205 100 10MB
German Pages 234 [236] Year 1976
EZB
Werner Brauer
Graphik + Design Grundlagen: Werbung Information Gestaltung Typographie Druck Photographie
Verlag Dokumentation München
CIP-Kurztrtelaufnahme der Deutschen Bibliothek Brauer, Werner Graphik + [und] Design : Grundlagen: Werbung, Information, Gestaltung, Typographie, Druck, Photographie. - München : Verlag Dokumentation, 1976. ISBN 3-7940-3310-8
Das Einbandmaterial ist Linson I (enthält Manilahanf), ca. 165 g r / q m , Leinenprägung R, von Peyer & Co, Zürich, Leonberg, Wien.
© 1976 by Verlag Dokumentation Saur KG, München Gesamtgestaltung: Werner Brauer, München Satz: Fotosatz Tutte, Salzweg-Passau Offsetdruck: grafik + druck GmbH & Co, München Bindung: Thomas-Buchbinderei GmbH, Augsburg Printed in West Germany ISBN 3-7940-3310-8
Inhaltsverzeichnis Einführung - Graphik, Gebrauchsgraphik und Graphik-Design: Definition und Aufgabenbereiche
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KAPITEL1 Entwicklung und Aufgaben der Werbung Die moderne Wirtschaftswerbung und ihre historischen und soziologischen Grundlagen AufgabenderWerbung innerhalbdesMarketings
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KAPITEL2 Die Methodik derWerbung in den Hauptwirtschaftszweigen Welche Faktoren bestimmen den Ablauf einer Werbeaktion?
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(Methode · Aufmerksamkeit · Interesse • Motive · die AIDA-Formel)
Die Varianten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen
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(Verbrauchs- oder Konsumgüter: Markenprodukt • Gebrauchsgüter · Investitionsgüter)
KAPITEL3 Kommunikationsmedien und Werbemittel Media-Forschung Medium Presse-Werbemittel Anzeige
24 24 25
(Anzeigentarife · Ankündigungsanzeigen · Verkaufsanzeigen • Repräsentationsanzeigen · Public-Relations-Anzeigen · Brutto-Streukosten)
M e d i u m Fernsehen-Werbemittel Fernsehspot Medium Anschlag-Werbemittel Plakat Direktwerbung - Werbemittel: Werbebriefe, Prospekte, Kataloge, Wurfund Warensendungen Weitere Möglichkeiten zur Bildung eines Images
31 33 38 39
(Marke · Briefausstattung und Visitenkarte · Display · Packung)
KAPITEL 4 Agenturen und Werbeabteilungen - Aufgabengebiete, Aufbau und Arbeitsablauf Prinzipieller Aufbau und Arbeitsablauf einerWerbeagentur
45 47
(Vorbereitung · Planung · Gestaltung · Streuung · Erfolgskontrolle • Verwaltung)
Werbepsychologie
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KAPITEL 5 Information als wissenschaftlicher Begriff und als Teilgebiet der Kybernetik Allgemeine Begriffserklärung der Kybernetik Technische Kybernetik Information
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(Innovation · Redundanz)
KAPITEL 6 Grundlagen der Gestaltung und der Visualisierung von Information A. Grundlagen derGestaltung I . M e t h o d e n zur Gestaltung und ihre Denkprozesse
61 61 61
2. Konvergierendes u n d divergierendes Denken 3. M e t h o d e n zur S t e i g e r u n g der Kreativität (Brainstorming · Methode 635 · Synektik) B.Visualisierung v o n Information I . S e m i o t i k , Semantik und P r a g m a t i k - d i e Lehre v o m Zeichen Definition d e r S e m i o t i k (Interpretantenbezug · Objektbezug · Mittelbezug) Definition d e r S e m a n t i k (ICON-, INDEX- und SYMBOL-Zeichen) 2. P r o b l e m e d e r Ä s t h e t i k b e i derVisualisierung v o n I n f o r m a t i o n 3. Beispiele für die M o t i v a t i o n in der Darstellung a) M o t i v i e r e n d e Darstellung eines ICON-Zeichens b) M ö g l i c h k e i t e n der Innovation eines SYMBOL-Zeichens c) E m p f i n d u n g s m ä ß i g e Einordnung v o n o b e n / u n t e n , links/rechts d)Das magnetische Anziehungsfeld d e r g e m e i n t e n Form u n d ihre Beziehung zur U m g e b u n g 4. P r o b l e m e der Darstellung in Typographie, Zeichnung, Graphik und der Darstellung in Farbe C. Gestaltung m i t Farben Die Farblehre der Pigmentfarben (Primärfarben · Sekundärfarben • Tertiärfarben · Gegenfarben · das Mischen mit Weiß und Schwarz · der Kalt/Warm-Kontrast · der Simultankontrast • die Quantität und Qualität der Farbe) A n w e n d u n g der Farben im Graphik-Design Die Z u s a m m e n s e t z u n g der Farben Techniken u n d Fabrikate A u s der Geschichte der Malerei
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KAPITEL7 T y p o g r a p h i e 93 D i e Z e i c h e n oder Buchstaben: Schriftgeschichte 94 (Gemeißelte Schrift: Kapitalis · Geschriebene Schrift: Unziale-Halbunziale • Karolingische Minuskel · die gebrochenen Schriften · die Antiqua und die gebrochene Schrift · Renaissance-Antiqua · Barock-Antiqua · Die Schriften unter dem Einfluß des Kupferstichs: klassizistische Antiqua, englische Schreibschrift · Die modernen Gebrauchsschriften: Serifenbetonte Linear-Antiqua · serifenlose Linear-Antiqua) Die Satztechniken 109 (Handsatz · Maschinensatz: Monotype-Linotype) Das M a ß s y s t e m II4 (die Größen · die Stärken) Lesbarkeit u n d Satzform 119 (Blocksatz Flattersatz • Satz auf Mittelachse · Satz mit freiem Zeilenfall · Hervorheben außerhalb des Fließsatzes · Hervorheben innerhalb des Fließsatzes) Der Fotosatz oder Lichtsatz 125 (das typische Satzbild im Fotosatz · Modifikationen · die Geräte: Staromat, Diatype, Diatronic, Monophoto-Anlage Mark IV) 6
KAPITEL 8 Die Druckverfahren
140
Der Hoch-oder Buchdruck
141
(Druckprinzip)
Die graphischen Verfahren
141
(Holzschnitt · Holzstich · Linolschnitt)
Die Entwicklung der graphischen Buchdrucktechniken DerBuchdruckimgraphischenGewerbe
142 144
(Die drei Arbeitsgänge • Strichklischee · Autotypie Abklatschverfahren: Galvanos, Stereotypie · Blindprägung · Druckmöglichkeiten und Druckgeschwindigkeiten · Flexodruck · Anwendungen in der Praxis)
DerTiefdruck
154
(Druckprinzip)
Die graphischen Verfahren
154
(Kupferstich - Kaltnadelradierung - Schabkunst - Radierung - Aquatinta)
DieEntwicklungdergraphischenTiefdrucktechniken DerTiefdruck im graphischen Gewerbe
158 160
(Die vier Arbeitsgänge · Bemerkungen zum 70er Einheitsraster)
Der Flachdruck
165
(Druckprinzip)
Das graphische Verfahren
165
(Lithographie)
Die Entwicklung der Lithographie Der Flachdruck im graphischen Gewerbe: Offset
166 168
(Die drei Arbeitsgänge - Anwendung)
Der Siebdruck
172
(Druckprinzip • Technik • Farbgebung)
Der Lichtdruck Druck m i t Buntfarben (Grundsätzliche Herstellung · Volltonfarben · Metall-oder Bronzefarben · typie · Scanner-Verfahren)
174 176 Vierfarbenauto-
Erkennungsmerkmale der einzelnen Druckverfahren am fertigen Druckerzeugnis Beschnitt-Satzspiegel Formate Von der manuellen Druckformherstellung über die Chemigraphie und den maschinellen Druck zur Photographie
183 184 185 186
KAPITEL 9 Die Physik des Lichtes und der Farben
189
Licht und Farbe Die Farbe
189 191
(Die Farbe an undurchsichtigen Körpern · die Farbe an durchsichtigen oder transparenten Körpern · ein Vergleich der Spektrumsfarben mit den Pigmentfarben)
Das menschliche Auge
192
(Die Netzhaut · Informations-Verminderung · Auswirkung)
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KAPITEL 10 Photographie Die photographische Kamera
198 :
198
(Das Linsensystem · die Blende)
Von der Belichtung z u m Negativ—vom Negativzum positiven Bild
200
(Belichtung · Entwicklung - Positiv-Herstellung · Sensitometrie)
Die Grundlagen der Farbphotographie
206
(Additive Farbmischung · subtraktive Farbmischung)
Das lichtempfindliche Farbmaterial: Chromogene Entwicklung
209
(Die Entwicklung des lichtempfindlichen Farbmaterials · Kopie auf lichtempfindliches Papier)
Farb-Diapositiv Farbtemperatur, Farbdichte, Maskierung,Farbfilter Photographik
214 215 219
(Äquidensiten · Schwarz/Weiß-Graphiken • farbige Graphiken: Die Kopiermethode durch Farbfilterung · die Kopiermethode mit chromogener Entwicklung · Transparex)
Literaturauswahl Register
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228 229
Einführung Graphik, Gebrauchsgraphik und Graphik-Design: Definition und Aufgabenbereiche Graphik ist ein Kunstwort, gebildet nach dem griechischen Wort graphéin gleich schreiben. Unter der Bezeichnung Graphik werden alle künstlerischen Arbeiten zusammengefaßt, die durch Druck vervielfältigt werden, ζ. B. die Kunst des Holzschnitts, der Radierung oder des Steindrucks. Im Gegensatz zu den Originalwerken der Malerei und der Handzeichnung versteht man unter Graphik eine künstlerische Arbeit, die in einer bestimmten Stückzahl oder Auflagenhöhe erscheint. Der Graphiker nützt die Mittel der druckgraphischen Techniken. Sein Original ist die Druckform selbst. Dem Graphiker stellen sich die Fragen nach den technischen Bedingungen des gewählten graphischen Verfahrens. Entweder kann er eine Vorlage entwerfen und die Ausführung ζ. B. einem Holz- oder Kupferstecher oder Lithographen übertragen, oder der Künstler bearbeitet die Druckform eigenhändig. Dann vereinigter künstlerische und handwerklich-technische Fähigkeiten. In diesem Falle spricht man von Originalgraphik. Gebrauchsgraphik gehört zu dem älteren Begriff der Angewandten Kunst, als Gegensatz zur »reinen« oder »schönen« Kunst. Der Begriff der Gebrauchsgraphik schließt die Zweckgebundenheit und den Gebrauchswert, den die künstlerische Arbeit für den Auftraggeber hat, mit ein. Das Thema der Arbeit wird von kommerziellen Zielen bestimmt, doch ist der künstlerische Aspekt oft erheblich. S o sprechen wir ζ. B. von der Kunst des Plakats oder der Illustration und von der Kunst der Buchund Schriftgestaltung. Inzwischen haben Typographie und Photographie dem Gebrauchsgraphiker seine Bedeutung als alleinigem künstlerischen Gestalter weitgehend streitig gemacht. Der Begriff der Angewandten Kunst hat sich als nicht genau genug erwiesen und ist daher aus der heutigen Begriffsbestimmung verschwunden. Unter Design als übergeordnetem B e g r i f f - w i r sprechen ζ. B. auch von IndustrieDesign - versteht man heute Produkt- und Umweltgestaltung von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, also der Gestaltung von Gebrauchswerten überhaupt. Die Aufgabe des Graphik-Design liegt in der Strukturierung und Visualisierung der dadurch ausgelösten Kommunikationsprozesse. Die Aufgabe des Graphik-Designers ist damit ein Teil des wirtschaftlichen Prozesses. Sein Thema, daservisualisieren soll, ist durch marktgerechte Untersuchungen und wissenschaftliche Methoden vorgegeben und bestimmt. Seine Arbeit wird nicht wie bei freischaffenden Malern und Graphikern nach künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten bewertet. Diese sind meistens kein Diskussionsthema, sondern selbstverständliche Voraussetzung. Der Auftraggeber wünscht ein kommerzielles Ziel zu erreichen, stellt Änderungsansprüche und übt Kritik, bezogen auf den gewünschten Erfolg und die kommunikative Wirkung. Das Können des Designers 9
steht jederzeit zur Kritik, obwohl es meistens größer ist als der Auftraggeber auch nur ahnt. Trotzdem folgt der Designer außer den kommunikativen Forderungen noch den ästhetischen, nur in ihm selbst liegenden Vorstellungen, denn erst seine Kreativität bringt Lebendigkeit in den von wirtschaftlichen Überlegungen bestimmten Kommunikationsprozeß. In Zusammenarbeit oder teamwork mit anderen Beteiligten aus Produktion und Vertrieb, mit Werbefachleuten und Psychologen, übernimmt der Graphik-Designer die Aufgabe der visuellen Kommunikation zwischen dem Hersteller, dem Produkt und dem Verbraucher. Die Kenntnis kommerzieller Praxis, wirtschaftswissenschaftlicher Theorien, von Werbemethoden, Markt- und Verbraucherforschung ebenso wie die Erkenntnisse der Informations-, Medien- und Kommunikationsforschung sind Voraussetzung für seine Arbeit. Der Graphik-Designer erweist seine Fähigkeit darin, daß er werblich-informative Gedankengänge optimal in die visuelle, kreative Gestaltung des jeweiligen Kommunikationsmediums einfließen läßt. Sicherheit und ein mengenmäßig meßbarer Nachweis, inwieweit das Graphik-Design den Absatz wirksam beeinflußt hat, lassen sich indessen kaum gewinnen. Eine Erfolgskontrolle, allein auf den Gestalter bezogen, ist daher nicht möglich. Kenntnisse auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Informationswissenschaften lagen eigentlich außerhalb des ursprünglichen Arbeitsgebietes des Gebrauchsgraphikers. Der Graphik-Designer dagegen muß sie ebenso selbstverständlich kennen wie die technischen Möglichkeiten zur Realisierung oder der visuellen Wiedergabe in Bild, Satz und Druck: Das Bild-gezeichnet, gemalt oder photographiert, das Wort - die Möglichkeiten und Techniken des Satzes, der Druck - die chemigraphisch-technischen Druckverfahren. Alle diese Möglichkeiten bilden ebenfalls die Grundlagen für die Arbeit des Gestalters und unterliegen einer ständigen Weiterentwicklung. Die vorliegende Schrift soll besonders jungen Gestaltern helfen, sich im Dickicht der Möglichkeiten in der Kommunikation und der Information, im graphischen Gewerbe und in der Photographie zurechtzufinden und Zusammenhänge aufzeigen, damit er sich nicht in Einzelkenntnissen verliert. Diese Schrift will und kann nur ein »roter Faden« sein. Wer mehr auf den einzelnen Gebieten zu wissen wünscht-nun, es gibt die Fülle an detaillierter Fachliteratur und hervorragende Spezialisten. Diese Schrift ist aus der Perspektive eines Designers gesehen. Im übrigen ist der Verfasser einem Grundsatz der Informationstheorie gefolgt, nie mehr an Information zu bringen als wirklich notwendig ist.
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KAPITEL 1
Entwicklung und Aufgaben der Werbung Die moderne Wirtschaftswerbung und ihre historischen und soziologischen Grundlagen Bis zur A u f l ö s u n g der Zünfte etwa um 1800 w u r d e in den Städten, deren Einwohnerzahl durch die Stadtmauer vorgegeben und damit absehbar war, die Herstellung eines Produktes soziologisch durch die Stände, i m Ablauf durch die Zünfte geregelt. Der Bedarf, durch die Struktur in Stände bestimmt, w a r vorhersehbar. Die Zünfte konnten bei einer auf lange Sicht unverändert gleichbleibenden Einwohnerzahl, die in Standes- und Vermögensgruppen gegliedert war, einen Bedarf errechnen, der einer entsprechenden Anzahl von Meistern einen angemessenen Lebensstandard bot. Daher w u r d e auch die Konkurrenz von den Zünften geregelt. Ein Meister durfte ζ. B. kein nur ihm allein zugängliches, besonderes Material verwenden, sondern m u ß t e es mit den anderen Zunftmitgliedern teilen, damit sich niemand einen Vorteil verschaffen konnte. Jede Arbeit w u r d e im direkten persönlichen Auftrag geleistet. Sie entsprach mit ihrer sicheren, aber zahlenmäßig begrenzten Absatzmöglichkeit d e m Bedarf. Der Absatz bestimmte und regelte die Produktion. In der Folge der Französischen Revolution kam es zur Auflösung auch dieser Bindungen: 1. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation m i t seiner Ständestruktur existierte seit 1806 nicht mehr. Die Auftraggeber Adel und Kirche verloren an Gewicht, der Reichtum des Bürgertums verschob sich v o m Handelsherrn zum Unt e r n e h m e r t u m mit seinen Vorstellungen von Liberalismus und Kapitalismus. 2. Die Zünfte mit ihrer festen Regelung v o n Absatz und Herstellung w u r d e n aufgelöst. Das n u n m e h r freie Handwerk fand i m kapitalkräftigen Unternehmertum eine starke Konkurrenz, von der es bald überflügelt wurde. Die bereits im 18. Jahrhundert hervorgebrachten technischen Erfindungen und Entdeckungen, besonders auf d e m Gebiet der Elektrizität und der Dampfkraft, konnten erst jetzt ihre Anwend u n g und A u s w i r k u n g finden durch die Finanzkraft der Unternehmer. Dadurch w u r d e n die Produktionsgrundlagen des Industriezeitalters geschaffen. Der Grundsatz »alles für alle«, aus den Ideen der Französischen Revolution abgeleitet, konnte jetzt durch das Unternehmerkapital verwirklicht werden. Geistesgeschichtlich gesehen entsteht jetzt die Philosophie des Materialismus. 3. Die gleichzeitig sprunghaft anwachsende Bevölkerungszahl ließ das Problem entstehen, i m m e r mehr Menschen in den neuen industriellen Produktionsprozeß eingliedern zu müssen, und schuf die sozialen Zustände, gegen d i e u . a. Karl Marx 11
seinen Kampf ausfocht. In der Folge wurden soziale Verbesserungen geschaffen, die aus dem Proletariat des 19. Jahrhunderts die potentiellen Käuferschichten des 20. Jahrhunderts machten. Alle diese Prozesse liefen in Aktion und Reaktion über fast zwei Jahrhunderte und sind bis heute nicht abgeschlossen. Der technische Fortschritt erzeugt höchste Produktionsziffern, die nur durch entsprechende Absatzmaßnahmen und damit durch ständige Information an alle in Frage kommenden Käuferschichten gerechtfertigt sind. Die Produktion bestimmt den Absatz. Der Verkauf der technischen Überproduktion, die allerdings unseren hohen Lebensstandard bedingt, ist unser Hauptproblem. Ohne ständige, auch geographische Erweiterung des Marktes würden sich die einmal entwickelten und laufend verbesserten Produktionsmethoden mit ihren Investitionen nicht mehr rentieren. Wirtschaftliche, politische und soziale Krisen sind die Folge. Absatzmethoden und Werbung müssen den Bedarf erweitern, neue Märkte vorbereiten und schaffen, die eigene Wirtschaft stabilisieren und darüber hinaus expansiv gestalten. Um die Gelder, die in diese große wirtschaftliche Aufgabe investiert werden, mit möglichst großem, möglichst genau berechenbarem Erfolg einsetzen zu können, wurden und werden weiterhin wissenschaftliche Methoden entwickelt. Bei ihnen spielen Psychologie, Soziologie, Verhaltensforschung, Kybernetik und Testverfahren eine zunehmend größere Rolle. Das Graphik-Design übernimmt dabei die visuelle Gestaltung der wissenschaftlich gezielten Überlegungen. A u f g a b e n der W e r b u n g innerhalb des Marketings Moderne Wirtschaftswerbung ist nur möglich in einer Gesellschaftsordnung mit freier Marktwirtschaft. Länder mit Planwirtschaft kennen auch keine Wirtschaftswerbung. Voraussetzung für die freie Marktwirtschaft ist eine von jedem äußeren Einfluß unabhängige Produktion, die nur ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit von Angebot und Nachfrage unterliegt. Umsatz und Produktion bedingen sich gegenseitig und stellen in ihrer Polarität einen Grundfaktor der Gesellschaft, der Gesellschaftsbildung und ihrer Ordnung dar. Denn die Verteilung des Gewinns, die Beteiligung weitester Bevölkerungsschichten am Gewinn und den Produktionsmitteln selbst ist ja besonders seit dem Beginn des Industriezeitalters Anlaß zu sozialen Auseinandersetzungen, sogar zu Revolutionen gewesen und ist es noch heute. Regierungen, Parteien, Unternehmer- und Verbraucherverbände und die Gewerkschaften, alle politischen Institutionen formulieren ihre unterschiedlichen Ansichten über die Gewinnverteilung im Industriestaat. Unsere Zeit hat dem alten Problem der Gewinnverteilung noch einen wesentlichen Aspekt hinzugefügt: Die durch die technische Perfektion bedingten enormen Investitionskosten verlangen einen stetigen Umsatz, damit sich die immer schnellerund besser arbeitenden Produktionsanlagen auch amortisieren. Die Herstellungsabläufe sind durch die Technik schneller zu realisieren. Sie sind auf breitesten Bedarf zugeschnitten und stellen ihrerseits den Absatz vor entscheidende, schwierige Aufgaben. Außerdem wird laufend weiter an der Verfeinerung und Beschleunigung der 12
Produktionsvorgänge gearbeitet, wie durch die Automatisierung und Computer. Die Werbung hat die wirtschaftliche Aufgabe, zwischen den beiden Polen Angebot und Nachfrage zu vermitteln. Sie ist ein Teil aller systematischen Bemühungen eines Unternehmens, den Absatz seiner Produkte zu sichern und auszuweiten. Die Summe aller dieser Bemühungen faßt man unter der Bezeichnung Marketing zusammen. Entscheidend aber für den Umsatz ist letztlich die Güte und die Qualität des Produktes selbst, dann erst die der Angebotsmaßnahmen. Innerhalb des Marketing-Ziels tritt nun eine Wechselbeziehung auf: 1. Das Unternehmen paßt sein Produkt der bereits bestehenden Nachfrage, also dem Konsumenten an, und/oder 2. es erzeugt erst den Bedarf und paßtdamitden Konsumenten dem Produkt an. Die Werbung kann 1. das Unternehmen und seine Produkte dem Verbraucher bekanntmachen und den Bekanntheitsgrad gegenüber den Konkurrenzunternehmen steigern 2. darüber hinaus einen Kenntnis- bzw. Wissenszuwachs vermitteln 3. Verhaltensweisen des Verbrauchers verändern, indem sie ihn für neue Möglichkeiten, den Lebensstandard zu heben oder sich größere Kenntnisse anzueignen, interessiert 4. den sog. Marktwiderstand überwinden, d. h. Hemmungen beseitigen, die einem bestimmten Produkt gegenüberstehen. Die Öffentlichkeitsarbeit kann der Werbung dabei helfen, ein Firmen-Image aufzubauen, das möglichst viele positive Vorstellungen beim Publikum mit dem Unternehmen verbindet. Vom Konsumenten aus gesehen bedeutet Werbung: Erfahrungen, die der einzelne erst selbst machen müßte, werden durch werbliche Argumente vorweggenommen. Fast jeder hat den legitimen Wunsch, seinen Lebensstandard zu verbessern. Gemäß seinen Wünschen und Vorstellungen will er sich informieren. Dafür ist die Vielfalt der preislich und sachlich konkurrierenden Angebote Voraussetzung. Aufgabe der Werbung ist es, den Konsumenten auf das Angebot aufmerksam zu machen, ihn zu informieren. Da es keine Besitzprivilegien mehr gibt, kann der einzelne ein breites Angebot für alle Bevölkerungsschichten als selbstverständlich erwarten. So hat sich auch in den letzten Jahren die Einstellung der Bevölkerung zur Werbung verbessert: Etwa 80% stehen ihr positiv gegenüber und über 7 0 % fühlen sich nicht manipuliert, sondern informiert. Das Verständnis für Wirtschaftsprobleme stieg an. Die Werbung ist ein Teil unseres Wirtschaftssystems, und es hat wenig Sinn, »die Werbung« anzugreifen, ohne das ganze System mit seinem Wohlstand in Frage zu stellen. Und solange der manchmal fragwürdigen Qualität der Werbeargumente eine zumindest befriedigende Umsatzziffer gegenübersteht, wird die Qualität kaum gesteigert werden. An der bemängelten Qualität sind aber oft nicht allein die Werbungstreibenden schuld, sondern in vielen Fällen wird sie vom Auftraggeber selbst veranlaßt!
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KAPITEL 2
Die Methodik der Werbung in den Hauptwirtschaftszweigen Welche Faktoren bestimmen den Ablauf einer Werbeaktion? Werben ist Kontaktsuchen und -finden zum Mitmenschen. Werbung betreibt jeder schon im persönlichen Bereich. Die Formen des Aussehens, des Auftretens, des Besitzes, die Art sich auszudrücken und zu formulieren sind schon Werbung für die einzelne Person. Diese Form der Werbung setzt aber einen direkten Kontakt zu einem Partner voraus und ist ohne Gegenseitigkeit gar nicht denkbar. Mit diesem persönlichen Kontakt kann aber die Wirtschaftswerbung nicht rechnen. Sie muß statt direkt-indirekt sein, da sie auf einen größtmöglichen Kontaktkreis berechnet wird. Sie kann nicht gegenseitig, sie muß einseitig sein, da ihr der direkte Partner mit Zustimmung oder Ablehnung fehlt. Sie wendet sich statt an Privatpersonen an di e breiteste Öffentlichkeit. Damit sind wir bei dem Problem der Massenkommunikation. Sie hat sich in den letzten Jahren zu einer wissenschaftlichen Disziplin von großer gesellschaftlicher Bedeutung entwickelt, von der in der Folge noch das Wesentliche gesagt wird. An den Ergebnissen der Massenkommunikationsforschung sind aber nicht nur die Wirtschaftswerbung, sondern auch alle anderen, auf die Öffentlichkeit angewiesenen Institutionen interessiert, von Politikern, Zeitungen und Rundfunkanstalten bis zum Quizmaster. Nur wird merkwürdigerweise allein »der Werbung« der Mißbrauch dieser wissenschaftlichen Ergebnisse vorgeworfen, während man allen übrigen Nutznießern bereitwillig Bewunderung zollt. Zur Methode. Zunächst muß die Aufmerksamkeit des Betrachters gewonnen werden. Die Aufmerksamkeit muß mit der Erregung von Interesse gekoppelt sein. Das Interesse muß so stark werden, daß der Besitzwunsch ausgelöst wird. Der Besitzwunsch soll zur Kaufhandlung führen (Abb. 1). Aufmerksamkeit. Man unterteilt diesen Begriff in aktive und passive Aufmerksamkeit. Sucht man »seinén« Gegenstand bewußt, spricht man von aktiver Aufmerksamkeit. Drängen sich Gedanken und Vorstellungen ungewollt ins Bewußtsein, spricht man von/oass/Ve/-Aufmerksamkeit. Mit diesem Fall hates der Gestalter vorwiegend zu tun, da er gezwungen ist, die geteilte Aufmerksamkeit des möglichen Konsumenten auf seine Arbeit zu lenken. Er tut dies je nach Werbemittel durch die Größe, den Kontrast zur Umgebung, durch die Farbe, die Eindeutigkeit seiner Gestaltung und seinen Einfall usw. (s. auch Kap. 6, Gestaltung). Vom Inhalt her ge14
sehen läßt sich die passive Aufmerksamkeit dadurch gewinnen, daß m a n die unbew u ß t e n Motive des menschlichen Bereichs anspricht. Die Erregung der Aufmerksamkeit erscheint als Forderung selbstverständlich, birgt aber zwei große Gefahren: 1. Maßnahmen, die mit allzu g r o ß e m Aufmerksamkeitswert arbeiten, wirken marktschreierisch, unseriös und können das Vertrauen des Kunden auf die Dauer nicht erringen. Die Verkaufsziffer sinkt dann schneller als sie, oft sprunghaft, angestiegen ist. In diesem Falle spricht man von Reklame. 2. Bei sehr wirksamen, gut und originell gestalteten Werbeaktionen, w i e ζ. B. »Chantré, die weiche Welle« in den fünfziger Jahren, konnte teilweise die Produktion mit der sprunghaft angestiegenen Nachfrage nicht m e h r schritthalten. Es bestand sogar die Gefahr, daß die Ware an Qualität verliert, und die Werbeaktion unter diesem Slogan w u r d e abgebrochen. Dagegen hat Dash mit seinem Slogan »Wäscht so weiß, weißer geht es nicht« zwar größte Aufmerksamkeit, aber noch größeren Unwillen erregt. Trotzdem stieg der Marktanteil schon im ersten Jahr dieser Werbeaktion auf über 15%. Das Verhalten des Konsumenten ist und bleibt ein Phänomen. Interesse w i r d in der Psychologie oft gekoppelt mit Bedürfnis und Gefühl, aber auch m i t Denken und Wollen. Bedürfnisse sind naturbedingt, also physischer, aber auch sozialer und gesellschaftlicher Natur. Gefühle kann man nicht isoliert betrachten. Sie sind i m m e r Reaktionen auf bereits Wahrgenommenes. Sie sind in der Person vorhanden und beeinflussen schon die W a h r n e h m u n g selbst bzw. das Handeln. Denken führt als höchste Form der psychischen Tätigkeit zu rationaler, vermittelnder Erkenntnis. Denken befähigt den Menschen zum Bilden v o n Begriffen, zum Urteilen, zum Aufstellen von Theorien sowie zum bewußten planmäßigen Handeln. Wollen bedeutet das zielgerichtete, bewußte Streben des Menschen. In der ersten Phase des Willens w i r d die Absicht herausgebildet, in der zweiten die A u s f ü h r u n g des gefaßten Entschlusses v o r g e n o m m e n . Motive. So klar abgegrenzt wie diese begrifflichen Unterscheidungen ist das menschliche Handeln und Fühlen allerdings in der Praxis nicht. Vielmehr stellen die Motive, aus denen heraus der Mensch handelt, ein kompliziertes Zusammenwirken von Bedürfnissen, Gefühlen, Interessen, Denken und Wollen m i t persönlich-gesellschaftlichen Werten dar, ein sog. Motivbündel. Psychologen haben erkannt, daß Interesse und Besitzwunsch fast i m m e r Motiven entspringen, die keinesfalls so verstandesmäßiger, überlegter Natur sind w i e oft vorgegeben wird. Sie entspringen vielmehr gefühlsmäßigen Regungen, Motiven wie Lebensfreude und Genuß, Annehmlichkeit, Bequemlichkeit, Geltungsbedürfnis, Lebensangst und das Bedürfnis nach Sicherheit, Gesundheit, Familienliebe, Reinlichkeit, Zeitersparnis usw. Im Bereich des Denkens k o m m e n noch wissenschaftliche Herstellungsweise, Haltbarkeit des Produkts, seine Qualität und die Preisbildung hinzu. Die W e r b u n g im eigentlichen Sinne als Kontaktsuche und Ansprache an den möglichen Kunden erstreckt sich bei der AIDA-Formel auf die drei Gebiete attention-inter15
est-desire. Die eigentliche (Kauf)Handlung — action - w i r d dagegen oft noch v o n anderen Faktoren bestimmt (Abb. 1). Wesentlich sind 1. die Gestaltung des Gebäudes und des E i n g a n g s - A r c h i t e k t u r , 2. die Gestaltung des V e r k a u f s r a u m e s - I n n e n a r c h i tektur, 3. die Freundlichkeit und Sachkenntnis des V e r k ä u f e r s - V e r k ä u f e r s c h u l u n g , 4. die Reichhaltigkeit u n d die Gestaltung des unmittelbaren Warenangebots - Verpackung, Aufsteller, Schaufenstergestaltung: Display, 5. die Atmosphäre, der Bekanntheitsgrad und der Ruf einer Firma - public relation, und 6. selbstverständlich die Güte des Produktes selbst, seine Verwendbarkeit, sein Preis und seine Formgestaltung - Industrie-Design.
Aufmerksamkeit — attention Interesse
- interest
Besitzwunsch
desire
Kaufhandlung -
action
tD AID A A
Werbung Architektur :
Innenarchitektur Verkaufsgespräch
- Display - Public Relations Industrie- Design
Abb. 1
Die Varianten in den verschiedenen Wirtschaftszweigen W e n n auch die AIDA-Formel weitgehend Allgemeingültigkeit besitzt, so sind doch in den einzelnen Wirtschaftszweigen die methodischen Akzente verschieden gesetzt. Man unterscheidet als Industriezweige: Verbrauchs- oder Konsumgüter, Gebrauchsgüter, Investitionsgüter. Der Gestalter m u ß diese Unterschiede kennen, u m sich beim Entwurf vor Irrtümern zu bewahren. Verbrauchs- oder Konsumgüter. Unter dieser Bezeichnung faßt man alle Produkte zusammen, die zum direkten persönlichen und schnellen Verbrauch bestimmt sind. Ein Verbrauchsgut kann privat und für einen begrenzten Kundenkreis hergestellt werden, ζ. B. auf handwerklicher oder landwirtschaftlicher Basis. Hier sind leichte Qualitätsschwankungen nicht auszuschließen. Wir alle wissen, daß ζ. B. bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen die Qualität v o n der jeweiligen Ernte abhängig ist. Bei industriell hergestellten Konsumgütern dagegen w e r d e n Qualitätsschwankungen durch die Methoden der Herstellung ausgeglichen. Die gleichbleibende A r t und Qualität des Konsumgutes w i r d v o m Hersteller unter einem Merkmal gewährleistet, das die Herkunft des Produkts kennzeichnet. Hier sprechen w i r von einem Markenprodukt. Markenprodukte sind ζ. B. fast alle Lebens- und Genußmittel, Reinigungs-, Wasch- und Pflegemittel, Kosmetika, Benzin. 16
Voraussetzung für ein Markenprodukt der Gruppe Konsumgüter ist: 1. seine industrielle Herstellung 2. seine Bestimmung zum einmaligen oder kurzfristigen Verbrauch. Daraus ergeben sich mehrere Forderungen an das Markenprodukt: 1. Es muß immer die gewohnte oder verbesserte Qualität aufweisen, und diese ist nur durch die industrielle Herstellung möglich. 2. es muß sofort und in einem großen Absatzraum erhältlich sein (sog. Ubiquität). 3. Der Preis sollte in diesem Absatzraum überall der gleiche sein. Für die werbliche Ansprache an den Konsumenten ergeben sich, aus der Definition des Marke η produkts abgeleitet, einige Regeln: 1. Die Marke oder Warenzeichen als Herkunftsmerkmal des Produkts (s. S. 39) ist das Garantiezeichen für die immer gleichbleibende oder verbesserte, hohe Qualität der Ware. Häufig ist die Marke rechtlich geschützt und im Handelsregister eingetragen. 2. Das Erscheinungsbild des einzelnen Produkts in Markenzeichen, Markenfigur oder Markenschriftzug sowie die Verpackung, Dose und Behälter bleiben auf lange Sicht gleich. Denn die Ware m u ß jederzeit und überall wiedererkannt werden können, das Markenbild vertraut sein. 3. Das Markenprodukt wendet sich direkt an alle Bevölkerungsschichten. Eine besondere Zielgruppe nach Alter oder Beruf existiert nicht. 4. Die Nachfrage muß durch eine starke Werbeinitiative aufrechterhalten werden. Im Mittelpunkt der Werbemaßnahmen stehen die Marke und das Erscheinungsbild (Verpackung) des Produkts. Ein besonderes Kennzeichen der Konsumgüter- und Markenproduktwerbung ist das Fehlen rational faßbarer und überzeugender Fakten. Die Menge der Konsumenten ist soziologisch zu unterschiedlich und sachliche Prioritäten von derStrukturder Ware her fehlen. Wie will man sachlich oder gar wissenschaftlich exakt behaupten und anhand chemischer Formeln nachweisen und dabei noch die breite Käuferschicht ansprechen, daß die Margarine A besser ist als die Margarine B? Und wen interessiert eine Formel, wenn es sich um Geschmack handelt? Die werblichen Argumente können sich überhaupt nur auf Gefühle, auf Emotionen berufen und Gefühle, die im Menschen vorhanden sind, suggestiv mit dem Produkt in Zusammenhang bringen. So wird ζ. B. die schöne bayerische Landschaft, oft mit Ferienwelt und Tierliebe kombiniert (friedliche Kühe) für die Büchsenmilch »Bärenmarke« eingesetzt, Fernweh, Musikliebe (Hulaweisen) mit Südseeromantik für Margerine und Kokusprodukte. In der Folge der Erkenntnis, daß Emotionen beim Verkauf einer Ware oder einer Dienstleistung entscheidend sein können, stabilisieren sich Leitbilder für das »moderne Lebensgefühl«. Aber werden sie auch von der Werbung geschaffen, wie immer wieder behauptet wird? Leitbilder durch die Werbung sind doch nur dann erfolgreich, wenn das allgemeine Lebensgefühl schon durch andere Faktoren vorbereitet und bestimmt ist! Jung, dynamisch und aufgeschlossen sein, das Leben genießen, möglichst viel Freizeit sinnvoll ausfüllen, den Lebensstandard heben - das sind Zeitideale, die in der Luft liegen und eigentlich sozial- und arbeitspolitischen 17
Ursprungs sind. Das konstante Idealbild der perfekten Hausfrau, deren Essen vorzüglich schmeckt, deren Wohnung blitzt und die deshalb von ihrer ganzen Familie bewundert und geliebt w i r d - eine allgemein vorhandene Vorstellung. Eine Menge von Markenprodukten bietet sich an, um dieses Idealbild zu realisieren. Nicht die Werbung schafft das Idealbild, sondern sie bedient sich dessen. Eine solche Konkretisierung eines allgemeinen Zeitgefühls läßt sich an dem Slogan für Coca-Cola ablesen. In den fünfziger Jahren, der Zeit des Wiederaufbaus mit gegenüber heute längerer Arbeitszeit und geringerem Einkommen, lautete er: »Mach mal Pause, trink Coca-Cola«. Zu dieser aus dem Leben gegriffenen verbalen Aussage trat die visuelle: Menschen am Arbeitsplatz, denen eine kurze Cola-Pause Erfrischung und neue Arbeitskraft gab. Ein neuer Slogan lautet: »Frischwärts - das ist unsere Zeit«. Man beachte: Das Wort »frischwärts« ist eine sprachlich nicht existierende, angreifbare Neuschöpfung, die aber ganz bewußt eingesetzt wird, weil sie eine starke gefühlsmäßige Dynamik enthält - und eben neu ist. Weiterhin: »Das ist unsere Zeit!« Welche Zeit sollte es denn sonst sein wenn nicht die unsere? Hinzu kommt eine gefühlsmäßige, modernistische Abgrenzung gegen das »übliche Alte«. Zu dieser emotionellen verbalen Aussage tritt die ebenso emotionelle visuelle: Junge Menschen bei Freizeit, Sport und Vergnügen. Heute ist die oft als programmiert empfundene Arbeit nicht mehr Leit- und Wunschbild, sondern die jugendlich-dynamisch-genußfreudige Ausfüllung der größer gewordenen Freizeit. Als Gegenbeispiel kann der Doornkaat-Slogan »Heiß geliebt und kalt getrunken« gelten. Er ist Verstandes- und gefühlsmäßig erfaßbar und sprachlich einwandfrei, aber ein Leitbild stellt er nicht dar. Die Werbung greift Zeitaspekte auf und setzt sie, für die Werbefachleute bewußt, für den Konsumenten unbewußt, für ihre Ziele ein, aber schaffen kann sie sie nicht. Entsprechend der Forderung, daß ein Markenprodukt viel, schnell und überall wiedergekauft werden soll, ist die Intensität und Häufigkeit der Werbemaßnahmen. Einige der großen Konsumgüterwerke investieren bis zu 2 0 - 2 5 % ihres Jahresumsatzes in die Werbung und bilden die Hauptauftraggeber der Werbeagenturen. Die bevorzugten Werbemedien sind Funk und Fernsehen, illustrierte Zeitschriften und Großplakate, also Medien, mit denen möglichst viele Menschen intensiv zur gleichen Zeit und in großen Absatzräumen erreicht werden können. Im Mittelpunkt der Werbemaßnahmen steht das Erscheinungsbild der Ware, Marke und Packung. Für das oft gleiche oder ähnliche Produkt werden vom Gestalter immer wieder neue Ideen und Formulierungen auf emotioneller Basis verlangt. Die werblich-in formative Ansprache wendet sich direkt an den Verbraucher. Die dadurch erreichte Nachfrage regt den Einzel- und Zwischenhandel an, das Produkt zu führen. Mit Display und anderen direkten Verkaufshilfen wird er seinerseits vom Unternehmen in seinen eigenen Absatzbemühungen unterstützt. Die emotionalen Werbeargumente müssen immer wieder den Zeiterscheinungen angepaßt und verbal wie visuell neu konzipiert und formuliert werden. Dagegen hat das Grunderscheinungsbild eines Markenproduktes, Marke und Packung, eine längere Lebensdauer. Eine Veränderung hat schwerwiegende absatzbedingte Gründe, kann den bisherigen Markterfolg gefährden und kostet oft Millionen. Ehe ein Unternehmen 18
sich entschließt, ein neues Markenprodukt herauszubringen, sichert es sich durch Markt-, Bedarfs- und Verbraucheranalysen ab. Denn das Verhalten des Käufers ist oft unberechenbar und regional/landsmannschaftlich, alters- und berufsmäßig verschieden. Dieser sich ständig verändernde Faktor ist deshalb Gegenstand ständiger Beobachtungen und Forderungen innerhalb des Marketings. Ausweitung der Konsumgüter: Die Gruppe der schnell verbrauchbaren Produkte hat in jüngster Zeit eine wesentliche Ausdehnung auf Gebiete erfahren, die bislang ganz anderen Kriterien unterlagen. Als Beispiel sei hier nur das Taschenbuch genannt, das zum Konsumgut für DM 3,20 bis DM 3,60 geworden ist: Literatur im Supermarkt! Einer der großen Taschenbuchverlage bringt monatlich etwa 25 Titel heraus. Jeden Tag ein Titel! Er soll »konsumiert« und kann nach der Lektüre weggeworfen werden. In hoher Auflage wird er wie ein Massenartikel verkauft. Der Autor ist genötigt, sowohl hinsichtlich des Inhalts als auch des Umfangs »nach Maß« zu schreiben, da der Verkaufspreis vorkalkuliert ist. Die graphisch-typographische Gestaltung des Einbandes oder Umschlags (cover) muß starke Aufmerksamkeit erregen und einen möglichst großen Käuferkreis ansprechen. Die Verlage arbeiten mit gestalterischen Serienelementen, informativen Superzeichen (s. Kap. 5 Information als wissenschaftlicher Begriff), mit denen sie ihre Ausgaben kennzeichnen, um sie von den Konkurrenzerzeugnissen abzuheben. Denn Vertriebsort sind Supermarkt, Buchhandlungen, Warenhäuser sowie Zeitungs- und Tabakkioske. Zur erweiterten Konsumgüterindustrie können auch die Dienstleistungsbetriebe gerechnet werden, die Service »verkaufen«: Reiseunternehmen, Hotels, Fluggesellschaften, die Bundesbahn, Länder und Städte als Garantiebegriff für vorbildliche Gastlichkeit. Über die wirtschaftliche Struktur hinaus ist das Konsumgut zu einer Denkungsart geworden. Das als Argument so beliebte Wort »neu« bestimmt über den wirtschaftlichen Akzent hinaus weitgehend den heutigen Lebensrhythmus und schließt, verbunden mit dem Leitgedanken »Fortschritt«, latent und direkt die Folge ein, daß schon »morgen wieder etwas anderes dasein wird, was besser ist«. Der Grundgedanke der Kurzlebigkeit bei ständiger qualitativer Steigerung ist ein Merkmal unseres Lebensgefühls. So haben viele Gebiete des Lebens das Image eines Konsumgutes angenommen. Wir haben am Beispiel des Taschenbuches gesehen, wie die Wirtschafts- und Vertriebsform des Konsumgutes Lesestoff für den breitesten Verbrauch liefert und damit geistige Strukturen verändert. Ähnlich wirkt sie auf die Gebiete der Publizistik und Unterhaltung ein und dehnt den Begriff des Verbrauchs von kurzlebigen Gütern auch auf diese Bereiche aus. Folgerichtig verstehen sich ihre Akteure als Manager des Verbrauchs. Zeitungen und Zeitschriften, Rundfunk und Fernsehen sehen ihre Aufgabe im Angebot täglicher Informationen zum Verbrauch. Sie stützen sich bei der Konzeption ihres Angebots ebenfalls auf das eigene Image und auf Verbraucheranalysen und gestalten dieses Angebot nach Motivationen und Reaktionen der Konsumenten. Im Fachjargon heißt das: »Was kommt an? Wo haben wir und wie bekommen wir die höchste Leser-, Hörer-, Zuschauerzahl?« Verbraucherzuschriften spielen dabei eine erhebliche Rolle. 19
Film- und Unterhaltungsindustrie unterliegen ebenso den Gesetzen des schnellen Konsums. Die Leistung der Regisseure, Schauspieler und Sänger, sogar einiger Dirigenten läuft für die Öffentlichkeit unter der »Marke« ihres Namens. Ganz zu schweigen von den bewußt und konsequent als »Markenartikel« aufgebauten Stars des Sports und der gesamten Schlager-, Show- und Schallplattenindustrie, wo die Diskothek zum musischen Supermarkt wird. Wir sehen auch hier ein Konsum-Image mit Öffentlichkeitsarbeit, Erfolgskontrolle, Beobachtung der Konkurrenz und der Resonanz im Publikum bis in die Klatschspalten der Boulevardzeitungen hinein, um die Stars in dauerndem Gespräch zu halten, zumindest so lange, wie die Resonanz positiv für den auch nur kurzfristigen Verkauf ist. Gebrauchsgüter. Unter dieser Bezeichnung faßt man alle Produkte zusammen, die ebenfalls zum Konsum, aber zu einem langdauernden Gebrauch bestimmt sind. Langlebige Gebrauchsgüter sind ζ. B. im privaten Gebrauch: Automobile, Fernsehund Rundfunkgeräte, Haushalts-, Beleuchtungs- und Heizgeräte, Textil- und Lederwaren; im industriellen Gebrauch: Teil- und Zwischenfabrikate. Im Gegensatz zum Verbrauchsgut fehlt dem Gebrauchsgut die Bestimmung zum schnellen Verbrauch. Die großen Gebrauchsgüterfirmen wie Siemens, AEG, Bauknecht, Miele, VW, BMW, Grundig, Osram usw. stellen von einem Produkt nicht nur ein einziges Modell her, sondern Typenreihen desselben Produkts. Weiterhin produzieren sie Sortimente, also verschiedene Produkte auf verwandtem Gebiet, z. B. bei Hausgeräten: Herde, Kühlschränke, Waschmaschinen, Warmwassergeräte usw. Daher ist die Funktion der Marke gegenüber dem Konsumgut erweitert: Die Marke bezeichnet auch hier den Hersteller und ist das Garantiezeichen für die hohe Qualität des Produktes, aber zugleich auch das Gütezeichen für sämtliche Produkte und Sortimente der Firma. Marke, Firmenzeichen und Firmenschriftzug bestimmen die Firmenwerbung, die die Bedeutung der Firma zum Ausdruck bringt und das dauernde Vertrauen zum gesamten Unternehmen gewinnen will (Markentreue). Eine besondere Zielgruppe existiert nicht, es sei denn, sie liegt in der Struktur des Produktes selbst. Die werblich-informative Argumentation muß sich zwar auf rational faßbare und sachlich überprüfbare Fakten stützen wie Leistung, Güte des Materials, Vorteil, Energieverbrauch, Abmessungen des Produkts und damit überzeugen. Hier sind auch die auf wissenschaftlicher Basis erfolgte Herstellungsweise, Funktion, Qualität und Haltbarkeit überzeugende Argumente. Da aber auch hier Emotionen den Kauf motivmäßig stark beeinflussen, spielt der emotionelle »Aufhänger« eine wesentliche Rolle. Man wählt auch hier eine motivierende Ansprache, die auf die emotionalen Fakten wie soziales Prestige, Bequemlichkeit, Sicherheit, Zeitersparnis usw. einwirkt. Da nicht nur für das einzelne Produkt geworben wird, sondern gleichzeitig auch für das Gesamtunternehmen, wird großer Wert auf das Firmenerscheinungsbild, ja auf einen Firmenstil gelegt. Er visualisiert die Güte des Unternehmens und grenzt es gegenüber der Konkurrenz ab. Hierbei spielt public relation, PR, eine große Rolle. PR bedeutet Pflege und Förderung der Beziehung eines Unternehmens 20
zur Öffentlichkeit. Ist die Werbung auf den Absatz eines Produktes ausgerichtet, so will PR in der Öffentlichkeit Sympathie und Vertrauen gewinnen. Presseveranstaltungen, Sendungen in Funk und Fernsehen, Informationszeitschriften für Mitarbeiter und Kunden, Vorführabende sind Arbeitsgebiete der PR, ebenso wie die Betreuung des Fachhandels. Die Werbung in der Gebrauchsgüterwerbung kennt zwei Wege: 1. Die Publikumswerbung mit Anzeigen, Prospekten und Fernsehspots, selten mit Plakaten. Das Publikum wird dadurch auf die Existenz bestimmter Produkte und ihre Verbesserungen aufmerksam gemacht, Interesse und Besitzwunsch werden geweckt. Der Kauf selbst aber vollzieht sich beim Fachhandel. 2. Daher gilt dem Fachhandel der zweite Werbeweg. Um eine möglichst hohe Präsens auf dem Markt zu erreichen, werden Verkaufsorganisationen und Niederlassungen geschaffen, die in ihrem lokalen Einzugsbereich die örtliche Händlerwerbung betreiben. Denn der Fachhandel muß gewonnen werden, die Produkte der Herstellerfirma zu führen. Die Betreuung des Fachhandels als dem eigentlichen Abnehmer des Produktsortiments obliegt weitgehend der PR-Abteilung in Zusammenarbeit mit Werbung und Vertrieb. Vorbereitung, Herstellung und Teilfinanzierung des lokalen Werbematerials, Display, Kleinanzeigen und die Fachhändlerzeitschriften, die Preispolitik, Vorführveranstaltungen usw. werden von der PR-Abteilung bearbeitet. Das Verhalten des Käufers beruhtauf einer Mischung aus emotionalen Motiven und einem hohen Grad rationaler Erfaßbarkeit. Der Käufer verbindet den Bekanntheitsgrad der Firma und des Markenbildes mit der Vorstellung von Güte und Qualität sowohl des Einzelproduktes wie des gesamten Sortimentsangebots und damit der Firma selbst. Zunächst »fährt man einen BMW« aus Überzeugung, erst dann entscheidet man sich für ein bestimmtes Modell. Banken und Versicherungen verkaufen keine Produkte, sondern »Sicherheit« und »Gewinn«. Hierfür ist die Basis allein das Vertrauen des Kunden. Emotionale Gründe wie Sicherheit der Familie und Wunscherfüllung verbinden sich mit den berechenbaren Größen Prämie, Zinssatz, Gewinn, Renditen und Vermögensbildung.
Investitionsgüter. Unter dieser Bezeichnung faßt man alle Produkte zusammen, die der Erhaltung, Erweiterung oder Verbesserung der Produktionsanlagen und des Produktionsablaufs dienen. Investitionsgüter sind ζ. B.: Maschinen; installierte Anlagen wie Kraft-, Umspann- und Heizwerke einschließlich ihrer Kontrollgeräte; Bahn-, Gleis- und Signalanlagen; Nachrichten- und Datenverarbeitungsanlagen; Kanalisations-, Straßen- und Beleuchtungsanlagen; in der Industrie Grundstoffe sowie Halb- und Fertigfabrikate und ihre Weiterverarbeitungsanlagen. Das Investitionsgütergeschäft vollzieht sich nicht zwischen dem Unternehmen und dem Publikum, sondern von Firma zu Firma bzw. Institution. Die werbliche Information beruht auf dem Ruf und dem Vertrauen, das ein Unternehmen im Zusammenhang mit seiner Qualitätsarbeit und der Preispolitik genießt. Der Bekanntheitsgrad von Erfahrung, Erfindung und Entwicklung, der hohe Stand der wissenschaftlichen Forschung und der zukunftsweisende Charakter des jeweili21
gen Produkts bestimmen die Wahl der Firma. Die Aufträge, auf lange Sicht erteilt, erfordern oft lange, sorgfältige und auf die spezifischen Wünsche des Kunden zugeschnittene Beratungen und Lösungen, wobei »Kunde« hier der Staat, ein Land, eine Stadt oder eine Firma, Bahn, Post oder Bundeswehr sein kann. Die Wartung der installierten Güter und die ständige Schulung des Personals im In- und Ausland gehören zur Betreuung des Kunden.
Betrachtet man das fast unübersehbare Werbegeschehen großzügig und will m a n sich einen vereinfachenden, ordnenden Überblick verschaffen, so kann m a n etwa folgende Einteilung treffen:
Wirtschaftsgruppe
Verkaufsort
Zielgruppe
Konsumgüter, Markenprodukte
1. Supermarkt 2. Einzelhandel 3. z. T. Versandhaus 4. Warenhaus
alle Verbraucher
Gebrauchsgüter
1. Waren- und Versandhaus, Großmarkt
1. alle Verbraucher produktbedingter Zielgruppen
2. Fachhandel
2
Firmen oder Institutionen
Fachleute
Investirons- u. Produktionsguter
22
Fachhändler
Da die werbüch-informative Argumentation als Zielgruppe Fach- und Verwaltungsleute in verschiedenen Positionen mit hohem Fachwissensstand hat, scheiden emotionale A r g u m e n t e aus. Hier m u ß mit überprüf- und meßbaren, wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fakten eindeutig informiert werden. Marken- und Firmenwerbung, ein Firmenstil, der die oft weltweite Bedeutung des Unternehmens signalisiert, Repräsentation und PR im In- und Ausland liefern den Rahmen für die eigentliche Produktinformation, die entsprechend der breiten Produktionsbasis des Unternehmens auch ebenso vielfältig ist und sich durch einen hohen Grad an Sachlichkeit auszeichnet.
Werbe-Argumente
m i t der W e r b u n g beauftragt
Werbemittel
emotional
Werbeagentur
P u b l i k u m s w e r b u n g mit Anzeigen, W e r b e f e r n sehen, Anschlag, D i r e k t w e r b u n g ; direkte Verkaufshilfen (Display)
emotionale und
teils A g e n t u r , teils eigene Werbeabteilung
1. P u b l i k u m s w e r b u n g mit Anzeigen, Werbefernsehen; 2. Hörfunk, Publikumszeitschriften, Direktwerbung
sachliche Ansprache kaufmännisch
3. Fach- und Händlerzeitschriften, Vo r f ü h r u n g e n streng sachlich
häufig eigene Werbeabteilung
I n f o r m a t i v e Direktw e r b u n g (Prospekte), Anzeigen in wissenschaftlichen Fachzeitschriften
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KAPITEL 3
Kommunikationsmedien und Werbemittel Kommunikationsmedien im weitesten Sinne sind alle staatlichen, kommunalen und privatwirtschaftlichen Unternehmungen und Institutionen, die ihrerseits die Werbemittel zu ihrer teilweisen Finanzierung benötigen. Von cLer Werbung her gesehen sind sie die Träger und Verbreiter der Werbeappelle. Kommunikations- oder Werbemedien sind ζ. B. staatliche oder kommunale Einrichtungen wie Post, Bahn und sämtliche Verkehrsbetriebe und ihre Anlagen; Presse, Film, Funk und Fernsehen (FFF), Anschlagtafeln oder -säulen, Reisebüros usw. Werbemittel dagegen sind Leuchtschriften, Werbeschilder und -aushänge, auch Briefmarken; weiterhin Anzeigen, Werbefilme in Kinos und im Fernsehen, Plakate, Werbebriefe, Prospekte, Kataloge und Postwurfsendungen, Tragetüten, auch Schaufenster usw. Die Frage nach den Kommunikationsmedien ist eine Frage der Streuung oder Verbreitungsart, also nach dem Wo, Wen und Wann. Die Frage nach den Werbemitteln ist dagegen die Frage der Werbung und Gestaltung, also nach dem Was und Wie. Media-Forschung Die Frage nach den Medien interessiert nun nicht nur die Wirtschaft allein. MediaForschung ist für alle Institutionen interessant, die sich an die Öffentlichkeit wenden und auf Resonanz aus dem Publikum angewiesen sind, also auch politische Parteien, Gewerkschaften usw. Die Media-Forschung stellt Untersuchungen an über Anzahl und Art, überVerhalten und Reaktion von Lesern, Hörern und Zuschauern. Sie stellt Unterlagen darüber zusammen, wie man seine Botschaft mit bestmöglichem Erfolg an die Zielgruppe richten und optimal streuen kann. Bei der Auswertung von Leser-, Hörer- und Zuschaueranalysen spielen psychologische Aspekte eine große Rolle. Man unterscheidet zwischen sog. Mitlesern - Familienmitgliedern, die die Publikation ebenfallsaufnehmen, ohne sie gekauft zu haben - und sog. Mehrfachlesern, die mehrere Zeitungen oder Zeitschriften derselben Kategorie zugleich halten. Lesezirkel im privaten Gebrauch, bei Ärzten und in Lokalen kommen noch hinzu. Auch eine Fernsehsendung wird nicht nur vom Besitzer des Gerätes allein gesehen. Genaue Daten erhält der Media-Research-Fachmann durch Tests. Versuchs- oder Befragungspersonen werden in einem genau der Bevölkerungsstruktur entsprechenden, verkleinerten Maßstab zur Untersuchung ausgewählt. Auf diese Weise steht die repräsentative Erhebung stellvertretend für das Ganze. Durchgeführt wer24
den die Befragungen von demoskopischen Instituten oder privaten Unternehmungen. Für einige wirtschaftliche Unternehmen übersteigen allerdings die hohen Kosten für Media-Forschung ihre Kräfte. Für den Gestalter sind die Vorgaben der Media-Forschung durchaus wichtig, wenn er seine Aufgabe mediagerecht bearbeiten will. Soll ζ. B. eine Anzeige für ein Produkt in einer Jugend- und gleichzeitig in einer Publikumszeitschrift erscheinen, so muß er die Gestaltung der unterschiedlichen Leserschaft anpassen können. Dasselbe Problem stellt sich ihm bei Werbeaktionen mit regionalen Akzenten, ζ. B. zwischen Nord- und Süddeutschland und ganz besonders bei Werbekampagnen im Ausland, wo vielleicht die Mentalität der Bevölkerung eine ganz andere ist. Die Media-Forschung steht bei der Gemeinschaftswerbung vor besonders schwierigen Aufgaben. Gruppen von mittleren und kleineren Firmen, die über den örtlichen Bereich hinaus sich auch auf größeren Märkten beteiligen wollen, schließen sich oft bei besonderen Anlässen zu gemeinschaftlichen Werbeaktionen bei gemeinsamer Finanzierung zusammen. Als besonders schwierig hat sich dabei herausgestellt, eine Gesamtkonzeption für eine längere Zeitdauer und für mehrere Instanzen durchzuführen. Daher lag der Durchschnittsetat für Gemeinschaftswerbung 1970 nur bei etwa 350000 DM in den klassischen Werbemedien. Besonders groß sind die Schwierigkeiten bei gemeinschaftlichen Werbeaktionen, die über Ländergrenzen hinausgehen.
M e d i u m Presse - Werbemittel Anzeige Das wichtigste Medium ist die Presse, das am häufigsten eingesetzte Werbemittel die Anzeige - oder die Annonce oder das Inserat - , unterteilt in Zeitungs- und Zeitschriftenanzeige. Eine Zeitung erscheint täglich, oft als Früh- und Spätausgabe. Eine Zeitschrift erscheint wöchentlich oder gar in größerem Zeitraum, ζ. B. vierteljährlich. Zeitungen sind hochaktuell, Zeitschriften dagegen mehr vertiefend und breiter informierend. Eine Zeitung liest pro Tag fast jeder, eine Zeitschrift wendet sich an eine kleinere Gruppe von Lesern, die sich für besondere Gebiete interessieren. Man unterscheidet bei den Zeitungen zwischen a) regionalen und überregionalen Tageszeitungen b) Wirtschaftszeitungen c) Wochenzeitungen d) Sonntagszeitungen und Sonntagsausgaben. Gerade diese bieten sich für das Einschalten von Anzeigen besonders an. Bei Zeitschriften unterscheidet man a) Publikumszeitschriften, ζ. B. allgemeine Illustrierte, Fernsehprogrammzeitschriften und solche mit besonderen Zielsetzungen wie Frauen-, Kultur- und Sportzeitschriften, konfessionelle, Jugend- und Heimatzeitschriften. b) Fachzeitschriften für alle Bereiche. Zeitung und Zeitschrift gehören zur freien Presse und stellen Unternehmungen dar, 25
die Information verkaufen. Dazu benötigen sie ein Nachrichtenzentrum, das das Neueste aus aller Welt in Wort und Bild l i e f e r t - o d e r man kauft die Information von Presse- und Nachrichten-Agenturen - , w e i t e r h i n die Redaktion, die über die Wichtigkeitsgrade der Nachrichten und über ihre Veröffentlichung entscheidet und sie mit Kommentaren begleitet. Die Redaktion ist in einzelne Ressorts - Politik, Wirtschaft, Kultur und S p o r t - unterteilt und ist je nach der Größe des Verlages auch personell unterschiedlich umfangreich. Hinzu k o m m t die Herstellung mit Satz, Chemigraphie und dem Druck. Die Herstellung erfolgt meist im eigenen Verlagshaus. Oft aber w i r d sie auch durch Vertragsdruckereien abgewickelt. Nehmen w i r ζ. B. an, eine Tageszeitung kostet beim Händler 40—50 Pfennig und die tägliche Auflage beträgt 300000 Exemplare. Wie kann bei diesem Riesenaufwand an Effektiv- und Personalkosten dieser volkstümliche Preis gehalten werden? Hier müssen die Einnahmen aus d e m Seiten-Platzverkauf für Bekanntmachungen einen großen Teil der Kosten abdecken. Die Auflagenhöhe mit ihrem Druck- und Papierpreis, der Straßenverkaufspreis, das Abonnenten- und Anzeigengeschäft müssen sich also die Waage halten. Steigt die Auflage, steigen auch die Einnahmen aus d e m Anzeigengeschäft, weil die Anzeigenpreise in Relation zur Auflagen höhe und zur Verbreitung der Zeitung festgelegt werden; steigen die Personalkosten, steigt auch der Anzeigentarif, u m den Straßenverkaufspreis möglichst konstant zu halten; sinkt dagegen die Auflagenhöhe, so sinktauch der Wert der Zeitung als Träger der Wirtschaftswerbung und des Stellenmarkts. Die Anzeige, ob familiären, persönlicher) oder werblichen Inhalts, ist also für den Fortbestand einer Zeitung unerläßlich. Folgerichtig w i r d eine Zeitung oder Zeitschrift, w e n n sie für sich selbst wirbt, in erster Linie u m potentielle Kunden mit den A r g u m e n t e n des Anzeigengeschäfts werben. Die Ergebnisse der eigenen MediaForschung werden hier zum Werbeargument: Die Zeitung veröffentlicht die soziale Zusammensetzung ihrer Leserschaft zusammen m i t dem regionalen Wirkungsbereich des Blattes und f ü h r t so der Wirtschaft ebenso w i e d e r Privatperson die Reichweite einer Anzeige vor Augen. Erst in zweiter Linie k o m m t die W e r b u n g u m A b o n nenten und Leser. Aber jeder von ihnen könnte auch einmal Inserent w e r d e n ! Jeder Käufer einer Zeitung zeigt schon durch die Kaufhandlung allein sein Informationsbedürfnis. Wer eine Zeitung oder Zeitschrift aufschlägt, will sich informieren. Hier setzt die Anzeige ein und macht sich diese Aufgeschlossenheit für alles Neue zunutze und läßt ihren Informationsinhalt in die Aufnahmebereitschaft einfließen. Über 50 % des gesamten jährlichen Werbeaufwandes in der Bundesrepublik n i m m t die Wirtschaftsanzeige ein. Daher wird die Anzeige als »Königin der Werbung« bezeichnet. Die Anzeigentarife w e r d e n nach dem festgelegten Preis für eine Spaltenbreite, in Millimetern oder Cicero gemessen, mit Millimeterhöhe multipliziert. Die Tarife für persönliche und Privatanzeigen liegen wesentlich niedriger als die für werbliche Zwecke. Beispiel für die Berechnung m i t d e m Grundpreis: Eine Kleinanzeige m i t einer Spaltenbreite v o n 491/2 m m oder 11 cic, die 24 m m hoch ist, kostet 1 x Spaltenbreite χ 24. Eine zweispaltige Anzeige, die 50 m m hoch ist, kostet 2 χ Spaltenbreite χ 50. Die Anzahl der Spalten pro Seite und die Grundpreise sind bei den Zeitungen 26
von ihrer Bedeutung, ihrer Auflagenhöhe und der Verbreitung her unterschiedlich. Nehmen wir die Süddeutsche Zeitung und die Münchener Abendzeitung als Beispiel. Bei der Süddeutschen Zeitung betrug der Anzeigen-Grundpreis Ende 1974 im Anzeigenteil, bei8 Spalten pro Seite mit einer Spaltenbreite von 44 mm, pro Millimeter Höhe: von Montag bis Freitag DM 5,40, am Samstag DM 6,50. Der Grundpreis Spaltenbreite x 1 mm Höhe - im Textteil, bei 5 Spalten pro Seite mit einer Spaltenbreite von 68 mm, betrug pro Millimeter Höhe von Montag bis Freitag DM 30,-, am Samstag DM 35,-. Für eine ganze Seite von 352 mm Breite χ 380 mm Höhe wurden von Montag bis Freitag rd. DM 20500 und am Samstag rd. DM 24500 berechnet. Bei der Abendzeitung betrug der Grundpreis im Anzeigenteil, bei 7 Spalten pro Seite mit einer Spaltenbreite von 44 mm, pro Millimeter Höhe DM 4,80. Der Grundpreis im Textteil, bei 6 Spalten pro Seite mit einer Spaltenbreite von 49 mm, betrug pro Millimeter Höhe DM 18,50. Für eine ganze Seite von 340 mm Breite χ 380 mm Höhe wurden rd. DM 16000 berechnet. Kamen zur Druckfarbe Schwarz noch Buntfarben hinzu, so erhöhte sich der Preis von DM 16000 für eine ganze Seite mit einer Buntfarbe auf DM 20405, mit zwei Buntfarben auf DM 24885, mit drei Buntfarben auf DM 28866. Bei der ß/'/tf-Zeitung, Regionalausgabe München, betrug der Grundpreis für eine ganze Seite Schwarz/Weiß DM 10137, für eine ganze Seite vierfarbig DM 18585. Die Mehrwertsteuer kommt noch hinzu, ebenso die Klischeekosten. Allerdings gewähren die .Zeitungsverlage a) bei mehrmaligen Veröffentlichungen einen Rabatt nach der Malstaffel, der bis zu 20% betragen kann, b) bei der aus der Größe der Anzeigenformate errechneten Mengenstaffel einen Rabatt von ebenfalls bis zu 20%. Zeitungen und Zeitschriften haben einen Anzeigenschlußtermin, der bei einem bestimmten Tage vor Erscheinen der Anzeige liegt, bei einfachen Schwarz/Weiß-Anzeigen von zwei Tagen, bei vierfarbigen Anzeigen von etwa 10 Tagen. Dieser Termin ist eindeutig und darf keinesfalls überschritten werden. Außer der üblichen Anzeigenform kommen noch die sog. HiFi-Anzeigen und Panorama-Anzeigen vor. HiFi- oder Endlos-Farbanzeigen werden vom Inserenten auf eigenem Papier vorproduziert. Hier können bessere Druckergebnisse erzielt werden als es die Zeitung mit ihrer minderen Papierqualität kann. Der Preis dafür liegt bei der Abendzeitung für die ganze Seite bei ~ DM 12700. Panorama-Anzeigen sind Anzeigen, die sich, über den Bund hinweg gedruckt, über mehrere Seiten erstrecken. Der Preis dafür liegt bei der Abendzeitung für zweimal eine ganze Seite über den Bund hinweg bei DM 34000, für zweimal eine halbe Seite über den Bund hinweg bei DM 17000. Bei Illustrierten liegen die Anzeigen-Grundpreise höher und sind auch hier nach Auflagenhöhe und Reichweite gestaffelt. In der Hör zu, deren Auflagenhöhe bei über 4071000 Exemplaren liegt, beträgt der Grundpreis für das gesamte Bundesgebiet für eine ganze Seite Schwarz/Weiß DM 56800, für eine ganze Seite vierfarbig DM 90880. Die Media-Forschung hat pro Auflage eine Reichweite von 12940000 Lesern errechnet. Das entspricht 29,2% der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland. 27
In der Quick, deren Auflagenhöhe bei 1 165000 Exemplaren liegt, beträgt der Grundpreis für eine ganze Seite Schwarz/Weiß DM 24544, für eine ganze Seite vierfarbig DM 44179. Die Media-Forschung hat hier eine Reichweite von 5570000 Lesern ermittelt. Das entspricht 12,6% der Bevölkerung der Bundesrepublik über 14 Jahre. Auch bei den Illustrierten werden nach der Mengenstaffel Rabatte bis zu 20% gewährt. Einige grundsätzliche Überlegungen sollte sich der Gestalter beim Entwurf einer Anzeige oder von Anzeigenserien zu eigen machen: Informationsbereitschaft ist zwar beim Leser vorhanden, eine starke optische Konkurrenz m u ß aber in jedem Falle einkalkuliert werden. Eine Anzeige muß den Blick auf sich ziehen und darf keinesfalls im Verborgenen blühen. Von der Gestaltung her gesehen, verbindet die Anzeige den starken Aufmerksamkeitswert eines Plakates mit dem hohen Informationsgehalt eines Prospektes. Inhaltlich werden an die Anzeigenwerbung die Forderungen gestellt nach einer packenden und spritzigen Idee, unterrichtenden und schlüssigen Argumentationen und im ganzen nach einer starken inhaltlichen und optischen Dynamik, im Rahmen der richtigen Anzeigengröße. Für den Gestalter von Wirtschaftsanzeigen ergeben sich ungeschriebene Gesetzmäßigkeiten, die er beachten sollte, um nicht dem jeweiligen Inhalt eine falsche, dem Zweck der Veröffentlichung widersprechende Form zu geben. Diese zweckentsprechenden Gesetzmäßigkeiten haben über die Varianten innerhalb der verschiedenen Wirtschaftszweige hinaus eine kaum beeinträchtigte Gültigkeit und sind seit Jahren zu beobachten. Freilich, die Anwendungsmöglichkeiten einer Anzeige sind zu vielfältig, um sie in strenge Kategorien zu pressen. Trotzdem ist der Versuch einer Orientierungsordnung lohnend und bewahrt den Gestalter vielleicht vor abgelehnten Entwürfen. Ankündigungsanzeigen. Darunter fallen alle Anzeigen, die ein plötzliches, lokales und kurzfristiges Ereignis ankündigen: Neueröffnungen von Geschäften oder Zweigniederlassungen großer Firmen, Geschäftsverlegungen, Sommer- und Winterschlußverkäufe oder Räumungsverkäufe. Die kurzfristige Gültigkeit des Ereignisses bestimmt auch die Gestaltung. Sie kann durchaus den Charakterzug eines »Ausrufers« übernehmen und in die Gestaltung übertragen: »Hier schau her! Das gilt nur für heute, morgen ist es schon vorbei!« Auffälligkeit und Spontaneität stehen an erster Stelle. Verkaufsanzeigen. Sie stellen heute den größten Teil der Anzeigen dar. Ein Unternehmen stellt hier ein oder mehrere Erzeugnisse in sachlich-informativer Art vor: Was es ist, wie es heißt, welchen Vorteil es bietet, w o man es erhält und was es kostet. Verkaufsanzeigen sind Informationen über das Produkt, je nach seinem Charakter in emotioneller oder streng sachlicher Argumentation. Das Produkt selbst beherrscht daher auch die Gestaltung. Alles, was von seiner zentralen Stellung ablenken könnte, sollte der Gestalter vermeiden. Aber er muß immer wieder neue Wege finden, mit graphischen Ideen wirksam, doch sparsam die beherrschende 28
Stellung des Produkts zu unterstützen und alles zu tun, um die Information zu erleichtern und dadurch erst zu ermöglichen. Das gilt besonders für die klare, übersichtliche Komposition von Headline, d. h. der Schlagzeile, dem Produkt selbst, Produktanwendung, Produktbezeichnung, Preis und Herstellerfirma und erläuterndem Text. Keinesfalls darf man es dem Betrachter überlassen, sich die Informationsteile zusammenzusuchen. Sein an sich vorhandenes Informationsbedürfnis schlägt dann leicht in Unbehagen um, und er überblättert die Anzeige. Verkaufsanzeigen werden in Zeitungen und Zeitschriften eingeschaltet, ganz im Gegensatz zu den Ankündigungsanzeigen, die nur in der kurzlebigen Tagespresse sinnvoll eingesetzt sind. Die Spontaneität der Ankündigungsanzeige ist hier nicht erwünscht. Firmen-Image und Serienelemente spielen die entscheidende Rolle, denn das Unternehmen zeigt oft das ganze Jahr hindurch seine Anzeigen. Eindrucksmäßig müssen sie einen Z u s a m m e n h a n g aufweisen und so das Gesicht der Firma nach außen prägen und stabilisieren. Das gilt in ganz besonderem Maße für Verkaufsanzeigen in Fachzeitschriften, die sich an Fachleute w e n d e n und in längerem Zeitraum erscheinen. Repräsentationsanzeigen. Im informativen Mittelpunkt der Repräsentationsanzeige steht nicht das Produkt mit A b b i l d u n g , A n w e n d u n g und Preis. Ihr Inhalt ist die Firma oder das Unternehmen als Ganzes und seine Qualität als Hersteller. Wir haben es also nicht mehr mit einer direkten Sachwerbung zu tun, sondern m i t der W e r b u n g u m das Vertrauen und den Bekanntheitsgrad eines Unternehmens. Repräsentationsanzeigen werden fast ausschließlich von Großunternehmungen, meist der lnvestitions-/Produktionsgüterindustrie und der Chemie und Pharmazeutik eingesetzt. Ihr Ziel ist die Vorbereitung von direkten Absatzmaßnahmen, ihre Argumentation die zukunftsweisende Modernität der technischen Produktion und ihrer wissenschaftlichen Forschung. Hier bieten sich d e m Gestalter v o n der A r g u m e n t a t i o n her die schönsten und interessantesten Aufgaben an. Sie haben eine starke Ähnlichkeit mit anderen repräsentativen Aufgaben, ζ. B. der Gestaltung von Kalendern. Public-Relations-Anzeigen. A u c h sie werben w i e der ganze PR-Bereich um das Vertrauen und um die Sympathie zur Firma. Sie k o m m e n dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entgegen. Angesprochen werden soll das breite Publikum ebenso w i e gegenwärtige und zukünftige Kunden und Aktionäre. Ihr Inhalt kann sein: innerbetriebliche M a ß n a h m e n der Firma und ihr Betriebsklima; eine A r t Geschäftsbericht in Anzeigenform über die Solidität der Firma und ihre Erfolge; Freundlichkeit und Sachkenntnis des Außendienstpersonals; Anekdoten aus der Forschungsgeschichte der Firma. Im Stil nähern sich die PR-Anzeigen dem Feuilleton mit seinem mehr erzählenden Charakter. In den letzten Jahren waren Repräsentations- und PR-Anzeigen kaum mehr zu beobachten. Immer m e h r Firmen haben den Wert ihrer Personal- und Stellenangebotsanzeigen als Vertrauens- und Firmenwerbung erkannt. Sie legen daher g r o ß e n Wert auf ihre Gestaltung im Sinne von PR. Die Bruttostreukosten für Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften lagen 1970 bei 29
über 5,1 Mrd. DM.* Die Zeitungen erreichten über 3,1 Mrd. DM = 61 %, die Zeitschriften über 2 Mrd. DM = 39%. Davon entfielen auf die überregionale Anzeigenwerbung etwa 950 Mio. DM = 31 %, auf die regionale Anzeigenwerbung 2,165 Mrd. DM = 6 9 % . Hier ist der Einzelhandel stark beteiligt. Bei den Zeitungen - Gesamtumsatz 3,1 Milliarden DM im Jahre 1 9 7 0 - ergab sich, nach Produktgruppen aufgeschlüsselt, folgende Tabelle für die überregionale Anzeigenwerbung: Nahrungs- und Genußmittel 29% Kleidung und Schuhe 1 % Dienstleistung f ü r Haushaltführung 9 % Dienstleistung für Verkehrszwecke 13% Körper- und Gesundheitspflege 6 % Bildung und Unterhaltung 11 % Persönliche Ausstattung 15% Dienstleistung des privaten Gebrauchs 6 % Dienstleistung des gewerbl. Gebrauchs 4 % Nicht-Wirtschaftswerbung 5% Bei der lokalen Anzeigenwerbung n i m m t der Einzelhandel 82% ein. Bei den Zeitschriften - Gesamtumsatz 2 Milliarden DM - ergibt sich, nach Produktgruppen aufgeschlüsselt, folgende Tabelle: Nahrungs- und Genußmittel 25% Kleidung und Schuhe 5% Dienstleistung für Haushaltführung 17% Dienstleistung für Verkehrszwecke 7 % Körper- und Gesundheitspflege 18% Bildung und Unterhaltung 8% Persönliche Ausstattung 3 % Dienstleistung des privaten Gebrauchs 6 % Dienstleistung d. gewerbl. Gebrauchs 10% Nicht-Wirtschaftswerbung 1 % Von den 2 Mrd. Gesamtumsatz errangen die Publikumszeitschriften 1673 Mio. DM = 83%, Fachzeitschriften 332 Mio. DM = 17%. Der Anteil der Kundenzeitschriften betrug 18 Mio. DM. Anzeigen aus der Markenprodukt- und Gebrauchsgüterindustrie sind fast immer Verkaufsanzeigen und größtenteils Agenturarbeit. Die ständig variierende Ansprache an die Emotionen der Kundschaft, entstanden aus detaillierten Markt- und Me-
* Diese und die folgenden Angaben wurden dem Jahresbericht des Zentralausschusses der Werbewirtschaft »Werbung 70« entnommen. Sind die Zahlen auch im einzelnen variabel, so dürften sie doch auch in den folgenden Jahren den Trends und ihrer Akzentuierung noch weitgehend entsprechen.
30
dia-Forschungsergebnissen, entspricht dem Wesen einer Werbeagentur am besten. A u ß e r d e m schlagen sie zum zweiten Hauptarbeitsbereich der Agentur eine deutliche Brücke, zum M e d i u m Fernsehen und zum Werbefernsehspot. Für Farbanzeigen in den Zeitschriften und für den Fernsehspot werden dieselben Werbeappelle, dieselben Formulierungen und dieselben Fotomodelle eingesetzt, so daß die Werbekampagne koordiniert zwischen Presse und Fernsehen abläuft.
M e d i u m Fernsehen - W e r b e m i t t e l Fernsehspot Das M e d i u m Fernsehen stellen die der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) angeschlossenen Regional-Sendestationen und das überregional e Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) dar. Die ARD setzt sich zusammen aus den Sendern Norddeutscher Rundfunk/Radio Bremen (NDR/RB) Westdeutscher Rundfunk (WDR) Hessischer Rundfunk (HR) Süddeutscher Rundfunk/Südwestfunk (S/SW) Bayerischer Rundfunk (BR) Saarländischer Rundfunk (SR) Sender Freies Berlin (SFB) Von den über 19 Millionen Haushalten in der Bundesrepublik sind 9 5 % Fernsehhaushalte. Von diesen über 18 Millionen Fernsehhaushalten können w i e d e r u m 9 8 % das ZDF empfangen, v o n diesen 17% in Farbe. A u f g r u n d des Staatsvertrages sind pro Tag 20 Minuten Werbefernsehen in vier Werbeblöcken vorgesehen. Damit bleibt der Fernseh-Werbeaufwand konstant und ist nicht ausbaufähig. In den letzten Jahren zeichnete sich ein Trend zu einer SpotDauer zwischen 20 und 30 Sekunden ab; die Spot-Dauer von 45 Sekunden aufwärts war stark rückläufig, so daß mehrere, aber kürzere Spots den Zuschauer erreichten. Die vier Werbeblöcke haben je nach S e n d e z e i t - d e r Block vor den 20 Uhr-Nachrichten hat die höchste Einschaltquote - einen unterschiedlichen Wert und variieren damit im Preis. Im 1. Halbjahr 1974 hatte bei der ARD der Westdeutsche Rundfunk m i t im Durchschnitt über einer Million die höchste Zahl der eingeschalteten Geräte, der Saarländische Rundfunk m i t 76000 die geringste Zahl. Das entspricht der Bevölkerungsdichte. Dementsprechend sind auch die Preise für einen Fernsehspot unterschiedlich: Sender
Preis für 30 s
Eingeschaltete Geräte
Preis umgerechnet auf 1000 Zuschauer
Westdeutscher Rundfunk
16000 DM
22% = 1139000
14,22 DM
24%=
20,32 DM
Saarländ. Rundfunk
2000 DM
76000
Die anderen ARD-Sender lagen mit DM 3200 bis DM 8310 dazwischen. 31
In der ARD, Bayerischer Rundfunk, entstehen nach der ab 1.1.1975 gültigen Preisliste folgende Kosten f ü r einen regionalen Spot: Einschaltlänge 7 Sekunden 15 Sekunden 20 Sekunden
DM 1750 3500 4600
Einschaltlänge 30 Sekunden 45 Sekunden 60 Sekunden
DM 6300 8400 10400
Im ZDF entstehen nach der ab 1.1.1975 gültigen Preisliste folgende durchschnittliche Kosten für einen überregionalen Werbespot: Einschaltlänge
März/ April Oktober/November
Februar/Mai September
Januar/Juni Dezember
Juli August
15 20 30 45 60
22750,27 000,39000,52000,65000,-
21 0 0 0 2500036000,48000,60000-
19250,23000,330004400055000,-
17500,21000,30000,40000,50000,-
5400,-
5000,-
4575,-
4150,-
Sekunden Sekunden Sekunden Sekunden Sekunden
jede weiteren angefangenen 5 Sek.
M a n sieht, die Urlaubsmonate schlagen sich in der Einschaltquote nieder. Ein und demselben Werbungtreibenden innerhalb eines Kalenderjahres w i r d für eine bes t i m m t e Minutenzahl ein Mengenrabatt bis zu 10% gewährt. Beim Werbefernsehen in beiden Anstalten - Gesamtumsatz 645 Millionen DM im Jahre 1970 - ergab sich, nach Produktgruppen aufgeschlüsselt, folgende Tabelle: N a h r u n g s - u n d Genußmittel 4 1 % Kleidung und Schuhe 4 % Dienstleistung für Haushaltführung 2 2 % Dienstleistung für Verkehrszwecke 3 % Körper- und Gesundheitspflege 18% Bildung und Unterhaltung 4 % Persönliche Ausstattung 4 % Dienstleistung des privaten Gebrauchs 3 % Dienstleistung des gewerbl. Gebrauchs 1 % Nicht-Wirtschaftswerbung 0% Diese Angaben dürften sich auch in Zukunft in ihrer Akzentuierung nur unwesentlich verändern. Den Fernsehspot gibt es in der Bundesrepublik seit 1956. Er w i r d entsprechend den Verkaufsanzeigen in der Presse überwiegend von der Konsumgüterindustrie eingesetzt, zusätzlich auch von der Gebrauchsgüterindustrie und von Geldinstituten. Sein Wesen ist der Ablauf und die Bewegung von Bildern. Das Produkt selbst mitVerpakkung und Markenzeichen und den positiven Eigenschaften steht i m Vordergrund. Grundsätzlich k o m m t hier zum Visuellen noch das Akustische. Bewegtes Bild + 32
Ton, der zeitliche Ablauf für Auge und Ohr, aus der Filmindustrie längst bekannt, erreichen einen weit höheren Aufmerksamkeitswert als ein Werbemittel, das beim Betrachten stillhält. Daraus erklärt sich, daß in der allgemeinen Auffassung der Fernsehspot mit Werbung schlechthin gleichgesetzt wird. Film-, Funk- und Fernsehwerbung sind organisatorisch eng miteinander verwandt und werden unter der Bezeichnung FFF-Werbung zusammengefaßt. Sie sind Agenturarbeit und das Produkt eines Teams. Werbliche Idee, ihre Formulierung und Gestaltung in Entwurf und filmtechnischer Ausführung sind nur in enger Zusammenarbeit möglich. Eine wichtige Rolle spielt der Farbfachmann, der abschätzen muß, ob die gewählte Farbigkeit auch bei Schwarz/Weiß-Empfängern wirkungsvoll ist. Die werbliche Idee wird im Ablauf der Bilder v o m Gestalter ähnlich wie ein Comicstrip skizziert oder gescribbelt, oft typographisch mit den Mitteln des Fotosatzes detailliert und dient so dem Photographen als Gestaltungsgrundlage-das sog. Storyboard. Auch hier kann der Gestalter mit der Aufgeschlossenheit und der Informationsbereitschaft des Zuschauers r e c h n e n - m a n denke nur an Kinder und die Mainzelmännchen. Wer keinen Spaß am Werbefernsehen hat, schaltet sein Gerät erst gar nicht ein.
Medium Anschlag - Werbemittel Plakat Träger der Anschlagwerbung, eines Teils der Außenwerbung, sind städtische oder staatliche Institutionen wie Gemeinde- und Stadtverwaltungen, die Anlagen der Bundesbahn und Bundespost, staatliche oder kommunale Verkehrsbetriebe und private Anschlagfirmen. Anschläge werden angebracht an privaten oder kommunalen Großtafeln oder Säulen, an U-, S- und Fernverkehrsbahnhöfen und Postämtern, an Omnibussen usw. Die Brutto-Umsätze der Anschlagwerbung lagen im Jahre 1970 bei 262 Millionen DM. Im einzelnen erreichten allgemeine Anschlagstellen —30% Ganzstellen -11% Großflächen und Spezialstellen 35% Verkehrsmittel 22% Bei der Anschlagwerbung ergab sich im Jahre 1970, nach Produktgruppen aufgeschlüsselt, folgende Tabelle: Nahrungs- und Genußmittel 60,5% Kleidung und Schuhe 3,0% Dienstleistung für Haushaltführung 9,5% Dienstleistung für Verkehrszwecke 2,0% Körper- und Gesundheitspflege 1,5% Bildung und Unterhaltung 10,5% Persönliche Ausstattung 1,0% Dienstleistung des privaten Gebrauchs - Ì Dienstleistung des gewerbl. Gebrauchs - j Nicht-Wirtschaftswerbung 9,5%
n ¡ c h t a u fschlüsselbar
2,5%
33
Das Plakat. Die Anschlagwerbung hat in den letzten Jahrzehnten zahlenmäßig leicht zugenommen, aber an Bedeutung eingebüßt. Das Plakat als künstlerisches Ausdrucksmittel hat längst nicht mehr die allgemeingültige Bedeutung aus den Zeiten eines Toulouse-Lautrec oder eines Hohlwein, wie man in gelegentlichen Ausstellungen wehmütig zur Kenntnis nehmen kann. Die Produktwerbung hat sich seiner bemächtigt, und »Kunst in der Werbung ist gefährlich, lenkt nur vom Produkt ab und veranlaßt nicht zum Kauf«, sagt »die Werbung«. Allerdings kann ein Plakat, im Gegensatz zu Anzeige und Fernsehspot, nicht mit der Aufgeschlossenheit und dem Informationsbedürfnis des Vorübergehenden rechnen. Die Straße selbst erfordert schon die ganze Aufmerksamkeit des Passanten, oder er denkt an ganz etwas anderes. Das Wesen des Plakats ist daher seine laute, gebieterische Ansprache und sein starker Aufmerksamkeitsimpuls, dagegen nicht die detaillierte Information. Sein typisches Merkmal ist der »optische Skandal«, das Ungewöhnliche, sogar Schockierende. Und gerade hier stehen sich die Erkenntnis v o m Typischen eines Plakates und die Forderung nach angenehm-gefälliger Produktaufmachung oft fast unvereinbar gegenüber. Wird aber doch der Informationsgehalt als Hauptinhalt des Plakates gewählt, ζ. B. bei Theaterplakaten oder politischen Ankündigungen, so geht dies meistens auf Kosten derschockierend-aufmerksamkeitsstarken Gestaltung. Das informative Plakat ist im Grunde genommen nichts weiter als eine große Anzeige oder ein vergrößerter Prospekttitel auf der Anschlagtafel. Innen- oder Schaufensterplakate aber können intimer und illustrativer sein, intuitiv und emotional ansprechen wie ζ. B. Plakate mit Darstellungen aus fremden Ländern in den Räumen eines Reisebüros. Sie bilden eine Verbindung zum sog. Display, d. h. zur direkten, unmittelbaren Verkaufshilfe. Die Plakatformate bewegen sich zwischen DIN A 3 und mehrfach DIN AO. Auf großen Anschlagtafeln werden sie aus einzelnen Teilen in DIN-Α 1-Größe zusammengeklebt. Als Druckverfahren kommen Offset und Siebdruck in Frage, Siebdruck um DIN-Α 2-Größe und Strich. Für den Buchdruck sind diese Klischeegrößen indiskutabel; für den Tiefdruck sind die Auflagenhöhen zu gering. Zusammenfassung: Zur Definition der Produktgruppen in den Tabellen: Nahrungs- und Genußmittel sind hier: Nährmittel, Speisefette und öle, Suppen und Soßen, Schokolade und Süßwaren, Früchte, Konserven und Tiefkühlkost, alkoholfreie und alkoholische Getränke, Kaffee, Tee und Kakao, alle Tabakwaren usw. Kleidung und Schuhe: Oberbekleidung, Stoffe und Spitzen, Wäsche und Strümpfe, Schuhe und Lederwaren. Dienstleistung für Haushaltführung: Möbel und Textilien, Elektro-, Gas-, Kohle- und ölgeräte, Porzellan, Glas- und Metallwaren, Fußbodenbeläge, Wasch-, Putz- und Pflegemittel, Bauzubehör, Farben und Lacke, Düngemittel und Tiernahrung, Kunstund Klebstoffe usw. Dienstleistung für Verkehrszwecke: Kraftfahrzeuge, Kraft- und Schmierstoffe, Reifen, Kfz-Zubehör und -pflegemittel, Luftfahrt. 34
Körper- und Gesundheitspflege: Feinseifen, Kosmetika, Haar-, Haut- und Körperpflegemittel, Rasierklingen und -apparate, ehem.-pharm. Publikumswerbung. Bildung und Unterhaltung: Photo und Optik, Schreib- und Phonogeräte, Fernlehrinstitute, Sport, Touristik, Schallplatten und Verlag, Vergnügungen und Veranstaltungen. Persönliche Ausstattung: Uhren und Schmuck, Geldinstitute und Versicherungen. Dienstleistung des privaten Gebrauchs: Im allgemeinen die Werbung der Versandhäuser und des Einzelhandels. Dienstleistung des gewerblichen Gebrauchs: Atomwirtschaft, Motore und alle Arten von Maschinen, Ausstellung und Industriewerbung. Nicht-Wirtschaftswerbung: Alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Zusammenfassend fällt bei den Tabellen auf: Die Gruppe Nahrungs- und Genußmittel liegt an der Spitze bei Anzeigen in Zeitung und Zeitschrift, beim Werbefernsehen und bei der Anschlagwerbung, also überall dort, wo die notwendige, permanente überregionale Ansprache des Markenprodukts gewährleistet ist. Die Gruppe Dienstleistung für Haushaltführung hat überregionale Bedeutung. Sie liegt bei Zeitschriften an dritter, beim Werbefernsehen an zweiter Stelle. Sie benötigt zuviel Information, um bei der Anschlagwerbung wirksam zu sein. Die Gruppe Körper- und Gesundheitspflege ist mit Anzeigen und im Werbefernsehen stark vertreten, aber kaum als Plakat. Der relativ hohe Anteil der Gruppe Bildung und Unterhaltung in Zeitungsanzeige und Plakat zeigt die stärkere lokale Bedeutung an.
35
Die Verteilung der Werbemittel-Bruttokosten, bezogen auf Medien und Produktgruppen im Jahre 1970, macht die folgende Tabelle deutlich:
Produktgruppen
Gesamtumsatz DM
Nahrungs- und Genußmittel
1 256,7 Milliarden
Kleidung und Schuhe
144,6 Millionen
Dienstleistung für Haushaltführung
671,4 Millionen
Dienstleistung für Verkehrszwecke
305,0 Millionen
Körper- und Gesundheitspflege
549,0 Millionen
Bildung und Unterhaltung
721,0 Millionen
Persönliche Ausstattung
246,4 Millionen
Dienstleistung des privaten Gebrauchs
1 978,6 Milliarden
Dienstleistung des gewerblichen Gebrauchs
239,3 Millionen
Nicht-Wirtschaftswerbung
95,6 Millionen 6236,0 Milliarden
36
davon: Anzeigen in Zeitungen
Anzeigen in Zeitschriften
Fernsehen
Anschlag
12,5%
21,5%
39,2%
20,8%
6%
7 %
68,0%
18 %
1,5%
5,5%
12,8%
50,6%
20,7%
12,2%
3,7%
CM
Hörfunk
48,6%
7 %
0,7%
1,7%
9,7%
64 %
21 %
4,6%
0,7%
68,6%
22,3%
4 %
1,3%
3,8%
58,6%
27 %
11 %
1,9%
1,5%
92,6%
6,1%
0,8%
0,2%
0,3%
15,0%
83 %
1,7%
0,3%
-
54,1%
16,8%
2,8%
0,5%
25,8%
645,5 Milliarden DM
207,7 Milliarden DM
262,2 Millionen DM
3117,3
2005,3
5122,6 Milliarden DM
37
Direktwerbung - Werbemittel: Werbebriefe, Prospekte, Kataloge, Wurfund Warensendungen Da die Direktwerbung keine anderen Medien in Anspruch nimmt, sondern direkt vom Produzenten zum Empfänger läuft, dessen Bedarf nur vermutet werden kann, ist sie mit den bisherigen Produktgruppen-Tabellen nicht zu erfassen. Der Gesamtumsatz der Direktwerbung erreichte im Jahre 1970 über 3 Milliarden DM. Die werbungtreibenden Unternehmen verteilten sich dabei: Produktions- und Investitionsgüterindustrie einschl. Pharmazeutik 43% Konsumgüterindustrie 19,7% Großhandel 5,2% Einzel- und Versandhandel 15,1 % Dienstleistungsunternehmen 9,3% Verlage 7,6% Anteile der Werbemedien, gemessen am ausgewiesenen Umsatz im Jahre 1970 in Prozent-Angaben : Gesamt-Jahresumsatz 9553,9 Milliarden DM, davon Anzeigen in Zeitungen 32,6% Anzeigen in Zeitschriften 20,9%, zusammen 53,5% Direktwerbung 32,4% Fernsehen 6,8% Anschlag 2,8% Hörfunk 2,2% Die Höhe der Aufwendungen für Direktwerbung hängt von Veränderungen der Post- und Versandgebühren und von denen der Druckereien ab. Es fällt auf, daß diejenigen Unternehmen die Direktwerbung bevorzugen, deren werbliche Argumentation besonders auf der sachlichen Information beruht. Viele der versandten Werbebriefe und Prospekte enthalten zur Erfolgskontrolle und für die Kundenkartei Antwortcoupons oder Antwortkarten. Der Prospekt und der Katalog. Füralle Direktwerbemittel mögen hier stellvertretend und vereinfachend der Prospekt und der Katalog stehen. Beide sind die informativste Form der Werbung. Der Prospekt soll zur Hand genommen, gelesen und studiert werden, detaillierte und sachliche Auskunft geben ζ. B. über Material, Vorteile, Abmessungen, Energieverbrauch und Preis. Der Prospekt schafft große Kontaktintensität und fördert Interesse und Kaufneigung. Der Katalog ersetzt sogar das Verkaufsgespräch und dient zur direkten Bestellung an das Versandhaus. Prospekt und Katalog kommen mit vielen Abbildungen, gefalzt oder geheftet der Buchform am nächsten (Abb. 2). Mit einer interessierten, oft bereits kaufbereiten Aufmerksamkeit kann der Gestalter rechnen. An ihm liegt es, Bild und Text zu einer klar gegliederten Information zusammenzustellen mit Photos, eventuell mit Tabellen, Land- und Städtekarten, 38
Abb. 2
Grundrissen usw., Wichtiges hervorzuheben und das Produktangebot abwechslungsreich für das Auge zu gestalten. Ein Prospekttitel soll alle Elemente der Hins t i m m u n g tragen und die Bereitschaft zur Information fördern.
Weitere Möglichkeiten zur Bildung eines Images In den vorhergegangenen Tabellen haben sich eine Reihe von Werbemitteln erfassen lassen. Zu einigen anderen, wichtigen Möglichkeiten des Marketings sollen hier zur Gestaltung noch einige Hinweise gegeben werden. Marke. Fast alle Unternehmungen und Firmen haben ein Zeichen oder Signet (französisch) oder Signature (englisch) oder Markenzeichen oder einen Firmenschriftzug. Ein Zeichen oder einen Schriftzug zu entwerfen ist eine schwere, aber gut bezahlte Arbeit, da beide Gültigkeit für einen langen Zeitablauf haben sollen. Aber wer kennt schon den Geschmack, der in 10 Jahren allgemeingültig sein wird? Das Zeichen oder die Marke, die knappste graphische Image-Form, soll all das signalisieren, was die Besonderheit des Unternehmens ausmacht, stark, einprägsam 39
und unverwechselbar sein, an kein vorhandenes und im Handelsregister eingetragenes Zeichen erinnern, ein- oder mehrfarbig zu verwenden und beliebig zu vergrößern oder zu verkleinern sein. Denn verwendet wird das Markenzeichen auf allem, was zum Unternehmen gehört, also Briefausstattung, Visitenkarten, auf firmeneigenen Fahrzeugen, Firmenerzeugnissen, Werbemitteln und Geschäften, gedruckt, gespritzt, gemalt, geprägt und in Leuchtschrift (Abb. 3).
Abb. 3
Briefausstattung und Visitenkarte. Sie stellen die persönlichste Form der Eigenoder Firmenwerbung dar. Beide spiegeln den Eindruck wieder, den der Absender, ob als Person oder als Firma, beim Empfänger erwecken möchte. Briefbogen und Visitenkarte werden zur Hand g e n o m m e n und gelesen. Der Gestalter sollte alles vermeiden, was die Sachlichkeit und gleichzeitig die Intimität dieses Vorganges beeinträchtigt. Große, auffällig laute Formen und Farben »überrennen« und v e r s t i m m e n den Empfänger. Briefbogen und Visitenkarte vertreten ein persönliches Gespräch und haben m i t dem A n r u f eines aufmerksamkeitsstarken Plakates nichts zu tun. Außerdem sind sie kein einmaliges Werbeargument, sondern leben 40
als »leises« Image jahrelang. Blindprägungen sind beliebt und richtig am Platz. Der Text - so wenig wie möglich - sollte klar und übersichtlich - im Konsultationsgrad zwischen 6 und 8 Punkt gesetzt sein. Will der Auftraggeber Fensterkuverts verwenden, so steht das Anschriftfeld (für die Sekretärin) auf dem Bogen nach den Normen der Deutschen Bundespost an bestimmter Stelle. Bei glatten Kuverts gelten diese Normen nicht. Zur Stellung der Hauptsache, dem Zeichen und den Adressen- und sonstigen Angaben, könnte man empfehlen: Damit eben diese Hauptsache nicht im Aktenordner des Empfängers verschwindet - in der Mitte oder rechts von der Mitte einsetzen! Links ist der Heftrand (Abb. 3). Display. Bisher wurde von Werbemitteln gesprochen, Maßnahmen, die in ihrer Gesamtwirkung die Umsatzsituation des Unternehmens beeinflussen sollen. Display dagegen ist die Sammelbezeichnung für die unmittelbaren Verkaufshilfen am Kaufort selbst, also die Ausstattung und Ausstellung der Ware im Geschäft und des unmittelbaren Warenangebotes im Schaufenster. Als Display-Material dienen Pakkungen. Aufsteller, Innenplakate, Hinweisschilder, Schaustücke und Dekorationsmaterial. Es liegt auf der Hand, daß der größte Teil des Display zum Verbrauchsgütersektor und zum Markenartikel gehört, prozentual zum geringeren Teil zu den Gebrauchsgütern. H ier hat man errechnet,daß die Gruppen Konfektion, Möbel und Glas zwischen 50% und 80% ihres Werbeetats allein für ihre Schaufensterwerbung einsetzen. Oer Packung kommt die starke, eventuell entscheidende Aufgabe zu, das Erscheinungsbild des schnell nachgekauften Produkts (s. Markenprodukt) bekannt und vertraut zu machen. Ist es nicht jedem schon passiert, daß er zu einem Bekannten plötzlich bemerkt: »Sag mal, was rauchst (trinkst) Du denn da neuerdings?« Das vertraute Gesicht des Bekannten - plötzlich zusammen mit einer anderen Packung (Etikett) - das fällt uns schnell auf. Sichtlich findet oft eine gewisse Identifikation zwischen Mensch, Gewohnheit und Marke-Packung statt. Vielfach ist auch in einem Supermarkt zu beoba c h t e n - u n d jeder von uns tut es selbst-, daßjemand eine verpackte Ware unbesehen in seinen Korb legt oder eine verpackte Ware in die Hand nimmt, sie von allen Seiten betrachtet und dann wieder wegstellt! Warum tut er das? Niemand legt sich bewußt Rechenschaft darüber ab, aber für den Hersteller wie für den Gestalter ist das von höchstem Interesse. Jede industriell hergestellte Ware ist heute verpackt, ob in Einschlagpapier, Beutel, Becher oder Schachtel. Daraus folgt: 1. Das Gesicht der Ware bleibt für lange Zeit gleich. 2. Die Packung übernimmt stellvertretend das Aussehen der Ware selbst, da man das Produkt selbst gar nicht sehen und beurteilen kann. Man könnte sogar sagen, die Packung ist die Ware selbst. Mit der Packung w i r d die stets gleichbleibende Qualität der Ware garantiert und signalisiert. 3. Stellt me^n die Ware wieder ins Regal zurück, so sagt einem entweder das Produkt nicht zu oder die Packung. Sagt einem aber die Packung zu, könnte man das Produkt vielleicht doch noch gebrauchen. 41
Zu der visuellen Aufmachung der Packung k o m m t noch das Gefühl, das die Finger und die Hand vermitteln: Format und Abmessungen, das Verhältnis zwischen Grundriß, Höhe und Breite, und die Farbe (Abb. 4). Sie soll nicht nur gewinnend aussehen, sondern sich auch »anfassen« lassen. Es gibt Farben, die man nicht gern »berührt«. Gute wirkéame Packungen weisen nur eine beherrschende Farbe auf, damit man sie als »weiß« oder »rot« ansprechen kann. Die dekorative Wirkung einer Packung k o m m t erst dann zur vollen Wirkung, wenn mehrere Packungen im Geschäft zusammengestellt werden. Bei vierseitigen Pakkungen ist eine Seite schon von der Form her die natürliche Schauseite. Bei runden Behältern m u ß der Gestalter eine Hauptansicht erst schaffen. Und diese verzerrt sich perspektivisch! Einer der wichtigsten und schwierigsten Aspekte ist die Preisspiegelung und -entsprechung des Entwurfs. Entspricht die Gestaltung gefühlsmäßig nicht dem Preis des Produkts, ist sie schlecht. Bei Waschmitteln ζ. B. ist die Gestaltung laut und herausfordernd, manchmal sogar ordinär. Dafür kostet das Produkt auch wenig. Bei Tee und Kaffee strahlt die Gestaltung kultivierten Genuß aus, eventuell mit Gold — hier muß der Kunde schon einiges bezahlen. Bei einem Parfüm von Baimain ζ. B. ist die Gestaltung edel und vornehm-herablassend, um als solche überhaupt bemerkt zu werden - 50 DM muß man schon investieren. Je preiswerter das Produkt ist, besonders bei den reinen Konsumprodukten, desto »reißerischer«, lauter ist die Gestaltung; je teurer ein Produkt ist, desto sparsamer und zurückhaltender ist die Gestaltung der Packung. Neue Aspekte hat das gesamte Display durch die moderne Verkaufsform des Supermarktes erfahren. Hier, w o es alles gibt, geht von einer Packung oder einer dekorativen, informierenden Verkaufshilfe, ζ. B. Aufstecktafeln, eine weit stärkere Wirkung aus als beim selben Thema mit dem Verkaufsort Einzelhandel. Der Gestalter muß hier von der besonderen Situation des Verkaufsortes ausgehen. Zusammenfassung: Jedes Produkt fordert je nach seiner Besonderheit auch eine besondere Gestaltung, ζ. B.: Sieht die Packung sachlich, nahrhaft, kosmetisch oder sensationell »nach Knüller« aus? Die zweite Forderung ist die entsprechende Preissuggestion oder -Spiegelung. Die dritte Forderung ist die angenehme Wirkung auf Auge und Hand und die Hinstimmung. Die vierte Forderung ist: Der Name des Produktes, die Herstellerfirma oder ihr Zeichen oder Gütezeichen müssen lesbar und erkennbar, eventuell groß und beherrschend sein. Bei manchen Produkten wird viel erklärender Text verlangt. Für das sehr schwer zu lösende Thema Packung werden in Werbeagenturen oft bis zu hundert reingezeichnete Entwürfe gemacht und durch Tests ausgesiebt, bis der verkaufskräftigste Entwurf übrigbleibt. Als Material für Packungen und Faltschachteln kommt der Chromokarton oder der Chromoersatzkarton in Frage. Beide eignen sich für alle Aufgaben, bei denen das Material flexibel sein muß und nicht brechen darf. Broschüreneinbände sind deshalb ebenfalls aus Chromokarton. Er ist von mittelfeiner holzhaltiger Qualität 42
(250-500 g/qm), weist aber, einseitig gestrichen, einen Überzug aus Talkum auf, der die Qualität des Kunstdruckpapiers hat. Er läßt sich vorzüglich in Buch- und Offsetdruck bedrucken. Gelackt oder zellophaniert erhält er zusätzliche Brillanz. Einschlagpapiere, ζ. B. bei Toilettenseifen, können in allen Druckverfahren gedruckt werden, bei sehr hohen Auflägen auch in Tiefdruck. Für vorgefertigte runde Körper aus Blech, Kunststoff oder Glas (ζ. B. Coca-Cola-Flaschen) kommt nurderSiebdruck in Frage.
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KAPITEL 4
Agenturen und Werbeabteilungen Aufgabengebiete, Aufbau und Arbeitsablauf Werbe-Agenturen sind freie Unternehmungen, die für den Kunden nach treuhänderischen Grundsätzen die Planung, Durchführung und Kontrolle seines Werbevorhabens übernehmen. Werbe-Abteilungen haben dieselbe Aufgabe. Sie sind Abteilungen innerhalb eines Produktions- oder Handelsbetriebes. Nach den Qualifikationsbestimmungen der Gesellschaft Werbeagenturen (GWA) umfaßt das Aufgabengebiet einer Werbeagentur: 1. die marken- und werbetechnische Planung aller Maßnahmen, die der Förderung des Umsatzes ihres Mandanten dienen 2. die Gestaltung der aus dieser Planung resultierenden werblichen Einsatzmittel 3. die Steuerung und Kontrolle aller herstellungstechnischen Maßnahmen 4. die Verwaltung der zu diesem Zweck bereitgestellten Geldmittel, dem Werbeetat.* Für ihre vielfältige Arbeit erhält die Werbeagentur ihre Vergütung einerseits direkt aus dem zur Verfügung gestellten Werbeetat des Unternehmens. Bei der Vergütungsberechnung unterscheidet man verschiedene Systeme, die je nach dem Ausmaß des Auftrags in Anwendung kommen. Zu dieser Vergütung kommen andererseits noch die Provisionen von Werbeträgern, ζ. B. von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Es hat sich eingebürgert, daß ein Unternehmen mindestens zwei Agenturen in Konkurrenz mit dem Erarbeiten des Werbeplans und der Ausarbeitung der Vorschläge beauftragt. Diese Vorschläge bezeichnet man als Präsentation. Diejenige Agentur, deren Arbeit dem Kunden entspricht, erhält dann den Auftrag für in der Regel ein bis zwei Jahre - und damit den Etat-Anteil. Die auftraggebenden Firmen können nach Ablauf der Vertragszeit die Agentur wechseln. Hier nun wieder den Zuschlag zu erhalten, aber auch neue Kunden zu gewinnen, jeweils die beste Präsentation zu entwickeln, ist der tagtägliche Kampf der Agenturen um ihre Existenz. Nur in wenigen Fällen, etwa 16%, betreut dieselbe Agentur dasselbe Unternehmen länger als 10 Jahre. Der Agenturvertrag regelt 1. das Arbeitsprogramm der Agentur, 2. den Konkurrenzausschluß und die Wahrung von Betriebsgeheimnissen, 3. die Haftung der Agentur,
* Neske/Heuer, Handlexikon Werbung und Marketing München 1970.
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4. die Agenturvergütung, 5. die Vertragsdauer, Kündigungsfrist, Gerichtsstand. Einige statistische Angaben über Agenturen (aus »Werbung 70«, Jahresbericht des Zentralausschusses der Werbewirtschaft): Die geschätzte Gesamthöhe der Werbeaufwendungen im Jahre 1970 einschließlich Werbegeschenke, Messen, Ausstellungen und Schaufenstergestaltung lag bei 14-15 Milliarden DM. Die nachweisbaren Werbe-Bruttokosten betrugen 9,5 Milliarden DM. Davon liefen über 5 Milliarden über die Agenturen. 1970 waren in der Bundesrepublik Deutschland 995 Agenturen, in Westeuropa 2464 Agenturen im Handelsregister eingetragen. Nach einer vorläufigen, nicht vollständigen Untersuchung betrugen die Umsätze 1969, bezogen auf einen Umsatz von insgesamt 4,174 Mrd. DM: Umsatz Mio. DM
Anzahl der Agenturen
% des Gesamtumsatzes
1-5 über 100
263 = 63% 7 = 1,7%
15,7% 23,7%
Dasselbe nicht so nüchtern und genau, dafür übersichtlicher: /3 aller Agenturen errangen 1/7 des Gesamtumsatzes, nur 1/ΪΟ aller Agenturen dagegen 1/Í des Gesamtumsatzes. Man schätzt die Umsätze bei 1/3 aller Agenturen unter 1 Million DM, V3 einschl. Firmenabteilungen zwischen 5 und 50 Millionen DM, V3 einschließlich Firmenabteilungen über 50 Millionen DM. Bei kleineren Agenturen stellte sich durch die Unterschiedlichkeit der Nachfragestruktur ein Trend zur Spezialisierung heraus. Bei allen Agenturen wurde festgestellt: Der scharfe Wettbewerb, besonders auf dem Konsumgütersektor, bewirkte eine kürzere Lebensdauer von Konsumgütern und Marken. Ständig werden neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt und die bestehenden Produkte verbessert. Die Aufgaben des Planens und der Gestaltung verstärkten sich. Ein Anstieg von Handelsmarken stellte die Agenturen vor immer wieder neue Aufgaben. Die computertechnische Abwicklung im Werbegeschäft und der unabweisbare Zwang zum Einsatz modelltheoretischer Werbe- und Marketing-Planungsgrundlagen beginnt die Agenturarbeit völlig umzustellen. Im allgemeinen war die Auftragsdichte durch Konjunkturrückgang, aber auch durch die steigenden Mediapreise leicht rückläufig. z
Die Angaben aus dem Jahre 1970 treffen in ihrer Höhe nicht mehr zu, aber wohl noch in ihrer prozentualen Verteilung. Ölkrise, hohe Zinsen bei Bau-Investitionen, Schwierigkeiten in einzelnen Wirtschaftszweigen und die Geldentwertung haben die Werbeetats in Handel und Industrie schrumpfen lassen. Bei 50 Tageszeitungen lag die Zahl der Anzeigenseiten 1974 um 16,9% niedriger als 1973. Eine Agentur rechnet mit einer halben Million Werbeumsatz pro Mitarbeiter, um gut existieren zu können. Zur Zeit liegen die Einnahmen niedriger. Die bisher branchenübliche Provision von 15% wird bereits kräftig unterboten. (Auszug aus einem Artikel »Der Spiegel« vom 28. 8. 74.)
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Prinzipieller Aufbau und Arbeitsablauf einer Werbeagentur Der Arbeitsablauf paßt sich ständig dem Kunden und den Erfordernissen des jeweiligen Auftrags an und bedingt den Aufbau. Beide sind abhängig sowohl von der Größe der Agentur wie der des Kunden-Unternehmens. In kleinen Agenturen ist oft ein Mann mit verschiedenen Aufgaben gleichzeitig betraut, in großen hat eine ganze Abteilung dieselbe Aufgabe. Der Arbeitsablauf ist viel zu dynamisch und variabel, um hier als gültig für große und kleine Agenturen, für alle Produktfirmen und alle Zeiten beschrieben werden zu können. Deshalb kann hier nur das Prinzip der Arbeitsweise beschrieben werden. Dieses bleibt im Grundsatz bestehen, kann aber im einzelnen auch einmal anders verlaufen. Vorbereitung. Mit der Akquisition, mit dem Bemühen um neue Geschäfte und dem Auffinden eines neuen Kunden durch einen Kontaktmann beginnt die Auseinandersetzung der einzelnen Mitarbeiter mit den Problemen des Kunden. Etwa 1/3 der Gesamtkosten und des gesamten Zeitaufwandes nimmt die Werbevorbereitung ein. Sie ist eine eigene Abteilung und enthält Marktbeobachtung, Marktforschung, Produktforschung, Werbemittel- und Werbeträgerforschung und Werbemittelerfolgskontrolle. Die Ergebnisse Ihrer Arbeit sind 1. Marktdaten, statistisch-quantitative Angaben über die Marktlage eines Produkts, der Konkurrenzprodukte und Ihre Werbeargumente, über Marktlücken oder die Grade der Marktsättigung. Diese Arbeit wird von Betriebs- und Volkswirten geleistet. Andererseits gehören 2. soziologische und psychologische Angaben dazu über Kaufmotive, Kaufgewohnheiten und -bedürfnisse, über Wünsche und Vorurteile des Verbrauchers bzw. der gewünschten Zielgruppe, und Angaben über die Motivation, also wie man den Kunden ansprechen muß und wie man verstanden wird. Diese Arbeit wird von Psychologen und Soziologen geleistet. Planung. Sie faßt die Untersuchungsergebnisse, also die Marktdaten und die verkaufspsychologischen Aspekte als Grundlage für die geplante Werbeaktion zusammen und koordiniert sie mit dem Kosten- und Terminplan und dem sog. Streuplan. Das Ergebnis ist eine schriftliche Abfassung - briefing, memoria! - , die eine Anleitung dafür enthält, wie die richtige Werbebotschaft über das richtige Werbemedium zur richtigen Zeit unter optimaler Kostenverteilung den richtig angesprochenen Menschen gezielt erreicht. Für die Zielgruppe, die sich oft ganz selbstverständlich aus der Struktur des Produkts ergibt, wird eine Kombination von Werbemitteln ersonnen, damit die werbliche Information die meisten Menschen dieser Zielgruppe so häufig wie möglich erreicht (s. Streuplan). Gestaltung. Das Briefing bildet die Grundlage für die Kreativgruppen. Diese realisieren und konkretisieren in Wort und Bild die Gedanken des Werbeplans. Innerhalb der angegebenen Richtung können sich die kreativen Vorstellungen des Gestalters frei bewegen. Aber gerade die kreative und auf künstlerische Qualität bedachte persönliche Vorstellung von »gut« und »schlecht« führt immer wieder zu Spannungen mit dem nüchternen, oft mit Daten belegbaren Denken des kaufmännischen Sektors und den häufig weniger beweisbaren Argumenten der Psychologen. Die Kunst des 47
Gestalters besteht daher heute, außer in der Gestaltung selbst, noch darin, zwischen diesen Polen zu lavieren und trotzdem noch zu einer zumindest vertretbaren Gestaltung zu kommen. In den Kreativ-Gruppen arbeiten Texter, Layouter, Graphiker und Typographen zusammen. Oft gehört noch ein eigenes Photoatelier zur Agentur. Man hält Verbindung zu den Ausführenden, also freien Mitarbeitern, eventuell zu photographischen und typographischen Ateliers, zu Reinzeichnern und Spezialisten für besondere Darstellungen und zur Produktion. Darunter faßt man alle Möglichkeiten der Verbreitung, also Druckereien oder Ateliers für Werbe- und Fernsehfilme, zusammen. Die kreative Arbeit bildet ein organisatorisches Ganzes, in dem der einzelne an seiner Stelle seine Aufgabe erfüllt, ohne den Auftrag in seinem Gesamtablauf bis zum Endprodukt selbst mit eigener Hand zu gestalten. Der Layouter ζ. B. als Ideenlieferant gibt seine Scribbles zur weiteren Realisierung durch Photo, Film oder Reinzeichnung weiter. Dabei muß er die Grundlagen von Photographie, Satzund Druck kennen, die Vorstellungen dieser Berufe aufnehmen und verarbeiten können. Eine Fähigkeit zum Teamwork mit dem verbalen Sektor ist unerläßlich. Die Verbindung zwischen den Kreativgruppen und dem Kunden hält ein Kontaktmann. Streuung. Die entstandenen Werbemittel werden nach dem Streuplan über die Werbeträger oder Werbemedien verteilt. Der Streuplan sieht die Koordinierung von Streuwegen, Streumitteln, Streubereichen, Streuorten und Streuzeitpunkten vor, unter optimaler Ausnutzung des Werbeetats. Streuwege sind die Möglichkeiten, die sich ergeben, um die Werbemittel an den Umworbenen heranzubringen. Streumittel sind die Werbeträger, ζ. B. Presse und Film, Funk, Fernsehen. Man unterscheidet a) direkte Streuung oder Direktwerbung, ζ. B. durch die Post, b) indirekte Streuung durch die Werbemedien. Streubereich ist das Verteilungsgebiet eines Werbemediums. Streuort ist die Lokalität der werblichen Ansprache und damit der Wirkungsort: Anschlagsäule, Theater, Bahnhof usw. Streuzeitpunkt ist der Erscheinungstag für das eingesetzte Werbemittel. Die Streuung regelt und kontrolliert den Einsatz der Werbemittel bei den Medien anhand des Streuplans. Für Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften ist die sog. Annoncen-Expedition oder AE zuständig, die durch die Einschaltrabatte eine wesentliche Einnahmequelle für die Agentur darstellt. Eine werbliche Ansprache erfolgt bei einer Aktion auch an Personen, für die das Produkt ohne Interesse ist. Diese Personengruppe, die ja indirekt Kosten verursacht, bezeichnet man als Streuverlust. Erfolgskontrolle. Sie liegt in der Regel bei der Marktforschung. Diese ermittelt Aufmerksamkeits- und Erinnerungswerte der einzelnen Werbemittel beim Publikum durch Umfragen. Der tatsächliche Erfolg aber, nämlich die Steigerung des Umsatzes, wird neben der Werbung noch durch andere Kriterien bestimmt: Die Güte des Produkts, durch direkte Verkaufsbemühungen und viele andere unberechenbare Zufälligkeiten. So ist der tatsächliche Erfolg einer Werbeaktion schwer feststellbar, es sei denn, man hat Maßnahmen zum Erfassen der Publikumsreaktion eingebaut, ζ. B. Coupons bei Anzeigen, Rückantwortkarten usw. 48
Verwaltung. Selbstverständlich gehört als letzte Arbeitsgruppe die Verwaltung zu einer Agentur. Sie bearbeitet den personellen Sektor, die Finanzen, Löhne und Gehälter, die Buchhaltung, Bestellungen, Versand, Statistik und Fragen des Rechts.
Werbe psychologie Die Sozialforschung, eine Disziplin der Sozialwissenschaften, untersucht die Probleme menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens. Erkenntnisse der Individualpsychologie kann man bis zu einem gewissen Grade auch auf das Verhalten ganzer sozialer Gruppen übertragen. Diese Gruppen werden nach dem sozialen Status eingestuft. Zur Erkenntnis sozialer Zusammenhänge sind bereits sozialtheoretische Systeme erarbeitet worden (s. Regelung, Kapitel 5). Sie erhalten zunehmende Bedeutung besonders durch verstärkte Werbemaßnahmen über die Ländergrenzen hinweg. Die Werbepsychologie ist ein Teilgebiet der angewandten Psychologie. Ziel ihrer Untersuchungen ist die Wirksamkeit der Werbemittel und der Werbemaßnahmen. Als erstes Untersuchungsobjekt steht das Produkt zur Debatte, die Wirkung seiner Aufmachung und sein Form-Image. Zum zweiten bildet der Umworbene, der Käufer ein Untersuchungsobjekt. Für die Untersuchung des Produkts steht das apparative Verfahren, ζ. B. mit dem Tachistoskop zur Verfügung. Mit seiner Hilfe können in ganz kurzen Zeitabständen einer Versuchsperson optische Reize dargeboten und ihre Wirkung kontrolliert werden. In einem verdunkelten Raum wird mit dem Tachistoskop ein Objekt für eine 500stel Sekunde gezeigt. Die Versuchsperson gibt an: »Blaues Viereck«. Bei einer "lOOstel Sekunde erkennt sie schon einen blauen Kubus mit etwas Gelb. Bei einer 25stel Sekunde stellt sich der Kubus als Packung und das Gelb als gelber Pfeil heraus. Bei einer Sekunde erkennt die Versuchsperson erst »weiße Schrift auf gelbem Grund«, aber lesen kann sie sie noch nicht. Ergebnis: Blaue Packung - wird sehr schnell erkannt gelber Pfeil - wird schnell erkannt Firmenschriftzug - wird viel zu spät erkannt So lassen sich flüchtig aufgenommene optische Reize testen. Man erhält Auskunft darüber, welche Reiz- und Informationselemente ζ. B. beim Durchschreiten eines Supermarktes oder beim flüchtigen Durchblättern einer Zeitschrift wahrgenommen werden und Wirkung zeigen. Im Vertrauen: Selten haben Tests sehr viel anderes ergeben als der Gestalter schon vorher selbst gesehen hat. Über das Verhalten des Umworbenen geben individual- und sozialpsychologische Erkenntnisse Auskünfte. Im Mittelpunkt steht das Phänomen des Käuferverhaltens, die Emotionen des Einzelnen wie ganzer Zielgruppen, die Probleme der Informationsaufnahme und der Unterschied zwischen Kaufgrund und Kaufmotiv. Die BezeichnungMof/v ist in der Psychologie gebräuchlich für den eigentlichen Beweg49
g r u n d menschlichen Handelns. Dabei kann man das menschliche Handeln nicht u n m i t t e l b a r aus äußeren Reizeinflüssen ableiten. Die eigentlichen Motive sind Affekte, Bedürfnisse, Gefühle und Triebe, Interessen u n d der Wille. Motivation ist die Bezeichnung f ü r die Gesamtheit der Beweggründe menschlichen Handelns. Die Motivforschung ist eine M e t h o d e zur E r m i t t l u n g der M o t i v e u n d der M ö g l i c h keiten der Motivation. Sie setzt u. a. Tiefeninterviews u n d projektive Tests ein. Tiefeninterviews gehören zur M e t h o d e der Psychoanalyse, die das Verhalten des M e n s c h e n d u r c h Phänomene zu erklären sucht, die ihm selbst »tief« u n b e w u ß t sind. Der projektive Test soll darüber Auskunft geben. Man hat erkannt, daß der M e n s c h oft allen Aussagen, die er über sich selbst machen m ü ß t e , einen natürlichen W i d e r s t a n d entgegensetzt. Daher w i r d die Versuchsperson mit Aussagen anderer Personen in b e s t i m m t e n Situationen konfrontiert. Bei seiner S t e l l u n g n a h m e projeziert n u n der Befragte seine eigenen M o t i v e i n d i e der anderen Menschen hinein u n d gibt so A u s k u n f t über seine eigenen, ihm selbst u n b e w u ß t e n M o t i v e . Demgegenüber steht das explorative Verfahren, welches das Gespräch durch gezielte Fragen für den Befragten unbemerkt steuert. Über die Probleme der W a h r n e h m u n g stehen sich zwei psychologische Lehrmein u n g e n gegenüber. Die eine ist die A u f f a s s u n g von der stufenweisen E i n w i r k u n g der Reizmittel. Die andere leitet sich v o n der Ganzheits- und Gestaltpsychologie her u n d vertritt die Auffassung v o n der ganzheitlichen Wirkungsweise. Ganzheit bedeutet in der Psychologie die Eigenschaft b e s t i m m t e r Gebilde, aus Teilen zu bestehen, die aber nicht aus der Z u s a m m e n f ü g u n g oder W e c h s e l w i r k u n g der Einzelteile abgeleitet w e r d e n können. Die Vorstellung, die alles einzelne aus einer ü b e r g e o r d n e t e n Ganzheit heraus zu verstehen, erklären oder abzuleiten versucht, besteht schon im Universalismus bei Aristoteles, T h o m a s von A q u i n o und bei Hegel. Danach ist das Ganze nicht nur die S u m m e aller Teile, sondern die Teile sind Glieder des Ganzen und v o m Ganzen »ausgegliedert«. Der Begriff Ganzheit umfaßt alle persönlichen, psychologischen u n d physischen Bereiche. A u c h das Seelische hat Ganzheitscharakter und d a m i t die Erlebnisgegebenheiten. Die Ganzheitspsychologie versucht, von diesen Erlebnisgegebenheiten auf dahinterstehende, ganzheitliche Bedingungen zu schließen. Erlebnisgegebenheiten - die Verläufe der W a h r n e h m u n g , des Willens, des Denkens u n d Bewegungsabläufe - w e r d e n in der Gestaltpsychologie als »Gestalten« bezeichnet. Eine Gestalt, ein Gebilde oder auch ein Sachverhalt, kann aus einzelnen Teilen bestehen, aber die Z u s a m m e n s t e l l u n g der Teile ergibt Eigenschaften, die keines der Einzelteile besitzt. Gestalten sind d e m n a c h mehr als die S u m m e ihrer Teile, so w i e eine Kette von T ö n e n noch keine Melodie ergibt. Die Gestaltpsychologie, eine G r u n d r i c h t u n g der gegenwärtigen Psychologie, b e s t i m m t die seelischen S t r u k t u r e n u n d Gegebenheiten als u r s p r ü n g l i c h ebenfalls ganzheitlich u n d als ein in sich aufgegliedertes, aber geschlossenes Ganzes. »Gestaltfestigkeit« bezeichnet den Grad der Festigkeit innerhalb des in sich geschlossenen, ganzheitsbezogenen Gefüges. U n v e r m e i d l i c h aber sind in der Ganzheits- und Gestaltpsychologie i m m e r 50
S y m p t o m e der Unganzheit. Innerhalb gewisser Grenzen und unter bestimmten Voraussetzungen ist jedes Teil selbständig. Das Entstehen einer Gestalt, also die Wahrnehmungs- und Denkverläufe sowie Willenshandlungen Im aktuellen Erleben, untersucht die Aktualgenese. Strukturen der W a h r n e h m u n g und von Denkanstößen w e r d e n untersucht. Die Aktualgenese der optischen W a h r n e h m u n g untersucht ζ. B. hier die Gestaltfestigkeit eines Werbemittels. Je größer sie ist, desto größer ist auch der Aufmerksamkeits- u n d Gedächtniswert. Dabei spielt noch der psychologische Begriff der Anmutung eine große Rolle. A n m u t u n g steht für das nicht klar bestimmte Erlebnis eines emotionellen Eindrucks. Anmutungsqualität ist die Bezeichnung für die Wirkung eines Erlebnisses und die Assoziationen, die dadurch ausgelöst werden. Drei Gruppen haben sich herausgebildet: Die erste Gruppe ist für visuelle Anstöße besonders empfänglich, die zweite für akustisch-zeitliche, die dritte für visuell-akustische oder raumzeitliche Anstöße. Das entspricht den Werbemitteln Plakat und Anzeige, d e m Hörfunk und d e m Film und Fernsehen. Nach der Gestalt- und Ganzheitspsychologie ist also ein Werbemittel ein aus gegebenem, aktuellen, ganzheitlichen A n l a ß - G e s t a l t 1 - entstandenes, ganzheitlich gefügtes Objekt. Es w i r d für den Betrachter ein w i e d e r u m aktueller, ganzheitlicher A n laß zu ästhetischer W a h r n e h m u n g und zum Denkanstoß - Gestalt 2. Gestalt 1 - das ist das Problem des Darstellens und des Codierens Gestalt 2 - das ist das Problem des Erkennens und des Decodierens. Das Ziel ist, beide Gestalten möglichst in Deckungsgleichheit zu bringen, oder die aktualgenetischen Denkverläufe, die zu einer Aussage führten, m i t der Bereitschaft und Aufnahmefähigkeit des Empfängers kongruent zu formulieren, oder den eigenen Denkverlauf z u m Denkanstoß w e r d e n zu lassen. Dieser kann gemindert werden, w e n n 1. die Ästhetik der Gestaltung nicht d e m Stile des Empfängers entspricht, 2. die Sprache der Botschaft nicht die des Empfängers ist, 3. die Aussage nicht die gewünschten Assoziationen erweckt, und 4. die Technik der Wiedergabe f r a g w ü r d i g ist.
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KAPITEL 5
Information als wissenschaftlicher Begriff und als Teilgebiet der Kybernetik Auf die Frage der Wahrnehmung sind außer der Psychologie auch die Wissenschaften der Medizin und der Technik gestoßen. Sie haben wesentliche Erkenntnisse auf dem Gebiet der Informationsübermittlung geliefert und exakt mathematisch und physikalisch formuliert. Tatsächlich vollzieht sich in der Praxis der Werbung ein gewisser Wandel: Die Werbung betrachtet sich zunehmend als ein Teilgebiet der Kommunikations- und Informationswissenschaften und arbeitet mit modelltheoretischen Daten der Physiker anstelle der Lehrmeinungen der Psychologen. Der Trend zur Verwissenschaftlichung und zu mathematisch berechenbaren Fakten ist ein Zug unserer Zeit, der wohl in der Zukunft einen immer größeren Raum einnehmen wird. Der Gestalter kann sich unbeschadet seiner Intuition mit der Terminologie der Informationstheoretiker bei der Diskussion um seine Arbeit besser verständlich machen als mit emotionalen Argumenten. Für ihn kommt es auf eine Synthese von berechenbaren Größen und seiner letztlich unberechenbaren Kreativität an. Die informationstheoretischen Erkenntnisse sollen ihm helfen, seine Arbeit, die er vielfach unbewußt und intuitiv richtig gestaltet, bewußt und mit wissenschaftlicher Argumentation zu leisten. Um die abstrakte, in vielen Daseinsbereichen angewendete Informationstheorie zu begreifen, gehen wir wohl am sichersten von den bisher erläuterten Begriffen aus und versuchen, schon in ihnen Allgemeingültigkeiten zu erkennen. Werbung ist zielgerichtete Kommunikation (oder Veröffentlichung) von Information: Eine Person oder Gruppe soll veranlaßt werden, etwas ganz Bestimmtes zu denken und zu tun. Versucht man den Begriff »zielgerichtet« zu umschreiben, so erkennt man, daß in diesem einzigen Wort eine Fülle von Überlegungen und Methoden steckt. »Zielgerichtet« kann man umschreiben mit »auf Veränderung abgezielt« oder, noch einen Schritt weiter, »den bestehenden Zustand erkennen und durch motivierende Arbeitsabläufe und Methoden verändern«. Die Arbeitsabläufe bedürfen einer Zielsetzung und einer methodischen Regelung. Einen solchen Arbeitsablauf kann man methodisch in vier Phasen unterteilen: 1. den bestehenden Zustand erkennen und, wenn möglich, messen 2. festlegen, welches Ziel erreicht werden soll oder kann 3. einen Plan entwerfen, auf welchem Wege und mit welchen Mitteln dieses Ziel erreicht werden soll oder wird 4. den Plan in die Tat umsetzen, das Erreichte messen und kontrollieren und mit dem vorgegebenen Ziel vergleichen. 52
Alle vier Phasen des Arbeitsablaufes sind durch Austausch von Information miteinander verbunden. Ohne Information kann er nicht funktionieren. W i r haben gesehen, daß der Aufbau einer Werbeagentur diesen Gedankengängen entspricht. Wir entdecken entsprechende Arbeitsabläufe in anderen, unterschiedlichen Daseinsbereichen, ζ. B. in derPolitik, im Journalismus, in der Wirtschaft und in der Pädagogik. Als allgemeingültige Formulierung kann man aufstellen: Die Steuerung von Vorgängen erfolgt durch Regelung mit Hilfe von Information. Diese Formulierung besitzt einen hohen Abstraktionswert und ist vielfältig anwendbar. Ebenso allgemeingültig müssen die verwendeten Begriffe Regelung, Steuerung und Information sein; sie sind zentrale Begriffe der Kybernetik.
Allgemeine Begriffserklärung der Kybernetik »Kybernetik bezeichnet die mathematische und konstruktive Behandlung allgemeiner Funktionen und Theorien, die verschiedenen Wirklichkeitsbereichen gemeinsam sind. 1. Sie sucht gemeinsame Forschungsanliegen in verschiedenen, bisher scharf voneinander getrennten wissenschaftlichen Disziplinen. 2. Sie verwendet eine einheitliche Terminologie, in der die Begriffe Regelung und Information eine zentrale Stellung einnehmen. 3. Sie strebt nach Mathematisierung der Untersuchungsmethoden.«* Die Kybernetik beruht auf der Entdeckung, daß die Begriffe der Regelung und Information, die bisher nur Begriffe der Technik waren, universellen Charakter besitzen. Die technische Kybernetik, Regelungslehre, Funktionstheorie, Statistik, Wahrscheinlichkeitsrechnung und Informationstheorie, erbrachten mathematisch-physikalische Erkenntnisse. Diese dringen in Wissensgebiete vor, in denen sie bisher nicht angewendet wurden, in die Psychologie, Physiologie, Soziologie, in die Wirtschaft und in die Pädagogik. Somit bilden sich zwei Definitionen der Kybernetik ab: 1. Kybernetik im technischen Bereich 2. Kybernetik als S a m m l u n g aus der Technik gewonnener, technisch bestimmter Denkmodelle, die sich zu einer Denkweise entwickeln. Typisch für die kybernetisch bestimmte Denkweise ist das Mißtrauen gegen ideologische, subjektive Aussagen und Dogmen, die nicht nachprüfbar sind und die objektive Erkenntniswirklichkeit überschreiten. Es gilt lediglich die wissenschaftliche Hypothese, die prinzipiell revidierbar ist, fortlaufend logisch und empirisch nachgeprüft werden und in wissenschaftlichen Modellen realisiert werden kann. Kybernetik bedeutet damit die Veränderung des wissenschaftlichen Denkens überhaupt. Die traditionelle Wissenschaft erbrachte ihre Erkenntnisse aus der mikroskopischen Detaillierung. Dadurch herrschte eine deutliche Spezialisierung gegenüber
* Felix von Cube: Was ist Kybernetik? München 1971.
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anderen Wissensgebieten vor. Im 20. Jahrhundert erkannte m a n eben im Detail allgemeingültige Funktionen, die nun zur Grundlage kybernetisch bestimmten Denkens werden. In den Jahren nach 1925 entdeckte die Medizin, daß einzelne Organe des Körpers bestimmte Aufgaben erfüllen, ζ. B. den Blutzuckerspiegel, den Wassergehalt des Körpers oder die Temperatur zu überwachen und konstant zu halten. Bei Veränderungen ergreifen sie selbständig Gegenmaßnahmen, um den Normalzustand wiederherzustellen. Etwa gleichzeitig und unabhängig von der Medizin entwickelte die Technik u. a. den Thermostaten, der eine ganz ähnliche Funktion hat. Medizin und Technik trafen sich in der Erkenntnis: Funktionsglieder überprüfen den vorgegebenen SOLL-Wert, messen ihn und halten ihn als IST-Wert konstant, sie melden Veränderungen, sie stellen in selbständig-automatischer Funktion den SOLL-Wert wieder her. Bindeglied zwischen diesen Schritten ist die Information. Im zwischenmenschlichen Bereich erläutert das Schiff-Beispiel diese Vorgänge deutlich: 1. Der Kapitän. Er gibt die Zielsetzung an. Er kann zwischen verschiedenen Zielsetzungen wählen und damit Ur-Entscheidungen treffen. 2. Der Lotse. Er hört die Ur-Entscheidung, den SOLL-Wert an, ermittelt den ISTZustand und entwirft ein Programm, um den /S7"-Zustand in den SOZ.Z.-Wert zu überführen. Er hat den SO¿¿-Wert »gespeichert«, mißt den jeweiligen /S7"-Wert und gibt entsprechende Befehle an den Steuermann. 3. Der Steuermann. Er ordnet diesen Befehlen die erforderlichen Steuereinstellungen zu. 4. Die Ruderer. Sie leisten die physische Arbeit, ein M o t o r die physikalische (Abb. 5).
Abb. 5
Die Steuerung bewirkt die gewünschte Veränderung der Situation. Bindeglied ist die Information. »Der Lotse« heißt auf griechisch »Kybernetes«. Daraus ist die Bezeichnung »Kybernetik« abgeleitet. 54
Das einfachste Beispiel f ü r diesen A b l a u f ist d e r M e n s c h selbst. Er ü b e r n i m m t als F u ß g ä n g e r alle v i e r F u n k t i o n e n zugleich, als A u t o f a h r e r die F u n k t i o n e n eins bis d r e i ; d i e vierte ist der M o t o r . Der o b e n b e s c h r i e b e n e A r b e i t s a b l a u f w i r d als ein geschlossener Regelkreis bezeichnet. Besteht i n n e r h a l b der W i r k u n g s k e t t e i r g e n d w o o d e r i r g e n d w a n n eine R ü c k w i r k u n g o d e r R ü c k k o p p e l u n g auf d i e U r - E n t s c h e i d u n g , spricht m a n v o n einer offenen Wirkungskette. Dazu ein Beispiel aus d e r W i r t s c h a f t : Die P r o d u k t i o n einer W a r e b e e i n f l u ß t das Preisgefüge, d e r Preis d e n V e r b r a u c h , u n d der V e r b r a u c h w i r k t w i e d e r u m auf den Preis ein. Der Regelkreis o d e r die W i r k u n g s k e t t e lassen sich e b e n s o i m b i o l o g i s c h e n , psychol o g i s c h e n u n d s o z i o l o g i s c h e n w i e i m b e t r i e b s w i r t s c h a f t l i c h e n Bereich a n w e n d e n . Die b i s h e r e r f u n d e n e n M a s c h i n e n d e r k o n v e n t i o n e l l e n T e c h n i k hatten das Ziel, die »Ruderer« zu entlasten. Die t e c h n i s c h e K y b e r n e t i k d a g e g e n zielt auf die A u t o m a t i s i e r u n g der »Lotsen«- u n d » S t e u e r m a n n « - F u n k t i o n ab. D a m i t stellt d i e t e c h n i s c h e K y b e r n e t i k die zweite t e c h n i s c h e R e v o l u t i o n d a r m i t d e m Ziel: Der M e n s c h ist nur n o c h »Kapitän«.
Technische Kybernetik » K y b e r n e t i s c h e M a s c h i n e n stellen s c h n e l l e r u n d sicherer logische I n f o r m a t i o n s v e r a r b e i t u n g e n her als der M e n s c h . Sie b r i n g e n in k o m b i n i e r e n d e r W e i s e n e u e Resultate h e r v o r u n d d r i n g e n in geistige Prozesse vor, die b i s h e r nur d e m M e n s c h e n allein v o r b e h a l t e n w a r e n . « * Die T h e s e v o n Pascal, d a ß geistige A r b e i t das V o r r e c h t des M e n s c h e n sei, s c h e i n t i n Frage gestellt. Die t e c h n i s c h e K y b e r n e t i k u n d kybernetische M a s c h i n e n s i n d z u m zentralen Bestandteil d e r A u t o m a t i o n g e w o r d e n . Die R e g e l u n g s t e c h n i k ist der w i c h t i g s t e Bestandteil der Automation. U m 1955 f a n d bereits d i e V o l l a u t o m a t i o n statt, v o m R o h m a t e r i a l bis z u m E n d p r o d u k t , in d e n Indus t r i e z w e i g e n : R ü s t u n g , Stahl, Erdöl, A u t o m o b i l b a u , M ü l l e r e i , bei Glas u n d Papier u n d in d e r Z i g a r e t t e n i n d u s t r i e . Dabei b e r e c h n e t e die D a t e n v e r a r b e i t u n g s a n l a g e aus d e n Z u s t a n d s g r ö ß e n des R o h p r o d u k t s u n d des c h e m i s c h / p h y s i k a l i s c h e n A r b e i t s prozesses, unter B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r M a r k t p r e i s e a u t o m a t i s c h die w i r t s c h a f t l i c h b e s t m ö g l i c h e B e t r i e b s w e i s e u n d stellte d i e e r f o r d e r l i c h e n Ä n d e r u n g e n n a c h dieser S y n t h e s e direkt an d e n R e g e l e i n r i c h t u n g e n ein. W e i t e r h i n f i n d e t die A u t o m a t i o n A n w e n d u n g i m B a n k w e s e n u n d an der Börse 3 5 0 0 0 K o n t e n k ö n n e n in der S t u n d e bearbeitet, die n e u e s t e n K u r s s t ä n d e a u g e n blicklich b e k a n n t g e g e b e n w e r d e n ; i n der Juristerei, w o V e r f ü g u n g e n u n d Urteile schnell w i e d e r g e f u n d e n w e r d e n m ü s s e n ; in d e r W i s s e n s c h a f t : 3 0 0 0 0 W o r t e d e r S c h r i f t r o l l e n v o m T o t e n M e e r w u r d e n in e i n e A n l a g e e i n g e g e b e n . Diese stellte selbs t ä n d i g V o r s c h l ä g e f ü r W o r t e her, d i e i m O r i g i n a l t e x t v e r l o r e n g e g a n g e n sind.
* Felix von Cube: Was ist Kybernetik? München 1971. 55
Information Die Erkenntnisse der technischen Kybernetik ließen sich auf Informations- und Kommunikationsprozesse ausdehnen. Die besonderen Funktionen sind sowohl in der Technik wie in vielen anderen Daseinsbereichen dieselben. Der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung gilt das besondere Interesse der Forschung in der Human- und Tiermedizin: Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz untersucht seit langem die Verhaltensweisen derTiere und sucht daraus Erkenntnisse über das menschliche Verhalten zu gewinnen. Die Verhaltensweisen und ihre Veränderungen aber beruhen auf Verarbeitung von Informationen. - Für die Wahl von John F. Kennedy wurden anhand von Meinungsuntersuchungen Wahlargumente errechnet, und Kennedy wurde der erste katholische Präsident des nichtkatholischen Amerika. Die Erklärung des Begriffs Information in kybernetischem Sinne birgt gewisse Schwierigkeiten. Er hat hier eine andere Bedeutung als umgangssprachlich, wo man Information und Bedeutung miteinander gleichsetzt. Die Kybernetik dagegen geht so vor wie ζ. Β ein Postbeamter, der ein Telegramm entgegennimmt und die Menge an Zeichen zur Verrechnung auszählt, ohne sich um die persönliche Bedeutung für Absender und Empfänger zu kümmern. Denn die Bedeutung ist subjektiv zufällig und damit ohne wissenschaftlichen Wert. Das Telegramm - oder die Information - ist hier lediglich die errechenbare Summe von Informationseinheiten. Die kybernetische Technik arbeitet im Gegensatz zu der traditionellen Technik der Energieerzeugung und Arbeitsleistung mit der Aufnähme, Speicherung und Verarbeitung von Information. Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung gehen nach dem binären Code vor sich. Die Bezeichnung binär leitet sich von binary digit her und bedeutet Zahl im Zweiersystem. Jedes einzelne Zeichen setzt sich nach dem elektrischen System zusammen aus »Impuls - kein Impuls«. Oder anders ausgedrückt »Ja - Nein«, oder »1 - 0«. Binary digit wird zu der Bezeichnung bit zusammengezogen und bedeutet »Impuls« oder »kein Impuls«.
- >
·
+
-» χ O Ein Fernschreiber setzt seine Zeichen aus 5 bit zusammen: a = 11000, b = 10011. Er sendet 7 Zeichen in der Sekunde. Das sind einschließlich Stop- und Startzeichen 50 bit pro Sekunde. Bei einigen Datenverarbeitungsanlagen hat ein Zeichen ebenfalls 5 bit, ein Wort im Durchschnitt 7 Zeichen = 35 bit. Ein mittleres Buch umfaßt etwa 3—4 Millionen bit. Großraumspeicher nehmen 100 Millionen bit auf. Das entspricht einem Fassungsvermögen von mehreren hundert Büchern. Dagegen hat der Mensch eine Aufnahmekapazität von 5 Ziffern oder 56
3 zufälligen Buchstaben pro Sekunde oder 2 unzusammenhängenden Wörtern oder 4 bis 5 W ö r t e r n im Zusammenhang. Das entspricht technisch einer Kapazität von 10 bis 16 bit. Der rein mathematisch/physikalisch gesehene Prozeß der Information bewirkt seine hohe Abstraktionsfähigkeit und seine Allgemeingültigkeit. Ähnlich wie bei der Regelung kann der kybernetische Begriff der Information in den verschiedensten Wirklichkeitsbereichen A n w e n d u n g finden, ζ. B. in der Nerven- und Sinnesphysiologie bei Tier und Mensch, in Pädagogik und Didaktik, in Geistes- und Sozialwissenschaften. Voraussetzung dafür ist, daß die Information desSenders mit der Informationsmöglichkeit des Empfängers übereinstimmt. Die Zeichen des Senders und Empfängers müssen aus einem gemeinsamen Vorrat s t a m m e n und dieselben Häufigkeiten und Wahrscheinlichkeiten ihres V o r k o m m e n s aufweisen (Abb. 6).
Abb. 6
Gewisse Zeichen in einer Information kehren i m m e r wieder. Da der Empfänger sie schon kennt und gespeichert hat, bedeutet dies »mehr Zeichen, als eigentlich notw e n d i g sind«. Diese Häufigkeit, Wiederholung oder Weitschweifigkeit bezeichnet die Informationstheorie als Redundanz, den inhaltlichen Neuigkeitswert dagegen als Innovation. Die Buchstaben des Alphabets ζ. B. sind für den Empfänger nichts Neues, denn er beherrscht sie bereits schon seit seiner Schulzeit. Damals allerdings stellten sie in ihrer Schwierigkeit für den Schulanfänger einen hohen Innovationswert dar. Jetzt ist das Alphabet gespeichert, also redundant. Redundanz erleichtert die Information und ist notwendig, um die Innovation zu verstehen. Innovation und Redundanz, das Unbekannte und das Bekannte, ergeben zusammengenommen erst die Information. Denn ohne das Bekannte ist das Unbekannte nicht deutbar (Abb. 7). Jedes Ereignis, das zur Information wird, enthält innovative und redundante Teile. Sprechen w i r jetzt nur von den innovativen. Zunächst ist das Ereignis auch für den »Sender« innovativ, bis er es begriffen, gespeichert hat. Dann verliert es den Charakter der Innovation und w i r d redundant. Die beiden Begriffe wechseln also je nach 57
Abb. 7
der Zielperson. Nun w i r d das Ereignis v o m Sender codiert und als Information weitergegeben. Wieder w i r d die Innovation zur Redundanz, w e n n der Empfänger sie decodiert, begriffen und gespeichert hat. Die völlige Redundanz bewirkt beim Empfänger neu erworbenes Wissen u n d / o d e r stellvertretende Erfahrung. Innovation bedeutet Neuigkeit, Redundanz Bekanntes. Bekanntes kann man mit bereits gespeichert gleichsetzen. Speicherung aber bedeutet Ordnungsgewinn. Als Formel kann man also aufstellen: 100% Innovation = 0 Speicherung = kein Ordnungsgewinn 0 Innovation = 100% Speicherung oder Redundanz = hoher Ordnungsgewinn Je höher Innovationsmenge und Innovationsgehalt sind, desto schwieriger, langsamer und geringfügiger ist die Speicherung und damit der O r d n u n g s g e w i n n . Je größer der Gehalt an Redundanz ist, desto leichter, schneller und gründlicher ist die Speicherung und damit der Ordnungsgewinn. Eine einfache Rechnung soll dies vor A u g e n führen: (72+74+7β+7ιβ>
(7«+74+7.+7.)
C k + ' U + ' U + o+o)
Bei Rechnung 1 sind alle Teile innovativ, bei Rechnung 2 ist 7e redundant, bei Rechnung 3 1/4 und die Nullen. Das Ergebnis ist rechnerisch = 1. Und noch etwas sehr Wichtiges wird bei Rechnung 1 gegenüber Rechnung 3 deutlich: Rechnung 1 besteht aus vier innovativen einzelnen Größen, Rechnung 3 dagegen nur aus zwei und zwei mal Null. Sie ist innovationsärmer und daher leichter zu lösen. Daß die Information bei aller Innovation v o m Empfänger leicht zu speichern und zu ordnen ist, m u ß eines der wichtigsten Anliegen des Gestalters sein. Er soll seine Inf o r m a t i o n dem Betrachter schon so geordnet und überschaubar anbieten, daß sie für ihn beherrschbar wird. Ein hoher Innovationswert soll schnell und gründlich zu einem hohen Redundanzwert und damit zum Ordnungsgewinn führen. Der Gestalter erreicht das durch 58
1. öftere Wiederholung der Nachricht. In der Praxis bedeutet das ζ. B. das immerwährende Voraugenführen des Firmen-Images, der Marke usw. 2. Abbau unnötiger Information. Der Betrachter soll nicht mehr an Innovation aufnehmen, als in Wirklichkeit vorhanden und zum Erreichen des Ziels nötig ist 3. das Bilden von Superzeichen. Superzeichen sind Informationseinheiten, die inhaltlich und formal als Ganzes begriffen werden, obwohl sie aus Teilen bestehen. Superzeichen haben signalhaften Charakter und sind ζ. B. Melodien, Verse, Schlagzeilen, die man nach ihrem Sinn schnell als Ganzes begreift, speichert und dadurch »besser behält«. Superzeichen im gestalterischen Bereich sind ζ. B. die Headline, ein Photo, eine beherrschende graphische Form. Experimentell konnte nachgewiesen werden, daß ein enger Zusammenhang zwischen einem innovativen Superzeichen und seiner »guten Form«, seiner originellen, qualitativen Gestaltung besteht. Wir können im ästhetischen Bereich Innovation mit Originalität gleichsetzen. Den materialen Aufwand, dessen sich der Gestalter bedienen muß, um seine Nachricht zu codieren und damit zu realisieren, bezeichnet die Informationstheorie als Entropie. Um die informationsästhetischen Theorien zu erhärten, wurde Graphik bereits aus experimentellen Gründen von Computern hergestellt. Hierzu dienten ein lochstreifengesteuerter Zeichentisch und eine Digitalrechenmaschine zur Herstellung des Lochstreifens. Das Programm wiederholt bewußt-zufällig gewählte Grundoperationen so, daß die bloße Wiederholung die ästhetische Innovation erzeugt. Die bewußt-zufällig gewählten Werte bringen bei jeder Wiederholung originelle Varianten oder die »ästhetische Unwahrscheinlichkeit« hervor. Damit ergibt sich aus der mathematischen Ordnung ein e innovative Ordnung oder eine ästhetische Innovation oder geordnete Originalität. Die Steuerung erfolgt mit Hilfe eines Zufallgenerators, der erst Wiederholungen mit einem Zufallswert von mehr als 2 30 zuläßt. Ein solches Programm lautet z. B., umgangssprachlich formuliert: »Zeichne im Rahmen eines Rechtecks je 60 Linien parallel zu den Schmalseiten des Rechtecks, und zwar so, daß sich die Parallelen in zufälligen Abständen gegen die Schmalseiten häufen« (Abb. 8). Die maschinelle Erzeugung von UnWahrscheinlichkeiten ästhetischer Zustände wird durch eine methodische Kombination von Plan und Zufall ermöglicht. Die Forderung, unvorhersehbar zu sein, ist durch die Verschmelzung mit planmäßigen konstruktiven Maßnahmen gewährleistet. Ein Computer kann nur Lösungen finden, für die er programmiert ist. Innerhalb seines Programms arbeitet er, sogar mit dem Zufall, wesentlich schneller, variabler und »einfallsreicher« als der Mensch und entlastet dadurch den Menschen von Aufgaben, die eine entsprechende Programmierung erledigen kann. Als Gegensatz und Ergänzung zu den mathematisch-physikalischen Denkprozessen sind die Systeme der Methode 635 und der Synektik entwickelt worden (s. Kap. 6, Gestaltung, A 3) um nichtvorhersehbare, originelle Lösungen anzustreben, die der Computer nicht erbringen kann. Die Definition der Originalität, »unvorhersehbar und ästhetisch unwahrscheinlich« zu sein, zeigt: a) sie entzieht sich der Berechenbarkeit; b) erst die Originalität am Ergebnis kann wissenschaftlich analysiert werden, nicht die Originalität selbst. 59
Abb. 8
Ari den Gestalter wird die Aufgabe, originell zu sein, grundsätzlich gestellt, und in erster Linie soll er sie an sich selbst stellen. Sie ist ein Merkmal besonders der inneren Gestaltung, der Ästhetik. Originalität ist Innovation und sie wird gemessen an der Redundanz. Die Begriffe freilich sind fließend. Noch einige kurze Bemerkungen zum Gedächtnis des Menschen. Wir erinnern uns: Der Mensch hat eine Aufnahmekapazität von höchstens 16 bit in der Sekunde. 5 Ziffern kann er aufnehmen, aber bewußt erfassen kann er nur bis 3. Will erz. Beine Anzahl Nüsse ab 4 zählen, so zählt er 2 + 2 + 2 usw. Alles, was dem Menschen bewußt wird, bleibt höchstens für 10 Sekunden in seinem Bewußtsein haften. Das Bewußtsein kann also höchstens eine Informationsmenge von 1 6 x 1 0 = 160 bit aufnehmen. Das entspricht höchstenfalls 32 verschiedenen Zeichen. Dann wird die Information teils im Gedächtnis für eine neue Vergegenwärtigung gespeichert, teils getilgt. Nur der dreißigste Teil einer Information, die einmal vom Bewußtsein aufgenommen war, kann dorthin aus dem Gedächtnis später zurückgerufen werden. Vergessen ist nach einer weitverbreiteten Theorie das Ersetztwerden durch neue Inhalte. Die alten Inhalte werden durch neue verdrängt, das Neue schafft sich Platz. Zum Schluß noch zwei Aussprüche des Wissenschaftlers Norbert Wiener über die Kybernetik, die hier nur sehr kurz beschrieben werden kann : »Wir haben beschlossen, das gesamte Gebiet der Regelungstechnik und der Informationstheorie, ob bei Maschine oder Lebewesen, mit dem Namen »Kybernetik« zu belegen.« (1948) — •Man wird in diesem Gebiet wohl eher ein e Denkweise als einen Sammelpunkt von Dogmen sehen müssen; eine Disziplin, die sich mit derZeit, und zwar nach vielen Richtungen hin, entwickeln wird. Vielleicht sogar in Richtungen, deren man sich jetzt noch nicht bewußt ist.« (1963)
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KAPITEL 6
Grundlagen der Gestaltung und der Visualisierung von Information A. Grundlagen der Gestaltung 1. Methoden zur Gestaltung und ihre Denkprozesse Gestaltung bedeutet Problemlösung..Problemlösung bedeutet nach dem Wörterbuch der Psychologie »eine Art des Denkexperiments«, bei dem »Tier und Mensch mit einer neuartigen und komplexen Situation konfrontiert werden, in der ein bestimmtes Z i e l . . . nur durch eine relativ neuartige Kombination von Erfahrungen oder durch Überlegen gefundene Synthese erreicht werden kann«. Aus der »Anzahl der Möglichkeiten des Handelns oder Nachdenkens« muß diejenige ausgewählt werden, »die zum Ziel [zur Lösung] führt«. Für den Gestalter hat diese Definition zwei Seiten wie bei einem Spiegelbild: Zunächst erhält er eine Information und wird dadurch selbst mit einer neuartigen, innovanten komplexen Situation konfrontiert, dann informiert er eine große Anzahl von Menschen mit seiner Visualisierung der Information und bringt sie damit in eine neuartige und komplexe Situation, diezureigenen Verarbeitung und Handlung führen soll (s. auch Abb. 7). Der Gestalter hat Aufgaben zu lösen, die von ihm gleichzeitig informatives und schöpferisches Denken verlangen. Denken wird als die höchste Form psychischer menschlicher Tätigkeit bezeichnet, die durch methodische Schritte gekennzeichnet ist. Originalität und Ästhetik aber sind auch in der Informationstheorie unberechenbare Faktoren geblieben. Der Gestalter hat eine dreifache Aufgabe zu lösen: Die erste ist, die Information ihrem Inhalt nach zu durchdenken; die zweite ist, die Information ihrer Zielgruppe und den Bedingungen des Kommunikationsmediums entsprechend zu gestalten (äußere Gestaltung); die dritte ist, die Information originell nach ästhetischen Aspekten zu gestalten (jnnere Gestaltung). Erst aus der Synthese aller drei Aufgaben ergibt sich die visuell gestaltete Information. Für die Lösung des ersten, des inhaltlichen Problems können folgende Überlegungen dienen: a) Exakte Abgrenzung des Problems gegen andere, die der gegebenen Information nicht oder wenig entsprechen b) Untersuchungen der allgemeinen Struktur der Information mit vergleichbaren Sachverhalten 61
c) Untersuchung der speziellen Strukturen, die ausschließlich auf diese spezielle Information zutreffen d) die eventuell experimentell (hier: in Skizze oder Layout) oder in schriftlichen Notizen gewonnenen Erkenntnisse in einer Synthese zusammenfassen (s. Kap. 4, Agenturen: Vorbereitung). Diese Synthese wirkt bereits auf die Lösung deszweiten Problems der äußeren Gestaltung ein. Hierfür können folgende Überlegungen dienen: a) Untersuchung der Zielgruppe b) Untersuchung der allgemeinen Strukturen des jeweiligen Werbemediums (s. Kap. 3, Kommunikationsmedien) c) Untersuchung der speziellen Möglichkeiten im Hinblick auf die spezifische Informationsübermittlung (s. Kap. 7, 8, 10, Typographie, Druckverfahren, Photographie). d) Berücksichtigung der vom Auftraggeber bestimmten, vorgegebenen Aufgaben wie besondere Wünsche, Format, Farbenanzahl usw. Für die Lösung des dritten Problems der inneren Gestaltung, der eigenen gestalterischen Elemente (Entropie), der Originalität und der Ästhetik, können hier nur Anregungen und Hinweise auf Gesetzmäßigkeiten in der Folge dieses Kapitels gegeben werden. Originalität und schöpferisches Denken sind eine tägliche Forderung an alle kreativen Gestalter. Im Institut für programmiertes Lernen der Justus-Liebig-Universität in Gießen ist 1969 dazu eine Schrift von Werner Correli erschienen unter dem Titel »Konvergierendes und divergierendes Denken«.
2. Konvergierendes und divergierendes Denken Nach dieser Schrift ist schöpferisches Denken in der Disposition in allen Menschen vorhanden. Schöpferisches Denken ist indessen nicht gleichzusetzen mit der im Test meßbaren Intelligenz. Der Intelligenztest mißt anhand von standardisierten Problemlösungsaufgaben die Fähigkeit der Versuchsperson, neuartige Probleme selbständig zu lösen, und setzt sie in Bezug zum Lebensalter. Der Intelligenzquotient, das Maß der Individualintelligenz, errechnet sich als Quotient aus dem Intelligenzalter, das der Test ergeben hat, geteilt durch das Lebensalter, mal 100: IA IQ = — χ 100 LA IQ = 100 bezeichnet die normale Intelligenz. Nach der Gaußschen Normalverteilungskurve gibt es ebenso viele Intelligenzquotienten unter wie über dem Durchschnitt. Nun haben Untersuchungen ergeben, daß ein hoher Intelligenzquotient nur in 30% aller Fälle mit einer hohen Fähigkeit zu schöpferischem Denken gekoppelt ist. Bei zwei Drittel aller Fälle stimmte der Intelligenzquotient nicht mit schöpferischem 62
Denken überein. Dagegen gab es eine sehr gute Übereinstimmung zwischen Intelligenz und Schulleistung. Denn der Intelligenztest mißt vorwiegend das konvergierende Denken. Divergierendes Denken ist aber sehr eng mit schöpferischem Denken verbunden. Unter konvergierendem Denken versteht man denjenigen Denktypus, der auf Übereinstimmung mit vorgegebenen Normen abzielt. »Es kommt dem konvergierenden Denktypus nicht auf große Mannigfaltigkeit an, sondern vielmehr auf möglichst große Sicherheit.«* Divergierendes Denken dagegen zielt auf Nichtübereinstimmung, Infragestellung oder gar Durchbrechung vorgegebener Normen ab, auf die Entdeckung neuer Wege und Möglichkeiten. »Er [der divergierende Denktypus] produziert daher möglichst viel, wenn auch relativ wenig Gesichertes.«* Konvergierende Denkprozesse können bereits weitgehend automatisiert oder mechanisiert werden; divergierende Denkprozesse bleiben noch dem menschlichen Geist vorbehalten. Divergierendes Denken ohne die Basis des konvergierenden Denkens ist aber nicht sinnvoll. Neuartige Denkergebnisse müssen stets auf der Verarbeitung bekannter Wege beruhen. Auf konvergierendes Denken zu verzichten wäre selbstzerstörerisch; divergierendes Denken allein würde die bloße Zerstörung des Bestehenden bedeuten und noch keine neùen Wege öffnen. Der Gestalter muß also neuartige Ergebnisse auf der Basis des Verständnisses und der Verarbeitung bekannter, wissenschaftlicher Wege erzielen. Interessanterweise ist auch ein Unterschied im Sozialverhalten festgestellt worden: Der konvergierende Denktypus paßtsich der jeweiligen Norm an, der divergierende dagegen schlecht. Faktoren des divergierenden Denkens als Bestandteil des Schöpferischen sind besonders: Faktoren der Flüssigkeit, Faktoren der Beweglichkeit, Faktoren der Originalität. Die Faktoren der Flüssigkeit untergliedern sich in Flüssigkeit im verbalen und visuellen Bereich, in der Idee, der Assoziation und des Ausdrucks. Die Faktoren der Beweglichkeit untergliedern sich in Spontanbeweglichkeit und in Beweglichkeit des Aufnehmens und Anpassens der gestellten Aufgabe gegenüber. Die Faktoren der Originalität stehen in Zusammenhang mit der nachweisbaren Seltenheit der Problemlösung und der Wahrung der Ursprünglichkeit. Divergierendes, innovatives Denken auf der Basis des Bekannten und Gewachsenen, Redundanten wird im Beruf nun nicht allein bei kreativ-künstlerischen Menschen vorausgesetzt und ständig geschult und gefördert. Auch von Führungskräften der Wirtschaft wird divergierendes Denken erwartet, um neue Methoden der Produktion und des Absatzes zu ersinnen.
* Werner Corell in: Programmiertes Lernen und schöpferisches Denken, München 1970
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3. Methoden zur Steigerung der Kreativität In der Tat sind vollständige Methoden zur Steigerung der Kreativität, der Flüssigkeit, der Beweglichkeit und der Originalität erstellt worden. Viele Großunternehmen schicken ihre Mitarbeiter zum Kreativtraining. Zielen die folgenden Beispiele in erster Linie auf die Erstellung neuer Produktionsideen ab, so sind sie doch auch für den Gestalter äußerst interessant und durchaus zur Anregung und Anwendung zu empfehlen. Die wichtigsten Methoden sind Brainstorming, die Methode 635 und die Synektik. Bezeichnend für diese Methoden ist, daß sie nicht auf rationaler, sondern auf emotionaler Basis arbeiten. Brainstorming. »Bei dieser intuitiven Kreativtechnik trifft sich eine Gruppe von etwa sieben Problemlosem für höchstens 30 Minuten zu einer Sitzung . . . Die Phantasie soll dabei freien Lauf nehmen, Vernunft und Logik sind nicht gefragt, Kritik jeder Art verboten.«* Methode 635, eine Variante des Brainstorming. »Problemloser schreiben jeweils drei Lösungssätze zu einem Problem auf ein Blatt Papier und tauschen ihre Blätter dann untereinander aus. Ausgehend von den Lösungsvorschlägen des Vorgängers bringt wiederum jeder drei neue Ideen zu Papier. Das wiederholt sich so lange, bis alle sechs Blätter von jedem der sechs Teilnehmer mit drei Lösungsideen beschrieben sind.«* Nach der Methode 635 ersann ein Kreativ-Team einer Haushaltsgerätefirma in 30 Minuten ein System, nach dem Küchenmüll hygienisch verpackt werden kann. Die Methode 635 kann auch brieflich-anonym erfolgen. Das hat den Vorteil, daß die Vorgesetztenhierarchie ausgeschieden wird. Synektik. »Durch schrittweises Verfremden eines Problems werden Ideen aus dem Unterbewußtsein gehoben und damit Anregungen für ausgefallene Problemlösungen erzeugt. Nach einem genau festgelegten Zehn-Stufen-Plan wird der unbewußt verlaufende Lösungsprozeß bewußt simuliert.«** Bosch-Technikern kam bei einer Synektik-Sitzung die Idee, wie das Verschmutzen von Autoschemwerfern verhindert werden kann. Die erste Stufe bei der Synektik ist die Stellung des Problems. Die zweite Stufe ist die Diskussion und Definition des Problems. In der dritten Stufe werden spontane Einfälle zum Problem beigesteuert. In der vierten Stufe werden diese Einfälle erneut mit dem Problem in Zusammenhang gebracht. Es wird erneut so definiert, daß sich in der fünften Stufe die ersten direkten Analogien, eventuell aus dem Bereich der Natur, finden lassen. In der sechsten Stufe werden sie durch persönliche Analogien ausgeweitet.
* »Spinnen steigert die Potenz« in: Capital, 5 (1971) **Bernd Rohrbach: ebda, als Zitat
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Die siebente Stufe erbringt paradoxe symbolische Analogien. In der achten Stufe wird aus den Analogien eine ausgewählt und zu der zweiten direkten Analogie ausgeweitet. Die neunte Stufe ist die Analyse aus der zweiten direkten Analogie, und die zehnte Stufe die Übertragung der Analyse in die Realität. Es ergeben sich mehrere Ansatzpunkte zur Problemlösung. B. Visualisierung von Information 1. Semiotik, Semantik und Pragmatik - die Lehre v o m Zeichen Die Informationstheorie stellt sich die Aufgabe, Kommunikation von Mensch zu Mensch oder vom Menschen zur Umwelt in ihrer mengenmäßigen Vielfältigkeit und in ihrer Struktur erfaßbar zu machen. Dabei steht im Mittelpunkt der Zeichenverkehr, der innerhalb einer Kommunikationskette stattfindet. Die Zeichen werden von Signalen getragen, die der Mensch mit seinen Sinnen aufnehmen kann. Wollen wir eine Information definieren, müssen wir die Zeichen untersuchen. Information und Zeichen sind ebenso alt wie das Problem der Beeinflussung von Menschen. Man kann auch die gesamte Kunst- und Kulturgeschichte unter diesem Gesichtspunkt betrachten. Was sind die Tempel im alten Ägypten und in Griechenland, die Kirchen und Kathedralen, Burgen und Schlösser, Wappen und Feldzeichen, das Aussehen des einzelnen, also die Mode, anderes als Information und Superzeichen, ohne jemals bisher als solche bezeichnet worden zu sein I Warum also die heutigen Definitionen? Wissen und Intelligenz sind nicht identisch, sondern stehen in Relation zueinander. Der unverändert gebliebenen menschlichen Intelligenz steht heute - im Vergleich zu früheren Zeiten - ein Übermaß an Wissen und ein ständig wachsendes Angebot an Information gegenüber. Bei diesem Zuviel an Information ist eine Auswahl (Selektion) nötig. Wir benötigen Begriffe, mit denen das Erlebnis des »Senders« formuliert werden kann und vom »Empfänger« verstanden wird. Intuition allein genügt daher nicht mehr, auch wenn sie nie geleugnet wird. So geben auch die Informationstheoretiker zu: Richtet man sich genau nach der Theorie, kann man nie Fehler machen; »richtig« liegen aber kann nur der, der mit Intuition und Originalität die Theorie erst lebendig werden läßt. Definition der Semiotik Semiotik ist die Lehre über die Zeichen. Sie analysiert Zeichen aller Wahrnehmungsbereiche. Zeichen sind physikalischer Natur und erfaßbar durch die Sinne. Ein Ton z. B. ist ein akustisches Zeichen, und wir kennen Zeichen, die akustische Zeichen ins Visuelle übertragen, z. B. Noten und Buchstaben. Andere Zeichen wenden sich an den Geruchssinn, wieder andere an den Tastsinn. Formen, Farben, Propor65
Mittelbezug - Ästhetik -
Objektbezug - Semantik —
I
Interpretantenbezug — Pragmatik -
ICON-INDEX-SYMBOL Abb. 9
tionen und Helligkeitswerte sind Zeichen fürs Auge. In der Folge soll hier nur der visuelle Bereich erläutert werden (Abb. 9). Ein Zeichen Ζ untergliedert sich in den Interpretantenbezug, in den Objektbezug, in den Mittelbezug. Der Interpretantenbezug bezeichnet den Nutzen in der Verwendung für den Adressaten, beinhaltet die Pragmatik und beantwortet die Frage nach dem WOZU. Der Objektbezug bezeichnet die Bedeutung des Zeichens, also die Semantik und beantwortet die Frage nach dem WAS. Der Mitte/bezug bezeichnet die Ästhetik und beantwortet die Frage nach dem WIE. Alle drei Bezüge ergeben ineinanderfließend das Zeichen. Wir beschäftigen uns hier als Gestalter erst mit dem Objektbezug als dem wichtigsten.
Definition der Semantik Die Semantik ist die Lehre a) in der Sprachwissenschaft von der Bedeutung der Wörter und den Bezeichnungen von Dingen oder Ereignissen, b) im gestalterischen Bereich von der Bedeutung zwischen Dargestelltem und der Darstellung selbst. Sie ist undenkbar ohne den Bezug zum Interpretanten oder Adressaten. Denn ein Zeichen hat eine Aufgabe und ein Ziel und ist ohne die Fragestellung nach dem Wozu nicht denkbar. Wir unterscheiden drei Arten von semantischen Zeichen: ICON-, INDEX- und SYMBOL-Zeichen (Abb. 10). Mit ICON-Zeichen-ausdem Griechischen von eikön = Bild abgeleitet-bezeichnen wir alles, was man umgangssprachlich unter Bild oder Abbildung versteht. Das Bild stellt den Gegenstand dar und ist damit c(er Gegenstand selbst. Ein ICON-Zeichen reicht von der naturgetreuen oder naturnahen Darstellung, ζ. B. eines Baumes, bis zu seinem abstrahierten, kartographischen Kennzeichen: Immer wird die Darstellung als »Baum« verstanden. 66
BAUM arbor tree
ICON-Zeichen für »Baum« von naturnaher Darstellung bis zum Zeichen auf Landkarten. Die Zeichen sind stilisiert, aber erkennbar
S Y M B O L - Z e i c h e n für »Baum« nichts erinnert an die Naturform. »Zeichen« und Bedeutung müssen erlernt werden
l - l VoV Verkehrszeichen
Abb. 10
Ein INDEX-Zeichen ist ein Hinweiszeichen. Es enthält gestalterische Elemente, die auf einen Sachbezug hinweisen (Abb. 11). Das SYMBOL-Zeichen (Betonung auf der ersten Silbe!) hat mit dem bezeichneten Objekt keinerlei optische Ähnlichkeit. Buchstaben, Lettern oder Ziffern werden zwar zu einem optischen Gebilde zusammengefügt, weisen aber keine optische Beziehung zum Inhalt auf und müssen erlernt werden. Abb. 10 zeigt, wie Worte einer fremden Sprache für uns ohne Sinn bleiben, wenn wir die Sprache nicht gelernt haben, obwohl wir die Buchstaben lesen und zu einem Wort zusammenfügen können, und doch bedeuten sie hier alle »Baum«. Das Problem der leicht erfaßbaren und schnell wiederzuerkennenden Zeichen ist bereits in der Heraldik, bei Wappen und Fahnen, vorbildlich gelöst worden. Man denke nur an einen Kreis = die japanische Flagge. Die Heraldik bietet eine Fülle von beschreibbaren semantischen Zeichen (Abb. 10). Typische Anwendung von Semiotik und Semantik in der heutigen Zeit sind die Verkehrs- und Hinweisschilder auf unseren Straßen. Ihre Bedeutung muß gelernt, blitzschnell erfaßt oder aus dem Gedächtnis hervorgerufen werden, da sie unmittelbare Reaktionen auslösen müssen. Ihre Bedeutung ergibt sich entweder aus dem Sachverhalt (INDEX-Zeichen) oder muß erlernt werden (SYMBOL-Zeichen). »Rechts abbiegen« kann man ohne weiteres darstellen, »Vorfahrt achten« dagegen nicht (Abb. 10).
67
Bahnhof
Konzertsaal
Wechselstube
Kurpark
Fiktive I N D E X - Z e i c h e n r e i h e für e i n e n Kurort
mo E n t w i c k l u n g von I C O N - Z e i c h e n aus der Darstellung
Abb. 11
Ein weiteres modernes Problem sind die Zeichen auf Autobahnen und auf Bahnhöfen der U-und S-Bahn. Hier wirken der Interpretantenbezug und die Pragmatik stark auf die Ästhetik ein. Bei den Schildern parallel zur Fahrtrichtung stehen die Buchstaben der Stationsbezeichnung weiter voneinander entfernt-gesperrt-als es die ästhetischen Regeln vorschreiben. Stünden sie »richtig«, könnte man sie beim Vorbeifahren nicht lesen, da die Aufnahmekapazität durch die Geschwindigkeit des Fahrzeugs überfordert wird. Beispiele für die Semantik: Gehen wir von einem Kreis aus. Ein Kreis ist semiotisch gesehen ein Zeichen, jedem bekannt, ein Begriff aus der Geometrie, ein Symbol für das Universum und von hoher Redundanz. Aber noch fehlt ihm die Innovation, der Bezug zum Betrachter (Interpretantenbezug) und zur Reaktion, die erfolgen soll (Pragmatik). Folglich ist der Kreis noch ohne jede Bedeutung. Erst die Semantik schlägt die Brücke zum Interpretanten. a) Ist die Kreisfläche blau und enthält sie einen nach rechts abgebogenen Pfeil, ist sie ein INDEX-Zeichen und bedeutet: »Rechts abbiegen«. Daraufhin erfolgt die pragmatische Wirkung, das Umsetzen der Information in die Tat und das Sichdanach-Richten. b) Ein Kreis als ICON-Zeichen kann vielerlei bedeuten : Baum, stilisierter Kopf, Spirale, Ball oder Kugel, Rad, Teller, Scheibe, Röhre, Sonne, Mond und Erde. Die Be68
deutung ist mit dem Ziel der Motivation und der Assoziation beim Interpretanten so eindeutig wie möglich zu'demonstrieren. c) Aber wie? Als dünne Linie, ausgezogen oder gestrichelt, als kräftige Kontur oder als Fläche und in welcher Farbe? Wie weit muß der Gestalter gehen, damit der Betrachter die Bedeutung erkennt, wieweit darf er höchstens gehen, damit seine Darstellung nicht überflüssige Elemente enthält und damit verwirrt? Dies ist eine der Fragen an die Ästhetik oder den Mittelliezug, an den Aufwand an gestalterischen Mitteln (Entropie) und damit an die Aufgabe des Gestalters (Abb. 11). d) Als SYMBOL-Zeichen bezeichnet der Kreis ein O oder eine Null.
2. Probleme der Ästhetik bei der Visualisierung von Information Visualisierung bedeutet, eine Information in Bilder umzusetzen. Wirksam ist eine Information erst dann, wenn sie den Betrachter mit ihrer Visualisierung anspricht. Die gezielte Information muß vom »Empfänger« her gedacht sein und nicht nur v o m »Sender«. Die Aufgabe der Visualisierung ist dann vom Gestalter gelöst, wenn sich der Zeichenvorrat des »Senders« mit dem des »Empfängers« möglichst deckt (Adäquanz). Der Gestalter löst diese Aufgabe unter ästhetischen Aspekten. Zunächst wird entschieden, wie die Information ihrem Inhalt entsprechend am wirksamsten zu visualisieren ist, als Wort- oder als Bildlösung. Verbales sichtbar zu machen liegt im Bereich der Typographie. Auch das Wort, geschrieben oder abgesetzt, ist ein Bild. Das Schriftbild oder SYMBOL-Zeichen soll so gestaltet sein, daß es der inhaltlichen Aussage entspricht (inhaltliche Kongruenz, s. Kap. 7 Typographie). Verlangt die Information eine bildliche Wiedergabe, so stellen.sich dem Gestalter die Aufgaben der Graphik, der Zeichnung oder der Photographie als ICON-Zeichen. Die Zeichnung gibt die Möglichkeit, Unsichtbares sichtbar zu machen. Sie kann sich auf Wesentliches beschränken und Einzelheiten verstärken. Dadurch wird die Information vorstellbar, und manche Information läßt sich erst durch die Mittel der Zeichnung besser durchschauen und überschauen. Die Photographie dagegen gibt das authentische Abbild. Sie stellt Reales dar, das man selbst hätte sehen können. Ihr großer Vorteil ist die Glaubhaftigkeit. Effekte in Ausleuchtung und Schärfen lassen die Information atmosphärischer und dadurch stärker und deutlicher werden. Der Gestalter setzt nun die Möglichkeiten der Darstellung so ein, daß die Information möglichst verständlich, interessant und wirkungsvoll wird. Die Darstellungsmittel werden oft miteinander kombiniert: Photo + Schrift - Zeichnung + Schrift Photo + Zeichnung + Schrift. Innovante und redundante Teile der Information werden auf die verschiedenen Darstellungsmittel verteilt. Ein erklärender Text, der die Verbindung zu Bekanntem herstellt, begleitet das Neue bei der bildlichen Darstellung. Das Wort sollte nicht das Bild nur beschreiben und das Bild das Wort nicht nur veranschaulichen. Beides, ICON- und SYMBOL-Zeichen, haben ihre Eigengesetzmäßigkeit, sind in der Gestaltung eng miteinander verbunden, und beide sind Probleme der informativen und ästhetischen Visualisierung. 69
Im Mittelbezug, in der Ästhetik, liegt das innere A u f g a b e n g e b i e t des Gestalters. Die Ästhetik der Gestaltung schlägt einen S f i a n n u n g s b o g e n v o m A n f a n g bis z u m Ende der I n f o r m a t i o n und läßt den Betrachter nicht mehr los. Sie erregt zunächst seine A u f m e r k s a m k e i t , darüber hinaus sein Interesse durch die Idee (Kreativität) u n d das Besondere an der Gestaltung (Originalität). Der letzte Schritt, die (Kauf-)Aktion, w i r d dadurch vorbereitet (s. Kap. 2). Die Gestaltung selbst ist ein bedeutsames Beeinflussungsmittel, denn sie löst Sympathie oder Aversion aus. Durch Assoziationen löst sie S p a n n u n g e n aus und verändert d a m i t entscheidend die subjektive Bedeutung, die die Information f ü r den Betrachter hat. Die Originalität oder die ästhetische Innovation oder die ästhetische Unwahrscheinlichkeit liegt darin, d a ß der Gestalter etwas erfindet, w a s der Betrachter i m Interpretantenbezug als »so bisher noch nicht gesehen« oder im Idealfall als die »einzig m ö g l i c h e Darstellung« interpretiert. Dadurch identifiziert er die Ästhetik der Darstellung mit seinem eigenen ästhetischen Empfinden.
3. Beispiele für die Motivation in der Darstellung a) Motivierende Darstellung eines ICON-Zeichens Die Darstellung einer Flasche m i t bestimmter Form ist gegeben. Für diesen trivialen Gegenstand des täglichen L e b e n s - e r ist j e d e m bekannt und daher ohne Innovation - m u ß n u n der Gestalter eine originelle A r t der A n s c h a u u n g und der Darstellung finden. Für den Betrachter, der die Flasche benutzen soll, soll die Darstellung des Objekts g e w i s s e r m a ß e n zum ästhetischen Erlebnis w e r d e n . Neben der Möglichkeit der K o m p o s i t i o n kann hier die motivierende A n s c h a u u n g sein und d a m i t zur ästhetischen Information für den Betrachter w e r d e n : Die Härte, die Kühle u n d die Durchsichtigkeit des Materials Glas durch die spiegelnden Reflexe an der Oberfläche und die harten Glanzlichter. Der Gestalter w ä h l t die der M o t i v i e r u n g entsprechende Technik u n d das Material. Je eindeutiger u n d vollendeter seine Darstellung ist, desto größere S y m p a t h i e f ü r das Objekt erweckt er beim Betrachter (Abb. 12 a/b). Die Darstellung eines Baumes ist gegeben. Nun bietet die Natur viele Anschauungsmöglichkeiten. M a n kann sie objektiv unter vielfältigen Aspekten betrachten. Je deutlicher der Gestalter seinen Aspekt u n d seine M o t i v i e r u n g d e m o n s t r i e r t , desto eindeutiger und überzeugender ist seine Darstellung. Primär ist das Erkennen der eigenen Motivation. A u s ihr heraus erfolgt die A u s w a h l der Technik und daraus die des Materials, m i t d e m sich die Darstellung im Sinne der eigenen M o t i v a t i o n z w i n g e n d herausarbeiten läßt. Aus der Fülle der Möglichkeiten einige w e n i g e Beispiele. Erste Motivation: Krone — Stamm - Erde (Abb. 12 c). Licht u n d Schatten u n d farbige A b s t u f u n g e n w e r d e n ausgeschieden. Die Klärung der Form erfolgt d u r c h die Fläche, bei farbiger Darstellung durch die Lokalfarbe. Typische Technik: geschnittenes Papier. Zweite Motivation: Abstufung von Grün-, Biau- und Brauntönen, die die Form suggerieren. Die K l ä r u n g der Form erfolgt durch farbige Beziehungen. Typische Technik: alle Maltechniken. 70
Dritte Motivation: Schwarz vor Weiß und Weiß vor Schwarz (Abb. 12d). Die Einzelformen werden unter dem Aspekt studiert, ob sie hell vor Dunkel oder dunkel vor Hell stehen. Die Klärung der Form erfolgt durch Schwarz/Weiß. Typische Technik: Linolschnitt oder Holzschnitt bzw. -stich. Vierte Motivation: Die körperliche Form mit Licht und Schatten (Abb. 12 e). Die Klärung der Form, die Körperlichkeit und Räumlichkeit, erfolgt durch Hell/Dunkel. Einzelformen und die Farbe werden ausgeschieden. Typische Technik: Bleistift-, Kohleoder Pinselzeichnung. Fünfte Motivation: Die Struktur (Abb. 12f). t-fell/Dunkel und die Farbe werden ausgeschieden. Die Klärung der Form erfolgt durch die Fülle von Blättern und Zweigen im Gegensatz zur Rinde des Stammes. Typische Technik: Federzeichnung oder harter Bleistift. Sechste Motivation: Die Verfremdung (Abb. 12 g). Hier geht der Gestalter von der Natur ab und benutzt lediglich die Bekanntheit einer Baumform an sich dazu, etwas ganz anderes, Innovatives zu schaffen. Gehen bei einer Darstellung mehrere Motivationen ineinander, so wird leicht der Aspekt unklar, unter dem der Interprétant die Darstellung betrachten soll,.d. h. die Decodierung kann erschwert werden. Eine deutliche Beschränkung ist oft ein Gewinn. Freilich sollen hier keine dogmatischen Regeln aufgestellt, sondern lediglich Hinweise und Denkanstöße gegeben werden.
b) Möglichkeiten der Innovation eines SYMBOL-Zeichens Eine (fast) auf der ganzen Welt bekannte Grundform kann der Gestalter nicht ohne weiteres verändern. Wie kann er nun aber dieser redundanten Form Originalität abgewinnen? a) Die Möglichkeit der Reihung. An irgendeiner Stelle kann eine abweichende Form, eventuell kursiv, und/oder eine abweichende Farbe stehen. b) Schon das Gegeneinandersetzen der positiven und negativen Form schafft eine neue Komposition. c) Die Überschneidung der Form durch das Format läßt die Form größer erscheinen als sie wirklich ist. Dadurch entstehen neue Flächeninhalte. d) Man kann die Form zerschneiden, betrachtet sie aus einer ungewohnten Perspektive, läßt sie sich drehen, fliegen, sich bewegen oder sich biegen. e) Man verfremdet sie zu einer räumlich-perspektivischen Darstellung oder arbeitet mit der Schattenform. f) Man überzieht die Form mit einer formdienlichen Ornamentation. Diese Modifikationen lassen sich auch mit Hilfe des Fotosatzes lösen. Weitere Möglichkeiten finden sich im Kapitel 7, Typographie: Fotosatz. Setzt sich ein SYMBOL-Zeichen aus mehreren Elementen zusammen, z. B. bei einem Markenschriftzug, so w i r d oft aus Gründen der Innovation von der klassischen Buchstabengestaltung abgegangen oder die klassische Buchstabenform mit anderen Emblemen unverwechselbar gestaltet. 72
a)
«
9
/
hinein
e)
hinaus
Λ
-
^
^
^
^
^
steigend fallend
V
b)
herkommen
/
g)
weggehen
h)
Abb. 13
c) Empfindungsmäßige Einordnung von oben/unten, links/rechts Der Mensch ist gewohnt, beim Betrachten eines zweidimensionalen Objekts unten = vorn und oben = hinten zu assoziieren, d. h. die Fläche als räumlich/perspektivisch, dreidimensional zu sehen. Zur Betonung der zweidimensionalen Fläche aber setzt der Gestalter das Gemeinte, den Blickfang mit dem größten optisch/formalen Akzent nach oben und kehrt damit die räumliche Illusion, wenn er sie nicht haben will, in eine flächige Realität um. Setzt er den Akzent nach unten, entsteht sofort eine perspektivische Wirkung; was oben steht, erscheint automatisch kleiner als scheinbar weiter hinter liegend. Bei drei gleich großen Schriftzeilen erscheint die oberste als die kleinste. Initialen stehen in den alten Codices oben, um die Fläche der Schriftkolumnen zu betonen. Liegt bei einer graphischen Komposition das Gewicht oben und freier Platz unten, so steigert dieser freie Platz das Gemeinte als Fläche·, liegt das Gewicht unten und bleibt freier Platz oben, so wirkt dieser als perspektivische Räumlichkeit, die das Gemeinte flieht, also negiert (Abb. 13a/b). Der Mensch ist gewohnt, ein zweidimensionales Objekt von links nach rechts zu betrachten (Leserichtung). Er sieht von links kommend ins Bild hinein-, zum rechten Bildrand hin sieht er hinaus. Er kommt von links, ergeht nach rechts (Abb. 13 c/d). Schräge Linien liest e r - v o n links unten nach rechts oben - als steigend, von links 73
oben nach rechts unten als fallend (Abb. 13e/f). Unterlegt man diesen schrägen Linien eine räumliche Bedeutung, so assoziiert man weggehen bzw. herkommen (Abb. 13g/h). Die steigende bzw. weggehende Tendenz findet im rechten Bildrand, auch wenn sie erst in der Mitte des Formats beginnt, ihre bremsende Wirkung, die fallende bzw. kommende dagegen nicht: sie »fällt aus dem Format«. Sie kann nur gehalten werden, wenn sie sich auf der linken Bildhälfte entwickelt.
d) Das magnetische Anziehungsfeld der gemeinten Form und ihre Beziehung zur Umgebung Nicht nur di e gemeinte Form hat eine Beziehung zur Gesamtfläche des Formates. Auch dienicht-gemeinten Teile derfreigebliebenen Fläche bilden eine Form, die einerseits zur gemeinten Form, andererseits zur Gesamtfläche in Beziehung stehen. Dieungemeinte, »leere» Fläche unterstützt die gemeinte Form und macht sie überhaupt erst möglich. Sie unterteilt sich in die unterstützende und die neutrale Fläche. Demonstration: Die Begrenzung des Kreises ist seine Peripherie. Um diese Peripherie herum entsteht eine Art von magnetischem Kraftfeld: Teile der ungemeinten Fläche an der Peripherie werden zur Unterstützung und Intensivierung des Kreises angezogen. Man kann dieses Kraftfeld daran erkennen oder besser empfinden, daß die Untergrundfarbe, sogar das Weiß des Papiers, unmittelbar an der Peripherie am intensivsten wirkt. Diese Intensität nimmt nach außen zu ab, bis sie ganz aufhört und sich zu der eigentlichen ungemeinten Umgebung neutralisiert (Abb. 14). Kompositionsschemata für die Arbelt mit dem magnetischen Kraftfeld in Verbindung mit Text (Abb. 14). Schema 1. Auf dem Format liegt der Kreis oben, der Text unten. Die freie Fläche kann zur Gestaltung des Textes benutzt werden. Hier steht die oberste Zeile außerhalb der Grenze zwischen dem magnetischen Kraftfeld und der neutralen Fläche. Dieser Entwurf setzt sich zusammen aus dem Kreis und der Form der Textkolumne. Die beiden Formen arbeiten gegeneinander und ergänzen sich optisch: K r e i s - u n terstreichendes Rechteck. Schema 2. Die gemeinte Form Kreis oben soll noch größer wirken als er durch das Format gezeichnet werden kann. Zieht man die Textkolumne in ihrer seitlichen Ausdehnung ein, macht sie also schmaler, so steigert die Verminderung des Textbalkens das optische Übergewicht des Kreises. So kann der Gestalter Kompositionselemente steigern, ohne an ihnen direkt etwas zu »machen«, indem er das ergänzende Kompositionselement gewichtsmäßig zurücknimmt. Das Verhältnis der Einzelelemente zueinander entscheidet über das Einzelgewicht. Schema 3. Der Gestalter will einen Übergang zwischen Kraftfeld und unterstreichender Textkolumne schaffen. Ersetzt nun die Headline an die Grenze des Kraftfeldes. Damit arbeiten drei Elemente mit- und gegeneinander: Kreis + Headline zu Textkolumne gegen die ungemeinte Fläche. 74
Das »magnetische« Kraftfeld
Schema 1
Schema 2
Schema 3
Schema 4
Schema 5
Abb. 14 Schema 4. Der Gestalter will mit dem magnetischen Kraftfeld komponieren. Er setzt nun den Text um die gemeinte Form, den Kreis herum. Die Komposition besteht aus zwei Elementen und macht die freie Fläche ihrerseits zum Gesamtkraftfeld. Schema 5. Steht der Kreis dagegen unten, unterstützt die vom Mittelpunkt ausgehende Strahlung des Kraftfeldes noch die natürliche Flucht der oberen Fläche in den imaginären Raum. Die Textkolumne oben wirkt perspektivisch kleiner und gerät sogar in Bewegung. 75
4. Probleme der Darstellung in Typographie, Zeichnung, Graphik und der Darstellung in Farbe Typographie, Zeichnung und Graphik weisen eine entscheidende Gemeinsamkeit auf: Sie benutzen den Untergrund - sprechen wir hier der Einfachheit wegen vom weißen Papier-als direktes Gestaltungsmittel. Der Untergrund ist ein Element, das ebenso gestaltet werden muß wie die Darstellung selbst, und ist kein nur »leergebliebenes, unbenutztes« Papier. Gehen wir zunächst vom Schriftbild aus. Beim Schriftschreiben wie beim Schriftsetzen ist der Hohlraum, der zum Buchstaben gehört und ihm erst seine Form gibt, der Zwischenraum zwischen Buchstaben, Worten und Zeilen von entscheidender Bedeutung für das gesamte Schriftbild. Ebenso wichtig ist der Rand »um das Schriftbild herum«, also der Teil des Papiers, auf dem »nichts gemacht« ist. Mit ihm wird das Verhältnis zwischen der Schriftkolumne bzw. dem Satzspiegel und der ganzen Seite bestimmt. Der freie Raum der zweidimensionalen Fläche bestimmt die Form des Schriftbildes, seine Lesbarkeit und damit die Eindringlichkeit der Information ebenso wie die Ästhetik. Die Zeichnung geht noch einen Schritt weiter als die Schrift. Hier wird in den Untergrund des Papiers vom Betrachter die jeweilige, gegenständliche Bedeutung hineingelegt, die er aus Bekanntem und aus seiner Erfahrung kennt. Der Betrachter unterscheidet z. B. bei einem gezeichneten Kopf genau zwischen Haaren, Haut und Bekleidung, obwohl vielleicht eine genaue Wiedergabe fehlt. Ohne weiteres deutet er das zweidimensionale Papier sogar räumlich-perspektivisch dreidimensional (Abb. 15). Eine Zeichnung ist um so besser, je leichter das Auge die Umdeutung des Untergrundes ins Gegenständliche vornehmen kann. Sind die Einzelformen deutlich und sicher demonstriert, ergänzt das Auge sich allein die fehlenden Angaben. Die Demonstration der Form macht sogar einen angedeuteten oder gar unausgesprochenen Untergrund zum Bestandteil der Zeichnung. Das Weiß des Papiers vermittelt einerseits die gegenständliche dreidimensionale Bedeutung und tritt andererseits in zweidimensionale Beziehung zum Gezeichneten. Der Gestalter ermöglicht und erleichtert dem Betrachter den Umdeutungsprozeß, wenn er sich bei seiner Darstellung für eine eindeutige Aussage entscheidet. Alles, was das gewählte Formprinzip nicht unterstützt, sollte weggelassen werden, so daß möglichst nur ein Formprinzip zur Anwendung kommt: Fläche, Linie, Schraffur als Ton- oder Richtungsangabe, Struktur oder Hell/Dunkel (s. auch Abb. 12). Das bedeutet gleichzeitig: Der Gestalter muß sich in erster Linie bewußt werden, welches Formprinzip ihn zu seiner Darstellung motiviert hat, und seine Motivation - oder das Erlebnis des Senders - so deutlich wie möglich für den Betrachter - den Empfänger — demonstrieren. Ganz Ähnliches gilt auch für die graphische Arbeit. Vorgegebene Formate bestimmen die Gestaltung, Farbe hat hier eine flächig-demonstrative Funktion. Dagegen stellt die Malerei-oder farbig-illustrative Graphik oder auch die Farbphotographie-auf der gesamten Fläche Beziehungen der Farbtöne zueinander und untereinander her. Die farbige Wiedergabe unterliegt hier den Gesetzen der imaginären räumlichen Farbtonwirkung. Aus der Fülle von Tönen komplementärer Art, aus 76
ED Demonstration der Form
Suggestion der Form
Dem Weiß des Papiers kommt eine entscheidende, sogar gegenständliche Bedeutung zu
Die Form w i r d durch die räumliche Wirkung der Farbtöne geklärt
Abb. 15
Kalt/Warm-Stufen, aus Helligkeiten und Dunkelheiten ergibt sich ihre gegenständliche und räumliche Wertigkeit. Durch di e Suggestion der Form entsteht die dreidimensionale Illusion und die räumliche Tiefe. Für den Gestalter ist es schwierig, die räumlich einfarbige oder räumlich mehrfarbige Darstellung mit dem die Fläche betonenden Charakter der Typographie zu einer Einheit zu verschmelzen.
C. G e s t a l t u n g m i t F a r b e n Farbe ist eine Reaktion der Materie auf das Sonnenlicht. Die Farbe ist ohne Licht nicht denkbar, wandelt sich je nach der Lichtintensität und dem Lichteinfall und entsteht durch Reflexion von bestimmten Teilen des Lichtes. Für das Phänomen der Erscheinung Farbe können zwei Betrachtungsweisen gelten, die in einem gewissen Gegensatz zueinander stehen. Die eine geht von der Kenntnis der materiellen Substanzen aus und untersucht die emotionale Wirkung der Farberscheinung. Sie ist die Lehre von den Pigmenten. Farbe bedeutet hier eine qualitativ-subjektive Empfindung. Die andere Betrachtungsweise geht von der Meßbarkeit elektromagnetischer Wellenlängen aus, die wir als Licht bezeichnen. Hier bestehen die Farberscheinungen aus quantitativ-objektiven Wellenlängen. Beide Betrachtungsweisen sind gleichermaßen wichtig für den Gestalter. Denn die erste ist die der künstlerischen Gestaltung und des Umgangs mit Pigmentfarben, die zweite bildet die physikalische Grundlage der Photographie (s. Kap. 9 und 10). Farbempfindungen werden durch das menschliche Auge vermittelt. Über die Abhängigkeit von der nervösen Vermittlung optischer Reize findet sich mehr im Kapitel 9. 77
Die Farblehre der Pigmentfarben Pigmente sind in sich farblose Substanzen, die vom auffallenden Spektrum des Lichtes bestimmte Bereiche reflektieren, zurückwerfen und die anderen absorbieren, »verschlucken«. Pigmente sind Körper, aus deren Reflexion die Farbempfindung entsteht. Keine Pigmentfarbe kommt ohne ein haftendes Bindemittel aus, und dieses besteht ebenfalls aus körperhaftenden Substanzen, die ihrerseits auf Lichteinfall reagieren. Das Bindemittel ist eine Emulsion, eine Flüssigkeit, deren Substanzen in schwebenden, unlösbaren Teilen nebeneinanderliegen. In diese Emulsion sind die Pigmente eingebettet. Mischt man unterschiedliche Pigmente, so verbinden sich die Pigmente beider Farben nicht miteinander, sondern liegen ungelöst nebeneinander. Man ist nicht in der Lage, vollständig reine Pigmente und Bindemittel herzustellen, die nur ihren Spektralbereich allein restlos und absolut reflektieren und alle anderen völlig absorbieren. Durch Diffusion, der Lichtstreuung an der Oberfläche oder in der Tiefe der Pigmentsubstanz, bleibt immer ein geringer Rest von Fehlreflexionen oder Farbverfälschungen übrig. Daher kommt es, daß die Mischung sämtlicher Pigmentfarben miteinander nicht Weiß, sondern ein undefinierbares Grau ergibt. Weiß entsteht dagegen in der physikalischen Farblehre durch die Addition sämtlicher sichtbaren Wellenbereiche (s. Abb. 58a, Farbseite 196). Mit der pigmentalen Farblehre haben sich Künstler und sogar Philosophen beschäftigt, u. a. Goethe, Philipp Otto Runge, Schopenhauer, Klee, Oswald und Itten. Die Farblehre von Johannes Itten,* der sich eingehend mit der Farbanschauung Goethes auseinandergesetzt hat, gibt detailliertere Aufschlüsse als es hier möglich ist. Aber keine der bestehenden Farbtheorien hat bisher die Farben exakt definiert, etwa im Sinne ihrer physikalisch meßbaren Wellenlängen. Obwohl Goethe die Entdekkung Newtons, das Spektrum des Sonnenlichtes, bekannt war, leitete er die Farbe nicht von der spektralen Zerlegung des Lichtes, sondern von einem schöpferischen Prozeß zwischen Licht und Auge her. So ist derTonwert einer Farbe in den verschiedenen Farbaufteilungen verschieden: Man denke sich das reinste Gelb, das reinste Rot, das reinste Blau, die in Harmonie zueinander stehen. Harmonie in unserem Sinnesapparat bedeutet nach Itten »einen psychologisch-physischen Zustand des Gleichgewichts«. Somit ist die Subjektivität dieser Farbbetrachtung gegeben. Primärfarben. Die drei Grundfarben oder Primärfarben sind Gelb, Rot und Blau (Abb. 16). Sie wirken dann in Harmonie zusammen, wenn sie zusammengemischt ein möglichst neutrales Grau-Schwarz ergeben. Goethe und nach ihm Itten legten auf Grund der Lichtintensität der drei Grundfarben ihr Verhältnis zueinander fest: Gelb : Rot : Blau wie 9 : 6 : 4 . Das Empfinden der Intensität läßt sich, wie andere menschliche Empfindungen auch, in einer geometrischen Reihe darstellen. In einer geometrischen Reihe ist jedes Glied vom vorhergehenden und zum nächsten um denselben Faktor entfernt, ζ. B. hier: 4 ist % von 6, 6 ist % von 9.
* Johannes Itten, Kunst der Farbe, Ravensburg 1970
78
Abb. 16
Die Sekundärfarben oder Farben zweiter Ordnung bilden das Mischergebnis zweier Grundfarben miteinander: Orange - Violett - Grün. Sie werden ebenfalls, wie die Grundfarben, in ihrem Mischungsverhältnis vom harmonischen Empfinden bestimmt. Keinesfalls kann man die Primärfarben im Verhältnis 1 : 1 mischen, da ihre Lichtintensität verschieden ist. Die Lichtwerte der Sekundärfarben sind: Orange 8, Violett 3, Grün 6. Um den genauen Abstand zwischen Gelb und Rot, Rot und Blau und Blau und Gelb zu erhalten, wird die Lichtintensität der Grundfarben in Farbmengen umgesetzt: Für Orange drei Teile Gelb + zwei Teile Rot; für Violett drei Teile Rot + zwei Teile Blau; für Grün zwei Teile Gelb + ein Teil Blau. Aus Primär- und Sekundärfarben ergeben sich folgende Lichtwerte: Gelb : Orange : Rot : Violett : Blau : Grün 9 : 8 : 6 : 3 : 4 : 6 Die Tertiärfarben oder Farben dritter Ordnung ergeben sich aus der Mischung einer Sekundärfarbe mit einer ihrer benachbarten Grundfarben: Orange + Gelb = Gelborange Orange + Rot = Rotorange Violett + Rot = Rotviolett Violett + Blau = Blauviolett Grün + Blau Grün + Gelb
= Blaugrün = Gelbgrün
Gegenfarben sind diejenigen Farbpaare, die zusammengemischt ein neutrales Grau ergeben, da in ihnen bei der Mischung alle drei Grundfarben enthalten sind. 79
Tatsächlich vernichten sie sich gegenseitig zu Grau. Diese Farbenpaare sind: Gelb - Violett Rot - Grün Blau - Orange
Gelborange - Blauviolett Rotorange - Blaugrün Rotviolett - Gelbgrün
In der ersten Reihe wird die Mischung aus einer Primär- mit einer Sekundärfarbe hergestellt, in der zweiten Reihe aus je zwei Tertiärfarben. Nach den Lichtwerten ergibt die erste Reihe: Gelb + Violett 9 3
Rot 6
+ Grün 6
Blau + Orange 4 8
Das rechnerische Ergebnis ist bei allen drei Mischungen dasselbe. Mit richtigen Farbtönen und der richtigen Farbmenge erzielen alle drei Mischungen das gleiche neutrale Grau. Als Flächen nebeneinandergesetzt steigern sich die Gegenfarben gegenseitig zu höchster Leuchtkraft. Einige Gegenfarbenpaare haben noch ihre Besonderheiten: Gelb-Violett stellen gleichzeitig den größten Hell/Dunkel-Kontrast dar, Blaugrün-Rotorange den stärksten Kalt/Warm-Kontrast. Rot und Grün sind gleich hell und gleich intensiv. Die Berechnung nach Lichtwerten ist natürlich rein hypothetisch. Durch Variieren der jeweiligen Farbanteile kann man unglaublich viele Grauergebnisse erzielen. Die Mischung zweier Gegenfarben, auch wenn man sie aus der Tube verwendet, wo sie fast nie ihren idealen Lichtwert haben, ist die beste Art, um farbige Grautöne herzustellen. Beimischungen von Weiß verstärken die Grauwirkung und ihren statischen Charakter. Graumischungen aus Schwarz und Weiß dagegen, allein, ohne farbigen Zusatz, erzeugen ein wesenloses statt ein neutrales Grau. Die Mischungen mit Gegenfarben kommen auch in besonderem Maße der Tendenz des menschlichen Auges entgegen, im Gesamterscheinungsbild selbsttätig einen Ausgleich zu erzeugen und die vielen aufgenommenen Farben zu Grau »zusammenzuziehen«. Da die Gegenfarben alle anderen Farben anteilmäßig enthalten, entsprechen sie der Natur des Auges.
Das Mischen mit Weiß und Schwarz Welchen Farbton man auch immer vor sich hat - Primär-, Sekundär- oder Tertiärfarben oder irgendeine Mischung-eine Beifügung von Weiß oder Schwarz ergibt immer eine Änderung des Farbtons und damit des Farbcharakters. Eine Mischung mit Weiß erzeugt einen helleren, aber weniger leuchtenden, stumpfen und kälteren Farbton. Dadurch nehmen die Farbtöne einen statischen Charakter an. Eine Mischung mit Schwarz erzeugt einen dunkleren, aber auch trüberen und gedämpften Farbton. Im allgemeinen wird die Leuchtkraft gelähmt. Den bei allen Farben vorhandenen natürlichen Hell/Dunkel-Kontrast beeinflußt Schwarz noch in ei80
n e m besonderen M a ß e : Schvyarz zieht Gelb ins Schmutzig-Grünliche, ein helles Rot ins Bräunliche, ein dunkles Rot ins Violette. M i s c h u n g e n aus einer Farbe m i t Grau aus Schwarz + W e i ß ergeben sehr trübe, oft schmutzige Farbtöne. Bei M i s c h u n g e n m i t d e m Grau, das aus Gegenfarben entstanden ist, g e w i n n t der Grauton an Leben.
Der Kalt/Warm-Kontrast Die menschliche E m p f i n d u n g bezeichnet die Farbkette v o n Gelb über Gelborange, Rotorange, Rot bis Rotviolett als w a r m e , die Farbkette v o n Violett über Blauviolett, Blau, Blaugrün, Grün bis Gelbgrün als kalte Farben. Diese Bezeichnungen sind aber keine absoluten Aussagen. Schon innerhalb einer der beiden Ketten e m p f i n d e n w i r w ä r m e r e u n d kältere Farben. I m m e r ist die K a l t / W a r m - E m p f i n d u n g v o n der Umgeb u n g der Farbe a b h ä n g i g . Setzt m a n ζ. B. Grün neben Gelb, so wirkt Grün kalt; neben Blau w i r d dasselbe Grün w a r m . Wie irreführend und s u b j e k t i v - e m p f i n d u n g s m ä ß i g der K a l t / W a r m - K o n t r a s t oft ist, zeigt das Beispiel m i t g l ü h e n d e m Stahl. Im heißesten, w e i ß g l ü h e n d e n Zustand reflektiert er das volle Spektrum, also auch die Wellenlängen, die als Blau u n d Grün die E m p f i n d u n g kalt auslösen. Kühlt der Stahlblock sich ab, so w i r d er rot- bis dunkelrot-glühend; er absorbiert also die kalten Spektralfarben und reflektiert nur die warmen. Die E m p f i n d u n g K a l t / W a r m k o m m t w o h l aus d e m Körpergefühl u n d d e m Tastsinn: Die Erfahrung des Temperaturunterschiedes zwischen Licht u n d Schatten, heiß und kalt b e s t i m m t die E m p f i n d u n g . Gelb und Rot setzt m a n m i t Feuer gleich, w o r a n m a n sich e r f a h r u n g s g e m ä ß verbrennt, Blau und Grün mit der erfrischenden Kühle des Wassers und des Waldes. Schatten auf Schnee sind blau bis tiefblau, also kälter als Weiß. Interessant ist, daß Kinder b e i m M a l e n keine K a l t / W a r m - E m p f i n d u n g entwickeln, s o n d e r n »bunte« Lokalfarben v e r w e n d e n : Das Dach ist »absolut« rot, der Baum »absolut« grün. K a l t / W a r m - E m p f i n d u n g e n treten erst ab e t w a 12 J a h r e n auf. Gerade der ganz subjektive Charakter des K a l t / W a r m - K o n t r a s t e s b e s t i m m t in höchs t e m M a ß e die Malerei, w e i l er d e m Künstler den weitesten individuellen S p i e l r a u m gibt. Der Hell/Dunkel-Kontrast modelliert einen Körper zu einer greifbar plastischen Form, der Kalt/Warm-Kontrast dagegen moduliert die Farbe v o n W a r m nach Kalt. Die räumliche Illusion entsteht durch das Hervortreten der w a r m e n u n d das Zurücktreten der kalten Farben. Die Lokalfarbe des Körpers liegt i m Übergangsfarbton. Die v o n der Sonne beschienene Seite eines Körpers hat einen w a r m e n Farbton, die Schattenseite einen kalten. Im I n n e n r a u m ist es u m g e k e h r t : Hier sind die Schatten relativ w a r m und die Lichter relativ kalt. Dadurch sind sie b e i m Malen leichter darzustellen. M a n mischt den g e w ü n s c h t e n Farbton m i t Weiß. Er w i r d folglich heller und kälter. Bei der Malerei bedeutet dies das Sehçn farbiger Schatten. W e n n der Schatt e n f a r b t o n die Gegenfarbe zum hellen Farbton enthält, m u ß im Schatten v o n Gelb Violett, v o n Rot G r ü n u n d v o n Blau Orange enthalten sein. Hat m a n sich das erst einmal klargemacht, so sieht m a n auch Farbtöne im Schatten und k o m m t nicht auf 81
die Idee, die Lokalfarbe einfach zu schwärzen, was einer Trübung gleichkäme. Leonardo da Vinci hatte in seinem Traktat über die Malerei diese Feststellungen schon getroffen. Licht und Schatten verhalten sich nicht nur hell/dunkel, sondern kalt/warm zueinander. Er wußte, daß das leuchtendste warme Grün bei Blättern zu finden ist, wenn sie von der Sonne durchschienen werden. Aber er warnte die Maler davor, davon Gebrauch zu machen, weil die Leuchtkraft und die Farbigkeit des Kalt/Warm-Kontrastes die Form zerstöre. Ihm war die Form wichtiger als das Erscheinungsbild der Farbe; er modellierte die Form. Dagegen lösten die Impressionisten größten Unwillen aus, als sie es wagten, Schatten in Landschaft und Porträts blau und grün zu malen. Ihnen war das Modulieren des farbigen Erscheinungsbildes allein wichtig, aus dem sich die Form und die räumliche Illusion scheinbar von allein ergibt. Folgerichtig endete der Impressionismus bei der Auflösung der Einzelwie der Bildform in Farbspielen.
Der Simultankontrast Goethe sagt in seiner Farbenlehre: »Das Auge verlangt Totalität und schließt sich selbst den Farbkreis ab.« Aus diesem Verlangen nach farbigem Ausgleich entsteht erst Harmonie. »Das Auge ist immer in Disposition, selbst Farben hervorzubringen,« . . . Bei starkem Farbeindruck erzeugt das Auge selbsttätig und gleichzeitig = simultan die Gegenfarbe, um die Überlastung der Zäpfchen durch den starken Farbeindruck auszugleichen (vergi. Regelungstechnik). Der Simultankontrast tritt nicht nur bei Gegenfarben a u f - R o t neben Grün erzeugt einen Flimmereffekt - sondern bei allen starken Farbeindrücken. Bei einer roten Form auf weißem Grund erscheint dieser grün. Die ausgleichende Gegenfarbe, die das Auge selbsttätig erzeugt, ist als Farbe real nicht vorhanden und läßt sich auch nicht photographieren. Die Wirklichkeit einer Farbe ist selten mit ihrer Wirkung identisch. Die Quantität und Qualität der Farbe Unter der Quantität der Farben versteht man ihre Größenordnung, also die Relation der Flächengrößen, die von den Farben eingenommen werden. Unter der Qualität der Farbe versteht man den Grad ihrer Reinheit oder ihrer Leuchtkraft. Beide Begriffe hängen untrennbar miteinander zusammen und können als Wirkungsintensität bezeichnet werden. Die Wirkungsintensität einer Farbe entspricht ihrem Lichtwert. Reine Farben mit ungeschmälertem Lichtwert haben eine größere Intensität als verweißlichte oder verschwärzlichte Farben. Die Lichtwerte sind allerdings auch nur Annäherungswerte, da letztlich das eigene Empfinden entscheidet. Außerdem sind bei den käuflichen Farben die Fabrikationserzeugnisse bei gleicher Bezeichnung keinesfalls miteinander identisch. Erinnern wir uns an Goethes Lichtwerte, die auch Itten als einfach und brauchbar bezeichnet. 82
Sie gaben schon beim Herstellen der Sekundärfarben über die Farbmengen Aufschluß. Sie sind bei einer zahlenmäßigen Flächenzuordnung ebenso zu verwenden, wenn man ein harmonisches Gleichgewicht der Farben erzielen will. Gelb : Orange : Rot : Violett : Blau : Grün 9 : 8 : 6 : 3 : 4 : 6 Demnach verlaufen die Werte der Gegenfarben: Gelb - Violett = 9 : 3 = 3 : 1 Rot - Grün = 6:6=1:1 Blau - Orange = 4 : 8 = 1 : 2 Bei der Violett Grün Blau
Umsetzung der Lichtwerte in harmonische Flächengrößen ergibt sich: - dreimal so groß wie Gelb - ebenso groß wie Rot - doppelt so groß wie Orange
Die Wirkung, die von dieser Größenordnung der Flächen ausgeht, ist die einer statischen Harmonie. Verändert man die reinen Farben und damit ihre Lichtwerte, so müssen auch die umgebenden Flächenverhältnisse geändert werden. Die vorhandenen Farblehren zielen immer auf Erforschung harmonischer Verhältnisse ab, weisen also einen im wesentlichen klassisch-künstlerischen Aspekt aus. Der Expressionismus ist für uns heute schon Klassik gewordene Revolution. Diese Gesetzmäßigkeiten sind verbindlich angewendet bei der Malerei als Kunstform in Kunstausstellungen und Museen. Manchmal sieht man aber auch Arbeiten, meist aus dem Ausland, mit durchaus kommunikativem Charakter und »trotzdem« von höchstem künstlerischen Niveau. Diese Künstler können malen, also primär mit Farben umgehen und Farbtöne herstellen, die sie selbst mischen müssen und die zueinander harmonisch sind.
Anwendung der Farben im Graphik-Design Die heutige graphische Praxis hat aber andere Aufgaben als das Herstellen klassisch-harmonischer Verhältnisse. Erinnern wir uns der AIDA-Formel, der Erregung von Aufmerksamkeit und Gewinnung des Interesses einerseits und der Bildung von Superzeichen zur Erleichterung der Informationsaufnahme andererseits. Von beiden Aspekten geht ein starker optischer Reiz aus mit der Forderung keinesfalls übersehen - interessiert betrachten - die Information behalten. Da das Auge mit seinem Hang zur »Vollbeschäftigung« seiner Sehorgane selbständig auf die Harmonie des gesamten Erscheinungsbildes zu Grau drängt, kann die Aufgabe des kommunikativen Gestalters nur sein, dieser Tendenz, die man negativ auch als Grau-Trägheit bezeichnen kann, entgegenzuwirken. Ganz extrem gesprochen kann man sagen: Je harmonischer im klassischen Sinne eine kommunikative und innovative Aufgabe gelöst ist, desto grau-träger wirkt sie und desto weniger prägt sie sich im Bewußtsein oder gar Unterbewußtsein des Betrachters ein. Itten 83
spricht als Maler v o n expressiver Wirkung, w e n n eine Farbe dominiert. Der Gestalter dagegen erfüllt seine Aufgabe nicht ohne diese Expression oder den starken Akzent oder einen starken aggressiven Wert. Die starke Wirkung läßt sich durch die be w u ß t e Arbeit mit Gegensätzen erreichen. Gegensatz groß — klein: Natürliche Größenunterschiede können noch gesteigert werden, w e n n die große Form v o m Formatrand angeschnitten wird. Die große Form selbst ist für das Format zu groß und scheint das Format zu sprengen. Noch größer erscheint sie, w e n n man als Gegensatz kleine Formen einsetzt. Gegensatz stumpfleuchtend: Die natürliche Leuchtkraft einer reinen Farbe kann durch eine stumpffarbige, graue Umgebung optimal gesteigert werden. Dem Simultankontrast begegnet man durch entsprechende Farbmischung: Man mischt in die stumpfe Farbe eine Spur v o n der leuchtenden Farbe, ζ. B. Gelb auf grauer Fläche. Ist das Grau gelbstichig, tritt kein Simultankontrast auf. Bei blaustichigem Grau dagegen tritt der Kontrast störend auf. Gegensatz starker Akzent - neutral·. Der weiße Grund isoliert die Form und läßt diese weniger leuchten, da das Weiß das volle Licht reflektiert, die Farbe nur einen Teil. Die Farben erscheinen dadurch etwas dunkler, d a f ü r a b e r g e w i c h t i g e r - a u ß e r Gelb. Durch seine farbige Neutralität steigert der weiße Grund den formalen und farbigen Akzent fast zur Aggression. Gegensatz scheinbar gesteigerte Reflexion - keine Reflexion : Der schwarze Grund, der selbst kein Licht reflektiert, läßt sogar stumpfe und dunkle Farben aufleuchten, ganz besonders aber die reinen Farben. Die subjektive Betrachtungsweise der Farben bringt es mit sich, daß die Farben oft mit Gefühlen gleichgesetzt oder zu S y m b o l e n werden. Rot w i r d interpretiert als Blut, Liebe, aber auch als Revolution, Partei und Gefahr. Gelb ist für Goethe die Farbe »am nächsten am Licht«. Van Gogh w a r fasziniert von Gelb als Farbe der Sonne und der Schöpfung. Im alten China galt Gelb als die Farbe der Sonne und der himmlischen Erleuchtung, und niemand durfte Gelb tragen außer d e m Kaiser. Der V o l k s m u n d diffamiert Gelb allerdings als die Farbe des Neides. Weiß ist in China die Farbe des Todes, des Eingehens ins Wesenlose. Die Farbe der Trauer ist bei uns Schwarz; sie bedeutet aber auch Festlichkeit und Ernst, im V o l k s m u n d aber oft soviel wie Schmutz. - Hohe kirchliche Feste und der Rang eines Kirchenfürsten werden mit festgelegten Farben symbolisiert. Den Gefühlen des Betrachters unterliegt manchmal eine farbige Gestaltung. Über die psychologische Wertigkeit der Farben zu sprechen, w i e so oft gewagt wird, erscheint hier müßig. Wir haben gesehen, daß eine Farbe durch U m g e b u n g und Simultankontrast, durch w e i ß e n und schwarzen Grund maßgeblich beeinflußt und erst dadurch zu derjenigen Farbe wird, als welche wir sie definieren. Braun auf Schwarz empfindet man als Rot, Rot auf Weiß als Braun. U n d die Definitionen sind keineswegs allgemeingültig. Die Farbempfindungen, sogar bei dafür sehr empfänglichen, sensiblen Menschen, ändern sich m i t den Altersstufen. Allerdings ist nachgewiesen, daß Räume, in Rottönen gehalten, freundlich stimmen, anregen und sogar erregen. Räume in blauen Tönen dagegen stimmen neutral, beruhigen und lassen sogar erschlaffen. Aber Rot und Blau können ohne an84
dere Farbe gar nicht als solche wahrgenommen werden. Es steht daher zu befürchten, daß solche Experimente, auf lange Zeit und völlig konsequent durchgeführt, zu Seh- und Empfindungsstörungen führen. Es können also nur Farbzusammenstellungen auf ihren psychologischen Gehalt untersucht werden. Allgemeingültigkeiten lassen sich aber auch hier nicht aufstellen. Für den Gestalter sind höchstens einige Farbkombinationen von Bedeutung, die für das Produkt, für das geworben werden soll, einen typischen Eindruck vermitteln. Diese Kombinationen können natürlich nur als eine Art Faustregel gelten, da sie auf der Mehrdeutigkeit der Farbe beruhen und im informativen Ablauf auch einmal ganz anders sein können. Die Kombination Blau - Weiß, vielleicht mit Grün, vermittelt durch ihre Kühle und Frische den Eindruck von Sauberkeit. Sie wird daher oft für Küchen- und Waschgeräte und Reinigungs- und Waschmittel verwendet. Zusätzliches Rot oder Orange steigert den Aufmerksamkeitswert. - Die Kombination Gelb-Ocker-Braun läßtein Produkt »nahrhaft« erscheinen, besonders zusammen mit Weiß. Schwarz beeinträchtigt diesen Eindruck. - Die Kombination Rosa - Violett wirkt ausgesprochen kosmetisch. Schwarz, und wenn auch nur als Schrift, läßt die Farben leuchten. Viele Erzeugnisse weisen eine dominierende Grundfarbe auf, während die anderen Farben wirkungsmäßig verteilt sind. Der Betrachter kann dann ζ. B. eine Packung verbal als Rot bezeichnen. Bestimmte Farbkombinationen beeinflussen sogar in der Weise das menschliche Empfinden, daß man von der Farbe des Produktes auf den Preis schließt. Leuchtende bunte Farben lassen das Produkt sehr preiswert erscheinen. Gedämpfte Farbkombinationen mit viel Weiß vermitteln das Gefühl einer höheren Preisklasse. Kombinationen von Gold mit Farben lassen das Produkt kostbar und exquisit erscheinen. Gold oder Silber mit Schwarz und Weiß suggerieren höchste Vornehmheit und Gelassenheit und damit einen hohen Preis. Heute werden Farbpapiere und Farbfolien in bis zu 500 numerierten Varianten angeboten. Eine Nummer gibt dem Drucker die richtige Nachmischung im Rezepturbuch an. 100 bis 200 numerierte Farbtöne werden als Magic- oder als Colormarker angeboten. Alle Angebote zielen darauf hin, daß alle Farbtöne, die im Layout verwendet und vom Auftraggeber gutgeheißen wurden, auch originalgetreu, problemlos und schnell, entsprechend dem Rezepturbuch der Druckereien, gedruckt werden können. Es handelt sich hier um chemische, schnell trocknende und stark leuchtende Produkte. In allen Fällen passen grundsätzlich alle Farben zueinander und jede Farbe zu jeder. Bei aller Einsicht in die heutigen Design-Verhältnisse im Arbeitsablauf-die Druckvorlage wird ja oft von anderen Personen ausgeführt, die die angegebenen Farben nun vor keine Probleme stellen - muß doch gesagt werden, daß diese synthetischen, wesenlos-glatten Farben vom Gestalter wie auch vom Betrachter meistens nur ein Minimum an Farbsinn verlangen. Auch Farben sind nach DIN genormt. Für die immer gleiche Farbausstattung und Farbanstriche von bestimmten Verkaufsorten, ζ. B. Tankstellen - Weiß-Blau-Grau für ARAL, Gelb-Grün für BP, Gelb-Rot für SHELL - gibt es eine DIN-Skala mit Numerierung der Farbtöne. 85
Die Zusammensetzung der Farben Die Pigmente, die unter bestimmten Beleuchtungsvoraussetzungen aus dem weißen Licht bestimmte Wellenbereiche reflektieren, werden aus der Natur gewonnen oder künstlich erzeugt. Umgangssprachlich werden die Farbwerte mit »Farbe« gleichgesetzt. Die Farbstoffe, die die Farbwerte vermitteln, die Pigmente, können organisch-pflanzlichen, anorganischen oder künstlichen Ursprungs sein. Die organischen Pigmente werden aus natürlichen Erden aufbereitet wie Ocker, Terra di Siena, grüne (Veroneser) Erde und Umbra. Englisch-Rot dagegen wird künstlich erzeugt. Purpur wurde von den Phöniziern aus Purpurschnecken gewonnen, war ein Exportmonopol und galt als kostbar. Sepia wird aus Tintenfischen gewonnen. Die Pigmente leuchtender Farben entstammen künstlichen Metallverbindungen wie Kadmiumgelb, Ultramarinblau, Chromoxydgrün, Blei- und Zinkweiß. Alle natürlichen und chemischen Farben sind völlig oder weitgehend lichtecht. Da das Licht die Farben nach einiger Zeit beeinflußt oder verändert, ist auf den Farbtuben der Grad der Lichtechtheit angegeben: 3 Sterne bedeuten - vollständig lichtecht 2 Sterne bedeuten - weitgehend lichtecht 1 Stern bedeutet - ausreichend lichtecht 0 bedeutet - geringe Lichtbeständigkeit. Künstliche organische Teerfarbstoffe sind tintenartige Farbstoffe, die hauptsächlich zum Färben von Textilien und Kunststoffen benutzt und zur Herstellung farbiger Tuschen verwendet werden. Um sie zu Pigmenten zu machen, müssen sie verlackt werden - was nichts zu tun hat mit Lackfarben, die Harzbindemittel haben. Krapplack oder Alizarin-Krapplack weisen solche verlackten Pigmente auf. Für Malerei und farbige Graphiken kommt man mit verhältnismäßig wenig Farben aus. Selbstverständlich verwendet jeder Gestalter die Farben, die ihm zusagen und die er zusätzlich in seine Palette aufnehmen kann (s. Abb. 73, Farbseite 224). Unentbehrlich sind: Weiß - Kremser Weiß = Bleiweiß oder Zinkweiß) Blei oder Zinkoxyd Kadmiumgeib, Kadmiumorange·, leuchtende Gelb- und Orangetöne; Schwefelkadmium-Sulfit Chromgelb, Chromgelb dunkel: leuchtende Gelb- und Orangetöne; chromsaures Bleioxyd Lichter Ocker: dunkles, warmes, gedämpftes Gelb; Erde mit Eisenoxyd verbunden Terra di Siena gebrannt·, rotbrauner Ton; gebrannte (geglühte) Erde Zinnoberrot, Kadmiumrot, Permanentrot·, alle drei ein leuchtendes Hellrot; Quecksilber- bzw. Schwefelkadmiumsulfit. Kadmiumrot verträgt sich am besten mit Kadmiumgelb und kann gut mit Pariserblau gemischt werden. Zinnober läßt sich mit cyanhaltigem Blau schlecht mischen. 86
Krapplack·, dunkles, leuchtendes Rot, typische Lasurfarbe; aus der Wurzel der Krapp-Pflanze, Alizarin-haltig Karmin ·, dunkles leuchtendes Rot ähnlich dem Krapplack; Präparat aus Karminsäure, Tonerde und Kalk. Die Karminsäure wird aus Cochenille-Schildläusen gewonnen Ultramarinblau, künstlich: leuchtendes, dunkles, etwas rötliches Blau, als dunkel und hell im Handel, gut mischbar mit Rot, Mischungen mit Gelb tendieren zu Grau; mineralische Zusammensetzung aus Tonerde und Schwefelverbindungen, durch Rotglut erzeugt. Echtes Ultramarin wurde früher aus dem pulverisierten Halbedelstein Lapislázuli gewonnen Preußischblau oder Pariserblau: dunkles, sattes Blau, leicht grünlich, typische Lasurfarbe, geeignet für Mischungen mit Gelb, Mischungen mit Rot tendieren zu Grau, besonders mit Zinnoberrot; Cyan-Eisenverbindung Chromoxydgrün feurig·, dunkles leuchtendes Grün, ungemischt kaum zu verwenden, aber für alle Mischungen hervorragend geeignet, mit Weißergibt es das ideale kalte Grün, mit Krapplack als Gegenfarbe ein intensives, farbiges Grau; Chromoxyd Elfenbeinschwarz·, tiefes Blauschwarz; gebranntes Elfenbein Zur Bereicherung der Palette können gut verwendet werden: Neapelgelb·, helles, stumpfes Gelb, eventuell etwas rötlich oder grünlich; antimonsaures Bleioxyd Indischgelb ·, sattes dunkles Gelborange zwischen Orange und Ocker; aus dem Urin indischer Kühe gewonnen, die mit Mangoblättern gefüttert wurden, seit 1921 verboten, jetzt Teerfarbe Venetianischrot: kräftiges Rotbraun; Eisenoxyd Caput mortuum: dunkler, stumpfer, violett-brauner Ton, hervorragend zum Mischen geeignet; Ton- oder Kalkerde mit Eisenoxyd Coelinblau: leuchtendes, helles, grünliches Blau, das dem Cyan der Farbphotographie und der Normdruckfarbe Cyan entspricht; Kobaltoxyd, heute künstlich hergestellt Grüne (Veroneser) Erde: matter, graugrüner, stumpfer Ton, ähnlich dem Chromoxydgrün stumpf; Tonerde mit Eisenoxyd Schweinfurter Grün, ähnlich Französischgrün: scharfes Hellgrün; Kupfergrün Umbra ungebrannt: grünlicher, dunkelbrauner Ton; Tonerde mit Eisenoxyd Umbra gebrannt·, rötlicher, dunkelbrauner Ton Kasseler Braun, ähnlich Vandyckbraun: der Umbra ähnlicher Farbton, nur tief braunschwarz; Braunkohle. 87
Alle diese Farben sind zunächst Pigmente in Staubform, die mit Bindemittel gebunden und auf dem Malgrund zum Haften gebracht werden. Der Unterschied zwischen den einzelnen Techniken liegt nicht in Pigment, sondern in den Bindemitteln begründet. Man unterscheidet wäßrige Bindemittel: Leime, Emulsionen und Dispersionen, sowie nichtwäßrige Bindemittel: öle, Kunstharz- und Harzlösungen, Wachs und Ölfirnisse, Lacke und Kunststoffe. Einige Bindemittel sind nach dem Auftrocknen wieder wasserlöslich, andere binden ab und sind nur mit speziellen Lösungsmitteln lösbar. Besonders die nichtwäßrigen Bindemittel verändern beim Altern die Farbe. Die wäßrigen dagegen sind optisch stabiler.
Techniken und Fabrikate* Acrylfarben sind Kunstharz-Dispersionsfarben. Sie sind vermalbar mit Wasser, trocknen aber wasserunlöslich auf. Sie lassen sich mit Plakat- oder Temperafarben vermischen, aber auch die Mischung bleibt wasserunlöslich. Die Acrylfarbe ist eine geschmeidige Farbe, bei der ein Reißen oder Brechen nicht möglich ist. Legt man die Palette zum Reinigen längere Zeit ins Wasser, so kann man die Farbe wie einen Film abziehen. Nicht sofort ausgewaschene Pinsel werden unbrauchbar! Malmittel: Wasser. Anilinfarben sind organische Teerstoffe, die wegen ihrer Lichtunbeständigkeit als Künstlerfarben nicht in Betracht kommen. Dagegen werden sie als Druckfarben im Flexodruck verwendet. Aquarellfarben sind in fester oder in Tubenform erhältlich. Auch in fester Form sind sie jahrelang in Wasser löslich. Das Bindemittel ist dem Gummiarabicum ähnlich und bindet nicht ab. Durch die besonders feine Verreibung der Pigmente ist für das Aquarell die Lasurtechnik typisch. Lasur bedeutet dünner Farbauftrag, der das Durchscheinen des Untergrundes oder des weißen Papiers ermöglicht. Malmittel: Wasser. Bronzen sind in Gold, Silber und Kupfer erhältlich. Mikroskopisch feine Schuppen imitierender Legierungen sind im Bindemittel eingelagert. Dispersionsfarben sind Kunststoffbindemittel-Farben in feinster Verteilung ( = lat. Dispersion). Ursprünglich bei Anstrichen verwendet, sind sie jetzt auch als Künstlerfarben erhältlich (s. Acrylfarben). Deckfarben, Guasch sind der Aquarellfarbe ähnlich, nur durch eine geringere Beifügung von Bindemitteln deckend. Sie können flüssig-aquarellartig, aber auch dekkend verwendet werden. Guaschfarben trocknen etwas heller auf. Binden wenig ab. Malmittel: Wasser. * Der besseren Übersicht wegen werden hier die einzelnen Techniken und Fabrikate alphabetisch kurz angegeben, nach einer Schrift der Firma Günther Wagner.
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Druckfarben haben als Bindemittel Leinölfirnis. Beim Massenschnelldruck, besonders beim Tiefdruck, werden rasch verflüchtigende Lösungsmittel wie Benzin und Alkohol zugegeben. Die Druckfarben sind relativ transparent, um den Zusammendruck von Farbenzu ermöglichen. Sie entsprechen daher nie dem Charakter der Tubenfarben wie ζ. B. die Tempera. Sie sind wetterfest und nicht wasserlöslich. Japanaqua ist eine wasserlösliche Spezialdruckfarbe für manuellen Holz- oder Linolschnitt, die schneller trocknet als der Leinölfirnis der Druckfarben. Die Druckgeräte können also mit Wasser gereinigt werden. Außer Schwarz und Weiß ist Japanaqua in acht Grundtönen erhältlich. Kreide: Wandtafelkreide ist natürliche weiße Kreide, farbig mit Pigmenten versetzt. Zeichenkreide besteht aus gepreßten Erden mit geringem Bindemittelgehalt. Lacke werden in fetten ölen mit Kunstharz und Kopalen heiß gelöst. Sie trocknen mit Glanz auf. Kunstharze sind Erzeugnisse der modernen Chemie und kaum zu beschreiben. Kunstharz ist auch in den Dispersionsfarben enthalten. Ölfarben binden die Pigmente durch fette, oxydierbare öle. Leinöl trocknet schneller, Mohnöl langsamer. Bei Zusätzen von etwa 10% Harzlösungen spricht man von Harzölfarben. Die Ölfarbe kann deckend, pastos oder lasierend durch Verdünnung behandelt werden. Die Verdünnungs- oder Malmittel bestimmen auch den Charakter der verdünnten Farbe. Dammarfirnis und Terpentinöl lassen die Farbe trotz Verdünnung noch fett und leuchtend erscheinen, Testbenzin entzieht der Farbe einen Teil ihres Fettgehalts und läßtsie matter auftrocknen. Entscheidend für die Wirkung einer Ölmalerei ist auch ihr Malgrund, je nachdem ob er trocken und saugend oder fett ist. Malgründe auf Leinwand gibt es als Kreidegrund = saugend und glanzmindernd, Halb-Kreidegrund = neutral, ö l g r u n d = fetthaltig und glanzfördernd. Dementsprechend ist auch die Trocknungszeit der Malerei. Pastellfarben in Stiftform bestehen aus Pigmentstaub, dem wenig Bindemittel beigefügt ist. In abgestuften Mengen werden die üblichen Pigmente mit Weiß ausgemischt. Sie erzeugen einen matten Farbauftrag, der allgemein als »pastellfarbig« bezeichnet wird. Die Farben bleiben verwischbar und müssen daher fixiert werden. Das Fixativ, meist eine Lösung von Harz in Alkohol, hält die Farbe auf dem Papier fest. Plaka-Farben. Die Bezeichnung Plaka ist eine geschützte Markenbezeichnung der Firma Günther Wagner. Plakafarben sind kaseïngebundene Temperafarben, die, mit Wasser vermalbar, wasserunlöslich abbinden. Der Kaseinleim wird aus dem käsigen Eiweißstoff der Magermilch gewonnen. Mit chemischen Zusätzen zusammen bildet er eine Emulsion. Plakatfarben sind mit Pflanzenleim gebundene -»Temperafarben. Sie sind keine Emulsionsfarben und binden nicht ab. Daher bezeichnet man sie auch, weil sie wasserlöslich bleiben, als Wassertempera. Das sehr reichhaltige Angebot enthält eine Reihe von lichtunbeständigen Farbtönen. Plakatfarben eignen sich besonders für die tägliche Entwurfsarbeit, bei der es auf Dauerhaftigkeit oder Wetterfestigkeit 89
nicht a n k o m m t . Zur U m s e t z u n g der Entwurfsfarbe in Druckfarbe w e r d e n Plakatfarben in d e n Farbtönen des Vierfarbendrucks angeboten. Denn die Drucker haben Schwierigkeiten bei der originalgetreuen Farbwiedergabe der Plakatfarben. Studienfarben sind in Aquarell, als Deckfarben, in Tempera und ö l zu erhalten. Sie besitzen eine geringere Qualität als Künstlerfarben, sind dafür aber preiswerter. Temperafarben sind Emulsionsfarben, bei d e n e n wäßrige, leimhaltige Bindemittel mit n i c h t w ä ß r i g e n Bindestoffen wie ö l , Harz oder Wachs innig vermischt w e r d e n . Sie sind nach d e m Trocknen wasserunlöslich. Kasein-Tempera
s. Plakafarben.
öl- oder Eiternpera\ Ei u n d Milch sind natürliche Emulsionen, die die Eigenschaft besitzen, ö l und Wasser, an sich nicht mischbar, miteinander emulgieren zu lassen. Fügt m a n d e m Eigelb die gleiche Gewichtsmenge an ö l zu, kann m a n diese Flüssigkeit mit beliebig viel Wasser verdünnen. Diese Eiemulsion ist ein vorzügliches Bindemittel. Da aber das organische Eigelb nach einiger Zeit in Fäulnis übergeht - nur an der Luft nicht, w e n n es vermalt i s t - , ist eine Eitempera i m Handel kaum m e h r zu erhalten. Eine Eiemulsion kann man selbst herstellen. Tuschen sind meist Farbstofflösungen mit Schellack als Bindemittel, bei schwarzen Tuschen sind Ruß und Leim beigefügt. Sie sind wasserunlöslich. Wachsfarben
sind mit Wachs gebundene Farbpigmente.
Aus der Geschichte der Malerei Die vorgeschichtlichen Höhlenmalereien, die uns so sehr erstaunen, haben sich oft ganz h e r v o r r a g e n d erhalten. Sie waren nicht d e m Licht ausgesetzt, das erfahrungsg e m ä ß Farben auf lange,Sicht beeinflußt oder gar zerstört. Die Farbtöne, die verwendet w u r d e n , w a r e n v o r w i e g e n d Ruß- u n d Erdtöne; w i r w ü r d e n heute sagen gebrannte u n d u n g e b r a n n t e ockrige Erdtöne. Als Bindemittel v e r w e n d e t e m a n w o h l klebrige Stoffe, die in der Natur v o r k o m m e n u n d die 30 000 Jahre auf d e m Felsgrund haften, sofern sie nicht d u r c h Feuchtigkeit zerstört w u r d e n . A b e r die genaue Herstellung ist u n g e w i ß . In den Höhlen w u r d e n Röhrenknochen gefunden, die, v o r n mit einer Ö f f n u n g , eingetrocknete Farben enthielten. Das läßt den Schluß zu, daß die Farben auch aufgeblasen oder gespritzt w u r d e n , sofern zum Farbauftrag nicht die Finger benutzt w u r d e n . In der Antike begegnen w i r der Ehkaustik (Brenntechnik). Die üblichen Pigmente w u r d e n mit besonders gehärtetem Wachs, d e m Punischen Wachs, verschmolzen und heiß auf den M a l g r u n d übertragen, d ü n n e Holzplättchen w i e bei den altägyptischen M u m i e n b i l d n i s s e n oder Innenwände w i e in Pompeji. W ä r m e ü b e r n a h m die Rolle des Verteilers auf der Malfläche. M i t e i n e m erhitzten Bronzespachtel w u r den die Farben vermalt. Über die Pinseltechnik aber kann m a n bis heute keine Auskunft geben. Z w a r kann m a n die Farbe selbst nach alten V o r b i l d e r n wieder herstel90
len. Aber wie die Maler ihre zähe, klebrige Wachsfarbe so geschmeidig halten konnten, daß sie sich vom Pinsel so fein auftragen ließ, ist noch Geheimnis. Die Antike kannte chemisch erzeugte Pigmente wie Bleiweiß und Kupferblau, aber die Pigmente aus Pflanzenfarbstoffen, Ruß und Tierkohle herrschten vor. Die Freskomalerei finden wir in allen Jahrhunderten von der Antike bis heute. Sie ist streng genommen eine Malerei mit Farben ohne Bindemittel, die nur mit Wasser zu einem Teig angerührt werden. Gemalt wird auf dem feuchten, frisch (ital. fresco) angeworfenen Putzmörtel. Die kalkechten Pigmente trocknen mit dem Mörtel zusammen wetterfest auf. Es kann nur soviel Putzmörtel auf die Wand aufgetragen werden, wie der Maler bis zum Trocknen bewältigen kann. Dabei werden Putz und Farben wesentlich heller. Der Maler m u ß also das hellere Auftrocknen bei seiner Farbgebung beachten, schnell arbeiten und sich das Gesamtbild ständig vergegenwärtigen, da er immer nur Teile des Ganzen bearbeiten kann - e i n e sehr schwierige Technik. Der gebotenen Schnelligkeit wegen wird die Vorzeichnung oft eingeritzt. Nachträgliche Korrekturen oder die Malerei auf trockenem Putz bezeichnet man als al secco (ital. trocken). Die Rezepte der Glasmaler, etwa der französischen Kathedralen des Mittelalters, sind verlorengegangen. Bis heute sind sie nicht nachzuahmen, und ihre unerhörte Leuchtkraft bleibt ein Geheimnis. Mosaiken kennt man seit dem dritten Jahrtausend. Ursprünglich wurden sie aus farbigen Natursteinen wie Marmor zusammengesetzt. Später formte man Tonstifte, auf deren Stirnseite keramische Farben eingebrannt wurden. Durch bunte Glasplättchen erhielt man eine reichhaltigere Farbskala. In Ravenna, Venedig und Konstantinopel sind sie bis heute in ungebrochener Leuchtkraft erhalten. Tafelmalereien wurden auf Holz, später auf Leinwand durchgeführt. Das Holz mußte in Platten aneinandergeleimt werden, um das Verziehen zu verhindern. Es mußte lange gelagert und trocken sein und gegen Holzwürmer geschützt werden. Grundiert wurde mit Gips- oder Kreide-Leimlösungen. Die Pigmente wurden mit tierischen oder pflanzlichen Leimen gebunden. Es waren die eigentlichen Temperafarben, die in eigener Werkstatt hergestellt wurden. Die Alten Meister entwickelten ganze technische Systeme. Gearbeitet wurde mit Untermalungen in einem neutralen, matten Temperaton. Die gesamte Komposition wurde so in Hell/Dunkel vorgearbeitet, dann erst mit den Lokalfarben, oft nur durch einfache Lasuren übermalt. Einige, nur in Untermalung gearbeitete, nicht vollendete Bilder sind erhalten. Außerdem wurden Zwischen- und Schlußfirnisse verwendet. Mit den Brüdern van Eyck kommt um 1430 ein neues geschmeidiges Material mit stärkerer Leuchtkraft auf. Ob es wirklich die Ölmalerei war, die sie erfanden, ist zweifelhaft. Das neue Bindemittel wurde geheimgehalten und galt als flämisches Geheimrezept. Schließlich gelangte es über Antonello da Messina doch nach Italien. Die neue Malweise beruhte wohl auf der Entdeckung, daß Eigelb mit ö l emulgiert. Das Aussehen eines öltemperabildes ist in gefirnißtem Zustand kaum von einem echten Ölbild zu unterscheiden. Da der ölgehalt nur etwa ein Viertel bis ein Fünftel des gleichen Volumens bei einer Ölfarbe beträgt, verringern sich auch die Nachteile des Leinöls. Mit einer Ölfarbe 91
hätte ζ. Β. Dürer nie die Pelz- u n d Barthaare oder die winzigen Details, ζ. B. bei Schmuck, in dieser feinen Qualität, die sogar Tizian bewunderte, malen können. Oder man denke an Altdorfers A/exanderschlachtl Pastos-plastische Modellierungen, ζ. B. bei Rem bra ndts/Wann mit dem Goldhelm, wären in langsam trocknender Ölfarbe heruntergelaufen. A u c h noch nach d e m Übergang zur reinen Ölmalerei, etwa gegen Ende des 16. Jahrhunderts, w a r es durchaus üblich, Mischtechnik anzuwenden. Bei einer Mischtechnik, streng g e n o m m e n , bildet die Emulsionstempera für die Bildgestaltung den körperhaften, gewöhnlich m o n o c h r o m e n Temperakern. Als Prinzip gilt, daß alle pastosen Lichter in Emulsionstempera wiedergegeben werden. Dann erst w i r d mit Harzölfarbe übermalt, die Farbe eventuell wieder etwas herausgewischt, um die optisch durchwirkende Tempera in die Farbgebung m i t einzubeziehen. Otto Dix w a n d t e um 1930 diese Technik bevorzugt an. Bei der Ölfarbe »ist das ö l ein notwendiges Übel«, lautet ein etwas aggressiver Ausspruch. Tatsächlich ist der U m g a n g mit Ölfarbe schwieriger als A m a t e u r e meinen. Freilich, die Technik in Aquarell ist lasierend, die der Tempera deckend-pastos; die der Ölfarbe erlaubt beides. Aber jedes Teil zuviel ö l ist beim Verdünnen von Übel. Die Farben werden nicht m e h r in eigener Werkstatt hergestellt. Die Bilder der Alten Meister halten sich deswegen so lange - und auch sie sind oft nachgedunkelt und weisen Risse a u f - w e i l die Maler den Schwierigkeiten der ö l t e c h n i k d o c h recht gut zu begegnen w u ß t e n . Durch diePw77a/773/e/-e/des 19. und 20. Jahrhunderts, also das spontane Nebeneinander- und Übereinandersetzen der endgültigen Farbe, kam es im Laufe der Zeit zu ein£r souveränen Verachtung vielertechnischer Überlegungen und Kenntnisse. Die Bilder der Alten Meister entspra ngen der Erfahru ng, die der Modernen dem persönlichen Empfinden. So kam es, maltechnisch gesehen, zu fast »kriminellen« Handlungen. Es ist gar nicht so a b w e g i g zu vermuten, daß bei normalen Zeitumständen in zwei- bis dreihundert Jahren die Kunst des 20. Jahrhunderts nur noch in Reproduktionen zu bewundern sein wird. Das ö l des oft fingerdick aufgetragenen Pigments dürfte die Farben völlig verändern oder reißen oder abblättern lassen.
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KAPITEL 7
Typographie In der graphischen Praxis tritt immer neben die Aussage durch das Bild die Aussage durch das Wort. Oft hat diese Vorrang. Bei Textanzeigen ζ. B. bildet das Wort die alleinige Aussageform. Zur Visualisierung sind Kenntnisse der Typographie und der Satzarbeit, ihrer ästhetischen und satztechnischen Möglichkeiten für den Gestalter unerläßlich. Schrift ist SYMBOL-Zeichen zur Visualisierung von Sprache und Sprachlauten. Die Typographie ist die Organisation der Zeichen. Ihr Ziel ist immer, Information zu vermitteln. Ihr visueller Ausdruck entspricht im Idealfall der verbalen Artikulation, ihrer Bedeutung und ihrer informativen Wertigkeit. DieZeichen haben eine lange Entwicklung bis zum SYMBOLzeichen, dem Buchstaben hinter sich, und man muß sie lesen lernen. Sie sind als Gegebenheiten zu betrachten und werden von handwerklichem Können und einer Gesetzmäßigkeit mit langer Tradition bestimmt. Die Bedeutung unterteilt sich a) in die Bedeutung des Wortes als solchem, b) in die Bedeutung des Wortes im Sinne der innovativen Information, wo die allgemeingültige Bedeutung eine spezielle Wertigkeit erhält. Nehmen wir als Beispiel das Wort »Streik«. Es besteht aus sechs Einzelzeichen, den Buchstaben, und bildet als Superzeichen ein Wort. Es bedeutet »Arbeitsniederlegung« allgemein..Seine innovative Wertigkeit aber erhält es im Sinne von »Alarm, Arbeitskampf, Unannehmlichkeiten«. Beim Entwurf und der satztechnischen Behandlung ist nun das Wort entsprechend seiner Bedeutung und innovativen Wertigkeit zu motivieren: Im Sinne eines Geschäftsberichtes: »Streik« - und als Schlagzeile einer Zeitung: STREIK! Dies gilt sinngemäß für alle Aufgaben der typographischen Praxis, in der Werbung für Head- und Subline, Produktbezeichnungen ebenso wie für das Hervorheben einzelner Worte. Hier unterscheiden wir zwischen Auszeichnen und Schriftmischen. Auszeichnen ist der Wechsel der Schrift innerhalb einer Schriftfamilie ζ. B. in halbfett, kursiv, in Versalien oder Kapitälchen (s. u.). Schriftmischen ist der Wechsel in eine andere Schriftfamilie. Außerdem kann man schon durch die Stellung des Wortes, weiterhin durch Farbe, Unterstreichen oder Sperren ein Wort hervorheben. Zu dem Anspruch der innovativen Wertigkeit tritt der ästhetische Anspruch. Welche der angegebenen Möglichkeiten gewählt wird, ist eine Frage der Ästhetik, soweit sie sich realisieren läßt. Mit den gegebenen Mitteln der Satzschrift muß der Setzer ein optisch einwandfreies Bild schaffen. Das Verhältnis zwischen Hervorhebung und dem laufenden Text, zwischen Satzkolumne und der Seite, die Abstände zwischen den einzelnen Buchstaben, den Worten und zwischen den Zeilen, Zeilenfall und 93
Satzform in Verbindung mit Bildelementen stellen kreative und ästhetische Aspekte dar. Für den Gestalter sind sie vorgegebene Gestaltungselemente, die seinen Entwurf weitgehend mitbestimmen. Zusammenfassend sei gesagt: Die Typographie bewegt sich innerhalb zweier extremer Grenzen: der puren Information und Innovation einerseits und dem ästhetischen Kunstwerk andererseits. Analog wird die Sprache verwendet: Wir alle kennen den sprachlich verschlüsselten Prototyp in Telegrammstilinformation, ζ. B. » B o n n . . . « Das heißt eigentlich: Die Regierung unseres Staates mit Sitz in Bonn meint dazu . . . Oder die Abkürzungskrankheit! Demgegenüber steht die Kunstsprache, wiesie von der Literatur gepflegt wird. Hinzu kommt noch die Fachsprache. Inhalt der Information und Ästhetik im sprachlichen Ausdruck sollen mit ihrer optischen Form eine Einheit bilden. Erschwerend und bestimmend tritt hinzu: Der Gestalter dieser drei Faktoren muß in seine Überlegungen die Aufnahmebereitschaft bzw. Aufnahmefähigkeit beim Betrachter oder Empfänger der Information einbeziehen. Sonst bleibt die Information pure Nachricht ohne Motivation, ohne Pragmatik, also ohne Einfluß auf das Verhalten. Es gilt auch hier, was im Kapitel 6, Gestaltung, über die Semiotik mit ihren drei Bezügen, dem Interpretanten-, dem Objektund dem Mittelbezug gesagt wird.
Die Zeichen oder Buchstaben: Schriftgeschichte Die Schriftgeschichte, so interessant sie im einzelnen auch ist, soll hier nicht kulturhistorisch, sondern zweckgebunden dargestellt werden. Denn ein Schriftbild in seinen Wandlungen durch die Jahrhunderte prägt auch gleichzeitig unsere Empfindlichkeit gegenüber seiner emotionellen Ausstrahlung. Allen Schriftarten haftet bis heute ihr historisch-zeitbedingter Ausdruck einerseits und ihre Bedingtheit durch das ursprüngliche Material andererseits an. Die heutigen Werkschriften wurden ursprünglich a) in Stein gemeißelt, b) mit der Hand geschrieben, c) in Kupfer gestochen. Das Material prägte ihre Form und damit ihren Ausdruck. Diesen Ausdruck haben sie noch immer, selbst nachdem die Formen längst zu gegossenen oder belichteten Buchstaben des täglichen Gebrauchs geworden sind. Die Phönizier entwickelten um 1000 v. Chr. ein Alphabet, in dem sie im Gegensatz zu den Babyloniern für jeden Konsonanten ein feststehendes, versetzbares Zeichen setzten. Die Griechen übernahmen diese Idee und fügten Zeichen für die Vokale hinzu. Die Bezeichnung Alphabet ist griechisch, aber im Hebräischen beginnt das Alphabet mit »aleph« und »beth«, so daß deutliche Zusammenhänge bestehen. Die römischen Schriftformen gehen teilweise auf die griechischen zurück, bilden aber eine eigene Schriftform, die erst in Europa, jetzt auf fast der ganzen Welt Gültigkeit besitzt. Die kyrillischen Zeichen der russischen Schrift dagegen sind allein griechischen Ursprungs. Merkwürdig aber ist, daß die Römer, Verwaltungsleute, Soldaten und Rationalisten hoher Intelligenz, ein völlig irrationales Zahlensystem hatten, das auch völlig unter94
gegangen ist und das w i r nur noch auf antikisierenden Bauwerken des Klassizismus wiederfinden. Die Griechen waren die Wissenschaftler der Antike, und sie vererbten ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse nicht dem römisch-christlichen Abendland, sondern dem Orient, den Arabern. Ärzte, A s t r o n o m e n und Naturwissenschaftler des Mittelalters waren arabische Wissenschaftler. Ihr System, jede beliebige Zahl durch zehn Ziffern auszudrücken, gelangte erst im hohen Mittelalter nach Europa, w o die römischen Buchstaben bereits einige A b w a n d l u n g e n hinter sich hatten. So k o m m t es, daß Buchstaben und Zahlen formal und ästhetisch nur schwer zusammenpassen wollen. Nur haben w i r uns längst so daran gewöhnt, daß wir es gar nicht mehr merken. Für den Gestalter aber bleibt ζ. B. eine Komposition aus Buchstabe + Zahl (T2, R6) noch i m m e r ein Formproblem. Gemeißelte Schrift: Kapitalis. Merkmale : Die Römer verwendeten diese Großbuchstabenschrift, die nach etruskisch-griechischem Vorbild aus Balken bestand, zum überwiegenden Teil aus Senkrechten, sekundär aus Rundungen und erst tertiär aus Waagerechten. Jeder Versalbuchstabe ist von einem geometrisch/quadratischen Grundriß abgeleitet, steht mit den anderen auf einer Linie und weist dickere und dünnere Balken auf mit Verstärkungen an den Enden, den sog. Serifen (Abb. 17a). Wirkung : Ihrem Ursprung nach ist die Kapitalis eine Meißelschrift, auch w e n n sie mit d e m Pinsel vorgezeichnet wurde. Sie hat bis heute ihren gewichtigen, schwer lesbaren Charakter beibehalten. Man m u ß sie einzeln buchstabieren und kann sie nicht flüssig lesen. Die Information m u ß daher kurz sein. Sie bleibt aber w e g e n der nötigen Prägnanz der Formulierung und w e g e n des mühseligen Buchstabierens besser i m Gedächtnis haften. Gesetzmäßigkeit: Aus der Kapitalis können w i r Gesetzmäßigkeiten ableiten, die sinngemäß für alle Schriften überhaupt gelten. Entscheidend sind a)die Form des Buchstabens an sich, b) die negative Form, also diejenige Flächenform, die entsteht, wenn man den eigentlichen Buchstaben auf dem Untergrund anbringt. Die negative Form bes t i m m t und entscheidet die positive, ihre Proportion und die der Innenräume, und somit ihre Bedeutung: Die Form w i r d erst dann zum Buchstaben bestimmter Bedeutung, w e n n die positive u n d die negative Form eine begreifbare und zugleich eine ästhetische Einheit bilden. c) das Ende der jeweiligen Form, bei der Kapitalis die Serifen, betont die Innenräume und ihre Zugehörigkeit zum Buchstaben, unterstreicht so die Merkbarkeit des Buchstabens, betont die Schriftlinie und verhindert das optische Ineinandergleiten zweier Buchstabenformen. Grundsätzlich bilden Form, Formnegativ und Formbegrenzung eine untrennbare Einheit·. Eine wichtige Parallele zu Zeichnung und Graphik. Geschriebene Schrift. Schon den Römern bereitete ihre Kapitalis beim Schreiben Schwierigkeiten. Beim Schreiben von Texten, übrigens in Rollenform, und d e m Schreiben v o n Nachrichten auf Wachstäfelchen fanden Verschleifungen und Anpassungen an die Hand statt, die die Rohrfeder, den Pinsel oder den Griffel führte. Man nennt die Schriften Rustika, Quadrata und römische Kursive. 95
FVNYS'HAEDVOKVM C '¡ VIT A S-FFH EIV ETDEC Βί ι VERVNTP ETCÌ V I T A S ' H E i V ET )VA PACATI I W Q V A P V B l IÍ 1 STATVAS'DECR.EV1T % * 1 VC: î V L l· (J A M I I I If· ί : E SI U ί A
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Ν t i r o e RCl O V p C R Ü R D I N C O ) b A ß U C R i v l fi otcfolii^uìi» ufi» cuccowfoefuwT Jhumaepftxc dica/pomf b) Abb. 17
Erst das aufkommende Christentum drängt auf breite Kommunikation und die Verbreitung neuer Textinhalte. Die gravitätischen, rechtwinkligen Versalien der KapitaIis werden zu runden Versalformen. Unziale - Halbunziale. Merkmale: Die möglichst in einem Zuge geschriebene Form hat zwangsläufig handgemäße Abschleifungen zur Folge. Die Unziale entsteht etwa um 400 n. Chr. Die Buchstaben werden rund geschrieben. Aber noch bleibt der ornamentale Charakter der Großbuchstabenschrift erhalten. Die Halbunziale entsteht etwa um 500 n. Chr. Sie weist mit ihrer Gliederung in Ober-, Mittel- und Unterlängen alle Merkmale einer Kleinbuchstabenschrift auf. Damit wird der bandhaft-ornamentale Charakter des Schriftbildes aufgegeben. Die Individualisierung des einzelnen Buchstabens beginnt (Abb. 17 b). Wirkung : In beiden Alphabeten ist die frühchristliche Literatur der ausgehenden Antike überliefert. Die Unziale als Auszeichnungsschrift bleibt das ganze frühe Mittelalter über in den Klöstern lebendig. Beide Alphabete entsprechen für uns ihrem kirchlichen Inhalt und vermitteln einen feierlichen Eindruck. Heute werden sie als unmodern empfunden, eben weil es keine Texte mehr gibt, denen sie Form verleihen könnten. So sind sie trotz ihrer Formvollendung aus unserem Empfindungsbereich und dem täglichen Arbeitsfeld verschwunden. Beide Alphabete aber enthalten Formelelemente, die fortgewirkt haben und in Abwandlungen noch lebendig sind. cirrrcrx NJUII-
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Abb. 18 Karolingische Minuskel. Karl der Große benötigte für die Verwaltung seines Reiches mit unterschiedlichen Volksstämmen in seinen Kanzleien eine Schrift, die über die nationalen Grenzen hinweg überall lesbar war und die separaten nationalen Schriftformen ersetzen sollte. Er befahl daher - ziemlich einmalig in der Geschichte - die Schaffung eines amtlichen, einheitlichen Alphabets. Wir bezeichnen es als Karolingische Minuskel, entstanden um 800 n. Chr. (Abb. 18). Wirkung und Auswirkung ·. Diese Kleinbuchstabenschrift - zur Auszeichnung wurden die Versalien der Kapitalis und der Unziale verwendet - stellt eine der ersten wirklichen Kulturleistungen der germanischen Völker dar, die das kulturelle Erbe des Römischen Reiches angetreten hatten. Die karolingische Minuskel bildet mit geringen Abwandlungen die Grundlage für unsere heute gebräuchlichen (Satz)Schriften. Sie wurde in den Kanzleien und Klöstern jahrhundertelang benutzt. Die gebrochenen Schriften Textur. In Frankreich und Deutschland verengen sich in der Folge die breitlaufenden Buchstaben zu hohen und schmalen Formen ähnlich wie in der Architektur. Die Schriftseite erhält dadurch einen »gewebten« Charakter. Daher bezeichnet man 97
diese Schrift als Textur. Im 13. Jahrhundert w e r d e n die geraden Balken m i t den runden Elementen der karolingischen Minuskel kombiniert. Die Weiterentwicklung dieser als Rundgotisch benannten Schrift ist die Schwabacher des 15. Jahrhunderts. In den Blockbüchern in Holz geschnitten, in den Kanzleien als Kanzleischrift und in den Kaufmannskontoren als Kurrentschrift geschrieben, entwickelte sich die Textur über Rundgotisch und Schwabacher durch Ausbildung der gebrochenen und geschwungenen Formen zur Fraktur (gebrochen lat. = fractus, Abb. 19 und 20). Von den Italienern aber w u r d e n diese Schriften m i t der Sammelbezeichnung f ü r alles, was nördlich der Alpen entstand und als barbarisch e m p f u n d e n w u r d e , g o t i s c h genannt. Dafür bekam ihre Schrift, die beibehaltene karolingische Minuskel und die italienische Rundgotisch, i m Norden die Bezeichnung lateinisch. Sie w a r d i e Kanzleischrift der römischen Kirche. Beide irrtümlichen Bezeichnungen leben noch heute munter fort. Unsere Schulkinder lernten »lateinisch« und »deutsch« schreiben und lesen. Deutsch bedeutet dabei die i m 19. und 20. Jahrhundert erfolgten Verkümmerungen der gebrochenen Schrift, lateinisch die ebensolchen Verkümmerungen der humanistischen Minuskel (s. u.). Das Auge und die Empfindsamkeit für Form sind s t u m p f geworden.
rranfirc m c r c a m r m W c c m m d a trcpcrcgrma Abb. 19
Wirkung der gebrochenen Schriften. Fraktur ist heute die nicht exakte, aber gebräuchliche Sammelbezeichnung für die Stilart der gebrochenen Schriften, der Textur, der Rundgotisch, der Schwabacher, der Fraktur und der späteren Fraktur-Handschriften. Wir kennen über 2000 verschiedene Frakturformen allein aus der Zeit u m 1500. Bis in die heutige Zeit hinein sind sie i m m e r wieder v o n bedeutenden Schriftkünstlern umgestaltet w o r d e n . Trotz ihres Formenreichtums wirken die Frakturschriften schwer leserlich und altmodisch. Aber verwenden kann der Gestalter eine Fraktur heute dann, w e n n konservative, verläßliche Qualität und eine lange Tradition visualisiert werden soll. Wir finden die Fraktur als Titelschrift von Zeitungen, ζ. B. beim Merkur, bei Etiketten alteingesessener Brauereien, die nach den alten Reinheitsgesetzen ihr Produkt herstellen, auch bei Weinetiketten, vereinzelt auch zur Hervorhebung bei Textilwerbung für M ä n n e r (Abb. 20). 98
Textur
BBíDCFGñ^cmnopg
Schwabacher
Fraktur
in heutiger Satzschrift
abeti abcb niub
Abb. 20
Die Antiqua und die gebrochene Schrift. In der Renaissance und im Humanismus setzte unter den Gelehrten der verschiedenen Nationen ein reger wissenschaftlicher Verkehr ein. Die Gelehrtensprache wie auch die Diplomatensprache war und blieb Latein. Was lag also näher als dieses Latein auch lateinisch zu schreiben? Man hatte ja die antiken Autoren wiederentdeckt. Aber die gelehrten Humanisten irrten. Die Abschriften, die sie vor Augen hatten, waren längst in den fränkischen Klöstern der Karolingerzeit in der Minuskelschrift kopiert worden. In dem Glauben, mit dem antiken Text auch die Schrift der Antike vor sich zu haben, nannten sie die Humanisten Httera antiqua im Gegensatz zur littera moderna, eben den gebrochenen Schriftformen der Schwabacher und der Fraktur, und formten sie zur humanistischen Minuskel. In der Bezeichnung der Schriftschnitte nennen wir sie Renaissance-Antiqua (Abb. 22a und b). Um 1450 waren beide Schriftformen, die gebrochene Schrift wie die humanistische Minuskel, nebeneinander in Gebrauch und bildeten die Grundformen für die aus Metall gegossene Letter. Neben die individuell handgeschriebene Schrifttritt durch die Erfindung Gutenbergs d\eformfertige Schrift. Die ersten zu Lettern gegossenen Antiqua-Alphabete entstanden um 1460-1470 in Venedig —die Venetianische Antiqua - und in Straßburg. Aber die Umsetzung der handgeschriebenen Schrift in druckfertige Lettern prägt noch nicht ihre Form. Die gesetzten Zeilen halten nur bedingt »Linie« und behalten die leichten Unregelmäßigkeiten der Handschrift bei (Abb. 21 ). Die geschriebene Schrift bestimmt weiterhin das Satzbild. Beide Alphabete, die Fraktur und die Antiqua, geschrieben und zur Letter gegossen, bestehen bis in die Neuzeit nebeneinander. 99
Gesetzt wie geschrieben
ampta fttffptft Druck aus dem 15. Jh.
Rituale, Anfang 15. Jh.
Abb, 21
Renaissance-Antiqua. Merkmale nach der Garamond-Schrift: Ihr Formcharakter ist nach wie vor »geschrieben«. Man spürt die ursprüngliche Benutzung der schräggehaltenen Schreibfeder. Die Schrift weist schräge Anstriche auf und schräge Achsen bei den Rundungen, hat aber waagrechte Serifen auf der Schriftlinie. Als Großbuchstaben werden die Versalien der Kapitalis übernommen, zwar in der Grundform unverändert, aber mit geschriebenem Charakter. Diejenigen Kleinbuchstaben, die die Form der Versalien beibehalten - u,v,w,x,y,z - behalten auch die waagrechten Anstriche bei. Bei einigen Alphabeten weist deshalb logischerweise auch das kleine o die senkrechte Achse des großen O auf (Abb. 22 b). Die Renaissance-Antiqua ist also formal nicht völlig durchrationalisiert. Die Spuren jahrhundertelanger Entwicklung sind weiterhin lebendig. Trotzdem oder gerade deshalb läßt sie sich leicht und flüssig lesen, und das Auge ermüdet nicht. Erst Abweichungen von der totalen Gleichmäßigkeit bringen Leben und optimale Erfaßbarkeit. Wohl deshalb haben viele, auch moderne Versuche, den handgeschriebenen Charakter zur alleinigen Gestaltungsgrundlage zu machen, nicht den an sich verdienten Erfolg gebracht. Wirkung: Die Renaissance-Antiqua ist aus dem heutigen Satzschriftangebot nicht mehr fortzudenken. Die alte Setzerbezeichnung Mediäval, die die »Mittelalterliche« bedeutet, ist heute durch die allgemeine Bezeichnung serifennormal ersetzt. Die Schrift hat ihren literarischen Charakter beibehalten und findet daher weiteste Verwendung überall dort, w o das literarische Erscheinungsbild erwünscht ist. Ihre verbreitetste Type ist die Garamond. Als eigentliche Schreibschrift mit kursivem Charakter, mit zierlichen flüssigen Kleinbuchstaben und geschwungenen Großbuchstaben, Ist als richtungsweisend die Cancelleresca in Italien um 1570 zu nennen. Barocke Kanzlei- und Kurrentschriften, aus der Fraktur weiterentwickelt, und die Bastarda, eine Mischung aus Fraktur- und Antiqua-Elementen, können hier wegen ihrer nur historischen Bedeutung übergangen werden, so sehr man auch die Sicherheit und das Können der barocken Schreibmeister bewundern mag. Die Barock-Antiqua löst sich bereits von dem handgeschriebenen Charakter der Renaissance-Antiqua. Mit ihren geringfügigen Veränderungen bildet sie die Mitte zwischen individueller Zufälligkeit und formaler Rationalisierung. Das bedeutet im Handwerklichen: Sie bildet die Mitte zwischen der geschriebenen und der in Kupfer gestochenen Schrift (Abb. 23c). Die Barock-Antiqua findet heute weiteste Verwendung unter den Bezeichnungen u. a. Baskerville und Times. 100
ÇBte bet StamtltcÇe
Zmbmt m mm ítonfcmcmcpgncnMctburdjmcMmtinauifrúr
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ßert/Μφjtn e t U < t > g e f e b o p ò u r d j b e n V t c i b e l ^ a r t b a i m l i d ) g e l e g t . S D d r d n er fìcfc »erlebt f o l t fyabtn. S>em er aber buret) (Sottee yülffv g e t r e w w a r m i n g erttgteng.
a) Aus dem »Teuerdank« 1517. Littera moderna
b) Littera antiqua
ABCDEFGHIJK LMNOPQRSTU 1234567890abcde fghijklmnopqrstuv
Abb. 22
Den endgültigen Schritt im Schriftschaffen, Schrifttypen als ein rationales Formproblem zu sehen, bringt erst die Epoche des Rationalismus, die Zeit v o r und um die Französische Revolution. Die letzten Unregelmäßigkeiten des Schreibduktus werden ausgeschieden, jeder Buchstabe w i r d geometrisch konstruiert, die Form w i r d »vernünftig«. Dieser Denkungsart k o m m t die Realisierung durch die Technik des Kupferstichs am nächsten, so daß w i r von gestochener Schrift sprechen. Die klassizistische Antiqua zeigt streng geometrische, architektonisch rationalisierte Formen. Sie entspricht d e m Dogma der Zeit, daß geometrische Formen auch architektonische Formen sind, und findet damit eine Parallele ζ. B. in den utopischen, monumentalen Architekturentwürfen v o n Ledoux. Ihre Anfänge gehen auf einen Befehl Ludwigs XIV. zurück, der 1692 für die königliche Druckerei eine neue Schrift schneiden ließ. Sie w u r d e daher a\s Romain du roi bezeichnet. Die späteren Schnitte D i d o t s - e r führte auch das Punktsystem ein — entstehen in der Blütezeit der französischen Schriftkunst. 101
Beschreibung: Die klassizistische Antiqua arbeitet mit haarfeinen Linien und kräftigen Balken. Die sehr feinen Serifen weisen nur dort minimale Abrundungen auf, wo zwei feine Linien aneinanderstoßen. Alle Achsen stehen senkrecht, die Rundungen bilden Ellipsen. Die Formen stehen unter dem handwerklichen Einfluß des Kupferstichs. Die Schrift wird heute serifenfein benannt. Ihre Bezeichnungen sind Didot, Bodoni und Walbaum, die Namen ihrer Schöpfer in Frankreich, Italien und Deutschland (Abb. 23a). Englische Schreibschrift. Beschreibung·. Etwa gleichzeitig entsteht als Schreibschrift die sog. Englische Schreibschrift. Zwar führt sie die Bezeichnung Schreibschrift, aber wirklich geschrieben sein kann sie wohl kaum. Denn konkave und konvexe Formen, sogar parallele Linien sind nicht gleich stark, wie es bei einer mit der Feder geschriebenen Form sein müßte, sondern sie sind einmal kräftig, einmal haarfein. Ihrem Duktus nach ist sie eine typische Kupferstecherschrift. Sie geht mit der klassizistischen Antiqua eine ideale Verbindung ein: Auch sie ist konstruiert ohne handschriftlichen Duktus, auch sie arbeitet mit haarfeinen und kräftigen Linien. Eine ihrer heutigen gebräuchlichsten Bezeichnungen neben der BernhardSchönschrift ist Lithographie (Abb. 23 b). Die englischen Stiche und Goyas Aquatinta-Radierungsfolgen weisen die Englische Schreibschrift oft mit Verzierungen auf. Sie ist die ideale Beschriftung für Kupfertiefdrucke überhaupt. So wurde sie zusammen mit den englischen Stichen, die einen begehrten Exportartikel darstellten, weit verbreitet und galt etwa bis zum Ersten Weltkrieg in Schulen und Kontoren als Schönschreibvorlage. Daher kommt die Bezeichnung »eine Handschrift wie gestochen«. Wirkung·. Sowohl die Englische Schreibschrift als auch die klassizistische Antiqua besitzen bei aller Eleganz auch einen architektonisch-kühlen, verstandesmäßigen Charakter. Der starke Unterschied zwischen haarfeinen und kräftigen linearen Formen sowie der geometrische Grundriß der Buchstabenformen läßt sie getragen, elegant-feierlich und etwas pathetisch erscheinen. Ein Flimmereffekt läßt das Auge beim Lesen bald ermüden, sofern nicht sehr viel weißer Raum in das Gesamtsatzbild miteinbezogen wird. Der Gestalter kann sie dort anwenden, w o die Information kurz und der elegant-feierliche Charakter erwünscht ist. Mit der klassizistischen Antiqua war man v o m Schreibduktus als Gestaltungselement abgegangen, hatte geometrische Grundrisse konstruiert und auch die bis dahin verbindlichen Proportionen, die die schräggehaltene Schreibfeder vorschrieb, in Frage gestellt. Man arbeitete konstruktiv-abstrakt mit dicken Balken und haarfeinen Linien, und man ging noch einige Schritte weiter. Nun kann man, ohne die Grundstruktur der Lettern zu verändern, dünn, dick, fett und ganz fett arbeiten. Man kristallisiert aus der Antiqua ihren geometrisch-funktionellen Grundriß heraus, indem man sie mit gleichstarken Balken versieht. Die Serifen läßt man entweder weg oder verstärkt sie. So entstehen bereits um 1815 serifenlose und serifenverstärkte Schriftschnitte in mehreren Stärken und von robuster Form. Diese Entwicklung war besonders in Frankreich und England zu beobachten, wenn sie auch nur zögernd vor sich ging, und sie griff auf Amerika über. Diese Schriften wurden zur Grundlage für die sachlichen Schrifttypen erst in unserer Zeit. 102
ABCDEFGHIJK LMNOPQRSTU VWXYZ 123456 7890 abcdefghijk lmnopqrstuvwxy
c)
Renaissance-Antiqua
Barock-Antiqua
Klassizistische Antiqua
ABCDEF abcdefghi
ABCDEF abcdefgh
ABCDEF abcdefghi
Baskerville
Bodoni
Garamond
Gegenüberstellung Abb. 23
103
Abb. 24
Schauen wir noch auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Besonders diese Zeitistauf romantische Weise nationalbewußt. Daher dominieren die auf das deutsche Mittelalter verweisenden Schriftformen der Fraktur und der deutschen Kanzleischrift. Das romantische Gefühl steht der konstruktiven Denkungsart entgegen. Es gibt aus dieser Zeit verzierte Schmuckbuchstaben als Initialen, die aus Blumen und Bäumen entwickelt wurden. Der Buchstabe wird zum Anlaß für Formvorstellungen, die mit seiner sachlich-informierenden Aufgabe nichts mehr zu tun haben. Die Skelettform des Buchstabens wird gefühlsmäßig ausgestattet. Das Dekor wird zum Selbstzweck und beeinträchtigt vom Inhalt her die Mitteilung (Abb. 24). Im Jugendstil bahnt sich bereits der Umbruch zur Denkungsart des 20. Jahrhunderts an. Zwei gegensätzliche Auffassungen entwickeln sich nebeneinander. Die eine Auffassung basiert noch auf dem hochromantischen Gefühl. Die andere stellt ein tektonisch-funktionsgerechtes Denken in den Vordergrund, das seine Aufgabe in den neuen Möglichkeiten industrieller und maschineller Herstellungsweisen findet. Das zeigt sich deutlich auf dem Gebiet der Architektur. Neben den letzten Repräsentanten einer retroperspektivisch-romantischen Gefühlswelt arbeiten Architekten wie Peter Behrens an Fabrik- und Bahnhofentwürfen auf der Grundlage praktisch rentabler Verwendbarkeit. Bei der Gestaltung von Gebrauchsgegenständen treffen funktionsgerechtes Denken und Schmuckbedürfnis aufeinander. Ähnlich ist es auch im Schriftschaffen. Der Jugendstil formt die Frakturformen zu betont ornamentaler, aber auch sentimentaler Wirkung um. Diese findet durchaus noch heute ihre Liebhaber, wenn nostalgischer Kalkül den Inhalt einer Information bestimmt (Abb. 25). Die Fraktur beherrscht besonders auf literarischem Gebiet die zwanziger Jahre und wird im Dritten Reich zur bevorzugten Schrift, um dem »deutschen Wesen« sichtbaren Ausdruck zu verleihen. 1942 wurde aber die Antiqua zur deutschen Normalschrift erhoben, um dem Ausland den »Zugang zu den Gütern deutschen Geistes« zu erleichtern.
Bwqstma Bwqsfmci a)
b)
Schriften des Jugendstils a) Windsor b) Eckmann c) Ringlet
Abb. 25
Der Jugendstil bildet den letzten Akzent im individuellen Schriftschaffen. Geschriebene Schrift erscheint noch einmal als spätromantisches Ideal und als künstlerisches Ausdrucksmittel Anfang des 20. Jahrhunderts, aber sie ist die letzte Blüte der 105
Kalligraphie. Die vom Duktus des Schreibens bestimmten Schriftformen verlieren ihre Allgemeingültigkeit, da ihr der Boden der Verbindlichkeit langsam entzogen wird. Die modernen Gebrauchsschriften. Das funktionsgerechte Denken, die andere Denkungsart des Jugendstils, und das Informationsbedürfnis der wachsenden Industriegesellschaft verlangten unbedingte Lesbarkeit von einer schriftlichen Information. Die manuelle Herstellungsweise wurde in allen Industriezweigen durch die Maschine ersetzt. U m 1880 trat die Setzmaschine mit ihrer höheren Setzgeschwin-
Serifenbetonte Linear-Antiqua
Italienne
a) Clarendon b) City
d) B a r n u m e ) Playbill
B w q s t m a "Bwqstma Bwqstma Bwqstma Bwqstma Bwqstma
Bwqstma Bwqstm Abb. 2 6
106
digkeit neben den Handsatz. Überhaupt meldeten die chemigraphische Druckformherstellung und der maschinelle Druck mit hohen Auflagen ihre Bedingungen an. Industrielle Herstellungsweise, fortschreitende Wissenschaft, Erfindungen, kurz die sachliche Denkungsart bestimmte die gesamte Kommunikation und damit auch das Schriftschaffen. Neue Schriften wurden daher von vornherein als Gebrauchsschriften in vielen Größen und verschiedenen Stärken unter den Bedingungen, die die Setzmaschine stellt, entworfen und bereits vorhandene danach neu konzipiert. Schriftkünstler von hohem Rang fanden hierein reiches Betätigungsfeld und arbeiteten eng mit den Schriftgießereien zusammen. Unter diesen Umständen konnten sich erst die schon am Anfang des 19. Jahrhunderts entworfenen Schriftformen durchsetzen. Die serifenbetonte Linear-Antiqua, Merkmale: Ihre Buchstaben weisen fast gleichmäßig dicke Striche auf. Die Serifen sind betont und von balkenähnlicher Form. Sie entsprechen dem dünneren der beiden Grundstriche. Die frühere Gruppen bezeichnung war Egyptienne, heute trägt ein serifenbetontes Alpabet diesen Namen. Andere heutige Satzschriftbezeichnungen sind u. a. Clarendon, City, Volta (Abb. 26). Durch eine weitere Steigerung der Serifen zu Blöcken ober- und unterhalb des Buchstabens entsteht die Italienne (Abb. 26). Wirkung: Die serifenbetonte Linear-Antiqua wirkt sachlich und anspruchsvoll zugleich. Sie ist mehr für kurze Informationen geeignet als zum längeren Lesen gedacht.
Futura
1234567890
Abb. 27a
107
Die serifenlose Linear-Antiqua, Merkmale: Ihre Buchstaben weisen fast gleichmäßig dicke Striche auf. Die Serifen fehlen. Manche Schnitte haben eine durchgehend verbindliche Strichstärke. Ihre alte Bezeichnung ist in Deutschland Grotesk, in England Gothic, svw. »roh«, »nicht klassisch«, in Frankreich sans sérife. Als typisch für die konstruktiven Bestrebungen der Neuen Sachlichkeit kann die Futura gelten. Ober- und Mittellängen sind fast gleich, alle Rundungen sind Kreise oder Kreisbögen. Sie ist eine nach geometrischen Gesichtspunkten kühl durchrationalisierte Schrift (Abb. 27a).
Helvetica
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklmnopqrstuvwxyzß 1234567890 Akzidenz
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklmnopqrstuvwxyzß 1234567890 A b b . 27 b
In den fünfziger Jahren wird in der Schweiz eine Reihe von serifenlosen Linear-Antiqua-Schriften als typographische Parallele zu der richtungweisenden Graphik geschaffen, d\e Helvetica, di eFolio und die Akzidenz. Die letztere geht auf einen älteren Schnitt um 1900 zurück und wird der Helvetica angepaßt. Dabei geht man leicht v o n dem System der gleichen Balkenstärke ab. Man verjüngt die runden Formen nach oben und unten, Kreise werden zu Ellipsen. Nicht die Konstruktion, sondern die optische Ausgeglichenheit bestimmt den Aufbau der Schrift und macht sie ästhetisch einwandfrei und zugleich hervorragend lesbar (Abb. 27 b). Das Alphabet wird immer in mehreren Stärken konzipiert in normal, schmal und breit, als leicht oder normal, als mager, halbfett, eventuell dreivierte/fett, fett, auch extra fett. Je fetter der Schnitt einer Linear-Antiqua wird, desto stärker ist die Abweichung v o m System der Gleichbalkigkeit. Das Auge entscheidet über die Ausgeglichenheit der Proportionen, nicht die Konstruktion. Wirkung·. Die Linear-Antiqua wirkt sachlich-nüchtern, informativ und überzeugend. Über Schreibschriften als Satzschrift siehe »Auszeichnung«. 108
Die Satztechniken Das Grundmaterial im Bleisatz ist eine Legierung aus Blei, Antimon und Zinn. Von der körperhaften Form des Buchstabenbildes kann unmittelbar gedruckt werden (Abb. 28a). Wir unterscheiden den Bleisatz in Handsatz und Maschinensatz. Der Handsetzer arbeitet mit vorgefertigten gegossenen Typen, auf deren oberer Fläche das Buchstabenbild steht und die Druckfläche bildet. Der Maschinensetzer dagegen arbeitet mit den Negativformen des Buchstabenbildes, den sog. Matrizen. Die Maschine gießt die Matrize aus und fertigt dadurch die Typen an.
Kegolgroße in Punkt
β !· wM 'Vi · Â Ip tSf--
Ab g
1 Kegelgröße in Punkt
Abb. 28
Handsatz: Der Handsetzer nimmt die auf Vorrat gegossenen, spiegelverkehrt geschnittenen Lettern aus dem Setzkasten und setzt sie im Winkelhaken zu Zeilen zusammen. Buchstaben- und Wortabstände (Ausschluß) sowie Zeilenabstände (Durchschuß) werden aus niedrigerem und deshalb nicht mitdruckendem Material mitgesetzt, ebenso das Material, das zum Zusammenstellen des Satzes zu einer Seite (Umbruch) verwendet wird. Alle Buchstaben stehen auf einer Linie, der Schriftlinie (Abb. 28b). Vorteil des Handsatzes ·. Der Handsatz ist die älteste Satztechnik. Seine ästhetische Schönheit bleibt unübertroffen. Jede Schriftform und jede Schriftgröße ist nach dem Gesichtspunkt der optischen Lesbarkeit und der ästhetischen Schönheit geschnitten. Die kleineren Schriftgrade sind etwas weiter geschnitten als die größeren Schriftgrade. Seit der Venezianer Nicolas Jenson um 1470 seine Antiqua schnitt, haben alle folgenden Schriftschnitte ein Vorbild in der Proportionierung bei Großund Kleinbuchstaben gehabt: das Verhältnis des Buchstabens zu seinem lichten Innenraum (Punze) und zum Wortabstand. Danach entspricht der Wortabstand dem lichten Innenraum des gemeinen »n«, im Normalfall 1/s der Kegelgröße. Während und nach dem Setzvorgang kann jederzeit geändert, ausprobiert oder korrigiert 109
w e r d e n . Der Handsetzer s i e h t seine A r b e i t s t ä n d i g v o r sich, u n d er kann seine Lettern s p i e g e l v e r k e h r t lesen. A l l e Satzarten s i n d m ö g l i c h . Die Stärke des Handsatzes ist die a u s g e f e i l t e G e s t a l t u n g (Feinsatz). Der A n d r u c k e r f o l g t a u f Baryt-Papier. Seine Nachteile sind 1. d i e h o h e n I n v e s t i t i o n s k o s t e n . Viele S c h r i f t e n b e n ö t i g e n G r ö ß e n v o n 6 bis 36 Punkt (p), u n d das in d e n Stärken leicht, m a g e r , halbfett, e v e n tuell d r e i v i e r t e l f e t t , fett, e x t r a f e t t , und das i n g e r a d e u n d kursiv, bei e i n i g e n s e r i f e n losen L i n e a r - A n t i q u a s c h r i f t e n n o c h in n o r m a l , s c h m a l u n d breit. Das kann b e d e u ten, d a ß ü b e r 400 Setzkästen f ü r eine voll ausgestattete S c h r i f t b e n ö t i g t w e r d e n . 2. Die S e t z g e s c h w i n d i g k e i t liegt zwischen 500 u n d 1400 B u c h s t a b e n in der S t u n d e . Darin s i n d n i c h t d i e s e l b e n H a n d b e w e g u n g e n f ü r das n i c h t d r u c k e n d e B l i n d m a t e r i a l e n t h a l t e n . G r o ß e S a t z m e n g e n s i n d also n i c h t rationell. 3. Ein Drittel d e r Z e i t , d i e z u m e i g e n t l i c h e n Setzen b e n ö t i g t w i r d , m u ß z u m A b l e g e n d e r Lettern in den Setzkasten a u f g e b r a c h t w e r d e n , w e n n d e r Satz n i c h t m e h r b e n ö t i g t w i r d . 4. A b e t w a 4 0 0 0 0 D r u c k v o r g ä n g e n v o n d e n Lettern b e g i n n e n diese sich abzunutzen.
mager
mager kursiv
normal
normal kursiv
halbfett
halbfett kursiv
fett
fett kursiv
breit normal
breit halbfett 110
Univers 45
Univers 46
Univers 55
Univers 56
Univers 65 Univers 66 Univers 75 Univers 76 Univers 5 3 Un i vers 6 3
Maschinensatz. Wir unterscheiden zwei grundsätzliche Arten von Setzmaschinen, die Monotype und die Linotype. Beide arbeiten mit Matrizen, d. h. der negativen Form des Buchstabens, und gießen die Form zum druckfertigen Buchstaben aus. Beide Bezeichnungen kennzeichnen den technischen Unterschied: Die Monotype fügt Einzelbuchstaben aneinander, die in der einzelnen Letter auswechselbar sind. Die Linotype arbeitet mit ganzen Zeilen in einem Stück. Bei Änderungen muß die ganze Zeile neu gesetzt werden. Monotype. Jeder Schriftschnitt ist wie beim Handsatz nach optischen Regeln einzeln ausgeglichen. Die Maschine arbeitet mit dem Lochstreifensystem. Der Lochstreifen dient als Kommandostreifen für das Gießaggregat. Eine ausgeschlossene, aus Einzellettern bestehende Zeile ist das Ergebnis. Der Zeilensatz kann mit Handsatz gemischt, eventuell per Hand korrigiert, ausgeglichen und neu umbrochen - kurz, variiert werden.
breit fett
breit doppelfett
Uni vers 73 Uni vers 83
schmal mager
schmal mager kursiv
schmal normal
57
schmal normal kursiv
schmal halbfett
schmal halbfett kursiv
eng normal
eng halbfett
Univers 67
Univers 68 Univers 49
Univers 59
111
Alle qualitativen Vorteile des Handsatzes bleiben bestehen, alle denkbaren Satzarten sind möglich. Die Satzgeschwindigkeit liegt je nach Schwierigkeit bei 4000-7000 Buchstaben in der Stunde. Das lästige Ablegen der Lettern nach erfolgtem Druck fällt weg, da der Satz wieder eingeschmolzen und das Material zu neuen Gießvorgängen benutzt werden kann. Hauptsächliche Anwendungsgebiete sind anspruchsvoller Fließsatz ab etwa 5000 Buchstaben Umfang, Formel- und Tabellensatz und alle Arbeiten, bei denen Änderungen zu erwarten sind. Beim Druck auf besonders rauhem Papier oder Karton, bei dem für die Handsatzletter die Gefahr des Abnützens besteht, wird die Monotype verwendet. Zum Hand- wie zum Monotype-Satz gehören mehr als nur Buchstaben, Interpunktion, Zahlen und nichtdruckendes Material. Linien, Schmuckleisten und Zeichen gehören dazu. Schmuck und Einfassungen haben meist historischen Charakter und erscheinen daher antiquiert, weil sie die typographische Sachlichkeit beeinträchtigen. Linien unterstützen mit ihrer klaren Gliederung die Sachlichkeit der Information.
fein 1*
20 Punkt Azureelinien
stumpffein 1' fett 1· fein 2' stumpffein 2'
1 Punkt Englische Linien
halbfett 2' fett 2' punktiert 2' Perforierlinien 2* Wellenlinien 2' fett 3'
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Linotype. Eine Tastatur, ähnlich der Schreibmaschine, fügt Matrizen aus dem Magazin zu einer Zeile zusammen. Das Ausschließen auf die erforderliche Zeilenlänge erfolgt durch Betätigung eines Hebels. Dadurch wird zwischen jede Matrize ein Keil geschoben. Das Ausschließen erfolgt also nicht nach optischen, sondern nach technischen Grundsätzen. Da ein Magazin nur zwei Alphabete aufnimmt, ist eine Größe für den Fließsatz und nur die andere zur Auszeichnung möglich. Die gesetzte Zeile wird in einem Stück gegossen. Die Matrizen werden dann ins Magazin und im Magazin in ihr Kästchen zurücktransportiert, wo sie gleich wieder auf Tastendruck abgerufen werden können. Die Linotype wird nur bei großen Mengen im Fließsatz, bei Büchern und Zeitungen, eingesetzt. Die Qualität des Satzes steht hinter der des Hand- und Monotype-Satzes zurück. Aber bei täglichem Mengenbedarf ist höchste Qualität nicht unbedingt erforderlich.
ΞΕ
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ζ 00 -ί-
#
± J.
identisch gleich ähnlich angenähert, rund kleiner oder gleich größer oder gleich kleiner als größer als klein gegen groß gegen kleiner oder größer als größer oder kleiner als unendlich arithmetisches Verhältnis geometrisches Verhältnis Parallelogramm plus-minus rechtwinklig zu oder senkrecht auf entspricht
II /
ill o
.
0
ν =
—
+ *
φ χ
8
nähert sich parallel Minuten Sekunden Grad mal Durchmesser Wurzel gleich minus, weniger plus, und nicht gleich nicht identisch gleich mal geteilt durch punktierte Linie partielles Differential Wechselstrom
113
Bei großen Zeitungsverlagen stehen etwa 30 Linotype-Maschinen. Sie werden per Hand, aber auch durch Lochstreifen gesteuert. In der Nachtschicht werden oft mehrere Maschinen von einem Setzer beaufsichtigt, der die Lochstreifen einlegt und die Arbeitsgänge überwacht. Der Satz läuft automatisch.
Das Maßsystem Die Fläche des zu bedruckenden Papiers wird zwar nach herkömmlichen metrischen Maßen gemessen, die Buchstabenkörper der Satzschriften aber haben ihre eigenen typographischen Maße für Größe und Stärke. Da die Fachsprache der Schriftsetzer mit diesen Bezeichnungen gespickt ist, sollte sie der Gestalter besonders für Satzberechnung und Satzbestellung kennen. Die Größen: Die Größenbenennungen gehen von dem D/D07"-Punktsystem in der 12er Reihe aus. Ein typographischer Punkt beträgt 0,376 mm, also etwa 3 Punkt auf einen Millimeter. Dieses Maß trifft aber nur für Frankreich und Deutschland zu. England, Amerika und Rußland haben jedes eine andere Berechnung und ein geringfügig anderes Maß. Beim amerikanischen Maßsystem ist ein Pica gleich 12 points = 4,218 mm gegenüber ein Cicero = 12 Punkt = 4,5 mm. Welcher Teil der Letter ist denn nun in Punkt meßbar? Der Buchstabe selbst? Wenn ja, welcher? Die Anzahl der Punkte mißt den Schriftkörper, den Kegel der Letter, also das, was der Setzer zur Hand nimmt. Alle Lettern einer bestimmten Größe haben dieselbe Kegelgröße, gleichgültig, ob Kleinbuchstabe, Großbuchstabe oder Zahl oder Interpunktion. Aber gerade dieser Kegel tritt als meßbare Größe im Druck nicht in Erscheinung. Das Buchstabenbild selbst ist etwas kleiner. Und der gedruckte Abzug ist ja das Arbeitsmerial des Gestalters. Will man bei einem Abzug die Schrift- bzw. Kegelgröße wissen, so muß man von der Unterlänge zur Oberlänge messen und noch ein kleines Maß hinzugeben - den Konus des Buchstabens - , dann erhält man die Kegelgröße in Punkt (Abb. 28b). Zwischenmaße außerhalb der Punkt-Reihe sind im Bleisatz nicht möglich.
114
Typographische Punkte
Benennung
Achtelpetit Viertelpetit Brillant (Viertelcicero) Diamant (Halbpetit) Perl Nonpareille Kolonel oder M i g n o n Petit Borg is Garmond oder Korpus Cicero Mittel Tertia
Text
Doppelcicero
Doppelmittel
3 Cicero (4,5 usw. Cicero)
D a s Punktsystem nach Didot mit den B e n e n n u n g e n der Schriftgrößen nach ihrem Kegel
115
5 Punkt halbfette breite Grotesk mit 2 Punkt Abstand
w a h r e n d d l · E n t w i c k l u n g d e r S c h r i f t f o r m bis z u r Erflnd u n g d e s B u c h d r u c k s b e s t i m m t w u r d e d u r c h die k u n s t volle H a n d h a b u n g d e s S c h r e i b w e r k z e u g e s , d e r R o h r f e der, b r a c h t e e s die V e r w e n d u n g v o n a u s w e c h s e l b a r e n B u c h s t a b e n m i t sich, daB m a n s i c h m e h r d e r D u r c h b i l dung der einzelnen F o r m e n w i d m e n konnte. Durch die S e r l e n h e r s t e l l u n g Im Q u B w a r Ja e i n e Vielzahl gleichwertiger B u c h s t a b e n z u g e w i n n e n . D e r S c h r e l b k U n s t l e r w a r d u r c h d e n B u c h d r u c k e r v e r d r ü n g t w o r d e n u n d seine A u f g a b e beschrttnkte s i c h d a r a u f , n i c h t m e h r eine Q u a n tität a n G e s c h r i e b e n e m h e r v o r z u b r i n g e n , s o n d e r n d i e Qualltüt der F o r m z u steigern. E s w a r gleichgültig g e w o r -
6 Punkt halbfette breite Grotesk mit 2 Punkt Abstand
Während
die
Entwicklung
der
Schriftform
zurErflndung des Buchdrucks bestimmt d u r c h die kunstvolle H a n d h a b u n g d e s
Schreib-
werkzeuges, der Rohrfeder, brachte es die Verwendung
von
auswechselbaren
m i t s i c h , dal3 m a n s i c h m e h r d e r der e i n z e l n e n
Formen
die S e r i e n h e r s t e l l u n g zahl
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Der SchrelbkUnstler war
8 Punkt halbfette breite Grotesk mit 2 Punkt Abstand
Dis
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den
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W ä h r e n d die Entwicklung der Schriftf o r m bis z u der E r f i n d u n g des B u c h drucks b e s t i m m t w u r d e d u r c h die kunstvolle H a n d h a b u n g des Schreibwerkzeuges, der Rohrfeder, brachte es die V e r w e n d u n g v o n auswechselbaren B u c h s t a b e n mit sich, daß m a n sich m e h r der D u r c h b i l d u n g der ein-
Itaibiette W ä h r e n d die E n t w i c k l u n g der breite Grotesk Schriftform bis z u der E r f i n d u n g mit 2 Punkt
Abstand
,
des B u c h d r u c k s b e s t i m m t w u r de d u r c h die kunstvolle H a n d habung des Schreibwerkzeuges, der Rohrfeder, brachte es die Verwendung von auswechselba-
Während die Entwicklung der Schriftform bis zu der *f2%Gu°£sk Erfindung des Buchdrucks Abs,and bestimmt wurde durch den kunstvollen Gebrauch des Schreibwerkzeuges, brach-
Während die Schrift bis zur Erfindung des j ^ * Buchdrucks bestim ABCDEFQHIJKLM N O P Q R S T U VW X Y a
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ι
•
breite Grote:
ABCDEFGHIJ ~ KLMNOPQRS — " TUVWXYZAB breite Grote:
abcdefghijklmn
C O L U M B I A EL SYMPHONY mit 2 Punkt
abcdefghijkl
Die Stärken: Für die Stärke des Buchstabens fehlt uns - im Gegensatz zur Größe ein greifbares, berechenbares Maß. Lediglich die verbalen Begriffe leicht oder licht, mager, halbfett, fett bezeichnen die Stärke. Bei manchen linearen Antiqua-Schriften laufen noch die Bezeichnungen Buchschrift (zwischen leicht und mager), dreiviertelfett und extra fett. Diese Stärken sind nicht bei allen Schnitten dieselben, sondern weichen je nach dem Charakter der Schrift voneinander ab. Die einzelnen Schriftgrade behalten ihr charakteristisches Verhältnis zwischen Größe und Stärke bei. Größere Schriftgrade nehmen also auch an Stärke proportional zu. Größere Buchstaben sind also auch stärker, aber sie entsprechen den kleineren im Verhältnis Größe: Stärke genau. Ein »24p-Buchstabe leicht« kann dickersein alsein Buchstabe 8p halbfett. Trotzdem weist ihn seine Proportion als leicht aus. Nun verstehen wir auch, warum der Setzer keine exakten Metren angeben kann.
WährenddieEntwicklungderSchrift form bis zu der Erfindung des Buchdrucks bestimmt wurde durch die kunstvolle Handhabung desSchreib Werkzeuges, der Rohrfeder, brach-
Serifenlose Linear-Antiqua
12 Punkt magere Neuzeit mit 2 Punkt Abstand
Serifenbetonte Linear-Antiqua
12 Punkt magere Rockwell mit 2 Punkt Abstand
Während die Entwicklung der Schriftform bis zu der Erfindung des Buchdrucks bestimmt wurde durch die kunstvolle Handhabung des Schreibwerkzeuges, der Rohr-
Serifennormale Antiqua
12 Punkt magere Garamond mit 2 Punkt Abstand
Während die Entwicklung der Schriftform bis 2ur Erfindung des Buchdrucks bestimmt wurde durch die Handhabung des Schreibwerkzeuges, der Rohrfeder, brachte es die Verwendung von auswechselbaren Buch-
118
Lesbarkeit und Satzform Die Lesbarkeit einer Schrift wird entschieden von dem Verhältnis zwischen Schriftgröße, Schriftstärke und Schriftcharakter. Das ist die verantwortliche Arbeit des Entwerfers und des Schriftformschneiders. Der Setzer bestimmt und variiert die Lesbarkeit durch Buchstaben-, Wort- und Zeilenabstand. Jede Schrift hat von ihrem Charakter her eine ihr eigentümliche Lesbarkeit, die vom Verhältnis Ober- zu Mittel- zu Unterlänge bestimmt wird. Bei einer serifenlosen Linear-Antiqua sind diese Verhältnisse ziemlich angeglichen, während sie ζ. B. bei einer Schreibschrift weit auseinanderliegen. So erscheint eine 12 ρ Helvetica zum Lesen fast zu groß, die 12 p Lithographie aber noch zu klein. Die hier abgebildeten Schriften - serifenlose und serifenbetonte Linear-Antiqua, serifennormale und serifenfeine Antiqua und Lithographia - laufen unter der Bezeichnung »12 ρ mager«. Denn alle Typen stehen auf dem 12 p-Schriftkegel. Der optische Eindruck ist aber nicht derselbe, da die Schriftschnitte im Verhältnis Ober-, Mittel- und Unterlänge stark voneinander abweichen. Die Bezeichnung mager bezieht sich auf den stärksten Balken jedes Schriftschnittes. Sie ist lediglich eine Angabe für die Proportion zwischen Buchstabenhöhe und Buchstabenstärke, die in allen Punktgraden dieselbe ist. Sie stellt kein exakt nachmeßbares Metrum dar.
Während die Entwicklung der Schriftform bis zur Erfindung des Buchdrucks bestimmt wurde durch die kunstvolle Handhabung des Schreib-Werkzeuges, einer Rohrfeder, brachte es die Verwendung von auswech-
¿fea
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12 Punkt magere Walbaum mit 2 Punkt Abstand
Serifenfeine Antiqua
12 Punkt Lithographia
Aus dem Schriftmusterbuch der E. Kieser KG, Augsburg
119
Der Gestalter kann anhand eines Schriftmusterbuches die Besonderheiten der verschiedenen Schriften erkennen. Antiqua, Schreibschrift und Fraktur kennen den Stärkegrad leicht nicht. Eine Antiqua fängt erst bei mager an, manche Schrift erst bei halbfett. Da Frakturen v o m Duktus her sehr dünne und sehr dicke Striche aufweisen, kennen sie nur einen einzigen Stärkegrad. Das Verhältnis zwischen dicken und dünnen Strichen ließe sich unter d e m Aspekt leicht gar nicht verwirklichen. Ein Text soll gelesen und behalten werden, das A u g e darf beim Lesen nicht ermüden und d e m Gedächtnis die Speicherung erleichtern. Kleine Schriftgrade zwischen 6 und 8 ρ brauchen wenig Platz bei relativ großer Schriftmenge und hohem Informationsgehalt. M a n w i r d sie i m m e r für eine kurze Information einsetzen, die das Wesentliche ausdrückt und in Zusammenhang mit einem augenblicklichen Informationsbedarf steht: Bilderklärungen, Kontoangaben auf Rechnungen, Telefon- und Adressenangaben auf Briefbögen und Visitenkarten und beim Satz eines Lexikons. Erscheint sie in 6 ρ leicht als zu wenig leserlich, kann man auf 7 ρ leicht erhöhen oder 6 p mager verwenden. Die Schriftgrade in 9, 10 und 12p sind zum flüssigen Lesen a m geeignetsten. Rationeller Fließtextumfang, Platz- und Papierverbrauch und die Ästhetik halten sich hier die Waage. Die Grade ab 14p benutzt der Gestalter, w e n n die Information nicht fließend gelesen oder überlesen, sondern bewußt eingeprägt werden soll, f ü r Überschriften, Schlagzeilen und Unterschlagzeilen (Head- und Subline). Schriftgröße, Schriftstärke und Schriftcharakter bestimmen in ihrem Zusammenwirken noch nicht allein die Lesbarkeit und damit das »Ankommen« der Information. Als letzter Faktor tritt noch die Form des Satzbildes bestimmend hinzu. Schon im Layout, der Skizze für die gestalterische Idee in Graphik, Photographie, Headline und laufendem Text, wird die typographische A n o r d n u n g zum informativ-graphischen Gestaltungs- und Kompositionselement. Die Satzformen. Im Hand- und Maschinensatz sind möglich: Blocksatz, Flattersatz links- oder rechtsbündig, Satz auf Mittelachse oder freier Zeilenfall. Diese Bezeichnungen sind allerdings nicht überall verbindlich. Wonach richtet sich nun der Gestalter bei seiner Entscheidung, welche Eigentümlichkeiten bestimmen das jeweilige Satzbild? (Abb. 29). Der Blocksatz. A n den Satz in einem geschlossenen Block ist der Leser v o m Buch und Zeitung her am meisten gewöhnt. Je länger und intensiver er lesen soll, desto weniger darf sein Auge ermüden. Die Kolumne (lat. = Säule) des Blocksatzes k o m m t dieser Forderung ideal entgegen. Alle Zeilen sind gleich lang. Die erste Zeile kann eingerückt sein, die letzte Zeile eines Absatzes läuft im natürlichen Rhythmus kürzer aus. Das A u g e findet beim Lesen, sogar beim Überfliegen mühelos die nächste Zeile. Nicht das Auge, nur die Speicherung des Gedächtnisses w i r d beansprucht. Der Blocksatz hat die optisch ruhigste Form, da er auf allen Seiten von den beiden typographischen Hauptkomponenten beherrscht wird, der Waagerechten und der Senkrechten. Sein Gleichgewicht ist stabil. Bereits am optischen Bild erkennt der Betrachter: Er kann ihn überfliegen; w e n n er ihn aber interessiert liest, w i r d er auch informiert. 120
Satztechnisch hat der Blocksatz einige Eigentümlichkeiten: 1. Worttrennungen am Ende der Zeile, 2. zum Ausschließen aller Zeilen auf dieselbe Länge müssen Wortund Buchstabenabstände sorgfältig um ein geringes M a ß erweitert bzw. verringert werden. Die günstigste Schriftgröße beim Blocksatz liegt zwischen 8 und 12 p, die günstigste Schriftstärke bei leicht und mager. Die Satzbreite muß so gewählt sein, daß der Setzer den Zeilenfall auch bewältigen kann. Zeilenfall bedeutet als Fachausdruck die Anordnung der Zeilen in einer bestimmten Länge und in dem günstigsten Abstand zueinander. Der Setzer kann einen Blocksatz mit vernünftigen Trennungen und Wortabständen bei 8p erst ab 16 cic Satzbreite, bei 10 p ab 18 cic und bei 12 p ab etwa 20 cic zustande bringen. Kein Setzer der Welt kann ζ. B. eine 12 p-Schrift auf einen 40 mm breiten Block bringen. Es ergibt sich also beim Blocksatz ein natürliches Verhältnis zwischen Schriftgröße, Schriftstärke und Zeilenfall. Wie mißt der Gestalter nun die Satzbreite und wie gibt er sie dem Setzer an? Er kann sie in Millimetern angeben, sollte sich aber dabei besonders beim Feinsatz an Maße halten, die der Setzer in der Cicero-Skala, also im 12er Rhythmus leicht realisieren kann. Der Setzer mißt die Länge einer Zeile nach Cicero (cic). Cicero und Punkt sind nicht nur das M a ß für den Kegel der Schrifttype, sondern auch für die Zeilenlänge, für das Blindmaterial zum Ausschließen und für den Durchschuß. Das veraltete, nicht mehr gebräuchliche Maß für die Zeilenlänge ist Konkordanz und umfaßt 4 cic s 18 mm. Im Bleisatz wird die Zeilenlänge nach Cicero, manchmal nach Pica, im Fotosatz nach Millimetern gemessen. Für die Cicero-Skala hat der Gestalter ein Typometer. Für Zeitungen sind die gebräuchlichsten Spaltenbreiten: 9 cic s 40 mm, 10 cic s 45 mm, 11 cic s 50 mm, 12 cic s 54 mm, 15 cic s 68 mm, 20 cic = 90 mm. Komposition und Einsatz: Setzt der Gestalter Blocksatz in Verbindung mit graphischen oder photographischen Bildelementen ein, so bleibt das Satzbild etwas Besonderes und trennt sich von der Abbildung. Im Gesamtbild steht der Text als isolierte Informationseinheit. Das Satzbild ergibt einen waagerecht und senkrecht orientierten geometrischen Streifen, der sich dann gut in das Gesamtbild einfügt, wenn die Bildgestaltung darauf mit Geometrie antwortet. Der Flattersatz. Er arbeitet mit verschieden langen Zeilen und weist nur eine Senkrechte auf. Linksbündig ist die Regel, rechtsbündig die Ausnahme. Die Anfänge der verschieden langen Zeilen stehen auf einer Seite immer untereinander. Beim linksbündigen Flattersatz findet das Auge den Anfang einer neuen Zeile wie gewohnt links, die Zeilenenden flattern; beim rechtsbündigen stehen die Enden der Zeilen untereinander und die Zeilenanfänge flattern. Dabei muß sich das Auge die folgende Zeile suchen, die Lesegewohnheit stockt. Die Unterschiede der wechselnden Zeilenlänge sollten nicht zu groß sein, je nach Schriftgröße 4 bis 61/2 cic oder etwa 20 bis 30 mm nicht überschreiten. Das Auge des Betrachters wird gefordert. Hier soll er aufmerksam lesen und mitdenken und sich den Inhalt merken. Demzufolge liegt auch die günstigste Schriftgröße ab 9p, oft ab 12p aufwärts. 121
Der Flattersatz hat den Vorteil, daß er Trennungen vermeidet und jede Zeile einen weitgehend in sich abgeschlossenen Sinn hat. Die Wort- und Buchstabenabstände sind optisch alle untereinander gleich. Der Setzer setzt also nicht nach dem Maß der Zeilenlänge, sondern nach dem Sinn der Information. Das erleichtert dem Betrachter die Informationsaufnahme. Komposition und Einsatz. Für eine größere Fließsatzmenge ist das Satzbild zu unruhig. Hier bringen senkrechte gesetzte Linien Ruhe in das Satzbild. Am besten eignet sich der Flattersatz für relativ kurze Informationen in Verbindung mit Abbildungen, für kurzen Zeilenfall mit hoher Satzkolumne. Die eine Senkrechte, die sich aus den Zeilenanfängen bzw. Zeilenenden ergibt, ist ein wichtiges Kompositionselement. Ist die Bildkomposition bewegt, so antwortet darauf die bewegte Satzanordnung des Flattersatzes am günstigsten, und am besten dann, wenn sie viel freien Raum um sich hat. Satz auf Mittelachse. Die verschieden langen Zeilen werden nicht an einer Seite ausgeschlossen, sondern gruppieren sich metrisch um eine freigewählte Mittelachse. Die Mittelachse ist nur optisch fühlbar, das Satzbild hält sich im labilen Gleichgewicht. Die letzte Zeile darf nicht die längste sein, weil sofort ein räumlich perspektivischer Eindruck entstehen würde. Auch hier sind Silbentrennungen unmöglich. Der Setzer setzt auch hier sinngemäß, das Ausgleichen der Abstände ist optimal. Für den Betrachter ist die senkrechte Mittelachse imaginär. Das Auge findet weder bei den Zeilenanfängen noch bei den Zeilenenden den gewohnten ruhenden Pol. Komposition und Einsatz·. Der Satz auf Mittelachse ist so eigenwillig in seiner Form, daß der Gestalter ihn nur dann einsetzen sollte, wenn er ihn mit um die Formatmitte gruppierten graphischen Bildelementen kombinieren kann. Als ideales Beispiel sei hier u. a. nur der Kreis genannt, dessen Symmetrie sich im symmetrischen Satzbild auf Mittelachse wiederfindet. Satz mit freiem Zeilen fall. J e d e Zeile sucht sich nach optischen Merkmalen ihren Anfang und ihr Ende ohne Senkrechte. Hier kommt es ganz auf das typographische Fingerspitzengefühl des Setzers an. Das ohne äußere Regel und Maßeinteilung gesetzte Schriftbild hält sich wie spielerisch im indifferenten Gleichgewicht. Komposition und Einsatz·. Der scheinbar spielerische, sich frei bewegende Aspekt des Satzbildes wirkt sich auf die graphische Gestaltung aus. Entweder wird sie ebenfalls von frei schwingenden, Senkrechte und Waagerechte vermeidenden Formen getragen, oder sie steht zu streng graphisch-geometrischen Formen in lebendigem Gegensatz. Gute Lesbarkeit entsteht bei einem Durchschuß zwischen 2 und 4p, je nach Schriftgröße und -stärke und Schriftschnitt. Bei Satz ohne Durchschuß, dem Kompreßsatz, und mit 1 ρ Durchschuß ist die Lesbarkeit nicht optimal. Manchmal nimmt der Gestalter eine geringfügige Minderung der Lesbarkeit in Kauf, um das wenig durchschossene, dafür bestimmtere Satzbild in seiner geschlosseneren Form gegen seine graphische Form bewußt auszuspielen. Bei einem Durchschuß von 5 ρ wird die Lesbarkeit schlechter. Der weiße Grund des Papiers isoliert jede Form. Bei zu großem Durchschuß zertrennt das Weiß das Satzbild in lauter Einzelzeilen. Dadurch 122
E N TURBAN LES NOUVELLES SULTANES DE L'ÉTÉ
fvc (liles pu. : « Ui» turbin, .... moi.·»· Cet iti. il s'agii de typer ivfsortnaiisv·; son visage plutôt qurdclenjoli lie l'üñ'ailif. .Sc trier «lie ti:. - S, avec unmétrc de tis-u, une idcc. un drape, bref »0 toi ha», li u¡3i£ jJi.fi·, 'i un Myle «ic turban pouf GlacMw. -V voi» dt jouer devait le miroir il trois i*w» »*«c le» metiere», ks couleurs et -mrtout te» voiumes, pour équilibrer tes relief· de votre ïisaje. metti«/ en valeur un'teint mat ou un ceil pets... Voir page i^S luus-k^dctiiiK el ί*. trott»« sur l'art et la munière d:· faire vouvmëme tes ittita»*.
A b b . 29
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verliert es seine Besonderheit, verschwimmt und bildet gegenüber der Bilddarstellung kein komponentes Gegengewicht. Hervorheben außerhalb des Fließsatzes. Für sie gilt, was zu Anfang des Kapitels Typographie über die Wertigkeit des Informationsinhalts gesagt wurde. Es gibt keine Regeln, höchstens Empfehlungen. Eine Headline oder eine Titelschrift muß sich vom Text unterscheiden, sich von ihm trennen, Aufmerksamkeit und Interesse erregen und eine sog. Hinstimmung, eine dem Inhalt entsprechende Atmosphäre schaffen. Frühling und Winter sind nicht dasselbe; Herrenjournale haben andere Leser als Frauenzeitschriften, PLAYBOY und MADAME sind mit verschiedenen Typen gestaltet und visualisieren verschiedenen Inhalt. Ähnlich verhält es sich bei einer Headline, ζ. Β. für Anzeigen. Die Möglichkeiten sind faktisch unbegrenzt und die Information bestimmt das optische Bild. Wenn sich die Headline auch in Größe, Stärke, Farbe oder Laufweite vom Text unterscheidet, so sollte sie doch wenigstens Berührungspunkte zur Type des Fließtextes haben und beide einer Schriftfamilie mit verwandten Formelementen angehören. Das ganze Vorhaben sollte also ζ. B. in serifenlosen Linear-Antiqua-Schriften gesetzt sein. Die Schriftschnitte bieten dabei sehr viele Möglichkeiten zum Variieren. Die Headline muß dabei nun nicht unbedingt aus einer völlig anderen Formwelt stammen. Linien betonen und steigern das Satzbild. Mischt man Schriften miteinander, stellt man ζ. B. eine Schreibschrift einem normalen, »gewöhnlichen« Fließtext gegenüber, so sollten die gegensätzlichen Schriftformen einem gemeinsamen Formprinzip angehören. Zu dem geschriebenen Charakter einer Renaissance-Antiqua paßt eine ebenfalls mit der Breitfeder geschriebene Schreibschrift: eine Quick paßt zur Garamond. Dem rationalen Formprinzip einer klassizistischen Antiqua entspricht der Kupferstich-Duktus der englischen Schreibschrift: eine Lithographia paßt zur Bodoni. Dem Formprinzip der gleichen Strichstärke bei einer serifenlosen Linear-Antiqua entspricht eine Schreibschrift, die ebenfalls eine durchgehend gleiche Strichstärke aufweist: ein e Script-Signal paßt zur Neuzeit. Gleiche Formprinzipien bilden miteinander eine optisch-ästhetische Einheit; ungleiche stehen sich unvereinbar gegenüber.
Hervorheben innerhalb des Fließsatzes. Oberstes Gesetz ist das optisch einheitliche Grau der Kolumne. Eigentlich gibt es nur zwei gute Möglichkeiten, ein Wort hervorzuheben, ohne diesen Grauwert zu unterbrechen: das hervorzuhebende Wort kursiv oder in Kapitälchen zu setzen. Kursiv bedeutet ein Alphabet mit schräger Achse. Die Lettern müssen also aus einem entsprechenden Setzkasten entnommen werden. Beim Maschinensatz ist die 124
Kursivschrift auf derselben Matrize. Kapitälchen sind die Schnitte von Großbuchstaben in der Höhe von Kleinbuchstaben. Aber nicht alle Schriften haben Kapitälchen. Weniger geeignet sind Versalien. Sie sind nur am Beginn eines Absatzes einzusetzen und müssen etwas gesperrt werden. Innerhalb des Satzes beeinträchtigen sie das natürliche Verhältnis einer Schrift zwischen Ober- und Mittellängen und klemmen gegen die darüberstehende Zeile, besonders wenn diese Unterlängen zeigt. Fettere Schrift ist nur als Spitzmarke, als Stichwort beim Lexikonsatz gut und angebracht. Innerhalb der Kolumne wirkt sie zu schwarz. Zu weiß dagegen wirkt die Sperrung. Beim Einsatz von Auszeichnungen soll der Gestalter vorsichtig zu Werke gehen. Hat er sich für eine Auszeichnungsart entschieden, sollte er sie auch beibehalten. Mischungen sind ein Zeichen schlechten typographischen Geschmacks.
Der Fotosatz oder Lichtsatz In der heutigen Praxis hat sich die Bezeichnung Fotosatz unter dieser Schreibweise allgemein durchgesetzt. Gearbeitet wird auf der Grundlage der Photographie: Die Belichtung auf lichtempfindliches Material und das Prinzip des Vergrößerns und Verkleinerns. Träger dieses Vorgangs sind lichtundurchlässige Buchstabenmatrizen in Streifenoder Scheibenform. Auf ihnen stehen alle Zeichen, Klein- und Großbuchstaben, Zahlen und Interpunktion negativ, lichtdurchlässig und weiß in lichtundurchlässiger, schwarzer Umgebung. Durch Tastendruck oder eine andere Einrichtung, je nach Fabrikat, stellt der Setzer den gewünschten Buchstaben ein und löst jede einzelne Belichtung aus. Kopierlicht fällt durch den lichtdurchlässigen Buchstaben auf lichtempfindliches Material. Das Ergebnis des Setzvorganges ist zunächst ein belichtetes Diapositiv. Davon können Kontaktfilme und Kontaktabzüge hergestellt, aber auch jede gewünschte Vergrößerung angefertigt werden. Das lichtempfindliche Material bildet keine Halbtöne ab und arbeitet hart in »Schwarz/Weiß-Strich«. Es ist gegen den roten Spektralbereich unempfindlich und kann daher bei Rotlicht entwickelt werden. Man bezeichnet es als orthochromatisches Material mit ultrasteiler Gradation (s. Kap. 10 Photographie, Sensitometrie). Der Fotosatz bietet gegenüber dem Bleisatz einige erhebliche Vorteile. Er wird aber weder den Hand- noch den Maschinensatz in nächster Zeit verdrängen oder gar ablösen können. Er ist weniger als Konkurrenz sondern vielmehr als Erweiterung und Variierung der typographischen Möglichkeiten zu sehen. Freilich werden durch ihn auch andere Gesetzmäßigkeiten geschaffen. Gutenbergs Ästhetik ist nicht aufgehoben, sondern wird erweitert. Layout-Setzereien bieten ihre Schriftauswahl kombiniert in allen drei Bereichen, Hand-, Monotype- und Fotosatz an und entscheiden je nach Art des Auftrages, welche technische Möglichkeit die gestellte Aufgabe am besten lösen kann. Angeboten werden faktisch alle im Bleisatz vorhandenen Schriftschnitte. Der Fotosatz verfügt über die klassischen Schriften und zusätzlich noch über eine fast un125
übersehbare Fülle von Varianten und neuen Buchstabenformen, die, als Mengensatz schwer leserlich, sich sehr gut zur Auszeichnungsschrift, manche nur allein als Initialen eignen. Viele modisch-kurzlebige Formen sind entworfen worden und verschwinden wohl wieder nach einiger Zeit. Die Bezeichnungen für viele Alphabetformen sind nicht mehr einheitlich. Dieselben Schriften heißen bei den verschiedenen Schriftgießereien, die ihre Produktion auf die Matrizen des Fotosatzes ausgeweitet haben, anders als bisher. Klassische Benennungen werden durch englische bzw. amerikanische ersetzt: statt kursiv heißt es jetzt italic, und bold oder extra bold - bold = bedeutend, gewichtig - ersetzt die Bezeichnung fett oder extra fett. Vorteile und Nachteile des Fotosatzes : 1. Die Satzangaben braucht der Kunde nicht mehr in Punkt und Cicero anzugeben. Demnächst soll daher das Didot-Punktsystem zugunsten von Millimeterangaben überhaupt aufgegeben werden. Dazu die nachstehende Größen- und Durchschußtabelle für serifenlose Linear-Antiqua.
Zeilenabstand in mm von Schriftlinie zu Schriftlinie bei folgendem Durchschuß: Schriftgrößenbezeichnung Oidot-Punkt
4
& 6 7 8 9 10 11 12 13 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36
126
kompreß wie Schriftmuster
0,25 mm entspricht % Punkt
0,5 m m entspricht 1 '/s Punkt
0,75 m m entspricht 2 Punkt
1,0 mm entspricht 2 2/a Punkt
1,25 mm entspricht 3 Va Punkt
1,75 2,00 2,25 2,75 3,00 3,50 3,75 4,25 4,50 5,00 5,25 6,00 6,75 7,50 8,25 9,00 9,75 10,50 11,25 12,00 12,75 13,50
2,00 2,25 2,50 3,00 3,25 3,75 4,00 4,50 4,75 5,25 5,50 6,25 7,00 7,75 8,50 9,25 10,00 10,75 11,50 12,25 13,00 13,75
2,25 2,50 2,75 3,25 3,50 4,00 4,25 4,75 5,00 5,50 5,75 6,50 7,25 8,00 8,75 9,50 10,25 11,00 11,75 12,50 13,25 14,00
2,50 2,75 3,00 3,50 3,75 4,25 4,50 5,00 5,25 5,75 6,00 6,75 7,50 8,25 9,00 9,75 10,50 11,25 12,00 12,75 13,50 14,25
2,75 3,00 3,25 3,75 4,00 4,50 4,75 5,25 5,50 6,00 6,25 7,00 7,75 8,50 9,25 10,00 10,75 11,50 12,25 13,00 13,75 14,50
3,00 3,25 3,50 4,00 4,25 4,75 5,00 5,50 5,75 6,25 6,50 7,25 8,00 8,75 9,50 10,25 11,00 11,75 12,50 13,25 14,00 14,75
Ideen
20 Helvetica normal 19 Helvetica normal 18 Helvetica normal 17 Helvetica normal
Einige Möglichkeiten, die typisch für den Fotosatz sind
Parad
16 Helvetica normal
15 Helvetica normal 14 Helvetica normal 13 Helvetica normal 12 Helvetica normal
11 Helvetica normal 10 Helvetica normal
Parad
9 Helvetica normal i n ¡s
8 Helvetica normal 7 Helvetica normal 6 Helvetica normal
^ s e - -
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Parad Parad Arbeit mit Rasterscheiben
Rundsatz mit Kugeleffekt
Gloor Satz Repro KG München Abb. 30
127
2. Die Alphabetscheibe für Diatype (s. u.) kostet z. Zt. etwa DM 900. Die Scheibe ersetzt mehr als nur einen Setzkasten mit einem Schriftschnitt bestimmter Punktgröße. Denn mit einer einzigen Scheibe können die endgültigen Schriftgrößen vielfach variiert werden. Man ist nicht mehr an die Größen-Stufenskala des Bleisatzes gebunden. Zwischengrößen wie etwa 18 oder 23p sind ohne weiteres möglich (Abb. 30). Eine Schriftscheibe oder ein Schriftstreifen erlaubt, von dem angebrachten Buchstaben ζ. B. auf 24p zu vergrößern und auf 6 p zu verkleinern, und das Setzen in kursiv, nach links oder rechts geneigt, und zugleich die Grundform in schmal oder weit zu verändern. Die Dickte zu verstärken aber ist nicht möglich. Für die Schrift in mager, halbfett, fett usw. benötigt man je eine Matrize (Abb. 31).
Century bold
Century bold
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Abb. 31 Verzerrungen.
128
bold Century bold Century bold Century Μια lentury I
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3. Das belichtete Filmmaterial ist in d e n Druckverfahren Tiefdruck, Offset u n d Siebdruck (s. Kap. 8 Druckverfahren), direkt als Reproduktionsgrundlage zu v e r w e n den. Der Gestalter erhält das belichtete u n d entwickelte Filmmaterial und Abzüge in positiv und negativ, die er in seine Druckvorlage einmontiert. 4. Das photographische Verfahren des Fotosatzes erlaubt eine Reihe v o n Schriftvarianten und Modifikationen, die der Bleisatz nicht liefern kann. Darüber w i r d noch zu reden sein, da sie f ü r die Gestaltung besonders w i c h t i g sind. Als w o h l einziger, aber gravierender Nachteil w i r d i m m e r w i e d e r die Schwierigkeit genannt, Ä n d e r u n g e n durchzuführen. Ganze Schriftzeilen müssen d a n n aus d e m Filmmaterial herausgeschnitten w e r d e n ; u m nur w e n i g e Buchstaben zu ändern, müssen die ganzen Zeilen neu gesetzt werden. Daher sollte m a n A u f t r ä g e an eine Fotosetzerei nur d a n n geben, w e n n der Text e n d g ü l t i g festliegt, und den Text mit ebenso endgültigen Satz- und M a ß a n g a b e n versehen. Im Preis unterscheidet sich der Fotosatz generell nicht v o m Bleisatz. Eine Setzerstunde kostet heute in Großbetrieben zwischen DM 50 und DM 60, vereinzelt bis zu DM 100. Die Setzgeschwindigkeit liegt bei etwa 2000 bis 2500 Buchstaben in der Stunde. Das typische Satzbild im Fotosatz: Die Verbindlichkeiten, die sich für den Bleisatz aus seiner Tradition heraus gebildet hatten und für die W o r t - und Buchstabenabstände galten, w u r d e n erstmalig um 1960 verlassen. Dabei ging die Initiative, das Satzbild zu k o m p r i m i e r e n , v o m Schriftguß, nicht v o m Fotosatz aus, w u r d e aber v o n i h m weitergeführt. Der größeren graphischen Geschlossenheit im G r a u w e r t des Satzbildes beim Mengensatz und seiner besseren graphischen Komponierfähigkeit steht die noch größere beim Satz von Headlines gegenüber. Der Fotosatz stellt der klassischen Laufweite einer Schrift eine andere entgegen. Er kann v o m materialbedingten Mindestabstand z u m nächsten Buchstaben, der i m Guß v o n Konus u n d Fleisch der Letter b e s t i m m t wird, abgehen u n d zwei Buchstaben unmittelbar aneinanderrücken oder sich sogar überschneiden lassen (Abb. 30). Er gerät d a m i t in die Nähe der Ligatur, des Gusses zweier Buchstaben auf e i n e m Bleikegel. A u c h die alte Regel beim Schriftschreiben u n d -setzen »Vorsicht bei parallelen Senkrechten!« w i r d v o m Fotosatz aufgehoben. Parallele Senkrechte, z. B. il, Ib oder II, w e r d e n o f t allzu dicht aneinandergerückt. Durch Überschneiden der Buchstabenformen lassen sich T y p o g r a m m e k o m b i n i e r e n und k o m p o n i e r e n (Abb. 32).
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Abb. 32
129
Bestimmte Lizenzschnitte einiger Werkschriften - eine Bezeichnung für Schriften, die häufig bei Büchern, Zeitungen und Zeitschriften verwendet w e r d e n - m a ß t e n speziell für den Fotosatz geringfügig abgeändert werden. Vergrößert man ζ. B. den Druck v o n einer 6p-Handsatzletter auf 32 p, so w i r d man sehen, er deckt sich nicht genau m i t d e m Druck v o n der 32p-Letter. Jede einzelne Größe des Handsatzes ist nach ästhetisch/optischen Grundsätzen gegossen, die größeren Grade sind in der Proportion etwas enger als die kleinen Grade. Der Fotosatz dagegen, der eine einzige Buchstabenform mechanisch/optisch in verschiedene Größen überträgt, benötigt eine Buchstabenform, die beim Vergrößern und beim Verkleinern i m m e r ein ästhetisch einwandfreies Bild liefert. Da für einige Zeit der Satz mit gleichlangen Zeilen ein Problem für den Fotosatz darstellte, sind inzwischen Geräte entwickelt worden, für die der Blocksatz keine Schwierigkeiten mehr bietet. Modifikationen : Unter Modifizieren oder Modifikation versteht m a n die zweidimensionale Veränderung des Schriftbildes, oft mit dem Ziel, eine perspektivisch-dreidimensionale Wirkung zu erzielen. Aber nicht jede Schriftform eignet sich dafür. Schriften, die sich zu Modifikationen eignen sollen, müssen erst hierfür vorbearbeitet werden, da einige Schriftformen, besonders die der Antiqua, dabei ein nicht mehr einwandfreies Schriftbild ergeben w ü r d e n . Die Modifizierung läßt sich auf zwei photographischen Wegen erreichen: 1. Eine Vergrößerungslinse m i t einem bestimmten Brechungsgrad w i r d in das Objektiv eingebaut. Dadurch erfolgt die modifizierende Brechung unmittelbar beim Durchfallen des Kopierlichtes durch die Schriftmatrize, und der Setzer hat den Grad der Brechung i m Staromat (s. S. 134) unter optischer Kontrolle. 2. Will man das Ergebnis steigern, arbeitet man weiter mit der Modifikationskamera. Hierbei hat die Linse einen großen Tiefenschärfebereich, so daß selbst auf kleinste Entfernungen Vorder- und Hintergrund gleich scharf werden. Jeder weiß, wie sich ζ. B. ein Gegenstand verzerrt, w e n n man ihn durch eine Glaskugel oder eine schräggehaltene Lupe betrachtet. Die Modifikationskamera arbeitet nach diesem Prinzip m i t vielen raffiniert geschliffenen Objektiven, konvex, konkav, m i t eingeschliffenen Wellen usw., die d e m Buchstabenbild faktisch jede gewünschte semantische und illustrierende Wirkung geben (Abb. 33 und 34). Hinzu k o m m e n noch viele andere Möglichkeiten. Man läßt das Kopierlicht durch eine Glasrasterplatte auf das lichtempfindliche Material fallen und kann so die Buchstaben in jeder gewünschten Art aufrastern (Abb. 30). Man kann Buchstaben ein- und mehrfach konturieren, und zwar in einer Strichstärke v o n 0,05 m m bis zu jeder beliebigen Stärke. Konturierungen sind schon bei 4 p mager möglich; die Schriftmenge ist dabei unerheblich. Bei den abgebildeten Variationen, die die Firma Gloor Repro KG, München/Zürich vorlegt, sieht man die Weite in Einfall u n d Technik. Der Gestalter braucht nur noch auf einem Aufleger die gewünschte Farbe anzugeben - das Ergebnis liefert die Druckerei (Abb. 35). W e l l e n f o r m und Rundsatz, sogar mit Kugeleffekt (Abb. 30), positive und negative Formen miteinander kombiniert, sind ohne weiteres möglich. Technik, Semantik u n d Informationswissenschaft geben der Gestaltung hervorragende Impulse. Dam i t verliert die Schrift ihren Abstraktionsgrad und w i r d illustrativ. 130
WINDSTÄRKE WINDSTARKE MVÜSrÄMfff /mssrzm&r Abb. 33
Schrägstellungen eines Wortbildes
Die Layoutsetzerei Gloor Satz Repro KG München legt in diesem Modell schräge Ableitungen von einer kursiven Groteskschrift vor. Von den in der Probe gezeigten zwölf Varianten werden hier nur sechs vorgestellt. Nicht nur der Richtungsausdruck der Schrift erfährt eine entscheidende Veränderung, auch die Proportionen sind davon betroffen. Um jedoch ein solches Wortbiid richtig einschätzen zu können, empfiehlt es sich, alle anderen Zeilen, die nicht zur Wahl stehen, abzudecken und nur jeweils eine für sich zu betrachten. Für dynamisch betonte Aufgabenstellungen läßtsich sehr viel Nutzen aus diesen Modellen ziehen.
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Abb. 34 Perspektivische Wirkung mit Buchstaben und Zahlen. Gloor Satz Repro KG, München
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Die Geräte Hier noch einiges über die verschiedenen Geräte, die den Mengensatz, aber auch alle verlangten Variationen des Schriftbildes erlauben. Der Staromat arbeitet nach dem Prinzip des photographischen Vergrößerungsapparates. Er ist für Auszeichnungsschriften von 28 p bis 100 mm Versalhöhe besonders geeignet. Schriftträger ist ein Negativ-Filmstreifen. Sofort nach der Belichtung beginnt sich der voraktivierte Film an der belichteten Stelle zu schwärzen. Dadurch kann der Setzer seine Arbeit ständig auf der Mattscheibe kontrollieren und kann ideenreich arbeiten. Er kann eng oder weit setzen, Buchstaben unterschneiden, über- und ineinander belichten, mit SpezialOptiken modifizieren, verzerren und rund setzen und Raster-Spezialeffekte erzielen (Abb. 36). Die Diatype ist ein halbautomatisches Fotosatzgerät mit elektronischer Steuerungshilfe. Schriftträger ist eine Scheibe aus optischem Glas, auf der das Alphabet negativ kreisförmig angeordnet ist. Der Setzer stellt mit dem Wählhebel den gewünschten Buchstaben ein, betätigt durch Knopfdruck die Blendenöffnung und löst damit die Belichtung im Innern des Gerätes aus. Der notwendige Abstand zum nächsten Buchstaben wird elektronisch geregelt. Die weitere Bearbeitung des belichteten Materials erfolgt in der Dunkelkammer. Während seiner Arbeit hat der Setzer keine optische Kontrolle. Rationell ist nur linksbündiger Flattersatz, doch sind Linien- und Tabellensatz möglich. Gearbeitet wird bereits auf Millimeterbasis. Die Schriftgrößen, die von der Scheibe entnommen werden können, bewegen sich -vergleichsweise zum Bleisatz -zwischen 5 p und 36p stufenlos. 27 ρ - f ü r den Bleisatz unmöglich, für den Fotosatz kein Problem. Dabei kann noch zwischen eng und weit variiert werden. Aber auch bei der kleinsten Änderung muß geschnitten oder geschabt oder der ganze Fotoprozeß wiederholt werden (Abb. 37). Die Diatronic ist eine Fotosetzmaschine mit elektronischer Steuerung. Als Schriftträger dient eine negative Matrizenscheibe aus optischem Glas. Jeder Schriftschnitt benötigt außerdem eine elektronische Dicktenbox, in der die Breitenwerte für jeden einzelnen Buchstaben gespeichert sind; diese regelt automatisch das Vorrücken der Matrize. Ein Rechner zählt die getasteten Dicktenwerte und ergänzt bzw. vermindert die Wortzwischenräume, bis die eingestellte Formatbreite erreicht ist. Während der Setzer auf seiner Tastklaviatur die nächste Zeile bearbeitet, werden die Buchstaben der vorhergehenden, bereits ausgeschlossenen Zeile im Gerät belichtet. Die weitere Bearbeitung des Films erfolgt in der Dunkelkammer (Abb. 38). Auch hier kann der Setzer seine Arbeit nicht überwachen. Aber er kann die Vielseitigkeit der Maschine voll ausnutzen. Blocksatz, links- und rechtsbündiger Flattersatz, Mittelachse und freier Zeilenfall sind ebenso möglich wie Linien- und Tabellenarbeiten. Der Schriftgrößenbereich reicht von vergleichsweise 6 p bis 20 p. Die Maschine arbeitet nach dem Millimetersystem, und man kann ebenfalls zwischen eng und weit variieren. Größere Fließsatzmengen sind rentabel, aber die Korrekturmöglichkeiten sind beschränkt: Durchschußänderungen bedeuten Neusatz, Wort- und Standänderungen müssen montiert werden. 134
London
Titelsetzgerät «staromat» Halbautomatisches Fotosetzgerät für Headlines, Verpackungen, Plakate, Beschriftungen. M i t optischer Kontrolle, automatischer Scharfeinstellung, automatischer Belichtungssteuerung. Filmadapter für Schriftbänder.
Typenplatte für Titelsetzgeräte «staromat» und «starsettograph»
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Titelsetzgerät «staromat». Durch Bewegen der Typenplatte mit dem Transportknopf werden die Buchstaben in Belichtungsposition gebracht.
Berthold Fototype G m b H München
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Fotosetzgerät «diatype» Halbautomatisches Tageslichtgerät für nahezu alle Satzarbeiten, besonders Tabellen, Formulare, Kataloge, Prospekte, Anzeigen, Layoutsatz, mathematischen Formel· satz, Verpackungen, EDV-Vordrucke, Drucksachen mit kleinsten Schriftgraden und alle Geschäftsdrucksachen.
Schriftscheibe
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Die Monophoto-An/age Mark IV ist eine Mengensatzmaschine für Fotosatz. Sie ist eine technisch ausgereifte Anlage und ist nur bei großen Fließsatzmengen rentabel. Ihre Steuerung entspricht weitgehend dem Prinzip der Monotype-Maschine, wird also nach dem Lochstreifensystem betrieben. Das Lochband dient als Kommandostreifen für das pneumatisch gesteuerte Belichtungsaggregat. Schriftträger ist ein Rahmen mit 340 Negativ-Matrizen. Die Schriftprojektion erfolgt über ein optisches Spiegelsystem auf den Film. Die weitere Arbeit erfolgt in der Dunkelkammer. Die Anlage verbindet die Vorteile der Monotype/Blei mit denen des Fotosatzes. Sie ist besonders für anspruchsvollen und schwierigen Satz geeignet. Alle Probleme des Ausschließens bei allen möglichen Satzarten sind optimal gelöst. Die Anlage arbeitet besonders zuverlässig und völlig störungsfrei. Der Schriftgrößenbereich reicht von 5 V2 bis 24 p. Qualitativer Mengensatz, besonders bei Fremdsprachen und wissenschaftlichen Aufgaben, ist die Stärke der Anlage. Durchschußänderungen lassen sich ohne Neusatz, nur durch Neubelichtung bewerkstelligen. Für den Gestalter gilt, wenn er mit einer Fotosetzerei arbeitet, als oberster Grundsatz: Einwandfreie Manuskripte mit eindeutigen Angaben für das gewünschte Satzbild sind Voraussetzung für einen reibungslosen Arbeitsablauf. Bei allen Geräten und Maschinen sind und bleiben Änderungen das Hauptproblem. Schriftgrad, Satzbreite, Durchschuß, Satzart und Einzüge sollen verbindlich sein. Für getrennte Satzverfahren schreibt man am besten auch getrennte Manuskripte. Keinen Rotstift benutzen, da er bei Rotlicht nicht sichtbar ist! An den Geräten und technischen Anlagen, die z. Zt. gebräuchlich sind, werden laufend Verbesserungen vorgenommen. Die Technik beeinflußt die Gestaltung in wachsendem Maße. Es gibt bereits Hochleistungsfotosatzmaschinen, ζ. B. d i e D i g i set, die im Zusammenhang mit einer Datenverarbeitungsanlage arbeiten. Der Kernspeicher wird über Lochstreifen- oder Magnetbandleser gefüllt. Das Buchstabenbild wird in Linien pro Schriftgeviert zerlegt. Die Zeit zum Laden oder zur Speicher u n g - j e nach Auflösungsgeviert 50 x 120 bzw. 100 χ 120 Linien pro Schriftgeviert - beträgt v o m Lochstreifen weniger als vier Minuten, vom Magnetband weniger als vier Sekunden. Nach dem Füllen stehen vier Schriftarten mit je 94 Zeichen zur Verfügung. Jeder Buchstabe wird elektronisch abgerufen, auf der Kathodenstrahlröhre aufgezeichnet und auf das lichtempfindliche Material weitergegeben. Im Schriftbereich von 12psetztdieAnlageetwa600 Zeichen inderSekunde, bis 24p 300 Zeichen in der Sekunde. Bei der Zerlegung des Buchstabenbildes in Linien können die Buchstabenformen durch Beeinflussung des Kathodenstrahls in Höhe und Breite verändert werden. Beim Fernsehen wird das Bild auf dem Bildschirm in 625 Linien oder Zeilen zerlegt; gesendet werden 25 Bilder in der Sekunde. Der Kathodenstrahl zeichnet nacheinander zunächst die Linien 1,3, 5,7 und dann die Linien 2 , 4 , 6 , 8 usw. von links nach rechts. Somit zeichnet er 15625 Linien pro Sekunde- Er schreibt nicht die einzelnen Buchstaben, sondern jede ganze Zeile von Bildschirmrand zu Bildschirmrand nach dem Prinzip »Impuls: ja oder Impuls: nein«. Dieser Vorgang kann auch mit einer Datenverarbeitungsanlage gekoppelt sein. 138
Die Buchstabentypen werden also in Lichtimpulse umgesetzt, die über den Bildschirm laufen, und auf den Linienraster übertragen. Ein Raster zerstört immer die Schrift. Da wir es hier mit Licht zu tun haben und demzufolge außerdem noch Überstrahlungen unvermeidlich sind, ist die Schriftauswahl eingeengt. Großbuchstaben in ihrer lapidaren Form, besonders die der linearen und serifenlosen Schriften, bieten sich hier im Gegensatz zur sonstigen Typographie bei der Verarbeitung an. Denn Raster und Überstrahlungen zerstören eine zarte Buchstabenform und beeinflussen besonders die kritischen Punkte eines jeden Buchstabens, die rechten Winkel und die Ansatzstellen der runden Formen. Durch Überstrahlung können sie rund oder stumpf werden. Gezielt fürs Fernsehen sind und werden Alphabete entworfen, die mit der Abrundung der rechten Winkel rechnen und ihr mit Einkerbungen begegnen.
139
KAPITEL 8
Die Druckverfahren Die Druckverfahren gehören zu den K o m m u n i k a t i o n s m e d i e n , m i t denen die Visualisierung der I n f o r m a t i o n realisiert w e r d e n kann. Drucken heißt einen Druck ausüben, das Drücken eines geeigneten Materials, meist Papier, gegen eine Druckform. A u s s c h l a g g e b e n d ist der Gedanke der Vervielfältigung. Vervielfältigen bedeutet einerseits: M ö g l i c h s t viele Menschen können in eine K o m m u n i k a t i o n s k e t t e einbezogen w e r d e n , u n d die Möglichkeiten, I n f o r m a t i o n zu erhalten, können erweitert werden. Andererseits bedeutet Vervielfältigung einen gesteigerten E r w e r b f ü r den Hersteller. J a h r h u n d e r t e l a n g bildeten die verschiedenen Druckverfahren die einzige Möglichkeit f ü r eine regional erweiterte V e r ö f f e n t l i c h u n g und f ü r Mitteilungen an viele Menschen. W u r d e n bis ins vorige J a h r h u n d e r t hinein die verschiedenen Druckformen manuell hergestellt, so arbeiten heute die m o d e r n e n Präzisionsmaschinen mit chemigraphisch hergestellten D r u c k f o r m e n unter hoher Druckgeschwindigkeit u n d in hoher Auflage im graphischen Gewerbe. Trotz aller Weitere n t w i c k l u n g u n d Perfektionierung sind sich di e Prinzipien in j e d e m Druckverfahren gleich geblieben. Das starke Inforenationsbedürfnis w u r d e d u r c h die technische Entwicklung der Druckindustrie realisiert. Das heutige, noch gesteigerte Informat i o n s b e d ü r f n i s erweitern die m o d e r n e n K o m m u n i k a t i o n s m e d i e n Rundfunk, Film und Fernsehen, zu denen die Druckindustrie in Konkurrenz, aber auch in Ergänzung steht. A l l e " K o m m u n i k a t i o n s m e d i e n w e r f e n f ü r den Gestalter die Frage nach d e n Realisierungsmöglichkeiten f ü r seine Ideen und seine I n f o r m a t i o n auf. Er m u ß also ihre technischen B e d i n g u n g e n kennen. Die Entwicklung v o m manuellen zum maschinellen Verfahren ist zugleich der W a n del v o m künstlerischen K ö n n e n zur technischen Perfektion. Bis ins hohe Mittelalter hinein gab es nur eine Möglichkeit der Vervielfältigung: das Kopieren oder A b schreiben. Noch fehlte das Ziel zur breiten Veröffentlichung. Eine Handschrift, auf Pergament geschrieben und m i t handgefertigten Buchmalereien illustriert, galt als Kostbarkeit u n d genügte als Informationsquelle für die w e n i g e n Interessierten, die lesen konnten. Erst die Veränderung der Bevölkerungsstruktur d u r c h die Städte, rege Handelsbeziehungen zu anderen Ländern als Folge der Kreuzzüge und die geistigen Auseinandersetzungen der Zeit ließen ein größeres I n f o r m a t i o n s b e d ü r f n i s entstehen. U m 1300 ersetzte das Papier das teure Pergament. Damit w a r ein Material für hohe u n d preisgünstige Auflagen erfunden. Erst seit dieser Zeit kennen w i r die K o m m u n i k a t i o n durch das gedruckte W o r t u n d Bild. Die Druckverfahren bezeichnet man im allgemeinen nach der Besonderheit der Form, v o n der gedruckt wird.
140
Der Hoch- oder Buchdruck Das Druckprinzip - gleichgültig, ob die Druckform manuell oder chemigraphisch oder elektronisch hergestellt wird: Die (ursprüngliche) Materialebene, die Oberfläche einer Platte bildet den Farbträger und druckt. Daher muß alles, was nicht im Druckergebnis erscheinen, also auch nicht drucken soll, entfernt werden. »Gemacht« wird das »Weiß« (des Papiers im Druckergebnis). Es entsteht eine reliefartige Druckform, bei der die hochstehenden Teile Farbe aufnehmen und drucken. Da bis in unsere Zeit der Hochdruck jahrhundertelang vorwiegend zum Drucken von Büchern verwendet wurde, lautet seine allgemein übliche Bezeichnung Buchdruck (Abb. 39).
Abb. 39
Die graphischen Verfahren Ihre manuellen Techniken sind der Holzschnitt, der Holzstich und der Linolschnitt. Die Vorzeichnung wird spiegelverkehrt auf die Druckplatte übertragen. Mit Messern oder Sticheln wird alles herausgeschnitten bzw. -gestochen, was nicht im Druck erscheinen soll: Punkte, Linien oder Flächen (Abb. 39). Nach dem Einfärben der Druckplatte mit Hilfe einer Farbwalze erfolgt der Druck. Man arbeitet im Prinzip in drei Arbeitsgängen: 1. die Bildübertragung, 2. die Druckformherstellung durch das Entfernen nicht-druckender Teile aus der Platte, 3. Einfärben und Drucken. Das Einfärben ist bei jedem Druckvorgang zu wiederholen. Beim farbigen Druck muß für jede Farbe eine entsprechende Druckform hergestellt werden. Diese Prinzipien sind auch im graphischen Gewerbe gültig (s. auch Abb. 53). Der Holzschnitt. Für den Holzschnitt können Langholz oder Hirnholz verwendet werden. Langholz ist längs der Baumachse geschnitten und schrumpft nach kurzer 141
Zeit. Die Längsmaserung läßt keine Feinheiten zu und bietet dem Messer Schwierigkeiten vor allem quer zur Faser. Eine kräftige flächige Schwarz/Weiß-Wirkung ist seine Stärke. Hirnholz dagegen ist quer zur Maserung geschnitten, in Plättchen zusammengeleimt und geschliffen und schrumpft nicht. Das Holz erlaubt die Führung des Messers in alle Richtungen und ist für eine präzise Ausführung mit feinen Schraffuren geeignet (Abb. 40 a, b). Der Holzstich. Die Ausführung eines Holzstichs kann nur in Hirnholz erfolgen. Verwendetwerden dazu Stichel verschiedener Größe mit dreikantiger Form. Die Stärke des Holzstichs ist die feinste Wiedergabe in Linien und Schraffuren und ihre Kombination mit größeren weißen und schwarzen Flächen. Die Arbeit ist langwierig und verlangt größte Präzision (Abb. 40c). Der Linolschnitt. Linoleum ist heute weitgehend durch Kunststoff in der Industrie ersetzt. Es ist ein amorphes strukturloses Material, das den Schnitt in allen Richtungen erlaubt. Man kann nur begrenzt fein arbeiten, da allzu dünne Stege im Linoleum ausbrechen. Auch der Linolschnitt zeigt seine Stärke in einer großzügigen Schwarz/Weiß-Wirkung. Die Entwicklung der graphischen Buchdrucktechniken Die Druckform des Buchdrucks ähnelt dem Stempel. Wahrscheinlich ist das Verfahren von Kreuzrittern aus dem Orient mitgebracht worden, wo Stoffe im Stempeldruck bedruckt werden. Die Entwicklung des Holzschnitts ist eng mit der Entwicklung des Druckens von Büchern verbunden. Die druckenden Teile der Bildwiedergabe und die der Letter stehen erhaben. Bei den Blockbüchern um 1430, Bücher mit populärtheologischem Inhalt, wurden Bild und Schrift zusammen in eine Hirnholzplatte geschnitten, die Abbildungen handkoloriert. Der Druck erfolgte durch Handpressung, den sog. Reiberdruck, oder über eine Presse. Durch die Reliefbildung im Papier konnten die Bücher nur einseitig bedruckt werden. Um 1450 erfand Johann Gensfleisch, genannt Gutenberg, in Mainz die bewegliche, auswechselbare Metalletter. Von da an mußte nicht mehr jeder Text neu geschnitten werden, sondern konnte mit den neuen, aus Metall gegossenen Typen abgesetzt werden. Dadurch wurde die Verbreitung von Büchern in größerer Auflage möglich. Die Handkolorierung der Blockbücher wird ausgeschieden, die Bildwiedergabe verselbständigt sich, und der Holzschnitt wird zu einer künstlerischen Gattung. Holzschnitt und Handzeichnung - ebenso wie der Kupferstich - zeigen einen sehr ähnlichen Charakter in der künstlerischen Auffassung: Linien und Schraffuren herrschen vor, schwarze volle Flächen werden vermieden (Abb. 40a). Durch die Beherrschung der graphischen Techniken ließen sich Originalzeichnungen in großer Auflage vervielfältigen. Von den Künstlern der Zeit um 1500 ist nicht bekannt, inwieweit sie das Schneidemesser selbst geführt oder das Ausschneiden ihrer Vorzeichnung der Zunft der Formmacher oder Briefdrucker überlassen haben. Selbst bei Dürers berühmten Holzschnittfolgen-die »Apokalypse«, die »große« und »kleine Holzschnittpassion« wie das »Marienleben« - ist man nicht sicher. 142
b)
Holzschnitt und Holzstich a) Holzschnitt aus »Bilder des Todes« von Hans Holbein Hirnholz - 1 :1 b) Holzschnitt »Fischerkopf« von Max Pechstein 1911 Langholz - 247 χ 185 c) Holzstich aus Kugler »Geschichte Friedrichs des Großen« von A. Menzel 1840 gestochen von Unzelmann und Müller Hirnholz - 1 : 1
143
Im Barock ist der Holzschnitt bedeutungslos, da sein flächig-graphischer Charakter dem malerisch-räumlichen Anliegen der Zeit widerspricht. Der Holzstich, um 1750 von einem französischen Kupferstecher entwickelt, bestimmte im 19. Jahrhundert die Illustration von Büchern und im aufkommenden Zeitungswesen. Der Berufszweig der Holzstecher oder Xylographen übernahm bei der bildlichen Druckformherstellung die führende Rolle. Die Präzision wurde so virtuos beherrscht, daß man naturalistische, tonige Illustrationen, sogar Gemäldereproduktionen schaffen konnte. An künstlerischem Gehalt stehen sie oft weit hinter den Illustrationen Adolf von Menzels zu Kuglers »Geschichte Friedrichs des Großen« und Gustav Dorés Illustrationen zu den Werken Balzacs zurück. Die Künstler zeichneten spiegelverkehrt auf den Holzstock und überließen die Ausführung dem Xylographen, der nun die winzigen Vierecke zwischen den Kreuzschraffuren herausstechen mußte (Abb. 40c). Der Holzschnitt des 20. Jahrhunderts zeigt dagegen eine andere künstlerische Auffassung. Die Künstler, besonders die Mitglieder der Künstlergemeinschaft »Die Brücke« und des »Blauen Reiters«, gingen v o m Hirnholz ab und schnitten in Langholz. Ganze Späne werden aus dem Holz gerissen, große weiße und schwarze Flächen entstehen, die Maserung wird im Handdruck zum künstlerischen Ausdrucksmittel. Erst jetzt entsteht der Begriff der materialgerechten Werktreue. Der Holzschnitt steht in bewußtem Gegensatz zur virtuosen Präzision des Holzstichs und der technischen Perfektion des graphischen Gewerbes (Abb. 40b).
Der Buchdruck im graphischen Gewerbe Um 1830 war von dem Franzosen Daguerre das Verfahren der Photographie erfunden worden. Bald benutzte man die technische Grundlage der Daguerrotypie, Platten mit Hilfe einer besonderen Schicht lichtempfindlich zu machen, zur Übertragung gezeichneter Originale auf eine Holzplatte, später auf eine Zinkplatte. Der Übergang von der manuellen zur chemigraphischen Reproduktionstechnik ist ζ. B. im Werk Wilhelm Büschs deutlich zu erkennen: zunächst zeichnet Busch direkt spiegelverkehrt auf den Holzstock, etwa ab 1875 aber nur noch original, d. h. seitenrichtig, auf Papier. Im chemigraphischen Verfahren wird alles, was nicht drucken soll, nicht mehr mühsam und zeitraubend per Hand entfernt, sondern nach der photographischen Übertragung von der Salpetersäure weggeätzt. Als 1882 das Verfahren der Autotypie von Meisenbach entwickelt wurde, d. h. die Möglichkeit, auch tonige Vorlagen im Zinkklischee wiederzugeben, war das Ende der manuellen Reproduktion gekommen. Noch bis zum Ersten Weltkrieg wird für die Illustrationen der Zeitschriften nebeneinander der manuelle Holzstich, die Strichätzung und die Autotypie verwandt. Erster Arbeitsgang: Die Bildübertragung. A m Beginn aller modernen Reproduktionsverfahren steht die Reprophotographie. Das Original, Bild oder Text, wird photographiert, der gewonnene Film bildet die Grundlage für die Druckformherstellung. Das Film-Negativ ist spiegelverkehrt und im Tonwert umgekehrt zur Vorlage: 144
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Abb. 41a
W o das Original schwarz ist, bleibt der Film offen, d. h. »weiß«; w o das Original w e i ß ist, w i r d der Film schwarz. Das gilt sinngemäß auch für Grautöne (s. Kapitel 10, Photographie). Das Film-Negativ w i r d zur Klischeeherstellung in der chemigraphischen Abteilung weiterverarbeitet. Es entsteht d i e R e p r o k o p i e (Abb. 41 a). Das Film-Negativ wird zuerst in einem Vakuumkasten auf eine Zinkplatte von 3 - 4 m m Stärke fest aufgelegt. Diese Zinkplatte ist vorher mit einer lichtempfindlichen Schicht - Chromgelatine, neuerdings andere verbesserte Chemikalien - überzogen worden. Unter starkem, ein- bis zweiminütigem Lichteinfall vermittels einer Bogenlampe w i r d das Film-Negativ auf die Zinkplatte kopiert. Das Licht fällt durch die lichtdurchlässigen Stellen des Films, die den schwarzen des Originals entsprechen, w ä h r e n d es von den schwarzen Stellen des Films, die den weißen des Originals entsprechen, reflektiert wird. Die Lichtstrahlen härten, »gerben« die lichtempfindliche Schicht; w o das Licht nicht durchdringen kann, bleibt die Schicht weich. Nach dem Belichtungs- bzw. Übertragungsvorgang werden die weichgebliebenen Stellen ausgewaschen, die gehärteten Stellen chemisch säureabweisend gemacht. Zweiter Arbeitsgang: Die Druckformherstellung. Die Zinkplatte, auf die die Vorlage kopiert ist - ihre Bezeichnung ist Zinkkopie - , w i r d zur eigentlichen Druckformherstellung im Säurebad geätzt. Alle unbelichtet und daher ungegerbt gebliebenen Stellen, die weißen Stellen des Originals, werden von der Säure angegriffen und geätzt, weil sie gegen Säureeinwirkung ungeschützt sind. Die gegerbten Stellen dagegen sind säureabweisend und bleiben nun »erhaben« in der ursprünglichen Materialebene stehen. Es entsteht das Klischee. Große Flächen, die nicht drucken sollen, werden ausgefräst. Dritter Arbeitsgang: Einfärben und Drucken. Alles, was nicht drucken soll, ist jetzt entfernt. Alle »erhaben« stehengebliebenen S t e l l e n - s i e entsprechen d e m Original - e r h a l t e n beim Druckvorgang durch Farbwalzen Farbe und geben sie auf das Papier ab. Das Klischee w i r d in der Weise montiert, daß die druckenden Teile genau in der gleichen Höhe mit den Schriftlettern stehen. So kann das Bildklischee und der abgesetzte Text in einem Farbdurchgang gedruckt werden. 145
Das Strichklischee. Definition: Die gebräuchliche Bezeichnung Strich ist irreführend. Ein Strichklischee hat eigentlich nichts m i t einem Strich zu tun, sondern ist die Bezeichnung für eine Druckform, die hergestellt w i r d unter Verzicht auf Halb- und Vierte/töne, die zur Reproduktion einen Raster benötigen würden. Als Strichklischees bezeichnet man alle Klischees v o n der feinsten Federzeichnung über Satzschrift bis zur vollen Fläche. Gedruckt w i r d grundsätzlich i m vollen Farbton. Tonabweichungen, w i e sie der Gestalter durch Verdünnen seiner Farbe erreicht, sind im Druck nicht möglich-, sie müssen im Klischee vorhanden sein. Tonabweichungen können auch in Strich erreicht werden, wenn der Gestalter sie offen oder grob genug anlegt. Feine Schattierungen, Photo oder ζ. B. Spritztechnik, können in Strich nicht wiedergegeben werden, sondern benötigen i m Repro-Vorgang einen Raster. Tonabweichungen kann man in Strich erzielen durch a) gekaufte Folien, deren Raster genügend offen ist, b) durch Arbeit auf stark gekörntem Papier, das eine gedeckte Fläche nicht zuläßt und die Linien porös macht; es empfiehlt sich, das Original größer als 1 : 1 zu zeichnen und es beim Repro-Vorgang verkleinern zu lassen; c) durch A r b e i t m i t relativ trockener Farbe und trockenem Pinsel, so daß der Pinselstrich »ausreißt«; d) durch Punktieren von Flächen (Abb. 41b). Bei Negativ Strich, ζ. B. eine w e i ß e Zeile auf schwarzem Grund, w i r d die weiße Schriftzeile herausgeätzt, w ä h r e n d der schwarze Grund »erhaben« stehen bleibt.
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Raster in Strich
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Schema Dow-Ätzung
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Abb. 41b
Herstellung. Die Herstellungsmethoden sind in letzter Zeit modernisiert w o r d e n , im Prinzip aber dieselben geblieben. Das Filmmaterial ist verbessert worden, die Chromgelatine durch ein besseres chemisches Material ersetzt w o r d e n ; statt Zink w i r d auch Kunststoff v e r w e n d e t : Photo-Polymer-Platten, die an sich lichtempfindlich sind und im Auswaschverfahren zum Strichklischee werden. Alle konventionellen und modernisierten Verfahren laufen in den Klischee-Anstalten parallel zueinander. 146
Konventionelles Verfahren: Die Zinkkopie (s. zweiter Arbeitsgang) w i r d im Säurebad stufenweise geätzt, um die S ä u r e e i n w i r k u n g seitlich u n d unter den Stegen zu vermeiden. Durch mehrere Ätzvorgänge entsteht ein t r e p p e n f ö r m i g e r Querschnitt. Ein modernisiertes Verfahren ist die patentierte Dow-Ätzung. Im Ätzzylinder w i r d die Zinkkopie an der Innenseite des Deckels eingehängt. Der Zylinder rotiert, die Säure, die ein Flankenschutzmittel enthält, w i r d m i t Schaufeln gegen die Zinkplatte geschleudert. Dadurch ist die S ä u r e e i n w i r k u n g auf die freien Stellen größer, an den Flanken der Stege und den gehärteten Stellen geringer. Man k o m m t mit einem einzigen Ä t z v o r g a n g aus. Das Verfahren ist also schneller und entspricht so d e m Term i n d r u c k der Tagesarbeit; die höchste Qualitätsstufe bleibt allerdings d e m konventionellen Verfahren vorbehalten. Dasselbe gilt auch für die Photo-Polymer-Platten. Die Autotypie w u r d e u m 1880 v o n Georg Meisenbach erfunden. Definition: Das Verfahren der A u t o t y p i e ergibt ein Klischee, mit d e m in einem einzigen Färb- bzw. Maschinendurchgang alle Abstufungen vom hellsten bis zum dunkelsten Ton gedruckt werden können. Die druckende Oberfläche der Zinkplatte wird dafür in kleine, punktförmige Teilchen, die künftigen Farbträger, aufgeteilt. Zwischen diesen oft w i n z i g e n Teilchen greift die Säure an und ätzt Vertiefungen heraus. Im Druck ergibt die Farbe von diesen Klischeeteilchen zusammen m i t d e m PapierWeiß der Vertiefungen ein optisches Grau im Auge des Betrachters. Herstellung der Autotypie. Die A u f t e i l u n g der Klischeeoberfläche in unendlich viele, winzige, aber verschieden große Teilchen geschieht bereits im Reprovorgang. Zwischen das Original und das lichtempfindliche Material w i r d die Rasterplatte geschaltet. Die R a s t e r p l a t t e - P r e i s zwischen DM 1500 und DM 2 5 0 0 - b e s t e h t aus zwei zusammengekitteten Glasplatten. In jede Platte sind Linien eingeritzt, die senkrecht zueinander stehen. Diese Linien, die denselben A b s t a n d v o n e i n a n d e r haben, sind geschwärzt u n d lichtundurchlässig. Der A b s t a n d der Linien, g e m e s s e n auf einen Zentimeter, bezeichnet die Rastergröße: 24 Linien auf einen Zentimeter = 24er Raster, 60 Linien auf einen Zentimeter = 60er Raster. Dabei ist es selbstverständlich, daß jede der beiden z u s a m m e n m o n t i e r t e n Platten dieselbe Anzahl v o n Linien aufweist. Die Linien bei den verschiedenen Rastergrößen stehen in b e s t i m m t e m Zus a m m e n h a n g zu den Z w i s c h e n r ä u m e n . Beim 24er Raster ist das Verhältnis zwischen der Stärke der Linien u n d d e m Z w i s c h e n r a u m 1 : 2 , beim 60er Raster 1 : 3 . Der Vorgang der Bildübertragung spielt sich jetzt in den von den Rasterlinien gebildeten Quadraten ab. Diese Rasterlinien zerlegen zwar das Bild in winzige Quadrate, dürfen sich aber beim Druckerzeugnis nicht abbilden. Durch den A b s t a n d von Raster und l i c h t e m p f i n d l i c h e m Material - zu jeder Rastergröße ist ein b e s t i m m t e r A b stand konstant - entsteht eine Diffusion oder Lichtstreuung a m lichtempfindlichen Material, die die Rasterlinien v e r s c h w i n d e n läßt (Abb. 42). Das lichtempfindliche Material ist so beschaffen, daß es eine A r t Auszug, eine Unterteilung in Schwarz u n d W e i ß v o r n i m m t : In den Quadraten entstehen bei der Belichtung d u r c h die Blendeneinstellung Punktformen. Sie sind größer oder kleiner je nach d e m Grauwert des Originals, i m m e r z u s a m m e n m i t ihrer U m g e b u n g - t o n w e r t - u m g e k e h r t auf d e m Negativ. Die Mittelpunkte, gleichzeitig die Mittelpunkte der Quadrate, sind gleich w e i t voneinander entfernt (Abb. 43). 147
iwert des Originals
Diffusion — die Rasterlinien bilden i sich nicht ab geringe Schwärzung
Helligkeitswert Repro-Film
starke Schwärzung konstant h •) entspr. d. Rastergröße
Abb. 42
Original
im Negativ
im Druckergebnis
Schwarz
offen = weiß kleiner schwarzer Punkt in weißem Quadrat großer schwarzer Punkt in weißem Quadrat kleiner weißer Punkt in schwarzem Quadrat winziger weißer Punkt in schwarzem Quadrat
Schwarz
Dunkelgrau Mittelgrau Hellgrau fast Weiß
kleiner weißer Punkt in schwarzem Quadrat großer weißer Punkt in schwarzem Quadrat kleiner schwarzer Punkt in weißem Quadrat winziger, »spitzer« schwarzer Punkt in weißem Quadrat
Die Bild- bzw. Druckelemente sind verschieden groß, aber von gleicher Farbkraft. Die Größe der Druckelemente entspricht der Größe der Farbflächen. Die Wahl der Rastergröße ist abhängig von der Güte des Papiers, auf das gedruckt werden soll. Für Zeitungspapier w i r d ein 24-28er Raster verwendet, bei Schöndruckbeilagen ein 32-36er Raster, für Kunstdruckpapier etwa ab 48er Raster. Je feiner der Raster, desto originalgetreuer lassen sich die Originalgrauwerte der Vorlage wiedergeben. Beim Zeitungsraster ζ. B. geht unweigerlich ein Teil der Originaltreue verloren. Die Stärke des Druckprinzips im Buchdruck ist, daß die »erhaben« stehengebliebenen Klischeeteile drucken. Darin äußert sich die gestochene Schärfe des Klischees, ganz besonders in Strich. Bei der Herstellung einer Vorlage in Strich sollte der Gestalter die Möglichkeiten kennen, die ihm Tonwertabweichungen ohne Raster gestatten (s. Abb. 41 b). Bei der Buchdruck-Autotypie tritt zu dem Vorteil jeder einzelnen Punktschärfe als Nachteil hinzu: Eben weil das Klischee »erhaben« ist, streift sich beim Darüberlaufen der Farbwalze die Druckfarbe an den Rändern leicht ab, so 148
Der Raster im Buchdruck
Rasterscheibe, Linienverh. 1 : 2
Das Original reflektiert
kein Licht
| kaum Licht I wenig Licht | viel Licht
sehr viel Licht
Im Repro-Rasternegativ entsteht die punktförmige Umsetzung des Grauwertes, umgekehrt in seine schwarzen und weißen Anteile
Ü B E R T R A G U N G durch Kopierlicht auf die Zinkplatte
Die belichteten Stellen der Chromgelatineschicht gerben sich I
ÄTZUNG Die belichteten, gegerbten Stellen sind nach der Entwicklung säureabweisend
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DRUCKERGEBNIS
A b b . 43
149
daß es manchmal zum Zulaufen der äußersten Rasterpunkte kommt. Bei jeder Tageszeitung kann man das sehen. Will man diesen winzigen Nachteil nicht in Kauf nehmen, kann man das freistehende viereckige Bild mit einer Kontur in Strich versehen. In keinem Falle aber sollte der Raster innerhalb des Klischees unterbrochen werden, reines Weiß innerhalb einer tonigen Zeichnung oder eines Photos also vermieden werden. Die unberechenbaren Abstreifränder würden sich hart und störend gerade dort bemerkbar machen, w o der graue Ton besonders weich ins Weiß des Papiers auslaufen soll. Im praktischen Ablauf der Tagesarbeit kommen sowohl reine Strichvorlagen vor wie Vorlagen, bei denen eine Autotypie mit Strich kombiniert ist. Reine Strichvorlagen sind ζ. B.: eine Zeichnung ohne Halbtöne, volle Fläche und Text. Kombinierte Vorlagen sind z.B.: eine Zeichnung in Halbtönen oder ein Photo, eventuell eine volle Fläche und Text. Für die reine Strichvorlage benötigt man vom Ganzen eine einzige Strichaufnahme. Bei einer kombinierten Vorlage müssen sowohl eine Strich- als auch eine Autotypieaufnahme hergestellt werden. Die beiden verschiedenen Filme werden dann auf eine Zinkplatte zusammenkopiert und entsprechend geätzt. Soll Schrift ζ. B. innerhalb eines Photos erscheinen, so wird die Schrift, in Strich photographiert, je nach Vorlage positiv oder negativ in die Autotypie einkopiert. Besonders für die Autotypieherstellung werden neuerdings elektronische Verfahren angewendet. Die Grauwerte des Originals werden elektronisch abgetastet, die erhaltenen Meßwerte in verschiedene Impulse umgewandelt und an einen Stichel weitergeleitet, der die Impulse in entsprechend große Vertiefungen umsetzt.
Die sog. Abklatschverfahren zu kennen ist für den Gestalter nicht unbedingt notwendig, da sie seinen Entwurf nicht beeinflussen. Galvanos. Da die Gefahr besteht, daß sich Buchdruckklischees bei hohen Auflagen abnutzen, kann man v o m fertigen Klischee auf galvano-plastischem Wege Zweitklischees, sog. Galvanos, anfertigen lassen. Sie sind billiger als ein Klischee. Somit kann man öfter vorkommende Elemente, ζ. B. Firmenzeichen, als Galvanos verwenden oder die halbe Auflage auf zwei Maschinen drucken. Galvanos sind eine Sache der Druckkalkulation und nicht des Entwurfs. Stereotypie und Mater. Beide finden Verwendung beim Rotations(Zeitungs)druck. Die v o m Metteur zu einer Zeitungsseite zusammengestellten und »umbrochenen« Auto- und Strichklischees und Satzteile liegen in einer Ebene. Zum Rotationsdruck aber muß die Druckform nicht eben, sondern rund, besser halbrund sein, zu einer Stereotypie werden. Über die ausgeschlossene Seite wird eine pappmachéâhnliche Masse gepreßt, die alles, was »erhaben« ist, selbst Rasterpunkte bis zum 32er Raster, als Vertiefung aufnimmt. Diese Mater wird nach dem Trocknen in der Stereotypieabteilung in eine runde, halbkreisförmige Formpresse gegeben und mit Schriftgußmaterial ausgegossen, so daß eine zusammenhängende, halbkreisförmige Gußform in einem Stück entsteht. Diese Gußform stellt, auf dem Rotationszylinder fest montiert, erst die eigentliche Druckform für den Rotationsbuchdruck dar. Sie kann nach erfolgtem 150
Herstellung einer Stereotypie a) b) c) d)
d)
Metteur bei der Korrektur und beim Umbruch Von der umbrochenen Seite wird die Mater abgenommen Die Mater ist zu einer runden Form in einem Stück ausgegossen Die fertige Druckform für den Rotations-Buchdruck
Werkfotos Süddeutscher Verlag München
Abb. 44
Auflagendruck wieder eingeschmolzen werden. Die Mater dagegen wird eine zeitlang aufgehoben. Die geringfügigen Verzerrungen durch das Rundbiegen sind für die Bildwiedergabe ohne Bedeutung (Abb. 44). Bei großen Tageszeitungen mit Tochterverlagen in der Provinz werden die Matern vom zentralen Verlagshaus an die Tochterverlage geschickt und dort in der Stereotypie als Druckform ausgegossen. Auf diese Weise erhalten die Tochterzeitungen den innen- und außenpolitischen, oft auch den wirtschaftlichen Teil der Hauptzeitung und unterhalten nur für den lokalen Teil eine eigene Redaktion. Eine eigene Klischeeart ist die sog. Blindprägung. Hier wird nicht mit einer Farbe gedruckt, sondern das Papier oder der Karton fühlbar plastisch geprägt. Man findet Blindprägungen besonders bei Schokoladen- und Pralinenpackungen und auf Briefausstattungen. Der Gestalter zeichnet in Schwarz/Weiß. J e nach Angabe wird die Zeichnung, die in Strich zu halten ist, etwa 1/3 mm erhaben oder vertieft, mit Hilfe 151
von Druck- und Gegendruckform, Matrize und Patrize, geprägt. Bei der Kalkulation gilt allerdings Blindprägung als Maschinendurchgang, also als Farbe: Sçhwarz, eine Schmuckfarbe, eine Blindprägung = 3 Farben (Abb. 55, Farbseite 181). Preise. Ein Strichklischee im Format 10 χ 15 cm kostet z. Zt. um DM 25-30; eine Autotypie im Format 10 χ 15 cm kostet einfarbig z. Zt. um DM 50, vierfarbig ca. um DM 400. Die modernisierten Verfahren (Dow-Ätzung im Strich, Elektronik bei Autotypie) ermöglichen eine schnellere Herstellung, kosten aber etwa dasselbe wie die konventionellen Verfahren. Druckmöglichkeiten und Druckgeschwindigkeiten. Heidelberger oder vergleichbare ebene Verfahren bis zu höchstens 3000 Stück/Std. -Flachformen mit Druckzylinder ab 3000, je nach Maschinenklasse bis zu 7000 Stück/Std. -Zeitungsrotation zwischen 18000 und 30000 Stück/Std. (Abb. 45). Der Flexodruck — früher auch Anilindruck nach seiner Druckfarbe g e n a n n t - i s t eine Art des Hochdruckverfahrens, bei dem von Gummistereos, die auf dem Druckzylinder montiert sind, und von gravierten Gummizylindern gedruckt wird. Die Druckmaschinen arbeiten in Rotation mit hohen Auflagen. Statt derfrüheren Anilinfarben werden heute lasierende Druckfarben verwendet. Der Flexodruck wird einerseits für Druckerzeugnisse eingesetzt, bei denen die Qualität eine geringe Rolle spielt, ζ. B. einfache Tüten und Einwickelpapiere. Bei mehrfarbigem Druck muß der Gestalter Passerdifferenzen bis zu 4—5 Millimeter einkalkulieren. Andererseits ist der Flexodruck so weit entwickelt worden, daß er heute zum Bedrucken auch von sog. Zellulosepapier geeignet ist. Tragetüten aus Plastikmaterial werden, oft mehrfarbig, in hoher Qualität passergenau gedruckt. Man erkennt den Flexodruck an den leicht verlaufenden Rändern. Anwendungen in der Praxis: Buchdruck wird heute bei vielen Werbedrucksachen unter 30000-50000 Stück verwendet, bei denen es auf die gestochene Schärfe beim Druckerzeugnis ankommt. Die Buchdruckklischees verbinden sich ideal mit der Bleisatz-Letter, so daß in Verbindung mit den Klischees direkt vom Satz gedruckt oder eine Stereotypie hergestellt werden kann. Zeitungen können auf den Rotationsbuchdruck nicht verzichten, obwohl ζ. B. die Bild-Zeitung bereits Teile ihres Blattes in Offset druckt und die Süddeutsche Zeitung w o h l bald folgen wird. Der größte Vorteil des Buchdrucks ist, daß man kurzfristige Änderungen vornehmen kann, ζ. B. bei plötzlichen aktuellen Ereignissen. In Minutenschnelle Schlagzeile und Titelfoto ändern, den bereits abgesetzten Leitartikel durch einen anderen ersetzen kann man eben nur im Buchdruck, da man nur bei diesem Verfahren Klischees auswechseln kann. So erlaubt das Druckverfahren Buchdruck einer Zeitung höchste Aktualität. Im allgemeinen aber ist der Offsetdruck in Verbindung mit dem Fotosatz auf dem Vormarsch, sogar auf der alten Domäne des Buchdrucks, eben dem Druck von Büchern.
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a) Die Druckform ist eben, der Druckträger ist eben: Tiegeldruck für kleine Auflagen nicht über DIN A 4 b) Die Druckform ist eben, der Druckträger rund: Schnellpresse für höhere Auflagen und größere Formate mit Falzung c) Die Druckform ist rund (Stereotypie), der Druckträger ist rund: Rotation, für hohe Auflagen - Zeitungen
Die Druckmöglichkeiten im Buchdruck
Werkfotos: Süddeutscher Verlag München.
Abb. 45
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Der Tiefdruck Das Druckprinzip - gleichgültig, ob die Druckform manuell oder chemigraphlsch oder elektronisch hergestellt wird: Die (ursprüngliche) Materialebene druckt nicht. Alles, was drucken soll, muß in der Druckform vertieft angebracht werden. Es entsteht eine reliefartige Druckform, bei der die vertieften Teile Farbe aufnehmen und drucken. Grundsätzlich sind vier Arbeitsgänge zu leisten: 1. Vertiefungen anbringen, 2. die gesamte Druckform mit Farbe überziehen, 3. die Druckform blankwischen, so daß die Farbe nur in den Vertiefungen zurückbleibt, 4. drucken, d. h. unter starkem Druck die Farbe aus den Vertiefungen herausziehen. Die Arbeitsgänge 2-4 sind bei jedem Druckvorgang zu wiederholen. Grundsätzlich - gleichgültig, ob die Druckform manuell oder chemigraphisch oder elektronisch hergestellt ist —sind die Vertiefungen verschieden tief, im manuellen Tiefdruck maximal 1/3 mm, im Druckgewerbe 1 /« m r n · tiefer die Vertiefung im Metall - Kupfer, Zink oder Messing -1st, desto mehr Farbe nimmt sie auf, und desto mehr Farbe wird an das Papier abgegeben. Der Tiefdruck druckt also mit verschiedenen Farbmengen. Daraus resultiert seine Stärke, die Tonigkeit und Tiefe der Bildwiedergabe. »Gemacht« wird das Schwarz (Abb. 46a).
Die graphischen Verfahren Sie unterscheiden sich in den manuellen Techniken hinsichtlich des ersten Arbeitsganges Vertiefungen anbringen: a) durch den Druck der Hand auf ein Werkzeug, b) durch Ätzeinwirkung von Säure. Durch Druck der Hand: Kupferstich, Kaltnadelradierung, Schabkunst oder Mezzotinto. Durch Ätzeinwirkung von Säure: Radierung, Aquatinta (Abb. 46b). Der Kupferstich. Die Kupferplatte, poliert und mit einer Facette, dem abgeschrägten Rand versehen, wird auf ein mit Sand gefülltes Lederkissen, das Stecherkissen gelegt. Der Stecher arbeitet mit Sticheln verschiedener Größe, die einen rautenförmigen Querschnitt haben (s. Abb. 46b). Je nach dem Druck der Hand und je nach der Größe des Stichels entstehen mehr oder weniger tiefe Furchen. Zu beiden Seiten der Furchen werfen sich Grate im Kupfer auf, die beim Kupferstich entfernt werden müssen (s. Abb. 46b). Änderungen sind nur möglich, wenn man das Kupfer von hinten hochhämmert und wieder glatt poliert. Die Arbeit des Stechers ist äußerst exakt und langwierig. Experten schätzen die Dauer eines Stichs wie Dürers Melancholie bei zwölfstündiger Arbeitszeit pro Tag auf zwei bis drei Monate. Bei Schraffuren im Kupferstich muß die dritte Schraffur genau den Schnittpunkt der beiden ersten treffen, sonst entstehen im Druck schwarze Flecken. Die führende, schöpferische Hand des Stechers ist die linke, die die Platte dreht, während die rechte den Stichel führt (Abb. 46c). Die gestochene Kupferplatte gibt etwa 500 brilliante, dann noch etwa 200 gute Drucke ab. Da sich das Kupfer durch den dauernden Wischprozeß beim Druck abnützt, verblassen die Linien. Will man eine höhere Auflage erzielen, so muß nachgestochen werden oder die Platte von vorneherein verstählt sein (Stahlstich). 154
Kupferstich aus dem 18. Jh. 1:1
A b b . 46
R a d i e r u n g — Ä t z u n g mit Kaltnadel kombiniert Die geätzten Linien sind alle g l e i c h t i e f = s c h w a r z u n d laufen stumpf aus, die mit der Kaltnadel gearbeiteten sind unterschiedlich tief=schwarz u n d laufen spitz aus.
Die Kaltnadelradierung. Die Bezeichnung Kaltnadel ist irreführend. Ihre Bezeichnung leitet sich von der Gegensätzlichkeit her, daß bei der eigentlichen Radierung beim Ätzen Wärme entsteht. Die scharfe, spitze Stahlnadel wird einerseits beim Kupferstich statt des Stichels für sehr feine Stellen und Punktierungen eingesetzt. Andererseits läßt sich die Stahlnadel wesentlich spontaner und stiftähnlicher führen. Die entstehenden Grate beiderseits der Furchen werden nicht entfernt. Bei Kreuzschraffuren ergibt sich die Möglichkeit, zusätzlich beim Druck Farbe zwischen den Graten festzuhalten. Dadurch entsteht ein volles, samtartiges Schwarz, dessen Einzelschraffuren nicht mehr zu sehen sind. Die Kaltnadelradierung ist am spitz zulaufenden Strich und an den Tonunterschieden innerhalb des Strichs (Druck der Hand) zu erkennen (Abb. 46 b, d). Etwa nach 10 Abzügen verschwinden die Grate durch den dauernden Wischprozeß. Bei höheren Auflagen muß laufend nachgearbeitet werden. Die Schabkunst. Hier geht man umgekehrt vor: Die ganze Platte wird mit dem Wiegeeisen, einem Werkzeug mit vielen kleinen Stahlzähnen, in allen Richtungen aufgerauht, bis sie im Druck ein volles Schwarz ergeben würde. Man arbeitet jetzt mit dem Polierstahl und glättet das Kupfer wieder stufenweise bis zur vollen Glätte oder gleich vollem Weiß. Man arbeitet also vom Schwarz ins Weiß (Abb. 47a). Die Radierung. Die angewärmte Kupferplatte wird mit Asphaltlack überzogen. Nach dem Trocknen wird mit der stumpfen Radiernadel der Lack entfernt, radiert, so daß an diesen Stellen das Kupfer freiliegt. Nun werden Rückseite und Facetten ebenfalls durch Lack geschützt und die Platte der Ätzung ausgesetzt : Für Kupfer Eisenchloryd, für Zink Salpetersäure. Je nach der gewünschten Tiefe und der Stärke der Säure (Verdünnung gemessen in Borné) wird die Platte verschieden lange geätzt. Die Säure frißt sich an den freigelegten radierten Stellen ins Metall ein (eventuell mehrere Ätzungen). Nach erfolgter Ätzung wird die Platte abgespült, der Lack mit Trichloräthylen entfernt. Änderungen müssen durch nochmaliges Ätzen oder durch Überarbeiten mit der Kaltnadel vorgenommen werden (Abb. 46 b, d). Eine Abart der Radierung ist das sog. Vernis mou. Auf die mit Lack überzogene Platte wird ein Papier oderTuch gelegt und auf der Rückseite bezeichnet. Durch den Druck auf den weichen Lack bleibt dieser an den durchgedrückten Stellen am Papier bzw. Tuch haften. Dadurch wird das Metall zur Ätzung freigelegt. Es entsteht eine kreideähnliche Wirkung. Aquatinta ist eine Technik, die zurtonigen Ätzung größerer Flächen verwendet wird. Kolophoniumkorn oder Asphaltstaub wird aus einem Leinenbeutel durch Gegenklopfen auf die Metallplatte gestäubt und kurz angeschmolzen. Bei der Ätzung greift die Säure das Metall nur an den winzigen Stellen an, die von dem aufgeschmolzenen Staub nicht voll bedeckt sind. Kolophoniumkorn ergibt eine grob- bis feinkörnige Wirkung, Asphaltstaub eine strukturlose, fast bleistiftähnliche Fläche. Auch hier richtet sich die Zeitdauer der Ätzung nach gewünschter Tiefe bzw. Schwärze. Die Zeichnung selbst kann vorher oder nachher in der Technik der Radierung oder mit der Kaltnadel vorgenommen werden (Abb. 47b). Alle manuellen Tiefdrucktechniken sind wesentlich komplizierter als die des Buch156
Abb. 47
druckverfahrens. Sie erfordern viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Die Stärke der Säure und ihre Relation zur Ätzdauer sind bei den einzelnen Künstlern individuell verschieden. Das gilt auch für die Frage, wo, wann und wie stark bei Stich und Kaltnadel aufgedrückt wird. Ein Unsicherheitsfaktor ist auch die Säure selbst: Eine
Säure, die man schon mehrfach zum Ätzen verwendet hat, verliert bei gleicher Konzentration bzw. Verdünnung ihre Kraft und arbeitet immer langsamer und schwächer. 10—15 Sek. zu lange oder zu kurze Ätzzeit können bei starker frischer Säure schon das gewünschte Ergebnis gefährden. Hinzu kommt, daß man während der eigentlichen Arbeit nicht kontrollieren kann, d. h., die gewonnenen Vertiefungen nicht abmessen kann, denn auf der spiegelnden Metallplatte sieht man nichts von seiner Arbeit. Bei den Radiertechniken sieht man zwar die Linien sich deutlich von dem schwarzen Lack abheben, die Tiefen und damit das Druckergebnis hängen jedoch vom Ätzprozeß ab. Daher haben die Künstler mehrere Zwischen- oder Zustandsdrucke während ihrer Arbeit gemacht, um ein Teilergebnis vor Augen zu haben. Wegen ihrer Seltenheit und weil sie einen interessanten Eindruck der künstlerischen Absicht vermitteln, sind sie von Sammlern gesucht und erzielen heute hohe Preise. Zum eigentlichen Druck eignet sich besonders Büttenpapier. Dieses muß möglichst einen Tag vor Verwendung zwischen feuchte Löschpapierblätter gelegt werden, damit es die gewünschte Saugfähigkeit erhält. Bei farbigen Radierungen oder Farbstichen müssen entweder für jede Farbe die entsprechenden Platten hergestellt werden, oder die jeweilige Farbe wird mit der Hand in die Vertiefungen eingerieben und die Platte in einem Druckvorgang vielfarbig gedruckt. Die Entwicklung der graphischen Tiefdrucktechniken Seit der minoischen Kultur, von etwa 1350 v. Chr. bis ins hohe Mittelalter, etwa 1350 n. Chr. wurde poliertes Kupferfürdie Herstellung von Spiegeln benutzt. Erscheint es da nicht absurd, Spiegel zu zerkratzen, mit Farbe zu füllen und abzudrucken? Man kennt zwei Wege, die zum späteren Kupfertiefdruck und seinen Techniken führten. 1. Die Rüstungsmacher und Schwertfeger ätzten die Ziselierungen auf den Rüstungen mit Ammoniak in Eisen. Diese Ziselierungen füllten sie mit Farbe aus und druckten sie als Vorlage für ihre Kunden und Lehrlinge ab. 2. In Italien wurden sog. Niellen (Einzahl niello, von nigellus = schwarz) hergestellt, etwa zollgroße Heiligenbilder, die den Gläubigen zum Kuß gereicht wurden, die sog. Kußplättchen. Das Niello besteht aus Metall, in welches die Zeichnung eingraviert und die Gravur mit Farbe ausgefüllt wurde, entweder mit schwarzer Farbe auf Metallhintergrund oder mit Schwefelsilber, so daß die Zeichnung silbern auf schwarzem Hintergrund steht. Vor dem Ausfüllen mit Farbe wurde die Gravur mit Druckfarbe ausgefüllt, abgedruckt und der Abzug verkauft. Die Blütezeit des eigentlichen Kupferstichs liegt etwa von 1400 bis 1530. In Deutschland sind der Meister ES, Martin Schongauer und besonders Albrecht Dürer zu nennen, in den Niederlanden Lukas van Leyden, in Italien Andrea Mantegna. Alle diese Künstler haben eigenhändig in Kupfer gestochen. Dürer, der aus der Goldschmiedewerkstatt seines Vaters kam, hat mehrere Serien in Kupferstich herausgegeben, die kleine und die große Kupferstich-Passion, und eine Menge freier Motive in Kupfer gestochen : Ritter, Tod und Teufel, Melancholie, Szenen der biblischen Geschichte. Er hat sogar nach dem Muster der Rüstungsmacher mit Ammoniak in Eisen die erste Radierung ausgeführt. 158
Seit Raffael in seiner Werkstatt Stecher beschäftigte, die seine Malereien, sogar Fresken, in Kupfer reproduzierten, verliert der Stich an künstlerischer Bedeutung und bleibt jahrhundertelang im Dienste der Malerei ein Mittel zur Vervielfältigung von ortsgebundenen Originalen. Rubens erhält das Privileg, Kupferstiche nach seinen Werken im Eigenverlag unter Umgehung des Handels herauszugeben. Die eigentliche Technik des Barock ist die Radierung, die dem malerischen, räumlichen Anliegen im künstlerischen Ausdruck am besten entspricht. Rembrandt benutzt oft Ätz- und Kaltnadelradierung auf einer Platte. So wie bei Dürer Handzeichnung und Stich eine künstlerische Einheit bilden, so ist es auch bei Rembrandt. Die Technik seiner Handzeichnungen sind lavierte Federzeichnung (zusätzlich mit Pinsel aquarelliert), Rohrfederzeichnung, Kreide- und Rötelzeichnung: breit und momentan, mit räumlichen Hell/Dunkel-Kontrasten arbeitende, malerische Zeichnungen. Also auch hier die Einheit zwischen der Handzeichnung und ihrer Reprotechnik, eben der Radierung. Ganz deutlich sieht man das beim Vergleich von der vorbereitenden Skizze und der ausgeführten Radierung. Im 18. Jahrhundert, als man nach Wegen suchte, nach Feder- und Pinselzeichnung nun auch die noch weichere Kreidezeichnung in Kupfer reproduzieren zu können, wurde Vernis mou und besonders die Aquatinta sowie die Schabkunst (Mezzotinto) entwickelt. Um jede harte graphische Linie zu vermeiden, verwendet man beim Stich statt des Stichels das Roulette, ein Rädchen mit kleinen Stacheln, die den Strich in winzige Punkte auflösen. Diese Verfahren wurden zwar in Deutschland und Frankreich entwickelt, in England aber am häufigsten und charakteristisch verwendet: Die berühmten englischen Stiche sind alle in diesen weichen Techniken gehalten und meistens beschriftet. Diese aus der Technik des Stichs entwickelte Schrift, die englische Schreibschrift, bildete bis zum Ersten Weltkrieg die Schönschrift-Vorlage. Die englischen Stiche waren lange eine gesuchte Exportware. - In Spanien schuf Francesco Goya vierteile großformatige Serien in Aquatinta mit Ätzung und Kaltnadel kombiniert und mußte sich der Themen wegen vor der Inquisition verantworten, dann das Land verlassen: Caprichos, Desastres della guerra, Disparates, Tauromaquia. Sie bilden die letzte eigentliche große Leistung eines Künstlers, der in Kupfertiefdrucktechnik arbeitete. Im 18. und 19. Jahrhundert werden die Tiefdrucktechniken auch für Landkarten, Städteansichten, wissenschaftliche Illustrationen und zur Darstellung modischer Figurinen verwendet. Zwar werden die Techniken auch im 20. Jahrhundert von verschiedenen Künstlern gelegentlich mit hoher Qualität ausgeübt, aber keiner ist charakteristisch für eine Tiefdrucktechnik geworden. Picasso arbeitete in Kaltnadel und ätzte eine Stierkampffolge in Aquatinta. 1814 konnten die Engländer Aquarelle in Aquatinta reproduzieren und entwickelten um 1890 den maschinellen Kupfertiefdruck, hielten ihn aber geheim. Erst nach dem Ersten Weltkrieg gelangte er in das übrige Europa und stellt heute das zweite große Druckverfahren dar. Der Tiefdruck zeigt auch im Druckgewerbe seine charakteristische Stärke in der Wiedergabe von Hell/Dunkel-Kontrasten, den Tiefen in der Bildwiedergabe (verschiedene Farbmengen) im Gegensatz zum Buchdruck mit seiner präzis flächigen Wirkung.
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Der Tiefdruck im graphischen Gewerbe Die Herstellung der Tiefdruckform, in der Regel Rotationstiefdruck, ist analog den manuellen Techniken wesentlich komplizierter als die des Buchdrucks. Die kritischen Punkte bei den vier Arbeitsgängen sind a) beim ersten, Vertiefungen anbringen, d. h. hier die Übertragung des Originals auf den Kupferzylinder und die Ätzung der vielen winzigen, verschiedenen Vertiefungen bei möglichst wenigen Ätzvorgängen, b) beim dritten, Blankwischen der Druckform. Die dabei entwickelten Verfahren sind aufeinander abgestimmt und bedingen sich gegenseitig. Erster Arbeitsgang: Vertiefungen anbringen - im graphischen Gewerbe grundsätzlich durch Ätzeinwirkung von Säure. Auch im Tiefdruck beginnt die Bildübertragung mit der Reprophotographie. Die Grundlage sowohl für Bildübertragung als auch der Ätzung bildet die lichtempfindliche Schicht des Pigmentpapiers. Die gesamte Wiedergabe für Bild, Graphik und Text läuft über den 70er Einheitsraster. Die Rasterstege sind offen und damit lichtdurchlässig. Zunächst werden die Rasterstege auf das Pigmentpapier durch Lichteinfall aufkopiert. Warum das so sein muß, erklärt der dritte Arbeitsgang Blankwischen. Der 70er Einheitsraster - 70 Stege pro Zentimeter - läßt ca. 5000 Vertiefungen auf den Quadratzentimeter zu. Danach wird das vom Tiefdruck-Retuscheur bearbeitete Original photographiert und das gewonnene Film-Negativ durch Kontaktübertragung in ein Film-Positiv umgekehrt, das jetzt dem Original entspricht. Dieses Film-Positiv wird unter starkem Lichteinfall auf das Pigmentpapier, auf dem sich schon die aufkopierten Rasterstege befinden, aufkopiert. Das Kopierlicht härtet jeden der winzigen Zwischenräume zwischen den Rasterstegen auf dem Pigmentpapier entsprechend dem Tonwert im Positiv-Film verschieden hart. Schema: a) Das Film-Positiv ist schwarz - das gedeckte Schwarz entspricht dem tiefen Schwarz des Originals: Das Licht kann nicht durchfallen und keine Härtung bewirken, die Schicht bleibt weich. b)Das Film-Positiv ist dunkelgrau - das dunkle Grau entspricht dem dunklen Grau des Originals: Das Licht kann kaum durchfallen und bewirkt eine geringe Härtung. c) Das Film-Positiv \st hellgrau - das helle Grau entspricht dem hellen Grau des Originals: Das Licht kann nicht voll durchfallen und bewirkt eine kräftige Härtung. d) Das Film-Positiv ist völlig offen - das Weiß des Films entspricht dem Weiß des Originals: Das Licht fällt voll durch und bewirkt völlige Härtung. Die entstandenen, dem Originai entsprechenden, verschiedenen Härtegrade weisen nach der chemischen Entwicklung proportional zu ihrer Intensität die Ätzeinwirkung durch Säure ab. Die lichtempfindliche Schicht des Pigmentpapiers, auf die das Bild übertragen ist, wird von der Trägerschicht getrennt und fest auf den Kupferzylinder aufgelegt. Nach einem chemischen Entwicklungsprozeß wird jetzt die reliefartige Schicht zum Regulator der Ätzung. Die Ätzung kann in mehreren Durchgängen mit unterschiedlich starken Verdünnungen, in Ausnahmefällen auch in einem einzigen Durchgang mit Eisenchlorid vorgenommen werden. Die Säure wird dabei überall gleichmäßig 160
Die Bildübertragung im Tiefdruck
Der Tiefdruck kennt keinen Unterschied zwischen Strich und Autotypie. Die gesamte Bildübertragung läuft über den 70er Raster im Linienverhältnis 1 :3
VORARBEIT Die Stege des 70er Einheitsrasters werden auf das Pigmentpapier durch Lichteinfall aufkopiert
Die Stege gewährleisten beim späteren Druck die einwandfreie Führung des Rakelmessers
KOPIE Grauwerte des Diapositivs, die den Grauwerten des Originals entsprechen
Pigmentpapier, auf d e m die Rasterstege aufkopiert sind
keine
gering
mittel
kräftig
völlig
Die v o m Diapositiv anteilmäßig durchgelassenen Lichtmengen härten die freien Stellen des Pigmentpapiers unterschiedlich stark
Härtung
ATZUNG Durch den ungleichmäßigen Widerstand werden unterschiedliche Vertiefungen bei jeweils einem einzigen Ätzvorgang erzielt
A b b . 48
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auf dem Zylinder verteilt und ätzt entsprechend den Härtegraden. Schema vergi. oben (Abb. 48): a)Keine Härtung bewirkt völlige Säuredurchlässigkeit: die Näpfchen werden tief geätzt = volle Farbaufnahme b) Eine geringe Härtung bewirkt eine kräftige Säuredurchlässigkeit: die Näpfchen werden kräftig geätzt = kräftige Farbaufnahme c) Eine kräftige Härtung bewirkt eine geringe Säuredurchlässigkeit: die Näpfchen werden gering geätzt = geringe Farbaufnahme d) Eine völlige Härtung bewirkt keine Säuredurchlässigkeit: es findet keine Ätzung statt = keine Farbaufnahme Original
Film-Positiv
Belichtung/ Härtung
Ätzung durch Druckergebnis Säuredurchlässigkeit
schwarz dunkelgrau hellgrau weiß
voll gedeckt leicht gedeckt leicht offen offen
keine gering stark voll
voll stark gering keine
schwarz dunkelgrau hellgrau weiß
Der Tiefdruckätzer erzielt also bei überall gleichmäßiger und gleichstarker Ätzung in einem Zeitabschnitt verschiedene Vertiefungen. Die Ätzung eines Zylinders hängt genauso wie beim manuellen Vorgang beschrieben von vielen Imponderabilien ab: der Stärke der Säure und ihrer Temperatur, der des Raumes, der Erfahrung und der Geschicklichkeit, dem Fingerspitzengefühl und dem Können des Ätzers. Bei starker Ätzung hat die Säure einen Gehalt von 25 Borné maximal. In neuester Zeit verwendet man bereits Ätz- und Graviermaschinen. Die letzteren sind elektronisch gesteuert. Die Vorlage wird nach Grautonwerten elektronisch abgetastet, die entsprechenden Werte in elektrische Impulse umgesetzt und an den Gravierstichel weitergegeben, der dann die entsprechenden Vertiefungen graviert. Bei der Länge eines Kupferzylinders von 240 cm ist dieses Verfahren entsprechend teuer, aber auch schneller: Eine italienische Druckerei braucht zur Herstellung einer Zeitschrift unter Verwendung von Scanner und Graviermaschinen ein bis zwei Tage. Die Qualität ist allerdings nicht erstklassig. Zweiter Arbeitsgang: Die Druckform mit Farbe überziehen. Das Pigmentpapier wird entfernt. Die Kupferschicht, zu einem Relief geätzt, wird auf dem Druckzylinder befestigt. Beim Druckvorgang läuft der rotierende Zylinder durch ein Farbbad mit bis zu 30% verdünnter Farbe. Die Farbe kann auch auf die Druckform gesprüht werden. Die Druckform wird völlig mit Farbe bedeckt. Dritter Arbeitsgang: Blankwischen, so daß die Farbe nur noch in den Vertiefungen bleibt. Fest gegen den beim Druck rotierenden Zylinder wird ein Rakelmesser gepreßt, das die Farbe von der Oberfläche völlig abstreift, so daß die Farbe nur die Vertiefungen ausfüllt. Das Rakelmesser ist rasierklingenscharf und muß wegen des 162
Abb. 49
Schleifprozesses e t w a alle vier S t u n d e n a u s g e w e c h s e l t w e r d e n , kann aber nachges c h l i f f e n u n d w i e d e r v e r w e n d e t w e r d e n . Nach d e m Rakelmesser n e n n t sich das ganze V e r f a h r e n Rakel-Tiefdruck. U m das e i n w a n d f r e i e A b s t r e i f e n der Farbe zu g a r a n t i e r e n , m u ß das M e s s e r - neue r d i n g s auch B ä n d e r - a u f d e m r o t i e r e n d e n Z y l i n d e r eine e i n w a n d f r e i e F ü h r u n g haben. Deshalb w u r d e n b e i m A r b e i t s g a n g 1 als erstes n o c h v o r d e m e i g e n t l i c h e n Ü b e r t r a g u n g s v e r f a h r e n die S t e g e des 70er E i n h e i t s r a s t e r s a u f k o p i e r t . Diese m ü s sen bei der Ä t z u n g u n b e d i n g t e r h a l t e n bleiben, d e n n sie b i l d e n d i e F ü h r u n g f ü r das Rakelmesser, a u f i h n e n gleitet es e n t l a n g u n d b e l ä ß t n u r die Farbe in den V e r t i e f u n gen. 163
Vierter Arbeitsgang: Druck. Das Papier läuft bei Massenauflagen von der Rolle (Enel· losdruck) durch mehrere hintereinandergebaute Maschinen. Es muß saugfähig, darf aber nicht feucht sein. Das Papier läuft zwischen Druck- und Gegendruckzylinder hindurch und zieht unter starkem Druck die Farbe aus den Vertiefungen (Abb. 49). Bemerkungen zum 70er Einheitsraster: Alle Vertiefungen sind gleich weit voneinander entfernt und entweder a) gleich groß und unterschiedlich tief, oder b) verschieden groß und verschieden tief (halbautotypisches Verfahren). In jedem Falle sind die Vertiefungen zur Farbaufnahme und -abgabe in verschiedenen Farbmengen, die Rasterstege zur Rakelführung unerläßlich. Die Bild- bzw. Druckelemente sind von verschiedener Farbkraft. Die helleren Bildpartien können ein Maximum an Zeichnung wiedergeben. Da die Bildreproduktion im Tiefdruck fast rasterlos wirkt, zeichnet sie sich besonders durch eine weiche, dem Photo entsprechende Wirkung aus. Da die gesamte Wiedergabe im Tiefdruck über den 70er Raster läuft, kennt der Tiefdruck keinen Unterschied zwischen Strich und Autotypie. Eine Vorlage für den Tiefdruck kann der Gestalter grundsätzlich in Halbtönen anlegen. So brillant eine tonige Bildwiedergabe ausfällt - bei größeren graphischen Flächen ist Vorsicht geboten. Bei der geringsten Abweichung in der Ätzung können hier leicht Wolken entstehen. Seine Grenze zeigt der 70er Raster bei zu kleinen oder zu zarten Schriften, die außerdem noch Schwünge oder haarfeine Serifen aufweisen, so daß z. B. eine 6 p leichte oder eine 6p serifenfeine Schrift hoffnungslos »angefressen« erscheinen wü rde. Da die Druckformherstellung im Tiefdruck die teuerste unter allen Druckverfahren ist, rentiert er sich erst ab einer Mindestauflage von 500 000 Stück. Seine Stärke zeigt er bei Millionenauflagen mit vielen Abbildungen, z. B. bei illustrierten Zeitschriften und Prospekten. Die Bildqualität ist brillant, der Übergang vom Schwarz ins Weiß des Papiers optimal. Da der Kupferzylinder in einem Ätzdurchgang bearbeitet wird und seine Herstellung eine verhältnismäßig lange Vorbereitungszeit braucht, können während des Arbeitsprozesses keine Änderungen vorgenommen werden. Diesen Nachteil hat der Tiefdruck durch eine Druckgeschwindigkeit von 30000 Stück in der Stunde ausgeglichen.
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Der Flachdruck Das Druckprinzip - gleichgültig, ob es sich um das manuelle oder chemigraphische Verfahren handelt: Die Druckform bildet kein Relief, sondern ist flach. Drukkende und nichtdruckende Teile liegen in einer Ebene nebeneinander auf der Druckplatte und sind nach dem Prinzip der Unverträglichkeit von Fett und Wasser voneinander geschieden. Es findet keine Materialverformung statt wie beim Buchdruck - durch Entfernen nichtdruckender Teile - und beim Tiefdruck - durch Anbringen von Vertiefungen. Der Flachdruck wird auch als chemisches Druckverfahren bezeichnet. Die druckenden Teile sind so beschaffen, daß sie beim Einfärben die fetthaltige Druckfarbe annehmen. Die nichtdruckenden Teile werden so präpariert, daß sie Wasser annehmen und beim Einfärben die fetthaltige Druckfarbe abstoßen (Abb. 50a).
Das graphische Verfahren Die manuelle Technik ist di e Lithographie (griechisch = Zeichnen auf Stein). Sie ist eine der wenigen graphischen Techniken, deren Erfinder bekannt ist: der bayerische Drucker Alois Senefelder, um 1790. Das ganze 18. Jahrhundert über herrschten die graphischen Techniken des Tiefdrucks vor. Ihre Tendenz war eindeutig: Man wollte dem Kupfer weiche, kreideähnliche Wirkungen abgewinnen (s. Tiefdruck, die graphischen Verfahren). Bieten die raffinierten Tiefdrucktechniken mit ihren mehrmaligen Ätzungen gewisse Schwierigkeiten, so läßtsich nun die gewünschte Wirkung viel müheloser, direkt und spontaner erzielen. Der in der Lithographie verwendete Solnhofer Kalkstein ist inzwischen durch Zink/Aluminium-Platten ersetzt worden. Beide Materialien besitzen die Eigenschaft, Fett als auch Wasser aufnehmen zu können. An den Stellen aber, die Fett aufgenommen haben, wird Wasser abgestoßen; die Stellen dagegen, die Wasser aufgenommen haben, stoßen Fett ab. Man nennt diese Stellen fett- bzw. wasserfreundlich. Die Vorzeichnung wird spiegelverkehrt, am besten mit dem fettarmen Rötel auf den Stein aufgepaust. Der Stein selbst ist völlig eben, kann aber verschieden stark gekörnt sein. Bei der Arbeit auf dem Stein gilt die Regel : Hände weg von der Oberfläche! Der Fettgehalt der Haut genügt, um später beim Druck Farbe anzunehmen. Dem Zeichenmaterial selbst ist Schwarz beigefügt, damit man die Arbeit kontrollieren kann. Entscheidend aber ist nicht das Schwarz, sondern der Fettgehalt des Materials: Fettkreide verschiedener Härtegrade und Fett-Tusche (Abb. 50b, c). Nicht immer entspricht die Schwärze dem Fettanteil. Deswegen bietet die Arbeit mit Kreide ein gewisses Risiko. Nachdem die Zeichnung fertig ist, wird der schwarze Farbanteil durch die Auswaschtinktur ausgewaschen, während der Fettgehalt in den Stein eingezogen ist. Dann wird der Stein mit einer Lösung von Gummiarabicum und Phosphorsäure geätzt. Diese Ätzung aber verändert nicht - i m Gegensatz zu den anderen beiden Druckverfahren - die Form. Sie dient a) zur Säuberung der 165
Oberfläche v o n Staubteilchen, b) zur Aufnahmebereitschaft v o n Wasser. Durch die erfolgte Ätzung dringt das Wasser erst richtig in die Poren des Steins ein und w i r d am A b p e r l e n gehindert. Ist die Säure zu schwach, w i r d der Stein nicht genügend w a s s e r f r e u n d l i c h ; ist sie dagegen zu stark, w e r d e n die zarten Stellen der Zeichnung, besonders bei Kreide, angegriffen. Vor d e m eigentlichen Druck w i r d zuerst der ganze Stein mit e i n e m S c h w a m m befeuchtet. Das Wasser gleitet nun v o n d e m Fett der Zeichnung ab u n d dringt nur in die freien, geätzten Stellen ein. Dann w i r d die Walze mit der fetthaltigen Druckfarbe über den Stein geführt. Diese verbindet sich nur mit d e m Fettgehalt der Zeichnung und w i r d von den freien, feuchten Stellen n/c/rt a n g e n o m m e n . Beim Druck selbst gelangt n u n die Druckfarbe, aber auch Wasser aufs Papier. Für jeden Druck m u ß neu befeuchtet u n d eingewalzt werden. Umdruck: Man kann auch, statt spiegel verkehrt auf den Stein, seitenrichtig auf Umdruckpapier zeichnen. Die Zeichnung w i r d dann v o m Papier auf d e n Stein spiegelverkehrt umgedruckt. Der eigentliche Auflagendruck bleibt dabei w i e beschrieben bestehen. Die Lithographie erlaubt d e m Künstler größere Freiheit als die anderen Techniken. Es ist »alles« m ö g l i c h : Arbeit mit Kreide u n d Tuschepinseln jeder Art, Herausschaben, A u f t u p f e n v o n Tusche mit Watte oder j e d e m anderen Material, auch Textilien mit besonderer Struktur. Die nichtmaterial- oder druckbedingten Techniken gestatten d e m Künstler, seine persönliche Handschrift voll und spontan zu entfalten (Abb. 50b, c).
Die E n t w i c k l u n g d e r L i t h o g r a p h i e Noch mit siebzig Jahren erlernte Francesco Goya, v o n Haus aus Radierer, in der französischen V e r b a n n u n g die neue Technik und zeichnete eine neue Stierkampfserie auf Stein. Zunächst aber w u r d e der Steindruck f ü r Noten- u n d Landkartendruck verwendet, seine künstlerischen Möglichkeiten also noch verkannt. Erst mit Delacroix und besonders Honoré Daumier erhält die Lithographie ihre eigentliche künstlerische Bedeutung. Max Slevogt zeichnet seine Illustrationen zu Benvenuto Cellini u n d dem Lederstrumpf direkt auf Stein. Überhaupt w i r d die Lithographie am Ende des 19. J a h r h u n d e r t s bevorzugt, besonders die farbige: Dégas, die Plakate v o n Toulouse-Lautrec, Signac, M u n c h und besonders Picasso. Farblithographie: Für jede Farbe m u ß in der beschriebenen Weise ein Stein bezeichnet w e r d e n . Dabei m u ß sich der Künstler die Umsetzung der Grauwerte, die er vor sich sieht, in entsprechenden Farbwerten vorstellen und ihre spätere farbige Intensität und d e n Farbwert beim Übereinanderdrucken abtaxieren können. Die A u f l a g e n h ö h e bei der Lithographie ist technisch unbegrenzt.
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Abb. 50
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Der Flachdruck im graphischen Gewerbe: Offset Die Herstellung der Offsetdruckplatte (in der Regel Rotationsoffset) beruhtauf demselben Prinzip wie die Lithographie: Druckende und nichtdruckende Stellen liegen auf einer Ebene und werden chemisch in fett- und wasserfreundlich getrennt. Erster Arbeitsgang: Reprophotographie: Der Reprovorgang ähnelt stark dem des Buchdrucks. Auch hier werden von den Teilen der Vorlage Reprophotos in Strich und mit Raster in Autotypie hergestellt. Alle Rastergrößen, vom 24er bis 70er Raster sind möglich. Zweiter Arbeitsgang: Kopie auf die Offsetplatte. Die gewonnenen Strich- und Autotypiefilme werden, sofern es sich ζ. B. um einen mehrseitigen Prospekt handelt, auf einer großen Klarsichtfolie auf dem Leuchttisch montiert, entsprechend der Vorlage. Die Montage wird dann auf die Druckplatte durch starken Lichteinfall übertragen. Die Druckplatte ist mit einer lichtempfindlichen Schicht überzogen. Hier gibt es zwei technische Wege, das Positiv- und das Negativ-Kopierverfahren. Positiv-Kopierverfahren: Von einer Positiv-Kopiervorlage entsteht eine positive, von einer negativen eine negative Kopie. Diese wird zur Druckform. Die druckenden Elemente werden dort gebildet, wo das Kopierlicht die Schicht nicht gegerbt hat. Die gegerbten Teile werden durch Chemikalien entfernt. Die dadurch freigelegten Teile der Druckform werden die wasserfreundlichen. Negativ-Kopierverfahren: Von einer Negativ-Kopiervorlage entsteht eine positive Kopie oder umgekehrt von einer positiven eine negative Kopiervorlage. Diese wird dann zur Druckform. Die druckenden Elemente werden dort gebildet, w o das Kopierlicht die Schicht gegerbt hat. Die ungegerbten Teile werden durch Chemikalien entfernt. Die gegerbten Teile werden die fettfreundlichen. Beide Verfahren bestehen nebeneinander, wenn auch das Positiv-Verfahren das häufigere ist. Fotosatz und Offsetdruck ergänzen sich. Das Arbeitsergebnis des Fotosatzes ist ein tonwert-umgekehrter Film, also »Weiß auf Schwarz«, und ein Abzug, also Schwarz auf Weiß. Gleichgültig, wie die Vorlage für die Offsetdruckerei auch i s t - d a s lästige und zeitraubende Umkopieren fällt weg. Im Positiv-Kopierverfahren wird die Vorlage, so wie sie ist, auf die Druckplatte übertragen, im Negativ-Verfahren tonwertumgekehrt. Die beiden Verfahren sind nur abhängig von der chemischen Zusammensetzung der Kopierschicht. Bei hohen Auflagen benutzt der Offsetdrucker Kupferfolien, die mit einer tausendstel Millimeter feinen Chromschicht überzogen sind. Dabei ist das Kupfer das fettfreundliche Material, Chrom dagegen das wasserfreundliche. Nach dem Belichtungsvorgang w i r d an den später druckenden Stellen die hauchdünne Chromschicht entfernt, weggeätzt. Das Kupfer tritt hervor. Bei allen drei Möglichkeiten hat die Ätzung die Aufgabe, die Wasserfreundlichkeit perfekt zu machen. Dritter Arbeitsgang: Druck. Die bearbeitete Folie wird über die Druckwalze gespannt. Nun läuft erst die feuchte Walze, dann die Farbwalze über die gesamte Folie: Feuchtigkeit bedeckt die nichtdruckenden, Fettfarbe die druckenden Stellen. Da der Offset zum Drucken Wasser ebenso benötigt wie Farbe, würde auch das Papier soi • 168
Feuchtigkeitswal;
Zinkfolie erhält zuerst Wasser dann Farbe
das Gummituch, über den Zylinder gespannt, nimmt allein die Farbe ab und gibt sie an das Papier weiter
A b b 51
Farbwerk
w o h l Feuchtigkeit w i e Farbe annehmen. Das Papier w ü r d e s i c h also wellen oder verz i e h e n - b e i m Farbdruck wegen Passerschwierigkeiten unmöglich! Deshalb druckt die Druckfolie erst gegen einen Zylinder, der mit einem G u m m i t u c h überzogen ist. Das G u m m i t u c h hält nun so viel Feuchtigkeit wie möglich auf der Folie zurück, n i m m t aber die Farbe voll an u n d gibt sie an das Papier weiter. Beim Offsetdruck k o m m t die eigentliche Druckform nicht mit dem Papier in unmittelbare Berührung, sondern erst das G u m m i t u c h . Man nennt ihn deshalb ein indirektes Druckverfahren. Man versucht heute das Wasser durch den schnell verfliegenden Methylalkohol zu ersetzen, um das Papier möglichsttrocken zu halten. Das Papier n i m m t nun wirklich nur die Farbe an (Abb. 51 ). Das indirekte Verfahren, ursprünglich ein kleiner Nachteil, wirkt sich zum Vorteil aus: Der Offsetdruck ist nicht, w i e die beiden anderen Druckverfahren, auf eine besondere Papierqualität angewiesen und kann außerdem auf viele andere Materialien drucken, ζ. B. auf Blech oder Leder, da das G u m m i t u c h sich auch einer rauhen Materialstruktur anpaßt. Man m u ß sich einmal einen 70er Raster im Offset vorstellen. Etwa 5000 Punkte von der Größe einer Stecknadelspitze werden von Feuchtigkeit umgeben, erhalten ihren winzigen Anteil Farbe, geben ihn ans G u m m i t u c h ab und dieses wieder ans Papier— und das alles bei hoher Druckgeschwindigkeit. Das ist nicht nur eine Frage an die Qualität des Druckers, des Kopierers, der Chemikalien, des Materials oder der Maschinen, sondern auch eine Frage an die Farbe selbst, die blitzschnell winzige fettfreundliche Formen auf der Platte trifft und von anderen, ebenso winzigen feuchten Formen abgestoßen wird. Die Rasterformen selbst, Punkte verschiedener Größe, erreichen nicht ganz die Schärfe und Prägnanz des Buchdruckrasters, sondern sind etwas unregelmäßiger. Dieser Umstand aberschlägt zum Vorteil aus in der Weichheit der Farbwiedergabe. A u ß e r d e m kann der Raster nahtlos ins Weiß übergehen wie beim Tiefdruck, da auch hier das Ende des Rasters nicht das Ende der Druckform bedeutet. Die Farbwiedergabe ist matter als die der beiden anderen Verfahren. W i r d auf Offsetpapier gedruckt, ein etwas rauhes, kein besonders gutes Papier, so hat der Druck das typische, trockene, kreideähnliche Aussehen. A u f Kunstdruckpapier gedruckt, ist er nur schwer v o m Buchdruck zu unterscheiden. Durch den Fadenzähler betrachtet, weisen die geringfügigen Unregelmäßigkeiten der Rasterpunkte ihn als Offsetdruck aus. Auch beim Offset ist, wie beim Tiefdruck, eine Ä n d e r u n g im Zusammensetzen der Druckkörper nur bis zu einem bestimmten Termin möglich. Änderungen in letzter Minute, wie beim Buchdruck, sind nicht möglich. Gedruckt werden kann nur von der vollständigen und i m ganzen behandelten Folie. Maschinen, die in Offset drucken, gibt es in Größen für DIN A4-Bogen (Rotaprint) für einen Farbdurchgang, für kleine Auflagen mit geringer Druckgeschwindigkeit bis zu Größen, die in Bogen DIN AO und A 1 und im Endlosdruck vierfarbig beidseitig drucken. Für den Gestalter zu beachten: Der Offsetdruck erfordert v o m GestalterAre/V? besonderes Eingehen auf Druckgegebenheiten. Offset kann einfach alles und setzt sich zunehmend mehr durch. Der Fotosatzfilm k o m m t ihm noch entgegen und geht mit 170
dem Druckverfahren eine ideale Verbindung ein. Seine Druckgeschwindigkeit ist je nach der Maschinentype sehr verschieden. Sie fängt bei 1000 Stück in der Stunde an und reicht bis 12000 je nach Maschinenklasse. Als Durchschnittsgeschwindigkeit kann man mit 6000-7000 rechnen, bei Rotation zwischen 18000-30000. Anwendung: Der Offsetdruck hat den Buchdruck bereits aus seiner alten Domäne, eben das Drucken von Büchern, verdrängt und wird z. Zt. sogar schon beim Zeitungsdruck verwendet. Die Bild-Zeitung druckt bereits einen Teil ihrer Auflage in Offset. Die Möglichkeit, mit farbigen Anzeigen in der Tageszeitung zu arbeiten, wird sich wohl dadurch verbessern. Die Großplakate an unseren Anschlagtafeln können nur in Offset gedruckt werden. Druckformen von mehreren DIN A1 sind im Buchdruck oder Tiefdruck viel zu teuer. Überhaupt wird man sich bei Formaten über DIN A2 fast immer für Offset entscheiden. Das gilt auch für Faltprospekte. In der Berechnung der Auflagenhöhe schiebt sich der O f f s e t - d i e s als Faustregel zwischen den Buchdruck (bis 30000) und den Tiefdruck (ab 500000).
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Der S i e b d r u c k Druckprinzip, gleichgültig, ob manuell oder maschinell: Druckform und Papier kommen nicht in Kontakt zueinander. Die Farbe wird durch ein Sieb, dessen Abstand zum Papier etwa 3 m m beträgt, gedrückt und »tropft« auf das Papier. Durch das Tropfen schließt sich die Spur des Siebes auf dem Papier. Der Siebdruck, gebräuchlich etwa seit 1950, w i r d zwar Druck genannt w i e alle anderen Verfahren auch, aber eine Druckausübung im Sinne von »Papier gegen eine Form pressen und Druck ausüben« findet nicht statt. Technik. Ein Unterschied zwischen manuellem und maschinellem Siebdruck besteht grundsätzlich nicht. Er ist denkbar einfach. Ein Sieb, meist aus Nylon (die Maschen können verschiedene Weiten aufweisen), ist auf einen Holz- oder Metallrahmen gespannt. Ein Farbwerk, das mit mehreren Walzen die Farbe fein auswalzt, gibt es nicht. Die Farbe liegt an einer oder beiden Endseiten des Siebes angehäuft und w i r d von einer Rakel über das Sieb geführt. Die Rakel drückt dabei die Farbe durch die Maschen des Siebes auf das Papier (Abb. 52).
A b b . 52
Im manuellen Siebdruck, dessen Zurichtung einfach und preiswert ist, müssen diejenigen Teile des Siebes, durch die Farbe nicht gedrückt werden soll, durch Schablonen abgedeckt werden. Im maschinellen Siebdruck w i r d das Sieb m i t Chromgelatine beschichtet. Der Repro-Positiv-Film w i r d auf das Sieb aufgelegt. Bei der Belichtung härtet sich die Schicht an den Stellen, w o das Licht auftrifft. Die winzigen Zwischenräume zwischen den Maschen des Siebes schließen sich. Diese Stellen sollen v o m Entwurf her 172
nicht drucken und lassen nun die Farbe nicht durch. Die dem Original entsprechenden Stellen dagegen, die drucken sollen, bleiben bei der Belichtung weich, werden ausgewaschen und lassen dann die Farbe durch das Sieb. Die Zubereitung des Siebes zum Druck ist also in wenigen Minuten fertig ohne langwierige und teure Druckformherstellung. Farbgebung : Der Siebdruck zeichnet sich durch eine feste, oft fühlbare Farbgebung aus. Weil seine Druckformherstellung schnell geht und preiswert ist, eignet ersieh schon für extrem niedrige Auflagen (ab 30 Stück). Nach oben hin ist seine Auflagenhöhe technisch unbegrenzt. Da seine Druckgeschwindigkeit dagegen wesentlich langsamer ist als die der anderen Druckverfahren (Rotation), würden hohe Auflagen zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Unentbehrlich ist der Siebdruck beim Bedrucken von fertigen runden Formen, ζ. B. von Coca Cola-Flaschen und Plastikbehältern. Hier dreht sich die Form, während die Rakel die Farbe durch das Sieb drückt. Der Siebdruck allein druckt mit Weiß als Farbe, er allein kann auf runde Materialien drucken. Er allein druckt mit deckenden Buntfarben, kann aber auch lasierend drukken. Sein Nachteil ist der Raster (bis 28er Raster). Etwa ab dem 32er Raster ist der Druck schwierig bis unmöglich, da hier ein allzu feiner Raster in Gegensatz zu der Siebstruktur tritt. Problemlos lassen sich Raster verwenden, die offen genug sind und sich in Strich wiedergeben lassen.
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Der Lichtdruck Der Lichtdruck ist ein Flachdruckverfahren, das sich besonders für hochwertige Reproduktionen, für Fac-simile-Drucke und absolut originalgetreue Wiedergabe von Gemälden eignet. Darin ist er allen anderen Druckverfahren überlegen, da die Zerlegung in druckfähige Bildteile nicht durch den Raster geschieht, sondern durch das sehr feine Lichtdruck- oder Runzelkorn. Seine Druckgeschwindigkeit liegt bei etwa 800 Drucken am Tag, und die Druckplatte hält nicht mehr als etwa 1500 Drucke aus. Daher kommt er in der Praxis selten vor. Das Verfahren beruht auf der Tatsache, daß die Chromgelatine durch Lichteinwirkung ihre Fähigkeit verliert, Wasser aufzunehmen. Die Druckelemente werden von
Zusammenfassung und Vergleich der vier Druckverfahren Druckform herstellung im Sinne von Formveränderung des Materials
Repro-Aufnahme
Kopie auf
Buchdruck
Repro-Negativ Strich und Autotypie 24er-70er Raster
Zink andere moderne Legierungen Photo-Polymer
ja
Tiefdruck
Repro-Positiv nur Autotypie nur 70er Einheitsraster
Kupfer (Haut)
ja
Offset
Repro-Positiv und Negativ Strich und Autotypie 24er-70er Raster
Zink-Aluminum-Folie und andere, laufend verbesserte Materialien
nein
Siebdruck
Repro-Positiv Strich Autotypie nur bis einschl. 28er Raster
Nylonsieb
nein
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einem dem Bild entsprechend abgestuften, gehärteten oder gequollenen Gelatinerelief gebildet. Gedruckt wird von einer mit Chromgelatine präparierten Glasplatte. Das Repro-Halbtonnegativ wird auf die Gelatineschicht kopiert, wobei die Gelatine, entsprechend dem Tonwert des Negativs und der Intensität der Lichteinwirkung, sich härtet, trocknet und dadurch ihre Fähigkeit verliert, in Wasserzu quellen. Durch Befeuchtung quellen nun die weniger belichteten Stellen stärker als die stärker belichteten. Beim Einfärben nehmen die nicht mehr quellfähigen, trocknen Stellen die Druckfarbe an, während die Stellen, die bei der Befeuchtung gequollen sind, je nach ihrem Feuchtigkeitsgehalt die Druckfarbe abstoßen.
Typische Auflagenhöhe von - bis
Typische Verwendung
Verwendbare Schriftgrade
500-30000 bei Drucksachen
Prospekte Zeitungen bis etwa 300000 Bücher
alle Typen und Grade
ab 500000
Illustrierte und Streuprospekte mit Abbildungen in Millionenauflage
nicht unter 8p normal und 6p halbfett keine feinen Schreibschriften
Rotaprint (Kleinoffsetmaschine) ab 200 eigentlicher Offset ab 20000 bis 250000
für alles zu verwenden und für alle Materialien Bleich, Leder, Kunststoff nur Großplakate Bücher, bald Zeitungen
alle Typen und Grade
ab 30 bis technisch unbegrenzt
Kleinauflagen, Plakate bis DIN A 1 Druck auf fertige runde Körper
nicht unter 8 p, keine feinen Schreibschriften
17«S
Druck mit Buntfarben Grundsatz - im Prinzip gültig für alle Druckverfahren, gleichgültig, um welches Druckverfahren es sich im einzelnen handelt: Für jede Druckfarbe, bunt oder schwarz, muß eine eigene Druckform hergestellt werden. Diese Druckformen werden nacheinander in ihrer speziellen Farbe gedruckt. Daher bedeutet jede einzelne Farbe einen Maschinendurchgang. Diese Begriffe werden deshalb in der Fachsprache miteinander gleichgesetzt: Farbe ist gleich M^schinendurchgang. Man spricht ζ. B. von Dreifarben/Strich oder Vierfarbenautotypie. Das bedeutet: Dieses Blatt ist mit drei bzw. vier Maschinendurchgängen zu drucken. Dabei ist nichts ausgesagt über die tatsächliche Anzahl von Farbtönen, die das Auge beim Druckerzeugnis wahrnimmt. Die Druckformherstellung richtet sich im einzelnen nach den Bedingungen des jeweiligen Druckverfahrens.
Grundsätzliche Herstellung Die farbige graphische oder photographische Vorlage bildet für den Gestalter ein einheitliches Ganzes auf seinem Reißbrett. Dagegen wird in der Reprophotographie von dieser Vorlage für jede einzelne Farbe, mit der gedruckt werden soll, ein Farbauszug hergestellt. Diese Zerlegung in Farbauszügen entspricht der Farbenanzahl oder den Maschinendurchgängen, mit denen gedruckt wird. Jeder Farbauszug enthält daher zunächst im Reprofilm, später in der Druckform nur jeweils diejenigen Teile der Vorlage, die auch in dem betreffenden Farbton gedruckt werden sollen. Zusammendruck von Farben bedeutet Nacheinanderdruck von verschiedenen Druckformen. Voraussetzung für das Gelingen des Zusammen- bzw. Nacheinanderdruckens ist das genaueste Obereinanderpassen der verschiedenen Druckformen (Abb. 53). Daher klebt der Reprophotograph auf die Vorlage außerhalb des Formates mindestens zwei sog. Paßkreuze, die mitphotographiert werden. Somit stehen die Paßkreuze bei allen Farbauszügen an derselben Stelle und bieten später dem Drucker einen genauen Anhalt für den Nacheinanderdruck der Farben. Er erhält so seinen Passer. Bei den Probeabzügen, den Andrucken, drucken die Paßkreuze aufs Papier mit. Der Auflagendrucker muß anhand der Andrucke seine verschiedenen Druckformen so in die Druckmaschine einbauen, daß alle Paßkreuze sich genau decken. Dann passen auch die Druckformen genau übereinander. Nach mehreren Probedurchgängen, wenn der Passer stimmt, werden die Paßkreuze entfernt. Die vom Drucker in das Farbwerk der Maschine eingegebene Druckfarbe wird durch viele rotierende Farbwalzen ganz fein verrieben und erst von der letzten Walze an die Druckform abgegeben. Der Farbauftrag ist gewissermaßen »lasierend«, so daß der weiße Papieruntergrund durchscheint. Keine Druckfarbe druckt deckend außer a) Schwarz, obwohl Schwarz beim Druck auf nichtweißem Grund eine leichte Abtönung erhält und etwas stärker glänzt, b) den Farben im Siebdruck. Die Druckfarben, 176
m Abb. 53
der anderen Druckverfahren dürfen gar nicht deckend drucken, sonst könnte man keinen farbigen Zusammendruck erzielen. Aufhellungen durch Farbverdünnung jedoch, w i e sie der Gestalter mit seinen Farben durch Wasser erreicht, sind mit Druckfarbe nicht möglich. Tonunterschiede können nicht durch di e Druckfarbe geschehen, sondern müssen durch die Druckform durch Aufrasterung besorgt werden. Volltonfarben. In jeder Druckerei sind Druckfarben aller Farbtöne vorhanden. Jeder v o m Gestalter angegebene F a r b t o n - e i n e Farbe für den D r u c k e r - k a n n originalgetreu in jeder gewünschten Nuance nachgemischt werden. Diesen Farbton bezeichnet man als echte Farbe. A u f getöntem Untergrund, z. B. auf Tonpapier, und aufbereite bedrucktem Grund erscheint die echte Farbe anders als auf w e i ß e m Papier, da die darunterliegende Farbe durchscheint. Druckt m a n zwei echte Farben übereinander, also nacheinander, so erhält man einen neuen Farbton, der sich gegenüber d e r e c h t e n Farbe auf w e i ß e m Papier unterscheidet. Diesen neuen Farbton bezeichnet m a n als nicht echte Farbe, da er nicht real gemischt ist, sondern erst durch Übereinanderdruckopf/sc/? entsteht und keinen eigenen Maschinendurchgang benötigt. Man erhält also durch die Möglichkeit des Übereinanderdruckens v o n echten VollXonfarben neue, nicht-echte Farbfcwe. Dieses Mittel w i r d von manchen Gestaltern viel zu wenig genutzt, o b w o h l es keinerlei Sonderkosten verursacht (Abb. 55, Farbseite 181). Dabei ist w i c h t i g : Jeder nicht echte Farbion ist Immer dunkler als die dunklere der beiden echten VoWtonfarben. Der unerfahrene Gestalter begeht manchmal den Fehler, seine beiden Farben zusammenzumischen in der irrigen Meinung, jetzt den richtigen Farbton für den Zusammendruck gefunden zu haben. Seine Farbmischung w i r d in der Druckerei in zwei aufeinanderfolgende Maschinendurchgänge zerlegt. Er m u ß vielmehr den richtigen Farbton kennen - oder abschätzen - oder durch Übereinanderlegen farbiger Folien markieren, sonst entsteht ein falscher Eindruck und damit eventuell eine falsche Klischierung. 177
Die Deckkraft der Druckfarben ist unterschiedlich gestaffelt allein durch ihre Natur. Helle Töne sind leichter als dunkle. Helle Farben, meist zuerst gedruckt, decken nicht. Je dunkler eine Farbe ist, also je mehr sie sich in Richtung Schwarz bewegt, desto stärker deckt sie auch, w e n n auch nie zu hundert Prozent. Beim Zusammendruck zweier echter Farben sollten beide etwa die gleiche Helligkeit bzw. Intensität haben. Eine dunkle mit einer sehr hellen echten Farbe zusammendrucken zu wollen lohnt sich nicht, da der Tonunterschied zum übereinandergedruckten Farbton minimal und kaum sichtbar ausfällt. Weiße Teile der Vorlage sind grundsätzlich das weiße Papier, welches unbedruckt in allen Farbauszügen ausgespart wird. Eventuelle A u s n a h m e : Siebdruck. Es empfiehlt sich, ζ. B. weiße Linien oder eine feine negative Schrift nicht über zwei Farbdruckformen laufen zu lassen. Das Aneinanderstoßen der beiden Negativformen führt fast i m m e r zu leichten Passerkomplikationen. Soll dagegen in eine Volltonfläche ζ. Β eine dünne farbige Linie gedruckt werden, so gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Die Untergrundfarbe ist genügend hell, so daß die Linie dunkel daraufgedruckt werden kann. Heil auf Dunkel geht nicht, da die Deckkraft der hellen Farbe zu gering ist. 2. Die Untergrundfarbe ist dunkel. In Druckform 1 m u ß die Linie mit der hellen Farbe drucken, in Druckform 2 mit der dunklen Farbe ausgespart werden. Beim Druck trifft mit Hilfe des Passers die Linie der Druckform 1 genau in die Aussparung der Druckform 2. Die Stärke der Linie aber w i r d von Druckf o r m 2 bestimmt. Bei der Druckform 1 ist die Linie u m eine Spur stärker als ihre negative Entsprechung, damit bei einem minimalen Verrutschen des Passers kein weißes Papier erscheint, das sog. Blitzen. Der leichte Zusammendruck beider Farben an den Rändern der Linie ist nicht zu vermeiden und nur dadurch einzuschränken, daß der Farbton der Druckform 2 kräftig bzw. dunkel ist. Übereinanderdrucken kann man grundsätzlich mit echten Farben, Vollton auf Vollton, Raster auf Vollton und Raster auf Raster, und das alles miteinander auf einer Vorlage kombinieren. Veränderungen des Volltons kann man nur erreichen, w e n n m a n zusätzlich durch einen weiteren Maschinendurchgang einen weiteren Vollton oder die A u t o t y p i e einsetzt. Die Auswahl ist keine Frage des Druckerkönnens, sondern eine Frage der Kalkulation (Abb. 55, Farbseite 181). Metall- oder Bronzefarben. Gold, Silber, Kupfer oder farbige Bronzen werden nur in Vollton als echte Farben gedruckt und können nicht aufgerastert werden. Preislich bedeutet jede Metallfarbe eine Farbe + Aufschlag. In besonderen Fällen, je nach Brillanz, zählen sie auch als zwei Farben, da eine besondere Untergrundfarbe vorgedruckt w e r d e n muß. Das Aufbringen der Druckbronze erfolgt durch die Bronziermaschine. Vierfarbenautotypie. Zur Reproduktion von farbigen Graphiken, Farbphotos, Zeichnungen und Gemälden k o m m t der Drucker mit gemischten, echten Farben nicht aus. Er m u ß hier den Vierfarbennormsatz verwenden. Die Druckform ist die Vierfarbenautotypie, vier Raster im Normfarbsatz übereinandergedruckt. Beim Tiefdruck ist die A u t o t y p i e sowieso eine Selbstverständlichkeit. Der Druck mit vier Normfarben = Maschinendurchgängen beruht auf der Erkenntnis, daß sich alle Farbtöne mit den vier Farben des subtraktiven Farbmischverfahrens (s. Kapitel 11, Photogra178
phie) wiedergeben lassen. Die Vorlage mit unendlich vielen Farbtönen und Farbnuancen wird in diese vier Farben zerlegt. Jeder Farbton des Originals wird wiedergegeben durch die entsprechenden Anteile derdrei Normbuntfarben Norm-Gelboder Yellow, Norm-Blau oder Cyan, Norm-Rot oder Purpur oder Magenta und als vierte Farbe Schwarz (Abb. 55). Die ganz bestimmte gelbe Farbe Yellow ergibt m it der ganz bestimmten blaugrünen Farbe Cyan zusammengedruckt ein brillantes Grün, mit der ganz bestimmten purpurroten Farbe Magenta zusammengedruckt ein brillantes Rot, und Magenta und Cyan zusammengedruckt ein brillantes Blauviolett. Alle Zwischentöne kommen in allen Varianten und in allen Druckverfahren hervorragend, ζ. B. 90 % Yellow + 20 % Cyan + 60% Magenta + 10% Schwarz oder 40% Yellow + 30% Cyan + 80% Magenta + 5% Schwarz. Innerhalb der Prozentanteile der vier Farben spielt sich die gesamte Farbtongebung durch das Übereinanderdrucken der vier Autotypien ab. Die Summe der tatsächlichen Farbtöne bildet sich erst im Auge des Betrachters. Schwarz als allein deckende Farbe hat folgerichtig den geringsten prozentualen Anteil an der Farbtongebung und wird nur zum Herausarbeiten der Tiefen sparsam eingesetzt. Nach dem Zusammendruck der drei Buntfarben Yellow, Cyan und Magenta (Dreifarbendruck) ist die eigentliche Farbwiedergabe schon fast fertig. Voll übereinandergedruckt ergeben die drei Buntfarben Schwarz (Abb. 55; vergi. Abb. 64, subtraktive Farbmischung). Im Reprovorgang werden von dem farbigen Original, Graphik, Zeichnung oder Farbphoto, vier getrennte Rasteraufnahmen nacheinander hergestellt. Um die Normfarbenanteile im Farbauszug zu gewinnen, werden bei jeder der vier Rasteraufnahmen die komplementären FarbauszugsfUter vorgeschaltet. Jeder Farbauszugsfilter besteht aus farbigem Glas und besitzt die Eigenschaft, nur für seine eigene Farbe transparent zu sein und alle anderen Farben zu absorbieren oder nicht durchzulassen. Betrachtet man die Farbe eines Gegenstandes durch den komplementären Farbfilter, so erscheint die Farbe als Schwarz (Abb. 54a; vergi. Abb. 57e). Schwarz aber bildet sich auf dem hartarbeitenden lichtempfindlichen Material der Reprokamera gut ab, also auf dem Negativ als keine Lichtreaktion = Weiß. Verwendet wird für den Yellow-Farbauszug ein blauer oder blauvioletter Filter,
Abb. 54
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denn hier w i r d das Gelb voll absorbiert und erscheint als Schwarz - für den CyanFarbauszug ein Rotfilter, denn hier wird Blaugrün voll absorbiert und erscheint als Schwarz - für den Magenta-Farbauszug ein Grünfilter, denn hier wird Purpur voll absorbiert und erscheint als Schwarz. Für den Schwarz-Farbauszug werden alle drei Farbfilter verwendet. Dadurch wird der Schwarz-Anteil der geringste (Abb. 54a). Damit die Rasterpunkte der vier farbigen Autotypien nicht alle auf derselben Stelle übereinanderdrucken - denn das würde Schwarz ergeben - , wird die Rasterscheibe bei jeder Farbauszugsaufnahme in einem bestimmten Winkel gedreht, so daß die Punkte nur teilweise übereinanderdrucken und immer noch winzige unbedruckte, weiße Papierteilchen erhalten bleiben. Mit den vier echten Normfarben gedruckt mischen sich unter Einbeziehung des weißen Papiergrundes unendlich viele Farbtöne im Auge des Betrachters. Kompliziert ist schon die reprophotographische Herstellung, und ebenso diffizil ist die Arbeit des Autotypieätzers. Die Farbauszüge garantieren noch nicht das hundertprozentige Gelingen der Herstellung. Anhand der Originalvorlage müssen noch mit der Hand Korrekturen an den vier Autotypien vorgenommen werden durch Nachätzen oder im Buchdruck eventuell mit dem Stichel. Die Brillanz des Ergebnisses hängt noch immer vom Können des einzelnen ab. Das Scanner-Verfahren, ein neueres Verfahren, versucht schneller und risikoärmer zu arbeiten. Das bei der Reproaufnahme einfallende Licht wird durch ein Prisma in seine spektralen Farben Cyan, Yellow und Magenta zerlegt und gleichzeitig auf lichtempfindliches Material übertragen. Alle drei Farbauszüge werden in einem Reprovorgang hergestellt. Im Buch- und Tiefdruck können von den Farbauszügen die Druckformen mit elektronisch gesteuerten Graviermaschinen hergestellt werden. Korrekturen sind dabei nur im Film möglich, an der Druckform aber auch nur per Hand. Das Verfahren geht wesentlich schneller, ist aber in der Qualität dem längerdauernden konventionellen Verfahren unterlegen (Abb. 54b). Die drei Buntfarben der Normfarbsätze zeigen ganz geringe Unterschiede in der Farbtönung. Je nach dem Farbcharakter der Vorlage werden sie verschieden benutzt. Bei einigen ist ζ. B. Yellow etwas wärmer im Ton, dafür Magenta etwas kälter oder umgekehrt. Außerdem sind sie in den einzelnen Ländern verschieden. Daher hat man jetzt im EWG-Bereich einen einheitlichen Normfarbsatz, den sog. Europaoder Euro-Farbsatz eingeführt, so daß Bestellungen im Ausland einwandfrei durchführbar sind. Für den Gestalter wird der Farbdruck dadurch kompliziert, daß man einfach alles drucken und m i t vielen Möglichkeiten und Varianten arbeiten kann (Abb. 55). Man kann im Prinzip drucken: a) Echte Farbe im Vollton auf echte Farbe(n) im Vollton: mindestens zwei Farben in Strich/Vollton b) Echte Farbe im Vol lton¿y/?í/ Raster auf echte Farbe(n) inStrich/Vollton: eine Farbe in Strich/Autotypie kombiniert + zwei Farben nur in Strich/Vollton c) Echte Farbe im Vollton und Raster auf echte Farbe(n) in Vollton und Raster: mindestens zwei Farben Autotypie d) Echte Farbe in Strich/Vollton auf mehrere echte Farben in Vollton und Raster: eine Farbe Strich + mehrere Farben Autotypie 180
S t r i c h / V o l l t o n mit 1,2 u n d 3 Farben
S t r i c h / V o l l t o n mit Autotypie kombiniert: 1 b z w 2 Farben Autotypie
Strich/Vollton mit Autotypie kombiniert: 2 färben Autotypie, 1 Farbe S t r i c h / V o l l t o n
4 Farben N o r m f a r b s a t z Autotypie
M i t 1 oder 2 F a r b e n können gedruckt werden - nur in S t r i c h / V o l l t o n ; G o l d , Silber, Kupfer, farbige Broncen
Als Maschinendurchgänge gelten: 4 Farben Normfarbsatz, d a v o n e i n e in S t r i c h / V o l l t o n : 4 Farben
4 Farben Normsatz Farbauszüge
Abb, 55
4 Farben N o r m f a r b s a t z , 1 S c h m u c k f a r b e in Strich/Vollton: 5 Farben
Blindprägung
Lackieren, Z e l l o p h a n i e ren, S t a n z e n u n d Falzen, Heften
e) Vier echte Farben in Vollton und Raster: vier echte Farben Autotypie f) Mehr als vier Farben, z. B. sechs, in Strich/Vollton: sechs Farben Strich/Vollton g) Vier Normfarben: vier Farben Autotypie h) Vier Normfarben, davon eine in Strich/Vollton : vier Farben Autotypie, davon eine mit Strich kombiniert. Ist eine Vierfarbenautotypie gegeben und keine zusätzliche Farbe mehr, ist aber der Einsatz einer Volltonfläche notwendig, so wird der Gestalter nur eine der vier Normfarben Yellow, Cyan, Magenta oder Schwarz wählen können. Dadurch entsteht keine Verteuerung i) Vier Normfarben und eine echte Schmuckfarbe: vier Farben Autotypie + eine Farbe Strich/Vollton = fünf Farben j) Vier echte Farben, auch Normfarben, und Gold und Blindprägung: sechs Farben bzw. sieben, wenn Gold doppelt gerechnet wird. Bei Packungen, besonders bei Kosmetika oder Pralinen, w i r d oft z. B. verwendet: ein Farbphoto, eine Schmuckfarbe, z. B. Rosa, Schrift in Gold + Blindprägung. Das errechnet sich: Farbphoto Schmuckfarbe Gold Blindprägung
= = = =
vier Farben eine Farbe eine Farbe oder zwei Farben eine Farbe (Maschinendurchgang!) sieben bzw. acht Farben
An sich eine Frage der Kalkulation, stellen sich für den Gestalter Probleme, zu deren Lösung er Kenntnisse, Intellekt und künstlerische Potenz miteinander einsetzen muß. Kaufleute haben den für den Etat günstigsten Preis berechnet nach den Kosten für Strich/Vollton und Autotypie und die Aufgabe klar definiert, z. B. drei Farben können verwendet werden, aber davon nur eine in Autotypie, zwei in Strich. Das ist eine typische Buchdruckaufgabe, da hier die Preise für Autotypie wesentlich höher liegen als für Strich. Für den Tiefdruck dagegen würde diese Aufgabenstellung nicht zutreffen, da hier sowieso alles über den 70er Einheitsraster läuft. Der Gestalter kann also ohne weiteres alle drei Farben tonwertmäßig abstufen. Im Offsetdruck liegen die Preise für Strich und Autotypie im Vergleich zum Buchdruck dichter beieinander, so daß eine weitere Rasterung das Ganze nicht wesentlich verteuert. Für den Siebdruck ist die eine Farbe Autotypie ein kleines Problem. Der Gestalter m u ß zu den wirtschaftlichen und informativen Aspekten auch noch im Sinne der Drucktechniken mitdenken können.
182
Erkennungsmerkmale der einzelnen Druckverfahren am fertigen Druckerzeugnis Es empfiehlt sich, als erstes den laufenden Text bzw. das zu betrachten, w a s nach Strich aussieht. Ist das tatsächlich in Strich gedruckt, kann Buchdruck oder Offset vorliegen; Tiefdruck scheidet dann aus. Weist dagegen ζ. B. der laufende Text die Punkte des 70er Einheitsrasters auf, liegt Tiefdruck vor. Text in Rasterflächen zum Erkennen des Druckverfahrens heranzuziehen ist sinnlos, da hiera//e Druckverfahren rastern müssen. Festgestellt w u r d e : Der Text ist tatsächlich in Strich gedruckt. Das kann kein Tiefdruck sein, es kann nur Buchdruck oder Offset sein. Zur weiteren Untersuchung hält m a n die Seite schräg gegen das Licht. Sieht man an den Rändern der Buchstaben oder des Klischees leichte Eindruckspuren im Papier, so handelt es sich u m Buchdruck, da sich nur bei ihm die erhabenen Klischeeteile eindrücken. Bei Autotypien w i r d sich noch zusätzlich irgendwo ein Farbabstreifrand bemerkbar machen, und der Raster wird nicht durch Weiß unterbrochen. - Z e i g e n sich alle diese Merkmale bei Strich und den Autotypien nicht, liegt die Druckfarbe dagegen flach ohne Randeindrücke und Abstreifränder auf d e m Papier, so handelt es sich u m Offset. A u f Kunstdruckpapier ist der Offset sehr schwer zu erkennen, da er eben keine typischen Erkennungsmerkmale aufweist. Man kann den Offset nur bestimmen, w e n n die Merkmale von Buchdruck und Tiefdruck nicht vorliegen. Schema: 1. Schritt
Ist es tatsächlich Strich, was in Strich gedruckt sein könnte? ja nein, sondern 70er Einheitsraster
Buchdruck oder Offset (oder Siebdruck) 2. Schritt
Feststellung: Tiefdruck
Farbe eben
/ Buchdruck oder Offset 3. Schritt
fühlbar \ Feststellung: Siebdruck
Buchdruck oder Offset? Einprägung im Papier ja nein i I Feststellung: Feststellung: Buchdruck Offset ja nein î t
Probe an Autotypien: die äußersten Punkte sind hier und da etwas zugelaufen 183
Durch den Fadenzähler sieht man aber den Unterschied zwischen Buchdruck und Offset deutlich: Die Rasterpunkte selbst sind im Buchdruck scharf und kreisförmig, im Offset dagegen leicht unregelmäßig. Ist mit Leuchtfarbe oder Weiß gedruckt, ist die Farbe fühlbar aufgetragen, liegt Siebdruck vor. Beschnitt - Satzspiegel Beim Herstellen einer Druckvorlage muß der Gestalter u. a. unbedingt beachten: Reicht sein Entwurf über das vorgegebene Format hinaus oder bleibt er innerhalb des Formats? Sowie aus irgendeinem Grunde, an irgendeiner Stelle irgendein Teil des Entwurfes, eine Fläche oder eine Linie über den Formatrand hinausgeht, muß an dieser Stelle in der Druckvorlage in der ganzen Länge mindestens 3 mm Beschnitt zugegeben werden.
llllllill··!
DIN-Format
nnnnnramrai
iL A 4 : 2 1 0 * 2 9 7 mm 1:10
Satzspiegel: 1 7 0 x 2 5 0 mm
Anschnitt: Format + 3 mm
Angaben: 3 mm Beschnitt
Abb. 56
Beschnitt bedeutet: Das Papier wird nach dem Druck auf das Endformat beschnitten. Die Druckform und damit das bedruckte Papier muß also größer sein als das Endformat. Das Messer in der Schneidemaschine ist unvorstellbar scharf und schneidet Papierstöße, die von Hand geordnet und eingelegt sind, bis zu einer Höhe von 30-40 cm glatt durch. Das Messer kann nun nicht immer auf den Millimeterbruchteil genau treffen. Die 3 mm, um die die Druckform das Endformat überschreitet, bilden die Tolerenz gegenüber einer winzigen Unregelmäßigkeit. Der zugegebene Beschnitt gewährleistet, daß das Schneidemesser das Papier innerhalb der bedruckten Fläche beschneidet und kein störender weißer Papierränd stehenbleibt. Beschnitt bedeutet immer eine Verteuerung im Papierverbrauch. Wo das Papier später gefalzt werden soll, wird kein Beschnitt zugegeben; wo später beschnitten wird, mindestens 3 mm Beschnitt in der druckreifen Ausführung zu : geben! Bei Ausführungen, die später verkleinert werden sollen, muß der Maßstab 184
auch für den Beschnitt angewendet werden. - Die etwas altertümliche Bezeichung für das Anschneiden der Vorlage und das Beschneiden des Druckergebnisses lautet randabfallender Druck. Das Gegenteil davon heißt Satzspiegel einhalten. Satzspiegel, ein typographischer Ausdruck, bedeutet die zum Entwurf zur Verfügung stehende Fläche einer Seite, die nicht überschritten werden soll. A n d e r s ausgedrückt: Der Satzspiegel ist der Arbeitsraum ganze Seite minus Rand. Das Verhältnis Seite zu Satzspiegel ist bei den einzelnen Formaten - ausgenommen den DIN-Formen - bei Büchern, Zeitungen und Zeitschriften verschieden, unterliegt optisch-typographischen Gesetzen und bezieht sich v o r n e h m l i c h auf die Satzanordnung. Das Satzbild darf auf keinen Fall die Satzspiegelgrenzen verlassen, d a m i t eine Broschüre, eine Zeitschrift oder ein Buch überall das gleiche Verhältnis zwischen Seite und Kolumne oder der bedruckten Fläche beibehält. Graphische oder photographische Elemente können, w e n n der Verlag es gestattet, in den Beschnitt gehen, der Text nie (Abb. 56).
Formate Die Papier- und Kartonformate für Gestaltung und Druck sind durch die Deutsche Industrienormung festgelegt. Ausgegangen wurde v o n DIN A 0, einer Papierfläche von 1 q m , im Seitenverhältnis Höhe zu Breite von 1 : V 2 = 1 : 1,44. Jede der folgenden DIN-Angaben bedeutet die Hälfte des vorigen Flächeninhalts. DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN
A 0 A 1 A 2 A 3 A4 A 5 A 6 A 7 A 8
= = = = = = =
1 qm = /2qm = '/»qm = 7«qm = V i e qm = V32 q m = 7M qm = V128 q m = Vîse q m = 1
841 X 594 χ 420 X 297 χ 210 χ 148 χ 105 X 74 χ 52 X
1189 841 594 420 297 210 148 105 74
mm mm mm m m - Zeichenblock m m — Briefbogen mm m m - Postkarte mm mm
Die DIN B- und DIN C-Reihen stellen v o n der DIN Α-Reihe abhängige Sonderreihen, für Aktendeckel, Mappen und Briefumschläge dar. DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN
Β Β Β Β Β Β Β Β Β
0 1 2 3 4 5 6 7 8
=
= =
= = =
=
-
1000 707 500 353 250 176 125 88 62
χ 1414mm χ 1000 m m χ 707 m m χ 500 m m χ 353 m m χ 250 m m χ 176 m m χ 125 m m χ 88 m m
DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN DIN
C C C C C C C C C
0 1 2 3 4 5 6 7 8
= -
=
= = =
917 648 458 324 229 162 114 81 57
χ X X X X X X X X
1297 m m 917 m m 648 m m 458 m m 324 m m 229 m m 162 m m 114mm 81 m m 185
Von der manuellen Druckformherstellung über die Chemigraphie und den maschinellen Druck zur Photographie Ehe wir uns der Photographie zuwenden, sollen die Hauptakzente der Graphik, der Typographie, des Drucks und der Photographie zu einer Entwicklungs- und Situationsbeschreibung zusammengefaßt werden. Dabei wird deutlich, wie sich Information und ihre visuellenJiealisierungsmöglichkeiten beeinflussen und gegenseitig bedingen. Die Entwicklung geht von der manuellen Druckformherstellung aus, läuft über die Chemigraphie und den maschinellen Druck bis zur Verwendung belichteten Filmmaterials in der Gegenwart. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrscht die handwerkliche Ausführung alle Kommunikationsprozesse. Zeitschriftentitel, Abbildungen und Initialen werden in Holz gestochen, die Letter ist von Hand geschnitten, der Text mit der Hand abgesetzt. Handsatz und Holzstich sind Hochdrucktechniken und werden von langer Tradition und berufsstolzer Handwerklichkeit bestimmt. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnen zwei wesentliche Erfindungen die manuelle Herstellung der Druckform zu verdrängen und die Entwicklung in bisher unbekannte Gebiete voranzutreiben: 1. Die Erfindung Daguerres um 1830, das Lichtbild. Bereits 1727 w a r d i e Lichtempfindlichkeit der Silbersalze entdeckt. Die Idee Daguerres ist, »die Sonne Bilder malen zu lassen«. Zur Aufnahme werden Kupferplatten mit Silberbelag verwendet. Aber noch stellt er Originale her. Die belichteten Silberkristalle bleiben auf der Platte, während die weniger oder nicht belichteten Teile auf dem freigelegten Metall mit Säure geätzt werden. Die Daguerrotypie ist also noch nicht kopierfähig. Dann werden Glasplatten eingeführt und schon die ersten farbphotographischen Versuche unternommen. 1851 geschieht die erste Luftaufnahme von der Erde aus großer Höhe. Um 1870 gelingt es, ein laufendes Pferd photographisch in Phasen festzuhalten. Auch für das Druckgewerbe hat die Photographie Auswirkungen. Bald kann man eine Originalzeichnung auf einen Holzstock kopieren, der mit der lichtempfindlichen Schicht überzogen ist. Um 1880 ermöglicht das lichtempfindliche Material die chemigraphische Herstellung von Buchdruckklischees in Strich und Autotypie. Damit ist die Arbeit des Holzstechers und das Zeichnen auf den Holzstock, der direkte Eingriff eines Künstlers auf die Reproduktion, überholt. Nunmehr stehen viele Künstler außerhalb der informativen Bildherstellungsarbeit und des Kommunikationsprozesses. Damit ist ihnen ein wesentliches Betätigungsfeld entzogen. Die graphische Arbeit, ob Holzschnitt, Radierung oder Lithographie, wird zur freien und freiwilligen künstlerischen Betätigung ohne das Ziel und den Zwang zur gewerblichen Reproduktion. 2. Parallel zu dieser Entwicklung wird der Handsatz mit der Erfindung Mergenthalers um 1880, der Setzmaschine Linotype, konfrontiert. Damit werden die Informationsmöglichkeiten ausgeweitet. Durch die maschinelle Realisierung wird das Druckerzeugnis zum Massenmedium. Je besser es funktionieren soll, desto klarer m u ß d a s unverwechselbare Buchstabenbild sein, um leicht von vielen Menschen erfaßtzu werden. Die Selbstdarstellung in der Ausstattung des Buchstabens wird 186
ausgeschieden; die Letter wird gegossen, das Buchstabenbild ent-individualisiert. Jeder Schriftentwurf - und er wird von Schriftkünstlern geleistet - steht ästhetisch wie technisch eindeutig unter dem Anspruch der Schriftgießereien. Die Maschinen werden laufend verbessert, die Schrift erhält ihre charakteristische, unverwechselbare Form. Der Handsatz wird in der Folge zum Gelegenheitsfeinsatz, zum Akzidenzsatz. Zwar werden Hand- und Maschinensatz noch verbessert und mit einer reichen Typenauswahl ausgestattet, aber das eigentliche Schriftbild verändert sich nicht mehr. Das lichtempfindliche Material hatte bereits die manuelle Druckformherstellung im Buchdruck überflüssig gemacht. U m 1890 ermöglicht die reprophotographische Übertragung den Tiefdruck und den Offsetdruck. Unter den fortschreitenden Erkenntnissen der wissenschaftlichen Entdeckungen entwickelt sich die Photographie weiter. Bereits 1900 läuft dererste historische Spielfilm, 1907 wird in Berlin das erste Großkino gebaut. 1908 wird die erste Wochenschau zusammengestellt, 1913 wird in den U S A das erste Fotosatzgerät Intertype Photosetter entwickelt. 1922 ist das Problem des Tonfilms gelöst, wenn er auch erst 1927 anläuft und damit das Problem der Synchronisation auslöst. 1929 wird das erste Fernsehprogramm in Berlin ausgestrahlt. A u s der Jahrmarktsensation ist eine kulturelle Einrichtung geworden. U m 1873 ist die Farbempfindlichkeit v o n Plattennegativen entdeckt und 1910 das chromogene Entwicklungsverfahren, auf dem die heutige Farbphotographie beruht. 1922 kommt der erste längere Farbspielfilm aus England, 1936 und 1938 sind in den U S A und in Deutschland Farbfilme mit Ton eine Sensation. Künstler wie Delacroix, Manet, Renoir, Matisse und Picasso haben ebenso wie Lenbach Photographien als Vorlage und als Hilfsmittel für ihre Gemälde benutzt. Toulouse-Lautrec konnte seine Plakate noch selbst auf Stein zeichnen. Künstler wie Zille, Wilke oder Thöny stellten ihre Zeichnungen - lebendige Typen aus ihrer Umgeb u n g - a u f Karton her zur weiteren chemigraphischen Reproduktion. In den zwanziger Jahren sind Pressezeichner wie Matejko, die Sensationsszenen ζ. B. v o m Sechstagerennen zeichnen, unentbehrlich, da blitzartige Vorgänge sich noch nicht photographieren lassen. Die Gebrauchsgraphik gibt der Information künstlerische Impulse. In derZeit nach 1950 verändert sich das Bild sehr schnell. Der Farbfilm in den Filmtheatern erlebt seine Blütezeit. A b 1951 erobert das Schwarz/Weiß-Fernsehen ein immer breiteres Publikum und wird damit zu einem neuen Kommunikationsmedium. Die Photographie, schwarz/weiß oder in Farbe, als Papierabzug, als Diapositiv oder als S c h m a l f i l m - d i e Kleinbildkamera gibt es seit 1914-setzt sich auf breitester Basis durch. Etwa ab 1960 wird das Fernsehen farbig, und der Fotosatz stellt seine Geräte vor. Damit bringt er das lichtempfindliche Material als Bildträger auch in die Satzverfahren. Die Kommunikation hat neue Medien gefunden und bedient sich ihrer technischen Möglichkeiten. Damit ist der Kreis-lichtempfindliches Material als Grundlage der Kommunikation — in der Reproduktionstechnik des graphischen Gewerbes, in der Schwarz/Weiß- und Farbphotographie, im Schwarz/Weißund Farbfernsehen und im Schriftsatzverfahren geschlossen. 187
Alle diese Vorgänge werden bestimmt von der fortschreitenden wissenschaftlichen Entwicklung. Wissenschaftliche Erkenntnisse bestimmen die Kommunikationsprozesse sowohl in der Theorie als auch in ihrer Realisierung. Der Gebrauchsgraphiker wird zum Designer, der die theoretischen Grundlagen ebenso wie die Realisierungsmöglichkeiten kennen muß, die die Visualisierung seiner Information bedingen. So zeichnet sich für die heutige Situation etwa folgendes Bild ab: Die künstlerische Zeichnung in den Kommunikationsprozessen ist von der Photographie weitgehend in Frage gestellt. Der Fotosatz hat die traditionellen Gesetze ausgeweitet und neue Möglichkeiten der Visualisierung aufgezeigt. Zwar kann er die lesbare Form des Buchstabenbildes kaum verändern, aber er kann modifizieren und den Inhalt der Information illustrieren. Wie gering die Möglichkeiten zur Weiterentwicklung der Schriftform sind, zeigt das große Angebot an vorgefertigten Schriften zum Aufreiben und Aufkleben. Die Druckformherstellung erfolgt allein auf der Basis der Reprophotographie und des Fotosatzes vielfach elektronisch.
188
KAPITEL 9
Die Physik des Lichtes und der Farben Licht und Farbe Die physikalische Farblehre kennt andere Gesetzmäßigkeiten als die Lehre von den Pigmentfarben. Die Grundlage der physikalischen Farblehre ist die Addition und Substraktion elektromagnetischer Wellenlängen, die Spektralfarben bedeuten. Pigmente dagegen sind Körper, die Wellenlängen reflektieren. Was wir unter Farbe verstehen und wahrnehmen, ist im Sinne einer allgemeingültigen Formel, wie etwa ein Gas oder ein Metall, nicht zu definieren. Farbe ist ein Phänomen, das noch nicht vollständig erforscht ist. Die bisherigen Erkenntnisse der Physik erklären lediglich die Erscheinung der Farbe und gehen dabei aus vom Studium des Lichtes und seiner spektralen Zusammensetzung. Physikalisch ist Licht ebenso elektromagnetische Energie wie Elektrizität oder Radiowellen oder Wärmestrahlungen. Auch für diese Erscheinungen gibt es noch keine vollständigen Erklärungen. Ebenso wie diese Wellen bewegt sich das Licht in Sinuskurven mit einer Geschwindigkeit von 300000 km in der Sekunde. Die exakt berechenbaren Wellen bestimmter Länge des Sonnenlichtspektrums nimmt das Auge mit seinen Nerven auf, die für diese Wellenlänge vorgesehen sind, und leitet sie als Impulse an das Gehirn weiter. Hier werden sie auf Grund des qualitativ-subjektiven Empfindens und auf Grund von Konventionen ζ. B. als Rot bezeichnet. Rot als Farbe ist dagegen fürdie Physik nicht vorhanden. Rot ist hier lediglich ein objektiv berechenbarer Ausschnitt bestimmter Wellenlänge ausdem Spektrum. Der Physiker kennt zwar meßbare Wellenlängen, aber keine Farbbegriffe. Eine bestimmte Wellenlänge als Rot zu bezeichnen ist genauso, als wenn man eine Radiowelle bestimmter Frequenz mit dem hörbaren Programm des Senders gleichsetzt. Der gesamte Lichtprozeß und damit das Sehen spielt sich in einem Teilbereich aller elektromagnetischen Wellenlängen, zwischen etwa 420 und 750 Nanometern ab. Anschaulich gesagt heißt das: Auf einer Breite von einem zehntausendstel Millimeter erfolgen zwischen ~ 4 bis ~ 7 7 î Schwingungen. Das ergibt eine Anzahl von Schwingungen auf 300000 Kilometer in der Sekunde oder eine Frequenz von 400 bis 750 THz oder 400 bis 750 Billionen Schwingungen. 1 THz (Terrahertz) = 1012 = 1000 Milliarden = 1 Billion. Von allen Wellenbereichen, die der Mensch mit seinen Sinnen aufnehmen kann oder mit denen er zu arbeiten gelernt hat, ist der Sehbereich der kleinste. Aus der 189
folgenden Übersicht erkennt man, welch einen winzigen Ausschnitt aus dem breiten Band der elektromagnetischen Wellen die Lichtwellen darstellen. Rundfunk-, Fernsehund Radarwellen Wärmestrahlen Infrarot-Strahlen, kurzwellig Sichtbare Strahlen UV-Strahlen Röntgenstrahlen Gammastrahlen
10 km 0,1 m m -
1 mm 700
nm
=
1
/io m m
14,/ i o o o o
7
-
/ioooo
m m
1400 n m
-
700
nm
=
14
m m
-
7
/ioooo
m m
700 nm
-
400
nm
=
7
/ioooo m m
-
4
/ioooo
m m
400 nm
-
10
nm
=
4
/ioooo m m
-
10 n m
-
10~2
nm
=
/iooooo m m
-
10 _ 2 nm -
10 -4 nm =
1 1
/iooooooo
mm -
V100000
m m
/iooooooo
m m
/ i ooooooooo
mm
1 1
Innerhalb der sichtbaren Wellen können bestimmte Wellenlängen, die die einzelnen Farben bedeuten, unterschieden werden. Das überall und gleichzeitig vorhandene Spektrum wird räumlich zerlegt - in der Physik geschieht das durch ein Prisma und zeigt die Farbenreihenfolge Violett, Blau, Grün, Gelb, Orange, Rot. Die Wellenlängen unter 400 nm bezeichnen die ultraviolette, die Wellenlängen über 700 nm bezeichnen die infrarote Strahlung. Hier gehen sie für das Auge unsichtbar in Wärme über. Bemerkenswert ist,daßdie Farbbereiche für Blau, Grün und Rot je fast ein Drittel des Spektrums einnehmen, während die Mischfarbbereiche für Violett, Blaugrün und Gelb nur schmale Gebiete beanspruchen. Alle Wellenlängen zwischen 400 und 700 Nanometern, die wir Farben nennen, überlagern sich zu Weiß gleich vollem Licht (Interferenz). Entfernt man aus dem Spektrum einen bestimmten Wellenbereich, ζ. B. Rot, so ergibt die Summe der verbleibenden Wellenbereiche Blaugrün. Zum Weiß oder vollem Licht fehlt also Rot, oder Rot plus Blaugrün ergibt Weiß oder volles Licht. Wie Rot zu Blaugrün, so ist jede andere Spektralfarbe die Komplementärfarbe - oder Ergänzungsfarbe zu Weiß - zu derjenigen Mischfarbe, die aus der Sum me aller anderen Spektralfarben bzw. deren Wellenlängen gebildet wird. Streng genommen sind nur diejenigen Farbenpaare Komplementärfarben, die zusammen Weiß gleich volles Licht ergeben. Jede bestimmte Wellenlänge bedeutet einen bestimmten Spektralfarbton, der rein und unzerlegbar ist. Ein Farbbereich im Spektrum besteht aus ca. 160 unzerlegbaren und reinen Farbtönen. Diese werden vom menschlichen Auge in gleichmäßig abgestuften Abständen, einer arithmetischen Reihe wahrgenommen. Die Steigerung des optischen Reizes dagegen wird, wie bei anderen menschlichen Empfindungen auch, wirkungsmäßig v o m Auge in einer geometrischen Reihe empfunden. Eine Farbabstufungskette in arithmetischer Reihe erscheint dem Auge dann als gleichmäßig abgestuft, wenn die Intensität der Wahrnehmung eine geometrische Reihe bildet.*
* In einer arithmetischen Reihe ist jedes Glied v o m anderen gleich weit entfernt, ζ. B. um 2: 4 - 6 - 8 usw. In einer geometrischen Reihe ist jedes Glied v o m vorhergehenden u n d z u m nächsten um denselben Faktor entfernt, ζ. B. 1 - 1 , 5 - 2 , 2 5 - 3 , 3 7 usw. Die Funktionsdarstellung einer arithmetischen Reihe ist eine Gerade, die einer geometrischen Reihe eine Kurve.
190
Jede Mischfarbe dagegen ist eindeutig zerlegbar, und sie kann vieldeutig durch Mischung von Wellen erzeugt werden. Ein Farbergebnis kann also durch die Addition mehrerer Wellen entstehen. So kann man ζ. B. aus der Mischung von Blau und Rot Purpurerzeugen. Purpurselbst ist im Spektrum nicht vorhanden, da Blau und Rotan den entgegengesetzten Enden des Spektrums liegen (Abb. 58 a, Farbseite 196). Das weiße Sonnenlicht w i r d an den Luftmolekülen, an Wassertröpfchen und an Rauch- und Staubteilchen gebeugt und zerstreut, und zwar Blau stärker als Rot. Daher erscheint der H i m m e l blau. Beim durchgehenden Licht des Sonnenunterganges werden dagegen alle anderen Farben zerstreut außer Rot. Je stärker die Zerstreuung durch Rauch- und Staubmoleküle stattfindet, desto schöner ist der Sonnenuntergang. Die optisch-atmosphärische Erscheinung des Regenbogens entsteht durch die Brechung des Lichtes und durch Überlagerung der Lichtwellen. Die blauen Strahlen werden stärker durch die Regentröpfchen gebrochen als die roten. Daher liegt das Blau innen und das Rot außen.
Die Farbe Der Farbeindruck, den das Auge aufnimmt, ist von der Natur des lichtreflektierenden Gegenstandes abhängig. Die Farbe an undurchsichtigen Körpern (Abb. 58 b). Das Erscheinungsbild eines Gegenstandes entspricht demjenigen Farbbereich des Spektrums, den der Gegenstand reflektiert und den das Auge aufnimmt. Der restliche Anteil des Spektrums w i r d durch den molekularen Aufbau der Oberfläche absorbiert und dabei in Wärme umgewandelt. Wir sagen, der Gegenstand oder seine Lokalfarbe ist blau, w e n n er die blauen Strahlen des Spektrums reflektiert und alle anderen Strahlen absorbiert. Die Absorption bei undurchsichtigen Körpern erfolgt nun aber nicht in v o l l k o m m e ner Weise, wie wir schon bei den Pigmenten gesehen haben. Selbst das reinste Pigment reflektiert auch eine geringe Menge anderer Wellenbereiche ebenso wie es die andersfarbigen Strahlen nicht völlig absorbiert. Wichtig auch für das Empfinden der Farbe ist die Tiefe, in die die Lichtstrahlen eindringen, ehe sie reflektiert werden. Manche Körper reflektieren bereits an der Oberfläche, andere lassen die Strahlen in eine gewisse Tiefe eindringen und reflektieren erst dort. Dadurch wird bei der Reflexion das Licht gestreut und beeinflußt den Farbeindruck. Diesen Vorgang bezeichnet m a n als Diffusion. Die Farbe an durchsichtigen oder transparenten Körpern (Abb. 58 c, d). Farbiges Glas, eine farbige Folie oder ein farbiges Filmmaterial sind nur für ihre eigene Farbe transparent und lassen die übrigen Farbanteile des w e i ß e n Lichtes nicht durch oder sperren sie. Das Spektrum, durch ein farbiges Glas betrachtet, ergibt einzelne oder mehrere schwarze Streifen - ein Absorptionsspektrum. Die absorbierten Wellenlängen werden im Körper des Glases in W ä r m e umgewandelt. Reflexionen finden nicht statt. Da bestimmte Wellenbereiche absorbiert und nur ein bestimmter Wellenbereich aus dem Spektrum herausgefiltert wird, spricht man auch v o n einer Farbfilterwirkung. Ein Rotfilter z. B. läßt nur Rot durch. Schaltet man dahinter einen blaugrünen Filter, 191
so sperrt er eben dieses Rot. Damit ist das Spektrum abgedeckt, das Ergebnis ist kein Licht oder Schwarz (Abb. 58 e). Die Eigenschaft der transparenten Körper ist für die Farbphotographie von entscheidender Bedeutung. Denn das photographische Material ist transparent und arbeitet nach dem Gesetz der transparenten Körper sowohl bei der Belichtung wie bei der Kopie vom belichteten Material auf lichtempfindliches Papier oder Filmmaterial. Mit farbigen Glasfiltern kann man auf die lichtempfindlichen Schichten des Farbfilms ebenso einwirken wie auf die des Photopapiers. Ein Vergleich der Spektrumsfarben mit den Pigmentfarben. Ergibt die Summe aller selbstleuchtenden Spektralfarben volles Licht gleich Weiß, so erhält man durch Mischen aller körperhaften Pigmentfarben Grau. Ebenfalls volles Licht gleich Weiß erhält man durch Addition von Wellenlängen, die komplementäre Spektralfarbenpaare bedeuten: Blau + Gelb (Rot + Grün) = Weiß Grün -I- Purpur (Rot + Blau) = Weiß Rot + Blaugrün (Blau + Grün) = Weiß Die Summe aller Spektralfarben entsteht durch Interferenz oder die Überlagerung von Wellen. Berg undTal aller Wellen treffen zusammen und löschen sich gegenseitig aus, so daß Neutral gleich Weiß entsteht. Mögen dagegen auch aufgestrichene Pigmentfarben genau denselben Farbton wie die Spektralfarben aufweisen, sie sind in sich farblose Substanzen, die aus dem Spektrum nur einen Teil der Wellenlängen reflektieren. Die Summe aller Reflexionen ergibt Grau. Pigmentfarben paare, die sich im Farbkreis gegenüberliegen und beim Mischen Grau ergeben, sollten im Gegensatz zu den spektralen Komplementärfarbenpaaren als Gegenfarben bezeichnet werden. Rot und Blaugrün ergeben in der Addition von Wellenlängen als Komplementärfarben das volle Spektrum gleich Weiß. Rot und Blaugrünergeben i η Transparenz oder Absorption oder Substraktion von Wellenlängen Schwarz. Rot und Blaugrün ergeben aus Pigmentfarben gemischt Grau (Abb. 58 e). Die Mischung aus gelber und blauer Pigmentfarbe ergibt nicht Weiß, wie man es aus der Addition von Wellenlängen erhält, sondern Grün. Denn das gelbe Pigment absorbiert hauptsächlich Blau und Violett, das blaue Pigment Rot, Orange und Gelb. Aus dem weißen Licht werden also Blau, Violett, Gelb, Orange und Rot absorbiert, als einzige Spektralfarbe wird Grün reflektiert!
Das m e n s c h l i c h e A u g e Um räumliche Eindrücke wahrnehmen zu können, gebrauchen wir beide Augen. Der Einfachheit halber wird in der Folge nur von dem Auge gesprochen. Das menschliche Auge ist eine Hohlkugel, die lichtundurchlässig ist und vorn durch die durchsichtige Hornhaut den Lichteintritt ermöglicht. Durch das Sehloch oder die Pupille fällt das Licht durch die Linse auf die Netzhaut an der hinteren Innenseite der Hohlkugel und erzeugt dort Reize, die durch den eng an die Netzhaut anschließen192
den Sehnerv in elektrischen Impulsfolgen zum Sehzentrum des Gehirns weitergeleitet werden. Die Krümmung der Linse läßt sich durch den Zillarmuskel verändern, erweitern oder zusammenziehen, so daß das Auge blitzschnell von »Nah« auf »Fern« eingestellt werden kann. Ebenso veränderbar ist die Pupille durch die Irismuskulatur, so daß das Auge starke Lichtunterschiede ausgleichen kann (Abb. 58 f). Die Netzhaut weist mosaikartig ein dichtes Netz von Zäpfchen und Stäbchen auf. 3 bis 5 Millionen Zäpfchen sind für das Sehen bei vollem Licht und für das Sehen von Farben zuständig, rund 125 Millionen Stäbchen für das Sehen bei schwacher Beleuchtung und das Sehen von Helligkeiten und Dunkelheiten. Die Netzhautgrube direkt auf der Augenachse enthält eine besonders große Anzahl von Zäpfchen und Stäbchen. Hier ist der empfindlichste Teil des Auges. Dort aber, w o der Sehnerv in die Netzhaut eintritt, entsteht der sog. blinde Fleck. Hier können keine Seheindrücke vermittelt werden. Das menschliche Auge kann bei 200 Farbtönen in 100 Sättigungsgraden, die jeweils in 100 Helligkeitsstufen aufgeteilt sind, bis zu zwei Millionen Farbnuancen unterscheiden. Unter extremen Bedingungen kann es Helligkeitsunterschiede von 1:1000 aufnehmen. Es arbeiten immer mehrere der insgesamt 130 Millionen Zäpfchen und Stäbchen zusammen an der Aufnahme optischer Reize. Ihnen stehen »nur« etwa eine Million Nervenfasern des Sehnervs gegenüber. Demnach gelangt längst nicht jede einzelne optische Information in das Sehzentrum des Gehirns. Schon bei der Reizaufnahme und der Reizverwertung wird die ursprüngliche Informationsmenge vermindert. Informations-Verminderung. Das Auge liefert bei einem natürlichen Blickwinkel von etwa 140° nur in einem Winkel von 10°-15° ein wirklich scharfes Bild. Einige Wissenschaftler behaupten sogar, daß bei einer Entfernung von einem Meter ein Kreis von nur 7 cm Durchmesser einwandfrei scharf gesehen werden kann. Das würde einem Winkel von nur 4° entsprechen. Bezeichnet man diesen Wert als eigentliches Sehen, so muß man alles, was wir noch außerdem im Winkel von 140° aufnehmen, als Wahrnehmen bezeichnen. Nur vom mittleren Teil der Netzhaut wird ein scharfes Bild geliefert. Die Wahrnehmungen, die von den Zäpfchen und Stäbchen ausgehen, die zum Rand der Netzhaut hin gelagert sind, bleiben unscharf. Wird ein Objekt vom Auge fixiert, so ermüden die betroffenen Zäpfchen und Stäbchen sehr schnell. Dadurch wird die Information ungenau, und das Bild verschwimmt. Daher bewegen wir andauernd das Auge, und dadurch treffen immer wieder neue Informationen auf noch nicht ermüdete Teile der Netzhaut. In den ständig erneuerten und sich verändernden Blickfeldern kann keinesfalls alles gesehen oder bewußt auch nur wahrgenommen werden. Die ständige Bewegung des Auges macht Seheindrücke überhaupt erst möglich. »Sehen« entsteht also aus der Reaktion des Auges auf Licht, den Reaktionen des Sehnervs und dem für visuelle Eindrücke zuständigen Teil des Gehirns. Über ihr Zusammenwirken und über das Phänomen, daß die Felder im Gehirn den elektrischen Impulsen diese oder jene Bedeutung zumessen, gibt es weder medizinisch noch psychologisch eine wissenschaftliche Erklärung (Abb. 57). 193
Abb. 57
Das menschliche Auge weist auch eine Reihe von Unregelmäßigkeiten auf. Abweichungen in der Linsenstruktur und in der Hornhautkrümmung können geometrische Bildfehler verursachen. Den natürlichen geometrisch-optischen Täuschungen aber sind schon die Griechen bei ihren Tempelbauten mit Erfolg begegnet (Abb. 57). Scheinbare, verblüffende Räumlichkeitseffekte haben sich schon die Manieristen, dann die Surrealisten und die Vertreter der Op-Art zunutze gemacht (Abb. 57). Geradezu sinnwidrig erscheinen manchmal die sogar mathematisch präzisierten Konstruktionen der Perspektive wie ζ. B.: Vier rechte Winkel können zu einer einzigen Geraden verkümmern! Oder: Da der Horizont immer in Augenhöhe verläuft, sich die Gehfläche, ζ. B. die Straße, nach hinten zu scheinbar anhebt, laufen wir unser Leben lang »bergauf« I Da wir aber wissen, daß hier eine optische Täuschung vorliegt, vermeiden wir gewohnheitsmäßig jede besondere Kraftanstrengung. Picasso und die Kubisten lösten sich von den Gesetzen der Perspektive, die seit der Renaissance gültig waren. Auswirkung. Nicht die optische Information allein bestimmt das Sehergebnis. Bereits gemachte Erfahrungen, das Interesse und die Meldungen anderer Sinnesorgane, ζ. B. des Tastsinnes, beeinflussen in Zusammenwirkung den Vorgang des Sehens. Da bei der Umsetzung elektrischer Impulse, der Lichtwellen in farbige Empfindungen dem menschlichen Gehirn die entscheidende Rolle zufällt, ist die emotionale Individualisierung des Farbsinns, der Farbbestimmung, der Farbwirkung und des räumlichen Sehens gegeben. Seltsamerweise aber gebraucht der Mensch sein Auge nur als Registrierapparat für unveränderliche Dinglichkeiten, die er für eine konstante Realität hält. Des sich laufend verändernden Erscheinungsbildes 194
w i r d er sich dagegen nur selten bewußt. Die Veränderlichkeit besteht dabei sowohl in der unterschiedlichen Lichtintensität, die ζ. B. durch die Tageszeit bedingt w i r d , als auch in der A u s w a h l oder Selektion, die das Auge selbst und das Interesse treffen. W a r u m w o h l sonst hat Cézanne den Berg Saint-Victoire sechzigmal gezeichnet und gemalt oder Claude Monet die Kathedrale v o n Rouen in einer Reihe verschiedener Beleuchtungen! Die Sensibilität des Auges und des Farbsinnes läßt sich schulen. Der Gestalter muß über ein besonders empfindliches Auge verfügen, auch w e n n ihm die M i t w e l t das nicht so recht zugestehen möchte, denn Sehen kann doch w o h l jederl Aber billigt m a n d e m Musiker nicht auch ohne weiteres ein besonders feines Gehör zu? Nervlich bedingte und psychische Vorgänge, die Gewohnheit des Sehens und die Erwartung, etwas Bestimmtes zu sehen oder wiederzusehen, schließlich sogar die Erfahrung sind alle von hervorragender Bedeutung für die Definition des Sehergebnisses.
195
4-Spektrumsdrittel
Ziliarmuskel
Hornhaut
Linse
Sehgrube.
Pupille
blinder Fleck
A d d i t i o n von Lichtwellen Transparenz Subtraktion: Farbfilter Farbfolien Druck übereinander Ineinandermischen von Pigmenten
F ist der beiden Linsen gemeinsame Brennpunkt
schematische Abbildung eines Gegenstandes
Blende offen
Blende geschlossen
Zerstreuungskreise klein
Abb- 59
197
KAPITEL 10
Photographie Was das Auge an Lichteindrücken aufnimmt, kann durch die Photographie, die Lichteindrücke festhält, registriert, vervielfältigt und jederzeit wieder sichtbar gemacht werden. Die Photographie hat viele Anwendungsbereiche: a) Bildmäßige Photographie in den Kommunikationsmedien, Werbung und Journalismus sowie in der Amateur-Photographie b) Reprophotographie in der Drucktechnik und im Fotosatz c) Röntgenphotographie in Medizin und Industrie zur Werkstoffprüfung d) Photographie in der wissenschaftlichen Forschung. In allen Bereichen kann die Schwarz/Weiß- oder Farbphotographie Anwendung finden als Einzelbild, Durchsichts- oder Aufsichtsbild oder als »laufendes« Bild. Die photographische Kamera Eine Kamera ist in gewisser Weise dem menschlichen Auge nachgebaut, um an Informationen festhalten zu können, was das Auge gesehen hat. Bei dem heutigen Angebot an Fabrikaten ist es unmöglich, mehr als das gemeinsame Prinzip zu erläutern. Eine Kamera besteht in den Hauptteilen aus einem Linsensystem oder dem Objektiv und Einsteilvorrichtungen, die die Entfernung zum Objekt und die Lichtmenge regulieren, die durch das Objektiv und durch einen dunklen Raum (lat. camera) hindurch auf das lichtempfindliche Material fällt. Das empfangene Bild steht wie beim menschlichen Auge auf dem Kopf. Das Linsensystem hat die Aufgabe, die einfallenden Lichtstrahlen zu konzentrieren, die, da sie vom Objekt reflektiert werden, die Träger der optischen Information oder des Lichtbildes sind. Die Linsen selbst weisen unterschiedliche Formen und verschiedene Wölbungen auf. Stellt man z. B. zwei Sammellinsen unterschiedlicher Wölbung zusammen, so kann man eine verkürzte Brennweite erzielen, denn durch die zweite Linse erfolgt eine stärkere Ablenkung der Strahlen als allein durch die erste. Dadurch erzielt man die Verkürzung der Brennweite (Abb. 59a Farbseite). So ist es möglich, oft um Kilometer weit vom Objektiv entfernte Gegenstände auf dem lichtempfindlichen Material abzubilden, obwohl dieses vom Objektiv nur um Zentimeter weit entfernt ist. Die Brennebene durch F 2 stellt den Abstand zwischen dem Objektiv und dem lichtempfindlichen Material dar. Die vom Objektiv gesammelten Lichtstrahlen können 198
sich aber nicht alle in der Brennebene schneiden bzw. sich auf d e m lichtempfindlichen Material scharf abbilden. Denn die vielen Objekte, die die Kamera »sieht«, sind ganz verschieden weit v o m Objektiv entfernt. Die Lichtstrahlen haben jeweils einen anderen Strahlenschnittpunkt, je nach ihrer Entfernung v o m Objektiv. Demzufolge liegen die Strahlenschnittpunkte vor oder hinter der Brennebene und w ü r d e n sich unscharf auf dem lichtempfindlichen Material abbilden. Stellt m a n ζ. B. eine Entfernung v o n 1,50 m ein, so bildet sich alles scharf ab, was in dieser Entfernung zum Objektiv liegt. Aber beim Photographieren kann man nichts weglassen wie beim Zeichnen. Alle größeren oder geringeren Entfernungen bilden sich ebenfalls ab, aber unscharf. Die Strahlenschnittpunkte der größeren Entfernungen liegen v o r der Brennebene, die der geringeren Entfernungen hinter ihr. Die Brennebene oder die Ebene des lichtempfindlichen Materials schneidet die Strahlenkegel hinter oder v o r ihrem Strahlenschnittpunkt. Die dadurch entstehenden Schnittebenen bezeichnet man als Zerstreuungskreise. Die Zerstreuungskreise bilden sich dann als Punkte ab und damit als scharfes Bild, w e n n man sie nicht mehr als Kreis erkennen kann, w e n n sie auf der Brennebene oder d e m lichtempfindlichen Material liegen und so klein wie möglich sind (Abb. 59 c, d). Über die Qualität und Präzision des optischen Systems und seiner Lichtdurchlässigkeit hinaus kann man selbst die Zerstreuungskreise durch die Einstellung der Entfernung und die Einstellung der Blende beeinflussen. Die kreisförmige und verstellbare Blende hat zwei A u f g a b e n : 1. Sie regelt die Menge der einfallenden Lichtstrahlen, indem sie die Randstrahlen des Lichtkegels beschneidet und so weniger Licht auf das lichtempfindliche Material fallen läßt. Sie reduziert die Helligkeit so, daß das Material sie auch a u f n e h m e n und objektgetreu verarbeiten kann. Sie verhindert die Überbelichtung. 2. Damit beeinflußt sie die Tiefenschärfe. Durch die Blende werden die Zerstreuungskreise so reduziert, daß einzelne Objektpunkte, die in der Natur sehr weit auseinanderliegen, v o m lichtempfindlichen Material trotzdem noch relativ scharf abgebildet w e r d e n können (Abb. 59 b, e). Die Menge des Lichtes, die v o n den Objekten reflektiert wird, wächst mit d e m Quadrat zur Entfernung. Bei einer w e i t r ä u m i g e n Landschaftsaufnahme ist mehr Licht von der Kamera zu bewältigen als bei einer Nahaufnahme. Folglich m u ß die Helligkeitsmenge, die das photographische Material bewältigen soll, in Relation zu d e m Quadrat der Entfernung abnehmen, sonst entsteht durch zuvielLicht eine Überbelichtung., Diese Reduzierung erfolgt durch die Wahl der Blendenöffnung. Ist ein Objekt sehr weit v o m Objektiv entfernt, ist die Lichtmenge groß und m u ß reduziert werden. Also m u ß die Blendenöffnung klein sein. Ist ein Objekt dagegen nur geringfügig v o m Objektiv entfernt, so ist auch seine Lichtmenge gering, und die Blendenöffnung m u ß relativ groß sein. Die unterschiedlichen Lichtmengen werden durch verschiedene Belichtungszeiten ausgeglichen: Bei kleiner Blendenöffnung eine längere Belichtungszeit, bei größerer Blende eine geringere Zeit. Die Blendenöffnungen w e r d e n in Zahlen angegeben. Blende 4 ist relativ offen, Blende 11 relativ geschlossen. In der Blenden-Zahlenreihe 4 - 5 , 6 - 8 - 1 1 - 1 6 besteht zwischen den Zahlenangaben jeweils ein Unterschied von 2:1: 1 / 2 . Blende 8 ζ. B. läßtdas Doppelte derLichtmenge von Blende5,6 durch und die Hälfte von Blende 11. 199
Wenn auch einige Fabrikate unterschiedliche Blendenzahlen angeben oder ganz auf sie verzichten, so steht doch die Blendenöffnung in Relation zu der zu bewältigenden Lichtmenge. Die Belichtung des lichtempfindlichen Materials ist das Produkt aus der einwirkenden Beleuchtungsstärke und der Zeit, in der die Lichtmenge auf das Material einwirkt, der Belichtungsdauer oder Belichtungszeit. Die Belichtung erzeugt in der lichtempfindlichen Schicht des photographischen Materials eine mehr oder weniger starke Reaktion, die v o m Objekt abhängig ist. Das Sichtbarmachen dieser Reaktion ist die Aufgabe der weiteren Verarbeitung.
Von der Belichtung zum Negativ - vom Negativ zum positiven Bild Belichtung. Die Grundlage für das Aufzeichnen von Licht bildet die Lichtempfindlichkeit der Silberhalogenide. Die Silbersalze des Halogensilbers bestehen aus Brom-, Chlor- oder Jodsilberkristallen, die in einer Gelatineschicht eingebettet sind. Diese lichtempfindliche Emulsion ist auf der einen Seite des Rohfilms, der das Trägermaterial bildet und aus Acetat- oder Polyesterfolie besteht, aufgegossen. Die andere Seite des Rohfilms weist die Lichthofschutzschicht auf. Durch die Einwirkung von Licht auf die lichtempfindliche Schicht erfolgt bereits in der Kamera eine chemische Reaktion. Die Silberhalogenide werden in metallisches Silber und freies Halogen gespalten oder zerlegt, und zwar entsprechend der Lichtfülle des Objektes mehr oder weniger häufig. So entsteht in der Schicht das latente Bild. Das einfallende Licht erfährt aber a) in den Silberhalogenid-Kristallen selbst eine Diffusion (Lichtstreuung), b) beim Durchgang durch die Trägerfolie eine Reflexion. Beide Vorgänge würden auf die lichtempfindlichen Kristalle »von hinten« einwirken. Diese Störungen auszuschalten ist die Aufgabe der Lichthofschutzschicht. Entwicklung. Könnte man einen belichteten und einen unbelichteten Film nebeneinander betrachten, so würde man keinen sichtbaren Unterschied feststellen können, obwohl in dem belichteten Film die chemische Reaktion stattgefunden hat. Daher bezeichnet man die stattgefundene Reaktion als latent oder nicht sichtbar. Erst die Entwicklungsprozesse rufen das latente Bild hervor und machen es sichtbar (Abb. 60). In der Dunkelkammer befinden sich mehrere Bäder mit verschiedenen Chemikalien. Jedes dieser Bäder hat seine bestimmte Aufgabe. 1. Der Entwickler beschleunigt den Vorgang der Silberbildung. Das zurückerhaltene Silber bewirkt die Schwärzung. Das belichtete und gespaltene Halogensilber wird direkt zu metallischem Silber reduziert, während das Bromium in den Entwickler übergeht. Durch diese Reduktion des Bromsilbers zu Silber wird das latente Bild hervorgerufen, und das zurückerhaltene Silber schwärzt anteilmäßig das Negativ. Entwicklungszeit und Intensität der chemischen Entwicklersubstanz müssen genau aufeinander abgestimmt sein, damit der Entwickler nur das belichtete, nicht aber das unbelichtete Bromsilber angreift. 200
v » v » v mm. III
Mikroskopisch kleine B r o m - ( C h l o r - , J o d - ) - S i l b e r körner sind als lichtempfindliche Substanz zu einer Emulsion in Gelatine eingebettet Schichtträger (Glas, Film oder Papier)
BELICHTUNG
Π * >
1 *>
33 33
Entsprechend der Intensität des einfallenden Lichtes spalten sich unterschiedlich viele Bromsilberkörner in B r o m ( ] und Silber. ^ Es entsteht das lenente Bild ENTWICKLUNG Der Entwickler löst das abgespaltene Brom heraus. Zurückerhaltenes metallisches Silber bewirkt die Schwärzung FIXIERUNG Die unbelichtet gebliebenen, aber noch aktiven Bromsilberkörner werden herausgelöst
A b b . 60
2. Das Stopp-oder Unterbrecherbad hat die Aufgabe, noch in der Schicht enthaltene Entwicklersubstanzen zu neutralisieren und so den Entwicklungsvorgang spontan abzubrechen. 3. Das Fixierbad hat die Aufgabe, weitere Lichteinwirkungen auf das lichtempfindliche Material unmöglich zu machen. Denn noch sind ja in der Schicht aktive, ungespaltene Bromsilberkristalle, die ζ. B. auf die Objektfarbe Schwarz nicht reagiert haben, vorhanden. Im Fixierbad werden sie aus der Schicht herausgelöst. 4. Im vierten Bad werden alle Chemikalienreste aus der Schicht entfernt. Ein Nachbad verhindert die Bildung von Kalkschleiern auf dem Film beim Trocknen. Nach dem Trocknen im Warmluftgerät hat man das entwickelte Filmnegativ, seitenund tonwertumgekehrt. Tonwertumgekehrt bedeutet volle Schwärzung des Materials und damit völlige Lichtundurchlässigkeit dort, wo die Objektfarbe weiß war, und völlige Transparenz und damit völlige Lichtdurchlässigkeit dort, wo die Objektfarbe schwarz war. Dasselbe gilt sinngemäß für Grautöne. Positiv-Herstellung. Ihr Vorgang ist dem der eigentlichen Aufnahme sehr ähnlich. Das Licht der Projektionslampe im Vergrößerungsgerät fällt durch das eingeschobene Negativ auf die lichtempfindliche Schicht des Photopapiers (Abb. 61 ). Völlige 201
Abb. 61
Schwärzung des Negativs verhindert den Lichtdurchfall; die Schicht zeigt keine Reaktion und bleibt unbelichtet, also weiß. Völlig offene Stellen des Negativs ermöglichen den völligen Lichtdurchfall; die Schicht reagiert und wird voll belichtet, also schwarz. Das gilt sinngemäß auch für alle Grautöne. Das Ergebnis ist ein originalgetreues, Seiten- und tonwertrichtiges Papierpositiv. Legt man das Negativ direkt auf das Photopapier, Schicht auf Schicht im Kontakt, erhält man den sog. Kontaktabzug. Legt man das Negativ direkt auf ein unbelichtetes Material, Schicht auf Schicht, erhält man ein seitenrichtiges Film- oder Diapositiv. Der Unterschied zwischen Kontakt- und Vergrößerungspapieren liegt in der Empfindlichkeit des Materials. Vergrößerungspapiere sind um ein Vielfaches empfindlicher als Kontaktpapiere. Auch sie weisen eine unterschiedliche Verarbeitungsbreite auf. Sie unterscheiden sich auch hinsichtlich ihrer Emulsionszusammensetzung in Chlorsilber-, Bromsilber- und Chlorbromsilberemulsionen. Mit Chlorsilberemulsionen erzielt man einen Bildton von Blauschwarz bis Warmschwarz, mit Bromsilberemulsionen einen Bildton in Neutralschwarz, mit Chlorbromsilberemulsionen einen Bildton in Chamois und Elfenbein bis Braun. Die Bildtöne können durch die Wahl des Entwicklers noch variiert werden. Sensitometrie. Die photographische Wiedergabe ist gekennzeichnet durch den Begriff der Schwärzung als direkte Folge von Belichtung und Entwicklung. Der Begriff der Sensitometrie bezeichnet die Messung von Dichte, Lichtdurchlässigkeit, Schwärzung und Gradation des phototechnischen Materials. Dichte Abstufungen entstehen durch die unterschiedlich starke Absorption bzw. Reflexion des einfallenden Lichtes. Von der Lichtstrahlung, die auf den transparenten Körper des Negativ- oder Diapositivmaterials auftrifft, wird ein mehr oder weniger großer Teil absorbiert, der andere Teil durchgelassen. 202
- » Belichtung ©Schleier © S c h w e l l e ©Schulter
Beziehung zwischen Durchlässigkeit (Transparenz) und Dichte bzw. Schwärzung (Opazität)
® geradliniger Teil
©Maximaldichte
Abb. 62
Das Verhältnis zwischen eingestrahlter u n d durchgelassener Lichtintensität bezeichnet m a n als Transparenz. Sie umfaßt nur Werte v o n 0 = völlig lichtundurchlässig bis 1 = völlig lichtdurchlässig. Werte zwischen 0 und 1 w e r d e n in Prozenten ausgedrückt. Den u m g e k e h r t e n W e r t zur Transparenz, das Verhältnis zwischen eingestrahlter und absorbierter Lichtintensität, bezeichnet man als Opazität. Sie gilt als M a ß für die Lichtundurchlässigkeit. Die Werte der Transparenz bewegen sich in einer arithmetischen Reihe, die der Opazität in einer geometrischen Reihe (Abb. 62). Beispiel:
Transparenz = Durchlässigkeit
100% 8 0 %
60%
40%
20%
Ig der Opazität = S c h w ä r z u n g = Dichte
1
1,66
2,50
5,0
1,25
203
Ist die Sensitometrie die Messung der Empfindlichkeit bei phototechnischen Emulsionen und Materialien, so ist sie auch gleichzeitig das Studium zwischen Ursache und Wirkung. Erreicht werden soll die optimale Übereinstimmung in den Helligkeitswerten zwischen dem vorliegenden Objekt und dem photographischen Ergebnis. Eine Ursache bestimmter Größe soll auch eine Wirkung gleicher Größe erzielen. w Einen Maßstab erhält man, indem man die Wirkung durch ihre Ursache dividiert: -¡j. Der Idealzustand ist: gleichstarke Ursache = gleichstarke Wirkung. In einer Funktionsdarstellung ergibt das eine gerade Linie von 45°. Photographische Schwärzungs- und Dichtekurven erreichen dieses Ideal nicht ganz. Sie zeigen eine langgezogene S-Form mit einem mehr oder weniger ausgeprägten, geradlinigen Teil. Da jedoch in der Regel nur ein begrenzter Teil der gesamten Schwärzungskurve beim Negativmaterial praktisch genutzt wird, ist die Abweichung von der idealen Funktion nicht von Nachteil (Abb. 62). Die charakteristische Dichtekurve wird in sechs Bereiche aufgeteilt: 1. Der Schleier oder die Minimaldichte. Das Halogensilber hat die Eigenschaft, zu einem geringen Teil auch ohne Lichteinwirkung entwickelbar zu sein. 2. Die Schwelle oder der Durchhang. In diesem Bereich beginnt die lichtempfindliche Emulsion die erste Wirkung zu zeigen und Schattenpartien aufzuzeichnen. Schleier und Schwelle liegen im Bereich der Unterbelichtung. 3. Der geradlinige Teil. In ihm steigt die Dichte proportional zur Lichtmenge. Die Stufen der Helligkeit entsprechen denen der Dichte. Der geradlinige Teil fällt in den Bereich der richtigen Belichtung. 4. Die Schulter. In diesem Bereich, der die Überbelichtung darstellt, steigt die Dichte nicht mehr proportional an, die Schwärzungskurve verflacht. 5. Die Grundschwärze oder Maximaldichte. Sie ist nurfür Umkehr- oder Positivmaterialien von Bedeutung. 6. Die Solarisation. Nimmt die Dichte nach Erreichen des höchsten Wertes mit zunehmender Belichtung wieder stetig ab, so spricht man von Solarisation. Eine nachfolgende Belichtung kann bei Direktpositivmaterialien direkt ein positives Bild ergeben. Der Anstieg der Schwärzungskurve - bei der Farbphotographie der Farbdichtekurve -kennzeichnet den Objektumfang des Materials. IhrgeradlinigerTeil wird als Gradation bezeichnet, ihr Anstiegwinkel t g a = y . Der ideale Anstiegwinkel ist tg 45 = 1. Die Gradation ist die Angabe dafür, ob ein photographisches Material lichtempfindliches Negativ- oder Positivmaterial - hart oder weich arbeitet, wenig oder viel Zwischentöne zwischen Schwarz und Weiß aufzeichnet (Abb. 61). Zum Messen am Negativ benutzt man den Grau- oder Stufenkeil. Er zeigt eine Kette genau abgestufter Grautöne. Die Grautöne verlaufen in der arithmetischen Reihe. Sie geben keine Auskunft darüber, unter welchen Belichtungsumständen sie entstanden sind. Der Stufenkeil ist also eine Abstraktion der wirklichen Helligkeitswerte einer Vorlage zur Bestimmung von Meßwerten. Die Gradation ist nicht nur vom Material selbst, also von der Art der Emulsion, sondern auch von der Entwicklung abhängig. Sie wird als flach = weich, normal oder 204
steil = hart bezeichnet, je nachdem, ob zwischen geringster und höchster Schwärzung viele oder wenige Grauwerte aufgezeichnet werden. Beim Fotopapier wird damit der Kopierumfang von extra weich bis extra hart angegeben. Kleiner yWert = weich, hoher y-Wert = hart (Abb. 61 ). Die Gradation in Ziffern ausgedrückt: 1 = weiche Gradation 2 = normale Gradation 3 = brillante Gradation Halbton 4 = kontrastreiche Gradation 5 = steile Gradation 7 = sehr steile Gradation 8 = ultrasteile Gradation Die lichtempfindliche Emulsion ist von Natur her besonders für blaues Licht empfindlich. Damit man sie zur Wiedergabe aller Farben verwenden kann, wird sie sensibilisiert. Damit wird die Allgemeinempfindlichkeit angehoben. Geeignete Chemikalienwerden alsSensibilitorenderEmulsion zugesetzt. Unsensibilisierte Schichten sind nur für Blau empfindlich. Sogenannte orthochromatische Schichten besitzen neben der Eigenempfindlichkeit der Emulsion eine zusätzliche Empfindlichkeit für grünes, gelbes und orangefarbiges Licht bis zu einem Bereich von etwa 600 nm. Für rotes Licht sind sie unempfindlich. Orthochromatisches Material wird im Fotosatz und für Reprozwecke verwendet. Die Entwicklung kann also bei Rotlicht erfolgen. Panchromatisch sensibilisierte Schichten sind für alle Farben des sichtbaren Spektrums empfindlich. Sie müssen daher bei völliger Dunkelheit entwickelt werden (Abb. 63).
400
500
600
700 nm
1 unsensibilisiert 2 orthochromatisch
Sensibilisierung v o n
3 panchromatisch
Schwarzweiß-Filmen
Abb. 63
205
Die Grundlagen der Farbphotographie Das farbige Spektrum von ca. 400 bis ca. 700 nm wird in drei Hauptbereiche zu ungefähr je einem Drittel aufgeteilt (s. Kap. 9). Die Lichtwellen für Blau bezeichnen einen Bereich von ca.400 bis500 nm, die für Grün einen Bereich von ca.500bis600nm, die für Rot von ca. 600 bis700nm. Violett liegt am Ende des Spektrums bei 400 nm. Blaugrün liegt am Übergang von Blau zu Grün, Gelb am Übergang von Grün zu Rot. Blau, Grün und Rot werden als Grundfarben bezeichnet. Purpur als Mischung von Blau + Rot, Blaugrün als Mischung von Blau + Grün, Gelb als Mischung aus Grün + Rot werden als Mischfarben bezeichnet. Additive Farbmischung: Die Spektrumsdrittel oder Grundfarben Blau, Grün und Rot lassen sich wieder zu w e i ß e m Licht zusammenfügen, indem man ihre Wellenbereiche addiert. Drei Projektoren, denen jeweils eine blaue, eine grüne und eine rote Glasscheibe in der richtigen Farbabstimmung und Intensität vorgeschaltet i s t - u n d wir wissen, transparente Körper wie farbiges Glas lassen nur ihre Eigenfarbe durch - erzeugen wieder weißes = volles Licht (Abb. 64/Farbseite). Mischt man jedoch das Licht von nur zwei Projektoren, läßt man also eine Farbscheibe weg, so erhält man die sog. Mischfarben, die jede zu ihrer Wellenlänge eine ganz bestimmte Farbbezeichnung erhalten: Rotes + grünes Licht ergibt Gelb = Yellow Rotes + blaues Licht ergibt Purpur = Magenta Blaues + grünes Licht ergibt Blaugrün = Cyan Yellow enthält also rotes + grünes Licht. Die Addition mit dem fehlenden Licht der Grundfarbe Blau ergibt komplementär Weiß. Magenta enthält rotes + blaues Licht. Die Addition mit dem fehlenden Licht der Grundfarbe Grün ergibt komplementär Weiß. Cyan enthält blaues + grünes Licht. Die Addition mit dem fehlenden Licht dei; Grundfarbe Rot ergibt komplementär Weiß. Die Farbenpaare, die sich zu Weiß addieren —eine Grundfarbe plus eine Mischfarbe - s i n d Komplementärfarben. Dabei enthält die eine Grundfarbe 1/s Licht, die Mischfarbe 2 / 3 Licht, so daß 1 / 3 + % = 1 = volles Licht gleich W e i ß ergibt. Jede Mischfarbe ist also heller als jede der beiden Grundfarben, aus deren Mischung sie entstanden ist, da sie mehr Licht enthält. Bei der Addition von Wellenbereichen läßt sich 1. jeder 1 / 3 -Anteil des Spektrums mit den beiden anderen zu 1 = vollem Licht addieren: 1 / 3 Blau + 1 / 3 Grün + V3 Rot = Weiß, 2. jeder V 3 -Anteil des Spektrums mit seinem komplementären %-Anteil zu 1 = vollem Licht addieren: 1/s Blau + % Gelb = Weiß. In beiden Fällen erfolgt eine Summierung von Wellenbereichen oder Lichtanteilen. Bei der Untersuchung, welchen Licht- und damit Farbanteil zwei Mischfarben zusammen ergeben, zeigt sich ein anderes Ergebnis. Hier gilt das Gesetz von den transparenten Körpern. Der farbige Filter der einen Mischfarbe sperrt komplementär einen Teil des anderen Mischfarbenfilters. Da jede Mischfarbe % Licht ist, würde 206
ja eine Addition 2/3 + % = mehr als 1 = volles Licht ergeben. Durch das Sperren eines Farbanteils findet ein Lichtverlust statt. Da Licht »abgezogen« wird, nennt man diesen Vorgang das subtraktive Verfahren. Subtraktive
Farbmischung.
Die Mischung aus zwei Mischfarben ergibt (Abb. 64):
Mischfarben
komplementäre Absorption als Rest bleibt übrig
Yellow = y 3 Grün + y 3 Rot und Magenta = Vs Blau + y 3 Rot
Yellow
Yellow und Cyan
= y 3 Rot + y
3
Grün
= Va Blau + 1/3 Grün
Magenta = y 3 Rot + y 3 Blau und Cyan = y 3 Grün + y 3 Blau
sperrt Blau aus Magenta Magenta sperrt y 3 Grün aus Yellow
Yellow Cyan
sperrt 1/3 Blau aus Cyan sperrt 1/3 Rot aus Yellow
Magenta sperrt 1¡3 Grün aus Cyan Cyan sperrt 1/3 Rot aus Magenta
Rot Ί Rot
J
= 1/3 Licht
Grünl = 7, Licht GrünJ
Blauì = y 3 Licht Blau]
Die Restanteile bezeichnen denjenigen Wellenbereich, der von beiden Farbfiltern gemeinsam durchgelassen wird. Durch die Mischung zweier Mischfarben entsteht wieder eine Grundfarbe, die beiden anteilmäßig gemeinsam ist. Da Licht subtrahiert wird, ist die Grundfarbe wieder dunkler als jede der beiden Mischfarben. Alle drei Mischfarben zusammen heben sich gegenseitig auf, denn die jeweiligen Subtraktionsergebnisse werden wieder von einer der drei Farben gesperrt: Rest ] ¡ 3 Rot von Cyan, Rest i ¡ 3 Grün von Magenta, 1/a Rest Blau von Yellow. Ergebnis: kein Licht gleich Schwarz.
Daraus ergibt sich für die Farbphotographie (Abb. 58 d). 1. Jeder transparente Körper läßt nur »seine« Farbe durch. Die drei Grundfarben Blau, Grün und Rot sind nur für je ein Drittel des Spektrums transparent, die drei Mischfarben Yellow, Magenta und Cyan dagegen für zwei Drittel des Spektrums. Da man durch Subtraktion wieder die Grundfarben zurückerhält, also alle sechs Farben rein herstellen kann, bilden die Mischfarben die Grundlage der Farbphotographie. Über die reinen Farben hinaus kann man durch die richtige Kombination und die richtigen Farbanteile jede gewünschte Farbnuance herstellen. 2. Da die lichtempfindlichen Schichten des Materials transparent sind, arbeiten sie nach dem selben Prinzip wie die Filter. Ebenso wie zur Korrektur des photographischen Vorganges selbst werden Filter zur Korrektur des Positiv-Ergebnisses eingesetzt und die farbigen Anteile des weißen Lichtes im gewünschten Sinne beeinflußt. 207
• +|• Ü H 1• • +1• •
• +• • • •
Additive Farbmischung
Subtraktive Farbmischung
+|
• •
+
Das lichtempfindliche Farbmaterial besteht aus drei Schichten, die für Blau, Grün und Rot empfindlich sind. Neben den Bromsilbersalzen sind die Farbkuppler für Yellow, Cyan und Magenta — farblose organische Substanzen — eingelagert
BELICHTUNG Das Brom spaltet sich anteilmäßig vom Silber in allen drei Schichten
ENTWICKLUNG Das im Entwickler durch die Reduktion von Bromsilber zu Silber entstandene Oxydationsprodukt bildet mit dem Farbkuppler den komplementären Farbstoff In allen drei Schichten wird das metallische Silber und das unbelichtet gebliebene Bromsilber entfernt: Der Farbstoff bleibt übrig Mit freundlicher Genehmigung von Agfa-Gevaert Abb. 64
Parallel zur Farbphotographie finden beide Farbmischmethoden, die additive und die substraktive, weitere Anwendungsbereiche 1. beim Farbfernsehen, 2. bei der Arbeit des Gestalters mit farbigen Folien, 3. beim Druck mit Buntfarben im graphischen Gewerbe. Hier übernehmen die Farbstoffe in ihrer Reflexion und Transparenz die Absorption bestimmter Lichtwellenbereiche, so daß weniger Licht übrigbleibt.
Das lichtempfindliche Farbmaterial: Chromogene Entwicklung Das lichtempfindliche Farbmaterial ist nach den farbtheoretischen Erkenntnissen der Physik aufgebaut. Weist ein Schwarz/Weiß-Material nur eine panchromatische Schicht auf, die für alle Farben sensibilisiert ist und diese in Heiligkeiten und Dunkelheiten umsetzt, so besteht ein Farbmaterial - schematisch gesehen - aus drei Schichten. Jede dieser Schichten ist für je eine der drei Grundfarben empfindlich, also für Blau, Grün und Rot. Der weitere Aufbau - Trägerfolie und Lichthofschutzschicht- bleibt bestehen. Mit diesen drei Schichten können sämtliche Farben des Spektrums wiedergegeben werden (Abb. 64). Die drei Grundfarben des Lichtes wirken nur auf eine, »ihre« Schicht ein, also der blaue Himmel auf die blauempfindliche, die grüne Wiese auf die grünempfindliche, das rote Haus auf die rotempfindliche Schicht (Abb. 64 und 65a, Farbseite). Die drei Mischfarben wirken auf »ihre« beiden Schichten gleichzeitig ein, also die gelbe Blume auf die grün- und rotempflindliche, die purpurfarbige Blume auf die blau -und rotempfindliche, der blaugrüne Wald auf die blau-und grünempfindliche Schicht. Grau reflektiert nur einen Teil des Lichtes und wirkt auf alle drei Schichten gleichzeitig mit entsprechend geringerem Anteil ein. Weiß, also Blau + Grün + Rot, wirkt auf alle drei Schichten voll ein, während Schwarz keine Farbe reflektiert und folglich in allen drei Schichten keine Reaktion erzeugt. Jede der belichteten Schichten gibt grundsätzlich den umgekehrten Farbwert des Objekts wieder. Beim Schwarz/Weiß-Material ist ja auch weiß = unbelichtet/transparent, was am Objekt schwarz war. Das Farbmaterial arbeitet ebenso in allen drei Schichten komplementär zur Farbe des Objekts. Das Farbnegativ gibt genau die Komplementärfarbe der wirklichen, gesehenen Farbe wieder. Die Farbphotographie wie das Farbfernsehen produziert also ebensowenig echte Farben wie die Vierfarbenautotypie des graphischen Gewerbes, vom optischen Eindruck her gesehen. Die drei farbempfindlichen Schichten des photographischen Materials und des Photopapiers sind transparent. Der Farbeindruck beim Papierabzug entsteht erst im Auge des Betrachters aus der anteilmäßigen, gleichzeitigen Reflexion der drei transparenten Schichten, die »ihre« Farbe durch die anderen Schichten hindurch reflektieren. Der Farbeindruck beim Farbdiapositiv entsteht durch die Transparenz der drei Farbschichten für »ihre« Farbe. Wie bei der Vierfarbenautotypie mischen sich erst für den Betrachter die reflektierten Lichtstrahlen zu der bestimmten Farbempfindung. 209
Die Entwicklung des lichtempfindlichen Farbmaterials (Abb. 64). Lichtempfindliche Halogensilbersalze sind auch in der Farbphotographie die Grundlage des Belichtungs- und Entwicklungsvorganges. Durch optische Sensibilisierung, d. h. durch Anlagern von Farbstoffen an das Bromsilber, entsteht die Farbempfindlichkeit der Schichten. Da sie komplementär arbeiten, ist in der blauempfindlichen Schicht der Farbkuppler für Yellow, in der grünempfindlichen Schicht der Farbkuppler für Magenta und in der rotempfindlichen Schicht der Farbkuppler für Cyan neben dem Bromsilber eingelagert. Farbkuppler sind Pigmente und in sich farblose, organische Substanzen. Bei der Belichtung wird in allen drei Schichten anteilmäßig das Brom vom Silber gespalten. Es entsteht in allen drei Schichten das latente Bild. Im Ent-
Die natürliche Objektfarbe war
das Negativ ist
Kopii ìrlicht läßt nur »seine« sperrt und beeinflußt Farbe(n) durch nicht die Schicht(en) für
Blau
Yellow (Gelb)
Blau
Grün + Rot
Grün
Magenta (Purpur)
Grün
Blau + Rot
Rot
Cyan (Blaugrün)
Rot
Blau + Grün
Gelb
Magenta + Cyan = Blau
Grün und Rot
Purpur + Blaugrün = Blau
Purpur
Yellow + Cyan = Grün
Blau und Rot
Gelb + Blaugrün = Grün
Blaugrün
Yellow + Magenta = Rot
Blau und Grün
Gelb + Purpur = Rot
Weiß
Yellow + Magenta + Cyan = Schwarz
Blau und Grün und Rot
kein Licht
Schwarz
Weiß = unbeeinflußt
210
—
Blau + Grün + Rot = Weiß oder das gesamte Licht
Wickler, bei dem Prozeß der Reduktion zu metallischem Silber, oxidiert die Substanz des Entwicklers, d. h. sie verbindet sich mit Sauerstoff. Das Oxidationsprodukt des Entwicklers verbindet sich mit der Farbkomponente des Farbkupplers in jeder der drei Schichten und bildet in ihnen den jeweils komplementären Farbstoff. Diese farbstoffbildende oder chromogene Entwicklung, die bereits seit 1910 bekannt ist, vollzieht sich nach dem Schema: 1. Belichtetes Silberhalogenid + Farbentwickler->Silber + oxidiertem Farbentwickler, 2. oxidierter Farbentwickler + Farbkuppler-»-Farbstoff (Abb. 64).
Entwicklung • Ruft nur »seinen« komplementären Farbstoff in den Schichten des Photopapiers hervor im latenten Bild: Magenta + Cyan
Yellow + Cyan
Yellow + Magenta
Wässerung Stoppfixierbad, Bleichfixierbad, Schlußwässerung, Schlußbad
Nach der Entwicklung Auf dem Papierbild entsteht durch Reflexion bzw. kombinierte Reflexion des Tageslichtes:
• •
Blau = kombinierte Reflexion aus 2 Schichten
• •
Grün = kombinierte Reflexion aus 2 Schichten
• •
Rot = kombinierte Reflexion aus 2 Schichten
Yellow (Gelb)
•
Gelb
Magenta (Purpur)
•
Purpur
Cyan (Blaugrün)
•
Blaugrün
keinen Farbstoff
>
Yellow + Magenta + Cyan
• • •
Weiß = volle Reflexion des Tageslichtes in den 3 Schichten Schwarz = volle Absorption des Tageslichtes in den 3 Schichten 211
Abb. 65a
Prinzip des Färb-Negativ/Positiv-Prozesses - Papierabzug
ORIGINAL
Reflektiertes Licht Die einzelnen Schichten des lichtempfindlichen Matehals| sind empfindlich für Blau, Grün, Rot
in den einzelnen Schichten entsteht das latente Bild
ENTWICKLUNG
NEGATIV kombinierte Einzelschichten
Komplementär färben zu den Obiektfarben
Kopierlicht
Die einzelnen Schichten des Photopapiers sind empfindlich für Blau, Grün, Rot
nn den einzelnen Schichten entsteht das latente Bild
Farbstoffe ENTWICKLUNG
Yellow
WIEDERGABE kombinierte Einzelschichten
Komplementärfarbe zum Negativ = Objektfärbe Hauptdichte Magenta Gelbmaske
Gradations los Qi CyanNebendichte 4.0
Ig(lxt)
Gelbnebendichte des Purpurs beseitigt durch Gelbmaske Negativ
Positiv
mit freundlicher Genehmigung v. Agfa-Gevaert
Abb. 66
Prinzip der Umkehr-Entwicklung - Diapositiv
ORIGINAL
Reflektiertes Licht 1. Entwicklung. Das Negativ besteht aus metallischem Silber ohne Farbstoffe
Silberhalogenid
diffuses Licht 2. Belichtung mit starker Lichtquelle. Intensivierung der Originalbelichtung
3 [
2. Belichtung
Silberbild
iffiM H
in
i
latentes Bild
Farbentwicklung. Das RestHalogensilber wird in ein Farbstoffbild umgewandelt Bleichbad
Fixierbad
DIAPOSITIV
1. Entwicklung
Farbentwicklung
Bleichbad
Fixierbad
Das metallische Silber, das ja eine Schwärzung des Negativs hervorrufen würde, wird herausgewaschen, das unbelichtet gebliebene Bromsilber aus allen drei Schichten im Bleichfixierbad entfernt. Nun ist nur noch der Farbstoff übriggeblieben. Bei der Belichtung hatte sich abgebildet: Der blaue Himmel in der für Blau empfindlichen Schicht, die grüne Wiese in der für Grün empfindlichen Schicht, das rote Haus in der für Rot empfindlichen Schicht, die gelbe Blume in beiden, für Grün und Rot empfindlichen Schichten, die purpurfarbene Blume in beiden, für Blau und Rot empfindlichen Schichten, der blaugrüne Wald in beiden, für Blau und Grün empfindlichen Schichten; Weiß in allen drei Schichten voll, dagegen Schwarz in keiner Schicht. In jeder der drei Schichten ist das latente Bild der Farbe, für die sie empfindlich ist, entstanden und wird in die Komplementärfarbe umgewandelt. Kopie auf lichtempfindliches Papier (Abb. 65a, Farbseite). In der Positiv-Herstellung wird die Komplementärfarbe des Negativs in die eigentliche Objektfarbe zurückverwandelt. Dabei soll die ursprüngliche Objektfarbe so naturgetreu wie möglich getroffen werden. Das Photopapier weist ebenfalls die drei für je eine Grundfarbe empfindlichen Schichten auf, in denen ihre entsprechenden Komplementärfarbkuppler gelagert sind. Das Negativ wird bei völliger Dunkelheit in das Belichtungsgerät eingelegt. Der Belichtungsvorgang, der zum Negativ führte, wird im Prinzip wiederholt. Das weiße Kopierlicht wirkt mit seinen Farbanteilen Blau, Grün und Rot durch die drei Schichten des Negativs hindurch auf die drei farbempfindlichen Schichten des Photopapiers ein. Die drei Schichten des Negativs arbeiten nach dem Prinzip der Transparenz: Jede einzelne Schicht läßt nur »ihre« farbigen Lichtanteile durch und sperrt komplementär alle anderen Farbanteile, für die sie nicht transparent ist. Auf diese Weise vollzieht sich die Umkehrung der komplementären Negativfarbe in die naturgetreue Objektfarbe.
Farb-Diapositiv Ein Diapositiv ist ein positives Bild auf einem durchsichtigen Schichtträger und ist für die Projektion im durchfallenden Licht vorgesehen. Es entsteht entweder durch die Aufnahme auf einen Umkehrfilm oder durch Kopie von einem Negativ auf einen Positivfilm, der im Prinzip genau so arbeitet wie ein Photopapier. Gegenüber dem Papierabzug hat das Dia den Vorteil der größeren Farbbrillanz und des größeren Helligkeitsumfangs. Das menschliche Auge kann bei Gegenlicht einen Helligkeitsumfang, also das Verhältnis zwischen Licht und Schatten, im Verhältnis von 1 : 1000 wahrnehmen. Das Dia nimmt einen Unterschied von 1 : 500 auf, dagegen das Photopapier nur einen von 1 : 20. Daher werden in der graphischen Praxis für Anzeigen und Prospekte meistens Diapositive angefertigt. Der Gestalter kann sich 214
für seine Komposition einen Schwarz/Weiß-Papierabzug in den gewünschten Größenverhältnissen anfertigen lassen. Die Druckvorlage ist dann das Dia selbst. Zur Herstellung eines Dias wird der sog. Umkehrfilm oder Diafilm benutzt. Der Umkehrprozeß - eine leider verwirrende Bezeichnung, da die Objektfarbe eben nicht wie bei derchromogenen Entwicklung umgekehrt wird - ist ein Verfahren, bei dem ein photographisches Material in einem einzigen Verarbeitungsvorgang ohne Zwischennegativ ein Positiv ergibt. Das Material durchläuft zwei Entwicklungen (Abb. 66, Farbseite). Die erste Entwicklung erfolgt in einem speziellen Schwarz/Weiß-Entwickler zu einem Negativ, das aus metallischem Silber ohne Beteiligung von Farbstoffen besteht. Dieser Prozeß geht in allen drei Schichten vor sich. Zur eigentlichen Farbentwicklung muß das bisher unbelichtet gebliebene Halogensilber durch eine diffuse Belichtung, die sog. Zweitbelichtung, zunächst entwickelbar gemacht werden. Danach wird das »Rest«-Halogensilber im Farbentwickler in ein Farbstoffbild umgewandelt. Der Farbstoff bildet sich an denjenigen Stellen der drei Schichten, an denen bei der Erstentwicklung kein Silber abgeschieden worden war. Die Dichte des Farbstoffbildes richtet sich nach der Menge des »Rest«-Halogensilbers, das nach der Erstentwicklung noch unverändert Übriggeblieben war. Im Bleich- und Fixierband werden Silber und Silbersalze entfernt, und zurück bleiben reine Farbstoffe. In der Durchsicht ergeben diese durch ihre Transparenz die ursprünglich aufgenommenen Farben. Auch hier entstehen keine echten Farben, sondern ζ. B. der Farbeindruck Rot entsteht durch die Transparenz der Yellow- und Magentaschicht. Ein fertiges Dia ist nicht mehr korrigierbar.
Farbtemperatur, Farbdichte, Maskierung, Farbfilter Farbtemperatur: Unterschiedliche Lichtquellen senden Licht mit verschiedener spektraler Verteilung aus. Die Temperatur des Sonnenlichtes ist abhängig von der Tageszeit und den atmosphärischen Verhältnissen, und damit verändern sich die Anteile der Spektralfarben und damit die Temperatur, unter der die Aufnahme zustandekommt. Die Aufnahmetemperatur entspricht daher oft nicht der des Kopierlichtes. Daraus resultierende Farbabweichungen werden vom photographischen Material sehr genau r e g i s t r i e r t - i m Gegensatz zum menschlichen Auge — u n d müssen bei Farbumkehrfilmen durch entsprechende Filterung, beim Positiv/Negativverfahren beim Kopieren durch Farbfilter ausgeglichen werden. Die Farbtemperatur ebenso wie die der Lichtquelle werden nach Kelvin (K) gemessen. Die Kelvinskala beginnt beim absoluten Nullpunkt von - 2 7 3 ° Celsius. Man vergleicht die spektrale Verteilung einer Lichtquelle mit dem Spektrum eines erhitzten schwarzen Körpers und mißt die Temperatur, bei der ein schwarzer Körper ein Licht aussendet, das in seiner spektralen Verteilung der gegebenen Lichtquelle weitgehend gleichkommt. Lichtquellen mit niedriger Farbtemperatur, ζ. B. Glühlampen mit 1500 bis 2000 K, haben gelbliches oder rötliches (warmes) Licht, Lichtquellen mit hoher Farbtemperatur blaues oder weißes (kaltes) Licht. Eine 100-Watt-Haushaltslampe hat 215
eine Temperatur von 2900 K, mittleres Tageslicht von 5500 K, sehr blaues Tageslicht, ζ. B. im Hochgebirge oder am Meer, zwischen 6800 und 8200 K. Farbdichte: Die Sensitometrie in der Farbphotographie untersuchtdie Empfindlichkeit des Materials in den drei Farbschichten. Was in der Schwarz/Weiß-Photographie als Schwärzungskurve erarbeitet wurde, findet bei der Farbphotographie seine Entsprechung in den Dichtekurven. Da man es in der Praxis mit Objektfarben zü tun hat, die alle drei Schichten anteilmäßig beeinflussen, ist es für das Ergebnis wichtig, sowohl Lichter als auch Schatten in dichten Farbtönen des än der betreffenden Stelle gebildeten Farbstoffes zu erhalten. Maskierung: Die Farbstoffe der Farbphotomaterialien haben die unerwünschte, aber unvermeidliche Eigenschaft, nicht nur im eigenen, sondern auch in den anderen Spektralbereichen zu absorbieren und damit ebenfalls in anderen Schichten des Materials zu reagieren. Diese Eigenschaft, die als Nebendichte bezeichnet wird, ist die Ursache von Farbverfälschungen (Abb. 65 b, Fàrbseite). Die drei Farbstoffe Yellow, Magenta und Cyan sollten im Idealfall nur je zwei Drittel des Spektrums ungeschwächt hindurchlassen und ein Drittel voll absorbieren. Diesem Ideal k o m m t Yellow am nächsten. Aber Magenta und Cyan absorbieren auch einen Teil des blauen Lichtes. Diese zwangsläufigen Nebendichten werden bei modernen Farbnegativfilmen durch eine automatische Farbmaskierung korrigiert. Die Maskierung geschieht durch ein Korrekturbild, dessen Farbe der Fehlabsorption oder Nebendichte des Bildfarbstoffs entspricht (Abb. 65b). Durch die Maskierung, deren Gradation genau entgegengesetzt zur Gradation der Nebendichte verläuft, wird die Fehlabsorption aufgehoben. Fehlabsorptionen des Magentafarbstoffes im grünen und roten Spektralbereich werden durch eine Gelbmaske, die Fehlabsorptionen des Cyanfarbstoffes durch eine Rotmaske ausgeglichen. Der Farbeindruck beider Masken ist in der Durchsicht des Negativs orangefarben. Farbfilter: Bei der Schwarz/Weiß-Photographie können Filter in vielen Farben als Korrektur- oder Kontrastfilter bei der Aufnahme benutzt werden, so z. B. bei starker Blaustrahlung ein Gelbfilter. Auch in der Farbphotographie werden sie als Aufnahmekorrekturfilter eingesetzt (Abb. 67 a, Farbseite). Im Farb-Negativ/Positiwerfahren werden in der Dunkelkammer Kopierfilter zur Beeinflussung des Kopierlichtes verwendet und zwischen Lichtquelle und Objektiv geschaltet. Sie entsprechen den Schichtfarbstoffen Yellow - Magenta - Cyan. Ihre Dichtegrade sind zahlenmäßig gekennzeichnet: 05 / 10 / 20 / 30 / 40 / 50 / 60 / 70 / 80 / 90 / 99. Filterkombinationen werden stets ohne besondere Angabe in der Reihenfolge Yellow - Magenta - Cyan angegeben. Ζ. Β. Angabe: - 3 0 - 4 0 bedeutet: Yellow = 0, Magenta = Dichtestufe 30, Cyan = Dichtestufe 40, oder 2 0 - 1 0 bedeutet: Yellow = Dichtestufe 20, Magenta = 0, Cyan = Dichtestufe 10 (Abb. 67b, Farbseite). Unter Null-Kopie versteht man eine Kopie ohne jeden Korrekturfilter. Besondere Bedeutung erhält die Korrekturfilterung bei der Wiedergabe von Grauwerten des Objekts, um den sog. Farbstich auszuschalten und einen möglichst neutralen Grauwert zu erhalten. 216
Farbfelder Abb. 67 a Die Grundfarben und die Absorption durch Filter
Filter
Abb. 67 b Agfa-Farbaufsatz Farbsteuergerät für die I stufenlose subtraktive Filterung der Colornegative Film (Agfacolor C N S )
wmm
Abb. 67 c Mikroschnitt durch einen maskierten Farbnegativfilm
L mit freundlicher Genehmigung von Agfa Gevaert
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I
Die Gesamtdicke der lichtempfindlichen Emulsionsschichten bei photopraphischen Materialien und Papieren m u ß beider Herstellung mit äußerster Präzision eingehalten werden, da sonst Gradationsveränderungen auftreten können (Abb. 67c, Farbseite). Schwarz/Weiß-Materialien weisen eine Gesamtschichtdicke von 5,5 bis 17tausendstel Millimetern auf, Farbmaterialien von 20 bis 25tausendstel Millimetern. 1μ = 1/1000 m m Dicke bei Schwarz/Weiß-Material: 5,5-17^m Farbmaterial: 20 - 2 5 ^ m Schmalfilmen: 16 - 1 7 μ π \ Schwarz/Weiß-Papier: 7 - 8,«m Colorpapier: 11 -15μΓτι Bei Schwarz! Weiß-Aufnahmen, die ja keine Farben wiedergeben, sondern lediglich ihre Tonwerte in Helligkeiten und Dunkelheiten umsetzen, kann die Tonwiedergabe durch Farbfilter beeinflußt werden. Dadurch w i r d die Umsetzung der Farbhelligkeitswerte in Grauwerte verbessert. Der Ton beim Schwarz/Weiß-Ergebnis w i r d dann heller, w e n n der Filter der Objektfarbe entspricht, und dann dunkler, w e n n er komplementär zur Objektfarbe gewählt ist. Stellen w i r uns ζ. B. als Objekt eine Gebirgsschneelandschaft mit strahlend blauem Himmel und weißen Wolken vor. Dadasphotographische Material von Haus aus f ü r Blau empfindlich ist, und zwar empfindlicher als das menschliche Auge, schwärzt die blaue Strahlung das Negativ so stark, daß der blaue Himmel im Ergebnis völlig w e i ß erscheint. Ein Gelb- oder Dunkelgelbfilter dämpft die überstarke Blau-Beeinflussung auf das photographische Material, so daß der H i m m e l dunkler und kontrastreicher erscheint und die weißen Wolken sich abzeichnen können. Filter kann man in den Farben Gelb, Orange, Dunkelgelb, Grün, Rot und Dunkelrot verwenden. Die Korrekturfilter bei Farbaufnahmen, in verschiedenen Dichtestufen und in den Farben Gelb, Purpur und Blaugrün sowie in Blau, Grün und Rot, werden bei U m kehrfilmen verwendet. Sie korrigieren bei der Aufnahme - denn am Dia kann man nicht ändern - leichte Farbabweichungen und entsprechen in ihrer Wirkung den Kopierfiltern bei der Positiv-Negativ-Verarbeitung. Ein Polarisationsfilter (Pol-Filter) kann bei Schwarz/Weiß- und Farbaufnahmen verwendet werden. Er schaltet störende Spiegelreflexe bei Glas und, bei der Reproduktion v o n Kunstwerken, die Reflexe auf der Oberfläche v o n Ölgemälden aus. Das unter einem Winkel von 35° auf nichtmetallische Oberflächen auftreffende Licht w i r d je nach Einfallswinkel m e h r oder weniger stark polarisiert, d. h. in entgegengesetzt wirkende Lichtschwingungen verwandelt. Der Polfilter enthält ein optisches Gitter, durch das, je nach Drehung der runden Filterscheibe, nur Licht einer bestimmten Schwingung durchgelassen wird. Infrarotfilter sind speziell für die Photographie m i t Infrarotfilmen bestimmt. Alles sichtbare Licht w i r d absorbiert, und nur die Strahlen oberhalb v o n 700 m m i m infraroten Bereich w e r d e n durchgelassen.
218
Photographik Da die Photographik laufend von den Fachleuten ausgeweitet und perfektioniert wird und stark in die Wissenschaft der Photographie hineinreicht, ist es unmöglich, hier alle Varianten aufzuführen. Ganz allgemein gesagt, handelt es sich um die phototechnische Möglichkeit, aus einem kontrastreichen Negativ eine Schwarz/WeißVorlage, eine Strichvorlage in drucktechnischem Sinne zu machen. Ein Aufsichtsbild soll in Schwarz/Weiß-Strich wiedergegeben, dabei alle Halbtöne ausgeschaltet werden. Dazu legt man an das Negativ einen Graukeil an und hat damit ein Maßsystem zum Herausfinden des günstigsten, das Bild bestimmenden Grauwertes. Alle Töne von Grau bis Schwarz, die über dem herausgefundenen Meßwert liegen, werden im Negativ völlig offen, beim Ergebnis völlig schwarz. Alle Grautöne dagegen, die unter dem Meßwert liegen, also die hellen Grautöne, treten im Negativ als schwarz in Erscheinung und im Ergebnis als weiß (Abb. 68). Das Material dafür ist ein hart arbeitendes Filmmaterial und ein ebenso hart arbeitendes Papier, die beide ungeeignet sind, weiche Grautöne aufzunehmen. Es handelt sich also um Materialien mit ultrasteiler Gradation oder hohemy-Wert mit geringem Objektumfang. Zur weiteren Verarbeitung benötigt man einen Spezialentwickler. Bei der Kopie auf Photopapier können wie im Fotosatz Rasterformen über das Negativ gelegt werden, so daß die schwarze Fläche gerastert erscheint und in Strich reproduziert werden kann.
Schwarz/Weiß-Kopie mit Graustufenkeil (vergi. Abb.62) A b b . 68
©Originalkeil belichtet auf Agfacontour S o h n e Gelbfilter ®mit Gelbfilter der Dichte 7 0 ©mit Gelbfilter der Dichte 1 2 0
Äquidensite 1. O r d n u n g
A b b . 69 a Die A g f a c o n t o u r - E m u l s i o n besteht in ihrer einen S c h i c h t aus einer Silberchlorid-Emulsion, im Verhältnis 2 0 : 1 aus einer Silberbromid-Emulsion und a u s Silbersulfit für die physikalische Entwicklung. D a s M a x i m u m der E m p findlichkeit des Silberchlorids liegt im grünen, die des Silberbromids im blauen Spektralbereich. Der A g f a c o n t o u r - Film hat eine S c h w ä r zungskurve, die aus einem positiven u n d einem negativen A s t besteht. Der positive A s t ist d u r c h die physikalische, der negative d u r c h chemische Entwicklung des Silberchlorids entstanden.
Äquidensite 2. O r d n u n g
220
Abb. 69 b S p a n n u n g s o p t i s c h e A u f n a h m e eines Schraubenschlüssels
Dichte:
0 - 0 , 6 0 , 6 - 1 . 2 1 , 2 - 1 , 8 1,8-2,4 2,4-3,0
1) Veränderung der Äquidensitenlage
-50-
50—
100-
150—
2) Veränderung der AquidensitenÈre/fe d u r c h Gelbfilterung
1 ) Die Beziehung z w i s c h e n Schwärzung und Belichtungszeit ist eine lineare. Verschiedene Belichtungszeiten verändern die Lage der Ä q u i d e n siten. 2 ) Der A b s t a n d zwischen positivem und negativem Ast (Einsattelung) bestimmt die Breite der Ä q u i densite. Die unterschiedliche Sensibilisierung des positiven u n d negativen Astes w i r d zur Veränderung des Dichtebereiches ausgenützt. Der den positiven Ast bildende Teil der Emulsion hat eine maximale Empfindlichkeit im blauen, der für den negativen Ast zuständige Teil im grünen Spektralbereich. Verändert man die spektrale Zusammensetzung des weißen Kopierlichtes, so verändert sich die Empfindlichkeitszuordnung der Emulsionsbestandteile. Ein Gelbfilter reduziert den Blauanteil des Kopierlichtes, der positive Ast nähert sich dem negativen. Je höher die Gelbfilterdichte, desto enger die Aquidensite. 3) D u r c h Kopieren auf A g f a c o n t o u r Professional Film erhält man die Aquidensite I . O r d n u n g . Äquidensiten I . O r d n u n g geben 1 bestimmte Dichte des Originals wieder, Ä q u i d e n s i t e n 2. Ordnung geben 2 bestimmte Dichten, Äquidensiten 3.Ordn u n g geben 4 bestimmte D i c h t e n des Originals wieder. I.Ordnung A b b . 70 M i t freundlicher Genehmigung von Agfa-Gevaert
3 ) Äquidensiten
3. Ordnung 2. Ordnung 4. O r d n u n g
221
Original
Äquidensite 1. O r d n u n g
I )
Äquidensite 2 Ordnung
Äquidensite 3. O r d n u n g
A b b . 71
222
M i t freundlicher Genehmigung v o n Agfa-Gevaert
Original
Gelbfilter
i
Àquidensite I . O r d n u n g
Gelbfilter
Àquidensite 2. Ordnung
Gelbfilter Àquidensite 3. Ordnung
Die Firma Agfa-Gevaert hat ein neuartiges Material entwickelt, das sich wesentlich von herkömmlichen Photomaterialien unterscheidet und unter der Bezeichnung Agfacontour-Professional-Film verwendet wird. Seine Anwendung liegt hauptsächlich im wissenschaftlichen Bereich, wo er Vorgänge in Physik, Astronomie, in Lichttechnik und bei Materialuntersuchungen erst sichtbar und unterscheidbar macht (Abb. 69b). Außerdem aber geht bei diesem Verfahren eine starke ästhetische Wirkung von den photographischen Ergebnissen aus, da das Material die Gestaltung auf wenige Linien und Flächen strafft. Der Agfacontour-Professional-Film kann dadurch zu einem Ausdrucksmittel auch für den Gestalter werden. Das besondere lichtempfindliche Material besteht aus einer Mischemulsion von Chlor- und Bromsilber. Das Silberchlorid ist überwiegend für Grün sensibilisiert, während das Silberbromid unsensibilisiert, also von Natur aus blauempfindlich ist. Eine Gelbfilterung verändert die Empfindlichkeit des Silberbromids zugunsten des Silberchlorids. Durch den Gelbfilter wird der Anteil der blauen Gradation geschwächt und der Belichtungsbereich enger (Abb. 69ä). Durch die Kombination einer positiven und einer negativen Gradation innerhalb einer Schicht erhält man bei extremer Unter- oder Überbelichtung einen total geschwärzten Film außerhalb der Belichtungszone, die sich als Einbuchtung zwischen dem negativen und dem positiven Teil des Schwärzungskurve abbildet. Die Weiterverarbeitung benötigt einen Spezialentwickler, der auf einer Kombination von chemischer und physikalischer Entwicklung beruht. Beim Verständnis für die phototechnischen Vorgänge spielt der Begriff der Àquidensite die entscheidende Rolle (Abb. 70). 223
Abb. 72 Farbige Photographik aus Abb. 71
Äquidensite I.Ordnung
Äquidensite 1. Ordnung
Äquidensite 2 Ordnung
Äquidensite 2. Ordnung
Äquidensite 3.Ordnung
Äquidensite 3. Ordnung
Abb. 73
Weiß
Elfenbein schwarz
Maler- und Designerfarben (zu Seite 86ff)
hell dunkel Kadmiumgelb
Neapel gelb
Indisch gelb
Lichter Terra di Kadmium karmin Ocker siena, gebr rot Krapplack
Venetian. Caput rot mortuum
Ceolinblau
Grüne Erde
Ultramarin
Preußisch ChromPariser oydgrün blau feurig
S c h w e i n - Umbra Kasseler further gebrannt Vandyck rün braun
AlsÄquidensite bezeichnet man die Stellen gleicher Dichte - Flächen oder Linien in einer photographischen Vorlage. Diese in sich gleichen Dichten können durch Kopieren auf den Agfacontour-Film, ähnlich wie die Höhenlinien auf einer Landkarte, herausgezogen und sichtbar gemacht werden. Bestimmt wird die Äquidensite mit einem Graukeil, mit einem Densitometer oder bei einiger Einfühlung auch vom Auge allein. Die bestimmten Grauwerte des Originals entsprechen einem bestimmten Teil der Gradationskurve. Alles, was nicht innerhalb dieses Teils, der Äquidensitenbreite liegt, entwickelt physikalisch zu Schwarz. Die Breite der Äquidensite bezieht sich zunächst auf den Dichtebereich der Vorlage, den das Filmmaterial bei einer O-Filterung erfassen kann. Durch Gelbfilterung kann die Breite verändert und durch Variierung der Belichtungszeit verschoben werden, so daß man mehrere Varianten, die Äquidensitenscharen, erhält. Eine starke Gelbfilterung verengt, eine Purpurfilterung erweitert die Äquidensitenbreite. Bei Kopien von Äquidensiten erster Ordnung entstehen Flächen; je nach der Dichte der Gelbfilterung können aber auch Linien entstehen. Linien werden dann abgebildet, wenn zwei Dichten aneinandergrenzen, von denen eine unterhalb, die andere oberhalb der Äquidensitenbreite liegt. An der Stoßkante bildet sich bei der Kopie eine schmale Äquidensite, während die beiden Dichten selbst total geschwärzt werden. Dagegen bilden sich die Stoßkanten zwischen zwei Dichten, die beide unterhalb bzw. oberhalb der Äquidensitenbreite liegen, ohne Äquidensite ab (Abb. 71 ). Kopiert man die Äquidensiten erster Ordnung erneut auf Agfacontour-Film, so erhält man Äquidensiten zweiter Ordnung. Hierbei entstehen nur noch feine Linien und Konturen wie bei einer feinen Zeichnung, die die früheren Flächen umgrenzen. Kopiert man die Äquidensiten zweiter Ordnung noch einmal auf Film um, so entstehen die Äquidensiten dritter Ordnung: aus der einfachen Linie wird dann eine Doppellinie. Die oberste Grenze der Möglichkeiten liegt dabei um 40 Linien pro Millimeter. Äquidensiten vierter Ordnung sind theoretisch möglich, erweisen sich aber praktisch als allzu fein. Die Äquidensiten können so zueinander geordnet sein, daß sie a) voneinander getrennt sind, b) aneinanderstoßen oder c) sich überschneiden. Kopiert man die Äquidensiten farbig, so entstehen beim Überlappen noch zusätzlich Mischfarben. Schwarz/Weiß-Graphiken. Das Negativ einer Strichvorlage wird durch einen Gelbfilter (Dichte 100) auf Agfacontour belichtet und im Agfacontour-Entwickler verarbeitet. Die Äquidensite erster Ordnung, direkt auf Papier vergrößert, läßt feine schwarze Linien auf weißem Grund entstehen. Beim Umkopieren auf Filmmaterial stehen weiße Linien auf schwarzem Grund. Bei Halbtonvorlagen kann man eine ähnliche Wirkung durch Äquidensiten zweiter Ordnung erreichen (Abb.74). Farbige Graphiken. Die Stärke der farbigen Photographiken ist ihre Farbverfremdung. Man kann sich die Farbkombinationen aussuchen und frei wählen je nach Geschmack und Wirkung und durch Farbfilterung variieren. Zwei Kopiermethoden bieten sich an (Abb. 72).
225
Kopie von Schriften und Strichvorlagen
Original Gelbfilter
Äquidensite I.Ordnung, Negativ
Positiv-Kopie auf N81p
S T I F T U N G S
S T S F T U N G S
Φ U R K U N D E llllllllllllllllllllllllll
Li' M
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