfe

179;

M e y e r Baden 585 („Einwickler") ; ZfrwVk. 4, 281; H ö h n Tod 320. l a ) Thurgau mündl.; C a m i n a d a Friedhöfe 176f.; ZfrwVk. 4, 281;

H ö h n Tod 320; MittschlesVk. 25, 86; SchwVk. 4, 4; 13, 41. 13 ) S c h m e l l e r BayWb. 22, 257; vgl. H ö h n a. a. O. " ) K r ü n i t z Encyclopädie 73, 620; S c h m e l l e r a . a . O . 1S ) W i t t s t o c k Siebenbürgen 62.

17

IS

) B r a n d Pop. Antiqu.

2, 233.

) Bern, Wallis mündl.; vgl. RTrp. 12, 522. 1S ) H ö h n Tod 318. " ) M e y e r Baden 585; R o c h h o l z Glaube 1. 186. I 0 ) ZfrwVk. 5, 249; Graubünden schriftl. " ) HessBl. 24, 51. " ) P e u c k e r t Schles. 231.

2. Im Mittelalter, teilweise bis in die neueste Zeit, war es Brauch, die Leichen in ein L e i n t u c h („Notlaken") M ) einzuwickeln oder einzunähen und manchmal so, ohne Sarg (s. d.), ins Grab zu legen. Man will darin eine Erinnerung an das Begräbnis Jesu sehen24). Troels-Lund glaubt, der Tote solle durch das Einwickeln als schlafendes Kind behandelt werden25). Vielleicht liegt bloße Sparsamkeit zugrunde, vielleicht auch die Absicht, durch das Umwickeln den Toten an der Wiederkehr zu hindern; angegeben wird dies aber nie 26). In Frankreich und Belgien nahm man geweihte Tücher, im Glauben, diese verwesten länger nicht ; denn das Tuch ist das Kleid des Toten, in dem er auf Erden und bei der Auferstehung erscheinen muß 27) ; drum sollen beim Einnähen keine Knoten gemacht werden, sonst kann er nicht auferstehen28). Das Tuch wird an der Leiche selbst genäht; dies darf nur bei Leichen geschehen, Lebende sollen nichts, das sie an ihrem Körper tragen, nähen 29). Als Spuk erscheint der Tote dann oft in dieses weiße Leinentuch eingehüllt30). 23 ) K ü c k Lüneburg 257 t. 21 ) H ö h n Tod 318. 25 ) T r o e l s - L u n d 14, 100 f. 2«) SAVk. 23, 204; 24, 63. 192; SchwVk. 10, 76 (Kaiser Maximilian wollte sich in ein grobes Zwilchtuch einnähen lassen); C a m i n a d a Friedhöfe 139; SAVk. 10, 96; K o n d z i e l l a Volksepos 31; H ö h n Tod 318; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 316; Schweizld. 2, 677; ZfVk. 3, 176; M e y e r

Baden 590; K r a u s Realencycl. 2, 876 f . ; M a u r e r Island.

d. christl. Altert. Volkssagen 60;

R o s e n död och begravning 5; Urquell 2, 108; Volkskunde 11, 154; L e B r a z Légende 1, 248; BF. 2, 339; T h a l h o f e r Liturgik 2, 466; S c h e r k e Primitive 25ff. 164t. (Einhüllen = Fesseln). Einhüllen in eine Tierhaut: Script, rer. Britann. 7, 67 (Heinrich I. v. England). 27 ) L e B r a z Légende 1, 251; RTrp. 17, 352; vgl. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 244f.; H a n s S a c h s Fastnachtssp. (Neudr.) Nr. 22 V. 42 s . ; ZfVk. 10, 122; vgl. FL. 9, 124. 2e ) SAVk.

Leichenkleidung 24, 63; S t u t z 7 X 7 Jahre 135; vgl. L e B r a z Ligende i , 249. 2 9 ) L e B r a z Légende 1, 249. ) W a i b e l u. F l a m m i , 48 (aus d. Zimm. Chron.).

M

3. Seit alter Zeit hat sich neben dem Einwickeln des Toten der Brauch erhalten, die Leiche v o l l s t ä n d i g zu kleiden. Die Sitte ist begründet in dem Glauben an das Fortleben der Toten, wird dann aber auch so erklärt, daß der Tote im Jenseits bekleidet erscheinen, oder daß er fertig zur Wanderung sein müsse 31). Der Tote hat ein Recht auf Kleidung und erscheint drum wieder, wenn er darin verkürzt wird 32 ). Man kann auch das Versäumte nachholen, indem man dem Toten seine Kleidung hinaus hängt, oder indem man sie dem nächsten Toten mitgibt S3 ). Bei den Rumänen in Südungarn legt man manchmal dem Sterbenden doppelte Kleidung an, eine für den Leib und eine für die Seele34). Selten werden dem Toten gewöhnliche oder gar alte, abgetragene Kleider angezogen 35) ; häufiger sind es die besten Kleider, Sonntagskleider36). Nach einer Zeitungsnotiz (Mai 1917) schlug die deutsche Reichsbekleidungsstelle vor, statt wie bisher dem Toten die beste Kleidung anzuziehen, solche aus Papierstoff anzufertigen. Männer und besonders Frauen erhalten auch das Hochzeitskleid37). Wenn bei den Südslaven eine junge Frau im Hochzeitskleid begraben wird, so verhindert man, daß der Mann eine neue Ehe eingeht38). Strümpfe (manchmal weiße) sind oft ausdrücklich vorgeschrieben 39), auch Handschuhe und Taschentuch 40 ). Als Kopfbedeckung wird den Männern der Hut 4 1 ) oder eine (weiße) Zipfelmütze42) aufgesetzt, den Frauen die Haube 43 ), manchmal speziell die Schlafhaube44), auch besondere Totenmützen kommen vor 45 ). Der Hut des Mannes kann auch neben ihn gelegt werden 46 ) ; in Graubünden wird er noch aufs Kopfende des Sargs genagelt (mündl. Mitt.). In früheren Jahrhunderten war Brauch, sich etwa in einem Mönchsgewand begraben zu lassen; man glaubte, damit kürzere Zeit im Fegfeuer bleiben

IO72

zu müssen 47 ); heute benutzt man das Bruderschaftskleid oder ein geweihtes Gewand 48). Dem Soldaten zieht man seine Uniform an, oder man legt sie auf den Sarg 49 ), der Geistliche erhält den Ornat In Baden ist verboten, am Totenkleid Seidenzeug zu gebrauchen61). Rote Schleifen am Totenkleid kann man als Abwehrbrauch auffassen52). In Vorarlberg und Rußland werden Metallknöpfe vermieden 53). Bei den Huzulen erhält der Tote statt des Ledergürtels eine Schnur, die ein Mädchen unter 7 Jahren oder ein altes Mütterchen spinnen muß 54). Schmuck wird meist nicht mehr mitgegeben; früher ließ man ihn der Leiche und zog ihn ab, sobald die Grabglocke ertönte5S). 31 ) MschlesVk. 8, H e f t 15, 80; ZfdMyth. i , 240; L e m k e Ostpreußen 1, 5 7 f . ; Globus 59. 381 (Lothringen); B a u m g a r t e n Heimat 3, 116; Z e l e n i n Russ. Volksk. 320; R T r p . 15. 323- 3 8 2 ; vgl. SchwVk. 13, 41 f . : D e r T o t e trägt auf seiner W a n d e r u n g e i n g e n a u gleiches Gewand, w i e m a n es d e m Leichenwächter geschenkt hat. 3 2 ) G r a b e r Kärnten 171 Nr.223; MschlesVk. 8, H e f t 15,80; S t r a c k e r j a n 1, 196; SAVk. 18, 185. 33 ) M e y e r Baden 585; ZfVk. 24, 420; R o s e n död och begravning 5; T r o e l s - L u n d 14, 108 ( e i n F a l l a . d. 18. J h . ) ; v g l . H e r o d o t 5, 92. 3 4 ) Globus 69, 197; vgl. Z e l e n i n Russ. Volksk. 320; A R w . 8, 471t.; FFC. 41, 93 f. « ) Wallis, Unterwaiden, Thurgau schriftl.; H ö h n Tod 319; B i r l i n g e r Volksth. 1, 280; vgl. B F . 2, 342. 36 ) H ö h n Tod 319; Globus 69, 91; W i r t h Beiträge 2/3, 54; ZfVk. 19, 272; Urquell 1, 11; Schweiz öfters, schriftl.; D H m t . 4, 2; L e o p r e c h t i n g Lechrain 250; Z f E t h n . (Verh.) 22, 608; H e s s B l . 6, 101; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 244; A n d r e e Braunschweig 315; ZfrwVk. 2, 195; S c h r a m e k Böhmerwald 225; W r e d e Eifler Volksk. 126; J e n s e n Nordfries. Inseln 337; W i t t s t o c k Siebenbürgen 100; K r a u s Realencycl. d. christl. Altert. 2, 876f.; S t r a u ß Bulgar. Volksd. 98; Z f E t h n . (Verh.) 28, 282; B F . 2, 340; Journ. Anthr. Inst. 15, 75; P i t r ö Usi 2, 209. 37) ZfVk. 6, 181; W i r t h Beiträge 2/3, 53; S c h u l e n b u r g 113; J o h n Erzgebirge 123; H ö h n Tod 319; J o h n Westböhmen 171; W l i s l o c k i Siebenbürgen 34; G a ß n e r Mettersdorf 84; H a a s u. W o r m Mönchgut 81; ZfVk. 19, 272; P i t r e Usi 2, 209; T r o e l s - L u n d 14, 109. **) K r a u ß Relig. Brauch 141. 3 0 ) ZfrwVk. 2, 195; Thurgau, Zürich, Schaffhausen, Graubünden, Wallis schriftl.; H ö h n Tod 319; B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 108. "J L e m k e Ostpreußen 1, 5 7 f . ; R o s ä n död och begravning 5; SchwVk. 13, 41.

ERE.

2, 19; H a n s

Sachs

Fastnachtssp.

1073

Leichenkleidung

iNeudr.) 22, V. 41 ff. ; F o s s e l Volksmedizin .170. 42 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz i, 244; H ö h n Tod 319; K ü c k Lüneburg 262; S a r t o r i Westfalen 1 0 1 ; F e i l b e r g Dansk Bondelia 2, 107. « ) ZfrwVk. 4, 274; K ü c k a . a . O . ; S a r t o r i a . a . O . ; H ö h n Tod 319; T r o e l s - L u n d 14, 44 ) 107 f.; S c h ö n w e r t h a . a . O . Gaßner Mettersdorf 84; T e t z n e r Slaven 85; L e B r a z Légende 1, 248; H ö h n a. a. O.; L e o p r e c h t i n g Lechrain 250. 45 ) B e c k e r Pfalz 237; Globus ) S t r a c k e r j a n 1, 68. ) Drechsler Schlesien 1, 2 9 3 . 92 ) ZfrwVk. 5 , 2 5 0 ; 2 0 / 1 , 4 3 ; ZfVk. 1 4 , 3 0 . ®3) H ö h n Tod 3 2 0 ; P i t r f e Usi 2 , 2 0 9 . M ) J o h n Erzgebirge 1 2 3 ; W u t t k e 4 6 1 § 7 3 1 ; Grohmann^46e>-gr/ai

Pfalz

IO98 1, 251; W i t z s c h e l

Thüringen

2, 2 6 1 L ;

Urquell 3, 201 f.; Volksleven 11, 125; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 117. s ) ZrwVk. 5, 256; V e r n a l e k e n Mythen 312; S c h r a m e k Böhmerwald 230; F L . 8, 207; T r o e l s - L u n d 14, 164. •)• J e n s e n

Nordfries.

Inseln

F L . 8, 206 (Insel Man).

337 ( u m

')

1700);

Schönwerth

Oberpfalz

1, 251 f . ; F e i l b e r g Dansk

ZVolksk.

316.

Bondeliv

2, 117. ' ) ZföVk. 4, 268. •) W r e d e Eifler Vk. 126; SAVk. 17, 226. 10) ZrwVk. 5, 256; S a r t o r i Westfalen 104; H e i m a t g a u e 3, 33; L i e b r e c h t ")

Baumgarten

Heimat

3,

119; W o e s t e Mark 57. l l ) S a r t o r i Westfalen 102; H 0 0 p s Sassenart 117; R T r p . i i , 589 (Metz); B F . 3, 17Í. " ) H o o p s Sassenart 117; T o e p p e n Masuren 110. 1 1 ) B d b ö h m V k . 13, i n ; V e r n a l e k e n Mythen 312; H e y l Tirol 782; F L . 8, 206; L e B r a z Légende 1, 101

A n m . 1; B F . 3, 17t. IS ) ZrwVk. 4, 296; 5, 256; S a r t o r i Westfalen 104; W o e s t e Mark 57; vgl. Globus 69, 91. " ) Heimatgaue 3, 33; " ) ZföVk. 4, 268. " ) S c h u l e n b u r g 110. vgl. D r e c h s l e r Schlesien 1, 293. l s ) S a r t o r i Westfalen

102.

")

Wrede

Eifler

Vk.

126;

B F . 3, 18. 21 ) B a v a r i a 2, 323; D r e c h s l e r 2 22 9 3 ; J o h n Westböhmen 170. ) Kück Lüneburg 262; W o e s t e Mark 57; ZrwVk. 5, 256; vgl. W l i s l o c k i Magyaren 12. M ) H e y l Tirol

782; S c h ö n w e r t h

Oberpfalz

1, 251 f . ;

Dansk

Bondeliv

Urquell 1, 18; ZrwVk. 5, 246; B a u m g a r t e n Heimat

3,

104;

Feilberg

2, 117 (auch aus den Spuren in der Asche zog m a n Orakel); G r i m m Myth. 3. 489 (Orakel aus F u ß s t a p f e n bei den Esten). 24 ) Z e l e n i n Russ. Vkde. 321 ; vgl. MsächsVk. 7, 205 (Verbot, d a s Stroh, worauf m a n geschlafen, zu verbrennen). " ) E R E . 4, 432; ZrwVk. 5, 257; H i r s c h Doodenritueel 85 f. " ) B F . 3, 17. 27 ) H ö h n Tod 322; vgl. B F . 2, 359; Volksleven 9, 154; FFC. 41, 126. 2») W i r t h Beitrage 2/3, 57; Urquell 3, 201 f.; vgl. Z e l e n i n Russ. Vkde. 321; P e u c k e r t Schlesien 230. 2> ) B a u m g a r t e n Heimat 3, 118; H e i m a t g a u e 3, 34. so ) B a u m g a r t e n Heimat 3, 118. 31 ) S c h u l e n b u r g 234; P e u c k e r t Schlesien 230: wer d r ü b e r geht, verliert sein Maß. 32 ) G r o h m a n n 190. 33 ) W i r t h Beiträge 2/3, 57; B a u m g a r t e n Heimat 3, 119; H o o p s Sassenart 117; J e n s e n Nordfries. Inseln 337; ZfVk. 19, 273; S t r a c k e r j a n 1, 52; ZfVk. 20, 397; T o e p p e n Masuren 110; F e i l b e r g

Dansk

Bondeliv

2, 1 1 7 ;

BF.

2, 360. **) B a r t s c h Mecklenburg 2, 97. w ) ZrwVk. 5, 257; Bavaria 2, 323; H ö h n Tod 341. 34 ) S t r a c k e r j a n 1, 52; ZrwVk. 5, 257; 37 H ö h n Tod 341. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 97; Bavaria 2, 323. 38 ) T o e p p e n Masuren 109; L e m k e Ostpreußen 3, 49 u. 1, 59; ZfVk. 20. 397; vgl. B F . 2, 359. 3 ') Volkskunde 13, 9 6 f . ; vgl. B a r t s c h Mecklenburg 2, 97. B a u m g a r t e n A. d. Heimat 3, 133. 4 l ) SAVk. 15, 11;

F r i e d l i Bärndütsch:

Lützelflüh

564;

vgl. MschlesVk. 28, 225 f. : Stroh nicht ins Grab. **) D r e c h s l e r 2, 257. *3) T e t z n e r Slawen 275. 41 ) H ö h n Tod 341; vgl. M e y e r Baden 587. G r i m m Myth. 3, 477; J a h n

1099

Leichenteile

46) Pommern 168. H o o p s Sassenart 1x8; 47) vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 117. M o s t Sympathie 117. Geiger.

Leichenteile. Wie die Leiche, so haben auch abgetrennte Teile von ihr Zauberkraft. Manchmal gilt dies von allen Leichen, manchmal nur von besonderen: von gewaltsam, vorzeitig Verstorbenen, Hingerichteten, unschuldigen Kindern, Totgeborenen oder Ungeborenen 1 ). Der Drang, sich solche Mittel zu verschaffen, fährte bis in neuere Zeit zu Grabschändungen und Morden 2). Verschiedene Teile der Leiche werden gebraucht. Schon bei Berthold v. Regensb. heißt es: nigromanica . . . ut est accipere ad divinandum vel m a n u m vel t e s t í c u l o s vel membrum aliquod mortui 3 ). Aus dem Jahre 1875 wird ein Fall erwähnt, daß eine Frau ihrem begrabenen Kinde Geschlechtsteile und Finger abriß und sie ihrem ehemaligen Liebhaber in den Rauch hängte, damit ihm die gleichen Körperteile verdorren sollten 4 ). Mit Fleisch einer Kinderleiche will man Wunden heilen 5 ). Leichenfleisch soll man als Köder beim Fischen benutzen, dann fängt man viel 6 ). Ein Knecht nimmt von einem begrabenen Kinde ein Auge und glaubt, sich damit unsichtbar machen zu können 7 ). 1680 schnitt ein Totengräber einer Leiche Augen, Nase und Zunge ab, brannte sie zu Pulver und streute es auf die Straße, damit die Leute krank würden (Pest) 8 ). So werden auch Leber, Herz und andere L . zu Heil- und Schadenzauber verwendet 9 ). In Island glaubt man, wenn man sich Hosen aus Menschenhaut (einer Leiche) (s. Haut) verschaffen könne, habe man Geld im Überfluß; Schuhe aus Menschenhaut seien besonders stark; ein Pferdehalfter aus demselben Material dient zu Zauberritten 10 ). Reibt man mit dem B l u t eines Toten den Nabel eines Schlafenden ein, so wird er bald sterben u ) (vgl. das Blut Hingerichteter). Einem Trinker gibt man den abgeschabten N a g e l einer Totenhand in den Trunk, um ihn von seinem Laster zu heilen 1 2 ); schneidet man einem Toten die Nägel ab, ohne gesehen zu werden, und steckt sie in die Schuhe, so hat man Glück auf dem

II00

Markt l s ). Der F i n g e r eines tot- oder ungeborenen Kindes, eines Gehängten oder Hingerichteten dient als Diebslicht M ) oder bringt Glück „zum Kauffschlagen" 15 ). Man soll in die Gruft eines vornehmen Hauses steigen und den kleinen Finger eines Toten holen; der bringt Glück 1 6 ). Gegen viele Läuse hilft, den Daumen eines verstorbenen Menschen bei sich zu tragen 1 7 ). Die H a n d eines Toten schützt nach russischem Glauben vor der Kugel 1 8 ); sie kann zu Diebszauber benützt werden 19 ). Zum Andenken an Verstorbene bewahrt man H a a r e (s.d.) auf 2 0 ). Flicht man Totenhaare in den Bienenkorb, so hat man stets reichliche Honigernte 21) ; flicht man solche in den Zopf einer Braut bei ihrem Trauungsgang, so wird sie ihren Gatten bald satt bekommen 22). Hat jemand einen stinkenden Atem, so soll man den S c h a u m v o m M u n d e einer Leiche nehmen, dem Betreffenden ins Getränk mischen und ihn solches unwissend verschlucken lassen; sobald die Leiche verwest, vergeht der stinkende A t e m M ) . Bei den Slaven dient dieser Schaum als Mittel gegen Trunksucht und Epilepsie 24 ). 1) R W . 2, 123 Anm. 1. 148; S e y f a r t h Sachsen 289; J o h n Westböhmen 264; H o v o r k a K r o n f e l d 1, 275; S c h e r k e Primitive 1 8 9 1 ; Urquell 3, 1. 49; 4, 100; S t r a c k Blut 49 f.; B l a c k Folk-Medicine 98. 2) H e l l w i g Aberglaube 73 ff.; SAVk. 10, 33 f.; L ö w e n s t i m m s) Aberglaube 107fi. S c h ö n b a c h Berthold v. R. 25. 4) S t r a c k Blut 63 f. = M a n n h a r d t Aberglaube 20; vgl. MschlesVk. 25, 88 (Räuber verzehren Brüste, Geschlechtsteile und Blut von Ermordeten). s ) S t r a c k Blut 6if. •) Urquell 3, 116. ') S t r a c k Blut 80. 8) M e i c h e 9 Sagen 500 Nr. 649. ) W l i s l o c k i Magyaren 68; S t r a c k Blut'62 ff.; MschlesVk. 28, 225. 10) Urquell 3, 90 f. 11 ) W l i s l o c k i Magyaren 70. 12) W i r t h Beiträge 2/3, 58; vgl. K r a u ß Relig. Brauch 143; S c h e r k e Primitive 24. 1S ) Mélusine 2, 493 (Nieder-Lausitz). 14) W l i s l o c k i Magyaren 77; S t r a c k Blut 71; F r a z e r 1, 149; Urquell 3, 60. 16) MschlesVk. 25, 87. " ) K u h n Westfalen 2, 53. 17 ) A l p e n b u r g Tirol 390. 18) K r o n f e l d Krieg 77. I9) L e B r a z , Légende 1, 262 Anm. 1; vgl. Urquell NF. 1, 66f.; S o o d e r Rohrbach 38; Béaloideas 1928, 20) 2i7f.; vgl. H e c k s c h e r 361 f. Jensen Nordfries. Inseln 345; vgl. D r e c h s l e r 1, 320. " ) Urquell 4, 28 (Siebenb.). M ) W l i s l o c k i Magyaren 77; Leichenhaar als Zaubermittel s.

1101

Leichentuch—Leichenverbrennung

W l i s l o c k i a . a . O . 68; B l a c k Folh-Medicine 27 (Schadenzauber); P i t r 4 Usi 2, 222; K r a u ß Selig. Brauch 143; Z e l e n i n Russ. Volksh. 327; S c h e r k e Primitive 24. **) K r ü n i t z Encyclop. 74, 325 f. u ) K r a u ß Relig. Brauch 143 f. Geiger.

Leichentuch, d. h. das Tuch, das über den Sarg gebreitet wird. In den Berichten ist manchmal damit auch das Tuch über der aufgebahrten Leiche, oder das Waschtuch gemeint. Namen: L . 1 ) , Bahrtuch s ), Balken ( < baldekin) 3 ), K a p 4 ) . Die Farbe ist weiß oder schwarz, in Belgien kamen früher auch rote vor®); auf S y l t wurde das weiße Laken mit zwei roten Bändern über den Sarg gebunden 4 ). Falls ein Name in dem Tuch war, mußte er entfernt werden 7 ) (s. Leichenkleidung). Die Köpfe der Stecknadeln, womit man das Band um das Tuch feststeckte, mußten alle nach dem Haupt der Leiche gerichtet sein 8 ). Bei verstorbenen Wöchnerinnen wird über das schwarze L. ein weißes gelegt •), Kinder erhalten ein weißes oder blaues 1 0 ). Jünglinge und Jungfrauen werden entweder durch blaue, weiße oder mit weißem oder grünem Kreuz geschmückte Tücher ausgezeichnet 1 1 ), oder sie bekommen ein mit farbigen Bändern geschmücktes „Spengeltuch" 12 ) (s. Totenhochzeit). Das L . nimmt durch die Berührung mit dem Toten von dessen Zauberkraft an: seine Bewegungen dienen als Todesvorzeichen 13 ), oder es wirkt sonst unheimlich 14 ). In Hinterpommern wird es vom Sarg weg nach Hause genommen und an die Stelle gelegt, wo der Tote gestorben i s t 1 S ) ; auch hierin liegt irgend ein geheimnisvoller Zusammenhang mit dem Toten. A l s Leichenfetisch kann es zu Zukunftserforschung und Zauber benützt werden, was schon Vintler erwähnt 1 4 ). Wischt man sich damit das Gesicht ab, so gewinnt man ein krankhaftes Aussehen " ) , oder man kann sich die Hilfe des verstorbenen Vaters verschaffen, um die Hinterlassenschaft zum Schaden der Geschwister aus dem Hause zu verschleppen, wenn man sich mit dem „Überthan" (womit die aufgebahrte Leiche bedeckt ist) das Gesicht a b w i s c h t w ) (s. Leichenfetisch). Werden die Grab-

1102

tücher verkehrt auf die Bahre gedeckt, so stirbt jemand aus dem Hause nach 1 9 ). A m L . zehren s. Nachzehrer. B i r l i n g e r Schwaben 2, 324; Z r w V k . 5, 258!.; Z f V k . 8, 437; Schweizld. 2, 270. *) E u g s t e r Herisau 177; H ö h n Tod 338. з) W r e d e 4) Rhein. Volksk. 221. Jensen Nordfries. Inseln 340. ' ) Volkskunde 11, i 5 7 f . ; 22, 221; im Mittelalter auch andere Farben: E. H. L a n g l o i s Essais . . . . sur les danses des morts 1 (1852), 321. *) J e n s e n Nordfries. Inseln 340. ' ) A n d r e e Braunschweig 316. ») Z f V k . 19, 274t. (Föhr). •) S t r a c k e r j a n 2, 218; Volkskunde 17, 129; ZrwVk. 5, 252. 10 ) St. Gallen, Wallis schriftl.; ZfVk. 6, 182. и) Graubünden, Wallis schriitl.; ZrwVk. 5, 252. 259; BdböVk. 4, 61. " ) S c h m i t z Eifel 66; W r e d e Eifler Volksk. 127. " ) L a m m e r t 97. M ) B i r l i n g e r Volkslh. 2, 409 f. 1S ) K n o o p Hinterpommern 166. M ) Z i n g e r l e Tirol 291; 17 ) H e c k s c h e r 359. Fossel Volksmedizin 134. " ) Z f V k . 10, 189. » ) G r i m m Myth. 3, 474. Geiger.

Leichenverbrennung. Die L. ist auf germanischem Gebiet im Bronzezeitalter aufgekommen und läßt sich bis in die frühgeschichtliche Zeit als Bestattungsbrauch verfolgen. Die Gründe, die vom Begraben zum Verbrennen führten, sucht man sich schon lange zu erklären, ohne daß man zu einem sicheren Resultat gekommen wäre. Mehr erschwert als erleichtert wird die Aufgabe dadurch, daß in geschichtlicher Zeit das Verbrennen fast nur noch als Strafe und Abwehr vorkommt, und dadurch, daß man bei Erklärungsversuchen (die ja eine Entwicklung aufstellen wollen) allzuleicht in rationalistische Konstruktionen verfällt, trotzdem daneben immer wieder bemerkt werden muß, wie auch bei diesem Totenbrauch und -glauben Altes und Neues fast unlösbar ineinander verwoben ist. J. Grimm glaubte, die Vorstellung eines Opfers sei die Grundlage des Leichenbrands und zog strafweises Verbrennen und auch Festfeuer zum Vergleiche h e r a n 1 ) . Nach ihm suchten andere die L . als eine vollständige Vernichtung der gefürchteten Leiche (womit der Seele der Rückweg verunmöglicht werde) zu erklären 2 ) oder als eine Befreiung der Seele, eine Erleichterung ihrer Reise ins Jenseits, die im Interesse des Toten und der Hinterbliebenen l a g 3 ) . Man nahm an, der Übergang zur L. sei mit einer

Leichenverbrennung

Umwälzung im Glauben und mit dem Aufkommen der Seelenvorstellung4) verbunden gewesen. Im Zusammenhang mit der Auffassung des Toten als lebende Leiche (s. Leiche, A. 1) wandten Neckel 8 ) und Schreuer6) dagegen ein, daß die L. einfach eine Fortsetzimg, „verbesserte Auflage" des Begrabens sei, und daß damit nicht unbedingt Seelen- und Jenseitsvorstellungen entstanden sein müssen. Ein Teil des Toten geht in Rauch auf, was aber nicht Vernichtung, sondern Verwandlung bedeutet; durch das Feuer erfolgt eine schnellere Lösung des Erinnerungsbildes als durch die Verwesung (Schreuer). Die L. ist keine Vernichtung; der Tote soll über den Zwischenzustand der Verwesung schnell hinweg und zur Ruhe kommen (Neckel). Mackensen7) sieht in der L. ebenfalls eine konsequente Fortsetzung der älteren Begräbnisarten (Grabkammer, Hocker), deutet sie aber doch wieder als vollständige Vernichtung des Leichnams zum Schutze der Überlebenden, hervorgegangen aus der bei primitiven Völkern allgemein herrschenden Totenfurcht, während Schreuer im Verbrennen eine liebevolle Vorsorge, eine Ehrung des Toten, eine Art Konservierung als Hauptmotiv betont. Ebert 8 ) will als Ausgangspunkt weder Furcht noch Pietät gelten lassen, sondern nur den „Zwang einer sozialen Pflicht"; der Körper werde vernichtet, um die Seele zu befreien. Andere halten vorsichtiger, nach Zusammenstellung aller Hypothesen, die Frage noch für ungeklärt oder nehmen mehrere Motive an 9 ). Dies scheint geratener, wenn man sieht, wie z. B. Helm mit seinen Erklärungsversuchen in Schwierigkeiten gerät 10 ), und wenn man sich fragt, ob man mit Mackensen und Much u ) aus historischen und noch lebenden Bräuchen (Verbrennung von Zauberern, Vampyren usw.) auf den Entstehungsgrund der prähistorischen zurückschließen darf. Eine Frage, die auch noch erst beantwortet werden sollte, ist die, warum man dann wieder vom Verbrennen zum Begraben überging und warum das Verbrennen sich als Strafmittel erhielt.

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Beim strafweisen Verbrennen von lebenden Missetätern oder von Leichen erkennt man als Grund oft deutlich die Absicht, den Toten unschädlich zu machen. So ist das Verbrennen von Hexen, Zauberern 12 ), Wiedergängern und Selbstmördern (s. d. u. Nachzehrer) aufzufassen; so werden nach einer Erzählung bei Saxo Gramm, getötete Gespenster nachher noch verbrannt 13 ). Daß man aber damit noch nicht an eine vollständige Vernichtung des Toten glaubte, zeigt die Art, wie man mit der Asche verfuhr: Im alten Island wurde sie ins Meer geworfen oder vergraben 14 ), und in der Eyrbyggj a- Saga läßt der Erzähler doch deutlich durchblicken, wie aus der Asche des verbrannten Wiedergängers der unheimliche Stier entsteht 1S ). Bei anderen Völkern werden nur besondere Klassen von Toten verbrannt, ohne daß man jedesmal erkennen könnte, daß es sich um eine gefährliche Art handle 16 ). Schließlich darf man noch auf den Widerstand hinweisen, auf den heutzutage die L. stößt, weil sie dem Glauben an eine körperliche Auferstehung widerspricht 1 ? ). Man wird sich auch hier wie bei der Leiche (s. d.) davor hüten müssen, für eine primitivere Vorzeit eine logische Entwicklung zu konstruieren, während man doch aus den Zeugnissen der neueren Zeit deutlich erkennt, wie verschiedene Auffassungen der Leiche und der Seele nebeneinander existieren und sich vermischen können, wobei das logische Denken eine bescheidene Rolle spielt 18 ). x ) J . G r i m m Kl. Sehr. 2, 2 1 1 fi. Das (nach T a c i t u s Germ. c. 27) verwendete Holz hielt Grimm für Dornsträucher. Besondere Holzarten beim Scheiterhaufen s. ZfEthn. 42, 129; T h u r s t o n Southern India 208; R W . 14. 2, 571. 2 ) Helm Relig.gesch. 1, 1480.; vgl. K a u f f m a n n D. Altert.kde. 1, 136. 3 ) S c h r ä d e r MschlesVk. 12, iff.; ARw. 19, 2 1 9 f . ; R o h d e Psyche 1, 30 fi. 4 ) Auch N a u m a n n Gemeinschaftskultur 60 hält den Animismus für eine B) Gefolgserscheinung des Leichenbrands. N e c k e l Walhall 45 f. 6 ) ZfvglRechtswiss. 33, 397 ff.; 34, 10. ') ZfEthn. 55, 4 7 s . 8 ) Prähistor. Zschr. 13/14, 16 ff., gegen H o o p s Realle» 4.335- *) E R E . 2 , 1 8 f.; 4, 423 f.; vgl. W e s t e r m a r c k Ursprung d. Moralbegriffe 2, 434f.; J o b b e Les morts malfaisants 352 f.; B r u c k

Leichenvogel—Leichenwache Totenteil 28. 140; P e u c k e r t Schlesien 240ff. H e l m a . a . O . 1, 155. 254. " ) M a c k e n s e n ZfEthn. a . a . O . ; M u c h AfdAlt. 28 (1902), 315 ff. l a ) A m i r a Todesstrafen 173 f.; B r u n n e r DRg. 1, 246; vgl. W e l l h a u s e n Reste 177t. 13 ) S a x o Gramm, übers, v. P. Herrmann 1. 56; vgl. FFC. 41, 192 (getötete Feinde); L u c i u s Heiligenkult 138 (Märtyrerleichen); P e c h u e l - L o e s c h e Loango-Exped. 3. 2, 337L (Zauberer); MschlesVk. 11, 66 (Wiedergänger bei den Lappen). 14) Thüle 5, 104; 6, 84 f. 15 ) Thüle 7, 153 ff. " ) Globus 80, 111 (Schwangere); ZfEthn. 6, 362; T h u r s t o n Southern India 155 (nur Männer); FL. 12, 469 (Neusüdwales: alte Leute). 17 ) S p e n c e r Prinzipien 1, 207t. 18) Vgl. P e c h u e l - L o e s c h e LoangoExped. 3. 2, 338: woran die Neger beim Verbrennen der Hexen n i c h t denken. Geiger. ,0 )

Leichenvogel s. T o t e n v o g e l . Leichenwache. 1. Die ursprünglichen Gründe der L. liegen wohl darin, daß man sich im Hause, wo der Tote liegt, fürchtet zu schlafen (falls man nicht das Haus verließ oder den Toten schleunigst wegschaffen konnte), weil man sich selbst vor den Gefahren, die vom Tod und vom Toten ausgehen, sichern muß, und weil man auch diesen selbst vor allerlei Gefahren (Dämonen) zw schützen hat. Da das Schlafen als eine Art Schwächezustand empfunden wird, oder weil (animistisch) die Seele im Traum wandert und dabei von der Seele des Toten mitgezogen werden könnte, so liegt wohl auch der L. ein S c h l a f v e r b o t zugrunde (vgl. Tod), und man versuchte, durch recht kräftige Lebensäußerungen wie Lachen, Lärmen, Tanzen, Essen der Ansteckung der Todesgefahr entgegenzuwirken J ). Drum heißt es bei den Giljaken: Stille im Hause des Toten ist Sünde 2 ); in Kärnten wird gesagt, wo jemand „auf Erden liege" dürfe man nicht schlafen 3 ). Weil aber der Tote als lebender Leichnam betrachtet wird, so ist er gewissermaßen mitbeteiligt, so daß auch die Auffassung entstehen kann, er müsse unterhalten werden *); in der Oberpfalz heißt es, man dürfe den Toten nicht allein lassen 6 ). Das kann heißen: man fürchtet sich vor ihm, oder man fürchtet für ihn. Die christliche Kirche hat die heidnische Ausgelassenheit schon früh bekämpft und durch das Gebet für das Seelenheil des Ver-

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storbenen zu ersetzen gesucht *). An manchen Orten ist der Brauch der L. heute ausgestorben; in Rietenau (Württ.) werde nur bei plötzlichen Todesfällen gewacht 7 ). !) ERE. 4, 418; S a m t e r Geburt 131 ff.; M e y e r Germ. Myth. 72; F r a z e r 3, 37f.; ZfEthn. 17, 83f.; S p e n c e r Prinzipien 1, 282; ARw. 4, 346; A. R. B r o w n The Andaman Islanders (1922) 110. 281. 302; S a r t o r i in ZfVk. NF. 2, 42 f.; S c h r e u e r in ZvglRechtswiss. 34, 135 ff. a ) ARw. 8, 472. 3) F r a n z i s c i Kärnten 80; vgl. ZrwVk. 5, 253 (Schlafen d. Wächter); H ö h n Tod 325. «) S a r t o r i Sitte 1, 139; vgl. L e B r a z Légende 1, 265 (Totenklage); Angst vor Scheintod: H ö h n Tod 331. 6) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 249. 6) S a u p e Indiculus 6; H o m e y e r Der Dreißigste 101 f. ') H ö h n Tod 329; Schweiz mündl.; bloße Ehrung: Graubünden mündl.

2. Manchmal heißt es ausdrücklich, daß Tag und Nacht bis zum Begräbnis jemand bei der Leiche wachen und (in katholischen Gegenden) beten müsse 8 ). Dazu werden besondere Personen (Frauen, Arme) angestellt •) ; es kommen aber auch die Dorfbewohner den ganzen Tag über oder speziell am Abend, um zu beten und dem Toten das Weihwasser zu geben 10). Unterläßt man es, zu diesem Abendgebet zu kommen, so kommt nachts der Tote und rächt sich u ) . Weihwassergeben und Beten feit gegen alle Furcht vor dem Toten, dem Tode und etwaiger Ansteckung 12 ). Meist wird nur in der Nacht Wache gehalten oder auch nur etwa bis um Mitternacht 13 ), nach bretonischem Glauben betet man nicht mehr nach Mitternacht, weil die Seele nun weggegangen sei M ) ; in Graubünden dagegen müssen die Wachenden bis zum Morgenläuten bleiben. Gewöhnlich erscheinen Verwandte und Nachbarn (Nachbarpflicht) 15 ), als Einladung gilt das Verbrennen des Sterbestrohs 1S ). Es soll aus jeder Haushaltung jemand erscheinen; je größer die Zahl der Teilnehmer, umso ehrenvoller ist es für den Toten 1 7 ). Manchmal (speziell bei Ledigen) 18 ) kommen nur die ledigen Burschen und Mädchen 19 ), oder es ist Pflicht der Träger 20 ) oder besonders angestellter Personen 21 ). Meist wird jede Nacht, solange der Tote

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Leichenwache

im Hause ist, („die wüsten Nächte") 22 ) gewacht M ), seltener nur die letzte vor dem Begräbnis24), vielleicht weil man diese Nacht als die gefährlichste betrachtete. Im Wallis erhält der Wächter, der beim Toten wachen und beten muß, als Lohn das „Gottgewand", d. h. eine vollständige, gute Kleidung des Verstorbenen, samt Gebetbuch, Sackmesser, Pfeife und Tabak. Gibt man ein schlechtes Gewand, so muß der Tote in einem solchen die Totenprozession mitmachen 26). In Mecklenburg darf keiner wachen, der mit dem Verstorbenen Streit hatte 26). In der Oberpfalz wird bei einer verstorbenen Wöchnerin nicht gewacht 27 ). 8 ) SAVk. 2, 169; H ö h n Tod 330; C a m i n a d a Friedhöfe 139; Graubänden, Luzern, Thurgau, Unterwaiden, Wallis schriftl.; J ö r g e r Vals 56; T h ü r i g Malters 69; vgl. L e B r a z Légende 1, 265 (Schutz gegen böse Geister). ») Wallis schriftl.; Unterwaiden schriftl. (Grabbeterin) ; l0 Luzern schriftl. (Dreißigstbeterin). ) ZföVk. 7, 222; H ö h n Tod 329; M e y e r Baden 585; R e i s e r Allgäu 2, 295; Schweizld. 5, 937; P o l l i n g e r Landshut 297; ZrwVk. 5, 252; S c h r a m e k Böhmerwald 227. u ) H e y l Tirol 781. 1 2 ) BdböVk. 12, 227; vgl. M e y e r Baden 588; vgl. L e B r a z Légende 1, 269. 1 3 ) J o h n Westböhmen 170; H ö h n Tod 3 3 1 ; ZrwVk.4, 274; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, r i x ; vgl. S e e f r i e d - G u l g o w s k i 222; F o n t a i n e Luxemburg 153. 1 4 ) L e B r a z Légende 1, 266; SAVk. 18, 164 u. schriftl. 1 5 ) Germania 10, 1 3 7 Anm.; ZrwVk. 5, 252 fí.; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 3 1 4 ; ZrwVk. 2, 196; K o n d z i e l l a Volksepos 34; H ö h n Tod 330; H e s e m a n n Ravensberg 89; K u h n Westfalen 2, 148; Z i n gerle Tirol 49. » ) ZföVk. 4, 293 t. (Steiermark); vgl. M e n s i n g Schlesw.-Holst. Wb. 1, 751 (Waakplock herumgeschickt). 1 7 ) H ö h n Tod 329; ZföVk. 4, 294; ZrwVk. 5, 253; L e B r a z Légende 1, 264. 18 ) K u h n Westfalen 2, 48; H ö h n Tod 329; ZfVk. 3, 1 7 5 ; R e i s e r Allgäu 2, 296; B e c k e r Pfalz 237; B o d e m e y e r Rechtsalterth. 191. w ) ZfVk. 19, 274; H ö h n Tod 329; S a r t o r i Westfalen 102 (zwei Jungfrauen); ZfVk. 8, 447; ZrwVk. 5, 254; B i r l i n g e r Volksth. 2, 409; F o x Saarl. Vk. 372. 20 ) HessBl. 6, 1 0 1 ; H ö h n Tod 330; ZrwVk. 5, 21 254. ) M e y e r Baden 588; Schweizld. 4, 1 8 3 3 ; Wallis schriftl.; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 1 5 9 f . ; D r e c h s l e r 1, 293; H ö h n Tod 330; Volkskunde 13, 93; H o m e y e r D. Dreißigste 1 5 5 ; P o l l i n g e r Landshut 297 (der „Totenmann"); Zürich schriftl. („Lichegaumer"); vgl. B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 110. 22 ) MschlesVk. 8, Heft 15, 79 (Posen); vgl. W u t t k e Sächs. Volksk. 368. 23 ) Z. B .

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S c h m i t z Eifel 66; Bavaria 2, 322; ZrwVk. 5, 253. M ) H ö h n Tod 330; P r a e t o r i u s Philos. colus (1662) 2 1 9 ; ZrwVk. 5, 253; L e m k e Ostpreußen 1, 58; K n o o p Hinterpommern 166; Globus 69, 91 (Huzulen); vgl. S e e f r i e d G u l g o w s k i 222; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 109. 26 ) S t e b l e r Goms 104; ders. Am Lötschberg 103; schriftl. Mitt.; vgl. H ö h n Tod 332 (Wecken als Lohn). 26 ) B a r t s c h Mecklenburg 27 2, 94. ) S c h ö n w e r t h 1 , 206 f.

3. Als Grund der L. wird oft unbestimmt gesagt, man dürfe den Toten, solange er im Hause liege, nie allein lassen z8 ); die Wächter sehen von Zeit zu Zeit nach der Leiche 29 ). Deutlich, erkennt man etwa, daß es die Furcht vor dem Toten ist, warum man ihn bewacht 80 ). Das bezeugen die Sagen von den Toten, die sich plötzlich erheben und die Wächter bedrohen oder gar mit ihnen verschwinden s l ). Eine Leichenfrau, rühmte sich, sie habe eine Leiche, die sich aufrichtete niedergedrückt mit den Worten: „ E i was willst du unter den Lebendigen? Nieder mit dir! Du gehörst nicht mehr zu uns" 32 ). Eine andere Begründung ist die, daß man den Toten vor bösen Geistern beschützen müsse, diese sollen besonders durch das Weihwasser verscheucht werden 33 ). Der Teufel sucht die Leiche zu rauben 34 ). Nach nordfriesischer Sage entstand die L., weil man glaubte, die Zwerge würden nachts die Leiche stehlen 35 ). In Belgien und im alten Thessalien mußte man sie vor Hexen schützen36). Dieselbe Furcht vor Dämonen liegt wohl zugrunde, wenn man Tiere, besonders Katzen nicht bei einer Leiche lassen soll 37 ), wenn zwei Mädchen wachen müssen, um die Leiche vor Ratten und Mäusen zu schützen38), und wenn es heißt: falls sich eine Katze unter den Sarg setzt oder ein Huhn über ihn fliegt, während er vor dem Hause steht, somüsse der Tote „gehen" 3 9 ); nach slavischem Glauben verwandelt sich der Tote, über den ein Tier (oder Mensch) gesprungen ist, in einen Vampyr 40 ), s. Nachzehrer. Fraglich scheint mir, ob der Glaube hierhergehöre, daß eine lebendige Laus auf der Leiche einen baldigen Todesfall in der Familie anzeigt ö ).

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Leichenwache

» ) HessBI. 4, 10; B F . 2, 3 5 0 ; K e l l e r Grab d. Abergl. 3, 56. M ) M e y e r Baden 588 f.; H ö h n Tod 3 3 1 ; ZfVk. 6, 409. M ) HessBI. 4, 10; H ö h n a . a . O . ; vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 309; B F . 2, 3 5 1 ; Volksleven 12, 97. 3 1 ) G r a b e r Kärnten 170 Nr. 2 2 1 ; 1 8 1 Nr. 2 3 8 f . ; G a n d e r Niederlausilz 83; Walliser Sagen i 2 , 128 f., M ü l l e r XJrner Sagen 2, 1 7 7 ; B F . 2, 3 5 1 ; G e r i n g Islenzk Aevent. 2, 90 f.; F L . 9, 3 7 7 ; H ö h n Tod 3 2 5 ; M a u r e r Island. Volkssagen 60; P a n z e r Beitrag 2, 1 0 5 ; R e i s e r Allgäu 1, 4 1 2 ; vgl. W i l h e l m Chines. Märchen 201 f. M ) K r ü n i t z Encyclop. 73, 686. 3 3 ) H e y l TtVo/ 780 Nr. 9 2 ; H ö h n Tod 3 2 9 ; L e B r a z Ligende 1, 263. 265; Z f V k . 6, 204. M ) G e r i n g Islenzk Aevent. 2, 100 f.; R o s i n Död och begravning 4; L e B r a z Ligende 1, 283 f.; SchwVk. 19, 5 7 ; F l a c h s Rumänen 54; vgl. C r o o k e Northern India 2 3 2 ; F F C . 41, 123. 3S ) J e n s e n Nordfries. Inseln 338. 3 6 ) B F . 2, 3 5 1 ; MschlesVk. 13/14, 44 fi. 3 7 ) D u r m a y e r Reste 2 5 ; SchwVk. 17, 30; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1,247; Graubünden, Wallis mündl.; B r a n d Popul. Antiqu. 2, 232 ff.; B F . 2, 349; vgl. S c h e l l Berg. Sagen 23 Nr. 15. 33 ) K ü c k Lüneburg 2 6 1 ; H i r s c h Doodenritueel 46 Anm. 2. *•) H ö h n Tod 338. 1 0 ) ZföVk. 3, 8 5 ; ZfEthn. (Verh.) 28, 2 8 3 ; S t r a u ß Bulgar. Volksdichtung 100; ZfVk. 14, 26; ZföVk. 6, 62; A R w . 24, 289. " ) H ö h n Tod 326; W u t t k e 206.

4. Die Leute, die Wache halten, werden b e w i r t e t t 2 ) (vgl. Leichenmahl). Wie es scheint, wurde besonders früher viel getrunken a ) , so daß dagegen Verbote erlassen wurden **). Auch hier wie beim Leichenmahl glaubt man etwa den Toten anwesend **); in Ostpreußen trinken manche bei der Totenwache keinen Branntwein, weil sie glauben, der Geist stecke die Finger hinein, um zu schmecken 48). Als besondere Speisen werden Erbsen 47 ) und in Frankreich Honig 48 ) genannt; Rochholz berichtet, man glaube, alle zu dieser Zeit gekochte oder genossene Speise ergebe in einer Unze mehr Stärke als an andern Tagen 2 Pfund 48 ). Die Anwesenden beten meist für das Seelenheil des Verstorbenen M ); in Dürrenbühl knien die Betenden dabei auf den Boden und schauen gegen die Wand 61 ). Oder sie singen geistliche Lieder, Sterbeoder Totenlieder52). Nicht immer aber geht es so ernsthaft zu. Vor allem hat das reichlich gespendete Getränk oft üble Folgen, es entstehen eigentliche T r i n k g e l a g e sa ), und diese und der dadurch entstehende Unfug sind öfters als Grund erwähnt, warum die L. verboten

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worden sei 54 ). Häufig wird aber noch als Unterhaltung Rauchen und K a r t e n spiel erwähnt 55 ). Bei den Bulgaren in Ungarn soll durch Kartenspiel entschieden werden, ob die Seele erlöst sei; der Verlust beim Spiel zieht Schläge auf die Handfläche nach sich M ). Bei den Vlämen muß der beim Spiel Verlierende für den Toten fünf Vaterunser und fünf Ave Maria beten 57). Wo die Ledigen Wache halten, ist es begreiflich, daß von Schäkern und Liebeleien berichtet wird 58 ). Es werden lustige Geschichten erzählt 59 ), angeblich um die Trauernden aufzuheitern80), beliebt scheinen auch Schauergeschichten 8 1 ), manchmal auch Zoten 82 ). Aber bis in neuere Zeit sind bei der L. noch ausgelassenere Lustbarkeiten vorgekommen: Unbestimmt reden die Berichte oft von mutwilligem, ärgerlichem Wesen und unpassenden, tollen Spielen 4 S ); sogar bis zum T a n z steigert sich die Lustigkeit, besonders wenn junge Leute wachen 84 ). In Skandinavien wurde um den Sarg getanzt 85 ). Nach einer Zeitungsnotiz wird in Süditalien bei der L. (bei einem Kind) noch jetzt getanzt 88 ). In Westfalen sollen eigentümliche Totentänze Brauch gewesen sein: Ein durchs Los bestimmter Tänzer oder eine Tänzerin übernahm die Rolle der „Tanzleiche". Die Person stellte sich in die Mitte des Saales, die andern tanzten paarweise jubelnd und jauchzend um sie herum. Plötzlich verstummte alles. Die Person in der Mitte fiel um und stellte sich tot, damit die tanzende Gesellschaft einen auferweckenden Totengesang anhob. War der Tote ein Mann, dann gingen alle Frauen nacheinander zu ihm und küßten ihn. E r durfte sich dabei nicht bewegen. Bei einer Frau mußten die Männer sie küssen. Wenn alle den Kuß gegeben hatten, fiel die Musik in fröhlicher Weise ein. Der Tote stand auf, und die andern führten einen Rundtanz um ihn her aus. Gewöhnlich wurde der Tanz, mit einer andern Tanzleiche vom andern Geschlecht, wiederholt47). Ein ähnlicher Tanz soll auch in Ungarn und Schlesien vorgekommen sein 68 ). Von einem schwer-

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Leichenwache

mütigen Tanz wird im 18. Jh. aus Schottland berichtet89). Ebenda und in Irland kamen im letzten Jahrhundert noch Scheinkämpfe bei der L. vor 70 ). Was mit diesen Tänzen ursprünglich beabsichtigt war, wird schwer zu sagen sein 71 ). Jedenfalls aber wird man in diesen Nachrichten über Tanz, tolle Spiele, lustige oder obszöne Geschichten, die alle aus neuerer Zeit stammen, die letzten Ausläufer der alten Totenwachen erblicken dürfen, wie sie die Kirche im Mittelalter zu bekämpfen hatte: Bei Burchard von Worms heißt es: „est aliquis, qui supra mortuum nocturnis horis carmina diabolica cantaret, et biberet et manducarci ibi, quasi de eius morte gratularetur" ; und ferner: „laici qui excubias funeris observant, cum timore et tremore et reverentia hoc faciant. nullus ibi praesumat diabolica carmina cantare, non joca et saltationes tacere, quae pagani diabolo docente adinvenerunt" 7a). Und eine Stelle bei Regino redet von den „carmina diabolica, quae super mortuos nocturnis horis ignobile vulgus cantare solet et cachinnos. ," 73 ). Vielleicht sind die dadsisas (s. d.) des Indiculus mit diesen carmina diabolica identisch74). 4a ) S a r t o r i Speisung 7 f. (mit Lit.); ferner: Höhn Tod 3 3 1 ; M e y e r Baden 589; ZrwVk. 2, 89; 4, 275; BdböVk .12, 227 f.; MschlesVk. 8, Heft 15, 79; S e e f r i e d - G u l g o w s k i 222; B ü h l e r Davos 1, 376. 43 ) ZrwVk. 5, 253; M e y e r Baden 589; H ö r m a n n Volksleben 426; F i n d e r Vierlande 23. **) Alte kirchl. Verbote bei H o m e y e r D. Dreißigste i o i f . ; S a u p e Indiculus 6. 45 ) S a r t o r i Speisung 7 f . ; A R w . 17, 4 8 2 f . ; L e B r a z Ugende 1, 2 6 7 f . 18 ) Urquell 2, 80. 47 ) R o c h h o l z Glaube x, 195; 4S Schweizld. 3, 1014; S a r t o r i a. a. O. ) 49 L e B r a z Ugende 1, 268. ) Rochholz 60 Glaube 1, 195. ) Z . B . Rochholz a.a.O.; H o m e y e r D. Dreißigste 1 5 5 ; ZfVk. 6, 409. 5l ) M e y e r Baden 589. 62 ) L e m k e Ostpreußen 1, 58; W u t t k e Sachs. Volhsk. 3.68; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 1 . B3) ZrwVk. 4, 2 7 4 f . ; 5, 253; Höhn Tod 3 3 1 ; W i t t s t o c k Siebenbürgen 101; H ö r m a n n Volksleben 426; M e y e r Baden 589; Globus 59, 381. M ) ZrwVk. 5, 253 f.; T r o e l s - L u n d 14, 77; BayHfte. 6, 2 1 1 . 65 ) SAVk. xo, 96; 28, 234; Höhn Tod 3 3 1 ; BdböVk. 12, 227t. ; ZföVk. 6, 232. M ) Globus 90, 140; vgl. L e B r a z Légende 1, 278 f. 57 ) Volksleven 12, 97. 88) ZfVk. 8, 447; ZrwVk. 5, 254; ZfVk. 19, 274; M e y e r Baden

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588 f.; Höhn Tod 329 s . ; Troels-Lund 14, 78; vgl. M a l i n o w s k i The Argonauts of the 5 Western Pacific 53. ») HessBl. 6, 1 0 1 ; RTrp. Iii 589; B F . 2, 350f.; T r o e l s - L u n d 14, 79; S a r t o r i Erzählen als Zauber ZfVk. N. F. 2, 42 f. , 0 ) BdböVk. 13, i n . 61 ) M e y e r Baden 589; ZrwVk. 4, 2 7 4 f . ; Gaßner Mettersdorf 58; J o h n Westböhmen 170; ZrwVk. 10, 61. ea ) M e y e r Baden 589; B r a n d Popul. Antiqu. 2, 271. 63 ) P a e t o r i u s Philosophia colus (1662) 219; H e s e m a n n Ravensberg 89; Niedd.ZfVk. 4, 1 7 7 ; Globus 59, 381; J e n s e n Nordfries. Inseln 338; B F . 2, 350; M o n t a n u s Volksfeste 9 1 ; K u h n Westfalen 2, 48; MsächsVk. 7, 206f.; F i n d e r Vierlande 23 (Ballspiel); L e B r a z Légende 1, 265 f. 64) H ö h n Tod 3 3 1 ; K u h n Mark. Sagen 335; B i r l i n g e r Volksth. 2, 406; Argovia 17, 73 f. 129 (Legende ,6 d. 14. Jh.s). ) F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 0 f . ; T r o e l s - L u n d 14, 78. ® s ) Basler Nachr. 2. Nov. 1927. 67 ) F r i c k e Westfalen 9 f . "•) Ibid.; S c h w e b e l Tod und ewiges Leben M 199ff.; vgl. Engl. Stud. 60 (1925), 57. ) T r o e l s - L u n d 14, 73. 70 ) L e B r a z Légende 71 72 1, 265 f. ) SAVk. 26, 307. ) G r i m m Myth. 3, 405 f. 7S ) S a u p e Indiculus 6; vgl. H o m e y e r D. Dreißigste 101 ff.; S c h u l t z Höf. Leben 2, 469 Anm. 1. 74 ) S a u p e a . a . O . ; Arch. f. Anthrop. N. F. 5, 149 ff.

5. Gleich wie oft Tag und Nacht beim Toten gewacht und gebetet werden muß, so muß auch ununterbrochen bei ihm ein „ T o t e n l i c h t " brennen (s. Leiche Manchmal ist diese Vorschrift D 6). (wie die Wache) auf die Nacht eingeschränkt ; in neuerer Zeit wird, wo man die L. aufgegeben hat, nur noch ein Licht beim Toten gebrannt75), Totenlicht, „Armeseeleliechtli" 76). E s brennt nur in der ersten Nacht und wird in der zweiten ausgelöscht77). Das Totenlicht wird recht klein gemacht; es wird so aufgestellt, daß der Schein gegen das geöffnete Fenster möglichst verdeckt ist 78 ). E s darf am Morgen nicht ausgelöscht werden, sondern muß fortbrennen, bis es von selber erlischt 79), „sonst wird dem Entschlafenen das Lebenslicht ausgeblasen" 80). In Württemberg soll man das öl im Totenlicht nicht ausbrennen lassen, sonst muß der Tote zu lange leiden81). Erlischt das Licht zufällig, so glaubt man, der Tote sei ein „Schlimmer" gewesen82), oder es werde bald jemand aus der Familie sterben83). In einer Sage ruft ein Toter, den man in der dunklen Kammer liegen läßt: „Einem

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Leichemvagen—Leichenwaschung

Toten gehört ein Licht" M ). Ein Licht muß die ganze Nacht brennen, weil Geister umgehen; man glaubt den Teufel damit abhalten zu können 86 ). Denselben Zweck hat es wohl, wenn die Huzulen in der Nacht vor der Beerdigung vor dem Haus ein Feuer brennen M ). n) H ö h n Tod 329 ff.; B r ü c k n e r Reuß 194; B i r l i n g e r Volksth. 2, 403 f.; ZrwVk. 5, 249; S A V k . 7, 144; Thurgau, Bern, Aargau, Graubünden schriftl.; H e e r Altglarner. Heidentum 28; Urquell 1, 10; K ö h l e r Voigtland 252; HessBl. 6, 101; Volkskunde 13, 93; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 109. ™) St. Gallen schriftl. " ) L e m k e Ostpreußen 2, 279. ,8 ) H ö h n Tod 331. " ) M ü l h a u s e 77; K u h n Westfalen 2, 48 f. Nr. 133. M ) K o l b e Hessen 77. «) H ö h n a. a. O. 82) H ö h n a. a. O. 83) M ü l h a u s e 77. M ) B a a d e r N. Sagen 103 Nr. 136; vgl. M e y e r Germ. Myth. 70. 86) Elsäss. Mtsschr. 1 (1910), 36; L e B r a z Légende 1, 261; vgl. F F C . 41, 123. M ) Globus 69, 91. Geiger.

Leichenwagen s. L e i c h e n z u g B 6. Leichenwaschung. 1. Die L. ist auch bei Primitiven weit verbreitet und scheint ursprünglich den Zweck gehabt zu haben, den Leichnam von gefährlichen, todbringenden Kräften möglichst zu befreien, vielleicht auch dem Toten eine Wohltat zu erweisen 1 ). Wenn heutzutage noch überhaupt an einen bestimmten Grund gedacht wird, so faßt man es meißt als Dienst auf, den man dem Toten erweist, damit er im Jenseits sauber erscheine, oder es soll dem Toten Ruhe im Grab verschaffen 2 ). Durch die Berührung geht bei der Waschung die Zauberkraft auch auf Personen und Dinge über; darum wird die Arbeit oft durch besondere Leute (Frauen) ausgeführt, und die benutzten Gegenstände müssen mit Vorsicht behandelt werden. Manchmal sieht man bloßes Wasser als genügend an, manchmal werden aber schärfere Reinigungsmittel verwendet. Die L. war bei Griechen und Römern und in Deutschland im Mittelalter Brauch s ). Selten wird in neuerer Zeit berichtet, daß man die L. unterlasse 4) ; in einer Sage will der Jäger Hackelberg ungewaschen begraben werden 6 ). Nach katholischer Lehre soll die Leiche „propter reverentiam unctionis" (letzte Ölung) nicht gewaschen werden 6 ).

IÏI4

l ) S c h e r k e Primitive 19f.; Sartori ZfVk. 18, 353 ff.; A R w . 13, 20ff.; 17, 399; ZfVk. a 37, 81 f. ) ZrwVk. 5, 248; H ö h n Tod 3 1 7 ; vgl. F l a c h s Rumänen 45. 3 ) P a u l y - W i s s o w a 3, 348; R o h d e Psyche 1, 23; K o n d z i e l l a 4) Volksepos 31. Wallis und Graubünden schriftl.; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 160; 5) H ö h n Tod 317. K u h n und S c h w a r t z 237 Nr. 265; vgl. B o l t e - P o l i v k a 2, 433 f. 4 ) T h a l h o f e r Liturgik 2, 387; D u r a n d Rationale (1565) 453 b.

2. Das Waschen gehört wie das Kleiden oft zu den Nachbarpflichten 7 ); häufig besorgen es, wie schon bei den Griechen 8 ), besondere Frauen 9 ): alte, ledige oder verwitwete Weiber 10 ), die Leichenwäscherin 11 ), das Totenweib 12 ), die Seelnonne 13 ), die Dreißigstbeterin u ), Leichenhuhn (likhaun) 16 ); daß man so oft Frauen dazu wählt, muß mit den besonderen Gefahren der L. zusammenhängen, wogegen die Frauen als besser geschützt galten. Den Angehörigen ist es verboten, sich am Waschen zu beteiligen16), sie müssen sich auch während der Beschäftigung der Leichenwäscherin jeder Arbeit enthalten 17 ). Kinder, die die toten Eltern waschen, bekommen vorzeitig graue Haare 1 8 ). Vielleicht liegt auch eine Abwehr darin, daß die Nachbarn nach der Waschung zu essen erhalten 19 ). Denn daß die Waschenden gefährdet sind, unrein werden, zeigen die Maßregeln, denen sie bei andern Völkern unterworfen sind 20 ). Bei den Juden muß sich der Waschende hüten, der Leiche ins Gesicht zu sehen, weil dies das Gedächtnis schwäche 21 ), und die Waschung findet manchmal erst auf dem Friedhof statt 2 2 ). In Rußland bittet der Waschende den Toten um Entschuldigung 2 3 ). 7 ) ZrwVk. 4, 2 7 3 f . ; ZfVk. 19, 271; Volkskunde 13, 92; W r e d e Eifler Volksk. 126; G a ß n e r Mettersdorf 84; Luzern, Unterwaiden schriftl.; W r e d e Rhein. Volksk. 137. 8 ) R o h d e Psyche 1, 218. •) W i r t h Beiträge 2/3, 53; K ü c k Lüneburg 26; H ö r m a n n Volksleben 425; B r ü c k n e r Reuß 194; R o c h h o l z Glaube 1, 195; Bern, St. Gallen schriftl.; H ö h n Tod 317; A n d r e e Braunschweig 315; F e i l b e r g 10) Dansk Bondeliv 2, 105. Leoprechting Lechrain 249. « ) ZfVk. 18, 356. 12) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 243. l 3 ) L a m m e r t 104; vgl. BdböVk. 4, 60. 14) Unterwaiden schriftl. 15 ) A n d r e e 16 ) Braunschweig 315. Gaßner Mettersdorf 84; F l a c h s Rumänen 45; E R E . .

"15

Leichenwaschung

2 , 1 9 . 17 ) K ö h l e r Voigtland 2 5 1 . 19 ) ZrwVk. 2 0 / 1 , 4 3 . 18 ) ZrwVk. 5 , 2 4 9 ; Volksleven 8 , 1 7 . *») Z . B . E R E . 4 , 4 3 1 f.; ZfVk. 1 8 , 3 5 5 0 . ;

1116

Man befreit den Toten davon teils wohl aus Furcht, daß irgend eine feindliche Macht sich dieser Teile bemächtigen P e c h u e l - L o e s c h e Loango-Exped. I I I . 2 , 1 5 6 ; A b e g h i a n Armenien 2 1 ; vgl. FL. 1 6 , 7 0 . 7 3 ; könnte, teils um sie selber zu Zauber zu 1 5 , 8 9 . 4 5 2 . 21 ) S e l i g m a n n 1, 1 6 0 . 22 ) A n d r e e benutzen 34). Juden 1 6 6 ; H ö h n Tod 3 1 8 . 3 4 5 f. 23 ) B a r s o w Männer werden meist rasiert 35 ); ein Totenklagen 3 0 2 . Nachbar rasiert mit dem Messer des 3. Zur L. wird manchmal warmes Toten und darf es dann behalten3S). Wasser genommen 24); das Feuer, woran In Schweden wird das Abrasierte unten es gewärmt wurde, muß sofort aus- in den Sarg gelegt 37 ). Rochholz begelöscht werden 25). Schreuer will im richtet den Glauben: wenn man einer warmen Wasser eine Analogie zum Blut- Mannsleiche den Bart nicht schert, durst der Toten sehen 26). Mir scheint kommen nachts die Gespenster ins Haus dies fraglich, weil daneben andere Wasch- und rasieren sie38). Man darf Totenmittel vorkommen, die man doch eher haare nicht wegwerfen; denn wer sie als Abwehrmittel deuten muß: Das Wasser aufliest, stirbt. Man verbrennt sie oder wird mit Wein 27), Branntwein 2S) oder behält sie als Amulett 39 ). Besonders Essig 29 ) vermischt, oder durch eines den Frauen werden auch die Haare derselben ersetzt. Das Waschen mit frisiert ; wenn man eine Frau mit Wein soll zur Folge haben, daß sich die ungemachtem Haar in den Sarg legt, Gesichtszüge der Leiche nicht mehr so muß sie alsbald unter wehmütigen verändern (vgl. Leiche A. 4) 30 ). In Geberden wieder erscheinen 41). Dagegen Kärnten nimmt man Weihwasser 31 ). Ru- ist es verboten, dem Toten Haare abzumänen und Araber legen Kräuter, Salz scheren, weil er sonst nachher sie holt42). oder Kampfer ins Wasser32). Bei den Die Nägel, auch an den Füßen, Juden wird Kopf oder Brust des Toten müssen abgeschnitten werden 43 ); sie nach der Waschung mit Ei (mit Wein werden vergraben oder ins Feuer gevermischt) eingerieben ss ). worfen44) oder ins Grab mitgegeben45). M ) W i t t s t o c k Siebenbürgen roo; ARw. Man soll sie abschneiden, ohne daß es 1 7 , 4 8 0 ; Globus 8 0 , 1 5 5 (Baschkiren); Z e l e n i n jemand sieht und sie in die Tasche oder Russ. Volksk. 3 2 0 ; B u x t o r f Judenschul 6 0 7 ; M a r q u a r d t Privatleben 1, 3 4 6 f . ; ARw. 2 4 , die Stiefel stecken; das bringt Glück, 2 8 5 . 25 ) ZföVk. 6 , 6 2 . 2») ZfvglRechtswiss. wenn man zu Markte geht und handelt46). 3 4 , 1 9 7 . 2 ') ZföVk. 6 , 6 2 ; Wallis schriftl.; Vielleicht damit sie niemand zu Zauber 28 ARw. 2 4 , 2 8 5 . ) H ö h n Tod 3 1 7 ; R e i s e r 2 benütze, ist das Abschneiden in WürtAllgäu 2 , 2 9 2 ; vgl. FL. 8 , 1 3 3 . ») H ö h n a . a . O . ; P o l l i n g e r Landshut 2 9 7 ; Bavaria temberg verboten 47). Das Nägelschnei2 , 3 2 2 ; L e o p r e c h t i n g Lechrain 2 4 9 . * • ) den geschieht, „damit die Welt noch F o s s e l Volksmedizin 1 7 1 . 31 ) F r a n z i s c i nicht untergeht" 48), oder weil der Tote Kärnten 8 0 ; v g l . A b e g h i a n Armenien 2 1 . 32 sonst im Grab keine Ruhe findet49). In ) F l a c h s Rumänen 4 5 ; W e l l h a u s e n Reste 1 7 8 ; vgl. ZfVk. 1 8 , 3 5 4 ; ARw. 2 4 , 2 8 6 . » ) Siebenbürgen und Griechenland werden B u x t o r f Judenschul 6 0 7 ; Globus 9 1 , 3 6 0 ; die Nägelschnitzel im Haus aufbewahrt, ZföVk. 7 , 1 2 1 . damit das Glück im Hause bleibe50). 4. Zur Leichenpflege gehört manch- Im Altnordischen entstand aus dem mal auch das Schneiden von Haaren Glauben, daß abgeschnittene Nägel (von und Nägeln, was heutzutage wohl meist Lebenden und Toten) von feindlichen nur mit der Absicht geschieht, den Mächten zu Zauber benutzt werden Leichnam möglichst schön und sauber können, die Vorstellung vom Schiffe herzurichten. Es wird aber auch als Naglfar, das beim Weltuntergang erPflicht aufgefaßt, als Dienst, den man scheint 51) (vgl. abschneiden 7). "*) S c h e r k e Primitive 2 3 f. 35 ) G a ß n e r dem Toten schuldig ist, und aus der 8 4 ; W i r t h Beiträge 2 / 3 , 5 3 ; B F . Art, wie man mit dem Abgeschnittenen Mettersdorf 2 f 337; F l a c h s Rumänen 4 5 ; vgl. C a l a n d (als Leichenteil) verfährt, erkennt man, Altind. Toten- u. Bestatt.gebr. 1 4 . 3 S ) Z r w V k . daß in Haar und Nägeln ein Zauber liegt. 4 , 2 7 3 ; S t r a c k e r j a n 2 , 2 x 6 ; W i t t s t o c k

Leichenwasser

IIl8

3 7 ) R o s e n död och begravning 4. des Sargs zertreten 66 ). Man kann sie 38) Rochholz G/awfce 1, 183. 8») WienZfVk. aber auch aufbewahren und daraus, 34, 68; BF. 2, 337. 40) Schönwerth Oberpfalz 1, 244; ZföVk. 7, 227; Weinhold Altnord. oder nachdem man ihr den Boden ausLeben 475. ") Rochholz a. a. O. «*) Wirth geschlagen, dadurch säen, dann bleibt Beiträge 2/3, 53; H ö h n T o i 318; P e t e r Österr. die Saat vor Vögeln, Erdflöhen und Schlesien 2, 247; v g l . E R E . 4, 431 f. « ) W u t t k e andern Zerstörern bewahrt 67 ). Die Seife, 463 §733; Wrede Eifler Volksk. 126; Volksdie zur L. diente, kann man brauchen, k u n d e 13, 92; C a l a n d Altind. Toten- u. Bestatt.gebr. 14; ZfVk. 19, 271; Baumgarten Aus d. um Warzen damit zu bestreichen; darauf Heimat 3, 108. **) S c h ö n w e r t h Oberpfalz wirft mein die Seife unter dem Leichen1, 244; Thurgau schriftl. 45) Flachs Rumänen wagen durch, wenn er vom Sterbehaus 45. «•) Schulenburg 235. ") Höhn Tod 6S 318. «») Birlinger Volhsth. 2, 407. 48) ZrwVk. abfährt ) ; ähnlich heilt man damit Zahnschmerzen **). Wäscht die Braut 5, 248; vgl. ARw. 1 7 , 4871 50) ARw. 24, 286; Schuller Progr. v. Schäßb. 1863, 43. B1) mit einer solchen Seife das Hemd des W e i n h o l d Altnord. Leben 475; M a n n h a r d t Bräutigams, dann wird er ihren Willen Germ. Mythen 629 f . ; G e r m a n i a 26, 204 ff. ; tun 70). R o s 6 n Dödsrihe 98 g . ; v g l . F F C . 61, 1 9 f . ; Globus 59, 236. Über das W a s c h t u c h s. Leichenfetisch. 1, 270. 5. Alle G e g e n s t ä n d e , die zur Toten- 53 52) HessBl. 6, 100; Le Braz Légende ) ZföVk. 4, 268; Thurgau schriftl. M) Zelenin pflege dienen, erhalten Zauberkraft. Sie Russ. Volksk. 3 2 1 ; vgl. Barsow Totenklage müssen als gefährlich beseitigt werden, 299f.: Haare und Nägel ins Grab gelegt; der oder sie dienen als Leichenfetische (s.d.). Tote hat im Jenseits einen Glasberg zu erEncyclop. 74, 81 f.; Alles was zur Waschung verwendet wor- klimmen. 55) Krünitz vgl. BF. 2, 337. M) Fogel Pennsylvania 1 3 1 den, wird entweder dem Toten mitgegeben Nr. 598; 342 Nr. 1 8 2 7 ; vgl. 130 Nr. 597. I ? ) (s. Grabbeigabe) oder zum Fenster hinaus- Wirth Beiträge 2/3, 59; Fogel a.a.O. 130 Nr. 597. Graubünden schriftl. ; ZfVk. 20, geworfen 52) oder vergraben B3). Bei den Russen wird all dies, wenn der Haus- 396; Bartsch Mecklenburg 2, 9 1 ; Zelenin Russ. Volksk. 321; v g l . R o s é n död och bewirt gestorben, im Hofe vergraben, „damit gravning 4 ; B F . 2, 337. **) W u t t k e 462 § 732. M der Hausgeist nicht fortgehe" ). Das 90) Grohmann Aberglaube 188; Krünitz Rasiermesser würde nicht mehr schnei- Encyclop. 73, 7X2; D r e c h s l e r Schlesien 1, 295; 385; Fogel Pennsylvania 342 den und muß in den Sarg mitgegeben Tetzner Slawen Nr. 1827. 61) Hovorka-Kronfeld 2, 208. 66 werden ). Wenn man sich mit dem •2) HessBl. 24, 49; Bartsch Mecklenburg 1, 9 1 ; Rasiermesser eines Toten rasiert, be- ZrwVk. 4, 271; Kuhn u. Schwartz 435; kommt man einen weißen Bart; wenn K ü c k Lüneburg 262; F r a n z i s c i Kärnten 80; Tetzner Slawen 484. •*) Kolbe Hessen 81. man sich damit schneidet, heilts nicht86). M ) John Erzgebirge 125. «) ZfVk. 18, 359; Es wird aber auch benützt, um Ge- ARw. 17, 480. «•) HessBl. 24, 49. •') HessBl. schwüre aufzuschneiden oder Vieh zu 24, 50; Schulenburg 110. *") Lammert kastrieren, weil dann die Wunden schnell 1 8 7 ; vgl. Rosén död och begravning 4. ••) ,0 heilen 67 ). Der K a m m wird zerbrochen John Erzgebirge ÏXO. ) Schulenburg 243. 68 Geiger. oder weggeworfen ); denn wer sich mit einem Leichenkamm kämmt, muß Leichenwasser. sterben 69), oder es fallen ihm wenigstens 1. Das L. gehört auch zu den Stoffen, die Haare aus M ). Einem Kind, das den die durch die Berührung mit der Leiche Krampf hat, soll man den Kamm eines unrein, gefährlich geworden sind. Es Gestorbenen unter den Kopf legen, dann muß darum (wie Kamm, Tuch usw.) hört der Krampf auf 6 1 ). Die W a s c h - weggeschafft werden, sonst wird es zu schüssel wird weggeworfen oder zer- Zauber benutzt, oder man verwendet es schlagen 68 ), man dreht sie um und gerade zu diesem Zweck. Es wird an zerschlägt sie dann 6S ), sie wird zer- einen abgelegenen Ort im Hof oder im brochen und in den Sarg geworfen 64 ), Garten unter den Zaun geschüttet, an man wirft sie gegen ein Rad des Leichen- einen Ort, den niemand betritt 1 ), oder wagens, wenn er sich in Bewegung setzt 66 ), ins fließende Wasser gegossen 2 ), oder ein Träger muß sie beim Hinaustragen auf die Stelle, wo das Leichenstroh ver-

Siebenbürgen 100.

Leichenwasser

brannt worden 3 ), oder man gießt es unter die Dachtraufe, auf den Kirchhof, unter einen Strauch oder dicht an die Hausmauer *). Denn wenn jemand drüber schreitet, verursacht es Schwären, Blattern oder abzehrende Krankheiten 5 ), oder wer drüber geht, stirbt s ). Wenn aber Vögel etlichemal drüber geflogen sind, schadet es nichts mehr 7 ). In Hessen wird die Schüssel mit dem Wasser unter den Sarg gestellt, und wenn dieser weggetragen wird, zertritt sie ein Leichenträger in möglichst viele Stücke 8). In Ostdeutschland wird das Wasser ebenfalls bis zum Begräbnistag aufbewahrt, und dann, wenn die Leiche fortgefahren wird, hinter ihr hergegossen, oder ihr samt der Schüssel nachgeworfen, oder vor den Leichenwagen gestellt und überfahren, oder an ein Rad des Leichenwagens geworfen, daß die Schüssel zerschellt. Als Gründe werden angegeben: dann könne „der Tod" nicht ins Haus zurückkehren, damit werde „der Tod" erschlagen, wenn der Geist des Toten zurückkehren wolle, werde ein See vor dem Hause sein, und er könne nicht hinüber 9 ). Das Wasser wird auch vor der Haustüre ins Kreuz ausgegossen, damit der Tote Ruhe hat 10 ). In Ostpreußen heißt es, wenn man das Wasser vor dem Begräbnistag weggieße, so finde der Tote keine Ruhe 11 ). Der Brauch, der Leiche das Waschwasser n a c h z u g i e ß e n , kommt auch in Skandinavien vor. Es liegt wohl, wie Ros6n bemerkt, hierin eine Übertragung vor aus dem Brauch, der Leiche Wasser nachzuschütten (was aber anders begründet wird, s. Leichenzug), während im Wegschütten des Waschwassers eine Beseitigimg des gefährlichen Stoffes beabsichtigt ist 1 2 ). l ) G a ß n e r Mettersdorf 84; W i t t s t o c k Siebenbürgen 60; H o o p s Sassenart 116; ZfVk. 18, 359; Bavaria 3, 366; R o s i n död och be-

gravning

5; Z e l e n i n

Russ. 3

Vclksk.

321.

*)

J o h n Westböhmen 171. ) S c h u l e n b u r g 110. ) D r e c h s l e r Schlesien i , 295; vgl. F L . 15, 88; S o o d e r Rohrbach 13; P e u c k e r t Schlesien 230 f. s ) D r e c h s l e r a. a. O.; T e t z n e r Slawen 375; P a n z e r Beitrag 2, 305. •) M ü l l e r Isergebirge 25; ZfVk. 18, 359; Urquell4, 281; W i r t h Beiträge 2/3, 58. ' ) S c h u l e n b u r g 110. 8) H e s s B l . 6, 101. 9 ) ZfVk. 20, 394 fr.; X o e p p e n 4

Masuren

I I 20 108; L e m k e

Ostpreußen

1, 56.

10 )

T e t t a u u. T e m m e 286; v g l . FL. 9, 217; 15, 206. " ) L e m k e a . a . O . ; vgl. ZfVk. 18, 359. >*) R o s é n Dödsrike 169ff.; vgl. E i t r e m Opferritus

119 f.

2. Wegen seiner Eigenschaften wird das L. zu allerlei Z a u b e r benützt 1 S ). Schaden will man wohl, wenn man es dem Nachbar in den Grenzfrieden schüttet 14 ). Gießt man es unter die Tür eines Hauses oder Stalles, so vertrocknet der Mensch, der zuerst über die Schwelle geht, und stirbt binnen einem Jahr, und das Vieh magert ab und ' stirbt 1 S ). Mischt man es mit Samen, dann bleibt die Saat vor Vogelfraß und Unkraut bewahrt 1S ). Streicht man sich mit L. (oder einer Träne vom Auge des Toten) über seine Augen, so erwirbt man die Gabe, den Tod vorauszusehen (Schweden) " ) . In der Opferpfalz legt man der Leiche ein in ihr Waschwasser getauchtes Leinen aufs Gesicht, damit sie nicht von Katzen angefressen werde 18 ). L. dient auch als Heilmittel 1 ®); man vertreibt damit Warzen und Flechten M ) ; Wasser oder Wein, womit man eine Leiche gewaschen hat, soll gegen Epilepsie getrunken werden 21 ). Einem Trinker soll man L. oder Schnaps, womit man ein totes Kind gewaschen hat, geben 22 ). Wenn man einem Jungen mit L. das Gesicht wäscht, bekommt er keinen Bart; einem Mädchen kann man die Haare, die ihm auf der Stirn wachsen, damit ausgehen machen 23 ). Eine ähnliche Übertragung der Heilkraft liegt vor, wenn die Angelsachsen das Wasser, womit die Gebeine des frommen Königs Oswald gewaschen wurden, ins Sacrarium eines Klosters ausgössen und dann den Staub daraus brauchten, um böse Geister auszutreiben M ). I3 ) W e h r e n Laupen 147; J o h n 171; S e y f a r t h Sachsen 291 f . ;

Westböhmen Drechsler

Schlesien

Siebenbürgen

1, 295.

u

) Wittstock

60. I 5 ) W i r t h Beiträge 2/3, 58; D r e c h s l e r ie) Schlesien 2, 107; S c h u l e n b u r g 237. H e s s B l . 24, 50. 17 ) R o s é n död och begravning 1. » ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 247. 18 ) ZfVk. J 3 . 389; R o s é n död och begravning 4 f . ; B l a c k Folk-Medicine 99. 20 ) MsächsVk. 6, 301 ; ZrwVk. 5. 97- " ) L a m m e r t 272; F o s s e l Volksmedizin 91; Mélusine 4, 13 (Schottland). " ) H ö h n Tod 317f.; F o s s e l Volksmedizin 171; S e y -

II2I

f a r t h Sachsen 2 9 1 ; Z f V k . 6, 408; H o v o r k a 2S) K r o n f e l d 1, 3 5 1 . S c h u l e n b u r g 234. M) B e d a Ais*. cccfos. I I I . c . 1 1 ; v g l . Z f V k . 18, 360. Geiger.

Leichenweg. Bis in neuere Zeit gilt vielfach die Vorschrift, daß man die Leiche auf einem bestimmten Weg (L. 1 ), Totenweg 2 ), Notweg 8 ), Kirchweg 4 ), Hellweg 5 )) zu Grabe bringen muß. Es ist der althergebrachte Weg, Hauptweg, oft auch ein besonderer nur zu diesem Zweck benutzter, von dem man nicht abweichen soll, auch wenn es kürzere Straßen gibt ®). Er darf nicht gesperrt oder verbaut werden 7 ); noch 1911 soll dies einem Bauern gerichtlich verboten worden sein 8 ). Eine Frau, die einen Totenweg abschaffte, mußte nach ihrem Tode „gehen" 9 ). Benutzt man nicht den L., so tritt in der Familie bald wieder ein Todesfall ein 10 ). Der Leichenzug soll nicht über Feld und Wiesen gehen, sonst glaubt man, Feld und Wiese kämen dem bisherigen Besitzer abhanden zugunsten der Erben des Verstorbenen u ) . In Oldenburg sieht man es gern, daß der Zug an möglichst vielen Ländereien des Verstorbenen vorbeikommt 18 ). Bei den Esten und anderswo darf man keine Leiche über einen Acker führen, weil sie den Erntesegen mitnehme 13 ). Wenn der Zug einen Kreuzweg überschreitet, so befällt die Krankheit, an der der Tote verstorben, ein Glied der Hinterbliebenen 14 ). In England, Irland und der Bretagne wählt man einen Umweg oder auch einen Weg, der durchs Wasser führt 1 S ); zweifellos sucht man damit die Rückkehr des Toten zu erschweren. Wenn es aber z. B. in Hessen heißt, man nehme nicht den kürzesten Weg, sondern den Kirchweg des Verstorbenen16), so ist wohl damit nicht ein absichtlicher Umweg, sondern der altgewohnte Weg (wie oben) gemeint. Als Grund, warum man den L. nehmen müsse, wird gesagt: es müsse derselbe Weg sein, auf dem der Verstorbene zur Kirche gegangen sei 1 7 ), die Seele finde beim Zurückkommen den Weg leichter 18 ). In Olpe wurde 1383 bestimmt, der L. müsse so angelegt werden, daß der Lehensherr auf dem B ä c b t o l d - S t ä u h l i , Aberglaube V

1122

Leichenweg

Schlosse nie durch den Anblick eines Leichenzugs gestört werde 19 ). Den ursprünglichen Grund wird man eher finden, wenn man beachtet, daß der L. oft auch für Hochzeiten und Taufen vorgeschrieben ist 20 ), oder wie es in alten schweizerischen Offnungen heißt, ein Weg für „Brut und Bahr" 21 ). Damit kommen wir auf die Erklärung, die Rosén auch für die Leichenpforte (s. Leichenzug B 1) gefunden hat : ein Weg für Personen, die tabu sind 22). Der L. übernimmt von den Toten zauberhafte Eigenschaften: es spuken Gespenster darauf 28 ). Man geht zur Trauung nicht auf diesem Weg, sonst folgt bald ein Todesfall in der E h e M ) . Schon beim Weg zum Trauerhaus dürfen Kirchendiener usw. nur diese Wege benützen 2S). Kräuter, die am Totenweg wachsen, dienen zu Heilzauber*). Läuft eine Maus über eine Straße, da schon ein Leichenzug gefahren ist, so stirbt sie am andern Ende der Straße 27 ). Über die Rückkehr des Leichengefolges auf dem L. siehe Leichenzug. *) Z r w V k . 4, 2 7 9 ; 5, 264; U r q u e l l 3, 300; V o l k s k u n d e 13, 9 8 ; F L . 39, 2 8 4 f . ; N o t e s a n d Queries 1 2 , I V (1918), 260. *) L a c h m a n n Überlingen 122; B a v a r i a 1, 412; D r e c h s l e r Schlesien x, 303; H ö h n Tod 3 4 1 ; U r q u e l l 1 , 3 1 . 3) S a r t o r i Westfalen 1 0 5 ; Z r w V k . 5, 264. 4 ) Z f V k . 19, 276. 5) G r i m m Myth. 2, 669; v g l . A r g o v i a 5, 241 ( H e i d e n w e g ) . *) Z r w V k . 4, 2 7 9 ; S a r t o r i Westfalen 1 0 5 ; H o o p s Sassenart 1 1 9 ; F r a n z i s c i Kärnten 80; M e y e r Baden 5 9 3 ; U r q u e l l 1, 3 1 ; Z r w V k . 5, 264; 2, 1 9 7 ; S t ö b e r Elsaß 1 8 ; E i s e l Voigtland 376f.; U n t e r w a i d e n u . G r a u b ü n d e n schriftl. ; H e s e ln a n n Ravensberg 9 1 ; J e n s e n Nordfries. Inseln 343; H e i m a t g a u e 3, 3 3 f . ; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 9 . ' ) Z r w V k . 5, 264; v g l . L e B r a z Légende 1, 1 4 9 f . ; H ö h n Tod 3 4 1 . 8 ) H e i m a t g a u e 3, 33. *) H ö h n Tod 3 4 1 . 1 0 ) Z r w V k . 4, 2 7 9 ; Z i n g e r l e Tirol 50. u ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 0 ; v g l . H ö r m a n n Volksia) 13) leben 4 2 8 f . S t r a c k e r j a n 2, 218. G r i m m Myth. 3, 489 = S a r t o r i Speisung 5 6 ; e b e n s o i n S c h w e d e n : R o s é n död och be14) gravning 10; U r q u e l l 1, 123 ( U n g a r n ) . 15) L e J o h n Erzgebirge 127. Braz Légende 1 , 1 4 8 ! , v g l . 2 9 5 ; Journ. A n t h r . I n s t i t . 15, 7 2 ; E R E . 4, 4 2 7 ; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 3 3 ; W a r n e c k Rel. d. Batak 20; v g l . F L . 14, 3 7 6 s . ; 16) 15, 1 2 3 ; R o s é n Dödsrike 1 7 4 f. HessBl. 6, 106. 1 7 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 4 . « ) H e s s B l . 6, 106; W u t t k e 466 § 738; U r q u e l l 1, 189. »•) Z r w V k . 5, 265. 20 ) G r a b e r Kärnten 90; J e n s e n Nordfries. Inseln 343; Z r w V k . 36

Leichenzahn.—Leichenzug

1123

4, 112; M e y e r D. Volksk. 67. 21) Schweizld. 4, 1431t.; 5, 995. 22) R o s é n Dödsrike 197ff.; vgl. L é v y - B r u h l Fonctions 36 (mystischer Charakter der Wege); ARw. 17, 409 Anm. 2. 23) Z . B . E i s e l Voigtland 61 f.; L a c h m a n n Überlingen

122

Nr. 73;

Schönwerth

Ober-

pfalz 2, 100; Argovia 5, 241; G r a b e r Kärnten 90 Nr. 110; Urquell 1, 189; M e i c h e Sagen 24) 254; P o l l i n g e r Landshut 196. Pfister Hessen 26)

169.

25 )

Mélusine 2, 549.

Caminada 27)

Friedhöfe

Bern mündl.

138.

Geiger.

Leichenzahn s. T o t e n z a h n . Leichenzehe s. L e i c h e B 3. 4. Leichenzug. A. L e i c h e n v e r a b s c h i e d u n g : 1. Abschied nehmen. 2. Sarg heben, a) Bank stürzen u. a. Abwehr, b) Wasser nachgießen, c) Samen streuen, d) Tür schließen, e) Haus wischen. B. L e i c h e n t r a n s p o r t : 1. Nicht durch die Türe. 2. Füße (Kopf) voraus. 3. Tragen. 4. Träger. 5. Andere Arten von Transport. 6. Wagen und Pferde. 7. Schwere Leiche. C. L e i c h e n z u g : 1. Teilnehmer, a) Reihenfolge. b) Klageweiber, c) Auf dem Sarg sitzen, d) Bräuche bei Ledigen. 2. Tracht. 3. a) Lichter, b) Lieder, c) Kreuz, d) Verschiedene Abwehrbräuche. 4. Halte. 5. Begegnung. 6. Umsehen. 7. Ordnung, Vorzeichen, Angang. 8. Heilzauber. 9. Rückkehr. 10. Gespenstische Leichenzüge. 11. Toter sieht zu.

A. L e i c h e n v e r a b s c h i e d u n g . 1. Bevor sich die Hinterbliebenen vom Toten trennen, findet eine, manchmal formell feierliche V e r a b s c h i e d u n g statt, teils im Haus, teils erst am Grabe. Ehe der Sarg geschlossen wird, treten die Verwandten der Reihe nach zum Toten, küssen ihn 1 ), geben ihm die Hand 2 ), sprechen „Auf Wiedersehen", „Ruhe sanft" oder etwas ähnliches 3) und bitten ihn auch etwa um Verzeihung 4 ). Die jüngsten Verwandten fangen mit dem Abschiednehmen an 6 ). Manchmal hält der Tischler oder eine andere Person eine Abschiedsrede an den Toten 6 ), oder der Vorbeter hält eine Abschiedsrede im Namen des Toten, der Tote „nimmt Urlaub" 7 ). In Skandinavien kam vor, daß man dem Toten ins Ohr flüsterte, er solle nicht zurückkommen. Rosén glaubt, dies sei auch der Sinn der Worte, die Odhin dem toten Balder ins Ohr flüstert8). Dies Abschiednehmen beschränkt sich oft auf eine bloße Totenschau, wobei die Trauergäste eingeladen

II24

werden (im Haus oder erst am Grab), den Toten im offenen Sarg oder durchs Fensterchen nochmals anzusehen 9 ), damit sie sich überzeugen können, daß der Verstorbene auch wirklich tot sei 10 ). Dieses Abschiednehmen findet auch etwa erst am Grabe statt, indem man den Sarg nochmals öffnet, den Toten zurecht legt, oder nur an den Sarg klopft und dem Toten „Gute Nacht" zuruft 1 1 ). Die Notwendigkeit des Abschieds und der Widerwille der Angehörigen dagegen soll wohl betont werden, wenn die Träger oder andere vor dem Aufbruch formell durch eine Rede die Leiche „abverlangen" 12 ). l ) T e t z n e r Slawen 242; F l a c h s Rumänen 55 f.; B u l g a k o w s k i j Pincuki 33; vgl. ARw. 24, 307; L e B r a z Légende i, 297; FFC. 61, 19. 2) B r ü c k n e r Reuß 194; R o c h h o l z Glaube 1, 196; M e y e r Baden 591; ZrwVk. 4, 276. 283; John Westböhmen 171 f.; K ü c k Lüneburg 262; W i t t s t o c k Siebenbürgen 102; Heimat (Kiel) 34, 77; S a r t o r i Westfalen 104; T r o e l s - L u n d s) 14, 124. K ö h l e r Voigtland 253; J o h n Erzgebirge 125; W i r t h Beiträge 2/3, 59; T r o e l s L u n d 14, 122; P e u c k e r t Schlesien 232. 4) G a ß n e r Mettersdorf 91; H ö h n Tod 347. 6) 6) K ö h l e r Voigtland 253. Heimatgaue 3, 151; T e t z n e r Slawen 160. ') J o h n Westböhmen 172 f. (mit Texten) = DHmt. 4, 3; T r o e l s - L u n d 14, 162; T o e p p e n Masuren 103 f.; R e h m Volksfeste 116. 8) R o s é n Dödsrike 127; vgl. M e y e r Germ. Myth. 70. •) H o o p s Sassenart 119; H ö h n Tod 337f.; ZfVk. 6, 181; Schramek Böhmerwald 229; Graubünden, Thurgau schriftl.; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 10) 3, 112; K u h n Westfalen 2, 49. Höhn Tod 338. n ) H ö h n Tod 346; T o e p p e n Masuren 104; J o h n Erzgebirge 128; M e y e r Baden 594; T e t z n e r Slawen 160; S i t t l Gebärden 72; HessBl. 12, 139; D i e n e r Hunsrück 185. 12) W i t t s t o c k Siebenbürgen 102; Graubünden schriftl.; vgl. Volksleven 12, 97; H ö h n Tod 337.

2. Wenn der S a r g g e h o b e n wird, beginnt das Hinausschaffen des Toten und somit die Gefahr, daß er dies übelnehme oder versuche, etwas von seinem Eigentum mitzunehmen. Drum ist dies der richtige Augenblick, wenn in Westböhmen der Erbe vor dem Schließen des Sargs dem Toten 2 Kreuzer gibt und spricht: „da hast du das Deine, laß mir das Meine" 13 ) (s. Grabbeigabe, A. 9). Man fürchtet auch, wie beim Todeseintritte (s.Tod), daß er seine Habe nachziehe und trifft drum dieselben Vor-

1125

Leichenzug

kehrungen: Während die Leiche hinausgetragen wird, darf niemand im Hause schlafen 1 4 ); das Vieh im Stall wird aufgetrieben 1 S ), die Bienenkörbe werden gerückt 1 6 ), Bier, Essig, Samengetreide werden gerüttelt 1 7 ), Möbel gerückt l 8 ), man zeigt den Tieren und Obstbäumen den Todesfall an 1 9 ), man tut drei Züge an der Hausplumpe 20). Sonst sterben Tiere und Dinge a b 2 1 ) . Das Vieh wird gefüttert, damit es „im Stande" bleibt 22 ). Das Vieh soll aufstehen oder hinausgehen, um Abschied zu nehmen 23 ), um dem Toten die letzte Ehre zu erweisen 24 ); es soll sich bewegen, damit die Seele des Toten sich nirgends aufhalten könne 25 ). Bei den Slowinzen bekreuzt man das Vieh und die Bienen, daß sie dem Toten nicht nachfolgen 26). Auch die Kirche unterstreicht diesen wichtigen Augenblick: die Leiche wird „ausgesegnet" 2 7 ) oder auch „hinausgebetet" 2 8 ); dann kann der Tote nicht mehr heimkommen M ). Man zögert mit dem Fortschaffen: der Sarg wird zuerst auf den Hausflur neben den Herd gestellt, oder er wird vor dem Hause nochmals aufgestellt, und man betet 3 0 ). In Skandinavien trug man ihn dreimal um den Herd 3 1 ). Der Sarg wird dreimal gehoben, bevor er auf die Bahre gebracht wird, damit der Tote seine Ruhe bewahre 32 ). Als die Leiche Ludwigs X I V . nach St. Denis geführt werden sollte, rückte der Kardinal v. Rohan zuerst den Sarg, bevor ihn die Garden auf den Wagen trugen 3 3 ); man macht dreimal Halt, unter der Stubentür, im Vorhaus und unter der Haustür 3 4 ). Der Tote durfte nicht zu hoch gehoben werden: observant, dum extra domum asportatur funus, ut non altius quam ad genua elevetur, et hoc faciunt pro quadam sanitate 3 5 ). D e r S a r g wird d r e i m a l auf der Stuben- oder Haustürschwelle oder auf jeder S c h w e l l e n i e d e r g e s e t z t und man betet dazu 3 6 ); die Füße müssen voraus 3 7 ). Man will den Toten noch ein wenig ausruhen lassen 38), es sind seine letzten Tritte, mit denen er Abschied nimmt 3 9 ), man will damit die Rückkehr verhindern Oft wird der

1126

Sarg über der Schwelle nur dreimal in Kreuzform gehoben und gesenkt 4 1 ), mit den Worten „ I m Namen Gottes ging ich in dies Haus, im Namen Gottes gehe ich wieder aus" 42 ); dann wird man um den Verstorbenen nicht viel trauern 4 3 ); es soll ein Abschiednehmen des Toten von seinem Eigentum sein, damit er nicht mehr komme 4 4 ). Lüers deutet den Brauch als Heben über die Schwelle (Geistersitz), damit der Tote die Schwelle nicht berühre und haften bleibe 4S ). Dazu stimmt vielleicht das thüringische Verbot, mit dem Fußende des Sargs nicht an der Schwelle anzustoßen, weil sonst alle Hausbewohner bald sterben würden 49 ). Alle andern Berichte reden aber im Gegenteil von einem Niedersetzen (oder Heben und S e n k e n ) , daher wird Samter eher im Recht sein, wenn er dahinter ein Bannen an diesen Geistersitz sucht 47 ). a) Sobald der Sarg aus dem Hause ist, werden S c h e m e l , S t ü h l e , B a n k , G e s t e l l , worauf der Sarg (oder Sargdeckel) gestanden hat, u m g e w o r f e n oder umgelegt 48 ), stillschweigend rücklings, sachte 49) oder mit Gepolter ®°); sie fallen unheimlicherweise sogar von selbst um S1 ). Auch die Leuchter werden umgeworfen 52 ), und das Glas mit Weihwasser, das neben dem Sarg stand, wird zerbrochen 53 ). Dies geschieht, weil sonst bald wieder jemand stirbt 5 4 ), damit man den Toten eher vergißt 6 S ), sonst hat der Tote keine Ruhe 5 6 ), damit der Tote nicht zurückkehre 57 ), damit der Tote keinen Sitz mehr im Hause habe 6 8 ). Auch der Stuhl, worauf der Tote gern gesessen, wird umgestürzt, damit der Tod nicht darauf sitzen bleibe B9 ); auch setzt sich der Hausherr oder, wenn er gestorben, sein Erbe auf den Stuhl, worauf der Sarg gestanden, und legt ihn dann um, damit das Glück im Hause bleibe 60 ). Zweifellos ist der Sinn des Brauches ein Ausweisen des Toten aus seinem Besitz 8 1 ). Anders aufzufassen ist es, wenn das Gestell, worauf der Sarg lag, 3 Wochen im Freien stehen muß 62) oder zerschlagen oder mit ins Grab gegeben wird 6 3 ); dies ist wohl ein Wegschaffen des unrein gewordenen Gegenstandes. 36*

1127

Leichenzug

Burchard v. Worms berichtet: „quando efferebatur funus a domo, plaustrum in duo dividisti et funus per mediam divisionem plaustri asportare fecisti. Im Fläming wurde 1598, um die Pest zu bekämpfen, eine Leiche durch die getrennten Teile eines Wagens getragen M ). Man darf wohl annehmen, daß nachher der Wagen wieder zusammengesetzt wurde; liegt dann vielleicht der Zweck in einem Verschließen des Rückwegs? Als weitere Abwehrbräuche werden erwähnt: wenn die Leiche hinausgetragen wird, legt man auf die Türschwelle oder auf den Torweg eine Axt und ein Schloß; ebenso legt man auf die Grenze des Besitzes gegen die Straße zwei Äxte übers Kreuz. Darüber muß die Leiche getragen werden 65). Die Esten pflegen nach und nach so viel Nägel in die Türschwelle zu schlagen, als Leute in dem Haus gestorben sind 66). In der Oberpfalz geht die Seelnonne im ganzen Haus herum und k l o p f t dreimal an jede Tür, damit der Tote nicht wiederkehre. Ebenso bei Karlsbad und in Schlesien 67). Die Uhr wird solange angehalten oder gerückt, bis der Sarg aus dem Hause getragen ist 68 ). Das Feuer wird ausgelöscht und erst nach dem Begräbnis vom Anerben wieder angezündet69). Die Lichter, die beim Toten standen, werden ausgelöscht oder umgeworfen; man darf ihm damit nicht hinauszünden 70). Bevor man die Leiche hinausträgt, werden alle Hausinsassen mit Kranewittrauch beräuchert; wer dabei fehlt, stirbt bald 71 ). In Dänemark wird ein altes Spinnrad über das Tor gehängt; der Tote kann nicht ins Haus, bevor er so viel Male darum gegangen ist, als es sich schon gedreht hat 72 ). b) Auch als Abwehr aufgefaßt wird das Nachgießen von Wasser. Burchard v. Worms erwähnt es schon: „ . . . dum cadaver . . . in domo jacet, currunt [stultae mulieres] ad aquam et adducunt tacite vas cum aqua, et cum sublevatur corpus mortui, eandem aquam fundunt subtus feretrum" 73). Ebenso kennt es Vintler 74 ), und noch in neuerer Zeit wird dem Toten ein Eimer Wasser nachgegossen 7S), man leert es auf oder vor

1128

die Türschwelle oder stellt es davor, damit der Tote nicht zurückkommen könne76). In Thüringen wird heißes Wasser nachgegossen, und aus der Richtung des Dampfs schließt man auf den nächsten Todesfall77). Manchmal wird auch Weihwasser nachgeschüttet78), oder man wirft das Weihwasserglas rückwärts über den Kopf: wenn es zerbricht, gibt es im Haus ein ganzes Jahr lang keinen Todesfall mehr 79). In Württemberg wird nur einem bösen Menschen (Hexe, Selbstmörder) Wasser nachgegossen M). Bei den Wenden warf man dem Toten seinen Warmbiertopf nach 81), bei den Juden einen irdenen Topf 82 ), in Mecklenburg auch Feuer83), in Skandinavien einen alten Schuh84). Dieses Nachwerfen von Wasser wird meist als Abwehr, Hindernis für die Seele, erklärt u ), und es wird in den Totenbräuchen auch sicherlich seit alter Zeit so empfunden. Rosen stellt den Brauch mit ähnlichen (bei Hochzeiten usw.) zusammen und sucht als gemeinsamen ursprünglichen Sinn nicht Abwehr, sondern den Zweck, dem Toten die (im Wasser enthaltene) Lebenskraft zu verleihen 8S). Auch in Griechenland erklärt das Volk das ausgegossene Wasser noch als Erfrischung oder Erleichterung der Seele 87). c) In Norddeutschland und Skandinavien ist es Brauch, wenn der Sarg aus dem Hause ist, Samen, am besten Leinsaat vor die Türe oder ums Haus zu streuen; das kann der Tote nicht überschreiten; man glaubt, er müsse die Körner zählen, bevor er zum Hause könne 88). In Rußland wird hinter dem L.e her und auf den Sarg Roggen und Gerste geworfen, „damit im Hause kein Todesfall mehr geschehe" 89). In Indien wird, wenn eine Wöchnerin verstorben, der Weg bis zum Begräbnisplatz mit Senf besät, damit der Geist der Toten, wenn er zurückkehren will, die Körner auflesen muß und sich versäume ®°). In Sagen wird das Körnerauflesen auch als Abwehr gegen den Teufel gebraucht 91 ). Den ursprünglichen Grund des Samenstreuens (bei Begräbnis und Hochzeit) sieht man in der Absicht, dem Toten die im Samen enthaltene Lebenskraft zu-

II2Q

Leichenzug

kommen zu lassen, ihn dadurch also Württemberg besorgen ledige Mädchen das Kehren der Räume, durch die die abzuhalten» 2 ). d) Weit verbreitet ist der Brauch, so- Leiche getragen wurde 109 ). In Mecklenbald die Leiche hinausgetragen ist, die burg wird vom Sarg bis zur Haustüre T ü r oder das Hoftor zu s c h l i e ß e n , A s c h e gestreut, weil am Verbrannten sonst folgt bald jemand 93 ), oder man nichts Lebendes mehr ist 1 1 0 ). In Schleverhütet damit die Rückkehr des Toten 94 ). sien stellt man unter den Sarg ein Gefäß Die Tür muß mit lautem Krach zuge- mit Wasser ( = „Leichenwasser", das schlagen werden, Türen und Fenster Heilkraft besitzt), damit wird beim Hinwerden verschlossen 98 ); nur ein Grab- austragen Stube, Flur und die Stelle, wo gänger darf die Tür wieder öffnen 9e ), der Sarg gestanden hat, dreimal beAuch anderswo wird die oder die Tür wird zugemacht, aber nicht sprengt U 1 ) . geschlossen, „sonst würde man den Tod Stelle, wo der Tote lag, mit Wasser bemit einschließen" 97). Auch die Tore der sprengt oder mit Sand bestreut und dreiAn dieser Stelle Nachbarschaft müssen geschlossen sein, mal bekreuzigt 112 ). sonst stirbt bald einer der Hausinsassen98). haftet ein Zauber: Stirbt ein Eheweib, Man muß auf alle geschlossenen Türen drei und eine ledige Person sitzt zufällig auf Kreuze machen 99 ); man schreibt drei dem Platz, wo die Bahre gestanden, so Kreuze auf die Haustürschwelle oder legt heiratet sie den Witwer 1 1 3 ). Das Zimmer, einen Groschen drauf, der, wenn er liegen wo die Leiche stand, darf aber auch nicht bleibt, die Rückkehr verhindert, nicht, eher ausgefegt werden, als bis sie begraben ist, sonst kann der Geist nicht zu wenn er weggenommen wird 100 ). Bei den Masuren hingegen müssen seinen Angehörigen zurückkehren 114 ). Der Türen und Fenster eine Zeitlang offen Brauch, das Sterbehaus, besonders die bleiben, damit die Seele, der der Ab- Stelle, wo die Leiche stand, zu reinigen, schied oft schwer wird, den Ort verlassen ist weit verbreitet 1 1 S ); einigen dieser kann, oder um anzuzeigen, daß auch Bräuche liegt wohl auch die Vorstellung nach des Hausherrn Tode alles unange- eines Opfers zugrunde 114 ). Heutzutage rührt bleibt 101 ). In Niederhessen werden, wird das Haus auch, angeblich um den wenn der Trauerzug den Hof verläßt, Totengeruch zu vertreiben, geschwefelt die vier Zipfel des Tischtuchs in der oder ausgeräuchert, bei Katholiken mit Wohnstube schnell emporgehoben und geweihten Palmen 117 ). auf den Tisch gelegt, um eindringende Wenn der L. fortgeht, muß jemand Krankheiten abzuwehren 102 ). (eine Frau, ein Mädchen, einer als „Hause) Während eine Reinigung des Hauses, wirt") zurückbleiben, weil sonst der Tod solange die Leiche drin liegt, manchmal im Hause bleibe 1 1 8 ), oder weil nach verboten ist, wird, sobald der Sarg bretonischem Glauben der Tote bis am hinausgetragen worden, sofort hinter ihm Abend zu Hause bleibt 1 1 9 ). M ) John Westböhmen 174. 14) ZrwVk. 2, 197. drein rückwärts gehend 103 ) der Flur g e w i s c h t 1 0 4 ) , oder die Stuben und das u ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 302 f.; Bavaria 2> 323; John Westböhmen 174; K ö h l e r Voigtganze Haus werden gefegt 1 0 3 ). Das soll land 254; ZfVk. 13, 390; P a n z e r Beitrag 2, weitere Todesfälle verhindern, oder den 303; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 113. Toten abhalten 10S ). Alle Abfälle von l>) S t r a c k e r j a n 1, 67; T o e p p e n Masuren Kränzen werden mit dem Rutenbesen der 109; ZföVk. 3, 279; F o g e l Pennsylvania 130 Leiche dreimal bis zur Haustüre nachge- Nr. 594; P o l l i n g17e r Landshut 299; B r a n d Pop. Ant. 2, 301. ) Höhn Tod 323; Bavaria kehrt ; der Besen wird auf einem Balken im 1, 994; F o g e l Pennsylvania 192 Nr. 937; 107 Stall aufgehoben ). An einigen Orten B a u m g a r t e n a . a . O . 1S) B r ü c k n e r Eeuß werden in der Stube, wo der Tote ver- 194. " ) B r ü c k n e r Reuß 195; W u t t k e Sächs. storben; drei Salzhaufen gemacht und Volksk. 368; D r e c h s l e r,0 Schlesien 1, 302 f.; John Westböhmen 174. ) D r e c h s l e r a. a. O. dann ausgekehrt, Kehricht und Besen ," ) P a n z e r a . a . O . ; K ö h l e r a . a . O . werden auf den Gottesacker oder aufs S c h u l e n b u r g 236 u. Wend. Volksth. 113. Feld getragen 10S ). Bei den Israeliten in !IS) Z e l e n i n Russ. Volksk. 325; L e B r a ?

II3I

Leichenzug

Légende 1, 257. 24) ZíVk. 13, 39»; vgl. T o e p p e n Masuren 109. 25) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 113. * ) T e t z n e r Slawen 431. 27) J ö r g e r Vals 56; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 116; Graubünden schnitt. ; vgl. F l a c h s Rumänen 56 f. ; BF. 2, 337. 28) M e y e r Baden 590; Thurgau schriftl. ; vgl. H ö h n Tod 337; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 115; SAVk. 16, 86; 18, 165; B ü h l e r Davos 1, 387; Bavaria 1, 994. 29) ZföVk. 3, 279. ») S a r t o r i Sitte u. Brauch X, 145; ZrwVk. 5, 255; N i d e r b e r g e r 3, 162; SchwVk. 8, 38; Schwld. 4, 1824; vgl. W i t t s t o c k Siebenbürgen 102; ZföVk. 7, 227; H ö h n 31 ) ZvglRechtswiss. 34, 121 Tod 338 f. = 32) L a m m e r t E i t r e m Opferritus 13. 105; M ü l l e r Isergebirge 25; vgl. F F C 61, 21 (am 33) L ü n i g Grab). Theatrum ceremoniale 2 (1720), 737. M ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 112. 36) Burch. v. Worms bei G r i m m Myth. 3, 408; vgl. FFC. 41, 112 (hoch heben). 36) BdböVk. 12, 228; ZrwVk. 1, 50; K ö h l e r Voigtland 253; J o h n Erzgebirge 126; S t r a c k e r j a n 2, 218; J o h n Westböhmen 174. 255; H ö h n T o & 337; ZfVk. 9, 444; S c h u l e n b u r g Wend. Volksth. i n ; R e i s e r Allgäu 2, 300; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 250!.; D r e c h s l e r Schlesien 1, 301; G r o h m a n n 189; N i d e r b e r g e r 3, 162; ZföVk. 6, 232; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 112. 121; F L . 15, 88; 18, 366. 368; Niedersetzen übles Vorzeichen: S c h u l l e r Progr. v . Schäßb. 1863, 29. 37) BdböVk. 4, 60 f. 3S) K ö h l e r Voigtland 253. 3») ZfVk. 6, 409. 40) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 250f.; H ö h n Tod 338; J o h n Erzgebirge 126. 4 l ) H ö h n a . a . O . ; DHmt. 4, 4; Z i n g e r l e Tirol 50; ZföVk. 4, 268; Egerl. 9, 31; 10, 183; Z f V k . 8, 447; R o c h h o l z Glaube 1, 197; Bavaria 2, 323; P o l l i n g e r Landshut 299; B r ü c k n e r Reuß 194. 42) 43) J o h n Westböhmen 174. Drechsler Schlesien 1, 302. 41 ) F r a n z i s c i Kärnten 81; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 112 f. L ü e r s Sitte u. Brauch 95 f. 48) W i t z s c h e l Thüringen 2, 257. 47) S a m t e r Geburt 144 fi. ; vgl. Z e l e n i n Russ. Volksk. 321; L e B r a z Ligende 1, 296. 48) W u t t k e Sachs. Volksk. 368; S a r t o r i Westfalen 104; T e t z n e r Slawen 160. 325. 462; K u h n u. S c h w a r t z 435; B r ü c k n e r Reuß 194; J o h n Westböhmen 174; ZrwVk. 4, 279; W o l f Beiträge 215; B a r t s c h Mecklenburg 2, 94; ZfVk. 6, 409; K ö h l e r Voigtland 254; S e y f a r t h Sachsen 26; M ü l l e r Isergebirge 25; R o s é n död och begravning 8; L e B r a z Légende 1, 300; vgl. Veckenstedts Zs. 1, 484 (Stühle aufeinanderstellen). 49) S t r a c k e r j a n 2, 218; W i t z s c h e l Thüringen 2, 253. J o h n Erzgebirge 126. S1 ) G a n d e r Niederlausitz 86. 52) ZföVk. 4, 268. 53) J o h n Westböhmen 174. 54) H o o p s Sassenart 117; H ü s e r Beiträge 2, 28; ZfVk. 22, 163; ZrwVk. 4, 279; ZfVk. 14, 429; T o e p p e n Masuren 108; HessBl. 6, 105; MschlesVk. 8, Heft 15, 74; K o l b e Hessen 81. a ) T e t z n e r Slawen 260; Globus 78, 322. M ) Urquell 2, 80; D r e c h s l e r Schlesien i , 301 ; MschlesVk. 8, Heft 15, 79. 67) MschlesVk. 8, Heft 15, 79; V e r n a l e k e n Mythen 316.

II32

5S)

W i t z s c h e l Thüringen 2, 257; vgl. ZfVk. 20, 397; MsächsVk. 2, 24; W i r t h Beiträge 2/3, 61. ®9) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 80) G a ß n e r 3, 119. Mettersdorf 92; S e j n Materialien 541. 61 ) MschlesVk. 1, 13; vgl. A m i r a Grundriß 257 (Bank umwerfen bei Aufhebung des Dings); G r i m m Myth. 3, 448. 82) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 119; vgl. 83) W u t t k e Sächs. Volksk. 368. Zelenin Russ. Volksk. 324; T e t z n e r Slawen 431. 64) G r i m m Myth. 3, 408; B r u n n e r Ostd. Vk. 251 f.; vgl. ZfVk. 20, 154; B o u d r i o t Altgerm. Rel. 49 f. liest etwas anderes aus dem Text heraus, als drin steht. 86) T o e p p e n Masuren 108f.; vgl. FFC. 61, 1 9 f . (Huhnopfer bei den 68) G r i m m Tscheremissen). Myth. 3, 489. 87 ) S c h ö n w e r t h 1, 251 f.; Egerl. 10, 183; D r e c h s l e r 1, 302; vgl. Journ. Anthr. Inst. es ) 15, 67; ARw. 17, 490. Baumgarten Aus d. Heimat 3, 113; H ö h n Tod 337. 89) 70) T e t z n e r S t r a c k e r j a n 2, 218. Slawen 375; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 113; vgl. 124; R o c h h o l z Glaube 1,197. 71 ) Z i n g e r l e Tirol 4 9 f . ; vgl. Z e l e n i n Russ. Volksk. 326; W r e d e Rhein. Volksk. 140. 72) F L . 9, 217; andere Abwehrbräuche: F L . 18, 366; Z e l e n i n Russ. Volksk. 325. 73) G r i m m Myth. 3, 408. 74) G r i m m a. a. O. 3, 422. 7S ) K u h n Westfalen 2, 49; T e t z n e r Slawen 375; K ü c k Lüneburg 263; ZrwVk. 2, 197; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 252; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 116; A R w . 14, 315; MdBllVk. 1, 186: an die Stelle, wo der Sarg gestanden. 7e ) ZrwVk. 4, 231; RTrp. 16, 36; ZfVk. 13, 319; L e o p r e c h t i n g Lechrain 250; L i e b r e c h t Z. Volksk. 317; Bavaria 2, 323; D r e c h s l e r Schlesien 1, 302; P e u c k e r t Schlesien 233; K u h n Märk. Sagen 368; Westfalen 2, 49; W i r t h Beiträge 2/3, 61. 77 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 258. 78 ) M e y e r Baden 591; BayHfte. 6, 210. 79) DHmt. 4, 7; vgl. J o h n Westböhmen 174. 80) H ö h n Tod 338. 81 ) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 193. 82) A n d r e e Juden 166; B u x t o r f Judenschul 607; vgl. A b e g h i a n Armenien 12; P e u c k e r t Schlesien 233: Wenn man Scherben zerschlägt, dann kommt der Tote nicht wieder. 83) B a r t s c h Mecklenburg 2, 96; vgl. C a s t r e n Vorlesungen 120. M ) T r o e l s - L u n d 14, 163; R o s ö n Dödsrike 162. 85) Z. B. S a m t e r Geburt 83 fi.; ARw. 17, 408 f.; T y l o r Cultur 1, 435; E R E . 4, 427. 88)

R o s i n Dödsrike 167 ff.; bes. 184 s . ; vgl. E i t r e m Opferritus 105. 108 f. 87) ARw. 24, 305. 314 ft. 88) B a r t s c h Mecklenburg 2, 96; H o o p s Sassenart 117; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 116. 133; F L . 9, 2 i 6 f . ; 18, 366. 368f.; T r o e l s - L u n d 14, 164; R o s 6 n Död och begravning 8. 89) Z e l e n i n Russ. Volksk. 324; vgl. Urquell NF. 2, 208 f. (Portugal); T h u r s t o n Southern India 143; S e j n Materialien 540t.: damit die Fruchtbarkeit der Felder u. der Reichtum des Hauses vom Toten behütet werden. C r o o k e Northern India 170f.; vgl. W e e k s Kongo 202 f. 9 l ) M ü l l e r Urner Sagen 1, 221. •2) H a m m a r s t e d t Om fröns användning ... zitiert bei R o s 6 n Dödsrike 187; S a r t o r i Spei-

Leichenzug

1133

sung passim; ZfVk. 14, 26f.; Eitrem Opfer-

ritus

262 f .

,3)

Landsteiner

Niederösterreich

30; Brückner Reuß 194; Hoops Sassenart 117; Graubünden mündl.; K l a p p e r Schlesien 301; ZfYk. 13, 390; S t r a c k e r j a n 1, 56. 68;

D r e c h s l e r Schlesien 1, 302; P e u c k e r t Schle-

sien 233; WienZfVk. 34, 67; ZfVk. 8, 437; K ö h l e r Voigtland 254. 442; MsächsVk. 2, 24; F e i l b e r g Dans/t Bondeliv 2, 116.

M)

Müller

Isergebirge 25; SchwVk. 8, 38; W i t z s c h e l Thüringen

2, 257. 261; B a r t s c h

2, 96; Flachs Rumänen 57.

Sachsen

26;

Mecklenburg

,5 )

Seyfarth

Alpensagen

Vernaleken

400;

Höhn Tod 341; MdBllVk. 1, 186. M ) J o h n Erzgebirge 126. •') DHmt. 4, 152; Drechsler Schlesien 1, 302; J o h n Westböhmen 174; W i r t h Beiträge

2/3, 61.

88)

W i r t h Beiträge

2/3, 5 1 ;

vgl. FFC. 41, 125. **) V e r n a l e k e n Alpensagen 400. 10 °) J o h n Erzgebirge 126. 1 0 1 ) T o e p pen

Masuren

108 f . ; v g l . D i e n e r

Hunsrück

185; W i r t h Beiträge 2/3, 61; Höhn Tod 341. 355f-: RTrp. 15, 154. 10ï ) Rehm Volksfeste 114. ,03 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 95; J o h n Erzgebirge 129. l M ) ZrwVk. 4, 279; S a r t o r i Westfalen 104; Tetzner Slaven 325; S c h w a r t z Volksglaube 8; Unterwaiden schriftl.; Spieß Fränkisch-Henneberg 154.

105 )

H ö h n Tod 325;

Hesemann Ravensberg 90; HessBl. 6, 105; Urquell 2, 101; Baumgarten Aus d. Heimat 3, 122; ARw. 14, 315; ZföVk. 6, 64; Feilberg

Dansk Bondeliv

2, 116.

10i)

Drechsler

Schle-

sien 1, 305; John Erzgebirge 1 3 9 ; ZrwVk. 4,

279.

107 )

Sachsen

John Erzgebirge 126; vgl. S e y f a r t h

26; F L . 15, 88.

««) B r ü c k n e r

Reuß

194 f.; Witzschel Thüringen 2, 261 f.; K ö h l e r Voigtland 254; vgl. ZfVk. 11, 264; E i t r e m Opferritus 122. 109 ) Höhn Tod 341. n 0 ) B a r t s c h 2, 95; vgl. ERE. 4, 427; W i r z Totenkult 104 f.;

Birger Mörner Tinara 114. l n ) Drechsler 2 9511S ) Diener Hunsrück 185; John Erzgebirge 126. 113 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat

3,

90;

vgl.

Tetzner

378;

Wächter

Slaven

278 f .

"«) Urquell 2, 80. 116 ) NJbb. 15, 39 ff.; ERE. 4, 440; Scherke Primitive 87; M a r q u a r d t Privatleben

1,

Animismus

83 f.

Reinheit

48;

ZfVk. 18, 373; 11, 267; 20, 18; Zelenin Russ. Volksk. 324; FFC. 61, 22; ZfVk. 1, 157; Koch ll6)

C a l a n d Altind.

Toten-

u. Best.gebr. 79. "') Höhn Tod 341. 1W ) Höhn Toi 341; Drechsler Schlesien 1, 302; ZföVk. 4, 268; S a r t o r i Sitte u. Brauch i, 144; Luzern schriftl. "•) Le Braz Légende 1, 298 ff. B. L e i c h e n t r a n s p o r t . Wenn die Leiche fortgeschafft wird, hat man darauf zu achten, daß dies auf richtige Weise geschieht, d. h. so, daß der Tote nicht mehr zurückkehrt, und ferner darauf, daß alle und alles, was mit der Leiche in Berührung kommt, durch deren Unreinheit nicht gefährdet werden. 1. Ein Brauch, der gewöhnlich als Abwehr, Verrammelung des Rückwegs ge-

deutet wird, ist das Fortschaffen der Leiche n i c h t d u r c h die richtige H a u s t ü r e , sondern durch eine a n d e r e Ö f f nung. Aus deutschem Gebiet ist der Brauch (außer bei Selbstmördern und Verbrechern, s. dd.) selten überliefert. Aus Lothringen wird berichtet, der Tote dürfe nicht über die Schwelle, sondern müsse stets durchs Fenster aus dem Hause gebracht werden 120 ). In Österreich wurde in alter Zeit der Sarg nicht von der Haustür, sondern von dem Hintertor aus weitergeschafft 1 2 1 ). In Mecklenburg hatte man bewegliche Schwellen, die beim Hinaustragen der Leiche gehoben wurden, damit sie unter der Schwelle durchgetragen werden und nicht mehr darüber zurückkehren konnte 122 ). Bei den Wenden in Lüneburg geschah dies nur, wenn der Tote geizig gewesen und man fürchtete, er werde zurückkehren; man hielt dazu noch Sensen, Hacken und andere Werkzeuge über die Träger 1 2 3 ). Aus dem Altnordischen werden zwei Fälle überliefert, wo der Tote durch ein Loch in der Wand hinausgeschafft wird; beide Male handelt es sich um unheimliche Menschen, deren Wiederkehr man besonders fürchtete 1 2 4 ). Hinausschaffen durchs Fenster kann auch aus praktischen Gründen geschehen, wird aber z. B. von den Polen der Essener Gegend nicht gern gesehen 12S ). Feilberg wies in Jütland den Brauch nach, daß an den Häusern ein besonderes „Leichentor" existierte, das jedesmal, wenn eine Leiche hindurchgetragen worden war, wieder zugemauert wurde; und er, wie auch andere, erklärten diesen Brauch, der noch bei vielen Völkern gegenüber allen Toten angewendet wird, als Abwehr: der Tote soll den Rückweg verbarrikadiert finden 126 ). Rosén (im Anschluß an Westermarck) dagegen bringt diesen Brauch in Zusammenhang mit der Sitte, daß nicht nur der Tote, sondern etwa auch der Täufling, die Braut, heilige Personen durch besondere Eingänge geführt werden, und findet als gemeinsamen Grund, daß Personen und Dinge, die tabu sind, einen besonderen Eingang brauchen 127 ). Dazu paßt, daß man in Westfalen die Leiche

"35

Leichenzug

durchs Haupttor hinausträgt, durch dieselbe Tür, durch die der Tote einst bei der Hochzeit seinen Einzug gehalten habe 12S ), auch die Nachricht, daß die Tür, durch die Weking (Wittekind) zum Begräbnis in die Kirche geführt wurde, nachher für immer zugemauert worden sei 129 ). Weil vom Toten Gefahr ausgeht, wird in Meiderich vorgeschrieben, man müsse den über der Stubentür hängenden Vogelkorb an einen andern Platz hängen, falls die Leiche durch diese Tür getragen wird, sonst stirbt der Vogel 130 ). Wenn auch Rosens Annahme für den Ursprung der Sitte zutrifft, so wird heute vielfach der Brauch doch eher als ein Verbarrikadieren des Rückwegs oder eine Irreführung des Geistes aufgefaßt. Diese Absicht liegt der modernisierten Anwendimg der Sitte zugrunde, wenn geheilte Patienten durch eine andere Tür der Heilanstalt entlassen werden, als sie gekommen sind 131 ). Das Tabu wird hier bei Toten eben als „unrein" nicht als heilig aufgefaßt. (Teilung des Tabubegriffs in unsern Bräuchen in seine zwei Elemente.) 120 )'Globus 59, 381; Holland: H i r s c h Doodenritueel 141; Rußland: W a s s i l i e w Kiewsk. Starina 1889, 636. m ) B a u m g a r t e n Aus d. 122 Heimat 3, 113. ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 100; als Märchenmotiv: Z a u n e r t Märchen a. d. Donaulande 259 f. 123 ) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 181. 124 ) W e i n h o l d Altnord. Leben 476; Z f V k . 15, 348 f. 125 ) ZrwVk. 19, 53: vgl. S c h e l l Bergische Sagen 80 Nr. 16; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 116. 126 ) F e i l b e r g : F L . 18, 364 ff.; Journ. Anthrop. Inst. 15, 70; S c h e r k e Primitive 61, 165; W i r z Totenkult 91 f.; E R E . 4, 426; L i e b r e c h t Zur Volksk. 372; Z e l e n i n Jtuss. Volksk. 324; F F C . 41, 113 f.; Z f V k . i x , 268 f.; K o c h Animismus 92; vgl. Südseemärchen 328 Nr. 71. Auch in Italien die „porta del morto", z . B . in Assisi: Guida d'Italia del 127 ) Touring Club. Italia Centrale II, 354. R o s £ n Dödsrike i g o f . i g g f f . ; R o s e n Död och begravning g ; W e s t e r m a r c k Ursprung d. Moralbegriffe 2, 428 u. Anm. dazu. 12S ) K ü c k Lüneburg 263; S a r t o r i Westfalen 104; vgl. S t r a c k e r j a n 12») 1, 184. K u h n Westfalen 268 Nr. 308. 130 ) D i r k s e n Meiderich 49. 131 ) ZrwVk. 6, 67.

2. Weit verbreitet ist der Glaube, der Tote müsse die Füße voraus aus dem Hause getragen werden1S2), sonst komme er wieder183), oder er nehme das Glück mit 134 ), oder er ziehe die übrigen nach

sich 135 ), sonst schaue er zur Wohnung zurück 134 ). Der Tote soll den Rückweg nicht sehen 137). Manchmal heißt es aber auch umgekehrt, die Leiche müsse mit dem Kopf voraus hinausgetragen werden, damit er nicht wiederkehre13S), sonst hole der Tote jemanden aus der Familie nach 139 ), oder damit der Tote den Weg in den Himmel finde 14°). Diese Art des Hinaustragens wird etwa auch in besonderen Fällen angewendet: wenn der Tote einen Kobold hatte 141 ) oder bei einem durch Behexung verstorbenen Kind, wobei man glaubte, die erste begegnende Person sei die schuldige Hexe 142 ). In Schlesien (1719) wollten die Leute einen toten Bettier auf dem Kirchhof wieder ausgraben, weil man ihn „arschlich" oder verkehrt hinausgetragen habe; man müsse ihn recht zu Grabe bringen, sonst würde das ganze Dorf sterben143). Als Grund, daß die Leiche Kopf voran hinausgetragen wird, könnte man annehmen, daß der Kopf als Sitz der Seele betrachtet wird und darum voraus muß. In Ditmarschen wurde der Sarg über die Leitern auf den Wagen und auch so wieder herab gehoben144). 132 ) ZrwVk. 5, 255 f.; Bern, Unterwaiden schriftl.; R o c h h o l z Glaube 1, 197; Z f V k . I i , 153; M e y e r Baden 591; Z f V k . 4, 423; 9, 59; 1, 185; 6, 409; F L . 16, 66; R o s e n Död och begravning 8; Z e l e n i n Russ. Volksk. 324; RTrp. 12, 522; B F . 2, 352; Volkskunde. 13, 98. 133) W i r t h Beiträge 2/3, 60; J o h n Erzgebirge 126; H ö h n Tod 337; D r e c h s l e r Schlesien 1, 302; G a ß n e r Mettersdorf 9 1 ; MsächsVk. 2, 24; HessBl. 6, 105; W i t t s t o c k Siebenbürgen 62; P e t e r österr.-Schlesien 2, 247; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 3 ; vgl. A R w . 10, 140; G r i m m Myth. 3, 461; K o c h Animismus 91. 134 )

W i r t h a. a. O. 135 ) K n o o p Hinterpommern 164; M e y e r Baden 591. 136 ) K o l b e Hessen 7 7 ; G a ß n e r Mettersdorf 91 f.; D r e c h s l e r Schlesien 1, 302. 137 ) E R E . 4, 426. 138 ) H ö h n Tod 337; B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 396; F r i e d l i Bärndütsch (Lützelflüh) 565 f.; vgl. ZfEthn. 37, 6 1 7 ; B F . 2, 352 (Priester); ZföVk. 7, 122. 139 ) S e y f a r t h Sachsen 26; vgl. D r e c h s l e r Schlesien 2, 119 (auch bei Vieh). 110 ) ZrwVk. 4 , 1 2 1 . 141 ) W i r t h Beiträge 2/3,60. 142 ) D i r k s e n Meiderich 46; B F . 2, 352. 143 ) Mschles.Vk 1 1 , 81 f. = K ü h n a u Sagen 1, 161. 144 ) Urquell 1. 32-

3. Der ältere Brauch scheint allgemein das Tragen der Leiche vom Hause zum Friedhof gewesen zu sein. Heute nach

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Einführung des Leichenwagens wird der Sarg etwa noch das letzte Stück des Wegs durch den Kirchort oder in den Friedhof auf der Bahre getragen148). Manchmal wird ein Unterschied gemacht: Ledige begräbt man mit der Bahre, Verheiratete mit dem Wagen 146 ). Die Bahre wurde früher und wird heute noch etwa auf den Schultern getragen 147 ). Gewöhnlich werden vier bis acht Träger gebeten; das Tragen gilt etwa als Ehre und darf nicht ohne Grund abgeschlagen werden148). Selten tragen die Angehörigen149); nur in Böhmen heißt es: die Leidtragenden tragen eine Zeitlang die Bahre, weil sie dann leichter den Toten vergessen15°). Sonst heißt es, Verwandte sollen nicht tragen helfen 151 ), sonst folgen sie bald dem Toten 152 ). Gewöhnlich ist das Tragen Pflicht der Nachbarn153), sie sollen aber in der Häuserreihe nach vorwärts, d. h. dem Friedhof zu, wohnen154). Manchmal sind es Innungsgenossen, Standesgenossen, Mitglieder der Bruderschaft155), öfters ist Vorschrift, daß Verheiratete von Verheirateten, Ledige von Ledigen, auch Frauen von Frauen und Jungfrauen von Jungfrauen getragen werden156), trotzdem Durand schreibt: mulieribus vero non licet corpora ferre, ne cogentur corpora sua lascivia incitantia denudare 157). Verstorbene Wöchnerinnen werden auch durch Frauen 158 ) oder Jungfrauen zu Grabe getragen, was als besondere Ehrung ausgelegt wird 159 ). Oder die Bahre mit dem Sarg wurde in den Händen nach und um den Kirchhof getragen, andere Leichen auf den Schultern 160 ). Kleine Kinder werden von dem Paten oder der Patin 161 ), von Jünglingen oder Jungfrauen162), die festlich gekleidet oder mit Schärpen geschmückt sind, getragen163). In Hessen mußte die Trägerin, wenn, der Totengräber das Särglein ins Grab gelegt hatte, sich diesem rücklings nähern und den Kitzel (worauf sie das Särglein getragen) auf den Sarg hinabfallen lassen. Gelang es nicht recht und fiel er neben das Grab, so glaubte man, das Kind finde nicht seine Ruhe 164 ).

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1«) BdböVk. 12, 229; Unterwaiden schriftl.; SAVk. 16, 88. l " ) Globus 78, 321 f.; vgl. ZföVk. 4, 268. ZföVk. 4, 294; Thurgau, Graubünden, Unterwaiden mündl.; C a m i n a d a Friedhöfe 140; W i r t h Beiträge 2/3, 61 f.; B r a n d Popul. Antiqu. 2, 284; BF. 2. 356; RTrp. I i , 590. 14a) Luzern schriftl.; SAVk. 23, 183; H ö h n Tod 339; L e B r a z Ligende 1, 292. U9 ) B i r l i n g e r Volhsth. 1, 281; H ö h n Tod 340; B r a n d Popul. Antiqu. 2, 285; ZföVk. 10, 106; 23, 77; vgl. P a u l y - W i s s o w a 3, 352. 154) G r o h m a n n Aberglaube 189; vgl. ZföVk. 6, 63; 10, 106. 1S1 ) Bern mündl.; vgl. ZfVk. 2, 187. m*) MschlesVk. 8, Heft 15, 74. 153) H ö h n Tod 339; BayHfte. 6, 211; W i t t s t o c k Siebenbürgen 101; HessBl. io, 109; Graubünden, Zürich, Aargau, Luzern, Thurgau schriftl. ; John Westböhmen 174; K ö h l e r Voigtland 252; ZfVk. 6, 181 ; R e i s e r Allgäu 2, 298; B r ü c k n e r Reuß 195; ZrwVk. 5, 261; 4, 278; 20/21, 43; Volksleven 8, 17; Heimat (Kiel) 33, 210. 154)

H ö h n Tod 339. l5S ) L a u b e Teplitz 33; K ö h l e r Voigtland 252; R ü s c h Der Kt. Appenzell 116; C a m i n a d a Friedhöfe 193f.; Wallis schriftl.; ZfVk. 13, 389; D u r a n d Rationale (1565) 453; J o h n Erzgebirge 122. "•) Luzern, Graubünden, Thurgau schriftl.; HessBl. 10,110; ZfVk. 9, 54; W r e d e Eifler Volksk. 127; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 114; F o n t a i n e Luxemburg 153; Alemannia 27. 239; SAVk. 2, 167; BF. 2, 356; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 118; Frauen: T e t z n e r Slawen 242; RTrp. n , 589; Jensen Nordfries. Inseln 333; Jungfrauen: SAVk. 3, 234; Wallis schriftl.; R o c h holz Glaube 1, 138; Bavaria 1, 412. 994; F i scher Oststeirisches 50; T e t z n e r Slaven 278; BF. 2, 356 (auch Junggesellen!); Volkskunde 22, 219. 157) D u r a n d Rationale (1565) 453. 155 ) B o d e m e y e r Rechtsaltert. 192; R o c h h o l z Glaube 1, 138; im 17. Jh. von schwangeren Frauen in der Hoffnung auf leichtere Entbindung: H i r s c h Doodenritueel 78. 15*) B ü h l e r Davos 1, 387; H ö h n Tod 339. 1 M ) S t r a c k e r j a n 2, 218. 1W ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 1, 125; D i e n e r Oberglatt 155; Jörger Vais 54; SAVk. 24, 267; Thurgau, Wallis, Graubünden, Luzern schriftl.; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 121; vgl H e r p i n Noces et baptêmes 160. 162) R e i s e r Allgäu 2, 300; ZfVk. 6, 311; 19, 275; ZföVk. 4, 294; H ö h n Tod 339f.; ZfVk. 8, 34; W r e d e Eifler Volksk. 127; H ö r m a n n Volksleben 428. 163) J o h n Westböhmen 174; Egerl. 9, 32; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 255; L a u b e Teplitz 33; BdböVk. 12, 228; F o x Saarl. Vk. 372. 1M ) M ü l h a u s e 80; K o l b e Hessen 81.

4. Manches deutet darauf, daß die Träger sich gegen schädigende Einflüsse vorzusehen haben, schon bei ihrer Tracht (große schwarze Mäntel, Trauerflor)16B), besonders bei den Trägern ledig Verstorbener,. obschon hier manches nur zum Schmuck zu dienen scheint: Jünglinge

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oder Jungfrauen tragen weiße Kleider, Schärpen oder Flöre 166 ), etwa einmal sind es blaue oder rote Tücher 167 ). Manchmal erhalten die Träger von den Angehörigen als Geschenk weiße Handschuhe und ein Taschentuch168), mit dem sie die Sarggriffe anfassen169) oder das sie ins Knopfloch knoteten 17°). Sie tragen auch ein weißes Handtuch auf der Schulter 171 ), oder der Sarg wurde auf bandartig darunter durchgezogenen Leintüchern getragen 172 ). Abwehrcharakter haben ursprünglich auch die Sträuße oder Zweige (meist Rosmarin)173) und die Zitrone174), die die Träger erhalten; den Rosmarinzweig stecken sie manchmal in den Mund178), oder er wird nachher in den Garten gesteckt; wächst er nicht, so ist es das Vorzeichen eines nahen Todes 176 ). Manchmal werden Rosmarin und Zitrone ins Grab nachgeworfen177). Hie und da gehört der Strauß (Rosmarin, Myrthe) auch zum Schmuck der Träger lediger Leichen 178 ). Man sieht es nicht gern, daß Rosmarin zu diesem Zweck abgepflückt wird, weil dann die ganze Pflanze verdorre 179 ). Als Lohn wird den Trägern manchmal Geld in Papier gewickelt auf die Bahre gelegt 18°) oder auf einem Teller von der Leichenfrau gereicht 181 ); sie müssen (oder dürfen nur) einen Teil davon nehmen, sonst hat der Tote keine Ruhe 182 ); aus demselben Grund erhalten sie auch das Opfergeld183). Der Lohn kann auch in einem „Leichtwecken" bestehen, den die Träger in die Tasche stecken und erst nach der Heimkehr verzehren; man glaubt durch diese Wecken seien die Träger gegen jeden Unglücksfall geschützt184). Auch daß man den Trägern vor dem Abgang Branntwein gibt 185 ), und daß sie am Leichenmahl teilnehmen müssen oder sogar ein eigenes Mahl bekommen (s. Leichenmahl § 9), kann als Schutz gegen böse Einflüsse gedeutet werden. Nur aus Baden und Württemberg wird berichtet, daß sich die Träger vor ihrem Gang die Hände waschen (das Wasser wird unter die Totenbahre geschüttet). Es geschehe, damit der Tote sich nicht

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zurücksehne, oder damit die Hinterbliebenen sich vor einem Verstorbenen nicht fürchten müssen18e). Auf eine besondere Gefährdung der Träger weist hin, daß sie im Nahetal sechs Wochen mit den Angehörigen streng zu trauern hatten, auch wenn sie nicht Verwandte waren 187 ). Der Träger, der zuerst die Bahre niederstellt, stirbt zuerst oder jemand aus seiner Familie188). Wenn ein Träger stolpert, gibts noch eine Leiche 189 ). Geht der erste Träger nach Hause, so begleitet ihn der Tote; jener muß ihn fragen: „Habe ich dir dein Bett gut gemacht? wenn nicht, so werde ich es besser machen". Dann geht die Seele ruhig in ihr Grab 19°). W5 ) K ö h l e r Voigtland 252; S c h u l e n b u r g 1 1 3 ; H ö h n Tod 340; B o d e m e y e r Rechtsaltert. 192; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 6 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 256; RTrp. 1 3 , 158. 166 ) Graubünden schriftl.; R e i s e r Allgäu 2, 300; S c h ö n w e r t h O & e ^ / a f e 1, 256; D H m t . 4, 2; H ö h n Tod 340; vgl. H e y l Tirol 781; H o o p s Sassenart 119. 167 ) J o h n Westböhmen 1 7 4 f . ; H ö h n Tod 340; R e i s e r Allgäu 2, 300; B r u n n e r Ostdeutsche Vk. 1 9 6 ! 16S) S c h u l e n b u r g 113; Rochholz Glaube 1, 139; Becker Pfalz 238; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 142; Urquell 1, 19; F L . 16, 66; H ö h n Tod 341; Z f V k . 8, 437; B r u n n e r Ostdeutsche Vk. 197; vgl. Pfälz. Mus. 1922, 37. i e ') D i e n e r Hunsrück 1 8 3 t . ; S a r t o r i Westfalen 104; W r e d e Eifler Volksk. 127; B F . 2, 356. 170 ) ZrwVk. 1 1 , 224. l 7 1 ) W i r t h Beiträge 2/3, 62. 172 ) R o c h h o l z Glaube 1, 139. 17S ) S a r t o r i Westfalen 104; Z f V k . 13, 3 8 9 f . ; H ö r m a n n Volksleben 428; B e c k e r Pfalz 238; K l a p p e r Schlesien 3 0 1 ; H ö h n Tod 340; Z f V k . 13, 390; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 3 1 5 ; Pfälz. Mus. 1922, 37 (Lorbeer). 174 ) H o o p s Sassenart 119; B e c k e r a . a . O . ; D i e n e r Hunsrück 184; B o d e m e y e r Rechtsaltert. 192; K l a p p e r a . a . O . ; S p r e c h e r Geschichte der drei Bünde 2, 319; Z f V k . 9, 5 4 ; ZrwVk. 5, 262; J o h n Erzgebirge 127; SchwVk. 17S ) D i e n e r a . a . O . ; B o d e m e y e r a . a . O . ; M e y e r Baden 592. 176 ) H ö h n Tod 340. 1 7 7 ) H ö h n a. a. O . ; D r e c h s l e r Schlesien i , 300. 17S ) H ö h n a. a. O.; K u h n Westfalen 2, 49 Nr. 134; Graubünden münd.l.; S t r a c k e r j a n 2, 218 (auch Zitrone); D r e c h s l e r a . a . O . ; Bavaria 1, 412; ZföVk. 7, 69; Urquell 1, 19. 179 ) K u h n a. a. O. 180 ) H ö h n Tod 340. 1«) Urquell 1 , 3 1 . 182 ) H ö h n a. a. O . ; M e i e r Schwaben 2, 490. 183 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 300f.; vgl. L e o p r e c h t i n g Lech1M) rain 250. H ö h n Tod 340; vgl. J o h n Erzgebirge 127 (die Träger erhalten „Bahrlinge"). l8B) D i e n e r Hunsrück 183; D r e c h s l e r Schlesien 1, 301; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1,

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angestrichen198). Vielfach ist es Nachbarpflicht, den Wagen und das Gespann zu stellen und zu fahren 199 ); doch sollen es Nachbarn sein, die „vorwärts" wohnen200); Unverheiratete sollen von Unverheirate201 5. Andere Arten des Transports, ten gefahren werden ). Älterer Brauch wobei der Sarg oder auch einfach nur ist es (auch in Island) wohl, wenn zwei die Leiche an eine Stange gebunden oder vier Ochsen202an den Leichenwagen wurde, sind wohl durch schlechte Wege gespannt werden ). Nahm man Pferde, so suchte man schwarze oder ganz veranlaßt worden m ) . Der von Rochholz 20s Früher mußten es erwähnte Fall, daß die Leiche auf ein einfarbige aus ). 2M unbedingt vier Pferde ), oder es Pferd gebunden zu Grabe gebracht wurde, 205 mußten drei Zugtiere sein ). In der scheint nach den ausführlicheren Berichten alle Pferde des sich gegen einen unbeliebten Menschen Bretagne mußte man 206 (aus konfessionellen Gründen?) gerichtet Hauses anspannen ). Der Fuhrmann 207 zu haben. Doch wird aus dem Wallis schritt stumm neben dem Wagen her ), oder er sitzt mit bedecktem Haupt auf der auch berichtet, daß man den Toten 20S Totentruhe ), oder er reitet auf einem rittlings auf sein Maultier gebunden der Pferde 209). E r trägt einen Flor um nachts vom Berg herunter zum Kirchhof 192 den Hut 2 1 0 ); er erhält einen Wecken geführt habe ). „den Tod nicht nach Ebenfalls in den Wegverhältnissen be- Brot, damit 2er U Hause führe" ). Der Fuhrmann trägt gründet scheint der Brauch, Leichen auch im Sommer auf Schlitten zu befördern keine 212Peitsche, sondern eine geflochtene einen Stecken * " ) oder Holun(in Berggegenden)193), doch wird dies Rute ), 214 derstab ). In Frankreich durfte er die auch aus Rußland berichtet und so erPferde nicht schlagen; wenn sie anhielten klärt, daß der Schlitten als ältestes mußte er warten, bis sie von selbst wieder Fuhrwerk sich im Totenbrauch erhalten 21S habe 194 ). Als Entehrung galt es, wenn anzogen ). Wie die Menschen, so sind man Verbrecherleichen auf Schlitten die Tiere gegen böse Einflüsse zu schützen. Zwar daß die Pferde erst dreimal anziehen schleifte195). müssen, bevor sie abfahren a e ) , dürfte wie m ) Die Leiche an einer Stange: SchwVk. 13, das dreimalige Heben des Sarges zum 42; Osenbrüggen Wanderstudien 4, 24; Schweizer Bauer 1899 Nr. 50. Sarg an Stange: Trennungszeremoniell gehören. Aber anBaumgarten Aus d. Heimat 3, 114; Hoops deres weist auf Schutz der Tiere: die Sassenart 119; Jensen Nordfries. Inseln 333; Pferde durften nur lose angeschirrt ZföVk. 20, 170 (Schweden); Globus 69, 92; 217 91, 361. 192 ) Kochholz Schweizersagen 2, 2 1 ; sein ); sie werden über eine Handvoll I. v. A r x Gesch. d. Kt. St. Gallen 3, 250f.; brennendes Stroh geführt 2 1 8 ); am KirchEidgenöss. Abschiede IV, 1, d, 69 u. 124; hof gibt man den Ochsen je einen BrotMario Le Génie des Alpes Valaisannes 198 f. wecken, damit sie nicht abstehen 2 1 9 ); = Bulletin du Glossaire 14, 23. m ) Graubünden, 2sa ); Wallis, Unterwalden schriftl. ; Rochholz Glaube das Pferd trägt einen schwarzen Flor man bindet den Pferden die Schwänze 1, 199; SAVk. 1, 63; Kuhn Thurgovia Sacra I, 2, 106; Rosen Död och begravning 8; F l a c h s auf (nur in den Zwölften kann es unterRumänen 56. 1 M ) RTrp. ix, 2690.; Zelenin bleiben) 221 ). Pferde, die eine Leiche Russ. Volksk. 325; E R E . 2, 20; Globus 59, 82; 195 gefahren haben, sind traurig 222 ), bleiben 69, 92; 85, 99f.; ZföVk. 8, 217. ) SAVk. 26, ein Jahr lang träge 228 ), verlieren ihren 155, vgl. 157; ZrwVk. 2, 196. Schneid 224 ); damit sie nicht kollerig 6. Trotzdem das Fahren von der Kirche werden, muß man nachher mit ihnen im 17. Jh. als abusus bezeichnet wurde196), Trab fahren 22S ). Umgekehrt heißt es, dient in neuer Zeit immer häufiger der ein Pferd, das einen Toten getragen hat, Wagen zum Transport; auf dem Lande geht in der Alp nicht zugrunde 226). sind es oft Leiterwagen oder Karren, Eine trächtige Stute darf nicht gebraucht früher besondere Leichenkarren mit Holzwerden, sonst verwirft sie 227 ); auch ein 197 achsen ). Der Wagen wurde schwarz 142; L a u b e Teplitz 34; Feilberg Dansk Bondeliv 2, 120. 18S ) Meyer Baden 591; Höhn Tod 340; vgl. z. B. T h u r s t o n Southern India 162. 187 ) ZrwVk. 2, 198. 188 ) L a m m e r t 106. ut ) Fogel Pennsylvania 126 Nr. 573. 1110) W u t t ke 469 § 746 (Ostpreußen).

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Hengst soll nicht angespannt werden 228). Früher soll man in niedersächsischen Dörfern zwei junge Stuten, die noch nie geworfen, gebraucht haben 229). Die verschiedenen Bräuche beim Kirchhof, das Pferd mit dem Kopf gegen den Sarg zu kehren 2S0) oder es um den Wagen zu führen, werden eher von der alten Sitte der Beigabe (s. Grabbeigabe) abzuleiten sein. Bei der R ü c k k e h r soll der Fuhrmann möglichst schnell und über holprige Wege fahren; er muß über die Grenze sein, bevor das Grab geschlossen ist, oder die Pferde müssen im Stall sein, bevor der Sarg ins Grab gesenkt ist; sonst stirbt bald jemand, oder der Tote kommt als Geist wieder 231 ). Der Wagen ist unrein geworden: Leitern oder Gestänge warf man an der Grenze hinunter und ließ sie da verfaulen 232 ). In Hessen mußte der Fuhrmann vom Friedhof, ohne ein Wort zu sprechen, umkehren, zu Hause die Pferde ausschirren und den Wagen auseinandernehmen. So blieben die Teile eine Zeitlang im Hofe stehen, bis man sie wieder brauchte 23S ). Ähnlich wird auch an andern Orten der Wagen gewaschen, auseinandergenommen, umgekehrt, es werden Räder abgenommen, er muß einige Tage oder Wochen „ r a s t e n " m ) ; Umstürzen oder Schiefstellen geschieht, damit „der Tod absitzen" könne, oder um den Toten auszuschütten, sonst müsse er immer auf dem Wagen mitgeführt werden 235 ). Ebenso gilt auf den Hebriden ein Boot, mit dem eine Leiche transportiert worden ist, als unglücklich 236 ). Die Peitsche wirft der Totenfuhrmann nach der Heimkehr rücklings über den Kopf 237 ). Wasser aus den Furchen, die durch die Räder eines Leichenwagens entstanden, wurde als Zaubermittel benutzt 238 ). Der Leichenwagen dient auch als Vorzeichen: Sieht man die Scheuer offen, worin der Totenwagen steht, so muß sofort jemand sterben 2S9). An dem Dorfende, wo der Leichenwagen bei der Rückkehr einfährt, tritt der nächste Todesfall ein a40). Einem leeren Leichenwagen begegnen bedeutet Unglück 241 ), einem „gefüllten" (oder einfach einem

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Leichenwagen) bedeutet Glück 242 ). Ebenso können gespenstische Leichenwagen als Vorzeichen dienen 243 ) (s. u. C 10). 1M ) T h a l h o f e r Liturgik 2, 467. 187 ) ZrwVk. 5, 261. 1 M ) ZrwVk. 8, 84; 5, 261; vgl. L e B r a z Légende 1, 291. 1 M ) J e n s e n Nordfries. Inseln 342; ZrwVk. 4, 277; Bern schriftl.; Bavaria 1 , 994; H ö h n Tod 341; R e i s e r Allgäu 2, 298; vgl. S a r t o r i Westfalen 104; ZrwVk. 2, 279; Volksleven 12, 209. 200) BdböVk. 4, 6 1 ; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 ; Thüle 7, 86 ff. a01 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 96. aoa) H ö h n Tod 341; M e y e r Baden 593; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 4 ; ZfVk. 6, 409; MschlesVk. 27, 243; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 256; F r a n z i s c i Kärnten 8 1 ; vgl. die Legenden bei S c h e l l Berg. Sagen 8 u. 280f.; der Leichenwagen des rumän. Ministerpräsidenten Bratianu von 6 Ochsen gezogen: Illustration (Paris) 10. Dez. 1927. aos ) K r ü n i t z Encyclop. 74, 69; ZrwVk. 8, 84; vgl. C a l a n d Altind. Toten- u. Bestatt.gebr. 20. 2M ) ZrwVk. 4, 277. 283; S t r a c k e r j a n 2, 2 1 7 ; S a r t o r i Westfalen 1 0 4 f . ; H o o p s Sassenart 1 1 9 ; B F . 2, 354. 206) Bavaria 2, 323; P a n z e r Beitrag 1, 265; Volkskunde 13, 98. »•) RTrp. 30, 174; dagegen nicht die Pferde des Verstorbenen: S é b i l l o t Folk-Lore 3, 104. 207 ) ZrwVk. 5, 256ff.; vgl. L e B r a z Légende 1, 292 t. 2M ) F i s c h e r Oststeirisches 5 1 . 208) ZrwVk. 4, 277; 5, 261; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 ; B F . 2, 354. 21 °) BdböVk. 4, 61. 2 1 1 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 . a i a ) M e y e r Baden 593; D i e n e r Hunsrück 184; ZrwVk. 2, 197. a i 3 ) H ö h n Tod 341. 214 ) M e y e r a . a . O . ; B o d e m e y e r Rechtsalterth. 186; M o n t a n u s Volksfeste 149; vgl. L e B r a z Légende 1, 293. 215 ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 104. a i 6 ) D i e n e r Hunsrück 184; K l a p p e r Schlesien 301; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 ; BdböVk. 4, 6 1 ; D r e c h s l e r Schlesien 1, 302 (auch an der Ortsgrenze); ZrwVk. 2, 197; G r o h m a n n Aberglaube 190; MschlesVk. 9. Heft 80; K ö h l e r Voigtiand 253; W r e d e Eifler Volkskd. 127 (sonst wird die Leiche zu schwer). 217 ) S a r t o r i Westfalen 105; verkehrtes Joch: F l a c h s Rumänen 56. 218 ) B o d e m e y e r Rechtsalterth. 193; S a r t o r i Sitte «. Brauch 1, 145. a i 8 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 256; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 4 . 2ao) ZrwVk. 5, 252. 2 2 1 ) S t r a k k e r j a n x, 69. 2aa ) MschlesVk. Heft 3, 6; vgl. Volksleven 12, 97; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 104 (Pferde schwitzen). 22s ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 305. 224) P o l l i n g e r Landshut 300. aa5 ) D r e c h s l e r a . a . O . ; vgl. B F . 2, 355. aa6) W e t t s t e i n Disentis 1 7 5 ; vgl. B F . 2, 354f. aa7 ) T e t z n e r Slawen 375; S t r a c k e r j a n 1, 52; M e y e r Baden 593; Heimat (Kiel) 33, 210; B a r t s c h Mecklenburg 2, 97; SAVk. 2 1 , 50; Volkskunde 13, 98; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 7 . aa8) S a r t o r i Westfalen 105. 2 a i ) K r ü n i t z Encyclop. 74, 69. 23 °) ZrwVk. 4, 280; vgl. L i e b r e c h t Z. Volksk. 3x4. 323; Z e l e n i n Russ. Volksk. 325; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 8 ; T r o e l s -

Leichenzug L u n d 14, 193. M I ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 256; W i r t h Beiträge 2/3, 52. 62; D r e c h s l e r Schlesien 1, 303; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 154. 2M ) K u h n u. S c h w a r t z 86 Nr. 93; W u t t k e Sächs. Volksk. 368. •») K o l b e Hessen 81. t M ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 119f.; D r e c h s l e r Schlesien 1, 303, vgl. 289; G r i m m Myth. 3, 489 (Esten); Heimatgaue 3, 34; FFC. 61, 22; vgl. Globus 59, 85. I3S) Heimatgaue 3, 33; B a u m g a r t e n a . a . O . ; RTrp. 15, 154f. "*) F L . 10, 272; vgl.Zelenin Russ. Volksk. 325 f. i37 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 115. I33 ) ZfVk. 7,195. »•) Höhn Tod 326. M0 ) W i r t h Beiträge 2/3, 62. M l ) B r ü c k n e r Reuß 183; F o g e l Pennsylvania 101 Nr. 415. ***) F o g e l a . a . O . ; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 22 (Unglück i. Brautpaar); MsächsVk. 7, 113; Volksleven 11, 56. ***) Z. B. G r ä b e r Kärnten 166; W u t t k e 224 § 320; B a r t s c h Mecklenburg 1, 189; ZrwVk. 10, 231 f.

7. In Sagen findet sich öfter der Bericht, die L e i c h e eines gottlosen Menschen sei so schwer gewesen, daß sie die Zugtiere nur schwer oder gar nicht vorwärts bringen konnten, trotzdem man im Sarg dann statt der Leiche etwa einen Stein oder ein glühendes Holzscheit findet ***) (vgl. auch die weisenden Tiere). Ist die Leiche schwer, so hat der Tote schwere Sünden 24s). Man glaubt, Geister setzen sich auf den Sargdeckel248). In Schlesien und Norwegen hält man es für ein gutes Zeichen, wenn die Leiche schwer ist, weil die Engel sich auf den Sarg setzten 247). In Ungarn klopft man vor dem Aufbruch mit der Peitsche dreimal auf den Sarg, um die darauf sitzende Seele zu verscheuchen und die Leiche leichter tragen zu können 248). Naumann will in der Vorstellung von der schweren Leiche einen Übergang zu den Steinverwandlungen und steinernen Dämonen finden 24*). 2 " ) RTrp. 28, 363; K ü h n a u Sagen 1, 440 f.; SAVk. 25, 63; Meiche Sagen 584. 594; H a u p t Lausitz 1, 134 f.; S t ö b e r Elsaß 52 f.; V e r n a l e k e n Mythen 51; Thüle 7, 87f.; H e y l Tirol 478 f.; W a i b e l u. F l a m m 2, 344; P a u l i Schimpf u. Ernst (Stuttg. Lit.-Ver.) Nr. 190 u. 405. 146) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 124; ZfVk. 1, 153; vgl. B i r l i n g e r Volksth. 1, 281; M ü l l e r Urner Sagen 2, 178. **•) S c h e l l Berg. Sagen 34 Nr. 48; ZrwVk. 20/1, 43 f.; Globus 69, 92; S o o d e r Rohrbach 61; Z e l e n i n Russ. Volksk. 325; T o e p p e n Masuren 108 (die Seele auf d. Sarg). 217) D r e c h s l e r Schlesien 1, 303; L i e b r e c h t Zur Volksk. 314; vgl. FFC. 41, 102 ff.: Losen bei der Leiche; Sarg schwer

1146

= Nein, Sargleicht = Ja. "») ZfVk. 7,368 Anm. N a u m a n n Gemeinschaftskultur 42 f.

ut)

C. L e i c h e n z u g . 1. Zur T e i l n a h m e am L. wird oft eingeladen, und dann kommen nur die Geladenen 2S0). Meistens aber erscheinen auch die weitläufigsten Verwandten und Bekannten, aus jeder Haushaltung in der Gemeinde mindestens eine Person 251 ), dies wurde sogar bei Leichen Fremder geboten 252). Je mehr Teilnehmer, desto größer die Ehre 253). Es ist Nachbarpflicht 2M ). Nach dem Gesetz der heidnischen Zeit waren auf Island alle Männer verpflichtet, an der Bestattung teilzunehmen, falls man sie feierlich dazu aufforderte 25S ). Bei den Juden in der Bukowina heißt es, der Tote werde im Himmel von ebensoviel Geistern Verstorbener empfangen, als ihn Menschen zu Grabe geleitet haben SM ). Auch die Leute nehmen am Begräbnis teil, deren Angehöriger neben dem Grab des Verstorbenen begraben ist 257), auch zur Beerdigung eines Kindes, woran sonst nur Eltern und Paten teilnehmen 2S8 ), kommen oft viel Leute: „zu einem Kinderbegräbnis (und zu einer Primiz) soll man ein Paar Schuhe durchlaufen"259). Gildebrüder und Mitglieder der Bruderschaft sind auch zur Folge verpflichtet260), in Dänemark Mühlknappen, Schmiede und Schreiner, Leute, die etwas zur Beerdigung geliefert haben 261 ). Bei Männerleichen folgen manchmal nur Männer, bei Frauen nur Frauen 262 ); oft bestand der Zug nur aus Männern, in Schweden nur aus solchen im Alter des Toten 263); auch bei den Griechen sollten sich die Frauen fernhalten 264). Die polnischen Juden erklären die Sitte damit, daß den Weibern die bösen Geister besonders schädlich seien 26S ). In Kroatien nehmen umgekehrt nur Frauen teil 266). Witwer oder Witwe folgen manchmal nicht der Leiche ihres Gemahls 267), er oder sie, heißt es, „muß fressen" 268). Bei den Rumänen folgt der Witwer nicht, wenn er eine zweite Ehe einzugehen gedenkt 2Si ). Schwangere dürfen nicht folgen, sonst stirbt ihr Kind vor der Geburt 270). Eine

ii4 7

Leichenzug

eigentümliche Sitte ist das „Abschwenken", der Brauch, daß die Nichtleidtragenden schon vor der Kirche den Zug verlassen 271 ); es kommt sogar vor, daß auch die Angehörigen der Leiche nicht bis zum Grab folgen 272). Die Leidtragenden müssen durch das Haupttor das Haus betreten 273). Wer zum Begräbnis geht, soll vor der Tür des Trauerhauses etwas „lassen" (Gesangbuch, Mütze usw.) 274). a) Die Reihenfolge der Teilnehmer •wird oft durch besondere Zeremonienmeister bestimmt27S). Für die Ordnimg bestehen meist bestimmte Regeln: die Leidtragenden kommen zuerst 276) oder hinten 277), die Männer 278) voraus oder die Frauen 279) oft je nachdem es eine Männer- oder Frauenleiche ist 280). Eigentümlichkeiten sind: daß Mutter und Geschwister zuletzt kommen281), daß der oder die Nachbarn mit den Leidleuten gehen 282), daß Vereine, Sänger vor oder unmittelbar hinter dem Wagen gehen 283). Die Leidtragenden gehen noch etwa einer hinter dem andern, während die übrigen paarweise folgen284). Geistliche, Lehrer, Sänger gehen oft vor dem Sarg, auch das Kreuz wird vorangetragen 285); in Siebenbürgen gehen auch die beiden Nachbarväter voraus286). In Cöthen stellte die Schneiderinnung die offiziellen Begleiter der Leiche; sie hießen Trauermarschälle und trugen in der Linken eine Zitrone, in der Rechten den Stab und auf dem Rücken eine Art Schleier 287). Besondere Personen, die vor oder gerade hinter dem Sarg gehen, sind: die Totenfrau, Leichenwäscherin, Leichenbitter, Totengräber, Barbier, manchmal mit einem Stab 288). Ein Totengräber ging vor, nie hinter dem Leichenwagen, weil es da nach ihm warf 289). Im Allgäu mußte der nächste Nachbar mit zwei vollständig angeschirrten Pferden, das eine ledig neben sich, an der Spitze des Zuges reiten 290). In Graubünden geht der beste Freund dem Sarg voran 291 ). Beim Begräbnis einer Nonne (1719) ging vor der Bahre das „Totenfräulein" 292). In Schottland .ging der nächste Verwandte voraus und

1148

leitete den Zug, indem er den Sarg an einem Seil befestigt hielt 293). In Württemberg geht der Polizist oder ein Knabe mit einem Spieß voraus, um Kinder oder Gänse wegzujagen 294). In der Oberpfalz ging meist eine Frau mit blauer Schürze mit im Zug; dies galt als Zeichen, daß es der Seele des Verstorbenen gut gehe 295). Auch das Opfer für die Kirche oder die Begräbnisgebühren werden vorausgetragen 299). b) Sogar deutliche Spuren von Totenklage und Klageweibern haben sich erhalten: In Württemberg und Baden gab es bis in neuere Zeit besondere Trauermänner, „Heuler", von denen vier bis acht mit der Leiche gingen, oder die armen Frauen zogen als Klageweiber mit und erhielten dafür Leichenbrot und -trank 297). Ähnliches kam auch vor in Welschtirol, im Kanton Waadt, bei Metz und in Belgien m ) ; in Westfalen geht der Notnachbar voraus und wird „Hülmüle" genannt299). Auch die Trauerfrauen und -männer, die früher etwa mitzogen, werden wohl ursprünglich die Klage besorgt haben 300). Unheimlichen Toten folgen gespenstische Tiere301). c. In Luxemburg setzte sich früher die Witwe rittlings auf den Sarg; das bedeutete, daß nach dem Tod des Mannes die Frau wieder ihre Freiheit habe 302). In Berg saß die Witwe neben dem Sarg 303), in Belgien und Holland darauf 304). In Dänemark sitzt der Gatte beim Kutscher 305). Dies soll wohl die Zugehörigkeit, den Willen zur Folge darstellen. Ebenso wenn nahe Verwandte auf dem Wagen oder Sarg sitzen, in Belgien der nächste Verwandte 308), in Steiermark die nächste Verwandte mit einer Laterne (auf dem Sarg) 307), auf Sylt und in Belgien die Angehörigen oder zwei nahverwandte Frauen 308), in Rußland die Töchter309). In Norddeutschland sitzen vier bis zwölf von den nächstverwandten Frauen (Höke-, Hoikefrauen) in Trauertücher gehüllt auf dem Wagen310) oder auch zwei Dienstmädchen 311). Beim L. der Königin Maria von England (1695) saßen zwei

1149

Leichenzug

Kammerjungfern beim Sarg auf dem Wagen 312 ). Diese Frauen scheinen ursprünglich eher als Klageweiber gedient zu haben, wie es z. B. bei den Balten noch Brauch ist 3 1 3 ). Mehr wie ein Abwehrbrauch sieht es aus, wenn auf dem Sarg die Leichenbitterin, Leichenwäscherin, oder die „älteste F r a u " des Orts mit einem Kreuz oder einer brennenden Laterne saß 3 1 4 ). In Kärnten setzt sich, wenn es bergan geht, ein Knabe auf den Sarg, weil das Tferd dann leichter ziehe S 1 S ); bei den Letten ließ man möglichst viel Kinder sich auf den Sarg setzen 318 ). d) Bei Leichen von L e d i g e n herrschen oft noch Ausnahmebräuche: die Teilnehmer und Träger tragen Rosmarinsträußchen 3 1 7 ), die Begleiterinnen sind weiß gekleidet oder tragen weiße Schleier 3 1 8 ); neben dem Sarg gehen Kranzeljungfern mit weißen Schärpen oder weiß gekleidet mit grünen Armbinden 319 ). In Graubünden wird „vorgepaart", d. h. einige Jungfrauen in weißen Schürzen gehen, manchmal mit einem Kranz, vor dem Sarg 320 ). Es werden Kränze, Blumenkronen, ein rotes Kreuz hinter dem Sarg oder vorangetragen 3 2 1 ). In Schlesien trägt beim Begräbnis einer Jungfrau ein Jüngling, von zwei Jungfrauen geleitet, den Myrtenkranz vor dem Sarge her; einer Jünglingsleiche gehen bekränzte Jungfrauen voran; sie müssen dem Toten ihre Kränze samt den Nadeln ins Grab geben, sonst würden sie ihm nachsterben 3M ). Bei Teplitz folgen einer Jünglingsleiche drei Mädchen, eins in der Mitte schwarz verschleiert, „die Braut" genannt 323 ). Bei den Südslaven wird ein junger Baum, mit Flitterwerk, Geschenken oder roten Bändern bekränzt, mitgetragen und zu Häupten des Toten ins Grab gepflanzt 324 ) (s. Totenhochzeit). Auch bei Kinderleichen kommen etwa ähnliche Bräuche vor 32S ). 2S0 ) Schramek Böhmerwald 227; HessBl. 6, 102; ZrwVk. 4, 275; Thurgau schriftl.; Fischer Oststeirisches 50. M1) Urquell 1, 32; SAVk. 23, 183; Wallis, Unterwaiden, Thurgau schriftl.; Witzschel Thüringen 2, 260f.; Drechsler Schlesien 1, 301; L e o p r e c h t i n g Lechrain 251;

ZfVk. 8, 437; Wrede Eifler Volksk. 127; Meyer Baden 591 f.; Höhn Tod 327. 335 f.; Seefried-Gulgowski 222; Birlinger Aus Schwaben

253 ) 2M ) i55

2, 325.

252

) Meyer

Baden

591.

ZrwVk. 4, 275; Fossel Volksmedizin 172. W i t t s t o c k Siebenbürgen 101; BF. 2, 357. ) Thüle 7, 87. S58) Urquell NF. 2, 110; vgl. RTrp. 13, 254. *") Schweizld. 3, 1014 (Zürich). 258) Egerl. 9, 32; vgl. Diener Hunsrück 184. "•) Jörger Vals 54; Höhn Tod 335- a80) Urquell i, 33; SAVk. 17, 243; Meyer Baden 593. 3,1 ) Feilberg Dansk Bondeliv 2,121. 2M ) Ploß Weib 2, 779 (Ostjaken). 782 (Bulgar.); Brand Pop. Ant. 2, 240. *•») ZfVk. 13, 384; ZrwVk. 5, 260; Rosön Död och begravning 10; Globus 80, 155; vgl. Thurston Southern India 209 (kein Teilnehmer darf älter als der Tote sein). aM) Wächter Reinheit 50. Mt ) Andree Juden 184. "») ZfVk. 6, 204. »') Schweizld. 2, 352; Baumgarten Aus d. Heimat 3, 113f.; BF. 3, 19. *•») Baumgarten 114. "•) ZfEthn. (Verh.) 31, 652. 270) Jensen Nordfries. Inseln 2i6f.; Brückner Reuß 195; Wirth Beiträge 2 /3. 58; auch eine Frau, die Periode hat: Höhn Tod 345. , n ) Schweiz mündl.; Erinnerungen des Joh. Salzgeber. Progr. Chur 1902, 68. 27J ) Krünitz Encyclop. 73, 677 (Ulm); Niderberger 3, 163; ARw. 24, 307 (Chios). 27S) Sartori Westfalen 103. 274) Schulenburg m . ,7S ) Bühler Davos 1, 376; Troels-Lund 14, 186 f. (Hamburg); vgl. Brand Pop. Antiqu. 2, 286. *'•) Reiser Allgäu 2, 299; Schramek Böhmerwald 228; Höhn Tod 342; Hörmann

Volksleben 427; S c h n e l l e r Wälschtirol 242; vgl. C a l a n d Altind. Toten- u. Bestatt.gebr. 2 1 ;

Pauly-Wissowa 3, 336; FFC. 41, 115. Reiser a. a. O.; Wrede Eifler Volksk. 127. » ») ZrwVk. 5, 260; SAVk. 24, 268 f.; DHmt. 4, 4. "») ZfVk. 19, 276. 280) SAVk. 24, 63; Schweizld. 3, 1084; Meyer Baden 592; Höhn m Tod 342. ) Pollinger Landshut 299. ls2 ) Meyer Baden 592; ZrwVk. 5, 260. ! « ) ZrwVk. 5, 260 f. 2M) Höhn Tod 342; SAVk. 4, 305; R ü s c h Der Kl. Appenzell 116; Birlinger Volksth. 1, 281; HessBl. 25, 71; Dirksen Meiderich 50 f.; BF. 2, 356; Freiburg Stadt mündl.; vgl. Wirth BeiS77 ) 7

träge 2/3, 66 (je 4). 28S ) W i t t s t o c k Siebenbürgen 102 f.; J e n s e n Nordfries. Inseln 342;

John Westböhmen 175; SAVk. 6, 41; 7, 144; Laube Teplitz 33; Meyer Baden 592; ZfVk. 6, 181 f.; ZrwVk. 2, 199; Wirth Beiträge 2/3, 66. 28«) W i t t s t o c k a.a.O.; Gaßner Mettersdorf 92; vgl. BF. 2, 356. !87) Wirth Beiträge 2/3, 61. *«) ZfVk. 6, 181 f.; Eisel Voigtland 242 Nr. 600; Höhn Tod 342; Wrede Rhein. Volksk. 140; Birlinger Aus Schwaben 2, 325; Köhler Voigtland 252 f.; ZfVk. 13, 320; Volkskunde 13. 97- M ') Eisel a. a. O. 2»°) Reiser Allgäu 2, 300 f. "») Schriftl. »») Nater Gesch. v. Aadorf 497. 2 «) FL. 18, 86. 2M) Höhn Tod 2,s 342. ) Schönwerth Oberpfalz 1, 255. 296 ) Hörmann Volksleben 427; Jensen Nord-

fries. Inseln 343.

Tod 343.

2,8

2,7

) M e y e r Baden 585; H ö h n

) Schneller Wälschtirol 243;

ii5i

Leichenzug

Conteur Vaudois 1898 Nr. 1 3 ; RTrp. ri, 589; B F . 2, 355; vgl. T e t z n e r Slawen 85; ZföVk. 10, 106. 2 " ) S a r t o r i Westfalen 105 f. s«0) T r o e l s - L u n d 14, 142 t.; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 3 1 5 f.; vgl. K r ü n i t z Encyclop. 301 73, 6 7 2 f . ; S c h u l t z Alltagsleben 235. ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 124; Meiche 302 Sagen 47; H a u p t Lausitz 1, 68. ) Fontaine Luxemburg 154. 3«3) ZrwVk. 14, 189. a*) Volkskunde 13, 97; B F . 3, 19. 306) F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1x6. »•) BF. 3, 19. 3 °') ZfVk. 8, 448. ¡»o«) Volksleven 8, 2 1 ; 1 1 , 125; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 146; J e n s e n Nordfries. Inseln 343. m ) Zelenin Russ. Volksk. 31 325. °) Hoops Sassenart 120; S a r t o r i Westfalen 105; ZfVk. 3, 269; ZrwVk. 4, 278. 283; K ü c k Lüneburg 255 f.; Heimat (Kiel) 33, 210. 255 f. 3 U ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 146. 3 1 2 ) L f i n i g Theatr. ceremoniale 2 (1720), 648. 3 1 3 ) ARw. 17, 484. 3 " ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 316; ZrwVk. 5, 255 f.; K ö h l e r Voigtland 2 5 3 f . ; B r ü c k n e r Reuß 195; Urquell 1, 32; Höhn Tod 3 4 1 ; BF. 2, 358. 3 1 S ) F r a n z i s c i Kärnten 81. 316 ) ARw. 17, 484. 317 ) C a m i n a d ä Friedhöfe 59; B a u m g a r t e n Aus 'd. Heimat 1, 146; Schweizld. 6, 1444; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 2 5 1 ; vgl. ZföVk. 5, 19. 318 ) Wallis schriftl.; RTrp. 12, 255; 14, 346; B r a n d a. a. O. 255. 283. 306. 3 W ) J o h n Westböhmen 1 7 5 ; ZföVk. 8, 34; Thurgau mündl.; Höhn Tod 342; vgl. RTrp. 12, 2 5 4 f . ; B r a n d a. a. O. 2, 250. 320 ) T s c h u m p e r t Versuch e. bündn. Idiotikons 507; schriftl. Mitt.; SAVk. x, 46; vgl. 6, 42. 3 2 1 ) Aargau mündl.; S a r t o r i Westfalen 102; HessBl. 10, 110; Meyer Baden 592 f.; SchwVk. 17, 52; H ö r m a n n Volksleben 427; W r e d e Eifler Volksk. 128; ZföVk. 7, 228; B r a n d Pop. Ant. 2, 302. 3 1 1 . 3S2 ) MschlesVk. i, 14; Drechsler Schlesien 1, 300; K l a p p e r Schlesien 301; W i r t h Beiträge 2/3, 54. 323 ) L a u b e Teplitz 33. 324 ) K r a u ß Relig. Brauch 36. 32S ) ZföVk. 4, 255; BdböVk. 12, 228; T s c h u m p e r t Vers. e. bündn. Idiotik. 507; ZfVk. 8, 4 1 1 ; Gaßner Mettersdorf 92.

2. Für die Tracht ist heutzutage wohl allgemein die schwarze Farbe vorgeschrieben, für die Männer Leidband, Trauerflor, für die Frauen Schleier. Manches deutet auf ein Verhüllen hin, so der schwarze Trauermantel der Männer 326), besonders wenn er über den Kopf gehängt wurde 327 ). Verhüllen des Kopfes fand auch bei Römern und Juden statt 32S ). Besonders bei den Frauen kommt dieses Einhüllen des Kopfes durch allerlei Tücher (Sturz, Rägenkleed, Hoiken) noch bis in neuere Zeit vor 329 ). Fernerstehende erscheinen in schmutzigen Werktagskleidern **>). Vielleicht

1152

hängt damit der nordfriesische Glaube zusammen, daß, wer ein neues Kleid oder neue Schuhe zum erstenmal zu einem Leichenbegängnis anhat, sie in Trauer wird abtragen müssen 331 ). In Württemberg trugen die Männer den Dreispitz verkehrt, die Haare des Zylinderhuts werden rückwärts gebürstet, die nächstverwandten Männer hatten die rechte Hand vorn im zugeknöpften Rock 3 3 2 ); in Anhalt hatten die Männer den Rock ganz zugeknöpft 333 ). Die Frauen tragen manchmal ein weißes Tuch oder eine weiße (oder blaue) Schürze 334 ), ferner ein weißes Taschentuch (Leichentüchlein, Klagtuch), das sie auch vor den Mund halten 33S ). In der Bukowina haben alle gelöstes Haar336). Die nächsten Verwandten trugen kein Gesangbuch (vgl. Leichenfeier) 3 3 7 ); kein Teilnehmer darf Gold oder glänzendes Metall tragen 338 ). Spuren einer Entblößung liegen vielleicht darin, daß die Männer mit unbedecktem Haupt gehen33»), in Schwaben umgekehrt mit bedecktem Haupt auch in der Kirche 340). In verschiedenen Gegenden soll man nicht frisch geschmierte Stiefel bei einem L. tragen; wer doch solche trägt, stirbt zuerst 341 ). In der Oberpfalz erscheinen die Leute mit geschmierten Schuhen (nicht glänzend?), weil sonst der Tote nicht ruhen kann 342 ). Vielleicht hängt diese Vorschrift mit dem Vermeiden des Glänzenden zusammen, vielleicht auch mit dem oben erwähnten Tragen schlechter Werktagskleider. 326 ) SAVk. 22, 1 1 0 ; 24, 63; Urquell 1, 3 2 ; N i d e r b e r g e r Unterwaiden 3, 162 f.; BF. 2, 357; Heimat (Kiel) 1925, 245. 327 ) HessBl. 6, 105; 25, 70; vgl. F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 6 ; Volkskunde 16, 68; Globus 69, 91. 328 ) M a r q u a r d t Privatleben 1, 356; Andree Juden 165 f. 329 ) Urquell 1, 32; C a m i n a d a Friedhöfe 142; HessBl. 10, m ; ZfVk. 1, 2 1 9 ; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 402; S c h u l t z Alltagsleben 235; ZrwVk. 4, 278; 20/1, 43; Dirksen Meiderich 50; H a a s u. W o r m 8 1 ; K ü c k Lüneburg 256; BF. 2, 357; K o h l r u s c h Sagen 150. s30) Höhn Tod 343; RTrp. 12, 447; vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 284; Andree Juden 165!; Marco Polo II, c. 68; Westermarck Urspr. d. Moralbegriffe 2, 331 434. ) J e n s e n Nordfries. Inseln 327. o») Höhn Tod 343. 333 ) W i r t h Beiträge 2/3,60.

"53

Leichenzug

* * ) ZfVk. 8, 437; W i r t h a . a . O . ; R o c h h o l z Glaube 1, 198; vgl. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 255; T e t z n e r Slawen 85; B r a n d Pop. Anliqu. 2, 283 (rote Mäntel). M5 ) Höhn Tod 343; D i r k s e n Meiderich 50 f.; ZrwVk. 5, 258; T o e p p e n Masurert 103. ZföVk. 4, 255; vgl. Caland Altind. Toten- 11. Best.gebr. 21. *») B o d e m e y e r Rechtsalterth. 193. 338 ) ZrwVk. 5, 261; auch bei den Römern: P a u l y - W i s s o w a 3, 353- 339 ) Egerl. 9, 3 1 ; Wrede Eifler Volksk. 128; F i s c h e r Oststeirisches 5 1 ; vgl. W e i n h o l d Ritus 17t.; M a r q u a r d t Privatleben 1, 383 f. 340 ) Meier Schwaben 2, 490. 341 ) Bern mündl.; W u t t k e 466 §738 (Mecklenb.); T e t z n e r Slawen 375. 342 ) Bavaria 2, 323.

3. Der Tote oder seine Seele ist im L. gegenwärtig, man glaubt, der Geist folge unmittelbar hinter dem Sarge 343 ). Mancherlei muß getan oder vermieden werden, um ihn nicht zu beleidigen, um ihn abzuwehren, manches auch, um den Toten selbst vor bösen Einflüssen zu schützen. Gegen wen oder was die Vorkehrungen getroffen werden, ist im heutigen Glauben meist nicht mehr zu erkennen. a) Kirchlicher Brauch ist, imL. L i c h t e r mitzutragen (Kerzen, Laternen, früher Fackeln), auch bei protestantischen Leichen war es üblich 344). Am Leichenwagen sind brennende Laternen 34S ). Manchmal geht eine besondere Person mit einer Laterne vor oder hinter dem Sarg oder sitzt auf demselben (s.o. Ic.) 346 ). In Rumänien wird eine Wachskerze in der Länge des Leichnams mitgetragen und manchmal mit eingegraben 347). In den Marschen haben die Häuser, an denen der L. vorbeikommt, zur Ehre des Toten die nach der Straße liegenden Fenster hell illuminiert 348). Erlischt beim Begräbnis eine Kerze, so stirbt ein Leichengänger 349). b) Bei Katholiken und Protestanten werden auf dem Wege geistliche Lieder gesungen (s. Leichensingen)3S0); beim Begräbnis unschuldiger Kinder ertönen auch lustige Gesänge 351 ). Manchmal spielt eine Musik 352 ), die dann auf dem Heimweg heitere Weisen spielt 353 ), wie das auch bei Fackelzügen zu Ehren eines verstorbenen Studenten Brauch ist. In der Bretagne unterbrechen die Priester ihren Gesang beim Passieren einer B i c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

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Brücke 354). Auf den nordfriesischen Inseln und in Skandinavien wurde immer eine Strophe gesungen, wenn man an einem Hof vorbeikam 355 ). Über das Glockenläuten s. Begräbnisläuten. c) Der Leiche voran wird ein K r e u z getragen, das dann meist aufs Grab gesteckt wird 354), für Kinder und Ledige ist es blau oder weiß 35? ), auch rot 3S8). Es ist aus Holunderholz verfertigt, heißt „Lebelang", und man glaubt, ein solches Kreuz aufs Grab gesteckt grüne lange fort, wenn der Verstorbene wirklich selig geworden 359). Der Ministrant, der das Kreuz trägt, soll es nie ans Sterbehaus anlehnen 36°). In der Bretagne und in Irland trugen die Begleiter kleine Kreuzlein, die an ein Kruzifix gelegt oder in einen Baum gehängt wurden 361 ). d) Nicht nur die Träger, auch andere, manchmal alle Teilnehmer tragen Zitronen oder R o s m a r i n in der Hand 362 ), auch Buchszweiglein werden mitgetragen 363), oder der Weg wird mit Taxus-, Fichten- und Wachholderzweigen bestreut 364). In Holland wurde im 16. Jh. Stroh auf den Weg gelegt; in Rußland wird Mohnsamen gestreut 3M ). Bei den Balten ritten die männlichen Verwandten neben dem Zug, die Schwerter schwingend, um die bösen Geister zu vertreiben386). Bei fürstlichen Leichenbegängnissen wurden früher Kanonen abgefeuert 367). In England und Frankreich ging ein Mann, eine Handglocke läutend, voraus 368), bei den Juden in der Bukowina wird mit der Sammelbüchse geklingelt 369). Im L. des dänischen und des schwedischen Königs (1634 und 1699) wurden vor der Leiche silberne Denkmünzen ausgeworfen 370). Im Oberinntal wird ein Kreuzschnabel oder sonst „etwas Lebendiges" unten an den Sarg gehängt 371 ), damit der Teufel dem Toten nichts anhaben könne; der Tote wird so auf den Wagen gelegt, daß er in der Fahrrichtung sieht, sonst zieht er jemand nach, oder er kehrt zurück 372 ). In Dänemark wandte man unterwegs, wo der Zug vorbeikam, alle Heckpforten so, daß sie von der andern 37

Leichenzug

"55

Seite zu schließen waren, als vorher, um die Rückkehr des Toten zu hindern373). Die an die Straße gehenden offenen Tore müssen, wenn ein Toter zu Grabe getragen wird, geschlossen werden, sonst stirbt jemand aus dem Haus (Rumänen) 374). Bei römischen Leichenzügen wurden die Fasces zu Boden gekehrt 375) ; beim Begräbnis Karls IV. (1378) war auf einer Fahne ein Adler, verkehrt, das Haupt nach unten 376) ; noch später trugen bei fürstlichen Leichenzügen (z. B. Friedrichs d. Gr.) Offiziere und Soldaten ihre Waffen verkehrt 37i ). Bei der Beerdigung Karls II. von Spanien (1700) folgte der Leiche ein leerer Sarg und beim Begräbnis König Ludwigs (1724) eine leere Sänfte 37S ). Über das Mitführen von Vieh und anderen Spenden s. Totenspende. •**) K n o o p Hinterpommern 165; S e e f r i e d G u l g o w s k i 223; MschlesVk. 8 H e f t 15, 80; vgl. P e u c k e r t Schlesien 233; in Rumänien werden Leinwandstücke über Gräben usw. gelegt, damit die Seele passieren könne, F l a c h s Rumänen 58 f.; B F . 2, 354; Volkskunde 14, 133; W e l l h a u s e n Reste 186. ***) Schweizld. 3, 494f.; SAVk. 6, 41; 17, 237f.; Ünterwalden, Wallis schriftl.; ZfVk. 17, 367 f.; N a t e r Aadorf 497; C a m i n a d a Friedhöfe 99; ZrwVk. 5, 249; M e y e r Baden 592; B i r l i n g e r Volhsth. 2, 405; ZfVk. 17, 368; L a u b e Teplitz 33; S c h n e l l e r Wälschtirol 242; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 276f.; R T r p . 12, 254; B F . 2, 358; T r o e l s - L u n d 14, 173f.; M o n t a n u s Volksfeste 91; B i r g e r M ö r n e r Tinara 114 f. 3 4 6 ) Aargau; ZrwVk. 4. 296; 5, 261. **•) ZrwVk. 5, 260f.; 4, 296; 20/1, 76f.; R e i s e r Allgäu 2, 299; B a v a r i a 1, 994; ZfVk. 8, 447f.; F i s c h e r Oststeirisches 51; Graubünden schriftl.; P o l l i n g e r Landshut 298; SAVk. 14, 81; H ö h n Tod 342; L e B r a z Légende

1, 294.

347

) Flachs

Rumänen

52 f.

) ZfVk. 17, 368. M ») J o h n Erzgebirge 126. 360) H ö h n Tod 337ff.; K ö h l e r Voigtland 253; M e y e r Baden 594; ZrwVk. 5, 267; 8, 231; R e i s e r Allgäu 2, 299f.; D u r a n d Rationale (1565) 454; J o h n Westböhmen 175; Arch. f. Anthrop. N F . 5, 157. 163 f. 8 6 1 ) H ö r m a n n Volksleben 428. 3 5 2 ) Wallis schriftl.; ZföVk. 4, 268; Bavaria 1, 994; F L . 14, 83. 3 5 S ) M e y e r M8

Baden 595.

3M

) L e B r a z Légende 1, 295.

355)

J e n s e n Nordfries. Inseln 333; R o s é n död och begravning 10; T r o e l s - L u n d 14, 170; vgl. ZrwVk. 4, 278. 3 S 8 ) D i e n e r Hunsrück 183; J ö r g e r Vais 56; ZrwVk. 5, 252; 2, 199; vgl. M o n t a n u s Volksfeste 91; B F . 2, 358. 357) Luzern, Aargau schriftl.; SAVk. 4, 305; H ö h n Tod 341. 3 6 s ) Bulletin du Glossaire 14, 26 f.

36S

) Alpenburg

Glaube

1, 192.

Tirol 360

)

394; vgl.

John

Rochholz

Westböhmen

166.

) RTrp. 18, 249; L e B r a z Ligende 1, 296; vgl. B F . 3, 18. 3 6 2 ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 322; ZföVk. 5, 19; Alemannia 27, 240; MdBUVk. 1, 143; B e c k e r Pfalz 117; ZrwVk. 5, 260; W i r t h Beiträge 2/3, 60; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 251 ff.; ZfVk. 13, 390; 14, 198 ff.; 15, 74 ff. ; ARw. 21, 239. 3 6 3 ) B r a n d Pop. Antiqu. 2, 279; B F . 2, 364. 3 M ) R o s é n död och begravning 10; B i r g e r M ö r n e r Tinara 114; ARw. 17, 496 (Letten); B F . 2, 359: Stroh: 3 8 6 ) H i r s c h Doodenritueel 86; Bulgakowskij Pincuki igo. 3 6 6 ) ARw. 17, 484 f. ; Globus 69, 375; T e t z n e r Slawen 23; ähnlich in Messina (15. J h . ) : P i t r è Usi 2, 224; vgl. R o h d e

3M

Psyche

1, 224; K o c h Animismus

88; A R w .

z - B - K r ü n i t z Encycl. 73, 613. 594- ^ 3 , s ) B r a n d Pop. Ant. 2, 272. 285; OtteGlockenkunde 42; Journ. Anthr. Inst. 15, 88; L ü n i g

Theatr.

ceremon.

2 (1720), 591; v g l .

Psyche 1, 56; Volkskunde 22, 215. ) Lünig

7, 123.

370

Volksk.

127.

369

Rohde

) ZföVk.

Theatr. ceremon. 2, 557.

576. 651. 3 7 1 ) H ö r m a n n Volksleben 427 f. 372) D i e n e r Hunsrück 184; W r e d e Eifler 373

) Feilberg

Dansk

Bondeliv

2, 120. 3 7 4 ) ZföVk. 4, 213; vgl. ARw. 24, 317; F r a z e r 3, 51. 3 7 S ) S i t t l Gebärden 72. 37e) Z f R G . 32, 133. 3 7 7 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 663. 811; 74, 65; auch in Frankreich, Holland u. Schweden: L ü n i g

Theatr. ceremon. 2 (1720),

554- 557- 602; umgekehrte Wappen: Matth, v. Neuenburg (1346) GddV. 14. J h . 6. B d . 135. 378) K r ü n i t z 73,-613. 615; L ü n i g a . a . O . 2. 655-

4. Oft werden auf dem Weg zur Begräbnisstätte Halte gemacht, teils mit der Absicht, den Toten Abschied nehmen zu lassen, teils (wie beim Heben des Sargs) um ihn nicht durch große Eile zu beleidigen. Drum hieß es auch in Dänemark: wenn man Trab fahre, komme der nächste (Tote) in Eile 379). Der Zug muß dreimal oder öfter halten s80), dabei wird gebetet oder gesungen; der obere Teil des Sargs wird gehoben, damit der Tote seine Heimat noch einmal sehen und Abschied nehmen kann (Inntal)381). Auch hier müssen die Pferde beim Weiterfahren dreimal anziehen (s. o. B 6.) 382). Die Halte sind an bestimmten Orten: am letzten Haus des Dorfes sas ), an den Häusern von Verwandten 384), an der Markungsgrenze 385), vor einem Wasser 388), am Friedhofstor 387), vor dem Pfarrhaus 388), vor dem Geburtshaus des Toten 389), am letzten Grundstück des Verstorbenen 390). Der Sarg

"57

Leichenzug

wird dabei dreimal niedergesetzt und gehoben, und man lüftet den Hut (Markungsgrenze) 391 ). Bei den Rumänen wird dabei über den Sarg weg den Armen und Kindern eine Spende verteilt 392). Bei den Indern sind die Halte mit Opfern verbunden 393). In Irland wird auf halbem Weg Halt gemacht und ein Steinhaufen errichtet 394 ). In einem Berner Ort wird Halt gemacht an einer Stelle, wo ehemals ein Scheintoter begraben worden sein soll 385 ). Besonders an Kreuzwegen muß Halt gemacht und der Sarg niedergestellt werden 3M ), in Belgien aus Furcht vor bösen Geistern und damit der Tote den Rückweg finde397). Ferner wird Halt gemacht bei Kreuzen oder Marterln am Wege 398), sogenannten Totenrasten 399), Lichghirmi 400). I n d e r Bretagne wird der Sarg an die Wegkreuze gestoßen 401 ). Bei diesen Halten steckt man etwa auch kleine Holzkreuze in den Boden, die bleiben müssen, bis sie verfaulen 402). An den Totenrasten spukt es nachts 403). Umgekehrt wird es auch nicht gern gesehen, wenn der L. hält. Wenn der Leichenwagen anhalten muß oder die Träger stillstehen vor einem Haus, so stirbt bald jemand daraus ^ J . Wenn der L. unterwegs anhält, stirbt bald wieder jemand aus der Familie oder der Tote hat keine Ruhe 405). Der Fuhrmann darf auch bergab den Radschuh nicht einlegen408), Wie schon beim Leichenweg (s. d.) erwähnt wurde, bringt die Begegnung eines L.s Gefahren mit sich. Drum sollen die Haustüren, an denen der Zug vorbeigeht, geschlossen werden, sonst flüchtet sich der Tod hinein 407 ); die Bienenstöcke bei solchen Häusern müssen umgekehrt werden, sonst werden sie „malefiziert" 40S). Bei jedem Haus am Weg wird Weihwasser aufgestellt, damit die Vorübergehenden davon Gebrauch machen und dem Toten das Weihwasser geben können Früher trat beim Vorbeiziehen des L.s die Wache ins Gewehr 410 ). 3 " ) F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 1 1 7 . 380 ) D u r a n d Rationale (1565) 453; Heimatgaue

1158

4, 1 9 1 ; ZfVk. 6, 409; ZföVk. 6, 63. 232 f.; M e y e r Baden 594; H ö h n Tod 344; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, xi6. M 1 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 149. 3sa ) ZrwVk. 2, 198. 38J ) Höhn Tod 344. 8M ) H ö h n a. a. O.; Globus 69, 198 (Rumänen); K r ü n i t z Encyel. 73, 458. 1 K ) H ö h n a . a . O . Höha a.a.O.; F l a c h s Rumänen 58; ZfdMyth. 2, 5 3 1 . (Vorarlberg). •»') H ö h n a. a. O. 38S) Höhn a. a. O.; M S c h u l e n b u r g Wend. Volhsth. 1 1 3 f. ») M e y e r Baden 594. 3 M ) B a u m g a r t e n Aus d. 3 3M Heimat 3, 1 1 2 . " ) Höhn a. a. O. ) Flachs Rumänen 58; vgl. S a r t o r i Sitte u. Brauch 3W 1, 149. ) C a l a n d Altind. Toten- u. Best.gebr. 2 4 f . ; vgl. ZfEthn. 6, 265; C r o o k e North. India 3M 223. ) L e B r a z Légende 1, 292 (Anm.); vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 271 f. ; Mélusine 3. 30. 3 , s ) Schriftl. 3 " ) D i e n e r Hunsrück 184; H e y l Tirol 780; SAVk. 24, 78; H ö h n Tod 344; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 285. 3t7 ) B F . 2, 360. 3 " ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 301 f.; ZfVk. 18, 365; J o h n Westböhmen 175; ZfVk. 6, 410; Bavaria 2, 323; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 253; M e y e r Baden 594; vgl. B F . 2, 360; RTrp. 18, 459; L e B r a z Légende 1, 296; ZfVk. 1 1 , 434. 3 M ) Z i n g e r l e Tirol 50; ZfVk. 8, 207; ZföVk. 16, 9 f. «">) N i d e r b e r g e r 3, 163; vgl. Schweizld. 2, 1609. 401 ) L e B r a z Légende 1, 295 f. 403 ) MschlesVk. 6. Heft, 39; vgl. B F . 2, 360; Mélusine 3, 30. 403) H e y l Tirol 195 Nr. 99; 322 Nr. 138; 781 Nr. 102. 404 ) K r ü n i t z Encycl. 73, 363; J o h n Erzgebirge 1 1 5 . 1 1 7 ; F o g e l Pennsylvania 126 Nr. 574; ZrwVk. 4, 271. 4M ) F o g e l a . a . O . 126 Nr. 576; 128 Nr. 587; H ö h n Tod 344; W u t t k e 466 §738; H e s e m a n n Ravensberg 90; L e B r a z Légende 1, 293; vgl. W e l l h a u s e n Reste 178. 40*) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 . « ' ) ZföVk. 4, 213. 268. 4M ) H e y l Tirol 781. 4M ) R e i s e r Allgäu 2, 299. 41()) B i r l i n g e r Volksth. 2, 405; ZrwVk. 7, 2 3 3 t .

5. Es ist gefährlich, einem L. zu begegnen 4 1 1 ). Wenn man den Sarg auf der Treppe antrifft, stirbt bald jemand 412 ). Wohl allgemein zieht man den Hut, wenn man einen L. begegnet 41s ), in Ungarn spuckt man aus 4 1 4 ). Man soll auf der rechten Seite ausweichen, sonst kommt der Zug nicht vorbei 415 ). Einen L. soll man nicht grüßen 418 ) ; man geht umsonst 417 ), oder man hat in der Woche Unglück, wenn man einem L. begegnet 418 ). In Island soll man einem Begräbnis nicht gerade entgegengehen, sonst stößt man auf einen bösen Geist, der der Leiche vorangeht 419 ). Wenn sich ein Hochzeits- und ein L. begegneten, scharten sich die Hochzeitsgäste um das Brautpaar und wehrten mit den Händen heftig gestikulierend den L. von diesem 37*

Leichenzug

gleichsam ab 420). Wer, obgleich er nicht zum Gefolge gehört, hinter dem Zuge herfährt, stirbt bald 421 ). Man soll die Fuhrwerke an einer Leiche nicht zählen422), auch nicht die Leidtragenden oder auf einen derselben mit dem Finger zeigen, sonst stirbt man oder jemand aus der Familie42S). Geht der Zug an einem Hause vorüber, worin ein Kranker liegt, so soll der von ihm sprechende Leidtragende bald selbst begraben werden424). Der erste, der hinter einem L. den Weg kreuzt, stirbt bald nach 425). Einem L. soll man nicht (aus dem Fenster) nachsehen, sonst stirbt man bald 426); tut es ein Kind, so wird es blind 42? ) ; tut es eine Wöchnerin, so stirbt sie selbst oder ihr Mann bald 428). Wenn jemand den Sarg lange anschaut und dann stark auf eine Person im Zug, so stirbt jemand aus seiner Familie 429). Wer bei einem L. ißt oder nur Brot in den Kirchhof oder die Kirche nimmt, dem faulen die Zähne 430). Die Leidtragenden dürfen den Toten nicht tadeln, nicht verächtliche Worte reden, nicht eine Wette eingehen, nicht streiten, sonst rauben sie dem Toten die Ruhe 431 ). 411 )

W ä c h t e r Reinheit 52; vgl. F L . 15, 89. 208. 453; A E w . 12, 576. 4 i a ) S A V k . 8, 273; 413 ) vgl. J o h n Erzgebirge 252. H ö h n Tod 414 ) 344; vgl. B r a n d Pop. Antiqu. 2, 250. W l i s l o c k i Magyaren 73. 416 ) Z i n g e r l e Tirol 4W ) 50; H ö r m a n n Volksleben 429. John 418 ) W u t t k e Erzgebirge 127. 4 l 7 ) Ebd. 212 41 § 246. ») L i e b r e c h t Z. Volksk. 370; vgl. F e i l b e r g Dansh Bondeliv 2, 119. 420) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 93; vgl. J o h n Erz421 ) 422 ) gebirge 117. Z f V k . 1, 185. Fogel 423 ) Pennsylvania 129 Nr. 588. J o h n Erzgebirge 127. 424) Ebd. 425) M ü l l e r Isergebirge 25. 420) Z f V k . 14, 429; J o h n Erzgebirge 126; Urquell N. F. 2, 108; L e B r a z Légende 1, 297; 427 ) F F C . 61, 20. J o h n Erzgebirge 57; vgl. 428) W i r t h Beiträge 2/3, 58. W u t t k e 380 § 577; H ö h n Geburt 265; MsächsVk. 2, 24. 430) "») SchwVk. 10, 32. H ö h n Tod 345; M ü l l e r Isergebirge 25; J o h n Erzgebirge 127; W i t z s c h e l Thüringen 2, 256; W u t t k e 467 431 ) §740. J o h n Erzgebirge 127.

6. Die Teilnehmer am L. sollen sich nicht umsehen, sonst stirbt bald jemand aus der Familie oder aus dem Zuge 432) ; der Pfarrer soll sich beim Abholen der Leiche aus dem Sterbehaus nicht umsehen 433), ebenso nicht das

Il6o

Gefolge beim Verlassen des Kirchhofs434). Der Kutscher soll sich nicht umsehen, sonst stirbt er oder jemand aus dem Trauerhaus 435), oder der Tote kommt wieder436), oder die Pferde werden träge 437). Das Verbot des Umsehens findet sich auch bei andern Völkern und bei andern Gelegenheiten. Samter vermutet als Grund Furcht vor der Seele des Toten, die nachfolgt 438). In der Eifel drehen sich aber die Leute auf dem Wege einige Male nach dem Sterbehause um, und der Fuhrmann hält das Pferd einen Augenblick an 439). 432 ) K l e e b e r g e r Fischbach 44; B r ü c k n e r Reuß 195; D i r k s e n Meiderich 49; T e t z n e r Slawen 375 f. (es geschieht etwa absichtlich, damit man nachgeholt werde); F o g e l Pennsylvania 131 Nr. 603; ZrwVk. 15, 110; D r e c h s l e r Schlesien 1, 303; J o h n Erzgebirge 127; Köhler Voigtland 254; MsächsVk. 2, 24. 433 ) ZrwVk. 4, 272. 434 ) M e n s i n g Schlesw.Holst. Wb. 1, 754. 4 3 i ) S t r a c k e r j a n 1, 55; ZrwVk. 4, 279; D r e c h s l e r Schlesien 1, 302; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 30; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 1 1 5 ; S a r t o r i Westfalen 105. 436 ) S e y f a r t h Sachsen 26. 437 ) Bavaria 2, 323. 438) S a m t e r Geburt 1 4 7 0 . ; Volkskunde 13, 9 7 ; A R w . 12, 90. 439) W r e d e Eifier Votksk. 127.

7. Wichtig ist auch die Ordnung im L. Jede Störung bedeutet, daß bald jemand aus der Familie folgen werde440), ebenso wenn das Singen schlecht geht441), oder wenn einem der Schuh aufgeht442). Besonders wird auf die Ordnung der Leute geachtet: Man darf nicht zu dicht hinter dem Sarg hergehen; denn der Geist des Toten folgt dem Sarg unmittelbar 443 ). Umgekehrt soll hinter dem Sarg keine Lücke gebildet werden, sonst entsteht bald eine Lücke in der Verwandtschaft *M). Keiner soll einzeln gehen, sonst stirbt er oder ein Familienglied445). Die Leichenbegleitung darf nicht eng aneinander gehen, sonst folgt bald jemand 446). Besonders dürfen keine Lücken im Zug entstehen, sonst stirbt wieder jemand aus dem Zug oder der Verwandtschaft, „es ist noch Platz für einen Sarg" 447); die Leute sollen nicht durcheinander oder verzettelt gehen 448). Der Zug soll auch nicht zu schnell von Hause weg vorwärts gehen, sonst stirbt bald wieder jemand aus dem

II6I

Leichenzug

Gefolge 449). Das Friedhofstor soll dem Letzten auf die Fersen schlagen, daß der Tod draußen bleibt 450). Auch das Benehmen der P f e r d e (oder Zugochsen) wird gedeutet: Wenn das Pferd vor einem Hause scharrt, so stirbt bald jemand daraus 451 ), wenn es mistet 452 ), nicht vorwärts will, scheut, stehen bleibt 453), oder wenn es wiehert, so folgt bald jemand aus der Familie oder dem Zug 454), oder der verwitwete Teil heiratet bald wieder 455). Schaut es zurück nach dem Haus oder nach einem Begleiter, so stirbt dieser oder jemand aus der Familie bald 456 ). Beim L. wird der A n g a n g (s. d.) beobachtet: Je nachdem dem L. zuerst ein Mann oder eine Frau begegnet, wird die nächste Leiche männlich oder weiblich sein 457). Kommt der Postbote dem Trauerzug entgegen, so fordert der Tod bald wieder ein Opfer 4S8). Für einen Hochzeitszug bedeutet die Begegnung mit einem L. Unglück, meist zeigt das Geschlecht der Leiche an, wer vom Brautpaar zuerst sterben werde 459), im Thurgau heißt es: „Brut und Bahre Müend vil Ungmach erfahre" (mündl.). Begegnet ein Reiter oder ein W a g e n dem L., so nimmt er den Tod in die nächste Ortschaft zurück, und dort stirbt bald einer 46°); sonst bedeutet die Begegnung eines Wagens, daß bald jemand aus der Familie oder der Gemeinde sterben müsse 461 ), oder falls es ein zweispänniger Wagen ist, so wird ein Ehepaar sterben 462), falls ein einspänniger ein Lediger oder Kind 463 ); kreuzen sich gar zwei zweispännige Geschirre neben dem L., so gibts im Dorf eine große Leiche 464). Unglück bedeutet auch ein mit Dung beladener Wagen 465 ); hält aber ein vollbeladener Wagen vor dem Zug, so gehts den Hinterbliebenen gut 488). Verschiedenes wird noch als Vorzeichen ausgelegt: Folgen einer verstorbenen Jungfrau eine ungerade Zahl Mädchen, so stirbt bald eine von diesen467). Folgen der Leiche mehr Frauen, so stirbt zuerst eine solche und umgekehrt 468). Schwankt beim Forttragen die Bahre, so holt der Tote jemand nach 469). Wenn der Sarg

IIÖ2

kracht, stirbt bald eines der Leidtragenden 470), ebenso wenn Kränze unterwegs vom Sarg fallen 471 ), wenn die Grabi tücher verkehrt sind 472), wenn die Wachskerzen stark riechen 473). Die Spitze der Kirchenfahne deutet auf die Seite, von ! der die nächste Leiche kommt 474). So | wird noch allerlei ausgedeutet 47S). | Geht der Wind mit dem L., so nimmt I er Glück und Segen mit, weht er ent| gegen, so bleibt es im Trauerhaus 476). | Regen gilt auch beim L.e als gutes Zeichen 477) (s. Begräbnis IV.). Ungünstig ist das Schlagen der Turmuhr, wenn der Zug durchs Friedhofstor zieht 478). Verbreitet ist der Glaube, daß auf eine traurige Leiche eine freudige und umgekehrt folgen werde 479). ZrwVk. 4. 279; W u t t k e 213 § 298; F o g e l Pennsylvania 127 Nr. 580; 128 Nr. 585; S t r a c k e r j a n 1, 32; ZföVk. 7, 228; J e n s e n Nordfries.

Inseln

350 f.

M1

Pennsyl-

) Fogel

vania 128 Nr. 586. " l ) SAVk. 25, 283. « 3 ) K n o o p Hinterpommern 165; S e e f r i e d - G u l g o w s k i 223. 444 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 289. M5 ) B r ü c k n e r Reuß 195. " • ) K ö h l e r Voigtland 254; vgl. M e y e r Baden 579; SAVk. 2, 218. " ' ) SAVk. 2, 216 ff.; 8, 274; 15, 11; 24, 63; R o c h h o l z Glaube 1, 198; R o t h e n b a c h Bern 43; S t a u b e r Aberglaube 34; Thurgau mündl.; M ü l l e r Isergebirge 25; R e i s e r Allgäu

2, 313; D r e c h s l e r

Schlesien

i,

289;

593.

444)

J o h n Erzgebirge 127; ZföVk. 4, 268. 448) ZrwVk. 15, 110; W i t t s t o c k Siebenbärgen 103; G r o h m a n n Aberglaube 190; ZfVk. 19, 276; ZföVk. 2, 268; J o h n Erzgebirge n 6 (sonst stirbt ein E h e p a a r auseinander); H ö h n Tod 345; Alemannia 25, 43; F o g e l Pennsyl-

; vania

127 N r . 581; M e y e r

Baden

| H ö h n Tod 345; F o g e l Pennsylvania 127 1 Nr. 579. «°) WienZfVk. 33, 59. 451 ) SAVk. ! 7. 139- 452 ) Die Schweiz 1863, 28. 453 ) ZrwVk. I 4, 279; 15, 105; S t r a c k e r j a n 1, 22; R o c h I h o l z Glaube 1, 164; SAVk. 8, 273; ARw. 12, 576; vgl. R T r p . 15, 154; 18, 459; T e t z n e r Slawen 375.

4M

) R o t h e n b a c h Bern 42 N r . 384;

SAVk. 15, 11; 2, 216; 8, 273; F o g e l Pennsylvania 121 Nr. 547. 455 ) B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 90. 4 5 i ) Bern schriftl.; R o c h h o l z Glaube 1, 164; SAVk. 8, 273; vgl. L e m k e Ostpreußen 1, 58. 457 ) BdböVk. 4, 61; ZrwVk. 2, 198; 15, 110; SAVk. 2, 218; Schweizld. 2, 352; M e y e r Baden 593 f.; J o h n Erzgebirge 117; S t r a c k e r j a n 1, 32; D H m t . 4, 7. 148; T e t z n e r Slawen 375; B a u m g a r t e n Aus d. Heimat 3, 121; K u h n u. S c h w a r t z 436; K u h n Westfalen 2, 51; H ö h n Tod 332. 45S) H ö h n Tod 345. 459 ) J o h n Erzgebirge 96; K ö h l e r Voigtland 439; D r e c h s l e r Schlesien 1, 257; L a n d s t e i n e r Niederösterr. 38; H ö h n

II63

Leichenzug

1164

490 ) K ö h l e r Voigtland 432; S e y f a r t h Sachsen 2 i i f.; D r e c h s l e r Schlesien 2, 286; M e y e r Baden 547; MsächsVk. 7, 1 1 1 ; RTrp. 28, 564 (Paris) ; B l a c k Folk-Medicine 43 f. 4 8 1 ) W i t z schel Thüringen 2, 254; ZrwVk. 8, 228; W o e s t e Mark 55 Nr. 1 4 ; M e y e r Baden 547; W u t t k e 334 § 496. m ) D r e c h s l e r Schlesien 2, 300. «3) J o h n Erzgebirge 56. ««) ZföVk. 6, 63. G r a b e r Kärnten 203 Nr. 2 7 1 ; vgl. 215 Nr. 292.

die Seele mit ihnen zurückkehre und daß sie selbst die Gefahren der Unreinheit, in der sie sich noch befinden, auf andere übertragen. Dies zeigen die Bräuche primitiverer Völker noch deutlich mit den Reinigungszeremonien (Wasser, Feuer), dem Verbarrikadieren des Rückwegs mit Dornen und ähnlichen Maßregeln 486 ). Bei den Juden muß sich jeder dreimal bücken, Gras aus der Erde reißen und es hinter sich über den Kopf werfen 487 ). Von den Wenden wird erzählt, daß sie den Rückweg immer durch ein fließendes Wasser nehmen, nie über eine Brücke 488 ). Nach einem Begräbnis soll man sich die Hände waschen, sonst stirbt man, oder es fallen einem die Zähne aus 489 ), eine Vorschrift, die auch bei Juden, Slaven und Balten gilt 49 °); man wirft auch noch glühende Kohlen über sich 491 ). In Böhmen soll Brauch gewesen sein, bei der Rückkehr Masken anzuziehen und sich auffällig zu benehmen 492 ). Die Russen entfernen sich manchmal rückwärts gehend vom Friedhof; zu Hause schauen sie in den Ofen, um die Furcht vor dem Toten oder das Andenken an ihn zu verlieren 493 ). In Mecklenburg muß das Gefolge denselben Weg zurückkehren, auf dem es gegangen ist 494 ), in Belgien und der Bukowina ist das gerade verboten 495 ). Der Zug kehrt in der gleichen Ordnung, sogar unter Glockengeläute zum Trauerhaus zurück 496 ). Unterwegs soll niemand aus dem Gefolge in ein anderes Haus eintreten, sonst bringt er ihm Unglück 497 ). Im Trauerhaus treten zuerst die Frauen ein 498 ); die Leidtragenden müssen zuerst zurück sein, tritt jemand vor ihnen ein, so stirbt er oder ein Hausbewohner 499 ). Die Angehörigen dürfen dann das Haus bis Sonnenuntergang nicht verlassen, sonst kommt der Tote zurück 600 ); alle die mit dem Toten gegangen, müssen den Rest des Tags feiern; würden sie zu Acker gehen, so müßte dieser mehrere Jahre trauern, es würde sogar nichts mehr drauf wachsen 5 0 1 ).

9. Bei der R ü c k k e h r vom Begräbnis haben sich die Begleiter besonders zu schützen, daß nicht auch der Tote oder

Die Person, die zuerst vom Kirchhof weg 502 ), zuletzt in die Kirche 803 ) oder zuerst ins Haus geht, weist auf das Ge-

Tod 345. ^ T o e p p e n Masuren 1 1 0 = Urquell з, 53; ZfVk. 12, 14. 4C1 ) H ö h n Tod 345; ZfVk. 14, 429; J o h n Erzgebirge 1 1 5 ; Thurgau mündl.; Urquell 3, 53; vgl. ZrwVk. 15, 1 1 0 (wenn ein 462 Wagen folgt). ) J o h n Erzgebirge 1 1 6 ; K ö h l e r Voigtland 386; ZfVk. 12, 14; D r e c h s ler Schlesien 1, 289. 463 ) J o h n Erzgebirge 116. 4M ) Ebd. 165 ) MschlesVk. 8 Heft 15, 74. J o h n Erzgebirge 127. 467 ) Ebd. 468) HessBl. 6, 106. 469 ) K ö h l e r Voigtland 442; W u t t k e 446 § 7 3 8 ; Bavaria 2, 323. 470 ) R o c h h o l z Glaube 1, 146. 4 7 1 ) SAVk. 8, 273; SchwVk. 10, 40; WienZfVk. 33, 138. 472 ) D r e c h s l e r Schlesien 1, 289. 47S ) Z i n g e r l e Tirol 44. 474 ) H ö h n Tod 345. 476 ) ZrwVk. 2, 198. "«) K u h n и. S c h w a r t z 436; F e i l b e r g Dansk Bondeliv 2, 119. 477 ) L e B r a z Légende 1, 365; B r a n d Pop. Antiqu. 2, 285; vgl. P i t r è Usi 2, 225. 478 ) J o h n Erzgebirge 1 1 5 . 479 ) H ö h n Tod 356; S t a u b e r Zürich 1, 30 f.

8. Auch beim L . wird wie beim Begräbnisläuten (s. d. u. Grabbeigabe) H e i l z a u b e r getrieben. Man geht hinter einem L . her, reibt mit einer Hand die andere und spricht: „Leiche, nimm meine Warzen auch mit" oder ähnlich 480). Um Warzen oder Kropf zu vertreiben, geht man, wenn der Sarg über ein fließendes Wasser getragen wird, unter die Brücke und schöpft Wasser, womit man die betreffende Stelle wäscht unter Hersagen eines Spruchs 481 ). Um Zahnschmerzen zu heilen, nimmt man Brot in den Mund und kaut daran, bis man den L . nicht mehr sieht 482 ). Ein Kind, das nicht gehen lernt, stellt man in einen Eimer und setzt ihn dahin, wo ein L. vorüberzieht 483 ). Kranke Kinder werden an den Weg gestellt im Glauben, daß die Krankheit auf den Toten übergehe Mit Wasser, das man unter einer Brücke geschöpft hat, worüber ein L. geschritten ist, kann man auch das „Vermante" heilen 485 ).

Leichenzug

Il65

schlecht der nächsten Leiche hin t M ). Wer vom Geleite zuletzt heimkommt, wird zuerst sterben505). Geht das Geleite truppweise50S) oder hintereinander507) heim, so stirbt bald wieder jemand. Gegen Raupenfraß soll man das Gemüse, wenn die Leute von einem Begräbnis heimkehren, mit einer Birkenrute peitschen und sprechen: „Ihr Raupen! Ihr Zaupen! Macht euch auf die Bein, Und geht mit den Leichenleut heim!" 508).

«•) ERE. 4, 433; Journ. Anthr. Instit. 15, 71—80; ZfEthn. 10, 404; 26, 72; FL. io, 302;

T h u r s t o n Southern India 162. 1 6 6 f . ; C r o o k e Northern India 220 f . ; FFC. 41, 1 2 8 ; 61, 22 f . ; C a l a n d Altind. Toten- u. Best.gebr. 1 7 1 ; A R w . 17,80. **>) B u x t o r f Judenschul 608 f . ; H ö h n Tod 357. 4 8 8 ) H a u p t Lausitz 1, 254. "») J o h n Erzgebirge 129; D r e c h s l e r Schlesien

i . 3°5- 4M ) Höhn Tod 347; ARw. 17, 405. 488 f.; ZföVk. 3, 185; 6, 64; S t r a u ß Bulgaren 100; Globus 92, 88; ARw. 25, 60. 4>1) ZföVk. 6, 64. "*) Journ. Anthr. Inst. 15, 73; vgl.

4,3) A R w . 17, 488. Z e l e n i n Russ. Volksk. 4M 3 2 6 f . ; B u l g a k o w s k i j Pincuki 186. )

B a r t s c h 2, 97. m ) BF. 2, 355; ZföVk. 7, 123. HessBl. 6, 105; ZrwVk. 5, 261; W i t t s t o c k

4tt)

Siebenbürgen 104; B F . 3, 1 2 ; H ö h n Tod 348.

) J o h n Erzgebirge 127; FFC. 61, 22 (Tscheremissen). 4 , 8 ) G a ß n e r Mettersdorf 94. 4 " ) m

1166

Zuges, so wie er gerade am Fenster steht mit nur einem Strumpf oder ähnlich; dann weiß er, daß er bald sterben muß 516 ). Solch ein gespenstischer L. kann auch einen soeben Verstorbenen mit sich führen: „Ein jeder wird noch vor seinem Tode auf den Kirchhof getragen" «»). Geisterseher können auch in einem gewöhnlichen L. schon den Geist des nächsten Toten dem Sarge folgen sehen518). so») K ö h l e r Voigtland 523; J o h n Erzgebirge 131; ZfVk. 4, 290; B o h n e n b e r g e r Nr. i , 8; K ü h n a u

Sagen 1, 142. 2 1 1 f. 367.

369. 371 ff. 374; R e i s e r Allgäu i, 417; K n o o p Hinterpommern 36; SAVk. 25, 54. S. a. P e u c k e r t Schles. Sagen 1 4 9 f . ; G r ä s s e Preuß. Sag. 1, 524. 688; 2, 261. 1 0 5 5 ; S c h m i d Glarus

19; Zingerle Sagen 251 f. 292.

t10 )

Sagen 242 Nr. 308; H e y l Tirol 595.

Meiche

5")

Ebd.

Nr. 209. "») K ü h n a u Sagen 2, 70. «*) SAVk. 18, 116; ZfVk. 7, 127. i 1 4 ) Meiche Sagen 248 Nr. 318. S1S) Urquell 1, 49 f.; 4, 254; A n d r e e Braunschweig 375; S t r a c k e r j a n I, 142; ZrwVk. i o , 6 i ; E i s e l Voigtland 110; W i t z s c h e l Thüringen 2, 1 1 3 .

"•) J e c k l i n

Volkstümliches

173. 492 f. 531; K u o n i St. Gallen 88. s ») A n d r e e Braunschweig 375. 51 ') Urquell 5, 253.

ix. Es gibt auch Tote, die ihrem eigenen L. zusehen. Es handelt sich meist um Leute, die im Leben böse ge• " J J e n s e n Nordfries. Inseln 328. 6 0 4 ) J o h n wesen, um Selbstmörder, Zauberer und Erzgebirge 126. ««) SAVk. 8, 274. 504) Höhn ähnliche. Diese sehen bei ihrem Begräbnis, Tod 347; ZrwVk. 5, 242. M7 ) Die Schweiz entweder wenn die Leute mit dem Sarg 6 (1863), 26 f. w > ) Z r w V k . 2, 295. das Haus verlassen, oder auch erst, wenn 10. Oft finden sich in Sagen Berichte das Geleite vom Grabe zurückkehrt, zu von gespenstischen L.en. Oft sind es einem Fenster (fast immer oben im Haus unheimliche Erscheinungen, die an beoder im Dach) hinaus, laut lachend oder stimmte örtlichkeiten (Leichenwege) gemit der Frage, wen man begrabe 8M ). bunden sind oder auch an sagenhafte Fast immer spuken solche Tote nachher Personen 509). Man hört dabei lieblichen im Hause herum, oder sie werden zum 510 Gesang, verirrt sich dann aber ), oder Werwolf 520). Etwa einmal sehen die man bleibt gebannt stehen, nur wer eine Leute den Toten aus dem Grab kommen, 511 brennende Zigarre hat, kann weiter ). auf dem Wagen heimfahren und dann Alle fünf Jahre kann man auch den L. zur Dachluke herausschauen 581 ). Meist S12 des Zwergkönigs sehen ). Manche dieser lassen die Berichte im Dunkel, ob die L.e haben Vorbedeutung. Sie zeigen Leiche eigentlich noch im Sarg liege, 51S schlechtes Wetter ) oder Krankheit oder sie nennen die Erscheinung die 514 an ). Oft verkünden sie einen TodesSeele. Manchmal aber wird sie voll fall. Entweder begegnen zwei Leute leibhaftig aufgefaßt, der Sarg wird immer einem solchen L., wobei der eine ihn schwerer, und wenn man ihn öffnet, findet sieht, der andere nicht und über Wagen man nur Steine drin 522). und Sarg steigen muß. Oft bedeutet es " ' ) K ü h n a u Sagen 1, 22 f. 109 f. 1 1 5 f. Tod für den, der den Zug sieht S1S ). Oder 132. 2960. 368. 440. 471 f.; ZfdMyth. i, I94f.; es sieht sich einer selbst am Ende des B o h n e n b e r g e r Nr. 1, 7; P a n z e r Beitrag John

2/3.

Erzgebirge

67. 3, 118.

126.

so °)

Wirth

Beiträge

B a u m g a r t e n Aus der Heimat tot ) Fogel Pennsylvania 126 Nr. 578. Ml)

II67

Leichwurm—leihen

x, 196; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 112; K u o n i St. Galler Sagen 66 f.; B i r l i n g e r Volksth. 1, 9. 18. 239. 301; G r o h m a n n Sagen 102; W a i b e l u. F l a m m 2, 230; K ü n z i g Schwarzwaldsagen 49. 56; V e r n a l e k e n Alpensagen 401; J e c k l i n Volksth. 60. 454; H a u p t Lausitz 1, 137. 139. 154. 191; E i s e l Voigtland 214; P f i s t e r Hessen 104; MschlesVk. 26, 219; S c h e l l Berg. Sagen 195; HessBl. 6, 109. Über das Lachen s. S a r t o r i : ZrwVk. 23, 130. S2°) M1) H e r t z Werwolf 88. Müllenhoff Sagen 261. 522) V e r n a l e k e n Mythen 51; K ü h n a u Sagen 1, 191. 192 f. 454. 475 t. 531; M e i c h e Sagen 146. Geiger.

Leichwurm, ein geheimnisvoller Wurm, von dem es bei Alpenburg heißt: Am Johannistag muß man nichts Grünes vom Boden aufheben, auch nicht an Blumen riechen, sonst bekommt man den L., welcher dann dreimal 24 Stunden lang herumzieht (wo?). Auffallend ist, daß aus Gotland (Schweden) derselbe Volksbrauch berichtet wird 2 ). *•) Alpensagen 373; außerdem K e l l e r -Grab 1, 83. s ) S a r t o r i Sitte 3, 225. Riegler.

Leid s. T r a u e r . Leidenswoche s. K a r w o c h e . leidwerchen s. H e x e . leihen. Die rechtsaltertümlichen Formen J) des Hinl.s und Herl.s haben in ihrer rein juristischen Bedeutung den Volksglauben nicht befruchtet. Dieser beschäftigt sich vielmehr lediglich mit dem Leihverbot und der Leihempfehlung. 1. „Nullum de domo sua vel ignem vel ferramentum vel aliquid commodi vicino suo praestare velle", überliefert der hl. Bonifacius als zeitgenössischen römischen Aberglauben am Neujahrstage 2 ). Literarisch ist diese Angabe offenbar abhängig von Cäsarius von Arles; doch scheint sie sachlich trotzdem zutreffend zu sein 3 ). Auf die Ansicht, daß es nicht ratsam sei, unter gewissen Umständen etwas zu verl., weisen ebenfalls altchristliche Predigten hin 4 ), und seit Berthold von Regensburg von dem Aberglauben, „secunda feria nichil gratis peti", sprach 5 ), findet sie sich — wie bei anderen Völkern 6 ) — in irgend einer Form bis in die Gegenwart hinein auch in allen deutschen Landschaften. N i c h t s 7 ) (Weißes 8 )) d a r f a u s g e -

I I 68

l i e h e n w e r d e n , weder Fleisch 84 ), noch Brot 9 ), noch Salz 10 ), weder K o r n 1 1 ) , noch Stroh 1 2 ), noch Knoblauch 1 3 ), weder Haus- 1 4 ), noch Stall- 1 5 ), noch Ackergerät 1 6 ), weder Nadel, noch Messer 1 7 ), vor allem aber kein Feuer 1 8 ) und kein Licht 1 9 ), ja, nicht einmal ein Streichholz M ); so soll 1790 im hessischen Obersteinbach eine verheerende Feuersbrunst dadurch entstanden sein, daß eine Frau, um ihrer Nachbarin eine Bitte um Feuer abschlagen zu können, die heiße Asche schleimig auf den Dachboden brachte, der in Brand geriet 2 1 ). Soll man mit dem Verborgen dieser Dinge überhaupt vorsichtig sein, so warnen doch die meisten Zeugnisse nur davor, z u g a n z b e s t i m m t e n Z e i t e n etwas zu verl. Man soll es nicht Sonntags tun, besonders nicht während des Gottesdienstes 22), nicht Montags 23 ), auf die „volle Woche", den neuen Monat 24 ) oder an einem Quatember 2B ), gelegentlich auch nicht am Freitag 26), vor allem aber nicht an den großen F e s t t a g e n und zu den unholden Zeiten des Jahres. Dazu gehört in erster Linie die Jahreswende; weder am Christabend 27 ), noch zu Neujahr 28 ), weder am Thomas-, noch am Dreikönigstage 29), noch überhaupt in den Zwölften 30) darf man sich etwas abborgen lassen, und alles etwa Ausgeliehene muß vor Sonnenaufgang oder -Untergang wieder ins Haus zurückgeholt sein 31 ). Ebenso soll man sich verhalten zu Fastnacht 32 ), an Aschermittwoch 33) und Karfreitag 34), am Vorabend des Oster- und Pfingstfestes 3ä ), ferner zu Georgi 36 ), Walpurgis 37 ), Johannis 38 ) und Lucia 39 ). Daneben stehen als gefährliche Ausleihezeiten die üblichen großen M e r k p u n k t e im D a s e i n des Einzelm e n s c h e n und seiner Familie. Während des Brautstandes darf, sowohl aus dem Hause der Braut wie des Bräutigams, nichts verborgt werden i a ), desgleichen nicht während der Schwangerschaft 41 ) und der Geburt 4 2 ); „ignem de domo sua nulli tribuunt et alia multa in partu faciunt blasphemantes", schilt Frater Rudolfus um die Mitte des 13. Jh.s 43 ).

3X09

leihen

Vor allem aber soll sich die Wöchnerin davor hüten 4 4 ), nicht nur zu Nutzen ihrer eigenen Person, sondern auch in bezug auf das Kind; ist ein Neugeborenes im Haus 4 5 ), darf man — zum mindesten nicht vor der Taufe 4 8 ), aber mitunter auch noch bis zu sechs Wochen danach 47 ) — nichts fortl. Schließlich ist das gleiche Verhalten geraten, solange man eine Sympathiekur an einem Kranken vornimmt 48 ) oder eine Leiche im Hause liegt«). Entsprechend sind die Vorschriften für die Viehzucht. Am Tage der Geburt «ines Kalbes ®°) und während der folgenden drei Tage 5 1 ), überhaupt solange «ine Mutterkuh im Stalle ist 5 2 ), solange das Kalb saugt M ) oder noch unangebunden ist 54 ), muß jede Leihbitte verweigert werden, ebenso wenn Ferkel im Stalle sind, während der ersten drei, acht oder vierzehn Tage 6 S ) und wenn ein Pferd verschnitten wird 5 8 ). Auch beim A c k e r b a u beobachtet man diese Vorsicht; bei der ersten Ackerfahrt 67 ), während der Saatzeit 5 8 ) und beim Dreschen 69 ) darf nichts verliehen werden. Ferner verborgt man nicht gern den ersten Erlös auf dem M a r k t e 8 0 ) , wie Geld beim S p i e l 8 1 ) . l) Vgl. G r i m m RA. 2, 159 ff. 2 ) Epist. (ad Zachariam) 49, bei M i g n e PL. 89, 747; vgl. ARw. 20, 126. 3 ) ARw. 20, 89. 4 ) R a d e r m a c h e r Beiträge 99; ARw. 19, 63. 6) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 25, vgl. 5 1 . •) F r a z e r 12, 194; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 1 2 6 ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 3 1 6 ; W o l f Beiträge 1, 2 1 6 ; R a d e r m a c h e r Beiträge 1 3 9 ; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 63. H e c k s c h e r 1 1 6 f.; MschlesVk. 2 1 , 66. 80. ' ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 60 f . ; K u h n u. S c h w a r t z 458. 430; P e u c k e r t Schles. Volksk. 71; S p i e ß FränkischHenneberg 9 7 ; G a ß n e r Mettersdorf 12. 54; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 69; Grimm Myth. 3, 4 6 1 ; H ö h n Geburt 263; B o e d e r Ehsten 80; R e u b o l d Beitr. z. Volksk. B. A. Ansbach. Kaufbeuren 1905, 18. 45; W u t t k e 59. 61. 64; ZfVk. 1, 189; Alemannia 24, 1 5 4 ; 37. 5; Urquell 2, 1 1 3 . 1 1 5 . 8 ) W u t t k e 285. 8 a ) ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 6/5, 308. ») E b d . ; G r i m m Myth. 3, 4 5 2 ; ZfVk. 3, 390; MschlesVk. 4 (1901), 26; SAVk. 26, 199. — „Mehlgase": ZfVk. 20,384. "•) J o h n Erzgebirge 36; E n g e l i e n u. L a h n 239; G r i m m Myth. 3, 452; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen298; ZfVk. 3, 390; SAVk. 2 , 2 7 2 . " ) B o e d e r Ehsten 80. 1 2 ) G r o h m a n n 1 3 1 . 13 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 298. l 4 ) A n d r e e

II70

Braunschweig 386; G r o h m a n n 1 3 1 ; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 208; K a u t Hessische Sagen 95; ZfVk. 20, 384. 1 5 ) J o h n Erzgebirge 1 5 1 ; F i n d e r Vierlande 2, 246 (Butterfaß). ie) B a r t s c h Mecklenburg 2, 245; K ü h n a u Sagen 3 , 1 8 9 ; R e u b o l d a . a . 0 . 1 8 . " ) S t r a c k e r j a n 1, 376; E n g e l i e n u. L a h n 239; Urquell 4, 1 1 8 ; ZfVk. 20, 384; W u t t k e 285; vgl. »). « ) S. 2 ). 3 ). 4 ) . 4 3 ) ; G r i m m Myth. 3, 452; W o l f Beiträge 1, 236; P a n z e r Beitrag 1, 264; T o e p p e n Masuren 9 2 ; S t r a c k e r j a n 1, 3 7 6 ; K e h r e i n Nassau 2, 262; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305; Alsatia 1852, 1 2 4 ; W u t t k e 285. 420; ZföVk. 3, 183 (Rumänen). — Kohle: A r n d t , bei H e c k s c h e r 1 1 7 (Schottland). — Feuerzeug: Alemannia 24, 9. **) Rockenphilosophie 1, 1 5 1 ; J o h n Erzgebirge 153; W o l f Beiträge 1, 236; K e h r e i n Nassau 2, 20) 262; G r o h m a n n 42. 146. Drechsler 1, 208, vgl. 206; E n g e l i e n u. L a h n 236. , l ) ( F i s c h e r ) Aberglaube Anh. 189. 2 2 ) J o h n Erzgebirge 36. 2 3 ) S c h ö n b a c h Berthold v. R. 5 1 ; G r i m m Myth. 3, 4 6 1 ; E i s e l Voigtland 2 1 0 ; Alsatia 1852, 124. 2 4 ) Urquell 4, 95. 1 1 8 . 2 S ) Alemannia 24, 154. 1 6 ) H ö h n Geburt 263; W u t t k e 61. 2 7 ) K ö h l e r Voigtland 1 6 5 ; E i s e l Voigtland 2 1 0 ; Der Tag 24. 12. 1 9 3 1 (Plauen 1. V . ) ; R e i s e r Allgäu 2, 426: J o h n Erzgebirge 151- 153; Urquell 3, 205; vgl. S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 4. 2 8 ) K ö h l e r Voigtland 165; S p i e ß Fränkisch-Henneberg 1 5 1 ; J o h n Erzgebirge 184; vgl. S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 63. K l a p p e r hält — MschlesVk. 2 1 , 80 — die Anschauung als Kalendenaberglauben für romanisch, im übrigen für eine allen Primitiven eigentümliche Erscheinung. Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 67. *•) E i s e l Voigtland 2 1 0 ; K ö h l e r 30 Voigtland 165. ) Bartsch Mecklenburg 2, 245; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 1 4 ; F r i s c h b i e r Hexenspr. 16; ZfVk. 9, 442; W u t t k e 64. — Am Jultag in Schottland: 3l) A r n d t , bei H e c k s c h e r 1 1 6 . Bartsch Mecklenburg 2, 2 3 1 . 244 f. = Urquell 5, 1 0 2 ; T o e p p e n Masuren 67 = Wuttke 406; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 366 f. (Walpurgis). M ) W u t t k e 83. 3 3 ) B o e d e r Ehsten 80. M ) D r e c h s l e r 1, 9 1 ; P e u c k e r t Schles. Volksk. 7 1 ; J o h n Westböhmen 6 1 ; S c h r a m e k Böhmerwald 146. 3 5 ) R e i s e r Allgäu 2, 426. 3 *) B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 24. 3 7 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 366 f.; J o h n Erzgebirge 197; E i s e l Voigtland 210. M ) D r e c h s l e r 1, 144; 3 t E i s e l Voigtland 210. ) K u h n u. S c h w a r t z 40) 458. S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 60 f.; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 208. 4 l ) H ö h n Geburt 258; S p i e ß Fränkisch-Henneberg 97. 42) G r i m m Myth. 3, 457; G a ß n e r Mettersdorf 12. 4 J ) MschlesVk. 16, 30. 4 4 ) ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 5/6, 308 („sonderlich Dienstags und F r e y t a g s " ) ; G r i m m Myth. 3, 452; L e o p r e c h t i n g Lechrain 2 3 7 ; K u h n Westfalen 2, 34; K r a u s e Westpreußen 9; P a n z e r Beitrag 1, 257f.; B i r l i n g e r Volksth. 1, 3 2 7 ; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 1 5 9 ; S p i e ß FränkischHenneberg 97 (neun Tage); S c h m i t t Hettingen

leihen 13; K a u t Hessische Sagen 95; M e y e r Baden 390; L a m m e r t 174; G a ß n e r Mettersdorf 12; F o x Saarland 315; R e u b o l d a. a. 0 . 4 5 . 4 5 ) K u h n u . S c h w a r t z 430; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 69; W o l f Beiträge 1, 206; ZfrwVk. 10, 62; Urquell 1, 151; ZföVk. 3, 183 (Rumänen). 4 S ) B a r t s c h Mecklenburg 2 , 4 4 ; M e i e r Schwaben 2, 474, vgl. 36; C u r t z e Waldeck 371; H ö h n Geburt 263; ZfrwVk. 4, 111; Alemannia 37, 6; W u t t k e 382. ") D r e c h s l e r r, 208; Schönwerth Oberpfalz 1, 159; Urquell 2, 115 (Meiningen). 4 8 ) W u t t k e 323. 4 9 ) K ö h l e r Voigtland 443; D r e c h s l e r 1, 301; J o h n Erzgebirge 123; W u t t k e 461; vgl. oben 3, 722 Anm. 57. M ) Alemannia 37, 6; Urquell 2,113 (Oberschles.). 6 1 ) W o l f Beiträge 1, 219; G r o h m a n n 131; W u t t k e 443; vgl. T o e p p e n Masuren 160; J o h n Westböhmen 210; D r e c h s l e r 2, 101; W i t z s c h e l Thüringen 2, 278. 296; M e y e r Baden 557; R e u b o l d a . a . O . 18. S2) E b e r h a r d t Landwirtschaft 17; Meyer Baden 402. **) ZfrwVk. 2, 205. 292. M ) M e y e r 5 6 Baden 554. ) M e y e r Baden 404; Alemannia 37, 6. M ) G r i m m Myth. 3, 457. 4 7 ) G a ß n e r Mettersdorf 54; vgl. L i e b r e c h t Zur Volksk. 316 (Norwegen). 6 8 ) T o e p p e n Masuren 92; M a a c k Lübeck 32; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 305; W u t t k e 420. 6 ») B e c h s t e i n Thüringen 60) 2. 59G r i m m Myth. 3, 437, vgl. 449. ,l) G r i m m Myth. 3, 436; P e u c k e r t Schles. Volksk. 125; Germania 29, 92 (Niederösterreich); vgl. Urquell 5, 258.

2. Zur E r k l ä r u n g dieser Maßnahme führt der Volksglaube verschiedene Begründungen an. Neben der angeblichen E r f a h r u n g s t a t s a c h e , daß man Geliehenes nicht wieder bekomme62), ist es ein übles Vorzeichen, zu den erwähnten Zeiten angeborgt zu werden; denn man würde in der neuen Woche, im neuen Jahr ständig weiter borgen müssen63), würde im Spiel verlieren S4) und sein neugeborenes Kind verschwenderisch oder arm machen45). Wer ein Buch über Nacht „auf Leihe" läßt, vergißt alles, was er darin gelernt hat ®6), und eine entliehene Nadel sticht die Liebe ab 67). Diese vereinzelten Deutungen jedoch sind wahrscheinlich späteren Datums; jedenfalls offenbaren sie nicht die vorherrschende Auffassung. „Wenn ich gefragt habe, was es denn schaden könne ?" erzählt der Verfasser der Rockenphilosophie, „ist erstlich die Antwort gewesen; Es sey nicht gut 68 ), und da ich auf eine genauere Antwort gedrungen, so ists endlich folgende gewesen: Es

würde einem mit dem Feuer die Nahrung aus dem Hause getragen" 69 ). Die Nahrung, das Glück 70), den Segen71), den Nutzen 72), Wohlergehn und Ruhe73) gibt man mit dem ausgeliehenen Gegenstande fort — eine Anschauung, die besonders klar hervortritt bei der Feuerleihe 74). Das Herdfeuer (s. Feuer und Herd), praktisch so wichtig, daß das Verbot der Feuerleihe zu den altgermanischen Rechtsstrafen gehört 75 ), hat zudem ein so hohes kultisches Ansehen, daß man mit ihm ein wesentliches Stück des häuslichen Segens wegleiht. Und doch scheint die ursprüngliche Bedeutung noch eine andere, wenn auch mit dieser verbundene zu sein. Sie klingt schon an bei gelegentlichen Vervollständigungen des obigen Gedankenganges: Man gibt nicht nur Glück fort, sondern bekommt Unglück 76 ), Krankheit 77 ), 78 Tod ) herein. Und zwar verliert man die Macht über seinen Hausstand 77) an den Entleiher79). Hier liegt der Kern der ganzen Anschauung. Das ausgeliehene Ding bleibt trotz der räumlichen Ferne in innerer Beziehung zu seinem Besitzer; wie gelegentlich das verschenkte (vgl. schenken u. oben 4, 305 f.) und verkaufte (vgl. Kauf, oben 4, 1171. 1175. 1178. 1180. 1183; auch zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Wirkungen von kaufen, schenken und 1. nach dem Volksglauben) verkörpert es ein Stück vom Wesen seines Herrn. Der Empfänger aber kann diese sympathetische Beziehung ausn u t z e n zum B o s h e i t s z a u b e r ; was er dem entliehenen Gegenstand antut, befällt fernwirkend die Familie, das Vieh, Haus und Hof. Es sind in erster Linie die Hexen, denen man sich auf diese Weise in die Hände gibt; sie gebrauchen das Entlehnte zu Zaubereien, bekommen dadurch Gewalt über den Eigentümer und vermögen ihm aus der Ferne auf alle Art zu schaden, und wenn sie durch die Leihgabe nur die Milch der Mutterkuh an sich ziehen so). Gilt also eine Person als Hexe, so soll man besonders ihr nichts borgen; denn Hexen betreiben eben den Schadenzauber gewöhnlich ver-

leihen

mittels entliehener Sachen 81 ). Dieser Glaube ist stellenweise so stark, daß sich auch umgekehrt jeder der Hexerei verdächtig macht, der zu den verbotenen Zeiten einen andern um eine Leihgabe angeht 82 ) (vgl. auch Bettler, Fremder), besonders wenn er öfters am Tage kommt 83 ). Man gebe solchen Leuten auf keinen Fall etwas 84 ) — es sei denn, daß „einer um Gottes willen bittet" 85) — , „und wenn sie kniefällig kommen, und wenn sie vor Durst und Hunger fast umfallen. Am besten machen es die Leute: sie peitschen solche verdächtige Personen hinaus" 8S). Es ist ein t y p i s c h e r W e s e n s z u g der H e x e n , daß sie kommen, um etwas zu entl., auch wenn sie schon eine Behexung vorgenommen haben. Suchen unerklärliche Krankheiten Menschen und Vieh eines Hofhaltes heim, so geben Kundige wohl die strenge Anweisung, diejenige Person, die jetzt zuerst mit einer Leihbitte käme, abzuweisen und hinauszujagen; dann werde es besser werden, denn diese habe es den Leuten angetan 87). Durch einen geeigneten G e g e n z a u b e r vermag man die Hexe sogar herbeizuholen. Quält sie einen des Nachts in Gestalt eines Alps, so bestellt man sie auf den andern Morgen, etwas zu entl. („das man nicht hat"), etwa mit den Worten: „ K o m m morgen um ein Glehet", „Glieher" ( = „Geliehenes"), oder: „Komm morgen wieder und borg etwas" oder: „ I n drei Teufels Namen, komm morgen früh nach einer Leihe". Wer dann am andern Morgen als erste Person um eine Leihgabe bittet, ist die Hexe 88 ). Handelt es sich um andere Schädigungen, so kann man gelegentlich schon durch bloße Verweigerung der Leihbitte der Hexe dasselbe bereiten, was sie einem antun wollte 89 ). Am erfolgreichsten aber ist der Zitierzauber durch Feuer. Man verbrennt das Behexte, meistens die Milch, oder kocht z. B. das Herz des durch Bezauberung verstorbenen Tieres; die Hexe wird, durch Brandschmerzen gepeinigt, kommen und etwas entl. wollen. Gibt man's ihr, so ist sie frei; verweigert man's.

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so bedeutet das unter Umständen schon ohne Gegenzauber ihren Tod 9 0 ); sonst siecht sie dahin mit dem Verbrühen und Verbrennen des von ihr bezauberten Dinges 91 ) (s. verbrennen). Durch einen Gegenzauber kann man sich aber auch schon vorbeugend vor Schaden bewahren. Bevor man Milch aus dem Hause gibt, soll man ein Kreuz darüber machen und Salz hineinwerfen; dann ist die Mühe der Hexen vergebens 92 ). Verleiht man ein Brot, so ist es gut, vorher ein kleines Stück abzuschneiden, um den Segen beim Hause zu behalten 9S ); oder man steckt ebenfalls Salz hinein, dann ist man vor jedem Schabernack sicher94). • 2 ) J o h n Erzgebirge 35. *3) E b d . 35 f. 184; S p i e ß Fränkisch-Henneberg 151; Urquell 4, 95. M ) G r i m m Myth. 3, 436. M ) Urquell 1, 1 5 1 ; W u t t k e 382; K u h n u. S c h w a r t z 430. '•) F o g e l Pennsylvania 365. " ) P o l l i n g e r Landshut 158. •») Urquell 2, 113. •*) Rocken, 0 philosophie i , 151. ) D r e c h s l e r 1, 144; J o h n Erzgebirge 184; G r o h m a n n 42. 146; S c h r a m e k Böhmerwald 146; H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 198; W o l f Beiträge 1, 236; G a ß n e r Mettersdorf 12. 54; Der T a g 24. 12. 1931 (Plauen i. V . ) ; Z f V k . 9, 442; W u t t k e 59 (am Montag für die Woche). 7 1 ) J o h n Erzgebirge 36. 153; B o e d e r Ehsten 80. ") Köhler Voigtland 165. ™) D r e c h s l e r 1, 208; ( K e l l e r ) Grab d. Abergl. 5/6, 308. '•) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 66 ff. ™) G r i m m RA. 2, 210. '•) L e o p r e c h t i n g Lechrain 237. — Saat ge77 ) deiht nicht: W u t t k e 420. J o h n Erzgebirge 151. 78 ) K e h r e i n Nassau 2, 262; S c h e l l 79 ) D r e c h s l e r Bergische Sagen 169. 1, 91. 80) G r i m m Myth. 3, 457; W o l f Beiträge 1, 206. 219; P a n z e r Beitrag 1, 258; M e i e r Schwaben 2, 474; M e y e r Baden 390. 404. 557; B a r t s c h Mecklenburg 2, 44; Frischbier Hexenspr. 16; R e i s e r Allgäu 2, 228. 426; J o h n Erzgebirge 197; S c h r a m e k Böhmerwald 146; G r o h m a n n 131; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 208; P e u c k e r t Schles. Volksk. 71; E i s e i Voigtland 210; K a u t Hessische Sagen 9 5 ; F i n d e r Vierlande 2, 246; R e u b o l d a. a. O. 18. 45; L a m m e r t 174; W u t t k e 285. 382. 443; Alemannia 24, 154; Urquell 2, 1 1 5 ; Z f r w V k . 2, 205; H e c k s c h e r 117 (Schottland). 8 I ) S t r a k k e r j a n 1, 376; Z f r w V k . 3, 202. V g l . hier noch zu A n m . 80: M e i e r Schwaben 1, 178; M e y e r Baden 554; S c h e l l Bergische Sagen 169; H e y l Tirol 315; S c h m i d - S p r e c h e r 55; L a n d s t e i n e r Niederösterreich 59; Z f V k . 20, 384; S A V k . 26, 199. M ) H ö h n G«6«W 263; Alemannia 37, 6. » ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 366 f. 84 ) M e i c h e Sagen 491; A n d r i a n Allaussee 85 ) E g y p t . 154; Z f V k . 8, 43. Geheimn. 2, 20, nach J a h n Hexenwesen 172. 8 ' ) B i r l i n g e r Volksth. 1, 327. 87 ) S t r a c k e r j a n 1,

Lein 373; A n d r e e Braunschweig 3 8 5 ! . ; K ü h n a u Sagen 3, 189; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 7 3 ; S e y f a r t h Sachsen 34; F o g e l Pennsylvania 139; Alemannia 37, 5; MsäVk. 7, 7. 88) Z i m m e r m a n n Volksheilkunde 38; L e o p r e c h t i n g Lechrain 1 1 ; P o l l i n g e r Landshut 113; E i s e l 89) Voigtland 208; W u t t k e 273. Schell 80) Bergische Sagen 169. S A V k . 2, 272 f. 9 1 ) G r i m m Myth. 3, 456; E g y p t . Geheimn. 2, 20, nach J a h n Hexenwesen 172; S t r a c k e r j a n 1, 443; S o m m e r Sagen 60; W u t t k e 284; vgl. H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 74. — Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 96 ff. 92) Eis. Mtsschr. M) 1, 36. 93) W u t t k e 405; Z f V k . 1, 189. F r i s c h b i e r Hexenspr. 123.

3. Außer diesen Deutungen liegt gelegentlich auch die Vorstellung einer Ü b e r t r a g u n g vor: Bei der Rückgabe könnte der ausgeliehene Gegenstand Unheil mit hereinbringen 9S). Und aus diesem Bestreben, keine schädigenden Einflüsse ins Haus zu schleppen, ist es ferner wohl zu erklären, daß man nun umgekehrt vielerorts auch von andern n i c h t s herl. soll, nicht am 1. Mai 96 ), während Brautstand 97 ) und Schwangerschaft98), nach der Geburt eines Kindes 99 ) und eines Kalbes100), bei Ausübung der Patenschaft 101 ). Das hat die gleichen Folgen wie das Fortl., insbesondere bringt es das Patenkind in Schulden los ). Daneben stehen aber ebenso viele Zeugnisse, die das Gegenteil besagen: Die Braut soll geradezu etwas G e b o r g t e s an sich haben 1 0 3 ); der Sauerteig zum Hochzeitsbrot muß entliehen sein104). Vor allem soll der Pate sich irgend etwas borgen, auch Geld; dann wird das Kind einst viel Kredit haben 105 ). Wer das im Spiel und für die Lotterie tut, gewinnt 10S). Wahrscheinlich bedeutet dieser Brauch, der an die zauberische Verwendung von gestohlenem Gut erinnert, nur die Kehrseite des allgemeinen Leihverbots: Gerade dadurch, daß es nicht ratsam ist, etwas hinzul., wird ein Anreiz gegeben, dem andern etwas auszul., so daß also in den obigen Beispielen Braut und Pate durch die entliehene Gabe den Segen eines fremden Hauses auf sich herabziehen. Wenn auch aus Plauen i. V. berichtet wird, daß man nicht wage, sich am Weihnachts-

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abend etwas zu 1., da der Geber dann sein Glück verschenke107), so heißt es ganz eindeutig im Erzgebirge und in Böhmen, daß man an der Wirtschaft eines andern teilhaben könne, wenn man ihm etwas abborge108). In der Anweisung: „ N i c h t s verborgen ohne Gegengabe!" 1 0 9 ) heben schließlich Zauber und Gegenzauber einander auf. 9ä) 'Ebeih.a.idt Landwirtschaft 1 7 ; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 69; ZfrwVk. 2, 292; W u t t k e M 443. ) ZfrwVk. 3, 204. " ) D r e c h s l e r 1, 257; H a r t m a n n Dachau u. Bruck 208; Wuttke 98 370. ) H ö h n Geburt 258. 99) F o x Saarland 10 °) 315; H ö h n Geburt 263; ZfrwVk. 4, 1 1 1 . W u t t k e 443. 1 0 1 ) K n o o p Hinterpommern 157; M e y e r Baden 24; W u t t k e 389. 102 ) W u t t k e 389. 103 ) J o h n Erzgebirge 94. 1 M ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 98; vgl. F o g e l Pennsylvania 67. 105 ) G r i m m Myth. 3, 435; P a n z e r Beitrag x, 263; B o h n e n b e r g e r 1 7 ; W u t t k e 389. 10") G r i m m Myth. 3, 436 (Rockenphilosophie); P e u c k e r t Schles. Volksk. 125; Germania 29, 92 (Niederösterreich); Urquell 1, 64; 5, 258. l< ") Der T a g 24. 12. 1931. 108 ) J o h n Erzgebirge 153; G r o h m a n n 135. 109 ) J o h n Erzgebirge 36.

Freudenthal.

Lein (Flachs, bayr.-österr. Haar [masc.]; Linum usitatissimum). 1. Vorgeschichtliches. 2. Zeit der Aussaat. 3. Orakel über die Aussaat. 4. Analogiezauber bei der Aussaat. 5. Verzehren eines Eis zur Förderung der Fruchtbarkeit. 6. Frauen und L.saat. 7. Hochzauber. 8. Bewegungszauber. 9. Wortzauber. 10. Verschiedener Aberglaube über Aussaat und Ernte. 11. Förderung der menschlichen Fruchtbarkeit. 12. L.samen als Fruchtbaikeitssymbol im Liebesorakel. 13. T o d ansagen. 14. Apotropäische Eigenschaften des L.samens. 15. Sympathiemedizin. 16. Flachsopfer.

1. Der L. ist eine der ältesten Kulturpflanzen der europäischen Indogermanen. In Deutschland ist er vielfach aus prähistorischen Funden bekannt. Der L. der Pfahlbauer war jedoch nicht unsere Art, sondern der ausdauernde (mehrjährige) Pfahlbau-L., der nach Neuweilers (von anderen Forschern bestrittener) Ansicht zu L. austriacum gehörte 1 ). Bei der großen Bedeutung, die der L. in früheren Zeiten (vor allem vor Einführung der Baumwolle), besonders in ländlichen Kreisen hatte, ist es nicht zu verwundern, daß der L. (hauptsächlich seine Kultur) eine sehr große Rolle im Volksleben spielt. Zum

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Lein

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Teil handelt es sich um sehr altertüm- I Nach dem Glauben der Esten kommt liche Züge; der Analogiezauber (s.d.) ! in den in der Nacht oder frühmorgens 29 beherrscht den größten Teil des hierher gesäten L. nicht der „Ruß" (Krankheit) ). gehörigen Aberglaubens. Mit der Ab- Es heißt aber auch, daß den am Morgen 30 nahme des L.anbaus, wie sie etwa seit gesäten L. die Sonne „tot scheine" ). dem letzten Drittel des 19. Jh.s ein- L. soll an keinem „-tage" (also nur getieten ist, verschwinden naturgemäß Mittwoch oder Sonnabend) gesät werden auch die damit verbundenen volkstüm- oder an dem Wochentag, auf den Fabian und Sebastian [20.1.] gefallen war 3 1 ). lichen Anschauungen immer mehr. H o o p s Reallex. 2, 58 ff.; S c h r ä d e r E r soll an einem Dienstag oder Freitag Reallex* 1, 323 ff. (nach Walpurgi oder um St. Veit) gesät 32 ) oder am ersten Freitag im 2. Als günstige Zeit für die A u s s a a t werden 33 Schließlich werden auch die des L.s wird eine ganze Reihe von Tagen April ). genannt, so Gertrud [17.3.] 2 ), Maria Zeichen des Tierkreises beachtet, günstig Verkündigung [25. 3.] 3 ), Georg4) [23. 4.], sind die „haarigen" Zeichen (vgl. bayr.Stier, SteinMarkus [25. 4.] s ), Walpurgi [1. 5.]•), österr. Haar34= L.) wie Widder, 35 Servaz [13. 5.] oder Bonifaz [14.5.] 7 ), bock, Löwe ), Jungfrau ), Fische (wohl weil dann auch die L.faser „glatt" wird)36) Sophie [15. 5.] 8), Helene [22. 5.] 9), Esther 10 wiegt der L. schwer" x [24. 5.] ), Urban [25.5.]»). Beda [27. oder Wage („dann 37 5.] 1 2 ), Petronella [31. 5.] 1 3 ), Erasmus s. Kartoffel) ). Ein schlechtes Zeichen [2.6.] 1 4 ). Medardus [8.6.] 1 5 ), Vitus ist das des Krebses, da wird der L.38 nicht [15. 6.] 1 4 ). Daß hier die Namenstage lang (weil der Krebs zurückgeht) ). 2 von w e i b l i c h e n Heiligen so häufig auf) B a r t s c h Mecklenburg 2, 256. 3 ) Niedertreten, hat wohl darin seinen Grund, laus. Mitteil. 1, 2 7 1 : W i r t h Beiträge 6/7, 2 1 . 4 ) „ 3 Tage vor oder 3 Tage nach Georgi, sonder^ daß der L. als eine „Pflanze der F r a u " lieh an S. Georgii Abend, do halten etlichc (s. unter 6) gilt. Daher werden auch die superstitione quadam rusticana viel a n " : Marientage überhaupt für besonders gün- C o l e r u s Oeconomia 1599 ff., 8, 126; R e i s e r stig gehalten („die hl. Maria deckt die Allgäu 2, 133. s ) Oberbayern: Orig.-Mitt. v. Saat mit der Schürze z u " ) " ) . Sehr B a d e r 1909. •) „sonst fressen ihn die Padden" : S c h u l e n b u r g Wend. Volksthum 1 1 6 ; Brandenbeliebt ist auch der Gründonnerstag 18 ). burg 1x4; „um Walburgi": P f i s t e r Hessen 19 Schroeder ) meint: „offenbar sichert 164. ') J o h n Westböhmen 195. e ) M e y e r man sich durch die Wahl dieses Tages Volksk. 225. 9) „weil die Heilige l a n g e H a a r e (Verwechslung mit Magdalena?) hatte": die besondere Gunst des Donnergottes" 20 D r e c h s l e r 2, 53; B a r t s c h Mecklenburg 2, 269; [?]. Seltener erscheint der Karfreitag ) gilt jedoch auch als ungünstig, denn „Helene — oder der Karsamstag 21 ). L. muß am da bleibt er kleene": W i t z s c h e l Thüringen der Spinnerinnen: i . J u n i gesät werden, den am letzten Mai 2, 219. 1 0 ) Gilt als Patronin n gesäten L. fressen die Erdflöhe 22). Da- M e y e r Volksk. 225. ) W i t z s c h e l Thüringen 15 219; B a r t s c h Mecklenburg 2, 269. ) mit der L. „hoch fahre" (s. unter 7), 2, W i t z s c h e l a . a . O . 13) W i t z s c h e l a . a . O . ; wird er am Himmelfahrtstag gesät in der Planer Gegend jedoch ungünstig, denn Gern wird auch der 100. Tag im Jahr „Saat ma(n) Lei(n) a(n) Petronella, g'kroigt ( = 10. April) zur L.saat gewählt 24 ), ma(n)u kain Flaas, no Schmella": ZföVk. 3, 1 1 3 . ) „da bildet der L. recht lange Hasen": jedenfalls weil dies die erste „hohe" ZföVk. 5, 196; L e o p r e c h t i n g Lechram 180;. (dreistellige) Zahl im Jahr ist, dann M a r z e i l Bayer. Volksbot. 105. l s ) Z. B . W i t z wird auch der L. hoch, ähnlich wie man s c h e l Thüringen 2, 219; A n d r e e Braun-195; M a r z e l l ihn in einer „hohen" Stunde säen soll25). schweig 226; J o h n Westböhmen Bayer. Volksbot. 1 1 2 . 16 ) P f i s t e r Hessen 164 Ferner wird auch die Tageszeit be- (um St. Veiti; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 1 1 2 ; achtet, fast allgemein heißt es, man F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1029; auch als unmüsse den L. in aller Frühe (vor oder günstig, denn „wer Lin seit up Sankt Vit •— sat quitt": A n d r e e Braunschweig bei Sonnenaufgang) oder doch vormittags Geit de 226. 1 7 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 219. I8 ) 28 säen ), der nachmittags gesäte L. blüht K u h n Mark. Sagen 378 (dann friert der L.samc immerfort und setzt keine Samen an 27 ) nicht ab); Niederlaus. Mitt. 1 (1888), 2 7 1 ; oder er blüht dann nur nachmittags 28 ). ZfVk. 1, 180; W u t t k e Sachs. Volksk. 3 7 1 ;

Lein auch in Frankreich: Y e r m o l o f f Volhskalender 92. 19 ) Arische Relig. 2, 636. 20) Landsberger Geschichtsblätter 2 (1903), 18; D r e c h s l e r Schlesien 2, 51; auch in Frankreich heißt es „pour garder de gelées le lin, semez le Vendredi sl) Saint": Y e r m o l o f f Volkskalender 95. Augsburger Gegend : Orig.-Mitteil. v. K . S c h m i d 1909. 22) MVerBöhm. 22 (1884), 122 = J o h n 23) Westböhmen 195. D r e c h s l e r Schlesien 2, 53; M e y e r Baden 421. 21 ) Z . B . B a r t s c h Mecklenburg 2, 163; ZfrwVk. 6, 189; R e i s e r Allgäu 2, 429. 26) M e y e r Volksk. 225. 28) ZfrwVk. 6, 190; S c h u l e n b u r g 255; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 113. 27) Erzgebirge: Zeitschr. f. Kulturgesch. 1875, 515; ZföVk. 5, 195. M ) M o n t a n u s Volksfeste 49; P a n z e r Beitrag 2, 162. 2S) FFC. 31, 61. ao ) ZfrwVk. 6, 190. 31 ) T r e i c h e l Westpreußen VI, 17. S2) P f i s t e r Hessen 164. 33) B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 44; vgl. dazu M e y e r Germ. Myth. 278. 34) S c h r a m e k Böhmerwald 232; bayer. Schwaben: BayHfte x, 100. 35) W i t z s c h e l Thüringen 2, 219. 3t ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 203; Unterhaltungsbl. z. Kaufbeurer Anzeigebl. 27 (1902), 867. 37 ) B a r t s c h a. a. O.; Oberbayern: Orig. Mitt. v. H a m m e r s c h m i d 1910. 38) Thüringen: Z f V k . 6, 183; Unterhaltungsbl. z. Kaufbeurer Anzeigebl. a. a. O.

3. Über Aussaat und Gedeihen des L.es ist eine Reihe von Orakeln bekannt, die zum großen Teil dem analogischen Denken entspringen und auf die L ä n g e des zu erwartenden L.es bezugnehmen. Ein großer Teil dieser Orakel wird an Fastnacht angestellt. Lange Eiszapfen (an Weihnachten, Neujahr, Dreikönig, Fastnacht) bedeuten, daß auch der L. dieses Jahr lang wird; auch schließt man aus der Länge der Eiszapfen (z. B. an den drei Fastnachtstagen oder in den drei Wintermonaten), wann die beste Zeit für die Aussaat ist 39 ). Wenn die Eiszapfen „zwießlich" mit Nebenzapfen wachsen, dann wird auch der L. „zwießlich" 40 ). Wenn im Winter an den Strohdächern die Eiszapfen hängen, so darf man diese nicht abschlagen, weil es sonst keinen L. gibt 41 ). So lang die Stengel der Gänseblümchen 42), der Maiblumen oder der „Hardockan" ( = Löwenzahn)44) sind, so hoch wird der L. Wenn im Winter 45) oder an Fastnacht48) hoher Schnee liegt, wird auch der L. hoch. Der L. gedeiht, wenn an Fastnacht das Wasser in den Wagengleisen läuft 47 ), wenn es an Fastnacht regnet48) oder

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wenn man am Fronleichnamsfest die auf die Straße gestreuten Blumen in den Boden tritt (d. h. bei schmutzigem Wetter) 49). Der L. gedeiht nicht, wenn an Fastnacht die Sonne scheint M ), scheint sie früh (hinter den Altar), so sät man den L. zeitig, wenn nachmittags, dann später 51 ). Der L. gedeiht, wenn an Neujahr die Sonne auf den Altar scheint52) oder wenn sie an Lichtmeß scheint53). Ferner gerät der L., wenn die Christnacht dunkel ist ®4), wenn die Bäuerin Fastnacht am Düngerhaufen spinnt55), wenn man an F. Strohbänder flicht5S), wenn die Weiber an der Narrenfastnacht L. hächeln und Garn sieden ®'). An Fastnacht darf man nicht waschen58) oder spinnen59), sonst gerät der L. nicht. Jedoch werden Spinnrad und Spinnrocken am Fastnachtsmorgen gewaschen, damit der L. gedeihe So viele Leberknödel an Fastnacht gekocht werden, so viele Flachsbüschel gibt es*1). Mit dem zurückgebliebenen Backschmalz von der Fastnacht werden die Achsen des Pfluges geschmiert, der zum Bearbeiten des L.feldes benutzt wird, dann gedeiht der L. gut 62 ). An Fastnacht muß das Kraut (Sauerkraut) ganz aufgegessen werden (auch darf man nichts davon verschütten), sonst wird der Flachs „grasig" (verunkrautet)63), man denkt wohl bei dem in Streifen geschnittenen Kraut an Gras (Unkraut). Um die günstigste Saatzeit herauszufinden, sät man an den drei Fastnachtstagen einige L.samen in Töpfe und schließt aus dem Gedeihen der jungen Pflanzen, ob Früh-, Mittel- oder Spätsaat angezeigt ist 64 ). Im Solling wird ein ähnliches Orakel an Weihnachten angestellt65). Der L. gedeiht nicht, wenn in den Zwölften noch Flachs am Rocken ist 66 ). 3>) ZföVk. 5, 195; S c h ö n w e r t h Oberpfalz X, 413; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 114; P a n z e r Beitrag 1, 270; A n d r e e Braunschweig 227; Mitt. hist. Ver. Osnabrück 7 (1864), 395; F o g e l Pennsylvania 227; ebenso bei den Russen und Tschuwaschen (tatarisierte finnische Völkerschaft an der mittleren Wolga): Y e r m o l o f f Volkskalender 52. 102 und bei den Esten: FFC. 31, 10. 40) P a c h e l b l Beschr. d. Fichtelberges 1716, 158. 4M ZfrwVk. 6, 190. 42) ZföVk. 1, 242. «*) D r e c h s l e r 2, 198. **) H ö f e r und

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Lein

K r o n f e l d Volksnamen d. niederösterr. Pflanzen 45 ) Mitt. hist. Ver. Osnabrück 7 1889, 57. (1864), 395. **) F o g e l Pennsylvania 195. 4 7 ) P e t e r Österreich-Schlesien 2, 266; M a r z e i l 48 ) MnböhmExc. Bayer. Volksbot. 16. 18, 4>) F i s c h e r 349. SchwäbWb. 2, 1531. 60) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 16; Y e r m o l o f f Volkshalender 52. 51 ) S p i e ß Obererzgebirge 70; Das Land 18 (1910), 94 (Rhön); S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 413. t a ) K u h n Mark. Sagen 377. **) Niederlaus. Mitteil. 1 (1888), 270; bei den Polen „glänzt der Flachs", wenn es zu Lichtmeß von den Dächern rinnt (Tauwetter infolge des Sonnenscheins ): Y e r m o l o f f Volkskalender 65. « ) F i s c h e r SchwäbWb. 4, 767. 5S ) J o h n Westböhmen 195. M ) Mittelfranken: M a r z e l l Bayer. Volksbot. 16. " ) S c h ö n w e r t h Ober58 ) pfalz 1, 414. Mittelfranken: M a r z e l l Bayer. Volksbot. 16. M ) Journal von und für Deutschland 3 (1786), 1, 180 (Ansbach); Fränk. Heimat 6 (1927), 61. ,0 ) Egerl. 4, 37. «) S c h ö n ,2) w e r t h Oberpfalz 1, 414. Die Oberpfalz 7, 42. *3) Die Oberpfalz 7, 42; M a r z e l l Bayer. M) Volksbot. 17. S c h ö n w e r t h Oberpfalz t, 412; M ü l l e r Deutsche in Mähren 1893, 233; ZföVk. 5, 195; J o h n Westböhmen 195; Bayerland 24 (191213), 201; Fränk. Heimat 6 (1927), 42; vgl. auch Das Land 18 (1910), 94. ®5) Zeitschi. hist. Ver. Niedersachsen 1878, 83. *') B a r t s c h Mecklenburg 2, 247; S t r a c k e r j a n

2. 37-

4. Eine hervorragende Rolle spielt der A n a l o g i e z a u b e r (bzw. „Similia similibus") bei der Aussaat des L.s. Beim L. säen soll man die Kopfbedeckung abnehmen, damit die Haare im Winde fliegen und der L. recht „haarig" (fein) wird 47 ). Vielleicht gehört hierher auch, daß sich in Rußland der Pope vom Bauern einige Haare ausrupfen läßt, damit durch deren Verbrennung (bei entsprechender Beschwörung) das Gedeihen des L.s gefördert wird48). Der Sämann muß eine blaue (Leinen-) Schürze tragen oder aus einer solchen säen 49 ); dann wird der L. schön blau; eine solche Schürze muß auch zu den Arbeiten an Fastnacht umgebunden werden, dann gedeiht der L.70). Die säende Person muß ein neues weißes oder frischgewaschenes Hemd 71 ), eine neue leinene Schürze n ) , das Sonntagsgewand 7S) oder überhaupt schöne Kleider 71 ) anhaben, dann wächst auch der L. recht schön oder es gibt kein Unkraut 7S). Das Hemd mußte am Peterstag oder an Fastnacht gewaschen sein 74). Wenn man mit zerrissener Hose sät, dann hält der Flachs

1182

nicht 77 ) oder es gibt viel Kraut 78 ). Andrerseits heißt es aber auch, daß der L. gedeiht, wenn man den Acker in lumpigen Kleidern bestellt 74 ). Auch das Sälaken muß rein sein, damit der L. unkrautfrei bleibt80), ähnlich glaubt der finnische Bauer, daß aus dem in einem schmutzigen Sack auf den Acker gebrachten Samen schwarzer L. wachse 81 ). Damit der Flachs „funkat" (d. h. schön glänzt), steckt die säende Frau den Ehering an den Finger 8a). Wohl aus dem gleichen Grunde steckt man beim Säen ein Silberstück zu sich M ). Der Sämann warf die Schwarte des Schinkens oder des Speckes, den er zum Frühstück erhielt, in die Furche, damit der Flachs recht fett (glänzend) würde M ). Den L. sät man gern an demselben Wochentag, an dem der erste Schnee im Winter gefallen ist, dann wird die Leinwand schön weiß 8S). ") Meyer Volksk. 312 (Brandenburg); T h i e r e r Ortsgesch. v. Gussenstadt 1 (1912), 238; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 115 (Mittelfranken). •») S t e r n Gesch. d. öffentl. Sittlichkeit in Rußland 1 (1907), 106. ••) B a r t s c h Mecklenburg 2, 163; MVerBöhm. 22 (1884), 70) 122. S p i e ß Obererzgebirge 10 = J o h n Erzgebirge 191. 71 ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 116. 71 ) Blätt. v. Fichtelgebirge v. 14. 2. 1914. 7ä ) M a r z e l l a. a. O. 74 ) Die Oberpfalz 7, 195. " ) H e ß l e r Hessen 2, 322; H ü s e r Beiträge 3, 13. 7«) W i t z s c h e l Thüringen 2, 218. 77 ) 7B) Lausitz: Orig.-Mitt. von A r n d t 1911. ZfrwVk. 6, 190. " ) F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1531. ,0 ) H ü s e r a. a. O. " ) FFC. 31, 79. M ) Die Oberpfalz 7, 195; vgl. auch ZföVk. 5, 196; M a r z e l l Bayer. Volksbot. 215. •*) J o h n Westböhmen 196. 44) H ü s e r Beiträge 3, 12. , s ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 218; D r e c h s l e r

2. 5t5. Als ein F r u c h t b a r k e i t s k u l t ist es wohl zu deuten, wenn der Sämann auf dem L.feld ein (gekochtes) E i verzehren muß (das Ei ist vielleicht auch deshalb gewählt, weil man bei der Farbe des Dotters an die der gelben Samenkapsel des L.s, bei der des Eiweißes an die weiße Leinwand denkt). Der Sämann muß einen „Eierplatz" auf dem Pfluge sitzend verzehren88), auch derjenige, der den Samen eineggt, erhält eingeschlagene Eier 87 ). Die Schalen der auf dem Acker verzehrten Eier muß man auf das Feld werfen (Opferrudi-

Lein

II83

ment?) 88 ). Auch in Bosnien und der Herzegowina89) sowie in Ingermanland (Rußland) ®°) werden vor Beginn der L.saat Eier verzehrt. Zum Frühstück bekommt der Sämann Schinken, sonst helfen all die anderen Mittel zum Gedeihen des L.s nichts 91 ). Häufig werden auch das Ei 92) oder die Schalen (besonders auch der Ostereier) 9S) in den Sack mit der L.saat gelegt. Ebenso legt man zur Leinsaat etwas von den Knochen des an der Fastnacht gegessenen Schweinefleisches 94), die Rippen des am Aschermittwoch verzehrten „Rippenstückes" 95). Auch in Nordkarelien und in Estland legt man unter den L.samen ein Stück Schweinefleisch oder Speck 96 ). Ebenso mischt man in den Samenl. etwas von den an Dreikönig gebackenen Pfeffernüssen97) oder von der Asche, die man während der „zwölf Nächte" im Ofen gesammelt hat 98 ). Der L.samen wird mit dem beim Backen der Fastnachtsküchlein übrig gebliebenen Schmalz benetzt oder die Säerin reibt damit die Hände ein; auch wenn man mit dem Gesicht, das noch von den am Fastnachtssamstag genossenen Schmalznudeln fett ist, zum Fenster hinaussieht, gedeiht der Flachs 99 ). Die Schleiße, mit der am Fastnacht der Hirsebrei angerührt wurde, steckt man in den L.samen 10°). Aufs L.feld legt man das am Antoniustag (17. Januar) gesegnete Brot 101 ). Man beachte die Beziehungen zwischen dem Schwein (das Fleisch als Fruchtbarkeitssymbol zum L.samen gelegt) und dem Heiligen (Antonio del porco). 88)

M a r z e i l Bayer. Voiksbot. 115.

Westböhmen

196;

vgl.

Treichel

8 ')

John

Westpreußen

5, 41. 88) Mark Brandenburg: ZfVk. 1, 186. WissMittBosnHerc. 4, 459. M ) FFC. 32, 55.

8») n

)

Heßler

Böhmerwald

Hessen

2,

177.

82)

232; S c h u l e n b u r g

Schramek Wend.

Volks-

thum 115; E n g e l i e n und L a h n 271; K n o o p Pflanzenwelt

in Schweden

X I , 58; D r e c h s l e r

und Finnland:

2, 53; auch

FFC.

32, 55 f.

**) D r e c h s l e r 1, 81; 2, 53; J o h n Westböhmen M) 196; B a u e r n f e i n d Nordoberpfalz 44. W i t z s c h e l Thüringen 2, 218; vgl. M a n n hardt

291.

102. M)

Forschungen 9S)

1 8 7 ; M e y e r Germ.

H e ß l e r Hessen 2, 322.

»') Niederlaus. Mitteil. 1

W i t z s c h e l Thüringen 2, 173.

Bayer.

Voiksbot.

1 1 5 f.

10 °)

Myth.

••) F F C . 31,

(1888), 271. ")

Marzeil

MVerBöhm.

22,

122.

II84 101)

B a h l m a n n Münsterl.

Märchen

1898,

294.

6. Oft wird das Gedeihen des L.s mit dem weiblichen Geschlecht in Verbindung gebracht, was zunächst darauf beruht, daß die Bearbeitung der L.faser (Spinnen, Weben) seit Urzeiten eine Beschäftigung der Frau ist 102 ). Vielfach handelt es sich hier auch um einen Fruchtbarkeitszauber10S) bzw. um die apotropäische Wirkung der weiblichen Nacktheit (oder weiblichen Genitalien). Es ist begreiflich, daß diese Bräuche aus neuester Zeit meist in mehr oder minder stark verhüllten Form berichtet werden104). Im Böhmerwald und in der Oberpfalz soll der L. nur von der Bäuerin gesät werden, sonst gedeiht er nicht 105 ). Auch in Schweden, Estland und in Finnland sät die Bäuerin den L. oder sie wird doch vom säenden Bauern auf das Feld mitgenommen 106). Am besten gedeiht der von einer Braut gesäte L. 107 ), vgl. auch unter § 11. Auffälligerweise heißt es jedoch auch, daß der der Braut mitgegebene L.samen n i c h t gedeihe und sich nach etlichen Jahren ganz verliere. Daher entlehnt die Braut von drei Nachbarinnen je eine Handvoll L.samen und mischt ihn unter den ihrigen108). Der L. wird gern an Tagen gesät, deren Heilige einen w e i b l i c h e n Vornamen tragen109), vgl. unter § 2. Damit der L. hoch wächst, wälzen sich die Frauen im Acker 110 ) oder die Mädchen tanzen in der Johannisnacht um den Flachs 111 ), vgl. Bewegungszauber unter § 8. Auch gingen die Frauen am Johannistag zwischen 11 und 12 um das L.feld herum und faßten stillschweigend den L . an 1 1 2 ). Wenn der L. vom Felde geholt wird, sitzen die Frauen auf dem Wagen, im Dorf werden sie dann von anderen Frauen naß gegossen 113). In Siebenbürgen werden die Frauen an Ostern mit Wasser begossen, damit der L. gut wächst 1W ), s. Wasserguß. Eine besondere Rolle spielt die weibliche Nacktheit und die demonstratio podicis aut genitalium 115 ). Daß der L. gedeiht, müssen die Frauen n a c k t spinnen oder nackt die Spinnräder waschen116) oder eine nackte Frau.

II85

Lein

mußte auf der Hundshütte 11? ) oder der Miststelle ll8 ) drei Haspellängen Faden spinnen. Die Frau muß an Fastnacht vor Sonnenaufgang nackt vom Tisch springen 119). In Mecklenburg wird der L. gespiegelt in der Weise, daß die Frau mit aufgehobenen Röcken 120 ) über das Feld schreitet: „Wenn der Flachs das Unterhemd sieht, dann wächst er gut" m ) . So hoch die Frau bei der L.saat den Rock aufhebt, so hoch wächst der L . m ) . In Finnland hat die Frau beim Jäten des L.feldes keine Hosen an, dann wächst der L. gut, „denn er sieht, daß Kleider nötig sind" 123 ); die Erklärung ist natürlich eine nachträgliche. Die Frauen müssen dem L. den bloßen Hintern zeigen 124). „Wammern [Wann man dem] Flachs der Arsch weist, waert er hoch" 12S ). Vor dem Säen setzt sich die Säerin mit entblößtem Hintern auf den L.samen126). Hierher gehört wohl auch der Spruch: „Wenn der Flachs net neunmal e Weiberfüdle sieht, nach wird er auch nix" 127 ), was wohl erst nachträglich dahin gedeutet wurde, daß man den L. fleißig grasen müsse. Die Mädchen wälzten sich nackt im L.feld 128 ) oder tollten an Johanni nackt auf dem Feld umher 129 ). Beim Flachssäen wird ein kleines Mädchen (beim Jäten eine der Jäterinnen) auf den Kopf (ursprünglich wohl auch eine demonstratio der Nacktheit) gestellt; so lang wird dann der L.130). In Finnland und Estland ist der L.säer (also auch für männliche Personen gilt die Nacktheit) unbekleidet 131 ). Das säende Mädchen wickelt sich zuvor ein Stückchen von einem „Hemmstuak" (unterer Teil des Hemdes aus grober Leinwand) mit der „Monatsrose" um den rechten Zeigefinger 132), s. auch Menstruation. Um das Gedeihen des L.s zu fördern, müssen die Mädchen bzw. Frauen beim L.säen gewisse Reime sprechen, in denen der L. aufgefordert wird, bis an die Genit a l i e n (Fud, Fuse usw.) zu wachsen. Oft sind in Milderung Gürtel oder Knie genannt. Ein alter, zu Anfang des 17. Jh.s 13S ) aus Thüringen aufgezeichneter und auch später 134 ) öfter zitierter Spruch lautet: B a c b t o l d - S t i u b l i , Aberglaube V

II86 Ich seh (säe) jetzunder meinen Lein In das gedünckte Land hinein Vnd wünsch, daß er nicht eher blüh. Biß daß er mir reicht an die Knie, Krieg auch nicht ein einzige Knott (Fruchtkapsel), Biß er mir geht biß an die Fott. Also nun wachs Mein lieber Flachs, So wirstu gut und lang Verdienst umb mich gar großen Dank.

Derartige Anreden des L.s waren früher anscheinend ziemlich verbreitet, da schon Tharsander 1 3 5 ) davon spricht, daß sich die abergläubischen Weiber beim Säen des L.s zum Teil „ s c h ä n d l i c h e r " Worte bedienten, damit der Flachs desto länger wachse. Sprüche aus neuerer Zeit lauten: Flasken, Flasken Druse Wachs bis an die Fuse Bis an meine Titten, Dann bliw sitten.

Der Spruch wurde, wenn keine Männer zugegen waren, von den nackten Mädchen noch um 1850 gebraucht 138 ). In Westböhmen lautet der Spruch: In Gottes Namen sa i mein Lein, Daß a mir gäiht bis in die mein (sei. pudenda) Gäiht a ma neat bis in die mein. So is neat ma Lein 1 3 7 ).

In Hinterpommern 138 ): „Hätz, Knutt [wohl: knote, d. h. setze Knoten an], bet an de K . . t ! " ; an der böhmischsächsischen Grenze: Gout grüße dich mai lieber Flachs Doß d' mer bekümst en guden Wachs; Doß d' mer ne ofängst ehnder zo blühn, Os bis d' mer thust gihn bis zun Knien, Doß d' mer ne ehnder thust knötteln, Bis d' mer thust rechen zu Görteln 13 ').

In Niederschlesien: Goot grisz dich, liewes Fläxla, Goot ga-dr a gut Gewäxla, On loosz dich waxa bis oa's Knie On noch a bisla wetter hie 1 4 0 ).

Im unteren Günztal (bayer. Schwaben): „Flachs, woischt du was, özt wächst, daß mer gehst bis an Arsch" 141). Ausnahmsweise wird der Wachstumszauber auch von Männern ausgeübt, so bei den Wenden. Der Spruch lautet dann: „Flachs, wachs bis an den Sack (scrotum)" 1 4 2 ). Als weiblicher Fruchtbarkeitszauber ist es wohl auch aufzufassen, 38

II87

Lein

wenn in den sechziger Jahren des 19. Jh.s im Oberamt Riedlingen die Weiber am Magdalenentag (vgl. unter § 2) siebenmal nach dem L. sehen, das erste Mal aber ihren Harn darauf lassen sollten14S). 102 ) M e y e r Germ. Myth. 278. 285. l o s ) V g l . A n d r e e Braunschweig 226; F r a z e r Totemism 104 ) M a r z e i l Flachssaat 3, 143. und Frauen in HessBl. 1 1 , 1 6 — 2 3 . 1 0 5 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 4 1 6 ; Bauernfeind Nordoberpfalz 106 ) F F C . 44; Böhmerwald 6 (1904), 56. 31, 124 f. 1 0 7 ) B a u e r n f e i n d a. a. O . 108 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 416. 109 ) Ebenso in Söder110) m a n l a n d : F F C . 31, 30. Meyer Volksk. 112) 227. m ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 219. us) Andree Braunschweig 226. ZfrwVk. 6, 1 9 1 ; 7, 43. 1 1 4 ) H a l t r i c h Siebenb. Sachsen 286; das Begießen mit Wasser findet a u c h beim „ A s c h e t o p f ' - W e r f e n s t a t t : Drechsler 1, 1 7 1 ; v g l . unter 7. U 6 ) V g l . auch K n u c h e l Umwandlung 76. l w ) J ä c k e l Oberfranken 167. 117) J o h n Westböhmen 41. l w ) Fichtelgebirge: D G . 12, 148. " » ) K ö h l e r Voigtland 368. 120 ) V g l . dazu das bei P l i n i u s Nat. hist. 28, 78 aus Kappadozien angegebene Mittel, u m U n g e ziefer v o m Feld zu vertreiben: (mulier) ire per media a r v a retectis super clunes vestibus. iai) F F C . 55, 58. 122 ) B e z z e n b e r g e r Litauische Forsch. 87. 1 2 S ) F F C . 55, 57. 1 M ) Ostpreußen: M e y e r Volksk. 227 („man scheut auch andere bedenkliche Stellungen n i c h t " ) ; ebenso in 12S) F i n n l a n d : F F C . 32, 6 7 ; 55, 57. Fogel Pennsylvania 196. 1 2 ') J o h n Westböhmen 196. 1 2 ') 128 ) F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1532. Im Saalfeldischen: M a n n h a r d t 1, 484. lso) F l ä m i s c h : R o l l a n d Flore pop. 3, 66. Z f r w V k . 6, 190; ähnlich in Norwegen: F F C . 32, 67. I S 1 ) F F C . 31, 7 4 . 1 2 6 . U 2 ) J o h n Westm ) böhmen 196; U r b a n Leinsaat 1906, 4. O. et D . M e l a n d e r Jocorum atque Seriorum ... Kbri II. Smalcaldiae 2 ( 1 6 1 1 ) , 655 f. 1 S 4 ) D a n n h a w e r Scheidbrief 499 = Alemannia 17, 245; F r o m a n n De Fascinatione 534; Journ. v . u. f. Deutschi. 7 (1790), 2, 28 = G r i m m Myth. 3, 452 (aus dem Saalfeldischen), ähnlich auch aus dem Meiningischen bei M e y e r Volksk. 226. 185) Schauplatz usw. 2 (1737), 338. 1 S 6 ) S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 1 1 6 = Anthropop h y t e i a 8, 288. 1 S ') J o h n Westböhmen 196. 1 3 8 ) K n o o p Hinterpommern 176. 139 ) R h e i n s b e r g Böhmen 302 = G r o h m a n n 1 4 4 ; ähnlich i m Meiningischen: M e y e r Volksk. 226, v g l . auch Z f r w V k . 7, 34. 140 ) D r e c h s l e r 2, 59. l u ) D G . 13, 109. 142 ) S c h u l e n b u r g 2 4 1 . 1 4 S ) M e y e r Baden 438.

7. Sehr häufig wird der L. durch eine symbolische Handlung, Gebärde usw., die oft mit Worten begleitet sind, aufgefordert, möglichst hoch zu werden (der Wert des L.s hängt ja von der Länge der Faser ab). Es ist das, was Schneeweis 1 4 4 ) als „ H o c h z a u b e r "

Il88

bezeichnet, „Fälle, in denen in gegenständlicher Weise der Wunsch ausgedrückt wird, daß Mensch bzw. Tier oder Pflanze so und so hoch wachsen mögen". Solche Mittel, die Pflanze zu höherem Wachsen zu reizen, wurden auch in der Antike geübt. Theophrast 1 4 6 ) schreibt: „Man rät, wenn jemand Sellerie (astavov) verpflanze, einen Pfahl daneben zu schlagen, so groß man den Sellerie haben wolle". Um dem L. die Höhe, auf der er wachsen müsse, anzuzeigen, steckt man in den Acker Reiser146) mit den Worten: Reis, d a steck ich dich her, Flachs, so lang sollst du wer (den)

Birkenruten148),

l47),

ferner einen Holunderstock 149 ), eine Weide 160 ), einen Ebereschenstock 151 ), den umgekehrten Rechen 152), den Stecken, der zum Hemmen des Brautpaares diente153), den „Palm" 154 ), die aus dem Johannisfeuer gezogenen angekohlten Holzstücke („Kannes-Brände") 155) oder den Stecken von der Pechfackel (mit den das Johannisfeuer entzündet wurdß ?) am Johannistag186). In Klein-Rußland wirft man Birkenzweige ins Sonnwendfeuer mit dem Wunsch: „Werde mein L. so hoch wie dieser Zweig" 157). Im Gailtal trägt die Bäuerin einen Blumenkranz auf das L.feld und hängt ihn in der Mitte des Feldes auf einem Stock auf. Der L. wächst dann so hoch als der Kranz hängt 158 ). Im Frankenwald band man bei der L.ernte die kräftigsten und höchsten L.stengel zu einem dichten Büschel, dem „Flachszopf" zusammen, stellte diesen auf und umtanzte ihn mit möglichst großen Sprüngen und dem Rufe: „So hoch wie der Stecken soll der Flachs sich recken" 159). Die Jäterinnen legen sich nach beendigter Arbeit der Länge nach auf das L.feld hin, „damit der Flachs ebenso lang wüchse" 180). Beim Eggen des zur Flachssaat bestimmten Landes band man (bei Flensburg) die Schwänze der Pferde nicht auf, damit der L. nicht gekürzt würde 161). Den L.samen muß man zu Pferd oder auf den Kopf (also recht hoch) hinaustragen162). Um den L. in die Höhe zu bringen, steigen die

Lein

Mädchen im Braunschweigischen (am 2. Ostertag) und Hildesheimischen (an Himmelfahrt) auf den Turm und läuten mit allen Glocken16®). Beim L.säen muß das Sätuch möglichst lang herunterhängen oder der L.sack möglichst lang zugebunden sein 164 ). An Fastnacht werden die Spinnräder möglichst hoch gestellt 165 ). Damit der L. recht hoch wächst, muß man das Laken oder den Sack, worin der L.same auf den Acker gebracht wurde, hoch in die Luft werfen ise ), ebenso das Ei (vgl. unter 5), das der Sämann aufs Feld mitbekommt167) oder dessen Schalen 168 ). Am Peterstag (22. Febr.) bringen im Werragrund Freunde und Nachbarn einander den „Petersdreck", d. h. einen mit L.samen (Flachsabfällen u. ä.) gefüllten Topf, schleichen sich damit in des Nachbarn Haus und werfen den Topf mit den Worten: „So hoch soll der Flachs werden" in die Stube oder vor die Stubentür. Je höher der Topf geworfen wird, desto höher wächst der L. 169 ). Das gleiche gilt von dem schlesischen „Aschetopf "-Werfen 17 °). Wenn ein Hund oder eine Katze krepieren, muß man den Kadaver hoch über den Zaun werfen, damit der L. hoch wird 1 7 1 ). Die Jäterinnen nehmen etwas Gerste in den Mund und spucken diese in die Höhe: so hoch wächst der L. 172 ). Beim „Einsacken" des L.samens muß man diesen recht hoch in den Sack laufen lassen173). Der L. wird hoch, wenn die Bäuerin (bzw. die tanzenden Paare) an Fastnacht beim Tanzen (vgl. unten) recht hoch springt 174 ). Die Weiber suchen sich beim Tanz am Fastnachtsdienstag «inen langen Tänzer aus, um langen L. zu bekommen17S). Der Tänzer hebt seine Tänzerin in die Höhe und ruft dabei: „Nätt war, su lank muß der Flachs wärn" 176 ), das gleiche gilt vom Sprung über das Johannisfeuer177). Beim L.säen müssen die Füße möglichst hoch gehoben werden 178 ). Die Magd, die das erstemal das L.feld betritt, um dort zu jäten, springt möglichst hoch 179 ), in Finnland macht die Bäuerin, während •der Bauer sät, drei Seitensprünge auf

1190

der Grabenböschung; „ebensolang wie ihre Sprünge sind, wird auch der L." 1 8 0 ). An Fastnacht (oder Silvester) nachts 12 Uhr springt die älteste Jungfrau des Hauses mit dem ersten Schlag auf den Tisch und mit dem letzten rückwärts herunter; so hoch wächst der L . 1 8 1 ) . Wenn man den L.samen auf den Acker trägt, muß man schnell laufen (d. h. lange Schritte machen), dann wächst der L. länger 182 ). Mit den Knochen des an Fastnacht gegessenen Schweines muß man stillschweigend und mit langen Sprüngen auf den Boden gehen und sie im L.samen verstecken (vgl. unter 5). So lange Sprünge man macht, so lang wird der L. 1 8 3 ). 1U ) Weihnacht 102. 1 4 S ) Hist. plant. 7, 3, 5. ) Schulenburg Wend. Volkstum 1 1 7 ; M a a c k Lübeck 5 2 ; T e t z n e r Slawen 385. 147 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 1 9 ; Heimatbilder aus Oberfranken 5 (1920), 1 8 . 1 4 8 ) D r e c h s ler 1, 1 1 0 ; G r o h m a n n 95 (an Pfingsten); S c h r ä m e k Böhmerwold 2 3 5 ; M a r z e i l Bayer. Volksbot. 36 (Birkenreiser von den Altären der Fronleichnamsprozession). 1 4 ' ) ZfVk. 7, 16 149. °) E b e r h a r d t Landwirtschaft 201 („damit sich der L. ebenso verzweige"); W i t z s c h e l Thüringen 2, 218. 1 5 1 ) Mecklenburg: F F C . 3 2 , 1 6 . 1 5 2 ) M a a c k Lübeck 52. l s s ) M e y e r Volkskde. 226. 1 M ) M a r z e l l Bayer. Volksbot. 1 1 3 ; R e i s e r Allgäu 2, 149. 1 S 5 ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 414; J ä c k e l Oberfranken-, P a n z e r Beitrag 1, 376. 1 5 S ) Oberfranken: Aus d. Archiv des Ver. Heimatschutz München. 1 5 7 ) M a n n h a r d t 1, 5 1 2 ; F r a z e r Balder x (1913), 176; 158 S c h n e e w e i s Weihnacht 103. ) Orig.Mitt. v. Modi 1908; vgl. auch ZföVk. 1, 181. 159 ) Fränk. Heimat 6 (1927), 296. 16 °) Mecklenburg: F F C . 55, 58. 1 6 1 ) M e y e r Volksk. 225. 1M ) M e y e r Volksk. 226 (wohl irrtümlich für den „ H a n f " angegeben ); H e ß l e r Hessen 2, 177. l M ) M e y e r Volksk. 227. l e 4 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 2 1 8 ; H e ß l e r Hessen 2, 3 2 2 ; Heimatbl. v. Maintal 1 (1914), Nr. 7. 165 ) J o h n Westböhmen 195; E b e r h a r d t Landwirtschaft 203. 166 ) Journ. von u. für Deutschland 7 (1790), 2, 29 (im Saalfeldischen); E n g e l i e n u. L a h n 2 7 1 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 489; H ü s e r Beiträge 3, 1 2 ; A n d r e e Braunschweig 226; ZfVk. 1, 186; 7, 149; 10, 212. « ' ) Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 16 (1881), 246; S c h u l e n b u r g Wend. Volkstum 116. M 8 ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 219. l 6 i ) W i t z s c h e l Thüringen 2, 189. 17 °) D r e c h s l e r x, 1 7 1 . 1 7 1 ) T o e p p e n Masuren 85. 1 7 2 ) Bei 173 Verden: M e y e r Volksk. 227. ) ZfKulturgesch. 1875, 5 1 5 (Erzgebirge); D r e c h s ler 2, 52. 1 7 4 ) K n o o p Hinterpommern 176; D r e c h s l e r i, 52; 2, 52; P e t e r Österr.-Schlesien 14e

38*

Lein 2 , 266; G r o h m a n n 9 5 ; Niederlaus. Mitt. 1 (1888), 2 7 1 (wenn die Mädchen beim Tanze fallen, so legt sich der L . ) ; S c h ö n w e r t h 17S Oberpfalz x, 414. ) J o h n Westböhmen 4 1 . 176 ) J o h n Erzgebirge 1 9 1 ; vgl. auch ZfVk. 14, 177 424. ) S c h r a m e k Böhmerwald 1 5 8 ; Bavaria 2, 3 1 0 ; Hmtg. 1, 292; B i r l i n g e r Aus Schwaben 178 2,119. ) M a r z e i l Bayer. Volhsbot. 1 1 4 . 1 " ) P e t e r Osterreichisch-Schlesien 2, 266; vgl. W o e s t e Mark 56. 1 8 °) F F C . 32, 68. 1 8 1 ) S p i e ß Obererzgebirge 1 0 ; vgl. M e y e r Germ. Myth. 182 286. ) M a r z e i l Bayer. Volksbot. 114f.; vgl. R e i s e r Allgäu 2, 149. l 8 S ) Ostheim v . d. Rhön: Das Land 18 (1910), 94.

8. Das Wachstum des L.s soll ferner noch gefördert werden durch die Ausübung gewisser B e w e g u n g e n wie Tanzen, Hüpfen, Springen, Laufen, Schaukeln, Wälzen. Dieser „Bewegungszauber" als primitive Freudenäußerung ist jedenfalls als Fruchtbarkeitssymbol zu werten 184 ), s. auch H a n f . Die Weiber müssen an Lichtmeß 18B ), an Maria Reinigung 186 ) oder an Fastnacht 1 8 7 ) tanzen, vom Tisch springen 188 ), sich im L . wälzen 189 ). Die beim Johannisfeuer übrig gebliebenen Besenstummel werden ins L.feld gesteckt (s. unter 7). Dabei wird unter dem Ruf: „Flachs heb dich!" dreimal auf die Erde gestampft190). Wer L . sät, soll sich auf dem Acker, den er besäen will, dreimal auf den Sack setzen (s. unter 6) und wieder aufstehen 191 ). Zu Fastnacht muß (mit dem Schlitten) gefahren oder geschaukelt werden 1 9 2 ). Bei diesem „Haarlangfahren" (daß der „Haar [Flachs] lang" wird) mußte in Niederösterreich der Lenker des Schlittens dafür sorgen, daß „umgekeit" (umgeworfen) wurde und sich die Insassen im Schnee wälzten 193 ). In Tirol gedeiht der L. nicht, wenn man nicht „Huttier" lauft; je mehr Huttier laufen, desto schöner wird er 1 9 4 ), s. Mais. Hierher gehört jedenfalls auch der Glaube, daß der L . gut gedeihe, „wenn es im Winter eine gute Schlittenbahn gibt" 19B ). 1M ) Vgl. Schroedei Arische Religion 2 (1916), 107 ff. 3 4 2 ; Schneeweis Weihnacht 118; W e i n h o l d Ritus 29 f. 1 8 6 ) Rockenphilosophie 1707, i , 1 2 1 ; M o n t a n u s Volksfeste 2 1 ; S 6 b i l l o t Folk-Lore 3, 459. 1 8 6 ) P a u l i i n i Baurenphysik 1 7 1 1 , 1 1 9 . 1 8 7 ) Z f V k . 4, 46 („durch das Tanzen werden die Disteln zusammengetreten"); Heimatbilder aus Oberfr. 6 (1921), 38; A n 188 d r i a n Altaussee 1 2 1 . ) ZfdMyth. 1 , 200. 18 ' ) Der Brauch wurde besonders von Kindern

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geübt: G r o h m a n n 9 5 ; D r e c h s l e r 2, 5 3 ; F i s c h e r Schwab. Wb. 2, 1 5 3 2 ; Alt-Lauingen 19x4/15, 5 1 . m*) P e t e r Österr.-Schlesien 2, 266. 1 M ) Rockenphilosophie = G r i m m Myth. 3, 447; M o n t a n u s Volksfeste 1 4 7 (man setzt sich auf den Sack nach Osten gewendet). 192 ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 1 1 1 Anm. 89; Y e r m o l o f f Landwirtschaft 5 2 ; T r e i c h e l Westpreußen X , 454. 1 9 3 ) W e i n k o p f Naturgeschichte 82. 1 M ) S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 1 1 1 ; H ö r m a n n Volksleben 1 5 . 1 9 5 ) W i r t h Beiträge 6/7, 14.

9. Zum „apotropäischen Wortz a u b e r " gehört es, wenn man beim L.säen f l u c h t oder wenn die Bäuerin, so oft sie an ihrem L.acker vorbeigeht, s c h i m p f t (oder hineinspuckt), damit der L . besser wächst 1 9 8 ). Wenn man den L . in seinem Wachstum besucht, soll man ihn schelten 197 ). Vor dem Säen muß man sich mit seiner Frau absichtlich ernstlich veruneinigen (Ruhla, Biebra), vgl. Z w i e b e l ; ein glücklich Verheirateter darf keinen L. säen (Einbeck in Hannover) 198 ). Wenn die Frauen den L . jäten, müssen sie beim Ausraufen des letzten Unkrautes eine Verwünschung desselben aussprechen 199 ). Ähnliche Bräuche sind auch aus der Antike bekannt 20 °), vgl. K ü m m e l , P e t e r s i l i e , Zwiebel. Vielleicht gehört hierher auch der Brauch der Frauen in Schlesien, den L . aus dem „Schlaf" durch lautes A u f s c h r e i e n (Dämonenvertreibung ?) zu reißen 201 ), vgl. das sog. „Krautschrecken" (s. Kohl 3). 186 ) J o h n Westböhmen 196. 1 8 7 ) F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1 5 3 2 . 1 9 8 ) M e y e r Volksk. 227. Auch am Lech heißt es, daß beim L.säen Mann, und Weib streiten sollen: M a n z u. a. Heimatarbeit u. Heimatforschung 1927, 172. 1 9 9 ) T r e i 200 c h e l Westpreußen V I I , 543. ) Marzell Fluchen, Zornigsein, Lachen bei der Aussaat von Kulturpflanzen. In: BayHefte. 1, 200f. 2 0 1 ) M e y e r Volksk. 227.

10. V e r s c h i e d e n e r A b e r g l a u b e über Aussaat und Gedeihen des L.s. Nach Avissaat des. L.s dürfen auf dem besäten Feld keine Kluten geklopft werden, sonst wird der L . taub 202 ). Der L.samen muß aus den Knoten ausgedroschen werden, bevor die Frösche quaken, sonst gerät der L . nicht 203 ). Wer sich am Dreifaltigkeitssonntag vor den L. stellt und die drei höchsten Namen anruft, dem gerät

Lein

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der L. in diesem Jahr 204). Der L. ist vor Ungeziefer sicher, wenn man ihn mit Wasser vom Petersbrunnen bei Leutstetten (Oberbayern) besprengt 805), vgl. K o h l . Sogar die protestantischen Bäuerinnen des Saallandes wandern in das Mainland, um sich von den katholischen Marienwallfahrtsorten W e i h w a s s e r für ihr L.feld zu holen 206). Damit der L. l a n g wird, geht man am Magdalenentag (die Büßerin Magdalena trocknete mit ihren l a n g e n H a a r e n die Füße des Heilands, vgl. bayr.-österr. „Haar" = L.) auf den L.acker und spricht: I grüß di, Flocksch, D a ß d' recht wochscht. So lang wie'n Weide, So fein wie e Seide, So heel (heil, glatt) und so klor. Wie d'r Magdelene ihr Hör* 0 7 ).

Wenn es „Froagara" ( = Frauengarn; Marienfäden, die im Frühherbst sich zeigenden Spinnfäden der Spinne) gibt, dann gerät der L.208). Damit der L. einen guten Bast bekommt, steckt man Lindenzweige (der Lindenbast ist sehr fest) auf die L.felder 209), in Mecklenburg ein Messer in eine Ecke des Ackers, damit der L. recht f e s t e (so „fest" wie das Eisen) Fasern erhalte 210 ). In anderen Fällen hat das Hineinstecken des Messers offenbar apotropäische Bedeutung (vgl. K o h l Anm. 48). Beim Säen des L.s wurde auf der Ecke des Landes, woher der Wind kam, ein Messer in die Erde gesteckt; das sollte vor Ungeziefer bewahren 211 ). Den ins L.feld gesteckten Ruten (s. unter 7) schält man den B a s t ab, damit das aus dem Flachs gesponnene Linnen recht w e i ß wird 212 ). An Walpurgis bindet man um eine ins Feld gesteckte Stange Werg, dann gerät der Flachs 213 ). Da es die Hexen besonders auf das „Haarfeld" (L.feld) abgesehen haben, steckt man am Sonnwendtag die geweihten Kränzlein vom „Kranzltag" (Fronleichnam) ins L.feld; auch macht man schon vor Sonnenaufgang den „Haar" grün, d. h. das Feld wird mit grünen Fichten-, Hasel- oder Erlenzweigen zum Schutz

gegen die Hexen umsteckt 214 ). Der L. gerät dem besonders, der beim Säen den „Brustlappen" links (verkehrt) anzieht 21S ); das Verkehrtanziehen von Kleidungsstücken gilt auch sonst als „glückbringend" 2 1 i ) und ist hier wohl als Apotropäum aufzufassen. Die reinigende (apotropäische) Kraft des Feuers offenbart sich, wenn man für das Gedeihen des L.s über das Johannisfeuer springt 217 ) oder wenn man, um Unkraut fernzuhalten, den im Johannisfeuer angekohlten Haselstecken in den L.acker steckt 218), s. auch unter 7. Hierher gehört es vielleicht auch, wenn man beim L.säen einen Feuerstahl in den Mund nimmt 219 ). Der Flachs bleibt frei vom Unkraut, wenn man den L.samen an Fastnacht durch die Wagennabe 220) oder durch die Löcher des Pfluggründels schüttet 221 ). Man vergräbt im Feld eine Flasche mit r e i n e m Wasser, dann geht der L. r e i n von Unkraut auf 222). Der L. bleibt frei von Unkraut, wenn man ihn mit nackten Füßen 223) sät 224). Wenn sich der L. auf dem Acker umlegen will, so legt man eine g e s t o h l e n e Waschstange hin, dann bleibt er stehen 22S). Gestohlener L.same, unter die Aussaat gemischt, bringt gutes Gedeihen 22a ). Am Laurentiustag (10. Aug.; Laurentius [s. d.] wurde auf einem glühenden Rost verbrannt) darf man keinen Handgriff am L. ausführen, sonst verbrennt das L.samenstück wie das Hemd am R ü c k e n und man zieht seinem Vieh Läuse zu 227). Flachs an Laurenzi gerauft, verbrennt 228). Am Abend des Ostersonntags brennt man womöglich kein Licht, damit der Flachs nicht verderbe („verbrenne") 229). Die „Ansteckerin", die den Flachs zur Dörre in den Backofen steckt, muß „monatsrein" sein, sonst bricht der Flachs nicht schön230), s. M e n s t r u a t i o n . Wer L. säen läßt, muß dem Sämann ein Trinkgeld, geben, sonst verdirbt der Flachs 231 ). Um das Wachstum des L.s zu fördern, steckt die Hausfrau am ersten Pfingsttag noch vor Sonnenaufgang die rechte Hand in eine Kanne voll Milch und läßt die Hand darin bis die Sonne aufgeht 232), vielleicht ein Rudiment eines Milchopfers. Guten

L. gibt es, wenn die „Flachsmutter" sich sehen läßt a s s ). L.samen muß in den „Zwölften" ausgedroschen werden2S4). Nach Beendigung der Flachsernte kommen mehrere Nachbarn in einem Hause zusammen, legen auf den Ofen eine Stange, an der ein Flachsbüschel angebunden ist und zünden dies an. Während es brennt, wird Suppe gegessen. Dann nimmt jeder der Anwesenden eine Hand voll Flachsasche und streut diese daheim in den Stall, damit es im nächsten Jahr recht viel Flachs gebe m ) . Zum „Rösten" wird der L. kreuzweise aufs Feld gelegt. Über diese gekreuzten mit einem Stein beschwerten Büschel muß die Flachsbreiterin einen Purzelbaum schlagen, damit der Wind den Flachs nicht entführen kann 236). Am Himmelfahrtstage darf man den Flachs nicht anrühren, damit die Brechannen herunterfallen, sonst bekommt das Vieh Läuse 237). 202) B a r t s c h Mecklenburg 2, 164. 203) K n o o p Hinterpommern 176. 2M ) Rheingau im 17. Jh.: Zeitschr. f. Kulturgesch. N. F. 2 (1895), 188. 206) P a n z e r Beitrag 2, 23. 206) Zapf Sagenkreis

d. Fichtelgebirges2

1 9 1 2 , 67.

207 )

Meyer

Baden

438; F i s c h e r SchwäbWb. 2, 1531. 20a) AltLauingen 1914/15, 51. 2) G a r b i n i op. cit. 56. «) M e y e r L ü b k e REWb. Nr. 5402. »») op. cit. 13, 82. •») R o l l a n d op. cit. 3, 284. 90) op. cit. 13, 80. «) op. cit. 3, 284. »») Ebd. , s ) R . F i s c h e r Oststeirisches 118 (nach frdl. Mitteilung W o s s i d l o ' s ) . M ) op. cit. 13, 80. «) Ebd. ••) op. cit. 13, 82. 97 ) K n o r t z Insekten 134. M ) G a r b i n i op. cit 57.

5. B e n e n n u n g n a c h dem P f e r d e . Naheliegend ist der Vergleich mit einem Pferde: R ö ß c h e n , ndd. p ä e r d , p ä e r d je, goldpaerd, Ritterperd (Bremen) 99), Liebheilandspiardken99), Engelspirken99), B l a u s p i r k e n 99), Gottespferdlein (Gadspirken), Himmelspferdchen, Görgenpferdlein, alle bei R o l l a n d 1 0 0 ) . G ö r g = h. Georg; vgl. sard caddu e santi* GiuanneW1), fläm. peerdeken, u n s e r l i e b e n F r a u e n Rössel 1 0 8 ), Lieve-Vrouwpeerd103) (vgl. istr. cavaleta de la Madona)1M), vliegende

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7. P e r s o n i f i k a t i o n . Die anmutige Schlankheit der L. erinnert an ein junges weibliches Wesen, daher die Bezeichnung „Dame" oder „Fräulein". Sa franz. demoiselle124) (ital. damigella125)), dame de Paris (Côte d'or) 126 ) (vgl. mecklenburg. Spansch Jungfer)127), damo m) 10°) (Languedoc) 128 ), franz. mariée „junge W o s s i d l o (brieflich.). Rolland 101 ) Faune 13, 81. G a r b i n i op. cit. 57. Frau" 1 2 9 ), in verschiedenen Gegenden ; 102) G r i m m Myth. 3, 201. Rolland vgl. mail, sposa 130), siegerl. brutmssdFaune 13, 81. 104) G a r b i n i a. a. O. 105) R o l che131), franz. reine „Königin" (Deuxl a n d Faun« 13, 81. 109) W o s s i d l o Mecklenburg Sèvrès) 132 ), ital. signora (Verona und 2, 423. 107) R o l l a n d a . a . O . 108) G a r b i n i 109 110 op. cit. 385. ) op. cit. 390. ) Wossidlo anderswo)183), camp, signorella1S4), rum. (brieflich). m ) R o l l a n d op. cit. 13, 82. /äräncuß13S) „Landmädchen", franz. couturière (H.-Saône, Jura) „Näherin", 6. B e n e n n u n g n a c h a n d e r e n T i e prachtvollen ren. In der Umgebung von Lüttich ist wohl nicht wegen 1 3 der 6 der Glaube verbreitet, daß sich Skorpione, Toilette, wie Rolland ) meint, sondern Eidechsen, Salamander in L.n verwan- weil die L. „näht" (über das „Nähen** oben), vgl. deln 112 ). So erklärt sich ohne weiteres des Insektes vgl. weiter 13 mecklenb. Jungfer Neihnadel ''). Auch der Name mouron „Salamander" (Bassewird zwischen der größeren und kleineren 1 1 S Normandie) für die große L. ). Hingegen sind die häufigen Benennungen Art in der Weise unterschieden, daß diese mit demoiselle nach anderen Tieren (Bachstelze, Sper- jene mit monsieur, 138 ). bezeichnet wird. Daß cousin und ling, Habicht, Wasserhuhn, Eisvogel, 139 Schmetterling, Grille, Heuschrecke, Brem- cousine (H.-Saône, Doubs) ) ähnlich gebraucht werden, sahen wir oben, sposi> se, Fliege usw.) auf irgend ein tertium 14°) bezeichnen die morosi (= (a)morosi) 114 comparationis zurückzuführen ). Piem. balarinna „Bachstelze" 11S ), franz. poule L.npärchen, die während der Begattung d'eau „Wasserhuhn" (Varengeville s.- angetroffen werden. Die sonderbare Bewegimg der KinnM.) 1 1 8 ), engl.-dial. kingfisher „Eisvogel" 117 ) sind von Vögeln hergenommen, laden erinnert an eine Gebete murmelnde die sich wie die L. an oder auf dem Wasser Person (Geistlicher oder Nonne) 141 ). In aufhalten. Am nächstliegenden ist die Bologna heißt es in einem Kinderreim Benennung nach dem Schmetterling, wie von der L., sie lese die Messe142). Daher z. B. triest. farfala d'aqua, poejo (Verona), die Namen: Pf äff 1 4 3 ), franz. prêtre, bellora (Toscana) usw., alle bei G a r - curé1**), capélan (Hér.) 14S ), moine (Sainb i n i 1 1 8 ) . Vgl. franz. papillon d'amour tonge, Orléans) 146 ). Ebenso ital. preve „Priester" (Pavia), (Pissy-Poville) 119 ), engl, water-butterfly™). Besonders beachtenswert ist holstein. prede id. (Marken), frate (Pistoja), alle Entsprechend wird s p e c k f r g t e r 1 2 1 ) , mecklenb. speck(en)- bei Garbini 1 4 7 ). fräter, speckenbiter122), da hier die kleinere Art als „Nönnchen" bescheinbar eine doppelte Vertauschung zeichnet: prov. moungéto148), veron. monevorliegt. s p e c k f r e t e r (Abergl.) = ghela149). Fledermaus > Schmetterling > L. (Vgl. Handwerkernamen sind häufig: siegerl. indes camp. pipistrielle12S) „Fledermaus" Schneider 1 5 0 ) (wegen der schlanken für L.) Gestalt oder wegen des „Nähens"), westfäl. blinnesnider „blinder Schneider", M ) S i b i l l o t Folk-Lore 3, 303. 113 ) Ebd. 114 ) G a r b i n i op. «it. 56. 11{ ) Ebd. 1 U ) R o l l a n d elsäss. B a c h s c h n e i d e r 1 6 1 ) (vgl. oben Faune 13, 80. 117 ) op. cit. 13, 82. 118 ) G a r das über couturière Gesagte), S c h u h b i n i op. cit. 59. 119 ) R o l l a n d op. cit. 13, flicker 1 ® 2 ), ostfries. Schomaker, Schom 79. H e i n z e r l i n g op. cit. 15. ) Zfdlapper183), ital. ciavatin (Cuneo), veron. m Myth. 3, 243. ) W o s s i d l o (brieflich). l s s ) G a r b i n i op. cit 57. scarpar, id.154). Wenn die L. mit auspeerd, koetse-peerd „Kutschenpferd" 105 ), pomm. H a t z p f e r d 1 0 S ) . Als Objekt erscheint „Pferd" in fläm. peerdenwachterim), ital. scanna-cavaddi „Pferdewürger" 108), triest. sgorbacavai109), nordböhm. P f e r d s t e c h e r 1 1 0 ) (vgl. engl. dial. horsestinger (horse-stang)1U).

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gebreiteten Flügeln und stark hervortretendem Rücken auf einer Zweigspitze sitzt, ähnelt sie einem Pechdraht ziehenden Schuster186). Lübeckisch farwer (= Färber) 156 ) mit Bezug auf die bunte Färbung (blau, gelb). — Nach der Ernte sieht man die L. auf den höchsten Stoppeln sitzen, daher heißt sie in Caserta mietitore „Schnitter" 157 ). — Dän. guldsmed158), in Dithmarschen Goldsmäd158), wegen der glänzenden Flügel. m ) R o l l a n d op. cit. 3, 283. l i 5 ) G a r b i n i op. cit. 394. 1 M ) R o l l a n d a. a. O. m ) W o s s i d l o (brieflich). «») R o l l a n d a. a. O. 1 M ) R o l l a n d op. cit. 13, 79. 1 3 0 ) G a r b i n i op. cit. 1241. 131) H e i n z e r l i n g op. cit. 15. m ) R o l l a n d 13') a.a.O. G a r b i n i op. cit. 58; R o h l f s Sprache 24. 1 3 4 ) G a r b i n i a. a. O. l 3 5 ) H i e c k e Rumän. Tiernamen 122. 1 3 *) R o l l a n d a. a. O. 137) 188) Wossidlo (brieflich). Rolland a. a. O. 13 ») E b d . 1 4 0 ) G a r b i n i op. cit. 394. 1 4 1 ) op. cit. 157 f. m ) R o l l a n d op. cit. 13, 83. 1 4 3 ) R o l l a n d op. c i t . 3, 284. 1 4 4 ) op. cit. 13» 79- 1 4 6 ) E b d . l 4 «) op. cit. 3, 283. 1 4 7 ) G a r b i n i op. cit. 58. 1 4 8 ) R o l l a n d op. cit. 13, 79. 1 5 °) H e i n z e r l i n g "•) G a r b i n i a . a . O . op. cit. 15; W o s s i d l o Mecklenburg 2,423. 1 6 1 ) W o s s i d l o (brieflich). l 5 2 ) R o l l a n d op. cit. 3, 284. 153) W o s s i d l o (brieflich). 1 M ) G a r b i n i op. cit. 54. 1 S 5 ) E b d . " 6 ) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 423. l 6 7 ) G a r b i n i op. cit. 58. l 5 8 ) H e i n z e r l i n g op. cit. 15. 1 M ) ZfVk. 20, 383.

8. Animismus. Während es sich bei den oben angeführten Namen lediglich um Personifikationen auf rationeller Basis handelt, liegen den folgenden Vermenschlichungen alte mythische Vorstellungen zugrunde. Daß die L.nnamen S e e j u n g f e r , W a s s e r j u n g f e r schwed. vattenjungfer160), holl. waterjuffertje1S1), schwed. sjö-rd „Nix" 162) mythisch-animistisch zu werten sind, bezeugt das Synonym v e r w ü n s c h t e Jungfer 1 6 3 ). K o r n j u n g f e r , Roggenmoder 1 ® 4 ) erinnern an die Roggenmuhme der Altmark, die mit ihren langen Zitzen ein kinderschreckendes Gespenst ist 18S ). Daneben finden sich: jumfer Sibold, jumfer Lischen, fru medder „Frau Mutter" 16S), obsz. Wasserhure (auch einfach Hure), dem gleichwertig zur Seite stehen Grasmetze, Pfaffenköchin 1 4 7 ), mhd. •pfaffen wfp 168). Letztere Namen sind Beispiele einer Trivialisierung ursprünglich mythischer Bezeichnungen. — Eine größere, wildere Art von L. heißt sieger-

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länd. Wassermann (— Flußgeist) 169 ). Nymphe 1 ™) ist gelehrt. Bei den Inselschweden auf Runoe heißt die L. horsho' mdra171) „Pferdemär", d. i. ein elbisches Wesen, das die Pferde im Schlafe drückt (vgl. oben engl, horse-stinger und ital. scanna-cavaddi). Nach Jahn 1 7 2 ) war die L. eine hartherzige Prinzessin. u o ) E d l i n g e r Tiernamen 110. l w ) H e i n z e r l i n g op. cit. 15. 1 M ) E b d . m ) ZfdMyth. 3, 275. 1 6 4 ) M a n n h a r d t Forschungen 315. l e s ) Ders. Germ. Mythen 80. •*) W o s s i d l o Mecklenburg 2, 423. 1 6 7 ) R o l l a n d Faune 3, 284. 1 , B ) G r i m m Mythol. 3, 303. l w ) H e i n z e r l i n g op. cit. 15 f . ; vgl. apul. anima (Rohlfs Sprache 25). 1 7 °) R o l l a n d op. cit. 3, 284. 1 7 1 ) M a n n h a r d t Germ, Mythen 367. 171 ) Pommern 488 (mitget. von W o s s i d l o ) .

9. Hexenepiphanie. Schwed. horsho„Pferdemär" führt uns zur Hexe: eis. Wasserhex' 1 7 *) oder Hexenvogel 1 7 4 ). Hierzu wall. macrelis) und istr. strigo17S), beides: Hexenmeister. „Hexenpferd" heißt die L. in Teramo: cavalle de Ii strajc177) und in Apulien: cavaddu di strea178). Auch beim Indianerstamm der Dakotas gilt die L. als Hexentier. Sie hat die Kraft, einen Schlag abzuwehren, und weder Mensch noch Tier noch der Blitz können ihr schaden179).

mdra

1 7 a ) W o s s i d l o op. cit. 2, 423. Vgl. basil. ma'syare „ H e x e " , R o h l f s Sprache 24. 1 7 4 ) E b d . 175) R o l l a n d op. cit. 13, 80. " • ) G a r b i n i op.cit.57. 1 7 7 ) op. cit. 385. l » ) E b d . « * ) K n o r t z Insekten 134.

10. Teufelsepiphanie. Die Hexe steht in engster Beziehung zum Teufel. Ist die L. ein Hexentier, ist sie auch ein Teufelstier. Daher ihre Namen diable (Morbihan) 18°), dragon (Möns)181) „Drache" (angloamerik. dragon fly „Drachenfliege") 1M ) als Vertreter des Teufels. Umschreibungen für „Hexe" sind T e u f e l s Großmutter 1 8 3 ), Teufelsbraut1M), Teufelsmagd (finn.)18S), Teufelsbuhle 18 «), Drachenhure 1 8 7 ). In NaintrS (Vienne) gilt die L. als die lesbische Geliebte von Satans Frau 188 ). Für sich steht kat. espia-dintonis „Teufelsspion" 189). Ist die L. ausgeschlüpft, so trägt sie einige Zeit die abgestreifte Haut ihrer Puppe auf dem Rücken, die schwarz und seltsam geformt ist 190 ). Daher offenbar

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Liborius, hl.—Licht

die Bilder: Teufelspferd 1 9 1 ) (vgl. oben Hexenpferd), T e u f e l s Reitpferd 1 » 2 ), dän. fandens ridehest19S), ebenso finn.194), franz. chevau du diable (Allier)19S), port, cavallo d' 0 démo196), rum. calul dracului191), engl, dragon-fly „Drachenfliege" 198). Hierher gehört auch nach Garbini 1 9 9 ) nofdböhm.Totengräber 200 ), wobei die L. selbst mit diesem Handwerker, die abgestreifte Haut mit einer Leiche verglichen wird. Nach wallonischem Volksglauben stirbt der binnen Jahresfrist, dem eine L. an die Stirne fliegt, daher der Name wall. mârté de diâl „Teufelshammer" M1 ) (Hammer des Thor?). Vgl. hiermit T e u f e l s bolz 202 ). Vom Vergleich der L. mit einer Nadel war schon oben die Rede. Spezialisiert findet sich als Name der großen L. in Aargau Tüfelsnodle, die schreienden Kindern das Maul zunäht 203). Ebenso engl. devil's needle 204), franz. aiguille du diable (Côtes du Nord) 205). 18 °)

lsl) R o l l a n d Faune 13, 80. Ebd. 18a ) K n o r t z Insekten 133. Laistner Nebelsagen 226; L ü t o l f Sagen 359; G ü n t e r t Kalypso 235. 1 M ) G r i m m Mythologie 2, 860. 18S ) op. cit. 3, 303. 18») ZfdMyth. 3, 275; G ü n 187 ) R o l l a n d t e r t a. a. O. op. cit. 3, 284. 188 ) R o l l a n d op. cit. 13, 83. 188 ) op. cit. 13, 81. 190 ) op. cit. 13, 82; G a r b i n i Antroponimie 57. ul) G r i m m Mythologie 2, 860. l w ) P a n z e r Beiträge 2, 438. 183) G r i m m a. a. O. 1 M ) op. cit. 3.303- 19S ) R o l l a n d op. cit. 13, 80. "») Ebd. Ebd. 198) H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiere 15. m ) Briefl. 2®°) W o s s i d l o (briefl.). 201) R o l l a n d op. cit. 13, 80. 202) R o l l a n d op. cit. 3, 284. aos ) R o c h h o l z Sagen 1, 347; L ü t o l f Sagen 359. 204) R o l l a n d op. cit. 13, 82. 20S) op. cit. 13, 80. 182 )

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besonders viele L.n, so deutet dies auf Krieg 211 ). In Marlow (Mecklenburg) schlössen in den Franzosenkriegen die Bauern aus der Farbe der L.nflügel auf die Art der bevorstehenden Einquartierung212). Flügel einer blauen L., in ein Meßbuch gelegt, bringen Glück (Nièvre)213). 207) "*) F i s c h e r Oststeiermark 115. Garb i n i op. cit. 55. 20s) op. cit. 385. 209) op. cit. 54 f. 21°) R o l l a n d op. cit. 13, 82. 2 U ) Z f V k . 20, 383; W o s s i d l o (brieflich): in der Gegend 212 ) von Marlow (Mecklenb.). Wossidlo (brieflich). 213 ) R o l l a n d a. a. O.

12. Volksmedizin. Die L. ist in der Volksmedizin kaum erwähnt. Schneiderschmalz (Schneider = L., s. oben) auf den Nabel geschmiert, hilft gegen Bauchgrimmen 214). 2l4 )

J ü h l i n g Tiere 98.

Riegler.

Liborius, hl., Bischof von Le Mans, Freund des h. Martinus von Tours, gest. 397. Im 9. Jh. wurde sein Leib nach Paderborn übertragen. Das Andenken daran wird dort am 23. Juli gefeiert. Bei der Übertragung der Reliquien flog ein Pfau voraus und zeigte den Weg. Darum wird am L.tage bei der Prozession im Dome zu Paderborn ein Pfauenschweif vorangetragen. L. wird namentlich gegen Steinkrankheit angerufen. Man hat daher die Pfarrkirche in Bad Wildungen ihm geweiht. Seine Attribute sind ein Buch, auf dem kleine Steine liegen, und ein Pfau 1 ). Am L.tage (8. April) soll man versuchen Schätze zu graben 2). i) S a m s o n Die Heiligen als Kirchenpatrone 269 fi.; M e n z e l Symbolik 2, 410; S c h m i d t Kultübertr. 114; Z a u n e r t Westfäl. Sagen 114 f. Ein Gebet zu ihm: S A V k . 11, 237. a ) W l i s l o c k i Magyaren 98. Sartori.

I i . Vorzeichen. Wir sahen schon oben, daß bei den Wallonen die L. als Todesomen gilt. In der Oststeiermark Licht i). stirbt, wer von einer L. angeblasen wird206). 1. L . als Lustrationsmittel. — 2. L. als E r In Süditalien finden sich für die L.: scheinungsform der Seele und Sinnbild von morte, morticeUe „kleiner Tod" cap e mortaLebensdauer und Zeitabschnitt. — 3. L . als „Totenkopf", alle bei Garbini 207 ), cxoallo Spuk. de morte „Todespferd" (Potenza) m ). i . Im L. verkörpert sich eine der Nach G a r b i n i 209) erinnert die L. an beiden Haupteigenschaften des Feuers, das Bild der zwei gekreuzten Schenkel- die Leuchtkraft (s. Feuer § 7, oben 2, knochen mit einem Totenkopf darüber. 1400), die das Dunkel hellt und dadurch Der Anblick vieler L.n gilt nach franz. alle l.scheuen Dämonen, bösen Geister, Aberglauben als schlechtes Vorzeichen Hexen und Spukgestalten, deren Be(Brûlon) 210). Gibt es nach deutschem tätigungszeit vorwiegend oder ausschließGlauben (Dithmarschen) in einem Jahre lich die Nacht und die Finsternis ist,

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vertreibt und fernhält. In diesem Sinne schätzt der Volksglaube schon die n a t ü r liche L.quelle, die Sonne (s.d.); mit Sonnenaufgang schwindet Spuk und Zauber. Eine ungleich größere Bedeutung aber haben die k ü n s t l i c h e n L.träger in der Vollmacht des Menschen. Wie die Fackel (s. d.) im alten Orient und in der Antike ein Hauptmittel der öffentlichen und privaten Lustration war, wie sie noch heute in der Hand des Fackelläufers den L.schein der Jahresfeuer (s. d.) weithin über die Fluren trägt, um die Saat vor schädigenden Einflüssen zu bewahren, so hat der Volksbrauch des Mittelalters und der Neuzeit diese Fähigkeit im übrigen, der technischen Entwicklung der Beleuchtungsmittel entsprechend, auf Lampe (s. d.), Laterne (s. d.) und Kerze (s. d.) übertragen2). Es ist schwer zu entscheiden, wieweit sich in germanischer Zeit die Vorstellung von der Bannkraft der L.flamme in bestimmten Einzelbräuchen offenbarte; die Bußbücher verbieten mehrfach das Anzünden von L.ern an Gewässern und Bäumen sowie die Illumination der Häuser®). Doch brachte gerade das Christentum technisch und kultisch in der reichen Verwendung der Kerzen bei allen gottesdienstlichen Handlungen in und außerhalb der Kirche die besten Vorbedingungen mit für die Erhaltung und Ausgestaltung der L.bräuche. Sie schuf in der Kerzenweihe an L.meß (s. d.) eine neue deutungsfähige Zeremonie, und wenn sie auch die symbolische Beziehimg zum Heiland als dem L. der Welt (s. auch Osterkerze) durchaus in den Vordergrund stellte, so war für das Volk doch die Segnung das Entscheidende; sie verstärkte die Lustrationskraft der leuchtenden Flamme schlechthin ganz wesentlich durch die Abwehrkraft des geweihten Brennmaterials. Bis zu welchem Grade dabei der christliche Brauch die heidnische Überlieferung aufgesogen hat, wird sich kaum feststellen lassen. Wahrscheinlich aber hat sich die Benutzung ungeweihter Kerzen und anderer profaner L.träger zu Lustrationszwecken neben der Ver-

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wendung der L.meßkerzen behauptet, bis dann die Reformation die Scheidung wieder augenfällig machte und durch Abschaffung der Kerzenweihe den in den protestantischen Ländern trotzdem weitergepflegten Brauch der Kerzenlustration gewissermaßen zu seiner ursprünglichen, von christlich-symbolischen Vorstellungen unbeeinflußten Bedeutimg zurückbildete. So besitzt denn die Kraft, die der leuchtenden L.meßkerze im besonderen zugeschrieben wurde und wird *), neben dem Metten-, Christbaum-, Altar-, Abendmahls-, Geburtstags-, Tauf- und Sterbekerzenschein 8) das künstliche L. überhaupt. Brennende L.er und L a m p e n schützen Sft) ganz allgemein gegen den T e u f e l — dem „grelles L. zuwider" ist — 6) und gegen H e x e n 7), besonders in der Dreizahl; wo drei L.er flammen, kann keine Hexe ankommen8). Verbreiteter ist allerdings die Deutung, daß drei zufällig beieinander stehende L.er oder Lampen eine heimliche Braut*) verkünden — oder aber den Tod ansagen10). In diesen Fällen werden die Kerzen wohl als vorbedeutend für die Kopulations- und Sterbekerzen angesehen (vgl. unten Text zu Anm. 123 u. 124), zumal sie auch in der Zwei- oder Siebenzahl11) vorkommen und beide Deutungen bisweilen miteinander verkoppelt sind, so in dem niederdeutschen Spruch: Drei L.er buten de Tid (oder: tegliek) gif en Brud of en L i k " ) .

Vielleicht gehören in diesen Zusammenhang auch die folgenden Einzelüberlieferungen: Steht ein L. auf der Erde, so gibt es einen Trauerfall12*). Man soll nicht unter den Tisch leuchten; sonst entsteht Zank, oder der Blitz schlägt ein 12b ). Ausgeprägter ist die Verwendung von Beleuchtungsmitteln zu Lustrationszwecken an b e s t i m m t e n Z e i t p u n k t e n des festlichen Jahres. Die brennenden L.er zur Advents- 1 3 ) und W e i h n a c h t s zeit 14) (s. auch Weihnachtsbaum), zu Silvester 1 8 ), Ostern 1 6 ) und Johannis 1 7 ), das L.erschwemmen (s. d.) um F a s t n a c h t , die Latemenumzüge zu den

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verschiedenen Jahreszeiten, besonders im Spätsommer und zu Martini bewahren sicher noch ein Erbe dieser Vorstellungen, wenn auch christliche Symbolik und Prozessionsbräuche damit verschmolzen sind und die bloße Freude an der schon früh zu belegenden18) festlichen Illumination ohne kultische oder zauberische Grundzwecke in den Vordergrund getreten ist. Liegt hier eine Lustration im vorbeugenden Sinne vor, so wirkt das L. in anderen Fällen unmittelbar abwehrend. Zauberische Handlungen der verschiedensten Art gehen häufig nur unter dem Schein von Beleuchtungskörpern vor sich, mit denen es dann allerdings meistens eine besondere Bewandtnis hat (vgl. auch Kerze, oben 4, 1244!, u. Wachs). Zur G e i s t e r b e s c h w ö r u n g empfiehlt der „Höllenzwang" 18a ) L.er, die nach eigenem Verfahren bereitet und verwendet werden sollen; das „Fürli heiß" hindert eine alte Hexe daran, einem Burschen, der sich mit brennender Laterne in ihr Haus gewagt hat, tüchtig mitzuspielen181"), wie denn anderseits die Hexen selbst ihr Wesen bei Kerzenschein treiben 18c ). Zuweilen ist die volkstümliche Begründung für dies Verhalten im Verkehr mit Geistern auch positiv gewandt: Nicht zur Abwehr, sondern zur Ehrung soll man dem Teufel ein L. anstecken 181 ); doch ist das wohl ebenso eine spätere Deutung wie die Auffassung der Frauen von Gams, die, um die Geister wohlwollend zu stimmen, bei der Abreise des Gatten ein L. anzündeten, das bis zu seiner Rückkehr brannte 18e ). Im besonderen versieht sich der S c h a t z g r ä b e r mit einer gewöhnlichen, geweihten oder nach besonderer Vorschrift hergestellten Kerze, deren L. ihn vor den Schrecken der dämonischen Schatzhüter bewahrt 19 ). Ebenso bedient man sich beim Besprechen von K r a n k h e i t e n gelegentlich einer oder mehrerer Kerzen. Ein Brauch im Böhmerwald, bei herannahendem Gewitter eine brennende Kerze zum Fenster hinauszuhalten21), zeigt deutlich die dem häufig bezeugten22) Anzünden von L.ern oder Lampen bei

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Gewitter zugrundeliegende Vorstellung. Es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Abwehrhandlung, die sich unter Einbeziehung des Hagels zu prozessionsartigen Umzügen mit besonderen L.trägern (vgl. z. B. oben 3, 1314 f. und Wetterkerze) entwickelt, dieselbe Bedeutung hat wie das Anzünden des Herdfeuers bei der gleichen Gelegenheit (s. Blitz, oben 1, 1414; Feuer 2, 1400 t.; Gewitter 3, 828; Herd 3, 1762). Ebenso wird die Benutzung des reinigenden Feuerbrandes bei den v o l k s tümlichen Merkpunkten des Menschenlebens gleichzusetzen sein der zu diesen Zeiten besonders reichen und sorglichen Verwendung von Leuchtflammen. Der über die ganze Erde verbreitete a ) Brauch, bei der Geburt (s. d., oben 3, 415) eines Kindes Feuer oder L. anzustecken, ist auch in Deutschland allgemein bekannt. Während die älteren Belege noch „ignes aut candelas"24) nebeneinanderordnen, kennt die Neuzeit nur die L.lustration 25 ). Schon die Hebamme soll sich unterwegs durch das L. einer Laterne schützen 26). Doch richtet sich diese Maßnahme offenbar schon auf das Objekt ihrer Geburtshilfe, weist jedenfalls hin auf die Bedeutung der L.lustration, wie sie Lorichius27) in den Worten zusammengefaßt hat: „Das man einer Kindbetterin schlaffbeth, die gantze zeyt ihrer Kindbeth soll mit geweychten Liechtern bezünden, . . . als ob der böß Feind mehr gewalt ober sie hett dann ober andere Menschen". So gilt diese Vorsorge einmal der Wöchnerin (s. d.) 28 ), zum andern und in erster Linie aber dem Neugeborenen. Es soll bewahrt werden vor dem Zugriff böser Geister und Hexen, die ihm Siechtum und Tod bringen, es vor allem aber gegen einen Wechselbalg (s. d. u. Kind, oben 4, 1328f.) vertauschen können29). — Ebenso findet die Verwendung der Fackel im antiken Hochzeitszuge 3 0 ) in der prozessionsweisen Verwendung der Brautkerze auch im deutschen Volksbrauch eine gelegentliche Entsprechung31). — Wesentlich reichhaltiger und mannigfaltiger aber sind die lustrativen L.-

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Veranstaltungen im T o t e n k u l t , und Mächte fernzuhalten, nur daß die Sorge zwar haben wir es wiederum mit Maß- um den Sterbenden im Augenblick seines nahmen zu tun, die sich sowohl ethno- Todes verdrängt wird von der Sorge graphisch als historisch fast überall tun die Lebenden, denen er nunmehr und jederzeit nachweisen lassen 32 ); be- selbst schaden kann. So durchleuchtet sonders vielgestaltig in den Formen wie man wohl nach der Beerdigung noch in den Ausdeutungen aber scheinen sie einmal alle Winkel des Hauses, „damit auf deutschem Boden zu sein. In katholi- die Furcht vor dem Verstorbenen verschen Gegenden beginnt die Fürsorge trieben wird" M ). Die christliche Symschon beim Todkranken. Ihm wird bolik setzt neben diese primitive Auf„das L. gehalten", „eingehalten"; er fassung die Deutung, daß in der brennenwird „ w e g g e l e u c h t e t " d a d u r c h , daß den Kerze das ewige L. versinnbildet man ihm eine brennende Kerze — ge- werde 87 ), und in der volkstümlichen wöhnlich die geweihte „Sterb-" oder Anschauung durchkreuzen sich nun beide „Römerkerze" M ), eine rote oder eine Begründungen und verschmelzen zu verschwarze „Lorettokerze" 35) — ans Bett schiedenen Abstufungen: Das angezündete stellt, in die Hand gibt oder tun sein L. soll den Teufel 88 ), die bösen Geister Lager herumführt 39 ). Ist dieser Brauch und den Zauber 89 ), die überall lauernden im protestantischen Norden nicht be- Mächte M ) verscheuchen und eine Rücklegt, so kennt man doch in ganz Deutsch- kehr des Toten unterbinden M ); es soll land die Sitte, bei der Leiche ein L. 37 ) ihm seine Grabesruhe bewahren 62 ), die anzuzünden in Gestalt einer oder mehrerer Finsternis erhellen, den Weg ins Jenseits Kerzen 38 ) oder einer kleinen Lampe 39 ). weisen M ) und damit zum ewigen L. Dieses „Totenl." (s. d.) oder „ewige und zur Seligkeit verhelfen 64 ); es soll L." 41 ) soll entweder beständig 42) oder ihn bei seiner periodischen Wiederkehr nur des N a c h t s b r e n n e n , und zwar wärmen 85 ), mit Lampenöl und L.talg matt und abgeblendet, damit kein Leben- seine Fegfeuerwunden kühlen 68 ) und der den Schein davon habe **). Auch ihm schließlich eine Leuchte sein am nach der Aufbahrung stellt man Kerzen Auferstehungstage zum Aufsuchen seiner um den Sarg oder auf den Sargdeckel 45 ); Freunde und Anverwandten 67 ). Desam Trauerhause werden Leuchter heraus- halb verlangen die Toten ihr L., und gehängt 45a), im leeren Sterbezimmer Ker- wenn man's ihnen nimmt, dann poltern zen vors Fenster gestellt 4Sb ), im Leichen- sie 48). zuge Laternen und L.er mitgeführt 48 ), *) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 127 ff. *) Zur und bei besonders feierlichen Bestat- Geschichte der Beleuchtungsmittel vgl. S c h r ä tungen pflegte man in den Städten der Reattex. 2, 6 f. u. d. dort verzeichnete Lit. gelegentlich die Straßenlaternen anzu- 3) G r i m m Myth, i, 484; 2, 540 f.; 3, 165. 404; 4 die Belege bei zünden 47), auf dem Lande die straßen- W a s s e r s c h i e b e n 482. ) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 133 f. s ) Vgl. z. B. die seitigen Fenster zu erleuchten 48). Bei Aufzählung bei John Erzgebirge 26. ®») Es dem letzten Gottesdienst in der Kirche wird häufig von bekannten Persönlichkeiten zündet man dem Verschiedenen erneut berichtet, daß sie gewohnheitsmäßig oder bei Kerzen an 4 9 ); ein Wachsstock wird besonderem Anlaß aus Furchtsamkeit sämtliche Wohnräume Tag und Nacht erleuchten, so z. B. ihm mitunter noch mit ins Grab ge- Kapoleon ( W u t t k e 488) und — der ZündholzM geben ), und bei den häuslichen Ge- magnat Ivar Kreuger (Kieler Neueste Nachdächtnisfeiern 51 ) innerhalb der volks- richten 16. 3. 1932). •) Ebd. 197. ') D r e c h s tümlichen Trauerzeit 82 ), bei den Toten- ler 2, 204: W u t t k e 94; H e y l Tirol 800; vgl. ZfVk. 3, 389 (Feuer). •) P a n z e r Beimessen83), wie zu den Schwarmzeiten trag 1, 262 = Bavaria 3 (2), 935 = Wolf Beider Verstorbenen, so vor allem an Neu- träge 2, 376; S t r a c k e r j a n i , 36; B i r l i n g e r jahr M ) und an Allerseelen 8S ), steckt man Aus Schwaben 1, 409; V e r n a l e k e n Alpensagen den Toten zu Ehren Kerzen an. In allen 343; G r o h m a n n 226; W u t t k e 282. 285 (gegen Alpdrücken); ZfdMyth. 2, 100; ZfVk. 5, diesen Einzelformen ist das gleiche Be- 410; 7, 252; ZföVk. 3, 51. Dagegen: G r i m m streben brauchbildend, durch L.er dunkle Myth. 2, 899; Z i n g e r l e Tirol 19. •) John West-

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böhmen 123. 255; D r e c h s l e r 1, 226; P e u c k e r t Schles. Volksk. 126; G r o h m a n n 2 2 6 ; John Erzgebirge 75 (am hl. Abend); T e t t a u u. T e m m e 282; Man2 Sargans 126; K ö h l e r Voigtland 362; D ä h n h a r d t Volkst. 1,97; C u r t z e Waldeck 375; K e h r e i n Nassau 2, 263; S c h l e i c h e r Sonneberg 142; H e s e m a n n Ravensberg 76; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 38; A n d r e e Braunschweig 296; S t r a c k e r j a n 1, 36; W o l f Beiträge 1, 211 (Wetterau); B a r t s c h Mecklenburg 2, 56; F i n d e r Vierlande 2, 54; W u t t k e 212; Veckenstedts Zs. 4, 326; ZfVk. 4, 85; Urquell 3, 40. 247; SAVk. 7, 135; ZfrwVk. 3, 82; 4, 172.296; 5,119; BlpommVk.6, 14. 16; Unoth 179; Monatsbl. d. Touristenkl. f. d. Mark Brandenb. 24 (1917), 61; Jahrb. f. d. Landesk. d. Herzogth. Schlesw., Holst, u. Lauenb. 8 (1866), 96; Jahrb. d. Ver. f. niederd. Sprachforsch. 3 (1877), 129. 10) S t r a c k e r j a n 1, 36; W o l f Beiträge 1, 214; P e u c k e r t Schles. Volksk. 126; J o h n Erzgebirge 114; M ü l l e r Isergebirge 25; W u t t k e 212; Unoth 183; u) ZföVk. 3, 118 (Rumänen). Peuckert Schles. Volksk. 126; P h i l i p p Ermland 99; ZfrwVk. 3, 65; BlhessVk. 2, 8. 12) ZfVk. 4, 326; ZfrwVk. 15, 1x2; RheinGeschbl. 1, 365 (Dirksen Meiderich)-, vgl. ZfrwVk. 4, 296; 12, 56. 12tt) Lüneburger Heimatbuch, Bremen 1914, x, 511. 12b ) Rockenphilosophie 1, 85; (Fischer) Aberglaube 1, 202; J o h n Erzgebirge 27; Baltische Studien 33 (1883), 143. 13 ) J o h n Erzgebirge 139. 14) Z. B. A n d r i a n Altaussee 128; Pf i s t e r Schwaben 165; K ü c k u. S o h n r e y 32 f. 16) Z. B. B a r t s c h Mecklenburg 2, 231; W i t t s t o c k Siebenbürgen 55; Nds. 15, 121. 16 ) J o h n Westböhmen 64; ZfrwVk. 4, 23. 17 ) S. die Belege bei S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 42. 67. 69. 153. 228. 18) Vgl. G r i m m Myth. 1, 524; S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 42. 18a ) K i e s e w e t t e r Faust 397f.; vgl. 452t. 466f. 18b) J e c k l i n Volkstuml. 236. " c j z. B. A n d r i a n Altaussee 155. M d ) D r e c h s l e r 2, 214. 18e) SchwVk. 12, 38. ») L ü t o l f Sagen 69; J o h n Karl Huß 12; L o h m e y e r Saarbrücken 81; R e i s e r Allgäu 1, 421; B i r l i n g e r Aus Schwaben x, 261; S c h e l l Bergische Sagen 357; R e i t e r e r Ennstalerisch 21; K u o n i St. Galler Sagen 195; K ü h n a u Sagen 2, 316; 3, 607. 763. 769. 772 f.; vgl. 1, 136 ff.; 3, 192; BlBayrVk. 2, 22; Egerland 4, 48. Vgl. noch SAVk. 27, 79. 84. 20) P o l l i n g e r Landshut 288; ZfrwVk. 23, 110; ZföVk. 9, 240. S1 ) S c h r a m e k Böhmerwald 237. 22) Z.B. J o h n Erzgebirge 26f.; BlpommVk. 10, 86; Drechsler 2, 204. — Mit der L.meßkerze allgemein gebräuchlich: Vgl.oben Anm. 4. n ) O l d e n b e r g Die Religion des Veda. Berlin 1894, 337 f.; M) S a m t e r Geburt 67 ff. Nikolaus von D i n k e l s b ü h l Tractatus (1506) 286; vgl. MschlesVk. 21, 95. Dazu L i e b r e c h t Zur Volksk. 31 (12. Jh.). 26) Es wird schwer zu entscheiden sein, ob die Verwendung der Taufkerze im christlichen Ritus in Beziehung zu setzen ist zur heidnischen L.lustration: Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 145 f. 2") J o h n Westböhmen 110. 27) Nach B i r l i n g e r Aus Schwaben

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2, 240. 28) Vgl. B e c k e r Pfalz 142; W r e d e Rhein. Volksk. 146; ZfrwVk. 10, 164. 169. — Hinsichtlich der Schwangeren vgl. oben 3, 313. m ) Meier Schwaben 474; M e y e r Baden 43; K u h n Westfalen 2, 34; K u h n Mark 383; K u h n u. S c h w a r t z 105; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 92; M e n s i n g Schlesw. Wb. 4,318; W i t z s c h e l Thüringen 2, 246; B a r t s c h Mecklenburg 2, 43; K n o o p Hinterpommern 155; K e h r e i n Nassau 2, 262; C u r t z e Waldeck 370; B e c k e r Pfalz 208; B i r l i n g e r Volksth. 1, 322; E n g e l i e n u. L a h n 248; J e n s e n Nordfries. Inseln 307; H e s e m a n n Ravensberg 59; P h i l i p p Ermland 91; K o l b e Hessen 164; D i e n e r Hunsrück 146; J o h n Erzgebirge 52; D r e c h s l e r 1, 188; B r u n ner Ostdeutsche Volksk. 145; G a ß n e r Mettersdorf 18; H i l l n e r Siebenbürgen 25; M ü l l e r Siebenbürgen 148; W u t t k e 383; Veckenstedts Zs. 2, 33; ZfVk. 18, 449; 21, 251; N. F. 1, 197; Urquell 5, 278; Alemannia 27, 228; MwürttVk. 1909, 262; ZfrwVk. 2,178; 3, 82.209; 4, i n . 293; Nds. 6,357 ; BlpommVk. 9,72 ; DG. 14,29 ; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachforsch. 3 (1877), 146. M) S a m t e r Geburt 72 fi. Ethnographische Parallelen: Ebd. 75; S e l i g m a n n Blick 2, 239f.; ZfVk. 17, 370. 31 ) S c h m i t z Eifel 1, 54; P r a e t o r i u s Deliciae pruss. 81; Globus 82, 271. — L.er auf der Hochzeitstafel: V o l g e r Urkundenbuch der Stadt Lüneburg 3 (1877), 422. 427. Vgl. unten Anm. 91. Feuer statt L. : P r a e t o r i u s Deliciae pruss. 84; K u h n u. S c h w a r t z 434; vgl. R e i n s b e r g - D ü r i n g s f e l d Hochzeitsbuch, Leipzig 1871, 217; B r u n ner Ostdeutsche Volksk. 172. 3a) Vgl. S a m t e r Geburt 76 fi. u. vor allem S a r t o r i Feuer u. L. im Totenbrauche ZfVk. 17, 361 ff. M ) J o h n Westböhmen 166; P o l l i n g e r Landshut 297; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3,120. M ) R o c h h o l z Glaube 1, 167. 35) S c h r a m e k Böhmerwald 223; S c h ö n w e r t h Oberpfalz x, 241; Urquell 2, 90. 36) Außer den obigen Belegen: H ö r m a n n Volksleben 423; L a u b e Teplitz 32; F r a n c i s c i Kärnten 80; D r e c h s l e r 1, 290; B e c k e r Pfalz 142; W r e d e Eifeler Volksk. 171; L e h m a n n Sudetendeutsche 181; M e y e r Baden 580; W u t t k e 457; F o x Saarland 371; ZföVk. 4, 37) 268; MwürttVk. 1913, 2, 317. Außer den späteren Belegen: M e y e r Baden 583; K e h r e i n Nassau 2, 271; F l ü g e l Volksmedizin 78; D i e n e r Hunsrück 182; J e n s e n Nordfries. Inseln 422; L e m k e Ostpreußen 2, 279; S c h u l e n b u r g 234; ZfrwVk. 4, 296; BlpommVk. 6, 140; NdZfVk. 8, 56. Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 147 ff. w ) J o h n Erzgebirge 123; R e i s e r Allgäu 2, 292; F r a n c i s c i Kärnten 80; R o s e g g e r Sittenbilder 41; F o s s e l Volksmedizin 170; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 92; J e n s e n Nordfries. Inseln 424; Urdhs-Brunnen 7, 121; Urquell 2, 91. 281; Nds. 12, 342; ZfrwVk. 4» 296; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachforsch. 3 (1877), 150; SAVk. 8, 37 f. »») R e i s e r Allgäu 2,292; H o f f m a , n n - K r a y e r 43; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 246 = Bavaria 2 (1), 322; H ö r m a i n Volksleben 4 2 4 ; B a r t s c h Mecklenburg 2 , 9 5 , " H e s e m a n n Ravensberg 90; BlpommVk.

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6, 140; vgl. Bavaria 4 (2), 407. — „Liegt das Kind in Zügen, brennt eine geweihte Kerze, doch im Augenblick des Todes löscht man dieselbe aus und zündet eine gewöhnliche ölampel a n " : L e o p r e c h t i n g Leckrain (Neudr. 1924) 2, 82. " ) Z. B . MwürttVk. 1913, 2, 331; SAVk. 26, 104; F o g e l Pennsylvania 136. 4 1 ) M e y e r B a den 583. 588; Reiser Allgäu 2, 292. 4 2 ) D r e c h s l e r 1, 293; H o f f m a n n - K r a y e r 43; P o l l i n g e r Landshut 297; Bavaria4 (2), 407; W r e d eEifeler Volksk. 172; S a r t o r i Westfalen 192; H e s e m a n n Ravensberg 90; K r a u s e Westpreußen 33; J e n s e n Nordfries. Inseln 338; W u t t k e 461; Urdhs-Brunnen 7, 120; ZfVk. 21, 253; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachiorsch. 3 (1877), 150. ö ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 95; K u h n Westfalen 2, 48 f.; J e n s e n Nordfries. Inseln 422; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 403; K ö h l e r Voigtland 422; P e u c k e r t Schles. Volksk. 231; W i t t s t o c k Siebenbürgen 10; Nds. 12, 342; 13. 256; ZfrwVk. 4, 274. 296; SAVk. 24, 104; Alemannia 24, 149; Arch. f. d. Landesk. i. d. Großherzogth. Mecklenburg 14 (1864), 544; Z.d.V.f.hess.Gesch. NF. 1 (1866),332; Monatsbl.d. Touristenkl.f.d.MarkBrandenb.24 (1917), 29; vgl. MwürttVk. 1913, 2, 331. * 4 ) S c h ö n w e r t h 06erpfalz 1, 246; MwürttVk. 1913, 2, 331; ZföVk. 4, 2 93- 4 t ) ( F i s c h e r ) Aberglaube Anh. 256; M e y e r Baden 591; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 113; A n d r e e Braunschweig 315; S t r a c k e r j a n 2, 131; S a r t o r i Westfalen 105; Knoop Hinterpommern 164; J e n s e n Nordfries. Inseln 422 ff.; B a r t s c h Mecklenburg 2, 94; H e c k s c h e r Hannov. Volksh. 9 2 t . ; F o x Saarland 371; ZfVk. 6, 409; ZfrwVk. 4, 277. 282; Nds. 13, 256; vgl. HmtK. 37, 284. «») W r e d e Rhein. Volksk. 186. 327. "•>) H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 64. **) R e i s e r Allgäu 2, 299; R o s e g g e r Sittenbilder 42; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 117; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 316; ZfVk. 8, 447f.; SAVk. 17, 237f.; ZfrwVk. 4, 296; 5, 249; Nds. 33, 250; M.d.V.f.hambg. Gesch. 4 (1881), 43 f. " ) ZfVk. 17, 368. " ) A l l m e r s Marschenbuch. Oldenburg-Leipzig* 1891, 318. *') J e n s e n Nordfries. Inseln 426; Urquell 1, 32; vgl. S c h u l l e r u s Siebenbürgen 126. , 0 ) R o c h h o l z Glaube 1,166; B i r l i n g e r Volksth. 1, 280; M e y e r Baden 587; vgl. K n o o p Hinterpommern 164; R o s e g g e r Sittenbilder 41; W u t t k e 461; MwürttVk. 1913, 2, 331. M ) T o e p p e n Masuren m ; G r o h m a n n 193; B i r l i n g e r Volksth. 1, 283; Globus 81, 271; M vgl. H e y l Tirol 781. ) B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 315; M a n z Sargans 49; K o l b e Hessen 78; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 93; H o m e y e r Der Dreißigste 155 f.: ZfVk. n , 18. " ) F r a n z Die Messe im deutschen Mittelalter 289; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 207; J e n sen Nordfries. Inseln 431. " ) K n o o p Hinterpommern I7jt.; T o e p p e n Masuren 63; ZfVk.9,157; BlpommVk.6,141; Globus82,292; vgl. B a r t s c h Mecklenburg 2, 231. — Christnacht: ZfVk. 17, 384. — Jahrestag des Toten: u) J o h n Westböhmen 179. W r e d e Rhein. Volksk. 277; M e y e r Baden 451 f.; B i r l i n g e r B l c h t o l d - S i a u b l i , Aberglaube V

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Aus Schwaben 2, 136; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 281. 283; K o l b e Hessen 77; D r e c h s l e r 1, 304; L e h m a n n Sudetendeutsche 151; L a u b e Teplitz 42; S c h r a m e k Böhmerwald 167; J o h n Westböhmen 97; H e y l Tirol 761; G e r a m b Brauchtum 94; F i s c h e r Oststeierisches 196; ZfVk. 6, 411; Alsatia 1850, 155; Hmtg. 2, 115. Vgl. F r a n z Benediktionen 1, 358?. M ) S a m t e r Geburt 76 f. " ) M ü h l b a u e r Geschichte u. Bedeutung der (Wachs-)L.er bei den christlichen Funktionen, Augsburg 1874, 77. 1 1 7 t . ; F r a n z Messe (s. Anm. 53) 289; R o c h h o l z Glaube 1, 167; ( F i s c h e r ) Aberglaube Anh. 256. u ) Urquell 2, 90; H ö r m a n n Volksleben 423; " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 241 = W u t t k e 457; Urquell 2, 90. , 0 ) ZfVk. 6, 411; H ö r m a n n Volksleben 423; K o l b e Hessen 77. * 1 ) Baltische Studien 33 (1883), 120; B a r t s c h Mecklenburg 2, 96; W i t t s t o c k Siebenbürgen 10. *') Bavaria 4 (2), 409; L a m m e r t 106; K e h r e i n Nassau 2, 271. Vgl. noch S c h u l e n b u r g 234; W u t t k e 461. " ) K ö h l e r Voigtland 442 = W u t t k e 461; K n o o p Hinterpommern 164; K r a u s e Westpreußen 33; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 64; F o x Saarland 371. •*) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 283; K n o o p Hinterpommern 164; R o s e g g e r Sittenbilder 42; ZföVk. 2, 286 (Rumänen). " ) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 281; T o e p p e n Masuren 63. ••) H e y l Tirol 761; G e r a m b Brauchtum 94. " ) R o s e g g e r Sittenbilder 4 t . — Ganz vereinzelt steht die nüchterne Deutung, das L. solle im Falle eines Scheintodes dem Wiedererwachten zur Orientierung dienen: MAG. 22 (1892), Sitzber. 98 (Egerland). , s ) R o c h h o l z Glaubei, 161; vgl. ZfVk. 17. 3712. Neben dieser energetischen Auffassung der L.flamme als eines Mittels zur Dämonenbekämpfung steht eine rein gegenständliche, für die das L. auch Stoff ist, und zwar eine Erscheinungsform des Lebens, der Seele. Die Vorstellung von einem L e b e n s l . (s. d.), das innerhalb des Körpers in verschiedener Lokalisierung den göttlichen Funken darstellt oder außerhalb seiner in sympathetischer Bindung zu ihm steht, hat sowohl die oberschichtige Philosophie und Kunst als auch die volkstümliche Phantasie von der Antike bis zur Gegenwart zu einer Fülle von Einzeldeutungen angeregt ••). Diese werden nicht nur in der sprachlichliterarischen und bildlichen Überlieferung sichtbar, sondern haben sich gelegentlich auch dinglich verdichtet in jenem merkwürdigen Gebilde, das als B i o l y c h n i u m , als Lebens- oder Blutlampe, die Lebensintensität des Menschen anzeigt, aus dessen Blut sie bereitet ist 70 ). In leisen 40

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Übergängen wird die tatsächliche Gleichsetzung von L. und Leben dann zu einer nur symbolischen mit bloßem Beispielgehalt, wie bei der Exkommunikation 71 ), bei Schwur 72 ), Vertragsabschluß 7S) und vereinzelten Bestattungsriten 74), wo die ausgelöschte oder zerbrochene Kerze den körperlichen oder geistigen Tod versinnbildet. Sympathetische Beziehungen knüpfen das Leben eines Menschen an die Leuchtdauer eines L.es. Von dieser Lebensl.vorstellung, die jedem ein bestimmtes L. zuordnet, das nun in steter Gleichzeitigkeit seine Vitalität anzeigt, ist es nur ein Schritt zu der Weiterung, daß auffällige Veränderungen einer L.flamme auch als V o r z e i c h e n auf entsprechende Ereignisse im Dasein eines Menschen hindeuten. So sagt eine von selbst erlöschende Kerze allgemein eine Leiche an 7S ), bestimmter bezogen den Tod desjenigen, der sie angezündet hat 74) oder dem sie ausgeht 77 ). Tauf-, Geburtstagsund Totenl.er soll man ausbrennen lassen („gleichwie die Seele des Verstorbenen ausgerungen hat" 77B)) oder nur nach besonderen Verhaltungsvorschriften auslöschen 78). Erlöschen sie plötzlich, oder bläst sie gar jemand aus, so muß der Täufling, das Geburtstagskind oder einer der Leidtragenden dem Verstorbenen binnen kurzem folgen 78); leuchten sie dagegen recht lange, so wird in nächster Zeit niemand sterben80). Ebenso verkündet das Ausgehen von L.ern an den heiligen Abenden den Tod eines Familienmitgliedes 81), und ein in der Krankenstube verlöschendes L. zeigt an, daß der Leidende nicht wieder aufkommt 82). Wie das Rathausl. von Schweidnitz durch sein Erlöschen den Tod eines Ratsherrn vorhersagte 83), so deutet ein ausgehendes Altarl. auf den Tod eines Priesters84), gelegentlich auch eines Kirchgängers85) oder des Küsters86). Auf ein derartiges Vorzeichen wird vor allem bei besonderen Veranstaltungen geachtet, so bei Einsegnung, Konfirmation und Totenmesse87), in erster Linie aber bei der Trauung. Erlischt eine der Kerzen, während das Brautpaar vor dem Altar steht, so wird

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derjenige von beiden, auf dessen Seite sich diese Kerze befindet, bald 88 ) oder zum mindesten vor dem anderen 89) sterben; in gleicher Weise werden die auch wohl als „Lebensl.er" bezeichneten ®°) Kerzen der Brauttafel beobachtet 91 ). Die weiteren Formen dieser neuzeitlichen L y c h n o m a n t i e (s. auch d.) und ihre Ausbildung zum Orakel sind dann an eine ganz bestimmte L.quelle, eben an die Kerze (s. d.), gebunden und im Schaden- und Liebeszauber völlig auf das Material selbst, auf das Wachs (s. d.) übertragen worden. Eine Reihe anderer Bräuche erweist sich bei aller selbständigen Ausbildung als von Lebensl.Vorstellungen abhängig oder beeinflußt. Dahin gehört zunächst einmal die Verwendung von Diebsl.ern in der typischen Form von präparierten Kinderhändchen (s. oben 2, 229f.) 92 ). Wenn es sich hier auch in erster Linie um einen Totenfetisch handelt, verstärkt um die Kraft, die den Körperteilen ungeborener oder ungetaufter Kinder überhaupt innewohnt, so tritt doch in der Vorschrift, so viele L.er anzuzünden, als Personen im Hause sind, wieder die Gleichsetzung von L. und Menschenleben zutage. Nur steht die Leuchtstärke in einem umgekehrten Verhältnis zur Lebensintensität; die Brenndauer entspricht nicht der Länge des wachen Lebens, sondern des Schlafes. Damit erweist sich die Auffassung von der magischen Wirksamkeit des Diebsl.es als ein Zwischenglied in der Entwicklung der reinen Lebensl.- zur abgeschliffenen Zeitl.vorstellung. Das Nebeneinander beider verdeutlicht gegenständlich-sinnfällig der l.erbestückte G e b u r t s t a g s kuchen: Um das eigentliche „Lebensl." in der Mitte herum stehen die kleineren Kerzen, die jeweils ein einziges Lebensjahr versinnbilden (vgl. oben 3, 424) 9S). Andere Erscheinungen im volkstümlichen Glauben und Brauch weisen dann ausschließlich diese terminanzeigende Bedeutimg der L.flamme aus; die Kerze wird zu einer L.uhr. Nach den Gesta Romanorum 94) begnadigte Alexander der Große aufsässige Gegner nur so lange, als

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bis eine für diesen Akt aufgestellte Kerze heruntergebrannt war, und ebenso sollen die Römer belagerten Feinden die Bedenkzeit zur Unterwerfung' 5 ) und der Papst einst den geistlichen Körperschaften von Besançon die Frist zur Wahl eines Erzbischofs * ) bemessen haben. Dem entsprechen vereinzelte deutsche Bräuche. „Wenn das Handwerg beysammen ist, so soll der jüngste Meister ein Wachskertzlein eines kleinen Fingers lang anzünden, und welcher Kompe alsdenn nicht kommet, weil das L. brennet, der soll 6 pfennig zu Büß erlegen" ®7). In rheinischen Gegenden galt es als schlechtes Vorzeichen, wenn eine unmittelbar vor der Geburt angezündete Kerze erlosch, bevor das Kind zur Stelle war 98 ). Die Drud darf erst ins Haus zurückkehren, wenn die vor dem Fortgehen angesteckten Späne abgebrannt sind "). Verwandte Anschauungen finden sich ferner im Recht, und zwar in der seit dem 15. Jh. zu belegenden Sitte, bei Versteigerungen demjenigen den Zuschlag zu erteilen, der als letzter vor dem Erlöschen einer zu Beginn der Handlung angezündeten Kerze geboten hat 10°). „Bei der (brennenden) Kerze verkaufen" nannte man 101 ) diese Veranstaltung, die in Bremen noch bis 1922102) üblich war und vor allem in einer hamburgischen Darstellung103) ausführlich beschrieben ist: „. . . Bei Beginn des Aufbietens wurde ein L., etwa so lang wie das Glied eines Fingers, auf dem Rande eines blechernen Leuchters über dem Auktionstische angezündet. Bei wessen Angebot nun das L. so erlosch, daß der Rauch des glühenden Dochtes in die Höhe wirbelte, dem wurde das Erbe als Käufer zuerkannt, mogten Andere nachher noch viel mehr bieten wollen". Schließlich findet diese Beziehung zwischen der Brenndauer eines L.es und der Dauer einer Handlung noch im Spiel seinen Ausdruck. Der elsässische Hochzeits-104) wie der westböhmische Kirchweihtanz10S) währte so lange, als ein zu Beginn angestecktes L. brannte. Beim pfingstlichen Hammeltanz zu Kollnau in Baden erwarb dasjenige Paar den be-

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kränzten Hammel, das der mit einer Laterne behängten Stange beim Erlöschen des L.es zunächst tanzte 104 ), und in dem schweizerischen Kinderspiel „Stirbt der Fuchs, so gilt der Balg" wird der pfandpflichtig, bei dem ein herumgereichter glimmender Span erlischt1OT). — Als 1. symbolische Handlung ist in diesem Zusammenhange auch noch das L.ertränken oder - v e r g r a b e n anzusprechen, ein Brauch, der sowohl im zünftigen Handwerk als in der Spinnstube das Ende der L.arbeit und L.geselligkeit sinnbildlich beschloß1®7*). e9) Einzelbelege bei F r e u d e n t h a l Fever 154 fi. 70) Ebd. 155 f.; die dort angeführten Quellen sind zu ergänzen um S t a r i c i u s (16x8) 197. 71 ) M ü h l b a u e r a. a. O. 89 fi.; D u C a n g e Glossarium 2, 82, s. v. „candelae". — In Deutschland nannte man den Brauch „mit dem L. verschießen": G r i m m RA. x, 209; K a n t z o w Pommerania (hrsg. v. K o s e g a r t e n ) 1 (1816), 460. ,2 ) H e r b e r g e r Trawrbinden (1610), 307, nach MschlesVk. 16, 246 f. ") Mühlbauer a. a. O. 94. M ) L a u b e Teplitz 33; vgl. Nds. 15, 335. ,6 ) P r ä t o r i u s Phil. 149; Rockenphilosophie 2, 357; S t r a c k e r j a n 1, 36; J o h n Erzgebirge 114; H e y l Tirol 780; Bavaria 2 (1), 321; P a n z e r Beitrag 1, 308; W n t t k e 212; Unoth 188; ZfrwVk. 15, 112; MwürttVk. 1913 (2), 310. — John Erzgebirge 115 (wenn ein L. auf dem Leuchter nicht brennt). **) G r o h m a n n 220. " ) HessBl. 6, 22 (Siebenbürgen). "») ZföVk. 8, 33. '») K u h n Westfalen 2, 48 t.; M e y e r Baden 583; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 246; Bavaria 2 (1), 322; F r a n c i s c i Kärnten 8a; S t r a c k e r j a n 1, 55; B a r t s c h Mecklenburg 2, 94; A n d r e e Braunschweig 315; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 64f.; K r a u s e Westpreußen 34; J o h n Erzgebirge 67; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 124; S a m t e r Geburt 77; ZfrwVk. 4, 296; 10, 172; Nds. 12, 250; 13, 256. " ) J o h n Erzgebirge 126; vgl. 67 (nicht zerbrochen); S a m t e r Geburt 77; P h i l i p p Ermland 122; K u h n u. S c h w a r t z 431 ; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 64; B r u n n e r Ostdeutsche Volksk. 195; Urdhs-Brunnen 7, 121; Urquell 6, 146; Veckenstedts Zs. 2, 77; Nds. 34. 62; ZfVk. 17, 373; vgl. MwürttVk. 1913 (2), 331. " ) UrdhsBrunnen 7, 121. 81) (Keller) Grab d. Abergl.

1, 83 = (Fischer) Aberglaube 1, 326; W i t z schel Thüringen 2, 174; Jensen Nordfries. Inseln 456; K ö h l e r Voigtland 362; J o h n Erzgebirge 114. 155. 167; ZföVk. 4, 146; H e c k scher 102 (Schweden); L i e b r e c h t Zur Volksk. 326 (Norwegen); ZfVk. 8, 290 (Island). 82) (Fischer) Aberglaube 1, 260f.; T o e p p e n Masuren 105 = W u t t k e 216. Vgl. R o c h 83) h o l z Sagen 1, 350. G r a e s s e Preußen 2, 259 = K ü h n a u Sagen 3, 496 t.; R o c h h o l z Sagen 1, 351. 84) M a e n n l i n g 339; 40*

J255

Licht

Rockenphilosophie i , 280; ( F i s c h e r ) Aberglaube 1, 267; G r i m m Myth. 3, 473; H a u p t Lausitz 260; B a r t s c h Mecklenburg 2, 1 2 4 ; W i t z s c h e l Thüringen 2, 254; W o l f Beiträge 2, 377; D r e c h s l e r 1, 42; 2, 1 2 3 ; P a n z e r Beitrag 1, 308; R e i s e r Allgäu 2, 3 1 4 ; G a ß n e r Mettersdorf 80; SAVk. 3, 1 5 6 ; HessBl. 6, 1 5 ; ZfVk. 2, 208; 15, 347. 438. 85 ) Bavaria 4 (2), 406; R o c h h o l z Glaube 1, 2 1 4 ; W r e d e Eifeler Volksk. 99; B a r t s c h Mecklenburg 2, 124; S t r a c k e r j a n 1, 36; ZfrwVk. 15, 1 1 2 . ee ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 124. 87 ) Germania 37, 1 1 5 ; B a r t s c h Mecklenburg 2,56; vgl. 2 , 3 1 7 ; MschlesVk. 7 (2), 77; Wachsstock der Wöchnerin: H ö h n Geburt 266; D r e c h s l e r x, 207. 8S ) P h i l i p p Ermland 98; T o e p p e n Masuren 89; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 9 1 ; F l ü g e l Volksmedizin 78; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 94; W r e d e Rhein. Volksk. 120 = W r e d e Eifeler Volksk. 163; D r e c h s l e r 1 , 2 6 1 ; J o h n Westböhmen 144; Urquell 1, 1 4 ; ZfVk. 3, 147; 15, 438; MschlesVk. 7 (1), 5 1 ; ZfrwVk. 4, 183. 8 ») S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 9 1 ; M e y e r Baden 295; P o l l i n g e r Landshut 257; V e r n a l e k e n Alpensagen 340; L ü t o l f Sagen 548; P e u c k e r t Schles. Volksk. 213. *>) K ü c k Lüneburger Heide 180. M ) K ö h l e r Voigtland 241 = W u t t k e 236; W i t z s c h e l Thüringen 2, 226; K ü c k Lüneburger Heide 180; F i n d e r Vierlande 2, 78; K n o o p Hinterpommern 160; B r ü c k n e r Reuß 1 8 3 ; H a u p t Lausitz 66; Urquell 1, 1 4 ; ZfVk. 1 3 , 3 1 1 . — Bei den Esthen: G r i m m Myth. 3, 488; B o e d e r Ehsten 29. M ) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 1 6 1 fl. , 3 ) J o h n Erzgebirge 67; vgl. 1 2 3 ; D r e c h s l e r 1, 2 1 8 ; K r a u s e Westpreußen 9; H o f f m a n n - K r a y e r 50; Brandenburg 3, 253; H e y l Tirol 805; BlbadVfVk. 3, 35; Alemannia 33, 301. **) Hrsg. v. O e s t e r l e y , Berlin 1872, 422. , s ) Ebd. 424. **) G r i m m RA. 2, 158. »') B e i e r De Collegiis Opificum, Jena 1688, 341. •") ZfrwVk. 10, 164. •*) P o l l i n g e r Landshut 1 1 2 . l0 °) Belege bei F r e u d e n t h a l Feuer 170 f. 101 ) DWb. 5. 6 1 8 ; G r i m m RA. 2, 158; M.d.V.f.Gesch. v. Osnabrück 29 (1904). 195- 102 ) N d s - 36, 5 1 1 ; 37. 33 f. I03 ) B u e k Hamburgische Altertümer, Hamburg 104 1859, 105 f. ) R o c h h o l z Sagen 1, 37. 106 ) J o h n Westböhmen 94. 106 ) M e y e r Baden 160; vgl. Alemannia 25, 54; 27, 243 f.; 24, 149 (Hahn; dazu oben 3, 1345 f.). 107 ) R o c h h o l z Glaube 1, 165; R o c h h o l z Sagen 1, 37; ZfdA. 6, 282. 107») W o l f Beiträge 1, 69; v. F a l k e n s t e i n Beschreibung der Stadt Nürnberg, Erfurt 1750, 861; Bayerns Mundarten 2 (München 1895), 15. 44; AnzfKddV. N. F. 2 (1855). 263 f . ; vgl. auch H o f f m a n n - K r a y e r 138 f.

3. Mit der Auffassung von der feurigen Natur der Seele und ihrem verselbständigten Dasein als leuchtender Flamme hängt aufs engste die Ausdeutung spukh a f t e r L.erscheinungen zusammen. Sind schon die Irrl.er (s. d. und Elmsfeuer) MS) im Volksglauben die Seelen

1256

Verstorbener, so gilt das noch ausgeprägter von den unter landschaftlich verschiedenen Namen gehenden gespenstischen L.zeichen, die in vielen Spielarten schließlich zum Feuermann (s. d.) hinüberführen. Hier tritt zur Lebensl.deutung* die Fegfeuervorstellung, die den schuldbeladen Abgeschiedenen zu einem in Feuerqual büßenden Wiedergänger macht, an dem die Natur der Strafe in Form von Hitze, Glut, Flamme und L. jederzeit spürbar ist. Neben den in einer außerordentlich reichen Sagenüberlieferung verzeichneten Erfahrungen im Verkehr mit diesen L.geistern kennt und wertet der Volksglaube den L.spuk unabhängig von seiner Wesensbestimmung aber auch als Vorzeichen. Das plötzliche Erscheinen von L.ern bedeutet stets etwas Übles, und zwar einen Todesfall 1 0 9 ), sei es nun, daß sie draußen110), im besonderen überm Wasser, auf dem Eise 111 ), auf der Kirchhofsmauer 112 ), oder drinnen im Zimmer 113 ), vor allem am Krankenbett114) beobachtet werden. Sie setzen sich auf die Brust des todgeweihten Schläfers115), zeigen den genauen Ort innerhalb des Hauses, an dem jemand verscheiden wird 11S ), und werden auch daheim sichtbar, wenn ein Anverwandter in der Ferne stirbt 117 ). In der ostpreußischen Familie v. Finkenstein; soll sich ein Sterbefall regelmäßig dadurch angekündigt haben, daß sich auf dem Altar eine Kerze von selbst entzündete118) ; andernorts119) deutete man das Aufleuchten des Ewigen L.es (s. d.) in ähnlicher Weise, und gelegentlich ist bezeugt 12 °), daß ein hell brennendes Totenl. auf einen baldigen Sterbefall in der Familie hinweist. „Quatl.er" ( = böse L.er) nennt man in Niederdeutschland phosphorisch aufleuchtende Streifen an der Hauswand, die ebenfalls den Tod eines Hausinsassen anzeigen121). So heißt es denn mitunter auch, daß nur das bläulich scheinende Flämmchen den Tod vorhersagt, während das hellrote ganz vereinzelt auch einmal etwas Gutes bedeuten kann 122 ). Das hängt offenbar zusammen mit der pyromantischen Ausdeutung des Feuers auf dem Herde und im Traume

Lichtelben

1257

überhaupt, dessen blaue Glut Unheil, dessen heller Brand Glück verheißt (s. Feuer § 5, oben 2, 1395). Im übrigen sind zur Erklärung dieser Vorzeichen mehrere Vorstellungen heranzuziehen. Wie man schon in den feurigen Himmelserscheinungen eine Ankündigung kommenden Unheils als Anzeichen des göttlichen Zornes sah (s. Feuer § 4, oben 2, 1393 f., u. feurig, oben 2, 1442 ff.), so auch bei den irdischen. Für die Einengung auf Todesvorzeichen wird einerseits die Anschauung vom Lebensl. maßgebend gewesen sein, das als Seelenl. vorspukt. Zum andern aber wirkte sich wiederum (vgl. oben Text zu Anm. 10—12) eine einfachere Analogie aus, die hinweisende Ähnlichkeit mit der mehr oder minder reichen Kerzenausstattung bei Aufbahrung und Beerdigung; das geht z. B. hervor aus hannoverischen Überlieferungen: Acht Tage nachdem einem Manne des Nachts zwei L.er begegneten, kommt an der gleichen Stelle ein Leichenzug mit zwei L.ern an ihm vorüber; ein anderes Mal sieht man ein L. aus einem Busche auf das Dorf zukommen; bald darauf wird ein auf dem Felde Gestorbener unter eben diesem Busche gebettet und am Abend beim Schein einer Laterne ins Dorf geholt 123 ). — In der gleichen Gegend will man übrigens früher jagende L.er und einen Mann mit zwei glühenden L.ern gesehen haben als Vorzeichen für die E i s e n b a h n ( s . d.Jlinie HannoverBremen, und noch jetzt glaubt man, daß an einer Stelle, wo man eine Menge niedriger L.er am Boden beobachtet hat, einmal ein Bahnhof gebaut werde 124). 10>) Vgl. F r e u d e n t h a l Feuer 473 ff. 157 f. "») ( K e l l e r ) Grabd. Abergl. 3,65; S t r a c k e r j a n 1, 36; G a ß n e r Mettersdorf 80; vgl. oben 4, 784. n o ) K i i c k Lüneburger Heide 243; S t r a k k e r j a n 1, 160f.; M ü l l e n h o f f Sagen 246; J e n s e n Nordfries. Inseln 407; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 103. u l ) S t r a c k e r j a n I, 159ff. 178; M ü l l e n h o f f Sagen 246; J e n s e n

Nordfries.

Inseln

408;

Heckscher

Hannov.

Volksk. 46; Urquell 1 , 9 ; Jahrb. f. d. Landeskd. d. Herzogth. Schlesw., Holst, u. Lauenb. 8 (1866), 96; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachforsch. 3 (1877), 147. U 1 ) K ü h n a u Sagen 3, 499. 113 ) ZfrwVk. 4, 296; HmtK. 38, 237; ZfVk. 15, 4; H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 45 (Diele). "*) H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 46;

1258

S t r a c k e r j a n i , 159; H ö h n Tod 310; C u r t z e Waldeck 382. l " ) S t r a c k e r j a n 1 , 1 5 9 ; ZfrwVk. 4, 268; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachforsch. 3 ( i 8 7 7 ) . 148: H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 46 (auf dem Nacken der gebückt sitzenden Mutter). " • ) S t r a c k e r j a n 1,160.161. " ' ) JbElsaßLothr. 8, 171. l 1 ' ) K r o l l m a n n Ostpreußisches Sagenbuch. Leipzig (1915), 77. "•) Reiser Allgäu 2, 313; M e y e r Baden 578; Alemannia 25. 43; vgl. H e y l Tirol 16; B a u m g a r t e n Aus der Heimat 3, 103.

1M)

K e h r e i n Nassau 2,

270. m ) W o e s t e Mark 55; Jahrb. d. V. f. niederd. Sprachforsch. 3 (1877), 148. Il *) S t r a k k e r j a n 1, 159; 2, 113; W u t t k e 226; vgl. oben 1, 13670. 1373; B o l t e - P o l i v k a 2, 537. laj)

H e c k s c h e r Hannov. Volksk. 45 f. "«) E b d .

47 f.

Freudenthal.

Lichtelben. Jakob Grimm x ) leitete den Namen der Alben aus aXo S t e m p l i n g e r Abergl. 73 ( C i c e r o In Vat. 14). l 7 7 ) K r a u ß Relig. Brauch 142; Urquell 3, 200. 1 7 s ) Urquell 4, 98. "») H ö f l e r Hochzeit 23. 180 ) Alemannia 2, 1 3 6 f . 181) Hovorka-Kron-

1297

Liebfrauen—Liebstöckel

f e l d 2, 179. 1M ) K l i n g n e r Luther 72; Grimm Sagen 101 u. a. 183) S c h ö n w e r t h Oberpfalz 1, 131; R a n k e Volkssagen 26. 1M ) G a ß n e r Mettersdorf 46. 185) H a l t r i c h Siebenbürgen 273. " ' ) P o l l i n g e r Landshut 248. 1S ') G r a b e r Kärnten 206; W i t z s c h e l Thüringen 1, 313. 188) W i t z s c h e l Thüringen 1, 313; K ü h n a u Sagen 3, 266. "•) T h e o k r i t Die Zauberin; L n c i a n Melitta und Bacchis; P e t e r s Pharmazeutik 1. 243 f. l*°) S o l d a n - H e p p e 2, 438; H a n s e n Hexenwahn 702 (Reg). m ) Freitag (=Venus) SchwVk. 4, 34; Agnes, Valentius, Marcus (Keller) Grab des Aberglaubens 2, 242; Johannes, Andreas, Weihnachten, Silvester F r i s c h b i e r Hexenspr. 161; John Westböhmen 2. 192) H e c k e n b a c h De nuditate sacra 9; G r i m m Sagen 98 (Feuer); S ö b i l l o t FolkLore 2, 230 ff. (Quelle). »») P l o ß Weib 1, 357t; W e i n h o l d Ritus 49. 181) RTradpop. 8, 327. 1M ) G a ß n e r Mettersdorf 46. 1M ) 1W ) B e c h s t e i n D r e c h s l e r 1, 233. Thüringen 1, 14; Grimm Myth. 3, 470. 1,8 ) W e i n h o l d Ritus 48. l " ) G r i m m Sagen 16 Nr. 114. 115. Grimm Sagen 17; W i t z s c h e l Thüringen 209; K ö h l e r Voigtland 540. 101) H a u p t Lausitz 1, 200; S c h a m b a c h und Müller 172. 2v TO5 ¡17) ßXeitsiv xtX Vulg.: „obscurentur oculi eorum, ne videant etc." die Verblendung der Juden (vgl. Mc. 8 , 1 8 , Rom. 11, 8), die in den Orac. Sib. 1, 369f. drastisch mit den Worten geschildert wird: cttap ci(i|j.aatv oöx ¿aopwvzet T09X0tepot aizaXaxwv xzk. Sie ist nun auch in den um 1100 entstandenen byzant. Xptatic ltao/ajv übergegangen, in dem der namenlose Soldat, als r(ßtuv dvijp Suapevo» ¿S Auaovtuv, also als Römer bezeichnet, den Stich führt, worauf das Gedicht fortfährt 8 0 ): ZtTjdoc T8 xotist, xa\ nepmroaaet, *Evö' fxpiov irsicTflev, IjnrEcpupuivov • ' Peiöpo) xsTappeovn T7jc nXeupä; ext, Apuexof ?e yepal xpouvoo, xal xopa; 'Expioev, a>{ eoixev, u>? ¿qvtajj.' ejefl wo man den Schluß so übersetzte: oculosque hoc u n g i t 8 1 ) , hinc ut scilicet detergat oculum nocte, quae caeca obtigit und damit dem Mißverständnis preisgab, das darin eine körperliche Blindheit fand. Man kannte im 13. Jh. diese Form der Legende im Abendland, vgl. Jacobus a Voragine 82 ): „ d e sanguine Christi per lanceam decurrente fortuitu oculos suos tetigit et protinus clare v i d i t " 83 ). Auch die um fünfzig Jahre älteren Ausführungen des Vincentius Bellov. im Spec. hist.

1335

Longinussegen

8, 46 M ) waren so auszulegen: „de vulnere dominici lateris et illuminatione percussoris: sed unus militum lancea latus eius aperuit etc ex gestis eius: protinus illuminatus in Christum credidit unde militie cedens etc." (im 47. Kap. nennt er dann auch in der Überschrift den Namen: „de martirio eiusdem Longini militis"), obwohl er vielleicht nur die geistige Erleuchtung und Bekehrung meint. Es mag dazu miteingewirkt haben, daß nach den Akten, schon von Hraban M ) bezeugt, L. den Praeses Octavius, unter dem er Märtyrer wurde, von einer körperlichen Blindheit heilte: „quem propter infidelitatem suam divino iudicio percussum corporea caecitate, post martyrium suum illuminavit". Nach dem Satze, daß ein Heiliger helfen kann in Leiden, die er selbst erduldet hat und von denen er befreit wurde, mußte schließlich auch L. wirklich, nicht nur symbolisch, blind gewesen sein. Joh. 19, 35 wird man kaum heranziehen dürfen 88), um die Legende vom blinden L. in ihrer Entstehung zu erklären. Dem späteren Mittelalter gilt L., zumal auch in den Passionsspielen, oft als Jude und nicht, wie sonst, als Römer und Heide 87 ). Der Grund dafür wird in der Weissagung Sach. 12, 10 zu suchen sein, die eben prophetisch den Juden den Stich zuschiebt und nach der neutestamentlichen und altchristlichen Uberlieferung bei Jesu Passion erfüllt wurde. Gerade die im Mittelalter viel gelesenen Ast. Pil. lassen Rez. A 12, 1 8 8 ) Nikodemus den Stich den Juden zum Vorwurf machen. Der Soldat, der Jesus mit dem Schwamm tränkte und den die Legende Stephaton nennt, galt immer als Jude 89). Die Bezeichnung des L. als „Ritter" bzw. „Judenritter" 9 0 ) hat nichts Auffälliges, wenn man bedenkt, daß dem Mittelalter „miles" so viel bedeutet wie „Chevalier" 91) und daß z. B. auch die Ordensritter der Templer u. ä. geistl. Orden „milites" oder „equitestempli" etc. hießen 92). öfters spricht die mittelalt. Legende von der Beschuldigung der Magie 93 ),

1336

die schon sehr früh gegen Jesus erhoben wurde 94) und im besondern das Todesurteil veranlaßt haben soll 98 ). In diesem Motiv zeigt sich der Einfluß der Acta Pil. Den Namen L. leitet man allgemein von dem Xofy>) des neutest. Textes ab 96). Wenn Henricus Stephanus dabei die Form „S. Lonchi" voraussetzt, so ist diese trotz Tertullians 97) Verwendung des Wortes: „incumbens et requiescens super lonche, quo perfossus est latus Christi" doch nur ein unglücklicher Einfall. Aller Wahrscheinlichkeit nach hieß ursprünglich der Centurio L., der mit der Lanze nichts zu tun hatte. Man könnte mit der Klangähnlichkeit des Namens und der Waffenbezeichnung höchstens die Übertragung des Namens vom Hauptmann auf den Soldaten glaubhaft machen. Um die Beliebtheit der Gestalt des L. verständlich zu machen, weist Burdach 98 ) auf den Kult der hl. Lanze hin, der gewiß mitgespielt haben wird, dessen Einwirkung man aber doch wohl nicht überschätzen darf. Zuerst zeigte man die Reliquie im 6. Jh. in Jerusalem 99 ), später tauchte sie in Byzanz auf 10°), wo sie beim Karfreitagskirchgang des Kaisers verehrt wurde 101 ). Sie kam dann in die Ste Chapelle nach Paris 102 ). Nach anderer Überlieferung wurde sie 1098 im ersten Kreuzzug bei der Belagerung von Antiochia gefunden 103 ), wurde aber auch 1494 durch den Sultan Bajazet als Geschenk nach Rom gesandt 104}, wo sie noch heute am Ostersonntag vorgezeigt wird. Sie wurde weiter mit Karls des Großen Lanze identifiziert 10S ), die freilich andererseits auch wieder als die des hl. Mauritius, eines Märtyrers der sog. thebäischen Legion 104 ), galt; sie gelangte in englischen Besitz 107). Daß sie in der Gralslegende einen breiten Raum einnimmt108), ist bekannt. Man erzählte von ihr auch, daß sie mit dem Kreuz und den Nägeln von Helena gefunden worden sei 109 ). Offenbar gab es solcher Lanzen des L. nicht wenige, von denen Teile mit andern L.reliquien noch anderwärts aufbewahrt wurden u o ) .

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Longinussegen

Mancherorts feierte man eine eigene L.messe m ) , wie eine solche „der Nägel und Lanze des H e r r n " m ) . Seit dem 16. J h . gab es in der Grabeskirche zu Jerusalem eine L.kapelle 1 1 3 ). Daß die Figur des L. einer ritterlichen Zeit besonders sympathisch war und sich großer Beliebtheit erfreute (seine Vita war in zahlreichen Handschriften verbreitet 114 )), ist nicht verwunderlich und offenbart sich auch darin, daß der Lanzenstich des Soldaten in die Lanzenbenediktion der Ritter eingedrungen ist 1 1 S ). Die bildlichen Darstellungen der Kreuzigung Christi bringen, wenn die allerdings bestrittene U 6 ) Datierung richtig ist, seit dem Ausgang des 6. Jh.s mit dem Rabulaskodex, dann häufig den Krieger mit dem Speer 1 1 7 ); die Rabulashd. hat dazu die Beischrift Aofivoc und gibt die drei Gekreuzigten mit offenen Augen, denkt sie also doch wohl in altertümlicher Auffassung lebend d. i. in der Situation, die der Matthäuszusatz und die Acta Pil. Rez. A voraussetzen. L. in den Besegnungen. In einer Menge von Segensformeln wird der Name des L. und sein Lanzenstich erwähnt 118 ). Im Anschluß an die Legende dienen diese Heilsprüche vor allem zur Besegnung und Stillung von Blutungen, darunter Nasenbluten und Blutsturz, zur Heilung von Wunden und Wundgeschwüren, zum gefahrlosen Ausziehen von Eisenwaffen und Pfeilen und bei Verwundungen mit solchen, ferner bei Augenleiden, aber auch bei Fieber, Wurm, gegen Tritt, Verrenkung und Vernageln von Pferden und gegen Feuer. Weiter wird der Name des L. ganz allgemein als heil- und segenbringend berufen; so im Poppensegen119), in einem Luxemburger Kindergebet 120 ) und in einem „Segen für a l l e s " m ) . Formeln sind uns erhalten lateinisch 122 ), deutsch 123 ), französisch 124 ), englisch125), italienisch12®), dänisch127), schwedisch128), byzantinisch 129 ) und russisch 130 ). Die älteste, lateinisch und althochdeutsch, entstammt dem 10. J h . und nennt L. „cristes thegan" (Christi Degen, Übersetzung des alten: miles Christi) 1 ' 1 ).

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Die Urform des L.s dürfte lateinisch gewesen sein. Die F o r m e n des Namens wechseln: Longinus, Langinus, Longienus, Logeminus, Languinus, Languinius, Longius, Longis, Longeys, Longeus, Loynus, Langruus usw., auch ganz entstellt Sagarus 1 3 2 ) und Lucidarius 13S ). Einmal heißt er auch „Sanctus L . " 1 3 4 ) , und eine byzant. Formel bezeichnet ihn als A. 0 ¿xatovrap^oclss). Er wird genannt: miles, Ritter, verstümmelt auch: Richter 1 3 6 ), weiter: miles hebreus, Judenritter, jüdischer oder hebräischer Ritter, Juda Loynus 1 3 7 ), Judas 1 3 S ), Judasritter 139 ), die drei letzten aus „ J u d e " verbildet, Soldat 140 ), aber auch „heyd" 1 4 1 ) und „heyden blynth" 142 ), blinder Mann, blinder Ritter, blinder Jude (ohne den Namen L.). Alle diese Benennungen erklären sich mühelos aus der Legende. Der L.segen ist oft mit dem Jordansegen (s. d.) 1 4 3 ) verbunden oder in den Dreibrüdersegen (s. d.) eingearbeitet oder mit dem Schwärsegen 144 ) vermengt. Als die Seite Jesu, die verwundet wurde, wird meist die rechte 146 ), manchmal auch die linke 14S ) angegeben, auch wohl die vordere 147 ), die „rothe" 1 4 S ), die reine 149 ), die heilige 15 °), die benedeite151), oder das Herz 1S2 ) und die fünfte Wunde 153 ) genannt. Zusammenhang mit der Legende zeigt die Mitteilung, daß Jesu Blut dem L. über die Hände floß154), daß die Lanze es an sich zog 155 ), daß L. es auf seine Augen strich lse ), auch darin, daß die Freude des blinden Mannes über die ihm gewordene Heilung ausgesprochen 157 ) und seine Bekehrung berichtet wird 1S8 ). Seltsam ist die Bezeichnung „der lange L . " 1 5 9 ) , der in einer lat. Fassung ,,L. magnus" 160 ), in einer franz. Chanson de Geste des 12. Jh.s „Longius Ii grans" 1 8 1 ) entspricht; das wird ein Spiel mit dem Namen und seiner Etymologie von „longus" sein. Wenn es einmal heißt, daß L. seinen Frevel „ohne Haß" begangen habe 182 ), so wird andererseits betont, er seidazu gekommen,, impietate motus" 1 8 3 ), was auch Pseudo-Bonaventura 164 ) mit den Worten sagt: „unus autem Longinus

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Longinussegen

nomine, tune impius et superbus, sed post conversus et martyr, et sanctus etc."; damit stimmt die Bezeichnung „Ii fei" in einem franz. Text des 13. Jh.s und die Äußerung des L. in einer Passion de notre Seigneur: „Oncques n'oy du larron pitié . . . car je le hay de tout mon euer" 1 8 S ), auch sein Rachegefühl im deutschen Passionsspiel 188 ). Manche Sprüche sagen, daß L. nicht wußte, was er an Jesu rächte: „ L . räch, er wuszt nit was usw." oder „ L . Christum stach, ich wais nit, was er an im räch" u. ä. 167 ); diese Reimstücke lehnen sich an entsprechende in den Passionsspielen an: „Was hab ich nu gerochen!" oder: „Oder was hab ich gerochen, daß ich in nun hab gestochen" ? 1 8 8 ), während er an anderen Stellen Jesu Zauber oder seine eigene Blindheit rächen will 18 *). Auch der Anfang: „ L . ein Judasritter was" o. ä. 170 ) klingt an eine gereimte L.legende des 13. Jh.s an: „ L . ein ritter was usw." m ) . Manche Formeln deuten auf Verbindung mit den Acta Pil. hin. So dürfte das „lanceavit dominum" 172 ) auf: eîç axpaTltOTTji àX.OfX2t>3ev ŒOTOV 173 ) vgl. XÖfXH afjxöv ixevniaaTs, in den lat. Varr.: „lanceastis eum" 1 7 4 ), zurückgehen. Besonders klar scheint dies der Spruch zu zeigen 17S ) : „In dem Namen Jhesu Christi, der an dem crücz hinge, Longinus daz sper in sine hant finge und stach unsern herren in sine rechte syten gut, daraus rannd wasser und blut usw." neben der dänischen 178 ): „Soldaten Langdrinus tog sit Spyd i sin h0jre Haand og stak det op i Christi Side", die beide freie Übersetzung der Worte: „aeeipiens autem L. miles lanceam aperuit latus eius, et continuo exivit sanguis et aqua" 177 ) sind, während davon „ L . miles latus J h . Chri perforavit continuo exuit (1. exiit od. exivit) sanguis et a q u a " m ) Variante ist und „tunc unus e militibus lancea latus eius perforavit et continuo exivit sangwis et aqua" 1 7 9 ) Joh. 19, 34 entspricht. Die Lesarten: „perforavit, ferivit (cumlancea), transfixit, percussit, vulneravit, punxit, latus aperuit, plagam fecit" sind verschiedene Übertragungen des XôfXÏ êvu£sv

I34O

Joh. 19, 34, Mt. 27, 49, vgl. die Varianten in den Bibelhdd. zu Joh. a. a. 0 . 1 S 0 ) : „percussit, pupugit, inseruit, percussit et perfodit", Joh. 19, 37 Vulg.: transfixerunt für é£exeW(asv Sach. 12, 20 Vulg.: confinxerunt, Apc. 1 , 7 Vulg.: pupugerunt Mt. 27,49 Echtem. Evang. 1 8 1 ) pupungit, Joh. 19, 34 Vulg.: latus aperuit, Acta Pil. Rez. A 12, 1 m ) : perforantes, perforastis. Eine auffallende Variante „Schwert" statt „Spieß, Speer, Lanze" begegnet in einer deutschen Formel 1 8 3 ): „Christus ist gehauen worden . . . . ist mit einem scharfen Schwert durchstochen worden und rann nichts heraus als Wasser und Blut"; eine dänische Parallele 184 ) sagt: „Longinus stak Svaerdet i hans Side etc." und eine russische 185 ) erzählt von einem fahrenden Kriegshelden, hinter dem sich L. verbirgt, der „trägt einen scharfen Säbel auf der Achsel und schlägt und hackt damit die Leiche des Verstorbenen". Nun heißt es auch in altfranz. Texten 1 8 8 ): „Voiz tu encor la plaie en cest destre costé Ou me feri Longis o un(e) glaive aceré?" und: „Quant te feri Longis du glaive", ferner im Xpiotoi itota^wv187): «u» évú-pj «t» £19«. Da aber £i) B r u g s c h Ausd. Orient.2 (1864), 97. 6 l ) W i s s o w a Religion 390; D o m a s z e w s k i Religion 16 ff.; C h a n t e p i e d e I a S a u s s a y e Lehrb. d. Rel.gesch. 2, 4 2 3 8 . ; A R w . 17, 383; 21, 68f. M ) S a u p e Indiculus 28; Pfannenschmid Weihwasser 113. 5 3 ) G e s e m a n n Regenzauber t4 59; M e y e r Aberglaube 189. ) Knuchel Umwandlung 73 f.

S. a. r e i n , R e i n h e i t .

Zepf.

Luther, Martin s. Nachtrag. lutherisch s. K o n f e s s i o n . Luzifer heißt der Teufel mit Beziehung auf Jes. 14, 12, w o das mit eoiaoopoi, Vulg. lucifer, übersetzt ist. Schon Origenes 1 ), dann Eusebius 2) u. a. haben Jes. 14, 12 mit Luc. 10, 18 in Verbindung gebracht und auf den Teufel gedeutet, ähnlich wie auch E z . 28, 12ff., welche Stelle Tertullian 3 ), Origenes usw. ebenfalls auf den Satan beziehen. So wird denn L., der antike Name des Morgensterns, zur Bezeichnimg des Teufels die auch als AourCr(®sp *), AourCi'fep 5 ) ins griechische Sprachgebiet überging. I m Mittelalter ist der Name im kirchlichen Gebrauch ganz eingebürgert, z. B . 6 ) : „ d e u s praescit se cooperaturum Lucifero e t c . " . Die Katharer nannten ihren bösen Gott L u c i b e l 7 ) : „ L u c i f e r ascendit in coelum ad deeipiendum homines qui ibi erant; n a m a prineipio omnes homines qui fuerunt et nunc sunt erant in paradiso, et Lucifer qui tunc vocabatur Lucibel e t c . " . Man dichtete auch den Häretikern einen Teufelskult an. So kannte man 1233 in K ö l n eine Synagoge der Häretiker, „ u b i responsa dedit imago Luciferi" und in der ein „cultus Luciferi" stattfand; eine Anhängerin wird „Luciferi amasia" g e n a n n t 8 ) . In Angermünde richtete man 1336 eine Anzahl solcher „Luziferianer" hin 9 ). A u c h die Adamiten wurden 1312 in Österreich beschuldigt, Teufelsdienst zu treiben: „comparabant missas Lucifero" 10 ). A u s Vocabularien

1471

Lychnomantie

des 15. Jh. gibt Diefenbach u ) : „Luciper 1. satrael lucifer i. princeps diaboloram". Dabei ist Satrael eine durch Sater = Saturnus beeinflußte Form von Satanael, wie der Teufel ursprünglich vor seinem durch Überhebung veranlaßten Fall hieß 12 ) und wie ihn noch die Euchiten und Bogumilen nannten 13 ). Nach manchen Forschern wurden Lucifer und Loki vermengt 14 ). L. begegnet als böser Geist, als Schatzhüter, als Hexengott usw. bis in unsere Zeit 1 S ). 1) De martyrio 18 Koetschau 1 (1899), 17; Joh.-Komm. Preuschen (1903), 18; De princ. 1, 5. 4, 3 Koetschau (1917), 76. 336. 2 ) Dem. evang. 4, 9 Heikel (1913), 162. s ) Adv. Marcion. 2, 10 Leopold 3 (1841), 87. 4) Catal. Codd. astrol. Graec. 3 App. 53; A b t Apuleius 143. 5 ) H e e g Hermetica 17 Z. 35. 6) D u n s Scotus Sent. L. 1. D . 41. Qu. 1. 7 ) Beiträge zu den theolog. Wissenschaften 1 (Jena 1847), 87. 88. 8 ) P i s t o r i u s Rer. German, vet. Script. 3 (Ratis9) bonae 1726), 254 f. G i e s e l e r Lehrb. d. Kirchengesch. 2, 3 (1829), 272. 10) A . a. O. 271. 11) D i e f e n b a c h Glossarium Latino-German. med. et inf. aetatis (1857), 337. 12 ) N . B o n w e t s c h Das slavische Henochbuch (Abh. Ges. Wiss. Göttingen N . F . 1 Nr. 3, 1896), 31; V a s s i l i e v AnecdotaGraeco-Byzantina 1 (1893), 16; Denkschr. Akad. Wiss. Wien 42 (1893), 44ff. 13 ) H a u c k Real-Encyclopädie 13, 759, vgl. auch Satariel im äth. Henoch ed. FlemmingRadermacher (1901), 25. 14 ) Q u i t z m a n n 100. M e y e r Germ. Myth. 261; H e y e r Myth. d. Germ. 277. 401. 452; B u g g e Heldensagen 53. 73; Grimm Myth.3, 82. 16 ) S A V k . 3, 310; K ü h n a u Sagen 2, 607; M a n n h a r d t Germ. Myth. 412. 655; L ü t o l f Sagen 64; P a n z e r Beitrag 2, 56. 426; S c h m i d - S p r e c h e r 40; P o l l i n g e r Landshut 168; G o l t h e r Mythologie 410; Grimm Myth. 2, 603. 283; G o e d e k e E v e r y - M a n (1865), 99; S t o l l e Kirchenväter Reg.; S i m r o c k Mythologie 27; Z d V f V . 8 (1898), 395; J e n n i n g s Rosenkreuzer 2, 238 Reg.; F i e n t Prättigau 34; B u g g e Heldensagen 78; S c h w a r t z Volksglaube 218; W ü r t t V j h . 13 (1890), 182 Nr. 102; 236 Nr. 350; D e l a t t e Anecdota Atheniensia 1 (1927), 27, 9. 31, 21. 33, 13. 75, 15. 419, 29. 421, 22. 426, 17. 450, 14. 456, 11. 501, 8. 20 (Aouxittpep, Aoimv) op. cit. 1212. n ) op. cit. 1213. n ) Ebd. 7S ) op. cit. 1215. 74) op. cit. 512. 7 i ) op. cit. 515. " ) Gomis Zoologia 466. , 7 ) H i e c k e Rumän. Tiernamen 140. ™) G r i m m Mythologie 3, 201. 7( ) G a r b i n i op. cit. 1205. i 0 ) op. cit. 1206. 8I ) G a r b i n i op. cit. 1207; Migliorini Nome proprio 210. •*) G a r b i n i a . a . O . ; Migliorini a. a. O. M ) G a r b i n i op. cit. 1207. M ) R o l l a n d Faune 3, 349. 8S) Ebd. ••) R o l l a n d op. cit. 3. 350. " ) op. cit. 3, 351. 2

4. G a b e n b r i n g e r . Merkwürdig ist die Rolle des Gabenbringers, mit der der M. betreut erscheint. Bald soll er Gott oder der h. Jungfrau menschliche Gaben bringen: für Gott Vater ein (goldenes) Kleid 88 ) oder einen Korb voll Wecken vom Bäcker 89), für Christus öl (Lecce)90), für die Mutter Gottes ein Glas Wein (Aargau) 91), bald erwartet der Mensch von ihm göttliche Spenden: neue Kleider 92 ), einen Sack voll Kringeln 98 ),

Marienkäfer

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ein goldenes Schüsselchen®4) oder eine goldene Kette M ). Daher auch die Namen: vistüdda di lu Signüri „Kleidchen des Herrn" (Caltanisetta)"), chedda ca porte lu ogghiu a Criste „die Christus das ö l bringt" (Lecce), schles. Brotwürmel97), cannatldda do signüri " ) „Becherchen des Herrn" (Syrakus), piatelliäta „Schüsselchen" (Salerno)"), hierzu kämt, häfnträgerlelw>). In einem Kinderreim aus der Eifel heißt es: „Herrgottsschäfchen, dein Töpfchen kocht" 101 ). Bemerkenswert ist die goldene Qualität von Kleid und Schüsselchen; vgl. hierzu die Namen: schwed. gullhöna „Goldhuhn", engl. dial. goldie bird „goldener Vogel" 102) sowie den Pariser Kindervers: Bete k bon Dieu, au ciel en vole-toi, Tu m'apporteras de l'or et de l'argent 103 ). 8> ) Germania 19, 71. ••) D r e c h s l e r 2, 221. G a r b i n i op. cit. 1215. n ) M a n n h a r d t

I696

107 ) R o c h h o l z Sagen i, 345; M a n n h a r d t Götter 283; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 290. 108 ) G a r b i n i Antroponimie 1214.

6. S c h o n u n g . Die ital. Namen anim.cz de la Madona (Belluno) 109 ), animela de san Piero (Riva) 1 0 9 ), anima del paradiso (Massa e Carr.) 1 0 9 ) lassen den M. ganz deutlich als Seelenepiphanie erkennen. Als solche erscheint der M. auch in der Schweiz 1 1 0 ) und Siebenbürgen m ) , wo ihm (im Kinderreim) wie der Schlange = Hausgeist Milch und Brocken geboten werden. Ebensowenig wie die Hausschlange darf man den M. töten. Wer dies tut, stirbt am nächsten Tage 1 1 2 ) und kommt in die Hölle 1 1 3 ). 1M ) G a r b i n i op. cit. 1212. 110) Z i n g e r l e Johannissegen 216. l u ) M a n n h a r d t op. cit. 352 f. m ) S i b i l l o t J-oZÄ-Lore 3, 307. l l s ) M e i e r Sagen 223; W o l f Beiträge 2, 449.

7. W a r n u n g v o r G e f a h r . In vielen Kinderreimen wird der M. ähnlich wie Germ. Mythen 388. ) H e i n z e r l i n g Wirbelder Maikäfer vor einer Gefahr gewarnt. lose Tiere 83. •') M ü l l e n h o f i Sagen 508 f . Nr. 1; Heinzerlingop.cit. 10. M ) M a n n h a r d t Er wird aufgefordert, rasch nach Hause op. cit. 255. *6) Wolf Beiträge 2, 449; F r i c k e zu fliegen, denn sein Häuschen brenne Westfalen 219. M ) G a r b i n i op. cit. 1216. (your house is on fire). Auch heißt e s : " ) D r e c h s l e r 2, 221. n ) G a r b i n i a . a . O . w ) op. cit. 1214.10°) Carinthia 96, 59.101) M a n n - Engelland ( = Land der Engel) ist abgeh a r d t op. cit. 349. 10i) R o l l a n d Faune 3, 351. brannt 114 ). M a n n h a r d t U 5 ) sieht darin «*) A.a.O. 355eine mythische Erinnerung an das als 5. K i n d e r b r i n g e r . In vielen An- dämonischer Riese aufgefaßte Abendrot; rufen an den M. wird dieser aufgefordert, Der M. soll rasch in seine vom Dämon in oder über einen Brunnen zu fliegen bedrohte (überirdische) Heimat zurück(„fliag unsan Herrgott in's Tumpferl kehren. Später treten an Stelle der Riesen = T ü m p e l " — „fliag in'n Brunn" — die typischen Feinde der Christenheit „fliag in'n goldnen Brunn" usw.) l o 4 ). (Juden, Heiden, Türken) "•). 114 ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 347 f f . Der M. wohnt eben hinter oder über 1W ) op. cit. 354. »•) op. cit. 353. dem „Brunnen", und dieser Brunnen ist 8. S o n n e n s c h e i n . Zahlreich sind die das himmlische Gewässer, in dem sich die Seelen der Ungeborenen befinden 105 ). Benennungen des M.s nach der Sonne, die Von dort bringt der M. im Wettbewerb sicher auf einem mythischen Verhältnis mit Storch, Krähe, Schwan usw. die des Insekts zu diesem Gestirne beruhen. Kinder, die er durch den Rauchfang der M a n n h a r d t 1 1 7 ) macht mit Recht auf Mutter ins Bett fallen l ä ß t 1 M ) . Hierauf die Bezeichnung mänkalf „Mondkalb" bezieht sich der schweizerische Kinder- aufmerksam, die eine rationalistische Deutung (Umherfliegen in der Sonne) ausreim: Herrgottsmoggele, flieg auf, schließt. Tschechisch heißt der M. Flieg mir in den Himmel nauf. geradezu slunecko, slunecnice „kleine Bring a goldis Schüssela runder u7). 107 S o n n e " Von deutschen Namen Und a goldis Wickelkindla drunder ). seien angeführt sünnenkind118), sonnDaher wohl der ital. Name commaruccia kindken, sonnschingche (Burtscheid) u i ) , „kleine Gevatterin" = Hebamme (Aquisünnenschiener, sünnenknicker (Pomla) *»). 12 1M ) Germania 19, 68 f. loe ) M a n n h a r d t mern) °), sonnenschinken, sunnevüelken, sonnenschermken (alles bergisch) 1 8 1 ), sünGerm. Mythen 255. 104 ) D r e c h s l e r 1, 180. M

Marienkäfer

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neküken m), sunnekathrine (Oldenburg) 123), Sotmenkäfer, S.würmchen, S.schäfcken (alle drei westböhmisch) m ), S.worm (Mecklenburg) 1 »), S.kau = (Kuh) lîS), S.kalw (Pommern) 1 »), vgl. hierzu österr. S.kalbel1J8). Zu Sünnenkinning (Rügen) vgl. den engl. Anruf an den M.: King, king Golloway, up your wings and fly away 1 1 7 ).

Über Käfer = verwünschter Prinz vgl. M a n n h a r d t 1 M ) . In Ravenna heißt der M. regina129). — In den Kinderreimen wird der M. aufgefordert, die Sonne zu bringen, d. h. sie scheinen zu lassen. So lautet ein schles. Spruch: Sommerkalbel, flieg aus, flieg bis in's Sommerhaus, laß die liebe Sonne'raus 130 ).

Aus dem Böhmerwald: Liebes, liebes Frauenkäferlein, flieg in Brunn, Bring uns heut' und morgen a recht a schöne Sunn 1 3 1 ).

(Die Sonne ist im Jenseits, hinter den regenschwangeren Wolken [ = Brunnen] verborgen). Gleiche oder ähnliche Reime finden sich in großer Z a h l m ) . Der Glaube an die mythische Identität von Sonne und M. geht deutlich hervor aus dem Volksglauben, daß die Sonne den ganzen Tag nicht scheint, wenn man einenM. tötet 183 ). Sonnenschein ist gleichbedeutend mit schönem Wetter, der M. wird daher aufgefordert, schönes Wetter zu machen. So heißt es in einem Mecklenburger Kinderreim: Sünnenworm, fleeg aewer min Hus, Bring mi morgen good Weder to Hus 1 M ).

Ähnliche Sprüche finden sich auch in anderen deutschen Gegenden 13S ). Besonders interessant ist der von H e s e m a n n 1 M ) angeführte Kinderreim: Sunnekueken, fluech up, up alle häogen boeme un säch din va un moeme dat't muan geot wir weert.

Vgl. franz. (Vogesen):

Géline, géline dé bon Dieu Vè-t-en voir tes père et mère 137 ).

Hinter „ v a un moeme", die der M. um gutes Wetter angehen soll, stecken nach H e s e m a n n 13S) zwei alte Gottheiten. ue)

u')

M a n n h a r d t Germ. Mythen G r i m m Mythologie 3, 201. "•)

Blcbtold-Stftubli,

Aberglaube V

246. Ebd.

1698

u «)

H e i n z e r l i n g Wirbellose Tiereg. l M ) H o l s t e n Coccinella 2. l a ) L e i t h a e u s e r Volkskundliches I 1, 23. l a ) H a r t w i g Tier-und Pflanzennamen 35; H o l s t e n op. cit. 3. m ) R o l l a n d Faune 3, 351. J o h n Westböhmen 222. m ) H o l s t e n op. cit. 4. 1 M ) GrimmAfy/Ä.3,201."') M a n n h a r d t op. cit. 253. M> ) op. cit. 368. " • ) G a r b i n i 1207. w®) D r e c h s l e r 2, 130. l M ) S c h r a m e k Böhmerwald 244. l M ) W e i n k o p f Naturgeschichte 19; P a n z e r Beitrag2,547; 2,15; Z i n g e r l e Johannissegen 216; Germania 19, 68; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 290. 13S) M a n n h a r d t op. cit. 251; W o l f Beiträge 2, 449. 1 M ) B a r t s c h Mecklenburgs, 184. 13s ) S t r a c k e r j a n Oldenburg 2, 177 Nr. 410; W o l f a. a. O.; S c h r a m e k Böhmerwold 244; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 290; R e i s e r Allgäu 2, 438; SAVk. 8, 279. "•) RaU 7 ) R o l l a n d Faune 3, 352. vensberg 101. 138) H e s e m a n n a . a . O .

9. O r a k e l t i e r . Der M. dient überhaupt als Wetterorakel. Fliegt er in die Höhe, ist es ein gutes Zeichen; fliegt er abwärts, ein schlechtes 139 ). In Oberösterreich setzt man ihn auf die äußere Handfläche und spricht dreimal: „Frauenkäferl, flieg' über den Rhein und frag unsere liebe Frau, ob's heut' und morgen schön wird sein". Fliegt er wenigstens das dritte Mal auf, wird es schön140). Ähnlich in Frankreich (Loiret) 141 ) und in anderen Gegenden Deutschlands 142 ). Tötet man den M., wird schlechtes Wetter 1 4 S ). Aus der Anzahl der Punkte auf den Flügeln erfährt man den Preis der Ernte 144 ). Je nachdem er lange sitzt oder bald wegfliegt, prophezeit er ein langes oder kurzes Leben 14S). Auch als Zeitmesser dient er. Man beginnt zu zählen, und die Zahl, bei welcher der M. wegfliegt, gibt die Stunde an 14i ). Ferner erhält der Mensch von ihm Auskunft über das Schicksal nach dem Tode. Fliegt er aufwärts, kommt man in den Himmel, abwärts, in die Hölle, geradeaus ins Fegefeuer 147 ). Auf seine divinatorischen Fähigkeiten deutet der italienische Name indovinello „Rätsel" (Genua, Siena) 14S ). In Belgien (Kapelle-op-denBosch) fragen die Kinder den M.: „Sag, wo unsere Seelchen wohnen sollen" 149) I Anderswo fragen sie ihn nach ihrem Sterbeorte 15°). 1S») R e i s e r Allgäu 2, 438. M0 ) Baumg a r t e n Aus der Heimat 1, 112 ff. l u ) S l b i l l o t Folk-Lore 3, 323. W u t t k e 114 § 151; D r e c h s l e r 2, 200. 143) M e y e r Germ. Myth.

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Marienkäfer

1699

113- 14< ) M a n n h a r d t Germ. Mythen 251 f.; S t r a c k e r j a n i, 106; V e r n a l e k e n Mythen 3 1 6 ; W u t t k e 205 § 282. 1 M ) S t r a c k e r j a n 1, 106; Zingerle Johannissegen 216; W u t t k e 205 §282. " • ) S e e f r i e d - G u l g o w s k i 1 3 3 ; S é b i l l o t Folh-Lore 3, 323. " ' ) W u t t k e 205 § 282; K u h n Westfalen 2, 78 Nr. 2 3 6 g . ; Germania 19, 71. l l g ) Garbini Antroponimie 1 2 1 3 . l " ) de Cock Volksgeloof 144. 1 M ) A. a. O.

10. L i e b e s o r a k e l . Ganz allgemein heißt es: Fliegt einem ein M. zu, hat man Brautglück (Unterstraß-Zürich)lB1). In Westfalen fordert man den M. auf, die Braut zu holen: Flüch över mines nabers hus, locke mi de brut herut 1B2 ). In Schweden sagt das Mädchen, auf dessen Hand sich ein M. setzt: er mißt mir Brauthandschuhe an (hon märker mig brudkandskar) 1M ). Ein englischer Volksreim, der an den M. gerichtet ist, endet mit den Worten: Fly where the man is found I love the best 1 5 4 ). Ähnlich in Nordamerika 1M ). Entsprechend die bergischen Namen: brutvöelchen, ke(n),

brüthänsken,

= Braut) 1 6 8 ).

brockföjelschen

brätwörm(brock

Vgl. in Sässari für den

M. amorän „Liebhaber"

167

).

Vielfach setzen die heiratslustigen Mädchen den M. auf die flache Hand (daher in Berry manivole1S8)) und achten, wohin er fliegt; aus dieser Richtimg kommt der Bräutigam 189 ). Die sardischen Mädchen (Logudoru) bitten den M., ihnen den Trauring zu bringen ieo ). Entsprechend der Name des M.s in Chieti: celle ( = uccello) d'amore „Liebesvogel" 181 ). In Collbató (Katalonien) flehen die Mädchen den M. um einen Bräutigam an, gleichgültig ob er ihn aus Ost oder West bringt 162 ). Im Anhaltischen heißt es von einem Mädchen, dem ein M. auf die Nase fliegt, es werde bald einen Mann bekommen m ) . In der Provence deutet es auf Heirat, wenn der M. gegen einen jungen Mann fliegt, fliegt er jedoch gegen eine Kirche, wird das Mädchen eine Nonne 181 ). Auch das Jahr der Heirat gibt der M. kund. Das Mädchen setzt den M. auf die Spitze des Zeigefingers und beginnt zu zählen. In dem Jahre, bei dessen Nennung der M. fortfliegt, wird die Hochzeit stattfinden 145 ). Formeln zur Befragung des M.s über Möglich-

1700

keit und Ort der Hochzeit sind auch in Frankreich üblich 16S ). 161 ) SchwVk. 3, 74. Wolf Beiträge 2, 449. I63 ) M a n n h a r d t op. cit. 252. 1 M ) Ebd. lss 1M ) K n o r t z Insekten 145. ) Leithaeuser Volkskundliches I 1, 23. " ' ) G a r b i n i op. cit. 16 1216. ') R o l l a n d Faune 3, 350. " • ) D r e c h s ler 2, 2 2 1 ; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 106; W u t t k e 205 § 252; Grohmann Aberglaube 83 f. l8 °) Garbini op. cit. 1216. 1«) G a r b i n i op. cit. 951. 162 ) Gomis Zoologia 467 Nr. 1840. i«3) W i r t h Beiträge 4—5, 30. 1 M ) S é b i l l o t Folk-Lore 3, 322; R o l l a n d Faune 3, 353. l « ) ZfdMyth. 2, 94; K u h n Westfalen 1, 79 Nr. 239; ZfrwVk. 1906, 8 1 ; de Cock Volksgeloof 1, 144. 16> ) Sébillot op. cit. 3, 322.

1 1 . Glückszeichen. Der M. wird allenthalben als Glücksbringer (vgl. ital. •porta-fortuna [Trient, Genua], fortuna [Modena] ) 1OT ) aufgefaßt. Wenn der M. einem zugeflogen oder zugekrochen kommt, sich auf die Hand oder das Kleid setzt, ist dies ein Glückszeichen188). Erblickt man in Lothringen neben den Weinstöcken M., so wird der Wein gut 1 8 '). Im Département de la Creuse hängt man die M. den Kindern als Amulette um den Hals 17 °). Man darf den M. nicht töten, denn dies brächte Unglück 171 ). Auch das bloße Abschütteln des M.s gilt als unheilbringend172). Wollen in der Pfalz Kinder dieses Tierchen töten, ruft man ihnen zu: „Tu's nicht! Der liebe Herrgott schlägt Dir sonst einen Nagel in den Kopf" 1 7 3 ). 1OT ) Garbini op. cit. 1212. 168 ) SchwVk. 5, 2; J o h n Westböhmen 222; Meyer Baden 56; Grohmann Aberglaube 84; W u t t k e 205 § 282; Unoth 1, 187 Nr. 145; J o h n Oberlohma 164; S é b i l l o t Folk-Lore 3, 324; S e e f r i e d - G u l g o w s k i Kaschubei 180; L a u b e Tepliiz 5 1 ; S t r a c k e r j a n Oldenburg 1, 106; B a r t s c h Mecklenburg 2, 184. w ) S é b i l l o t op. cit. 3, 325. 17 °) R o l l a n d Faune 3, 358. 1 7 1 ) M e y e r Baden 56; ZföVk. 13, 1 3 3 ; Grohmann Aberglaube 233; ZfVk. 10, 2 1 1 ; S t r a c k e r j a n 2, 176; Drechsler 2, 100; Meier Schwaben 223; K u h n Westfalen 2, 79; M a n n h a r d t Germ. Mythen 2 5 1 ; W i r t h Beiträge 4—5, 30; K n o r t z Insekten 144; W u t t k e 1 1 4 § 1 5 1 . 171 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 184; Wolf Beiträge 1. 233; W u t t k e a. a. O. 1 M ) K n o r t z Insekten 144.

12. M. und Kuh. Besonders interessant, da auf mythische Zusammenhänge weisend, ist der Volksglaube, die Kühe im Stalle gäben rote Milch, wenn man

Marienminne

einen M. tötet 1 7 4 ). Man vergleiche zu den oben angeführten noch folgende Namen: Mutiergottesküele17S), norm.vaque au boen Dieu17e), span. vaquilla de Dios177), rumän. vaca-Domnului178), sard. bacca ( = vacca) de santu Joanni179), acca e Deus „Gottes Kuh" 1 7 9 ), bacca de donnu mannu Deu „ K u h des großen Herrgotts" 179 ). Auch auf die Rolle einer göttlichen Hirtin (s. weiter oben) sei hingewiesen. i' 1 ) ZfdMyth. 3, 29; ZfVk. 1, 290. 449; H o v o r k a - K r o n f e l d 1, 290. 449; V o n b u n Beiträge 115. 17s ) ZfdMyth. 3, 29. «•) R o l l a n d op. cit. 3, 349. 177 ) Ebd. 178) H i e c k e Rumän. Tiernamen 139. 1 7 ') G a r b i n i op. cit. 965.

13. T o d e s z e i c h e n . Im Gegensatz zu der gewöhnlichen Art des M.s gilt der schwarzgefärbte M. (in Verona galineta del diaolo „Teufelshühnchen") 180 ) als Todesbote 181 ). 18°) G a r b i n i op. cit. 520. 308.

1M)

H ö h n Tod

14. V o l k s m e d i z i n . Für die Volksmedizin hat der M. nicht viel zu sagen. Das dottergelbe Blut des zerquetschten Insekts soll Zahn- und Gesichtsschmerzen stillen 182 ). Man glaubte nämlich früher, im M. sei Opium enthalten 183 ). Man verwendet ihn noch gekocht gegen Tollwut 184), gepulvert, mit Pottasche vermengt, gegen Keuchhusten 18S ) sowie als Reizmittel der Harn- und Geschlechtswege 186). Fängt man ihn am Johannistag (24. Juni), so schützt er während eines ganzen Jahres gegen Kopf- und Zahnschmerzen (Belgien) 187 ). 182) ZfrwVk. 1914, 164; N e t o l i t z k y Käfer 128. "*) A. a. O. "*) ZfVk. 4, 403. 185) L a m m e r t 140. 1M ) N e t o l i t z k y a. a. O. l87 ) R o l l a n d Faune 3, 358.

Zusammenfassung. Der M., wie kein anderes Insekt mit einem Schimmer von Poesie umwoben, die sich in einer "bunten Fülle volkstümlicher Namen auswirkt, hat unleugbar große mythische Bedeutung. Der Versuch der älteren Mythologen, diese in der altnordischen Götterwelt zu verankern, ist wohl nicht gelungen, da die als beweiskräftig angeführten Namen sich ähnlich auch bei nichtgermanischen Völkern finden. Mythische Beziehungen zur Sonne sind sicher,

1702

zu Mond und Abendröte wahrscheinlich. Der M. vermittelt als elbisches Wesen den Verkehr des Menschen mit dem Jenseits, aus dem er Gaben und Kinder bringt. Hervorragend sind seine divinatorischen Fähigkeiten, gerne wird er in erotischen Dingen befragt. Vom Heidentum übernahm ihn das Christentum und erhöhte noch seine Bedeutung, indem es ihn in den Schutz Gottes und namentlich der h. Jungfrau stellte, die möglicherweise die Vertreterin einer heidnischen Gottheit ist. Als gottgeweihtes Tier erfreut er sich der größten Schonung. Riegler.

Marienminne.

1. Ein Minnetrunk 1 ) zu Ehren der Mutter Gottes ist uns in zweifellosen Zeugnissen nur aus Skandinavien belegt. Hier wird der Brauch der mariuminni öfter in Quellen frühchristlicher Zeit erwähnt 2 ), und einzelne Gilden retten ihn in spätere Jahrhunderte hinüber. So pflegte eine dänische Erichsgilde die Minne Christi, Mariä und Erichs, eine norwegische Olafsgilde die Minne Christi, Mariä und Olafs, eine andere nur die Mariä und Olafs zu trinken 3 ). 1 ) Vgl. Minne. 2) Vgl. H o o p s Reallex. 3, 228. 3) E. H. M e y e r German. Mythologie 186; vgl. auch T y l o r Cultur 1 (1871), 87.

2. Für Deutschland möchte S a u p e durch eine Konjektur, die er in § 19 des Indiculus superstitionum vornimmt, die Sitte belegen 4 ). Die fragliche Stelle lautet nach der Überlieferung: de petendo, quod boni vocant sanctae Mariae. Diese Lesart hält Saupe für verderbt und möchte hinter Mariae die Übersetzung für„Minne" amorem, einfügen. Soweit ich sehe, liegt dazu kein Anlaß vor; auch ohne amorem ist die Stelle verständlich, wenn man an Mariengebete denkt. Außer diesem höchst zweifelhaften Zeugnis liegen aus Deutschland keine Beweise für das Bestehen einer Marienminne vor, womit freilich nicht gesagt ist, daß eine solche Sitte in frühchristlicher Zeit nicht bestand. Neben der gut bezeugten Christusminne (s. d . ) ist auch eine Marienminne sehr wohl denkbar. *) S a u p e Indiculus 25.

Mackensen,

54*

1703

Markus

Markus, Evangelist, anfänglich Begleiter des hl. Paulus, später des hl. Petrus, verkündete nach der Überlieferung in Aquileja und andern Städten Italiens das Evangelium, später in Afrika, Gründer und erster Bischof der Kirche in Alexandrien, angeblich 67 unter Martern getötet 1 ). Seine Reliquien wurden 829 nach Venedig übertragen, das ihn zum Patron erwählte (Markusdom). Abgebildet mit dem geflügelten Löwen2). Eine Reihe venezianischer Sagen knüpfen sich an seinen Namen; am berühmtesten ist die Ringsage. Der Heilige wurde Patron der venezianischen Flotte und in Gefahren angerufen; sein Name galt als Losung in der Schlacht. Früher wurde er auch als Schutzheiliger gegen unbußfertigen, d. i. plötzlichen Tod angerufen ®). Der Tag des Heiligen, der 25. April, erlangte mehrfache Bedeutung, besonders in der Landwirtschaft. Im allgemeinen fürchtete und fürchtet man den Tag wegen des schädlichen Wetters, das oft in seinem Gefolge ist. Daher die Volkssprüche: „Sanct Marx bringt oft viel Args'*4) oder „Jörg (Georg, 23. April) und Marx — bringe vil Args" 6). Man zählte und zählt ihn auch zu den Losoder Wettertagen. Es heißt z. B.: „Sanct Markus kalt, ist auch die Bittwoch kalt" *). Auch das Erntewetter wurde oder wird nach ihm vorausgedeutet: „Was St. Markus für Wetterhält, So ist's auch in der Ernte bestellt" oder „So ist's das ganze Jahr bestellt" 7 ). Schönes Wetter am M.tage läßt auf reiche Weinlese 8) hoffen. Man sagte und sagt, daß die Frösche •), solange sie vor M.tag schreien, solange nach ihm schweigen, d. i. regnerisches Wetter sein wird. „Wenn nach St. M. (oder Mauritius, 26. April [26. April? welcher Mauritius?]) der Mond beim Abnehmen mit dem Saturn zusammentrifft, wird wenig Wein 10 ) wachsen". Man achtete an dem Tage auf die Höhe des Korns; es sollte so hoch sein, daß sich eine Krähe darin verstecken könnte 11 ). Einzelne landwirtschaftliche Vorschriften waren und sind ein weiterer Beweis für die Bedeutung des Tages. Kürbiskerne sollen an ihm vor Sonnen-

1704

aufgang gesteckt werden u ) . Erbsen, an ihn gesät, werden markig 13 ), ein hübsches Beispiel naiver Buchstabenexegese. Am M.tage ließ man Salz weihen, das man dem Vieh vor dem ersten Austreiben auf die Weide ins Futter streute 14 ). Die Liturgie des hl. M. bittet um „reichen und fruchtbaren Regen, daß die Erde Früchte hervorbringen und große Fruchtbarkeit zeigen könne" 15 ). In ländlichen Gegenden ist der Tag heute noch ein halber Feiertag, indem an ihm eine den Rogationen ähnelnde Bittprozession " ) , die sog. litania maior, abgehalten wird. Diese ist freilich in ihrem Ursprung älter als der M.tag und steht zu dem Feste des Heiligen oder zu diesem selber in keiner inneren Beziehung. Der Tag, an dem die M.prozession veranstaltet wird, ist derselbe, an dem im heidnischen Rom die Robigalia 17 ) mit festlichem Umzug begangen wurden, um für die reifende Saat den Schutz der Götter zu erlangen. Ähnliche Flurumgänge als öffentliche Kultakte, mittels deren das Gedeihen der Feldfrüchte erfleht werden sollte, gab es auch bei den Galliern und Germanen. Seit dem Beginn des 9. Jh.s wurden diese in Deutschland durch die M.prozession (und die Bittprozessionen an den drei Tagen Montag, Dienstag, Mittwoch vor Christi Himmelfahrt) ersetzt 18 ). In den ländlichen Pfarrgemeinden zieht die M.prozession frühmorgens durch die Gemarkung des Dorfes, in den städtischen durch die Kirche. Während des Umzuges wird die Litanei von allen Heiligen gesungen. Der Landmann erwartet von ihr und dem Tage eine günstige Wendung des Wetters 18 ). Man fürchtete, daß in der Nacht zum M.tage Dämonen20) den Fluren schadeten; deshalb wurden ehemals am M.tage Kranwitt (Wacholder)feuer angezündet21). Der Name des hl. M. erscheint auch in alten Wettersegensformeln **), desgleichen in einer Beschwörungsformel beim Ausgraben der Wurzel28) des Eisenkrautes, weiter in Segensformeln für Mütter24), gegen Augenleiden 2S), beim Gottesurteil28) und beim Exorzismus 27), in diesen letztea

1705

Markstein—Mart erwerkzenge Christi

Fällen anscheinend deshalb, w e i l in diesen Formeln die v i e r E v a n g e l i s t e n überhaupt angerufen werden. J u n g e L e u t e w a c h t e n in der N a c h t z u m M . t a g e i m P o r t a l der K i r c h e und sahen d a n n die Geister derer, d i e im k o m m e n d e n J a h r s t ü r b e n l ) AA. SS. Aprilis III 347; K e l l n e r Heortologie 225; S a m s o n Die Heiligen als Kirchenpatrone 292 s . ; K o r t h Die Patrotinien im Erzbistum Köln *) K ü n s t l e Ikonographie der Heiligen 434; N o r k Festkalender 303. *) L a s i c i u s de diis Samagitarum 16—18 ( M a n n h a r d t 93—95); S a m s o n a . a . O . 294. Über andere Patronate (für Korbmacher, Maurer, Notare und Schreiber sowie gegen Krätze u.a.) vgl. D o y é Heilige und Selige der römisch-kath. Kirche 1, 752. Marzipan wird irrig als Marci panis, Markusbrot, gedeutet. 4 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 169. 4) H o f f m a n n - K r a y e r 152; SAVk. 9, 217L •) L e o p r e c h t i n g a . a . O . 169; Bittwoche die Tage Montag, Dienstag und Mittwoch vor Christi 7) Himmelfahrt. K ü c k Wetterglaube 66. «) ZföVk. 4 (1898), 145: Unterkrain. •) R e i n s b e r g Böhmen 201; F o n t a i n e Luxemburg 43; ZfVk. 4 (1894), 401: Ungarn; D r e c h s l e r 1, 108: Schlesien; ZfrwVk. 2 (1905), 300: Nahetal. I0 ) R e i n s b e r g Böhmen 201. Mauritius 26. April irrig. n ) F o n t a i n e Luxemburg 43. **) D r e c h s ler 1, 108; 2, 55 (Schlesien). »*) W u t t k e 420 (655); G e r a m b Knaffl 48; Bavaria 4, 2, 379. 14) S a u v é Le folklore des Hautes-Vosges ) ZfVk. 12, 68 (ähnlich am Neujahrstage). 61) S a r t o r i 3, 271 A. 38. 62) W o l f Beitr. 1, 45; H a r t m a n n Westfalen N. F. 47; Sommer Sagen 161; J ü r g e n s e n 60. 63) S a r t o r i 3, 266 A. 12. 64) K ü c k u. S o h n r e y 190. 65) S a r t o r i 3, 265 fi. 6G) ZfVk. 4, 406. 67) S a r t o r i 3, 266 f. A. 14. 68) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 226. 60) G r i m m Mythol. x, 49; W o l f Beitr. 2, 96; P f a n n e n s c h m i d 226 f. ,0 ) John Westb. 208. Andere herkömmliche Speisen: P f a n n e n s c h m i d 5 0 3 ! Über den M.skohl: HessBl. 9, 186. S. auch Martinshörner. 71 ) Z i n g e r l e Tirol 179 (1499: Palu). " ) R e i s e r Allgäu 2, 174. 73) S a r t o r i 3, 268 f. Nach J ü r g e n s e n 16ff. haben M.svogel (s.d.) und M.skuh wenigstens als Masken im Zuge ihren Platz gehabt.

7. Zu M.i machen sich Geister besonders bemerkbar. Der Wilde Jäger zieht um 74 ) und die Wilde Fahrt 75 ). Bei Bodenstadt reitet in der Nacht der Jäger Naz, ein Wildschütz, vorbei; wer die Pferde trappen hört, stirbt in diesem Jahr 76 ). In Tirol fliegt der Alber (in einigen Gegenden heißt er auch St. M.svogel), eine Art feuriger Drache, herum und verbrennt das Gras, das aber nach sieben Jahren um so fetter gedeiht. Kommt er in die Nähe eines Dorfes, so bedeutet das ein großes Unglück 77 ). Auch der „wilde Ochsner" treibt sein Wesen78). Das „Kasermannl" zieht um M.i lärmend von der Alpe ab 79 ), und das „M.sgestämpfe" bezieht die verlassenen Sennhütten80). Zur Verscheuchung böser Mächte werden die bekannten Mittel (Peitschenknallen,

Martin von Amberg—Maxtinsfeuer Glockenläuten) a n g e w a n d t 8 1 ) . Nachgeahmt und dadurch verjagt werden die Dämonen auch durch die lärmenden U m züge vermummter Gestalten 82 ). u ) John Westböhmen 99. 76) Z i n g e r l e Sagen 7. 9 f. '•) WZfVk. 33, 91. " ) Hörmann Volksleben 199 f. '«) Ebd. 201. '•) Ebd. 202. Zingerle Tirol 179 (1490); Ders. Sagen 65 f.; Panzer Beitr. 2, 40; Wolf Beitr. 2, 330. Nach andern auf die Alp: Zingerle Sagen 65 (100); A l p e n b u r g Tirol 134. Es wird in die Alm eingeglöckelt und zu Georgi, wenn die Leute zur Alm ziehen, ausgeglöckelt: V e r n a l e k e n Alpensagen 197. 80) Meyer German. Myth. 132. 254. 257. M ) S a r t o r i 3, 272 t. 8a) Ebd. 3, 270; V e r n a l e k e n Alpensagen 197; ZfVk. 9, 265. Auch diese Umzüge werden als „Martinsgestämpfe" bezeichnet: Geramb Brauchtum 95 f.; Hörmann Volksleben 202. Sartori. Martin von Amberg s. V i n t l e r , H . Martin von Bracara, geboren u m 515 in Pannonien, seit etwa 550 in Nordspanien tätig, erst A b t von Dunium, dann Erzbischof von Bracara (heute Braga), als solcher gestorben 580. Verfasser ethischer Schriften und Übersetzer von Werken der griechischen Mönchsliteratur ins Spanische und Lateinische. Praktisch tätig war er als Bekehrer und Seelsorger in der Bauernbevölkerung Nordspaniens, worüber wir Äußerungen v o n ihm selbst und Nachrichten bei Gregor von T o u r s l ) besitzen. Dieser Tätigkeit entsprangen 1. seine auf der zweiten Synode von Bracara 572 verlesenen Capitula 2 ), von denen die wichtigsten Nr. 59.68. 69. 71. 72. 74 sind, — 2. seine Schrift de correctione rusticorum 3), eine für den Bischof Polemius von Astorga verfaßte Musterpredigt. Beide Werke wenden sich u. a. gegen das im Volke noch lebende Heidentum mit interessanten Angaben über einzelne Erscheinungen: Neujahrsmahl, Weihnachtsklotz, A n g a n g , Quellopfer, Besegnungen und Zauber (incantaturae et ligaturae), Totenspeisung, Opfer an den Totengott und anderes. Der Wert dieser Angaben als Quellen unserer Kenntnis v o m germanischen Heidentum ist, wie überall, so auch hier zweifelhaft. Einerseits steht die Nationalität der Bevölkerung nicht sicher fest: während man meist an Mischung von

1716

Sueven und Romanen denkt, betrachten andere die rustici lediglich als romanische Bauern und halten die Annahme der Suevenbekehrung für eine haltlose H y p o these 4 ). Ferner sind die Angaben auch hier z. T . aus fremden Quellen übernommen: nach M.s eigenen Worten übersetzte er einiges aus dem Griechischen 6 ), für anderes k o m m t trotz B o e s e 6 ) g e w i ß Caesarius von Arles als Quelle in B e tracht 7 ), wenn auch der U m f a n g der Abhängigkeit noch nicht feststeht u n d von Boudriot auch wohl etwas überschätzt wird. M.s Capitula sind später mehrfach benutzt worden, gelegentlich dabei falsch zitiert, so bei Burchard von Worms als Decreta des Papstes Martianus 8 ). Pirmins D i c t a zeigen Abhängigkeit von der Schrift de correctione, wenn nicht M. und Pirmin auf dieselbe Quelle, zurückgehen '). ') Histor. Franc. V, 37. *) ed. Migne Patrol. lat. 81, 574—586. 3) Hrsg. von C. P. Caspari, Christiania 1883. *) ARw. 20, 116 f. ') Capitula, Einleitung. *) Superst. Arel. S. 20. ') ARw. 20, 115; B o u d r i o t Germ. Rel. 14. •) z . B . B u r chard 10, 15. *) B o u d r i o t a . a . O . Helm. Martinsfeuer. Bei den a m Martinsabend hauptsächlich am Niederrhein im Freien angezündeten F e u e r n x ) spielen sich im großen und ganzen die auch bei den andern Jahresfeuern üblichen Bräuche ab2). Beim Sammeln der Brennstoffe verheißen die K n a b e n wohl, daß sie den Gebern die Flöhe verbrennen w o l l e n s ) oder daß deren Korn am ersten reif werden solle 4 ). Die Feuer werden von den Jüngstvermählten in B r a n d g e s e t z t s ) . Während des Abbrennens ließ man auch feurige Räder ins Tal rollen und lief mit brennenden Strohfackeln u m h e r 6 ) . Die Asche streute man über die Wintersaat, was die Felder vor Schneckenfraß schützen sollte 7 ). So weit das Feuer seinen Schein wirft, oder der R a u c h getrieben wird, ist das Feld im nächsten Jahre fruchtbar 8 ). Eigentümlich ist, daß im M. oft K ö r b e verbrannt werden zum Zeichen, daß die Ernte vorüber ist 9 ). In Mersch zündeten die Einwohner nach Beendigung des Martinsgastmahles auf dem Pflaster

Martinsgans

der Küche ein Feuer an, legten einen Korb darauf, und wenn dieser in Flammen aufging, mußte die Frau des Hauses über dieses Feuer springen oder hindurchgehen; man nannte das „den Sommer verbrennen"10). In der Gegend von Dortrecht und Leiden wurden die von den Kindern eingesammelten Äpfel, Nüsse, Mispeln, Kastanien und Kuchen in Körbe getan, die sie auf das Feuer setzten, und sobald sie anfingen zu brennen, umwarfen, so daß der Inhalt auf die Erde rollte und nun alle darüber herfielen u ) . Für diese Bräuche ist wohl weniger der Gedanke eines Ernteopfers maßgebend als vielmehr der Wunsch der sichtbaren Erledigung eines Zeitabschnitts, der Verbrennung des Sommers12), oder es ist gar ursprünglich auf die Tötung des Vegetationsgeistes abgesehen gewesen13). Abgeschwächt erscheinen die M. in den (oft in Kürbisse gesetzten) Lichtern, Fackeln und Laternen, mit denen die Kinder durch die Straßen ziehen, sowie in den Kerzlein, über die sie hinwegspringen und die auch wohl reinigendem Zauber dienen sollen w ). In Heiligenstadt läßt man unter Glockenläuten und Peitschenknallen Nußschalen mit Lichtern den Bach hinabschwimmen1S) (s. Lichterschwemmen).

einen Korb mit einer Lumpengans: ZfrwVk. 23, 80. Vgl. Martinsgans. 1 4 ) S a r t o r i 3, 272; ZfVk. 28, 1 3 f . ; ZfrwVk. 23, 80. » ) S a r t o r i 3. 273. Sartori.

Martinsgans.

1. Zum eigentlichen Attribut Martins ist die Gans nicht geworden 1 ). Das früheste Zeugnis einer Beziehung des Heiligen zu ihr steht in den Annales Corbeienses, nach denen i. J. 1171 Othelricus de Swalenberg der Abtei von Corvey an seinem Feste eine silberne Gans geschenkt hat 2 ). Seit dem 14. Jh. schildern Martinslieder das Verspeisen der Gans als Festbraten am Martinstage 3). Da das Martinsfest die Züge eines alten Erntefestes trägt, so wird die Gans ursprünglich den Vegetationsgeist verkörpert haben, der getötet, verzehrt und dadurch nutzbar gemacht werden muß 4 ). Denselben Sinn hat dann wohl auch das zu Martini vielfach übliche Gansreiten, -reißen, -schlagen6). Die Gans erscheint ja auch sonst bei herbstlichen Festen (Michaelis; Kirmes)6). Jürgensen will ihre Rolle beim Martinsfeste daraus erklären, daß sie ein dem Mars heiliger Vogel gewesen sei 7). In Oberösterreich trieb man am Martinstage keine Gänse aus, weil jeder das Recht hatte, sie wegzunehmen 8).

*) Das ist vielmehr der Bettler: K ü n s t l e Über ihr Verbreitungsgebiet: J ü r g e n s e n Ikonographie 440. Doch soll sich auf alten Mariinslieder 27; im Rheinlande: ZfrwVk. 23, 67. Bildern eine Gans neben dem Bischof Martin 68. 69. 71; A u b i n - F r i n g s - M ü l l e r Kulturhäufig finden: J a h n Opfergebr. 232. 2 ) Ebd. J)

strömungen u. Kulturprovinzen in den Rheinlan-

den 210 ff. In Münster i. W . werden M. auf den Straßen am 2.Oktober 1705 verboten: ZfVk. 5, 176. Wegen der vielen Feuer am Martinstage hieß dieser nach einer Urkunde des Grafen Friedrich zu Moers v. J . 1448 Funkentag: J a h n

232; W o l f Beitr. 1, 47; J ü r g e n s e n Martins-

lieder 62 f. s ) S a r t o r i Sitte 3, 267; B r o n n e r Sitt' u. Art 258 ff.; J ü r g e n s e n 62 ff.; H e c k s c h e r 421 f.; J a h n Opfergebr. 231 ff.; ZfVk. 28, 1 ff. Die Gans als Martinsbraten findet sich auch in vielen außerdeutschen Ländern: 2 Opfergebräuche 241. ) S a r t o r i Sitte 3, 271 f . ; J ü r g e n s e n 62. *) ZfVk. 28, 4 ff.; S a r t o r i 3, W r e d e Rhein. Volksk? 281 f.; ZfVk. 28, 8ff.; 267 A. 18. Vgl. auch Martinsfeuer A. 13. H e c k s c h e r 375; N o r k Festkalender 2, 681 f . 5 ) J a h n Opfergebr. 234; B r o n n e r 261 f.; S a r 3) ZfrwVk. 12, 262 (Trimbs, K r . Mayen). t o r i 3, 268 A. 18; J ü r g e n s e n 64t.; H o f f 4 ) Ebd. 2, 89 (Ahrgebiet). 5 ) ZfVk. 28, 13. m a n n - K r a y e r 95; L ü t o l f Sagen 562 (600); •) S a r t o r i 3, 271; J ü r g e n s e n 30. ') J a h n P a n z e r Beitr. 2, 43. •) J a h n Opfergebr. 233. 8 7) Martinslieder 69 ff. Dagegen C l e m e n in Opfergebr. 240. ) Ebd. 241 (Montabaur). 9 ) S a r t o r i 3, 272 A. 42; W r e d e Rhein. Volksk.2 ZfVk. 28, 3 A. 2. 8 ) B a u m g a r t e n Jahr u. s. 282;

Ders.

Eifeler

Volksk,2

227.

10)

Fon-

t a i n e Luxemburg 80. u ) P f a n n e n s c h m i d Erntefeste 213. Anderswo (Düsseldorf, Dortmund) hängte man eine Tüte mit Obst und Zuckerwerk an die Zimmerdecke und zündete sie an, so daß der Inhalt herunterfiel: S a r t o r i 3, 273 A. 44. ZfVk. 28, 12 f. 13 ) Ebd. Noch heute hängt man in den Märtesbaum, der in Cobern (Kr. Coblenz) im M. verbrannt wird.

Tage 31.

Vgl. J ü r g e n s e n 50.

2. Die verschiedenen Teile der geopferten M. besitzen große H e i l k r a f t . Schriftsteller des 17. und 18. Jh. zählen ganze Reihen von Krankheiten und Gebrechen auf, gegen welche die verschiedenen Teile der Gans helfen sollen 9). In

Martinsgerte- -Martinshorn

1719

Ungarn gilt ihr Fett als gut gegen Gicht, ihr Blut gegen Fieber. Eine Feder ihres linken Flügels soll man zu Pulver brennen und in Wein gemengt Epileptischen eingeben. Nagelt man ihren linken F u ß ans Haus, so ist dieses vor Feuersbrunst und anderem Unglücksfall gesichert 1 0 ). In Böhmen zerlegt der Hausherr den Braten stets selbst, gibt dem Gesellen und der Großmagd ein Bein, dem Lehrling oder dem Knecht und der Magd einen Flügel, damit die ersteren tüchtig laufen und arbeiten, die zweiten aber bei ihrer Arbeit fliegen11). Dort legt man auch die Schuppen oder Häutchen von den Gänsefüßen häufig in den Schuh, um sich gegen Schweißfüße zu schützen, oder zwischen die Zehen, um keine Hühneraugen zu bekommen 1 2 ). u

») J a h n Opfergebr. 234. ) R e i n s b e r g Böhmen 503.

10 )

12 )

Z f V k . 4, 406. Z f V k . 28, 7.

3. Aus dem B r u s t b e i n der M. werden W e i s s a g u n g e n auf die W i t t e r u n g des kommenden Winters entnommen 1 S ). Wenn seine Farbe rötlich ist, so ist strenge Kälte, ist sie weiß, milde Witterung zu erwarten. Weiße Flecke auf dem Gänsebein oder Bock (d. i. der Rückenknochen) bedeuten Schnee und mildes Wetter, rote (braune) aber Frost 1 4 ). Wenn der Brustknochen rein weiß ist, gibt es einen schönen, schneereichen Winter, wenn er schmutzig grau ist, einen „ f l a u e n " " ) . Die „Wiegen" an der M. soll nassen oder trockenen Sommer bedeuten, je nachdem viel oder wenig Weißes daran i s t " ) . Wenn das G e f i e d e r fest sitzt, folgt ein schwerer Winter (polnisch) 17 ). In Böhmen nimmt nach dem Verzehren der M. der Hausherr einen gabelförmigen trockenen Knochen und läßt die Hausfrau daran ziehen. Wer den kürzeren Teil in der Hand behält, s t i r b t vor dem anderen 18 ). " ) J a h n Opfergebr. 235 f.; S a r t o r i 3, 268; G r i m m Mythol. 3, 433; Mitteil. Anhalt. Gesch. 14, 17; Z f V k . 28, 7 Anm. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 221. Teilweise umgekehrt: W l i s l o c k i Magyaren 65. 15 ) S c h n i p p e l O s f - w . Westpreußen 2, 23. " ) Z f V k . 23, 61 (9). " ) K n o o p Posen 334. u ) H e i n s b e r g Böhmen 503 f.

4. Erwähnt mag noch werden, daß in einer Tiroler Sage aus dem Vinschgau erzählt wird, wie in der Martinsnacht

I72O

hinter der wilden Jagd zwei leere Schuhe und zuletzt eine krumme Gans dahergewackelt kommen w ) . " ) Z i n g e r l e Sagen 7. Vgl. M e y e r German. Mythol. 256. Sartori.

Martinsgerte s. W a c h o l d e r . Martinshorn (vgl. Kipf). 1. Gebäckspenden am Martinstag sind häufig; besonders an die Kinder, die in feierlichem Umzug Gaben heischen: Pfannenschmid hat die Belege für diese Sitte gesammelt : Die Kinder singen die bekannten Martinslieder und bekommen Eier, Speck und Kuchen. A m Martinstag verteilte man früher unter dem Rathause von Solothurn Brot und Wecken; das Mahl war aus dem Zehentkorn der Gemeinde hergestellt 2 ). In der „Mardesnacht" verteilten die Zöllner am Isartor in München die sehr langen Rauchwecken s ). Ähnliche Spenden sind auf den Michaelistag üblich 4 ). In Steinberg (Amt Laupheim) werden in der Martin- und Michaelisnacht die Kinder befreundeter Familien mit Küchlein und Fleisch bewirtet 5 ). In Schlesien kennt man das „Kuchaknalla" (Kuchenknallen): der Märte verteilt Gebäck in Hornform 9 ). In Eßlingen gab es Martini 1516 Bubenschenkel 7 ). In Brabant kennt man als Martinsgebäck die Eierkuchen, in Brüssel die „gateaux de St. Martin", ein Waffelgebäck 8 ). In Straßburg und Heidelberg bäckt man die „Martinibretstellen" •). In Martinszell werden die „Martinslaible", kleine Semmelbrötchen, geweiht und verschenkt 10 ). In Hindelang weiht und verkauft man die kipfartigen „Martesgiga" 1 1 ). In Württemberg gab man früher den Dienstboten die „Märtesküchle" und den „Märteslaib" 1 2 ). Erntefeste 206. 407—74. 512; die ganze ältere Literatur über die Martinsgebäcke bei J a h n Opfergebräuche 251 A. 1 ; S a r t o r i Sitte 3, 268; dazu S c h u l t z Alltagsleben 211; eine Monographie gab H ö f l e r in S A V k . 6, 22—29; vgl. Fastengebäcke 54; vgl. S i m r o c k Mythologie 551; S a r t o r i Westfalen 169; A l b e r s Jahr 291; G r i m m DWb.6,1688. ») S t a u b Brot 63; Schwld. 4, 427. ' ) H ö f l e r I. c. 26. 4 ) J a h n 1. c. 250. ' ) B i r l i n g e r Schwaben 2, 133. •) D r e c h s l e r i , 166; K u h n - S c h w a r t z 401, 123; S A V k . 6, 28 A . 30. 7 ) ZGeschOberrheins 2, 189 ff. 191. •) S A V k . 6,27. •) 1. c. 28; P f a n n e n -

Martinslied—Martinsminne s c h m i d Erntefeste 495 A. 25. 10 ) R e i s e r Allgäu 2, 174. u ) 1. c. 173; B r o n n e r Sit? und Art 260. ") K a p f f Festgebräuche 1. 2. D a s häufigste G e b ä c k an Martini ist besonders in Schlesien, Thüringen, Hannover und Schwaben das M., eine an diesem T a g besonders übliche Kipfart. Höfler denkt an ein ursprüngliches gehörntes Schlachtopfer, die ganze Argumentation ist aber sehr g e s u c h t 1 S ) , wie auch der Hinweis auf die Wodanböcke 1 3 *). E s gibt allgemein Martinshörner-Hörnchen, in der Schweiz Hirschhörnli 1 4 ), in A l t b a y e r n Bockhörnlibrot 1 S ). A u c h die Weißenburger Patenbrezeln sind wohl als Hörnchen z u denken w ) . In Böhmen bekommen die Viehwärter das M . 1 7 ) . I m Egerlande kennt man die „Merteshörnla" 18 ), im deutschen Böhmerwald in der Hartmanitzer Gegend die „Mirtahörndeln" 1 8 ). I n Westböhmen erhielt beim Abschied des Gesindes jeder das „ M ü r t a s h ö m l " 20 ). A m Martinstage stellen die Kinder der Halloren K r ü g e mit Wasser in die Saline. Die Eltern gießen heimlich das Wasser aus und füllen die K r ü g e mit Most, legen auf jeden ein M., verstecken sie und heißen die Kinder den lieben Martin bitten, daß er ihr Wasser in Wein verwandle; dann gehen die Kinder abends in die Saline und suchen die Krüge, indem sie rufen 2 1 ) : Marteine, Marteine, Mach das Wasser zu Weine. In Mecklenburg heißen die Martinshörnle „Meisterbrot", weil sie der Schulmeister b e k a m 2 2 ) . Für Hannover bezeugt schon Eckhardt die Martenshörner 2 S ). Im Oberamt Gerabronn bekommen die Lehrer die ,,Märtesschifflich" 24 ). Besonders beliebt sind die M.er in Schlesien 2 5 ): D a s M. wird entweder zum Frühstück oder am A b e n d zum Punsch genossen 2 6 ). In Freudental kommt a m Vorabend von Martini der Heilige auf einem Schimmel und bringt unter andern Geschenken das Martinshörnl 2 7 ). M.er schenkt der P a t e dem Patenkind 2 8 ). Schon 1612 verlangt der Schlesier Calajus von einem Freund 2 '): Ansere praepingui tortis et cornibus horno Insuper implebis viscera nostra mero. ia ) SAVk. 1. c. 27; diese Annahme schon alt: P f a n n e n s c h m i d 1. c.; L o b e c k bringt die M.er

1722

mit dem griechischen Mondgebäck in Zusammenhang: Aglaophamus 2,1065; die volksetymologische Deutung stellt einen Zusammenhang mit dem Trinkhorn her, aus dem man am Martinstag trinkt: Wolf Beitr. 1, 45; vgl. B r o n n e r 1. c. u ») M a n n h a r d t Götter 185. ") Schweizld. 2, 1631. ") SAVk. 6, 26. ") 1. c. ") L i p p e r t Christentum

659.

")

John

Westböhmen

98.

") S c h r a m e k Böhmerwald 171. ") J o h n 1. c. 99. ") Sommer Sagen 161; Wolf Beitr. 1, 45. SAVk. 6, 26; in Grabow bekommen die Schüler nach altem Brauch „Kringel": B a r t s c h Mecklenburg 2,222. a) Commentarii x

rerumFranc.

« 435! J a h n 1. c. 250; W ö l f l , c. 1, 45; A n d r e e

Braunschweig

370.

")

K a p f f Festg.

1.

u)

D r e c h s l e r 1, 166; MschlesVk. 1906, H. 15, 14. 145. *•) P f a n n e n s c h m i d 1. c. 495. ") H e n n e

amRhyn

Die deutsche Volkssage

(1879) 525;

P f a n n e n s c h m i d I. c. 216; vgl. J a h n 1. c. 250. M ) D r e c h s l e r 1. c. x, 192. ") MschlesVk. 1926, 45; sonst heißen die M.er arculata: Grimm DWb. 6, 1688. Eckstein.

Martinslied. Bei den Schlemmereien des Martinstages fehlte es nicht an ausgelassenen Liedern; der größte Teil der uns seit dem 14. J h . erhaltenen gehört der Vagantenlyrik an 1 ). Außerdem aber sangen und singen im westelbischen Niederdeutschland, Holland und Flandern noch bis in die Gegenwart die Kinder, die Gaben heischend, oft mit einem Rummeltopf, von Haus z u Haus gehen, ihre Bettelgesänge, in denen sie um Eßwaren und Geld oder u m Brennstoff für ihr Martinsfeuer bitten 2 ). A u c h diese Lieder sind zum Teil recht alt. Für die in der Altmark gesungenen läßt sich ein A l t e r von mindestens 750 Jahren nachweisen ' ) . Martin selbst gilt dabei als Empfänger der Gaben 4 ). Doch ist namentlich im Norden Deutschlands das Gabensammeln oft weggefallen, und nur die U m z ü g e unter Liedern sind geblieben 6 ). A u c h ist in protestantischen Gegenden oft Martin Luther an die Stelle des h. Martin getreten. Über das in den Liedern oft vorkommende Vögelchen s. Martinsvogel. W. J ü r g e n s e n Martinslieder 47 ff. (Die älteste Erwähnung solcher Lieder stammt aus dem Jahre 1263.) *) Ebd. 3 ff.; Sartori 3, 268 f . ; W r e d e Rhein.

gensen n .

4

Volksk.« 278 ff. *) J ü r -

) Ebd. 38. *) Urquell 2, 200 ff. Sartori.

Martinsminne. Die M. nimmt insofern unter den einzelnen Minnekulten*) eine besondere Stellung ein, als sie in

1723

Martinsvogel

sehr früher Zeit dadurch, daß der Festtag des hl. Martin in die Zeit der alten Erntegelage fiel (11. XI.), eine so enge Verbindung mit diesen einging, daß in den meisten Fällen unentschieden bleiben muß, ob bei diesen üppigen Zechgebräuchen eine alte Minnesitte oder ein alter Emteschmaus die Keimzelle bildet. Noch beim S t r i c k e r l ) ist der alte Minnegedanken gut bewahrt, wenn es da heißt: süs trank er und die sine dem guoten sant Mertine ze liebe ünt ze minnen. Hier wird dem Heiligen ein Gedächtnisbecher im alten Sinne geweiht, in demselben Sinne, den nach der skandinavischen Legende der Heilige selbst meinte, als er in nächtlicher Vision Olaf Tryggvason anempfahl, in Zukunft nicht mehr f>örs und Oöins, sondern Christi und seiner Heiligen Minne zutrinken 3 ). Wenn dagegen O s w a l d von Wolkenstein singt: trinck Martein wein 'und gens iß *), wenn in württembergischen Klöstern 6) und Städten ®) am Martinstage der Martinswein als Almosen verteilt wird, wenn sich spätere Polizeiordnungen gegen die Martinstrünke wenden und sie verbieten 7 ), so erklärt man diese Zeugnisse wohl besser durch die besonderen Funktionen des Heiligen, der Patron der Gastwirte und Trinker ist 8) und dessen bacchischer Kult wohl aus Frankreich stammt 9 ), als daß man sie als Minnetrunk empfindet. Der Heilige, an dessen Festtag die neuen Weinfässer geöffnet, die fetten Gänse geschlachtet und verzehrt wurden, galt als Spender dieser guten Gaben, die man mit aller schuldigen Dankbarkeit gegen ihn genoß: da ist der alte Minnekultgedanke doch schon recht verflüchtigt und entstellt. Er lebt gelegentlich wieder auf; so im Domstift Würzburg, wo die Domherren am Martinstag feierlich die Minne des Heiligen ausbrachten 10 ), oder in Weinsberg, wo die Weingärtner auf ein gutes Weinjahr den M ä r t e l s w e i n trinken 11 ). Im Elsaß des 14. Jh. wurde in ähnlicher Weise das M a r t i n l o b t r i n k e n geübt 1 2 ), auch in Frankreich war die Sitte in älterer Zeit bekannt 13 ). Sie ist heute in Frankreich, Deutschland und Italien 14 ) fast völlig von jenen Gelagesitten zugedeckt,

1724

bei denen Martins allenfalls als des Spenders dieser Üppigkeit gedacht wird; das zeigen am besten die Martinslieder 1S ). Abergläubische Meinungen wie etwa in der Propstei Zellingen (der Martinstrunk verleiht den Männern Kraft, den Weibern Schönheit, daher muß ihn auch das Kind in der Wiege trinken 16 )), knüpfen sich sehr selten an diese Gelage. Kirchliche Weihe hat die M. nie gefunden"). V g l . Minne. *) H g . H a h n 5 V . 165 ff. Vgl. F r a n z Benediktionen 1, 289. 4 ) V g l . Q u i t z m a n n Baiwaren 37 f. ' ) J a h n Opfergebr. s)

l)

247; R e i n s b e r g Festjahr 340. •) R e i n s b e r g Festjahr 340. ') W o l f Bit/r. 1, 46; B i r l i n g e r Aus Schwaben 2, 132; R e i s e r Allgäu 2, 176. *) D. H. K e r l e r Die Patronate der Heiligen

('9°5) 3 6 6 -

') W. J ü r g e n s e n Martins-

10) Q u i t z m a n n lieder tot. Baiwaren 3 7 f . " ) KapfiFestgebräuche2. " ) B i r l i n g e r Volksth. 2, 166. 1 3 ) F r a n z Benediktionen 1, 326. l 4 ) T h . T r e d e Das Heidentum in der römischen Kirche 4 (1891), 200f. 16 ) J ü r g e n s e n Martinslieder. " ) J a h n Opfergebr. 246. " ) F r a n z Benediktionen 1, 289. 297. 302. 326. Mackensen.

Martinsvogel. 1. Eine ganze Anzahl von Vögeln ist mit dem h. Martin in Beziehung gebracht worden Allgemein wird die G a n s als M. bezeichnet und gelegentlich, wie es scheint, auch in die Martinslieder mißverständlich hineingedeutet 2 ). Doch sind unter dieser Bezeichnimg in den Heischeliedern eigentlich andere Vögel gemeint s ). Es scheint in ihnen mitunter für das Vögelchen selbst gesammelt zu werden, so daß es vielleicht als eine Erscheinungsform des Heiligen selbst gilt 4). In einer Gruppe von Liedern, die beginnt: „Sünte Märiens vügelken dat hiät son rot, rot küegelken ( = Käppchen, Häubchen)" oder ähnlich, sieht man den rothaubigen S c h w a r z s p e c h t (picus Martius) *). In andern mit dem Anfang: „Sünner Märiens vögelken heff so'n rot kögelken, heff so rot röcksken an" 8 ) möchte man lieber einen der rotgehaubten B u n t s p e c h t e erkennen 7). Lieder aus Osnabrück und Lüneburg reden von „Martin Martin vögelin mit sin vergoldte kögelin" oder „Sunte Marten vügelken mit sinem goldenen kügelken", was man auf eine andere Spechtsart oder auf den W i e d e h o p f bezieht 8). In Liedern aus Wustrow und

Märtyrer, vierzig—März

1725

der Altmark hat das Vögelchen ein vergoldetes Schnäbelchen, so daß man an eine S c h w a l b e n a r t (franz. martinet) gedacht hat 9 ). Wieder andere deuten den M. auf die K r ä h e 1 0 ) oder das S o n n e n k ä f e r c h e n (coccinella septempunctata) u ) , auch auf eine Art Z a u n s c h l ü p f e r oder den Eisvogel 1 2 ). Der Flug des M.s galt dem MA. als vorbedeutend 13 ). Der Theologe Peter v . Blois (Petrus Blesensis f um 1200) schreibt in einem Briefe: „de jucundo gloriantur hospitio, si a sinistra in dextram avis sancti Martini volaverit" 1 4 ). In Vintlers „Blume der Tugend" (ged. 1411) heißt es: es spricht manger ich bin gogel, ich haun gesechen sant Martis vogel hewt an dem morgen fru, mir stosset kain ungelück nit z u l s ) . H o p f Tierorakel 146; G u b e r n a t i s Tiere 542 fit. 2 ) S t r a c k e r j a n 2, 98 f. 3 ) Über das Verbreitungsgebiet der Lieder v o m M.: J ü r g e n s e n Martinslieder 9. Als ältesten Beleg für den M. in Deutschland nennt Jürgensen den R i t terbund der „Martinsvögel", der im 14. Jh. in der "Wetterau bestand: ebd. 17. 4) J ü r g e n s e n 41. *) E b d . 17. 6 9 f . ; P i a n n e n s c h m i d Erntefeste 478. 4 9 6 I , vgl. 519; W o l f Beitr. 1, 52f. 6) Z. B. S t r a c k e r j a n 2, 98; J ü r g e n s e n 90 (26). 98 oa) M a r y S u l l i v a n Court Masques of James I ( 1 9 1 3 ) ; E . W e l s f o r d The Court Masque (1927); S o e r g e l a. a. O.

32. K i r c h l i c h e Entwicklungen und E i n f l ü s s e . 1 : f e s t u m f a t u o r u m und K i n d e r b i s c h o f (s. d.). Wie die städtische Bürgerschaft und höfische Kreise, so haben auch Kleriker zeitweise M.feste abgehalten; die auffallendste Form dieser kirchlichen M.ereien ist das mittelalterliche festum fatuorum, stultorum und wie es sonst heißt, ein Fest, dessen Geschichte trotz guter Vorarbeiten ®09) noch keineswegs völlig übersehbar und klar ist. Im Folgenden wird nur auf einige wichtige Punkte des verwickelten Problems hingewiesen. Daß die Geistlichkeit das allgemeine volkstümliche Festleben in der Form gemeinsamer Schmäuse, ähnlich wie die weltlichen Obrigkeiten (s. o. Sp. 1826), mitmachte, ist ohne weiteres verständlich. In Sens figuriert in den Rechnungen des Compotus Camerarii seit 1345 ein jährlicher Posten „pro vino praesentato vicariis ecclesiae die circumcisionis Domini" 61 °); in Amiens gestattet das Kapitel i. J . 1438 ausdrücklich die Verwendung einer Summe, die ein ehemaliger Narrenpapst testiert hatte, zur Ausrichtung eines Festmahls am gleichen Tag, zu dem auch die „beneficiati ipsius villae" geladen werden sollten 6n ); die Leute von Tournay machen bei einem Prozeß 1499 geltend, das Fest sei „ab omni evo" in der ganzen Picardie üblich gewesen, „et a coustume le chapitre leur (den vicaires) envoyer pain et vin, et ceulx de la ville aussi" 812 ); im Kapuzinerkloster in Arth (Schweiz) ist ein solcher Schmaus am Hirsmontag noch 1765 bezeugt 61S ). Das eigentliche Narrenfest ist nun freilich anstößiger, nicht nur für uns, sondern auch für die zeitgenössischen kirchlichen Obrigkeiten. Träger der Sitte

58*

1831

Maske, Maskereien

sind hauptsächlich die Kleriker der niederen Ränge, ungebildete und schlecht bezahlte Leute, und offenkundig haben sie die meisten Bräuche aus bäuerlichen und kleinbürgerlichen Kreisen übernommen814). Die Laien feiern vielfach mit 61S ); das Kapitel von Sens verbietet 1403 den „capellani et alii" nur die Kirche®16); in Rheims hatten die Kleriker 1490 beim Narrenfest die Tracht der Bürger verspottet und darauf von diesen eine kirchliche Satire zur Antwort bekommen617). Die Rüge wird auch sonst gepflegt; der Narrenbischof v. Tournay z. B. verteilte öffentlich „des chaperons 4 oreilles . . . oü bon lui semble" 618). Auch sonst finden wir die üblichen M.nbräuche. Man trägt die Kleider verkehrt, oder Weiberröcke; Laien tragen Priesteroder Mönchsgewand, Kleriker Laien- und Narrenkleider, auch Laub- und Blumenkränze. Eigentliche M.n sind durch ein Decretale des Papstes Innocenz III. von 1207 für die Provinz Gnesen6l9), für Prag durch Joh. Huß bezeugt 620), ferner für Paris, Soissons, Laon und Lille621). Das Verbot des Basler Concils von 1435 622) sowie der Brief der Pariser theologischen Fakultät von 144562S) machen keine Ortsangaben; doch wird man auch hier zunächst an das nordöstliche Frankreich denken. Es wird getanzt, gesungen — gerne häßlich und falsch —, geschmaust und getrunken, und nicht nur im Refektorium, sondern an den Portalen und im Innern der Kirche, ja auf dem Altar; man spielt dort auch Würfel und Ball, macht Umzüge durch die Stadt, manchmal zu Wagen, und wirft den Begegnenden Kleie ins Gesicht (Evreux, an einem ganz ähnlichen Fest am 1. Mai 624)). Neben all diesen alten und wohlbekannten M.nsitten und Freiheiten, die durch die Verlegung in die Kirche so anstößig wirken, ist der auffälligste Teil des Festes, die Nachäffung kirchlicher Zeremonien, offenbar etwas ganz Sekundäres. Die Glocken werden in unziemlicher Weise geläutet, ein dominus (episcopus, papa etc.) gewählt und installiert, eine närrische Messe mit sinnlosen Wörtern und miß-

1832

tönendem Gesang gelesen, ein sermo fatui gepredigt, mit Wurst oder altem Sohlleder geräuchert, eine närrische Prozession mit Vorantragung des Kreuzes abgehalten625) usw., Dinge, die z. T. wohl auf den Witz der vagi scolares und goliardi zurückgehen mögen. Solche und ähnliche Feste waren vor allem im nordöstlichen Frankreich verbreitet, kommen aber auch in der Franche-Comté, Dauphiné und Burgund, ja in der Provence vor, während sie im Westen und Südwesten des Landes zu fehlen scheinen 626 ). Südengland kennt ähnliches, Norditalien und Spanien ludi, choreae und Kinderbischof (s.u.); für Deutschland haben wir nur vereinzelte Zeugnisse 627). Ein sicheres Urteil über die Herkunft des Festes ist nach dem heutigen Stand unserer Kenntnis kaum möglich. Man hat Fortleben römischer Kaienden- und Saturnalienbräuche, keltischer M.nsitten und des orientalischen Narrenkönigs angenommen 628) ; dies alles ist sehr unsicher. Namentlich dürfte eine Verwandtschaft des Narrenbischofs mit dem Saturnalienkönig gar nicht in Frage kommen; nirgends wird ein Narrenbischof getötet. Daß römische und keltische Bräuche gerade in diesem Gebiet so kräftig fortgelebt hätten, ist zum mindesten sehr sonderbar; die Beschränkung des M.ngebrauchs auf den Norden und Osten Frankreichs läßt, wie bei Harlekin, viel eher an normännisch-fränkischen Einfluß denken. Uber die stadtröm. Cornomannia 629) und das von Th. Balsamon (t 1193) geschilderte Narrenfest in der Hagia Sophia 63°) haben wir uns nicht zu äußern. Die ganze Lage wird so verworren dadurch, daß germanische und keltische M.reien z. T. offenbar auf die gleichen Zeiten fielen wie antike, besonders römische, deren primitive ländliche Formen wir so gut wie gar nicht kennen und die dann in der Spätzeit doch eine wichtige Rolle spielen. Auch die klösterliche und die Schuljugend feierte das kirchliche Narrenfest; ihr Tag war, schon nach dem ältesten Zeugnis Ekkeharts (s. u.), hauptsächlich der Tag der unschuldigen Kindlein

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Maske, Maskereien

{28. 12.). Eine scharfe Ausscheidung des Schülernarrenfestes ist oft unmöglich; als sicheres Kennzeichen darf man die Erscheinung des episcopus puerorum (s. u.) ansehen. Fast deutlicher noch als beim festum fatuorum erscheinen bei diesem Fest die Elemente des alten M.nzugs: das H e i s c h e n und der S c h m a u s M 1 ) . Ekkehart IV. erzählt in den Casus S. Galli 632), wie (im Jahr 912?) am Tag nach Innocentum (28.12) Bischof Salomo von Konstanz im Kloster St. Gallen von den Schülern gefangen genommen ward und sich loskaufen mußte. Das ist eine Art des Heischens, das in diesen Tagen das Recht der umziehenden M.n war und hier von der Klosterjugend in mehr gesitteter Form übernommen worden ist. In eigentlichen Bettelumzügen werden besonders die Äbte und Schulvorsteher, aber auch die städtische Bevölkerung, j a entferntere Ortschaften heimgesucht®33), so daß das Geschäft oft sehr einträglich war 434 ). Höchst reizvoll schildert Nicolaus von Bibera einen solchen Heischezug in lateinischen Hexametern; die übertriebenen Forderungen, teils im altererbten, drohenden Ton, teils hübsch gesittet, lassen sich wie die üblichen Verheißungen des Segens 838) auch im lateinischen Gewände deutlich erkennen ®38). Das Heischen konnte sehr bedenkliche Formen annehmen. Als der Abt von Prüfling den Schülern von Regensburg, die Weihnachten 1249 mit ihrem Schulbischof, vielen Klerikern und andern Leuten in Vermummung zu heischen kamen, den Eintritt ins Kloster verwehrte, erbrachen sie die Tore, mißhandelten das Gesinde und trieben das Vieh aus den Ställen; Papst Innocenz IV. mußte schützend eingreifen 637). Auch die Schmausereien erregten gelegentlich durch ihren Aufwand und ihr wüstes Treiben Ärgernis und gaben Anlaß zu Verboten 838); vielfach verliefen sie, durch feste Beiträge der Oberen unterstützt, in harmlosen und gesitteten Formen. Auch Rüge ist bezeugt; in Hamburg z. B. verbot man den scolares 1304 „ritmos... tarn in latino quam in teutonico, qui famam alieuius valeant macu-

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lare" ®39). K i r c h l i c h ist die Vermummung in Klerikergewänder, die z. B. in Oldenzaal 1625 verboten wird ^ ; kirchlich ist M.ierung des dominus festi als Abt, namentlich Bischof (episcopellus, ep. puerorum, Knaben-, Schul-, Apfelnbischof usw.) und die Nachäffung kirchlicher Handlungen, die hier vielfach in ganz gesitteter und würdiger Form verlaufen zu sein scheint. Dieser „Knabenbischof" ist in Nord- und Ostfrankreich, in Südengland und den Niederlanden z. T. schon vom 11. Jahrh. an nachzuweisen und in Deutschland besonders beliebt gewesen; im Westen hat er sich bis gegen Ende des 18. Jahrh. gehalten (Mainz 1779, Trier 1785) 641 ). Seit Ende des 13. Jahrh. wird, zuerst in Nordfrankreich, dies Schülerfest in Beziehung zu Nicolaus und seinem Tag gebracht M2 ). E r ist der Bischof xat' i j o ^ v , er hat zu den Schülern ein besonders nahes Verhältnis, und um die Zeit s e i n e s Tages fing das hergebrachte M.ntreiben an: drei Tatsachen, die diese Verlegung des Festes erleichterten. Gelegentlich kam noch anderes dazu: bei der Gründung von Kings College in Cambridge z. B., das unter St. Nicolaus* Schutz gestellt wurde (1443), wurde ausdrücklich bestimmt, daß der boy bishop nicht am Kindleintag, sondern am 6. Dec. kommen solle 443). Wie restlos klösterliche Pädagogik den Brauch zu zähmen und zu sittigen vermag, zeigt u. a. ein schwyzerisches Nikolausfest ®44). 809 ) D u C a n g e s. v. Abbas conardorum. Deposuit. Festum asini, fatuorum. Kalendae; G. M. D r e v e s Stimmen a. Maria-Laach 47 (1894), 57 1 ff-: H e u s e r in W e t z e r und W e l t e

4, 14022.; E . K . C h a m b e r s The Mediaeval Stage 1 (1903), 274 ff. ; M e i s e n Nikolauskult ,10 (1932) 307 ff. ) C h a m b e r s a . a. O. 291.

• u ) D r e v e s a. a. O. 583. e l 2 ) Bibl. de l'école des Chartres 1, 3 (1841/2), 576. , 1 3 ) D e t t l i n g SAVk. 12 (1908), 81 ff. •") C h a m b e r s a. a. O. 1, 324. , 1 5 ) Conclusio 11 des Briefes d. theolog. Fakultät Paris von 1444, M i g n e Patr. Lat. 207, 1171; D r e v e s a. a. O. 582. t u ) D r e v e s a. a. O. 584. •") C h a m b e r s a. a. O. 1, 304. e i 8 ) Bibl. de l'école des Chartres 3, 1 (1841/2), 576; C r e i z e n a c h Gesch.

6W

d. neueren

Dramas

1, 391.

) M i g n e Patr. Lat. 215, 1070; danach Decret. Greg. I X 1. 3, 1, 12 = Corp. iur. canon. 2, 452; alles bei C h a m b e r s a. a. O. 1, 279. ,,(l ) C h a m b e r s 1, 320, 4. 6 î l ) Ebd. 327. 82a) Sess. 21

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(9. Juni 1435), can. 11 ( M a n s i 29, 108); C h a m b e r s 1, 293. 6S3) M i g n e Patr. Lat. 207, 1169; D e n i f l e Chartularium Univ. Paris. 4, 652; C h a m b e r s 1, 294. C h a m b e r s 1, 378. ,2ä ) Ebd.; vgl. bes. 325. e26) Ebd. 305s. 3 i i f f . 318. •») Ebd. 318. 321 fi. Vgl. 320 (Böhmen). 62i ) S. z. B. M e i s e n Nikolauskult 308. 829) F. S c h n e i d e r A R w . 20 (1920/21), 402 ff. 63°) Mig n e Patr.Gr. 137, 727; C h a m b e r s a . a . O . 328. «") C h a m b e r s a. a . O . 1, 368. Mon. Germ. Hist. SS. 2, 91; G. M e y e r v. K n o n a u MittzvaterländGesch. St. Gallen 15/16 (1877), 104 f. a33) C h a m b e r s 1, 357. 6M ) Ebd. 1, 43S ) 356. M e u l i S A V k . 28 (1927), 3 ff. * M ) N i c o l a i d e B i b e r a Carmen satiricum 11248. ( = Geschichtsquellen d. Provinz Sachsen x, 1870, 76) bei F. A . S p e c h t Gesch. d. Unterrichtswesens in Deutschland (1885) 226 f. 637) Monum. Boica 13,214 bei S p e c h t a. a. O 227 f. Vgl. C h a m b e r s 1, 351; Ma ) M e i s e n 316. S p e c h t a. a. O. 228. M ' ) S p e c h t a. a. O. 225, 1. 640) M e i s e n 325. • u ) M e i s e n 330. Zum Knabenbischof überhaupt vgl. M e i s e n 3070.; C h a m b e r s Mediaeval Stage 1, 336 ff.; F. A. S p e c h t Gesch. d. Unterrichtswesens in Deutschland (1885) 222 ff.; S a r M2 ) t o r i oben 4, 1341 f. M e i s e n 318 ff. MS ) Ebd. 322. 6 " ) Schweizld. 3,689.

33. K i r c h l i c h e E i n f l ü s s e und E n t w i c k l u n g e n . I I : St. N i c o l a u s . Auf den dominus festi der jüngsten Kleriker und Schüler wie auf die volkstümlichen M.n der Laien hat die Gestalt des hl. Nicolaus weit mächtiger umgestaltend eingewirkt als Martin, Ursula und die hl. drei Könige, oder gar als die blassen Gestalten Lucia, Sylvester, Apollonia. Dank der großangelegten und gelehrten Untersuchung K a r l Meisens® 45 ) ist die Geschichte seines Kultes augenblicklich am besten zu übersehen; sie wird deshalb hier etwas eingehender behandelt und mag als Beispiel für die ähnlichen Vorgänge der Verschmelzung christlichen und heidnisch-germanischen Brauchs bei Martin, Ursula, drei Königen dienen. Seit dem 6. Jahrh. im Osten verehrt, nimmt Nicolaus vom Ende des 9. Jahrh. an neben dem hl. Georg die höchste Stelle unter allen Heiligen der griechischen Kirche ein; im Abendland ist er schon um die Mitte des 9. Jahrh. durch Martyrologien und Passionalien wenigstens literarisch bekannt geworden. Der stärkere Einfluß von Byzanz zeigt sich seit 972 (Hochzeit Ottos II. mit Theophano) in der Gründung mehrerer Kultstätten;

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von Otto III. wird bei einer solchen Stiftung einmal ausdrücklich bemerkt, „quod materno ex sanguine Graecus erat" ®48). Auch sonst ist schon früh, sei es über das byzantinische Italien, sei es durch Kreuzfahrer, die Verehrung des Heiligen in den Norden gelangt; vor allem ist sein Kultus lange vor 1087 schon vom normannischen Süditalien aus in die Normandie getragen worden. Seit diesem Jahr aber, in dem es den Kauffahrern von Bari gelang, die Gebeine des Heiligen von Myra in ihre Stadt zu bringen und den Anspruch auf deren Echtheit gegenüber Venedig durchzusetzen und zu behaupten, nimmt die Bedeutung Nicolaus' für das Abendland schnell und gewaltig zu. Das nördliche Frankreich, vor allem wieder die Normandie, deren Krieger ja seit 1071 die Herren von Bari waren, wird Mittelpunkt seines Kultes, und von dort aus rücken nun seine Kirchen nach Süden und nach Osten vor, um an der deutschen Slavengrenze mit den von Byzanz ausstrahlenden Wegen des Heiligen zusammenzustoßen. Die Hauptmasse der Gründungen fällt ins 12. und 13. Jahrh. Von seinen Legenden sind für den Brauch mehrere wichtig geworden. Zunächst die von den drei armen Mädchen: sie wollten, um ihren alten Vater pflegen zu können, ihre Schönheit verkaufen; der Heilige bewahrt sie davor, indem er ihnen verstohlen des nachts dreimal einen Beutel voll Geld (drei goldene Kugeln) ins Haus wirft 647 ). H i e r b e g e g n e t e n s i c h germanischer Brauch und christl i c h e L e g e n d e : die umziehenden Seelenwesen nahmen ihre Opfer und s c h e n k t e n ihre G a b e n j a a u c h h e i m l i c h m i t G e i s t e r h a n d (s.o. §28). Ebenso folgenreich war die Schülerlegende. Drei wandernde Schüler werden von ihren Wirtsleuten ermordet; der Heilige deckt die Untat auf und erweckt die Toten zum Leben 648). Diese Erzählung ist wahrscheinlich erst im 12. Jahrh. in Nordfrankreich entstanden und eine Hauptursache für Nicolaus' Schützerverhältnis zu den Schülern gewesen. Daß er, ähnlich wie griechische Götter, schon als Säugling

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und kleines Kind stark und verständig über seine Jahre war M 9 ), machte ihn außerdem zum leuchtenden Vorbild der Schüler; so versteht man leicht, daß der Knabenbischof zum Episcopus Nicholatensis 8S0 ), zum Bischof Nicolaus geworden ist. Nun gehen aber diese M.nfeste der Kleriker und Schüler auf M.numzüge der Laien zurück, und der volkstümliche Brauch kennt solche M.n in großer Zahl, die den Namen des Heiligen in unzähligen Varianten tragen. Abgesehen von den Entstellungen von „Sanctus Nicolaus" wie Seneclos8S1), Samichlaus 6S2), Zinterklos (auch „heleje Mann") 853 ), Sinterklaas u t ) , Sunderklaus 865), Sunner656 klaus ) usw. könnte man diese Namen wohl alle als Wucherungen des kalendarischen Namens wie Thomas, Lucia, Sylvester, Befana, Perchta, Apollonia, (§ 26 a) oder eines beliebten, appellativisch gebrauchten Eigennamens verstehen. So heißen die M.n vertraulich Klaskerle 657), Klosenmannen 658), Klausmännken 859); nach ihrem Pelzkleid heißen sie Pelznickel 680), Rauhnickel 881 ), Ruhoder Rugen-Klas 882), auch Rugbelz 883 ); nach ihren Glocken Klingklas 884) (ein Begleiter auch Klinggeest 885)), Rollenund Schellen-Klaus 868), Röllelepelz 887 ); nach ihrem Gepolter Pulter-, Buller-, Buleklaas 888), Rumpelklos 689), StapKlos 8 '°) (zu stapfen, stampfen, vgl. Stempe?), Bö-Klas 671 ), Busse-Klages672), vielleicht auch Pumpernickel 873 ); vom häßlichen Aussehen Schante (schantlich) Klos 474) (s. o. § 26); nach dem närrischen Gebaren Chlaus-Narr 875), Boozenickel878), letzteres vielleicht mit Anlehnung an Butz und Nick, Nock, Nix ( = Kobold, incubus) 677) wie dän.-schwed. Jule-Nisse ( = „Weihnachts-Niklaus") 878 ); nach dem Aschensack, mit dem er schlägt, heißt er Aschenklas 879) und nach den Nüssen, die er hineinwirft, Nätklas, Näte-Kloas 68°). Offenkundig erfolgt die Benennimg der M. durchaus nach den gleichen Gesichtspunkten, die o. § 26 skizziert wurden; der Eigenname ist so sehr Appellativum geworden, daß er weitgehend für M.n, die an andern Tagen (vor Weihnacht 881 ),

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am hl. Abend 482), in der letzten Jahreswoche 683), an Silvester 684), am „alten Silvester" = 1 1 . Jan. 88S), am 13. Jan. 888 ), an Fastnacht 687)) erscheinen, verwendet wird 688). Unzweifelhaft haben auch diese Klause zunächst mit dem Heiligen gar nichts zu tun; sie sind vielerorts genau die gleichen Wesen wie Perchten, Schemen Butzen usw. „ . . . . so möcht ein schaff mercken, das dise gehürnten götzen nit bischof, sunder vassnacht laruen", meint Anfang des 16. Jh. ein Bischof von Konstanz689). Sie treten zu mehreren oder in ganzen Scharen auf 690 ), tragen Pelze691), Kuhhäute 892 ), Tierm.n693), M.n mit beweglichem Unterkiefer894), lärmen mit Peitschen895), Ketten 898 ), Glocken aller Art 697 ), tanzen698), jagen und rennen dahin699), heischen und verbürgen mit ihrem Treiben Glück 700 ), schlagen und „bestubben" ( = bestäuben) die Leute mit ihrem Sand- oder Aschensack 701 ), sind liebehungrig („deRukloes küssen giem" 702 ), verlangen, daß aufgesponnen ist 703 ) und halten die Kinder in Zucht; ein unartiges Kind, das die Mutter dem Ruklas aus dem Fenster darbot, wurde von unsichtbaren Händen weggerafft, und des Morgens fanden sich seine Därme um die Holzmiete gewickelt704). Daß auch sie, wie Perchten, Huttier, Schemen usw. Gaben austeilen, ist keineswegs verwunderlich; das Bild ist soweit genau das unserer Seelenm.n, deren Alter nach den bisherigen Ausführungen unbestritten sein dürfte. Nun hatte aber die Entwicklung der profanen M.nsitte durch den niederen Klerus, vor allem durch die in Nicolaus' besonderem Schutze stehenden Schüler, auf eine mimische Darstellung des Heiligen selbst geführt. Sein Tag lag in der hergebrachten M.nzeit; seine Legende begegnete sich mit einem alten M.nbrauch (heimliches Einwerfen der Geschenke) und ist schon im 12. J h . in Mirakelspielen dargestellt worden705). Der Einfluß des Dramas auf die M.nbräuche ist jedoch hier geringer anzuschlagen als die Sitte des Knabenbischofs, heischend und segnend umzuziehen. Hieher kommt es, wenn nun vielfach den wilden „Klausen" des 6. Dez.

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die freundliche Gestalt des Bischofs sich zugesellt, der Bischof Nikolo, der Nikolaherr706), im weißen Gewand, mit Bischofshut und Krummstab707), oft reitend auf Schimmel Esel oder Ochs 708); begreiflicherweise scheiden sich dann die Rollen in der Weise, daß die Schreckm.n drohen und strafen, während dem kinderfreundlichen Heiligen das Schenken zufällt. Die häßlichen M.n, wie der teuflische Krampus, der Klubauf und der Leutfresser sind sein Gefolge 709), oder sie gelten als seine Knechte (Ruprecht, Schweiz. Schmutzli710), tirol. Bartl 711 ) usw.), oder sie sind die bösen und schwarzen Nickel gegenüber den guten und weißen712), oder sie begleiten als Gäuggel (o. § 26) den reitenden Bischof mit ihren Possen713). Natürlich interessiert den heiligen Mann besonders, ob die Kinder auch fromm gewesen, und sie haben ihm denn die Buchführung über ihre Gebete auf dem „Klosenhölzle"7U) (Klasholz, Klausenbein, Baiele)716) vorzuweisen. Selbstverständlich heischt ein solcher Herr nicht mehr, obwohl die mittelalterl. boy bishops das noch so eifrig getan hatten; jetzt hält er sich ans Geben. Sein Tag bedeutete für die Kinder den einträglichsten Geschenktag, und er ist es in manchen katholischen Gegenden noch heute. Seine Gaben kommen aber immer noch gerne geheimnisvoll über Nacht durch den Kamin hinunter oder finden sich des Morgens in den ausgelegten Schuhen, Strümpfen und kleinen Schiffchen716) (s.o. §28). Einigen Reformatoren war es anstößig, daß die Kinder von einem katholischen Heiligen beschert werden sollten, und ihren Anstrengungen gelang es, den Geschenktag auf Weihnacht zu verlegen, wo der heilige Christ als Spender erschien717); doch blieb der Bischof z. B. in den calvinistischen Niederlanden718). Die ganze hier gegebene Darstellung des Nikolausbrauches ist zugleich Polemik gegen die Ausführungen Meisens über die Nikolaus-Umzüge. Meisen will den ganzen Brauch restlos aus christlichen Vorstellungen herleiten. Primär sei überall die Gestalt des einkehrenden Heili-

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gen, ihre ursprüngliche Funktion sei die pädagogische Beeinflussung der Schüler gewesen; bei M.nzügen ohne Nikolaus sei seine Gestalt durch die Reformation verdrängt worden; in den dämonischen Begleitern seien stets christliche Teufel zu erkennen. J a sogar die Vorstellung vom wilden Heer, dessen mimische Darstellung unleugbar mit dem Nikolausbrauch sich verbunden habe, wurzle in antikem, christlich umgedeutetem Geisterglauben719). Es ist nicht möglich, hier auf jeden dieser Punkte einzugehen; doch sei auf eines hingewiesen. Der hl. Nikolaus ist keineswegs in höherem Maß als andere Heilige ein Teufels- und Dämonenbekämpfer; die Belege Meisens 720) genügen nicht, um die engen Beziehungen, die Nikolaus im Brauch mit seinen dämonischen Begleitern verbinden, zu erklären (nicht zu reden von den Fällen, wo die Schreckm. selbst seinen Namen trägt, vgl. Meisen 474t.). Aus den Namen der M.n läßt sich, wie o. § 26 gezeigt ist, wohl auf eine Scheu vor direkter Benennung, also auf dämonische Wesen, schließen, aber doch nicht so schlankweg überall auf den christlichen Teufel 721 ); die Sprachwissenschaft ermöglicht uns, den ursprünglichen Gehalt solcher Namen unter der christlichen Übermalung zu erkennen, und Hei z. B. ist eben nicht die christliche Feuerhölle, so wenig wie Henno der griechische Sioißotoc ist (s. o. § 20). Gewiß ist bei dem Kleriker Ordric Vital das wilde Heer christlich umgedeutet, gewiß konnte die Gestalt eines christlichen Heiligen Teufelsgestalten an sich ziehen; aber wenn geistliche Schriftsteller die Harlekins als Teufel bezeichnen, so beweist das doch nicht mehr als wenn der Bischof von Konstanz die M.n „Götzen" nennt (s. o. Sp. 1838). Der Name „Teufel" umfaßt als Sammelbegriff schon früh ganz verschiedenartige dämonische Wesen, deren ursprüngliche Differenzierung den Berichterstatter meistens nicht die Spur interessiert; soll ein dämonisches Wesen ein echter Teufel, SiaßoXo«, sein, so hat es seine Herkunft aus christlicher Vorstellungswelt erst zu erweisen. Im übrigen

Maske, Maskereien muß Geschlossenheit und Folgerichtigkeit der hier vorgetragenen Auffassung selbst ihr besseres Recht gegen M e i s e n verfechten. E s ist schade, daß M e i s e n wohl keltische, römische und orientalische Einflüsse in Rechnung stellt, aber der Möglichkeit des Überlebens germanischer „niederer" Mythologie — um die es sich ja hier allein handelt — so leidenschaftlich sich verschließt. MS ) K. Meisen Nikolauskult und Nikolaus• brauch im Abendlande, Düsseldorf 1931; danach alles Folgende. Eine Zusammenfassung p. 504fr. , M ) Meisen a. a. O. 82. •«) G. A n r i e h Hagios Nikolaos 2 (1917), 845.; Meisen a. a. O. 232ff. Griechisch i. Hälfte 9. Jh.; in latein. Hymnen des 9. Jahrh.; in der Kunst sehr beliebt. ,4S ) Meisen 2890. M») Ebd. 259ff. 299. «») Winchester College 1462, Chambers a. a. O. 365- M l ) L e o p r e c h t i n g Leckrain 203. 4M ) Schweizld. 3, 687. 953) Wrede Rhein. Volkskde. 229. 6S4) Holland, Meisen 29. 655) Bremischniedersächs., Meisen 35. 854) Insel Wangeroog, M e i s e n 39. 4S7) Gebildbrote in Mannsform, W r e d e Rhein. Volkskunde 227. *M) K a p f f Festgebräuche 2. *M) Osnabrück, M e i s e n 39. 460 ) Rheinisch, Meisen 36; Württemb. K a p f f Festgebräuche 2; F e h r l e Volksfeste 10; K a i n d l ZfVk. 26 (1916), 324. «81) Schwabisch. 1162) Mecklenburg, Vogt Weihnachtsspiele 89; W o s s i d l o Mecklenburg 4, 109S.; Meisen 41. 4M ) F e h r l e Volksfeste 10. «") W o s s i d l o a. a. O. 4, 1 1 2 . , M ) Hamburg, Vogt a . a . O . 72. •••) M o e s c h SAVk. 10 (1906), 236 (Appenzell). 4S7) O c h s BadWb. 1, 145. 448) L a i s t n e r ZfdA. 32 (1888), 166; W o s s i d l o a. a. O. 4, 268; F e h r l e Volksfeste 10; Meisen 40 (Altmark.). 669) P. W a l t h e r SchwäbVk. 130. •'») Meisen 36. 671 ) Andree Braunschweig 324; L a i s t n e r a. a. O. !54- *") A n d r e e , L a i s t n e r a. a. O.; Meisen 40. •") DWb. 7, 2231; Meisen 364; W. Wackern a g e l KISchr. 3, 170. 674) K a p f f Festgebräuche 2. 47S) Schweizld. 3, 687. «•) Meisen 36. 4 " ) L a i s t n e r a. a. O. 164. 478) M e i s e n 46; F a l k Torp Norw.-dän. etym. Wb. 61, 767. e ") A n d r e e Braunschweig 325 (Fastnacht); M e i s e n 40 (Altmark). 6S0) Ost- und Westpreußen, Meisen 44. 491) Kanton Zürich, S t a u b e r Zürich 2, 109. 482 ) Mecklenburg, V o g t Weihnachtspiele 89; schwäb. Kolonie Ilischesti (Bukowina), K a i n d l ZfVk. 26 (1916), 324. ,>3 ) Kt. Zürich, S t a u b e r a. a. O. t M ) Kt. Zürich, S t a u b e r a. a. O.; Urnäsch (Appenzell), Moesch SAVk. 10 (1906), 262 ff. 885) Kt. Zürich, S t a u b e r a. a. O. 68 687 ') Urnäsch, M o e s c h a. a. O. ) Braunscliweig, A n d r e e Braunschweig 32. M i ) Also ist Meisens Bemerkung (Nikolauskult 422, 2) ganz irrig. ••*) H. v. L a n d e n b e r g (1522/3), M0 bei Meisen 328. ) Schweiz: S t a u b e r Zürich 2 , 1 0 9 ; B a u m b e r g e r St. Galler Land 197 f. 100; M o e s c h SAVk. 10 (1906), 262 ff.; Schweizld. 3,688. 693; Schwaben: W a l t h e r

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SchwäbVk. 130; Kapff Festgebräuche 2; K a i n d l ZfVk. 26 (1916), 324; V o g t Weihnachtspiele 89; Thüringen: Meisen a . a . O . 42 usw.; S a r t o r i 4,1 Sitte 3 , 1 8 . ) S. o. s. Pelznickel u. ä.; W a l t h e r SchwäbVk. 130; L e o p r e c h t i n g Lechrain 203; G e r a m b Knaffl 50; K a p f f Festgebräuche 2; K a i n d l ZfVk. 26 (1916), 324; eine Art Pelzersatz tragen die Urnäscher Kläuse, Moesch SAVk. 10 (1906), 262; usw. 4 , J ) Blaubeuren, K a p f f Festgebräuche 2; W a l t h e r SchwäbVk. 130. 4 , J ) W o s s i d l o Mecklenburg 4,270; K a p f f a . a . O . ; R e u s c h e l Volkskunde 41 (Kaschubei); Meisen a. a. O. 44 (Pommern, Ost- u. Westpreußen). 4M ) Schweizld. 1 , 5 1 5 . 4M ) B a u m b e r g e r St. Galler Land 97; Schweizld. 3,688; K a p f f Festgebräuche 2. «»•) L e o p r e c h t i n g Lechrain 203; D r e c h s l e r 1, 18; K a i n d l ZfVk. 26 (1916), 324. ••») S. o. die Namen; B a u m b e r g e r a . a . O . 98; Schweizld. 3.693; 3,688; Moesch a . a . O . 263; G e r a m b Knaffl 50. ••») Schweizld. 3,693; M o e s c h 4 a. a. O. ") „jagen, rennen" K a p f f Festgebräuche 2; „jagen, stäuben, schrecken" (s. o. §28); Schweizld. 3,688. 70°) B a u m berger St. Galler Land 98. 701) Andree Braunschweig 324; V o g t Weihnachtspiele 90. 7M ) W o s s i d l o Mecklenburg 4, 267. '°3) W o s s i d l o 7M a. a. O. ) W o s s i d l o Mecklenburg 4, 267. 705 ) W. C r e i z e n a c h Gesch. d. neueren Dramas 1* (1911), 97 ff.; Meisen a. a. O. 486 ff. 704) Bayr., oberöstr. V o g t Weihnachtspiele 59; B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 4. 707) P. W a l t h e r 708 Schwäb.Vk 130. ) S a r t o r i Sitte 3, 17 f.; Schweizld. 3,689 (Stans). 70») B a u m g a r t e n Jahr u. s. Tage 4 (Oberöstr.). 71°) Schweizld. 9, 1058. '") G e r a m b Knaffl 50 f. '") F e h r l e Volksfeste 10; K a p f f Festgebräuche 2; B a u m berger St. Galler Land 100; V o g t Weihnachtspiele 60 usw. 713 ) Stans, Schweizld. 3,689. 7 ") W a l t h e r SchwäbVk. 130. ' » ) B ä c h t o l d S t ä u b l i Die Garbe 5 (1921/22), 138. " • ) S a r t o r i Sitte 3, 16 f.; Meisen 405 f. 717) T i l l e Weihnacht 189 ff.; W e i s e r Jul (1923), 29; Meisen 22ff. 410. 7 U ) Meisen gl. 22t. 71> ) Ebd. 452; vgl. auch die Kritik von H o f f m a n n Krayer SAVk. 32 (1933), i8sf.; T r i e r ZfdA. 7° (1933). 54fi- 72°) Ebd. 4 6 5 ! , vgl. 428. 269ff. 7 ") Wie M e i s e n 4 i 8 f f . will. 34. K i r c h l i c h e E n t w i c k l u n g e n u. E i n f l ü s s e . III: B e s c h e r c h r i s t , U r s u l a , Martin, Drei Könige. Über einige gleichartige Entwicklungen dürfen wir uns nun kurz fassen. Ganz ähnlich, mehr oder weniger von christlichen Vorstellungen bestimmt, sind andere Gestalten, die Namen der heiligen Geschichte tragen: der „Bescherchrist", ein vermummtes Mädchen mit Schleier und Kranz, das an den vier Sonntagen vor Weihnacht bei den Wenden umging, stumm, mit einer Klingel in der Hand,

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alle Anwesenden schlagend mit Ausnahme der Kinder, die es bescherte 722 ); das B o r n - K i n d l ( = Bahren, d. i. KrippenKind), das im Erzgebirge mit Nikolaus und Knecht Rupprecht am 6.12. erscheint723), das K a n j e s ( = Kind Jesus) der Lüneburger Heide, das mit Rute, Obst und Nüssen kommt und die Kinder beten macht 724 ) und das verwandte Kinnjees, Kintenjees, Kinkjees usw. der Mecklenburger 725 ). Über das Heu- und Haferopfer für das „Pferd des Christkinds" hat L. Weiser das Richtige gesagt 726 ). In gebirgsschlesischen und polnischen Gegenden pocht oder kratzt es (vgl. die Perchtl § 28) zu Weihnacht an der Tür, dann fliegen Äpfel, Nüsse, Pfefferkuchen in die Stube hinein: das ist J u s u f , der alte Josef 7 2 7 ). Die merkwürdige Legende von der h. Ursula und ihren 11000 Jungfrauen hat kürzlich W. Levison vortrefflich behandelt 728 ), doch ohne auf den Volksglauben einzugehen. Die zwischen 969 und 976 verfaßte sog. 1. passio729) erzählt, wie das von Ursula geführte wallfahrende Jungfrauenheer vor Köln von Hunnen niedergemacht wurde, wie aber gleich darauf die Hunnen, durch die Erscheinung von 11 Legionen bewaffneter Krieger erschreckt, abzogen; so daß das Martyrium der Jungfrauen die Stadt von der Belagerung befreite. Die Erzählung von diesen himmlischen Heerhaufen scheint der Anlaß gewesen zu sein für die Gleichsetzung der Ursula mit der Führerin des wilden Heeres, die in Schwaben galt; die „wilde Urschel" kann Bauern mit ihrem Ochsengespann in die Tiefe werfen, bringt ungastlichen Häusern Unglück, aber Segen und Gedeihen wo man ihre Hunde gut füttert, ja sie leiht Korn zur Aussaat 7 3 0 ); auf mimische Darstellung deutet vielleicht ein bei F i s c h e r mitgeteilter Kindervers731). M a r t i n s t a g (11. Nov.) ist der eigentliche Schluß des bäuerlichen Jahres; das Vieh ist eingestallt, das Gesinde zieht um, die Abgaben und Zinsen werden entrichtet, die Arbeit bei Licht fängt an 7 3 2 ). Die Hirten heischen und bringen die

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Martinsgerte733), das Gesinde hat seine Scherztage (o. § 27) oder „Schlumpwoche" 733 ), die Schlachtfeste finden statt § 3°). gewaltige Schmäuse und gegenseitige Bewirtungen werden abgehalten 734 ). Dies alles läßt ein reiches M.ntreiben erwarten. Es findet sich denn auch wirklich an manchen Orten noch in voller Entwicklung mit Lärmen, Anklopfen, Schwärzen, Schlagen und Schenken 735 ); vielfach sind aber die M.n abgekommen. Am Rhein sieht man bei den Umzügen wohl S. Martin zu Pferd, Fackeln und Heischelieder, aber keine M.n; dafür ausgehöhlte Futterrüben oder Kürbisse mit ausgeschnittenen Gesichtern, inwendig beleuchtet: die „Määtesmännche", „Meertesköppe" 736 ). An andern Orten haben nur noch die Kinder die Bettelumzüge beibehalten; aus ihren Heischeliedern läßt sich z. T. noch älterer Brauch erschließen 737 ). Ähnlich wie die Klause heißen die in Pelz oder grobes Tuch vermummten, mit Schellenriemen, Rute und Nüssen bewehrten M.n Pelz-, Nuß-, Schellen-, Glocken-Märte738), Baus-Märtel 739 ); der Name Märte wird dann für M.n überhaupt verwendet, auch wenn sie am Nikolaus-, Lucia- oder Weihnachtstag kommen 740 ). Ob im Wesen und den Legenden des hl. Martin Anknüpfungspunkte an den Brauch sich fanden und ausgebaut wurden, ist strittig 741 ); eine Untersuchung wäre erwünscht742). Seine Mildtätigkeit gegen den Bettler ist jedenfalls kaum für den Brauch bestimmend geworden; auch sonstige Versuche, Beziehungen aufzudecken (Martinsgans), sind sehr zweifelhaft. Daß die hl. drei Könige mit ihrem Stern betteln kommen, will sich für so hohe Herren nicht recht schicken; auch sie sind wie der Knabenbischof offenbar eine kirchliche Form der M.n, begünstigt durch die Ausbildung des Magierspiels, der „Stella". Es fehlt auch hier eine Untersuchung, die Kult, Legende, kirchliches Drama und Volksbräuche umfassend darstellte; deutlich wird man erst dann sehen können743). m ) S c h u l e n b u r g Wenä. Volksthum 127. John Erzgebirge 144. 724 ) K ü c k Lüneburger Heide

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42. 725 ) W o s s i d l o Mecklenburg 4, 1 1 2 . "•) W e i s e r ZfVk. 37/38 (1927/8), 2 1 5 ff. ' « ) D r e c h s l e r 1, 19. ' " ) Bonner Jbb. H e f t 1 3 2 (1928), Sonderabdr. ™») L e v i s o n a. a. O. 58 ff. , 3 0 ) M e y e r German. Myth. 274. 276. 280. 278. , 3 1 ) F i s c h e r SchwäbWb. 6, 306. 7 3 2 ) S a r t o r i Sitte 3, 264 ff. 733 ) E b d . 3, 265, 6; M e u l i SAVk. 28 (1927). 37- 7 M ) S a r t o r i a . a . O . 3, 265 f. 7SS ) E b d . 3, 269 m i t A n m . 26. 73> ) W r e d e Rhein. ,37 Volksk. 277. 283. ) Jürgensen Martinslieder (1910). "*) K a p f f Festgebräuche 1. 6; W a l t h e r Schwab. Volkskunde 130. «») O c h s 740 BadWb. 1, 145. ) K a p f f Festgebräuche 3; 7 g e g e n M e i s e n Nikolauskult 422, 2. " ) Vgl. 742 M e y e r German. Myth. 257. ) Vgl. H e l m bei N o l l a u German. Wiedererstehung 402 ff.; C l e m e n Ursprung d. Martinsfestes, ZfVk. 28 (1918). 1 ff. 7 « ) Vgl. M o s l e r u. D e W a a l in F. X. K r a u s RE. d. christl. Alterthümer 2 , 3 4 8 « . ; K ö h l e r R G G . s. v . ; H . K e h r e r Di« hl. drei Könige in Literatur u.Kunst 1.2. (1908); H . A n z Die lat. Magierspiele (1905); C r e i z e n a c h Gesch. d. neueren Dramas i* ( 1 9 1 1 ) , 55 ff.; S a r t o r i oben B d . 2, 452.

35. Kriegsm.n. Fast der ganzen Menschheit bekannt ist jener pathologische Erregungszustand, den die ältere Psychiatrie „raptus melancholicus" nannte, eine Art Tobsuchtsanfall, in dem der Erregte mit Kräften, gegen die kein Widerstand möglich scheint, um sich wütet, alles Erreichbare zerschlägt und zerstört, alle Begegnenden niederhaut, oft auch Hand an sich selber legt 744 ); diese Zustände sind begleitet von hochgradiger Empfindungslosigkeit gegen äußere Schmerzen und meist von tödlicher Ermattung gefolgt. Am bekanntesten sind diese Zustände in den Formen des javanischen Amoklaufens745) und des nordischen Berserkertums (s. d.) 744 ). Sie kommen durchaus nicht nur bei Geisteskranken vor; bei leidenschaftlichen Raufern und Kriegern ist diese „fast berufsmäßige Tollheit" auch heute noch wohl bekannt 747 ). Naturgemäß findet sie sich häufiger bei bestimmter Veranlagung 748). In primitiven Kämpfen gelten derart Tobende mit einem gewissen Recht als unüberwindbar und unverwundbar; sie sind deshalb gefürchtete und gesuchte Krieger, und es ist verständlich, daß man solche Zustände bewußt herbeizuführen suchte. Die Mittel, die dem Primitiven dafür zur Verfügung stehen, sind mannigfaltig; auch dem Germanen waren solche be-

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kannt. Ein solches Mittel geht uns hier an: Verkleidung und M. Diese Anfälle wurden erlebt und gedeutet als eine Art Besessenheit, häufig auch als Verwandlung in ein Tier748). Bär, Eber, Stier, Wolf und der ihm verwandte Hund können in hohem Maße diese vom primitiven Menschen bewunderte und gefürchtete Kampfestollheit entwickeln 750 ); in solche Tiere fühlt sich der rasende Krieger verwandelt, ihre gewaltigen Kräfte spürt er in sich. Er erreicht diese Bärenhaftigkeit dadurch, daß er sich ein Bärenfell anzieht: das ist bekanntlich der Sinn des Wortes b e r s e r k r („Bärenhemd"), und Bärenpelz als Kleid dieser Krieger ist genugsam bezeugt. Eine Bronze der Wikingerzeit zeigt zwei Kämpfer, den einen mit Stierhörnern, den andern mit Bärenpelz und Bärenkopf 7 8 1 ): eher als ein Ungetüm möchte man in ihm einen auf diese Weise vermummten Berserker sehen. Daß es mit den Wölfen ganz ähnlich steht, ist bekannt 752 ). Hörnerschmuck auf Helmen, der bei den verschiedensten Völkern zu allen Zeiten getragen worden ist 753 ), geht zurück auf die Kopfbedeckung mit Tierfell754); man würde das primitive Denken ganz mißdeuten, wollte man darin nur eine zweckbewußte Schreckwirkung auf den Gegner beabsichtigt glauben: die Wirkung, die das Stierhaupt, die Stierverkleidung auf den Träger selbst ausübt, steht in erster Linie und ist wichtiger. Dies wilde Rasen fiel den klassischen Schriftstellern als bezeichnende Eigenart der germanischen Krieger auf 755); diese Krieger selbst betrachteten es als wertvolle Eigenschaft und haben Einzelne und Völker mit Vorliebe danach benannt. Denn als Kriegernamen sind die mit W o l f , B ä r usw. zusammengesetzten Eigennamen zu verstehen, ebenso die vielen vom adj. ur „wild, kampftoll" (s. o. § 21) abgeleiteten Namen, für die das älteste Beispiel Ammian mit dem Namen des Alemannenkönigs Urius bietet 756). Auch ganze Stämme haben sich rühmend nach dieser unwiderstehlichen Kampfwut benannt: die Ylfingar sind „Wölfe", die Hundingar „Hunde",

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die Glomman „Beller" (zu glammi poet. „Wolf" 757), und man ist ganz auf dem Holzweg, wenn man zur Erklärung dieser Namen totemistische Vorstellungen heranzieht 758). Die Vinniii, angeblich der ältere Name der Langobarden, sind nach Much die „Wütenden" 759). d. h. wieder die „Kampfestollen"; das Wort gehört zu ahd. „ u u i n n a n t e r . freneticus, uuinnenti. furente, u u i n n a n t e . energúmenos, epilépticos"760), bair. dial, winnig, winnend „wütend, besonders von dem mit Wasserscheu behafteten Hunde" 761), d. h. vom tollen, rasenden Hund, der, ähnlich wie der Wolf, als unwiderstehlicher, besessener Kämpfer gilt. Nun erzählt P a u l u s Diaconus 7 6 a ), die Langobarden hätten angesichts eines übermächtigen Feindes ausgestreut, sie hätten cynocephali bei sich, gewaltige Krieger mit Hundsköpfen, die Menschenblut tränken, und wenn sie keins bekommen könnten, ihr eigenes. Wir dürfen aus diesem sagenhaften Bericht und dem Namen Vinniii schließen, daß die Langobarden berserkerartige Krieger hatten, die sich Hundsköpfe, wohl als eine Art Helmhauben aufsetzten, um sich in ihrer Kampfekstase als wütende Hunde zu fühlen76S). Die Kimbern trugen nach P l u t a r c h Helme in der Form von Köpfen wilder Tiere mit aufgesperrtem Rachen 764). In ähnlichem Glauben wird der Eberkopf getragen. Erhalten sind natürlich nur metallene Eberhelme, die z. T. mit einer Eberfigur geschmückt sind, z. T. mit eigentümlichem zackigem Kamm die gesträubten Nackenborsten des wütenden Tiers nachbilden765); im Beowulf ist der Eberhelm mehrfach beschrieben, doch lebt er im Norden in historischer Zeit nur im Namen fort: der Helm heißt z. B. Hildisvin „Kampfschwein" oder Hildigoltr (allgem. skaldisch) 766). Auf die EberFeldzeichen der Aestier 767) und der Gallier 768) sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. In wie hohes Altertum diese Kriegersitten hinaufgehen, ergibt sich aus der bisher nicht richtig gewürdigten Tatsache, daß gleichartige Kriegerhelme auch für die klassischen

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Völker sich erschließen lassen, xuvsj), das Homer einfach für „Hehn" braucht, heißt eigentlich „Hundefell", XTISSK) ist ein „Wieselfell" wie latein. galea (zu yctXri „Wiesel"); Wiesel und ähnliches kleines Raubzeug zeichnen sich durch leidenschaftliche Kampfwut und durch die Eigenschaft, in einen regelrechten Blutrausch zu geraten, aus. Eingehende Ausführungen behalte ich mir für eine andere Stelle vor. In allen diesen Fällen haben wir es nicht mit eigentlichen Gesichtsm.n zu tun, sondern nur mit Tierkopf-Hauben; doch deuten Bezeichnungen des Helms im Beowulfliedwiegrimhelm, h e r e g r l m a , b e a d o g r l m a , wie auch ahd. g r i m a selbst (o. § 18) darauf hin, daß auch Helme mit einer Gesichtsm. versehen sein konnten769). Auch hier kommt es auf die Form der Verkleidung gar nicht entscheidend an; das Wichtige ist der Verwandlungs- und Besessenheitsglaube. Bär, Eber und Wolf sind nun auch Tiere, die gerne in den M.nzügen umgeführt werden770); die erklärende Verbindung liefert vielleicht ein überaus merkwürdiger und lehrreicher WerwolfProzeß von 1692 aus Livland, den v. B r u i n i n g k mitgeteilt hat 771 ). Aus den Aussagen des Angeklagten, des waschechten Heiden, des 86jährigen, als Werwolf berühmten und hochgeschätzten (!) T h i e s geht hervor, daß diese livländischen Werwölfe jährlich dreimal zusammenkamen, sich Vieh raubten, kochten und gemeinsam verschmausten, aber auch jedesmal aus der Hölle holten und austrugen „was die Zäüberer hinein gebracht hätten an vieh, korn und anderem wachsthumb"; und daß alles, was die Werwölfe täten, den Menschen zum besten gereiche; „denn wenn sie nicht wären und dem teüffel den seegen wieder wegstiehlen oder raubeten, so würde aller seegen in der Welt weg seyn" 772 ). Mit dieser Aussage eines alten und erfahrenen Werwolfs darf man die andern bei v. B r u i n i n g k gesammelten Zeugnisse773) zusammenhalten; es geht daraus hervor, daß im alten Livland, Lettland, Preußen wilde Heischezüge männlicher, in Wölfe

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vermummter Gesellschaften üblich waren; sie schufen, wie die uns bekannten M.n, Gedeihen und Glück auf allen Gebieten. Wir können dem Alter und der Verbreitung dieser Wolfsm.n hier nicht nachgehen; es sei nur daran erinnert, daß wohl schon bei H e r o d o t eine Nachricht über ein solches Fest bei den Neuren vorliegt774). Wichtig ist, daß wir hier von verschiedenen Seiten auf die Bedeutung des Wolfs als Seelentier geführt werden. Vielfach, namentlich bei Slaven, gilt er als Totengeist und Vampir 775 ); der alte Thies hat zudem mit der wünschenswertesten Deutlichkeit ausgesprochen, woher sie kommen, und wir würden auch ohne ihn schließen, daß wir in diesen M.n, nach ihrem ganzen Verhalten und nach der ihnen zugetrauten Macht, wieder unsre Seelenm.n vor uns haben. Als das Gemeinsame bei diesen Festwölfen und den Kriegswölfen ist vor allem ihre Besessenheit zu betrachten. Die echte M. ist besessen, und zwar, da sie ein Seelenwesen darstellt, besessen von einem Totengeist; umgekehrt kann man in besessen sich gebärdenden Tieren wieder die Totengeister wirksam sehen. Das muß nicht bei jedem Tier und immer so sein; aber beim Wolf ist es jedenfalls geschehen. Daß die BerserkerKrieger sich von Seelenwesen besessen glaubten, ist nicht anzunehmen; sie fühlten sich, wie oben ausgeführt ist, als Bären oder Wölfe. Wir Intellektualisierte tun aber gut uns daran zu erinnern, daß eben diesen grimmen Tieren etwas Numinoses eigen war, um ein modernes Schlagwort zu gebrauchen; und daß beim Erleben der Kampfwut in der Tat ein Numen empfunden wurde, und zwar ein Numen der Geister- und Totenwelt, das zeigt ja doch wohl auch der Name des Kampfgottes Wuotan. Es darf in diesem Zusammenhang auch an den feralis exercitus der Harii erinnert werden, über den aus dem Wortlaut des Tacitus freilich absolute Sicherheit nicht zu gewinnen ist 776 ).

7U ) L . W e i s e r Jünglingsweihen ( 1 9 2 7 ) 4 5 . 4 8 . ' " ) W a i t z Anthropologie 5 , 1 5 9 ; W e s t e r m a r c k Ursprung u. Entstehung der Moralbegriffe 1, 25 und Anm. 1 1 p. 585. 7 M ) C. M a u r e r Bekehrung d. norweg. Stammes 2 (1856), 105 ff.; M ü l l e r -

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B e r g s t r ö m oben Bd. 1, 1093 f. ' « ) MttllerB e r g s t r ö m a . a. O.; G. S t e i n h a u s e n German. Cultur i. d. Urzeit3 (1917), 52. 748 ) Vererbung: Egilssaga 27. 40; W e i s e r a. a. O. 45. "•) A n d r e e Parallelen 1 , 7 9 s . ; J . M a c C u l l o c h bei H a s t i n g s 8,206 fi.; R o s c h e r Kynanthropie. 75 ®) Vgl. B r e h m Tierleben 1 (1864), 402 fi.; R o s c h e r Kynanthropie 54 s . usw. 7tl ) M o n t e l i u s Kulturgesch. Schwedens (1906) 232 Abb. 370; H. D. T r a i l l u. J . S. Menn Social England 1, 263. 752 ) W e i s e r Jünglingsweihen 46 und sonst; Landnamabok 3 , 3 ; 763 H e r t z Werwolf 57. ) S p r o c k h o f f in E b e r t s Reallex. 5, 297; D i c h e l e t t e Manuel ,S4 d' archiol. prthisl. II 3 (1914), 1156. ) W o e l k e Bonner Jbb. 120 (1911), 183. 765 ) F l o r u s 1, 37 „invicta illa rabies et impetus, quem pro virtute barbari habent"; A m m i a n . M a r c e l l i n . 16, 12, 36. 44. 47 usw.; M ü l l e n hoff Altertumsk. 2, 132. 7M ) A m m i a n . Marc. 16, 12, 1; 18, 2; viele Beispiele b. F ö r s t e m a n n Ahd. Namenb. i 2 (1900), 1482ff. Ebenso ist griech. AuxoOpyo; Auxop.^Ö7ji Auxrfvpuiv usw. zu verstehen. " ' ) Much ZfdA. 57 (1920), 1 4 5 s . ,5B 1 6 1 ; W e i s e r a . a . O . 54. ) Wie W e i s e r a. a. O. 52f. und sonst tut. 75> ) Much Balder 109; B r u c k n e r Sprache d. Langobarden 76; W e i s e r a. a. O. 49. "») G r a f f Ahd. Sprachschatz 1, 876; vgl. S c h a d e Altd. Wb? 2, 1 1 6 3 . '•») S c h m e l l e r BayrWb. 2, 929. 7«2) Paul. Diacon. Hist. Langobard. 1, n . 743 ) W e i s e r a. a. O. 49. Andere in diesen Zusammenhang gehörige Völkernamen bei R. v. K i e n l e W S . 14 (1932), 2 5 f r . , doch ohne die richtige Deutung. 7M ) P l u t a r c h . Marius 25; M ö l l e n h o f f Altertumsk. 2, 121 ff.; M a r e k s Bonner Jahrbb. 95. 32fi. ' « ) L i n d e n s c h m i t Handb. d. deutschen Altertümer 1,256s. 7 " ) H j a l m a r F a l k Altnord. Waffenkunde (Videnskaps. Skrift. II hist. fil. Kl. 1914, Nr. 6), 158 ff.; vgl. noch G r i m m 768 Myth. 177 f. »•») T a c i t . Germ. 45. ) S. 7S Falk a.a.O. 159,1. ») Ebd. 164. M a c k e n s e n oben s.v. Erbsenbär; S a r t o r i Sitte 3, 304 Reg. s. v. 7 7 1 ) Mitt. aus d. livländ. Geschichte 22 (1924), 163 ff. 772 ) A.a. O. 181. 207. 773 ) Bes. O l a u s M a g n u s Hist. de gentibus septentrion. 1 (Rom 1555), Buch 18, c. 45 ff.; vgl. H e r t z Werwolf 1 1 7 . 120. 774 ) H e r o d o t . 4, 105. ' " ) H e r t z Werwolf 88 f. " • ) T a c i t . Germ. 43; M ü l l e n h o f f Altertumsk. 4 , 4 9 2 ; W e n i g e r A R w . 9, 1906; H ü n n e r k o p f NddZfVk. 4 (1926), i f f . ; W e i s e r Jünglingsweihen 39-

36. S c h l u ß b e m e r k u n g . Es hat sich gezeigt, daß die Uberlieferung der Germanen über ihre M.n erheblich älter und reicher ist, als man anzunehmen pflegte. M.n sind bezeugt vielleicht schon für das 6. Jh. bei den Goten (§ 11), sicher für das 7. Jh. bei den Langobarden (walapauz § 12, m a s c a § 13). Größere Verbreitung der masca (fränkisch?) scheint

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Maß, messen

t a l a m a s c a (§ 14) zu bezeugen. In ahd. Zeit begegnen h a g a z u s s a (§ 15), h a g u b a r t (§ 16), s c r a t o (§ 25 h), g r l m a (§ 18), wozu i s e n g r i n d (§ 19) gehört; endlich h a r l e k i n mit seiner h u r e (§ 20. 21), wozu man vielleicht auch ahd. h i u r i , u n h i u r i stellen darf. Alte Namen sind auch b u t z , b ö ö g g , n a r r , p o p a r t , m u m m a r t , g o u g g i l a r i (Gaukler, Gäuggel). Aus der Prüfung dieser Namen ergibt sich, wie bes. § 27 gezeigt ist, ein hochaltertümliches Bild primitiver Seelen-wesen, die in Wind und Wetter daherfahren, als unheimliche große Tiere oder als elbisches Gewürm erscheinen können, bald wild und böse, bald gut und freundlich; sie haben Macht über Gedeih und Verderb von Mensch, Tier und Pflanze. So charakteristisch germanisch die einzelnen Züge sind, so deutlich ist es, daß hier Vorstellungen vorliegen, die sich •wesentlich gleichartig über die ganze primitive Menschheit hin finden; sie wurzeln eben in allgemein gültigen Tatsachen des menschlichen Lebens und in überall gleichen Erlebnissen. Die Prüfung der Gebräuche ergibt, daß man diese Wesen zu bestimmten Zeiten, die seit alters als Schwarmzeiten der Seele galten, mimisch darstellte; diese Darstellung gipfelt in einer Sühnehandlung, in der man durch Opfer und Buße das Wohlwollen der „Ungeheuer" zu erlangen suchte, und in symbolischen Gaben den Segen handgreiflich empfing. In den Grundzügen entspricht auch dies alles dem M.n-Brauch der Primitiven; hier wie dort bemühen sich die M.nträger, durch Ausstattung und Benehmen den Eindruck von Geistwesen zu erwecken (§ 28). Wie bei den Primitiven ist das M.nwesen Sache der Männer, resp. der Männerbünde. Der Ausbau dieser Vorstellungen im Brauchtum hat auch bei den Germanen zu überraschend gleichartigen Ergebnissen geführt: aus den alten Seelenm.n geht, wie bei so vielen Primitiven, die Justizm., die Kriegsm., die komische Person, der Kinderpopanz hervor. Es ist klar, daß eine so große und eigenartige Entwicklungsreihe nicht von einem fremden

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Volke übernommen sein kann. Für die tiefe Verwurzelung im alten Glauben spricht auch die Übernahme und Pflege der Bräuche in cillen Schichten der Gesellschaft; die ländliche Bevölkerung, die verschiedenen Gruppen der Stadtbewohner, der Klerus, die Höfe, die Kinder haben sie aufgenommen und in ihrer Weise sich angepaßt. Gleichartige, offenbar ebenso selbständige Entwicklungsreihen finden sich bei Griechen und Römern; über lat. p e r s o n a hat A l t h e i m 777) gut, über l a r v a T a b e l i n g 778) (nicht abschließend) gehandelt. Eine Untersuchung über diese und die griechischen M.n werde ich nächstens an anderem Orte vorlegen. Offenbar wäre es falsch, die „Vegetationsdämonen" M a n n h a r d t s mit diesen alten Seelenm.n schlechthin gleichzusetzen; die Verhältnisse liegen hier komplizierter. Zweifellos sind häufig — namentlich z. B. in den Erntebräuchen — reine Numina der Wachstumskraft gemeint; unzweifelhaft sind aber viele dieser Numina mit den Seelenwesen eine Verbindung eingegangen, wie ja Mannhardt selbst vielfach angedeutet hat; daß er eine ganze Anzahl eigentlicher Seelenm.n für seine Vegetationsdämonen beansprucht hat, ist gewiß. Die Untersuchung muß von den hier gewonnenen Gesichtspunkten aus neu geführt werden. " ' ) A l t h e i m ARw. 27 (1929). 34^™) E. T a b e l i n g Mater Larutn. Frankf. Studien z. Relig. u. Kultur d. Antike hg. v. W. F. O t t o 1, 1932. Meuli.

Maß, messen. Nach Plinius x ) ist die Länge des Menschen vom Scheitel bis zum Fuß gleich der Breite, gemessen mit ausgebreiteten Armen über die Brust von Hand zu Hand; die gleiche Meinung vertreten auch die hl. Hildegard 2 ) und Agrippa von Nettesheim 3 ). Dieses Normalmaß stellt den Menschen selber dar und kann ihn vertreten 4 ). Stimmen die beiden Maße nicht überein, so hat der Mensch „sein M. verloren" und ist krank; zur Feststellung dieser Tatsache dient das Messen als Diagnose 5) und geschieht bei Auszehrung, Schwinden, Abnehmen, Gelbsucht, englischer Krank-

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heit, Nachtgriff, Behexung usw. 8 ). Aber es ist auch Heilmittel 7 ), das im allgemeinen in der Form angewendet wird, daß sich der Patient auf den Boden legt, oft mit dem Gesicht erdwärts und entkleidet, mit ausgestreckten Armen und Beinen, und dann kreuzweise (s. d.) mit einem Faden von der rechten Hand zum linken Fuß und von der linken Hand zum rechten Fuß oder von Hand zu Hand und vom Scheitel zur Ferse o. ä. gemessen wird 8 ). Stellt sich dabei ein Unterschied in den M.en heraus, so leidet der Gemessene an einer der genannten Krankheiten, die durch die mit mancherlei andern Heilbräuchen verbundene Handlung gebannt wird: man hängt den Maßfaden, der ungebleicht, roh, unbenetzt, aus Werg, von roter Farbe usw. sein soll 9 ), in einen Holunderstrauch und läßt ihn verfaulen l0 ) oder vergräbt ihn 11 ), man benutzt Körner 12 ), macht das Kreuz, auch mehrfach 13 ), legt die Schnur mit Salz unter einen Stein 14 ), bindet ihn um ein Ei und legt beides in Feuer 1S ), nimmt den Akt an bestimmten Tagen und Zeiten vor 1 8 ), benutzt einen am Karfreitag oder Karsamstag gesponnenen Faden 17 ), legt den Faden in besonderer Weise zusammen, vergräbt einen Teil, verbrennt einen andern zu Asche, die der Kranke trinken muß, einen dritten, gleichfalls zu Asche verbrannt, muß ein Hund auf Brot fressen 18 ), rezitiert Sprüche, Formeln oder Gebete 19 ) usw. Gemessen wird auch mit einem Strohhalm oder mit einem Holunderstecken21), den man kerbt 22 ), mit Kerzen 23) oder auch mit Fingerspannen 24 ). Besonders wird mit dem M. Kopfschmerz, Hauptscheid, bekämpft 25 ). Dabei mißt man von der Stirn zum ersten Halswirbel und vom Bart zum Scheitel 26 ) oder kreuz und quer mit einem roten Band 2 7 ) oder man bindet den Kopf mit einem Faden usw. 29 ). Es heißt hier ebenfalls, daß der Kopf sein M. verloren habe 28 ), und mit dem Messen sind gleichfalls andere Handlungen (das Anzünden farbiger Kerzen und Gebete) verknüpft 80 ). Die Praxis ist sehr alt und wird von Serenus Sammonicus, mit einem Papyrus-

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streifen ausgeführt, für Nasenbluten angeraten 31 ), von Celsus82) für Kopfschmerz (caput devinciunt); sie liegt auch den „capitis ligaturis comportatae ad cruces, quae in biviis ponuntur" des Burchard von Worms 33 ) zugrund und wird im Mittelalter mehrfach, wie bei Celsus auch ohne ausdrückliche Erwähnung des Messens, genannt 34 ). Mit ihr hängen die eisernen Votivringe, die gegen Kopfschmerzen unter Gebet aufgesetzt werden und in zahlreichen Kapellen und Kirchen Belgiens, Luxemburgs 3S ), Triers und seiner Umgebung 38 ), aber auch in Norditalien 37) zu finden sind oder früher zu finden waren, zusammen. Eine weitere Form des M.s ist die, daß man einen Kranken unter allerlei Zeremonien mißt, um den Namen des Heiligen zu erforschen, an den man sich um Hilfe wenden muß 38 ). Dieses am Rhein und in Frankreich früher verbreitete Verfahren ist schon von Caesarius von Arles 39 ) im 6. Jh. erwähnt: „Mitte ad illum Divinum (d. i. devin), transmitte ad illum cingulum aut fasciam tuam, mensuretur et adspiciat; et ipse tibi dicet quid facies, aut utrum evadere possis". Statt am Gürtel wird die Handlung auch an den Windeln eines Kindes (Bemardinus von Siena) oder am Arm des Leidenden 41 ) vorgenommen, wie bei Atrophie des Armes das gewöhnliche Messen42). Delrio 43 ) schildert das Verfahren so: „Pro quovis morborum genere, funiculo laneo brachium circumdare, in nomine Dei, etc. et ad nomen sancti, cui morbus sacer, funiculus contrahetur et fiet brevior etc.". Gegen Fieber kann ferner das M. eines Hundes benutzt werden. Man mißt das Tier mit einem Faden aus ungebleichtem Hanfgarn von der Schnauze bis zum Schwanzende, bindet sich den Faden um den Hals, trägt ihn sieben Tage lang und windet ihn dann um einen Zwetschenbaum i l ). Das wird eine Übertragung der Krankheit auf Tier und Raum bedeuten. Das Maß kann man auch verlieren, wenn man mit e i n e m Schuh timherläuft46) oder über Leichenstroh geht 48 ).

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Das Messen kleiner Kinder ist schädlich, hindert sie am Wachstum und Gedeihen usw. und soll darum vermieden werden 47); auch darf man ihnen — meist wird gesagt, im ersten Lebensjahr — keine Kleider anmessen lassen 48), was auch für Schwangere gilt 49), ebensowenig Schuhe 80). Andererseits mißt man neugeborene Kinder, ob alle Verhältnisse stimmen; ist dies nicht der Fall, so muß man das Kind durch Zauberhandlungen sichern 51). Trotz dem Verbot werden aber Kinder zur Feststellung ihres Wachstums gemessen 52). Weiter darf man sich nicht im abnehmenden Mond m., sonst mißt man sich den Sarg 53 ) oder man schwindet hin 54) (Sympathiezauber). Als Orakel, um die künftige Entwicklung eines Kindes zu erkunden, benutzen die Atjeher das Messen55). Es dient ferner als Mittel, um zu wissen ob ein Kranker oder ein Kind am Leben bleibt oder stirbt S6 ). Aus dem Aneinandermessen der Hände zweier Personen erkennt man, welche von ihnen zuerst stirbt 57 ). Zur Weissagung dient auch das Messen von Getreide 58) und von Wasser, das man als Diagnose für Krankheit anwendet69), aber auch um fruchtbare oder teure Zeiten vorauszusehen In Indien erkennt man die Behexung eines Pferdes, wenn man das Tier von den Ohren bis zur Schwanzspitze mißt mit einem Baumwollfaden, den man um ein Kügelchen aus Käseteig wickelt und dieses ins Feuer wirft; brennt der Faden, ehe das Kügelchen gekocht ist, so ist auf das Pferd ein böser Blick geworfen 61). Das M. eines Toten wird zwar auch zu Heilzwecken gebraucht62), doch ist es im allgemeinen gefährlich M ). Mißt man einen Toten in bestimmter Weise dreimal und danach mit dem Maßstrick einen Lebenden, so wird dieser dadurch ins Unglück gestürzt 64) oder man kann mit einem solchen Totenmaß einen Lebenden dem Toten nachsterben lassen 65). Die Bosnierin schützt sich mit einem dem Mann in den Hemdärmel genähten Totenmaß vor des Gatten Prügeln 66 ). Der Stab, mit dem ein Toter gemessen ist, hält als Vogelscheuche die Vögel ab 67).

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Ein solcher Stab, der Zauberkraft wirkt, kann auch als Waffe benutzt werden ®8). Ein Holunderstecken, mit dem der Sarg 69} oder die Leiche 70) gemessen wurde, dient bei der Bestattung dem Leichenfuhrmann als Peitschenstab. Das Grabm. wird, wohl um Mißbrauch zu verhüten, dem Toten ins Grab nachgeworfen oder in den Sarg gegeben 71 ). Dagegen mißt man bei den Rumänen der Bukowina vor der Beerdigung noch einmal den Toten mit einem Faden, um dadurch sein Glück im Hause zurückzuhalten 72). In Äthiopien gibt man dem Verstorbenen eine Zauberrolle, die Lefäfa Sedek, „Binde der Gerechtigkeit", mit ins Grab, die ihm den Eingang in den Himmel sichern soll; sie enthält acht magische Gebete und hat die Länge des Toten 73 ). Ein Leichenm., stillschweigend entwendet und an die Haustür gelehnt, schützt den Dieb vor Entdeckung 74). Als Schutz für die Reise schreibt das Kausika Sütra vor, unter Flüstern eines Zauberliedes das Gesicht mit der Spanne der rechten Hand zu m. 7S ). Auf Zakynthos wird im Amulettsäckchen das bei der Geburt von einem Priester genommene und geweihte Körperm, als Schutz aufbewahrt 76). Zur Sicherung gegen das Nachsterben legten die Freunde eines verstorbenen Juden Kerzen mit ihrem Längenm. und Namen dem Abgeschiedenen in die Totenlade 77), die, ähnlich den Votivkerzen nach dem Körperm, eines Kranken 78 ), ein stellvertretendes Opfer der Lebenden sind. Bei den Tscheremissen legt man einem verstorbenen Kind einen Faden von der Länge eines Erwachsenen in den Sarg, damit es in der andern Welt so groß werde wie der Faden lang ist 79 ). Nach einem byzantinischen Zauber kann man einen Sklaven oder sonst eine Person am Entfliehen hindern, wenn man mit einem Strick seine Länge vom Kopf bis zu den Füßen mißt und den M.strick unter Anrufung eines Toten in dessen Grabmal mit einigen begleitenden Handlungen vergräbt80). Legt man die Schnüre, mit denen man die Kinder in einem Hause, in dem ein Toter aufgebahrt ist, gemessen hat, dem Toten in

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den Sarg, so fürchten sich die Kinder nicht 81 ). Andere mit dem M. zusammenhängende Bräuche sind noch das Verbot, die Tiefe eines Sees oder Brunnens zu m., weil dies gefährlich ist 82 ), die Vorschrift, beim Komm, auf sich zu zu streichen, um nicht dem Teufel in die Hände zu m. S3 ), beim M. des Samens gehäuft zu m., damit der Same reichlich trage84). Auf einem Getreidem. darf man nicht sitzen oder stehen 85 ). Um einen Dieb zu strafen, nimmt man das M. seiner Fußspur, kocht sie oder hängt sie in den Schornstein84). Auch mit dem M. des Schattens, der den Menschen vertritt und darstellt, treibt man Schadenzauber 87). Nach jüdischem Glauben stellt man die Geschlechtsreife eines jungen Mannes fest, indem man mit einem Faden seine Halsweite doppelt mißt, dann mit dem Faden die Länge vom Scheitel bis unter das Kinn nimmt; ist der Faden weiter, so ist der Jüngling Mann, ist er kürzer, so ist er noch Knabe88). Als Lebensm. wird im Pinzgau ein Wachsstab mit Einkerbungen, drei Querstäben und vergoldet bezeichnet. Bei der Anfertigung des Sarges wird die Länge des Toten gemessen; nach der Beerdigung fällt das M. dem Mesner zu und wird von diesem als Wachs weitergegeben oder verwendet M ). Das Führen falschen M.es hat zur Folge, daß man geistern muß oder der Teufel einem nachmißt usw., während gutes M. Glück bringt M ). Über hl. M.e s. Christi Länge und Länge Christi91). l ) n. h. 7 , 1 7 . 2 ) M i g n e Patrol. S. L. 197, 814. ) A g r i p p a v o n N e t t e s h . 2, iö3ff. 4 ) Urquell 6 (1896), 59. s ) W u t t k e 340 § 506; S e y f a r t h Sachsen 2 3 1 ; J o h n Westböhmen 272; ZfrwVk. 1905, 144; L a m m e r t 98; S c h r a m e k Böhmerwald 281; ZfVk. 1 3 (1903), 360. 362; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 44; Urquell 3 (1892), 7of.; ZföVk. 1 3 (1907), 138; D r e c h s l e r 2, 3 1 3 ; J ü h l i n g Tiere 317. •) ZfVk. 13, 363; 1 5 (1905), 349; 16 (1906), 1 7 5 ; G r i m m Myth. 2 1 1 1 6 ; ZfrwVk. 1905, 144; 1910, 149; L a m m e r t 89. 98; W u t t k e 339 §505. 506; S c h r a m e k Böhmerwald 281; D r e c h s l e r 2, 3 1 1 ; S c h u l e n b u r g 99; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 4 0 1 109; F o g e l Pennsylvania 330 Nr. 1756; G r o h m a n n 177. 178. Die Krankheit selber wird auch „das Messen** genannt 9

B ä c h t o l d - S t ä u b l i , Aberglaube V

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D r e c h s l e r 2, 3 1 1 . 312. ') ZfVk. 13, 256. 35°fi- 361. 364; 15. 349; 21 (1911), I5*ff-; 2 (1892), 170; S e y f a r t h Sachsen 232; D r e c h s l e r 2, 279; L a m m e r t 224; K r a u ß Retig. Brauch 5 1 ; D e r s . Slav. Volkforschung 1 1 6 ; S c h ö n b a c h Berthold v. R. 2öf.; R e u s c h e l Volkskunde 2, 26; S t e m p l i n g e r Sympathie 65t.; D e r s . Volksmedizin 85; F r a z e r 12, 366; Z a c h a r i a e Kl. Sehr. 398; MschlesVk. 3. Heft (1896), 48; L i p p e r t Christentum 653; G r i m m Myth. 2, 874; 3 , 4 1 1 ; DWb. 6, 2 1 1 9 ; S c h i n d l e r Aberglaube i 7 9 f . ; S a u p e Indiculus 20; J . F e h r Der Aberglaube u. d. kath. Kirche d. MA. (1857), 63; M ü l l e r Isergebirge 22. 23. 36; S ^ b i l l o t Folk-Lore 4, 170; Neue Jbb. f. d. klass. Altert. 8 (1905), 1 , 716; P r a d e l Gebete 36. 1 3 1 ; M a n s i k k a Über russische Zauberformeln (1909), 105; T h i e r s 1 , 284; 2, 438; H a n s e n Hexenwahn 207. 633f.; J . G e f f c k e n Der Bildercatechismus d. 15. Jh.s 1 (1855), 55. 99 (Beil. 8). 106 (Beil. 9); P l o ß Kind 1 , 267; K l i n g n e r Luther 124; ElsässMonSchriGeschuVk. 1912, 280. Die von Grimm angezogene Stelle 1. Reg. 17, 21 lautet im hebr. Text: „und er (Elias) streckte sich dreimal über den Knaben hin". Der Grieche hat dafür biv&ytrpt, der Lateiner: „expandit se atque mensus est snper puerum tribus vieibus". Die lat. Fassung, die mit der doppelten Übersetzung des hebr. wajjithmöded offenbar eine Erklärung der Handlung geben will, kann auf den Meßbraach hinweisen. 8 ) ZfVk. 13, 362; 22 (1912), 1 3 3 ; S t r a c k e r j a n 1 , 80; W u t t k e 339 §506; D r e c h s l e r 2, 3 1 2 ; ZfrwVk. 1905, 183; 1910, 149; S c h u l e n b n r g 99; H o v o r k a u. K r o n f e l d 1 , 218; 2, 44. soff.; G e f f c k e n a. a. O. Beil. 1 1 2 ; G r o h m a n n 178; ZföVk. 1 3 (1907), 138. ») W u t t k e 341 §507; ZfrwVk. 1910, 149; B a r t s c h Mecklenburg 2, 330; D r e c h s l e r 2, 3 1 2 ; S e y f a r t h Sachsen 232; ZfVk. 21 (1911), 1 5 3 ; H o v o r k a u . K r o n f e l d 2, 5of.; G e f f c k e n a. a. O. 55. 99; M a n n h a r d t German. Mythen 1 3 4 f . '•) W n t t k e 340 §507; S t r a c k e r j a n 1 , 9 1 ; H o v o r k a u. u K r o n f e l d 1 , 218. ) W u t t k e 331 §492; 338 §504; 340 §506; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 49. 50; J o h n Westböhmen 272. '*) ZfVk. 1 3> 362; D r e c h s l e r 2, 3 1 4 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 5 1 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 330; ZföVk. 1 3 (1907), 138. » ) W u t t k e 340 § 506; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 1 9 1 . M ) S t r a c k e r j a n i , 88. 1 S ) ZfrwVk. 1 9 0 5 , 1 4 4 . 1 8 3 ; H ö h n Volksheilkunde 1 , 154; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, iogf. M ) W u t t k e 340 §506; D r e c h s l e r 2, 3 1 4 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 50. M ) W u t t k e 340 §506; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 49. 1 8 ) W u t t k e 340 §506; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 49f.; G r o h m a n n 178. ">) ZfVk. 13, 364; 16, 1 7 5 ; 17, i69f.; 2, 170; W u t t k e 340 § 506; B a r t s c h Mecklenburg 2, 330. 367; S c h r a m e k Böhmerwald 2 8 1 ; D r e c h s l e r 2, 312. 3 1 3 ; J u n g b a u e r Bibliogr. 360 Nr. 2476; H ö h n Volksheilkunde 1 , 123. 20 ) J o h n Westböhmen 272; W u t t k e 339 § 506; G r o h m a n n 177; D r e c h s l e r 2, 3 1 2 ; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 50. 2 1 ) F o g e l Pennsylvania 59

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Maß, messen

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5 1 ; W u t t k e 394 §604; S t r a u ß Bulgaren 68; Z f V k . 13, 384. " ) W u t t k e 377 § 5 7 2 . D r e c h s l e r 1, 212; W o l f Beiträge 1, 208. S1 ) W u t t k e 341 § 507; G r o h m a n n 107. " ) Z f V k . 13, 356. " ) Urquell 4 (1893). 19. " ) W u t t k e 308 §453. " ) Z f V k . 13, 367f. *•) W u t t k e 340 § 506; S e y f a r t h Sachsen 231; J o h n Westböhmen 272; ZfVk. 22 (1912), 1 6 1 ; G r o h m a n n 229. " ) S t r a c k e r j a n 1, 55; W u t t k e 309 §454; Z f V k . 15 (1905), 350. " ) W e i n h o l d Neunzahl i 6 f . ; G r i m m Myth. 3, 443 Nr. 258; J a h n Opfergebräuche 345; H. L. F i s c h e r Das Buch vom Aberglauben (1791), 326. " ) W u t t k e 340 § 507. «•) G r i m m Myth. 1, 491 f.; 3, 418 Nr. 43; 469 Nr. 953; G r o h m a n n 51. n ) S e l i g m a n n Blick 1, 266. 62 ) S e y f a r t h Sachsen 232; J o h n Erzgebirge i n ; Urquell 4 (1893), 70; S c h u l e n b u r g Wend. Volkst. 99. •») Urquell 6, 60; Globus 44, 238; J o h n Westböhmen 171. **) A g r i p p a v o n N e t t e s h . 1, 233. S6) Urquell 6, 60; T r e i c h e l Aberglauben aus Westpreußen 12. " ) Urquell 6, 60; K r a u ß Relig. Brauch 139. •') Urquell 3, 149; 6, 60. «•) Urquell 3 (1892), 149. ••) W u t t k e 108 § 1 4 1 ; R . H e i c h a r d t 1, 18; Jb. d. Luxemburger Sprachgesellschaft Geburt, Hochzeit und Tod (1913). 175. 176. 1929, 109. 34) K l i n g n e r Luther 124; Z f V k . 70 ) S c h e i b l e Kloster 12, 288; G r i m m Myth. 21, 154; 22, 133; JbLuxSprGes. 1929, iogff.; 3, 465 Nr. 866. 7 l ) S a r t o r i Sitte u. Brauch G e f f c k e n a. a. O. 112; T h i e r s i , 56. 65. 425; Theolog. Quartalschrift 88, 420. Vielleicht I, 150; Urquell 6, 60; W i t z s c h e l Thüringen 2> schon bei Augustin s. JbdLuxbgSprGes. 1929, 253; JbNdSpr. 1877, 151; R e i c h a r d t 113. Eine Entstellung des Brauchs ist wohl a. a. O. 145. n ) L . W e i s e r Das Lebensmaß die im Pilgerbuch des Antonius von Nowgorod (SA. a. Bd. 56 Mitt. Anthrop. Ges. Wien 1926) (um 1200) mitgeteilte Praxis: in einer Kapelle 3. " ) E. L i t t m a n n Gesch. d. äthiop. Literatur der Hagia Sophia zu Konstantinopel ist eine (Gesch. d. christl. Literaturen d. Ostens 7) Lampe aufgehängt; wenn jemand Augen2, 210. 74) W u t t k e 272 §400; G r i m m Myth. schmerzen hat, so umbindet man seinen Kopf 3. 464 Nr. 849. " ) Z f V k . 13, 365- " ) Bmit dem Strick, der die Lampe hält, und die S c h m i d t Die Insel Zakynthos 160; N e u e j b b Augen sind wieder heil, d e K h i t r o w o ItinéfdKlassAltert. 1 (1913), 603. " ) A. M a r g a r i t h a raires russes (Genf 1878) 1, 1, 96. s 5 ) JbLuxbgDer gantze Jüdische Glaube ed. Chr. Reineccius SprGes. 1929, io6ff.; 1930, 66. " ) Nach schriftl. (1718, erste Ed. 1530), 112. M. beruft sich Mitteilung von Hrn. Prof. Dr. Keune: in auf eine Stelle der Lam. lerem., die auf das St. Mathias zu Trier, ferner am Wunderborn zu Messen und Wägen der Kinder als Opfer geSchweich und in der Wallfahrtskirche von deutet wird, vgl. dazu JbLuxbgSprGes. 1929, (Eberhards-) Klausen zwischen Salmrohr und i n ; F r a n z Benediktionen 2, 460!!.; MschlesVk. Piesport. »') Z f V k . N F . 2 (1931). 269") 8 (1906), 72; v. W l i s l o c k i Aus dem inneren JbLuxbgSprGes. 1929, H 3 f f . " ) Opp. Augustini Leben der Zigeuner 70; R o c h h o l z Glaube 1, (Paris 1683) 5, Append. 463 serm. 279; JbLuxbg318; ZfdA. 7 (1849), 134ff.; L i e b r e c h t Zur SprGes. 1929, 116. 40) Z f V k . 22, 131 f. 4») Volksk. 236. 505; H a b e r l a n d t in Festschr. 41 ) Z f V k . JbLuxbgSprGes. 1929, 114. 115. z. Begr. d. Teilnehmer v. Anthropologen43 ) Disquis. 13, 364; L a m m e r t 89. mag. kongreß Wien 1899; T h i e r s 1, 327; ZfVk. (Cöln 1679), 492 1. 3 p. 2 qu. 4 sect. 9. 4 t ) Ur17, 9ofi.; 13, 359; Stimmen a. Maria-Laach 4S quell N F . 1 (1897), 25. ) ZföVk. 13 (1907), 61 (1901), 3383.; G r i m m RA. 2, 254a.; 4 130; D r e c h s l e r 2, 312. ') D r e c h s l e r 1, 293; Urquell 2 (1891), 74; N. B r e i s d o r f Die Hexenprozesse im Herzogtum Luxemburg (1861), 30. 2, 312. 47 ) D r e c h s l e r 1, 212; S t r a c k e r j a n 7 t ) F r a n z Benediktionen 2, 199. 475; D e r s . 2, 204 Nr. 453; Z f V k . x (1891), 184; 11 (1901), Die Messe im deutschen MA. (1902), 290. 446; 13, 357; S a r t o r i Sitte u. Brauch 1, 42; '») F F C . 61 (1926), 18; W e i s e r Lebensmaß 2. J o h n Erzgebirge 55. 108; B a r t s c h Mecklenburg 2, 51; W u t t k e 394 §603; F o g e l PennA. D e l a t t e Anecdota Atheniensia 1 (1927), sylvania 45 Nr. 98; 54 Nr. 154; H i l l n e r 136, 9. 8») G r o h m a n n 188. « ) S e p p Sagen Siebenbürgen 52 Nr. 10; d e C o c k Volksgeloof 345 Nr. 91; M e i e r Schwaben 2, 367; B o e d e r 233; K u h n u. S c h w a r t z 459 Nr. 437; P o l Esthen 127; E c k a r t Südhannov. Sagen 81. 8S l i n g e r Landshut 243; M ü l l e r Isergebirge 22; ) D r e c h s l e r 2, 124; E n g e l i e n u. L a h n H e y l Tirol 803 Nr. 262. « ) K ö h l e r Voigt268; G r i m m Myth. 3,474 Nr. 1067. " ) W u t t k e land 424; G r i m m Myth. 3, 454 Nr. 580; H ö h n | 419 §652. " ) Z f V k . 25, 22. »•) S t r a c k e r j a n Geburt 277; B o h n e n b e r g e r 18; M e y e r Baden 1, 122. 123; W u t t k e 414 §643; G r i m m 330 Nr. 1758. , 2 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 116. " ) Z f V k . 13, 365; 22, 161. " ) L a m m e r t 98; W u t t k e 341 §507; Z f V k . 13, 364. «*) H ö h n Volksheilkunde 1, 123. 154; S e y f a r t h Sachsen 232; L a m m e r t 224; W u t t k e 341 § 507; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 190. 191; S c h ö n w e r t h Oberpfalz 3, 239; P o l l i n g e r Landshut 286; J. Scheitelowitz Alt-Palästinens. Bauernglaube (1925), 45; A. B e r l i n e r Aus d. Leben d. deutschen Juden (1900), 98; M. G ü d e m a n n Gesch. d. Erziehungswesens u. d. Kultur d. abendl. Juden 1, 215; Z f V k . 21, 154. " ) L a m m e r t 224; Z f V k . 13, 364; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 190. " ) W u t t k e 341 § 507; L a m m e r t 224. " ) Z f V k . 13, 364; K u h n Mark. Sagen 384; L a m m e r t 224. Fingerspannen: Z f V k . !3. 364; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 190. M ) W u t t k e 341 §507; H o v o r k a u. K r o n f e l d 2, 190. >0) L a m m e r t 224; W u t t k e 341 § 507. 81) Lib. medic. v. 635; S t e m p l i n g e r Volksmedizin 85. S2 ) De medicina 1, 46; H o v o r k a as u. K r o n f e l d 2, 192. ) E. M o g k Der Ursprung d. mittelalt. Sühnekreuze Ber. Sächs. A k . Wiss., Leipzig, Phil.-Hist. K l . 81 (1929),

60)

1862

Massage—Maßliebchen

Myth. 3, 453 Nr. 556; M ü l l e r Isergebirge 7. I dem Kuß her, den es auf die Blume V g l . dazu C. P. C a s p a r i Martin von Bracaras | drückte 8 ). Schrift de correctione rusticorum (1883), 31. 2 ) A l p e n b u r g Tirol 398; vgl. auch H a n d t Erwähnt sei auch das examen in mensuris zur ! m a n n Mark. Heide 66. 3 ) S. auch Kluge Entdeckung eines Diebes, bei dem das Maß Unser Deutsch* 1914, 38. 4 ) Nat. Jiist. 21, 59. eines Losstabes entscheidet. F r a n z Benedik- ' s ) Vgl. M a r z e i l Heilpflanzen 202. «) D ä h n tionen 2, 3 6 i f . 390L; A R w . 20 (1920), 237ÌÌ. ; h a r d t Natur sagen 2, 300; R o l l a n d Flore pop. s. auch Gottesurteil 3, 1040, 10. 8 ') G r o s s 7 , 9 1 . •) R o l l a n d a. a. O. 8 ) S é b i l l o t FolkHandbuch 1, 543; Z f E t h n . 30 (1898), 53. M ) Lore 3, 446. M j d V k . N F . 2 (1906), 109. 89) W e i s e r Lebensmaß i f f . 90) K ü h n a u Sagen 2, 6 1 1 ; R e i s e r 3. Wie vielen anderen Frühlingsblumen Allgäu i , 340; W i t z s c h e l Thüringen 1, 168 (s. d.) schreibt man auch den (drei ersten Nr. 167; L e o p r e c h t i n g Lechrain 74; S c h e l l im Jahre gefundenen) M. besondere HeilBergische Sagen 465 Nr. 2. , l ) D G . 10, 70. — kraft zu. Durch ihren Genuß bleibt man Vgl. noch L ü t o l f Sagen 236; L a i s t n e r Nebelsagen 103. 229. 341; Urquell 6, 58; Z f V k . 13, das ganze Jahr vom Fieber frei 9 ). Des353ff.; S c h r ä d e r Reattex. 5 2 4 s . ; D e r s . Indogleichen schützen sie vor bösen Augen 10 ), germanen 44ff. ; L i e b r e c h t Zur Volksk. 4 i 6 f . ; vor Zahnschmerzenu) und überhaupt J. S c h e f t e l o w i t z Schlingen- u. Netzmotiv vor allen Krankheiten u ) . Drei mit dem (1912), 36; R e u s c h e l Volkskunde 2, 26. 77. Munde abgebissene (die magische Jacoby.

Massage streichen.

s. drücken

Hovorka-Kronfeld Medizin 145 ff.

1,

(2,

468 f.),

290ff.;

Bartels

Maßholder s. Ahorn. Maßliebchen (Gänseblümchen/ Marienblümchen; Bellis perennis). 1. Botanisches. Korbblütler mit grundständiger Blattrosette, dessen Stengel nur ein Blütenköpfchen (Strahlblüten weiß, Scheibenblüten gelb) trägt. Das M. ist überall gemein und blüht vom März bis zum November 1 ). Die Pflanze wird manchmal von Nichtbotanikern mit der ähnlichen, aber viel größeren Wucherblume (s. d.), auch „große Gänseblume" genannt, zusammengeworfen. Marzeil

Kräuterbuch

278 f.

2. Nach einer (Tiroler?) Legende ist das M. aus den Tränen der hl. Maria, die sie auf der Flucht nach Ägypten vergoß, entstanden2), daher der Name „Marienblümchen"3). Damit wäre die Angabe des Plinius 4 ) zu vergleichen, daß die Pflanze „helenium" 5 ) aus den Tränen der Helena entstanden sein soll. Eine slavische Sage läßt das M. aus den Tränen der hl. Magdalena, als sie am Grabe Christi stand, hervorsprießen4). Nach französischen Legenden rührt die rötliche Farbe, die man an den Strahlblüten des M.s oft beobachten kann, vom Blute des Jesuskindes her, das sich an einem Dorn verletzt hatte 7 ) : oder von

Heilpflanze darf nicht mit den Händen berührt werden, vgL Klee) und verschluckte M. vertreiben Magenbeschwerden 13). Ähnlich müssen M., mit denen „gebraucht" werden soll, vor Walpurgi mit Handschuhen (nicht mit der bloßen Hand) gepflückt werden14). Die ersten drei M., die man sieht, soll man essen, dann dürstet man im Sommer nicht, auch schadet kein fremdes Wasser 15).

») Geschichtsbl. f. Stadt u. Land Magdeburg 16 (1881), 242; Z f V k . 23,281 (Schleswig-Holstein); M a r z e l l Bayer. Volksbot. 178; DbotMon. 11 (1893), 75 (Dänemark); schon bei T h i e r s Traité des superstit. 1 (1697), 382 = 10 ) R o l l a n d Flore pop. 7,90. Witzschel 11) D r e c h s l e r Thüringen 2,285. Schlesien 2, 210. 12 ) Alemannia 13, 213. 13 ) J o h n Erzgebirge 249. 14 ) Orig.-Mitt. aus Riedfeld, B A . ls) Neustadt a. d. Aisch (Oberfranken) 1909. M a r z e l l Bayer. Volksbot. 178.

4. In der s y m p a t h e t i s c h e n Medizin bestehen die „Gichterkränzli", die man kleinen Kindern gegen „Gichter" unter das Kopfkissen legt, aus M., die in verschiedenen Farben blühen sollen. Man legt sie am 1. Oktavtag (Fronleichnam) ohne Wissen des Geistlichen unter das Altartuch, wo man sie am letzten Oktavtag wieder holt 16 ), vgl. Katzenpfötchen. „Büscherl", die man gegen wäßrige Augen vor Sonnenaufgang unbeschrieen so um den Hals hängt, daß sie auf dem Rücken Hegen, bestehen aus einer ungeraden Anzahl (25 für Erwachsene, 15 oder 17 für Kinder) von M. 17 ), vgl. Habichtskraut. 59*

I863

Matemantie—Maternus, hl.

Die an Johanni mittags 12 Uhr ausgegrabenen und bei sich getragenen M. schützen gegen Pest 1 8 ), wohl ein Mittel aus einem alten „Sympathiebuch". Die an Johanni zwischen 12 und 1 Uhr gesammelten M. steckt man, in Papier gewickelt, zu sich, wenn man einmal einen wichtigen Gang zu tun oder ein besonderes Geschäft zu verrichten h a t 1 9 ) , vgl. Knabenkraut. w) Zimmermann l7) Volksheilkunde 49. H ö s e r Volksheilkunde 23. 18 ) Erlanger Heimatblätter 10 (1927), 146. " ) B r u n n e r Heimatbuch d. bayer. Bezirksamtes Cham (1922), 96.

5. Haben die M. lange Stiele, so wächst langer Flachs 2 0 ), in Oberösterreich heißt es, daß dann eine „Sucht" ins Land komme 21 ). Wenn die M. zu Beginn des Frühlings reichlich blühen, dann werden im Herbst viele Kinder sterben, oder es wird wenig Heu im Sommer geben 2 2 ). Wer M. zerrupft und die Teile ins Wasser wirft, findet etwas 2 S ). A b und zu wird das M. wie die ähnliche Wucherblume (s.d.) als Orakelpflanze benutzt: die Scheibenblüten werden in die Höhe geworfen und mit dem Handrücken aufgefangen; so viele man auffängt, so viele Kinder bekommt man dereinst 24 ). Durch Auszupfen der weißen Strahlblüten erforscht man den Stand des Zukünftigen usw. 2 5 ). l 0 ) Mähren: ZföVk. 1,242; s. auch Lein, 21 ) B a u m g a r t e n Schlüsselblume. Aus der Heimati, 1 4 4 . l s ) H o v o r k a u . K r o n f e l d 1 , 1 7 4 ; slovakischer Aberglaube? " ) W i l d e Pfalz 66. S4 ) Schwaben: Z f V k . 1 1 , 2 2 5 ; auch in Frankreich: Rtradpop. 20,301. 25 ) Z . B . SchwVk. 1 0 , 3 7 ; John Westböhmen 230.

6. Wenn man M. („Gänseblümchen") in den Gänsestall bringt, werden die Gänse tot 2 6 ), auch heißt es, daß man keine kleinen Gänse bekommt, wenn man die Blumen vor dem Ostersonntag pflückt 2 7 ). Ähnliches glaubt man von einer anderen Frühlingsblume, der Kuhschelle (s. d.). 2S ) Niederbayern: Orig.-Mitt. von G ö s c h l 1907. " ) Amberger Gegend: Orig.-Mitt. von S c h m i d t 1909.

7. M. bei Vollmond oder zunehmendem Mond umgepflanzt, werden gefüllt 2 S ). *•) Urquell 3, 40; MschlesVk. 27 (1926), 233. Marzeil.

1864

Matemantie. In der von einem „Frater ordinis Minorum de observantia familie Hungariae" (Frater Hungarus) im 15. Jh. verfaßten „Biga Salutis", einer Sammlung von Fastenpredigten, wird im 8. Sermon über das 1. Gebot unter den 13 K ü n sten der Hexen die M. genannt x ). Die nähere Ausführung läßt erkennen, daß damit die Sternseherei gemeint ist. E s handelt sich also offenbar um eine aus der bekannten Bezeichnung mathematica „Astrologie" abgeleitete Mißbildung. ') G e f f c k e n Bilderkatechismus

32. 55. Boehm.

Maternus, hl., Bischof 1 ), nach einer um 900 in Trier entstandenen und um 950 in Köln übernommenen Legende einer der 70 Jünger Jesu, der mit zwei andern (Eucharius und Valerius) vom hl. Petrus als Missionar an den Rhein gesandt wurde. M. soll im heutigen E h l (Elsaß) gestorben 2 ), aber durch Berührung mittels des Stabes des hl. Petrus, den die beiden andern aus Rom geholt hatten, nach 40 Tagen wieder zum Leben erweckt worden sein. In Köln und Tongern habe M. christliche Gemeinden gegründet und als Bischof geleitet und sei später auch zum Oberhirten der Trierer Kirche gewählt worden. Als gemeinsamer Bischof von Köln, Tongern und Trier sei er 128 in Köln gestorben. Die drei Städte stritten um den Besitz des Leichnams und entschieden ihn durch eine Art Gottesurteil: Ein Schiff wurde mit dem Toten beladen und auf dem Rheinstrom sich selber überlassen. Ohne fremde Kraft sei es rheinaufwärts gefahren; nicht weit von Köln habe es gehalten. An dieser Stelle wurde zu Ehren des Heiligen ein Kirchlein gebaut, das die Eingeweide des Heiligen aufnahm, während der Leib Trier zuteil wurde. Fest 13. September. Ein Kölner Bischof M., der erste nachweisbare Kölner Bischof überhaupt, ist erst für 313/314 bezeugt. Dieser geschichtliche M. wurde zum Apostelschüler M., um die Gründung der Kölner Kirche durch einen Apostelschüler festhalten zu können. Die Verehrung 3 ) des hl. M. in der Kölner Diözese ist erst seit dem Anfang des 12. Jh.s sicher beglaubigt. Seine

1865

Matriarchat—Matronen

Hilfe wurde und wird besonders bei ansteckenden Krankheiten und heftigen Fieberanfällen angerufen und noch heute während einer I7tägigen Festzeit (13.—29. September) viel b e g e h r t 4 ) . E i n in einer Wolfsthurner Handschrift des 15. Jh.s überliefertes Heilmittel 5 ) gegen Wunden empfiehlt, den Namen des hl. M. auf Z e t t e l zu schreiben, 9 Messen „darüber v o n Sant M. sprechen" zu lassen, jeden Z e t t e l in eine aus Weizenmehl und anderen Stoffen gebackene Teigkugel z u wickeln und einzunehmen, um „ a i n t a g und nacht sicher" z u sein. ') A A . SS. Januarii II 918—922; N e u ß Die Anfänge des Christentums im Rheinlande (1923) 1 3 s . ; Annalen des Hist. Vereins f. d. a Niederrhein 116, i f f . ) H e r t z Elsaß 184; Elsäss. Monatsschrift 1913, 575; Simrock Mythologie 178. 292. ') Z i l l i k e n Kölner Festkalender 96. *) P a a s Die Pfarre St. MariaLyskirchen zu Köln (1932), I20ff. 6) ZfVk. 1 (1891), 317. Wrede.

Matriarchat s. M u t t e r r e c h t . Matronen. Der M.kult ist keltischen Ursprungs und wird wohl durch Vermittlung gallisch-römischer K u l t u r des linksrheinischen Germanien z u den dort befindlichen germanischen Legionären zunächst gekommen sein, u m dann weiteres Verbreitungsgebiet z u g e w i n n e n 1 ) . Die germanischen Soldaten mögen ihre ferne Heimat dem Schutz der „ M ü t t e r " , einer A r t „ g e n i i loci", Schutzgeistern von Haus, Familie und Volksstamm, empfohlen h a b e n 2 ) . Die H a u p t k u l t z e i t fällt — wie die Funde beweisen — von der Wende des 1. z u m 2. bis zur Mitte des 3. Jh.s. D a s H a u p t k u l t g e b i e t ist das linke Mittelrheinufer, die Region der Ubier, also die Gegend v o n Xanten bis Bonn, das Flußgebiet v o n Roer, U r f t und E r f t 3 ) . Daher stammen denn auch die Hauptfunde. In neuerer Zeit das „M.heiligtum" bei Pesch/Münstereifel 1 ). B e i den Galliern sind die Dedikanten der Votivtafeln, die den „ m a t r e s " oder „ m a t r o n a e " ®) gewidmet werden, hauptsächlich Soldaten niederen Ranges; auch bei den Germanen sind viele Soldaten unter den Opfernden. Als Hauptfundorte sind z u verzeichnen: Euskirchen, Zülpich, Bonn, Köln, Jülich, Uerdingen, X a n t e n . B i s z u N e m e t e m und

1866

B a t a v e r n ist der M.kult festzustellen 6 ). Auf den Abbildungen erscheinen die M. immer in der Dreizahl 7 ). Sie sitzen in einer Nische, aedicula. In Aussehen, Attributen und auch in der Funktion erinnern sie gelegentlich an Nehalennia, das K u l t gebiet stimmt j a auch in etwa überein. Der sizilische M.kult wird nicht mehr als Ursprung angenommen 8 ). A n die römischen Matronalienfeste, bei denen u. a. u m Kindersegen gefleht wurde, sei wenigstens erinnert 9 ). Uber die Namen, die man doch wohl nicht g a n z befriedigend erklären kann, sei hier nur allgemein gesagt, d a ß sie sich wohl teils nach Eigenschaften, teils nach örtlichkeiten richten 1 0 ). Einige Namen seien genannt: Alagabiae, Aufaniae, Gavadiae, Udravarinehae, VacI callinehae, Cuchinehae, Vataranehae . . . Diese drei mütterlichen Frauenbilder sollen in christlicher Zeit durch Fides, Caritas und Spes ersetzt w e r d e n 1 1 ) , auch sie sollen ihre T a u f e erhalten. A b e r noch leben sie im Volksglauben als drei Schwestern zu A u w bei Trier; oder auf der Landskrone/Ahr wurden sie z u den Töchtern des Grafen v o n N e u e n a h r 1 2 ) . Und schließlich will man in der Jülicher und Eifeler Gegend in den drei meist weißgekleideten „ J u f f e r n " (Jungfrauen) noch immer die „ M ü t t e r " des alten Ubierlandes erkennen 1 3 ). A u c h die Bornhofer Andacht soll für sie gehalten werden, allerdings h a t man aus den drei Schwestern ein Schwesternpaar m i t einem Bruder werden lassen 1 4 ). Beim Fortleben der M. im Volksglauben kann die alte Glaubenskatagorie der Dreizahl sehr wohl auch von N o m e n (s. d.) oder anderen, späteren „heiligen Frauen" angefüllt werden. ') K a u f f m a n n in Z d V f V k . 2 (1892), 24fr.; H e l m Rlg.Gesch. 1, 391 ff. *) G o l t h e r Mythol. 469. ®) K a u f f m a n n a . a . O . ; W r e d e Rhein. Vkde. 289. 4) D r e x e l R. G. K. 14. Bericht 1922; W r e d e Eifeler Vkde. 1 2 — 1 5 . 20. 5 ) K a u f f m a n n a . a . O . ') Ebd. 7 ) L i n d e n s c h m i t Altertümer unserer heidn. Vorzeit, Bd. II. 8) A R w . 14, 379 A n n , ; K a u f f m a n n a. a. O. *) A l b e r s Jahr 65. »») G o l t h e r Mythol. 469; K a u f f m a n n a. a. O.; M u c h ZfdA. 35, 3150. l l ) S i m r o c k Mythol. 368 und 627. 11 ) Ebd. »*) W r e d e Rhein. Vkde. a . a . O . M ) S i m r o c k a . a . O . —

1867

Matrose—Matthias

Ferner: ARw. 19, i28ff.; B e c k e r Frauenrechtl. 69; D e o n n a Croyances relig. 4190. 264; ZfdVk. 37/38, 152. Schwarz.

Matrose s. S c h i f f , S c h i f f e r . Matthäus, hl., Apostel und Evangelist 1 ), Patron der Zoll- und Steuerbeamten. Südslaven wollen im Monde sein Bild erkennen 2 ). Sein Tag (21. S e p t e m b e r , Herbstanfang) gilt bei den Tschechen als Beginn der rauheren Jahreszeit. „An Matthäi die Mütze über die Ohren zieh". Schönes Wetter an diesem Tage hält noch vier Wochen aus. Die Winzer hoffen dann auf viel Wein 3 ). Eine Meraner Winzerregel lautet: Matthies macht die Trauben süß 4). Wenn's aber M.nacht friert, so friert es noch 42 Nächte ®). Nach Meinung der Esten — sie nennen den Tag mattuse pääw „Beerdigungstag" — sollen Fliegen, Mücken und Schlangen ihren Winterschlaf beginnen 6). Im Hannoverschen suchen die Mädchen durch Schwimmenlassen von allerlei Gegenständen die Zukunft zu erforschen 7 ). Die in der M.nacht um Mitternacht Geborenen müssen „mit den Hollen fahren", d. h. sie müssen in bestimmten Nächten des Jahres auf dem Kirchhofe die Geister tragen. Dafür wissen sie auch immer voraus, wer im Dorfe stirbt, indem alle Leichen sich bei ihnen melden müssen 8). Die Huzulen feiern an M.tage (9. Aug. a. St. = 21. Aug. n. St.) den Wieselfesttag. An diesem Tage darf nichts gearbeitet werden, damit das Wiesel dem Vieh keinen Schaden antue 9 ). K e l l n e r Heortologie 212; M e n z e l Symbolik 2, 1x4; S a m s o n D. Heiligen als Kirchenpatrone 300 fi. 2) K r a u ß Relig. Brauch 13. 3) R e i n s b e r g 4) G e r a m b Böhmen 451. Brauchtum 87; Z i n g e r l e Tirol 171 (1439). 5) S t r a c k e r j a n 2,93. s ) B o e d e r Ehsten 88. 7) R e i n s b e r g 8) Ebd. Festjahr 336. 336; ZfdMyth. 3, 60 (Rheinland). 9) Globus 69, 387. Sartori.

Matthias, Apostel, aus der Schar der Jünger Jesu durch das Los an Stelle des Judas Iskariot gewählt 1 ), als Glaubensbote in Aethiopien, Judäa und Jerusalem tätig, nach dem Martyrologium Romanum bei Verkündigung des Evangeliums mittels einer Axt enthauptet 2 ),

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daher mit einer solchen oder einem Beil (und einem Buch) als Attribut abgebildet s ), gefeiert am 24. Februar, im Schaltjahr am 25., da er auch, wie man sich zurechtlegte, als Apostel eingeschaltet worden sei(!). Seine Reliquien sollen durch die Kaiserin Helena teils nach Rom, teils nach Trier gebracht worden sein. Hier (Trier) wurde am 1. September 1127 in der den Benediktinern gehörigen Kirche des hl. Eucharius die Lade mit den Reliquien des hl. M. entdeckt 4 ). Seitdem wurde das einzige Apostelgrab Deutschlands in der alten Trierer, bald fast nur noch nach dem hl. M. benannten Benediktinerabtei Ziel einer sich mehr und mehr ausbreitenden Wallfahrt. Der Heilige wurde der Patron 5) des Bistums Trier, ferner einiger norddeutscher Städte und einer Reihe von Handwerkergruf pen, zu deren Werkzeug die Axt gehört, z. B . der Bauschreiner, Zimmerleute, Metzger, aber auch anderer. Er wurde ferner angerufen um Beistand für Knaben 4 ), die den Unterricht begannen. Auch wurde seine Hilfe gegen mancherlei Gebrechen und Krankheiten erfleht, im Trierer Bezirk z. B. gegen Husten, namentlich gegen den sog. blauen Husten 7 ), Tussis convulsiva, Keuchhusten, bei dem die Hustenden im Gesicht blau werden. Ein Spruch, in dem Christus das Bein des hl. M. heilt, wurde bei den Siebenbürger Sachsen gegen Verrenkungen 8 ) gebraucht. Der Name M. wurde als Taufname 9) sehr beliebt und diente besonders im Westen Deutschlands von seinem Kultzentrum aus zur Bildung zahlreicher Familiennamen in wechselnden Formen, die sich freilich schon im Mittelalter mit solchen von Matthäus 10 ) gebildeten mengten. Da der Tag des Heiligen in das Ende der Winterzeit fällt, spielte und spielt er im Glauben und Brauch des Volkes eine beachtenswerte Rolle. Früher herrschte vielfach, z. B. im Osten, die Meinung, man dürfe am M.tage nicht spinnen 11 ) und überhaupt nicht arbeiten 12 ). Auch glaubte man, an ihm stritten sich die Winde 1 3 ) und daß, wer unter ihnen Meister bliebe, das ganze

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J a h r herrsche. Als Tag vor dem Frühlingsbeginn ist er durch mannigfaltige Wetterregeln gekennzeichnet. An ihm „gift 't wat Nigs (Neues), wenn 't ok man (nur) 'n Goos'ei is" 14 ). Nach der Meinung des Volkes entscheidet er die Kälte des Winters oder setzt sie fort. Man sagt daher allüberall: „Mattheis bricht's Eis, hat er keins, so macht er eins" 16 ). Oder aber „Sint Mathys werpt eenen heeten steen in't is" 14 ), d. i. bringt Tauwetter. Die Witterung am M.tage würde, so glaubte man, die einer längeren, meist auf 40 Tage oder Nächte gesetzten Zeit 1 7 ) sein. Durch magische Handlungen suchte man die Obsternte des Jahres günstig zu beeinflussen. Unter den tschechischen " ) Landleuten war (ist?) es Sitte, am M.tage frühzeitig in den Garten zu gehen, an den Bäumen zu schütteln, daß sie recht viel Obst tragen, oder laut zu schreien, damit soweit die Stimme dringt, viel Obst wächst. Oder die Hausfrau nahm vor Tagesanbruch einen Jungen auf den Rücken, lief mit ihm in den Garten und rief laut den Heiligen in gleicher Absicht an 1 9 ). Auch zum Säen 20 ) bestimmter Gewächse wurde der Tag gewählt. Auch sonst maß man der M.nacht 21 ) und dem M.tage magische Kräfte zu. In der M.nacht soll das zwischen 1 1 bis 12 Uhr geschöpfte Wasser zu Wein 22 ) werden. Wer in der M.nacht genau um 1 2 Uhr an einem Kreuzweg 23 ) sich einfand, dem erfüllte sich jeder Wunsch, den er aussprach. Der in der M.nacht in der Mitternachtsstunde Geborene muß mit den Hollen 24 ) fahren, d. i. in bestimmten Nächten auf dem Kirchhof Geister tragen, ist überhaupt geistersichtig und vermag seltsame Dinge zu tun. In Sagen 25) ist überliefert, daß man in ihr um 12 Uhr auf dem Friedhof viele Geister umgehen sehen kann. Sah man unter diesen einen kopflosen Geist, so mußte man noch im Laufe des Jahres sterben. Auch wurde die Nacht gewählt, um Schätze 26 ) zu graben. Ähnlich wie die Andreasnacht und die Thomasnacht wurde auch die M.nacht, "weniger der M.tag selber, zu mannig-

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faltigen Orakelspielen und zauberischen Handlungen benutzt, vorzüglich zu Todesund Liebesorakeln. Man möchte annehmen, daß die aus der Apostelgeschichte überlieferte Wahl des Heiligen durch das Los (s. o.) in den späteren Zeiten Anlaß zur Entstehung der Losorakel und Weissagespiele geworden sei. Eine der ältesten nachweisbaren Orakelhandlungen 27 ) mag die aus dem Jahre 1580 für Köln bezeugte sein. Dieser zufolge legte man Efeublätter in eine Schüssel Wasser, bestreute sie mit etwas Salz und eignete jedem in der Familie eins zu. Wessen Blatt am folgenden Morgen schwarz oder naß geworden war, der sollte nach dem Glauben des Volkes noch im selben Jahre sterben. In den Spinnstuben 28 ), z. B. im Südhannoverschen, Braunschweigischen 29) und im fränkischen Niederhessen w ) vergnügte man sich an Orakelspielen. In erster Linie sind es die Mädchen, die sich mittels verschiedener Gegenstände (Asche, Blätter, Buchstaben, Geld, Kranz, Salz u. a.) und Handlungen (Bleigießen, Siebschütteln, Umtanzen eines Gänserich usw.) bemühen, den zukünftigen Geliebten zu sehen oder den Vornamen des zukünftigen Bräutigams zu erfahren oder sonst ein zukünftiges Geschick (Glück in der Lotterie, Heirat oder Unglück, Trauer, Schande) kennenzulernen. Am M.tage selber sollte man einen Schuh Überkopf werfen. Wies die Spitze zum Hause hinaus, so mußte man noch im selben Jahre sterben oder ausziehen. Wie mittels der Efeublätter versuchte man durch Leuchterpfennige, die man auf das Wasser eines „stillstehenden" Eimers legte, zu erfahren, wer zuerst sterben mußte 31 ). ') Apostelgeschichte I, 23g. ») AA. SS. Febr. III, 431 ff.; Samson Die Heiligen als Kirchenpatrone 302fl.; Korth Die Patrozinien im Erzbistum Köln isoff. ®) Künstle Ikonographie der Heiligen 447. 4) Irsch Die Trierer Abteikirche St. Matthias (1927). ') Doy6 Heilige und Selige der römisch-katholischen Kirche 2, 6; Lachmann Überlingen 320. •) Franz Benediktionen 2, 257. 258: Der Apostel M. ward von Menschenfressern geblendet. Der Herr gab ihm aber das Augenlicht wieder. Acta apost. apocrypha II 1, 66. 7 ) Fontaine Luxemburg 109. 8 ) ZfVk. 5 (1895), 13. 197. •) Nied Heilige 44f.; Schönwerth Oberpfalz 1 , 1 6 5 ( J 4)- 10) Ob z. B. in derbei G r y p h i u s

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Horribilicribrifax mitgeteilten Formel gegen Fieber der angerufene „Matthes" der Apostel Matthias oder der Evangelist Matthäus ist, könnte fraglich erscheinen. l l ) W u t t k e 402 (619). 433 (677: Sonst geraten die Gänse nicht, vgl. auch ebd. 82 (96), Ostpreußen). " ) B o e d e r Ehsten 77. « ) ZfdMyth. 1 (1853), 240. 1 4 ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 253. 15 ) L e o p r e c h t i n g Lechrain 160; R e i n s b e r g Böhmen 73: Wenn er das Eis nicht bricht, so hat er seine Hacke verloren und bricht das Eis nicht eher, als bis der hl. Joseph sie wiedergefunden und ihm wiedergegeben hat. Ähnlich heißt es: M. reißt die Brücken ein oder baut sie; Z i n g e r l e Tirol 1 3 3 ; B a r t s c h Mecklenburg 2, 253; ,,Mattis / Brikt dat Is / Un finnt hei kein j Denn makt hei ein"; auch heißt es dort: „Nach Matheis / Geht kein Fuchs mehr übers E i s " ; ZfVk. 4 (1894), 3 2 1 : Ungarn und Siebenbürgen; ZföVk. 4 (1898), 144: bei den Slowenen herrscht derselbe Aberglaube, daß nämlich am M.tage immer Frost oder Tauwetter eintritt; A n d r e e 335. 4 1 2 ; D r e c h s l e r 1 , 54 (Schlesien); ZfrwVk. 1 (1904), 268 (Siebengebirge); 2 (1905), 299 (Nahetal); J o h n Westböhmen 36; P o l l i n g e r Landshut 206. 230; H ö r m a n n Volksleben 41 (Tirol); S t r a c k e r j a n 2, 90; K ü c k Wetterglaube (Lüneburger Heide) 61; S c h r a mek Böhmerwald 140; Manz Sargans 123: „Matthis (24. Febr.) bricht z ' Y s ; hät-er keis, so macht-er eis". " ) Wolf Beiträge 1, 241. " ) B a r t s c h Mecklenburg 2, 253: Wie die Witterung am M.tage ist, so bleibt sie 40 Tage; A n d r e e Braunschweig 4 1 1 : „Wenn't upMattis' |

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freist, sau freist et 40 nächte"; D r e c h s l e r 1 , 54: deshalb setzen die fleißigen Hauswirte über Nacht ein Schirblein (kleinen Scherben) mit Wasser hin und sehen, wie sehr es gefreust (gefriert), denn ebenso sehr soll's hernach 40 Tage und Nächte frieren; K ü c k Wetterglaube 61: „Wenn't M. früst, denn früst noch väirtig Nacht". 18 ) H e i n s b e r g Böhmen 74; J u n g b a u e r Bibliogr. 161 (988). " ) Der Ruf der Frauen lautete: An St. M. trag ich den Jungen hier, wohin nun meine Stimme schallt, möge Obst in Fülle wachsen. Ebd. ein Spottvers auf den Heiligen an seinem Tage, aus dem man auf die Gleichsetzung des hl. M. mit dem „alten gefallenen Donnergott" schließen möchte, dessen Frühlingsfest in Böhmen auf das Fest des hl. M. übertragen worden sei. 20 ) B o e d e r Ehsten 78; D r e c h s l e r 154. " ) R o c h h o l z Sagen 1 , 155 ff. 161 f. « ) L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 88. « ) K o r t h Jülich 91. " ) K u h n Westfalen 2, 124 (376); S c h e l l Bergische Sagen 458 (64). " ) Z. B . S c h e l l a. a. O. 293 (2); Urquell 1 (1897), 17. " ) S c h e l l a. a. O. 476 (28). " ) W r e d e Rheinische Volksk* (1922), 126. 2>) Niedersachsen 6 (1901), 185 f. = S a r t o r i Sitte u. Brauch 3, 284. *•) Wolf Beiträge 2, 368 t.; S c h a m b a c h u. M ü l l e r 172 (191); K u h n Westfalen 2, 123 (375); W u t t k e 244 (352): Thüringen; ZfVk. 8 (1898), 2 1 6 f . ; A n d r e e Braunschweig 335; K ü c k u. S o h n r e y 205; ZfrwVk. 3 (1906), 63; L a u f f e r Niederdeutsche Volksk. 87. »°) K ü c k u. S o h n r e y 205 Anm. 2. G r i m m Myth. 3, 461 (773. 774); Wolf Beiträge 2, 372. Wrede.