Erblasserwille und Testamentswortlaut: Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts zur Reformation und Kassation einseitiger testamentarischer Verfügungen [1 ed.] 9783161593970, 9783161593987, 3161593979

Wie soll das Recht auf eine Abweichung zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut reagieren? Marcel Beck unterzieht

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German Pages [363] Year 2020

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
§ 1 Einleitung
A. Problemaufriss
B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung
§ 2 Deutsches Recht
A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens
I. Auslegung
1. Allgemeine Grundsätze
a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess
b) Bedeutung objektiver Bezugspunkte
c) Grenzen
2. Erläuternde Auslegung
a) Voraussetzungen
aa) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen
bb) Ermittlung des wahren Erblasserwillens
(1) Maßgebliche Perspektive
(2) Maßgeblicher Zeitpunkt
(3) Relevante Bezugspunkte
(4) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts
cc) Hinreichende Andeutung
(1) Andeutungstheorie
(a) Inhalt
(b) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln
(2) Grundlage
(a) Formwahrung
(b) Erklärung des Geschäftswillens
(c) Praktische Auswirkungen
(3) Problematik der Falschbezeichnungen
(4) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte
(5) Zusammenfassung
b) Grenzen
c) Rechtsfolge
d) Praktische Anwendungsbereiche
aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
bb) Anwendung auf Fallbeispiele
3. Ergänzende Auslegung
a) Grundsätzliches
b) Voraussetzungen
aa) Planwidrige Regelungslücke
bb) Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens
cc) Hinreichende Andeutung
(1) Inhalt
(2) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln
(3) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte
c) Grenzen
d) Rechtsfolge
e) Praktische Anwendungsbereiche
aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
bb) Anwendung auf Fallbeispiele
II. Irrtumsanfechtung
1. Verhältnis zur Auslegung
2. Voraussetzungen
a) Anfechtungsgrund
aa) Inhaltsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB
bb) Erklärungsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB
cc) Motivirrtum, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB
dd) Kausalität
b) Weitere Voraussetzungen der §§ 2078 ff. BGB
3. Grenzen
4. Rechtsfolge
5. Praktische Anwendungsbereiche
a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
b) Anwendung auf Fallbeispiele
B. Zusammenfassung
§ 3 Englisches Recht
A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens
I. Interpretation
1. Allgemeine Grundsätze
a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess
b) Bedeutung des Testamentswortlauts (objektiver Sinngehalt)
2. Voraussetzungen
a) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen
b) Ermittlung des wahren Erblasserwillens
aa) Maßgebliche Perspektive
(1) Ursprünglich objektiv-formalistische Auslegung (literal approach)
(2) Wendepunkt zur Berücksichtigung des Erblasserwillens (intentional approach)
(3) Neujustierung hin zum maßgeblichen Verständnis des vernünftigen Durchschnittsbetrachters (modern contextual approach)
bb) Maßgeblicher Zeitpunkt
cc) Relevante Bezugspunkte
(1) Testament (intrinsic evidence)
(2) Aspekte außerhalb des Testaments (extrinsic evidence)
(3) Bedeutung des common sense?
dd) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts
3. Grenzen
4. Rechtsfolge
5. Praktische Anwendungsbereiche
a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
b) Anwendung auf Fallbeispiele
II. Rectification
1. Zulässigkeit
2. Verhältnis zur interpretation
3. Voraussetzungen
a) Ermittlung des wahren Erblasserwillens
b) Der Willensdurchsetzung entgegenstehende Testamentsabfassung
c) Rectification-Grund
aa) Clerical error, sec. 20(1)(a) AoJA 1982
bb) Failure to understand his instructions, sec. 20(1)(b) AoJA 1982
cc) Weitere Gründe?
d) Fristwahrung
4. Grenzen
5. Rechtsfolge
6. Praktische Anwendungsbereiche
a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich
b) Anwendung auf Fallbeispiele
B. 12th Programme of Law Reform im Spiegel des Lösungsansatzes
C. Zusammenfassung
§ 4 Rechtsvergleich
A. Vergleich der Lösungsansätze
I. Parallelen
II. Divergenzen
1. Rechtsdogmatische Perspektive
a) Auslegungsebene
aa) Perspektive
bb) Beweisverwertbarkeit
cc) Grenze
dd) Dimensionen der Willensermittlung
b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs
2. Rechtspraktische Auswirkungen
a) Auslegungsebene
aa) Perspektive
bb) Beweisverwertbarkeit
cc) Grenze
dd) Dimensionen der Willensermittlung
b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs
III. Übertragung auf die zugrunde liegenden Diskrepanzkonstellationen
1. Missverstandener Bedeutungsgehalt
2. Fehlgegangene Erklärungshandlung
3. Enttäuschter Beweggrund
B. Bewertung
I. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge oder Vertrauen auf die allgemeinen Beweisregeln bei der Durchsetzung des Erblasserwillens?
1. Existenz eines schlüssigen Modells zur Formalisierung der Beweisstrenge
a) Formalisierte Beweisstrenge durch die Andeutungstheorie
aa) Fehlende Konturen
bb) Inkonsistente Anwendung
(1) Unterschiedliche Beurteilung unbewusster Falschbezeichnungen
(2) Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen
cc) Mangelnde Präventionswirkung
dd) Notwendigkeit eines Andeutungskriteriums aus Gründen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre oder der Formvorschriften?
ee) Zusammenfassung
b) Alternativkriterium zur formellen Begrenzung der Beweiswirkung
2. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge
3. Zusammenfassung
II. Verstärkte Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens in Sonderfällen
1. Konstellationen fehlgegangener Erklärungszeichen
2. Konstellationen von Übermittlungsfehlern
III. Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers
1. Fundamentale Differenzierung oder materielle Gleichbehandlung von realem und irrealem Willen
2. Modalitäten der Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers
3. Zusammenfassung
IV. Reaktion auf irrtumsbehaftete testamentarische Verfügungen
1. Differenzierte Antwort des englischen Rechts
2. Kassation des deutschen Rechts
a) Konstellationen sachgerechter Anfechtungsergebnisse
b) Konstellationen inakzeptabler Anfechtungsergebnisse
c) Zwingender Grund für einen bloß kassatorischen Rechtsbehelf?
C. Zusammenfassung
§ 5 Reformvorschlag
A. Anknüpfungspunkt
B. Reformvorschläge des Schrifttums
I. Ausdehnung der Auslegung
II. Positive Anfechtungswirkung
III. Testamentskorrektur
C. Eigene Position
I. Vorschläge im Einzelnen
1. Durchsetzung des realen Erblasserwillens durch Auslegungsausdehnung
2. Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens durch Testamentskorrektur
II. Auseinandersetzung mit möglichen Bedenken
1. Fehlende praktische Relevanz
2. Notwendigkeit einer Andeutung
3. Testamentskorrektur als systemwidriger und der Rechtssicherheit abträglicher Fremdkörper
4. Aushöhlung des Anfechtungsrechts
§ 6 Schluss
Literaturverzeichnis
Entscheidungsverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Erblasserwille und Testamentswortlaut: Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts zur Reformation und Kassation einseitiger testamentarischer Verfügungen [1 ed.]
 9783161593970, 9783161593987, 3161593979

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Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 448 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren: Holger Fleischer, Ralf Michaels und Reinhard Zimmermann

Marcel Beck

Erblasserwille und Testamentswortlaut Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und englischen Rechts zur Reformation und Kassation einseitiger testamentarischer Verfügungen

Mohr Siebeck

Marcel Beck, geboren 1993; Studium der Rechtswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main; 2017 Erstes Juristisches Staatsexamen; 2019 Promotion; seit 2017 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Zivilrecht, Zivilprozessrecht, Internationales Privat­recht und Rechtsvergleichung der Goethe-Universität Frankfurt am Main; seit 2019 juristi­scher Vorbereitungsdienst am Oberlandesgericht Frankfurt am Main. orcid.org/0000-0001-5388-6552

D 30 ISBN 978-3-16-159397-0 / eISBN 978-3-16-159398-7 DOI 10.1628/978-3-16-159398-7 ISSN 0720-1141 / eISSN 2568-7441 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2020 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden. Printed in Germany.

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2019/2020 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnten Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur bis einschließlich Januar 2020 berücksichtigt werden. Mein tief empfundener Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Felix Maultzsch, LL.M. (NYU). Er hat mein juristisches Verständnis seit Beginn meines rechtswissenschaftlichen Studiums in Frankfurt am Main beeinflusst, meine Faszination für den Geist fremder Rechtsordnungen geweckt und mich in die Disziplin der Rechtsvergleichung eingeführt. Diese Schrift ist während meiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl entstanden, in der er mir stets den nötigen Freiraum für ihre Anfertigung gewährte. Dabei hat er den Entstehungsprozess maßgeblich durch seine stete Gesprächsbereitschaft, wertvollen inhaltlichen Anmerkungen und raschen Rückmeldungen unterstützt. Dieser Lebensabschnitt war für mich sowohl in fachlicher als auch persönlicher Hinsicht eine große Bereicherung und wird mir immer positiv in Erinnerung bleiben. Herrn Prof. Stefan Vogenauer, M.Jur. (Oxford), möchte ich nicht nur für die zügige Zweitbegutachtung dieser Arbeit, sondern auch für die konstruktiven inhaltlichen Anregungen danken. Ferner möchte ich mich bei den Direktoren des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Holger Fleischer, LL.M. (Univ. of Michigan), Dipl.-Kfm., Herrn Prof. Dr. Ralf Michaels, LL.M. (Cambridge), und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann, FBA FRSE, für die Aufnahme meiner Arbeit in diese Schriftenreihe bedanken. Mein herzlichster Dank gilt schließlich meinen Eltern, die mich stets auf jede erdenkliche Weise gefördert haben. Ohne ihre liebevolle und selbstlose Unterstützung hätte diese Arbeit nicht entstehen können. Ihnen ist diese Schrift gewidmet. Frankfurt am Main, im Januar 2020

Marcel Beck

Inhaltsübersicht

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . .

9

§ 2 Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . .

17

B. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

§ 3 Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . .

101

B. 12th Programme of Law Reform im Spiegel des Lösungsansatzes

186

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

§ 4 Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

A. Vergleich der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

B. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

272

X

Inhaltsübersicht

§ 5 Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

A. Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

B. Reformvorschläge des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280

C. Eigene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298

§ 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

311

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319

Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

337

Inhaltsverzeichnis

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII

§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

A. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . .

9

§ 2 Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . . I. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung objektiver Bezugspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erläuternde Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung des wahren Erblasserwillens . . . . . . . . . . . (1) Maßgebliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Relevante Bezugspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Hinreichende Andeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Andeutungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 17 17 17 19 21 21 22 22 22 22 25 25 27 35 36 36 38

XII

Inhaltsverzeichnis

(2) Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Formwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Erklärung des Geschäftswillens . . . . . . . . . . . . . (c) Praktische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Problematik der Falschbezeichnungen . . . . . . . . . . (4) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte . . . . . . . (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Praktische Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergänzende Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens . . . . . cc) Hinreichende Andeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte . . . . . . . c) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Praktische Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Irrtumsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zur Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB . . . . . . . . . . . . bb) Erklärungsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB . . . . . . . . cc) Motivirrtum, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB . . . . . . . . . . . . . dd) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Voraussetzungen der §§ 2078 ff. BGB . . . . . . . . . . 3. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Praktische Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

39 40 42 45 47 51 53 54 54 55 55 55 57 57 61 61 63 65 65 69 70 72 73 74 74 74 76 77 78 78 78 80 80 85 88 91 91 94 94 96

Inhaltsverzeichnis

XIII

B. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

§ 3 Englisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens . . . . . . . . . I. Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutung des Testamentswortlauts (objektiver Sinngehalt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen b) Ermittlung des wahren Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßgebliche Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ursprünglich objektiv-formalistische Auslegung (literal approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wendepunkt zur Berücksichtigung des Erblasserwillens (intentional approach) . . . . . . . . . . (3) Neujustierung hin zum maßgeblichen Verständnis des vernünftigen Durchschnittsbetrachters (modern contextual approach) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Relevante Bezugspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Testament (intrinsic evidence) . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aspekte außerhalb des Testaments (extrinsic evidence) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Bedeutung des common sense? . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Praktische Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rectification . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des wahren Erblasserwillens . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Willensdurchsetzung entgegenstehende Testamentsabfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rectification-Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

101 101 102 102 103 105 105 106 106 107 109

114 120 125 126 127 134 136 149 157 157 157 158 161 161 163 166 166 167 168

XIV

Inhaltsverzeichnis

aa) Clerical error, sec. 20(1)(a) AoJA 1982 . . . . . . . . . . . . . bb) Failure to understand his instructions, sec. 20(1)(b) AoJA 1982 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Weitere Gründe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Praktische Anwendungsbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung auf Fallbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 171 175 177 180 182 182 182 184

B. 12th Programme of Law Reform im Spiegel des Lösungsansatzes

186

C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188

§ 4 Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

A. Vergleich der Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Divergenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsdogmatische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beweisverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Dimensionen der Willensermittlung . . . . . . . . . . . . . . . b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspraktische Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beweisverwertbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Dimensionen der Willensermittlung . . . . . . . . . . . . . . . b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Übertragung auf die zugrunde liegenden Diskrepanzkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Missverstandener Bedeutungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlgegangene Erklärungshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Enttäuschter Beweggrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 192 195 195 195 195 196 198 198 200 201 202 202 204 206 208 210

B. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge oder Vertrauen auf die allgemeinen Beweisregeln bei der Durchsetzung des Erblasserwillens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 216 218 219

220

Inhaltsverzeichnis

1. Existenz eines schlüssigen Modells zur Formalisierung der Beweisstrenge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formalisierte Beweisstrenge durch die Andeutungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fehlende Konturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inkonsistente Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Unterschiedliche Beurteilung unbewusster Falschbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen . . . . . . . . . . . . . cc) Mangelnde Präventionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Notwendigkeit eines Andeutungskriteriums aus Gründen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre oder der Formvorschriften? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Alternativkriterium zur formellen Begrenzung der Beweiswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstärkte Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens in Sonderfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konstellationen fehlgegangener Erklärungszeichen . . . . . . . . . 2. Konstellationen von Übermittlungsfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . 1. Fundamentale Differenzierung oder materielle Gleichbehandlung von realem und irrealem Willen . . . . . . . . . 2. Modalitäten der Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Reaktion auf irrtumsbehaftete testamentarische Verfügungen 1. Differenzierte Antwort des englischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . 2. Kassation des deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konstellationen sachgerechter Anfechtungsergebnisse . . . b) Konstellationen inakzeptabler Anfechtungsergebnisse . . . c) Zwingender Grund für einen bloß kassatorischen Rechtsbehelf? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XV 220 221 221 226 227 228 231

232 238 238 241 245 246 246 248 250 251 254 259 260 261 262 263 267 269 272

XVI

Inhaltsverzeichnis

§ 5 Reformvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

A. Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279

Reformvorschläge des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausdehnung der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Positive Anfechtungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Testamentskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280 280 291 294

C. Eigene Position . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorschläge im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Durchsetzung des realen Erblasserwillens durch Auslegungsausdehnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens durch Testamentskorrektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auseinandersetzung mit möglichen Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fehlende praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit einer Andeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Testamentskorrektur als systemwidriger und der Rechtssicherheit abträglicher Fremdkörper . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aushöhlung des Anfechtungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

298 299

307 310

§ 6 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

311

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319

Entscheidungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329

Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

337

B. I. II. III.

299 301 305 306 307

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. A.C. AcP Add. a.E. a.F. AG A.J.C.L. All E.R. A.L.J.R. Alt. Anm. AoJA 1982 Art. A.S.L.J. Aufl. BayObLG BayObLGZ Beav. Begr. Beschl. BGB BGH BGHZ BNotO bspw. Bulstr. BVerfG BVerfGE BWNotZ bzw. CarswellOnt. Ch. Ch. D. C.L.C. Cl. & F. C.L.J. Cmnd. Conv.

anderer Ansicht Absatz Law Reports, Appeal Cases (Third Series) Archiv für die civilistische Praxis Addams’ Ecclesiastical Reports (1834–1840) am Ende alte Fassung Amtsgericht The American Journal of Comparative Law All England Law Reports Australien Law Journal Reports Alternative Anmerkung Administration of Justice Act 1982 Artikel Arizona State Law Journal Auflage Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen Beavan’s Chancery Reports Begründer Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesnotarordnung beispielsweise Bulstrode’s King’s Bench Reports Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg beziehungsweise Carswell Ontario Cases (Canada) Law Reports, Chancery Division (1891–date) Law Reports, Chancery Division (1875–1890) Company Law Cases (Cth) Clark and Finnelly’s House of Lords Reports Cambridge Law Journal Command Paper Conveyancer and Property Lawyer

XVIII DB De G.M. & G. d.h. DNotZ DRiZ ebd. ed. Edin. L.R. edt. edts. e.g. E.G. EL. E.R. ErbR ErbrechtKomm. et al. etc. E.W.C.A. Civ. E.W.H.C. f., ff. FamFG FamRZ FGPrax Fn. FPR GG GG-Komm. Harv. Int. L.J. Harv. L. Rev. HKK-BGB h.L. HL H.L. Cas. h.M. Hrsg. I.C.R. I.R. i.S.d. ital. cod. civ. i.V.m. J. JA JR JURA JuS JW JZ

Abkürzungsverzeichnis Der Betrieb De Gex, Macnaghten and Gordon’s Chancery Reports (England) das heißt Deutsche Notar-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung ebenda edition Edinburgh Law Review editor editors exempli gratia Estates Gazette Ergänzungslieferung English Reports Zeitschrift für die gesamte erbrechtliche Praxis Burandt, Wolfgang/Rojahn, Dieter (Hrsg.): Erbrecht et alii et cetera England and Wales Court of Appeal (Civil Division) England and Wales High Court folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Praxis der freiwilligen Gerichtsbarkeit Fußnote Familie Partnerschaft Recht Grundgesetz Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.): Grundgesetz Kommentar Harvard International Law Journal Harvard Law Review Schmoeckel, Mathias/Rückert, Joachim/Zimmermann, Reinhard (Hrsg.): Historisch-kritischer Kommentar zum BGB herrschende Lehre House of Lords Clarke’s House of Lords Cases herrschende Meinung Herausgeber Industrial Cases Reports Irish Reports (1838–date) im Sinne des Codice civile in Verbindung mit Judge Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung

Abkürzungsverzeichnis K.B. KG k.k. Komm. Law Com. No. LC L.J. LM

XIX

Law Reports, King’s Bench Division Kammergericht kaiserlich-königlich Kommentar Law Commission Number Lord Chancellor Lord Judge Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Lindenmaier und Möhring L.Q.R. Law Quarterly Review L.R. Eq. Law Reports, Equity L.R. Ex. Law Reports, Exchequer Cases L.R. H.L. Law Reports, English and Irish Appeals and Peerage Claims, House of Lords L.R. P. & D. Law Reports, Probate and Divorce Cases L.R. Q.B. Law Reports, Queens Bench Ltd. Limited LZ Leipziger Zeitschrift für deutsches Recht MittBayNot Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkasse Bayern M.L.R. Modern Law Review M.R. Master of the Rolls MünchKomm. BGB Säcker, Franz Jürgen/Rixecker, Roland/Oetker, Hartmut/Limperg, Bettina (Hrsg.): Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch MünchKomm. ZPO Krüger, Wolfgang/Rauscher, Thomas (Hrsg.): Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung mit Gerichtsverfassungsgesetz und Nebengesetzen m.w.N. mit weiteren Nachweisen N. C. Prob. The Non-Contentious Probate Rules 1987 Rules 1987 NJOZ Neue Juristische Online-Zeitschrift NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht NJWE-FER Neue Juristische Wochenschrift-Entscheidungsdienst Familienund Erbrecht NJW-Spez. Neue Juristische Wochenschrift-Spezial NK-BGB Kroiß, Ludwig/Ann, Christoph/Mayer, Jörg (Hrsg.): Nomoskommentar. BGB. Erbrecht Nr. Nummer N.Z.L.R. New Zealand Law Review OLG Oberlandesgericht OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen O.U.C.L.J. Oxford University Commonwealth Law Journal p. page P. Probate Division para. paragraph P.C.B. Private Client Business P.D. Law Reports, Probate, Divorce and Admiralty Division

XX Ph. pt. r. RabelsZ Rdnr. RG RGZ RNotZ R.P.C. RPfleger S. sec. SeuffA S.L.T. sog. Soongsil L.R. st.Rspr. T. & T. Tru. L.I. u.a. U.K.H.L. U. Penn. L.R. Urt. v. V.-C. Ves. Jun. vgl. vol. Vorb. WA 1837 W.L.R. WM W.N. W.T.L.R. z.B. ZErb ZEuP ZEV ZGB zit. ZNR ZPO ZVglRWiss

Abkürzungsverzeichnis Phillips part rule Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinische Notar-Zeitschrift Reports of Patent Cases Der Deutsche Rechtspfleger Seite(n)/Satz section Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten Scots Law Times sogenannte(r) Soongsil Law Review ständige Rechtsprechung Trusts and Trustees Trust Law International unter anderem House of Lords, United Kingdom University of Pennsylvania Law Review Urteil versus/vom Vice-Chancellor Vesey Junior’s Chancery Reports vergleiche volume Vorbemerkung Wills Act 1837 Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Weekly Notes Wills & Trusts Law Reports zum Beispiel Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Schweizerisches Zivilgesetzbuch zitiert Zeitschrift für neuere Rechtsgeschichte Zivilprozessordnung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

§1

Einleitung A. Problemaufriss „Niemand stirbt ohne Erben.“1 Für den Erblasser ist es daher von größter Bedeutung, dass die Position des Erben richtig besetzt wird. Dabei ermöglicht es ihm die Testierfreiheit, hierauf Einfluss zu nehmen.2 Indem der Testator eine Verfügung von Todes wegen errichtet,3 bestimmt er autonom darüber, wem der Nachlass im Erbfall zufallen soll.4 Hierin, also in der unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens, liegt das ureigene Interesse eines jeden Testators begründet. Im Idealfall gibt der Testamentswortlaut5 den Erblasserwillen zutreffend wieder, sodass die Nachlassverteilung im Sinne des Erblassers erfolgt. Demgegenüber ist die Willensverwirklichung unsicher, wenn das Testament feh1 Daragan, ZErb 2006, 119; Simrock, Die deutschen Sprichwörter gesammelt, 1846, S. 96 Nr. 2083; Schmidt-Wiegand, Deutsche Rechtsregeln und Rechtssprichwörter. Ein Lexikon, 1996, S. 95. 2 Die Testierfreiheit gilt als die „erbrechtliche Ausprägung der Privatautonomie“, statt vieler etwa Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, Einleitung zum Erbrecht Rdnr. 17; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 191 Rdnr. 327; Mayer, FPR 2011, 247, 248. Sie bietet die „Freiheit zum Testieren, beim Testieren, im Testieren und durch Testieren“, Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 191 Rdnr. 327. Einfachgesetzlich lässt sie sich aus den §§ 1937, 1941 BGB ableiten und ist verfassungsrechtlich durch die Erbrechtsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützt, BVerfGE 58, 377, 398; 67, 329, 341; 91, 346, 358; 99, 341, 350; 126, 400, 424. 3 Die Verfügung von Todes wegen ist der Oberbegriff für das Testament (synonym: letztwillige Verfügung) und den Erbvertrag, vgl. § 1937 BGB. Näher Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 1937 Rdnr. 4. 4 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, Einleitung zum Erbrecht Rdnr. 17; Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl., 2019, § 7 Rdnr. 1; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 191 Rdnr. 327. Dabei schafft die Möglichkeit, das Vermögen überhaupt an eigens Ausgewählte vererben zu können, für den Erblasser häufig Anreize, zu Lebzeiten vernünftig und nachhaltig zu wirtschaften, näher dazu Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 4 Rdnr. 7; ausführlich Dutta, Warum Erbrecht? Das Vermögensrecht des Generationenwechsels in funktionaler Betrachtung, 2014, S. 151 ff. 5 Im weiteren Verlauf wird ein konkret zu betrachtender Testamentswortlaut kursiviert dargestellt, um ihn als Ausgangspunkt für die Ermittlung des maßgeblichen Bedeutungsgehalts hervorzuheben.

2

§ 1 Einleitung

lerhaft oder unpräzise abgefasst wurde und es infolgedessen zu einer Diskrepanz zwischen Urkundentext und Intention kommt. Dieses Szenario droht insbesondere dann, wenn der Erblasser juristischer Laie ist und sein Testament eigenständig im „stillen Kämmerlein“6 errichtet hat.7 Aber auch die professionelle Testamentserrichtung durch einen Rechtskundigen bewahrt nicht stets vor Ungenauigkeiten.8 Unabhängig von der konkreten Testamentsform wird der testamentarische Bedeutungsgehalt in diesen Divergenzfällen häufig zum Zankapfel. Nicht selten belastet die daraus erwachsende Erbstreitigkeit die Hinterbliebenen und droht ihre zwischenmenschliche Beziehung zueinander zu zerrütten. Doch auch die Rechtsordnung wird mit einer Herausforderung konfrontiert: Sie muss sich im seit jeher konfliktträchtigen Spannungsfeld9 zwischen Wille und Erklärung dahingehend positionieren, ob und inwieweit ein der wahren Intention entgegenstehender Wortlaut reformiert werden kann. Das deutsche Recht lässt die Reformation des Testamentswortlauts zugunsten des wahren Erblasserwillens in den Grenzen der richterlichen Auslegung zu, die insbesondere durch die Andeutungstheorie gezogen werden. Dadurch macht sie die Durchsetzung des wahren Willens davon abhängig, dass der Testamentswortlaut eine Stütze für die wahre Intention erkennen lässt. Hieraus ergeben sich nicht unerhebliche Probleme: Durch die fehlende Konturierung der Andeutungstheorie und einen teils widersprüchlichen Rechtsprechungskurs ist die richterliche Entscheidung im Einzelfall kaum zu antizipieren, sodass Erbstreitigkeiten mit einem signifikanten Prozessrisiko behaftet sind. Die Problematik um das Kriterium spitzt sich weiter dadurch zu, dass die Andeutungstheorie als „Zünglein an der Waage“ über das endgültige Schicksal des Erblasserwillens richtet. Das Scheitern der Willensdurchsetzung im Wege der Auslegung am Andeutungskriterium ist nämlich in aller Regel gleichbedeutend mit einer endgültigen Absage an die Durchsetzung des Erblasserwillens. Weicht der Wille infolgedessen nicht nur vom Wortlaut, sondern auch vom Auslegungsergebnis ab, wird das auf der Auslegungsebene noch zu verzeichnende Bestreben, den Erblasserwillen in positiver Hinsicht durchzusetzen, aufgegeben. Stattdessen greift die Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB ein – „das klassische, jedem Juristen vertraute Beseitigungsrecht“ –, das „die strengste Rechtsfolge“ statuiert: die Kassation des dem Willen widersprechenden testamentarischen Bedeutungsgehalts gemäß § 142 Abs. 1 BGB, ohne jedoch zugleich reformierend das 6

Zimmermann, JZ 2016, 321, 324; Hosemann, RNotZ 2010, 520. Siehe nur Horn/Kroiß, NJW 2012, 666. 8 Deutlich hob dies etwa das OLG Hamm hervor, OLG Hamm ZEV 2011, 427, 428. Auch lagen einigen der bedeutsamsten Leitentscheidungen zur Testamentsauslegung notariell beurkundete Testamente zugrunde, siehe nur BGHZ 80, 246; 86, 41; 121, 357. 9 Siehe nur Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 9 m.w.N. 7

A. Problemaufriss

3

wirklich Gewollte durchzusetzen.10 Infolge der daraufhin rückwirkenden Nichtigkeit der testamentarischen Verfügung tritt regelmäßig die gesetzliche Erbfolge gemäß §§ 1924 ff. BGB ein – eine Rechtslage, die dem originären Erblasserwillen in aller Regel widerspricht. Die Irrtumsanfechtung mit ihrer bloß kassatorischen Wirkung erzielt somit kein befriedigendes Ergebnis. Indessen mangelt es nicht an Vorstößen aus dem Schrifttum, die den deutschen Lösungsansatz kritisieren. So war die Andeutungstheorie bereits Gegenstand zahlreicher Auseinandersetzungen, etwa weil sie keine klaren Kriterien aufstelle, wann sich die geforderte Stütze für den wahren Erblasserwillen noch hinreichend aus dem Testamentswortlaut ableiten lasse.11 Scharfer Kritik sah sich darüber hinaus auch die bloß kassatorische Rechtsfolge der Irrtumsanfechtung ausgesetzt.12 So unternahm z.B. Schulz schon 192713 einen rechtspolitischen Angriff gegen die Anfechtungsvorschriften, denen er attestierte, „wunderliche Entscheidungen“ herbeizurufen, die „widerspruchsvoll“ und „rechtspolitisch unrichtig“ seien und die „längst an [ihrer] Richtigkeit hätte[n] irre machen müssen“.14 Nur zwei Jahre später kon10 Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 25. 11 Stellvertretend für die Fülle an kritischen Auseinandersetzungen mit der Andeutungstheorie bspw. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 152 ff.; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 66 ff.; Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 192 f.; Petersen, JURA 2005, 597, 599; Smid, JuS 1987, 283, 286; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4; Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 248; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte. Objektive Ordnung und privatautonome Selbstbestimmung im formgebundenen Rechtsgeschäft, 1971, S. 127 ff.; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften. Vergleichende Untersuchung anglo-amerikanischen und deutschen Rechts, 1966, S. 186 ff.; vgl. Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428; ausführlich Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987. 12 Siehe etwa die diesbezüglich ablehnenden Positionierungen von Pringsheim, JW 1925, 359, 360; Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 375; Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 92 ff.; Kolf, Die Anfechtung von Testamenten, 1935, S. 18; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77; Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991, S. 18. 13 Sein Beitrag stammt ursprünglich aus dem Jahr 1927, Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, 1927, S. 70 ff. Hier wird aber der leichter zugängliche Neudruck aus 1979 zitiert: Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70. 14 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 75 ff. (erstes Zitat auf S. 78, zweites Zitat auf S. 77, drittes Zitat auf S. 75).

4

§ 1 Einleitung

statierte auch Siber, dass sie „dem wirklichen letzten Willen infolge ihrer Zweischneidigkeit sehr oft nicht gerecht“ würden.15 Gleichwohl konnte sich die Kritik des Schrifttums nicht durchsetzen, sodass die neuralgischen Aspekte rund um die Andeutungstheorie und die bloß kassatorische Irrtumsanfechtung weiterhin virulent sind. Einen weiteren Grund dafür, den deutschen Ansatz kritisch zu überdenken, liefern die liberalen Entwicklungen im englischen Recht. Während das englische common law früher für seinen streng am Erklärungswortlaut haftenden Auslegungsformalismus16 und seine Unzahl an unübersichtlichen Auslegungspräjudizien bekannt war,17 kennzeichnet das nunmehr als Produkt eines längeren Liberalisierungsprozesses auszumachende Bestreben, die wahre Intention des Erblassers zu verwirklichen, einen Bruch mit dieser Rechtstradition. Diesen Wendepunkt hat das House of Lords 1943 mit der Entscheidung Perrin v. Morgan18 eingeleitet. Nachdem der eingeschlagene Kurs vom Gesetzgeber mitgetragen wurde,19 konnte er sich in der Judikative fortwährend verfestigen und weiterentwickeln. Mit der jüngeren Entscheidung des Supreme Court Marley v. Rawlings20 hat das englische common law dann noch einmal eine bedeutsame Liberalisierung erfahren, die zur Etablierung des modern contextual approach geführt hat, der wiederum die Gleichstellung der Auslegungsmethodik von Testamenten mit derjenigen für andere Rechtsgeschäfte vorsieht.21 15

Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 375. Die wortlautfixierte Auslegungsmethode ist unter der Terminologie literal approach bekannt. Bezeichnend hierfür sind insoweit die Ausführungen in The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 214, per Lord Dunedin: „[...] I cannot help having the moral feeling that this money is probably going to the society to which, if we could have asked him, the testator would not have sent it. But that is not the question for a Court of law; the question for a Court of law is, taking the will as it stands, who is the beneficiary – what is the meaning of the words used?“ 17 Selbst das Law Reform Committee schrieb der interpretation die Attribute „difficult“ und „unclear“ zu, siehe Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 13 para. 34. 18 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399. Dazu noch unten § 3 A. I. 2. b) aa) (2), S. 110 f. 19 Der Gesetzgeber trieb den Liberalisierungsprozess maßgeblich durch das Bekenntnis zum den Willen des Erblassers in den Fokus rückenden intentional approach und die Bereitstellung der reformierenden rectification gemäß sec. 20 Administration of Justice Act 1982 voran. 20 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. Zur Entscheidung, die nachfolgend mit Marley abgekürzt wird, noch näher unten § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. 21 Nachdem die englische Rechtsprechung den liberalen Umbruch nunmehr zu einem recht klaren Kurs verarbeitet hat, schreitet der für das englische common law sonst eher untypische Aktionismus der englischen Legislative hingegen fort. Durch das im Juli 2014 begonnene 12th Programme of Law Reform bahnen sich weitere Änderungen an, weil das 16

A. Problemaufriss

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Nach diesem Wendepunkt liefert das englische Recht interessante Impulse. Auf den ersten Blick vermeidet dessen Lösung nämlich die am deutschen Ansatz kritisierten Aspekte. Das englische common law stellt in Form der interpretation, des Pendants zur deutschen Auslegung, und der rectification gleich zwei reformierende Institute zur Verfügung. Demgegenüber ist der englischen Rechtsordnung die Bereitstellung eines bloß kassatorischen Rechtsbehelfs in diesem Zusammenhang fremd. Darüber hinaus macht die englische interpretation die Durchsetzung des Erblasserwillens nicht von einer Andeutung im Urkundentext abhängig, sondern erklärt die unverfälschte Verwirklichung der wirklichen Intention im Wesentlichen zu einer Beweisfrage. Anders als die interpretation, mit deren Hilfe der wahre Erblasserwille in das Testament „hineingelesen“ wird, der Wortlaut indes unverändert bleibt, erzielt das in sec. 20 Administration of Justice Act 198222 geregelte Institut der rectification sogar die tatsächliche Anpassung des Urkundentexts an die wahre Intention. Der englische Vorstoß, mit althergebrachten Traditionen zu brechen, und das daraus resultierende Lösungsprodukt bilden vor dem Hintergrund des problematisch erscheinenden deutschen Ansatzes einen Anlass dafür, den sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens rechtsvergleichend zum englischen Recht zu betrachten. Hierzu soll die zugrunde liegende Problemstellung anhand dreier Fallbeispiele näher exemplifiziert werden, auf die im Laufe der Untersuchung Bezug genommen wird. Jede dieser Konstellationen bildet einen Grund ab, der letztlich zur Diskrepanz zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut führt. (1) Zunächst ist denkbar, dass sich der Erblasser über die Bedeutung der von ihm im Testament verwendeten Worte täuscht. In dieser Konstellation eines missverstandenen Begriffs weiß er nicht, dass seine Ausführungen objektiv etwas anderes ausdrücken als er subjektiv erklären wollte. Mit einer derartigen Fallgestaltung hatte sich das englische House of Lords 1914 in The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 20723 zu beschäftigen. Dort ordnete ein Schotte testamentarisch diverse Vermächtnisse an Wohltätigkeitsorganisationen an.24 Inmitten dieser Anordnungen

Testieren für die Bevölkerung attraktiver gemacht werden soll, Law Commission, Twelfth Programme of Law Reform (Law Com. No. 354), 2014, p. 12 para. 2.30. Zudem wird erwogen, die elektronische Testamentserrichtung zu ermöglichen, ebd., p. 6 f. para. 1.32 ff. Dazu noch näher unter § 3 B., S. 186 f. 22 Nachfolgend mit AoJA 1982 abgekürzt. 23 Nachfolgend abgekürzt mit National Society v. Scottish National Society. 24 Der maßgebliche Testamentsabschnitt war wie folgt gefasst: „To the Dunfermline and West of Fife Hospital, One thousand pounds free of legacy or other Government duty and other charges, To the Royal Blind Asylum, Edinburgh, Five hundred pounds free of legacy or

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§ 1 Einleitung

bedachte er eine „National Society for the Prevention of Cruelty to Children“, woraufhin die gleichnamige englische Society das Vermächtnis für sich beanspruchte. Allerdings war diese nicht die einzige, die in den Genuss des angeordneten Vermächtnisses des Schotten kommen wollte, denn auch die „Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children“ meldete ihr Interesse an. Abgesehen vom Zusatz „Scottish“ wiesen die beiden Kinderschutzorganisationen also dieselbe Firmierung auf, standen aber in keiner Verbindung zueinander. Indessen sprachen die Umstände dafür, dass der Erblasser den schottischen Kinderschutzverein bedenken wollte: Der Erblasser setzte ausschließlich schottische Gesellschaften testamentarisch ein und verbrachte sein gesamtes Leben in Schottland. Sein Interesse war nur dem schottischen Land gewidmet, in das er auch sein Vermögen investierte. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass er erst kurz vor der Testamentserrichtung von dem schottischen Kinderschutzverein Kenntnis erlangt hatte. Den englischen Verein, mit Sitz in London und ohne Tätigkeitsfeld in Schottland, kannte er nicht. Insgesamt hatte der Erblasser zu England nur sehr geringfügige Verbindungen.25 Der Testierende täuschte sich also über die Bedeutung seiner verwendeten Worte, wenn er dachte, mit der Einsetzung der „National Society for the Prevention of Cruelty to Children“ begünstige er den schottischen Kinderschutzverein, obwohl er damit stattdessen die englische Gesellschaft benannte. Das House of Lords sprach das Vermächtnis dem englischen Kinderschutzverein zu. Das Gericht betonte, es sei nicht seine Aufgabe, zu ergründen, was der Erblasser wirklich anordnen wollte – stattdessen habe es den objektiven Testamentswortlaut auszudeuten.26 (2) Im Unterschied zur erstgenannten Konstellation weiß der Erblasser in der im Schrifttum diskutierten zweiten Fallgestaltung eines fehlgegangenen Erklärungszeichens nicht, was er überhaupt erklärt. Wegen eines Fehlers in der eigentlichen Erklärungshandlung, etwa in Form eines Verschreibens, other Government duty and other charges, To the Edinburgh Deaf and Dumb Benevolent Society, Five hundred pounds free of legacy or other Government duty and other charges, To the National Society for the Prevention of Cruelty to Children, Five hundred pounds free of legacy or other Government duty and other charges, To the Royal Edinburgh Hospital for Incurables (Longmore Hospital), Five hundred pounds free of legacy or other Government duty and other charges, To the Scottish Society for the Prevention of Cruelty to Animals, Two hundred and fifty pounds free of legacy or other Government duty and other charges, To the Royal Edinburgh Hospital for Sick Children, Five hundred pounds free of legacy or other Government duty and other charges, and to the Edinburgh Royal Infirmary, One thousand pounds free of legacy or other Government duty and other charges.“ Siehe The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 208. 25 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 209. 26 Siehe § 1 A., S. 4 (Fn. 16).

A. Problemaufriss

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scheitert die Umsetzung des Intendierten in den Wortlaut.27 Der Erblasser testiert dabei etwa wie folgt: „Hiermit setze ich meine einzige Nichte Martha zu meiner Alleinerbin ein.“28

Weil er sich bei der Errichtung des Testaments versehentlich verschreibt, setzt er anstatt „Magda“, wie seine „einzige Nichte“ in Wirklichkeit heißt und die er in Wahrheit bedenken will, „Martha“ zur Alleinerbin ein. Nach Eintritt des Erbfalls beruft sich seine Schwester, „Martha“, auf das Testament und beansprucht die darin zum Ausdruck gelangende Alleinerbenstellung. Allerdings wollte er seine Schwester „Martha“ unzweifelhaft nicht bedenken, weil er seit Jahrzehnten keinen Kontakt zu ihr hatte. Im Sinne der zwei Extrempositionen stellt sich hier also die Frage, ob das Testament zugunsten der wirklich in Aussicht genommenen „Magda“ reformiert werden kann oder ob die Alleinerbenstellung der dem Wortlaut nach eingesetzten „Martha“ zugesprochen werden muss. Als vermittelnde Lösung kommt schließlich die Kassation der testamentarischen Anordnung in Betracht, die die gesetzliche Erbfolge nach sich ziehen würde. Eine besondere Bedeutung hat dabei die Frage, welche Rolle die zumindest zutreffende Bezeichnung „der einzige[n] Nichte“ spielt und ob diese dazu beiträgt, die in Wahrheit als Alleinerbin in Aussicht genommene „Magda“ in diese Position einrücken zu lassen. (3) In der dritten Konstellation wird schließlich die Motivation oder Zielsetzung des Erblassers enttäuscht, die ihn zur Testamentserrichtung bewegt. Hier tut der Testator zwar dasjenige kund, was er erklären will, weshalb sich Wille und Wortlaut decken. Allerdings erfolgt bereits die Willensbildung fehlerhaft, weil er von Umständen ausgeht, die sich letztlich entweder als unwahr herausstellen oder deren erwarteter Eintritt ausbleibt.29 Einen solchen Fall hatte etwa das RG 1920 zu entscheiden, als es sich mit der folgenden testamentarischen Verfügung einer kinderlosen Erblasserin auseinandersetzen musste: 27

Soweit ersichtlich, existieren keine Rechtsprechungsfälle, in denen ein Fehler bereits im eigentlichen Erklärungsvorgang zugrunde lag und sich dieser unmittelbar auf den Anordnungsinhalt ausgewirkt hätte, ebenso Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1964. Diskutiert wird diese Diskrepanzursache indes etwa bei ebd., S. 1000 Rdnr. 1963; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 22; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140; Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 128 Rdnr. 393. 28 Beispiel nach Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1963; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 22; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; ähnlich auch bei Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140. 29 Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 7; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1003 Rdnr. 1968.

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§ 1 Einleitung

„Zu meinen Erben zu gleichen Rechten und Anteilen ernenne ich die verwitwete Halbbauer Bä. Wilhelmine geb. Br. und den Halbbauer Ernst Br.“30

Allerdings erlebte der testamentarisch bedachte Neffe der Erblasserin, „Ernst Br.“, den Erbfall nicht. Er hinterließ seine Ehefrau und zehn Kinder, wobei eines davon ebenfalls vor der Testierenden verstarb. Nach dem Erbfall beantragte Wilhelm Br., der älteste Sohn des „Ernst Br.“, einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihn sowie seine acht lebenden Geschwister zu je 1/18 und „Wilhelmine Br.“ zur Hälfte als Erben ausweisen sollte. Er vertrat die Auffassung, dass seine acht Geschwister und er in die von der Erblasserin angedachte Erbenposition ihres Vaters einrückten. Im Testament wurde dies jedoch mit keiner Silbe erwähnt, weil die Erblasserin das Vorversterben ihres Neffen nicht bedacht hatte. Das RG sah sich daher mit der Frage konfrontiert, ob „in der Erbeinsetzung eines Geschwisterkindes [...] eine stillschweigende Ersatzberufung von Abkömmlingen des Eingesetzten insbesondere auch dann gefunden werden [kann], wenn der Erblasser bei der Testamentserrichtung an die Möglichkeit des Wegfalls des Eingesetzten nicht gedacht hat“.31 Während die Vorinstanzen die begehrte Ersatzerbenberufung übereinstimmend ablehnten,32 urteilte das RG demgegenüber, dass das Begehren grundsätzlich über die richterliche Auslegung umgesetzt werden könne.33 Bei Veränderungen in sachlicher oder persönlicher Hinsicht müsse gefragt werden „was nach der ,Willensrichtung‘ des Erblassers zu der Zeit, da die Verfügung von ihm getroffen wurde, als von ihm gewollt anzusehen ist, sofern er vorausschauend das spätere Ereignis bedacht haben würde“.34 Das Gericht konnte jedoch nicht ermitteln, ob die Erblasserin im Falle des Voraussehens des Vorversterbens des „Ernst Br.“ dessen Kinder als Erben eingesetzt hätte. Allerdings hatten die Vorinstanzen die familiären Beziehungen der Hinterbliebenen auch nicht hinreichend aufgeklärt, sodass dies nicht ausgeschlossen schien.35

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RGZ 99, 82. RGZ 99, 82. 32 Es wurde darauf verwiesen, dass § 2069 BGB nicht zur Anwendung komme, weil Wilhelm Br. kein Abkömmling der Erblasserin sei. Zudem lasse die testamentarische Anordnung Anhaltspunkte für eine Ersatzerbenberufung der Kinder des Neffen vermissen, RGZ 99, 82, 83. 33 In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen erteilte auch das RG der Idee, die Ersatzerbenberufung über § 2069 BGB zu erreichen, eine Absage, weil es an der hierfür erforderlichen Klassifizierung des Wilhelm Br. als Abkömmling der Erblasserin fehle. Zudem sei die Norm einer dahingehenden erweiterten Auslegung auch nicht zugänglich, RGZ 99, 82, 85. 34 RGZ 99, 82, 85. 35 Mit dem Auftrag dies nachzuholen, verwies das RG unter Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen die Sache an das Nachlassgericht zurück, RGZ 99, 82, 87. 31

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung

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Die geschilderten Szenarien haben die Problematik, die sich aus der Diskrepanz zwischen dem wirklichen Willen des Erblassers und dem Testamentswortlaut ergibt, verdeutlicht. Ihnen liegt ein sozialer Konflikt zugrunde, der sich aus dem Interesse des Erblassers an der Verwirklichung seines privatautonom bestimmten letzten Willens auf der einen Seite und der Interessen Dritter sowie der Gesamtrechtsordnung an Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität auf der anderen Seite ergibt.36 Dabei verspricht die rechtsvergleichende Betrachtung der deutschen und der englischen Lösung eine neue Sichtweise auf den eigenen nationalen Ansatz zur Bewältigung dieses Spannungsfelds. Um den angerissenen problematisch erscheinenden Aspekten des deutschen Rechts zu begegnen, sollen die aus dem Rechtsvergleich gewonnenen Erkenntnisse für den Entwurf eines Neumodells fruchtbar gemacht werden, das im Zeichen der Rechtssicherheit und -klarheit stehen sowie unbillige Ergebnisse vermeiden soll.

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung Die Arbeit beleuchtet den aufgezeigten sozialen Konflikt funktional-rechtsvergleichend37 aus der Mikroperspektive.38 Untrennbar mit dem funktionalen Ansatz verbunden sind Zweigert und Kötz, die mit ihrem 1971 erschienenen,39 zu weltweiter Bedeutung gelangten Grundlagenwerk „Einführung in die Rechtsvergleichung“ maßgeblich zur vorherrschenden40 Stellung der Methode beigetragen haben.41 Diese sieht vor, dass nur dasjenige Recht mitein36

In diese Richtung auch etwa BGHZ 80, 242, 246; 37, 79, 92. Zur Lehre der funktionalen Rechtsvergleichung insbesondere Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 11, 33 ff. und 43. 38 Zur Mikroperspektive Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 4 f. 39 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 1971. 40 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 93 Rdnr. 3: „[Der funktionale Ansatz] ist die heute klassische Form der Rechtsvergleichung, ihr folgen bewußt oder unbewußt die weitaus meisten rechtsvergleichenden Untersuchungen [...].“ Ihn vertreten neben Zweigert und Kötz bspw. Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345 ff.; Wendehorst, in: Festschrift für Claus Wilhelm Canaris zum 70. Geburtstag. Band 2, 2007, S. 1403; Brand, JuS 2003, 1082, 1086; Piek, ZEuP 21 (2013), 60, 86 f. Dabei ist aber anzumerken, dass es nicht die funktionale Methode der Rechtsvergleichung gibt. Eine solche Ausrichtung ist vielmehr als methodischer Ausgangspunkt zu verstehen, weil sich die konkreten Vorgehensweisen in ihren Facetten durchaus unterscheiden, siehe dazu Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345, 347. 41 Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 93 Rdnr. 3; Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345, 346. 37

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§ 1 Einleitung

ander verglichen werden kann, das „dieselbe Aufgabe, dieselbe Funktion erfüllt“.42 Hiernach steht also nicht die dogmatische Herangehensweise der Problembewältigung im Vordergrund, sondern die Suche nach praktischen Lösungen.43 Michaels konkretisiert dies dahingehend, dass das Augenmerk auf dem „effect“ der Lösungsansätze und nicht auf deren „rules“, also den „doctrinal structures and arguments“, liege.44 Allerdings ist der funktionale Ansatz nicht unumstritten.45 So halten ihm seine Kritiker bspw. entgegen, dass er sich dem kulturellen Hintergrund fremder Normen verschließe und sie dadurch aus ihrem Zusammenhang reiße. Das Modell lasse keinen Raum, die Rahmenbedingungen des Vergleichs kontextuell zu analysieren, woraufhin die rechtsvergleichende Arbeit aus der Perspektive eines Außenstehenden erfolge, der den Vergleichsansatz nicht hinreichend durchdringe.46 Dadurch bestehe für den Vergleichenden die Gefahr einer juristischen Vorbeurteilung und eines juristischen Ethnozentrismus.47 Trotz der bestehenden Einwände wurde bislang jedoch nicht widerlegt, dass die traditionelle Form einer funktionalen Betrachtung für den Rechtsvergleich fruchtbar gemacht werden kann. Insbesondere mit Blick auf die hier intendierte Entwicklung eines neuen Lösungsmodells für die eigene Rechtsordnung kann Inspiration nur aus einer funktionalen Betrachtungsweise des fremden Ansatzes gewonnen werden. Die Untersuchung wird sich im Wesentlichen mit dem Fall befassen, dass der vom Wortlaut abweichende wahre Wille nachweisbar ist.48 Hieran an42 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 33. 43 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 33; deutlich auch Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345, 347; Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 94 Rdnr. 3; Piek, ZEuP 21 (2013), 60, 62: „Rechtsinstitute werden [...] nicht auf ihre äußere Form hin untersucht, sondern daraufhin, welche Funktion sie erfüllen, d. h. welche Lösungen sie anbieten.“ Zur mit der funktionalen Methode traditionell einhergehenden „praesumtio similitudinis“, der Vermutung für die Ähnlichkeit der praktischen Lösungen, noch unten § 4, S. 191 f. 44 Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345, 349. 45 Ausführliche Darstellung der Kritik bei Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 95 ff. Rdnr. 6 ff. und zu alternativen Modellen ebd., S. 108 ff. Rdnr. 31 ff. Siehe auch Piek, ZEuP 21 (2013), 60 ff.; Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345 ff. Einige Rechtsvergleicher sehen in der Betrachtung des jeweils geltenden Rechts („black-letter law“) schon den falschen Ausgangspunkt, vgl. dazu etwa Ewald, (1995) 143 U. Penn. L.R. 1889, 1982 ff. und 2106 ff. 46 Vgl. Gerber, (1998) 46 A.J.C.L. 719, 722; Husa, RabelsZ 67 (2003), 419, 428 ff.; zusammenfassend dazu auch Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 98 Rdnr. 11. 47 Vgl. Demleitner, (1999) 31 A.S.L.J. 737, 741 ff.; Frankenberg, (1985) 26 Harv. Int. L.J., 411, 421; siehe auch Kischel, Rechtsvergleichung, 2015, S. 98 Rdnr. 11 48 Nachrangig behandelt werden Szenarien, in denen die wirkliche Intention nicht auf-

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung

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knüpfend werden ausschließlich diejenigen Institute betrachtet, die die Intention in positiver oder zumindest negativer Hinsicht berücksichtigen. Zum Kriterium wird also erhoben, dass die Instrumente entweder reformierende oder aber zumindest kassierende Wirkung entfalten. Etwaige andere Instrumente, die zwar mittelbar an den sozialen Konflikt anknüpfen, aber lediglich einen Anspruch auf Schadensersatz gewähren, werden weitestgehend ausgeblendet. Sie berücksichtigen weder den positiven noch den negativen originären Erblasserwillen, sondern gleichen nur die durch die Diskrepanz enttäuschte, in Aussicht genommene, Position des Erbprätendenten finanziell aus.49 Beleuchtet werden die Lösungsansätze für die zuvor geschilderten Konstellationen, in denen eine Diskrepanz aufgrund von missverstandenen Begriffen, fehlgegangenen Erklärungszeichen oder enttäuschten Beweggründen auftritt.50 Schließlich wird die Untersuchung auf die nachfolgend skizzierten einseitigen Testamentsformen eingegrenzt, die entweder durch den Erblasser privatschriftlich oder durch Hinzuziehung eines Notars bzw. solicitor professionell errichtet wurden. Bei diesen Modellen spitzt sich der soziale Konflikt nämlich in besonderem Maße zu. Zweiseitige Testamentsformen werden nicht betrachtet, weil sich deren rechtliche Beurteilung teilweise anhand anderer Maßstäbe vollzieht.51 Stets wird davon ausgegangen, dass das Testament grundsätzlich den geltenden Formanforderungen genügt.52 geklärt werden kann. Diese Fälle werden durch die beiden Rechtsordnungen im Wesentlichen durch gesetzlich bereitgestellte Auslegungsregeln gelöst, die lediglich einen typisierten Erblasserwillen zugrunde legen, der sich nicht zwingend mit dem wirklich Gewollten deckt. 49 Zu nennen ist hier etwa die Haftung des Notars aus § 19 BNotO oder die damit vergleichbare des solicitor aus dem englischen deliktischen Tatbestand der negligence, die in White v. Jones, [1995] 2 A.C. 207 (HL) entwickelt wurde. 50 Siehe die stellvertretend hierfür geschilderten Fallbeispiele oben § 1 A., S. 5 ff. Nicht behandelt werden demzufolge Fallgestaltungen, in denen die Abweichung zwischen Wortlaut und wirklich Gewolltem auf eine Drohung zurückzuführen ist. Hier weichen die Lösungsansätze erheblich von denjenigen ab, die für die hier zugrunde liegenden Fälle vorgesehen sind, bei denen der reformatorische Charakter überwiegt. So löst das deutsche Recht die Drohungskonstellationen über die Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB, was zur Kassation der der unter Drohung zustande gekommenen testamentarischen Anordnung führt, während das englische common law unter Heranziehung der – ebenfalls bloß beseitigenden – rescission dasselbe Resultat erzielt. Dabei stellen sich ganz andere Wertungsfragen. Überblicksartig zur rescission etwa Burrows, A Restatement of the English Law of Contract, 2016, p. 171. 51 Siehe etwa die abweichende Beurteilung des gemeinschaftlichen Testaments aufgrund von Vertrauensschutzerwägungen im deutschen Recht, BGHZ 112, 229, 233; BGH NJW 1993, 256. 52 Andernfalls stellt sich die Problematik des sozialen Konflikts schon nicht, weil die testamentarische Verfügung infolge des Formmangels nichtig wäre, sodass die Frage der Auflösung des zwischen Wille und Erklärung herrschenden Spannungsfelds nicht aufkommen würde.

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§ 1 Einleitung

Aus der deutschen Rechtsordnung wird das ordentliche Testament behandelt,53 das die gleichwertigen Kategorien der eigenhändigen letztwilligen Verfügung und des notariell beurkundeten (öffentlichen) Testaments kennt.54 Dem liegt jeweils eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung zugrunde,55 die also niemandem zugehen, sondern lediglich abgegeben worden sein muss.56 Rechtswirksam wird das betreffende Testament im Zeitpunkt des Erbfalls.57 Das Prinzip der Universalsukzession bewirkt daraufhin, dass der gesamte Nachlass ipso iure den Erben zufällt.58 Das eigenhändige Testament kann jederzeit ohne fremde Hilfe durch den Erblasser errichtet werden.59 Die Attribute der „Leichtigkeit und Bequemlichkeit“ dominieren diese Testamentsform, die „in aller Heimlichkeit“ errichtet werden kann.60 Insbesondere dann, wenn der Erblasser juristischer Laie ist, bietet sich die (kostenpflichtige)61 Form des notariellen Testaments an.62 Auch sie gibt zwar keine Garantie dafür, dass das Testament den wirklichen Willen unverfälscht wiedergibt,63 minimiert aber zumindest das Risiko für eine Diskrepanz, weil der Notar infolge seiner Beratungsfunktion grundsätzlich umfassend beraten und Hinweise erteilen soll. Dabei existieren zwei Formen des öffentlichen Testaments: Einerseits kann der Erblasser seinen letzten Willen gegenüber dem Notar kundtun, woraufhin dieser das Testament errichtet.64 Anderer-

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§ 2231 BGB. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 875 Rdnr. 1726. Zu den Testamentstypen aus historischer Perspektive überblicksartig etwa Zimmermann, RabelsZ 76 (2012), 471, 477 ff. 55 Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl., 2016, S. 411 Rdnr. 31; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 1937 Rdnr. 6. 56 Frank/Helms, Erbrecht, 7. Aufl., 2017, S. 59 Rdnr. 1; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl., 2016, S. 411 Rdnr. 31. 57 Siehe etwa RGZ 99, 82, 85; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 1937 Rdnr. 5; Große-Boymann, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 1922 Rdnr. 20; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 923 Rdnr. 1830. 58 § 1922 BGB. 59 § 1937 BGB i.V.m. §§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB. 60 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 876 Rdnr. 1727. 61 In der Regel orientiert sich das Honorar des Notars am Wert des Erblasservermögens, siehe Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 885 Rdnr. 1748. 62 § 1937 BGB i.V.m. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB. 63 Siehe nur BGHZ 80, 246; 86, 41; 121, 357. 64 In der Form des § 2231 Nr. 1 Alt. 1 BGB übernimmt der Notar eine bedeutende Rolle. Er soll im Zuge seiner Beratungsfunktion gemäß § 17 BeurkG darüber aufklären, wie die Wünsche des Erblassers bestmöglich im Testament zum Ausdruck gelangen, um Auslegungszweifel weitestgehend zu vermeiden. Die juristisch einwandfreie Ausdrucksweise des Notars soll durch § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG abgesichert werden, Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 885 Rdnr. 1748. Im Anschluss an die Sitzung hat der Notar eine Niederschrift über ihren Hergang anzufertigen, § 8 BeurkG. Nachdem er sie vorgelesen hat, muss sie vom Erblasser genehmigt und von beiden Protagonisten unterschrieben werden, § 13 54

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung

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seits kann er dem Notar eine vorgefertigte Schrift65 zur Verwahrung übergeben und ihm gegenüber erklären, dass sie seinen letzten Willen enthalte.66 Dieser Erklärung bedarf es hier, weil dem Notar bei Übergabe eines verschlossenen Schriftstücks andernfalls unbekannt bliebe, welches Rechtsgeschäft er überhaupt beurkunden soll.67 In dieser Konstellation entfällt freilich auch die Beratungsfunktion des Notars. Dadurch lassen sich aber immerhin Szenarien des Verlusts sowie der Fälschung, Unterdrückung oder der mutwilligen Zerstörung der Testamentsurkunde weitestgehend vermeiden.68 Aus dem englischen Recht wird ebenfalls sowohl die privatschriftliche als auch die professionelle Form der Testamentserrichtung durch einen Rechtskundigen beleuchtet. Unabhängig davon, ob der Erblasser oder der solicitor die letztwillige Verfügung (will) errichtet hat, sind auch hier beide Modelle gleichwertig. Das formgültige Testament wird wie sein deutsches Pendant mit dem Erbfall wirksam.69 Anders als im deutschen Recht fällt der Nachlass hier hingegen nicht ipso iure an die Erben. Stattdessen verteilt der Nachlassverwalter (personal representative) das Vermögen auf Grundlage des Testaments an diese. Die für die Verwaltung des Nachlasses (administration) zuständige Person wird entweder durch den Erblasser selbst (executor) oder durch das Gericht (administrator) benannt.70 Möchte der englische Erblasser sein Testament eigenständig errichten, kann er dies im Unterschied zum deutschen Testator nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit erreichen. Die testamentarische Formvorschrift der sec. 17 AoJA 1982,71 die die Vorgängerregelung Abs. 1 S. 1, Abs. 3 BeurkG. Das notarielle Beurkundungsverfahren ist beendet, wenn die Niederschrift in einen durch Prägesiegel verschlossenen Umschlag aufgenommen wurde, näher dazu ebd., S. 889 f. Rdnr. 1761 f. 65 Die nicht den durch § 2247 BGB aufgestellten Anforderungen an ein eigenhändiges Testament genügen muss, instruktiv Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 887 Rdnr. 1754: „Alles, was das Gesetz beim eigenhändigen Testament nach § 2247 [BGB] verbietet, ist hier erlaubt.“ 66 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 887 Rdnr. 1753. 67 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 889 Rdnr. 1759. 68 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 876 Rdnr. 1727. 69 Für Näheres siehe etwa Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 108 ff. m.w.N. 70 Näher dazu Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 347 ff.; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., 2013, p. 417, 466 f. para. 7.200 f.; näher Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 439 ff. para. 17-01 ff. 71 Sec. 17 AoJA 1982 lautet: „Relaxation of formal requirements for making wills. The following section shall be substituted for section 9 of the Wills Act 1837 – ,9 Signing and attestation of wills. No will shall be valid unless – (a) it is in writing, and signed by the testator, or by some other person in his presence and by his direction; and (b) it appears that the testator intended by his signature to give effect to the will; and (c) the signature is made or acknowledged by the testator in the presence of two or more witnesses present at the same time; and (d) each witness either – (i) attests and signs the will; or (ii) acknowled-

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§ 1 Einleitung

sec. 9 Wills Act 183772 für Erbfälle nach dem 31. Dezember 1982 ablöste,73 fordert hierfür nämlich unter anderem die Herbeiziehung von Zeugen (witnesses).74 Nach der Testamentsniederschrift75 muss diese durch den Erblasser oder eine von ihm bestimmte Person unter Anwesenheit mindestens zweier Zeugen unterschrieben werden,76 die jedoch weder Kenntnis vom Testamentsinhalt noch davon haben müssen, dass es sich überhaupt um ein Testament handelt. Sie müssen nur bezeugen, dass der Erblasser77 die Unterschrift leistete.78 Neben dieser privatschriftlichen Errichtungsform kann sich der englische Erblasser auch professionell durch einen solicitor unterstützen lassen (will made with professional advice). Dieser soll den Erblasser umfassend beraten und ihn über die Folgen seiner intendierten Nachlassverteilung

ges his signature, in the presence of the testator (but not necessarily in the presence of any other witness), but no form of attestation shall be necessary.‘“ 72 Im Folgenden wird die Abkürzung WA 1837 verwendet. 73 Siehe sec. 73(6)(c) AoJA 1982 i.V.m. sec. 76(11) AoJA 1982. Für Erbfälle vor dem 1. Januar 1983, die in den Geltungsbereich der sec. 9 WA 1837 fallen, siehe Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 132 f. Im Wesentlichen entspricht die Regelung aber sec. 17 AoJA 1982. 74 Begünstigte können zwar grundsätzlich die Funktion des Zeugen einnehmen, dann bedarf es aber zweier zusätzlicher Zeugen, die nicht bedacht sind. Andernfalls ist der an sie gerichtete Anordnungsinhalt gemäß sec. 15 WA 1837 nichtig. Näher hierzu Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 124 ff. 75 Das durch sec. 17(a) AoJA 1982 aufgestellte Kriterium des „writing“ fordert keine handschriftliche Errichtung. Ein bspw. am Computer verfasstes Testament, das anschließend ausgedruckt wird, genügt daher der Voraussetzung. Das Kriterium dürfte hingegen nicht erfüllt sein, wenn das Testament lediglich auf der Festplatte des Computers oder auf einem vergleichbaren Speichermedium (etwa einem USB-Stick) gespeichert ist, da das „writing“ jeweils nur mittelbar – unter Zwischenschaltung eines Abspielgeräts (hier jeweils eines Computers) – abrufbar ist, Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 109 ff. 76 Sec. 17(c) AoJA 1982. Als Unterschrift gelten nicht nur die handschriftlichen Züge des Erblassers, mit denen er seinen Namen verschriftlicht, sondern auch Stempel und Zeichen, die erkennen lassen, dass das Abschlusszeichen von ihm stammt, dazu etwa schon Hindmarsh v. Charlton, (1861) 8 H.L. Cas. 160, 167, per Lord Campbell LC. Näher zum Unterschriftserfordernis und Grenzfällen Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 2017, 3rd ed., p. 112 f. 77 Oder eine von ihm bestimmte Person, siehe sec. 17(a) AoJA 1982. 78 Daintree v. Butcher and Fasulo, (1888) 13 P.D. 102; Re Sherrington [2005] W.T.L.R. 587. Waren die Zeugen nicht wie vorgeschrieben bei der Unterschrift anwesend, kann der Formmangel auch dadurch geheilt werden, dass der Erblasser die Unterschrift im Beisein der Zeugen anerkennt, sec. 17(c) AoJA 1982, dazu auch In the Goods of Davies, (1850) 163 E.R. 1337; Couser v. Couser, [1996] 1 W.L.R. 1301. Hierauf folgend müssen die Zeugen gemäß sec. 17(d) AoJA 1982 entweder die Echtheit des Testaments bestätigen und unterschreiben (i) oder aber die dort vorhandene Unterschrift bezeugen (ii), was wiederum jeweils im Beisein des Testators geschehen muss.

B. Methode, Eingrenzung und Gang der Untersuchung

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aufklären. Die ihn treffende Sorgfaltspflicht (duty of care) dient den Interessen des Erblassers und der Begünstigten (beneficiaries).79 In den beiden folgenden Teilen der Untersuchung werden in den Länderberichten zunächst der deutsche80 und der englische Lösungsansatz81 für die Problemstellung behandelt, deren Darstellung sich an den jeweils zur Konfliktbewältigung bereitgestellten Instituten orientiert. Im Anschluss daran wird der Rechtsvergleich durchgeführt,82 der die Gemeinsamkeiten83 und Unterschiede84 zwischen den beiden Problemlösungen herausstellt und sie auf die zugrunde liegenden Diskrepanzkonstellationen projiziert.85 Hierauf folgend werden die beiden Ansätze einer kritischen Bewertung unterzogen.86 Nachgehend hierzu werden die aus der Untersuchung gewonnenen Erkenntnisse für die Erarbeitung eines neuen deutschen Lösungsvorschlags fruchtbar gemacht.87 Schließlich endet die Untersuchung mit einer Zusammenfassung ihrer wesentlichen Ergebnisse.88

79 Die professionelle Errichtung durch einen Rechtskundigen wird in England empfohlen. Dieser Rat wird von der Mehrheit der englischen Erblasser, die sich für ein Testament entscheiden, befolgt. Näher zu dieser Errichtungsform etwa Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 141 f. 80 Siehe § 2, S. 17 ff. 81 Siehe § 3, S. 101 ff. 82 Siehe § 4, S. 191 ff. 83 Siehe § 4 A. I., S. 192 ff. 84 Siehe § 4 A. II., S. 195 ff. 85 Siehe § 4 A. III., S. 213 ff. 86 Siehe § 4 B., S. 219 ff. 87 Siehe § 5 C., S. 298 ff. 88 Siehe § 6, S. 311 ff.

§2

Deutsches Recht A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens Das deutsche Recht kennt mit der Auslegung und der Anfechtung zwei Rechtsinstitute, die auf den sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens reagieren können. Sie werden im Folgenden in dieser Reihenfolge ausgeleuchtet.

I. Auslegung Die deutsche Auslegungsmethodik kennt verschiedene Ausformungen mit jeweils unterschiedlichen Anwendungsbereichen und eigenen Regeln. Sie stellt wirkungsvolle Institute bereit, um den gegenständlichen Konflikt einer Lösung zuzuführen. Ausdrücklich geregelt sind aber weder deren konkrete Voraussetzungen noch deren Anwendungsfelder. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die jeweilige Auslegungsmethode grenzenlos vorgenommen werden kann. Indem die Auslegung seit mehr als einem Jahrhundert auf Grundlage des BGB durch die Gerichte praktiziert wird, haben sich seither gewisse gefestigte Auslegungsmaximen herausgebildet, die im Folgenden ausgeleuchtet werden. 1. Allgemeine Grundsätze Bevor auf die betreffenden Auslegungsmethoden eingegangen wird, sollen zuvorderst allgemeingültige Aussagen getroffen werden, die unabhängig von der konkreten Auslegungsform Geltung beanspruchen. a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess Die Frage nach dem rechtlich relevanten Testamentsinhalt stellt sich regelmäßig erst, wenn der Erbfall eingetreten ist und der Erblasser die testamentarische Verfügung somit naturgemäß nicht mehr widerrufen kann. Im Wege der Auslegung muss der Tatrichter dann klären, welcher Sinngehalt dem Testament zu entnehmen ist.1 Hierbei handelt es sich um eine tatsachenbasierte 1

Siehe nur BGHZ 121, 357, 363; BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036. Instruktiv zur

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Form der Rechtsanwendung, die grundsätzlich nichts mit Beweislastfragen zu tun hat. Durch Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze wie die teleologische oder systematische Auslegung2 ermittelt der Richter zunächst eigenständig den durch den Testamentswortlaut vermittelten objektiven Bedeutungsgehalt der Anordnung.3 Die maßgebliche Frage im Zuge dieses richterlichen Auslegungsvorgangs lautet, „was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“.4 Im Wege der Beweisaufnahme wird erforderlichenfalls der dem Testamentswortlaut zugrunde gelegte Erblasserwille als „innere Tatsache“ ergründet.5 Erst wenn solche Tatsachen durch Parteivortrag geltend gemacht werden, die das Produkt der Auslegung sowohl in die eine als auch in die andere Richtung beeinflussen können, stellt sich die Frage der Beweislast. Den Beweis muss dann derjenige erbringen, der Tatsachen behauptet, die für die Ermittlung des Auslegungsergebnisses herangezogen werden sollen.6 Die im Wege der Beweiserhebung gewonnenen Umstände stellen dann das „Material“ für die Auslegung bereit.7 Der Richter ist dabei gemäß § 37 FamFG bzw. § 286 ZPO in der Würdigung dieser Tatsachen frei.8 Gemäß § 286 ZPO muss der Richter von einem Auslegungsergebnis überzeugt sein.9 Er allein trifft die Entscheidung hinsichtlich des Produkts des Auslegungsvorgangs.10 Geschichte der juristischen Auslegungslehre Vogenauer, HKK-BGB, 2003, § 133 Rdnr. 7 ff. 2 Horn, ZEV 2016, 565, 567; Busche, MünchKomm. 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 7. Näher hierzu und unter Beleuchtung der Relevanz der einzelnen Interpretationsmethoden für die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 309 f.; Vogenauer, HKK-BGB, 2003, § 133 Rdnr. 44 ff. Zum Vergleich von Gesetzes- und Rechtsgeschäftsauslegung Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften. Vergleichende Untersuchung anglo-amerikanischen und deutschen Rechts, 1966, S. 20 ff. 3 OLG München FGPrax 2018, 231; BWNotZ 2017, 22, 23; BayObLGZ 2001, 127, 130; 1997, 59, 65; vgl. BGHZ 86, 41, 45; 121, 357, 360; vgl. BGH NJW 2001, 2535; 1993, 256; NJW-RR 1991, 1102; Ellenberger, Palandt, 79. Aufl., 2020, § 133 Rdnr. 14; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 11; Olzen/Looschelders, Erbrecht, 5. Aufl., 2017, S. 174 Rdnr. 580; Stagl, Der Wortlaut als Grenze der Auslegung von Testamenten. Die Andeutungstheorie im Testamentsrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2. Aufl., 2005, S. 92; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 92; Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 321 Rdnr. 12. 4 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 5 BGH NJW 1993, 256. 6 BGHZ 20, 109, 112; 86, 41, 45; Horn, ZEV 2016, 565 f. 7 BGH NJW 1987, 901. Ausführlich zur richterlichen Aufklärungs- und Hinweispflicht etwa Deubner, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 79 ff. 8 Horn, ZEV 2016, 565, 567. 9 BGH NJW 1970, 946, 948; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 436.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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Die Auslegung testamentarischer Verfügungen kann bereits im Erbscheinsverfahren Bedeutung erlangen, das in den §§ 2253 ff. BGB geregelt ist. Dort muss der Nachlassrichter im Wege der Auslegung den Bedeutungsgehalt des Testaments ermitteln, um feststellen zu können, welche Anordnungen die testamentarische Verfügung überhaupt enthält.11 Beantragt der Antragsteller gemäß § 2253 BGB gegenüber dem Nachlassgericht etwa einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein, muss der Tatrichter die Verfügung auslegen, um ermitteln zu können, ob sich ihr der begehrte Inhalt entnehmen lässt. Ein Erbschein stellt zwar nicht verbindlich fest, wer Erbe ist,12 allerdings soll er im Rechtsverkehr eine gewisse Rechtssicherheit hervorrufen,13 sodass ein Erbprätendent durchaus ein Interesse an seiner Ausstellung hat. Die Auslegung von testamentarischen Verfügungen spielt aber nicht nur im Erbscheinsverfahren eine Rolle. Auch im ordentlichen Gerichtsverfahren nimmt sie eine prominente Rolle ein, etwa dann, wenn ein Erbprätendent Feststellungsklage mit dem Ziel erhebt, festzustellen, dass er durch den Testator als Erbe eingesetzt wurde, damit Dritte nicht (weiter) die Erbschaft okkupieren.14 b) Bedeutung objektiver Bezugspunkte Während die Auslegung nach § 133 BGB als „natürliche“ Auslegung bezeichnet wird, die den Auslegenden nach dem inneren Willen des Erklärenden forschen lässt, ist diejenige nach § 157 BGB als „normative“ Auslegung bekannt,15 bei der die Auslegungsperspektive des objektiven Empfängerhorizonts eingenommen wird. Nach letzterer kommt es also weniger darauf an, was der Erklärende tatsächlich (subjektiv) erklären wollte, als auf die Frage, wie ein (objektiver) Dritter bei der ihm zumutbaren Sorgfalt die entsprechende Willensäußerung verstehen durfte. Damit ruft die „normative“ Auslegungsmethode ein objektiviertes Auslegungsergebnis hervor.16 Weil die hier 10

RGZ 134, 277, 279; siehe auch BGH NJW 1970, 946, 948. Siehe etwa OLG Stuttgart NJW-RR 2018, 904. Näher zum Erbscheinsverfahren in diesem Zusammenhang Horn, ZEV 2016, 565; Zimmermann, ZEV 2010, 457 ff. 12 Vgl. nur § 2361 BGB. 13 Vgl. §§ 2265 ff. BGB. 14 Vgl. Zimmermann, ZEV 2010, 457, 458 f. 15 BGH NJW 1992, 1446, 1447; Ellenberger, Palandt, 79. Aufl., 2020, § 133 Rdnr. 7; Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 67; beide Auslegungsalternativen als „normativ“ bezeichnend Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 293; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl., 2016, S. 405 Rdnr. 3 ff. 16 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 92 ff.; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 123 Rdnr. 197; Ellenberger, Palandt, 79. Aufl., 2020, § 133 Rdnr. 7 ff. 11

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zu betrachtenden einseitigen testamentarischen Verfügungen indes keine Verkehrsgeschäfte sind,17 existiert kein schützenswertes Vertrauen in den objektiven Testamentswortlaut.18 Die dem Testament zugrunde liegende Willenserklärung muss nur abgegeben worden sein und niemandem zugehen,19 sodass § 157 BGB, der die Verkehrssitte zum bedeutsamen Auslegungskriterium erhebt, nicht angewendet wird.20 Obwohl die Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen damit nicht anhand der „normativen“ Auslegungsmethode erfolgt und § 157 BGB nicht zum Zuge gelangt, stellt der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt stets den Ausgangspunkt der Lösung des sozialen Konflikts dar.21 Dieser wird im Wege der Auslegung ermittelt, was sich zumindest faktisch an den in § 157 BGB verankerten Maßstäben orientiert.22 Maßgeblich ist hierfür der allgemeine Sprachgebrauch.23 Dies kann zu vielfältigen Deutungsmöglichkeiten führen, welche vor allem aus regionalen oder schichtspezifischen Besonderheiten herrühren. Darüber hinaus können Begriffsdeutungen von berufstypischen Faktoren beeinflusst werden.24 Der allgemeine Sprachgebrauch wird durch die Rechtsprechung als eine Art Erfahrungssatz herangezogen, der hinsichtlich der Auswertung und Beurteilung des Tatsachenstoffs eine Richtschnur für die Auslegung darstellt.25 Es geht dabei vor allem um das Herausstellen eines ersten Eindrucks vom wahren Bedeutungsgehalt der Testamentsurkunde.

17 Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 105; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 29. 18 Rudolf u.a., Handbuch Testamentsauslegung und -anfechtung, 2. Aufl., 2013, S. 5 Rdnr. 8; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 137; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 923 Rdnr. 1830; vgl. Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 128 Rdnr. 394. 19 Dazu bereits oben, § 1 B., S. 12. 20 Deutlich schon RG JW 1912, 344 Nr. 8; RGZ 82, 149, 153; siehe auch Sieker, AcP 201 (2001), 697, 699; Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 105; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 29. Zur Verkehrssitte Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 73 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 11. Aufl., 2016, S. 415 Rdnr. 46. 21 Siehe schon oben § 2 A. I. 1. a), S. 18. 22 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 24. 23 Vgl. BGHZ 80, 246, 249 f.; OLG München NJW-RR 1996, 239; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 11; Ellenberger, Palandt, 79. Aufl., 2020, § 133 Rdnr. 14. 24 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 11. 25 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; Busche, MünchKomm. BGB, 7. Aufl., 2015, § 133 Rdnr. 57.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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c) Grenzen Ihre Grenze findet die Auslegung in ihrer rechtsfehlerhaften Anwendung. Hierfür muss die richterliche Auslegung gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstoßen. Darüber hinaus ist ein solcher Rechtsverstoß anzunehmen, wenn die richterliche Auslegung nicht alle wesentlichen Umstände berücksichtigt oder dem Sinn und Wortlaut des Testaments widerspricht. Ebenfalls ist hiervon auszugehen, wenn andere Auslegungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen werden.26 Sofern die Auslegung rechtsfehlerhaft erfolgte, steht die Möglichkeit der Beschwerde im Erbscheinsverfahren, §§ 58 ff. FamFG, bzw. der Revision im ordentlichen Gerichtsverfahren, §§ 542 ff. ZPO, zur Verfügung.27 Neben diese allgemeinen Auslegungsgrenzen treten zudem speziellere Beschränkungen, die noch im jeweiligen Kontext näher erläutert werden.28 2. Erläuternde Auslegung Im Idealfall deckt sich der im Wege der Auslegung gewonnene objektive testamentarische Bedeutungsgehalt mit dem wahren Erblasserwillen. Dann ist der Auslegungsprozess beendet und das wirklich Gewollte gelangt zur Durchsetzung. Weichen die beiden Komponenten hingegen voneinander ab, kann der Richter die erläuternde29 Auslegung fortsetzen, um den im Testament niedergelegten Erblasserwillen weiter zu präzisieren. Auf diesem Wege wird der einzig30 rechtlich relevante Sinngehalt der Anordnung herausgear-

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St. Rspr., siehe etwa BGH NJW-RR 1990, 455; BGHZ 121, 357, 363. Ausführlich zu möglichen Rechtsfehlern im Kontext des Auslegungsvorgangs etwa BayObLGZ 2001, 208, 211: „Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob die Auslegung der Tatsacheninstanz gegen gesetzliche Auslegungsregeln, allgemeine Denk- und Erfahrungsgrundsätze oder Verfahrensvorschriften verstößt, ob in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen wurden, ob ein wesentlicher Umstand – z.B. ein Teil des Testamentswortlauts – übersehen wurde oder ob dem Testament ein Inhalt gegeben wurde, der dem Wortlaut nicht zu entnehmen ist und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck gekommenen Erblasserwillen gestützt werden kann.“ 27 Vgl. BGHZ 121, 357, 363; Horn, ZEV 2016, 565, 567. 28 Siehe § 2 A. I. 2. b), S. 54 (erläuternde Auslegung) sowie § 2 A. I. 3. c), S. 72 f. (ergänzende Auslegung). 29 Teilweise wird die Terminologie „einfache“ Auslegung verwendet, siehe Czubayko, ErbrechtKomm. 3. Aufl., 2019, § 2084 Rdnr. 8; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 20; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357 (Fn. 2). 30 Deutlich BGH FamRZ 1987, 475, 476.

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beitet.31 Dieses Auslegungsergebnis32 kann schließlich den wahren Erblasserwillen abbilden und ihm zum Durchbruch verhelfen, es kann aber auch von ihm abweichen und dessen Umsetzung verhindern.33 a) Voraussetzungen Damit die erläuternde Auslegung ihren Beitrag zur Verwirklichung des Erblasserwillens leisten kann, muss also eine Kongruenz zwischen Erblasserwille und Auslegungsergebnis erreicht werden. Unter welchen Voraussetzungen dies gelingt, wird im Folgenden behandelt. aa) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen Sobald im Ausgangspunkt der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ermittelt ist,34 müssen Anhaltspunkte existieren, die auf einen hiervon abweichenden Erblasserwillen schließen lassen.35 Diese Hinweise können entweder durch den Richter autonom ausfindig gemacht werden, etwa weil die Verfügung mehrdeutig oder unpräzise ist,36 oder durch ein entsprechendes Parteivorbringen, das sich auf einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen beruft.37 bb) Ermittlung des wahren Erblasserwillens Im darauffolgenden Schritt muss der Richter den wahren Erblasserwillen ermitteln. (1) Maßgebliche Perspektive Nachdem bereits festgestellt wurde, dass die Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen nicht anhand der „normativen“ Auslegung erfolgt und § 157 BGB infolgedessen nicht zur Anwendung gelangt, soll nun der stattdessen maßgebliche Auslegungsstandard näher ausgeleuchtet werden. Diesen gibt § 133 BGB vor, der dem Auslegenden in positiver Hinsicht auf31

BGH FamRZ 1987, 475, 476; vgl. BGH NJWE-FER 1997, 252; Busche, MünchKomm. 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 6. 32 BGH NJWE-FER 1997, 252. 33 Weichen Erblasserwille und Auslegungsergebnis voneinander ab, ist die testamentarische Verfügung irrtumsbehaftet. Hieran knüpft die Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB an, dazu ausführlich noch unten § 2 A. II., S. 76 ff. 34 Siehe oben § 2 A. I. 1. b), S. 20. 35 BGHZ 80, 246, 249 f.; vgl. BGHZ 86, 41, 46; BayObLG FamRZ 1997, 1365, 1367; 1999, 814, 815; OLG Brandenburg FamRZ 1999, 188, 190; OLG Düsseldorf FamRZ 2000, 119, 120. 36 Vgl. Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 3. 37 Dazu bereits oben § 2 A. I. 1. a), S. 18.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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gibt, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen. Zugleich stellt die Norm in negativer Hinsicht das Verbot auf, am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu verhaften.38 Dadurch wird deutlich, dass dem Gesetzgeber das Phänomen des vom Wortlaut abweichenden Willens durchaus geläufig ist. Im Konflikt zwischen subjektivem und objektivem Sinngehalt misst er dem Erblasserwillen durch § 133 BGB eine besondere Bedeutung bei, der die Erforschung der Intention, unabhängig vom Wortlaut, verlangt. Der subjektiven Willensdeutung wird also grundsätzlich der Vorrang vor jeder anderen Methode der Wortinterpretation eingeräumt.39 Allerdings vermittelt die Regelung keine Prinzipien, die die konkrete Vorgehensweise der Auslegung vorgeben.40 Stattdessen hat die Rechtsprechung im Wege jahrzehntelanger Rechtsanwendung diesbezügliche Leitlinien herausgebildet, auf die es ankommen soll. Vor diesem Hintergrund ist zuvorderst zu konstatieren, dass die Auslegung einer testamentarischen Verfügung vom Standpunkt des Erblassers aus zu erfolgen hat. Dementsprechend ist der subjektive Erklärenden-Horizont für die Ermittlung des testamentarischen Bedeutungsgehalts entscheidend.41 Dazu muss sich der Richter in die Position des Erblassers hineinversetzen und ergründen, was dieser „mit seinen Worten sagen wollte“.42 Selbst wenn das Testament durch einen Notar errichtet wurde, kommt es nur auf das Verständnis des Erblassers an, dasjenige des Notars ist hingegen irrelevant.43 Zudem kann im Wege der erläuternden Auslegung stets nur ein tatsächlich vorhandener Wille, den der Erblasser wirklich gebildet und seinem Testament niedergelegt hat (realer Wille), ermittelt werden.44 38

Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 31. 39 Vgl. BGHZ 86, 41; BGH NJW 1984, 721; Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 1. 40 Ebenso Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 307. 41 BGHZ 80, 246, 249 f.; 86, 41, 45; BGH FamRZ 1987, 475, 476; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 20; vgl. Roth, NJW-Spez. 2017, 295. 42 BGH NJW 1993, 256; vgl. BGH FamRZ 1987, 475, 476; OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. 43 BGH LM § 2100 Nr. 1: „Maßgebend ist nicht die Auffassung des Notars, sondern die des Erblassers, mag auch der Notar die Auffassung gehabt haben, die von ihm gewählte Formulierung des Testaments gebe den Willen des Erblassers wieder.“ Vgl. auch BGHZ 80, 246, 250 f.; OLG Köln FGPrax 2004, 78, 79. Dies hindert demgegenüber nicht die Vernehmung des Notars als Zeugen, dessen Einlassung für die Auslegung heranziehbares Auslegungsmaterial darstellt und zur Aufklärung des wahren Erblasserwillens beitragen kann, dazu Scherer, Grenzen der Auslegung bei Verfügungen von Todes wegen, 1999, S. 17. 44 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; FamRZ 1972, 561; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 85; Fleindl, NK-BGB, 5. Aufl.,

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In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass neben § 133 BGB zahlreiche weitere Auslegungsnormen existieren, die im Kreise des Untersuchungsgegenstands zu verorten sind. So lassen sich in den §§ 2066 ff. BGB etliche Auslegungs- und Ergänzungsregelungen finden, die allerdings bloß bestimmte Auslegungsprobleme erfassen, sodass ihnen keine grundsätzlichen (Leit-)Aussagen zu entnehmen sind.45 Als Beispiel kann etwa § 2072 BGB genannt werden, der sich mit der Bedeutung einer Zuwendung an die „Armen“ befasst.46 Eine speziell für das Erbrecht relevante Auslegungsnorm ist auch § 2084 BGB. Deren Ziele stimmen mit denen des bereits erörterten § 133 BGB überein: Selbst bei unpräzisen Äußerungen des Erblassers wollen beide Auslegungsregeln den wahren Willen umsetzen und ihm dadurch den Vorrang gegenüber dem Testamentswortlaut einräumen.47 § 2084 BGB bestimmt aber nicht, möglicherweise entgegen dem ersten Anschein, dass es im Rahmen der Bedeutungsermittlung allein auf den inneren Willen des Erblassers ankommt.48 Die Regelung postuliert den Auftrag, die Testamentsauslegung wohlwollend vorzunehmen.49 Sie setzt im Ausgangspunkt voraus, dass erstens mindestens zwei Auslegungsergebnisse in Betracht kommen und zweitens eine der möglichen Auslegungsalternativen zur Nichtigkeit des Testaments führen50 oder sich nur schwer verwirklichen lassen würde.51 Hier weist § 2084 BGB den Rechtsanwender sodann an, auf die andere Auslegungsvariante zurückzugreifen, um die Nichtigkeitsfolge zu vermeiden und das Testament in seiner Wirksamkeit aufrecht zu erhalten.52 Mit wohlwollender Auslegung ist daher eine Vorgehensweise gemeint, welche die Folgen der Anerkennung eines Auslegungsergebnisses im Blick behält und bei mehreren Möglichkeiten diejenige wählt, die vor allem die Nichtigkeit der Verfügung vermeidet. Obwohl § 2084 BGB suggeriert, dem wahren Erblasserwillen eine noch übergeordnetere Rolle zukommen zu lassen, als es § 133 BGB ohnehin schon nahelegt, wäre dieser Schluss also mit Blick auf das soeben Festgehaltene falsch.53 2018, § 2084 Rdnr. 37. Soll hingegen ein irrealer bzw. hypothetischer Erblasserwille ergründet werden, bedarf es dazu der ergänzenden Auslegung, ausführlich zur Methodik der ergänzenden Auslegung noch unten § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 45 Näher zu den gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln unten § 2 A. I. 2. a) cc) (1) (b), S. 38 f. und § 2 A. I. 3. b) cc) (2), S. 69 f. 46 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 18. 47 Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 23. 48 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 9. 49 Statt aller Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 61 ff. 50 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 69; Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 6. 51 Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 6. 52 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 69; Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 6.

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(2) Maßgeblicher Zeitpunkt Einzig beachtlich ist derjenige Erblasserwille, der den verwendeten Worten im Zeitpunkt der Testamentserrichtung beigelegt wurde.54 In diesem Zusammenhang betont der BGH in jüngeren Entscheidungen, dass nicht irgendein Erblasserwille zu ermitteln sei, sondern stets nur derjenige, den der Testator in seinem Testament verankert hat.55 Irrelevant ist für die Ermittlung des maßgeblichen testamentarischen Willens also, was der Erblasser irgendwann einmal – vor oder nach der Testamentserrichtung – anordnen wollte. Vom Erblasserwillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung abweichende Willensbekundungen des Testators nach außen, etwa gegenüber den Hinterbliebenen, können demzufolge keine Grundlage für das Auslegungsergebnis bilden. (3) Relevante Bezugspunkte Einerseits sind für die Ermittlung des Erblasserwillens sämtliche Umstände heranzuziehen, die innerhalb der Testamentsurkunde anzutreffen sind, weil der Wortlaut der testamentarischen Anordnung stets den Ausgangspunkt bildet.56 Dabei dürfen einzelne Passagen eines Testaments niemals isoliert betrachtet werden, da es immer auf das gesamte Testament ankommt, um einen etwaigen Gesamtkontext herausstellen zu können.57 Andererseits sind darüber hinaus auch stets58 sämtliche Umstände außerhalb der Testamentsurkunde für die Ermittlung des in der Verfügung zugrunde gelegten Erblasserwillens fruchtbar zu machen.59 Hierauf wird vor allem dann zurückgegriffen, wenn sich der Anordnung nur ein mehrdeutiger, unpräziser Sinngehalt entnehmen lässt60 oder wenn durch Parteivortrag eine vom allgemeinen 53

Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 9 ff. Stürner spricht allgemein davon, dass die Norm „praktisch kaum bedeutsam“ sei, Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 6. 54 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; BayObLG FamRZ 1993, 1250; 1995, 1446; OLG Hamm Rpfleger 2003, 436, 438; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 28. 55 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256. 56 Oben § 2 A. I. 1. a), S. 18. 57 Smid, JuS 1987, 283; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 438. 58 Mag die testamentarische Anordnung noch so eindeutig erscheinen, BGHZ 86, 41, 45; BGH FamRZ 1987, 475, 476. Zur Auslegung eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Testamentswortlauts noch unten § 2 A. I. 2. bb) (4), S. 27 ff. 59 RG LZ 1921, 376 Nr. 3; BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-FER 1997, 252; BayObLG DNotZ 1994, 399, 400; OLG München NJW-RR 2013, 202, 203; Roth, NJW-Spez. 2017, 295; Horn, ZEV 2016, 565; Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 354. 60 BayObLGZ 1982, 331, 337.

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Sprachgebrauch abweichende Bedeutung des Testaments behauptet wird.61 Der BGH betont, der Richter könne der ihm durch § 133 BGB aufgegebenen Willenserforschung des Erblassers „nur dann voll gerecht werden, wenn er sich nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränkt, sondern auch alle ihm aus dem Inbegriff der mündlichen Verhandlung zugänglichen Umstände außerhalb der Testamentsurkunde heranzieht und sich auch ihrer zur Erforschung des wirklichen Willens des Erblassers bedient“.62

Um den wahren Erblasserwillen zu ergründen, kann und muss er also auch auf Umstände zurückgreifen, die außerhalb des Testaments anzutreffen sind.63 Damit die vorgebrachten außerurkundlichen Umstände für die Ermittlung des Erblasserwillens berücksichtigt werden können, müssen sie geeignet sein, das angestrebte Auslegungsergebnis, d. h. den behaupteten Erblasserwillen, zu stützen.64 Zu diesen heranziehbaren Umständen zählen etwa mündliche oder schriftliche Äußerungen des Erblassers.65 Wenngleich Äußerungen seinerseits vor oder nach der Testamentserrichtung nicht das Auslegungsergebnis selbst bilden können,66 können solche Kundgebungen immerhin dazu dienen, den im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorhandenen und im Testament niedergelegten Willen zu präzisieren.67 Obwohl es für die Auslegung stets auf den Standpunkt des Erblassers ankommt, kann, wie bereits erwähnt, im Falle eines notariellen Testaments der mit der Errichtung betraute Notar als Zeuge vernommen werden, um den niedergelegten Bedeutungsgehalt der Testamentsurkunde aufzudecken.68 Dieser kann gegebenenfalls dazu beitragen, den durch den Erblasser beigelegten Erklärungsgehalt zu ermitteln, etwa, indem der Notar von den Vorgesprächen bezüglich der geplanten Testamentserrichtung mit dem Erblasser berichtet und dessen wesentliche Vorstellungen darlegt.69 61 Stagl, Der Wortlaut als Grenze der Auslegung von Testamenten. Die Andeutungstheorie im Testamentsrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2. Aufl., 2005, S. 92 f. 62 BGHZ 86, 41, 45. 63 BGH NJW 1993, 256; Horn, ZEV 2016, 565. 64 Horn, ZEV 2016, 565. Ausführlich zur notwendigen Andeutung des Erblasserwillens im Testamentswortlaut noch unten § 2 A. I. 2. a) cc), S. 36 ff. 65 KG NJW 1970, 758; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 30 ff.; Roth, NJW-Spez. 2017, 295; Horn, ZEV 2016, 565. 66 Siehe oben § 2 A. I. 2. a) bb) (2), S. 25. 67 BGH ZEV 2015, 343, 344; BayObLGZ 1997, 59, 68 f.; 1960, 216, 219; BayObLG NJW 1988, 2742. Für eine beispielhafte Aufstellung der möglichen heranzuziehenden äußeren Umstände Rudolf u.a., Handbuch Testamentsauslegung und -anfechtung, 2. Aufl., 2013, S. 6; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 30 ff. 68 Dazu jeweils oben § 2 A. I. 2. bb) (1), S. 23. 69 OLG Köln FGPrax 2004, 78, 79.

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(4) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts Bisweilen stellt sich die Frage, ob ein Testament selbst dann ausgelegt werden kann, wenn es einen (vermeintlich) klaren und eindeutigen Wortlaut ausweist. Auf diese Problematik trifft der Richter vor allem bei Falschbezeichnungen durch den Erblasser. Denkbar erscheint, in einer solchermaßen abgefassten Anordnung ein Auslegungshindernis zu sehen, sodass stets der objektive Bedeutungsgehalt maßgeblich wäre. Infolgedessen würde die Verwirklichung des wahren Willens in dieser Situation immer scheitern. Ursprünglich vertrat die Rechtsprechung70 die sogenannte Eindeutigkeitsformel.71 Dabei sah sie die Grenze der Auslegung in einem klaren und eindeutigen Testamentswortlaut,72 der als absolutes und unüberwindbares Auslegungshindernis galt.73 Ob der betreffenden Verfügung tatsächlich ein klarer und eindeutiger Wortlaut zugrunde lag, der die Auslegung hinderte, war eine Rechtsfrage, die sich demzufolge in der nächsthöheren Instanz überprüfen ließ.74 Hatte der verwendete Begriff des Erblassers sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in den Kreisen, in denen er sich bewegte und denen er angehörte, eine klare und eindeutige Bedeutung, so konnte dem verwendeten Begriff im Wege der Auslegung kein hiervon abweichender Sinngehalt beigemessen werden – die Auslegungsbedürftigkeit und die Auslegungsfähigkeit wurden hier verneint. Die Anordnung galt damit stets ihrem objektiven Bedeutungsgehalt nach.75 Der hiervon abweichende Erblasserwille konnte sich daher nicht durchsetzen. Dies galt selbst dann, wenn er zweifelsfrei erwiesen war.76 Einen klaren und eindeutigen Wortlaut nahm die Rechtsprechung etwa bei einer testamentarischen Bestimmung an, die die Einsetzung eines „Nacherben“ zum Gegenstand hatte. Konsequent zum damaligen Kurs verneinte das RG in RGZ 160, 109 die Auslegungsfähigkeit der betreffenden testa-

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Vertreten etwa noch in RGZ 160, 109, 111; BGHZ 26, 204, 211; 32, 60. Gängige Terminologie, siehe nur Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 56; Mayer, DNotZ 1998, S. 772; Reimann, ZEV 2011, S. 636; Nieder, Handbuch der Testamentsgestaltung. Grundlage und Gestaltungsmittel für Verfügungen von Todes wegen und vorbereitende Erbfolgemaßnahmen, 5. Aufl., 2015, § 23 Rdnr. 21. 72 Etwa RGZ 160, 109, 111; BGHZ 32, 60. 73 Deutlich etwa RGZ 160, 109, 111: „Einem völlig unzweideutig ausgedrückten Willen darf die Auslegung nicht zuwiderlaufen.“ 74 BGHZ 32, 60, 63. 75 Vgl. BGHZ 80, 246, 250; RGZ 160, 109, 111. Zur Ermittlung des objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalts schon oben § 2 A. I. 1. b), S. 19 f. 76 RGZ 70, 391, 394; vgl. BGHZ 26, 204, 211; 32, 60. In diesen Fällen verblieb letztlich nur die Option, die betreffende Anordnung im Wege der Irrtumsanfechtung zu beseitigen, dazu noch unten § 2 A. II., S. 76 ff. 71

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mentarischen Anordnung.77 Dem Vorbringen, der Erblasser habe den Bedachten in Wahrheit als „Ersatzerben“ im Sinne des § 2269 BGB einsetzen wollen, erteilte das RG eine Absage: Die Anordnung sei „völlig eindeutig“ und die Rechtsposition der Begünstigten „durch das Wort Nacherbe ganz unmißverständlich umschrieben“. Darüber hinaus dürfe nicht verkannt werden, dass es sich um ein notariell errichtetes Testament handelt. Einem Notar müsse der verwendete Begriff des „Nacherben“ und der damit verbundene juristische Bedeutungsgehalt „unbedingt geläufig gewesen sein“. Dies spreche ebenfalls dafür, den Begriff im juristisch technischen Sinne zu verstehen.78 In einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1981 kündigte der BGH Zweifel an seiner bisherigen, vom RG übernommenen, Rechtsprechungslinie und der in diesem Zusammenhang vertretenen „Eindeutigkeitsformel“ an. In dem BGHZ 80, 246 zugrunde liegenden Fall hatte der verstorbene Erblasser ein notarielles Testament hinterlassen. In diesem bestimmte er, dass seine damalige Ehefrau, von der er zu diesem Zeitpunkt bereits rechtskräftig geschieden war, keinesfalls Erbin werden und im Übrigen die „gesetzliche Erbfolge“ eintreten sollte. Nach Eintritt des Erbfalls stritten die nichteheliche Tochter des Erblassers und dessen Mutter um die Alleinerbenstellung. Infolgedessen beantragten beide jeweils einen entsprechenden Erbschein. Dabei vertrat die Mutter des Erblassers die Auffassung, der Notar habe den Begriff der „gesetzliche[n] Erbfolge“ nur gewählt, weil er keine Kenntnis von der nichtehelichen Tochter gehabt habe. Die nichteheliche Tochter hätte nicht Erbin werden sollen. Dabei warf der BGH, der dem verwendeten Begriff der „gesetzliche[n] Erbfolge“ im zu entscheidenden Fall offenbar eine klare Bedeutung beimaß, die Frage auf, „ob es mit dieser in erster Linie dem Tatrichter aufgetragenen Erforschung des Willens des Erklärenden vereinbar ist, der Auslegung mit Hilfe des Wortlauts Grenzen zu setzen [...], und sei es auch nur in besonderen Fällen ,klaren und eindeutigen‘ Wortlauts [...].“ In der Folge konstatierte der BGH, dass dieser Gedanke „in der Tat zweifelhaft sein [mag].“79 Allerdings vermied er eine Neupositionierung und wendete sich nicht von der „Eindeutigkeitsformel“ ab. Denn selbst wenn man es als zutreffend erachten würde, so hieß es, dass der Erblasser seine Mutter als Alleinerbin habe einsetzen wollen, leide diese Anordnung jedenfalls am Mangel der Form.80 Im Ergebnis wurde weder der Mutter noch der nichtehelichen Tochter die Alleinerbenstellung zugesprochen.81 Stattdessen trat die gesetzliche Erbfolge mit dem von Gesetzes wegen intendierten Bedeutungsgehalt nach den §§ 1924 ff. BGB ein. 77

RGZ 160, 109. RGZ 160, 109, 111. 79 BGHZ 80, 246, 249. 80 Näher dazu unten § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (a), S. 40 ff. 81 BGHZ 80, 246, 250. 78

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Ein auf den ersten Blick bemerkenswerter Rechtsprechungswandel wurde 1982 in BGHZ 86, 41 vollzogen. In der Entscheidung ging es um die Auslegung einer testamentarischen Verfügung eines Erblassers, der weder verheiratet war noch Abkömmlinge hatte. Seine einzigen noch lebenden Angehörigen waren seine Neffen. Sie standen im Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten. Der Kläger lebte gemeinsam mit dem Erblasser auf dessen Hof in D. („D.-Hof“), um ihn im Alltag zu unterstützen. Darüber hinaus war der Erblasser Eigentümer eines weiteren Hofes in A. („A.-Hof“). Der Erblasser ließ ein notarielles Testament errichten, durch das er den Kläger als Erbe des „D.-Hofes“ und den Bauern L als Erbe des „A.-Hofes“ einsetzte. Seine Neffen setzte er als Erben seines „sonstigen Vermögens“ ein. 1976 veräußerte der Erblasser einen Großteil des „D.-Hofes“, um einer drohenden Enteignung zu entgehen. Von dem erzielten beträchtlichen Erlös erwarb der Erblasser ein kleines Grundstück in D. sowie mehrere Grundstücke in A. Weiterhin erwarb er 1978 ein Gut in K. „als Zwischenlösung“, welches jedoch kein Hof im Sinne der Höfeordnung war. Dieses wollte er später wieder veräußern, um einen neuen Hof zu erwerben. Den restlichen Veräußerungserlös des „D.Hofes“ zahlte er auf ein Bankkonto ein. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass ihm die an die Stelle des veräußerten Teils des „D.-Hofes“ getretenen Vermögenswerte jedenfalls als Vermächtnis zustünden. Er erhob daraufhin Klage gegen die Neffen des Erblassers und verlangte die Auflassung des Grundstücks des Guts in K. sowie die Feststellung, dass ihm der übrige Veräußerungserlös des Teils des „D.-Hofes“ zustehe.82 Die Problematik des Falls bestand darin, dass das notarielle Testament den Kläger zwar als Erbe des „D.-Hofes“ auswies, dieser aber aufgrund der Veräußerung des Großteils vor Eintritt des Erbfalls nur noch zu einem geringen Teil zum Nachlass gehörte. Dass der Kläger einen aus den veräußerten Teilen des „D.-Hofes“ erzielten Erlös oder überhaupt Surrogate erhalten sollte, wurde mit Blick auf den bloßen Wortlaut der Testamentsurkunde nicht verfügt.83 Es stellte sich daher die Frage, ob diese Vermögenswerte von der zugunsten des Klägers erfolgten Zuwendung des „D.-Hofes“ erfasst waren. An prominenter Stelle – im ersten Leitsatz – entschied der BGH, dass „auch in den – seltenen – Fällen ,klaren und eindeutigen‘ Wortlauts [...] der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt

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BGHZ 86, 41. BGHZ 86, 41 f. Damit handelt es sich bei BGHZ 86, 41 um einen Anwendungsfall der ergänzenden Auslegung, weil es um die Schließung einer testamentarischen Lücke geht, die aufgrund eines nicht geregelten Umstands – die Veräußerung des Großteils des „D.-Hofes“ – entstanden ist. Die nachfolgend dargestellten Ausführungen des BGH beziehen sich aber auf die Ebene der erläuternden Auslegung, sodass sie hier Geltung beanspruchen. Zur ergänzenden Auslegung ausführlich noch unten § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 83

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[sei]“.84 Das Gericht betonte, dass es um die Erforschung „des wirklichen Willens des Erblassers geh[e]“ und dieser stets Vorrang vor dem eigentlichen Testamentswortlaut habe. Daher könne der Auslegung durch den bloßen Wortlaut keine Grenze gesetzt sein.85 Dadurch hat sich der BGH von der von ihm wie schon zuvor durch das RG geübten Rechtsprechung zur „Eindeutigkeitsformel“86 ausdrücklich distanziert. Die durch die Entscheidung gewandelte Rechtsprechung deckt sich nunmehr auch mit dem aus § 133 BGB resultierenden Verbot der Buchstabeninterpretation.87 Beachtlich ist aber, dass der BGH in der zugrunde liegenden Entscheidung gar keinen klaren und eindeutigen Wortlaut angenommen hatte, also weder im Zusammenhang mit der Zuwendung des „sonstige[n] Vermögens“ noch mit der des „D.-Hofes“.88 Indem der BGH bereits den klaren und eindeutigen Wortlaut verneinte, hatte er eigentlich keinen Grund, von seiner bisherigen Rechtsprechung mit der „Eindeutigkeitsformel“ abzuweichen. Denn die testamentarische Anordnung wäre auch nach seiner bisherigen Linie auslegungsfähig gewesen.89 Offenbar sah sich das Gericht jedoch zu einer Klarstellung veranlasst, da die Berufungsinstanz den Teil des Testaments, in dem die Neffen als Erben des „sonstigen Vermögens“ eingesetzt wurden, noch als eindeutig ansah und demzufolge – im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH – die Auslegungsfähigkeit der testamentarischen Verfügung verneinte.90 Trotz dieser Klarstellung wurde der vom Kläger behauptete Sinngehalt nicht verwirklicht. Denn es war nicht hinreichend aufgeklärt, ob es dem Willen des Erblassers entsprach, dem Kläger durch die Zuwendung des „D.-Hofes“ auch etwaige an dessen Stelle tretende Vermögenswerte zukommen zu lassen. Zur Klärung dessen hob der BGH die angefochtene Entscheidung auf und verwies sie an das Berufungsgericht zurück.91 Obwohl die Kursänderung auf den ersten Blick bahnbrechend erscheint, sind in der neueren Rechtsprechung keine Fälle zu finden, in denen ein klarer und eindeutiger Wortlaut angenommen wurde,92 sodass sich die Frage nach der Praxisrelevanz der Entscheidung stellt. Zwar verwies der BGH schon damals im Leitsatz darauf, dass es sich um seltene Fälle handele,93 allerdings 84

BGHZ 86, 41. BGHZ 86, 41, 46. 86 Bspw. in RGZ 70, 391, 394; 160, 109, 111 und später durch den BGH etwa in BGHZ 26, 204, 211; 32, 60; 80, 246, 248. 87 Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 57 f. 88 BGHZ 86, 41, 47. 89 So auch Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 424. 90 BGHZ 86, 41, 45. 91 BGHZ 86, 41, 49. 92 So schon Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 57. 93 BGHZ 86, 41: „Auch in den – seltenen – Fällen ,klaren und eindeutigen‘ Wortlauts ist der Auslegung eines Testaments durch eben diesen Wortlaut keine Grenze gesetzt.“ 85

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kommt es auf eine solche Einordnung heute überhaupt nicht mehr an, weil nunmehr jede testamentarische Anordnung der Auslegung zugänglich ist. So hätte man bei unbefangener Betrachtung bspw. im nachfolgenden Fall auf den Gedanken kommen können, ihn als Konstellation eines klaren und eindeutigen Wortlauts einzuordnen: In BGH LM § 2100 BGB Nr. 1 hatte sich das Gericht mit einem notariell beurkundeten Testament auseinanderzusetzen, in dem der Erblasser seinen Sohn aus erster Ehe als Alleinerben einsetzte. Seine zweite Ehefrau bedachte er als „Ersatzerbin“. Kurz nach dem Tode des Erblassers verstarb auch dessen Sohn, sodass der Sohn – wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum – die ihm zugewandte Alleinerbenposition einnahm. Dadurch konnte die Ehefrau aber nicht Ersatzerbin des Erblassers im juristischen Sinne gemäß § 2096 BGB werden. Die Ersatzerbenstellung im rechtlichen Sinne setzt nämlich voraus, dass der eigentlich eingesetzte Erbe (hier der Sohn) vor dem Erblasser verstirbt, dessen Erbeinsetzung daher quasi „ins Leere“ geht.94 Der BGH konstatierte aber, dass durch die Verwendung des Begriffs der „Ersatzerbin“ auch eine Nacherbeinsetzung der zweiten Ehefrau gemeint gewesen sein könnte.95 Das Gericht stellte fest, dass „[d]er Unterschied zwischen dem Begriff des ,Ersatzerben‘ (§ 2096 BGB) und dem des ,Nacherben‘ (§ 2100 BGB) [...] rechtsunkundigen Personen nicht immer geläufig [ist], sodass die Möglichkeit einer Verwechslung sehr leicht gegeben ist [...]. Da bei der Auslegung einer Verfügung von Todes wegen nicht am Wortlaut zu haften ist, sondern auch Umstände berücksichtigt werden können, die ausserhalb der Erklärung liegen, ist es möglich, dass der Wille des Erblassers, den Bedachten nicht nur zum Ersatz-, sondern auch zum Nacherben einzusetzen, in der vom Erblasser gebrauchten Bezeichnung des Bedachten als ,Ersatzerben‘ einen hinreichenden Ausdruck findet.“96

Es wird deutlich, dass der BGH nunmehr zurückhaltender mit der Feststellung, es handele sich um einen klaren und eindeutigen Wortlaut, umgeht. Treffender wäre es demzufolge, von Fällen eines (bloß) scheinbar klaren und eindeutigen Wortlauts zu sprechen, der die Auslegung nicht hindert.97 Im

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Siehe nur Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2096 Rdnr. 1 ff. BGH LM § 2100 BGB Nr. 1. Obwohl sich die Ausführungen auf die erläuternde Auslegung beziehen, bleibt anzumerken, dass es sich hier um einen Fall der ergänzenden Auslegung handelt. Denn das Vorversterben des eigentlich bedachten Erben ruft eine planwidrige testamentarische Lücke hervor, die grundsätzlich im Wege der Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens – mit dem Inhalt der Einsetzung der zweiten Ehefrau als Nacherbin – geschlossen werden kann, sofern eine dahingehende Willensrichtung feststellbar ist. Näher zur ergänzenden Auslegung unten § 2 A. I. 3, S. 57 ff. 96 BGH LM § 2100 BGB Nr. 1. Zur für die Durchsetzung des wahren Willens notwendigen hinreichenden Stütze im Testamentswortlaut ausführlich unten § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. 97 Vom scheinbar klaren und eindeutigen Wortlaut sprechen demzufolge zutreffend BayObLG FamRZ 1991, 231, 232; 2002, 1745, 1747; ZEV 2004, 200; OLG Brandenburg FamRZ 1999, 188, 190; OLG Hamm FamRZ 2011, 1172, 1174. 95

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Leitsatz von BGHZ 86, 41 wird zwar nicht von solch einem bloß scheinbar eindeutigen und klaren Wortlaut gesprochen.98 Wie Leipold richtigerweise feststellt, kann jedoch nichts anderes gemeint gewesen sein.99 Luzide erscheint in diesem Kontext die singuläre Ausführung in BGHZ 86, 41, wenn die Rede von einer bloß „scheinbar [!] eindeutigen Willenserklärung“ ist. In Bezug darauf konstatiert der BGH, dass der Auslegende an deren Wortlaut nicht gebunden sei, sofern Anhaltspunkte existierten, die darauf hindeuteten, dass der Erblasser den Worten einen vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden Sinngehalt beigemessen habe.100 Dass bspw. Rechtsbegriffe im Testament verwendet werden, die einen spezifischen juristischen Sinngehalt haben, hat nach der höchstrichterlichen Kursänderung also keine Bedeutung mehr für deren Auslegungsfähigkeit. Dementsprechend ist vor allem die noch klare Positionierung in RGZ 160, 109101 als überholt anzusehen. Der laienhafte Gebrauch von Rechtsbegriffen darf demzufolge nicht dazu verleiten, vorschnell ein Auslegungsergebnis festzuhalten, das dem konkreten Bedeutungsgehalt des Fachterminus entspricht. Es muss vielmehr stets hinterfragt werden, ob der Erblasser den technischen Sinn des Begriffs erfasst hat und dessen Wirkung wirklich herbeiführen wollte. Das gilt vor allem dann – jedoch nicht ausschließlich –, wenn es sich um ein privatschriftlich verfasstes Testament handelt.102 In diesem Zusammenhang bezeichnend sind die Ausführungen des OLG Düsseldorf in einer zur Testamentsauslegung ergangenen Entscheidung, wenn es der zugrunde liegenden testamentarischen Anordnung attestierte, „juristisch sinnlos oder fehlerhaft“ zu sein, obwohl hier sogar Anhaltspunkte dafür bestanden, dass juristische Beratung bei der Testamentserrichtung vorhanden war. Richtigerweise ließ sich das OLG Düsseldorf nicht darauf ein, den Sinngehalt des Fachterminus ohne nähere Überprüfung anzunehmen, sondern ging dem auf die Spur, was der Erblasser wirklich ausdrücken wollte.103 Damit eine Anordnung ausgelegt werden kann, bedarf es also keiner Auslegungsbedürftigkeit, die bereits durch den bloßen Wortlaut, etwa aufgrund von Unklarheiten oder Widersprüchen, zum Ausdruck gelangt.104 Obwohl die Wahrscheinlichkeit beim notariellen

98

BGHZ 86, 41. Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 10 (Fn. 16). 100 BGHZ 86, 41, 46. 101 Siehe schon oben § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 27 f. 102 Horn/Kroiß, NJW 2012, 666; vgl. OLG Hamm NJW-RR 2015, 9. 103 OLG Düsseldorf FGPrax 2011, 125, 126: „Im Einzelnen sind juristisch sinnlos oder fehlerhaft sowohl die Formulierung im ersten Satz des Testaments ,Gütergemeinschaft und auch Zugewinngemeinschaft‘, als auch die Begriffe ,bei den gesetzlichen Nacherben‘ sowie ,als Nacherben deren Kinder‘ im Testamentszusatz.“ 104 Czarnecki, Vertragsauslegung und Vertragsverhandlungen. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 76. 99

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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Testament höher ist, dass sich Erblasserwille und Testamentswortlaut decken, ist auch dieses stets auslegungsfähig.105 Mit dieser Rechtsprechungslinie, die eine durchgängige Auslegungsfähigkeit der verwendeten Begrifflichkeiten annimmt, deckt es sich schließlich auch, wenn der Satz der Unschädlichkeit der Falschbezeichnung („falsa demonstratio non nocet“) auch im Bereich der testamentarischen Verfügungen angewandt wird.106 Die Regel besagt, dass das wirklich Gewollte gilt, obwohl es falsch bezeichnet wurde.107 Damit kann sich die Auslegung grundsätzlich auch über eine etwaige Falschbezeichnung seitens des Erblassers hinwegsetzen. Schon das RG kannte solche Konstellationen, die es als Fälle beschrieb, in denen „der Erblasser eine Bezeichnung anwendet, unter der er einen bestimmten Gegenstand oder eine bestimmte Person versteht, während andere Personen, welche diese eigenartige Bezeichnungsweise nicht kennen, hierunter etwas anderes verstehen“.108

Allerdings sind die genauen Konturen der „falsa demonstratio“-Regel unklar.109 Des Versuchs einer näheren Skizzierung bedarf es indessen nicht, weil es sich bei einer Falschbezeichnung um nichts anderes als einen scheinbar klaren und eindeutigen Wortlaut handelt, der einer Auslegung nach dem Erklärenden-Horizont ohnehin nicht entgegensteht.110 Schließlich ist im Zusammenhang mit einem (scheinbar) klaren und eindeutigen notariellen Testament noch zu konstatieren, dass ein solches in der Rechtsprechung gelegentlich die widerlegliche Vermutung hervorruft, dass es den wahren Erblasserwillen vollständig abbilde.111 Im Kontext eines notariellen Testaments vermutete bspw. das OLG München, dass „der objektive 105

Etwa BGHZ 86, 41, 45 f.; OLG Hamm, ZEV 2011, 427, 428. Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540; RGZ 70, 391, 393 f.; RG LZ 1921, 376 Nr. 3; BGHZ 80, 246, 251. Näher dazu etwa Welter, Auslegung und Form testamentarischer Verfügungen. Die Verwirklichung des Erblasserwillens, 1985, S. 81 f. 107 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 929 Rdnr. 1845; Vogenauer, HKK-BGB, 2003, § 133 Rdnr. 84. 108 RGZ 70, 391, 394. 109 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 935 Rdnr. 1855: „[D]ie Regel [steht] in der Rechtsgeschäftslehre ohne scharfe Konturen da.“ Leipold konstatiert, dass Fälle von Falschbezeichnungen „selten“ seien und in vielen Konstellationen, in denen eine Falschbezeichnung behauptet werde, keine solche zugrunde läge, Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 21. 110 Probleme ruft allerdings das Erfordernis einer hinreichenden Andeutung im Zusammenhang mit der Verwirklichung des ermittelten Willens hervor, das eine Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen vornimmt, dazu sogleich § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 47 ff. 111 KG NJW 1970, 758; OLG München NJW-RR 2011, 12, 13; vgl. BayObLGZ 1996, 204, 218. 106

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Erklärungsinhalt und der Wille des Erblassers übereinstimmen“.112 In eine ähnliche Richtung positionierte sich das OLG Hamm, wenn es zumindest von einer Indizwirkung der von einem Notar verwendeten Begriffe sprach und dies mit dessen Beratungs- und Belehrungspflicht gemäß § 17 BeurkG begründete.113 Immerhin sei es in diesen Fällen wahrscheinlicher, dass der Erblasser in seinem Testament Fachausdrücke verwende, die er auch in ihrem technischen Sinn gemeint habe.114 Dass indessen selbst beim notariellen Testament nur mit größter Zurückhaltung einfach der objektive testamentarische Sinngehalt angenommen werden sollte, lehrt die vergangene Rechtsprechung nur zu gut, wenn sie beweist, dass es auch und gerade bei notariell errichteten Testamenten zur Divergenz von objektivem Testamentswortlaut und subjektivem Erblasserwillen kommt.115 Denn einigen der bedeutsamsten

112

OLG München NJW-RR 2011, 12, 13. OLG Hamm FamRZ 2002, 201. Zur Funktion des Notars im Kontext der Erstellung eines öffentlichen Testaments schon oben, § 1 B., S. 12 f. 114 OLG Hamm FamRZ 2002, 201; vgl. RGZ 160, 109, 111. 115 Ist die Diskrepanz nicht durch die Auslegung auflösbar, sodass sich der wahre Erblasserwille nicht durchsetzt, und ist dies auf eine objektive Pflichtwidrigkeit des testamentserrichtenden Notars zurückzuführen, kann der hierdurch geschädigte Erbprätendent seinen erlittenen Vermögensschaden gegenüber dem Notar über einen Anspruch aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO (i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB) liquidieren, BGH NJW 1997, 2327 f.; Büttner, Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2006, S. 130. Siehe dazu auch noch unten § 4 B. II. 2., S. 249 (Fn. 170) und § 5 C. II. 1., S. 306 f. Wurde das Testament demgegenüber von einem Rechtsanwalt errichtet, gestaltet sich die Rechtslage diffiziler, worauf exkursartig hingewiesen werden soll: In diesen Fällen kann der betreffende Vermögensschaden nur über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausgeglichen werden. Denn der zwischen Erblasser und Rechtsbeistand geschlossene Beratungsvertrag entfaltet Drittschutz zugunsten des in Aussicht genommenen Begünstigten, dazu etwa ausdrücklich von einem (Beratungs-)Vertrag mit Schutzwirkung für die Erben sprechend: BGH NJW 1995, 51, 52 f.; 1995, 2551, 2552 f.; hingegen offen gelassen in BGH NJW 1965, 1955, 1956: „Ob der vorliegende Sachverhalt mit dem Berufungsgericht in die Gruppe der Verträge mit Schutzwirkung für Dritte […] einzuordnen ist, mag dahinstehen.“ Allerdings konstatiert Zimmermann zutreffend, dass sich der BGH dort zur Begründung der Ansprüche der geschädigten Erbprätendentin bereits immerhin derselben Argumente bediente, wie sie erforderlich sind, um den Anspruch aus der Rechtsfigur des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu begründen, Zimmermann, FamRZ 1980, 99, 100. Der geschilderte Kurs der nunmehr st. Rspr., die den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in diesen Konstellationen annimmt, ist allerdings nicht frei von jeglicher Kritik. So will etwa Büttner die Haftung nicht mit dem zwischen Erblasser und Rechtsanwalt geschlossenen Beratungsvertrag begründen, sondern auf die geschuldete Vertragsleistung abstellen, um eine Überdehnung des Parteiwillens zur Begründung der Haftung des Experten zu verhindern. In der Folge schlägt Büttner eine Modifikation der bekannten Dogmatik zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter dahingehend vor, sie zu einer Vertragsleistung mit Schutzzweck für Dritte umzufunktionieren, für Einzelheiten siehe Büttner, Umfang und Grenzen der Dritthaftung von 113

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Leitentscheidungen zur Auslegung testamentarischer Verfügungen lagen notariell beurkundete Anordnungen zugrunde.116 Das OLG Hamm stellte in diesem Zusammenhang fest, dass auch notarielle Testamente keine Richtigkeitsgewähr für eine Übereinstimmung des wirklich Gewollten mit dem Testamentswortlaut mit sich brächten. Immerhin komme es häufig genug vor, dass auch dort die beiden genannten Komponenten voneinander abwichen, sodass sich „keine Ausnahme vom Gebot der amtswegigen Erforschung des Erblasserwillens ableiten“ lasse.117 Die teilweise aufgestellte widerlegliche Vermutung, dass die scheinbar klare testamentarische Verfügung den wahren Erblasserwillen abschließend widergebe, kann durch den Nachweis außerurkundlicher Tatsachen, die dem widersprechen, erschüttert werden. Allerdings ist anzumerken, dass es sich in der Rechtspraxis in tatsächlicher Hinsicht teils schwierig gestalten wird, den Rechtsbeistand der Gegenseite bzw. den auslegenden Tatrichter von der Auslegungsbedürftigkeit einer notariellen letztwilligen Verfügung zu überzeugen und eine umfangreiche Beweisaufnahme über den behaupteten, vom Wortlaut abweichenden, Erblasserwillen in Gang zu bringen.118 Dabei wurde auf Beweislastfragen bereits an vorheriger Stelle eingegangen.119 cc) Hinreichende Andeutung Bereits früh haben die Gerichte den sich abzeichnenden Tendenzen, durch eine weitreichende Auslegung den wahren Erblasserwillen durchzusetzen und dadurch zugleich spiegelbildlich den Anwendungsbereich der Anfechtungsvorschriften gemäß §§ 2078 ff. BGB einzuengen, durch die Andeutungstheorie120 Einhalt geboten.121

Experten. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2006, S. 35, 200 ff.; ebenfalls Kritik übt Zimmermann, FamRZ 1980, 99 f. 116 Etwa BGHZ 80, 246; 86, 41; 121, 357. 117 OLG Hamm ZEV 2011, 427, 428. 118 Horn/Kroiß, NJW 2012, 666, 667. 119 Siehe oben § 2 A. I. 1. a), S. 18. 120 Gängige Terminologie, siehe nur Brox, JA 1984, 549; Wolf/Gangel, JuS 1983, 663, 664; Smid, JuS 1987, 283, 286; Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 241 ff.; Vogenauer, HKK-BGB, 2003, § 133 Rdnr. 82. 121 Ähnlich RGZ 70, 391, 394; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 926 Rdnr. 1838; Smid, JuS 1987, 283, 286. Ausführlich zur Irrtumsanfechtung unten § 2 A. II., S. 76 ff.

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(1) Andeutungstheorie (a) Inhalt Um den im Testament niedergelegten Erblasserwillen zu ermitteln, kann nicht nur auf das Testament selbst, sondern auch auf außerurkundliches Material zurückgegriffen werden.122 Allerdings muss für den ermittelten Willen stets eine Rückkoppelung an die testamentarische Verfügung möglich sein, damit er verwirklicht wird.123 Ob sich für diesen eine hinreichende Stütze im Testamentswortlaut finden lässt, wird unter Zuhilfenahme der Andeutungstheorie überprüft.124 Der BGH fordert hierfür, dass „der wirkliche Wille des Erblassers irgendwie – wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt – zum Ausdruck“ gelangen muss.125 Es genügt, wenn der ermittelte Wille bloß unvollkommen in der testamentarischen Verfügung angelegt ist.126 Mit anderen Worten muss sich der wahre Erblasserwille aus dem objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt, der sich anhand des natürlichen Sprachgebrauchs bestimmt, ableiten und objektiv mit ihm vereinbaren lassen.127,128 Die 122 Für das zur Testamentsauslegung heranziehbare Beweismaterial siehe schon § 2 A. I. 2. a) bb) (3), S. 25 f. 123 Siehe nur BGH FamRZ 1987, 475, 476: „[Es] geht [...] nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens des Erblassers.“ 124 St. Rspr., siehe etwa RGZ 160, 109, 111; BGHZ 26, 204, 210; 80, 242, 244; 86, 41, 47. 125 BGHZ 80, 242, 243. 126 St. Rspr., siehe nur RGZ 160, 109, 111; BGHZ 80, 242, 243; 246, 250; 86; 41, 47; OLG Karlsruhe ZEV 1999, 438; OLG Düsseldorf NJWE-FER 1998, 12; BayObLG NJW 1988, 2742; DNotZ 1994, 394, 397. 127 Die Ausführungen der Rechtsprechung belegen, dass das Andeutungskriterium auf eine objektive Vereinbarkeit des festgestellten Erblasserwillens mit dem durch den Testamentswortlaut vermittelten Sinngehalt zielt. Die für die Andeutungstheorie maßgebliche Referenz ist also allein die objektive Vereinbarkeit des wirklichen Willens mit dem objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt. So heißt es, dass einer Anordnung kein „solcher Sinn beigelegt werden [darf], der in ihr überhaupt nicht zum Ausdruck kommt“, BGH FamRZ 1987, 475, 476; ähnlich BGH NJW 1993, 256. Besonders deutlich wird die dem Andeutungskriterium zugrunde liegende Forderung nach einer Vereinbarkeit des Erblasserwillens mit dem objektiven Wortlaut, dessen Sinngehalt anhand des natürlichen Sprachgebrauchs zu messen ist, in BGHZ 121, 357, 363, wenn es dort heißt, dass die Auslegung rechtsfehlerhaft erfolge, „wenn sie [...] dem Testament einen Inhalt gegeben hat, der sich seinem Wortlaut nicht entnehmen läßt und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck kommenden Erblasserwillen gestützt werden kann“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 128 Auch im Schrifttum wird dieser Einordnung des dem Andeutungserfordernis zugrunde liegenden Kriteriums weit überwiegend zugestimmt, siehe nur Scherer, JURA 1988, 302, 304; Wolf/Gangel, JuS 1983, 663; Brox, JA 1984, 549, 555; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 151 ff.; Lübtow, Erbrecht. Eine systematische Darstellung. 1. Halbband, 1971, S. 268 f.; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte. Ob-

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vorstehenden Ausführungen zeigen, dass es sich stets nur um unterschiedliche Wendungen handelt, um das Andeutungserfordernis fassbar zu machen. Konkrete Anforderungen oder Leitlinien, wann eine solche hinreichende Andeutung im Testamentswortlaut (noch) angenommen werden kann, fehlen indessen. Der Tatrichter hat das Andeutungskriterium daher stets im Einzelfall zu prüfen.129 Die Andeutungstheorie findet sowohl im Rahmen des privatschriftlich als auch notariell erstellten Testaments Anwendung. Unterschiedliche Maßstäbe gelten dabei nicht.130 Als Beispiel für die liberale Handhabung des Andeutungskriteriums in der Rechtspraxis131 kann ein vom OLG Düsseldorf entschiedener Fall genannt werden, in dem eine Erblasserin ein privatschriftliches Testament mit nachfolgendem Inhalt verfasste: „Ich verfüge über das bei meinem Tod vorhandene Bar- und Sachvermögen wie folgt: Meinen Ehemann J setze ich als Alleinerben ein. Nach dessen Tod erben meine Enkel D und M zu gleichen Teilen.“132

Dem Wortlaut nach ordnete die Erblasserin an, dass ihre Enkel D und M erst nach dem Tode ihres Ehemannes in die Erbenstellung einrücken sollen, sodass sie hiernach als Nacherben zu qualifizieren wären. Dass ihr Ehemann als Vorerbe eingesetzt wurde, ergibt sich aus dem Kontext, denn er soll sie vor den Enkeln beerben. Eine etwaige Befreiung des Ehemannes von den grundsätzlich geltenden Verfügungsbeschränkungen eines Vorerben, §§ 2113 ff. BGB, wurde indessen nicht ausdrücklich testiert. Der Ehemann beantragte

jektive Ordnung und privatautonome Selbstbestimmung im formgebundenen Rechtsgeschäft, 1971, S. 140 ff.; Foerste, DNotZ 1993, S. 84, 88. Ergänzend hierzu verweist Wingerter darauf, dass die Andeutungstheorie einen „zumindest ansatzweise vorhandenen objektivierbaren Anhaltspunkt für den Erblasserwillen im Testament“ garantieren müsse, Wingerter, Die eigenhändige letztwillige Verfügung im Spannungsverhältnis zwischen Form und der Verwirklichung des Erblasserwillens. Zugleich ein Beitrag zur Reform der Testamentsformen, 1998, S. 187. A.A. hingegen Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, Vorb. zu §§ 2064–2086 Rdnr. 35, der meint, für die Überprüfung des Anhalts komme es auf den subjektiven Standpunkt des Erblassers an: Gefragt werden müsse, ob der Erblasser eine Andeutung seines wahren Willens in der Testamentsurkunde finden würde. 129 BGHZ 86, 41, 49; vgl. Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 69; Smid, JuS 1987, 283, 286; vgl. Brox, JA 1984, 549, 550; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 66. 130 Vgl. BGHZ 80, 246, 251. Nach BGHZ 94, 36, 41 ebenfalls einheitlich zu beurteilen ist die Frage der Andeutung bei unterschiedlichen Anordnungsinhalten. Unabhängig vom konkreten Inhalt der Verfügung gilt daher derselbe Maßstab. 131 Siehe nur KG ZEV 2018, 272, 274, wo erst jüngst konstatiert wurde, dass die „Rechtsprechung […] des BGH ohnehin nicht allzu strenge Vorgaben an den erforderlichen Anhalt im Textament“ stelle. 132 OLG Düsseldorf NJWE-FER 1998, 12.

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aber, ihm einen ihn als Alleinerben, hilfsweise befreiten Vorerben, ausweisenden Erbschein auszustellen. Ihm ging es maßgeblich darum, nicht an die besagten Verfügungsbeschränkungen gebunden zu sein. Das OLG Düsseldorf sah durch die Bezeichnung des Ehemannes als „Alleinerben“ im Testament letztlich einen hinreichenden Anhaltspunkt dafür, dass er als befreiter Vorerbe eingesetzt und damit von den Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB befreit werden sollte.133 (b) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln Ergänzt wird die Andeutungstheorie durch Erfahrungssätze, die sich aus den an verschiedenen Stellen des BGB anzutreffenden gesetzlichen Auslegungsund Ergänzungsregeln ableiten lassen.134 Sie setzen sich mit der Frage auseinander, welcher Bedeutungsgehalt den unpräzisen oder mehrdeutigen Worten aus der Perspektive eines „durchschnittlichen“ Erblassers, also typischerweise, zu entnehmen ist.135 Wie in BGHZ 86, 41136 klargestellt wurde, können sie für die Feststellung einer hinreichenden Stütze nutzbar gemacht werden.137 Hat sich der Erblasser bei seiner Anordnung etwa falsch ausgedrückt und ist dieser Fall durch die Auslegungs- und Ergänzungsregeln erfasst, wird der wahre Wille verwirklicht, weil sich die hierfür nötige Stütze aus dem geregelten Erfahrungssatz ableiten lässt.138 Als Beispiel für den Fall, dass die notwendige Andeutung aus einem Erfahrungssatz abgeleitet werden kann, lässt sich folgende testamentarische Verfügung nennen: „Zum Erben meiner beiden Gemälde setze ich meinen alten Schulfreund Hans ein. Erbin meines gesamten Hab und Guts im Übrigen soll meine geliebte Tochter Wilhelmine sein.“

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OLG Düsseldorf NJWE-FER 1998, 12. Siehe bspw. §§ 2101, 2102 Abs. 2, 2103 f., 2106 f., 2169, 2269 BGB. Die Normen sollen dem auslegenden Tatrichter eine Richtung vorgeben, was Testierende in der Regel mit ihren Worten ausdrücken wollen, Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, Vorb. § 2064 Rdnr. 3 f. Für eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesen Rechtssätzen siehe etwa Foer, AcP 153 (1954), 492, 495 ff. Gegen eine Differenzierung von Auslegungs- und Ergänzungsregeln hingegen Tappmeier, Zur Funktion der erbrechtlichen Auslegungsvorschriften des BGB, 1987, S. 219. 135 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, Vorb. § 2064 Rdnr. 3 f. 136 Zum Fall ausführlich bereits oben, siehe § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 29 ff. 137 In BGHZ 86, 41, 49 f. stand der Erfahrungssatz aus § 2169 BGB im Zusammenhang mit dem Andeutungserfordernis in Rede. Allerdings bedurfte es der weiteren Sachverhaltsaufklärung dahingehend, was der Erblasser wirklich gewollt hat, siehe § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 30. 138 Dass eine Falschbezeichnung den Auslegungsvorgang nicht von vornherein hindert, wurde bereits oben festgehalten, siehe § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 27 ff. 134

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Zwar wurde Hans dem Wortlaut nach als Erbe eingesetzt. Dem Erblasserwillen widerspricht es aber, dass Hans neben Wilhelmine Erbe im Rechtssinne wird und ihm dadurch eine gewisse Erbquote am gesamten Nachlass zusteht.139 Stattdessen sollten Hans lediglich die beiden Gemälde zugewendet werden, wofür bei korrekter Abfassung des Testaments ein Vermächtnis hätte angeordnet werden müssen. Eine Andeutung für diese wirkliche Intention kann hier aber aus dem in § 2087 Abs. 2 BGB verankerten Erfahrungssatz abgeleitet werden, wonach im Zweifel davon auszugehen ist, dass im Falle der Zuwendung bloß einzelner Gegenstände – wie hier der beiden Gemälde –, der hierdurch Begünstigte nicht Erbe werden soll. Die Bezeichnung des Hans als Erben steht der unverfälschten Willensverwirklichung des Erblassers nicht entgegen. Hans hat als Vermächtnisnehmer gegen Wilhelmine demzufolge einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der zwei Gemälde. Es ist aber festzuhalten, dass die Option, eine hinreichende Stütze aus Erfahrungssätzen ableiten zu können, nur in den betreffenden, partiell geregelten, Fällen besteht.140 Vor dem Hintergrund der unzähligen denkbaren Verfügungen ergibt sich hieraus daher kein Patentrezept für die Feststellung einer hinreichenden Andeutung. (2) Grundlage Zu klären bleibt, auf welcher Ebene das Andeutungserfordernis relevant ist. Dies ist für die Frage bedeutsam, welche Rechtsfolge das Fehlen einer hinreichenden Stütze nach sich zieht. Einerseits könnte das Erfordernis erst auf der Ebene der Formprüfung relevant werden, sodass im Rahmen der Auslegung zunächst der wirkliche Erblasserwille, frei von jeglicher Andeutung im Wortlaut, ermittelt würde. Käme man zu dem Ergebnis, dass es an einer Andeutung dieses gefundenen Willens im Wortlaut fehlt, wäre die testamentarische Verfügung, deren Sinngehalt mit der ermittelten Intention deckungsgleich wäre, gemäß § 125 S. 1 BGB formnichtig. In aller Regel würde dann die gesetzliche Erbfolge gemäß §§ 1924 ff. BGB eintreten. Andererseits könnte das Andeutungserfordernis bereits auf der Auslegungsebene verortet werden, sodass es Einfluss auf die Frage hätte, ob der ermittelte Erblasserwille überhaupt als Auslegungsergebnis anerkannt werden kann. Insoweit es an einer diesbezüglichen Andeutung fehlt, könnte der Erblasserwille nicht das Ergebnis der Auslegung bilden. Zurückgegriffen werden müsste dann auf den ermittelten objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt, der wiederum im Wege der Anfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB beseitigt werden 139 Im Wege der Universalsukzession würde der Nachlass ipso iure an die aus Hans und Wilhelmine bestehende Erbengemeinschaft fallen. 140 Siehe nur RGZ 99, 82, 85, dazu schon oben § 1 A., S. 8 und Fn. 33.

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könnte. Hier wäre der Eintritt der gesetzlichen Erbfolge also zur Disposition des Anfechtungsberechtigten gestellt. (a) Formwahrung Früher wurde die hinreichende Andeutung des Erblasserwillens in der Testamentsurkunde aus Gründen der Formwahrung gefordert. Der im Wege der Auslegung ermittelte Erblasserwille ging jeder anderen Interpretation des Bedeutungsgehalts des Testaments vor, wenn er formgerecht, d. h. hinreichend angedeutet, geäußert wurde.141 Fehlte eine solche Stütze im Wortlaut, zog der Formmangel die Nichtigkeit der testamentarischen Anordnung nach sich, § 125 S. 1 BGB.142 Eine Heilung kam nicht in Betracht. Auch ein etwaiges Notarversagen sollte es nicht zulassen, die Erklärung als formgültig aufzufassen.143 Als Begründung für diese Linie wurde der Zweck der gesetzlichen Formvorschriften genannt.144 Die Regelungen dienten dazu, Erblasser vor überstürzten Verfügungen zu schützen und sie dazu anzuhalten, sich möglichst klar auszudrücken. Darüber hinaus sollten die Regelungen dazu beitragen, tatsächliche testamentarische Verfügungen von bloßen Notizen oder Entwürfen besser abgrenzen zu können. Weiterhin verfolge die notwendige Eigenhändigkeit bei der Testamentserrichtung den Zweck, etwaige Verfälschungen des Erblasserwillens reduzieren zu können.145 Die Normen verfolgten das Ziel, den wirklichen Erblasserwillen zur Geltung kommen zu lassen und die Selbstständigkeit dieses Willens zu verbürgen. Speziell für das notariell errichtete Testament verwies der BGH darauf, dass es eine erhöhte Sicherheit vor nachträglichen Verfälschungen oder Veränderungen gegenüber dem privatschriftlichen Testament bieten solle. Dies zeichne die Form des notariellen Testaments aus.146 Letztlich fasste der BGH zusammen, dass „diese Formzwecke [...] in ihrer Gesamtheit dazu beitragen [sollen], verantwortliches Testieren zu fördern und Streitigkeiten der Erbprätendenten über den Inhalt letztwilliger Verfügungen hintanzuhalten“.147

Besonders deutlich äußerte sich die Rechtsprechung zur Einordnung der Andeutungstheorie in der bereits geschilderten Entscheidung BGHZ 86, 41,148

141

BGHZ 86, 41, 45; BGH NJW 1993, 256. BGHZ 80, 242, 245; 246, 250. 143 BGHZ 80, 246, 256. 144 Ausführlich zu den Zwecken der Formvorschriften Seiler, Die Formerfordernisse des eigenhändigen Testamentes, 1996; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 31 ff. 145 BGHZ 80, 242, 245. 146 BGHZ 80, 246, 251. 147 BGHZ 80, 242, 246. 148 Siehe oben § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 29 ff. 142

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wenn sie dort die Vornahme einer zweistufigen Prüfung verlangte. Auf der ersten Stufe sei zunächst der wahre Erblasserwille zu ermitteln.149 Nimmt man den BGH hier beim Wort, ähnelt dies sehr der Vorgehensweise der freien Auslegung,150 die unabhängig vom konkreten Erklärungstatbestand den tatsächlichen Willen feststellen will.151 Schon die Verfasser des ersten Entwurfs des BGB sahen es als erforderlich an, den wirklichen inneren Willen des Erklärenden als psychische Tatsache zu ermitteln. Damit waren sie offenbar Anhänger der sogenannten Willenstheorie,152 welcher die Vertreter der freien Auslegung folgen.153 Versteht man den BGH in diesem Sinne, würden sich – die entsprechende Beweislage vorausgesetzt – ermittelter Erblasserwille und Auslegungsergebnis stets decken. Erst im nächsten Schritt – der zweiten Stufe – so der BGH, sei mittels der Andeutungstheorie zu überprüfen, ob der ermittelte Wille die gesetzlich vorgeschriebene Form wahre.154 Dies betonte der BGH bereits im Leitsatz, wenn es dort heißt: „Erst nach der Ermittlung des Erblasserwillens kann entschieden werden, ob dieser im Testament eine hinreichende Stütze findet und damit formgültig erklärt ist.“155 Die Ermittlung des Erblasserwillens habe unabhängig davon zu erfolgen, ob das angestrebte Auslegungsergebnis eine Grundlage im Wortlaut finde oder nicht. Diese „Formfrage“ stelle sich erst dann, wenn das Auslegungsergebnis ermittelt sei. Dass der ermittelte Erblasserwille allerdings eine hinreichende Andeutung erfahre, sei notwendig, damit er formgültig erklärt sei.156 Hiernach spielt das Andeutungserfordernis im Rahmen der Auslegung also keine Rolle. Bei dieser Lesart würde zunächst der wirkliche Erblasserwille erforscht und als Auslegungsergebnis zugrunde gelegt. Sofern dieser keine hinreichende Stütze im Wortlaut findet, wäre die Verfügung formnichtig gemäß § 125 S. 1 BGB und ein Rückgriff auf den objektiven Bedeutungs-

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BGHZ 86, 41, 46 f. So auch Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 424 f.; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 936 Rdnr. 1856; Stagl, Der Wortlaut als Grenze der Auslegung von Testamenten. Die Andeutungstheorie im Testamentsrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2. Aufl., 2005, S. 93; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 149; Brox, JA 1984, 549, 550. 151 Vgl. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 61 f. 152 Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 9; vgl. auch Vogenauer, in: Festschrift für Jan Schröder zum 70. Geburtstag am 28. Mai 2013, 2013, S. 221, 222. Instruktiv zur Entstehungsgeschichte des § 133 BGB Vogenauer, HKK-BGB, 2003, § 133 Rdnr. 17 ff. 153 Dazu Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 9. 154 BGHZ 86, 41, 46 f. 155 BGHZ 86, 41 (Hervorhebung durch den Verfasser). 156 BGHZ 86, 41, 47. 150

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gehalt, ermittelt anhand des Testamentswortlauts, bliebe verwehrt. Letzteres resultiert aus der vorgeschalteten Feststellung des (einzigen) Sinngehalts der Urkunde, der deckungsgleich mit dem Erblasserwillen wäre, was den objektiven Bedeutungsgehalt „verbraucht“. In aller Regel würde die Nichtigkeit der Anordnung die Geltung der gesetzlichen Erbfolge gemäß den §§ 1924 ff. BGB nach sich ziehen. (b) Erklärung des Geschäftswillens Zweifel daran, dass der soeben geschilderte Kurs noch Bestand hat, schüren indes Folgeentscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Nachdem der BGH in BGHZ 86, 41 mit dem Postulat der „Zwei-Stufen-Prüfung“ grundsätzlich klare Worte fand,157 äußerte er sich in einer späteren Entscheidung zurückhaltender, indem er betonte, dass „es nicht um die Ermittlung eines von der Erklärung losgelösten Willens des Erblassers“ gehe, „sondern um die Klärung der forensisch im Vordergrund stehenden Frage, was der Erblasser mit seinen Worten habe sagen wollen“. Hierfür müsse „der Wortsinn der benutzten Ausdrücke gewissermaßen ,hinterfragt‘ werden“. Zudem hieß es, einer Anordnung dürfe kein „solcher Sinn beigelegt werden“, „der in ihr überhaupt nicht zum Ausdruck kommt“.158 Nachdem sich die Rechtsprechung von kritischen Stimmen im Schrifttum zur in BGHZ 86, 41 praktizierten „Zwei-Stufen-Prüfung“ offenbar missverstanden sah, betonte sie,159

157 Wobei mit Blick auf den dort an die Vorinstanz gerichteten Auftrag, sie habe zu überprüfen, ob „die angeführten Anhaltspunkte im Wortlaut des Testaments i.V.m. den von den Parteien vorgetragenen Umständen für das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis ausreichen“, auch gemeint werden kann, dass der BGH schon in dieser Entscheidung klarstelle, dass es nicht um eine freie Auslegung gehe, sondern dass bereits für die Ermittlung des Auslegungsergebnisses eine hinreichende Stütze im Wortlaut gegeben sein müsse, wenn es dem behaupteten Erblasserwillen entsprechen solle, BGHZ 86, 41, 49 (Hervorhebung durch den Verfasser). Allerdings sind die unter § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (a), S. 40 f. dargestellten Ausführungen des BGH grundsätzlich sehr deutlich, sodass man dieser singulären Äußerung des Gerichts nicht den Bedeutungsgehalt beimessen kann, der ihr möglicherweise dem ersten Anschein nach zukommt. Stattdessen muss aufgrund der im Übrigen eindeutigen Feststellungen davon ausgegangen werden, dass der BGH dort (noch) die Ermittlung des Erblasserwillens im Wege der freien Auslegung befürwortete. So wurde die Entscheidung auch vielfach im Schrifttum gedeutet, siehe nur Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 424 f.; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 936 Rdnr. 1856; Stagl, Der Wortlaut als Grenze der Auslegung von Testamenten. Die Andeutungstheorie im Testamentsrecht Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2. Aufl., 2005, S. 93; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 149; Brox, JA 1984, 549, 550. 158 BGH FamRZ 1987, 475, 476; ähnlich BGH NJW 1993, 256. 159 Diesen Zusammenhang stellt auch Muscheler her, siehe Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 937 Rdnr. 1858.

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dass „die Frage nach dem (objektiven)160 Inhalt der Erklärung bei formgebundenen Verfügungen von Todes wegen im allgemeinen keine zusätzliche Prüfung“ erfordere, „weil diese weitgehend mit derjenigen der Wahrung der gesetzlichen Form“ zusammenfalle.161 Indem die beiden Prüfungen „weitgehend“ identisch verlaufen, wird nahegelegt, dass sowohl für die Frage des Auslegungsergebnisses als auch der Formwahrung grundsätzlich162 dasselbe Kriterium Bedeutung erlangt – nämlich das Andeutungserfordernis. Hiernach wäre also eine Rückkoppelungsmöglichkeit des ermittelten Bedeutungsgehalts bereits an die verwendeten Worte in der Testamentsurkunde nötig, wodurch das Erfordernis der Andeutung (auch) auf der Ebene der Ermittlung des Auslegungsergebnisses Bedeutung erlangen würde.163 Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen wäre es undenkbar, ein Auslegungsergebnis ohne jeglichen Bezug zur Urkunde anzunehmen, anders als noch von BGHZ 86, 41 suggeriert.164 Auch die spätere Entscheidung BGHZ 121, 357 legt dieses Verständnis nahe, indem sie das Andeutungskriterium bereits auf der Auslegungsebene verortete. So wurde festgestellt, dass die Auslegung rechtsfehlerhaft erfolge, „wenn sie [...] dem Testament einen Inhalt gegeben hat, der sich seinem Wortlaut nicht entnehmen läßt und auch nicht auf verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen anderer Anhaltspunkte für den im Testament zum Ausdruck kommenden Erblasserwillen gestützt werden kann.“165

Mit anderen Worten muss der ermittelte Erblasserwille hiernach eine hinreichende Stütze im Testamentswortlaut finden, damit er für das Auslegungsergebnis berücksichtigt und zugrunde gelegt werden kann. Wäre der Wille nicht angedeutet, würde der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt als Auslegungsergebnis angenommen.166 In diesem Fall würden wirklich Gewolltes und rechtlich maßgeblicher Sinngehalt voneinander abweichen. 160

Warum der BGH hier von einem „objektiven“ Bedeutungsgehalt spricht, bleibt schleierhaft. Unstreitig erfolgt die Auslegung einer testamentarischen Verfügung gerade nicht nach Maßgabe eines objektiven Empfängerhorizonts im Sinne der §§ 133, 157 BGB, dazu schon oben § 2 A. I. 2. a) bb) (1), S. 22 f. 161 BGH FamRZ 1987, 475, 476. 162 Der BGH spricht nur davon, dass die Prüfungen „im allgemeinen“ zusammenfallen, BGH FamRZ 1987, 475, 476. In welchen Fällen dies anders sein soll, wurde durch den BGH bislang weder klargestellt noch weiter erörtert. 163 Im Ergebnis ebenso Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 16. 164 Mit deutlicher Betonung etwa auch das BayObLG DNotZ 1994, 399, 400: „[D]er Erblasserwille [ist] für den Erklärungsinhalt nur insoweit maßgebend [...], als er einen, wenn auch nur unvollkommenen, Ausdruck im Testament selbst gefunden hat.“ Siehe auch Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858; vgl. Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 64. 165 BGHZ 121, 357, 363 (Hervorhebung durch den Verfasser). 166 BGHZ 121, 357, 363; BayObLG DNotZ 1994, 399, 400; OLG München NJW-RR 2013, 202, 203.

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Dass es bei der Ermittlung des Auslegungsergebnisses nicht um den bloß inneren Willen, den der Erblasser irgendwann einmal gehabt hat – losgelöst von jeglicher Erklärung – gehen kann, drängt sich auf. Immerhin ist es ein notwendiger Bestandteil einer jeden Willenserklärung, dass der Geschäftswille nicht bloß im Inneren existiert, sondern auch erklärt, d. h. nach außen kundgetan, wurde, damit er als Auslegungsergebnis anerkannt werden kann.167 Dass es nur um den in der Erklärung niedergelegten Willen und dessen Ermittlung geht, hat der BGH nunmehr klargestellt. Hiervon zu trennen ist aber die Frage, ob die Auslegung nach § 133 BGB fordert, dass der konkrete, mit der Testamentsurkunde verbundene, Geschäftswille, d. h. der wahre Erblasserwille, eine Andeutung erfahren haben muss, damit er als kundgegeben gilt und das Auslegungsergebnis bildet. Eine höchstrichterliche Entscheidung, in der nicht nur die Wirksamkeit des Gewollten, sondern die des Erklärten entscheidungserheblich gewesen ist, existiert zwar nicht – dies hätte endgültige Klarheit darüber verschafft, auf welcher Ebene das Andeutungskriterium relevant ist. Mit Blick auf die vorgenannten neueren Entscheidungen spricht jedoch viel dafür, dass die Andeutung nun auch auf der Auslegungsebene relevant ist, sodass dies im Folgenden zugrunde gelegt wird.168 Dies deckt sich auch mit der Linie des BGH aus den frühen Jahren seiner Rechtsprechung, die er etwa in BGHZ 37, 79 verfolgte.169 So heißt es dort, dass „die Rechtsordnung [...] aus zwingenden Gründen der Rechtssicherheit auch im Erbrecht den rechtsgeschäftlichen Willen grundsätzlich nur insoweit an[erkennt], als er durch eine Erklärung nach außen verlautbart wird; maßgebend ist nicht der im Innern verbliebene Wille, sondern dasjenige, was als Wille nach außen hin erklärt wird“.170

Die vorstehende Rechtsprechungsanalyse zeigt, dass man sich von der Annahme einer (scheinbaren) Irrelevanz jeglicher Andeutung auf der Ausle-

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Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 423, 438; vgl. Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 21; vgl. Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 16; vgl. Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 318 Rdnr. 2. 168 Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 9; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 438; Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 318 Rdnr. 2. 169 Kipp/Coing sprechen in diesem Kontext von der Herrschaft des Wortes und davon, dass ein Testament so zu verstehen sei, „wie es erklärt ist“, Kipp/Coing, Erbrecht. Ein Lehrbuch, 14. Aufl., 1990, S. 136. 170 BGHZ 37, 79, 92. Obwohl der BGH diesen Passus in den hier geschilderten Entscheidungen nicht wiederholte, so hat er sich auch nie von diesen Feststellungen distanziert, sodass davon auszugehen ist, dass dieser Kurs eigentlich nie aufgegeben werden sollte, ähnlich Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 150.

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gungsebene offenbar abgewendet hat.171 Dies sichert zugleich den Anwendungsbereich der Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 1 BGB: Wäre nämlich immer der subjektive Wille maßgeblich, unabhängig von seiner Andeutung, wäre ein Auseinanderfallen von Wille und Auslegungsergebnis nicht möglich, da sich die beiden Komponenten immerzu decken würden, wenn die wahre Intention feststeht.172 Dass die beiden Komponenten voneinander abweichen können, fordert § 2078 Abs. 1 BGB aber.173 In einer Mitte 2019 zu einem gemeinschaftlichen Testament ergangenen Entscheidung betont der BGH, dass ein behaupteter Erblasserwille nicht zunächst ermittelt und im gegebenen Fall als Auslegungsergebnis angenommen wird. Stattdessen werde die vorgetragene Intention unterstellt und daraufhin überprüft, ob sie eine hinreichende Andeutung im Testamentstext erfahren habe. Nur in diesem Fall könne von einer „formgerechten“ Erklärung ausgegangen werden. Fehle es hingegen daran, sei die unterstellte Anordnung nach § 125 S. 1 BGB nichtig.174 Damit ordnet der BGH das Andeutungskriterium zwar wieder verstärkt der Formebene zu. Jedoch bewirkt auch diese Entscheidung, dass ein behaupteter Erblasserwille, der im Testament nicht angedeutet ist, nicht als Auslegungsergebnis angenommen wird. Damit fügt sich die Entscheidung in den zuvor skizzierten Kurs insoweit ein, als sie den Anwendungsbereich der §§ 2078 ff. BGB ebenfalls unberührt lässt; auch sie „verbraucht“ nicht den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt durch Annahme eines nicht angedeuteten Auslegungsergebnisses. (c) Praktische Auswirkungen Wie bereits erwähnt, ist die dogmatische Einordnung der Andeutungstheorie durchaus auch von praktischer Relevanz. Die Konsequenzen, die eine fehlende Andeutung bei den beiden dargestellten Alternativen jeweils nach sich zieht, sollen nachfolgend verdeutlicht werden. Die in der Form von BGHZ 86, 41 postulierte „Zwei-Stufen-Prüfung“ hat im Falle einer fehlenden Andeutung zur Folge, dass der Erblasserwille formnichtig geäußert wurde. In der Konsequenz ist die Anordnung gemäß § 125 S. 1 BGB unwirksam175 und infolgedessen in aller Regel die gesetzliche Erb171 BayObLG DNotZ 1994, 399, 400; vgl. Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 81; vgl. Leipold, MünchKomm. 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 14; im Ergebnis ebenso Michalski/Schmidt, BGB-Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 f. Rdnr. 326 ff.; Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 318 Rdnr. 2. 172 Vgl. OLG Hamm NJW 1974, 60; RGZ 70, 391, 393; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 434. 173 RGZ 70, 391, 393; RG LZ 1921, 376 Nr. 3, 377; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 925 Rdnr. 1837. 174 BGH NJW 2019, 2317, 2318. 175 Siehe auch BGHZ 80, 246, 250; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 423.

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folge gemäß §§ 1924 ff. BGB maßgeblich.176 Hier verliert die Anfechtung nach den §§ 2078 ff. BGB einen ihrer Anwendungsbereiche.177 Raum verbleibt für sie nur in dem Fall, dass der Erblasserwille nicht nachgewiesen wurde und lediglich feststeht, dass ihm der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt widerspricht. Nach der der hier zugrunde gelegten Interpretation der neueren Rechtsprechung des BGH führt die fehlende Andeutung eines behaupteten Erblasserwillens dazu, dass dieser nicht als Auslegungsergebnis anerkannt werden kann. Stattdessen bildet letzteres den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt ab. Auf diesen kann hiernach zurückgegriffen werden, weil der einzig rechtlich relevante Sinngehalt im Unterschied zum Kurs in BGHZ 86, 41 gerade noch nicht festgelegt wurde.178 Dieser objektive testamentarische Bedeutungsgehalt, der den wahren Willen nicht wiedergibt, kann im Wege der Anfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB angegriffen werden, was regelmäßig die Geltung der gesetzlichen Erbfolge nach sich zieht, §§ 1924 ff. BGB.179 Kann hingegen eine Andeutung für den Erblasserwillen gefunden werden, ist er mit dem Auslegungsergebnis kongruent. Dieses genügt zugleich den Formanforderungen,180 da eine abweichende Beurteilung dieser beiden Komponenten nicht vorstellbar ist. Immerhin beruhen die Fragen des Erklärungstatbestandes und der Formprüfung doch „weitgehend“ auf der

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Vgl. BGH FamRZ 1987, 475, 476. Es sei angemerkt, dass die Geltung der gesetzlichen Erbfolge nicht zwingend dem Erblasserinteresse widerspricht. Obwohl der Testator testamentarische Anordnungen getroffen hat und dadurch unzweifelhaft zu erkennen gab, von den Bestimmungen der §§ 1924 ff. BGB abweichen zu wollen, steht doch auch die Geltung des objektiven Bedeutungsgehalts seinem originären Interesse entgegen. Es ist vorstellbar, dass der Erblasser in den Fällen, in denen sein Wille nicht umgesetzt werden kann, eine Rechtslage präferiert, die zugrunde legt, dass gar kein (wirksames) Testament vorliegt, als dass auf den objektiven Bedeutungsgehalt abgestellt wird, der seinem wahren Willen widerspricht. Indessen kann nicht verallgemeinernd konstatiert werden, welche Rechtslage eher dem Interesse des Erblassers entspricht – Geltung des objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalts oder der gesetzlichen Erbfolge –, sodass die Rechtsfolge der gesetzlichen Erbfolge aus der Perspektive des Testators nicht zwingend zu kritisieren ist. Dabei darf nicht übersehen werden, dass beide Modelle jedenfalls nicht dem originären Erblasserwillen entsprechen, sondern bloß eine Art Kompromisslösung anbieten, die der testamentarisch nicht abgebildeten Intention hilfsweise entgegenkommt. 177 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 63. Zum Anfechtungsrecht gemäß §§ 2078 ff. BGB unten § 2 A. II., S. 76 ff. 178 Vgl. BayObLG DNotZ 1994, 399, 400; ähnlich OLG München NJW-RR 2013, 202, 203. 179 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 62 f. Zum Anfechtungsrecht unten § 2 A. II., S. 76 ff. 180 Wenn die Verfügung die Formerfordernisse im Übrigen wahrt, was hier unterstellt wird, siehe oben § 1 B., S. 11.

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Überprüfung desselben Kriteriums – nämlich dem Andeutungserfordernis.181 In der Folge gelangt der wahre Wille zur Durchsetzung. (3) Problematik der Falschbezeichnungen Es wurde bereits gezeigt, dass Falschbezeichnungen, die einen (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlaut verkörpern, eine Auslegung grundsätzlich nicht hindern.182 Hiervon ist aber die Frage zu trennen, ob die nötige Andeutung des Erblasserwillens gegeben ist, um ihn durchzusetzen.183 Dies wirft die Frage auf, wie sich eine testamentarische Falschbezeichnung zum Andeutungskriterium verhält. Die Fragestellung spitzt sich zu, wenn es an anderen hinreichenden Anhaltspunkten in der Testamentsurkunde fehlt, die sie als Falschbezeichnung entlarven und ihre wahre Bedeutung ableiten lassen. Unzweifelhaft fehlt dann nämlich die Andeutung des wirklich Gewollten.184 Daher spielt die Frage einer hinreichenden Rückkoppelung an den Wortlaut eine besondere Rolle. Dieser Themenkomplex macht eine differenzierte Betrachtung dahingehend notwendig, ob es sich um eine bewusste oder unbewusste Falschbezeichnung des Erblassers handelt.185 Der Auftrag des § 133 BGB lautet, zu erforschen, was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte,186 wodurch das tatsächlich Gewollte bei testamentarischen Verfügungen verstärkt in den Vordergrund gerät.187 Hierfür werden auch die Lebensumstände des Erblassers in die Bedeutungsermittlung mit einbezogen, die Rückschlüsse auf bestimmte Ausdrucksweisen mit sich bringen können.188 Sofern ein individueller, wenn auch eigenartiger, besonderer Sprachgebrauch des Erblassers nachweisbar ist, so ist dieser bei der 181 BGH FamRZ 1987, 475, 476; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 62 f.; deutlich Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858; vgl. Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 429 f. 182 Siehe oben § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 27 ff. 183 Ebenso Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 184; Leipold, JZ 1983, 709, 712. Näher dazu bereits oben § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (b), S. 42 ff. 184 So auch Leipold, JZ 1983, 709; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 15. 185 Zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen differenzieren auch etwa Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 68 ff. 186 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 187 Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 27. 188 BayObLGZ 1982, 331, 337; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 20. Zur Berücksichtigung von Umständen außerhalb des Testaments im Zuge der Ermittlung des Erblasserwillens bereits oben § 2 A. I. 2. a) bb) (3), S. 25 f.

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Ermittlung des Sinngehalts der Testamentsurkunde zu berücksichtigen.189 Er darf nicht erstmals im Zeitpunkt der Testamentserrichtung verwendet worden, sondern muss bereits in der Vergangenheit zum Ausdruck gekommen sein. Ist ersteres der Fall, kann der Nachweis eines besonderen Sprachgebrauchs nicht zur Überzeugung des Richters geführt werden.190 Gelingt der Nachweis des besonderen Sprachgebrauchs jedoch, sind für die Durchsetzung des wirklich Gewollten keine weiteren Anhaltspunkte in der Testamentsurkunde notwendig.191 Diese Fälle können als Ausnahme von der Andeutungstheorie begriffen werden,192 weil man keine Andeutung für die besondere Ausdrucksweise im Testament finden wird.193 Für den Fall des besonderen Erblassersprachgebrauchs bietet sich die Terminologie der bewussten Falschbezeichnung an, weil sich der Erblasser bei dieser durchaus darüber im Klaren sein kann, dass die verwendeten Begriffe nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine andere Bedeutung haben als er ihnen subjektiv beimisst.194 Die besondere Herausforderung des Einzelfalls besteht indes darin, eine solch spezielle Ausdrucksweise des Erblassers nachzuweisen.195 Begründet wird diese Ausnahme von der Andeutungstheorie damit, dass der Erblasser in diesen Fällen aus seiner Sicht das Richtige erklärt habe. Weil es sich daher schon nicht um eine Falschbezeichnung im eigent-

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KG NJW 1970, 758; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 931 Rdnr. 1849; Leipold, JZ 1983, 709, 712; Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 433; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 172. 190 Leipold, in: Festschrift für Wolfram Müller-Freienfels, 1986, S. 421, 433: „[...] besonderer auch sonst befolgter Sprachgebrauch des Erblassers“ (Hervorhebung durch Verfasser). 191 Vgl. Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 172; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 930 Rdnr. 1848. 192 Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 172: „Ausnahme von der Andeutungstheorie“; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 931 Rdnr. 1848: „Andeutungstheorie [muss] Abstriche machen“. Näher zu dieser Durchbrechung der Andeutungstheorie noch unten, § 4 B. I. 1. a) bb), S. 226 ff. 193 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 931 Rdnr. 1848. 194 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 930 Rdnr. 1847; Scherer, Grenzen der Auslegung bei Verfügungen von Todes wegen, 1999, S. 27; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 169; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; Lüderitz, Auslegung von Rechtsgeschäften. Vergleichende Untersuchung anglo-amerikanischen und deutschen Rechts, 1966, S. 198. 195 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 21; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 191: „selten“.

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lichen Sinn handele, komme es auf die „falsa demonstratio non nocet“-Regel nicht an.196 Ein vortreffliches Beispiel für eine bewusste Falschbezeichnung ist das in der Lehrliteratur häufig anzutreffende Beispiel eines testierenden Erblassers, der seinem Neffen seinen Weinkeller vermachen möchte. Dabei benennt er den Weinkeller aber nicht objektiv zutreffend als solchen, sondern bezeichnet ihn in seiner testamentarischen Verfügung als „Bibliothek“.197 Da die (nachweisbar) individuellen Sprachgewohnheiten des Erblassers maßgeblich sind, kann sich mittels der Auslegung über diesen (scheinbar) klaren Wortlaut hinweggesetzt und der Bedeutungsgehalt im Sinne des wirklich Gewollten präzisiert werden. Hierfür bedarf es, wie zuvor erörtert, keiner weiteren Anhaltspunkte in der Testamentsurkunde. Der Nachweis des individuellen Sprachgebrauchs führt unmittelbar zur Willensverwirklichung – dem Vermächtnis des Weinkellers zugunsten des Neffen.198 In Abgrenzung zu den seltenen199 Fällen bewusster Falschbezeichnungen handelt es sich bei den unbewussten um solche, die nicht auf einem spezifischen Erblassersprachgebrauch, sondern auf einem Versehen beruhen. Hier wird für das wirklich Gewollte eine hinreichende Andeutung im Testamentswortlaut benötigt, um es zu verwirklichen. Die bloße Falschbezeichnung als solche genügt hierfür nicht.200 Es handelt sich etwa um Konstellationen, in

196 Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 172; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 931 Rdnr. 1848; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 21. 197 Dabei wurde das Beispiel des Bibliotheksfalls offenbar schon im römischen Recht verwendet, vgl. Flume, in: Festschrift Fritz Schulz. Erster Band, 1951, S. 209, 223; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 21: „lebensfremder Fall“. 198 Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 172; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; Smid, JuS 1987, 283, 286; Brox, JA 1984, 549, 555; Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 236; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 931 Rdnr. 1848; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141. 199 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 21. 200 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 935 Rdnr. 1855; Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 184. Im Vergleich mit dem Fall einer bewussten Falschbezeichnung wird das Ergebnis kritisiert, siehe dazu etwa Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141: „merkwürdiges Ergebnis“; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87: „[...] wunderliche Distinktionen, über die nicht nur der rechtsuchende Laie, sondern auch der Jurist den Kopf schütteln muß.“ Dazu noch ausführlich unten § 4 B. I. 1. a) bb) (2), S. 228 ff.

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denen sich der Erblasser bei Abfassung des Testaments verschreibt oder sich über die Bedeutung eines von ihm verwendeten Wortes im Trugschluss befindet.201 Aufgrund der Trennung von bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen wird offenbar, dass die Regel der Unbeachtlichkeit der Falschbezeichnung mit Blick auf die tatsächliche Durchsetzung des Erblasserwillens nicht uneingeschränkt gilt. Im Falle der unbewussten Falschbezeichnungen führt eine fehlende hinreichende Andeutung des wahren Erblasserwillens nämlich dazu, dass er als nicht erklärt gilt. Hierüber hilft auch die „falsa demonstratio“-Regel nicht hinweg, sodass sich der wahre Wille nicht durchsetzt. In diesen Fällen verbleibt nur die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB. Es kann festgehalten werden, dass nur die Fallgruppe der bewussten Falschbezeichnungen eine besondere Rolle spielt. Denn dort, wo ein individueller Erblassersprachgebrauch feststellbar ist, wird die Andeutung des wirklich Gewollten als immanent behandelt und demzufolge keine darüber hinausgehende Stütze gefordert. Demgegenüber hat die Kategorie der unbewussten Falschbezeichnungen für sich genommen keinen Mehrwert, da sie an der sonst üblichen Handhabung des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens nichts zu ändern vermag. Hier kommt es für die unverfälschte Willensverwirklichung weiterhin auf die Andeutung im Wortlaut an.202 Diese Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen ist jedoch nicht unproblematisch: Der Testamentswortlaut sieht in beiden Fällen identisch aus und lässt eine solche Unterscheidung nicht erkennen. Angesichts dessen dürfte die Andeutungstheorie, die den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt zur allein maßgeblichen Referenz erklärt, zu keinem unterschiedlichen Ergebnis gelangen. Hinzu tritt, dass der Erblasser auch im Falle der unbewussten Falschbezeichnung aus seiner Sicht davon ausgeht, das Richtige erklärt zu haben.203 Mit Blick auf die 201 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 932 Rdnr. 1850. Siehe vertieft zu unbewussten Falschbezeichnungen. Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 173 f. Näher zu diesen Irrtumskonstellationen unten § 2 A. II. 2. a), S. 78 ff. 202 Siehe nur Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 174, der vom „entscheidenden (!) [...] Unterschied zwischen [...] bewußter ,Falschbezeichnung‘ und irrtümlicher Falschbezeichnung“ spricht. 203 Zu dieser Differenzierung kritisch auch schon Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 234 ff.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; vgl. Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4; Harder/Kroppenberg, Grundzüge des Erbrechts, 5. Aufl., 2002, S. 72 Rdnr. 196; Foerste, DNotZ 1993, S. 84, 88; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428.

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Argumentation im Zusammenhang mit den Konstellationen bewusster Falschbezeichnungen müsste man auch hier eine immanente Andeutung annehmen. Auf diese bedenkliche abweichende Handhabung wird unten noch zurückzukommen sein.204 (4) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte Trotz der erkennbaren Tendenz einer großzügigen Handhabung der Andeutungstheorie205 lassen sich in der Rechtsprechung Beispiele fehlender Andeutungen finden, die letztlich dazu führen, dass sich der Erblasserwille nicht durchsetzt. Diese Fälle sind in der neueren Judikatur jedoch rar gesät. Insbesondere dann, wenn es sich um eine unterlassene testamentarische Verfügung handelt, fehlt es an einer Stütze für das wirklich Gewollte. Wollte ein Erblasser nachweisbar eine Anordnung treffen, die er versehentlich nicht in das Testament aufgenommen hat, kann die Urkunde naturgemäß keine Andeutung für das Gewollte bieten. In der Folge kann es keine Geltung erlangen.206 Hiermit hatte sich BGHZ 80, 242 auseinanderzusetzen. Dort hatten die Erblasserin und ihr Ehemann ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet, das nachfolgenden Inhalt hatte: „Unser gemeinschaftliches handschriftliches Testament. Wir, ich A. L. und ich, H. L., setzen unsere gemeinsamen Kinder (A. und St.) je zur Hälfte als Erben ein. Dieses gemeinsame Testament haben wir heute, den 25. Juli 1974 um 20.35 Uhr in unserer gemeinsamen Wohnung ... verfügt. F., 25. Juli 1974 A. L., H. L., diese letztwillige Verfügung ist auch mein Testament.“

Nachdem seine Ehefrau verstarb, beantragte der Ehemann einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Er vertrat die Auffassung, die Erblasserin und er hätten sich gegenseitig zu Alleinerben und die Kinder zu Erben des Letztversterbenden eingesetzt (sogenanntes Berliner Testament). Allerdings ließ der Testamentswortlaut die behauptete gegenseitige Erbeinsetzung nicht erkennen. Der Ehemann meinte, der entsprechende Passus sei bei der Übertragung aus dem Testamentsentwurf in die Reinschrift vergessen worden.207 In Übereinstimmung mit den Vorinstanzen, verneinte der BGH eine hinreichende Andeutung der vorgebrachten gegenseitigen Erbeinsetzung. Weder

204

Siehe unten § 4 B. I. 1. a) bb) (2), S. 228 ff. Siehe nur KG ZEV 2018, 272, 274, wo erst jüngst konstatiert wurde, dass die „Rechtsprechung […] des BGH ohnehin nicht allzu strenge Vorgaben an den erforderlichen Anhalt im Testament“ stelle. 206 BGHZ 80, 242, 245. 207 BGHZ 80, 242. 205

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der Begriff „unser“ noch das einleitende Wort „wir“ bildeten eine hinreichende Andeutung hierfür. Die verwendeten Worte seien sowohl bei einem Berliner Testament als auch bei einem klassischen gemeinschaftlichen Testament denkbar, bei dem die Ehegatten – ohne gegenseitige Erbeinsetzung – ihre Kinder bedenken, sodass hieraus noch kein entsprechender Schluss gezogen werden könne. Es sei zwar üblich, jedoch keineswegs zwingend, dass sich Ehegatten gegenseitig zu Erben einsetzen. Mangels Andeutung des behaupteten letzten Willens wurde dem Ehegatten die Alleinerbenstellung nicht zugesprochen.208 Auch bei einem unpräzise abgefassten Testament kann es an einer Andeutung fehlen. Als Beispiel hierfür kann ein vom OLG Hamm entschiedener Fall genannt werden, in dem die Ehefrau des Erblassers behauptete, er habe sie mit dem nachfolgenden Testament als Alleinerbin eingesetzt: „Mein Testament Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem ,Berliner Testament‘ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel.“

Zwar konnte das wirklich Gewollte nicht nachgewiesen werden. Doch unabhängig hiervon hätte es jedenfalls an der nötigen Andeutung für die geltend gemachte Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau gefehlt, zumal schon kein Begünstigter benannt wurde, wie das OLG Hamm ergänzend feststellte. Selbst wenn der behauptete Erblasserwille einwandfrei nachgewiesen worden wäre, wäre er also mangels hinreichender Andeutung nicht umgesetzt worden.209 Die Entscheidung belegt die mit dem Andeutungskriterium verbundene Unsicherheit.210 Dass die Willensdurchsetzung an der Andeutungstheorie gescheitert wäre, verwundert vor dem Hintergrund, dass der juristische Fachterminus des „Berliner Testaments“ zunächst die Alleinerbeneinsetzung des Ehepartners bedeutet.211 Insoweit muss die Argumentation des OLG Hamm also angezweifelt werden, wenn es meint, es sei kein Begünstigter benannt worden. Sofern der dahingehende Erblasserwille hätte festgestellt werden können, hätte das Auffinden einer Andeutung damit jedenfalls deutlich nähergelegen als sie abzulehnen.

208

BGHZ 80, 242, 245. OLG Hamm NJW-RR 2015, 9 f. 210 Hierzu noch unten § 4 B. I. 1. a) aa), S. 221 ff. 211 Musielak, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2269 Rdnr. 11; Kanzleiter, ZEV 2014, 225 ff.; vgl. OLG Bamberg ZEV 2016, 397. 209

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(5) Zusammenfassung Es scheint, als habe der „Schlingerkurs“212 des BGH mit Blick auf die dogmatische Einordnung der Andeutungstheorie geendet. Nur noch wenige Entscheidungen befassen sich grundlegend mit der erläuternden Testamentsauslegung und damit zusammenhängenden Fragen des Andeutungskriteriums. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, wenn sich der BGH klar positioniert hätte, wie der jetzige Rechtsprechungskurs ausfällt. So kommt man nicht umhin, einzelne Entscheidungsfragmente vor dem Gesamthintergrund zusammenzusetzen und die entsprechenden Schlüsse herauszudestillieren. Während BGHZ 86, 41 jedenfalls eine vermeintlich klare Aussage traf, wurde diese Sichtweise durch die darauffolgenden Entscheidungen fortwährend verwässert. Plötzlich wurde in späteren Entscheidungen betont, dass es nicht um die Ermittlung irgendeines Erblasserwillens gehe, sondern um denjenigen, der seinen Ausdruck in den verwendeten Worten finde. Dadurch wurde sich von der (scheinbar) noch zuvor befürworteten freien Auslegung distanziert. Der unklare Kurs sorgt vor allem in den unteren Instanzen für „ein Bild der Verwirrung“,213 sodass manchmal sogar mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen zitiert werden, die sich in der Sache widersprechen.214 Einigkeit besteht indessen im Ergebnis der beiden dargestellten Rechtsprechungslinien: Die im Testamentswortlaut fehlende Andeutung des Erblasserwillens führt jeweils dazu, dass der ermittelte wahre Wille nicht umgesetzt würde. Freilich mangelt es in der neueren Rechtsprechung bislang an einschlägigen Fällen, in denen nicht nur die Wirksamkeit des Gewollten, sondern die des Erklärten in Rede stand. Nach Durchsicht und Analyse der neueren höchstrichterlichen Entscheidungen muss zugrunde gelegt werden, dass die fehlende Andeutung des Erblasserwillens bewirkt, dass er nicht für das Auslegungsergebnis berücksichtigt wird. Der rechtlich relevante Sinngehalt der Testamentsurkunde fußt sodann auf dem objektiven Bedeutungsgehalt des Testaments. Dass zunächst eine freie Auslegung zu erfolgen habe und eine fehlende Andeutung der Erblasserintention zur Nichtigkeit der Anordnung und damit der gesetzlichen Erbfolge führen würde, kann den neueren Entscheidungen – spätestens nach den erfolgten Präzisierungen – nicht entnommen werden. Letztlich wird die Andeutungstheorie dadurch zum maßgeblichen Entscheidungsfaktor im 212

Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858. 214 Etwa in BayObLG NJW-RR 2003, 224, 225 f. In der Entscheidung wird zunächst durch Verweis unter anderem auf BGHZ 86, 41 darauf abgestellt, dass der Erblasserwille ermittelt werden müsse und erst dann stelle sich die Frage der Andeutung auf Ebene der Formprüfung. Unmittelbar darauffolgend, im nächsten Absatz, wird unter Verweis auf BGHZ 121, 357 ein hinreichender Anhaltspunkt schon auf Auslegungsebene gefordert, damit der Erblasserwille als Auslegungsergebnis anerkannt werden könne. 213

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Spannungsfeld von bloß unbeachtlichem inneren Erblasserwillen und rechtswirksamem Auslegungsergebnis. b) Grenzen Während die allgemeinen Grenzen der Auslegung bereits dargestellt wurden,215 bleibt festzustellen, dass die erläuternde Auslegung mit Blick auf die Verwirklichung des wahren Erblasserwillens ihre Grenze zum einen in fehlenden Anhaltspunkten findet, die überhaupt für einen vom Testamentswortlaut abweichenden, tatsächlich vorhandenen, Erblasserwillen sprechen. Diese Anhaltspunkte fungieren nämlich als Einfallstor der erläuternden Auslegung, der es nur so gelingen kann, den Erblasserwillen zu präzisieren. Zum anderen wird sie durch die Andeutungstheorie limitiert. Fehlen neben der Andeutung des Willens im Übrigen Nachweise, die auf einen besonderen, individuellen Sprachgebrauch des Erblassers deuten lassen, wodurch eine weitere Andeutung des wirklich Gewollten entbehrlich wäre (Fälle der bewussten Falschbezeichnung),216 scheitert die Willensdurchsetzung des Erblassers. In zeitlicher Hinsicht ist eine Klage, gestützt auf einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen, grundsätzlich unbegrenzt möglich.217 Lediglich die Institute des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens oder der Verwirkung ziehen dem eine Grenze.218 Insoweit fällt die fristgebundene Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB restriktiver aus.219 c) Rechtsfolge Gerade wegen ihres breiten Anwendungsfelds stellt die erläuternde Auslegung ein außerordentlich wichtiges Mittel dar, um den sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens zu bewältigen. Kann der wirkliche Erblasserwille aufgrund hinreichender Andeutung oder wegen besonderen Erblassersprachgebrauchs als Auslegungsergebnis angenommen werden, entfaltet die erläuternde Auslegung reformierende Wir-

215

Siehe oben § 2 A. I. 1. c), S. 54. Zum Verhältnis zwischen Falschbezeichnungen und Andeutungstheorie oben, § 2 A. I. 2. a) (cc) (3), S. 47 ff. 217 Siehe nur BayObLGZ 1997, 197, 202, wo es zwar im Wesentlichen um die ergänzende Auslegung ging, die dahingehende Aussage aber dennoch verallgemeinerungsfähig ist; vgl. Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 131. 218 Für die ergänzende Testamentsauslegung Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 106; offenlassend BayObLGZ 1997, 197, 202. 219 Dazu noch unten § 2 A. II., S. 76 ff. 216

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kung. Dadurch verhilft sie dem wahren Willen, trotz Diskrepanz zum Wortlaut, zum Durchbruch. Zugleich kassiert sie damit den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt.220 Sofern es aber an der Andeutung des Willens oder einer nachgewiesenen besonderen Ausdrucksweise des Erblassers mangelt, ist der objektive Sinngehalt, vermittelt durch den natürlichen Sprachgebrauch, maßgeblich. In diesem Fall wirkt die Auslegung weder reformatorisch noch kassatorisch. d) Praktische Anwendungsbereiche aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Mit Hilfe der erläuternden Auslegung lässt sich der tatsächlich vorhandene Wille im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, der in der Anordnung niedergelegt wurde, präzisieren. Diese Auslegungsmethode versagt demgegenüber, wenn der Erblasser gewisse Umstände unberücksichtigt ließ. Sie kann keine testamentarischen Lücken schließen bzw. Beweggründe des Erblassers vor ihrer Enttäuschung bewahren.221 Abgesehen hiervon, weist die erläuternde Auslegung einen sehr breiten Anwendungsbereich auf, sodass der Richter mit ihrer Hilfe auf die übrigen aufgeworfenen Varianten der Divergenz zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut umfangreich reagieren kann. bb) Anwendung auf Fallbeispiele (1) Der Fall National Society v. Scottish National Society222 ist in Deutschland im Anwendungsbereich der erläuternden Auslegung angesiedelt, da ein real vorhandener Erblasserwille zu präzisieren ist. Fragt man danach, „was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“,223 so gelangt man zu dem Ergebnis, dass er damit den schottischen Kinderschutzverein bedenken wollte. Selbst wenn man die Einsetzung des englischen Vereins als „klar und eindeutig“ einordnen würde, steht dies einer Auslegung zugunsten der schottischen Organisation nicht von vornherein im Wege.224 Für die Durchsetzung des 220 Vgl. BGHZ 121, 357; OLG Düsseldorf NJWE-FER 1998, 12; BayObLGZ 1997, 197, 201; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 8 ff. 221 Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 145; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 940 Rdnr. 1862. Dies kann jedoch im Wege der ergänzenden Auslegung gelingen, dazu noch weiter unten § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 222 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207. Siehe dazu oben § 1 A., S. 5 f. 223 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 224 Dasselbe gilt, wenn man von einer unbewussten Falschbezeichnung sprechen wollte, siehe zu diesem Komplex oben § 2 A. I. 2. a) bb) (3), S. 47 ff.

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wirklichen Willens kommt es darauf an, ob dieser eine hinreichende Stütze im Testamentswortlaut findet. Die Ausnahme des besonderen Erblassersprachgebrauchs ist hier nicht einschlägig. Obwohl der Wortlaut die englische Organisation ausweist, sprechen selbst Umstände innerhalb des Testaments dafür, dass er die schottische Organisation meinte. Zwar verwendete der Erblasser lediglich bei der „Scottish Society for the Prevention of Cruelty to Animals“ den entsprechenden Zusatz „Scottish“. Dies ist aber wohl darauf zurückzuführen, dass ihm nur bei dieser die korrekte Firmierung bekannt war. So verwies er auch bei dem „West of Fife Hospital“ nicht darauf, dass es sich um ein schottisches Krankenhaus handelt, weshalb er diesem Zusatz offenbar keine größere Bedeutung beigemessen hat und es ihm stattdessen als selbstverständlich schien, nur schottische Organisationen zu meinen. Bei den übrigen benannten Organisationen handelt es sich unzweifelhaft ebenfalls um schottische Verbände, wie einerseits die Ermittlungen ergaben und sich andererseits teilweise aus dem Wortlaut ableiten lässt. Aus dem fehlenden Länderzusatz kann daher kein stichhaltiger Schluss gegen eine hinreichende Andeutung des Erblasserwillens gezogen werden. Vielmehr lässt sich aus dem Gesamtkontext des Testamentswortlauts, der nur schottische Organisationen erfasst, ein „unvollkommener, wenn auch versteckter, Anhaltspunkt“ für das wirklich Gewollte – eine Vermächtnisanordnung zugunsten des schottischen Kinderschutzvereins – finden. Legt man die Lösung der deutschen Rechtsordnung diesem Fall zugrunde, hätte der schottische Kinderschutzverein das Vermächtnis vermutlich trotz unbewusster Falschbezeichnung erhalten.225 (2) Indem sich der Erblasser verschrieb und „Martha“, anstatt „Madga“, testamentarisch einsetzte, hatte er eine Person bedacht, die er überhaupt nicht bedenken wollte.226 Hier ist die Divergenz von Wortlaut und Wille auf einen Fehler im eigentlichen Erklärungsvorgang zurückzuführen, der dazu führte, dass er ein anderes Erklärungszeichen verwendete, als beabsichtigt. Trotz der unbewussten Falschbezeichnung steht außer Zweifel, wen er wirklich bedenken wollte. Denn durch Rückgriff auf äußere Umstände, die die familiären Verhältnisse aufdecken, kann, neben der Tatsache, dass er keinen

225

Weil die Andeutungstheorie keine klaren Konturen hat und sie eine richterliche Einzelfallentscheidung fordert, kann keine gesicherte Prognose über das betreffende Ergebnis angestellt werden. Es ist unklar, ob die Rechtspraxis in diesem Fall zum identischen Ergebnis gelangen würde. Bei der geschilderten Konstellation handelt es sich um einen paradigmatischen Grenzfall für die in diesem Zusammenhang mangelnde Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung. Die obigen Ausführungen belegen indes, dass der Testamentswortlaut zumindest ausreichend „Substanz“ liefert, um dort in Richtung einer Andeutung des wahren Willens zu argumentieren. Zu dieser Problematik ausführlich noch unten § 4 B. I. 1. a) aa), S. 221 ff. und § 4 B. I. 1. a) cc), S. 231. 226 Zum Fall schon oben § 1 A., S. 6 f.

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Kontakt zu „Martha“ pflegte, ermittelt werden, dass der Erblasser nur eine Nichte mit dem Namen „Magda“ hat, sodass auch nur diese Person als Alleinerbin in Betracht kommt. Erneut kommt es für die Willensverwirklichung auf eine dahingehende Andeutung an. Der Zusatz „meine einzige Nichte“ taugt als Stütze für die wahre Intention und stellt daher den Schlüssel zur Durchsetzung des wirklich Gewollten dar. Damit würde der wahre Erblasserwille wohl als rechtswirksames Auslegungsergebnis anerkannt und die Alleinerbenstellung der „Magda“ im Wege der erläuternden Auslegung durchgesetzt.227 (3) Im Fall des vorverstorbenen Neffen228 kann die erläuternde Auslegung keinen maßgeblichen Beitrag zur Willensverwirklichung leisten. Man könnte mit ihr zwar die in das Testament Einzug gefundene Lücke identifizieren, die durch das unbedachte Vorversterben des Neffen der Erblasserin nachträglich entstanden ist, diese aber nicht schließen. Hierfür müsste nämlich danach gefragt werden, was die Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung angeordnet hätte, wenn sie das Vorversterben ihres Neffen vorhergesehen hätte. Hierbei handelt es sich aber um einen tatsächlich nicht vorhandenen Willen, an den die erläuternde Auslegung nicht anknüpfen kann.229 3. Ergänzende Auslegung a) Grundsätzliches Zwischen Testamentserrichtung und Eintritt des Erbfalls liegt häufig eine größere Zeitspanne, in der sich zahlreiche Umstände ändern oder anders herausstellen können, als noch vom Erblasser bei der Niederschrift zugrunde gelegt. Das kann dazu führen, dass der Erblasser, hätte er diese Umstände bedacht oder vorausgesehen, seine testamentarische Verfügung inhaltlich anders abgefasst hätte.230 Im Wege der ergänzenden Auslegung231 können solche 227 Vgl. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 932 ff. Rdnr. 1850 ff. Auch hier besteht die zuvor in Fn. 225 geschilderte Ungewissheit wegen der Andeutungstheorie, wenn auch diesmal in abgemildertem Maße. 228 Zum Fall schon oben § 1 A., S. 7 f. 229 Diese Lückenschließung kann nur durch den im Wege der ergänzenden Auslegung zu ermittelnden irrealen Erblasserwillen erfolgen, dazu sogleich § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 230 Vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036 f.; RGZ 99, 82, 85; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 362; Smid, JuS 1987, 283, 284. 231 Siehe zur Terminologie etwa Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 940 Rdnr. 1862, der darauf hinweist, dass der Begriff „berichtigende“ Auslegung sachgerechter wäre, sich aber gleichwohl die Bezeichnung der „ergänzenden“ Auslegung durchgesetzt habe, weshalb diese auch hier verwendet wird. Bisweilen wird gar bezweifelt, ob es sich bei der ergänzenden Auslegung überhaupt um eine Form der Auslegung handelt, dazu ebd., S. 940 Rdnr. 1862: „[Es] muss [...] bezweifelt werden, ob man es überhaupt mit einer Frage der Auslegung zu tun hat.“

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Szenarien aufgegriffen werden. Mit ihrer Hilfe wird ergründet, was der Erblasser testiert hätte, sofern er vorausschauend spätere Ereignisse bedacht haben würde oder bereits die gegenwärtige Sachlage richtig eingeschätzt hätte.232 Ziel ist die Ermittlung und Durchsetzung dieses sogenannten hypothetischen Erblasserwillens.233 Den Hauptanwendungsfall der ergänzenden Testamentsauslegung bildet das unvorhergesehene Vorversterben eines Bedachten,234 bei dem die testamentarische Verfügung mangels Berücksichtigung des betreffenden Umstands „ins Leere“ zu gehen droht.235 Insgesamt wendet die Rechtsprechung die ergänzende Auslegung eher zurückhaltend an, um keine ausufernden Ergebnisse zu produzieren.236 Die Zulässigkeit der ergänzenden Auslegung ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt.237 Während die erläuternde Testamentsauslegung ihre Grundlage in § 133 BGB findet, existiert für die ergänzende Form keine ausdrückliche Normierung. Daher stellt sich die Frage, worin sie dogmatisch zu verorten ist. Die ergänzende Vertragsauslegung wird vorrangig auf § 157 BGB gestützt.238 Dies ist hier jedoch problematisch, weil die Norm bekanntermaßen im Rahmen der Testamentsauslegung nicht anwendbar ist,239 was gegen eine solche dogmatische Verortung spricht. Dass die Möglichkeit einer ergänzenden Testamentsauslegung vom BGB vorausgesetzt wird, lässt sich nach einer Literaturauffassung etwa anhand des Zwecks des § 2084 BGB ableiten.240 Denn dessen Wesenselement sei darin zu sehen, eine testamenta232

BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036 f.; RGZ 99, 82, 85; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 361; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703. 233 Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703; Lübtow, Erbrecht. Eine systematische Darstellung. Band 1, 1971, S. 298; Leipold verweist darauf, dass der Begriff des hypothetischen Erblasserwillens ungenau sei und besser von „hypothetischer Rechtsfolgeanordnung“, also „hypothetischer Willenserklärung“, des Erblassers gesprochen werden sollte, stellt zugleich aber auch fest, dass die übliche Terminologie nichts anderes meint, Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 93. 234 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1868. 235 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1864. 236 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 96. 237 Siehe nur RGZ 99, 82; BGHZ 22, 357; BGH NJW-RR 2017, 1035. Näher hierzu etwa Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 83 ff.; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 944 Rdnr. 1870; Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 166; Fleindl, NK-BGB, 5. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 38; ablehnende Haltung hingegen bei Braga, in: Gedächtnisschrift für Dieter Schultz, 1987, S. 41, 46. 238 Etwa BGHZ 9, 273, 276 ff.; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 85. 239 Bereits oben § 2 A. I. 1. b), S. 19 f. 240 Zu § 2084 BGB schon oben § 2 A. I. 2. a) bb) (1), S. 24 f.

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rische Verfügung nicht vorschnell für ungültig zu erachten. Vielmehr solle hierdurch zu einem wohlwollenden Versuch angehalten werden, der Anordnung zur Wirksamkeit zu verhelfen.241 Allerdings kann der Verweis auf § 2084 BGB nur wenig überzeugen, da sich die Norm bloß mit der Inhaltsermittlung befasst, jedoch keine inhaltliche Anpassung an geänderte Umstände zulässt.242 Die Rechtsprechung verweist hingegen auf § 133 BGB als Rechtsgrundlage,243 obwohl sich diese Auslegungsnorm dem tatsächlich vorhandenen Willen widmet und der hypothetische Wille, um den es bei der ergänzenden Auslegung geht, „so ziemlich das genaue Gegenteil“ darstellt.244 Am ehesten kann die ergänzende Auslegung daher noch aus diversen Einzelbestimmungen im BGB abgeleitet werden.245 In diesem Zusammenhang kann bspw. § 2069 BGB246 genannt werden, der eine inhaltliche Ergänzung in Form einer Ersatzerbenberufung zulässt. Die Norm beschäftigt sich mit dem testamentarisch nicht geregelten Fall, dass ein bedachter Abkömmling vorverstirbt, woraufhin sie ermöglicht, dass andere Abkömmlinge des Erblassers in die Position des ursprünglich Bedachten nachrücken. Diese inhaltliche Ergänzung erfordert insbesondere, dass dessen Abkömmlinge in die Position seiner gesetzlichen Erben eintreten würden.247 Das Gesetz gestattet also, nachträglich entstandene Lücken in testamentarischen Anordnungen durch

241

Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 114 Rdnr. 340. Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 85; im Ergebnis ebenso, wenngleich zurückhaltender formuliert Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 85. 243 BGH FamRZ 1962, 256, 257; RGZ 99, 82, 84. 244 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 85. 245 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 83. 246 Dazu noch unten § 2 A. I. 3. b) cc) (2), S. 69. 247 Als weitere Normen, die solche inhaltlichen Ergänzungen zulassen, können etwa die §§ 2169 Abs. 3, 2173 S. 1 BGB genannt werden. § 2169 Abs. 3 BGB betrifft unter anderem bspw. den Fall, in dem ein Erblasser einen Gegenstand vermacht, an dem er noch kein Eigentum erlangt hat, ihm aber ein Leistungsanspruch gegenüber einem Dritten zusteht. Hier kann die testamentarische Verfügung in dem Sinne ergänzt werden, dass im Zweifel der Anspruch auf die Leistung als vermacht gilt, § 2 A. I. 3. b) cc) (2), S. 69 f. § 2173 S. 1 BGB regelt hingegen quasi den umgekehrten Fall, in dem der Erblasser die Forderung hinsichtlich eines Gegenstands vermacht, allerdings noch vor Eintritt des Erbfalls die Forderung erfüllt wird und sich der besagte Gegenstand nunmehr im Nachlass befindet. Hier ist im Zweifel anzunehmen, dass der Gegenstand als vermacht anzusehen ist. Auch bei diesen Normen wird mithin deutlich, dass es von Gesetzes wegen zulässig ist, den Bedeutungsgehalt der testamentarischen Anordnung nicht bloß anhand des Wortlauts und der Umstände zu ermitteln, sondern darüber hinaus die Möglichkeit eröffnet ist, die Verfügung fortzuentwickeln. 242

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hinzutretende Verfügungsinhalte zu schließen, sodass sich die ergänzende Testamentsauslegung in seine Zielrichtung einfügt.248 Abgrenzungsschwierigkeiten zur erläuternden Auslegungsmethodik bestehen indessen nicht,249 weil die Methode der ergänzenden Auslegung gegenüber der erläuternden Form subsidiär ist.250 Kann den nichtbedachten oder geänderten Umständen bereits im Wege der erläuternden Auslegung reformierend begegnet werden, fehlt es nämlich schon an einer Lücke.251 Während die erläuternde Auslegung den Testamentstext als solchen zum Gegenstand hat und den ihm beigelegten Sinn mit Blick auf den vorhandenen Erblasserwillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ermittelt, verfolgt die ergänzende Auslegung eine andere Zielrichtung. Sie erforscht nicht den Inhalt eines unpräzisen, mehrdeutigen Testaments, sondern will auf Umstände reagieren, die der Testamentserrichtung zugrunde lagen, sich aber geändert oder bereits im Errichtungszeitpunkt schon nicht der Vorstellung des Erblassers entsprochen haben.252 Sie will an diese testamentarischen Lücken anknüpfen,253 die den Erblasser gegebenenfalls dazu veranlasst hätten, anders als geschehen zu testieren.254 Die ergänzende Auslegung sucht damit nicht nach einem realen, sondern nach einem irrealen Willen, der in Wahrheit niemals gebildet wurde.255

248

So auch Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 85. Hammann, ErbR 2014, 420. 250 BGH FamRZ 1983, 380, 382; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 698. 251 BGH FamRZ 1983, 380, 382; vgl. Sieker, AcP 201 (2001), 697, 698. 252 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Rudolf u.a., Handbuch Testamentsauslegung und -anfechtung, 2. Aufl., 2013, S. 1; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1864; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 358. 253 Diese Lücke wird durch die vorrangig durchgeführte erläuternde Auslegung identifiziert, BGHZ 22, 357, 360; BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 112; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 698: „Nur so kann bestimmt werden, ob spätere Ereignisse die ursprüngliche Willenserklärung des Erblassers als fehlerhaft erscheinen lassen.“ 254 Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 109 f. 255 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Rudolf u a., Handbuch Testamentsauslegung und -anfechtung, 2. Aufl., 2013, S. 1; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1864; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 358. 249

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b) Voraussetzungen Im Folgenden werden die Voraussetzungen dargelegt, die nötig sind, um eine testamentarische Lücke im Wege der ergänzenden Auslegung durch den hypothetischen Erblasserwillen zu schließen. aa) Planwidrige Regelungslücke Zunächst muss im Wege der erläuternden Auslegung256 festgestellt werden, dass der Erblasser einen bestimmten, tatsächlich eingetretenen, Fall in seinem Testament nicht geregelt hat, also eine testamentarische Lücke vorliegen.257 Dabei ist der Tatbestand der Lücke weit zu verstehen, es kann sich sowohl um nicht geregelte Umstände in personeller258 als auch in sachlicher259 Hinsicht handeln.260 Typischerweise handelt es sich um zukünftige Ereignisse, d. h. solche, die nach Testamentserrichtung eintreten.261 Es kann einerseits um geänderte Verhältnisse und andererseits um erwartete Entwicklungen von Verhältnissen gehen, die letztlich ausbleiben.262 Um ein klassisches nicht bedachtes zukünftiges Ereignis handelt es sich etwa bei dem bereits angesprochenen Vorversterben eines Bedachten. Hier bewirkt der spätere, nicht vorausgesehene, Umstand, dass die Anordnung lückenhaft ist.263 Bei den Regelungslücken kann es sich aber auch um ursprüngliche Umstände handeln, also solche, die bereits bei Testamentserrichtung vorhanden waren.264 Hier kennt der Erblasser die aktuelle Sachlage entweder gar nicht oder schätzt sie falsch ein.265 In diesem Zusammenhang kann man sich bspw. den Fall vorstellen, dass ein Erblasser einem Bekannten ein Gemälde vermachen möchte. 256

BGHZ 22, 357, 360; BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 112; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 698. 257 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; vgl. BGH NJW 1963, 1610. 258 Etwa im Falle eines Vorversterbens des ursprünglich Bedachten, dazu bereits oben § 2 A. I. 3. a), S. 58. 259 Bspw. mit Blick auf vermachte Gegenstände oder einen konkreten Vermögensbetrag, Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 943 Rdnr. 1868. 260 RGZ 99, 82, 85; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 698. 261 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1863; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 82; Hammann, ErbR 2014, 420, 421. 262 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 86. 263 RGZ 99, 82, 85; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140, 141 f.; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1864. 264 BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439; vgl. BGH NJW 1978, 264; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1863; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 82; Hammann, ErbR 2014, 420, 422. 265 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 91.

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Weil er aber fälschlicherweise davon ausgeht, dass dieser bereits verstorben ist, wendet er das Gemälde einem anderen testamentarisch zu.266 Fast schon selbstredend genügt jedoch nicht jede testamentarische Regelungslücke, um die ergänzende Auslegung vornehmen zu können. Entscheidend ist, dass sie planwidrig Einzug in die Anordnung gefunden hat. Dies wird angenommen, wenn der Erblasser den die Lücke hervorrufenden Fall geregelt hätte, sofern er ihn bedacht oder vorhergesehen hätte.267 Er muss ihn also unbewusst offen gelassen haben,268 was sich aus der subjektiven Perspektive des Erblassers beurteilt.269 Exakte Kriterien, wann die Regelungslücke als planwidrig einzustufen ist, existieren hingegen nicht. Um diese subjektive Willensrichtung näher zu konkretisieren, bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung des Einzelfalls unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, die im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gegeben waren.270 Verfügt der Erblasser bewusst bspw. nur über die Hälfte seines Vermögens, weil der verbleibende Teil gemäß der gesetzlichen Erbfolge verteilt werden soll, § 2088 BGB, kann diese willensgetragene und folglich nicht planwidrige Lücke mit Blick auf den restlichen Nachlass nicht im Wege der ergänzenden Auslegung geschlossen werden.271 Dasselbe gilt, wenn der Erblasser gewisse Umstände vorhergesehen oder gar für möglich gehalten, diese aber gezielt nicht im Testament berücksichtigt hat. Hier kann ebenfalls nicht von einer planwidrigen Lücke gesprochen werden.272 Demgegenüber handelt es sich lediglich um ein Indiz für eine willensgetragene Lücke, wenn der Erblasser zwischenzeitlich von den geänderten Umständen Kenntnis erlangte, er sein Testament aber dennoch nicht hieran angepasst hat. Hier spricht zwar einiges dafür, dass er bewusst nicht auf die geänderten Umstände reagierte, jedoch ist dieser Schluss nicht zwingend. In diesen Fällen muss letztlich mit besonderer Sorgfalt überprüft werden, ob

266 Ähnliches Fallbeispiel bei Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 102 f. 267 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; Hammann, ErbR 2014, 420, 424. 268 Insoweit eindeutig AG Spandau FamRZ 2004, 570, 571: „Diese Regelungslücke kann bewusst oder unbewusst sein. Nur für den Fall der unbewussten Regelungslücke ist das Gericht zu einer ergänzenden Auslegung der letztwilligen Verfügung befugt.“ Siehe auch OLG München ZEV 2017, 634, 635; BayObLG NJW-RR 1997, 1438; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 940 Rdnr. 1863. 269 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 82; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 941 Rdnr. 1865. 270 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 86. 271 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 940 Rdnr. 1863; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 82. 272 Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 82.

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eine Angleichung der Anordnung an die geänderten Umstände tatsächlich dem irrealen Willen des Testators entsprochen hätte.273 Abschließend kann als positives Beispiel einer planwidrigen Lücke ein späterer unvorhergesehener Vermögenserwerb genannt werden, der den Erblasser bei entsprechender Voraussicht dazu veranlasst hätte, anders als geschehen zu testieren.274 bb) Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens Im Unterschied zur erläuternden Auslegung, die danach fragt, was der Erblasser erklärt hat, ermittelt die ergänzende Auslegung, was der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung erklärt hätte, sofern er bestimmte Umstände berücksichtigt oder vorausgesehen hätte, um die planwidrige Lücke zu schließen.275 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Ermittlung dieses hypothetischen Erblasserwillens ist die jeweils dem Testament zugrunde liegende Erblassermotivation.276 Grundlage hierfür bildet zum einen das Testament selbst.277 Zum anderen kann auch auf Umstände außerhalb des Testaments oder die allgemeine Lebenserfahrung zurückgegriffen werden.278 Auch hier sind alle wesentlichen Begleitumstände zu berücksichtigen und auszuwerten.279 Allerdings wird der irreale Wille nicht aus der Warte eines expost allwissenden Erblassers, der jeden ursprünglichen oder zukünftigen Umstand im Detail berücksichtigt hätte, ermittelt. Stattdessen geht es um die Zugrundelegung der wesentlichen Grundzüge der entsprechend veränderten Umstände.280 Aus dem zeitlichen Fixpunkt der Testamentserrichtung ergibt sich, dass geänderte oder gar völlig neugefasste Willensentschlüsse inhaltlich nicht den hypothetischen Willen abbilden können.281 Allerdings kann der geänderte spätere Wille möglicherweise Rückschlüsse auf den Inhalt des hypothetischen Willens im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zulassen.282

273

Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 89. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1036; KG NJW 1971, 1992. 275 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; vgl. RGZ 142, 171, 175; KG NJW 1971, 1992; Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 161; Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 90; Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S 325 Rdnr. 20. 276 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 102. 277 Vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; vgl. BayObLG FamRZ 1993, 1496, 1497. 278 BayObLG FamRZ 1993, 1496, 1497; OLG München FamRZ 2017, 1972; vgl. BGHZ 22, 357, 363. 279 BayObLG FamRZ 1993, 1496, 1497. 280 OLG München ZEV 2006, 456, 457; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 94. 281 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 102 f. 282 BGH FamRZ 1962, 256, 257. 274

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Ziel der ergänzenden Auslegung ist es nicht, eine völlig neue testamentarische Verfügung zu konstruieren, sondern eine inhaltliche Abänderung vorzunehmen, die die lückenhafte Verfügung des Erblassers unter Berücksichtigung der geänderten Umstände weiterentwickelt283 und zu Ende denkt.284 Damit es sich um eine derartige Fortentwicklung und keine unzulässige Neukonstruktion handelt, muss an eine bestehende testamentarische Verfügung angeknüpft werden. Dadurch kann etwa anstatt einer im Nachlass nicht (mehr) vorhandenen, aber vermachten, Sache, die vor dem Erbfall veräußert wurde, deren Wert als Surrogat285 oder anstelle einer gewissen Summe ein an die geänderten Wertverhältnisse angepasster Betrag als vermacht angesehen werden.286 Auch ein personeller Austausch in der Hinsicht, dass bspw. statt des vorverstorbenen Bedachten dessen Abkömmling in die Erbenposition einrückt, wäre auf diesem Wege erreichbar.287 Nach umstrittener Rechtsprechung des BayObLG kann die ergänzende Auslegung sogar die Unwirksamkeit einer lückenhaften testamentarischen Verfügung bewirken.288 Legt man die Rechtsauffassung des Gerichts zugrunde, ist es denkbar, dass eine lückenhafte Anordnung im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung als widerrufen gilt, wenn der Erblasser die konkrete Anordnung bei Voraussicht der geänderten Umstände nicht getroffen hätte.289 Diese bloß kassatorische Rechtsfolge der Auslegung ist jedoch nicht unproblematisch. Denn wenn durch sie gleichsam im Wege des fiktiven Widerrufs die Nichtigkeit der testamentarischen Anordnung290 herbeigeführt

283

OLG München ZEV 2017, 634, 635; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 360. 284 BayObLGZ 1988, 165, 170; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 360. 285 BGHZ 22, 357. 286 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 100. 287 OLG München FamRZ 2017, 1972, 1973. Zur Berücksichtigung von Umstandsänderungen in personeller sowie sachlicher Hinsicht schon oben § 2 A. I. 3. b) aa), S. 61 f. 288 BayObLGZ 1966, 390, 395 f.: „Die ergänzende Auslegung kann nicht nur, was freilich der Regelfall sein wird, dazu führen, daß ein positiver hypothetischer Erblasserwille festgestellt wird; sie kann auch lediglich die Feststellung ergeben, daß der Erblasser seine Anordnung für den nicht vorhergesehenen Fall nicht getroffen hätte, so daß die letztwillige Verfügung als gegenstandslos anzusehen ist.“ So auch BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439. Ablehnende Haltung hingegen bei Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 360: „Widerruf [darf] auf keinen Fall auf einen hypothetischen Willen gegründet werden“; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 100. 289 BayObLGZ 1966, 390, 395 f.; BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439. 290 Offen gelassen wurde hingegen, ob selbst das gesamte Testament im Wege der ergänzenden Auslegung als widerrufen gelten kann, BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439.

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werden kann, führt dies zu einer nicht unerheblichen Spannung zum Anfechtungsrecht, dem die kassatorische Wirkung wesenseigen ist.291 cc) Hinreichende Andeutung (1) Inhalt Auch292 im Rahmen der Durchsetzung des hypothetischen Erblasserwillens spielt die Andeutungstheorie eine Rolle.293 Sie soll dafür sorgen, dass die Ergebnisse, die im Rahmen der ergänzenden Auslegung erzielt werden, nicht ausufern.294 Dabei ergibt es sich jedoch schon aus der Natur der Sache, dass es hier immer an einer Andeutung des hypothetisch Gewollten fehlt, weil ein nicht existenter Wille denklogisch keine Stütze im Testamentswortlaut findet.295 Würde man eine solche feststellen können, wäre der in Rede stehende Umstand ja geregelt, sodass bereits im Wege der erläuternden Auslegung reformierend eingegriffen werden könnte.296 Der Rückgriff auf die ergänzende Auslegung wäre dann versperrt.297 Dessen ist sich die Rechtsprechung bewusst, wenn sie ihre Forderung nach einer hinreichenden Andeutung anders als im Rahmen der erläuternden Auslegung formuliert.298 Sie sucht nicht nach etwas Nichtexistentem.299 Stattdes-

291

Zur Rechtsfolge der Irrtumsanfechtung noch unten § 2 A. II. 4., S. 91 ff. Wie schon grundsätzlich im Rahmen der erläuternden Auslegung § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. 293 BGHZ 22, 357, 363; 74, 116, 119; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; NJW 1963, 1150, 1151; FamRZ 1983, 380, 382; RGZ 99, 82, 85; 134, 277, 279 f.; 142, 171, 175; BayObLGZ 1965, 166, 173; BayObLG FamRZ 1986, 604, 608; OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; OLG München ZEV 2017, 634, 635; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 358; Foerste, DNotZ 1993, S. 84, 97; Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 326 Rdnr. 24; Fleindl, NK-BGB, 5. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 44. 294 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 945 Rdnr. 1872. 295 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Gerhards, JuS 1994, 642, 648. 296 Ebenso OLG Köln ZEV 2009, 241, 242. 297 Daher wird Kritik seitens der Literatur an der durch die Rechtsprechung aufgestellten Forderung nach einer hinreichenden Andeutung laut, siehe etwa Lübtow, Erbrecht. Eine systematische Darstellung. Band 1, 1971, S. 299. Diese Kritik verfängt allerdings nicht, weil die Vertreter der Andeutungstheorie im Rahmen der erläuternden Auslegung keine starre Übertragung der dortigen Form des Andeutungskriteriums auf die ergänzende Auslegung befürworten, dazu Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 96 f.; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte. Objektive Ordnung und privatautonome Selbstbestimmung im formgebundenen Rechtsgeschäft, 1971, S. 125, 136 f.; OLG Köln ZEV 2009, 241, 242. 298 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; so auch Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 944 Rdnr. 1871. 299 Treffend insoweit OLG Köln ZEV 2009, 241, 242: „Würde man einen Anhaltspunkt 292

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sen bezieht sie die Andeutungstheorie hier auf die Willensrichtung des Erblassers, die hinreichend zum Ausdruck gelangen muss.300 Hierzu muss sich „ein – auch noch so geringer – Anhaltspunkt oder ein – noch so unvollkommener – Ausdruck aus dem Testament selbst“ für die Erblasserwillensrichtung ergeben.301 Das Auffinden der Willensrichtung nach diesem Maßstab ist demnach gleichbedeutend mit der Feststellung ihrer Andeutung. Dabei ist die geforderte Verankerung der Willensrichtung streng vom Auslegungsergebnis302 und dem (auf ein konkretes Ergebnis zielenden)303 hypothetischen Erblasserwillen304 zu unterscheiden. Für die beiden letztgenannten muss gerade keine Andeutung vorliegen. Dabei wurde das Kriterium der Willensrichtung letztlich nur deshalb ins Leben gerufen, um das Andeutungserfordernis fassbarer zu machen und ihm so zumindest den Hauch einer Konturierung zu verleihen. Einen darüberhinausgehenden Mehrwert hat es indes nicht. Die zu suchende Willensrichtung kann als die (wirtschaftliche)305 Zielsetzung oder Motivation des Erblassers umschrieben werden, die eine hinreichende Stütze verlangt.306 Diese gilt es im Wege der erläuternden Auslegung herauszustelfür das Ergebnis der ergänzenden Auslegung im Testament fordern, wäre dies sinnwidrig: Wenn ein solcher Anhaltspunkt im Testament zu finden wäre, hätte der Erblasser die mögliche Entwicklung bereits berücksichtigt, so dass es sich nicht um eine ergänzende, sondern um eine einfache Auslegung handeln würde. Auch für den hypothetischen Willen selbst kann es angesichts der Irrealität dieses Willens keine Andeutung im Testament geben.“ 300 BGHZ 22, 357, 363; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; RGZ 99, 82, 85; 134, 277, 279 f.; 142, 171, 175; OLG München ZEV 2017, 634, 635; FamRZ 2017, 1972, 1973; KG NJW 1970, 758; BayObLGZ 1988, 165, 168; OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Fleindl, NKBGB, 5. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 44. 301 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242 (Hervorhebung durch den Verfasser); ähnlich BGHZ 22, 357, 362; KG NJW 1970, 758; BayObLGZ 1988, 165, 168 f.; OLG München FamRZ 2017, 1972: „Dabei muss aus dem Gesamtbild des Testaments selbst eine Willensrichtung des Erblassers erkennbar sein, die tatsächlich in Richtung der vorgesehenen Ergänzung geht. Durch sie darf kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist. Durch ergänzende Testamentsauslegung kann also [...] eine Lücke nur dann geschlossen werden, wenn die für die Zeit der Testamentserrichtung anhand des Testaments oder unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung festzustellende Willensrichtung des Erblassers dafür eine genügende Grundlage bietet.“ 302 An das Auslegungsergebnis knüpft das Erfordernis der hinreichenden Andeutung jedoch im Rahmen der erläuternden Auslegung an. Siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (b), S. 42 ff. 303 OLG Köln ZEV 2009, 241, 244. 304 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 97. 305 Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 359. 306 OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 98.

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len.307 Dabei bildet die Willensrichtung quasi den „gemeinsamen Nenner“308 zwischen tatsächlich vorhandenem und hypothetischem Erblasserwillen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Das Ziel des Erblassers muss also festgestellt werden, nicht jedoch das konkret hierfür benötigte Mittel.309 Indessen muss sich die Willensrichtung nicht allein und unmittelbar aus dem Testamentswortlaut ergeben. Es genügt vielmehr, „wenn der Inhalt dieser Urkunde zusammen mit anderen außerhalb der Urkunde liegenden Umständen [deren] Feststellung ermöglicht“.310 Erforderlich ist aber stets die Verbindung zum Testament und dass die Willensrichtung aus dem Wortlaut ableitbar ist. Schon das RG betonte, „daß die für die Zeit der Testamentserrichtung an Hand des Testaments, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme von Umständen außerhalb des Testaments oder der allgemeinen Lebenserfahrung, festzustellende Willensrichtung des Erblassers [...] eine genügende Grundlage“311

haben müsse. Sofern die Willensrichtung im Einzelfall aus dem Testament ableitbar ist, existiert eine ausreichende Basis für die Vornahme der ergänzenden Auslegung und die Verwirklichung des hypothetischen Erblasserwillens.312 Wie die vorstehenden Umschreibungen aber verdeutlichen, hat das Andeutungserfordernis hier erneut – wie schon beim im Rahmen der erläuternden Auslegung – keine klaren Konturen.313 Bislang offen blieb die Frage, auf welcher Ebene die Andeutungstheorie im Kontext der ergänzenden Auslegung eine Rolle spielt. Während diese Frage bei der erläuternden Auslegung etwas diffiziler zu beantworten war,314 erscheinen die Ausführungen der Rechtsprechung in Bezug auf die hiesige

307

BGHZ 22, 357, 360. Gerhards, JuS 1994, 642, 645. 309 Perau, ZEV 2009, 241, 244. 310 BGHZ 22, 357, 363; ähnlich BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037: „[...] durch Auslegung der letztwilligen Verfügung erkennbare Willensrichtung“; RGZ 134, 277, 279 f.; 142, 171, 175; im Ergebnis ebenso, wenn auch nicht zwischen hypothetischem Erblasserwillen und der Willensrichtung des Testierenden klar differenzierend Lange, Erbrecht, 2. Aufl., 2017, S. 326 Rdnr. 24. 311 RGZ 142, 171, 175; ähnlich schon RGZ 134, 277, 279 f. 312 RGZ 99, 82, 85; 134, 277, 280; BGHZ 22, 357, 363; BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; KG NJW 1970, 758; BayObLGZ 1988, 165, 168 ff.; OLG München ZEV 2017, 634, 635; FamRZ 2017, 1972, 1973; OLG Köln ZEV 2009, 241, 242; Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 112; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 945 Rdnr. 1871; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 98. 313 Zur Problematik des konturenlosen Andeutungskriteriums noch unten § 4 B. I. 1. a) aa), S. 221 ff. und § 4 B. I. 1. a) cc), S. 231. 314 Siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (2), S. 39 ff. 308

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Auslegungsform weitestgehend klar. Denn der Judikatur lässt sich dahingehend entnehmen, dass die Notwendigkeit einer hinreichenden Andeutung der Willensrichtung auf der Auslegungsebene relevant ist.315 Dies wird deutlich, wenn der BGH betont, dass die „der Ermittlung des hypothetischen Willens“ dienende ergänzende Testamentsauslegung „nicht dazu führen [darf], daß maßgeblich wird, was im Widerspruch steht zu dem erklärten, durch [einfache] Auslegung zu ermittelnden wirklichen oder mutmaßlichen Willen, der den Umständen in anderer Weise Rechnung trägt. Deshalb muss die ergänzende Auslegung an eine genügende Grundlage anknüpfen.“316

Mit der Wendung der „genügende[n] Grundlage“ ist die Willensrichtung als notwendiger Anknüpfungspunkt gemeint. Die Passage aus dem Votum macht deutlich, dass die Andeutungstheorie auch hier eine begrenzende Funktion bereits auf der Auslegungsebene einnimmt. Sobald die Willensrichtung eine hinreichende Verankerung erfahren hat, leistet sie den entscheidenden Beitrag zur Durchsetzung des hypothetischen Erblasserwillens. Zugleich ist hiermit die Form gewahrt. Auch hier ist eine abweichende Beurteilung der Auslegungs- und Formfrage nicht denkbar, da beide auf demselben Kriterium beruhen – der objektiv hinreichenden Andeutung der Willensrichtung des Erblassers im Testamentswortlaut. Hat die Willensrichtung keine „irgendwie geartete“ Verankerung erfahren, kann die identifizierte planwidrige Lücke nicht geschlossen werden und das im Wege der erläuternden Auslegung gefundene (lückenhafte) Auslegungsergebnis bleibt maßgeblich.317 Wird das leitende Motiv des Erblassers für die testamentarische Einsetzung einer Person in der Verfügung selbst benannt, so liegt ein hinreichender Anhaltspunkt vor. Dies ist etwa der Fall, wenn der Erblasser wie folgt testiert: „Ich setze A zu meinem Alleinerben ein, weil er meinem Sohn das Leben gerettet hat.“

Wusste der Testator nicht, dass B in Wahrheit der Lebensretter ist, kann diese bereits im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorhandene Lücke im Wege 315 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037: „Insoweit darf [...] ein den Verhältnissen entsprechender Erblasserwille nur unterstellt werden, wenn er auf eine bestimmte, durch Auslegung der letztwilligen Verfügung erkennbare Willensrichtung des Erblassers zurückgeführt werden kann.“ Dementsprechend wird die Linie aus BGHZ 86, 41 auch auf der Ebene der ergänzenden Auslegung nicht mehr verfolgt. Zustimmend OLG München FamRZ 2017, 1972, 1973; 1983, 380, 382; BayObLG ZEV 2001, 24, 25; vgl. Fleindl, NK-BGB, 5. Aufl., 2018, § 2084 Rdnr. 44. Das Andeutungserfordernis bei der ergänzenden Auslegung dem Wortlaut nach nur auf Formebene ansiedelnd hingegen OLG München FamRZ 2016, 2154, 2155; OLG Köln ZEV 2009, 241, 242. 316 BGH FamRZ 1983, 380, 382; ähnlich 2017, 1972, 1973: „Durch [die ergänzende Testamentsauslegung] darf kein Wille in das Testament hineingetragen werden, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist.“ So auch OLG München ZEV 2017, 409, 410. 317 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; vgl. OLG Hamm FamRZ 1997, 121, 123.

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der ergänzenden Auslegung geschlossen werden. Die Willensrichtung des Erblassers, also dessen Motivation, den wahren Retter des Sohnes zu bedenken, geht hier hinreichend aus der Verfügung hervor, sodass B im Sinne des hypothetischen Erblasserwillens als Alleinerbe berufen wäre.318 (2) Bedeutung gesetzlicher Auslegungs- und Ergänzungsregeln Für die Frage, was der Erblasser hypothetisch verfügt hätte, können die erbrechtlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln eine hilfreiche Richtschnur bieten. Darüber hinaus können sie (erneut)319 für die Feststellung der Andeutung hilfreich sein, die sich für die Willensrichtung des Erblassers auch aus allgemeinen Lebenserfahrungssätzen ergeben kann. Dies wird deutlich, wenn ein Erblasser etwa seine „Kinder als Erben“ einsetzt, eines dieser aber unvorhergesehen vorverstirbt. Dann bestimmt § 2068 BGB, dass im Zweifel auch der Abkömmling des eingesetzten, aber vorverstorbenen, Kindes, also der Enkel des Erblassers, durch den Testator bedacht sein soll. Kann ein dahingehender hypothetischer Wille ermittelt werden, so ließe sich aus diesem Erfahrungssatz auch die Andeutung der Willensrichtung ableiten. Dasselbe gilt z.B. auch im Falle der Erbeinsetzung der „Abkömmlinge“ des Erblassers. Sofern einer dieser vorverstirbt, geht § 2069 BGB davon aus, dass im Zweifel wiederum deren Abkömmlinge eingesetzt werden sollten. Als weiteres Beispiel kann der Fall genannt werden, dass der spätere Erblasser einen Neuwagen bei einem Autohaus erwirbt. Die Lieferung und Übereignung zögern sich jedoch hinaus. Währenddessen verfasst der spätere Erblasser ein Testament, in dem er bestimmt: „Hiermit vermache ich das Fahrzeug meinem Neffen.“

Allerdings verstirbt der Erblasser noch bevor der Eigentumserwerb vollzogen werden konnte. Dem Neffen konnte „das Fahrzeug“ daher nicht vermacht werden, weil das Eigentum hieran nicht zum Nachlass gehört – infolge der Lieferverzögerung hatte der Erblasser diese Rechtsposition nie erworben. Lediglich über den Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs gegen das Autohaus hätte der Erblasser disponieren können. Von diesem Anspruch ist jedoch im Testamentswortlaut mit keiner Silbe die Rede. Ersichtlich kam es dem Erblasser jedoch darauf an, seinem Neffen den PKW 318

Nach Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 113. Dass B in der Verfügung nicht genannt wird, spielt hingegen keine Rolle. Schließlich benötigt der hypothetische Erblasserwille keine Stütze im Wortlaut, um sich durchzusetzen, siehe oben § 2 A. I. 3. b) cc) (1), S. 65 f. 319 Wie schon im Rahmen der erläuternden Auslegung bei der Suche nach der Andeutung für den realen Willen, oben § 2 A. I. 2. a) cc) (1) (b), S. 38 f.

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zuzuwenden. Für die Verwirklichung des hypothetischen Erblasserwillens ist ein hinreichender Anhaltspunkt für eine dahingehende Willensrichtung erforderlich. Mit Hilfe der Auslegungsregel des § 2169 Abs. 3 BGB, die genau einen solchen Fall im Blick hat, kann davon ausgegangen werden, dass eine hinreichende Andeutung für die Motivation des Erblassers, den wirtschaftlichen Wert des PKW zuzuwenden, besteht.320 Es ist allerdings nicht zwingend nötig, dass die entsprechend in Betracht kommende Auslegungs- oder Ergänzungsregel exakt den in Rede stehenden Fall betrifft. Zudem ist nicht erforderlich, dass die betreffende gesetzliche Regelung ausdehnend ausgelegt werden kann. Denn „Sinn und Zweck der ergänzenden Testamentsauslegung ist es gerade, daß auch in anderen als den gesetzlich geregelten Fällen [...] einem [...] Willen des Erblassers, der in der Verfügung selbst nicht geäußert ist, Geltung verschafft werden soll“.321 Mit anderen Worten können die gesetzlichen Auslegungs- und Ergänzungsregeln auf der Suche nach einer hinreichenden Stütze der Willensrichtung nützlich sein, wenn es um einen von diesen geregelten Fall geht. Allerdings ist der Richter nicht auf die dort verankerten Konstellationen beschränkt und kann darüber hinaus auch andere Sachverhalte ergänzend auslegen. Dann muss er allerdings entsprechende Anhaltspunkte für die Willensrichtung des Erblassers jenseits der Regelungen ausfindig machen können, da deren Erfahrungssätze für abweichende Konstellationen nicht heranziehbar sind.322 (3) Konstellationen fehlender Anhaltspunkte Vergleicht man die Rolle der Andeutungstheorie bei der erläuternden Auslegung mit derjenigen bei der ergänzenden Auslegung, wird deutlich, dass sie in letzterem Rahmen eine weitaus weniger prominente Stellung einnimmt. Sie wird nicht ansatzweise in dem Umfang thematisiert wie das Andeutungserfordernis in Bezug auf einen realen Willen. Das gilt sowohl für die Judikatur als auch für das Schrifttum. Dabei fällt es schwer, überhaupt Beispiele für Fälle fehlender Anhaltspunkte für die Willensrichtung des Erblassers in der Rechtsprechung zu finden.323 Muscheler konstatiert sogar, dass die ergänzende Auslegung nie an dem Andeutungserfordernis scheitern werde.324 Dass dies bei entsprechend großzügiger Anwendung der Andeutungstheorie nicht fern liegt, zeigt der nachfolgende Fall, in dem sich die Frage nach einer stillschweigenden Ersatzerbenberufung stellte.325 Dort testierte der Erblasser privatschriftlich: 320

Siehe nur Rudy, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2169 Rdnr. 13. BGHZ 22, 357, 360. 322 Schon oben § 2 A. I. 2. a) cc) (1) (b), S. 39. 323 Zu dieser Feststellung gelangt auch Perkams, Die Auslegung von Testamenten im deutschen und spanischen Recht, 2010, S. 92. 324 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 947 Rdnr. 1875. 325 Fall nach BayObLG FamRZ 1993, 1496. 321

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„Ich bestimme hiermit als meinen letzten Willen: Meine Erbin soll meine einziggeliebte A sein. Auf die gesetzliche Erbfolge darf keine Rücksicht genommen werden. Ich betone ausdrücklich, daß auch das Kind ... nicht erben darf.“326

Seine Ehefrau, von der er getrennt lebte, und deren Kind, das aus der gemeinsamen Ehe hervorging, wurden damit ausdrücklich nicht bedacht. Noch bevor der Erbfall eintrat, starb aber die Geliebte, sodass ihre intendierte Alleinerbeneinsetzung ins Leere ging. Die Geliebte hatte allerdings eine Tochter aus erster Ehe, die nun einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragte. Im Zeitpunkt der Testamentserrichtung hatte der Erblasser keinen tatsächlichen Willen dahingehend geäußert, die Tochter seiner Geliebten als Alleinerbin einzusetzen. Wenn überhaupt, war deren Einsetzung nur im Wege der ergänzenden Auslegung erreichbar. Dazu hätte der Erblasser, hätte er das Vorversterben seiner Geliebten vorhergesehen, den hypothetischen Willen im Zeitpunkt der Testamentserrichtung dahingehend gehabt haben müssen, die Tochter als Erbin einzusetzen. Geht man davon aus, dass dieser hypothetische Wille bestand, hätte weiterhin eine hinreichende Andeutung einer dahingehenden Willensrichtung erkennbar sein müssen. Das BayObLG meinte, es genüge für eine hinreichende Stütze, wenn eine dem Erblasser nahestehende Person bedacht würde. Dazu zählten grundsätzlich vor allem Verwandte und insbesondere Ehegatten. Es forderte aber kein besonderes (Verwandtschafts-)Näheverhältnis, um eine angedeutete stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung anzunehmen.327 Daher könne auch die Einsetzung einer Geliebten einen Anhaltspunkt dafür bieten, dass bei ihrem Vorversterben einer ihrer Abkömmlinge in ihre Position im Wege der Ersatzerbenstellung nachrücken sollte. Das gälte „insbesondere dann, wenn es sich um eine tiefergehende und auf eine gewisse Dauer angelegte Beziehung handele“.328 Anders sah dies hingegen das OLG Hamm, das einen nahezu identischen Sachverhalt zu entscheiden hatte.329 Dort bedachte die Erblasserin ihren Geliebten testamentarisch, der allerdings vor ihr verstarb, sodass sich dieselbe Frage einer stillschweigenden Ersatzerbenberufung der Abkömmlinge im Wege der ergänzenden Auslegung stellte. Allerdings verneinte das Gericht die stillschweigende Ersatzerbenberufung mangels hinreichender Andeutung der Willensrichtung. Es betonte, dass eine solche nur dann angenommen werden könne, wenn es sich bei dem Bedachten um Ehegatten, nahe Verwandte oder verschwägerte Personen handele. Da zwischen dem Erblasser 326

Fall nach BayObLG FamRZ 1993, 1496; ähnlich OLG Hamm OLGZ 1977, 260. BayObLG FamRZ 1993, 1496; so auch KG DNotZ 1976, 564, 565. 328 BayObLG FamRZ 1993, 1496. 329 OLG Hamm OLGZ 1977, 260, 263 f. In diese Richtung auch BGH NJW 1973, 240 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 59, 343); OLG München FamRZ 2017, 1972; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140, 141. 327

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und der Geliebten aber bloß ein „Liebesverhältnis“ bestand, könne keine hinreichende Stütze einer dahingehenden Willensrichtung im Testamentswortlaut ausfindig gemacht werden.330 Die geschilderten Fallbeispiele aus der Rechtspraxis machen deutlich, dass durch die Andeutungstheorie Tür und Tor für nahezu willkürliche Ergebnisse geöffnet sind.331 Es wird zwar der Versuch unternommen, dem Andeutungskriterium etwas schärfere Konturen zu verleihen, indem der Testamentswortlaut hierfür erkennen lassen muss, dass der Bedachte aufgrund seiner Stellung als erster seines Stammes und weniger aufgrund persönlicher Beziehungsmotive durch den Erblasser bedacht wurde.332 Gefordert wird zusätzlich, dass die bedachte vorverstorbene Person eine dem § 2069 BGB vergleichbare Stellung einnahm, was etwa bei einem engen Verhältnis zum Erblasser gegeben sein soll.333 Bei der Frage, ob sich diese Komponenten aus der testamentarischen Anordnung ableiten lassen, sind der Interpretationsfantasie des zuständigen Richters jedoch kaum Grenzen gesetzt. Das führt dazu, dass, abgesehen von gänzlich unterlassenen Verfügungen, keine Fälle vorgezeichnet sind, in denen eine Andeutung sicher zu verneinen ist. c) Grenzen Kann im Wege der erläuternden Auslegung keine testamentarische Lücke festgestellt werden, ist der Anwendungsbereich der ergänzenden Auslegung schon nicht eröffnet. Zwar können mittels der ergänzenden Auslegungsmethodik in personeller sowie sachlicher Hinsicht zahlreiche inhaltliche Weiterentwicklungen der testamentarischen Verfügung vorgenommen werden. Allerdings finden diese ihre Grenzen darin, was noch als „Weiterdenken“ der 330

Das OLG Hamm spricht zwar von einer fehlenden Andeutung des hypothetischen Willens, OLG Hamm OLGZ 1977, 260, 263 f., also von der konkreten Ersatzerbenberufung der Tochter der Geliebten und nicht lediglich von der Motivation des Erblassers. Allerdings mag man nach Durchsicht der Entscheidung bezweifeln, ob das Gericht überhaupt den Unterschied zwischen dem konkreten hypothetischen Willen und der bloß allgemein gehaltenen Willensrichtung, die Geliebte als erste ihres Stammes einsetzen zu wollen, berücksichtigt, ebenso Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 946 Rdnr. 1874. 331 Ähnlich Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 947 Rdnr. 1875. 332 BGH NJW 1973, 240, 242 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 59, 343): „Lassen sonstige letztwillige Bestimmungen oder auch außerhalb der letztwilligen Verfügung liegende Umstände erkennen, daß der Erblasser die Zuwendung nicht gerade der von ihm bezeichneten Person vermachen wollte, sondern daß diese dem ganzen Stamm gelten sollte, also die bedachte Person nur als erste ihres Stammes benannt war, so wäre auch für den Fall, daß der Bedachte kein Abkömmling des Erblassers ist, eine stillschweigende Ersatzberufung anzunehmen.“ Siehe auch OLG München FGPrax 2018, 231, 233; FamRZ 2017, 1972; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140, 141; BayObLG NJOZ 2005, 1070, 1073; OLG Hamm OLGZ 1977, 260, 263 f. 333 OLG München FamRZ 2017, 1972, 1973.

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Verfügung gelten kann.334 Es muss zumindest an eine bestehende Verfügung angeknüpft werden, woran es bei einer gänzlich unterlassenen Verfügung mangelt.335 Wo genau die Grenze zu einem unzulässigen Weiterdenken in den übrigen Fällen verläuft, ist indes nicht klar und basiert stets auf einer Betrachtung des Einzelfalles. Fehlt es an einer hinreichenden Andeutung der Willensrichtung des Erblassers, setzt sich der hypothetische Erblasserwille nicht durch. Auch hier stellt die Andeutungstheorie ein Hindernis auf dem Wege zur Verwirklichung des Erblasserwillens dar. In einem solchen Fall bleibt es trotz festgestellter planwidriger Regelungslücke bei dem im Wege der erläuternden Auslegung gewonnenen (lückenhaften) Auslegungsergebnis, das die in Rede stehenden Umstände nicht bedacht hat.336 In Betracht kommt dann nur die Anfechtung der testamentarischen Verfügung gemäß §§ 2078 ff. BGB.337 Für die ergänzende Testamentsauslegung bestehen keine zeitlichen Grenzen, die Fristenregelung aus dem Anfechtungsrecht (§ 2082 BGB) wird nicht (analog) hierauf angewendet.338 Nur die Institute des rechtsmissbräuchlichen Verhaltens oder der Verwirkung können hier eine Grenze ziehen.339 d) Rechtsfolge Die ergänzende Auslegung kann den hypothetischen Erblasserwillen normativ berücksichtigen und mit dessen Umsetzung die planwidrige testamentarische Lücke schließen.340 Die testamentarische Verfügung wird an die geänderten Umstände angepasst, sodass es sich um eine „rechtsgestaltende Tätigkeit“ des Richters handelt.341 Das unvollständige Testament wird dadurch reformiert.342 Lässt sich der Regelungsplan des Erblassers durch die Ausle334

Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 100. OLG München NJW-RR 2013, 329, 330; FGPrax 2010, 244; OLG Köln Rpfleger 1981, 357; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 90. 336 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; vgl. OLG Hamm, FamRZ 1997, 121, 123; OLG Düsseldorf FGPrax 2012, 22. 337 Gerhards, JuS 1994, 642, 649. Zur Anfechtung näher unten § 2 A. II., S. 76 ff. 338 BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439. 339 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 106; offenlassend BayObLGZ 1997, 197, 202. 340 RGZ 99, 82, 84 f.; BGHZ 22, 357, 360; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; Hammann, ErbR 2014, 420. 341 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 942 Rdnr. 1866. 342 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 940 Rdnr. 1861; Müller-Freienfels, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 409, 424; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2084 Rdnr. 100: „Das Weiterdenken der Verfügung kann dazu führen, statt eines bestimmten Gegenstands dessen Wert oder statt einer bestimmten Summe einen höheren, dem neuen Geldwert angepassten Betrag als vermacht anzusehen, oder auch dazu, statt eines vorverstorbenen Bedachten dessen Abkömmlinge als eingesetzt zu betrachten.“ 335

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gung nicht herausdestillieren, kann die Regelungslücke indes nicht geschlossen werden.343 e) Praktische Anwendungsbereiche aa) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Typischerweise kommt die ergänzende Auslegung zum Einsatz, wenn das Testament mit dem im Wege der erläuternden Auslegung herausgearbeiteten Bedeutungsgehalt nicht (mehr) umgesetzt werden kann, sodass es leer zu laufen droht. Da der wirkliche Erblasserwille einen gewissen Umstand unberücksichtigt ließ, hilft § 133 BGB mit der erläuternden Auslegungsmethodik nicht weiter, um den Erblasserwillen durchzusetzen. Während die erläuternde Auslegung vor allem Fälle eines fehlgegangenen Erklärungszeichens und eines missverstandenen Bedeutungsgehalts abdeckt, greift die ergänzende Methode Beweggründe des Erblassers auf, die nicht hinreichend umgesetzt wurden und letztlich eine testamentarische Lücke hervorrufen.344 Sie ermöglicht damit die Fortsetzung der testamentarisch veranlagten Beweggründe des Erblassers und bewahrt sie vor ihrer Enttäuschung. bb) Anwendung auf Fallbeispiele Da den ersten beiden Fallvarianten345 jeweils ein tatsächlich vorhandener Wille zugrunde lag, der präzisiert werden musste, bewegten sich diese im Anwendungsfeld der erläuternden Auslegung. Hier kann die ergänzende Auslegung schon mangels Lücke keinen Beitrag leisten. Allerdings ist der Fall des vorverstorbenen Neffen grundlegend für die Dogmatik der ergänzenden Testamentsauslegung.346 Dort ging es um die Frage der stillschweigenden Ersatzerbenberufung seiner neun Kinder. § 2069 BGB gelangt hier zwar nicht zur Anwendung, weil der bedachte Neffe kein Abkömmling der Erblasserin ist; aufgrund des Ausnahmecharakters der Regelung kann sie

343 BGH NJW-RR 2017, 1035, 1037; BGHZ 22, 357, 360; RGZ 142, 171, 175; OLG Hamm FamRZ 1997, 121. 344 Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 145: „Der Motivirrtum [...] ist [...] nichts anderes als eine ,Lücke‘ im Gesamtkonzept eines Testaments und kann daher über die ergänzende Auslegung berücksichtigt werden.“ Dabei ist anzumerken, dass es sich rechtsdogmatisch um keinen Motivirrtum handelt, wenn die Lücke im Wege der ergänzenden Auslegung durch Implementierung des irrealen Erblasserwillens geschlossen wird, weil es dann am hierfür nötigen Auseinanderklaffen zwischen Auslegungsergebnis und Beweggrund fehlt, vgl. nur RG LZ 1921, 376 Nr. 3, 377. 345 Siehe § 1 A., S. 5 f. und § 1 A., S. 6 f. 346 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 943 Rdnr. 1866. Zum Fall oben § 1 A., S. 7 f.

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auch nicht analog hierauf angewandt werden.347 Jedoch kann der Fall – auch heute noch – über die ergänzende Testamentsauslegung entschieden werden. Dem Testament der Erblasserin liegt eine (zukünftige) Lücke in der Form zugrunde, dass sie das Vorversterben ihres Neffen nicht bedacht oder vorausgesehen hatte. Dabei handelt es sich um eine unbewusste Lücke, sodass sie als planwidrig einzustufen ist. Infolgedessen ist der hypothetische Wille der Erblasserin zu ermitteln. Dabei ist danach zu fragen, wie sie im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testiert hätte, sofern sie das Vorversterben ihres Neffen vorausschauend bedacht hätte. Ergibt die Ermittlung dieses irrealen Willens eine Ersatzerbenberufung der Kinder des Neffen,348 so muss im nächsten Schritt ein hinreichender Anhaltspunkt für eine dahingehende Willensrichtung im Testament gefunden werden. Hierbei obliegt dem Richter ein weiter Interpretationsspielraum. Damit hier von einer angedeuteten Willensrichtung auszugehen ist, muss es sich gemäß der wohl herrschenden Rechtsprechungslinie um einen (vorverstorbenen) Bedachten in Form eines Ehegatten, nahen Verwandten oder einer verschwägerten Person handeln, weil dann davon ausgegangen werden könne, dass es sich um eine Zuwendung an den ersten eines Stammes und weniger an die konkrete Person handelte.349 Bei dem ursprünglich durch die Erblasserin Bedachten handelte es sich um ihren Neffen, sodass hier ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt. In der Folge spricht viel dafür, eine Andeutung dahingehend, dass sie ihren Neffen als ersten seines Stammes einsetzen wollte, anzunehmen. In diesem Fall wären die neun Kinder des vorverstorbenen Neffen im Wege der ergänzenden Auslegung zu Ersatzerben berufen.

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RGZ 99, 82, 84 ff.; vgl. BGH NJW 1973, 240, 242 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 59, 243); offenlassend OLG Hamm OLGZ 1977, 260, 263 f.: „Ob man die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze als eine ,analoge‘ oder ,erweiternde‘ Anwendung des § 2069 BGB oder als eine von dieser Vorschrift losgelöste rein individuelle Testamentsauslegung nach allgemeinen Grundsätzen bezeichnen will, ist [...] nach Auffassung des Senats nur eine unerhebliche Frage der Terminologie.“ 348 In der Originalentscheidung war unklar, ob die Erblasserin gewollt hätte, dass die neun Kinder des vorverstorbenen Neffen im Wege der Ersatzerbschaft nachrücken. Daher verwies das RG die Sache zur weiteren Aufklärung an das Nachlassgericht zurück, RGZ 99, 82, 86 f. 349 BGH NJW 1973, 240, 242 (insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 59, 343); OLG Hamm OLGZ 1977, 260, 263 f.; OLG München FamRZ 2017, 1972; OLG Düsseldorf ZEV 2018, 140, 141; BayObLG NJOZ 2005, 1070, 1073; liberaler hingegen noch BayObLG FamRZ 1993, 1496; KG DnotZ 1976, 564, 565, die hierfür lediglich die Einsetzung einer dem Erblasser „nahestehenden Person“ fordern, siehe oben § 2 A. I. 3. b) cc) (3), S. 71.

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II. Irrtumsanfechtung Mit Hilfe der Anfechtung können irrtumsbehaftete testamentarische Verfügungen kassiert werden.350 Geregelt ist die Anfechtung in den erbrechtlichen Spezialvorschriften der §§ 2078 ff. BGB,351 die jedoch bloß fragmentarischen Charakters sind. So nehmen sie teils keine abschließenden Regelungen vor352 oder treffen mit Blick auf grundsätzliche Fragestellungen überhaupt keine Aussage. Keine spezielle Regelung findet sich etwa mit Blick auf die Anfechtungswirkung, sodass auf die Rechtsfolgennorm des Allgemeinen Teils, § 142 Abs. 1 BGB, zurückgegriffen werden muss.353 Die von Dritten354 angestrebte Anfechtung verfolgt einerseits den Zweck, Auslegungsergebnisse zu beseitigen, die nicht dem wahren Erblasserwillen entsprechen. Andererseits schützt der Gesetzgeber mit ihr auch gewissermaßen die Interessen Dritter, die bei Zugrundelegung des unangefochtenen Auslegungsergebnisses nicht bedacht würden,355 aber „bei unbeeinflußter Willensentscheidung des Erklärenden nicht benachteiligt worden wären“.356 Die Beweislast für die anfechtungsbegründenden Merkmale trägt derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der erklärten Anfechtung beruft.357 350

Anfechtungsgegenstand ist freilich die zugrunde liegende Willenserklärung, die dem konkreten Rechtsgeschäft zur Rechtswirksamkeit verhilft. Da der Wortlaut des § 2078 BGB („eine letztwillige Verfügung“) oder der des § 2281 Abs. 1 BGB („der Erbvertrag“) unpräzise gefasst wurde, ist der Gegenstand der Anfechtung nur auf den ersten Blick im Erbrecht ein anderer, wenn dadurch die Anfechtbarkeit des betreffenden Rechtsgeschäfts nahegelegt wird, augenscheinlich nicht jedoch die zu ihm hinführende Erklärung. Die Erklärungen des Erblassers werden im Recht der letztwilligen Verfügungen aufgrund der ihm großzügig zugebilligten Autonomie häufig mit den durch sie herbeigeführten Rechtsgeschäften gleichgesetzt, sodass nicht näher zwischen vorrangiger Erklärung und nachrangig entstehendem Rechtsgeschäft differenziert wird. Der Begriff der letztwilligen Verfügung kann daher sowohl für die Willenserklärung des Erblassers als auch für das hervorgerufene Rechtsgeschäft synonym verwendet werden. Demgegenüber ist das Redaktionsversehen bei der Vorschrift zur Anfechtbarkeit des Erbvertrags, § 2281 Abs. 1 BGB, schwerwiegender und kann nicht mit der vorstehenden Argumentation gerechtfertigt werden. Die Thematik des Erbvertragsrechts ist hier aber nicht Gegenstand, sodass zum Ganzen und für Weiteres auf Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 26 f. verwiesen wird. 351 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 12. 352 Als Beispiel kann etwa der nötige Rückgriff auf § 143 BGB für die Anfechtungserklärung genannt werden, da § 2081 BGB diese nur für selektive Anordnungsinhalte regelt, Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 998 Rdnr. 1960. 353 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 998 Rdnr. 1960. Näher zur Anfechtungsrechtfsfolge unten § 2 A. II. 4., S. 91 ff. 354 § 2080 Abs. 1 BGB stellt das Erfordernis auf, dass nur derjenige aktivlegitimiert ist, dem „die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen“ würde. 355 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 999 Rdnr. 1961. 356 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 30.

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1. Verhältnis zur Auslegung Bevor die Anfechtung zum Zuge gelangt, die gemäß § 2078 Abs. 1 BGB das irrtumsbedingte Auseinanderfallen von Auslegungsergebnis und Erblasserwille im Blick hat, muss eine solche Diskrepanz der beiden Elemente überhaupt festgestellt werden. Zuvorderst sind daher im Zuge der erläuternden Auslegung358 sowohl der rechtlich maßgebliche Bedeutungsgehalt der Testamentsurkunde als auch der wahre Erblasserwille zu ermitteln.359 Nur so kann die Divergenz zwischen Sinngehalt und Erblasserwille überhaupt offenbar werden. Wird dieser Schritt nicht gegangen, kann eine solche Diskrepanz auch nicht ernsthaft behauptet und die Verfügung nicht angefochten werden. Angesichts dessen ist es nur konsequent, dass die erläuternde Auslegung vorrangig gegenüber der Anfechtung ist.360 Dasselbe gilt auch für die ergänzende361 Testamentsauslegung,362 die mit der Anfechtung wegen Motivirrtums gemäß § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB konkurriert.363 Gelingt die Verwirklichung des hypothetischen Erblasserwillens durch die ergänzende Auslegung nicht, wurde der Beweggrund des Erblassers enttäuscht, sodass Raum für die Anfechtung bleibt.364 Letztlich wird die Vorrangigkeit der jeweiligen Auslegung auch damit begründet, dass ihre reformierende Rechtsfolge gegenüber der bloß kassatorischen Wirkung der Anfechtung vorzugswürdig sei.365 Schließlich folgt hieraus, dass die Anfechtung stets dort ausgeschlossen ist, wo der zu entscheidende Fall durch die Auslegung gelöst wird, weil es dann an einem Irrtum fehlt.366 357 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; BayObLGZ 1962, 299; 1963, 260, 264 f.; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 45. 358 Siehe oben § 2 A. I. 2., S. 21 ff. 359 RG LZ 1921, 376 Nr. 3: „Die Auslegung geht überall der Anfechtung vor.“ 360 Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 126 Rdnr. 388; vgl. Musielak, ZEV 2016, 353; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 6; vgl. Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 133 Rdnr. 21. 361 Siehe oben § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 362 BGH NJW 1978, 264, 266; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 11; Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2078 Rdnr. 1; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 137; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703. 363 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 7. 364 BGH NJW 1978, 264, 266; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 11; Stürner, Jauernig BGB, 17. Aufl., 2018, § 2078 Rdnr. 1; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703. 365 BGH LM § 2100 Nr. 1; vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 1438, 1439; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703 (mit Bezug zur ergänzenden Auslegung); Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378. 366 Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 153; Musielak, ZEV 2016, 353; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 7.

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2. Voraussetzungen a) Anfechtungsgrund Die wirksame Anfechtung setzt vor allem einen Anfechtungsgrund voraus. Hierfür genügt es nicht bereits, wenn Erblasserwille und Testamentswortlaut auseinanderfallen. Stattdessen knüpft die Anfechtung daran an, dass entweder Erblasserwille und Auslegungsergebnis voneinander abweichen, § 2078 Abs. 1 Alt. 1 und 2 BGB, oder das Auslegungsergebnis den Beweggrund des Erblassers nicht wiedergibt, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB.367 Insofern ist der Anwendungsbereich des Anfechtungsrechts enger als der Untersuchungsgegenstand. Die maßgeblichen Anfechtungsgründe sind in § 2078 BGB abschließend geregelt, sodass ein Rückgriff auf die des Allgemeinen Teils gemäß §§ 119 ff. BGB verwehrt bleibt.368 aa) Inhaltsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB Der Anfechtungsgrund des Inhaltsirrtums gemäß § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB hat die Situation im Blick, dass der Erblasser nicht weiß, was er mit seinen Worten ausdrückt.369 Er irrt hier über den Sinngehalt seiner Begriffe, was letztlich zu einer Diskrepanz zwischen Auslegungsergebnis und wahrem Willen führt.370 Maßgebliche Bedeutung kommt dem Anfechtungsgrund des Inhaltsirrtums in Form des Rechtsirrtums, genauer des Rechtsfolgenirrtums, zu. Bei diesem irrt sich der Erklärende über die Rechtsfolgen der von ihm abgegebenen Erklärung.371 Schon zu Reichsgerichtszeiten galt dieser Tatbestand als „Gegenstand lebhaften Streits“.372 Diese Irrtumsform kann auf einem Trugschluss über die relevanten Tatsachen, auf Unkenntnis oder aber falscher Auslegung des Rechts bzw. dessen Anwendung beruhen.373 Der bloße Irrtum über die Rechtsfolge eines verwendeten Wortes genügt indes noch nicht, um die Anfechtbarkeit wegen Rechtsfolgenirrtums auszulösen. Erforderlich ist vielmehr, dass es sich darüber hinaus um einen Irrtum über den Inhalt der testamentarischen Verfügung handelt.374 Der Irrtum muss sich

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Vgl. RG LZ 1921, 376 Nr. 3, 377. Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 13; Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 126 Rdnr. 387; Schubert/Czub, JA 1980, 257. 369 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1964; vgl. Lessmann, JuS 1969, 525, 529. 370 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1964; Musielak, ZEV 2016, 353, 360. 371 Allgemein zur Anfechtung wegen Rechtsfolgenirrtums Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 166 ff.; Musielak, ZEV 2016, 353, 360. 372 RGZ 88, 278, 284. 373 Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 160. 374 Mayer, Der Rechtsirrtum und seine Folgen im bürgerlichen Recht, 1989, S. 167. 368

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auf die wesentlichen Rechtsfolgen der Anordnung, d. h. deren Rechtsnatur, beziehen.375 Es handelt sich um Konstellationen, in denen der Erblasser etwa einen juristischen Fachbegriff verwendet, damit aber etwas ganz anderes verbindet oder erreichen möchte als die Folge, die die Verwendung des Begriffs eigentlich nach sieht zieht. Das ist bspw. der Fall, wenn der Erblasser den Bedeutungsgehalt des Nießbrauchvermächtnisses mit dem der Anordnung der Vorerbschaft,376 die Nacherbschaft mit der Ersatzerbschaft oder aber den Begriff der Erbschaft mit dem des Vermächtnisses verwechselt. Allerdings wird es in diesen Fällen der erläuternden Auslegung meist gelingen, den wahren Willen durchzusetzen, sodass kein Irrtum im rechtsdogmatischen Sinn vorliegt und die Anfechtung nicht zum Zuge gelangt.377 Ein Inhaltsirrtum wurde bspw. auch in RGZ 70, 391 angenommen.378 Im dort zugrunde liegenden Fall handelte es sich um eine Erblasserin, die einige der Nachkommen ihrer Geschwister testamentarisch bedenken wollte. Dabei kam es ihr offenbar darauf an, dass sie nur durch die Nachkommen ihrer vollbürtigen Geschwister beerbt wird, die Abkömmlinge der halbbürtigen Geschwister sollten hingegen von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Gegenüber dem testamentserrichtenden Gemeindevorsteher äußerte sie ihre Vorstellungen von der Erbfolge. Der Gemeindevorsteher errichtete daraufhin die testamentarische Verfügung und verwendete den Begriff der „gesetzlichen Erbfolge“, der die Wünsche der Erblasserin umsetzen sollte. Die in Wahrheit in Aussicht genommenen Erben wurden im Testament nicht namentlich benannt.379 Allerdings konnte der von ihr verfolgte Ausschluss der Nachkommen ihrer halbbürtigen Geschwister von der Erbfolge nicht eintreten, da die Rechtsordnung diese, genau wie die Nachkommen der vollbürtigen Geschwister, zum Kreise ihrer „gesetzlichen Erben“ zählte. Damit täuschte sie sich über die Bedeutung des Begriffs der „gesetzlichen Erbfolge“. Das RG verhalf dem wirklichen Willen der Erblasserin nicht im Wege der Auslegung zum Durchbruch, sodass Erblasserwille und Auslegungsergebnis voneinander abwichen. Stattdessen ließ das Gericht daraufhin die Teilanfechtung der letztwilligen Verfügung durch die Kläger – die Nachkommen der vollbürtigen Geschwister – wegen Inhaltsirrtums gemäß § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB zu.380 375

Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 127 Rdnr. 392. RG LZ 1920, 340 Nr. 6. 377 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 12; Avenarius, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2100 Rdnr. 17; Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357. 378 Für die Einordnung als Motivirrtum Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 12, der aber zugleich klarstellt, dass die Einordnung der Irrtumskategorie nur von untergeordneter Relevanz aufgrund der gleichartigen Rechtsfolge ist. 379 RGZ 70, 391 f. 380 RGZ 70, 391, 393 f. Infolge der kassatorischen Wirkung der Anfechtung „entsprach 376

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bb) Erklärungsirrtum, § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB Dem „gröberen“381 Irrtumsfall des Erklärungsirrtums gemäß § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB unterliegt der Erblasser, wenn ihm ein Fehler im Erklärungsvorgang unterläuft. Hier verwendet er versehentlich ein anderes Erklärungszeichen als beabsichtigt. Er gibt hier eine Erklärung ab, die er gar nicht abgeben wollte, sodass sich schon das äußere Produkt, also das Erklärungszeichen, nicht mit dem Erblasserwillen deckt.382 Das ist etwa der Fall, wenn er sich beim eigenhändigen Testament verschreibt oder beim notariellen Testament gegenüber dem testamentserrichtenden Notar verspricht.383 Allerdings muss konstatiert werden, dass solche Fälle aufgrund der regelmäßig äußerst sorgfältigen Abfassung von testamentarischen Verfügungen selten sein dürften.384 Sollte der Erblasser tatsächlich einmal einem Erklärungsirrtum unterliegen, dürfte sich die dahingehende Beweisführung nach dem Erbfall äußerst schwierig gestalten. Die Praxisrelevanz dieses Anfechtungsgrunds darf daher nicht überschätzt werden. cc) Motivirrtum, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB Während die Anfechtungsgründe des § 2078 Abs. 1 BGB in der Praxis „eine völlig untergeordnete Rolle“ spielen, ist der Tatbestand des § 2078 Abs. 2

[das Anfechtungsergebnis] ungefähr dem letzten Willen, denn da die Einsetzung der halbbürtigen vernichtet wurde, fiel auch deren Anteil an die vollbürtigen, sei es durch Erhöhung ihrer Testamentsanteile (§ 2089) oder durch Anwachsung (§ 2094) oder kraft gesetzlicher Erbfolge“, Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, S. 350, 376. Da mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden muss, dass die Erblasserin keine weiteren testamentarischen Ausführungen machte, als lediglich die „gesetzliche Erbfolge“ anzuordnen, fehlen sämtliche Stützen im Testamentswortlaut, die der Durchsetzung ihres wahren Willens dienlich sein könnten. Das wirklich Gewollte kann daher nicht für das Auslegungsergebnis berücksichtigt werden, sodass RGZ 70, 391 wohl heute noch identisch entschieden würde, obwohl die Auslegungsmethode heutzutage deutlich liberaler ist. 381 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 20. 382 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 10; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1963. 383 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 10. 384 Muscheler ordnet den Fall des Erklärungsirrtums als „praxisfern“ ein und verweist darauf, dass „nicht bekannt“ ist, „ob ein Erklärungsirrtum beim Testament jemals vorkam“, Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1000 Rdnr. 1964; ähnlich Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 10; Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 90. In der Tat konnte nach Durchsicht der Diskrepanzfälle zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut bzw. Auslegungsergebnis keine Konstellation gefunden werden, in der sich ein Testator mit unmittelbarer Auswirkung auf den Anordnungsinhalt bspw. verschrieben hat.

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Alt. 1 BGB von größerer Relevanz.385 Weil das Vertrauen Dritter auf den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt nicht geschützt ist, sind die erbrechtlichen Anfechtungsvorschriften weiter gefasst als die des Allgemeinen Teils.386 Dies macht sich vor allem im Recht der Anfechtung wegen Motivirrtums bemerkbar, wonach jeder Irrtum im Beweggrund des Erblassers beachtlich ist.387 Gemäß § 2078 Abs. 2 BGB kann eine letztwillige Anordnung angefochten werden, „soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands [...] bestimmt worden ist“. Hier ist nicht die Erklärung selbst fehlerhaft, weil Wille und Auslegungsergebnis übereinstimmen; der Erblasser hat das erklärt, was er erklären wollte. Stattdessen erfolgte die Bildung des Willens fehlerhaft, sodass dieser auf einem irrigen388 Beweggrund fußt.389 Hierdurch ist die Verwirklichung der Motivation des Erblassers, die ihn zur Testamentserrichtung bewegte, bedroht. Dabei lässt sich der Anfechtungsgrund des § 2078 Abs. 2 BGB in einen objektiven und einen subjektiven Tatbestand aufspalten. Was den objektiven Tatbestand anbelangt, existieren bezüglich der Art des Irrtums im Beweggrund keine Grenzen. Es ist unerheblich, auf welchen konkreten Umstand die Nichtverwirklichung des Beweggrunds zurückzuführen ist.390 Der Irrtum kann sich daher auf Personen, Gegenstände, politische und wirtschaftliche Verhältnisse oder Rechtsverhältnisse beziehen.391 Dementsprechend ist auch der durch arglistige Täuschung herbeigeführte Irrtum ein Motivirrtum.392 Die Umstände, deren Eintritt oder Nichteintritt der Erblasser erwartet hatte, können durch seinen Willen gesteuert werden.393 Die Tat-

385 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1003 Rdnr. 1968. Ausführlich zum Motivirrtum Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991. 386 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 73; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1968; Heinz, Die Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 2 BGB wegen nicht bedachter Umstände, 1985, S. 1. 387 Foer, Die Regel „falsa demonstratio non nocet“. Unter besonderer Berücksichtigung der Testamentsauslegung, 1987, S. 156; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 999 Rdnr. 1962; Schubert/Czub, JA 1980, 257. 388 Müller-Freienfels kritisiert diese Terminologie als „wenig glücklich gewählt“. Er hält es für treffender, von einem „nicht erfüllt[en]“ oder „fehlgeschlagen[en]“ oder „enttäuscht[en]“ Beweggrund zu sprechen, Müller-Freienfels, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 409, 416. 389 Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 7; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1003 Rdnr. 1968. 390 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 40. 391 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 14. 392 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. 393 Vgl. RGZ 138, 373, 375 f.; 148, 221 f.

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sache, dass er deren Entwicklung beeinflussen kann, hindert die Annahme eines Motivirrtums also nicht.394 Erforderlich ist aber, dass der Irrtum den bewegenden Grund für die Verfügung darstellte,395 der Testator also anderenfalls die Anordnung nicht getroffen hätte.396 Dadurch werden marginale Fehlvorstellungen des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung als unerheblich eingeordnet.397 Mit Blick auf die Frage, welche Umstände der Tatbestand des § 2078 Abs. 2 BGB erfasst, über die der Erblasser irrt, gebietet die Norm eine etwas spezielle Lesart, die sich in der Weise nicht auf den ersten Blick aufdrängt.398 Bei unbefangener Betrachtung scheint der Anfechtungsgrund relativ eng zu sein und ausschließlich unvorhergesehene zukünftige Lücken abzudecken. Immerhin muss der Erblasser dem Wortlaut nach scheinbar einen konkreten (späteren) Umstand im Blick gehabt haben, wenn im Normtext von einer „irrige[n] Annahme des Eintritts oder Nichteintritts“399 eines Ereignisses die Rede ist, der ihn letztlich zur Verfügung „bestimmt“ hat.400 Hierum handelt es sich etwa, wenn der Erblasser davon ausgeht, der Bedachte werde sich auch in Zukunft ihm gegenüber wohlgefällig verhalten.401 Dabei können selbst Umstände, die erst nach dem Erbfall eintreten, eine Anordnung des Erblassers als irrig erscheinen lassen.402 Allerdings wird der Anfechtungsgrund nach einhelliger Ansicht nicht derart eng verstanden, dass er ausschließlich Irrtümer über zukünftige Ereignisse erfasst.403 Die besondere Lesart des Tatbestands machte auch etwa das BayObLG in einer seiner Entscheidungen deutlich: „Die Anfechtung wegen Motivirrtums i. S. von § 2078 Abs. 2 BGB kann 394 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 16. Nur wenn der Erblasser einen Anfechtungsgrund wider Treu und Glauben durch Schaffung entsprechender Umstände herbeiführt, ist die Anfechtung ausgeschlossen, BGHZ 4, 91; 37, 331, 334; kritisch hierzu Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 16. 395 BGH NJW-RR 1987, 1412, 1413; OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. 396 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; FGPrax 2008, 254, 258; BayObLG FamRZ 1997, 1436, 1437. 397 KG NJW 2001, 903, 906; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1008 Rdnr. 1975. 398 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1969 (Fn. 32). 399 Hervorhebung durch den Verfasser. 400 Zum hiervon erfassten Irrtum über zukünftige Ereignisse etwa OLG Köln FamRZ 1990, 1038; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 14; Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 541 f. 401 BGHZ 4, 91, 95. 402 RGZ 86, 206, 210; OLG München NJW 1983, 2577; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 17. 403 Insoweit eindeutig etwa BayObLG DNotZ 1995, 715, 716. Siehe auch Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 541 f.; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1969 (Fn. 32).

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nur auf solche irrigen Vorstellungen und Erwartungen gestützt werden, die die Erblasserin bei Errichtung der letztwilligen Verfügungen tatsächlich gehabt hat.“404 Hier wird die für Verwirrung stiftende Wendung „des Eintritts oder Nichteintritts“ eines Ereignisses ausgeklammert, das den ausschließlich zukünftigen Bezugspunkt suggeriert. Der Erblasser muss demzufolge nur allgemein einen Zustand und kein punktuelles Geschehen im Blick gehabt haben, welches letztlich eintreten oder ausbleiben muss.405 Dadurch, dass es bloß auf die irrige Annahme überhaupt eines Umstands ankommt, kann sich der Irrtum im Beweggrund auch auf einen Umstand beziehen, der schon zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung gegenwärtig war,406 was konsequenterweise dann auch vergangene Aspekte mit einbezieht –407 denn auch diese waren denklogisch bereits im Zeitpunkt der Errichtung angelegt. Abschließend bleibt festzuhalten, dass alle erfassten Formen gleichbehandelt werden, unabhängig davon, ob es sich um gegenwärtige, vergangene oder zukünftige Ereignisse handelt.408 Lenkt man nun den Blick auf den subjektiven Tatbestand des § 2078 Abs. 2 BGB, kommt es für die Feststellung eines Irrtums allein auf die Perspektive des Erblassers an, mitsamt seiner etwaigen Persönlichkeitsbesonderheiten. Gleichgültig ist, wie ein „verständiger Mensch“ agiert hätte.409 Relevant sind insbesondere solche Vorstellungen und Erwartungen, die der Erblasser tatsächlich im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gehabt hat und die sich letztlich als falsch herausstellen oder nicht eintreten. Wies die kognitive Vorstellungswelt des Erblassers solch real vorhandene Elemente auf, kann wegen Motivirrtums angefochten werden.410 Im Kontrast dazu hat ein hypothetischer Wille in dem Sinne, dass auch Vorstellungen und Erwartungen beachtlich wären, die der Erblasser bei Kenntnis der geänderten Umstände gehabt haben würde, keine Bedeutung.411 Für die Anfechtung wegen Motivirrtums

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BayObLG DNotZ 1995, 715, 716. Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 23; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1969 (Fn. 32). 406 RGZ 172, 83; BayObLG DNotZ 1995, 715, 716; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1969. 407 Vgl. etwa OLG München BWNotZ 2017, 22; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 14. 408 Ebenso Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1004 Rdnr. 1970. 409 BGH NJW 1963, 246, 248; OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. 410 BGH NJW 1963, 246, 247; OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1005 Rdnr. 1971; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 18. 411 BGH NJW 1963, 246, 247; vgl. OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. Damit anders als noch im Rahmen der ergänzenden Auslegung, bei der es um die Ermittlung und Durchsetzung eines hypothetischen Erblasserwillens ging, dazu oben § 2 A. I. 3. b) bb), S. 63 ff. und § 2 A. I. 3. d), S. 73 f. 405

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genügt es auch nicht, wenn der Erblasser von bestimmten Umständen bloß keine Kenntnis hatte.412 Während die eben geschilderten Fälle eine klare Zuordnung im Kontext des § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB ermöglichen, wird es hingegen problematischer, wenn der Erblasser bloß ganz diffuse bzw. unpräzise Überlegungen anstellte.413 Es reicht zumindest nicht aus, wenn er das Vorliegen eines betreffenden Umstands oder den Eintritt eines Ereignisses für wahrscheinlich oder möglich hielt. Dann hatte er nämlich auch die entgegengesetzten Möglichkeiten in seine Überlegungen miteinbezogen, sodass er folglich keinem Irrtum unterlag.414 Allerdings zählen zu den von § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB erfassten tatsächlichen Vorstellungen und Erwartungen nicht nur solche, die der Erblasser real in seinem Bewusstsein verankert hatte, sondern auch solche, die den Weg nicht in sein Bewusstsein fanden, die er aber seiner testamentarischen Verfügung als selbstverständlich zugrunde legte und jederzeit hätte in sein Bewusstsein rufen können.415 Damit können auch bloß allgemeine und unbestimmte Vorstellungen, betreffend zukünftiger Verhältnisse, zur Anfechtung i.S.d. § 2078 Abs. 2 BGB berechtigen (sogenannte unbewusste Vorstellungen).416 Daher genügt es, wenn der Erblasser bspw. davon ausging, sein Verhältnis zum Bedachten werde sich nicht verschlechtern, ohne dass er sich darüber im Zeitpunkt der Testamentserrichtung konkrete (bewusste) Gedanken gemacht hatte.417 Auch wurde es als selbstverständliche (unbewusste) Erwartung des Erblassers gewertet, dass er durch den Bedachten nicht grob fahrlässig – bspw. im Wege einer Trunkenheitsfahrt – getötet werde.418 In einem vom OLG München entschiedenen Fall, ging es ebenfalls um eine unbewusste Vorstellung. Dort setzte die Erblasserin ihren Enkel zum Alleinerben in einem eigenhändigen Testament ein. Der Nachlass bestand vor allem aus dem Grundstück der Erblasserin, die in dem darauf gelegenen Haus ihren Lebensabend verbrachte. Die Erblasserin wurde als „sehr fleißige, arbeitsame, nette ,typische Urmünchnerin‘“ beschrieben, die in ihrem Leben, wie ihr vorverstorbener Ehemann, hart gearbeitet hatte, um sich vor allem das Anwesen auf dem Grundstück leisten zu können. Am liebsten wäre

412

BGH FamRZ 1971, 638 Nr. 290, 640. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1005 Rdnr. 1971. 414 BayObLGZ 2000, 279, 287. 415 BGH FamRZ 1962, 256, 258; NJW 1963, 246, 247; NJW-RR 1987, 1412, 1413. 416 BGH NJW 1963, 246, 247; FamRZ 1962, 256, 258; KG NJW 2001, 903, 906; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1006 Rdnr. 1972. Ausführlich zum Begriff der unbewussten Vorstellung und der Entwicklung hin zu ihrer Anerkennung Pohl, „Unbewusste Vorstellungen“ als erbrechtlicher Anfechtungsgrund? Eine zivilrechtsdogmatische Untersuchung auf psychologischer Grundlage, 1976. 417 BGH NJW 1963, 246, 247 f.; KG NJW 2001, 903, 906. 418 BGH FamRZ 1971, 638 Nr. 290. 413

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es ihr gewesen, wenn ihr Enkel das Haus behalten und gepflegt hätte. Hilfsweise sollte er es jedenfalls wirtschaftlich vernünftig verwerten, um seine Zukunft finanziell abzusichern. Ihr Enkel gehörte indessen der „Hare-Krishna-Sekte“ an und veräußerte das Grundstück nach dem Erbfall an ebendiese. Dies entsprach jedoch ganz und gar nicht dem Interesse der Erblasserin. Sie unterstellte nämlich, dass ihr Enkel trotz bisheriger – ihr bekannter – Fehltritte in schulischer wie beruflicher Hinsicht der Familie und „bürgerlichen Vorstellungen und Anschauungen“ verbunden sei. Der Erblasserin war es wichtig, dass ihr Nachlass „weder vergeudet noch einem ihr fremden Personenkreis zugewendet“ wird. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ihr fleißig erarbeitetes Vermögen „verschwendet“ und Unbekannten zugewendet wird, dies war nie in ihrem Sinn. Im Fall einer Grundstücksveräußerung sollte der Erlös im Kreise der Familie verbleiben. Angesichts dessen hatte die Mutter des Erben die Anordnung wegen Motivirrtums der Erblasserin, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB, angefochten. Im darauffolgenden Erbschaftsprozess bestätigte das Gericht die Wirksamkeit der Irrtumsanfechtung, weil es für die Erblasserin selbstverständlich gewesen sei, dass das Grundstück nicht an eine Sekte veräußert werde (unbewusste Vorstellung).419 dd) Kausalität Für die Fälle des Erklärungs- und Inhaltsirrtums fordert § 2078 Abs. 1 BGB eine gewisse Erheblichkeit des Irrtums. Dies ist der Fall, wenn der Erblasser die testamentarische Verfügung bei Kenntnis der Sachlage auf diese Weise nicht abgegeben hätte.420 Dadurch ergibt sich zwangsläufig, dass der Erblasser einem Irrtum zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments unterliegen muss. Unterliegt er diesem erst nach der Testamentserrichtung, kann er für die konkrete testamentarische Bestimmung schon nicht kausal gewesen sein.421 Für die Erheblichkeit des Irrtums kommt es – anders als etwa bei § 119 Abs. 1 BGB – nur auf die subjektive Denk- und Betrachtungsweise des Testierenden an.422 Die Kausalität ist von demjenigen zu beweisen, der die testamentarische Bestimmung anfechten möchte.423 Bemerkt der Erblasser den Irrtum, ändert er die Anordnung jedoch bewusst nicht, stellt dies ein Indiz für die mangelnde Erheblichkeit des Irrtums dar.424 Unterlässt der Erblasser hingegen lediglich eine Korrekturhandlung, ohne dass es sich um eine bewiese419

OLG München NJW 1983, 2577 ff. Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 25; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1007 Rdnr. 1974. 421 BGHZ 42, 327, 332. 422 BGHZ 4, 91, 95; BGH NJW 1963, 246, 248; Schubert/Czub, JA 1980, 257. 423 Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 133 Rdnr. 409. Zur Beweislast auch schon oben § 2 A. I. 1. a), S. 18. 424 RGZ 77, 165, 170. 420

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nermaßen bewusste Nichtänderung handelt, ist hieraus noch kein Indiz für eine mangelnde Erheblichkeit abzuleiten. Immerhin ist es auch denkbar, dass der Erblasser bloß vergessen hatte, das Testament zu korrigieren.425 Im Ergebnis bleibt zu konstatieren, dass Fälle des § 2078 Abs. 1 BGB nur selten an der Kausalitätsprüfung scheitern, da die Irrtums- und die Kausalitätsprüfungen im Wesentlichen zusammenfallen. Immerhin werden unbedeutende Irrtümer schon nicht als Anfechtungsgrund anerkannt, sodass nur schwerwiegendere die Irrtumsprüfung überhaupt „überstehen“. In aller Regel scheitern diese sodann nicht an der Erheblichkeitsprüfung.426 Auch im Falle des § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB bedarf es einer bestimmten Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Anordnung, die der Anfechtende beweisen muss.427 Der Irrtum im Beweggrund muss dabei ein solches Gewicht haben, dass der Erblasser bei Kenntnis von dem Irrtum die Verfügung nicht getroffen hätte.428 Letztlich muss er ihn zur entsprechenden Verfügung veranlasst haben.429 Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen.430 Maßgeblich ist erneut die subjektive Perspektive des Erblassers, mitsamt sämtlicher Besonderheiten seiner Persönlichkeit.431 Wie schon im Rahmen des § 2078 Abs. 1 BGB kommt dem Kausalitätsmerkmal aber, entgegen dem ersten Anschein, keine maßgebliche Bedeutung bei, da unerhebliche Irrtümer im Beweggrund schon gar nicht als solche im Sinne des § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB anerkannt würden, sodass man in den seltensten Fällen an der Kausalitätsprüfung scheitert.432 Auf eine umgekehrte Beweislastregelung trifft man hingegen im Zusammenhang mit § 2079 BGB. Die Norm regelt mit der Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten einen Unterfall des Motivirrtums.433 Zwar trägt auch hier der Anfechtende die Beweislast für das Vorliegen des Anfechtungsgrunds gemäß § 2079 S. 1 BGB,434 jedoch sieht § 2079 S. 2 BGB im Weiteren aufgrund der besonderen Art des Irrtums vor, dass die Anfech425

OLG Frankfurt am Main FamRZ 1997, 1433, 1435; BayObLG NJW-RR 2002, 367,

370. 426

Ähnlich Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1008 Rdnr. 1975. RGZ 59, 33, 38 f. Diese Voraussetzung lässt sich schon dem Normtext des § 2078 Abs. 2 BGB entnehmen, wenn dort gefordert ist, dass der Erblasser durch den Irrtum zur Errichtung der testamentarischen Anordnung „bestimmt worden ist“. 428 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; FGPrax 2008, 254, 258; BayObLG FamRZ 1997, 1436, 1437; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1007 Rdnr. 1974. 429 BGH NJW-RR 1987, 1412, 1413; NJW 1963, 246, 248; WM 1971, 1153, 1154. 430 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23; BayObLG FamRZ 2003, 708, 710. 431 OLG München BWNotZ 2017, 22, 23. 432 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1008 Rdnr. 1975. 433 Czubayko, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 2079 Rdnr. 1. 434 BayObLG FamRZ 1997, 772, 773; 1985, 534, 535; OLG München NJW-RR 2008, 1112; Czubayko, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 2079 Rdnr. 21. 427

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tung ausgeschlossen ist, „soweit anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die Verfügung getroffen haben würde“. Damit unterstellt das Gesetz zugunsten des Anfechtenden, dass ihn der Erblasser nicht von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen hätte, wenn er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung von dessen Pflichtteilsberechtigung oder überhaupt von dessen Existenz Kenntnis gehabt hätte. Somit geht der Gesetzgeber im Regelfall von der Anfechtbarkeit der betreffenden Anordnung aus.435 Die geschilderte Vermutung zu widerlegen obliegt demjenigen, der sich auf die Gültigkeit der Verfügung beruft, also die Anfechtung verhindern will. Demzufolge trägt hier der Anfechtungsgegner die Beweislast.436 Dass der Erblasser durch gewisse Umstände, die sich seiner Kenntnis entzogen hatten (unbewusste Vorstellungen), nicht wirklich „bestimmt“ werden konnte, erscheint denklogisch. Insofern gerät die Rechtsprechung mit ihrer Konstruktion etwas in Bedrängnis. Auch mit Blick auf ein konkretes Beispiel erscheint es lebensfern, den Beweggrund der Anordnung darin zu sehen, dass sich der Bedachte weiterhin wohlgefällig verhalten werde,437 obwohl diese Erwartung im Zeitpunkt der Anordnung nicht einmal präsent war.438 Daher wird die Kausalitätsfrage hier aus einem anderen Blickwinkel beantwortet: Der Beweggrund wird hier in der im Zeitpunkt der Testamentserrichtung etwa vorhandenen Zuneigung gegenüber dem Bedachten oder in der Dankbarkeit für ein vergangenes Verhältnis verortet.439 Endet das Wohlverhalten des Bedachten gegenüber dem Erblasser,440 so wird die mit der testamentarischen Verfügung zum Ausdruck gelangende Dankbarkeit enttäuscht und der Beweggrund demzufolge nicht verwirklicht. Das Fehlen konkreter Vorstellungen (unbewusste Vorstellungen) wird damit „umgewandelt in die vermeintliche Vorstellung, es werde alles so bleiben, wie es ist“.441 In Anknüpfung an diese enttäuschte Erwartung muss schließlich überprüft werden, ob der Testierende anders verfügt hätte, sofern er dies vorhergesehen hätte. Kann dies bejaht werden, ist der Irrtum als erheblich einzustufen.

435

Czubayko, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 2079 Rdnr. 20. OLG Frankfurt am Main NJW-RR 1995, 1350; OLG Karlsruhe ZEV 1995, 454, 456; Czubayko, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 2079 Rdnr. 22. 437 BGH FamRZ 1971, 638 Nr. 290. 438 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1008 f. Rdnr. 1975. 439 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1008 Rdnr. 1975. 440 BGH FamRZ 1971, 638 Nr. 290. 441 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1010 Rdnr. 1978. 436

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b) Weitere Voraussetzungen der §§ 2078 ff. BGB Der Erblasser ist zwar nicht anfechtungsberechtigt,442 allerdings kann er das „stärkere Recht des freien Widerrufs“443 i.S.d. § 2253 BGB ausüben, das nicht an die engen Voraussetzungen einer Anfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB geknüpft ist.444 Ist der Erbfall aber eingetreten, kann er kraft Natur der Sache keinen Widerruf mehr erklären, sodass ihm das durch § 2253 BGB an seine Seite gestellte Recht keinen Nutzen mehr verspricht. In diesem Fall können nur noch Dritte die irrtumsbehaftete testamentarische Verfügung anfechten, sofern ihnen die Aufhebung der testamentarischen Verfügung „unmittelbar zustatten kommen würde“, wie § 2080 Abs. 1 BGB bestimmt. Ein Blick auf die Fassung des ersten BGB-Entwurfs (§ 1784 Erster Entwurf), dessen Formulierung der knapperen heutigen Form des § 2080 Abs. 1 BGB weichen musste, erhellt, was unter dem Kriterium der Unmittelbarkeit zu verstehen ist. Nach dieser Fassung sollte derjenige anfechtungsberechtigt sein, „welcher, wenn die letztwillige Verfügung nicht errichtet worden wäre, als Erbe oder Vermächtnisnehmer berufen oder von einer Beschwerung befreit sein oder ein Recht erlangt haben würde“.445 Am häufigsten geht es hierbei um die Anfechtung einer Erbeinsetzung seitens einer Person, die durch die Aufhebung der Verfügung in die Position des gesetzlichen Erben einrücken würde. Ebenfalls unmittelbar zustatten kommt die Anfechtung einer testamentarischen Verfügung bspw. einem Ersatzerben, der die Alleinerbeinsetzung eines Dritten anficht. Denn dann würde der Anfechtende direkt in die Position des Alleinerben einrücken. Im Kontrast dazu würde es an der Unmittelbarkeit fehlen, wenn etwa ein zweitrangiger Ersatzerbe die Alleinerbenstellung eines Dritten anfechten wollte. In dessen Position würde bei wirksamer Anfechtung nämlich der erstrangige Ersatzerbe einrücken, sodass nur diesem, nicht aber dem zweitrangigen, die Anfechtung unmittelbar zustatten kommen würde. Demzufolge wäre auch bloß der erstrangige Ersatzerbe anfechtungsberechtigt.446 Weiterhin sind in § 2080 Abs. 2

442 Schubert/Czub, JA 1980, 257, 262; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 2. 443 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 170. 444 Kritisch dazu, dass das Recht des Widerrufs als Begründung für das Fehlen des Selbstanfechtungsrechts des Erblassers angeführt wird: Zimmer, NJW 2007, 1713, 1714. 445 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 525. 446 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1024 f. Rdnr. 1998 ff., der darüber hinaus weitere Beispiele nennt.

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und 3 BGB Sonderfälle geregelt, die den Kreis der Anfechtungsberechtigten eingrenzen, deren Praxisrelevanz aber als gering einzustufen ist.447 Gemäß § 2081 Abs. 1 BGB hat die Anfechtungserklärung stets mündlich oder schriftlich448 und grundsätzlich gegenüber dem sachlich449 wie örtlich450 zuständigen Nachlassgericht (und zu Protokoll der Gerichtsgeschäftsstelle, § 25 FamFG) zu erfolgen.451 Dadurch soll sichergestellt werden, dass vor allem diejenigen, denen eine erfolgreiche Anfechtung zum Nachteil gereichen würde, hinreichend zuverlässig über den Vorgang informiert werden, § 2081 Abs. 2 S. 1 BGB. Ist der anzufechtende Verfügungsinhalt in § 2081 Abs. 1 BGB nicht genannt, greift § 143 Abs. 4 S. 1 BGB ein, der auf das Kriterium des unmittelbaren rechtlichen Vorteils verweist und denjenigen als Anfechtungsgegner ansieht, dem ein solcher durch die Anordnung zukommt. Dies ist vor allem bei der Anfechtung von Vermächtnissen bedeutend. Geht es um eine Verfügung, die wie die Auflage niemandem einen rechtlichen Vorteil verschafft, gelangt § 2081 Abs. 3 BGB zur Anwendung, bei dem wiederum das Nachlassgericht der Erklärungsempfänger ist.452 Im Gegensatz zu den Formen der Auslegung453 steht das Anfechtungsrecht dem Anfechtungsberechtigten nicht zeitlich unbegrenzt zu. Da „die Anfechtung erhebliche Verwicklungen schafft und viele Dritte berühren kann“, hat sich der Gesetzgeber für eine einheitliche Jahresfrist entschieden, § 2082 BGB.454 Diese beginnt allerdings erst mit Kenntnis des Anfechtungswilligen vom Anfechtungsgrund und der diesen begründenden Tatsachen zu laufen, § 2082 Abs. 2 S. 1 BGB. Sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen.455 Unabhängig davon, ob der Anfechtungsberechtigte Kenntnis vom Willensmangel und die diesen begründenden Umstände erlangt oder nicht, erlischt das Anfechtungsrecht nach 30 Jahren, § 2082 Abs. 3 BGB. Ist diese Frist verstrichen, bleibt dem ursprünglich Anfechtungsberechtigten nur noch die Möglichkeit, die Anfechtbarkeitseinrede zu erheben, § 2083 BGB. Wird gegen ihn als Erben etwa ein Vermächtnisanspruch geltend gemacht, kann er diesen zwar nicht (mehr) durch Anfechtung beseitigen, aber immerhin durch § 2083 BGB darauf verweisen, dass er damals hätte anfechten können und damit die Durchsetzbarkeit des Vermächtnisanspruchs verhindern.456 447

So auch Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1026 Rdnr. 2003. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1029 Rdnr. 2009. 449 Gemäß § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG ist das AG sachlich zuständig. 450 Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 343 FamFG. 451 Näher hierzu etwa Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2081 Rdnr. 8 ff. 452 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1027 Rdnr. 2006. 453 Siehe oben § 2 A. I. 2. b), S. 54 und § 2 A. I. 3. c), S. 73. 454 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 31. 455 Schubert/Czub, JA 1980, 334, 335. 456 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1033 Rdnr. 2016. 448

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Abschließend stellt sich noch die Frage, ob die Andeutungstheorie auch bei der Anfechtung zur Anwendung gelangt. Denkbar wäre etwa, dass die Anfechtung von einer Verankerung des Willensmangels im Testamentswortlaut abhängig gemacht wird. Während das Erfordernis einer hinreichenden Stütze des ermittelten Erblasserwillens bzw. der Willensrichtung im Rahmen der Auslegung auf dem Wege zur Verwirklichung des (hypothetischen) Erblasserwillens eine bedeutende Rolle spielt,457 kommt diesem bei der Anfechtung jedoch überhaupt keine Bedeutung bei.458 Für die Feststellung, dass es sich um einen Willensmangel handelt, bedarf es keiner Ableitbarkeit des Willensmangels aus der Testamentsurkunde.459 Existiert ein solcher Anhaltspunkt hingegen, führt er in der Rechtsprechung teils zu der widerleglichen Vermutung, dass der Irrtum erheblich ist.460 Freilich ist der Gegenbeweis, dass dieser Umstand nicht das den Erblasser bewegende Motiv gewesen ist, weiterhin zulässig.461

457

Siehe dazu oben einerseits § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. und andererseits § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. 458 BGH NJW 1965, 584; BGHZ 4, 91, 95; anders noch für Fälle des Motivirrtums im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 524, wenn es dort in § 1781 Erster Entwurf heißt: „Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu derselben durch einen auf die Vergangenheit oder die Gegenwart sich beziehenden Irrthum bestimmt worden ist, oder wenn der Erblasser zu der Verfügung durch die Voraussetzung des Eintrittes oder Nichteintrittes eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges bestimmt worden ist und die Voraussetzung sich nicht erfüllt hat. Die Verfügung ist nur dann anfechtbar, wenn der Irrthum aus der Verfügung zu entnehmen oder die Voraussetzung in derselben ausdrücklich oder stillschweigend erklärt ist.“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 459 BGHZ 4, 91, 95; BGH NJW 1965, 584: Der BGH formuliert bezüglich der in Rede stehenden Willensmängel des § 2078 BGB im Zusammenhang mit der Frage einer notwendigen Andeutung, dass sich „[d]erartige Mängel [...] häufig nicht aus der Urkunde selbst ersehen [lassen]. Deshalb muß sich die Prüfung, ob sie vorliegen, notwendig auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände erstrecken, und es ist nicht Voraussetzung für die Feststellung eines Willensmangels, daß sich für dessen Vorliegen Anhaltspunkte aus der Verfügung selbst ergeben. [...] Daher kann und muß das Gericht alle vorgetragenen wesentlichen Umstände berücksichtigen; es besteht kein gesetzlicher Grund und damit keine rechtliche Möglichkeit, mündliche Äußerungen hierbei außer Betracht zu lassen, oder als Voraussetzung einer erfolgreichen Anfechtung nach § 2078 BGB zu fordern, daß sich ein Anhaltspunkt für einen Willensmangel aus der letztwilligen Verfügung selbst ergebe.“ 460 Für eine widerlegbare tatsächliche Vermutung in diesem Sinne etwa KG NJW 2001, 903, 906; BayObLG FamRZ 1990, 211, 213. Zur notwendigen Erheblichkeit des Irrtums schon oben § 2 A. II. 2. a) dd), S. 85 ff. 461 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 38.

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3. Grenzen Im Einzelfall kann eine intendierte Anfechtung sittenwidrig und deshalb unzulässig sein.462 Dasselbe gilt, wenn der Anfechtungsberechtigte damit gegen Treu und Glauben verstoßen würde.463 Da man dem Anfechtungsberechtigten keine privatautonom gesetzte Frist dahingehend vorgeben kann, sich zu entscheiden, ob er anfechten möchte oder nicht, und damit Ungewissheit für den von der Verfügung Begünstigten besteht, sieht § 144 Abs. 1 BGB die vorzeitige Beendigung dieser Frist durch Bestätigung vor.464 Diese Bestätigung erfolgt gemäß § 144 Abs. 2 BGB formlos und durch die Kenntlichmachung nach außen, die Verfügung bestehen lassen zu wollen.465 4. Rechtsfolge Im Regelfall wird eine einzelne (irrtumsbehaftete) testamentarische Anordnung angefochten, die daraufhin gemäß § 142 Abs. 1 BGB nichtig ist (ex-tunc Wirkung).466 Bisweilen kann eine erfolgreiche Anfechtung auch die Nichtigkeit des gesamten Testaments nach sich ziehen, was sich anhand von § 2085 BGB beurteilt.467 Die erfolgreiche Anfechtung zieht stets nur die Kassation des nicht dem Erblasserwillen entsprechenden Auslegungsergebnisses nach sich. Das führt dazu, dass die Rechtslage nach wirksamer Beseitigung der Anordnung in aller Regel nicht den wahren Willen des Erblassers widerspiegelt,468 weil sie zum Eintritt der gesetzlichen Erbfolge führt.469 Darüber hinaus 462

RGZ 138, 373, 374. Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 44. 464 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1035 Rdnr. 2017. Strittig ist, ob der Erblasser die irrtumsbehaftete Verfügung bestätigen kann, vgl. dazu Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 44. Jedenfalls liegt aber in einer bewusst unterlassenen Änderung des Testaments durch den Erblasser, nachdem dieser Kenntnis vom Irrtum erlangte, ein Ausschlussgrund hinsichtlich der Anfechtung vor, vgl. schon oben § 2 A. II. 2. a) dd), S. 85 f. 465 Vgl. Busche, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2018, § 144 Rdnr. 4 ff. 466 RGZ 70, 391, 394; BGH NJW 1985, 2025; BayObLG ZEV 2006, 209, 211; Schubert/ Czub, JA 1980, 334, 336. Anders noch für Fälle des Erklärungs- und Inhaltsirrtums im Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 523, wenn es dort in der betreffenden Passage des § 1779 Erster Entwurf heißt: „Stimmt bei einer letztwilligen Verfügung der wirkliche Wille des Erblassers mit dem erklärten nicht überein, so ist die letztwillige Verfügung nichtig.“ 467 BGH NJW 1985, 2025; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 998 Rdnr. 1960; Schubert/Czub, JA 1980, 334, 337. Näher zu § 2085 BGB etwa Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 370 ff. 468 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1036 Rdnr. 2020; Müller-Freienfels, in: Festschrift für Gerhard Schiedermair, 1976, S. 409, 424; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 707. Im Weiteren zur kritikwürdigen Rechtsfolge der Anfechtung etwa Schulz, in: Gedächtnis463

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hat die Anfechtung hier eine drastischere Wirkung als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden. Zwar entfaltet sie in beiden Fällen bloß negative Wirkung, indem sie nur beseitigt und nicht korrigiert. Allerdings hat der Erklärende bei Rechtsgeschäften unter Lebenden zumindest im Nachgang an die erfolgreich erklärte Anfechtung die Chance, die Erklärung berichtigend nachzuholen. Diese Möglichkeit entfällt hier zwangsläufig, wenn der Erblasser bereits verstorben ist.470 Eine positive Wirkung der Anfechtung, die reformierend wirken und den Erblasserwillen verwirklichen würde,471 würde aber dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 142 Abs. 1 BGB widersprechen.472 Die Anfechtung greift damit zwar nicht das Interesse des Erblassers an der Durchsetzung seines wahren Willens auf, kommt diesem aber zumindest insoweit (negativ) nach, als sie die Beseitigung eines ihm entgegenstehenden Auslegungsergebnisses bewirkt.473 Dabei entfaltet die Rechtsfolge der Nichtigkeit gegenüber allen Beteiligen, nicht nur zugunsten des Anfechtenden, absolute Wirkung.474 Ferner macht sich der Anfechtende gemäß § 2078 Abs. 3 BGB nicht nach § 122 BGB schadensersatzpflichtig.475 Während mit der Anfechtung zwar im Grundsatz die irrtumsbehaftete letztwillige Anordnung als solche angegriffen wird, kann sie aber auch nur zum Teil angefochten werden (Teilanfechtung). Diese Möglichkeit eröffnet das Wort „soweit“ in § 2078 Abs. 1 und 2 BGB476 und bezieht sich auf die

schrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77, der davon spricht, die unbefriedigende Lösung des Anfechtungsrechts beleidige das Rechtsgefühl; Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 375: „[Die] Anfechtung wird dem wirklichen Willen infolge ihrer Zweischneidigkeit sehr oft nicht gerecht.“ Um eine seltene Ausnahme handelt es sich bei RGZ 70, 391, dazu schon oben § 2 A. II. 2. a) aa) S. 79 f. und Fn. 380. 469 So verweist etwa Schulz darauf, dass es „widerspruchsvoll“ sei, „die getroffene Verfügung zu vernichten, weil sie der Testator bei Irrtumsfreiheit nicht getroffen haben würde, und damit eine Rechtslage herbeizuführen, die der Erblasser bei Irrtumsfreiheit gleichfalls nicht gewollt haben würde“, siehe Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 78. 470 Vgl. Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 128. 471 Für eine positive Wirkung der Anfechtung plädiert etwa Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 78, 86, dazu noch unten § 5 B. II., S. 291 ff. 472 Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 4; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1036 Rdnr. 2022. 473 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 8. 474 BGH NJW 1985, 2025; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1037 Rdnr. 2023. 475 Allerdings ist der Verweis missglückt, weil § 122 BGB die Anfechtung nach §§ 2078 ff. BGB nicht nennt. 476 Vgl. RGZ 70, 391, 395; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 37.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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Reichweite des jeweiligen Irrtums. Für eine solche Teilanfechtung muss die konkrete Anordnung teilbar sein.477 Hat ein Erblasser bspw. ein Vermächtnis an seinen Neffen in Höhe von „10.000,– †“ angeordnet, sich aber versehentlich verschrieben und eigentlich bloß „1.000,– †“ an diesen vermachen wollen,478 können Dritte die testamentarische Verfügung anfechten, „soweit“ der Irrtum reicht, vgl. § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB, und sofern die übrigen Voraussetzungen der §§ 2078 ff. BGB erfüllt sind.479 Hätte sich der Erblasser nicht verschrieben, hätte er seinem Neffen 9.000,– † weniger vermacht, sodass die Verfügung infolgedessen in Höhe dieses Betrages im Wege der Anfechtung beseitigt werden kann.480 Ausnahmsweise entfaltet die (Teil-)Anfechtung hier einmal quasi-reformierende Wirkung, was auf einer Wechselwirkung zwischen ihren dogmatischen Besonderheiten und den speziellen Gegebenheiten des Einzelfalls beruht. Die konkrete Ausgestaltung des Anfechtungsinstruments bewirkt nämlich, dass eine Rechtslage herbeigeführt wird, die dem Erblasserinteresse noch am ehesten entspricht. In diesem Sinne moderierend wirkt hier die Möglichkeit der Teilanfechtung. Ebenfalls in diese Richtung geht der Aspekt, dass nur die einzelne irrtumsbehaftete Anordnung angefochten wird und nicht das gesamte Testament. Darüber hinaus kann in diesem Zusammenhang das Kausalitätserfordernis zwischen Irrtum und konkreter Verfügung angeführt werden. Auch die Umkehrung des oben geschilderten Falls dahingehend, dass das Vermächtnis diesmal zu gering ausgesetzt wird, also etwa bloß „1.000,– †“ anstatt der angedachten „10.000,– †“ vermacht werden, belegt die beschriebene Tendenz des Anfechtungsrechts. Hier kann die Anordnung nämlich nicht angefochten werden. Stattdessen wird die Verfügung aufrechterhalten, weil der Erblasser den Betrag sowieso vermachen wollte. Der Irrtum wirkt sich also nicht im geforderten Sinne aus, weshalb jedenfalls die Irrtumskausalität verneint wird.481 Somit bleibt die Kassation des objektiven Bedeutungsgehalts mit den „1.000,– †“ aus, sodass zumindest dieser Wert vermacht wird. Dies entspricht dem Erblasserwillen jedenfalls eher als dass der Neffe überhaupt nicht Vermächtnisnehmer würde. Allerdings haben diese Tendenzen der Anfechtung ihre Grenzen und können nicht immer dazu führen, dass sie dem originären wahren Willen zum Durchbruch verhelfen oder ihn zumindest noch im Ansatz berücksichtigen.

477

Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 37. Fall nach Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 37. 479 Vgl. RGZ 70, 391; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 37. 480 Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 37. 481 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1003 Rdnr. 1967; Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 31. 478

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§ 2 Deutsches Recht

5. Praktische Anwendungsbereiche a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Auf den ersten Blick scheint es sich bei dem Anfechtungsrecht um das Rechtsinstitut schlechthin zu handeln, mit dessen Hilfe auf sämtliche, der Untersuchung zugrunde liegenden, Varianten der Abweichung von Erblasserwille und Testamentswortlaut reagiert werden kann. Allerdings wurde der Anwendungsbereich des § 2078 BGB durch die jahrzehntelange fortschreitende Liberalisierung der Auslegung immer weiter zurückgedrängt, sodass der durch den Normtext vermittelte Schein einer großen Relevanz der Irrtumsanfechtung trügt. Was den grundsätzlichen Anwendungsbereich der Irrtumsanfechtung anbelangt, können nicht starr Fälle herausgedeutet werden, in denen der kassatorische Rechtsbehelf stets Platz greifen würde. Bei der zuvor stattfindenden Auslegung handelt es sich nämlich um eine einzelfallabhängige Betrachtung, deren Ausgang vor allem durch das ebenso im Einzelfall zu beurteilende Andeutungskriterium bestimmt ist. Während bei Erklärungsirrtümern unbekannt ist, ob sie überhaupt je vorkamen, sind Fälle, die sich grundsätzlich im Regelungsbereich eines Inhaltsirrtums bewegen, praxisrelevanter. Allerdings lassen sich die meisten dieser Fälle bereits im Rahmen der erläuternden Auslegung lösen. Obwohl die Konturen der Andeutungstheorie unklar sind, fungiert sie immerhin als maßgeblicher Entscheidungsfaktor, der darüber bestimmt, ob der Erblasserwille infolge seiner hinreichenden Andeutung durchgesetzt wird oder ob es beim Auslegungsergebnis, das den objektiven testamentarischen Sinngehalt wiedergibt, bleibt. Im letzteren Fall besteht sodann die Möglichkeit zur Anfechtung. Darüber hinaus gelangt die Anfechtung zur Anwendung, wenn der Rechtsanwender zwar feststellen kann, dass der objektive Testamentsbedeutungsgehalt nicht dem wahren Willen des Erblassers entspricht, aber zugleich nicht ermittelt werden kann, was der Erblasser eigentlich ausdrücken wollte. Hier könnte der Anfechtungsberechtigte jedenfalls die dem Erblasserwillen widersprechende Verfügung anfechten.482 Dies ist vor allem im Kontext des § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB bedeutend. Zieht man etwa den Fall heran, in dem der Erblasser durch den Bedachten grob fahrlässig im Zuge einer Trunkenheitsfahrt getötet wurde,483 wird man 482

BGH LM § 2100 Nr. 1; Glaus, Irrtumsanfechtung und Auslegung beim Testament. Eine Analyse des schweizerischen Rechts unter Mitberücksichtigung der deutschen und der französischen Rechtsordnung, 1982, S. 92; zurückhaltender Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 143; Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77. 483 Oben § 2 A. II. 2. a) cc), S. 84.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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es in der Regel einfach haben, zu beweisen, dass die testamentarische Einsetzung des Trunkenheitsfahrers nicht (mehr) dem Willen des Erblassers entsprach. Ungleich schwieriger gestaltet sich die dahingehende Aufklärung jedoch, was er stattdessen testiert hätte. Daher hat die Anfechtung wegen Motivirrtums insgesamt die größte Bedeutung im Anfechtungsrecht. Eine exakte Abgrenzung zur ergänzenden Auslegung gelingt allerdings nicht.484 Es ist nebulös, wie weit die Auslegung reichen darf und wann sie in Anwendungsfelder eindringen würde, die der Anfechtung vorbehalten sind.485 Während darauf verwiesen wird, die ergänzende Auslegung dürfe eine Anordnung nur „weiter- oder zu-Ende-denken“, aber inhaltlich keine neue Verfügung kreieren,486 mag dies zwar „die richtige Richtung“ vorgeben.487 Exakte Kriterien, die bestimmen würden, wo das eine aufhört und das andere beginnt, werden indessen vermisst.488 Auch wenn die ergänzende Auslegung nach einem hypothetischen Willen sucht, der die Lücke schließen soll und die Anfechtung wegen Motivirrtums einen real vorhandenen Willen im Zeitpunkt der Abfassung des Testaments voraussetzt, sodass scheinbar ein Exklusivitätsverhältnis besteht, überschneiden sich die beiden Anwendungsbereiche dann doch im Übrigen recht deutlich.489 Die im Kontext der ergänzenden Auslegung geforderte Lücke ist nämlich nichts anderes als die Folge einer enttäuschten Motivation,490 sodass auf dieser konkreten tatbestandlichen Seite zwischen Auslegung und Anfechtung kein Unterschied besteht. Zudem werden durch die Akzeptanz der unbewussten Vorstellungen als Anfechtungsgrund erhebliche Abstriche bei der Anforderung an einen real vorhandenen Willen gemacht, obwohl § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB einen derartigen eigentlich verlangt. Das Kriterium verliert dementsprechend deutlich an Konturen. „Der entscheidende Unterschied“ wird daher in der Praxis sein, ob „sich die

484

Anders hingegen Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 123: „[...] so ist deren Abgrenzung gegenüber dem Motivirrtum äußerst einfach, scharf und klar.“ Skeptisch hingegen Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1011 Rdnr. 1979. 485 Siehe für eine vertiefte Auseinandersetzung Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1011 ff. Rdnr. 1979 ff. 486 Vgl. BayObLG FamRZ 1986, 604, 608; BayObLGZ 1988, 165, 168; Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 98; Keuk, Der Erblasserwille post testamentum und die Auslegung des Testaments, 1965, S. 85. 487 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1011 Rdnr. 1979. 488 Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357, 360. 489 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1011 ff. Rdnr. 1979 ff. 490 Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 145; Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703; ähnlich Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357.

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§ 2 Deutsches Recht

erforderliche Gewißheit darüber verschaffen lässt, wie der Erblasser verfügt haben würde, wenn er die spätere Entwicklung vorausgesehen hätte“.491 Dann wird die Rechtspraxis die Reformation häufig über die ergänzende Auslegung erreichen. Zusammengefasst bleibt zu konstatieren, dass das Anfechtungsrecht grundsätzlich geeignet ist, auf nahezu sämtliche der hier zugrunde liegenden Konstellationen zu reagieren. Zugleich hat es aber seinen Anwendungsbereich aufgrund der stetigen Ausweitung der Auslegung fast vollends verloren. Das Institut der Anfechtung spielt daher nur eine äußerst untergeordnete Rolle bei der Bewältigung des sozialen Konflikts und hat den Charakter eines Auffangtatbestands. Denn erst wenn feststeht, dass der Erblasserwille mit Hilfe der Auslegung nicht verwirklicht werden kann, ist der Anwendungsbereich der Anfechtung eröffnet. Dabei führt sie zwar nicht zur Durchsetzung des Erblasserwillens, immerhin kann sie aber ein diesem widersprechendes Auslegungsergebnis beseitigen. b) Anwendung auf Fallbeispiele Sämtliche zugrunde liegenden Fallvarianten können bereits im Wege der Auslegung gelöst werden, sodass sich der wirkliche Erblasserwille durchsetzt. Mangels Irrtums verbleibt kein Raum für die Anfechtung. Dies bestätigt den Befund, dass die Anfechtung kaum noch einen Anwendungsbereich hat. Um aber zu verdeutlichen, wann die Anfechtung Platz greifen würde, sei der Fall der Alleinerbeneinsetzung der „Martha“ anstatt der „Magda“492 in einer geringfügigen Abwandlung angeführt, in der der Erblasser etwa testiert: „Hiermit setze ich Martha zu meiner Alleinerbin ein.“

Sobald der Zusatz „meine einzige Nichte“ im Testamentswortlaut fehlt, würde die Durchsetzung des wirklich Gewollten an der Andeutungstheorie scheitern. Denn hier ergibt sich keine hinreichende Stütze für das wirklich Gewollte aus dem Urkundenwortlaut. Dadurch, dass nur der (falsche) Name einer Bedachten genannt wird, lässt der Wortlaut der Testamentsurkunde keine Rückschlüsse auf den Erblasserwillen zu. Der wahre Wille, „Magda“ testamentarisch zu bedenken, kann mangels Anhalts nicht für das Auslegungsergebnis berücksichtigt werden. Die objektive Einsetzung der Schwester „Martha“ würde das Auslegungsergebnis widerspiegeln und die formgültige testamentarische Verfügung verkörpern. Demzufolge würden Erblasserwille und Auslegungsergebnis auseinanderfallen, sodass Raum für die Anfechtung wegen Erklärungsirrtums, § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB, bestünde.493 491

Sieker, AcP 201 (2001), 697, 703; ähnlich Kuchinke, in: Festschrift für Hans Friedhelm Gaul zum 70. Geburtstag: 19. November 1997, 1997, S. 357; Gerhards, JuS 1994, 642, 644. 492 Dazu oben § 1 A., S. 6 f.

B. Zusammenfassung

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B. Zusammenfassung Die deutsche Rechtsordnung stellt also Institute bereit, um sämtliche, dem Untersuchungsgegenstand zugrunde liegenden, Varianten eines Auseinanderfallens von Erblasserwille und Testamentswortlaut zu bewältigen. Dabei nimmt die Auslegung eine bedeutende Rolle im Problemlösungsansatz für den sozialen Konflikt ein. Sie ist kein förmlicher Rechtsbehelf und weder form- noch fristgebunden. Mit Hilfe der erläuternden Auslegung494 kann sowohl auf Fälle eines Verschreibens oder Versprechens als auch auf fehlverstandene verwendete Begriffe des Erblassers in seiner testamentarischen Verfügung reagiert werden. Mit ihrer reformierenden Wirkung ermöglicht sie es, den wahren Erblasserwillen durchzusetzen und den objektiven Bedeutungsgehalt der Anordnung zu kassieren.495 Dafür muss entweder für das wirklich Gewollte eine hinreichende Andeutung im Testamentswortlaut gefunden werden, um es als Auslegungsergebnis annehmen zu können,496 oder die Abweichung der verwendeten Begrifflichkeit vom allgemeinen Sprachgebrauch auf dem seltenen Fall eines nachweisbar besonderen, individuellen Sprachgebrauchs des Erblassers basieren, sodass nach Auslegung aus Perspektive des Erklärenden-Horizonts ohnehin bereits das „Richtige“ erklärt wurde.497 Für den Fall eines nicht umgesetzten Beweggrunds des Erblassers ist demgegenüber die ergänzende Testamentsauslegung498 maßgeblich. Sie ermöglicht es, planwidrige Lücken in testamentarischen Anordnungen durch die Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens zu schließen.499 Auch hier gilt die Andeutungstheorie, die in diesem Kontext eine Stütze für die Willensrichtung des Erblassers fordert.500 In den meisten Fällen wird es für die Durchsetzung des Erblasserwillens darauf ankommen, dass das wirklich Gewollte bzw. die dahingehende Willensrichtung einen – wenn auch noch so unvollkommenen oder versteckten – Anhaltspunkt im Testamentswortlaut findet. So „hart“ die Heranziehung der Andeutungstheorie auf den ersten Blick auch erscheint, so wird bei der Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex deutlich, dass die Rechtsprechung im Falle der tatsächlichen Ermittlung des Erblasserwillens bemüht ist, diesem auch Geltung zu verschaffen und eine entsprechende Andeutung zu finden. Immerhin lässt sich angesichts dessen eine liberale Tendenz erkennen. 493

Vgl. Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 935, 1000 f. Siehe § 2 A. I. 2., S. 21 ff. 495 Siehe § 2 A. I. 2. c), S. 54 f. 496 Siehe § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (b), S. 42 ff. 497 Siehe § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 47 ff. 498 Siehe § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 499 Siehe § 2 A. I. 3. d), S. 73 f. 500 Siehe § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. 494

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§ 2 Deutsches Recht

Dieser Befund wird dadurch bestätigt, dass es schwerfällt, überhaupt Beispiele für Fälle fehlender Andeutungen zu finden. Im Kontext der höchstrichterlich entschiedenen Sachverhalte sind diese meist nur dort zu finden, wo es schon überhaupt an einer testamentarischen Verfügung mangelte und eine solche von vornherein unterlassen wurde.501 Fehlt es einmal an der nötigen Stütze des wirklich Gewollten in der Testamentsurkunde, kann der ermittelte Erblasserwille hingegen nicht für das Auslegungsergebnis herangezogen werden. In diesem Fall weichen Erblasserwille und Auslegungsergebnis voneinander ab, was den Raum für eine Anfechtung gemäß § 2078 Abs. 1 BGB eröffnet.502 Auch wenn im Zuge der ergänzenden Auslegung der hypothetische Erblasserwille nicht festgestellt oder eine hinreichende Andeutung der Willensrichtung nicht gefunden werden kann, verbleibt die Möglichkeit der Anfechtung der Anordnung wegen Motivirrtums, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB.503 Im Unterschied zur Auslegung handelt es sich bei der Anfechtung um einen förmlichen Rechtsbehelf, der form- und fristgebunden ist.504 Das Anfechtungsrecht fordert zwar keine Stütze im Wortlaut dafür, dass der Erblasser einem Irrtum unterlag. In solchen Fällen sieht die Rechtsordnung allerdings auch bloß negativ die Beseitigung des objektiven Bedeutungsgehalts vor. Eine erfolgreiche Anfechtung zieht keine reformierende Wirkung nach sich, die den Erblasserwillen positiv durchsetzen würde. Eine quasi-reformierende Wirkung kann sich nur im Einzelfall aus einer Wechselwirkung zwischen der gesetzlichen Struktur des Anfechtungsrechts und den Besonderheiten des zu entscheidenden Sachverhalts ergeben, weshalb ein solches Produkt eher zufällig erscheint.505 Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Auslegung einen breiten Wirkungskreis hat, wodurch die Anfechtungsvorschriften fast vollständig ihren Anwendungsbereich einbüßen. Zudem stehen die beiden Institute in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander.506 Allerdings ist dies nicht von vornherein als negatives Phänomen aufzufassen: Zwar verkürzt die liberale Auslegungsmethode letztlich den Anwendungsbereich der §§ 2078 ff. BGB, das bedeutet aber im Umkehrschluss nichts anderes, als dass das Bestreben zu verzeichnen ist, den Erblasserwillen so weit wie möglich zu verwirklichen. Immerhin führt die Vernichtung des objektiven Bedeutungsgehalts im Wege der Anfechtung meist zu einem ungewollten Ergebnis, nämlich dem Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Allein die Tatsache, dass der Erblasser überhaupt 501

Siehe § 2 A. I. 2. a) cc) (4), S. 51 f. (erläuternde Auslegung) und § 2 A. I. 3. b) cc) (3), S. 70 ff. (ergänzende Auslegung). 502 Siehe § 2 A. II. 2. a) aa), S. 78 f. und § 2 A. II. 2. a) bb), S. 80. 503 Siehe § 2 A. II. 2. a) cc), S. 80 ff. 504 Siehe § 2 A. II. 2. b), S. 88 ff. 505 Siehe § 2 A. II. 4., S. 91 ff. 506 Siehe § 2 A. II. 1., S. 77 und § 2 A. II. 5., S. 94 ff.

B. Zusammenfassung

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ein Testament errichtete, zeigt, dass die gesetzliche Erbfolge nicht in seinem Sinne war. Denn die Errichtung einer testamentarischen Verfügung ist in aller Regel Ausdruck einer bewussten Entscheidung gegen die von Gesetzes wegen vorgesehene Erbfolge.507

507 Besonders deutlich im Kontext der englischen Testamentsauslegung Re Harrison, (1885) 30 Ch. D. 390, 393, per Lord Esher M.R.: „There is one rule of construction, which to my mind is a golden rule, viz., that when a testator has executed a will in solemn form you must assume that he did not intend to make it a solemn farce – that he did not intend to die intestate when he has gone through the form of making a will. You ought, if possible, to read the will so as to lead to a testacy, not an intestacy. This is a golden rule.“

§3

Englisches Recht A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens Im englischen common law existieren mit der interpretation und der rectification zwei Rechtsinstitute, die auf einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen reformierend zugunsten des wirklich Gewollten reagieren können. Die nachfolgend dargestellte Rechtslage geht von einem Versterben des Erblassers nach dem 31. Dezember 1982 aus, sodass der sachliche Anwendungsbereich der relevanten statutory rules in Form von sec. 20 und 21 AoJA 1982 zumindest in zeitlicher Hinsicht eröffnet ist.1 Zunächst wird die interpretation behandelt, bevor im Anschluss daran die rectification erörtert wird.2

I. Interpretation Der Bedeutungsgehalt einer testamentarischen Verfügung (will) wird im Wege der richterlichen interpretation ermittelt. Für diesen Vorgang existieren einerseits allgemeingültige und andererseits spezielle Regeln, wobei sich letztere durch einen spezifischen Zuschnitt auf erbrechtliche Sonderkonstellationen auszeichnen. Weit überwiegend wurden die für die interpretation geltenden Regeln durch die Rechtsprechung entwickelt.3 Dabei greift die Judikative neuerdings auch auf Entscheidungen zurück, die nicht speziell für das Testamentsrecht ergangen sind.4 Teilweise betätigte sich auch der englische Gesetzgeber in diesem Segment, indem er bestimmte statutory rules erließ.

1 Siehe sec. 73(6)(c) AoJA 1982 i.V.m. sec. 76(11) AoJA 1982. Erbfälle, die vor dem 1. Januar 1983 stattfanden, beurteilen sich anhand des dazu ergangenen case law. Für die betreffenden Sachverhalte vor Geltung der sec. 20 AoJA 1982 siehe etwa Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 261 para. 10-03 und für solche vor sec. 21 AoJA 1982 bspw. Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 220. 2 Die englische Judikatur neigt dazu, die interpretation vorrangig gegenüber einer etwaigen rectification durchzuführen, dazu noch unten § 3 A. II. 2., S. 163 ff., sodass sich die nachfolgende Betrachtung an dieser Reihenfolge orientiert. 3 Andrews, Contract Law, 2nd ed., 2015, p. 360 para. 14.03. 4 Zur Relevanz von Entscheidungen, die insbesondere zur Vertragsauslegung ergangen sind, ausführlich noch unten § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff.

102

§ 3 Englisches Recht

Durch die Normierung der sec. 21 AoJA 19825 etwa schuf er eine bedeutsame Regelung, die Klarheit darüber schafft, unter welchen Voraussetzungen bestimmtes Beweismaterial für die Testamentsauslegung verwertbar ist. Daher kommt es bei der Auslegung zu einer Verzahnung zwischen gefestigten Rechtsprechungslinien und gesetzgeberischen Vorgaben, in deren Bahnen die Judikative den testamentarischen Sinngehalt feststellt. Obwohl niemals konkrete Voraussetzungen der Auslegung gesetzlich statuiert wurden, haben sich im Laufe der Zeit Auslegungsmaximen herausgebildet, die ein verhältnismäßig klares Bild über die Reichweite der englischen Auslegungsmethodik zeichnen. Damit beruht die nachstehende Ausleuchtung des Auslegungsvorgangs vor allem auf einer Analyse der Rechtsprechung und der dort praktizierten interpretation. 1. Allgemeine Grundsätze a) Richterlicher Rechtsanwendungsprozess Die gerichtliche Zuständigkeit für Fragestellungen im Zusammenhang mit Testamenten ist in England zweigeteilt, sodass die Auslegung nicht bloß einem Gerichtszweig zugeordnet werden kann. Dementsprechend teilen sich die Family und Chancery Divisions des High Court of England diesen sachlichen Kompetenzbereich. Dabei ist die interpretation stets dem Richter vorbehalten. Typischerweise erfolgt die Auslegung testamentarischer Verfügungen durch die Chancery Division, die daher auch als Court of Construction bekannt ist. Möchte ein Kläger gerichtlich bspw. feststellen lassen, dass er testamentarisch bedacht wurde, kann er durch einen claim for interpretation vom Gericht verlangen, den rechtlich relevanten Sinngehalt der Urkunde herauszustellen.6 Dies kann auch bspw. durch den executor vorangetrieben werden.7 Wie bereits angedeutet, hat sich auch zuweilen die Family Division mit der Ermittlung des testamentarischen Willens zu befassen. Dieser auch als Court of Probate bezeichnete Spruchkörper ist mit Aufgaben der Testamentseröffnung betraut. Dabei überprüft das Gericht vor allem die existierenden einschlägigen Dokumente, um herauszufinden, in welchem sich der letzte und maßgebliche Wille des Erblassers manifestiert hat. Hierbei untersucht der Richter im Wege der interpretation einerseits, ob das in Rede stehende Testament mit dem nötigen Testamentserrichtungswillen (animus testandi) verfasst wurde und ob es zu einem etwaigen Widerruf des (scheinbar) letzten Willens kam (revocation). Andererseits überprüft das Gericht die 5 Das vollständig hierfür relevante Normgefüge ergibt sich aus sec. 21, 73(6), 76(11) AoJA 1982. 6 Martyn et al., Theobald on Wills, 18. Aufl., 2016, p. 338 para. 14-010. 7 So etwa in Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66. Zum executor schon oben § 1 B., S. 13.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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Rechtsgültigkeit des Testaments (validity).8 Darüber hinaus wird in diesem Gerichtszweig der Bedeutungsgehalt einer Erblasseranordnung bspw. bei der Ausstellung eines „grant of probate“ relevant. Durch diesen bescheinigt das Gericht der betreffenden Person, dass sie durch den Erblasser bedacht wurde.9 Damit bedarf es also auch hier schon der interpretation, um herauszufinden, welche Person durch die vom Erblasser verwendeten Worte testamentarisch eingesetzt wurde.10 Allerdings entfaltet der „grant of probate“ keine rechtsgestaltende Wirkung, sodass er die Erbfolge nicht verbindlich festlegt. Daher kann die Chancery Division unproblematisch ein hiervon abweichendes Auslegungsergebnis zugrunde legen, das einen anderen Bedachten ausweist als noch der zuvor ausgestellte „grant of probate“. Schließlich tritt bisweilen der Fall auf, dass sich die Chancery Division mit Fragen zu befassen hat, die sonst typischerweise in den Kompetenzbereich der Family Division fallen.11 Das angesprochene Zuständigkeitsgefüge ist demzufolge nicht als starr zu begreifen. b) Bedeutung des Testamentswortlauts (objektiver Sinngehalt) Bevor ein vom Testamentswortlaut abweichender Erblasserwille festgestellt werden kann, muss im Ausgangspunkt der objektive testamentarische Sinngehalt ermittelt werden. Zunächst muss klar sein, was der Wortlaut des Testaments überhaupt ausdrückt. Dies wird im Wege der interpretation ermittelt. Dabei wird der Sinngehalt des Testamentswortlauts anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs, d. h. der gewöhnlichen Wortbedeutung, festgestellt.12 Hierfür ist jeweils die abstrakte Wortbedeutung maßgeblich, sodass zunächst ein 8 Deutlich bspw. Corbet v. Newey, [1998] Ch. 57, 60 ff., per Waite L.J.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 182 f. 9 Überblicksartig zum „grant of probate“, der dem deutschen Erbschein ähnelt Frank/ Wachter, Handbuch Immobilienrecht in Europa. Zivil- und steuerrechtliche Aspekte des Erwerbs, der Veräusserung und der Vererbung von Immobilien, 2004, S. 220 f. Rdnr. 398 ff.; ausführlicher Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 459 ff. para. 18-01 ff. 10 Siehe nur Re Last, [1958] P. 137, 140, per Karminski J.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 182 f.; Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 137 (Fn. 29). 11 Siehe Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 182: „probate matters“. 12 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann; Sammut v. Manzi, [2009] 1 W.L.R. 1834, 1838, per Lord Philips: „The starting point when construing a will is to attempt to deduce the intention of the testator by giving the words of the will the meaning that they naturally bear […].“ Siehe auch Reading v. Reading, [2015] E.W.H.C. 946 (Ch), para. 41, per Asplin J.; Shore v. Wilson, (1842) 9 Cl. & F. 355, 565, per Tindal C.J.; Abbott v. Middleton, (1858) 7 H.L. Cas. 68, 114, per Lord Wensleydale; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 2017, 3rd ed., p. 190; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 203.

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von der konkreten Verwendungsweise des Erblassers unabhängiges Verständnis zugrunde gelegt wird. Der sich aus dem allgemeinen Sprachgebrauch ergebende objektive Bedeutungsgehalt des Testaments wird unter zu Rate Ziehung eines Wörterbuchs13 und unter Berücksichtigung der grammatikalischen Abfassung des Testaments gewonnen.14 Hat der Erblasser technische Begriffe verwendet, ist grundsätzlich der technische Bedeutungsgehalt zugrunde zu legen.15 Letztlich wird widerleglich vermutet, dass der Erblasser seinen verwendeten Worten den dem allgemeinen Sprachgebrauch bzw. technischen Verständnis entsprechenden Bedeutungsgehalt beigemessen hat.16 Da es sich hier jedoch nur um einen ersten Ausgangspunkt der interpretation handelt,17 erlaubt dieselbe im Weiteren eine nähere Präzisierung des verankerten Erblasserwillens.18 13

Holt & Co. v. Collyer, (1881) 16 Ch. D. 718, 721 f., per Fry J.; Re Gillson, [1949] Ch. 99, 104, per Somervell L.J.; Re Rowland, [1963] Ch. 1, 10, per Lord Denning M.R.; Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 775, per Lord Hoffmann; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. 14 Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 775, per Lord Hoffmann; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann; Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 27; vgl. Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 127. Sofern ein verwendetes Wort keinen festen Sinngehalt, sondern mehrere gewöhnliche Bedeutungen hat, muss das Gericht anhand des Gesamtkontexts ermitteln, welcher Sinngehalt mutmaßlich am ehesten durch den Verfasser damit verbunden wurde, dazu Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 191; Shogun Finance Ltd. v. Hudson, [2004] 1 A.C. 919, 963, per Lord Philips: „Words in a language have one or more ordinary meaning, which will be known to anyone who speaks that language.“ 15 Doe d. Winter v. Perratt, (1843) 134 E.R. 914, 925, per Patteson J.; Re Cook, [1948] Ch. 212, 216, per Harman J.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 194; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 204. Unter technischen Begriffen werden Rechtsbegriffe, Begriffe mit allgemein anerkannten speziellen Bedeutungen (etwa „fee simple“), gewachsene Begriffe (z.B. „personal estate“), wissenschaftliche Begriffe und Wörter sowie Symbole, die eine anerkannte Bedeutung im Berufsfeld oder Handelskreis des Testierenden haben, verstanden, Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 194. 16 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann; Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216, 1231, per Lord St. Leonards; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 316 para. 13-020. 17 Lord Hoffmann kritisiert dies, weil hierdurch lediglich ein (Zwischen-)Ergebnis produziert werde, das zwar dem natürlichen Wortsinn der verwendeten Worte, aber nicht dem finalen Ziel der Auslegung entspreche. Immerhin sei die interpretation auf die Ermittlung des Sinngehalts des Dokuments angelegt, welcher wiederum unter Berücksichtigung verschiedenster Gesamtumstände gewonnen werde und nicht nur durch Ausdeutung des formellen Wortlauts, Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann.

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2. Voraussetzungen Während sich im Optimalfall der ermittelte Sinngehalt des Testamentswortlauts und das wirklich Gewollte decken, ist der Untersuchungsgegenstand durch eine Diskrepanz der beiden Komponenten gekennzeichnet. Nachdem der objektive Bedeutungsgehalt des Testamentswortlauts im Wege des zuvor beschriebenen Verfahrens festgestellt ist, kann in einem zweiten Schritt der richterlichen interpretation eine weitergehende Präzisierung – im Sinne einer Modifizierung, Erweiterung oder Verkürzung – des rechtlich relevanten Sinngehalts der Urkunde erfolgen.19 Im Folgenden wird dargelegt, unter welchen Voraussetzungen ein vom Testamentswortlaut abweichender Erblasserwille durch die richterliche interpretation verwirklicht werden kann. a) Anhaltspunkte für einen abweichenden Erblasserwillen Damit es zur angesprochenen Präzisierung kommt und nicht der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt maßgeblich bleibt, bedarf es Anhaltspunkte dafür, dass überhaupt eine hiervon abweichende Deutung in Betracht kommt. Andernfalls besteht kein Anlass dazu, vom objektiven Sinngehalt des Wortlauts abzurücken. Sowohl Umstände, die sich innerhalb des Testaments auffinden lassen – etwa in Form von Abfassungsunstimmigkeiten – als auch solche, die sich aus Aspekten außerhalb der Urkunde ergeben und sich bspw. auf von Erbprätendenten vorgetragene Begleitumstände beziehen, können hierfür herangezogen werden. Lassen sich derartige Anhaltspunkte finden, kann die interpretation fortgeführt werden.20

18

Siehe nur Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216, 1231, per Lord St. Leonards; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. 19 Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216, 1231, per Lord St. Leonards; Abbott v. Middleton, (1858) 7 H.L. Cas. 68, 113 f., per Lord Wensleydale; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. 20 Siehe nur Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. Enger noch hingegen Shore v. Wilson, (1842) 9 Cl. & F. 355, 532, per Tindal C.J.; Abbott v. Middleton, (1858) 7 H.L. Cas. 68, 114, per Lord Wensleydale: „It is now, I believe, universally admitted, that in construing that writing the rule is to read it in the ordinary and grammatical sense of the words, unless some obvious absurdity, or some repugnance or inconsistency with the declared intentions of the writer, to be extracted from the whole instrument, should follow from so reading it. Then the sense may be modified, extended or abridged.“ Ausführlich zum Ganzen Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 188 ff.

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b) Ermittlung des wahren Erblasserwillens aa) Maßgebliche Perspektive Die englische Auslegungsmethodik kann auf eine lange Historie mit einigen gravierenden Änderungen zurückblicken. Im Fokus stand dabei vor allem die Frage, aus welcher Perspektive die Auslegung zu erfolgen hat und damit einhergehend, welche Reichweite sie haben soll.21 Hierbei standen sich zwei diametral gegensätzliche Grundpositionen gegenüber: der literal22 und der intentional approach.23 Während der erstgenannte eine rein formalistischobjektive, also textorientierte, Auslegungsmethodik propagierte, geriet bei dem letzteren der subjektive Erblasserwille in den Vordergrund. Der langjährig herrschende Konflikt zwischen beiden Auffassungen zeugt von der Praxisrelevanz der Auslegung und zugleich davon, dass es sich um ein äußerst diffiziles Gebiet handelt.24 Um den aktuellen Stand der englischen Testamentsauslegungsmethodik nachvollziehen zu können, bedarf es einer Skizzierung des zu ihrer heutigen Form hinführenden Prozesses. Dadurch wird deutlich werden, dass sich das englische Recht von seiner langen Tradition eines strengen Auslegungsformalismus lösen konnte, wozu jüngere Entscheidungen einen bedeutenden Beitrag leisteten. Neben dem Aufbrechen alt hergebrachter Auslegungstraditionen bildeten neuere Judikate einen dritten Auslegungsansatz heraus, der heute maßgeblich ist – der modern contextual approach. Obwohl damit ein liberales Auslegungsverständnis praktiziert wird, sind weiterhin einige Einschränkungen aus dem common law zu beachten, die durch die Neuausrichtung nicht obsolet wurden. Wenngleich sich ein neuer Auslegungsstandard herauskristallisiert hat, muss sorgfältig überprüft werden, ob die zur vorherigen Auslegungsmethodik ergangenen Präjudizien (wenigstens teilweise) fortgelten und auf das heutige Auslegungssystem ausstrahlen.25 21

Siehe nur Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287 ff.; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 132. Zur Reichweite der interpretation noch unten § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 22 Auch grammatical approach genannt, Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 137; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 184; Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287. 23 Auch als inferential, liberal oder purposive approach bekannt, Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 137; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 186; Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., p. 417, 450 f. para. 7.144. 24 Bezeichnend Roberts v. Roberts, (1611) 2 Bulstr. 123, 130, per Coke C.J.: „[W]ills and the construction of them do more perplex a man, than any other learning.“ 25 Instruktiv zur Präjudizienbindung im englischen case law-System Maultzsch, in: Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis Teubner, 3. Aufl., 2017, S. 510, 516 ff. Rdnr. 1330 ff.; Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess.

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(1) Ursprünglich objektiv-formalistische Auslegung (literal approach) Ursprünglich erfolgte die Auslegung testamentarischer Verfügungen anhand des literal approach. Im Wesentlichen deckte sich die Rechtsprechungslinie mit der im Jahre 1831 erstmalig erschienenen einflussreichen Abhandlung „An examination of the rules of law“,26 die von einem der Hauptvertreter des literal approach in der Literatur – Sir James Wigram – verfasst wurde.27 Die zentrale Aussage seiner sieben Thesen zur Auslegung ist darin zu erblicken, dass den vom Erblasser testamentarisch niedergelegten Worten grundsätzlich derjenige Bedeutungsgehalt beigemessen werden müsse, der sich aus deren „strict and primary acception“ ergebe.28 Dem literal approach lag ein objektiver Auslegungsansatz zugrunde, mit dem eine strenge Wortlautfixierung einherging. Für die Ermittlung des testamentarischen Bedeutungsgehalts war grundsätzlich nur das geschriebene Wort relevant. Der Sinngehalt der Urkunde wurde anhand der gewöhnlichen Bedeutung der gebrauchten Worte gewonnen,29 die wiederum von der Art und Weise ihrer üblichen Verwendung bestimmt wurde. Dabei wurde zumindest akzeptiert, dass der Sinngehalt eines Wortes in bestimmten Personengruppen, an entsprechenden Orten oder zu verschiedenen Zeiten unterschiedlich sein kann.30 Im Vordergrund stand aber stets der strict and primary sense eines Wortes.31 Maßgeblich war das Verständnis eines „normal speaker Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum deutschen, englischen und US-amerikanischen Recht, 2010, S. 28 f.; aus historischer Perspektive Vogenauer, ZNR 28 (2006), 48 ff. 26 Die Arbeit hatte großen Einfluss auf die englische Auslegungspraxis von testamentarischen Verfügungen des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie verfestigte den formalistischen Rechtsprechungskurs noch weiter, da die meisten Richter die Thesen als Ausgangspunkt für ihre Auslegung heranzogen, Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 292 f. Insgesamt existieren vier Folgeauflagen, die in den Jahren 1834, 1840, 1858 und 1914 erschienen sind, die aktuellste Auflage ist daher Wigram/Sanger, An examination of the rules of law. Respecting the admission of extrinsic evidence in aid of the interpretation of wills, 5th ed., 1914. 27 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 292 f. 28 So heißt es schon in seinem ersten Auslegungsprinzip: „I. A testator is always presumed to use the words in which he expresses himself, according to their strict and primary acceptation, unless, from the context of the will, it appears that he has used them in a different sense, in which case the sense in which he thus appears to have used them, will be the sense in which they are to be construed.“ Siehe Wigram/Sanger, An examination of the rules of law. Respecting the admission of extrinsic evidence in aid of the interpretation of wills, 5th ed., 1914. Für eine überblicksartige Erläuterung der einzelnen Thesen Wigram‘s siehe Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 292 ff. 29 Re Rowland, [1963] Ch. 1, 8, per Lord Denning M.R.; Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 137; Kerridge/ Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 291. 30 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 291. 31 Pigg v. Clark, (1876) 3 Ch. D. 672, 674, per Sir George Jessel M.R.: „Every word

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of English“. Was der einzelne Erblasser abweichend davon tatsächlich erklären wollte, spielte grundsätzlich keine Rolle.32 Manche Richter gingen sogar so weit, dass sie Begriffen eine richtige Bedeutung zusprachen und eine andere Deutung nicht tolerierten.33 Allerdings ging dieser starre richterliche Kurs wohl selbst für die sogenannten „Literalists“ zu weit.34 Dennoch vereitelte die wortlautorientierte Auslegung häufig die Verwirklichung des Erblasserwillens,35 wenn sich dieser nicht ohne Weiteres aus dem Testamentstext ergab.36 Dabei begründete die Rechtsprechung den durch sie verfolgten litewhich has more than one meaning has a primary meaning.“ Siehe auch Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 312; ähnlich Watt, (2017) 5 S.L.T. 11, 12. 32 Deutlich etwa The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 214, per Lord Dunedin: „[…] I cannot help having the moral feeling that this money is probably going to the society to which, if we could have asked him, the testator would not have sent it. But that is not the question for a Court of law; the question for a Court of law is, taking the will as it stands, who is the beneficiary – what is the meaning of the words used?“ Siehe dazu auch Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 122. 33 In Lowe v. Thomas, (1854) 5 De G.M. & G. 315, 317 etwa, sprach Knight Bruce L.J. vom „correct and proper“ und Turner L.J. vom „proper and correct“ Sinngehalt eines Wortes, ebd. 34 Als „Literalists“ wurden die Vertreter des literal approach bezeichnet. 35 Es soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass der offizielle Rechtsprechungskurs zwar derjenige des literal approach war, es aber auch einige Durchbrechungen dieser scheinbar doch so unflexiblen Auslegungslinie gab, da sich in der Richterschaft auch Persönlichkeiten befanden, welche die Auslegung nicht derart wortlautfixiert wie andere Vertreter des literal approach praktizierten. Schon damals verfolgten einige eine weniger strikte Linie, womit sie sich als „Semi-intentionalist[s]“ offenbarten, die das wirklich Gewollte des Erblassers verstärkt in ihr Blickfeld aufnahmen. Dies geschah jedoch meist weder im Wege einer offenen Auseinandersetzung mit den Nachteilen des literal approach noch wurde ein solcher Kurs als Ausnahme von der strikten wortlautfixierten interpretation kommuniziert. Vielmehr geschah dies im Wege eines juristischen Kunstgriffs in der Form, dass sich die betreffenden Richter um das Auffinden eines Anhaltspunkts im Testament bemühten, der dafür sprach, dass das in Rede stehende Wort nicht in seinem gewöhnlichen Sinne verstanden werden durfte, sondern vielmehr gemäß dem dictionary principle eine andere, vom Erblasser zugeschriebene, Bedeutung beigemessen werden musste, Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 292 f.; vgl. Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., p. 417, 455 para. 7.157. Das dictionary principle ermöglicht eine faktische Auslegung gegen den Wortlaut. Es erfasst Fälle, in denen der Erblasser bereits in der testamentarischen Verfügung zu erkennen gibt, dass er dem verwendeten Begriff einen anderen, vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden, Bedeutungsgehalt beimisst, sodass dieser unter Anwendung des Prinzips durchgesetzt wird, hierzu noch unten § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f. 36 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 298; Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 138. Damit war der literal approach prägend für die als streng formalistisch bekannte englische Auslegungsmethodik,

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ral approach vor allem mit der (damals maßgeblichen) testamentarischen Formvorschrift der sec. 9 WA 1837.37 (2) Wendepunkt zur Berücksichtigung des Erblasserwillens (intentional approach) Nachdem Wigram mit seinem einflussreichen Werk den literal approach vor allem in der Literatur vertrat, trat dem Hawkins im Jahre 1863 mit der Erstauflage seines Werkes „A Concise Treatise on the Construction of Wills“ entgegen. Er analysierte die bestehende Testamentsauslegungsmethodik und wollte mit seiner Abhandlung eine Grundsatzdebatte über die dort zugrunde liegenden fundamentalen Prinzipien anstoßen. Dabei kommunizierte er im Gegensatz zur Rechtsprechung deutlich, dass zwei denkbare AuslegungsKlöckner, Grenzüberschreitende Bindung an zivilgerichtliche Präjudizien, 2006, S. 16; ähnlich Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 123; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 173 para. 9.7. Instruktiv dazu Cartwright v. Vawdry, (1800) 5 Ves. Jun. 530: In dem Fall bedachte der Erblasser sein „child“ testamentarisch. Einsetzen wollte er eigentlich sein uneheliches Kind. Unter dem Wort „child“ verstand die englische Rechtsprechung zu dieser Zeit aber „nur“ ein eheliches Kind (legitimate child), woran das Gericht auch hier festhielt. Aufgrund der „falschen“ Wortwahl konnte das eigentlich bedachte (uneheliche) Kind nicht die intendierte Erbschaft antreten, vgl. ebd., 534, per Lord Loughborough. Siehe auch Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 138. Bezeichnend für die Härte des literal approach ist auch die Entscheidung The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, siehe oben § 1 A., S. 5 f. Etwas anderes galt nur dann, wenn das dem Erblasserwillen zur Verwirklichung verhelfende dictionary principle, unten § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f., oder die „falsa demonstratio“-rule zur Anwendung gelangen konnte, ebenfalls noch unten § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 f. und Fn. 237. 37 Nunmehr ersetzt durch sec. 17 AoJA 1982, die folgenden Inhalt hat: „Relaxation of formal requirements for making wills. The following section shall be substituted for section 9 of the Wills Act 1837 – ,9 Signing and attestation of wills. No will shall be valid unless – (a) it is in writing, and signed by the testator, or by some other person in his presence and by his direction; and (b) it appears that the testator intended by his signature to give effect to the will; and (c) the signature is made or acknowledged by the testator in the presence of two or more witnesses present at the same time; and (d) each witness either – (i) attests and signs the will; or (ii) acknowledges his signature, in the presence of the testator (but not necessarily in the presence of any other witness), but no form of attestation shall be necessary.‘“ Der aus der notwendigen Wahrung der Schriftform resultierende Fokus auf den Wortlaut wurde in Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216, 1234, per Lord Wensleydale hervorgehoben: „The will must be in writing, and the only question is, what is the meaning of the words used in that writing.“ Auch in der darauffolgenden Entscheidung ließ er es sich nicht nehmen, den Kurs durch die Wiederholung der Aussage zu verfestigen, Abbott v. Middleton, (1858) 7 H.L. Cas. 68, 114, per Lord Wensleydale: „The will must be expressed in writing, and that writing only is to be considered.“

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methoden existierten, nämlich der literal und der intentional approach, wobei der erstgenannte verfehlt sei. Allerdings konnte sich seine Kritik nicht durchsetzen.38 Erst im 20. Jahrhundert verlor der literal approach in der Rechtsprechung zunehmend an Boden. Seither war zu beobachten, wie sich die englische Richterschaft verstärkt dem intentional approach annäherte,39 bei welchem der Erblasserwille zunehmend in den Vordergrund rückte.40 Den Grundstein dieser Kursänderung legte das House of Lords 1943 mit seiner Entscheidung Perrin v. Morgan.41 Dort testierte die Erblasserin privatschriftlich Nachfolgendes: „[…] all moneys of which I die possessed of shall be shared by my nephews and nieces now living.“42

Als problematisch stellte sich dabei die Zuwendung von „all moneys“ heraus. Denn das zu vererbende Kapital der Erblasserin bestand nicht nur aus Barvermögen, sondern vor allem aus Aktien und anderen Wertpapieren. Das Gericht musste daher beurteilen, ob der verwendete Begriff „moneys“ die besagten Vermögenswerte umfasst. Dabei bestimmte das frühere case law, dass unter „money“ oder „moneys“ Barvermögen, Bankguthaben oder auch eine Forderung des Erblassers gegenüber einem Dritten zu verstehen sei.43 Nicht hierunter gefasst werden konnte aber das sonstige Vermögen der betreffenden Person.44 Obwohl in Perrin v. Morgan Klarheit darüber bestand, dass die Erblasserin ihren Neffen und Nichten auch die in Rede stehenden Vermögenswerte zuwenden wollte,45 wäre dieses Vermögen den benannten Personen bei strikter Anwendung des literal approach unter Berücksichtigung der bisher zum Begriff „moneys“ ergangenen Rechtsprechung nicht zugefallen.46 Während der Court of Appeal noch dieser ursprünglichen Linie folgte und damit sowohl Aktien als auch Wertpapiere nicht unter den Begriff „moneys“ subsumierte,47 äußerte Viscount Simon als Richter des House of Lords Bedenken mit Blick auf die wortlautfixierte Auslegung der Vorinstanz.

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Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 303. Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 138. 40 Kerridge, in: The Law of Succession. Testamentary Freedom. European Perspectives, 2011, p. 129, 137; Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 289. 41 Auch die Law Commission sieht hierin den Ausgangspunkt: Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 173 para. 9.10. 42 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399. 43 Re Collings, [1933] Ch. 920, 922, per Farwell J.; Shelmer’s case, 25 E.R. 139, 141, per Chief Baron Gilbert (Ireland). 44 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 303. 45 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 400. 46 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 303. 47 Re Morgan, [1942] Ch. 345, 347 f., per Lord Greene M.R. 39

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Er postulierte den richterlichen Auftrag, zwar nicht jeglicher ermittelten, vom Wortlaut abweichenden, Erblasserintention zur Durchsetzung zu verhelfen, aber immerhin derjenigen, die in Einklang mit der englischen Sprache und den Gesamtumständen zu bringen sei.48 Viscount Simon sah die „fundamentale [Auslegungs-]Regel“ darin, den Bedeutungsgehalt der verwendeten Worte, den ihnen der Erblasser beilegen wollte, unter Berücksichtigung des testamentarischen Gesamtkontexts zu ermitteln.49 Dadurch sollte es nicht mehr maßgeblich darauf ankommen, wie ein „normal speaker of English“50 den Testamentswortlaut versteht. Vor diesem Hintergrund hob das House of Lords die Entscheidung der Vorinstanz auf und legte den Begriff „moneys“ erweitert im Sinne der Erblasserin aus. Damit stand der Zuwendung der Aktien und weiteren Wertpapieren an die Neffen und Nichten der Erblasserin nichts mehr im Wege.51 Einigkeit bestand in der Richterschaft des House of Lords dabei zwar im Ergebnis, dem Erblasserwillen im genannten Sinne Geltung zu verschaffen, allerdings divergierten die Begründungen für die Vornahme dieses Schrittes. So sprachen Lord Russell of Killowen und Lord Romer dem Wort „moneys“ eine weite Bedeutung zu, indem sie darin einen Anwendungsfall des dictionary principle sahen.52 Demgegenüber verneinte die Mehrheit der entscheidenden Richter unter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung schlicht, dass dem Wort „moneys“ ein eindeutiger Sinngehalt („strict and primary sense“) zukomme, weshalb ihm durchaus auch ein anderer Sinngehalt beigemessen werden könne.53 48 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 408, per Viscount Simmon L.C.: „[T]he duty of a judge who is called on to interpret a will containing ordinary English words is not to regard previous decisions as constituting a sort of legal dictionary to be consulted and remorselessly applied whatever the testator may have intended, but to construe the particular document so as to arrive at the testator’s real meaning according to its actual language and circumstances.“ 49 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 406, per Viscount Simmon L.C.: „[T]he fundamental rule in construing the language of a will is to put on the words used the meaning which, having regard to the terms of the will, the testator intended. The question is not, of course, what the testator meant to do when he made his will, but what the written words he uses mean in the particular case – what are the ,expressed intentions‘ of the testator.“ 50 Holmes, (1899) 12 Harv. L. Rev. 417 f. 51 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 423. 52 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 419, per Lord Russell of Killowen und 422 f., per Lord Romer. Dies war der übliche Weg der sich zwar prinzipiell zum literal approach und zu den Thesen Wigrams bekennenden Richterschaft, um den vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen – trotz grundsätzlich wortlautfixierter Auslegung – verwirklichen zu können, Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 303, dazu schon oben § 3 A. 2. b) aa) (1) S. 108 (Fn. 35). Zum dictionary principle ausführlich noch unten § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f. 53 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399, 413 f., per Viscount Simon L.C., 414 f., per Lord Atkin und 417 f., per Lord Thankerton.

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Obwohl der Weg zum intentional approach damit geebnet schien, zeigte die 1963 durch den Court of Appeal ergangene Entscheidung Re Rowland,54 dass der Durchbruch noch nicht gelungen war und sich hiergegen Widerstand regte.55 Im Re Rowland case ging es um Trevor Rowland, der als Mediziner auf einer der Fidschi-Inseln stationiert war und auch auf den umliegenden Inseln eingesetzt werden konnte. Rowland war mit der etwas jüngeren Krankenschwester Shirley Rowland verheiratet. Das kinderlose Ehepaar bestritt die Reisen zu den anderen Inseln häufiger gemeinsam per Boot und verband damit offenbar ein gewisses Risiko, weshalb die beiden vor ihrer nächsten Reise jeweils ein privatschriftliches Testament errichteten, mit dem sie sich gegenseitig als Erben einsetzten. Mr. Rowland ordnete testamentarisch an, dass im Erbfall grundsätzlich seiner Ehefrau sein gesamtes Vermögen zufallen soll. Hiervon abweichend sollte der Nachlass allerdings zwischen seinem Bruder und seinem Neffen aufgeteilt werden, wenn die nachfolgende testamentarische Klausel erfüllt war, um deren Auslegung es maßgeblich ging: „In the event of the decease of the said Shirley Brownlie Rowland preceding or coinciding with my own decease […].“56

Nach der Testamentserrichtung verreisten sie erneut mit dem Boot, kamen allerdings nie an ihrem Zielort an. Was genau geschah, konnte nicht aufgeklärt werden.57 Man ging davon aus, dass die an Bord anwesenden Personen, darunter Trevor und Shirley Rowland, bei der Bootsreise ums Leben kamen.58 Im Anschluss an das tragische Ereignis musste das Gericht über die Erbfolge Trevor Rowlands entscheiden. Da es keinen Anhaltspunkt dafür gab, dass Shirley Rowland vor ihrem Ehemann verstarb und die erste Alternative der Testamentsklausel damit nicht erfüllt war, stellte sich die Frage, ob der Tod beider im Sinne der zweiten Alternative „zusammenfiel“ („coincided“). In diesem Fall wären der Bruder und der Neffe Trevor Rowlands in die Erbenposition eingerückt – seine Ehefrau wäre demzufolge nicht Erbin geworden. Offensichtlich hätte diese Variante dem Wunsch Mr. Rowlands entsprochen, immerhin kamen beide bei demselben Ereignis ums Leben; eine etwaige (kurzzeitige) Erbenstellung seiner Ehefrau wäre kaum sinnstiftend gewesen. Hätte man Trevor Rowland befragen können, hätte dieser wohl nicht daran gezweifelt, dass es sich bei dem zugetragenen Ereignis um einen

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Re Rowland, [1963] Ch. 1. Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 304. 56 Re Rowland, [1963] Ch. 1, 3. 57 Re Rowland, [1963] Ch. 1, 13. 58 Nachdem tagelang von der Schiffsbesatzung kein Lebenszeichen vernommen wurde und das Ankunftsziel längst hätte erreicht sein müssen, wurden kurz darauf unter anderem eine nicht identifizierbare Leiche und ein in 300 Einzelteile zerschlagenes Schiffswrack aufgefunden, Re Rowland, [1963] Ch. 1, 2 f. 55

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zeitlich zusammenfallenden („coinciding“) Tod handelte und der Nachlass damit seinem Bruder und Neffen zu Teil werden sollte.59 Die Mehrheit der Richter vertrat allerdings die Auffassung, „coincided with“ bedeute für gewöhnlich „simultaneous with“, also „gleichzeitig“.60 Dieses Verständnis zog die Konsequenz nach sich, dass der Tod des Ehepaars Rowland maximal einen Sekundenbruchteil voneinander hätte auseinanderliegen dürfen, damit das Vermögen dem Bruder und dem Neffen Mr. Rowlands zugefallen wäre. Da nicht aufgeklärt werden konnte, wann genau Shirley Rowland ums Leben kam, wurde wegen ihres jüngeren Alters gegenüber Trevor Rowland durch Anwendung von sec. 184 Law of Property Act 192561 vermutet, dass sie diesen überlebt habe – sie also nicht „gleichzeitig verstarben“. Unter Zugrundelegung der besagten Vermutung, die keine Widerlegung fand, beerbte sie infolgedessen mangels „zusammenfallenden“ Todeseintritts ihren Ehemann. Sowohl der Bruder als auch der Neffe Mr. Rowlands wurden demzufolge nicht dessen Erben.62 Der Re Rowland case macht deutlich, zu welchen – nicht bloß aus deutscher Sicht – teils skurrilen Ergebnissen die englische Rechtsprechung gelangte und wie groß der Widerstand gegen den intentional approach war. Hier wurde das wirklich Gewollte letztlich durch eine am Wortlaut ausgerichtete Auslegungsmethodik vereitelt. Es verwundert daher nicht, dass die Entscheidung für Aufsehen sorgte.63 Während die Methodik der interpretation bis dahin weit überwiegend durch die Judikative entwickelt wurde, meldete sich 1968 die Law Commission auf Seiten der Legislative mit einem diesbezüglichen Projekt zu Worte. Die Kommission gab dem Law Reform Committee auf, sich mit einer möglichen Reform der Testamentsauslegung zu befassen, was 1973 mit der Präsentation eines Reports mit dem Titel „Interpretation of Wills“ seinen Ab-

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Ausdrücklich angeführt wird dieser Gedankengang in Re Rowland, [1963] Ch. 1, 11, per Lord Denning M.R.; ähnlich Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 306: „To the nonlawyers it was clear that the deaths of Dr and Mrs. Rowland had ,coincided‘ and that Dr Rowland had in his will covered what happened.“ 60 Re Rowland, [1963] Ch. 1, 14, per Harman L.J.: „In other words, ,coincident’ is equivalent to ,simultaneous.‘“ Siehe auch ebd., 15 f., per Russell L.J.: „In my judgment the normal and natural meaning of ,coinciding with‘ in relation to deaths occurring is the same as ,simultaneous‘.“ 61 Sec. 184 Law of Property Act 1925 lautet: „In all cases where, after the commencement of this Act, two or more persons have died in circumstances rendering it uncertain which of them survived the other or others, such deaths shall (subject to any order of the court), for all purposes affecting the title to property, be presumed to have occurred in order of seniority, and accordingly the younger shall be deemed to have survived the elder.“ 62 Re Rowland, [1963] Ch. 1, 19. 63 Siehe nur den kritischen Beitrag von Albery, (1963) 26 M.L.R. 353. Darin verweist Albery auch auf eine über zwei Wochen andauernde Leserdiskussion in den Kolumnen der „The Times“.

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schluss fand.64 Als bedeutsamste Errungenschaften hiervon lassen sich der Erlass von sec. 20 und 21 AoJA 198265 und die damit zum Ausdruck gelangende Positionierung zum intentional approach anführen.66 In diesem Sinne hielt das Komitee fest, dass mit der Auslegung nicht nur der Wortlaut auszudeuten, sondern auch – soweit mit dem Schriftformerfordernis vereinbar – die dahinter verborgene Intention zu ergründen ist.67 Damit verschaffte der Gesetzgeber der durch Perrin v. Morgan68 begonnenen liberalen Entwicklung, die Re Rowland69 nahezu im Keim zu ersticken drohte, den entscheidenden Rückenwind. Dieses legislative Tätigwerden führte letztlich dazu, dass der Damm zur Berücksichtigung des Erblasserwillens endgültig gebrochen wurde und sich der intentional approach in der Judikative etablieren und fortentwickeln konnte. (3) Neujustierung hin zum maßgeblichen Verständnis des vernünftigen Durchschnittsbetrachters (modern contextual approach) Die Methode der Testamentsauslegung erfuhr 2014 sodann nochmals eine Neujustierung. Diesmal wurde sie durch den vom Supreme Court entschiedenen landmark case Marley70 vorangetrieben. In Marley ging es um die intendierte gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten Alfred und Maureen Rawlings. Das entsprechende Testament ließen sie durch ihren solicitor errichten. Dieses sollte für die Fälle, dass der andere Ehegatte im Erbfall bereits vorverstorben ist oder den Erblasser weniger als

64 Schwerpunktmäßig sollte sich das Law Reform Committee mit der Frage einer möglichen Änderung der bisherigen Regeln zur Heranziehbarkeit von externem Beweismaterial (extrinsic evidence) beschäftigen, das sich außerhalb des Testaments auffinden lässt. Ferner sollte das Komitee überprüfen, ob es sinnvoll erscheint, den Gerichten, bspw. wie im Vertragsrecht, die Fähigkeit zur Berichtigung testamentarischer Verfügungen (rectification) zu verleihen, Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 3 para. 1. Überblick zur Entstehung des Nineteenth Report des Law Reform Committee bei Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 306 ff. 65 Während der Gesetzgeber mit sec. 21 AoJA 1982 die Frage regelt, wann bestimmtes Beweismaterial für die Auslegung heranziehbar ist, normierte er mit sec. 20 AoJA 1982 die rectification. Jeweils ausführlich zu sec. 20 AoJA 1982 unter § 3 A. II., S. 161 ff. sowie zu sec. 21 AoJA 1982 unter § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 127 ff. 66 So auch Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 310. 67 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 13 para. 35: „[A]s far as is consistent with the maintenance of the requirement of writing, the function of the court in interpreting a will is to search for the true meaning which the testator intended his words to bear.“ Die Hervorhebung wurde durch den Verfasser vorgenommen. 68 Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399. 69 Re Rowland, [1963] Ch. 1. 70 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129.

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einen Monat überleben sollte, eine abweichende Erbfolgeregelung vorsehen. Dann sollte der Nachlass nämlich Terry Marley, der nicht zur Familie gehörte, den sie aber wie ihren eigenen Sohn behandelten, zufallen. Nachdem der solicitor die Wünsche der Erblasser testamentarisch umsetzte, legte er ihnen die Urkunde zur Unterschrift vor. Abgesehen von der notwendigen Personalisierung der jeweils recht kurzen Testamente, waren sie im Wesentlichen identisch abgefasst. Er verwechselte jedoch die beiden Urkunden bei der Aushändigung an die Ehegatten, sodass Alfred Rawlings das Testament seiner Ehefrau und umgekehrt Maureen Rawlings das seinige unterzeichnete.71 Als seine Ehefrau 2003 verstarb, beanspruchte Alfred Rawlings den Nachlass. Als auch dieser 2006 verstarb, berief sich Terry Marley auf die ihm testamentarisch zugewiesene Alleinerbenposition. Die beiden überlebenden Söhne des Erblassers, Michael und Terry Rawlings, wandten sich gegen die Erbeinsetzung des mit der Familie in keinerlei Zusammenhang stehenden Terry Marley und argumentierten mit der Unwirksamkeit des Testaments.72 Im Rahmen des von Terry Marley vorangetriebenen Gerichtsverfahrens rückte die Frage in den Fokus, ob das Testament den Formanforderungen der sec. 17 AoJA 198273 genügte, obwohl das Testament von Mr. Rawlings infolge der Verwechselung durch dessen Ehefrau unterzeichnet wurde. Die Vorinstanzen wiesen Terry Marleys Klage ab und verwiesen wegen der fehlenden Unterschrift Mr. Rawlings‘ auf die Formungültigkeit des Testaments. Darüber hinaus lehnten sie das Gesuch der rectification ab, weil diese ein formgültiges Testament voraussetze;74 zumindest sei aber kein rectification-Grund gegeben, so Proudman J. erstinstanzlich.75 Daraufhin griff Terry Marley die vorinstanzlichen Entscheidungen vor dem Supreme Court an. Obwohl das oberste Gericht den Fall, abweichend von den Vorinstanzen, durch die rectification entschied, skizzierte Lord Neu71

Dabei wurde der Fehler nicht offenbar, weshalb sowohl der solicitor als auch dessen Sekretariat bescheinigten, dass die entsprechenden Unterschriften zum betreffenden Testament zugehörig seien (attested), Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 141 f. 72 Sofern diese Rechtsauffassung zutreffend gewesen wäre, hätte die eintretende gesetzliche Erbfolge bewirkt, dass der Nachlass Michael und Terry Rawlings zugefallen wäre und nicht Terry Marley, weil dieser mangels Familienzugehörigkeit nicht gesetzlicher Erbe von Alfred Rawlings war. 73 Für den Normtext siehe oben § 1 B., S. 13 (Fn. 71). 74 Marley v. Rawlings, [2011] 1 W.L.R. 2146, 2152, per Proudman J.; Marley v. Rawlings, [2013] Ch. 271, 282 ff., per Black L.J. Näher zur gemäß sec. 20 AoJA 1982 zulässigen rectification unten § 3 A. II., S. 161 ff. 75 Der einzig in Betracht kommende rectification-Tatbestand des clerical error gemäß sec. 20(1)(a) AoJA 1982 scheitere bereits daran, dass es sich bei der Unterzeichnung des falschen Dokuments um keinen Schreibfehler handele, Marley v. Rawlings, [2011] 1 W.L.R. 2146, 2152 f., per Proudman J.

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berger in einem obiter dictum den Stand der in den letzten Jahrzehnten durch das House of Lords und den Supreme Court entwickelten interpretation.76 Im Ausgangspunkt geschah dies ausschließlich mit Bezug zu den gefestigten Grundsätzen der Vertragsauslegung, die Lord Neuberger folgendermaßen zusammenfasste: „When interpreting a contract, the court is concerned to find the intention of the party or parties, and it does this by identifying the meaning of the relevant words, (a) in the light of (i) the natural and ordinary meaning of those words, (ii) the overall purpose of the document, (iii) any other provisions of the document, (iv) the facts known or assumed by the parties at the time that the document was executed, and (v) common sense, but (b) ignoring subjective evidence of any party’s intentions.“77

Freilich erfolgte die Rekapitulation des status quo der Grundsätze zur Vertragsauslegung nicht grundlos. Nach Auffassung Lord Neubergers sollten sie nämlich auch für die Testamentsauslegung gelten. In beiden Fällen sei der erklärte Wille unter Berücksichtigung der Gesamtumstände zu ergründen, weshalb die Auslegungsmethode identisch sein müsse: „When it comes to interpreting wills, it seems to me that the approach should be the same. Whether the document in question is a commercial contract or a will, the aim is to identify the intention of the party or parties to the document by interpreting the words used in their documentary, factual and commercial context.“78

Der schon rein tatsächlich bestehende Unterschied, dass bei Verträgen mindestens zwei Parteien miteinander kontrahieren, wohingegen der Erblasser beim Einzeltestament der einzige Akteur ist, liefere keinen ausschlaggebenden Grund, um die beiden Rechtsgeschäfte anhand unterschiedlicher Maßstäbe auszulegen.79 Dieser Unterschied könne aber bei der Verwertung der Gesamtumstände berücksichtigt werden,80 wobei jedoch bisher keine Fälle 76

Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144 per Lord Neuberger unter Verweis auf die Entscheidungen Prenn v. Simmonds, [1971] 1 W.L.R. 1381 und Rainy Sky SA v. Kookmin Bank, [2011] 1 W.L.R. 2900. 77 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger. 78 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger. 79 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger. Die Judikatur erscheint aus Perspektive des deutschen Juristen überraschend, für den die Übertragung der (am objektiven Empfängerhorizont ausgerichteten) Vertragsauslegungsgrundsätze auf die der (subjektiv am Erklärenden-Horizont orientierten) Testamentsauslegung fernliegend erscheint – ist der Unterschied beider doch schon im Gesetz angelegt, vgl. § 133 BGB und § 157 BGB. Allerdings wird sich zeigen, dass die englische Auslegungsmethode dadurch liberalisiert wurde. 80 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger: „Of course, a contract is agreed between a number of parties, whereas a will is made by a single party. However, that distinction is an unconvincing reason for adopting a different approach in principle to interpretation of wills: it is merely one of the contextual circumstances which has to be borne in mind when interpreting the document concerned.“

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ersichtlich sind, in denen dies zum Tragen gekommen ist. Eine Bestätigung seiner These, dass die Auslegung von Testamenten grundsätzlich identisch mit der von anderen (Vertrags-)Dokumenten zu erfolgen habe, fand Lord Neuberger in der bereits angesprochenen sec. 21 AoJA 1982.81 Die Regelung bestimmt, dass die Heranziehung von externem Beweismaterial, das direkt vom Erblasser stammende Äußerungen in Bezug auf seine testamentarische Verfügung zum Gegenstand hat,82 grundsätzlich unzulässig ist, vgl. sec. 21(2) AoJA 1982. Weil dasselbe für die Auslegung anderer Rechtsgeschäfte gilt – dort nicht nur im Grundsatz, sondern vielmehr per se –,83 sei eine Parallelisierung der Auslegungsmethoden naheliegend.84 Der Marley case sorgte letztlich dafür, dass sich die grundsätzliche Gleichstellung der Auslegung von Testamenten mit der eines jeden anderen rechtsgeschäftlichen Dokuments etablieren konnte.85 Die auf Marley folgenden Entscheidungen haben den für Aufsehen sorgenden Auslegungskurs übernommen, sodass er nunmehr dem heutigen Auslegungsstandard entspricht,86 81

Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 145, per Lord Neuberger. Etwa in Form von an Dritte gerichtete Briefe oder Zeugenaussagen in Bezug auf eine Unterhaltung mit dem Erblasser über sein (beabsichtigtes) Testament. 83 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann: „(3) The law excludes from the admissible background declarations of subjective intent [of the parties]“; Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger. 84 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 145, per Lord Neuberger. 85 Hoffmann, (2018) 134 L.Q.R. 553, 568. Obwohl sich dieser Auslegungskurs erst durch den Marley case etablieren konnte, war die Idee einer einheitlichen Auslegungsmethodik, die unabhängig vom konkret auszulegenden Dokument zu erfolgen hat, nicht neu. Bereits 2003 äußerte Lord Hoffmann in Charles v. Barzey gewisse Sympathien dafür, dass Testamente grundsätzlich wie jedes andere rechtsgeschäftliche Dokument ausgelegt werden sollten:„The interpretation of a will is in principle no different from that of any other communication. The question is what a reasonable person, possessed of all the background knowledge which the testatrix might reasonably have been expected to have, would have understood the testatrix to have meant by the words which she used.“ Siehe auch Charles v. Barzey, [2003] 1 W.L.R. 437, 439, per Lord Hoffmann. Dabei betonte er unmittelbar darauf – durch Wiedergabe des Votums Lord Greenes M.R. aus Re Potter’s Will Trusts, [1944] Ch. 70, 77, per Lord Greene –, dass der Erblasserwille (unter Berücksichtigung der genannten Grundsätze) so weit wie möglich verwirklicht werden müsse. Erstmals wurde dieser Auslegungskurs in RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980, 989, per Lord Neuberger bestätigt. 86 Siehe nur Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch); Reading v. Reading, [2015] E.W.H.C. 946 (Ch); The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch); Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch); Rainbird v. Smith, [2012] E.W.H.C. 4276 (Ch); Hoffmann, (2018) 134 L.Q.R. 553, 568; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 306 para. 13-004: „It is now clear that the interpretation (or construction) of wills follows the same approach as the interpretation of contracts and other documents.“ Deutlich betont dies auch etwa Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 134: „Although 82

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der als modern contextual approach bezeichnet werden kann.87 Um zu konturieren, welche Änderungen sich hierdurch im Vergleich zur ursprünglichen Auslegungsmethode ergeben, bietet sich ein Blick auf diejenigen Entscheidungen zum Vertragsrecht an, die das Recht der interpretation auch für die übrigen Rechtsgeschäfte maßgeblich geprägt haben.88 Prägnant zusammengefasst hat Lord Hoffmann 1997 die für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätze im landmark case Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society:89 „(1) Interpretation is the ascertainment of the meaning which the document would convey to a reasonable person having all the background knowledge which would reasonably have been available to the parties in the situation in which they were at the time of the contract. (2) The background was famously referred to by Lord Wilberforce as the ,matrix of fact‘, but this phrase is, if anything, an understated description of what the background may include. Subject to the requirement that it should have been reasonably available to the parties and to the exception to be mentioned next, it includes absolutely anything which would have affected the way in which the language of the document would have been understood by a reasonable man. (3) The law excludes from the admissible background the previous negotiations of the parties90 and their declarations of subjective intent. They are admissible only in an action for rectification. The law makes this distinction for reasons of practical policy and, in this respect only, legal interpretation differs from the way we would interpret utterances in ordinary life. The boundaries of this exception are in some respects unclear. But this is not the occasion on which to explore them.

Lord Neuberger’s comments on construction are – strictly speaking – obiter dicta, courts, practioners and academics are lapping them up eagerly.“ 87 Begriff nach Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 138 (Hervorhebung durch den Verfasser); Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 177 para. 10.4. 88 Ähnlich schon Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 306 para. 13-004: „This [modern] approach necessarily draws on a number of authorities principally concerning contracts [...].“ 89 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896; für eine Zusammenfassung des Falls siehe etwa Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 22 ff.; Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 132 f. Nachfolgend wird der Fall mit ICS abgekürzt. Zur Diskussion etwaiger sich anbahnender restriktiverer Tendenzen noch unten, § 3 A. I. 2. b) dd), S. 139 ff. 90 Dadurch wird die Berücksichtigung von Vertragsverhandlungen bei der Auslegung untersagt. Solche sind bei der hier erfolgenden Betrachtung von einseitigen Testamenten aber nicht von Relevanz, sodass eine nähere Auseinandersetzung damit im Folgenden unterbleibt, vgl. in diesem Sinne auch RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980, 989 f., per Lord Neuberger. Für eine ausführliche Untersuchung zur Relevanz von Vertragsverhandlungen im Zuge der Vertragsauslegung siehe Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016.

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(4) The meaning which a document (or any other utterance) would convey to a reasonable man is not the same thing as the meaning of its words. The meaning of words is a matter of dictionaries and grammars; the meaning of the document is what the parties using those words against the relevant background would reasonably have been understood to mean. The background may not merely enable the reasonable man to choose between the possible meanings of words which are ambiguous but even (as occasionally happens in ordinary life) to conclude that the parties must, for whatever reason, have used the wrong words or syntax [...]. (5) The ,rule‘ that words should be given their ,natural and ordinary meaning’ reflects the common sense proposition that we do not easily accept that people have made linguistic mistakes, particularly in formal documents. On the other hand, if one would nevertheless conclude from the background that something must have gone wrong with the language, the law does not require judges to attribute to the parties an intention which they plainly could not have had.“91

Im Mittelpunkt des modern contextual approach steht die Ergründung des Erblasserwillens.92 Hiernach soll ermittelt werden, wie die in der Testamentsurkunde verankerte Intention zu verstehen ist. Es geht nicht um einen gänzlich vom Schriftstück losgelösten Willen.93 Die Erforschung des Willens erfolgt formell jedoch nicht aus der tatsächlich subjektiv-willensbasierten Sichtweise des Erblassers,94 sondern normativ aus der objektiv-kontextualen Perspektive der reasonable person. Maßgeblich zur Ergründung des in der Urkunde niedergelegten Willens ist dadurch allein das Verständnis eines neutralen vernünftigen95 Durchschnittsbetrachters (reasonable person), der mit all demjenigen Hintergrundwissen ausgestattet ist, bei dem vernünftigerweise

91 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 912 f., per Lord Hoffmann; zustimmend auch bereits Lord Neuberger in RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980, 989 f., per Lord Neuberger. 92 Siehe nur Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger: „[T]he aim is to identify the intention of the party.“ 93 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-007. 94 Vgl. Bank of Credit and Commerce International SA v. Ali, [2002] 1 A.C. 251, 259, per Lord Bingham: „To ascertain the parties’ intentions the court does not of course inquire into the parties’ subjective states of mind but makes an objektive judgement based on the materials already identified.“ Vgl. Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1113 f., per Lord Hoffmann; zustimmend Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 172 para. 9.5; Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 143: „Die Sichtweise der Auslegung bleibt stets objektiv [...].“ Siehe auch Douglas, (2018) 5 P.C.B. 167, 169. 95 Zur Bedeutung des Kriteriums der „reasonabless“ etwa Hayward v. Norwich Union Insurances Ltd., [2001] E.W.C.A. Civ. 243, 530, 539, per Gibson L.J.: „It is always permissible to test whether words have a given meaning by considering whether they produce an unreasonable result if they have that meaning. The more unreasonable the result, the less likely it is that the parties intended the words to have that meaning.“ Eingehend Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 135.

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davon auszugehen ist, dass es auch dem Testator verfügbar war (reasonably available).96 Die reasonable person ist daher zwar keine allwissende Instanz, jedoch deckt sich ihr Verständnis in der weit überwiegenden Zahl der Fälle mit dem des Erblassers, weil es durch die beschriebenen Hintergrundinformationen angereicht wird.97 Vor dem Hintergrund der nunmehr grundsätzlich einheitlichen Auslegungsmethodik bedarf es im Weiteren stets einer gewissenhaften Überprüfung der Aktualität der die Testamentsauslegungsgrundsätze betreffenden älteren Präjudizien. Obwohl mit Marley98 erhebliche Neuerungen einhergingen, wurde das frühere case law dadurch nicht vollkommen obsolet.99 Der auslegende Richter trifft daher auf eine Wechselwirkung zwischen den Grundsätzen der Testamentsauslegung und denen der Auslegung anderer Rechtsgeschäfte.100 bb) Maßgeblicher Zeitpunkt Enthält das Testament des Erblassers Wendungen wie „my wife“ oder „my house“, kann der Testator im Zeitpunkt der Testamentserrichtung damit noch eine andere Ehefrau oder ein anderes Haus als kurz vor dem Eintritt des Erbfalls gemeint haben. Möglicherweise hat der Erblasser seitdem neu ge96

Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 912 f., per Lord Hoffmann; zustimmend bereits Lord Neuberger in RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980, 989 f., per Lord Neuberger; Charles v. Barzey, [2003] 1 W.L.R. 437, 439, per Lord Hoffmann; Douglas, (2018) 5 P.C.B. 167, 169. 97 So auch schon Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 21. Zu einer Diskrepanz zwischen dem Verständnis der reasonable person und dem wahren Erblasserwillen kann es etwa dann kommen, wenn sec. 21(1) AoJA 1982 nicht erfüllt ist und dadurch gemäß sec. 21(2) AoJA 1982 nicht auf evidence of the testator’s intention als Auslegungsmaterial zurückgegriffen werden kann. Durch dieses Informationsdefizit der reasonable person kann deren Verständnis vom wahren Erblasserwillen abweichen. Welches Auslegungsmaterial letztlich hierunter fällt, wird sogleich noch eingehend unten behandelt, § 3 A. I. 2. b) cc), S. 125 ff. 98 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 99 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 308 f. para. 13-006: „[I]t should not be assumed that the authorities […] are now completely irrelevant. It is far from clear to what extent the principles dereived from those authorities no longer survive following Marley, and the conclusions in a number of those cases were reached on reasoning which considerably (if not completely) overlaps with the approach which now governs the interpretation of wills. In addition, the authorities themselves remain highly valuable as examples of how the courts have approached certain words and phrases, especially those which may well not be immediately familiar to the modern eye.“ 100 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 306 para. 13-004: „This [modern] approach necessarily draws on a number of authorities principally concerning contracts [...].“

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heiratet oder ein anderes Haus erworben, während er das alte veräußerte.101 Es stellt sich daher die Frage, welcher Zeitpunkt für die Willensermittlung maßgeblich ist. Dabei bedarf es einer differenzierten Betrachtung. In Anlehnung an die angeführten Beispiele ist zu unterscheiden, ob es sich bei der in Rede stehenden Bedeutungsermittlung um das von der testamentarischen Verfügung erfasste property des Erblassers oder um die bedachte Person handelt. Dabei enthält sec. 24 WA 1837 für die Bezeichnung von Sachen eine spezielle Auslegungsregel: „[Sec.] 24 [WA 1837:] A will shall be construed to speak from the death of the testator. Every will shall be construed, with reference to the real estate and personal estate comprised in it, to speak and take effect as if it had been executed immediately before the death of the testator, unless a contrary intention shall appear by the will.“102

Die statutory provision bestimmt, dass es für die Ermittlung, welches real und personal estate (property) testamentarisch zugewendet wurde, grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erbfalls ankommt, nicht wie sonst im Rahmen der interpretation auf den der Testamentserrichtung.103 Hatte der Erblasser nach der Testamentserrichtung sein altes Haus veräußert und im Anschluss daran ein neues erworben, ist seine testamentarische Verfügung, mit der er etwa seinem Neffen „my house“ vermachte, gemäß sec. 24 WA 1837 dahingehend auszulegen, dass das neue Haus als vermacht gilt. Dem steht prinzipiell nicht im Wege, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung möglicherweise noch gar nicht daran dachte, sein altes Haus zu veräußern und ein neues zu erwerben.104 Dasselbe gilt, wenn es ganz und gar nicht seinem Willen entsprochen hätte, auch das neue Haus zu vermachen. Damit dieser entgegenstehende Wille das Vermächtnis des neuen Hauses an den Neffen hindert, muss sich dies aus dem Testamentswortlaut selbst ergeben.105 Andernfalls wird der typisierte Wille unterstellt und für maßgeblich erachtet. Sofern das zugewendete property im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr im Vermögen des 101

Beispiele nach Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174,

177. 102 Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., p. 417, 455 para. 7.155 verweist darauf, dass sec. 24 WA 1837 vermutlich die wichtigste Auslegungsnorm sei. Weitere Auslegungsregeln lassen sich etwa in sec. 25 bis 29 und sec. 33 WA 1837 finden, die, bis auf sec. 33 WA 1837, die nunmehr durch sec. 19 AoJA 1982 ersetzt wurde, aufgrund ihres speziellen Regelungsgehalts hier keiner tiefergehenden Untersuchung bedürfen, siehe zu den Auslegungsregeln etwa ebd., p. 455 ff. para. 7.155 ff. 103 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 209; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 177. 104 Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 177. 105 Insoweit eindeutig: Sec. 24 WA 1837: „[...] unless a contrary intention shall appear by the will“ (Hervorhebung durch den Verfasser).

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Erblassers vorhanden ist, greift das principle of ademption ein. Hat der Testator vor dem Erbfall also bspw. sein testamentarisch vermachtes Haus veräußert, ohne aber ein anderes zu erwerben, lässt das Prinzip die betreffende Anordnung leer laufen. Insbesondere fallen dem Bedachten keine Surrogate zu, wie etwa der Erlös aus der Veräußerung des vermachten Gegenstands. Will der Erblasser die Rechtsfolge des principle of ademption in diesen Fällen vermeiden, muss er hilfsweise testamentarisch anordnen, dass dem Bedachten im Falle dessen das Surrogat zukommen soll oder aber welche Gegenstände stattdessen vermacht werden sollen.106 Ein vortreffliches Beispiel für das principle of ademption findet sich im Fall Ashburner v. Macguire,107 wo der Erblasser seinem Sohn ein bestimmtes Aktienpaket testamentarisch mit den nachfolgenden Worten vermachte: „[To my son] my capital stock of £ 1.000,– in the India Company’s stock.“ Im Zeitpunkt des Erbfalls existierten die Wertpapiere aber nicht mehr im Vermögen des Erblassers, weil er sie zuvor verkauft hatte. Das principle of ademption führte dazu, dass der Sohn leer ausging; ihm fielen weder die in Aussicht genommenen Wertpapiere noch mangels entsprechender Anordnung der Erlös aus deren Verkauf zu.108 Wie der Wortlaut der sec. 24 WA 1837 bereits verdeutlicht, beschränkt sich die Auslegungsregel auf die Ermittlung des Nachlassgegenstands. Im Umkehrschluss gilt die Norm also nicht für die Einsetzung von Begünstigten.109 Für deren Bestimmung bleibt der Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich.110 Auch dies soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Wird ein „Lord Sherborne“ testamentarisch bedacht, gilt diejenige Person als eingesetzt, die zur Zeit der Testamentserrichtung „Lord Sherborne“ verkörperte. Sofern dieser vor dem Erblasser verstirbt, kann nicht der darauffolgende Lord Sherburne in dessen Position einrücken.111 Dies gilt insoweit, als

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Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 241 ff. Ashburner v. Macguire, (1786) 29 E.R. 62. 108 Ashburner v. Macguire, (1786) 29 E.R. 62. Eine solche Auffangregelung wurde etwa in Re Lewis’s WT, [1937] Ch. 118 getroffen. 109 Re Whorwood, (1887) 34 Ch. D. 446, 448, per North J.; Bullock v. Bennett, (1855) 7 De G.M. & G. 283, 285, per Turner L.J.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 209; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., 2013, p. 460 para. 7.178. 110 Eindeutig etwa Re Whorwood, (1887) 34 Ch. D. 446, 448, per North J.: „At the time the will was made there was no doubt as to who was Lord Sherborne. There was only one person entitled to that appellation. Nobody could have had any hesitation in saying who Lord Sherborne was.“ Vgl. auch Boyes v. Cook, (1880) 14 Ch. D. 53, 56, per James L.J.; vgl. Parkinson v. Fawdon, [2009] E.W.H.C. 1953 (Ch), para. 8, per Norris J.; Amyot v. Dwarris, [1904] A.C. 268, 271, per Lord Macnaghten; Campbell, (2004) 5 P.C.B. 290, 292; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 298 para. 12.-029; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., p. 460 para. 7.178. 111 Beispiel nach Re Whorwood, (1887) 34 Ch. D. 446 ff.; siehe dazu auch Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., p. 417, 460 para. 7.179. 107

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sich aus dem Testament selbst keine anderweitige Erblasseranordnung ergibt.112 Will der Testator seine testamentarische Anordnung dahingehend absichern, dass sie nicht durch ein Vorversterben des Bedachten „ins Leere“ läuft (doctrine of lapse),113 muss er also entsprechende Verfügungen errichten, die die hilfsweise Einsetzung weiterer Personen vorsieht, um ein derartiges Risiko zumindest zu minimieren.114 Mit sec. 19 AoJA 1982115 besteht allerdings eine Sonderregelung für den Fall, dass es sich bei dem Vorverstorbenen um einen Abkömmling des Erblassers handelt. Die Norm kann als gesetzlich geregelte Ausnahme von der grundsätzlich geltenden doctrine of lapse verstanden werden, weil sie die Verfügung aufrecht zu erhalten versucht. Sie führt aber nicht dazu, dass der individuelle hypothetische Wille ermittelt wird. Stattdessen unterstellt sie eine typisierte Intention, die dem Willen des Durchschnittserblassers entspricht. Sec. 19(1) AoJA 1982 sieht vor, dass ein Abkömmling des vorverstorbenen und ursprünglich mit einem Vermächtnis bedachten Abkömmlings in dessen angedachte Erbenposition einrückt. Etwas anderes gilt nur dann, 112 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 209; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., 2013, p. 417, 455 para. 7.155; vgl. Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 178. 113 Garb/Wood, International Succession, 4th ed., 2015, p. 232 para. 15.27; Williams, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 51 and 52; Schockemöhle, Errichtung und Widerruf von Testamenten in England, 2000, S. 4. 114 Deutlich etwa Browne v. Hope, (1872) L.R. 14 Eq. 343, 347, per Wickens VC: „[The testator] must, in clear words, exclude lapse; and he must clearly indicate who ist to take in case the legatee should die in his lifetime.“ Siehe auch Re Harte, [2015] Official Transcript, per Hodge Q.C.: „By clause 4.1, one such tenth part was gifted to Mr. Douglas Victor Harris. Sadly, he predeceased the testatrix and there is no alternative but to hold that his one tenth part devolves on a partial intestacy.“ Siehe auch Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 236. 115 Ehemals sec. 33 Wills Act 1837. Die Norm hat den folgenden Inhalt: „[Sec.] 19 [AoJA 1982:] Gifts to children etc. who predecease testator. The following section shall be substituted for section 33 of the Wills Act 1837 – ,33 Gifts to children or other issue who leave issue living at the testator’s death shall not lapse. (1) Where – (a) a will contains a devise or bequest to a child or remoter descendant of the testator; and (b) the intended beneficiary dies before the testator, leaving issue; and (c) issue of the intended beneficiary are living at the testator’s death, then, unless a contrary intention appears by the will, the devise or bequest shall take effect as a devise or bequest to the issue living at the testator’s death. (2) Where – (a) a will contains a devise or bequest to a class of persons consisting of children or remoter descendants of the testator; and (b) a member of the class dies before the testator, leaving issue; and (c) issue of that member are living at the testator’s death, then, unless a contrary intention appears by the will, the devise or bequest shall take effect as if the class included the issue of its deceased member living at the testator’s death. (3) [...] (4) For the purposes of this section – (a) the illegitimacy of any person is to be disregarded; and (b) a person conceived before the testator’s death and born living thereafter is to be taken to have been living at the testator’s death.“

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wenn sich aus dem Testament selbst ein entgegenstehender Erblasserwille ergibt („unless a contrary intention appears by the will“).116 Sec. 19(2) AojA 1982 regelt einen vergleichbaren Sachverhalt, betrifft aber die Konstellation, in der der Testator ursprünglich mehrere Abkömmlinge einer selben Gruppe bedenken wollte (bspw. „my children“, „my grandchildren“). Sobald eine der bedachten Personen aus der benannten Gruppe vorversterben sollte und dabei wiederum selbst einen Abkömmling hinterlässt, rückt dieser in die Erbfolge ein und tritt an die Stelle des Vorverstorbenen. Sec. 19(4) AoJA 1982 enthält einige Präzisierungen und ist im Zusammenhang mit sec. 19(1) bzw. (2) AoJA 1982 zu lesen. Der Absatz bestimmt auf der einen Seite (a), dass eheliche und uneheliche Kinder gleich zu behandeln sind und auf der anderen Seite (b), dass im Zeitpunkt des Erbfalls bereits gezeugte, aber noch nicht geborene Personen wie zu dieser Zeit bereits lebende Personen zu behandeln sind. Damit ist erneut der Fall eines unbedachten Ereignisses geregelt worden. Wenn der Erblasser nämlich z.B. seinen Sohn testamentarisch bedenkt, dieser jedoch vor dem Erbfall verstirbt, bewirkt sec. 19(4) AoJA 1982, dass der im Zeitpunkt seines Todes (möglicherweise unbekannterweise) bereits gezeugte Enkel des Erblassers mit seiner Geburt in die leer zu laufen drohende Erbenposition seines vorverstorbenen Vaters einrückt. Man könnte nun auf die Idee kommen, die Regelung erweitert auszulegen, sodass auch andere verwandtschaftliche Konstellationen erfasst würden. Dies würde jedoch verkennen, dass sec. 19 AoJA 1982 eine absolute Ausnahmeregelung darstellt,117 die ganz im Zeichen der englischen Gesetzgebungsmethodik steht. Statutory rules zeichnen sich typischerweise durch eine sehr exakte Regelungstechnik aus, die der Rechtsprechung kaum Raum für hiervon abweichende Interpretationen lässt.118 Diese Lenkung der Judikative will der Gesetzgeber in den betreffenden Fällen auch erreichen.119 Das hat zur Folge, dass den speziellen und eher selten anzutreffenden statutory rules

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Hervorhebung durch den Verfasser. Garb/Wood, International Succession, 4th ed., 2015, p. 232 para. 15.27; Williams, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 51, 52. 118 Ausführlich zur Auslegung englischer Gesetze Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent. Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen. Band 2, 2001, S. 665 ff.; siehe auch Triepel, Vom Stil des Rechts, Neudruck 2007, S. 90; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 259 ff. 119 Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 260: „Englische Gesetze erstreben ein Höchstmaß an Präzision; sie regeln deshalb Wichtiges und Unwichtiges in gleicher Detailliertheit und drücken sich dabei oft so kompliziert, umständlich und pedantisch aus [...]. [Das Ziel der Gesetzesverfasser] ist Genauigkeit um jeden Preis.“ 117

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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keine verallgemeinerungsfähigen Gedanken entnommen werden können. Ihr Regelungsgehalt bleibt vielmehr auf den speziellen Fall beschränkt.120 cc) Relevante Bezugspunkte Es wurde dargelegt, dass der Erblasserwille aus der Perspektive der reasonable person zu ergründen ist und deren Verständnis grundsätzlich mit all denjenigen Hintergrundinformationen angereichert wird, bei denen vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass sie dem Erblasser zur Verfügung standen. Im Folgenden wird gezeigt, auf welche konkreten Bezugspunkte hierbei zurückgegriffen wird. Dabei arbeitet das englische Recht mit einem differenzierten Beweisverwertungssystem, das nicht per se jedes Auslegungsmaterial für die Ermittlung des Bedeutungsgehalts heranziehen lässt. Dies resultiert aus der speziell für das Testamentsauslegungsrecht geltenden sec. 21 AoJA 1982 als auch aus dem zweiten und dritten Auslegungsgrundsatz Lord Hoffmanns aus ICS.121 Dabei gelten die nachfolgend dargestellten Regelungen zur Beweisverwertung ausschließlich für den Gerichtszweig der Chancery Division (Court of Construction) und nicht für die Family Division (Court of Probate).122

120 Siehe in Bezug auf sec. 20 AoJA 1982 auch jüngst etwa Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 146, per Lord Neuberger: „[I]t would be inappropriate for the court to hold that it had wider powers to rectify a will than those which were conferred by section 20. Given that Parliament decided to confer a limited power of rectification at a time when there was clear authority that the court had no inherent power to rectify, it would be wrong for any court to hold, at least in the absence of a compelling reason, that it actually had an inherent power which was wider than that which the legislature conferred.“ 121 Zu den Auslegungsgrundsätzen Lord Hoffmanns schon oben, § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 118 f., zum Normtext der sec. 21 AoJA 1982 noch unten § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 132. 122 Zur im Kontext von Testamenten zweigeteilten Gerichtszuständigkeit in England siehe schon oben § 3 A. I. 1. a), S. 102 f. Muss die Family Division (Court of Probate) hingegen ein Testament auslegen, um bspw. herausfinden zu können, ob ein Testament mit dem nötigen animus testandi errichtet wurde oder ob einer bestimmten Person ein „grant of probate“ erteilt werden kann, kann sie auf Basis der grundsätzlich geltenden zivilprozessualen Regelungen jedes ihr verfügbare Beweismaterial verwerten. Die Family Division muss sich also nicht an den nun folgenden Maßstäben zur Beweisverwertung orientieren. Im Gegenzug entfalten die durch sie ermittelten Auslegungsergebnisse jedoch für den Court of Construction keine Bindungswirkung. Siehe dazu Greenough v. Martin, (1824) 2 Add. 239, 243, per Sir John Nicholl; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 283 para. 12-001; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 175 para. 10.3.1.

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(1) Testament (intrinsic evidence) Die Testamentsurkunde kann immer für die Ermittlung des Erblasserwillens herangezogen werden. Sie stellt hierfür einen wichtigen Anhaltspunkt dar (intrinsic evidence).123 Maßgeblich ist der testamentarische Gesamtkontext, sodass sich der bloß isolierte Blick auf einzelne Anordnungsfragmente verbietet.124 Dabei erlangt die konkrete Art der Abfassung Bedeutung. So kann sich durch die Verwendung bestimmter Satzzeichen, etwa Kommata oder Klammern, gegebenenfalls ein anderer Sinn ergeben.125 Für die Auswertung der Testamentsurkunde war stets das sogenannte dictionary principle besonders bedeutsam, das faktisch eine Auslegung gegen den Wortlaut ermöglicht. Es erfasst Fälle, in denen der Erblasser bereits in der testamentarischen Verfügung zu erkennen gibt, dass er dem verwendeten Wort einen anderen, vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichenden, Bedeutungsgehalt beimisst. Er erläutert entweder selbst den in Rede stehenden Passus oder gibt zumindest Anhaltspunkte dafür, dass er das niedergeschriebene Wort abweichend vom objektiven Bedeutungsgehalt versteht.126 Die Grundlage dieses dictionary muss zwar zwingend im Testament angelegt sein,127 gleichwohl muss sich der wirklich beigelegte Sinngehalt nicht vollständig aus der Urkunde selbst er123

Re Steel, [1979] Ch. 218, 222 ff., per Megarry V.-C.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 214: „[...] obviously of primary importance as the clearest indication of the testator’s meaning“. Siehe auch Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 206; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 294 para. 12–018. 124 Higgins v. Dawson, [1902] A.C. 1, 3 f., per Earl of Halsbury L.C.: „[W]here you are construing either a will or any other instrument, it is perfectly legitimate to look at the whole instrument – and, indeed, you must look at the whole instrument – to see the meaning of the whole instrument, and you cannot rely upon one particular passage in it to the exclusion of what is relevant to the explanation of the particular clause that you are expounding.“ Siehe auch Sammut v. Manzi, [2009] 1 W.L.R. 1834, 1838, per Lord Phillips; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 195; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 202. 125 Siehe nur Houston v. Burns, [1918] A.C. 337, 342, per Lord Finlay L.C. (Scotland); Gauntlett v. Carter, (1853) 17 Beav. 586, 591, per Sir Romilly; Re Steel, [1979] Ch. 218, 223 f., per Megarry V.-C. (Kommata); Morall v. Sutton, (1844) 1 Ph. 533, 538, per Parke B. (Klammern); zum Ganzen auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 294 f. para. 12-019. 126 Die Wirkung des dictionary principle veranschaulicht Harman J. in Re Cook: „Testators can make black mean white if they make the dictionary sufficiently clear.“ Siehe auch Re Cook, [1948] Ch. 212, 216, per Harman J.; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 4 para. 5; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 192; vgl. Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 204; Watt, (2017) 5 S.L.T. 11, 12. 127 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 192; Watt, (2017) 5 S.L.T. 11, 12.

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geben, sondern kann ebenso gut durch den Rückgriff auf äußere Begleitumstände128 erschlossen werden.129 Allerdings fehlen der Doktrin Konturen, wann von der Implementierung eines solchen dictionary auszugehen ist, sodass die richterliche Entscheidung im Einzelfall, ob ein hinreichender Anhaltspunkt für ein in das Testament integriertes dictionary vorliegt, kaum antizipierbar ist.130 Während das wohl auch heute noch geltende131 dictionary principle früher einen wichtigen „Rettungsanker“ für die unverfälschte Willensverwirklichung bildete, hat es nunmehr hierfür keine größere Bedeutung mehr.132 Sofern die Implementierung eines dictionary festgestellt werden kann, taugt es allenfalls als zusätzliches Begründungsmoment, um den Erblasserwillen umzusetzen. (2) Aspekte außerhalb des Testaments (extrinsic evidence) Auch Umstände außerhalb des Testaments sind für die Ermittlung des Erblasserwillens bedeutsam (extrinsic evidence).133 Hierbei wird zwischen circumstancial extrinsic evidence134 und evidence of the testator’s intention135 unterschieden. 128

Im Wege der Zugrundelegung des armchair principle bzw. der matrix of fact, worauf noch unter § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 128 ff. einzugehen sein wird. 129 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 192; vgl. Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 204. 130 Insbesondere hängt dies davon ab, ob der Richter einen liberalen Auslegungsansatz vertritt, da er dann eher geneigt sein wird, ein (vermeintlich) implementiertes dictionary zu finden, sofern das wirklich Gewollte ermittelt ist. In diesem Sinne sind deutliche Parallelen zur deutschen Andeutungstheorie ersichtlich. 131 Es bestehen jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129 und die darauffolgende Rechtsprechung das dictionary principle verworfen hätten. Das Prinzip existiert zudem auch im Kontext der Vertragsauslegung, siehe nur Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [20091 A.C. 1101, 1121 f., per Lord Hoffmann, sodass nach der erfolgten Angleichung der Auslegungsmethode durch den modern contextual approach auch bei der Testamentsauslegung von der Fortgeltung des dictionary principle auszugehen ist, so auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 316 para. 13-021. 132 Denn wie noch zu zeigen sein wird, bietet die moderne liberale Auslegungsmethodik die Möglichkeit einer Auslegung gegen den Wortlaut, sodass der auslegende Richter nicht an das Auffinden eines dictionary im Testament gebunden ist, um den Erblasserwillen durchzusetzen, siehe zur Auslegung gegen den Wortlaut ausführlich noch unten § 3 A. I. 2. b) dd), S. 136 ff. 133 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 214; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 207. 134 Begriff nach der verwendeten Terminologie in Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 284 para. 12-002; den Begriff „evidence of circumstances surrounding the testator“ bevorzugen hingegen Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 296. 135 So der offizielle Begriff in sec. 21(2) AoJA 1982; dem folgend Kerridge et al., Hawkins on the Construction of Wills, 5th ed., 2000; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 284 para. 12-002 bevorzugt hingegen den Begriff „direct extrinsic evidence“.

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(1) Als circumstancial extrinsic evidence wird allgemein ein den Erblasser bei Testamentserrichtung umgebender Umstand bezeichnet (surrounding circumstance).136 Auf plastische Art und Weise trägt das durch die Rechtsprechung vor langer Zeit entwickelte sogenannte armchair principle dazu bei, diese Begleitumstände aufzudecken. Der auslegende Richter soll hiernach „im Lehnstuhl des Erblassers Platz nehmen“, um sich in die Person des Erblassers und die ihn umgebenden Verhältnisse zur Zeit der Testamentserrichtung hineinversetzen zu können. Dadurch soll der Bedeutungsgehalt der verwendeten Worte erhellt werden.137 In diesem Zusammenhang heißt es im berühmten Votum von James L.J. in Boyes v. Cook: „[W]hen it is said that surrounding circumstances may be looked at, that only means that the circumstances existing at the time when the testator made his will may be looked at. You may place yourself, so to speak, in his arm-chair, and consider the circumstances by which he was surrounded when he made his will to assist you in arriving at his intention.“138

Bei dem im Wege des armchair principle heranziehbaren circumstancial extrinsic evidence handelt es sich also um eine sehr weitreichende Beweiskategorie, die verschiedenste Aspekte außerhalb der testamentarischen Urkunde erfasst. So werden neben Informationen über Beziehungen des Erblassers zu Personen139 auch solche zu Sachen erfasst.140 Ebenso ist durch diese Beweis136

Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216. Boyes v. Cook, (1880) 14 Ch. D. 53, 56, per James L.J.; Allgood v. Blake, (1873) L.R. 8 Ex. 160, 162, per Blackburn J.; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 4 para. 5; Kirin-Amgen Inc. v. Hoechst Marion Roussel Ltd., [2005] R.P.C. 9, 169, 193, per Lord Hoffmann: „No one has ever made an acontextual statement. There is always some context to any utterance, however meagre.“ Siehe auch Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 210; Watt, (2017) 5 S.L.T. 11, 12; Campbell, (2004) 5 P.C.B. 290, 292; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 298 f. para. 12-029. 138 Boyes v. Cook, (1880) 14 Ch. D. 53, 56, per James L.J.; eine umfangreichere Darstellung der dem armchair principle zugrunde liegenden Grundsätze findet sich in Allgood v. Blake, (1873) L.R. 8 Ex. 160, 162, per Blackburn J.: „The general rule is that, in construing a will, the Court is entitled to put itself in the position of the testator, and to consider all material facts and circumstances known to the testator with reference to which he is to be taken to have used the words in the will, and then to declare what is the intention evidenced by the words used with reference to those facts and circumstances which were (or ought to have been) in the mind of the testator when he used those words.“ 139 Ausdrücklich dazu insbesondere Charter v. Charter, (1874) L.R. 7 H.L. 364: Dort spielte die Beziehung des Vaters zu seinen Söhnen eine bedeutende Rolle (surrounding circumstance). Sie konnte letztlich Aufschluss darüber geben, welcher der beiden (ihn überlebenden) Söhne mit der testamentarischen Einsetzung eines „Forster Charter“ gemeint war. Denn keiner der beiden Söhne trug diesen Namen. Siehe auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 301 para. 12-032. 140 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 296; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 302 para. 12-032. Mit Blick auf The National Society for the Prevention of 137

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kategorie eine Enträtselung von im Testament verwendeten Abkürzungen bzw. Symbolen möglich, wenn auf taugliche Erklärungen zurückgegriffen werden kann.141 Gehörte der Erblasser einer speziellen (Berufs-)Gruppe142 oder einer gewissen Religion an,143 können auch die dort üblichen Sprachgewohnheiten als surrounding circumstances verwertet werden. Darüber hinaus kann ein individueller Sprachgebrauch des Erblassers ermittelt werden, um bestimmte Wortverwendungsweisen auszuleuchten.144 Als Beispiel für einen besonderen Sprachgebrauch des Erblassers kann die Entscheidung Thorn v. Dickens angeführt werden. Dort testierte der Erblasser lediglich: „All for mother“.145 Bedenken wollte er aber nicht seine leibliche Mutter, sondern seine Ehefrau, die er öfter als „mother“ bezeichnete, was sich durch Heranziehung der äußeren Umstände aufklären ließ. Infolgedessen wurde der Ehefrau die Erbschaft zugesprochen.146 Darüber hinaus gilt es zu ergründen, wie sich das armchair principle zur im zweiten principle Lord Hoffmanns in ICS angesprochenen, aus dem Vertragsrecht stammenden, matrix of fact verhält.147 Denn durch die ParalleliCruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207 würden etwa die Umstände, dass der Erblasser stets in Schottland wohnte und erst kürzlich von der Scottish National Society Kenntnis erlangte, als solche heranziehbaren äußeren Beweisumstände kategorisiert werden, vgl. Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216. 141 Kell v. Charmer, (1856) 23 Beav. 195, wo der zu seinen Lebtagen als Juwelier tätige Erblasser zunächst unklare Vermögenssummen vermachte: „[T]o my son William the sum of i.x.x. To my son Robert Charles the sum of o.x.x.“ Nach Beweiserhebung über dessen Symbolverwendung konnte ermittelt werden, dass „i.x.x.“ £ 100,– und „o.x.x.“ £ 200,– bedeutete und dass es sich dabei um typische Abkürzungen im Juweliergewerbe handelte. 142 Siehe bspw. Kell v. Charmer, (1856) 23 Beav. 195; Re Gillson, [1949] Ch. 99; Re Van Leesen, [1955] 1 W.L.R. 1326. 143 Shore v. Wilson, (1842) 9 Cl. & F. 355. 144 Etwa Thorn v. Dickens, [1906] W.N. 54; siehe auch Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 296; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 302 para. 12-033; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 217 m.w.N. 145 Thorn v. Dickens, [1906] W.N. 54. 146 An dieser Stelle sei erwähnt, dass sich Fälle des dictionary principle mit Konstellationen eines individuellen Sprachgebrauchs überschneiden können. Denn gerade wenn ein individueller Sprachgebrauch nachgewiesen werden kann, liegt es nahe, hierin auch ein in das Testament implementiertes dictionary zu erkennen. 147 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 912, per Lord Hoffmann: „(2) The background was famously referred to by Lord Wilberforce as the ,matrix of fact‘, but this phrase is, if anything, an understated description of what the background may include. Subject to the requirement that it should have been reasonably available to the parties and to the exception to be mentioned next, it includes absolutely anything which would have affected the way in which the language of the document would have been understood by a reasonable man.“ Die matrix of fact wurde erstmals erwähnt in Prenn v. Simmonds, [1971] 1 W.L.R. 1381, 1383, per Lord Wilberforce:

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sierung der Auslegungsmethoden erlangt dieses Prinzip nunmehr auch für die Testamentsauslegung Bedeutung. Sie ermöglicht es der reasonable person auf dasjenige Hintergrundwissen zuzugreifen, bei dem vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es der betreffenden erklärenden Partei bei Abfassung des entsprechenden Dokuments bekannt war.148 Während beim subjektiv ausgerichteten armchair principle die tatsächlich den Erblasser bei der Testamentserrichtung umgebenden Umstände berücksichtigt werden, nimmt der Auslegende auch bei der matrix of fact nicht die Position eines Allwissenden ein, wenn es dort darauf ankommt, dass vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass der Erblasser von den betreffenden Umständen Kenntnis hatte. Beide Prinzipien schränken also die Reichweite des zulässigen Auslegungsmaterials ein, sodass sie in aller Regel zu einem kongruenten Auslegungsergebnis gelangen dürften.149 Vor diesem Hintergrund erscheint die durch Lord Neuberger in Marley angesprochene Vereinbarkeit des armchair principle mit der matrix of fact nur konsequent.150 Der auslegende Richter kann jederzeit auf die Beweiskategorie des circumstancial extrinsic evidence zurückgreifen.151 Diese Linie entspricht sowohl „In order for the agreement of July 6, 1960, to be understood, it must be placed in its context. The time has long passed when agreements, even those under seal, were isolated from the matrix of facts in which they were set and interpreted purely on internal linguistic considerations.“ 148 Während die matrix of fact nach dem Verständnis von Lord Wilberforce gar Umstände erfassen soll, die den Parteien nicht bekannt waren, Reardon Smith Line Ltd. v. Yngvar Hansen-Tangen, [1976] 1 W.L.R. 989, 996, per Lord Wilberforce, schränkte Lord Hoffmann die Reichweite dieser Rechtsfigur ein, indem er hierdurch nur solche Umstände berücksichtigt wissen will, die „reasonably available to the parties“ sind, Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 912, per Lord Hoffmann: „Subject to the requirement that it should have been reasonably available to the parties and to the exception to be mentioned next, it includes absolutely anything which would have affected the way in which the language of the document would have been understood by a reasonable man.“ Weiterführend zur matrix of fact etwa Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 136 ff. 149 Ein Unterschied kann sich unterdessen ergeben, wenn durch die matrix of fact ein Umstand herangezogen wird, bei dem davon ausgegangen wird, dass er vernünftigerweise dem Erblasser zur Verfügung gestanden hat, dieser aber davon keine Kenntnis hatte, vgl. Bank of Credit and Commerce International SA v. Ali, [2002] 1 A.C. 251, 282, para. 78, per Lord Clyde; siehe auch Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 17. Dies dürfte indes äußerst selten sein. 150 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 145, per Lord Neuberger: „[T]he well known suggestion of James in Boyes v Cook, (1880) 14 Ch D 53, 56, that, when interpreting a will, the court should ,place [itself] in [the testator’s] arm chair‘, is consistent with the approach of interpretation by reference to the factual context.“ 151 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 293 para. 12-017; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 277 f. para, 10-43; in-

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der frühen Rechtsprechung zum armchair principle152 als auch dem ersten und zweiten Auslegungsgrundsatz Lord Hoffmanns aus ICS.153 Zudem haben dies die Ausführungen Lord Neubergers im Marley case jüngst wieder bestätigt, wenn es dort heißt, dass sich die Ermittlung des Erblasserwillens anhand verschiedener Kontextdimensionen zu vollziehen habe.154 (2) Während die Beweiskategorie des circumstancial extrinsic evidence umfangreich Beweismittel verschiedenster Art erfasst, fällt die Kategorie des evidence of the testator’s intention in dieser Hinsicht deutlich enger aus. Sie umfasst ausschließlich unmittelbar vom Erblasser stammende Äußerungen in Bezug auf seine testamentarische Verfügung, die mündlicher oder schriftlicher Natur sein können.155 Hierbei kann es sich z.B. um den Nachweis eines direkten sprachlichen Kontakts zwischen dem Testator und einem Dritten handeln, bei dem der Erblasser seinen Gesprächspartner über sein testamentarisches Vorhaben unterrichtete und im Zuge dessen entsprechende Modalitäten näher erläuterte. Darüber hinaus fallen hierunter auch etwaige vom Erblasser erstellte Briefe oder andere Schriftstücke, die Aufschluss über dessen Intention bei der Niederschrift des Testaments geben.156 Der Heranziehbarkeit von evidence of the testator’s intention ist im Gefüge des modern contextual approach ein besonderer Stellenwert beizumessen, da hierdurch eine Modifizierung des formell objektiv-kontextualen Auslegungsstandards hin zu einer gewissen Subjektivierung der Auslegungsperspektive erfolgt. Denn struktiv auch Arbuthnott v. Fagan, [1995] C.L.C. 1396, 1400, per Bingham M.R.: „[C]ourts will never construe words in a vacuum.“ 152 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 283 para. 12-001. 153 Für eine Darstellung der Auslegungsgrundsätze siehe § 3 A. I. 2. b) aa) (3) S. 118 f. 154 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger: „[T]he aim is to identify the intention of the party or parties to the document by interpreting the words used in their documentary, factual and commercial context.“ Letztlich ergibt auch ein Umkehrschluss zu sec. 21(1)(c) AoJA 1982, dass circumstantial evidence jederzeit herangezogen werden kann, sodass im Ergebnis nur für die Verwertung von evidence of the testator’s intention besondere Anforderungen bestehen, die sec. 21(1) AoJA 1982 aufstellt, Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 18 para. 49; vgl. Campbell, (2004) 5 P.C.B. 290, 294. Zur sec. 21 AoJA 1982 sogleich § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 132 ff. 155 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 145, per Lord Neuberger; Re Harte, [2015] Official Transcript, per Hodge Q.C.; Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, per Nicholls J.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216. 156 Instruktiv Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 145, per Lord Neuberger: „[I]t is possible to assist [the] interpretation by reference to evidence of the testator’s actual intention (eg by reference to what he told the drafter of the will, or another person, or by what was in any notes he made or earlier drafts of the will which he may have approved or caused to be prepared).“ In Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905 etwa, wurde ein durch die Erblasserin verfasstes Schriftstück als evidence of the testator’s intention herangezogen; siehe auch Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216.

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dadurch werden nunmehr Äußerungen des Erklärenden in Bezug auf sein vorgenommenes Rechtsgeschäft verwertet, was im Rahmen der Auslegung anderer Rechtsgeschäfte nicht möglich ist.157 Kann evidence of the testator’s intention herangezogen werden, weicht die Testamentsauslegungsmethode also von der Vorgehensweise übriger Rechtsgeschäfte ab. Im Ausgangspunkt spielen Beweise über Äußerungen des Erblassers bezüglich seiner testamentarischen Verfügung jedoch keine Rolle. Sobald allerdings eine der nachfolgend dargelegten Varianten der Beweisverwertungsregelung sec. 21(1) AoJA 1982 tatbestandlich erfüllt ist, kann der Richter evidence of the testator’s intention gemäß sec. 21(2) AoJA 1982 für die Testamentsauslegung heranziehen.158 Während diese Beweiskategorie früher bei der Testamentsauslegung weitaus zurückhaltender zugelassen wurde,159 hat sich dies durch das Inkrafttreten von sec. 21 AoJA 1982 geändert. Seitdem wird sie deutlich häufiger herangezogen.160 Die Regelung lautet: „[Sec.] 21 [AoJA 1982:] Interpretation of wills – general rules as to evidence. (1) This section applies to a will – (a) in so far as any part of it is meaningless; (b) in so far as the language used in any part of it is ambiguous on the face of it; (c) in so far as evidence, other than evidence of the testator’s intention, shows that the language used in any part of it is ambiguous in the light of surrounding circumstances. (2) In so far as this section applies to a will extrinsic evidence, including evidence of the testator’s intention, may be admitted to assist in its interpretation.“

Nach sec. 21(1)(a) AoJA 1982 kann auf evidence of the testator’s intention zurückgegriffen werden „in so far as any part of [the will] is meaningless“. 157

Siehe oben § 3 A. I. 2. b) aa) (3) S. 117. Indessen wirft die Norm selbst Auslegungsfragen auf, Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 311; Kerridge, (2010) 14(2) Edin. L.R. 323, 326: „[A] badly drafted provision.“ Ausführlich zur Auslegung englischer statutes Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent. Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen. Band 2, 2001, S. 665 ff.; siehe auch Hager, Rechtsmethoden in Europa, 2009, S. 59 ff.; übergreifend Vogenauer, in: Elgar Encyclopedia of Comparative Law, 2nd ed., 2012, p. 826 ff. 159 Die Zurückhaltung wurde mit dem Erfordernis der schriftlichen Erstellung eines Testaments begründet, wobei durch den Rückgriff auf bspw. bloß mündliche Äußerungen des Erblassers ein drohender Verstoß gegen diese Formvorschrift gesehen wurde, Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216. Bevor sec. 21 AoJA 1982 in Kraft trat, konnte (bzw. im Falle eines Erbfalls vor dem 1. Januar 1983 kann, vgl. sec. 73(6)(c) i.V.m. sec. 76(11) AoJA 1982) auf evidence of the testator’s intention grundsätzlich nur zurückgegriffen werden, wenn eine (eng verstandene) equivocation im Testament ausfindig gemacht werden konnte, Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, 287 para. 12-009. 160 Vgl. Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 216. 158

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Der Wortlaut ist allerdings missglückt, denn sollte eine Passage im Testament tatsächlich „meaningless“ sein, könnte auch die Heranziehung von weiterem Beweismaterial daran nichts ändern – einem bedeutungslosen Passus ist schlicht kein Sinn zu entnehmen. Stattdessen war etwa der folgende Normtext gemeint: „in so far as any part of it appears to be meaningless“. Es hätte also eine bloß scheinbare Bedeutungslosigkeit gefordert werden müssen, anstatt dem Wortlaut nach eine tatsächlich fehlende zu fordern.161 Im Ergebnis besteht aber Einigkeit, dass sec. 21(1)(a) AoJA 1982 nur einen vermeintlich fehlenden testamentarischen Sinngehalt fordert.162 Sec. 21(1)(b) AoJA 1982 lässt diese Beweiskategorie verwerten „in so far as the language used in any part of it is ambiguous on the face of it“. Im Unterschied zur erstgenannten Variante ist die hiervon erfasste Konstellation recht klar. Sie erfasst Fälle, in denen der Erblasser Wörter verwendet, die mehrere – d. h. mindestens zwei – Bedeutungen haben können. Mit Blick auf den Testamentswortlaut muss also unklar sein, welcher der beiden Sinngehalte gemeint war. Durch die sodann eröffnete Möglichkeit der Heranziehung von evidence of the testator’s intention soll versucht werden, dies zu erhellen.163 Die praktisch bedeutsamste Regelung enthält sec. 21(1)(c) AoJA 1982, wenn sie die Beweiskategorie „in so far as evidence, other than evidence of the testator’s intention, shows the language used in any part of it is ambiguous in the light of surrounding circumstances“ zulässt. Anders als die vorgenannte Variante fordert die Norm im Ausgangspunkt, dass der Erblasser Worte verwendete, denen grundsätzlich bloß ein bestimmter gewöhnlicher Bedeutungsgehalt beigemessen werden kann. Mangels Mehrdeutigkeit der Anordnung werden zunächst keine zweifelhaften Stellen in ihr offenbar. Ein vom gewöhnlichen Sprachgebrauch abweichendes Verständnis kommt zunächst nicht in Betracht. Allerdings kann sich dies durch die Heranziehung von circumstancial extrinsic evidence ergeben. Zur weiteren Sinngehaltsaufklärung kann dann evidence of the testator’s intention dienen.164 Als Beispiel 161 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 312; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., 2013, p. 453 para. 7.152; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 284 para. 12-003; ähnlich unpräzise wie sec. 21(1)(a) AoJA 1982 hingegen Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 909, per Nicholls J.: „[Meaningless means] without meaning.“ 162 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 313; vgl. Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 211. Aus Perspektive des heutigen Rechts kann Kell v. Charmer (1856), 23 Beav. 195 als Beispiel für einen Anwendungsfall der sec. 21(1)(a) AoJA 1982 angeführt werden, da der durchschnittliche Betrachter den verwendeten Symbolen zunächst keinen bestimmten Sinngehalt wird entnehmen können, siehe schon oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 129 (Fn. 141). 163 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 313; Campbell, (2004) 5 P.C.B. 290, 292. 164 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 313; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-006; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015,

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hierfür dient erneut der Thorn v. Dickens165 zugrunde liegende Sachverhalt. Der Begriff „mother“ ist für sich genommen nicht zweideutig und meint – dem allgemeinen Sprachgebrauch nach – die leibliche Mutter des Erblassers. Durch Beweiserhebung über die äußeren Umstände der Testamentserrichtung wird ein besonderer Erblassersprachgebrauch dahingehend offenbar, dass der Erblasser seine Ehefrau häufiger als „mother“ bezeichnete. Das herangezogene externe Beweismaterial schürt also Zweifel daran, ob der verwendete Begriff wirklich im Sinne des objektiven Sinngehalts verwendet wurde. Dies soll durch die nunmehr eröffnete Verwertbarkeit von evidence of the testator’s intention überprüft werden können.166 (3) Bedeutung des common sense? Der common sense stellt einen weiteren zu berücksichtigenden Aspekt in den durch Lord Neuberger in Marley rekapitulierten Vertragsauslegungsgrundsätzen dar.167 Dieses Prinzip ermöglicht dem Rechtsanwender grundsätzlich eine wertende Betrachtung des zu entscheidenden Einzelfalls. So kann es bspw. bei Verträgen dazu führen, dass eine von zwei möglichen Auslegungsalternativen vorzuziehen ist, weil sie eher den geschäftlichen Gepflogenheiten p. 211; Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 563 führen beispielhaft den durch das Institut der rectification gelösten Fall Re Martin, [2007] W.T.L.R. 329 an, bei dem das an sich nicht mehrdeutige Wort „twentieth“ verwendet wurde, allerdings „20 per cent share“ gemeint war. Hier hätte sich die Mehrdeutigkeit erst aus dem Gesamtkontext ergeben, was letztlich zur Verwertbarkeit von evidence of the testator’s intention geführt hätte, sodass der Fall auch über die interpretation hätte gelöst werden können, sofern man die Möglichkeit der rectification verneint hätte. Siehe für einen aktuellen Fall auch The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch). 165 Thorn v. Dickens, [1906] W.N. 54. 166 Allerdings wendet die Rechtsprechung sec. 21 AoJA 1982 zur Heranziehung von evidence of the testator’s intention nur inkonsequent an. So wurde etwa in Re Rogers, [2006] E.W.H.C. 753 (Ch), para. 14, per Lightman J. nicht auf die Beweisnorm zurückgegriffen, sondern schlicht eine „practical and common-sense view“ zugrunde gelegt, um das mehrdeutige Testament zu erhellen. Anders geschah dies bspw. in Burnard v. Burnard, [2014] E.W.H.C. 340, para. 64, per Behrens J., wo sec. 21 AoJA 1982 mustergültig in der vom Gesetzgeber intendierten Weise angewendet wurde; so auch etwa in Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch), para. 90 f., per Hodge Q.C.; Re Harte, [2015] Official Transcript, per Hodge Q.C. Letztlich existiert gar eine dritte Variante, die in Reading v. Reading, [2015] E.W.H.C. 946 (Ch), para. 47 ff., per Asplin J. auszumachen ist. Sie offenbart eine Mischung aus den beiden vorgenannten Handhabungen. Zunächst wurde das Auslegungsergebnis mit einem „common sense“ begründet. Dieses Resultat sicherte Asplin J. schließlich damit ab, dass es auch durch die Heranziehung von sec. 21 AoJA erreicht worden wäre. 167 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger: „When interpreting a contract, the court is concerned to find the intention of the party or parties, and it does this by identifying the meaning of the relevant words, (a) in the light of [...] (v) common sense.“

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oder Handelsbräuchen entspricht als die andere.168 Fraglich ist allerdings, welche Bedeutung der Berücksichtigung eines common sense in Bezug auf die Testamentsauslegung beikommt. Entscheidungen, die sich hiermit bereits beschäftigt haben, existieren nicht.169 Es erscheint denkbar, dass Lord Neuberger den common sense nur deshalb erwähnte, weil er die Vertragsauslegungsgrundsätze ohne Rücksicht darauf, ob sie sich diese hundertprozentig mit der Testamentsauslegung vereinbaren lassen, vollständig wiedergab. Denn obwohl die Auslegungsmethoden parallelisiert wurden, bedeutet dies nicht, dass sie vollkommen gleich verlaufen. Dies belegt schon die sec. 21 AoJA 1982, die ausschließlich für die Testamentsauslegung gilt. Das gilt insbesondere dann, wenn gewisse Aspekte der Vertragsauslegung schon von Natur aus nicht auf die Testamentsauslegung übertragbar sind, was beim common sense-Gedanken nahe zu liegen scheint.170 Zumindest spielt die common sense-Figur im modern contextual approach der Testamentsauslegung bisher keine Rolle.

168 Rainy Sky SA v. Kookmin Bank, [2011] 1 W.L.R. 2900, 2909, per Lord Clarke; Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1627 f., per Lord Neuberger; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 308 para. 13-005. 169 Zwar legte Lightman J. ihrer Entscheidung zur Testamentsauslegung eine „practical and common-sense view“ zugrunde, Re Rogers, [2006] E.W.H.C. 753 (Ch), para. 14, per Lightman J. (Hervorhebung durch den Verfasser). Dies ist jedoch eher im Sinne einer generalklauselartigen Formulierung dahingehend zu verstehen, dass der vernünftige Menschenverstand bei der Betrachtung berücksichtigt wurde. Es spricht daher einiges dafür, dass Lightman J. nicht den durch Lord Neuberger angesprochenen und aus der Vertragsauslegungsmethodik bekannten common sense meinte. 170 Bestätigt wird diese Sichtweise von einem führenden Standardwerk zum Succession Law, „Theobald on Wills“, wo ebenfalls Zweifel dahingehend angemeldet werden, ob der Passus für die Testamentsauslegung überhaupt relevant ist. Da ein generalklauselartiger Gedanke aber durchaus sinnvoll für die Testamentsauslegung sein kann, wird dort vorgeschlagen, dass der aus der Vertragsauslegung bekannte common sense hier anders verstanden werden könne. Mit dessen Hilfe solle eine Vermutung dahingehend aufgestellt werden, dass eine testamentarische Anordnung nicht willkürlich errichtet wurde und dass mit ihr jedenfalls keine teilweise gesetzliche Erbfolge herbeigeführt werden sollte. Tragende Erwägung ist hierbei, dass der Erblasser in der Regel substantiierte Überlegungen über seine testamentarische Verfügung angestellt hat. Dieser Erkenntnis müsse mit dem entsprechenden Deutungsgeschick und Verstand beim Auslegungsvorgang begegnet werden. Darüber hinaus wird angedacht, dass durch den common sense (positive) steuerliche Belange (für den Begünstigten) bei der Ermittlung des Auslegungsergebnisses berücksichtigt werden könnten. Eine Beachtung des common sense im Sinne der vorgeschlagenen generalklauselartigen Erwägungen erscheint zwar theoretisch denkbar. Da aber bisher keine Anwendungsfälle existieren, ist zu konstatieren, dass der Gedanke des common sense, wie auch immer er im hiesigen Kontext zu deuten sein mag, in der Rechtspraxis für die Lösung des zugrunde liegenden sozialen Konflikts bislang keinerlei Rolle spielt und daher hier nicht weiter verfolgt wird, Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 308 para. 13-005.

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dd) Problematik eines (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlauts Auch in England sieht sich der Richter im Zusammenhang mit einem (vermeintlich) klaren und eindeutigen Wortlaut mit der Fragestellung konfrontiert, ob er eine solchermaßen abgefasste testamentarische Verfügung überhaupt auslegen kann. Grundsätzlich war im englischen Recht eine Auslegung gegen den natürlichen Wortsinn eines Testaments unzulässig,171 was mitunter als incapable meaning rule bezeichnet wurde.172 Eine Auslegung, die sich über den Wortlaut hinwegsetzt, hätte die Grenze zum rewriting überschritten, welches die interpretation nicht herbeiführen darf. Dass der Wortlaut als Auslegungshindernis betrachtet wurde, deckt sich mit der damals noch vorherrschenden streng formalen Auslegungsmethodik (literal approach).173 Doch selbst in Zeiten des intentional approach174 nahm die Rechtsprechung eine diesbezüglich zurückhaltende Position ein. Sie argumentierte weiterhin, dass die Auslegung gegen den Wortlaut ein im Wege der Auslegung unzulässiges rewriting darstelle. Ein solches rewriting sei ausschließlich durch die rectification gemäß sec. 20 AoJA 1982 zu erreichen, deren Anwendungsbereich geschützt werden müsse.175 Zudem seien die Wirkungen des heranziehbaren Beweismaterials begrenzt: Weil es eine bloße Interpretationshilfe sei, könne es zweifelhafte Passagen einer testamentarischen Anordnung lediglich erläutern.176 Konnte ein verwendeter Begriff dem natürlichen Sprachgebrauch nach auf zwei Arten verstanden werden, sollte das heranziehbare Beweismaterial nur zur Aufklärung dessen dienen, welcher der beiden Bedeutungsgehalte maßgeblich war. Es durfte hierdurch kein dritter Sinngehalt in den Auslegungsprozess eingebracht werden, den der natürliche Sprachgebrauch nicht hergab.177 Ein 171

Besonders deutlich etwa Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J. Siehe auch Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 145; Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 22; vgl. Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-007. 172 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-007, 12-030. Dazu schon oben § 3 A. I. 2. b) aa) (1), S. 107 f. 173 Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 142. Zum literal approach oben § 3 A. I. 2. b) aa) (1), S. 107 ff. 174 Siehe oben § 3 A. I. 2. b) aa) (2), S. 109 ff. 175 Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.; siehe auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-008. Zur rectification noch unten § 3 A. II., S. 161 ff. 176 Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.; vgl. Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch), para. 66, per Hodge Q.C.; Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 215; vgl. Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-006 f. 177 Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.; Sloan, Borkowski’s Law of

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Auslegungsergebnis, das z.B. aus dem Wortlaut „black“ den Sinngehalt „white“ gemacht hätte, durfte also nicht erzielt werden.178 Hingegen blieb die Grenze zum rewriting unverletzt, wenn der Erblasser ein entsprechendes dictionary implementierte. Dann bildete der Wortlaut kein Auslegungshindernis.179 Dasselbe galt bei Falschbezeichnungen, die in den Anwendungsbereich der „falsa demonstratio rule“ fielen.180 Indessen markieren die neueren Entwicklungen in der englischen Judikative auch in diesem Zusammenhang einen bedeutenden Wendepunkt. Denn die Möglichkeit einer Auslegung gegen einen (scheinbar) klaren und eindeutigen Wortlaut und einer damit einhergehenden faktischen Wortlautkorrektur181 wurde durch ICS eröffnet182 und in Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd. einstimmig bestätigt.183 In ICS wird betont, dass es nicht um die Ermittlung der bloßen Wortbedeutung gehe, sondern um die Ermittlung des Sinngehalts des betreffenden Dokuments.184 Dass damit die Auslegungsmöglichkeit gegen den Wortlaut einhergeht, ist dann nur eine konsequente Fortführung dieses Gedankengangs. Als dogmatische Grundlage dient dabei das vierte Auslegungsprinzip Lord Hoffmanns aus ICS,185 das die Bedeutung Succession, 3rd ed., 2017, p. 215; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-006. 178 Vgl. Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 286 para. 12-007. Beispiel nach Re Cook, [1948] Ch. 212, 216, per Harman J. 179 Re Cook, [1948] Ch. 212, 216, per Harman J.: „Testators can make black mean white if they make the dictionary sufficiently clear.“ Zum dictionary principle bereits oben § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f. 180 Auf diese Regel wird unten noch gesondert eingegangen, § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 f. (Fn. 237). 181 Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 145. 182 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. 183 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101. Nachfolgend mit Chartbrook abgekürzt. 184 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann. 185 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 912 f., per Lord Hoffmann: „(4) The meaning which a document (or any other utterance) would convey to a reasonable man is not the same thing as the meaning of its words. The meaning of words is a matter of dictionaries and grammars; the meaning of the document is what the parties using those words against the relevant background would reasonably have been understood to mean. The background may not merely enable the reasonable man to choose between the possible meanings of words which are ambiguous but even (as occasionally happens in ordinary life) to conclude that the parties must, for whatever reason, have used the wrong words or syntax [...].“ Übernommen etwa in RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980, 989 f., per Lord Neuberger.

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einzelner Worte der Gesamtbedeutung des betreffenden Dokuments unterordnet.186 Für die Auslegung gegen den Wortlaut müssen zwei Voraussetzungen vorliegen, die Lord Hoffman in Chartbrook aufstellte: „All that is required is that [1.] it should be clear that something has gone wrong with the language and [2.] that it should be clear what a reasonable person would have understood the parties to have meant.“187

Neben der Feststellung, dass (1.) etwas mit der Erklärung „schiefgelaufen“ sei,188 müsse (2.) Klarheit darüber herrschen, wie ein vernünftiger Durchschnittsbetrachter die Erklärung verstehen dürfe. Während der zuletzt genannte Maßstab der reasonable person bereits erörtert wurde,189 erscheint die Bedeutung der erstgenannten Komponente unklar. Wenn der auslegende Richter ein grundsätzlich nicht mit dem Wortlaut kohärentes Auslegungsergebnis erzielen möchte, soll er hiernach zuvor einen dem Erblasser unterlaufenen Fehler feststellen. Bei näherer Betrachtung erscheint fragwürdig, inwiefern dem Kriterium überhaupt ein eigenständiger Mehrwert entnommen werden kann. Dies verdeutlicht die folgende Überlegung: Wenn der auslegende Richter zunächst den objektiven testamentarischen Sinngehalt und anschließend den Erblasserwillen ermittelt hat und hierbei eine Diskrepanz verzeichnet, liegt doch schon der Schluss nahe, dass hier ein Fehler unterlaufen ist.190 Daher macht die weit überwiegende Rechtsprechung eine solche vorherige Feststellung nicht zur Voraussetzung einer Auslegung gegen den Wortlaut.191 Durch die eröffnete Möglichkeit, gegen den Wortlaut auslegen

186 Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 28; Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 142. 187 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1114, per Lord Hoffmann (Nummerierung durch den Verfasser). 188 Ähnlich schon Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann: „[...] something must have gone wrong with the language [...].“ Vergleichbar auch East v. Pantiles (Plant Hire) Ltd., (1981) 263 E.G. 61, per Brightman L.J.; vgl. Rainy Sky SA v. Kookmin Bank, [2010] 1 C.L.C. 829, 842 f., per Patten L.J. 189 Dazu bereits oben § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 116 ff. und § 3 A. I. 2. b) cc), S. 125 ff. 190 Vgl. Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 29. Um eine Ausnahme handelt es sich allerdings in den Fällen des dictionary principle. Hier wurzelt die Abweichung zwischen Wortlaut und Wille nicht in einem Fehler. Dies hindert dann aber nicht, wie gezeigt, die jedenfalls faktische Auslegung gegen den Wortlaut, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f. 191 Siehe nur Westminster City Council v. National Asylum Support Service, [2002] U.K.H.L. 38, para. 5, per Lord Steyn; Paul James Egan v. Static Control Components (Europe) Ltd., [2004] E.W.C.A. Civ. 392, para. 27, per Arden L.J.; Wayne Martin v. David Wilson Homes Ltd., [2004] E.W.C.A. Civ. 1027, para. 25, per Buxton L.J.; auch Lord Hoffmann, der durch seine oben angesprochene Formulierung die Notwendigkeit dieser

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zu können, hat die englische Auslegungsmethode also eine erhebliche Liberalisierung erfahren.192 Von der ursprünglichen Rechtsprechungslinie ist lediglich übrig, dass widerleglich vermutet wird, dass der (vermeintlich) klare und eindeutige objektive testamentarische Bedeutungsgehalt den Erblasserwillen wiedergebe.193 Jedoch wird neuerdings vor dem Hintergrund zweier nach Marley194 zur Vertragsauslegung ergangenen Entscheidungen des englischen Supreme Court diskutiert, ob der zuvor skizzierte liberale Kurs noch Bestand hat. Es wird vorgebracht, dass die beiden Fälle möglicherweise den Beginn der obergerichtlichen Rechtsprechung markierten, sich wieder einem restriktiveren Auslegungsstandard anzunähern und sich von der weitreichenden, insbesondere durch Lord Hofmann in ICS195 und Chartbrook196 geprägten, Linie zu distanzieren.197 Den Stein des Anstoßes bildete dabei Arnold v. Britton,198

Voraussetzung nahelegte, folgt der überwiegenden Rechtsprechungslinie, siehe nur Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 775, per Lord Hoffmann; Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1114 ff., per Lord Hoffmann. Czarnecki verweist darauf, dass der Streit um die (vermeintliche) Notwendigkeit dieser Voraussetzung die Rechtspraxis zumindest faktisch beeinflussen könne, weil sie womöglich die Überschreitung einer subjektiven Hemmschwelle einfordere, wenn es um eine Auslegung gegen den Wortlaut gehe. Dies könne dann gegebenenfalls besonders hohe Beweisanforderungen nach sich ziehen, wenn ein vom Wortlaut abweichendes Auslegungsergebnis angenommen werden solle, eingehend dazu Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 29 f. Da der Erblasserwille aber ohnehin mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden muss und die daran gestellte Beweisanforderung sowieso hoch ist, darf die Bedeutung dieser (potentiellen) Auswirkung zumindest im Bereich einseitiger Testamente nicht überschätzt werden. 192 Auch Lord Neuberger nahm dies im Marley case zur Kenntnis und konstatierte, dass dies, insbesondere die damit einhergehende Auslegung gegen den Wortlaut, im Schrifttum kontrovers diskutiert werde, Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 147, per Lord Neuberger. Dazu noch unten § 3 A. 3., S. 149 ff. 193 Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216, 1231, per Lord St. Leonards; Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896, 913, per Lord Hoffmann; Re Segelman, [1996] Ch. 171, 184; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 337 para. 14-008; Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 28. 194 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 195 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896. 196 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1114. 197 Etwa Lees, (2017) Conv. 364 ff.; McKendrick, Contract Law. Text, Cases, and Materials, 8th ed., 2018, p. 376 ff.; in Bezug auf Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619 etwa ShawMellors/Stockin, (2015) 5 P.C.B. 268 ff. 198 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619. Besprechung der Entscheidung durch Roberts, (2016) Conv. 70 ff.

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worauf die Entscheidung Wood v. Capita Insurance Services Ltd.199 folgte. Im Anschluss an beide cases sprach sich Lord Sumption im Rahmen eines Vortrags dezidiert gegen eine einem (vermeintlich) klaren und eindeutigen Wortlaut zuwider laufende Auslegung aus,200 wodurch die Diskussion Fahrt aufnahm.201 In Arnold v. Britton202 ging es um die Auslegung einer Vertragsklausel, die für die Vermietung (lease) von Ferienhütten verwendet wurde. Die leases sahen eine 99-jährige Laufzeit vor und wurden zwischen 1974 und 1991 geschlossen. Die streitgegenständliche Klausel legte fest, dass der landlord von seinen Mietern (lessees) für die Instandhaltung der vermieteten Hütten eine Servicepauschale verlangen konnte. Sie bestimmte, dass sich die Mieter „proportional“ an den Kosten für die Bereitstellung der Serviceleistungen beteiligen mussten. Dafür betrug die Servicepauschale im ersten Jahr £ 90,–, die sich entweder alle drei Jahre oder aber jährlich um 10 % erhöhte, dies je abhängig davon, wann der Vertrag geschlossen wurde.203 2011 betrug die jährliche Servicepauschale infolge der Regelung für einige Mieter bereits £ 2.700,–. Die Mieter vertraten aufgrund dieser exorbitanten Kosten gegenüber dem beklagten landlord die Ansicht, die im ersten Jahr vorgesehene

199

Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173. Lord Sumption, (2017) 17(2) O.U.C.L.J. 301, 309 ff. 201 Siehe etwa Davies, (2019) 78(2) C.L.J. 267 ff.; Grant, (2019) 33(2) Tru. L.I. 60, 79 ff. Lord Hoffmann reagierte auf den Vortrag Lord Sumptions und konterte, dass die suggerierten Auslegungsstandards niemals jemand vertreten habe, Hoffmann, (2018) 134 L.Q.R. 553, 573: „I quite agree with Lord Sumption’s view that we should not depart from the conventional meaning of the language of a contract merely because, either at the time or in the light of the events which have happened, that would have been more fair or reasonable. No one has ever supported such a rule. We must give effect to what they appear to have used the language to mean, whether that would have been fair and reasonable or not. We must take into account that legal documents are drawn up by people who can be expected to have chosen their words with care and not to have left things out. I have never suggested that we should ,abandon [dictionaries and grammars] as the basic tools of construction‘. We must distinguish carefully between what appears to have been a mistake of language and a mistake about the world. But let us not go back to the dark ages of word magic, of irrebuttable presumptions by which the intentions of a user of language are stretched, truncated or otherwise mangled to give effect to the ,admissible‘, ,strict and proper‘, ,natural and ordinary‘ or ,autonomous‘ meanings of words, even when it is obvious that it was not the meaning the author, actual or notional, could have intended.“ 202 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619. 203 „Clause 3 of the first group of leases included, in clause 3(2), a lessee’s covenant ,to pay … a proportionate part of the expenses and outgoings incurred by the lessors in the repair, maintenance, renewal and the provision of services [as set out in the lease] in the yearly sum of £ 90‘, increasing thereafter at a three-yearly compound rate of 10 %. Subsequently, leases in respect of further chalets were granted in which clause 3(2) provided for an annual 10 % compound increase.“ Siehe Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619. 200

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Servicepauschale in Höhe von £ 90,– hätte nicht als jedenfalls zu entrichtende Summe begriffen werden dürfen, sondern nur als Höchstwert einer proportionalen Beteiligung an den angefallenen Servicekosten, wobei sich dieser Maximalwert im jeweils maßgeblichen Turnus um 10 % erhöhe.204 Unter der Führung von Lord Neuberger wies der Supreme Court den Appeal der Mieter zurück. Neben der Zitation prominenter Entscheidungen, die den Geist des liberalen Auslegungskurses verkörpern, betonte Lord Neuberger sieben Aspekte des modernen vertragsrechtlichen Auslegungsstandards, wovon die nachfolgenden drei aufgrund ihrer etwas zurückhaltenderen Formulierungen im gegenständlichen Kontext von Interesse sind. Erstens hob er hervor, dass weder der commercial common sense noch die surrounding circumstances dazu führen dürften, dass sich der Richter hiervon leiten lasse und der Wortlaut der auszulegenden Passage vernachlässigt werde. Denn im Gegensatz zu diesen Figuren hätten die Parteien Einfluss darauf, welche Worte sie im Vertrag verwendeten, weshalb die beiden Informationsquellen nicht von vornherein überbewertet werden dürften. Zweitens führte er aus, je klarer der Wortlaut einer Bestimmung sei, desto schwerer müsse es sein, von dessen natürlichem Sinngehalt abzurücken. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass Gerichte von nun an nach Unstimmigkeiten suchten, um eine Abweichung vom Wortlaut zu legitimieren. Selbst wenn ein Fehler gefunden werde, habe dieser häufig keinen Mehrwert für den zu ermittelnden Sinngehalt. Umgekehrt stellte Lord Neuberger aber auch klar, dass je unklarer eine Regelung gefasst sei, desto eher könne die Bereitschaft an den Tag gelegt werden, vom natürlichen Bedeutungsgehalt abzurücken.205

204

Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619. Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1628, per Lord Neuberger: „First, the reliance placed in some cases on commercial common sense and surrounding circumstances […] should not be invoked to undervalue the importance of the language of the provision which is to be construed. The exercise of interpreting a provision involves identifying what the parties meant through the eyes of a reasonable reader, and, save perhaps in a very unusual case, that meaning is most obviously to be gleaned from the language of the provision. Unlike commercial common sense and the surrounding circumstances, the parties have control over the language they use in a contract. And, again save perhaps in a very unusual case, the parties must have been specifically focussing on the issue covered by the provision when agreeing the wording of that provision. Secondly, when it comes to considering the centrally relevant words to be interpreted, I accept that the less clear they are, or, to put it another way, the worse their drafting, the more ready the court can properly be to depart from their natural meaning. That is simply the obverse of the sensible proposition that the clearer the natural meaning the more difficult it is to justify departing from it. However, that does not justify the court embarking on an exercise of searching for, let alone constructing, drafting infelicities in order to facilitate a departure from the natural meaning. If there is a specific error in the drafting, it may often have no relevance to the issue of interpretation which the court has to resolve.“ 205

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Drittens betonte er, dass das Ziel der interpretation darin liege, zu erkunden, was die Parteien tatsächlich vereinbart haben und nicht, was sie stattdessen hätten erklären sollen, um ein gerechteres Vertragsverhältnis herbeizuführen.206 Der Fall wies die Besonderheit auf, dass, abgesehen vom Retail Price Index aus den Jahren 1970 bis 2010, keine surrounding circumstances existierten, die zur Erhellung des in Wahrheit Vereinbarten hätten beitragen können.207 Das Gericht konnte den maßgeblichen Bedeutungsgehalt also nur unter Heranziehung des Vertragswerks und des besagten Index ermitteln. Dabei stützte der objektive Bedeutungsgehalt der Klausel den Vortrag des beklagten landlord.208 Das Vertragsgefüge wies keine ernstzunehmenden Fehler auf, die den Rückschluss gerechtfertigt hätten, dass die Parteien etwas hiervon Abweichendes vereinbaren wollten.209 Hinzu kam, dass die Regelung vor dem Hintergrund der damaligen Inflationsraten, die mehrere Jahre teils deutlich über 10 % lagen, als Ausdruck eines „gamble of inflation“ verstanden werden konnte, also sowohl als Chance als auch als Risiko für beide Seiten zu begreifen war, was einmal mehr mit Blick auf die lange Laufzeit des Vertrags galt. Angesichts der zukünftigen Inflationsverhältnisse erschien die Regelung aus der Perspektive eines damaligen Mieters attraktiv, zumindest aber akzeptabel.210 Angesichts dessen bestanden vernünftige Gründe dafür, davon auszugehen, dass die Parteien eine Vereinbarung gemäß dem objektiven Bedeutungsgehalt der Klausel tatsächlich treffen wollten. Vor dem Hintergrund der fehlenden surrounding circumstances im Übrigen und des Aspekts der Inflationsspekulation hätte ein Abrücken vom natürlichen Sinngehalt letztlich nichts anderes bedeutet, als über die Auslegung eine Billigkeitskorrektur vorzunehmen. Dem hat das Gericht jedoch zu Recht eine Absage erteilt.

206 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1628 f., per Lord Neuberger: „[A] court should be very slow to reject the natural meaning of a provision as correct simply because it appears to be a very imprudent term for one of the parties to have agreed, even ignoring the benefit of wisdom of hindsight. The purpose of interpretation is to identify what the parties have agreed, not what the court thinks that they should have agreed. Experience shows that it is by no means unknown for people to enter into arrangements which are ill-advised, even ignoring the benefit of wisdom of hindsight, and it is not the function of a court when interpreting an agreement to relieve a party from the consequences of his imprudence or poor advice. Accordingly, when interpreting a contract a judge should avoid re-writing it in an attempt to assist an unwise party or to penalise an astute party.“ 207 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1627, per Lord Neuberger. 208 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1629 f., per Lord Neuberger. 209 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1631 f., per Lord Neuberger. 210 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1632, per Lord Neuberger.

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Im zweiten Fall, in Wood v. Capita Insurance Services Ltd.,211 ging es um die Ermittlung der Reichweite einer in einem Share Purchase Agreement (SPA) enthaltenen Entschädigungsklausel. Die Klausel sah vor, dass der Veräußerer der Versicherungsgesellschaft, auf dessen Seite unter anderem Mr. Wood stand, gegenüber der Erwerberin, Capita Insurance Services Ltd. (Capita), sämtliche Schäden zu ersetzen hat, die ihr aus dem Ausgleich von Forderungen entstehen, die frühere Kunden unter Mitwirkung der Financial Services Authority (FSA) oder einer anderen Institution ihr gegenüber geltend machen. Nachdem der SPA vollzogen wurde, stellten die Mitarbeiter des erworbenen Unternehmens teils irreguläre Verkaufspraktiken fest, die in der Vergangenheit stattfanden. Daraufhin informierte die Erwerberin die FSA über die gewonnenen Erkenntnisse und entschädigte die betroffenen Kunden entsprechend. Gegenüber dem Veräußerer begehrte sie in der Folge Ausgleich des ihr entstandenen Schadens, unter Berufung auf die im SPA enthaltene Entschädigungsklausel. Der Veräußerer vertrat allerdings die Auffassung, das Szenario sei von der streitgegenständlichen Klausel nicht erfasst, weil die Erwerberin selbst die Forderungen ausgelöst habe, indem sie sich eigenständig an die FSA wandte.212 Letztlich hatte der Supreme Court die Klausel auszulegen und deren Reichweite zu ermitteln. Lord Hodge betonte, dass die moderne Auslegung keinesfalls wortlautzentriert anhand eines überholten literal approach zu erfolgen habe,213 sondern anhand der Modi des „textualism“ und „contextualism“. Diese konkurrierten nicht miteinander, sondern seien durch den Richter in die richtige Balance zu bringen. Ob der Bedeutungsgehalt eher anhand des natürlichen Sprachgebrauchs ermittelt („textualism“) oder aber verstärkt unter Berücksichtigung der „factual matrix“ gewonnen werde („contextualism“), bestimme sich nach den Umständen des Einzelfalls.214 Der Sinngehalt einer ausgefeilten vertraglichen Vereinbarung etwa, die Teil eines komplexen Vertragswerks sei, unter anwaltlicher Vertretung ausgehandelt und professionell erstellt wurde, lasse sich im Zweifel eher anhand des natürlichen Sprachgebrauchs ermitteln als im Falle einer Abrede, der diese Aspekte fehl211

Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173. Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173 f. 213 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173, 1179, per Lord Hodge. 214 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173, 1179 f., per Lord Hodge: „But, in striking a balance between the indications given by the language and the implications of the competing constructions the court must consider the quality of drafting of the clause […]. Textualism and contextualism are not conflicting paradigms in a battle for exclusive occupation of the field of contractual interpretation. Rather, the lawyer and the judge, when interpreting any contract, can use them as tools to ascertain the objective meaning of the language which the parties have chosen to express their agreement. The extent to which each tool will assist the court in its task will vary according to the circumstances of the particular agreement or agreements.“ 212

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ten. Hier spiele die „factual matrix“ typischerweise eine bedeutendere Rolle. Insbesondere bei komplexeren Verträgen sollte Unklarheiten oder Unausgewogenheiten aber nur mit äußerster Vorsicht begegnet und nicht vorschnell von deren objektiven Bedeutungsgehalt abgewichen werden. Immerhin resultiere dies bisweilen auch aus den Vertragsverhandlungen, bei denen sich die Parteien schlicht nicht auf eine klarere Regelung verständigen konnten oder aber eine Partei eine für sie ungünstige Regelung akzeptiert habe. Solche Umstände dürften durch die Auslegung nicht konterkariert werden, indem der Richter einen Bedeutungsgehalt annehme, der vernünftiger erscheine, den die Parteien aber tatsächlich nicht vereinbart hätten.215 Abschließend stellte Lord Hodge klar: „On the approach to contractual interpretation, the Rainy Sky and Arnold cases were saying the same thing. The recent history of the common law of contractual interpretation is one of continuity rather than change. One of the attractions of English law as a legal system of choice in commercial matters is its stability and continuity, particularly in contractual interpretation.“216

Letztlich entschied der Supreme Court, dass das streitgegenständliche Szenario nicht vom Anwendungsbereich der Klausel gedeckt sei und Capita kein Entschädigungsanspruch gegenüber dem Veräußerer zustehe. Das Gericht hielt am objektiven Bedeutungsgehalt fest, weil es sich um ein äußerst umfangreiches, detailliertes und professionell erstelltes Vertragswerk handele, das nur wenig Raum dafür lasse, davon auszugehen, dass die Parteien in Wahrheit etwas anderes vereinbaren wollten.217 Zudem spreche der vertragliche Gesamtkontext dafür, den Anwendungsbereich der in zeitlicher Hinsicht unbegrenzten Entschädigungsklausel restriktiv auszulegen, weil die im Vertrag ebenfalls zugestandenen Garantien, die sich mit einem etwaig in der Vergangenheit stattgefundenen „mis-selling“ befassten, bloß zeitlich begrenzt ausgestaltet seien. Vor dem Hintergrund der zeitlich unterschiedlichen Ausgestaltung erscheine ein divergierender Anwendungsbereich durchaus nachvollziehbar, würde sich der Veräußerer doch andernfalls einem immensen Haftungsrisiko ausgesetzt sehen, wenn die Entschädigung noch in ferner Zukunft verlangt werden könne und zugleich der sie auslösende Anwendungsbereich der Klausel weit ausgelegt würde. Ferner dürfe die juristische Expertise der Beteiligten nicht außer Acht gelassen werden und deren jeweilige Erfahrungen in der Versicherungsbranche müsse berücksichtigt werden.218 Vor dem Hintergrund der Gesamtumstände sprachen also auch hier

215 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173, 1179 f., per Lord Hodge; ebd., 1186, per Lord Hodge: „[…] it is not the function of a court to improve their bargain.“ 216 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1179, 1180, per Lord Hodge. 217 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1179, 1180, per Lord Hodge. 218 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1179, 1183, per Lord Hodge.

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vernünftige Gründe dafür, nicht vom natürlichen Sinngehalt der streitgegenständlichen Klausel abzuweichen. Mit Blick auf die beiden zuvor diskutierten Entscheidungen bleibt zu konstatieren, dass der Supreme Court jeweils zu Recht nicht vom objektiven Bedeutungsgehalt abgerückt ist. Wie gezeigt, gab es jeweils keine Anhaltspunkte, die darauf hätten schließen lassen, dass die Parteien in Wahrheit etwas anderes vereinbart hatten. Betrachtet man die dicta der beiden cases, müssen Zweifel angekündigt werden, ob sich hierdurch tatsächlich ein restriktiverer Kurs anbahnt. Immerhin bestätigen sie im Wesentlichen das, was schon etwa in ING Bank NV v. Ros Roca SA219 und Charter Reinsurance Co. Ltd. v. Fagan220 betont wurde, nämlich, dass der konkrete Wortlaut geachtet werden müsse und nicht vorschnell von ihm abgewichen werden dürfe; stets bedürfe es einer sorgfältigen und umsichtigen Prüfung der Umstände des Einzelfalls.221 Jedenfalls haben Arnold v. Britton222 und Wood v. Capita Insurance Services Ltd.,223 denen jeweils ein commercial contract zugrunde lag, den liberalen Rechtsprechungskurs nicht overruled; dass der Wortlaut als Auslegungshindernis zu verstehen sei, wurde nicht kommuniziert. Im Gegenteil hat der Supreme Court die Auslegung gegen den Wortlaut in der darauffolgenden Entscheidung Buckinghamshire v. Barnardo‘s224 aus dem Jahr 2018 unter der Führung von Lord Hodge wieder ausdrücklich anerkannt,225 wo es um die Auslegung eines pension scheme ging: „Finally, a focus on textual analysis in the context of the deed containing the scheme must not prevent the court from being alive to the possibility that the draftsman has made a mistake in the use of language or grammar which can be corrected by construction, as occurred in Chartbrook Ltd v Persimmon Homes Ltd [2009] AC 1101, where the court can clearly identify both the mistake and the nature of the correction.“226

Weiterhin muss auch die 2019 ergangene Entscheidung des Supreme Court Wells v. Devani227 hervorgehoben werden, in der sich Lord Briggs zur Auslegung und der diesbezüglichen Bedeutung der Gesamtumstände eines Vertragsschlusses in einer Weise äußerte, die sich wieder besser in den Kanon der vorherigen liberalen dicta, insbesondere dieser Lord Hoffmanns, einzufügen scheint:228

219

ING Bank NV v. Ros Roca SA, [2012] 1 W.L.R. 472. Charter Reinsurance Co. Ltd. v. Fagan, [1997] A.C. 313. 221 Siehe unten § 3 A. 3., S. 250 (Fn. 257). 222 Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619. 223 Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1179. 224 Buckinghamshire v. Barnardo‘s, [2019] I.C.R. 495. 225 So auch Grant, (2019) 33(2) Tru. L.I. 60, 82. 226 Buckinghamshire v. Barnardo‘s, [2019] I.C.R. 495, 501, per Lord Hodge. 227 Wells v. Devani, [2019] 2 W.L.R. 617. 228 So auch Davies, (2019) 78(2) C.L.J. 267, 270.

220

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„Lawyers frequently speak of the interpretation of contracts (as a preliminary to the implication of terms) as if it is concerned exclusively with the words used expressly, either orally or in writing, by the parties. And so, very often, it is. But there are occasions, particularly in relation to contracts of a simple, frequently used type, such as contracts of sale, where the context in which the words are used, and the conduct of the parties at the time when the contract is made, tells you as much, or even more, about the essential terms of the bargain than do the words themselves.“229

Letztlich wird abzuwarten bleiben, ob und bejahendenfalls inwieweit die Auslegung von Verträgen zurückhaltender erfolgen und vom oben beschriebenen, insbesondere durch ICS230 und Chartbrook231 geprägten, Kurs abweichen wird. Von besonderer Relevanz ist dabei, ob der (vermeintlich) klare und eindeutige Wortlaut wieder als Auslegungshindernis zu verstehen sein wird. In diesem Zusammenhang bleibt auch zu verfolgen, ob sich aus der geschilderten Diskussion zur Vertragsauslegung Rückwirkungen auf die Testamentsauslegung ergeben. Dies wird das zukünftig zu entscheidende Fallmaterial erhellen. Trotz der mahnenden dicta, dem Wortlaut keine zu geringe Bedeutung beizumessen, ist im status quo allerdings davon auszugehen, dass der Wortlaut bei entsprechender Beweislage weiterhin überwunden werden kann. Nach dem bereits erfolgten Ausscheiden Lord Neubergers und Lord Sumptions und der Ernennung Lady Ardens erscheint es denkbar, dass sich wieder offener zu dem liberalen Kurs, geprägt durch die berühmten dicta Lord Hoffmanns, bekannt wird. Dies legen zumindest die jüngeren Entscheidungen des Supreme Court Buckinghamshire v. Barnardo’s232 und Wells v. Devani233 nahe. Um einen Sonderfall des (scheinbar) klaren und eindeutigen Testamentswortlauts handelt es sich bei Falschbezeichnungen. Auf diese trifft der Richter insbesondere dann, wenn der Testamentswortlaut einen Bedachten234 oder einen vermachten Gegenstand ausweist,235 den der Erblasser nicht bedenken bzw. nicht vermachen wollte. Ist die betreffende Person oder Sache nicht existent, ist dieses Szenario traditionell im Anwendungsbereich der „falsa demonstratio“-rule anzusiedeln, wonach eine (unbewusste)236 Falschbezeich-

229

Wells v. Devani, [2019] 2 W.L.R. 617, 634, per Lord Briggs. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass es sich dort um die Bedeutungsgehaltsermittlung eines bloß mündlich geschlossenen Vertrags handelte. 230 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896. 231 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101. 232 Buckinghamshire v. Barnardo’s, [2019] I.C.R. 495. 233 Wells v. Devani, [2019] 2 W.L.R. 617. 234 So etwa bei In the Goods of Peel, (1870) L.R. 2 P. & D. 46. 235 Vgl. Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 27. 236 In Abgrenzung dazu fallen die Konstellationen der bewussten Falschbezeichnung in

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nung für die Durchsetzung des wirklich Gewollten unschädlich ist und sich der wahre Erblasserwille durchsetzt. Diese Regel bot daher schon immer die Möglichkeit einer Auslegung gegen den Wortlaut.237 Der heutige modern contextual approach ermöglicht in diesen Fällen wohl weiterhin238 dasselbe Ergebnis, weshalb ein Rückgriff auf diesen Rechtssatz nicht erforderlich ist.239 Zum Schwur kommt es indessen in Konstellationen, in denen die durch die Falschbezeichnung ausgewiesene Person existiert, wie etwa in National Society v. Scottish National Society.240 Earl Loreburn konstatierte für diese Fälle, dass eine „very strong presumption“ dahingehend bestehe, dass der Erblasser die objektiv bezeichnete Person auch wirklich bedenken wollte. Diese Vermutung sei nur in absoluten Ausnahmefällen zu widerlegen.241 Dies gelte auch in Konstellationen einer Falschbezeichnung einer existierenden juristischen Person.242 Hierüber hilft die „falsa demonstratio“-Regel nicht den Anwendungsbereich des bereits erläuterten dictionary principle. Denn diesem Rechtssatz liegen regelmäßig bewusste Falschbezeichnungen zugrunde, weil sie auf einer besonderen Ausdrucksweise des Erblassers beruhen und der Testator bewusst einen Anhalt für das implementierte dictionary im Testamentswortlaut integriert. 237 Auch die „falsa demonstratio“-rule wurde im englischen Recht fortwährend liberalisiert. Während die Durchsetzung des wahren Willens früher noch von einer zumindest teilweise zutreffenden Bezeichnung im Testamentswortlaut abhängig gemacht wurde, siehe Re Mayell, [1913] 2 Ch. 488, 491, per Warrington J.; vgl. Ryall v. Hannam, (1847) 10 Beav. 536, 540, per Lord Langdale, wird heute hierauf verzichtet. Der wahre Wille setzt sich also auch dann durch, wenn der Testamentswortlaut keinerlei korrekte Benennungen enthält, hierfür etwa Re Gifford, [1944] Ch. 186, 188, per Simonds J.: „[I]f, on consideration of the relevant parts of the will, one comes to the conclusion that the testatrix intended to pass something and can determine what that something is, then the fact that she has given at a wrong description will not prevent her will taking effect in regard to that which is wrongly described.“ Im Fall war „consolidated inscribed stock“, anstatt der im Testament fälschlicherweise bezeichneten „war bonds“ gemeint. Vgl. auch Re Price, [1932] 2 Ch. 54, 57, per Eve J. 238 Vorbehaltlich weiterer Entwicklungen im Zusammenhang mit der zuvor skizzierten Diskussion um restriktivere Tendenzen im Recht der Vertragsauslegung. 239 Siehe nur The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch). 240 Zum Sachverhalt schon oben § 1 A., S. 5 f. 241 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 212, per Earl Loreburn: „[T]he accurate use of a name in a will creates a strong presumption against any rival who is not the possessor of the name mentioned in the will. It is a very strong presumption and cannot be displaced except in exceptional circumstances“ und 216, per Lord Parmoor: „in some abnormal space of a special character“. 242 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 213, per Earl Loreburn. Dies deckt sich mit sec. 61(b) Law of Property Act 1925, in der es heißt: „In all deeds, contracts, wills, orders and other instruments executed, made or coming into operation after the commencement of this Act, unless the context otherwise requires ,Person‘ includes a corporation.“

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hinweg. Unklar ist allerdings, welche Anforderungen an eine Widerlegung der „very strong presumption“ gestellt werden.243 Mit Blick auf die Formulierungen Earl Loreburns und Lord Parmoors244 ist hier zumindest von einer hohen Hürde auszugehen, die eine Einzelfallentscheidung auf Grundlage einer besonders dichten Beweislage erforderlich macht.245 Dies kann freilich eine nicht unbedeutende Hemmschwelle bei dem auslegenden Richter hervorrufen, die das Durchsetzungsvorhaben mit Blick auf den wahren Willen erheblich erschwert. Da der geschilderte Entscheidungsinhalt durch die Judikatur nie in Zweifel gezogen und das case law demzufolge nicht overruled wurde, ist auch heute noch von dessen Fortgeltung auszugehen.246 Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob sich die Entscheidung auf die falsche Bezeichnung eines existenten Gegenstands übertragen lässt. Obwohl hierzu noch kein Judikat ergangen ist, spricht einiges dafür, dass die Linie aus National Society v. Scottish National Society hierauf übertragen würde.247 In der Folge bestünde auch hier eine „very strong presumption“ dahingehend, dass der Erblasser über den bezeichneten Gegenstand disponieren wollte. Letztlich bleibt festzuhalten, dass das Verständnis der reasonable person vom Urkundentext maßgeblich ist. Besondere Anforderungen bestehen im seltenen Fall einer Falschbezeichnung, in dem die unzutreffend benannte Person bzw. der falsch bezeichnete Gegenstand existiert. Hier hängt die Auslegung gegen den Wortlaut von der Erschütterung der „very strong presumption“ ab, die eine hohe Beweisdichte einfordert. Die „falsa demonstratio“rule, die hier nicht weiterhilft, hat angesichts des liberalen modern contextual approach in diesem Themenkomplex kaum noch eine Bedeutung und dient allenfalls als zusätzliches Argument für das gewünschte Auslegungsergebnis.248

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Vgl. Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 198. Siehe § 3 A. I. 2. b) dd), S. 147 (Fn. 241). 245 Auch wenn eine Vermutungswiderlegung durch die hohen Anforderungen nahezu ausgeschlossen scheint, gelang dies in der Vergangenheit bereits, siehe Henderson v. Henderson, [1905] 1 I.R. 353 (Ireland); Day v. Collins, [1925] N.Z.L.R. 280 (New Zealand), jeweils zitiert nach Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 328 para. 13-046. 246 So auch Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 302; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 298 para. 12-029. Zur Methode des overruling siehe Maultzsch, in: Methodik des Zivilrechts – von Savigny bis Teubner, 3. Aufl., 2017, S. 510, 521 ff. Rdnr. 1340 ff. 247 So Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 328 para. 13-046 mit Verweis auf Re Jones, [1971] N.Z.L.R. 796 (New Zealand). 248 Siehe etwa Re Harte, [2015] Official Transcript, per Hodge Q.C., wo der Erblasserwille trotz falscher Bezeichnung der zu bedenkenden Organisationen ohne Rückgriff auf die „falsa demonstratio“-rule, aber durch Verwertung von unterschiedlichen Beweisen verwirklicht wurde; Burnard v. Burnard, [2014] E.W.H.C. 340, per Behrens J., wo die Falschbezeichnung „GRANGEWAY PROPERTIES LTD“ entlarvt und das wirklich Ge244

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3. Grenzen Nachfolgend sollen die Grenzen der Auslegung herausgearbeitet werden. Die Reichweite der Auslegung wurde seit jeher vor allem durch die Grenze des rewriting bestimmt.249 Mit der Liberalisierung der interpretation hat die limitierende rewriting-Figur jedoch fortwährend an Bedeutung verloren. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung als Lord Hoffmann in Chartbrook die unbegrenzte Auslegung auszurufen schien: „[T]here is not, so to speak, a limit to the amount of red ink or verbal rearrangement or correction which the court is allowed.“250

Angesichts dessen stellt sich die Frage, ob die rewriting-Grenze bei der Auslegung nach dem modern contextual approach überhaupt noch besteht. Betrachtet man die diesbezüglichen Ausführungen Lord Neubergers in Marley,251 fallen sie deutlich zurückhaltender aus als im soeben zitierten Votum Lord Hoffmanns. Lord Neuberger setzte sich mit Blick auf die von Lord Hoffmann postulierte weite Ausdehnung der Auslegung mit einem Beitrag Sir Buxtons auseinander, der kritisiert, dass sich die ausgerufene, scheinbar grenzenlose, Auslegung nicht in den Kanon der vorher ergangenen Entscheidungen einfüge.252 Auch Lewison, der Autor eines der Standardwerke zur Vertragsauslegung („The Interpretation of Contracts“), konstatierte, dass mit Chartbrook ein Beispiel dafür gefunden sei, dass durch die geübte liberale Rechtsprechungspraxis nahezu kein Unterschied mehr zwischen Auslegung und rectification bestehe.253 Zudem betonte Lord Neuberger, dass die Auslegung nur so weit reichen dürfe, dass sie nicht den Anwendungsbereich der rectification berühre – dieser müsse geschützt werden. Die Frage der Auslegungsreichweite sei damit vor allem eine Frage der Abgrenzung zwischen interpretation und rectification, die nicht nur theoretischer, sondern auch praktischer Natur sei.254 Weil Marley über die rectification entschieden wollte durch extrinsic evidence aufgedeckt werden konnte – erneut ohne Erwähnung der „falsa demonstratio“-Regel. Als weiteres Beispiel kann der Fall Parkinson v. Fawdon, [2009] E.W.H.C. 1953 (Ch) angeführt werden. 249 Siehe bereits oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 136 f. 250 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1114, per Lord Hoffmann. 251 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 252 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 147, per Lord Neuberger, der Buxton, (2010) 69 C.L.J. 253 zitiert. 253 Lewison, The Interpretation of Contracts, 5th ed., 2011, p. 478 para. 9.03 (Fn. 67), der von Lord Neuberger zitiert wird, Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 147 f., per Lord Neuberger. 254 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger: „At first sight, it might seem to be a rather dry question whether a particular approach is one of interpretation or rectification. However, it is by no means simply an academic issue of categori-

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wurde, blieb die Frage nach der exakten Grenze der Auslegung jedoch offen. Diese Abgrenzungsfrage müsse erst dann entschieden werden, wenn eine diesbezügliche Positionierung unumgänglich sei.255 Lord Neuberger hat in Marley also deutlich gemacht, dass die Auslegung nicht grenzenlos erfolgen soll, sodass die Grenze des rewriting hiernach fortbestehen würde. Lord Hoffmanns Postulat, das die Aufhebung der rewriting-Grenze nahelegt, findet hier also keine Bestätigung. Zwar sind die Ausführungen Lord Neubergers zur Auslegungsreichweite obiter dicta und wurden im Unterschied zum modern contextual approach bisher nicht in der Rechtsprechung aufgegriffen, sodass keine Entscheidung ergangen ist, in denen eine intendierte Willensverwirklichung an der rewriting-Grenze gescheitert wäre oder dies überhaupt im Raume gestanden hätte.256 Allerdings ist auch kein Judikat ergangen, das sich ausdrücklich von der rewriting-Grenze verabschiedet hat. Ab und an lässt sich die allgemein gehaltene Position finden, dass die Auslegung nicht zu ausufernd angewandt werden dürfe, wenn auch nicht mit konkretem Bezug zur rewriting-Figur.257 Wenngleich die Ausführungen zum modern contextual approach insgesamt für eine weitreichende Auslegung sprechen, legen das Vorstehende und die oben skizzierte Diskussion um eine restriktivere Vertragsauslegung258 jedoch nahe, dass die Auslegungsgrenze des rewriting nicht gänzlich aufgegeben wurde und in irgendeiner Weise fortgilt. Hinzu kommt, dass mit dem ausdrücklichen Verzicht auf eine begrenzende Figur jedes Mittel aus der Hand gegeben wäre, mit dem sich einschränkend auf den Auslegungsprozess einwirken ließe. Daher muss – auch in Einklang mit dem Schrifttum – davon ausgegangen werden, dass die rewriting-Grenze fortbesteht.259 sation. If it is a question of interpretation, then the document in question has, and has always had, the meaning and effect as determined by the court, and that is the end of the matter. On the other hand, if it is a question of rectification, then the document, as rectified, has a different meaning from that which it appears to have on its face, and the court would have jurisdiction to refuse rectification or to grant it on terms […].“ 255 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148 per Lord Neuberger. 256 Eine besonders weitreichende Wirkung der interpretation ist in den jüngeren zur Testamentsauslegung ergangenen Entscheidungen zu beobachten, The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch) und Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch); Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch), wo sogar fehlende Begriffe in das Testament „hineingelesen“ wurden. 257 So wurde in der Rechtsprechung davor gewarnt, die Auslegung zu weit zu treiben, vgl. etwa ING Bank NV v. Ros Roca SA, [2012] 1 W.L.R. 472, 502, per Rix L.J.: „Judges should not see in Chartbrook Ltd v. Persimmon Homes Ltd [2009] AC 1101 an open sesame for reconstructing the parties‘ contract, but an opportunity to remedy by construction a clear error of language which could not have been intended.“ Siehe auch Charter Reinsurance Co. Ltd. v. Fagan, [1997] A.C. 313, 388, per Lord Mustill; Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1628 f., per Lord Neuberger; Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1173, 1179 f., per Lord Hodge. 258 Oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 139 ff.

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Hieran anknüpfend stellt sich die Frage, wann der Vorwurf eines solchen rewriting droht. Dabei legt die geringe praktische Relevanz der Figur im Umfeld der liberalen Auslegungsmethode bereits nahe, dass es sich um Ausnahmefälle handeln muss, in denen die Grenze der Auslegung überschritten wäre. Nach Lord Neuberger würde es sich um ein unzulässiges rewriting handeln, wenn der Anwendungsbereich der rectification tangiert wäre.260 Freilich sind dadurch wiederum keine klaren Konturen skizziert,261 vielmehr hat sich die Fragestellung nur umgedreht, wenn es dadurch nun darauf ankommt, wo der originäre Anwendungsbereich der rectification beginnt und vorher gefragt wurde, wo der der interpretation endet. Was den status quo anbelangt,262 kann jedenfalls konstatiert werden, dass einige Fälle, die früher als unzulässiges rewriting gegolten hätten,263 nunmehr im Wege der Auslegung zugunsten des wahren Willens gelöst wurden,264 insbesondere wurde dafür keine Andeutung gefordert.265 Mit diesem Gedanken wurde das Law Reform Committee zwar konfrontiert,266 allerdings konnte er sich weder in 259 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 310 para. 13-009: „In the author’s view, the approach of the construction of wills as set out in Marley should not fundamentally alter the proposition that the court cannot simply rewrite a will for a testator after his death to improve upon it – that would cut across the fundamental purpose of seeking to ascertain the testator’s intention.“ Siehe auch Drummond, (2014) 4 Conv. 357, 364; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 142; Andrews, Contract Law, 2nd ed., 2015, p. 372 f. para. 14.21; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 176 para. 10.3.3; Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 149 ff. para, 2–93 ff. 260 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger. 261 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 310 para. 13-009. Diese Unklarheit besteht allerdings auch bei der Auslegung anderer Dokumente und nicht nur bei Testamenten, dazu etwa Andrews, Contract Law, 2nd ed., 2015, p. 372 f. para. 14.21. 262 Zu möglichen künftigen Restriktionen schon zuvor, § 3 A. I. 2. b) dd), S. 139 ff. 263 Es sei denn, es war die Ausnahme der „falsa demonstratio“-rule oder des dictionary principle einschlägig, siehe dazu oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 f. (Fn. 237) („falsa demonstratio“-rule) und § 3 A. I. 2. b) cc) (1), S. 126 f. (dictionary principle). 264 Etwa The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch); Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch). 265 Vgl. Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1113 f., per Lord Hoffmann: „It is to decide what a reasonable person would have understood the parties to have meant by using the language which they did. The fact that the court might have to express that meaning in language quite different from that used by the parties […] is no reason for not giving effect to what they appear to have meant.“ 266 Das Law Reform Committee setzte sich bei seiner Arbeit mit einem rechtsvergleichenden Bericht über den kontinentalen Rechtskreis und dessen Umgang mit dem sozialen Konflikt auseinander. Darin hieß es, die kontinentalen Länder verfolgten das Ziel, den Erblasserwillen zu verwirklichen, sofern dieser eine gewisse Rückkoppelung („peg“) an den Testamentswortlaut zulasse: „[T]he courts [of the continental countries] consider their task to be to give effect to the testator’s intention, however proved, provided there is the

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der Rechtsprechung noch im Schrifttum durchsetzen. Es bedarf nur der Feststellungen, dass das Erklärte nicht dem Gewollten entspricht und dass klar ist, wie die reasonable person, ausgestattet mit dem relevanten Hintergrundwissen, die Erklärung des Testators versteht.267 Der liberale Kurs hat dazu geführt, dass die traditionellen Rechtsfiguren des dictionary principle und der „falsa demonstratio“-rule kaum noch herangezogen werden. Damit ist die rewriting-Grenze also bereits insoweit verwässert und zurückgedrängt worden, dass es schwerfällt, überhaupt noch einen denkbaren Fall zu finden, der von ihr erfasst sein könnte. In diesem Sinne führt das Schrifttum die Implementierung einer gänzlich unterlassenen Verfügung weiterhin268 als Fall des rewriting an.269 Hierbei wird auch auf die andernfalls mangelnde Formwahrung im Sinne der sec. 17 AoJA 1982270 verwiesen,271 die im englischen Recht aufgrund der Liberalisierung der Auslegungsmethodik sonst kaum noch erwähnt wird. Darüber hinaus wird der Fall als unzulässiges rewriting gehandelt, dass der auslegende Richter der fragwürdigen Testamentsstelle einen Inhalt beimisst, an den der Erblasser überhaupt nicht dachte, er also einen tatsächlich nicht vorhandenen Willen hineinlesen will.272 Diese Linie erscheint nachvollziehbar, wenn im englischen Testamentsrecht traditionell nur nach einem realen und nicht nach einem irrealen Erblasserwillen geforscht wird.273 Hiermit deckt es sich, dass die Figuren des principle of ademption und der doctrine necessary peg in the words of the will.“ Siehe Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 20 para. 56. 267 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1113 f., per Lord Hoffmann. 268 So wurde in Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J. entschieden, dass die Implementierung einer neuen Verfügung im Wege der Auslegung ein unzulässiges rewriting darstellt. 269 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 142; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-008; Drummond, (2014) 4 Conv. 357, 364. 270 Vormals sec. 9 WA 1837. 271 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 142; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-008; Drummond, (2014) 4 Conv. 357, 364: „Suppose, however, that a will fails – for no apparent reason – to make provision for someone who was close to the testator; investigation shows that the testator did intend to make provision, but that the wording never made it to the will. Adding wording for the testator’s intention into the will, on the basis that the background shows that something went wrong with the language of the will, would surely contravene s. 9 of the Wills Act 1837 unless carried out by way of rectification under s. 20 of the 1982 Act.“ 272 So auch Martyn et al, Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-008 (explizit mit der Grenze des rewriting begründet); Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 176; Schockemöhle, Errichtung und Widerruf von Testamenten in England, 2000, S. 4. 273 Siehe etwa Barak, Purposive Interpretation in Law, 2011, p. 69 f.

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of lapse eine lückenhafte testamentarische Anordnung leer laufen lassen.274 Auch im Zusammenhang mit der rectification hat sich das Law Reform Committee eindeutig ablehnend dahingehend positioniert, dass ein aufgrund unbedachter Umstände lückenhaftes Testament berichtigt werden kann („lacuna“), was sich ebenfalls in den geschilderten Kurs einfügt.275 Erneut muss die Aktualität dieses Befunds jedoch im Spiegel der neueren Entwicklungen durch Marley276 hinterfragt werden. Denn die richterliche Lückenschließung ist im Vertragsrecht über die „implication of terms in fact“-doctrine in engen Grenzen277 zulässig.278 In Anknüpfung an die vertraglich übernommenen Pflichten der Parteien dient sie der Durchsetzung des Vertragszwecks.279 Erforderlich ist deshalb, dass die Lückenschließung für die Wirksamkeit der durch die Parteien übernommenen vertraglichen Pflichten notwendig ist („business efficacy of the contractual duties the parties have taken on“)280 und dass quasi auf den ersten Blick offensichtlich ist, welcher Inhalt nach dem Parteiwillen implementiert worden wäre („officious bystander test“).281 In ihrem konkreten Anwendungsfeld ist die Doktrin jedoch unklar.282 Zwar wurde gezeigt, dass die Prinzipien zur Vertragsauslegung nach 274

Siehe oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 122 (principle of ademption) und § 3 A. I. 2. b) bb), S. 123 (doctrine of lapse). 275 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 para. 24. Dazu noch unten § 3 A. II. 3. c) cc), S. 176. 276 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 277 Hooley, (2014) 73 C.L.J. 315, 348; Peel, The Law of Contract, 14th ed., 2015, p. 246 para. 6-034. 278 The Moorcock, (1889) 14 P.D. 64; Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, [1941] A.C. 108; BP Refinery (Westernport) Pty. Ltd. v. Shire of Hastings, (1978) 52 A.L.J.R. 20; Attorney General of Belize v. Belize Telecom Ltd., [2009] 1 W.L.R. 1988; Barak, Purposive Interpretation in Law, 2011, p. 72 ff.; ausführlich dazu Peel, The Law of Contract, 14th ed., 2015, p. 244 ff. para. 6-032 ff. 279 Barak, Purposive Interpretation in Law, 2011, p. 72. 280 The Moorcock, (1889) 14 P.D. 64; Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, [1941] A.C. 108; BP Refinery (Westernport) Pty. Ltd. v. Shire of Hastings, (1978) 52 A.L.J.R. 20, 26. 281 BP Refinery (Westernport) Pty. Ltd. v. Shire of Hastings, (1978) 52 A.L.J.R. 20, 26; Shirlaw v. Southern Foundries, (1926) Ltd., [1939] 2 K.B. 868, 899 f., per MacKinnon LJ: „Prima facie that which in any contract is left to be implied and need not be expressed is something so obvious that it goes without saying; so that, if while the parties were making their bargain, an officious bystander were to suggest some express provision for it in the agreement, they would testily suppress him with a common ,Oh, of course!‘“ 282 Zwar wurden die Voraussetzungen zusammengefasst in BP Refinery (Westernport) Pty. Ltd. v. Shire of Hastings, (1978) 52 A.L.J.R. 20, 26, per Lord Simon: „(1) it must be reasonable and equitable; (2) it must be necessary to give business efficacy to the contract, so that no term will be implied if the contract is effective without it; (3) it must be so obvious that ,it goes without saying‘; (4) it must be capable of clear expression; (5) it must not contradict any express term of the contract.“ Allerdings geht daraus nicht hervor, wann die Doktrin im Einzelfall angewandt würde. Diese Unsicherheit hat sich noch durch Attorney

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Marley283 grundsätzlich auch für die Testamentsauslegung gelten. Allerdings sprechen gewichtige Gründe dafür, dass die Doktrin keine Geltung im Testamentsrecht beansprucht. Hierfür spricht bereits, dass die Doktrin auf den Vertragsbereich gemünzt und insbesondere im commercial contract-Bereich anzutreffen ist, weshalb sie sich schon nicht in den testamentarischen Kontext einfügt. Soweit ersichtlich, wurde sie bisher auch ausschließlich im Vertragsrecht angewendet. Hinzu tritt, dass die „implication of terms in fact“doctrine kein originärer Teil der interpretation ist, mit der ein real vorhandener Erblasserwille präzisiert wird, auf die sich Lord Neubergers Ausführungen in Marley jedoch ausschließlich bezogen haben.284 Die Doktrin greift vielmehr erst im Nachgang an die interpretation ein, wenn durch sie eine testamentarische Lücke offenbar wurde,285 weshalb sie als eigenständige Figur begriffen werden kann, die ihren Platz zwischen der Auslegung im engeren Sinne und der rectification hat.286 Lord Neuberger hat die „implication of terms“-doctrine aber mit keiner Silbe in Marley287 erwähnt, sodass deren Geltung im Recht testamentarischer Verfügungen nicht nahegeliegt. Ferner wurde sie im Testamentsrecht bisher nicht aufgegriffen – weder von Seiten der Rechtsprechung noch von Seiten des Schrifttums, was ebenfalls für deren Nichtgeltung im hier in Rede stehenden Kontext spricht. Somit bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie im Bereich letztwilliger Verfügungen Geltung beansprucht, sodass sich an der oben geschilderten Linie

General of Belize v. Belize Telecom Ltd., [2009] 1 W.L.R. 1988 verstärkt, weil sich Lord Hoffmann scheinbar von den genannten fünf Voraussetzungen der „implication of terms“doctrine distanzierte und dadurch eine gewisse Liberalisierung der Figur suggerierte, ebd., 1995, per Lord Hoffmann: „The Board considers that this list is best regarded, not as series of independent tests which must each be surmounted, but rather as a collection of different ways in which judges have tried to express the central idea that the proposed implied term must spell out what the contract actually means, or in which they have explained why they did not think that it did so.“ Dazu auch Peel, The Law of Contract, 14th ed., 2015, p. 245 para. 6-033. Allerdings hat sich diese Aufweichung der Figur in der Judikatur bislang nicht realisiert. Peel bezweifelt in diesem Zusammenhang auch, dass sich die Anwendung der Doktrin hierdurch ändern wird. Er geht stattdessen davon aus, dass ihr Anwendungsbereich gleichbleibt und sie weiterhin nur restriktiv und auf eng begrenzte Fälle angewandt wird, ebd., p. 246 ff. para. 6-033 ff.; in diese Richtung auch Hooley, (2014) 73 C.L.J. 315, 343; Vogenauer, in: Commentaries on European Contract Laws, 2018, p. 749 para. 16 mit Verweis auf Marks and Spencer v. BNP Paribas Securities Services Trust Company (Jersey) Ltd., [2016] A.C. 742. 283 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 284 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 144, per Lord Neuberger. 285 Kramer, (2004) 63 C.L.J. 384, 388; Hooley, (2014) 73 C.L.J. 315, 347; Barak, Purposive Interpretation in Law, 2011, p. 72. 286 Andrews, Contract Law, 2nd ed., p. 378 para. 14.26. 287 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129.

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nichts geändert hat und testamentarische Lücken weiterhin grundsätzlich288 nicht geschlossen werden.289 Letztlich bleibt zu konstatieren, dass zwar vom Fortbestand der rewriting-Grenze ausgegangen werden muss, sie aber im Zuge der liberalen Auslegung an Relevanz verloren hat. Die weitreichende Wirkung der interpretation exemplifizierte Lord Hoffmann in Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd.290 mit einer Szene aus Sheridan’s Schauspiel „The Rivals“. In diesem äußert sich die Akteurin, Mrs. Malaprop, wie folgt: „She is as headstrong as an allegory on the banks of the Nile.“ Jeder verstehe dabei, dass Mrs. Malaprop mit dem Wort „allegory“ eigentlich „alligator“ gemeint habe. Würde es sich um ein auszulegendes Rechtsgeschäft handeln, wäre die reasonable person zweifelsfrei dazu in der Lage, dem verwendeten Wort die wirklich intendierte Bedeutung zu entnehmen, sodass diese maßgeblich sein müsse.291 Ferner kann die Auslegung keine reformierende Wirkung entfalten, wenn es überhaupt an einem Anhaltspunkt oder einer Mehrdeutigkeit fehlt, die auf einen abweichenden intendierten Bedeutungsgehalt hinweist und Anlass zu einer tiefergehenden Ermittlung gibt. Wenn ein solches Vorgehen auch nicht von Erbprätendenten vorangetrieben wird, bleibt es bei dem dem natürlichen Wortsinn entsprechenden Auslegungsergebnis.292 Autonom veranlasste Mutmaßungen über einen möglicherweise nicht auf den ersten Blick verankerten 288

Eine Ausnahme findet sich lediglich bei sec. 19 AoJA 1982, siehe § 3 A. I. 2. b) bb), S. 123 f., und sec. 24 WA 1837, siehe § 3 A. I. 2. b) bb), S. 121 ff., die zumindest faktisch testamentarische Lücken durch die Unterstellung eines typisierten Erblasserwillens schließen können. 289 In diesem Zusammenhang sei noch einmal betont, dass Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129 keine vollkommene Parallelisierung zwischen dem Recht der Vertragsauslegung und dem des Testamentsrechts herbeiführen wollte. Es bestehen weiterhin nicht unbedeutende Unterschiede zwischen den beiden Rechtsgeschäften und deren Handhabung, sodass die fehlende Anwendbarkeit der „implication of terms“-doctrine nicht ungewöhnlich ist und sich hier einreiht. So zeigte sich die erste Divergenz bereits bei den abweichenden Beweisverwertungsregelungen, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 127 ff. Weiterhin ist der vertragsrechtliche common sense zu nennen, der bei letztwilligen Verfügungen keine Rolle spielt, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (3), S. 134 f. Darüber hinaus unterscheiden sich die Anwendungsfelder der rectification im Testamentsrecht von denjenigen im Vertragsrecht deutlich, wie noch unter § 3 A. II. 3. c), S. 168 ff. zu zeigen sein wird. 290 Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749. Nachfolgend abgekürzt mit Mannai. 291 Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 774, per Lord Hoffmann, der sich auf Sheridan, The Rivals, Act III, Scene III – Mrs. Malaprop’s Lodgings bezieht. Siehe auch Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 178. 292 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 311 para. 13-011. Ermittelt anhand des üblichen Sprachgebrauchs, für dessen Feststellung siehe oben, § 3 A. I. 1. b), 102 f.

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Erblasserwillen sind unzulässig.293 Ebenso wenig darf der Richter die testamentarische Bestimmung durch eine eigene ersetzen, die er gegebenenfalls für sachdienlicher294 oder gerechter295 hält.296 Auch wenn das Verständnis der reasonable person über dem bloßen Testamentstext steht, stellt deren Verständnis die Auslegungsgrenze dar.297 Dem Testament kann also kein Sinngehalt entnommen werden, den ihm der vernünftige Durchschnittsbetrachter nicht beimessen würde. Vor diesem Hintergrund muss auch in Erinnerung gerufen werden, dass die reasonable person keine allwissende Instanz ist, die selbst die verborgenste Hintergrundinformation für die Ermittlung des Erblasserwillens verwerten könnte. Denn das heranziehbare Beweismaterial ist begrenzt auf solches, bei dem vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass es dem Erblasser zur Verfügung stand, sodass stets eine Gegenprüfung in diesem Sinne zu erfolgen hat.298 Zu erwähnen bleibt schließlich, dass eine Klage, die auf eine bestimmte Deutung der Urkunde gestützt wird, an keine Frist gebunden ist.299 Es ist daher denkbar, dass einem Testament noch etliche Jahre nach dem Erbfall gerichtlich, vorangetrieben durch einen Erbprätendenten, ein anderer Sinngehalt beigemessen wird als von den Beteiligten angenommen.300

293 Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 188; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-007 f. 294 Attorney General of Belize v. Belize Telecom Ltd., [2009] 1 W.L.R. 1988, 1993, per Lord Hoffmann; Charter Reinsurance Co. Ltd. v. Fagan, [1997] A.C. 313, 388, per Lord Mustill. 295 Attorney General of Belize v. Belize Telecom Ltd., [2009] 1 W.L.R. 1988, 1993, per Lord Hoffmann; HHR Pascal B.V. v. W2005 Puppet II B.V., [2009] E.W.H.C. 2771 (Comm), per Simon J. 296 Siehe auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th. ed., 2016, p. 309 para. 13-008; Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 30. 297 ING Bank NV v. Ros Roca SA, [2012] 1 W.L.R. 472, 502, per Rix L.J.; HHR Pascal B.V. v. W2005 Puppet II B.V., [2009] E.W.H.C. 2771 (Comm), per Simon J.; Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 146. 298 Oben § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. und § 3 A. I. 2. b) cc), S. 125 ff. 299 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 141; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 338 para. 14-010. Hingegen kann die rectification-Klage nur innerhalb der vorgesehenen Frist erhoben werden, dazu noch unten § 3 A. II. 3. d), S. 177 ff. 300 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 338 para. 14-010.

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4. Rechtsfolge Deckt sich das maßgebliche Verständnis der reasonable person mit dem Erblasserwillen, entfaltet die interpretation reformierende Wirkung, wodurch sich die wahre Intention durchsetzt.301 Teilweise ist deshalb auch von einer „corrective construction“ die Rede.302 Auf diesem Wege kann die Streichung und die Ergänzung von Wörtern erreicht werden. Darüber hinaus kommt auch ein Austausch von Begriffen in Betracht.303 Diese reformierende Auslegungswirkung führt aber zu keiner tatsächlichen Anpassung des Wortlauts, sie bleibt für die Außenwelt unsichtbar.304 Der auslegende Richter ändert also nicht den Bedeutungsgehalt des Testaments, sondern ermittelt denjenigen, der ihm schon immer innewohnt. Das Dokument hatte zu keiner Zeit einen anderen Sinngehalt als den, den das Gericht im Wege der interpretation feststellt.305 5. Praktische Anwendungsbereiche a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Mit Hilfe der interpretation lassen sich die meisten Konstellationen der Diskrepanz zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut zugunsten des ersteren auflösen. Dadurch kann einerseits auf verwendete – aber falsch verstandene Begriffe – und andererseits auf fehlgegangene Erklärungshandlungen reagiert werden. Demgegenüber fallen Konstellationen, die durch den Eintritt unvorhergesehener Ereignisse oder nicht umgesetzte Erblassermotivationen gekennzeichnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der Auslegung. Da hier schon keine tatsächliche Willensbildung stattgefunden hat, sind diese Aspekte denklogisch nicht im Testament verankert worden. Im Wege der interpreta301 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger; vgl. Cherry Tree Investments Ltd. v. Landmain Ltd., [2013] Ch. 305, 330, per Lewison L.J.; vgl. Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101, 1114, per Lord Hoffmann; Andrews, Contract Law, 2nd ed., p. 358 f. para. 14.01; Peel, The Law of Contract, 14th ed., 2015, p. 232 para. 6-013. 302 Cherry Tree Investments Ltd. v. Landmain Ltd., [2013] Ch. 305, 330, per Lewison L.J.; Andrews, Contract Law, 2nd ed., p. 372 para. 14.21; vgl. auch Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619, 1650, per Lord Carnwarth. 303 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 310 para. 13-009; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 177. 304 Anders hingegen bei der nunmehr gemäß sec. 20 AoJA 1982 zulässigen rectification, siehe noch unten § 3 A. II. 5., S. 182. 305 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger: „If it is a question of interpretation, then the document in question has, and has always had, the meaning and effect as determined by the court, and that is the end of the matter.“ Dazu auch Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 172 para. 9.5.

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tion gilt es jedoch gerade, den tatsächlich in der Erklärung verankerten Willen zu ergründen. Was der Erblasser gewollt hätte, sofern er die in Rede stehenden Ereignisse vorhergesehen oder bedacht hätte, wird nicht ermittelt. Dies würde die Grenze des rewriting verletzen.306 Verstirbt etwa ein Bedachter vor dem Erblasser, ohne dass dieser Fall testamentarisch berücksichtigt wurde, läuft die getroffene Regelung demnach grundsätzlich ins Leere (doctrine of lapse).307 b) Anwendung auf Fallbeispiele (1) Die Entscheidung National Society v. Scottish National Society308 fällt in den Anwendungsbereich der interpretation. Im Wege der Auslegung kann der Bedeutungsgehalt der durch den Erblasser eingesetzten „National Society for the Prevention of Cruelty to Children“ ermittelt werden. Dem Wortlaut nach wurde der englische Kinderschutzverein benannt, da dessen Firmierung mit dem objektiven testamentarischen Sinngehalt übereinstimmt. Aus dem Testament selbst ergibt sich keine abweichende Beurteilung, insbesondere hat der Erblasser kein dictionary in die Urkunde implementiert, das den Schluss zulassen würde, dass er mit seinen verwendeten Worten eigentlich die schottische Gesellschaft meinte. Maßgeblich ist nach dem modern contextual approach aber nicht der objektive Bedeutungsgehalt der Urkunde, sondern das im Wege der matrix of fact angereicherte Verständnis der reasonable person, welche die verwendeten Worte aus dem „Lehnstuhl des Erblassers“ heraus deutet und dabei Zugriff auf sämtliche Informationen hat, bei denen davon auszugehen ist, dass sie dem Erblasser ebenfalls bekannt waren. Lediglich auf evidence of the testator’s intention kann nicht ohne weiteres zurückgegriffen werden. Da circumstancial extrinsic evidence aber stets heranziehbar ist, kann zunächst auf die äußeren Umstände rekurriert werden. Auf diesem Wege kann etwa verwertet werden, dass der Erblasser sein gesamtes Leben in Schottland verbrachte oder dass er keinerlei Bezug zur englischen Society hatte und diese nicht einmal kannte. Darüber hinaus kann der Umstand herangezogen werden, dass er von der schottischen Gesellschaft erst kurz vor Testamentserrichtung Kenntnis erlangte, was dafür spricht, dass er diese erst kürzlich wahrgenommene Einrichtung auch bedenken wollte. Zudem erhellen die äußeren Aspekte, dass die im Wortlaut bedachten Gesellschaften al-

306

Oben § 3 A. I. 3., S. 149 ff. Oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 123. Dasselbe gilt bei Gegenständen, die im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zum Vermögen des Erblassers zählen, siehe zum principle of ademption ebenfalls oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 122. 308 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207. Dazu oben § 1 A., S. 5 f. 307

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lesamt schottische sind. All dies zeigt, dass die englische Organisation nicht gemeint gewesen sein kann, sondern die schottische eingesetzt werden sollte.309 Die reasonable person würde daher die testamentarische Verfügung als Einsetzung zugunsten der schottischen society verstehen, bei der lediglich der Zusatz „Scottish“ vergessen wurde. Dieser vergessene Zusatz ließe sich grundsätzlich im Wege der interpretation hineinlesen, wie Slattery v. Jagger bestätigt.310 Allerdings stößt man trotz der liberalen Auslegungsmethode und dem heranziehbaren externen Beweismaterial in diesem Fall auf eine nicht zu vernachlässigende Problematik: Earl Loreburn ging in National Society v. Scottish National Society davon aus, dass eine sehr starke Vermutung dafür spreche, dass der Erblasser die namentlich bedachte und tatsächlich existierende Person auch wirklich bedenken wollte. Diese „very strong presumption“ könne nur in besonderen Umständen widerlegt werden.311 Welche besonderen Umstände hierunter zu fassen sein sollen, blieb indes offen und wurde nicht näher präzisiert. Jedenfalls ist eine äußerst überzeugende Beweislage erforderlich. Tatsächlich wurde das Votum Earl Loreburns bislang nicht in Frage gestellt, vielmehr wird es offenbar als „self-evidently correct“ betrachtet.312 Da aber das verstärkte Bestreben englischer Gerichte zu verzeichnen ist, dem Erblasserwillen zur Durchsetzung zu verhelfen, spricht vieles dafür, dass die vorgetragenen Umstände ausreichen, um die aufgestellte Vermutung zu erschüttern und infolgedessen die Einsetzung der schottischen society zu erreichen. Diese Prognose kann indessen nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getroffen werden, da es bislang an ähnlich gelagerten Fällen in der neueren Rechtsprechung fehlt. Trotz der liberalen Errungenschaften seitens der Rechtsprechung ist es angesichts des Vorstehenden also möglich, dass der Fall heute nicht anders entschieden würde.313 309 Zudem würden die genannten äußeren Umstände auf eine Mehrdeutigkeit der Verfügung hindeuten, was gemäß sec. 21(1)(c) AoJA 1982 die Möglichkeit eröffnet, evidence of the testator’s intention heranzuziehen, Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 220. Denn sec. 21(1)(c) AoJA 1982 erfasst exakt diesen Fall, in dem augenscheinlich keine Zweideutigkeit besteht – das Testament weist dem Wortlaut nach die englische Gesellschaft aus, die mit der bezeichneten Firmierung existiert –, aber äußere Beweisumstände Zweifel an der vermeintlichen Eindeutigkeit schüren, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 133 f. Allerdings lässt die Entscheidung keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass evidence of the testator’s instructions verfügbar gewesen wäre. 310 Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch). 311 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207, 212, per Earl Loreburn: „The accurate use of a name in a will creates a strong presumption against any rival who is not the possessor of the name mentioned in the will. It is a very strong presumption and cannot be displaced except in exceptional circumstances.“ Dazu schon oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 147 f. 312 Kerridge/Rivers, (2000) 116 L.Q.R. 287, 302. 313 Ebenfalls Zweifel anmeldend: Sloan, Borkowski’s Law of Succession, 3rd ed., 2017, p. 220; Dumont, (2009) 6 P.C.B. 431, 434.

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(2) Im Fall der fehlgegangenen Erklärungshandlung in Form des Verschreibens, die zur Einsetzung von „Martha“ statt „Magda“ führte,314 kommt erneut die Durchsetzung des wirklich Gewollten im Wege der Auslegung in Betracht. Denn für die im „Lehnstuhl des Erblassers“ Platz nehmende reasonable person wird unter Berücksichtigung der Begleitumstände offenbar, dass der Erblasser mit den verwendeten Worten eigentlich „Magda“ bedenken wollte,315 pflegte er zu ihr zu Lebzeiten doch ein viel besseres Verhältnis als zur „Martha“. Da eine Auslegung gegen den Wortlaut möglich ist, steht die klare Benennung von „Martha“ dem Auslegungsergebnis grundsätzlich nicht im Wege. Da „Martha“ aber existiert, stellt sich wie schon im zuvor behandelten Kinderschutzvereinsfall die Problematik, dass eine „very strong presumption“ dahingehend besteht, dass der Erblasser sie auch wirklich einsetzen wollte.316 Erneut kommt es daher maßgeblich darauf an, ob der Rechtsprechung die Beweisdichte genügt, um die Vermutung als widerlegt zu betrachten. Hierfür kann jedenfalls der Umstand fruchtbar gemacht werden, dass der Erblasser die in Wahrheit in Aussicht genommene „Magda“ im Testament zumindest zutreffend als seine „Nichte“ betitelt hat (intrinsic evidence). Die falsch bezeichnete „Martha“ hingegen ist zweifelsfrei nicht seine „Nichte“, sondern seine Schwester. Darüber hinaus ist eine Beweisaufnahme über die familiären Verhältnisse sachdienlich, um den Richter von der Erbeinsetzung der „Magda“ zu überzeugen (circumstancial extrinsic evidence). Mit Blick auf diese Aspekte erscheint die Widerlegung der Vermutung recht wahrscheinlich. Gleichwohl kann dies erneut nicht sicher prognostiziert werden, weil dies von einer richterlichen Einzelfallentscheidung abhängt, bei der der Richter in der Beweiswürdigung frei ist. (3) Im Fall des vorverstorbenen Neffen handelt es sich um ein Ereignis, das durch den Erblasser nicht bedacht wurde.317 Solche Fälle erfahren durch die englische Rechtsordnung insgesamt nur wenig Aufmerksamkeit. Grundsätzlich sieht das englische Recht hierfür keine Lösung über die interpretation vor. Die prinzipiell herrschende doctrine of lapse führt dazu, dass die testamentarische Verfügung beim Vorversterben eines Bedachten und dem Fehlen einer diesbezüglichen (Auffang-)Regelung ins Leere läuft. Obwohl eine Auslegung gegen den Wortlaut möglich ist und Inhalte in gewissen Grenzen in das Testament hineingelesen werden können, kann die Auslegung hieran nicht anknüpfen. Sie ermittelt einen tatsächlich vorhandenen Willen, der hier nicht gebildet wurde. Der Erblasser hatte mit der Möglichkeit des Vorversterbens seines Neffen nicht gerechnet und dies demzufolge testamentarisch nicht berücksichtigt. Selbst wenn feststünde, welche Regelung der Erblasser 314

Zum Fall oben § 1 A., S. 6 f. Vgl. Douglas, (2018) 5 P.C.B. 167, 169. 316 Siehe oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 147 f. 317 Zum Fall oben § 1 A., S. 7 f. 315

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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stattdessen getroffen hätte, könnte die Implementierung dieser unterlassenen Verfügung nicht im Wege der Auslegung vorgenommen werden. Die Berücksichtigung eines solchen real nicht vorhandenen Willens würde ein unzulässiges rewriting darstellen.318 Da der Neffe kein Abkömmling des Erblassers ist, hilft auch die Sonderregelung der sec. 19 AoJA 1982 nicht weiter. Einer erweiterten Auslegung dahingehend, dass eine andere Person in die Position des vorverstorbenen Neffen nachrückt, ist die Ausnahmeregelung nicht zugänglich.319

II. Rectification Mit der Klage auf rectification gemäß sec. 20 AoJA 1982 besteht eine weitere Möglichkeit, um einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen durchzusetzen.320 1. Zulässigkeit Lange war die rectification im Kontext von wills grundsätzlich unzulässig.321 Als das Law Reform Committee 1973 in seinem 19th Report empfahl, den Gerichten die Befugnis zur rectification auch bei wills zu verleihen,322 leistete der Gesetzgeber diesem Anraten Folge und erließ mit sec. 20 AoJA 1982 die hierzu berechtigende Norm, die den nachfolgenden Inhalt hat: 318

So auch Martyn et al, Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 309 para. 13-008 (explizit mit der Grenze des rewriting begründet); Schockemöhle, Errichtung und Widerruf von Testamenten in England, 2000, S. 4. Dazu schon oben § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 319 Siehe dazu oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 124 f. 320 Das vollständige für die rectification relevante normative Grundgerüst ergibt sich aus sec. 20, 73(6), 76(11) AoJA 1982 und r. 55 N.C. Prob. Rules 1987; Pt. 57 Civil Procedure Rules. 321 Siehe nur Harter v. Harter, (1873) L.R. 3 P. & D. 11, 19, per Sir James Hannen; Re Reynette-James, [1976] 1 W.L.R. 161, 166, per Templeman J.; vgl. Re Horrocks, [1939] P. 198, 216, per Greene M.R.; Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch), para. 29, per Behrens J.; vgl. Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 146, per Lord Neuberger. Das Law Reform Committee war von den bisher in der Rechtsprechung geäußerten Gründen, die gegen die Zulässigkeit der rectification angeführt wurden, nicht überzeugt, Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 5 f. para. 10. Siehe auch Kerridge/Brierley, (2003) 62(3) C.L.J. 750; Häcker, (2014) L.Q.R. 360, 363; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 259 para. 10-01; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 para. 10.6. Überblicksartig zum Rechtsstand vor 1983 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 333 f. para. 14-002. Ausführlich Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 628 ff. para. 8-29 ff. 322 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 23 para. 19-21, 25, 65.

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§ 3 Englisches Recht

„[Sec.] 20 [AoJA 1982:] Rectification. (1) If a court is satisfied that a will is so expressed that it fails to carry out the testator’s intentions, in consequence – (a) of a clerical error; or (b) of a failure to understand his instructions, it may order that the will shall be rectified so as to carry out his intentions. (2) An application for an order under this section shall not, except with the permission of the court, be made after the end of the period of six months from the date on which representation with respect to the estate of the deceased is first taken out. (3) The provisions of this section shall not render the personal representatives of a deceased person liable for having distributed any part of the estate of the deceased, after the end of the period of six months from the date on which representation with respect to the estate of the deceased is first taken out, on the ground that they ought to have taken into account the possibility that the court might permit the making of an application for an order under this section after the end of that period; but this subsection shall not prejudice any power to recover, by reason of the making of an order under this section, any part of the estate so distributed. (4) The following are to be left out of account when considering for the purposes of this section when representation with respect to the estate of a deceased person was first taken out – (a) a grant limited to settled land or to trust property, (b) any other grant that does not permit any of the estate to be distributed, (c) a grant limited to real estate or to personal estate, unless a grant limited to the remainder of the estate has previously been made or is made at the same time, (d) a grant, or its equivalent, made outside the United Kingdom (but see subsection (5)). (5) A grant sealed under section 2 of the Colonial Probates Act 1892 counts as a grant made in the United Kingdom for the purposes of subsection (4), but is to be taken as dated on the date of sealing.“

Von nun an konnten die Gerichte in Fällen, in denen der Erblasser am 1.1.1983 oder später verstarb,323 in bestimmten Konstellationen Testamente mittels der rectification berichtigen. Etwaige Beschränkungen in der Aktivlegitimation einer auf rectification gerichteten Klage finden sich weder im Wortlaut der einschlägigen Normen noch wurden sie durch die Rechtsprechung statuiert. Aus funktionaler Sicht ist anzunehmen, dass sich prinzipiell jedermann auf die vorzunehmende Berichtigung berufen kann, der glaubhaft macht, dass der Erblasser eigentlich etwas anderes anordnen wollte und dadurch begünstigt worden wäre. Der Kläger trägt die Beweislast hierfür und muss das Gericht deshalb vom Vorliegen der betreffenden Tatbestandsvor-

323

Sec. 76(11) AoJA 1982: „Subject to the foregoing provisions of this section, this Act shall come into operation on 1st January 1983.“

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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aussetzungen überzeugen.324 Darüber hinaus kann auch der executor die rectification-Klage erheben.325 Im Streitfall muss die rectification-Klage vor der Chancery Division des High Court erhoben werden. Alternativ dazu kann die Klage vor autorisierten County Courts eingereicht werden.326 Anders als es die gesetzgeberische Errungenschaft nahelegt, hat die rectification durch die gerichtliche Praxis allerdings bisher nur wenig Aufmerksamkeit erfahren.327 2. Verhältnis zur interpretation Das Verhältnis zwischen interpretation und rectification bestimmt sich maßgeblich danach, wie der folgende Passus aus sec. 20(1) AojA 1982 zu verstehen ist: „If a court is satisfied that a will is so expressed that it fails to carry out the testator’s intentions […].“ Hieraus lässt sich keine klare Beziehung der beiden Institute zueinander ableiten. Damit wird der Tatbestand selbst zum Auslegungsproblem. Denkbar erscheint dabei auf der einen Seite, dass hiermit das Auseinanderfallen von Wille und Wortlaut gefordert wird. Danach würde der Testamentswortlaut zunächst im Sinne des Erblassers berichtigt, also die rectification zuvorderst durchgeführt.328 Der Urkundentext würde daraufhin in derjenigen Abfassung erscheinen, wie ihn der Erblasser formulieren wollte. Die ihm dabei unterlaufenen Fehler, die zur Diskrepanz zwischen Wille und Wortlaut geführt haben, würden in diesem ersten Schritt bereinigt. Im darauffolgenden zweiten Schritt würde dieser korrigierte Wortlaut ausgelegt und danach gefragt, welchen Sinngehalt die reasonable person diesem korrigierten Text entnimmt. Diese Lesart entspricht dem Verständnis des Law Reform Committee vom rectification-Tatbestand. In diesem Sinne führte es 1973 in seinem Report aus:

324

Vgl. King, (2014) 4 P.C.B. 192, 193. So etwa in Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66. 326 Sind sich die betroffenen Parteien hingegen einig, dass die Testamentsurkunde zu berichtigen ist, kann die rectification auch beim Probate Registry beantragt werden, r. 55 N.C. Prob. Rules 1987. Zum Ganzen Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 181 para. 10.6.3. 327 Siehe nur Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 143 per Lord Neuberger: „There are, unsurprisingly, a large number of cases in which courts have had to consider […] the interpretation of a will, and a few cases where rectification of a will has been considered.“ Selbst im sonst äußerst umfangreichen Werk Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016 wird die rectification auf lediglich sechs Seiten behandelt (p. 333–338). Im Vergleich dazu nehmen die die Auslegung betreffenden Ausführungen einen umfangreicheren Platz ein (p. 283–332). Noch knapper fallen die Ausführungen bei Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018 aus (p. 180 f. para. 10.6 f.). 328 Freilich nachdem überhaupt erst einmal der objektive Bedeutungsgehalt des Testamentswortlauts im Wege der interpretation im ersten Schritt ermittelt wurde. 325

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§ 3 Englisches Recht

„The procedure would be first to rectify the will (wherever appropriate) in order to make it contain the words it was intended to contain and then to admit all such evidence relevant to discovering what meaning those words would have conveyed to the testator.“329

Für diese Vorgehensweise streitet das Argument, dass sie mit der Systematik des AoJA 1982 in Einklang steht. Die rectification ist nämlich in sec. 20 AoJA 1982 und damit vor den Regeln zur interpretation normiert, die erst in der darauffolgenden sec. 21 AoJA 1982 behandelt werden. Auf der anderen Seite könnte der Tatbestand auch so verstanden werden, dass er die Divergenz zwischen Wille und Auslegungsergebnis fordert. In diesem Fall wäre die Auslegung vorrangig und erschöpfend durchzuführen und erst im Anschluss daran die rectification. Konnte die Durchsetzung des Erblasserwillens bereits durch die Auslegung erreicht werden, würde die rectification hiernach nicht zur Anwendung gelangen, weil Wille und Erklärungsgehalt nicht auseinanderfallen, sondern kongruent sind. Anders gewendet würde die rectification nur dann zum Einsatz gelangen, wenn der Erblasserwille nicht durch die Auslegung durchgesetzt wurde. Obwohl sich das Law Reform Committee hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Institute klar positionierte330 und dies keineswegs unreflektiert von statten ging,331 sprach sich Donaldson Q.C. in Re Huntley332 für die geschilderte Lesart, d. h. für die

329

Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 18 para. 49; siehe auch ebd., p. 8 ff. para. 17 ff. Dieser Einordnung der Linie des Law Reform Committee zustimmend: Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 260 para. 10-02. 330 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 18 para. 49; siehe auch ebd., p. 8 ff. para. 17 ff. 331 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 para. 15 f.: „Although interpretation and rectification merge indistinguishably into the fundamental problem of the proper extent of the court’s power to decide on the effect of a will, as a matter of procedure they must to some extent be separated. Two main views have emerged in discussion about which ought to come first. One view is that interpretation is all, or nearly all, and that rectification is merely an ancillary to it. This view is held by those who start from the proposition that the duty of the court is to find out what the testator meant by his will, or even (as some contend) what he meant its effect to be. When the primary task has been accomplished, it may in some cases be appropriate to make a consequential amendment to the words of the will as a matter of record; this is then the role of rectification. The other view is that the process should be the reverse. The court should first ascertain precisely what words the testator meant, or must be taken to have meant, his will to contain; if necessary it should rectify the words admitted to probate so as to make them conform with that intention. Then, and only then, should it proceed to the task of ascertaining what those words mean, in accordance with the rules of interpretation. It is this second view which we are inclined to think is the right one; accordingly, notwithstanding the form of our terms of reference, we consider rectification first and interpretation second.“ 332 Re Huntley, [2014] E.W.H.C. 547 (Ch).

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Vorrangigkeit der Auslegung, aus. Sofern das Testament den rechtlich relevanten Sinngehalt aufweist, der sich mit dem Erblasserwillen deckt, sei dann kein Raum mehr für die rectification, wie er klarstellte: „[In this case there is] no need, nor indeed logical scope, for rectification.“333 Auch Lord Neuberger befürwortete auf den ersten Blick im landmark case Marley die Vorrangigkeit der interpretation.334 Bei genauerem Hinsehen wird allerdings deutlich, dass er diese Frage offenließ, wodurch er mit Blick auf die Prüfungsreihenfolge weder der interpretation noch der rectification den Vorzug gab.335 Obgleich sich der Supreme Court damit unentschlossen gab, kann beobachtet werden, dass die Rechtsprechung die Frage weit überwiegend anders handhabt als noch vom Law Reform Committee 1973 intendiert: Sofern beide Klagen erhoben sind, das Begehren also sowohl auf die interpretation als auch die rectification gestützt wird, führt die Judikative nämlich im Regelfall zunächst die interpretation durch.336 Hiernach stehen die beiden Institute in einem Alternativitätsverhältnis zueinander.337 Diese Linie wird nunmehr auch von der Law Commission gebilligt.338 Weil Marley der bisherigen Praxis 333

Re Huntley, [2014] E.W.H.C. 547 (Ch), para. 19, per Donaldson Q.C. Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 146, per Lord Neuberger: „Although Mr. Ham primarily based his contention that the will was valid on the ground of rectification […], he accepted that the interpretation argument ought to be considered first [...].“ Dieser Deutung stimmt Häcker zu, siehe Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 144. 335 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger: „In my judgment, unless it is necessary to decide this difficult point, we should not do so on this appeal. Interpretation was not the basis on which the courts below decided this case and it was not the ground on which Mr. Ham primarily relied. Furthermore, and no doubt because of those points, only limited argument was directed to the issue of whether the issue was one of interpretation or of rectification [...].“ 336 Siehe nur Reading v. Reading, [2015] E.W.H.C. 946 (Ch), para. 40, per Asplin J.; Kevern v. Ayres, [2014] E.W.H.C. 165 (Ch), para. 15, per Donaldson Q.C.; Re Huntley, [2014] E.W.H.C. 547 (Ch), para. 19, per Donaldson Q.C.; Burnard v. Burnard, [2014] E.W.H.C. 340 (Ch), para. 66, per Behrens J; Parkinson v. Fawdon, [2009] E.W.H.C. 1953 (Ch), para. 5, per Norris J. Diesem empirischen Befund stimmen Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 260 para. 10-02 zu. Ebenso von der Vorrangigkeit der Auslegung ausgehend: Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 333 para. 14-001; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 f. para. 10.6.1; Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 83 f. para. 2-02 f. 337 Vgl. Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger: „[I] consider that this appeal succeeds on the ground of rectification, so I shall proceed on the basis that it fails on interpretation.“ Vgl. auch Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch.) para. 102, per Hodge Q.C.; Re Huntley, [2014] E.W.H.C. 547 (Ch), para. 19, per Donaldson Q.C. 338 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 179 para. 9.40: „There is no room for a claimant to succeed on both the grounds of interpretation and 334

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der unteren Instanzen, die die interpretation vorrangig gegenüber der rectification anwenden, keine Absage erteilt hat, wird dieser Befund der weiteren Betrachtung zugrunde gelegt. Da sowohl interpretation als auch rectification trotz ihrer Alternativitätsbeziehung in einem Prozess nebeneinander geltend gemacht werden können,339 sollte der behandelten Fragestellung aber für den Untersuchungsgegenstand keine allzu große praktische Bedeutung beigemessen werden. Denn ob der Kläger letztlich wegen des einen oder des anderen Instituts im Rechtsstreit obsiegt, dürfte ihm grundsätzlich gleichgültig sein.340 Hinzu kommt die Tatsache, dass die Häufigkeit der Fälle, in denen sich die Anwendungsbereiche der beiden Institute überhaupt überschneiden, äußerst überschaubar ist.341 3. Voraussetzungen Die durch sec. 20 AoJA 1982 aufgestellten Voraussetzungen der rectification hat Chadwick J. in Re Segelman342 prägnant zusammengefasst. Er untergliedert sie in drei wesentliche Anforderungen: „First, what were the testator’s intentions with regard to the dispositions in respect of which rectification is sought. Secondly, whether the will is so expressed that it fails to carry out those intentions. Thirdly, whether the will is expressed as it is in consequence of either (a) a clerical error or (b) a failure on the part of someone to whom the testator has given instructions in connection with his will to understand those instructions.“343

a) Ermittlung des wahren Erblasserwillens Im ersten Schritt ist der subjektive Erblasserwille zu ermitteln, der diesmal nicht durch die im Ausgangspunkt objektivierende Brille der reasonable person ermittelt wird.344 Wie schon bei der interpretation geht es auch hier nicht rectification. If a will is interpreted to mean what the claimant asserts, then there is no need (or scope) to rectify the will to give it the meaning asserted.“ 339 Die Erhebung beider Klagen wird in den betreffenden Fällen empfohlen, Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 140 f.; mit Bezug zur Vertragsauslegung Andrews, Contract Law, 2nd ed., p. 373 para. 14.22: „safer course“, geschieht aber nicht immer, siehe nur Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch), para. 62, per Donaldson Q.C., wo selbst zur Verwunderung des Richters lediglich die interpretation und nicht zugleich auch rectification verlangt wurde: „I must confess to having originally entertained some surprise that this claim had not been combined with a claim for the rectification […].“ 340 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 140 f. 341 Dazu noch unten § 3 A. II. 6., S. 182 ff. 342 Re Segelman, [1996] Ch. 171. 343 Re Segelman, [1996] Ch. 171, 180, per Chadwick J. 344 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 172 para. 9.6: „Rectification is a process through which a court can correct mistakes in a will [...]. The question that the court must ask is ,What words did the writer intend to use?‘ and in order to answer that question the court must consider the context as well as the intentions of the writer.“

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um eine von der Erklärung völlig losgelöste Erforschung irgendeines Erblasserwillens, der irgendwann einmal bestand. Stattdessen gilt es auch hier zu erforschen, was der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung eigentlich ausdrücken wollte. Anknüpfungspunkt des rectification-Tatbestands ist also der real vorhandene Erblasserwille. Im Unterschied zur interpretation ist aber bemerkenswert, dass der Richter bei der Erfüllung dieses Ermittlungsauftrags keinen Restriktionen unterliegt, was die Verwertung verschiedenen Beweismaterials anbelangt. Hier wird nicht nach verschiedenen Beweiskategorien differenziert, weshalb sämtliches Material von vornherein für die Willensermittlung herangezogen werden kann.345 An die Behauptung, das Testament gebe nicht den wahren Erblasserwillen wieder, werden jedoch strenge Anforderungen gestellt. Der Kläger, den eine „heavy burden of proof“ trifft, hat dem Gericht einen „convincing proof“ dafür zu liefern, dass eigentlich etwas anderes gemeint war.346 b) Der Willensdurchsetzung entgegenstehende Testamentsabfassung Im darauffolgenden zweiten Schritt gilt es herauszufinden, ob die Testamentsabfassung die Verwirklichung des ermittelten wahren Willens verhindert.347 Nach der geschilderten weit überwiegenden Linie der Rechtsprechung ist dies der Fall, wenn Auslegungsergebnis und wahre Intention auseinanderfallen. Demzufolge ist die Voraussetzung stets erfüllt, wenn die vorrangig vorgenommene interpretation nicht zur Umsetzung des Erblasserwillens führt.348

345 Vgl. Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch), para. 61, per Hodge Q.C.; Kerridge/ Brierley, (2003) 62(3) C.L.J. 750, 753; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 141; vgl. Ziegler, Der subjektive Parteiwille. Ein Vergleich des deutschen und englischen Vertragsrechts, 2018, S. 152; Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 172 para. 9.6. Demzufolge anders als noch im Rahmen der interpretation und der dort geltenden sec. 21 AoJA 1982, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 132 ff. 346 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 f. para. 26; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 334 para. 14-003; Re Segelman, [1996] Ch. 171, 184, per Chadwick J.; Lines v. Porter, [2012] W.T.L.R. 629, per Barker Q.C. 347 So heißt es in sec. 20(1) AoJA 1982: „If a court is satisfied that a will is so expressed that it fails to carry out the testator’s intentions [...].“ 348 Dazu schon oben § 3 A. II. 2., S. 163 ff.

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c) Rectification-Grund Im dritten und letzten Schritt bedarf es der Feststellung, dass die Diskrepanz zwischen Auslegungsergebnis und Erblasserwille auf einem der in sec. 20(1)(a) und (b) AoJA 1982 genannten, zur rectification berechtigenden, Gründe beruht.349 aa) Clerical error, sec. 20(1)(a) AoJA 1982 Sec. 20(1)(a) AoJA 1982 lässt die rectification zu, wenn die gescheiterte Durchsetzung des Erblasserwillens auf einen clerical error zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Testierende oder der testamentserrichtende solicitor diese Fehlerkategorie verursacht.350 Problematisch ist indes, was überhaupt unter einem clerical error zu verstehen ist. Unklar ist also weniger der erfasste Personenkreis, der den Fehler hervorrufen kann, als die entsprechende Fehlernatur.351 Der Begriff bedurfte daher der Auslegung durch die Judikatur.352 Erneut liefert der landmark case Marley hierfür wichtige Erkenntnisse, weil die Reichweite des Tatbestands dort fallentscheidend war.353 Es bedurfte deshalb der Klärung, ob dieser eng oder weit zu verstehen ist. Beide Optionen spielte Lord Neuberger durch. Bei enger Auslegung des

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Re Segelman, [1996] Ch. 171, 180, per Chadwick J. Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger mit Verweis auf Bell v. Georgiou, [2002] W.T.L.R., para. 8, per Blackburn J.; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 para. 18 example (a), 19; so auch schon ausdrücklich in Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911 f., per Nicholls J.: „It was suggested in the course of argument that section 20 could not apply to a home-made will such as the one before me, because ,clerical error‘ in section 20 (1) (a) suggests a clerk. I do not accept this. A testator writing out or typing his own will can make a clerical error just as much as someone else writing out or typing a will for him.“ Siehe auch Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch), para. 36, per Behrens J.; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146 (Fn. 80). 351 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 335 para. 14-005. 352 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger: „However, the expression is not one with a precise or well established, let alone a technical, meaning.“ A.A. Learmonth, (2014) 20 T. & T. 725, 730, der auf die Tradition des Begriffs im englischen Recht hinweist und eine enge Auslegung bevorzugt: „,Clerical error‘ is not just a phrase that popped into the Parliamentary draftsman’s head. It is a phrase with an ancient legal pedigree. It dates from the time before photocopiers, when clerks wrote out and copied legal documents in copperplate script. It had always been used to mean a slip of the pen, and by extension, of the word processor: an inadvertent drafting error, and never anything else.“ Der erste zum clerical error i.S.d. sec. 20(1)(a) AoJA 1982 entschiedene und dokumentierte Fall ist Wordingham v. Royal Exchange Trust Co. Ltd., [1992] Ch. 412; Kerridge/ Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 261 para. 10-05. 353 Der zugrunde liegende Sachverhalt wurde bereits oben geschildert, siehe § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. 350

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clerical error würden nur Fehler erfasst, die auf die Ausfertigung des betreffenden Dokuments im engeren Sinne, etwa auf ein Verschreiben oder fehlerhafte Kopiervorgänge, zurückgingen.354 Im Marley case, in dem die Testamente der Ehepartner vertauscht und infolgedessen jeweils vom falschen Erblasser unterschrieben wurden, hätte es sich hiernach um keinen clerical error gehandelt.355 Allerdings präferierte Lord Neuberger wegen des offenen Sinngehalts letztlich ein weites Verständnis vom clerical error, nach dem dessen Anwendungsbereich nicht nur auf die beispielhaft genannten Schreibfehler und fehlerhaften Kopiervorgänge beschränkt ist. Hiernach werden nunmehr verschiedenste Fehler erfasst, wobei das maßgebliche Kriterium darin zu erblicken ist, dass sie im Zusammenhang mit einer routinemäßigen Büroarbeit entstanden sind.356 In der Folge konstatierte der Supreme Court, dass es sich bei den vertauschten Testamenten in Marley um einen solchen Fehler im Rahmen eines routinemäßigen (Büro-)Ablaufs eines solicitor handele, womit also ein zur rectification berechtigender clerical error festgestellt war.357 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass der Marley zugrunde liegende Fall eher als atypisch einzustufen ist, gilt als paradigmatisches Beispiel für einen clerical error doch vielmehr ein simples Verschreiben. Ein für den Tatbestand des clerical error typischer Fall wäre also etwa, dass der Testierende ein Vermächtnis in Höhe von „£ 1.000,–“ an einen Begünstigten aussetzen wollte aufgrund eines Übertragungs- oder Schreibfehlers aber letztlich nur „£ 100,–“ an den Begünstigten vermacht. Sofern die weiteren Voraussetzungen gegeben sind, kann die testamentarische Anordnung grundsätzlich mittels der rectification korrigiert werden.358

354

Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger: „[T]he expression ,clerical error‘ can have a narrow meaning, which would be limited to mistakes involved in copying or writing out a document […].“ Auf diese Weise verstanden noch in Wordingham v. Royal Exchange Trust Co. Ltd., [1992] Ch. 412, 419, per Evans-Lombe Q.C. 355 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger. 356 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger. Ein weites Verständnis vom clerical error legten zuvor schon etwa die Entscheidungen Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch), per Behrens J. und Re Craig, [2006] W.T.L.R., 1873, per Furness Q.C. an den Tag. Kritisch hingegen Learmonth, (2014) 20 T. & T. 725, 730. 357 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 153, per Lord Neuberger. 358 So auch bereits nach der engen Definition aus Wordingham v. Royal Exchange Trust Co. Ltd., [1992] Ch. 412, 419, per Evans-Lombe Q.C.; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 para. 18 example (a), 19; siehe auch Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146. Freilich vorbehaltlich dessen, dass der Fehler nicht bereits im Wege der interpretation behoben wurde, was bei der in der Rechtsprechung zu verzeichnenden Tendenz einer vorrangigen Auslegung aber durchaus naheliegt.

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Spätestens aus heutiger Sicht unhaltbar ist die Auslegung des clerical error-Tatbestands aus Re Martin.359 In diesem Fall schaltete die Erblasserin einen solicitor zur Testamentserrichtung ein. Soweit der Sachverhalt aufgeklärt werden konnte, gab sie dem solicitor offenbar die Anweisung, testamentarisch für sie niederzuschreiben, dass ihren Patenkindern je „one-twentieth“ ihres Gesamtvermögens zugewendet werden solle. Darüber hinaus sollten auch zwei Wohltätigkeitsorganisationen mit jeweils einem geringfügigen Teil bedacht werden. Dabei erfasste der solicitor offenbar nicht, was die Erblasserin wirklich ausdrücken wollte, als er ihre Instruktionen wortlautgetreu in das Testament umsetzte: Eigentlich sollten die Patenkinder je 20 Prozent und nicht lediglich ein Zwanzigstel ihres Vermögens erhalten. Stutzig hätte es den solicitor machen müssen, dass die durch ihn errichtete Verfügung dazu führte, dass große Teile des Vermögens unberücksichtigt blieben,360 was mit Blick auf die betreffenden Vermögenswerte den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nach sich gezogen hätte. Hier hätte es sich aufgedrängt, die Erblasserin darauf anzusprechen, ob dies wirklich ihren Intentionen entspricht. Der Richter konnte ermitteln, dass die Erblasserin eigentlich „20 per-cent“ meinte, die jeweils ihren Patenkindern zukommen sollten. Er gab infolgedessen der Klage auf rectification statt und stützte sie überraschenderweise auf das Vorliegen eines clerical error,361 wofür er Kritik seitens der Literatur erntete.362 Kerridge und Brierley führen aus, dass zwar auch die spätere Entscheidung Marley eine sehr weite Auslegung des clerical error befürwortet hat, allerdings nicht in einem derart ausufernden Maße, dass Konstellationen wie in Re Martin hiervon erfasst würden. Dort handelte es sich nämlich bereits um eine komplett andere Fehlernatur, wenn sich die Erblasserin offenbar unpräzise geäußert hatte und das wirklich Gewollte aufgrund unsorgfältiger Ausübung der Aufklärungs- und Nachforschungspflicht des solicitor

359

Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch). Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561: „[The solicitor] made an error, but it was not an ,clerical‘ error.“ His error was on a higher plane: in failing to spot what a competent will draftsman should have spotted, namely that there was a failure to dispose of the whole of the residue.“ 361 Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch), para. 40 ff., per Behrens J. Hierbei handelt es sich übrigens um einen der wenigen Fälle, in denen die rectification vor der interpretation thematisiert wurde. Allerdings war diese Reihenfolge darauf zurückzuführen, dass der Beklagtenvertreter nur auf Fragen der rectification vorbereitet war und erst einen Tag vor der mündlichen Verhandlung davon erfuhr, dass die Klage auch auf die interpretation gestützt wurde, ebd., para. 8, per Behrens J. 362 Jeweils aber ohne nähere Begründung, warum sec. 20(1)(a) AoJA 1982 als nicht einschlägig erachtet wurde, Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 262 para. 10-07; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146 f. (Fn. 81). Etwas ausführlicher hingegen Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561. 360

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nicht entdeckt wurde.363 Dieser Kritik ist beizupflichten. Denn in der Tat ist der Vorwurf hier nicht in einem aus einer routinemäßigen (Büro-)Arbeit entspringenden Fehler zu erblicken, wie es der clerical error nach der Definition aus Marley indes fordert.364 Im Gegenteil handelt es sich bei Re Martin um den Kernbereich der juristischen Tätigkeit eines solicitor. Die Aufnahme des letzten Willens ist ein Prozess, der sorgfältig von statten gehen muss und der typischerweise nicht rasch und beiläufig aus einem routinemäßigen Prozess heraus bewerkstelligt werden kann. Daher ist die Annahme eines clerical error in Re Martin vor dem Hintergrund der in Marley höchstrichterlich erfolgten Auslegung des Tatbestands nicht haltbar. Letztlich blieb die unterinstanzliche Entscheidung Re Martin auch die einzige Entscheidung, die eine solche Konstellation überhaupt als von der rectification erfasst ansah. bb) Failure to understand his instructions, sec. 20(1)(b) AoJA 1982 Der zweite zur rectification berechtigende Tatbestand ist in sec. 20(1)(b) AoJA 1982 verankert und in seiner genauen Reichweite unklar.365 Die Rechtsprechung hat ihn bisher nur selten angewandt, weshalb nur auf einige wenige diesbezüglich ergangene Entscheidungen zurückgeblickt werden kann. Eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Tatbestand seitens der Judikative, die vergleichbar mit dieser im Fall des clerical error wäre, fehlt.366 Dem Wortlaut nach fordert der rectification-Grund, dass der Testamentsersteller die ihm gegenüber kundgegebenen Instruktionen nicht verstanden (failure to understand his instructions)367 und infolgedessen eine testamentarische Verfügung errichtet hat, die das wirklich Gewollte nicht umsetzt.368 363

Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561. Ähnlich Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561. 365 Ebenso Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 336 para. 14-007. Bemerkenswerterweise stuft Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 181 para. 10.6.1 den Tatbestand als „self-explanatory“ ein, ohne ihn aber näher zu umreißen. 366 Siehe etwa Walker v. Geo. H. Medlicott & Son (a firm), [1999] 1 All E.R. 685; Goodman v. Goodman, [2006] E.W.H.C. 1757; bestätigend Büttner, Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2006, S. 107 (Fn. 13). 367 „His“ bezieht sich auf den Erblasser, siehe nur Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 para. 18 example (b), 20. Siehe auch Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146 f.; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 336 para. 14-007; Büttner, Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2006, S. 107 (Fn. 13). 368 Darüber hinaus droht in aller Regel in den Fällen der zur rectification berechtigenden Ereignisse eine Schadensersatzhaftung des solicitor gegenüber dem (eigentlich) Begünstigten für Vermögensschäden aus dem deliktischen Tatbestand der negligence nach den in White v. Jones, [1995] 2 A.C. 207 (HL) aufgestellten Prinzipien. In den meisten 364

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Im Ausgangspunkt werden also Konstellationen erfasst, in denen der Erblasser einen Dritten, etwa einen solicitor, mit der Testamentserrichtung betraut. Beim privatschriftlichen Testament scheidet der Tatbestand hingegen von vornherein aus.369 Im Weiteren ist allerdings unklar, welche Anforderung mit dem Merkmal „failure to understand“ verbunden ist. Wird der Tatbestand eng verstanden, sodass er nur Situationen erfasst, in denen sich der Testamentsersteller bspw. verhört, sich der Erblasser aber korrekt geäußert hatte? Oder wird er weit ausgelegt, wodurch auch Konstellationen in Betracht kämen, in denen sich der Erblasser unklar oder gar falsch ausdrückte und der Errichtende das wirklich Gewollte materiell nicht erfasst (aber gegebenenfalls bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hätte erfassen können)? Positiv umfasst sec. 20(1)(b) AoJA 1982 jedenfalls Übermittlungsfehler, bei denen sich der Ersteller bspw. verhörte oder die Kommunikation zwischen solicitor und Erblasser unterbrochen wurde, sodass der Gedankeninhalt durch die Schallwellen nicht wie intendiert zum Empfänger transportiert wurden.370 Demgegenüber scheint ebenfalls Einigkeit dahingehend zu besteFällen wird dem testamentserrichtenden solicitor nämlich eine objektive Pflichtwidrigkeit anzulasten sein. Näher dazu Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 147 f.; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 264 f. para. 10-10; Dumont, (2009) 6 P.C.B. 431, 435. Da die deliktische Haftung allerdings auf Kompensation etwaig erlittener Vermögenseinbußen gerichtet ist, die die Bedachten aufgrund der fehlerhaften Erstellung des Testaments erlitten haben, und nicht auf Durchsetzung des originären Erblasserwillens, ist diese Haftung nicht Teil des Untersuchungsgegenstands, siehe oben § 1 B., S. 10 f. Es sei aber angemerkt, dass die drohende Haftung aus dem Tatbestand der negligence fehlerhaft arbeitende solicitor dazu anhält, bei der Klage aus rectification kooperativ zu sein. Denn wenn einem solicitor nachgewiesen werden kann (oder ein solcher Nachweis droht), dass er einen clerical error verursacht oder die Instruktionen des Testators nicht verstanden hat, ist es für ihn häufig wirtschaftlich sinnvoller, die Berichtigung im Wege der rectification voranzutreiben und die daraus entstehenden Prozesskosten zu tragen, anstatt den Vermögensschaden der geschädigten Bedachten zu liquidieren, der oft wirtschaftlich belastender ausfallen wird. Die Vermutung der größeren finanziellen Belastung gründet sich nicht zuletzt darauf, dass Erblasser ihr Testament typischerweise insbesondere dann durch einen Rechtskundigen erstellen lassen, wenn es um größere Vermögensverteilungen geht. Dementsprechend hat der solicitor ein gewisses Aufklärungsinteresse, was sich durch eine tendenziell größere Kooperationsbereitschaft positiv auf die Beweisbarkeit der in Rede stehenden Fehler auswirken kann. Dabei wird er den Fehler eher als clerical error zugeben, anstatt einzugestehen, den Erblasser nicht verstanden zu haben, dazu Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 265 f. para. 10-10. 369 Siehe nur Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 336 para. 14-007; vgl. auch Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 para. 22. 370 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146; Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 637 para. 8-39.

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hen, dass der Fall der unzutreffenden Verwendung von Rechtsbegriffen, die die Willensdurchsetzung vereitelten, nicht erfasst sein soll.371 Dies soll sowohl in der Konstellation gelten, in der der Erblasser die Rechtsfolge der verwendeten Begriffe falsch einschätzt372 als auch in der umgekehrten, in der dies auf Seiten des Erstellers geschieht.373 Zuletzt soll noch mit Blick auf eine der wohl relevantesten Konstellationen eruiert werden, ob sie von sec. 20(1)(b) AoJA 1982 erfasst ist. Gemeint ist der Fall, dass sich der Erblasser bei seinen Instruktionen unpräzise oder unzutreffend ausdrückt – es sich dabei aber nicht um die mangelhafte Verwendung von Rechtsbegriffen handelt – und der Testamentsersteller das wirklich Gewollte nicht erfasst, sodass dieses infolge der Implementierung des missverstandenen Erblasserwillens nicht verwirklicht wird. Als Beispiel für eine solche Fallgestaltung kann der Re Martin374 zugrunde liegende Sachverhalt genannt werden. Die Literatur ist sich zwar einig, dass es sich dort um keinen clerical error handelt, was vor dem Hintergrund der in Marley375 erfolgten höchstrichterlichen Auslegung des Merkmals Zustimmung verdient.376 Zumindest teilweise wird aber der Gedanke geäußert, dass eine sol-

371 Dass der failure to understand the testator’s instruction keine in ihren Rechtsfolgen missverstandenen Begriffe erfasst, wurde bereits für das kanadische Recht entschieden: Robinson Estate v. Robinson, 2011 CarswellOnt. 5819, para. 31, per Juriansz J.A. (Canada). Interessant ist dabei, dass die erbrechtliche rectification im kanadischen Recht zwar im equity-Recht wurzelt, aber in den mit sec. 20 AoJA 1982 vergleichbaren Fällen zur Anwendung gelangt. Daher stellt die erfolgte Auslegung des kanadischen Ontorio Court of Appeal einen nennenswerten Befund dar. Ähnlich auch schon im englischen Recht zum „lack of knowledge and approval“ der, vor Normierung der rectification durch die sec. 20 AoJA 1982, als „quasi-rectification“ in eng begrenztem Anwendungsfall zum Einsatz gelangte, Beech v. Public Trustee, [1923] P. 46, per Salter J.; siehe auch Gzell, in: Families and Estates. A Comparative Study, 2005, p. 203, 215. 372 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 9 para. 18 (c), 10 para. 22 f.; so auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 336 para. 14–007; Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 639 para. 8-42; Kerridge/Brierley, (2003) 62(3) C.L.J. 750, 751: „question of construction“. 373 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 9 para. 18 (c), 10 para. 22 f. („failure to appreciate the effect of the words used“); Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 265 para. 10-11; Büttner, Umfang und Grenzen der Dritthaftung von Experten. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2006, S. 107 (Fn. 13); Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 637 f. para. 8-39. 374 Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch). Der Sachverhalt wurde oben bereits wiedergegeben, siehe § 3 A. II. 3. c) aa), S. 170. 375 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 376 Siehe § 3 A. II. 3. c) aa), S. 170 f.

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che Konstellation von sec. 20(1)(b) AoJA 1982 erfasst sein könnte.377 Diese Einordnung seitens des Schrifttums erscheint auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen, da auch solche Fallgestaltungen bei unbefangener Sichtweise als „nicht verstandene Erblasserinstruktionen“ betrachtet werden können – immerhin hat der solicitor materiell nicht begriffen, was der Erblasser mit seiner Anordnung erreichen wollte. Hiergegen spricht aber, dass ein solches Verständnis, das den Tatbestand auf das inhaltliche Erfassen des wirklich Gewollten erstreckt, obwohl sich unklar oder falsch ausgedrückt wurde, den Anwendungsbereich ganz erheblich ausdehnen würde. Denn der Testamentsersteller wäre dadurch in die Pflicht genommen, per se äußerst sorgfältige und tiefgehende Ermittlungen anzustellen, was der Erblasser mit seinen Instruktionen testieren will. Er müsste stets Zweifel daran hegen, ob der Erblasser wirklich das bezwecken will, was er vermeintlich klar kundgab. Dies fällt zwar grundsätzlich in den die ständige Beratungspraxis betreffenden Pflichtenkreis einer juristisch geschulten Person und wird zugleich durch die andernfalls drohende negligence-Haftung flankierend garantiert,378 jedoch kann dies nicht grenzenlos abverlangt werden. Ein solches Verständnis von dem rectification-Tatbestand würde ausufernde Pflichten für den beratenden solicitor auslösen und der Maßstab der objektiv pflichtwidrigen Handlung dadurch verzerrt. Dies käme einer Garantiehaftung des solicitor gleich, weil der solicitor nicht durch einen „Blick in die Glaskugel“ erforschen kann, was der Erblasser eigentlich mitteilen will, sodass von ihm quasi Unmögliches abverlangt würde. Dieser drohenden Überdehnung des Pflichtenkreises des Rechtsbeistands kann aber entgegnet werden, dass es für sec. 20(1)(b) AoJA 1982 noch auf die Frage ankommen könnte, was die testamentserrichtende Person überhaupt verstehen durfte.379 Durch dieses begrenzende Merkmal kann dem Testamentsersteller also nicht per se vorgeworfen werden, er habe die Erblasserinstruktionen materiell missverstanden, unabhängig davon, wie diffus und fehlerhaft sie kommuniziert wurden. Nur wenn sich derjenige Inhalt, den der Testamentsersteller verstehen musste, mit dem Gehalt deckt, den der Erblasser wirklich instruieren wollte, das in der Testamentsurkunde Verankerte aber dennoch hiervon abweicht, könnte es sich um eine im Sinne des Tatbestands nicht verstandene Erblasserinstruktion handeln. Hieran könnte die rectification anknüpfen. Während für eine solche Differenzierung bei sec. 20(1)(a) AoJA 1982 kein Raum ist, ließe dies 377

Wenn auch ohne nähere Argumente jeweils hierfür etwa Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146 (Fn. 81); Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 262 para. 10-07 (Fn. 22); Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 562: „It was not a clerical error, and it may have been a failure to understand instructions.“ 378 Oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 f. (Fn. 368). 379 So jedenfalls Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561.

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das normative Kriterium der sec. 20(1)(b) AoJA 1982 zu.380 Damit wäre eine Stellschraube für den Tatbestand gewonnen, um eine ausufernde rectification-Klagewelle zu vermeiden. Wendet man diese Überlegungen auf Re Martin381 an, ließe sich vertreten, dass der fachkundige solicitor bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt hat verstehen müssen, dass die Erblasserin eigentlich „20-per-cent“ meinte. Infolgedessen könnte die rectification auf sec. 20(1)(b) AoJA 1982 gestützt werden. Hodge sieht in der Entscheidung Re Martin382 jedenfalls einen schillernden Beweis dafür, dass die Gerichte dazu bereit sind, den Tatbestand der sec. 20(1) AoJA 1982 in Grenzfällen so weit wie nötig auszudehnen, um einen identifizierten Fehler zu beheben.383 Letztlich wird abzuwarten bleiben, ob die Judikatur Fälle dieser Art der rectification zuordnen wird.384 Mit Blick auf die aktuelle Rechtsprechungspraxis erscheint die Klärung dieser Frage jedoch in weiter Ferne. Denn aufgrund der liberalen Anwendung der Auslegung gelangt die rectification nur sehr vereinzelt zum Zuge, sodass die Praxisrelevanz der aufgeworfenen Unklarheiten nicht überschätzt werden darf. Das gilt vor allem für die letztgenannte Fallkonstellation, die die Rechtsprechung in der Regel über die interpretation löst.385 cc) Weitere Gründe? Der Anwendungsbereich der rectification fällt bei den übrigen Rechtsgeschäften deutlich weiter aus als der, den sec. 20 AoJA 1982 für das Testamentsrecht vorsieht.386 Dies liefert den Impuls zu untersuchen, ob die beiden sich hieraus ergebenden rectification-Tatbestände abschließend sind. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass das Law Reform Committee vor 380

Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 561: „It does matter because the possibility of rectification under s. 20(1)(b), in a case like this, would depend on what the person who was being instructed to prepare the will might be expected to understand. The ,understanding‘ of an experienced probate practitioner would differ from that of a non-legally qualified neighbour.“ 381 Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch). 382 Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch). 383 Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 650 para. 8-55. 384 Dagegen Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 643 para. 8-46; Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 563; Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 para. 23. 385 Ebenso Kerridge/Brierley, (2007) Conv. 558, 563. 386 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 154, per Lord Neuberger; Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 184 para. 9.57. Dazu auch Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 50 ff.

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Schaffung der sec. 20 AoJA 1982 über insgesamt fünf rectification-Gründe nachdachte: „clerical error“, „misunderstanding of the testator’s instructions“, „failure by the testator to appreciate the effect of the words used“, „uncertainty“ und „lacuna“.387 Mit Blick auf die drei letztgenannten Gründe entschied sich das Law Reform Committee ausdrücklich gegen deren Aufnahme in den rectification-Tatbestand. Demzufolge sollten die Konstellationen nicht erfasst sein, in denen sich der Erblasser über die Bedeutung der von ihm verwendeten Worte irrt,388 unklare Testamentspassagen bestehen oder sich eine Lücke in dem Sinne auftut, dass sich die tatsächlichen Gegebenheiten in einer Weise ändern, mit der der Erblasser nicht gerechnet hatte und bei deren Berücksichtigung er anders testiert hätte.389 Nur die beiden erstgenannten Tatbestände sollten zur rectification berechtigen, woraufhin diese in sec. 20(1)(a) und (b) AoJA 1982 verankert wurden.390 Dieser Befund legt bereits nahe, dass die rectification im Testamentsrecht nicht auch auf diejenigen Gründe gestützt werden kann, die die im equity-Recht wurzelnde rectification391 für die übrigen Rechtsgeschäfte bereitstellt. Dies bestätigt auch ein Blick auf den landmark case Marley und die dortigen Ausführungen Lord Neubergers.392 Zwar betont Lord Neuberger in diesem Zusammenhang zunächst, dass die Rechtsprechung traditionellerweise davon ausgegangen ist, dass die rectification bei Testamenten unzulässig sei, er allerdings keinen Unterschied zwischen Testamenten und anderen Rechtsgeschäften habe ausmachen können, der diese frühere Differenzierung trage.393 Dadurch liegt die 387

Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 ff. para. 18 ff. 388 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 para. 23: „This seems to us to be more a matter of construction than of rectification.“ 389 In Bezug auf die beiden letzteren Konstellationen Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 10 para. 24: „On the view which we have taken of the scope of rectification, we think that the remaining two situations, uncertainty and lack of intention, are also excluded.“ 390 Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 f. para. 18 ff. Siehe dazu auch Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 334 f. para. 14-004; vgl. Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 265 para. 10-11. 391 Siehe nur Fawls, (1993) 5 P.C.B. 367, 368. Zur Entwicklung der equity-Rechtsprechung neben dem ursprünglich starr-formalen writ-System etwa Maultzsch, Streitentscheidung und Normbildung durch den Zivilprozess. Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum deutschen, englischen und US-amerikanischen Recht, 2010, S. 133 ff. 392 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 393 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 146, per Lord Neuberger: „[I]t has always been assumed that the courts had no such power to rectify a will [...]. I would none the less have been minded to hold that it was, as a matter of common law, open to a judge to rectify a will in the same way as any other document: no convincing reason for the absence of such a power has been advanced.“

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Vermutung nahe, Lord Neuberger übertrage die etwa im Vertragsrecht geltenden rectification-Tatbestände auch auf Testamente, sodass eine auf rectification gerichtete Klage nicht mehr auf die in sec. 20 AoJA 1982 genannten Ereignisse beschränkt wäre. Eine Übertragung der für die übrigen Rechtsgeschäfte geltenden rectification-Gründe auch auf das Testamentsrecht würde sich insoweit ins Bild einfügen, als dass schon die Auslegungsmethodik für alle Rechtsgeschäftstypen grundsätzlich parallelisiert wurde. Allerdings entzieht Lord Neuberger unmittelbar nach seinen einleitenden Ausführungen einer solchen Annahme die Grundlage, wenn er ausführt: „However, it is unnecessary to consider that point further, as Parliament has legislated on the topic, in section 20 of the 1982 Act [...]. Given that Parliament decided to confer a limited power of rectification at a time when there was clear authority that the court had no inherent power to rectify, it would be wrong for any court to hold, at least in the absence of a compelling reason, that it actually had an inherent power which was wider than that which the legislature conferred.“394

Damit wurde im Ausgangspunkt Klarheit darüber geschaffen, dass die in sec. 20 AoJA 1982 genannten Gründe für eine auf rectification gerichtete Klage im Testamentsrecht abschließend sind.395 Allerdings darf nicht übergangen werden, dass Lord Neubergers Votum auch den Passus „in the absence of a compelling reason“ enthält. Dies könnte eine potentielle Öffnungsklausel für Fälle darstellen, die nicht von den normierten rectification-Gründen der sec. 20(1) AoJA 1982 erfasst werden.396 Konstellationen aus der Rechtspraxis, in denen hiervon Gebrauch gemacht worden wäre, existieren aber bislang nicht.397 d) Fristwahrung Die auf rectification gerichtete Klage muss im Grundsatz gemäß sec. 20(2) AoJA 1982 innerhalb von sechs Monaten erhoben werden.398 Für den Frist394

Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 146, per Lord Neuberger. Bestätigt in Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 184 para. 9.56 ff. So auch (immerhin in diesem Punkt zutreffend) Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch), para. 41, per Behrens J.: „After 1983, the court may rectify wills but only in two situations.“ Siehe auch Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 165; Hodge, (2017) 1 Conv. 45, 50; Sawyer/Spero, Succession, Wills and Probate, 3rd ed., 2015, p. 203; Healey, (2002) 3 P.C.B. 169, 172. 396 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 154. 397 Kritisch in diesem Zusammenhang Hodge, (2017) 1 Conv. 45, 52, der sich dafür ausspricht, die für die übrigen Rechtsgeschäfte anerkannten rectification-Gründe auch auf das Testamentsrecht zu übertragen. Dabei betont er, dass es sich jedenfalls um einen sinnvolleren Schritt handeln würde als etwa – wie geschehen – die Auslegungsmethode zu parallelisieren. 398 Sec. 20(2) AoJA 1982: „An application for an order under this section shall not, except with the permission of the court, be made after the end of the period of six months 395

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beginn grundsätzlich maßgeblich ist die erstmalige Ausstellung eines „grant of probate“ oder eines „letter of administration“.399 Ist die Frist zum Zeitpunkt des rectification-Gesuchs bereits verstrichen, ist die angestrebte Berichtigung allerdings nicht per se ausgeschlossen. In einem solchen Fall kann die rectification gesondert beantragt werden und das Gericht die Klage, trotz verstrichener Frist, zulassen. Sofern das Gericht dem formellen Zulassungsantrag stattgibt, wird es sich im Weiteren mit den materiellen Voraussetzungen der rectification befassen.400 Dabei lässt sich die gerichtliche Tendenz erkennen, großzügige Ausnahmen vom grundsätzlichen Fristwahrungserfordernis zu machen.401 Nach Chittock v. Stevens sind die aus Re Salmon402 bekannten Maßstäbe zur Erweiterung der Frist aus sec. 4 Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975403 auf die sich hier stellende Frage

from the date on which representation with respect to the estate of the deceased is first taken out.“ 399 Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 337 para. 14-009; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 267 para. 10-14; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 para. 10.6. Allerdings bestehen hiervon Ausnahmen, bei denen das betreffende Ereignis keine fristauslösende Wirkung zeitigt (sec. 20(4) AoJA 1982): „(4) The following are to be left out of account when considering for the purposes of this section when representation with respect to the estate of a deceased person was first taken out – (a) a grant limited to settled land or to trust property, (b) any other grant that does not permit any of the estate to be distributed, (c) a grant limited to real estate or to personal estate, unless a grant limited to the remainder of the estate has previously been made or is made at the same time, (d) a grant, or its equivalent, made outside the United Kingdom (but see subsection (5)). (5) A grant sealed under section 2 of the Colonial Probates Act 1892 counts as a grant made in the United Kingdom for the purposes of subsection (4), but is to be taken as dated on the date of sealing.“ Wurde der „grant of probate“ allerdings vor (oder gleichzeitig mit) den betreffenden Ereignissen hinsichtlich der verbleibenden Nachlasspositionen erteilt, hindern die Ausnahmekonstellationen der sec. 20(4) AoJA 1982 den Fristbeginn nicht, Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 337 para. 14-009 (Fn. 27). Überblicksartig zum „grant of probate“ und zum „letter of administration“ Frank/Wachter, Handbuch Immobilienrecht in Europa. Zivil- und steuerrechtliche Aspekte des Erwerbs, der Veräusserung und der Vererbung von Immobilien, 2004, S. 220 f. Rdnr. 398 ff.; ausführlich Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 459 ff. para. 18-01 ff. 400 Anschaulich etwa in Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66. 401 Gerling v. Gerling, [2010] E.W.H.C. 3661 (Ch), para. 9, per Hodge Q.C.; Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66, 70, per Hodge Q.C.; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 338 para. 14-010; Kerridge, in: English Private Law, 3rd ed., 2013, p. 437 para. 7.91; Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 141 (Fn. 52). Die Ausnahmen lassen sich auf sec. 20(2) und (3) AoJA 1982 zurückführen, wo das Ermessen, die rectification auch nach Fristablauf zulassen zu können, deutlich wird. 402 Re Salmon, [1981] Ch. 167, 173 ff., per Megarry V.-C.; so auch etwa Berger v. Berger, [2013] E.W.C.A. Civ. 1305, para. 44 ff., per Gloster J. 403 Die Vorschrift lautet: „4. Time-limit for applications. An application for an order

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einer Klagezulassung trotz Fristablaufs zu übertragen.404 Demnach bedarf es einer Einzelfallbetrachtung, in der sämtliche Umstände einer Gesamtabwägung zugeführt werden.405 Insbesondere ist hierfür bedeutsam, inwieweit die sechsmonatige Frist überschritten wurde und aus welchem Grund dies geschah. Relevant ist dabei z.B., ob der zur rectification berechtigende Aspekt überhaupt vor Fristablauf zu Tage trat. War den Beteiligten bis zu diesem Zeitpunkt bspw. unbekannt, dass sich der Erblasser verschrieben hat und damit ein clerical error vorliegt, stehen die Chancen gut, dass die abgelaufene Frist der formellen Zulassung der rectification nicht im Wege steht.406 Daneben kann in die Gesamtbetrachtung mit einbezogen werden, ob der Nachlass bereits an die (vermeintlich) Bedachten ausgegeben wurde oder ob zwischen den Beteiligten zuvor Verhandlungen stattgefunden haben.407 Letztlich dient die grundsätzlich zu wahrende Sechsmonatsfrist vor allem der Rechtssicherheit und dem Schutze der personal representatives des Erblassers.408 Ihnen soll es nach Abwarten der Frist möglich sein, den Nachlass rechtssicher zu verteilen. Dadurch soll das Risiko zumindest minimiert werden, dass der Nachlass auf Basis einer testamentarischen Verfügung zugeteilt wird, die Gegenstand eines Rechtsstreits wird.409 under section 2 of this Act shall not, except with the permission of the court, be made after the end of the period of six months from the date on which representation with respect to the estate of the deceased is first taken out [(but nothing prevents the making of an application before such representation is first taken out)].“ 404 Chittock v. Stevens, [2000] W.T.L.R. 643, 649, per Donaldson Q.C.; so auch Gerling v. Gerling, [2010] E.W.H.C. 3661 (Ch), para. 9, per Hodge Q.C.; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 267 para. 10-14 (Fn. 51); Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 para. 10.6. 405 Für eine Zusammenfassung der in die Gesamtabwägung einzubeziehenden Umstände Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 337 para. 14-009. 406 So etwa in Gerling v. Gerling, [2010] E.W.H.C. 3661 (Ch), para. 9, per Hodge Q.C.; siehe auch Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66, 70, per Hodge Q.C. 407 Gerling v. Gerling, [2010] E.W.H.C. 3661 (Ch), para. 9, per Hodge Q.C.; Kerridge/ Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 267 para. 10-14 (Fn. 51). 408 Zu den personal representatives des Erblassers schon oben § 1 B., S. 13. 409 Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66, 70, per Hodge Q.C. unter Bezugnahme auf Re Craig, [2006] W.T.L.R., 1873, per Furness Q.C.; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 337 para. 14-009; Kerridge/Brierley, Parry & Kerridge. The Law of Succession, 13th ed., 2016, p. 267 para. 10-14. Verteilen die personal representatives den Nachlass an die (vermeintlich) Bedachten nach Ablauf der sechsmonatigen Frist, werden sie von sec. 20(3) AoJA 1982 vor einer etwaigen Haftung geschützt, sollte das Testament später tatsächlich berichtigt werden und nun ein anderer begünstigt sein als noch durch den Wortlaut ausgewiesen wurde. Im betreffenden Absatz der Norm heißt es daher: „(3) The provisions of this section shall not render the personal representatives of a deceased person liable for having distributed any part of the estate of the deceased, after the end of the period of six months from the date on which representation with respect to the estate of the deceased is

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4. Grenzen Der Umfang, in dem die rectification eine Berichtigung erzielen kann, kennt keine Grenzen.410 Dementsprechend ist es nur konsequent, dass auch eine gänzlich neue Verfügung implementiert werden kann, sofern sie infolge eines rectification-Grunds nicht Einzug in das Testament fand.411 Ein rewriting ist hier also ausdrücklich zulässig.412 Allerdings relativiert sich diese – in der Theorie zwar durchaus beachtliche, praktisch jedoch nahezu irrelevante – Wirkung ganz erheblich, weil sie nur in den durch sec. 20(1)(a) und (b) AoJA 1982 geregelten Fällen eintreten kann.413 Limitiert ist die rectification zudem durch das aus sec. 20(2) AoJA 1982 resultierende Fristwahrungserfordernis, das die erfolgreiche Klageerhebung grundsätzlich von der Wahrung der Sechsmonatsfrist abhängig macht.414 Abschließend soll noch die sich angesichts der weitreichenden Berichtigungsmöglichkeit stellende Frage geklärt werden, wie sich das durch sec. 17 AoJA 1982415 aufgestellte testamentarische Formerfordernis zur rectification

first taken out, on the ground that they ought to have taken into account the possibility that the court might permit the making of an application for an order under this section after the end of that period; but this subsection shall not prejudice any power to recover, by reason of the making of an order under this section, any part of the estate so distributed.“ 410 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 150, per Lord Neuberger: „As a general proposition, there may be force in the point that the greater the extent of the correction sought, the steeper the task for a claimant who is seeking rectification. However, I can see no reason in principle why a wholesale correction should be ruled out as a permissible exercise of the court’s power to rectify, as a matter of principle. On the contrary: to impose such a restriction on the power of rectification would be unprincipled – and it would also lead to uncertainty.“ So auch schon Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.: „[A] conclusion, varying or contradicting the language used, would amount to re-writing part of the will, and that is a result to be achieved, if at all, under the rectification provisions in section 20.“ 411 Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 para. 10.6.1. 412 Instruktiv Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls J.; Learmonth, in: Probate Practioner’s Handbook, 8th ed., 2018, p. 174, 180 para. 10.6.1; Martyn et al., Theobald on Wills, 18th ed., 2016, p. 333 para. 14-001. 413 Zur potentiellen Öffnungsklausel durch Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129 siehe bereits oben § 3 A. II. 3. c) cc), S. 177. 414 Siehe oben § 3 A. II. 3. d), S. 177 ff. 415 Früher sec. 9 WA 1837. Die aktuelle Fassung lautet: „[Sec.] 17 [AoJA 1982:] Relaxation of formal requirements for making wills. The following section shall be substituted for section 9 of the Wills Act 1837 – ,9 Signing and attestation of wills. No will shall be valid unless – (a) it is in writing, and signed by the testator, or by some other person in his presence and by his direction; and (b) it appears that the testator intended by his signature to give effect to the will; and (c) the signature is made or acknowledged by the testator in the presence of two or more witnesses present at the same time; and (d) each witness either – (i)

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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verhält. Indem nämlich selbst gänzlich unterlassene Verfügungen, die im Ausgangspunkt also zweifelsfrei nicht die von sec. 17 AoJA 1982 vorgeschriebene Form erfüllen, nachträglich implementiert werden können, erscheint fraglich, ob die rectification in dieser Hinsicht überhaupt (Mindest-) Anforderungen an das zu berichtigende Testament aufstellt. Die Antwort auf die aufgeworfene Fragestellung bemisst sich danach, welche Anforderung an den Begriff des „will“ in dem Passus „[i]f a court is satisfied that a will is so expressed that it fails to carry out the testator’s intentions [...]“ aus sec. 20(1) AoJA 1982 gestellt wird. Dabei genügt es dem Supreme Court, wenn nach der erfolgten rectification eine diesen Voraussetzungen entsprechende testamentarische Verfügung vorliegt.416 Dies fügt sich insoweit ins Bild als dass die Korrektur rückwirkend vorgenommen wird, die Verfügung also so behandelt wird, als sei sie von Anfang an in der Urkunde gewesen.417 Im Mindestmaß erforderlich ist hierfür jedoch, dass im Ausgangspunkt überhaupt ein als Testament identifizierbarer Textkörper vorliegt, an den angeknüpft werden kann. Dieser muss mit der Intention (animus testandi) errichtet worden sein, eine testamentarische Verfügung zu errichten. Darüber hinaus muss der vorhandene Textkörper, also das Testament, „signed“ und „attested“ sein.418 Fehlt es an den besagten Grundkomponenten, kann auch die rectification nicht über diesen Mangel hinweghelfen,419 da dem Gericht keine „general dispensing power“ zusteht.420 Dadurch ist es also bspw. nicht möglich, eine fehlende Unterschrift im Wege der Berichtigung nachträglich einzufügen.421

attests and signs the will; or (ii) acknowledges his signature, in the presence of the testator (but not necessarily in the presence of any other witness), but no form of attestation shall be necessary.‘“ 416 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 150 ff., per Lord Neuberger. Anders hingegen noch erstinstanzlich in Marley v. Rawlings, [2011] 1 W.L.R. 2146, 2152, per Proudman J. und vor dem Court of Appeal Marley v. Rawlings, [2013] Ch. 271, 282 f., per Black L.J. Siehe auch Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 643 para. 8-46. 417 Hodge, Rectification. The Modern Law and Practice Governing Claims for Rectification for Mistake, 2nd ed., 2016, p. 49 para. 1-63 m.w.N. 418 Siehe dazu oben § 1 B., S. 13 f. (Fn. 71). 419 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 153. 420 Zur general dispensing power siehe Law Commission, Making a will. Consultation Paper No. 231 (Summary). 13 July 2017, 2017, p. 5 para. 1.27 f. 421 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 153. Im Unterschied dazu lagen in Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129 immerhin überhaupt Unterschriften vor, auch wenn jeweils das falsche Testament unterschrieben wurde.

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§ 3 Englisches Recht

5. Rechtsfolge Wie die interpretation entfaltet auch die rectification im Erfolgsfall reformierende Wirkung. Testamentspassagen können dadurch sowohl substituiert als auch ersatzlos gestrichen werden. Darüber hinaus ist die unbegrenzte Implementierung zusätzlicher Textkomponenten möglich. Hierin, also in der Möglichkeit der Einfügung gänzlich neuer Verfügungen, wird teils gar der Hauptzweck der rectification im Vergleich zur interpretation gesehen.422 Während die korrigierende Wirkung der rectification eine sichtbare Rechtsfolge nach sich zieht, dem Testament nunmehr tatsächlich denjenigen Inhalt verleiht, den der Testator eigentlich implementieren wollte, ruft die interpretation keine sichtbaren Änderungen im Testament hervor.423 Darüber hinaus erlaubt die rectification auch die bloße Teilkorrektur einer testamentarischen Verfügung.424 6. Praktische Anwendungsbereiche a) Grundsätzlicher Anwendungsbereich Wie bereits gezeigt, kann mit Hilfe der rectification nur einer eng umgrenzten Fehlerpalette begegnet werden, die abschließend in sec. 20(1)(a) und (b) AoJA 1982 enumerativ aufgeführt ist.425 Die rectification ist aufgrund der Anerkennung des clerical error insbesondere dazu in der Lage, eine fehlgegangene Erklärungshandlung (etwa aufgrund eines Verschreibens) zu beheben, sec. 20(1)(a) AoJA 1982. Dass sec. 20(1)(a) AoJA 1982 nach der in diesem Sinne bisher vereinzelt gebliebenen Entscheidung Re Martin426 künftig etwa bei vom Erblasser gegenüber dem Testamentserrichtenden falsch oder unpräzise verwendeten Begriffen eingreift, wenn der Ersteller das wirklich Gewollte nicht erfasst und demzufolge eine testamentarische Umsetzung des Erblasserwillens unterbleibt, muss als unwahrscheinlich eingestuft werden.427 Ein solcher Fall ist allenfalls unter sec. 20(1)(b) AoJA 1982 zu fassen, sofern der Tatbestand weit ausgelegt würde, was indes nicht zu erwarten ist.

422

Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 165. Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger: „[I]f it is a question of rectification, then the document, as rectified, has a different meaning from that which it appears to have on its face [...].“ Siehe dazu auch Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 152; vgl. Czarnecki, Vertragsverhandlung und Vertragsauslegung. Eine rechtsvergleichende Untersuchung, 2016, S. 53, 54. 424 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, 148, per Lord Neuberger. 425 Siehe aber die (bisher nicht relevant gewordene) potentielle Öffnungsklausel Lord Neubergers in Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129, die bereits oben thematisiert wurde § 3 A. II. 3. c) cc), S. 177 ff. 426 Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch). 427 Siehe dazu die Analyse oben § 3 A. II. 3. c) aa), S. 170 f. 423

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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Jedenfalls in Fällen, in denen die Rechtsfolge von verwendeten juristischen Begriffen verkannt wird, scheint indes Einigkeit dahingehend zu bestehen, dass die rectification nicht in Betracht kommen soll. Dasselbe gilt für nicht umgesetzte Erblassermotivationen oder andere testamentarische Lücken. Definitiv von sec. 20(1)(b) AoJA 1982 sind demgegenüber Fälle erfasst, in denen sich der Testamentserrichtende bspw. verhört, also die Instruktion des Erblassers nicht richtig vernimmt (Übermittlungsfehler), und das Testament infolgedessen den wahren Willen nicht wiedergibt.428 Wegen des in der Rechtsprechung praktizierten „interpretation-first“Ansatzes,429 der liberalen Auslegung sowie der ohnehin schon limitierten Anknüpfungspunkte der rectification, fällt es aus Sicht der Rechtspraxis schwer, für letztere einen verbleibenden Anwendungsbereich zu finden.430 Für sie bleibt letztlich nur ein eng begrenztes Anwendungsfeld übrig, das seltene Konstellationen erfasst. So handelt es sich um einen praktischen Fall der rectification, wenn es um die Implementierung einer unterlassenen Verfügung geht. Vor dem Hintergrund der liberalen Entscheidung Slattery v. Jagger431 scheint dies allerdings auch nur bei einer vollkommen fehlenden Anordnung zuzutreffen. Immerhin wurden die Grenzen der Auslegung dort noch einmal gelockert, indem auch eine fehlende Passage in das zugrunde liegende Testament „hineingelesen“ wurde. Im Fall hatte der Erblasser vergessen, seine Ehefrau als Begünstigte im Testament auszuweisen. Der fehlende Zusatz „to my wife“ wurde letztlich durch die interpretation implementiert, sodass die Ehefrau die in Aussicht genommene Zuwendung erhielt.432 Darüber hinaus gelangt die rectification zum Zuge, wenn es sich um die Sonderkonstellation vertauschter Testamente aus Marley433 handelt. Im Weiteren fällt es schwer, einen zusätzlichen eigenständigen Anwendungsbereich der rectification zu finden. Häcker beschreibt in ihrem Beitrag ferner die Situation, in der mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs von sec. 21(1) AoJA 1982 die Beweiskategorie des evidence of the testator’s intention nicht verwertet werden kann und die Ergründung des wirklich Gewollten im Zuge der Auslegung wegen dieses Informationsdefizits (noch) nicht gelingt. In der Konsequenz könnte der Erblasserwille, nunmehr ohne Beschränkung auf bestimmte Beweismittel, im Wege der rectification ermittelt

428

Dazu oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 172. Oben § 3 A. II. 2., S. 163 ff. Begriff nach Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 144. 430 Einen verbleibenden Anwendungsbereich der rectification suchen ebenfalls Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 141 ff. und Douglas, (2018) 5 P.C.B. 167, 170. 431 Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch). 432 Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch), para. 93, per Hodge Q.C. 433 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 429

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§ 3 Englisches Recht

und – sofern die Diskrepanz auf einem rectification-Tatbestand beruht – dann auch durchgesetzt werden.434 b) Anwendung auf Fallbeispiele (1) Im Fall der Einsetzung des falschen Kinderschutzvereins erscheint es möglich, dass der Erblasserwille über die interpretation verwirklicht würde.435 Sollte die Durchsetzung des wirklich Gewollten mangels Erschütterung der geltenden „very strong presumption“ jedoch nicht gelingen, ist dessen Ver-

434 Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 141. In der Tat würde in diesem Szenario der rectification ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleiben, dies kann nicht geleugnet werden. Allerdings erscheint der Fall mit Blick auf sec. 21(1)(c) AoJA 1982 recht konstruiert und dürfte sich in der Praxis so kaum zutragen. Dies gilt umso mehr, wenn der Rechtsanwender bestrebt ist, einen prinzipiell glaubhaft gemachten Erblasserwillen durchzusetzen. Dann wird er das Vorhaben nicht an sec. 21(1)(c) AoJA 1982 scheitern lassen und geneigt sein, betreffendes Beweismaterial heranzuziehen. Immerhin soll die besagte section gerade solch einen Fall abdecken, bei dem mit Blick auf den bloßen Testamentswortlaut gerade keine Zweideutigkeit besteht, aber durch Heranziehung von extrinsic evidence Zweifel an der vermeintlichen Eindeutigkeit geschürt werden. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die Beweiskategorie evidence of the testator’s intention häufig nicht die erhoffte erhellende Wirkung hat. Es wird in der Sache also oft nicht entscheidend sein, ob die Beweiskategorie zugelassen wurde oder nicht. Dies liegt zum einen daran, dass sie von vornherein nur ein eng umgrenztes Beweisfeld erfasst. Zum anderen muss gesehen werden, dass die Qualität der Beweisform regelmäßig proportional zum verstrichenen Zeitraum nach Eintritt des Erbfalls abnehmen wird. Dies gilt, abgesehen vom Fälschungsrisiko, zwar weniger für vom Erblasser stammende Schriftstücke. Jedoch ist gerade mit Blick auf Zeugenaussagen, die behaupten, mit dem Erblasser über die geplanten testamentarischen Anordnungen kommuniziert zu haben, eine besondere Sorgfalt bei der Beweiserhebung an den Tag zu legen. Hier ist es schwierig, deren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Hinzu kommt das Phänomen, dass das menschliche Gedächtnis Erinnerungslücken aufweist, die durch den betreffenden Zeugen durch Inhalte geschlossen werden, von denen er meint, sie tatsächlich erlebt zu haben. Instruktiv zur sogenannten Verblassungstendenz etwa Bender u.a., Tatsachenfeststellung vor Gericht. Glaubhaftigkeits- und Beweislehre. Vernehmungslehre, 4. Aufl., 2014, S. 31 Rdnr. 126 f. In diese Richtung auch Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 779, per Lord Hoffmann: „The rule as applied to wills, which restricts the use of background in aid of construction, reflects a distrust of the use of oral evidence to prove the background facts. The people who could give evidence about the background to a will would in most cases be members of the family interested in the outcome of the case and until 1843, persons with an interest in the litigation were not even competent witnesses. No doubt the exclusion of background makes, in a somewhat arbitrary way, for greater certainty in the sense that there is less room for dispute about what the background was and the effect which it has upon the intention to be attributed to the testator. But, as the cases mournfully show, this certainty is bought at the price of interpretations which everyone knows to be contrary to the meaning which he intended.“ 435 Siehe oben § 3 A. I. 5. b), 158 f. Zum Fall oben § 1 A., S. 5 f.

A. Rechtsinstitute zur Verwirklichung des Erblasserwillens

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wirklichung endgültig gescheitert. Die rectification ist nämlich nicht dazu in der Lage, auf den betreffenden Diskrepanzgrund zu reagieren: Es liegt kein clerical error vor und weil das Testament nicht durch einen Dritten errichtet wurde, kommt der Tatbestand des failure to understand the testator’s instruction von vornherein nicht in Betracht. Sec. 20 AoJA 1982 ist im geschilderten Kinderschutzvereinsfall daher nicht einschlägig. (2) Die Einsetzung von „Martha“, anstatt der in Aussicht genommenen „Magda“, basiert auf einem Verschreiben des Erblassers.436 In diesem Fall überschneiden sich die Anwendungsbereiche der interpretation und der rectification ausnahmsweise. Dass ein solches Fehlgehen der Erklärungshandlung ein clerical error gemäß sec. 20(1)(a) AoJA 1982 ist, kann nicht bestritten werden.437 Hiervon zu trennen ist aber die Frage, ob die Praxis den Fall auch wirklich über die rectification lösen würde. Erneut spricht aufgrund des zu verzeichnenden „interpretation-first“-Ansatzes eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass auch dieses Szenario durch die weitläufig praktizierte Auslegung zugunsten des wirklich Gewollten gelöst würde. Gleichwohl bleiben auch hier gewisse Restzweifel, weil erneut die „starke Vermutung“ dahingehend besteht, dass die dem Wortlaut nach eingesetzte Person auch tatsächlich bedacht werden sollte. Allerdings kann im Unterschied zur erstgenannten Fallvariante konstatiert werden, dass der Erblasserwille hier auch mit Hilfe der rectification durchgesetzt werden kann, sollte dies im Wege der interpretation wider Erwarten scheitern.438 Ob der Fall über die interpretation oder über die rectification gelöst würde, hängt auch von der Prüfungsreihenfolge des Gerichts ab. Festzuhalten bleibt zumindest, dass die Chancen der Erblasserwillensverwirklichung trotz abweichenden Testamentswortlauts hier am besten stehen, weil prinzipiell beide Institute den Durchsetzungserfolg bewirken können. (3) Was den Fall des vorverstorbenen Neffen anbelangt,439 existiert kein rectification-Tatbestand, der an fehlende Erwägungen oder enttäuschte Erwartungen anknüpft, um die leerlaufende testamentarische Verfügung „weiterzudenken“. Unabhängig davon, ob sich der Erblasser überhaupt ersatz436

Zum Fall oben § 1 A., S. 6 f. Law Reform Committee, Nineteenth Report. Interpretation of Wills (Cmnd. 5301), 1973, p. 8 f. para. 18 example (a) und para. 19; ebenso Häcker, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 131, 146: „clear case for rectification“. Zur Auslegung des clerical error-Tatbestands oben § 3 A. II. 3. c) aa), S. 168 ff. 438 Freilich die Wahrung der übrigen Voraussetzungen vorausgesetzt, wie etwa die grundsätzlich notwendige Fristwahrung, sec. 20(2) AoJA 1982. Dass die im Auslegungsrecht geltende „very strong presumption“ auch auf die rectification zu übertragen ist, wurde bisher weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum thematisiert. Dies würde auch dem Sinn der rectification widersprechen, den Wortlaut des Testaments umfänglich insoweit zu korrigieren, wie der Fehler reicht. 439 Zum Fall oben § 1 A., S. 7 f. 437

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§ 3 Englisches Recht

weise jemand anderen als seinen Erben gewünscht hätte, wenn er das Vorversterben des Neffen bedacht hätte, können testamentarische Lücken, die sich aufgrund unbedachter Entwicklungen ergeben, nicht im Zuge der rectification geschlossen werden. Dieser Anwendungsfall der rectification wurde vom Law Reform Committee erwogen („lacuna“), jedoch ausdrücklich verworfen.440 Im Ergebnis können hier also weder die interpretation noch die rectification reformierend eingreifen. Der irreale Erblasserwille wird nicht umgesetzt.

B. 12th Programme of Law Reform im Spiegel des Lösungsansatzes Nachdem die aus dem 19th Report des Law Reform Committee einerseits und die aus den jüngeren Entwicklungen in der Judikative andererseits resultierenden Änderungen größtenteils zu einem recht klaren Kurs verarbeitet wurden, bahnen sich nunmehr weitere Veränderungen in der englischen Rechtsordnung an. Diese lässt das im Juli 2014 gestartete 12th Programme of Law Reform erwarten, das neben verschiedenen anderen Bereichen auch einen Abschnitt zum Erbrecht enthält.441 Mit Blick auf letzteres ist es das Hauptanliegen des Reformvorhabens, das Testieren für die Bevölkerung attraktiver zu gestalten.442 Hierzu soll das englische Erbrecht, das im Wesentlichen auf dem WA 1837 beruht, an die modernen Verhältnisse angepasst werden und den Umstand aufgreifen, dass die Menschen länger leben und dies durch die medizinische Entwicklung fortwährend begünstigt wird. Daher sollen die Regelungen zur mental capacity überdacht werden.443 Das Reformprogramm hat es sich ebenfalls zur Aufgabe gemacht, die Anzahl der Testamentsstreitigkeiten zu reduzieren. Sie seien kostenintensiv und eine große Belastung für

440

Dazu oben § 3 A. II. 3. c) cc), S. 175 f. Law Commission, Twelfth Programme of Law Reform (Law Com. No. 354), 2014, p. 5 para. 1.17; 12 para. 2.30–2.32. 442 Es wird beklagt, dass etwa 40 % der englischen Bevölkerung keine Testamente errichten und dadurch im Erbfall die gesetzliche Erbfolge eintritt. Im Regelfall entspreche deren Eingreifen nicht den wirklichen Wünschen der Erblasser, Law Commission, Twelfth Programme of Law Reform (Law Com. No. 354), 2014, p. 12 para. 2.30. Zudem wird erwogen, die elektronische Testamentserrichtung zu ermöglichen: Law Commission, Making a will. Consultation Paper No. 231 (Summary). 13 July 2017, 2017, p. 6 f. para. 1.32 ff. 443 Law Commission, Twelfth Programme of Law Reform (Law Com. No. 354), 2014, p. 12 para. 2.31. Die Voraussetzung der capacity fordert die ausreichende Fähigkeit, einen freien Willensentschluss bilden zu können. Die dazu geltenden Regelungen sind vor allem auf Banks v. Goodfellow, (1870) L.R. 5 Q.B. 549 zurückzuführen. Näher zur capacity etwa bei Reed, in: Current Issues in Succession Law, 2016, p. 169 ff. 441

B. 12th Programme of Law Reform im Spiegel des Lösungsansatzes

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die Hinterbliebenen. Daher stehen sowohl die rectification als auch die interpretation – als die jeweils in diesem Rahmen relevanten Institute – auf dem Prüfstand.444 Bei den die Auslegung betreffenden Regelungen erschöpft sich das Reformbestreben indes überwiegend in einer bloß kosmetischen Überarbeitung. So soll die „archaic language“ der sec. 23 bis 29 WA 1837 durch eine „clear, modern language“ ersetzt werden, der substantielle Gehalt aber unverändert bleiben. Zudem wird darüber nachgedacht, die sec. 30 und 31 WA 1837 zu streichen, weil ihnen die praktische Relevanz fehle.445 Weiterhin soll das Verhältnis zwischen interpretation und rectification keine gesetzliche Regelung erfahren:446 Das consultation paper erkennt hinsichtlich der Anwendungsreihenfolge jeweils Vor- und Nachteile und stuft die durch die unklare Reihenfolge entstehenden Defizite in der Rechtspraxis als verkraftbar ein, da sie sich bereits mit den diesbezüglichen Verhältnissen arrangiert habe. Welches Institut vorrangig angewandt wird, soll daher der Judikative zur Entscheidung überlassen sein.447 Ferner wird darüber nachgedacht, neue statutory rules einzuführen, die sich mit der Auslegung von durch den Erblasser falsch verstandenen technischen Begriffen befassen.448 Allerdings gibt das consultation paper schon in diesem frühen Reformstadium zu erkennen, dass sich solche Fallgruppen bereits durch die herrschende liberale Auslegungsmethode zufriedenstellend lösen lassen, sodass eine Regelung entbehrlich sei.449 Auch wenn sich der Gesetzgeber bewusst ist, dass die im equity-Recht wurzelnde rectification für das Vertragsrecht weitere Berichtigungsgründe kennt, wird eine Erweiterung der zur rectification berechtigenden Tatbestände im Erbrecht grundsätzlich nicht für sachdienlich erachtet.450 Damit wird deutlich, dass zwar durchaus einige den Untersuchungsgegenstand betreffende Bereiche durch das 12th Programme of Law Reform thematisiert werden. Aus heutiger Sicht ist allerdings nicht zu erwarten, dass sie substantielle Änderungen für den dargestellten Problemlösungsansatz mit sich bringen. 444 Law Commission, Twelfth Programme of Law Reform (Law Com. No. 354), 2014, p. 12 para. 2.32 (rectification); Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 177 para. 9.28; Law Commission, Making a will. Consultation Paper No. 231 (Summary). 13 July 2017, 2017, p. 14 para. 1.82 (interpretation). 445 Law Commission, Making a will. Consultation Paper No. 231 (Summary). 13 July 2017, 2017, p. 14 para. 1.82. Ausführlich dazu Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 180 f. para. 9.44 ff. 446 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 180 para. 9.42. 447 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 180 para. 9.41 ff. 448 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 182 f. para. 9.48 ff. 449 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 183 para. 9.52 450 Law Commission, Making a will (Consultation Paper 231), 2017, p. 184 para. 9.56 ff.

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§ 3 Englisches Recht

C. Zusammenfassung Die englische Rechtsordnung kann sowohl mit Hilfe der interpretation als auch im Wege der rectification auf einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen reagieren. Dabei entfalten beide Institute reformierende Wirkung. Im Wege der interpretation wird der rechtlich relevante Sinngehalt der testamentarischen Verfügung ermittelt. Nach einem langwährenden Disput zwischen literal und intentional approach hat sich die englische Auslegungsmethodik einer liberalen Position zugewandt und von der ursprünglich streng formalen Richtschnur abgewendet, die prinzipiell nur eine Ausdeutung des Wortlauts anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs zum Gegenstand hatte.451 Nunmehr ist der modern contextual approach maßgeblich, der bewirkt, dass für alle Rechtsgeschäfte grundsätzlich dieselbe Auslegungsmethode gilt.452 Hiernach ist für die Ermittlung des Sinngehalts eines Testaments bedeutsam, wie die mit den einschlägigen Hintergrundinformationen zur Testamentserrichtung ausgestattete und im „Lehnstuhl“ des Erblassers Platz nehmende reasonable person die Erblasseranordnung verstehen durfte.453 Hierbei darf sie grundsätzlich auf alle relevanten Begleitumstände zurückgreifen, bei denen vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass sie auch dem Erblasser zur Verfügung standen. Im Ausgangspunkt hiervon ausgenommen sind lediglich solche Informationen, die aus unmittelbar vom Erblasser stammenden Äußerungen in Bezug auf seine Verfügung ableitbar sind. Durch den Erlass von sec. 21 AoJA 1982 schuf der Gesetzgeber Klarheit darüber, wann die Verwertung dieser Beweiskategorie (evidence of the testator’s intention) zulässig ist. Dabei fällt auf, dass die Rechtspraxis sie in aller Regel heranzieht, wenn auch nicht immer unter konsequenter Anwendung der Beweisverwertungsregelung.454 Mit der interpretation ist dem Rechtsanwender letztlich ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem er auf Diskrepanzen zwischen Wille und Wortlaut reagieren kann, um das wirklich Gewollte durchzusetzen.455 Neben der speziellen Auslegungsgrenze aus National Society v. Scottish National Society,456 die eine „very strong presumption“ dahingehend aufstellt, dass die im Wortlaut bezeichnete – wirklich existie-

451

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa), S. 106 ff. Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. 453 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. und § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 127 ff. 454 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 134 (Fn 166). 455 Siehe dazu § 3 A. I. 4., S. 157 und § 3 A. I. 5., S. 157 ff. 456 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207. 452

C. Zusammenfassung

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rende –Person bedacht werden sollte,457 besteht lediglich die des rewriting, die im Vergleich zu früheren Zeiten aufgeweicht wurde. Sie steht einer Willensverwirklichung jedenfalls in Fällen gänzlich unterlassener Verfügungen und wenn der Versuch unternommen werden sollte, eine tatsächlich nicht gebildete Intention „hineinlesen“ zu wollen, entgegen.458 Dementsprechend ist es nur konsequent, dass Fälle, die durch den Eintritt unbedachter Ereignisse oder nicht umgesetzter Erblassermotivationen gekennzeichnet sind, nicht im Wege der Auslegung gelöst werden können.459 Der Testator hat hier gerade keinen tatsächlichen Willen gebildet und infolgedessen auch keine testamentarische Bestimmung vorgesehen, die es im Wege der interpretation zu präzisieren gälte, sodass es sich um eine unterlassene Verfügung handelt. Mit der liberalen Auslegungsmethode geht letztlich einher, dass der Anwendungsbereich der rectification kleiner ausfällt, als sec. 20 AoJA 1982 mit den dort aufgeführten Tatbestandsalternativen ohnehin schon suggeriert. Denn die Wirkung des für sich genommen bedeutenden Schritts des Gesetzgebers, das aus dem law of equity bekannte Institut der rectification gesetzlich für Fehler in Testamenten zu verankern, verpufft unter der weitreichenden und in der englischen Judikatur überwiegend praktizierten vorrangigen Anwendung der interpretation. Daraus resultiert, dass der rectification kaum ein eigenständiger praktischer Anwendungsbereich verbleibt.460 Die rectification ist daher hauptsächlich hilfreich, wenn es sich um eine gänzlich unterlassene – aber gewünschte – Verfügung handelt, deren Implementierung die Auslegungsgrenze zu einem unzulässigen rewriting überschreiten würde.461 Eine hiermit vergleichbare Schranke ist der rectification unbekannt, sodass auch gänzlich fehlende Verfügungen in ein Testament transportiert werden können, sofern einer der beiden rectification-Gründe vorliegt.462 Allerdings sind diese beiden Tatbestände in der Praxis kaum bedeutsam. Den besonders häufig anzutreffenden Fall, dass der Erblasser im Testament Begriffe falsch verwendet oder bestimmte relevante Umstände nicht vorhergesehen hat, decken sie nämlich nicht ab.463 Stattdessen erfassen sie die praktisch wenig relevanten Szenarien eines fehlgegangenen Erklärungszeichens und Übermittlungsfehlers. Was die Fristgebundenheit der rectification anbelangt, ist sie zwar formell nach sec. 20(2) AoJA 1982 grundsätzlich an eine sechsmonatige Frist gekoppelt, allerdings wird diesem Kriterium keine allzu große Bedeutung

457

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 ff. Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 459 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 152 ff. 460 Siehe dazu § 3 A. II. 6., S. 182 ff. 461 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 462 Siehe dazu § 3 A. II. 5., S. 182 . 463 Siehe dazu § 3 A. II. 3. c), S. 168 ff. 458

190

§ 3 Englisches Recht

beigemessen. So neigt die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang dazu, eine auf rectification gerichtete Klage trotz Fristablaufs zuzulassen.464

464

Siehe dazu § 3 A. II. 3. d), S. 177 ff.

§4

Rechtsvergleich Im folgenden Teil der Untersuchung werden die herausgearbeiteten Lösungsansätze miteinander verglichen.1 Traditionell geht die funktionale Methode der Rechtsvergleichung2 davon aus, dass Rechtsordnungen ähnlichen Zuschnitts mit identischen Problemstellungen konfrontiert sind. Hieraus folgt die Vermutung, dass sie trotz ihrer dogmatischen Unterschiede typischerweise zu praktisch denselben oder zumindest weitgehend ähnlichen Ergebnissen gelangen. Zweigert und Kötz sprechen in diesem Zusammenhang von der „praesumtio similitudinis“, also einer „Vermutung für die Ähnlichkeit“. Als heuristisches Prinzip sei sie zweckmäßig, weil sie zur Suche nach funktional Vergleichbarem anleite und dadurch dem Rechtsvergleicher den richtigen Weg weise. Zugleich erfülle sie hinsichtlich des Untersuchungsresultats eine Kontrollfunktion, indem sie ihn dazu anhalte, sein Ergebnis kritisch zu hinterfragen, sofern es eine unterschiedliche Lösung des sozialen Konflikts durch die untersuchten Rechtsordnungen impliziere. Sodann müsse der Vergleichende überprüfen, ob er seinen Blick weit genug geöffnet und überhaupt das funktionale Äquivalent gefunden habe.3 In der Methodendiskussion zur Rechtsvergleichung wird die geschilderte Vermutung jedoch kritisiert.4 So wird etwa angeführt, durch sie drohe die Verletzung wissenschaftlicher Standards, weil sie versuche, eine Hypothese zu verifizieren, anstatt sie zu falsifizieren.5 Ferner wird behauptet, der Vergleichende werde wegen seines Fokus auf die (vermuteten) Gemeinsamkeiten dem Rechtsverständnis anderer Kulturen nicht gerecht, weil er ihnen damit nicht neutral und offen begegne. Statt den Gemeinsamkeiten mehr Beachtung als den Unterschieden zu schenken, müsse er den beiden Komponenten

1

Siehe dazu § 4 A., S. 192 ff. Siehe oben § 1 B., S. 9 f. 3 Näher dazu Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 39; siehe auch Piek, ZEuP 21 (2013), 60, 70 ff. 4 Überblick etwa bei Michaels, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 345, 375 ff. Michaels vermutet, dass im Zusammenhang mit der Rechtsvergleichung keine Aussage mehr kritisiert wurde als die „praesumtio similitudinis“, ebd., p. 375. 5 Siehe Benda-Beckmann, ZVglRWiss 78 (1979), 51, 57. 2

192

§ 4 Rechtsvergleich

unvoreingenommen und objektiv begegnen.6 Dies sei auch nötig, um die Verfälschung von Ergebnissen zu vermeiden.7 Die Untersuchung versucht den geschilderten Bedenken gerecht zu werden, indem sie den Rechtsvergleich unvoreingenommen durchführt und sowohl die Gemeinsamkeiten als auch die Unterschiede gleichermaßen beachtet und gewichtet. Dadurch verfolgt sie den Anspruch, den Rechtsvergleich ergebnisoffen vorzunehmen. Im Folgenden werden die beiden Lösungen zunächst aus rechtsdogmatischer und rechtspraktischer Perspektive verglichen,8 um die sich hieran anknüpfende funktionale Gegenüberstellung der Falllösungsansätze transparenter zu gestalten.9 Im Anschluss daran werden die untersuchten Ansätze einer kritischen rechtspolitischen Bewertung unterzogen.10

A. Vergleich der Lösungsansätze I. Parallelen Im Ausgangspunkt weisen die beiden untersuchten Rechtsordnungen einen zweistufigen Mechanismus auf, indem sie zunächst die testamentarische Verfügung in Richtung des Erblasserwillens zu präzisieren versuchen und im Falle dessen, dass die Willensdurchsetzung hierdurch nicht gelingt, hilfsweise einen förmlichen Rechtsbehelf bereitstellen, der zumindest teilweise hieran anknüpft. Was die konkreten Auslegungsmethoden anbelangt, fällt es nicht leicht, sie näher miteinander zu vergleichen. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass sie nicht auf konkret gesetzlich geregelten Tatbestandsmerkmalen beruhen, die gegenübergestellt werden könnten, sondern im Wesentlichen jeweils aus einer kontinuierlichen Fortentwicklung in der Rechtsprechung hervorgehen. Verglichen werden müssen daher die jeweils gerichtlich geübten Auslegungspraxen mit den dort herausgebildeten Auslegungsmaximen.

6

Dazu Curran, (1998) 46 A.J.C.L. 43, 67 ff.; Legrand, in: Comparative Legal Studies: Traditions and Transitions, 2003, p. 240, 271 ff.; Frankenberg, (1985) 26(2) Harv. Int. L.J., 411, 453: „[A]nalogies and the presumption of similarity have to be abandoned for a rigorous experience of distance and difference.“ Instruktiv zum Studium der Gemeinsamkeiten und der Unterschiede in der Rechtsvergleichung Dannemann, in: The Oxford Handbook of Comparative Law, 2nd ed., 2019, p. 390 ff. 7 Grosswald Curran, (1998) 46 A.J.C.L. 43, 67. 8 Siehe dazu § 4 A. I. und II., S. 192 ff. 9 Siehe dazu § 4 A. III., S. 213 ff. 10 Siehe dazu § 4 B., S. 219 ff.

A. Vergleich der Lösungsansätze

193

Sowohl die deutsche erläuternde Auslegung als auch die englische interpretation verfolgen das Ziel, den testamentarischen Bedeutungsgehalt zugunsten des tatsächlich verankerten Erblasserwillens zu präzisieren.11 Aufgrund der identischen Ausrichtung ist die interpretation als funktionales Äquivalent zur erläuternden Auslegung zu begreifen. Dabei vereint die Auslegungsmethoden Deutschlands und Englands in struktureller Hinsicht, dass sie jeweils eine richterliche Einzelfallbeurteilung einfordern. Das Auslegungsprodukt ergibt sich stets aus einer ergebnisoffenen Einzelfallbetrachtung, die zwar auf gewissen Prinzipien basiert, jedoch kein zwingendes Ergebnis herbeiführt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass jede testamentarische Verfügung als einzigartig gilt und infolgedessen auch eine individuelle richterliche Auslegung erfährt. Mag der Wortlaut des einen Testaments mit dem eines anderen bisweilen nahezu identisch sein – bspw. wenn das Testament aus einem Muster hervorging –, existieren doch zumindest unterschiedliche Hintergründe der Testamentserrichtung, die es zur Sinngehaltsermittlung zu verwerten gilt. Nicht anders verhält es sich im englischen common law, wenn das Auslegungsergebnis nach dem modern contextual approach auch dort im Wege einer Beurteilung im Einzelfall gewonnen wird. Seit der Abkehr vom literal approach bestimmen nicht mehr Präjudizien, sondern insbesondere die Beweislage rund um den Erblasserwillen den Sinngehalt der verwendeten Worte. Neben diesem gemeinsamen strukturellen Ausgangspunkt ergeben sich weitere Parallelen, wenn der Blick auf die konkreten Modalitäten der jeweiligen Auslegungsmethodik gerichtet wird. In beiden Rechtsordnungen handelt es sich dabei um einen richterlichen Rechtsanwendungsprozess, in dessen Rahmen der im Zeitpunkt der Testamentserrichtung tatsächlich vorhandene und niedergeschriebene Wille ermittelt wird,12 der daraufhin an die Stelle des natürlichen Sinngehalts der Verfügung gesetzt werden kann.13 Hierdurch haben traditionsreiche Rechtsfiguren – wie ein im Wortlaut verankertes dictionary oder die „falsa demonstratio non nocet“-Regel – an Bedeutung eingebüßt. Obwohl die Auslegung in beiden Rechtssystemen liberal praktiziert wird, ist sie jeweils in ihrer Reichweite begrenzt – wenn auch in unterschiedlichem Maße. Während das deutsche Recht die Grenze zwischen der Auslegung und der Anfechtung mittels der Andeutungstheorie absteckt,14 verwendet die englische Rechtsordnung die Figur des rewriting15 und Beweis-

11

Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb), S. 22 ff. und § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (2), S. 25 und § 3 A. I. 2. b) bb), S. 120 ff. 13 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 27 ff. und § 3 A. I. 2. b) dd), S. 136 ff. 14 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. (erläuternde Auslegung) und § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. (ergänzende Auslegung). 15 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 12

194

§ 4 Rechtsvergleich

verwertungsregelungen,16 um die interpretation von der rectification abzugrenzen. In diesem Kontext haben die begrenzenden Figuren gemein, dass sie das „Hineinlesen“ einer gänzlich neuen testamentarischen Verfügung unterbinden. Das rechtlich relevante Auslegungsergebnis würde hier stattdessen jeweils den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt abbilden. Demgegenüber entfalten die Auslegungsmodelle reformierende Wirkung, wenn sich das gewonnene Auslegungsergebnis mit dem wahren Erblasserwillen deckt.17 Hierdurch wird die ermittelte Intention durchgesetzt und der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt kassiert. Es wird aber keine tatsächliche Wortlautkorrektur vorgenommen, die von außen mit Blick auf die Testamentsurkunde sichtbar wäre, diese bleibt vielmehr unverändert. Rechtsdogmatisch betrachtet, stellt der deutsche wie auch der englische Rechtsanwender in diesem Kontext lediglich denjenigen testamentarischen Sinngehalt heraus, den das Testament schon immer hatte. Abgesehen von der speziellen Grenze rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, bestehen keine zeitlichen Schranken für eine Klage, die sich auf einen vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillen stützt. Infolgedessen kann der Bedeutungsgehalt einer testamentarischen Verfügung noch etliche Jahre nach Eintritt des Erbfalls in Frage gestellt werden.18 Dem steht nach beiden Problemlösungsansätzen nicht die Tatsache entgegen, dass das Testament professionell von einem Notar bzw. solicitor errichtet wurde. Ferner vermuten beide Nationen bei den untersuchten Testamentsformen, dass der objektive Bedeutungsgehalt den wirklichen Willen wiedergibt, allerdings ist diese Vermutung – die entsprechende Beweislage vorausgesetzt – widerleglich. Da ohnehin eine hohe Beweisdichte gefordert wird, um den Richter von einem vom Wortlaut abweichenden Willen zu überzeugen, ergibt sich durch die widerlegliche Vermutung rein rechtlich betrachtet nichts anderes. Denn ist der hohe Beweisstandard erfüllt und der Richter von einem vom Wortlaut abweichenden Willen überzeugt, macht es für dessen Verwirklichung keinen Unterschied, ob zuvor eine widerlegliche Vermutung erschüttert werden musste, diese ist in den betreffenden Fällen sowieso widerlegt. Allerdings besteht in den Konstellationen professionell erstellter Testamente rein tatsächlich eine gewisse zu überschreitende Hemmschwelle. Denn wegen des faktisch bestehenden Vertrauens in den juristischen Berufsstand wird dort nicht vorschnell davon ausgegangen, dass die Urkunde das wirklich Gewollte falsch ausdrückt. Gleichwohl belegt die Fülle an Entscheidungen beider Länder, dass dies durchaus vorkommt und es sich nicht nur um seltene Einzelfälle handelt.

16

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 127 ff. Siehe dazu § 2 A. I. 2. c), S. 54 und § 3 A. I. 4., S. 157 f. 18 Siehe dazu § 2 A. I. 2. b), S. 54 (erläuternde Auslegung) und § 2 A. I. 3. c), S. 73 (ergänzende Auslegung). 17

A. Vergleich der Lösungsansätze

195

Darüber hinaus haben die beiden untersuchten Lösungsansätze auch gemein, dass sie jeweils einen form- und fristgebundenen Rechtsbehelf zur Verfügung stellen, der grundsätzlich an die Situation anknüpft, dass der Erblasserwille nicht durch die Auslegung umgesetzt werden konnte.19 Weil beide Instrumente an das Auseinanderklaffen zwischen Erblasserwille und Auslegungsergebnis ansetzen, ist die rectification als funktionales Äquivalent zur Anfechtung zu begreifen. Aus dieser Ausgangslage ergeben sich zweierlei Parallelen: Zum einen werden die Institute der Anfechtung und der rectification jeweils nachrangig gegenüber dem entsprechenden Auslegungsvorgang angewandt. Zum anderen ist die Beziehung zwischen Auslegung und förmlichem Rechtsbehelf durch ein Alternativitätsverhältnis gekennzeichnet. In ein und derselben Diskrepanzkonstellation können also nicht sowohl Auslegung als auch förmlicher Rechtsbehelf (nebeneinander) zur Verwirklichung des wirklich Gewollten führen; sie schließen sich stattdessen gegenseitig aus. Eine weitere Gemeinsamkeit ergibt sich in der Hinsicht, dass beide Rechtsordnungen auf der Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs zur Ermittlung des wahren Willens sämtliches Beweismaterial zulassen, das zur Verfügung steht und hierfür sachdienlich erscheint. Im Kontrast zur Auslegungsebene existieren hier keine Restriktionen. Schließlich ergibt sich aus der Beobachtung, dass beide Rechtsordnungen ihre Auslegungsmethode äußerst liberal praktizieren, die Parallele, dass die förmlichen Rechtsbehelfe kaum zur Anwendung gelangen. Insgesamt nehmen sie daher nur eine untergeordnete Rolle im Rahmen der Bewältigung des sozialen Konflikts ein.

II. Divergenzen Nachdem die Gemeinsamkeiten der zur Lösung des sozialen Konflikts bereitgestellten Institute dargestellt wurden, wird im Folgenden auf deren Unterschiede eingegangen. Hierfür werden zunächst die rechtsdogmatischen Differenzen dargestellt, bevor im Nachgang deren rechtspraktische Auswirkungen ausgeleuchtet werden. 1. Rechtsdogmatische Perspektive a) Auslegungsebene aa) Perspektive In rechtsdogmatischer Hinsicht unterscheidet die beiden untersuchten Auslegungsmethoden zunächst eine formal unterschiedliche Perspektive, die der Richter bei der Auslegung einnimmt. Der deutsche Rechtsanwender legt die testamentarische Verfügung aus Sicht des Erblassers aus und fragt danach, 19

Siehe dazu § 2 A. II., S. 76 ff. und § 3 A. II., S. 161 ff.

196

§ 4 Rechtsvergleich

„was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“,20 wodurch allein dessen Erklärenden-Horizont maßgeblich ist.21 Diese Perspektive geht weniger auf die Ausformung der Auslegungsmethodik durch die Rechtsprechung zurück als auf die Wurzeln des Allgemeinen Teils, wenn § 133 BGB die Erforschung des wirklichen Willens zur Aufgabe des Richters erklärt. Der für ein objektiviertes Auslegungsergebnis sorgende und vor allem bei der Vertragsauslegung relevante § 157 BGB findet im Rahmen der Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen hingegen keine Anwendung. Wie ein objektiver Dritter die Erklärung bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt verstehen darf, spielt daher keine Rolle. Währenddessen nimmt der englische Richter seit der Etablierung des modern contextual approach die Perspektive der reasonable person ein, um den Bedeutungsgehalt eines Testaments zu ermitteln.22 Durch den damit einhergehenden objektiv-kontextualen Auslegungsstandard ist formal betrachtet nicht das subjektive Verständnis des Erblassers für die Ausdeutung des Urkundeninhalts maßgeblich, sondern das Verständnis eines objektiven vernünftigen Durchschnittsbetrachters, der im armchair des Erblassers Platz nimmt. Unter Anwendung des modern contextual approach macht es im Ausgangspunkt für den englischen Auslegungsvorgang keinen Unterschied, ob der Sinngehalt eines Vertrags, eines Testaments oder eines sonstigen Rechtsgeschäfts zu ermitteln ist. In jedem Fall ist die Vorgehensweise zunächst dieselbe. bb) Beweisverwertbarkeit Weiterhin unterscheiden sich die beiden untersuchten Ansätze in puncto Beweisverwertbarkeit zur Ermittlung des Auslegungsergebnisses. Die Abweichung ergibt sich aus der Frage, ob bestimmtes Auslegungsmaterial für die Sinngehaltsermittlung herangezogen werden kann. Während das deutsche Rechtssystem dahingehend kaum eine Begrenzung statuiert, fällt die diesbezügliche Antwort des englischen Rechtssystems differenzierter aus.23 Will der deutsche Rechtsanwender ergründen, „was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“,24 kann er hierfür grundsätzlich auf sämtliches Beweismaterial zurückgreifen, das sachdienlich erscheint, den intendierten Bedeutungsgehalt der vom Erblasser verwendeten Begriffe zu erhellen. Er kann dabei sowohl auf das Testament selbst als auch auf die dessen Errichtung begleitende Umstände rekurrieren. Das deutsche Recht differenziert nicht

20

BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (1), S. 22 ff. 22 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. 23 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (3), S. 25 f (erläuternde Auslegung), § 2 A. I. 3. b) bb), S. 63 f. (ergänzende Auslegung) und § 3 A. I. 2. b) cc), S. 125 ff. 24 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 21

A. Vergleich der Lösungsansätze

197

danach, ob es sich bspw. um Zeugenaussagen handelt, die einerseits einen besonderen Erblassersprachgebrauch oder andererseits belegen wollen, dass der Erblasser ihnen gegenüber gewisse Erläuterungen gemacht hat, die den Inhalt seiner testamentarischen Verfügung betreffen. Stattdessen muss das Beweismaterial lediglich die prinzipielle Möglichkeit eröffnen, die Ermittlung des Erblasserwillens vorantreiben zu können, sodass es als ein Mosaikstück in diesem Gesamtbild erscheint. Das Kriterium der Sachdienlichkeit zur Aufklärung des wahren Erblasserwillens stellt daher eine gewisse Beschränkung im deutschen Beweisverwertungsrecht dar. Eine weitere Limitierung ergibt sich denklogisch daraus, dass für die Ermittlung des tatsächlich gebildeten und in der Urkunde niedergelegten Erblasserwillens nur solche Beweise zu dessen Ergründung beitragen können, von denen der Testator selbst Kenntnis hatte. Umgekehrt können ihm unbekannte Umstände für die Ermittlung seiner Intention keinen Beitrag leisten, weil sie schon keinen relevanten Faktor bei seiner ursprünglichen Entscheidungsfindung darstellten. Dieselbe Situation ist im englischen Recht anzutreffen, weil dort ebenfalls nur solche Beweise herangezogen werden dürfen, bei denen zumindest vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass sie auch dem Erblasser zur Verfügung standen. Dies resultiert aus dem modern contextual approach und der damit einhergehenden Gültigkeit der Beweisverwertungsregelungen der matrix of fact und des armchair principle. Der englische Richter unterrichtet sich dadurch über die den Erblasser umgebenden Umstände im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Auf diese Weise wird das Verständnis der reasonable person mit den entsprechenden Hintergrundinformationen angereichert. Die Heranziehbarkeit des Auslegungsmaterials gleicht damit aber nur im Ausgangspunkt der deutschen Herangehensweise. Denn die geschilderte englische Grundlinie für die Testamentsauslegung kennt eine jedenfalls formal nicht unbedeutende Begrenzung. So kann bei der Ermittlung testamentarischer Bedeutungsgehalte nicht von vornherein auf alle Informationen zurückgegriffen werden, die sich durch die Anwendung des armchair principle bzw. der matrix of fact ergeben haben. Die englische Rechtsordnung macht die Verwertbarkeit von Beweisen, die sich auf unmittelbar vom Erblasser stammende und seine testamentarische Verfügung betreffende Informationen beziehen, seien sie mündlicher oder schriftlicher Natur (evidence of the testator’s intention), von der Erfüllung der durch sec. 21 AoJA 1982 aufgestellten Kriterien abhängig.25 Umgekehrt sind aber all diejenigen Informationen, die nicht unter die letztgenannte Kategorie fallen, also intrinsic evidence und circumstancial extrinsic evidence, jederzeit zur Erhellung des Erblasserwillens aus der Brille der reasonable person verwertbar.

25

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 132 ff.

198

§ 4 Rechtsvergleich

cc) Grenze Darüber hinaus ergeben sich auch Unterschiede mit Blick auf die Ausgestaltung der betreffenden Auslegungsgrenzen. In der deutschen Rechtsordnung kommt der Andeutungstheorie hierfür eine prominente Rolle zu.26 Durch sie wird die Forderung nach einer hinreichenden Stütze für den wirklichen Willen im Testamentswortlaut aufgestellt, die sowohl auf der Auslegungs- als auch auf der Formebene relevant ist. Dabei entscheidet das Andeutungskriterium als Gradmesser über das Schicksal des Erblasserwillens, weil dessen Verwirklichung von seiner Rückkoppelungsfähigkeit an den Wortlaut abhängt. Trotz zahlreicher Umschreibungs- und Konturierungsversuche konnten indes keine exakten Anforderungen hierfür herausgearbeitet werden. Wann (noch) von einer hinreichenden Verankerung des ermittelten Willens im Testamentswortlaut gesprochen werden kann, ist unklar. Stets bedarf es einer richterlichen Entscheidung im Einzelfall. Demgegenüber kennt das englische common law die Figur des rewriting, um die interpretation zu begrenzen.27 Wie die Andeutungstheorie limitiert auch das rewriting bereits die Ermittlung des Auslegungsergebnisses und dient zugleich der Wahrung der testamentarischen Formvorschriften. Obwohl auch für diese Figur keine konkreten Konturen existieren, scheint deren Inhalt durch die Liberalisierung der Auslegungsmethode insoweit aufgeweicht worden zu sein, dass die dadurch aufgestellte Grenze erst mit dem Implementierungsversuch einer gänzlich neuen Verfügung oder eines Bedeutungsinhalts, den der Erblasser tatsächlich nie gebildet hatte, überschritten ist. Eine Forderung nach einer hinreichenden Stütze im Testamentswortlaut, um den wahren Willen zu verwirklichen, wird im Unterschied zum deutschen Recht nicht erhoben. Eine solche Idee konnte sich im englischen common law nicht durchsetzen, obwohl sie dem Law Reform Committee präsentiert wurde.28 Letztlich ist für die Feststellung des testamentarischen Sinngehalts allein das Verständnis der reasonable person maßgeblich. dd) Dimensionen der Willensermittlung Hinsichtlich der Dimensionen der Willensermittlung im Wege der Auslegung zeichnet sich eine weitere Differenz zwischen dem deutschen und dem englischen Ansatz ab. So bieten beide Rechtsordnungen zwar die Möglichkeit, einen realen Erblasserwillen, also eine tatsächlich gebildete und in der testamentarischen Erklärung umgesetzte Intention, im Wege der erläuternden Auslegung bzw. interpretation zu präzisieren. 26

Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. (erläuternde Auslegung) und § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. (ergänzende Auslegung). 27 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 28 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 151 f. (Fn. 266).

A. Vergleich der Lösungsansätze

199

Die Lösungsansätze unterscheiden sich aber dahingehend, dass das deutsche Rechtssystem – an die erläuternde Auslegungsform anknüpfend – einen Schritt weiter geht und mit der ergänzenden Auslegungsmethodik ein Instrument zur Verfügung stellt, mit dessen Hilfe eine weitere Dimension des Erblasserwillens ermittelt werden kann.29 Damit ist der tatsächlich nicht vorhandene, hypothetische oder irreale Wille des Testators angesprochen, der sich darauf bezieht, was der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung erklärt hätte, wenn er gewisse Umstände berücksichtigt oder vorausgesehen hätte. Hierdurch können im Wege der erläuternden Auslegung offenbar gewordene testamentarische Lücken geschlossen werden. Demgegenüber lässt die englische Rechtsordnung ein vergleichbares Institut vermissen.30 Sie forscht nicht danach, was der Erblasser unter Berücksichtigung gewisser Umstände hypothetisch erklärt hätte. Während die deutsche Auslegungsmethode also zwei Dimensionen der Willensermittlungen kennt, stellt sich die englische als bloß eindimensional dar, wenn sie sich auf die Präzisierung eines tatsächlich gebildeten Willens beschränkt. Statt danach zu fragen, was der englische Erblasser wirklich erklärt hätte, sofern er bestimmte Umstände vorhergesehen oder korrekt berücksichtigt hätte, hat der englische Gesetzgeber mit sec. 19 AoJA 1982 und sec. 24 WA 1837 zwei Sonderkonstellationen geregelt, in denen er mit einem typisierten Erblasserwillen operiert, um eine testamentarische Lücke zu schließen. Hierdurch wird ein auf Erfahrungssätzen basierender Wille unterstellt, der die konkreten, außerhalb des Testaments anzutreffenden, Umstände ausblendet und daher zwingend vom individuellen hypothetischen Willen zu unterscheiden ist. Der typisierte Erblasserwille kann sich zwar mit der Intention decken, kann aber ebenso gut davon abweichen. Eine solche Vorgehensweise ist dem deutschen willensbasierten System fremd. Die in der deutschen Rechtsordnung existierenden Auslegungs- und Ergänzungsregelungen bieten lediglich Anhaltspunkte dafür, was der durchschnittliche Erblasser in einer vergleichbaren Situation mit der betreffenden Passage ausdrücken wollte.31 Sie geben dem auslegenden Richter lediglich eine Hilfestellung an die Hand, um den Sinngehalt einer testamentarischen Verfügung zu ermitteln. Der Inhalt dieser Erfahrungssätze wird aber nur dann als rechtlich maßgeblich zugrunde gelegt, wenn das wirklich oder hypothetisch Gewollte nicht ermittelt werden kann, er wird im Unterschied zum englischen common law nicht einfach unterstellt.

29

Siehe dazu § 2 A. I. 3. b) bb), S. 63 ff. Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 152 ff. (interpretation) und § 3 A. II. 3. c) cc), S. 176 (rectification). 31 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc) (1) (b), S. 38 f. und § 2 A. I. 3. b) cc) (2), S. 69 f. 30

200

§ 4 Rechtsvergleich

b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs Die form- und fristgebundenen Rechtsbehelfe unterscheiden sich mit Blick auf deren konkrete tatbestandliche Voraussetzungen und die jeweils verfolgte Zielrichtung.32 Zudem unterscheiden sich die beiden Institute mit Blick auf die jeweils geltenden zeitlichen Beschränkungen, in denen sie erhoben werden müssen.33 Erneut trifft man in Deutschland auch in dieser Hinsicht auf ein differenzierteres Regelungsgefüge. Dort kann die Anfechtung nur innerhalb der durch § 2082 Abs. 1 BGB aufgestellten Jahresfrist erklärt werden, wobei diese gemäß § 2082 Abs. 2 BGB erst mit dem Zeitpunkt der Kenntnis vom Anfechtungsgrund zu laufen beginnt. Nach § 2082 Abs. 3 BGB ist die Anfechtung letztlich endgültig ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von 30 Jahren nach Eintritt des Erbfalls erklärt wurde. Demgegenüber ist die englische Fristenregelung für die Klage auf rectification restriktiver ausgefallen. Diese kann gemäß sec. 20(2) AoJA 1982 nur innerhalb von sechs Monaten nach Ausstellung eines „grant of probate“ bzw. „letter of administration“ verlangt werden. Zwar lässt die Rechtsprechung recht liberale Tendenzen dahingehend erkennen, auch eine nach sec. 20(2) AoJA 1982 verfristete Klage auf rectification zuzulassen, allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Berichtigung auch noch bis zu 30 Jahre nach Ausstellung des betreffenden hoheitlichen Akts zugelassen würde. In Deutschland wäre dies nach § 2082 Abs. 3 BGB hingegen möglich, insoweit der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund bis dato keine Kenntnis hatte. Angesichts dessen muss konstatiert werden, dass die englische Fristenregelung durch ihren Anknüpfungspunkt in Form eines hoheitlichen Akts um einiges restriktiver ausgefallen ist als ihr deutsches Pendant. Dadurch steht sie im Zeichen der Rechtssicherheit, da das fristauslösende Ereignis, das einen objektiven Bezugspunkt hat, deutlich besser an einem Zeitpunkt festzumachen ist als das deutsche fristauslösende Kriterium der Kenntnis vom Anfechtungsgrund, das eine bloß subjektive Referenz hat. Interessant ist auch, dass die beiden Rechtsbehelfe eine erheblich voneinander abweichende tatbestandliche Reichweite haben.34 Zwar greifen sie im Ausgangspunkt die bereits beschriebene Konstellation auf, in der ein ermittelter Erblasserwille nicht im Wege der Auslegung durchgesetzt werden konnte, also Auslegungsergebnis und wahrer Willen auseinanderfallen. Während der deutsche Rechtsbehelf gemäß § 2078 BGB auf Fälle missverstandener Begriffe, fehlgegangener Erklärungshandlungen sowie nicht umgesetzter Beweggründe und damit umfassend auf die hier zugrunde liegenden 32

Siehe dazu § 2 A. II., S. 76 ff. und § 3 A. II., S. 161 ff. Siehe dazu § 2 A. II. 2. b), S. 89 und § 3 A. II. 3. d), S. 177 ff. 34 Siehe dazu § 2 A. II. 2. a), S. 78 ff. und § 3 A. II. 3. c), S. 168 ff. 33

A. Vergleich der Lösungsansätze

201

Diskrepanzursachen reagiert, sind die Anknüpfungspunkte der in sec. 20 AoJA 1982 geregelten englischen rectification deutlich reduzierter. Immerhin kann die rectification nur dann den Urkundentext korrigieren, wenn die Diskrepanz zwischen Wille und Wortlaut auf einem clerical error oder einem failure to understand the testator’s instructions beruht. Indem der englische Rechtsbehelf damit lediglich Erklärungs- und Übermittlungsirrtümer erfasst, fällt dessen Anwendungsbereich deutlich enger aus als der seines deutschen funktionalen Äquivalents. Abschließend wurzelt einer der bedeutsamsten Unterschiede in der Rechtsfolge der beiden Institute.35 Das deutsche Anfechtungsrecht entfaltet eine rein kassatorische Wirkung, was zur Folge hat, dass die testamentarische Verfügung gemäß § 142 Abs. 1 BGB insoweit rückwirkend für nichtig erklärt wird, als sie auf einem der in § 2078 BGB genannten Irrtumsgründe basiert. In der Konsequenz greift infolgedessen in aller Regel die gesetzliche Erbfolge gemäß der §§ 1924 ff. BGB ein. Damit verfolgt die deutsche Anfechtung das Ziel, denjenigen Testamentsinhalt zu beseitigen, der dem Willen des Testators widerspricht. Was er aber stattdessen – positiv bei Irrtumsfreiheit – wollte, wird hierdurch nicht durchgesetzt. Anders handhabt dies hingegen die englische Rechtsordnung, bei der die rectification im Erfolgsfall reformierende Wirkung entfaltet und das wirklich Gewollte – in positiver Hinsicht – in den Wortlaut implementiert und das ihm Widersprechende – in negativer Hinsicht – kassiert. In der Konsequenz gelangt der wahre Erblasserwille zum Durchbruch. Somit beseitigt die rectification nicht nur das vom Wortlaut abweichende Auslegungsergebnis, sondern korrigiert darüber hinaus auch – nach außen hin sichtbar – den Testamentstext im Sinne des stattdessen Gewollten. Dabei ist die vorzunehmende Korrektur in ihrem Umfang nicht begrenzt. Ein testamentarisches rewriting ist durch die rectification nicht nur möglich, sondern ihr ausdrücklich vorbehalten. Somit kann sie selbst die Neufassung ganzer Passagen oder die Implementierung gänzlich neuer Verfügungen bewirken. 2. Rechtspraktische Auswirkungen Nachdem die rechtsdogmatischen Unterschiede zwischen den beiden Problemlösungsansätzen herausgestellt wurden, werden sie im folgenden Abschnitt auf ihre rechtspraktischen Auswirkungen untersucht. Hierfür wird das Schlaglicht erneut zunächst auf die Auslegungsebene gerichtet, bevor im Anschluss daran das Gefüge der förmlichen Rechtsbehelfe beleuchtet wird.

35

Siehe dazu § 2 A. II. 4., S. 91 ff. und § 3 A. II. 5., S. 182.

202

§ 4 Rechtsvergleich

a) Auslegungsebene Im Wege der Gegenüberstellung der beiden Auslegungsmethoden haben sich Differenzen in rechtsdogmatischer Hinsicht ergeben, die nun auf ihre praktischen Auswirkungen hin untersucht werden. aa) Perspektive Die beiden unterschiedlich eingenommenen Auslegungsperspektiven – in Deutschland subjektiv-willensbasiert (Erklärenden-Horizont) und in England objektiv-kontextual (reasonable person) –36 legen zunächst die Vermutung nahe, in der Rechtspraxis erheblich voneinander abweichende Auslegungsergebnisse zu produzieren. Dieser Schein trügt jedoch, da die vermeintlich subjektive Auslegungsperspektive in Deutschland nicht zwingend das von ihr suggerierte, den wahren Willen widerspiegelnde, Auslegungsergebnis herbeiführt und das Produkt des modern contextual approach demgegenüber nicht in dem Maße objektiv geprägt ist, wie dessen Auslegungsperspektive auf den ersten Blick nahelegt. Vielmehr ist im Gegenteil eine hohe Kongruenzwahrscheinlichkeit mit dem wahren Erblasserwillen zu verzeichnen. In der Tat nimmt der deutsche Rechtsanwender zwar gemäß § 133 BGB die Perspektive des Erblassers ein und versucht durch Heranziehung sämtlichen sachdienlichen Beweismaterials zu ermitteln, „was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“,37 jedoch ist die Anerkennung des wirklichen Willens als Auslegungsergebnis Grenzen ausgesetzt. Beschränkt wird die Auslegungsreichweite durch die Andeutungstheorie,38 wodurch sich die formal subjektiv ausgerichtete Auslegungsperspektive relativiert. Mit Hilfe der Andeutungstheorie wird überprüft, ob das wirklich Gewollte auch eine hinreichende Stütze im Testamentswortlaut findet. Dem etwaigen Vorhaben, einen nicht ansatzweise mit dem objektiven testamentarischen Sinngehalt in Einklang stehenden wirklichen Willen durchsetzen zu wollen, wird dadurch der Boden entzogen. Da das gewünschte Auslegungsergebnis stets durch das Nadelöhr der Andeutungstheorie gefädelt werden muss, um als rechtlich relevantes Auslegungsprodukt gelten zu können, erfährt es eine gewisse Objektivierung. Anders gewendet deckt sich der wahre Erblasserwille mit dem rechtlich relevanten Sinngehalt des Testaments nur dann, wenn das objektiv ausgerichtete Andeutungskriterium gewahrt ist. Daher beschränkt der Testamentswortlaut die Auslegungsreichweite und begrenzt das Maß der Subjektivität des Auslegungsprodukts. Allerdings bleibt zu konstatieren, dass

36

Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (1), S. 22 ff. und § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 38 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. 37

A. Vergleich der Lösungsansätze

203

das subjektive Element überwiegt, weil nur äußerst geringe Anforderungen an das Andeutungskriterium gestellt werden. In England hingegen nimmt der auslegende Richter die Perspektive des objektiven Durchschnittsbetrachters ein, wenn er den Erblasserwillen durch die objektiv-kontextuale Brille der reasonable person ermittelt.39 Da schon im Ausgangspunkt keine subjektive Perspektive eingenommen wird, steht von vornherein außer Frage, dass kein von der Erklärung losgelöster und damit nicht irgendein Wille ermittelt wird. Flankierend sichert zudem die Auslegungsgrenze des rewriting ab,40 dass nur derjenige Wille im Wege der interpretation präzisiert wird, der im Testament niedergelegt wurde. Hierdurch wird erreicht, dass weder eine gänzlich neue Verfügung noch Inhalte implementiert werden können, die der Erblasser nie in seine Vorstellungswelt aufgenommen hatte. Dadurch ist eine Neukonstruktion, also ein rewriting, des Testamentsinhalts im Wege der interpretation ausgeschlossen. Allerdings kommt der, das Auslegungsergebnis objektiv beschränkenden, rewritingGrenze in der geltenden Rechtspraxis kaum noch Bedeutung bei. Eine weitere Relativierung erhält der erste Eindruck von einer gegenüber der deutschen Auslegungsmethodik objektiveren englischen interpretation dadurch, dass die reasonable person bei der Auswertung des testamentarischen Bedeutungsgehalts nicht bloß auf Umstände zurückgreifen kann, die sich aus dem Urkundentext ergeben, sondern sich ihr maßgebliches Verständnis darüber hinaus auch grundsätzlich durch sämtliche relevanten Hintergrundinformationen bildet, bei denen vernünftigerweise davon auszugehen ist, dass sie auch dem Erblasser zur Verfügung standen. Ermöglicht wird dies durch die Figuren des armchair principle bzw. der matrix of fact, die die Verwertung zahlreichen unterschiedlichen Beweismaterials für die Erblasserwillensermittlung zulassen.41 Durch die Aufladung der formal objektiv-kontextualen Sichtweise mit all diesen Hintergrundinformationen einerseits und die kaum limitierende rewriting-Figur andererseits erfährt die englische Auslegungsperspektive eine Subjektivierung, die ein Auseinanderfallen von Auslegungsergebnis und wahrem Willen auf seltene Fälle begrenzt. Demgegenüber ist die deutsche Auslegungsperspektive zwar zunächst subjektiv ausgerichtet, produziert aber durch die objektive Referenz einer hinreichenden Stütze für den gefundenen Erblasserwillen ein gewissermaßen objektiviertes Auslegungsergebnis, das durch die liberale Anwendung der Andeutungstheorie jedoch wiederum klar in Richtung des subjektiven Erblasserwillens geprägt ist.

39

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 41 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 127 ff. 40

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§ 4 Rechtsvergleich

Beide Auslegungsperspektiven vertreten also im Ausgangspunkt formal einen konträren Standpunkt, der sich jedoch jeweils durch die weiteren Einflüsse der betreffenden rechtsdogmatischen Herangehensweise praktisch relativiert, sodass sich die beiden Kurse annähern. In beiden Rechtsordnungen wird grundsätzlich ein gemischt objektiv-subjektives Auslegungsergebnis gewonnen, das durch ein Wechselspiel zwischen subjektiver Erblasserwillensermittlung und begrenzendem Effekt der konkreten Urkunde gekennzeichnet ist. In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass die erstgenannte Komponente sowohl in Deutschland als auch in England deutlich überwiegt, wohingegen die letztgenannte zwar jeweils gewahrt werden muss, beide Rechtsordnungen aber äußerst liberal mit ihr umgehen. Es gelingt zwar bei beiden begrenzenden Figuren nicht, ihnen exakte Konturen zuzuschreiben, allerdings lassen beide Systeme kaum Fälle erkennen, in denen die Durchsetzung des Erblasserwillens an der Andeutungstheorie oder der rewritingGrenze gescheitert ist. Dennoch weist die deutsche Rechtsordnung eine restriktivere Tendenz auf, indem sie die Feststellung des Auslegungsergebnisses von einer objektiven Ableitbarkeit desselben aus dem Wortlaut abhängig macht. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass beide Lösungsansätze jedenfalls kein von der Testamentsurkunde völlig losgelöstes Auslegungsergebnis annehmen würden, sodass sich, wenn man die beiden Auslegungsmethoden gemäß der geschilderten Rahmenbedingungen anwendet, aus der formal unterschiedlichen Auslegungsperspektive nur selten ein praktischer Unterschied ergeben dürfte.42 bb) Beweisverwertbarkeit Nachdem dargelegt wurde, dass sich die formal unterschiedlichen Auslegungsperspektiven wegen ihrer materiellen gegenseitigen Annäherungen praktisch nicht auswirken dürften, soll nachfolgend untersucht werden, ob und bejahendenfalls inwieweit die abweichende Verwertbarkeit von bestimmten Beweismitteln43 Effekte auf das Auslegungsergebnis hat. Dabei lässt das durch sec. 21 AoJA 1982 abgestufte englische Beweisverwertungssystem auf den ersten Blick einen Qualitätsverlust für das dort ermittelte Auslegungsergebnis befürchten, weil es im Ausgangspunkt den Rückgriff auf evidence of the testator’s intention untersagt. Infolge des dadurch denkbaren Informationsdefizits lässt es erwarten, dass es den Erblasserwillen häufiger nicht widerspiegelt. Immerhin erscheint es nicht fernlie-

42 Abweichungen dürften sich nur dann ergeben, wenn die reasonable person bloß auf begrenztes Beweismaterial zur Ergründung des Erblasserwillens zurückgreifen kann und infolgedessen ein Informationsdefizit eintritt, vgl. sec. 21 AoJA 1982, oder aber wenn es in Deutschland an der notwendigen Andeutung des wirklichen Willens im Wortlaut fehlt. 43 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) bb) (3), S. 25 f. und § 3 A. I. 2. b) cc), S. 126 ff.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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gend, dass wegen der zunächst nur beschränkt heranziehbaren Beweise eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der wahre Erblasserwille nicht hinreichend aufgeklärt wird und das Auslegungsergebnis in der Konsequenz von ihm abweicht. Im Kontrast dazu scheint es in der deutschen Rechtsordnung ungleich wahrscheinlicher, dass der wahre Erblasserwille als Auslegungsergebnis ermittelt wird, weil der Richter hierfür grundsätzlich auf alle Beweismittel zurückgreifen kann, die sachdienlich erscheinen, um ihn aufzudecken. Allerdings stellt sich dieser Verdacht aus mehreren Gründen als im Wesentlichen unbegründet heraus. Zuvorderst muss in diesem Zusammenhang die ohnehin überschaubare Relevanz der englischen Beweisverwertungsregelung berücksichtigt werden. Sie erfasst nur einen eng begrenzten Kreis von Beweismitteln, wobei das betreffende Auslegungsmaterial auch rein tatsächlich nicht allzu häufig zur Verfügung stehen wird. Erhellende mündliche oder schriftliche Äußerungen des Erblassers in Bezug auf seine angefertigte testamentarische Verfügung existieren nicht immer, denn in aller Regel bezweckt der Testator mit der Errichtung eines Testaments klare Vermögensverhältnisse nach seinem Tode zu schaffen. Nur selten wird er sich dazu veranlasst sehen, diesbezüglich nähere erläuternde Ausführungen gegenüber Dritten vorzunehmen oder erklärende Notizen zu hinterlassen, die das wirklich Gewollte detaillierter als noch im Testament selbst ausführen. Insbesondere erstgenanntes wird er oft schon deshalb unterlassen, um keine Familienstreitigkeiten wegen der intendierten Nachlassverteilung heraufzubeschwören. Im Weiteren kommt dem nur unter den Voraussetzungen der sec. 21 AoJA verwertbaren Beweismaterial bloß selten eine Schlüsselrolle bei der Erhellung des wirklich Gewollten zu. Denn je mehr Zeit zwischen dem Erbfall und der im Rahmen der Erbstreitigkeit notwendigen Beweiserhebung verstreicht, desto eingeschränkter ist die Beweisqualität dieser Beweismittel typischerweise. Das gilt in besonderem Maße mit Blick auf vom Erblasser getätigte mündliche Äußerungen in Bezug auf seine testamentarische Verfügung, die vernommene Zeugen belegen wollen. Neben dem Risiko der bewussten Lüge existiert auch die aus dem bereits angesprochenen psychologischen Phänomen der Verblassungstendenz resultierende Gefahr, dass Zeugen unbewusst wahrheitswidrig vorhandene Erinnerungslücken durch eigene Erfahrungssätze oder Fragmente ihrer persönlichen Vorstellungswelt schließen.44 Darüber hinaus sind auch vermeintlich vom Erblasser stammende Schriftstücke nur bedingt hilfreich, da ihnen ein erhöhtes Fälschungsrisiko innewohnt. Handelt es sich um maschinenschriftliche Erläuterungen, wird die Urheberschaft des Erblassers kaum nachprüfbar sein, sodass ihnen nur wenig bis gar keine Bedeutung beigemessen werden kann. Doch selbst wenn es sich um

44

Siehe dazu oben § 3 A. II. 6. a) S. 184 (Fn. 434).

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§ 4 Rechtsvergleich

handschriftliche Ausführungen handelt, kann nicht mit hundertprozentiger Gewissheit verifiziert werden, dass sie tatsächlich vom Erblasser stammen. In einem aufwendigen Gutachten kann dann zwar ein Urkunden- und Schriftenlabor zu klären versuchen, ob sie vom Erblasser stammen.45 Das ist indes nicht nur zeit-und kostspielig, sondern kann ebenfalls die Urheberschaft des Erblassers nicht mit an absoluter Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachweisen. Neben den bereits genannten relativierenden Aspekten erscheint aber die Erwägung am bedeutsamsten, dass sec. 21 AoJA 1982 in den hier gegenständlichen Konstellationen ohnehin tatbestandlich erfüllt sein dürfte, sodass der entsprechende Beweis, abseits der soeben geäußerten grundsätzlichen Bedenken, verwertbar ist. Dieser Befund ist vor allem auf die tatbestandliche Variante der sec. 21(1)(c) AoJA 1982 zurückzuführen, die nämlich dann eingreift, wenn außerhalb vom Testament anzutreffende Umstände Zweifel am Bedeutungsgehalt des Wortlauts schüren. In vielen Fällen der hier behandelten Erbstreitigkeiten wird die Partei, die das Verfahren vorantreibt, entsprechende dahingehende Hinweise anführen können, die letztlich die Zulassung von evidence of the testator’s intention für die weitere Willensermittlung ermöglicht. Dies belegt auch die neuere Rechtsprechung, in der – soweit ersichtlich – keine Fälle existieren, in denen diese Beweiskategorie nicht zugelassen wurde, obwohl dies nicht immer auf einer konsequenten Anwendung der Beweisregelung sec. 21 AoJA 1982 beruht. cc) Grenze Das in Deutschland herrschende Andeutungserfordernis begrenzt die Durchsetzbarkeit des in der Urkunde niedergelegten Erblasserwillens durch die objektive Referenz des Testamentswortlauts.46 Selbst wenn die wahre Intention zweifelsfrei ausermittelt ist, der Urkundentext aber keinerlei diesbezüglichen Anhalt bietet, scheitert die Verwirklichung des festgestellten wahren Willens.47 Trotz postulierter Möglichkeit einer Auslegung gegen den Wortlaut besteht daher das Risiko, dass der Wortlaut der Umsetzung des 45 Hält der entscheidende deutsche Richter die Hinzuziehung eines Sachverständigen für nötig, etwa weil Anhaltspunkte für eine Dokumentenfälschung bestehen, kann er die Erstellung eines Schriftgutachtens anfordern, um die Urheberschaft des betreffenden Dokuments überprüfen zu lassen. Dabei wählt er und nicht die Parteien gemäß § 404 Abs. 1 ZPO den Sachverständigen aus, der das Gutachten erstellen soll. Der Sachverständige muss ein öffentlich bestellter Gutachter sein und vom Gericht vereidigt werden, BayObLG 1994, 263, 264 f. 46 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. 47 Es sei denn, es kann ein besonderer Sprachgebrauch des Erblassers nachgewiesen werden, der das Andeutungserfordernis durchbricht, siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 47 ff.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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wahren Willens entgegensteht. Maßgeblich ist dann der objektive Sinngehalt des Testaments. Infolgedessen weichen Auslegungsergebnis und Erblasserwille voneinander ab, sodass der Anwendungsbereich der Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB eröffnet ist. Demgegenüber ist die Willensdurchsetzung im englischen common law nicht von einer hinreichenden Stütze im Testamentswortlaut abhängig. Dadurch wird der wahre Erblasserwille, der tatsächlich gebildet und in der Urkunde niedergelegt wurde, regelmäßig durchgesetzt. Der objektive Testamentswortlaut steht diesem Vorhaben weder auf der Auslegungs- noch auf der Formebene entgegen, maßgeblich ist nur, dass das Verständnis der reasonable person kongruent mit dem Erblasserwillen ist. Die Grenze des rewriting scheint mit Blick auf die geltende Rechtspraxis nur bei dem Versuch überschritten, eine gänzlich unterlassene Verfügung über die Auslegung zu implementieren.48 Eine solche Neukonstruktion ist der rectification vorbehalten, sec. 20 AoJA 1982.49 Mit Blick auf Vorstehendes lässt die unterschiedliche Ausgestaltung der Auslegungsgrenzen also einen rechtspraktischen Unterschied erkennen. Indem der englische Richter nämlich „lediglich“ den wahren Erblasserwillen aus der Brille der reasonable person ermitteln und nicht darüber hinaus im Einzelfall entscheiden muss, ob die herausdestillierte Erblasserintention eine hinreichende Stütze im Urkundentext findet, genügt es für die Durchsetzung des wahren Willens bereits, wenn eine Beweisdichte erreicht ist, die den Richter von dem vom Wortlaut abweichend wirklich Gewollten überzeugt.50 Dadurch wird die Problemstellung des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens zu einer Beweisfrage erhoben. Demgegenüber genügt der deutschen Rechtsordnung der Nachweis der wahren Intention nicht, um sie umzusetzen. Daneben fordert sie mit der Andeutungstheorie, dass sich der ermittelte Wille an den objektiven Testamentswortlaut rückkoppeln lässt. Fehlt es hieran, steht das Andeutungskriterium der Umsetzung des Erblasserwillens im Wege. Damit macht die deutsche Rechtsordnung die Verwirklichung der wahren Intention also von der zusätzlichen Voraussetzung der objektiv limitierenden Figur der Andeutungstheorie abhängig. Sie formalisiert also die Beweisstrenge und misstraut der ordnungsgemäßen Beweiserhebung und -verwertung im Zivilprozess, während das englische common law hierauf verzichtet und dies zu einer Beweisfrage erklärt, demzufolge auf die zivilprozessuale Beweistrenge vertraut. Diese Differenz führt bspw. dazu, dass das OLG Hamm und der High Court of Justice in ähnlichen Fällen zu unterschiedlichen Ergebnissen gelang48

Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. Siehe dazu § 3 A. II. 5., S. 182. 50 Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um die beiden geschilderten Ausnahmefälle handelt, die ein im Rahmen der Auslegung unzulässiges rewriting darstellen würden. 49

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§ 4 Rechtsvergleich

ten. Beiden noch recht jungen Entscheidungen lag eine testamentarische Anordnung zugrunde, bei der es der Erblasser jeweils versäumte, einen Begünstigten im Wortlaut zu benennen. Das OLG Hamm ließ die Verfügung u.a. mangels Andeutung der (behaupteten) Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau leer laufen, woraufhin sie nicht in die Erbenstellung einrückte.51 Demgegenüber hat der High Court of Justice in Slattery v. Jagger52 die fehlende Bezeichnung des intendierten Begünstigten („to my wife“) in die Anordnung im Wege der interpretation „hineingelesen“. Immerhin musste der ausermittelte intendierte Bedeutungsgehalt hier nicht an den Wortlaut rückgekoppelt werden können. In der Folge konnte die Ehefrau des Erblassers die ihr zugedachte Position einnehmen.53 dd) Dimensionen der Willensermittlung Ein weiterer praktischer Unterschied zum englischen Ansatz ergibt sich aus der in Deutschland im Wege der Auslegung ermittelbaren zusätzlichen Willensdimension. Denn neben der erläuternden Auslegung, die einen tatsächlich verankerten Willen feststellt, kennt die janusköpfige deutsche Auslegungsmethodik die ergänzende Auslegung, mit der ein tatsächlich nicht gebildeter Erblasserwille, also eine irreale Intention, umgesetzt werden kann.54 Praktisch relevant ist diese Möglichkeit, weil dadurch testamentarische Lücken geschlossen werden können, die verschiedenermaßen geartet sein können. So können sie einerseits von Anfang an im Testament angelegt gewesen sein oder andererseits erst zwischen Testamentserrichtung und Erbfall in die Urkunde Einzug gefunden haben. Nach umstrittener Auffassung kann die ergänzende Auslegung darüber hinaus auch auf Lücken reagieren, die sogar erst nach dem Versterben des Erblassers entstanden sind.55 Um eine solche Lücke – in welcher konkreten Erscheinungsform auch immer – zu schließen, muss der auslegende Richter ermitteln, was der Erblasser testamentarisch verfügt hätte, sofern er die betreffende Lücke bedacht hätte. Grenzen sind dieser ergänzenden Auslegung auch hier durch die Andeutungstheorie gesetzt.56 In diesem Kontext wird eine hinreichende Stütze für die Willensrichtung des Erblassers in der Testamentsurkunde gefordert, um die ausgemachte Lücke durch den hypothetischen Erblasserwillen schließen zu können. Allerdings trifft der 51

OLG Hamm NJW-RR 2015, 9 f., siehe dazu bereits oben § 2 A. I. 2. a) cc) (4), S. 209. Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch). 53 Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch), para. 93, per Hodge Q.C., siehe ebenfalls bereits oben § 3 A. II. 6. a), S. 183. 54 Siehe dazu oben § 2 A. I. 3., S. 57 ff. 55 Befürwortend etwa Hammann, ErbR 2014, 420, 423 m.w.N.; ablehnend hingegen OLG Frankfurt am Main, OLGZ 1993, 382. 56 Siehe dazu oben § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. 52

A. Vergleich der Lösungsansätze

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Rechtsanwender auch hier auf keine genaueren Konturen, so heißt es in diesem Zusammenhang lediglich, dass die testamentarische Anordnung fortgedacht werden, aber nicht neukonstruiert werden darf. Demgegenüber erfolgt die interpretation in England eindimensional. Sie kann nur den tatsächlich gebildeten Erblasserwillen ermitteln, der in die Testamentsurkunde umgesetzt wurde. Da die Lücke aber erst entstanden ist, weil kein tatsächlicher Wille für die entsprechende Situation gebildet wurde, kann die interpretation hieran nicht anknüpfen. Die im Vertragsrecht geltende „implication of terms“-doctrine gilt im Testamentsrecht nicht.57 Im Regelfall werden testamentarische Lücken im englischen common law daher nicht geschlossen. Im Zweifel läuft die betreffende lückenhafte Anordnung dann ins Leere (doctrine of lapse bzw. principle of ademption). Im englischen Recht lassen sich letztlich nur zwei Sonderregelungen im Kontext des Untersuchungsgegenstands finden, mit denen jedenfalls faktisch eine aufgetretene Lücke durch die Unterstellung eines typisierten Erblasserwillens geschlossen werden kann. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen Änderungen im Bestand des property des Erblassers anzutreffen sind oder aber einer seiner mit einem Vermächtnis bedachten Abkömmlinge vorverstorben ist.58 Während sich die englische und deutsche Auslegungsmethodik bei der Ermittlung des tatsächlich verankerten Erblasserwillens sowohl aus rechtsdogmatischer als auch rechtspraktischer Sicht in vielen Aspekten gleichen, ist bei der Schließung testamentarischer Lücken ein erheblicher Unterschied auszumachen. Immerhin wird auch durch die angesprochenen englischen Sonderregelungen kein irrealer Wille ermittelt, sondern bloß eine typisierte, anhand von Erfahrungssätzen gewonnene, Erblasserintention unterstellt, um die Lücke zu schließen. Dieser Gehalt kann sich zwar mit dem wahren irrealen Willen decken, kann aber ebenso gut von ihm abweichen. Zusammengefasst kann daher konstatiert werden, dass die ausgemachten unterschiedlichen Dimensionen der Willensermittlung die bedeutsame praktische Konsequenz nach sich ziehen, dass die deutsche Rechtsordnung weitreichend auf testamentarische Lücken reagiert, wohingegen das englische common law lediglich in zwei Sonderfällen mit einem typisierten Erblasserwillen zur Lückenschließung operiert. Die Erforschung eines irrealen Willens lehnt das englische Recht kategorisch ab, weshalb testamentarische Lücken im Regelfall bestehen bleiben. In der Folge läuft die betreffende Anordnung im Zweifel leer.

57

Siehe oben § 3 A. I. 3., S. 152 ff. Die Regelungen der sec. 33 WA 1837 bzw. der sec. 19 AoJA 1982 wurden bereits erläutert, siehe § 3 A. I. 2. bb), S. 121 ff. Zur andernfalls eingreifenden doctrine of lapse bzw. zum principle of ademption ebenfalls oben § 3 A. I. 2. bb), S. 122 f. 58

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§ 4 Rechtsvergleich

b) Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs Im Zusammenhang mit den praktischen Auswirkungen, die sich aus den rechtsdogmatischen Unterschieden zwischen der Anfechtung und der rectification ergeben, soll daran erinnert werden, dass die beiden Institute in der betreffenden Judikatur jeweils nur äußerst selten angewandt werden. Die nachfolgenden Überlegungen dürfen daher in ihrer Praxisrelevanz nicht überschätzt werden. Dabei dürfte sich der Umstand, dass die Anfechtung als Gestaltungsrecht ausgestaltet ist und demzufolge lediglich die privatschriftliche Anfechtungserklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner verlangt, während die rectification hingegen explizit die Erhebung einer Klage fordert,59 nicht erheblich auswirken. Auf den ersten Blick wirkt der deutsche Anfechtungsprozess dadurch informeller. Dies legt den Schluss nahe, dass Anfechtungswillige eher dazu bereit sind, den Versuch zu unternehmen, eine testamentarische Verfügung anzugreifen. In diesem Kontext darf aber nicht übersehen werden, dass die Anfechtung im Regelfall gemäß § 2081 Abs. 1 BGB gegenüber dem Nachlassgericht erklärt werden muss und dadurch ein förmliches Verfahren in Gang gesetzt wird. Bei ernstzunehmenden Anfechtungsvorhaben wird hierfür häufig ein Rechtsbeistand hinzugezogen, der die konkrete Anfechtungsformulierung vorbereitet und das weitere Verfahren begleitet. Daher ist auch der Anfechtungsvorgang als förmlicher Prozess zu begreifen, dessen Einleitung in Anbetracht der geschilderten Umstände die Überschreitung einer gewissen Hemmschwelle erfordert. Letztlich endet die erklärte Anfechtung einer testamentarischen Verfügung auch nicht selten in einem Gerichtsprozess, in dem darüber zu entscheiden ist, ob die Anfechtung rechtswirksam erklärt wurde. Dass in England demgegenüber von vornherein eine explizite Klageerhebung erforderlich ist, dürfte sich, abgesehen von den dort naturgemäß höheren Rechtsberatungs- und Prozesskosten, daher kaum auswirken. Im Kontrast zu den vorstehenden Unterschieden ist die divergierende Ausgestaltung der betreffenden zeitlichen Grenzen, in denen die förmlichen Rechtsbehelfe geltend gemacht werden können,60 von zumindest gewisser praktischer Relevanz. Dabei erscheint die für die rectification vorgesehene sechsmonatige Frist gemäß sec. 20(2) AoJA 1982 restriktiver im Vergleich zum deutschen Pendant der Anfechtung, das grundsätzlich die Wahrung einer Jahresfrist fordert, § 2082 Abs. 1 BGB. So beginnt die erstgenannte Frist mit dem rechtssicher objektiv nachprüfbaren Zeitpunkt in Form des hoheitlichen Akts der Ausstellung eines „grant of probate“ oder eines „letter of administration“ zu laufen. Zwar lässt die englische Rechtsprechung die li59 60

Siehe dazu oben § 2 A. II. 2. b), S. 89 und § 3 A. II. 1., S. 161 f. Siehe dazu oben § 2 A. II. 2. b), S. 89 und § 3 A. II. 3. d), S. 177 ff.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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berale Tendenz erkennen, auch verspätet erhobene rectification-Klagen in gewissen (unklaren) Grenzen antragsgemäß zuzulassen, wofür insbesondere dem Umstand Bedeutung beigemessen wird, ab welchem Zeitpunkt der Kläger vom rectification-Grund Kenntnis erlangte. Dadurch kommt das Regelungsgefüge aber nicht an die großzügig anmutenden diesbezüglichen Festsetzungen des deutschen Rechts heran. Immerhin ist die Anfechtung danach grundsätzlich auch noch bis zu 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls zulässig, falls der Berechtigte zuvor vom Anfechtungsgrund keine Kenntnis hatte. Doch selbst wenn der Anfechtungswillige zuvor davon wusste, der Fristbeginn damit also ausgelöst wurde, ist die deutsche Fristenregelung liberaler, weil sie jedenfalls sechs Monate großzügiger ausfällt als die englische – gemessen ab dem Zeitpunkt des jeweils fristauslösenden Ereignisses. Hinzu kommt, dass es sich bei dem in Deutschland fristauslösenden Ereignis in Form der Kenntniserlangung vom Anfechtungsgrund um ein subjektives Kriterium handelt, das deutlich schwerer auf ein konkretes Datum festzusetzen ist als das auf einem hoheitlichen Akt beruhende in England. Letztlich muss aber konstatiert werden, dass die geschilderten Unterschiede nicht unerheblich dadurch an Bedeutung verlieren, dass Erbstreitigkeiten häufig in zeitlicher Nähe zum Erbfall aufkommen. In diesen Fällen wird es auf die konkrete Ausgestaltung der Fristenregelungen gar nicht ankommen, da die Frist in dieser kurzen zeitlichen Sphäre ohnehin nach beiden Lösungsansätzen gewahrt ist. In den Fällen, in denen es aber tatsächlich hierauf ankommt, ist die deutsche Anfechtung in dieser Hinsicht liberaler ausgestaltet. Vor diesem Hintergrund ist aber noch einmal zu betonen, dass die Fälle, in denen der förmliche Rechtsbehelf überhaupt zum Tragen kommt, äußerst selten sind. Die allermeisten Konstellationen werden über die jeweilige Auslegungsmethode gelöst und diese ist in beiden Rechtsordnungen bekanntermaßen an keine Frist gebunden. Eine weitere praktische Konsequenz ergibt sich mit Blick auf die Tatbestände, die jeweils zur Anfechtung bzw. rectification berechtigen.61 Die Anfechtung in Deutschland kann im Regelfall auf die verschiedensten Irrtumskonstellationen reagieren und sie einer Lösung zuführen. Im Unterschied dazu ist die englische rectification in ihrem Anwendungsbereich stark begrenzt. Sie erfasst im Wesentlichen nur Fälle fehlgegangener Erklärungszeichen, sec. 20(1)(a) AoJA 1982, und Übermittlungsfehler, sec. 20(1)(b) AoJA 1982. Für letztere kann bspw. der Fall genannt werden, dass der Erblasser sein Testament durch einen solicitor errichten lässt und ihm den Auftrag gibt, A und B als Erben einzusetzen. Weil sich der solicitor bei den Instruktionen des Erblassers aber verhört, nimmt er infolgedessen nur den A in das Testament als Erben auf, die Einsetzung des B unterbleibt. Diese unterlassene

61

Siehe dazu oben § 2 A. II. 2. a), S. 78 ff. und § 3 A. II. 3. c), S. 168 ff.

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§ 4 Rechtsvergleich

Verfügung kann zwar wegen der rewriting-Grenze nicht durch die Auslegung verwirklicht werden, allerdings kann hier mit Hilfe der rectification korrigierend auf Grundlage von sec. 20(1)(b) AoJA 1982 (failure to understand the testator’s instructions) eingegriffen und die Anordnung dadurch in den Wortlaut implementiert werden. Dieses Resultat ist in Deutschland weder über die Auslegung noch über die Anfechtung erreichbar, B würde die in Aussicht genommene Erbenposition nicht antreten können. In diesem Zusammenhang verbliebe ihm lediglich die Möglichkeit, einen Amtshaftungsanspruch gemäß § 19 BNotO gegenüber dem Notar geltend zu machen, der auf den Ausgleich seines ihm dadurch entstandenen Vermögensschadens gerichtet ist.62 Allerdings dürfte sich der geschilderte Fall nur äußerst selten in der Praxis zutragen. Zudem darf das beschriebene Szenario nicht darüber hinwegtäuschen, dass der rectification-Tatbestand der sec. 20(1)(b) AoJA 1982 im Übrigen in seiner Reichweite unklar ist und einiges dafür spricht, dass er sich tatsächlich nur auf solche Konstellationen, wie die eben beschriebene, beschränkt.63 In vielen Fällen, in denen ein zur Diskrepanz zwischen Wille und Auslegungsergebnis führender Fehler aus der Erklärung hervorsticht, kann die rectifiction also nicht korrigierend eingreifen. Dabei ist insbesondere der praktisch relevante Fall eines falsch verstandenen juristischen Bedeutungsgehalts nicht im Wege der rectification korrigierbar. Im direkten Vergleich ist der Anwendungsbereich der deutschen Irrtumsanfechtung also deutlich umfangreicher als der der englischen rectification. Abschließend ist der wohl bedeutsamste praktische Unterschied der beiden Institute in ihrer jeweils vorgesehenen Rechtsfolge zu erblicken.64 So entfaltet die erfolgreiche Anfechtung bloß eine kassierende Wirkung gemäß § 142 Abs. 1 BGB, die den durch den Wortlaut vermittelten Sinngehalt beseitigt, was in aller Regel wiederum den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge gemäß §§ 1924 ff. BGB nach sich zieht. Im Fall der erfolgreichen Anfechtung wird dem Erblasserwillen prinzipiell nur insoweit entsprochen, als dass derjenige Verfügungsinhalt beseitigt wird, der seinem Willen widerspricht, ihm wird also lediglich in negativer Hinsicht entgegengekommen. Im Kontrast dazu entfaltet die rectification reformierende Effekte und bewirkt dadurch die tatsächliche Testamentskorrektur. Hierdurch wird der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt kassiert und dem Erblasserwillen durch die Berichtigung des Testamentstextes zum Durchbruch verholfen. Sie berücksichtigt also die wahre Intention sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht. 62 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) (4), S. 34 (Fn. 115), § 4 B. II. 2., S. 249 (Fn. 170) und § 5 C. II. 1., S. 306 f. 63 Für eine Analyse des Tatbestands der sec. 20(1)(b) AoJA 1982 siehe oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 ff. 64 Siehe dazu oben § 2 A. II. 4., S. 91 ff. und § 3 A. II. 5., S. 182.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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III. Übertragung auf die zugrunde liegenden Diskrepanzkonstellationen Zuvor wurde gezeigt, dass sich die Lösungen in rechtspraktischer Hinsicht weitaus mehr ähneln als ihre rechtsdogmatischen Differenzen zunächst haben vermuten lassen. Im Folgenden sollen die beiden Ansätze im Spiegel der Diskrepanzkonstellationen, die der Untersuchung zugrunde liegen, funktional miteinander verglichen werden. 1. Missverstandener Bedeutungsgehalt Dass der Erblasser den Bedeutungsgehalt eines von ihm verwendeten Begriffs missversteht und dies zu einer Diskrepanz zwischen Wille und Wortlaut führt, etwa wie in National Society v. Scottish National Society,65 ist in der Rechtspraxis oft anzutreffen. Parallel zu dieser Häufigkeit verhelfen die beiden Rechtsordnungen dem realen Erblasserwillen hier meist über ihre betreffende Auslegungsmethode zum Durchbruch, die praktisch weitestgehend identisch verläuft. Hierfür wird in Deutschland die erläuternde Auslegung herangezogen, während in England das funktionale Äquivalent der interpretation zum Zuge gelangt. Die jeweils reformierende Wirkung entfaltet sich, indem der betreffende richterliche Rechtsanwendungsprozess den testamentarischen Sinngehalt dahingehend präzisiert, dass eine Kongruenz zwischen rechtlich relevantem Bedeutungsgehalt und wahrem Erblasserwillen erreicht wird. Problematisch wird die Durchsetzung des wahren Willens in Deutschland typischerweise in Fällen, in denen eine äußerst kurz gefasste testamentarische Verfügung zugrunde liegt. Hier ist die Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung vage, weil sich solche Fälle im Grenzbereich des durch die Auslegung Möglichen bewegen. Obwohl der Wortlaut kein Auslegungshindernis darstellt, wird für die Durchsetzung des wahren Willens grundsätzlich am Erfordernis einer hinreichenden Stütze festgehalten, das eine Einzelfallentscheidung einfordert.66 Insoweit stellt der Wortlaut in den betreffenden Fällen eben doch die Grenze der Auslegung dar, weil die deutsche Rechtsordnung grundsätzlich nicht auf die Beweisstrenge vertraut. Mit der Andeutungstheorie zieht sie der Beweiswirkung eine formelle Grenze. Allerdings ist zu beobachten, dass die Andeutungstheorie fortwährend aufgeweicht und in manchen Fällen gar durchbrochen wird.67 Sie wird äußerst liberal gehand65 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207. Für den zugrunde liegenden Sachverhalt siehe oben § 1 A., S. 5 f. 66 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. (erläuternde Auslegung) und § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. (ergänzende Auslegung). 67 So etwa in den Fällen der bewussten Falschbezeichnung, siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc)

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§ 4 Rechtsvergleich

habt, sodass meist eine Andeutung für die wahre Intention den Fällen falsch verstandener Begriffe gefunden wird. Genaue Konturen sucht der Rechtsanwender jedoch vergebens. Jedenfalls verhindert das Andeutungserfordernis das nachträgliche „Hineinlesen“ gänzlich neuer Verfügungen, die nicht bereits im ursprünglichen Testament angelegt sind, wobei dies im Zusammenhang mit missverstandenen Begriffen nur schwer vorstellbar ist. In England hingegen wird die mit der Etablierung des modern contextual approach einhergehende Möglichkeit einer Auslegung gegen den Testamentswortlaut – ohne hierfür auf bestimmte Rechtssätze zurückgreifen zu müssen – ernstgenommen. Dadurch hat die ursprünglich bestehende rewritingGrenze der Auslegung an Bedeutung eingebüßt; sie schützt vor dem Implementierungsversuch einer neuen Verfügung.68 Sec. 21 AoJA 1982 soll zwar eigentlich dazu führen, dass der weniger verlässlichen Beweiskategorie des evidence of the testator’s intention keine überbordende Relevanz beigemessen wird, indem sie sie grundsätzlich ausklammert.69 Formal betrachtet vertraut also auch das englische Recht nicht durchgängig auf die Beweisstrenge. Aus rechtspraktischer Perspektive hat die Untersuchung jedoch dargelegt, dass die Beweisverwertungsregelung der Nutzung dieses Auslegungsmaterials nicht entgegensteht und sie materiell kaum eine Rolle spielt. Hinzu tritt, dass die englische Richterschaft die Beweiskategorie teils auch ohne Rückgriff auf sec. 21 AoJA 1982 verwertet.70 Weil das englische common law auch auf ein Andeutungserfordernis verzichtet, wird die Durchsetzung des realen Erblasserwillens zu einer Beweisfrage erklärt. Bei entsprechender Beweislage stehen die Chancen im englischen common law demzufolge gut, dass der wegen eines falsch verstandenen Begriffs vom Wortlaut abweichende Erblasserwille dennoch umgesetzt wird. Erhöhte Anforderungen gelten jedoch in einer Ausnahmekonstellation, wie sie sich in National Society v. Scottish National Society71 zugetragen hat. Seit dieser Entscheidung geht das englische Recht nämlich davon aus, dass die objektiv falsch bezeichnete – aber existierende – Person auch derjenigen entspricht, die der Erblasser wirklich als Bedachte in Aussicht genommen hat. Von dieser Grundannahme wird nur im Ausnahmefall abgewichen, der eine besonders hohe Beweisdichte einfordert. Dasselbe gilt wohl auch für falsch bezeichnete, aber existierende Gegenstände. Ob der Richter im Ein-

(3), S. 47 ff. Zur ebenfalls inkonsistenten Handhabung des Andeutungskriteriums im Vergleich zum Grundstückskaufvertragsrecht noch unten § 4 B. I. 1. a) bb) (1), S. 227 f. 68 Oder von Inhalten, die der Erblasser niemals in seinen Willen aufgenommen hatte, dazu noch oben § 3 A. I. 3., S. 152 ff. 69 Siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 132 ff. 70 Siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 134 (Fn. 166). 71 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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zelfall die geltende „very strong presumption“ durch den Nachweis des wahren Erblasserwillens als erschüttert betrachtet, kann nicht rechtssicher prognostiziert werden.72 In dieser Hinsicht muss aus vergleichender Perspektive aber relativierend ins Feld geführt werden, dass in Deutschland zwar ein ähnlicher Rechtssatz fehlt, jedoch auch dort nicht vorschnell ein behaupteter Erblasserwille durchgesetzt wird und dies stets an eine hohe Beweisqualität gekoppelt ist. Letztendlich erscheint die dem englischen common law entspringende Sonderregel dennoch in ihren Auswirkungen strenger, da sie trotz möglicherweise hoher Beweisdichte eine in der Rechtspraxis für den entscheidenden Richter zu überschreitende Hemmschwelle bedeuten kann. In der Folge kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass selbst überzeugendes Beweismaterial die alte Rechtsregel stets überwinden würde, weil dies immer von der richterlichen Entscheidung im Einzelfall abhängt. Während die Ansätze bisher durchaus große praktische Gemeinsamkeiten aufwiesen, gehen sie hingegen im seltenen Fall auseinander, in dem Auslegungsergebnis und wahrer Wille auseinanderfallen, es sich also – zumindest nach deutscher Terminologie – um Irrtumskonstellationen handelt.73 In Deutschland wirkt die hieran anknüpfende Anfechtung der irrtumsbehafteten testamentarischen Anordnung kassierend und ist zur Disposition des Anfechtungsberechtigten i.S.d. § 2080 BGB gestellt. Er kann autonom darüber entscheiden, ob er die Anfechtung der testamentarischen Verfügung gemäß § 2081 BGB erklären möchte, gestützt auf den Anfechtungsgrund des Inhaltsirrtums, § 2078 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Hierdurch würde in aller Regel infolge der gemäß § 142 Abs. 1 BGB daraufhin eintretenden Nichtigkeit der Anordnung die gesetzliche Erbfolge eintreten, §§ 1924 ff. BGB, die regelmäßig dem originären Erblasserwillen widerspricht. Wird die Verfügung hingegen nicht angefochten, bleibt sie mit ihrem rechtlich relevanten (irrtumsbehafteten) objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt bestehen. Demgegenüber würde der förmliche Rechtsbehelf der englischen rectification (sec. 20 AoJA 1982) im Erfolgsfall zwar nicht bloß den objektiven Bedeutungsgehalt kassieren, sondern zugleich den Wortlaut der betreffenden Passage zugunsten des wahren Willens reformieren. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass die Diskrepanzursache des falsch verstandenen Begriffs durch sec. 20(1) AoJA 1982 abgedeckt wird, sodass die rectification nicht hieran korrigierend anknüpft.74 Für diese Irrtumsform stellt das englische common law also kein Instrument bereit. Somit reagiert es weder reformierend noch kassierend auf eine solchermaßen irrtumsbehaftete Anordnung. Der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt, der dem originären Erb72

Siehe oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 ff. Fallen Auslegungsergebnis und Erblasserwille auseinander, soll nachfolgend auch für das englische Recht von einer Irrtumskonstellation die Rede sein. 74 Ausführlich dazu oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 ff. 73

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lasserwillen widerspricht, wird schlicht aufrechterhalten. Dementsprechend existiert nicht einmal die Möglichkeit, die Anordnung zu beseitigen, um so die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen, die dem Erblasserwillen im Zweifel eher entspricht als der ihm widersprechende objektive Sinngehalt.75 Zusammenfassend bleibt für die Fallkategorie des missverstandenen Bedeutungsgehalts zu konstatieren, dass die untersuchten Rechtsordnungen mit ihrer jeweiligen Auslegungsmethodik ein effektives Mittel bereitstellen, um dem realen Erblasserwillen reformierend zu begegnen und ihn damit zu verwirklichen. Die entsprechende Beweislage vorausgesetzt, können beide Problemlösungsansätze mit Hilfe der Auslegung den überwiegenden Teil der betreffenden Fälle zugunsten des wirklichen Willens lösen. Handelt es sich aber um den seltenen Fall, dass dessen Durchsetzung hierdurch nicht gelingt, nimmt die Bereitschaft, die wahre Intention umzusetzen, jeweils drastisch ab. 2. Fehlgegangene Erklärungshandlung Deutlich würden sich die beiden Lösungsansätze hingegen unterscheiden, wenn die Diskrepanz zwischen Wille und Wortlaut auf einem fehlgegangenen Erklärungszeichen beruht. Allerdings muss betont werden, dass sich diese Divergenzursache in der Rechtsprechung bisher nicht gezeigt hat, sodass der nachfolgende Vergleich der bereitgestellten Lösungen theoretischer Natur ist und in seiner praktischen Relevanz nicht überbewertet werden darf. Auch hier stellen die beiden Rechtsordnungen ihre reformierenden Instrumente in Form der erläuternden Auslegung und der interpretation bereit. Dabei würde der jeweilige Auslegungsprozess im Vergleich zu den vorherigen Ausführungen gleich verlaufen, weil es erneut um die Ermittlung eines real vorhandenen Willens geht und der Auslegungsvorgang unabhängig vom konkreten Diskrepanzgrund erfolgt. Dennoch würde die deutsche Rechtsordnung im Unterschied zu den vorher geschilderten Fällen, in denen ein falsch verstandener Begriff zur Abweichung zwischen Wille und Wortlaut führt, hier wohl weitaus seltener zur Durchsetzung des Erblasserwillens gelangen. Diese Prognose beruht auf dem Zusammenspiel zwischen der Andeutungstheorie und der in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen typischerweise zu erwartenden Erscheinungsform der Testamentsurkunde. Denn ein Testament, das einen derartigen Fehler beinhaltet und dadurch den wahren Willen nicht wiedergibt, wird die für die Willensverwirklichung notwendige Stütze häufig nicht erkennen lassen. Dies gilt nicht nur erneut für die Fälle gänzlich unterlassener Verfügungen. Betrifft das fehlgegangene Erklärungszeichen nämlich den Anordnungsinhalt unmittelbar, werden oft keine weiteren Anhaltspunkte im Testamentstext das wirklich Gewollte stützen können. Erscheint bspw. im Testamentswortlaut ein Vermächtnis in Höhe 75

Dazu noch unten § 4 B. IV. 1., S. 261 f.

A. Vergleich der Lösungsansätze

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von lediglich „100,– †“, anstatt, wie intendiert, eines über „1.000,– †“, dann wird es hier häufig an objektiven Andeutungen in der Urkunde fehlen, die die wirkliche Intention ableiten lassen. Die Durchsetzung des wahren Willens würde in dieser besonderen Konstellation also weniger unmittelbar an der konkreten Diskrepanzursache scheitern – diese hat grundsätzlich keine Auswirkung auf den Rechtsanwendungsprozess der Auslegung – als vielmehr an der zu erwartenden Gestalt des Testaments, die die Andeutungstheorie an ihre Grenzen bringen würde. Im Kontrast dazu lassen Testamente in der zuvor behandelten Konstellation missverstandener Begriffe typischerweise die notwendige Andeutung aus dem Gesamtkontext erkennen, sodass dort die Willensverwirklichung regelmäßig gelingt. Anders als das deutsche Recht würde das englische common law auch hier im Falle eines fehlgegangenen Erklärungszeichens in der Regel über die interpretation zur Durchsetzung des wirklich Gewollten gelangen. Problematisch wird die Willensdurchsetzung erneut nur dann, wenn der Diskrepanzgrund einerseits das Fehlen einer gewollten Anordnung bewirkt oder andererseits eine Konstellation wie in National Society v. Scottish National Society76 herbeiführt, also fälschlicherweise einen Begünstigten oder eine Sache ausweist, die existiert. Abgesehen von diesen Ausnahmeszenarien, deren Eintritt noch unwahrscheinlicher als das Auftreten der Diskrepanzursache selbst schon ist, würde hier die Willensverwirklichung durch die Auslegung in England deutlich häufiger als in Deutschland gelingen. Erneut kann auch die in Deutschland zur Verfügung gestellte Anfechtung in aller Regel kein Ergebnis erreichen, das dem wirklichen Willen entspricht. Zwar wird in § 2078 Abs. 1 BGB formell zwischen Inhalts- und Erklärungsirrtum unterschieden, dies hat allerdings keine materielle Bedeutung, weil der Gesetzgeber weiterhin dieselbe – bloß kassierende – Rechtsfolge vorsieht. Aus funktionaler Sicht könnte die Einordnung der Irrtumsform daher streng genommen sogar dahinstehen.77 Demgegenüber müsste der englische Rechtsanwender den zugrunde liegenden Fehlertypus näher spezifizieren. Denn bei dem prinzipiell deutlich enger als die Anfechtung ausgestalteten rectification-Tatbestand können fehlgegangene Erklärungszeichen berichtigt werden. Dazu müsste festgestellt sein, dass es sich bei der Diskrepanzursache um einen clerical error handelt, sec. 20(1)(a) AoJA 1982. Sofern die weiteren Voraussetzungen der rectification-Klage erfüllt wären, könnte die testamentarische Anordung im Sinne des Erblassers korrigiert werden. Aus den vorstehenden Schilderungen theoretischer Natur erwächst der interessante Befund, dass die Durchsetzung des Erblasserwillens im engli76

The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207. Siehe oben § 3 A. I. 2. b) dd), S. 146 ff. 77 So auch Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 12.

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schen common law in den Fällen, in denen die Diskrepanz auf einem fehlgegangenen Erklärungszeichen beruht (clerical error), deutlich effektiver als in anderen Fällen und in Deutschland ist. Sollte die Willensdurchsetzung im Wege der interpretation im Ausnahmefall an der rewriting-Grenze scheitern, könnte die rectification hieran anknüpfen und den Erblasserwillen verwirklichen. Insoweit das wirklich Gewollte nachgewiesen ist und die Voraussetzungen der rectification gewahrt würden, könnte die Erblasserintention hier also immer durchgesetzt werden. Während sich der englische Lösungsansatz für die in Rede stehende Diskrepanzursache also als besonders durchsetzungsstark präsentiert, lässt die deutsche Rechtsordnung demgegenüber erhebliche Schwächen erkennen. Hier fällt die Wahrscheinlichkeit, dass der Erblasserwille verwirklicht würde, gering aus.78 3. Enttäuschter Beweggrund Geht es um die Verwirklichung von durch die Verfügung nicht umgesetzten Beweggründen des Erblassers, also etwa um Konstellationen unvorhergesehen vorverstorbener Bedachter, stellt das englische Recht kein Instrument bereit, um die testamentarische Lücke zu schließen. Weder die interpretation noch die rectification knüpfen hieran an. Sofern ein Begünstigter vorverstirbt oder ein vermachter Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls nicht (mehr) zum Vermögen des Erblassers zählt, greift grundsätzlich die doctrine of lapse bzw. doctrine of ademption ein, die dazu führt, dass die Verfügung leer läuft.79 Die im Vertragsrecht geltende „implication of terms“-doctrine, mit der in engen Grenzen Lücken geschlossen werden können, gelangt im Testamentsrecht nicht zur Anwendung.80 Lediglich durch die partiell eingreifenden Sonderregelungen werden nicht bedachte oder unvorhergesehene Situationen aufgefangen, indem ein typisierter Erblasserwille unterstellt wird. Das geschieht im Falle der sec. 19 AoJA 1982 ausdrücklich, indem ein Abkömmling in die Position des Vorverstorbenen nachrückt, sodass die Verfügung, in der dieses Szenario nicht bedacht wurde, vor einem Leerlaufen bewahrt wird.81 Demgegenüber kann sec. 24 WA 1837 jedenfalls faktisch eine testamentarische Lücke schließen, wenn sie hierfür den maßgeblichen Zeitpunkt der Auslegung nach hinten verschiebt und dadurch Änderungen im Eigentumsbestand des Erblassers berücksichtigt.82 Im Übrigen bleibt der lückenhafte objektive testamentarische Bedeutungsgehalt maßgeblich. Mangels Möglichkeit, die betreffende

78

Dazu noch unten § 4 B. II. 1., S. 246 ff. Siehe oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 121 f. 80 Siehe oben § 3 A. I. 3., S. 152 ff. 81 Schon oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 123 f. 82 Siehe oben § 3 A. I. 2. b) bb), S. 122 f. 79

B. Bewertung

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Verfügung zu kassieren, ist die Herbeiführung der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Damit unterscheidet das englische Recht fundamental zwischen realem und irrealem Erblasserwillen. Bei letzterem vertraut es aus funktionaler Sicht somit nicht auf die Beweisstrenge im Zivilprozess und verneint stattdessen seine Ermittlung konsequent. Der deutsche Lösungsansatz bietet hingegen sowohl die Instrumente der ergänzenden Auslegung als auch der Anfechtung an, um auf enttäuschte Beweggründe des Erblassers zu reagieren. Im Wege der ergänzenden Auslegung kann der deutsche Richter einen hypothetischen Erblasserwillen ermitteln, indem er ergründet, was der Erblasser im Testamentserrichtungszeitpunkt testiert hätte, sofern er den betreffenden Umstand bedacht oder vorhergesehen hätte. Um diesen ergründeten modifizierten Sinngehalt zu verwirklichen, muss eine dahingehende Willensrichtung im Testament angelegt sein. Genaue Kriterien existieren hierfür nicht. Kann der Richter eine solche Andeutung nicht ausmachen oder ist unklar, was der Erblasser wirklich wollte, und bloß eindeutig, was er nicht wollte, verbleibt nur noch die Möglichkeit der Anfechtung, diesmal gestützt auf den Anfechtungsgrund des Motivirrtums gemäß § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB. Durch die bereitgestellten Instrumente erkennt die deutsche Rechtsordnung also ausdrücklich das Erblasserinteresse an, dass zwischen Testamentserrichtung und Erbfall Umstände ans Licht kommen oder sich inzwischen geändert haben können, die den Testator dazu bewogen hätten, anders als geschehen zu testieren.

B. Bewertung Nachdem die Ansätze des deutschen und englischen Rechts gegenübergestellt wurden, werden sie im Folgenden kritisch rechtspolitisch bewertet. Dabei hängt die Überzeugungskraft der betreffenden Problemlösung davon ab, inwiefern sie die hier kollidierenden Belange in einen angemessenen Ausgleich bringt. In diesem Zusammenhang ist allen voran das Interesse des Erblassers an der unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens zu nennen. Dieses deckt sich mit dem des in Wahrheit in Aussicht genommenen Erbprätendenten, dem daran gelegen ist, die ihm zugedachte Position auch tatsächlich einzunehmen. Da sich diese Belange jedoch im Spannungsfeld mit ebenfalls schützenswerten Aspekten befinden, darf ihnen nicht ausschließlich der Vorzug gewährt werden. In diesem Sinne ist hier zunächst das Interesse an einer rechtssicheren Lösung zu nennen, die die richterliche Entscheidung im Einzelfall prognostizieren lässt. Relevant ist auch, inwiefern die Rechtsordnungen die Aspekte der Rechtsklarheit schützen und versuchen, nebulöse Rechtszustände weitestgehend zu vermeiden. Ferner spielt es eine Rolle, ob der jeweilige Ansatz in der Rechtspraxis verhältnismäßig einfach anzuwen-

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den ist, womit zugleich die Frage verbunden ist, ob er im Einzelfall fehleranfällig ist. Schließlich spielt auch die Effizienz der Lösung eine Rolle.83

I. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge oder Vertrauen auf die allgemeinen Beweisregeln bei der Durchsetzung des Erblasserwillens? Für die Verwirklichung des vom Testamentswortlaut abweichenden realen Erblasserwillens84 fordert die deutsche Rechtsordnung im Rahmen der erläuternden Auslegung zum einen, dass das wirklich Gewollte einwandfrei bewiesen ist und zum anderen, dass sich dieser Bedeutungsgehalt zumindest andeutungsweise aus dem Urkundentext ergibt. Anders als das englische common law vertraut sie damit nicht auf die allgemeinen Beweisregeln, sondern zieht der Beweiswirkung eine formelle Grenze. Hiermit will sie das Risiko minimieren, dass Erbprätendenten die Erbschaftsposition eines in Wahrheit Begünstigten durch manipulierte Beweisstücke oder Falschaussagen okkupieren und zu Unrecht die Erbschaft an sich reißen bzw. im Erbschaftsprozess obsiegen. Die Kehrseite dieses Ansatzes ist jedoch darin zu sehen, dass sie damit zugleich die Gefahr in Kauf nimmt, im Einzelfall die Umsetzung eines wahren Erblasserwillens zu vereiteln. Immerhin ist das Szenario denkbar, dass die wahre Intention einwandfrei nachweisbar ist, aber keine Stütze im Wortlaut findet, sodass sie nicht verwirklicht wird und der wirklich in Aussicht Genommene leer ausgeht. Dieses Dilemma soll nachfolgend einer kritischen Betrachtung unterzogen werden. Dabei wird sich zunächst der Fragestellung gewidmet, ob ein Modell gefunden werden kann, das die Beweisstrenge schlüssig formalisiert (1.). Im Anschluss daran wird untersucht, ob es überhaupt einer formellen Grenze der Beweiswirkung bedarf oder nicht doch der englische Ansatz überzeugender ist, der in die allgemeinen Beweisregeln, also auf die Beweisstrenge im Zivilprozess, vertraut (2.). 1. Existenz eines schlüssigen Modells zur Formalisierung der Beweisstrenge Unabhängig davon, ob das Misstrauen der deutschen Rechtsordnung gegenüber der Beweiserhebung und -verwertung im Zivilprozess überhaupt berechtigt ist,85 fehlt es schon an einem schlüssigen Modell zur Formalisierung

83 Vgl. zu den Bewertungskriterien auch Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung auf dem Gebiete des Privatrechts, 3. Aufl., 1996, S. 46 f. 84 Für eine Bewertung der Rechtslage im Zusammenhang mit einem irrealen Erblasserwillen noch unten § 4 B. III., S. 250 ff. 85 Treffend etwa Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 333: „Es geht in Wirklichkeit nur um die Beweisfrage, ob

B. Bewertung

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der Beweisstrenge. Dabei sind nur wenige Ausgestaltungsvarianten denkbar, wobei die Forderung nach einer Andeutung noch am naheliegendsten ist. Allerdings lässt sich die Untauglichkeit dieses Kriteriums anhand des deutschen Ansatzes und der Anwendung der Andeutungstheorie in der Rechtspraxis exemplifizieren, worauf zunächst einzugehen ist. Im Anschluss daran wird gezeigt, dass es auch im Übrigen an einer überzeugenden Alternative fehlt, die eine solche Funktion ausüben könnte. a) Formalisierte Beweisstrenge durch die Andeutungstheorie Dass ein Andeutungskriterium zur Formalisierung der Beweisstrenge nicht überzeugt, verdeutlicht die deutsche Rechtspraxis. Die Andeutungstheorie nimmt dort eine bedeutende Schlüsselrolle ein, indem sie mit ihrer Forderung nach einer hinreichenden Andeutung als Gradmesser für die Willensverwirklichung fungiert. Allerdings fehlt der Voraussetzung jegliche Kontur, die das konkrete Ergebnis im Einzelfall rechtssicher prognostizierbar macht, wodurch sie als unvorhersehbares Kriterium über das Schicksal des Erblasserwillens richtet. Dies bedeutet ein der Rechtssicherheit abträgliches Prozessrisiko und gefährdet ferner das ureigene Interesse eines jeden Erblassers an einer unverfälschten Verwirklichung seiner testamentarischen Anordnung. Zudem gelangt die Rechtsprechung in Anbetracht des Andeutungskriteriums zu inkonsistenten Ergebnissen. Darüber hinaus fehlt es ihm an der Effizienz, um berechtige von unberechtigten Behauptungen in Richtung eines vom Wortlaut abweichenden Erblasserwillens zu unterscheiden. Der Ansatz ist kaum dazu in der Lage, unberechtigte Einwände abzuschneiden und hilft umgekehrt auch nur bedingt, einen berechtigten Einwand zu stützen. Ferner bedarf es der Andeutungstheorie weder aus Gründen der Rechtsgeschäftslehre noch der durch die Formvorschriften vermittelten Zwecke, sodass auch aus dieser Perspektive für die deutsche Rechtsordnung kein zwingender Grund besteht, an ihr festzuhalten. aa) Fehlende Konturen Die aus den unklaren Konturen des Andeutungskriteriums erwachsende mangelnde Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung im Einzelfall erscheint besonders bedenklich.86 Fälle, in denen die Verwirklichung des Erbman entgegen dem Testamentswortlaut den Beweis zuläßt, welchen Sinn der Testator seiner Anordnung beigelegt hat.“ 86 In diese Richtung schon etwa Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte. Objektive Ordnung und privatautonome Selbstbestimmung im formgebundenen Rechtsgeschäft, 1971, S. 144 ff.; Petersen, JURA 2005, 597, 599; Smid, JuS 1987, 283, 286; Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 248; Brox, JA 1984, 549, 555.

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lasserwillens rechtssicher vorhersehbar an der fehlenden hinreichenden Stütze scheitert, sind auf Konstellationen begrenzt, denen eine unterlassene Verfügung zugrunde liegt, die eigentlich Einzug in das Testament finden sollte. Nur hier kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der wahre Wille mangels entsprechender Andeutung nicht umgesetzt würde.87 In allen anderen Fällen, in denen die Gedanken des Erblassers zumindest in irgendeiner Form in der im Übrigen formgültig errichteten Urkunde niedergelegt wurden, ist der Verfahrensausgang hingegen unklar. Infolge fehlender adäquater Kriterien, wann (noch) von einer genügenden Stütze ausgegangen werden kann, ist die richterliche Entscheidung im Einzelfall ergebnisoffen.88 Zwar wurde das zu erfüllende Kriterium der Andeutungstheorie durch die Liberalisierung der Auslegungsmethodik in Rechtsprechung und Literatur fortwährend aufgeweicht, sodass deren Anforderung äußerst gering ausfällt, wenn der BGH lediglich fordert, dass „der wirkliche Wille des Erblassers irgendwie – wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt – zum Ausdruck“ gelangen muss.89 Zudem ist das Bestreben in der Rechtsprechung erkennbar, den wirklichen Willen zur Durchsetzung zu bringen, was nur selten am Andeutungskriterium scheitert. Jedoch determiniert diese Tendenz nicht den Verfahrensausgang im Einzelfall. Der Erbprätendent kann sich nicht darauf verlassen, dass der Richter einen „irgendwie gearteten, noch so geringen Anhalt“ in der Urkunde für den wahren Willen finden wird. Letztlich birgt auch das minimal formulierte Andeutungserfordernis die Gefahr einer „Kaffeesatzleserei“ in sich.90 Die mit der Konturenlosigkeit der Figur einhergehenden Schwierigkeiten sollen anhand der nachfolgenden beiden Beispiele noch einmal hervorgehoben werden.91 Zu denken ist hier etwa an den schon häufiger bemühten –

87

Siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (4), S. 51 f. Brox, JA 1984, 549, 555; Smid, JuS 1987, 283, 286; Petersen, JURA 2005, 597, 599; Häsemeyer, Die gesetzliche Form der Rechtsgeschäfte. Objektive Ordnung und privatautonome Selbstbestimmung im formgebundenen Rechtsgeschäft, 1971, S. 144 ff.; vgl. Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428. 89 BGHZ 80, 242, 243; ähnlich auch schon RGZ 160, 109, 111. Siehe auch etwa BGHZ 80, 246, 250; 86, 41, 47; OLG Karlsruhe ZEV 1999, 438; OLG Düsseldorf NJWE-FER 1998, 12; BayObLG NJW 1988, 2742; DNotZ 1994, 394, 397. 90 Petersen, JURA 2005, 597, 599. 91 Der Befund, dass Fälle, in denen die Verwirklichung des real vorhandenen Erblasserwillens am Andeutungskriterium gescheitert ist, in der jüngeren Rechtsprechung nicht zu verzeichnen sind, darf nicht vorschnell dazu verleiten, den nachfolgenden Überlegungen ihre praktische Relevanz in Abrede zu stellen, in diese Richtung aber Michalski/ Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 Rdnr. 327. Bereits die Tatsache, dass solche Fälle zügig konstruiert werden können, legt nahe, dass sie in der Praxis, insbesondere bei einseitigen privatschriftlichen Testamenten, vorstellbar sind. Vor allem aber zeigt die Untersuchung, dass das Andeutungskriterium in Fällen der angestrebten Verwirkli88

B. Bewertung

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einfachen wie anschaulichen – Sachverhalt in nur leicht abgewandelter Form, dass der Erblasser seine Nichte „Magda“ einsetzen möchte, sich aber verschreibt, woraufhin der Testamentswortlaut den nachfolgenden Text aufweist: „Hiermit setze ich Martha zu meiner Alleinerbin ein.“

Selbst wenn zur Überzeugung des Richters dargelegt ist, dass der Erblasser eigentlich „Magda“ und gerade nicht die durch den Wortlaut ausgewiesene „Martha“, zu der er kein gutes Verhältnis pflegte, bedenken wollte, wird er diesen Willen de lege lata höchstwahrscheinlich nicht durchsetzen. Hier ist das Ergebnis noch recht klar zu prognostizieren, da der Wortlaut diesmal nicht den im Ursprungsfall ausschlaggebenden Zusatz „Nichte“ enthält, der dort dazu führen dürfte, „Magda“ als Alleinerbin zu betrachten.92 Der Testamentstext besteht hier im Wesentlichen lediglich aus zwei Komponenten, die die Andeutungstheorie an ihre Grenzen bringen: der (falschen) Benennung des Begünstigten einerseits und dem konkreten Anordnungsinhalt der Alleinerbeneinsetzung andererseits. Die Rechtsprechung würde die (unbewusste) Falschbezeichnung, wie sie hier vorliegt, nicht als Ausdruck des wirklich Gewollten und damit als hinreichende Verankerung desselben genügen lassen. Auch die Regel „falsa demonstratio non nocet“ führt nicht zu einer Durchbrechung des Andeutungserfordernisses.93 Stattdessen bedürfte es einer über die bloße Falschbezeichnung hinausgehenden Andeutung des Erblasserwillens, damit die falsche Benennung tatsächlich unschädlich ist und sich der wahre Wille infolgedessen durchsetzt. Deutlich problematischer gestaltet sich die Frage der Durchsetzbarkeit des wahren Erblasserwillens, wenn der Testamentswortlaut bei sonst gleichbleibendem Sachverhalt etwa folgendermaßen ausfällt: „Hiermit setze ich die liebe Martha zu meiner Alleinerbin ein.“

Ob der entscheidende Richter in dem hier niedergelegten Zusatz „liebe Martha“ eine ausreichende Verankerung für das wirklich Gewollte findet, ist fraglich. Erneut spitzt sich der Konflikt auf die Erfüllung des Andeutungskriteriums zu. Dabei kann vortrefflich darüber gestritten werden, ob der Testamentswortlaut durch diesen banalen Zusatz nunmehr eine ausreichende Grundlage für die intendierte Einsetzung der „Magda“ bietet oder nicht. Hierdurch stellt sich der Sachverhalt in einem ganz anderen Licht dar als

chung eines irrealen Erblasserwillens äußerst problematisch ist, weil dessen Anwendung beliebig erscheint, noch unten § 4 B. III. 2., S. 254 ff. Spätestens hier können die bedenklichen Aspekte rund um die Andeutungstheorie nicht geleugnet werden. 92 Oben § 2 A. I. 2. d) bb), S. 56 f. 93 Vgl. auch mit entsprechendem Verweis auf die herrschende Lehre: Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87 und Fn. 6.

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zuvor. Dies zeigt, wie absurd die Konsequenzen der Andeutungstheorie sind. Die Verwirklichung des Willens des Testators hängt hier letztlich von der unvorhersehbaren richterlichen Neigung ab, inwieweit dieser die Bereitschaft an den Tag legt, dem erbrechtlichen Willensdogma zur Durchsetzung zu verhelfen.94 In diesem Zusammenhang ließe sich etwa vertreten, der Zusatz biete eine genügende Stütze für den wahren Willen, da der Erblasser wohl nur seine in Wahrheit in Aussicht genommene Nichte „Magda“ als „lieb“ bezeichnet, wohingegen er dieses Attribut bei der ihm unliebsamen „Martha“ nie verwendet hätte. Dieses Vorbringen bewegt sich aber auf äußerst dünnem Eis. Hieran ändert auch die von Brox vorgebrachte These nichts, dass wohl kaum ein Richter im Falle eines bewiesenen Erblasserwillens dessen notwendige Andeutung im Wortlaut verneinen würde.95 Immerhin setzt dies zunächst einmal die richterliche Bereitschaft voraus, überhaupt den behaupteten Erblasserwillen zu ermitteln. Lässt der objektive Testamentswortlaut den vorgebrachten Erblasserwillen schon nicht erkennen, wird der dem obigen Szenario entsprechend abgeneigte Richter von vornherein eine dahingehende Willensermittlung ablehnen, indem er darauf verweist, dass der Wortlaut dieses gewünschte Auslegungsergebnis nicht stütze. Es käme hier also erst gar nicht so weit, dass der Erblasserwille als bewiesen gelten würde und es „nur“ noch um die Suche nach der nötigen Stütze im Wortlaut ginge. In der Praxis ist die Vereinbarkeit des behaupteten Erblasserwillens mit dem Testamentswortlaut daher oft das Einfallstor für eine stattfindende Willensermittlung.96 Letztlich liegt dem geschilderten Beispielsfall eine ergebnisoffene Einzelfallentscheidung zugrunde, die auch die umgekehrte Position zulässt, dass der Zusatz keine hinreichende Andeutung für den Erblasserwillen hergibt. Immerhin lasse das angeschlagene zwischenmenschliche Verhältnis zwischen dem Erblasser und der im Wortlaut bezeichneten „Martha“, so könnte argumentiert werden, doch nicht darauf schließen, dass letztere böse, unfreundlich oder nicht lieb gesinnt sei. Im Gegenteil, so könnte es weiter heißen, könne der Passus „liebe Martha“ auch als gesellschaftlich übliche Wendung aus Gründen der Höflichkeit gebraucht worden sein, die wertungsneutral ist. Immerhin sei es doch auch bei informellen Anredeformulierungen üblich, den Adressaten als „lieb“ zu bezeichnen. Unabhängig davon, ob einen dies zu überzeugen vermag, belegt die Einfügung des hier bewusst gewählten banalen Wortes, wie absurd die Konse94 Ähnlich schon Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 155. 95 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 152. 96 So auch Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 Rdnr. 328.

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quenzen des Andeutungserfordernisses sein können, wenn sich über die Bedeutung eines solchen Passus ein Streit entbrennen kann oder dadurch jedenfalls Tür und Tor hierfür geöffnet wird. Sobald der Testamentstext über den bloßen Anordnungsinhalt hinausgehende Worte beinhaltet, ist somit Diskussionsstoff dafür bereitgestellt, ob hierin eine hinreichende Stütze für das wirklich Gewollte erblickt werden kann.97 Dieser Problemstellung kann sich der auslegende Richter de lege lata nicht entziehen, da ihn das Andeutungskriterium zu dieser Auseinandersetzung zwingt. Das daraus resultierende Ergebnis entscheidet über das Schicksal des ausermittelten Erblasserwillens. Erschwert wird die Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung noch durch den „Schlingerkurs“ des BGH, der vor allem in den unteren Instanzen für unklare Verhältnisse zur Relevanz des Andeutungskriteriums sorgt.98 Dabei hat die nachgezeichnete Entwicklung des Andeutungserfordernisses offenbart, dass zu seinen Anfängen noch recht klare Verhältnisse diesbezüglich herrschten, diese aber durch die fortschreitende Liberalisierung der Auslegungsmethodik fortwährend verwässert wurden. Zwischendurch schien es gar so, als habe sich der BGH durch das Postulat der „Zwei-Stufen-Prüfung“ in BGHZ 86, 41 im ersten Schritt der freien Auslegung zugewandt, da das Erfordernis einer hinreichenden Stütze erst im zweiten Schritt – auf Formebene – als relevant angesehen wurde. Hiervon hat sich das Gericht aber in späteren Entscheidungen wieder abgewandt. Die Untersuchung hat nach kritischer Durchsicht der seit dato ergangenen Judikate herausgearbeitet, dass das Kriterium der Andeutungstheorie bereits auf der Auslegungsebene bedeutsam ist. Hiernach kann ein Wille, der keine Andeutung im Testamentswortlaut erfahren hat, nicht das Auslegungsergebnis bilden.99 Diesen aktuellen Kurs hat der BGH allerdings nicht annähernd so prominent hervorgehoben wie noch etwa sein damaliges Postulat der „Zwei-Stufen-Prüfung“ 97

Dabei gehen einige so weit, dass sie in einer weitschweifig formulierten testamentarischen Erklärung einen Vorteil sehen, da sie die Chance erhöhe, dass das wirklich Gewollte hinreichend angedeutet ist, so etwa Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4; Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 248. Allerdings kann eine ausufernde Niederschrift auch das Gegenteil bewirken, da sie mehr Diskussionsstoff und damit eine breitere Angriffsfläche für diejenigen bietet, die eine Erbschaftsposition okkupieren wollen. Darüber hinaus bedeuten umfangreiche Ausführungen nicht zugleich, dass sie präzise und besonders qualitativ formuliert sind. Dass die bloße Quantität des verwendeten Texts hier einen bedeutenden Vorteil mit sich bringt, muss daher nicht zuletzt wegen fehlender geeigneter Beispielsfälle aus der Rechtsprechung bezweifelt werden, ähnlich auch Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 927 f. Rdnr. 1841. 98 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858. 99 Siehe oben § 2 A. I. 2. cc) (2) (b), S. 42 ff.

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in BGHZ 86, 41. Nach der problematischen Formulierung aus BGHZ 86, 41 scheint das Gericht eine gewisse Zurückhaltung an den Tag zu legen, was die (vermeintlich) besonders klare Kommunikation von Entscheidungsinhalten anbelangt, um weitere Missverständnisse dieser Art in Rechtsprechung und Schrifttum zu vermeiden. Vor allem mit Blick auf die unteren Instanzgerichte wäre es aber wünschenswert, hier für klarere Verhältnisse zu sorgen, um das dort herrschende „Bild der Verwirrung“100 zu beseitigen und damit die Rolle, für eine einheitliche Rechtsprechung zu sorgen, zu erfüllen.101 Denn wenn dort höchstgerichtliche Entscheidungen zitiert werden, die sich in der Sache widersprechen, muss dieser Zustand durch eine erhellende höchstgerichtliche Positionierung zurechtgerückt werden.102 bb) Inkonsistente Anwendung Neben der zuvor geschilderten Problematik rund um die Konturenlosigkeit des Andeutungskriteriums muss außerdem dessen inkonsequente Anwendung kritisiert werden. Dabei ist zuvorderst hervorzuheben, dass die Entwicklung in der Rechtsprechung ursprünglich in die richtige Richtung ging, wenn sie früh die Geltung der „falsa demonstratio non nocet“-Regel auch auf den Bereich der Testamentsauslegung erstreckte.103 Damit postulierte sie die Unschädlichkeit einer testamentarischen Falschbezeichnung, sodass das wirklich Gewollte dennoch Geltung erlangen können soll. Obwohl dieser Schritt durch BGHZ 86, 41 bekräftigt wurde, wonach der klare und eindeutige Wortlaut eine ihm entgegenstehende Auslegung nicht hindert, geriet dieser liberalisierende Fortschritt durch eine im Weiteren inkonsistente Handhabung des Andeutungserfordernisses ins Wanken. Zum einen ist dabei zu nennen, dass die Rechtsprechung die Fälle unbewusster Falschbezeichnungen bei der Auslegung von Testamenten im Zusammenhang mit dem Andeutungskriterium abweichend von denselben Fällen etwa bei Grundstückskaufverträgen beurteilt. Im Unterschied zum Testamentsrecht führt die „falsa demonstratio“-Regel nämlich im Grundstücksrecht zu einer Durchbrechung der Andeutungstheorie, woraufhin das wirklich Gewollte trotz unbewusster Falschbezeichnung verwirklicht wird. In diesem Kontext wird 100

Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 938 Rdnr. 1858. Deutlich wird die höchstrichterliche Aufgabe, für Kontinuität und Rechtssicherheit zu sorgen, in BGHZ 87, 150, 155 f. betont. 102 Etwa in BayObLG NJW-RR 2003, 224, 225 f. In der Entscheidung wird zunächst durch Verweis unter anderem auf BGHZ 86, 41 darauf abgestellt, dass der Erblasserwille ermittelt werden müsse und erst dann stelle sich die Frage der Andeutung auf Ebene der Formprüfung. Unmittelbar darauffolgend, im nächsten Absatz, wird unter Verweis auf BGHZ 121, 357 ein hinreichender Anhaltspunkt schon auf Auslegungsebene gefordert, damit der Erblasserwille als Auslegungsergebnis anerkannt werden könne. 103 RGZ 70, 391, 393 f.; RG LZ 1921, 376 Nr. 3; BGHZ 80, 246, 251. 101

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auch gezeigt, dass für die Andeutungstheorie im Recht einseitiger Testamente keine Notwendigkeit besteht. Zum anderen kann die Differenzierung im Testamentsrecht zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen nicht überzeugen, weil sie mit dem auf eine objektive Referenzquelle abstellenden Andeutungskriterium nicht zu vereinen ist. (1) Unterschiedliche Beurteilung unbewusster Falschbezeichnungen Im Ausgangspunkt wird im Recht der Testamentsauslegung konstatiert, dass eine Falschbezeichnung für die Umsetzung des Willens unschädlich sei. Die unbewusste Falschbezeichnung schadet dort aber eben doch, wenn für die Willensdurchsetzung eine Andeutung im Testamentstext gefordert wird und letztere nicht gefunden werden kann.104 In der Folge wird der Erblasserwille nämlich nicht verwirklicht. Die unbewusste Falschbezeichnung als solche genügt nicht, die „falsa demonstratio“-Regel durchbricht hier also nicht das Andeutungserfordernis.105 Als Beispiel kann der in diesem Abschnitt erstgenannte Fall angeführt werden, in dem das Verschreiben des Erblassers zur Einsetzung der „Martha“, anstatt, wie intendiert, der „Magda“ führt,106 bei dem es sich um nichts anderes als um eine unbewusste Falschbezeichnung handelt. Wäre diese wirklich unschädlich, wie von der Rechtsprechung eigentlich postuliert, müsste der Rechtssatz die Erbeinsetzung der „Martha“ bewirken und zwar ohne das Erfordernis einer diesbezüglich weiteren Andeutung. In diesem Sinne beurteilt die Rechtsprechung die Fälle unbewusster Falschbezeichnungen bspw. bei Grundstückskaufverträgen – einem formbedürftigen Rechtsgeschäft unter Lebenden.107 In BGHZ 87, 150 etwa hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem die Parteien einen Grundstückskaufvertrag über die Flurstücke 30, 31 und 32 schließen wollten. Im Rahmen der notariellen Beurkundung wurde jedoch das Flurstück 30 versehentlich nicht in die beurkundete Fassung des Kaufvertrags aufgenommen. Unter Anwendung der „falsa demonstratio non nocet“-Regel entschied das Ge-

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So auch Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 239. Siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 49 ff. 106 Oben § 4 B. I. 1. a) aa), S. 223. 107 Ausführlich dazu Wieling, AcP 172 (1972), 297, 307 ff. So auch wieder jüngst BGH MittBayNot 2017, 234, 236: „Es kommt [...] nicht darauf an, ob der Wille der Parteien in der Vertragsurkunde einen ausreichenden Niederschlag gefunden hat. Richtig ist zwar, dass das von den Parteien Vereinbarte bei einem – wie hier – formbedürftigen Rechtsgeschäft nach der Rechtsprechung des BGH einen wenigstens andeutungsweisen Niederschlag in der Urkunde gefunden haben muss. Dieses Erfordernis gilt aber bei einer sog. versehentlichen Falschbezeichnung nicht. Hier reicht es aus, wenn das von den Parteien in anderem Sinne verstandene objektiv Erklärte [...] dem Formerfordernis genügt. Beurkundet ist dann das wirklich Gewollte, nur falsch Bezeichnete.“ 105

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richt, dass die unterbliebene Benennung des Flurstücks 30 aufgrund des übereinstimmenden Parteiwillens unschädlich sei und als mitverkauft gelte. Maßgeblich sei die übereinstimmende Intention der Beteiligten, der objektive Bedeutungsgehalt sei nicht ausschlaggebend. Einer darüber hinausgehenden Andeutung des wirklich Gewollten bedürfe es nicht, sodass die Regel „falsa demonstratio non nocet“ hier zur Durchbrechung des Andeutungskriteriums führte.108 Für die unmittelbare Verwirklichung des wahren Parteiwillens genüge das objektiv falsch Erklärte, das die durch § 311b Abs. 1 BGB (§ 313 BGB a.F.) vorgeschriebene Form wahre, so der BGH.109 In diesem Zusammenhang muss konstatiert werden: Wenn die Verwirklichung des Erblasserwillens vom Andeutungskriterium abhängig gemacht wird, während es beim Grundstücksrecht zugunsten des übereinstimmenden Parteiwillens zu einer Durchbrechung kommt, erfolgt die gesetzgeberisch intendierte stärkere Verwirklichung des Erblasserwillens110 nicht. Vor diesem Hintergrund müsste die bei beurkundungspflichtigen Grundstückskaufverträgen geltende – wirkliche – Unschädlichkeit der Falschbezeichnung doch erst recht bei einseitigen Testamenten gelten. (2) Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen Dabei ist nicht nur die unterschiedliche Handhabung zwischen Testamentsund Grundstückskaufvertragsauslegung, die im Kontext unbewusster

108 Dabei betonte der BGH, dass auch die mit den Formvorschriften verfolgten Zwecke dieser Entscheidung im Ergebnis nicht im Wege stünden, die Unschädlichkeit der Falschbezeichnung also nicht von der Erfüllung des Andeutungskriteriums abhänge. Das Formerfordernis diene den Zielen, die Parteien vor übereilten Verträgen zu bewahren, sie auf die Bedeutsamkeit des intendierten Geschäfts aufmerksam zu machen und ihnen die Möglichkeit an die Hand zu geben, bezüglich ihres Vorhabens belehrt und beraten zu werden, BGHZ 87, 150, 153 unter Verweis schon auf BGHZ 83, 395, 397. Weder die Warn- und Beratungsfunktion noch der verfolgte Beweissicherungszweck stünden der Anerkennung der wirklichen Unschädlichkeit der Falschbezeichnung entgegen, dazu BGHZ 87, 150, 153 ff. 109 BGHZ 87, 150, 155. So auch jüngst BGH MittBayNot 2017, 234, 236 und besonders klar OLG Düsseldorf RNotZ 2017, 189, 191. In diesem Sinne auch schon die Rechtsprechung des RG, siehe RGZ 46, 225, 227; 60, 338, 340; 61, 264, 265; 66, 21, 23; 73, 154, 157; 109, 334, 336; 133, 279, 281; RG JW 1904, 58 Nr. 13. 110 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 24. Mankowski verweist neben den Gesetzgebungsmaterialien, die das Willensdogma im Erbrecht stärker als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden berücksichtigt wissen wollen, auch auf die verfassungsrechtlich garantierte Testierfreiheit des Erblassers gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG, wodurch der Wille des Erblassers „zum überragend wichtigen Schutzgut“ emporsteige, siehe Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 401.

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Falschbezeichnungen festgestellt werden konnte, als inkonsistent einzustufen. Weitere Probleme entstehen aus der nicht haltbaren Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen im Recht der Testamentsauslegung.111 Hierauf haben bereits einige Stimmen aus dem Schrifttum hingewiesen.112 So brachte etwa Schulz in diesem Zusammenhang den auch schon in dieser Untersuchung bereits angeklungenen Fall ein,113 dass der Erblasser seinen zu vermachenden Weinkeller als „Bibliothek“ zu bezeichnen pflegte und diese Gewohnheit auch bei der Testamentserrichtung beibehielt. Da der Richter einen besonderen Erblassersprachgebrauch bei der Auslegung berücksichtigen muss, gilt der Weinkeller in Einklang mit dem wahren Erblasserwillen als vermacht, obwohl dem Testamentstext nach die „Bibliothek“ zugewendet wurde und keinerlei Anhaltspunkte für den wahren Willen im Testamentswortlaut zu finden sind.114 Sobald der Erblasser diesen „skurrilen Sprachgebrauch“ allerdings nicht pflegte, sondern die Diskrepanz bspw. auf einem fehlgegangenen Erklärungszeichen beruht, ist die infolge einer fehlenden Andeutung für das wirklich Gewollte irrtumsbehaftete Verfügung bloß anfechtbar. In der Konsequenz erhält der in Aussicht genommene Vermächtnisnehmer nicht den Weinkeller. Schulz sah in dieser abweichenden Beurteilung „wunderliche Distinktionen, über die nicht nur der rechtssuchende Laie, sondern auch der Jurist den Kopf schütteln muß“. Sie seien „rechtspolitisch betrachtet […] unhaltbar“.115 In der Tat ist mit Schulz nicht einzusehen, dass sich der wahre Erblasserwille nur im Falle einer bewussten Falschbezeichnung, die auf einem besonderen Sprachgebrauch basiert, ohne Weiteres durchsetzt, während dessen Verwirklichung in Konstellationen unbewusster Falschbezeichnungen von einer – über die Falschbezeichnung als solche hinausgehenden – Andeutung des wirklich Gewollten abhängig gemacht, dort das Andeutungserfordernis also nicht durchbrochen wird. Dass dies nicht zu überzeugen vermag, beginnt schon damit, dass es sich bei dem Merkmal der bewussten Falschbezeichnung ohnehin um kein taugliches Differenzierungskriterium handelt. Es 111 Zur Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen im Zusammenhang mit dem Andeutungskriterium oben § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 47 ff. 112 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 234 ff.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; vgl. Brox/ Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4; Harder/Kroppenberg, Grundzüge des Erbrechts, 5. Aufl., 2002, S. 72 Rdnr. 196; Foerste, DNotZ 1993, S. 84, 88; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428. 113 Oben § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 49. 114 Siehe ebenfalls § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 49. 115 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87; ähnlich Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141: „[...] wirklich ein merkwürdiges Ergebnis.“

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steht ohne nähere Konturen da, so ist nämlich bereits unklar, welche Voraussetzungen überhaupt an einen besonderen Erblassersprachgebrauch zu stellen sind und insbesondere wem gegenüber dieser gepflegt worden sein muss.116 Hinzu tritt die Tatsache, dass die Testamente in beiden Fällen äußerlich identisch aussehen.117 Ob ein Verschreiben oder ein besonderer Sprachgebrauch dazu führte, dass der Testamentstext die „Bibliothek“ anstatt den Weinkeller ausweist, ist durch einen Blick auf den bloßen Urkundentext nicht erkennbar. Auf diese objektive Vereinbarkeit des wirklich Gewollten mit dem Testamentswortlaut in „irgendeiner Weise“ stellt die Rechtsprechung mit dem Andeutungskriterium aber ab und nur hierauf darf es demzufolge ankommen. Der Andeutungsvoraussetzung liegt ein objektives Kriterium zugrunde, anhand dessen bestimmt wird, ob die hinreichende Verankerung im Wortlaut gegeben ist oder nicht. Maßgeblich ist die Vereinbarkeit des wirklichen Willens mit dem durch den objektiven Testamentswortlaut vermittelten natürlichen Sprachgebrauch, der die einzig relevante Referenz bildet.118 Hieraus muss sich die gesuchte Stütze ergeben. Die hierfür 116 Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 236: „[M]it dem Erfordernis des besonderen Sprachgebrauchs [wird] eine Voraussetzung ins Spiel gebracht, bei der Abgrenzungsschwierigkeiten vorprogrammiert sind und die so der Rechtssicherheit, die die Andeutungstheorie eigentlich gewährleisten soll, zuwiderläuft. Wie oft muss der Erblasser denn das Wort gebrauchen? Und vor allem: Wem gegenüber muss er es gebrauchen?“ 117 Perkams, (2010) 23 Soongsil L.R., 225, 240. 118 Otte meint demgegenüber, für die Überprüfung des Anhalts komme es auf den subjektiven Standpunkt des Erblassers an. Sofern aus seiner Perspektive das wirklich Gewollte zumindest andeutungsweise verankert wurde, sei die Voraussetzung gewahrt, siehe oben § 2 A. I. 2. a) cc) (1) (a), S. 36 f. (Fn. 128 a.E.). Hieraus folgert Otte, dass die Andeutungstheorie „den Fällen der bewussten Falschbezeichnung mühelos gerecht“ werde, weshalb die Kritik an der Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen verfehlt sei. Im Falle bewusster Falschbezeichnungen hindere die Andeutungstheorie aus gutem Grunde nicht die Verwirklichung des Willens, da der Erblasser in diesen Fällen und im Unterschied zu unbewussten Falschbezeichnungen der Meinung sei, seinen letzten Willen ordnungsgemäß niedergelegt zu haben, Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, Vorb. zu §§ 2064–2086 Rdnr. 35. Nachdem oben schon gezeigt wurde, dass das Andeutungskriterium eine objektive Betrachtung einfordert, belegt auch der hiesige Kontext, dass die Argumentation Ottes nicht durchgreift. Denn würde man das Andeutungskriterium so wie er verstehen, dann müsste man doch auch in den Fällen unbewusster Falschbezeichnungen häufig zum Ergebnis gelangen, dass aus der maßgeblichen Sicht des Erblassers der notwendige Anhalt für das wirklich Gewollte gegeben ist. Denn ein Erblasser wird auch im Falle einer unbewussten Falschbezeichnung häufig davon ausgehen, das wirklich Gewollte ordnungsgemäß niedergeschrieben zu haben. Andernfalls hätte dies doch eine Gegenreaktion seinerseits provoziert, die in eine entsprechende Änderung seiner Verfügung gemündet wäre, ebenso Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 192. Dies hält Otte kurz vorher sogar selbst noch fest, Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, Vorb. zu §§ 2064–2086 Rdnr. 33.

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allein maßgebliche Referenzquelle in Form der Verkehrssprache lässt jedoch keinen Raum für die Beurteilung, ob der ermittelte wirkliche Wille mit einem vom Erblasser subjektiv-individuell bestimmten Bedeutungsgehalt vereinbar ist. Es ist daher widersprüchlich, wenn die deutsche Rechtsordnung bei den identisch abgefassten Testamentstexten ein unterschiedliches Ergebnis hervorbringt. Da die Andeutungstheorie allein auf die objektive Erkennbarkeit des wahren Willens abstellt, darf das dahinter stehende subjektive Szenario – bewusste oder unbewusste Falschbezeichnung – für die Prüfung dieser Fragestellung keine Rolle spielen.119 Dass hier dennoch die subjektive Deutungsebene berücksichtigt wird, die hier gar entscheidende Wirkung entfaltet, weist letztlich auf ein Versagen der Andeutungsformel hin.120 cc) Mangelnde Präventionswirkung Hinzu tritt, dass die Andeutungstheorie in der Praxis nicht dazu taugt, die behauptete „Flut der Erbstreitigkeiten“ einzudämmen.121 Jedenfalls aus heutiger Sicht verfängt dieses Argument kaum, weil das Kriterium der hinreichenden Stütze viel zu vage gefasst ist, um eine effektive Präventionswirkung zu entfalten. Betrachtet man nämlich, in welchen Fällen die Andeutungstheorie tatsächlich eine beschränkende Wirkung entfaltet, fällt das Resultat äußerst überschaubar aus. In Konstellationen bereits begonnener Erbschaftsverfahren bewirkt die Andeutungstheorie zumindest, dass der Richter nicht bei jeder noch so vagen Parteibehauptung in die Beweisaufnahme übergehen muss. Solchen vorgebrachten Intentionen, die keinerlei Stütze im Wortlaut finden, ist damit in der Tat von vornherein der Boden entzogen.122 Dass eine Erbstreitigkeit mangels Andeutung des wirklichen Willens von vornherein nicht vom Gericht verhandelt wird, dürfte die Andeutungstheorie jedoch nur in den seltensten Fällen erreichen. Denn sobald dem Testamentswortlaut für den vorgebrachten Erblasserwillen nur ansatzweise eine Andeutung zu entnehmen ist, muss der Richter darüber Beweis erheben. Wie die Untersuchung gezeigt hat, bieten die allermeisten Testamentsabfassungen

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Scherer, JURA 1988, 302, 304: „Das Akzeptieren eines subjektiven Ausdrucks widerspricht daher dem für die Andeutungsformel erforderlichen objektiven Ausdruck und bleibt ohne dogmatische Rechtfertigung.“ Vgl. auch Foerste, DNotZ 1993, S. 84, 88; Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428. 120 Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428. 121 So aber Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987, S. 76; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 155; Wolf/Gangel, JuS 1983, 663, 665; Wieling, AcP 172 (1972), 297, 310; Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 f. Rdnr. 328. 122 Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 f. Rdnr. 328.

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vor dem Hintergrund des durch die Andeutungstheorie minimal und konturenlos formulierten Kriteriums eine hinreichende Diskussionsgrundlage.123 Damit kann die Andeutungstheorie bei weitem nicht die Menge an Erbstreitigkeiten verhindern, wie zunächst nahegelegt. Dadurch bietet sie keinen effektiven Schutz für den wahren Erblasserwillen und die in Wahrheit in Aussicht genommenen Erbprätendenten vor einer zu Unrecht behaupteten Erblasserintention und einer damit einhergehenden Okkupierung der betreffenden Erbschaftsposition. Dementsprechend ist das Andeutungskriterium nicht dazu in der Lage, zwischen wahrheitsgemäßen und falschen Darlegungen zu differenzieren.124 Die Figur versagt also auch in dieser Hinsicht. dd) Notwendigkeit eines Andeutungskriteriums aus Gründen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre oder der Formvorschriften? Neben die bisher angeführten Schwierigkeiten, die mit der Andeutungstheorie verbunden sind, tritt der Aspekt, dass weder die allgemeine Rechtsgeschäftslehre noch die mit den Formvorschriften verbundenen Zwecke explizit nach dem Andeutungskriterium verlangen. Sie zwingen also nicht dazu, an der konkreten Voraussetzung festzuhalten. So bedarf es für die Anerkennung des Erblasserwillens als Auslegungsergebnis schon keiner Andeutung des wirklich Gewollten im Wortlaut. Im Ausgangspunkt ist den Gesetzesmaterialien eindeutig der gesetzgeberische Wille zu entnehmen, die Intentionen des Erklärenden im Erbrecht stärker als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden zu berücksichtigen.125 Der Gesetzgeber sah es als selbstverständlich an, dass die „falsa demonstratio“-Regel der Gültigkeit der testamentarischen Verfügung nicht entgegensteht, sodass er auf die ursprünglich angedachte Normierung dieses Rechtssatzes verzichtete.126 Die 123

Siehe nur die beiden oben angeführten Exemplifizierungen, § 4 B. I. 1. a) aa), S. 222 ff. 124 Wenig überzeugend daher Michalski/Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 109 f. Rdnr. 328: „Da die Beweiswürdigung nicht in jedem Fall verfälschende Behauptungen als solche entlarven wird, bietet nur die Andeutungstheorie einen ausreichenden Schutz des erklärten Erblasserwillens.“ Ähnlich auch Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, Vorb. zu §§ 2064–2086 Rdnr. 40. 125 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 24. 126 So wurde in der zweiten Kommission die Aufnahme des nachfolgenden Passus in den jetzigen § 2078 BGB angedacht: „Die unrichtige Bezeichnung des Bedachten oder des Gegenstandes der Zuwendung beeinträchtigt die Gültigkeit der Verfügung nicht.“ Allerdings wurde diese Aussage mit Verweis auf die der heutigen „allgemeinen Bestimmung“ des § 133 BGB entsprechende Norm „für selbstverständlich erachtet und die Aufnahme in das BGB abgelehnt“, siehe dazu Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540. Dazu auch Flume, NJW 1983, 2007, 2008, der zugleich auf die explizite Verankerung der „falsa de-

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dennoch bestehende Forderung nach einer objektiven Stütze auf der Auslegungsebene, um einen vom Wortlaut abweichenden Erblasserwillen anzunehmen, widerspricht dieser Position und der sich daraus ergebenden Rechtsgeschäftslehre zur Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen. Im Wege der Auslegung gilt es zu klären, ob der konkrete Geschäftswille in der betreffenden Verfügung niedergelegt ist. Ist dies der Fall, wird der wahre Erblasserwille durchgesetzt. Sofern der Geschäftswille nicht herausgestellt werden kann, fallen Auslegungsergebnis und wahrer Wille hingegen auseinander, sodass diese Konstellation in den Anwendungsbereich der Irrtumsanfechtung mündet. Bei der Beurteilung dieser Fragestellung stellt die Rechtsgeschäftslehre aber nicht darauf ab, dass sich der Erblasserwille objektiv aus dem Wortlaut ableiten lassen muss, um als verankert zu gelten.127 Denn ob der auslegende Richter den wahren Willen herausstellen kann, beurteilt sich im Recht der Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen ausschließlich anhand von § 133 BGB, wonach ein solches Kriterium keine Rolle spielt. Dies belegt schon ein Blick auf den mit der Auslegungsnorm des § 133 BGB verbundenen Auslegungsauftrag, wonach der Richter für die Feststellung, ob die Erklärung den Geschäftswillen enthält, „nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks […] haften“ darf. Dies bestätigen auch etwa BGHZ 86, 41 sowie die „falsa demonstratio“-Regel. Stattdessen muss der Auslegende auf sämtliche Auslegungsmittel zurückgreifen, die ihm zur Verfügung stehen; der bloße Testamentswortlaut ist nicht mehr als nur ein erster Anhaltspunkt, wie BGHZ 87, 150 bereits im Kontext des Grundstückskaufvertragsrechts zutreffend hervorhob.128 Der dadurch vermittelte objektive Bedeutungsgehalt ist lediglich ein Indiz, dessen Gehalt durch verschiedenartiges weiteres Auslegungsmaterial angereichert wird, sodass am Ende des Auslegungsprozesses der wahre Erblasserwille steht. Da hier kein Vertrauensschutz besteht und es einzig und allein auf den der Erklärung im Testamentserrichtungszeitpunkt beigelegten Willen ankommt, ist für ein Andeutungskriterium im Recht der Auslegung einseitiger testamentarischer Verfügungen kein Raum.129 Das objektiv falsch Erklärte müsste also auch im Testamentsrecht als Erklärung des wirklich Gewollten ausreichen, um es als

monstratio“-Regel in der Schweiz (Art. 469 Abs. 3 ZGB) und in Italien (Art. 625 ital. cod. civ.) hinweist. 127 Deutlich auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 151: „Die Auslegung kann nämlich einen solchen Erblasserwillen ermitteln, der in der Testamentsurkunde gar keinen Niederschlag gefunden hat.“ 128 BGHZ 87, 150, 154 f. 129 So auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140 f.; siehe auch Flume, NJW 1983, 2007, 2008: „[F]ür die ,Andeutungtheorie‘ ist kein Raum.“

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Auslegungsergebnis anzuerkennen.130 Demzufolge ist Brox beizupflichten, wenn er konstatierte, dass „kein Grund ersichtlich“ ist, warum eine Falschbezeichnung „nicht in jedem Falle der Testamentsauslegung unschädlich sein soll, so daß der wirkliche Wille des Erblassers beachtet wird“.131 Zu klären bleibt, ob die speziellen Formvorschriften des Testamentsrechts nach einer Andeutung des wirklich Gewollten verlangen, um es trotz Falschbezeichnung zur Geltung zu bringen. Das wäre dann der Fall, wenn die Formzwecke bei einer versehentlichen Falschbezeichnung ohne eine zusätzliche Stütze für den wirklichen Willen im Wortlaut nicht gewahrt wären. Im Ergebnis stehen die mit der Testamentsform verbundenen Formzwecke der Anerkennung der (wirklichen) Unschädlichkeit der Falschbezeichnung hier aber ebenso wenig entgegen wie beim Grundstückskaufvertragsrecht.132 So ist die Warnfunktion bereits dadurch erfüllt, dass der Testator überhaupt die Formanforderungen des § 2247 BGB achtet. Denn selbst im Falle der Falschbezeichnung haben sie ihn dazu angehalten, wohl überlegte Gedanken über seine Erbfolge anzustellen. Dass der objektive Bedeutungsgehalt seinen wahren Willen nicht widerspiegelt, lässt umgekehrt nicht bereits auf eine leichtfertige Testamentserrichtung schließen. Möglicherweise war der Erblasser gar außerordentlich bemüht, das Richtige zu erklären und hat vor der Verwendung von (objektiv unzutreffenden) Rechtsbegriffen diesbezüglich aufwendige Recherchen angestellt. Die Warnfunktion ist daher auch bei einer Falschbezeichnung erfüllt. Diese Gedanken lassen sich auf das notarielle Testament übertragen. Denn unabhängig davon, ob der Erblasserwille objektiv zutreffend verschriftlicht wurde, ist die Warnfunktion durch den Gang zum Notar und dessen notarielle Beurkundung gewahrt. Die Bedeutsamkeit des Rechtsgeschäfts ist dem Erblasser hier also nicht entgangen.133 Auch die Beratungsfunktion der testamentarischen Formvorschriften steht der Anerkennung des wirklichen Erblasserwillens nicht entgegen. So spielt eine etwaige Belehrung beim privatschriftlichen Testament ohnehin schon keine Rolle, da der Erblasser dieses eigenständig errichtet. Doch selbst beim notariellen Testament, bei dessen Erstellung regelmäßig eine Beratung durch den Notar erfolgt, verhindert die Belehrung nicht per se eine Falsch-

130 Vgl. auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141; Flume, NJW 1983, 2007, 2008. 131 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141. 132 Die mit der Testamentsform verbundenen Zwecke wurden bereits oben dargestellt, auf die an dieser Stelle verwiesen wird, siehe dazu oben § 2 A. I. 2. a) cc) (2) (a), S. 40. 133 Ähnlich zur Warnfunktion Brox, JA 1984, 549, 553; vgl. Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 131 Rdnr. 4.

B. Bewertung

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bezeichnung im Testament, wie die Untersuchung gezeigt hat. Dabei ändert die in die Urkunde Einzug gefundene Falschbezeichnung nichts daran, dass die Unterrichtung stattgefunden hat. Der mit der Formvorschrift verbundene Zweck wird also nicht verfehlt.134 Ferner tritt die Tatsache hinzu, dass der Notar nicht in jedem Fall Kenntnis von dem wirklichen Erblasserwillen hat, da er ihm nicht zwingend geschildert worden sein muss. Stattdessen kann er dem Notar die niedergeschriebene testamentarische Verfügung nach § 2232 S. 1 Alt. 2, S. 2 Alt. 2 BGB verschlossen zur Verwahrung übergeben, sodass schon keine Belehrung stattfinden kann, was ausdrücklich vom Gesetzgeber toleriert wird.135 Dies belegt, dass die Belehrungspflicht bei den testamentarischen Formvorschriften nicht überschätzt werden darf.136 Weiterhin fordert die Klarstellungsfunktion keine Andeutung, weil auch dieser Zweck im Testamentsrecht keine allzu relevante Stellung einnimmt. Durch das Anerkenntnis des Gesetzgebers, privatschriftliche testamentarische Verfügungen wirksam errichten zu können, hat dieser Falschbezeichnungen ausdrücklich in Kauf genommen. Darüber hinaus bedarf es mangels schützenswerten Vertrauens Dritter auf den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt keiner Klarstellung.137 Denkbar erscheint jedoch, dass der Beweissicherungszweck nach einer Andeutung des wirklich Gewollten verlangt, um es trotz Falschbezeichnung zu verwirklichen. Im Ausgangspunkt ist zur Ergründung dessen, „was der Erblasser mit seinen Worten sagen wollte“,138 auf sämtliches, auch außerhalb der Urkunde anzutreffendes, Beweismaterial zurückzugreifen. Der Beweis des wirklich Gewollten kann also auch durch außerurkundliches Beweismaterial erbracht werden. Demzufolge ist der bloße Wortlaut lediglich als Indikator für den Erblasserwillen zu verstehen, wie § 133 BGB schon in aller Deutlichkeit vorschreibt und immer wieder durch die Rechtsprechung betont wurde. Was das Testament als solches zur Beweisführung hinsichtlich des in ihm niedergelegten Willens zu leisten vermag, darf daher nicht überschätzt werden.139 Scherer kritisiert den Gedanken hingegen, wenn die Durchsetzung des wirklich Gewollten ohne jeden Anhalt in der Testamentsurkunde zulässig

134

Brox, JA 1984, 549, 553; vgl. Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 131 Rdnr. 4. Siehe schon oben § 1 B., S. 1 und vgl. Fn. 65. 136 Brox, JA 1984, 549, 553: „[B]eim notariellen Testament spielt die Beratung durch den Notar keine große Rolle.“ 137 Ebenso Brox, JA 1984, 549, 553; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 131 Rdnr. 4. 138 BGH FamRZ 1987, 475, 476; NJW 1993, 256; NJW-RR 2002, 292. 139 Brox, JA 1984, 549, 554; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 142; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 71. 135

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wäre. Dies werde der „typische[n], besondere[n] Gefahrenlage“ beim Testament nicht gerecht. Da der Erblasser aufgrund seines Versterbens nicht zur Aufklärung beitragen könne, bleibe nur der Zeugenbeweis. Da es bei Erbstreitigkeiten allerdings keine „uninteressierten Zeugen“ gebe, sei dieser in seiner Qualität „äußerst unsicher“.140 Auf diese Problematik hat auch schon Brox hingewiesen. Er sieht ebenfalls die Gefahr, dass die Erben mit frei erfundenen Behauptungen über den wahren Erblasserwillen im Wege eines Erbschaftsprozesses überzogen und sie dann gegebenenfalls zu einem Vergleich bewogen werden oder gar den Rechtsstreit wegen von Erbprätendenten bestochenen Zeugen verlieren.141 Allerdings muss daran erinnert werden, dass entgegen Scherer der Zeugenbeweis nicht stets das einzig zur Verfügung stehende Beweismittel ist. So hat die Untersuchung gezeigt, dass zur Ermittlung des Auslegungsergebnisses verschiedenste Auslegungsmittel herangezogen werden. Hinzu tritt die Tatsache, dass die Andeutungstheorie keine Hilfestellung dabei bietet, zu entscheiden, welcher behauptete Sinngehalt dem Erblasserwillen tatsächlich entspricht. Sie bietet daher im Zusammenhang mit den von Brox und Scherer geäußerten Bedenken keinen Mehrwert. Da unter Vorhaltung eines bestimmten „Anhalts“ in der Urkunde – wie gezeigt – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung argumentiert werden kann, leistet die Andeutungstheorie keinen sinnvollen Beitrag dazu, welcher Argumentation Gehör geschenkt werden soll; bei entsprechender Phantasie bietet sie meist für beide Alternativen eine Stütze.142 Dass es der Andeutungstheorie zur Sicherung des Beweiszwecks nicht bedarf, verdeutlicht auch die Überlegung, dass der Gesetzgeber die Beseitigung der testamentarischen Verfügung wegen eines Motivirrtums weiträumig zulässt.143 Dies zeigt, dass auf legislativer Ebene bereits damit kalkuliert wurde, Beweise über die Motive des Erblassers zu erheben, die in der Urkunde keine Andeutung erfahren haben; immerhin sind solche für die erfolgreiche Anfechtung nicht nötig. Eine Hinterfragung des Testamentswortlauts im Hinblick auf

140

Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987, S. 75. 141 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 155. 142 Dazu schon oben § 4 B. I. 1. a) cc), S. 231 f. 143 Stumpf sieht die Anfechtungsvorschriften vor allem wegen der liberalen Anerkennung des Motivirrtums als einen Ausdruck der „uneingeschränkten Herrschaft der Privatautonomie des Erklärenden“, Stumpf, Erläuternde und ergänzende Auslegung letztwilliger Verfügungen im System privatautonomer Rechtsgestaltung. Zugleich ein Beitrag zur Abgrenzung von Anfechtung, Umdeutung und Wegfall der Geschäftsgrundlage, 1991, S. 145.

B. Bewertung

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außerhalb der Urkunde angesiedelte Aspekte sollte daher nicht ausgeschlossen werden.144 Schließlich muss erwähnt werden, dass der Verzicht auf eine Andeutung auch nicht das Risiko einer Verfälschung der Testamentsurkunde signifikant steigert. Denn das Andeutungserfordernis schützt nicht davor, dass Erbprätendenten den Testamentswortlaut zu ihren Gunsten verfälschen. Daher steht auch der Zweck des Verfälschungsschutzes nicht der (wirklichen) Unschädlichkeit der Falschbezeichnung im Wege.145 Weil der Testamentsurkunde ohnehin nur ein eingeschränkter Beweiswert beigemessen werden kann, steht auch dieser Beweiszweck der wirklichen Unschädlichkeit der Falschbezeichnung nicht entgegen.146 Die dargelegten Überlegungen zu den Zwecken der Testamentsform zeigen mithin, dass auch sie nicht nach einer Andeutung des wahren Erblasserwillens im Testamentswortlaut verlangen, damit dieser durchgesetzt wird.147 144

Brox, JA 1984, 549, 554; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4. Brox, JA 1984, 549, 554; vgl. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 153. 146 Brox, JA 1984, 549, 554; vgl. Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 153; Brox/ Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 132 Rdnr. 4. 147 Ebenso Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 153, der darauf verweist, dass es genügen müsse, „daß der Erblasser das, was er erklären wollte, beurkunden läßt bzw. in das eigenhändige Testament aufnimmt. Stellt sich dann heraus, daß er [der Erblasser] einem Erklärungs-, Inhalts- oder Motivirrtum zum Opfer gefallen ist, dann muß mit Hilfe der […] Auslegungsmethode dem wahren Willen des Erblassers zum Siege verholfen werden, und insoweit darf das Formproblem in keiner Weise hemmend im Weg stehen […].“ Siehe auch Brox, JA 1984, 549, 554; Flume, NJW 1983, 2007, 2008 f.; Bernard, Formbedürftige Rechtsgeschäfte. Inhaltsermittlung, Umfang und Fassung der Urkundenerklärung, 1979, S. 68 ff. A.A. Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band, 9. Aufl., 2004: „Mit der Andeutungstheorie ist ein sinnvoller Kompromiß zwischen den Geboten des Formzwangs und den Bedürfnissen der Auslegung formbedürftiger Erklärungen gefunden.“ Siehe auch Foerste, DNotZ 1993, S. 87, der sich für eine im Testamentsrecht dominierende Beweisfunktion stark macht, und für eine strengere Handhabung der Formvorschriften als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden plädiert. Scherer versucht hingegen, die unterschiedliche Rechtsprechung mit der oben beschriebenen „gefahrträchtigen, einseitigen Beweissituation“ im Testamentsrecht zu rechtfertigen. Die (wirkliche) Unschädlichkeit der Falschbezeichnung sei bei gegenseitigen Verträgen und den damit verbundenen Erfüllungsgeschäften sachgerecht, weil deren Risiko durch die dort zugrunde liegende Leistungsäquivalenz geschmälert sei, an der es im Testamentsrecht fehle, Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987, S. 71 ff., 83 ff., 92 ff. Diese Argumentation muss bezweifelt werden. Denn vor dem Hintergrund der mit der Andeutungstheorie verbundenen Probleme erscheint sie als ungeeignetes Mittel, um die „einseitige Beweissituation“ zu regulieren, so auch Häsemeyer, AcP 188 (1988), 427, 428. 145

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ee) Zusammenfassung Vor dem Hintergrund der mit der Andeutungstheorie verbundenen Schwierigkeiten ist sie zur Begrenzung der Beweiswirkung abzulehnen. Sie lässt keinen Mehrwert erkennen und erfüllt die mit ihr verfolgte Funktion nicht. Da die Andeutungstheorie im Zuge des fortschreitenden Bestrebens, das erbrechtliche Willensdogma verstärkt zur Geltung zu bringen, fortwährend verwässert und teils durchbrochen wurde, sollte sich das deutsche Recht vom Kriterium einer „irgendwie gearteten“ Verankerung des Erblasserwillens im Testamentswortlaut im Sinne einer ehrlichen und vorhersehbaren Rechtsanwendung distanzieren.148 b) Alternativkriterium zur formellen Begrenzung der Beweiswirkung Es wurde gezeigt, dass die vom deutschen Recht zur Begrenzung der Beweiswirkung verwendete Andeutungstheorie nicht überzeugen kann. Im Folgenden wird untersucht, ob sich überhaupt ein Kriterium finden lässt, das diese Funktion sachgerecht ausübt. Wie bereits erwähnt, sind denkbare Alternativmodelle nur rar gesät. Mit Blick auf eine Andeutungsvoraussetzung könnte zwar daran gedacht werden, die Konturen der deutschen Andeutungstheorie zu schärfen, allerdings stellt dies ein Unterfangen dar, das von vornherein nicht gelingen kann. Dabei belegen nicht nur die zahlreichen Wendungen der deutschen Rechtsprechungspraxis in Bezug auf das Andeutungskriterium, dass es nicht klarer gezeichnet werden kann; auch den bisherigen Reformvorschlägen des Schrifttums ist in dieser Hinsicht kein Durchbruch gelungen.149 Wann noch von einer hinreichenden objektiven Stütze ausgegangen werden kann, lässt sich wegen der Vielzahl der denkbaren Diskrepanzkonstellationen und der unzähligen Ausgestaltungsformen testamentarischer Anordnungen, die allesamt in einen unterschiedlichen Gesamtkontext eingebettet sind, schlicht nicht näher konturieren. Wollte man hier einen rechtssichereren Kurs einläuten, müsste das Andeutungskriterium deutlich restriktiver gehandhabt werden, indem es sich streng an dem ursprünglichen Testamentstext und der Referenz des natürlichen Verkehrssprachgebrauchs orientieren müsste. Unabhängig vom Gesamtkontext des Testaments dürfte einem Begriff dann nur noch derjenige Sinngehalt entnommen werden, der mit dem objektiven Sprachgebrauch kompatibel wäre. Ein solches Ausblenden des Gesamtkontexts erscheint jedoch mit Blick auf das Interesse des Erblassers an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens bedenklich. Dies würde die Wirkung des

148 149

Zu einer denkbaren Verbesserung der Rechtslage noch unten § 5 C. I. 1., S. 291 ff. Dazu ausführlich noch unten § 5 B., S. 280 ff.

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außerurkundlichen Beweismaterials erheblich beschränken, was vor dem Hintergrund, dass ein Rückgriff hierauf zur Willensaufklärung oft unentbehrlich ist, nicht überzeugen kann. Ein restriktiv-textorientiertes Andeutungskriterium würde daher einen erheblichen Rückschritt bedeuten. Indem es an einer Figur fehlt, die hier zufriedenstellend eine moderierende Funktion übernimmt, kommt an Stelle dessen eine Beweisverwertungsregelung in Betracht, die zwischen (verhältnismäßig) sicheren und unsicheren Beweisquellen differenziert und entsprechend hierauf reagiert. In diesem Zusammenhang könnte überlegt werden, Anleihen bei der englischen sec. 21 AoJA 1982 zu nehmen, mit der funktional ebenfalls ein gewisses Misstrauen in die Beweisstrenge ausgedrückt wird. Immerhin klammert sie evidence of the testator’s intention, also Beweismaterial, mit dem sie Unsicherheiten verbindet,150 für die Ermittlung des wahren Willens grundsätzlich aus. Hiervon betroffen sind insbesondere Zeugenaussagen, die sich auf eine Kundgabe des Erblassers in Bezug auf seine Anordnung beziehen. Demgegenüber wären alle anderen Zeugenaussagen jedoch von Anfang an verwertbar, also etwa solche, die auf den Erblasser rekurrieren, um bspw. einen besonderen Sprachgebrauch seinerseits darzulegen. Damit haftet der Norm aber ein Effizienzmanko an, indem sie die per se unsichere Beweisquelle in Form der Zeugenaussage nicht generell ausschließt, sondern teilweise weiterhin zulässt. Dabei trägt auch das von ihr angestellte Unterscheidungskriterium – Zeugenaussage in Bezug auf den Erblasser oder eine durch ihn getätigte Äußerung mit Blick auf seine Anordnung – nicht, weil die erste nicht verlässlicher als die letztere ist, wodurch das verfolgte Ziel verfehlt wird. Hinzu tritt, dass die Regelung nicht nur Zeugenaussagen, sondern etwa auch Schriftstücke des Testators von der Verwertung grundsätzlich ausnimmt, die Aufschluss über den wahren Bedeutungsgehalt seiner Verfügung geben. Auch dies kann nicht überzeugen, weil solche Dokumente – sofern sie überhaupt vorhanden sind – ein außerordentlich relevantes Mosaikstück im Zusammenhang mit der Aufklärung der wahren Intention bilden. Dass hier ein Fälschungsrisiko besteht, kann zwar nicht geleugnet werden, jedoch darf dies nicht ausschlaggebend sein. Immerhin haftet dieses nahezu jeglichem Beweismittel an. Das gilt auch und vor allem mit Blick auf die eigentliche Testamentsurkunde. Ginge es hiernach, müsste beinahe jeder Beweisquelle der Beweiswert versagt werden. Ein solch abgestuftes Beweissystem kann ferner vor dem Hintergrund nicht überzeugen, dass im testamentsrechtlichen Kontext in aller Regel ohnehin nicht aus einer Fülle an Beweismaterial geschöpft werden kann, sondern solches vielmehr rar gesät ist. Es darf sich

150 In Bezug auf Zeugenaussagen deutlich Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749, 779, per Lord Hoffmann, dazu bereits oben § 3 B. II. 6. a), S. 184 f. (Fn. 434).

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nicht davor verschlossen werden, dass das wichtigste Beweisstück zwar das Testament selbst ist, dieses für sich genommen jedoch häufig nicht Aufschluss über das wirklich Gewollte gibt, sodass für dessen Aufklärung die Verwertung von außerurkundlichem Beweismaterial unentbehrlich ist. Letztlich kann nicht pauschal beurteilt werden, welches davon (verhältnismäßig) sicher ist und welches wiederum nicht. Die konkreten Umstände sind zu unterschiedlich, als dass eine Beweisverwertungsregelung anhand dieser Unterscheidung operieren sollte. Das begrenzt verfügbare Beweismaterial muss vielmehr umfänglich durch die freie richterliche Beweiswürdigung ausgewertet und gewichtet werden. Es ist die Aufgabe des verhandelnden Richters, sich sein eigenes Bild im Einzelfall darüber zu machen, welche Beweisquelle überzeugt. Dies kann nicht auf eine Beweisverwertungsregelung übertragen werden, die abstrakt-typisierend Beweismaterial vorbewertet und den verfügbaren Tatsachenstoff künstlich verknappt. Daher erscheint ein abgestuftes Beweissystem, in welcher Ausgestaltung auch immer, im hiesigen Kontext nicht überzeugend. Letztlich könnte noch daran gedacht werden, eine Klage, die auf die Durchsetzung eines vom Wortlaut abweichenden realen Erblasserwillens gerichtet ist, fristgebunden auszugestalten. Dabei würde es sich um eine Begrenzung der Beweiswirkung im weiteren Sinne handeln, weil dem Tatsachenstoff generell mit Fristablauf die Wirkung entzogen wäre. Allerdings würde sich dann dieselbe Abgrenzungsproblematik wie bei der Andeutungstheorie stellen: Es käme nämlich darauf an, ob sich die betreffende Klage auf eine vom Urkundentext abweichende Deutung stützt und damit nur innerhalb einer bestimmten Frist erhoben werden kann oder aber einen Sinngehalt geltend macht, der (noch) mit dem Wortlaut vereinbar ist, sodass der Kläger keine Frist wahren muss. Damit wäre also erneut auf das untaugliche Abgrenzungskriterium der objektiven Vereinbarkeit mit dem Wortlaut abgestellt, weshalb dies abzulehnen ist. Darüber hinaus kann auch nicht die Überlegung überzeugen, sämtliche Klagen, die auf die Durchsetzung des realen Willens gerichtet sind, an eine Frist zu koppeln. Dies wäre nicht nur für Erbprätendenten, sondern auch und erst recht für die staatlichen Gerichte mit Blick auf die unvermeidlich aufkommende Prozessflut impraktikabel.151

151

Dementsprechend kann der Vorschlag von Brox, sämtliche Klagen, die auf eine vom Wortlaut abweichende Testamentsauslegung gestützt werden, an eine Frist zu binden, nicht überzeugen, siehe zu diesem Ansatz Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 158 f. Im Sinne einer differenzierteren Betrachtung erscheint aber die Befürwortung einer Fristgebundenheit im Kontext der Verwirklichung eines irrealen Erblasserwillens sachgerecht, dazu noch unten § 4 B. III. 2., S. 254 ff.

B. Bewertung

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2. Notwendigkeit einer formalisierten Beweisstrenge Neben dem Fehlen eines schlüssigen Kriteriums, das die Beweiswirkung begrenzt, liefert auch der Kurs des englischen common law einen Impuls, den Ansatz des deutschen Rechts kritisch zu hinterfragen. Dieser soll zunächst noch einmal kurz umrissen werden, bevor sich im Anschluss daran mit der übergeordneten Fragestellung auseinandergesetzt wird, ob es einer formalisierten Beweisstrenge überhaupt bedarf oder nicht doch ein Vertrauen in die allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln vorzugswürdig erscheint. Die Untersuchung hat gezeigt, dass das englische Recht die Durchsetzung des realen Willens nunmehr zur Beweisfrage erhoben hat und demzufolge grundsätzlich keine Begrenzung der Beweiswirkung (mehr) vornimmt.152 Dieses Resultat fußt einerseits auf einer Liberalisierung der rewritingGrenze, mit der der englische Ansatz die Reichweite der interpretation beschränkt. Andererseits entfaltet die Beweisverwertungsregelung der sec. 21 AoJA 1982 in der Rechtspraxis keine begrenzende Wirkung hinsichtlich des heranziehbaren Tatsachenmaterials. Mit Blick auf den erstgenannten Aspekt hat die rewriting-Grenze in der modernen interpretation-Methodik einen deutlich geringeren Stellenwert als die Andeutungstheorie im deutschen Auslegungssystem. Nach dem modern contextual approach wird sie nicht ansatzweise so prominent in Rechtsprechung und Schrifttum behandelt wie ihr deutsches funktionales Äquivalent und wurde mit der Anerkennung einer Auslegung gegen den Wortlaut erheblich aufgeweicht. Dadurch hat sie in der jüngeren Rechtsprechung kaum

152

Anders noch in Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905, 911, per Nicholls. J.: „[I]t is necessary to keep in mind the purpose of section 21. Section 21 is concerned with the admission of evidence as an aid to construction. Subsection (2), when read with the material paragraph (paragraph (b)) of subsection (1), provides that in so far as the language used in any part of a will is ambiguous on the face of it, extrinsic evidence, including evidence of the testator’s intention, may be admitted to assist in its interpretation. The evidence may assist by showing which of two or more possible meanings a testator was attaching to a particular word or phrase. „My effects“ and „my money“ are obvious examples. That meaning may be one which, without recourse to the extrinsic evidence, would not really have been apparent at all. So long as that meaning is one which the word or phrase read in its context is capable of bearing, then the court may conclude that, assisted by the extrinsic evidence, that is its correct construction. But if, however liberal may be the approach of the court, the meaning is one which the word or phrase cannot bear, I do not see how in carrying out a process of construction – or interpretation, to use the word employed in section 21 – the court can declare that meaning to be the meaning of the word or phrase. Such a conclusion, varying or contradicting the language used, would amount to re-writing part of the will, and that is a result to be achieved, if at all, under the rectification provisions in section 20.“ Siehe aber die oben skizzierte Diskussion um sich etwaig anbahnende restriktivere Tendenzen im Recht der Vertragsauslegung, § 3 A. I. 2. b) dd), S. 139 ff.

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noch Bedeutung.153 Jedoch verbietet das englische Recht nicht per se ein rewriting, sondern erlaubt dies ausdrücklich über die rectification. Daher kann in Fällen von Erklärungs- und Übermittlungsirrtümern sogar eine gänzlich neue Verfügung gemäß sec. 20(1)(a) AoJA 1982 (clerical error) in das Testament transportiert werden, sodass das englische Recht in diesen Fällen vollumfänglich auf die Beweisstrenge vertraut und die Beweiswirkung nicht begrenzt.154 Damit misstraut das liberale englische common law der Beweisstrenge funktional lediglich in dem Fall, dass ein missverstandener Begriff zum Fehlen einer Anordnung führt, weil deren Implementierung weder über die interpretation noch über die rectification erreicht werden kann. Diese Fallkonstellation ist allerdings nur schwer vorstellbar und bisher auch noch nicht vorgekommen, sodass es sich um eine theoretische Beobachtung handelt. Hinsichtlich des zweitgenannten Umstands ist zu konstatieren, dass das englische Recht mit der Beweisverwertungsregelung sec. 21 AoJA 1982 zwar ebenfalls ein gewisses Misstrauen in die Beweisstrenge ausdrückt, allerdings hat die Untersuchung einerseits gezeigt, dass der Anwendungsbereich der Regelung in den hier in Rede stehenden Konstellationen ohnehin erfüllt sein dürfte,155 und andererseits, dass sie die Rechtsprechung nur inkonsequent anwendet, indem sie die Beweiskategorie auch ohne Rückgriff auf die Norm verwertet. In der Rechtspraxis führt die Regelung daher nicht dazu, dass das verfügbare Beweismaterial zur Ermittlung des Erblasserwillens begrenzt wird. Dies deckt sich auch mit der Ausgestaltung des rectification-Tatbestands, bei dem von vornherein keine Restriktion hinsichtlich des Tatsachenstoffs besteht. Im gelebten englischen Recht ist die Beweisverwertungsregelung daher vernachlässigungsfähig, weshalb auch den zuvor gegen sie geäußerten Bedenken aus rechtspolitischer Sicht156 keine praktische Relevanz beizumessen ist. Im Ausgangspunkt erscheint es jedoch nicht unbedenklich, die Durchsetzung der tatsächlich vorhandenen Erblasserintention als reine Beweisfrage zu behandeln, sodass die dahingehende Skepsis des deutschen Rechts zunächst nachvollziehbar wirkt. Eine bedeutende Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass sich die Beweisführung in der Rechtspraxis nicht einfach gestaltet, was der Erblasser mit seinen Worten tatsächlich ausdrücken wollte.157 Anders als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden tritt hier 153

Zur rewriting-Grenze ausführlich bereits oben § 3 A. I. 3., S. 149 ff. Zu dieser erhöhten Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens ebenfalls noch unten § 4 B. II., S. 246 ff. 155 Jedenfalls über sec. 21(1)(c) AoJA 1982, siehe oben § 3 A. I. 2. b) cc) (2), S. 133 f. 156 Siehe zuvor § 4 B. I. 1. b), S. 238 f. 157 Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 333; Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 9. Aufl., 2004, S. 537 Rdnr. 97. 154

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nämlich die erschwerende Besonderheit auf, dass der zentrale Akteur, also der Erklärende, nicht mehr vernommen werden kann. Immerhin ist der Erblasser, der nicht nur die ergiebigste, sondern zugleich auch die sicherste Beweisquelle ist, meist bereits verstorben, wenn die Frage nach dem wahren Testamentsinhalt aufkommt. Indem er als bedeutende Informationsquelle zur Aufdeckung seines wahren Willens ausfällt, bleibt nur der Rückgriff auf anderes Beweismaterial, das im Zweifel rar gesät ist. Stets ist dabei die Gefahr omnipräsent, dass die betreffende Beweisquelle gefälscht wurde oder aber eine Zeugenaussage nicht der Wahrheit entspricht. In diesem Kontext ist nicht von der Hand zu weisen, dass die meisten Zeugen, die sich in der Erbstreitigkeit zu Wort melden, ein Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens haben, wie schon etwa Lord Hoffmann in Mannai158 hervorhob.159 Neben den Fällen einer bewussten Falschaussage besteht aber auch das Risiko einer unbewussten, was die Wahrscheinlichkeit einer Zeugenaussage, die nicht der tatsächlichen Sachlage entspricht, noch einmal erhöht.160 Infolge einer Gesamtabwägung der hier einschlägigen Besonderheiten erscheint das englische Modell, das die Fälle des vom Wortlaut abweichenden realen Erblasserwillens und dessen Durchsetzung grundsätzlich als reine Beweisfrage behandelt und damit auf ein schwer fassbar zu machendes formelles Kriterium verzichtet, jedoch überzeugender. Hierfür streitet allen voran das überragende Interesse des Testators an der unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens. Der Erblasser, der sich dazu entscheidet, sein zu Lebzeiten erwirtschaftetes und erhaltenes Vermögen an eigens von ihm bestimmte Personen testamentarisch zuzuwenden, vertraut darauf, dass der Nachlass im Anschluss an den Erbfall gemäß seinen Wünschen verteilt wird. Wird dieses Vertrauen durch die Rechtsordnung erschüttert, indem sie die Durchsetzung des einwandfrei nachgewiesenen Erblasserwillens an einem Modell einer formalisierten Beweisstrenge scheitern lässt, ist die dadurch eintretende Enttäuschung irreparabel. Anders als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden ist es dem Erblasser wegen der besonderen Umstände verwehrt, die ursprüngliche Erklärung durch Anfechtung zu beseitigen und eine neue, die nun seinem wirklichen Willen entspricht, abzugeben. Diesem Defizit muss die Rechtsordnung begegnen. Hierfür spricht auch, dass sich der Gesetzgeber schon im Entstehungsprozess des BGB für eine verstärkte Berücksichtigung des erbrechtlichen Willensdogmas 158

Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749. Siehe zuvor § 3 A. II. 6. a), S. 184 (Fn. 434). In diese Richtung auch Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987, S. 75; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 155. 160 Siehe oben § 3 A. II. 6. a), S. 184 (Fn. 434). 159

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ausgesprochen hat.161 Dieses gesetzgeberische Ziel gilt es umzusetzen, indem dem wahren Erblasserwillen ein besonderes Gewicht beigemessen werden muss. Er muss sich im Zweifel eher durchsetzen als jedwede andere rechtsgeschäftliche Intention. Hierfür spricht auch, dass es sich bei einseitigen testamentarischen Verfügungen um keine Verkehrsgeschäfte handelt und somit kein Vertrauensschutz in den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt besteht. Der Testamentswortlaut ist damit nicht mehr als ein bloßes Indiz für den darin enthaltenen Willen, der diesen nicht zwingend objektiv zutreffend wiedergibt. Bestätigung findet dies durch die Auslegungsmaxime des § 133 BGB, die dem Rechtsanwender aufgibt, nicht am buchstäblichen Sinn zu haften, was die Rechtsprechung immer wieder bestätigt hat, auch im Zusammenhang mit der „falsa demonstratio“-Regel. Dies macht zwangsläufig den Rückgriff auf außerurkundliches Beweismaterial nötig, weshalb es widersinnig wäre, ihm im Einzelfall die Beweiswirkung abzusprechen. Hier sollte vielmehr dem zivilprozessualen Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung vertraut werden, der dem Richter gemäß § 286 ZPO die individuelle Gewichtung der vorgebrachten Beweismittel aufgibt. Dabei sei betont, dass stets ein hoher Beweisstandard zu erfüllen ist. Ein behaupteter Erblasserwille führt also keineswegs zur leichtfertigen Durchsetzung. Vielmehr muss die Beweisqualität so hoch sein, dass der Richter von dem vom Wortlaut abweichenden wahren Willen überzeugt ist. Darüber hinaus ist es inkonsequent, der Beweiswirkung im Rahmen der Irrtumsanfechtung keine formelle Grenze zu ziehen und somit bei entsprechender Beweislage per se die Beseitigung der Anordnung zuzulassen, dort also dem Tatsachenmaterial vertraut, während man sie im Kontext der Auslegung beschränkt und damit die Willensdurchsetzung vereitelt.162 Letztlich muss ins Feld geführt werden, dass die Testierfreiheit des Erblassers, die ihm die Erstellung einer testamentarischen Anordnung überhaupt erst ermöglicht und dadurch das Vertrauen erweckt, dass der Nachlass nach seinen Wünschen verteilt wird, ein hohes Gut ist, das letztlich auch verfassungsrechtlich garantiert ist.163 Ihr muss entsprechende Bedeutung beigemessen und das hierin bestehende Vertrauen geschützt werden, was erneut eine verstärkte Berücksichtigung des bewiesenen

161

Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 24, 45; ähnlich Protokolle, in: ebd., S. 538: „Leitender Grundgedanke […] ist, daß bei letztwilligen Verfügungen das Willensdogma strenger zur Durchführung gebracht werden muß als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden.“ Siehe auch Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 401. 162 So auch Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., 1992, S. 333. 163 Zur Testierfreiheit schon oben § 1 A., S. 1 (Fn. 2). Sie zählt zum „Wesensgehalt“ des Erbrechts, siehe nur Papier/Shirvani, GG-Komm., 86. EL., Jan. 2019, Art. 14 Rdnr. 412.

B. Bewertung

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Erblasserwillens einfordert. Ihr Stellenwert darf nicht konterkariert werden, indem die Beweisstrenge formalisiert und schließlich die Durchsetzung der verankerten Intention vereitelt wird. Somit streiten all die vorstehenden Aspekte dafür, auf ein schwer fassbares und nicht überzeugendes formelles Kriterium zu verzichten, das die Beweiswirkung begrenzen würde. Stattdessen sollte nach dem Vorbild des englischen Rechts auf die ordnungsgemäße Beweiserhebung und -verwertung nach den allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln und damit auf die Beweisstrenge vertraut werden. 3. Zusammenfassung Das deutsche Recht begrenzt die Beweiswirkung durch das formelle Kriterium der Andeutungstheorie. Selbst wenn der reale Erblasserwille einwandfrei nachgewiesen ist, scheitert dessen Durchsetzung, wenn er keine hinreichende Stütze im Testamentswortlaut findet. Die Untersuchung hat gezeigt, dass dies nicht überzeugen kann. Der Andeutungstheorie fehlen jegliche Konturen, sodass sie als ein im Einzelfall in ihrem Ergebnis unvorhersehbares Kriterium über die Verwirklichung des Erblasserwillens richtet. Neben der mangelnden Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung wurde dargelegt, dass die Anwendung der Andeutungstheorie in der Rechtspraxis inkonsequent erfolgt und ihre damit verbundenen Durchbrechungen der Forderung nach einer hinreichenden Stütze nicht gerechtfertigt sind. Das gilt sowohl für die unterschiedliche Behandlung der Fälle unbewusster Falschbezeichnungen im Grundstückskaufvertrags- und Testamentsrecht als auch für die in letzterem stattfindende Differenzierung zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen. Ferner wurde gezeigt, dass das Andeutungskriterium ineffizient ist. Es ist nicht dazu in der Lage, Erbstreitigkeiten effektiv zu unterbinden und kann erst recht nicht wirksam zwischen berechtigten und unberechtigten Parteivorbringen differenzieren. Nachdem schließlich dargelegt wurde, dass es dem Andeutungskriterium weder aus Gründen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre noch der durch die Formvorschriften vermittelten Zwecke bedarf, wurde sich für dessen Verwerfung ausgesprochen. Überzeugende Alternativkriterien zur Formalisierung der Beweisstrenge konnten indes nicht gefunden werden. Ausgehend hiervon sowie von einem Blick auf das englische Recht, das die Durchsetzung des realen Erblasserwillens grundsätzlich zu einer Beweisfrage erklärt, hat sich die Untersuchung damit auseinandergesetzt, ob es überhaupt einer formellen Begrenzung der Beweiswirkung bedarf. Infolge einer Gesamtabwägung hat sich die Arbeit diesbezüglich ablehnend positioniert und stattdessen für ein Vertrauen in die Beweisstrenge im Zivilprozess plädiert.

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§ 4 Rechtsvergleich

II. Verstärkte Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens in Sonderfällen Für bestimmte Sonderkonstellationen, namentlich in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen und Übermittlungsfehler, weist der englische Lösungsansatz eine höhere Durchsetzungseffektivität hinsichtlich des vom Wortlaut abweichenden realen Erblasserwillens auf als die deutsche Rechtsordnung. Diese Beobachtung soll nachfolgend näher ausgeleuchtet werden. 1. Konstellationen fehlgegangener Erklärungszeichen Die Untersuchung der Problemlösungsansätze hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit der Willensverwirklichung in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen in England deutlich höher als in Deutschland ist. Das englische common law kann hier sowohl mit Hilfe der interpretation als auch der rectification gemäß sec. 20(1)(a) AoJA 1982 (clerical error) den realen Erblasserwillen umsetzen. Sofern die betreffenden Voraussetzungen erfüllt sind, setzt es den wahren Willen trotz fehlgegangenen Erklärungszeichens um. Im Wege der rectification kann dabei gar eine vollkommen neue Verfügung implementiert werden. Vor dem Hintergrund des Interesses des Erblassers an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens erscheint der englische Ansatz mit seiner ausschließlich reformierenden Wirkung begrüßenswert. Überzeugender wäre es aber noch, wenn diese Antwort nicht nur speziell für die Fälle fehlgegangener Erklärungszeichen und Übermittlungsfehler bereitgestellt wäre, sondern auch für andere Diskrepanzursachen. Obwohl die erstgenannten Szenarien als „gröbere Fehler“ gelten,164 erscheint doch die konkrete Divergenzquelle als zufällig und die Selektivität des englischen common law demzufolge nicht sachgerecht. Demgegenüber reagiert das deutsche Recht im Wege der Auslegung und der Irrtumsanfechtung gemäß § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB auf diese Diskrepanzursache. Allerdings wurde der Verdacht geäußert, dass die Durchsetzung des Erblasserwillens durch die Auslegung oftmals nicht gelingen wird, weil die Andeutungstheorie bei der typischerweise zu erwartenden Erscheinungsform der Urkunde zu keiner differenzierten und sachgerechten Lösung führt.165 Betrifft das fehlgegangene Erklärungszeichen den Anordnungsinhalt unmittelbar, ist davon auszugehen, dass hier in aller Regel keine weiteren Anhaltspunkte in der Testamentsurkunde für das wirklich Gewollte verankert sind und demzufolge dessen Umsetzung am Andeutungserfordernis scheitert. In diesen Fällen würden Auslegungsergebnis und wahrer Wille daher auseinanderfallen, sodass der Anwendungsbereich der Irrtumsanfech164 165

Ebenso Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 20. Siehe oben § 4 A. III. 2., S. 216 f.

B. Bewertung

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tung eröffnet wäre. Weil deren bloß kassatorische Rechtsfolge im Erfolgsfall in aller Regel kein Ergebnis hervorruft, das sich mit dem originären Erblasserwillen deckt – und eine Kongruenz doch eher dem Zufall entspringt –,166 dürfte die Chance der Verwirklichung des wahren Erblasserwillens in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen im Ergebnis besonders niedrig sein. In diesen Fallgestaltungen würde sich das deutsche Recht daher als besonders ineffektiv erweisen, wenn es um die unverfälschte Willensdurchsetzung geht. Im Kontrast dazu hat die Untersuchung zeigen können, dass der wegen eines falsch verstandenen Begriffs vom Wortlaut abweichende Wille in aller Regel im Wege der Auslegung durchgesetzt wird, weil sich dort regelmäßig eine Andeutung für das wirklich Gewollte aus dem Gesamtkontext des Testaments finden lässt. Würde sich der geäußerte Verdacht bestätigen, bedeutete dies eine faktische Differenzierung zwischen den beiden Diskrepanzursachen im deutschen Recht, die bereits wegen ihrer Systemwidrigkeit nicht zu überzeugen vermag. Eine derartige Unterscheidung ist dort nämlich nicht angelegt. Der Rechtsanwendungsprozess der Auslegung verläuft in beiden Fällen gleich, weil es jeweils um die Präzisierung eines tatsächlich gebildeten Willens geht. Die Auslegungsebene belässt schon gar keinen Raum dafür, eine Unterscheidung dahingehend anzustellen, um welche Diskrepanzursache es sich in concreto handelt. Vielmehr spielt eine derartige Klassifizierung dort überhaupt keine Rolle. Was die Anfechtung anbelangt, so differenziert diese demgegenüber zwar durchaus zwischen Erklärungs- und Inhaltsirrtümern, knüpft daran aber jeweils dieselbe Rechtsfolge. Die dort anzutreffende Unterscheidung wirkt sich daher nicht aus, weshalb sie aus funktionaler Perspektive gar dahinstehen könnte.167 Die unterschiedliche Beurteilung der beiden Fälle erfolgt indes nicht gezielt, sondern stellt sich als unbeabsichtigter Reflex des Andeutungserfordernisses heraus, das bei der typischerweise zu erwartenden Gestalt einer Testamentsurkunde, die fehlgegangene Erklärungszeichen beinhaltet, keine sachgerechte Hilfestellung bieten kann. Letztlich bewirkt die Andeutungstheorie hier eine ungerechtfertigte mittelbare Benachteiligung des wahren Erblasserwillens bei dessen Umsetzung. Sieht man die Fälle fehlgegangener Erklärungszeichen als „gröbere Fehler“ an,168 erscheint das diesbezüglich verringerte Schutzniveau des deutschen Rechts aus rechtspolitischer Perspektive besonders bedenklich. Obwohl sich die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung des Erblasserwillens in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen in Deutschland deutlich von der in England unterscheiden dürfte, sei vor einer Überbewertung der

166

Siehe oben § 2 A. II. 4., S. 92 f. So auch Otte, Staudinger BGB, Neubearbeitung 2013, § 2078 Rdnr. 12. 168 Ebenso Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 20.

167

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§ 4 Rechtsvergleich

theoretischen Analyse gewarnt. Die deutsche Rechtsordnung verdient zwar Kritik, wenn sie mit der Andeutungstheorie eine moderierende Figur heranzieht, die in ihrer Rolle versagen und dadurch zu einer mittelbaren Schlechterstellung des Erblasserwillens in Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen führen würde, die in ihrem Rechtssystem so nicht angelegt ist. Dies darf allerdings nicht überschätzt werden, weil sich weder in der deutschen noch in der englischen Rechtsordnung bisher Fälle ereignet haben, in denen sich ein Erblasser tatsächlich bspw. verschrieben hat und dies Auswirkungen auf den Anordnungsinhalt gehabt hätte, sodass es letztlich zu einer Diskrepanz zwischen Wille und Wortlaut gekommen wäre. Demzufolge ist dem in diesem Zusammenhang besonders effektiven Lösungsansatz des englischen common law auch nur ein begrenzter praktischer Mehrwert zu entnehmen. Unabhängig davon überzeugt aber dessen Positionierung zugunsten des wahren Erblasserwillens. 2. Konstellationen von Übermittlungsfehlern Eine vergleichbare Rechtslage ist bei Divergenzfällen zwischen Wortlaut und realem Willen anzutreffen, die auf Übermittlungsfehler zurückzuführen sind. Das deutsche Recht begegnet ihnen mit der erläuternden Auslegung und der Irrtumsanfechtung gemäß § 2078 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Sofern die Willensverwirklichung im Wege der richterlichen Auslegung scheitert, bleibt also nur die zur Disposition gestellte Kassation der testamentarischen Anordnung, die in aller Regel nicht zur Verwirklichung des wahren Willens führt.169 Im Unterschied dazu stellt das englische common law hier neben der interpretation zusätzlich auch die rectification gemäß sec. 20(1)(b) AoJA 1982 (failure to understand his instructions) bereit. Zumindest formal betrachtet reagiert es also erneut umfassend reformierend und begegnet dem realen Erblasserwillen demzufolge mit höchster Durchsetzungseffektivität, immerhin kann im Wege der rectification gar eine vollkommen neue Verfügung implementiert werden. In diesem Zusammenhang ist zunächst zu konstatieren, dass sich die zusätzliche Bereitstellung des rectification-Tatbestands für die hier in Rede stehende Diskrepanzkonstellation konsequent in das englische Recht einfügt. Immerhin sind Übermittlungsfehler funktional mit fehlgegangenen Erklärungszeichen vergleichbar, die durch sec. 20(1)(a) AoJA 1982 erfasst werden. Darüber hinaus erscheint die Erstreckung der erhöhten Durchsetzungseffektivität auf diese Konstellationen auch vor dem Hintergrund nachvollziehbar, dass der durchschnittliche Erblasser im Falle der professionellen Testamentserrichtung darauf vertraut, dass das auf diesem Wege erstellte Testament zumindest seine Instruktionen zutreffend wiedergibt. Wird dieses Ver169

Dazu ausführlich noch unten § 4 B. IV. 2., S. 262 ff.

B. Bewertung

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trauen durch den testamentserrichtenden Dritten enttäuscht, an den der Erblasser die Erstellung des Testaments „ausgelagert“ hat, soll der Testator hierbei nicht das Risiko tragen.170 Allerdings darf der Wert des ergänzend zur Verfügung gestellten rectification-Tatbestands in diesem Kontext nicht überschätzt werden. Allen voran muss dabei angeführt werden, dass solche Übermittlungsfehler, soweit ersichtlich, bisher nur selten in der Rechtspraxis aufgetreten sind.171 Darüber hinaus relativiert sich die Bedeutung des Instruments bei genauerem Hinsehen erheblich. Denn ungeachtet dessen, wie weit die Rechtsprechung den bisher kaum herangezogenen Tatbestand der sec. 20(1)(b) AoJA 1982 überhaupt zeichnet,172 dürfte sich dessen Anwendung in der Rechtspraxis schwie170 Sofern die Willensdurchsetzung nicht im Wege der Auslegung gelingt, verfolgt auch das deutsche Rechtssystem einen ähnlichen Gedanken. Denn es stellt dem Erbprätendenten mit dem verschuldensabhängigen Amtshaftungsanspruch gegen den Notar, der das Testament errichtet hat, gemäß § 19 BNotO einen Schadensersatzanspruch zur Verfügung, der den Ausgleich des Vermögensschadens ermöglicht, den der Erbprätendent durch die fehlerhafte Testamentserrichtung erlitten hat. Der deutsche Erbprätendent wird in diesen Fällen also nicht nur auf die kassatorische Irrtumsanfechtung verwiesen. Der Anspruch aus § 19 BNotO hat jedoch einerseits den Nachteil, dass er kein etwaiges Affektionsinteresse ausgleicht, sondern nur wirtschaftlich messbare Vermögenseinbußen. Andererseits fängt das Anspruchsziel des Amtshaftungsanspruchs nur ein sekundäres Interesse des enttäuschten Erbprätendenten auf, das nicht dem originären Erblasserwillen entspricht, und demzufolge hier nicht näher zu thematisieren ist, siehe dazu oben § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 34 f. (Fn. 115) und unten § 5 C. II. 1., S. 306 f. Zum Schutz von Affektionsinteressen bei Leistungsstörungen im englischen und deutschen Recht, Maultzsch, JZ 2010, 937 ff. 171 Einer dieser raren Fälle hat sich (wohl) im bereits geschilderten Fall Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch) zugetragen. Dort wollte die Erblasserin jeweils 20 % ihres Vermögens zuwenden, verfügte aber stattdessen in ihrem Testament, das durch ihren solicitor errichtet wurde, bloß über ein Zwanzigstel. Allerdings entschied der verhandelnde Richter Behrens J. den Fall nicht auf Grundlage der sec. 20(1)(b) AoJA 1982, sondern unter Anwendung der sec. 20(1)(a) AoJA 1982, ebd., para. 40 ff., per Behrens J. Dazu schon oben § 3 A. II. 3. c) aa), S. 170 f. 172 Die Untersuchung hat nämlich gezeigt, dass die englische Rechtsprechung den Tatbestand der sec. 20(1)(b) AoJA 1982 bislang kaum angewendet hat und eine grundsätzliche Definition seiner Reichweite bisher ausblieb. Im Wesentlichen ist sein Anwendungsbereich daher unklar. Die diesbezüglichen Ausführungen in den Gesetzgebungsmaterialien und im Schrifttum sind größtenteils knappgehalten, legen aber zugleich gravierende Relativierungen des Tatbestands nahe. So scheint bspw. Einigkeit dahingehend zu bestehen, dass sec. 20(1)(b) 1982 keine Fälle erfassen soll, in denen juristische Begriffe falsch verwendet und ihre Rechtsfolgen verkannt wurden. Insbesondere dieses Szenario ist aber äußerst praxisrelevant, sodass der rectification-Tatbestand durch die Ausklammerung desselben schon erheblich an Bedeutung verliert. Mit Blick auf den status quo im englischen common law wird der Tatbestand jedenfalls äußerst restriktiv interpretiert. Angesichts dessen gilt lediglich als gesichert, dass er die seltenen Konstellationen in Form von Übermittlungsfehlern erfasst, in denen sich der solicitor bspw. verhörte und demzufolge die Instruktionen des Erblassers nicht korrekt umsetzte, siehe oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 ff.

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rig gestalten. Neben der Tatsache, dass die Gerichte die meisten Fälle sowieso über die interpretation lösen und die rectification dadurch schon gar nicht zur Anwendung gelangt, besteht die nicht zu unterschätzende Problematik, einen solchen „failure to understand his instructions“ nachzuweisen. So wird der in der Rechtsberatungspraxis tätige solicitor nur in den seltensten Fällen zugestehen, dass er die Anordnungen des Erblassers nicht verstanden hat. Immerhin wäre dies gleichbedeutend mit dem Eingeständnis, die ihm originär obliegende rechtsberatende Tätigkeit objektiv pflichtwidrig ausgeübt zu haben. Weil es daher häufig an einem solchen Geständnis fehlen wird, muss der Nachweis auf anderem Wege erbracht werden, dass der solicitor die Instruktionen tatsächlich nicht verstanden hat. Dies dürfte sich indes nicht einfach gestalten.173 Abgesehen hiervon erscheint es jedoch, wie auch schon im vorherigen Abschnitt konstatiert wurde, mit Blick auf die doch eher zufällige Erscheinungsform der Diskrepanz im Einzelfall und dem schützenswerten Interesse des Erblassers an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens überzeugender, keinen solch selektiven Ansatz zu wählen. Stattdessen sollte die zur Verfügung gestellte Lösung und die damit einhergehende Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens unabhängig von der konkreten Divergenzform sein.

III. Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers Das englische Recht differenziert fundamental zwischen realem und irrealem Erblasserwillen, indem es erstgenanntem äußerst liberal begegnet und ihn umfangreich verwirklicht, während es die Durchsetzung des letztgenannten kategorisch ausschließt. Im Spiegel der Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers erscheint letzteres jedoch bedenklich. Demgegenüber wirkt die materielle Gleichbehandlung beider Willensformen im deutschen Recht sachgerecht, weil es mit der Berücksichtigung der hypothetischen Erblasserintention vermeiden kann, dass die Motivation des Testators enttäuscht wird (1.). Angesichts der tatsächlich bestehenden Unterschiede zwischen realem und irrealem Willen erscheinen allerdings die Modalitäten der Durchsetzung des letztgenannten problematisch (2.). 173 Sollte dies doch einmal gelingen und die rectification-Klage daraufhin Erfolg haben, müsste der solicitor die Prozesskosten tragen. Wobei die dabei anfallenden Kosten geringer ausfallen dürften, als wenn er aus dem deliktischen Tatbestand der negligence haften müsste. Im letzteren Fall müsste der solicitor nämlich denjenigen Schaden finanziell ausgleichen, den der Erbprätendent durch die fehlerhafte Testamentserrichtung erlitten hat. Hierzu kommt es im Falle der Testamentsberichtigung aber nicht, weil der Erbprätendent hierdurch die Position einnimmt, die ihm zugedacht wurde. Aus dieser Perspektive könnte sich wiederum ein gewisses Mitwirkungsinteresse des solicitor ergeben, was die Aufklärung der Diskrepanzursache anbelangt, siehe schon oben § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 (Fn. 368).

B. Bewertung

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1. Fundamentale Differenzierung oder materielle Gleichbehandlung von realem und irrealem Willen Die englische Rechtsordnung ermittelt ausschließlich den real vorhandenen Erblasserwillen, den der Testator in seine Urkunde niedergelegt hat, und knüpft daher nur an die Diskrepanzgründe missverstandener Begriffe und fehlgegangener Erklärungszeichen an. Dementsprechend reagiert sie grundsätzlich nicht auf geänderte oder für den Erblasser unvorhergesehene Umstände, die ihn dazu bewogen hätten, im Zeitpunkt der Testamentserrichtung anders als geschehen zu testieren. Im Regelfall wird die testamentarische Lücke demzufolge nicht geschlossen und die betreffende Anordnung läuft leer (doctrine of lapse bzw. doctrine of ademption). Hierauf kann auch nicht mit der rectification reagiert werden. Das englische common law bewahrt die Beweggründe des Erblassers also prinzipiell nicht vor deren Enttäuschung. Lediglich in den beiden gesetzlich geregelten Sonderfällen in Form von sec. 24 WA 1837 und sec. 19 AoJA 1982 erlaubt das englische Recht die Lückenschließung.174 Hierfür wird jedoch nicht der wirkliche irreale Wille ermittelt, sondern eine typisierte Intention zugrunde gelegt, die den Vorstellungen eines durchschnittlichen Erblassers entspricht. Damit erkennt das englische Recht das prinzipielle Bedürfnis, auf geänderte Umstände zu reagieren. Wegen der Häufigkeit dieser Fälle schien eine gesetzgeberische Reaktion hierauf offenbar unvermeidlich, um die entsprechenden Anordnungen vor einem Leerlaufen zu bewahren. Indem das englische common law die Schließung dieser Lücken aber nicht durch die Umsetzung des irrealen Erblasserwillens vollzieht und in den übrigen Fällen die Lückenschließung vehement verweigert, positioniert es sich klar zugunsten der Rechtssicherheit. Hierdurch wird deutlich, dass nicht das Tor für eine richterliche Entscheidung im Dienste der Verwirklichung eines irrealen Willens geöffnet werden soll, die dem Richter die Möglichkeit an die Hand geben würde, die testamentarische Anordnung an den geänderten Erblasserwillen anzupassen. Funktional betrachtet misstraut das englische Recht hier der Beweisstrenge auf ganzer Linie. Es versagt dem betreffenden Tatsachenstoff jede Wirkung, sodass selbst der einwandfrei nachgewiesene irreale Erblasserwille nicht umgesetzt wird. Gleichwohl muss konstatiert werden, dass sich diese Linie in das englische Recht einfügt. Immerhin ermittelt der Richter auch bei der interpretation formal betrachtet nicht subjektiv-willensbasiert die Intention des Erblassers, sondern deutet den Sinngehalt der Urkunde aus der objektiv-kontextualen Perspektive der reasonable person aus. Insofern nur der Bedeutungsgehalt eines vorhandenen Urkundentexts ergründet wird, erscheint es konsequent, die Aufklärung einer

174

Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) bb), S. 122 ff.

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§ 4 Rechtsvergleich

irrealen Erblasserintention, die nicht in der Anordnung niedergelegt ist, kategorisch auszuschließen. Reflex der Absage an die Verwirklichung eines irrealen Erblasserwillens ist die Förderung der juristischen Beratungspraxis. Der testamentserrichtende solicitor kann durch Befragung und detaillierte Aufklärung der Familienund Eigentumsverhältnisse zur Minimierung desjenigen Risikos dazu beitragen, dass überhaupt testamentarische Lücken entstehen, indem er entsprechende Auffangklauseln in die testamentarische Verfügung implementiert. Durch seine Beratungserfahrung werden ihm weitaus mehr Fallstricke bekannt sein als dem privatschriftlich Testierenden, sodass sich der vorausschauende Testator eher für die professionelle Testamentserrichtung entscheiden wird. Vor diesem Hintergrund ist der englische Erblasser den sich wandelnden Verhältnissen zumindest nicht komplett schutzlos ausgesetzt. Vielmehr kann er durch Hinzuziehung eines solicitor und der Implementierung bestimmter Auffanganordnungen entsprechende Vorsorge leisten, die das Risiko der Enttäuschung seiner Beweggründe minimiert. Allerdings stellt dies kein gleichwertiges Äquivalent gegenüber einer flexiblen richterlichen Berücksichtigung der hypothetischen Intention dar. Die Beratung durch den solicitor ist kostspielig und die Errichtung von Auffangregelungen aufwendig, wenn sie die verschiedenen potentiellen Szenarien bedenken sollen, die den Erblasser zu einem anderweitigen Verfügungsinhalt bewegt hätten. Doch selbst wenn dies mit größtmöglicher Sorgfalt geschieht, leistet auch dies keine Sicherheit dafür, dass dadurch sämtliche Konstellationen abgedeckt werden. Hierin, also in den starren (Auffang-)Anordnungen, ist das bedeutendste Defizit zu erblicken: Sie wirken nur präventiv, nicht repressiv. Es ist unmöglich, jeden Umstand, der potentiell einer Änderung unterliegt, im Vorfeld vorherzusehen und entsprechend zu erfassen. Sofern sich ein Umstand ändert oder anders herausstellt, als noch vom Erblasser zugrunde gelegt, und dies zu einem abweichenden Anordnungsinhalt im Testamentserrichtungszeitpunkt geführt hätte, kann dieser Sinngehalt nicht umgesetzt werden, wenn er bei der Verschriftlichung der Urkunde nicht bereits entsprechend bedacht wurde. Im Kontrast zum englischen common law reagiert die deutsche Rechtsordnung umfassend auf die Fälle enttäuschter Beweggründe des Erblassers. Sie erlaubt die flexible Ermittlung und Durchsetzung des irrealen Erblasserwillens im Wege der ergänzenden Auslegung. Hierdurch kann eine lückenhafte testamentarische Verfügung fortgedacht und die Enttäuschung von in der Verfügung angelegten Motivationen des Erblassers vermieden werden. Für den Fall, dass die positive hypothetische Intention nicht aufgedeckt werden kann, hat der Gesetzgeber einige Ergänzungsregeln im BGB statuiert, mit denen ein typisierter Erblasserwille zur Lückenschließung zugrunde gelegt wird. Zudem ist das Anfechtungsinstrument zur Verfügung gestellt, wodurch der Anfechtungsberechtigte die motivirrtumsbehaftete testamentarische Ver-

B. Bewertung

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fügung beseitigen kann, § 2078 Abs. 2 Alt. 1 BGB i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB, was in aller Regel den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge nach sich zieht, §§ 1924 ff. BGB.175 Zwar sind durchaus Unterschiede zwischen dem realen und dem irrealen Willen auszumachen, jedoch rechtfertigen diese letztlich nicht die fundamentale Differenzierung des englischen Rechts. Insoweit überzeugt der deutsche Ansatz, der beide Willensformen materiell gleichbehandelt. Zuzugeben ist, dass der Erblasser den irrealen Willen weder formal erklärt noch materiell gebildet hatte, sodass die Verwirklichung des positiven irrealen Erblasserwillens eine erhebliche Distanzierung vom ursprünglichen Testamentsinhalt bedeutet. Der Richter präzisiert nicht nur die Gedanken des Erblassers, sondern denkt sie weiter- und zu Ende, wodurch er rechtsgestaltend tätig wird.176 Hinzu tritt, dass der positive irreale Erblasserwille in der Rechtspraxis schwieriger zu ermitteln sein dürfte als eine real gebildete Intention. Es wird zwar häufig aufgeklärt werden können, was der Erblasser nicht wollte, was er jedoch stattdessen wollte, wird teils verborgen bleiben. Der Nachweis des einen führt nämlich meist nicht bereits zur Aufdeckung des anderen.177 Immerhin beruht eine testamentarische Anordnung regelmäßig nicht nur auf einem einzelnen Motiv, sondern auf einem Motivbündel.178 Wie schon im Kontext der Ermittlung des realen Willens trifft man auch hier erschwerend auf die Tatsache, dass der Erblasser, der zentrale Akteur des Geschehens, der zugleich die sicherste und ergiebigste Beweisquelle ist, nicht mehr befragt werden kann. Er kann also nicht dazu vernommen werden, was er bei Voraussicht der betreffenden Aspekte im Zeitpunkt der Testamentserrichtung stattdessen testiert hätte. Sofern feststeht, dass die testamentarische Verfügung dem wahren Willen widerspricht, aber unklar bleibt, was er stattdessen wollte, stellt das deutsche Recht zumindest die Möglichkeit der Irrtumsanfechtung bereit, womit die Anordnung beseitigt werden kann. Hierbei erscheint die kassatorische Wirkung nahezu zwingend, weshalb das englische Recht, das die dem wahren Willen widersprechende Verfügung bestehen lässt, nicht überzeugt.179 Die geschilderte Beweisschwierigkeit darf aber nicht dazu führen, dass der Ermittlung und der Verwirklichung des irrealen Willens eine kategorische Absage erteilt wird. Stattdessen muss sie dazu anleiten, das vorhandene Beweismaterial sorgfältig auszuwerten und im Wege der freien richterlichen Beweiswürdigung zu gewichten. Hierfür 175

Diesen Irrtumsszenarien wird sich unten noch gesondert gewidmet, siehe § 4 B. IV., S. 260 ff. 176 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 942 Rdnr. 1866. 177 Siehe schon oben § 2 A. II. 5. a), S. 94. 178 Vgl. Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 91, 131; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 942 Rdnr. 1866. 179 Näher dazu noch unten § 4 B. IV. 1., S. 261 f. und § 4 B. IV. 2. a), S. 263 ff.

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spricht, dass durchaus Fälle existieren, in denen der positive irreale Wille festgestellt werden kann, wie die Untersuchung gezeigt hat. Ferner ist den hier in Rede stehenden Konstellationen eine besondere Relevanz zu attestieren, wie die Zahl der Fälle aus der deutschen Rechtspraxis lehrt, in denen die Problemstellung virulent wurde. Dies ist auf die oftmals größere Zeitspanne, die zwischen den Zeitpunkten der Testamentserrichtung und dem Eintritt des Erbfalls liegt, zurückzuführen, die wiederum häufig dazu führt, dass der Erblasser unter Berücksichtigung der neuen Aspekte anders als geschehen testiert hätte. Dabei muss dem in der Natur der Sache begründeten Umstand begegnet werden, dass dem Testator, anders als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden, häufig die Möglichkeit genommen ist, seine letztwillige Verfügung an die geänderten Umstände anzupassen. Vor dem Hintergrund des im Erbrecht dominierenden Willensdogmas mutet es bedenklich an, wenn der Richter dies nicht übernehmen könnte. Ihm muss ein Mittel an die Hand gegeben werden, mit dem er den an die geänderten Umstände angeglichenen Willen umsetzen und dadurch die Enttäuschung der Motivation des Erblassers vermeiden kann. Als Anknüpfungspunkt dient der Regelungsplan des Erblassers, also dessen Motivation, der in der Anordnung niedergelegt ist. Wenngleich die testamentarische Grundlage damit eine geringere Qualität ausweist als im Falle des realen Willens, der durch die Verfügung vollständig verkörpert wird, so ist eine solche doch auch in den hier in Rede stehenden Konstellationen zumindest vorhanden. 2. Modalitäten der Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers Damit ist der Ansatz des deutschen Rechts zwar begrüßenswert, die irreale Erblasserintention zu berücksichtigen. Allerdings stellt er keinen angemessenen Ausgleich zwischen den hier kollidierenden Positionen der Willensverwirklichung im Einzelfall und den Aspekten der Rechtssicherheit und -klarheit her. Demzufolge können die Modalitäten der Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers nicht überzeugen, namentlich das Andeutungserfordernis und die in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich unbegrenzte Möglichkeit, eine Klage, gerichtet auf die Durchsetzung eines irrealen Erblasserwillens, erheben zu können. Auch hier ist die Formalisierung der Beweisstrenge durch ein Andeutungskriterium nicht schlüssig. Neben den zuvor behandelten Aspekten, die nun entsprechend gelten,180 spitzt sich die mit einer Andeutungsvoraussetzung verbundene Problematik hier in besonderem Maße zu. Immerhin präsentiert sie sich in diesem Kontext (zwangsläufig) in noch verwässerterer Gestalt als es bereits im Rahmen einer realen Intention der Fall ist. Die Untersuchung der betreffenden Fälle hat gezeigt, dass im Wege der ergän180

Siehe oben § 4 B. I., S. 220 ff.

B. Bewertung

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zenden Auslegung nahezu unvorhersehbare Ergebnisse produziert werden. Es wird sich zwar bemüht, das Kriterium fassbar zu machen, indem es heißt, die ergänzende Auslegung dürfe nur ein „Fortdenken“, nicht aber eine „Neukonstruktion“ der testamentarischen Verfügung erreichen.181 Hierdurch sind aber ebenfalls keine klaren Konturen gezogen, weshalb damit erneut große Unsicherheiten einhergehen. Dabei wird erkannt, dass für den irrealen Willen schon gar keine Andeutung vorliegen kann, weil er niemals gebildet wurde und demzufolge auch keinen „irgendwie gearteten“ Niederschlag in der Testamentsurkunde finden kann. Stattdessen soll aber die Willensrichtung des Erblassers an die Testamentsurkunde rückgekoppelt werden müssen, um die Verfügung fortzudenken und den irrealen Willen damit durchzusetzen. Die Betrachtung der einschlägigen Fälle hat indessen gezeigt, dass die Suche nach einem „Anhalt“ für diese Willensrichtung, also die Motivation des Erblassers, ein nahezu willkürliches Unterfangen darstellt. Infolge der fehlenden Konturen sind gar nahezu identische Fälle in der Rechtsprechung offenbar geworden, die in dieser Hinsicht abweichend voneinander beurteilt wurden.182 Durch die vor diesem Hintergrund beliebig wirkenden Entscheidungen ist das Ergebnis im Einzelfall kaum vorherzusehen. Stets ist hiermit also ein großes Prozessrisiko verbunden.183 Somit hat die Anwendung einer Andeutungsvoraussetzung in der Rechtspraxis erhebliche Nebenwirkungen, sodass sie erneut nicht zufriedenstellen kann. Stattdessen sollte auf eine Begrenzung der Beweiswirkung im engeren Sinne gänzlich verzichtet werden. Hierfür spricht, dass erneut keine überzeugenden Kriterien gebildet werden können, die diese beschränkende Funktion ausüben. Ferner überwiegen die Belange, die für ein Vertrauen in die allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln sprechen. Insoweit gelten die Ausführungen im Kontext der Durchsetzung des realen Willens erneut entsprechend.184 Neben die willkürlich erscheinende Praxis im Zusammenhang mit der Forderung nach einer Andeutung tritt im deutschen Recht erschwerend hinzu, dass eine Klage, gestützt auf die Verwirklichung eines irrealen Erblasserwillens, prinzipiell zeitlich unbegrenzt möglich ist. Angesichts der ausgemachten Besonderheiten mit Blick auf die Umsetzung einer solchen Intention stellt dies eine weitere erhebliche Belastung der Rechtssicherheit dar,

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Siehe oben § 2 A. I. 3. c), S. 72 f. Siehe oben § 2 A. I. 3. b) cc) (3), S. 70 ff. 183 Etwas besser stehen die Chancen der Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens hingegen, wenn sich dieser mit dem Inhalt einer der Auslegungs- bzw. Ergänzungsregeln des BGB deckt. Dann besteht nämlich die Möglichkeit, im Wege der durch sie vermittelten Erfahrungssätze eine Andeutung der Willensrichtung im Testament zu finden. Hierbei handelt es sich aber um partiell geregelte Ausnahmekonstellationen, die kein Patentrezept für die Bewältigung der Problematik liefern, siehe oben § 2 A. I. 3. b) cc) (2), S. 69 f. 184 Siehe oben § 4 B. I. 2., S. 241 ff. 182

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§ 4 Rechtsvergleich

weil die Rechtslage selbst noch Jahrzehnte nach dem Erbfall in Frage gestellt werden kann. Demzufolge besteht quasi nie ein endgültiger Rechtszustand, der die finale Erbfolge festlegt. Dies liefert den Impuls, zu hinterfragen, ob nicht eine fristgebundene Ausgestaltung überzeugender wäre, sodass Klagen, die sich auf die Durchsetzung eines irrealen Willens stützen, aber die betreffende Frist nicht wahren, abgewiesen werden müssten. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine formelle Begrenzung der Beweiswirkung im engeren, jedoch kann sie als solche im weiteren Sinne begriffen werden. Denn immerhin wäre dem selbst einwandfreien Beweis mit Fristablauf jegliche Wirkung entzogen. In diesem Zusammenhang erscheint die de lege lata fristlose Möglichkeit, einen irrealen Willen geltend machen zu können, mit Blick auf den Willen des Gesetzgebers auch nicht zwingend. Die Auslegung und die Irrtumsanfechtung wurden zwar hinsichtlich ihrer zeitlichen Beschränkung unterschiedlich ausgestaltet, was eine bewusste Differenzierung nahelegt. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch offenbar, dass es sich dabei jedenfalls aus heutiger Sicht um eine nicht zu rechtfertigende Friktion handelt.185 Als die Irrtumsanfechtung statuiert wurde, hieß es, dass ihre einschneidende kassierende Rechtsfolge, die zur Disposition der betreffenden Partei gestellt ist, die Rechtssicherheit nicht gefährde. Zu dieser Einschätzung gelangte der Gesetzgeber, weil die Fristgebundenheit der Anfechtung dazu führe, dass „die Angelegenheit rasch zur Entscheidung gebracht“ und dadurch „die Möglichkeit abgeschnitten“ werde, „noch nach Jahren die angebliche Ungültigkeit geltend zu machen“.186 Aus heutiger Sicht droht mit Blick auf die zeitlich unbegrenzte moderne weitreichende Auslegungspraxis aber genau dieses die Rechtssicherheit belastende Szenario. Hinzu tritt die Tatsache, dass die ergänzende Auslegung im Erfolgsfall nicht nur in Bezug auf den objektiven Sinngehalt kassierend wirkt, sondern sogar reformierende Wirkung zugunsten des irrealen Willens entfalten kann, in ihrer Rechtsfolge also ein „Mehr“ gegenüber der der Anfechtung bewirkt. Betrachtet man die Ausführungen zur Anfechtungsfrist in den Motiven, zeigt sich, dass sich der Gesetzgeber wohl überlegt für die Fristgebundenheit der erbrechtlichen Anfechtung entschieden und diese nicht einfach unreflektiert aus dem Allgemeinen Teil übertragen hat. So bewertet er die Infragestellung des Testamentswortlauts und der damit einhergehenden Berechtigung betreffender Personen als konfliktträchtig. Da die Anfechtung „erhebliche Verwickelungen“ schaffe und deren Wirkung „viele Dritte berühren“ könne, benötige es 185 Dass eine Fristgebundenheit im Kontext einer Klage, die auf die Durchsetzung eines realen Erblasserwillens gerichtet ist, nicht überzeugt, wurde bereits zuvor erörtert, siehe oben § 4 B. I. 1. b), S. 240. 186 Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540.

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restriktiver zeitlicher Grenzen.187 § 1785 Erster Entwurf, aus dem der heutige § 2082 Abs. 1 BGB herging, sah schon damals die „verhältnismäßig kurze [Jahres-]Frist“ vor,188 binnen derer der Anfechtungswillige die entsprechende Gestaltungserklärung abgegeben haben muss.189 Insoweit der Fristablauf erst mit dem Zeitpunkt in Gang gesetzt wird, in dem der Aktivlegitimierte über die zur Anfechtung berechtigenden Tatsachen in Kenntnis gesetzt ist, werde dem Interesse an Einzelfallgerechtigkeit hinreichend Rechnung getragen. Im Weiteren legte der Gesetzgeber Wert darauf, dass hierunter nicht die Rechtssicherheit notleidet, weshalb er eine absolute zeitliche Grenze der Anfechtung für zwingend erachtete. Daher müsse in Fällen, in denen der Anfechtungsberechtigte erst viele Jahre später Kenntnis vom fristauslösenden Ereignis erhält, die Anfechtungsmöglichkeit versagt werden. Eine solche nach „unangemessener Zeit“ erfolgende Anfechtung hätte „erhebliche Unzuträglichkeiten im Gefolge“ und müsse daher vermieden werden. Diesen Zweck erfüllte in den Augen des Gesetzgebers die in § 1785 Erster Entwurf – dem heutigen § 2082 Abs. 3 BGB – subsidiär vorgesehene 30-Jahresfrist, deren Ablauf mit der Verfügungsverkündung begann.190 Betrachtet man die gesetzgeberischen Ausführungen zur Fristgebundenheit der Anfechtung fällt auf, dass sie nicht speziell auf das Anfechtungsinstitut zugeschnitten sind. Die Argumentation zielt mehr auf die dahinter stehende konfliktträchtige Lage ab, als auf ein spezifisches, dem Anfechtungsrecht immanentes Charakteristikum, das die Fristgebundenheit erforderlich machen würde. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Befristung das Ziel, dass nach Fristablauf niemand „mehr den im Testament Bedachten ihre Rechte streitig machen können“ soll.191 Dieser gesetzgeberische Zweck beansprucht auch auf der Ebene der modernen Auslegung Geltung, da die zugrunde liegenden Erwägungen dort gleichermaßen virulent sind. Immerhin bergen Klagen, die auf die Durchsetzung eines irrealen Willens gestützt werden, mindestens genauso „erhebliche Verwickelungen“ in sich und „berühren“ ebenfalls „Dritte“ wie die Anfechtung. Dieser Befund wurzelt im Wesentlichen in der Reichweite und der tatsächlichen Wirkung der Auslegung.

187 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 31. 188 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 31. 189 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 525. 190 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 31. 191 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 159.

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Die Auslegung führt zwar nicht zur rechtlichen Beseitigung der testamentarischen Verfügung, sodass sie nicht die Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß § 142 Abs. 1 BGB hervorruft. Die rechtspraktische Wirkung der Auslegung ist aber ähnlich, wenn sie den objektiven Regelungsgehalt einer testamentarischen Verfügung kassiert. Die erfolgreiche Auslegung führt wie die Anfechtung einen Zustand herbei, der den dem Wortlaut nach Begünstigten aus seiner (unberechtigten) Position verdrängt. Sie führt dazu, dass dem objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt die rechtliche Relevanz abgesprochen wird. Dementsprechend tangiert auch sie Drittinteressen. Dabei geht die Auslegung in ihrer Rechtsfolge sogar über die der Anfechtung hinaus, wenn ihre reformierende Wirkung dazu führt, dass der positive irreale Erblasserwille maßgeblich wird. Eine fehlende zeitliche Limitierung der Auslegung erscheint unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Ausführungen zur Notwendigkeit der Anfechtungsfrist und der zugrunde liegenden liberalen Methodik daher nicht sachgerecht. Auch Brox hat sich dieser Friktion bereits zugewandt. In diesem Zusammenhang stuft er die unterschiedliche Konzeption als Folge eines Motivirrtums des Gesetzgebers ein.192 Bei Irrtumsfreiheit hätte er auch die Auslegung mit einem Fristwahrungserfordernis versehen. Der „psychologische Wille“ des Gesetzgebers sei dahin gegangen, die oben beschriebene Konfliktsituation zu regulieren und einen Ausgleich zu schaffen, bei dem sich Einzelfallgerechtigkeit und Rechtssicherheit die Waage halten. Irrtümlicherweise habe er aber bei der Schaffung des Gesetzes unterstellt, dass die Anfechtung (auch in Zukunft) das einzige Institut bleibe, das auf den sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens reagieren könne.193 Man sei damals noch „von einer weniger verfeinerten Auslegungsmethode ausgegangen“, die textorientiert erfolgte und die in der Vorstellung des Gesetzgebers nicht dazu in der Lage war, überhaupt ein vom Wortlaut abweichendes Auslegungsergebnis anzuerkennen.194 Das Auseinanderfallen von Wille und Wortlaut bedeutete hiernach zugleich die Abweichung zwischen Wille und Auslegungsergebnis, sodass es sich hierbei stets um Irrtumskonstellationen

192 Dabei bezogen sich Brox Ausführungen aber unterschiedslos sowohl auf die erläuternde als auch auf die ergänzende Auslegung, siehe Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 158 f. Allerdings wurde oben bereits dargelegt, dass die Fristgebundenheit einer Klage, die auf die Durchsetzung eines realen Willens gerichtet ist, nicht überzeugt, dazu § 4 B. I. 1. b), S. 240. 193 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 159. 194 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 159; siehe auch Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 379.

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handelte. In der Konsequenz habe der Gesetzgeber zugrunde gelegt, dass die Anfechtung das einzige Mittel sei, um einen vom Testamentswortlaut abweichenden Willen einer Lösung zuzuführen. Dadurch, dass sie als das einzige eingreifende Institut betrachtet wurde, erkläre sich, so Brox, warum nur diese mit dem Fristerfordernis versehen wurde. Von Seiten der damals noch textorientierten Auslegung drohte keine Auslegung gegen den Wortlaut und eine damit einhergehende Beeinträchtigung der Rechtsklarheit und -sicherheit. Da sich heute die Verhältnisse gewandelt haben und die Fälle des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens nunmehr weit überwiegend über die Auslegung, anstatt über die Anfechtung, gelöst werden, attestiert Brox dem „psychologischen Willen“ des Gesetzgebers, motivirrtumsbehaftet zu sein, weil er diese Entwicklung nicht bedacht habe. Unter Berücksichtigung der dargelegten Erwägungen ginge sein „normativer Wille“ dahin, die Fristenregelungen auch auf die Auslegungsebene zu übertragen. Denn hätte der Gesetzgeber die Liberalisierung im Rechtsanwendungsprozess der Auslegung vorhergesehen und wäre seine Willensbildung demzufolge irrtumsfrei gewesen, hätte er auch die Testamentsauslegung fristgebunden ausgestaltet. Im Ergebnis spricht sich Brox für eine Übertragung der „Grundgedanken“ des § 2082 BGB auf die Auslegungsebene aus.195 Mithin ist nicht einzusehen, dass das weitreichende Institut der ergänzenden Auslegung zeitlich unbeschränkt angewandt wird, während sich die Anfechtung, der heute kaum noch Bedeutung beikommt, an den Grenzen des § 2082 BGB messen lassen muss. Wäre man von der heutigen Tragweite der ergänzenden Auslegung bereits in der „Stunde Null“ der Gesetzesschaffung ausgegangen, wäre kein einleuchtender Grund dafür ersichtlich, sie nicht ebenfalls an die zeitliche Grenze des § 2082 BGB zu koppeln. Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die geschilderten Unterschiede zwischen einem realen und einem irrealen Willen sollte die Durchsetzung des letztgenannten ausschließlich in einem fristgebundenen Verfahren möglich sein. Hierauf wird später noch näher einzugehen sein.196 3. Zusammenfassung Das englische Recht schließt die Umsetzung des irrealen Erblasserwillens kategorisch aus. Um die Beweggründe des Erblassers dennoch nicht vollkommen in den Hintergrund treten zu lassen, operiert es in zwei Sonderfällen mit der Unterstellung einer typisierten Intention. Im Übrigen ist der Erblasser darauf verwiesen, sich in die Hände der juristischen Beratungspraxis zu

195

Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 159. 196 Für eine denkbare Neujustierung des Rechts im Zusammenhang mit der Umsetzung eines irrealen Erblasserwillens noch unten § 5 C. I. 2., S. 301 ff.

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begeben, um die Enttäuschung seiner Beweggründe durch die präventive Implementierung von Auffangregelungen zu vermeiden. Obwohl der Testator also in dieser Hinsicht nicht schutzlos gestellt ist, wiegt doch der Aspekt schwer, dass hierdurch nicht auf später offenbar werdende Umstände reagiert werden kann, die dem Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch unbekannt waren oder mit deren Eintritt er überhaupt nicht gerechnet hatte. Vor diesem Hintergrund erscheint der Ansatz des deutschen Rechts überzeugender, der flexibel auf entsprechende Szenarien mit der Berücksichtigung des irrealen Erblasserwillens reagieren und damit die Verwirklichung der Motivation des Erblassers sichern kann. Hier verdient die Lösung des deutschen Rechts also dahingehend Zustimmung, dass sie keine materielle Differenzierung zwischen einem realen und einem irrealen Willen anstellt. Allerdings können die Modalitäten der Verwirklichung der hypothetischen Intention nicht befriedigen, weil sie die Aspekte der Rechtssicherheit und -klarheit zu stark in den Hintergrund treten lassen.

IV. Reaktion auf irrtumsbehaftete testamentarische Verfügungen Abschließend soll der grundlegend voneinander abweichende Umgang des deutschen und des englischen Rechts mit irrtumsbehafteten testamentarischen Anordnungen, also solchen, bei denen Auslegungsergebnis und wahrer Wille divergieren, einer kritischen Bewertung unterzogen werden. Während das deutsche Recht mit der Irrtumsanfechtung auf sämtliche behandelte Diskrepanzkonstellationen kassierend reagiert, sieht der englische Ansatz eine differenzierte Antwort vor: Im Wege der rectification wird Erklärungs- und Übermittlungsirrtümern reformierend begegnet, in allen übrigen Diskrepanzszenarien bleibt jedoch der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt maßgeblich, weil hier ein daran anknüpfendes Instrument fehlt. Dabei ist in beiden Rechtsordnungen zwar zu beobachten, dass es wegen der äußerst weitreichenden Auslegungspraxis nur selten zum Auseinanderfallen zwischen Auslegungsergebnis und wahrem Willen kommt, die Untersuchung hat aber gezeigt, dass dies auch nicht ausgeschlossen ist. So tritt ein solcher Irrtumssachverhalt einerseits auf, wenn tatsächlich eine der Konstellationen zu entscheiden ist, in denen dem Willen durch die Auslegung nicht zum Durchbruch verholfen werden kann, weil andernfalls die betreffende Auslegungsgrenze verletzt wäre. Andererseits kann ein solcher vorkommen, wenn die Möglichkeiten der Auslegung nicht voll ausgeschöpft wurden, etwa weil deren Grenzen zu eng gezogen wurden. Insbesondere letztgenanntes Szenario ist nicht allzu unwahrscheinlich, da die Auslegungsmethoden in beiden Nationen nicht auf klaren gesetzlichen Vorgaben beruhen, sondern durch die richterliche Rechtsanwendung nach und nach herausgebildet wurden.

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Daher trifft man auf eine ambivalente Situation: Die Bedeutung der Irrtumsszenarien darf einerseits nicht überschätzt werden – andererseits wäre es voreilig, sie wegen ihrer Bedeutung im Einzelfall zu vernachlässigen. 1. Differenzierte Antwort des englischen Rechts Das englische Recht sieht für die Fälle von Erklärungs- und Übermittlungsirrtümern die rectification-Klage vor, durch die das Testament gemäß sec. 20 AoJA 1982 zugunsten des Erblasserwillens berichtigt werden kann. Im Unterschied zur – ebenfalls reformierenden – interpretation geht die rectification in ihrer Wirkungsweise aber noch einen Schritt weiter, indem sie dem Richter ermöglicht, tatsächliche und nach außen hin sichtbare Änderungen im Testamentswortlaut vorzunehmen und dadurch den wahren Erblasserwillen nicht bloß durch ein „Hineinlesen“ durchsetzen zu können. Dies wirkt inspirierend, da sich die auch auf Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs berichtigende Wirkung in das liberal-reformatorische Gesamtbild rund um den sozialen Konflikt einfügt und der Bedeutung des letzten Willens gerecht wird.197 Im Kontrast dazu erscheint der Umgang mit den übrigen hier thematisierten Fällen, also Inhalts- und Motivirrtümern, bedenklich. Für diese Konstellationen stellt das common law kein Instrument bereit, woraufhin der dem Erblasserwillen widersprechende objektive testamentarische Bedeutungsgehalt maßgeblich bleibt. Dies stellt eine bewusste Entscheidung des englischen Gesetzgebers gegen einen kassatorischen Rechtsbehelf dar. Immerhin kennt auch das englische common law mit der rescission ein Instrument, das eine ausschließlich beseitigende Rechtsfolge nach sich zieht. Dieses soll aber nicht für die hier in Rede stehenden Irrtumskonstellationen zur Verfügung stehen. Stattdessen soll es nur solche Rechtsgeschäfte vernichten, bei deren Abschluss eine Partei unter dem Einfluss eines sogenannten vitiating factors (e.g. misrepresentation, duress oder undue influence) stand.198 Dass das englische Recht damit keine Möglichkeit vorsieht, die der Intention widersprechende Verfügung zu beseitigen und die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen, erscheint jedoch in besonderem Maße problematisch, wenn bloß feststeht, dass die Anordnung dem wahren Willen bzw. der wirklichen Motivation widerspricht, jedoch unklar ist, was stattdessen gewollt war. In vielen Fällen wird es dem Erblasserwillen hier eher entsprechen, die Anord-

197 Die damit einhergehende erhöhte Durchsetzungseffektivität in Fällen von fehlgegangenen Erklärungszeichen und Übermittlungsfehlern wurde bereits oben ausgeleuchtet, siehe § 4 B. II., S. 246 ff. 198 Funktionell kann die rescission daher mit der deutschen Anfechtung wegen Täuschung oder Drohung verglichen werden. Für einen Überblick zur rescission etwa Burrows, A Restatement of the English Law of Contract, 2016, p. 171.

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nung zu kassieren, anstatt sie aufrecht zu erhalten.199 Diesem Interesse wird das englische Recht nicht gerecht. Ebenfalls unbefriedigend ist die Rechtslage in denjenigen Szenarien, in denen der wahre Wille zwar einwandfrei ermittelt, aber nicht im Wege der Auslegung durchgesetzt wurde. Auch hier bleibt der ihm entgegenstehende objektive Bedeutungsgehalt mangels entsprechend hieran anknüpfender Reaktion des englischen Rechts maßgeblich. Vor dem Hintergrund des Erblasserinteresses an der unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens wäre eine reformatorische Rechtsfolge, etwa wie die einer erfolgreichen rectification-Klage, jedoch überzeugender. In diesem Zusammenhang kann nur beruhigen, dass zumindest die Rechtspraxis den realen Erblasserwillen in den allermeisten Fällen verwirklicht, sodass es auf die Rechtslage in den Irrtumskonstellationen nicht ankommt.200 2. Kassation des deutschen Rechts Im Unterschied zum englischen common law stellt das deutsche Recht zwar ein kassierendes Instrument für die in Rede stehenden Irrtumsszenarien bereit, verzichtet dabei aber im Gegenzug vollkommen auf ein reformierendes. Angesichts des Erblasserinteresses an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens erscheint die bloß vernichtende Anfechtung, die unterschiedslos für alle hier behandelten Diskrepanzursachen zur Disposition des Anfechtungsberechtigten steht, bedenklich. Beachtlich ist dabei bereits, dass die deutsche Rechtsordnung zwar mit den §§ 2078 ff. BGB erbrechtliche Sonderregelungen für die Anfechtung bereitstellt, diese sich aber weder in ihrem grundsätzlichen Wesen noch in ihrer Wirkung von der Anfechtung anderer Rechtsgeschäfte unterscheiden.201 Daher führt die erfolgreiche Beseitigung einer Testamentserklärung gemäß § 142 Abs. 1 BGB in aller Regel den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge herbei. Wo noch im Wege der (erläuternden wie auch ergänzenden) Auslegung großzügig reformierende Effekte zugelassen werden und der (irreale) Erblasserwille infolgedessen durchgesetzt wird,202 wird diese liberale Tendenz im Falle einer fehlenden Andeutung des Gewollten im Wortlaut auf der daran anschließenden Ebene der Irrtumsanfechtung unterbrochen. Plötzlich wird das sonst zu verzeich199

Einer der seltenen Fälle, in dem die Aufrechterhaltung des objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalts eher dem Willen des Erblassers entspricht als dessen Beseitigung, wird unten noch behandelt, siehe § 4 B. IV. 2. a), S. 264 f. (Fn. 211). 200 Zur Beurteilung der Fälle enttäuschter Beweggründe des Erblassers bereits ausführlich oben, § 4 B. III., S. 250 ff. 201 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 21; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 998 Rdnr. 1960. 202 Vgl. in diesem Sinne auch Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 375 f.

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nende Bestreben, dem im Erbrecht dominierenden Willensdogma Ausdruck zu verleihen203 und in der Konsequenz den Erblasserwillen in positiver Hinsicht durchzusetzen, abrupt gekappt. Stattdessen stellt der deutsche Gesetzgeber mit der Anfechtung „das klassische, jedem Juristen vertraute Beseitigungsrecht“ zur Verfügung, das „die strengste Rechtsfolge“ statuiert: Die Vernichtung von dem Willen widersprechenden Erklärungsinhalten, ohne zugleich die Durchsetzung des Gewollten zu ermöglichen.204 Dieser zu beobachtende „Wertungsumschwung“ und die damit einhergehende – vor dem Hintergrund der verstärkten Berücksichtigung des erbrechtlichen Willensdogmas205 und der liberalen Praxis auf der Auslegungsebene doch eher untypische – Rechtsfolge lassen aufhorchen und sollen daher näher ausgeleuchtet werden. Hierzu werden zunächst diejenigen Situationen abgeschichtet, in denen die Anfechtungsrechtsfolge ein sachgerechtes Ergebnis produziert (a)). Im Anschluss daran wird im Kontrast dazu auf diejenigen neuralgischen Fälle eingegangen, in denen die durch die Anfechtung herbeigeführte Rechtslage nicht überzeugen kann (b)). Danach soll untersucht werden, ob der Zweck, der mit der Bereitstellung des förmlichen Rechtsbehelfs verbunden wurde, zwingende Gründe dafür liefert, lediglich ein kassierendes Instrument zur Verfügung zu stellen (c)). a) Konstellationen sachgerechter Anfechtungsergebnisse Die bloß vernichtende, nicht aber reformierende, Wirkung der Anfechtung erscheint aus ergebnisorientierter Perspektive immerhin in zwei Fällen sachgerecht: Einerseits, wenn der (irreale) Erblasserwille in positiver Hinsicht nicht ermittelt werden kann und nur Klarheit darüber besteht, dass die Verfügung, so wie sie erklärt wurde und rechtlich maßgeblich ist, nicht dem wirklich Gewollten entspricht, und andererseits, wenn die kassierende Rechtsfolge (zufällig) genau diejenige Rechtslage herbeiführt, die sich mit dem ergründeten (irrealen) Erblasserwillen deckt.206

203 Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 24, 45; ähnlich Protokolle, in: ebd., S. 538; Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 401. 204 Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 25. 205 Dazu schon oben § 4 B. I. 2., S. 244 (Fn. 161). 206 Auch Schulz benennt diese beiden Fälle. Obwohl er seinen Beitrag hauptsächlich dem Irrtum im Beweggrund und den daran anknüpfenden Rechtsfolgen widmet, ist die Nennung dieser Konstellationen, in denen die Anfechtung zu „angemessenen Ergebnissen“ führt, allgemeingültig und nicht bloß auf die Szenarien des Motivirrtums begrenzt, Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77. Dies bekräftigt auch seine Betonung, dass ein „rechtspolitischer Angriff […] gegen die §§ 2078 ff.“ zu rich-

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Um zu verdeutlichen, dass die Rechtsfolge der Anfechtung im erstgenannten Fall nahezu zwingend ist, sei als Beispiel eine Konstellation eines enttäuschten Beweggrunds angeführt. Insbesondere in diesen Fällen ist es nämlich in der Praxis nicht unwahrscheinlich, dass unklar bleibt, was der Erblasser unter Berücksichtigung gewisser (geänderter) Umstände anstelle des bestehenden Testamentsinhalts testiert hätte, da sich die Ermittlung des irrealen Erblasserwillens schwieriger als in anderen Fällen gestaltet.207 Immerhin beruht eine bestimmte testamentarische Verfügung in ihrem Ausgangspunkt häufig nicht nur auf einem Einzelmotiv, sondern entstammt einem ganzen Bündel von Motiven, die den Erblasser letztlich zur konkreten Abfassung bewogen haben. Kann ein irrtumsbehaftetes Einzelmotiv festgestellt werden, das für den ursprünglichen Inhalt (mit-)bestimmend war und damit den Anfechtungsgrund nach § 2078 Abs. 2 BGB liefert, bedeutet dies nicht, dass dadurch zugleich zu Tage tritt, was stattdessen testiert worden wäre.208 Man denke etwa an den Erblasser, der ein einziges Testament errichtet209 und darin seinen Dienstboten zu seinem Alleinerben einsetzt, um ihm für seine über Jahre hinweg treuen Dienste zu danken. Tatsächlich stellt sich nach dem Erbfall heraus, dass der Dienstbote alles andere als treu war und den Erblasser mehrere Male bestohlen hatte. Da der Erblasser seit jeher als bekennender Feind jeglichen strafrechtlich relevanten Verhaltens galt, ist klar, dass die Erbeinsetzung des diebischen Dienstboten nicht (mehr) seinem Willen entspricht. Wen er aber stattdessen eingesetzt hätte, kann durch den bloßen Beweis dessen, was nicht gewollt war, nicht aufgeklärt werden.210 In solchen Fällen, in denen der positive (hypothetische) Wille unklar bleibt, erscheint die zur Disposition der Parteien gestellte Kassation der testamentarischen Verfügung sachgerecht. In den allermeisten Fällen wird die Beseitigung der seinem Willen widersprechenden Verfügung und die regelmäßig damit einhergehende gesetzliche Erbfolge eher seinem Interesse entsprechen als die Aufrechterhaltung der irrtumsbehafteten Verfügung.211 ten sei und dass die Anfechtungswirkung „wunderliche Entscheidungen“ herbeirufe, „die längst an [ihrer] Richtigkeit hätte[n] irre machen müssen“, ebd., S. 75. 207 Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 1037 Rdnr. 2022; Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 91, 131. 208 Otte, Staudinger BGB, Neub. 2013, Vorb. §§ 2064–2068 Rdnr. 8 209 Damit besteht Gewissheit darüber, dass die im Wege der Anfechtung beseitigte testamentarische Verfügung die gesetzliche Erbfolge nach sich zieht und kein zeitlich früher errichtetes Testament wiederaufleben lässt, statt aller Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 59. 210 Einen ähnlichen Fall verwendet Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 380. 211 So sieht Schmidt in der gesetzlichen Erbfolge den „natürlichen Ausgangspunkt allen Erbrechts“, dessen Geltung im Regelfall dem Erblasserwillen entsprechen dürfte, sofern dieser vom Erklärungsinhalt abweicht, Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht,

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Darüber hinaus kann die Anfechtung im Einzelfall ein Ergebnis herbeiführen, das dem Erblasserwillen sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht entspricht. Dass die kassierende Rechtsfolge eine mit dem Erblasserwillen kongruente Rechtslage hervorbringt, ergibt sich aber nur in den allerwenigsten Fällen und basiert dann auf einem Zusammenspiel der dogmatischen Ausrichtung der Anfechtung und den zufälligen Gegebenheiten des Einzelfalls.212 Siber nennt hierfür zwei Beispielsfälle aus der Rechtsprechung des RG, um dies zu belegen.213 Einer davon beruht auf einer nicht veröffentlichten Entscheidung,214 der der Fall zugrunde lag, dass die Erblasserin die gesetzlichen Erben ihres Ehemannes per Dolmetschertestament bedachte. Dabei wollte sie aber eigentlich die Einsetzung der beiderseitigen Verwandten erreichen. Dem Testamentswortlaut nach waren die Verwandten der Ehefrau jedoch leer ausgegangen. Im Wege der Auslegung konnte dieser fehlende, aber 1933, S. 88. Indessen wird vorgeschlagen, eine (Folgen-)Abwägung anzustellen und vor der endgültigen Beseitigung der Verfügung durch die Anfechtung zu überprüfen, ob die Aufrechterhaltung des – wenn auch irrtumsbehafteten – Testamentsinhalts nicht eher dem Willen des Erblassers entspreche als die durch die Rechtsfolge der Nichtigkeit regelmäßig herbeigeführte gesetzliche Erbfolge, Leonhard, Der Irrtum als Ursache nichtiger Verträge. Erster Teil. Vertragsbestandteile und Irrtum, 2. Aufl., 1907, S. 262 f.; Ehrenzweig u.a., System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Band 4: Das Erbrecht, 3. Aufl., 1983, S. 415. Die Folgenabwägungslehre wird an einem Fall exemplifiziert, der an eine österreichische Entscheidung aus 1873 angelehnt ist. Dort ging es um einen in Bayern lebenden Österreicher, der die Mutter der gemeinsamen Kinder in einem österreichischen Testament als Alleinerbin einsetzte. Die Wahl fiel allerdings nur deshalb auf sie, weil er von einem bayerischen Notar falsch beraten wurde, der meinte, dass der Sohn nach österreichischem Recht nicht wirksam zum Erben eingesetzt werden könne. Im Ergebnis wäre dem Erblasser die Aufrechterhaltung des Testaments lieber als dessen Vernichtung gewesen. Denn die Einsetzung der Kindesmutter entsprach eher seiner Intention als die durch die Anfechtung herbeigeführte Rechtslage, die dazu geführt hätte, dass ihn sein unliebsamer Bruder im Wege der gesetzlichen Erbfolge beerbt, Fall angelehnt an Glaser u.a., Sammlung von civilrechtlichen Entscheidungen des k. k. obersten Gerichtshofes. Sechster Band (Mit systematischem Register für Band 1–6), 2. Aufl., 1877, Nr. 2734. Allerdings hat sich der Folgenabwägungsvorschlag aufgrund seiner fehlenden dogmatischen Anknüpfungspunkte nicht durchgesetzt, Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77: „[Diese] Einschränkung [ist] de lege lata unhaltbar, weil dem Gesetz vollkommen fremd.“ Auf der Grundlage des deutschen Rechts kann darüber nachgedacht werden, den Fall auch ohne Abwägungslehre zugunsten der Aufrechterhaltung der Alleinerbeneinsetzung der Kindesmutter zu lösen. Hierfür kommt in Betracht, die Kausaltität zwischen Irrtum und Anordnung zu verneinen, sodass die Anfechtung ausgeschlossen wäre. 212 Siehe oben § 2 A. II. 4., S. 92 f. 213 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 376. 214 RG, Urt. v. 6.11.1905, IV 229/05 zitiert nach Buchwald/Seyffarth, Komm. RGR, 9. Aufl., 1940, § 2078 Rdnr. 2 und Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 376.

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in Aussicht genommene, Passus nicht hineingelesen werden. Infolge einer wirksamen Teilanfechtung konnten jedoch letztlich nicht nur die Verwandten ihres Ehemanns die Erbschaft antreten, sondern wegen des nunmehr frei gewordenen Nachlassteils auch ihre eigenen im Wege der gesetzlichen Erbfolge. Dreht man den Fall hingegen um, zeigt sich, dass die Durchsetzung des wahren Willens bloß eher zufällig gelang und auf den Verhältnissen des Einzelfalls beruhte. Hat die Erblasserin nämlich diesmal die eigenen gesetzlichen Erben und nicht die des Ehemanns im Wortlaut bedacht, erneut aber die beiderseitigen Verwandten einsetzen wollen, so führt die (Teil-)Anfechtung der Verfügung nicht dazu, dass das wirklich Gewollte verwirklicht wird. Der durch die Vernichtung frei gewordene Nachlassteil fällt dann nämlich im Wege der gesetzlichen Erbfolge wiederum den gesetzlichen Erben der Ehefrau zu.215 Bei dem zweiten von Siber genannten Sachverhalt handelt es sich um den, der der bereits besprochenen Entscheidung RGZ 70, 391 zugrunde lag.216 Dort führte die Kassation infolge der (Teil-)Anfechtung ebenfalls zufällig eine dem positiven Willen entsprechende Rechtslage herbei: Die Beseitigung der ungewünschten Einsetzung der halbbürtigen Geschwister führte nämlich in Einklang mit dem Erblasserwillen dazu, dass auch der verbleibende Nachlassteil den vollbürtigen Brüdern und Schwestern zufiel.217 Erneut von den jeweiligen Umständen abhängig ist die Verwirklichung des wahren Willens auch der in folgenden Konstellation: Der Erblasser möchte ein Vermächtnis in Höhe von „1.000,– †“ zugunsten seines Enkels aussetzen. Da er sich bei der Erstellung der privatschriftlichen Verfügung verschreibt, weist die Verfügung infolge der fehlgegangenen Erklärungshandlung einen Betrag in Höhe von „10.000,– †“ zugunsten des Enkels aus. Der Anfechtungsberechtigte kann hier die testamentarische Verfügung „soweit“ (teil-)anfechten, wie sie dem Willen des Erblassers widerspricht. Nach erfolgter Vernichtung des irrtumsbehafteten Erklärungsteils (beseitigt wird eine „Null“), verbleibt ein irrtumsbereinigter Erklärungsgehalt, der den Enkel als Begünstigten eines Vermächtnisses in Höhe von „1.000,– †“ ausweist.218 Kehrt man den Fall jedoch um, zeigt sich, dass die durch die Anfechtung erreichte Kongruenz mit dem wahren Willen nur zufällig erzielt wurde – sie ist allein auf die konkreten Modalitäten des Sachverhalts zurückzuführen. Legt man nun zugrunde, dass sich der Erblasser zulasten des Enkels verschreibt und ihm in der Konsequenz lediglich „1.000,– †“, anstatt der diesmal angedachten „10.000,– †“, vermacht, kann die Anfechtung hier keine Rechtslage erreichen, die dem Enkel tatsächlich die intendierten „10.000,– †“ zugesteht. Vielmehr greift die Anfechtung hier schon gar nicht Platz: Da der Erblasser dem Enkel sowieso die 215

Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 376. Siehe oben § 2 A. II. 2. a) aa), S. 79. 217 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 376. 218 Ähnlich Kolf, Die Anfechtung von Testamenten, 1935, S. 18. 216

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durch den Wortlaut ausgewiesenen „1.000,– †“ vermacht hätte – immerhin wollte er ihm in Wahrheit sogar einen höheren Betrag zuwenden –, scheidet die Anfechtung der testamentarischem Erklärung aus.219 b) Konstellationen inakzeptabler Anfechtungsergebnisse Nachfolgend wird sich der Konstellation gewidmet, in der die Anfechtung Ergebnisse produziert, die das Rechtsgefühl arg strapazieren.220 Steht nämlich fest, dass der rechtlich maßgebliche Verfügungsinhalt dem wahren Erblasserwillen widerspricht und was der Erklärende stattdessen testieren wollte, bzw. bei Kenntnis gewisser (geänderter) Umstände testiert hätte, erscheint die Rechtsfolge der Anfechtung ambivalent: Einerseits kassiert die Anfechtung die irrtumsbehaftete testamentarische Verfügung, um so dem Erblasserwillen in negativer Hinsicht entgegenzukommen, weil der Erblasser sie im Falle der Irrtumsfreiheit so nicht erklärt hätte. Diese Wirkung ist insoweit nicht zu kritisieren, weil sie die Verfügung beseitigt, die dem wahren Willen widerspricht. Andererseits, und dieser weitere Anfechtungseffekt ist durchaus der Kritik würdig, führt die bloß beseitigende Wirkung des Anfechtungsrechtsbehelfs dazu, dass sie eine Rechtslage herbeiführt, die dem Erblasserwillen bei Irrtumsfreiheit ebenfalls nicht entsprochen hätte.221 Denn dass sich die gesetzliche Erbfolge nicht mit den originären Vorstellungen des Testators deckt und er von deren Regelungen abrücken wollte, brachte er bereits durch die Tatsache, überhaupt ein Testament errichtet zu haben, zum Ausdruck. Dies ist als bewusster Entschluss gegen die von Gesetzes wegen vorgesehene Erbfolge zu werten. 219

Siehe schon oben § 2 A. II. 4., S. 92 f. So sieht sich die beseitigende Rechtsfolge der Anfechtung von einseitigen testamentarischen Verfügungen bereits zahlreicher Kritik ausgesetzt, siehe etwa Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77: „Überall, wo der positive irreale Wille des Erblassers feststeht, die Anfechtung der von ihm getroffenen Verfügung aber nicht zur Berücksichtigung dieses Willens führt […], beleidigt das geltende Recht unser Rechtsgefühl.“ Ähnlich kritisch Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 375: „[Die] Anfechtung wird dem wirklichen letzten Willen infolge ihrer Zweischneidigkeit sehr oft nicht gerecht.“ Siehe auch Pringsheim, JW 1925, 359, 360; Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 92 ff.; Kolf, Die Anfechtung von Testamenten, 1935, S. 18; Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991, S. 18, die die dadurch hervorgerufene Rechtslage als „schwer verständlich“ bezeichnet und als „äußerst unbefriedigend“ und „mit dem Rechtsgefühl nur schwer vereinbar“ empfindet. 221 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 78: „Man reißt die getroffene Verfügung ein, weil sie der Erblasser im Falle der Irrtumsfreiheit nicht getroffen haben würde, gelangt aber damit zu einer Sukzessionsanordnung, die der Erblasser ohne den Irrtum gleichfalls nicht getroffen haben würde; bei dieser beruhigt man sich, während man die erklärte Verfügung, eben weil sie der Erblasser ohne den Irrtum nicht getroffen haben würde, zerstört.“ 220

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Dass die durch die Anfechtung herbeigeführte Rechtslage in den beschriebenen Fällen unbefriedigend ist, soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden. Hierfür sei der bereits geschilderte Dienstbotenfall222 abgewandelt, sodass er dem besagten Fallmuster entspricht: Zum einen ist diesmal ermittelbar, dass der Erblasser bei Kenntnis der Sachlage, anstatt des diebischen Dienstboten, den sich stets kümmernden Nachbarn testamentarisch bedacht hätte. Zum anderen wird nun davon ausgegangen, dass nur ein gesetzlicher Erbe den Erblasser überlebt, bspw. in Person seines Enkels. Da das Verhältnis zwischen Erblasser und Enkel durch fortwährende Zwistigkeiten geprägt war und sie keinerlei Sympathie füreinander hegten, hätte der Erblasser den Abkömmling niemals testamentarisch bedacht. Ficht der Enkel die testamentarische Verfügung unter Berufung auf den diebischen Dienstboten an (unbewusste Vorstellung), führt dies zwar zur Berücksichtigung des Erblasserwillens in negativer Hinsicht, da die sich nunmehr als unliebsam herausgestellte Einsetzung des Dienstboten rückwirkend beseitigt wird. Die Anfechtung bewirkt aber zugleich – und dieser Umstand entspricht ganz und gar nicht dem Willen des Erblassers –, dass der ungeliebte Enkel des Erblassers die Alleinerbenstellung einnimmt. Die Alleinerbeneinsetzung des Nachbarn kann hierdurch nicht erreicht werden. Dies schließt die eindeutig formulierte Anfechtungsrechtsfolge gemäß § 142 Abs. 1 BGB aus, die klarstellt, dass die angefochtene testamentarische Verfügung „als von Anfang an nichtig anzusehen“ ist.223 Ein reformierender Effekt wird ihr daher schon dem Wortlaut nach nicht beigemessen. Entspricht die testamentarische Verfügung in der Weise, wie sie rechtlich maßgeblich ist, nicht dem wahren Erblasserwillen oder setzt sie den Beweggrund des Erblassers nicht um, sind dem Richter de lege lata also die Hände gebunden. Die deutsche Rechtsordnung stellt keine hieran anknüpfenden Mittel bereit, die der ergründeten Intention auch in positiver Hinsicht zum Durchbruch verhelfen könnten.224

222

Siehe § 4 B. IV. 2. a), S. 264. Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991, S. 19; vgl. auch mit besonderem Bezug zu Fällen des Motivirrtums Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 72. 224 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378: „[Es] wäre […] in Wahrheit [die] Einführung einer dritten, richterlichen Berufung neben der testamentarischen und der gesetzlichen [Erbfolge].“ Siehe auch Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77; Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991, S. 19 f.; vgl. Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 4, 59. 223

B. Bewertung

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c) Zwingender Grund für einen bloß kassatorischen Rechtsbehelf? Vor dem Hintergrund dieses unbefriedigenden Ergebnisses drängt sich die Frage auf, weshalb sich der deutsche Gesetzgeber in Fällen irrtumsbehafteter testamentarischer Verfügungen für ein lediglich kassierendes Institut entschieden hat. Wäre es nicht genauso denkbar gewesen, einen reformierenden Rechtsbehelf nach dem Vorbild der englischen rectification zu statuieren? Die Gesetzgebungsmaterialien zum BGB geben hierauf keine erhellende Antwort. Es wurde zu keiner Zeit erwogen, dass der Erblasserwille im Irrtumsfall nicht nur in negativer, sondern auch in positiver Hinsicht berücksichtigt werden könnte.225 Mit „einer geradezu naturrechtlichen Selbstverständlichkeit“ ging man davon aus, dass die mit einem Willensmangel infizierte testamentarische Erklärung nur vernichtet werden kann.226 Bereits der Erste Entwurf sah die beseitigende Wirkung vor, die in ihrer konkreten Ausgestaltung noch von der zugrunde liegenden Irrtumskategorie abhängig gemacht wurde: Fälle des Erklärungs- und Inhaltsirrtums sollten gemäß § 1779 Erster Entwurf bereits kraft Gesetzes nichtig227 und solche des Motivirrtums nach § 1781 Erster Entwurf anfechtbar sein.228 Bekanntermaßen hat sich diese Differenzierung nicht durchgesetzt. Stattdessen entschied man sich für die „schwebende, von der rechtzeitigen Erklärung des Willens des Irrenden, daß das Geschäft nicht gelten solle, abhängige Nichtigkeit“229 ,230 In den Proto225 Siehe Schmitt, Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, 1879, S. 138; Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 523 (§ 1779 Erster Entwurf): Fälle des Erklärungs- und Inhaltsirrtums); ebd., S. 524 (§ 1781 Erster Entwurf: Fälle des Motivirrtums); Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 25; Protokolle, in: ebd., 539 f. 226 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 74. 227 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 523. Die betreffende Passage des § 1779 Erster Entwurf lautete: „Stimmt bei einer letztwilligen Verfügung der wirkliche Wille des Erblassers mit dem erklärten nicht überein, so ist die letztwillige Verfügung nichtig.“ 228 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, ausgearbeitet von der in Folge des Beschlusses des Bundesrathes vom 22. Juni 1874 eingesetzten Kommission. Erste Lesung, 1887, S. 524. Die einschlägige Stelle des § 1781 Erster Entwurf war wie folgt gefasst: „Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, wenn der Erblasser zu derselben durch einen auf die Vergangenheit oder die Gegenwart sich beziehenden Irrthum bestimmt worden ist, oder wenn der Erblasser zu der Verfügung durch die Voraussetzung des Eintrittes oder Nichteintrittes eines künftigen Ereignisses oder eines rechtlichen Erfolges bestimmt worden ist und die Voraussetzung sich nicht erfüllt hat.“ 229 Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Ein Lehrbuch. Zweiter Halbband: Entstehung, Untergang und Veränderung der Rechte. Ansprüche und

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§ 4 Rechtsvergleich

kollen heißt es dazu, dass „sehr gewichtige praktische Gründe“ für die Anfechtbarkeit sprechen.231 Der potentielle Einwand, die Anfechtbarkeit gefährde die Rechtssicherheit, wurde mit den Argumenten abgewehrt, dass der Streit über den testamentarischen Inhalt auf Beteiligte beschränkt sei und die Fristgebundenheit der Anfechtung dazu führe, „die Angelegenheit rasch zur Entscheidung“ zu bringen, was verhindere, „noch nach Jahren die angebliche Ungültigkeit geltend zu machen“.232 Die Tatsache, dass eine reformierende Wirkung auf Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs nicht einmal angedacht wurde, verwundert umso mehr, wenn der Gesetzgeber betont, dass „kein Zweifel bestehen“ könne, dass das Willensdogma bei testamentarischen Verfügungen strenger durchzuführen sei als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden. Weiterhin wird gar der Ausgangspunkt des Erbrechts darin gesehen, den Erblasserwillen zu verwirklichen.233 Angesichts dessen scheint doch auch eine positive Wirkung auf der Ebene des förmlichen Rechtsbehelfs denkbar. Jedenfalls widerspricht eine solche Überlegung nicht per se den Erwägungen der Gesetzesväter. Lenkt man den Blick darauf, welches Interesse der Gesetzgeber mit der Statuierung der §§ 2078 ff. BGB eigentlich bedienen wollte, bestätigt sich dieser Eindruck. Verfehlt ist dabei die Ansicht, die Anfechtungsvorschriften stünden lediglich im Dienste

Einreden, Ausübung und Sicherung der Rechte, 15. Aufl., 1960, S. 1029. 230 Der Beschluss der Kommission erfolgte dahingehend einstimmig, Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540. Eine gewisse Sonderstellung nimmt der sogenannte error in dominio ein, bei dem die Vermächtnisverfügung gemäß § 2169 BGB grundsätzlich unwirksam ist, wenn der durch sie vermachte Gegenstand im Zeitpunkt des Erbfalls nicht zum Nachlass gehört und der Erblasser dachte, er sei Eigentümer, anschaulich Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 74 f. 231 Die Erwägungen wurden indes nicht näher präzisiert, siehe Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540. Etwas konkreter war hingegen noch der Redaktor von Schmitt, wenn er darauf verweist, dass für die Anfechtungstheorie „praktische Erwägungen“ sprächen, da es andernfalls „hart und gewiss unzweckmäßig“ sei, „die Heilbarkeit des Mangels in solchen Fällen auszuschließen.“ Im Weiteren verweist er darauf, dass „die Motive, von welchen der Testator seinen Willen bestimmen ließ, nur als subjektive Momente in Betracht kommen. Die objektiven Verhältnisse des Verkehrs verlangen aber auch auf dem erbrechtlichen Gebiete Schutz gegen erkennbare Mängel. Ein solcher wäre mit Annahme der Nichtigkeitstheorie prinzipiell versagt.“ Dazu Schmitt, Begründung des Entwurfes eines Rechtes der Erbfolge für das Deutsche Reich und des Entwurfes eines Einführungsgesetzes, 1879, S. 139; diesen Gedanken greifen die Motive auf, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 25. 232 Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 540. 233 Dazu schon oben § 4 B. I. 2., S. 244 (Fn. 161).

B. Bewertung

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eines negatorischen Drittinteresses dahingehend, eine irrtumsbehaftete Verfügung nicht gegen sich gelten lassen zu müssen.234 Der Umstand, dass der Erblasser seine testamentarische Verfügung aufgrund seines Versterbens nicht mehr selbst beseitigen kann, ändert nämlich nichts daran, dass er ebenfalls ein Interesse daran gehabt hätte, seine erklärten Worte, die nicht mit seiner wirklichen Intention bzw. seinem Beweggrund kongruent sind, zu beseitigen. Richtigerweise werden die §§ 2078 ff. BGB daher überwiegend als Ausdruck des Willensdogmas verstanden, sodass das Interesse des Erblassers an einer fehlerfreien testamentarischen Verfügung auch noch über seinen Tod hinaus geschützt wird.235 Damit erscheint die Bereitstellung des lediglich beseitigenden Anfechtungsinstruments erneut nicht zwingend. Ebenso gut ließe sich mit der dargelegten verfolgten Zweckrichtung ein Rechtsbehelf rechtfertigen, der auch positive Wirkung zugunsten der wahren Intention entfalten würde.236 Da sich der Gesetzgeber aber dazu entschieden hat, den beschriebenen Zweck durch das Anfechtungsinstrument zu verfolgen – einem Beseitigungsrecht, dem die negative Gestaltungswirkung wesensimmanent

234 So aber Leipold, MünchKomm. BGB, 8. Aufl., 2020, § 2078 Rdnr. 1; Michalski/ Schmidt, BGB – Erbrecht, 5. Aufl., 2019, S. 125 Rdnr. 385. Ähnlich auch noch die Motive, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 30, wenn es dort heißt: Sinn der Anfechtbarkeit sei es, „[…] nur diejenigen Personen zu schützen, welche bei unbeeinflusster Willensentscheidung des Erblassers nicht benachteiligt worden wären.“ 235 Dies deckt sich auch mit der Auffassung des Gesetzgebers in den Protokollen, wo der Zweck der Anfechtung gegenüber der vorherigen Positionierung in den Motiven (siehe § 4 B. IV. 2. c), S. 271 (Fn. 234) noch einmal überdacht wurde, Protokolle, in: Mugdan, Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich. V. Band: Erbrecht, 1899, S. 548: „Die Anfechtung bezweck[t] den wahren Willen des Erblassers zur Geltung zu bringen.“ Ebenso BGH NJW 1985, 2025, 2026: „[D]ie Anfechtung einer Verfügung von Todes wegen [dient] nach dem Verständnis der ganz überwiegenden Meinung nicht nur dem Interesse des davon betroffenen Anfechtungsberechtigten […], sondern zugleich auch dem Interesse des Erblassers […], dessen Willensmangel ,absolut‘ Rechnung [getragen] und seinem (hypothetischen) Willen in größerem Umfang zum Erfolg [verholfen wird]. Das entspricht dem Grundgedanken des § 2078 I BGB, der dahin geht, die begründete Anfechtung eines dazu Berechtigten durchgreifen zu lassen, ,soweit‘ die Verfügung von dem Willensmangel betroffen ist, und nicht nur ,soweit der Anfechtungsberechtigte durch die Verfügung benachteiligt wird.‘“ Siehe auch Czubayko, ErbrechtKomm., 3. Aufl., 2019, § 2078 Rdnr. 1; Muscheler, Erbrecht. Band I, 2010, S. 999 Rdnr. 1961; Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 402. 236 Schmidt sieht in der gesetzlichen Erbfolge den „natürlichen Ausgangspunkt allen Erbrechts“, dessen Eintritt dem Erblasserwillen im Regelfall entspreche, insofern das Erklärte nicht damit übereinstimme, Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 88. Das mag zur damaligen Zeit noch gegolten haben, kann jedoch aus heutiger Sicht wegen der gewandelten Lebensverhältnisse nicht mehr pauschal bestätigt werden.

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§ 4 Rechtsvergleich

ist –,237 wird die Möglichkeit einer positiven Wirkung von vornherein abgeschnitten.238 Wie die Untersuchung gezeigt hat, stellt die Rechtsfolge der erbrechtlichen Anfechtung nicht zufrieden. Dies gilt nicht nur aus Sicht der Anfechtungsberechtigten, die bei Zugrundelegung des wirklich Gewollten bedacht worden wären, aber auch nach wirksamer Anfechtung in aller Regel nicht das Angedachte erhalten, sondern auch aus der Perspektive des Erblassers, der ein überragend schützenswertes Interesse an einer fehlerfreien Willensdurchsetzung hat. Letztlich sind von Seiten des Gesetzgebers damit keine Gründe vorgetragen worden, die Aufschluss darüber geben, warum auf Irrtumskonstellationen lediglich mit einem Beseitigungsrecht reagiert werden kann. Im Gegenteil hätten die Erwägungen, die zum Erlass der §§ 2078 ff. BGB führten und nicht spezifisch auf das Anfechtungsrecht zugeschnitten sind, auch die Statuierung eines reformierenden förmlichen Rechtsbehelfs getragen. Demzufolge hätten sie auch ein Instrument gerechtfertigt, das in seiner Rechtsfolge der englischen rectification entspricht. Das gilt einmal mehr vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber mit den §§ 2078 ff. BGB ohnehin Sonderregelungen verankerte, die von den Anfechtungsvorschriften aus dem Allgemeinen Teil abweichen, um der besonderen erbrechtlichen Situation zu begegnen.

C. Zusammenfassung Der Rechtsvergleich hat gezeigt, dass sich die Auslegungsmethoden der beiden Nationen in weiten Teilen ähneln, wenn es um die Präzisierung eines real vorhandenen Erblasserwillens geht. Die deutsche erläuternde Auslegung und die englische interpretation lassen zwar aus rechtsdogmatischer Sicht gewisse Unterschiede erkennen,239 zu nennen sind etwa die eingenommenen Auslegungsperspektiven240 oder das jeweils zur Ermittlung des niedergelegten Willens heranziehbare Beweismaterial.241 Allerdings wirken sich diese Aspekte durch das Zusammenspiel verschiedener weiterer Faktoren praktisch kaum aus.242 Da beide Rechtsord-

237 Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 402. 238 Nicht gefolgt werden kann Schulz, der der Anfechtung eine positive Wirkung beimessen will, um den Erblasserwillen zu verwirklichen, Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 81 f. Dazu noch unten § 5 B. II., S. 291 ff. 239 Siehe dazu § 4 A. II. 1. a), S. 195 ff. 240 Siehe dazu § 4 A. II. 1. a) aa), S. 195 f. 241 Siehe dazu § 4 A. II. 1. a) bb), S. 196 ff. 242 Siehe dazu § 4 A. II. 2., S. 201 ff.

C. Zusammenfassung

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nungen eine äußerst liberale Auslegungsmethodik verfolgen, löst die Rechtspraxis die Großzahl der auftretenden Diskrepanzfälle zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut im Wege der Auslegung zugunsten des wirklich Gewollten. Insoweit hat sich also die „praesumtio similitudinis“ bestätigt.243 Obwohl der richterliche Rechtsanwendungsprozess in beiden Ländern im Großteil der Fälle zu identischen Ergebnissen führt, ergibt sich jedoch ein praktischer Unterschied im Zusammenhang mit dessen konkreter Reichweite.244 In Deutschland ist die Beweiswirkung durch die Andeutungstheorie begrenzt, die dem einwandfrei nachweisbaren Erblasserwillen und dessen Durchsetzung entgegenstehen kann. In England hingegen ist die Grenze der interpretation durch die Figur des rewriting abgesteckt, die aber so liberal gehandhabt wird, dass die Durchsetzung des Erblasserwillens im Wesentlichen zur Beweisfrage erklärt wird. Damit wird die Umsetzung des wahren Willens insbesondere nicht von einem diesbezüglichen Anhalt im Wortlaut abhängig gemacht. Im Zuge der Entwicklung der liberalen englischen Auslegungsmethode wurde die rewriting-Grenze fortwährend verwässert, sodass sie heute wohl nur noch einem im Wege der Auslegung stattfindenden Implementierungsversuch einer gänzlich neuen Verfügung oder von Inhalten, die der Erblasser niemals in seinen Willen aufgenommen hatte, entgegensteht.245 Doch auch die deutsche Andeutungstheorie ist mit ihrer Anforderung immer weiter aufgeweicht worden. Wie im englischen Recht scheitert die Willensverwirklichung in Deutschland, wenn durch die Auslegung eine gänzlich neue Verfügung in das Testament „hineingelesen“ werden soll. Im Übrigen droht die Andeutungstheorie der Willensverwirklichung nur in denjenigen seltenen Grenzfällen im Wege zu stehen, in denen die testamentarische Verfügung äußerst knapp gefasst ist, sie keinen nachweisbar besonderen Sprachgebrauch beinhaltet und weder die (unbewusste) Falschbezeichnung noch der weitere Wortlaut einen Hinweis darauf geben, was eigentlich ausgedrückt werden sollte.246 Dennoch hat sich die Formalisierung der Beweisstrenge als Dreh- und Angelpunkt der Kritik am deutschen Recht herausgestellt.247 Die deutsche Rechtsordnung will dadurch das Risiko minimieren, dass Erbprätendenten durch gefälschte Beweise oder Falschaussagen die Erbschaftsposition des in Wahrheit in Aussicht Genommenen okkupieren und in der Erbschaftsstreitigkeit zu Unrecht obsiegen. Damit nimmt es die Kehrseite in Kauf, dass sich ein einwandfrei nachweisbarer Wille nicht durchsetzt, weil ihn der Testamentswortlaut nicht hinreichend wiedergibt. 243

Siehe dazu § 4, S. 191. Siehe dazu § 4 A. II. 1. a) cc), S. 138 und § 4 A. II. 2. a) cc), S. 206 ff. 245 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 149 ff. 246 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc) (4), S. 51 f. 247 Siehe dazu § 4 B. I., S. 220 ff. und § 4 B. III. 2., S. 254 f. 244

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§ 4 Rechtsvergleich

Allerdings hat die Arbeit anhand der deutschen Andeutungstheorie exemplifiziert, dass ein Andeutungskriterium nicht schlüssig ist, um dieses Ziel zu erreichen, und stattdessen zu erheblichen Schwierigkeiten führt. So ist es der Rechtsordnung nicht gelungen, der Voraussetzung nähere Konturen zu verleihen, die deren Ergebnis rechtssicher vorhersehbar machen.248 Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Rechtspraxis im Hinblick auf die Andeutungsvoraussetzung inkonsistente Ergebnisse produziert.249 Einerseits beurteilt sie die Fälle unbewusster Falschbezeichnungen im Testamentsrecht abweichend vom Grundstückskaufvertragsrecht. Bei letztgenanntem gelangt sie zu einer Durchbrechung der Andeutungstheorie, stellt die „falsa demonstratio“Regel also über das Andeutungserfordernis.250 Andererseits differenziert sie im Testamentsrecht zwischen bewussten und unbewussten Falschbezeichnungen. In diesem Kontext wurde dargelegt, dass das objektive Andeutungskriterium eine solch subjektive Unterscheidung nicht hergibt: Die Referenz des Andeutungskriteriums ist die objektive Verkehrssprache und nicht ein individueller, subjektiver Sprachgebrauch des Erblassers. Der wahre Erblasserwille muss sich also mit dem durch den Testamentswortlaut vermittelten Bedeutungsgehalt des natürlichen Sprachgebrauchs vereinen lassen, woran es bei der Konstruktion der bewussten Falschbezeichnung fehlt.251 Hinzu tritt, dass die Andeutungsvoraussetzung bei weitem nicht die Menge an Erbstreitigkeiten verhindert, wie sie zunächst nahelegt. Sie leistet keinen effektiven Schutz für den wahren Erblasserwillen und die in Wahrheit in Aussicht genommenen Erbprätendenten vor einer zu Unrecht behaupteten Erblasserintention und einer damit einhergehenden Okkupierung der betreffenden Erbschaftsposition. Das Andeutungskriterium ist nicht dazu in der Lage, effizient zwischen wahrheitsgemäßen und falschen Darlegungen zu differenzieren. Darüber hinaus konnte die Untersuchung zeigen, dass weder die allgemeine Rechtsgeschäftslehre auf der Auslegungsebene noch die Formanforderungen danach verlangen, an dem Andeutungskriterium festzuhalten.252 Im Übrigen hat die Arbeit gezeigt, dass es an einem tauglichen Alternativkriterium fehlt, um die Beweisstrenge schlüssig zu formalisieren.253 Infolge einer sich daran anschließenden Gesamtabwägung der betroffenen Belange kam die Untersuchung letztlich zu dem Schluss, dass es eines solchen auch nicht bedarf und es stattdessen zweckmäßiger ist, auf die allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln zu vertrauen, also keine Formalisierung der Beweisstrenge vorzunehmen. Dies hat auch der Blick auf das 248

Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) aa), S. 221 ff. Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb), S. 226 ff. 250 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb) (1), S. 227 f. 251 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb) (2), S. 228 ff. 252 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) dd), S. 232 ff. 253 Siehe dazu § 4 B. I. 1. b), S. 238 ff. 249

C. Zusammenfassung

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englische Recht unterstützt, das sich im Kontext eines realen Erblasserwillens im Wesentlichen auf die ordnungsgemäße Beweisaufnahme und -verwertung im Zivilprozess verlässt.254 Was die Fälle fehlgegangener Erklärungszeichen anbelangt, lässt das englische common law eine deutlich höhere Durchsetzungseffektivität als das deutsche Recht erkennen.255 Sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind, kann es diese Szenarien nämlich stets zugunsten des wahren Willens lösen. Sowohl die interpretation als auch die rectification (clerical error, sec. 20(1)(a) AoJA 1982) können hier die Reformation bewirken. Demgegenüber würde das in Deutschland notwendig zu erfüllende Andeutungskriterium typischerweise der Durchsetzung des wahren Willens in den Fällen der fehlgegangenen Erklärungshandlung entgegenstehen, weil die entsprechenden Konstellationen meist keinen Hinweis auf das wirklich Gewollte erkennen lassen werden, wenn sich etwa das Verschreiben unmittelbar auf den Anordnungsinhalt auswirkt. Hier verbleibt nur die Möglichkeit der kassatorischen Irrtumsanfechtung. So drastisch dieser Unterschied auf den ersten Blick auch wirken mochte, ist er jedoch nur von geringem praktischen Gewicht, weil es sowohl in der englischen als auch in der deutschen Rechtspraxis bisher an entsprechenden Fällen fehlt, in denen tatsächlich ein fehlgegangenes Erklärungszeichen, wie bspw. ein Verschreiben, zu einem vom Willen abweichenden Wortlaut führte.256 Ebenfalls nicht überschätzt werden darf die formal erhöhte Durchsetzungseffektivität des Erblasserwillens bei Übermittlungsfehlern, worauf das englische Recht ebenfalls sowohl mit der interpretation als auch mit der rectification gemäß sec. 20(1)(b) AoJA 1982 (failure to understand the testator’s instructions) reagiert. Der Berichtigungsgrund hat nämlich bislang kaum Bedeutung erlangt, was darauf zurückzuführen ist, dass die rectification ohnehin nur äußerst selten angewandt wird, Übermittlungsfehler nur selten vorkommen und der Tatbestand typischerweise das Eingeständnis des solicitor verlangt, dass er die Instruktionen des Erblassers nicht verstanden hat.257 In diesem Zusammenhang musste auch konstatiert werden, dass es vor dem Hintergrund des Erblasserinteresses an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens zwar begrüßenswert ist, seiner wahren Intention mit ausschließlich reformierenden Instituten zu begegnen, jedoch die Selektivität nicht überzeugen kann, dies lediglich für die Konstellationen von fehlgegangenen Erklärungszeichen und Übermittlungsfehlern vorzusehen.258

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Siehe dazu § 4 B. I. 2., S. 241 ff. Siehe dazu § 4 A. III. 2., S. 216 ff. 256 Siehe dazu § 4 B. II 1., S. 246 ff. 257 Siehe dazu § 3 A. II. 3. c) bb), S. 171 ff. und § 4 B. II. 2., S. 248 ff. 258 Siehe dazu § 4 B. II. 1., S. 246 ff. und § 4 B. II. 2., S. 248 ff. 255

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§ 4 Rechtsvergleich

Bedeutsame praxisrelevante Unterschiede haben sich zwischen dem deutschen und dem englischen Problemlösungsansatz gezeigt, wenn es um die Verwirklichung der Beweggründe des Erblassers geht.259 Das deutsche Recht stellt hierfür die ergänzende Auslegungsmethode bereit, mit deren Hilfe der auslegende Richter danach fragt, wie der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testiert hätte, wenn er die testamentarische Lücke vorausgesehen hätte. Dadurch kann sowohl auf anfängliche als auch auf nachträgliche Lücken reagiert werden. Da zwischen Testamentserrichtung und Erbfall häufig eine recht große Zeitspanne liegt, verdient das deutsche Rechtssystem im Ansatz Lob, wenn es den irrealen Willen berücksichtigt, um flexibel auf dem Erblasser damals unbekannte Umstände oder solche, die sich mittlerweile geändert haben, reagieren und seine ursprüngliche Motivation fortdenken zu können. Trotz dieses begrüßenswerten Ausgangspunkts hat die Untersuchung gezeigt, dass es schlicht unvorhersehbar ist, ob die Rechtspraxis den hypothetischen Erblasserwillen tatsächlich verwirklicht. Die Durchsetzung dieser Willensform wird auch hier vom Andeutungskriterium abhängig gemacht, das die Gerichte kaum vorhersehbar anwenden. So werden beinahe identische Sachverhalte unterschiedlich beurteilt, woraufhin das Bestreben, den irrealen Willen umzusetzen, in ein unkalkulierbares Prozessrisiko mündet. Auch hier kann die Formalisierung der Beweisstrenge nicht überzeugen. Erschwerend tritt dabei hinzu, dass die Durchsetzung eines irrealen Willens zeitlich unbegrenzt möglich ist.260 Mit Blick auf die Schließung testamentarischer Lücken, um die Enttäuschung der Beweggründe des Erblassers zu vermeiden, ist das englische common law hingegen defizitär. Es sieht kein Institut vor, mit dem nach einem irrealen Willen geforscht werden könnte. Im Wege der interpretation kann nur ein tatsächlich gebildeter Erblasserwille ermittelt werden. Der Implementierungsversuch von Inhalten, die der Erblasser niemals in seine kognitive Vorstellungswelt aufgenommen hat, würde die Auslegungsgrenze des rewriting überschreiten. Das englische Recht stellt lediglich für zwei Sonderkonstellationen statutory provisions bereit, mit deren Hilfe auf geänderte Umstände reagiert werden kann.261 Diese führen die Lückenschließung aber nur im Wege der Unterstellung eines typisierten Erblasserwillens durch, der sich nicht zwingend mit dem des Testators im Einzelfall deckt. In dieser fundamentalen Differenzierung zwischen realem und irrealem Erblasserwillens ist letztlich eine konsequente Positionierung zugunsten der Rechtssicherheit und -klarheit zu erblicken. Gegenüber einer Ermittlung der

259

Siehe dazu § 4 A. II. 1. a) dd), S. 198 f. und § 4 A. II. 2. a) dd), S. 208 ff. Siehe dazu § 4 B. III. 2., S. 254 ff. 261 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) bb), S. 120 ff. 260

C. Zusammenfassung

277

hypothetischen Intention im Einzelfall verschließt sich das englische Recht und verweist stattdessen auf die Rechtsberatungspraxis, um präventiv durch die Implementierung von vorausschauenden Auffangregelungen zu vermeiden, dass die Beweggründe des Erblassers enttäuscht werden. Dies gelingt indes nur bedingt.262 Sofern die Willensverwirklichung im Wege der Auslegung scheitert, stellen beide Rechtsordnungen einen förmlichen Rechtsbehelf bereit, wobei die Irrtumsanfechtung des deutschen und die rectification des englischen Rechts in ihrer rechtsdogmatischen Ausgestaltung ziemlich unterschiedlich ausfallen.263 Zwar erfasst das Anfechtungsrecht gemäß §§ 2078 ff. BGB grundsätzlich sämtliche der Untersuchung zugrunde liegenden Fallvarianten, allerdings wirkt es gemäß § 142 Abs. 1 BGB nur kassatorisch; dass hierdurch reformierend zugleich auch der positive Erblasserwille verwirklicht wird, ist allenfalls ein seltenes Produkt des Zufalls. Dabei hat die Arbeit gezeigt, dass die bloß beseitigende Wirkung der Anfechtung in Irrtumskonstellationen zu teils inakzeptablen Ergebnissen führt.264 Eine zwingende Rechtfertigung dafür, dass sie lediglich den negativen Erblasserwillen berücksichtigt, konnte nicht gefunden werden.265 Demgegenüber wirkt die rectification gemäß sec. 20 AoJA 1982 zwar reformierend, sodass sie den Erblasserwillen auch in positiver Hinsicht durchsetzt, erfasst im Gegenzug aber deutlich weniger Diskrepanzursachen als die Anfechtung, indem sie ausschließlich auf Erklärungs- und Übermittlungsirrtümer reagiert. In diesem Zusammenhang hat die Arbeit gezeigt, dass die rectification eine geringe praktische Relevanz hat. Demgegenüber wiegt schwer, dass das englische Recht für die übrigen hier in Rede stehenden Irrtumskonstellationen kein Instrument bereitstellt. Fallen Auslegungsergebnis und Erblasserwille also aufgrund eines Inhalts- oder Motivirrtums auseinander, bleibt der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt, der dem Erblasserwillen widerspricht, maßgeblich. Anders als mit der Irrtumsanfechtung im deutschen Recht kann die Anordnung in diesen Fällen nicht beseitigt werden, um die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen. In dieser Hinsicht konnte der Ansatz des englischen Rechts daher nicht überzeugen.266

262

Siehe dazu § 4 B. III. 1., S. 251 ff. Siehe dazu § 4 A. II. 1. b), S. 200 f. und § 4 A. II. 2. b), S. 210 ff. 264 Siehe dazu § 4 B. IV. 2. b), S. 267 ff. 265 Siehe dazu § 4 B. IV. 2. c), S. 269 ff. 266 Siehe dazu § 4 B. IV. 1., S. 261 f. 263

§5

Reformvorschlag Die Untersuchung hat gezeigt, dass die von der deutschen Rechtsordnung angebotene Lösung für den sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens nicht in jeder Hinsicht überzeugt. Trotz der begrüßenswerten Etablierung einer liberalen Auslegungsmethodik, die viele Fälle zugunsten des Erblasserwillens löst und damit dem Willen des Gesetzgebers Ausdruck verschafft, das erbrechtliche Willensdogma verstärkt zu berücksichtigen, verbleiben Fallgestaltungen, in denen die Rechtslage de lege lata nicht zufriedenstellt. Dies soll im folgenden Abschnitt aufgegriffen werden, indem ein eigener Reformvorschlag entwickelt wird, der die ausgemachten Unzulänglichkeiten zu vermeiden versucht. Die hier vertretene Neujustierung, die für eine verstärkte Berücksichtigung des wahren Erblasserwillens auch in positiver Hinsicht und zugleich für eine rechtssicher vorhersehbare richterliche Entscheidung eintritt, knüpft an die Stellschrauben der Andeutungstheorie und der Irrtumsanfechtung an. Darüber hinaus wird dem kritisierten Aspekt begegnet, dass die Durchsetzung des irrealen Willens prinzipiell zeitlich unbegrenzt möglich ist. Im Folgenden soll zunächst der Anknüpfungspunkt des Neumodells näher herausgestellt1 und eine Auseinandersetzung mit bereits existierenden Reformvorschlägen erfolgen.2 Im Anschluss daran wird ein eigener Ansatz in die Reformdebatte eingebracht.3

A. Anknüpfungspunkt Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse dieser Untersuchung wird eine Reform des Umgangs mit Fallgestaltungen angeregt, in denen erstens die bestehende testamentarische Verfügung, so wie sie erklärt und rechtlich maßgeblich ist, dem wirklich Gewollten oder dem Beweggrund widerspricht, und zweitens der positive (irreale) Erblasserwille ermittelt ist. Die Rechtsordnung stuft diese Diskrepanz de lege lata als Irrtum ein, womit sie den Boden der

1

Siehe unten § 5 A., S. 279 f. Siehe unten § 5 B., S. 280 ff. 3 Siehe unten § 5 C., S. 298 ff. 2

280

§ 5 Reformvorschlag

Auslegung verlässt und das Feld der Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB betritt.4 Der in dieser Konstellation als unbefriedigend empfundene Zustand beruht auf dem Zusammenspiel von Unzulänglichkeiten der Andeutungstheorie mit der kritikwürdigen kassatorischen Anfechtungsrechtsfolge, die lediglich dem negativen Erblasserwillen nachkommt, dessen positive (irreale) Seite aber unberücksichtigt lässt.

B. Reformvorschläge des Schrifttums Angesichts der geschilderten unbefriedigenden Aspekte des deutschen Ansatzes verwundert es nicht, dass sich bereits zahlreiche Stimmen aus dem Schrifttum hiergegen gewandt haben. Anstatt sich mit der bloß beseitigenden Wirkung der Anfechtung zu begnügen, verfolgen sie das Bestreben, dem erbrechtlichen Willensdogma verstärkt Geltung zu verschaffen. Die Positionen unterscheiden sich hingegen, wenn es um die konkrete Ausgestaltung dieses Vorhabens geht. Die vorgebrachten Optimierungsvorschläge reichen von einer Ausdehnung des Wirkungskreises der Auslegung5 über die Etablierung einer positiven Anfechtungswirkung,6 bis hin zu der Vornahme einer Testamentskorrektur.7 Hierbei unterscheiden die Modelle nach der Art des durchzusetzenden Willens. Nachfolgend werden diese Positionen analysiert, um die hieraus gewonnenen Erkenntnisse für den am Ende dieses Teils der Untersuchung zu unterbreitenden eigenen Lösungsvorschlag nutzbar zu machen.

I. Ausdehnung der Auslegung (1) Aus der Zeit des Entstehungsprozesses des BGB stammt die Abhandlung von Danz,8 die er auf der Grundlage des neuen Privatrechts aktualisierte und mit der er sich für eine umfassende Ausdehnung der Auslegungsreichweite aussprach.9 Für Fälle, in denen das wirklich Gewollte wegen fehlgegangener

4 Damit wird an die oben herausgearbeitete Konstellation angeknüpft, in der die bestehende Rechtslage zu keinem überzeugenden Ergebnis gelangt, § 4 B. IV. 2. b), S. 267 ff. 5 Siehe unten § 5 B. I., S. 280 ff. 6 Siehe unten § 5 B. II., S. 291 ff. 7 Siehe unten § 5 B. III., S. 294 ff. 8 Die Erstauflage seines Beitrags erschien noch vor dem Inkrafttreten des BGB im Jahr 1897, Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. Zugleich ein Beitrag zur Rechts- und Thatfrage, 1897. 9 Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. Zugleich ein Beitrag zur Rechts- und Tatfrage, 3. Aufl., 1911, S. 287 ff. Die 1914 erschienenen Thesen Oertmanns schlossen sich im Wesentlichen dem Danzschen Modell an. Auch Oertmann wollte stets den wahren Erblas-

B. Reformvorschläge des Schrifttums

281

Erklärungszeichen oder missverstandener verwendeter Begrifflichkeiten nicht zum Ausdruck gelangte, es also um die Durchsetzung eines real gebildeten Willens ging, wollte Danz den Wirkungskreis der erläuternden Auslegung ausweiten. Er plädierte dafür, die testamentarische Erklärung stets so auszulegen, dass sie dem ermittelten wahren Erblasserwillen entsprach, weil „die Umstände deutlicher ,sprechen‘“ würden „als das einzelne aus dem Zusammenhang gerissene Wort“. Der bloße Wortlaut könne nicht maßgeblich sein, weshalb diese Begleitaspekte ernstgenommen werden müssten. In all denjenigen Fällen, in denen der in der Urkunde niedergelegte Erblasserwille ermittelt werden konnte, selbst wenn nur auf Grundlage außerurkundlicher Tatsachen, liege stets „ein erklärter Wille“ vor. Der Testamentswortlaut beinhalte denjenigen Sinngehalt, den der Erblasser tatsächlich kundtun wollte. Dass er sich dabei unpräzise oder gar falsch ausgedrückt habe, stehe dem nicht entgegen. Mit Blick auf testamentarische Falschbezeichnungen verwies Danz auf eine Lösung über den Rechtssatz „falsa demonstratio non nocet“, der den wahren Willen durchsetzen müsse.10 Schließlich betonte er noch einmal, dass der tatsächlich gebildete Wille nicht aus der testamentarischen Verfügung hervorzugehen brauche, um umgesetzt zu werden; das zum Auslegungsergebnis führende Auslegungsmaterial bedürfe keiner Stütze im Wortlaut.11 Was eine Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens anbelangte, äußerte sich Danz nur vage. So optierte er lediglich unspezifisch dafür, diesen „in ausgiebiger Weise“ im Wege der ergänzenden Auslegung zu berücksichtigen, ohne hierfür nähere Modalitäten und etwaige Grenzen aufzuzeigen.12 Während Schulz den Danzschen Vorschlag als „radikal“ bezeichnete13 – was zur damaligen Zeit, in der die Auslegungsmethodik noch nicht den heutigen liberalen Geist verkörperte, noch zutreffen mochte –, ist das Modell von der heutigen Auslegungspraxis nicht allzu weit entfernt. Dass auch Umstände außerhalb des Testaments zur Willenserforschung oft maßgeblich beitragen, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Dasselbe gilt für die Tatsache, serwillen im Wege der Auslegung verwirklichen. Er betonte, dass es sich bei einseitigen testamentarischen Erklärungen um keine Verkehrsgeschäfte handele und daher kein Erklärungsgegner zu schützen sei. Darüber hinaus argumentierte er mit dem Prinzip von Treu und Glauben, das „nichts anderes“ verlange, „als eine Berücksichtigung des wahren Willens des Erklärenden“, Oertmann, Rechtsordnung und Verkehrssitte insbesondere nach bürgerlichem Recht. Zugleich ein Beitrag zu den Lehren von der Auslegung der Rechtsgeschäfte und von der Revision, 1914, S. 135 ff., 142 ff. 10 Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. Zugleich ein Beitrag zur Rechts- und Tatfrage, 3. Aufl., 1911, S. 287 ff. 11 Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. Zugleich ein Beitrag zur Rechts- und Tatfrage, 3. Aufl., 1911, S. 286 und ebd., Fn. 1. 12 Danz, Die Auslegung der Rechtsgeschäfte. Zugleich ein Beitrag zur Rechts- und Tatfrage, 3. Aufl., 1911, S. 285 ff. 13 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 85 (Fn. 6).

282

§ 5 Reformvorschlag

dass selbst der vermeintlich klare und eindeutige Wortlaut eine ihm entgegenstehende Auslegung nicht hindert. Aus heutiger Sicht ist die Quintessenz der Danzschen These in einer Ablehnung des Andeutungserfordernisses zu erblicken. Nachdem die mit der Andeutungstheorie verbundenen Schwierigkeiten dargelegt wurden,14 kann diesem Ansatz grundsätzlich beigepflichtet werden. Allerdings darf ein Verzicht auf die Andeutungstheorie nicht zur Etablierung einer freien Auslegungsmethode führen, die der Erklärung im Einzelfall überhaupt keine Bedeutung mehr beimisst. Die geltenden Grundprinzipien der Rechtsgeschäftslehre einerseits sowie der Formvorschriften andererseits müssen gewahrt bleiben. Um eine ausufernde, um jeden Preis erfolgende Berücksichtigung des Erblasserwillens zu verhindern, bedarf es einiger Relativierungen de lege ferenda, die dem Danzschen Modell indes fehlen. Das gilt erst recht mit Blick auf die von ihm postulierte weitreichende Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens, wo es einer besonderen Umsicht bei der Frage seiner Verwirklichung bedarf, nicht zuletzt, weil ihn der Erblasser niemals gebildet hatte und dadurch der Bezug zur Testamentsurkunde verloren zu gehen droht.15 Ein Verzicht auf jegliches Andeutungserfordernis – ohne eine stattdessen eingreifende Relativierung – würde allerdings einer immensen Zahl an Erbstreitigkeiten Tür und Tor öffnen. Da Danz keinerlei derartige Begrenzungen vorsieht, ist sein Modell abzulehnen. (2) Auch Schulz sprach sich bereits 192716 für die Fälle falsch verstandener Begriffe und fehlgegangener Erklärungszeichen für eine liberalere Auslegungspraxis unter Zurückdrängung des § 2078 Abs. 1 BGB aus. Den Stein des Anstoßes bildeten bei ihm zwei Fallbeispiele, die das Recht nur unzureichend löse. Zum einen nannte er den auch dieser Untersuchung zugrunde liegenden Fall, in dem der Erblasser „Magda“ als Vermächtnisnehmerin einsetzen wollte, sich aber in einem Moment der Unachtsamkeit verschrieb, woraufhin „Martha“ dem Testamentstext nach begünstigt wurde. Zum anderen führte er die Konstellation an, in der der Testator die Universität „Lausanne“ mit einem Vermächtnis bedenken wollte, sich aber verschrieb, sodass „Genf“ dem Wortlaut nach eingesetzt wurde. In beiden Konstellationen führe die Anfechtung der irrtumsbehafteten Verfügung de lege lata zwar jeweils zu ihrer Beseitigung, die eigentlich Bedachten, „Magda“ und die Universität „Lausanne“, gingen hingegen leer aus.17 Aus rechtspolitischer Sicht seien „solche Entscheidungen unhaltbar“,18 „Lausanne“ und „Magda“ müssten das ihnen zugedachte Vermächtnis erhalten. Da dieses Ergebnis auch 14

Ausführlich dazu oben § 4 B. I., S. 220 ff. und § 4 B. III. 2., S. 254 f. Siehe schon oben § 4 B. III. 1., S. 251 ff. 16 Seine ursprüngliche Schrift stammt aus dem Jahr 1927, es wird aber mit dem leichter zugänglichen Neudruck aus 1979 gearbeitet, dazu schon oben § 1 A., S. 3 (Fn. 13). 17 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 85 f. 18 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87. 15

B. Reformvorschläge des Schrifttums

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ohne Rückgriff auf die „falsa demonstratio“-Regel zu erreichen sei, müsse nicht entschieden werden, ob diese das Resultat überhaupt erzielen könne.19 Erforderlich sei nur, den bei der Niederschrift in ein formgültiges Testament20 real vorhandenen wie einen tatsächlich erklärten Willen zu befolgen. Für diese Gleichsetzung spreche, dass der Erblasser doch typischerweise davon ausgehe, das wirklich Gewollte ausgedrückt zu haben.21 Einer Andeutung des wirklichen Willens im Testamentswortlaut bedarf es hiernach also nicht. Im Weiteren schränkte Schulz sein Gleichsetzungspostulat aber noch etwas ein und machte es von der Erfüllung einer Voraussetzung abhängig: Der Testator müsse stets nach Treu und Glauben der Auffassung gewesen sein, das wirklich Gewollte im Testament niedergelegt zu haben.22 Diese Relativierung sei nötig, um ein „testamentum mysticum“ zu vermeiden, bei dem der Erblasser bspw. Geheimzeichen in seinem Testament verwendete und für deren Entschlüsselung die Verwertung von Hinweisen verlangte, die in Bankschließfächern gelagert seien.23 Nach seiner Lehre würden „Magda“ und „Lausanne“ also jeweils als Vermächtnisnehmerinnen gelten, sobald erstens der wahre Erblasserwille aufgedeckt ist, der in der Urkunde verankert werden sollte, und zweitens der Erblasser nach Treu und Glauben davon ausging, seine wirkliche Intention niedergeschrieben zu haben.24 Schulz unterstützte sein Modell letztlich damit, dass es „zu einer klaren einfachen Lehre von der Auslegung testamentarischer Verfügungen und zu angemessenen, dem heutigen Billigkeitsgefühl entsprechenden, Entscheidungen“ führe.25 Legt man diese Überlegungen zugrunde, wird man in den meisten Fällen davon ausgehen können, dass der Erblasser dachte, seinen wahren Willen ordnungsgemäß zum Ausdruck gebracht zu haben. Andernfalls hätte der vernünftige durchschnittliche Erblasser bereits in dem Augenblick, in dem er realisierte, dass seine soeben erstellte testamentarische Niederschrift nicht das wiedergibt, was er eigentlich testieren wollte, wohl umgehend ein neues 19

Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 85 f. nahm diesbezüglich eine ablehnende Haltung wegen des unklaren Anwendungsbereichs des Rechtssatzes ein, dazu auch schon oben § 2 A. I. 2. a) bb) (4), S. 33. Schulz verwies allerdings auch darauf, dass die Reichweite der „falsa demonstratio“-Regel strittig sei und benannte die bereits oben genannten Gegenpositionen von Danz und Oertmann, die eine Lösung über die Unschädlichkeit der Falschbezeichnung befürworteten, ebd., (Fn. 6), siehe oben § 5 B. I., S. 280 ff. (Danz) und § 5 B. I., S. 280 f. (Fn. 9 [Oertmann]). Ähnlich wie die beiden letztgenannten positionierte sich auch Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 141. 20 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 80 f. 21 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 86. 22 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 86 f. 23 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87 (Fn. 1). 24 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87. 25 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87 f.

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§ 5 Reformvorschlag

Exemplar errichtet. Darüber hinaus verbleibt Raum für die Anfechtung in denjenigen Fällen, in denen nicht nachgewiesen werden kann, was wirklich gewollt war, und stattdessen nur feststeht, dass die bestehende Verfügung dem Willen widerspricht.26 Das Schulzsche Modell ist insoweit begrüßenswert als es auch ohne die kritisierte Andeutungstheorie auskommt. Zudem verliert Schulz nicht die Anforderung der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre aus den Augen, dass der Geschäftswille erklärt sein muss, um als Auslegungsergebnis angenommen zu werden, und führt hier zu einer überzeugenden Lösung: In der Tat verbindet der Erblasser seinen Gedankeninhalt bei der Niederschrift mit den verwendeten Worten, sodass ebendiese Begriffe die Erklärung des wirklich Gewollten verkörpern, quasi mit diesem Inhalt aufgeladen sind. Es geht nicht um die Ermittlung irgendeines Willens, sodass der Bezug zur Testamentsurkunde gewahrt wird. Dass diese Worte die entsprechenden Intentionen nicht widerspiegeln, darf nicht ausschlaggebend sein. Denn der objektive testamentarische Bedeutungsgehalt, der anhand des natürlichen Sprachgebrauchs ermittelt wird, ist nur der Ausgangspunkt einer jeden Auslegung. Der Wortlaut darf nicht zum Auslegungshindernis werden, wie der Gesetzgeber mit § 133 BGB statuiert und die Rechtsprechung in aller Deutlichkeit entschieden hat. Darüber hinaus kann Schulz beigepflichtet werden, dass es für die Durchsetzung des Erblasserwillens einer grundsätzlich formgültig errichteten Verfügung bedarf, da andernfalls die Formvorschriften verletzt würden. Diese sind, wie Schulz zutreffend hervorhob, bereits dann gewahrt, sofern das gegenständliche Testament ihre Voraussetzungen grundsätzlich erfüllt. Dass die mit den testamentarischen Formvorschriften verbundenen Zwecke keine hinreichende Andeutung des wahren Willens fordern, wurde auch in dieser Untersuchung schon gezeigt.27 Der einschränkende Zusatz, dass der Erblasser nach Treu und Glauben der Auffassung gewesen sein muss, das Intendierte im Testament verschriftlicht zu haben, ist ebenfalls zu begrüßen. Denn die Untersuchung hat gezeigt, dass es durchaus Erblasser gibt, die ihr Testament verschlüsselt abfassen, was die Ermittlung des wirklichen Willens erschwert und Erbstreitigkeiten provoziert.28 Die von Schulz vorgeschlagene Relativierung, die ein Einfallstor für

26 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 193. 27 Oben § 4 B. I. 1. a) dd), S. 232 ff. 28 So etwa in Kell v. Charmer, (1856) 23 Beav. 195, wo der zu seinen Lebzeiten als Juwelier tätige Erblasser zunächst unklare Vermögenssummen vermachte: „[To] my son William the sum of i.x.x. To my son Robert Charles the sum of o.x.x.“ Nach Beweiserhebung über dessen Symbolverwendung konnte ermittelt werden, dass „i.x.x.“ £ 100,– und „o.x.x.“ £ 200,– bedeutete. Siehe auch mit Nennung von Beispielen aus der Rechtsprechung für solche Fälle Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik. Dargestellt am Beispiel der „Er-

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eine objektivierende Betrachtung bietet, steht daher im Zeichen der Förderung einer „redlichen“ Testamentserstellung. Sofern der Erblasser ein „testamentum mysticum“ erstellt, in dem er seinen wahren Willen zunächst unverständlich darstellt, sei es durch die teilweise Verwendung von Symbolen, Schriftzeichen oder Ähnlichem, muss die Verwirklichung seines Willens in seinen Risikobereich fallen. Im Zweifel kann dann bei einer Abweichung des Gewollten vom Wortlaut nicht von einer nach Treu und Glauben ordnungsgemäßen Erklärung des Erblasserwillens ausgegangen werden. Der testamentsauslegende Richter muss nicht die „Spiele des speziellsten Kauz“ mitmachen und sich für die Enträtselung seines wahren Willens instrumentalisieren lassen.29 Die angestellten Bemühungen, dem erbrechtlichen Willensdogma verstärkt Ausdruck zu verleihen, sollen nur dem verantwortungsvoll Testierenden zugutekommen, der die Ermittlung seiner Intention nicht unnötig verkompliziert. Sie sollen demjenigen dienen, der den Testiervorgang achtet und zu erkennen gibt, sein Möglichstes gegeben zu haben, um das Testament so klar wie irgend möglich abzufassen.30 Im Jahre 196031 positionierte sich auch Flume zu dem hier untersuchten sozialen Konflikt, womit er zugleich die zuvor behandelte Theorie seines akademischen Lehrers Schulz in Erinnerung rief, der er sich im Wesentlichen für die Konstellationen falsch verstandener Begriffe sowie fehlgegangener Erklärungszeichen und der damit verbundenen Durchsetzung eines tatsächlich gebildeten Willens anschloss.32 In diesem Zusammenhang hob er hervor, richtung“ des zeugenlosen Schriftentestaments (eigenhändiges Testament; testament olographe), 1935, S. 20 f. 29 Eindrücklich insoweit schon Michaelis/Seyffarth, Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts (Kommentar von Reichsgerichtsräten), V. Band: Erbrecht, 6. Aufl., 1928, § 2231 Nr. 3: „Läßt [sich der Erblasser] auf Absonderlichkeiten in der Wahl der Schriftzeichen, des Schreibmaterials, im Gebrauch von Abkürzungen, in der räumlichen Anordnung des Schriftstückes usw. ein, so setzt er die Gültigkeit des Testaments in einer mit dem Ernst des Aktes nicht verträglichen Weise aufs Spiel.“ Mit Nennung von Rechtsprechungsbeispielen Hippel, Formalismus und Rechtsdogmatik. Dargestellt am Beispiel der „Errichtung“ des zeugenlosen Schriftentestaments (eigenhändiges Testament; testament olographe), 1935, S. 20 f. 30 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 87. 31 Siehe Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135 ff. 32 Für die Fälle enttäuschter Beweggründe und die damit verbundene Verwirklichung eines irrealen Willens sprach sich Flume für eine Zwischenlösung aus, die weder der erläuternden noch der ergänzenden Auslegung zuzuordnen ist. Da es um einen Willen gehe, der tatsächlich niemals gebildet und daher auch aus Sicht des Erblassers nicht erklärt wurde, bedürfe es dieser abweichenden Lösung. Lübtow klassifizierte das Modell als Form der Testamentskorrektur, Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S. 70 (Fn. 380). Dieser Einordnung wird gefolgt, sodass der Lösungsvorschlag Flumes für die Fälle der irrealen Erblasserintention wegen des engeren Sachzusammenhangs unten behandelt wird, siehe unten § 5 B. III., S. 297 f.

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§ 5 Reformvorschlag

dass das Ziel des Testamentsrechts in der Verwirklichung des Erblasserwillens zu sehen sei. Anstatt dieses zu verfolgen, bürde das geltende Recht aber dem Erblasser das Risiko etwaiger Anordnungsfehler auf, indem es in den entsprechenden Fällen den seinem wahren Willen zuwiderlaufenden objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt für rechtlich maßgeblich erachte. Angesichts des ausgemachten gesetzgeberischen Ziels, den wahren Willen des Erblassers zu achten, sei diese Rechtslage inakzeptabel.33 In der Folge befürwortete auch Flume unter Verzicht auf eine Andeutung34 die Ausdehnung der erläuternden Auslegung, um denjenigen Willen durchsetzen, den der Testator seiner formgültig niedergeschriebenen Anordnung beigelegt hatte.35 Der Testator habe aus seiner Perspektive dasjenige erklärt, was er anordnen wollte, die Testamentsurkunde verkörpere den von ihm „gemeinten und gewollten Sinn.“36 Lediglich in einem Punkt scheint das Flumesche Modell vom Schulzschen abzuweichen: Der Erblasser müsse davon ausgegangen sein, so Flume, seinen letzten Willen ordnungsgemäß und wie von ihm intendiert zum Ausdruck gebracht zu haben.37 Dann seien die Formanforderungen „voll erfüllt“. „Der innere Sinn der Testamentsform, daß der Testator in einem Formalakt mit der Würde und Verantwortung der letztwilligen Verfügung seine Anordnung treffen soll“, sei gewahrt.38 Damit wird der objektivierende Aspekt von Schulz, dass der Erblasser nach den Grundsätzen von Treu und Glauben davon ausgegangen sein musste, das wirklich Gewollte ordnungsgemäß niedergeschrieben zu haben, nicht genannt. Angesichts des ansonsten identischen Vorschlags Flumes, liegt es indes nahe, dass er sich in den entsprechenden Konstellationen – etwa im Falle eines „testamentum mysticum“ – der Theorie seines akademischen Lehrers angeschlossen hätte. Unabhängig davon wurde jedenfalls zuvor schon dargelegt, dass eine derartige objektive Relativierung sinnvoll erscheint.

33

Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 190. 34 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 192 f. 35 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 192. 36 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 193. 37 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 193. 38 Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 192.

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(3) Siber bemängelte schon 1929, dass die Anfechtung dem wirklich Gewollten „infolge ihrer Zweischneidigkeit sehr oft nicht gerecht“ werde. Da das Institut nur kassiere, nicht reformiere, könne es nur den erklärten unwahren Willen beseitigen, nicht aber zugleich die nicht erklärte wirkliche Intention verwirklichen.39 Als erste denkbare Verbesserung sprach Siber die von Ehrenzweig begründete und von Leonhard übernommene (Folgen-)Abwägungslehre an, nach der die Anfechtung der testamentarischen Verfügung in denjenigen Fällen ausgeschlossen sein soll, in denen die Aufrechterhaltung der Erklärung eher dem Willen des Erblassers entspreche als deren Aufhebung.40 Allerdings erreicht ein solches Abwägungsmodell schon nicht das eigentlich verfolgte Ziel der Verwirklichung des originären Erblasserwillens, wenn es nur ein Ergebnis produziert, das dem Willen eher entspricht. Im Zuge seiner hieran anschließenden Überlegungen führte Siber aus, dass sich die „wirksamste Einschränkung der Anfechtung“ indessen aus einer Erweiterung der Auslegungsmethoden ergebe. Er forderte, die grundlegenden ergangenen reichsgerichtlichen Postulate ernst zu nehmen und die beiden Auslegungsformen möglichst weit auszudehnen, um die wahre (irreale) Erblasserintention durchzusetzen.41 Denn Ziel der Auslegung sei es, dem Erblasserwillen „so nahe zu kommen wie irgend möglich“.42 Unproblematisch sei dabei, dass die Anfechtungsregelungen weit zurückgedrängt würden. Selbst wenn „der arme Paragraph [2078 Abs. 1 BGB] nichts mehr zu leben habe“, führte Siber aus, müsse dies nicht beunruhigen. Die Norm habe als „Sicherheitsventil“ in den jungen Geltungsjahren des BGB für die „noch zu sehr am Wort hängende Auslegungspraxis“ gedient.43 Sobald man sich von der for39

Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378. Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378. Siehe vertieft zu dieser Lehre: Leonhard, Der Irrtum als Ursache nichtiger Verträge. Erster Teil. Vertragsbestandteile und Irrtum, 2. Aufl., 1907, S. 262 f.; Ehrenzweig u a., System des österreichischen allgemeinen Privatrechts, Band 4: Das Erbrecht, 3. Aufl., 1983, S. 415. 41 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378, unter Verweis auf RG JW 1912, 344 Nr. 8: „Der wirkliche Wille des Erblassers [muss sich im Wege erläuternder Auslegung] auch jeder verkehrsüblichen Wortbedeutung gegenüber im positiven oder negativen Sinne [durchsetzen].“ Siehe zudem RGZ 99, 85: „[Im Wege ergänzender Auslegung ist] in Fällen sachlicher oder persönlicher Veränderung zu ermitteln, was nach der Willensrichtung des Erblassers zu der Zeit, da die Verfügung von ihm getroffen wurde, als von ihm gewollt anzusehen ist, sofern er vorausschauend das spätere Ereignis bedacht haben würde.“ 42 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 378. 43 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 379; Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 130 Rdnr. 3. A.A. hingegen Scherer, Andeutungsformel und falsa demonstratio beim formbedürftigen Rechtsgeschäft in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs, 1987, S. 75, die in der faktischen Beseitigung des Anwendungsbereichs des § 2078 BGB eine Auslegung „contra legem“ sieht. 40

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malistischen Auslegungspraxis entfernt habe, habe die Regelung ihre „Schuldigkeit getan“. Raum für die Anfechtung nach § 2078 Abs. 1 BGB verbleibe immerhin in denjenigen Fällen, in denen der Erblasserwille im Testament „keinen Niederschlag gefunden“ habe oder aber lediglich feststehe, was der Erblasser nicht wollte und unklar sei, was stattdessen ausgedrückt werden sollte. Dann könne der dem Willen widersprechende Erklärungsgehalt im Wege der Anfechtung beseitigt werden.44 Dasselbe gelte prinzipiell „[t]rotz weitester Ausdehnung des Gebietes der ergänzenden Auslegung“ für die Anfechtung wegen Motivirrtums gemäß § 2078 Abs. 2 BGB. Auch diese behalte ihren Anwendungsbereich in Fällen, in denen der „Grund“45 aus der Verfügung nicht hervorgehe oder unklar sei, was der Erblasser bei Kenntnis gewisser (geänderter) Umstände stattdessen verfügt hätte.46 Aus heutiger Sicht erscheint Sibers Modell als gemäßigt. Die geltende liberale Auslegungsmethode, bei der die Willensverwirklichung nur in den seltensten Fällen an der Andeutungstheorie scheitert, entspricht nämlich nunmehr seinen damaligen Ausdehnungsforderungen. Da Siber auf das Kriterium der hinreichenden Stütze nicht verzichten wollte, wie seine Ausführungen zum verbleibenden Anwendungsbereich der Anfechtung belegen, und nicht ersichtlich ist, dass er das Kriterium anders als die geltende Rechtsordnung interpretierte, bringen seine Thesen keine Veränderungen gegenüber der aktuellen Rechtslage mit sich. Insbesondere bleiben dadurch die geschilderten, mit der Andeutungstheorie verbundenen, Unzulänglichkeiten fortbestehen. Nähere Konturierungen des Andeutungskriteriums stellte auch das Sibersche Modell nicht bereit. (4) Brox optierte ebenfalls für eine „weitgehende Testamentsauslegung“,47 die jedoch im Kontrast zum zuvor behandelten Vorschlag Sibers eine wirkliche Veränderung für das geltende Recht verspricht. Im Ausgangspunkt betonte Brox, dass es kein schützenswertes Vertrauen in den Testamentswortlaut und den dadurch vermittelten objektiven Sinngehalt gebe.48 Maßgeblich sei allein derjenige Erblasserwille, den der Testator in seiner grundsätzlich 44

Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 379. Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 379 und 380: „[Gibt] das Testament selbst den Tod des B für die Einsetzung des A [oder] den Diebstahl der Haushälterin für das Vermächtnis an die Stadt als Grund an, so wird die ergänzende Auslegung, nach der für den Irrtumsfall B oder die Haushälterin wirklich bedacht sein sollte, nicht ausgeschlossen.“ Mit dem notwendigen Anhalt für den „Grund“ ist der Beweggrund des Erblassers gemeint. 46 Siber, in: Die Reichsgerichtspraxis im deutschen Rechtsleben, 1929, S. 350, 380. 47 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 151. 48 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 139. Insoweit deckt sich der Ausgangspunkt also mit dem Modell Oertmanns, siehe oben § 5 B. I., S. 280 f. (Fn. 9). 45

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formgültig errichteten testamentarischen Verfügung niedergelegt habe.49 Auf den bloßen Testamentswortlaut komme es nicht an,50 dieser sei jedenfalls durch Rückgriff auf die „falsa demonstratio“-Regel zu überwinden.51 Dementsprechend forderte Brox, dass „in allen Fällen des [Erklärungs-]52 und Inhaltsirrtums durch Richterauslegung […] dem wirklichen Willen des Erblassers zum Siege“ zu verhelfen sei.53 Den Einwand, dass dies den Anwendungsbereich des § 2078 Abs. 1 BGB (stark) verkürze, wies Brox unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Argumentation Sibers als unbedenklich zurück.54 Auch für die Fälle motivirrtumsbehafteter testamentarischer Verfügungen schlug Brox eine Optimierung der Rechtslage durch eine Ausdehnung der Auslegungsebene, diesmal der ergänzenden, vor. Erneut sollte die unbefriedigende, bloß kassatorische, Anfechtungswirkung weitestgehend umgangen werden. Neben der Feststellung des irrealen Willens sei die Kausalität des ermittelten Motivs für die ursprüngliche Verfügung sorgfältig zu prüfen. Brox erinnerte dabei daran, dass die Motivation „einen derartigen Einfluß auf den Testamentsinhalt“ haben müsse, „daß dann, wenn dieses Moment

49 Brox hob hervor, dass er sich mit seinem Modell nicht gegen die testamentarischen Formvorschriften als solche ausspreche. Ein derartiger Vorschlag würde dem Willen des Gesetzgebers widersprechen und den zu honorierenden Sinn der Formanforderungen verkennen. Daher sei es die „erste und unabänderlicher Voraussetzung für jede Testamentsauslegung, daß ein formgültiges Testament“ vorliege, Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 152 f. 50 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 143. 51 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140. Selbst wenn man mit der Andeutungstheorie fordere, es sei eine hinreichende Stütze für das wirklich Gewollte im Testamentstext notwendig, um es zu verwirklichen, stehe dies dem Durchsetzungsvorhaben wegen der Unschädlichkeit der Falschbezeichnung nie im Wege, ebd., S. 141 f. 52 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140 f. 53 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 143. Für Fälle, in denen nicht ermittelbar sei, was wirklich gewollt war, und lediglich feststehe, dass der Verfügungsinhalt dem wahren Willen zuwiderlaufe, sprach sich Brox für die oben schon geschilderte Folgenabwägungslehre aus, siehe § 4 B. IV. 2. a)., S. 264 f. (Fn. 211), wobei er die Prüfung, ob dem Erblasserwillen eher die Aufhebung oder die Aufrechterhaltung der Anordnung entspreche als eine Fragestellung einordnete, die mit seiner hypothetischen Intention beantwortet werden müsse, ebd., S. 143 f. 54 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 140 f. Zu Sibers Modell und zur betreffenden Passage seiner Argumentation oben § 5 B. I., S. 287 f.

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entfallen würde, der Erblasser anders testiert hätte“. Diesem Aspekt werde häufig zu wenig Beachtung geschenkt.55 Im Unterschied zur geltenden Rechtslage sind die beiden geschilderten Prämissen nach Brox jedoch nicht nur notwendig, sondern zugleich hinreichend, um den irrealen Willen durchzusetzen. Damit verzichtete Brox bei seinem Ausdehnungsmodell auf die Andeutungstheorie, um den (irrealen) Erblasserwillen umzusetzen. Die Forderung nach einer hinreichenden Stütze bewertete er als „altüberkommene Meinung in Lehre und Rechtsprechung“, an die man sich gewöhnt habe und bei der „man nur schwerlich bereit“ sei, sie „über Bord zu werfen“. Die Auslegungsmethode dieser Tage sei „so verfeinert“, dass es der Andeutungstheorie nicht mehr bedürfe. Seine These, dass selbige keinen Mehrwert mehr habe, sah er in der Beobachtung bestätigt, dass sie durch die Rechtsprechung und Literatur fortwährend verwässert und dadurch immer weiter zurückgedrängt werde. Sobald der Erblasserwille feststehe, sei die Wahrscheinlichkeit äußerst hoch, hierfür auch eine Andeutung zu finden. In diesem Zusammenhang führte er aus: „Wenn aber ein ,noch so entfernter Zusammenhang zur formalisierten Erklärung‘ dem Formproblem Genüge tut, dann möchte ich den verständigen Juristen sehen, der nach Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens dafür nicht auch eine ,leise Andeutung‘ im Testament findet.“56 Was das Broxsche Modell hinsichtlich der Durchsetzung eines tatsächlich gebildeten Erblasserwillens anbelangt, kann der damit verbundene Verzicht auf das Andeutungserfordernis erneut überzeugen. Insoweit ist Brox in dieser Hinsicht beizupflichten. Bedenklich erscheint indessen seine postulierte Handhabung der ergänzenden Auslegung, die eine uferlose Berücksichtigung des irrealen Erblasserwillens nahelegt. Durch den auch dort befürworteten Verzicht auf jegliche Andeutung unter gleichzeitigem Fehlen gegensteuernder Maßnahmen, die diese weitreichende Öffnung effektiv relativieren würden, droht der Bezug des tatsächlich nicht vorhandenen Erblasserwillens zum Testament verloren zu gehen. Es bedarf zwingend eines die Reichweite der ergänzenden Auslegung begrenzenden Kriteriums, weil die Durchsetzung eines irrealen Erblasserwillens im Einzelfall ohnehin schon die Belange der Rechtssicherheit an ihr Äußerstes bringt. Hierauf wird an späterer Stelle noch zurückzukommen sein.57

55

Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 144 f. 56 Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung. Ein Beitrag zur Lehre von der Willenserklärung und deren Auslegung, 1960, S. 152. Dass diese Aussage aus rechtspraktischer Perspektive nicht unproblematisch ist, wurde oben schon gezeigt, siehe § 4 B. I. 1. a) aa), S. 244. 57 Siehe dazu § 5 C. I. 2., S. 301 ff.

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II. Positive Anfechtungswirkung Bei seinem „rechtspolitischen Angriff“ gegen die §§ 2078 ff. BGB58 ging Schulz bei motivirrtumsbehafteten testamentarischen Verfügungen sogar so weit, dass er die diesbezüglich bestehende Rechtslage als „Beleidigung für das Rechtsgefühl“ klassifizierte. Die deutsche Rechtsordnung gebe zunächst vor, den Erblasserwillen stärker als Intentionen bei Rechtsgeschäften unter Lebenden zu berücksichtigen und stelle daraufhin im Einklang hiermit die Möglichkeit bereit, eine mit einem bloßen Motivirrtum behaftete testamentarische Verfügung anzugreifen.59 Wenn dies dann aber nur die Beseitigung und nicht zugleich die Reformation der betreffenden Erklärung bewirke, erhalte man in vielen Fällen ein dem Erblasserwillen „schnurstracks“ widersprechendes Ergebnis.60 „Widerspruchsvoll“ werde einerseits die dem wahren Willen widersprechende Verfügung vernichtet, andererseits führe man aber durch die nunmehr maßgebliche gesetzliche Erbfolge erneut ein Ergebnis herbei, das er ohne den Irrtum nicht erklärt haben würde.61 Stattdessen müsse der Erblasserwille bei der motivirrtumsbehafteten Verfügung sowohl in negativer als auch in positiver Hinsicht berücksichtigt werden, um ein angemessenes Ergebnis zu erzielen. Hierzu sei der positive irreale Wille wie ein tatsächlich erklärter Wille zu behandeln, wofür im Ausgangspunkt stets ein formgültiges Testament nötig sei. Andernfalls fehle es an der nötigen Gewissheit, dass der Erblasser überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre, eine testamentarische Verfügung in Einklang mit den geltenden Formvorschriften zu errichten.62 Dabei verortete Schulz sein Gleichstellungsmodell dogmatisch auf der Anfechtungsebene. Hierzu solle die Anfechtungsrechtsfolge modifiziert werden, sodass sie nicht nur beseitige, sondern auch reformiere, um den positiven irrealen Erblasserwillen zu verwirklichen. Anstelle einer bloß negativen, solle sie also zugleich eine positive Wirkung entfalten.63 Schulz übersah dabei nicht, dass sein Vorschlag Auswirkungen auf die Aktivlegitimation hatte: Gemäß § 2080 Abs. 1 BGB kam dann nämlich demjenigen „die Aufhebung 58

Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70. 75. Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77. 60 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 77 f. Für die Fälle, in denen der positive irreale Wille nicht feststellbar war, schloss Schulz sich der zuvor unter § 4 B. IV. 2. a), S. 264 f. (Fn. 211) beschriebenen Folgenabwägungslehre an, siehe Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 82 (Fn. 1). 61 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 78. 62 Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 80 f. 63 Besonders deutlich wird dies etwa in der folgenden Passage: „Hat der Motivirrtum zu einer positiven Verfügung geführt (nicht nur zum Unterlassen der Verfügung), so bedarf es zur Durchsetzung des irrealen Willens der Anfechtung.“ Siehe Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 81 f. 59

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der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten“, der glaubhaft machen konnte, durch den Erblasser bei Irrtumsfreiheit begünstigt worden zu sein.64 Die Auswirkung hiervon lassen sich anhand des folgenden Beispiels verdeutlichen: Hatte der Erblasser etwa seinen besten Freund nur deshalb nicht zum Alleinerben eingesetzt, weil er fälschlicherweise davon ausging, dieser sei bereits vorverstorben, und hatte er infolge dieses Irrtums stattdessen seinen Nachbarn bedacht, wären nicht etwa die gesetzlichen Erben des Testators anfechtungsberechtigt, sondern der bei Irrtumsfreiheit in Aussicht genommene beste Freund. Im Wege einer erfolgreichen Anfechtung würde dieser in die ursprünglich angedachte Erbenposition einrücken.65 Schulz verdeutlichte die Konsequenzen seines Ansatzes noch mit der folgenden Konstellation: Wenn der Erblasser den A zum Alleinerben und infolge eines Motivirrtums C zum Vermächtnisnehmer einsetzte, während er bei Irrtumsfreiheit dem B das Vermächtnis zugesprochen hätte, könnte sowohl A die Vermächtnisverfügung anfechten, weil er durch die Aufhebung der betreffenden Verfügung unmittelbar von seiner Verpflichtung gelöst werde,66 als auch B, der infolge der wirksamen Anfechtung nunmehr als Vermächtnisnehmer gelten würde.67 64

Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 82. Vgl. Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 81 f. 66 Unklar bleibt bei Schulz‘ Lehre indessen, ob die Anfechtung durch A nur beseitigende Wirkung oder ob sie auch hier zugleich die Durchsetzung des irrealen positiven Willens entfalten soll, sodass B von der Anfechtung des A unmittelbar profitieren würde. Bei letztgenannter Verständnisalternative könnte man daran zweifeln, ob die Aufhebung A wirklich „unmittelbar zustatten kommen“ würde, wenn die darauffolgend eintretende reformierende Wirkung ihn mit demselben Vermächtnis, nur diesmal zugunsten einer anderen Person (B anstatt C), beschweren würde. Dies ließe sich unter Zuhilfenahme der Lehre von der juristischen Sekunde wohl bejahen, da der Anfechtende Alleinerbe A für ebendiese juristische Sekunde gänzlich von dem auf ihm lastenden Vermächtnis befreit würde. Die erstgenannte Lesart würde hingegen eine nicht unerhebliche Schwächung des ursprünglich von Schulz verfolgten Vorhabens, den positiven irrealen Erblasserwillen im Zuge des das Erbrecht dominierenden Willensdogmas zu verwirklichen, mit sich bringen. Vor diesem Hintergrund erscheint es naheliegender, dass Schulz davon ausgehen würde, dass die Anfechtung der irrtumsbehafteten Verfügung durch A nicht nur die Beseitigung des Vermächtnisses zugunsten C, sondern zugleich die Vermächtnisbegünstigung des B nach sich ziehen würde. Siehe zur Rechtsfigur der juristischen Sekunde Wieacker, in: Existenz und Ordnung. Festschrift für Erik Wolf zum 60. Geburtstag, 1962, S. 421 ff.; Marotzke, AcP 191 (1991), 177 ff.; Kuhnel, Die juristische Sekunde. Bedeutung einer Konstruktion, 1992. 67 Schulz ging sogar so weit, dass er den positiven irrealen Willen auch dann durchsetzen wollte, wenn der Motivirrtum dazu geführt hätte, dass gar kein Vermächtnis ausgesprochen wurde. Da der Testamentstext A als Alleinerben ausweise und dies belege, dass der Erblasser in der Lage dazu gewesen sei, ein Testament gültig zu errichten, genüge dies, um hieran anknüpfend den positiven irrealen Willen durchzusetzen und B als Vermächtnisnehmer anzusehen. Dies sei aber nicht über die Anfechtung zu erreichen, weil es an einer entsprechend anfechtbaren Verfügung fehle. Stattdessen sei der positive irreale Wille hier 65

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Schließlich warf Schulz noch die Frage auf, ob es sich vor dem Hintergrund der reformierenden Wirkung der Anfechtung nicht gegebenenfalls anbiete, anstatt der privaten Anfechtungserklärung eine Anfechtungsklage nach dem Vorbild der Erbunwürdigkeitskonstellationen gemäß § 2342 BGB zu statuieren – hierbei positionierte er sich aber nicht und ließ diese Frage ohne eine nähere Auseinandersetzung offen.68 Das Schulzsche Modell kann jedoch nicht vollkommen überzeugen. Gegen seinen Vorschlag spricht, dass eine hypothetische Intention nicht wie ein tatsächlich erklärter Wille behandelt werden kann. Dem steht nicht nur der Unterschied entgegen, dass der reale Wille formal erklärt wurde, der irreale hingegen nicht. Zu beachten ist auch, dass letzterer im Unterschied zum ersteren niemals gebildet wurde, also zu keiner Zeit Eingang in die kognitive Vorstellungswelt des Testators fand. Damit ist nicht von der Hand zu weisen, dass die „Qualität“ der jeweiligen testamentarischen Grundlage erheblich voneinander abweicht. Während das Testament im Fall des irrealen Willens nämlich lediglich den Regelungsplan des Testators beinhaltet, verkörpert es im Fall eines real vorhandenen Willens genau diesen. Die Testamentsurkunde spiegelt den zu verwirklichenden irrealen Willen also weitaus weniger wider, indem sie nur die ihm zugrundeliegende Motivation enthält. Hieraus folgt, dass mit der Durchsetzung eines positiven irrealen Willens typischerweise auch eine erhebliche Distanzierung vom ursprünglichen Testamentsinhalt einhergeht, weil eine bestehende (lückenhafte) Verfügung mit dem entsprechenden Inhalt fortgedacht werden muss. Hinzu tritt die Problematik, dass der hypothetische Erblasserwille schwieriger zu ermitteln ist als der tatsächlich vorhandene. So wiegt der Umstand in diesem Kontext schwer, dass zu seiner Aufklärung denklogisch nicht auf den zentralen Akteur zurückgegriffen werden kann, der nicht nur die ergiebigste, sondern auch die sicherste Beweisquelle darstellen würde. Des Weiteren wurde bereits gezeigt, dass der bloße Nachweis, was der Erblasser nicht wollte, nicht zwingend zugleich Aufschluss darüber gibt, was er in positiver Hinsicht hypothetisch stattdessen erklärt hätte, kann ein Bündel von Motiven doch die Ermittlung des

schlicht „ohne weiteres zu berücksichtigen.“ Als Begründung führte Schulz an: „[Es] wäre […] unbillig, hier den irrealen Willen des Erblassers unberücksichtigt zu lassen; wirtschaftlich gesehen erhält hier der Erbe doch etwas, was er ohne den Irrtum nicht erhalten haben würde, und nur die Inkommensurabilität zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung hindert uns, die Erbeinsetzung des [A] als teilweise auf Irrtum beruhend zu bezeichnen. [B] muss also auch hier sein Vermächtnis erhalten.“ Für diese Variante dachte Schulz daran, den wahren Willen im Wege einer Rechtsgestaltungsklage geltend zu machen, Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 82. Dieser Vorschlag könnte als Testamentskorrektur eingestuft werden. Zum Institut der Testamentskorrektur noch unten § 5 B. III., S. 294 ff. 68 Siehe Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 82.

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wahren Willens sehr erschweren. Angesichts dessen wird es daher deutlich mehr Szenarien geben, in denen unklar bleibt, was der Erblasser gewollt hätte, wenn er die betreffenden (geänderten) Umstände vorhergesehen hätte, als in den Fällen, in denen es einen realen Willen zu ermitteln gilt.69 Doch auch aus einem weiteren Grund kann der Schulzsche Vorschlag hier nicht vollends verfangen: Die dogmatische Umsetzung der positiven Anfechtungswirkung würde dem Wesen des Anfechtungsrechts – dem Beseitigungsrecht schlechthin –70 widersprechen.71 Es könnte zwar darüber nachgedacht werden, ein zusätzliches Anfechtungsinstrument zur Verfügung zu stellen, das reformierende Wirkung entfalten würde. In der Folge wären eine Verwässerung der Irrtumsanfechtung und eine damit einhergehende Verkomplizierung der Rechtslage jedoch kaum vermeidbar, weil sich Abgrenzungsfragen nahezu aufdrängen würden. Die Existenz zweier Anfechtungsinstrumente, wobei das eine ausschließlich kassierende, das andere aber reformierende Wirkung hätte, wäre dem schützenswerten Aspekt der Rechtsklarheit somit abträglich. Allerdings verdient der Ansatz von Schulz durchaus dahingehend Zustimmung, den Fällen enttäuschter Beweggründe mit einem reformierenden Institut begegnen und auf diese Weise den irrealen Willen in positiver Hinsicht durchsetzen zu wollen. Offensichtlich war sein Vorschlag dabei von dem Gedanken geleitet, ein Modell zu entwerfen, das sich mit den dem geltenden Recht bekannten Instrumenten umsetzen lässt. Für den von der Untersuchung verfolgten intendierten Lösungsansatz de lege ferenda kann jedoch auch auf andere Mittel zurückgegriffen werden, weshalb eine vom Schulzschen Modell abweichende Lösung vorgeschlagen wird, die die geschilderten Schwierigkeiten zu vermeiden versucht.72

III. Testamentskorrektur Abschließend soll als letzte Optimierungsvariante, die im Schrifttum vertreten wurde, die Möglichkeit vorgestellt werden, den irrealen Erblasserwillen über das Modell der Testamentskorrektur zur Geltung bringen. Diese Figur

69

Siehe schon oben § 2 A. II. 5. a), S. 94 f. und § 4 B. III. 1., S. 253 ff. Vgl. Mankowski, Beseitigungsrechte. Anfechtung, Widerruf und verwandte Institute, 2003, S. 25. 71 Ähnlich Berse, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1991, S. 19 f., die teleologisch mit dem Zweck der Anfechtung gegen eine positive Wirkung argumentierte: „Sähe man den Zweck der Testamentsanfechtung ausschließlich in der Verwirklichung des wahren Erblasserwillens, wäre die Rechtsfolge der Anfechtung nicht haltbar, sondern konsequent wäre dann vielmehr, denjenigen Willen zur Geltung zu bringen, den dieser tatsächlich gehabt hat bzw. den er ohne den Irrtum gehabt hätte.“ 72 Siehe noch unten § 5 C. I. 2., S. 301 ff. 70

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wurde von ihren Vertretern – Flume, Lübtow und Harder – als eigenständiges Institut behandelt, das neben die Auslegung und die Anfechtung treten sollte.73 Sie lösten die hier in Rede stehenden neuralgischen Fälle, in denen feststand, dass die bestehende Verfügung nicht der Motivation des Erblassers entsprach und zugleich ermittelt werden konnte, was bei Kenntnis von den (geänderten) Umständen stattdessen testiert worden wäre, zugunsten des positiven irrealen Erblasserwillens über das Institut der Testamentskorrektur. (1) Hierfür arbeiteten Lübtow und Harder mit dem Beispiel, dass der Erblasser den A in der irrigen Annahme, er habe ihm das Leben gerettet, als Alleinerben einsetzte. Tatsächlich handelte es sich aber bei B um dessen wahren Lebensretter. Es konnte ermittelt werden, dass der Erblasser bei Irrtumsfreiheit den B zu seinem Alleinerben eingesetzt hätte. Dieses Resultat konnte nicht durch die erläuternde Auslegung erzielt werden, da sich Wille und Erklärung deckten. Der Erblasser hatte genau das erklärt, was er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung auch anordnen wollte – die Alleinerbeneinsetzung des A. Nach Ansicht von Lübtow und Harder führe aber auch die ergänzende Auslegung nicht zur Begünstigung des B, weil das Testament keine Lücke aufweise. Die dem positiven irrealen Erblasserwillen entsprechende Erbeinsetzung des wahren Lebensretters B könne lediglich im Wege der Testamentskorrektur erreicht werden. Einer irgendwie gearteten Andeutung bedürfe es hierfür nicht.74 Nur so könne auf die ansonsten „völlig unbefriedigend[e]“ Rechtslage reagiert werden. Etwaigen Bedenken entgegnete Lübtow, dass der Rechtsordnung dieses Modell gar nicht so fremd sei wie es auf den ersten Blick scheine, wenn sie doch selbst nicht nur die negative, sondern auch die positive Seite des irrealen Willens bereits im Rahmen der ergänzenden Auslegung berücksichtige. Ferner stelle selbst das Gesetz eine entsprechende Grundlage für die Verwirklichung des positiven irrealen Willens zur Verfügung. Immerhin könne der Richter gemäß §§ 140 und 2084 BGB ein Rechtsgeschäft in ein anderes umdeuten – entsprechend der positiven hypothetischen Intention des Erblassers.75 Schließlich wahre das Testamentskorrekturmodell den Anwendungsbereich des § 2078 Abs. 2 BGB für diejenigen Fälle, in denen der positive irreale Wille nicht feststellbar und nur sicher sei, dass die bestehende Verfügung dem Willen des Erblassers widerspreche.76 73

Flume sprach zwar nicht ausdrücklich von einer Testamentskorrektur, allerdings sah Lübtow in Flumes Vorschlag nichts anderes, Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S. 70 (Fn. 380). Da sich Flume jedenfalls für die in Rede stehenden Fälle für ein (namentlich nicht näher benanntes) Institut aussprach, das zwischen die erläuternde und die ergänzende Auslegung treten sollte, wird der terminologischen Einordnung Lübtows gefolgt. 74 Harder, Grundzüge des Erbrechts, 4. Aufl., 1997, S. 58 Rdnr. 173; Lübtow, Erbrecht. Eine systematische Darstellung. 1. Halbband, 1971, S. 302 ff.; Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S 68 ff. 75 Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S. 70. 76 Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S 70 f.; so auch Harder, Grundzüge des Erb-

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Auf Grundlage der heutigen liberal praktizierten Auslegung weist das Testament im von Lübtow und Harder angeführten Beispielsfall indes sehr wohl eine Lücke auf – und das von Anfang an. Da der Erblasser die testamentarische Verfügung unter „falscher Bewertung der objektiven Lage“ errichtete, schätzte er die gegenwärtige Sachlage nämlich insoweit nicht korrekt ein, als dass er davon ausging, A habe ihm damals das Leben gerettet, obwohl es doch B war.77 Derartige Fälle sind nach der geltenden Rechtslage zumindest dann über die ergänzende Auslegung zugunsten des B lösbar, wenn der Testamentswortlaut eine dahingehende Willensrichtung des Erblassers erkennen lässt. Der Urkundentext muss also einen Anhalt dafür bieten, dass sich die Motivation des Erblassers für die Alleinerbeneinsetzung in der Dankbarkeit für die erfolgte Rettungsmaßnahme gründet. Findet die Willensrichtung hingegen keine Stütze in der Testamentsurkunde, kann die ergänzende Auslegung jedoch auch nach geltendem Recht nicht den positiven irrealen Willen durchsetzen. In der Tat bedürfte es hierfür eines anderen Instituts, das reformierend hieran anknüpfen würde. In Einklang mit dem hier befürworteten liberalen Modell, das dem erbrechtlichen Willensdogma verstärkt Geltung verschaffen soll, ist dem Vorschlag, die Fälle über eine Testamentskorrektur zu lösen, beizupflichten. Allerdings stellen sich in diesem Zusammenhang Abgrenzungsfragen zur ergänzenden Auslegung und zur Anfechtung wegen Motivirrtums, wozu sich Lübtow und Harder jedoch nicht äußerten. Eine unklare Trennlinie zwischen den drei Instrumenten würde aber den zu schützenden Aspekt der Rechtsklarheit negativ beeinflussen. Dies kann nicht hingenommen werden, weshalb später noch hierauf zurückzukommen sein wird.78 Ferner stellt sich die Frage der dogmatischen Umsetzbarkeit. Jedenfalls lässt sich eine Testamentskorrektur nicht auf die von Lübtow behauptete Nähe zu § 140 BGB stützen, da die Norm gerade kein solches Institut vorsieht. Lübtow erkennt selbst, dass § 140 BGB für eine erfolgreiche Umdeutung fordert, dass dadurch annähernd derselbe wirtschaftliche Erfolg erreicht wird. Hieran fehlt es jedoch, wenn im geschilderten Beispiel B anstatt A die Alleinerbenstellung durch Testamentskorrektur erhielte. Denn dies würde zu einem Austausch des Begünstigten und demzufolge zu einem anderen wirtschaftlichen Erfolg führen, der nicht ansatzweise vergleichbar mit dem ursprünglichen ist.79 Die Norm kann allenfalls als Begründungsmoment dafür dienen, dass der Rechtsordnung die Berechts, 4. Aufl., 1997, S. 58 Rdnr. 173. In der von Kroppenberg fortgeführten Folgeauflage wurde die Theorie der Testamentskorrektur allerdings nicht mehr vertreten. Kroppenberg betonte, dass dieses Modell eine „nicht hinnehmbare Einschränkung des § 2078 II [BGB]“ bedeute, Harder/Kroppenberg, Grundzüge des Erbrechts, 5. Aufl., 2002, S. 76 Rdnr. 204. 77 Siehe nur Brox/Walker, Erbrecht, 28. Aufl., 2018, S. 133 Rdnr. 6. 78 Siehe unten § 5 C. I. 2., S. 301 ff. 79 Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S. 70.

B. Reformvorschläge des Schrifttums

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rücksichtigung eines positiven irrealen Willens nicht vollkommen fremd ist. Hinzu kommt, dass § 140 BGB im Ausgangspunkt ein nichtiges Rechtsgeschäft fordert und damit quasi voraussetzt, dass die Auslegung hier zu gar keinem Ergebnis gelangt ist, also kein rechtlich relevantes Auslegungsprodukt festgehalten wurde. Erst wenn diese Anforderung erfüllt ist, soll nach § 140 BGB die Möglichkeit der Berücksichtigung des irrealen Willens durch Umdeutung eröffnet sein. Hieran fehlt es aber, wie Krampe schon zutreffend konstatierte. Bei der Testamentskorrektur wird nämlich nicht davon ausgegangen, dass die testamentarische Verfügung zuvor durch Irrtumsanfechtung beseitigt wurde, was zur Folge hätte, dass das Kriterium der Nichtigkeit der testamentarischen Verfügung erfüllt wäre. Auch bleibt die Auslegung nicht erfolglos, sondern bringt ein rechtlich maßgebliches Auslegungsergebnis hervor, das in diesen Fällen dem objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt entspricht. Anders als von § 140 BGB gefordert handelt es sich hier also um eine gültige – keine nichtige – testamentarische Verfügung.80 Daher bedürfte es für die Durchsetzbarkeit der Testamentskorrektur de lege ferenda einer gesetzlichen Verankerung, was zugleich im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit wäre. Eine hierfür in Betracht kommende Regelung wird im Rahmen des eigenen Lösungsvorschlags entwickelt werden.81 (2) Obwohl Flume die Terminologie nicht verwendete, findet sich eine Variante der Testamentskorrektur82 auch bei ihm.83 In diesem Zusammenhang schlug er eine dreistufige Vorgehensweise zur Umsetzung des positiven irrealen Erblasserwillens vor: Im ersten Schritt müsse diese Intention überhaupt ermittelt sein. Im darauffolgenden zweiten Schritt bedürfe es der Gewissheit, dass der Testator diesen hypothetischen Willen bei Kenntnis der Umstände auch wirklich niedergeschrieben hätte. In dieser Forderung ist aber letztlich nichts anderes zu erblicken als die besondere Betonung, dass sorgfältig überprüft werden müsse, ob der irreale Wille nicht nur irgendwie dem Wunsch des Erblassers entsprochen, sondern ihn die vereitelte Motivation tatsächlich dazu bewegt hätte, die testamentarische Verfügung in Richtung des hypothetischen Erblasserwillens abzuändern. „Um den Kontakt zu dem tatsächlich erfolgten Testament zu erhalten“ müsse sodann in einem dritten und letzten Schritt ein „Anhalt“ in der Urkunde gefunden werden, der die Annahme rechtfertige, der Erblasser hätte bei Motivirrtumsfreiheit tatsächlich entsprechend dem ermittelten positiven irrealen Willen testiert. Obwohl Flumes Modell doch sehr der Vorgehensweise der modernen ergänzenden Aus80

Krampe, Die Konversion des Rechtsgeschäfts, 1980, S. 177 f. Dazu noch unten § 5 C. I. 2., S. 301 ff. 82 Lübtow klassifizierte das Flumesche Modell ebenfalls als Form der Testamentskorrektur, siehe Lübtow, Probleme des Erbrechts, 1967, S. 70 (Fn. 380). 83 Siehe dazu Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 193 f. 81

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legung ähnelt, hob er hervor, den auf eben beschriebenem Weg ermittelten irrealen Willen, in dessen Richtung das Testament einen „Anhalt“ hergebe, unmittelbar „gelten [zu] lassen“, „und [ihn] nicht nur […] durch ,ergänzende Auslegung‘“ zu berücksichtigen.84 Obwohl Flume damit nicht auf die ergänzende Auslegungsmethodik zurückgreifen wollte, dürften sich zur geltenden Rechtslage, die die ergänzende Auslegung in diesen Fällen heranzieht, keine praktischen Unterschiede ergeben. Schließlich bleibt bei seinen Ausführungen unklar, in welchen Fällen er überhaupt noch die ergänzende Auslegung anwenden würde, sodass erneut die Rechtsklarheit belastende Abgrenzungsschwierigkeiten drohen. Auch weil Flume weiterhin an der Andeutungstheorie festhalten wollte und keine Vorschläge dahingehend machte, ihre Anwendung im Einzelfall vorhersehbarer zu gestalten oder die mit ihr verbundenen weiteren Unzulänglichkeiten zu vermeiden, kann sein Vorschlag nicht überzeugen. Aus rechtspraktischer Perspektive entspricht er letztendlich dem status quo der geltenden Rechtslage im Umgang mit dem sozialen Konflikt.

C. Eigene Position Nachdem die Reformvorschläge des Schrifttums keine vollends befriedigende Lösung bereithalten, widmet sich dieser Abschnitt der Erarbeitung eines eigenen Konzepts. Dieses soll de lege ferenda auf die ausgemachten Unzulänglichkeiten des deutschen Lösungsansatzes reagieren. Der Vorschlag fußt einerseits auf den zuvor behandelten Modellen der Literatur und andererseits auf den Erkenntnissen, die aus dem Rechtsvergleich zum englischen common law gewonnen wurden. Das intendierte Neumodell will der geschilderten unbefriedigenden Rechtslage Abhilfe schaffen, indem es die problematische Andeutungstheorie verwirft und die vielfach kritisierten Anfechtungsvorschriften der §§ 2078 ff. BGB zurückdrängt, um Raum für die Verwirklichung des positiven (irrealen) Erblasserwillen zu schaffen. Im Zusammenhang mit der Umsetzung eines realen Willens wird für eine Ausdehnung der erläuternden Auslegung eingetreten. Was die Durchsetzung einer irrealen Intention des Testators hingegen anbelangt, wird für die Einführung einer Testamentskorrektur plädiert. Die Vorschläge stehen jeweils im Zeichen der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, das Willensdogma im Erbrecht stärker als bei Rechtsgeschäften unter Lebenden zu berücksichtigen. Dadurch wird auch das ureigene Interesse eines jeden Erblassers an der unverfälschten Verwirklichung seines

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Zum Ganzen Flume, in: Hundert Jahre deutsches Rechtsleben. Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Juristentages. 1860–1960. Band 1, 1960, S. 135, 193 f.

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letzten Willens bedient. Zugleich wird ferner die Position des in Wahrheit in Aussicht genommenen Erbprätendenten gestärkt, dem es um das Einrücken in die ihm tatsächlich zugedachte Position geht. Im Kontrast zum Problemlösungsansatz de lege lata steht das Modell de lege ferenda schließlich im Lichte einer rechtssicheren, -klaren und ehrlichen Lösung.

I. Vorschläge im Einzelnen 1. Durchsetzung des realen Erblasserwillens durch Auslegungsausdehnung Der Rechtsanwendungsprozesses der erläuternden Auslegung sollte de lege ferenda eine Ausweitung erfahren. Hierfür wird auf die in ihrer Funktion versagende Stellschraube der Andeutungstheorie verzichtet, um die §§ 2078 ff. BGB zurückzudrängen. Hierdurch soll im Regelfall eine Kongruenz zwischen Erblasserwille und Auslegungsergebnis erreicht werden. Es wird dafür plädiert, künftig grundsätzlich davon auszugehen, dass die Urkunde denjenigen Sinngehalt verkörpert, den der Erblasser ihr auch wirklich beigelegt hat.85 Aus dessen Perspektive hat er bei der Niederschrift seiner testamentarischen Urkunde nämlich dasjenige erklärt, was er kundgegeben wollte. Der Testator transformierte seinen Gedankeninhalt in die von ihm verwendeten Worte. Die verwendeten Erklärungszeichen sind daher mit demjenigen Sinngehalt „aufgeladen“, den er ihnen auch wirklich beimessen wollte. Maßgeblich ist daher nur, welchen Gedankeninhalt er im Zeitpunkt der Testamentserrichtung, d. h. bei der konkreten Niederschrift, mit dem individuellen Schreibakt verbunden hat. Dieser wurde dementsprechend in die Urkunde transportiert. Selbst in den Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen würde sich der testamentarische Sinngehalt daher mit der wahren Intention decken, weil der Erblasser auch dort mit der konkreten Niederschrift das wirklich Gewollte verbunden hat.86 Unterstützung findet die hier vertretene These, dass die Urkunde den wirklich intendierten Gehalt verkörpert, dadurch, dass er seine testamentarische Verfügung andernfalls nicht in dieser Form hätte bestehen lassen. Wäre er der Meinung gewesen, die Niederschrift reflektiere seinen letzten Willen nicht, hätte ihn dies zu einer Gegenreaktion bewogen, die in einer Abänderung der Verfügung geendet hätte. Der Geschäftswille ist in diesen

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Insoweit werden Anleihen bei den Modellen von Danz (§ 5 B. I., S. 280 ff.), Schulz (§ 5 B. I., S. 282 ff.), Flume (§ 5 B. I., S. 285 f.) und Brox (§ 5 B. I., S. 288 f.) genommen. 86 Hierdurch wird vermieden, dass eine systemwidrige faktische Differenzierung nach Diskrepanzursachen Einzug findet, die sich in einer mittelbaren Benachteiligung des realen Erblasserwillens in Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen manifestiert. Ein solches Szenario lässt die deutsche Rechtsordnung im Zusammenhang mit der Andeutungstheorie de lege lata hingegen erwarten, dazu oben § 4 A. III. 2., S. 216 ff. und § 4 B. II. 1., S. 246 ff.

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Fällen also grundsätzlich ordnungsgemäß kundgegeben und bildet das Ergebnis der erläuternden Auslegung. Diesen wirklich intendierten Bedeutungsgehalt, der sich möglicherweise hinter dem objektiven testamentarischen Sinngehalt auf den ersten Blick unauffindbar versteckt und in dessen Gewand präsentiert, gilt es dann im Wege der erläuternden Auslegung nach § 133 BGB herauszustellen. Damit nimmt das Modell auch Anleihen beim englischen common law, das die Durchsetzung des Erblasserwillens im Wesentlichen zur Beweisfrage erhebt. Dies macht im Gegenzug eine besonders sorgfältige Beweiserhebung und -verwertung erforderlich, bei der der entscheidende Richter eine äußerst umsichtige Beweiswürdigung vornehmen muss, was vor allem für die Auswertung von außerurkundlichem Beweismaterial gilt. Eine Einschränkung soll die grundsätzliche Annahme, dass der Erblasser dasjenige erklärt hat, was er erklären wollte, dadurch erfahren, dass das hier vertretene Modell nur die „redliche“ Testamentsabfassung fördern will. Sofern der Erblasser ein „testamentum mysticum“87 erstellt, in dem er seinen wahren Willen bloß verschlüsselt niederschreibt, sei es durch die Verwendung von Symbolen, Schriftzeichen oder Ähnlichem, soll bei einer Abweichung des Gewollten vom Wortlaut, der den wahren Willen nicht ansatzweise erkennen lässt, nicht von einer Erklärung des Erblasserwillens ausgegangen werden.88 Denn es wird kein Grund dafür gesehen, dass die Testamentsauslegung die „Spiele des speziellsten Kauz“ mitmachen und sich für die Enträtselung seines wahren Willens instrumentalisieren lassen muss. Zur Sicherung der verantwortungsvollen Testamentserstellung wird sich in diesem Sinne der bereits von Schulz vorgebrachten Forderung angeschlossen, dass der Erblasser nach Treu und Glauben bei seiner Niederschrift davon ausgehen muss, seinen Willen ordnungsgemäß zum Ausdruck gebracht zu haben, ohne Rätseleien hierüber vorzuprogrammieren. Nur in diesem Fall kann von einer redlichen Erklärung des Erblasserwillens ausgegangen werden.89 Was die Wahrung der Formvorschriften anbelangt, muss überhaupt eine testamentarische Verfügung vorliegen, die den Formanforderungen genügt. Dies ist notwendig, zugleich aber auch hinreichend. Denn durch die Tatsache, dass der Erblasser überhaupt ein grundsätzlich formgültiges Testament errichtet, erfüllt er bereits die mit der vorgeschriebenen Form verbundenen Zwecke.90 Sofern es aber an einer prinzipiell formgültig errichteten (Grund-)

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Siehe oben § 5 B. I., S. 283. Für die Durchsetzung des wirklich Gewollten wäre hier also weiterhin ein entsprechender Anhaltspunkt nötig. In diesen Fällen würde somit nicht vom Andeutungskriterium abgerückt. 89 In Anlehnung an das Modell von Schulz, oben § 5 B. I., S. 282 ff. 90 Ausführlich dazu oben § 4 B. I. 1. a) dd), S. 232 ff. 88

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Verfügung fehlt, ist das wirklich Gewollte zwar erklärt,91 jedoch mangels Formwahrung gemäß § 125 S. 1 BGB nichtig. Einen Formmangel kann und will das hier vertretene Auslegungsmodell nicht beheben. Die Auslegung soll zu einer inhaltlichen Präzisierung führen, nicht zu einer formellen Reformation. Eine Absage wird den erbrechtlichen Formanforderungen ausdrücklich nicht erteilt.92 Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass die Durchsetzung des realen Erblasserwillens nach hier vertretener Auffassung davon abhängt, dass überhaupt eine formgültige testamentarische Niederschrift vorliegt, der Testator nach Treu und Glauben davon ausging, tatsächlich das niedergeschrieben zu haben, was er testieren wollte, und dieser Sinngehalt zur Überzeugung des Richters einwandfrei bewiesen werden kann. 2. Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens durch Testamentskorrektur Stellt sich im Wege der erläuternden Auslegung eine testamentarische Lücke heraus, wird dafür eingetreten, dass diese weiterhin unter bestimmten Umständen geschlossen werden kann. Diese Konstellation gilt es zwingend von der zuvor behandelten zu unterscheiden, weil es dort noch um die Verwirklichung eines tatsächlich gebildeten Willens ging, während es hier hingegen um einen in Wahrheit niemals vorhandenen Erblasserwillen und dessen Durchsetzung geht. Die Arbeit hat gezeigt, dass im Zusammenhang mit der Verwirklichung eines realen und eines irrealen Willens erhebliche Unterschiede bestehen.93 Diese machen letztlich auch eine Differenzierung bei der Bewältigung der Problemstellung erforderlich. Selbst aus Sicht des Erblassers würde man hier nicht zum Ergebnis gelangen, dass das wirklich Gewollte erklärt wurde, weshalb eine Umsetzung des wahren Willens über die erläuternde Auslegung auch nach oben vorgeschlagener Ausdehnung ihrerseits nicht in Betracht kommt. Doch auch die Umsetzung des irrealen Willens über die ergänzende Auslegung mutet bedenklich an. Denn mit dem hier postulierten Verzicht auf die Andeutungstheorie, an dem hier erst recht festgehalten wird,94 droht eine 91

Wobei dieser Sinngehalt in der Praxis aus Gründen der Prozessökonomie kaum ermittelt werden dürfte, wenn schon auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass es an der notwendigen Testamentsform mangelt. 92 Die Voraussetzung eines gültigen Grundtestaments stellen auch Schulz (§ 5 B. I., S. 282 ff.), Flume (§ 5 B. I., S. 285 f.), und Brox (§ 5 B. I., S. 288 ff.) auf. 93 Siehe oben § 4 B. III. 1., S. 251 ff. 94 So hat die Untersuchung dargelegt, dass die Andeutungstheorie im Kontext der ergänzenden Auslegung zur Ausübung ihrer Moderationsrolle noch ungeeigneter ist als im Zusammenhang mit der erläuternden Auslegung, siehe oben § 4 B. III. 2., S. 254 f. Weil es hier um einen tatsächlich nicht vorhandenen Willen geht, muss die Figur zwangsläufig Abstriche machen, was dazu führt, dass bloß ein Anhalt für die Willensrichtung des Erblassers erforderlich ist, dazu oben § 2 A. I. 3. b) cc) (1), S. 65 ff.

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noch weitgehendere Ausuferung der durch die ergänzende Auslegung produzierten Ergebnisse, sodass sie sich noch weiter vom Testamentstext entfernen könnten als es ohnehin bereits der Fall ist. Im Gegenzug zur Aufgabe der Andeutungstheorie sind daher Relativierungen erforderlich, um die befürchtete Ausuferung zu vermeiden. Die hier vertretenen Begrenzungen zugunsten der Rechtssicherheit und -klarheit lassen sich indes nur schwer mit der ergänzenden Auslegungsmethode und ihrem Wesen vereinbaren. Anstatt das Institut noch weiter aus Billigkeitserwägungen zu deformieren und die damit verbundenen Schwierigkeiten in der Rechtspraxis zu verstärken, wird hier für die Statuierung eines neuen Instituts votiert, das für klare Rechtsverhältnisse sorgen soll: De lege ferenda soll die Schließung testamentarischer Lücken unter den gesetzlich zu verankernden Voraussetzungen der Testamentskorrektur erreicht werden. Sie orientiert sich an den Voraussetzungen der ergänzenden Auslegung, enthält zugleich aber auch die notwendigen Einschränkungen, um die angesprochene drohende Ausuferung zu vermeiden. Sie soll an die Stelle der ergänzenden Auslegung treten, für die nach der Einführung der Testamentskorrektur kein Anwendungsbereich mehr verbliebe.95 Das hier vertretene Institut der Testamentskorrektur wird in Anlehnung an die deutsche ergänzende Testamentsauslegung und die englische rectification vorgeschlagen. Der englische förmliche Rechtsbehelf ist zwar auf die Behebung von Erklärungs- und Übermittlungsirrtümern gemünzt; die Testamentskorrektur nimmt aber auch weniger Anleihen bei der tatbestandlichen Ausrichtung als vielmehr bei der Idee, ein Testament überhaupt durch Erhebung einer derartigen Klage berichtigen zu können. Dies wirkt vor dem Hintergrund des in Deutschland verstärkt zu berücksichtigenden erbrechtlichen Willensdogmas und dem überragenden Interesse des Erblassers an einer unverfälschten Verwirklichung seines letzten Willens inspirierend und überzeugender. Die Rechtsfolge der Anfechtung, die in diesen Fällen sinnwidrig ist und für die keine zwingende Rechtfertigung vorgebracht werden konnte,96 wird dadurch umgangen. Letztlich steht der Vorschlag der Einführung einer Testamentskorrektur im Zeichen einer sachgerechten, ehrlichen und rechtssicheren wie -klaren Lösung zugunsten des positiven irrealen Erblasserwillens. Er tritt an die Stelle der teils willkürlich anmutenden ergänzenden Auslegungspraxis im Zusammenhang mit der Andeutungstheorie. Das Modell der Testamentskorrektur baut zunächst auf zwei wesentlichen Grundvoraussetzungen auf: erstens muss der positive irreale Wille zur Lückenschließung überhaupt ermittelt und zweitens müssen die testamentari-

95 Die Aushöhlung der ergänzenden Auslegung liegt auch bei Flumes Modell nahe. Gleichwohl fehlt ein dahingehendes Bekenntnis, siehe schon oben § 5 B. III., S. 294 ff. 96 Dazu oben § 4 B. IV. 2., S. 262 ff.

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schen Formvorschriften gewahrt sein. Letzteres legt dann den erforderlichen Schluss nahe, dass der Erblasser die betreffende Verfügung formgültig errichtet hätte, also grundsätzlich auch dazu in der Lage war, sofern er die betreffenden (geänderten) Umstände bedacht hätte. Auch hier wird also nicht auf die Wahrung der aus gutem Grund bestehenden Formvorschriften verzichtet. Darüber hinaus mahnt das Modell, wie schon die ergänzende Auslegung, dazu an, die Kausalität zwischen Motiv und konkreter testamentarischer Verfügung sorgfältig zu prüfen. Dementsprechend muss derjenige, der die Testamentskorrektur verlangt, zur richterlichen Überzeugung darlegen, dass der Erblasser den Testamentsinhalt tatsächlich entsprechend dem positiven irrealen Willen abgefasst hätte, sofern er die betreffenden Umstände im Zeitpunkt der Testamentserrichtung vorausgesehen oder korrekt eingeschätzt hätte. Der richterlichen Überzeugungsfindung kommt daher auch hier eine ganz erhebliche Bedeutung zu.97 In Einklang mit dem Vorbild der englischen rectification soll auch die Testamentskorrektur nur befristet möglich sein. Dabei hat die Arbeit dargelegt, dass zwar eine fundamentale materielle Differenzierung zwischen realem und irrealem Willen wegen ihrer Unterschiede nicht gerechtfertigt erscheint, demnach eine materielle Gleichbehandlung und reformatorische Grundausrichtung geboten ist. Die Verwerfung der Andeutungstheorie und die oben geschilderten rein tatsächlich bestehenden Unterschiede zwischen beiden Willensformen98 fordern jedoch im Sinne der Rechtssicherheit und -klarheit eine zeitliche Begrenzung für die Durchsetzung des irrealen Erblasserwillens.99 Um potentielle Erbstreitigkeiten in zeitlicher Hinsicht beschränken zu können, bietet sich das Fristenregelungsgefüge des § 2082 BGB an. Die Norm des § 144 BGB soll konsequenterweise auch hier gelten.100 Die Testamentskorrektur soll derjenige verlangen können, dem die Berichtigung im Erfolgsfall unmittelbar zustatten kommen würde.101 Der hiernach Aktivlegitimierte soll sie aber nicht bloß durch eine privatschriftliche Erklärung geltend machen können, wie es etwa bei der Anfechtung nach 97 So schon Wingerter, Die eigenhändige letztwillige Verfügung im Spannungsverhältnis zwischen Form und der Verwirklichung des Erblasserwillens. Zugleich ein Beitrag zur Reform der Testamentsformen, 1998, S. 215 in Bezug auf den Vorschlag einer positiven Wirkung der Anfechtung. 98 Siehe für die bestehenden Unterschiede ausführlich schon oben § 4 B. III. 1., S. 251 ff. 99 Siehe oben § 4 B. III. 2., S. 254 ff. 100 Zum Fristenregelungsgefüge des § 2082 BGB siehe oben § 2 A. II. 2. b), S. 89 sowie zur Bestätigung nach § 144 BGB oben § 2 A. II. 3., S. 91 f. 101 Was die hieraus erwachsenden Auswirkungen auf die Aktivlegitimation anbelangt, sei auf das bereits oben dargestellte Modell von Schulz entsprechend verwiesen, der eine positive Anfechtungswirkung vorgeschlagen hatte. Die dortigen Ausführungen beanspruchen auch für die hiesig vertretene Testamentskorrektur Geltung; zur Exemplifizierung der Aktivlegitimation daher oben § 5 B. II., S. 291 f.

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§ 2081 BGB der Fall ist. Stattdessen soll die Testamentskorrektur nur – in Anlehnung an die englische rectification-Klage – durch die Erhebung einer Gestaltungsklage vor dem Nachlassgericht möglich sein.102 Eine bloß privatschriftliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht mit dem Inhalt, dass die Testamentskorrektur verlangt wird, soll nicht genügen. Ist der zur Testamentskorrektur Berechtigte bereits im Besitz des Nachlasses, der ihm mit Blick auf den irrealen Erblasserwillen zusteht, kann er aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit die Testamentsberichtigung per Klageerhebung vor dem Nachlassgericht verlangen, um eine etwaige Okkupierung seiner Erbschaftsposition zu verhindern. Befindet sich der Nachlass hingegen nicht in seinem Besitz und übt ein anderer die Sachherrschaft hierüber aus, muss die auf die Herausgabe des betreffenden Nachlasses gerichtete Klage mit der auf Testamentskorrektur verbunden werden. Im Rahmen einer Zwischenfeststellung wird sodann zunächst festgehalten, dass der Kläger aufgrund des irrealen Erblasserwillens nunmehr der Berechtigte ist und erst im darauffolgenden Schritt der Herausgabeklage stattgegeben. Diese im Vergleich zu heutigen Verhältnissen restriktivere Linie, was den Umgang mit dem irrealen Erblasserwillen anbelangt, soll einerseits die unsicheren Verhältnisse vermeiden, die privatschriftliche Erklärungen heraufbeschwören, sowie andererseits wohl überlegtes Handeln durch die dadurch unvermeidbare Prozesssituation fördern. Darüber hinaus sprechen prozessökonomische Gründe für das hier vertretene Klageverfahren. Sofern das Testament rechtskräftig korrigiert wurde, kann nämlich auf den betreffenden Inhalt für etwaige weitere Erbstreitigkeiten zurückgegriffen werden. Hinzu tritt, dass der rechtskräftig berichtigte Testamentsinhalt für jeden sichtbar ist, sodass neue Erbstreitigkeiten tendenziell eher vermieden werden können. Allerdings sind an die Testamentskorrektur strenge Anforderungen zu stellen, weil die Durchsetzung des irrealen Willens typischerweise eine erhebliche Loslösung vom ursprünglichen Urkundeninhalt bedeutet. Der konkreten Klageart der Gestaltungsklage bedarf es deshalb, weil das Testament in den hier gegenständlichen Fällen als Produkt der erläuternden Auslegung seinem objektiven Bedeutungsgehalt nach gilt, d. h. ein rechtlich relevanter (lückenhafter) Sinngehalt bereits festgestellt wurde. Mit Hilfe der Testamentskorrektur muss der Richter diese Rechtslage unmittelbar umgestalten. Er ändert also den ursprünglich konstatierten testamentarischen Bedeutungsgehalt dergestalt ab, dass am Ende des Prozesses – nach außen hin sichtbar – der tatsächlich korrigierte Wortlaut steht, der den positiven irrealen Willen des Erblassers ausweist. Aus dem Klageerfordernis ergibt sich ferner der Um-

102 Instruktiv zur zivilprozessualen Gestaltungsklage etwa Becker-Eberhard, MünchKomm. ZPO, 5. Aufl., 2016, Vorb. zu § 253 Rdnr. 28 ff., § 253 Rdnr. 155; Schreiber, JURA 2009, 754, 757 f.; ausführlich Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966.

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stand, dass im Erbscheinverfahren keine testamentarischen Lücken durch Testamentsberichtigungen geschlossen werden können. Für die Durchsetzung des positiven irrealen Willens bedarf es daher stets der Bestreitung des Klagewegs im ordentlichen Gerichtsverfahren. Diese Konsequenz steht erneut im Einklang mit der hier verfolgten Stärkung der Rechtssicherheit, da im Erbscheinverfahren keine verbindlichen Auslegungsentscheidungen getroffen werden.103 Weil die Testamentskorrektur der deutschen Rechtsordnung de lege lata fremd ist,104 ihre Voraussetzungen im Unterschied zur richterlichen Rechtsanwendung der ergänzenden Auslegung klar ersichtlich sein sollen und schon die für sie vorgesehene Geltendmachung ausschließlich im Wege der Gestaltungsklage hiernach verlangt,105 wird eine gesetzliche Verankerung des Instituts gefordert. Die Norm, die die Testamentskorrektur de lege ferenda in das deutsche Recht einführt, könnte dabei etwa wie folgt lauten: § 2078a BGB Testamentskorrektur (1) Eine letztwillige Verfügung kann korrigiert werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist, anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde und ermittelt werden kann, welchen Inhalt er stattdessen bei Irrtumsfreiheit testiert hätte. (2) Die Testamentskorrektur kann derjenige gegenüber dem Nachlassgericht geltend machen, welchem die Korrektur der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. (3) 1 Die Testamentskorrektur kann nur binnen der Frist des § 2082 BGB verlangt werden. 2 Die Regelung des § 144 BGB findet Anwendung. (4) 1 Die Testamentskorrektur erfolgt durch Erhebung der Gestaltungsklage. 2 Die Klage ist darauf zu richten, dass der Testamentswortlaut im Sinne der Vorschrift des Absatzes 1 berichtigt wird. 3 Die Wirkung der Testamentskorrektur tritt erst mit Rechtskraft des Urteils ein.

II. Auseinandersetzung mit möglichen Bedenken Nachdem die beiden hier befürworteten Modelle de lege ferenda vorgestellt wurden, sollen die hiergegen zu erwartenden Bedenken reflektiert werden.

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Siehe oben § 2 A. I. 1. a), S. 19. Siehe oben § 5 B. III., S. 296 f. 105 Siehe nur Becker-Eberhard, MünchKomm. ZPO, 5. Aufl., 2016, Vorb. zu § 253 Rdnr. 28, § 253 Rdnr. 155. 104

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1. Fehlende praktische Relevanz Zunächst soll sich dem potentiellen Einwand gewidmet werden, für eine Reform sei die praktische Relevanz zu gering. So konstatiert bspw. Schmidt zwar, dass die geltende Rechtslage „Ergebnisse hervorbringen könne, die mit dem irrtumsfreien Willen des Erblassers ganz und gar nicht in Einklang“ stünden, dennoch spricht er sich zugleich gegen eine Reform aus, weil die unbefriedigende Lage jeweils nur Einzelfälle betreffe.106 Dass es sich hier um seltene Konstellationen handelt, in denen die Durchsetzung des Erblasserwillens de lege lata scheitert, wird durch die Untersuchung nicht in Abrede gestellt. Immerhin sind in der neueren Rechtsprechung kaum Fälle ersichtlich, in denen die Durchsetzung des realen Erblasserwillens an der Andeutungstheorie gescheitert ist. Dass der wirkliche Erblasserwille im Ergebnis oft durchgesetzt wird, liefert indes kein überzeugendes Argument dafür, die dorthin führende, problematisch erscheinende, dogmatische Herangehensweise mitsamt ihren Reflexen sehenden Auges hinzunehmen. Hinzu tritt aber vor allem die äußerst bedenklich erscheinende Lösung für die Fälle des irrealen Erblasserwillens im Zusammenhang mit der dort willkürlichen Anwendung der Andeutungstheorie. Die im Rahmen der Untersuchung identifizierten Missstände müssen behoben werden. Es kann sich nicht damit beruhigt werden, dass die Verwirklichung des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens im Ernstfall „schon gut gehen wird“. Hierfür ist die Bedeutung der Angelegenheit für alle Beteiligten als viel zu wichtig einzustufen und wird der sonst präzise kalkulierenden deutschen Rechtsordnung nicht gerecht. Demgegenüber mag der zu erwartende Einwand auf den ersten Blick gewichtiger scheinen, dass es für die Fälle des notariellen Testaments keiner Reform bedürfe. So könnte etwa argumentiert werden, dass der Erbprätendent doch nicht rechtlos gestellt sei, wenn er infolge eines Fehlers des Notars nicht in die ihm zugedachte Erbenposition einrücke. In der Tat besteht dann für den enttäuschten Erbprätendenten die Möglichkeit, einen Schadensersatzanspruch gegen den testamentserrichtenden Notar geltend zu machen.107 Diese Argumentation würde aber übersehen, dass der Anspruch nach § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO (i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB) lediglich auf den Ersatz eines etwa durch die entgangene Erbschaft erlittenen Vermögensschadens zielt.

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Zudem entspreche die infolge der Anfechtung eingreifende gesetzliche Erbfolge als „der natürliche Ausgangspunkt allen Erbrechts“ im Regelfall dem Erblasserwillen, wenn das Erklärte nicht mit der wahren Intention übereinstimme, siehe Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 88. Dass dies zumindest aus heutiger Sicht mit Blick auf die gewandelten Verhältnisse bezweifelt werden muss, wurde oben bereits dargelegt, siehe § 4 B. IV. 2. c), S. 271 (Fn. 236). 107 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) (4), S. 34 (Fn. 115) und § 4 B. II. 2., S. 249 (Fn. 170).

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Aus der Perspektive der Beteiligten hat der Anspruch zwei wesentliche Schwächen: Zum einen wird im Gegensatz zum hier vorgeschlagenen Modell weder den originären Interessen des Erblassers noch – spiegelbildlich – denen des Erbprätendenten genüge getan. Denn diese zielen jeweils primär auf den Erhalt der tatsächlich in Aussicht genommenen Rechtsposition ab, nicht nur auf den sekundären Ausgleich der finanziell erlittenen Einbußen. Zum anderen, und dies geht teils damit einher, erleidet der in Aussicht genommene Bedachte nicht stets einen finanziell messbaren Vermögensschaden. Sollten ihm bspw. Liebhaber- oder Erinnerungsstücke vermacht werden, deren immaterieller Wert für den Erblasser und den Erbprätendenten deutlich höher als ihr objektiver Marktwert ist, so deckt der gegen den Notar gerichtete Schadensersatzanspruch ein derartiges Affektionsinteresse nicht ab.108 Dass solche Belange betroffen sind, ist im Erbrecht jedoch nicht selten. Daher ist es als erhebliches Defizit des geschilderten Anspruchs einzuordnen, wenn er diese Interessen nicht auffangen kann. 2. Notwendigkeit einer Andeutung Die Arbeit hat gezeigt, dass die mit der Andeutungstheorie verbundenen Probleme schwer wiegen und keine Gründe vorgebracht werden konnten, die ein Festhalten an ihr rechtfertigen würden. Um Wiederholungen zu vermeiden, sei auf die diesbezüglichen Ausführungen an vorheriger Stelle der Untersuchung verwiesen.109 3. Testamentskorrektur als systemwidriger und der Rechtssicherheit abträglicher Fremdkörper Setzt man sich mit den zu erwartenden Bedenken gegen die hier vorgeschlagene Testamentskorrektur auseinander, so können auch diese im Ergebnis nicht durchdringen. Was den potentiellen Einwand anbelangt, die deutsche Rechtsordnung sähe eine solche Berichtigungsmöglichkeit nicht vor, so ist dem de lege lata durchaus zuzustimmen.110 Da deren gesetzliche Verankerung jedoch Teil des hier vertretenen Ansatzes de lege ferenda ist, würde es dadurch zum vollwertigen Teil des deutschen Rechts werden und gälte nicht als systemwidriger Fremdkörper. Dem deutschen Gesetzgeber ist es unbenommen, einen derartigen Mechanismus zu normieren. Auch im englischen common law wurde die erbrechtliche recitification-Klage erst mit dem AoJA 1982 eingeführt.

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Zum Schutz von Affektionsinteressen bei Leistungsstörungen im englischen und deutschen Recht Maultzsch, JZ 2010, 937 ff. 109 Siehe oben § 4 B. I. 1. a), S. 231 ff. und weiter § 4 B. I. 2., S. 241 ff. 110 Siehe oben, § 5 B. III., S. 294 f.

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§ 5 Reformvorschlag

Zu antizipieren sind auch Bedenken, die sich auf den mit der Einführung der Testamentskorrektur verbundenen Verzicht auf die ergänzende Auslegung beziehen. So kann damit gerechnet werden, dass vorgebracht wird, die Ablehnung der etablierten Auslegungsfacette der deutschen Auslegungsmethodik markiere den Bruch mit einer Rechtstradition, die die Rechtsprechung über viele Jahrzehnte hinweg fortentwickelt habe. Doch selbst an dem über die längste Zeit herausgebildeten Institut sollte nur dann festgehalten werden, wenn es dazu in der Lage ist, den sozialen Konflikt sachgerecht zu lösen. Dass die ergänzende Auslegung im Zusammenspiel mit der Andeutungstheorie hierzu nicht immer in der Lage ist, hat die Untersuchung gezeigt. Um willkürliche Ergebnisse zu vermeiden, muss stattdessen ein Umdenken erfolgen und sich für die Einführung eines neuen Instituts stark gemacht werden, das die herausgestellten Unzulänglichkeiten vermeidet. Des neuen Instituts der Testamentskorrektur bedarf es, weil sich die ergänzende Auslegungsmethode durch die vorgesehenen Einschränkungen zu weit von ihrem ursprünglichen Wesen entfernen würde. Infolgedessen verbleibt jedoch im Kontext des sozialen Konflikts kein Platz mehr für die ergänzende Auslegung. Neben der Tatsache, dass der Anwendungsbereich der ergänzenden Auslegung durch die Implementierung der Testamentskorrektur ausgehöhlt würde und ihr schon aus Konkurrenzgründen daher eine Absage erteilt werden muss, lehrt auch das englische Recht, dass ein Nebeneinander von Auslegung und rectification, ohne klare Vorgaben bezüglich deren Verhältnis zueinander, nicht sinnvoll erscheint. Denn durch die Etablierung der rectification weitete sich die englische Auslegungspraxis noch weiter aus. Die Normierung der sec. 20 AoJA 1982 wurde als Schritt in Richtung einer weitergehenden Liberalisierung auch der Auslegungsmethodik interpretiert, woraufhin diese ausgedehnt wurde. Dies führte letztlich dazu, dass die englische Rechtsprechung auf den neu geschaffenen Tatbestand kaum zurückgreift und stattdessen die betreffenden Fälle über die Auslegung löst, womit sie dogmatische Erörterungen zur konkreten Diskrepanzursache vermeidet, die wiederum bei der rectification nötig wären. Wo das Law Reform Committee teilweise noch von einem „clear case for rectification“ bei der Erörterung des Anwendungsbereichs der sec. 20 AoJA 1982 sprach, entwickelten sich die in den Blick genommenen Fälle eher zu einem „clear case for interpretation“. Ein identisches Szenario würde auch in Deutschland drohen, wenn die ergänzende Auslegung neben der Testamentskorrektur zugelassen würde. Auch dort könnte die Implementierung des Instituts als Signal verstanden werden, das erbrechtliche Willensdogma stärker zu berücksichtigen und daher auch die ergänzende Auslegungsebene ausweiten zu können. Dadurch könnte man sich die bei der Testamentskorrektur notwendigen Ausführungen ersparen und den sozialen Konflikt „flexibel und schnell“ über die der Rechtspraxis wohlbekannte ergänzende Auslegung lösen, sodass eine noch weitergehende Verwässerung der Auslegungsgrenzen drohen würde.

C. Eigene Position

309

Letztlich muss sich mit dem zu erwartenden Einwand auseinandergesetzt werden, die Testamentskorrektur belaste die Rechtssicherheit in unerträglichem Maße, weil sie den im Testament nicht angelegten irrealen Willen auch in positiver Hinsicht berücksichtige.111 Dem muss aber entgegengehalten werden, dass letzteres keine gesteigerte Rechtsunsicherheit gegenüber dem Zustand de lege lata nach sich zieht, wie auch schon Wingerter zutreffend betonte.112 Denn es muss gesehen werden, dass der deutschen Rechtsordnung die Ermittlung eines irrealen Willens nicht fremd ist. So ist es etwa in der ständigen Rechtsprechung anerkannt, dass der hypothetische Wille im Wege der ergänzenden Auslegung durchgesetzt werden kann. Darüber hinaus kann die Anfechtung motivirrtumsbehaftete testamentarische Verfügungen beseitigen.113 Das Argument, die Verwirklichung des positiven irrealen Willens über die ergänzende Auslegung belaste die Rechtssicherheit weniger als dieselbe über die Testamentskorrektur – in beiden Fällen geht es doch um dieselbe Willensform – kann daher nicht überzeugen. Im Gegenteil: Für die hier befürwortete Testamentskorrektur muss ins Feld geführt werden, dass sie im Unterschied zur ergänzenden Auslegung immerhin einige ernstzunehmende begrenzende Komponenten enthält, die im Dienste der Rechtssicherheit stehen. Dabei sei ferner ausdrücklich betont, dass hier nicht die Einführung einer „richterlichen Erbfolge“ befürwortet wird, die neben die gesetzliche und die gewillkürte Erbfolge tritt, wie Schmidt jedoch meinte.114 Der Richter kann bei dem hier vertretenen Modell gerade nicht die testamentarische Verfügung eigenmächtig und nach Belieben fortdenken. Stattdessen soll er die bestehende Verfügung an den tatsächlich ermittelten irrealen Erblasserwillen, den der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gehabt hätte, wenn er die betreffenden (geänderten) Umstände vorausgesehen hätte, anpassen.115 Sofern eine Beweislage gegeben ist, die den Richter vom positiven irrealen Erblasserwillen überzeugt und demzufolge davon ausgegangen werden kann, dass der Erblasser dementsprechend testiert hätte, be111

Vgl. etwa Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 142 f. Obwohl sich Wingerter nicht konkret zu dem Modell der Testamentskorrektur äußerte, gelten seine Erwägungen zur Berücksichtigung des positiven irrealen Erblasserwillens entsprechend, Wingerter, Die eigenhändige letztwillige Verfügung im Spannungsverhältnis zwischen Form und der Verwirklichung des Erblasserwillens. Zugleich ein Beitrag zur Reform der Testamentsformen, 1998, S. 214. 113 Dazu auch Wingerter, Die eigenhändige letztwillige Verfügung im Spannungsverhältnis zwischen Form und der Verwirklichung des Erblasserwillens. Zugleich ein Beitrag zur Reform der Testamentsformen, 1998, S. 214 f.; ähnlich Schulz, in: Gedächtnisschrift für Emil Seckel, Neudruck 1979, S. 70, 83. 114 Schmidt, Der Motivirrtum im Testamentsrecht, 1933, S. 135. 115 Dies betont auch Wingerter, Die eigenhändige letztwillige Verfügung im Spannungsverhältnis zwischen Form und der Verwirklichung des Erblasserwillens. Zugleich ein Beitrag zur Reform der Testamentsformen, 1998, S. 216. 112

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§ 5 Reformvorschlag

stehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dies die Rechtssicherheit mehr belastet als bei Zugrundelegung der bestehenden Rechtslage. 4. Aushöhlung des Anfechtungsrechts Auch der Einwand, dass die hier vorgeschlagenen Modelle den Anwendungsbereich der Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB aushöhlten, verfängt nicht. Für die Anfechtung verbleibt de lege ferenda Raum, wenn die bestehende Verfügung dem (irrealen) Willen widerspricht, zugleich aber nicht ermittelt werden kann, was stattdessen gewollt war. Gerade in den Fällen des enttäuschten Beweggrunds ist dieses Szenario, wie gezeigt, nicht allzu selten.

§6

Schluss Die Untersuchung hat sich mit dem sozialen Konflikt des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens im deutschen und im englischen Recht beschäftigt. Anlass hierzu gaben einige in dieser Hinsicht problematisch anmutende Aspekte des deutschen Ansatzes, die sich vor allem im Zusammenhang mit der Andeutungstheorie und der bloß kassatorischen Rechtsfolge der Irrtumsanfechtung manifestieren. Ziel der Arbeit war es, durch eine kritisch vergleichende Betrachtung der durch das deutsche und englische Recht angebotenen Lösungen einen neuen Blickwinkel auf die eigene Rechtsordnung zu erhalten. Immerhin schwelt die Problematik bereits seit über einem Jahrhundert auf Grundlage des BGB, ohne seither eine vollends zufriedenstellende Lösung gefunden zu haben. Die vorliegende Arbeit hat schließlich ein Modell de lege ferenda entworfen, das versucht, den herausgearbeiteten Kritikpunkten entgegenzuwirken und dadurch eine befriedigendere Lösung bereitzustellen. Hierfür konnten die Erkenntnisse aus dem Rechtsvergleich zum englischen common law fruchtbar gemacht werden, die eine neue Perspektive auf die Bewältigung des sozialen Konflikts ermöglicht haben. Die Arbeit hat gezeigt, dass die deutsche Rechtsprechung die meisten Diskrepanzen zwischen Erblasserwille und Testamentswortlaut zugunsten der wahren Intention auflöst. Während sich die moderne liberale Auslegungsmethodik als mächtiges Mittel im gegenständlichen sozialen Konflikt erwiesen hat, um sowohl einen real vorhandenen als auch irrealen Erblasserwillen durchzusetzen,1 spielt das bloß kassierende Institut der Irrtumsanfechtung in diesem Zusammenhang hingegen kaum eine Rolle.2 Trotz der liberalen Ausrichtung des deutschen Rechts erfolgt die Durchsetzung des vom Testamentswortlaut abweichenden Erblasserwillens nicht unbegrenzt. Der deutsche Ansatz zieht die Andeutungstheorie heran, um den Auslegungsprozess in seiner Reichweite zu beschränken. Dadurch nimmt die Figur die Schaltfunktion zwischen der Geltung des wahren Erblasserwillens und des ihm widersprechenden objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalts ein.3 Hierbei wurden Schwachstellen offenbar, die sowohl die dog1

Siehe dazu § 2 A. I. 2. d), S. 55 ff. und § 2 A. I. 3. e), S. 74 ff. Siehe dazu § 2 A. II. 5., S. 94 ff. 3 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc), S. 35 ff. und § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. 2

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matische Herangehensweise als auch das rechtspraktische Ergebnis im Einzelfall betreffen. Dadurch hat sie sich in der Untersuchung als ungeeignet erwiesen, die ihr zugewiesene Schlüsselrolle differenziert auszuüben.4 Ihr fehlt es an rechtssicher objektiv nachprüfbaren Kriterien, die ihr Ergebnis im Einzelfall vorhersehen lassen. Exakte Konturen, wann die Forderung der Andeutungstheorie nach einer „irgendwie – wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt – zum Ausdruck“ gelangenden Stütze für das wirklich Gewollte im Testamentswortlaut5 noch erfüllt ist, fehlen. Wegen der fehlenden Vorhersehbarkeit der richterlichen Entscheidung ist mit ihr ein erhebliches Prozessrisiko verbunden. Besonders schwer kalkulierbar ist das jeweilige Resultat bei besonders knapp gefassten testamentarischen Verfügungen, die nur wenige bis gar keine näheren Erläuterungen des letzten Willens enthalten. Hier hängt die Auffindbarkeit der notwendigen Stütze letztlich von der Bereitschaft des auslegenden Richters ab, ein in größerem Maße vom objektiven Wortlaut abweichendes Auslegungsergebnis anzunehmen. Beschränkt sich der Urkundentext im Wesentlichen auf die Nennung des Anordnungsinhalts, steht die Verwirklichung der in Wahrheit niedergelegten Intention daher auf der Kippe.6 In besonderem Maße spitzt sich die Situation rund um die Andeutungstheorie zu, wenn es um die Verwirklichung des irrealen Erblasserwillens geht, also ermittelt werden konnte, wie der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung testiert hätte, sofern er gewisse Umstände korrekt beurteilt oder vorhergesehen hätte. Da diese hypothetische Intention zwangsläufig keine Andeutung im Testamentswortlaut gefunden hat, weicht die Rechtsprechung das Andeutungserfordernis noch weiter auf, indem sie hier eine Stütze für die Willensrichtung des Erblassers, also dessen Motivation, im Wortlaut fordert.7 Ob der Richter diese findet, kann hier erneut nicht rechtssicher prognostiziert werden. Nach Durchsicht der entsprechenden Fälle ähnelt dieses Unterfangen eher einem Glücksspiel als einer sachgerecht differenzierenden Rechtsprechung.8 Als problematisch hat sich die Andeutungstheorie aber auch herausgestellt, weil die Rechtsprechung über sie zu inkonsistenten Ergebnissen gelangt.9 Sie stellt Unterscheidungen an, die das auf die objektive Referenz des natürlichen Sprachgebrauchs zielende Andeutungskriterium nicht hergibt. Das gilt sowohl für die unterschiedliche Beurteilung von bewussten und un-

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Siehe dazu § 4 B. I. 1. a), S. 221 ff. BGHZ 80, 242, 243. 6 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) aa), S. 221 ff. 7 Siehe dazu § 2 A. I. 3. b) cc), S. 65 ff. 8 Siehe dazu § 4 B. III. 2., S. 254 f. 9 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb), S. 226 ff. 5

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bewussten Falschbezeichnungen im Testamentsrecht10 als auch für die im Vergleich zum Grundstückskaufvertragsrecht abweichende Bewertung unbewusster Falschbenennungen.11 Diese Differenzierungen führen zu Durchbrechungen des Andeutungskriteriums, wodurch das Konstrukt letztlich nicht trägt. Neben all den mit der Andeutungstheorie verbundenen Unzulänglichkeiten konnte schließlich auch gezeigt werden, dass weder die allgemeine Rechtsgeschäftslehre noch die Formvorschriften einen zwingenden Grund dafür liefern, im Recht der einseitigen testamentarischen Verfügungen an ihr festzuhalten.12 Weil sich die Andeutungstheorie in der Rechtspraxis negativ auf die Rechtssicherheit auswirkt und ihr kein verbleibender Mehrwert entnommen werden konnte, hat die Arbeit für deren Verwerfung plädiert.13 In diesem Zusammenhang konnte schließlich auch gezeigt werden, dass es nicht nur der Andeutungstheorie in concreto nicht bedarf, sondern eine Formalisierung der Beweisstrenge überhaupt nicht zu überzeugen vermag. Stattdessen sollte auf die ordnungsgemäße Beweiserhebung und -verwertung und damit auf die allgemeinen zivilprozessualen Beweisregeln vertraut werden.14 Der Einfluss der Andeutungstheorie verstärkt sich noch in Anbetracht der bloß kassierend wirkenden Irrtumsanfechtung.15 Das Ergebnis der Andeutungsprüfung entscheidet nämlich nicht nur über die Geltung von Erblasserwillen oder objektivem testamentarischen Bedeutungsgehalt auf der Auslegungsebene, sondern bestimmt in aller Regel darüber hinaus auch endgültig über das Schicksal des Erblasserwillens. So hat die Arbeit gezeigt, dass die im Wege der Auslegung gescheiterte Durchsetzung der Erblasserintention nahezu immer gleichbedeutend mit einer endgültigen Absage an ihre Verwirklichung ist. Nur dann, wenn es um die Umsetzung eines realen Erblasserwillens geht, kennt das deutsche Recht hierfür noch einen letzten Rettungsanker in Form der in der Praxis äußerst seltenen bewussten Falschbezeichnung, die das Andeutungserfordernis durchbricht.16 Kann jedoch ein derartiger individueller Sprachgebrauch des Erblassers nicht ermittelt werden, nimmt der Richter wegen der fehlenden Andeutung des wahren Willens den objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt als Auslegungsergebnis an. Infolgedes-

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Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb) (2), S. 228 ff. Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) bb) (1), S. 227 f. 12 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) dd), S. 232 ff. 13 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a) ee), S. 238. 14 Siehe dazu § 4 B. I. 2., S. 241 ff. 15 Siehe dazu § 4 B. IV. 2., S. 262 ff. 16 Siehe dazu § 2 A. I. 2. a) cc) (3), S. 47 ff. 11

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sen verbleibt nur die hieran anknüpfende Möglichkeit der kassatorischen Irrtumsanfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB.17 Als Konsequenz der lediglich kassierenden Rechtsfolge wird die testamentarische Verfügung im Falle ihrer wirksamen Anfechtung gemäß § 142 Abs. 1 BGB beseitigt, woraufhin in aller Regel die gesetzliche Erbfolge i.S.d. §§ 1924 ff. BGB eintritt – ein Ergebnis, das dem wahren Erblasserwillen im Großteil der Fälle widerspricht.18 Immerhin ist die Errichtung eines Testaments Ausdruck einer privatautonomen Entscheidung gegen die von Gesetzes wegen vorgesehene Nachlassverteilung. Die Geltung der gesetzlichen Erbfolge mag dem Erblasserwillen zwar noch eher entsprechen als die Geltung des ihm ebenso entgegenstehenden objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalts; Gründe, die die gesetzgeberische Entscheidung für einen bloß kassierenden und gegen einen reformierenden Rechtsbehelf zwingend erscheinen ließen, konnten aus heutiger Sicht aber nicht festgestellt werden.19 Stattdessen bildet die beseitigende Rechtsfolge im System der modernen liberalen Auslegungsmethode und ihrer weitreichenden reformierenden Bestrebungen einen Fremdkörper, wenn sie diese Ausrichtung abrupt kappt. Demgegenüber wirken die aus dem Rechtsvergleich zum englischen common law gewonnenen Erkenntnisse inspirierend, weil es die herausgestellten Schwierigkeiten des deutschen Rechts teilweise vermeidet. Dies kann als Errungenschaft einer langen Entwicklung des englischen Auslegungsrechts, das sich vom streng formalistischen Ansatz zu einer liberalen Auslegungsmethode entwickelt hat, betrachtet werden.20 Alt hergebrachte Rechtsfiguren wie das dictionary principle und die „falsa demonstratio“-Regel spielen durch den modern contextual approach, den der Supreme Court 2014 mit dem landmark case Marley v. Rawlings21 etablierte und der die prinzipielle Parallelisierung der Auslegungsmethode für alle Rechtsgeschäfte bewirkt,22 kaum noch eine Rolle. Durch die moderne Auslegungsmethode erklärt das englische Recht die Bewältigung des sozialen Konflikts im Kontext des realen Erblasserwillens zu einer Beweisfrage. Es knüpft die Entscheidung, ob der vom Wortlaut abweichende reale Wille verwirklicht wird oder nicht, nicht an ein beliebig angewandtes Andeutungskriterium, das die Auslegungsreichweite durch einen notwendigen Anhalt im Testamentswortlaut zu begrenzen versucht. Stattdessen ist für die Durchsetzung des wirklichen Willens entscheidend, dass die Beweisdichte so hoch ist, dass sich das damit aufgeladene und allein 17

Siehe dazu § 2 A. II., S. 76 ff. Siehe dazu § 2 A. II. 4., S. 91 ff. und § 4 B. IV. 2. b), S. 267 ff. 19 Siehe dazu § 4 B. IV. 2. c), S. 269 ff. 20 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa), S. 106 ff. 21 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129. 22 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff. 18

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maßgebliche Verständnis der reasonable person vom testamentarischen Bedeutungsgehalt mit demjenigen deckt, den der Erblasser wirklich erklären wollte.23 Soweit entsprechendes Beweismaterial über die den Erblasser bei der Testamentserrichtung umgebenden Umstände verfügbar und verwertbar ist, wird das Verständnis der reasonable person um diese Hintergrundinformationen angereichert. Je mehr Beweismaterial bereitgestellt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Kongruenz zwischen dem Erblasserwillen und dem Verständnis der reasonable person vom Testament – denn ab einem gewissen Punkt stehen dem objektiven Durchschnittsbetrachter dieselben Informationen wie dem Testator zur Verfügung, sodass ein Auseinanderklaffen der beiden Verständnisse nicht mehr denkbar ist. Die Verwirklichung des vom Urkundenwortlaut abweichenden realen Erblasserwillens von dessen Beweisbarkeit abhängig zu machen, konnte letztlich überzeugen.24 Weniger verfangen konnte der englische Lösungsansatz jedoch hinsichtlich seiner fundamentalen Differenzierung zwischen dem tatsächlich vorhandenen und irrealen Erblasserwillen, die dazu führt, dass einer Ermittlung des letzteren kategorisch eine Absage erteilt wird.25 Aus rechtspolitischer Sicht stellt das englische common law kein adäquates Äquivalent bereit, das dieses Defizit ausgleicht. Die Untersuchung hat gezeigt, dass es für den Erblasser in der Rechtspraxis jedoch von besonderer Bedeutung ist, dass sein irrealer Wille berücksichtigt wird, um testamentarische Lücken zu schließen und dadurch eine Enttäuschung seiner Beweggründe zu vermeiden. Ein solches Szenario ist von erheblicher praktischer Relevanz, weil zwischen der Testamentserrichtung und dem Erbfall häufig eine größere Zeitspanne liegt, in der sich zahlreiche Umstände ändern oder anders herausstellen können als noch vom Erblasser zugrunde gelegt. Demgegenüber wirkt die aus dem Rechtsvergleich gewonnene Erkenntnis bereichernd, dass dem englischen Recht die Bereitstellung eines bloß kassatorisch wirkenden Rechtsbehelfs für den sozialen Konflikt fremd ist. Stattdessen stellt das englische common law mit der interpretation und der rectification ausschließlich reformierende Institute für die Bewältigung des sozialen Konflikts bereit.26 Dies führt dazu, dass sich die Durchsetzung des realen Erblasserwillens in Fällen fehlgegangener Erklärungszeichen und bei Übermittlungsfehlern als besonders effektiv herausstellt, auch wenn diese Konstellationen eher theoretischer Natur sind. Im Kontrast dazu stimmt es skeptisch, dass für Szenarien, in denen zwar feststeht, dass die bestehende Anord23 Siehe dazu § 3 A. I. 2. b) aa) (3), S. 114 ff., § 3 A. I. 2. b) cc), S. 125 ff. und § 4 A. II. 2. a) aa), S. 195 f. 24 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 152 ff. 25 Siehe dazu § 3 A. I. 3., S. 152 ff. (interpretation) und § 3 A. II. 3. c) cc), S. 176 (rectification). 26 Siehe dazu § 3 A. I. 4., S. 157 f. und § 3 A. II. 5., S. 182.

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nung dem wahren Willen widerspricht, jedoch unklar ist, was stattdessen gewollt war, kein hieran anknüpfendes Institut bereitgestellt wird. Hier bleibt es beim dem Erblasserwillen widersprechenden objektiven testamentarischen Bedeutungsgehalt. Die Anordnung kann nicht beseitigt werden, um die gesetzliche Erbfolge herbeizuführen, obwohl dies vielfach im Interesse des Erblassers und seiner gesetzlichen Erben wäre.27 Sowohl die problematischen Aspekte des deutschen Ansatzes als auch die aus dem englischen Recht gewonnenen Inspirationen lieferten schließlich den Impuls, sich mit einem Modell de lege ferenda auseinanderzusetzen, das den Missständen des deutschen Rechts Rechnung trägt und versucht, diesen entgegenzuwirken.28 Der in der Arbeit entwickelte Reformvorschlag29 differenziert danach, ob der Testamentswortlaut einem realen oder irrealen Erblasserwillen entgegensteht, weil zwischen den beiden Willensformen nicht unerhebliche Unterschiede bestehen, die es zu berücksichtigen gilt.30 Raum für die Anfechtung gemäß §§ 2078 ff. BGB verbleibt nach beiden Modellen, wenn der wahre (irreale) Erblasserwille nicht feststellbar ist oder es sich um eine gänzlich fehlende Anordnung handelt, die weder durch die erläuternde Auslegung noch durch die Testamentskorrektur verwirklicht werden konnte. Dabei spielt die Andeutungstheorie keine Rolle, sie wird aufgrund ihrer Unzulänglichkeiten und ihres mangelnden Mehrwerts verworfen.31 Stattdessen erscheint ein Modell vorzugswürdig, das in die Beweisstrenge im Zivilprozess vertraut, ohne sie durch ein unschlüssiges Kriterium formalisieren zu wollen.32 Für die Fälle, in denen der Erblasser einen tatsächlich gebildeten Willen in seiner Urkunde niedergelegt hat, soll es de lege ferenda für dessen Durchsetzung im Wege einer in ihrer Reichweite ausgedehnten erläuternden Auslegung darauf ankommen, dass der Erblasser bei der Niederschrift seiner testamentarischen Verfügung nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, das wirklich Gewollte so klar wie möglich verankert zu haben. Geht es demgegenüber um die Verwirklichung eines irrealen Erblasserwillens, der die Enttäuschung von Beweggründen des Erblassers vermeidet, wird de lege ferenda für eine Lösung über das Institut der Testamentskorrektur plädiert.33 Dieses soll aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gesetzlich verankert werden und an die Stelle der ergänzenden Auslegung treten. Dabei nimmt das Modell sowohl bei der rectification als auch der 27

Siehe dazu § 4 B. IV. 1., S. 261 f. Siehe dazu § 5, S. 279 ff. 29 Siehe dazu § 5 C., S. 238 ff. 30 Siehe dazu § 4 B. III. 1., S. 251 ff. 31 Siehe dazu § 4 B. I. 1. a), S. 221 ff. 32 Siehe dazu § 4 B. I. 2., S. 241 ff. 33 Für das Modell der Testamentskorrektur siehe § 5 C. I. 2., S. 301 ff. 28

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ergänzenden Testamentsauslegung Anleihen. Aufgrund der weitreichenden Wirkung, der erheblichen Distanzierung von der ursprünglichen Testamentsurkunde und zum Schutze der Rechtssicherheit und -klarheit soll die Testamentsberichtigung nur im Wege der Erhebung einer Gestaltungsklage vor dem Nachlassgericht erreicht werden können, sodass die hierüber zu treffende Entscheidung dem zuständigen Richter obliegt. Die Testamentskorrektur soll derjenige gegenüber dem Nachlassgericht geltend machen können, dem die Korrektur der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. Die Erhebung der Gestaltungsklage soll nur unter Einhaltung des in § 2082 BGB vorgesehenen Fristengefüges und bei ausgebliebener Bestätigung der Anordnung gemäß § 144 BGB erfolgen können. Die gesetzliche Verankerung der Testamentskorrektur könnte dabei wie folgt aussehen: § 2078a BGB Testamentskorrektur (1) Eine letztwillige Verfügung kann korrigiert werden, soweit der Erblasser zu der Verfügung durch die irrige Annahme oder Erwartung des Eintritts oder Nichteintritts eines Umstands bestimmt worden ist, anzunehmen ist, dass er die Erklärung bei Kenntnis der Sachlage nicht abgegeben haben würde und ermittelt werden kann, welchen Inhalt er stattdessen bei Irrtumsfreiheit testiert hätte. (2) Die Testamentskorrektur kann derjenige gegenüber dem Nachlassgericht geltend machen, welchem die Korrektur der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. (3) 1 Die Testamentskorrektur kann nur binnen der Frist des § 2082 BGB verlangt werden. 2 Die Regelung des § 144 BGB findet Anwendung. (4) 1 Die Testamentskorrektur erfolgt durch Erhebung der Gestaltungsklage. 2 Die Klage ist darauf zu richten, dass der Testamentswortlaut im Sinne der Vorschrift des Absatzes 1 berichtigt wird. 3 Die Wirkung der Testamentskorrektur tritt erst mit Rechtskraft des Urteils ein.

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Entscheidungsverzeichnis Englische Entscheidungen Abbott v. Middleton, (1858) 7 H.L. Cas. 68 ......................................................... 103, 105, 109 Allgood v. Blake, (1873) L.R. 8 Ex. 160 .............................................................................. 128 Amyot v. Dwarris, [1904] A.C. 268 ...................................................................................... 122 Arbuthnott v. Fagan, [1995] C.L.C. 1396.......................................................................... 130 f. Arnold v. Britton, [2015] A.C. 1619 ................................................. 135, 139 ff., 145, 150, 177 Ashburner v. Macguire, (1786) 29 E.R. 62........................................................................... 122 Attorney General of Belize v. Belize Telecom Ltd., [2009] 1 W.L.R. 1988 ................... 153, 156 Bank of Credit and Commerce International SA v. Ali, [2002] 1 A.C. 251 .......................... 130 Banks v. Goodfellow, (1870) L.R. 5 Q.B. 549 ...................................................................... 186 Beech v. Public Trustee, [1923] P. 46................................................................................... 173 Bell v. Georgiou, [2002] W.T.L.R. 1105 .............................................................................. 168 Berger v. Berger, [2013] E.W.C.A. Civ. 1305...................................................................... 178 Boyes v. Cook, (1880) 14 Ch. D. 53 ..................................................................... 122, 128, 130 BP Refinery (Westernport) Pty. Ltd. v. Shire of Hastings, (1978) 52 A.L.J.R. 20 ................ 153 Browne v. Hope, (1872) L.R. 14 Eq. 343 ............................................................................. 123 Buckinghamshire v. Barnardo’s, [2019] I.C.R. 495 ............................................................. 145 Bullock v. Bennett, (1855) 7 De G.M. & G. 283 ................................................................... 122 Burnard v. Burnard, [2014] E.W.H.C. 340 .......................................................... 134, 148, 165 Cartwright v. Vawdry, (1800) 5 Ves. Jun. 530 ..................................................................... 109 Charles v. Barzey, [2003] 1 W.L.R. 437 ...................................................................... 117, 120 Chartbrook Ltd. v. Persimmon Homes Ltd., [2009] 1 A.C. 1101 ........ 119, 127, 137 ff., 145 f., 149 ff., 157 Charter v. Charter, (1874) L.R. 7 H.L. 364 ......................................................................... 128 Charter Reinsurance Co. Ltd. v. Fagan, [1997] A.C. 313 .................................... 145, 150, 156 Cherry Tree Investments Ltd. v. Landmain Ltd., [2013] Ch. 305.......................................... 157 Corbet v. Newey, [1998] Ch. 57 ........................................................................................... 103 Couser v. Couser, [1996] 1 W.L.R. 1301 ............................................................................... 14 Daintree v. Butcher and Fasulo, (1888) 13 P.D. 102 ............................................................. 14 Day v. Collins, [1925] N.Z.L.R. 280 (New Zealand) ............................................................ 148 Doe d. Winter v. Perratt, (1843) 134 E.R. 914 ..................................................................... 104 East v. Pantiles (Plant Hire) Ltd., (1981) 263 E.G. 61 ........................................................ 138 Gauntlett v. Carter, (1853) 17 Beav. 586 ............................................................................. 126 Gerling v. Gerling, [2010] E.W.H.C. 3661 (Ch) ...............................................................178 f. Goodman v. Goodman, [2006] E.W.H.C. 1757 .................................................................... 171 Greenough v. Martin, (1824) 2 Add. 239 ............................................................................. 125 Grey v. Pearson, (1857) 10 E.R. 1216............................................................... 104 f., 109, 139 Harter v. Harter, (1873) LR. 3 P. & D. 11 ........................................................................... 161 Hayward v. Norwich Union Insurances Ltd., [2001] E.W.C.A. Civ. 243 ............................. 119

330

Entscheidungsverzeichnis

Henderson v. Henderson, [1905] 1 I.R. 353 (Ireland) .......................................................... 148 HHR Pascal B.V. v. W2005 Puppet II B.V., [2009] E.W.H.C. 2771 (Comm) ...................... 156 Higgins v. Dawson, [1902] A.C. 1........................................................................................ 126 Hindmarsh v. Charlton, (1861) 8 H.L. Cas. 160..................................................................... 14 Holt & Co. v. Collyer, (1881) 16 Ch. D. 718 ........................................................................ 104 Houston v. Burns, [1918] A.C. 337 ...................................................................................... 126 In the Goods of Davies, (1850) 163 E.R. 1337 ....................................................................... 14 In the Goods of Peel, (1870) L.R. 2 P. & D. 46 .................................................................... 146 ING Bank NV v. Ros Roca SA, [2012] 1 W.L.R. 472 ............................................ 145, 150, 156 Investors Compensation Scheme Ltd. v. West Bromwich Building Society, [1998] 1 W.L.R. 896 ..................................................... 103 ff., 117 ff., 129 f., 137 ff., 146 Jump v. Lister, [2016] E.W.H.C. 2160 (Ch) ........................................... 117, 136, 150 f., 166 f. Kell v. Charmer, (1856) 23 Beav. 195 .................................................................. 129, 133, 284 Kevern v. Ayres, [2014] E.W.H.C. 165 (Ch) ........................................................................ 165 Kirin-Amgen Inc. v. Hoechst Marion Roussel Ltd., [2005] R.P.C. 9, 169............................. 128 Lines v. Porter, [2012] W.T.L.R. 629................................................................................... 167 Lowe v. Thomas, (1854) 5 De G.M. & G. 315 ...................................................................... 108 Luxor (Eastbourne) Ltd. v. Cooper, [1941] A.C. 108 .......................................................... 153 Mannai Investment Co. Ltd. v. Eagle Star Life Assurance Co. Ltd., [1997] A.C. 749 .......................................................................... 104, 155, 184, 239, 243 Marks and Spencer v. BNP Paribas Securities Services Trust Company (Jersey) Ltd., [2016] A.C. 742 ............................................................................................................. 154 Marley v. Rawlings, [2011] 1 W.L.R. 2146 ......................................................................... 115 Marley v. Rawlings, [2013] Ch. 271 ..................................................................................... 115 Marley v. Rawlings, [2015] A.C. 129 ....... 4, 114 ff., 119 f., 125, 127, 130 f., 134, 139, 149 ff., 161, 163, 165, 168 ff., 180 ff., 314 Morall v. Sutton, (1844) 1 Ph. 533 ....................................................................................... 126 Parkinson v. Fawdon, [2009] E.W.H.C. 1953 (Ch) .............................................. 122, 149, 165 Paul James Egan v. Static Control Components (Europe) Ltd., [2004] E.W.C.A. Civ. 392 ............................................................................................. 138 Pengelly v. Pengelly, [2008] 3 W.L.R. 66 ......................................................... 102, 163, 178 f. Perrin v. Morgan, [1943] A.C. 399 ....................................................................... 4, 110 f., 114 Pigg v. Clark, (1876) 3 Ch. D. 672 ....................................................................................... 107 Prenn v. Simmonds, [1971] 1 W.L.R. 1381 .................................................................. 116, 129 Rainbird v. Smith, [2012] E.W.H.C. 4276 (Ch) .................................................................... 117 Rainy Sky SA v. Kookmin Bank, [2010] 1 C.L.C. 829 ........................................................... 138 Rainy Sky SA v. Kookmin Bank, [2011] 1 W.L.R. 2900................................................ 116, 135 Re Collings, [1933] Ch. 920 ................................................................................................. 110 Re Cook, [1948] Ch. 212 ...................................................................................... 104, 126, 137 Re Craig, [2006] W.T.L.R. 1873 .................................................................................. 169, 179 Re Gifford, [1944] Ch. 186 ................................................................................................... 147 Re Gillson, [1949] Ch. 99 ............................................................................................. 104, 129 Re Harrison, (1885) 30 Ch. D. 390 ........................................................................................ 99 Re Harte, [2015] Official Transcript ............................................................ 123, 131, 134, 148 Re Horrocks, [1939] P. 198 .................................................................................................. 161 Re Huntley, [2014] E.W.H.C. 547 (Ch) ............................................................................. 164 f. Re Jones, [1971] N.Z.L.R. 796 (New Zealand) .................................................................... 148 Re Last, [1958] P. 137 .......................................................................................................... 103 Re Lewis’s WT, [1937] Ch. 118 ............................................................................................ 122

Entscheidungsverzeichnis

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Re Martin, [2006] E.W.H.C. 2939 (Ch) ................... 134, 161, 168 ff., 173, 175, 177, 182, 249 Re Mayell, [1913] 2 Ch. 488................................................................................................. 147 Re Morgan, [1942] Ch. 345 .................................................................................................. 110 Re Potter's Will Trusts, [1944] Ch. 70 .................................................................................. 117 Re Price, [1932] 2 Ch. 54 ............................................................................................. 142, 147 Re Reynette-James, [1976] 1 W.L.R. 161 ............................................................................. 161 Re Rogers, [2006] E.W.H.C. 753 (Ch) ..............................................................................134 f. Re Rowland, [1963] Ch. 1 ................................................................................104, 107, 112 ff. Re Salmon, [1981] Ch. 167 ................................................................................................... 178 Re Segelman, [1996] Ch. 171 .................................................................................. 139, 166 ff. Re Sherrington, [2005] W.T.L.R. 587 .................................................................................... 14 Re Steel, [1979] Ch. 218 ....................................................................................................... 126 Re Van Leesen, [1955] 1 W.L.R. 1326 ................................................................................. 129 Re Whorwood, (1887) 34 Ch. D. 446.................................................................................... 122 Re Williams, [1985] 1 W.L.R. 905 .................................... 131, 133, 136 f., 152, 168, 180, 241 Reading v. Reading, [2015] E.W.H.C. 946 (Ch)........................................... 103, 117, 134, 165 Reardon Smith Line Ltd. v. Yngvar Hansen-Tangen, [1976] 1 W.L.R. 989.......................... 130 Roberts v. Roberts, (1611) 2 Bulstr. 123 .............................................................................. 106 Robinson Estate v. Robinson, 2011 CarswellOnt. 5819 (Canada) ........................................ 173 Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch) ................................... 117, 147, 150 f. RSCPA v. Sharp, [2011] 1 W.L.R. 980.................................................................... 117 ff., 137 Ryall v. Hannam, (1847) 10 Beav. 536................................................................................. 147 Sammut v. Manzi, [2009] 1 W.L.R. 1834 ..................................................................... 103, 126 Shelmer’s case, 25 E.R. 139 (Ireland) .................................................................................. 110 Shirlaw v. Southern Foundries, (1926) Ltd., [1939] 2 K.B. 868........................................... 153 Shogun Finance Ltd. v. Hudson, [2004] 1 A.C. 919 ............................................................. 104 Shore v. Wilson, (1842) 9 Cl. & f. 355 ................................................................. 103, 105, 129 Slattery v. Jagger, [2015] E.W.H.C. 3976 (Ch)..................... 117, 134, 150, 159, 165, 183, 208 The Moorcock, (1889) 14 P.D. 64 ........................................................................................ 153 The National Society for the Prevention of Cruelty to Children v. The Scottish National Society for the Prevention of Cruelty to Children, [1915] A.C. 207........ 4 ff., 55, 108 f., 123 f., 129, 147, 158 f., 188, 213 f., 217 The Royal Society v. Robinson, [2015] E.W.H.C. 3442 (Ch)............................. 117, 147, 150 f. Thorn v. Dickens, [1906] W.N. 54................................................................................ 129, 134 Walker v. Geo. H. Medlicott & Son (a firm), [1999] 1 All E.R. 685 ..................................... 171 Wayne Martin v. David Wilson Homes Ltd., [2004] E.W.C.A. Civ. 1027 ............................ 138 Wells v. Devani, [2019] 2 W.L.R. 617 ............................................................................... 145 f. Westminster City Council v. National Asylum Support Service, [2002] U.K.H.L. 38 ........... 138 White v. Jones, [1995] 2 A.C. 207 (HL) ...................................................................... 11, 171 f. Wood v. Capita Insurance Services Ltd., [2017] A.C. 1179 .............................140, 143 ff., 150 Wordingham v. Royal Exchange Trust Co. Ltd., [1992] Ch. 412.......................................... 168

Deutsche Entscheidungen BVerfG, Beschl. v. 3.11.1981, 1 BvL 11/77, 1 BvL 85/78, 1 BvR 47/81, BVerfGE 58, 377 ... 1 BVerfG, Beschl. v. 16.10.1984, 1 BvR 513/78, BVerfGE 67, 329 ........................................... 1 BVerfG, Beschl. v. 14.12.1994, 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346 ........................................... 1 BVerfG, Beschl. v. 19.1.1999, 1 BvR 2161/94, BVerfGE 99, 341 ........................................... 1 BVerfG, Beschl. v. 21.7.2010, 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400 .................................... 1

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Entscheidungsverzeichnis

RG, Urt. v. 28.2.1900, V 367/99, RGZ 46, 225 .................................................................... 228 RG, Urt. v. 28.11.1903, V 233/03, JW 1904, 58 Nr. 13........................................................ 228 RG, Urt. v. 29.9.1904, IV 223/04, RGZ 59, 33....................................................................... 86 RG, Urt. v. 29.3.1905, V 445/04, RGZ 60, 338 .................................................................... 228 RG, Urt. v. 26.6.1905, VI 526/04, RGZ 61, 264................................................................... 228 RG, Urt. v. 17.4.1907, V 374/06, RGZ 66, 21 ...................................................................... 228 RG, Urt. v. 11.3.1909, IV 304/08, RGZ 70, 391................. 30, 33, 35, 45, 79 f., 92 f., 226, 266 RG, Beschl. v. 16.3.1910, V 23/10, RGZ 73, 154 ................................................................ 228 RG, Urt. v. 16.10.1911, IV 594/10, RGZ 77, 165................................................................. 228 RG, Urt. v. 11.1.1912, IV 186/11, JW 1912, 344 Nr. 8 ........................................................ 287 RG, Urt. v. 4.2.1915, IV 419/14, RGZ 88, 278 ...................................................................... 78 RG, Urt. v. 12.7.1919, IV 144/19, LZ 1920, 340 Nr. 6........................................................... 79 RG, Beschl. v. 22.4.1920, IV B 2/20, RGZ 99, 82 ...................... 8, 12, 39, 58 f., 61, 65, 73, 75 RG, Urt. v. 10.1.1921, IV 370/20, LZ 1921, 376 Nr. 3........................ 25, 33, 45, 74, 77 f., 226 RG, Urt. v. 13.12.1924, V 652/23, RGZ 109, 334 ................................................................ 228 RG, Beschl. v. 24.9.1931, V B 7/31, RGZ 133, 279 ............................................................. 228 RG, Urt. v. 10.12.1931, IV 261/31, RGZ 134, 277........................................................... 65, 67 RG, Urt. v. 1.12.1932, IV 235/32, RGZ 138, 373............................................................. 81, 91 RG, Beschl. v. 2.11.1933, IV B 43/33, RGZ 142, 171 .......................................... 63, 65 ff., 74 RG, Urt. v. 3.4.1939, IV 165/38, RGZ 160, 109........................................ 27 f., 30, 34, 36, 222 RG, Urt. v. 15.10.1943, VI 73/43, RGZ 172, 83..................................................................... 83 BGH, Urt. v. 23.4.1951, IV ZR 17/51, LM § 2100 Nr. 1............................................ 31, 77, 94 BGH, Urt. v. 29.11.1951, IV ZR 71/51, BGHZ 4, 91 ................................................ 82, 85, 90 BGH, Urt. v. 22.04.1953, II ZR 143/52, BGHZ 9, 273 .......................................................... 58 BGH, Urt. v. 23.2.1956, II ZR 207/54, BGHZ 20, 109 .......................................................... 18 BGH, Urt. v. 8.1.1958, IV ZR 219/57, BGHZ 26, 204 ............................................... 27, 30, 36 BGH, Urt. v. 10.2.1960, V ZR 39/58, BGHZ 32, 60 ........................................................ 27, 30 BGH, Urt. v. 4.7.1962, V ZR 206/60, BGHZ 37, 331 ............................................................ 82 BGH, Urt. v. 31.10.1962, V ZR 129/62, NJW 1963, 246 .................................................. 83 ff. BGH, Urt. v. 23.1.1963, V ZR 82/61, NJW 1963, 1150 ......................................................... 65 BGH, Urt. v. 28.6.1963, V ZR 15/62, NJW 1963, 1610 ......................................................... 61 BGH, Urt. v. 30.11.1964, III ZR 82/63, BGHZ 42, 327 ......................................................... 85 BGH, Urt. v. 14.1.1965, III ZR 131/63, NJW 1965, 584 ........................................................ 90 BGH, Urt. v. 25.1.1965, III ZR 221/63, NJW 1965, 1955 ...................................................... 34 BGH, Urt. v. 17.2.1970, III ZR 139/67, NJW 1970, 946 .....................................................18 f. BGH, Urt. v. 27.5.1971, III ZR 53/69, FamRZ 1971, 638 Nr. 290 ................................... 84, 87 BGH, Urt. v. 22.3.1972, IV ZR 134/70, FamRZ 1972, 561.................................................... 23 BGH, Urt. v. 5.7.1972, IV ZR 125/70, NJW 1973, 240 ................................................ 71 f., 75 BGH, Urt. v. 29.9.1977, II ZR 214/75, NJW 1978, 264 ......................................................... 77 BGH, Urt. v. 23. 3.1979, V ZR 24/77, BGHZ 74, 116 ........................................................... 65 BGH, Beschl. v. 9.4.1981, IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246... 2, 12, 20, 22 f., 27 f., 30, 33, 35, 40, 45, 222, 226 BGH, Urt. v. 30.4.1982, V ZR 104/81, BGHZ 83, 395 ........................................................ 228 BGH, Urt. v. 16.11.1982, IVa ZR 52/81, FamRZ 1983, 380 ...................................... 60, 65, 68 BGH, Urt. v. 8.12.1982, IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41 .... 12, 18, 22 ff., 53, 68, 222, 225 f., 233 BGH, Urt. v. 25.3.1983, V ZR 268/81, BGHZ 87, 150 ........................................... 226 ff., 233 BGH, Urt. v. 26.10.1983, IVa ZR 80/82, NJW 1984, 721 ...................................................... 23

Entscheidungsverzeichnis

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BGH, Urt. v. 8.5.1985, IVa ZR 230/83, NJW 1985, 2025 ...................................................... 92 BGH, Urt. v. 10.12.1986, IVa ZR 169/85, NJW 1987, 901 .................................................... 18 BGH, Urt. v. 28.1.1987, IVa ZR 191/85, FamRZ 1987, 475 .. 18, 21 ff., 25, 36, 42 f., 46 f., 55, 92, 196, 202, 235 BGH, Urt. v. 27.5.1987, IVa ZR 30/86, NJW-RR 1987, 1412 ................................... 82, 84, 86 BGH, Urt. v. 8.12.1989, V ZR 53/88, NJW-RR 1990, 455 .................................................... 21 BGH, Urt. v. 29.5.1991, XII ZR 119/90, NJW-RR 1991, 1102.............................................. 18 BGH, Urt. v. 12.3.1992, IX ZR 141/91, NJW 1992, 1446................................................ 19, 25 BGH, Urt. v. 7.10.1992, IV ZR 160/91, NJW 1993, 256.... 11, 18, 23, 25 f., 36, 40, 42, 47, 55, 59, 61, 63, 84, 196, 202, 235 f. BGH, Urt. v. 24.2.1993, IV ZR 239/91, BGHZ 121, 357 ....... 2, 12, 17 f., 21, 35 f., 43, 53, 226 BGH, Urt. v. 13.7.1994, IV ZR 294/93, NJW 1995, 51.......................................................... 34 BGH, Urt. v. 13.6.1995, IX ZR 121/94, NJW 1995, 2551...................................................... 34 BGH, Urt. v. 13.5.1997, IX ZR 123/96, NJW 1997, 2327...................................................... 34 BGH, Urt. v. 16.7.1997, IV ZR 356/96, NJWE-FER 1997, 252............................................. 22 BGH, Urt. v. 27.3.2001, VI ZR 12/00, NJW 2001, 2535........................................................ 18 BGH, Urt. v. 26.9.2001, IV ZR 298/98, NJW-RR 2002, 292 ................... 47, 55, 196, 202, 235 BGH, Beschl. v. 10.12.2014, IV ZR 31/14, ZEV 2015, 343................................................... 26 BGH, Urt. v. 21.10.2016, V ZR 78/16, MittBayNot 2017, 234 ............................................ 227 BGH, Beschl. v. 12.7.2017, IV ZB 15/16, NJW-RR 2017, 1035 ..... 17, 23, 58, 60 ff., 68, 73 f. BGH, Beschl. v. 19.6.2019, IV ZB 30/18, NJW 2019, 2317 .................................................. 45 BayObLG, Beschl. v. 27.5.1960, 1 Z 191/1959, BayObLGZ 1960, 216 ................................ 26 BayObLG, Beschl. v. 30.10.1962, 1 Z 37/62, BayObLGZ 1962, 299 .................................... 77 BayObLG, Beschl. v. 3.10.1963, 1 Z 132/63, BayObLGZ 1963, 260 .............................. 61, 77 BayObLG, Beschl. v. 7.5.1965, 1b Z 312/64, BayObLGZ 1965, 166 .................................... 65 BayObLG, Beschl. v. 5.12.1966, 1a Z 32/66, BayObLGZ 1966, 390 .................................... 64 BayObLG, Beschl. v. 30.9.1982, 1 Z 128/81, BayObLGZ 1982, 331 .............................. 25, 47 BayObLG, Beschl. v. 27.8.1985, 1 Z 20/85, FamRZ 1986, 604 ....................................... 65, 95 BayObLG, Beschl. v. 22.4.1988, 1 Z 64/87, NJW 1988, 2742 ................................. 26, 36, 222 BayObLG, Beschl. v. 16.5.1988, 1 Z 47/87, BayObLGZ 1988, 165 ....................... 64, 66 f., 95 BayObLG, Beschl. v. 3.10.1989, 1a Z 23/89, FamRZ 1990, 211 ........................................... 90 BayObLG, Beschl. v. 31.8.1990, 1a Z 60/89, FamRZ 1991, 231 ........................................... 31 BayObLG, Beschl. v. 4.11.1992, 1 Z BR 70/92, FamRZ 1993, 1250..................................... 25 BayObLG, Beschl. v. 11.11.1992, 1 Z BR 84/92, FamRZ 1993, 1496.................... 63, 70 f., 75 BayObLG, Beschl. v. 9.11.1993, 1 Z BR 91/92, DNotZ 1994, 394 ............................... 36, 222 BayObLG, Beschl. v. 16.11.1993, 1 Z BR 73/93, DNotZ 1994, 399.......................... 25, 43, 46 BayObLG, Beschl. v. 20.7.1994, 1 Z BR 108/93, DNotZ 1995, 715...................................... 83 BayObLG, Beschl. v. 12.10.1994, 1 Z BR 141/94, BayObLGZ 1994, 263 .......................... 206 BayObLG, Beschl. v. 3.9.1996, 1 Z BR 41/95, BayObLGZ 1996, 204 .................................. 33 BayObLG, Beschl. v. 22.1.1997, 1 Z BR 127/96, FamRZ 1997, 772..................................... 86 BayObLG, Beschl. v. 5.2.1997, 1 Z BR 180/95, BayObLGZ 1997, 59 .................................. 18 BayObLG, Beschl. v. 14.5.1997, 1 Z BR 241/96, FamRZ 1997, 1436 ................................... 26 BayObLG, Beschl. v. 27.6.1997, 1 Z BR 240/96, BayObLGZ 1997, 197 ...........................54 f. BayObLG, Beschl. v. 20.8.1998, 1 Z BR 25/98, FamRZ 1999, 814....................................... 22 BayObLG, Beschl. v. 19.4.2000, 1 Z BR 43/99, ZEV 2001, 24 ............................................. 68 BayObLG, Beschl. v. 19.10.2000, 1 Z BR 116/99, BayObLGZ 2000, 279 ............................ 84 BayObLG, Beschl. v. 17.5.2001, 1 Z BR 121/00, BayObLGZ 2001, 127 .............................. 18 BayObLG, Beschl. v. 9.8.2001, 1 Z BR 29/01, BayObLGZ 2001, 208 .................................. 21

334

Entscheidungsverzeichnis

BayObLG, Beschl. v. 12.3.2002, 1 Z BR 14/01, FamRZ 2002, 1745..................................... 31 BayObLG, Beschl. v. 14.8.2002, 1 Z BR 58/02, FamRZ 2003, 708....................................... 86 BayObLG, Beschl. v. 1.10.2002, 1 Z BR 83/02, NJW-RR 2003, 224 ............................ 53, 226 BayObLG, Beschl. v. 18.12.2003, 1 Z BR 130/02, ZEV 2004, 200 ....................................... 31 BayObLG, Beschl. v. 7.9.2004, 1 Z BR 73/04, NJOZ 2005, 1070 ......................................... 72 KG, Beschl. v. 30.1.1970, 1 W 9679/69, NJW 1970, 758 .......................................... 33, 48, 66 KG, Beschl. v. 15.6.1971, 1 W 14/71, NJW 1971, 1992 ........................................................ 63 KG, Beschl. v. 7.9.1999, 1 W 4291/98, DNotZ 1976, 564 ............................................... 71, 75 OLG Bamberg, Beschl. v. 6.11.2015, 4 W 105/15, ZEV 2016, 397 ....................................... 52 OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.3.1998, 10 Wx 7/97, FamRZ 1999, 188 ...................... 22, 31 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.10.1997, 3 Wx 386/97, NJWE-FER 1998, 12............ 36 ff., 222 OLG Düsseldorf, Urt. v. 16.4.1999, 7 U 208/98, FamRZ 2000, 119 ...................................... 22 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 29.3.2011, 3 Wx 263/10, FGPrax 2011, 125 ............................. 32 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 6.12.2011, 3 Wx 261/11, FGPrax 2012, 22 ............................... 73 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.12.2016, 25 Wx 95/14, RNotZ 2017, 189 ............................. 228 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.11.2017, 3 Wx 295/16, ZEV 2018, 140 ................... 61, 71 f., 75 OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.1.1995, 20 W 21/95, NJW-RR 1995, 1350 .............. 87 OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 12.2.1997, 20 W 96/95, FamRZ 1997, 1433 ................. 86 OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 8.11.2017, 3 Wx 295/16, OLGZ 1993, 382 ................ 208 OLG Hamm, Beschl. v. 17.10.1973, 15 W 285/72, NJW 1974, 60 ........................................ 45 OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.1976, 15 W 121/75, OLGZ 1977, 260 ............................ 71 f., 75 OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.1996, 15 W 341/95, FamRZ 1997, 121 ........................... 68, 73 f. OLG Hamm, Beschl. v. 12.6.2001, 15 W 127/00, FamRZ 2002, 201 .................................... 34 OLG Hamm, Beschl. v. 18.2.2003, 15 W 356/02, Rpfleger 2003, 436 .................................. 25 OLG Hamm, Beschl. v. 16.12.2010, 15 Wx 470/10, FamRZ 2011, 1172 .............................. 31 OLG Hamm, Beschl. v. 6.1.2011, 15 Wx 484/10, ZEV 2011, 427............................... 2, 33, 35 OLG Hamm, Beschl. v. 22.7.2014, 15 W 98/14, NJW-RR 2015, 9 ......................... 32, 53, 208 OLG Karlsruhe, Urt. v. 5.8.1994, 15 U 38/94, ZEV 1995, 454 .............................................. 87 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.8.1999, 14 Wx 44/99, ZEV 1999, 438 ............................ 36, 222 OLG Köln, Beschl. v. 1.4.1981, 2 Wx 13/81, RPfleger 1981, 357 ......................................... 73 OLG Köln, Beschluss v. 28.5.1990, 2 Wx 6/90, FamRZ 1990, 1038 ..................................... 82 OLG Köln, Beschl. v. 3.11.2003, 2 Wx 26/03, FGPrax 2004, 78 ..................................... 23, 26 OLG Köln, Beschl. v. 10.11.2008, 2 Wx 38/08, ZEV 2009, 241 ................................ 60, 65 ff. OLG München, Urt. v. 13.1.1981, 17 U 3742/80, NJW 1983, 2577 ................................ 82, 85 OLG München, Urt. v. 5.4.1995, 15 U 4943/94, NJW-RR 1996, 239 .................................... 20 OLG München, Beschl. v. 26.7.2006, 32 Wx 88/06, ZEV 2006, 456 .................................... 63 OLG München, Beschl. v. 7.5.2008, 31 Wx 12/08, NJW-RR 2008, 1112 ............................. 86 OLG München, Beschl. v. 18.9.2008, 31 Wx 8/08, FGPrax 2008, 254 ............................ 82, 86 OLG München, Beschl. v. 8.6.2010, 31 Wx 048/10, NJW-RR 2011, 12 ............................33 f.

Entscheidungsverzeichnis

335

OLG München, Beschl. v. 14.6.2010, 31 Wx 151/09, FGPrax 2010, 244 .............................. 73 OLG München, Beschl. v. 16.7.2012, 31 Wx 290/11, NJW-RR 2013, 202 ............... 25, 43, 46 OLG München, Beschl. v. 19.12.2012, 31 Wx 434/12, NJW-RR 2013, 329.......................... 73 OLG München, Beschl. v. 25.7.2016, 31 Wx 156/15, FamRZ 2016, 2154 ............................ 68 OLG München, Beschl. v. 24.1.2017, 31 Wx 234/16, BWNotZ 2017, 22 ............ 20, 23, 81 ff. OLG München, Beschl. v. 24.4.2017, 31 Wx 128/17, ZEV 2017, 409 .................................. 68 OLG München, Beschl. v. 4.7.2017, 31 Wx 211/15, ZEV 2017, 634 ......................... 62, 64 ff. OLG München, Beschl. v. 11.6.2018, 31 Wx 294/16, FGPrax 2018, 231 .............................. 72 OLG Stuttgart, Beschl. v. 11.6.2018, 8 W 198/16, NJW-RR 2018, 904 ................................. 19 AG Berlin-Spandau, Beschl. v. 15.04.2003, 60 IV 126/00, FamRZ 2004, 570 ...................... 62

Stichwortverzeichnis administration 13 – siehe auch letter of ~ administrator, siehe administration Affektionsinteresse 249, 307 – siehe auch Schadensersatz – siehe auch Vermögensschaden Andeutungstheorie 2 ff., 36 ff., 65 ff., 220 ff. – als Ausdruck formalisierter Beweisstrenge 220 ff. – Begrenzungsfunktion 36 ff., 65 ff., 220 ff. – Grundlage 39 ff., 65 ff. – Notwendigkeit 220 ff., 298 ff. – und Anfechtung 90 – und ergänzende Auslegung 65 ff., 254 f. – und erläuternde Auslegung 35 ff., 221 ff. – Zwei-Stufen-Prüfung 40 ff., 225 f. Anfechtung 76 ff., 200 f., 210 ff., 260 ff. – siehe auch rescission – ~sberechtigung 89 – ~serklärung 89, 293 – ~sfrist 89, 91, 200, 211, 256 ff., 270 – ~sgegner 87, 89, 210 – ~sgrenzen 91 – Bestätigung des Rechtsgeschäfts 91, 317 – Beweislast 76 – Kassation 91 ff., 260 ff. – Kausalität 85 ff. – positive Wirkung 291 ff. – Rolle der Andeutungstheorie 90 – Teil~ 79, 92 f., 265 f. – unbewusste Vorstellung 84 f., 87, 95, 268 – Verhältnis zur Auslegung 77 f.

– wegen Erklärungsirrtums 80, 96, 246 ff., 269 – wegen Inhaltsirrtums 78 ff., 94, 269 – wegen Motivirrtums 77, 80 ff., 86 f., 250 ff. – wegen Rechtsfolgenirrtums 78 – wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten 86 f. – Zweck 76, 269 ff. animus testandi 102, 125, 181 armchair principle 128 ff., 196 f., 203 Auslegung 17 ff., 192 f., 195 ff., 201 ff., 213 ff., 220 ff., 246 ff., 298 ff. – siehe auch ergänzende Auslegung – siehe auch erläuternde Auslegung – siehe auch falsa demonstratio non nocet – siehe auch Geschäftswille – siehe auch implication of terms in fact doctrine – siehe auch interpretation – als richterlicher Rechtsanwendungsprozess 17 ff. – ~sausdehnung 280 ff., 299 ff. – ~sbedürftigkeit 27, 32, 35 – ~sfähigkeit 27, 30, 32 f. – ~smaterial 23, 25, 63 ff., 196 f., 205, 214, 233, 281 – ~smaximen 102 ff. – ~s- und Ergänzungsregelungen 24, 38 f., 69 f., 199, 252, 255 – Beweislast 18 – freie ~ 41 f., 225, 282 – Grenzen 54, 72 f. – natürliche ~ 19 – normative ~ 19 f., 22 – objektiver testamentarischer Bedeutungsgehalt 19 ff. – Verhältnis zur Anfechtung 77 f.

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Stichwortverzeichnis

– Willenstheorie 41 Belehrungspflicht 34, 234 f. Beratungsfunktion 11, 29 Berichtigung 114, 162, 172, 180, 187, 304 ff. – siehe auch Auslegung – siehe auch interpretation – siehe auch rectification – siehe auch Reformation – siehe auch Testamentskorrektur Berliner Testament 51 f. Bestätigung des Rechtsgeschäfts 91, 317 Beweggrund, enttäuschter 7 f., 57 ff., 74 ff., 80 ff., 152 ff., 175 f., 218 f., 250 ff., 301 ff. Beweislast 18, 76, 86 f., 162 – siehe auch Beweisverwertungsregelung – siehe auch convincing proof – ~umkehr, siehe Vermutung, widerlegliche Beweisverwertungsregelung 127 ff., 197, 205, 214, 240 ff. circumstancial extrinsic evidence 128 ff., 158 ff. clerical error 162, 168 ff., 182 ff., 201, 217 f., 246 ff. – siehe auch rectification common sense 134 f., 141 construction, siehe interpretation contextualism 143 – siehe auch intentional approach – siehe auch modern contextual approach convincing proof 167 corrective construction, siehe interpretation dictionary principle 108, 126 f., 146 f., 152, 314 doctrine of lapse 123 f., 153, 158, 160 f., 209, 218, 251 Eindeutigkeitsformel 28, 30 equivocation 132 Erbscheinsverfahren 19, 21, 305 – siehe auch grant of probate

ergänzende Auslegung 57 ff., 250 ff. – siehe auch Testamentskorrektur – Abgrenzung zur erläuternden Auslegung 60 – als rechtsgestaltende Tätigkeit des Richters 73 – dogmatische Grundlage 58 ff. – Ermittlung des hypothetischen Erblasserwillens 63 ff. – Grenzen 72 f. – Kassation 64 f. – Perspektive 63 ff. – planwidrige Regelungslücke 61 ff., 73 f. – rechtsmissbräuchliches Verhalten, siehe Grenzen – Reformation 73 – Unwirksamkeit einer testamentarischen Verfügung, siehe Kassation – Verwirkung, siehe Grenzen – willensgetragene Lücke 62 f. – Zeitpunkt 63 f. Erheblichkeit des Irrtums, siehe Kausalität Erklärungsirrtum 80, 246 ff. – siehe auch clerical error – siehe auch fehlgegangenes Erklärungszeichen erläuternde Auslegung 21 ff. – siehe auch falsa demonstratio non nocet – siehe auch Falschbezeichnung – siehe auch Geschäftswille – siehe auch interpretation – Auslegungsergebnis 18 f., 22, 24 ff., 39 ff., 77, 280 ff., 299 ff. – Bezugspunkte 25 ff. – Eindeutigkeitsformel 27 f., 30 – Ermittlung des realen Erblasserwillens 22 ff. – gegen den Wortlaut 27 ff., 226 ff. – Grenzen 54 – Perspektive 22 ff. – Reformation 54 f. – Verbot der Buchstabeninterpretation 30 – widerlegliche Vermutung 33, 35, 90, 104, 139, 194

Stichwortverzeichnis – wohlwollende ~ 24, 59 Ersatzerbe 7 f., 28, 31, 59, 70 ff., 88 Erster Entwurf des BGB 88, 90 f., 257, 269 evidence of the testator’s intention 120, 127 ff., 158, 183 f., 204 ff. executor 13, 102, 163 extrinsic evidence, siehe circumstancial extrinsic evidence factual matrix, siehe circumstancial extrinsic evidence failure by the testator to appreciate the effect of the words used 173, 176 failure to understand the testator’s instruction 162, 171 ff., 185, 201, 248 ff., 275 – siehe auch rectification falsa demonstratio non nocet 33, 48 ff., 137, 146 ff., 193, 223, 226 ff., 232 ff., 244, 274 ff. – siehe auch Falschbezeichnung Falschbezeichnung 47 ff., 226 ff., 273 f. – siehe auch falsa demonstratio non nocet – bewusste ~ 47 ff., 226 ff., 245, 273 f. – unbewusste ~ 47 ff., 56, 146, 226 ff., 245, 273 f. – Unschädlichkeit der ~, siehe falsa demonstratio non nocet fehlgegangenes Erklärungszeichen 6 f., 74, 157, 160, 182, 216 ff., 246 ff., 266, 275 – siehe auch clerical error – siehe auch Erklärungsirrtum formalisierte Beweisstrenge 220 ff. – siehe auch Andeutungstheorie – siehe auch incapable meaning rule Formzwecke 40, 235 freie Auslegung 41 f., 225, 282 Frist – bei der Anfechtung 89, 91, 200, 210 f., 256 ff. – bei der Auslegung 54, 73, 240, 256 ff. – bei der interpretation 156 – bei der rectification 177 ff., 200, 210 f. – bei der Testamentskorrektur 303, 305, 317

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funktionale Rechtsvergleichung 9 f., 191 – siehe auch Mikroperspektive – siehe auch praesumtio similitudinis Geschäftswille 42 ff., 233, 284 gesetzliche Erbfolge 3, 28, 39 f., 79, 212, 215 f., 261 ff., 291 Gestaltungsklage 293, 304 f., 317 grant of probate 103, 125, 178, 200, 210 heavy burden of proof, siehe convincing proof Herausgabeklage 304 implication of terms in fact doctrine 146, 153 ff., 209, 218 – officious bystander test 153 incapable meaning rule 136 – siehe auch rewriting individueller Sprachgebrauch, siehe Falschbezeichnung, bewusste und dictionary principle Inhaltsirrtum 5 f., 78 ff., 213 ff. – siehe auch missverstandener Begriff intentional approach 106, 109 ff., 136, 188 Intentionalist, siehe intentional approach interpretation 101 ff., 192 f., 195 ff., 201 ff. – siehe auch dictionary principle – siehe auch falsa demonstratio non nocet – siehe auch implication of terms in fact doctrine – siehe auch rewriting – allgemeine Grundsätze 102 ff. – als richterlicher Rechtsanwendungsprozess 102 – Andeutung 151 f. – armchair principle 128 ff., 196 f., 203 – Bezugspunkte 125 ff. – circumstancial extrinsic evidence 114, 127 ff., 158 ff. – common sense 134 f., 141 – contextualism 143 – doctrine of lapse 123 f., 153, 158, 160 f., 209, 218, 251

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Stichwortverzeichnis

– evidence of the testator’s intention 120, 127 ff., 158, 183 f., 204 ff. – factual matrix, siehe circumstancial extrinsic evidence – Falschbezeichnung, siehe falsa demonstratio non nocet – gegen den Wortlaut 136 ff., 149 ff., 157 ff. – gerichtliche Zuständigkeit 102 f. – Grenzen 149 ff. – incapable meaning rule 136 – intentional approach 106, 109 ff., 136, 188 – intrinsic evidence 126 f., 160, 197 – literal approach 107 ff., 136, 143, 193 – matrix of fact, siehe circumstancial extrinsic evidence – modern contextual approach 114 ff., 125 ff., 136 ff., 149 ff. – objektiver testamentarischer Sinngehalt 102 f. – Perspektive 106 ff. – principle of ademption 122, 152 f., 209, 218, 251 – reasonable person 118 ff., 130, 138, 148, 152, 155 ff. – Reformation 182 – surrounding circumstance, siehe circumstancial extrinsic evidence – textualism 143 – very strong presumption 147 f., 159 f., 184 f., 188, 215 – Zeitpunkt 122 ff. intrinsic evidence 126 f., 160, 197 Irrtum, siehe Erklärungsirrtum, Inhaltsirrtum und Motivirrtum Irrtumsanfechtung, siehe Anfechtung Irrtumserheblichkeit, siehe Kausalität Kassation 91 ff., 200 f., 210 ff., 260 ff. – siehe auch Anfechtung – siehe auch rescission – ergänzende Auslegung 64 f. Kausalität 85 ff. lacuna 176, 186 – siehe auch implication of terms in fact doctrine

– siehe auch rectification Law Commission 165, 186 f. – siehe auch Law Reform Committee Law of equity 173, 176, 187, 189 Law Reform Committee 113 f., 151 f., 161 ff., 175 f., 186, 198 – siehe auch Law Commission Law Reform, 12th Programme of, siehe Law Commission letter of administration 178, 200, 210 literal approach 107 ff., 136, 143, 193 Literalist, siehe literal approach Lückenschließung, siehe ergänzende Auslegung, rectification und lacuna matrix of fact, siehe circumstancial extrinsic evidence Mikroperspektive 9 – siehe auch funktionale Rechtsvergleichung – siehe auch praesumtio similitudinis missverstandener Begriff 5 f., 74, 173 f., 213 ff., 242, 251 ff. misunderstanding of the testator’s instructions 176 modern contextual approach 114 ff., 125 ff., 136 ff., 149 ff. Motiv, enttäuschtes, siehe Beweggrund, enttäuschter Motivirrtum 80 ff., 250 ff., 291, 301 ff. – siehe auch Beweggrund, enttäuschter Nacherbschaft 28, 31 f., 37 Nachlassverwaltung, siehe administration, executor und personal representative natürliche Auslegung 19 Nichtigkeit, siehe Kassation normative Auslegung 19 f., 22 notarielles Testament 12 f., 28, 31, 34, 37 – siehe auch will made with professional advice objektiver testamentarischer Bedeutungsgehalt 19 ff., 102 f. personal representative 13, 162, 177 ff. planwidrige Lücke 61 ff.

Stichwortverzeichnis – siehe auch Anfechtung, wegen Motivirrtums – siehe auch ergänzende Auslegung – siehe auch implication of terms in fact doctrine – siehe auch lacuna praesumtio similitudinis 192, 273 – siehe auch funktionale Methode der Rechtsvergleichung – siehe auch Mikroperspektive principle of ademption 122, 152 f., 209, 218, 251 reasonable person 118 ff., 130, 138, 148, 152, 155 ff. Rechtsirrtum 78 Rechtsvergleichung, siehe funktionale Methode der Rechtsvergleichung, Mikroperspektive und praesumtio similitudinis rectification 161 ff., 200 f., 210 ff., 246 ff., 250 ff. – Abgrenzung zur interpretation 163 ff., 182 ff. – Beweislast 167 – clerical error 162, 168 ff., 182 ff., 201, 217 f., 246 ff. – convincing proof 167 – enttäuschter Beweggrund, siehe lacuna – Erklärungsirrtum, siehe clerical error – Ermittlung des wahren Erblasserwillens 166 f. – failure by the testator to appreciate the effect of the words used 173, 176 – failure to understand the testator’s instruction 162, 171 ff., 185, 201, 248 ff., 275 – Frist 177 ff. – Grenzen 180 ff. – im Vertragsrecht 176 f., 187 – lacuna 176, 186 – law of equity 173, 176, 187, 189 – misunderstanding of the testator’s instructions 176 – Rechtsirrtum 171 ff. – Reformation 182 – statutory rule 161 f. – Tatsachenmaterial 167 – Übermittlungsfehler 172

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– uncertainty 176 – Verhältnis zu den testamentarischen Formvorschriften 180 f. – Zulässigkeit 161 ff. – Zuständigkeit 163 Reform 279 ff. – siehe auch Law Commission – siehe auch Law Reform Committee – eigene Position 298 ff. – ~vorschläge des Schrifttums 280 ff. Reformation 54 f., 73, 157, 182, 298 ff. Regelungslücke, planwidrige 61 ff., 73 f. Regelungsplan, siehe Willensrichtung rescission 11, 261 revocation 102 rewriting 136 ff., 149 ff., 180, 198, 203 f., 212, 241, 273 Schadensersatz 11, 92, 171, 249, 306 f. – siehe auch Affektionsinteresse – siehe auch Vermögensschaden statutory provision 101 f., 121 ff., 132 ff., 162, 276 statutory rule, siehe statutory provision subjektiver Erklärenden-Horizont, siehe erläuternde Auslegung, Perspektive und rectification, Perspektive Surrogat 29, 64, 122 surrounding circumstance, siehe circumstancial extrinsic evidence Teilanfechtung, siehe Anfechtung testamentarische Lücke, siehe Regelungslücke, planwidrige Testamentseröffnung 102 Testamentserrichtungswille, siehe animus testandi Testamentskorrektur 285, 294 ff., 301 ff. testamentum mysticum 283, 285 f., 300 textualism 143 – siehe auch literal approach Treu und Glauben 82, 91, 281 f. Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten 86 f. Übermittlungsfehler 172, 183, 211, 246, 248 ff., 261, 275 – siehe auch failure to understand the testator’s instruction

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Stichwortverzeichnis

uncertainty 157 Universalsukzession 12, 39 Verbot der Buchstabeninterpretation 30 Verkehrsgeschäft 244, 281 Verkehrssitte 20 Vermächtnis 5 f., 29, 39, 56, 79, 88 f., 93, 121, 123, 209, 266, 282 f., 292 f. Vermögensschaden 34, 172, 212, 249, 306 f. – siehe auch Affektionsinteresse – siehe auch Schadensersatz Vermutung für die Ähnlichkeit, siehe praesumtio similitudinis Vermutung, widerlegliche 33, 35, 90, 104, 139, 194 – siehe auch very strong presumption Verwirkung 54, 73

very strong presumption 147 f., 159 f., 184 f., 188, 215 – siehe auch Vermutung, widerlegliche Vorerbschaft 37 f., 79 Vorstellung, unbewusste 84 f., 87, 95, 268 Weiterentwicklung einer testamentarischen Verfügung 72 f., 255, 276, 309 Widerruf einer testamentarischen Verfügung 17, 64, 88 – siehe auch revocation will 13 ff. – made with professional advice 14 f. – privatschriftlich 13 Willensrichtung 8, 62, 66 ff., 255, 296 Willenstheorie 41 wohlwollende Auslegung 24, 59