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German Pages 108 [112] Year 1998
Grundlagen der Medienkommunikation Herausgegeben von Erich Straßner
Band 4
Bernhard Sowinski
Werbung
Niemeyer
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Sowinski,
Bernhard:
Werbung / Bernhard Sowinski. - Tübingen : Niemeyer, 1998 (Grundlagen der Medienkommunikation ; 4) ISBN 3-484-37104-8
ISSN 1434-0461
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1998 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Satz: Anne Schweinlin, Tübingen Druck: Guide-Druck GmbH, Tübingen Einband: Hugo Nadele, Nehren
Inhaltsverzeichnis
0. 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Vorwort Einleitung 1.1. Werbung heute 1.2. Werbung in der Kritik Werbung und ihre Geschichte 2.1. Zur Wortgeschichte von .Werbung' 2.2. Zur Entwicklungsgeschichte der Werbung Anwendungsbereiche von Werbung 3.1. Werbung im privaten Bereich 3.2. Werbung für gesellschaftliche Gruppen und Ziele 3.3. Politische Werbung 3.4. Werbung für Dienstleistungen 3.5. Warenwerbung Zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit Werbung 4.1. Werbung als Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften 4.2. Werbung und Psychologie 4.3. Werbung und Semiotik 4.4. Werbung und Sprachwissenschaft 4.5. Werbung und die Fachdidaktik des Deutschunterrichts Werbung als Kommunikation 5.1. Kommunikationsbegriffe und Kommunikationsmodelle 5.2. Werbung als besondere Form der Kommunikation 5.3. Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung . . Grundprinzipien der Werbung 6.1. Auffälligkeit 6.2. Originalität 6.3. Informativität Werbestrategien 7.1. Die Einordnung der Werbeobjekte in Werbestrategien 7.2. Produktbezogene Werbestrategien 7.2.1. ,Objektive' Darstellung 7.2.2. Idealisierung der Verwendungssituation 7.2.3. Zuordnung positiver Wertungen zum Werbeobjekt . . .
IX 1 1 3 4 4 4 7 7 7 8 9 10 11 11 13 16 17 18 20 20 23 23 30 30 31 31 32 32 32 32 33 33
Inhaltsverzeichnis
VI 7.2.4.
8.
Einordnung der Ware in fremde Zusammenhänge (story-Strategie) 7.2.5. Bedeutungsübertragung von Werten auf Waren (Vergleichs- und Übertragungswerbung) 7.2.6. Erotisierung und Sexualisierung der Werbung 7.2.7. Erfolgs- oder Glücksverheißung 7.2.8. Rezeptwerbung 7.2.9. Aurawerbung 7.2.10. Scheinbare Irreführung 7.2.11. Wortspiele und Sprichwörter 7.2.12. Rätselwerbung 7.3. Senderbezogene Werbestrategien 7.3.1. Eigenlob des Werbers (Kommunikators) 7.3.2. Zitatwerbung (Sekundärsender) 7.4. Empfängerbezogene Werbestrategien 7.4.1. Lob des Adressaten 7.4.2. Imperativische Werbung 7.4.3. Fragenwerbung Werbung und Sprache 8.1. Sprache der Werbung - eine Sondersprache? 8.2. Sprachschichten und Sprachregister 8.2.1. Schriftsprachliche Standardnorm 8.2.2. Gehobene (poetische oder preziose) Schriftsprache . . . 8.2.3. Lückenhafte Schriftsprache 8.2.4. Fachsprachliche Texte 8.2.5. Fremdsprachliche Texte, Textteile und Wörter 8.2.6. Umgangsprache 8.2.7. Regionalismen und Dialektizismen 8.2.8. Andere Normabweichungen 8.3. Sprachhandlungen 8.4. Implikationen und Präsuppositionen 8.5. Textstrukturen von Werbeanzeigen 8.5.1. Die Bedeutung von Text und Bild in der Werbung . . . 8.5.2. Textliche Gliederungsformen in Werbeanzeigen 8.5.3. Marken- und/oder Firmenangabe 8.5.4. Die Schlagzeile 8.5.5. Der Haupttext 8.5.6. Der Slogan 8.6. Satzbau 8.6.1. Satzumfang 8.6.2. Satzarten 8.7. Der Wortschatz in der Werbung
34 35 35 35 36 36 36 37 37 38 38 38 39 39 39 39 41 41 42 42 43 43 44 44 45 46 46 47 50 50 51 51 53 43 57 58 62 62 63 64
Inhaltsverzeichnis
Wortbildungen (Neuschöpfungen Zusammensetzungen - Ableitungen) 8.7.2. Wortwahl 8.7.3. Wortarten 8.7.4. Schlüsselwörter 8.7.5. Semantische Aufwertungen 8.8. Stilmerkmale und Stilmittel 9. Das Bild in der Werbung 9.1. Die Bedeutung des Bildes in der Werbung 9.2. Semiotik des Werbebildes 10. Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen und Werbesendungen 10.1. Analyse oder Interpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen? 10.2. Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen 10.2.1. Anzeige für K-PLUS-Glas der Firma Pilkington 10.2.2. Anzeige für PHILIPS Elektrorasierer PHILISHAVE Sensorschliff 10.2.3. Anzeige für die Heilsarmee 10.2.4. Anzeige für Häkle feucht-Toilettenpapier 10.3. Beispielanalyse eines Fernseh-Werbespots (Ciabin plus) Literaturhinweise (Auswahl)
VII
8.7.1.
...
64 69 69 70 72 76 80 80 81 86 86 87 87 90 92 94 97 99
0. Vorwort Werbung ist seit langem Gegenstand öffentlicher Beachtung, aber auch öffentlicher Diskussionen. Es gibt eine Reihe von Gründen, mit denen ihre Existenz gerechtfertigt, aber auch in Frage gestellt wird. Zu ihrer Rechtfertigung und zur Rechtfertigung ihrer enormen Kosten wird immer wieder vorgebracht, daß ohne sie eine moderne Industrieproduktion und Warendistribution nicht möglich ist; daß durch sie erst neue Produkte bekanntgemacht, Wünsche und Bedürfnisse nach ihnen geweckt und daß auf diese Weise Millionen von Arbeitsplätzen in Produktion, Verwaltung, Werbung und Handel garantiert werden. Kritisiert wird dagegen, daß die Werbung oft unehrlich ist, indem sie die möglichen Konsumenten weniger objektiv informiert, vielmehr durch Versprechungen und Übertreibungen zu überreden und zu manipulieren sucht; daß sie nur auf Gewinnsteigerung der Unternehmen und der eigenen Branche bedacht ist; daß sie mit ihrer einseitigen Betonung von Eigennutz, Konsum und Genuß die Werteordnung der Gesellschaft zu einem platten Materialismus hin verschiebt und daß sie in ihrer Aufdringlichkeit oft nicht davor zurückschreckt, die Grenzen des Anstände und des guten Geschmacks zu überschreiten (z.B. in der Werbung für bestimmte Rausch- und Genußmittel, Werbung bei Kindern und in Verletzung sittlicher und moralischer Tabus). Da man in einer Demokratie mit marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnung Werbung nicht verbieten darf und auch nicht verbieten sollte, kann der Bürger als Adressat der Werbung sich zumeist nur dadurch gegen derartige Manipulationsversuche wehren, daß er lernt, deren Techniken zu durchschauen und so zu neutralisieren. Im Rahmen der Bildung und einer freien kritischen Presse sind Pädagogen und Journalisten aufgerufen, ihm bei der Aufklärung über die Mechanismen der Werbung zu helfen. Das vorliegende Buch versucht, weniger die ökonomischen Zusammenhänge zur Werbung darzustellen, als vielmehr die semiotischen und philologischen Möglichkeiten der Analyse von Werbeanzeigen und Werbesendungen zu erläutern und zu erproben. Da dieses Buch sich primär an Germanisten wendet, konzentrieren sich die Darlegungen vorwiegend auf deutsche Werbeanzeigen. Der Verfasser knüpft dabei an seine früheren Ausführungen zu diesem Thema an (München 1979) und sucht sie aktuell zu ergänzen, ohne jeweils im einzelnen darauf hinzuweisen.
1.
Einleitung
1.1. Werbung heute Wer heute durch die Geschäftsstraßen einer Stadt geht, in einer Zeitung oder Illustrierten blättert, Radio hört oder sich Fernsehprogramme auswählt, stößt überall auf Werbung in den verschiedensten Formen. Die Werbung ist in unserer Industriegesellschaft, die auf Produktion, Warenabsatz, Investition, Konsumtion und Dienstleistungen angewiesen ist, nicht mehr wegzudenken. Der Bereich der Werbung sichert unmittelbar Hunderttausenden ihre Arbeitsplätze, hält viele Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Radio- und Fernsehsender und ihre Zulieferer am Leben und erlaubt viele kostenlose Werbezeitungen und -Informationen. Werbung mag manchem zu aufdringlich und überflüssig erscheinen; ohne Werbung bliebe das Leben zweifellos ärmer und eintöniger, wie es vielleicht manchem noch aus Not- und Mangelzeiten und Staatswirtschaften in Erinnerung ist, von den wirtschaftlichen Nachteilen einmal ganz abgesehen. Seit fünf Jahrzehnten ist die Werbebranche in Deutschland, die drittgrößte der Welt nach den USA und Japan, ständig im Wachsen. Die Investitionen für Werbung (Produktionskosten, Agenturvergütungen, Gehälter und Streukosten) betrugen selbst im schlechten Konjunkturjahr 1996 über 55 Milliarden DM und erreichten gegenüber 1995 noch eine Steigerung von 2,8% (1994 und 1995 je über 5%!). Die Werbung erwirtschaftete 1996 immerhin 1,56% des Bruttoinlandsprodukts (1995 1,55%), das 1996 3541 Milliarden DM betrug (alle Angaben lt. ZAW-Nachr. 4/97). Für 1997 erwartet die Werbewirtschaft lt. ZAW (Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft) ähnliche Steigerungsraten. Dabei ist auch der Anteil der einzelnen Branchen in den letzten Jahren leicht gestiegen oder in etwa gleichgelieben (s. Tabelle auf S.2). Interessant ist es, solchen globalen Angaben gegenüber die Verteilung einzelner Branchen auf die verschiedenen Medien zu beachten: So beschränken sich z.B. auf die Zeitungen: der Handel für seine tagesaktuellen Angaben zu 85 %, der Tourismus (außerhalb von Katalogen und Prospekten) zu 49%, die Banken und Sparkassen zu 42%; Publikumszeitschriften (Illustrierte etc.) wählen: die Zigarettenwerbung zu 82%, Uhren und Schmuck zu 62%, Oberbekleidung und Versandhandel zu 49%;
Einleitung
2 Branchen
1996
Rangfolge 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20.
Auto-Markt Massen-Medien Handels-Organisationen Pharmazie Publikumswerbung Schokolade und Siißwaren Banken und Sparkassen EDV-Hard-/Software und Services Bier Spezial-Versender Büromaschinen und -ausrüstung Kaffee, Tee, Kakao Waschmittel Milchprodukte Versicherungen Körperschaften Alkoholfreie Getränke Haarpflege Putz- und Pflegemittel Möbel und Einrichtung Parfüms und Duftprodukte
1995
in Mio Mark
Vergleich 1996/1995 in Prozent
Rangfolge 1995
1 2 3
2 559 2 223 1 650
2418 1 965 1 575
+ 5,8 + 13,2 + 4,8
1 092 1 041 856 849 771 661 463 462 454 441 440 439 420 397 363 343 339
1 046 972 783 789 707 654 390 448 430 421 425 416 468 306 370 324 353
+
4,4
+ +
7,1 9,4
+ +
7,7 9,0
+ 1,9 + 18,5 + 3,3 + 5,6 + 5,0 + 3,5 + 5,5 - 10,3 + 29,6 +
2,0 5,9
-
3,9
4 5 7 6 8 9 16 11 12 14 13 15 10 21 17 20 18
Quelle: Nielsen Werbeforschung S+PZAW-Berechnung
das Femsehen bevorzugen die Produktionsbereiche mit breiten Käuferschichten, so z.B. Putz- und Pflegemittel zu 94%, Mundpflegeartikel zu 91%, Schokoladen- und Süßwaren zu 90%, Haustiernahrung zu 88%, Tiefkühlkost zu 86%, Kaffee, Tee, Kakao zu 85%, Brot und Dauerbackwaren zu 84%; die Radiowerbung nutzen: Lotteriegesellschaften zu 21 %, alkoholfreie Getränke und Gastronomie zu je 19%, Bild- und Tonträger zu 18%, Möbel zu 15%; auf Plakatwerbung stützen sich: Bierwerbungen zu 14%, Werbungen für alkoholfreie Getränke zu 13% und für Textilien 11 %. Überblickt man noch die wichtigsten Werbeträger nach ihren Einnahmen von 1996, so ergeben sich folgende Daten: Tageszeitungen (10678 Mill. = -0,4%), Fernsehen (6897 Mill. = +8,7%), Postwerbung (5717 Mill. = +8,9%), Publikumszeitschriften ( 3 4 1 6 Mill. = -2,5%), Anzeigenblätter (3011 Mill. = +3,2%), Fachzeitschriften ( 2 3 0 0 Mill. = +4%), Adreßbücher ( 2 2 9 9 Mill. = +1,6%), Hörfunk ( 1 1 8 6 Mill. = +2%), Außenwerbung (1038 Mill. = +3,7%), Wochen- u. Sonntagszeitungen (439 Mill. = -2,1 %), Filmtheater (299 Mill. = +1,4%), Zeitungssupplements (225 Mill. = -10,5%). Die größten Verluste hatten also die Zeitungs- und Illustriertenwerbungen; dennoch blieb die Zeitungswerbung der umsatzgrößte Werbebereich. Die größten Gewinne machte jedoch das Werbefernsehen (1995 sogar noch 12,6%), wobei die Zuwächse sich fast nur auf das private Fernsehen beschränkten.
Werbung in der Kritik
3
1.2. Werbung in der Kritik Obwohl die Werbebranche seit langem blüht und boomt, genießt die Werbung selbst kein gutes Ansehen in der Gesellschaft. Die Gründe für das geringe Ansehen sind vielfältig, aber auch vielschichtig. Manche der bereits im Vorwort genannten Einwände (enorme Kosten bei oft nicht sichtbarem Nutzen, Unehrlichkeit, Überredung und Manipulation der Adressaten durch Versprechungen und Übertreibungen, einseitige Betonung des Eigennutzes, von Konsum, Genuß und Materialismus und Überschreitung der Grenzen von Anstand, Geschmack, Moral und Sittlichkeit) müßten hier wiederholt werden. Auch hat die heutige Werbung den Ruch des Aufdringlichen-Marktschreierischen, der der einstigen .Reklame' anhaftete, noch immer nicht ganz abgelegt; er scheint sich sogar aufgrund der aufdringlichen Fernsehwerbung wieder zu verstärken. Während man sich inzwischen daran gewöhnt hat, daß die meisten Illustrierten und Magazine zu etwa einem Drittel aus Werbeanzeigen bestehen, ärgern sich viele darüber, daß ihr tägliches Fernsehprogramm ständig durch Werbesendungen unterbrochen wird. Hinzu kommt, daß diese Fernsehwerbung kaum einen Unterhaltungswert, weder Witz noch Spannung aufweist, vielmehr oft durch tiefen Ernst, gespielte Geschäftigkeit und falsches Pathos geprägt ist. Daß die zum internationalen Wettbewerb der Fernsehwerbespots 1997 in Cannes eingereichten deutschen Beiträge auf dem 19. Platz landeten, als Sieger vielmehr ein sarkastisch-witziger englischer Beitrag hervorging, spricht für sich. Offenbar fehlt es der gegenwärtigen deutschen Werbung sowohl an Kreativität als auch an Sinn für Witz und Humor. Mit dem Unterbrechen von aufwendigen Werbeseiten in Illustrierten oder dem Auseinanderrücken von Fernsehspots als neuen Trick der Werbeleute beseitigt man diesen Mangel nicht. Die nachfolgenden Darlegungen zur Werbung wollen nicht Werbeleuten Anregungen bieten, als vielmehr den weniger Werbekundigen anhand von Beispielen aus der gegenwärtigen Werbung Einsichten in deren Praxis vermitteln.
2.
Werbung und ihre Geschichte
2.1. Zur Wortgeschichte von ,Werbung' .Werbung' ist das Verbalsubstantiv zum Verbum ,werben'. Dieses hängt etymologisch mit .Wirbel', .wirbeln' zusammen und hat die Grundbedeutung ,sich drehen'. Auch die Bedeutungen ,hin und her gehen', ,sich umtun', ,bemühen', .etwas betreiben', .ausrichten' werden in diesem Zusammenhang genannt. In benachbarten Sprachen kommen die Bedeutungen ,wenden' und .wandeln' hinzu. Der allgemeine Sinn dieser Bildungen beruht also im unruhigen Tätigsein, sich bewegen zu einem bestimmten Zweck. Denkt man an die Verwandtschaft mit ,wirbeln' (wobei das 1-Infix auf das wiederholte Tun verweist), so denkt man an den Balztanz bestimmter Tiere, mit dem diese ihre Werbung um einen Partner einleiten. Hier wird der spätere Sinn von werben bereits angedeutet, das aktive Bemühen, um die Aufmerksamkeit anderer zu erregen. Auch die frühen Wortbildungen mit den Vorsilben an- und be- schließen diese transitive Bedeutung bereits ein. Diese erstreckte sich zunächst nur auf die Gewinnung von Personen in der Brautwerbung, später auch in der Anwerbung von Soldaten. Der Vorgang der geplanten Weckung von Aufmerksamkeit für bestimmte Dienstleistungen, Ziele und Waren, als den man heute Werbung versteht, ist als solcher alt. Er wird aber erst seit den 20er Jahren im Deutschen so bezeichnet. Vorher war dafür das Wort Reklame (aus frz. réclame = bezahlte Buchbesprechung, sp. Werbung) im Gebrauch, das allerdings allmählich einen allzu plakativen, marktschreierischen Bedeutungsgehalt erlangt hatte und deshalb durch das neutralere und positivere Wort Werbung abgelöst wurde.
2.2. Zur Entwicklungsgeschichte der Werbung Die Anfänge der Wirtschaftswerbung, um die es uns hier vor allem geht, liegen im Dunkel der Vorzeit, überall dort, wo Menschen zum Erwerb von Waren verlockt oder überredet wurden. Folgt man dem Urbericht der Bibel, so vollzog sich der erste Werbevorgang bereits im Paradies, als der Böse in Form der Schlange Eva überredete, vom verbotenen Apfelbaum zu essen. Die Wirtschaftswerbung, insbesondere die Warenwerbung, ist indes an die Entwicklung des
Zur Entwicklungsgeschichte der Werbung
5
Handels gebunden. Man muß sie dort voraussetzen, wo es Märkte, Nah- und Fernhandel gab. Hier wird sie zunächst als Waren- oder Musterdarbietung, als Marktschreierei und Mundpropaganda, auch als Schilder- oder Symbolzeichenwerbung üblich gewesen sein. Mit dem Aufkommen der Schrift bei Phönikern, Sumerern, Chinesen und Ägyptern wird sie neben den mündlichen auch verdinglichte Formen angenommen haben. Relieftafeln, Steinzeichen und Mauerankündigungen aus römischer Zeit, etwa ein eingemeißelter Kelch für eine Weinschänke in Ostia antiqua, weisen noch darauf hin. Im Mittelalter, als die mündliche Werbung wieder hoch im Kurs stand, werden sogar besondere Gruppen von clamatores (Ausrufer) urkundlich erwähnt, ihr reclamare (vgl. das frz. réklame als Wort für Werbung) umfaßte Warenangebote ebenso wie andere Bekanntmachungen. Daß auch Schilder und Symbole für Waren und Dienstleistungen warben, wie noch erhaltene Handwerkerzeichen, Apotheken- und Gastwirtsschilder, aber auch Schilder von Schulen und Lesemeistern bezeugen, ist hinlänglich bekannt. Mit dem Aufkommen des Papiers (in Spanien und Italien im 13., in Deutschland im 15. Jh.) ergab sich ein billigeres Schreibmaterial (gegenüber dem teuren Pergament), das vor allem nach der Entwicklung des Holzschnittdrucks und noch mehr des Buchdrucks mit beweglichen Lettern im 15. Jh. auch für massenhafte wirtschaftliche Ankündigungen in Form von Flugblättern und Messekatalogen und ersten Zeitungen u.ä. genutzt werden konnte. Aus dem 16. Jh. sind bereits erste Plakate bekannt: so von einem Schützenfest 1501 in Köln, einer Lotterie 1518 in Rostock. Seit Beginn des 17.Jhs. erscheinen in Deutschland, Frankreich und England Zeitungen mit Anzeigenabdrucken. In Deutschland erscheinen 1722 die ersten Intelligenzblätter, die im 18. Jh. das fürstliche Monopol für Zeitungsanzeigen haben. Auch Adressbücher werden zur Werbung verwandt. Mit der Verbesserung der Drucktechniken um 1800 konnte die Printwerbung erweitert werden, was zunächst von der Anzeigenpresse in den USA, dann auch in Frankreich und England und zuletzt auch in Deutschland genutzt wurde. Hier sprachen sich die Nationalökonomen Sombart und Schmoller allerdings gegen die Werbung bzw. Reklame aus, die ihnen suspekt, unehrlich und marktschreierisch erschien. Die wirtschaftliche Entwicklung, vor allem nach 1871, kümmerte sich jedoch wenig um solche Einwände. Einzelne Branchen nutzten die Werbung besonders, so kam z.B. in der Schweiz schon Mitte des 19.Jhs. eine Fremdenverkehrswerbung auf. Eine neue Form der Entwicklung vollzog sich mit der Durchsetzung von Markenartikeln, deren Namen im Bewußtsein der Konsumenten haften bleiben sollten. Die Geschichte der modernen Absatzwerbung ist zu einem großen Teil die Geschichte der Markenartikel und ihrer Werbekampagnen sowie der Werbefirmen und -abteilungen, die diese Kampagnen durchführten. Diese Entwicklung setzte in den USA früher ein als in Europa und führte zu einem starken Anwachsen der Werbebranche und der Ausgaben für Werbung. Diese stiegen von 50 Millionen Dollar 1867 auf 350 Millionen Dollar 1890, auf 3,426 Milliarden
6
Werbung und ihre Geschichte
1929 und schließlich auf 12 Milliarden 1962 (s. E.Henning, in: P.Nusser 1975, 42). Zu den frühen erfolgreichen Markenartikeln gehört z.B. jener Frucht- und Kräutersirup, den 1886 der Drogist J.S.Pemberton in Atlanta/USA mit einer Zuckerlösung anreicherte und mit kohlensäurehaltigem Wasser verdünnt unter dem Phantasienamen Coca Cola vertrieb. Seither wird dieses Erfrischungsgetränk in einer unverwechselbaren (gesetzlich geschützten) „unwahrscheinlich weiblichen Flasche" (so nach Raymond Loewy) täglich in einer Stückzahl von über 50 Millionen in aller Welt vertrieben und konsumiert. In Deutschland setzte die Entwicklung der Markenartikel etwas später ein. 1893 setzte der Dresdner Karl August Lingner mit seinem Mundwasser Odol, mit dem er zugleich die Mundhygiene populär machte, das Prinzip des Markenartikels mit wirksamen Produktnamen und originärer Verpackung durch, 1897 kamen die Maggi'-Produkte auf den Markt, 1899 ließ sich der Bielefelder Apotheker Dr. August Oetker sein Backpulver Backin gesetzlich schützen. 1907 wurde Persil als erstes Waschmittel in Deutschland bekannt (s. W. Bongard 1964, 1 Iff.)·
3.
Anwendungsbereiche von Werbung
3.1. Werbung im privaten Bereich Von Werbung im privaten Bereich kann gesprochen werden, sofern man alle Formen der individuellen Aufmerksamkeitserregung, Gunstgewinnung und Entscheidungsbeeinflussung, wie sie vor allem im Rollenverhalten von Mann und Frau üblich sind, hierzu zählt. Eine Sonderform dieser Werbung, die mitunter größere Gesellschaften einbezieht, stellt mancherorts noch die Brautwerbung dar, soweit sie noch in ritualisierter Form stattfindet. Als Zwischenform zwischen privater und öffentlicher (institutioneller) Werbung kann man auch die (mitunter von Heirats- und Partnervermittlungen) ausgehenden Partnersuchanzeigen ansehen, in denen die Vorzüge der Partner angepriesen werden.
3.2. Werbung für gesellschaftliche Gruppen und Ziele Im öffentlichen Bereich sind sowohl gesellschaftliche Vereinigungen und Gruppen als auch Parteien darauf angewiesen, Werbung zu treiben. Jede gesellschaftliche Vereinigung ist erst mit einer bestimmten Zahl von Mitgliedern lebensfähig. Mitglieder aber kann man gewinnen, wenn man ihre Zustimmung zu den in den jeweiligen Satzungen festgeschriebenen Zielen erreichen kann. Aus der Zustimmung, um die man ebenfalls werben muß, ergibt sich die Unterstützung in Form von Mitarbeit und von Beiträgen und Spenden. Auf ein hohes Spendenaufkommen sind vor allem Vereinigungen mit caritativen Zielen angewiesen, die Hilfsbedürftige nur dann unterstützen können, wenn ihnen dafür neben dem Verwaltungsaufwand noch genügend Mittel übrigbleiben. So lassen sich denn bei den gesellschaftlichen Vereinigungen Formen der Zustimmungs-, Unterstützungs-, Mitglieder-, Beitrags- und Spendenwerbung unterscheiden.
8
Anwendungsbereiche von Werbung
3.3. Politische Werbung Die vorgenannten Formen von Werbung kommen auch bei den politischen Parteien vor. Trotz mancher Übereinstimmungen mit der Werbung gesellschaftlicher Gruppen unterscheidet sich die politische Werbung von ihr in wichtigen Punkten sowohl in der quantitativen als auch in der qualitativen Differenzierung. Als weitere Bereiche kommen nämlich in der politischen Werbung die Entscheidungs- und die Wahlwerbung hinzu; qualitativ verlangen die Zustimmungswerbung und die Entscheidungswerbung, in bestimmten Fällen auch die Wahlwerbung, eine ständige Auseinandersetzung mit den Gegenpositionen anderer Parteien und Gruppen. Die Arten der politischen Werbung sind in dieser Hinsicht nicht präzis voneinander zu trennen. Als Entscheidungswerbung sollen hier jene zumeist rhetorischen Aktivitäten verstanden werden, die bestimmten politischen Entscheidungen vorangehen. Diese Werbung wendet sich vor allem an diejenigen, die zu bestimmten politischen Entscheidungen berechtigt sind. In demokratischen Abstimmungsgremien sind dies zunächst die Abgeordneten der eigenen Partei oder Gruppe, erst im weiteren auch die Angehörigen des politischen Gegners. Da die Reden, die bestimmten Abstimmungen vorausgehen, in unserer Zeit häufig durch Rundfunk und Femsehen, verkürzt und oft zugleich kommentiert auch in der Zeitungspresse, sehr großen Volksschichten übermittelt werden, kann auch das Volk als Adressat solcher Reden gelten. Oft heißt es dann, daß bestimmte Reden „zum Fenster hinaus" gesprochen werden, d.h. mehr vor einem großen Publikum gehalten werden. Schließlich gelten derartige Reden auch der Abgrenzung von den zumeist konträren Positionen der jeweiligen Oppositionsparteien. Die Texte solcher Reden enthalten deshalb auch zumeist die in politischen Texten üblichen Aufwertungs- und Abwertungsstrategien, besonders wenn es weniger um sachlichargumentative Abgrenzungen geht (wie z.B. in Parlamentsdebatten u.ä.) als vielmehr um gleichzeitig oder überwiegend emotionale Auseinandersetzungen. Aufgewertet werden dann fast stets die eigene Politik sowie die eigenen Politiker und Anhänger. Als Mittel der Aufwertung gelten alle Möglichkeiten der ,semantischen Aufwertung', im besonderen auch die durch häufige Wiederholung bedeutungsmäßig verfestigten Schlüsselwörter' oder ,Miranda' (lat. = die zu Bewundernden; n. H.D. Lasswell), die mitunter auch zu ,Schlagwörtern' abgeflacht werden (z.B. Freiheit, soziale Gerechtigkeit usw.). Solchen Aufwertungen der eigenen Positionen stehen die Abwertungen (, Antimiranda') gegenüber, die dem politischen Gegner und der gegnerischen Politik gelten. Sie reichen von einfachen Ablehnungen bis zu Beleidigungen zur Diffamierung der Gegner. Jede Partei wird sich bemühen, das negative Bild, das die Gegenparteien von ihr entwerfen, durch eine gezielte Gegenpropaganda oder Gegenagitation zu neutralisieren oder umzukehren. Diese Form der Ansehenswerbung (Imagepfle-
Werbung für Dienstleistungen
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ge) wird vor allem durch die Hervorhebung der bisherigen eigenen Leistungen und des Versagens der Gegner wirksam. Neben den täglichen Auseinandersetzungen dieser Art dienen vor allem Parteitage und außerordentliche Parteiversammlungen der Präzisierung und Festigung der eigenen Positionen und der Abrechnung mit dem politischen Gegner. Wahlwerbung kann in verschiedenen Formen auftreten, sofern man alle Texte dazu zählt, die anläßlich einer politischen Wahl und zur Beeinflussung der Wähler verfaßt werden. So gibt es beispielsweise längere Wahlaufrufe der Parteien, in denen die Ziele ihrer Politik und deren Begründungen dargelegt werden. Auf Wahlversammlungen und -kundgebungen werden bestimmte Wahlreden gehalten, in denen die eigene Partei mit ihren Zielen und Leistungen gelobt und verteidigt werden, während die Gegenparteien und deren Politik und Ziele widerlegt und abgelehnt werden. Im Rundfunk und Fernsehen wird den Parteien eine bestimmte Sendezeit (meist 3 - 1 0 Minuten) für eigene erweiterte Werbespots eingeräumt, in denen häufig Argumente durch Situationsbilder und Folgerungen als Wahlziele verkündet werden. Die wichtigste und häufigste Form der Wahlwerbung bilden die Wahlplakate. Den kommunikativen und semiotischen Bedingungen der Plakatwerbung entsprechend, die nur ein schnelles Erfassen im Vorübergehen und Vorbeifahren erlauben, wird hierbei nur auf drei notwenige Elemente der Text-Bild-Werbung Wert gelegt: ein bestimmtes Bild (z.B. Kandidatenporträt, Symbolfigur oder Zielsymbol o.ä.), ein Wahlslogan (z.B. Für soziale Gerechtigkeit, Weg mit den Versagern der Regierung X o. ä.) und - möglichst groß - der Parteiname - (oft verbunden mit einer Wahlaufforderung, z.B. Wählt ...).
3.4. Werbung für Dienstleistungen Der Bereich der Dienstleistungen hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr in die Angebotsfelder der Zeitungen, Illustrierten, Rundfunk- und Fernsehsendungen gedrängt, in denen Werbung getrieben wird. Die Werbung für Dienstleistungen erscheint dort gleichberechtigt neben der Waren- und Produktwerbung. Die Zunahme dieses Werbebereichs hängt zweifellos mit der Zunahme an Freizeit für die Menschen in den Industriegesellschaften zusammen. Für viele Menschen ergibt sich ein Übermaß an freier Zeit, wie es solche bisher noch nie gegeben hat. Ein großer Teil der Dienstleistungsbetriebe, die mit Verwaltungen jeder Art, mit Banken, Versicherungen, Krankenhäusern, Altenheimen, Hotels, Gasthäusern, Reiseunternehmen, Omnibusbetrieben u.a. eigene große Arbeitsbereiche ausmachen, ist auf sinnvolle und amüsante Nutzung der Freizeit der Menschen ausgerichtet und treibt dafür Werbung. An der Spitze steht hier die Touristik-Werbung mit ihren bunten bilderreichen Katalogen und Prospekten, wie sie von großen und kleinen Tourismusunternehmen, aber auch von Frem-
10
Anwendungsbereiche von Werbung
denverkehrsämtern der Landschaften und Orte sowie von Bahnen, Omnibus- und Schiffsunternehmen und Fluggesellschaften angeboten werden. Daneben zählt zu diesem Werbebereich auch die Werbung der Unterhaltungsbranche für Konzert-, Theater- und Filmaufführungen, Tonträger (Schallplatten, CDs, Videos). Neuerdings werben auch Fernsehsender für den Empfang ihrer Programme zur Erreichung höherer Einschaltquoten, deren Nachweis wiederum für die Preisgestaltung der Vermietung von Sendezeit für fremde Fernsehwerbungen wichtig ist. Eine Sonderform hierbei stellen die Anzeigen mit Stellen- und Arbeitsangeboten dar, wie sie oft in Kleinanzeigen der Tages- und Wochenzeitungen erscheinen. Mit der Hervorhebung der Leistungsfähigkeit und den Qualitäten des Werbenden bilden sie eine Untergruppe der Imagewerbung, wie sie uns auch in anderen Werbearten begegnet.
3.5. Warenwerbung Den weitaus größten und auffälligsten Teil der Werbung macht die Absatzwerbung oder Warenwerbung aus. Sie setzt die industrielle Fertigung der Waren und ihr indirektes Angebot als Markenartikel voraus, eine Entwicklung, die im späten 19. Jh. begann und seitdem stetig zunahm. Im Unterschied zum direkten Warenverkauf etwa auf Wochenmärkten u.ä., wo durch die Warenpräsentation und durch Marktschreierei direkt geworben wird (das Warenangebot in Geschäften stellt eine ähnliche Form des direkten Verkaufs dar), erfolgt die Werbung für Markenartikel indirekt und anonym über die Print- und Funkmedien (zu denen auch die Filmwerbung im Kino zu rechnen ist). Zwar geht mit der Werbung für Markenartikel zumeist auch eine Warenpräsentation in Supermärkten, Kaufhäusern u.dgl. einher, der Kunde hat jedoch nur wenige Möglichkeiten, die fabrikverpackte Ware durch Anfassen, Besichtigen und Probieren in ihrer Qualität zu prüfen. (Eine Ausnahme macht der Kauf bestimmter Gegenstände, wie z.B. Autos, wo die Qualität der ausgesuchten Ware durch eine Probefahrt getestet werden kann). Sinn der Warenwerbung ist es, die potentiellen Käufer auf bestimmte Waren hinzuweisen und so ihre Kaufentscheidungen im voraus zu motivieren und zu steuern.
4.
Zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Werbung
Wie die bisherigen Darlegungen bereits deutlich machten, können Imagewerbung und Absatzwerbung von Einzelpersonen wie von kleineren und größeren Firmen betrieben werden. Der Einzelhändler, der auf das Eintreffen neuer Waren durch Schaufensteraufschriften und Plakate und Kleinanzeigen hinweist, treibt ebenso Werbung wie der Lebensmittel- oder Industriekonzern, der neue Produkte und Markennamen durch großangelegte Zeitschriften- und Fernsehwerbung bekanntzumachen sucht. Für alle diese Wirtschaftsunternehmen steht die Werbung im Zusammenhang ihrer Bemühungen um den Warenabsatz und damit die Erreichung und Steigerung von Gewinnen. Eine möglichst effektive Werbung ist zunächst an Vorüberlegungen gebunden, mit deren Grundlagen sich u. a. auch verschiedene Wissenschaften beschäftigen.
4.1. Werbung als Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften Werbung spielt vor allem bei Planungen innerhalb der Absatzwirtschaft eine große Rolle. Vor jeder industriellen Produktion muß die Frage des vermuteten Absatzes der produzierten Waren geklärt werden. Insbesondere bei neuen Produkten müssen Produktion und Absatz durch bestimmte Werbeaktionen, die das neue Produkt bekannt und für potentielle Käufer interessant machen, gesichert werden. Für derartige Einführungswerbungen werden mitunter horrende Summen ausgegeben. Meistens sind derartige Produktwerbungen das Ergebnis der engen Zusammenarbeit von allen Abteilungen der Produktions- und Verkaufsplanung bzw. des Marketing, wie dies das nachstehende Schema verdeutlicht (s. S. 12). Die eigenen Werbeabteilungen der einzelnen Firmen, die mit anderen Abteilungen des Marketing kooperieren, arbeiten in der Regel auch mit Werbeunternehmen außerhalb des eigenen Betriebes zusammen, die für die weitere Planung und Gestaltung der vorgesehenen Werbeaktionen - im Einvernehmen mit der auftraggebenden Firma - zuständig sind.
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Zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Werbung
(n. Nieschlag u.a., Marketing, Berlin ¡971, S. 116)
In dieser Zusammenarbeit innerhalb und außerhalb der Firmen bestimmen drei verschiedene Strategien das Vorgehen; die Markenstrategie, die Gestaltungsstrategie und die Medienstrategie, wobei der Markenstrategie oft eine führende Rolle zukommt. Sie legt nämlich fest, welche Aussagen über das Werbeobjekt (den Markenartikel, das Serviceangebot o. ä.) erfolgen sollen und mit welchen Argumenten und welchen Vorgehensweisen geworben werden soll. Wichtig ist es, ein werbewirksames, d. h. einprägsames und konsumentenfreundliches Marken-Image (n. D. Ogilvy) zu finden, das auf die vorgesehenen Konsumentenzielgruppen abgestimmt ist (u. U. mit Hilfe von pretests). Besonders bei Produkten mit starker Markenkonkurrenz (z.B. bei Waschpulvern, Reinigungsmitteln, Zahncreme, Kosmetika usw.) kommt es darauf an, das jeweilige Werbeobjekt in seinem Markenbild hervorzuheben und einen besonderen Nutzen (den unique selling proposition η. R.Reeves) zu würdigen, durch den sich dieses Produkt von anderen unterscheidet, auch wenn es sich dabei um einen ,Nebennutzen' handelt, z.B. daß ein bestimmtes Spülmittel nicht nur gründlich reinigt, sondern zugleich die Hände beim Spülen pflegt. Der Markenstrategie folgt meistens die Gestaltungsstrategie, die die Art und Steuerung der Werbung festlegt, vor allem auch die Einfügung des Werbeobjekts in eine bestimmte Situation oder Atmospäre (vgl. S. 32), die dem Markenbild gemäß ist und auf die Zielgruppe konsumstimulierend wirken soll. Hierbei sind besonders Kreativität und Können der Werbetexter und Werbegrafiker gefragt, die hierbei oft Anregungen von Marktforschern und Werbepsychologen erhalten.
Werbung als Gegenstand der Wirtschaftswissenschaften
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Wie das Resultat der Markenstrategie, so werden auch die Ergebnisse der Gestaltungsstrategie häufig erst bei ausgewählten Testgruppen auf mögliche Erfolgschancen hin geprüft, bevor man sich zur Beibehaltung oder Änderung der Gestaltungsstrategie entschließt. In der Medienstrategie entscheidet man, auf welche Art, in welcher Intensität und auf welchen Wegen (= mit welchen Medien) die vorgesehenen Zielgruppen angesprochen werden sollen. Zu überlegen ist hier z.B., ob man sich im Werbevorgang auf Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierten, Flugblätter und Beilagen) oder auf Funk- und Filmmedien (Rundfunk, Fernsehen, Kinowerbung) oder auf beides bzw. alle Medien konzentrieren soll. Auch über die Reichweite, Intensität und Häufigkeit der Werbeimpulse müssen Entscheidungen getroffen werden. Alle werbestrategischen Planungen sind natürlich von den vorgesehenen Werbekosten abhängig, bei denen sowohl alle innerbetrieblichen wie auch alle außerbetrieblichen Kosten zu berücksichtigen sind. Auch unterscheiden sich hierbei Einführungswerbungen (bei neuen oder verbesserten Produkten) und Erinnerungswerbungen (z.B. bei nachlassenden Absatzzahlen).
4.2. Werbung und Psychologie Um erfolgreich Werbung betreiben zu können, muß der Werbende (Werber) auf die Befindlichkeit und Gestimmtheit des Umworbenen eingehen, seine Bedürfnisse, Wünsche und Sehnsüchte kennen und ansprechen. Geschickte Werbe-
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theoretiker und erfahrene Praktiker haben das schon früh erkannt und für ihre Zwecke zu nutzen gesucht. Dabei kam es besonders darauf an, daß die Vorstellungen, die sich der Werbende vom Umworbenen und seinen Wünschen, aber auch von seinem Verhältnis zu ihm machte, wirklichkeitsgerecht waren, nicht irgendwelche Illusionen oder Wunschbilder, obwohl solche nicht immer auszuschließen sind. Eine Psychologie, die sich mit der Beeinflussung der Menschen beschäftigte und somit auch für Werbung auszunutzen war, hat sich erst im Verlauf des 20. Jh. entwickelt. Verschiedene Richtungen haben sich dabei ausgebildet. Genannt seien hier nur: 1. die Massenpsychologie aus den 20er Jahren, 2. die Verhaltens- und Motivationsforschung, besonders im Gefolge des amerikanischen Behaviorismus, 3. die Tiefenpsychologie nach S.Freud und C.G.Jung. Die Massenpsychologie, die sich als Gegensatz zur Individualpsychologie vor allem im Anschluß an die Publikationen des französischen Sozialpsychologen Gustave le Bon (1841-1931) entwickelt und u.a. die Rhetorik der faschistischen Diktatoren (Mussolini, Hitler) beeinflußt hat, ging von einer Schwächung des Einzelwillens der Menschen in Kollektiven und der Lenkbarkeit der .Massen' durch demagogische ,Führer' aus. Auch die Wirksamkeit von ständig wiederholten Parolen und Feindbildern wurde hierbei betont. Es lag nahe, daß manche dieser Einsichten auch in der Werbetechnik wirksam wurden. Auf die amerikanische Werbung und über sie auch auf die westeuropäische Werbung wirkte stärker der Behaviorismus (aus: engl, behaviour = Verhalten), eine auf Ursachen (Reize) und Reaktionen gründende Beobachtungsmethodik (keine eigentliche ,Psychologie'), die in Verbindung mit den Erkenntnissen und Lehren des russischen Physiologen I.P.Pawlow ( t l 9 3 6 ) über die .bedingten Reflexe' eigene Lerntheorien entwickelte, die wiederum auf die Werbetheoretiker einwirkte (s.u.: AIDA-Formel). Aus den Auffassungen der Tiefenpsychologie S.Freuds, C.G.Jungs u.a. und ihrer Nachfolger griff die ,Werbepsychologie' vor allem die Lehren von den unbewußten Strebungen und Wünschen der Menschen auf und suchte sie für ihre Theorien fruchtbar zu machen. Gemeinsam ist allen drei Richtungen die Auffassung von der Beeinflußbarkeit der Menschen durch bestimmte psychologisch begründete Aktionen. Dieser theoretische Grundkonsens garantiert gleichsam die Erfolgsaussichten der Werbung und sichert zugleich den Psychologen und den auf diese hörenden Werbern eine gewisse Macht über die Zu-Umwerbenden zu, eine Auffassung, die die werbende Geschäftswelt veranlaßt, Millionen, ja Milliarden für Werbung auszugeben. Einige Hinweise auf werbungsrelevante Einzelaktionen seien zur Verdeutlichung aufgeführt: 1957 löste eine Pressebehauptung des Werbeuntemehmers J.M.Vikary in New York heftige Diskussionen aus: Er behauptete, durch minimal kurze Einblen-
Werbung und Psychologie
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dung von Coca Cola- und Popcombildern den Verkauf dieser Artikel in Kinos beträchtlich gesteigert zu haben. Die Einblendungen seien so kurz gewesen (eine dreitausendstel Sekunde), daß sie unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des Bewußtseins lagen, aber dennoch das Handeln beeinflußten. Es ergab sich daraus die Frage, ob unser Bewußtsein bzw. unser Handeln unterschwellig manipuliert werden kann. Fast zu gleicher Zeit erschien Vance Packards Buch The hidden Persuadors (deutsch: Die geheimen Verführer (1958)), das von einem ähnlichen Experiment in New Jersey berichtete. Auch mit Flüsterstimmen, die der Musik in Kaufhäusern überlagert wurden und nur unbewußt erfaßt werden konnten, wurde eine derartige unterschwellige (subliminale) Werbung betrieben (Angaben n. E.Heller 1984). Die Diskussion um die Realisierung und Wirksamkeit unterschwelliger (subliminaler) Werbung und einer damit verbundenen Manipulation des Menschen, wie sie von Werbeleuten gern behauptet wird, erhielt Unterstützung von Vertretern der Tiefenpsychologie, die eine subliminale Wirksamkeit solcher Blitzwerbungen unterstrichen, wogegen das Bewußtsein hier restriktiv wirken könne. Die Wirksamkeit solcher Experimente ist allerdings letztlich nicht bewiesen (n. E.Heller). Die Auffassung von den „geheimen Verführern" (V. Packard) wurde in den USA und später auch in Europa modifiziert durch die Motiv-Forschung, die weniger das Unterbewußte als vielmehr das Unbewußte, die Wünsche und Motive der Konsumenten, zu erfassen sucht. V.Packard referierte bereits in seinem Buch Ergebnisse der Motivforscher (und zitiert dort u. a. als Beispiel für die neue Art der Konsumentenansprache den Vorschlag E. Dichters an den amerikanischen Schuhhandel: Verkaufen Sie an Frauen nicht Schuhe - verkaufen Sie hübsche Füße!). Ernest Dichter gilt mit seinen Büchern Strategie im Reich der Wünsche (1964) (englisch: The Strategie of Desire (I960)) und Handbuch der Kaufmotive (englisch: Handbook of Consumer Motivation (1964)) als der eigentliche Wortführer dieser Richtung. Dichter suchte die dem Handeln, auch bei einem Kauf, zugrundeliegenden Impulse zu finden und sah sie - wie die Tiefenpsychologen als Entladung von psychischen Spannungen im Bereich der Wünsche und Strebungen an. Dabei behauptete er u. a. auch die Wirksamkeit kulturanthropologisch früher (embryonaler u.a.) Verhaltensweisen. Das Handbuch der Kaufmotive nennt Dichter im Untertitel Der Selling-Appeal von Waren, Werkstoffen und Dienstleistungen. Er betont darin, daß jede Ware etc. unabhängig von rationalen Erwägungen psychische Effekte aktiviere. Ein Sportwagen werde so z.B. mit einer Geliebten, eine Limousine dagegen mit der Ehefrau gleichgesetzt. Produkte haben, nach Dichter, eine Persönlichkeit, eine Seele, die wir nur unbewußt erfassen. Die von der Psychoanalyse herrührende Uberschätzung des Sexuellen kehrt in Dichters Angaben immer wieder, reduziert die Handlungsmotive so aber nur auf wenige Typen, die der Vielfalt menschlicher Wünsche und Vorstellungen kaum gerecht werden.
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Zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Werbung
Gegenüber rein quantitativ-statistischen Marktanalysen brachte die Motivationsforschung jedoch Erweiterungen der Werbeforschung im Hinblick auf qualitative Kaufentscheidungen.
4.3. Werbung und Semiotik Werbung ist auch für die Wissenschaften von Interesse, die sich mit den verschiedenen Zeichensystemen beschäftigen, die in der Werbung verwendet werden, nämlich für die Semiotik (Zeichensysteme allgemein) und die Linguistik (die verbalen Zeichen). Sowohl Roland Barthes, der französische Strukturalist, als auch Umberto Eco, der bekannte italienische Semiotiker, bieten Untersuchungen zur Zeichenverwendung in Werbeanzeigen. Dabei konzentrieren sie sich auf die Sprache der Bilder und unterscheiden dabei mehrere semiotische Ebenen, nämlich die der Bildaussagen der ikonischen Ebene und die der mehr hintergründigen oder symbolisch-konnotativen Zeichenkombinationen der (n. Eco) ikonographischen Ebene. Auch andere Forscher gehen auf diese semiotischen Zusammenhänge ein. So verbindet Winfried Nöth (1975) die semiotische Analyse von Werbeanzeigen mit den pragmatischen Zeichenstufen von Ch.S.Pierce und Ch.W.Morris, die indexikalische, ikonische und symbolische Zeichen unterscheiden. Interessant erscheinen hier auch die Auffassungen des Informatik- und Ästhetikforschers Max Bense (1910-1990), der Werbeanzeigen mit der Literatur vergleicht und als eine neue Literaturgattung, als Textdesign oder eine Art angewandte Literatur bezeichnet, weil auch hier eine Form der Weltspiegelung vorgenommen werde, allerdings einer manipulierter Konsumwelt, sowie ästhetische Gestaltungen in Text- und Stilformen erscheinen. Hermann K.Ehmer (1971) greift in seiner Analyse einer Doornkaat-Werbung auf die semiotischen Arbeiten von R. Barthes und Leo Spitzer zurück, wenn er ebenfalls von mehreren Zeichenebenen ausgeht. Fragen der semiotischen Analyse von Werbeanzeigen berühren auch die Untersuchungen von Wolfgang Brandt (1973) und Jutta Brechtel-Schäfer (1972). Während Brandt in seiner umfangreichen Studie kommunikative und semiotische Analysen mit didaktischen Überlegungen verbindet, untersucht J. BrechtelSchäfer visuelle und auditive Formen der Werbung im Fernsehen. Die unter dem Titel Ästhetik der Werbung erschienenen Untersuchungen von Rolf Kloepfer und Hanne Landbeck (1991) klammern hingegen semiotische Aspekte aus und konzentrieren sich, dem Untertitel des Buches gemäß (Der Fernsehspot in Europa als Symptom neuer Macht) auf kommunikations- und kulturpolitische Aspekte dieser Werbeform.
Werbung und Sprachwissenschaft
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4.4. Werbung und Sprachwissenschaft Die traditionelle germanistische Sprachwissenschaft hat sich seit den 50er Jahren mit der Analyse der Sprache in der Werbung beschäftigt, wobei zunächst nur philologische Methoden der Text- und Sprachanalyse zur Anwendung kamen. Weiterführende Aspekte, wie sie bereits der Romanist Leo Spitzer (1964) exemplarisch am Beispiel einer amerikanischen Orangenwerbung berücksichtigte, indem er Bildanalyse und Textanalyse mit kulturgeschichtlichen Ausblicken verband, wurden zunächst wenig beachtet. Spitzer kennzeichnete diese Werbung als „moderne Volkskunst" und analysierte sie nach der romanistischen Methode der explication de texte', hebt dabei auch die Grundzüge der visuellen und sprachlichen Werberhetorik und den pseudoreligiösen Charakter dieser Konsumentenansprache hervor. Die frühe Untersuchung von Eberhard BeheimSchwarzbach (1954) dagegen kommt noch nicht über die Kennzeichnung der Funktionen des Benennens, Beschreibens, Beziehens und Beseelens in exemplarischen Werbeanzeigen hinaus. Siegfried Grosse (1966) hebt die Sprache dieser Texte als Kunstsprache von der Alltagssprache ab und betont die hohe Wirksamkeit aufgrund reicher sprachlicher Differenzierungen durch Abkürzungen, Markennamen, Adjektiv- und Substantivkomposita, Satzverkürzungen und verschiedene Stilformen. Ludwig Kerstiens (1970) untersucht das ,werbende Sprechen' und hebt demgegenüber die unscharfen, aber stimmungweckenden Aussagen, Fragen und Konditionalsätze hervor. Ausführlicher geht Ruth Römer (1968; 5 1976) in ihrer Monografie auf die Sprache der Werbung ein. Sie kennzeichnet die gegenüber den Bildern dominierende Rolle der Sprache in der Werbung und analysiert dann die Formen der Wortbildung, der Wortwahl, des Satzbaus und der Rhetorik. Dabei widmet sie den Erscheinungsformen der ,semantischen Aufwertung', den verbalen Wertsteigerungen und Übertreibungen mit sprachlichen Mitteln besondere Aufmerksamkeit. Ingrid Hantsch hat in zwei Aufsätzen die „semantische Strategie der Werbung" (1972) und „Textformanten und Vertextungsstrategien von Werbetexten" (1975) untersucht. Während sie im ersten Beitrag Spiegelungen der von Bühler und Jakobson konstatierten Sprachfunktionen (Ausdruck, Appell, Darstellung) am Beispiel von Werbeanzeigen ermittelt, hebt sie im zweiten Beitrag die textprägenden Faktoren anhand von Kommunikationsmodellen hervor (Sprecher, Hörer, Thema, Nachricht, Kanal, Code). Einen Überblick über die Sprachprobleme von Werbetexten bietet P. Schifko (1982) innerhalb eines Handbuchs der Werbung. Semantische und pragmatische Probleme von Werbetexten analysiert H.Spoerri (1993). Textprobleme und ihre kommunikativen und ökonomischen Voraussetzungen untersucht auch Thomas Fritz (1994), während A.Greule und N. Jania (1997) sich wieder stärker auf die Sprache der Werbung konzentrieren. Mehrere spezielle Untersuchungen sind den Werbeslogans gewidmet, die seit den Anfängen der modernen Werbung im frühen 20. Jh. üblich geworden waren,
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Zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Werbung
um in prägnanten Merksätzen auf die Wirkung der gemeinten Waren hinzuweisen (z.B. Odol gibt sympathischen Atem; Mach mal Pause - trink Coca Cola usw.). Mit ihrer semiotischen und sprachlichen Struktur beschäftigen sich Arbeiten von Volker Klotz (1963), Jochen Möckelmann und Sönke Zander (1970) und Dieter Flader (1972; 1974). Mit der Durchsetzung pragmatischer Theorien und Sprechaktanalysen in der Linguistik kamen auch entsprechende Untersuchungen von Werbetexten bzw. Teilen solcher Texte (Slogans, head-lines) in Mode. D. Flader untersuchte Slogans nach ihren Sprechaktklassen und -bedingungen, andere, wie Brigitte Hauswaldt-Windmüller (1977), analysierten Sprechhandlungstypen in der Werbung auch nach ihren kommunikativen Voraussetzungen, Wirkungsbedingungen und Handlungsintentionen. M. Baumgart (1992) erfaßt anhand von 750 Beispielen in ihrer (mit R.Römers Arbeit gleichlautenden) Untersuchung die Spracheigenheiten von kontextunabhängigen Slogans aus den 80er Jahren. Auch für die Werbung spezieller Branchen liegen sprachwissenschaftlich ausgerichtete Analysen vor, so etwa von Anna Monika Putschögl-Wild umfangreiche Untersuchungen zur Sprache im Fremdenverkehr (1978), die anhand von Ferienkatalogen vorgenommen wurden.
4.5. Werbung und die Fachdidaktik des Deutschunterrichts Obwohl die Werbung schon seit der Währungsreform von 1948 in den damaligen drei Westzonen Deutschlands in zunehmenden Maße wieder zum Alltag gehörte, setzte eine Beschäftigung mit ihr im schulischen Unterricht erst nach der mentalen Wende und den Unruhen der 60er Jahre ein. Zwar hatte Erika Essen in ihrer Methodik des Deutschunterrichts schon 1956 die Beschäftigung mit Werbung vorgeschlagen, aber selbst keine methodischen Hinweise geboten. Erst nach 1968 wurden die ersten methodischen Hinweise zu diesem Gegenstandsbereich geboten. ROsswald und E. Gramer (1968) schlagen nun die Analyse von Werbeanzeigen für die Schüler des 6.-10. Schuljahres vor, die an Literatur weniger interessiert seien. H. D. Heistrüvers (1968) führt die Behandlung von Werbeslogans in einer 12.Klasse durch. C. Siefer (1971) sieht dies erst für die gymnasiale Abschlußklasse vor; K.J.Heller (1972) will dafür die Sammeltätigkeit der Schüler der 11. Klasse nutzen. Während D.Boueke (1970) Werbetexte in allen Klassen der Hauptschule behandelt wissen will, möchte B. Engelen (1975) schon im 3. Grundschuljahr in solche Texte einführen. U. Klein (1968) versucht, anspruchsvollere rhetorische Analysen an Werbetexten zu demonstrieren. F.Hebel (1971) dagegen will neuere linguistische Verfahren an solchen Texten erproben, u.a. den syntaktisch-semantischen .swing' an werbetypischen Bedeutungserweiterungen aufzeigen. Robert Ulshöfer, der als Verfasser mehrerer Deutschmethodiken und als Herausgeber und Autor der
Werbung und die Fachdidaktik des Deutschunterrichts
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Fachzeitschrift „Der Deutschunterricht" lange Zeit den Deutschunterricht der Nachkriegsjahrzehnte mitgeprägt hat, fügte 1972 seiner Deutschmethodik für die Mittelstufe ein eigenes Kapitel über Werbesprache und Werbetexte zu. Andere Autoren, wie J.D.Bödiker (1971), R.Günther (1975), J.Springmann (1975), J. Lehmann/H. Glaser (1973), publizieren Arbeitsmaterialien für die Behandlung von Werbetexten im Deutschunterricht. Neue Impulse erhielt die unterrichtliche Behandlung von Werbung mit den gesellschaftskritischen Ansätzen der 70er Jahre, insbesondere auch von den emanzipatorischen Tendenzen der Hessischen Rahmenrichtlinien für die Sekundarstufe I, zu denen auch Unterrichtsvorschläge für die Behandlung von Werbetexten erschienen. Auf die Arbeiten von W. Brandt und I. Hantsch wurde bereits verwiesen. Nachzutragen sind noch entsprechende Arbeiten von Christa Bürger (1970), H.F.Rathenow (1972) und V.Arnold (1973), wobei die letzteren auch stärker auf wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Zusammenhänge der Werbung eingehen.
5.
Werbung als Kommunikation
5.1. Kommunikationsbegriffe und Kommunikationsmodelle Wir sind es seit einigen Jahrzehnten gewohnt, sprachliche Vorgänge nicht nur innersprachlich zu analysieren, sondern zugleich in ihren kommunikativen Zusammenhängen zu erfassen. Der Begriff der Kommunikation, der aus dem lat. communis (= gemeinsam) agere (handeln, tun) oder communicare (= vereinigen, sich besprechen) abgeleitet werden kann und lange auf das Zusammenkommen und Zusammenwirken der Menschen bezogen war, also mehr verkehrsmäßig oder psychologisch verstanden wurde (L.Mackensen 1966, 200), wird neuerdings fast nur auf die sprachliche Verständigung und (kybernetisch) auf den Austausch von Signalen mit verschiedenen Zeichen in sozialen Interaktionen bezogen (DUDEN) 1961, 367). So ist er seit den 70er Jahren zu einem Schlüsselbegriff in verschiedenen Sparten des sozialen und geistigen Lebens geworden (Watzlawick u.a. 1974). Auch in der Werbewirtschaft, die sich ohnehin stets als sehr offen für neue Begriffsbildungen und Modellvorstellungen erwiesen hat, ist dieser Begriff nicht mehr wegzudenken (vgl. O.W.Haseloff 1970, 158ff.). Seit den Anfängen der wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Phänomenen und Auswirkungen von Kommunikation nach dem 2. Weltkrieg hat man versucht, die dabei wirksamen Vorgänge an Hand von Modellen zu verdeutlichen, (vgl. W. Herrlitz Frankfurt 1973, 27ff.; G. Wolff 1977). Das einfachste und wohl auch plausibelste Modell in der Art eines kybernetischen Verlaufsdiagramms geht auf die amerikanischen Mathematiker und Informatiker C.E.Shannon und W.Weaver (1949) zurück. Es arbeitet mit den Hauptkomponenten ,Sender' (Absender) und .Empfänger' (Adressat), zwischen denen über einen bestimmten (Vermittlungs-),Kanal' eine ,Information' oder ,Nachricht' (message) vermittelt wird. Sender
Information — (Kanal)
Empfänger
Da der Vorgang auch umgekehrt werden kann, wobei Sender und Empfänger ihre Rollen tauschen, kann auf diese Weise jede Art von Informationsaustausch und Verständigung in modellhafter Vereinfachung erfaßt werden. Natürlich sind die tatsächlichen Kommunikationsvorgänge weitaus komplexer und erfordern zur besseren Verdeutlichung differenziertere Modelle, die die
Kommunikationsbegriffe und Kommunikationsmodelle
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einzelnen Komponenten genauer erfassen, als es ein einfaches Flußdiagramm wie das von Shannon/Weaver vermag. So kann z.B. der Sender-Komplex differenziert und variiert werden: a) nach der Funktion des Absenders (Kommunikators) innerhalb des Kommunikationsvorgangs (z.B. Verwirklichung eines Schreibimpulses, Antwort auf eine vorangegangene Kommunikation, Produktion und Veranlassung einer Textübermittlung, z.B. einer Werbung durch eine Werbeagentur o.a.), b) zur Aufrechterhaltung einer bestehenden Verbindung, eines vertraulichen Gedankenaustausches, nach bestimmten ökonomischen Intentionen und Kommunikationsabsichten (z.B. Informationen über ein Produkt, Einladung zum Kennenlernen oder Konsum etc.), c) nach dem Vorwissen und Vermutungen oder Annahmen über den Empfänger/Adressaten (z.B. bekannt/unbekannt, jung/alt, männlich/weiblich/neutral, berufsspezifisch etc.). Die Information oder Nachricht kann z.B. spezifiziert werden: a) nach der Absicht und Art der Informationsauswahl (z.B. briefliche Mitteilung, Pressenotiz etc., kurzer oder ausführlicher Werbetext, Bildauswahl usw.), b) nach der Art und Funktion des Vermittlungskodes (gesprochene oder geschriebene Sprache, visueller Kode, musikalischer Kode, multimediale Kodierung, Dominanz oder Konnotation der einzelnen Kodes etc.). Dem gewählten Kodecharakter entsprechend muß auch der Übermittlungskanal differenziert werden (optischer Kanal z.B. bei Briefen, Anzeigen, Presse, akustischer Kanal bei Funkmedien, visuell-akustischer Kanal bei Filmen und Fernsehsendungen). Wie der Sender-Bereich, so verlangt auch der Empfänger-Bereich zumeist eine stärkere Differenzierung: So kann z.B. bereits der Vorgang der Dekodierung, des Erfassens der Nachricht durch den Empfänger, mit Schwierigkeiten verbunden sein (z.B. verzögertes oder partielles Verständnis aufgrund andersartiger Nachrichtenerwartung, Mißverständnis durch unterschiedliche Bewußtseinsgrade, vollständiges oder partielles Nichtverstehen, Interesselosigkeit etc.). Bezieht man diese Überlegungen auf ein differenzierteres Kommunikationsmodell des Werbevorgangs, so hätte dieses auf der Senderseite zunächst die situativen und pragmatischen Faktoren zu berücksichtigen, also die Absicht, nach Maßgabe bestimmter Vorüberlegungen (Marken-, Gestaltungs-, Medienstrategien s. S. 13) für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung bei den in Frage kommenden Verbrauchern (Konsumenten) zu werben, um diese zum Erwerb der Ware bzw. Dienstleistung anzuregen (Produktwerbung) oder zumindest Voraussetzungen für einen solchen Erwerb zu schaffen (Vertrauenswerbung). Der Warenproduzent, meistens vertreten durch sein Werbebüro, geht bei der Planung und Gestaltung der Werbebotschaft von bestimmten Zielvorstellungen über das Produkt und den Empfänger der Botschaft, dessen
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Werbung als Kommunikation
Wünsche, Interessen, Kauf- und Verstehensmöglichkeiten aus, die in den Kodierungsvorgang einfließen, wo diese Überlegungen, zusammen mit den Festlegungen des jeweiligen Übermittlungsmediums (Werbeträgers) und des Kanals zur Ausformung der Werbemittel, der Werbetexte und der Werbebilder, führen. Die werbliche Kommunikation ist jedoch nicht als automatisch ablaufender Prozeß im Sinne einer idealen Verständigung aufzufassen (vgl. W.Nöth 1975). Weder gelingt es dem Werbenden immer, seine Intentionen ausreichend und wirksam zu kodieren, noch wird die Werbebotschaft vom Empfänger (Kommunikanten) stets so wahrgenommen, dekodiert und beachtet, wie es sich der werbende Kommunikator wünscht. Wirtschaftswerbung in der Form von Anzeigen, Funksendungen, Plakaten etc. ist zudem, im Gegensatz zur direkten Kommunikation des Gespräches oder des persönlichen Briefes - stets öffentliche indirekte Kommunikation, d. h. Kommunikator und Kommunikant sind einander unbekannt und treten nicht unmittelbar miteinander in Verbindung; die Werbebotschaft wird nur über bestimmte Massenmedien vermittelt, so daß für den Kommunikanten (Empfänger) kein situativer oder sozialer Zwang zur Beachtung und Dekodierung besteht, selbst wenn er den Werbeträger (zumeist aus anderen, nicht werbungsorientierten Gründen) wahrnimmt. Nicht jede Werbeanzeige wird von allen gelesen, nicht jede Werbesendung von allen gehört; aber auch das Gelesene und Gehörte wird nicht ohne weiteres beachtet. Werbliche Kommunikation muß als Massenkommunikation mit dieser selektiv reduzierten Rezeption der Werbeimpulse rechnen und wird daher versuchen, durch bestimmte Strategien, Techniken und Redundanzen den Beachtungswert ihrer Botschaften zu verstärken und zu steigern. Aber auch dort, wo diese beachtet werden, erreichen sie für den Empfänger lange nicht die Verbindlichkeit, die Mitteilungen der direkten Kommunikation haben können, in denen dem Rezipienten (Empfänger) ein Partner unmittelbar gegenübertritt und in denen direkte Rückkopplungen möglich sind. Werbeimpulse können lediglich auf vorhandene Kenntnisse, Einstellungen und Ansprüche verändernd einwirken, wenn dazu eine entsprechende Bereitschaft, ein Interesse oder ein Bedarf für das Werbeobjekt bereits besteht oder wenn der Kommunikator durch seine Botschaft ein solches Interesse wecken kann. Wie man aus Untersuchungen über Massenkommunikationen weiß (vgl. O.W.Haseloff 1970), wirkt dabei die Werbebotschaft nicht nur allgemein auf die Zielgruppe aller potentiellen Verbraucher, sondern auch besonders auf die Gruppe der opinion-leader (Meinungsführer) oder Induktoren, die die Werbeimpulse zumeist in direkter Kommunikation in ihrem Wirkungskreis weitergeben. Als opinion-leader werden innerhalb der Konsumenten Personen mit erhöhtem Produktinteresse, schnellerer Kaufentscheidung und stärkerem Erprobungsdrang verstanden, außerhalb dieser Gruppe auch Personen, die aufgrund ihrer Stellung oder Erfahrung durch kommunikativen Kontakt oder durch Konsumdemonstration eine verstärkte Persuasionswirkung ausüben.
Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung
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5.2. Werbung als besondere Form der Kommunikation Versucht man, den Vorgang der werblichen Kommunikation in einem Schema nach der Art bekannter Kommunikationsmodelle zu verdeutlichen, so läßt dies anhand des nachfolgenden Schemas (S.24) darstellen. Gegenüber anderen Kommunikationsmodellen fallen hier einige Besonderheiten auf, die nur der Werbekommunikation eigen sind: 1. Zwischen dem Produzenten als dem Initiator der Werbung und der Werbebotschaft ist die Institution des Werbers (= Werbeagentur o. ä.) eingeschaltet, die die Werbekonzeption (bzw. -Strategie) und Kodierung bestimmt, auf die auch der Produzent als Auftraggeber einwirken kann. 2. Die (En-)Kodierung erfolgt zumeist mit mindestens zwei Kodes (Bild und Text, evtl. auch Musik. Ausnahme: Zeitungs- und Flugblattwerbung). 3. Nicht alle Werbebotschaften und -Informationen erreichen alle Empfänger des jeweiligen Werbeträgers (z.B. die Illustriertenleser); daher ist im Schema vor die Dekodierung auf der Empfängerseite ein schematisierter Nachrichtenund Informationsfilter als Selektionsinstrument eingefügt. 4. Die potentiellen Konsumenten empfangen ihre Werbeimpulse entweder unmittelbar aus den Werbeanzeigen bzw. -Sendungen oder mittelbar durch opinion-leader oder auf beiden Wegen. 5. Eine kommunikative Rückkopplung {sog. feed-back) gegenüber dem Produzenten, die evtl. zur Kommunikationsänderung bzw. Änderung der Werbestrategie führt, ist in der Regel nur anhand von Kaufreaktionen (Umsatzveränderungen), also über den Konsum möglich.
5.3. Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung Kommunikative Aspekte und Faktoren sind bereits lange vor der Entwicklung von Kommunikationsmodellen durch Angehörige des Prager Linguistenkreises in die Sprachbetrachtung einbezogen worden. Der älteste Ansatz dieser Art stammt von dem deutschen Psychologen und Sprachtheoretiker Karl Bühler (Sprachtheorie 1934) und ist als Organonmodell der Sprache bekannt. Bühler charakterisiert darin die drei Grundfunktionen der Sprache, den sprecherbezogenen Ausdruck, den hörerbezogenen Appell und die gegenstände- oder sachbezogene Darstellung, die in jeder Sprachäußerung in unterschiedlichem Grade gegeben und wirksam sind. J. Mukarovsky fügte diesen drei Funktionen die ästhetische (= poetische, n. M.Riffaterre = stilistische) Funktion hinzu. R.Jakobson (1960, 350ff.) erweiterte schließlich diese Aspekte durch die des jeweiligen (phatischen) Kontaktes oder Kanals und des sprachbezogenen (metasprachli-
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Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung
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chen) Sprechens und nennt nunmehr sechs Funktionen der Sprache, die sich auf die wichtigsten kommunikativen Faktoren beziehen: die senderbezogene emotive Funktion, die empfängerbezogene conative Funktion, die kontext- oder gegen standsbezogene referentielle Funktion, die textform- bzw. nachrichtbezogene poetisch-stilistische Funktion, die kanalbezogene phatische Funktion und die codebezogene metasprachliche Funktion. Schema der (kommunikativen) Sprachfunktionen (in Anlehnung an Bühler, Mukaïovsky, Jakobson) Ausdruck
Appell
(emotiv)
(conativ)
—(phatisch) — metasprachlich (ästhetisch/
(referentiell)
I Darstellung
Da diese Funktionen- und Faktorenzusammenstellung die relevanten Aspekte der Kommunikation erfaßt, eignet sie sich gut als Analyseraster für Werbeanzeigen und -Sendungen. I. Hantsch (1975) hat dementsprechende Textformanten und Vertextungsstrategien am Beispiel vorwiegend englischer Werbeanzeigen zusammengestellt und den genannten kommunikativen Funktionen und Dimensionen der Sprache nach Bühler/Jakobson zugeordnet. Auf diese Weise soll das Superzeichen ,Werbeanzeige' in seinen möglichen Einzelsignalen erhellt werden. Als wichtige Einzelelemente können so in den einzelnen Dimensionen genannt werden (z.T. η. I.Hantsch): a) in der Ausdrucksdimension (senderbezogen, emotiv): 1. alle Formen der Selbststilisierung, ζ. B. die Betonung des Traditionsimages, wobei das Alte und Originale als besonders gut erscheinen; die Produktionserfahrung (Hervorhebung der Firma oder Marke als bewährt und zuverlässig),
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Werbung als Kommunikation
das Lob des Firmengründers; die Hervorhebung des Firmennamens und Markenzeichens und ihrer möglichen Assoziationen; evtl. wissenschaftliche Leistungen und Verfahren, Prüfungen, Auszeichnungen und andere Erfolge; die Vorstellung von eigenen Experten und Mitarbeitern; die Darstellung der Fabrik, der Räume, Maschinen, des Produktionsvorgangs, der Vertriebsstätten des Produkts (z.B. Hotels, Gasthöfe, Geschäfte in aller Welt); die firmen- oder markentypische Verpackung; das/or-yow-Pathos; die Betonung der eigenen Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit; die Nutzung eines Nationalimages oder einer anderen institutionellen Aufwertung (z.B. Klosterfrau = Kirche); Formen der Selbstästhetisierung und Preziösität. 2. Vermittlung durch Sekundärsender: z.B. durch die Leitbildfunktion des Sekundärsenders als Angehöriger einer höheren Sozialschicht, der Identität an Schönheit, Jugend, Erfolg als Sport-, Film- oder Fernsehstar o.ä.; durch die erhöhte Glaubwürdigkeit und Vertrauensweckung bei Vertretern gleicher Sozialschicht, durch Durchschnittskonsumenten; Erreichung positiver Werbewirkungen durch negative Sekundärsender; durch Fiktionalisierung von Überredungssituationen (Experte ; Verbraucher); durch Vermittlung von Unterhaltung als vordergründige Intention sowie andere Ablenkungstechniken; durch Einschaltung von anonymen OFF-Sprechern. b) in der Appelldimension (empfängerbezogen, conativ): alle individuellen oder gruppenbezogenen Anredeformen; das Ansprechen von Rollenerwartungen, Gruppennormen und -idealen; die Verwendung spezifischer Jargons (z.B. ,Teenagersprache', Fachsprache); Ansprechen des Ich-Bewußtseins, der Kennerschaft; Zuordnung zu bestimmten Vorbildgruppen und -rollen (z.B. den Klugen, Erfahrenen, Reichen, Glücklichen, Bevorzugten, Angesehenen, Abenteurern, Geliebten und Beliebten); Versprechen zur Hebung des Lebensstandards, des Ansehens, der Selbsteinschätzung und des Selbstgefühls, Ansprechen des Eskapismusverlangens (Flucht in bessere Welten); Versprechen der Integration in heile Welten; Ratschlag- und Rezeptwerbung; Darstellung des Produkts in bestimmten Zugriffssituationen (z.B. halb herausgezogene Zigarette, volles Bierglas); Weckung von Gewinnhoffnungen bei Preisausschreiben u.ä.; Aufforderungen zu bestimmten Entscheidungen (Ja zu x! usw.); Hervorhebung bestimmter Ideale oder allgemeiner Grundsätze; Schaffung und Steuerung von Angstpotential (z.B. Schmutzangst, Schmerzangst, Angst vor Krankheit, Alter, Tod, Isolation, Konkurrenz, Versagen); Ansprechen der Triebe (Nahrungstrieb, Sicherheitsbedürfnis, Geschlechtstrieb, Mutter- und Pflegetrieb, Spiel- und Bewegungstrieb, Aggressionen, Selbstbetätigungsdrang, Selbstbehauptungsstreben, Kraftgefühl, Verwurzelungsgefühl, Heimatsehnsucht, Reinlichkeits-, Genuß-, Luxus·, Prestigebedürfnis u.ä.); Vermittlung und Weckung von Wunschbildern (Appetenzsymbolen, ζ. B. Sehnsucht nach Liebe, Jugend, Schönheit, Gesundheit, Frische, Natur, Potenz, Männlichkeit bzw. Weiblichkeit, Emanzipation, Freiheit, Selbstbestimmung u.dgl.).
Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung
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c) in der Darstellungsdimension (produktbezogen, referentiell): alle Formen der Produktdarstellung, -benennung und -beschreibung sowie der Produktcharakterisierung und -Wertung; Produktbestimmtheit der gewählten Strategien (z.B. Markenatmosphäre); produktbezogene denotative und konnotative Bedeutungen; sachliche und emotionale Informationen über das Produkt; Hervorhebung eines bestimmten Nutzens (unique selling proposition); Kreation bestimmter Mythen durch Wirkungsverheißung (ζ. B. Frische, Abenteuer, Erlebnis, Natur ...); Personifizierung und Allegorisierung des Produkts; Bildund Textmetaphern und Metonymien zum Produkt; Überlagerungen des tatsächlichen Gebrauchswertes durch Suggestivwerte (z.B. Erotisierung, Sexualisierung); Ware als Leitbild-, Wunsch-, Antiangstsymbol; Aurabildung zum Produkt; Kennzeichnung des Produkts als Mittel zum Zweck; Zuordnung eines Produktimages oder einer ,emotionalen Ausstrahlung' des Produkts (Art der Aura); Verdeutlichungs- und Integrationstechniken (z.B. Darstellung imaginärer Gebrauchssituationen des Produkts als Bestandteil positiver Erlebnissituationen, Wiedergabe realer Leistungssituationen); Vergleich mit Konkurrenzprodukten (evtl. Grad der Indirektheit des Vergleichs, Art des Komparativs u. ä.); Qualitätsund Leistungsbeweise (z.B. Produktauszeichnungen, Gütetests; Zusatzversprechen über Mehrleistungen des Produkts); Preisausschreiben, Gutscheine und Beigaben des Produkts. d) in der Stilisierungsdimension (text- und gestaltungsbezogen, urspr. poetische Funktion): Arten der verwendeten Codes; optische Wirksamkeit der Zeichenzuordnung und graphische Gestaltung; Beziehung der Codes und Zeichen zueinander; Leichtfaßlichkeit (readibility)\ offene oder versteckte Nachrichten; kognitive vs. affektive Inhalte (Wissen, Überzeugungen und Einstellungen, Vorurteile) und ihr Verhältnis zueinander; Realisierung sozialer Stereotypen, Redensarten, Sprichwörter u.ä.; einseitige/zweiseitige Darstellung (implizite/ explizite Antithetik als Grundprinzip); sprachlich-rhythmische Hervorhebungen; semantische Aufwertung durch Aufbau von Assoziationsfeldern; Einbezug von rhetorisch-stilistischen Elementen; Arten und Funktionen von Redundanzen; Verwendung unterschiedlicher Register (Dialekte, Fachsprachen, Umgangssprache, Jargons usw.); Einbezug unterschiedlicher Stilebenen; semantische Offenheit und Mehrdeutigkeit. e) in der Dimension des Mediums!Kanals (vermittlungsbezogen, phatisch): Rolle des Trägermediums und ihr Einfluß auf die Zielgruppen; Formen der Mediengestaltung (z.B. Fotos, Grafiken, headline, Einzelzeichen, Bild- und Texteinteilung), durch die Wahrnehmung gesteuert wird; alle Erscheinungsformen offener und versteckter Nachrichten. f) in der Dimension der Codes (zeichenbezogen, metasprachlich): Hier wird unterschieden nach dem linguistischen, dem visuellen, dem rhetorischen, dem ästhetischen und dem ideologischen Code (bzw. entsprechenden Registern).
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Werbung als Kommunikation
Innerhalb des des linguistischen Codes finden sich zunächst Merkmale des lexikalischen Bereichs, z.B. Erscheinungen der Worthäufigkeit, der Wortverteilung (Anteil der Wortarten) und der Wortverknüpfungen: Neologismen, Fremdwörter, fremdsprachliche Teile (Exotisierungswirkung); Elemente eines Gruppenjargons; Wortspiele, Oxymora; Superlative; Komparative (einschl. unvollständiger), unterschiedliche Anteile an Konkreta und Abstrakta; bestimmte Sublimierungsmechanismen und Hervorhebungstechniken, wie z.B. Neuheitswerbungen, Originalitätsbetonungen, direkte und indirekte Vergleiche, Metaphern, Kontrastierungen (mit Antithesen), Zusatzsymbolik, Argumentation ex negativo, Anzitieren von bekannten Wendungen; Verwendung von Redewendungen u.ä. und Abweichungen graphematischer, morphologischer oder lexikalischer Art; Orts- und Zeitdeiktika; semantische Unbestimmtheit; bewußte Ambiguitäten (Mehrdeutigkeit). Im syntaktischen Bereich kommt es auf die Art des Satzbaus, die verwendeten Satzarten und Satzverknüpfungen an. Wichtig sind hier auch Einsatz und Funktion von Negationen sowie Verweisungen im Text, Präsuppositionen (Aussagenvoraussetzungen), Verwendungen offener Satzmuster, Satzabbrüche, Inversionen u.a. Im phonetischen Bereich fallen auf: bestimmte Klangmuster und -Wirkungen; Knappheit oder Länge der Lautungen, Rhythmus der Aussagen, besonders bei Schlagzeile und Slogan; Klangmalereien, Lautsymbolik, Lautmusikalität und von ihnen getragene Vorstellungen; Klangredundanzen: Reim, Alliteration, Assonanz und ihre Funktionen. Innerhalb des visuellen Codes ergeben sich Wirkungsmöglichkeiten durch Umfang und Ausgestaltung des Layout, die Art und optische Konstellation der Zeichen, die Druck- und Schrifttypen, die Verteilung, Symbolik und Psychologie der Farben, Art und Wirkungen von Zeichnungen und Fotografien, Leistung und Wirkung von Schwarz-Weiß- oder Farbbildern, die Verklammerungen der linguistischen mit der ikonischen Nachricht, Bedeutungserweiterungen im Bild, Objekte der Bilddarstellung und die Art ihrer Darstellung (Ausschnitt, Bildgröße, Begrenzung), Blickpunkte und Perspektiven, Tiefenschärfe der Bilder, spezifische Wirkungen des gewählten Objektivs (z.B. Weitwinkeleffekt, Naheinstellung); Bildsymmetrie, Axialsymmetrie, Asymmetrie; bevorzugte Bildfelder; Bilddenotation und -konnotation; ,story appeal' der Abbildung; Bilderfolgen; Bildwiederholungen; Semantik, Syntaktik und Pragmatik der Bilder. Als Möglichkeiten des rhetorischen Codes kommen in Frage: Formen der Wiederholung, der Antithese, der Steigerung, der Umkehrung (Inversion), des Parallelismus, der Ellipse; Topoi wie Reinheit, Frische, Abenteuer, Gesundheit, Schönheit, Jugend, Genuß, Leistung und ihre Ideologie; Allegorien, Personifikationen und Symbole; verschiedene Argumentationen (ein-, zweiseitig, primär oder sekundär) und Argumentationstypen; offene und versteckte Imperative, verschiedene Stilhöhen und Stiltypen, Stilfiguren.
Kommunikative Faktoren und ihre Variation in der Werbung
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Als Ausdrucksformen des ästhetischen Codes nennt I.Hantsch (1975, 137ff.) (zusätzlich zur Stilisierungsdimension) noch die Funktionen des kulturellen Appells (z.B. an die Intellektualität) und der Memorierung, der Zitatverwendung, des Anschlusses an bekannte Klangmuster und Darstellungsmuster (z.B. an Comics, an Gemälde), die Formen der Bildästhetik (Farben, Formen, Kompositionen, Perspektiven); die Ästhetik der linguistischen Codifizierung (Poetizität). Möglichkeiten des ideologischen Codes sind: Beziehungen der etablierten Bedürfniserweckung und Versprechen von (Schein-) Befriedigung zu soziopsychologischen Setzungen/zur allgemeinen sozialen Norm; die Konsumgütersemantik als System der Konsumgesellschaft (Systemzwänge, z.B. Moden o.ä.); die Kreation/Vermittlung von sozialen Stereotypen (z.B. Leitbildern). Die vorstehende stichwortartige Zusammenstellung konnte sich nur auf die wichtigsten Elemente der Gestaltung von Werbeanzeigen beschränken. Eine umfangreiche Analyse vieler Anzeigen könnte wahrscheinlich noch Ergänzungen erbringen. Außerdem ist auch die Zuordnung der aufgeführten Elemente zu den Kommunikationsfaktoren nicht immer eindeutig möglich. Manche Elemente können auch in anderen Rubriken erscheinen oder mehreren Rubriken zugeordnet werden (z.B. innerhalb verschiedener Codes). Eine derartige Elementarisierung kann dazu beitragen, die Werbevorgänge transparenter zu machen. Sie muß allerdings in Einzelinterpretationen jeweils bestätigt werden.
6.
Grundprinzipien der Werbung
Jede Form von Werbung, sofern sie wirksam sein will, muß drei wichtige Prinzipien beachten, die hier als Prinzipien der Auffälligkeit, der Originalität und der Informati ν ität bezeichnet werden sollen. Was ist damit gemeint?
6.1. Auffälligkeit Werbung muß auffallen, sonst bleibt sie von vornherein wirkungslos. Sie muß so beschaffen und piaziert sein, daß sie beachtet wird. Um das zu erreichen, muß sie die jeweils geeigneten und zulässigen Mittel anwenden und ausnutzen: in der Printwerbung (Anzeigen, Plakate, Handzettel, Beilagen u.a.) z.B. die möglichst effektiven drucktechnischen Verfahren der Schrift- und Bildgestaltung und -plazierung, in der audiovisuellen Werbung die wirkungsvollste Text- und Bildregie und Szenengestaltung, auch die Stimm- und Klangwirkungen, in der Außenwerbung (Plakate, Schilder, Leuchtschriften u. ä.) die stilvolle Schrift- und Farbenwahl u.dgl. Auffälligkeit ist jedoch nicht nur auf die äußere Aufmachung der Werbung bezogen. Auch innerhalb der Unzahl von Werbeanzeigen beispielsweise muß sich der Werber durch besondere Tricks in seinen Werbestrategien um besondere Auffälligkeit und Merkwirkung bemühen. Das kann eine Wortspielerei mitunter ebenso bewirken wie eine graphische Besonderheit, eine Rätselhaftigkeit ebenso wie ein besonderer Slogan. Solche Auffälligkeiten sollen besonders die Fähigkeit zur Wiedererinnerung stärken, die bei der Auswahl vieler Angebote die Kaufentscheidung lenken soll. Die amerikanischen Werbefachleute haben die Wichtigkeit dieses Prinzips der Auffälligkeit schon früh erkannt. In der sog. AIDA-Werbeformel (attention + interest + desire + action) haben sie es an die erste Stelle gerückt. Natürlich ergeben sich hierbei auch quantitative und qualitative Grenzen im Bestreben nach möglichst effektiver Auffälligkeit. Sie sind sowohl ökonomischer und rechtlicher Art als auch von der Rücksichtnahme auf den Geschmack und die Aufnahmebereitschaft des angesprochenen Publikums bestimmt. Jeder Werber ist an seine finanziellen Mittel gebunden, die in einem begrenzten Verhältnis zum erwarteten Produktabsatz und -gewinn stehen müssen. Auch kann nicht überall geworben werden, Außenwerbung z.B. hat auch ihre recht-
Informativität
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liehen Grenzen; eine zu marktschreierische Werbekampagne kann leicht zum Verdruß und Widerwillen des Publikums und zur Ablehnung des Werbeobjekts führen.
6.2. Originalität Werbung darf keine Speisekarte sein, die ihre ,Werbeobjekte' als Standardgerichte und die täglich wechselnden Speisen in immer gleichem Rahmen anbietet. In der kaum überblickbaren Vielfalt der Werbeangebote muß der Werbende bedacht sein, seine Werbung möglichst dadurch auffällig zu machen, daß sie sich durch ihre Originalität von anderen Werbungen abhebt. In der Regel geschieht das durch die Wahl einer originellen Werbestrategie in Verbindung mit dem jeweiligen Markenimage. Zwar kann es in der begrenzten Typologie von Werbestrategien (vgl. Kap. 7.2.) auch zu Duplizitäten kommen, was peinlich wäre, wenn es in der gleichen Branche bei sich ähnlichen Produkten geschähe. (Bei politischen Parteien kommt so etwas zuweilen vor.). Jeder Werber von einander ähnlichen Markenartikeln (z.B. Zigaretten, Zahnpasta, Schmerztabletten u. a.) muß daher bestrebt sein, für sein Werbeobjekt (Produkt) eine originäre und originelle Werbestrategie zu finden, die ihm eine beständige Auffälligkeit sichert.
6.3. Informativität Aufgabe jeder Werbung ist es, bestimmte Ziele, Leistungen oder Waren bekannt zu machen, über sie zu informieren und zum Erwerb anzuregen. Das bedingt zunächst, daß in allen Werbeanzeigen und -Sendungen auf das jeweilige Werbeobjekt hingewiesen und seine Funktion gekennzeichnet wird, soweit Bild und Markenname es nicht schon hinreichend kennzeichnen. Das Ausmaß an notwendiger Information wird bei den einzelnen Werbeobjekten verschieden sein. Bei Waschmitteln z.B. wird man nicht deren chemische Zusammensetzung kennzeichnen, da die Hausfrau darauf keinen Wert legt. Bei technischen Geräten hingegen wird man durchaus Angaben über Leistung, Verbrauch, Beschaffenheit usw. bieten, da solche Angaben für den Käufer wichtig und für den Vergleich mit Konkurrenzprodukten notwendig sind.
7.
Werbestrategien
7.1. Die Einordnung der Werbeobjekte in Werbestrategien Werbung, insbesondere Anzeigenwerbung, ist keine katalogartige Darbietung von Waren zur bloßen Bestellung (obwohl Kataloge und Bestellscheine auch zu den Werbemitteln gehören können). Die Anzeigenwerbung, Rundfunk- und Fernsehwerbung sucht vielmehr die Werbeobjekte - der Markenstrategie gemäß - in bestimmte Zusammenhänge einzuordnen und hervorzuheben und dabei zugleich die rational-argumentativen, noch mehr aber die sinnlichen und seelischen Kräfte (Sinne, Phantasien und Wünsche = appeals) direkt oder indirekt auf das jeweilige Werbeobjekt und seine Umgebung zu lenken, um auf diese Weise den Bekanntheitsgrad der Ware zu erhöhen und die Konsumbereitschaft ihr gegenüber zu wecken. Dieser Vorgang einer Situierung der Charakterisierungen ist gelegentlich als das ,Beseelen' des Werbeobjekts bezeichnet worden (so v. M. Beheim-Schwarzbach 1954). Das einzelne Produkt, das im Sinne einer Analogie für alle Waren gleicher Art und Benennung steht, erscheint in Zusammenhängen, die seine (tatsächlichen oder angedichteten) Qualitäten gewissermaßen aktivieren und in einem besonderen Licht erstrahlen lassen. Die Wahl dieser Zusammenhänge, die hier Werbestrategien genannt werden, wird von den Werbebüros in Zusammenarbeit mit den Werbeabteilungen der Firmen sorgfältig überlegt. Bilder und Texte werden jeweils der Werbestrategie angepaßt. Dabei sind viele Varianten möglich, ganz gleich ob sie produktbezogen, senderbezogen oder empfängerbezogen erscheinen. Die auffallendsten seien hier aufgeführt.
7.2. Produktbezogene Werbestrategien 7.2.1. ,Objektive' Darstellung
Die einfachste Form der Marken- und Gestaltungsstrategie, die zudem von den Kritikern der Werbung am ehesten akzeptiert wird, ist die Beschränkung auf die bloße Benennung, bildliche Darstellung und sachliche Kennzeichnung des Werbeobjekts durch Angaben über die tatsächliche Beschaffenheit und Leistung. Solche kataloggemäßen Werbeanzeigen sind vornehmlich im technischen Be-
Produktbezogene Werbestrategien
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reich anzutreffen, weniger bei Massenbedarfsartikeln. Durch die Beschränkung auf bloße Informationen erwecken solche Anzeigen den Eindruck der Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit. Die vorgegebene Sachlichkeit und Objektivität ist allerdings nur selten wirklich vorhanden, denn bereits in der (notwendigen) Auswahl der Angaben liegt oft schon eine Informations- und Interessensteuerung der möglichen Konsumenten. Negative Angaben werden auch hier grundsätzlich verschwiegen. Die Textangaben sind nur selten wertungsfrei. Die mitgelieferten Bilder der Produkte sind zwar meistens gegenstandsgerecht, können aber auch nur Teilaspekte bieten, wobei man sich immer auf Vorzüge beschränken wird. Die Sachlichkeit und vorgebliche Ehrlichkeit ist somit auch das Ergebnis bewußter Überlegungen und geschickter Darstellung.
7.2.2. Idealisierung der Verwendungssituation Eine der beliebtesten Werbestrategien besteht darin, die Verwendung des Werbeobjekts, der Ware, in einer als ideal empfundenen Situation zu zeigen. Da wird beispielsweise eine fröhliche Gesellschaft junger Menschen dargestellt, in der alle die gleichen Zigaretten oder das gleiche Getränk bevorzugen (worauf natürlich in Bild und Text besonders hingewiesen wird). Dabei soll der Eindruck suggeriert werden, daß das jeweilige Werbeobjekt zur ,Idealität' der Situation in entscheidender Weise beiträgt, daß es Fröhlichkeit stimuliert, Jugend und Schönheit verleiht, Anerkennung verschafft usw. In ähnlicher Weise wird in Anzeigen für Reinigungsmittel, Waschmittel, Kosmetika und andere Produkte eine positive Wirkung dargestellt, die allein dem jeweiligen Werbeobjekt zugeschrieben wird. Die Käufer solcher Waren erwarten von ihnen zwar nicht die Fähigkeit zum Nacherleben solcher Situationen, erhoffen aber meistens ähnliche positive Wirkungen und sind leicht geneigt, ihnen mehr als die tatsächliche Leistung zuzusprechen.
7.2.3. Zuordnung positiver Wertungen zum Werbeobjekt Die sprachliche Aufwertung einer Ware durch ihre optimale Charakterisierung gehört zu den einfachsten und ältesten Formen einer solchen .Beseelung'. Die heutige Werbung begnügt sich dabei nicht wie die Reklame in früherer Zeit mit der Zuordnung optimaler Rangprädikate, wie z.B. „erstklassig, prima, (Ia), perfekt" usw., sondern greift eher zu Charakterisierungen, die den Produkten sachlich nicht unmittelbar zugeordnet sind, aber das Empfinden der Konsumenten stärker ansprechen. Meistens handelt es sich dabei um Wertungen aus den Bereichen des Ethischen, des Sozialen, des Hygienischen, des Erotischen, des Ästhetischen, mitunter sogar des Religiösen. Sie führen dazu, daß die Waren durch sie zu Trägern „seelischer Kräfte" werden. Diese .Beseelung' der Waren in der Werbung vermag den suggestiven Charakter und die Gedächtniswirkung vieler Werbevorgänge zu unterstützen. Solche Zuordnungen erfolgen häufig
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Werbestrategien
durch Adjektive mit großer Wertungsbreite, wie etwa gut, wahr, echt, ehrlich, schön, zärtlich, jung, frisch, gesund, natürlich, kostbar, groß, rein, aber auch durch substantivische Attribute, Kompositabildungen, Vergleiche, sogar durch Satzaussagen, wie sie in Slogans u.ä. begegnen. Dafür einige Beispiele: der gute Pott - der beste Pott (Rum); echter Stuyvesandt-Geschmack (Zigaretten); der ehrliche Katalog (Ferientouristik); das einzig wahre Warsteiner (Bier); die schönste Verbindung von Hub und Raum (Opel-Autos), Vellemint reines Pfefferminz zungenzärtlich·, die junge Rama (Margarine); die natürliche Kur mit Sympatovit (Arzneimittel); der große Duft (Badeschaum); Auf Togal ist Verlaß (Arzneimittel); Reyno - wie ein Sonnentag am Meer (Zigaretten); Ariel wäscht nicht nur sauber, sondern rein (Waschmittel). Den sprachlichen Charakterisierungen werden oft entsprechende Bilder zugeordnet, die die sprachlichen Wertungen rechtfertigen sollen: z.B. Blumen und junge Mädchen zu ,junger' Rama. 7.2.4. Einordnung der Ware in fremde Zusammenhänge (story-Strategie) Eine andere Möglichkeit, eine Ware interessant zu machen, besteht darin, ihr eine .Geschichte' (story) anzudichten oder zuzuordnen und ihr so ein bestimmtes Profil oder Image zu geben, das sie von anderen Waren gleicher Art unterscheidet. Insbesondere bei der Werbung für Genußmittel (Zigaretten, Alkoholika u. ä.) lassen sich solche Einordnungen in bestimmte, z. T. sachfremde Entwicklungs- oder Erlebniszusammenhänge beobachten. So dichtet z.B. eine Werbung im Slogan einer Zigarettenmarke (Marlboro) ihr einen Geschmack von Freiheit und Abenteuer an und verbindet die Texte dieser Werbung mit klischeeartigen Wildwest-Bildern einer Cowboy-Romantik. Eine andere Zigarettenmarke wirbt in ihren Anzeigen mit der Repräsentationsfigur (Sekundärsender) eines Tramps, obwohl Markenname {Camel) und Markenzeichen (Kamel) eine andere, aber wahrscheinlich weniger verkaufsattraktive Bildvorstellung assoziieren. Die Werbung für andere Artikel nutzt gern mögliche historische oder andere kulturelle Bilder und Vorstellungen, die sich mit dem Produkt oder der Herstellerfirma verbinden lassen (z.B. 4711 - Kölnisch Wasser; Klosterfrau-Melissengeist; Fürst von Metternich-Sekt; Stroganoff-Wodka usw.). Wieder andere Werber knüpfen bestimmte Bild- und Textvorstellungen an die Ambivalenz des Produktnamens (z.B. Wilkinson-(Ra.sier-) Klingen an Schwertklingen und Ritterleben). An die Ambivalenz des Wortes .begleiten' (Wohin er auch reist, Placido Domingo läßt sich stets von seinem Lieblingsinstrument begleiten.) in der headline einer Werbeanzeige für /îo/ejc-Uhren, die den berühmten Sänger zeigt, knüpft man an, wenn man diese Uhr als ständigen Begleiter meint, obwohl Sinn des Satzes und Bild des Sängers zunächst ein Musikinstrument vermuten lassen. Hier eröffnet der Doppelsinn der Worte .Instrument' und ,begleiten' eine andere Sinnebene als der weitere Wort- und Bildtext.
Produktbezogene Werbestrategien
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7.2.5. Bedeutungsübertragung von Werten auf Waren (Vergleichs- und Übertragungswerbung) Eine ähnliche Werbestrategie besteht darin, daß man nicht das Werbeobjekt selbst in den Bildmittelpunkt rückt, sondern eine andere zumeist gesellschaftlich höher eingeschätzte Vorstellung, mit der das Werbeobjekt verglichen oder gleichgesetzt wird. Die anerkannte Wertschätzung des Gezeigten soll so auf das Werbeobjekt übertragen werden. Eine Anzeige für .Bundeswertpapiere' z.B. wird zu zwei Dritteln mit einem aufgeklapptem Konzertflügel mit einem kleinen Jungen davor ausgefüllt und hat als headline den ambivalenten Satz Bundeswertpapiere bilden, der im folgenden Haupttext u.a. durch die nachstehenden Sätze erläutert wird: Kinder wollen vieles werden. Da ist es gut, wenn Sie Ihre private Begabtenförderung mit Bundeswertpapieren rechtzeitig selber in die Hand nehmen. Die höher eingeschätzte Vorstellung von Bildung überlagert so die Aufforderung zum Wertpapierkauf. Ähnlich, aber anders gelagert, verfährt eine Werbeanzeige für die Mitsubishi-Großlimousine ,Pajero Belvedere', die unter der Schlagzeile Adel verpflichtet das Bild eines Schlosses und des entsprechenden Autos zeigt. Hier soll die Exklusivität der Adelsvorstellung auf das Werbeobjekt übertragen werden, wie auch der leicht ironische Folgetext beweist: Sein edles Design adelt ihr Häuschen auch dann, wenn Sie noch ohne Butler auskommen. 7.2.6. Erotisierung und Sexualisierung der Werbung Seit den 50er Jahren verbindet man häufig bestimmte Werbungen mit knapp bekleideten, halbnackten oder nackten Frauen (seltener mit entsprechenden Männern), auch wenn solche Bilder in keinem sachlichen oder ursächlichen Verhältnis zum Werbeobjekt stehen. Hintergrund solcher Werbungen sind in der Regel tiefenpsychologische Grundsätze über die Wirkung sexueller Triebappelle, nach denen derartige Bilder eine größere Beachtung und Wirksamkeit erreichen sollen. Ein Beispiel einer solchen Blickfangwerbung bietet eine Kamerawerbung von Canon, die über einer Kompaktkamera das Bild einer nackten Frau zeigt, die sich an einen großen Fisch klammert. Daneben steht: Ihr bester Fang" - Eine ähnliche Werbung für Hiltl-Uosen zeigt einen nackten Männerrücken bis zum Oberschenkel und die Inschrift: Hiltl hat beobachtet: Die meisten Frauen schauen zuerst, wie Männerhosen hintenrum sitzen. (Hiltl macht Hosen). 7.2.7. Erfolgs- oder Glücksverheißung Die Verbindung einer Warenanpreisung mit einer Erfolgs- oder Glücksverheißung gehört zu den ältesten Werbestrategien, die schon aus der Zeit der Jahrmarktschreier stammen. In moderner Form ist sie oft mit exotischen Ferienbil-
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Werbestrategien
dem wie Sandstränden unter Palmen u. ä. verbunden. So zeigt eine Werbung von TU1-Reisen eine badende Frau bei Sonnenschein in bläulich klarem Wasser mit dem Text: Sie haben es sich verdient. - In ähnlicher Weise zeigt z.B. eine ß/ibHrger-Bierwerbung unter der Überschrift Paradies auf Erden stilisierte Koralleninseln, die im blauen Meer den Werbeslogan Bitte ein Bit bilden. Hier soll das Südseebild eine analoge Genußwirkung assoziieren.
7.2.8. Rezeptwerbung Verwandt mit den Erfolgsverheißungen sind die Anwendungsrezepte in der Werbung, wie sie vor allem bei rezeptfreien Arzneimitteln u. a. üblich sind. Die Anzeige weist hier auf einen gesundheitlichen Mißstand hin (Schmerz etc.) und seine Beseitigung durch das Werbeobjekt. So heißt es in einer Anzeige, die einen Menschenkopf mit erleuchtetem Gehirn zeigt: Craton Brausetabs. Wenn Gedächtnis und Konzentration nachlassen. Dynamischer ist eine ThomapyrinWerbung, in der es heißt: Packt den Schmerz - Löst ihn auf. Eine andere Tablettenwerbung wirbt mit dem Slogan: Wer Sodbrennen hat, nimmt Talidat und der größer gedruckten Erläuterung: Weil sie weich ist, wirkt sie schnell.
7.2.9. Aura-Werbung Eine beliebte Methode, ein Produkt in ein besseres Licht zu rücken, besteht darin, es mit einer besonders geschätzten Aura zu umgeben. So zeigt z.B. die Νescafé-Werbung ihre neue Kaffeesorte Wiener Melange im Bild eines alten Wiener Kaffeehauses. Diese Produktwerbung soll zugleich, indem sie die Atmosphäre einer Wiener Gemütlichkeit beim Kaffeegenuß suggeriert, die Produktwirkung erhöhen. Die Radeberger-Bier-Werbung prahlt in ähnlicher Weise mit der Nähe zur festlich erleuchteten Semper-Oper in Dresden, die Berliner A"iWe/-Bierwerbung mit dem Brandenburger Tor.
7.2.10. Scheinbare Irreführung Den erwünschten Aufmerk- und Nachdenkeffekt suchen manche Werber dadurch zu erreichen, daß Bild und Text scheinbar divergieren. Das Phänomen ist bereits durch die Werbung mit Frauen in verschiedenen Bekleidungen und Posituren für nichtfrauenbezogene Produkte bekannt. In ganz anderer Weise sucht diesen Effekt eine zweiseitige Werbeanzeige von Toshiba-Notebooks zu erreichen, indem hier scheinbar verschiedene Käsesorten samt Käsemesser gezeigt werden. Die eingefügte Schlagzeile bestärkt zunächst diese Annahme: Soll jetzt keiner sagen, er käme bei uns nicht auf den Geschmack. Erst wenn man in einem Kleindruck des oberen roten Randstreifens liest, daß es sich um eine Auswahl an Notebooks handelt, die Appetit auf mehr machen, und im Haupttext ein kleines Bild eines Notebooks sowie das Logo von intel-inside-
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pentium bemerkt, entdeckt man bei genauerer Betrachtung des Werbebildes, daß die scheinbaren Käsescheiben derart getarnte Gehäuse von Notebooks sind. 7.2.11. Wortspiele und Sprichwörter Bei zahlreichen Werbeanzeigen bildet nicht so sehr das Bild als vielmehr die Schlagzeile den Blickfang, der zugleich durch Wort- und Sprachspielereien zum Nachdenken reizt und so eine Merkwirkung auslöst. So zeigt z.B. eine Werbeanzeige von Deutschlandfunk-Radio ein dunkel abgeblaßtes Bild des Wirtschaftsexperten Rainer Bittermann (mit Brille in der Hand und PC im Hintergrund), auf dessen Sendung der Kleintext verweist, und in größerer weißer Schrift die Schlagzeile: Wissen ist besser als Besserwissen, wobei dieses (rhetorisch chiasmische) Wortspiel das allgemeine Negativurteil über Besserwisserei variiert. - Den umgangssprachlichen Ausdruck ,Flaschen' für mitunter untaugliche Menschen o. ä. verwendet die 7eirapa/:-(Getränketüten-)Werbung mit dem Bild einer Straßenjungen-Fußballmannschaft und der Schlagzeile Flaschen spielen erst gar nicht mit..., die im Haupttext wie folgt fortgesetzt wird: ...die bleiben auf der Reservebank! Das Spiel macht nämlich Tetra-Pak... Diese Werbung wirkt also durch die Doppelbedeutung von ,Flasche' (1. Glasbehälter, 2.Versager). - Auf die volkstümliche Redewendung „Geld (allein) macht nicht glücklich" bezieht sich die LBS-Bausparwerbung, wenn sie ein Bild einer fröhlichen Familie vor einem neuen Eigenheim zeigt und in der darunterstehenden Schlagzeile behauptet: Manchmal macht Geld eben doch glücklich. Zum Beispiel 71200 Mark Förderung fürs eigene Zuhause. Auf die Wirkung einer sprachlichen Verfremdung baut eine Ford-FiestaAutowerbung im anaphorischen und homonymen Dreiklang ihrer headline auf: Viel Klasse. Viel Raum. Feel Good. 7.2.12. Rätselwerbung Auch das Nachdenken über eine rätselartige Wirkung, die nicht sofort argumentativ einsichtig wird, soll einen höheren Einprägungsgrad erreichen. Recht einfach macht es sich dabei eine Michelin-Autoreifenwerbung, die (recht groß) die blaue Teilansicht eines Autoreifens neben einem etwas kleineren stilisierten Rennfahrer bietet, der auf die gelb gedruckte Frage verweist: Was haben 88% aller Sportwagen gemeinsam? Im Haupttext wird dann erläutert, daß 88% aller Sportwagen Michelin-Reifen besitzen. - Eine Lucky Strike-Zigarettenwerbung begnügt sich mit der Abbildung einer geöffneten halbvollen Zigarettenschachtel dieser Marke und der Überschrift: Der kleinste Picknick-Korb der Welt. Der Leser soll hier also vermuten, daß das Rauchen solcher Zigaretten dem Vergnügen eines Picknicks und der Schachtelinhalt demnach dem Inhalt eines Picknickkorbs gleichkommt. - Eine VK4flST£W£/?-Bierwerbung zeigt ein Glas voll Wasser mit einer sich darin auflösenden (Kopfschmerz?-)Tablette und
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Werbestrategien
der darüber stehenden Schlagzeile: Das nächste Mal lieber wieder WARSTEINER. Die Anzeige will suggerieren, daß der Wechsel zu einer anderen Bier(oder Alkohol)sorte offenbar nicht bekömmlich ist. Schwieriger erscheint dagegen die Ravensberger Spiel-Werbung für THINK, die die Abbildung eines Gehirns zeigt, von dem eine (Kalk?)-Schicht abblättert. Darunter steht die Schlagzeile: Entkalker für 72 Mark. Überall wo es Bücher und Spiele gibt. Etwas tiefer erscheint Train your brain. Play Think und die Abbildung einer 77//iVAf-Spiel-Packung. Erst aus den Folgetexten nach dem ersten Bild und der Schlagzeile wird klar, daß es nicht um einen ,Entkalker' für eine Kaffeemaschine oder eine Waschmaschine geht.
7.3. Senderbezogene Werbestrategien 7.3.1. Eigenlob des Werbers (Kommunikators) Ein wichtiges Anliegen vieler Werber ist es, mit der jeweiligen Werbung für ein Produkt zugleich das eigene Ansehen (Image) zu stärken. So heben manche Anzeigen vor allem die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Werbenden hervor. Bevorzugt wird diese Art der Werbung besonders von Banken und Versicherungen. So zeigt z.B. eine Werbeanzeige der Aachener und Münchnener Versicherung nur das Bild einer Männerhand, die eine Frauenhand ergreift. Darüber steht die Überschrift: Mit Sicherheit ein guter Partner. - Die Stuttgarter Versicherung demonstriert ihre Leistungsstärke mit dem grotesken Bild einer Frau, die einen Elefanten hochhebt unter dem Titel: Stark mit der Stuttgarter. - Die Volks -und Raiffeisenbanken zeigen in ihrer Werbung das Bild einer breiten Straße voller Autos und betonen demgegenüber ihre Finanzierungsberatungen unter der Überschrift: Wir machen den Weg frei. - Origineller ist eine F/eíírop-Werbung, die unter dem Titel: Mitten ins Herz via Fleurop einen Bogenschützen (Amor?) mit einer Rose als Pfeil zeigt. 7.3.2. Zitatwerbung (Sekundärsender) Die Verfasser von Werbetexten sind in der Regel nicht festzulegen. Zumeist stammen diese Texte von den Werbeagenturen und werden durch Schauspieler o. a. gesprochen. Wirkungsvoller, weil persönlicher als die anonymen Behauptungen und Konsumaufforderungen der Off-Sprecher klingen Aussprüche bekannter Personen, insbesondere wenn es sich um Figuren des öffentlichen Lebens (Sportler, Schauspieler u.a.) handelt und der Text einen Bezug zum Leben dieser Personen hat. Als ,Sekundärsender' in diesem Sinne gelten auch Spezialisten der einzelnen Branchen (zumeist als solche verkleidete Schauspieler), die entsprechende Ratschläge geben. Mitunter fungieren aber auch unbekannte einfache Konsumenten (bzw. Fotomodelle oder Schauspieler als deren
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Darsteller) als Sekundärsender, weil sie durch die vorgebliche soziale Gleichheit glaubwürdiger wirken. Eine Variante des Konsumenten als Sekundärsender bietet die Wiedergabe witziger oder ambivalenter Zitate durch unterschiedliche Personen in einer Serienwerbung (z.B. für Jägermeister-Likör).
7.4. Empfängerbezogene Werbestrategien 7.4.1. Lob des Adressaten Dem Kunden wegen einer Kaufentscheidung Komplimente zu machen, gehört seit jeher zu den Umgangsformen eifriger Kaufleute. Die Werbung übernimmt gelegentlich diese Taktik. Besonders in der Wasch- und Putzmittelwerbung, wo der Konkurrenzkampf einzelner Produkte um Marktanteile auffallend ist, trifft man auf solche Vorgehensweisen, in denen in Dialogen ein Partner (der metonymisch den künftigen Kunden vertritt) wegen der Verwendung des beworbenen Produkts und seiner Wirkung gelobt wird. (Eine frühere Werbung, in der der Nichtgebrauch des Produkts getadelt wurde, ist inzwischen aufgegeben.)
7.4.2. Imperativ-Werbung Daß der Werbende sein Publikum zu bestimmten Handlungen in der Sprachform des Imperativs auffordert, ist nicht so selten, wie es in der Literatur zur Werbung behauptet wird. Allerdings sind direkte Kaufaufforderungen (z.B. Kaufen Sie x!) als marktschreierisch verpönt. Dafür verwendet die heutige Werbung indirekte, mehr umschreibende Kaufappelle. So heißt es z.B. in einer ComputerWerbung {Intel), die dies mit dem Bild von Hochspannungsleitungen symbolisiert: Bleiben Sie in Verbindung. - Eine Autofirma, die ihren Wagen (Chevrolet Blazer) für Individualisten anpreist, empfiehlt: Tanken Sie Gelassenheit. - Und eine Jeans-Werbung (Joker) fordert in verrätselnder Weise ihre möglichen Kunden auf: Führen Sie Ihrem Körper die wichtigsten Stoffe in ausreichender Menge zu! Erst das beigefügte Bild eines Ausschnitts aus einer Jeanshose läßt ahnen, daß als ,Stoffe' hier Leinen und Zwirn dieser Hose gemeint sind. Die gleiche Firma bietet eine direkte Kaufaufforderung erst nach einer leicht schokkierenden vorangehenden Behauptung: Jede dritte Ehe geht in die Brüche. Holen Sie sich wenigstens die Hose fürs Leben.
7.4.3. Fragenwerbung Den umschreibenden Kaufappellen ähnlich sind die indirekten Aufforderungen in Frageform, hinter denen sich Behauptungen und Aufforderungen zugleich verbergen. Wenn es z.B. in einer Touristikwerbung für Zypern heißt: Wollten Sie nicht schon immer Ihr Leben ändern?, dann versteckt sich hier eine Behaup-
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Werbestrategien
tung (Ja, Sie wollten es!) und ein Angebot (Zypern bietet die Möglichkeit dazu). Der Angebotstext schließt entsprechend wieder mit einer Frage: Wann kommen Sie, um Ihr Leben zu ändern? Das Bild der Anzeige, ein freier Stuhl vor einer antiken Säule, unterstreicht den Einladungscharakter. - Eine Werbeanzeige für Bundeswertpapiere zeigt dagegen im oberen Drittel ein Schwarzweißfoto eines Vogelpaares auf einem Nest, darunter im mittleren Drittel in Großdruck die Frage: Wollen Sie unterm Dach Eigenbedarf anmelden? und im unteren Drittel den Haupttext, der besagt, daß unter Deutschlands Dächern viel Platz zum Ausbau der Dachgeschosse vorhanden sei, daß dessen Finanzierung durch Wertpapiererwerb und -sparen möglich sei und empfohlen wird. Hier appellieren Bild (Nestbau) und Fragetext (Eigenbedarf ist ein aktuelles Fachwort der Wohnraumbewirtschaftung) an das mögliche Erwerbsbedürfnis und provozieren eine Ja-Antwort.
8.
Werbung und Sprache
Sprache ist das wichtigste Medium zur Vermittlung von Werbebotschaften. Die Sprache in der Werbung hat daher das größte Interesse philologischer Arbeiten zur Werbung gefunden. An der Spitze dieser Arbeiten steht noch immer die Untersuchung von Ruth Römer (1968), deren Resultate - obwohl auf der Grundlage von Werbeanzeigen der 60er Jahre gewonnen - weiterhin Gültigkeit besitzen, wenn sie auch durch inzwischen erlangte neue Einsichten aus Soziolinguistik, Pragmatik und Stilistik/Textlinguistik ergänzt werden müssen. Eines der ersten Probleme, die R. Römer diskutiert, betrifft die Stellung der Werbung innerhalb der Gesamtsprache.
8.1. Sprache der Werbung - eine Sondersprache? Die Sprache der meisten Werbetexte wird von den Textern der Werbebüros kreirt; sie könnte somit als eine Sondersprache weniger Benutzer gelten. Soweit sie sich nur an Fachleute (z.B. Techniker, Mediziner u.a.) in Fachzeitschriften wendet und dabei Fachsprachen verwendet, erreicht sie auch einen solchen Status. Mit der Mehrzahl ihrer Texte wendet sie sich aber ein breites, weniger fachgebundenes Publikum, das es durch eine allgemeinverständliche Sprache für die dargebotenen Werbeobjekte zu interessieren gilt. Diese Aufgabe verlangt die Berücksichtigung und Verwendung der allgemeingültigen Schriftsprache oder Standardsprache, allenfalls mit gelegentlichen fachsprachlichen und umgangssprachlichen Einsprengseln. Man kann die Werbung auch nicht ohne weiteres mit der Sprache anderer, informierender Texte gleichsetzen. Das wird bereits deutlich, wenn man die Sprache in solchen Texten, die die Überschrift .Anzeige' tragen, vergleicht mit anderen Texten ihres kontextuellen Zusammenhangs. Abgesehen vom jeweils verschiedenen referentiell-sachlichen Bezug heben sich Werbetexte von anderen Texten ab durch einen anderen Leserbezug, eine andere Art und Dominanz von Sprachhandlungen und einen zumindest teilweise anderen Stil und Wortschatz. R.Römer (1968, 203ff.) macht deutlich, daß die Sprache der Anzeigenwerbung darin „die historische und eine Art soziale Gebundenheit" mit den Sondersprachen teilt, indem sie innerhalb des Bereichs der kapitalistischen Produktions-
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Werbung und Sprache
und Marktwirtschaft von bestimmten historischen Bedingungen abhängig ist; daß sie andererseits aber auch eine Art überzeitliche Sprachform ist, die gewählt wird, um das Denken und Handeln der Menschen, das noch nicht den Intentionen des Sprechers/Senders entspricht, diesen Intentionen anzupassen. Diese überzeitliche Sprache nennt R.Römer .Propagandasprache'. Die Sprache der Werbung erweist sich als „eine zweckbestimmte, von der Alltagssprache zumeist abgehobene, vorwiegend schriftsprachlich geprägte Sprachauswahl mit beschreibenden, anpreisenden und überredenden Funktionen" (Sowinski 1979, 89). Das soll im einzelnen hier aufgewiesen werden.
8.2. Sprachschichten und Sprachregister Zu den Erkenntnissen, die sich innerhalb der Sprachwissenschaft in den letzten Jahrzehnten durchgesetzt haben, gehört, daß die Sprache einer Sprachgemeinschaft, hier etwa die deutsche Sprache, ein differenziertes Gebilde ist, das in seinen Formmerkmalen varietätenlinguistisch nach bestimmten Verwendungsbereichen (allgemeine Verkehrssprache, Alltagssprache, Umgangssprache, Fachsprachen und sonstigen Bereichssprachen), nach geographischen Differenzierungen (regionalen Umgangssprachen, Mischdialekten, Dialekten, Mundarten) und nach sozialen Abgrenzungen (Hoch- und Schriftsprache als Nonnsprache, soziale Codes) gegliedert werden kann. Als Sprachschichten seien im folgenden diese verschiedenen Sprachverwendungsbereiche gemeint, als Sprachregister (einem Begriff aus der englischen Linguistik) vorwiegend stilistische Differenzierungen. Zu beachten ist hierbei, daß Werbetexter bei der Kodierung ihrer Texte meistens darauf bedacht sind, die Prinzipien der Allgemeinverständlichkeit und der besonderen Wirksamkeit miteinander zu verbinden. So wählen sie in der Regel Sprachformen, die nicht oder nur wenig vom allgemeinen Standard abweichen, zugleich aber auch solche, die - soweit dies beabsichtigt ist - bestimmte Schichten und Gruppen ansprechen können. Abweichungen von der Norm der schriftlichen Verkehrssprache weisen in Werbetexten zumeist auf besondere Wirkungsabsichten hin. Beispiele aus den verschiedenen Sprachschichten sollen das verdeutlichen. 8.2.1. Schriftsprachliche Standardnorm Die Schriftsprache mit ihrer Regelhaftigkeit und Allgemeingültigkeit in Satzbau und Wortwahl gilt als Standardnorm mit der höchsten kommunikativen Geltung. Sie wird daher von den meisten Werbeanzeigen bevorzugt, besonders dann, wenn zugleich in möglichst seriöser Weise für einen wertvolles Produkt oder eine besondere Dienstleistung geworben werden soll. Vgl. z.B.:
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Sprachschichten und Sprachregister
Eterna 1935 Ein schönes Stück Zeitgeschichte Dieses legendäre Modell im Stil des Art Deco hat schon in den frühen dreissiger Jahren deutliche Akzente gesetzt. Es besticht noch heute durch seine klare Linienführung, die Prinzipien seiner handwerklichen Verarbeitung und viel Liebe zum Detail. (Uhrenwerbung)
8.2.2. Gehobene (poetische oder preziose) Schriftsprache Mitunter wählen Werbetexter eine gehobene, besonders gewählte Form der Schriftsprache, wie sie etwa in poetischen oder preziösen Texten üblich ist, um so den Wertcharakter ihrer Werbeobjekte zu erhöhen. So bietet eine Autofirma eine zweiseitige Werbeanzeige mit folgendem gedichtähnlichen Text.
Der Himmel reißt auf. Kraftvoll das Licht in den B ä u m e n . Kontraste. Die Sonne malt das Tal in neuen Farben. Alles ist hell, so klar. Harmonie der Sinne. Den kräftigen Geruch der Erde atmen. Die Gedanken gleiten über das Gras. Ein Augenblick - vorüber. Unten im Dorf schlägt die EINE
AUSSTATTUNG;
DIE
DAS
CABRIOFAHREN
ZUM
GENUSS
MACHT
Kirchturmuhr: Später Nachmittag, nicht mehr ELEKTRISCHES
FALTDACH.
LEDERPOLSTER.
BEHEIZBARE
GLAS-HECKSCHEIBE:
weit bis zur Autobahn. Noch ein Blick FAHRER- / BEIFAHRER-AIRBAG. VIER MOTORVARIANTEN.
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Saab Cabrio. Dabei werden die ersten beiden Sätze des Textes graphisch als Schlagzeilen hervorgehoben, der übrige Text wirkt als Haupttext, in dessen letzte Zeilen im Kleindruck sachliche Angaben eingefügt sind. 8.2.3. Lückenhafte Schriftsprache Eine relativ häufig zu beobachtende (stilistische) Erscheinung ist die Konzentration der Anzeigen auf Stichwörter oder elliptische Kurzsätze in einzelnen Textteilen oder im Gesamttext. Durch solche Kurzformen kann der Charakter
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Werbung und Sprache
von Aufzählungen entstehen, der die Wirkung steigert. Mitunter dient dies aber auch der Platzersparnis. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Zypern. Das ist der Reichtum einer über 9000 Jahre alten Kultur. Malerische Dörfer und einsame Buchten, Kirchen und Klöster. Die herzliche Gastfreundschaft unverfälschter Menschen. Ungetrübte Badefreuden an den saubersten Stränden des Mittelmeeres. 340 Sonnentage im Jahr. (Touristikwerbung)
Treibgasfrei One Drop ATEMDUSCHE Das Mundspray Natürliche Frische Ohne Zucker Beugt medizinisch vor (Mundspraywerbung) 8.2.4. Fachsprachliche Texte Neben den allgemein üblichen Satz- und Wortformen der Standardsprache gibt es in den verschiedenen Arbeits-, Berufs- und Standesbereichen Sondersprachen mit eigenen Wort- und Satzformen, die als Fachsprachen bezeichnet werden. Innerhalb solcher Sondersprachen sind noch weitere Differenzierungen möglich. So kann man z.B. in der Fachsprache der Autobranche die Schichten der Konstrukteur- bzw. Wissenschaftssprache, der Verteilersprache und der Werkstattsprache unterscheiden (H.Ischreyt 1965, 200ff.), wobei die Autowerbung häufig auf die Verteilersprache zurückgreift. Natürlich kennen auch die meisten Autokäufer bereits zahlreiche Fachwörter dieser Verteilersprache, wie z.B. die technischen Fachbegriffe Airbag, ABS, computergesteuerte Knautschzone usw. Manche Werbeanzeigen, die sich vor allem an Fachleute wenden, weisen einen beträchtlichen Anteil an Fachwörtern auf und bleiben für Laien kaum verständlich, vgl. z.B.: Die Internet-Technologie hat das Potential, den Geschäftsprozessen und Kundenbeziehungen eine völlig neue Qualität zu verleihen. Intranets und Extranets können die interne und externe Kommunikation entscheidend verbessern. Die Deutsche Telekom bietet Ihnen dazu jetzt ein völlig neues Spektrum an intranet-Services. Der Name für dieses umfassende Programm: T-Intra ... (Telekom-Werbung)
8.2.5. Fremdsprachliche Texte, Textteile und Wörter Eine besondere Form der Expertensprache in der Werbung stellt die Verwendung fremdsprachlicher Texte oder Textteile dar, die beim Rezipienten entsprechende Sprachkenntnisse voraussetzen. Am häufigsten kommen dafür englische Sprachformen in Frage, wobei vor allem Wendungen aus der englischen Alltagskommunikation und Umgangssprache gewählt werden, die mitunter wegen ihrer semantischen Ambivalenz Sprachspiele o.ä. ermöglichen, vgl. z.B.
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Sprachschichten und Sprachregister Take it easy. Das neue Siemens S 6. Wer das Leben leicht nimmt, Icann auch mal was einstecken. Siemens S 6 ... es ist leicht ... (Handy-TelefonWerbung)
Zum Beispiel
das
neue
Werbungen für Philips-Produkte enthalten neuerdings den englischen Slogan Lets make things better, und das Ravensburger Denkspiel Think wirbt mit dem Slogan Train your brain. Play Think. Manche Werbetexte, insbesondere für Computerware und für Waren der Unterhaltungselektronik, bevorzugen im Text zahlreiche englische Wörter für technische Elemente. Hierbei handelt es sich zumeist um Internationalismen, d.h. importiertes international üblich gewordenes Wortgut, das zugleich mit den Waren eingeführt wurde. Mitunter werden Fremdwörter aber auch aus Prestigegründen gewählt, weil man so Weitläufigkeit, Bildung o. a. beweisen will. 8.2.6. Umgangssprache Als weitere Abweichung von der Standard-Sprachnorm (Schriftsprache) kann die ,Umgangssprache' gelten. Man versteht darunter einerseits die Zwischenstufe zwischen der Standardsprache und den Dialekten/Mundarten, andererseits den Zwischenbereich zwischen Standardnorm und Alltagssprache. Die Umgangssprache kann so gegenüber der Hoch-/Schriftsprache eine regionale Färbung und/oder einen defektiven Charakter besitzen. Typische umgangssprachliche Eigenheiten im letzteren Sinne, die in Werbetexten häufig begegnen, sind z.B. Ellipsen, Anakoluthe, Fragewiederholungen, isolierte Satzteile und Kurzsätze, idiomatische Wendungen, Vokalauslassungen, Du- bzw. Ihr-Anreden, Pronomina als selbständige Satzteile. Ellipsen (Auslassungen notwendiger Satzteile): vgl. die obige Zypern-Werbung und One-drop-Werbung
Anakoluthe
(S. 44).
(regelwidrige Satzkonstruktionen):
Ich trinke Jägermeister, Wirtshaus.
weil immer, wenn ich Erwin den Marsch blase, marschiert
er ins
Fragen wiederholungen : Warum wir ein Postsparbuch im Ausland.
Isolierte Satzteile und Krombacher.
Kurzsätze:
Eine Perle der Natur. Mit Felsquellwasser
Sitzen ohne Schwitzen.
Idiomatische
haben? Damit kommen wir bei der Post an unser Geld. Auch
(Postbank-Werbung)
Mit dem Recaro
gebraut.
(Bier-Werbung)
Vent System. In diesem Sitz. (Autositz-Werbung)
Wendungen:
Vitamine sind beim Essen oft eine ausgekochte Sache. Selbst bei bewußt ausgewogener Küche bleiben viele Vitamine auf der Strecke. Schon der Zubereitungsprozeß birgt so
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Werbung und Sprache
manche Vitaminfalle. Viele Menschen kommen auch berufsbedingt an Fast Food oder Kantinenkost nun mal nicht vorbei. Multibionta plus Mineral schützt vor ernährungsbedingtem Vitaminmangel. (Vitamintabletten-Werbung)
Ausdrücke wie ,ausgekochte Sache', .bleiben auf der Strecke', ,birgt ... Vitaminfalle', .kommen ... nun mal nicht vorbei' sind umgangssprachliche Redewendungen, die hochsprachlich auch anders hätten gesagt werden können. Vokalauslassungen
(Apokopen, Synkopen):
Ich seh' schon scharf, was Du nicht siehst (Vailux-Brillenwerbung) Auch wenn's um sensible Themen geht. Unsere Ratschläge haben immer Hand und Fuß. (Apotheken-Werbung) Ob groß und klein - mit 3M läßt sich's kleben. (3M-Klebstoff-Werbung)
Du- bzw.
Ihr-Anreden:
Kompensan ... und Dein Magen mag Dich wieder (Arznei-Werbung) Mach mal Pause - Coca-Cola (früherer Slogan)
Diese vertraulichere Anredeform, die heute in der Werbung seltener geworden ist, weil sie zu aufdringlich wirken kann, findet sich noch häufiger in Werbeanzeigen von Jugend-Zeitschriften (z.B. BRAVO). Pronomina (Demonstrativa,
Relativa) als selbständige
Ford - Die tun was. (Auto-Werbung) Pikant, pikanter, Pikantje van Gouda. Geschmack. (Holland-Käsewerbung)
Der besteht
Satzteile:
die Kaaskunst-Priifung
für
besten
8.2.7. Regionalismen und Dialektizismen Dialekte oder Mundarten besitzen gegenüber der Schriftsprache einen kleineren Kommunikationsradius und weisen zudem in ihrer Umsetzung in die übliche Schriftform für den weniger fachkundigen Rezipienten Leseschwierigkeiten auf. In lokal oder regional begrenzten Werbungen (z. B. Zeitungs- und Plakatwerbungen) wird mitunter jedoch wegen der in Mundarttexten und -Wendungen erfahrbaren Folkloristik, Traditions- und Ortsverbundenheit o.ä. und der größeren exzeptionellen Einprägsamkeit auf solche Einschübe nicht verzichtet, vgl. z.B. Dat Wasser in Kölle is joot! (Werbung der Kölner Wasserwerke) Joot Fründe ston zesamme. (Kölner Kölsch-Bierwerbung)
8.2.8.
Andere Normabweichungen
Umgangssprachlichen und dialektalen Abweichungen ähneln Druck- und Schreibfehler, die bewußt in Texte eingefügt sind. Die dabei entstehenden ,Sprachstolpereien' erzeugen erhöhte Aufmerksamkeits- und Merkeffekte für die jeweilige Werbung.
Sprachhandlungen
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Ein beliebtes Beispiel dieser Art war vor Jahren die Werbung der Münchener Spafón-Brauerei mit der stilisierten Abbildung eines chinesischen Mandarins und der Unterschrift: Laß dil laten: Tlinke Spaten! Hier wurde also das Phänomen der 1/r-Substitution in einigen ostasiatischen Sprachen dazu benutzt, das heimische Publikum rätseln zu lassen über solche Werbung.
8.3. Sprachhandlungen In den 70er Jahren hat sich innerhalb der Sprachwissenschaft nach bzw. neben der syntaktisch-semantisch (vorwiegend generativ) ausgerichteten Systemlinguistik die Erforschung pragmatischer Aspekte der Sprachverwendung entwickelt. Der Grundgedanke dieser neuen Richtung, der von einem Zweig der angelsächsischen Philosophie ausging, ist, daß jede kommunikativ angelegte Sprachverwendung zugleich ein sprachliches Handeln ist, das analysiert und systematisiert werden kann. Bekanntlich erfahren alle sprachlichen Zeichen in bestimmten kontextuellen Äußerungen präzisierende Einschränkungen ihrer allgemeinen lexikalischen Bedeutung. Zu den so entstandenen aktuellen (lokutiven) Bedeutungen der Sprachzeichen treten (verkürzt gesagt) im kommunikativen Sprachvollzug (Sprechakt) handlungsbezogene (illokutive) Bedeutungen hinzu, durch deren Handlungskennzeichnungen aufgrund von jeweils vorhandenen oder einsetzbaren performativen (illokutiven) Verben die Sprechakte charakterisiert und systematisiert werden können. Werbetexte eignen sich als ganze oder in bestimmten Teilen (z.B. Slogans) aufgrund ihrer Intentionen und kommunikativen Absichten gut für derartige Sprechaktanalysen. Auf einer frühen Stufe dieser Theorie hat D.Flader (1972, 341ff.; 1974) anhand von Werbeslogans solche Analysen vorgenommen. Er unterscheidet dabei: 1. Empfehlungshandlungen, 2. Behauptungshandlungen, 3. Präskriptionshandlungen, 4. Versicherungshandlungen, 5. Beurteilungshandlungen, 6. Präsentationshandlungen, 7. Aufforderungshandlungen, 8. Ausdrücke der inneren Sprache, Meinungen. Die vorgenannte Reihenfolge besitzt keine Verbindlichkeit und kann jederzeit geändert werden. Als Empfehlungshandlungen kennzeichnet D.Flader die Slogans, die dem Leser bzw. Hörer ein Werbeobjekt empfehlen, somit eine (begründbare) Auswahlentscheidung nahelegen. Der Sprechakt kann in verschiedenen semantischsyntaktischen Formen realisiert werden, wobei die Intention durch einen Vorsatz „Wir empfehlen Ihnen ..." expliziert werden könnte. Vgl. z.B. RTL-News. Damit Sie mitreden können. (Fernsehsender-Werbung) Ihrem Po zuliebe. (Hakle-Toilettenpapier-Werbung) Freude am Fahren - BMW (Autowerbung) Preiswert und nah - DEVK (Versicherungswerbung)
Werbung und Sprache
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Wie die Beispiele zeigen, könnten manche Slogans pragmatisch auch anders verstanden werden, z.B. BMW (vermittelt) Freude am Fahren als Behauptungshandlung. Behauptungshandlungen suchen den potentiellen Kunden werbewirksam Informationen zu vermitteln, indem über bestimmte Qualitäten der Werbeobjekte Aussagenbehauptungen gemacht werden (etwa: „Wir behaupten, daß ..."), z.B. ODOL gibt sympathischen Atem. (Mundwasser-Werbung) Aus Erfahrung gut - AEG (Küchengerätewerbung) Das Frische an Bayern. (Franziskaner-Bierwerbung)
Präskriptionshandlungen sind bei Flader solche Behauptungshandlungen, die .definitorischen Charakter' haben (Flader 1972,90), also in generellen Sätzen bestimmte Verhaltensweisen gleichsam vorschreiben, vgl. z.B. Männer nehmen Pitralon. (Rasierwasser-Werbung) Die Frau von heute trägt Opal. (Strumpfwerbung)
Da derartige Slogans zu aufdringlich anmuten, werden sie heute oft durch indirekte Präskriptionsaussagen ersetzt, z.B. Weltweit auf Nummer sicher. (Reisescheck-Werbung) Spiegel-Leser wissen mehr. (Magazin-Werbung)
Auch Fladers Versicherungshandlungen sind Behauptungshandlungen, die lediglich durch die Autorität des Behauptenden, der dem Rezipienten etwas zusichert oder verspricht, stärkere Geltung erlangen, vgl. z.B. Rexona läßt Sie nicht im Stich. (Seifenwerbung) Wir machen Millionäre. NKL (Lotteriewerbund) Siemens. - Wir gehören zur Familie. (Elektrogeräte-Werbung) Mit Sicherheit mehr Vergnügen. (Peugeot-Autowerbung)
Eine besondere Form von Behauptungen stellen Fladers Beurteilungshandlungen dar, bei denen es um Qualitätsaussagen im Sinne von Expertenurteilen geht (wobei der Werbende zumeist selbst als Gutachter spricht), vgl. z.B. Strahler-Küsse schmecken besser. (Zahnpastawerbung) Ernte 23 macht das Genießen leicht. (Zigarettenwerbung) Rheinhessenwein - der Wein der Winzer. (Weinwerbung)
Etwas klarer sind dagegen die Präsentationshandlungen zu erfassen, die sich aus Gleichsetzungen von Produktnamen und Qualitätsaussagen ergeben. Natürlich sind auch solche Aussagen letztlich Behauptungen, die sich jedoch von den bisher aufgeführten durch feste Kopplungen unterscheiden, die möglichst lange im Bewußtsein der Kunden haften sollen, z.B. Marlboro - der Geschmack von Freiheit und Abenteuer. Renault - Autos zum Leben. (Autowerbung) König Pilsener - Das König der Biere. (Bierwerbung)
(Zigarettenwerbung)
Sprachhandlungen
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Die in der Werbung einfachsten und wohl auch ältesten Sprachhandlungen sind die Aufforderungshandlungen, die mehr oder weniger Imperativischen Charakter haben, vgl. z.B. Nimm VIM (Reinigungsmittel-Werbung) Trink Brohler und Dir ist wohler. (Mineralwasser-Werbung) Train your brain. Play Think. (Ravensburger Denkspiel-Werbung)
In seiner letzten Gruppe faßt D.Flader (1972) auch die noch übrigen Fälle zusammen, die er als ,Ausdrücke der inneren Sprache' und .Meinungen' bezeichnet. Es handelt sich um Aussagen wie Persil bleibt Persil (Waschmittelwerbung) oder MILDE SORTE aus reiner Lebensfreude (Zigarettenwerbung), wobei unklar bleibt, ob es eine Aussage des Kommunikators oder des Rezipienten sein soll. Ob die von Flader aufgeführten Sprachhandlungstypen ausreichen, um das weite Feld der Werbetexte abzudecken, muß hier offenbleiben und wäre in weiteren Analysen zu klären. Die Festlegung von Sprechakten bei Werbetexten, die diesen bestimmte kommunikative Funktionen zuordnet, erweist sich mitunter als schwierig, sofern mehrere Deutungsmöglichkeiten bestehen. Sie ist auch bei komplexen Texten nicht immer leicht, z.B. bei ,Haupttexten', die oft nach der Hauptintention und mehreren Bedeutungen untersucht werden müssen. Ein kurzes Beispiel möge das verdeutlichen: (Anzeige) (obere Bildhälfte: nachdenklicher Mensch + (Schlagzeile:)) Geschäftsführer M. denkt streng wirtschaftlich (untere Bildhälfte: funktionales Geschäftsgebäude + (Schlagzeile:)) Das hat er nun davon (+Haupttext:) (schwarz:) Ein repräsentatives Firmengebäude, das von Anfang an Kosten spart. Durch schnelle Fertigstellung mit dem rationellen Hebel-Bausystem aus Porenbeton-Elementen, hohe Wärmedämmung und günstige Unterhaltskosten auf Dauer. Selbst Nutzungsänderungen sind mit diesem Bausystem ökonomisch zu realisieren. Ob Bürogebäude oder Lagerhalle. (rot:) Bau mit System.
Die Anzeige gehört zu einer Serie gleichstrukturierter Werbeanzeigen des Webe/-Bausy stems, die jeweils in der oberen Hälfte eine Bauplanung und in der unteren Hälfte die Realisation mit dem Haupttext bieten. Insgesamt enthalten diese Anzeigen als ganze Empfehlungshandlungen. Das Hebel-Bausystem mit Porenbeton-Elementen wird allen Bauwilligen empfohlen. Der Text besteht in seinem Argumentationsteil aus mehreren Behauptungen: 1. Der wirtschaftlich denkende Geschäftsführer schafft sich ein funktionales und repräsentatives Gebäude. 2. Mit Hilfe des //efre/-Bausystems gelingt es ihm, Kosten zu sparen aufgrund schneller Fertigstellung, hoher Wärmedämmung und günstiger Unterhaltskosten auf Dauer. 3. Auch Nutzungsänderungen sind so ökonomisch zu realisieren. Der rotgedruckte Schluß, der einem Slogan ähnelt,
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Werbung und Sprache
kann als Behauptungshandlung (*Hebel-System ist ein Bau mit System), Empfehlungshandlung (*Wir empfehlen Hebel-Bau mit System) und als Aufforderungshandlung (Bau mit System!) aufgefaßt werden. Alle vorgenannten Deutungsmöglichkeiten sind der Gesamtintentention als Empfehlung subsumiert.
8.4. Implikationen und Präsuppositionen Ein anderes semantisch-pragmatisches Problem bilden die Aussagen, die in bestimmten Texten, auch in Werbetexten, vorhanden sind oder vorausgesetzt werden. Werbeanzeigen beruhen oft nicht nur auf den sprachlich geäußerten Propositionsakten (aus Referenzbezug+Prädikationsakt), sondern setzen oft andere Aussagen voraus (präsupponieren sie) oder enthalten auch (implizieren) gleichwahre Aussagen. So setzt ζ. B. der Slogan Bau mit System! einmal voraus, daß es ,Bau' oder ,Bauen' gibt und daß es ,Bau' bzw. ,Bauen mit System' gibt. Es impliziert zudem, daß es neben //ei>e/-Systembau auch andere ,System-Bau'Verfahren gibt (sofern dieser Begriff nicht urheberrechtlich geschützt ist). Solche Präsuppositionen und Implikationen werden bei Texten, insbesondere auch bei Werbetexten, oft vorausgesetzt, was mitunter zu unerfreulichen, u. U. gerichtlichen Konsequenzen führen kann, wenn z.B. damit ein (verbotener) Ausschließlichkeitsanspruch abgeleitet kann (etwa in der Art: Nur X-Fahrräder sind gute Fahrräder). So konnte man ζ. B. vor Jahren auf einem Wahlplakat der FDP mit einem Vorfahrts-Verkehrsschild lesen: Vorfahrt für Vernunft. F.D.P. und daraus folgern, daß diese Partei Vernunft besitzt und andere Parteien nicht. Das Plakat erregte entsprechendes Befremden und wurde später auch nicht mehr verwendet.
8.5. Textstrukturen von Werbeanzeigen Fast alle Werbesendungen und Werbeanzeigen sind textgebunden. Zwar sind Bildwerbungen ohne Text denkbar; die bloße Abbildung eines frisch gezapften Glas' Bier (möglichst noch mit dem .gastronomischen Ikon' des Kondenswassers am Glas) kann an einem heißen Sommertag zum Bierkauf und -genuß verleiten; aber das bleiben wohl seltene Ausnahmen. Schon wenn der Werber aus eigenem Interesse eine Marken- oder Herkunftsangabe hinzufügt und sei es auch nur als Symbol oder als Abkürzung, verwendet er bereits einen Text, selbst wenn ein solcher Kurztext von vielen nicht als Text im herkömmlichen Sinne verstanden wird. Eine solche Anzeige wirbt z.B. für Lagerfeld-Parfüm, wobei sie nur das Bild des Modedesigners sowie eine Parfümflasche zeigt. Auf dem Bildabdruck sowie auf der Flasche findet sich nur der Name Lagerfeld.
Textstrukturen von Werbeanzeigen
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8.5.1. Die Bedeutung von Text und Bild in der Werbung In der Literatur zur Werbung ist es noch immer strittig, ob den bildhaften oder den sprachlichen Elementen bei Werbeanzeigen die größere Wirkung zukommt. Dem chinesischen, auf Konfuzius zurückgehenden Sprichwort gemäß, wonach ein Bild mehr sage als tausend Worte, betonen manche Werbefachleute das Bildhafte, d. h. den optisch erfaßbaren und dementsprechend gestalteten Teil der Werbemittel, also z.B. Illustration, Farbe, Typografie, Layout, besonders, während andere darauf hinweisen, daß Texte dem Bild erst seine Orientierung und Verankerung geben. Werbebilder vermitteln in der Regel recht genaue Informationen über das Aussehen und oft auch über die Verwendung der Waren, bedürfen jedoch der zutreffenden Einordnung in den Werbevorgang und in den Kontext der gesamten Werbestrategie. Diese Stabilisierung wird durch den sprachlichen Text vollzogen. Durch ihn wird ein Bild, das mitunter nur Blickfang ist, in den vorgesehenen Kommunikationsvorgang eingefügt. So kann man - etwas zugespitzt - sagen: Werbebilder können nicht ohne Text auskommen, Werbetexte jedoch auch ohne Bilder, wie etwa die vielen Kleinanzeigen in Zeitschriften und Zeitungen bestätigen. Dabei spielen auch medienspezifische Texte eine Rolle. So kommen Werbesendungen im Rundfunk ebenfalls völlig ohne Bilder aus (wenn man nicht mit ,inneren Bildern' der Zuhörer rechnet), Fernseh- und Kinowerbungen dagegen können nicht auf Bilder (+Text) verzichten. 8.5.2. Textliche Gliederungsformen in Werbeanzeigen Den aus Bildern und Texten bestehenden Werbeanzeigen (und Werbesendungen) kommt in der Warenwerbung die größte Bedeutung zu. Die einzelnen Textelemente dieser Anzeigen und Sendungen erfüllen dabei verschiedene pragmatische Funktionen vom bloßen Hinweisen bis zur Konsumaufforderung. Je nachdem, welche Funktion der Werber innerhalb der Marken- und Werbestrategie für besonders wichtig hält, werden einzelne Textteile hervorgehoben, andere weggelassen. Die Textstruktur einer Anzeige spiegelt so den geplanten Werbungs- und Überzeugungsvorgang des Werbers für das angepriesene Produkt. Dieser Vorgang kann eine unterschiedliche Zahl und Struktur von Textteilen mit variabler Abfolge und Funktion zur Folge haben. Wir begegnen so Anzeigen mit ein, zwei, drei oder mehr Textteilen. Diese Variation ist häufig auch von der Art der Ware abhängig, für die geworben werden soll. Völlig neuartige Produkte oder auch technische Geräte bedürfen ausführlicherer textlicher Kennzeichnungen, während bekannte Waren oft nur mit dem Warennamen, einem Slogan oder einer Empfehlung bzw. Charakterisierung auskommen.
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Werbung und Sprache
Textgliederungen Trotz der Verschiedenheit in den Textstrukturen der Anzeigen lassen sich bestimmte textlinguistische wie auch makrostilistische und mikrostilistische Strukturen ausmachen. Einige Beispiele mögen dies zeigen: Einteilige Texte: Als einteilige Texte seien hier Anzeigen gemeint, die (außer dem Firmennamen und bei Zigaretten dem vorgeschriebenen Gesundheitsgefährdungsrevers) nur eine Texteinheit aufweisen, die als Kennzeichnung, Charakterisierung, Slogan o. ä. dient. In der Gesamtheit der Werbeanzeigen sind einteilige Texte nicht sehr häufig. Sie finden sich dagegen häufig in Kleinanzeigem und auf Plakaten und ähnlich angelegten Anzeigen, so als Anwendungsempfehlung (Bei Schmerzen - Togal), als Slogan (Mit Sicherheit ein guter Partner Aachener und Münchener Versicherungen), (Marlboro. Der Geschmack von Freiheit und Abenteuer) oder als produzentenbezogenes Zitat, das erst durch das Bild verständlich und werbewirksam wird: wir backen's (Griesson Soft Cake, m. Bild von Orangen und Schokoladenkeks). Zweiteilige Texte: Wird z.B. dem Zitat und der Firmenangabe noch ein Slogan o. ä. hinzugefügt, so kann man bereits von einem zweiteiligen Text sprechen. So wirbt z.B. die Modefirma S.Oliver für Sakkos mit dem Bild des Rennfahrers Michael Schumacher und dem Zitat: Vielleicht wird er nicht Weltmeister. Aber wenigstens läuft er nicht rum wie ein Amateur. Das Firmensignet wird hier durch den Slogan Every wear you are ergänzt. Strukturgleich, aber einfacher sind Schlagzeilen und Slogan, wie etwa in der Bier-Werbung von König-Pilsner, die einen sich rasierenden Mann zeigt mit der roten Inschrift: Heute ein König und der subscriptio König-Pilsner. Das König der Biere (wobei der verfremdende Artikel das einen .merkwürdigen' Stolpereffekt bietet). Hier sind auch andere Varianten möglich. So zeigt z.B. eine foricÄe-Werbung ein Foto mit der Draufsicht auf einen Porschewagen von oben mit der Unterschrift unter dem Foto: Informationsmaterial erhalten Sie von Porsche Online: Telefon und Fax 01805 - 356911 und den darunter stehenden Schlagzeilen Leider haben Sie dieses Jahr nur 14 Tage Urlaub / Leider sind alle Flüge ausgebucht / Leider müssen Sie mit dem Auto fahren / Leider? sowie dem Porsche-Signet. Dreiteilige Texte: Die häufigste Textgliederung von Werbeanzeigen ist die Dreiteilung, wobei sich wieder verschiedene Variationen ergeben, z.B.: Schlagzeile (headline) - Haupttext - Slogan: (Schlagzeile:) Unser Solidaritätsbeitrag: 3 Jahre Service frei. [Haupttext] (Slogan:) VERZICHTEN SIE AUF NICHTS (Hyundai-Autowerbung) (Schlagzeile:) Man kann nicht alle städtischen paar. [Haupttext]
Probleme per Knopfdruck
lösen. Aber ein
Textstrukturen von Werbeanzeigen (Slogan:) Umdenken, nehmen)
einsteigen!
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(Busse & Bahnen Verband deutscher Verkehrsunter-
Slogan - zwei Schlagzeilen - Haupttext: (Slogan:) Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause. (Schlagzeile rot:) LBS-lmmobilienwochen: Träume wahr werden. [Haupttext]
(schwarz:) Wie mit 71200 Mark vom Staat Ihre
Zwei Schlagzeilen - Haupttext: Ich seh schon scharf, was Du nicht siehst. (Bild: Brille m. Landschaftsdurchsicht) VARILUX COMFORT Gleitsichtgläser mit Sofort-Schärfe-Effekt. (Bild: Vogelaugen) [Haupttext]
Texttypen Wie in den obigen Beispielen deutlich wurde, lassen sich von ihrer Funktion wie auch von ihrer textlinguistischen und stilistischen Struktur her vier verschiedene Texttypen feststellen: Marken- oder Firmenangabe, Schlagzeile (head-line), Haupttext, Slogan. Sie sollen im folgenden noch etwas näher betrachtet werden. 8.5.3. Marken- und/oder Firmenangabe Die Marken- und/oder Firmenangabe gehört zu den wichtigsten Elementen einer Werbeanzeige oder Werbesendung. Jeder Werber will ja erreichen, daß sein Werbeobjekt besonders auffällt, die hervorgehobene Ware oder Leistung seiner Firma zugeordnet wird. Der Marken- oder Firmenname (oft auch beides) muß daher eine besondere Signalwirkung zeitigen und dementsprechend auffallen. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, z.B. in der Form eines bestimmten Firmensignets, einer Abkürzung, eines graphischen Zeichens o. ä. Innerhalb einer Anzeige werden Waren- und Firmennamen im Layout besonders abgesetzt, als farblich und druckgraphisch auffällige Sonderzeile, als Aufschrift auf der Ware, als Hervorhebung innerhalb des Haupttextes o. ä. Der Auffälligkeitseffekt und die Werbewirksamkeit von Marken- und Firmennamen hängen oft mit ihrem wirtschaftlichen Image zusammen, das sich nicht zuletzt aus der Geschichte der Waren- und Firmen ergibt. Je besser es gelingt, einen wirkungsvollen Markennamen für ein neues qualitätsvolles Produkt zu kreieren, um so größer kann sein Werbeerfolg sein, wie das z.B. durch die Geschichte bestimmter Markennamen oder Firmennamen wie PERSIL (< Perborat+Silikat), SINALCO (< sine alcohol), SU WA (< Sunlicht-Waschmittel). BASF (< Badische Anilin & Soda-Fabrik) bekannt ist (vgl. R.Römer 1968, 66ff.).
Werbung und Sprache
54 8 . 5 . 4 . Die S c h l a g z e i l e
Als Schlagzeile (engl, headline = Kopfzeile, auch: claim) wird die zumeist auffälligste Texteinheit einer Werbeanzeige bezeichnet. Dieser Begriff stammt aus der Journalistik, wo er heute noch üblich ist für die graphisch besonders (groß, dick, unterstrichen o.a.) hervorgehobene Kurzkennzeichnung der Hauptnachricht. Das Wort ist möglicherweise eine Analogiebildung zum älteren ,Schlagwort', womit ursprünglich das Stichwort für den Auftritt eines Schauspielers und später ein Modewort, besonders im politischen Bereich, bezeichnet wurde. Die Zeitungsschlagzeilen sollen „die Aufmerksamkeit auf die folgende Botschaft oder Information lenken ..." und „... kurz und treffend formuliert sein; sie müssen den Kern einer Information oder Botschaft herausstellen, so daß der Leser angereizt wird, weiterzulesen." (Neske/Heuer 1971, 159). Auch die Schlagzeile der Werbung soll (oft neben, unter, über einem Bild) die Aufmerksamkeit des Lesers wecken und auf ihn einwirken (vgl. das attention der AIDA-Formel s. S.30). Im Unterschied aber zur Zeitungsschlagzeile geht es hier seltener um die Zusammenfassung einer Information als um die (mitunter verfremdende) Aufmerksamkeitslenkung möglicher Konsumenten im Sinne der gewählten Werbestrategie. Die Werbetexter suchen die Leser dementsprechend auf unterschiedliche Art und Weise zu fesseln, je nachdem, welche kommunikativen Faktoren oder welche werblichen Funktionen betont werden sollen, welches Produktprofil (Markenbild) gewählt oder welche Werbestrategie bevorzugt wird. Nachstehend sei eine Reihe der geläufigen Anzeigenschlagzeilen aufgeführt: 1.
Einfache Warenbenennung und -Charakterisierung:
ruhrgas (Erdgas) Krombacher - eine Perle der Natur. (Bier) Canon (Fotoapparate)
2.
Besondere Waren- und Leistungscharakterisierung:
Grand Marnier ist ein hinreissender Drink. (Likör) Legale Dopingmittel für müde Leuchten. (Osram-Gliihbirnen) Die Sondermarke für junge Leute. (PRO Sieben-Fernsehen) Der neue BMW-Credit: Fängt gut an, hört gut auf! (BMW-Bank) Langlebigkeit in ihrer schönsten Form. (Viking-Rasenmäher)
3. Besondere Charakterisierungen durch Variationen von Redewendungen, Sprichwörtern und Zitaten: Keiner wäscht weiser. (A£G-Lavamat-Waschmaschine) Kaufen Sie keine Katze im Sack. (Siemens-Gigaset-Telefon) Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Anzeige oder fragen (Mitsubishi-Autos) Gut gebraut Löwe. (Löwenbräu-Bier)
Sie Ihren
Händler.
Textstrukturen von Werbeanzeigen 4.
55
Ambivalente Aussagen:
Ohne Brummis würden wir weniger Kunden anziehen. (Lkw-Fernverkehrswerbung) Das Auto für hohe Tiere. (Citroen-Xantia-Kombi (m. Bild von Hunden versch. Größen)) 5.
Zitate zur Verwendungssituation:
Einmal Oma und zurück. (InterRent-Mietwagen) Ich trinke Jägermeister, weil unter den Blonden der Blauäugige König ist. (JägermeisterKräuterlikör) Neue Heizung? Dann Öl! (Ölheizungen) Tochter Nina will immer ihren Kopf durchsetzen. - Das hat sie nun davon. (HebelFertighaus) 6.
Allgemeine Sentenzen:
Energie muß gespart werden. Das ist Gesetz. (Danform-Thermostaten) Adel verpflichtet. (Mitsubishi-Autos) Geld macht Geld. (Sparkassenwerbung) 7.
Indirekte oder direkte Aufforderungen zum Konsum:
„Mensch, bau mit YTONG!" (JTOiVG-Bausteine) Erleben Sie eine neue Dimension bei der Fotoqualität: Der EPSON Stylus Color 600 mit bis zu 1440 dpi ist da. (EPSCW-Drucker) Komm rüber, die Freiheit ist noch nicht ausverkauft. (Kanada-Tourismuswerbung) Machen Sie keine halben Sachen. (Philipps Elektrorasierer) 8.
Warnung vor Schaden:
Bauen kann Ihren Kopf kosten ... oder deutlich weniger. (Knauf-Baustoffe) Ein Glas Wasser kann Sie den ganzen Urlaub kosten. (Sachs-Filtron-Wasserreiniger) Achtung: Ihr Unternehmen ist in Gefahr. (Microsoft) 9.
Allgemeine Fragen:
Was haben rund 6 Millionen Autofahrer gemeinsam? (HUK-Versicherungen) Erleidet der biologische Kreislauf einen Kollaps? (Müllverbrennungsanlagen) Weshalb Intercity? Deshalb. (Bundesbahn) 10.
Allgemeine Behauptungen:
Fitness beginnt im Kopf. (Cft47O/V-Tabletten) Entfernung ist eine Illusion. (ΛΌ/fM-Telefone) Ein gutes Restaurant erkennt man nicht nur an den Sternen. (Becks Bier) 11.
Zukunftsverheißungen:
Bald beginnt die Bikini-Saison. (Wasa-Knäckebrot) Heute kommt das Programm via Satellit. Morgen auch der Strom. (Daimler-Benz Aerospace)
56 12.
Werbung und Sprache Erinnerungen:
Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als man Musik nur hören konnte? (Apple Multimedia CD EVE) Geschätzt wie seit Kaisers Zeiten. (Hoehl-Sekt) 13.
Wortspiele zum Produktnamen:
Bitte ein Bit (Bitburger Bier); 14.
Gegensätze:
Es gibt Sekt und es gibt Mumm. (Sekt-Werbung); 15.
Produkt und Konsumentenbezeichnung:
Das Auto für hohe Tiere. (Citroën Xantia-Autowerbung) 16.
Umweg-Werbung:
Soll jetzt keiner sagen, er käme bei uns nicht auf den Geschmack. Werbung m. Käsestücken) 17.
H i n w e i s e auf ein sachfremdes Ereignis (mit sachbezogenen Folgerungen):
Die Lehre von Marathon. 18.
(Toshiba Notebook-
(SKF-Kugellager)
Argumentankündigung:
Es gibt drei Gründe, jetzt Investa zu kaufen. (Wertpapierfonds-Werbung) 19.
Hervorhebung eines Arguments:
Es ist Zeit für den Fortschritt beim Zähneputzen. 20.
Widerlegung von Einwänden:
Zwei Cameras Instamatic) 21.
(Aronal-Zahncreme)
zu besitzen
ist kein Snobismus.
Sondern
reine Vernunft. (Kodac Mini
Benennung des Konsumbedarfs:
Herz, Kreislauf und Nerven brauchen mehr Hilfe denn je. (Biovital-Stärkungsmittel) 22.
Direkte Zielgruppenansprache:
Liebe Kaffeetrinker 23.
(Tee-Werbung)
L o b des Konsumenten:
Wer DRUM dreht, hat seinen eigenen Geschmack. 24.
(Tabak-Werbung);
E i g e n l o b des Werbers:
Früher oder später haben Sie Urlaub. Mit uns früher (Deutsche Bahn) Wir machen den Weg frei / Wir bieten mehr als Geld und Zinsen. (Volksbanken)
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Textstrukturen von Werbeanzeigen
25.
Anspielungen auf die Produktverwendung:
Am 11.11. fängt alles an. (Alka-Seltzer-Tabletten) Erdöl kann man essen. (Esso-Erdöl-Werbung)
26.
Kennzeichnung idealer Verwendungssituationen:
Faszinierendes
27.
Leben. Ein großer Scotch gehört dazu. (Ballantine-Whisky)
Fremdsprachige Aufforderungen oder Zitate:
TAKE IT EASY. (Siemens Mobiltelefone) ONLY You (NIVEA-Creme)
28.
Anspielungen auf politische o.a. Aktualitäten:
UNSER SOLIDARITÄTSBEITRAG:
29.
3 JAHRE SERVICE FREI.
(HYUNDAI-Autos)
Verurteilung von .Abweichlern':
Schön blöd, wer ohne Keller baut. (Beton-Werbung)
30.
Verkürzte Aussagen (nur m. Bild verständlich):
Mittendrin
statt nur dabei.
(DSF-Fernsehen)
Die Übersicht, die noch erweitert werden könnte, zeigt, daß es zahlreiche Möglichkeiten gibt, mit Hilfe von Schlagzeilen die Leser zur Lektüre von Anzeigen zu verleiten. Der Kreativität der Werbetexter sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Beobachtet man die Werbeanzeigen über längere Zeit, so entdeckt man auch Wandlungen im Layout und Stil der Schlagzeilen. Während früher in Werbeanzeigen der Slogan graphisch und sprachlich hervorgehoben wurde, so nimmt neuerdings die Schlagzeile diese dominierende Rolle ein. Hierin spiegelt sich eine Schwerpunktverlagerung von einer stärker hörorientierten Werbung, wie sie vor allem durch das Radio bestimmt wurde, das einprägsame Formeln bevorzugte, zu einer stärker sichtbetonten Werbung, wie sie durch Illustrierten-, aber auch durch Film- und Fernsehwerbung begünstigt wird, wobei allerdings die letzteren eigene Textstrukturen aufweisen. 8.5.5. Der Haupttext Die Mehrzahl der Werbeanzeigen bietet neben Warenkennzeichnung, Schlagzeile und Schlußzeile längere oder kürzere Zwischentexte, die die meisten sprachlichen Informationen über die Werbeobjekte oder auch über den Werber enthalten und deshalb hier als Haupttexte bezeichnet werden. Diese Texte sind meistens in kleineren Schrifttypen gedruckt; sie sind also nicht wie Schlagzeilen und Schlußzeilen als Blickfang beim Durchblättern der Illustrierten oder Magazine gedacht, sondern für ein nachdenkendes informierendes Lesen vorgesehen. Die
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Werbung und Sprache
eigentliche Konsumentscheidung oder zumindest die Produktbeachtung soll in der Regel durch diesen Textteil erreicht oder vertieft werden. Es ist daher notwendig, daß dieser Textteil Informationen enthält, die geeignet sind, auf das Konsumverhalten stimulierend und motivierend einzuwirken. In welcher Weise der Haupttext die übrigen Textteile erläutert, soll exemplarisch an einer Anzeige für Vaillant-Heizanlagen verdeutlicht werden: Die Anzeige besteht aus einem Bildbereich mit drei diagonal über die Seite angeordneten Bilderkreisen sowie einem unter dem oberen Kreis angeordneten rechteckigen Textblock mit dem Haupttext. Die unterschiedlich großen Bildkreise sind mit einer kleiner gedruckten schwarzen Überschrift und einer größeren dunkelgrünen Unterschrift versehen. Der links untenstehende kleinste Kreis zeigt ein Sparschwein und trägt den Obertitel Nimmt jeden Pfennig und den Untertitel Sparsam; der etwas größere mittlere Kreis bietet die Teilansicht eines schottischen Trachtenträgers mit der Überschrift Behält jeden Pfennig und der Unterzeile Sparsamer und der größte obere Bildkreis zeigt ein Vaillant-Heizgerät mit der Überschrift Holt jeden Pfennig raus der Thermoblock ecoTec und die Unterschrift Vaillant, die so in der Klimax Sparsam - Sparsamer - Vaillant zugleich die Überschrift für den nachstehenden Haupttext bildet: Schauen Sie bei Ihren Heizkosten auch so gerne auf den Pfennig? Dann sehen Sie sich doch mal den Vaillant Thermoblock ecoTec an. Der heizt mit modernster Brennwerttechnik: Durch die bedeutend bessere Energieausnutzung im Vergleich zu anderen modernen Wärmeerzeugern spart man bis zu 15 % Heizkosten - gegenüber alten Anlagen sogar 30%. Und zusätzlich wird die Umwelt durch besonders schadstoffarme Verbrennung geschont. Möchten Sie mehr wissen? Dann schreiben Sie uns doch. Vaillant. Heizen, Regeln, warmes Wasser. Stichwort: ecoTEC, 42850 Remscheid. Fragen Sie mal den Fachmann.
Der graphisch nicht untergliederte Text besteht inhaltlich aus drei Teilen: einem Einleitungssatz, der Erläuterung des Produkts und seines Spareffekts und der Schlußbemerkung, die wie die Einleitung mit einer rhetorischen Frage eingeleitet wird. Bis auf diesen Schluß, der auf weitere Auskünfte durch die Firma verweist, bietet der Haupttext Angaben zur Heizkostenersparnis, auf die ja bereits in den Bildern und ihren Umschriften hingewiesen wurde. Dabei beschränkt sich der Text nicht nur auf den individuellen Nutzen des Käufers, sondern hebt auch, im Sinne aktueller ökologischer Verantwortung, die Schonung der Umwelt durch die schadstoffarme Verbrennung hervor. 8.5.6. Der Slogan Als letzter, mitunter noch wichtigster Bestandteil einer Werbeanzeige oder Werbesendung (besonders im Rundfunk) soll der Slogan (= Werbespruch) betrachtet werden, der häufig zusammen mit der Waren- oder Firmenkennzeichnung oder allein die Schlußzeile bildet, gelegentlich aber auch am Anfang oder
Textstrukturen von Werbeanzeigen
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an anderer Stelle erscheint, neuerdings zuweilen auch ausgelassen wird. Als Slogan versteht man eine oft formelhaft kurze, graphisch (oder sprecherisch) und bedeutungsmäßig meist isoliert erscheinende Textzeile, die in der Regel längere Zeit benutzt wird, damit diese Aussage und der Produktname bei vielen im Gedächtnis bleiben. Das Wort Slogan entstammt einer schottisch-gälischen Bezeichnung für den Schlachtruf oder die Versammlungslosung der keltischen Krieger und ist über das Englische in unsere Wirtschaftssprache gelangt (so n. R.Römer 1968, 79). Nach Auffassung von Volker Klotz (1963, 102) hat der Slogan trotz der Übersiedlung vom Schlachtfeld auf den Markt „seine indizierende, agitierende oder angreifende Aufgabe behalten". Er soll die Ware kennzeichnen, für sie werben und ihren Namen ins Gedächtnis einhämmern. Die Benennungsübertragung bedeutet aber nicht, daß der Werbeslogan zum kriegerischen Bereich gehört. Wiederholende, oft formelhafte Behauptungen in einprägsamer sprachlicher Form gehörten seit jeher zum Repertoire der Marktschreier und fanden sich auch früher bei Anzeigenwiederholungen in Zeitungen, die für bestimmte Firmen warben. Die eigentliche Zeit des Werbeslogans beginnt jedoch erst mit dem Aufkommen der Markenartikel und dem damit verbundenen Trend zur absatzfördernden differenzierenden Kennzeichnung der Produkte. Seit den 20er Jahren, besonders seit dem Aufkommen des Rundfunks, sind in Deutschland (wie in allen Industriestaaten) Abertausende von Slogans auf die unterschiedlichste Weise gebildet worden, in Versen mit und ohne Reim, als längere oder kürzere Prosasätze, als Satzreduktionen und als Schlagwörter. Manche von ihnen haben - einmal glücklich gefunden - Jahrzehnte überlebt und haften nach ihrer Ablösung noch heute im Gedächtnis älterer Leute (z.B. Mach mal Pause - Coca Cola; Milch macht müde Männer munter; ... und läuft und läuft (VW-Käfer)), andere hatten nur eine kurze Geltungsdauer, wurden oft schon nach einigen Werbeanzeigen abgesetzt, weil sie nicht .ankamen', weil Werbebüro oder Produzent damit nicht zufrieden oder weil sie ohnehin nur für kurze Werbeaktionen vorgesehen waren. In jüngster Zeit scheint der Slogan an Bedeutung verloren zu haben, vielleicht weil er als Textelement überschätzt und überstrapaziert wurde; auch führt der aus Novitätsbedürfnissen üblich gewordene Sorten- und Verpackungswechsel zahlreicher Markenprodukte zum Wechsel in den Werbetexten, dem oft auch der Slogan zum Opfer fällt. Schließlich ist auch dabei zu bedenken, daß die rhetorische Suggestion häufig einer psychologischen Ansprache der Motivationen oder - in bestimmten Bereichen - einer stärker informierenden Werbung Platz macht. Dennoch enthalten noch viele Werbetexte gedächtnisfördernde Slogans, so daß deren Untersuchung noch immer sinnvoll erscheint. Das Interesse der Autoren in der wissenschaftlichen und didaktischen Literatur richtet sich auf Funktion und Stellung des Slogans ebenso wie auf seine rhetorische und sprachliche Form und auf deren pragmatische Bedeutung.
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Werbung und Sprache
Nach V.Klotz (1963, 99) ist jeder Slogan innerhalb der Werbesituation zu sehen, die durch die Trias der kommunikativen Faktoren des Werbenden, des Umworbenen und des zu Erwerbenden (bzw. von Produzent, Konsument, Ware) bestimmt wird. Diese drei Faktoren werden in unterschiedlicher Weise ganz oder teilweise im Slogan wie im übrigen Werbetext berücksichtigt. Der werbende Produzent bzw. seine Werbeagentur bestimmen Text und Modus des Slogans, der sich an mögliche Konsumenten richtet oder die jeweilige Ware oder die Produktionsfirma bekanntmacht oder preist. Die Art der kommunikativen Zuwendung an den Konsumenten kann im Slogan recht verschieden ausfallen, wie D.Flader (1972, 34Iff.) aufgrund von Sprechaktanalysen zahlreicher Slogans festgestellt hat. Recht verschieden kann auch das Verhältnis zwischen Slogan und dem übrigen Text und dem Bild der Anzeige bzw. Sendung sein. Es gibt Slogans, die einen sehr engen Bezug zur Schlagzeile, zum Haupttext und zum Bild haben. Bei anderen fehlt diese Verklammerung. Die Bild-Slogan-Einheit ist oft bei textarmen Anzeigen (meistens ohne Haupttext, oft auch ohne Schlagzeile) anzutreffen, z.B. in der Sekt-Werbung: Henckell-Trocken ... die Welt von ihrer schönsten Seite; Paral stoppt Insekten (Insektizid). Bei textreicheren Anzeigen findet man dagegen auch Slogans, die von den übrigen Textaussagen isoliert erscheinen, entweder weil der Slogan besonders abgehoben und hervorgehoben werden soll oder weil es sich um Serienanzeigen bzw. -Sendungen handelt. So werben z.B. die FORD-Autowerke neuerdings in allen Anzeigen und Sendungen mit dem Slogan: Ford - Die tun was. Welche kommunikativen Funktionen der Slogan jeweils ausübt, muß - wie die Analysen von Flader zeigen - stets im Einzelfall untersucht werden. Man kann jedenfalls nicht - wie H.Plate (1963, 550) - dem Slogan nur die Funktion der .Auslösung' von Kauf- oder Wahlentscheidungen zusprechen (das action der AIDA-Formel, s. S.30), dem Haupttext dagegen nur die Funktion der .Darstellung' und der Schlagzeile nur die Funktion der Herstellung und Einleitung von Kommunikation'. Eher kann man beim Slogan ein .Prinzip der mehrfachen Wirkungsweise' beobachten (so nach Möckelmann/Zander 1970), das es ermöglicht, daß alle notwendigen Grundfunktionen eines Werbetextes durch ihn wahrgenommen werden können. Der Mehrdeutigkeit in der Funktion entspricht die Vielfalt der sprachlichen Formen der Slogangestaltung. Der Sprachform kommt so wegen der angestrebten erhöhten Beachtung der Slogans besondere Bedeutung zu. Erst durch die Sprache gelangt er zur Wirksamkeit, erreicht er höhere Aufmerksamkeit und größeren Erinnerungswert. Das Auffinden wirksamer Slogans war deshalb früher eine besonders wichtige Aufgabe der Werbetexter (zu der mitunter auch ,Laien' eingeladen wurden). Die auffallendsten Stilzüge des Slogans sind sprachliche Kürze und Klarheit. Der Slogan muß kurz sein, wenn er im Gedächtnis haften soll. Er sollte zudem
Textstrukturen von Werbeanzeigen
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keine Zweifel über die Appellfunktion aufkommen lassen, vielmehr die Werbewirksamkeit der übrigen Elemente der Anzeige bzw. Sendung sprachlich verstärken; er sollte also nicht abschweifen oder sich im Unverbindlichen verlieren. Als die wichtigsten Satzformen erweisen sich dementsprechend ganze oder verkürzte Behauptungs- und Aufforderungssätze, in denen Aussagen über das Produkt oder entsprechende Konsumappelle formuliert werden. Bei Slogans in Behauptungssätzen bzw. deren Satzreduktionen fällt auf, daß fast stets Behauptungen mit absolutem Geltungsanspruch gewählt werden. Solche Aussagen sind meist leicht widerlegbar und werden deshalb wegen ihrer unwahren Behauptungen oder Übertreibungen oft kritisiert, scheinen aber gerade durch diesen hyperbolischen (übertreibenden) Charakter besonders suggestiv und nachhaltig zu wirken. Beispiele dieser Art sind: OSRAM - Hell wie der lichte Tag. (Glühbirnen) Miele - die Entscheidung fürs Leben. (Waschmaschinen) Alle Welt wählt Wella. (Haarkosmetik) Bier macht den Durst erst schön. (Bierwerbung) Bauknecht weiß, was Frauen wünschen. (Kühlschränke) MINOLTA - Alles wird gut. (Fotogeräte) Camelia gibt Frauen Sicherheit und Selbstvertrauen. (Damenbinden).
Als Behauptungen können auch elliptisch verkürzte Aussagen gelten, soweit sie als Gleichsetzungen mit fehlender Kopula oder fehlendem Prädikat aufgefaßt werden, z.B.: Der Sekt für Kenner. (Söhnlein-Sekt) Mit Sicherheit mehr Vergnügen. (Peugeot-Autowerbung) Aus Erfahrung gut. (AEG-Hauhaltsgeräte) Velemint. Ihr Pfefferminz.
Der geforderten Klarheit der Slogans scheint die ambivalente Aussagestruktur mancher Slogans zu widersprechen. Erreicht wird eine solche Ambivalenz durch die Verwendung mehrdeutiger Begriffe und Redewendungen oder durch Verkürzungen. Der seit Jahrzehnten übliche Slogan der /ägeme/sier-Kräuterlikörwerbung (Jägermeister - Einer für alle) z.B. kann wörtlich als Aussage über die Eignung dieses Getränks für alle Personen und Gelegenheiten verstanden werden; er kann aber zugleich als Anfang eines bekannten chiastischen Wahlspruchs über Kameradschaft und Treue verstanden werden (Einer für alle, alle für einen) und assoziiert so zugleich einen ethischen Kontext.
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8.6.
Werbung und Sprache
Satzbau
8.6.1. Satzumfang Der Satzbau in Werbetexten wird durch die Erfordernisse der appellativen Kommunikation, insbesondere des Rezeptionsvorgangs und der jeweils verwendeten Medien bestimmt. Autofahrer z.B., die an Plakaten vorbeifahren, haben kaum Zeit, deren Werbebotschaften zu lesen. Ein flüchtiger Blick muß genügen. Plakate bieten deshalb meistens die kürzesten Werbetexte. Aber auch die Leser von Illustriertenwerbung und die Zuschauer bei Fernsehwerbungen sind meistens nicht auf ein längeres Verweilen und aufmerksames Wahrnehmen der Werbetexte eingestellt. Werbetexte müssen deshalb schnell und leicht verstanden werden. Lange Satzgebilde sind dafür wenig geeignet. Bevorzugt werden Kurzsätze mit 1 - 7 Wörtern oder (fast nur im Haupttext) Sätze mittlerer Länge (mit etwa 8 - 2 0 Wörtern), vgl. Sowinski 1979, 103). Kurzsätze finden sich vor allem in Schlagzeilen, Werbeslogans und im Haupttext textarmer Anzeigen. Sie sind aber auch ein beliebtes Stilmittel mancher längeren Werbetexte, um dort das Textbild zwischen längeren Sätzen aufzulockern., vgl. z.B.: Das Anfahr- und Bremsverhalten des neuen R70 läßt sich einfach und bequem jedem Einsatzzweck anpassen. Per ,Hasentaste ' wird er stufenweise flinker, per ,Schildkrötentaste ' wieder sachter. Zu den weiteren Vorzügen des neuen R70 gehört seine optimale Geräuschdämpfung. Viele PKW sind bereits im Leerlauf lauter. Das schont die Nerven des Fahrers und verlängert die Konzentrationsfähigkeit, (aus: Still-Gabelstapler-Werbung)
Der Eindruck von Kurzsätzen wird in Werbetexten oft auch dadurch erreicht, daß wichtige Satzglieder oder Nebensätze verselbständigt, durch Punkte vom Satzganzen getrennt werden (sog. Isolationen oder Nachträge), vgl. z.B.: Viel Klasse. Viel Raum. Feel Good. DER NEUE FIESTA Beliebt, bewundert und heiß begehrt. Jahrelang unser Bestseller. So kennen Sie den Fiesta. Jetzt übertrifft er sich selbst. Der neue Fiesta ist da. In Ausstattung und Komfort eine Klasse für sich. Auf Wunsch gibt es ... (Ford-Autowerbung)
Sätze mittlerer Länge ( 8 - 2 0 Wörtern zwischen zwei Punkten) finden sich vor allem in argumentativen Haupttexten, die sich an ein fachkundiges und gebildetes Publikum wenden, vgl. z.B.: Chancen sehen. Ziele gemeinsam erreichen. Identifikation mit Ihren Zielen ist unser Weg zum gemeinsamen Erfolg. Als eine der führenden Geschäftsbanken konzentrieren wir uns auf die speziellen Anforderungen professioneller Kunden. Und arbeiten wie Sie professionell. Unsere Leistungen in allen nationalen und internationalenFinanzfragen sind so individuell wie Ihre Ziele ... (West LB-Bankenwerbung)
Satzbau
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Lange Sätze (mit über 20 Wörtern in einem (komplexen) Satz) sind in Werbetexten selten. Es erscheint daher ungewöhnlich, wenn gerade eine Wein-Werbung, die bereits in der Schlagzeile die Länge bevorzugt, solche Sätze in ihrem Werbetext verwendet (Wortzahlangaben nachträglich eingefügt. B.S.): Für unseren Rheinhessen-Rivaner würden wir am liebsten Ein neuer Wein macht von sich reden (7). Ein trockener, und feiner Frucht, der in seiner zeitgemäßen leichten Art paßt (22). Es gibt Weinkenner, die diesen Wein als schönste seit langem bezeichnen (14). Der Rivaner: eine neue Wein-Philosophie (5).
einen Weinkeller verlosen (11). frischer Wein mit zarter Säure auch gut zur modernen Küche und wichtigste Wein-Erfindung
Was steckt dahinter? (3) Keine neue Züchtung, keine exotische Rebe, sondern eine neue Art, mit einer altbekannten Rebe umzugehen, geboren aus Neugier und der Bereitschaft, Gewohntes in Frage zu stellen, gepaart mit einer gehörigen Portion Winzer-Know-how (32). Die dem Rivaner zugrunde liegende Rebe ist der Müller-Thurgau, mit etwa gleichem Flächenanteil wie der Rießling eine der wichtigsten Reben Deutschlands (21 ) ... (Rheinhessen-Wein-Werbung)
8.6.2. Satzarten Von den Satzarten überwiegt in allen Anzeigen verständlicherweise der Aussagesatz im Indikativ. Als Hauptform, in die Aussagen über Produkte und Dienstleistungen sowie über die Situation des Konsumenten kodiert werden, ist der Behauptungssatz anzusehen. Alle Werbung bevorzugt Aussagen, die keine Zweifel zulassen sollen. Behauptungen sind noch keine Beweise, bedürfen also der Überprüfbarkeit. Soweit sich solche Aussagen auf die Qualität von Waren beziehen, wird der Rezipient eingeladen, sich selbst davon zu überzeugen. Als eine weitere, den appellativen Texten gemäße Satzform haben Aujforderungssätze zu gelten, wie sie vor allem in Schlagzeilen, Slogans und Anfang und Ende von Haupttexten in Werbeanzeigen oder -Sendungen begegnen. Verkürzte Sätze können dabei oft ambivalent als Aussagesätze oder Aufforderungssätze begriffen werden. Fragesätze kommen in der unilateralen Kommunikation der Werbung, die keine wörtliche Rückantworten kennt, eigentlich nur als rhetorische Fragen' vor, die den angesprochenen Adressaten (Rezipienten) zu besonderer Aufmerksamkeit veranlassen sollen. Lediglich in fiktiven Dialogszenen von Werbeanzeigen und -Sendungen finden sich Antworten auf die gestellten Fragen durch einen anderen Sprecher, wobei diese Antworten meistens Teil der Werbeaussagen oder Werbeempfehlungen sind. Ausrufesätze sind zumeist als gesteigerte (vollständige oder verkürzte) Aussagesätze vor allem in Slogans oder Textanfängen und Textschlüssen anzutreffen. Auch sie dienen der Aussageverstärkung. Als zustimmende Ausrufe von abgebildeten oder eingeschalteten ,Sekundärsendern' zielen sie oft auf Identifikation und gleichartige Zustimmung zum Werbeobjekt.
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Werbung und Sprache
8.7. Der Wortschatz in der Werbung Die Darbietungs- und Reizfunktion in der Werbung, d.h. ihre Tendenz, ihre Werbeobjekte interessant und begehrenswert zu machen, verlangt, daß das Interesse der Kunden außer durch visuelle Reize auch durch Besonderheiten des Wortschatzes in den Werbetexten geweckt wird. Zu den Möglichkeiten, den Wortschatz der Werbetexte zu variieren und zu erweitern, gehören neben Entlehnungen aus Fachsprachen, Fremdsprachen und anderen Sprachbereichen die verschiedenen Formen der Wortbildung. Man unterscheidet dabei Neuschöpfungen, Zusammensetzungen und Zusammenschreibungen sowie Ableitungen. 8.7.1. Wortbildungen Neuschöpfungen Neuschöpfungen sind Neubildungen von Wörtern, die nach ihrer Neueinführung usuell geworden sind, d. h. wiederholt für längere Zeit gebraucht werden. Produktnamen: Die Bezeichnung von Waren mit eigenen Namen ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Ursprünglich wurden Waren nur nach ihrem Gattungsnamen gekauft und verkauft, wie dies ζ. B. in kleinen Geschäften und auf Märkten noch immer geschieht (z.B. ein Pfund Mehl, Bohnen, ein Liter Milch usw.). Die ersten Unterscheidungen innerhalb der Produktgattungen waren wahrscheinlich Herkunftsangebote (z.B. Edamer Käse, Einbecker oder Pilsener Bier, Brüsseler Spitzen usw.), die schließlich zu eigenen Gattungsnamen wurden. Die neueren Produkt- oder Warennamen sind ein Ergebnis der neuzeitlichen Markenartikelfabrikation. Durch einen eigenen Markennamen (und gesonderte Verpackung) kann ein Produkt von einem gleichartigen unterschieden werden. Es erreicht so einen größeren Wiedererkennungs- und Erinnerungswert und einen entsprechenden Verkaufswert. In manchen Branchen ist es inzwischen üblich geworden, daß beim Einkaufen nicht mehr nach der Gattungskennzeichnung, sondern nach dem Markennamen gefragt wird (z.B. bei Waschmitteln, Zigaretten, Getränken usw.). Einher mit der Absicherung von Produkten gegenüber Imitationen durch Patente ging der gesetzliche Schutz von eingetragenen Warenzeichen (seit 1874) und Wortzeichen (seit 1894). Bis 1965 gab es in der Bundesrepublik 251431 inländische und 40918 ausländische eingetragene und somit gesetzlich geschützte Zeichen (Wort- und Bildzeichen, n. R.Römer 1968,59f.). Darunter sind sicher viele längst vergessene Firmen- und Warenzeichen, aber noch manche heute bekannte mit einer eigenen Wirkungsgeschichte, "die oft mit der Wahl des richtigen Namens verknüpft ist." (W. Bongard 1964, 158). Als nichtiger Name' ist hier ein ökonomisch über längere Zeit erfolgreicher Markenname gemeint. Durch ihn wird die Ware gleichsam individualisiert, hebt
Der Wortschatz in der Werbung
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sie sich als ,Markenartikel' von anderen Waren der gleichen Produktgattung ab und tritt mit ihnen in einen Wettbewerb, der durch die Werbung gesteuert wird. Markennamen sind keine Eigennamen wie etwa Familien- und Ortsnamen, aber auch keine Gattungsnamen wie ,Mehl, Zucker, Butter' usw. Von den ersteren unterscheiden sie sich durch die Artikelfähigkeit (z.B. ein VW, eine HB), von den letzteren durch die Firmenbindung, die bei Markennamen erhalten bleibt, auch wenn sie den Käufern von Persil, Golgate, Becel u.a. gar nicht mehr bewußt ist und nur aus der Warenverpackung und -Werbung ersichtlich wird. Es geschieht jedoch im Laufe der Zeit, daß aus dem geschützten Markennamen ein Gattungsname wird, der dann nicht mehr geschützt, vielmehr auch auf andere Waren gleicher Art übertragen werden kann. Das ist z.B. bei den einstigen Markennamen Cellophan, Kölnisch Wasser, Knirps, Leitzordner, Vaseline der Fall; Warennamen wie Tempotücher, Tesafilm, Höhensonne, Starmix sind in der Entwicklung zu Gattungsnamen. Der Bildung von Markennamen liegen verschiedene Prinzipien zugrunde, die ein Sonderkapitel in der deutschen Wortbildung ausmachen. Folgende Benennungstypen kommen hier vor: 1. die Benennung der Waren nach Eigennamen: z.B. nach dem Firmengründer oder -inhaber, z.B. Opel, Ford, Grundig, Neckermann, Rosenthal, Dr.Oetker, Asbach, Bosch, Söhnlein, Henckell, Porsche, Siemens, Diesel u. a. m. Mitunter erscheinen Eigennamen auch in verfremdenden Verkürzungen und Abkürzungen: MM (Matthäus Müller-Sekt), ergee (Strümpfe der Firma E.E.Rössler, früher: Gelenau), elbeo (Strümpfe der Fa. L.Bahner, früher: Oberlungwitz), VW (Volkswagen), AEG (Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft), Agfa (Aktiengesellschaft für Anilinfarben), BASF (Badische Anilinund Sodafabrik), oder nach Vornamen: Mercedes (Name der Tochter des Firmeninhabers), Isabella (früher Auto der Borgward-Werke), oder nach geographischen Namen (ohne kausalen Bezug): Taunus, Granada, Ascona (Autos), Atika, Luxor (Zigaretten), oder nach historischen oder literarischen Namen: Peter Stuyvesandt, Astor (Zigaretten), Puschkin (Wodka). Zwischen diesen scheinbar persönlich motivierten Artikelnamen und den Waren selbst besteht keinerlei Motivationszusammenhang. Es sind auch keine sprechenden Namen', vielmehr wie die meisten Namen willkürliche Setzungen. Erst aus zugefügten Firmennamen ergibt sich oft eine nähere Produktkennzeichnung (z.B. Opel Ascona, Ford Capri, VW Passat, Maggi Hühnersuppe). 2. die Benennung der Waren nach isolierten Wörtern (Simplizia oder Komposita) einer natürlichen (deutschen oder fremden) Sprache, die einen gesellschaftlichen oder exotischen Hochwert des Erlesenen, Seltenen besitzen, der konnotativ auch mit der Ware verbunden werden soll, vgl. z.B. Kult (Seife),
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Werbung und Sprache
Diplomat (Füllfederhalter), Sir (Kosmetika), Prestige (Duftwasser), Lord Extra (Zigaretten), Mon cheri (Pralinen), Krone (Zigaretten) usw. 3. die Benennung von Waren mit Wortneubildungen aus unterschiedlichen Elementen, z.B. Zusammensetzungen bekannter oder fremder Wortteile, Reduzierungen oder Umbildungen bekannter oder wissenschaftlicher Bezeichnungen, exotisch wirkender Neubildungen, Buchstaben-, Silben- und Zahlenkombinationen udgl. Dabei kann ein semantischer Bezug zur Eigenart und Qualität der Ware vorliegen, vermutet werden oder fehlen (vgl. z.B. ATA, IMI, OMO). Wichtig ist besonders die Eindruckswirkung des Namens. Bevorzugte Bildungselemente, die die Mitbedeutung (Konnotation) wissenschaftlicher Zuverlässigkeit signalisieren sollen, sind lateinische und griechische Wort- und Silbenteile. Besonders im pharmazeutisch-medizinischen, hygienischen und kosmetischen Namenbereich begegnen derartige Bildungen häufig. Andere Namen verweisen auf chemische oder technische Zusammenhänge. Namen dieser Gruppen sind: Odol (Mundwasser), biovital (Stärkungsmittel), Sanella (Margarine), Déliai (Sonnenöl), Aspirin, vivimed (Schmerzmittel), Wellaform (Haarpflegemittel), perwoll (Waschmittel), Hostalen (Kunststoff). Prägendes Muster für derartige Kombinationsnamen waren Bildungen wie Persil (seit 1907 aus Perborat und Silikat), Sinalco (aus: sine alcohol), suwa (aus: sunlight-wash), Onko-Kaffee (aus: ohne Koffein). Mitunter begegnen auch Mischungen aus verschiedenen oder aus mehreren gleichartigen Benennungstypen, z.B. buerlecithin (aus: Dr.Buers Lecithin), Tabac Original-Deodorant Spray, blend-a-med-Zahncreme. Produktnamen aus rein deutschen Bildungselementen finden sich seltener, z.B. badedas, duschdas (Bademittel), seiblank (Bohnerwachs), Lebewohl (Hühneraugenpflaster); Kombinationen aus deutschen und fremden Elementen findet man dagegen häufiger: z.B. blankin (Staubtuch), Blendax (Zahncreme), Birkin (Haarwasser). Die knappe Übersicht über typische Beispiele der Markennamengebung zeigt, daß echte Neuschöpfungen aus bisher ungenutzten Lautelementen hier nicht allzu häufig vorkommen. Die vielberufene Kreativität dieser Namengebung (zu der mitunter sogar durch Preisausschreiben u.ä. aufgerufen wird) bezieht sich oft nur auf die geschickte eindrucksvolle Kombination vorhandener Elemente. Andere Neuschöpfungen: Eigennamen werden mitunter auch zu anderen Neubildungen umgeformt, die man auch als Neuschöpfungen ansehen könnte. So wurde z.B. aus dem Produzentennamen Birkel ein neues Verb birkein für die Verwendung bestimmter Nudeln gebildet (analog etwa zu röntgen). Die Neubildung glänzern ist dagegen schon eine Ableitung aus dem Produktnamen Glänzer (+n). Inwieweit sich diese
Der Wortschatz in der Werbung
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und andere Wortbildungen der Werbesprache (z.B. das Adjektiv urig) halten können oder sogar in die Gemeinsprache eindringen, muß abgewartet werden. Selbst die zahlreichen neuen Benennungen der jeweiligen Modefarben sind, auch soweit es sich um Simplizia handelt, keine Neuschöpfungen, sondern Übertragungen (Metaphern) aus anderen Wortbereichen, vgl. z . B . cognac, gift, honig, koralle, lind, antilope, moor, muscat, brandy usw.
bronze,
Zusammensetzungen (Komposita) Zusammensetzungen oder Komposita, die Kombination zweier oder mehrerer selbständig möglicher Wörter oder Wortteile (Lexeme oder Morpheme) zu einem neuen Wort mit spezieller Bedeutung, sind die häufigste Form der Wortbildung in Werbetexten. Komposita kennen zahlreiche Variationsmöglichkeiten und eignen sich so f ü r unterschiedliche Aussagezwecke. Durch sie kann man Aussagen über Sachverhalte und Gegenstände beliebig differenzieren und variieren. Zudem können mit ihrer Hilfe längere Aussagen zusammengefaßt und gehäuft werden. Das Bestreben nach sprachlicher Information s Sammlung wie nach sprachlicher Ökonomie kann so leichter realisiert werden. Wie in den Fachsprachen der Technik und der Verwaltung, so bleiben auch hier die Komposita nicht frei von Aufschwellungen und Überladungen. Bindestriche oder Getrenntschreibungen (nach englischem Vorbild) sollen daher oft die Übersicht erleichtern, mitunter auch das Wort besonders hervorheben. Manchmal sind Komposita auch mit Wortreduktionen verbunden. Komposita können nach der Bildungsweise verschieden gegliedert werden, quantitativ nach der Zahl der Kompositionsglieder, qualitativ nach der Zusammensetzung nach ihren Wortarten; schließlich ist auch eine Bestimmung nach dem Verhältnis der Glieder zueinander möglich (additiv oder determinativ). Die einzelnen Kompositionsarten sind in der Werbesprache unterschiedlich stark vertreten. Anhand einer Auswertung von 104 Komposita aus 10 Anzeigen (aus ,Der Spiegel 16/1997) soll dies einmal exemplarisch verdeutlicht werden. Von den 104 Komposita waren 84 (= 8 1 % ) zweigliedrig, z . B . problemorientiert, Immobilienentwicklung, steueroptimiert, Probefahrt; 17 (= 16%) dreigliedrig, z. B. Leichtmetallfelgen, Beleihungswertermittlung, Bausparkasse; 1 viergliedrig (sofern Zusammenstellungen mit ,und' als Komposita zählen: Boden- und Produktproben), 1 fünfgliedrig (Kontoführungs- und Darlehensgebühren) und 1 siebengliedrig ( M D M Markt-Datenund Medien Service GmbH). Alle Komposita sind Determinativkomposita, d.h. das jeweils hintere Grundglied wird durch das vordere Bestimmungsglied näher bestimmt (determiniert). Aufschlußreich ist auch die Gliederung nach den Wortartelementen der Komposita. Dominierend ist die Kombination Substantiv (Nomen) + Substantiv (NN) sowohl bei den zweigliedrigen Wörtern (65 = 6 3 % ) als auch bei den
Werbung und Sprache
68 dreigliedrigen ( N N N = 10 = 1 0 % ) , vgl. z . B . Geldanlagen, sitze;
Reserveradabdeckung,
Garant-Möbel-Gruppe,
Landesbank,
Leder-
Sekundenbruchteile.
Es
folgen bei den zweigliedrigen K o m p o s i t a die Bildungstypen Substantiv + A d j e k tiv ( N A = 5 ( 5 % ) , z . B . steueroptimiert, = 5, z . B . Düngeempfehlung, altbekannt),
rheinhessisch),
Spendierhosen),
Verb + Substantiv ( V N
A d j e k t i v + A d j e k t i v ( A A = 2, z.B.
A d v e r b + Substantiv ( A d v N = 1, z . B . Hintergedanken),
dreigliedrigen A d j e k t i v + Substantiv + Substantiv ( A N N = 5, z . B . lagen, Hochdruckgebiete),
bei d e n Edelholzein-
Substantiv + A d v e r b + Substantiv ( N A d v N = 1, z . B .
Freitagnachmittag). Ableitungen I m Vergleich zu den zahlreich vertretenen K o m p o s i t a , d i e in den W e r b e t e x t e n d u r c h i m m e r w i e d e r neue K o m b i n a t i o n e n ergänzt w e r d e n , ist dort der Anteil an Ableitungen (Derivaten), d. h. von e i n f a c h e n L e x e m e n mit e i n e m oder m e h r e r e n W o r t b i l d u n g s m o r p h e m e n ( A f f i x e n ) v e r h ä l t n i s m ä ß i g gering. Bei Ableitungen k ö n n e n die W o r t e l e m e n t e nicht beliebig k o m b i n i e r t w e r d e n . Wortschatzerweiterungen sind so an die v o r h a n d e n e n K o m b i n a t i o n s r e g e l n g e b u n d e n u n d daher sehr begrenzt. Mitunter versuchen Werbetexter, durch N e u b i l d u n g e n mit traditionellen W o r t b i l d u n g s e l e m e n t e n a u f z u f a l l e n , vgl. z . B . frischwärts
in einer
( f r ü h e r e n ) C o c a - C o l a w e r b u n g , urig in der Likör- und B i e r w e r b u n g ,
kartoffelig
in der F e r t i g g e r i c h t e w e r b u n g , quakige W e r b u n g , Zahnfleischstraffer
(Freunde
f. F r ö s c h e ) in einer Touristik-
in einer Z a h n c r e m e - W e r b u n g , Bodenpfleger
R e i n i g u n g s m i t t e l w e r b u n g , Renditeknaller
in der
in d e r B a u s p a r w e r b u n g .
Mitunter werden auch neue Ableitungssuffixe gebildet, so etwa -itten (analog zu -etteri) als D r a g e e k e n n z e i c h n u n g : Bronchitten,
Milkitten.
Bei m a n c h e n W o r t b i l d u n g e n ist der Ü b e r g a n g v o m K o m p o s i t u m zur Ableitung fließend, b e s o n d e r s d a n n , w e n n das G r u n d e l e m e n t hier häufig v e r w e n d e t wird und d a b e i seine ursprüngliche B e d e u t u n g allmählich verliert (es entmotiviert oder idiomatisiert wird). D a s ist z . B . bei W ö r t e r n der Fall wie (atmungsaktiv,
bioaktiv,),
-fest (kurvenfest,
tassenfertig),
-frei (störungsfrei),
(unfallsicher,
kurvensicher).
-gerecht
wasserfest),
-fertig
(babygerecht,
-aktiv
(schrankfertig,
bartgerecht),
-sicher
Eine wichtige Rolle, auf die hier n u r verwiesen w e r d e n soll, spielen Ableit u n g s s u f f i x e bei der P r o d u k t n a m e n b i l d u n g .
Dabei
werden
E l e m e n t e bevorzugt, so e t w a -a (Perla,
Suwa, Constructa,
Chromitan),
-in (Birkin, Neo-Silvikrin),
-en (Hostalen,
mat, Saxomat), -on (Pitralon,
Perdiphen),
-matic (Eterna-Matic,
Linde-Abtaumatic),
fremdsprachige
Milka), -ol (Odol,
-an
(Luran,
-mat
(Lava-
Pelikanol),
Dralon).
A u c h fast schon zu Präfixen g e w o r d e n e K o m p o s i t i o n s t e i l e finden sich oft in P r o d u k t n a m e n und anderen Wortbildungen, z . B . all- (Allwaschmittel, reiniger), bildröhre,
edel- (Edelfett,
Edelkirsch),
Großraummöbel),
mikro-
fein-
(Feinkäse,
(mikrosanft,
Feinkost),
Allzweckgroß-
Mikro-Batterien),
(GroßSonder-
Der Wortschatz in der Werbung
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(Sonderpreis, Sonderangebot), Speziai- (Speziaireiniger, spezialverpackt), Spitzen(Spitzenleistung, Spitzensekt), Super- (Super-Deo-Spray, Super-Renditen), ultra(ultrafein, ultramodern), ur- (Urkraft, urgemütlich), voll- (vollaktiv, Vollwaschmittel). 8.7.2. W o r t w a h l Die Sprache der Werbung gelangt als stark zweckbestimmte Sprache vor allem durch die überlegte Wahl der passenden Wörter zur Wirkung. Eine Untersuchung dieser Sprache kann feststellen, welche Wörter hierbei besonders bevorzugt werden und in den Werbetexten häufig zu finden sind. Hier soll ermittelt werden, welche Wortarten und welche hervorhebenden Wortinhalte (ohne Sachund Branchenreferenz) bevorzugt werden. 8.7.3. Wortarten Die in Werbetexten am häufigsten vorkommende Wortart ist das Substantiv. Das entspricht nicht nur der heutigen Tendenz zum Nominalstil in Politik, Wirtschaft und Verwaltung, sondern ergibt sich aus den Funktionen der Werbetexte. Durch Substantive werden die Werbeobjekte ebenso wie ihre Eigenschaften und ihre Umwelt benannt und gekennzeichnet, manchmal sogar unter Verzicht auf andere Wortarten. Der Anteil der Substantive kann so in den Werbeanzeigen unterschiedlich groß sein. Substantive sind besonders zahlreich in Anzeigen mit wirtschaftlichen und technischen Erläuterungen, Aufzählungen von Besonderheiten und Kennzeichnungen von Vorzügen in Stichworten. Weniger häufig sind sie dagegen in erzählenden und ausmalenden Texten anzutreffen. Die zweitwichtigste und zweithäufigste Wortart ist das Adjektiv. Durch seine charakterisierende und wertende Funktion ist es unerläßlich, wenn es um das Anpreisen und Hervorheben der Vorzüge von Waren und Dienstleistungen geht. Dabei beschränkt sich die heutige Werbung nicht nur auf einfache Adjektive, sondern bevorzugt immer häufiger Dopplungen oder Erweiterungen von Adjektiven oder Adjektivkomposita (ζ. Β .fruchtig-frisch, wirklich elegant, extra-leicht, hautmild, klassisch-grün). Gegenüber dem Substantiv ist das Adjektiv zudem vielseitiger verwendbar: als Attribut zum Substantiv, als Prädikativ, als Adverb und als alleinstehendes Attribut oder als substantiviertes Adjektiv, vgl. z.B. Uerdinger - mildwürziger
Klarer, der mildwürzige
würzig, Ihr Mild-Würziger
unter den Klaren - Uerdinger
Klare - Uerdinger, Uerdinger - mild(Kornbranntwein).
Nur eine begrenzte Zahl von Substantiven (rd. 40 %) ist in den Werbetexten mit attributiven Adjektiven verbunden. Sie gewinnen durch das Adjektiv einen höheren Aussagewert. Eine besondere Sprachwirkung entsteht durch metaphorische Adjektivzuordnung (sog. Hypallage oder Enallage), bei der Adjektive aus einem anderen
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Werbung und Sprache
(zutreffenden) Bezugsverhältnis in ein neues (eigentlich unpassendes) Bezugsverhältnis gebracht werden, vgl. z.B. die wilde Frische von Lemonen Fa-Seife (ursprünglich: die Frische von wilden Lemonen), ähnlich: selbstbewußter Geschmack; anschmiegsam mild; graciöse cigarette; knuspriges Kaffeekränzchen (B ahlsen-Gebäck). Das Verb erscheint in der Häufigkeit erst an dritter Stelle. Das erklärt sich aus dem überwiegend statischen und oft elliptischen Charakter vieler Werbeanzeigen und der damit verbundenen Dominanz des Nominalstils. Verben begegnen in Werbetexten vornehmlich in Aufforderungen an den Konsumenten, in Aussagen über die Wirkweise des Produkts oder über Vorgänge der beschriebenen Situation und in Selbstaussagen des Kommunikators (vgl. z.B. Fisch Dir Norda raus! Wir fischen selbst. Damit Sie wissen, was Sie kaufen. (NordaFischprodukte). Mitunter soll durch auffallende oder neugebildete Verben die Werbewirkung gesteigert werden, vgl. z.B. Pfingsten kimmt (KIM-Zigaretten); LIFT zischt den atemlosen Durst weg (Getränkewerbung); Snicker Dir einen von Snickers (Süßwarenwerbung); Birkein Sie auch ? (NudelWerbung); Haben Sie heute schon geschweppt? (Getränkewerbung).
Alle anderen Wortarten werden in Werbetexten nur selten zur Wirkungssteigerung herangezogen, vgl. z.B. die ungewöhnliche Adverbbildungfrischwärts in der einstigen Coca-Co/a-Werbung. Durch die Isolierung von präpositionalen Wendungen zu scheinbar selbständigen Sätzen wird auch die Wirkung von Präpositionen hervorgehoben, vgl. z.B. Philips hat das richtige Programm. Für jeden Zweck das richtige Modell. Für das Schlafzimmer genauso wie für das Kinderzimmer. Für den Schreibtisch oder für das Bücherregal
Auch in Wiederholungen kann die Aussage von Partikeln gesteigert werden (vgl. z.B. Quartzuhren von einem Quartzspezialisten. Aber Sie haben mehr: Mehr-Beratung. Mehr-Auswahl und Mehr-Service ... Selbst in der Wahl des zugehörigen Artikelpronomens kann durch Abweichungen ein zusätzlicher Aufmerksamkeitseffekt erreicht werden, vgl. z.B. König-Pilsner. Das König der Biere. 8.7.4. Schlüsselwörter Bestimmte häufig gebrauchte Wörter, deren Inhalt gleichsam programmatischen Charakter hat, werden als Schlüsselwörter' bezeichnet (s. R.Römer 1968, 13Iff.; H. D.Zimmermann 1969). Auch in Werbetexten gibt es solche Schlüsseloder Reizwörter, „die eine Schlüsselstellung im Gedanken- und Sprachfeld der Werbung einnehmen." (R.Römer 1968, 133). Sie dienen der kommerziellen Argumentation und „zeigen an, welche Gedankengänge den Menschen in jenen
Der Wortschatz in der Werbung
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Ländern, wo die Werbung blüht, sympathisch, welche Vorstellungen erwünscht scheinen; mit welchen Versprechungen die Werbung, die ja Erfahrungen aus mindestens einem Jahrhundert aufzuweisen hat, den Konsum steigern zu können glaubt." (R.Römer ebd.). Es handelt sich dabei in der Regel um Wörter, die das vorgestellte Produkt bzw. die angepriesene Dienstleistung im Rahmen der gewählten Marken- und Gestaltungsstrategie (s. S. 13) in einen Sinnzusammenhang mit bestimmten Wert- oder Zielvorstellungen bringen. R.Römer bringt dafür eine Reihe von Beispielen aus den von ihr ausgewerteten Anzeigen der Jahre 1961-1965, so u.a. die Wörter: befreit,
frei
von, Bequemlichkeit,
erstaunlich, Europa, europäisch, Genuß, genießen, Gesundheit, jung, Kenner, Kombination, besondere,
biologisch,
deutsch,
Erfahrung,
gesund, sich gönnen, groß, Heim-, individuell, Komposition,
mehr Note,
rein, Reinheit, schön, Schönheit, Schutz, schützen, Sicherheit,
Son-
Natur, natürlich,
komponiert,
Frische,
Individualität,
leisten, Leistung,
nen·, Vernunft, vernünftig,
kombiniert,
erfahren,
erfrischen,
neu, noch nie, noch nicht, nie zuvor,
als, noch mehr, modern, persönliche,
bequem,
Forschung, Fortschritt, fortschrittlich,
Vitamin, Welt, Wert, wertvoll,
Wissenschaft,
wissenschaftlich.
Soweit es sich hierbei nicht um bloße Steigerungswörter handelt, haben wir es hier vornehmlich mit Kernbegriffen der Konsumideologie zu tun oder entsprechenden Alibi- oder Verweiswörtern, die Werbeobjekte aufwerten sollen (s. u.), z.B. Europa, wissenschaftlich. Fast alle diese Schlüsselwörter sind heute, eine Generation später, noch in der Werbung geläufig; das zeigt, wie beständig die hier signalisierte Vorstellungswelt ist. Allerdings sind heute weitere Schlüsselwörter in der Werbung Mode geworden, z.B. Abenteuer, Chance, Design, echt, edel, Energie, Erfolg, Geschmack, Gewinn, gewinnen, global, helfen, Hilfe, Information, Innovation, know-how, Kraft, Kreativität, Leben, Lust, ökonomisch, ökologisch, Pflege, Qualität, Service, Technologie, Umwelt, Vergnügen, Zukunft.
Mitunter werden bisherige Schlüsselwörter auch negiert oder abgewandelt, um Steigerungen zu erreichen, z.B. wenn der Begriff ,Natur' dem der Natürlichkeit' weichen soll, weil bestimmte Kosmetika die ,Natur' verbessern sollen (vgl. z.B. Entscheiden Sie sich für Natur oder Natürlichkeit. Maquimat. Lancôme Kosmetik Paris). Neben den häufig gebrauchten Schlüsselwörtern führt R.Römer auch verschiedene bevorzugte Bild- und Vorstellungsbereiche auf, die einen ähnlichen leitbildartigen Charakter haben, ohne auf bestimmte Wörter fixiert zu sein, vielmehr unterschiedliche Wörter mit gleicher Funktion verwenden. Zu diesen dominanten Bereichen zählt R. Römer die Exotik mit fremden Namen, Länderund Völkerbezeichnungen, ζ. B. Kaba, der Plantagentrank, Tschibo-Kajfee u. ä., die Erotik mit ihrer reichen Sexualsymbolik und ihren zahlreichen sexuellen Anspielungen und Abbildungen. Hier wird auch auf die Versuche des Tiefen-
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Werbung und Sprache
Psychologen Ernest Dichter (s. S. 15) verwiesen, Waren und ihren Symbolen Geschlechtskategorien zuzuordnen. Beispiele mit erotischer Tendenz wären z.B. die Slogans und Schlagzeilen Strahler-Küsse schmecken besser (Zahncreme), Puschkin - für harte Männer (Wodka), Machen Sie Ihren Po zur Kuss-Zone (Toilettenpapier), Für das Beste im Mann (Gillette-Rasierwasser), siar - aufregend weiblich (Deodorant). Häufig finden sich erotische Anspielungen auch im Haupttext, noch häufiger in Werbebildern. Als weitere Leitbildbereiche wären zu nennen: Gesellschaftliches Ansehen durch Darstellung und Beschreibung von Leitbildfiguren, Verhaltensregeln, Erfolgsverweise, Schmeicheleien; ferner Elitebewußtsein mit den zentralen Wörtern anspruchsvoll, Elite, Erfolg, Herr, Welt, Prestige, Ansehen, exklusiv u.ä.; schließlich - damit verbunden - auch der Snobismus (snob appeal) mit der Betonung des Besonderen, Außergewöhnlichen, Bevorzugten, Geschmackvollen, Abweichenden u. ä. Die vorstehenden Beispiele zeigen, wie sehr die Schlüsselwörter und Leitbilder der Werbung den jeweiligen Werbestrategien entsprechend an gesellschaftliche Erwartungshaltungen gebunden sind, solche aber auch mitunter erst durch die Werbung produziert werden. 8.7.5. Semantische Aufwertungen Als ein weiterer Sonderbereich im Wortschatz der Werbesprache werden seit R.Römers Untersuchung (1968, 81ff.) die ,semantischen Aufwertungen' angesehen. Man versteht darunter, "daß von den angebotenen Waren mit Worten gesprochen wird, die bei einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Wort und Sache nicht gewählt würden. Die Gegenstände werden mit der Sprache aufgewertet. Sie werden in der Hierarchie der Werte, die in der Sprache beschlossen ist, um eine oder mehrere Stufen heraufgerückt." Die Sprache der Werbung bevorzugt zumeist eine gehobene Ausdrucksweise, die sich von der alltagssprachlichen Kommunikation deutlich unterscheidet, auch wenn mitunter umgangssprachliche Wendungen einbezogen werden (vgl. S.45). Dabei gibt es bestimmte formale und inhaltliche Faktoren und Elemente, durch die eine zusätzliche ,Aufwertung' bewirkt wird. R.Römer nennt folgende sechs Möglichkeiten: 1. steigernde Komposition, 2. Entkonkretisierung, 3. Aufwertende Appellative, 4. Benennung der Waren mit Hochwertwörtern, 5. Charakterisierung durch hochwertende oder superlativische Adjektive, 6. Superlativ, Komparativ, Elativ. Im einzelnen seien dazu nachstehende Erläuterungen geboten: 1. Steigernde Komposition: Diese Möglichkeit, die eigentlich noch in den Bereich der Wortbildung gehört, wird realisiert durch Steigerungsmorpheme wie steigernde Präfixe, Substantive und Adjektive, die wertenden, wertneutralen oder nur quantitierenden Charakter haben können, in Kompositionen der Werbesprache allerdings meistens wertend wirken sollen. Derartige Steigerungsmorpheme sind:
Der Wortschatz in der Werbung
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aktiv-: Aktiv-Puder (Klosterfrau). Wasch-Aktivum-Saptil, Aktivstoff (Haarwasser), all-: Allwaschmittel, Allgasherd, All-Wasch-Automatik (Bauknecht), Allradantrieb doppel(t)-: Doppelbeutel (Teefix), Doppelpackung, Doppelpaket (Omo), doppelt bekömmlich (Kaffee Hag), edel-: Edelfett (Biskin), Edelhartwachs (seiblank), Edelkirsch (Likör), Familien-: Familienpackung, Familientube, fein-: Feinkäse (Adler), Nudelfeingericht (Birkel), feingeräuchert, groß-: Großbildröhre, Großraumgerät, Großformat, Großpackung, hoch-: hocharomatisch, hochwertig, hochelegant, hochmodern, Hochleistungsgerät, Luxus-: Brillant-Luxus-Gefrierschrank (Neckermann), Luxusherd (HomannMaytag), Marken-: Markenbutter, Markenkraftstoff, Mikro-: Mikro-Chromstahl (Gillette-Rasierklinge), mikrosanft (Telefunken), Original-: Originalflasche, Originalpreis, original Eau de Cologne, Riesen-: Riesen-Waschkraft (Weißer Riese-Waschmittel), Riesenpaket (Omo), Sonder-: Sonderleistung, Sonderangebot, Sonderpreis, Sonderausgabe, Speziai-: Spezial-Wollwaschmittel, Spezialkur, Spezial-Service, Spezialanfertigung, Spitzen-: Spitzenklasse, Spitzenmarke, Spitzenleistung, Super-: superflache Taschenrechner, Super-Electronic-Stereogerät, SuperRenditen, superleicht, superelastisch, Traum-: Traumherd (AEG), Traum-Rasur (Gillette), Traumauto, Traumurlaub, ultra-: ultrafein, ultramodern, ur-: urgesund, Urpils, Urkraft, urig, voll-: vollsynthetisch, Vollschaumbad, Vollwaschmittel, vollmundig, Welt-: Weltklasse, Weltmarke, weltweit, Welt-Neuheit. Neben diesen bereits überwiegend bei R.Römer (1968) aufgeführten Beispielen begegnen heute weitere Steigerungsmorpheme, wie z.B. extra- (extrafein, Extraanfertigung, Extrapreis), multi- (Multivitaminpräparat, Multibionta), natur(naturecht, Naturkäsescheiben), intensiv- (Intensivkur, Intensivwirkung), plus: Ciabin plus; K-Plus-Energie-Gewinn-Glas. 2. Entkonkretisierung: R.Römer (ebd.) versteht darunter das Abgehen von bisherigen konkreten Bezeichnungen zugunsten bestimmter Abstrakta oder anderer Konkreta mit höherem Eindruckswert, also z.B. die Ersetzung von Zahnpasta durch Zahncreme oder gar Zahnkosmetik. Beliebte Ersatzformen sind Bad für Bademittel (Sunja - das große Bad), Glanz für Bohnerwachs (tuklar-Glanz v. Thompson), Kosmetik für Haarwaschmittel oder Hautsprays oder Seifen, Kultur für Bademittel (ja-bad-Badekultur), Kur für Schuppenmittel (crisan-Kompaktkur, Balsam-Kur), Pflege für Fußboden-Bohnern (gliz), Natur für Obstzusätze (reine Natur in jedem Glas - Eckes-Kirschwasser) u. a. m.
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Werbung und Sprache
3. Aufwertende Appellative: Hier geht es weniger um Ersetzungen von Konkretem durch Abstrakteres, sondern um Euphemisierungen durch angesehenere Bezeichnungen, die oft Vorstellungen von größerer Ausdehnung, Wirkung oder Leistung versprechen (vgl. z.B. Imbißhalle für Würstchenbude!-kiosk), Waschaktivum für Waschpulver, Putzimpfung für Zähneputzen (Gibb fluor) u.ä.). 4. Benennung der Waren mit Hochwertwörtern: Hier geht es um die semantischen Dimensionen vieler Produktnamen aus gesellschaftlich angesehenen Namenbereichen wie Poesie, Mythologie, Adel, Hierarchien, Kultur, Geschichte, z.B. Lord Extra, Krone (Zigaretten), Admiral, Commodore, Consul, Prinz (PKW-Namen), Fürst von Metternich (Sekt), Fürst Bismarck (Kornbranntwein), Puschkin (Wodka), Goethe-Wein, Sir (Rasierwasser), Diplomat (Füllhalter), Kult (Seife), Orangennektar (Fruchtsaft), Brillant (Kühlschrank) u . a . m . 5. Charakterisierung durch hochwertende oder superlativische Adjektive: Hier gibt es sehr viele Möglichkeiten der Warencharakterisierung, auf die an anderer Stelle schon teilweise hingewiesen wurde. Unter der Vielzahl der adjektivischen oder adverbial aufwertenden Kennzeichnungen von Markenartikeln seien nur einige hervorgehoben, z.B. die Charakterisierungen durch ,echt' (die aufgrund der gesetzlichen Ausschließung von Nachahmungen eigentlich überflüssig sind): Echt Klosterfrau-Melissengeist, Echt Stonsdorfer, Echt Kölnisch Wasser; gut: der gute Pott - der beste Pott (Rum), außergewöhnlich gut (Heinrich Dry Gin); AEGAus Erfahrung gut; ideal: ideale Pflege (Palmolive-Seife), Déliai bräunt ideal (Sonnenöl)\ klassisch: Dry Sack der klassische Sherry, Heinrich Dry Gin ist von klassischer Klarheit; rassig: rassige Eleganz (Henkell-Sekt), aus rassigen Weinen (Langenbach-Sekt)', vollendet: vollendeter Genuß (Peer Export-Zigarette), vollendet reiner Duft (Lohse Eau de Cologne)', vollkommen: vollkommener Kaffee (Onko-Kaffee), vollkommener Genuß; wunderbar: Jakobs Kaffee wunderbar; wunderbar vollmundig (Schwarzer Kater-Likör).
Abschließend seien noch einige Beispiele aus neuerer Werbung erwähnt: abenteuerlich: abenteuerlich mild im Geschmack - Jim Beam-Whisky\ aktiv: aktive Sonnenkosmetik - delial·, aufregend: aufregend bittersüß - Cynar Aperitif; bewährt: der bewährte Wundschnellverband - Hansaplasf, herrlich: herrlich interessant - Martini; herrliche Abenteuer in Langnese-Eis; vernünftig: vernünftige Unterhaltungskosten - Peugeot 504; wahr: Der wahre Glanz eines guten Schuhs - Dorndorf.
6. Superlativ, Komparativ, Elativ: Die der Werbung eigene Tendenz zur Steigerung und Übertreibung der Aussagen über die Werbeobjekte fand und findet noch immer wirksamen Ausdruck in den grammatischen Steigerungsformen der Adjektive. Als Möglichkeiten kommen dabei in Frage: der Superlativ, der be-
Der Wortschatz in der Werbung
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stimmte Artikel in demonstrativer Funktion, sinngemäße superlativische Ausdrücke, der Komparativ (oft ohne Vergleich), der Elativ (absoluter Superlativ). Die Superlativwerbung ist, soweit sie Alleinstellungs- oder vergleichende Werbung ist, einigen gesetzlichen Einschränkungen unterworfen. So versuchen die Werbetexter diese Schwierigkeiten durch manche sprachliche Tricks zu umgehen, indem sie z.B. superlativische Äußerungen .Sekundärsendern' in den Mund legen oder andere Steigerungsformen benutzen, etwa den Elativ, der keine Vergleichsformen verträgt (ζ. B. Ernte 23 von höchster Reinheit; Eduscho-Kaffee - höchste Qualität zu günstigen Preisen). Mitunter begegnen auch echte Superlative, soweit sie juristisch nicht angefochten werden können oder ihre Aussage nachweisbar ist: PAN AMERICAN - die erfahrenste Fluggesellschaft der Welt; Das beste Persil, das es je gab. Eine Alleinstellungswerbung mit superlativischer Wirkung kann auch durch den Gebrauch des bestimmten Artikels erreicht werden, vgl. z.B. Der Sherry, der einen Namen hat (Dry Sack Sherry); Die Alternative zum Wohlstandsbarock: Holz + Draht (Holzwerbung). Häufiger bevorzugen Werbetexter den Komparativ, meistens ohne Bezugsoder Vergleichsgröße. Auch hierbei sind anfechtbare Vergleichs- und Alleinstellungswerbungen möglich: Nivea - eine bessere gibt es nicht (Hautcreme); Fachinger - Sie können nichts Besseres trinken. (Mineralwasser). Unangefochten wirksam sind jedoch folgende Werbeaussagen: Okal. Der bessere Weg zum eigenen Haus (Fertighauswerbung); Maggi - einfach besser würzen (Gewürze); Mehr erleben - Peter Stuyvesandt (Zigaretten); Langnese - Lieber den zarten Schmelz! (Eiscrem); bergasol - Mehr Braun aus jedem Sonnenstrahl (Sonnenöl); Reyno - mildwürzige Tabake, die frischer schmecken (Zigaretten); Volksbanken - Raiffeisenbanken. Wir bieten mehr als Geld und Zinsen.
Übertrieben und damit um seine Wirkung gebracht wurde das Spiel der Werbetexter mit den Komparativen in der Waschmittelwerbung, als es um das .weißere Weiß' ging: dash - weißer gehts nicht; weiß - weißer - suwa-weiß; denn ein strahlendes Weiß ist weißer (Sunil). Der Eindruck der Steigerung oder zumindest der besonderen Hervorhebung gegenüber anderen Produkten kann mitunter auch durch einfache Positivformen hervorgerufen werden, besonders dann, wenn dazu ,Hochwertadjektive' verwendet werden: vgl. z.B.: Delaforce freundliche
Port. Der vollkommene
Genuß. (Portwein); Idee-Kaffee.
(Kaffeewerbung); Es gibt nur einen Mariacron
Der berühmte
Magen-
(WeinbrandWerbung).
Derartige Werbungen sind natürlich auch durch substantivische Wendungen möglich: Cefrisch.
Ein neuer Geschmack
Wein der Winzer; Autobianchi. Schlüssel-Position.
unter der Sonne (Fruchtgetränk); Rheinhessenwein. Intelligenz
(Schlüssel-Werbung).
Der
statt Masse (Autowerbung); Winkhaus hat die
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Werbung und Sprache
8.8. Stilmerkmale und Stilmittel Der gesamte Bereich der Werbetexte kann als eigener Stilbereich im Sinne einer .funktionalen Stilistik' angesehen werden (vgl. B.Sowinski 1991, 33f.), dem bestimmte Stileigenheiten gemeinsam sind. Diese ergeben sich aus dem Zweck aller Werbetexte, mögliche Konsumenten für die Werbeobjekte zu interessieren und zum Kauf zu veranlassen. Das bedingt z.B., daß grundsätzlich positive Aussagen über die Werbeobjekte gemacht werden, daß dabei häufig hyperbolische (steigernde und übersteigerte) und euphemistische Aussagen über die angepriesenen Waren und Dienstleistungen gewählt werden, daß bestimmte Stilmittel wie z.B. Metaphern. Vergleiche, Alliterationen, Preziosa häufig verwendet werden. Je nach Werbeobjekt, Branche, Adressaten, Werbestrategie und Werbebüro ergeben sich allerdings auch zahlreiche Stilvarianten, so daß manche Texte gewissermaßen einen eigenen ,Werkstil' oder ,Individualstil' aufweisen, der jedoch jeweils funktionalen Überlegungen und oft auch einer Teamarbeit des Werbebüros entspringt. Im folgenden sollen noch einige Beispiele für die Verwendung bestimmter rhetorischer und stilistischer Mittel in Werbetexten aufgeführt werden. Auf die bereits erläuterten Stilmittel der Satzformen, Satzlänge und der Wortwahl wird dabei verzichtet. R.Römer (1968, 173ff.) nennt als wichtigste rhetorische Mittel in Werbetexten: 1. Wiederholung, 2. Behauptung, 3. Befehl, 4. Anrede, 5. Einleitende Frage, 6. Antithese, 7. Dreierfigur, 8. .Aufhänger', 9. Gebundene Sprache, 10. Euphemismus, 11. Negation, 12. Wortspiel, 13. Anspielung, 14. Vermenschlichung der Ware. Auf einige der erwähnten Formen sowie auf einige Ergänzungen dieser Zusammenstellung sei im folgenden noch eingegangen. Wiederholungen: Die Notwendigkeit von Wiederholungen wird von vielen Werbetheoretikern und Rhetoriklehrern häufig betont. Gemeint ist zunächst die Wiederholung des Werbevorgangs in den Medien, im weiteren auch die Wiederholung von Aussagen und besonders die des Produkt- und Firmennamens in Anzeigentexten und Werbesendungen. Der Zwang zur Wiederholung bestimmter Werbeaussagen ergibt sich für die Werbenden einmal aus der Konkurrenz der vielen Botschaften, die auf das menschliche Bewußtsein einströmen und das Gedächtnis überlasten, zum anderen aus dem Bestreben, die Werbebotschaften möglichst auch im Unbewußten zu verankern, damit sie, rationaler Bewußtheit entzogen, trotzdem wirksam bleiben. In den Massenmedien ergibt sich eine solche Konkurrenz bereits aus anderen Informationen wie aus anderen Werbeanzeigen und Werbesendungen. Die Wiederholung ist hier oft nur ein rhetorisches Mittel unter anderen. Eine
Stilmerkmale u n d Stilmittel
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Werbebotschaft kann in der Wiederholung verstärkt werden, sie kann aber ebenso eintönig und stereotyp wirken und so uninteressant werden. Werbeanzeigen und Werbesendungen werden daher meistens nach einiger Zeit variiert oder ausgewechselt, es sei denn, man wolle durch penetrante Wiederholungen die Werbebotschaft ins Gedächtnis .einhämmern' (trotz des dadurch entstehenden Unmutes). Werbetexte enthalten so oft bestimmte variable neben invariablen notwendigen Elementen (z.B. Produktnamen, Finnen- oder Produktsignet, z.T. Slogan, Gestaltungsstrategie u. ä.). Neben diesen Wiederholungen finden sich in Werbeanzeigen mitunter auch textliche Wiederholungsfiguren wie Anaphern, Epiphern, Reime u.dgl., vgl. zB. Patricia paßt auf Laura auf. Laura paßt auf Lukas auf. Lukas paßt auf Anna auf. Anna paßt auf Max auf. Max paßt auf Kathrin auf. Kathrin paßt auf Alex auf. Und Mercedes paßt auf alle auf. (Schlagzeile einer Mercedes-Autowerbung) Wenn er Fieber hat, wird gemessen.! Ob er gewachsen ist, wird gemessen. Was er wiegt, wird gemessen J Nur das schlechte Licht bei seinen Schularbeiten, das hat noch niemand gemessen. (Schlagzeile einer Anzeige der ,Fördergemeinschaft GUTES LICHT')
Anrede: Die sprachliche Zuwendung an die Rezipienten von Werbetexten gehört zu den Forderungen an effektive Werbeanzeigen. Das Hilfsangebot des Werbers (sein for-you-Pathos) soll so glaubhafter wirken. Die früher häufigeren DuAnreden haben inzwischen höflicheren Sie-Anreden Platz gemacht. Gelegentlich findet sich aber auch eine Verbundenheit und Vertrauen vortäuschende WirAnrede: GRILL-PARTY. Auf geht's, Freunde! Wir ziehen hinaus ins Grüne ... Damit's besser schmeckt, drücken wir auf die richtige Tube: auf Haas-Grillsenf. (Senf-Werbung)
Fragen: Fragen sind ein uraltes rhetorisches Mittel, ob man darauf eine Antwort erwartet oder nicht. In jedem Fall soll der Leser oder Hörer für einen Moment sorgfältiger achtgeben und nachdenken. Dieses Ziel wird auch in rhetorischen Fragen' erstrebt, aber auch in Fragen, die eher einen Rätselcharakter aufweisen, z.B.: Finden Sie es nicht bedenklich, dass Ihr Gedächtnis zu 70 % aus Rindsleder besteht? (Ravensburger Spiele-Werbung für Think-Spiel m. Abbildung eines Taschenkalenders)
Behauptungen:
(s. S.48ff.)
Antithesen: Viele Werbeanzeigen bemühen sich um eine argumentative Auseinandersetzung gegenüber ihren Werbeobjekten. Das geschieht oft darin, daß man Gegenpositionen aufgreift und zu widerlegen sucht. Die Betonung von Gegensätzen ist ein wichtiges rhetorisches Mittel nicht nur in Schlagzeilen und Slogans, sondern auch in den längeren Passagen von Haupttexten, besonders wenn hier Nachteile und Vorteile, das Früher und Später, das zu Teure und das Preiswerte gegeneinander gesetzt werden:
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Werbung und Sprache
Nicht rasen - reisen! (Verkehrssicherheitswerbung); Bei der Handwäsche hatte man bisher beide Hände voll zu tun. Jetzt genügen der kleine Finger und einer der neuen Miele-Waschautomaten. (Waschmaschinen-Werbung); Früher oder später haben Sie Urlaub. Mit uns früher. (Bahn-Werbung).
Dreierfiguren: „Die Dreigliedrigkeit des Ausdrucks" ist nach R.Römer (1968, 185f.) „ein ebenso häufiges wie auffälliges Merkmal der Werberhetorik", und sei, wie sie etwas übertrieben betont,"in fast jeder Anzeige zu beobachten." Die Autorin bringt diese rhetorische Dreizahl sogar mit der , sakralen Stellung der Dreizahl' zusammen. Dreierfiguren sind auf verschiedene Art möglich: als Nebeneinander gleichgewichtiger Wörter, Sätze und Abschnitte, als stufenmäßige Steigerungen (Klimax) von drei Begriffen oder Aussagen in aufsteigenden oder abfallender Reihung (Antiklimax) oder als Dreierfigur mit einer nachgesetzten, oft resultativen vierten Aussage in quantitativer Gleichartigkeit oder nach dem Gesetz der wachsenden Glieder - in zunehmender Aufschwellung der Einzelcola. Schließlich entspricht sogar der Textaufbau vieler Anzeigen mit Schlagzeile, Haupttext und Slogan diesem Bauprinzip, das die Gedächtnisleistung ebenso fördert wie die Einsicht bei dialektischen oder steigernden Argumentationen. Nachstehend nur einige Beispiele für Dreiergruppen: Viel Papiere, tausend Möglichkeiten. Bundeswertpapiere. (Wertpapierwerbung); Steuerreform hin, Euro her, Wasser bleibt eine saubere Anlage. (Immobilien-Leasing-Werbung); Trinkt nicht, raucht nicht, geht nicht fremd. Honda Civic '97 (Autowerbung); Ihre Sicherheit. Ihre Zukunft. Ihr Leben. (Versicherungswerbung). ... Bei den LBS-Immobilien-Wochen bekommen Sie alles aus einer Hand: intensive Beratung rund um das eigene Zuhause, wertvolle Tips zur staatlichen Förderung und konkrete Angebote. (Bausparkassenwerbung)
Neben Dreigruppen finden sich in Werbeanzeigen auch die rhetorisch geschätzten Zweierkombinationen (Zwillingsformeln), vgl. z.B. ... entweder live oder Yamaha. (Yamaha- Musik-Verstärker) Die Drucker von HP. Starker Eindruck - starker Ausdruck (Computer-Drucker) Preiswert und nah. DEVK. (Versicherungswerbung)
Aus Dreiergruppen + Zweiergruppen ergeben sich leicht die rhetorisch beliebten Fünfsatzgliederungen: vgl. z.B. Im Umgang mit der Gesundheit ist Sensibilität gefragt. Denn kaum etwas trifft uns persönlicher als Krankheit. Apothekerinnen und Apotheker informieren Sie zuverlässig und diskret zu Anwendung, Dosierung, Neben- und Wechselwirkungen Ihrer Medikamente. Und Sie haben stets zusätzliche Gesundheitstips. Auf Ihre Frage „Was raten Sie mir?" erhalten Sie immer eine klare Antwort. (Apotheken-Werbung)
Gebundene Sprache: Gereimte Werbeanzeigen, wie Sie früher vorkamen, begegnen uns heute kaum noch. Nur in einzelnen Schlagzeilen und Slogans finden wir mitunter eine gebundene Sprache, nicht nur in der gedächtsnisfördernden Reim-
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Stilmerkmale u n d Stilmittel
form, sondern auch in der nur ästhetisch und somit exklusiv wirksamen reimlosen, aber rhythmischen Form moderner Lyrik (vgl. das Beispiel der SAABWerbung S.43), vgl. auch: Nimm VIM (Reinigungsmittel-Werbung) Für jeden, der gern Soßen ißt, ist Maggi Soßenspezialist, Süßen ohne zu büßen. (Assegunn-Süßstoff-Werbung) Wir bieten méhr als Géld und Zinsen.
Weitere
(frühere Maggi-Soßen-Werbung)
(Volksbanken/Raiffeisenbanken-'WeTbung)
Stilmittel:
Alliteration: Milch macht müde Männer munter. (frühere Milch-Werbung); Freude am Fahren. (BMW-Autowerbung); MERIAN. Land und Leute erleben. (Reisewerbung). Chiasmus: Kaufen bei SPAR - Sparen beim Kauf. (Einzelhandelswerbung); Nichts geht über Bärenmarke - Bärenmarke zum Kaffee. (Büchsenmilch-Werbung) Euphemismus: NEDA regelt die Verdauung. (AbführmittelWerbung); Ramond erleichtert natürlich und mild. (Abführmittelwerbung) Metaphern: Gold ist Liebe. (Schmuckwerbung); In Asbach Uralt ist der Geist des Weines. (Weinbrandwerbung); Gerolsteiner. Der Stern guten Geschmacks. (Mineralwasserwerbung) Metonymien: Die Frische mit der Frucht. (Limonadenwerbung); Ihr Zahnfleisch spürt den Unterschied. (Meridol-Zahncreme); Tanken Sie Sicherheit. (ShellBenzin-Werbung) Parallelismus: biovital. Frische für den Tag - Ruhe für die Nacht. (Schmerzmittel-Werbung); Der Tag geht, Jonny Walker kommt. (Whisky-Werbung) Polyptoton: Bitte ein Bit (Bierwerbung); Trinke ihn mäßig, aber regelmäßig. (Steinhäger-Werbung).
9.
Das Bild in der W e r b u n g
9.1. Die Bedeutung des Bildes in der Werbung Das ursprünglichste Lockmittel der Warenwerbung ist die Ware selbst. Das Angebot der Wochen- und Supermärkte, Schaufenster und Selbstbedienungsläden richtet sich noch immer nach diesem Prinzip. Wie jedoch einzelne Warenbilder und Handwerkerzeichen aus Antike und Mittelalter beweisen, wurde bereits sehr früh das Bild als zusätzliches Werbemittel eingesetzt, um die Aufmerksamkeit auf die Ware zu lenken und das Angebot zu verstärken. Auch innerhalb der graphischen Warenwerbung wurden die zunächst dominierenden reinen Textanzeigen allmählich durch Bildzusätze erweitert. Einen wichtigen Fortschritt bedeutete dann die Einführung des Vier- und Mehrfarbendrucks in Zeitungen und Illustrierten, durch den ganzseitige farbige Anzeigen möglich wurden. Der Bildteil der Anzeigen erlangte dadurch quantitativ wie qualitativ eine erhöhte Geltung und konnte nun sogar den Textteil als sekundär erscheinen lassen. Die werblichen Funktionen, die bisher nur dem Textteil zukamen, konnten nun auch vom Bildteil übernommen werden. Einzelne dieser Funktionen, wie etwa die Aufmerksamkeitsweckung (das attention der AIDAFormel) und die Produktkennzeichnung, die Darbietung und Belebung bestimmter Werbestrategien, oft auch die Aufforderung zum Konsum, kommen nun zusätzlich oder ausschließlich dem Bildbereich der Anzeigen zu. Während in den Zeitungen Anzeigen meistens in einem besonderen Anzeigenteil erscheinen, werden sie in den farbigen Illustrierten, Programm- und Klubzeitschriften u.dgl. in den redaktionellen Teil gemischt, erscheinen also zwischen den lesenswerteren Beiträgen und verleiten so selbst dazu, betrachtet und gelesen zu werden. Besonders geschickt gelingt dies, wenn zwischen den redaktionellen Beiträgen und den Werbeanzeigen nach Inhalt und Form kaum ein auffallender Unterschied besteht, z.B. bei bestimmten Textilwerbungen im Modeteil mancher Illustrierten. Dem ständigen Wechsel zwischen redaktionellen Texten und Werbeanzeigen in den Illustrierten u. ä. entspricht die Zwischenschaltung von Werbesendungen in die Unterhaltungsprogramme von Rundfunk und Fernsehen, wobei die privaten Sender, die fast nur von ihren Werbeeinnahmen finanziert werden, hier den größeren Anteil beitragen.
Semiotik des Werbebildes
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Die Funktion der Warenkennzeichnung wird in den Werbebildern oft in mehrfacher Weise erfüllt: Produkt- oder Firmennamen und -symbole erscheinen zumeist mehrmals und in verschiedenen Größen, meistens zusammen mit Abbildungen der Produktverpackung und des Produkts, die so bei künftigen Käufen leicht erkannt werden sollen. Auch die Darbietung und Belebung bestimmter Werbestrategien wird oft durch die Werbebilder realisiert. Der erhöhte Wirkungsgrad, der visuellen Reizen eigen ist, legt es nahe, die gewählte Werbestrategie durch passende Bilder zu verdeutlichen und dem Begleittext nur eine eindruckstabilisierende Funktion zuzuweisen. Schließlich bieten zahlreiche Werbeanzeigen und -filme auch bildliche Verdeutlichungen von Aufforderungen zum Warenkonsum. Insbesondere bei Genußmittelwerbungen (Zigaretten, Getränke) wird das dadurch angestrebt, daß die Abbildung der Warenpackung oder Ware in den Vordergrund gerückt wird, gleichsam zum Greifen nahe, oft dazu in bereits geöffnetem Zustand (z.B. mit halb herausgezogener Zigarette) oder bereits vorbereitetem Konsum (z.B. gefülltem Glas). Wo ein derartig angebotener Sofortkauf und -konsum der Ware nicht möglich oder passend ist, z.B. bei Arzneien, Dienstleistungen u.ä., nehmen die Werbebilder der Anzeigen den geänderten Werbestrategien gemäß andere Aspekte in den Blick.
9.2. Semiotik des Werbebildes In kaum einem anderen Verwendungsbereich werden Bilder dermaßen absichtsvoll und zielbestimmt eingesetzt wie in der Werbung. Bildauswahl und Bilddarbietung sind hier stets das Ergebnis sorgfältiger Überlegungen der Werbeteams über die möglichst effektive Wirksamkeit des jeweiligen Bildes. So kommt es, daß mit den einzelnen Bildern Aussagen verbunden sind, die in sorgfältiger Analyse aufgedeckt werden können und sollen. Die Semiotik als Wissenschaft von den Zeichen bietet dazu wichtige methodische Hilfen. Sie ist nicht nur auf die Erforschung von sprachlichen und nichtsprachlichen Zeichensystemen ausgerichtet, sie ermöglicht es auch, Einzelbilder als Zeichen zu erfassen und zu deuten. Auf diese Weise können auch Werbebilder als Komplexe von Signifikanten (Zeichenelementen) und Signifikaten (Zeichenbedeutungen) analysiert werden. Werbebilder sind bereits wiederholt zum Gegenstand semiotischer Analysen gemacht worden. Hingewiesen sei hier auf den Romanisten Leo Spitzer, der 1964 das Plakat einer amerikanischen Sunkist-Orangensaftwerbung einer scharfsinnigen Analyse nach der werkimmanenten Interpretationsmethode der .explication de texte' unterzogen hat; ferner auf den französischen Strukturalisten
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Das Bild in der Werbung
Roland Barthes, der 1967 in seiner Rhetorik des Bildes am Beispiel einer Panzani-Spaghettiwerbung aufgezeigt hat, daß zwischen dem sichtbaren Bild und den implizierten kulturellen und ideologischen Botschaften differenziert werden muß. Schließlich ist der italienische Semiotiker Umberto Eco hier zu nennen, der in seinen Darlegungen zur ,Reklamebotschaft' in seiner Einführung in die Semiotik (München 1972) diese Dopplung der Werbebildanalyse als ikonische und als ikonographische Botschaft aufgreift und weiter differenziert nach historischen und publizistischen (modernen) Typen sowie nach tropologischen, topischen und enthymematischen Ebenen. Hermann K.Ehmer (Köln 1971, 162ff.) knüpft an L. Spitzer und R. Barthes an, wenn er eine Doornkaat-Werbung unter semiotischen Aspekten analysiert. Weitere ähnliche Bildanalysen stammen von J.Prieto (1972), Winfried Nöth (1975, 2 1996) und D.Matthias (1978). Eine Vorannahme über die Werbewirkung, die mit den genannten Semiotikern nichts zu tun hat, im übrigen umstritten ist, bezieht sich auf die graphische Plazierung von bildlichen wie textlichen Elementen innerhalb bestimmter Werbeflächen (s. L. v. Rosenstiel, Rosenheim 1964,69). Danach findet das rechte obere Viertel die meiste Aufmerksamkeit, es folgen im Grad der Aufmerksamkeit das linke obere Viertel, das rechte untere Viertel und das linke untere Viertel. Mitentscheidend für derartige Aufmerksamkeitsgrade sind aber auch andere Faktoren (z.B. der graphische oder textliche Kontext, die rechte oder linke Seite, der vordere oder hintere Teil der Publikation, die Farbgebung, die Motivwahl u.a.). Besondere Beachtung verdient bei einer Bildanalyse zunächst die Erfassung der Signifikanten des Bildes, der bildlichen Einzelheiten (Gegenstände, Teile, Formen, Farben etc.) und ihrer Signifikate, ihrer Bezeichnungen, der Denotate des Bildes also, wie auch der Empfindungs- und Stimmungswirkungen (z.B. freundlich, licht, dunkel, düster), der bildlichen Konnotate. Über diese (n. Eco) ,ikonische Ebene' hinaus vermitteln viele Bilder noch weitere Botschaften, die Eco als ,ikonographische Ebene' (Barthes' ,codierte ikonische Nachricht') zusammenfaßt. Im historischen Codierungstyp verdienen dabei Elemente der Vergangenheit (Moden, Kostüme, Bauten etc.) Beachtung, im publizistischen Codierungstyp dagegen die Signale der Gegenwart, der Moderne. Die tropologische Ebene bei Eco umfaßt die visuellen Äquivalenzen der verschiedenen verbalen Tropen, also die den rhetorischen Figuren und Tropen entsprechenden Bildkombinationen oder entsprechende neuartige Bildkombinationen, wie sie nach Eco vor allem in der Werbung üblich geworden sind. Ebenso wie in der verbalen Rhetorik bestimmte Wortkombinationen und Bedeutungsfiguren zur Steigerung der Aussagewirkung verwendet werden, so lassen sich auch im visuellen Bereich ähnliche Figurationen aufweisen, die zur tropologischen Ebene des Bildes gehören. Es gibt beispielsweise bildliche Metaphern ebenso wie verbale Metaphern. Eine solche Metaphorisierung (Bildübertragung aus einem sachähnlichen, aber
Semiotik des W e r b e b i l d e s
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nicht sachgleichen Bildbereich) liegt vor, wenn in der Oberhemdenwerbung (Libero 1977) anstelle eines modisch gekleideten Herrn eine antike Zeusfigur mit Oberhemd und Krawatte abgebildet erscheint. Das Bild erweckt durch diese Verfremdung eine größere Aufmerksamkeit und assoziiert zugleich die Konnotationen des Antiken, Klassischen und Altbewährten. Eine bildliche Metonymie (z.B. Ausdruck des Ganzen durch ein Teil, der Ursache durch die Wirkung, des Erzeugnisses durch den Erzeuger u.ä.) liegt etwa vor, wenn beispielsweise durch die Abbildung von gutgenährten Kühen auf saftigen Wiesen für eine bestimmte Büchsenmilch geworben wird (z.B. Bären/nar^e-Kondensmilch). Eine Synekdoche (pars pro toto) ist gegeben, wenn Einzeldarstellungen auf das Allgemeine, Ganze verweisen, z.B. eine Frau z.B., die einen bestimmten Likör trinkt, auf alle Frauen, alle Likörtrinker, bezogen wird. Eine bildliche Personifikation zeigt sich etwa darin, daß z.B. auf einer Werbeanzeige Limonadenflaschen Sprechblasen mit Sätzen zugefügt sind (Sinalco-Werbung). Als Hyperbel (Übertreibung) hat die vergrößerte Abbildung einer Alkoholflasche zu gelten, die neben einem gleichgroßen Manne steht (SchlichteSteinhäger), eine Abbildungsweise des Produkts, die in der oft übertreibenden Werbung häufig zu finden ist. Ein Vergleich ist bereits im einfachen Nebeneinander von Produkten, Produktbenutzern, Situationen u.a. gegeben, z.B. wenn verschiedene handy-Telefone nebeneinander gezeigt werden (.S'/eme/w-Mobiltelefone). Die topische Ebene erfaßt demgegenüber weniger die Darstellungsweise der Bilder als vielmehr die Darstellungsinhalte, insofern diese als Prämissen bzw. loci oder Topoi für bestimmte Argumentationen gelten, also bestimmte allgemeine Grundsätze, Klischees, aber auch tradierte Bildkombinationen und Motive, wie z.B. bestimmte Schönheitsauffassungen (junge Frauen und Mädchen), Männlichkeitsideale (,harte' Männer), Jugend als Ideal, Freundschaft, Liebe (junge Paare usw.), Naturidealisierungen (z.B. der klassische ,locus amoenus') in bestimmten Zigarettenwerbungen (z.B. Auslese, Ernte 23) oder Kosmetikwerbungen (Irischer Frühling). Es ergibt sich daraus, daß auf der topischen Ebene auch bestimmte Ideologien oder Ideologeme begegnen, wie sie in der Gesellschaft verbreitet sind (wie: ,Konsum ist stets angenehm', .Fortschritt ist stets positiv', ,Prestige ist ein hoher Wert', .Schönheit, erotische Ausstrahlung, Jugend usw. sind ideale Werte', ,Genuß ist schön' usw.). Die meisten topischen Aussagen bleiben in ihrer Wertung ideologieredundant, d. h. sie wiederholen vorhandene Ideologeme (Meinungen, Erwartungen, Normen usw.) der Gesellschaft, ohne sie zu verändern, d. h. ideologisch informativ zu werden, neue Ideologeme zu verkünden. Daraus ergibt sich, daß Werbung in der Regel affirmativ-konservative Einstellungen vermittelt, allerdings auch Modetrends folgt, sofern sie kommerziell genutzt werden können (z.B. Erscheinungen der Pop-Kultur).
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Das Bild in der Werbung
Als enthymematische Ebene meint Eco die aus bestimmten Bildern zu ziehenden Folgerungen im Sinne allgemeiner ethischer o. ä. Aussagen oder entsprechender Appelle an den Konsumenten. Eco kennzeichnet z.B. als Enthymem das Bild einer Mutter, die sich .vorbildlich' verhält, indem sie ihr Kind mit dem Produkt X nährt und so andere Mütter zu gleichem Verhalten auffordern soll. Die enthymematische Ebene steht in engem Bezug zur topischen Ebene, insofern ein Enthymem ein Wahrscheinlichkeitsschluß ist, also ebenfalls eine logische Beweisführung, allerdings mit unvollständigen Prämissen, darstellt. Ermöglicht wird die Folgerung durch den synekdochischen Charakter (die generalisierende Bedeutung) bestimmter Werbebilder. Die vorgenannten semiotisch-visuellen Ebenen Ecos bedürfen m.E. noch einer Ergänzung durch eine Ebene der graphischen Mittel, eine graphische Ebene, die die genutzten graphischen Möglichkeiten und ihre Aussagewirkung erfaßt. Der Gebrauch bestimmter graphischer Möglichkeiten (z.B. der Drucktype, der Bildwiedergabe, der Farbenwahl u.a.), durch die die phatische Dimension der erweiterten sprachlichen Funktionen nach Jakobson (1960) realisiert wird, kann im Leser oder Betrachter einer Anzeige bestimmte Bedeutungsassoziationen oder Konnotationen hervorrufen, die die Gesamtbedeutung der Werbebotschaft beeinflussen, ebenso wie dies bestimmte musikalische oder andere akustische Effekte in Werbesendungen des Rundfunks und Fernsehen vermögen (für die man eine eigene musikalisch-akustische Ebene einrichten müßte). Beispielsweise wirkt die Verwendung einer Frakturschrift in bestimmten Werbeanzeigen (beispielsweise für Asbach-Uralt-Weinbrand) archaisierend, konnotiert Tradition und Erfahrung, auch wenn diese Werte nicht ausdrücklich verbalisiert erscheinen; die Wiedergabe einer Handschrift kann Vornehmheit, Gewandtheit oder Naivität ausstrahlen, ein Foto wirkt realistischer, echter, wahrheitsgemäßer als eine Zeichnung; bestimmte Farben können aufreizend, geschmackvoll gewählt oder atmosphärisch emotional wirken usw. Selbst graphische Reduktionstechniken, wie etwa Abkürzungen in Kleinanzeigen, können - kontrastiv in Werbeanzeigen verwendet - überraschende Wirkungen zeitigen, wie dies z.B. eine Plakatanzeige von 1977 für Stereoanlagen von PHILIPS verdeutlicht, die über der Abbildung des Produkts die Schlagzeile Konzertsaal preisw. zu verk. enthält. Dieses Beispiel verdeutlicht die Aussagenredundanz vieler Anzeigen: Der metaphorisch verfremdete Text (der durch die Metapher ,Konzertsaal' den Wert der Ware zu erhöhen sucht), drückt so (bei gleichzeitiger graphisch bewirkter Transponierung in die Ebene der Angebote durch Kleinanzeigen) verbal das aus, was das Plakat auch schon ohne Worte, allein schon durch seinen allgemein bekannten Plakatcharakter verkündet: daß die Firma PHILIPS ein neues Gerät anbietet. Ebenso kann die äußere Form einer Werbeanzeige, eines Werbeplakats oder Werbefilms bereits eine Nachricht vermitteln, also Zeichenwirkung ausüben, die auf dieser graphischen Ebene erfaßt werden sollte.
Semiotik des W e r b e b i l d e s
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Gegenüber der an R.Barthes angelehnten Semiotik Ecos stützen sich die Werbebildanalysen W. Nöths auf die Zeichentheorien von Ch.S.Peirce und Ch. W. Morris, wobei Nöth vor allem die Zeichentypen von Peirce und die die behavioristische Semioseerklärung von Morris auf die Analyse von Werbebildern anwendet. Von den drei Zeichentypen, dem auf direkter Verbindung (Kontiguität) zu seinem Objekt beruhenden Index, dem zu seinem Objekt in Ähnlichkeits- oder Abbildungsrelation stehenden Icon und dem auf arbiträrer Konvention beruhenden Symbol, habe das letztere die geringste Werbewirkung, es aktiviere als Erkennungssignal (Markenzeichen o.ä.) lediglich die Erinnerung. Häufiger nutze die Werbung dagegen Icons, etwa in der Form der Produktabbildung. Wichtiger seien jedoch Indices (meist in Verbindung mit ikonischen Zeichen), die als Abbildungen produktfremder Gegebenheiten (z.B. Partys, Verwendungssituationen, Wertstücke u.a.) zur Aufwertung des Produkts (vertreten durch sein Icon) führen, insoweit hier Bedeutungs- und Signalübertragungen vollzogen werden (fast nach dem Schema des Pawlowschen Hundeversuchs). Daraus werde die Vorliebe vieler Werber für Marken- und Gestaltungsstrategien mit (übertragbaren) Zusatzinformationen erklärbar.
10.
Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen und Werbesendungen
10.1. Analyse oder Interpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen? Die Einzelbetrachtung von Text- und Gestaltungselementen von Werbeanzeigen und Werbesendungen, wie sie hier vorgenommen wurde, diente dazu, die Wirkungsweise dieser alltäglichen Kommunikate aufzuhellen. Das konnte zunächst nur auf dem Wege von Analysen geschehen, die die einzelnen Elemente der Werbung jeweils speziell untersuchten, um im Nacheinander die betrachteten Elemente zum Gesamtbild zu vereinigen. Diese Untersuchungsmethode erscheint aus verschiedenen Gründen legitim, da so ein hoher Grad an Objektivierung erreicht werden kann und subjektiv-impressionistische Eindrücke dabei weniger dominieren. Zudem dürfte das in derartigen Analysen übliche Baukastenprinzip des Nacheinanders der Erkenntnisse auch dem Produktionsprinzip von Werbeanzeigen und Werbesendungen am ehesten entsprechen. Betrachtet man allerdings die unzähligen Werbekommunikate, die uns täglich begegnen, von ihrer Rezeption, vom Aufnahmevorgang aus, so erscheint eine geänderte Erfassung angemessen. Der Rezipient von Werbung, sofern er sich überhaupt auf eine ernsthafte Aufnahme einläßt (was bei Werbeanzeigen wahrscheinlicher ist als beim Empfang von Werbesendungen im Fernsehen), erlebt diese kaum als Nacheinandererfassen der Einzelelemente, sondern vielmehr als ein gleichzeitig wirksames Miteinander der Text- und Gestaltungselemente, die so eine Wirkungsganzheit bilden. Die angemessenere Methode zum Erfassen solcher Simultanwirkungen ist die Interpretation, sofern man darunter im Sinne der Hermeneutik das wechselseitige Begreifen von Sinnzusammenhängen zwischen dem Wirkungsganzen und seinen Teilen versteht. Diese Methode ist uns bisher nur als ein möglicher Schlüssel zur Erschließung von Kunstwerken, vor allem von Dichtungen, vertraut. Es mag vielleicht von vornherein irrelevant erscheinen, wenn die wirtschaftlichen oder politischen Zwecken dienenden Gebrauchstexte der Werbung auf diese Weise wie Kunstwerke behandelt werden, obgleich Ästhetiker wie Max Bense (1910-1990) Werbeanzeigen durchaus als Gegenstand hermeneutischer Untersuchungen akzeptiert und die Verwandtschaft mit Kunstwerken betont haben. Auch der
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schon erwähnte Leo Spitzer hat in seiner Analyse der Sunkist-OrangensaftWerbung (s. S. 17, 81) die werkimmanente Interpretationsmethode der explication de texte als angemessen zur Erfassung der ästhetischen Momente in Werbeanzeigen angesehen. Die Eignung von Werbungen für Interpretationen ergibt sich vor allem aus der hier gegebenen Mehrschichtigkeit semiotischer Wirkungsbereiche, nämlich sprachlicher, visueller und mitunter (bei Rundfunk- und Fernsehwerbungen) auch akustischer. In der Mehrzahl der Fälle durchschnittlicher oder minderwertig gestalteter Werbung sind die Sinnzusammenhänge zwischen den Bildund Textpartien der Werbeanzeigen und -Sendungen in ihrer Wirkungsabsicht leicht durchschaubar. Gelegentlich gelingen den Werbegestaltern aber auch Produkte, die als Wirkungseinheiten zugleich ästhetisch wirksam sind und als besonders geglückt bezeichnet werden können. Werbungszweck, Zwang zur Auffälligkeit und schnellen Wirksamkeit stehen dabei der ästhetischen Wirksamkeit mitunter sogar im Wege. Häufig bleiben aber auch Besonderheiten der Gestaltung der flüchtigen Betrachtung verborgen und werden erst in genauerer Betrachtung, in einer Interpretation, sichtbar. Im folgenden sollen exemplarisch einige Interpretationen willkürlich ausgewählter Werbeanzeigen aus verschiedenen Branchen versucht werden.
10.2. Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen 10.2.1. Anzeige für K-Plus-Glas der Fa. Pilkington Die ganzseitige Anzeige wirkt zunächst durch ihre erste Schlagzeile Kopfgeld und die darunter befindliche Strichzeichnung eines Mannes vor einer großen Fensterscheibe, dem zahlreiche Geldscheine aus dem Kopf erwachsen und vor einer lachenden Sonne davonflattern. Jeder Leser stutzt hier wahrscheinlich über die allzu wörtliche Auslegung des Wortes Kopfgeld und vielleicht auch über den Widerspruch zwischen der bisherigen Bedeutung von .Kopfgeld' und der hier gebotenen bildlichen Auffassung. Diese Ambivalenz der Wortbedeutung kann den Leser zum Nachdenken veranlassen. Damit ist der erste Effekt der Werbeanzeige erreicht: Ein ,Stolperstein' zum Verweilen und Einprägen ist gegeben. Die zweite Schlagzeile (Heizkosten sparen + Umwelt schonen: K-PLUS: Das Energie-Gewinn-Glas!) stabilisiert sodann die neue Bedeutung von Kopfgeld. Es handelt sich um Geld aus ersparten Heizkosten, die man einspart, wenn man .Köpfchen' beweist und K-PLUS-Glas verwendet. Man erreicht dadurch sogar einen doppelten Gewinn, insofern man persönliche Heizkosten spart und durch geringeren Heizenergieverbrauch weniger C0 2 -Emmissionen produziert und so die Umwelt schont. Dieser Doppeleffekt durch Verwendung des K-PLUS-Glases wird sowohl in der zweiten Schlagzeile (Überschrift) als auch im Haupttext
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Einzelinterpretation von W e r b e a n z e i g e n und W e r b e s e n d u n g e n
Mit Köpfchen und der Entscheidung für K-PLUS 1 kann man durch Heizkosteosparen schnell mal "ne Mark machen! Und damit nicht genug. Denn mit K-PLUS* dem energie-bigen Fensterglas, gewinnen alle: - Sie, durch geringere Heizkosten! - Und die Umwelt, dank geringerer C0 2 -Eniissionen! Denn K-PLUS® gewinnt kostenlose Heizkraft aus der Sonne. Und bietet gleichzeitig eine hervorragende Wärmedämmung. K-PLUS®, das Energie-Gewinn-Glas mit dem silbernen ΚΓ EIN GEWINN FÜR S I E - EIN GEWINN FÜR A L L E ! Noch Fragen? Schicken Sie uns ein Fax! Unsere Fax-Nr.: 0 2 0 9 - 1 2 3 77 Oder schreiben Sie uas: FLACHGLAS AG · Postfach · 45801 Geisenkirchen
PiLKINGTON
Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen
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betont, wo dies ausführlicher erläutert wird. Während diese zweite Überschrift sich in beiden Zeilen syntaktisch-stilistisch auf zwei durch Objekte erweiterte Infinitive (Heizkosten sparen + Umwelt schonen) und einen verkürzten Gleichsetzungssatz (K-PLUS : Das Energie-Gewinn-Glas!) beschränkt und mit der Wort-Neuprägung Energie-Gewinn-Glas die Leistung des Glases zusammenfaßt, begründet dies der Haupttext in umgangssprachlicher Plausibilität. Dabei wird auch auf die erste Schlagzeile ( K o p f g e l d ) und die Zeichnung Bezug genommen, indem die Entscheidung für dieses Glas als intellektuelle Leistung bewertet und so der potentielle Käufer gelobt wird (mit Köpfchen), was bildlich mit dem Herauswachsen und Wegfliegen der Geldscheine aus dem Kopf und dem Zeigen mit dem rechten Zeigefinger auf diesen Kopf verdeutlicht wird. Im Haupttext heißt es für diesem Vorgang: schnell mal ,ne Mark machen! Auch die Fügung Energie-Gewinn-Glas findet im Haupttext eine Entsprechung, wenn erwähnt wird, daß mit diesem energie-bigen (= Kombination aus energie + ergiebig) Fensterglas alle gewinnen: der Verwender wegen reduzierter Heizkosten und die Umwelt wegen geringerer C0 2 -Emissionen. Was aber bisher nur behauptet wurde, nämlich, daß dieses Glas tatsächlich Energie spart, wird nun logisch begründet: Das K-PLUS-Glas erreicht die Spareffekte auf doppelte Weise: zum einen, weil es die kostenlose Heizkraft der Sonne in die Wohnungen durchläßt, zum anderen, weil es selbst eine hervorragende Wärmedämmung bietet. Die Kennzeichnung K-PLUS ... Energie-Gewinn-Glas erscheint noch einmal in der vorletzten Zeile, in der auf die Markenkennzeichnung, das silberne K, hingewiesen wird. Dieses Markenzeichen ist denn auch rechts neben dem Haupttext in dem Fotoausschnitt einer Fensterscheibe sichtbar, die offensichtlich mit diesem Glas verglast worden ist. Das Firmenzeichen und der Firmenname darunter ergänzen diesen zweiten Bildbereich. Die letzte Textzeile (EIN GEWINN FÜR SIE - EIN GEWINN FÜR ALLE), die die Grundgedanken des Textes nochmals präzisiert, kann als eine Art Slogan aufgefaßt werden. Ein letzter Blick gilt der Farbverteilung des Bildes: Während der lachende Mann in blauer Kleidung erscheint (Blau als Symbolfarbe des Verstandes?), werden die lachende Sonne und die von ihr ausgehende Energie wie auch die ersparten Heizkosten in Form der Geldscheine sowie die zweite Schlagzeile mit warmem Gelb unterlegt, das auch noch auf das Foto der Fensterscheibe fällt. Im Bereich des Firmennamens erscheinen zudem noch dunkelgrüne Farbtöne. Soweit der ikonische Befund dieser Anzeige. Auf drei Besonderheiten im ikonographischen Bereich soll noch hingewiesen werden. Zunächst auf das Bild des Mannes mit den Geldscheinen: Durch die etwas grobe und lässige Strichzeichnung erreicht das Bild einen witzigen Wirkungseffekt, der es aus der witzarmen Umwelt anderer deutscher Werbungen hervorhebt. Dieser Effekt im Bildcode korrespondiert mit der teilweise lässigen Umgangssprache im sprachlichen Code, der allerdings nicht durchgehalten wird.
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Einzelinterpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen
Als dritter Effekt sei die Einbeziehung des Gedankens der Umweltschonung genannt, der der Anzeige eine zweite ideologische Codeebene eröffnet (neben der wirtschaftlich-ökonomischen). 10.2.2. Anzeige für PHILIPS-Elektrorasierer
PHILISHAVE
Sensorschliff
Diese Werbung fällt sowohl bildlich als auch graphisch durch die mehrfache Halbteilung auf. Die Anzeige wird zunächst in der Seitenmitte horizontal geteilt in eine Bildhälfte und eine Texthälfte. Die (obere) Bildhälfte wird zudem vertikal geteilt in die Darstellung eines halben Mohnbrötchens und einer gutrasierten Gesichtshälfte eines lächelnden Mannes. Der darunterstehende Text ist in seiner Mitte horizontal geteilt in eine (weiße) Hälfte mit den Schlagzeilen und eine (vorwiegend gelbe) Hälfte mit dem Haupttext, kleineren Fotos und dem Firmensignet und Firmennamen. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird hier wahrscheinlich zunächst durch die obere Anzeigenhälfte mit der merkwürdigen Bildteilung beansprucht. Obwohl die Halbbilder völlig disparate Inhalte bieten, zudem mit unterschiedlichen Hintergrundfarben (beim Brötchen dunkelblau, beim Mann gelb) ausgestattet sind, scheinen sie doch zusammenzugehören. Dafür sprechen zum einen die Übereinstimmung der Kinnrundung des Mannes mit der unteren Rundung des Brötchens, zum anderen die roten Pfeildreiecke in beiden Bildhälften, die gegeneinandergerichtet in gleicher Höhe und gleichem Abstand von der Mitte erscheinen. Es wird so - natürlich übertreibend - suggeriert, daß ein unrasierter Mann im Gesicht wie ein Mohnbrötchen aussieht, während die PHILISHAVE Sensorschliff-Rasur ein glattrasiertes, strahlend lächelndes Gesicht ermöglicht und - wie es im Haupttext in Fortführung dieser Personifikation des Werbeobjekts doppelsinnig heißt - den so gepflegten Mann glatt ... durch den Tag ... bringt. Die Schlagzeile mit der umgangssprachlichen Aufforderung: MACHEN SIE KEINE HALBEN SACHEN! vermittelt zunächst den Sinn, nichts Unfertiges zu tun, vielmehr alles perfekt zu machen. Angesichts der rechten Bildhälfte (und der oberen Ergänzung der Schlagzeile) entsteht jedoch die Aussage: Rasieren Sie sich gründlich, und zwar mit dem PHILISHAVE Sensorschliff-Rasierer, bleiben Sie nicht halbrasiert wie das Mohnbrötchen! Der im Haupttext erwähnte ,Mohnbrötchen-Test' beim Fachhändler bezieht sich dementsprechend wohl auf ein Ausprobieren des angepriesenen Rasierers am unrasierten Gesicht. Der durch gelben Untergrund besonders hervorgehobene Haupttext, der zudem durch die Abbildung eines /WL/PS-Rasierers links und eines Autos rechts am Textrand geschmückt ist, weist bereits in seiner Überschrift (Fühlen und gewinnen!) und in den Bildern auf einen zusätzlichen Vorteil für die PHILISHAVE-R&siereT hin: die Teilnahme an einer Verlosung eines Opel FronteraGeländewagens. Mit der Bemerkung Dann kommen Sie auch glatt durch rauhes Gelände schafft der Text einen Analogiebezug zum vorher beschriebenen Rasiervorgang (glatt durch den Tag).
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Einzelinterpretationen von Werbeanzeigen
DIE PHILISHAVE SENSORSCHLIFF-RASUR.·
MACHEN SIE KEINE HALBEN SACHEN!
PHILIPS
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Einzelinterpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen
Derartige Werbungen mit Preisausschreiben, Verlosungen u.a., die auch als ,Umwegwerbung' oder .HuckepackWerbung' bezeichnet werden, sind nicht selten. Sie suchen durch einen Zusatz- oder Nebengewinn Kunden anzulocken. Die vorliegende Werbeanzeige erlangt durch diese Zusatzwerbung etwas Zwiespältiges und Uneinheitliches, besonders im Haupttext. Die gesamte Anzeige wird so informationsreicher, wirkt aber dadurch etwas überladen. Ideologisch dominiert hier neben der ökonomischen Perspektive das Ideal der gesellschaftlich akzeptierten Eleganz, die eine gute Rasur voraussetzt. Eine männliche Bärtigkeit (auch mit sog. ,Drei-Tage-Bart'), wie sie heute bei Künstlern und jungen Männern üblich ist, wäre hier verpönt. 10.2.3. Anzeige der Heilsarmee Der Leser eines zeitkritischen Magazins ist zunächst überrascht, im Wechsel von journalistischen Texten und ökonomischer Werbung auch eine Werbeanzeige der Heilsarmee (engl. Salvation Army) zu finden. Er wird dabei bedenken, daß auch caritative, religiöse, ökologische und andere Vereinigungen, die nicht auf ökonomischen Gewinnerwerb eingerichtet, vielmehr auf Spendenerwerb angewiesen sind, für sich werben müssen. Meistens erfolgt solche Werbung durch Postwurfsendungen, gezielte Anschreiben mit beigefügten Überweisungsformularen, in Kleinanzeigen oder in Straßen Werbungen. Daß eine solche Organisation ganzseitig im Stil und in der Preislage der Illustriertenwerbung um Unterstützung bittet, ist ungewöhnlich und insofern schon aufschlußreich. Verstärkt wird diese Überraschung durch die ungewöhnliche Bildgestaltung. Das damit beauftragte Werbebüro (Wilkens), das diese Anzeige gestalten ließ, hat deren Werbestrategie ganz auf den kriegerisch wirkenden Armee-Begriff dieser Institution abgestimmt. Armee - das assoziiert Kampf, Krieg, Soldaten, Tod. Dementsprechend ist die schemenhafte Gestalt eines vorwärtsstürmenden Soldaten in Kampfausrüstung, mit einer Maschinenpistole in der rechten Hand, in den oberen Bildmittelpunkt gerückt, gewissermaßen als exemplarische Verkörperung des grausamen modernen Krieges. Realismus wird hier angedeutet, zugleich aber schemenhaft und in auffallendem Signalrot relativiert, um eine negative Symbolik zu erreichen. In der leicht schräg in das Bild hineinragenden Schlagzeile und im Haupttext vor allem wird nämlich verdeutlicht, daß der mit tödlichen Waffen ausgetragene blutige Krieg nicht von der Heilsarmee gebilligt wird, auch wenn er von den verschiedenen Ideologien als gerechter, ja ,heiliger Krieg' legitimiert wird. Die .Heilsarmee', die sich in einem Textschild im oberen Bild als The Army of Love bezeichnet (wobei Love ebenfalls rot erscheint), kennt nur einen heiligen Krieg, [...] aber nicht mit den Waffen der Gewalt, sondern mit den entwaffnenden Waffen der Liebe. Die Schlagzeile grenzt sich somit ab von den Ideologien und Ideologemen, die die bisherigen und evtl. noch kommenden Kriege als heilig werten oder
Einzelinterpretationen von W e r b e a n z e i g e n
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Wir haben einen kriegerischen Namen,
sich (Or unsere karitativen und scclsor· jyj
und auch wir kämpfen. Aber nicht mit
gerischen Aktivitäten interessieren, oder ]
den Waffen der Gewalt, sondern mit den
die Heilsarmee finanziell
entwaffnenden Waffen der Liebe l'nsere
unterstützen wollen, rufen
Feinde sind Armul. Obdachlosigkeit, Hun-
Sie uns an. Wir freuen uns,
ger, Einsamkeit und Ignoranz· Wenn Sie
mit Ihnen ins Gespräch zu kommen.
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Einzelinterpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen
gewertet haben und so rechtfertigen (wie dies manche fundamentalistischen muslimischen Gruppen und Staaten in der Auseinandersetzung mit den ,Ungläubigen', aber auch mit Israel tun). Sie unternimmt zugleich mit dem Haupttext den Versuch, dem eigenen militärisch und somit potentiell kriegerisch anmutenden Image einen neuen Sinn zu geben. Man will demnach nicht primär eine auf das seelische Heil der Menschen bedachte , Armee' sein, sondern eine Armee der Liebe, die gegen Armut, Obdachlosigkeit, Hunger, Einsamkeit und Ignoranz kämpft. Aus der Werbestrategie der Anzeige sind der Kampfcharakter und die damit verbundene Gegnerschaft geblieben. Sie werden hier jedoch umgemünzt in einen Einsatz für caritativ-humanitäre Ziele, denen sich allenfalls pure Egoisten entziehen können. Die organisationsinternen Ziele, die 1865 der Gründer dieser Organisation, der Engländer W. Booth, festgelegt hat, werden hier verschwiegen. Sie werden wahrscheinlich nur dem bekanntgemacht, der - der Einladung der Anzeige folgend - Auskünfte über die seelsorgerischen Aktivitäten anfordert. 10.2.4. Anzeige für Häkle
feuchMoilettenpapier
Manche Firmen haben es schwer, für ihre Produkte eine wirksame Werbung zu finden. Mitunter stehen ihrer Werbung gravierende Gründe entgegen. So kann z.B. ein Produkt zu minderwertig sein, um eine besondere Werbeaktion zu lohnen; wieder andere Produkte sind zu allgemein und selbstverständlich notwendig und werden auch ohne Werbung gekauft, und wieder andere berühren gesellschaftliche Tabubereiche, was mitunter ebenfalls Werbung erschwert. Bei einer Werbung für Toilettenpapier scheinen alle drei genannten Gründe vorzuliegen: erstens ist das Produkt nicht besonders wertvoll, zweitens besteht hier kein besonderer Konkurrenzkampf, zudem wird das Produkt notwendigerweise gekauft, und drittens entbehrt der Anwendungsbereich dieses Produkts nicht einer gewissen Anrüchigkeit. Es erfordert so schon einiges Geschick, hier wirkunsgvoll zu werben. Die Firma Häkle, die unter dem Slogan Ihrem Po zuliebe trockenes und feuchtes Toilettenpapier herstellt und vertreibt, hat es 1997 trotzdem verstanden, durch eine recht auffallende Anzeige für ihr Sonderprodukt Häkle feucht, die feuchten Toilettentücher, zu werben. Der Werbung kommt zugute, daß es sich hierbei nicht um gewöhnliches (trockenes) Toilettenpapier handelt, sondern um ständig feuchtes (sprachlich ist es zu Tüchern aufgewertet), das nach der Trokkenreinigung des Pos eine zusätzliche Waschwirkung zeitigt und so die Hygienewirkung erhöht. Im Haupttext wird etwas unbestimmt darauf hingewiesen (reinigt es perfekt, pflegt ihren Po durch natürliche Wirkstoffe und beugt so Hautreizungen vor). Der Text hebt allerdings die psychologische Wirkung dieser Reinigungshilfe besonders hervor: Häkle feucht gibt Sicherheit und Wohlgefühl. Mit diesen Worten knüpft die Anzeige an die auch für andere Waren des Intim-
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Einzelinterpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen
bereichs (Damenbinden, Dessous u.ä.) üblichen Werbungen an, überbietet sie jedoch sowohl in der Schlagzeile als auch im darauf bezogenen Bildbereich. Mit beiden erreicht diese Anzeige einen ungewöhnlichen Aufmerksamkeitsgrad, vor allem da hier gleich doppelt gegen bisherige Tabubereiche verstoßen wird. Im Bildlichen geschieht dies dadurch, daß in einer Schwarz-Weiß-Darstellung eine attraktive Frau ihrem (männlichen) Partner, der im übrigen nackt und von guter Muskulatur und glatter Haut ist, leidenschaftlich den Slip von den Po-Backen reißt und mit hingebungsvoll geschlossenen Augen und wie saugend aufgewellten Lippen auf diesen Körperteil küßt. Sie erhebt damit diesen Teil des Körpers zu einer neuen erogenen Zone, vielleicht eingedenk der neuerdings wiederholt kolportierten psychologischen Einsicht, daß Frauen den hinteren Partien des Mannes oft mehr Beachtung schenken als den vorderen (vgl. auch die HiltlWerbung S.35). Was im Bildbereich der Anzeige bereits in ungewöhnlich auffallender Weise realisiert erscheint, wird im Imperativ der Schlagzeile erst als künftiges Geschehen verbalisiert: Machen Sie Ihren Po zur Kusszone. Nicht nur das bildlich dargestellte Geschehen, das hier verbal umschrieben wird, entspricht einem Tabubruch, da derartige Szenen (die allenfalls in manchen Filmen noch überboten werden) in Werbebildern bisher nicht üblich waren, auch die direkte Kennzeichnung des entsprechenden Körperteils, der in dem bekannten Zitat aus Goethes Götz von Berlichingen seit über 200 Jahren dezent ausgelassen wird, erscheint nun in der aus der Babysprache übernommenen umgangssprachlichen Form innerhalb der Werbesprache. Dieser doppelte Tabubruch beruht letztlich auf Wandlungen im moralischen und sprachlichen Gesellschaftsbewußtsein. In dem Maße, in dem dieses einerseits die Darstellung nackter Körper wie auch von Liebesszenen in öffentlichen Medien zuläßt, andererseits erotische, sexuelle und sogar fäkalische Bereiche und ihre Bezeichnungen zur Vermeidung von Prüderie in der Hochsprache nicht mehr ausklammert, scheut auch die Werbung vor derartigen Grenzerweiterungen nicht mehr zurück und nutzt sie - wie das Beispiel zeigt - zur Erhöhung der Attraktivität ihrer Anzeigen. Die Werbung ist in diesem Sinne nur insofern Vorreiter von gesellschaftlichen Neuerungen, als sie auch manches gesellschaftlich toleriert, was heute besonders in den Funkmedien der Privatsender vorangetrieben wird.
Beispielanalyse eines Fernseh-Werbespots
10.3. Beispielanalyse eines Fernseh-Werbespots Werbespot für ciabin ρ/κί-Warzenmittel (22 Sek.) Bildkennzeichnung ca. lOjähriger schwimmt,
Bildtext
aus
Wasser, läuft (nur sichtbar),
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und Ausbuchtung len in den (Packung
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dann FußZeich-
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den
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Fuß. erscheint
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(Off-Sprecher:)
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links
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Ciabin plus macht
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musik)
der verhinplus
Apotheke.
Warzen Schluß.
mit
Zu
Risiken
und Nebenwirkungen
lesen
Sie die
Packungsbeilage
und fragen oder
Sie Ihren
Arzt
Apotheker.
Rezeptfreie, aber apothekenpflichtige Arzneiwaren sind eine beliebter Gegenstand der Fernsehwerbung. Oft werden dabei in Fotomontagen oder Strichzeichnungen Menschen mit ihren Beschwerden gezeigt, gegen die das jeweilige Präparat helfen kann. Die Ciabin plus-Werbung zeigt in einem realistischen Film die Ansteckungsmöglichkeit für Warzen, z.B. die nassen Fußböden in Bädern, und in schematischen Zeichnungen die Wirksamkeit der Warzen. Als Erlebnisfigur im ersten Filmteil, der außer der Off-Sprecher-Ansage nichts mit Warzen zu tun zu haben scheint, fungiert ein etwa zehnjähriger Junge, der wegen des größeren Sympathiebezugs dafür besser geeignet ist als ein Erwachsener. Der Off-Text, der gleichzeitig mit dem Auftauchen des badenden Jungen beginnt, vermittelt den Eindruck, daß der Junge bereits mit Warzen infiziert ist, aber mit Ciabin plus geheilt werden kann. Der Fernsehspot ist nach dem üblichen Rezeptschema aufgebaut: Nach der Darstellung der Infektion folgt die Kennzeichnung des Heilmittels und seiner Wirkweise (wobei dies auch in der Bildfolge: Warzenwirkung - Arzneipackung geschickt verdeutlicht wird), ferner der Hinweis auf die Empfangsmöglichkeit in Apotheken und der vorge-
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Einzelinterpretation von Werbeanzeigen und Werbesendungen
schriebene Risikohinweis. Sprachlich nutzt der Off-Text an manchen Stellen die etwas volkstümlichere Umgangssprache (... ganz schön unangenehm werden ... rückt den Warzen auf die Pelle ... macht mit den Warzen Schluß). Die Herkunft des Warennamens ist unklar. Die -/«-Endung entspricht häufig so benannten Arzneimitteln. Der Anfangsteil clab- hängt vielleicht mit altgriech. kláo (= abbrechen) zusammen; der p/ws-Zusatz ist eine Form der semantischen Aufwertung (s. S.72ff.). Die spärliche Musikuntermalung spielt dagegen kaum eine Rolle.
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