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German Pages 495 [497] Year 2013
Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 294 Herausgegeben vom
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:
Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann
Johanna Kroh
Der existenzvernichtende Eingriff Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, englischen, französischen und niederländischen Recht
Mohr Siebeck
Johanna Kroh, geboren 1982; Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin; 2012 Promotion in Würzburg; 2012 LL.M. University College London; derzeit wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels- und Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht und Europäische Privatrechtsentwicklung der Universität zu Köln.
Zugl.: Würzburg, Univ., Diss., 2012 e-ISBN PDF 978-3-16-152404-2 ISBN 978-3-16-152372-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2013 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2012 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Die Arbeit befindet sich im Wesentlichen auf dem Stand von Oktober 2012. Ganz herzlicher Dank gilt meiner verehrten Doktormutter Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger. Ohne ihre exzellente Betreuung, stetige Unterstützung und den von ihr gewährten Freiraum wären eine so umfassende rechtsvergleichende Arbeit und insbesondere die diversen Forschungsaufenthalte in England, Frankreich und den Niederlanden nicht möglich gewesen. Besonderer Dank gebührt zudem Herrn Prof. Dr. Christoph Teichmann für die Erstellung des Zweitgutachtens, Prof. Dr. Heribert Hirte, der zur Fokussierung auf den Rechtsvergleich beitrug, Prof. Dr. R.D. Vriesendorp, der mich als Forschungsgast an seinem Lehrstuhl an der Universität Tilburg aufnahm, Prof. Dr. G.J.H van der Sangen, der bei der Lösung diverser Fallbeispiele wertvolle Hinweise gab sowie Prof. Dr. H.C.F. Schoordijk, der stets mit Freuden die Unterschiede des niederländischen und deutschen Rechts diskutierte. Dank gebührt weiterhin Dr. Paul Omar, der mir während meines Aufenthalts an der University of Sussex zur Seite stand, sowie Dr. Jochen Bauerreis, der mir an der Université de Strasbourg den Einstieg in das französische Recht und die französische Rechtspraxis erleichterte. Herrn Privatdozent Dr. Rainer Kulms danke ich, dass er mir als seiner wissenschaftlichen Assistentin am Max-Planck-Institut stets ausreichend Freiraum für meine Dissertation ließ. Frau Heinrich hat wertvolle Hilfe im Rahmen der Vorbereitung des Manuskripts geleistet. Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Basedow, Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Großzügige ideelle und finanzielle Förderung habe ich durch das Promotionsstipendium der Konrad-Adenauer-Stiftung erfahren. Die Arbeit ist mit dem Förderpreis der Esche Schümann Commichau Stiftung ausgezeichnet worden.
VI
Vorwort
Die Arbeit wäre ohne die vielen anregenden Diskussionen unter Kollegen und Freunden und deren Unterstützung in ihrer vorliegenden Form nicht entstanden. Herzlicher Dank gilt daher Daniel Annoff, Isabel Ebert, Katrin Deckert, Grischa Feitsch, Jan D. Lüttringhaus, Tim Müller, Sven Sievert, Felix Steffek und Johannes Weber. Meinen Eltern Karin und Gerd Kroh sowie Großeltern Ottilie und Heinz Pöppelmann ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im Februar 2013
Johanna Kroh
Inhaltsübersicht Vorwort ................................................................................................ V Inhaltsverzeichnis ................................................................................ XI Abkürzungsverzeichnis .................................................................... XXV
I.
Einführung ................................................................................. 1
1. Ausgangspunkt und Interesse an der rechtsvergleichenden Untersuchung .................................................................................. 3 2. Methodisches Vorgehen .................................................................. 10 3. Gang der Untersuchung ................................................................. 11
II.
Deutsche Rechtslage ............................................................... 13
1. Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung ................................. 14 2. Ausgangspunkt und Hintergrund der Existenzvernichtungshaftung – das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG .................................................................... 29 3. Lückenschließung im Rahmen des § 826 BGB – das neue Konzept des Bundesgerichtshofs ....................................... 45 4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB.................................. 62 5. Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe...... 94 6. Zusammenfassung und Ausblick – der existenzvernichtende Eingriff als Ausgangspunkt der rechtsvergleichenden Betrachtung .......................................... 111
III. Englische Rechtslage ............................................................ 115 1. Grundsätzliches zur private company limited by shares ................. 117 2. Haftung für eine Insolvenzverschleppung – wrongful trading, sec. 214 IA 1986 ............................................... 134
VIII
Inhaltsübersicht
3. Haftung für eine betrügerische Fortsetzung der Geschäftstätigkeit – fraudulent trading, sec. 213 IA 1986 ......... 156 4. Haftung von Geschäftsführern aufgrund einer Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen – „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings .................. 165 5. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung................................................................... 187 6. Geschäfte unter Wert – transaction at an undervalue, sec. 238 IA 1986 .......................................................................... 192 7. Betrügerische Geschäfte zulasten von Gläubigern – transactions defrauding creditors, ss. 423 ff. IA 1986...................... 207 8. Ungleiche Behandlung einzelner Gläubiger – preferences, sec. 239 IA 1986 ....................................................... 212 9. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände ............ 221 10. Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer – directors’ disqualifications ........................................................... 227 11. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach englischem Recht .................................................. 230
IV. Französische Rechtslage ...................................................... 233 1. Grundsätzliches zur société à responsabilité limitée ....................... 234 2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – la responsabilité pour insuffisance d’actif, Artt. L. 651-1 ff. C.com. ................................................................ 248 3. Insolvenzerstreckung – extension de procédure, Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. .......................................................... 274 4. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung................................................................... 287 5. Insolvenzanfechtung – action en nullité, Artt. L. 632-1 ff. C.com. ... 290 6. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände ............ 293 7. Geschäftsleitungsverbote – faillite personnelle und l’interdiction de diriger, Artt. L. 653-1 ff. C.com. ........................... 308 8. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach französischem Recht ............................................. 310
Inhaltsübersicht
V.
IX
Niederländische Rechtslage ................................................. 315
1. Grundsätzliches zur besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid ..................................................... 317 2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – kennelijk onbehoorlijk bestuur, Art. 2:248 BW .............................. 331 3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak, Art. 6:162 BW ............. 347 4. Richterrechtliche Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit zweier Rechtssubjekte – vereenzelviging ....................................... 377 5. Insolvenzanfechtung – faillissementspauliana, Artt. 42 ff. FW......... 380 6. Ergänzende Anfechtungsmöglichkeiten sowie Haftungstatbestände..................................................................... 387 7. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach niederländischem Recht ........................................ 396
VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick ..................................................... 401 1. Nationaler Gläubigerschutz bei existenzvernichtenden Eingriffen... 401 2. Kollisionsrechtlicher Ausblick ...................................................... 404
Zusammenfassung ......................................................................... 409 Literaturverzeichnis ........................................................................... 421 Sachverzeichnis ................................................................................. 441
Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................ V Inhaltsübersicht ................................................................................. VII Abkürzungsverzeichnis .................................................................... XXV
I.
Einführung ................................................................................. 1
1. Ausgangspunkt und Interesse an der rechtsvergleichenden Untersuchung .................................................................................. 3 a) EG-Auslandsgesellschaften in Deutschland ................................... 3 b) Deutsche Regelungen und EG-Auslandsgesellschaften .................. 7 2. Methodisches Vorgehen .................................................................. 10 3. Gang der Untersuchung ................................................................. 11
II.
Deutsche Rechtslage ............................................................... 13
1. Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung ................................. 14 a) Die Haftung im „qualifizierten faktischen Konzern“ – Entwicklung der Rechtsprechung von „Autokran“ bis „TBB“ ...... 15 (1) „Autokran“-Urteil vom 16. September 1985 .......................... 16 (2) „Video“-Urteil vom 23. September 1991 ............................... 17 (3) Anmerkungen ...................................................................... 18 (4) „TBB“-Urteil vom 29. März 1993 ......................................... 19 (5) Anmerkungen ...................................................................... 20 b) Der (alte) existenzvernichtende Eingriff – die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zum „Trihotel“-Urteil vom 16. Juli 2007 ...................................................................... 21 (1) „Bremer-Vulkan“-Urteil vom 17. Sept. 2001 ......................... 22 (2) Anmerkungen ...................................................................... 22 (3) „Kindl-Backwaren“-Urteil vom 24. Juni 2002 ....................... 23
XII
Inhaltsverzeichnis
(4) Anmerkungen ...................................................................... 25 c) Der (neue) existenzvernichtende Eingriff in Gestalt des „Trihotel“-Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2007 ...................................................................... 26 2. Ausgangspunkt und Hintergrund der Existenzvernichtungshaftung – das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG .................................................................... 29 a) Regelungsgehalt der §§ 30, 31 GmbHG ...................................... 30 b) Regelungsgehalt des die §§ 30, 31 GmbHG flankierenden Gläubigerschutzes ...................................................................... 33 (1) Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer bei Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen............................................ 33 (2) Haftung der Gesellschafter als faktische Geschäftsführer gemäß § 43 GmbHG analog .................................................. 35 (3) Ersatzpflicht der Gesellschafter gemäß § 73 Abs. 1 i.V.m. § 31 GmbHG analog .................................................. 35 (4) Haftung der Gesellschafter gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz.................................................... 36 (a) § 30 GmbHG ................................................................. 37 (b) Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 und 3 InsO ................................................. 37 (c) Ausschüttungssperre des § 73 Abs. 1 GmbHG ................. 38 (d) Untreue, § 266 StGB ...................................................... 40 (5) Anfechtungsrechte des AnfG und der §§ 129 ff. InsO ............ 42 c) Zusammenfassung und Stellungnahme ........................................ 43 3. Lückenschließung im Rahmen des § 826 BGB – das neue Konzept des Bundesgerichtshofs ....................................... 45 a) Grundsätzliches zum Anwendungsbereich des § 826 BGB ........... 46 b) Methodische Legitimität des Rückgriffs auf § 826 BGB .............. 47 c) Haftung wegen sittenwidriger Schädigung .................................. 48 (1) Sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens zulasten der Gläubiger – altes deliktisches Haftungskonzept .................................................................. 50 (2) Sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens aufgrund einer Pflichtverletzung der Gesellschafter – neues deliktisches Haftungskonzept ...................................... 51 (a) Innenhaftung vs. Außenhaftung ...................................... 52 (b) Genuin gesellschaftsrechtliches Haftungskonzept vs. deliktische Haftung ........................................................ 54
Inhaltsverzeichnis
XIII
(c) Sittenwidrige Schädigung vs. Pflichtverletzung der Gesellschafter .......................................................... 56 d) Das Vorsatzerfordernis des § 826 BGB ....................................... 58 e) Stellungnahme zur Neuordnung und deren rechtspraktischen Konsequenzen ........................................................................... 59 4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB.................................. 62 a) Sachlicher Anwendungsbereich .................................................. 63 b) Haftender Personenkreis............................................................. 63 c) Tatbestand ................................................................................. 65 (1) Sittenwidriges Verhalten des Täters – existenzvernichtender Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen ............................................... 66 (a) Eingriff in das Gesellschaftsvermögen ............................ 67 (b) Kompensationslosigkeit des Eingriffs ............................. 70 (c) Insolvenzverursachung oder -vertiefung beziehungsweise Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG ...... 72 (2) Kausaler Schaden der Gesellschaft ........................................ 74 (3) Vorsätzliches Gesellschafterhandeln ..................................... 76 d) Fallgruppen ............................................................................... 77 (1) Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte ............ 77 (2) Fremdnützige Bestellung von Sicherheiten ............................ 80 (3) Bilanziell nicht oder nur unzureichend abbildbarer Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen ....................................................................... 81 (4) Unternehmerische Fehlentscheidungen und Risikogeschäfte.................................................................... 83 (5) Materielle Unterkapitalisierung und „Aschenputtel“-Gesellschaften ............................................. 84 (6) Vermögensvermischung ....................................................... 86 e) Rechtsfolge ............................................................................... 86 f) Konkurrenzen ............................................................................ 88 g) Klagebefugnis............................................................................ 89 h) Darlegungs- und Beweislast ....................................................... 91 i) Verjährung ................................................................................ 93 5. Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe...... 94 a) Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 GmbHG ..................... 95 (1) Anspruch aus § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG ................................. 96 (2) Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG ....................................... 98
XIV
Inhaltsverzeichnis
b) Insolvenzverursachung gemäß § 64 S. 3 GmbHG ...................... 101 (1) Tatbestand ......................................................................... 102 (2) Rechtsfolge........................................................................ 104 (3) Verfahren .......................................................................... 105 c) Beihilfe zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Gesellschaft, § 826 i.V.m. § 830 Abs. 2 BGB ...................... 106 d) Konkurrenzen .......................................................................... 107 e) Verhältnis zur Haftung des Gesellschafters ............................... 108 6. Zusammenfassung und Ausblick – der existenzvernichtende Eingriff als Ausgangspunkt der rechtsvergleichenden Betrachtung .......................................... 111
III. Englische Rechtslage ............................................................ 115 1. Grundsätzliches zur private company limited by shares ................. 117 a) b) c) d) e) f) g)
Gesetzliche Grundlagen ........................................................... 119 Gründung der Ltd. ................................................................... 119 Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile ............................. 122 Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz ...................................... 123 Gesellschafterversammlung ...................................................... 125 Geschäftsführung ..................................................................... 127 Auflösung und Insolvenz der Gesellschaft ................................. 129 (1) Sanierungsverfahren – company voluntary arrangements und administration, ss. 1 ff. IA 1986 und sec. 8 i.V.m. Schedule B1 IA 1986 ...... 129 (2) Vertragliches Verwertungsverfahren – receivership, ss. 28 ff. IA 1986 ............................................................... 130 (3) Freiwillige Abwicklung – voluntary winding up, ss. 73 ff. IA 1986 ............................................................... 131 (4) Gerichtliche Abwicklung – winding up by the court, ss. 117 ff. IA 1986 ............................................................. 132
2. Haftung für eine Insolvenzverschleppung – wrongful trading, sec. 214 IA 1986 .......................................................................... 134 a) Sachlicher Anwendungsbereich – Insolvenz der Gesellschaft ..... 136 b) Haftender Personenkreis........................................................... 137 c) Tatbestand ............................................................................... 137 (1) Wissen oder Wissenmüssen um die Unvermeidbarkeit einer insolvenzbedingten Abwicklung ................................. 138
Inhaltsverzeichnis
d)
e) f)
g)
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(2) Minimierung des potentiellen Gläubigerverlusts – Entlastungsmöglichkeit ...................................................... 140 (3) Relevanter Maßstab............................................................ 141 (4) Kausaler Schaden ............................................................... 143 Rechtsfolge ............................................................................. 143 (1) Ermessensentscheidung des Gerichts .................................. 144 (2) Materiell Begünstigter ........................................................ 146 (3) Ergänzende Maßnahmen .................................................... 147 Konkurrenzen .......................................................................... 147 Verfahren ................................................................................ 148 (1) Klagebefugnis .................................................................... 148 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 149 (3) Klagefrist .......................................................................... 149 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 150 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 151 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 152 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 153 (3) Tatbestand ......................................................................... 153 (4) Rechtsfolgen ...................................................................... 156
3. Haftung für eine betrügerische Fortsetzung der Geschäftstätigkeit – fraudulent trading, sec. 213 IA 1986 ............... 156 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 157 b) Haftender Personenkreis........................................................... 157 c) Tatbestand ............................................................................... 158 (1) Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in der Absicht Gläubiger zu betrügen oder in sonstiger betrügerischer Absicht .............................................................................. 158 (2) Wissentliche Teilnahme an der Fortsetzung ......................... 160 d) Rechtsfolge ............................................................................. 161 e) Verfahren ................................................................................ 162 f) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 163 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 163 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 163 (3) Tatbestand ......................................................................... 164 (4) Rechtsfolge........................................................................ 165 4. Haftung von Geschäftsführern aufgrund einer Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen – „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings .................. 165 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 167
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Inhaltsverzeichnis
b) Haftender Personenkreis........................................................... 168 c) Wesentliche Haftungskriterien .................................................. 169 (1) Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen ......... 169 (2) Maßgeblicher Auslöser der Pflicht ...................................... 172 (3) Relevanter Maßstab............................................................ 173 (4) Pflicht gegenüber der Gesellschaft – Entlastungsmöglichkeit ...................................................... 174 d) Verfahren – misfeasance proceedings, sec. 212 IA 1986 ............ 175 (1) Antragsbefugnis ................................................................. 176 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 177 (3) Verfahrenskosten ............................................................... 177 (4) Antragsfrist ....................................................................... 178 (5) Weitere Möglichkeiten der Geltendmachung einer Pflichtverletzung ....................................................... 179 e) Rechtsfolge ............................................................................. 180 (1) Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der misfeasance proceedings .............................................. 180 (2) Materiell Begünstigter im Rahmen der misfeasance proceedings .............................................. 182 (3) Rechtsfolge im Rahmen weiterer Verfahren ........................ 182 f) Konkurrenzen .......................................................................... 183 g) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 183 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 184 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 185 (3) Tatbestand ......................................................................... 186 (4) Rechtsfolgen ...................................................................... 187 5. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung................................................................... 187 a) b) c) d)
Wirtschaftliche Einheit – single economic unit .......................... 188 Stellvertretung – agency ........................................................... 188 „Reine Fassade“ – mere façade................................................. 189 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 191
6. Geschäfte unter Wert – transaction at an undervalue, sec. 238 IA 1986 .......................................................................... 192 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 193 b) Tatbestand ............................................................................... 193 (1) Erfasste Geschäfte.............................................................. 193 (2) Aus Sicht der Gesellschaft unangemessener Leistungsaustausch ............................................................ 195
Inhaltsverzeichnis
c)
d) e)
f)
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(3) Maßgeblicher Zeitraum ...................................................... 197 (4) Gutgläubige Geschäfte zum Zweck der Unternehmensfortführung ............................................. 198 Rechtsfolge ............................................................................. 199 (1) Ermessensentscheidung des Gerichts .................................. 199 (2) Von den Maßnahmen betroffener Personenkreis .................. 201 (3) Materiell Begünstigter ........................................................ 202 Konkurrenzen .......................................................................... 203 Verfahren ................................................................................ 204 (1) Anfechtungsbefugnis .......................................................... 204 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 204 (3) Anfechtungsfrist ................................................................ 205 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 205 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 206
7. Betrügerische Geschäfte zulasten von Gläubigern – transactions defrauding creditors, ss. 423 ff. IA 1986...................... 207 a) b) c) d) e)
Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 207 Tatbestand ............................................................................... 208 Rechtsfolge ............................................................................. 209 Verfahren ................................................................................ 211 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 211
8. Ungleiche Behandlung einzelner Gläubiger – preferences, sec. 239 IA 1986 ....................................................... 212 a) Tatbestand ............................................................................... 213 (1) Objektive Bevorzugung ...................................................... 214 (2) Subjektive Anforderung ..................................................... 217 (3) Maßgeblicher Zeitraum ...................................................... 218 b) Rechtsfolge ............................................................................. 218 c) Konkurrenzen .......................................................................... 219 d) Verfahren ................................................................................ 219 e) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 220 9. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände ............ 221 a) Geschäfte über wesentliche Vermögensbestandteile einer Gesellschaft – substantial property transactions, ss. 190 ff. CA 2006 .................................................................. 222 b) Missbrauch der Firma einer insolventen Gesellschaft – restriction on re-use of company names, ss. 216 f. IA 1986 ........ 225 c) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 226
XVIII
Inhaltsverzeichnis
10. Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer – directors’ disqualifications ........................................................... 227 11. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach englischem Recht .................................................. 230
IV. Französische Rechtslage ...................................................... 233 1. Grundsätzliches zur société à responsabilité limitée ....................... 234 a) b) c) d) e) f) g) h)
Gesetzliche Grundlagen ........................................................... 235 Gründung der SARL ................................................................ 235 Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile ............................. 237 Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz ...................................... 238 Gesellschafterversammlung ...................................................... 239 Geschäftsführung ..................................................................... 241 Auflösung der Gesellschaft ...................................................... 242 Insolvenz der Gesellschaft ........................................................ 243 (1) Sanierungsverfahren – procédure de sauvegarde und redressement judiciaire, Artt. L. 620-1 ff. C.com. und Artt. L. 631-1 ff. C.com...................................................... 243 (2) Vergleichsverfahren – procédure de conciliation, Artt. L. 611-4 ff. C.com...................................................... 245 (3) Insolvenzbedingte Abwicklung – liquidation judiciaire, Artt. L. 640-1 ff. C.com...................................................... 245
2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – la responsabilité pour insuffisance d’actif, Artt. L. 651-1 ff. C.com. ................................................................ 248 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 249 b) Haftender Personenkreis........................................................... 249 (1) Formeller Geschäftsführer .................................................. 249 (2) Faktischer Geschäftsführer ................................................. 251 c) Tatbestand ............................................................................... 253 (1) Überschuldung – insuffisance d’actif .................................. 253 (2) Geschäftsleitungsfehler ...................................................... 255 (3) Kausalität zwischen Geschäftsleitungsfehler und Überschuldung ................................................................... 259 (4) Verschulden....................................................................... 260 d) Rechtsfolge ............................................................................. 261 (1) Ermessensentscheidung des Gerichts .................................. 261
Inhaltsverzeichnis
XIX
(2) Materiell Begünstigter ........................................................ 263 (3) Ergänzende Maßnahmen .................................................... 264 e) Konkurrenzen .......................................................................... 266 f) Verfahren ................................................................................ 267 (1) Klagebefugnis .................................................................... 267 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 268 (3) Verjährung ........................................................................ 268 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 268 g) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 269 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 270 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 271 (3) Tatbestand ......................................................................... 271 (4) Rechtsfolgen ...................................................................... 273 3. Insolvenzerstreckung – extension de procédure, Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. .......................................................... 274 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 274 b) Betroffener Personenkreis ........................................................ 275 c) Tatbestand ............................................................................... 275 (1) Vermögensvermischung – confusion de patrimoine ............. 276 (2) Fiktivität der juristischen Person – fictivité de la personne morale ............................................ 277 d) Rechtsfolge ............................................................................. 278 (1) Ermessensentscheidung des Gerichts .................................. 279 (2) Erstreckung des Insolvenzverfahrens .................................. 280 (3) Sonderfälle der Insolvenzerstreckung .................................. 282 e) Konkurrenzen .......................................................................... 284 f) Verfahren ................................................................................ 284 (1) Antragsbefugnis ................................................................. 284 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 285 (3) Verjährung ........................................................................ 285 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 285 g) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 286 4. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung................................................................... 287 a) Sphärenvermischung ................................................................ 288 b) Fiktive Gesellschaft – société fictive ......................................... 288 c) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 289
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Inhaltsverzeichnis
5. Insolvenzanfechtung – action en nullité, Artt. L. 632-1 ff. C.com. ... 290 a) b) c) d) e)
Tatbestand ............................................................................... 290 Rechtsfolge ............................................................................. 291 Konkurrenzen .......................................................................... 291 Verfahren ................................................................................ 292 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 292
6. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände ............ 293 a) Haftung für Geschäftsleitungsfehler, Art. L. 223-22 C.com. ....... 293 (1) Haftung gegenüber der Gesellschaft .................................... 294 (2) Haftung gegenüber Dritten ................................................. 295 b) Allgemeine deliktische Haftung, Art. 1382 C.civ. ...................... 297 (1) Haftung faktischer Geschäftsführer ..................................... 298 (2) Gesellschafterhaftung ......................................................... 299 c) Haftung von Kreditgebern ........................................................ 300 (1) Missbräuchliche Kreditgewährung – soutien abusif, Art. L. 650-1 C.com. .......................................................... 301 (2) Haftung von Kreditinstituten für einen missbräuchlichen Kreditentzug, Art. L. 313-12 C. monét. et fin. ..................... 304 d) Anfechtung – action paulienne, Art. 1167 Abs. 1 C.civ. ............ 304 e) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 306 7. Geschäftsleitungsverbote – faillite personnelle und l’interdiction de diriger, Artt. L. 653-1 ff. C.com. .................... 308 8. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach französischem Recht ............................................. 310
V.
Niederländische Rechtslage ................................................. 315
1. Grundsätzliches zur besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid ......................................................................... 317 a) b) c) d) e) f) g) h)
Gesetzliche Grundlagen ........................................................... 317 Gründung ................................................................................ 318 Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile ............................. 320 Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz ...................................... 321 Gesellschafterversammlung ...................................................... 323 Geschäftsführung ..................................................................... 325 Auflösung der Gesellschaft ...................................................... 326 Insolvenz der Gesellschaft ........................................................ 328
Inhaltsverzeichnis
XXI
(1) Sanierungsverfahren – surséance van betaling, Artt. 214–283 FW .............................................................. 328 (2) Insolvenzbedingte Abwicklung – faillissement, Artt. 1–213kk FW .............................................................. 329 2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – kennelijk onbehoorlijk bestuur, Art. 2:248 BW .............................. 331 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 332 b) Haftender Personenkreis........................................................... 332 (1) Formelle Geschäftsführer ................................................... 332 (2) Faktische Geschäftsführer .................................................. 333 c) Tatbestand ............................................................................... 334 (1) Nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung ......................................................... 334 (2) Kausalität zwischen fehlerhafter Geschäftsführung und Insolvenz .................................................................... 336 (3) Entlastungsmöglichkeit individueller Geschäftsführer .......... 337 d) Rechtsfolge ............................................................................. 338 (1) Inhalt und Umfang des Anspruchs ...................................... 338 (2) Materiell Begünstigter ........................................................ 339 (3) Ergänzende Maßnahmen .................................................... 339 e) Konkurrenzen .......................................................................... 340 f) Verfahren ................................................................................ 341 (1) Klagebefugnis .................................................................... 341 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 341 (3) Verjährung ........................................................................ 342 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 342 g) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 343 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 343 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 344 (3) Tatbestand ......................................................................... 345 (4) Rechtsfolgen ...................................................................... 346 3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak, Art. 6:162 BW ............. 347 a) Sachlicher Anwendungsbereich ................................................ 347 b) Haftender Personenkreis........................................................... 348 (1) Formelle und faktische Geschäftsführer .............................. 348 (2) Gesellschafter .................................................................... 350 (3) Gläubiger .......................................................................... 350 c) Tatbestand ............................................................................... 350
XXII
d)
e)
f) g)
h)
Inhaltsverzeichnis
(1) Unerlaubte Handlung ......................................................... 351 (2) Zurechenbarkeit der unerlaubten Handlung ......................... 351 (3) Kausaler Schaden ............................................................... 353 (4) Schutzzweckzusammenhang ............................................... 353 Fallgruppen ............................................................................. 354 (1) Fortsetzung von defizitären Geschäftsaktivitäten – betalingsonmacht ............................................................... 354 (2) Zahlungsverweigerung und selektive Bezahlung – betalingsonwil ................................................................... 356 (3) Unrechtmäßiger Gewinnausschüttungsbeschluss.................. 358 (4) B.V.-Stafetten .................................................................... 360 (5) Erwecken des Anscheins der Kreditwürdigkeit .................... 360 (6) Durchbrechung der Gleichbehandlung der Gläubiger zu eigenen Gunsten ............................................................ 362 Rechtsfolge ............................................................................. 363 (1) Inhalt und Umfang des Schadensersatzes ............................ 363 (2) Materiell Begünstigter ........................................................ 365 Konkurrenzen .......................................................................... 366 Verfahren ................................................................................ 368 (1) Klagebefugnis .................................................................... 369 (2) Darlegungs- und Beweislast ............................................... 371 (3) Verjährung ........................................................................ 372 (4) Verfahrenskosten ............................................................... 373 Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 373 (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren .................... 373 (2) Haftender Personenkreis ..................................................... 374 (3) Tatbestand ......................................................................... 375 (4) Rechtsfolgen ...................................................................... 376
4. Richterrechtliche Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit zweier Rechtssubjekte – vereenzelviging ....................................... 377 5. Insolvenzanfechtung – faillissementspauliana, Artt. 42 ff. FW......... 380 a) Anfechtung gemäß Art. 42 FW ................................................. 380 (1) Freiwillige Rechtshandlung ................................................ 380 (2) Benachteiligung der Gläubiger ........................................... 381 (3) Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Benachteiligung ........................................................... 382 (4) Vermutungsregelungen, Art. 43 und Art. 45 FW .................. 382 b) Anfechtung gemäß Art. 47 FW ................................................. 383 c) Rechtsfolge ............................................................................. 384 d) Konkurrenzen .......................................................................... 385
Inhaltsverzeichnis
XXIII
e) Verfahren ................................................................................ 385 f) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 386 6. Ergänzende Anfechtungsmöglichkeiten sowie Haftungstatbestände..................................................................... 387 a) Gründerhaftung, Art. 2:203 Abs. 3 BW ..................................... 387 b) Haftung für Geschäftsleitungsfehler, Art. 2:9 BW ..................... 389 c) Erstattung von und Haftung für unrechtmäßige Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, Art. 2:216 Abs. 3 BW ............. 392 d) Jahresabschlusshaftung der Geschäftsführer, Art. 2:249 BW ...... 393 e) Anfechtung aufgrund einer Gläubigerbenachteiligung, actio Pauliana, Artt. 3:45 ff. BW.............................................. 394 f) Rechtsvergleichende Anmerkungen .......................................... 395 7. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach niederländischem Recht ........................................ 396
VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick ..................................................... 401 1. Nationaler Gläubigerschutz bei existenzvernichtenden Eingriffen... 401 2. Kollisionsrechtlicher Ausblick ...................................................... 404
Zusammenfassung ......................................................................... 409 Literaturverzeichnis ........................................................................... 421 Sachverzeichnis ................................................................................. 441
Abkürzungsverzeichnis AA a.A. ABl. EU Abs. AC ACLC Act. proc. coll. a.E. AEUV a.F. AG
AktG All ER Anh. Anm. App Cas Arg. ex Art., Artt. Ass. Nat. Ass. plén. Aufl. BB BCC BCLC Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BJIB & FL BPIR BT-Drs. bull. Bull. civ. B.V. BW bzw. c.
Ars Aequi anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union Absatz, Absätze Appeal Cases (seit 1981) Australian Company Law Cases Actualité des procédures collectives am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft Amtsgericht Die Aktiengesellschaft Aktiengesetz All England Law Reports Anhang Anmerkung Appeal Cases (1875-1890) Argument ex Artikel Assemblée Nationale Cour de cassation, assemblée plénière Auflage Betriebs-Berater British Company Law Cases Butterworth Company Law Cases Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Butterworths Journal of International Banking & Financial Law Bankruptcy and Personal Insolvency Reports Bundestags-Drucksache bulletin Bulletin des arrêts de la Cour de cassation (chambres civiles) besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid Burgerlijk Wetboek (zitiert Buch:Artikel) beziehungsweise chapter
XXVI CA 1985 CA 2006 CA ca. Cass. com. Cass. crim. C. cass. C.civ. C.com. CDDA CfiLR Ch ch. Ch App Ch D chron. civ. CLR C. monét. et fin. com. comm. Comp. Law. D. DB ders. dies. DJT Dr. et patr. D. Rép. civ. D. Rép. com. D. Rép. pén. Drs. Dr. sociétés DStR DTI DwiR DZWIR EBLR EBOR ECFR éd. EG EGBGB Einl. ER et. al. EuGH EuInsVO EURL
Abkürzungsverzeichnis Companies Act 1985 Companies Act 2006 Court of Appeal, Cour d’appel circa Cour de cassation, chambre commerciale Cour de cassation, chambre criminelle Cour de cassation Code civile Code de commerce Company Directors’ Disqualification Act Company, Financial and Insolvency Law Review Chancery (ab 1891) chambre Chancery Appeal Cases (1865-1875) Chancery Division chronique civile Commonwealth Law Reports Code monétaire et financier commercial commentaire Company Lawyer Dalloz-Sirey (recueil) Der Betrieb derselbe Dieselbe Deutscher Juristentag Droit et patrimoine Encyclopédie Dalloz, Répertoire de droit civile Encyclopédie Dalloz, Répertoire de droit commercial Encyclopédie Dalloz, Répertoire de droit pénale Drucksache Droit des sociétés Deutsches Steuerrecht Department of Trade and Industry Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht European Business Law Review European Business Organisation Law Review European Company and Financial Law Review édition Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Einleitung English Reports et alii Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates v. 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren entreprise unipersonelle à responsabilité limitée
Abkürzungsverzeichnis EWCA Civ EWHC EwiR f. (ff.) Fn. FS FW Gaz. Pal. Gaz. proc. coll. GBP ggü. GmbH GmbHG GmbHR HGB HL h.M. HMSO Cmnd. HR Hrsg. Hs. IA 1986 IL & P InsO Insolv. Int. IPRax IR 1986 IR 2008 i.V.m. JBL J.-Cl. JCLS JCP E JCP G JOAN JOAN CR JOR JORF jurispr. JZ KB KoR KTS L. lit. LMCLQ LQR LT
XXVII
Court of Appeal, Civil Division, England and Wales High Court, England and Wales Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht folgender (folgende) Fußnote Festschrift Faillissementswet Gazette du Palais Gazette des procédures collectives Pfund Sterling gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschafte mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Handelsgesetzbuch House of Lords herrschende Meinung Her Majesty’s Stationery Office Command Hoge Raad Herausgeber Halbsatz Insolvency Act 1986 International Law and Practice Insolvenzordnung Insolvency Intelligence Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Insolvency Rules 1986 Insolvency (Amendment) Rules 2008 in Verbindung mit The Journal of Business Law Juris-Classeur Journal of Corporate Law Studies Juris-Classeur périodique, édition entreprise Juris-Classeur périodique, édition général Journal officiel (réponses ministérielles à questions écrites) Journal officiel (débats parlementaires et réponses ministérielles à questions orales) Jurisprudentie Onderneming & Recht Journal Officiel République Français Jurisprudence Juristenzeitung Kings Bench (1901-1952) Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Zeitschrift für Insolvenzrecht Législative litera Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Law Quarterly Review Law Times Report
XXVIII Ltd. MoMiG MüKo m.w.N. n.F. NJ NJW NLJ Nr., Nrn. N.V. NZG pan. p.l.c., plc QB R. r., rr. RabelsZ Rapp. Rb. RD banc. et fin. RegE Rép. min. Rev. proc. coll. Rev. soc. RF compt. RG RGZ RIW RJ com. RJDA Rn. Rom II-VO
Rs. RTD com. Rv S. SARL Sch. sec. (ss.) S.I. Slg. SLT somm. Stb.
Abkürzungsverzeichnis private company limited by shares Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Münchener Kommentar mit weiteren Nennungen neue Fassung Nederlandse Jurisprudentie Neue Juristische Wochenschau National Law Journal Nummer, Nummern naamloze vennootschap met beperkte aansprakelijkheid De Naamloze Vennootschap Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Panorama public company limited by shares Queens Bench (ab 1952) Réglementaire Rule, rules Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rapport rechtbank Revue de droit bancaire et financier Regierungsentwurf réponse ministérielle Revue des procédures collecitves Revue des sociétés La Revue Fiduciaire comptable Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der internationalen Wirtschaft Revue de jurisprudence commercial Revue de jurisprudence de droit des affaires Randnummer(n) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rechtssache Revue trimestruelle de droit commercial Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering Seite(n) Satz société à responsabilité limitée Schedule section (sections) Statutory Instrument Sammlung Scots Law Times Sommaire Staaatsblad
Abkürzungsverzeichnis st. Rspr. StGB SV&V
TVVS u.a. URN Urteil v. vgl. (Vict.) V&O WLR WM WPNR Yale L J ZEuP ZGR ZHR ZInsO ZIP ZNotP ZPO ZVglRWiss
XXIX
ständige Rechtsprechung Strafgesetzbuch Stichting, vereniging en vennootschap; tijdschrift over belastingen en recht rond stichtingen, verenigingen en vennootschappen Maandblad voor ondernemingsrecht en rechtspersonen unter anderem Unique Reference Number Urteil vom vergleiche Victoria (1837–1901) Vennootschap & Onderneming Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Weekblad voor Privaatrecht, Notariaat en Registratie Yale Law Journal Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
I. Einführung Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde in Deutschland 1892 ganz bewusst geschaffen, um den Gesellschaftern ein riskantes wirtschaftliches Engagement mit einem begrenzten Kapitaleinsatz und kalkulierbarem Risiko zu ermöglichen1. Allerdings wurde bereits in den Motiven zum HGB von 1848 auf die mit einer vermögensrechtlichen Selbstständigkeit verbundenen Gefahren für die Gläubiger, so insbesondere eine nur unzureichende Kapitalausstattung, hingewiesen und die Notwendigkeit eines besonderen Gläubigerschutzes betont2. Dieser Gläubigerschutz wurde im GmbHG primär durch Regelungen zur Aufbringung und Erhaltung eines Mindestkapitals normiert, das den Gläubigern als Haftungsmasse dienen soll3. Der deutsche Gesetzgeber hat sich somit für ein Konzept mit starker ex ante-Komponente entschieden. Trotz vielfacher Kritik 4 hält der Gesetzgeber sowohl in der GmbHG-Reform von 19805 als auch in der jüngsten 1 Birkenbihl, Reichsgesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, S. 1 ff. m.w.N. Siehe auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 56; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 98 f.; Wiedemann, ZGR 2003, S. 283, 287; Hölzle, DZWIR 2007, S. 397, 400 f. 2 Entwurf eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland (1848/49), ZHR Beiheft 54 (1982), S. 153 f. 3 Das Prinzip der Kapitalerhaltung wird als „Grundpfeiler“ oder „Kernstück“ des GmbH-Rechts bezeichnet, siehe RG, Urteil v. 15. Dez. 1941, II 103/41, RGZ 168, S. 292, 297 f.; BGH, Urteil v. 30. Juni 1958, BGHZ 28, S. 77, 78 f.; Fleck, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 391; Ulmer, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 363; K. Schmidt, GmbHR 2007, S. 1072, 1073. 4 So wird kritisiert, dass das auf ein Mindestkapital fußende Gläubigerschutzkonzept aufgrund der vielfach wesentlich zu gering bemessenen Höhe des aufgebrachten Kapitals im Verhältnis zum Umsatzvolumen der jeweiligen Gesellschaft nur einen sehr eingeschränkten Gläubigerschutz entfalten könne, siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 29 f.; Schall, ZGR 2009, S. 126, 130, 132; Thiessen, DStR 2007, S. 202, 203 f.; Engert, GmbHR 2007, S. 337; Eidenmüller, ZGR 2007, S. 168, 183 ff.; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 5 Rn. 8; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 4; Vetter, ZGR 2005, S. 788, 799; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a, jeweils mit weiteren Nennungen. Vgl. auch die Diskussion zur Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung, siehe nur Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 138 ff. m.w.N. 5 Gesetz vom 4. Juli 1980, BGBl. I, S. 836.
2
I. Einführung
Reform des GmbHG aus dem Jahr 20086, von einer grundsätzlichen Deregulierung abgesehen7, an diesem Schutzkonzept ex ante fest 8. Das auf die Aufbringung und Erhaltung eines Mindestkapitals fußende Gläubigerschutzkonzept stößt jedoch insbesondere dann an seine Grenzen, wenn der Gesellschaft jenseits des gebundenen Kapitals Vermögen entzogen wird und die Gesellschaft infolge dieses Eingriffs in die Insolvenz fällt. Für diese Sachverhalte hat Röhricht anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Bundesgerichtshofs in einem umfassenden Beitrag die Lückenhaftigkeit des Gläubigerschutzkonzepts aufgezeigt9 und den Begriff des „existenzvernichtenden Eingriffs“ geprägt10. Mangels eines Tätigwerdens des Gesetzgebers hat sich die Rechtsprechung der Lücke bei existenzvernichtenden Eingriffen angenommen und sie durch eine punktuelle ex post-Regelung in Form der sogenannten Existenzvernichtungshaftung geschlossen11. In der für die Existenzvernichtungshaftung nunmehr grundlegenden „Trihotel“-Entscheidung vom 16. Juli 2007 beschreibt der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Haftung als eine „Haftung der Gesellschafter für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen“12. Diese ex post-Haf6 Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23. Okt. 2009, BGBl. I, S. 2026. 7 So sieht das MoMiG beispielsweise einen völligen Verzicht des zwingenden Mindestkapitals im Rahmen der Unternehmergesellschaft vor, § 5a GmbHG; Verzicht auf Sicherheiten für nicht geleistete Einlage bei Einpersonengründung durch Aufhebung von § 7 Abs. 2 S. 3 GmbHG a.F.; Zulässigkeit einer Einlagenrückgewähr bei vollwertigem und fälligem Rückgewähranspruch, § 19 Abs. 5 GmbHG; Einschränkung der Bewertungskontrolle durch das Registergericht, § 9c Abs. 1 S. 2 GmbHG; Beschränkung der Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage auf eine Differenzhaftung bei fehlender Vollwertigkeit, § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG; Zulassung von Auszahlungen an Gesellschafter bei vollwertigen Gegenleistungs- und Rückgewähransprüchen insbes. vor dem Hintergrund eines Cash Poolings, § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG; Abschaffung des Verbots der Rückgewähr eigenkapitalersetzender Darlehn sowie der gesamten Figur des eigenkapitalersetzenden Darlehns, § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG sowie Streichung von §§ 32a, 32b GmbHG a.F., siehe auch § 19 Abs. 2 S. 3 GmbHG. 8 Siehe Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 8/1347, S. 38 f.; Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 25. Siehe auch Fleischer, GmbHR 2009, S. 1, 11; Vetter, in: Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, Rn. 4.1 ff. 9 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 92 ff. Siehe zu weiteren Beiträgen in der Literatur nur Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 56 und 153 m.w.N. Siehe zu den Schutzlücken ausführlich im Folgenden unter II. 2. 10 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 110 f. 11 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter II. 1. 12 So der erste Leitsatz der „Trihotel“-Entscheidung. BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552.
1. Ausgangspunkt und Untersuchungsinteresse
3
tung der Gesellschafter stellt – zumindest vorerst13 – den Schlussstein einer langen, von so manchem Irrweg geprägten Ergänzung des gesetzlichen Gläubigerschutzkonzepts der GmbH bei Eingriffen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen dar14. Ergänzt wird diese Haftung der Gesellschafter durch eine Haftung der Geschäftsführer, die mit einer ausdrücklichen Regelung durch das MoMiG neue Aufmerksamkeit erfahren hat 15.
1. Ausgangspunkt und Interesse an der rechtsvergleichenden Untersuchung 1. Ausgangspunkt und Untersuchungsinteresse Im Gegensatz zum deutschen Gläubigerschutzsystem ex ante stellen in Großbritannien ex post-Regelungen das gesetzliche Fundament des Gläubigerschutzes dar16. Ein ex ante-Schutz durch ein Mindestkapital ist in Großbritannien seit jeher schon gar nicht vorgesehen. Mit der Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses im Jahr 2003 hat auch Frankreich allein den englischen17 Weg eingeschlagen18. Die Niederlande sind mit ihrer Reform des Gesellschaftsrechts ebenfalls nachgezogen19. Setzen sowohl die englische, die französische als auch die niederländische Rechtsordnungen vor allem auf einen Gläubigerschutz ex post, so stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche Lösungen sie für die Sachverhalte bereithalten, die der deutschen Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. Diese jeweiligen nationalen Lösungen bei insolvenzverursachenden oder -vertiefenden Eingriffen der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen sind umso mehr von Interesse, bettet man die Frage nach diesen Lösungen in einen grenzüberschreitenden Kontext.
13
Zur „Dauerbaustelle der Gesellschafterhaftung“ auch nach „Trihotel“, Habersack, ZGR 2008, S. 533, 559. Für die weitere Diskussion siehe unter II. 3. 14 Siehe zur Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung im Folgenden unter II. 1. 15 Siehe zur Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe im Folgenden unter II. 5. 16 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter III. 17 Soweit im Folgenden vom englischen Recht gesprochen wird, ist allein dasjenige Englands und Wales gemeint. 18 Siehe hierzu im Folgenden unter IV. 1. c) 19 Siehe zur Reform des niederländischen Gesellschaftsrechts im Folgenden unter V. 1. a).
4
I. Einführung
a) EG-Auslandsgesellschaften in Deutschland Seit den für das deutsche internationale Gesellschaftsrecht grundlegenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs – „Centros“20, „Überseering“21 und „Inspire Art“22 – findet zumindest auf EG-Auslandsgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland das Recht ihres Gründungsstaates Anwendung 23. Zur Bestimmung des auf sie anzuwendenden Rechts, das sogenannte Gesellschaftsstatut24, muss somit an den Satzungssitz der Gesellschaft angeknüpft werden. Zuvor berief die sogenannte Sitztheorie das jeweilige Recht des tatsächlichen Verwaltungssitzes einer Gesellschaft mit der Folge zur Anwendung, dass ausländische Gesellschaften bei ihrem Grenzüberschritt nach Deutschland allein dem deutschen Recht unterlagen25. Die Entscheidungen des EuGH gewähren EG-Gesellschaften somit die Freiheit, ihren Verwaltungssitz identitäts- und rechtsformwahrend in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen. Grundlage dieser Freiheit ist die in den Artt. 49, 54 AEUV26 verankerte Niederlassungsfreiheit 27. Der mit der Rechtsprechung des EuGH einhergehende grundlegende Wandel im deutschen internationalen Gesellschaftsrecht von der Sitztheorie zur Gründungstheorie führte zu einer gewissen Beliebtheit gerade des englischen Pendants zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung28. Als Gründe für die vermehrte Gründung dieser private company limited by shares 29 mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland lassen sich insbesondere das fehlende Mindestkapital und ein vergleichsweise schnelles 20 EuGH, Urteil v. 9. März 1999, Rs. C-212/97 („Centros Ltd. v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen“), Slg. I-1999, S. 1459 ff. 21 EuGH, Urteil v. 5. Nov. 2002, Rs. C-208/00 („Überseering B.V. v. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. I-2002, S. 9919 ff. 22 EuGH, Urteil v. 30. Sept. 2003, Rs. C-167/01 („Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd.“), Slg. I-2003, S. 10155 ff. 23 BGH, Urteil v. 15. März 2005, II ZR 5/03, NJW 2005, S. 1648 ff. Mit dem Urteil v. 27. Okt. 2008, II ZR 158/06 („Trabrennbahn“), hält der Bundesgerichtshof allerdings für Nicht-EG-Gesellschaften weiterhin an der Sitztheorie fest. Siehe hierzu nur Weller, IPRax 2009, S. 202 ff. EWR-Auslandsgesellschaften sind allerdings ebenfalls mit in die Gründungstheorie einzubeziehen, siehe nur BGH, Urteil v. 19. Sept. 2005, II ZR 372/03, NJW 2005, S. 3351 ff. 24 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 2 III. 1. 25 Siehe nur BGH, Beschluss v. 30. März 2000, VII ZR 370/98, ZIP 2000, S. 967. 26 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 2008, Abl. Nr. C 115, S. 47. 27 Siehe nur EuGH, Urteil v. 5. Nov. 2002, Rs. C-208/00 („Überseering B.V. v.Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. I-2002, S. 9919 ff., Rn. 95. 28 Siehe ausführlich zum diesbezüglichen Zahlenmaterial Fleischer, in: MüKo GmbHG, Einl. Rn. 219 ff. 29 Im Folgenden abgekürzt als Ltd.
1. Ausgangspunkt und Untersuchungsinteresse
5
Gründungsverfahren anführen30. Aber nicht nur die Ltd., sondern auch die französische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die société à responsabilité limitée31, wird in der Literatur als „interessante“ Alternative zur deutschen GmbH beschrieben32. Dies nicht zuletzt deshalb, da die SARL ebenso wie die englische Ltd. ohne Mindestkapital gegründet werden kann, ein besonders schnelles Gründungsverfahren vorsieht und anders als die Ltd. in bewusster Anlehnung an die deutsche GmbH vom französischen Gesetzgeber geschaffen wurde33. Die sowohl für die Ltd. als auch die SARL ins Feld geführten Argumente lassen sich mit der Abschaffung des Mindestkapitalerfordernisses in den Niederlanden34 gleichfalls auf die dortige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid35, übertragen. Bereits vor Abschaffung des Mindestkapitalerfordernisses wurde die B.V. statt der GmbH, wenn auch aus steuerlichen Gründen, als ausländische Holdinggesellschaft bei der Errichtung eines grenzüberschreitenden Gemeinschaftsunternehmens genutzt36. Wird nun eine solche fremde EG-Gesellschaftsform mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland gegründet, so bestimmt infolge der Gründungstheorie das am jeweiligen Satzungssitz der Gesellschaft geltende Heimatrecht grundsätzlich darüber, nach welchen Regelungen die Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“37. Das Bundesjustizministerium weist in einem Referentenentwurf für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vom 23. Januar 2008 allerdings darauf hin, dass Umfang, Ausgestaltung und Grenzen der 30
Siehe nur Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 53 m.w.N. Grundlegend zu den Entscheidungsgesichtspunkten, die ein Gründer regelmäßig bei der Wahl der Rechtsform berücksichtigt, Bea, in: Bea/Dichtl/Schweitzer, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 302, 350 f.; Wöhe, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, S. 251 ff. 31 Im Folgenden abgekürzt als SARL. 32 Peifer, GmbHR 2007, S. 1208, 1213. Siehe auch bereits Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070, die über „die französische SARL als GmbH-Ersatz“ nachdenken. 33 Siehe grundlegend zur SARL im Folgenden unter IV.1. 34 Siehe zur Reform des niederländischen Gesellschaftsrechts im Folgenden unter V. 1. a). 35 Im Folgenden abgekürzt als B.V. 36 Bücker, in: Hirte/Bücker, Grenzüberschreitende Gesellschaften, S. 117 mit Verweis auf Beispiele aus der Praxis. Die wohl bekannteste B.V. niederländischen Rechts ist allerdings wohl die Überseering B.V., die mit ihrer Verlegung des tatsächlichen Verwaltungssitzes nach Deutschland unabhängig von steuerlichen Erwägungen schließlich auf Vorlage des BGH zur „Überseering“-Entscheidung des EuGH führte. 37 BGH, Urteil v. 11. Juli 1957, II ZR 318/55, BGHZ 25, S. 134, 144, zur Reichweite des Gesellschaftsstatuts, allerdings noch unter der Prämisse der Sitztheorie. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht, § 55 II.
6
I. Einführung
Gründungstheorie im Einzelnen ungeklärt seien38. Was ausländische Gesellschaften somit im Rucksack ihres Gesellschaftsstatuts in puncto Gläubigerschutz und insbesondere im Hinblick auf existenzvernichtende Eingriffe mit auf ihre Reise nach Deutschland nehmen, ist im Detail noch ungeklärt39. Die Anwendbarkeit der einzelnen nationalen Regelungen ist von ihrer kollisionsrechtlichen Qualifikation abhängig und somit davon, unter welche geschriebene oder gewohnheitsrechtliche Kollisionsnorm sie sich subsumieren lassen40. Lassen sich die ausländischen Regelungen insolvenzrechtlich qualifizieren, so entscheiden die Artt. 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 EuInsVO41 über ihre Anwendbarkeit. Nach diesen Vorschriften ist auf insolvenzrechtliche Fragen das Recht des Staates anwendbar, in welchem der Mittelpunkt der Interessen der insolventen Gesellschaft liegt. Bei einer deliktsrechtlichen Qualifikation führt seit dem 11. Januar 2009 Art. 4 Abs. 1 Rom II-Verordnung42 grundsätzlich zum Ort des Schadenseintritts. Bei einer Gesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland ist somit gerade nicht das Heimatrecht der Gesellschaft bezüglich eventueller deliktischer und insolvenzrechtlicher Haftungstatbestände zu befragen. Vielmehr wird allein das deutsche Insolvenz- und Deliktsrecht zur Anwendung berufen. Anders stellt sich die Lage dar, sofern sich die ausländischen Regelungen gesellschaftsrechtlich qualifizieren lassen. Infolge der Gründungstheorie finden diese Regelungen auch in Deutschland Anwendung. Bevor sich nun allerdings die Frage stellt, was die Gesellschaften im Rucksack ihres Gesellschaftsstatuts rechtspraktisch auf die kollisionsrechtliche Reise mitnehmen, liegt es auf der Hand, dass zunächst die Frage nach den jeweiligen nationalen Regelungen zu klären ist. Es ist somit zu untersuchen, ob gläubigerschützenden ex post-Regelungen die Ltd., die SARL und die B.V. im Hinblick auf existenzvernichtende Eingriffe gläubigerschützende ex post-Regelungen überhaupt kennen und wenn ja, welche. 38
RefE, S. 5, Text abzurufen unter < www.bmj.bund.de >. Siehe auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 79; Zimmer, ZHR 168 (2004), S. 355, 366 f.; Kieninger, RabelsZ 73 (2009) , S. 607, 613. 39 Siehe zu den offenen Fragen der Anwendbarkeit nationaler Regelungen insbesondere im Hinblick auf die Haftung von Gesellschaftern und Geschäftsführern infolge der EuGH-Rechtsprechung nur Kieninger, RabelsZ 73 (2009), S. 607, 613 ff. m.w.N. 40 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 15 I. 1.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 390 ff. m.w.N. 41 Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates v. 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren, ABl. EU L 160 v. 30. Juni 2000, S. 1 ff. 42 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl. EU L 199 v. 31. Juli 2007, S. 40 ff.
1. Ausgangspunkt und Untersuchungsinteresse
7
b) Deutsche Regelungen und EG-Auslandsgesellschaften Die Frage nach den jeweiligen nationalen Regelungen stellt sich auch dann, wenn man die Gemengelage vom deutschen Recht aus betrachtet. Spiegelbildlich zur Anwendbarkeit der einzelnen ausländischen Regelungen stellt sich nämlich gleichzeitig die Frage, ob deutsche Regelungen auf EG-Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland anwendbar sind und wenn ja, welche. Diese Frage der Anwendbarkeit ist insbesondere bei der Existenzvernichtungshaftung umstritten. Aufgrund ihrer Einordnung durch die „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs in § 826 BGB wird eine deliktische 43, aber auch eine insolvenzrechtliche 44 und eine gesellschaftsrechtliche 45 Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung vertreten. Auch eine Mehrfachqualifikation wird befürwortet46. Der Deutsche Rat für Internationales Privatrecht weist daher im Rahmen seines Vorschlags für eine Regelung des Internationalen Gesellschaftsrechts insbesondere mit Blick auf die Existenzvernichtungshaftung auf die Schwierigkeiten der kollisionsrechtlichen Qualifikation hin 47. Eine Lösung dieses sowohl im Hinblick auf die ausländischen Regelungen als auch die deutsche Existenzvernichtungshaftung bestehenden Qualifikationsproblems mittels einer gesetzlichen Regelung ist weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene in Sicht 48. In der Literatur wird neben den unterschiedlichen Qualifikationen zusätzlich eine Sonderanknüpfung der Existenzvernichtungshaftung erwo-
43
Siehe nur Gehrlein, WM 2008, S. 761, 762, 769; Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1912. Kritisch zur „allzu schlichten Schlussfolgerung, die Existenzvernichtungshaftung nach Trihotel sei ohne Weiteres auf EG-Gesellschaften übertragbar, weil ja das Deliktsrecht der Anknüpfungspunkt der Haftung ist“, Goette, ZInsO 2007, S. 1177, 1183. Dies im Rahmen einer dennoch grundsätzlich deliktischen Qualifikation berücksichtigend Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1688 f.; ders., in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 420 f. 44 Siehe nur Kindler, IPRax 2009, S. 189, 193; Kühnle/Otto, IPRax 2009, S. 117, 120 f. 45 Siehe nur Schanze, NZG 2007, S. 681, 685 f.; Rubner, Der Konzern 2007, S. 635, 645; Sester, RIW 2007, S. 787, 789; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 303. 46 Siehe ausführlich Kindler, in: FS Jayme, S. 409 ff., allerdings noch vor „Trihotel“; Gottwald/Kolmann, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 132 Rn. 99. 47 Sonnenberger/Bauer, RIW 2006, Beilage 1 zu Heft 4, S. 1, 16. 48 Siehe nur Kieninger, RabelsZ 73 (2009), S. 607 f. mit Verweis auf Äußerungen des Kommissars McCreevy sowie Kindler, IPRax 2010, S. 189 mit Verweis auf die politischen Widerstände gegen den Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen v. 23. Jan. 2008.
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I. Einführung
gen49. Infolge einer solchen Sonderanknüpfung wäre die Haftung unabhängig von ihrer Qualifikation und somit unabhängig von den jeweils berufenen Kollisionsnormen auch auf EG-Auslandsgesellschaften anwendbar 50. Führt die Qualifikation der deutschen Existenzvernichtungshaftung oder ihre Sonderanknüpfung zur grundsätzlichen Anwendbarkeit auf EG-Auslandsgesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland, so führt dies zu der Frage, inwieweit die Anwendung mit der durch die Artt. 49, 54 AEUV gewährten Niederlassungsfreiheit vereinbar ist 51. Der EuGH prüft diese Frage gerade nicht mit Blick auf die kollisionsrechtliche Einordnung der nationalen Regelungen, sondern allein mit Blick darauf, ob die Anwendung einer bestimmten sachrechtlichen Vorschrift zu einer ungerechtfertigten Einschränkung der Niederlassungsfreiheit führt52. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine wie auch immer begründete Anwendung des Rechts am tatsächlichen Sitz der Gesellschaft nur dann gerechtfertigt, wenn die Berufung auf die Niederlassungsfreiheit missbräuchlich ist53 oder aber zwingende Gründe des Allgemeininteresses dies erfordern54. Eine Berufung auf den Missbrauch der Niederlassungsfreiheit scheidet zur Rechtfertigung der Anwendung der Existenzvernichtungshaftung auf EG-Auslandsgesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz im Inland aus55. Die Niederlassungsfreiheit ermöglicht gerade das Ausnutzen eines
49 Siehe nur zuletzt ausführlich Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 416, 459 ff., 469 ff., der im Ergebnis die Existenzvernichtungshaftung als international zwingende Bestimmung qualifiziert. 50 Nach der auf Wengler zurückgehenden Lehre von der Sonderanknüpfung ist eine inländische Bestimmung dann auf ein Rechtsverhältnis anzuwenden, sofern durch Interpretation nach Sinn und Zweck der inländischen Bestimmung ihr universaler Anwendungswille ermittelt werden kann, siehe hierzu nur Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 444 m.w.N. 51 Siehe nur Kieninger, RabelsZ 73 (2009), S. 607, 614; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 299; Schillig, ZVglRWiss 106 (2007), S. 299, 307 f.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 426 sowie ausführlich Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 92 ff. Siehe zum Erfordernis der Vereinbarkeit auch der im Rahmen der Sonderanknüpfung zur Anwendung berufenen Normen mit der Niederlassungsfreiheit nur EuGH, Urteil v. 23. Nov. 1999, Rs. C-369/96 und Rs. C-376/96 („Arblade“), Slg. I-1999, S. 8453 ff. 52 Siehe nur Kieninger, ZEuP 2004, S. 685, 696 f.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 300. 53 EuGH, Urteil v. 9. März 1999, Rs. C-212/97 („Centros Ltd. v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen“), Slg. I-1999, S. 1459 ff., Rn. 24. 54 EuGH, Urteil v. 30. Sept. 2003, Rs. C-167/01 („Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd.“), Slg. I-2003, S. 10155 ff., Rn. 133. 55 Siehe nur Kieninger, ZEuP 2004, S. 685, 697 ff.; Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 100 f., Schillig, ZVglRWiss 106 (2007), S. 299, 305.
1. Ausgangspunkt und Untersuchungsinteresse
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(vermeintlichen) Regelungsgefälles zwischen den Mitgliedstaaten56. Somit verbleibt allein die Berufung auf zwingende Gründe des Allgemeininteresses, zu denen der EuGH ausdrücklich auch den Gläubigerschutz zählt 57. Eine Berufung auf diese Rechtfertigungsmöglichkeit setzt allerdings voraus, dass die nationale Regelung in nicht diskriminierender Weise angewandt wird, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels gewährleistet ist und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels erforderlich ist 58. An letzterem fehlt es insbesondere dann, wenn dem verfolgten Regelungsanliegen durch mildere, die Grundfreiheiten weniger stark beeinträchtigende Maßnahmen Rechnung getragen werden kann59. Im Hinblick auf die milderen Maßnahmen wird im Schrifttum insbesondere vertreten, dass diesbezüglich die gläubigerschützenden Regelungen des Gründungsrechts zu berücksichtigen seien60. Um das auf existenzvernichtende Eingriffe in fremde EG-Gesellschaften mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland anwendbare Recht bestimmen zu können, stellt sich somit auch aus der Perspektive des deutschen Rechts die grundlegende Frage nach den jeweiligen englischen, fran56
EuGH, Urteil v. 9. März 1999, Rs. C-212/97 („Centros Ltd. v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen“), Slg. I-1999, S. 1459 ff., Rn. 29; EuGH, Urteil v. 30. Sept. 2003, Rs. C-167/01 („Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd.“), Slg. I-2003, S. 10155 ff., Rn. 139. 57 EuGH, Urteil v. 5. Nov. 2002, Rs. C-208/00 („Überseering B.V. v. Nordic Construction Company Baumanagement GmbH“), Slg. I-2002, S. 9919 ff., Rn. 92. 58 EuGH, Urteil v. 9. März 1999, Rs. C-212/97 („Centros Ltd. v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen“), Slg. I-1999, S. 1459 ff., Rn. 1; EuGH, Urteil v. 30. Sept. 2003, Rs. C-167/01 („Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam v. Inspire Art Ltd.“), Slg. I-2003, S. 10155 ff., Rn. 133. Siehe auch EuGH, Urteil v. 30. Nov. 1995, Rs. C-55/94 („Reinhard Gebhard gegen Consiglio dell’ordine degli avvocati e procuratori di Milano“), Slg. 1995, S. 4165 ff. 59 EuGH, Urteil v. 9. März 1999, Rs. C-212/97 („Centros Ltd. v. Erhvervs- og Selskabsstyrelsen“), Slg. I-1999, S. 1459 ff., Rn. 37. 60 Behrens, IPRax 2003, S. 199, 206; W.-H. Roth, IPRax 2003, S. 117, 125; Eidenmüller, JZ 2004, S. 24, 27 f.; ders./Rehm, ZGR 2004, S. 159, 181; Kieninger, ZEuP 2004, S. 685, 699; Paefgen, ZIP 2004, S. 2253, 2257; Sandrock, in: Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, S. 33, 37 f.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 293 mit Fn. 109; Spindler/Berner, RIW 2004, S. 7, 14; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1969 f.; Schillig, ZVglRWiss 106 (2007), S. 299, 307 f.; OsterlohKonrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 302; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1688 f., der allerdings die Frage nach den gläubigerschützenden Regelungen des ausländischen Rechts im Hinblick auf die Anwendbarkeit der deutschen Existenzvernichtungshaftung und dessen ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung – das Defizit des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes – als materiellrechtliche Vorfrage ansieht. A.A. Heitsch, ZInsO 2007, S. 961, 964, der gesellschaftsrechtliche Ansprüche des Gründungsrechts für irrelevant ansieht. Ebenso Borges, ZIP 2004, S. 733, 742; Altmeppen/Wilhelm, DB 2004, S. 1083, 1088. Grundlegend zur Frage des Vorrang des gläubigerschützenden Gründungsrechts Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 104 ff.
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I. Einführung
zösischen und niederländischen Regelungen, die diese Sachverhalte zu erfassen vermögen. Der Klärung dieser Frage geht die vorliegende Untersuchung nach.
2. Methodisches Vorgehen 2. Methodisches Vorgehen Den Ausgangspunkt und gleichzeitigen Mittelpunkt der rechtsvergleichenden Untersuchung stellt die Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe in Gestalt der „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2007 dar61. Dieser Ausgangs- und Mittelpunkt führt jedoch nicht zu einer Suche nach dogmatisch vergleichbaren Haftungskonstrukten der jeweiligen nationalen gläubigerschützenden Regelungen. Der Ausgangspunkt der Untersuchung liegt vielmehr in den Sachverhalten, die einen existenzvernichtenden Eingriff begründen. Aber auch die Sachverhalte, die im Rahmen der deutschen Diskussion um die Existenzvernichtungshaftung Erwähnung finden, im Ergebnis die Haftung jedoch nicht zu begründen vermögen, sollen in den Rahmen der Untersuchung miteinbezogen werden. Die gläubigerschützenden Regelungen der betrachteten Rechtsordnungen werden somit danach untersucht, ob sie die Sachverhalte der Existenzvernichtungshaftung zu erfassen vermögen. Nur eine solche Orientierung an den konkreten Sachverhalten kann zu funktionsäquivalenten Regelungen in den ausländischen Rechten führen. Die Untersuchung bleibt allerdings nicht bei einer theoretischen Darstellung der einzelnen funktionsäquivalenten ausländischen Regelungen stehen. Da der Gläubigerschutz sich als ein „bewegliches System“ aus verschiedenen, sich ergänzenden Einzelelementen darstellt, können und sollen die Regelungen gerade nicht losgelöst von ihrer Einbettung in die jeweiligen nationalen Regelungssysteme betrachtet werden62. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen Regelungen nur dann sinnvoll bewerten, sofern deren rechtspraktische Bedeutung ebenfalls berücksichtigt wird. Diese hängt insbesondere von prozessualen Fragen des Beweisrechts und den Möglichkeiten der Prozessfinanzierung ab63. Rechtspraktische Erwägungen liegen der Untersuchung daher ebenso zugrunde wie theoretische Überlegungen, beides vor dem Hintergrund der konkreten Sachverhalte existenzvernichtender Eingriffe.
61
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 107. 63 Vgl. auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 107 f. m.w.N. 62
3. Gang der Untersuchung
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3. Gang der Untersuchung 3. Gang der Untersuchung Die folgende Untersuchung gliedert sich in vier Länderteile. Die Darstellung der historischen Entwicklung der deutschen Existenzvernichtungshaftung, ihres Hintergrundes und ihrer dogmatischen Einbettung bildet den Einstieg in den deutschen Länderteil und in die Untersuchung (Teil II. 1. bis 3.). Als Ausgangspunkt und Basis des späteren Rechtsvergleichs folgt die Darstellung der konkreten Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung und ihrer Fallgruppen (Teil II. 4.). Sie wird ergänzt um die Betrachtung der Rolle der Geschäftsführer bei existenzvernichtenden Eingriffen (Teil II. 5.). In den sich anschließenden drei Länderteilen – England (III.), Frankreich (IV.) und Niederlande (V.) – werden en detail die einzelnen gläubigerschützenden Regelungen dargestellt und auf ihre funktionale Vergleichbarkeit mit der deutschen Haftung hin untersucht. Als Grundlage dieser rechtsvergleichenden Untersuchung dienen die im deutschen Teil herausgearbeiteten Fallgruppen. Die Reihenfolge der Darstellung der einzelnen Regelungen orientiert sich allerdings nicht an diesen Fallgruppen, sondern für sämtliche Länder parallel an wiederum drei Regelungsbereichen. Die detaillierte Betrachtung und Untersuchung beginnt mit den gesetzlichen Regelungen beziehungsweise gesetzlich angeknüpften Haftungstatbeständen, die in der Insolvenz zu einer persönlichen Haftung der Handelnden führen können (jeweils 2. und 3.). Um der deutschen Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung Rechnung zu tragen, folgen sodann die richterrechtlichen Haftungstatbestände extra legem (Teil III. 4. und 5., Teil IV. 4. und Teil V. 4.). Die deutsche Existenzvernichtungshaftung entstammt ursprünglich der Rechtsprechung, sodass insbesondere das Richterrecht bei einer Betrachtung als eine mögliche Rechtsquelle auf der Suche nach funktionsäquivalenten Lösungen zur deutschen Haftung in den ausländischen Rechten nicht ausgeblendet werden darf. Die Detailbetrachtung der einzelnen nationalen Regelungen schließt mit den jeweiligen Anfechtungsrechten in der Insolvenz (Teil III. 6. bis 8., Teil IV. 5. und Teil V. 5.). Ebenso wie das deutsche Anfechtungsrecht vermögen sie möglicherweise die Sachverhalte der Existenzvernichtungshaftung zu erfassen, ohne jedoch die Schwächen der deutschen Regelungen auf Rechtsfolgenseite zu teilen. Innerhalb dieser drei betrachteten Regelungsbereiche ist jeweils die rechtspraktisch relevanteste Vorschrift vorangestellt. Die Beschreibung und Untersuchung der weiteren Regelungen folgen mit abnehmender Detailschärfe. Um die en detail betrachteten Regelungen in das jeweilige nationale Gläubigerschutzkonzept einordnen zu können, ist den einzelnen Länderteilen jeweils ein Gesamtüberblick sowohl über die allgemeinen gesell-
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I. Einführung
schaftsrechtlichen Regelungen der ausländischen Gesellschaften mit beschränkter Haftung als auch ein Überblick über das jeweilige Insolvenzrecht vorangestellt (jeweils 1.). Nur auf der Grundlage und im Rahmen der Betrachtung dieses gesetzlichen Grundgerüsts erschließen sich die Besonderheiten der einzelnen Regelungen64. Der Vergleich würde jedoch ebenso zu kurz greifen, blendete man die flankierenden Schutzregelungen sowohl innerhalb als auch außerhalb der formellen oder materiellen Insolvenz aus. Ein Überblick über diese Regelungen bildet daher den Abschluss des jeweiligen Länderteils (Teil III. 9. und 10., Teil IV. 6. und 7. und Teil V. 6.). Ein sechster und abschließender Teil fasst die in den einzelnen nationalen Teilen gefundenen Ergebnisse in einem Gesamtrechtsvergleich zusammen und führt mit einem kollisionsrechtlichen Ausblick auf der Grundlage dieser gefundenen Ergebnisse wieder zum Ausgangspunkt dieser Untersuchung zurück (VI.).
64
So auch Fleischer, in: Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften, S. 49, 56.
II. Deutsche Rechtslage Das Reichsgericht formulierte bereits kurze Zeit nach Schaffung der GmbH, dass der Richter „vor der juristischen Konstruktion die Wirklichkeit des Lebens und die Macht der Tatsachen zu berücksichtigen“ habe 1. Dies führte dazu, dass das Reichsgericht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben im Namen des Gläubigerschutzes einen Durchgriff auf die Gesellschafter erlaubte, sodass diese persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft entgegen der Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG hafteten2. Sich ebenfalls auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufend, übernahm der Bundesgerichtshof zunächst die Rechtsprechung des Reichsgerichts3. Seitdem wurde unter dem Stichwort „Durchgriffshaftung“ eine Vielzahl von Fällen in Rechtsprechung und Literatur diskutiert, in denen der Gesellschafter statt der Gesellschaft und ohne eigenen Verpflichtungsgrund den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber unmittelbar persönlich haften sollte 4. Zu nennen sind hier vor allem die Fälle der materiellen Unterkapitalisierung5, der Vermögensvermischung 6 und des zu erörternden sogenannten existenzvernichtenden Eingriffs. Die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe geht auf aktienrechtliche Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern zurück. Sie bahnte sich durch dogmatische Wirren einen Weg von einer „Durchgriffs1
RG, Urteil v. 22. Juni 1920, III ZR 68/20, RGZ 99, S. 232, 234. Siehe RG, Urteil v. 22. Juni 1920, III ZR 68/20, RGZ 99, S. 232, 234; RG, Urteil v. 21. Okt. 1921, II ZR 113/21, RGZ 103, S. 64, 66; RG, Urteil v. 30. Nov. 1937, VII ZR 127/37, RGZ 156, S. 271, 277; RG, Urteil v. 29. Juni 1942, II ZR 22/42, RGZ 169, S. 240, 248. 3 Siehe BGH, Urteil v. 30. Jan. 1956, II ZR 168/54, BGHZ 20, S. 4, 14. 4 Siehe nur die umfassende Darstellung von Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 110 ff. m.w.N. 5 Siehe BGH, Urteil v. 8. Juli 1970, VIII ZR 28/69, BGHZ 54, S. 222, 224 ff., allerdings bezüglich eines eingetragenen Vereins. 6 BGH, Urteil v. 29. Nov. 1956, II ZR 156/55, BGHZ 22, S. 226, 230; BGH, Urteil v. 12. Nov. 1984, II ZR 250/83, ZIP 1985, S. 31; BGH, Urteil v. 13. April 1999, II ZR 16/93, ZIP 1994, S. 868; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 615; Boujong, in: FS Odersky, S. 742; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 89. Siehe auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 105 und 138 ff. m.w.N. 2
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II. Deutsche Rechtslage
haftung“ der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft entgegen des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG in Form der (alten) Existenzvernichtungshaftung hin zu einer Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft in Form der (neuen) Existenzvernichtungshaftung in Gestalt des „Trihotel“-Urteils des Bundesgerichtshofs (siehe im Folgenden unter 1.). Dieser Entwicklung lag von Beginn an das Ziel einer Ergänzung des gesetzlichen Gläubigerschutzkonzepts zugrunde, das bei existenzvernichtenden Eingriffen an seine Grenzen stößt und eine Schutzlücke aufweist (siehe im Folgenden unter 2.). Statt wie bislang diese Lücke mit einer Haftung extra legem zu schließen, ordnet der Bundesgerichtshof mittels eines „dogmatischen Kabinettsstück[s]“7 in Form des „Trihotel“Urteils die Haftung neu. Existenzvernichtende Eingriffe bilden nunmehr eine Fallgruppe des deliktischen Generaltatbestands der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB, was methodisch und dogmatisch einigen Zweifeln ausgesetzt ist (siehe im Folgenden unter 3.). Akzeptiert man dennoch die Ausgestaltung der Existenzvernichtungshaftung in Form der „Trihotel“-Rechtsprechung als gegebenen status quo, so haben sich die bisherigen Tatbestandsvoraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung, die sich allein aus der Rechtsprechung ergaben, in das normative Gerüst des § 826 BGB einzufügen (siehe im Folgenden unter 4.). Bei der Betrachtung der Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter kann und soll schließlich die Haftung der Geschäftsführer nicht gänzlich ausgeblendet werden, da ein Eingriff ohne ihre wie auch immer geartete Mitwirkung schwer denkbar erscheint. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber mit dem MoMiG einen deutlichen Akzent auf die Geschäftsführerhaftung gesetzt (siehe im Folgenden unter 5.). Nach einer kritischen Würdigung der deutschen Haftung für existenzvernichtende Eingriffe soll der Blick jedoch von der methodischen und dogmatischen Ausgestaltung dieser Haftung wieder gelöst werden und sich auf die Sachverhalte konzentrieren, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. Sie stellen den Ausgangspunkt und Mittelpunkt der rechtsvergleichenden Betrachtung dar (siehe im Folgenden unter 6.).
1. Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung 1. Entwicklung Die Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs stellt die jüngste Fallgruppe dar, unter der eine Ergänzung des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems der GmbH im Wege einer persönlichen Haftung der Gesellschafter diskutiert wird. Diese Fallgruppe betrifft Sachverhalte, in denen Gesell7
Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1689.
1. Entwicklung
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schafter der Gesellschaft Vermögenswerte entziehen, die diese zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten zwingend benötigt, sodass die Gesellschaft durch das Verhalten ihrer Gesellschafter in die Insolvenz getrieben wird. Ausgangspunkt der Entwicklung dieser jüngsten Fallgruppe einer Haftung der Gesellschafter einer GmbH war die durch die Neuschaffung des Aktienkonzernrechts inspirierte Rechtsprechung zur Haftung im sogenannten „qualifiziert faktischen Konzern“ (a)). Die Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung ist im Folgenden von einem dogmatischen „ZickZack“-Kurs8 gekennzeichnet. Dieser beginnt 1985 mit der sogenannten „Autokran“-Entscheidung des II. Senats des Bundesgerichtshofs 9 und ist im Folgenden durch eine Reihe von Leitentscheidungen dieses Zivilsenats geprägt (b)), die mit der „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 200710 vorerst ein Ende gefunden zu haben scheint (c)). a) Die Haftung im „qualifizierten faktischen Konzern“ – Entwicklung der Rechtsprechung von „Autokran“ bis „TBB“ Spätestens mit Schaffung des Aktienkonzernrechts im Jahre 1965 11 trat zu der durch Treu und Glauben begründeten unmittelbaren Haftung der Gesellschafter für Schulden der Gesellschaft in Anlehnung an die aktienrechtliche Gesetzgebung ein konzernrechtlicher Ansatz. Ausgangspunkt für die aktienrechtliche Gesetzgebung im Hinblick auf Konzernstrukturen war die allgemeine Auffassung, dass solche Strukturen für abhängige Gesellschaften mit einer besonderen Gefahr verbunden seien. Diese ergebe sich daraus, dass der bei einer selbstständigen Gesellschaft gegebene Gleichlauf der Interessen von Gesellschafter und Gesellschaft in Konzernlagen nicht ohne weiteres gegeben sei12. Aus diesem Grund wurde das bestehende Aktiengesetz um die §§ 291 ff. AktG als Schutzvorschriften zugunsten der abhängigen Gesellschaft, der außenstehenden Gesellschafter und der Gesellschaftsgläubiger ergänzt13. Zu den dort erfassten Fallkonstellationen zählen vor allem Unternehmensverträge, durch die eine Aktiengesellschaft die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt – der sogenannte Beherrschungsvertrag – 8
Hölzle, DZWIR 2007, S. 397, 398. BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330 ff. 10 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. 11 Gesetz v. 6. Sept. 1965, BGBl. I, S. 1089. 12 Begründung zum RegE des AktG 1965, Vorbemerkungen zum Dritten Buch, BTDrs. VI 3088 und VII 253, die bemerken, dass in Konzernlagen das aktienrechtliche Kräftespiel zwischen den Organen der Gesellschaft aus den Angeln gehoben sei und die abhängige Gesellschaft „keinen eigenen Willen“ mehr habe. 13 Begründung zum RegE des AktG, Vorbemerkungen zum Dritten Buch, BT-Drs. VI 3088 und VII 253, der noch Vorschläge zur Kodifizierung eines GmbH-Konzernrechts enthält, die jedoch später nicht wieder aufgegriffen wurden. 9
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II. Deutsche Rechtslage
oder sich verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen – der sogenannte Gewinnabführungsvertrag14. Den Forderungen des Schrifttums nach einem eigenen GmbH-Konzernrecht, bei denen das Regelungsbedürfnis noch viel größer als bei der Aktiengesellschaft wäre15, kam die GmbHG-Novelle von 1980 nicht nach. Dementsprechend nahm sich schließlich die Rechtsprechung der Problematik an. Der Bundesgerichtshof entwickelte in den drei Leitentscheidungen „Autokran“, „Tiefbau“ und „Video“ seine Rechtsprechung zum sogenannten qualifizierten faktischen (GmbH-) Konzern, die die konzernrechtliche Problematik bei der GmbH lösen sollte. (1) „Autokran“-Urteil vom 16. September 1985 Der Bundesgerichtshof erwog erstmalig in seiner „Autokran“-Entscheidung vom 16. September 198516 vor dem Hintergrund einer Konzernstruktur die persönliche Haftung des herrschenden GmbH-Gesellschafters für die Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft 17. Ausgangspunkt dieser Haftungskonstruktion ist die vergleichbare Sachlage zwischen einem faktischen GmbH-Konzern und dem gesetzlich geregelten Aktienkonzern. In beiden Fällen werden die Interessen der abhängigen Gesellschaft einem Konzerninteresse unterworfen, sodass das gesetzliche Leitbild einer autonomen Gesellschaft mit einem Gleichlauf von Gesellschafts- und Gesellschafterinteresse gestört wird 18. Durch diese Störung, so der BGH, liege es auf der Hand, dass die Schutzvorkehrungen, die das GmbH-Recht bei Einzeleingriffen des herrschenden Unternehmens für die Interessen außenstehender Gesellschafter und Gesellschaftsgläubiger bereithalte, nicht dem gesetzlichen Leitbild entsprechend funktionieren. Es komme dementsprechend eine Haftung des herrschenden Konzernunternehmens in entsprechender „vorsichtiger“ Anwendung der §§ 303, 322 Abs. 2 und 3 AktG in Betracht19. Die entsprechende Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften führt zu einer unmittelbaren Haftung gegenüber den Gläubigern des herrschenden Unternehmens nicht nur auf Sicher-
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§ 291 Abs. 1 S. 1 AktG. So Emmerich, in: Der GmbH-Konzern, S. 6 ff.; Westermann, in: Der GmbHKonzern, S. 25, 26 f.; Schilling, in: FS Hefermehl, S. 383, 397. 16 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330. 17 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 332, 334. 18 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 341 f. 19 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 342. 15
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heitsleistung im Sinne des § 303 Abs. 1 AktG, sondern, so der BGH, auch unmittelbar auf Zahlung 20. Eine solche, die Haftung begründende Konzernverstrickung einer Gesellschaft nimmt der Bundesgerichtshof im Falle einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Eigeninteresses der abhängigen Gesellschaft infolge eines von dem herrschenden Unternehmen sachlich umfassend und zeitlich andauernd ausgeübten Einflusses an21. Ein solcher Einfluss könne gerade auch, so der Bundesgerichtshof, von einer Einzelperson ausgehen, die ihre wirtschaftlichen Interessen anderweitig als nur in der von ihr abhängigen GmbH verfolge 22. Gerade bei einem Zusammentreffen der Leitungsmacht in nur einer Person vermutet der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung sogar das Vorliegen einer dauernden und umfassenden Leitungsmacht und schließt hieran die tatsächliche Vermutung an, dass auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft keine Rücksicht genommen worden sei23. Auch wenn der Bundesgerichtshof dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit einräumt, dieser „Vermutungskaskade“24 mit einem Gegenbeweis entgegenzutreten25, so stützt sich die Haftung wegen eines qualifiziert faktischen Konzerns doch auf eine reine Vermutung. (2) „Video“-Urteil vom 23. September 1991 Nachdem in der „Tiefbau“-Entscheidung vom 20. Februar 1989 das „Autokran“-Urteil um eine Analogie zu § 302 AktG ergänzt wurde26, enthält die „Video“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23. September 1991 im Vergleich zu den beiden vorhergehenden Urteilen auf den ersten Blick wenig Neues 27. Auch hier knüpft der BGH die Haftung des herrschenden Unternehmens an die dauernde und umfassende Leitung der Geschäfte der abhängigen Gesellschaft, die er bei einer Geschäftsführung des Alleinoder Mehrheitsgesellschafters vermutet28. Ebenso wie bereits in den vor20
BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 346 f. BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 343 f. 22 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 337. 23 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 344. 24 So Lutter, in: Hommelhoff/Stimpel/Ulmer, Der qualifizierte faktische GmbHKonzern, S. 196; ders., JZ 1993, S. 580; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 85; Goette, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, S. 11, 12 f. 25 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 344. 26 BGH, Urteil v. 20. Feb. 1989, II ZR 167/88 („Tiefbau“), BGHZ 107, S. 7, 15 f. 27 So auch zutreffend Kübler, NJW 1993, S. 1204, 1205, der feststellt, dass das „Video“-Urteil lediglich festgestellt habe, woran schon nach „Autokran“ nicht gezweifelt werden konnte. 28 BGH, Urteil v. 23. Sept. 1991, II ZR 135/90 („Video“), BGHZ 115, S. 187, 189, 191, 193 ff. 21
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hergehenden Urteilen sieht der Bundesgerichtshof die Haftungsvoraussetzungen jedoch als ausgeräumt an, soweit die eingetretenen Verluste auf Umständen beruhten, die mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun hätten29. Einzig neu an der „Video“-Entscheidung ist die Einschränkung, dass die eingetretenen Verluste nur dann keinen Zusammenhang mit der Konzernleitung aufweisen, wenn sie in „außergewöhnlichem Ausmaß infolge eines plötzlichen Vermögensverfalls der betroffenen Schuldner eintreten“30. Mit diesen Ausführungen werden jedoch die Anforderungen an den Entlastungsbeweis des herrschenden Unternehmers im Gegensatz zu den vorhergehenden Urteilen zusätzlich erhöht 31. Sowohl bei den beiden vorhergehenden Urteilen als auch nach der „Video“-Entscheidung stellt sich die Frage, inwieweit dieser Entlastungsbeweis überhaupt zu führen ist. Der BGH bemerkt in „Video“ selbst, dass im Grundsatz nicht verlangt werden könne, die gesamte Geschäftsentwicklung während der Dauer des Konzernverhältnisses darzulegen und zu beweisen, dass jede einzelne Maßnahme sachgerecht gewesen sei32. (3) Anmerkungen Aufgrund des kaum zu leistenden Gegenbeweises stellt die Haftung wegen eines qualifiziert faktischen Konzerns im Ergebnis eine reine Strukturhaftung dar33. Obwohl der BGH in der „Tiefbau“- und „Video“-Entscheidung die Grundsätze der „Autokran“-Entscheidung konsequent fortsetzt34, stößt jedoch erst das „Video“-Urteil in der Literatur auf „eine beispiellose rechtswissenschaftliche Urteilsschelte“35. Hauptkritikpunkt ist die durch die sogenannte „Vermutungskaskade“ begründete Gefahr, dass infolge des 29
BGH, Urteil v. 23. Sept. 1991, II ZR 135/90 („Video“), BGHZ 115, S. 187, 194 f. BGH, Urteil v. 23. Sept. 1991, II ZR 135/90 („Video“), BGHZ 115, S. 187, 196. 31 Forderungsausfälle, die sich in dem in der jeweiligen Branche und dem speziellen Kundenkreis üblichen und einkalkulierten Umfang hielten, gehörten zu den laufenden Kosten und könnten wie die sonstigen laufenden Kosten der konzernrechtlichen Haftung nicht entgegengehalten werden, so der BGH, Urteil v. 23. Sept. 1991, II ZR 135/90 („Video“), BGHZ 115, S. 187, 196 f. Es stellt sich die Frage, inwieweit solche Verluste nicht ohnehin auch schon nach der alten Diktion der vorhergehenden Urteile „mit der Leitungsmacht nichts zu tun haben“ und daher einer Haftung nicht entgegengehalten werden können. 32 BGH, Urteil v. 23. Sept. 1991, II ZR 135/90 („Video“), BGHZ 115, S. 187, 196 f. 33 Siehe nur Lutter, JZ 1993, S. 580; Altmeppen, DB 1991, S. 2225, („Abschaffung der Haftungsbeschränkung“); K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577 („haftungsrechtlicher Keulenschlag“). 34 Ebenroth/Wilken, BB 1991, S. 2229; Hommelhoff, DB 1992, S. 309, 314; Lehmann, GmbHR 1992, S. 200, 203; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, S. 715 ff.; Westermann, DWiR 1992, S. 197, 199. 35 K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577, 3578. Siehe auch Brandner, in: Hommelhoff/Stimpel/Ulmer, Der qualifizierte faktische GmbH-Konzern, S. 208. 30
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kaum zu führenden Gegenbeweises die Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG ausgehöhlt oder gar vollständig beseitigt werde36. Allein das Vorliegen einer dauernden und umfassenden Leitung der abhängigen Gesellschaft in einer konzernrechtlichen Verflechtung führte aufgrund der Formulierungen in „Autokran“ und vor allem „Video“ zur Haftung37. Einmal ins volle Bewusstsein der Literatur gerückt, verwundert es nicht, dass unter anderem auf dem 59. Deutschen Juristentag in Hannover 1992 der Beschluss gefasst wurde, dass die Rechtsprechung mit ihren Vermutungen zu weitgehend sei und daher eine Haftungsbeschränkung empfohlen werde38. (4) „TBB“-Urteil vom 29. März 1993 Aufgrund der unzähligen Kritik am „Video“-Urteil39 stellte der II. Senat des Bundesgerichtshofs seine Rechtsprechung im „TBB“-Urteil ein halbes Jahr später am 29. März 1992 klar40. In dieser Entscheidung hält er grundsätzlich an der Haftung im qualifizierten faktischen Konzern analog der §§ 302, 303 AktG fest 41. Die „Klarstellung“ bezieht sich jedoch nur auf den Haftungsgrund 42. Haftungstatbestand sei nicht, so der BGH, die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft, sondern die Beeinträchtigung ihrer Interessen43. Die Interessen der abhängigen Gesellschaft sieht der BGH bereits seit der „Autokran“-Entscheidung dann als beeinträchtigt, wenn die Gesellschaft aufgrund der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen nicht mehr in
36 Altmeppen, DB 1991, S. 2225; Flume, DB 1992, S. 25; Gäbelein, GmbHR 1992, S. 273; Goette, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHRBeiheft 70, S. 11, 12; Kleindiek, ZIP 1991, S. 1330, Knobbe-Keuk, DB 1991, S. 2225; Mertens, AG 1991, S. 434; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 85; K. Schmidt, ZIP 1991, S. 1325; Wilhelm, NJW 2003, S. 175, 176. 37 So auch zutreffend die Zusammenfassung von Goette, DStR 1993, S. 568, 569. 38 Auszugsweise abgedruckt in: Schanze, AG 1993, S. 376 f. 39 Goette, DStR 1993, S. 568, 569, berichtet, dass sich im Feb. 1993, also nur fünf Monate nach dem Urteil, bei Juris über 35 in der Mehrzahl kritische oder ablehnende Stimmen zu „Video“ finden ließen. 40 BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123 ff. 41 BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 126 f. 42 Ob insoweit von einer „Kehrtwende“ oder „Aufgabe“ der bisherigen Rechtsprechung gesprochen werden kann, so u.A. Schanze, AG 1993, S. 376 f.; Altmeppen, BGH EWiR § 302 AktG 1993, S. 327, 328, oder aber einer „Klarstellung“ der „Autokran“-Entscheidung, so Lutter, JZ 1993, S. 580 und der II. Senat selbst, oder sogar einer „Rechtsrückbildung“, so Westermann, in: FS Zöllner, S. 607, ist im Ergebnis nicht weiter von Belang. 43 BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 131.
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der Lage ist ihren Verbindlichkeiten nachzukommen44. Ein solches Verhalten, so der BGH in der Formulierung neu, stelle einen objektiven Missbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung dar45. Mit dieser „Klarstellung“ des Haftungstatbestandes einher geht die wesentliche Neuerung des „TBB“-Urteils 46. Im Gegensatz zur „Video“-Entscheidung stützt der BGH die Haftung nicht mehr auf eine Reihe von Vermutungen. Vielmehr muss der Kläger die anspruchsbegründenden Umstände darlegen und bewiesen, wenn ihm dabei auch die üblichen Erleichterungen der Substantiierungslast zu Gute kommen47. (5) Anmerkungen Das „TBB“-Urteil stellt mit der Abkehr von der Vermutungskette der vorhergehenden Urteile die prozessrechtliche Normalität wieder her48. Dementsprechend fand das Urteil in der Literatur breite Zustimmung 49. In der Folge der „TBB“-Entscheidung bejahte der Bundesgerichtshof jedoch in den ihm vorliegenden Fällen kein einziges Mal eine Haftung des beherrschenden Gesellschafters50. Dementsprechend fragten sowohl Goette als auch Röhricht als Mitglieder des zuständigen II. Senats zu Recht nach der verbleibenden praktischen Relevanz des Haftungsinstituts des qualifizierten faktischen Konzerns. Goette bezweifelt das Bedürfnis nach einem konzernrechtlichen „Instrumentarium“ in Gestalt der „TBB“-Entscheidung vor
44 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 344; BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 127 f., 130 f. 45 BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 130. 46 BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 131. 47 Der Beklagte hat dann nähere Angaben zu machen, wenn er im Gegensatz zum Kläger die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zumutbar ist. Kommt er dieser Darlegungslast nicht nach, gilt das Vorbringen des Klägers gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, siehe BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 133, grundlegend BGH, Urteil v. 17.03.1987, VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 195 f. m.w.N. 48 Zur Darlegungs- und Beweislast siehe nur Hartmann, ZPO, § 138 Rn. 18, 30, § 253 Rn. 32, Anh. § 286 Rn. 1 ff m.w.N. 49 Siehe Goette, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, S. 11, 12 f.; Drygala, GmbHR 1993, S. 317; Hommelhoff, ZGR 1994, S. 395; Kleindiek, DZWIR 1993, S. 177; Krieger, ZGR 1994, S. 375; Lutter, JZ 1993, S. 580; K. Schmidt, ZIP 1993, S. 549; Westermann, ZIP 1993, S. 554. 50 Seit BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, hatte der II. Senat des BGH bei keinem ihm vorgelegten Fall die Voraussetzungen des qualifizierten faktischen Konzerns für gegeben gesehen: siehe nur die Zusammenstellung bei Goette, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, S. 11, 14 ff.
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allem in Hinblick auf eine Lösung über § 826 BGB51. Der damalige Vorsitzende des zuständigen Senats Röhricht beantwortet die Frage nach der Notwendigkeit eines eigenen gesellschaftsrechtlichen Haftungsinstituts in seinem Beitrag aus dem Jahr 2000 jedoch ganz anders52. Röhricht nimmt den im „TBB“-Urteil formulierten grundlegenden Haftungsgedanken als Ausgangspunkt und entwickelt ihn unter Berufung auf die Arbeiten von Ulmer53, Winter54 und Priester 55 weiter. Das entscheidend Neue an Röhrichts Konzeption liegt darin, dass er das schon in der „TBB“-Entscheidung aufgegriffene Eigeninteresse der Gesellschaft an der Bewahrung ihrer Fähigkeit ihren Verbindlichkeiten nachzukommen auf sämtliche GmbHs unabhängig von konzernrechtlichen Verflechtungen erstreckt56. Dieses Eigeninteresse verbiete es den Gesellschaftern derart in die Gesellschaft einzugreifen, dass zwar die Ausschüttungssperre des § 30 GmbHG nicht berührt werde, die Gesellschaft infolge der „existenzgefährdenden beziehungsweise existenzvernichtenden“ Eingriffe aber dennoch in den wirtschaftlichen Ruin geschickt werde. Ein solches Verhalten, das eine „wilde“ Liquidation entgegen den gesetzlichen Regeln darstelle, setze gerade das auf Einzelausgleich gerichtete System der Kapitalaufbringung und -erhaltung außer Funktion. Aufgrund dieses „systemwidrigen“ Verhaltens der Gesellschafter sei dann auch eine persönliche Haftung gerechtfertigt57. b) Der (alte) existenzvernichtende Eingriff – die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bis zum „Trihotel“-Urteil vom 16. Juli 2007 Röhricht begründete durch seinen Beitrag einen grundlegenden Wandel in der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes. Dieser verabschiedete sich im Jahr 2001 mit seinem „Bremer Vulkan“-Urteil58 nicht nur von seiner Rechtsprechung zum qualifiziert faktischen Konzern, sondern führte ein neues, eigenständiges, gesellschaftsrechtliches Haftungsinstitut ein. Dieses in Anlehnung an den Beitrag von Röhricht als Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe bezeichnete Institut suchte der BGH in der Folge des „Bremer Vulkan“-Urteils zu präzisieren und weiterzuentwickeln. 51
Goette, DStR 2000, S. 1065; ders., in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, S. 11, 23 f. 52 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83. 53 Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 391 ff. 54 Winter, Mitgliedschaftliche Treubindung im GmbH-Recht, S. 202 ff. 55 Priester, ZGR 1993, S. 512, 519 ff. 56 So auch ausdrücklich Röhricht, ZIP 2005, S. 505, 513 f. 57 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 110 f. Siehe auch Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 206. 58 BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10 ff.
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(1) „Bremer-Vulkan“-Urteil vom 17. Sept. 2001 Das „Bremer Vulkan“-Urteil vom 17. September 200159 führt erstmalig, wenn auch nur als obiter dictum, das von Röhricht in Interpretation des „TBB“-Urteils entwickelte Haftungskonzept ein. Der Bundesgerichtshof stellt zunächst fest, dass der Schutz einer abhängigen GmbH gegen Eingriffe ihres Alleingesellschafters gerade nicht dem Haftungssystem des Aktienkonzernrechts folge. Vielmehr sei der Schutz der GmbH auf die Erhaltung ihres Stammkapitals und die Gewährleistung ihres Bestandsschutzes beschränkt60. Damit wird zentraler Gedanke des neuen Haftungssystems die Gewährleistung des Bestandsschutzes der GmbH. Dieser erfordere, so der BGH, eine angemessene Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der GmbH 61. An einer solchen Rücksichtnahme fehle es, wenn die GmbH infolge der Eingriffe ihres Alleingesellschafters ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen könne 62. (2) Anmerkungen Ein solches rudimentäres, allein auf die Bestandserhaltung gerichtetes Eigeninteresse der Gesellschaften, das Eingriffe in ihre Überlebensfähigkeit außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten verbietet, war in der Literatur bereits mehrfach gefordert worden63 und schon in den Urteilen „Autokran“ und „TBB“-Urteil angeklungen64. Insoweit beinhaltet das „Bremer Vulkan“-Urteil trotz der Abkehr vom alten Haftungskonzept nichts wesentlich Neues65. Das Urteil lässt vielmehr völlig offen, wie die Pflicht des Alleingesellschafters zur Rücksichtnahme auf die Eigenbelange der Gesellschaft dogmatisch einzuordnen ist und welche Rechtsfolgen an einen Verstoß zu knüpfen sind. Die Suche der Literatur nach geeigneten Anspruchsgrund59
BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10. BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10,16. 61 BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 16. 62 BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 16. 63 Winter, Mitgliedschaftliche Treubindung im GmbH-Recht, S. 202 ff.; Fleck, ZGR 1990, S. 31, 36 ff.; Nissing, Eigeninteresse der Gesellschaft oder Liqidation auf kaltem Wege?, S. 94 ff.; Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 285, 335 ff.; ders., in: FS Flume, Bd. II, S. 337, 391 ff.; ders., NJW 2003, S. 175, 178 ff.; K. Schmidt, ZIP 1994, S. 837, 839 f.; ders., AG 1994, S. 189, 194; ders., NJW 2001, S. 3577; Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837; ders., ZIP 2002, S. 961; ders., ZIP 2002, S. 1553; Burgard, ZIP 2002, S. 827; zuvor bereits OLG Karlsruhe, Urteil v. 25. Juli 1997, 15 U 131/96, GmbHR 1998, S. 235. 64 Siehe oben unter II. 1. a) (1) und (4). 65 Anders dagegen Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837; ders., ZIP 2002, S. 1553, 1562. 60
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lagen verwundert daher nicht 66. Im Wesentlichen lassen sich drei Konzepte unterscheiden. Altmeppen und Wilhelm suchen die dogmatische Grundlage der Haftung in der Lehre von der Sorgfaltshaftung des beherrschenden Gesellschafters als Quasi-Fremdgeschäftsführer analog § 43 GmbHG (i.V.m. § 93 Abs. 5 AktG)67. Ulmer und K. Schmidt greifen den Gedanken der Treupflichtverletzung des Gesellschafters gegenüber seiner GmbH auf und sehen hierin die Grundlage der in „Bremer Vulkan“ anerkannten Haftung mit der Folge einer Innenhaftung des Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft 68. G. Bitter befürwortet eine Außenhaftung des Gesellschafters gegenüber den Gläubigern, die aufgrund einer objektiv-zweckwidrigen Verwendung der Haftungsbeschränkung durch den Gesellschafter gerechtfertigt sei. Er begründet diese Haftung unter Heranziehung der Normzwecklehre mit einer teleologischen Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG sowie mit einer analogen Heranziehung der §§ 105, 128 HGB 69. (3) „Kindl-Backwaren“-Urteil vom 24. Juni 2002 Mit dem „Ausfallhaftung“-Urteil vom 25. Februar 2002 bestätigt der II. Senat zunächst die Aufgabe der Haftung aus qualifiziert faktischem Konzern und die Einführung der Existenzvernichtungshaftung 70. Der BGH setzt sich in der Entscheidung jedoch nicht mit den von der Literatur aufgeworfenen Fragen auseinander. Erst mit dem Urteil zur „Kindl-Backwaren Vertrieb GmbH“ vom 24. Juni 200271 nimmt der II. Senat des Bundesgerichthofs zur dogmatischen Grundlage der Existenzvernichtungshaftung Stellung. Zur Begründung des existenzvernichtenden Eingriffs greift der Bundesgerichtshof auf bekannte Argumente zurück72. In Anlehnung an die Aus66
Siehe Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 773, der den eigentlichen Zweck des Urteils darin sieht, eine Diskussion über Grund und Grenzen der Haftung auszulösen. Siehe auch Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837, 1839, 1841, der ebenfalls die Aufgabe der Wissenschaft darin sieht, die geeigneten dogmatischen Grundlagen herauszuarbeiten. 67 Wilhelm, Rechtsform und Haftung bei der juristischen Person, S. 285 ff., 330 ff., 344 f.; Altmeppen, ZIP 2001, S. 1837, 1843 f.; ders., ZIP 2002, S. 961, 966 f.; kritisch hierzu Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG Kommentar, Anh. § 13 Rn. 22; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnamen auf die Geschäftsführung der GmbH, S. 268; Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 391, 416; ders., ZIP 2001, S. 2021, 2025. 68 Ulmer, ZIP 2001, S. 2021, 2027; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577, 3579 f. 69 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 82 ff.; ders., WM 2001, S. 2133, 2139. Siehe auch Hoffmann, NZG 2002, S. 68 ff., 71 ff. 70 BGH, Urteil v. 25. Feb. 2002, II ZR 196/00 („Ausfallhaftung“), BGHZ 150, S. 61 ff. 71 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff. 72 Siehe zur Anerkennung eines eigenen Bestandsinteresses der Gesellschaft bereits BGH, Urteil v. 29. März 1991, II ZR 265/91 („TBB“), BGHZ 122, S. 123, 130 f.
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II. Deutsche Rechtslage
führungen von Röhricht73 sieht der II. Senat den Ausgangspunkt der Haftung darin, dass das Gesellschaftsvermögen einer GmbH während ihrer Lebensdauer zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zweckgebunden und daher der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen sei. Diese Zweckbindung und Absonderung des Gesellschaftsvermögens, so der BGH, sei unausgesprochene, aber dennoch grundlegende Voraussetzung des Systems der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung74. Der Bundesgerichtshof versagt dem Gesellschafter dementsprechend eine Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG, wenn er bei einem Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen auf diese grundlegende Voraussetzung der Haftungsprivilegierung keine Rücksicht genommen hat und der der GmbH insgesamt zugefügte Nachteil nicht bereits durch die §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden kann. Ein solcher Zugriff, so der BGH, stelle einen Missbrauch der Rechtsform der GmbH dar 75. Die vom BGH postulierte Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens führt jedoch nicht zu einem eigenständigen, von den Gesellschafterinteressen losgelösten Anspruch der Gesellschaft auf Bestandsgewährung. Vielmehr gebiete, so der BGH, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens die Beachtung der Vorschriften einer „geordneten“ Beendigung der Gesellschaft 76. Hiermit greift der Bundesgerichtshof das von Winter entwickelte Verbot der „wilden“ Liquidation auf77. Die Rechtsfolge der Haftung gestaltet der BGH als eine unmittelbare und persönliche Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern und damit als eine Außenhaftung78. In der Folge der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung bestätigt der BGH seine Rechtsprechung in den am 13. Dezember 2004 ergangenen Urteilen „Handelsvertreter“79 und „Autohändler“80 ausdrücklich. Die vorgenommenen Ergänzungen betreffen lediglich einzelne Details. So erstreckt der Bundesgerichtshof die Haftung auch auf nur mittelbar beteiligte Gesell73
Röhricht, in: FS 50 Jahre GmbH, S. 83 ff. BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 186 f. 75 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 187. 76 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 186 f. 77 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 203 ff. Siehe auch Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 92 ff., 100 f.; Goette, in: Ulmer, Haftung im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern, ZHR-Beiheft 70, S. 11 ff., 22 f. 78 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 187 f. 79 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff. 80 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177 ff. 74
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schafter mit beherrschendem Einfluss 81. Außerdem schränkt er die Haftung ein, sofern der Nachweis gelingt, dass im Vergleich zu einem redlichen Vorgehen nur ein begrenzter Schaden entstanden wäre 82. Letzteres wandelt jedoch die unbeschränkte Außenhaftung im Sinne des „Kindl-Backwaren“Urteils in eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung83, sodass die dogmatische Schlüssigkeit der Haftung zu hinterfragen ist. (4) Anmerkungen Der mit der Entscheidung in Sachen „Kindl-Backwaren“ endgültig vollzogene Abschied von einer konzernrechtlich begründeten Haftung zugunsten einer allgemeinen Durchgriffshaftung wird in der Literatur grundsätzlich positiv bewertet84. Allerdings vermag die in der Entscheidung vorgenommene dogmatische Einordnung der Haftung als allgemeine Missbrauchshaftung weiterhin weder die Frage nach der konkreten Ausgestaltung der Haftung noch nach einer Anspruchsgrundlage zu beantworten85. Die Ausgestaltung der Haftung als grundsätzlich unbeschränkte Außenhaftung beinhaltet zunächst eine Absage an die von der Literatur zur Haftungsbegründung entwickelten Konzepte einer Innen- beziehungsweise (quasi) Organhaftung. Vielmehr liegt durch die vom BGH vorgenommene Ausgestaltung der Haftung in Anlehnung an Bitter86, aber auch zu den Ausführungen bereits in „Autokran“87, eine Analogie zu §§ 105, 128 HGB nahe. Bitter hatte bereits vor dem „Kindl-Backwaren“-Urteil eine Durchgriffshaftung auf eine teleologische Reduktion des § 13 Abs. 2 GmbHG gestützt, sofern ein Missbrauch der Haftungsbeschränkung vorliegt 88. Allerdings vermag diese mehrheitlich von der Literatur zugrunde gelegte Anspruchsgrundlage weiterhin weder die im Fall „Autohändler“ einge81 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178. 82 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, Leitsatz b). 83 Goette, ZIP 2005, S. 1481, 1487. Siehe auch BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 32. 84 Siehe Altmeppen, ZIP 2002, S. 1553 f.; Ulmer, JZ 2002, Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45, 57; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 407. 85 So auch die Einschätzung bei Ulmer, JZ 2002, S. 1049 ff.; Vetter, ZIP 2003, S. 601 ff.; Hölzle, ZIP 2003, S. 1376 ff., Lieder, DZWIR 2005, S. 309 ff.; Wackerbarth, ZIP 2005, S. 877 ff., jeweils m.w.N. 86 Bitter, WM 2001, S. 2133, 2139 f. Siehe nunmehr auch Ulmer, JZ 2002, S. 1049, 1050; Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45, 49; Vetter, ZIP 2003, S. 601, 602; Hölzle, ZIP 2003, S. 1376, 1381; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 284. 87 BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 332. 88 Bitter, Konzernrechtliche Durchgriffshaftung bei Personengesellschaften, S. 490 ff.; ders., WM 2001, S. 2133, 2139.
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II. Deutsche Rechtslage
führte Haftungsbeschränkung, noch die konkrete Ausgestaltung der Haftungsvoraussetzungen zu erklären. Dementsprechend riss die Kritik der Literatur am Haftungskonzept des BGH nicht ab. Da der BGH sowohl in der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung als auch in der nachfolgenden Entscheidung im Fall „Rheumaklinik“89 die Haftung ebenfalls mit fast wortgleicher Begründung auf § 826 BGB stützte, mehrten sich die Stimmen in der Literatur, die eine ausschließliche Verortung im Deliktsrecht forderten90. Nur vereinzelt wird das Bedürfnis nach einer Haftung wegen existenzvernichtenden Eingriffs grundsätzlich bezweifelt, da die gesetzlichen Regeln selbst, seien es gesellschaftsrechtliche, deliktsrechtliche oder auch insolvenzrechtliche, ausreichend Schutz böten91. c) Der (neue) existenzvernichtende Eingriff in Gestalt des „Trihotel“Urteils des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2007 Am 16. Juli 2007 erging die als „dogmatisches Kabinettsstück“92 bezeichnete sogenannte „Trihotel“-Entscheidung des II. Senats des BGHs93. Mit dieser Entscheidung hält der II. Senat weiterhin an „dem Erfordernis einer als ‚Existenzvernichtungshaftung‘ bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen“ fest 94. Das „Kabinettstück“ der Entscheidung besteht darin, dass der Bundesgerichtshof die Haftung nunmehr, wie bereits seit längerem von der Literatur gefordert95, allein als besondere Fallgruppe der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung in § 826 BGB einordnet96. Auch die bisherigen Fälle der 89
BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138 ff. 90 Siehe Goette, DStR 2005, S. 200; Dauner-Lieb, DStR 2006, S. 2034; Haas, ZIP 2006, S. 1373, 1382; ders., in: Verhandlungen des 66. DJT, Stuttgart 2006, Bd. I, Gutachten E, S. 3, 83; Weller, DStR 2007, S. 1166. 91 Siehe Nasall, ZIP 2003, S. 969 ff.; Wackerbarth, ZIP 2005, S. 877, Fn. 6, 887; Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“?, S. 263 f., 265 ff.; ders., DStR 2005, S. 1694; Möller, Die materiell unterkapitalisierte GmbH, S. 164 ff., 170; Schröder, GmbHR 2005, S. 227, 228 f. 92 Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1689. 93 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. 94 So ausdrücklich der erste Leitsatz der Entscheidung, BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552. 95 Siehe hierzu bereits oben unter II. 1. b) (4). 96 So der zweite Leitsatz der Entscheidung, BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552.
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Existenzvernichtungshaftung, so der Bundesgerichtshof selbst, ließen sich im Grundsatz zwanglos unter § 826 BGB subsumieren97. Durch die alleinige Einordnung der Existenzvernichtungshaftung unter § 826 BGB gibt der Bundesgerichtshof die Selbstständigkeit des ursprünglich rein gesellschaftsrechtlich fundierten Haftungsinstituts auf98. Völlig neu und „überraschend“99 verabschiedet sich der zuständige II. Senat allerdings vom bisherigen (Außen-)Haftungskonzept der Urteile „Bremer Vulkan“ bis „Autohändler“ und gestaltet den existenzvernichtenden Eingriff in Form einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung 100. Hintergrund der dogmatischen Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung ist die nunmehr auch vom Bundesgerichtshof selbst vorgebrachte Kritik am bisherigen Haftungskonzept der „Durchgriffshaftung wegen Missbrauchs der Rechtsform“101, also der Haftung in Gestalt des alten existenzvernichtenden Eingriffs. Zum einen müssten bei einer dogmatisch konsequent zu Ende gedachten Durchgriffshaftung, so der Bundesgerichtshof, die Gesellschafter gegenüber den Gläubigern nach dem Vorbild einer Analogie zu § 128 HGB unbeschränkt haften. Die jedoch in den bisherigen Entscheidungen vorgenommene Beschränkung auf eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung sei daher dogmatisch inkonsequent102. Zum anderen, so der Bundesgerichtshof weiter, liege in einem Eingriff der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen schon gar kein Missbrauch der Gesellschaftsform103vor. Dieser sei nur bei ihrer Schaffung oder beim Gebrauchmachen der Gesellschaft, also beim Abschluss von Geschäften denkbar104. Der Senat besinnt sich nunmehr statt einer Anknüpfung an den Missbrauch der Rechtsform bei der Suche nach einer dogmatisch stringenteren Begründung auf den auch schon bisherigen Zweck der Verantwortlichkeit des Gesellschafters. Es ginge allein darum, unter Schließung der von §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Schutzlücken, das Gesellschaftsvermögen auch jenseits der Stammkapitalziffer zugunsten der Gläu-
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BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. 99 Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 42; Veil, NJW 2008, S. 3264. 100 So der zweite Leitsatz der Entscheidung, BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552. 101 So noch der Anknüpfungspunkt der Haftung in: BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181. 102 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27. 103 BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 104 So BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27. 98
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bigerbefriedigung vor Eingriffen der Gesellschafter zu schützen105. Der existenzvernichtende Eingriff stelle diesbezüglich einen Verstoß gegen die Pflicht der Gesellschafter zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH dar 106. Der Bundesgerichtshof nimmt somit ein verselbstständigtes Vermögensinteresse der Gesellschaft an107. Die Rücksichtnahmepflicht der Gesellschafter versteht der BGH als das „systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution“108. Ein Verstoß hiergegen rechtfertige daher auch eine Haftung der Gesellschafter entgegen § 13 Abs. 2 GmbHG109. Sei jedoch das Gesellschaftsvermögen als Schutzobjekt der Existenzvernichtungshaftung wieder in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt, so habe das Schutzmodell auch hieran anzuknüpfen110. Deshalb, so der BGH, komme als gebotener Ausgleich für den Eingriff entsprechend des „Basisschutzkonzepts“ der §§ 30, 31 GmbHG und als „systemkonforme Verlängerung“ dieses Gläubigerschutzsystems nur eine Ersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft selbst als Trägerin des geschädigten Gesellschaftsvermögens in Betracht111. Dieses neue Haftungskonzept bekräftigt der II. Senat in den dem „Trihotel“-Urteil nachfolgenden Entscheidungen, um insbesondere mit dem „Gamma“-Urteil vom 28. April 2008112 und dem „Sanitary“-Urteil vom 9. Februar 2009113 dessen Grenzen zu konkretisieren. So stellt der Bundesgerichtshof in der „Gamma“-Entscheidung fest, dass ein existenzvernichtender Eingriff nicht im Unterlassen einer hinreichenden Kapitalausstattung im Sinne einer „Unterkapitalisierung“ zu sehen sei114. Für eine Haf105 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 106 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 107 So explizit die Bestätigung in BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b). 108 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. Siehe auch bereits Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1021. 109 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 110 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 26. 111 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 28, 32 f., 35. Siehe zur dogmatischen Begründung der Haftung ausführlich im Folgenden unter II. 3. 112 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff. 113 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff. 114 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Leitsatz a).
2. Ausgangspunkt und Hintergrund
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tung wegen materieller Unterkapitalisierung sieht der Bundesgerichtshof im Wege höchstrichterlicher Rechtsprechung gar keinen Raum115. Die Möglichkeit einer persönlichen Haftung des Gesellschafters wegen einer materiellen Unterkapitalisierung nach § 826 BGB lässt der Bundesgerichtshof allerdings offen116. Mit der „Sanitary“-Entscheidung erstreckt der II. Senat den Grundsatz eines selbstständigen Vermögensinteresses der Gesellschaft im Sinne der „Trihotel“-Entscheidung auch auf Gesellschaften in Liquidation im Sinne der §§ 69 ff. GmbHG 117. Befinde sich eine Gesellschaft in der Liquidation, so der Bundesgerichtshof, gelte der Grundsatz eines zugunsten der Gläubiger verselbstständigten Vermögensinteresses der Gesellschaft unter Heranziehung des § 73 Abs. 1 und 2 GmbHG erst recht118. Weitere Konkretisierungen finden sich in der Entscheidung des II. Senats vom 23. April 2012 im Hinblick auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung im Rahmen einer Liquidation119 sowie in der Entscheidung vom 24. Juli 2012 im Hinblick auf die Verjährung der Ansprüche aus der Existenzvernichtungshaftung 120.
2. Ausgangspunkt und Hintergrund der Existenzvernichtungshaftung – das gesetzliche Schutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG 2. Ausgangspunkt und Hintergrund Der Bundesgerichtshof hält mit seiner „Trihotel“-Entscheidung und den ihr nachfolgenden Entscheidungen ausdrücklich an der Sanktionierung existenzvernichtender Eingriffe fest. Bei derartigen Eingriffen des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen versage das gesetzliche System der §§ 30, 31 GmbHG beziehungsweise könne es wegen seiner begrenzten Reichweite die gebotene (Gläubiger-)Schutzfunktion von vornherein nicht erfüllen121. Er begreift daher die Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe als systemkonforme Verlängerung des „Basisschutzkonzeptes“ 115 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 Leitsatz b), Rn. 13, 17 ff. 116 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 Leitsatz b), Rn. 25. 117 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 Leitsatz a). 118 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 Leitsatz b). 119 BGH, Urteil v. 23. April 2012, II ZR 252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff. 120 BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff. 121 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 Rn. 19, 24.
ff., ff., ff., ff.,
ff.,
30
II. Deutsche Rechtslage
der §§ 30, 31 GmbHG 122. Sowohl das Erfordernis als auch die Ausgestaltung einer Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe im Sinne der „Trihotel“-Rechtsprechung erschließen sich somit allein vor dem Hintergrund des bestehenden gesetzlichen Gläubigerschutzkonzeptes. a) Regelungsgehalt der §§ 30, 31 GmbHG Der Gläubigerschutz in der GmbH fußt auch nach der Deregulierung durch das MoMiG 123 grundsätzlich auf den Prinzipien der Kapitalaufbringung und -erhaltung124. Letzteres findet seinen zentralen Ausdruck in den §§ 30, 31 GmbHG. § 30 GmbHG bestimmt, dass das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter, zumindest nicht ohne einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch125, ausgezahlt werden darf. Zahlungen, die § 30 GmbHG zuwider geleistet sind, müssen gemäß § 31 GmbHG der Gesellschaft erstattet werden. § 30 GmbHG erfasst jedoch nicht nur Geldleistungen an Gesellschafter, sondern auch andere Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen zugunsten des Gesellschafters, denen eine entsprechende Gegenleistung des Gesellschafters fehlt und die sich auf den Erhalt des Stammkapitals auswirken126. Ziel der §§ 30, 31 GmbHG ist somit die Erhaltung eines gewissen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogenen Kapitalsockels oder – im Hinblick auf den Gläubigerschutz formuliert – eines gewissen „Haftungsfonds“127. Dieser Grundgedanke wird auch durch das MoMiG nicht angetastet. Der Gesetzgeber wendet sich, anders als in Frankreich und den Niederlanden, gerade nicht vom Mindestkapitalerfordernis ab128, zumindest nicht für die GmbH 129.
122
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 28, 33. 123 Siehe hierzu bereits oben unter I. 1., dort unter Fn. 7. 124 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 25. Siehe auch Fleischer, GmbHR 2009, S. 1, 11; Goette, Einführung in das neue GmbH-Recht, Rn. 10 ff. 125 § 30 Abs. 1 S. 2 und 3 GmbHG. 126 Siehe nur BGH, Urteil v. 14. Dez. 1959, II ZR 187/57, BGHZ 31, S. 276; BGH, Urteil v. 10. Mai 1993, II ZR 74/92, BGHZ 122, S. 338; sowie Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 18. 127 Goette, DStR 2003, S. 887; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 5 Rn. 8; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 3 f.; Stimpel, in: FS 100 Jahre GmbHG, S. 349 f. 128 Zu den unterschiedlichen nationalen Ausgestaltungen der Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung siehe ausführlich im Folgenden unter III., IV. und V. 129 Siehe hierzu Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 25.
2. Ausgangspunkt und Hintergrund
31
Nicht zuletzt indem das MoMiG mit der haftungsbeschränkten Unternehmergesellschaft eine Variante der klassischen GmbH einführt130, die ohne jegliches Mindestkapitalerfordernis auskommt 131, ist die Sinnhaftigkeit des durch eine Erhaltung eines Mindestkapitals gewährleisteten Gläubigerschutzes in Frage zu stellen. Dass eine Mindestkapitalgrenze unabhängig von ihrer gesetzlich festgesetzten Höhe im Vergleich zum Umsatzvolumen der jeweiligen GmbH vielfach wesentlich zu gering bemessen ist und somit auch nur einen sehr eingeschränkten Gläubigerschutz entfalten kann, ist bereits lange Gegenstand einer umfassenden Diskussion132. Die Begründung des MoMiG betont dementsprechend statt der ursprünglichen Idee des Mindestkapitals als Haftungsfond zum Schutz der Gläubiger eher die mit dem Mindestkapitalerfordernis verbundene Seriositätsschwelle und den damit verbundenen indirekten Gläubigerschutz133. Dass das System der §§ 30, 31 GmbHG darüber hinaus empfindliche Defizite bezüglich des beabsichtigten Gläubigerschutzes aufweist, hat bereits Röhricht umfassend in seinem grundlegenden Beitrag zur Gesellschafterhaftung aus dem Jahr 2000 im Anschluss an Ulmer, M. Winter und Priester dargelegt134. § 31 GmbHG zielt allein auf den Ausgleich einzelner, entgegen des Verbots des § 30 GmbHG geleisteter Zahlungen. Hierbei wird eine rein bilanzielle Betrachtung zugrunde gelegt 135. Eingriffe des Gesellschafters, die als solche oder deren Folgen in der für § 30 GmbHG maßgeblichen Stichtagsbilanz nicht oder nur ungenügend abgebildet werden, werden entweder bereits gar nicht von der Auszahlungssperre des
130
So ausdrücklich die Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 31. Siehe § 5a GmbHG n.F. Das fehlende Mindestkapital wird allerdings mit besonderen Restriktionen verbunden (siehe § 5a Abs. 2 und 3 GmbHG), die eine Eignung zum „normalen Geschäftsbetrieb“ erheblich einschränken, flankiert durch eine deutlich andere Firmierung (siehe § 5a Abs. 1 GmbHG). Siehe auch Schall, ZGR 2009, S. 126, 129 sowie Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 31. 132 Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 29 f.; Schall, ZGR 2009, S. 126, 130, 132; Thiessen, DStR 2007, S. 202, 203f.; Engert, GmbHR 2007, S. 337; Eidenmüller, ZGR 2007, S. 168, 183 ff.; Veil, in: Scholz, GmbHG, § 5 Rn. 8; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 4; Vetter, ZGR 2005, S. 788, 799; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 5 Rn. 5; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 a, jeweils m.w.N.; vgl. auch die Diskussion zur Haftung wegen materieller Unterkapitalisierung, siehe nur Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 105 und 138 ff. m.w.N. 133 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 29, 31. 134 Siehe oben unter II. 1. b) (2). 135 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 93; Goette, DStR 1997, S. 1495, 1496; Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 18, 53, 58 ff.; Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30, Rn. 10 ff. 131
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II. Deutsche Rechtslage
§ 30 GmbHG erfasst oder aber durch den Erstattungsanspruch des § 31 GmbHG nur unzureichend kompensiert136. Zu denken ist hier an den Entzug von Geschäftsfeldern und -chancen oder die Verlagerung personeller Ressourcen, die bilanziell überhaupt nicht erfasst werden, jedoch einen schweren Einschnitt in die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft bedeuten können137. Darüber hinaus sind auch solche Maßnahmen zu bedenken, die einen bilanziellen Niederschlag zwar jenseits der Grenze des § 30 GmbHG finden, aber deren Folgen weit über den bilanziell erfassbaren Entzug hinausreichen und letztlich ebenfalls die Insolvenz der Gesellschaft zur Folge haben. Beispiel für letzteres ist die Entnahme betriebswichtiger oder notwendiger Produktionsmittel138. Werden sie der Gesellschaft entzogen, so schlägt sich dies bilanziell im Verlust des Buchwertes nieder. De facto bricht jedoch durch den Entzug notwendiger Produktionsmittel, wie beispielsweise betriebsnotwendiger Maschinen, die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zusammen. Die Folgen eines solchen Zusammenbruchs wiegen weit schwerer als der Entzug des Buchwertes. Schließlich versagt das Einzelausgleichsystem der §§ 30, 31 GmbHG auch bei solchen Maßnahmen, die zwar die Grenze des § 30 GmbHG überschreiten und somit dem Einzelausgleich zugänglich sind, aber deren Ausgleich allein den entstandenen Schaden nicht zu kompensieren vermag. Beispiel hierfür ist die Entnahme liquider Mittel, die benötigt werden um erst zukünftig fällige und daher noch nicht in die Stichtagsbilanz aufgenommene Verbindlichkeiten wie Gehälter oder Mieten zu decken139. Im letzteren Fall tritt eine weitere Schwäche der bilanziellen Betrachtungsweise der §§ 30, 31 GmbHG zu Tage, nämlich deren Stichtagsbezogenheit. Der Bundesgerichtshof spricht bei all diesen eingriffsbedingten Schädigungen, deren negative Folgen über eine durch die §§ 30, 31 GmbHG gewährte Entschädigung hinausgehen, von weiterreichenden „Kollateralschäden“140. Die Schranke des § 30 GmbHG stellt somit nur einen Minimalschutz des Gesellschaftsvermögens und daher mittelbar auch nur einen 136 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 24. Siehe zu dieser und den übrigen Fallgruppen ausführlich im Folgenden unter II. 4. d). 137 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 93. 138 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 93; Hirte, NJW 2003, S. 1154, 1157. 139 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94; Hirte, NJW 2003, S. 1154, 1157; anders Ulmer, in: FS Pfeiffer, S. 853, 868 f., der derartigen Risiken bereits „durch entsprechende Wertberichtigungen auf der Aktivseite sowie durch die Bildung von Rückstellungen zur Abdeckung der mit einem Zusammenbruch der GmbH verbundenen Zusatzbelastungen“ bilanziell berücksichtigen will. 140 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 21.
2. Ausgangspunkt und Hintergrund
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Minimalschutz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger dar141, der de facto einen Schutz gegen Ausplünderungen der Gesellschafter nicht zu gewährleisten vermag 142. b) Regelungsgehalt des die §§ 30, 31 GmbHG flankierenden Gläubigerschutzes Die Betrachtung des durch die §§ 30, 31 GmbHG gewährten Gläubigerschutzes und seiner Lücken als Grundlage und Berechtigung der Existenzvernichtungshaftung würde zu kurz greifen, würde man die flankierenden Gläubigerschutzinstrumente ausblenden. Die Existenzvernichtungshaftung, unabhängig von ihrer dogmatischen Grundlage, erhält erst unter zwei wieteren Voraussetzungen ihre Berechtigung. Bei den bereits erwähnten gläubigerschädigenden Eingriffen der Gesellschafter muss auch bei den die §§ 30, 31 GmbHG flankierenden gläubigerschützenden Regelungen eine Lücke bestehen, die der Gesetzgeber gerade nicht gewollt hat 143. Letzteres ist durch die Begründung des MoMiG und dem Absehen des Gesetzgebers von einer abschließenden Regelung der Existenzvernichtungshaftung allein mit Blick auf die Entwicklung der Rechtsprechung 144 leicht zu bejahen. Ersteres bedarf hingegen – vor allem vor den in der Literatur geäußerten Zweifeln145 – einer detaillierten Untersuchung. (1) Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer bei Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen Neben die Regelung der §§ 30, 31 GmbHG treten zunächst eine Reihe von Ansprüchen gegen den Geschäftsführer, die sowohl zum Ersatz von Zahlungen verpflichten, die aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet wurden, als auch zum Schadensersatz146. Während § 43 Abs. 3 GmbHG explizit an Zahlungen anknüpft, die entgegen § 30 GmbHG geleistet wurden, erfasst § 64 S. 1 GmbHG Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung geleistet wurden und Satz 3 dieser Vorschrift solche, die zu einer Zahlungsunfähigkeit führen mussten. § 73 Abs. 1 GmbHG wiederum verbietet eine Verteilung des Gesellschaftsver141
Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 101. Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 93 f.; ders., ZIP 2005, S. 505, 514. Siehe auch Dauner-Lieb, DStR 2006, S. 2034, 2037; Goette, DStR 2007, S. 1593; K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 449, 456. 143 Siehe diesbezüglich Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 354 ff., 418 ff. Siehe hierzu auch ausführlich unter II. 3. 144 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46. 145 Siehe hierzu bereits oben unter II. 1. b) (4). 146 Siehe ausführlich zur Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe im Folgenden unter II. 5. 142
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II. Deutsche Rechtslage
mögens im Rahmen einer Liquidation vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und knüpft in Absatz 3 an einen Verstoß gegen Absatz 1 ebenfalls eine Ersatzpflicht, hier der Liquidatoren. In jeweils entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG auf den sowohl § 64 S. 4 GmbHG als auch § 73 Abs. 3 S. 2 GmbHG verweisen, kann auf die genannten Ersatzansprüche dann nicht verzichtet werden, sofern der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Darüber hinaus normiert § 43 Abs. 2 GmbHG eine generelle Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer bei Verstößen gegen die ihnen gegenüber der Gesellschaft obliegenden Pflichten. Neben der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zählt hierzu nunmehr auch das in § 64 S. 3 GmbHG neu kodifizierte Auszahlungsverbot. Aus der Zusammenschau der §§ 43 Abs. 3, 64 S. 1 und 3 sowie 73 Abs. 1 und 3 GmbHG wird deutlich, dass das GmbHG auch neben den §§ 30, 31 GmbHG grundsätzlich auf eine Erhaltung eines Kapitalsockels zum Schutz der Gläubiger zielt 147. § 43 Abs. 2 GmbHG hingegen zielt allein auf einen Ersatz des der Gesellschaft durch die Verletzung einer Organpflicht entstandenen Schadens und bezieht somit eventuelle Gläubigerinteressen nur mittelbar mit ein148. Sämtliche dieser Ansprüche teilen allerdings, soweit sie überhaupt tatbestandlich einen existenzvernichtenden Eingriff erfassen149, die gleiche Schwäche. Adressat dieser Vorschriften ist allein der Geschäftsführer beziehungsweise Liquidator der Gesellschaft. Dieser ist jedoch allenfalls „Auslöser oder Gehilfe“ der Eingriffe des Gesellschafters150. Der in der Regel zu eigenem Vorteil handelnde Gesellschafter wird von diesen Vorschriften gerade nicht erfasst. Die §§ 43, 64 als auch 73 GmbHG sind somit nicht in der Lage, die Lücken der §§ 30, 31 GmbHG bei existenzvernichtenden Eingriffen des Gesellschafters zu schließen.
147 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 10; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 6, § 73 Rn. 1; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 140; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 77, 102; ders., in: Ulmer, GmbHG, Erg.-Bd. MoMiG, § 64 Rn. 4. 148 Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 166; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 39; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 2 ff., 307. Siehe auch BGH, Urteil v. 18. März 1974, II ZR 2/72, NJW 1974, S. 1088. 149 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter II. 5. 150 So auch die Begründung des MoMiG zu § 64 S. 3 GmbHG, RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46. Siehe zur Stellung des Geschäftsführers bei Eingriffen der Gesellschafter auch im Folgenden unter II. 5. a).
2. Ausgangspunkt und Hintergrund
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(2) Haftung der Gesellschafter als faktische Geschäftsführer gemäß § 43 GmbHG analog Vor allem Wilhelm und Altmeppen haben ausgehend von einer Sorgfaltspflicht des beherrschenden Gesellschafters über eine analoge Anwendung des § 43 Abs. 2 GmbHG auch auf Gesellschafter einer GmbH nachgedacht und damit die Lehre von der Sorgfaltshaftung des beherrschenden Gesellschafters als Quasi-Geschäftsführer begründet151. Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern152 geht die Rechtsprechung in Deutschland jedoch äußerst restriktiv mit der Annahme einer faktischen Geschäftsführung um. Erforderlich ist ein nach Außen wahrnehmbares, üblicherweise der Geschäftsleitung zuzurechnendes Handeln153. Da die in Rede stehenden existenzvernichtenden Eingriffe gerade auch denkbar sind, wenn lediglich Weisungen im Innenverhältnis erteilt werden, vermag die Annahme einer faktischen Geschäftsleitung schon tatbestandlich nicht sämtliche denkbaren Fälle der Existenzvernichtung abzudecken. Darüber hinaus wäre es widersinnig, ein Gesellschafterhandeln ausgehend von Geschäftsführerpflichten zu sanktionieren, deren Ausgestaltung im Wesentlichen den Gesellschaftern zusteht. Dieser Umweg wird daher zu Recht abgelehnt 154. (3) Ersatzpflicht der Gesellschafter gemäß § 73 Abs. 1 i.V.m. § 31 GmbHG analog Im Rahmen einer Liquidation außerhalb eines Insolvenzverfahrens verbietet § 73 Abs. 1 GmbHG jede Verteilung des Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter, die vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft und vor Ablauf eines Sperrjahres stattfindet. Handelt der Liquidator dieser Vorschrift zuwider, ist er gemäß § 73 Abs. 3 S. 1 GmbHG zum Ersatz der verteilten Beträge verpflichtet. § 73 Abs. 1 GmbHG stellt somit eine Verschärfung der Auszahlungssperre des § 30 GmbHG für den Fall der Liquidation der Gesellschaft dar155. Ist unter Verstoß gegen dieses verschärfte Auszahlungsverbot Vermögen an die Gesellschafter verteilt 151
Siehe hierzu bereits oben unter II. 1. b) (2). Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter III., IV. und V. 153 Siehe nur BGH, Urteil v. 21. März 1988, II ZR 194/87, BGHZ 104, S. 44, 48; BGH, Urteil v. 25. Feb. 2002, II ZR 196/00, WM 2002, S. 960. 154 Siehe Lutter, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. § 13 Rn. 22; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 13; Ziemons, Die Haftung der Gesellschafter für Einflussnahmen auf die Geschäftsführung der GmbH, S. 268; Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 391, 416; ders., ZIP 2001, S. 2021, 2025; Wilhelmi, DZWIR 2003, S. 45, 51 f.; a.A. Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 26. 155 Siehe nur BGH, Urteil v. 2. März 2009, II ZR 264/07, ZIP 2009, S. 1111 ff., Rn. 20. 152
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worden, sind diese in entsprechender Anwendung des § 31 GmbHG zur Rückgewähr verpflichtet156. Die Ausschüttungssperre des § 73 GmbHG ist jedoch nur im Rahmen der Auflösung der Gesellschaft außerhalb eines Insolvenzverfahrens anwendbar157. Eingriffe der Gesellschafter vor Beginn des Auflösungsverfahrens, der nach Außen regelmäßig durch die Anmeldung der Auflösung zum Handelsregister wahrnehmbar ist, werden somit bereits tatbestandlich nicht erfasst. Darüber hinaus bleibt der Anspruch auf die Höhe des Empfangenen begrenzt 158 und teilt damit die Schwäche des § 31 GmbHG in Hinblick auf die weiterreichenden „Kollateralschäden“. (4) Haftung der Gesellschafter gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz In der Literatur ist verschiedentlich und mit jeweils unterschiedlichen Ergebnissen darauf hingewiesen worden, dass die durch die §§ 30, 31 GmbHG nicht erfassten Sachverhalte im Rahmen des § 823 Abs. 2 zu lösen seien159. Dieser nehme gerade auch das Rechtsfolgensystem der Existenzvernichtungshaftung ohne größere Schwierigkeiten auf160. Im Gegensatz zur Neuausrichtung der Existenzvernichtungshaftung als Innenhaftung durch die „Trihotel“-Entscheidung 161 böte eine Lösung über § 823 Abs. 2 BGB außerdem den Vorteil, dass bei einem Verstoß gegen ein die Gläubiger schützendes Gesetz im Sinne dieser Vorschrift diesen ein unmittelbarer Anspruch gegen die Gesellschafter zustünde. Nach § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige zum Schadensersatz verpflichtet, der gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Die Voraussetzung einer Inanspruchnahme der Gesellschafter über § 823 Abs. 2 BGB ist somit, dass diese durch den existenzvernichtenden Eingriff gegen ein die Gläubiger schützendes Gesetz verstoßen haben.
156 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 19; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 73 Rn. 17. Siehe auch BGH, Urteil v. 2. März 2009, II ZR 264/07, ZIP 2009, S. 1111 ff., Leitsatz c). 157 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 73 Rn. 4; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 1. 158 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 21; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 73 Rn. 19. 159 Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 120 f.; Römermann/Schröder, GmbHR 2001, S. 1015, 1018 f.; Haas, WM 2003, S. 1929, 1940; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 345 f., allerdings nur für die Liquidationsgesellschaft. 160 Haas, WM 2003, S. 1929, 1940. 161 Siehe ausführlich hierzu im Folgenden unter II. 3. c).
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(a) § 30 GmbHG § 30 GmbHG schützt den Bestand des Stammkapitals als einen der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogenen Haftungsfonds 162. Die Vorschrift dient damit zumindest auch mittelbar dem Schutz der Gläubiger163. Da aber letztere mediatisiert durch diesen Haftungsfonds gerade nur mittelbar geschützt werden, verneint die herrschende Meinung den Schutzgesetzcharakter der Vorschrift im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gläubiger 164. Dies wird mit der „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs umso deutlicher. Schutzobjekt der §§ 30, 31 GmbHG sei allein das Gesellschaftsvermögen. Gläubiger würden hierdurch nur „mittelbar“ geschützt165. Von der bereits fraglichen Eigenschaft als Schutzgesetz abgesehen, würde eine Haftung der Gesellschafter über § 823 Abs. 2 i.V.m. § 30 GmbHG darüber hinaus schon tatbestandlich die gleichen Schwächen wie die Ersatzpflicht gemäß §§ 30, 31 GmbHG teilen. Die Schutzlücke im Rahmen des existenzvernichtenden Eingriffs besteht insbesondere bei solchen Eingriffen, die außerhalb der Grenze des § 30 GmbHG liegen oder bilanziell nicht zu erfassen sind 166. Mangels eines Verstoßes gegen § 30 GmbHG würde daher eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB ausscheiden. (b) Insolvenzantragspflicht gemäß § 15a Abs. 1 und 3 InsO § 15a Abs. 1 InsO normiert seit dem MoMiG die vormals unter § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. geregelte Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft. Im Falle der Führungslosigkeit der Gesellschaft trifft die Insolvenzantragspflicht nach § 15a Abs. 3 InsO nunmehr auch die Gesellschafter, sofern diese Kenntnis sowohl von der Führungslosigkeit als auch von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung haben. Der Regelungszweck dieser Vorschrift besteht unstreitig in der rechtzeitigen Einleitung eines Insolvenzverfahrens und damit, so auch die Begründung des MoMiG ausdrücklich, im Schutz sowohl der Altgläubiger vor 162
Siehe hierzu bereits oben unter I. 2. a). Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 2; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 1; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 30 Rn. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 30 Rn. 5. 164 Siehe BGH, Urteil v. 19. Feb. 1990, II ZR 268/88, BGHZ 110, S. 342, 359 f.; Hommelhoff, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 30 Rn. 1; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, § 30 Rn. 1; siehe auch Verse, in: Scholz, GmbHG, § 30 Rn. 126; a.A. Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“?, S. 259 ff. 165 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 26. 166 Siehe hierzu ausführlich bereits unter I. 2. a) 163
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weiterer Verringerung der Haftungsmasse als auch der Neugläubiger vor Vertragsabschluss mit notleidenden Gesellschaften167. Ebenso handelt es sich bei der Insolvenzantragspflicht nunmehr des § 15a Abs. 1 InsO um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB168. Da die in § 15a Abs. 3 InsO normierte Ersatzzuständigkeit der Gesellschafter den gleichen Regelungszweck wie bereits Absatz 1 dieser Vorschrift verfolgt, ist auch § 15a Abs. 3 InsO als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Stellt ein Geschäftsführer nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der Gesellschaft schuldhaft nicht rechtzeitig einen Insolvenzantrag, so besteht für den daraus resultierenden Schaden eine Ersatzpflicht gegenüber den geschädigten Gläubigern nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 InsO. Bei Führungslosigkeit der Gesellschaft trifft die Gesellschafter eine Ersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a Abs. 3 InsO. Im Gegensatz zur Existenzvernichtungshaftung knüpft die Haftung nach § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 oder 3 InsO tatbestandlich daran an, dass eine Zahlungsunfähigkeit beziehungsweise Überschuldung der Gesellschaft bereits vorliegt. Existenzvernichtende Eingriffe führen jedoch erst in die Insolvenz. Die bestehenden Lücken bei existenzvernichtenden Eingriffen können somit auch im Rahmen von § 823 Abs. 2 i.V.m. § 15a Abs. 1 oder 3 InsO nicht geschlossen werden. (c) Ausschüttungssperre des § 73 Abs. 1 GmbHG Eine Erfassung der existenzvernichtenden Eingriffe im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB wird bereits von Winter und Priester und jüngst von Haas und Schwab unter Heranziehung des § 73 GmbHG befürwortet169. Indem § 73 167 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 55. Siehe auch Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 1, 4 f., ders., in: Ulmer, GmbHG, Erg.-Bd. MoMiG, § 64 Rn. 1; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 45; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh. zu § 64 Rn. 64, jeweils m.w.N. sowie BGH, Urteil v. 6. Juni 1996, II ZR 292/91, BGHZ 126, S. 181, 194; BGH, Urteil v. 25. Juli 2005, II ZR 390/03, BGHZ 164, S. 50, 60; BGH, Urteil v. 18. Dez. 2007, VI ZR 231/06, WM 2008, S. 456, 457, 459. 168 BGH, Urteil v. 16. Dez. 1958, VI ZR 245/57, BGHZ 29, S. 100; BGH, Urteil v. 9. Juli 1979, II ZR 118/77, BGHZ 75, S. 96, 106; BGH, Urteil v. 30. März 1998, II ZR 146/96, BGHZ 138, S. 211, 214; BGH, Urteil v. 5. Feb. 2007, II ZR 234/05, BGHZ 171, S. 46, 49, 51. Siehe auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 64 Rn. 64; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, Anh. § 64 Rn. 44; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 115, 118; ders., in: Ulmer, GmbHG, Erg.-Bd. MoMiG, § 64 Rn. 125 ff.; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 157; Schulze-Osterloh, in: FS Lutter, S. 707, 708 ff.; a.A. Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rn. 33. 169 Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 204 f.; ders., ZGR 1994, S. 570, 586; Priester, ZGR 1993, S. 512, 521; Haas, WM 2003, S. 1929, 1940; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 346 f.
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GmbHG explizit einen Vorrang der Gläubiger normiert, stellt die Vorschrift nach heute herrschender Meinung ein Schutzgesetz zugunsten der Gesellschaftsgläubiger dar170. § 73 GmbHG findet jedoch nur im Rahmen eines Auflösungsverfahrens außerhalb eines Insolvenzverfahrens Anwendung. Existenzvernichtende Eingriffe vor Beginn eines solchen Verfahrens werden somit tatbestandlich nicht erfasst. Aufgrund dieser tatbestandlichen Schwäche der Vorschrift haben sich zuletzt Haas und Schwab für eine analoge Heranziehung des § 73 Abs. 1 GmbHG auch außerhalb eines geregelten Auflösungsverfahrens ausgesprochen171. Beide stützen sich darauf, dass durch einen existenzvernichtenden Eingriff die Gesellschaft kalt liquidiert wird, das heißt, ohne dass ein ordnungsgemäßes Auflösungsverfahren eingeleitet wurde172. Der Unrechtsgehalt eines solchen Vorgehens wiege daher noch schwerer als die Verletzung des § 73 Abs. 1 GmbHG nach ordnungsgemäßer Auflösung 173. Wenn nun im letztgenannten Fall ein Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen zu einer Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 73 GmbHG führe, dann müsse erst recht ein existenzvernichtender Eingriff zu einer solchen Haftung führen174. Adressat des § 73 GmbHG ist jedoch allein der Liquidator der Gesellschaft 175. Folgt man daher der Argumentation von Haas und Schwab, so handelt es sich bei der Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 73 GmbHG um eine doppelte Analogie. Zunächst müsste die Vorschrift auf Fälle außerhalb eines geregelten Auflösungsverfahrens erstreckt werden um dann auch auf Gesellschafter erweitert zu werden. Es verwundert daher nicht, dass die herrschende Meinung einen unmittelbaren Anspruch der Gläubiger gegen die Gesellschafter ablehnt176. Die Gesellschafter trifft vielmehr bei einem Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG eine Rückgewährpflicht in entsprechender Anwendung des § 31 GmbHG 177. 170
K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 32; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 73 Rn. 14; Paura, in: Ulmer, GmbHG, § 73 Rn. 48; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 73 Rn. 22. Kritisch Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 73 Rn. 23. 171 Haas, WM 2003, S. 1929, 1940; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 346 f. 172 Haas, WM 2003, S. 1929, 1940; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 346 f. 173 Schwab, ZIP 2008, S. 341, 346. 174 Schwab, ZIP 2008, S. 341, 347. 175 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 32; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 73 Rn. 14; Paura, in: Ulmer, GmbHG, § 73 Rn. 48. Siehe auch Bruns, WM 2003, S. 815, 817. 176 Paura, in: Ulmer, GmbHG, § 73 Rn. 55; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 73 Rn. 23; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, § 73 Rn. 16; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 73 Rn. 30; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 73 Rn. 20. 177 Siehe hierzu bereits oben unter II. 2. b) (4) (c).
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II. Deutsche Rechtslage
Allerdings ist darüber hinaus grundsätzlich eine Teilnehmerhaftung der Gesellschafter gemäß §§ 830 Abs. 2, 840 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 73 GmbHG möglich178. Im Hinblick auf eine mögliche Erfassung existenzvernichtender Eingriffe verkennt eine solche Teilnehmerhaftung jedoch, dass Liquidatoren ebenso wie Geschäftsführer nur Gehilfen existenzvernichtender Eingriffe der Gesellschafter sind und nicht umgekehrt. Zum anderen vermag eine solche Teilnehmerhaftung nicht über die tatbestandliche Schwäche des § 73 GmbHG hinwegzuhelfen, der ausschließlich im Rahmen eines regulären Auflösungsverfahrens anwendbar ist. Existenzvernichtende Eingriffe finden in der Regel jedoch außerhalb eines solchen Verfahrens statt. (d) Untreue, § 266 StGB § 266 StGB stellt ganz unstreitig ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB dar179, sodass dessen Heranziehung auch zur Erfassung der zivilrechtlichen Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe grundsätzlich in Betracht kommt. Voraussetzung des § 266 StGB ist eine pflichtwidrige Verletzung fremder Vermögensinteressen, zu deren Wahrnehmung der Täter unter anderem aufgrund eines Treueverhältnisses verpflichtet ist 180. Eine Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB kommt daher nur in Betracht, sofern den Gesellschafter eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB trifft. Eine zumindest gesellschaftsrechtlich begründete Treuepflicht des herrschenden Gesellschafters gegenüber seiner Gesellschaft als Begründungsansatz für eine Existenzvernichtungshaftung haben unter anderem bereits Winter und Ulmer herangezogen181. Den herrschenden Gesellschafter träfe die Pflicht auf das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft Rücksicht zu nehmen. Dieses Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft sei zumindest auf die Bestandserhaltung gerichtet182. Auch K. Schmidt leitet aus einem zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter bestehenden mitgliedschaftlichen Sonderrechtsverhältnis ab, dass bestandsvernichtende Eingriffe nicht erlaubt seien183. 178
Siehe nur Paura, in: Ulmer, GmbHG, § 73 Rn. 55 mit Verweis auf BGH, Urteil v. 21. Juni 1999, II ZR 47/98, BGHZ 142, S. 92 ff. 179 Siehe nur BGH, Urteil v. 17. März 1987, VI ZR 282/85, BGHZ 100, S. 190, 192 m.w.N. 180 § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB. 181 Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 391, 416 ff.; ders., ZIP 2001, S. 2021, 2026; Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, S. 190 ff., 202 ff. 182 Ulmer, ZHR 148 (1984), S. 391, 419 f. 183 K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577, 3580.
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Im Gegensatz zu den Zivilgerichten184 sieht die Praxis der Strafgerichte seit jeher in einem existenzvernichtenden Eingriff einen Verstoß gegen die den Gesellschaftern gegenüber der Gesellschaft obliegende Treuepflicht auch im Sinne des § 266 StGB185. So urteilte der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, dass eine Alleingesellschafterin zumindest die Pflicht träfe, das Vermögen der abhängigen Gesellschaft insoweit zu betreuen, als sie bei ihren Dispositionen über Vermögenswerte einer abhängigen Gesellschaft deren Existenz nicht gefährde. Die herrschende Gesellschaft habe auf das Eigeninteresse der abhängigen Gesellschaft an der Aufrechterhaltung ihrer Fähigkeit ihren Verbindlichkeiten nachzukommen angemessen Rücksicht zu nehmen186. Auch das „Bremer Vulkan“-Urteil des II. Zivilsenats fasst die Fälle des existenzvernichtenden Eingriffs neben einer genuin gesellschaftsrechtlichen Lösung unter § 823 Abs. 2 i.V.m. § 266 StGB187. Die für eine Heranziehung des § 266 StGB erforderliche strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht knüpft der II. Zivilsenat in „Bremer Vulkan“ ausschließlich an die Stellung als beherrschendes Unternehmen, mit der er bereits die gesellschaftsrechtliche Rücksichtnahmepflicht im Rahmen der genuin gesellschaftsrechtlichen Lösung begründet188. Damit leitet der II. Senat jedoch die strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 StGB ausschließlich aus einer gesellschaftsrechtlichen Pflicht her189. Eine eigenständige strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht nimmt der Zivilsenat somit gerade nicht an. Dementsprechend weist Zöllner zutreffend darauf hin, dass es bei einer gesellschaftsrechtlich begründeten Treuepflicht eines Umweges über das Strafrecht samt Deliktsrecht gar nicht bedürfe 190.
184
Siehe nur BGH, Urteil v. 21. Juni 1999, II ZR 47/98, BGHZ 142, S. 92, 95. Hier verneint der II. Zivilsenat die Anwendbarkeit von § 266 StGB, wenn die Gesellschafter einvernehmlich der Gesellschaft Vermögen jenseits der Grenze des § 30 GmbHG entziehen. 185 BGH, Urteil v. 29. Mai 1987, 3 StR 242/86, BGHSt 34, S. 379 ff.; BGH, Urteil v. 24. Aug. 1988, 3 StR 232/88, NJW 1989, S. 112 ff.; BGH, Urteil v. 13. Mai 2004, 5 StR 73/03, BGHSt. 49, S. 147, 157 ff., zuletzt BGH, Beschluss v. 31. Juli 2009, 2 StR 95/09, AG 2009, S. 787, 788 f. 186 BGH, Urteil v. 24. Aug. 1988, 3 StR 232/88, NJW 1989, S. 112. Siehe auch zuletzt BGH, Beschluss v. 31. Juli 2009, 2 StR 95/09, AG 2009, S. 787, 788 f. 187 BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 17. Siehe hierzu bereits oben unter I. 1. b) (1). 188 BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 16 f. 189 Der ebenfalls mit „Bremer Vulkan“ befasste 5. Strafsenat nimmt insoweit explizit auf die vorhergehende zivilrechtliche Entscheidung Bezug, siehe BGH, Urteil v. 13. Mai 2004, 5 StR 73/03, BGHSt. 49, S. 147, 158, 160. 190 Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1013 f.
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II. Deutsche Rechtslage
Stützt man die Existenzvernichtungshaftung auf eine Pflichtverletzung des Gesellschafters und zieht diese zugleich als Grundlage der Verletzung der strafrechtlichen Vermögensbetreuungspflicht heran, so werden existenzvernichtende Eingriffe von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB erfasst. Zur Begründung der Existenzvernichtungshaftung bedarf es dann aber keines Umwegs über das Straf- und Deliktsrecht. Es handelt sich bei diesem Umweg vielmehr um einen Zirkelschluss. Legt man der Existenzvernichtungshaftung die Verletzung einer Gesellschafterpflicht zugrunde, so vermag bereits diese Pflichtverletzung eine zivilrechtliche Haftung zu begründen191. Eine erst von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB zu schließende Schutzlücke besteht somit nicht. Die Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB folgt vielmehr der Haftung wegen der Pflichtverletzung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, da diese gesellschaftsrechtliche Pflicht auch die Grundlage der strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht schafft. (5) Anfechtungsrechte des AnfG und der §§ 129 ff. InsO Die diversen Anfechtungsrechte sowohl innerhalb als auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens eröffnen den Gläubigern die Möglichkeit für sie nachteiligen Rechtshandlungen ihres Schuldners zu begegnen. In Ergänzung des Vollstreckungsrechts können sie sich den Zugriff auf dieses Vermögen wieder erschließen beziehungsweise die Insolvenzmasse anreichern192. Gerade die Tatbestände der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung, § 3 AnfG, § 133 InsO oder der unentgeltlichen Leistung, § 4 AnfG, § 134 InsO können die hier in Rede stehende Ausplünderung der Gesellschafter jenseits der Ausgleichspflicht des § 31 GmbHG tatbestandlich abdecken193. Dies auch deshalb, weil das Anfechtungsrecht nicht auf rechtsgeschäftliche Handlungen beschränkt ist, sondern auch geschäftsähnliche Handlungen und sogar Realakte zulasten des Vollstreckungszugriffs erfasst 194. Außerdem reicht bereits eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus 195. Damit erfassen diese Vorschriften im Vergleich zu den §§ 30, 31 GmbHG vor allem den Entzug wichtiger Produktionsmittel oder Geschäftschancen, sofern die an die GmbH gezahlte Gegenleistung den Entzug nicht zu kom-
191
Siehe zur Frage des Bestehens einer Gesellschafterpflicht zum Unterlassen existenzvernichtender Eingriffe ausführlich im Folgenden unter II. 3. c) (2) (c). 192 Huber, AnfG, Einf. Rn. 9; Kießner, in: Braun, InsO, Einf. Rn. 21. 193 Röhricht, ZIP 2005, S. 505, 514; Nasall, ZIP 2003, S. 969, 973 ff. 194 Huber, AnfG, § 1 Rn. 5; de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 10 f. 195 Huber, AnfG, § 1 Rn. 50; § 3 Rn. 20; § 4 Rn. 10; de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 24.
2. Ausgangspunkt und Hintergrund
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pensieren vermag196. Die Anfechtungstatbestände bieten darüber hinaus den Vorteil, dass es gerade keines Kausalzusammenhangs zwischen der jeweiligen Rechtshandlung und der Insolvenz bedarf197. Allerdings teilt auch das Anfechtungsrecht eine Schwäche der Kapitalerhaltungsregelungen. Der Anfechtungsgegner ist allein zur Rückgewähr dessen verpflichtet, was durch die anfechtbare Handlung aus der Masse ausgeschieden ist beziehungsweise zu Wertersatz198. Bei Empfang einer unentgeltlichen Leistung kann sich der Empfänger dieser Leistung sogar auf Entreicherung berufen199. Insoweit werden gerade die weiterreichenden „Kollateralschäden“, also die Schäden, deren Wirkung über den konkreten Eingriff hinausreichen, ebenfalls nicht von den Anfechtungsrechten des AnfG und der InsO kompensiert. Als Beispiel diente bereits oben die Entnahme betriebsnotwendiger Maschinen mit der Folge eines Betriebsausfalls oder der Entzug von Geschäftsfeldern und -chancen200. Die Anfechtungsrechte des AnfG als auch der InsO decken somit vielfach die im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung erörterten Sachverhalte tatbestandlich ab, gerade wenn es sich um Maßnahmen jenseits der Stammkapitalziffer handelt 201. Ebenso wie die §§ 30, 31 GmbHG erfassen die Regelungen des AnfG und der InsO aber gerade nicht die weiterreichenden Schädigungen des Gesellschaftsvermögens, so dass auch diese Regelungen nicht die bestehende Schutzlücke zu beseitigen vermögen. c) Zusammenfassung und Stellungnahme Betrachtet man das die §§ 30, 31 GmbHG flankierende Gläubigerschutzsystem, so fallen drei Aspekte ins Auge. Zunächst bietet das GmbHG mit seinen diversen Ersatzansprüchen selbst Schutzmechanismen, die das Vermögen der Gesellschaft auch jenseits der Stammkapitalziffer und somit jenseits des § 30 GmbHG schützen, zumindest sofern dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger zwingend erforderlich ist. Dieser Schutz 196 Im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO genügt nicht einmal eine unmittelbar geleistete gleichwertige Gegenleistung um die Anfechtbarkeit zu verhindern, siehe § 142 InsO. 197 Für das AnfG bedarf es nach § 1 Abs. 1 AnfG schon tatbestandlich keines Insolvenzverfahrens, im Rahmen der §§ 129 ff. InsO genügt es, wenn zwischen Gläubigerbenachteiligung und Rechtshandlung ein Kausalzusammenhang dergestalt besteht, dass ohne die Rechtshandlung eine günstigere Befriedigungsmöglichkeit bestanden hätte, also lediglich mehr Masse zur Verfügung gestanden hätte, siehe de Bra, in: Braun, InsO, § 129 Rn. 34 ff. 198 Siehe § 11 Abs. 1 S. 2 AnfG bzw. § 143 Abs. 1 S. 2 InsO i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB 199 Siehe § 11 Abs. 2 AnfG, § 143 Abs. 2 InsO. 200 Siehe hierzu bereits oben unter II. 2. a). 201 Siehe die ausführlichen Darstellungen bei Nassall, ZIP 2003, S. 969, 974 ff.; Haas, ZIP 2006, S. 1373, 1375 ff. Siehe auch Rubner, DStR 2005, S. 1694, 1695.
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II. Deutsche Rechtslage
umfasst seit der Neuregelung des § 64 GmbHG durch das MoMiG nunmehr auch zur Insolvenz der Gesellschaft führende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen. All diese Regelungen knüpfen jedoch an die Person des Geschäftsführers beziehungsweise Liquidators an. Existenzvernichtende Eingriffe der Gesellschafter im eigenen Interesse werden somit von diesen Regelungen nicht erfasst. Stellt man auf die Person des Gesellschafters ab, so sind ausschließlich die Regelungen des AnfG und der InsO in der Lage, einen existenzvernichtenden Eingriff ohne die Begründung oder Anerkennung einer besonderen Gesellschafterpflicht zumindest auf Tatbestandsseite zu erfassen. Dies gilt vor allem für solche Eingriffe, die die Grenze des § 30 GmbHG nicht berühren und vor einer Insolvenz oder einem Liquidationsverfahren nach §§ 65 ff. GmbHG stattfinden. Beispiel ist auch hier der Entzug von Geschäftschancen oder produktionsnotwendiger Mittel. Blickt man auf die Rechtsfolgenseite, so ist festzustellen, dass der vom Bundesgerichtshof mit der Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung bezweckte Schutz vor „Kollateralschäden“, also vor solchen Schäden, die gerade über den Betrag des konkreten Eingriffs hinausreichen und durch einen Ersatz des entzogenen Vermögens allein nicht kompensiert werden können, auch nicht durch die Anfechtungsregeln gewährleistet wird. Sämtliche der betrachteten Vorschriften sehen auf Seiten des Gesellschafters lediglich eine Rückgewähr des tatsächlich Entnommenen vor. Die Schutzlücken im Gläubigerschutzsystem der GmbH bezüglich eines existenzvernichtenden Eingriffs der Gesellschafter bestehen somit vor allem auf der Rechtsfolgenseite 202. Würde man nun diese Schutzlücken im Hinblick auf das Verhalten der Gesellschafter allein mittels der Regelungen schließen, die eine Haftung des Geschäftsführers vorsehen, so verlagerte man das Haftungsrisiko allein auf den Gehilfen des existenzvernichtenden Eingriffs und nicht auf den wahren Täter203. Dass das fehlende Haftungsrisiko des Gesellschafters bei existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen auch vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, findet nunmehr seine unmittelbare Stütze in der Begründung des MoMiG. Diese führt ausdrücklich aus, dass durch die Teilregelung des existenzvernichtenden Eingriffs in § 64 GmbHG gerade
202 In der Einschätzung so auch Rubner, Der Konzern 2007, S. 635, 641 f., der allerdings die mögliche Haftung der Geschäftsführer bei der Betrachtung nicht mit einbezieht. 203 Siehe auch die Einschätzung von K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 449, 453, der durch die Einführung des § 64 S. 3 GmbHG von einer Potenzierung der Geschäftsführerrisiken im Gegensatz zu einer generellen Entschärfung der Gesellschafterrisiken durch das MoMiG ausgeht.
3. Das neue Konzept des Bundesgerichtshofs
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keine abschließende Regelung der Haftung beabsichtigt sei und demgemäß der weiteren Rechtsfortbildung nicht vorgegriffen werde204. Dementsprechend lässt sich sowohl aus der Zusammenschau der im Rahmen existenzvernichtender Eingriffe in Betracht kommenden gläubigerschützenden Regelungen sowie aus der Begründung des MoMiG entnehmen, dass bezüglich existenzvernichtender Eingriffe des Gesellschafters eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Schutzlücke besteht, die auf dem Wege der Rechtsfortbildung zu schließen ist.
3. Lückenschließung im Rahmen des § 826 BGB – das neue Konzept des Bundesgerichtshofs 3. Das neue Konzept des Bundesgerichtshofs Der Bundesgerichtshof begegnete der soeben aufgezeigten Schutzlücke bis zur „Trihotel“-Entscheidung mit einem im Wege der Rechtsfortbildung entwickelten und vom positiven Recht losgelösten Konzept einer Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern205. Bis zuletzt stand diese richterliche Rechtsfortbildung als Rechtsfortbildung extra legem in der Kritik – nicht zuletzt aufgrund der ihr innewohnenden Schwierigkeit der dogmatischen Einordnung206. Auch wenn der Bundesgerichtshof bereits bisher neben der alten Existenzvernichtungshaftung parallel eine Haftung aus § 826 BGB in Betracht zog207, verstärkten sich vor der „Trihotel“-Entscheidung die Stimmen in der Literatur, die eine Lösung der weiterhin offen gelassenen Fragen in einer alleinigen Einordnung in § 826 BGB sahen208. Infolge der Kritik in der Literatur sucht der Bundesgerichtshof mit der „Trihotel“-Entscheidung nunmehr der „Inhomogenität und dogmatischen Unschärfe“ des bisherigen Konzeptes Rechnung zu tragen und ordnet im Wege eines erneuten richterlichen Gestaltungsakts die Existenzvernichtungshaftung allein als besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung in § 826 BGB ein209. Anders als jedoch von der 204
Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46. Siehe ausführlich oben unter II. 1. b). 206 Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 480 f.; Haas, ZIP 2006, S. 1373, 1381 f.; Vetter, ZGR 2005, S. 788, 814. 207 Siehe nur BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 208 Siehe Kiethe, NZG 2005, S. 333 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2006, S. 2034, 2041; Haas, ZIP 2006, S. 1373; ders., in: Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, Gutachten E, S. 3, 90 ff.; Kleindiek, ZGR 2007, S. 276, 301 ff., Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“?, S. 238 ff.; Weller, DStR 2007, S. 1166 ff.; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 490 ff.; siehe auch Goette, DStR 2005, S. 200. 209 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 20, 23. 205
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II. Deutsche Rechtslage
Literatur gefordert, gestaltet der Bundesgerichtshof die Haftung als schadensersatzrechtliche Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft aus, statt wie bislang als Außenhaftung gegenüber den Gläubigern210. Die Einordnung einer ursprünglich als genuin gesellschaftsrechtlich angesehenen Regel in das allgemeine Deliktsrecht sowie die Ausgestaltung als Innenhaftung ist in methodischer und dogmatischer Hinsicht nicht unbestritten211. Sie bedarf daher einer näheren Überprüfung. a) Grundsätzliches zum Anwendungsbereich des § 826 BGB § 826 BGB gewährt einen Ersatz des Schadens, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich zugefügt wurde. Die Vorschrift ergänzt als Dritte der deliktsrechtlichen Grundtatbestände die beiden Absätze des § 823 BGB212. Im Gegensatz zu § 823 Abs. 1 und 2 BGB setzt § 826 BGB aber weder eine Verletzung eines bestimmten Rechts oder Rechtsguts voraus noch eine Verletzung eines Schutzgesetzes, sodass die Vorschrift die unmittelbare Erfassung reiner Vermögensschäden ermöglicht 213. Der durch einen existenzvernichtenden Eingriff verursachte Schaden, insbesondere die durch den Eingriff entstandenen „Kollateralschäden“ stellen aber nichts anderes als einen reinen Vermögensschaden dar, der die Gesellschaft unmittelbar, die Gläubiger mittelbar trifft 214. Dementsprechend ist § 826 BGB grundsätzlich in der Lage, der Schwäche der auf eine reine Rückgewähr gerichteten Regelungen, insbesondere des AnfG und der InsO, zu begegnen und einen Schadensersatz für existenzvernichtende Eingriffe zu gewähren. Ob der Schaden unmittelbar oder nur mittelbar eingetreten ist, ist im Rahmen des § 826 BGB dann irrelevant,
210
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, Leitsatz b). 211 Kritisch u.a. Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 220 ff.; Schanze, NZG 2007, S. 681, 684 f.; Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34 ff.; Schwab, ZIP 2008, S. 341 ff.; Hönn, WM 2008, S. 769 ff.; Lieder, DZWIR 2008, S. 145 ff.; Vetter, BB 2007, S. 1965 ff.; K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 449, 458; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 290 ff. 212 Zur Ergänzungsfunktion des § 826 BGB siehe nur Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 I. 2. a); a.A. Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 2, der in § 826 BGB lediglich einen Auffangtatbestand sieht. 213 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 1; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 4; Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 I. 1. a); Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 490. 214 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 26.
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sofern der vollständige Tatbestand in der Person des Geschädigten erfüllt ist 215. Ein Ersatz von Vermögensschäden ist im Rahmen des § 826 BGB jedoch nur unter der Voraussetzung einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung möglich216. Lässt sich ein existenzvernichtender Eingriff also als sittenwidrige Schädigung einordnen, bietet § 826 BGB grundsätzlich ein geeignetes Mittel, die durch einen solchen Eingriff entstandenen Vermögensschäden zu kompensieren und somit die im Hinblick auf existenzvernichtende Eingriffe offenen Lücken zu schließen. b) Methodische Legitimität des Rückgriffs auf § 826 BGB Eine Schließung der durch die Vorschriften des Gesellschafts- als auch Insolvenzrechts offen gelassenen Schutzlücken über eine ergänzende Heranziehung des § 826 BGB wird in der Literatur nicht ungeteilt befürwortet. So hat bereits Röhricht als Begründer der alten Existenzvernichtungshaftung ausführlich dargelegt, dass das Gesetz den Gläubigerschutz gesellschaftsrechtlich gewährleistet sehen wolle 217. Dementsprechend könne einer Lösung über das Deliktsrecht nicht ernstlich das Wort geredet werden218. Auch Grigoleit sieht in der spezifisch gesellschaftsrechtlichen Begründung der Haftung die Sinnhaftigkeit eines Rekurses auf § 826 BGB insgesamt in Frage gestellt 219. Aus rechtsmethodischer Sicht stellt sowohl das bisherige Konzept der Rechtsprechung in Form einer eigenständigen Haftungsfigur extra legem als auch die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als besondere Fallgruppe des § 826 BGB eine richterliche Rechtsfortbildung dar220. Zwingende Voraussetzung einer Rechtsfortbildung, ob innerhalb oder außerhalb des geschriebenen Gesetzesrechts, ist die Orientierung an der
215 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 70; Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 77, 105; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 32, der jedoch auf den jeweiligen Schutzzweckzusammenhang abstellt. Siehe auch BGH, Urteil v. 20. Feb. 1979, VI ZR 189/78, NJW 1979, S. 1599, 1600. 216 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 58; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 1, 31. Siehe auch BGH, Urteil v. 19.12.1989, IV b ZR 56/88, NJW 1990, S. 706, 708; BGH, Urteil v. 20. März 1995, II ZR 205/94, BGHZ 129, S. 136, 172 ff.; BGH, Urteil v. 18. Dez. 1997, IX ZR 180/96, NJW 1998, S. 1488, 1491. 217 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 100. 218 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 116. 219 Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme, S. 208. 220 So explizit der Bundesgerichtshof selbst in der Begründung der „Trihotel“-Entscheidung, BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 23.
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II. Deutsche Rechtslage
Regelungsabsicht, am Plan und der immanenten Teleologie des Gesetzes221. Betrachtet man die Begründung des MoMiG, die explizit auf den existenzvernichtenden Eingriff Bezug nimmt, so lässt sich ein eindeutiger gesetzgeberischer Wille hinsichtlich einer rein gesellschaftsrechtlichen Lösung nicht entnehmen. Die Begründung führt vielmehr ausdrücklich aus, dass der weiteren Rechtsfortbildung der Existenzvernichtungshaftung, die noch vor Inkrafttreten des MoMiG 222 in § 826 BGB eine neue Heimat gefunden hatte, gerade nicht vorgegriffen werden solle 223. Dementsprechend ist zumindest von einer Neutralität des Gesetzes bezüglich der Art der Regelung der Existenzvernichtungshaftung auszugehen. Das Erfordernis einer rein gesellschaftsrechtlichen Lückenschließung lässt sich aus dem Gesetz also nicht ableiten. Die bisherige Rechtsfortbildung extra legem ist rechtsmethodisch weiterhin nur dann möglich, wenn das zugrundeliegende Problem weder im Wege einfacher Gesetzesauslegung, noch einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung in einer Weise gelöst werden kann, die sich in das Sinnganze der Rechtsordnung bruchlos einfügen ließe224. § 826 BGB bietet mit seinem unbestimmten Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit in besonderem Maße sowohl ein Bedürfnis nach als auch eine Legitimation für eine richterliche gesetzesimmanente Rechtsfortbildung225. Lässt sich somit unter Berücksichtigung des Sinnganzen der Rechtsordnung, insbesondere des Gesellschafts- und Insolvenzrechts, ein existenzvernichtender Eingriff als sittenwidrige Schädigung in § 826 BGB einordnen, so ist eine solche Lösung rechtsmethodisch zumindest einer Lösung extra legem vorzuziehen. Kernproblematik der Heranziehung von § 826 BGB bei existenzvernichtenden Eingriffen ist somit die Einordnung eines solchen Eingriffs als sittenwidrige Schädigung. c) Haftung wegen sittenwidriger Schädigung Ein Schaden ist nur dann gemäß § 826 BGB ersatzfähig, sofern er durch ein sittenwidriges Verhalten verursacht wurde. Zur Konkretisierung dieser tatbestandlichen Voraussetzung bemüht der Bundesgerichtshof in ständiger 221
Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 354. Das MoMiG ist zum 1. Nov. 2008 in Kraft getreten, während die „Trihotel“-Entscheidung bereits am 16. Juli 2007 ergangen ist. 223 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46. 224 Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 418 ff. Siehe auch Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1013. 225 Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 I. 2. b); Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 20, 32; Kiethe, NZG 2005, S. 333, 334; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 1 ff. 222
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Rechtsprechung die schon durch das Reichsgericht geprägte Formel vom „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“226. Diese Formel ist jedoch in einer komplexen Wirtschafts- und Sozialordnung mit ihren divergierenden wirtschaftlichen Interessen wenig geeignet, das Merkmal der Sittenwidrigkeit näher zu konkretisieren227. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine „Globalformel“ zur Bestimmung der Sittenwidrigkeit nicht existiert, eine „autonome Auslegung“ dieses Begriffs vielmehr unmöglich ist228. Ausgangspunkt der Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsmerkmals ist stattdessen die Feststellung, dass reine Vermögensschäden jeweils in einem bereits „rechtlich vorstrukturierten“ gesellschaftlichen Kontext auftreten229. Dies erkennt auch der Bundesgerichtshof an, indem er ergänzend auf die „Grundanschauungen loyalen Umgangs unter Rechtsgenossen“ abstellt 230. Dementsprechend ist bei der Konkretisierung des Sittenwidrigkeitsmerkmals in besonderem Maße auf die in den jeweiligen spezialgesetzlichen Regelungen berücksichtigten Wertungen Rücksicht zu nehmen231. Ein Verstoß allein gegen die spezialgesetzlichen Regelungen selbst, so unter anderem gegen die Anfechtungsregeln232, reicht aber noch nicht aus, um ein sittenwidriges Verhalten zu begründen233. Vielmehr bedarf es eines Hinzutretens besonderer Umstände, die gerade den in der Sittenwidrigkeit zum Ausdruck kommenden gesteigerten Unrechtsgehalt des Verhaltens ausmachen234. Liegt jedoch das in der Sittenwidrigkeit des 226
RG, Urteil v. 11.4.1901, VI 443/00, RGZ 48, S. 114, 124. Siehe zuletzt im Zusammenhang mit der Existenzvernichtungshaftung BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 22. 227 Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 26, 30; Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 II, 1. a); Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 9. 228 Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 18; ders., in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 493; Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 43 m.w.N.; siehe auch Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme, S. 204. 229 So Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 493. Siehe auch Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 38, 43; Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 II. 1. a). 230 BGH, Urteil v. 2. Juni 1981, VI ZR 28/80, NJW 1981, S. 2184, 2185 m.w.N. 231 Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 493; Haas, in: Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, Gutachten E, S. 3, 91; Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 II.1.a); Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 41; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 36; Raiser, in: FS Lutter, S. 637, 638. 232 Zur Anwendbarkeit der §§ 3, 4 AnfG sowie §§ 133, 134 InsO bei existenzvernichtenden Eingriffen siehe bereits ausführlich oben unter II. 2. b) (5). 233 Siehe nur BGH, Urteil v. 4. Juli 2000, VI ZR 192/99, NJW 2000, S. 3138, 3139 m.w.N. 234 Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 II. 1. b). Siehe auch BGH, Urteil v. 4. Juli 2000, VI ZR 192/99, NJW 2000, S. 3138, 3139 m.w.N.; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 36; a.A. Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 134, 336 ff., der eine Anwendbarkeit des § 826 BGB nur bei überschießender Sittenwidrigkeit annimmt.
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Verhaltens zum Ausdruck kommende Mehr vor, so ist § 826 BGB grundsätzlich neben anderen Anspruchsgrundlagen innerhalb und außerhalb des BGB anwendbar235. (1) Sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens zulasten der Gläubiger – altes deliktisches Haftungskonzept Den zur Bejahung der Sittenwidrigkeit erforderlichen gesteigerten Unrechtsgehalt sieht der Bundesgerichtshof seit der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung in einem „planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zulasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters“236. Unter Berufung auf das System der beschränkten Haftung und somit auf die gesellschaftsrechtlichen Wertungen begründete der Bundesgerichtshof parallel hierzu mit der „KindlBackwaren“-Entscheidung die genuin gesellschaftsrechtliche Existenzvernichtungshaftung in Gestalt des alten Haftungskonzepts237. Da aber die gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Wertungen bereits im Rahmen des § 826 BGB Berücksichtigung finden können, hätte es einer parallelen Begründung eines genuin gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzepts extra legem gar nicht bedurft. Die Haftung ließ sich vielmehr zwanglos allein in § 826 BGB einordnen238. Dies verwundert insbesondere auch mit Blick auf die im Rahmen des § 826 BGB etablierte Fallgruppe der Gläubigerbenachteiligung nicht239. Auch im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung werden die Gesellschaftsgläubiger durch eine Forderungsvereitelung geschädigt. Infolge des Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen und der damit verbundenen Masseverkürzung können sie ihre Forderungen in der Insolvenz nicht mehr in 235
Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826 Rn. 2; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 44 ff.; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 96 ff. Siehe auch BGH, Urteil v. 19. Dez. 1989, IV b ZR 56/88, NJW 1990, S. 706, 708. A.A. Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 132 ff. der den Regelungszweck des § 826 BGB in einer Deprivilegierung des Vorsatztäters sieht, so dass § 826 BGB hinter solchen Normen zurücktritt, die den Fall der vorsätzlichen Begehung besonders und somit abschließend regeln. 236 Siehe BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185; BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. Siehe auch BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 22. 237 Siehe BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 186 ff. Siehe zur dogmatischen Begründung des alten Haftungskonzepts bereits ausführlich oben unter II. 1. b). 238 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 22 mit Verweis auf die vorhergehende Rechtsprechung. 239 Weller, DStR 2007, S. 1166, 1169 f., plädiert im Vorfeld der „Trihotel“-Entscheidung sogar für die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als Unterfall der Vereitelung von Forderungsrechten.
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voller Höhe realisieren. Die Gläubiger fallen mit ihren Forderungen vielmehr in der Regel aus. Der Eingriff findet somit gerade „zulasten der Gläubiger“ statt240. Sämtliche Beiträge der Literatur, die vor der „Trihotel“-Entscheidung eine alleinige Einordnung der Haftung in § 826 BGB vorschlagen, gehen daher ganz selbstverständlich von einer auch bisher vom Bundesgerichtshof postulierten241, sittenwidrigen Schädigung der Gesellschaftsgläubiger und somit einer Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber diesen aus 242. (2) Sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens aufgrund einer Pflichtverletzung der Gesellschafter – neues deliktisches Haftungskonzept Auch das „Trihotel“-Urteil sieht die Sittenwidrigkeit weiterhin und in bewusstem Anschluss an die bisherige Rechtsprechung in einer „planmäßigen ‚Entziehung‘ von […] Vermögen der Gesellschaft mit der Folge der Beseitigung ihrer Solvenz, […] wenn dies zudem […] zum unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten geschieht“243. Der II. Senat sieht die dogmatisch konsequentere Lösung der Existenzvernichtungshaftung jedoch in einer Einordnung als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft 244. Durch eine alleinige und „ausschließliche“ Einordnung als schadensersatzrechtliche Innenhaftung in § 826 BGB ist sogar davon auszugehen, dass der Weg einer Außenhaftung in Zukunft abgeschnitten ist, es sei denn, es handelt sich um eine gezielte Schädigung eines einzelnen Gläubigers 245. 240 Siehe nur BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185. 241 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185; BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 242 So auch bislang der Bundesgerichtshof, siehe BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185; BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. Siehe auch Kiethe, NZG 2005, S. 333 ff.; Dauner-Lieb, DStR 2006, S. 2034, 2041; Haas, ZIP 2006, S. 1373; ders., in: Verhandlungen des 66. DJT, Bd. I, Gutachten E, S. 3, 90 ff.; Kleindiek, ZGR 2007, S. 276, 301 ff., Rubner, „Solvat socius“ statt „caveat creditor“?, S. 238 ff.; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 490 ff.; Goette, DStR 2005, S. 200. Siehe auch Weller, DStR 2007, S. 1166 ff., der allerdings für eine Einordnung in die Fallgruppe der sittenwidrigen Forderungsvereitelung plädiert. 243 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. 244 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, Leitsatz b) sowie Rn. 17. 245 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 5, 33; BGH, Beschluss v. 7. Jan. 2008, II ZR 314/05, ZIP 2008, S. 308 ff., Rn. 13; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 767. A.A. Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 297, die auch
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Die Innenhaftung begründet der II. Senat damit, dass ein solcher existenzvernichtender Eingriff in das Gesellschaftsvermögen „einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH“ darstelle 246. Dieser Ansatz ist nicht gänzlich neu, denn auch bislang sah der Bundesgerichtshof die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens als grundlegende Voraussetzung des Systems der auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung, die vom Gesellschafter zu respektieren sei247. Im Gegensatz zum alten Konzept setzt der Bundesgerichtshof die Haftung aber unmittelbar an dem durch den Verstoß gegen die Rücksichtnahmepflicht verletzten Schutzobjekt, also am Gesellschaftsvermögen selbst an und nicht an den nur mittelbar durch das Gesellschaftsvermögen geschützten Forderungen der einzelnen Gläubiger 248. Die Systemkonformität einer solchen Lösung sieht der Bundesgerichtshof durch zwei Argumente gegeben. Zum Einen entspreche eine solche Innenhaftung dem „Basisschutzkonzept“ der §§ 30, 31 GmbHG, zum anderen gelte auch in der Insolvenz das Trennungsprinzip des § 13 Abs. 2 GmbHG. Letzteres dürfe grundsätzlich auch im Rahmen des § 826 BGB nicht dadurch durchbrochen werden, dass den Gesellschaftsgläubigern der unmittelbare Zugriff auf den Gesellschafter gestattet werde249. (a) Innenhaftung vs. Außenhaftung Diese „systemkonforme“ Lösung in Form einer Innenhaftung liegt vor dem Hintergrund des alten Außenhaftungskonzepts nicht unmittelbar auf der Hand. Zunächst ist kein Grund ersichtlich, wieso eine Berufung auf das Haftungsprivileg des § 13 Abs. 2 GmbHG auch dann möglich sein sollte, wenn die Grenze der Sittenwidrigkeit überschritten wird und somit ein ganz besonderer Unrechtsgehalt des Verhaltens gegeben ist 250. Aufgrund weiterhin von einer Außenhaftung der Gesellschafter gegenüber den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 826 BGB ausgeht, die neben eine Innenhaftung gemäß § 280 Abs. 1 BGB und § 826 BGB trete; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh., Rn. 535, der entgegen des ausdrücklichen Wortlauts der „Trihotel“-Entscheidung im Fall der masselosen Insolvenz von einer Außenhaftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern ausgeht. 246 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 247 Siehe bereits BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 186. 248 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 26. 249 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 28, 36. 250 Siehe hierzu bereits oben unter I. 3. c) (2).
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dieses besonderen Unrechtsgehalts vermag § 826 BGB vielmehr auch spezialgesetzliche Haftungsprivilegien zu überwinden251. Die Berufung auf das Haftungsprivileg spricht somit im Rahmen einer auf § 826 BGB gestützten Haftung nicht zwingend für eine Innenhaftung. Darüber hinaus liegt auch in der Ausgestaltung des neuen Haftungskonzepts als Innenhaftung zumindest kein vom Bundesgerichtshof erstrebter „Gleichlauf“252 mit dem „Basisschutzkonzept“ der §§ 30, 31 GmbHG. Dieser „Gleichlauf“ ist bereits im Ausgangspunkt nicht gegeben. Die entgegen § 30 GmbHG geleisteten Zahlungen sind bereits unabhängig von einem wie auch immer gearteten Schaden zu erstatten253, während § 826 BGB zwingend einen Schaden voraussetzt. Treffender ist die ebenfalls vom Bundesgerichtshof verwendete Bezeichnung des neuen Innenhaftungskonzepts als systemkonforme Verlängerung des „Basisschutzkonzepts“254. Aus den gläubigerschützenden Vorschriften des Gesellschafts- und Insolvenzrechts lässt sich ableiten, dass der Schutz der Gläubigergesamtheit durch einen Schutz des Gesellschaftsvermögens mediatisiert wird255. Dieser Gedanke findet sich sowohl in den §§ 30, 31 GmbHG als auch in den §§ 64 S. 3, 73 Abs. 1 GmbHG und den diversen Anfechtungsregeln. Sämtliche dieser Regelungen begründen allein einen Anspruch der Gesellschaft beziehungsweise eine Rückgewähr oder einen Wertersatz zugunsten des Gesellschaftsvermögens. Der Bundesgerichtshof betont dies in der „Sanitary“-Entscheidung als ein im Sinne des Gläubigerschutzes verselbstständigtes Vermögensinteresse der Gesellschaft 256. Diese Mediatisierung des Gläubigerschutzes erkannte auch das alte Haftungskonzept im Grundsatz an. Auch dieses knüpfte an einer Masseschmälerung an, sodass sich der Schaden der Gläubiger als Reflexschaden der primären Schädigung des Gesellschaftsvermögens darstellte257. Wird der Gläubigerschutz aber durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert, so ist es nur konsequent, die Haftung auch an dessen Beeinträchtigung ansetzen zu lassen258. Ein Direktanspruch der Gläubiger stellt 251
Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 13. BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 23. 253 § 31 Abs. 1 GmbHG. 254 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 28, 33. 255 So auch der BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 33. 256 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b). 257 Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. c) (1). 258 So auch BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 33. 252
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sich somit zumindest für das Gesellschafts- und Insolvenzrecht als systemwidrig dar259. Dennoch stellt sich die Einordnung der Existenzvernichtungshaftung nunmehr als Innenhaftung in § 826 BGB auch weiterhin als inkonsequent dar. Setzt das neue Haftungskonzept zum einen weiterhin einen sittenwidrigen Eingriff zulasten der Gläubiger voraus und damit gerade auch einen auf die Gläubiger bezogenen Schädigungsvorsatz, so ist nicht ersichtlich, wieso der aus dieser vorsätzlichen Gläubigerschädigung resultierende Schadensersatzanspruch nicht auch diesen unmittelbar zusteht260. § 826 BGB vermag gerade auch eine mittelbare Schädigung zu erfassen261. (b) Genuin gesellschaftsrechtliches Haftungskonzept vs. deliktische Haftung Teilt man die Ansicht des Bundesgerichtshofs, dass die Haftung an der unmittelbaren Schädigung des Gesellschaftsvermögens selbst anzusetzen habe und nicht erst bei einer nur mittelbaren Schädigung der Gesellschaftsgläubiger, so führt dies zwar zu einer Innenhaftung, jedoch noch nicht zwingend zu einer Haftung im Rahmen des § 826 BGB. Nach Schall eignet sich § 826 BGB gerade nicht zur Begründung einer Innenhaftung wegen existenzvernichtender Eingriffe. Wäre, so wie der Bundesgerichtshof es annimmt, tatsächlich die Gesellschaft unmittelbar Geschädigte und Gläubigerin des Anspruchs, so müsste sie durch eine Einwilligung der Gesellschaftergesamtheit die Rechtswidrigkeit und damit die Haftungsrelevanz des Verhaltens beseitigen können262. Das Innenhaftungskonzept unter § 826 BGB scheitere somit an der gesellschaftsrechtlichen Einwilligungsfähigkeit der Schädigung, wenn man nicht besondere gesellschaftsrechtliche Wertungen zum Ansatz bringen wolle 263. Dies will Schall aber offensichtlich nicht, da er die dogmatische Grundlage der Existenzvernichtungshaftung in einer Gesamtanalogie zu diversen gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Vorschriften sieht 264. § 826 BGB ist jedoch gerade zur Aufnahme der besonderen gesellschaftsrechtlichen Wertungen in der Lage und bedarf dieser zur Konkreti-
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Siehe auch ausführlich zur Ablehnung einer Außenhaftung auf der Grundlage der in der Literatur diskutierten Durchgriffsmethoden Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 72 ff. 260 Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 87 f.; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 347. 261 Siehe bereits oben unter II. 3. a). 262 Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 223. 263 Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 223. 264 Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 230 ff.
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sierung des Sittenwidrigkeitsmerkmals265. Sowohl aus den §§ 30, 31, 64 S. 3 und 73 Abs. 1 GmbHG sowie den Anfechtungsrechten lässt sich entnehmen, dass das Vermögen der Gesellschaft dann der Dispositionsbefugnis der Gesellschafter entzogen ist, sofern es zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Während eines Insolvenzverfahrens dient das verbleibende Gesellschaftsvermögen ebenfalls vorrangig der Befriedigung der Gläubiger266. Greift der Gesellschafter existenzvernichtend in das Gesellschaftsvermögen ein, entzieht er der Gesellschaft gerade das Vermögen, was diese zur Befriedigung der Gläubiger gebraucht hätte. Die Gesellschaft fällt in die Insolvenz oder diese wird vertieft. Im Rahmen der Liquidation verliert die Gesellschaft in Folge des Eingriffs ihre Schuldendeckungsfähigkeit. Dies widerspricht aber gerade den gesetzlichen Wertungen. Nichts anderes sagt der Bundesgerichtshof, wenn er den Eingriff des Gesellschafters als Verstoß gegen „Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger“267 versteht und diese Pflicht als das „systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution“ bezeichnet 268. Eine besondere Stütze, dass existenzvernichtende Eingriffe den Wertungen des Gesellschaftsrechts widersprechen, findet sich nunmehr darüber hinaus in § 64 S. 3 GmbHG. § 64 S. 3 GmbHG knüpft explizit an die Existenzvernichtungshaftung an und verbietet dem Geschäftsführer solche Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, die die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen müssen und auch herbeiführen269. Ist bereits dem Geschäftsführer, den der Entwurf lediglich als „Auslöser oder Gehilfe“ der existenzvernichtenden Eingriffe bezeichnet, eine Mitwirkung bei diesen verboten, so widerspricht der Eingriff des Gesellschafters selbst erst recht den Wertungen, die § 64 S. 3 GmbHG zugrunde liegen. Das Verhalten der Gesellschafter ist somit sittenwidrig. Eines genuin gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzepts extra legem bedarf es daher nicht 270.
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Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. a) und b). Siehe nur § 38 InsO. 267 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 268 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 269 BT-Drs. 16/6140, S. 46. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter II. 5. b). 270 So aber Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 225 ff., insbesondere S. 228, 230 ff., der mittels einer Gesamtanalogie zu den gläubigerschützenden Normen zu einem genuin gesellschaftsrechtlichen Anspruch gelangt. 266
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(c) Sittenwidrige Schädigung vs. Pflichtverletzung der Gesellschafter Auch wenn es zur Haftungsbegründung keines genuin gesellschaftsrechtlichen Haftungskonzepts bedarf, so ist das Konzept des Bundesgerichtshofs auch weiterhin nicht dogmatisch konsequent. Der II. Senat begründet die Sittenwidrigkeit des Gesellschafterverhaltens mit einem Verweis auf deren „Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger“271. Grundsätzlich ergeben sich aus der mitgliedschaftlichen Beziehung der Gesellschafter untereinander als auch zur Gesellschaft selbst verschiedene Rechte und Pflichten, die eine Sonderrechtsbeziehung begründen272. Kern dieser Pflichten ist eine Treuepflicht der Gesellschafter, die unter anderem gesellschaftsschädigende Maßnahmen untersagt273. Folge der Verletzung einer im Rahmen der Sonderrechtsbeziehung bestehenden Pflicht ist aber bereits eine Pflicht zum Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 BGB, soweit nicht spezialgesetzliche Regelungen bestehen274. Eine Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zugunsten einer vorrangigen Befriedigung der Gläubiger lässt sich jedoch mittels der bisher bestehenden Gesellschafterpflichten nicht begründen275. Legt man die Argumentation des BGHs zugrunde, wandelt sich die im Rahmen der Sonderrechtsbeziehung bestehende Treuepflicht der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft in Insolvenznähe in die Pflicht zur Berücksichtigung der durch das Gesellschaftsvermögen mediatisierten Gläubigerinteressen, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegt. Eine solche Interessenverschiebung zugunsten der Gläubiger findet sich insbesondere im englischen Recht, hier jedoch anknüpfend an die Stellung als Geschäftsführer276. Im Verhältnis der Geschäftsführer zur Gesellschaft 271
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 272 Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 20 m.w.N.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 20 IV. 273 Siehe nur Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 88 m.w.N. 274 Merkt, in: MüKo GmbHG, § 13 Rn. 196; Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 98. Siehe auch bereits Burgard, ZIP 2002. S. 827, 831 f., 836 f.; Wilhelm, NJW 2003, S. 175, 179; Priester, ZGR 1993, S. 512, 522. Siehe zur Schutzlücke bei existenzvernichtenden Eingriffen ausführlich oben unter II. 2. 275 So auch Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 225 ff.; Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 55; Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1014 ff.; Hönn, WM 2008, S. 769, 776 f.; a.A. Ulmer, ZIP 2001, S. 2021, 2026 f.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577, 3579 f., allerdings unter Annahme eines mitgliedschaftlichen Sonderrechtsverhältnisses sowie Grigoleit, Gesellschafterhaftung für interne Einflussnahme, S. 283 ff., 321 ff. unter Annahme einer Pflicht zur dezentralen Gewinnverfolgung; Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 98 ff. 276 Siehe nur Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. sowie ausführlich im Folgenden unter III. 4.
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lässt sich eine solche Pflicht dadurch begründen, dass die Gläubiger die Gesellschafter ab einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld einer Insolvenz mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss als finanzielle Träger der Gesellschaft ablösen. Mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss verwalten die Geschäftsführer also nicht mehr das Vermögen der Gesellschafter, mediatisiert durch die Gesellschaft, sondern das der Gläubiger. Die Situation im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft ist aber eine andere. Die Treuepflicht eignet sich darüber hinaus bereits im Ausgangspunkt nicht zur Begründung der Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens. Die Treuepflicht der Gesellschafter stellt sich im Kern als Bindung der Gesellschafter an den Gesellschaftszweck dar277. Die Zweckbindung ist jedoch für die Gesellschafter disponibel. Die Gesellschafter können sowohl jederzeit den Gesellschaftszweck durch Satzungsänderung anpassen als auch für den Einzelfall ein satzungsdurchbrechendes Einverständis erteilen278. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich auf welcher Grundlage der Bundesgerichtshof Gläubiger als Dritte in die Pflichtenbindung zwischen Gesellschaftern und Gesellschaft einbezieht, wenn er den Gesellschaftern die Pflicht vornehmlich zum Gläubigerschutz, wenn auch mediatisiert durch die Gesellschaft, auferlegt279. Eine Erweiterung der bestehenden Pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft unter Einbeziehung der Gläubigerinteressen ist somit allein im Wege der Rechtsfortbildung möglich280. Im Wege einer solchen Rechtsfortbildung sind allerdings die gleichen rechtlichen Wertungen heranzuziehen, die bereits im Rahmen einer Rechtsfortbildung unter § 826 BGB Berücksichtigung finden. Geht man mit dem Bundesgerichtshof den Schritt und schafft eine solche „Pflicht [der Gesellschafter] zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger“281, bedarf es jedoch nicht mehr des Rückgriffs auf § 826 BGB. Es findet insoweit bereits der speziellere § 280 BGB Anwendung 282. Der Bundesgerichtshof muss sich somit zu Recht von 277
Siehe Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 318 ff., 322 ff., ders., in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 20; Winter, Mitgliedschaftliche Treubindungen im GmbH-Recht, S. 96 ff., ders., ZGR 1994, S. 570, 582. 278 Siehe zu letzterem nur BGH, Urteil v. 7. Juni 1993, II ZR 81/92, BGHZ 123, S. 15, 19; BGH, Urteil v. 25. Nov. 2002, II ZR 69/01, ZIP 2003, S. 116, 118; BGH, Urteil v. 11. Mai 1981, II ZR 25/80, WM 1981, S. 1218 f . Siehe auch Winter, ZGR 1994, S. 570, 583. 279 Siehe auch Henzler, Haftung der GmbH-Gesellschafter, S. 83 ff. 280 So bereits Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1011 f. Siehe auch Hueck/Fastricht, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 13 Rn. 55. 281 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 282 Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1018; Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 43; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 291; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1683 f.;
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der Literatur fragen lassen, inwieweit die Umdrehung des Spezialitätsgrundsatzes durch die Verdrängung des § 280 BGB durch § 826 BGB möglich ist 283. d) Das Vorsatzerfordernis des § 826 BGB Führt die Anknüpfung der Haftung an eine Pflichtverletzung des Gesellschafters zu einer Haftung gemäß § 280 BGB, so haften diese gemäß § 276 BGB bereits aufgrund von Fahrlässigkeit 284. Indem der Bundesgerichtshof diese Pflichtverletzung jedoch als sittenwidrige Schädigung in § 826 BGB einordnet, beschränkt er die Haftung auf ein „mindestens eventualvorsätzliches Handeln“285. Dies muss zunächst verwundern. In der Literatur wird darüber hinaus kritisch angemerkt, dass § 64 S. 3 GmbHG eine Haftung der Geschäftsführer bei existenzvernichtenden Eingriffen bereits bei Fahrlässigkeit vorsehe, sodass es zudem bei einer allein vorsätzlichen Gesellschafterhaftung zu einem kaum zu rechtfertigenden Haftungsgefälle komme 286. Sofern die Literatur in Konsequenz eine Haftung bereits für Fahrlässigkeit fordert, verkennt sie jedoch das „allgemeine Strukturprinzip“ des GmbHRechts287. Eine unbeschränkte Gesellschafterhaftung setzt stets Vorsatz oder Wissen um die haftungsbegründenden Merkmale voraus288. Dieses Prinzip schlägt sich beispielsweise in der Haftung der Gesellschafter für die Teilnahme an der Insolvenzverschleppung gemäß §§ 830 Abs. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 1 S. 1 InsO als auch der Insolvenzverschleppungshaftung der Gesellschafter bei Führungslosigkeit der Gesellschaft gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 15a Abs. 3 InsO nieder289. Auch der Bundesgerichtshof gibt in der „Trihotel“-Entscheidung zu bedenken, Schwab, ZIP 2008, S. 341, 343 f.; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1970; Hönn, WM 2008, S. 769, 777; Habersack, ZGR 2008, S. 533, 558. siehe auch BGH, Urteil v. 5. Juni 1975, II ZR 23/74, BGHZ 65, S. 15, 21. 283 So Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1683 f. Siehe auch Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 43; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh., Rn. 534. A.A. Gehrlein, WM 2008, S. 761, 767 f., der im „Trihotel“-Urteil keine Aussage zum Konkurrenzverhältnis sieht. 284 Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1018; Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 43; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 291; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1683 f.; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 343 f.; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1970; Hönn, WM 2008, S. 769, 777; Habersack, ZGR 2008, S. 533, 558. 285 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 31. 286 Habersack, ZGR 2008, S. 533, 558. 287 Steffek, JZ 2009, S. 77, 83. 288 Steffek, JZ 2009, S. 77, 80 ff. Siehe auch Schwab, ZIP 2008, S. 341, 344, der sich im Ergebnis jedoch für eine Fahrlässigkeitshaftung bei existenzvernichtenden Eingriffen ausspricht. 289 Siehe hierzu ausführlich Steffek, JZ 2009, S. 77, 80 ff.
3. Das neue Konzept des Bundesgerichtshofs
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dass „eine […] uneingeschränkte Erfolgshaftung Gefahr liefe, […] der Gesellschaftsform der GmbH – entgegen den Zielen des Gesetzgebers – den Boden zu entziehen“290. Eine Haftung des Gesellschafters unter geringeren subjektiven Voraussetzungen sieht das GmbH-Recht nur in den Fällen einer bereits ex ante beschränkten Haftung und nur unter besonderen Tatbestandsmerkmalen vor, so beispielsweise im Rahmen der Ausfallhaftung gemäß § 31 Abs. 3 GmbHG und § 24 GmbHG 291. Erfordern die gesellschaftsrechtlichen Wertungen somit zwingend ein eventualvorsätzliches Gesellschafterhandeln zur Begründung der ex ante nicht zu beziffernden Haftung im Rahmen einer Existenzvernichtungshaftung, rechtfertigt dies dennoch nicht zwingend die Einordnung der Haftung in § 826 BGB. Vielmehr ordnet § 276 Abs. 1 BGB eine Haftung wegen Fahrlässigkeit nur dann an, sofern sich eine mildere Haftung nicht aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses ergibt. Den soeben beschriebenen Strukturprinzipien des GmbH-Rechts lässt sich jedoch entnehmen, dass der unbeschränkte Schutz des Gesellschaftsvermögens auf ein vorsätzliches Handeln beschränkt ist292. Somit bleibt die Frage nach der dogmatischen Begründung der Umdrehung des Spezialitätsgrundsatzes auch mit Blick auf das Vorsatzerfordernis offen. e) Stellungnahme zur Neuordnung und deren rechtspraktischen Konsequenzen Ebenso wie die übrigen Neuordnungen der Existenzvernichtungshaftung hat auch das „Trihotel“-Urteil des Bundesgerichtshofs eine Flut an Beiträgen ausgelöst293. Ein Ende der Diskussion um die „Inhomogenität und dogmatische Unschärfe“294 ist trotz des neuen Konzepts einer Innenhaftung nicht in Sicht und dies zu Recht. Ausgangspunkt der Haftung ist eine sich 290
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27. 291 Siehe hierzu ausführlich Steffek, JZ 2009, S. 77, 82. 292 Im Ergebnis ebenso Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 294, die sich jedoch auf das Verbot der „kalten“ Liquidation stützt. 293 Herausgegriffen seien: Altmeppen, NJW 2007, S. 2657 ff.; Vetter, BB 2007, S. 1965 ff.; Wilhelm, EWiR 2007, S. 557 f.; Weller, ZIP 2007, S. 1681 ff.; Schanze, NZG 2007, S. 681 ff.; Burg/Müller-Seils, ZInsO 2007, S. 929 ff.; Goette, ZInsO 2007, S. 1177 ff.; Sester, RIW 2007, S. 787 ff.; Paefgen, DB 2007, S. 1907 ff.; Hölzle, DZWIR 2007, S. 397 ff.; Rubner, Der Konzern 2007, S. 635 ff.; Strohn, ZNotP 2008, S. 338 ff.; Steffek, in: FS Hopt, S. 291 ff.; Lieder, DZWIR 2008, S. 145 ff.; Habersack, ZGR 2008, S. 533 ff.; Schwab, ZIP 2008, S. 341 ff.; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274 ff.; Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34 ff.; Gehrlein, WM 2008, S. 761 ff.; Hönn, WM 2008, S. 769 ff. mit jeweils weiteren Nennungen. 294 So der BGH zum alten Konzept einer Existenzvernichtungshaftung, siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 20.
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II. Deutsche Rechtslage
aus den gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Wertungen ergebende Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger. Erweitert man im Wege der Rechtsfortbildung und unter Zugrundelegung dieser gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Wertungen die Pflichten der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft, haften die Gesellschafter bei einer Pflichtverletzung dogmatisch konsequent bereits gemäß §§ 280, 276 BGB. Unter Zugrundelegung der gleichen Wertungen lässt sich im Wege der Rechtsfortbildung zumindest methodisch konsequent ein Verstoß gegen diese Wertungen auch als sittenwidrige Schädigung der Gesellschaft und somit unter § 826 BGB einordnen. Die Verknüpfung beider Lösungsansätze, so wie sie der Bundesgerichtshof in „Trihotel“ vornimmt, stellt jedoch alles andere als eine dogmatisch konsequente Lösung dar. Ist der Eingriff der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig, so bedarf es keiner im Wege der Rechtsfortbildung extra legem geschaffenen Pflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen. Schafft man eine solche genuin gesellschaftsrechtliche Pflicht, bedarf es keines Rückgriffs auf das Deliktsrecht. Aus methodischer Sicht erscheint der Weg über das Deliktsrecht vorzugswürdig, da es gerade keiner Rechtsfortbildung extra legem in Form einer Gesellschafterpflicht bedarf. Von den dogmatischen und methodischen Wirren unberührt bleiben die rechtspraktischen Konsequenzen der Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung. Das nunmehr zwingend erforderliche Merkmal eines vorsätzlichen Handelns trägt zur Klärung des bislang dogmatisch unscharfen Verschuldenserfordernisses der Existenzvernichtungshaftung bei295. Der Bundesgerichtshof sieht in dem nunmehr erforderlichen „mindestens eventualvorsätzlichen Handeln“ die sachgerechte Grenze der Existenzvernichtungshaftung 296. Dies findet seine Stütze in den Strukturprinzipien des GmbH-Rechts. Die Ausgestaltung der Haftung in „Verlängerung“ der §§ 30, 31 GmbHG und somit als Innenhaftung führt zur Aufgabe der Subsidiarität der Existenzvernichtungshaftung gegenüber den §§ 30, 31 GmbHG 297. Die Existenzvernichtungshaftung tritt damit in Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zum „Basisschutzkonzept“. Der Bundesgerichtshof selbst betont die Erleichterung der Rechtsverfolgung durch die Aufgabe der Subsidiarität298. 295 Zur Widersprüchlichkeit des bisherigen Konzeptes bezüglich des Verschuldenserfordernisses siehe oben unter II. 3. e). 296 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 31. 297 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 38 f. 298 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 40. Siehe auch Schwab, ZIP 2008, S. 341, 347.
3. Das neue Konzept des Bundesgerichtshofs
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Durch die Ausgestaltung als Innenhaftung wird die Durchsetzung des Anspruchs im „Standardfall der masselosen Insolvenz“ jedoch erheblich erschwert299. Der Gläubiger wird auf den „Umweg“, so der Bundesgerichtshof selbst, einer Pfändung und Überweisung des Gesellschaftsanspruchs verwiesen300. Ein solcher Umweg wurde noch im „Autokran“Urteil vom Bundesgerichtshof als unbillig empfunden301 und führt bei der Verlustdeckungshaftung in der Vor-GmbH beziehungsweise einer Unterbilanzhaftung gerade zu einer ausnahmsweise gestatteten direkten Forderungszuständigkeit 302. Allerdings wird man davon ausgehen können, dass der Insolvenzverwalter bei werthaltigen Ansprüchen gegen die Gesellschafter diese auch verfolgen wird 303. Durch das neue Haftungskonzept stärkt der Bundesgerichtshof die Rolle der GmbH als haftungsbeschränkte Institution. Eine Haftung der Gesellschafter kommt nur bei mindestens eventualvorsätzlichem sittenwidrigem Handeln in Betracht und auch hier nur gegenüber der Gesellschaft selbst. Der Verlust des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG bildet somit wieder eine „seltene, schwer zu begründende Ausnahme“304. Der Gläubigerschutz bei existenzvernichtenden Eingriffen wird somit hin zu einem durch die Gesellschaft vermittelten Schutz verlagert. Das MoMiG ergänzt zusätzlich den durch die Gesellschaft vermittelten Gläubigerschutz. Durch die zumindest teilweise Kodifizierung der Existenzvernichtungshaftung auf Seiten der Geschäftsführer beabsichtigt das MoMiG explizit eine Stärkung des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen305. Von einem homogenen Gläubigerschutzkonzept bei existenzvernichtenden Eingriffen kann allerdings nicht die Rede sein306. Sieht das MoMiG mit § 64 S. 3 GmbHG lediglich eine Rückgewähr durch den Geschäftsführer vor, begründet der Bundesgerichtshof mit „Trihotel“ einen Schadensersatz des Gesellschafters. Im Gegensatz hierzu sehen die Kapitalerhaltungsregeln eine Rückgewähr durch den Gesellschafter und einen Schadensersatz des Geschäftsführers vor. Darüber hinaus nimmt der 299
Altmeppen, NJW 2007, S. 2657, 2660; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 347 f. Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 36. 301 Siehe BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84 („Autokran“), BGHZ 95, S. 330, 347. 302 BGH, Urteil v. 27. Jan. 1997, II ZR 123/94, BGHZ 134, S. 333, 341; BGH, Urteil v. 9. März 2001, II ZR 249/99, NJW 2001, S. 2092. 303 So auch der BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 37. 304 So Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 47. 305 Die Begründung des MoMiG spricht insoweit von einer „Ergänzung des Gläubigerschutzes“, siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46. 306 Vetter, BB 2007, S. 1965, 1966. 300
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II. Deutsche Rechtslage
Bundesgerichtshof eine Einordnung der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB und somit im Deliktsrecht vor, während das MoMiG seine Lösung insolvenzrechtlich qualifiziert307. Die erneute Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung durch das „Trihotel“-Urteil des Bundesgerichtshofs kann somit nur einen weiteren Schritt hin zu einer sachgerechten und dogmatisch homogenen Existenzvernichtungshaftung darstellen, deren Entwicklung nach wie vor nicht abgeschlossen ist. Für die weitere Betrachtung ist das Konzept einer auf § 826 BGB gestützten Innenhaftung als Akt richterlicher Rechtsfortbildung jedoch zu akzeptieren.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB 4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB Einer der wesentlichen Vorteile der Einordnung der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB im Vergleich zum bisherigen eigenständigen Haftungskonzept liegt in der Einbettung der einzelnen Haftungsvoraussetzungen als auch der Rechtsfolgen in eine gesetzliche Vorschrift, deren Details fest umschrieben sind 308. Der Bundesgerichtshof stellt in der „Trihotel“-Entscheidung jedoch eindeutig klar, dass er mit der dogmatischen Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung keine Änderung der bisherigen Tatbestandsvoraussetzungen bezweckt. Dies bedeutet, dass die bisherigen Merkmale der Existenzvernichtungshaftung zur Konkretisierung der nunmehr gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen herangezogen werden müssen, sich aber gleichzeitig in den gesetzlichen Tatbestand einzufügen haben (siehe im Folgenden unter c)). Die bislang vom Bundesgerichtshof im Rahmen einer Existenzvernichtungshaftung grundsätzlich in Betracht gezogenen Fallkonstellationen lassen sich in einigen wenigen Fallgruppen systematisieren (siehe im Folgenden unter d)). Während die Einordnung in § 826 BGB auf Tatbestandsebene somit wenig Neues bietet, sind die Auswirkungen auf der Rechtsfolgenseite grundlegender. Unter der alten Rechtsprechung versuchte die Rechtsprechung analog § 128 HGB eine zunächst unbegrenzte Außenhaftung zu konstruieren, die in eine verschuldensabhängige Schadensersatzhaftung einmünden konnte309. Indem § 826 BGB den Ersatz des durch die vorsätzlich sittenwidrige Handlung entstandenen Schadens anordnet (siehe im Folgenden unter e)), werden so zumindest die 307
Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 47. Siehe Hölzle, DZWIR 2007, S. 397, 399 f., der insoweit von einer Systematisierung der Existenzvernichtungshaftung unter § 826 BGB spricht. 309 Siehe nur die Zusammenfassung in BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 21. 308
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alten dogmatischen Schwierigkeiten vermieden310. Darüber hinaus wirkt sich die Neuordnung der Haftung auf den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Haftung aus (siehe im Folgenden unter a) und b)), auf das Verhältnis der Haftung zu anderen Vorschriften, insbesondere den §§ 30, 31 GmbHG (siehe im Folgenden unter f)), auf die Klagebefugnis (siehe unter g)) sowie der Darlegungs- und Beweislast (siehe im Folgenden unter h)). a) Sachlicher Anwendungsbereich Die Existenzvernichtungshaftung ist eine Haftung für „missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende […] Eingriffe in das […] Gesellschaftsvermögen“311. Die Haftung setzt somit zunächst zwingend die materielle Insolvenz der Gesellschaft voraus312. Ob sich daran ein formelles Insolvenzverfahren anschließt oder ein solches mangels Masse abgelehnt wird, ist für die Anwendbarkeit der Haftung irrelevant313. Mit der „Sanitary“-Entscheidung erweitert der Bundesgerichtshof den Anwendungsbereich der Haftung darüber hinaus auch auf Gesellschaften „im Stadium der Liquidation“ im Sinne der §§ 69 ff. GmbHG 314. Der für die Existenzvernichtungshaftung bei der werbenden Gesellschaft anerkannte Grundsatz eines verselbstständigten Vermögensinteresses, so der Bundesgerichtshof unter Berufung auf § 73 Abs. 1 und 2 GmbHG, gelte erst recht für eine Gesellschaft in Liquidation315. b) Haftender Personenkreis Es handelt sich bei der Existenzvernichtungshaftung um ein Sonderdelikt der Gesellschafter316. Aufgrund der Anknüpfung der Haftung kommen als Täter eines existenzvernichtenden Eingriffs allein diese in Betracht317. 310
Zu den neuen dogmatischen Schwierigkeiten siehe ausführlich oben unter II. 3. c) (2). 311 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Leitsatz a). 312 Gehrlein, WM 2008, S. 761, 763; Strohn, ZNotP 2008, S. 338, 340; OsterlohKonrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 283; Lieder, DZWIR 2008, S. 145, 146, 148; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1685. 313 Vgl. BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 34 und 36. 314 Siehe BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz a). 315 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b). 316 Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1687; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 479 f., 495; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 764.
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II. Deutsche Rechtslage
Der Bundesgerichtshof knüpft mit der „Trihotel“-Entscheidung die Haftung ausdrücklich an „einen Verstoß gegen die dem Gesellschafter auferlegte Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH“318. Diese Verhaltenspflicht der Gesellschafter bildet das „systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution“319. Eine GmbH bietet für den Gesellschafter den Vorteil, dass dieser sich im Rahmen seines wirtschaftlichen Engagements auf eine Haftungsfreistellung berufen kann, sodass seine Risiken beschränkt sind. Allerdings kann er sich auf diesen Vorteil nur berufen, sofern er die im Gläubigerschutzinteresse bestehenden Spielregeln dieser Haftungsbeschränkung beachtet. Den gläubigerschützenden Regeln des GmbHGs lässt sich entnehmen, dass das Gesellschaftsvermögen zumindest dann und soweit in der Gesellschaft verbleiben muss, sofern es zur Befriedigung der Gläubiger zwingend erforderlich ist320. Diese Rücksichtnahmepflicht gilt gleichermaßen für sämtliche Gesellschafter. Mitgesellschafter, die selbst nichts empfangen, haften daher bereits aufgrund ihres Einverständnisses mit dem Vermögensabzug 321. Die Spielregeln in Form der Verhaltenspflichten gelten nicht nur für unmittelbare Gesellschafter, sondern auch für denjenigen, der nur über einen Mittels- oder Strohmann an der betroffenen Gesellschaft beteiligt ist322. Hintergrund dieser Haftungserstreckung ist, dass bereits seit langem in der Rechtsprechung des II. Senats anerkannt ist, dass auch der mittelbare Gesellschafter genauso wie der unmittelbare Gesellschafter für die Aufbringung und Erhaltung des Stammkapitals einzustehen hat 323. Von der
317
BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 16 f.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178. Siehe auch Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 478; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1687. 318 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 319 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1560, Rn. 25 mit Verweis auf Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1021. 320 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 2. c) sowie unter 3. c) (2). Siehe auch bereits BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 186; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177 sowie Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 101. 321 Siehe nur BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 188. 322 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178. 323 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178. Siehe zur st. Rspr. des II. Senats nur BGH, Urteil v. 14. Dez. 1959, II ZR 187/57,
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Haftung sind schließlich auch sogenannte „Gesellschafter-Gesellschafter“ betroffen, die an einer Gesellschafterin der Gesellschaft beteiligt sind, in deren Vermögen eingegriffen wurde324. Zusätzliche Voraussetzung ist allerdings, dass der Gesellschafter-Gesellschafter beispielsweise aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschafterin ausüben kann325. Es genügt jedoch bereits die tatsächliche Einflussmöglichkeit, sodass auch rein faktische Gesellschafter haften können326. Durch die Einordnung in § 826 BGB kann eine tatsächliche Einflussnahme jedoch bereits gemäß § 830 BGB zu einer Haftungszurechnung beim mittelbaren sowie rein faktischen Gesellschafter führen327. Darüber hinaus ist durch die Einordnung in § 826 BGB auch eine Existenzvernichtungshaftung mittels einer Beteiligung im Sinne des § 830 BGB möglich. Durch die deliktsrechtliche Einordnung sind somit grundsätzlich auch frühere Gesellschafter, Schwestergesellschaften, Banken, Berater und Anwälte von einer Haftung betroffen. Die Haftungserweiterung durch § 830 BGB wird jedoch durch die Voraussetzung eines eigenständigen Teilnehmervorsatzes eingeschränkt. Letzterer muss neben der eigenen Förderungshandlung des Teilnehmers die gesamte Haupttat des Gesellschafters mitumfassen328. c) Tatbestand Eine Haftung gemäß § 826 BGB erfordert zwingend drei Tatbestandsvoraussetzungen: ein sittenwidriges Verhalten des Täters (siehe im Folgenden unter (1)), einen hierdurch kausal verursachten Schaden (siehe im Folgenden unter (2)) sowie ein vorsätzliches Handeln des Täters (siehe im
BGHZ 31, S. 258; BGH, Urteil v. 13. April 1992, II ZR 225/91, BGHZ 118, S. 107, 110 ff.; BGH, Urteil v. 3. Nov. 1976, I ZR 156/74, WM 1977, S. 73, 75. 324 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250, 251; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1560, Rn. 44. 325 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250, 251; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1560, Rn. 44. 326 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1560, Rn. 44. 327 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1560, Rn. 46; BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff., Rn. 14 f. 328 Hönn, in: Soergel, BGB, § 830, Rn. 5; Wagner, in: MüKo BGB, § 830, Rn. 21.
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II. Deutsche Rechtslage
Folgenden unter (3))329. Dies bedeutet jedoch, so ausdrücklich der Bundesgerichtshof in der „Trihotel“-Entscheidung, keine Änderung der bisherigen Tatbestandsvoraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung 330. Der Senat hält vielmehr weiterhin „an der begrifflich auch künftig als ‚Existenzvernichtungshaftung‘ bezeichneten Haftung des Gesellschafters […] und den diesen Eingriffstatbestand nach dem bisherigen Entwicklungsstand der Senatsrechtsprechung kennzeichnenden sowie näher eingrenzenden Merkmalen fest“331. Zur Konkretisierung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen kann somit auch auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. (1) Sittenwidriges Verhalten des Täters – existenzvernichtender Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen Der Bundesgerichtshof bezeichnet in der „Trihotel“-Entscheidung das haftungsbegründende Verhalten als einen „Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH“332. Ausgangspunkt der Haftung ist somit eine Verletzung der dem Gesellschafter obliegenden Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens im Interesse der Gläubiger. Dieser Pflichtverstoß, so der II. Senat, äußere sich in einem existenzvernichtenden Eingriff333. Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen sind dann existenzvernichtend, so der Bundesgerichtshof, wenn es sich um „missbräuchliche zur Insolvenz der Gesellschaft führende oder diese vertiefende ‚kompensationslose‘ Eingriffe“ in das Gesellschaftsvermögen handelt 334. Eingriffe führen darüber hinaus auch dann zu einer Haftung, wenn sie das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft in Liquidation entgegen der Regelung des § 73 Abs. 1
329 Vgl. nur Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 7, der allerdings von vier Tatbestandsmerkmalen ausgeht: Eintritt eines Schadens, Verursachung dieses Schadens durch ein Verhalten des Täters, Sittenwidrigkeit des ursächlichen Verhaltens und Vorsatz des Schädigers. 330 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 16, 20. 331 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 16. 332 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 333 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. 334 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 16.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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GmbHG schädigen335. Der für die Existenzvernichtungshaftung bei der werbenden Gesellschaft anerkannte Grundsatz eines verselbstständigten Vermögensinteresses, so der Bundesgerichtshof in der „Sanitary“-Entscheidung, gelte erst recht für eine Gesellschaft in Liquidation im Sinne der §§ 69 ff. GmbHG, „ohne dass zugleich die speziellen ‚Zusatzkriterien‘ einer Insolvenzverursachung oder -vertiefung“ erfüllt seien336. Zur Haftungsbegründung bedarf es somit eines „Eingriffs“ des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (siehe im Folgenden unter (a)), der nicht kompensiert wird (siehe im Folgenden unter (b)) und der in die Insolvenz der Gesellschaft führt beziehungsweise diese vertieft oder gegen § 73 Abs. 1 GmbHG verstößt (siehe im Folgenden unter (c)). (a) Eingriff in das Gesellschaftsvermögen Bereits in der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung spricht der Bundesgerichtshof von „Zugriffe[n] der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen“ als haftungsbegründende Handlung, beziehungsweise davon, dass Gesellschafter „durch offene oder verdeckte Entnahmen Vermögenswerte“ entziehen337. Dementsprechend besteht ein Eingriff zweifelsfrei in der Entnahme konkreter Vermögenswerte der Gesellschaft, das heißt im Abzug liquider Mittel. Aufgrund des Entzugs konkreter Vermögenspositionen lassen sich derartige Eingriffe bilanziell abbilden338. Ist die Zuordnung einzelner Vermögensgegenstände zum Vermögen der Gesellschaft oder des Gesellschafters aufgrund des Fehlens oder der Mangelhaftigkeit der Buchführung nicht möglich, liegt kein existenzvernichtender Eingriff vor339. In diesen Fällen der sogenannten Vermögens- oder Sphärenvermischung bejaht die Rechtsprechung jedoch unter Umständen einen direkten Zugriff auf die Gesellschafter340.
335
BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b); BGH, Urteil v. 23. April 2012, II ZR 252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff., Rn. 13. 336 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b). 337 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185, 187. 338 Siehe zu dieser sowie den übrigen Fallgruppe ausführlich unten unter II. 4. d). 339 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27. 340 BGH, Urteil v. 29. Nov. 1956, II ZR 156/55, BGHZ 22, S. 226, 230; BGH, Urteil v. 12. Nov. 1984, II ZR 250/83, ZIP 1985, S. 31; BGH, Urteil v. 13. April 1999, II ZR 16/93, ZIP 1994, S. 868; BGH, Urteil v. 14. Nov. 2005, II ZR 178/03, ZIP 2006, S. 467; Stimpel, in: FS Goerdeler, S. 601, 615; Boujong, in: FS Odersky, S. 742; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 89. Siehe auch Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 109 und 131 ff. m.w.N.
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II. Deutsche Rechtslage
In der „Bremer Vulkan“-Entscheidung deutet der Bundesgerichtshof unter Berufung auf die „TBB“-Entscheidung an, dass ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen auch über den Entzug konkreter Vermögenspositionen hinaus zur Haftungsbegründung ausreichen kann. In der Entscheidung wird ein bestandsvernichtender Eingriff sowohl in einem Eingriff in das Vermögen gesehen, als auch in einem Eingriff in die Geschäftschancen der Gesellschaft 341. Letzteres ist im Gegensatz zu einem Entzug konkreter Vermögensgegenstände bilanziell jedoch nicht oder nur unzureichend abbildbar. Den soeben beschriebenen Fällen lag neben dem Entzug betriebsnotwendiger Ressourcen gleichzeitig eine Verlagerung des Geschäftsfelds zugunsten einer anderen, ebenfalls vom Gesellschafter geführten Gesellschaft, zugrunde. Der Bundesgerichtshof charakterisiert den Eingriff im „Trihotel“-Urteil auch als „Selbstbedienung“ des Gesellschafters sowie unter Berufung auf das „Kindl-Backwaren“-Urteil als einen „Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zulasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters“342. In der Literatur ist infolgedessen als ergänzende Tatbestandsvoraussetzung ein Zufluss des entzogenen Vermögens in die Sphäre des Gesellschafters angenommen worden343. Allerdings geht der Bundesgerichtshof in der „Trihotel“-Entscheidung nur davon aus, dass der Entzug des Gesellschaftsvermögens „regelmäßig“ zum unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten geschehe 344. Dies bedeutet, dass ein wie auch immer gearteter Vorteil des Gesellschafters zwar eine faktische Gegebenheit, jedoch keine zwingende Tatbestandsvoraussetzung345 darstellt. Das Merkmal der „Selbstbedienung“ ist somit eher im Sinne eines „betriebsfremden Eingriffs“346 zu verstehen denn als Eingriff zu eigenen Gunsten. Haftungsbegründendes Verhalten ist vielmehr die im Einverständnis mit dem Vermö341
BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 16. 342 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 22, 28, 30. 343 So Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 158; ders., ZIP 2007, S. 1681, 1685; Gehrlein, BB 2005, S. 613, 614; Wackerbarth, ZIP 2005, S. 877, 879; Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1908. 344 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. 345 So auch Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 149; Lieder, DZWIR 2005, S. 309, 312; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 283; Strohn, ZNotP 2008, S. 338, 340; Wiedemann, in: FS Lüer, S. 337, 340. 346 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff., Leitsatz a) sowie S. 251 f.; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 31.
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gensabzug liegende Missachtung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 347. Das gemeinsame Element der soeben aufgezählten denkbaren Eingriffe ist ein „betriebsfremden Zwecken dienende[r] Entzug von Vermögenswerten […], die die Gesellschaft zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten benötigt“348 beziehungsweise ein Entzug von Ressourcen, die die Gesellschaft zur Fortsetzung ihrer werbenden Tätigkeit benötigt. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass solche Maßnahmen keine Existenzvernichtungshaftung auslösen können, die betriebseigenen Zwecken und somit grundsätzlich dem Interesse der Gesellschaft dienen sollen. Dementsprechend erfasst die Haftung keine durch den Gesellschafter begangenen Managementfehler beim Betrieb des Gesellschaftsunternehmens 349. Darüber hinaus trifft den Gesellschafter auch keine Pflicht zur Fortführung des Gesellschaftsunternehmens. Vor allem dem „Autohändler“-Urteil lässt sich entnehmen, dass ein Gesellschafter weder die sich ihm bietenden Geschäftschancen ergreifen noch die Ertragskraft des Unternehmens durch Investitionen erhalten oder wiederherstellen muss350. Möchte der Gesellschafter allerdings die werbende Tätigkeit beenden, so hat er sich an das gesetzliche Liquidierungsverfahren zu halten351. Auch eine Pflicht zur ausreichenden Kapitalausstattung der Gesellschaft, so nunmehr eindeutig das „Gamma“-Urteil des Bundesgerichtshofs, besteht nicht352. Gleiches gilt dementsprechend auch für die sogenannten „Aschenputtel“-Fälle, in denen Risiken und Ertragschancen von Anfang an unterschiedlichen Gesellschaften zugeordnet werden, da es auch hier am Entzug von Vermögenswerten fehlt 353. Ähnlich wie in den Fällen der materiellen Unterkapitalisierung wird auch in den „Aschenputtel“-Fällen der Gesellschaft von vornhe-
347
Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. c) (2). BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff., Leitsatz a) sowie S. 251 f.; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 31. 349 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff., Leitsatz a) sowie S. 252. Siehe auch Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 283; Dauner-Lieb, ZGR 2008, S. 34, 45; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1685. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter II. 4. d) (4). 350 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178. Siehe auch bereits Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 105. 351 Siehe nur BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139 sowie Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 101 f. m.w.N. 352 Siehe BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Leitsatz a) und b). 353 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Rn. 13. 348
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II. Deutsche Rechtslage
rein die Fähigkeit vorenthalten, dauerhaft ihren gewöhnlichen Gesellschaftsverbindlichkeiten nachkommen zu können354. Ein missbräuchlicher Eingriff in das Gesellschaftsvermögen kann jedoch auch in der Vereitelung der Durchsetzung von Ansprüchen der Gesellschaft liegen355 oder aber in einem Unterlassen der Geltendmachung eines der Gesellschaft zustehenden Anspruchs 356. (b) Kompensationslosigkeit des Eingriffs Aus den Urteilen „Rheumaklinik“ und „Trihotel“ folgt, dass ein zur Haftung führender existenzvernichtender Eingriff erst dann vorliegt, wenn Vermögen kompensationslos entzogen wird357. Dies erklärt sich bereits daraus, dass die Existenzvernichtungshaftung ihren Ausgangspunkt in einer Lücke des Kapitalschutzrechts der GmbH in Bezug auf solche Eingriffe findet, die nicht oder nicht in vollem Umfang durch die §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden können358. Ein existenzvernichtender Eingriff liegt somit dann nicht vor, wenn ihm eine marktgerechte Gegenleistung gegenübersteht 359. In diesem Zusammenhang bestimmt § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG nunmehr, dass sogar das Ausschüttungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG keine Anwendung findet, sofern die Leistung durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist. Die Regelung zielt 354 Habersack, ZGR 2008, S. 533, 544 f. Siehe auch Weller, ZIP 2007, S. 1691, 1684; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1966, Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 284. A.A. OLG Düsseldorf, Urteil v. 26. Okt. 2006, 6 U 248/05, ZIP 2007, S. 227. 355 Siehe BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 18. 356 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 179. 357 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, Leitsatz a): „missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das […] Gesellschaftsvermögen“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 358 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 24. Siehe ausführlich zum Schutzkonzept der §§ 30, 31 GmbHG und dessen Lücken bereits oben unter II. 2. 359 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50 (Vereinbarung eines Geschäftsbesorgungs- und Managementvertrages gegen eine Umsatzbeteiligung). Siehe auch BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 179 (Übertragung des Kundenstamms gegen Provisionszahlungen); BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2140 (Abgabe der Geschäftstätigkeit gegen eine Verpachtung des Klinikinventars). Siehe auch BGH, Urteil v. 23. April 2012, II ZR 252/10, ZIP S. 1071 ff., Rn. 17 (Veräußerung der Geschäftsausstattung im Rahmen eines Sale-and –lease-back-Verfahrens im Rahmen einer Liquidation).
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auf den praxisrelevanten Fall sogenannter upstream-loans. Unter diesem Begriff werden Darlehn an Gesellschafter erfasst oder die Verschiebung sämtlicher liquider Mittel mittels Darlehn zu einer einzigen Konzerngesellschaft im Rahmen eines cash pool360. Unter letzterem versteht man eine Konzentration aller liquiden Mittel sämtlicher Konzerngesellschaften bei einer als Bank fungierenden Konzerngesellschaft mit dem Ziel die einzelnen Soll- und Haben-Konten aller einbezogenen Gesellschaften auszugleichen361. Bezüglich der Angemessenheit der Gegenleistung steht den Gesellschaftern ein gewisser Bewertungsspielraum zu. So ist durch die Gerichte ex post lediglich zu prüfen, ob die Gegenleistung „grob unangemessen und damit unternehmerisch unvertretbar“ war362. Ein Eingriff in Form eines Entzuges von betriebsnotwendigem Inventar kann darüber hinaus auch dadurch kompensiert werden, dass die Weiterbenutzung des Inventars durch die Gesellschaft sichergestellt ist 363. Ebenfalls vermag auch ein subjektives Recht zur Kündigung eines betriebsnotwendigen Vertrages keinen existenzvernichtenden Eingriff zu begründen364. Den Gesellschafter trifft keine Pflicht auf bestehende subjektive Rechte zu verzichten365. Auch dies hat in einem Teilbereich eine gesetzliche Regelung erfahren. Mit der Aufgabe der Regeln zum eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehn scheidet eine Anwendung des Auszahlungsverbots des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG auch im Rahmen der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehns und solcher Leistungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem Gesellschafterdarlehn wirtschaftlich gleich stehen, aus366. Allerdings wird gerade in den letztgenannten Fällen dennoch die Existenzvernichtungshaftung eine gewisse Rolle spielen, soweit bei der Geltendmachung subjektiver Ansprüche die Insolvenz der Gesellschaft praktisch unausweichlich war367. 360
Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter II. 4. d) (1). Wehlen, in: Lutter/Scheffler/Scheider, Handbuch der Konzernfinanzierung, S. 757; Morsch, NZG 2003, S. 97 f. 362 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 54. Siehe auch Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1685, der insoweit von einer business judgment rule hinsichtlich des unternehmerischen Ermessens zur Beurteilung der Kompensationsfähigkeit einer Maßnahme spricht. 363 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 48 (Sicherungsübereignung des Inventars mit der Möglichkeit der Weiternutzung). 364 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 49 (rückständige Pachtzahlungen in erheblicher Höhe). 365 Siehe BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 366 § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG. Siehe auch Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 42. 367 Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 42; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 49. 361
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II. Deutsche Rechtslage
(c) Insolvenzverursachung oder -vertiefung beziehungsweise Verstoß gegen § 73 Abs. 1 GmbHG Aufgrund der Neueinordnung der Existenzvernichtungshaftung als besondere Fallgruppe des § 826 BGB reicht das objektive Vorliegen eines kompensationslosen Eingriffs allein zur Haftungsbegründung noch nicht aus. Vielmehr muss sich dieser als sittenwidrig darstellen. Gerade im Merkmal der Sittenwidrigkeit liegt die Rechtfertigung des über die spezialgesetzlichen Tatbestände hinausgehenden deliktischen Schadensersatzes368. Um von einem sittenwidrigen Verhalten der Gesellschafter ausgehen zu können, ist es nicht erforderlich, dass sich diese der Sittenwidrigkeit ihrer Handlung bewusst sind 369. Vielmehr wird die Sittenwidrigkeit bereits durch äußere objektive Tatumstände begründet370. Unter bewusster Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff sieht der Bundesgerichtshof auch im „Trihotel“-Urteil einen Verstoß gegen die guten Sitten in „einer planmäßigen ‚Entziehung‘ von – der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger unterliegendem – Vermögen der Gesellschaft mit der Folge der Beseitigung ihrer Solvenz […], wenn dies zudem […] zum unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten geschieht“371. Einen solchen planmäßigen Entzug umschreibt das „Trihotel“-Urteil auch als „[…] zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende […] Eingriffe in das […] Gesellschaftsvermögen“372. Allein eine Erhöhung des Insolvenzrisikos durch den Eingriff reicht zur Haftungsbegründung daher nicht aus373. Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen ist somit nur dann systemwidrig und somit sittenwidrig, wenn er tatsächlich in die Insolvenz führt 368
Siehe bereits oben unter II. 3. c). BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30; siehe auch BGH, Urteil v. 24. Nov. 1952, III ZR 164/51, BGHZ 8, 83, 87; BGH, Urteil v. 21. Sept. 1961, II ZR 86/60, NJW 1961, S. 2302, 2303; BGH, Urteil v. 17. Sept. 1985, VI ZR 73/84, NJW 1986, S. 180, 181; BGH, Urteil v. 19. Feb. 1986, IV b ZR 71/84, NJW 1986, S. 1751, 1754; BGH, Urteil v. 19. Sept. 1995, VI ZR 377/94, JZ 1996, S. 416, 419; Canaris, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. II/2, § 78 III 2, S. 455; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 22; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 52. 370 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 51 371 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. Siehe auch BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 185; BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 1. b) (4). 372 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Leitsatz a) sowie Rn. 16, (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 373 So auch Vetter, BB 2007, S. 1965, 1967. Siehe auch bereits Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 113. 369
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oder diese vertieft und somit der Gesellschaft Vermögen entzieht, dass sie zur Befriedigung ihrer Gläubiger zwingend benötigt 374. Der Bundesgerichtshof lässt für die Verursachung der Insolvenzreife bereits eine Mitursächlichkeit genügen375. Die Insolvenzverursachung oder -vertiefung setzt voraus, dass der Eingriff in die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO oder die Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO führt oder vertieft. Die Gesellschaft ist gemäß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO dann zahlungsunfähig, wenn sie nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Eine Überschuldung liegt gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Während § 17 InsO somit nur die fälligen Verbindlichkeiten den aktuell verfügbaren Mitteln gegenüberstellt und somit auf den Liquiditätsstatus der Gesellschaft abstellt, ist im Rahmen des § 19 InsO die Vermögenslage der Gesellschaft umfassend zu betrachten376. Der Bundesgerichtshof sieht die Grenze zu einem solchen sittenwidrigen und somit haftungsbegründenden Eingriff bereits dann als überschritten an, wenn die Gegenleistung, die dem Eingriff gegenübersteht, „derart unvertretbar niedrig war, dass eine Insolvenz der [Gesellschaft] als Folge einer solchen Unangemessenheit bereits zu jenem Zeitpunkt praktisch unausweichlich war“377. Die Insolvenz der Gesellschaft oder deren Vertiefung muss somit nicht nur tatsächlich vorliegen, sondern sie muss aus einer ex ante-Sicht bereits zum Zeitpunkt des Eingriffs „praktisch unausweichlich“ gewesen sein378. Fasst man die Kriterien des II. Senats zusammen, so wird deutlich, dass nicht bereits jeder Entzug von Gesellschaftsvermögen eine Haftung der Gesellschafter begründet. Die Existenzvernichtungshaftung schafft vielmehr eine situative Ausschüttungssperre in der Krise der Gesellschaft379. Sie bindet das Gesellschaftsvermögen allein in Insolvenznähe zum Schutz der Gläubiger. 374 Siehe ausführlich zur Systemwidrigkeit und somit Sittenwidrigkeit existenzvernichtender Eingriffe bereits oben unter II. 3. c). 375 BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff., Rn. 25. 376 Siehe zu den einzelnen Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit nur BGH, Urteil v. 24. Mai 2005, IX ZR 123/04, NJW 2005, S. 3062 ff. sowie zu den Vorraussetzungen der Überschuldung nur Bußhardt, in: Braun, InsO, § 19 Rn. 7 ff. 377 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50. 378 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50, 54. Siehe zum vergleichbaren Kausalitätserfordernis im Rahmen der Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG im Folgenden unter II. 5. b) (1). 379 Schall, Kapitalgesellschaftsrechtlicher Gläubigerschutz, S. 232.
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Ein sittenwidriger Eingriff des Gesellschafters liegt aber auch dann vor, sofern er der Gesellschaft im Rahmen eines Liquidationsverfahrens im Widerspruch zu § 73 Abs. 1 GmbHG Vermögen entzieht 380. § 73 Abs. 1 GmbHG ist in besonderem Maße Ausdruck der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger, sodass sich ein Verstoß hiergegen als Verletzung der Pflicht der Gesellschafter zur Beachtung dieser Zweckbindung darstellt. Der „speziellen ‚Zusatzkriterien‘ einer Insolvenzverursachung oder -vertiefung“ bedarf es somit im Rahmen der Liquidation einer Gesellschaft nicht381. (2) Kausaler Schaden der Gesellschaft Nur wer einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einen Schaden zufügt, ist gemäß § 826 BGB zum Ersatz dieses Schadens verpflichtet. Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen begründet somit nur dann eine Haftung, sofern dies adäquat kausal zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat. § 826 BGB erfordert weder die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts noch die Verletzung eines Schutzgesetzes, sodass bereits jede vorsätzlich sittenwidrige Vermögensschädigung zur Begründung eines Schadens ausreicht382. Um nichts anderes geht es bei der Existenzvernichtungshaftung. Schutzobjekt dieser Haftung ist das im Gläubigerinteresse gebundene Gesellschaftsvermögen, das durch einen kompensationslosen Eingriff des Gesellschafters geschädigt wird383. Indem der Bundesgerichtshof ausdrücklich am Gesellschaftsvermögen selbst anknüpft und nicht an den hierdurch nur „mittelbar“ geschützten Gläubigerforderungen384, ist der Schaden der Gesellschaft zunächst autonom zu bestimmen, das heißt ohne Berücksichtigung der durch die Schädigung des Gesellschaftsvermögens ebenfalls eingetretenen Ausfälle der einzelnen Gläubiger 385. Hierbei sind eventuelle Gegenleistungen des Gesellschafters zu berücksichtigen386.
380
BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b); BGH, Urteil v. 23. April 2012, II ZR 252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff., Rn. 13. 381 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Leitsatz b). 382 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 3. a). 383 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 41, 26, 28. 384 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1555 f., Rn. 26. 385 Siehe auch Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1007; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1686. Zum konkreten Schaden siehe bereits ausführlich oben unter II. 4. c) (2). 386 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1559 f., Rn. 49 ff.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
75
Der haftungsbegründende Schaden bemisst sich anhand der Differenz zwischen der tatsächlich bestehenden Vermögenslage und der hypothetischen, das heißt der ohne den Eingriff bestehenden Vermögenslage 387. Bei mehreren isolierbaren Eingriffen ist der kausale Schaden jeweils für jeden einzelnen Eingriff zu ermitteln388. Der durch den existenzvernichtenden Eingriff verursachte Schaden besteht beispielsweise im Wert der konkret entzogenen Vermögenspositionen. In der Regel wird er jedoch weit darüber hinausgehen. Gerade der Entzug des Warenbestandes oder betriebsnotwendiger Maschinen stellt gleichzeitig einen Entzug betriebsnotwendiger Ressourcen dar, welcher durch eine Erstattung allein nicht kompensierbar ist 389. Der Gesellschaft wird die Fähigkeit geraubt, weiter werbend tätig zu sein390. Die hierdurch auftretenden Folgeschäden bezeichnet der Bundesgerichtshof als „Kollateralschäden“391. Hierzu zählen insbesondere die insolvenzbedingten Wertverluste der Vermögensgegenstände der Gesellschaft, die Abwicklungskosten in Gestalt von Sozialplänen sowie die Kosten für die Unterbrechung der Produktion392. Ebenfalls fällt unter die Kollateralschäden der entgangene Gewinn393. Darüber hinaus umfasst der Schaden „die Kosten des vorläufigen Insolvenzverfahrens und des Insolvenzverfahrens, soweit die [Gesellschaft] ohne den schädigenden Eingriff nicht insolvenzreif geworden wäre“ sowie unter Umständen die Kosten des Prozessfinanzierers394. Der Schaden umfasst somit auch die durch den Eingriff adäquat kausal verursachten Verfahrenskosten395.
387 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 58. Siehe auch BGH, Urteil v. 30. Mai 2000, IX ZR 121/99, NJW 2000, S. 2669, 2670 m.w.N. Zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten der Darlegungs- und Beweislast siehe ausführlich im Folgenden unter II. 4. h). 388 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 54, 55. Siehe auch Schaefer/Steinmetz, WM 2007, S. 2265, 2270; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 764; Schanze, NZG 2007, S. 681, 684. 389 Siehe bereits Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94. 390 Weller, DStR 2007, S. 116, 118 f. Siehe auch Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 424 f.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 286 ff. 391 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 21. 392 Goette, ZIP 2005, S. 1481, 1487; Röhricht, ZIP 2005, S. 505, 515; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1686; Vetter, ZIP 2003, S. 601, 605; Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 337. 393 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50, 54. 394 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 57. Siehe auch BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 25. 395 Vgl. BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 25.
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II. Deutsche Rechtslage
Da gerade im Vorfeld einer Insolvenz mehrere Faktoren zu einer Verschlechterung der Vermögenslage der Gesellschaft führen werden und nur auf den adäquat kausal verursachten Schaden abzustellen ist, kann der Schaden nicht automatisch mit dem Betrag, der der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung entspricht, gleichgesetzt werden396. Im Falle der Gesellschaft in Liquidation wird allerdings regelmäßig der adäquat verursachte Schaden mit dem Betrag gleichzusetzen sein, in dessen Höhe die Gesellschaft ihre Schuldendeckungsfähigkeit verloren hat. Anders als bei der werbenden Gesellschaft bindet § 73 GmbHG das gesamte Gesellschaftsvermögen zugunsten der Gläubiger. Der Bundesgerichtshof spricht daher auch im „Sanitary“-Urteil davon, dass der Schaden im Verlust der Schuldendeckungsfähigkeit besteht397. (3) Vorsätzliches Gesellschafterhandeln Zieht man die Urteile bis zur „Trihotel“-Entscheidung heran, so kann keine eindeutige Aussage zu den subjektiven Voraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung getroffen werden398. Durch die Einordnung der Haftung in § 826 BGB durch das „Trihotel“-Urteil wird dies nunmehr eindeutig entschieden. § 826 BGB sanktioniert nicht allein die Sittenwidrigkeit des Eingriffs, sondern vielmehr eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung des Gesellschaftsvermögens. So formuliert der Bundesgerichtshof in der „Trihotel“-Entscheidung, dass dem Vorsatzerfordernis dann genügt sei, „wenn dem handelnden Gesellschafter bewusst ist, dass durch von ihm selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschaftsvermögen sittenwidrig geschädigt wird“399. Hierbei genügt bereits ein eventualvorsätzliches Handeln400. Zur Bejahung des Vorsatzerfordernisses genügt es somit, dass „die faktisch dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billi-
396 Zu den diesbezüglichen Problemen der Darlegungs- und Beweislast siehe ausführlich im Folgenden unter II 4. h). 397 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 25. 398 Zur Widersprüchlichkeit des alten Konzeptes bezüglich des Verschuldenserfordernisses siehe oben unter II. 1. b). 399 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. 400 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. Siehe auch allgemein zum Vorsatzerfordernis unter § 826 BGB Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 61; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 23, mit jeweils weiteren Nennungen.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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gend in Kauf genommen hat“401. Eine Vermögensentziehung mit der unmittelbaren Absicht Gläubiger zu schädigen ist somit nicht erforderlich402. Ein besonderes Bewusstsein der Sittenwidrigkeit ist schließlich ebenso wenig erforderlich. Es genügt vielmehr die Kenntnis der Tatumstände, die die Sittenwidrigkeit begründen403. d) Fallgruppen Die bislang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff behandelten Sachverhalte lassen sich in einige wenige Fallgruppen einteilen. Ein existenzvernichtender Eingriff kann grundsätzlich im bilanziell abbildbaren Entzug von Liquidität liegen (siehe im Folgenden unter (1)), in der ebenfalls bilanziell erfassbaren fremdnützigen Bestellung von Sicherheiten (siehe im Folgenden unter (2)) sowie in bilanziell nur teilweise oder gar nicht abbildbaren Maßnahmen, wie im Abzug von Geschäftsfeldern und -chancen (siehe im Folgenden unter (3)). Davon zu unterscheiden sind diejenigen Fälle, die zwar immer wieder unter dem Stichwort der Existenzvernichtungshaftung diskutiert werden, jedoch eine solche Haftung nicht zu begründen vermögen. Hierzu zählen unternehmerische Fehlentscheidungen und Risikogeschäfte (siehe im Folgenden unter (4)), die materielle Unterkapitalisierung beziehungsweise sogenannte „Aschenputtel“-Gesellschaften404 (siehe im Folgenden unter (5)) sowie die Fallgruppe der Vermögensvermischung (siehe im Folgenden unter (6)). (1) Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte Den Ausgangspunkt der Existenzvernichtungshaftung bildet der existenzvernichtende Abzug liquider Mittel im Rahmen eines sogenannten cash pooling405. Bereits der „Autokran“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs liegt der Abzug sämtlicher Liquidität zugunsten einer „ManagementGesellschaft“ zugrunde, der die Haftung des hinter sämtlichen Gesellschaf401 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30; BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 24; BGH, Urteil v. 23. April 2012, II ZR 252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff., Rn. 13. 402 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. 403 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 30. Siehe auch Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 61; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 23. 404 Zum Begriff der „Aschenputtel“-Gesellschaft siehe bereits oben unter II. 4. c) (1) (a). 405 Siehe nur BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10 ff. Siehe hierzu auch bereits oben unter II. 4. c) (1) (b).
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II. Deutsche Rechtslage
ten stehenden Gesellschafters begründet406. Auch die „Bremer-Vulkan“Entscheidung befasst sich mit der Einbringung sämtlicher liquider Mittel einer Konzerngesellschaft in ein cash management-System407, ohne dass dieser Einbringung ein vollwertiger Rückzahlungsanspruch gegenübersteht. Da die Gelder der einbringenden Gesellschaft in Folge des cash pooling anderen Konzerngesellschaften zur Verfügung gestellt wurden, führte dies dazu, dass die Forderungen der einbringenden Gesellschaft nicht mehr erfüllt werden konnten408. Auch sonstige Darlehn und andere Leistungen mit Kreditcharakter durch die GmbH an Gesellschafter, sogenannte upstream-loans, können einen existenzvernichtenden Eingriff begründen409. Sofern die Einbringung der Mittel jedoch durch einen vollwertigen Gegenleistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Gesellschafter gedeckt ist, liegt von vornherein kein existenzvernichtender Eingriff vor. Die Relevanz der Gegenleistung hat im Rahmen des § 30 Abs. 1 S. 2 GmbHG durch das MoMiG nunmehr eine eindeutige Regelung erfahren410. Die Vollwertigkeit des Rückzahlungsanspruchs dürfte regelmäßig zu verneinen sein, wenn der Gesellschafter zum Beispiel eine mit geringen Mitteln ausgestattete Erwerbsgesellschaft ist oder die Durchsetzbarkeit der Forderung aus anderen Gründen absehbar in Frage gestellt ist411. Auch außerhalb von Konzernstrukturen bildet der bilanziell abbildbare, kompensationslose Entzug von Umlauf- oder Anlagevermögen, der zwingend in die Insolvenz der Gesellschaft führen musste oder diese vertieft hat, den Schwerpunkt der Haftung. Beispiele aus der Rechtsprechung sind der Entzug von Liquidität zugunsten eines Gesellschafters412 sowie die Vereinnahmung von der Gesellschaft zustehenden Forderungen durch den
406
Siehe BGH, Urteil v. 16. Sept. 1985, II ZR 275/84, BGHZ 95, 330, 337 ff. Siehe hierzu bereits oben unter II. 1. a) (1). 407 Unter cash management versteht man die Gesamtheit aller auf die Gestaltung des kurzfristigen Finanzpotentials eines Konzerns ausgerichteten Aktivitäten, siehe Morsch, NZG 2003, S. 97 f. 408 Siehe BGH, Urteil v. 17. Sept. 2001, II ZR 178/99 („Bremer Vulkan“), BGHZ 149, S. 10, 13 f. Siehe hierzu auch bereits oben unter II. 1. b) (1). 409 Siehe bereits oben unter II. 4. c) (1) (b). 410 Siehe bereits oben unter II. 4. c) (1) (b). 411 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 41. 412 Siehe BGH, Urteil v. 25. Feb. 2002, II ZR 196/00 („Ausfallhaftung“), BGHZ 150, S. 61, 62, 67 (Tilgung privater Verbindlichkeiten des Gesellschafters aus dem Gesellschaftsvermögen); BGH, Urteil v. 13. Dez. 2007, IX ZR 116/06, ZIP 2008, S. 455 (Überweisung von Gesellschaftsvermögen auf privates Bankkonto); OLG Jena, Urteil v. 28. Nov. 2001, 4 U 234/01, GmbHR 2002, S. 112 ff., Rn. 34 (Belastung der Gesellschaft mit Verbindlichkeiten des Gesellschafters); OLG Saarbrücken, Urteil v. 22. Sept. 1992, 7 U 4/92, GmbHR 1993, S. 39, 41 (Umleitung von für die Gesellschaft bestimmten Zahlungen auf Privatkonto).
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Gesellschafter413. Auch eine „Vernichtung“ von Forderungen durch eine prozessuale Vereitelung der Durchsetzung eines gegen den Gesellschafter bestehenden Anspruchs der Gesellschaft vermag einen existenzvernichtenden Eingriff zu begründen414 ebenso wie das Unterlassen der Geltendmachung eines der Gesellschaft zustehenden Anspruchs 415. Da mit dem MoMiG die Rechtsprechungsregeln zum eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehn aufgegeben werden, stellen Tilgungsleistungen der Gesellschaft keine verbotenen Auszahlungen des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögens mehr dar. Ein solches Gesellschafterdarlehn kann nicht mehr als Eigenkapital qualifiziert werden416. Ein existenzvernichtender Eingriff kann schließlich auch im Entzug von Anlagevermögen liegen, so vor allem bei einem Entzug von betriebsnotwendigen Konzessionen, Lizenzen oder technischen Anlagen sowie von Betriebs- und Geschäftsausstattung417. So werden beispielsweise vielfach Vermögensgegenständen auf eine neu gegründete Auffanggesellschaft oder Schwestergesellschaft übertragen, die bei einer sich abzeichnenden Krise der Gesellschaft deren werbende Tätigkeit fortsetzen soll418. Die Literatur spricht in letztgenannten Fällen von „GmbH-Stafetten“419.
413 Siehe BGH, Beschluss v. 7. Jan. 2008, II ZR 314/05, ZIP 2008, S. 308, 309 (Vereinnahmung von Forderungen durch den Alleingesellschafter); siehe aber auch BGH, Beschluss v. 2. Juni 2008, II ZR 104/07, ZIP 2008, S. 1329. Hier wurde ein existenzvernichtender Eingriff verneint, da der Gesellschafter zwar Forderungen der GmbH gegen Dritte auf ein eigenes Konto eingezogen hatte, mit diesen Mitteln jedoch Verbindlichkeiten der Gesellschaft beglich und zusätzlich in beträchtlichem Umfang aus eigenem Vermögen weitere Gesellschaftsschulden tilgte. 414 Siehe BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 18 ff. Die Forderung wurde durch die sittenwidrige Herbeiführung der Abweisung einer gegen den Gesellschafter gerichteten Klage der Gesellschaft auf Zahlung vernichtet. 415 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 179. 416 Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 42. Siehe hierzu bereits oben unter II. 4. c) (1) (b). 417 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 48. Die Entscheidung betraf u.a. die Übertragung des Hotelinventars auf eine andere Gesellschaft. Da jedoch dessen Weiterbenutzung sichergestellt war, wurde ein existenzvernichtender Eingriff verneint; LAG Köln, Urteil v. 20. Juni 2003, 4 Sa 128/03, ZIP 2003, S. 1893, 1894 (Übertragung der Geschäftscomputer). 418 Siehe BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 184 f.; vgl. auch BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178 (Übertragung des Fahrzeugbestands); BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 252 f.; BGH, Beschluss v. 7. Jan. 2008, II ZR 314/05, ZIP 2008, S. 308, 310 (Vereinnahmung von Forderungen). Siehe auch, allerdings im Rahmen einer Liquidation, BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR
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Allen derartigen Eingriffen ist gemeinsam, dass sich der Entzug bilanziell nur im Entzug des konkreten Wertes niederschlägt, jedoch die Gefahr weitreichender „Kollateralschäden“420 birgt. So kann eine Entnahme liquider Mittel auch jenseits der Grenze des § 30 GmbHG in die Insolvenz führen, indem der Gesellschaft die Liquidität entzogen wird, die sie benötigt, bestehende oder demnächst fällige und deshalb noch nicht in die Stichtagsbilanz eingehende Verbindlichkeiten zu erfüllen421. Beispiele solcher Verbindlichkeiten sind Gehälter oder Mieten. Ohne betriebsnotwendige Maschinen, Lizenzen oder sonstige Vermögensgegenstände muss die betroffene Gesellschaft geradezu „ausbluten“422, da eine Fortsetzung der werbenden Tätigkeit nicht mehr oder nur eingeschränkt möglich ist 423. Ist allerdings im Zuge der Übereignung betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände deren Weiterbenutzung durch die Gesellschaft und somit auch die Betriebsfortführung sichergestellt, so liegt in der Übereignung (noch) kein existenzvernichtender Eingriff424 vor. (2) Fremdnützige Bestellung von Sicherheiten Als weitere Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung, die sich zumindest ansatzweise in der Bilanz niederschlägt 425, kommt die Besicherung von Gesellschafterdarlehn durch Vermögensgegenstände der Gesellschaft in Betracht426. Gerade im Rahmen der Akquisitionsfinanzierung wird üblicherweise ein von der erwerbenden Gesellschaft aufgenommenes Darlehn zum Erwerb einer Zielgesellschaft durch diese zu erwerbende Zielgesellschaft selbst besichert, sog. levereged buyout.
252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff., Rn. 17 (Übertragung des Gesellschaftsvermögens unter Wert auf die Neugesellschaft, die im vorliegenden Fall allerdings verneint wurde). 419 Siehe nur Wagner, in: MüKo BGB, § 826, Rn. 103 f. 420 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 21. Siehe hierzu bereits oben unter II. 4. c) (2). 421 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94. 422 Treffer, GmbHR 2003, S. 166, 167. 423 Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 94; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 163; Bruns, WM 2003, S. 815, 819; Haas, WM 2003, S. 1929, 1934; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 421. 424 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 47, für den Fall einer Sicherungsübereignung. 425 Gemäß § 251 HGB i.V.m. § 268 VII HGB sind unter der Bilanz Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten anzugeben und gemäß § 285 Nr. 3 HGB im Anhang zu erläutern. 426 Siehe hierzu auch Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 91; Vetter, ZIP 2003, S. 601; Henze, NZG 2003, S. 649, 658; Diem, ZIP 2003, S. 1283 ff.; Freitag, WM 2003, S. 805 ff.; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1967; Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 241 ff. m.N.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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Diese Form der Besicherung birgt in dreierlei Hinsicht die Gefahr einer Existenzvernichtung. Beispielsweise sind Fälle denkbar, in denen die Zielgesellschaft, die die Sicherheit stellt, das Sicherungsgut nicht verwenden kann, also ein tatsächlicher Vermögensentzug stattfindet. Letzteres gilt auch für den Fall der Inanspruchnahme der Sicherheit. Auch kann die Kreditfähigkeit der Zielgesellschaft, also die Fähigkeit benötigte Mittel extern aufzunehmen, durch die Stellung von Sicherheiten beeinträchtigt sein427. In den beiden letztgenannten Fällen findet im Zeitpunkt der Bestellung der Sicherheit jedoch kein für die Bejahung der Existenzvernichtungshaftung erforderlicher tatsächlicher Vermögensentzug statt, sondern nur eine potentielle Vermögensgefährdung. In der Bestellung einer fremdnützigen Sicherheit liegt somit erst dann ein existenzvernichtender Eingriff, wenn die Inanspruchnahme der Sicherheit vorhersehbar ist, diesbezüglich keine Rückstellung gebildet wurde und der Gesellschafter die mögliche Inanspruchnahme billigend in Kauf genommen hat 428. Die Praxis versucht darüber hinaus im Rahmen einer sogenannten limitation language, eine Vereinbarung mit den Banken zu schließen, mit der diese sich verpflichten, die Sicherheiten nur insoweit zu verwerten als dadurch die Fähigkeit der zu erwerbenden Gesellschaft zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nicht beeinträchtigt wird429. Dies bringt allerdings eine erhebliche Entwertung der Sicherheit mit sich und dürfte nur schuldrechtlichen Charakter haben430. Hat die Gesellschaft jedoch sorgfältig ihre Liquidität geplant, kann eine nachträgliche, unerwartete Vermögensverschlechterung keinen existenzvernichtenden Eingriff begründen431. (3) Bilanziell nicht oder nur unzureichend abbildbarer Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen Ein existenzvernichtender Eingriff kann schließlich auch im Entzug solcher Ressourcen liegen, die bilanziell keinen Niederschlag finden. So sieht der Bundesgerichtshof einen möglichen Eingriff im Entzug von Arbeitskräften432, des Kundenstamms oder der Geschäftsverbindungen433, ver427
Vetter, BB 2007, S. 1965, 1967. Diem, Akquisitionsfinanzierungen, S. 219. Siehe auch Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1686; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1967 sowie auch BGH, Urteil v. 19. März 1998, IX ZR 22/97, WM 1998, S. 968. 429 Diem, ZIP 2003, S. 1283, 1287. 430 Diem, ZIP 2003, S. 1282, 1289; Freitag, WM 2003, S. 805, 809. 431 Vetter, BB 2007, S. 1965, 1967. 432 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 182, (Übernahme des Personals durch eine andere Gesellschaft); BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139 (Massenkündi428
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bunden mit einer Verlagerung des Geschäftsfelds auf eine andere Gesellschaft 434. Diese in der Praxis häufige „GmbH-Stafette“ führt zur Einstellung der werbenden Tätigkeit der alten Gesellschaft mit der Folge eines „Ausblutens“ der Gesellschaft und schließlich der Insolvenz 435. Der „Rheumaklinik“-Entscheidung des Bundesgerichtshof lag beispielsweise eine Kündigung eines zwischen Gesellschafter und Gesellschaft geschlossenen Mietvertrages sowie die Kündigung der Verträge über die Speiseversorgung und den Zimmerservice sowie die Haustechnik eines Krankenhauses zugrunde, verbunden mit der Massenkündigung aller Mitarbeiter. Ziel dieser Maßnahmen war die Fortführung eines Krankenhausbetriebs durch eine neue Betreibergesellschaft. Der alten Gesellschaft verblieb lediglich das Klinikinventar, welches sie der neuen Betreibergesellschaft verpachtete. Da diese Pachteinnahmen die Abgabe der Geschäftstätigkeit nicht annähernd ausgleichen konnten und die Gesellschaft so in die Insolvenz fiel, bejahte der Bundesgerichtshof die Haftung des Gesellschafters436. Eine ähnliche Situation liegt auch dem „Trihotel“-Urteil zugrunde. Der Gesellschafter übertrug einen Hotelbetrieb auf eine neue Betreibergesellschaft, während die alte Gesellschaft nur noch Managementaufgaben gegen eine Umsatzbeteiligung wahrnehmen sollte. Die Übertragung fand mittels der Kündigung des Hotelpachtvertrages, der Sicherungsübereignung des Inventars sowie der Übernahme sämtlicher Arbeitnehmer durch die neue Betreibergesellschaft statt. In beiden Fällen nimmt der Bundesgerichtshof einen existenzvernichtenden Eingriff jedoch nur dann an, wenn die Gegenleistung derart unvertretbar niedrig war, dass eine Insolvenz der alten Gesellschaft als Folge der Unangemessenheit bereits zum Zeitpunkt der Übertragung praktisch unausweichlich war und dies für den Gesellschafter
gung aller Mitarbeiter unter dem Hinweis auf eine Weiterbeschäftigung in einer anderen Gesellschaft). 433 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250, 251 (Verlagerung des Kundenstamms sowie Vertriebssystems); BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177, 178 (Übernahme der Kundendatei). 434 Siehe hierzu auch Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 105 f.; Vetter, ZIP 2003, S. 601, 604; Bruns, WM 2003, S. 815, 819; Haas, WM 2003, S. 1929, 1934; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 414 f.; Weller, Europäische Rechtsformwahlfreiheit und Gesellschafterhaftung, S. 162 ff.; Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 214 ff. 435 Siehe zur GmbH-Stafette auch bereits oben unter II. 4. d) (1). 436 Siehe BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139.
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erkennbar war437. Maßgebliches Wertungskriterium ist somit auch in dieser Fallgruppe die Angemessenheit der Gegenleistung sowie die Vorhersehbarkeit der Insolvenz. Allerdings besteht keine Pflicht zur Fortführung der alten Gesellschaft. Möchte der Gesellschafter die werbende Tätigkeit beenden, muss er sich jedoch an das gesetzliche Liquidationsverfahren halten438. (4) Unternehmerische Fehlentscheidungen und Risikogeschäfte Geht man davon aus, dass in sämtlichen soeben beschriebenen Fallgruppen eine „Strategie zum Tode“ der Gesellschaft liegt, so müsste auch eine Eingehung übergroßer Risiken mit der Folge der Insolvenz der Gesellschaft zu einer Haftung des Gesellschafters führen439. Rechtsprechung und Literatur sprechen insoweit auch von einer Spekulation zulasten der Gläubiger440. Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits im „Handelsvertreter“-Urteil klargestellt, dass sich die Existenzvernichtungshaftung nicht auf Managementfehler im Rahmen des Betriebs des Unternehmens bezieht 441. Die Existenzvernichtungshaftung setzt vielmehr einen „Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen in Form eines „gezielten, betriebsfremden Zwecken dienenden Entzug[s] von Vermögenswerten“ voraus, dessen Folge die faktische, dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten ist 442. Das wesentliche Kriterium zur Abgrenzung unternehmerischer Fehlentscheidungen von zulässigen Risiken liegt im Kriterium der unternehmerischen Vertretbarkeit der Maßnahme 443. Dementsprechend steht den Gesellschaftern ein unternehmerisches Ermessen nach Art der business 437 Siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50, 54. Siehe zu den einzelnen Voraussetzungen bereits ausführlich oben unter II. 4. c) (1). 438 Siehe hierzu bereits oben II. 4. c) (1) (a). 439 So Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 415. Siehe auch Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 288 ff. Zu den Fällen einer bereits von Anfang an bestehenden unterschiedlichen Risikoverteilung zwischen mehreren Gesellschaften, sogenannte „Aschenputtel“-Fälle, siehe im Folgenden unter II. 4. d) (5). 440 BGH, Urteil v. 13. Dez. 1993, II ZR 89/93 („EDV-Peripherie“), NJW 1994, S. 446, 447; siehe auch Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 109; Banerjea, ZIP 1999, S. 1153, 1161; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 288 ff. 441 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250, 252. 442 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 4. c) (1) (a). 443 Veil, NJW 2008, S. 3264, 3265; Ihrig, DStR 2007, S. 1170, 1173; Drygala, GmbHR 2003, S. 729, 736; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 415 f.; K. Schmidt, NJW 2001, S. 3577, 3580. Siehe auch BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 50, 54. Siehe hierzu auch bereits oben unter II. 4. c) (1) (b) und (c).
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II. Deutsche Rechtslage
judgment rule der Geschäftsführer444 zu445. Eine Haftung der Gesellschafter ist somit nur dann zu bejahen, wenn sich das Risiko als grob unangemessen und somit als unternehmerisch unvertretbar erweist, das heißt, wenn die Maßnahme zwangsläufig in die Insolvenz der Gesellschaft führen musste und dies für den Gesellschafter erkennbar war446. (5) Materielle Unterkapitalisierung und „Aschenputtel“-Gesellschaften Mit dem „Gamma“-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28. April 2008 447 dürfte nunmehr die langjährige Streitfrage um die Gesellschafterhaftung in Fällen einer materiellen Unterkapitalisierung zumindest im Rahmen einer gesellschaftsrechtlich verankerten Haftung geklärt sein. Anknüpfungspunkt der Forderung nach einer Haftung ist die Tatsache, dass eine Gesellschaft mit einer im Verhältnis zu ihrer Geschäftstätigkeit nur unzureichenden Finanzausstattung, also einer Unterkapitalisierung, besonders hohe Risiken für ihre Gläubiger birgt 448. Bis zur „Gamma“-Entscheidung fanden sich in der Literatur wiederholt Stimmen, die in einer Unterkapitalisierung einen existenzvernichtenden Eingriff sahen449. Allerdings verwirft der Gesetzgeber bereits in der GmbHG-Novelle von 1980 eine Haftung für Unterkapitalisierung 450 und auch im Rahmen des MoMiG sieht er eine solche Haftung bewusst nicht vor451. Auch der Bundesgerichtshof erteilt nunmehr sowohl einer gesellschaftsrechtlich fundierten Haftung für eine materielle Unterkapitalisierung, als auch der Einordnung einer solchen Haftung als existenzvernichtenden Eingriff eine deutliche Absage. Für die Statuierung einer allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung des Gesellschafters wegen materieller Unterkapitalisierung im Wege höchstrichterlicher Rechtsfortbildung sei bereits 444
Siehe nur BGH, Urteil v. 21. April 1997, II ZR 175/95, BGHZ 135, S. 244 ff., Rn. 18. 445 Veil, NJW 2008, S. 3264, 3265; Ihrig, DStR 2007, S. 1170, 1173; a.A. Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 416, allerdings noch unter der Annahme einer objektiven Missbrauchshaftung. 446 So auch Veil, NJW 2008, S. 3264, 3265; Ihrig, DStR 2007, S. 1170, 1173; Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 254; Bitter, WM 2001, S. 2133, 2141; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 416. Zur Überprüfbarkeit durch die Gerichte siehe bereits oben unter II. 4. c) (1) (b) und (c). 447 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff. 448 Siehe zur Diskussion um eine Haftung für Unterkapitalisierung nur Bitter, in: Scholz, GmbHG, § 13 Rn. 138 ff. m.w.N. 449 So Wiedemann, ZGR 2003, S. 281, 295; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 419 f.; Bitter, WM 2001, S. 2133, 2139 f.; Ulmer, ZIP 2001, S. 2021, 2026; siehe auch Eidenmüller, ZGR 2007, S. 168, 187 f., der in der Absenkung des Mindestkapitals durch das MoMiG eine Legitimierung der Unterkapitalisierungshaftung sieht. 450 Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 8/1347, S. 38 f. 451 Siehe Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 30.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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mangels einer Gesetzeslücke kein Raum452. Darüber hinaus setze die Existenzvernichtungshaftung einen kompensationslosen „Eingriff“ in das Gesellschaftsvermögen voraus, dem ein Unterlassen hinreichender Kapitalausstattung im Sinne einer „Unterkapitalisierung“ nicht gleichstünde453. Bei einer Unterkapitalisierung wird der Gesellschaft Vermögen vorenthalten und gerade nicht im Sinne eines Eingriffs entzogen454. Gleiches gilt für die Fälle der sogenannten „Aschenputtel“Gesellschaft, der von Beginn an ausschließlich alle Risiken zugewiesen werden, während einer anderen Gesellschaft die Ertragschancen zugewiesen werden455. Der Bundesgerichtshof schließt dennoch nicht generell eine Haftung für eine materielle Unterkapitalisierung aus. Vielmehr hat die Rechtsprechung auch bislang angenommen, dass das Handeln oder Unterlassen des Gesellschafters in Bezug auf die Finanzausstattung seiner Gesellschaft haftungsrechtlich seine Grenze im Verbot der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung der Gläubiger im Sinne des § 826 BGB finden kann456. Diese Grenze wird jedoch nicht bereits in einer unzureichenden Kapitalausstattung der Gesellschaft überschritten, sondern erst bei einer „einseitige[n] Verfolgung der Interessen der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft unmittelbar zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger“457. Die Schädigung der Gläubiger musste sich dem Gesellschafter geradezu aufdrängen458. Bei der Haftung für eine Unterkapitalisierung der GmbH handelt es sich somit um Einzelfallentscheidungen, die bislang auch im Rahmen des § 826 BGB eine eigenständige Fallgruppe nicht zu begründen vermochten459.
452 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Leitsatz b) sowie Rn. 13, 17 ff. 453 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Leitsatz a) sowie Rn. 12 f. 454 Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 290; Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 91 f., 97. 455 Siehe bereits Röhricht, in: FS 50 Jahre BGH, S. 83, 91 f., 97. Siehe auch BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Rn. 7. 456 Siehe BGH, Urteil v. 30. Nov. 1978, II ZR 204/76, NJW 1979, S. 2104; BGH, Urteil v. 25. April 1988, II ZR 175/87, NJW-RR 1988, S. 1188; BGH, Urteil v. 1. Juli 1991, II ZR 180/90, ZIP 1991, S. 1140, 1145; BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Rn. 21; siehe auch BGH, Urteil v. 4. Mai 1977, VIII ZR 298/75, BGHZ 68, S. 312, 322; BGH, Urteil v. 3. Nov. 1976, I ZR 156/74, WM 1977, S. 73, 75. 457 BGH, Urteil v. 30. Nov. 1978, II ZR 204/76, NJW 1979, S. 2104, 2105. 458 BGH, Urteil v. 30. Nov. 1978, II ZR 204/76, NJW 1979, S. 2104, 2105; siehe auch BGH, Urteil v. 16. März 1992, II ZR 152/91, ZIP 1992, S. 694. 459 BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Rn. 21, 25.
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II. Deutsche Rechtslage
(6) Vermögensvermischung Die Fallgruppe der Vermögensvermischung bildet die einzige (bislang) anerkannte Fallgruppe einer Durchgriffshaftung, das heißt einer unmittelbaren Haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern460. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine persönliche Haftung von Gesellschaftern dann in Betracht, wenn „die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist und deshalb die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren können“461. Die Fallgruppe der Vermögensvermischung stellt jedoch, so explizit das „Trihotel“-Urteil des Bundesgerichtshofs, keine Fallgruppe des existenzvernichtenden Eingriffs dar462. Liegt jedoch eine Vielzahl kaum zu unterscheidender Eingriffe vor, von denen keiner für sich genommen bereits in die Insolvenz der Gesellschaft führt, so lässt sich unter Umständen eine Durchgriffshaftung im Sinne der Vermögensvermischung begründen463. e) Rechtsfolge Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen der Existenzvernichtungshaftung vor, so haftete der Gesellschafter bislang den Gläubigern der Gesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich. Mit dem „Trihotel“Urteil gibt der Bundesgerichtshof das bisherige Haftungskonzept einer Durchgriffs(außen)haftung des Gesellschafters gegenüber den Gesellschaftsgläubigern jedoch zugunsten einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft auf464. Schutzobjekt der haftungsbegründenden Pflichtverletzung, so der Bundesgerichtshof, sei allein das Gesellschaftsvermögen selbst und nicht die nur mittelbar geschützten Gläubigerforderungen465. Als gebotener Eingriffsausgleich kommt somit entsprechend dem „Basisschutzkonzept“ der §§ 30, 31 GmbHG nur eine 460 Siehe nur BGH, Urteil v. 14. Nov. 2005, II ZR 178/03, ZIP 2006, S. 467; BGH, Urteil v. 13. April 1994, II ZR 16/93, BGHZ 125, S. 366. 461 BGH, Urteil v. 14. Nov. 2005, II ZR 178/03, ZIP 2006, S. 467 ff., Rn. 14 m.w.N. 462 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27; siehe auch BGH, Urteil v. 14. Nov. 2005, II ZR 178/03, ZIP 2006, S. 467 ff., Rn. 14. 463 Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 284; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 284. Siehe hierzu auch im Folgenden unter II. 4. d) (6). 464 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 17, 23. 465 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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Ersatzhaftung gegenüber der Gesellschaft selbst als Trägerin des geschädigten Gesellschaftsvermögens in Betracht466. Der Gesellschafter hat der Gesellschaft den durch seinen Eingriff adäquat kausal verursachten Schaden zu ersetzen. Zu ersetzen sind daher „die durch den Eingriff verursachten Vermögensnachteile der Gesellschaft“ in Form von „entzogenen Vermögenspositionen, insolvenzbedingte Zerschlagungsverluste sowie ein etwa entgangener Gewinn der Gesellschaft und, wenn die Gesellschaft ohne den Eingriff nicht insolvenzreif geworden wäre, die Kosten des vorläufigen Insolvenzverfahrens und des Insolvenzverfahrens“467. Die Einordnung der Haftung in § 826 BGB führt auch dazu, dass es im Gegensatz zum bisherigen Haftungskonzept keiner besonderen dogmatischen Rechtfertigung der Beschränkung der Haftung bedarf468. Der Bundesgerichtshof knüpft die Haftung des Gesellschafters jedoch nicht allein an die Schädigung des Gesellschaftsvermögens, sondern vielmehr an den Verstoß gegen die „Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger während der Lebensdauer der GmbH“469. Nur dann liegt ein Verstoß gegen die gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Wertungen vor, der zur Sittenwidrigkeit der Schädigung führt. Diese Wertungen schützen das Gesellschaftsvermögen aber nicht absolut vor Zugriffen der Gesellschafter. Vielmehr schützen sie das Gesellschaftsvermögen nur, soweit es zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist 470. Die Existenzvernichtungshaftung zielt also darauf, die durch einen Eingriff entstandenen „Kollateralschäden zu decken, soweit dies zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist“471. Der „rechtlich ersatzfähige Schaden“472 liegt bei existenzvernichtenden Eingriffen somit auch nicht zwingend in der gesamten Differenz zwischen dem tatsächlichen Gesellschaftsvermögen und dem hypothetisch ohne den Eingriff bestehenden Vermögen473. Der Gesellschafter muss vielmehr von 466
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 26 ff. Siehe auch bereits oben unter II. 3. c) (2) (a). 467 BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff., Rn. 29. 468 Siehe zu den diesbezüglichen Schwierigkeiten bereits ausführlich oben unter II. 1. b) (3). 469 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1559 f., Rn. 25. 470 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter II. 3. c) (2). 471 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 32, 55, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 472 Siehe zu diesem Begriff Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. I, § 27 II a), der darunter den Schaden versteht, der, wenn die im Gesetz bestimmten Voraussetzungen einer Schadensersatzpflicht vorliegen, im Allgemeinen von dem Ersatzpflichtigen zu ersetzen ist. 473 Siehe hierzu bereits oben unter II. 4. c) (2).
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II. Deutsche Rechtslage
dem durch den existenzvernichtenden Eingriff kausal entstandenen Schaden nur das ersetzen, was zur Wiederherstellung der Schuldendeckungsfähigkeit der Gesellschaft erforderlich ist474. Die Ersatzpflicht ist somit der Höhe nach auf den Betrag begrenzt, der für die Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist 475. Der II. Senat des Bundesgerichtshofs konkretisiert dies dahingehend, dass die gesamten im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen zuzüglich der Kosten des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens die Obergrenze der Haftung darstellten476. Da ein Gesellschafter kaum in eine florierende Gesellschaft existenzvernichtend eingreifen wird, sondern die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vielfältig sein werden, kann und wird der adäquat kausal verursachte Schaden rechtspraktisch jedoch die Haftung der Gesellschafter der Höhe nach begrenzen und nicht der Maximalbetrag in Höhe des Betrages, der die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit begründet477. Im Falle der Liquidation der Gesellschaft ist die Ersatzpflicht der Höhe nach ebenfalls auf den Betrag begrenzt, den die Gesellschaft zur Wiederherstellung ihrer Schuldendeckungsfähigkeit benötigt. f) Konkurrenzen Nach dem bisherigen Konzept einer selbstständigen, gesellschaftsrechtlich fundierten Existenzvernichtungshaftung war diese zu den Ansprüchen aus §§ 30, 31 GmbHG subsidiär. Die Existenzvernichtungshaftung war demnach erst dann anwendbar, wenn sich der durch den Eingriff insgesamt zugefügte Nachteil nicht bereits nach §§ 30, 31 GmbHG ausgleichen ließ 478. Durch die Einordnung der Haftung in § 826 BGB gibt der Bundesgerichtshof nunmehr diese Subsidiarität auf. Ausgangspunkt ist allerdings auch weiterhin, dass die Existenzvernichtungshaftung „der Schließung einer Schutzlücke für die durch den Eingriff veranlassten Schäden ‚jenseits der Stammkapitalziffer“ dient479. Eine Begrenzung der Haftung auf Schäden jenseits dieser Grenze, so der II. Senat, sei aber bereits deshalb nicht geboten, da die Haftung an einem einheitlichen, zur Insolvenz der Gesell-
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Siehe zum konkreten Schaden bereits oben unter II. 4. c) (2). BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 55. 476 BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff., Rn. 29. 477 Siehe zu den diesbezüglichen Beweisschwierigkeiten im Folgenden unter II. 4. h). 478 Siehe nur BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 187. 479 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 38. 475
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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schaft führenden Eingriff anknüpfe 480. Der Senat nimmt daher nun auch eine Anspruchsgrundlagenkonkurrenz zwischen beiden Ansprüchen an, soweit sie sich überschneiden481. Einer solchen Begrenzung des Schadensersatzes steht zudem die Schutzfunktion von § 826 BGB entgegen482. Das für § 826 BGB wesentliche Merkmal der Sittenwidrigkeit begründet einen übergeordneten allgemeinen Charakter der Norm483. Liegt dementsprechend eine sittenwidrige Schädigung vor, tritt § 826 BGB grundsätzlich auch neben andere Anspruchsgrundlagen innerhalb und außerhalb des BGB 484. Dies gilt insbesondere auch für die Regeln des AnfG beziehungsweise der InsO485. g) Klagebefugnis Die Folge des vom Bundesgerichtshof nunmehr postulierten Innenhaftungskonzepts ist, dass der Anspruch wegen Existenzvernichtung originär der Gesellschaft selbst zusteht. Im Rahmen eines Liquidationsverfahrens kann somit der Liquidator gemäß § 70 GmbHG den Anspruch der Gesellschaft geltend machen. Im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens fällt der Anspruch unstrittig in die Insolvenzmasse, sodass nunmehr der Insolvenzverwalter unmittelbar gemäß § 80 InsO zur Geltendmachung berufen ist 486. Indem der Bundesgerichtshof in den bisherigen Fällen jedoch mittels einer analogen Heranziehung des § 93 InsO ebenfalls allein eine Forderungszuständigkeit des Insolvenzverwalters annahm487, besteht 480
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 38 f. 481 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 40. 482 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 39. 483 BGH, Urteil v. 19. Dez. 1989, IV b ZR 56/88, NJW 1990, S. 706, 708. Siehe auch Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826 Rn. 2; Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 12. 484 Teichmann, in: Jauernig, BGB, § 826 Rn. 2; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 44 ff.; Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 96 ff.; a.A. Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 132 ff., der den Regelungszweck des § 826 BGB in einer Deprivilegierung des Vorsatztäters sieht, so dass § 826 BGB hinter solchen Normen zurücktritt, die den Fall der vorsätzlichen Begehung besonders und somit abschließend regeln. 485 Hönn, in: Soergel, BGB, § 826 Rn. 105; Wagner, in: MüKo BGB, § 826 Rn. 46; siehe auch BGH, Urteil v. 4. Juli 2000, VI ZR 192/99, NJW 2000, S. 3138, 3139; BGH, Urteil v. 5. Juli 1971, II ZR 176/68, BGHZ 56, S. 339, 355; a.A. Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 134. 486 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552, 1557, Rn. 34; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 765 f.; Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1687. 487 Bislang war aufgrund der direkten Forderungszuständigkeit der Gläubiger aufgrund des Außenhaftungsmodells der Insolvenzverwalter im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens lediglich aufgrund § 93 InsO analog zur Geltendmachung berufen,
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zumindest bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bezüglich der Haftungsdurchsetzung kein Unterschied 488. Anders liegt dies jedoch im Fall einer Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens, so insbesondere bei masseloser Insolvenz. Bestand bislang eine direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger, so führt die Ausgestaltung der Haftung als Innenhaftung nunmehr zu einem „dornenreichen Umweg“489. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens sind die Gläubiger darauf verwiesen, erst aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft und nach der Pfändung und Überweisung der Gesellschaftsansprüche gegen den Gesellschafter vorgehen zu können490. Der Bundesgerichtshof rechtfertigt diese prozessuale Erschwernis mit einem Hinweis auf die vergleichbare Praxis bei der Unterbilanzhaftung 491 als auch mit der geringen praktischen Relevanz dieses „Umwegs“492. Im Regelfall werde der Insolvenzverwalter bei Insolvenzreife der Gesellschaft erfolgversprechende Ansprüche aus Existenzvernichtungshaftung im Insolvenstatus aktivieren, sodass es zu einer Verfahrenseröffnung kommt. Sehe der Insolvenzverwalter als berufener Vertreter zur Verfolgung der Gläubigerinteressen jedoch die Geltendmachung der Haftung als wenig erfolgversprechend an, so sei der „Umweg“ für den Gläubiger nicht unzumutbar493. Zieht man tatsächlich eine Parallele zur Unterbilanzhaftung, die ebenfalls als Innenhaftung ausgestaltet ist, so ist der Verweis auf den prozessualen „Umweg“ fraglich494. Im Rahmen dieser Verlustdeckungshaftung wird insbesondere bei Vermögenslosigkeit der Gesellschaft den Gläubigern ein direkter Zugriff auf den Gesellschafter gestattet495. Dies gilt umso mehr, als ein existenzvernichtender Eingriff in der Regel gerade auch zu einer Schädigung des Gläubigervermögens führen wird496. Einem unmittelbaren Anspruch der Gläubiger
siehe nur BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 488 So auch Lieder, DZWIR 2008, S. 145, 146. 489 Gehrlein, WM 2008, S. 761, 766; Schwab, ZIP 2008, S. 341, 347. Der Bundesgerichtshof selbst spricht ebenfalls von einem „Umweg“, siehe BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 36. 490 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 36. 491 Siehe hierzu nur BGH, Urteil v. 24. Okt. 2005, II ZR 129/04, ZIP 2005, S. 2257. 492 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 37. 493 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 37; ebenso Strohn, ZNotP 2008, S. 338, 342. 494 Gehrlein, WM 2008, S. 761, 766. 495 BGH, Urteil v. 27. Jan. 1997, II ZR 123/94, BGHZ 134, S. 333, 341. 496 Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 481; Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 296 f.
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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schneidet der Bundesgerichtshof mit der „Trihotel“-Entscheidung jedoch den Weg ab497. Leistet der Gesellschafter „ganze Arbeit“498, das heißt, plündert dieser die Gesellschaft so weit aus, dass mangels Masse der Insolvenzantrag abgewiesen wird, vermag aber kein schützenswertes Interesse des Gesellschafters den „Umweg“ zu rechtfertigen499. Dementsprechend wird in der Literatur zumindest für den Fall einer masselosen Insolvenz eine direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger gefordert500. h) Darlegungs- und Beweislast Der Insolvenzverwalter beziehungsweise die Gesellschaft trägt als Gläubigerin des Ersatzsanspruchs die Darlegungs- und Beweislast für alle objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Delikts501. Dies umfasst insbesondere den vollen Kausalitätsnachweis zwischen sittenwidrigem Eingriff und Schaden502. Ermöglichte die bisherige Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff zumindest eine teilweise Beweislastumkehr bezüglich des Schadensnachweises 503, so bringt der nunmehr allein geltende zivilprozessuale Grundsatz der Beweislastregelung erhebliche Schwierigkeiten mit sich504. Von einem haftungsbegründenden Eingriff ist nur dann auszugehen, wenn dieser ohne weitere Kausalitätsbeiträge zur Insolvenz der Gesell497 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 33. Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. c) (2). 498 Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 487. 499 So auch Gehrlein, WM 2008, S. 761, 766. 500 So Gehrlein, WM 2008, S. 761, 766. Siehe unter Berufung auf eine Analogie zu den Bestimmungen des Gläubigerverfolgungsrecht im Aktiengesetz auch Altmeppen, NJW 2007, S. 2657, 2660, Wilhelm, EWiR 2007, S. 557, 558 und Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh. Rn. 535, wobei sich letzterer alternativ auch für eine Außenhaftung gemäß § 826 BGB ausspricht. 501 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 41 mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung. Siehe insbesondere auch zu den Anforderungen an die Darlegungslast BGH, Urt. v. 23.04.2012, II ZR 252/10, ZIP 2012, S. 1071 ff., Rn. 13. 502 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 41, 54. 503 Siehe BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177 ff., Leitsatz b) sowie Rn. 18. Siehe auch Altmeppen, ZIP 2005, S. 119, 120. 504 So auch Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1909; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh. Rn. 531; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 77 Anh. Rn. 107; Altmeppen, NJW 2007, S. 2657, 2660, der allerdings weiterhin von einer möglichen Beweislastumkehr ausgeht. A.A. wohl Vetter, BB 2007, S. 1965, 1968, der zumindest im Rahmen eines Insolvenzverfahrens von einer grundsätzlich praktikablen Beweisführung aufgrund des Zugriffs des Insolvenzverwalters auf die Unterlagen der Gesellschaft ausgeht.
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II. Deutsche Rechtslage
schaft geführt hat, diese also aufgrund des Eingriffs „unausweichlich“ war505. Dies setzt zunächst die Isolierbarkeit des Eingriffs voraus. Sofern bei mehreren Eingriffen diese jeweils isolierbar sind, ist also bei jedem einzelnen darzulegen, ob dieser die Insolvenz begründet oder vertieft hat 506. Eine Insolvenz wird jedoch von einer Vielzahl interner als auch externer Faktoren verursacht. Dementsprechend schwierig wird bereits die Darlegung der Kausalität eines einzelnen Eingriffs sein507. Die genannten Schwierigkeiten bestehen umso mehr bezüglich der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Schaden wird, so auch der Bundesgerichtshof in der „Trihotel“-Entscheidung, regelmäßig nicht in einer klar umgrenzten Vermögensminderung bestehen, also im Entzug konkreter Vermögenswerte, sondern weit darüber hinausgehen. Die Existenzvernichtungshaftung zielt gerade auf den Ersatz dieser „Kollateralschäden“508. Mangels konkreter Anhaltspunkte zur Bestimmung dieser auch den Gewinnausfall umfassenden Kollateralschäden sowie des nur schwer zu beziffernden Entzugs von Geschäftschancen und -feldern wird auch eine richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO ausscheiden oder nur begrenzt weiterhelfen509. Wirft die Kausalitätsfrage bereits bei einzelnen leicht zu isolierenden Eingriffen erhebliche Schwierigkeiten auf, so erst recht bei einer Vielzahl kaum zu unterscheidender Einzeleingriffe. Allerdings lässt sich im Fall einer Vielzahl nicht zu unterscheidender Einzeleingriffe unter Umständen eine sogenannte „Waschkorblage“ begründen, also eine nicht dokumentierte Vermischung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen510. Eine solche Vermögens- beziehungsweise Sphärenvermischung stellt bereits einen eigenständigen Haftungstatbestand dar, der zu einer direkten Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft führt511.
505
Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter II. 4. c) (1) (c). Schanze, NZG 2007, S. 681, 684; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 764. 507 Siehe nur Schanze, NZG 2007, S. 681, 684. 508 Siehe nur BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 21. Siehe hierzu bereits oben unter II. 4. c) (2). 509 So auch Zöllner, in: FS Konzen, S. 999, 1007. Siehe auch Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 412 f.; Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 286 ff.; Lieder, DZWIR 2005, S. 309, 315; Röhricht, ZIP 2005, S. 505, 515; Vetter, BB 2007, S. 1965, 1968. 510 Schön, ZHR 168 (2004), S. 268, 284; Lutter/Banerjea, ZGR 2003, S. 402, 425 f. Siehe auch Altmeppen, ZIP 2002, S. 1553, 1558 sowie OLG Thüringen, Urteil v. 28. Nov. 2001, 4 U 234/01, GmbHR 2002, S. 112. 511 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 4. d) (6). 506
4. Der existenzvernichtende Eingriff als Fallgruppe des § 826 BGB
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i) Verjährung Die Ansprüche aus § 826 BGB unterliegen der regelmäßigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB512. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger sowohl von den Umständen, die den Anspruch begründen, als auch der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste513. Die Existenzvernichtungshaftung setzt zwingend die Insolvenz der Gesellschaft voraus, sodass der Anspruch erst mit Vorliegen einer der Insolvenzgründe gegeben ist 514. Wird in der Folge eines Eingriffs ein Insolvenzverfahren eröffnet, so stellt sich die Frage, auf wessen Kenntnis im Hinblick auf die Verjährung abzustellen ist. Gläubiger des Anspruchs ist originär die Gesellschaft selbst515, sodass es bezüglich der Zurechnung der Kenntnis sowie des Kennenmüssens grundsätzlich auf die Kenntnis der Organe ankommt 516. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gemäß § 80 Abs. 1 InsO der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des gesamten zur Insolvenzmasse gehörigen Vermögens auf den Insolvenzverwalter verbunden. Zu diesem Vermögen zählt aufgrund der Neukonzeption der Existenzvernichtungshaftung als Innenhaftung gerade auch der Anspruch wegen Existenzvernichtung. Der Insolvenzverwalter ist somit allein zur Geltendmachung dieses Anspruchs berufen517. Um als Gläubiger im Sinne des § 199 BGB zu gelten, genügt bereits diese Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters518. Es kommt somit im Rahmen einer formellen Insolvenz auf dessen Kenntnis an. Die Gesellschaft und mit ihr ihre Organe sind gemäß §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 InsO jedoch verpflichtet, über sämtliche das Insolvenzverfahren betreffende Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Da die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und somit erst mit dem Schluss des Jahres der Verfahrenseröffnung, wird im Regelfall aufgrund der Informationsrechte des Insolvenzverwalters von dessen Kenntnis auszugehen sein. Dementsprechend ist von einer regelmäßigen dreijährigen Verjährung beginnend mit dem Schluss des Jahres der Verfahrenseröffnung auszugehen. 512
Grothe, in: MüKo BGB, § 195 Rn. 7; Oechsler, in: Staudinger BGB, § 826 Rn. 136. Siehe ausdrücklich für die Existenzvernichtungshaftung BGH, Urteil v. 24. Juli 2012, II ZR 177/11, ZIP 2012, S. 1804 ff., Rn. 13 f.. 513 § 199 Abs. 1 BGB. 514 Siehe oben unter II. 4. c) (1) (c). 515 Siehe oben unter II. 3. c) (2) sowie 4. e). 516 Siehe nur K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 V m.w.N. 517 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 4. g). 518 Peters, in: Staudinger BGB, § 199 Rn. 42.
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II. Deutsche Rechtslage
Wird ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet, kommt es auf die Kenntnis des Gläubigers an, der aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft den Anspruch der Gesellschaft gegen ihre Gesellschafter gepfändet und sich hat überweisen lassen519. Im Rahmen eines Liquidationsverfahrens kommt es auf die Kenntnis des Liquidators an. Ist dieser jedoch gleichzeitig Deliktstäter, so findet die kenntnisunabhängige Verjährung des § 199 BGB Anwendung520. Der Anspruch verjährt in jedem Fall gemäß § 199 Abs. 3 BGB spätestens zehn Jahren nach seiner Entstehung unabhängig von der Kenntnis beziehungsweise 30 Jahre unabhängig von der Entstehung und Kenntnis ab dem Ereignis, das den Schaden ausgelöst hat. Die im GmbHG enthaltenen Sonderverjährungsvorschriften, so insbesondere die kenntnisunabhängige Verjährungsvorschrift des § 31 Abs. 5 GmbHG, finden auf deliktische Ansprüche gerade keine Anwendung 521.
5. Haftung des Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe 5. Haftung des Geschäftsführers Der in die Insolvenz führende Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen wird kaum ohne eine wie auch immer geartete Mitwirkung des Geschäftsführers stattfinden522. Im europäischen Ausland ist der Geschäftsführer sogar die zentrale Figur vieler Haftungstatbestände, in deren Rahmen Gesellschafter nur als faktische Geschäftsführer haften523. Es stellt sich daher auch unter Geltung des deutschen Rechts die Frage nach Ausgestaltung und Begründung einer möglichen Haftung des Geschäftsführers bei existenzvernichtenden Eingriffen des Gesellschafters524. Der Bundesgerichtshof sieht im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung explizit die Möglichkeit einer parallelen Verantwortlichkeit des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, ohne jedoch hierauf näher 519
BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 34. 520 BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 34. Siehe auch RG, Urteil v. 27. Juli 1936, VI 122/36, JW 1936, S. 3111; BGH, Urteil v. 12. Juni 1989, II ZR 334/87, DB 1989, S. 1762, 1763. 521 BGH, Urteil v. 12. Juni 1989, II ZR 334/87, DB 1989, S. 1762, 1763; BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff., Rn. 33. 522 So wohl auch Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46; Greulich/Rau, NZG 2008, S. 284, 285; Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911. 523 Siehe ausführlich hierzu unter III. 2. bis 5., IV. 2. bis 4. und V. 2. bis 4. 524 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach einer Haftung des Geschäftsführers für einen Vermögensentzug im eigenen Interesse bzw. das Ausnutzen der Organstellung. Dies ist jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung.
5. Haftung des Geschäftsführers
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einzugehen525. Der zweite Senat stellt in sämtlichen Entscheidungen vielmehr allein auf die Stellung als Gesellschafter ab. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Geschäftsführer nicht bereits nach § 43 Abs. 2 GmbHG bei existenzvernichtenden Eingriffen haften können (siehe im Folgenden unter a)). Mit dem MoMiG hat der Gesetzgeber die Stellung der Geschäftsführer im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung nunmehr aufgegriffen und in § 64 S. 3 GmbHG einer ausdrücklichen, wenn auch nur teilweisen, Regelung zugeführt (siehe im Folgenden unter b)). Im „Trihotel“-Urteil weist der Bundesgerichtshof darüber hinaus darauf hin, dass durch die Einordnung der Haftung in § 826 BGB für eine Haftungszurechnung bereits eine Beteiligung im Sinne des § 830 BGB ausreiche 526. Dementsprechend kommt eine Haftung des Geschäftsführers auch als Beteiligter eines existenzvernichtenden Eingriffs in Betracht (siehe im Folgenden unter c)). Da die Rechtsprechung bislang keine Notwendigkeit sah, sich ausführlich zur Haftung der Geschäftsführer für existenzvernichtende Eingriffe zu äußern, bleibt abschließend die Frage nach dem Verhältnis der allein den Geschäftsführer treffenden Haftungstatbestände untereinander (siehe im Folgenden unter d)) sowie der Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung (siehe im Folgenden unter e)). a) Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 GmbHG Die Regelungen des § 43 GmbHG bilden den „Grundtatbestand“527 der Geschäftsführerhaftung unter Geltung des deutschen Rechts. Ebenso haften nach dieser Vorschrift die Liquidatoren einer Gesellschaft 528. Absatz 1 der Vorschrift legt den allgemeinen Pflichtenrahmen der Geschäftsführer fest. Diese haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden529. Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, so Absatz 2 der Vorschrift, haften der Gesellschaft für den entstandenen Schaden (siehe im Folgenden unter (1)). Handeln sie allerdings in Befolgung einer Gesellschafterweisung, so entfällt die Haftung. Da der Geschäftsführer gemäß § 37 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG grundsätz-
525 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 46. Siehe auch BGH, Urteil v. 7. April 2003, II ZR 193/02, GmbHR 2003, S. 712, 713. 526 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 46. 527 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 1 unter Hinweis auf die spezielleren Haftungstatbestände unter anderem des § 9a Abs. 1, § 57 Abs. 4, § 64 sowie § 73 Abs. 3 GmbHG. 528 § 71 Abs. 4 i.V.m. § 43 Abs. 2 GmbHG. 529 § 43 Abs. 1 GmbHG.
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II. Deutsche Rechtslage
lich zur Befolgung der Weisung verpflichtet ist 530, kann diese Befolgung nicht gleichzeitig eine schadensersatzbewehrte Pflichtverletzung darstellen531. Dies gilt jedoch nicht, sofern der Geschäftsführer die in § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG genannten Kapitalerhaltungspflichten verletzt und der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist532. § 43 Abs. 3 GmbHG normiert eine besondere Ersatzpflicht der Geschäftsführer, sofern sie den Bestimmungen des § 30 GmbHG zuwider Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft geleistet haben oder gegen die Bestimmungen des § 33 GmbHG verstoßen haben (siehe im Folgenden unter (2)). Die Ansprüche des § 43 Abs. 2 und 3 GmbHG verjähren gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab der Entstehung des Anspruchs 533. Da es sich um Ansprüche der Gesellschaft handelt, ist im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gemäß § 80 InsO der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung befugt, im Rahmen einer Liquidation gemäß § 70 Abs. 1 GmbHG der Liquidator. Sollte es sich beim Liquidator um den früheren Geschäftsführer handeln, so sind die Gesellschafter zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs berufen534. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens können Gläubiger aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft die Ansprüche der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen. (1) Anspruch aus § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG Verstößt der Geschäftsführer gegen das Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG, so haftet dieser gemäß § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG auf den der Gesellschaft entstandenen Schaden. § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG bildet hierbei einen in den Rechtsfolgen verschärften eigenen Schadensersatzanspruch neben dem des § 43 Abs. 2 GmbHG 535. Der Mindestschaden im Rahmen des § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG besteht in der entgegen des Verbots 530
Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 37 Rn. 1; Hommelhoff/Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 22; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 37 Rn. 3 f., § 43 Rn. 7; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 37 Rn. 20; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 37 Rn. 30 ff., § 43 Rn. 119 ff.; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 37 Rn. 18 ff. 531 Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 114. Siehe auch Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 32 sowie BGH, Urteil v. 14. Dez. 1959, II ZR 187/57, BGHZ 31, S. 258, 278; BGH, Urteil v. 12. Nov. 1979, II ZR 174/77, BGHZ 75, S. 321, 326. 532 Argument ex contrario § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG. Siehe hierzu Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 113 ff. m.w.N. 533 Siehe nur BGH, Urteil v. 29. Sept. 2008, II ZR 234/07, WM 2008, S. 2215, 2217. 534 § 46 Nr. 8 GmbHG. 535 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 268; Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 141; a.A. Habersack/Schürnbrand, WM 2005, S. 957, 960 f., die in § 43 Abs. 3 GmbHG einen verschuldensunabhängigen Folgenbeseitigungsanspruch sehen.
5. Haftung des Geschäftsführers
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des § 30 GmbHG geleisteten Zahlung536. Ob ein darüber hinausgehender Schaden im Hinblick auf das dementsprechende Ziel der Existenzvernichtungshaftung auch im Rahmen des § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG zu ersetzen ist, ist von Literatur und Rechtsprechung nicht eindeutig geklärt. Geht man mit Teilen der Literatur davon aus, dass der Ersatzanspruch des § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG betragsmäßig nicht auf die verbotswidrig geleistete Zahlung beschränkt ist, hat der Geschäftsführer nicht nur die Auszahlungen entgegen § 30 GmbHG zurückzuerstatten, sondern auch den darüber hinausgehenden der Gesellschaft entstandenen Schaden zu ersetzen537. Eine Entlastung unter Berufung auf eine Weisung der Gesellschafter ist dem Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG dann versagt, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft erforderlich ist. Sieht man allerdings den Schutzzweck des § 43 Abs. 3 GmbHG auf die verbotswidrige Auszahlung beschränkt538, ist der gerade im Zentrum der Existenzvernichtungshaftung stehende weitergehende Schaden nicht im Rahmen von § 43 Abs. 3 ersatzfähig. Unabhängig davon, welcher der beiden Auffassungen man folgt, vermag ein Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG die durch die §§ 30, 31 GmbHG offen gelassenen Lücken dennoch zumindest nicht vollständig zu schließen. Folgt man ersterer Auffassung und ersetzt auch die über die verbotene Auszahlung hinausgehenden Schäden nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG, so teilt die Haftung aufgrund ihrer Anknüpfung an § 30 GmbHG dennoch auf Tatbestandsseite die oben beschriebenen Schwächen539. Die Haftung für existenzvernichtende Eingriffe soll gerade auch die Schäden erfassen, die durch Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen jenseits des Auszahlungsverbots des § 30 GmbHG entstehen. Verneint man den Ersatz weitergehender Schäden auf der Basis des § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG, so vermag diese Vorschrift auf Rechtsfolgenseite erst recht nicht die beschriebenen Lücken zu schließen.
536
Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 275; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 48: „typisierter Schadensnachweis“. 537 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 275; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 43 Rn. 103. Siehe auch Habersack/Schürnbrand, WM 2005, S. 957, 958. Siehe zum weitergehenden Schaden bereits oben unter II. 4. c) (2). 538 So Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 149; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 49. Siehe auch Fleischer, ZIP 2005, S. 141, 151; Hopt, in: GroßKomm AktG, § 93 Rn. 238, allerdings für § 93 Abs. 3 AktG. 539 Siehe hierzu bereits oben unter II. 2. a).
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II. Deutsche Rechtslage
(2) Anspruch aus § 43 Abs. 2 GmbHG Eine sowohl tatbestandlich als auch auf Rechtsfolgenseite über die Grenze des § 30 GmbHG hinausgehende Haftung eines Geschäftsführers für existenzvernichtende Eingriffe kann also nur im Rahmen des § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommen. Hierbei sind grundsätzlich drei Fallkonstellationen zu unterscheiden: ein eigenständiges Tätigwerden des Geschäftsführers, ein gemeinschaftliches Vorgehen von Gesellschafter und Geschäftsführer sowie ein alleiniges Vorgehen des Gesellschafters. Eine Haftung des Geschäftsführers aufgrund eines eigenständigen existenzvernichtenden Eingriffs ohne einen wie auch immer gearteten Tatbeitrag des Gesellschafters scheidet bereits tatbestandlich aus. Das „Trihotel“Urteil des Bundesgerichtshofs konzipiert die Existenzvernichtungshaftung als eine Haftung für den Verstoß gegen eine den Gesellschaftern obliegende Rücksichtnahmepflicht 540, sodass es sich um ein Sonderdelikt der Gesellschafter handelt 541. Dementsprechend kommt allein eine „parallele“ Haftung der Geschäftsführer in Betracht542. Dies findet eine weitere Stütze in der teilweisen Regelung der Existenzvernichtungshaftung in § 64 S. 3 GmbHG durch das MoMiG 543. § 64 S. 3 GmbHG knüpft an eine Zahlung an die Gesellschafter an544, sodass auch hier ein Handeln des Geschäftsführers zumindest ohne ein Wissen des Gesellschafters kaum möglich erscheint 545. Ein existenzvernichtender Eingriff im Sinne des „Trihotel“Urteils und des § 64 S. 3 GmbHG ist somit grundsätzlich nur bei einem Zusammenwirken von Gesellschafter und Geschäftsführer – letzterem als „Auslöser oder Gehilfe“546 – denkbar sowie durch ein eigenständiges Tätigwerden des Gesellschafters ohne aktive Mitwirkung des Geschäftsführers. Folgt der Geschäftsführer Weisungen des Gesellschafters, wirken also beide zusammen, so findet grundsätzlich zugunsten des Geschäftsführers ein Haftungsprivileg Anwendung547. In entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 3 GmbHG versagen die §§ 30, 33, 64 S. 1 und 3, 73 Abs. 1 GmbHG jedoch eine haftungsbefreiende Berufung auf eine Gesellschafterweisung, sofern in das zur Gläubigerbefriedigung gebundene Kapital der 540
Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 3. c) (2). Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1687; Wagner, in: FS Canaris, Bd. II, S. 473, 479 f., 495; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 764. Siehe hierzu auch bereits oben unter II. 4. b). 542 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 46. 543 Siehe hierzu im ausführlich im Folgenden unter II. 5. b). 544 Siehe hierzu bereits ausführlich unter II. 5. a) (1). 545 So wohl auch Gehrlein, WM 2008, S. 761, 768. 546 So die Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 547 Siehe hierzu bereits oben unter II. 5. a). 541
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Gesellschaft eingegriffen wird und der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Ein existenzvernichtender Eingriff ist ein solcher Eingriff in das Gesellschaftsvermögen mit der Folge der Insolvenz der Gesellschaft 548. Der Bundesgerichtshof stellt in der „Gamma“-Entscheidung dementsprechend ausdrücklich fest, dass die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG aufgrund einer Gesellschafterweisung oder einem Handeln des Geschäftsführers im Einverständnis mit den Gesellschaftern nur dann entfällt, solange kein Fall der Existenzvernichtung vorliegt549. Eine haftungsbefreiende Berufung auf eine Gesellschafterweisung scheidet somit im Fall eines existenzvernichtenden Eingriffs aus. Der Geschäftsführer haftet aber nur dann gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, sofern seine Mitwirkung am existenzvernichtenden Eingriff des Gesellschafters eine Verletzung seiner Pflichten darstellt. Der Ausgangspunkt und Rahmen der Pflichtenbindung der Geschäftsführer ergibt sich hierbei aus § 43 Abs. 1 GmbHG, der dem Geschäftsführer die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns auferlegt. Dies bedeutet, dass „die Sorgfaltsanforderungen an den Geschäftsführer […] an der Sorgfalt eines selbstständigen treuhänderischen Verwalters fremder Vermögensinteressen in verantwortlicher Leitungsposition zu messen [sind]“550. Konkret führt dies dazu, dass der Geschäftsführer an die gesetzlichen und statuarischen Vorgaben gebunden ist und das Gesellschaftsinteresse zu verfolgen hat 551. Das Gesellschaftsinteresse bestimmt sich grundsätzlich durch das Interesse sämtlicher Gesellschafter552. Insbesondere aus den §§ 30, 31, 64 S. 3 und 73 Abs. 1 GmbHG lässt sich aber entnehmen, dass die Gesellschaft zumindest dann ein von den Gesellschaftern losgelöstes, verselbstständigtes Vermögensinteresse hat, soweit ihr Vermögen zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist 553. Dies findet sowohl im „Trihotel“-Urteil als auch im „Sanitary“-Urteil des Bundesgerichtshofs seinen ausdrücklichen Nieder548
Siehe ausführlich hierzu oben unter II. 4.c) (1). BGH, Urteil v. 28. April 2008, II ZR 264/06 („Gamma“), ZIP 2008, S. 1232 ff., Rn. 39. Siehe auch BGH, Urteil v. 7. April 2003, II ZR 193/02, GmbHR 2003, S. 712, 713 sowie Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 147; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 43 Rn. 34; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 34; Vetter, ZIP 2003, S. 601, 610. 550 OLG Brandenburg, Urteil v. 21. Feb. 2001, 7 U 99/97, NZG 2001, S. 756. Siehe auch Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen der Rechtsprechung; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 9. 551 Siehe nur Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 22 mit zahlreichen weiteren Nachweisen der Literatur und Rechtsprechung. 552 Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rn. 31; Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, GmbH-Konzernrecht, Rn. 111. 553 Siehe bereits ausführlich oben unter II. 3. c) (2). 549
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II. Deutsche Rechtslage
schlag 554. Hintergrund eines solchen verselbstständigten Vermögensinteresses der Gesellschaft ist der Umstand, dass die Gläubiger die Gesellschafter ab einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld einer Insolvenz mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss als finanzielle Träger der Gesellschaft ablösen. Mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss verwalten die Geschäftsführer also nicht mehr das Vermögen der Gesellschafter, mediatisiert durch die Gesellschaft, sondern das der Gläubiger555. Wirkt der Geschäftsführer somit an einem existenzvernichtenden Eingriff des Gesellschafters mit, so verstößt er gegen das im Gläubigerinteresse verselbstständigte Vermögensinteresse der Gesellschaft und verletzt somit seine Pflicht im Gesellschaftsinteresse zu handeln556. Der Geschäftsführer kann sich aber in entsprechender Anwendung des § 64 S. 3 GmbHG dadurch entlasten, dass bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar war, dass die Zahlung zur Verursachung der Zahlungsunfähigkeit geeignet war557. Schließlich führt auch ein eigenständiges Handeln des Gesellschafters ohne eine aktive Mitwirkung des Geschäftsführers zur Pflichtverletzung des Geschäftsführers und somit zur Haftung558. Dieser Fall ist dann denkbar, sofern der Geschäftsführer fahrlässig einen existenzvernichtenden Eingriff des Gesellschafters als solchen nicht erkennt, aber erkennen musste und daraufhin den Eingriff des Gesellschafters nicht unterbindet559. Den Geschäftsführer trifft insoweit eine organschaftliche Überwachungspflicht, die ihn zumindest zum Eingreifen bei einem Verstoß gegen die Vorschriften verpflichtet, die den Schutz der Gläubiger bezwecken560. Befolgt der Geschäftsführer also eine existenzvernichtende Weisung oder lässt er einen existenzvernichtenden Eingriff des Gesellschafters zu,
554
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff.; BGH, Urteil v. 9. Feb. 2009, II ZR 292/07 („Sanitary“), ZIP 2009, S. 802 ff. Siehe zu beiden Urteilen bereits ausführlich oben unter II. 1. c). 555 Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. C) (2) (c). 556 Ebenfalls eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers annehmend Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62a; Paefgen, DB 2007, S. 1907; 1910 f.; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 287a. A.A. Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 101, der einen Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer aufgrund der alleinigen Anknüpfung der Existenzvernichtungshaftung an die Person des Gesellschafters ablehnt und insoweit von einer abschließenden Regelung des § 64 S. 3 GmbHG ausgeht. Siehe zu § 64 GmbHG ausführlich im Folgenden unter II. 5. b). 557 Vgl. auch Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S. 47. 558 Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 287a; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62a. 559 Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911. 560 Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 287a; Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911.
5. Haftung des Geschäftsführers
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so haftet er, sein schuldhaftes Handeln im Sinne von § 43 GmbHG vorausgesetzt561, gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG. Ein nachträglicher Verzicht der Gesellschaft auf den Ersatzanspruch muss in entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 3 i.V.m. § 9b Abs. 1 GmbHG ausscheiden, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. b) Insolvenzverursachung gemäß § 64 S. 3 GmbHG Mit der Kodifikation des § 64 S. 3 GmbHG durch das MoMiG greift der Gesetzgeber bewusst die Rolle des Geschäftsführers bei existenzvernichtenden Eingriffen als deren „Auslöser“ oder „Gehilfe“ auf562. Mit § 64 S. 3 GmbHG ergänzt der Gesetzgeber die bereits bestehenden Regelungen, die die Gesellschaftsgläubiger gegen Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern schützen563. Auch wenn das MoMiG hierbei ganz bewusst an die Rechtsprechung zum existenzvernichtenden Eingriff anknüpft, so ist dennoch keine abschließende Regelung der Existenzvernichtungshaftung gewollt 564. Vielmehr sollen die bestehenden Regelungen, insbesondere § 30 GmbHG und die §§ 129 ff. InsO, ergänzt werden565. § 64 S. 3 GmbHG soll jedoch gerade über die engen tatbestandlichen Grenzen vor allem der Anfechtungsregeln hinaus Anwendung finden beziehungsweise die mit den Anfechtungsregeln verbundenen Hürden der Beweislast, so insbesondere den Vorsatz Gläubiger zu benachteiligen, umschiffen566. Mit dieser Vorschrift will der Gesetzgeber zudem die geringen Gründungsvoraussetzungen ausländischer Gesellschaften kompensieren. Trotz der Regelung im GmbHG betont der Gesetzgeber daher den starken insolvenzrechtlichen Bezug der Vorschrift, der eine insolvenzrechtliche Qualifikation erleichtere und so zu einer Anwendbarkeit auf ausländische Gesellschaften mit Tätigkeitsschwerpunkt in Deutschland führe 567.
561
Der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns i.S.v. § 43 Abs. 1 GmbHG kommt sowohl ein objektiver als auch ein subjektiver Verschuldensmaßstab zu, der Vorsatz und Fahrlässigkeit umfasst. Siehe hierzu nur Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 85 ff. 562 Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 563 Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 564 Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 565 Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 566 Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. 567 Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 47.
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II. Deutsche Rechtslage
(1) Tatbestand § 64 S. 3 GmbHG bestimmt, dass die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen an die Gesellschafter verpflichtet sind, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten und dies bei der Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns auch erkennbar war. Die Vorschrift erweitert somit die bereits im Rahmen von § 64 S. 1 GmbHG bestehende Haftung der Geschäftsführer für Zahlungen in der Insolvenz auf insolvenznahe Zahlungen. Der Begriff der Zahlung ist nicht auf reine Geldleistungen beschränkt, sondern erfasst auch sonstige Leistungen zulasten des Gesellschaftsvermögens, durch die der Gesellschaft im Ergebnis Liquidität entzogen wird568. Die Begründung neuer Verbindlichkeiten allein fällt jedoch noch nicht unter den Zahlungsbegriff des § 64 S. 3 GmbHG 569. Die Zahlung muss an einen Gesellschafter geleistet werden. Dem stehen Zahlungen an Dritte gleich, sofern sie zumindest mittelbar einem Gesellschafter zu Gute kommen570. Ebenso genügt ein qualifiziertes Näheverhältnis, so eine familiäre Verbundenheit 571. Aus dem Wortlaut der Vorschrift „zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten“ lässt sich als weitere Tatbestandsvoraussetzung entnehmen, dass die Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 InsO572 bereits eingetreten sein muss 573. Die Ersatzpflicht des § 64 S. 3 GmbHG besteht somit ex post 574. Anders als im Rahmen von § 64 S. 1 GmbHG575 entsteht der Anspruch somit nicht bereits zu dem Zeitpunkt, in dem die masseschmälernde Zahlung geleistet oder die schmälernde Maßnahme ergriffen worden ist. 568 Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 83 ff., 105; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64, Rn. 75; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 97. 569 Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 24; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 75. A.A. Haas, GmbHR 2010, S. 1, 6, der auch solche Einwirkungen auf die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft, die nicht in der Weggabe von Aktiva bestehen, als Zahlung i.S.d. § 64 S. 3 GmbHG qualifizieren will. 570 Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 106. Vgl. auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 77. 571 Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 106; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 77. 572 Siehe zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit BGH, Urteil v. 24. Mai 2005, IX ZR 123/04, NJW 2005, S. 3062 ff. sowie im Zusammenhang mit § 64 S. 3 GmbHG BGH, Urteil v. 12. Oktober 2012, II ZR 298/11, ZIP 2012, S. 2391 ff., Rn. 8. 573 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 81; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 27; Haas, GmbHR 2010, S. 1, 4 f. 574 § 64 S. 3 GmbHG: „zur Zahlungsunfähigkeit führen musste“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 81. 575 Siehe BGH, Urteil v. 16. März 2009, II ZR 32/08, NZG 2009, S. 582, 583.
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Die zentrale Voraussetzung der Haftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG ist die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit durch die Auszahlung. Der Geschäftsführer haftet also nur dann, wenn zwischen der Zahlung und der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang besteht 576. Die Zahlung, so die Gesetzesbegründung des MoMiG, müsse ohne Hinzutreten weiterer Kausalbeiträge zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen577. Dies ist bereits dann nicht der Fall, wenn der Gesellschaft durch eine Gegenleistung des Gesellschafters im Ergebnis in gleichem Maße wieder liquide Vermögenswerte zugeführt werden578. Da der Bemessung der Zahlungsunfähigkeit keine bilanzielle Betrachtungsweise zugrunde liegt, können werthaltige Ansprüche gegen Gesellschafter als Gegenleistung nicht berücksichtigt werden579. Ansprüche des Gesellschafters sind bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit hingegen zu berücksichtigen580. Die Zahlungsunfähigkeit muss darüber hinaus nicht bereits im Zeitpunkt der Leistung eintreten. Nach der Regierungsbegründung muss sich zu diesem Zeitpunkt und somit ex ante jedoch klar abzeichnen, dass die Gesellschaft unter normalem Verlauf der Dinge ihre Verbindlichkeiten nicht mehr erfüllen kann581. Ist die Gesellschaft hingegen bereits zahlungsunfähig, so vermag eine Zahlung an einen Gesellschafter den Tatbestand von § 64 S. 3 GmbHG nicht mehr zu erfüllen582. Der Geschäftsführer kann sich gemäß § 64 S. 3 GmbHG a.E. damit entlasten, dass bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar war, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen musste583. Hiermit greift das MoMiG die vor allem aus dem
576
Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46 f. Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46 f. 578 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 85; Greulich/Rau, NZG 2008, S. 284, 287. Siehe auch Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 47 sowie Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 105, der in einem solchen Fall sogar den Zahlungsbegriff verneinen will. 579 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 85; Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 27. Siehe auch Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 100; Greulich/Rau, NZG 2008, S. 284, 287. 580 Siehe zum bisherigen Streitstand und der diesbezüglichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs BGH, Urteil v. 12. Oktober 2012, II ZR 298/11, ZIP 2012, S. 2391 ff., Rn. 10. 581 Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46 f.; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 36; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 104; Knof, DStR 2007, S. 1580, 1584. 582 BGH, Urteil v. 9. Oktober 2012, II ZR 298/11, ZIP 2012, S. 2391 ff., Rn. 7. 583 Siehe auch Begründung RegE BT-Drs. 16/6140, S. 47. 577
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II. Deutsche Rechtslage
anglo-amerikanischen Recht bekannte situative Ausschüttungssperre des solvency tests auf584. Da das MoMiG ganz bewusst die Rolle des Geschäftsführers als „Gehilfe“ der Existenzvernichtung aufgreift, ist dem Geschäftsführer die Entlastung durch eine Berufung auf eine Weisung des Gesellschafters hingegen verwehrt585. In entsprechender Anwendung des § 43 Abs. 3 S. 3 GmbHG trifft den Geschäftsführer auch dann eine Rückzahlungspflicht, wenn er auf eine Weisung der Gesellschafter hin gehandelt hat, sofern der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist 586. (2) Rechtsfolge Dem Wortlaut nach begründet § 64 S. 3 GmbHG die „gleiche Verpflichtung“ wie bereits § 64 S. 1 GmbHG. Damit ist der Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz der Zahlungen verpflichtet, die zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geführt haben. Ebenso wie die in Bezug genommenen Vorschriften soll § 64 S. 3 GmbHG gerade keinen Schadensersatzanspruch zugunsten der Gläubigergesamtheit oder zugunsten der Gesellschaft darstellen. Einen wie auch immer gearteten Schaden setzt die Norm in beiden Fällen bereits tatbestandlich nicht voraus. Die Norm zielt vielmehr darauf, das Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG zum Schutz der Gläubigergesamtheit zu verschärfen587. Ebenso wie § 31 Abs. 1 GmbHG sieht § 64 S. 3 GmbHG daher auch nur die Rückerstattung der Zahlung vor, die zur Zahlungsunfähigkeit geführt hat. Grundsätzlich anders als im Rahmen des § 31 GmbHG besteht die Ersatzpflicht des Geschäftsführers nach § 64 S. 3 GmbHG aber nur, „soweit“ diese zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten. Die Gesetzesbegründung weist ausdrücklich darauf hin, dass die Ersatzpflicht somit nur in dem Umfang bestehe, wie der Gesellschaft tatsächlich liquide Vermögensmittel entzogen und nicht durch eine Gegenleistung des Gesellschafters
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Siehe Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46. Nach dem US-amerikanischen Model Business Corporation Act 2005 (im Folgenden abgekürzt als MBCA) sind Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen von einem sogenannten solvency test abhängig. Danach sind Auszahlungen nur dann zulässig, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen die Gesellschaft nach der Auszahlung noch in der Lage ist, ihre Verbindlichkeiten bei Fälligkeit zu erfüllen oder gewährleistet ist, dass die gesamten Verbindlichkeiten der Gesellschaft durch ihr Vermögen gedeckt sind, § 6.40 (c) und (d) MBCA. Siehe hierzu in deutscher Sprache Pellens/Jödicke/Richard, DB 2005, S. 1393, 1395 ff.; Lienau, KoR 2008, S. 79, 82 ff., jeweils m.w.N. 585 Siehe hierzu bereits oben unter II. 5. a). 586 § 64 S. 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 GmbHG. 587 So auch Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 113; wohl auch Hölzle, GmbHR 2007, S. 729, 730 f. Siehe auch Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46.
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ausgeglichen worden seien588. Somit vermag die Vorschrift, die zumindest auf Rechtsfolgenseite bestehende Lücke im System des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen nicht zu schließen589. (3) Verfahren Da es sich bei § 64 S. 3 GmbHG um einen Anspruch der Gesellschaft handelt, ist im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gemäß § 80 InsO der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung befugt. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens können Gläubiger aufgrund eines Titels gegen die Gesellschaft die Ansprüche der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen. Die Darlegungs- und Beweislast für sämtliche anspruchsbegründenden Voraussetzungen trägt grundsätzlich die Gesellschaft als Gläubigerin des Ersatzanspruchs beziehungsweise im Rahmen eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter. Dieser hat insbesondere darzulegen, dass aus einer ex ante-Sicht die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft als Folge der Auszahlung unvermeidbar war590. Der betroffene Geschäftsführer kann sich allerdings dadurch entlasten, dass er darlegen und beweisen kann, dass die Zahlungsunfähigkeit als Folge der Auszahlung aus der Sicht eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht erkennbar war591. Der Anspruch aus § 64 S. 3 GmbHG verjährt nach § 64 S. 4 i.V.m. § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren ab Entstehung des Anspruchs. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 64 S. 1 GmbHG entsteht der Anspruch bereits zu dem Zeitpunkt, „in dem die die Masse schmälernde Zahlung geleistet oder die schmälernde Maßnahme ergriffen worden ist“592. Da aber § 64 S. 3 GmbHG den Ersatzanspruch erst ex post mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit anordnet593, kann die Verjährungsfrist dieses Anspruchs auch erst mit Eintritt dieser beginnen594. Subjektive Elemente sind im Rahmen der Verjährung nicht beachtlich595.
588
Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 47. Siehe hierzu bereits oben unter II. 2. 590 Kritisch zur diesbezüglichen Beweislast u.a. Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 108: „unüberwindbare Schwierigkeiten“; Knof, DStR 2007, S. 1580, 1585. 591 Siehe zur Entlastungsmöglichkeit bereits oben unter II. 5. a) (2). 592 BGH, Urteil v. 16.3.2009, II ZR 32/08, NZG 2009, S. 582, 583. 593 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 5. b) (1). 594 Ähnlich auch Haas, GmbHR 2010, S. 1, 5, der jedoch den Anspruch erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. mit der Ablehnung des Antrags mangels Masse entstehen lassen will. A.A. Kleindiek, in: Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64 Rn. 33; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 118, 99; Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 64 Rn. 29, die den Fristbeginn im Zeitpunkt der Zahlung sehen. 595 H.M., siehe nur Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 57 m.w.N. 589
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II. Deutsche Rechtslage
c) Beihilfe zur vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Gesellschaft, § 826 i.V.m. § 830 Abs. 2 BGB Die Rechtsprechung knüpft die Existenzvernichtungshaftung ausdrücklich an eine Pflicht der Gesellschafter „zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens“596. Der existenzvernichtende Eingriff kann als Sonderdelikt somit nur von einem Gesellschafter begangen werden597. Ein eigenständiger existenzvernichtender Eingriff des Geschäftsführers im Sinne einer Mittäterschaft gemäß § 830 Abs. 1 S. 1 BGB kommt dementsprechend nicht in Betracht598. Gemäß § 830 Abs. 2 stehen jedoch Anstifter und Gehilfen eines Delikts Mittätern gleich. Dementsprechend können diese unter Heranziehung des § 840 Abs. 1 BGB gesamtschuldnerisch mit den Gesellschaftern für existenzvernichtende Eingriffe auch deliktisch haften. Für die Konkretisierung der Begriffe „Anstifter“ sowie „Gehilfe“ sind die strafrechtlichen Vorschriften der §§ 26 f. StGB heranzuziehen599. Anstifter ist somit derjenige, der vorsätzlich einen anderen bestimmt, eine vorsätzlich unerlaubte Handlung zu begehen600. Gehilfe ist derjenige, der vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung Hilfe leistet601. Zur Beihilfe genügt bereits jede Form der Hilfeleistung, sei es auch nur eine psychische Unterstützung oder eine nur faktische Förderung einer fremden Tat602. Sowohl Anstiftung als auch Beihilfe erfordern jeweils eine vorsätzliche Beteiligung an einer fremden Vorsatztat. Dies bedeutet, dass der Geschäftsführer nur dann deliktisch im Rahmen existenzvernichtender Eingriffe haftet, wenn er von einem solchen Eingriff des Gesellschafters Kenntnis hatte und den Eingriff zumindest mit bedingtem Vorsatz unterstützt hat603. Neben den Geschäftsführern kommen grundsätzlich mittelbare sowie rein faktische Gesellschafter als Beteiligte in Betracht, sofern diese nicht bereits als Deliktstäter anzusehen sind 604. Schließlich wird in der Literatur vereinzelt angenommen, dass auch Schwestergesellschaften, Banken, Berater und Anwälte als Teilnehmer in 596
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25. Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 3. 597 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 4. b). 598 Siehe zur Rolle des Geschäftsführers im Rahmen existenzvernichtender Eingriffe bereits oben unter II. 5. 599 Siehe nur Wagner, in: MüKo BGB, § 830 Rn. 13 m.w.N. 600 Siehe nur Wagner, in: MüKo BGB, § 830 Rn. 14 m.w.N. 601 Siehe nur Wagner, in: MüKo BGB, § 830 Rn. 15 m.w.N. 602 BGH, Urteil v. 31. Jan. 1978, VI ZR 32/77, BGHZ 70, S. 277, 285; BGH, Urteil v. 26. Okt. 2004, XI ZR 279/03, NJW-RR 2005, S. 556, 557. 603 BGH, Urteil v. 11. Juli 1988, II ZR 243/87, BGHZ 105, S. 121, 134; BGH, , Urteil v. 31. Jan. 1978, VI ZR 32/77, BGHZ 70, S. 277, 286. 604 Siehe hierzu bereits oben unter II. 4. b).
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Betracht kommen605. Eine Haftung gerade von Banken, Beratern oder Geschäftspartnern ist jedoch abzulehnen, da es sich im Vergleich zum Eingriff des Gesellschafters und der Beteiligung des Geschäftsführers nur um entfernte Tatbeiträge handeln kann. Sofern allerdings die ohnehin hohe Schwelle des doppelten Vorsatzes überwunden ist, ist kein Grund für eine Einschränkung der Teilnehmerhaftung ersichtlich606. d) Konkurrenzen Neben den Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG n.F. (§ 64 Abs. 2 GmbHG a.F.) kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung grundsätzlich auch der Anspruch aus sorgfaltswidriger Geschäftsführung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG treten607. Grund hierfür ist die unterschiedliche Schutzrichtung beider Ansprüche. Der Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG zielt materiell auf Ersatz eines Teils des Gesamtgläubigerschadens, § 43 Abs. 2 GmbHG begründet hingegen den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft bei sorgfaltswidriger Geschäftsführung 608. Nichts anderes kann für § 64 S. 3 GmbHG gelten609, der insoweit ebenfalls mit § 43 Abs. 2 GmbHG konkurriert610. Ebenso kommt ein Ersatz der Zahlung auch nach § 43 Abs. 3 GmbHG neben § 64 S. 3 GmbHG in Betracht, soweit der erst genannte Tatbestand erfüllt ist 611. Der auf eine Rückzahlung gerichtete § 64 S. 3 GmbHG tritt darüber hinaus neben eventuell bestehende Anfechtungsrechte, da die Vorschrift nur eine Ergänzung der bestehenden Regeln beabsichtigt 612. Aufgrund dieses ergänzenden Charakters der Vorschrift verdrängt diese schließlich auch 605 Weller, ZIP 2007, S. 1681, 1687; a.A. Vetter, BB 2007, S. 1965, 1969; wohl auch Schaefer/Steinmetz, WM 2007, S. 2265, 2271. 606 Siehe ausführlich zum Verhältnis der Haftung des Gesellschafters zu weiteren Beteiligten unter II. 5. e). 607 BGH, Urteil v. 1. März 1993, II ZR 81/94 (II ZR 61/92), WM 1994, S. 1030 ff. m.w.N. 608 Siehe nur K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 6; Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 100. 609 Siehe nur Begründung, RegE BT-Drs. 16/6140, S. 46: „Der Entwurf ergänzt hiermit die bestehenden Mechanismen, welche die Gesellschaftsgläubiger gegen Vermögensverschiebungen zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern schützen“. 610 K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 97; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62a; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 175; a.A. Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 64 Rn. 102 sowie Paefgen, in: Ulmer, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 123. 611 Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 175; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 287b („Anspruchsgrundlagenkonkurrenz“); K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 97. 612 Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 46.
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II. Deutsche Rechtslage
nicht deliktsrechtliche Ansprüche, sondern tritt vielmehr neben diese 613. Ebenso besteht zwischen den Ansprüchen aus § 43 GmbHG und deliktischen Ansprüchen Anspruchskonkurrenz614. Dementsprechend trifft den Geschäftsführer neben der organschaftlichen Haftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG sowie § 43 GmbHG ebenfalls eine Haftung gemäß §§ 826, 830 BGB615. Indem das MoMiG den bestehenden Haftungstatbeständen § 64 S. 3 GmbHG zur Seite stellt, findet eine deutliche Akzentverschiebung zum Nachteil der Geschäftsführer statt616. Die eigenständige Bedeutung des durch das MoMiG neu eingeführten § 64 S. 3 GmbHG ist jedoch fraglich. Im Verhältnis zur deliktischen Haftung kann § 64 S. 3 GmbHG nur eine eigenständige Bedeutung entfalten, sofern der Geschäftsführer ohne ein Wissen des Gesellschafters „in vorauseilendem Gehorsam“ Auszahlungen vornimmt 617. Da die Geschäftsführer allerdings auch hier bereits gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG haften beziehungsweise von der Ersatzpflicht des § 43 Abs. 3 GmbHG betroffen sind, hätte es bereits mangels einer Regelungslücke einer eigenständigen Normierung der Haftung in § 64 S. 3 GmbHG nicht bedurft618. e) Verhältnis zur Haftung des Gesellschafters In der Rechtsprechung zur Existenzvernichtungshaftung finden sich nur wenige Hinweise zum Verhältnis der Gesellschafterhaftung zu einer möglichen Haftung der Geschäftsführer. Sofern die Rolle des Geschäftsführers überhaupt angesprochen wird, handelt es sich um GesellschafterGeschäftsführer, bei denen die Rechtsprechung im Ergebnis allein auf die Stellung als Gesellschafter abstellt 619. 613
Vetter, BB 2007, S. 1965, 1969; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62a; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rn. 176; K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 99. 614 Casper, in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 4; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 19, 285; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 62; BGH, Urteil v. 12. Juni 1989, II ZR 334/87, WM 1989, S. 1335, 1339; BGH, Urteil v. 21. April 1994, II ZR 65/93, NJW 1994, S. 2027, 2028. 615 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 46; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 768; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh., Rn. 591. Zum Verhältnis zwischen Geschäftsführer- und Gesellschafterhaftung für existenzvernichtende Eingriffe siehe ausführlich im Folgenden unter II. 5. e). 616 Kritisch zur Entwicklung der Geschäftsführerhaftung auch K. Schmidt, GmbHR 2008, S. 449, 453 f., 455; Schneider, in: Scholz, GmbHG, § 43 Rn. 12. 617 Gehrlein, WM 2008, S. 761, 769. 618 So auch Casper, in: Ulmer, GmbHG, Anh. § 77 Rn. 115. 619 Siehe BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff. sowie BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff.
5. Haftung des Geschäftsführers
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Dennoch lassen sich der Rechtsprechung einige Hinweise auf das Verhältnis der jeweiligen Haftungen zueinander entnehmen. Unter Geltung des alten Haftungskonzepts hafteten Gesellschafter nur dann für existenzvernichtende Eingriffe, soweit nicht der durch den Eingriff zugefügte Nachteil schon nach §§ 30, 31 GmbHG ausgeglichen werden konnte oder dieser auf andere Weise ausgeglichen wurde 620. Werthaltige Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer mussten also eine Haftung der Gesellschafter verdrängen621. Diese Subsidiarität des alten Haftungskonzepts der Gesellschafterhaftung gibt das neue Haftungskonzept in Form des „Trihotel“-Urteils auf. Für die Annahme einer Subsidiarität der Schadensersatzhaftung gemäß § 826 BGB zu den §§ 30, 31 GmbHG bestehe nicht zuletzt aufgrund der deliktischen Schutzfunktion keine Notwendigkeit mehr622. Der Bundesgerichtshof spricht im „Trihotel“-Urteil darüber hinaus von einer „parallel möglichen“ Verantwortlichkeit des beklagten Gesellschafters als Geschäftsführer sowohl gemäß §§ 826, 830 BGB als auch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG 623. Mit dem MoMiG tritt darüber hinaus zusätzlich der Ersatzanspruch gemäß § 64 S. 3 GmbHG neben die Ansprüche nach § 43 GmbHG sowie neben die Haftung des Gesellschafters624. Im Rahmen der deliktischen Haftung sind der Gesellschafter als Deliktstäter sowie der Geschäftsführer als Beteiligter im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB gemäß § 840 Abs. 1 BGB Gesamtschuldner. Gemäß § 421 BGB haben somit im Außenverhältnis sowohl der Gesellschafter als auch der Geschäftsführer jeweils für den ganzen Schaden einzutreten. Im Innenverhältnis sind grundsätzlich sämtliche Gesamtschuldner gemäß § 426 Abs. 1 S. 1 BGB zueinander zu gleichen Anteilen verpflichtet. Aufgrund der unterschiedlichen Rollenverteilung beider im Rahmen eines existenzvernichtenden Eingriffs 625 erscheint dieses Rangverhältnis der Haftungen zumindest im Innenverhältnis zwischen Geschäftsführer und Gesellschafter als unbillig. Dies gilt umso mehr, blickt man auf die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 3 S. 1 GmbHG aufgrund einer Mitwirkung an der Verletzung der Kapitalerhaltungspflicht nach § 30 Abs. 1 GmbHG. Im Rahmen einer solchen Haftung steht dem Geschäfts-
620 BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181, 187. 621 So auch Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177, 2178. 622 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 38 ff. 623 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 46. 624 Zum Verhältnis von § 43 GmbHG zu § 64 S. 3 GmbHG siehe bereits oben unter II. 5. d). 625 Siehe hierzu bereits oben unter II. 5.
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II. Deutsche Rechtslage
führer zumindest ein Anspruch auf Abtretung der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG zu626. § 426 Abs. 1 S. 1 BGB sieht jedoch eine anteilige Haftung der Gesamtschuldner nur vor, „soweit nicht ein anderes bestimmt ist“. In diesem Zusammenhang zieht die ständige Rechtsprechung den Rechtsgedanken des § 254 BGB heran, sodass bezüglich des Verhältnisses der Haftung der Gesamtschuldner die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile maßgeblich sind 627. Die Existenzvernichtungshaftung knüpft primär an ein Verhalten des Gesellschafters an. Ein existenzvernichtender Eingriff ist sogar ohne eine Mitwirkung des Gesellschafters begriffsnotwendig nicht möglich. Darüber hinaus findet ein solcher Eingriff regelmäßig zugunsten des Gesellschafters statt. Im Gegensatz dazu stellt die Geschäftsführerhaftung nur auf die Rolle des Geschäftsführers als Gehilfe des Eingriffs ab, der entweder an einem Eingriff pflichtwidrig mitwirkt oder aber den Gesellschafter nicht hinreichend überwacht 628. Selbst bei einer hinreichenden Überwachung wird sich der Geschäftsführer, nicht zuletzt aufgrund eines vielfach bestehenden wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses zum Gesellschafter, kaum einer Haftung entziehen können. Selbst die Begründung des MoMiG verweist diesbezüglich allein auf die Niederlegung des Amtes629. Geht man somit davon aus, dass der Gesellschafter die treibende Kraft eines existenzvernichtenden Eingriffs ist, zumal wenn dies regelmäßig zu seinem eigenen Vorteil geschieht, so wird regelmäßig der Verursachungsund Verschuldensanteil des Gesellschafters den des Geschäftsführers deutlich überwiegen. Im Innenverhältnis ist daher von einer alleinigen Verantwortlichkeit des Gesellschafters auszugehen630. Wird der Geschäftsführer in Anspruch genommen, so kann er im Innenverhältnis gemäß § 426 BGB vom Gesellschafter vollen Regress fordern. Dies kann der Gesellschafter
626 So Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911; ders., in: Ulmer, GmbHG, § 43 Rn. 152; Habersack/Schürnbrand, WM 2005, S. 957, 960. Siehe auch Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 43 Rn. 49, die dem Geschäftsführer vollen Regress beim Zahlungsempfänger zugestehen. 627 St. Rspr., siehe nur BGH, Urteil v. 3. Feb. 1954, VI ZR 153/52, BGHZ 12, S. 213, 220; BGH, Urteil v. 19. Dez. 1968, VII ZR 23/66, BGHZ 51, S. 275, 279; BGH, Urteil v. 29. Juni 1972, VII ZR 190/71, BGHZ 59, S. 97, 103. 628 Siehe hierzu ausführlich oben unter II. 5. 629 So auch Begründung RegE, BT-Drs. 16/6140, S. 47. 630 So auch Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177, 2179, die allerdings eine Regresspflicht des Gesellschafters auf § 242 BGB sowie auf § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB stützen. Siehe auch Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911, der dem Geschäftsführer einen Anspruch aus § 255 BGB auf Abtretung der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Gesellschafter zugesteht.
6. Zusammenfassung und Ausblick
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im Übrigen nicht mit dem Hinweis abwenden, dass der Geschäftsführer seine Überwachungspflichten verletzt habe 631. Wenn bereits im Rahmen der deliktischen Haftung der Geschäftsführer vom Gesellschafter eine Haftungsfreistellung verlangen kann, so wäre es aufgrund der primär an die Person des Gesellschafters anknüpfenden Haftungskonzeption erst recht unbillig, über § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 64 S. 3 GmbHG dennoch die Haftungsfolgen vom Geschäftsführer tragen zu lassen. Im Innenverhältnis kann daher der Geschäftsführer gemäß § 242 BGB auch Freistellung vom Anspruch gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG und § 64 S. 3 GmbHG von den Gesellschaftern verlangen beziehungsweise diese in Regress nehmen632. Den Geschäftsführer auf einen Anspruch auf Abtretung der Ersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Gesellschafter nach § 255 BGB zu verweisen633, erscheint aufgrund der direkten Regressmöglichkeit im Rahmen der deliktischen Haftung inkonsequent. Zur Begründung des Rangverhältnisses der Haftungen im Innenverhältnis lässt sich ergänzend noch § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB heranziehen634. Der eigennützige Eingriff des Gesellschafters würde eine ungerechtfertigte Bereicherung darstellen, könnte dieser den Eingriff durch die Haftung des Geschäftsführers kompensieren.
6. Zusammenfassung und Ausblick – der existenzvernichtende Eingriff als Ausgangspunkt der rechtsvergleichenden Betrachtung 6. Zusammenfassung und Ausblick Mit dem „Trihotel“-Urteil vom 16. Juli 2007 hat sich die Rechtsprechung von einer Ergänzung des gesetzlichen Gläubigerschutzsystems mittels einer gesellschaftsrechtlich fundierten „Durchgriffshaftung“ zugunsten der Gläubiger zumindest für den Fall eines existenzvernichtenden Eingriffs abgewandt. Das neue Haftungskonzept fußt vielmehr auf einer deliktsrechtlich begründeten Innenhaftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft aufgrund eines als sittenwidrig verstandenen Verstoßes gegen die den Gesellschaftern obliegende Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens. Dieses ist zur vorrangigen Befriedigung 631 Vgl. RG, Urteil v. 17. Dez. 1938, II 100/38, RGZ 159, S. 86, 90; BGH, Beschluss v. 1. Feb. 1965, GSZ 1/64, BGHZ 43, S. 227, 231. 632 So auch Matschernus, Durchgriffshaftung wegen Existenzvernichtung, S. 325 f.; Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177, 2179, beide allerdings ohne Berücksichtigung des § 64 S. 3 GmbHG. 633 So Paefgen, DB 2007, S. 1907, 1911; Liebscher, in: MüKo GmbHG, § 13 Anh., Rn. 593. Siehe auch K. Schmidt, in: Scholz, GmbHG, § 64 Rn. 100. 634 Lutter/Banerjea, ZIP 2003, S. 2177, 2179 f.
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II. Deutsche Rechtslage
der Gläubiger in der Insolvenz gebunden. Wenn auch die Neukonzeption der Existenzvernichtungshaftung als Fallgruppe des § 826 BGB in der Literatur grundsätzlich auf breite Zustimmung gestoßen ist, so vermag diese als systemkonform bezeichnete Lösung dennoch nicht eine dogmatisch scharfe Lösung zu begründen. Sofern man mit dem Bundesgerichtshof die Haftung an eine Pflichtverletzung der Gesellschafter anknüpft, ergibt sich die Haftung bereits aus § 280 BGB. Eines Rückgriffs auf das allgemeine Deliktsrecht bedarf es somit nicht. Ein solcher Rückgriff lässt sich erst recht nicht mit der Beschränkung der Existenzvernichtungshaftung allein auf vorsätzliches Handeln rechtfertigen, da sich eine derartige Beschränkung bereits im Rahmen der §§ 280, 276 BGB systemkonform begründen lässt. Mit der nunmehr eindeutigen Beschränkung der Haftung auf vorsätzliches Handeln und die Verlagerung allein in das Innenverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft wird im Ergebnis der Gläubigerschutz jedoch systemkonform wieder durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert. Der mit der vorhergehenden Haftungskonzeption einer Durchgriffs(außen)haftung verbundene Verlust des Haftungsprivilegs des § 13 Abs. 2 GmbHG bildet durch die Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung wieder eine nur schwer zu begründende Ausnahme. Indem der Bundesgerichtshof dennoch deutlich an der Notwendigkeit einer Existenzvernichtungshaftung festhält und dies durch die Kodifikation eines Teilbereichs der Existenzvernichtungshaftung in § 64 S. 3 GmbHG gestützt wird, findet zusätzlich eine Hinwendung zu einem kompensatorischen Gläubigerschutz ex post statt. Dies entspricht dem allgemeinen europäischen Trend weg von einer „Eingangskontrolle“ hin zu einer „Exithaftung“635, ergänzt durch gewisse Publizitätspflichten636. Ebenfalls den europäischen Gepflogenheiten folgend, verschiebt sich mittels „Trihotel“ und § 64 S. 3 GmbHG der Akzent der Haftung deutlich zulasten der Geschäftsführer. Sämtliche der im Weiteren betrachteten Rechtsordnungen sehen eine deutliche Haftungskonzentration beim Geschäftsführer vor, die jedoch wiederum über die Annahme einer faktischen Geschäftsführung eine Haftung der Gesellschafter mitumfasst. Eine rechtsvergleichende Betrachtung existenzvernichtender Eingriffe darf unter diesen Vorzeichen somit nicht allein nach einer an die Person 635 Schall, ZGR 2009, S. 126, 130. Siehe auch Steffek, in: FS Hopt, S. 291, 312; Annoff, in: Basedow/Hopt/Zimmermann, Handwörterbuch, Bd. I, S. 729, 733. 636 Pflicht zur Einreichung einer aktuellen Gesellschafterliste mit Name und Wohnort, § 8 Abs. 1 Nr. 3, § 40 Abs. 1 und 2 GmbHG; Pflicht zur Angabe einer inländischen Geschäftsanschrift sowie Art und Umfang der Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer, § 8 Abs. 4 GmbHG, verbunden mit einer erleichterten Zustellung und eines erleichterten Zugangs von Willenserklärungen gemäß § 35 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 und 4 GmbHG; siehe hierzu auch ausführlich Steffek, in: FS Hopt, S. 291, 301 ff.
6. Zusammenfassung und Ausblick
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des Gesellschafters anknüpfenden Haftung für insolvenzverursachende oder -vertiefende Eingriffe fragen, sondern muss den existenzvernichtenden Eingriff als tatsächliche Handlung losgelöst von der handelnden Person in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Bei der Betrachtung der englischen, französischen und niederländischen Rechtsordnung sollen daher die Sachverhalte den Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs bilden, die den einzelnen deutschen Fallgruppen zugrunde liegen. Es ist also nach einer Haftung beim Abzug von Liquidität, der fremdnützigen Bestellung von Sicherheiten sowie bei einem Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder sowie -chancen zu fragen, die jeweils zur Insolvenz der Gesellschaft geführt haben. Darüber hinaus sollen auch die Sachverhalte betrachtet werden, die zwar im Rahmen einer Existenzvernichtungshaftung diskutiert werden, jedoch nach deutschem Recht eine solche nicht zu begründen vermögen. Dies betrifft unternehmerische Fehlentscheidungen ebenso wie die materielle Unterkapitalisierung, „Aschenputtel“-Gesellschaften und die Vermögensvermischung.
III. Englische Rechtslage Das deutsche Recht sucht die mit einer Haftungsbeschränkung für die Gläubiger verbundenen Gefahren grundsätzlich durch einen Gläubigerschutz ex ante in Form diverser Regeln zur Kapitalaufbringung und -erhaltung zu minimieren und ergänzt diesen situativ durch ex postMechanismen. Der Schwerpunkt des englischen Gläubigerschutzes ist traditionell ein anderer. Ausgangspunkt des englischen Gläubigerschutzkonzepts ist der bereits in der Entscheidung „Salomon v Salomon & Co Ltd.“ zu findende Grundsatz, dass Gläubiger für ihren eigenen Schutz verantwortlich sind 1. Den Gefahren der Haftungsbeschränkung begegnet das englische Recht durch eine Erleichterung des Selbstschutzes der Gläubiger unter anderem durch eine strikte Publizität wesentlicher Gesellschaftsinformationen2 sowie durch diverse ex post-Mechanismen. Letztere reichen von einer zivilrechtlichen Anreicherung oder Wiederherstellung der Insolvenzmasse bis hin zu quasi-strafrechtlichen Sanktionen in Form von Tätigkeitsverboten3. Zudem kennt das englische Recht eine besondere, dem deutschen Recht fremde, Staatsaufsicht auch für das englische Pendant der GmbH 4, die private company limited by shares. Die im Rahmen der Staats1
Salomon v Salomon & Co Ltd. [1897] AC, S. 22, 40. Siehe unter den Vorschriften des Companies Act 2006 (c. 46), abgekürzt als CA 2006: ss. 854 ff. CA 2006 (jährliche Berichtspflicht gegenüber dem Gesellschaftsregister hinsichtlich des Sitzes der Gesellschaft, der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft, der Personalien der Geschäftsführer und Gesellschafter sowie weiterer Angaben das Kapital der Gesellschaft betreffend sowie die einzelnen Anteile betreffend), ss. 860 ff. CA 2006 (Eintragungspflicht von Sicherheiten, die von der Gesellschaft gewährt werden), ss. 441 ff. CA 2006 (Offenlegungspflicht des Jahresabschlusses) sowie ss. 113 ff. CA 2006 (Pflicht der Gesellschaft eine Gesellschafterliste zu führen, die am Sitz der Gesellschaft grundsätzlich öffentlich einsehbar sein muss). Siehe auch sec. 82 CA 2006 i.V.m. Companies (Trading Disclosure) Regulations (S.I. 2008/495), der gewisse Pflichtangaben im geschäftlichen Verkehr vorschreibt. Aufgrund der Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes sollen die diversen Publizitätspflichten jedoch nicht näher betrachtet werden. 3 Aufgrund der quasi-strafrechtlichen Sanktion sollen diese im Folgenden nur kurz erwähnt werden. Siehe im Folgenden unter III. 10. 4 Siehe ss. 431 f., sec. 447 Companies Act 1985 (c. 6), abgekürzt als CA 1985, ss. 1035 ff., sec. 1132 CA 2006, sec. 218 Insolvency Act 1986 (c. 45), ss. 167 f., 262 und sec. 284 Financial Services and Markets Act 2000 (c. 8). Diese Vorschriften werden 2
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III. Englische Rechtslage
aufsicht durchgeführten Untersuchungen können weitreichende Sanktionen nach sich ziehen und deren Ergebnisse zur Information der Öffentlichkeit genutzt werden5. Um schließlich gesetzliche Gläubiger zumindest teilweise zu schützen, sind insbesondere für Unfallopfer sowie für Arbeitnehmer Haftpflichtversicherungen gesetzlich vorgeschrieben6. Im Fokus der Betrachtung sollen im Folgenden, in Anlehnung an die Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung, in erster Linie die Regelungen stehen, die der Wiederherstellung und Anreicherung der Insolvenzmasse nach einem insolvenzverursachenden oder -vertiefenden Eingriff in das Gesellschaftsvermögen dienen. Unter diesen Regelungen findet sich zunächst die Haftung für wrongful trading (siehe im Folgenden unter 2.) als auch für fraudulent trading (siehe im Folgenden unter 3.). Beide Tatbestände begründen jeweils eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft für eine gläubigerschädigende Fortsetzung der Geschäftstätigkeit beziehungsweise für eine Insolvenzvertiefung. Neben diesen gesetzlichen Regeln zur Anreicherung der Insolvenzmasse sieht das englische Richterrecht, sogenanntes common law7, eine dem wrongful trading verwandte, jedoch hiervon völlig losgelöste Haftung der Geschäftsführer vor, sofern diese ihre Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen verletzt haben (siehe im Folgenden unter 4.). Diese, wenn auch an Geschäftsführerpflichten anknüpfende, Haftung weist deutliche Parallelen zur deutschen Existenzvernichtungshaftung auf. Über die soeben aufgezählten Haftungstatbestände hinaus finden sich im englischen Richterrecht zwar Ansätze einer persönlichen Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, durch den CA 2006 nicht aufgehoben, siehe Schedule 16 CA 2006. Sec. 447 CA 1985 stellt die wohl praxisrelevanteste Vorschrift dar. Hiernach kann der Secretary of State bei begründetem Verdacht jederzeit unangekündigt von der Gesellschaft die Herausgabe von Dokumenten verlangen. Im Berichtszeitraum 2011–12 wurden beispielsweise 149 Untersuchungen unter sec. 447 CA 1985 durchgeführt, siehe The Insolvency Service, Annual Report & Accounts 2011–12 v. 16. Juli 2012, HC 358, S. 38. 5 So kann sich den Untersuchungen eine Strafverfolgung anschließen, eine Disqualifizierung der Geschäftsführer oder eine Zwangsabwicklung der betroffenen Gesellschaft im öffentlichen Interesse. Außerdem können die durch die Untersuchung erlangten Informationen einer breiteren Öffentlichkeit, so unter anderem der London Stock Exchange oder Law Society, zugänglich gemacht werden, vgl. sec. 8 Company Directors' Disqualification Act 1986 (c. 46), s. 124 A Insolvency Act 1986 sowie ss. 449, 451A CA 1985. 6 Siehe Employers’ Liability (Compulsory Insurance) Act 1969 (c. 57) sowie Road Traffic Act 1988 (c. 52). Siehe auch Hansmann/Kraakmann, 100 Yale LJ, S. 1879 m.w.N., die für eine Nichtanwendbarkeit der Haftungsbeschränkung bei gesetzlichen Gläubigern plädieren. 7 Unter dem Begriff common law ist in Abgrenzung zum statutory law das auf Rechtsprechung zurückgehende Recht gemeint, während letzteres der Gesetzgebung der Legislative und mit Ermächtigung auch der Exekutive entspringt. Siehe nur Williams/Smith, Learning the Law, S. 25.
6. Zusammenfassung und Ausblick
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die jedoch aufgrund einer sehr restriktiven Handhabung der Gerichte kaum eine Rolle spielen (siehe im Folgenden unter 5.). Der Schwerpunkt des englischen Rechts zur Anreicherung der Insolvenzmasse beziehungsweise zur Anreicherung des Gesellschaftsvermögens im Rahmen einer Abwicklung außerhalb eines Insolvenzverfahrens liegt jedoch nicht auf einer persönlichen Haftung der Beteiligten, sondern in einer Fülle von unter den Begriffen transactions avoidance oder vulnerable transactions zusammengefassten Vorschriften8. Ziel dieser Vorschriften ist unter anderem die Sicherung der Gleichbehandlung der Gläubiger im Falle eines Abwicklungs- oder Sanierungsverfahrens, sogenanntes pari passu principle9, sowie der Schutz der Gläubiger vor einem Vermögensentzug im Vorfeld eines Abwicklungsverfahrens 10. Hierzu können im Rahmen dieser Vorschriften unter bestimmten Bedingungen Vermögenstransaktionen im Vorfeld des Abwicklungsverfahrens für nichtig erklärt, korrigiert oder deren Effekte rückgängig gemacht werden11. Im Vergleich zum deutschen Recht stellt sich vor allem die Frage, ob das englische Recht im Rahmen der transactions avoidance weiterreichende Möglichkeiten zur Masseanreicherung bietet als die deutschen Anfechtungsrechte (siehe im Folgenden unter 6. bis 8.). Sämtliche Haftungs- und Anfechtungsrechte fügen sich in die gesellschaftsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Rahmenbedingungen des englischen Rechts ein und müssen daher auch vor dem Hintergrund der wesentlichen Grundzüge des Rechts der Ltd. samt des relevanten Insolvenzrechts betrachtet werden (siehe im Folgenden unter 1.). Aus dem gleichen Grund können weitere ergänzende Anfechtungsmöglichkeiten und Haftungstatbestände ebenso wenig ausgeblendet werden (siehe im Folgenden unter 9.) wie die äußerst praxisrelevante Sanktion der Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer (siehe im Folgenden unter 10.).
8
Siehe zu den diversen Anfechtungsmöglichkeiten im Folgenden unter III. 6. bis 8. Bridge, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions in Corporate Insolvency, S. 1, 2 ff. Vgl. auch sec. 107 Insolvency Act 1986; r. 4.181 Insolvency Rules 1986 (S.I. 1986/1925). 10 Siehe nur Parry, Transaction Avoidance, S. 18; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 521 f. sowie in deutscher Sprache Steffek, KTS 4/2007, S. 452. 11 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 529: „A transaction may be avoided or adjusted under insolvency law or its effect reversed […]“. 9
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III. Englische Rechtslage
1. Grundsätzliches zur private company limited by shares 1. Grundsätzliches zur Ltd. Während die deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung Ende des 19. Jahrhunderts bewusst als Rechtskonstrukt vom Gesetzgeber aus der Taufe gehoben wurde12, ist die private company limited by shares Ergebnis einer rechtspraktischen Entwicklung. Der Grundstein der englischen Kapitalgesellschaften moderner Prägung wurde mit dem Joint Stock Companies Act 184413 gelegt14. Eine den deutschen Kapitalgesellschaften vergleichbare Haftungsbeschränkung wurde jedoch erst nachträglich mit dem Limited Liability Act 1855 eingeführt15. Die haftungsbeschränkte Gesellschaft stand ursprünglich jedoch allein größeren Gesellschaften von mindestens 25 Gesellschaftern offen16. Die private limited company by shares, die in Abgrenzung zur bisher allein bestehenden, sogenannten public limited company by shares17 gerade kleineren Unternehmen und Einpersonengesellschaften die Rechtsform der Kapitalgesellschaft eröffnet, fand ihre rechtliche Anerkennung erst mit der Entscheidung „Salomon v Salomon & Co“18. Die Ltd. ist mit Abstand die häufigste Gesellschaftsform in England und Wales 19, die sich auch in Deutschland großer Beliebtheit erfreut20. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Ltd. ein im Vergleich zur GmbH relativ schnelles und kostengünstiges Gründungsverfahren bietet21. Ebenso wie die historische Entwicklung, das Gründungsverfahren und die gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung der Ltd. (siehe im Folgenden unter a) bis g)), unterscheidet sich auch ihre Abwicklung von der der GmbH. Anders als das deutsche Recht fasst das englische Recht sämtliche auf eine Abwicklung gerichteten Verfahren einheitlich unter dem Begriff winding 12
Siehe hierzu bereits oben unter I. 7 & 8 Vict. (c. 110). 14 Gower, Gower’s Principles, 5. Aufl., S. 39. 15 18 & 19 Vict. (c. 133). 16 Gower, Gower’s Principles, 5. Aufl., S. 45. 17 Im Folgenden abgekürzt als plc oder p.l.c. 18 [1897] AC, S. 22 ff., HL. Einen gesetzlichen Niederschlag fand die private limited company erst mit dem Companies Act 1907 (c. 50) bzw. im Companies (Consolidation) Act 1908 (c. 69). Gemäß sec. 121 Companies Act 1908 handelte es sich um eine private company, sofern die Übertragbarkeit der Anteile beschränkt ist, die Zahl der Gesellschafter 50 nicht überschreitet und Anteile oder Schuldverschreibungen nicht öffentlich emittiert werden. 19 Auf eine Nachfrage beim für die Registrierung der Gesellschaften zuständigen Companies House waren im Oktober 2012 8.574 public limited companies registriert und 2.845.966 private limited companies. 20 Siehe ausführlich zum diesbezüglichen Zahlenmaterial Fleischer, in: MüKo GmbHG, Einl. Rn. 219 ff. 21 Siehe zum Gründungsverfahren ausführlich im Folgenden unter III. 1. b). 13
1. Grundsätzliches zur Ltd.
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up zusammen und sieht darüber hinaus bei einer drohenden Insolvenz zunächst diverse Sanierungsverfahren vor, die auf eine Fortsetzung der werbenden Tätigkeit zielen (siehe im Folgenden unter h)). a) Gesetzliche Grundlagen Der Großteil der für die Ltd. wesentlichen gesetzlichen Regelungen, statutory law, findet sich im Companies Act 2006. Der CA 2006, der erst im Oktober 2009 vollständig in Kraft getreten ist, strukturiert einen Großteil des Rechts der Kapitalgesellschaften neu und fasst die diesbezüglichen Regelungen der vorhergehenden Companies Acts einheitlich zusammen22. Anders als im deutschen Recht wird die Auflösung der Ltd. außerhalb eines Insolvenzverfahrens nicht im CA 2006 geregelt, noch kennt das englische Recht ein einheitliches Insolvenzverfahren. Das englische Recht fasst vielmehr sämtliche zur Auflösung der Gesellschaft führende Verfahren, sei es insolvenzbedingt oder hiervon unabhängig, einheitlich im Insolvency Act 198623 und den diesen ändernden Gesetzen24 zusammen, die zusätzlich durch den Enterprise Act 2002 ergänzt werden25. Der IA 1986 beinhaltet darüber hinaus verschiedene Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände. Daneben finden sich weitere Regelungen hinsichtlich einer insolvenzbedingten Auflösung in den Insolvency Rules, so insbesondere in den Insolvency Rules 1986 und den Insolvency Rules 200826 sowie dem Company Directors’ Disqualification Act 198627. Neben den gesetzlichen Vorschriften und trotz dieser sind weitere Regelungen des englischen Gesellschaftsrechts auch in Zukunft dem common law zu entnehmen, so insbesondere die konkrete Ausgestaltung der Geschäftsführerpflichten und die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen28. b) Gründung der Ltd. Die Ltd. wird durch eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen durch die Unterzeichnung eines sogenannten memorandum of association und die Eintragung der Gesellschaft im Gesellschaftsregister gegründet29. Das von sämtlichen Gründern zu unterzeichnende memorandum of asso22 Siehe zur Gesetzeshistorie des CA 2006 nur Mayson/French/Ryan, Company Law, Nr. 1.5.1.3. 23 Insolvency Act 1986 (c. 45), im Folgenden abgekürzt als IA 1986. 24 Siehe nur Insolvency Act 1994 (c. 7) und Insolvency Act 2000 (c. 39). 25 Enterprise Act 2002 (c. 40). 26 Insolvency Rules 1986 (S.I. 1986/1925), abgekürzt als IR 1986, und Insolvency (Amendment) Rules 2008 (S.I. 2008/737), abgekürzt als IR 2008. 27 Company Directors' Disqualification Act 1986 (c. 46), abgekürzt als CDDA 1986. 28 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter III. 4. 29 Sec. 7 (1) CA 2006.
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III. Englische Rechtslage
ciation, dessen Bedeutung durch den CA 2006 im Vergleich zum CA 1985 wesentlich geschwächt wird30, enthält lediglich eine Erklärung der Unterzeichner, eine Gesellschaft im Sinne des CA 2006 gründen und deren Gesellschafter werden zu wollen31. Außerdem muss das memorandum eine Erklärung enthalten, dass jeder der Gesellschafter mindestens einen Gesellschaftsanteil zeichnet 32. Zur Eintragung der Gesellschaft muss neben dem memorandum of association ein Antrag auf Eintragung, eine Erklärung über das Gesellschaftskapital sowie die Gründungsanteile 33, eine Liste der Namen des oder der Geschäftsführer sowie des rein fakultativen Gesellschaftssekretärs oder der rein fakultativen Gesellschaftssekretäre34, die Adresse des zu registrierenden Gesellschaftssitzes sowie eine Kopie der sogenannten articles of association beim registrar of companies eingereicht werden35. Sämtliche Dokumente müssen in englischer Sprache verfasst sein36. Die articles of association regeln sämtliche Belange der Gesellschaft im Innenverhältnis. Eine Einreichung dieser articles ist jedoch nur dann notwendig, sofern von der durch den Secretary of State zur Verfügung gestellten Mustersatzung, den sogenannten model articles, abgewichen wird37. Werden keine besonderen Satzungsbestimmungen registriert oder sind die registrierten Bestimmungen im Vergleich zu den model articles lückenhaft, gelten automatisch 30 Vor Inkrafttreten des CA 2006 beinhaltete das memorandum of association sämtliche für das Außenverhältnis der Gesellschaft wesentlichen Angaben wie den Namen der Gesellschaft, den Ort der Registrierung, den Zweck der Gesellschaft, die Angabe der beschränkten Haftung sowie die Höhe des Gesellschaftskapitals und den Namen der Gesellschafter verbunden mit der Höhe ihres jeweiligen Anteils vgl. sec. 2 Companies Act 1985 31 Sec. 8 CA 2006. Siehe auch sec. 112 CA 2006, der zusätzlich eine Eintragung sämtlicher Gesellschafter in ein Gesellschafterregister vorschreibt. 32 Sec. 8 (1) (b) CA 2006. 33 Siehe sec. 9 (4) (a) i.V.m. sec. 10 CA 2006. Hiernach muss unter anderem die Gesamtzahl der ausgegebenen Gesellschaftsanteile, ihr Nennwert, der unmittelbar einzuzahlende Betrag, der jedoch nicht dem vollen Nennwert entsprechen muss sowie der Name des zeichnenden Gesellschafters, die Zahl der von ihm gezeichneten Anteile sowie ihr Nominalwert angegeben werden. Außerdem müssen die mit den einzelnen Anteilen verbundenen Rechte angegeben werden. 34 Siehe sec. 9 (4) (c) i.V.m. sec. 12 CA 2006. Es sind unter anderem persönliche Angaben wie Name, Adresse, Nationalität, Geburtsdatum sowie Beruf des Geschäftsführers oder der Geschäftsführer anzugeben, siehe ergänzend sec. 162 bis 166 CA 2006. Bezüglich des Sekretärs oder der Sekretäre ist lediglich der Name sowie die Adresse zu registrieren, siehe sec. 277 bis 279 CA 2006. Im Gegensatz zum Companies Act 1985 ist jedoch die Bestellung eines company secretary nicht mehr obligatorisch, siehe sec. 270 (1) CA 2006. 35 Sec. 9 CA 2006. 36 Sec. 1102 f. CA 2006. 37 Sec. 9 (5) (b) i.V.m. sec. 18 (2) CA 2006. Sec. 19 (1) CA 2006 enthält eine Ermächtigung des Secretary of State zum Erlass von Mustersatzungen.
1. Grundsätzliches zur Ltd.
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die Bestimmungen der model articles38. Allerdings zeichnet sich das englische Gesellschaftsrecht durch sehr weitreichende Gestaltungsmöglichkeit im Innenverhältnis aus, sodass sämtliche Bestimmungen der model articles zugunsten einer anderen Regelung ausgeschlossen werden können. Die articles of association bilden gemeinsam mit gegebenenfalls weiteren Erklärungen der Gesellschafter39 die sogenannte companies constitution40. Diese bindet die Gesellschaft und den einzelnen Gesellschafter im Verhältnis zueinander, aber auch die Gesellschafter untereinander41. Der Antrag auf Eintragung muss den Namen der Gesellschaft mit dem Zusatz limited oder Ltd.42 enthalten sowie eine Erklärung über den Sitz der Gesellschaft 43, über die Haftungsbeschränkung und ob es sich um eine public oder private company handelt 44. Einer Festlegung des Gesellschaftszwecks bedarf es nicht. Dieser ist im Rahmen der geltenden Gesetze vielmehr unbeschränkt45. Schließlich ist dem Antrag eine Erklärung über die Einhaltung sämtlicher Gründungsvoraussetzungen nach dem CA 2006 beizufügen46. Sofern sämtliche Eintragungsvoraussetzungen erfüllt sind, wird durch das Gesellschaftsregister eine Gründungsurkunde („certificate of incorporation“) ausgestellt 47. Mit der Ausstellung dieser Gründungsurkunde erlangt die Gesellschaft ihre Rechtspersönlichkeit 48. Die Eintragung der Gesellschaft wird schließlich unter Angabe der Firma und der registrierten Nummer der Gesellschaft sowie unter Angabe des Datums durch das Register veröffentlicht 49. Sofern die Gesellschaft keine regulierte unternehmerische Tätigkeit entfaltet50 oder keine Firma führt, die eine
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Sec. 20 CA 2006. Siehe sec. 29 f. CA 2006. 40 Sec. 17 CA 2006. 41 Sec. 33 CA 2006. 42 Sec. 59 (1) CA 2006. 43 Gemäß sec. 9 (2) (b) CA 2006 muss im Rahmen des Antrags auf Eintragung zwingend angegeben werden, ob der Firmensitz, sog. registered office, in England, Wales, Schottland oder Nordirland liegt. Gemäß ss. 86 f. CA 2006 fungiert das registered office primär als Zustellungsadresse. Darüber hinaus müssen bestimmte Register, wie ein Geschäftsführerverzeichnis (ss. 162 ff. CA 2006) sowie ein Gesellschafterverzeichnis (ss. 113 ff. CA 2006), am Ort des registered office einsehbar sein. 44 Sec. 9 (2) CA 2006. 45 Sec. 7 (2) i.V.m. sec. 31 (1) CA 2006. 46 Sec. 9 (1) CA 2006. 47 Sec. 14, 15 CA 2006. 48 Sec. 16 CA 2006. 49 Sec. 1064 CA 2006. 50 Dies betrifft vor allem Finanzdienstleitungen, die unter dem Financial Services and Markets Act 2000 geregelt sind und dort unter ss. 19 ff. i.V.m. Schedule 2. 39
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III. Englische Rechtslage
Verbindung mit der Regierung oder staatlichen Einrichtungen suggeriert51, bedarf es zur Gründung keiner weiteren behördlichen Mitwirkung. c) Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile Im Gegensatz zum deutschen Recht kennt das englische Recht, zumindest für die Ltd., keinerlei Mindestkapitalerfordernisse. Bei der Gründung der Gesellschaft ist lediglich eine Erklärung über die Gesamtzahl der Gesellschaftsanteile, die von den Gesellschaftern gezeichnet werden, sowie ihr Nennwert anzugeben52. Die noch unter dem CA 1985 geltende Unterscheidung zwischen dem Maximalbetrag an Kapital, den die Gesellschaft in Anteilen ausgeben darf („authorised capital“) und dem tatsächlich ausgegebenen Kapital („issued capital“) findet sich im CA 2006 nicht wieder53. Jeder Gesellschafter muss mindestens einen Gesellschaftsanteil zu einem festen Nennwert zeichnen54. Der Nennwert der einzelnen Anteile kann unterschiedlich hoch sein 55. Darüber hinaus kann jeder Geschäftsanteil mit unterschiedlichen Rechten, beispielsweise hinsichtlich des mit dem Anteil verbundenen Stimmrechts oder der Gewinnbeteiligung, ausgestattet werden56. Die diesbezüglichen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der articles of association unterliegen allein der Beschränkung, dass innerhalb einer Anteilsklasse sämtliche Anteile gleich zu behandeln sind 57. In expliziter Abgrenzung zur public company sind schließlich die Anteile einer private company limited nicht frei veräußerbar58. Mit der Zeichnung der einzelnen Gesellschaftsanteile ist nicht zwingend verbunden, dass der Gesellschafter den Nominalwert des Anteils in voller Höhe bereits bei Gründung einzuzahlen hat. Vielmehr können hiervon abweichende Regelungen getroffen werden59. Allerdings muss die im Rahmen der Eintragung abzugebende Erklärung hinsichtlich des Gesellschaftskapitals ausweisen, welcher Betrag tatsächlich eingezahlt ist und welcher nicht unmittelbar eingezahlt wird60. Es kann auch vereinbart werden, dass
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Sec. 54 CA 2006. Sec. 10 (2) CA 2006. 53 Alcock/Birds/Gale, Companies Act 2006, S. 183 mit Verweis auf die Empfehlung der Company Law Review Steering Group, Final Report v. 26.07.2001, URN 01/943, Bd. 1, S. 218 f. 54 Sec. 8 (1) (b) CA 2006 i.V.m. sec. 542 (1) CA 2006. 55 Sec. 542 (1) CA 2006. 56 Siehe sec. 10 (2) (c) i.V.m. sec. 629 CA 2006. 57 Sec. 629 CA 2006. 58 Ss. 755 f. CA 2006. 59 Sec. 10 (d), sec. 581 CA 2006. 60 Sec. 10 (2) (d) CA 2006. 52
1. Grundsätzliches zur Ltd.
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ein über den Nominalwert hinausgehender Betrag zu leisten ist 61. Die Leistungen der Gesellschafter auf ihre Anteile können grundsätzlich in bar oder in sonstigen geldwerten Vorteilen, wie Sacheinlagen oder in Form von Dienstleistungen, erbracht werden62. Eine unabhängige Bewertung der Sacheinlagen oder der Einlagen in Form von Dienstleistungen ist nicht vorgeschrieben63. Dies birgt rechtspraktisch jedoch kaum Gefahren, da aufgrund des in der Regel nur geringen Gesellschaftskapitals dieses in voller Höhe eingezahlt wird64. d) Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz Die im Vergleich zur deutschen Regelung nur geringen Anforderungen an die Kapitalaufbringung spiegeln sich auch im Bereich der Kapitalerhaltung wider. Dieser Bereich beschränkt sich im englischen Recht auf wenige Regelungen zu Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen65 sowie zur Kapitalherabsetzung 66 und zum Erwerb eigener Anteile 67. Grundsätzlich darf Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter nur aus den Gewinnen der Gesellschaft ausgezahlt werden, die für eine derartige Ausschüttung vorgesehen sind 68. Der Begriff der Ausschüttung wird in sec. 829 CA 2006 legaldefiniert und umfasst grundsätzlich sämtliche Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen unabhängig davon, ob es sich um eine Barauszahlung oder einen sonstigen Abfluss von Vermögens61 Diese Anteilsprämien müssen jedoch als spezielle Rücklage verbucht und ausgewiesen werden, siehe sec. 619 CA 2006. 62 Sec. 582 (1) CA 2006: „paid up in money or money’s worth (including goodwill and know-how)“. 63 Park Business Interiors Ltd. v Park [1992] BCLC, S. 1034 ff. Siehe auch White Star Line, Re [1928] Ch, S. 458 ff. bzgl. einer offensichtlich nicht werthaltigen Einlage sowie Tintin Exploration Syndicate v Sandys (1947) 177 LT, S. 412 ff. bzgl. eines bösgläubigen Verhaltens bei Leistung der Einlage. 64 Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 284. 65 Siehe ss. 829 ff. CA 2006. Siehe hierzu im Folgenden sowie ausführlich Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 297 ff. 66 Siehe sec. 641 i.V.m. sec. 283 CA 2006. Eine Kapitalherabsetzung, in welcher Form auch immer, bedarf grundsätzlich eines qualifizierten Mehrheitsbeschlusses und entweder einer speziellen Solvenzbestätigung oder einer gerichtlichen Bestätigung. Sofern eine Kapitalherabsetzung durch ein Gericht bestätigt wird, besteht ein Widerspruchsrecht der Gläubiger, sofern die Kapitalherabsetzung auf eine Verringerung der Haftung hinsichtlich noch nicht gezahlter Einlagen abzielt oder eine Einlagenrückgewähr stattfindet, siehe ss. 645 f. CA 2006. Siehe ausführlich hierzu nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 319 ff. 67 Ein Erwerb eigener Anteile durch die Gesellschaft ist grundsätzlich verboten, siehe ss. 658 f. CA 2006. Siehe ausführlich hierzu nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 320 ff. 68 Sec. 830 (1) CA 2006.
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III. Englische Rechtslage
gegenständen der Gesellschaft handelt und unabhängig von der jeweiligen Bezeichnung 69. Verdeckte Gewinnausschüttungen werden somit ebenfalls von sec. 829 CA 2006 als Ausschüttung erfasst. Gemäß sec. 830 (2) CA 2006 dürfen nur die konsolidierten, realisierten70 Bilanzgewinne, sofern sie noch nicht für Ausschüttungen oder Kapitalisierungen genutzt wurden, abzüglich der konsolidierten, realisierten Bilanzverluste, sofern diese nicht bereits im Rahmen einer Kapitalherabsetzung berücksichtigt wurden, ausgeschüttet werden71. Maßgeblich ist hierbei grundsätzlich der letzte Jahresabschluss 72. Wusste der Gesellschafter zum Zeitpunkt der Ausschüttung, dass diese entgegen der Vorschriften des CA 2006 geleistet wurde, so hat dieser die Ausschüttung der Gesellschaft zu erstatten73. Diese gesetzlichen Regelungen der Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen werden durch das common law ergänzt 74. Diesem lässt sich entnehmen, dass die Gesellschaft nur dann aus ihrem Vermögen Zahlungen an die Gesellschafter vornehmen darf, sofern dies durch die gesetzlichen Regeln gestattet wird oder der Auszahlung eine marktgerechte Gegenleistung des Gesellschafters gegenübersteht75. Bei einem Verstoß gegen diese Regelung sieht das common law eine Rückerstattungspflicht sämtlicher unrechtmäßiger Auszahlungen unter der Annahme vor, dass der Em-
69 Siehe zur weiten Definition sec. 829 (1) CA 2006. Nicht als Ausschüttung im Sinne der Vorschrift gelten die Ausgabe von Anteilen aus der Agio-Rücklage, sogenannter bonus shares, gegen eine volle oder teilweise Leistung der Einlage, eine Kapitalherabsetzung mittels eines Erlasses oder der Reduzierung der Pflicht eines Gesellschafters zur Zahlung seiner noch nicht einbezahlter Einlage oder mittels der Rückzahlung von einbezahltem Kapital, die Rücknahme oder der Kauf eigener Anteile durch die Gesellschaft mittels Gesellschaftskapital oder die Verteilung von Gesellschaftsvermögen im Rahmen eines Abwicklungsverfahrens, siehe sec. 829 (2) CA 2006. 70 Siehe hier insbesondere sec. 846 CA 2006 bezüglich der Gewinnrealisierung bei Sachausschüttungen. 71 Zur Relativierung der Regelung des statute law hinsichtlich der konsolidierten Gewinne durch das common law siehe Lee v Neuchatel Asphalte Co (1889) 41 Ch D, S. 1 ff.; Ammonia Soda Co v Chamberlain [1918] 1 Ch, S. 266 ff. sowie hinsichtlich der realisierten Gewinne Dimbula Valley (Ceylon) Tea Co Ltd. v Laurie [1961] Ch, S. 353 ff. 72 Ss. 836 ff. CA 2006. 73 Sec. 847 CA 2006. Siehe auch It’s a wrap (UK) Ltd. v Gula [2006] BCC, S. 626 ff. Zur verdeckten Gewinnausschüttung siehe Halt Garage (1964) Ltd., Re [1982] 3 All ER, S. 1061 ff. Führt eine Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft, so ist diese darüber hinaus gemäß sec. 238 IA 1986 anfechtbar. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter III. 6. 74 Siehe sec. 851 (1) CA 2006. Siehe auch sec. 847 (3) CA 2006. 75 Ridge Securities Ltd. v IRC [1964] 1 WLR, S. 479, 495; Aveling Barford Ltd. v Perion Ltd. [1989] 5 BCC, S. 677 ff. Siehe zur Anfechtungsmöglichkeit von Geschäften unter Wert im Rahmen eines Liquidationsverfahrens ausführlich im Folgenden unter III. 6.
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pfänger Treuhänder der empfangenen Auszahlung sei76. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rückzahlungspflicht genügt im common law bereits, dass der Empfänger die Unrechtmäßigkeit der Auszahlung hätte wissen können77. Schließlich begründet das common law unter bestimmten Umständen und unter Rückgriff auf die dem Geschäftsführer obliegenden Pflichten auch einen Ersatzanspruch gegen den Geschäftsführer der Gesellschaft bei unrechtmäßigen Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen78. Diese müssen der Gesellschaft zumindest die Differenz zwischen der tatsächlichen Auszahlung und einer möglichen rechtmäßigen Auszahlung erstatten79. Das Gericht kann die Geschäftsführer jedoch gemäß sec. 1157 CA 2006 entlasten, sofern sie ordentlich und gewissenhaft gehandelt haben. Die wenigen Regeln der Kapitalaufbringung und -erhaltung sind im Hinblick auf ihre gläubigerschützende Wirkung zusätzlich dadurch zu relativieren, dass die Gesellschafter in der Regel nur ein sehr geringes Gesellschaftskapital vorsehen. Die Rechtspraxis versucht den mit einer geringen Kapitalausstattung verbundenen Risiken daher ex ante vor allem durch vertragliche Sicherheiten, insbesondere Gesellschaftersicherheiten, zu begegnen80. e) Gesellschafterversammlung Der Versammlung der Gesellschafter obliegt unter anderem die ausschließliche Befugnis einer Satzungsänderung, einer Umwandlung der Gesellschaft, die Genehmigung des Arbeitsvertrages der Geschäftsführer sowie wesentlicher Vermögenstransaktionen der Gesellschaft mit den Geschäftsführern, die Entlastung von Geschäftsführern bei Pflichtverletzungen sowie eine Kapitalerhöhung beziehungsweise -herabsetzung81. Die Genehmi76 Die englische Literatur und Rechtsprechung sprechen insoweit von einem „constructive trustee“. Siehe Rolled Steel Products (Holdings) Ltd. v British Steel Corporation [1986] Ch, S. 246, 303 ff.; Allied Carpets plc v Nethercott [2001] BCC, S. 81 ff.; Precision Dippings Ltd. v Precision Dippings Marketing Ltd. [1986] Ch, S. 477. 77 Die Rechtsprechung spricht von „constructive knowledge“, siehe nur Rolled Steel Products (Holdings) Ltd. v British Steel Corporation [1986] Ch, S. 246, 297 ff. 78 Exchange Banking Co, Re (1882) 21 Ch D, S. 519 ff. Siehe auch Bairstow v Queen’s Moat Houses plc [2001] 2 BCLC, S. 531 ff.; The Liquidator of Marini Ltd. v Dickensen [2004] BCC, S. 172 ff. Siehe zur weiteren Haftung der Geschäftsführer bei einer Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen ausführlich im Folgenden unter III. 4. 79 Siehe nur The Liquidator of Marini Ltd. v Dickensen [2004] BCC, S. 172, 184, 189. 80 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 211 f., 316, 1179 ff.; Bratton, EBOR 7/2006, S. 39 ff. sowie in deutscher Sprache Steffek, in: FS Hopt, S. 291, 300 m.w.N. 81 Siehe nur die umfassende Auflistung bei Mayson/French/Ryan, Company Law, Nr. 14.4.4 mit jeweiligen Verweisen auf den CA 2006 und den IA 1986.
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III. Englische Rechtslage
gung des Jahresabschlusses als auch des Geschäftsführungsberichts zählt hingegen zu den Rechten und Pflichten der Geschäftsführung selbst82. Letztere muss lediglich den Jahresabschluss und den Geschäftsführungsbericht an die Gesellschafter versenden sowie veröffentlichen83. Der CA 2006 geht davon aus, dass die Beschlüsse der Gesellschafter einer Ltd. gewöhnlich schriftlich gefasst werden84, während sie bei einer p.l.c. grundsätzlich im Rahmen einer Gesellschafterversammlung zu fassen sind 85. Einzig die Abbestellung eines Geschäftsführers oder Wirtschaftsprüfers obliegt zwingend der Versammlung 86. Darüber hinaus sieht der CA 2006 für private companies keine zwingende Gesellschafterversammlung vor, insbesondere keine jährlich abzuhaltende Gesellschafterversammlung 87. Sofern jedoch ein gewisses Quorum an Gesellschaftern eine Versammlung verlangt, so ist diese von den Geschäftsführern einzuberufen88. Ein persönliches Erscheinen ist bei den Gesellschafterversammlungen nicht erforderlich. Vielmehr kann der Gesellschafter seine Rechte auch durch einen Vertreter („proxy“) wahrnehmen89. Jeder Gesellschafter hat im schriftlichen Beschlussverfahren pro Gesellschaftsanteil eine Stimme, im Rahmen einer Versammlung jedoch nur eine einzige Stimme unabhängig von seinen Anteilen und sofern nicht ein förmlicher Wahlvorgang („poll“) verlangt wird 90. Grundsätzlich genügt zur Beschlussfassung eine einfache Mehrheit 91, sofern nicht eine sogenannte special resolution erforderlich ist, die mindestens einer Dreiviertelmehrheit bedarf92. Die Model Articles 2008 sehen darüber hinaus die Möglichkeit vor, mit Hilfe einer special resolution bindende Weisungen an die Geschäftsführer zu erteilen93. Sämtliche Gesellschafterbeschlüsse sind von der Gesellschaft in einem Verzeichnis festzuhalten94 sowie unter Umständen zu veröffentlichen95.
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Ss. 414, 419 CA 2006. Ss. 423 ff. CA 2006. 84 Zum Verfahren siehe ss. 288 ff. CA 2006. 85 Vgl. sec. 281 CA 2006. 86 Sec. 288 CA 2006. 87 Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 439. 88 Ss. 303 ff. CA 2006. 89 Ss. 324 ff. CA 2006. 90 Sec. 284 CA 2006. 91 Sec. 282 CA 2006. 92 Sec. 283 CA 2006. 93 Sec. 4 Model Articles 2008. Siehe hierzu auch im Folgenden unter III. 1. f). 94 Sec. 355 CA 2006. 95 Siehe nur sec. 30 CA 2006 für satzungsändernde Beschlüsse. Für eine umfassende Auflistung sämtlicher zu veröffentlichenden Beschlüsse siehe Mayson/French/Ryan, Company Law, Nr. 14.12.3. 83
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Fassen sämtliche abstimmungsberechtigten Gesellschafter einstimmig einen Beschluss, sogenannter unanimous assent, ist dieser darüber hinaus nach common law unabhängig von sämtlichen Formalitäten wirksam und bindend 96. f) Geschäftsführung Der CA 2006 sieht vor, dass eine Ltd. mindestens einen Geschäftsführer („director“) zu bestellen hat 97. Dieser kann sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person sein, wobei aber mindestens ein Geschäftsführer der Gesellschaft eine natürliche Person sein muss 98. Die ersten Geschäftsführer der Gesellschaft werden durch die Einreichung der Geschäftsführerliste im Rahmen der Gründung bestellt 99. Die Bestellung weiterer Geschäftsführer ist gesetzlich nicht geregelt und unterliegt den articles of association. Die model articles sehen eine Bestellung entweder durch Beschluss der Gesellschafterversammlung mit einfacher Mehrheit vor oder durch eine Entscheidung der amtierenden Geschäftsführer100. Ebenso wie die Bestellung der Geschäftsführer überlässt es der CA 2006 ebenfalls, bis auf wenige Ausnahmen101, den articles of association die Pflichten und Befugnisse der Geschäftsleitung zu regeln. Die Model Articles 2008 sehen in sec. 3 vor, dass den Geschäftsführern die Leitung der Gesellschaft obliegt und sie diesbezüglich sämtliche Befugnisse innehaben102. Sowohl die Model Articles 2008 als auch der Combined Code on Corporate Governance103 gehen grundsätzlich von einer Übertragung der Befugnisse auf das Kollektiv der Geschäftsführer, sogenanntes board of directors, aus104, wobei die Geschäftsführer ihre Befugnisse grundsätzlich auch delegieren können105. Dies bedeutet im Außenverhältnis eine umfassende Vertretungsmacht der Geschäftsführer als Kollektiv beziehungsweise einzelner, sofern diese ihre Vertretungsbefugnis von der Geschäftsführung insgesamt ableiten können. Sofern Beschlüsse oder Bestimmungen 96
Siehe hierzu nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 443 ff. Sec. 154 (1) CA 2006. 98 Sec. 155 CA 2006. 99 Siehe hierzu bereits oben unter III. 1. b). 100 Sec. 17 Model Articles 2008. 101 So bedürfen insbesondere Kreditgeschäfte mit Geschäftsführern, Abfindungen an Geschäftsführer, Arbeitsverträge der Geschäftsführer sowie Geschäfte über wesentliche Vermögensbestandteile der Gesellschaft zwingend der Zustimmung der Gesellschafter, siehe ss. 188 ff. CA 2006. Siehe zu letzterem auch im Folgenden unter III. 9. a). 102 Sec. 3 Model Articles 2008. 103 Financial Reporting Council, The Combined Code on Corporate Governance, Juni 2008, sec. 1A. 104 Vgl. ss. 7 f. Model Articles 2008. 105 Sec. 5 Model Articles 2008. 97
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III. Englische Rechtslage
der articles of association die umfassende Vertretungsbefugnis der Geschäftsführer einschränken, haben diese Einschränkungen im Verhältnis zu gutgläubigen Dritten keine Wirkung. Sowohl aus dem CA 2006 als auch aus diversen common law Regeln ergibt sich, dass gutgläubige Dritte sich auch dann auf die Wirksamkeit eines Vertrages berufen können, wenn der Abschluss außerhalb der Vertretungsmacht oder sonstiger Beschränkungen in den articles of association liegt oder die Bestellung des Geschäftsführers oder die Einräumung der Vertretungsmacht nicht wirksam sind 106. Auf eine mögliche Haftung der Geschäftsführer im Innenverhältnis hat dies keine Auswirkungen107. Im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse im Innenverhältnis unterliegen die Geschäftsführer, sofern nicht eine von den Model Articles 2008 abweichende Regelung getroffen wurde108, ebenfalls keinen Beschränkungen. Das englische Recht geht vielmehr von dem Grundsatz aus, dass das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung in dem Maße beschnitten wird, in dem Befugnisse der Geschäftsleitung übertragen werden109. Neben die Befugnisse und Pflichten aus dem Gesellschaftsvertrag treten weitere allgemeine Geschäftsführerpflichten („general duties of directors“), die sich nunmehr aus den ss. 170 ff. CA 2006 ergeben und durch das common law weiter konkretisiert werden110. Werden diese Pflichten verletzt, so beispielsweise durch eine Überschreitung der Vertretungsmacht, bestimmen sich die Rechtsfolgen auch weiterhin allein nach common law111. Darüber hinaus finden sich weitere gesetzliche Sanktionen 106 Ss. 39 f., 161 CA 2006 sowie Morris v Kanssen [1946] AC, S. 459 ff.; HelyHutchinson v Brayhead Ltd. [1968] 1 QB, S. 549 ff.; B Liggett (Liverpool) Ltd. v Barclays Bank Ltd. [1928] 1 KB, S. 48 ff. Die vormals aus dem common law stammende ultra vires doctrine, die die Nichtigkeit von solchen Geschäften vorsah, die außerhalb des Gesellschaftszwecks lagen, wurde bereits mit dem Comapnies Act 1989 zumindest im Verhältnis zu Dritten abgeschafft, siehe hierzu nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 166 ff. 107 Sec. 40 (5) CA 2006. Eine Besonderheit in diesem Zusammenhang enthielt sec. 349 (4) CA 1985, der eine persönliche Haftung der für die Gesellschaft handelnden Person im Außenverhältnis vorsah, sofern diese Wechsel, Schecks oder ähnliches unterschrieben, jedoch ohne den vollständigen und richtigen Namen der Gesellschaft anzugeben. Eine solche Haftung gibt der CA 2006 jedoch auf. 108 Siehe bereits oben unter II. 1. e). 109 Automatic Self-Cleansing Filter Syndicate Co v Cuninghame [1906] 2 Ch, S. 34, 44; Gramophone Typewriter Ltd. v Stanley [1908] 2 KB, S. 89, 98, 105 f.; Quin & Axtens v Salmon [1909] AC, S. 442 ff.; Shaw & Sons (Salford) Ltd. v Shaw [1935] 2 KB, S. 113, 134; Rose v McGivern [1998] 2 BCLC, S. 604 ff. Zu den nicht delegierbaren Pflichten und Befugnissen der Gesellschafterversammlung siehe oben unter III. 1. e). 110 Siehe hierzu auch im Folgenden unter III. 4. 111 Sec. 178 CA 2006. Siehe zu den Folgen eines Pflichtverstoßes ausführlich im Folgenden unter III. 4.
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eines Fehlverhaltens des Geschäftsführers unter anderem im IA 1986 und im CDDA 1986112. Im Gegensatz zur Bestellung ist die Abberufung der Geschäftsführer gesetzlich geregelt. Eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Satzungsbestimmung ist nicht möglich113. Ein Geschäftsführer kann durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafterversammlung jederzeit abberufen werden114. Diese Befugnis der Gesellschafterversammlung birgt die Gefahr einer faktischen Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer. g) Auflösung und Insolvenz der Gesellschaft Der IA 1986 sieht grundsätzlich vier verschiedene Verfahren vor, einer (drohenden) Insolvenz der Gesellschaft zu begegnen, beziehungsweise eine Gesellschaft aufzulösen. Eine ausdrückliche Insolvenzantragspflicht vergleichbar dem deutschen Recht sieht das englische Recht nicht vor115. Den mit der Fortführung der Geschäfte trotz Insolvenz verbundenen Gefahren sucht das englische Recht vielmehr präventiv mit Sanierungsverfahren sowie mit verschiedenen Haftungstatbeständen und Anfechtungsmöglichkeiten zu begegnen. Die vier Verfahren sind company voluntary arrangements und administration (siehe im Folgenden unter (1)), receivership (siehe im Folgenden unter (2)) und winding up/liquidation116 (siehe im Folgenden unter (3) und (4)). (1) Sanierungsverfahren – company voluntary arrangements und administration, ss. 1 ff. IA 1986 und sec. 8 i.V.m. Schedule B1 IA 1986 Sowohl company voluntary arrangements als auch eine administration zielen auf eine Sanierung des Unternehmens 117. Im ersteren Fall durch einen freiwilligen, außergerichtlichen Vergleich mit den Gläubigern der Gesellschaft, im zweitgenannten Fall durch eine Fortführung des Unternehmens unter Leitung eines sogenannten administrator. Das zuständige Gericht kann auf Antrag der Gesellschaft, ihrer Geschäftsführer oder auf Antrag eines oder mehrerer Gläubiger118 einen administrator bestellen, 112 Siehe zu den einzelnen Haftungstatbeständen ausführlich im Folgenden unter III. 2. bis 4, 9. b) und 10. 113 Bushell v Faith [1970] AC, S. 1099 ff. 114 Sec. 168 CA 2006. 115 Siehe nur Keay, Directors’ Responsibilities, S. 80. 116 Die Begriffe winding up sowie liquidation werden synonym verwandt. 117 Siehe nur Keay/Walton, Insolvency Law, S. 90 f., 145 ff. 118 Sch. B1 IA 1986, sec. 12 (1). Neben der gerichtlichen Bestellung eines administrator sieht der IA 1986 auch eine unmittelbare Bestellung durch den Inhaber einer floating charge (Besicherung des gesamten Gesellschaftsvermögens) selbst vor, sofern diese
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III. Englische Rechtslage
sofern die Gesellschaft zahlungsunfähig ist oder eine Zahlungsunfähigkeit119 bevorsteht, jedoch eine Sanierung grundsätzlich möglich erscheint 120. Dementsprechend obliegt es dem administrator die Sanierung der Gesellschaft als werbendes Unternehmen zu gewährleisten121. Sollte dies nicht möglich sein, so hat der administrator Maßnahmen zu ergreifen, die die Gläubigergesamtheit besser stellen als dies im Rahmen eines winding up möglich wäre122. Sollte auch dies nicht möglich sein, so hat der administrator das Gesellschaftsvermögen zugunsten der bevorrechtigten Gläubiger zu verwerten123. Befindet sich die Gesellschaft in einer administration, so kann sie ohne Zustimmung des Gerichts nicht im Rahmen eines winding up abgewickelt werden, noch können ohne Zustimmung des administrator oder Gerichts bestehende Sicherheiten verwertet werden oder ein Verfahren gegen die Gesellschaft eröffnet werden124. (2) Vertragliches Verwertungsverfahren – receivership, ss. 28 ff. IA 1986 Das receivership ermöglicht einem Sicherungsgeber einen sogenannten receiver oder manager zu bestellen125. Diesem obliegt es entsprechend der vertraglichen Vereinbarung die besicherten Gegenstände zu verwerten126. Da es sich um eine rein vertragliche Vereinbarung zwischen Sicherheitsgeber und -nehmer handelt, hat die Bestellung eines receiver nur dann Auswirkung auf die werbende Tätigkeit der Gesellschaft oder auf die Stellung der Geschäftsführer, sofern dies vertraglich vereinbart wird127.
Sicherheit fällig ist, vgl. Sch. B1, ss. 14 ff. IA 1986. Darüber hinaus können auch die Gesellschaft oder ihre Geschäftsführer außerhalb des gerichtlichen Verfahrens einen administrator bestellen, vgl. Sch. B1, ss. 22 ff. IA 1986. Der Vorteil des gerichtlichen Verfahrens liegt in der damit verbundenen Sperrwirkung für ein parallel beantragtes winding up, vgl. Sch. B1, sec. 40 IA 1986. 119 Siehe zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit ausführlich im Folgenden unter III. 1. g) (4). 120 Sch. B1, ss. 10 f. IA 1986. 121 Sch. B1, sec. 3 (1) (a), (3) IA 1986. 122 Sch. B1, sec. 3 (1) (b), (3) IA 1986. 123 Sch. B1, sec. 3 (1) (c), (4). 124 Sch. B1, ss. 42 f. IA 1986. 125 Siehe Keay/Walton, Insolvency Law, S. 46, 57 ff. Siehe auch ss. 29 (2), 42 IA 1986 sowie sec. 101 Law of Property Act 1925. Durch den Enterprise Act 2002 ist die Möglichkeit der Bestellung eines receivers jedoch deutlich eingeschränkt worden, siehe sec. 72A IA 1986. 126 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 66 ff.; Hannigan, Company Law, S. 592 ff. 127 Moss Steamship Co Ltd. v Whinney [1912] AC, S. 254, 263; Gomba Holdings UK Ltd. v Homan [1986] 3 All ER, S. 94, 98 f.; Tudor Grange Holdings plc v Citibank NA [1992] Ch, S. 53 ff. Siehe hierzu ausführlich Keay/Walton, Insolvency Law, S. 65 f.; Hannigan, Company Law, S. 592 ff.
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Das vertragliche Verwertungsverfahren wurde durch den Enterprise Act 2002 erheblich eingeschränkt. Inhaber einer Globalsicherheit, sogenannte floating charge128, können sich dieses Verfahrens nur noch dann bedienen, sofern die Sicherungsvereinbarung vor dem 15. September 2003 geschlossen wurden129. (3) Freiwillige Abwicklung – voluntary winding up, ss. 73 ff. IA 1986 Unter winding up fasst das englische Recht sämtliche auf eine Abwicklung der Gesellschaft gerichteten Verfahren zusammen. Hierbei wird zwischen einer freiwilligen Auflösung der Gesellschaft (voluntary winding up) und einer gerichtlichen Abwicklung (winding up by the court/compulsory liquidation), unterschieden130. Eine Gesellschaft wird entweder aufgrund von Zeitablauf, der Erreichung des Gesellschaftszwecks oder aus sonstigen nicht insolvenzbedingten Gründen durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung freiwillig aufgelöst131. Es handelt sich um ein sogenanntes members’ voluntary winding up unter der Verfahrensherrschaft der Gesellschafter132. Diese bestellen einen oder mehrere zugelassene Verwalter („insolvency practitioners“)133 als Liquidatoren134. Trotz der Bestellung eines Liquidators verbleiben die Geschäftsführer im Amt 135, wobei sie jedoch ihre Befugnisse verlieren136. Ein members’ voluntary winding up ist jedoch nur möglich, sofern der oder die Geschäftsführer vor dem Auflösungsbeschluss erklären können, dass die Gesellschaft in den der Verfahrenseröffnung folgenden zwölf Monaten in der Lage sein wird, ihren Verbindlichkeiten nachzukommen137. Scheidet eine solche Erklärung mangels Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft aus oder stellt der in Folge des Auflösungsbeschlusses bestellte Liquidator innerhalb von fünf Wochen nach der Erklärung des Geschäftsführers fest, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist ihre Verbindlichkei-
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Eine floating charge stellt ein besitzloses Pfandrecht dar, dass sich auf sämtliche Vermögensgegenstände der Gesellschaft zu einem flexiblen Zeitpunkt erstreckt, siehe nur National Westminser Bank plc v Spectrum Plus Ltd. [2005] BCC, S. 694, 721 f. 129 Sec. 72A IA 1986. 130 Siehe sec. 73 (1) IA 1986. 131 Sec. 84 (1) IA 1986. 132 Sec. 90 IA 1986. 133 Siehe zum Begriff des insolvency practitioners und den an sie gestellten Anforderungen ss. 388 ff. IA 1986. 134 Sec. 91 Abs. 1 IA 1986 i.V.m. r. 4.100 IR 1986. 135 Midland Counties District Bank Ltd. v Attwood [1905] 1 Ch, S. 357 ff. 136 Sec. 91 (2) bzw. sec. 103 IA 1986 137 Sec. 89 IA 1986.
132
III. Englische Rechtslage
ten innerhalb dieser Zeitspanne zu begleichen, so hat letzterer eine Gläubigerversammlung einzuberufen138. Von dieser Gläubigerversammlung an handelt es sich um ein sogenanntes creditors’ voluntary winding up139. Im Rahmen eines creditors’ voluntary winding up wird die Gesellschaft unter Beteiligung der Gläubiger abgewickelt, die unter anderem das Recht zur Bestellung eines (neuen) Liquidators haben140. Mit beiden Formen der freiwilligen Abwicklung geht eine Verwertung der Vermögensgegenstände der Gesellschaft einher, deren Erlös an die Gläubiger und etwaige Überschüsse an die Gesellschafter verteilt werden141. (4) Gerichtliche Abwicklung – winding up by the court, ss. 117 ff. IA 1986 Im Gegensatz zum voluntary winding up unter Verfahrensherrschaft der Gesellschafter kann eine Gesellschaft auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens abgewickelt werden. Ein solches Verfahren kann durch die Gesellschaft, ihre Geschäftsführer, durch einen oder mehrere Gläubiger sowie grundsätzlich auch durch einen oder mehrere Gesellschafter beantragt werden142. Darüber hinaus sieht der IA 1986 eine Abwicklung von Amts wegen im öffentlichen Interesse vor143. Der Hauptgrund für die Eröffnung der gerichtlichen Abwicklung liegt in der Unfähigkeit der Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten zu begegnen144. Nach sec. 123 (1) IA 1986 ist eine Gesellschaft unter anderem dann nicht zur Zahlung ihrer Verbindlichkeiten in der Lage, wenn die Gesellschaft einer formgebundenen Aufforderung zur Zahlung einer fälligen Geldschuld über mindestens GBP 750 nicht binnen drei Wochen nachkommt, eine gegen die Gesellschaft betriebene Zwangsvollstreckung erfolglos geblieben ist oder zur Überzeugung des Gerichts vorgetragen wird, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist, ihren fälligen Verbindlichkeiten nachzukommen145. Hierbei handelt es sich um verschiedene Kriterien der sogenannten cash flow insolvency, die grundsätzlich der Zahlungsunfähig138
Ss. 95 ff. IA bzw. ss. 97 ff. IA 1986. Sec. 96 IA 1986 bzw. ss. 97 ff. IA 1986. 140 Ss. 97 ff. IA 1986. 141 Siehe sec. 107 IA 1986. 142 Sec. 124 IA 1986. 143 Siehe sec. 122 (1) (g), 124 sowie 124A IA 1986. 144 Sec. 122 (1) (f) IA 1986: „the company is unable to pay its debts“. Siehe hierzu Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 1274; Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 20-012 f. 145 Sec. 123 (1) (a), (b), (e) IA 1986. Siehe zu letzterem auch Taylor’s Industrial Flooring, Re [1990] BCC, S. 44 ff.; Cornhill Insurance v Home Improvement Services [1986] 1 WLR, S. 114 ff. 139
1. Grundsätzliches zur Ltd.
133
keit gemäß § 17 Abs. 2 InsO entspricht 146. Daneben sieht sec. 123 (2) IA 1986 eine balance sheet insolvency vor147. Eine Gesellschaft ist gemäß sec. 123 (2) IA 1986 auch dann zur Zahlung ihrer Verbindlichkeiten nicht in der Lage, sofern zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass das Gesellschaftsvermögen nicht in der Lage ist, den gegenwärtigen und künftigen Verbindlichkeiten zu begegnen. Die balance sheet insolvency findet sich als Ausgangspunkt daher auch in der ab Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO148. Mit Eröffnung der gerichtlichen Abwicklung bekleidet zunächst ein amtlicher Verwalter („official receiver“) 149 das Amt des Insolvenzverwalters („liquidator“)150. Dieser kann jederzeit beantragen, dass ein anderer zugelassener Insolvenzverwalter151 bestellt wird152. Auf den Insolvenzverwalter geht die Verfügungsbefugnis über sämtliches Gesellschaftsvermögen über153, sodass alle Verfügungen der Gesellschaft selbst vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ohne Zustimmung oder Genehmigung des Gerichts schwebend unwirksam sind 154. Darüber hinaus erklärt sec. 128 IA
146 Siehe auch Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 80 ff. zu einem ausführlichen Vergleich von cash flow insolvency und Zahlungsunfähigkeit. 147 Siehe zu den Begriffen der cash flow insolvency sowie der balance sheet insolvency Fletcher, The Law of Insolvency, Nrn. 20-013 f.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 109 ff. sowie in deutscher Sprache Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 69, 72 ff. 148 Die blance sheet insolvency findet darüber hinaus ihr funktionales Äquivalent in der ab dem 1.1.2014 geltende Fassung des § 19 Abs. 2 InsO. Die bis zum 31.12.2013 geltende Fassung des § 19 Abs. 2 InsO sieht hingegen vor, dass eine Überschuldung nur dann vorliegt, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Siehe zu den verschiedenen Geltungszeiträumen der Überschuldungstatbestände nach deutschem Recht nur Uhlenbruck, in: Uhlenbruck, InsO, § 19 Rn. 5 ff. Siehe auch Steffek, Gläubigerschutz in der Kapitalgesellschaft, S. 96 ff. zu einem ausführlichen Vergleich von balance sheet insolvency und Überschuldung. 149 Sec. 399 IA 1986. 150 Sec. 136 (1) und (2) IA 1986. Das englische Recht differenziert sprachlich nicht zwischen einem Insolvenzverwalter und einem Liquidator, sondern bezeichnet beide einheitlich als liquidator. 151 Siehe zu den Anforderungen an einen Insolvenzverwalter bereits oben unter III. 1. g) (3), Fn. 132. 152 Sec. 137 IA 1986. 153 Sec. 144 IA 1986 sowie sec. 167 i.V.m. Sch. 4, Part I und II IA 1986. 154 Sec. 127 i.V.m. sec. 129 IA 1986. Siehe hierzu ausführlich Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 331 ff. Bei einer Verfügung entgegen sec. 127 IA 1986 gewährt das common law ein Anfechtungsrecht, siehe nur J Leslie Engineers Co Ltd., Re [1976] 1 WLR, S. 292, 298, auf das im Folgenden jedoch aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht näher eingegangen wird.
134
III. Englische Rechtslage
1986 Einzelzwangsvollstreckungen nach der Verfahrenseröffnung gegen die Gesellschaft für nichtig. Ebenso wie im Rahmen einer freiwilligen Abwicklung ist es auch im Rahmen der gerichtlichen Abwicklung Aufgabe des Insolvenzverwalters das Vermögen der Gesellschaft zugunsten der Gläubiger zu verwerten155. Im Gegensatz zur freiwilligen Abwicklung kann die Gesellschaft als werbendes Unternehmen nur mit Zustimmung des Gerichts fortgeführt werden156. Darüber hinaus entzieht eine gerichtliche Abwicklung den Geschäftsführern nicht nur ihre Befugnisse 157, sondern beendet das Amt der Geschäftsführer158. Sämtliche Formen des winding up enden mit der Auflösung und Löschung der Gesellschaft aus dem Register159. Reicht im Rahmen eines winding up by the court die Insolvenzmasse nicht aus um die Kosten des Verfahrens zu decken, so kann der amtliche Insolvenzverwalter eine vorzeitige Auflösung der Gesellschaft beantragen160. Einer solchen vorzeitigen Auflösung können unter anderem die Gläubiger der Gesellschaft widersprechen, sofern sie der Auffassung sind, dass es einer weiteren Untersuchung der Angelegenheiten der Gesellschaft bedarf161.
2. Haftung für eine Insolvenzverschleppung – wrongful trading, sec. 214 IA 1986 2. Wrongful trading Die wohl weiteste Abkehr der in der „Salomon v Salomon & Co“-Entscheidung 162 begründeten Regel der strikten Trennung von Gesellschaftsund Gesellschaftersphäre und somit der beschränkten Haftung der Gesellschafter wird in sec. 214 IA 1986 gesehen, auch wenn diese Vorschrift eine Haftung der Geschäftsführer vorsieht 163. Gesellschafter werden jedoch als faktische Geschäftsführer ebenfalls erfasst164. 155 Sec. 143 IA 1986. Siehe zu den Pflichten im Rahmen des voluntary winding up bereits oben unter III. 1.g) (3). 156 Sch. 4, Part II IA 1986. 157 Oriental Inland Steam Co, Re (1874) 9 Ch App, S. 557, 560; Fowler v Broads Patent Night Light Co [1893] 1 Ch, S. 724 ff.; Farrow’s Bank, Re [1921] 2 Ch, S. 164, 173; Mawcon Ltd., Re [1969] 1 WLR, S. 78 ff. 158 Measures Brothers Ltd. v Measures [1910] 2 Ch, S. 248, 254, 256, 259. 159 Siehe nur Working Project Ltd., Re [1995] BCC, S. 197 ff. 160 Sec. 202 IA 1986. 161 Sec. 203 (1) und (2) IA 1986. 162 [1897] AC, S. 22 ff., HL. 163 Davies, Gower and Davies’ Principles, S. 217; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 75. 164 Siehe im Folgenden unter III. 2. b).
2. Wrongful trading
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Sec. 214 IA 1986 sieht eine Haftung der Geschäftsführer aufgrund einer Insolvenzverschleppung vor. Das Gericht kann einen Geschäftsführer zu Zahlungen zugunsten des Gesellschaftsvermögen verpflichten, sollte sich im Rahmen eines winding up herausstellen, dass die Gesellschaft insolvenzbedingt abgewickelt wird und der Geschäftsführer zu einer bestimmten Zeit vor Beginn des winding up wusste oder hätte wissen müssen, dass keine vernünftige Aussicht bestand, eine insolvenzbedingte Abwicklung der Gesellschaft zu vermeiden und er in diesem Wissen nicht jeden möglichen Schritt unternommen hat, um den Verlust der Gläubiger zu minimieren165. Hinter der Vorschrift steht der Versuch einen Geschäftsführer davon abzuhalten, in finanziell schwieriger Lage die Geschäfte zum Risiko der Gläubiger fortzuführen und damit die beschränkte Haftung der Ltd. zulasten der Gläubiger zu missbrauchen166. Die Vorschrift zielt zugunsten der Gläubigergesamtheit auf einen Ausgleich des Verlustes, den die Gesellschaft durch das Verhalten des Geschäftsführers erlitten hat 167. Mit der Einführung der sec. 214 IA 1986 war die Hoffnung verbunden, eine effizientere Regelung zum Schutz der Gläubiger zu kodifizieren als dies durch die Vorgängervorschrift der sec. 213 IA 1986 der Fall war 168. Die Praxisrelevanz der sec. 214 IA 1986 ist aber, trotz einer leichteren Beweislast im Vergleich zu sec. 213 IA 1986, zumindest bezüglich der Zahl der entschiedenen Fälle, eher gering 169. Die Literatur führt dies hauptsächlich auf zwei Aspekte zurück: die Schwierigkeiten der Prozessfinanzierung und die im Rahmen des Tatbestandes erforderliche Bestimmung eines konkreten Zeitpunktes, zu dem der Geschäftsführer von der Unabwendbarkeit der Insolvenz hätte wissen müssen170. Allerdings kommt der Vorschrift eine erhebliche Bedeutung hinsichtlich der Entwicklung einer Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer zu171. 165
Sec. 214 (1) und (2) IA 1986. Report of the Review Committee, Insolvency Law and Practice, HMSO Cmnd. 8558 (1982), S. 404. 167 Siehe nur Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. 168 Report of the Review Committee, Insolvency Law and Practice, HMSO Cmnd. 8558 (1982), S. 398 f. Siehe auch Prentice, (1990) 10 OJLS, S. 265, 277; Oditah [1990] LMCLQ, S. 205, 222. 169 Siehe Hirt, ECFR 2004, S. 71, 101 f. mit Nachweisen der Rechtsprechung. Siehe auch Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 96 f.; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 700. 170 Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 236 f.; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 659 f.; Hirt, ECFR 2004, S. 71, 101 ff. sowie im Folgenden unter III. 2. c) (1) und f) (4). 171 Siehe D’Jan, Re [1993] BCC, S. 646 ff. Siehe auch Finch, Corporate Insolvency Law, S. 741 ff., 746 ff. Siehe zu den Geschäftsführerpflichten ausführlich im Folgenden unter III. 4. 166
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III. Englische Rechtslage
a) Sachlicher Anwendungsbereich – Insolvenz der Gesellschaft Bereits sec. 214 (1) IA 1986 lässt sich entnehmen, dass die Vorschrift nur im Rahmen eines winding up und somit nur in einem auf eine Abwicklung der Gesellschaft gerichteten Verfahren anwendbar ist 172. Dies wird durch sec. 214 (2) (a) IA 1986 insofern spezifiziert, als dass die Gesellschaft sich zwingend in einer insolvenzbedingten Abwicklung befinden muss 173. Eine Gesellschaft befindet sich ab dem Zeitpunkt eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses in der Abwicklung oder aber ab dem Zeitpunkt des gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses 174. Insolvenzbedingt ist die Abwicklung im Sinne der sec. 214 IA 1986 dann, wenn zum Zeitpunkt des gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses das Gesellschaftsvermögen nicht ausreicht, um sowohl die Verbindlichkeiten der Gesellschaft als auch die Kosten des Verfahrens zu tragen175. Anders als ein winding up, das nach sec. 123 IA 1986 sowohl bei Zahlungsunfähigkeit als auch bei Überschuldung beantragt werden kann176, stellt sec. 214 IA 1986 somit allein auf einen balance sheet test und somit auf eine Überschuldung der Gesellschaft ab. Wird somit ein winding up aufgrund eines negativen cash flow test – also einer Zahlungsunfähigkeit – eröffnet, jedoch ohne dass eine bilanzielle Überschuldung vorliegt, so handelt es sich nicht um eine insolvenzbedingte Abwicklung im Sinne der sec. 214 (2) (a) IA 1986177. Im Rahmen des balance sheet test kann das Gericht eventuelle als auch zukünftige Verbindlichkeiten der Gesellschaft berücksichtigen im Gegensatz zu eventuellen und zukünftigen Forderungen der Gesellschaft 178.
172
Sec. 214 (1) IA 1986: „if in the course of the winding up of a company“. Sec. 214 (2) (a) IA 1986: „has gone into insolvent liquidation“. Zu den unterschiedlichen Abwicklungsverfahren siehe bereits ausführlich oben unter III. 1. g). 174 Sec. 247 (2) IA 1986. 175 Sec. 214 (6) IA 1986. 176 Siehe zu den Eröffnungsgründen eines winding up by the court im Sinne der sec. 123 IA 1986 bereits ausführlich oben unter III. 1. g) (4). 177 Siehe nur Sealy/Milman, Annotated Guide to the Insolvency Legislation, Bd. I, sec. 214 (6), S. 213. 178 R. 13.12 (3) IR 1986. Siehe auch Byblos Bank SAL v Al-Khudhairy (1986) 2 BCC, S. 99.549, 99.562. Bezüglich des Begriffs Verbindlichkeit siehe r. 13.12 (4) IR 1986: „to pay money or money’s worth, including any liability under an enactment, any liability for breach of trust, any liability in contract, tort or bailment, and any liability arising out of an obligation to make restitution“. 173
2. Wrongful trading
137
b) Haftender Personenkreis Nach dem Wortlaut der sec. 214 (1) IA 1986 ist die Vorschrift allein auf solche Personen anwendbar, die Geschäftsführer der Gesellschaft sind oder waren179. Der Begriff des Geschäftsführers umfasst nach sec. 251 IA 1986 sämtliche Personen, die die Position eines Geschäftsführers innehaben unabhängig von ihrer konkreten Bezeichnung. Gemäß sec. 214 (7) IA 1986 umfasst dies auch einen sogenannten shadow director. Der Begriff shadow director wird in sec. 251 IA 1986 legaldefiniert als eine Person, auf deren Anweisungen und Hinweise der formale Geschäftsführer handelt 180. Jedoch ist nicht bereits jede Person, die Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft nimmt als shadow director anzusehen181. Sofern der formalen Geschäftsführung ein Entscheidungsspielraum verbleibt, den Ratschlägen zu folgen, wird regelmäßig eine Stellung als shadow director verneint 182. Darüber hinaus erstreckt das common law die Haftung gemäß sec. 214 IA 1986 auch auf de facto Geschäftsführer, sofern diese als Geschäftsführer auftreten und hierbei die Aufgaben und die Befugnisse eines formalen Geschäftsführers wahrnehmen183. Der Unterschied zum shadow director liegt darin, dass letztere grundsätzlich nicht selbst als Geschäftsführer auftreten184. c) Tatbestand Ein amtierender oder ausgeschiedener Geschäftsführer einer Gesellschaft haftet dann aufgrund von wrongful trading, sofern er zu einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld einer Insolvenz wusste oder hätte wissen müssen, dass vernünftigerweise nicht zu erwarten war, dass die Gesellschaft das insolvenzbedingte Abwicklungsverfahren hätte vermeiden können (siehe im Folgenden unter (1)) und er in diesem Wissen nicht jeden möglichen 179
Sec. 214 (1) IA 1986: „this section applies in relation to a person who is or has been a director of the company“. 180 Siehe auch Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch D, S. 340, 354. 181 Sec. 215 IA 1986: „but so that a person is not deemed a shadow director by reason only that the directors act on advice given by him in a professional capacity“. 182 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 653; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 87. Siehe auch A Company (No 005009 of 1987), Re (1988) 4 BCC, S. 424 ff.; PFTZM Ltd., Re [1995] 2 BCLC, S. 354 ff.; Kuwait Asia Bank EC v National Mutual Life Nominees Ltd. [1991] 1 AC, S. 187 ff. 183 Siehe Hydrodan (Corby) Ltd, Re [1994] BCC, S. 161 ff.; Richborough Furniture Ltd., Re [1996] BCC, S. 155, 166 ff.; Potier v Secretary of State for Trade & Industry [1999] BCC, S. 390, 399 ff. 184 Siehe zur Abgrenzung von shadow und de facto director Hydrodam (Corby) Ltd., Re [1994] BCC, S. 161 ff.; siehe auch Kaytech International plc, Re [1999] 2 BCLC, S. 351, 424.
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III. Englische Rechtslage
Schritt unternommen hat um den Verlust der Gläubiger zu minimieren (siehe im Folgenden unter (2))185. Eine Haftung gemäß sec. 214 IA 1986 knüpft somit nicht an ein Missmanagement an, das zur Insolvenz geführt hat, sondern vielmehr an ein Fehlverhalten des Geschäftsführers bei Kenntnis einer unabwendbaren insolvenzbedingten Abwicklung 186. Der Maßstab, an dem das Verhalten des Geschäftsführers gemessen wird, setzt sich sowohl aus subjektiven als auch aus objektiven Komponenten zusammen (siehe im Folgenden unter (3)). Schließlich wird in der jüngeren Rechtsprechung ein durch das Fehlverhalten des Geschäftsführers verursachter Schaden gefordert (siehe im Folgenden unter (4)). (1) Wissen oder Wissenmüssen um die Unvermeidbarkeit einer insolvenzbedingten Abwicklung Die erste grundlegende Voraussetzung der Haftung ist, dass der Geschäftsführer zu einem Zeitpunkt vor Eröffnung des winding up wusste oder hätte wissen müssen, dass keine vernünftige Aussicht bestand, eine insolvenzbedingte Abwicklung zu vermeiden187. Teile der Rechtsprechung und Literatur verlangen diesbezüglich, ausgehend vom Wortlaut der sec. 214 (2) (b) IA 1986188, die Darlegung eines konkreten Zeitpunktes, ab dem der Geschäftsführer von der Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung wusste oder hätte wissen müssen189. Dies wird von Teilen der Rechtsprechung so streng ausgelegt, dass eine nachträgliche Änderung des genannten Zeitpunktes nicht möglich ist. Teile der Rechtsprechung verneinen somit eine Haftung, sofern der genannte Zeitpunkt falsch ist 190. Da eine Insolvenz einer Gesellschaft von vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist, birgt bereits die objektive Feststellung des Zeitpunktes, ab wann eine insolvenzbedingte Abwicklung uvermeidbar ist, erhebliche Schwierigkeiten. Ist bereits die Feststellung der Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung schwierig, so birgt erst recht die Feststellung erhebliche Schwierigkeiten, ab welchem konkreten Zeitpunkt der Geschäftsführer von der Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung hätte wissen 185
Sec. 214 (2) IA 1986. Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 666 f. 187 Sec. 214 (2) (b) IA 1986. 188 Sec. 214 (2) (b) IA 1986: „at some time“. 189 Siehe Sherborne Associates Ltd., Re [1995] BCC, S. 40, 42; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 357; Bangla Television Ltd., Re [2010] BCC, S. 143, 158. Siehe auch Simmons, (2001) 14 Insolv. Int., S. 12, 13. 190 Siehe Sherborne Associates Ltd., Re [1995] BCC, S. 40, 42; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 357. 186
2. Wrongful trading
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müssen. Die Literatur kritisiert, dass der Zeitpunkt des Wissens um diese Unvermeidbarkeit kaum zu fassen sei191. Zur Konkretisierung dieses Zeitpunktes werden von Literatur und Rechtsprechung die verschiedensten Indizien herangezogen192. Die Gerichte knüpfen bezüglich des Zeitpunktes, ab dem der Geschäftsführer von der Unvermeidbarkeit hätte wissen müssen an ein bestimmtes Ereignis nach Eintritt der Überschuldung an – so an das Scheitern konkreter Sanierungsversuche 193, den Rückzug eines Hauptlieferanten194, weitere Umsatzeinbrüche 195 oder die Warnungen externer Berater196. Darüber hinaus werden als Indizien die Schuldenlast der Gesellschaft, der Entzug der Unterstützung durch eine Bank, der Verlust wesentlicher Vertragspartner sowie das Scheitern der Bemühungen neue Kunden zu akquirieren herangezogen197. Allein das Wissen um die Zahlungsunfähigkeit genügt jedoch nicht, da sec. 214 IA 1986 auf eine Überschuldung abstellt 198. Das Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um eine Überschuldung genügt aber nur dann zur Haftungsbegründung, sofern der Geschäftsführer keine begründete Aussicht auf eine Verbesserung der finanziellen Situation der Gesellschaft hatte199. Sec. 214 IA 1986 setzt somit ein Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Unvermeidbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung voraus.
191
Oditah, [1990] LMCLQ, S. 205, 207 f. Siehe auch Hirt, ECFR 2004, S. 71, 103 f.; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 700. 192 Die Literatur beschreibt diesen Zeitpunkt beispielsweise wie folgt: Rajak, NLJ 1989, S. 1458, 1459: „when the reasonably diligent person would have said, ‚Oh dear (or words to that effect), while yesterday I thought that we could pull through, today I see that that is highly unlikely“; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 667: „when the writing is on the wall“. 193 Rubin v Gunner [2004] BCC, S. 684. 194 DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 912. 195 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 595; Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 127 f. 196 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 49 ff.; Produce Marketing Consortium Ltd. (No 2), Re (1989) 5 BCC, S. 569, 596; Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 127. 197 Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 66; Hicks, (1993) 14 Comp. Law., S. 16, 17. Siehe auch DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903 (Verlust eines Hauptkunden und Kündigung eines Kredits durch den Hauptzulieferer). 198 Sec. 214 (6) IA 1986. Siehe auch Sherborne Associates Ltd., Re [1995] BCC, S. 40, 54; Secretary of State for Trade and Industry v Gash [1997] 2 BCLC, S. 341 ff. Siehe auch bereits oben unter III. 2.a). 199 Cubelock Ltd., Re [2001] BCC, S. 523, 540. Siehe auch Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 68; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 670.
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III. Englische Rechtslage
Aufgrund der Schwierigkeiten sowohl bei der Feststellung des konkreten Zeitpunktes des Eintritts der Überschuldung als auch des Wissens um die Unvermeidbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung lassen es einige Richter daher genügen, wenn mehrere mögliche Zeitpunkte angegeben werden, ab denen eine Unvermeidbarkeit der überschuldungsbedingten Abwicklung denkbar ist 200. Darüber hinaus setzen einige Richter den konkreten Zeitpunkt losgelöst von den Angaben des Klägers fest 201. Die unterschiedliche Praxis der Rechtsprechung bezüglich der erforderlichen Festlegung des maßgeblichen Zeitpunkts verstärkt noch die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Wissenselement des Tatbestandes bestehen. Beides wird daher vielfach von der Literatur kritisiert202. Auffällig ist, dass der Zeitpunkt einer Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit im Sinne von sec. 123 IA 1986 und der Zeitpunkt, ab dem der Geschäftsführer von der Unvermeidbarkeit der überschuldungsbedingten Abwicklung hätte wissen müssen, zum Teil deutlich auseinanderfallen. So liegt in der Rechtsprechung der Zeitpunkt, zu dem die Geschäftsführer von der Unvermeidbarkeit der Abwicklung hätten ausgehen müssen zum Teil erst weit nach dem Eintritt der Überschuldung203. Der wohl größte Zeitraum findet sich in der unveröffentlichten Entscheidung „Fairmont Tours (Yorkshire) Ltd., Re“ und beträgt 22 Monate204. (2) Minimierung des potentiellen Gläubigerverlusts – Entlastungsmöglichkeit Eine Haftung des Geschäftsführers scheidet gemäß sec. 214 (3) IA 1986 dann aus, sofern dieser nach Kenntnis der Unvermeidbarkeit einer insolvenzbedingten Abwicklung alle erforderlichen Schritte unternommen hat, um einen möglichen Verlust der Gläubiger zu minimieren. Anders formuliert haftet ein Geschäftsführer somit, sofern er nicht alle erforderlichen Schritte zur Minimierung der potentiellen Verluste der Gläubiger eingeleitet hat, die er in Kenntnis der drohenden Abwicklung hätte einleiten müssen.
200
Siehe DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 912; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 49 f. 201 Siehe Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128; Official Receiver v Doshi [2001] 2 BCLC, S. 235, 281; Rubin v Gunner [2004] BCC, S. 684. 202 So Oditah, LMCLQ 1990, S. 205, 207 ff.; Keay, (2006) 19 Insolv. Int., S. 132, 134; Simmons, (2001) Insolv. Int., S. 12, 13; Cheffins, Company Law, S. 542 f. m.w.N. 203 Siehe Redeker, Die Haftung für wrongful trading, S. 99 ff.; Habersack/Verse, ZHR 168 (2004), S. 174, 184 f., jeweils mit einer ausführlichen Analyse der Rechtsprechung; 204 Siehe Hinweis bei Redeker, Die Haftung für wrongful trading, S. 99 f.
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Je nach Fallgestaltung werden als mögliche Schritte zur Schadensminimierung die Heranziehung eines Fachmanns 205, die Einberufung einer Gläubigerversammlung sowie die unmittelbare Überführung der Gesellschaft in ein Sanierungsverfahren (administration) oder in ein Insolvenzverfahren (winding up) angesehen206. Allerdings sehen sowohl Rechtsprechung als auch Literatur in einer insolvenzbedingten Auflösung der Gesellschaft nicht zwingend die beste Lösung im Sinne einer Minimierung der Verluste der Gläubiger207. Als Grund wird unter anderem der in der Regel geringere Verwertungserlös bei einem Verkauf der Vermögensgegenstände der Gesellschaft im Rahmen eines winding up im Vergleich zu einem Verkauf im Laufe der werbenden Tätigkeit angeführt208. In jedem Fall wird der Geschäftsführer darlegen müssen, dass er aktiv und mit Bedacht auf die Interessen der Gesellschaftsgläubiger tätig geworden ist209. (3) Relevanter Maßstab Sowohl bezüglich des Wissens oder Wissenmüssens um die Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung als auch bezüglich der infolge dieses Wissens einzuleitenden Schritte zur Minimierung des potentiellen Verlustes der Gläubiger stellt sec. 214 (4) IA 1986 sowohl auf objektive als auch auf subjektive Kriterien ab. Gemäß sec. 214 (4) (a) IA 1986 ist zunächst darauf abzustellen, was eine vernünftige und gewissenhafte Person gewusst oder unternommen hätte, die das Wissen, die Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, die man vernünftigerweise von einer Person in einer der dem Geschäftsführer vergleichbaren Stellung und mit vergleichbaren Aufgaben erwarten würde210. Hierbei kommt es nicht darauf an, welche Stellung der Geschäftsführer tat205 Bath Glass Ltd., Re [1988] 4 BCC, S. 130 ff.; Douglas Construction Services Ltd., Re [1988] BCBL, S. 397 ff. Siehe auch Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121 ff., hier wurde ein Geschäftsführer als haftbar angesehen, der einem professionellen Rat nicht gefolgt ist. 206 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 655 ff. Siehe auch die ausführlichen Listen möglicher Handlungsoptionen bei Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 674 ff.; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 114 ff., 118 f. Siehe zu letzterem auch Bangla Television Ltd., Re [2010] BCC, S. 143, 159. 207 Siehe Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 289; Secretary of State for Trade and Industry v Gill [2004] BCC, S. 725, 763 f. Siehe auch Finch, in: Clarke, Current Issues in Insolvency Law, S. 96; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 656; Oditah, [1990] LMCLQ, S. 205, 214; Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 235 f. 208 So Finch, in: Clarke, Current Issues in Insolvency Law, S. 96. 209 So zusammenfassend Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 74 f. 210 Siehe auch Singla v Hedman [2010] EWHC 902 (Ch), Rn. 95 ff.
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sächlich innehat oder welche Aufgaben er tatsächlich ausübt, sondern darauf, welche Stellung und Aufgaben ihm übertragen wurden211. Wird beispielweise ein Geschäftsführer als Finanz-, Marketing- oder Vertriebsgeschäftsführer bezeichnet, werden dementsprechend besondere Anforderungen an ihn gestellt 212. Die Gerichte berücksichtigen darüber hinaus auch die Art der betroffenen Gesellschaft. Handelt es sich um ein kleines Unternehmen, so werden weniger Fähigkeiten vorausgesetzt als bei großen Unternehmen mit weit verzweigtem Geschäftsbetrieb213. Dieser objektive Maßstab wird in sec. 214 (4) (b) IA 1986 durch eine subjektive Komponente ergänzt. Hiernach ist ergänzend auf das Wissen, die Fähigkeiten und Erfahrungen abzustellen, die der fragliche Geschäftsführer tatsächlich besitzt. Dies verringert jedoch nicht die Anforderungen an den Geschäftsführer, sondern führt vielmehr zu einer Erhöhung des Maßstabes bei besonderen Fähigkeiten oder Kenntnissen214. Eine Haftung wird somit dadurch begründet, dass eine vernünftige und gewissenhafte Person in vergleichbarer Stellung im Wissen um die Unvermeidbarkeit einer insolvenzbedingten Abwicklung nicht jeden vernünftigen Schritt zur Minimierung der infolgedessen drohenden Verluste der Gläubiger unternommen hat. Konnten die Geschäftsführer von einer realistischen Aussicht auf eine Verbesserung der Lage der Gesellschaft ausgehen, scheidet eine Haftung in der Regel aus 215. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass die Gerichte bezüglich einer ex post-Bewertung der Geschäftsführerentscheidungen zurückhaltend sind 216. Vielmehr ist das Wissen beziehungsweise Wissenmüssen als auch die eingeleiteten Maßnahmen aus einer ex ante-Perspektive zu betrachten, in deren Rahmen den Geschäftsführern ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Unvermeidbarkeit der insolvenzbedingten Abwicklung zugestanden wird217. Der tatsächliche Erfolg der jeweiligen Maßnahmen spielt somit ebenfalls keine Rolle 218. 211
Sec. 214 (5) IA 1986. Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 55. 213 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 594 f.; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 55. 214 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 55; DKG Contractor Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 912. 215 Rubin v Gunner [2004] BCC, S. 684, 696. 216 Siehe Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 360; Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 127; Sherborne Associates Ltd., Re [1995] BCC, S. 40, 54; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 360. Siehe auch Keay, (2005) 25 Legal Studies, S. 431, 440 m.w.N. 217 Siehe Sherborne Associates Ltd., Re [1995] BCC, S. 40, 54; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 50. 218 Siehe Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 54. 212
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Aufgrund dieses weiten Ermessensspielraums der Geschäftsführer scheint ein Teil der Rechtsprechung einen Haftungsgrund erst in einem verantwortungslosen Handeln zu sehen219. Ein solches Verständnis von sec. 214 IA 1986 steht jedoch im Widerspruch zum Wortlaut der Vorschrift, der auf einen objektiven Mindeststandard abstellt 220. (4) Kausaler Schaden Schließlich lässt sich als weitere Voraussetzung aus einigen jüngeren Entscheidungen ein kausaler Schaden entnehmen. Dieser muss in Form eines bilanziellen Defizits zwischen dem Zeitpunkt, ab dem der Geschäftsführer von der nicht abzuwendenden Abwicklung wusste und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Verfahrenseröffnung entstanden sein221. Diese ergänzende Tatbestandsvoraussetzung wird aus der deliktischen Haftung entlehnt, die einen durch die schädigende Handlung kausal verursachten Schaden voraussetzt222. Haftungsvoraussetzung ist hiernach jedoch nicht bereits jedes Defizit, das nach dem Zeitpunkt auftritt, ab dem der Geschäftsführer von der unvermeidlichen Insolvenz wusste. Die Rechtsprechung stellt vielmehr darauf ab, dass die Situation der Gesellschaft zum Zeitpunkt der tatsächlichen Verfahrenseröffnung schlechter ist als im Vergleich zu einer Verfahrenseröffnung zum Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsführer von der unvermeidlichen Insolvenz wusste oder hätte wissen müssen223. d) Rechtsfolge Sind die Voraussetzungen eines wrongful trading gegeben, so kann das Gericht die Geschäftsführer dazu verurteilen, einen solchen Beitrag, falls überhaupt, zu leisten, den es für angemessen hält (siehe im Folgenden unter (1))224. Die Zahlungen sind grundsätzlich zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu leisten (siehe im Folgenden unter (2))225. Darüber 219 Siehe Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 359 f. Siehe auch Keay/Walton, Insolvency Law, S. 659. 220 So auch Keay, Directors’ Responsibilities, S. 97 f. 221 Siehe Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 436 ff.; The Liquidator of Marini Ltd. v Dickensen [2004] BCC, S. 172, 197. Siehe auch Bangla Television Ltd., Re [2010] BCC, S. 143, 159. 222 Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 437 f. mit Hinweis auf South Australia Asset Management Corporation v York Montague Ltd. [1997] AC, S. 191, 213; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 56. 223 Siehe Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 436 ff.; The Liquidator of Marini Ltd. v Dickensen [2004] BCC, S. 172, 197. 224 Sec. 214 (1) IA 1986: „the court, […], may declare that that person is to be laible to make such contribution (if any) […] as the court thinks proper“. 225 Sec. 214 (1) IA 1986: „to make such contribuntion [...] to the company’s assets“.
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hinaus kann das Gericht ergänzende Maßnahmen anordnen, die der Durchsetzung des Anspruchs dienen (siehe im Folgenden unter (3)). (1) Ermessensentscheidung des Gerichts Gemäß sec. 214 (1) IA 1986 steht die Höhe als auch das Ob der auszusprechenden Zahlungsverpflichtung im freien Ermessen des Gerichts226. Der Rechtsprechung lassen sich jedoch gewisse Regeln hinsichtlich der Ermessensausübung entnehmen. Da der Schadensersatz im Rahmen von sec. 214 IA 1986 als grundsätzlich kompensatorisch angesehen wird, besteht nicht die Möglichkeit, einen Strafschadensersatz auszusprechen227. Ausgangspunkt bei der Bemessung der Haftungssumme ist der Betrag, um den das Gesellschaftsvermögen während des wrongful trading vermindert wurde228. Die Rechtsprechung spricht insoweit vom „increase in net deficiency“ 229. Zur Feststellung dieses Defizits findet ein Vergleich zwischen der Vermögenssituation der Gesellschaft zum Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsführer von der unvermeidbaren Abwicklung wusste oder hätte wissen müssen und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Eröffnung des winding up statt230. Die Rechtsprechung setzt jedoch zusätzlich eine kausale Verbindung zwischen dem wrongful trading und den erlittenen Verlusten voraus231. Verluste, die auf Gründen außerhalb des Verantwortungsbereichs des Geschäftsführers beruhen, so beispielsweise externe Umwelteinflüsse, sind daher nicht zu berücksichtigen232. Die Gerichte sind grundsätzlich eher zurückhaltend bei der Feststellung, welche Verluste auf das wrongful trading zurückzuführen sind 233. Dementsprechend verwundert es 226
Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 597. Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 597; Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 662. 228 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 597; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 330, 412 ff.; Bangla Television Ltd., Re [2010] BCC, S. 143, 159. 229 Siehe nur Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 330. 230 The Liquidator of Marini Ltd. v Dickensen [2004] BCC, S. 172, 197; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 56; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 413. 231 Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 437; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 56. Siehe auch bereits oben unter III. 2. c) (4). 232 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 56, hier bezüglich besonders schlechter Wetterbedingungen. Siehe auch Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 437. 233 Siehe nur Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 436 ff. 227
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nicht, dass die tatsächliche Haftungssumme einiger ausgewählter Entscheidungen nur zwischen 19% und 75% des Gesamtdefizits bei der Liquidation abbildet 234. Eine bevorzugte Tilgung einzelner Verbindlichkeiten kann im Rahmen der Schadensbemessung nicht berücksichtigt werden, da diese das Nettovermögen der Gesellschaft gerade nicht verringert235. Neben den Verlusten, die die Gesellschaft selbst erlitten hat, berücksichtigt ein Teil der Literatur, unter Berufung auf die zu sec. 213 IA 1986 ergangene Rechtsprechung, darüber hinaus die Verluste der Gläubiger 236. Sec. 214 IA 1986 zielt jedoch im Gegensatz zu sec. 213 IA 1986237 nicht explizit auf eine Sanktionierung einer unlauteren Gläubigerbenachteiligung, sodass eine Berücksichtigung der den Gläubigern entstandenen Verluste im Rahmen von sec. 214 IA 1986 allenfalls nur mittelbar über die Feststellung des „net deficiency“ stattfindet 238. Schließlich kann das Gericht bei der Höhe der zu zahlenden Kompensation auch Zinsen berücksichtigen239. Der so ermittelte Betrag des „net deficiency“ bildet aufgrund des rein kompensatorischen Charakters der Vorschrift einen Maximalbetrag, innerhalb dessen das richterliche Ermessen ausgeübt wird240. Im Rahmen des Ermessens findet darüber hinaus der jeweilige Verschuldensgrad Berücksichtigung 241. Das Gericht kann jedoch nicht aufgrund von sec. 1157 CA 2006 von einer Haftung Absehen242. Sec. 1157 CA 2006 sieht die Möglichkeit vor, dass das Gericht bei Verfahren gegen Geschäftsführer unter anderem in Fällen einer Sorgfaltspflichtverletzung von einer Haftung absehen kann, sofern der Geschäftsführer ordentlich und gewissenhaft gehandelt hat 243. Da sec. 1157 CA 2006 grundsätzlich von einem subjektiven Maßstab ausgeht, sec. 214 IA 1986 jedoch ein objek-
234 Siehe nur die Auflistung der Deckungsquoten bei Redeker, Die Haftung für wrongful trading, S. 189. 235 Siehe jedoch im Folgenden unter III. 8. zur Anfechtbarkeit solcher Zahlungen gemäß sec. 239 IA 1986. 236 Siehe Keay, Directors’ Responsibilities, S. 101 unter Bezugnahme auf Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 560. 237 Siehe hierzu im Folgenden unter III. 3. 238 Vgl. Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 413. 239 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 598. 240 Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 413; Siehe auch Keay, Directors’ Responsibilities, S. 101. 241 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 597 f.; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 55 f. 242 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 55; Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 1) (1989) 5 BCC, S. 399, 403 f. 243 Sec. 1157 (1) (b) CA 2006: „he acted honestly and reasonably“.
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tiver Maßstab zugrunde liegt, schließen sich beide Vorschriften gegenseitig aus244. Hat der Geschäftsführer allerdings jede (objektiv) vernünftige Maßnahme zur Minimierung der Verluste der Gläubiger im Sinne von sec. 214 (3) IA 1986 ergriffen245, so ist das Ermessen des Gerichts auf Null reduziert246. Der Geschäftsführer ist von einer Haftung freizusprechen247. Haften mehrere Geschäftsführer aufgrund eines wrongful trading, so steht es ebenfalls im Ermessen des Gerichts entweder eine getrennte oder eine gesamtschuldnerische Haftung anzuordnen248. Ausgangspunkt der Haftung ist aber in jedem Fall das jeweilige Fehlverhalten des einzelnen Geschäftsführers in Abhängigkeit von seinem jeweiligen Fehlverhalten und den jeweiligen Fähigkeiten249. (2) Materiell Begünstigter Sec. 214 (1) IA 1986 bestimmt, dass die zu leistenden Zahlungen in das Gesellschaftsvermögen zu entrichten sind. Aus der Rechtsprechung lässt sich jedoch entnehmen, dass die Zahlungen gleichwohl nicht Teil des Gesellschaftsvermögens werden, sondern vielmehr Teil eines sogenannten statutory trust zugunsten der Gläubigergesamtheit250. Dies bedeutet, dass die Zahlungen nicht von einer bereits bestehenden Sicherheit an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft erfasst werden251, sondern vielmehr vom Liquidator treuhänderisch zugunsten der Gläubigergesamtheit entgegengenommen werden252. Bestehen besondere Sicherheiten, so sind die derart gesicherten und bevorrechtigten Gläubiger allerdings zunächst auf 244
Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 1) (1989) 5 BCC, S. 399, 404 f.; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 47 f., 55 f. 245 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. c) (2). 246 Sec. 214 (3) IA 1986: „The court shall not make a declaration“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 247 Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 597. 248 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 57; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 438 f. Als Beispiel für eine gesamtschuldnerische Haftung siehe Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 598; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 912; Bangla Television Ltd., Re [2010] BCC, S. 143, 159. 249 Siehe sec. 214 (21) IA 1986: „it appears that subsection (2) of this section applies in relation to a person who is or has been a director […] the court […] may declare that that person is to be liable“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 438 f. 250 Siehe nur Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282, 290. 251 Dies betrifft vor allem eine sogenannte floating charge. 252 Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282, 290; Floor Fourteen Ltd., Re [2002] BCC, S. 198, 202. Siehe auch Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f.; Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 558.
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eine Verwertung ihrer Sicherheit verwiesen253. Eine darüber hinausgehende Differenzierung zwischen den Gläubigern, insbesondere zwischen Neu- und Altgläubigern, findet nicht statt254. In der Literatur wird diesbezüglich angemerkt, dass gerade die Neugläubiger als Hauptgeschädigte eines wrongful trading durch diese Praxis benachteiligt seien255. (3) Ergänzende Maßnahmen Zur Durchsetzung der Haftung kann das Gericht neben dem Ausspruch der Haftung weitere Maßnahmen beschließen256. Hierzu gehören beispielsweise die Bestellung eines Pfandrechts zugunsten der Gesellschaft an einem Anspruch des Geschäftsführers gegen die Gesellschaft 257 oder eine Rangrückstellung der Forderungen des Beklagten gegenüber der Gesellschaft 258 bis hin zu einem Tätigkeitsverbot im Sinne des CDDA 1986259. e) Konkurrenzen Neben sec. 214 IA 1986 kann ein Anspruch aufgrund von fraudulent trading nach sec. 213 IA 1986 treten, wobei eine Haftung für wrongful trading keine Auswirkungen auf eine mögliche Haftung gemäß sec. 213 IA 1986 hat 260. Darüber hinaus kann ein liquidator die auf sec. 214 IA 1986 gestützte Klage auch mit sec. 212 IA 1986 verbinden261. Diese Vorschrift begründet jedoch keine eigenständige Haftungsgrundlage, sondern stellt einen verfahrensrechtlichen Rechtsbehelf dar, der eine vereinfachte Form der Rechtsverfolgung bei Pflichtverletzungen unter anderem der Geschäftsleitung darstellt 262. Gründet sich die Haftung gemäß sec. 214 IA 1986 sowie die Zahlungsanordnung gemäß sec. 212 IA 1986 auf dieselbe Handlung, so sind etwaige Zahlungen wechselseitig anzurechnen. Aufgrund des jeweiligen rein kompensatorischen Charakters der Vorschriften ist der entstandene Verlust nur
253
Siehe nur Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282, 289. Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. 255 So Hicks, (1993) 14 Comp. Law., S. 16, 17. A.A. Oditah, (1990) LMCLQ, S. 205, 211 f., die die Gleichbehandlung verteidigt. 256 Sec. 215 (2) IA 1986. 257 Sec. 215 (2) (a) und (b) IA 1986. 258 Sec. 215 (4) IA 1986. 259 Sec. 4 (1) und sec. 10 (1) CDDA 1986. 260 Sec. 214 (8) IA 1986. 261 Siehe Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26 ff. 262 Siehe nur DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 905. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter III. 4. d). 254
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einmalig zu ersetzen263. Gleiches gilt für die Anfechtungen nach sec. 239 IA 1986 sowie nach sec. 238 IA 1986, die ebenfalls neben sec. 214 IA 1986 treten264. Sollten sich jedoch die einzelnen Ansprüche auf jeweils unterschiedliche Handlungen stützen, kann das Gericht kumulativ Zahlungen anordnen265. f) Verfahren Die Verfahrensregeln hinsichtlich einer auf wrongful trading gestützten Klage lassen sich grundsätzlich den gesetzlichen Vorschriften insbesondere des IA 1986 in Verbindung mit den IR 1986 sowie den IR 2008 entnehmen. Aus der Rechtsprechung lassen sich darüber hinaus vielfältige Konkretisierungen dieser Regeln entnehmen, so insbesondere der Darlegungs- und Beweislast. (1) Klagebefugnis Sec. 214 (1) IA 1986 bestimmt, dass allein der liquidator einen Anspruch aus dieser Vorschrift geltend machen kann266. Die Klage kann jedoch nur unter vorheriger Zustimmung des Gerichts oder eines liquidation committee267 erhoben werden268. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die Kosten des Verfahrens seit dem 1. Januar 2003 nicht mehr vom liquidator persönlich getragen werden müssen, sondern als bevorrechtigte Forderungen in die Insolvenzmasse fallen269. Gläubiger können allerdings unter Umständen die Entscheidung eines liquidator, den Anspruch aus sec. 214 IA 1986 nicht geltend zu machen, vor Gericht überprüfen lassen270.
263
Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. Sec. 241 (4) IA 1986. Siehe auch DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903 ff. 265 DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903 ff.; Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. 266 Sec. 214 (1) IA 1986: „the court, on the application of the liquidator, may declare“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe zur Rolle des liquidator ausführlich oben unter III. 1. g) (3) und (4). 267 Sec. 141 IA 1986 sieht die Einrichtung eines sogenannten liquidation committee entweder durch die Gesellschafter- oder die Gläubigerversammlung vor. Dieser sowohl aus Gesellschaftern als auch aus Gläubigern bestehende Ausschuss dient der Unterstützung und Überwachung des liquidator, siehe nur Keay/Walton, Insolvency Law, S. 302 ff. 268 Sec. 165 (2) sowie sec. 167 (1) jeweils i.V.m. Sch. 4, para 3A IA 1986. 269 R. 4.218 und r. 4.218 (A) IR 1986 (geändert durch Insolvency (Amendment) (No 2) Rules 2002, SI 2002, No 2717 v. 29. Okt. 2002) i.V.m. sec. 175 IA 1986. Siehe zu den Kostentragungsregeln ausführlich im Folgenden unter III. 3. f) (4). 270 Siehe sec. 168 (5) IA 1986 im Rahmen eines winding up by the court und sec. 112 IA 1986 im Rahmen eines voluntary winding up. 264
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(2) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast ruht grundsätzlich auf dem liquidator als Kläger271. Er muss darlegen und beweisen, dass der Geschäftsführer ab einem bestimmten Zeitpunkt wusste oder hätte wissen müssen, dass ein winding up aufgrund von Zahlungsunfähigkeit nicht vermeidbar war. Im Hinblick auf die strengere Rechtsprechung muss sich der liquidator sowohl auf ein Datum festlegen, von dem anzunehmen ist, dass der Geschäftsführer das erforderliche Wissen hätte haben müssen272 als auch den Verlust darlegen, der durch das wrongful trading entstanden ist 273. Im Gegensatz zu sec. 213 IA 1986274 muss ein besonderer Schädigungsvorsatz jedoch nicht nachgewiesen werden, da sec. 214 IA 1986 bewusst auf eine derartige subjektive Komponente im Tatbestand verzichtet275. Der liquidator kann entweder selbst als Zeuge aussagen oder aber Zeugen berufen276. Bei einer Berufung des Geschäftsführers auf die im Rahmen von sec. 214 (3) IA 1986 ermöglichte Entlastungsmöglichkeit geht die Beweislast auf diesen über. Er muss darlegen, dass er alle Schritte unternommen hat, um die Verluste der Gläubiger zu minimieren277. Dieser Beweis scheitert in der Regel erst, sofern sich das Verhalten des Geschäftsführers als verantwortungslos erwiesen hat 278. (3) Klagefrist Die Klagefrist beträgt sechs Jahre279. Da sec. 214 IA 1986 zwingend den Eintritt in das winding up voraussetzt, beginnt die Klagefrist mit Eintritt in dieses Verfahren. Letzteres wird durch sec. 247 (2) IA 1986 als der Zeit271
Sherborne Associates, Re [1995] BCC, S. 40, 47. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 667; Keay, Director’s Responsibilities, S. 90. Zur allgemeinen zivilrechtlichen Beweislastverteilung siehe nur Uglow, Evidence, S. 94 ff. mit zahlreichen Nachweisen zum case law. Als Beweismaß ist im Zivilrecht grundsätzlich nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Dies kann jedoch in Abhängigkeit vom jeweiligen Vorwurf variieren. Siehe hierzu nur Hornal v Neuberger Products [1956] 3 All ER, S. 970 ff. 272 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. c) (1). 273 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. c) (4). 274 Siehe hierzu im Folgenden unter III. 3. c) (1). 275 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. und 2. c). 276 Sec. 215 (1) IA 1986. 277 Siehe nur Produce Marketing Consortium Ltd., Re (No 2) (1989) 5 BCC, S. 569, 596. 278 Siehe nur Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 359 f. 279 Siehe Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 657 ff. unter Berufung auf sec. 9 (1) Limitation Act 1980 (c. 58).
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III. Englische Rechtslage
punkt legaldefiniert, an dem der verfahrenseröffnende Gesellschafterbeschluss gefasst wird oder der Eröffnungsbeschluss des Gerichts ergeht. Die Klage muss somit innerhalb von sechs Jahren ab dem verfahrenseröffnenden Gesellschafterbeschluss beziehungsweise ab dem dementsprechenden Gerichtsbeschluss erhoben werden280. Grundsätzlich sind etwaige Ansprüche jedoch ohne unbillige Verzögerung geltend zu machen281. Geschieht dies nicht, so kann das Gericht die Klage ablehnen282. (4) Verfahrenskosten Sec. 175 IA 1986 bestimmt, dass die Verfahrenskosten in einem winding up vorrangig vor allen anderen Verbindlichkeiten zu zahlen sind. Allerdings sah die Rechtsprechung bislang die Kosten nicht als Teil der Verfahrenskosten des winding up an, die dem liquidator in Folge eines auf ss. 212, 213, 214, 238, 239, 244 oder 423 IA 1986 gestützten Verfahrens entstehen283. Demzufolge musste der liquidator diese Kosten selbst tragen, sofern sie nicht aus Billigkeitserwägungen als vorrangige Kosten der Insolvenzmasse behandelt wurden284. Die hieraus resultierenden Schwierigkeiten der Finanzierung einer auf sec. 214 IA 1986 gestützten Klage werden in der Literatur als einer der Hauptgründe für die mangelnde Praxisrelevanz dieser Vorschrift ausgemacht 285. Bereits mit einer Änderung in den IR 1986 zum 1. Januar 2003 wurde dies dahingehend abgeschwächt, dass auch solche Kosten als Kosten des winding up vorrangig aus dem Gesellschaftsvermögen zu bestreiten waren, die dem liquidator in Wahrnehmung seiner Befugnisse entstanden286. Reichte das Gesellschaftsvermögen jedoch nicht aus, so blieb offen, inwieweit der liquidator auf die im Rahmen von sec. 214 IA 1986 zu leistenden Zahlungen zurückgreifen konnte287. Diese Zahlungen fallen gerade nicht in das Gesellschaftsvermögen, sondern bilden einen statutory trust288. Die Einfügung der sec. 176ZA in den IA 1986 mittels sec. 1282 CA 2006 und die damit verbundene Änderung in r. 4.218 IR 1986 sucht nun280
Siehe nur Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 657 ff. Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 659, 663 ff. 282 Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 659, 665. 283 MC Bacon Ltd. (No 2), Re [1990] BCC, S. 430 ff.; Floor Fourteen Ltd., Re [2002] BCC, S. 198 ff. 284 Siehe nur MC Bacon Ltd. (No 2), Re [1990] BCC, S. 430 ff. 285 Siehe nur Hicks, (1993) 8 IL & P, S. 134; Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 236 f.; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 659 f.; Hirt, ECFR 2004, S. 71, 101 ff. 286 Siehe Insolvency (Amendment) (No 2) Rules 2002, S.I. 2002/2712. 287 Siehe nur Gregorian/Butler, (2004) 20 IL & P, S. 151, 153. 288 Floor Fourteen Ltd., Re [2002] BCC, S. 198, 207. Siehe hierzu auch bereits oben unter III. 2. d) (2). 281
2. Wrongful trading
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mehr auch dieses Problem zu lösen. R. 4.218 IR 2008 bestimmt, dass sämtliche im Rahmen des Abwicklungsverfahrens entstandenen Kosten als Kosten des Abwicklungsverfahrens selbst anzusehen sind 289 und somit aus dem Gesellschaftsvermögen zu zahlen sind, dass den ungesicherten Gläubigern zusteht290. Zu diesem Teil des Gesellschaftsvermögens zählen aber gerade auch die Zahlungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens infolge solcher Verfahren, die der liquidator in Ausübung seiner Funktion anstrengt291. Zu diesen Verfahren zählt wiederum gerade auch die Geltendmachung von Ansprüchen gemäß sec. 214 IA 1986, zu der allein der liquidator befugt ist292. Sollte das Gesellschaftsvermögen, das zur Befriedigung der ungesicherten Gläubiger zur Verfügung steht, weiterhin nicht ausreichen, so haben diese, vorbehaltlich der Zustimmung des Inhabers einer floating charge, auch Vorrang vor den Ansprüchen aus dieser Sicherheit 293. Verweigert der Inhaber der floating charge die Zustimmung, so kann schließlich das Gericht auf Antrag des liquidators die erforderlichen Verfahrenskosten bewilligen294. Das Risiko einer nicht erfolgreichen Klage lastet dennoch weiterhin auf dem liquidator295. g) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die Haftung für wrongful trading soll die Geschäftsführer einer Gesellschaft davon abhalten, die Geschäfte der Gesellschaft bei Unabwendbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung auf Kosten der Gläubiger fortzuführen. Stattdessen soll der Geschäftsführer dazu angehalten werden alle erforderlichen Schritte zu unternehmen um die Verluste der Gläubiger in einer finanziellen Krise der Gesellschaft zu minimieren. Sec. 214 IA 1986 steht somit in der Nähe von § 64 S. 1 GmbHG. Die Existenzvernichtungshaftung hingegen sanktioniert einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger bereits im Vorfeld einer Insolvenz296. 289
R. 4.218 (1) IR 2008: „All fees, costs, charges and other expenses incurred in the course of the liquidation are to be regarded as expenses of the liquidation“. 290 R. 4.218 (1), (2) (a) IR 2008. 291 R. 4.218 (2) (a) (i) IR 2008: „assets […] which shall be taken to include proceeds of any legal action which the liquidator has power to bring in his own name or in the name of the company“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch r. 4.218A (1) IR 2008. 292 Siehe zur Klagebefugnis oben unter III. 2. f) (1). 293 Siehe sec. 176 ZA IA 1986 i.V.m. r. 4.218 (2) (b), r. 4.218A bis r. 4.218E IR 2008. Anders noch Buchler v Talbot [2004] 2 AC, S. 298, 308 ff., 320 ff. 294 R. 4.218E IR 2008. 295 Siehe hierzu auch Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, S. 745 ff. 296 Siehe oben unter II. 4. c) (1).
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III. Englische Rechtslage
Auf funktionaler Ebene zielen beide Haftungstatbestände daher auf ganz unterschiedliche Ergebnisse. Betrachtet man die konkrete Ausgestaltung der beiden Haftungen, so führen die funktionalen Unterschiede dazu, dass rein faktisch existenzvernichtende Eingriffe nur teilweise von sec. 214 IA 1986 erfasst werden. Auch wenn die Rechtsfolgenseite beider Tatbestände parallel ausgestaltet ist, so unterscheiden sich insbesondere der zeitliche Anknüpfungspunkt der Haftungen, der Kreis der primär haftenden Personen, die verfahrensrechtliche Ausgestaltung sowie der sachliche Anwendungsbereich beider Vorschriften deutlich. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Berücksichtigt man den unterschiedlichen Ansatzpunkt von sec. 214 IA 1986, so verwundert die Anwendbarkeit der Vorschrift allein im Rahmen einer überschuldungsbedingten Abwicklung und somit im Rahmen eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens nicht. Das Gesellschaftsvermögen ist nach deutschem Verständnis jedoch nicht nur im Rahmen einer insolvenzbedingten Abwicklung zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger zweckgebunden, sondern bereits im unmittelbaren Vorfeld einer solchen sowie im Rahmen einer Liquidation der Gesellschaft im Sinne der §§ 69 ff. GmbHG. Der sachliche Anwendungsbereich der Existenzvernichtungshaftung reicht dementsprechend deutlich weiter als der Anwendungsbereich der sec. 214 IA 1986297. Gleiches gilt insbesondere auch für § 64 S. 3 GmbHG, der ebenfalls an eine Handlung im Vorfeld einer Insolvenz anknüpft 298. Dieser weitere Anwendungsbereich spiegelt sich auch in der Klagebefugnis wider. Nur im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist in Deutschland allein der Insolvenzverwalter klagebefugt. Im Falle einer Liquidation oder masselosen Insolvenz kann der einzelne Gläubiger den Anspruch der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen299. In England hingegen ist allein der liquidator klagebefugt. Strengt dieser ein Verfahren aufgrund von wrongful trading nicht an, so verbleibt den Gläubigern nur eine gerichtliche Überprüfung dieser Entscheidung. Blickt man schließlich auf die Verjährung der verschiedenen Haftungstatbestände, so fällt auf, dass der Anspruch aus sec. 214 IA 1986 erst nach sechs Jahren ab Eröffnung des winding up verjährt, während der deutsche Anspruch einer dreijährigen Verjährung unterliegt300. 297 298 299 300
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben
unter unter unter unter
II. 4. a). II. 5. b). II. 4. g). II. 4. i).
2. Wrongful trading
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(2) Haftender Personenkreis Indem sec. 214 IA 1986 die Fortführung der Geschäfte zulasten der Gläubiger trotz Unabwendbarkeit einer insolvenzbedingten Abwicklung sanktioniert, liegt es auf der Hand, dass diejenigen haften, die für die Fortführung der Geschäfte verantwortlich sind, namentlich die Geschäftsführer. Gesellschafter haften nur dann nach sec. 214 IA 1986, sofern sie als faktische Geschäftsführer auftreten oder als shadow director maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der deutschen Existenzvernichtungshaftung liegt der Fokus der Haftung naturgemäß auf den Gesellschaftern, die existenzvernichtend und in der Regel zu eigenen Gunsten in das Gesellschaftsvermögen eingreifen301. Die Rolle des Geschäftsführers ist im Rahmen der deutschen Haftung auf seine Gehilfenstellung beschränkt 302. (3) Tatbestand Tatbestandlich knüpft sec. 214 IA 1986, anders als die Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung, nicht an einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zugunsten der Gläubiger an, sondern vielmehr an ein Fehlverhalten bei Kenntnis von der Unabwendbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung und somit an ein Missmanagement zulasten der Gläubiger. Ein Geschäftsführer haftet nach sec. 214 IA 1986 erst, wenn er nicht sämtliche Möglichkeiten ergriffen hat um den Verlust der Gläubiger bei einer Unabwendbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung zu minimieren. Stellt man auf die finanzielle Lage der Gesellschaft ab, in der faktisch ein existenzvernichtender Eingriff stattfinden wird, so ist der Unterschied zu den haftungsbegründenden Umständen im Sinne der sec. 214 IA 1986 allerdings nicht allzu groß. Ein Gesellschafter wird kaum einer florierenden Gesellschaft Vermögen durch einen existenzvernichtenden Eingriff entziehen. Der existenzvernichtende Eingriff wird vielmehr regelmäßig nur der letzte Schritt in die Insolvenz sein. Greift der Gesellschafter unter solchen Voraussetzungen in die Gesellschaft existenzvernichtend ein und nimmt so die Insolvenz der Gesellschaft billigend in Kauf, so unternimmt er gerade nicht jeden möglichen Schritt zur Minimierung des Verlusts der Gläubiger auf dem Weg in die Insolvenz. Eine Erfassung der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegenden Fallgestaltungen durch sec. 214 IA 1986 ist somit grundsätzlich denkbar. Darüber hinaus kann sec. 214 IA 1986 auch Spekulationen zulasten der Gläubiger erfassen und eine materielle Unterkapitalisierung, sofern bereits zum Zeitpunkt der Gründung der 301 302
Siehe oben unter II. 4. b). Siehe oben unter II. 5.
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III. Englische Rechtslage
Gesellschaft eine negative Fortführungsprognose vorliegt, also eine Abwicklung unausweichlich ist. Im ersteren Fall unterlässt der Geschäftsführer in ganz besonderem Maße eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Gläubiger an einer Minimierung ihres Verlustes. Der wesentliche Unterschied zwischen der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung für wrongful trading liegt daher nicht so sehr im jeweiligen Fehlverhalten, sondern vielmehr in der Voraussetzung einer überschuldungsbedingten Liquidation der Gesellschaft nach sec. 214 IA 1986 beziehungsweise der Insolvenzverursachung der Existenzvernichtungshaftung. Im Hinblick auf die deutsche Geschäftsführerhaftung wird dieser Unterschied besonders anhand von § 64 S. 3 GmbHG deutlich, der allein auf die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit abstellt 303. Unter Geltung des deutschen Rechts führt das Vorliegen einer Überschuldung beziehungsweise Zahlungsunfähgkeit nach § 15a InsO zu einer zwingenden Insolvenzantragspflicht und somit bei ausreichender Masse auch in ein Insolvenzverfahren. Hinter dieser zwingenden Insolvenzantragspflicht steht die deutsche Auffassung, dass eine insolvente Gesellschaft bereits eine Bedrohung des Rechtsverkehrs darstellt. Das englische Recht sieht bei Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft hingegen keine Insolvenzantragspflicht vor. Dies liegt daran, dass das englische Recht in der insolvenzbedingten Abwicklung aufgrund der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf die Vermögenswerte der Gesellschaft nicht zwingend den besten Weg im Interesse der Gläubiger sieht. Vielmehr kann auch die Fortführung einer insolventen Gesellschaft und der damit verbundenen Möglichkeit der Realisierung späterer Gewinnchancen im größeren Interesse der Gläubiger liegen. Fällt die Gesellschaft in die Insolvenz, so bedeutet dies gerade nicht, dass über das Vermögen der Gesellschaft, sofern dieses vorhanden ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen ist. In der Regel folgt eine insolvenzbedingte Abwicklung erst nach Eintritt der Überschuldung und eines besonderen Ereignisses, das das Scheitern von Sanierungsbemühungen markiert und somit erst die Abwicklung tatsächlich unausweichlich macht. Darüber hinaus liegt eine insolvenzbedingte Abwicklung im Sinne der sec. 214 IA 1986 nur vor, wenn die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung tatsächlich überschuldet ist. Wird das Verfahren daher allein aufgrund einer Zahlungsunfähigkeit eröffnet oder kann der Geschäftsführer trotz Überschuldung auf eine Verbesserung der finanziellen Situation hoffen, so ist sec. 214 IA 1986 nicht anwendbar. Erst wenn definitiv eine Sanierung aussichtslos erscheint, sind die Geschäftsführer dazu angehalten weitere Verluste der Gläubiger zu minimalisieren. 303
Siehe oben unter II. 5. b) (1).
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Ob eine solche überschuldungsbedingte Abwicklung, wie sie sec. 214 IA 1986 fordert, bei den zur Existenzvernichtungshaftung entschiedenen Fällen nach englischer Auffassung unvermeidbar war, lässt sich aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Insolvenzverfahren und insbesondere der zwingenden Insolvenzantragspflicht nach § 15a InsO grundsätzlich nur schwer beurteilen. Allein die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung genügt jedenfalls für eine Haftung nach sec. 214 IA 1986 nicht, da weder letzteres und erst recht nicht ersteres nach englischer Auffassung zwingend in eine überschuldungsbedingte Abwicklung der Gesellschaft führen müssen, wie es sec. 214 IA 1986 voraussetzt. Unterstellt man jedoch, dass die Gesellschafter bei existenzvernichtenden Eingriffen die Gesellschaft liquidieren und gerade nicht fortführen beziehungsweise sanieren wollen, so können diese dann nach sec. 214 IA 1986 haften, wenn sie im Zeitpunkt des Eingriffs von der Unvermeidbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung wissen mussten. Eines besonderen Vorsatzes bedarf es in England somit anders als in Deutschland gerade nicht, was mit einer Erleichterung der Beweislast verbunden ist. Bei einem Blick in die vom Bundesgerichtshof ergangenen Entscheidungen zur Existenzvernichtungshaftung werden somit jedenfalls die Sachverhalte der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung sowie der Entscheidung des IX. Zivilsenats vom 13. Dezember 2007 erfasst 304. In beiden Entscheidungen war die betroffene Gesellschaft bereits zum Zeitpunkt der existenzvernichtenden Eingriffe der Gesellschafter überschuldet. Indem die Gesellschafter der Gesellschaft durch die Eingriffe weiteres Vermögen entzogen, haben sie gerade nicht jeden möglichen Schritt unternommen, die Verluste der Gläubiger zu minimieren. Insbesondere in der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung mussten die Gesellschafter auch von der Überschuldung wissen, da einer der beklagten Gesellschafter vor dem Eingriff einen Vermögensstatus der Gesellschaft hat erstellen lassen. Mangels Sachverhaltsangaben zum Eröffnungsgrund der jeweiligen Insolvenzverfahren ist eine Aussage im Hinblick auf die Sachverhalte der weiteren ergangenen Entscheidungen nicht möglich. Unterstellt man eine Verfahrenseröffnung aufgrund einer Überschuldung, werden allerdings auch die übrigen Sachverhalte, in denen der II. Zivilsenat eine Existenzvernichtungshaftung bejaht hat, wohl ebenso erfasst, wie der der „Handelsvertreter“-Entscheidung vom 13. Dezember 2007 zugrunde liegende Sachverhalt, in dem der Senat eine Haftung für Missmanagement abgelehnt hat305. Letzteres ist jedoch Hauptanknüpfungspunkt der Haftung nach sec. 214 IA 1986. 304
BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2007, IX ZR 116/06, ZIP 2008, S. 455 ff. 305 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff.
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III. Englische Rechtslage
(4) Rechtsfolgen Auf Rechtsfolgenseite finden sich mit der Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung nach „Trihotel“ deutliche Parallelen zu sec. 214 IA 1986. Beide Haftungstatbestände orientieren sich am Schaden der Gesellschaft, den diese durch den Eingriff beziehungsweise die nicht im Interesse der Gläubiger erfolgende Fortführung der Gesellschaft erlitten hat. Da die Haftung für wrongful trading auf die während dieser Zeit entstandenen Verluste abstellt, kann die Haftung auch Kollateralschäden erfassen. Da beide Haftungen eine gewisse kausale Verknüpfung von Handlung und Schaden voraussetzen, begleichen sie im Ergebnis nicht zwingend das Gesamtdefizit der Gesellschaft, sondern de facto (nur) einen Quotenschaden der Gläubiger ohne eine Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern. Bereits die Maximalhöhe des jeweiligen Schadensersatzes weist dadurch Unterschiede auf, dass die deutsche Haftung deutlich früher ansetzt als die Englische. Darüber hinaus steht die konkrete Höhe nach sec. 214 IA 1986 im freien Ermessen des Gerichts, das den Maximalbetrag der Haftung, nämlich das erlittene Defizit, deutlich unterschreiten kann und im Regelfall auch unterschreitet. Die englischen Gerichte sind aufgrund der vielgestaltigen Ursachen eines Defizits bei der Ausschöpfung des Maximalrahmens der Haftung eher zurückhaltend. Eine solche Möglichkeit steht den deutschen Gerichten nicht offen. Es ist der gesamte entstandene Schaden zu ersetzen, soweit er zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist 306. Rechtspraktisch ergeben sich somit auch im Hinblick auf die prozentuale Schadenshöhe im Verhältnis zum Gesamtdefizit deutliche Unterschiede.
3. Haftung für eine betrügerische Fortsetzung der Geschäftstätigkeit – fraudulent trading, sec. 213 IA 1986 3. Fraudulent trading Gemäß sec. 213 IA 1986 kann das Gericht jede Person für einen angemessenen Betrag haften lassen, sofern sich im Verlauf eines winding up einer Gesellschaft herausstellt, dass die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft mit der Absicht fortgesetzt wurde, Gläubiger der Gesellschaft oder einer anderen Person zu betrügen oder zu einem sonstigen betrügerischen Zweck und die betroffene Person wissentlich an einer derartigen Fortsetzung der Geschäftstätigkeit teilgenommen hat. Ergänzt wird diese Vorschrift durch eine strafrechtliche Parallelvorschrift in sec. 993 CA 2006307. 306
Siehe oben unter II. 4. e). Im Folgenden soll jedoch aufgrund der Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes nur auf die zivilrechtlichen Haftungstatbestände näher eingegangen werden. 307
3. Fraudulent trading
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Sec. 213 IA 1986 birgt aufgrund der Tatbestandsvoraussetzung der absichtlichen Gläubigerbenachteiligung und der damit verbundenen hohen Beweislast erhebliche praktische Nachteile. Dies führte sogar dazu, dass das Review Committee unter dem Vorsitz von Cork im Rahmen der Reform des Insolvenzrechts 1981 eine Abschaffung der Vorschrift zugunsten der schließlich kodifizierten sec. 214 IA 1986 vorschlug 308. Obwohl in den letzten Jahren verschiedene Verfahren auf der Grundlage von sec. 213 IA 1986 eröffnet wurden309, ist die englische Literatur hinsichtlich der Praxisrelevanz der Vorschrift im Vergleich zu sec. 214 IA 1986 noch zurückhaltender310. Da die Vorschrift in der Rechtspraxis nur eine geringe Rolle spielt, soll diese im Gegensatz zu sec. 214 IA 1986 nur summarisch dargestellt werden. a) Sachlicher Anwendungsbereich Sec. 213 IA 1986 ist allein im Rahmen eines winding up anwendbar. Dies setzt jedoch weder zwingend die Insolvenz der Gesellschaft voraus noch eine gerichtliche Abwicklung der Gesellschaft. Vielmehr ist der Anwendungsbereich der sec. 213 IA 1986 auch dann eröffnet, wenn es sich lediglich um ein members’ voluntary winding up handelt und somit um eine Liquidierung der Gesellschaft gerade außerhalb eines Insolvenzverfahrens 311. b) Haftender Personenkreis Sec. 213 IA 1986 sieht vor, dass das Gericht „jede Person“ für haftbar erklären kann, die den Tatbestand der Vorschrift erfüllt 312. Aufgrund der weiten Formulierung erfasst die Vorschrift somit nicht allein die Geschäftsführer oder Gesellschafter, sondern auch Dritte313. Letztere können jedoch nur im Rahmen von sec. 213 IA 1986 haften, sofern auf Seiten 308
Report of the Review Committee, Insolvency Law and Practice, HMSO Cmnd. 8558 (1982), S. 398 f. Siehe zu sec. 214 IA 1986 bereits ausführlich oben unter III. 2. 309 Siehe hierzu die Nachweise im Folgenden. Viele dieser Verfahren stehen jedoch im Zusammenhang mit der Insolvenz der Bank of Commerce and Credit International, sodass dementsprechend eine Aussage über die Praxisrelevanz der Vorschrift nur eingeschränkt möglich ist. 310 Siehe Keay, Directors’ Responsibilities, S. 65; Finch, Corporate Insolvency Law, S. 696 f.; Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 27-026. Eine Recherche bei Westlaw UK im Oktober 2012 ergab nur 75 veröffentlichte Fälle, in denen sec. 213 IA 1986 überhaupt eine Rolle gespielt hat. 311 Siehe zum Verfahren des winding up ausführlich oben unter III. 1. g) (3) und (4). 312 Sec. 213 (2) IA 1986: „any person“. 313 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739 ff., (Haftung einer Bank); Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540 ff. (Haftung der Rechtsanwälte der Gesellschaft). Siehe auch Banque Arabe Internationale D’Investissment SA v Morris [2002] BCC, S. 407 ff.
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III. Englische Rechtslage
der Gesellschaft ebenfalls der Tatbestand der sec. 213 IA 1986 erfüllt ist 314. c) Tatbestand Der Tatbestand der Vorschrift erfordert die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in der Absicht Gläubiger zu betrügen – seien es die der Gesellschaft oder anderer Personen – oder in sonstiger betrügerischer Absicht sowie die wissentliche Teilnahme an einer derartigen Fortsetzung 315. (1) Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in der Absicht Gläubiger zu betrügen oder in sonstiger betrügerischer Absicht Die „Fortführung der Geschäftstätigkeit“316 wird von den englischen Gerichten denkbar weit verstanden. Eine solche Fortführung kann bereits im Abschluss eines einzigen Vertrages gesehen werden317 sowie bei einem Fortbestehen der Gesellschaft allein zur Realisierung und anschließenden Verwertung der Aktiva unter Einstellung der Geschäftstätigkeit318. Die Fortführung der Geschäftstätigkeit erfordert jedoch in jedem Fall ein aktives Tun319. Was unter der „Fortführung der Geschäftstätigkeit in betrügerische Absicht“320 zu verstehen ist, lässt sich den Entscheidungen der Gerichte jedoch nicht eindeutig entnehmen321. Wesentliches Kriterium für die Beurteilung einer betrügerischen Absicht ist jedenfalls die Unlauterkeit des Verhaltens („dishonesty“)322. In diesem Kriterium wird von der Rechtspre-
314
Augustus Barnett & Sons Ltd., Re (1986) 2 BCC, S. 98.904, 98.905. Sec. 213 (2) IA 1986: „any persons who were knowingly parties to the carrying on of the business in the manner above-mentioned [with intent to defraud creditors]“, (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 316 Sec. 213 (2) IA 1986: „carrying on of the business“. 317 Gerald Cooper Chemicals Ltd., Re [1978] Ch, S. 262, 268; Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 558. 318 In Sarflax Ltd., Re [1979] 1 All ER, S. 529 ff. wurde eine Fortsetzung der Geschäfte in der Ausschüttung des Gesellschaftsvermögens an einige der Gläubiger, unter anderem auch die Muttergesellschaft, gesehen. 319 Maidstone Buildings Ltd., Re [1971] 1 WLR, S. 1085, 1092. 320 Sec. 213 (1) IA 1986: „business of the company has been carried on with intent to defraud creditors“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 321 Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 27-024. Siehe auch Keay/Walton, Insolvency Law, S. 663. 322 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739, 744, CA; Bernasconi v Nicholas Bennet & Co [2000] BCC, S. 921, 925. Siehe auch Patrick Lyon Ltd., Re [1933] Ch, S. 786, 790, 791. 315
3. Fraudulent trading
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chung auch der wesentliche Unterschied zu sec. 214 IA 1986 gesehen323. Die Unlauterkeit des Verhaltens bemisst sich anhand der allgemeinen Vorstellungen eines redlichen Handelns unter Geschäftsleuten324. Hierbei wird jedoch kein objektiver Maßstab zur Bejahung einer Haftung angewandt, sondern auf die subjektive Sicht des Handelnden abgestellt. Erkennt der Handelnde, dass im Vergleich zu diesem Standard sein Verhalten unredlich ist, so ist seine Haftung zu bejahen325. Dies wird dadurch ergänzt, dass nicht zuletzt in Anlehnung an die Entscheidung „R v Grantham“ des Court of Appeal die Gerichte eine Betrugsabsicht im Sinne der sec. 213 IA 1986 auch daraus ableiten, dass keine begründete Aussicht bestand, dass die Gesellschaft in der Lage sein wird die Verbindlichkeit im Fälligkeitszeitpunkt zu erfüllen beziehungsweise der Handelnde wusste, dass ein Risiko besteht, dass Gläubiger nicht befriedigt werden326. In anderen Worten genügt eine „rücksichtslose Gleichgültigkeit“, ob Gläubiger betrogen werden327. Aufgrund der hohen Anforderungen der Rechtsprechung an den nachzuweisenden Vorsatz ist letzteres jedoch nicht mit dem Eventualvorsatz des deutschen Rechts gleichzusetzen. Gehen die Geschäftsführer allerdings aufrichtig davon aus, dass sich die Lage der Gesellschaft verbessern wird, so scheidet eine Betrugsabsicht aus328. Ein tatsächlicher Verlust der Gläubiger beziehungsweise ein Ausfall ihrer Forderungen ist hingegen keine Tatbestandsvoraussetzung329. Allein ein betrügerisches Verhalten mit der Folge eines Forderungsausfalls vermag somit eine Haftung nach sec. 213 IA 1986 nicht zu begründen. Vielmehr sanktioniert sec. 213 IA gerade die Absicht einer betrügerischen Fortsetzung der Geschäfte und nicht bereits jede individuelle Transaktion, die einen Betrug zu begründen vermag 330. So wird beispielsweise eine bevorzugte Zahlung an bestimmte Gläubiger nicht als betrügerisches Handeln angesehen, auch wenn diese Zahlung als betrügerisches Geschäft zu-
323
Siehe nur Bernasconi v Nicholas Bennet & Co [2000] BCC, S. 921, 925. Royal Brunei Airlines Snd Bhd v Tan [1995] 2 AC, S. 378, 389, bestätigt durch Twinsectra Ltd. v Yardley [2002] 2 AC, S. 164 ff., HL; vgl. auch Aktieselskabet danks Skibsfinansiering v Brothers [2001] 2 BCLC, S. 324, 330. 325 Twinsectra Ltd. v Yardley [2002] 2 AC, S. 164, 171; vgl. auch Aktieselskabet Dansk Skibsfinansiering v Brothers [2001] 2 BCLC, S. 324, 333. 326 R v Grantham [1984] 2 QB, S. 675, 681; William C Leitch Bros Ltd., Re [1932] 2 Ch, S. 71, 77; Gerald Cooper Chemicals Ltd., Re [1978] Ch, S. 262, 267 f. Vgl. auch Augustus Barnett & Sons Ltd., Re (1986) 2 BCC, 98.904 ff. 327 Bernasconi v Nicholas Bennet & Co [2000] BCC, S. 921, 924. 328 Siehe nur R v Grantham [1984] 2 QB, S. 675, 681. 329 R v Grantham [1984] QB, S. 675, 683 f. 330 Gerald Cooper Chemicals Ltd., Re [1978] Ch, S. 262, 267; Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 558. 324
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III. Englische Rechtslage
lasten der Gläubiger i.S.d. sec. 239 IA 1986 anfechtbar sein sollte331. Bezahlt jedoch eine Gesellschaft hohe Summen an einen Dritten mit der Absicht das Vermögen dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen, kann dies als betrügerisches Handeln im Sinne von sec. 213 IA 1986 angesehen werden332. Unter die Kategorie der Fortsetzung der Geschäfte in sonstiger betrügerischer Absicht fällt die Fortführung des Unternehmens um zukünftige Gläubiger beziehungsweise Kunden zu betrügen333. (2) Wissentliche Teilnahme an der Fortsetzung Die Haftung gemäß sec. 213 IA 1986 erfordert eine wissentliche Teilnahme an der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in Betrugsabsicht. Eine solche Teilnahme an der Geschäftstätigkeit liegt bereits in einer wie auch immer gearteten Mitwirkung an der Geschäftstätigkeit vor334. Eine beherrschende Position in der Gesellschaft oder die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Gesellschaft ist nicht erforderlich335. Auch die Kenntnis jedes Details des begangenen Betruges ist nicht erforderlich. Vielmehr genügt es, dass die betreffende Person zumindest von der Betrugsabsicht wusste, verbunden mit der Unterstützung der den Betrug begründenden Tätigkeiten336. Ebenso führt es zu einer Haftung, wenn sich die betreffende Person den offensichtlichen Tatsachen verschließt. Die Rechtsprechung spricht insoweit von einem bewussten Nichtwissen337. Nachträgliches Wissen oder fahrlässiges Nichtwissen reicht jedoch nicht aus338. Darüber hinaus kann eine wissentliche Teilnahme an der betrügerischen Fortsetzung auch dann zu einer Haftung führen, wenn die betreffende Person nicht unmittelbar an der Fortsetzung beteiligt war339. So kann beispielsweise auch der Empfänger einer Zahlung aus dem Gesellschaftsvermögen haftbar sein, wenn er weiß, dass die Zahlung nur möglich ist, da die 331
Sarflax Ltd., Re [1979] 1 All ER, S. 529, 535, 545 . Siehe zur Anfechtungsmöglichkeit gemäß sec. 239 IA 1986 ausführlich im Folgenden unter III. 8. 332 Keay, Directors’ Responsibilities, S. 62. Siehe auch sec. 423 IA 1986. 333 Smith, Re [1996] 2 BCLC, S. 109; R v Kemp [1988] QB, S. 645 ff.; Sarflax Ltd., Re [1979] 1 All ER, S. 529 ff.; siehe jedoch auch Gerald Cooper Chemicals Ltd., Re [1978] Ch, S. 262 ff. 334 Maidstone Building, Re [1971] 1 WLR, S. 1085 ff. 335 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739, 766. 336 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739, 745; siehe auch Morris v Bank of India [2004] BCC, S. 404, 419. 337 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739, 745 spricht von „blind-eye knowledge“. Siehe hierzu auch Manifest Shipping Co Ltd. v Uni-Polaris Co Ltd. [2003] 1 AC, S. 469, 517. 338 Morris v Bank of India [2004] BCC, S. 404, 419. 339 Augustus Barnett & Sons Ltd., Re (1986) 2 BCC, S. 98.904, 98.907.
3. Fraudulent trading
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Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in betrügerischer Absicht fortgesetzt wird340. d) Rechtsfolge Die Rechtsfolge der sec. 213 IA 1986 steht im freien Ermessen des Gerichts. Dieses kann anordnen, dass die haftende Person einen solchen Beitrag zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu leisten hat (falls überhaupt), den es für angemessen hält 341. Im Gegensatz zu früheren Urteilen wird ein Strafschadensersatz jedoch unter Berufung auf die strafrechtliche Parallelvorschrift in sec. 993 CA 2006 abgelehnt. Sec. 213 IA 1986 hat einen rein kompensatorischen Charakter342. Die Haftungssumme ist somit auf den Verlust begrenzt, der den Gläubigern aufgrund der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit entstanden ist 343. In der Entscheidung „Morphitis v Bernasconi“ weist der Court of Appeal dementsprechend darauf hin, dass eine angemessene Haftungssumme beispielsweise in dem Betrag läge, der dem Wert der Vermögensgegenstände entspreche, die der Gesellschaft entzogen wurden344. Lässt sich nachweisen, dass der gesamte Verlust eines Gläubigers oder mehrerer Gläubiger durch die betrügerische Fortsetzung der Geschäfte entstanden ist, so umfasst die Haftungssumme den gesamten Verlust 345. Sind die Forderungen der Gläubiger bereits befriedigt, entfällt andererseits die Haftung 346. Aufgrund des rein kompensatorischen Charakters der Vorschrift hat das Gericht darüber hinaus eine etwaige Haftung anderer Personen zu berücksichtigen347. Die Haftungssumme kann Zinsen und Aufwendungen umfassen348. Die vom Gericht festgelegte Haftungssumme ist zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu leisten349. In Anlehnung an die Rechtsprechung zu sec. 214 IA 1986 wird dies dahingehend verstanden, dass die Haftungs340
Gerald Cooper Chemicals Ltd., Re [1978] Ch, S. 262 f. Sec. 213 (2) IA 1986: „to make such contributions (if any) to the company’s assets as the court thinks proper“. 342 Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 560. Den früheren Urteilen lag jeweils sec. 332 IA 1948 zugrunde, die im Gegensatz zu sec. 213 IA 1986 und sec. 993 CA 2006 die zivilrechtliche als auch strafrechtliche Komponente noch nicht trennte. 343 Overnight Ltd., Re [2010] EWHC 613 (Ch), Rn. 28 ff.; Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 559 f. Siehe auch Company (No 001418 of 1988), Re [1990] BCC, S. 526, 532: „amount of the trading loss during the period of fraudulent trading“. 344 Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 559 f. 345 Overnight Ltd., Re [2010] EWHC 613 (Ch), Rn. 28 ff. 346 Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 561. 347 Morphitis v Bernasconi [2003] BCC, S. 540, 561; Overnight Ltd., Re [2010] EWHC 613 (Ch), Rn. 28 ff. 348 Bank of India v Morris [2005] BCC, S. 739, 743. 349 Sec. 213 (2) IA 1986: „contributions […] to the company’s assets“. 341
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III. Englische Rechtslage
summe gerade nicht aus- und absonderungsberechtigten Gläubigern zur Verfügung steht350. Das Gericht kann neben einer Verurteilung zum Schadensersatz noch weitere Maßnahmen zur Durchsetzung der Haftung anordnen351. Dies umfasst unter anderem die Bestellung von Sicherheiten zulasten der haftenden Person352. Außerdem kann das Gericht ein Geschäftsleitungsverbot im Sinne des CDDA 1986 aussprechen353. e) Verfahren Eine auf sec. 213 IA 1986 gestützte Klage kann allein vom liquidator erhoben werden354. Ebenso wie im Rahmen von sec. 214 IA 1986 ist allerdings die Zustimmung entweder der Gläubigerversammlung oder des Gerichts erforderlich355. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Kläger und somit der liquidator356. Insbesondere hat der liquidator die Fakten darzulegen, die die Annahme der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in betrügerischer Absicht rechtfertigen357. Allerdings ist im Rahmen von sec. 213 IA 1986 nicht zwingend erforderlich, dass der liquidator den konkreten Zeitpunkt der Handlung angibt 358. Da sec. 213 IA 1986 ebenso wie sec. 214 IA zwingend die Eröffnung eines winding up voraussetzt, muss die Klage innerhalb von sechs Jahren ab der Eröffnung des Verfahrens erhoben werden359. Der Zeitpunkt der betrügerischen Handlung ist dementsprechend für die Klageerhebung nicht relevant. Die Kosten des Verfahrens werden als vorrangige Forderungen von der Insolvenzmasse getragen360.
350
Keay, Directors’ Responsibilities, S. 48 f. Siehe auch Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1995] BCC, S. 911, 918, bestätigt durch den Court of Appeal in Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282 ff. Siehe hierzu ausführlich oben unter III. 2. d) (2). 351 Sec. 215 (2) IA 1986. 352 Sec. 215 (2) IA 1986. 353 Sec. 4 (1) und sec. 10 (1) CDDA 1986. 354 Sec. 213 (2) IA 1986: „on the application of the liquidator may [the court] declare“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe zur Rolle des liquidator ausführlich oben unter III. 1. g) (3) und (4). 355 Siehe bereits oben unter III. 2. f) (1). 356 Siehe bereits oben unter III. 2. f) (2). 357 Augustus Barnett & Sons Ltd., Re (1986) 2 BCC, S. 98.904, 98.908; Morris v Bank of America National Trust [2000] BCC, S. 1076 f., 1085. 358 Company (No 001418 of 1988), Re [1990] BCC, S. 526, 527. 359 Siehe Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 657 ff. unter Berufung auf sec. 9 (1) Limitation Act 1980 (c. 58). 360 R. 4.218 IR 2008. Siehe hierzu ausführlich oben unter III. 2. f) (4).
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f) Rechtsvergleichende Anmerkungen Sec. 213 IA 1986 sanktioniert eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft in der Absicht Gläubiger zu schädigen. Hinter der Haftung steht somit tatsächlich der Gedanke des Missbrauchs der Gesellschaft. Im Gegensatz hierzu sanktioniert die deutsche Existenzvernichtungshaftung gerade keinen Missbrauch der Gesellschaft, sondern deren Existenzvernichtung. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Der Existenzvernichtungshaftung als auch sec. 213 IA 1986 ist gemeinsam, dass sie die Interessen der Gläubiger, wenn auch im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung nur mittelbar, zu schützen suchen. Sowohl sec. 213 IA 1986 als auch die Existenzvernichtungshaftung sind in ihrem Anwendungsbereich gerade nicht auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren beschränkt, sondern auch im Rahmen eines Liquidationsverfahrens anwendbar. In England ist jedoch zwingend die Eröffnung eines winding up Anwendungsvoraussetzung, während in Deutschland die Haftung auch geltend gemacht werden kann, sollte das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt werden361. Die Folge dieser Einschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs in England ist, dass allein der liquidator klagebefugt ist. Ein wie auch immer gearteter Zugriff der Gläubiger auf die Forderung aus sec. 213 IA 1986 ist somit nicht möglich. In Deutschland verbleibt den Gläubigern zumindest die Möglichkeit, bei einer masselosen Insolvenz oder im Rahmen einer Liquidation den Anspruch der Gesellschaft zu pfänden und sich überweisen zu lassen362. Im Hinblick auf die Verjährung unterliegt der Anspruch aus sec. 213 IA 1986 einer sechsjährigen Frist ab Eröffnung des winding up und damit zumindest einer doppelt so langen Frist wie der Anspruch aus § 826 BGB. (2) Haftender Personenkreis Der Kreis der haftenden Personen ist nach sec. 213 IA 1986 weder allein auf Geschäftsführer noch auf Gesellschafter beschränkt. Vielmehr haftet jeder, der zur absichtlichen Benachteiligung der Gläubiger durch die Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft beigetragen hat. Im Rahmen der deutschen Existenzvernichtungshaftung haften neben Gesellschaftern und Geschäftsführern weitere Personen nur dann, sofern sie sowohl
361 362
Siehe oben unter II. 4. a). Siehe oben unter II. 4. g).
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III. Englische Rechtslage
bezüglich der Haupttat des Gesellschafters als auch ihrer eigenen Beteiligung vorsätzlich handeln 363. (3) Tatbestand Blickt man auf den primären Anknüpfungspunkt der beiden Haftungstatbestände, so wird der funktionale Unterschied zwischen sec. 213 IA 1986 und der Existenzvernichtungshaftung deutlich. Sec. 213 IA 1986 setzt eine absichtliche Schädigung der Gläubiger voraus. Das Hauptziel der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit muss also gerade die Schädigung der Gläubiger gewesen sein. Der Schwerpunkt der Haftung liegt somit auf der Benachteiligungsabsicht. Die Existenzvernichtungshaftung wird hingegen durch einen Verstoß gegen die Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens begründet beziehungsweise durch eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer in Form einer Mitwirkung am existenzvernichtenden Eingriff der Gesellschafter364. Ob ein existenzvernichtender Eingriff vorliegt und somit eine Insolvenzverursachung oder -vertiefung beziehungsweise eine Verteilung des Gesellschaftsvermögens entgegen den gesetzlichen Liquidationsvorschriften, ist im Rahmen der sec. 213 IA 1986 irrelevant. Die absichtliche Gläubigerschädigung, auf die die englische Haftung maßgeblich abstellt, wird im Rahmen der deutschen Haftung nur mittelbar, mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen, in den Blick genommen. Die Existenzvernichtungshaftung setzt im Gegensatz zu sec. 213 IA 1986 auf subjektiver Ebene jedoch nur voraus, dass der Gesellschafter die Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten billigend in Kauf genommen hat. Die Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 S. 3 GmbHG kommt sogar gänzlich ohne subjektive Merkmale aus. Wird die Hürde der Absicht aber überschritten und kann dies auch nachgewiesen werden, so ist die Erfassung eines existenzvernichtenden Eingriffs in das Gesellschaftsvermögen durch sec. 213 IA 1986 durchaus denkbar. Die erforderliche Fortsetzung der Geschäftstätigkeit kann bereits im Abschluss nur eines Geschäfts liegen, sodass die Übertragung von Vermögensgegenständen der Gesellschaft auf den Gesellschafter zur Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals der sec. 213 IA 1986 ausreichen wird. Sec. 213 IA 1986 vermag darüber hinaus und im Gegensatz zur Existenzvernichtungshaftung insbesondere eine Spekulation zulasten der Gläubiger zu erfassen. Auch die unter deutschem Recht nicht zu fassende Fallgruppe der „Aschenputtel“-Gesellschaften, der materiellen Unterkapitalisierung sowie der fremdnützigen Bestellung von Sicherheiten werden bei Vorliegen einer Benachteiligungsabsicht von sec. 213 IA 1986 erfasst. 363 364
Siehe oben unter II. 4. b). Siehe oben unter II. 4. c) (1) und 5.
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
165
Die Weite des objektiven Tatbestands der sec. 213 IA 1986 im Gegensatz zu dem der Existenzvernichtungshaftung wird somit durch die hohe Hürde der absichtlichen Gläubigerbenachteiligung auf subjektiver Ebene und die damit verbundenen Beweisschwierigkeiten erheblich relativiert. Sec. 213 IA 1986 kann somit sowohl aufgrund der Zielrichtung der Vorschrift als auch aufgrund der tatbestandlichen Ausgestaltung nur einen Teilbereich der Sachverhalte abdecken, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. (4) Rechtsfolge Auf Rechtsfolgenseite der sec. 213 IA 1986 besteht aufgrund der Orientierung an dem Verlust, den die Gläubiger durch die betrügerische Fortsetzung der Geschäfte erlitten haben und der bestehenden Ersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft eine deutliche Parallele zur Existenzvernichtungshaftung. Im Hinblick auf die unterschiedliche Zielsetzung der Vorschriften wird im Rahmen der sec. 213 IA 1986 jedoch direkt auf den Verlust der Gläubiger abgestellt, während im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung die Gläubigerinteressen durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert werden. Das Ergebnis dürfte dennoch vergleichbar sein.
4. Haftung von Geschäftsführern aufgrund einer Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen – „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings 4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings In den ss. 213 und 214 IA 1986 findet sich, in jeweils unterschiedlicher Ausprägung, die gesetzliche Pflicht des Geschäftsführers im Vorfeld eines winding up die Interessen der Gläubiger zu beachten. Parallel zu diesen gesetzlichen Pflichten hat die Rechtsprechung in der Entscheidung des Court of Appeal in „West Mercia Safetywear v Dodd“ aus dem Jahr 1988 ebenfalls eine Haftung des Geschäftsführers für die Nichtberücksichtigung von Gläubigerinteressen entwickelt 365. Während die Anerkennung einer der Haftung zugrundeliegenden Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen in der Literatur lange Zeit umstritten war366, scheint der Gesetzgeber mit der Reform des Companies Act vom 8. November 2006 eine solche Pflicht zumindest grundsätzlich anzuerkennen. Mit dieser Reform werden allgemeine Geschäftsführer-
365
Siehe Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. Kritisch zu einer diesbezüglichen Pflicht unter anderem Sealy, [1988] CLJ, S. 175, 177; Rickford, [2004] EBLR, S. 919, 985. 366
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III. Englische Rechtslage
pflichten erstmalig in den ss. 170 ff. CA 2006 kodifiziert367. Die Auflistung der einzelnen spezifischen Pflichten der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft in den ss. 171 ff. CA 2006368 gründet auf den diesbezüglichen Regeln des common law. Letzteres hat die Geschäftsführerpflichten in Analogie zu den auf trustees sowie zu den auf Vertreter anwendbaren Regeln entwickelt 369. Auch wenn sich im CA 2006 die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen nicht explizit wiederfindet, so findet sich zumindest in sec. 172 (3) CA 2006 ein Hinweis auf eine derartige Pflicht. Sec. 172 CA 2006 kodifiziert die Pflicht zur Förderung des Erfolgs der Gesellschaft zugunsten ihrer Gesellschafter. Absatz 3 dieser Vorschrift bestimmt, dass unter bestimmten Umständen die zugunsten der Gesellschafter bestehende Pflicht hinter solche gesetzlichen oder sonstigen Regeln zurücktritt, die die Beachtung der Gläubigerinteressen vorsehen370. Als eine solche gesetzliche Regel, hinter der die Berücksichtigung von Gesellschafterinteressen im Sinne von sec. 172 (3) CA zurückzutreten hat, wird von der amtlichen Erläuterung zum CA 2006 explizit sec. 214 IA 1986 erwähnt 371. Somit sucht sec. 172 CA 2006 ebenso wie sec. 214 IA 1986 einen Kompromiss zwischen den grundsätzlichen Interessen der Gesellschafter an der Fortführung der Gesellschaft und den vor allem in Insolvenznähe hierzu divergierenden Gläubigerinteressen zu wahren. Gerade in Insolvenznähe tragen die Gläubiger unter anderem durch steigende Fremdkapitalisierung der Gesellschaft vermehrt das Risiko einer Insolvenz, während die Gesellschafter von der Haftungsbeschränkung profitieren. Da eine Risikoverschiebung zulasten der Gläubiger jedoch bereits außerhalb des Anwendungsbereichs von sec. 214 IA 1986 gegeben sein kann, verweist sec. 172 (3) CA 2006 ergänzend auf sonstige Regeln des Gläubigerschutzes, hinter die ebenfalls die Interessen der Gesellschafter zurücktreten können. Diese Formulierung, so die amtliche Erläuterung des 367
Zu diesen Pflichten zählen die Pflicht im Rahmen der durch die Satzung eingeräumten Befugnisse zu handeln, die Pflicht zur Förderung des Erfolgs der Gesellschaft zugunsten ihrer Mitglieder, die Pflicht zur Unabhängigkeit, eine allgemeine Sorgfaltspflicht, die Pflicht Interessenkonflikte zu vermeiden, die Pflicht durch Dritte gewährte Vorteile nicht anzunehmen sowie die Pflicht ein Eigeninteresse an bevorstehenden Geschäften anzumelden, vgl. ss. 171 ff. CA 2006. 368 Sec. 170 (1) CA 2006: „The general duties specified in sections 171 to 177 are owed by a director of a company to the company“. 369 Siehe HL Debs, Band 678, col. 244, 6. Feb. 2006 (Grand Committee), Lord Goldsmith. Siehe auch sec. 170 (3) CA 2006. 370 Sec. 172 (3) CA 2006: „The duty imposed by this section has effect subject to any enactment or rule of law requiring directors, […], to consider or act in the interests of creditors of the company“. 371 Department for Trade and Industry, Explanatory Notes to Companies Act 2006, S. 51, Rn. 331.
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
167
CA 2006, bezieht sich gerade auf die diesbezüglichen Entwicklungen in der Rechtsprechung 372. Der CA 2006 verweist auch im Hinblick auf die Auslegung der gesetzlich ausformulierten Geschäftsführerpflichten in sec. 170 (4) CA 2006 auf die Regeln des common law sowie in sec. 178 (1) CA 2006 im Hinblick auf die mit einer Pflichtverletzung verbundenen Rechtsfolgen373. Diese Auslegung mittels der Regeln des common law muss daher erst recht für die nur mittelbar in sec. 172 (3) CA 2006 erwähnte Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen gelten. Für die Pflicht des Geschäftsführers zur Förderung des Erfolgs der Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter gemäß sec. 172 CA 2006 bedeutet dies, dass diese sich in eine Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen in Gestalt der Entscheidung „West Mercia Safetywear v Dodd“374 wandeln kann. Wen die Pflicht trifft (siehe im Folgenden unter a)), ab wann die Pflicht besteht und welchen konkreten Inhalt diese Pflicht hat (siehe im Folgenden unter b)), kann sich mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung auch weiterhin nur aus der Rechtsprechung ergeben. Das Verfahren zur Geltendmachung der Pflichtverletzung und dadurch bedingt auch die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung richten sich in der Praxis allerdings regelmäßig nach sec. 212 IA 1986 (siehe im Folgenden unter c) und d)). a) Sachlicher Anwendungsbereich Im Gegensatz zur Pflichtverletzung der Liquidatoren sowie den ss. 213 f. IA 1986 kann die Haftung der Geschäftsführer für eine Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen grundsätzlich auch außerhalb eines winding up geltend gemacht werden. Die Geschäftsführerpflichten der ss. 170 ff. CA 2006 sind vielmehr als allgemeine Pflichten gegenüber der Gesellschaft während der gesamten Amtszeit ausgestaltet. Sie obliegen dem Geschäftsführer ab dem Wirksamwerden seiner Bestellung 375 und enden grundsätzlich mit seiner Abberufung376.
372
Department for Trade and Industry, Explanatory Notes to Companies Act 2006, S. 51, Rn. 332. 373 Siehe auch HL Debs, Band 678, col. 244, 6. Feb. 2006 (Grand Committee), Lord Goldsmith. 374 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. 375 Lindgren v L & P Estates Ltd. [1968] Ch, S. 572, 573. 376 Siehe jedoch die gesetzliche Ausnahme gemäß sec. 170 (2) CA 2006 hinsichtlich der Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten sowie hinsichtlich der Pflicht durch Dritte gewährte Vorteile nicht anzunehmen.
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III. Englische Rechtslage
b) Haftender Personenkreis Eine Haftung für die Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen kommt naturgemäß nur für die Personen in Betracht, denen eine solche Pflicht obliegt. Sec. 170 (1) CA 2006 stellt für die in den ss. 171 ff. CA 2006 aufgeführten gesetzlichen Pflichten klar, dass sie dem Geschäftsführer der Gesellschaft obliegen377. Der Begriff des Geschäftsführers („director“) wird auch im CA 2006 legaldefiniert und umfasst ebenso wie im Rahmen des IA 1986378 sämtliche Personen, die die Position des Geschäftsführers innehaben, unabhängig von ihrer Bezeichnung 379. Sec. 170 (5) CA 2006 ergänzt den Kreis der Verpflichteten ebenfalls um shadow directors 380. Unter dem Begriff des shadow directors versteht der CA 2006 eine Person, auf deren Anweisungen und Empfehlungen die Geschäftsführer der Gesellschaft handeln381. Da dieser Einfluss des shadow director nicht sämtliche Belange der Geschäftsleitung umfassen muss 382, obliegen die Geschäftsführerpflichten dem shadow director nur in dem Maße, in dem er auf die Geschäftsführung Einfluss genommen hat 383. Darüber hinaus nimmt sec. 251 (3) CA 2006 juristische Personen explizit von der Pflichtenbindung gemäß ss. 170 ff. CA 2006 aus. In einem solchen Falle obliegen allein den Geschäftsführern der abhängigen Gesellschaft die allgemeinen Geschäftsführerpflichten384. Die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen ist jedoch in der Aufzählung der ss. 170 ff. CA 2006 nur indirekt und mit Verweis auf die Regeln des common law enthalten385. Dementsprechend ist in erster Linie der Rechtsprechung zu entnehmen, wem die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen obliegt. Die Rechtsprechung erstreckt die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen nicht nur auf for-
377
Sec. 170 (1) CA 2006: „owed by a director of a company“, (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 378 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. b). 379 Sec. 250 CA 2006. 380 Sec. 170 (5) CA 2006: „The general duties apply to shadow directors where, and to the extent that, the corresponding common law rules or equitable principles so apply“. Siehe diesbezüglich Ultraframe (UK) Ltd. v Fielding [2005] EWHC 1638 (Ch), Rn. 1279 ff., eine Erstreckung auf shadow director befürwortend. A.A. Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870 ff. 381 Sec. 251 (1) CA 2006. Siehe auch Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch D, S. 340, 352, CA. 382 Secretary of State for Trade and Industry v Deverell [2001] Ch D, S. 340, 354. 383 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 514. 384 Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 514. 385 Siehe hierzu bereits oben unter III. 4.
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
169
melle Geschäftsführer386, sondern ebenso wie bereits sec. 170 (5) CA 2006 auf shadow directors 387. Darüber hinaus erstreckt die Rechtsprechung die dem formalen Geschäftsführer obliegenden Pflichten auch auf de facto Geschäftsführer388. Als haftende Personen kommen darüber hinaus die Liquidatoren der Gesellschaft in Betracht, die gerade zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft und erst nachrangig zugunsten der Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen zu verwerten haben389. c) Wesentliche Haftungskriterien Die Rechtsprechung hat bislang keine eindeutigen Kriterien einer Haftung für die Verletzung der Geschäftsführerpflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen entwickelt. Gerade hinsichtlich des Zeitpunktes, ab wann eine derartige Pflicht besteht und welchen konkreten Inhalt diese Pflicht haben soll, äußert sich die Rechtsprechung nur äußerst vage. Dennoch lassen sich der Rechtsprechung, unter ergänzender Heranziehung der Literatur, einige, wenn auch nur wenige, haftungsbegründende Kriterien entnehmen, so im Hinblick auf den Inhalt der Pflicht (siehe im Folgenden unter (1)), deren Auslöser (siehe im Folgenden unter (2)), den relevanten Maßstab, an dem das Handeln des Geschäftsführers zu messen ist (siehe im Folgenden unter 3)) sowie hinsichtlich der Pflichtenbindung (siehe im Folgenden unter 4)). (1) Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen Die englische Rechtsprechung geht von dem nunmehr in sec. 172 CA 2006 kodifizierten Grundsatz aus, dass die Geschäftsführer im Rahmen ihrer Pflichten grundsätzlich den Erfolg der Gesellschaft im Interesse der Gesellschafter als finanzielle Träger der Gesellschaft zu fördern haben390. Unter Umständen, so die einhellige Auffassung der Rechtsprechung kann sich diese Pflicht jedoch zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft verschieben. Diese Verschiebung geht auf australische Rechtsprechung zu-
386
Siehe nur Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. 387 Siehe nur Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884. 388 Siehe Canadian Land Reclaiming and Colonizing Co, Re (1880) 14 Ch D, S. 660 ff.; Secretary of State for Trade and Industry v Tjolle [1998] BCC, S. 282, 288 ff. 389 Siehe zu den Pflichten des liquidators bereits oben unter III. 1. g) (3) und (4). 390 Siehe nunmehr sec. 172 CA 2006. Siehe auch Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285.
170
III. Englische Rechtslage
rück391, die wenig später von englischen Gerichten übernommen wurde392. Hintergrund dieser Pflicht ist die zutreffende Annahme, dass die mit einer werbenden Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken sich mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss von den Gesellschaftern auf die Gläubiger verlagern. Die Gläubiger treten somit ab einem bestimmten Zeitpunkt an die Stelle der Gesellschafter als finanzielle Träger der Gesellschaft 393. Somit wird ihr Vermögen und nicht mehr das der Gesellschafter, mediatisiert durch die Gesellschaft, von den Geschäftsführern verwaltet394. Die Rechtsprechung differenziert nicht danach, dass die jeweiligen Interessen der unterschiedlichen Gläubigergruppen divergieren können395. Vielmehr haben die Geschäftsführer eine Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der Gläubigergesamtheit 396, auch wenn diese in der Regel kaum einheitlich zu bestimmen sein dürften397. Sollten somit nur Interessen einzelner Gläubiger verletzt werden, so begründet dies keine Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen im Sinne der „West Mercia“-Rechtsprechung 398. Dies gilt gerade auch für die Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Gläubiger399. Der gemeinsame Nenner sämtlicher Gläubigerinteressen dürfte allerdings regelmäßig die Befriedigung ihrer Forderungen gegenüber der Gesellschaft sein400. Eine Pflichtverletzung wird somit dadurch begründet, dass die Geschäftsführer die Folgen ihrer Entscheidung auf die Befriedi391
Die wohl erstmalige Anerkennung einer solchen Pflicht findet sich in der Entscheidung des australischen High Court in Walker v Wimborne, (1976) 137 CLR, S. 1 ff. Siehe auch die in der englischen Rechtsprechung viel zitierte Entscheidung des New South Wales Court of Appeal in Kinsela v Russell Kinsela Pty Ltd. (1986) 4 ACLC, S. 215 ff. 392 Zur erstmaligen Berücksichtigung eines englischen Gerichts, allerdings im Rahmen eines obiter dictum, siehe Lonrho Ltd. v Shell Petroleum Co Ltd. [1980] 1 WLR, S. 627, 634. 393 Keay, Directors’ Responsibilities, S. 181 f., 201. Siehe auch Kinsela v Russel Kinsela Pty Ltd. (1986) 4 ACLC. S. 215, 221; Brady v Brady (1987) 3 BCC, S. 535, 552; Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 286 f. 394 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33 unter Berufung auf Kinsela v Russel Kinsela Pty Ltd. (1986) 4 ACLC. S. 215, 221. 395 Siehe nur Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285 f. 396 Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285 f.; MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 245 f. 397 Auf die diesbezüglichen Schwierigkeiten hinweisend Keay, Directors’ Responsibilities, S. 234 ff. 398 Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 286; Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884 f. 399 Cheffins, Company Law, S. 338; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 237. A.a. Winkworth v Edward Baron Development Ltd. [1987] 1 All ER, S. 114, 118. 400 So auch Keay, Directors’ Responsibilities, S. 225.
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gungsmöglichkeit der Gläubiger nicht bedacht haben401. Dies hat die Rechtsprechung unter anderem dann angenommen, wenn ein Geschäftsführer im Wissen um die Überschuldung der Gesellschaft eine eingehende Forderung dazu verwendet, offene Verbindlichkeiten zu tilgen, für die der Geschäftsführer eine persönliche Garantie übernommen hatte. Die Zahlung diente somit vorrangig der Verringerung der Garantiesumme zugunsten des Geschäftsführers402. Auch die Übertragung von Gesellschaftsvermögen auf eine andere Gesellschaft, um es dem Zugriff der Gläubiger zu entziehen403, stellt ebenso eine Pflichtverletzung dar wie der Abschluss eines für die Gesellschaft nachteiligen Vergleichs mit der Folge der Insolvenz der Gesellschaft 404. Schließlich verletzt der Geschäftsführer auch dann seine Pflicht, sofern er mehrere Zahlungen zu eigenen Gunsten veranlasst, auch wenn diese der Tilgung eines gewährten Darlehns dienen405. Den der Rechtsprechung zu entnehmenden Pflichtverletzungen gemeinsam ist somit zumindest eine Zahlung des Geschäftsführers aus dem Gesellschaftsvermögen zu gesellschaftsfremden (eigenen) Zwecken in einer finanziell schwierigen Lage der Gesellschaft 406. Allerdings liegt nicht bereits in jeder Zahlung in Insolvenznähe eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers. Zahlungen im Rahmen eines zentralen cash management-Systems zugunsten anderer Konzerngesellschaften stellen beispielsweise trotz schwieriger finanzieller Lage der Gesellschaft dann keine Pflichtverletzung dar, wenn die Zahlungen der Sicherung des Fortbestandes des Konzerns dienen sollen407. Hinter letzterer Entscheidung steht das Kernargument der englischen Rechtsprechung, dass eine, wenn auch risikoreiche, Fortsetzung der werbenden Tätigkeit dem Interesse der Gläubiger eher dient als eine sofortige Abwicklung der Gesellschaft 408.
401
Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 887. 402 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33. 403 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870 ff. 404 Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885 ff. 405 Cityspan Ltd., Re [2008] BCC, S. 60, 66; siehe auch Official Receiver v Stern [2002] 1 BCLC, S. 119, 129 ff.; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903 f. 406 Zur Frage, ob eine Pflichtverletzung ein Wissen bzw. Wissenmüssen des Geschäftsführers um die finanzielle Lage der Gesellschaft voraussetzt, siehe ausführlich im Folgenden unter III. 4. c) (3). 407 Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228. 408 Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228. Siehe auch bereits oben unter III. 2. c) (2).
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III. Englische Rechtslage
(2) Maßgeblicher Auslöser der Pflicht Die Verschiebung zwischen Gesellschafter- und Gläubigerinteresse, die die Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen letzterer begründet, wird besonders im Rahmen einer Insolvenz deutlich. Daher ist es ganz einhellige Auffassung der Rechtsprechung, dass im Falle der Insolvenz einer Gesellschaft die Pflicht im Interesse der Gesellschaftergesamtheit zu handeln durch die Pflicht, die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen, verdrängt wird409. Wann eine Gesellschaft insolvent ist, lässt sich sec. 123 IA 1986 entnehmen. Dieser nennt als Anknüpfungskriterien sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung410, die mittels eines cash flow test oder eines balance sheet test bestimmt werden411. Unklar ist jedoch, ab wann bereits im Vorfeld einer Insolvenz von einer derartigen Interessenverschiebung auszugehen ist. Der Rechtsprechung lässt sich entnehmen, dass unter Umständen bereits bei „zweifelhafter Solvenz“ oder am „Rande einer Insolvenz“ die Interessen der Gläubiger maßgeblich zu berücksichtigen sein können412. Aus wiederum anderen Entscheidungen lässt sich schließen, dass bereits dann eine Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen angenommen werden kann, wenn durch eine Entscheidung der Geschäftsführer die Gefahr einer Insolvenz begründet wird 413. Ohne näher auf den wesentlichen Zeitpunkt einzugehen, stellen schließlich wiederum andere Entscheidungen nur auf finanzielle Schwierigkeiten der Gesellschaft ab414. Mangels einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem für die Pflichtentstehung wesentlichen Zeitpunkt lässt sich der Rechtsprechung allein entnehmen, dass eine Pflicht unter Umständen bereits im Vorfeld einer Insolvenz bestehen kann. Eindeutige Kriterien, wann dies der Fall ist, lassen sich der Rechtsprechung jedoch nicht entnehmen. Insbesondere bleibt offen, ob die Pflicht allein an die 409
Siehe nur Horsley & Weight Ltd., Re [1982] 3 All ER, S. 1045, 1054 f.; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285. 410 Zur Annahme einer Geschäftsführerpflicht bei Zahlungsunfähigkeit, siehe Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 267; Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 898. Zur Annahme einer Geschäftsführerpflicht bei Überschuldung, siehe Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 878. 411 Sec. 123 IA 1986. Siehe ausführlich hierzu bereits oben unter III. 1. g) (4). 412 Siehe nur Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 886, 906; Brady v Brady (1987) 3 BCC, S. 535, 552; vgl. auch Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228. 413 Siehe Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33 in Abgrenzung zur Entscheidung in Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Services Ltd. [1983] Ch, S. 258 ff. 414 Siehe Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228; MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 245 f.
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Insolvenz knüpft oder ein Wissen beziehungsweise Wissenmüssen des Geschäftsführers um die bedrohliche finanzielle Lage voraussetzt. In der Literatur wird in Anlehnung an sec. 214 IA 1986 vorgeschlagen, die Begründung der Treuepflicht an den Zeitpunkt zu knüpfen, ab dem die Geschäftsführer wussten oder hätten wissen müssen, dass ihr Handeln in die Insolvenz führen könnte415. Dies findet seine Stütze unter anderem in der Entscheidung „West Mercia Safetywear v Dodd“, in der explizit darauf hingewiesen wird, dass der Geschäftsführer um die Insolvenz seiner Gesellschaft wusste416. Auch in nachfolgenden Entscheidungen wird jeweils darauf hingewiesen, dass der Geschäftsführer von der Insolvenz wusste417. Dennoch findet sich in den Entscheidungen kein klarer Hinweis, dass erst das Wissen um die Insolvenz die Pflicht auslöst. Erst recht findet sich kein Hinweis darauf, dass das Wissenmüssen des Geschäftsführers um eine drohende Insolvenz zur Pflicht des Geschäftsführers führt, die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen. Allerdings dürfte es in einer nachträglichen Bewertung der relevanten Situation nur einen geringen Unterschied machen, ob man objektiv auf die Insolvenz beziehungsweise drohende Insolvenz der Gesellschaft abstellt oder aber darauf, ob der Geschäftsführer hiervon hätte wissen müssen. Dennoch ist es aufgrund des Gleichlaufs mit der Haftung für wrongful trading vorzugswürdig auf das Wissenmüssen des Geschäftsführers auch im Rahmen der common law Haftung abzustellen418. (3) Relevanter Maßstab Ob der Geschäftsführer seine Pflicht verletzt hat, bemisst sich nach der Entscheidung „Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd.“ danach, ob eine ordentliche und gewissenhafte Person in der Position des Geschäftsführers vernünftigerweise davon ausgehen konnte, dass die in Frage stehende Entscheidung zugunsten der Gläubiger getroffen wurde419. Ebenso wie im Rahmen einer Haftung für wrongful trading 415
Finch, in: Clarke, Current Issues in Insolvency Law, S. 87, 106; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 204 ff., 215 ff. 416 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33. 417 Siehe Cityspan Ltd., Re [2008] BCC, S. 60, 66; MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 247 f.; Official Receiver v Stern [2002] 1 BCLC, S. 119, 130; Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 907. 418 Keay, Directors’ Responsibilities, S. 204 f. 419 Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 909; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 277 ff. Siehe auch Charterbridge Corporation Ltd. v Lloyds Bank Ltd. [1970] Ch, S. 62, 74; Extrasure Travel Insurances Ltd. v Scattergood [2003] 1 BCLC, S. 598, 619, die allerdings jeweils solvente Gesellschaften betrachten.
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weisen die Gerichte jedoch auf die Gefahr einer nachträglichen Beurteilung der Situation zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung hin420. Dementsprechend zurückhaltend sind auch hier die Gerichte, ihre Einschätzung der Situation statt der Einschätzung der Geschäftsführer heranzuziehen, zumindest sofern die Geschäftsführer gutgläubig gehandelt haben421. (4) Pflicht gegenüber der Gesellschaft – Entlastungsmöglichkeit Die Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der Gläubigergesamtheit ist nicht den Gläubigern direkt geschuldet, sondern vielmehr der Gesellschaft als Teil der allgemeinen Treuepflichten des Geschäftsführers gegenüber seiner Gesellschaft 422. Die Gläubigerinteressen, so die einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, werden durch die Gesellschaft mediatisiert423. Als Hauptargumente für eine solche Mediatisierung werden in der Literatur die Gleichbehandlung der Gläubiger sowie die Vermeidung eines Wettlaufs der Gläubiger im Falle einer Inanspruchnahme der Geschäftsführer angeführt424. Bildet die Pflicht der Geschäftsführer zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen einen Teil der allgemeinen Treuepflichten des Geschäftsführers gegenüber seiner Gesellschaft, so stellt sich die Frage, ob die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführer entlasten kann. Dies ist im common law grundsätzlich möglich425 und findet seinen gesetzlichen Niederschlag unter anderem in sec. 239 CA 2006. Dass diese Entlastungsmöglichkeit jedoch in den Fällen keine Anwendung finden kann, in denen die Interessen der Gläubiger eine zunehmende Rolle spielen, ergibt sich 420
Siehe Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228 f.; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 279 f. 421 Siehe Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. [2003] BCC, S. 885, 906; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 279 f.; Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218, 228 f. 422 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884 f.; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285 f. Siehe auch Prentice, (1990) 10 OJLS, S. 265, 275; Sealy, in: Ziegel, Current Devepopments, S. 485, 486. A.A. Winkworth v Edward Baron Development Ltd. [1987] 1 All ER, S. 114, 118. 423 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33 unter Berufung auf Kinsela v Russel Kinsela Pty Ltd. (1986) 4 ACLC. S. 215, 221; Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884; Prentice (1990) OJLS, S. 265, 275 f.; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 266 f. 424 So Prentice (1990) 10 OJLS, S. 265, 276; Keay, Directors’ Responsibilities, S. 254 ff., 264 ff. 425 Siehe Hogg v Cramphorn Ltd. [1967] Ch, S. 254, 269; Bamford v Bamford [1970] Ch, S. 212 ff.; Aveling Barford Ltd. v Perion Ltd. [1989] 5 BCC, S. 677, 682; Official Receiver v Stern [2002] 1 BCLC, S. 119, 129. Siehe auch Multinational Gas and Petrochemical Co v Multinational Gas and Petrochemical Servides Ltd. [1983] Ch, S. 258, 280 ff. bezüglich einer Entlastung für Fahrlässigkeit.
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bereits aus der Entscheidung „West Mercia Safetywear v Dodd“426. Werden in einer solventen Gesellschaft die Interessen der Gesellschaft durch die Interessen der Gesellschaftergesamtheit als deren finanzielle Träger repräsentiert, so könne die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführer entlasten427. Treten jedoch mit zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft die Gläubiger an die Stelle der Gesellschaftergesamtheit als finanzielle Träger der Gesellschaft, so liegt es auf der Hand, dass eine Entlastung der Geschäftsführer durch die Gesellschafter ausscheidet 428. Besteht demnach aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft eine Pflicht der Geschäftsführer zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen, so kann die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführer nicht entlasten. d) Verfahren – misfeasance proceedings, sec. 212 IA 1986 Im weit überwiegenden Teil der Entscheidungen, die eine Haftung des Geschäftsführers für eine Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen beinhalten, befand sich die betroffene Gesellschaft bereits in einem winding up. Im Rahmen eines solchen findet sec. 212 IA 1986 Anwendung 429. Sec. 212 IA 1986 dient der Geltendmachung der Rechte der Gesellschaft aufgrund von Fehlern430 der mit der Geschäftsführung oder Abwicklung betrauten Personen431. Hierbei begründet sec. 212 IA 1986 jedoch keinen eigenständigen Anspruch der Gesellschaft. Sie stellt vielmehr eine verfahrensrechtliche Erleichterung der Geltendmachung der Ansprüche der Gesellschaft dar, die bereits im Vorfeld eines Liquidationsverfahrens oder aber während eines solchen entstanden sind 432. Individuelle Rechte einzelner Gläubiger können somit nicht im 426
Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33 unter Berufung auf Kinsela v Russell Kinsela Pty Ltd. (1986) 4 ACLC, S. 215 ff. Siehe auch Official Receiver v Stern [2002] 1 BCLC, S. 119, 129. 428 DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 908; Official Receiver v Stern [2002] 1 BCLC, S. 119, 129. 429 Siehe sec. 212 (1) IA 1986. 430 Siehe Sec. 212 (1) IA 1986: „a person […] has misappllied or retained, or become accountable for, any money or other property of the company, of been quilty of any misfeasance or breach of any fiduciary or other duty in relation to the company“. 431 Sec. 212 (1) und (3) IA 1986. Siehe auch IA 1986 Sch. B1 para 75 bzgl. eines Verfahrens gegen einen administrator. 432 Home & Colonial Insurance Co, Re [1930] 1 Ch, S. 102, 132; B Johnson & Co (Builders) Ltd., Re [1955] Ch, S. 634, 648; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 905; Cohen v Selby [2001] 1 BCLC, S. 176, 183; Eurocruit Europe Ltd., Re [2007] EWHC 1433 (Ch). Siehe auch Fletcher, The Law of Insolvency, Nrn. 27-020 f.; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 689 f. 427
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Wege der misfeasance proceedings geltend gemacht werden433. Dennoch wird ein Verfahren nach sec. 212 IA 1986 nicht im Namen der Gesellschaft beantragt, sondern im Namen des Antragsstellers434. Gemäß sec. 212 (3) IA 1986 kann das Gericht auf Antrag das Verhalten sämtlicher mit der Geschäftsführung beauftragter Personen, auch solcher im Rahmen einer Liquidation beauftragter Personen, untersuchen und sofern es eine Pflichtverletzung feststellt, diese zur Rückzahlung etwaiger Gelder oder zum Schadensersatz verurteilen. Dementsprechend richtet sich nicht nur das Verfahren nach sec. 212 IA 1986, sondern auch die Rechtsfolge einer im Rahmen des Verfahrens festgestellten Pflichtverletzung435. (1) Antragsbefugnis Misfeasance proceedings werden auf Antrag eröffnet. Ein solcher Antrag muss neben allgemeinen Angaben, wie dem Namen der Parteien, eine Begründung enthalten436, die in der Regel durch eine eidesstattliche Erklärung unterstützt wird437. Sowohl der official receiver, der liquidator als auch jeder Gläubiger oder contributory ist nach sec. 212 (3) IA 1986 berechtigt, einen Antrag zur Untersuchung der Geschäftsführung zu stellen438. Sec. 79 (1) IA 1986 definiert als contributory jede Person, die im Rahmen eines winding up dazu verpflichtet ist, Zahlungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu leisten sowie sämtliche Personen, bei denen eine Beitragspflicht vermutet oder behauptet wird439. Hierzu zählen gemäß sec. 74 (1) IA 1986 insbesondere nachschusspflichtige Gesellschafter, aber auch solche Gesellschafter, deren Einlage bereits voll erbracht wurde440. Bei letzteren ist der zu zahlende Betrag jedoch gleich null441. 433
Siehe nur Hill’s Waterfall Estate Co, Re [1896] 1 Ch, S. 947 ff. Siehe sec. 212 (3) IA 1986: „on the application of the […] liquidator“. Siehe zur Antragsbefugnis im Folgenden. 435 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33; Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884. Aufgrund der verfahrensrechtlichen Besonderheit der sec. 212 IA 1986 und der sich hieraus ergebenden Rechtsfolgeregelung wird die Rechtsfolge erst im Folgenden dargestellt, siehe unter III. 4. e). 436 Siehe r. 7.3 IR 1986. 437 Siehe zu den Beweismitteln im Folgenden. 438 Siehe zu den verschiedenen Funktionsträgern im Rahmen eines Abwicklungsverfahrens ausführlich oben unter III. 1. g) (3) und (4). 439 Gemäß sec. 79 (2) IA 1986 erfasst dies jedoch nicht solche Personen, die nach ss. 213 f. IA 1986 gegenüber der Gesellschaft haften. Darüber hinaus umfasst dies nicht Personen, die nach s. 212 IA 1986 haften, siehe AMF International Ltd., Re [1996] 1 WLR, S. 77 ff. 440 Siehe nur Anglesea Colliery Company, Re [1866] 1 Ch App, S. 592 ff. 441 Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 21-004. 434
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Die Antragsbefugnis wird durch die Absätze 4 und 5 dahingehend eingeschränkt, dass ein Antrag zur Untersuchung der Handlungen eines liquidators sowie ein Antrag eines contributory nur mit Zustimmung des Gerichts möglich ist. Dennoch sieht die Rechtsprechung in der Antragsbefugnis eines contributory die Möglichkeit, direkt gegen Geschäftsführer vorgehen zu können statt auf eine Klage eines Gesellschafters im Namen der Gesellschaft („derivative claim“) 442 zurückgreifen zu müssen443. (2) Darlegungs- und Beweislast Einer der wesentlichen Vorteile der misfeasance proceedings ist mit der Darlegungs- und Beweislast verbunden. Sec. 212 (3) IA 1986 sieht vor, dass das Gericht auf Antrag das Verhalten sämtlicher mit der Geschäftsführung beauftragter Personen untersuchen kann444. Das zuständige Gericht kann somit entscheiden, welche Angaben und Beweise erforderlich sind sowie in welcher Art die Beweise vorzubringen sind 445. Dies werden in der Regel eidesstattliche Erklärungen sein, sofern das Gericht nicht eine Zeugenvernehmung anordnet446. Darüber hinaus können statt einer eidesstattlichen Erklärung sämtliche im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erstellten Berichte herangezogen werden447. (3) Verfahrenskosten Die Kosten der misfeasance proceedings sind als Kosten des Abwicklungsverfahrens im Sinne von r. 4.218 (2) (a) (i) IR 2008 vorrangig aus der Masse zu tragen448. Da im Rahmen der misfeasance proceedings der Antragssteller den Antrag im eigenen Namen und nicht im Namen der Gesellschaft stellt, trägt dieser ebenso wie bei einer auf ss. 213 f. IA 1986 gestützten Klage dennoch das Risiko der Prozessfinanzierung.
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Siehe ss. 260 ff. CA 2006. Siehe Wightman v Bennett [2005] BPIR, S. 470, 473. 444 Sec. 213 (3): „The court may, on the application […], examine into the conduct“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 445 Siehe r. 7.10 (2) IR 1986. 446 Siehe r. 7.7 (1), 7.8 sowie r. 7.10 IR 1986. Siehe auch Colt Telecom Group plc (No 1), Re [2003] BPIR, S. 311 ff. 447 R. 7.9 IR 1986. Zu diesen Berichten zählen insbesondere der Bericht eines official receiver, eines administrator oder eines liquidator. 448 R. 4.218 (2) (a) (i) IR 1986. Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. f) (4). 443
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(4) Antragsfrist Grundsätzlich verjährt die Möglichkeit einen Antrag unter sec. 212 IA 1986 zu stellen sechs Jahre nach dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses. Der Zeitpunkt der Eröffnung des winding up ist somit für die Antragsfrist irrelevant 449. Geht man jedoch davon aus, dass die Stellung eines Geschäftsführers hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens mit der eines Treuhänders im Verhältnis zum trust vergleichbar ist, so ist sec. 21 Limitation Act 1980 heranzuziehen450. Sec. 21 Limitation Act 1980 regelt die Klagefrist zur Geltendmachung von Ansprüchen eines Begünstigten eines trust gegen den Treuhänder. Nach sec. 21 (3) Limitation Act 1980 kann eine solche Klage grundsätzlich innerhalb von sechs Jahren erhoben werden, sofern nicht eine der Ausnahmen des ersten Absatzes Anwendung findet. Sec. 21 (1) Limitation Act 1980 sieht keine Frist vor, sofern es sich um eine auf Arglist gestützte Klage handelt oder um eine Herausgabeklage im Hinblick auf trust-Vermögen im Besitz des Treuhänders451. Letztere unterliegt jedoch nur dann keiner Frist, sofern vor der relevanten Handlung des Geschäftsführers bereits eine Treuepflicht des Geschäftsführers hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens bestanden hat, es sich somit um einen class 1 trust handelt 452. Entsteht die Treuepflicht jedoch erst im Rahmen der in Frage stehenden Handlung, class 2 trust, so kann allein sec. 21 (1) (a) Limitation Act 1980 Anwendung finden453. Sec. 21 (1) (a) Limitation Act 1980 setzt jedoch Arglist voraussetzt. Ein Geschäftsführer kann sich somit dann nicht auf eine Fristversäumnis berufen, sofern er bereits bestehendes Gesellschaftsvermögen auf seine eigenen Konten oder auf Konten einer von ihm kontrollierten Gesellschaft transferiert454. Erzielt der Geschäftsführer im Rahmen seiner Tätigkeit für die Gesellschaft Gewinne, so handelt es sich bezüglich dieser Gewinne
449 Siehe nur Lands Allotment Co, Re [1894] 1 Ch, S. 616 ff. In dieser zu einer Vorgängervorschrift der sec. 212 IA 1986 ergangenen Entscheidung wurde ein Verfahren sieben Monate nach Eröffnung des winding up angestrengt und für unzulässig erachtet, da das haftungsbegründende Ereignis bereits acht Jahre zurück lag. 450 Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 278 f.; Gwembe Valley Development v Koshy (No 3) [2004] 1 BCLC, S. 131, 162 f. 451 Sec. 21 (1) Limitation Act 1980: „(a) in respect of any fraud or fraudulent breach of trust […] or (b) to recover from the trustee trust property or the proceeds of trust property in the posession of the trustee“. 452 Gwembe Valley Development v Koshy (No 3) [2004] 1 BCLC, S. 131, 164 ff. Siehe auch Paragon Finance plc v Thakeron & Co [1999] 1 All ER, S. 400, 408 f. 453 Gwembe Valley Development v Koshy (No 3) [2004] 1 BCLC, S. 131, 164 ff. 454 JJ Harrison (Properties) Ltd. v Harrison [2002] 1 BCLC, S. 162, 180; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 279.
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lediglich um einen sogenannten class 2 trust, sodass allein bei Arglist keine Fristbindung besteht455. (5) Weitere Möglichkeiten der Geltendmachung einer Pflichtverletzung Außerhalb des Anwendungsbereichs der sec. 212 IA 1986 kann grundsätzlich allein die Gesellschaft die Verletzung einer ihr geschuldeten Pflicht geltend machen456. Hinsichtlich der Möglichkeiten der Gesellschaft, eine Verletzung der gesetzlich geregelten Geschäftsführerpflichten geltend zu machen, als auch hinsichtlich der mit der Verletzung verbundenen Folgen verweist der CA 2006 auf das common law457. Dieses sieht insbesondere ein Verfahren zur Geltendmachung von Schäden vor, die die Gesellschaft infolge einer Pflichtverletzung erlitten hat sowie ein Verfahren zur Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens458. Darüber hinaus können auch die Gesellschafter im Rahmen einer actio pro socio die Pflichtverletzung geltend machen. Diese vormals im common law vorgesehene Möglichkeit einer sogenannten derivative claim ist nunmehr in den ss. 260 ff. CA 2006 gesetzlich geregelt. Sec. 260 (3) CA 2006 sieht ausdrücklich vor, dass auch ein Gesellschafter im Namen der Gesellschaft unter anderem die Pflichtverletzung eines Geschäftsführers, insbesondere auch eines shadow director 459 oder irgendeiner anderen Person geltend machen kann. Ein wesentlicher Nachteil sowohl der Gesellschaftsklage als auch der derivative claim besteht in der Beweislast, die hier bei der klagenden Gesellschaft beziehungsweise dem Gesellschafter selbst liegt 460. In der Literatur wird darüber hinaus erwogen, ob nicht zumindest der Gesamtheit der ungesicherten Gläubiger als Gruppe ein Klagerecht eingeräumt werden solle 461. Das hiergegen vorgebrachte Argument eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung 462 vermag gerade nicht zu überzeugen. Zum einen findet bereits de facto aufgrund unterschiedlicher Sicherungsrechte keine Gleichbehandlung der Gläubiger statt, zum anderen handelt es sich um eine Klage zugunsten einer Gläubigergruppe. Somit findet zumindest eine Gleichbehandlung innerhalb der
455
Gwembe Valley Development v Koshy (No 3) [2004] 1 BCLC, S. 131, 164 f. Foss v Harbottle [1843] 67 ER, S. 189, 192. 457 Siehe sec. 178 CA 2006. 458 Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 613 ff. 459 Siehe sec. 260 (5) (b) CA 2006. 460 Siehe sec. 261 (3) (a) CA 2006: „the evidence to be provided by the company“. 461 Finch, in: Clarke, Current Issues in Insolvency Law, S. 87, 104 ff.; dies., in: Sheikh/Rees, Corporate Governance & Corporate Control, S. 111, 129 f. 462 Prentice, (1990) 10 OJLS, S. 265, 275 f. 456
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III. Englische Rechtslage
Gruppe statt463. Schließlich wird darüber nachgedacht, den Gläubigern, ähnlich wie den Gesellschaftern, die Möglichkeit zur Geltendmachung einer derivative claim einzuräumen464 oder aber die Möglichkeit zur Geltendmachung einer unredlichen Interessenverletzung durch die Geschäftsführung im Sinne von sec. 994 CA 2006465. Diese Vorschläge wurden jedoch weder in der Rechtsprechung noch durch den CA 2006 umgesetzt. e) Rechtsfolge Die Rechtsfolge der Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen hängt vom jeweiligen Verfahren ab. Es ist insbesondere zwischen den gesetzlich geregelten misfeasance proceedings zu unterscheiden (siehe im Folgenden unter (1) und (2)) und den diversen Klagemöglichkeiten, die das common law vorsieht (siehe im Folgenden unter (3)). Da die Verletzung der „West Mercia“-Pflichten in der Regel im Rahmen von misfeasance proceedings geltend gemacht wird, liegt auch bei der Betrachtung der Rechtsfolge das Hauptaugenmerk auf dieser Regelung. (1) Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der misfeasance proceedings Gemäß sec. 212 (3) IA 1986 kann das Gericht denjenigen, dessen Verhalten hinsichtlich der Geschäftsführung im Rahmen der misfeasance proceedings durch das Gericht überprüft wurde, dazu verurteilen, einen solchen Betrag als Schadensersatz für die Pflichtverletzung zugunsten des Gesellschaftsvermögens zu leisten, den das Gericht für angemessen hält 466. Bei der Rechtsfolgenentscheidung im Rahmen von sec. 212 IA 1986 handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts467. Das Ermessen erstreckt sich hierbei, ebenso wie die Rechtsfolge des wrongful trading468, sowohl auf das Ob der Verurteilung als auch auf die Höhe des auszusprechenden Schadensersatzes. Es ist jedoch auch im Rahmen der 463
So auch Finch, in: Clarke, Current Issues in Insolvency Law, S. 87, 110. Finch, in: Sheikh/Rees, Corporate Governance & Corporate Control, S. 111, 130 f. 465 Keay, Directors’ Responsibilities, S. 276 ff. Im Rahmen von sec. 994 CA 2006 können Gesellschafter bei Gericht geltend machen, dass die Geschäfte der Gesellschaft unredlich zum Schaden der Interessen der Gesellschaftergesamtheit oder einzelner Gesellschafter geführt wurden. Das Gericht hat dann unter anderem die Möglichkeit, ein Unterlassen anzuordnen oder diesbezügliche Zivilklagen zuzulassen, siehe sec. 996 CA 2006. 466 Sec. 212 (3) (b) IA 1986. 467 Sec. 212 (3) IA 1986: „The court may […] compel him“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 468 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter III. 2. d) (1). 464
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
181
misfeasance proceedings davon auszugehen, dass die Gerichte nur dann dem betroffenen Geschäftsführer Schadensersatzzahlungen auferlegen werden, sofern die Gesellschaft durch das Verhalten des Geschäftsführers einen Verlust erlitten hat 469. Da die Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen der Gesellschaft selbst geschuldet ist und die Gläubigerinteressen durch die Gesellschaft mediatisiert werden, kann es sich bei dem zu berücksichtigenden Verlust nur um den der Gesellschaft handeln470. Der zu zahlende Schadensersatz beschränkt sich dementsprechend auf den durch die konkrete Pflichtverletzung erlittenen unmittelbaren Verlust, so beispielsweise auf den Wert des aufgrund der Pflichtverletzung entwendeten Vermögens 471, auf die pflichtwidrig aus dem Gesellschaftsvermögen geleistete Zahlung oder den durch die Pflichtverletzung erhaltenen sonstigen persönlichen Vorteil472. Wie bereits im Rahmen von wrongful trading ist der anzuordnende Schadensersatz somit rein kompensatorisch. Der Ausspruch eines Strafschadensersatzes scheidet daher auch im Rahmen der misfeasance proceedings aus. Schließlich steht es ebenfalls im Ermessen des Gerichts, den individuellen Schadensbeitrag mehrerer haftender Geschäftsführer zu berücksichtigen und somit unterschiedlich hohe Zahlungen sowie eine getrennte oder gesamtschuldnerische Haftung473 anzuordnen. Anders jedoch als im Rahmen von wrongful trading kann das Gericht im Rahmen der misfeasance proceedings den Geschäftsführer nach sec. 1157 CA 2006 entlasten474. Sec. 1157 CA 2006 bestimmt, dass das Gericht den Geschäftsführer ganz oder teilweise von einer Haftung freisprechen kann, wenn der Geschäftsführer ordentlich und gewissenhaft gehandelt hat und er unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Falles billigerweise entlastet werden sollte 475. Diese Entlastungsmöglichkeit kann sowohl von Amts wegen berücksichtigt werden als auch auf Antrag des betroffenen Geschäftsführers 476.
469
Siehe Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 441 ff., 448. 470 Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 448. 471 Cohen v Selby [2001] 1 BCLC, S. 176, 181. 472 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33 f.; MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 260 f.; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 287; Cityspan Ltd., Re [2008] BCC, S. 60, 62, 66. 473 Cavendish-Bentinck v Fenn [1887] 12 App Cas, S. 652, 661; North Australian Territory Co, Re; Archer’s Case [1892] 1 Ch, S. 323, 341. 474 Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26, 47 f.; MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 260. 475 Sec. 1157 (1) CA 2006. 476 Sec. 1157 (1) und (2) CA 2006.
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III. Englische Rechtslage
Darüber hinaus kann der zu leistende Schadensersatz gemindert werden, wenn beispielsweise eine vollumfängliche Rückerstattung eine zufällige Verlagerung eines Teils der Schadenssumme zugunsten eines Dritten bedeuten würde477. (2) Materiell Begünstigter im Rahmen der misfeasance proceedings Im Rahmen der misfeasance proceedings werden allein Ansprüche der Gesellschaft geltend gemacht. Etwaige Schadensersatzzahlungen kommen dementsprechend allein dem Gesellschaftsvermögen zu Gute478. Anders als im Rahmen von wrongful trading bilden die Zahlungen gerade keinen statutory trust zugunsten der Gläubigergesamtheit 479. Die Zahlungen werden somit von einer bereits bestehenden Sicherheit an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft erfasst, sodass in der Regel derjenige Hauptbegünstigter sein wird, der Inhaber einer floating charge ist480. Allerdings kann der Antragsteller zumindest die Kosten des Verfahrens vorrangig geltend machen481. (3) Rechtsfolge im Rahmen weiterer Verfahren Macht die Gesellschaft die Pflichtverletzung im Rahmen eines sonstigen Verfahrens geltend, so ist nach den einzelnen Verfahren zu unterscheiden. Im Rahmen einer common law Klage auf Schadensersatz, sogenannte remedy for compensation, sind die Geschäftsführer zum Ersatz des Verlustes verpflichtet, der durch die Pflichtverletzung entstanden ist482. Im Rahmen einer Klage auf Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens, sogenanntes restoration of property, wird der Geschäftsführer als Treuhänder des Vermögensgegenstandes der Gesellschaft angesehen, der durch seine Pflichtverletzung in seine Hände gelangt ist 483. Es besteht somit ein dinglicher Herausgabeanspruch gegen den Geschäftsführer. Sofern der Geschäftsführer einen Vermögensgegenstand der Gesellschaft im Widerspruch zu seinen Pflichten an einen Dritten veräußert hat, so besteht auch weiterhin ein Anspruch auf Wiederherstellung des Gesellschaftsver477
Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30, 33: „windfall to third parties“. 478 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 658. Vgl. auch Anglo-Austrian Printing and Publishing Union, Re [1895] 2 Ch, S. 891, 894. 479 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 658. 480 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 654, 658. 481 Anglo-Austrian Printing and Publishing Union, Re [1895] 2 Ch, S. 891, 893 f. Siehe nunmehr auch r. 4.218 (2) (a) (i) IR 2008. Siehe zu den Verfahrenskosten bereits oben unter III. 2. f) (4). 482 Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 614 f.. 483 Siehe nur JJ Harrison (Properties) Ltd. v Harrison [2002] 1 BCLC, S. 162 ff.
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
183
mögens gegen den Geschäftsführer484. Dieser Anspruch ist jedoch nicht mehr dinglicher Natur, sondern nur schuldrechtlicher und beschränkt auf den Vermögenswert des entzogenen Gegenstandes485. f) Konkurrenzen Die Haftung für eine Verletzung der dem Geschäftsführer obliegenden Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen tritt grundsätzlich sowohl neben die gesetzlichen Regelungen des Insolvenzrechts, so insbesondere die Haftungstatbestände der ss. 213 f. IA als auch neben die Anfechtungsrechte486. Stützen sich die unterschiedlichen Ansprüche hierbei auf ein und dieselbe Handlung, so werden die jeweiligen Zahlungen aufgrund des rein kompensatorischen Charakters der Vorschriften wechselseitig angerechnet487. Handelt es sich um unterschiedliche Handlungen, die jeweils verschiedene Ansprüche begründen sowie im Rahmen von mehreren Anfechtungsrechten angegriffen werden können, so ist eine Kumulation der Zahlungen möglich488. Eine praktische Relevanz kommt der Haftung für eine Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen insbesondere jedoch dann zu, wenn die gesetzlichen Regeln keine Anwendung finden489. g) Rechtsvergleichende Anmerkungen Zwischen der Haftung, die auf die Entscheidung „Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd“ zurückgeht und der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe finden sich auf funktionaler Ebene deutliche Parallelen. Beide Haftungen sanktionieren die Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht. Diese Pflicht besteht darin, im Vorfeld einer Insolvenz Gläubigerinteressen zu berücksichtigen, wenn auch mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen. Der hinter dieser Pflicht stehende 484
Siehe nur Bairstow v Queen’s Moat Houses plc [2001] 2 BCLC, S. 531 ff. Siehe nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 615. 486 Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff.; Pantone 485 Ltd., Re [2002] 1 BCLC, S. 266, 285; Cityspan Ltd., Re [2008] BCC, S. 60 ff.; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903. Siehe auch Griffin, Personal Liability and Disqualification of Company Directors, S. 37 f., 91; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 676 ff. Zum Verhältnis zwischen wrongful trading und einer Geltendmachung der Pflichtverletzung im Rahmen von sec. 212 IA 1986 siehe bereits ausführlich oben unter III. 2. e) und zu den Anfechtungsrechten im Folgenden unter III. 6. bis 8. 487 Siehe nur Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. 488 Siehe nur Purpoint Ltd., Re [1991] BCC, S. 121, 128 f. 489 Siehe Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff.; Facia Footwear Ltd. v Hinchliffe [1998] 1 BCLC, S. 218 ff.; MDA Investment Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217 ff. Siehe auch Keay, Directors’ Responsibilities, S. 194. 485
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III. Englische Rechtslage
Gedanke findet sich nahezu wortgleich in beiden Rechtsordnungen wieder. Beide Haftungen legen zugrunde, dass mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss und mit zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten insbesondere die durch das Gesellschaftsvermögen mediatisierten Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen sind, die die Gesellschafter als finanzielle Träger der Gesellschaft ablösen490. Dies führt auf tatbestandlicher Ebene dazu, dass die West Mercia-Haftung jedenfalls sämtliche Sachverhalte erfasst, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen491. Auf Rechtsfolgenseite führen beide Haftungen aufgrund der Pflichtenbindung gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich zu einem Ersatz des der Gesellschaft entstandenen Schadens. Trotz der grundlegenden funktionalen Parallelen in der Ausgestaltung der Pflicht, liegt der Hauptunterschied beider Haftungen im Kreis der jeweiligen Haftungsadressaten. Darüber hinaus sieht das englische Recht eine prozessuale Besonderheit vor, die unter anderem auch Auswirkungen auf die Rechtsfolge hat. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Aus der funktionalen Parallelität zwischen der Haftung für existenzvernichtende Eingriffe und der West Mercia-Haftung folgt zunächst die Übereinstimmung des jeweiligen sachlichen Anwendungsbereichs. Beide Ansprüche können jedenfalls sowohl im Rahmen einer Liquidation als auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden492. Auf prozessualer Ebene bietet das englische Recht allerdings im Rahmen eines winding up mit den misfeasance proceedings eine dem deutschen Recht unbekannte Verfahrensvereinfachung. Im Rahmen eines solchen Verfahrens ist dem Gericht eine Ermittlungsbefugnis eingeräumt, sodass insbesondere die klagende Partei von ihrer Darlegungs- und Beweislast befreit werden kann. Misfeasance proceedings sind jedoch nur innerhalb von sechs Jahren nach dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses möglich. Der Anspruch aufgrund der Pflichtverletzung unterliegt jedoch im Zweifel gar keiner Verjährung. Das deutsche Recht sieht mit einer regulär dreijährigen Verjährungsfrist eine deutlich kürzere Frist vor493. Einen Antrag auf misfeasance proceedings kann nicht nur der Insolvenzverwalter, sondern auch jeder Gläubiger stellen. Da die West MerciaHaftung an eine Verletzung der Pflicht zur Beachtung des Gesamtgläubigerinteresses anknüpft, können Gläubiger individuelle Ansprüche im Rahmen eines solchen Verfahrens jedoch nicht geltend machen. Im Gegen490 491 492 493
Siehe oben unter II. 3. c) (2) (c). Siehe zu den einzelnen Fallgruppen oben unter II. 4. d). Siehe zur deutschen Haftung oben unter II. 4. a). Siehe oben unter II. 4. i).
4. „West Mercia-Haftung“ und misfeasance proceedings
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satz zur weiten Antragsbefugnis nach englischem Recht kann im Rahmen eines deutschen Insolvenzverfahrens allein der Insolvenzverwalter einen existenzvernichtenden Eingriff geltend machen. Die Gläubiger sind bei masseloser Insolvenz oder in einer Liquidation auf eine Pfändung und Überweisung der Ansprüche der Gesellschaft verwiesen494. Schließlich können im englischen Recht grundsätzlich auch die Gesellschaft selbst sowie die Gesellschafter im Rahmen einer actio pro socio eine Pflichtverletzung außerhalb von misfeasance proceedings geltend machen. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf die Fälle, in denen mangels Masse gerade kein Insolvenzverfahren eröffnet wird. (2) Haftender Personenkreis Der Fokus der englischen Haftung liegt allerdings nicht auf den Gesellschaftern, sondern allein auf den Geschäftsführern. Letzteren obliegt die Pflicht zur Beachtung der Gläubigerinteressen. Da diese Pflicht an die Rolle der Geschäftsführer und weniger an die tatsächliche Organstellung anknüpft, obliegt die Pflicht sowohl formellen als auch faktischen Geschäftsführern. Nach deutscher Auffassung sind die Geschäftsführer hingegen nur Gehilfen bei einem bereits tatbestandlich nur von einem Gesellschafter zu begehenden existenzvernichtenden Eingriff495. Allerdings ist davon auszugehen, dass in den Fällen eines existenzvernichtenden Eingriffs die Einflussnahme der Gesellschafter auf die Geschäftsführung nach englischer Auffassung zur Stellung der Gesellschafter als shadow director, wenn nicht sogar als de facto director führt. Insofern kann auch nach englischer Auffassung die Gesellschafter eine Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen und somit eine Haftung bei Verletzung dieser Pflicht treffen. Auch wenn die englische Haftung allein an die Stellung als Geschäftsführer anknüpft, führt dies in Fällen existenzvernichtender Eingriffe somit nicht zu Unterschieden beim Kreis der haftenden Personen. Aus rechtspraktischer Sicht ist der Kreis der potentiellen Haftungsadressaten im Rahmen des englischen Haftungskonzepts aufgrund des fehlenden doppelten Vorsatzerfordernisses der Gehilfen beziehungsweise der rein objektiv ausgestalteten englischen Haftung sogar weiter als in Deutschland. Darüber hinaus sind in einer Vielzahl von Fällen der Existenzvernichtung die Gesellschafter gleichzeitig Alleingeschäftsführer der Gesellschaft 496. 494
Siehe oben unter II. 4. g). Siehe oben unter II. 4. b) und 5. 496 Siehe nur BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 495
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III. Englische Rechtslage
(3) Tatbestand Auf tatbestandlicher Ebene liegt der gemeinsame Kern sämtlicher in der englischen Rechtsprechung zu findender Entscheidungen in einer Zahlung des Geschäftsführers aus dem Gesellschaftsvermögen zu gesellschaftsfremden Zwecken in finanziell schwieriger Lage der Gesellschaft, die sich negativ auf die Interessen der Gläubiger auswirkt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Gesellschaft nach einem solchen Eingriff in die Insolvenz fällt oder eine solche vertieft wird beziehungsweise die Verteilungsreihenfolge in der Abwicklung missachtet wird. Ob die Interessen der Gläubiger auch ohne das Zusatzkriterium der Insolvenzverursachung oder -vertiefung beeinträchtigt werden, kann somit zumindest im Hinblick auf die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegenden Sachverhalte dahingestellt bleiben. Die West Mercia-Haftung erfasst jedenfalls den Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte mit der Folge der Insolvenz der Gesellschaft, der Vertiefung einer solchen oder der Verteilung des Gesellschaftsvermögens vor Tilgung oder Sicherstellung der Schulden der Gesellschaft. Da die englische Haftung auf die Pflicht zur Berücksichtigung der Folgen einer Geschäftsführungsentscheidung auf die Interessen der Gläubiger abstellt, ist die englische Haftung insbesondere nicht auf bilanziell abbildbare Maßnahmen beschränkt. Somit erfasst die englische Haftung auch bilanziell nicht oder nur unzureichend abbildbare Maßnahmen der Geschäftsführung, sofern diese die Interessen der Gläubiger beeinträchtigen. Der Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen wird somit von der englischen Haftung ebenso erfasst, wie eine Spekulation zulasten der Gläubiger oder auch Managementfehler. Schließlich vermag die englische Haftung grundsätzlich auch eine materielle Unterkapitalisierung zu erfassen. Allein das Vorliegen einer materiellen Unterkapitalisierung kann aber ebenso wenig wie im Rahmen von wrongful trading497 eine Haftung begründen, sofern die Geschäftsführer die Interessen der Gläubiger beachtet haben. Auch hier trägt wieder der englische Gedanke, dass allein eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft noch nicht zwingend die Gläubigerinteressen beeinträchtigt 498. Auf subjektiver Ebene ist die englische Haftung aufgrund ihres rein objektiven Maßstabs sogar strenger als die deutsche Haftung, die zumindest Eventualvorsatz voraussetzt499. 2005, S. 177 ff.; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. 497 Siehe oben unter III. 2. g) (3). 498 Siehe oben unter III. 2. c) (2). 499 Siehe zum Vorsatzerfordernis der Existenzvernichtungshaftung oben unter II. 4. c) (3).
5. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung
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(4) Rechtsfolgen Blickt man schließlich auf die Rechtsfolgenseite der Pflichtverletzungen, so haben die haftenden Personen sowohl im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung als auch im Rahmen der West Mercia-Haftung den der Gesellschaft durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden zu ersetzen500. Anders als im deutschen Recht steht diese Rechtsfolge für den Regelfall der misfeasance proceedings jedoch im Ermessen des englischen Gerichts. Ein weiterer rechtspraktischer Unterschied auf Rechtsfolgenseite ergibt sich daraus, dass die englischen Gerichte weitaus zurückhaltender bei der Beurteilung des durch die Pflichtverletzung entstandenen Schadens sind. Sind nach deutscher Sicht insbesondere Kollateralschäden erfasst, so ist dies mit Blick auf die englische Rechtspraxis für die West Mercia-Haftung zu verneinen. Die englischen Gerichte begrenzen die Ersatzpflicht auf den unmittelbar durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden der Gesellschaft. Mittelbare Folgeschäden werden ebenso wenig wie im Rahmen der übrigen Haftungstatbestände erfasst. Auch außerhalb der misfeasance proceedings ist die Ersatzpflicht auf den Ersatz des unmittelbar entstandenen Schadens beziehungsweise der Herausgabe der erlangten Gegenstände beschränkt. Das Ziel der Existenzvernichtungshaftung gerade auch solche Schäden zu ersetzen, die über den unmittelbar entzogenen Vermögenswert hinausgehen, wird somit in der englischen Rechtspraxis nicht erreicht.
5. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung 5. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung Außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle einer Haftung gegenüber der Gesellschaft haben sich im englischen Richterrecht keine klar umrissenen Fallgruppen entwickelt, in denen eine einseitige Ausnutzung des Haftungsprivilegs einer Ltd. durch die Gesellschafter zulasten der Gläubiger mit einer persönlichen Haftung der Gesellschafter sanktioniert wird. So hat sich insbesondere eine Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit einer Gesellschaft mit der Folge einer Haftungserstreckung auf die Gesellschafter als Fallgruppe nicht durchgesetzt. Das common law verfährt seit der Anerkennung der rechtlichen Selbstständigkeit einer Gesellschaft in der „Salomon v Salomon & Co“-Entscheidung 501 vielmehr äußerst restriktiv mit einer solchen Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit und somit
500 501
Siehe zur Rechtsfolge der Existenzvernichtungshaftung oben unter II. 4. e). [1897] AC, S. 22 ff.
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III. Englische Rechtslage
auch der Durchbrechung der Haftungsbeschränkung 502. Eine Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit einer juristischen Person allein aus Billigkeitserwägungen lehnt die Rechtsprechung ab503. In Literatur und Rechtsprechung werden jedoch unter den Stichworten „single ecomonic unit“ (siehe im Folgenden unter a)), „agency“ (siehe im Folgenden unter b)) und „mere façade“ (siehe im Folgenden unter c)) Ausnahmen vom Prinzip der rechtlichen Selbstständigkeit einer juristischen Person diskutiert, in deren Rahmen allerdings sowohl Pflichten der Gesellschaft auf den Gesellschafter erstreckt werden können als auch umgekehrt. a) Wirtschaftliche Einheit – single economic unit Als wegweisende Entscheidung hinsichtlich einer richterrechtlichen Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit einer Gesellschaft wird die Entscheidung „Adams v Cape Industries p.l.c.“504 angesehen, in der die Haftung einer Muttergesellschaft für ihre Tochtergesellschaft in Frage stand. Unter dem Argument der „single economic unit“ zieht der Court of Appeal in dieser Entscheidung die Möglichkeit in Betracht, dass unter bestimmten Umständen die rechtliche Selbstständigkeit zwischen zwei Gesellschaften in Ansehung der wirtschaftlichen Realität außer Betracht gelassen werden könne505. In der nachfolgenden Entscheidung „Ord v Belhavens Pubs Ltd.“ erteilt der Court of Appeal dem single economic unit Argument allerdings eine deutliche Absage. Das Gericht sei nicht mit wirtschaftlichen, sondern rein rechtlichen Fragen befasst und diesbezüglich seien zwei verschiedene Gesellschaften eigenständig 506. Ein Durchgriff unter Ansehung der wirtschaftlichen Einheit zwischen zwei Gesellschaften ist somit nach englischem Recht nicht möglich. b) Stellvertretung – agency Als weiteres Argument für eine Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft wird in Rechtsprechung und Literatur das „agency argument“ angeführt507. Die persönliche Haftung des Gesellschafters ergibt sich im Rahmen dieses Arguments aus der Stellung der Gesellschaft als Stellvertreter des Gesellschafters („agent“), sodass allein letzterer Haf502 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 536. Siehe auch Ord v Belhavens Pubs Ltd. [1998] 2 BCLC, S. 447 ff.; Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 879. 503 Siehe nur Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 536, 537. 504 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433 ff. 505 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 532, 535, 536. 506 Ord v Belhavens Pubs Ltd. [1998] 2 BCLC, S. 447, 456. 507 Siehe nur Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 532.
5. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung
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tungssubjekt ist508. Dass die vertragliche Einräumung einer solchen Stellvertretung grundsätzlich möglich ist, ist unbestritten509. Bereits in der „Salomon v Salomon & Co“-Entscheidung lehnten es die Richter jedoch ab, ohne eine ausdrückliche Vereinbarung eine solche Stellvertretung einer Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft anzunehmen510. Dem folgt bis heute die Rechtsprechung511, auch wenn weiterhin grundsätzlich die Möglichkeit gesehen wird aus dem Verhalten der Parteien auf eine gegenseitige Vereinbarung einer Stellvertretung zu schließen512. Allein das Vorliegen einer Einmann-Gesellschaft 513 beziehungsweise die Beherrschung einer Gesellschaft 514, die Gründung einer „Aschenputtel“-Gesellschaft 515 oder die minimale Kapitalausstattung einer Gesellschaft 516 vermögen die Annahme einer Stellvertretung nicht zu stützen517. c) „Reine Fassade“ – mere façade Der Court of Appeal stellt in „Adams v Cape Industries p.l.c.“ schließlich unter Berufung auf „Woolfson v Strathclyde Regional Council“ 518 fest, dass es eine anerkannte Ausnahme vom Verbot der Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft gebe. Dies sei dann möglich, wenn die Gesellschaft eine bloße Fassade sei, die die wahren Fakten ver508
Siehe nur Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 532, 545 ff. Schmitthoff, JBL 1976, S. 305, 307; Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 220 f. Siehe auch Southern v Watson [1940] 3 All ER, S. 439 ff.; Rainham Chemical Works v Belvedere [1921] 2 AC, S. 465 ff. 510 Salomon v Salomon & Co [1897] AC, S. 22, 42 f. 511 Siehe JH Rayner Ltd. v Department of Trade & Industry [1989] Ch, S. 72 ff.; Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 545 ff.; Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritim Ltd. [1991] 4 All ER, S. 769 ff.; Polly Peck International, Re [1996] BCC, S. 486 ff. 512 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 877 unter Berufung auf Garnac Grain Co Inc v H. M. F. Faure & Fairclough Ltd. [1968] AC, S. 1130, 1137: „The relationship of principal and agent can only be established by the consent of the principal and agent. […] The consent must, however, have been given by each of them, either expressly or by implication from their words and conduct“. 513 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 878. 514 JH Rayner Ltd. v Department of Trade & Industry [1989] Ch, S. 72, 74, 89; Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 545 ff.; Atlas Maritime Co SA v Avalon Maritime Ltd. [1991] 4 All ER, S. 769, 779. 515 Vgl. Polly Peck International, Re [1996] BCC, S. 486 ff. 516 Polly Peck International, Re [1996] BCC, S. 486, 496. 517 Siehe auch Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 220 f.; Pennington, Company Law, S. 55 ff.; Hannigan, Company Law, S. 59. 518 Woolfson v Strathclyde RC, 1978 SLT, S. 159 ff. 509
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III. Englische Rechtslage
schleiere519. Wann dies der Fall ist, lässt der Court of Appeal jedoch offen520. Zur Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit genügt jedenfalls nicht, dass ein Gesellschafter alleiniger Gesellschafter der betroffenen Gesellschaft ist, die Gesellschaft in eine Konzernstruktur eingebunden ist521 oder mit nur unzureichenden Finanzmitteln ausgestattet ist522. In der Rechtsprechung bis zum Ende der 1990er Jahre wurden als mögliche Begründungen einer Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit beispielsweise eine missbräuchliche Nutzung einer abhängigen Gesellschaft herangezogen, die wiederum keine eigene Geschäftstätigkeit entfaltet523 oder unlautere Motive bei Gründung der Gesellschaft 524. So wurde es beispielsweise als unlauter angesehen, wenn eine Gesellschaft der Umgehung bestehender Verpflichtungen der Gesellschafter diente525. Sofern die Gesellschaft tatsächlich aus unlauteren Motiven als reine Fassade des Gesellschafters diente, führte dies dazu, dass Gesellschafter und Gesellschaft als eine rechtliche Einheit behandelt wurden, sodass die jeweiligen Pflichten und/oder Verbindlichkeiten nunmehr sowohl die Gesellschaft als auch ihre Gesellschafter trafen526. Auch die Übertragung des gesamten Vermögens einer Gesellschaft auf eine weitere Gesellschaft der gleichen Gesellschafter zur Umgehung drohender Schadensersatzansprüche gegen die erste Gesellschaft führte zu einer Erstreckung der Haftung auch auf die zweite Gesellschaft 527. Die neuere Rechtsprechung ist allerdings deutlich restriktiver. Nutzt eine Gesellschaft die rechtliche Verschiedenheit zwischen ihr und ihren 519 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 539: „mere façade concealing the true facts“. Siehe auch Bugle Press, Re [1961] Ch, S. 270, 288; Littlewoods Mail Order Stores Ltd. v Inland Revenue Commissioners [1969] 1 WLR, S. 1241, 1254; Trustor AB v Smallbone and others [2001] 2 All ER, S. 987 ff.; Kensington International Ltd. v Republic of the Congo [2006] 2 BCLC, S. 296 ff. 520 Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 543. 521 Siehe Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 536 f. 543 f.; Woolfson v Strathclyde RC, 1978 SLT, S. 159 ff. 522 Polly Peck International, Re [1996] BCC, S. 486, 495. 523 Siehe Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 479, 543. 524 Siehe Gilford Motor Co Ltd. v Horne [1933] Ch, S. 935 ff.; Jones v Lipman [1961] 1 All ER, S. 442 ff.; Trustor AB v Smallbone and others [2002] BCC, S. 795, 801. 525 Siehe H and others, Re [1996] 2 All ER, S. 391 ff. (Nutzung einer Gesellschaft zum Steuerbetrug); Jones v Lipman [1961] 1 All ER, S. 442 ff. (Umgehung einer persönlichen Verpflichtung auf Eigentumsübertragung); Gilford Motor Co Ltd. v Horne [1933] Ch, S. 935 ff. (Umgehung eines Wettbewerbsverbots des Gesellschafters). Siehe auch Adams v Cape Industries plc [1990] Ch, S. 433, 544 sowie Smitthoff, JBL 1976, S. 305 ff.; Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 221 f. 526 Siehe Jones v Lipman [1961] 1 All ER, S. 391 ff.; Gilford Motor Co Ltd. v Horne [1933] Ch, S. 935, 954 ff., 961. 527 Siehe Creasey v Breachwood Motors Ltd. [1993] BCLC, S. 480, 491
5. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung
191
Gesellschaftern aus um ihren Verbindlichkeiten zu entgehen, so führt dies in der Entscheidung „Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corp of Liberia (No. 2)“ aus dem Jahr 1997 nicht zu einer Haftungserstreckung528. Das Gericht erkennt zwar zunächst grundsätzliche die Möglichkeit einer Haftung aufgrund des mere façade-Arguments an529. Im Ergebnis versagt es dennoch den Durchgriff auf die Gesellschafter, obwohl diese der Gesellschaft im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens Vermögen entzogen hatten, um den Folgen einer möglichen Verurteilung zu entgehen530. Als Gründe für die Versagung des Durchgriffs werden unter anderem angeführt, dass die Gesellschaft nicht auf Dauer der Umgehung bestehender Verpflichtungen dienen sollte 531. Die von einem solchen Vermögenstransfer negativ betroffenen Gläubiger werden vielmehr auf die Regeln des Gesellschafts- als auch Insolvenzrechts verwiesen532. Diese restriktive Linie findet in der Entscheidung „Ord v Belhaven Pubs Ltd.” des Court of Appeal aus dem Jahr 1998 ihre Bestätigung 533. Das Gericht versagt den Rückgriff auf das mere façade-Argument im Rahmen eines Vermögensentzugs unter Ablehnung der Entscheidung „Creasey v Breachwood Motors Ltd.”, in der ein Vermögensentzug zulasten der Gläubiger noch zu einer Haftungserstreckung geführt hatte534. d) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die englische Rechtsprechung thematisiert in diversen Fällen unter den Argumenten der single economic unit, der mere façade oder der agency immer wieder eine Durchbrechung der Haftungsbeschränkung im Rahmen der Ltd. Ein solches Vorgehen zur Minimierung der mit der Haftungsbeschränkung für Gläubiger verbundenen Gefahren hat sich, anders als im Rahmen der alten Existenzvernichtungshaftung und der Haftung bei Vermögensvermischung 535, im englischen Recht jedoch nicht durchsetzen können. Insbesondere in den Fällen eines Vermögensentzugs zur Umge528 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870 ff. 529 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 497. 530 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870 ff. 531 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 499 in Abgrenzung zu Jones v Lipman [1961] 1 All ER, S. 391 ff.; Gilford Motor Co Ltd. v Horne [1933] Ch, S. 935 ff. 532 Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corporation of Liberia [1998] BCC, S. 870, 884. 533 Ord v Belhaven Pubs Ltd. [1998] 2 BCLC, S. 447 ff. 534 Ord v Belhaven Pubs Ltd. [1998] 2 BCLC, S. 447, 457. 535 Siehe oben unter II. 1. b) und 4. d) (6).
192
III. Englische Rechtslage
hung bestehender oder drohender Verbindlichkeiten scheint mit den jüngsten Entscheidungen eine Haftungserstreckung endgültig nicht mehr möglich536. Allerdings hat auch die deutsche Rechtsprechung mit der „Trihotel“-Entscheidung nunmehr von einer Durchgriffshaftung zugunsten einer Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft Abstand genommen537. Die englische Rechtsprechung sieht jedoch gar keinen Ergänzungsbedarf der bestehenden Regelungen des statutory und common law. So ist zwar auch unter englischem Recht grundsätzlich eine Durchbechung der Haftungsbeschränkung denkbar, die jedoch rechtspraktisch von den Gerichten zugunsten der bestehenden gesetzlichen ex post schützenden Regelungen nicht genutzt wird538.
6. Geschäfte unter Wert – transaction at an undervalue, sec. 238 IA 1986 6. Transaction at an undervalue Den Schwerpunkt der ex post-Mechanismen des englischen Insolvenzrechts bilden die unter dem Begriff der transaction avoidances zusammengefassten Anfechtungsrechte539. Die mangels subjektiver Anforderungen wohl am einfachsten durchzusetzende Regel findet sich in sec. 238 IA 1986540. Diese Vorschrift bestimmt, dass das Gericht auf Antrag des Insolvenzverwalters bei einem zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen der Gesellschaft und einem Dritten abgeschlossenen Geschäft unter Wert die Wiederherstellung des Zustands anordnen kann, der bestehen würde, wenn die Gesellschaft das Geschäft nicht abgeschlossen hätte541. Die Vorschrift dient somit der Bewahrung beziehungsweise der Wiederherstellung des ursprünglichen Verhältnisses der Aktiva und Passiva und somit auch der Wiederherstellung der Insolvenzmasse, die vor dem in Frage stehenden Geschäft bestand 542. Da sec. 238 (3) i.V.m. sec. 241 IA 1986 dem Gericht weitreichende Möglichkeiten einräumt, diese Insolvenzmasse wiederherzu536
So auch Mülhens, Haftungsdruchgriff, S. 229. Siehe oben unter II. 3. (2) (a). 538 Davies/Worthington, Gower and Davies‘ Principles, S. 223. 539 Insgesamt stehen im Insolvenzrecht im Rahmen einer Insolvenz einer Gesellschaft acht Möglichkeiten zur Verfügung eine Vermögenstransaktion anzufechten, zu korrigieren oder deren Effekte aufzuheben: ss. 127, 128, 238, 239, 244, 245, 423 IA 1986 und sec. 874 CA 2006, wobei sec. 423 IA 1986 insoweit eine Ausnahme bildet, als dass sie nicht nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens anwendbar ist. Siehe hierzu ausführlich in deutscher Sprache Steffek, KTS 4/2007, S. 451 ff. 540 Siehe Parry, Transaction Avoidance, S. 81. 541 Sec. 238 (1) bis (3), 240, 214 IA 1986. 542 Siehe Keay/Walton, Insolvency Law, S. 605; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 522. 537
6. Transaction at an undervalue
193
stellen, dient die Vorschrift gleichzeitig als negativer Anreiz sowohl für die Gesellschaft selbst als auch für Dritte solche Vermögenstransaktionen zu vermeiden543. a) Sachlicher Anwendungsbereich Eine Anfechtung nach sec. 238 IA 1986 ist nur möglich, sofern sich die Gesellschaft entweder in einer administration oder liquidation befindet544. Letzteres ist dann der Fall, wenn die Gesellschafterversammlung einen Beschluss zu einem voluntary winding up gefasst hat oder aber ab dem Zeitpunkt eines gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses für ein winding up545. b) Tatbestand Sec. 238 (2) IA 1986 setzt voraus, dass die Gesellschaft innerhalb eines bestimmten Zeitraums (siehe im Folgenden unter (3)) mit einer anderen Person ein Geschäft (siehe im Folgenden unter (1)) unter Wert („transaction at an undervalue“) (siehe im Folgenden unter (2)), abgeschlossen hat. Subjektive Tatbestandsmerkmale enthält sec. 238 IA 1986 nicht. Eine Anfechtung scheidet jedoch bei einem gutgläubigen Handeln im Interesse der Gesellschaft aus (siehe im Folgenden unter (4)). (1) Erfasste Geschäfte Sec. 238 IA 1986 spricht von einer transaction. Dieser Begriff wird in sec. 436 IA 1986 legaldefiniert und umfasst Schenkungen, Vereinbarungen und sonstige Übereinkünfte546. Der Begriff ist somit denkbar weit zu verstehen. Dennoch lassen sich bereits aus dem Wortlaut der sec. 238 IA 1986 weitere Kriterien entnehmen. Die transaction muss mit einer anderen Person eingegangen worden sein547. Abgesehen von der Schenkung548 und gerichtlichen Beschlüssen549, 543
Amour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 46 f. Sec. 238 (1) IA 1986. Siehe zu den verschiedenen Insolvenzverfahren bereits ausführlich oben unter III. 1. g). Mangels Relevanz für die hier zu untersuchenden Sachverhalte wird auf die Besonderheiten im Rahmen eines Administrationsverfahrens nicht näher eingegangen. 545 Sec. 247 (2) IA 1986. 546 Sec. 436 IA 1986: „‚transaction‘ includes a gift, agreement or arrangement“. Siehe zu diversen Beispielen Parry, Transaction Avoidance, S. 82 ff. sowie Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 531. 547 Sec. 238 (4) IA 1986: „transaction with a person“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 548 Eine Schenkung setzt nach englischem Recht nicht zwingend einen zweiseitigen Vertrag voraus, siehe nur Hill (2001) 117 LQR, S. 127 ff. 549 Hill v Haines [2008] Ch. 412. 544
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III. Englische Rechtslage
setzt sec. 238 IA 1986 somit ein zweiseitiges Geschäft zwischen der Gesellschaft und einer anderen Personen voraus550. Insbesondere – so lässt sich der Rechtsprechung entnehmen – umfasst dies auch Ausschüttungen aus dem Gesellschaftsvermögen551. Einseitige Vereinbarungen werden hingegen ebenso wenig von der Vorschrift erfasst wie Unterlassungen552. Handelt es sich bei der Vereinbarung um ein reines Scheingeschäft, so kommt es auf den tatsächlichen Willen der Parteien an553. Ebenso sind die Gerichte gehalten, bei einer Vielzahl von verknüpften Akten beziehungsweise Verträgen den Gesamtumfang des für sec. 238 IA 1986 relevanten Geschäfts zu bestimmen554. Der Begriff transaction reicht somit weiter als der des Vertrags555 und vermag aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise heraus auch mehraktige Vorgänge zu erfassen556. Die nachteilig betroffene Gesellschaft muss jedoch zwingend Partei der für sec. 238 IA 1986 relevanten Vereinbarung sein557. Hierfür ist es bereits ausreichend, dass das in Frage stehende Geschäft zumindest als Teil eines mit der Gesellschaft geschlossenen Gesamtgeschäfts anzusehen ist 558. In der Entscheidung des House of Lords in „Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd.“ betont Lord Scott allerdings, dass es im Rahmen von sec. 238 IA 1986 nicht so sehr darum ginge, die in Frage kommende Übereinkunft der Parteien zu bestimmen als vielmehr die dazugehörige Gegenleistung559. Sowohl die Bestimmung der Gegenleistung als auch die Bestimmung der Übereinkunft führen aber letztlich auf die Konkretisierung ein und desselben in Frage stehenden Vorgangs hinaus, dessen Leistungsaustausch unangemessen ist560.
550
Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 56 ff.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 534. Siehe auch Taylor Sinclair (Capital) Ltd., Re [2001] 2 BCLC, S. 176, 184. Kritisch Ho/Mokal, (2001) 1 JCLS, S. 359, 360 ff. 551 Associated British Engineering Ltd. v IRC [1941] 1 KB, S. 15 ff.; Wigan Coal and Iron co Ltd. v IRC [1945] 1 All ER, S. 392 ff. 552 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 56 ff. 553 National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 108 f. 554 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [1999] 1 WLR, S. 2052, 2061. 555 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 63. 556 McEntire v Crossley Bros [1895] AC, S. 457, 462 f., 467; Welsh Development Agency v Export Finance Co Ltd. [1992] BCLC, S. 148, 160 ff., 185 ff. 557 Sec. 238 (4) IA 1986: „the company […] enters into a transaction“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 149 ff.; Taylor Sinclair (Capital) Ltd., Re [2001] 2 BCLC, S. 176, 184 f.; Feakins v Department for Environment, Food and Rural Affairs [2007] BCC, S. 54, 68 ff. 558 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 149 ff. 559 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 150 f. 560 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 63 f.
6. Transaction at an undervalue
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(2) Aus Sicht der Gesellschaft unangemessener Leistungsaustausch Die Gesellschaft muss ein solches Geschäfts abgeschlossen haben, dessen Bedingungen entweder zulasten der Gesellschaft keine Gegenleistung („consideration“) vorsehen oder zwar eine werthaltige Gegenleistung, deren Wert jedoch signifikant unter dem Wert der von der Gesellschaft erbrachten Leistung liegt 561. Es stellt sich zunächst die Frage, was der Begriff der consideration umfasst. In Betracht kommt sowohl eine rein vertragsrechtliche Auslegung, sodass allein die konkret versprochene Leistung umfasst wäre oder aber eine umfassendere wirtschaftliche Betrachtungsweise 562. Relevant wird dies vor allem bei solchen Geschäften, bei denen für die Gesellschaft betriebsnotwendige Güter zwar zum Marktpreis veräußert werden, die Folgen dieser Veräußerung aufgrund der Betriebsnotwendigkeit der Güter für die Gesellschaft jedoch wesentlich weiter reichen563. Der Court of Appeal lässt in der Entscheidung „Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd.“ die Frage nach einer vertragsrechtlichen Auslegung des Begriffs ausdrücklich offen564. In der nachfolgenden Entscheidung des House of Lords stellt dieses fest, dass es sich bei der Frage nach der relevanten consideration um eine rein faktische Frage handele. Hierbei sei allein die Leistung maßgeblich, deretwegen die Gesellschaft das Geschäft abgeschlossen habe 565. Somit ist allein auf die Leistung abzustellen, die, sei es ausdrücklich oder implizit, als Gegenleistung zwischen den Parteien vereinbart wurde566. Dies können allerdings auch Leistungen von nicht an der Vereinbarung unmittelbar beteiligten Dritten sein sowie Leistungen an nicht unmittelbar beteiligte Dritte567. Ebenfalls werden in Kauf genommene Nachteile als consideration angesehen, sofern diese Teil der Vereinbarung sind 568 sowie Bürgschaften und dingliche Sicherheiten, obwohl diese zum Zeitpunkt der
561
Sec. 238 (4) IA 1986. Siehe nur Treitel, in Beale, Chitty on Contracts, Bd. I, S. 255. 563 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 68 f. 564 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [1999] 2 All ER, S. 844, 853. Siehe auch Agricultural Mortgage Corporation plc v Woodward [1994] BCC, S. 688, 696 f., hier jedoch im Zusammenhang mit der insoweit gleichlautenden sec. 423 IA 1986. 565 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 150. 566 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 69. A.A. Bailey/Groves, Corporate Insolvency Law and Practice, S. 936 f. 567 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 150. 568 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 340. Siehe auch Agricultural Mortgage Corporation plc v Woodward [1994] BCC, S. 688, 696, der allerdings sec. 423 IA 1986 zugrunde liegt, die jedoch in ihrem Wortlaut mit sec. 238 (4) IA 1986 übereinstimmt. 562
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III. Englische Rechtslage
Vereinbarung in der Regel (noch) nicht zu einer Leistung führen569. Im Gegensatz zu Bürgschaften werden von der Gesellschaft bestellte charges jedoch nicht als consideration angesehen570. In Anlehnung an das Vertragsrecht werden solche Gegenleistungen nicht berücksichtigt, die erst nachträglich und nicht als Teil der ursprünglichen Vereinbarung erbracht werden571. Liegt nach Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gar keine consideration vor, so handelt es sich in jedem Fall um eine transaction at an undervalue572. Liegt jedoch eine consideration vor, so ist deren Wert im Vergleich zum Wert der Leistung der Gesellschaft für eine Anfechtbarkeit nach sec. 238 IA 1986 maßgeblich573. Dies setzt zunächst voraus, dass beide Leistungen wertmäßig in Geld bestimmbar sein müssen574. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sowohl der Begriff transaction denkbar weit zu verstehen ist als auch die relevante consideration, sodass der Wert nach den Gesamtumständen des Falles zu bestimmen ist575. Liegt der Wert der Gegenleistung dann signifikant unter dem Wert der durch die Gesellschaft erbrachten Leistung, ist eine transaction at an undervalue im Sinne der Vorschrift gegeben576. Es ist somit ein deutliches Missverhältnis der beiden Leistungen zueinander erforderlich. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass der Wert eines Vermögensgegenstandes derjenige ist, den ein informierter Käufer zu zahlen bereit wäre, also der Marktwert577. Handelt es sich bei den Parteien um 569
Parry, Transaction Avoidance, S. 88 ff.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 547 ff., beide mit dem Hinweis auf die Schwierigkeiten der Bewertung einer Bürgschaft als eine transaction at an undervalue. 570 Siehe MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 340 f. mit dem Hinweis darauf, dass in einer charge gerade keine wertmäßig bestimmbare Belastung der Gesellschaft läge. Abweichend allerdings wohl Hill v Spread Trustee Co Ltd. [2006] EWCA Civ 542. Siehe hierzu ausführlich Parry, Transaction Avoidance, S. 92 ff. 571 Roscorla v Thomas (1842) 3 QB, S. 234 ff.; McArdle, Re [1951] Ch, S. 669 ff. 572 Sec. 238 (4) (a) IA 1986. 573 Siehe nur National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 122 f.: „in percentage or proportionate terms, how much less the consideration is than the value“. 574 Sec. 238 (4) (b) IA 1986. Siehe auch MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 340: „Both values must be measurable in money or money’s worth“. 575 Agricultural Mortgage Corporation plc v Woodward [1994] BCC, S. 688, 696 f.; Barclays Bank plc v Eustice [1995] BCC, S. 978, 982 ff. Auch letzterer Entscheidungen liegt sec. 423 IA 1986 zugrunde. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 542; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 607 f., 610, 611 ff. Kritisch zu den Grundsätzen der Bewertung von Leistung und Gegenleistung Parry, Transaction Avoidance, S. 103 ff. 576 Sec. 238 (4) (b) IA 1986. 577 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 153 f.; National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 112: „a reasonable value [...] would
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gleichberechtigte Partner, das heißt, bestand kein Abhängigkeitsverhältnis zwischen ihnen, so ist grundsätzlich von der Vereinbarung des Marktpreises auszugehen578. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Bestimmung des Werts ist der Zeitpunkt der Vereinbarung 579. Ist zu diesem Zeitpunkt jedoch die Höhe der Gegenleistung nicht endgültig zu bestimmen, so erwägt das House of Lords in „Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd.“ zumindest auch die Möglichkeit nachfolgende Ereignisse mit einbeziehen zu können um den Wert zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses zu bestimmen580. Allerdings lässt sich sowohl dem Urteil selbst als auch der Literatur entnehmen, dass letztlich eine ex ante-Betrachtung allein maßgeblich ist 581. Welche konkrete Differenz erforderlich ist, um von einem „signifikant geringeren“ Wert sprechen zu können, ist nicht eindeutig von den Gerichten entschieden582. In der Entscheidung „National Westminster Bank p.l.c. v Jones“ genügt bereits eine Abweichung vom Marktpreis um 15,5 %583. (3) Maßgeblicher Zeitraum Um ein Geschäft gemäß sec. 238 IA 1986 anfechten zu können, muss die Gesellschaft dieses Geschäft in einem bestimmten Zeitraum abgeschlossen haben584. Der maßgebliche Zeitpunkt für den Geschäftsabschluss selbst ist der Zeitpunkt, zu dem das Geschäft seine Rechtswirksamkeit entfaltet585. Der für den Geschäftsabschluss im Sinne von sec. 238 IA 1986 relevante Zeitraum wird in sec. 240 IA 1986 legaldefiniert und umfasst sowohl ein temporäres als auch ein finanzielles Element. Zunächst setzt sec. 240 (1) IA 1986 voraus, dass das jeweilige in Frage kommende Geschäft innerhalb von zwei Jahren vor dem Eintritt der Insolhave put forward as the amount which the property was most likely to fetch itself upon the open market“. 578 Brabon, Re [2000] BCC, S. 1171, 1193; Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 154. 579 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 156; Ramlort Ltd. v Reid [2005] 1 BCLC, S. 331, 375. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 544; Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 76 f. 580 Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 153. 581 Siehe Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 156; Ramlort Ltd. v Reid [2005] 1 BCLC, S. 331, 375. Siehe auch Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 74 ff.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 544 ff.; Ho/Mokal, (2001) 16 BJIB & FL, S. 263, 264. 582 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 612. 583 National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 129 f. 584 Sec. 238 (2) IA 1986 i.V.m. sec. 240 IA 1986. 585 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transacitons, S. 37, 47.
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venz („onset of insolvency“) abgeschlossen wurde. Der Eintritt der Insolvenz und somit der Endpunkt des relevanten Zeitraums liegt entweder im Zeitpunkt des Eröffnungsbeschlusses eines voluntary winding up der Gesellschafterversammlung oder bei einem winding up by the court im Zeitpunkt der Stellung eines Eröffnungsantrags beim Gericht 586. Als weitere Voraussetzung sieht sec. 240 (2) IA 1986 vor, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses im Sinne von sec. 123 IA 1986 nicht in der Lage ist ihren Verbindlichkeiten nachzukommen oder aber durch den Geschäftsabschluss in eine solche Lage gerät587. Handelt es sich um ein Geschäft mit einer der Gesellschaft verbundenen Person („connected person“), so wird die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft widerleglich vermutet588. Unter den Kreis der mit der Gesellschaft verbundenen Personen fallen unter anderem Geschäftsführer oder shadow director589 oder mit diesen verwandte oder von diesen beschäftigte Personen590. Darüber hinaus werden auch verbundene Gesellschaften, das heißt sowohl Muttergesellschaften als auch Tochtergesellschaften, erfasst 591. (4) Gutgläubige Geschäfte zum Zweck der Unternehmensfortführung Eine Anfechtung nach sec. 238 IA 1986 scheidet jedoch aus, sofern die Gesellschaft das Geschäft in gutem Glauben und zum Zweck der Unternehmensfortführung abgeschlossen hat. Es muss zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses die begründete Annahme bestanden haben, dass das Geschäft der Gesellschaft zum Vorteil gereichen würde592. Hiermit eröffnet die Vorschrift einen gewissen Spielraum vor allem für solche Geschäfte, die der Sanierung der wirtschaftlich bereits angeschlagenen Gesellschaft dienen sollen593. Für den gutgläubigen Geschäftsabschluss zum Zweck der Unternehmensfortführung ist allein die Sicht des für die Gesellschaft Handelnden maßgeblich594. Dieser muss das Geschäft als für die Gesellschaft vorteil586 Ss. 240 (1) (a), (3) (e), 129 (1), (2) IA 1986. Zu den Besonderheiten der einzelnen Insolvenzverfahren siehe oben unter III. 1. g). 587 Sec. 123 IA 1986 erfasst sowohl die Zahlungsunfähigkeit i.S.v. § 17 InsO als auch die Überschuldung i.S.v. § 19 InsO. Siehe zu sec. 123 IA 1986 bereits ausführlich oben unter III. 1. g) (4). 588 Sec. 240 (2) IA 1986. 589 Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. b). 590 Ss. 240 (2), 249 (a), 435 (1), (2), (3), (4) IA 1986. 591 Ss. 240 (2), 249 (b), 435 (1), (6), (7), (10) IA 1986. 592 Sec. 238 (5) IA 1986. Für Beispiele solcher Geschäfte siehe Parry, Transaction Avoidance, S. 130. 593 Official Report: House of Commons Standing Committee E 1984–85, Cols 512-13. 594 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 554 f.; Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 78; Parry, Transaction Avoidance, S. 130.
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haft angesehen haben sowie davon ausgegangen sein, dass es der Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft dient 595. Ob eine begründete Annahme eines Vorteils für die Gesellschaft bestand, ist jedoch allein nach objektiven Kriterien aus der ex ante-Sicht der Gesellschaft zu beurteilen596. Letzteres wird regelmäßig dadurch darzulegen sein, dass eine gewissenhaft handelnde Person den Geschäftsabschluss als vorteilhaft für die Gesellschaft angesehen hätte sowie davon ausgegangen wäre, dass dies der Fortsetzung der Gesellschaft dient 597. c) Rechtsfolge Sind die Voraussetzungen der sec. 238 IA 1986 gegeben, so steht es im Ermessen des Gerichts solche Maßnahmen anzuordnen, von denen es ausgeht, dass sie die Position der Gesellschaft wiederherstellen, die bestünde, hätte die Gesellschaft das Geschäft nicht abgeschlossen (siehe im Folgenden unter (1)). Bei den anzuordnenden Maßnahmen ist das Gericht nicht allein auf die ursprünglichen Parteien des angefochtenen Geschäfts beschränkt, sondern es kann grundsätzlich auch gutgläubige Dritte mit einbeziehen (siehe im Folgenden unter (2)). Im Hinblick auf den materiell durch die Anordnung des Gerichts Begünstigten sprechen gute Gründe für eine Parallelität zu den ss. 214 und 239 IA 1986 (siehe im Folgenden unter (3)). (1) Ermessensentscheidung des Gerichts Sec. 238 (3) IA 1986 bestimmt, dass das Gericht solche Maßnahmen anordnen soll, die es für die Wiederherstellung des Zustandes, der ohne das fragliche Geschäft bestünde, für angemessen hält 598. Um diese Ausgangslage wiederherzustellen, sieht sec. 241 IA 1986 eine Vielzahl von restitutiven Maßnahmen vor. So kann das Gericht die Rückübertragung von Vermögensgegenständen und die Übertragung solcher Vermögenswerte, die die andere Partei entweder mittels aus dem Geschäft erlangten Geld oder durch den Verkauf des durch das Geschäft Erlangten erworben hat, anordnen. Allerdings ist bei letzterem darzulegen, dass der nunmehr auf die Gesellschaft zu übertragende Vermögenswert auch tatsächlich mit Mitteln erworben wurde, die aus dem ursprünglichen Geschäft stammten599. Da595
Sec. 238 (5) (a) IA 1986. Siehe auch Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 79. 596 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 79; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 555. Siehe auch Lord v Sinai Securities Ltd. [2004] 1 BCLC, S. 295, 302 f. 597 Charterbridge Corporation Ltd. v Lloyds Bank Ltd. [1970] Ch, S. 62, 74 f.; Criterion Properties plc v Stratford UK Properties LLC [2002] BCLC, S. 151, 166. 598 Sec. 238 (3) IA 1986. 599 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 561 f.
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rüber hinaus kann das Gericht die ganze oder teilweise Freistellung der Gesellschaft von gewährten Sicherheiten, die Rückzahlung von erlangten Vorteilen, das Wiederaufleben von Sicherheiten Dritter oder die zusätzliche Besicherung der angeordneten Rückzahlung anordnen600. Die Auflistung der Maßnahmen in sec. 241 IA 1986 hat jedoch allein beispielhaften Charakter601. Aus der Formulierung von sec. 238 (3) IA 1986 ergibt sich, dass sowohl das Wie als auch das Ob der Maßnahmen im freien Ermessen des Gerichts steht602. Einziges Kriterium der Ermessensausübung ist, dass die Maßnahme den status quo, der vor dem unausgewogenen und insofern angefochtenen Geschäft bestand, wiederherstellen muss 603. In der Regel bedeutet dies, dass ein aus dem Vermögen der Gesellschaft abgeflossener Vermögenswert diesem wieder zufließt604. Ziel der Maßnahmen ist daher auch nicht eine monetäre Kompensation des für die Gesellschaft eingetretenen Schadens, sondern, wenn möglich, eine Rückabwicklung des Geschäfts zur Wiederherstellung der ursprünglichen Lage605. Das Geschäft selbst wird durch die Anfechtung jedoch nicht nichtig606. Da die Gesellschaft nicht besser stehen soll als vor dem fraglichen Geschäft, muss sie unter Umständen durch das Geschäft erhaltene Vorteile zurückerstatten607. Ob durch die Rückabwicklung die Ausgangssituation
600 Sec. 241 (1) (a) bis (g) IA 1986. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 558 ff., mit zahlreichen weiteren Beispielen möglicher gerichtlicher Anordnungen. 601 Siehe sec. 241 (1) IA 1986: „Without prejudice to the generality of sections 238 (3)“. 602 Siehe sec. 238 (3) IA 1986: „make such order as the court thinks fit“. Vgl. auch Paramount Airways Ltd., Re [1993] Ch, S. 223, 239; Singla v Brown [2008] 2 WLR, S. 283 ff. 603 Sec. 238 (3) IA 1986. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 569. 604 Siehe Ramlort Ltd. v Reid [2005] 1 BCLC, S. 331, 387; Elmsbourne Security Ltd. v Manticore Holdings Ltd. [2005] EWHC 1315 (Ch); Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 154. Siehe auch die diversen Beispiele bei Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 560 ff. 605 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 82: „the court’s power is restitutionary, rather than simply compensatory“. Siehe auch Ramlort Ltd. v Reid [2005] 1 BCLC, S. 331, 386: „the court does not start with a presumption in favour of monetary compensation as opposed to setting the transaction aside and revesting the asset transferred“. 606 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 82. 607 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 154. Zur Rangfolge der hieraus resultierenden Forderung der Gegenpartei siehe nur Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 85, 86 f.
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des Geschäftspartners wiederhergestellt wird, ist grundsätzlich irrelevant608. Ist die Wiederherstellung der Ausgangslage nicht möglich, so ordnet das Gericht zumindest solche Maßnahmen an, die den status quo soweit wie möglich wiederherstellen609. In diesem Zusammenhang kann das Gericht auch die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem tatsächlichen Wert des durch die Gesellschaft Geleisteten und dem von der Gesellschaft als Gegenleistung Erlangten anordnen610. Auch hier kann das Gericht Aufwendungen der Gegenseite berücksichtigen und den zu zahlenden Betrag dementsprechend kürzen611. Ist die Ausgangslage der Gesellschaft ohne das angefochtene Geschäft schlechter als mit diesem, so hat das Gericht in der Entscheidung „MDA Investment Management Ltd., Re“ gänzlich von Maßnahmen abgesehen612. Schließlich können ab dem Zeitpunkt des in Frage stehenden Geschäfts oder ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erzielte Zinsen geltend gemacht werden613. Die Geltendmachung von Zinseszinsen scheidet jedoch aus614. (2) Von den Maßnahmen betroffener Personenkreis Bei der Anordnung der Maßnahmen ist das Gericht nicht auf die ursprünglich am Geschäft unmittelbar beteiligten Parteien festgelegt. Bedarf es zur Herstellung des Zustandes, der ohne das Geschäft bestünde, Eingriffe in das Eigentum Dritter, so ist dies grundsätzlich ebenso möglich wie Dritten zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes dementsprechende Pflichten aufzuerlegen615. Relevant wird dies in den Fällen, in denen nach dem angefochtenen Ausgangsgeschäft ein erlangter Vermögenswert, sei es durch eine Weiterveräußerung, sei es durch eine Schenkung, nunmehr im Eigentum Dritter steht.
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Lord v Sinai Securities Ltd. [2005] 1 BCLC, S. 295, 300 f. Siehe Chohan v Saggar [1994] 1 BCLC, S. 706, 713. Siehe auch Lord v Sinai Securities Ltd. [2005] 1 BCLC, S. 295 ff.; Ramlort Ltd. v Reid [2005] 1 BCLC, S. 331, 387. 610 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 154. 611 Parry, Transaction Avoidance, S. 139; Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 85; Keay, in: Rose, Restitution and Insolvency, S. 237, 250 ff. Siehe auch Weisgard v Pilkington [1995] BCC 1108; Phillips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 154. 612 MDA Investment Management Ltd., Re [2004] 1 BCLC, S. 217, 264 ff. Kritisch hierzu Bailey/Groves, Corporate Insolvency Law and Practice, S. 963. 613 Siehe nur Barton Manufacturing Co Ltd., Re [1998] BCC, S. 827, 833. 614 Barton Manufacturing Co Ltd., Re [1998] BCC, S. 827, 833. 615 Sec. 241 (2) IA 1986. 609
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Nach sec. 241 (2) IA 1986 sind Dritte jedoch dann geschützt, wenn sie den in Frage stehenden Vermögenswert gegen eine Gegenleistung und in gutem Glauben von einer anderen Person als der Gesellschaft erworben haben616. Auch kann das Gericht einer dritten Person, die nicht unmittelbar am Ausgangsgeschäft beteiligt war, nicht auferlegen einen durch das fragliche Ausgangsgeschäft gegen Gegenleistung und in gutem Glauben erhaltenen Vorteil zurückzuzahlen617. Hat der Dritte einen Vermögenswert von einer anderen Person als der Gesellschaft erworben oder einen Vorteil aus dem ursprünglichen Geschäft erhalten und handelt es sich bei ihm um eine mit der Gesellschaft verbundene Person618, so wird seine Bösgläubigkeit widerleglich vermutet619. Handelt es sich um einen außenstehenden Dritten, so wird dessen Bösgläubigkeit ebenfalls widerleglich vermutet, allerdings unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass dieser Dritte wusste, dass die Gesellschaft das ursprüngliche Ausgangsgeschäft unter Wert abgeschlossen hat und sich die Gesellschaft in einem winding up befand 620. (3) Materiell Begünstigter Ebenso wie im Rahmen von sec. 214 IA 1986 kann allein ein Insolvenzverwalter ein Geschäft unter Wert gemäß sec. 238 IA 1986 anfechten621. Dementsprechend liegt es nahe, ebenso wie im Rahmen von sec. 214 IA 1986, dass das durch die Anfechtung Erlangte nicht Teil des Gesellschaftsvermögens wird, sondern Teil eines statutory trust zugunsten der Gesamtheit der ungesicherten Gläubiger622. In der Literatur wird jedoch darauf hingewiesen, dass sämtliche diesbezügliche Rechtsprechung ausschließlich im Hinblick auf sec. 214 IA623 1986 beziehungsweise zur Anfechtung gemäß sec. 239 IA 1986624 ergangen ist und nicht hinsichtlich einer transaction at an undervalue625. Dies führt in der Literatur unter Berufung auf die jeweils unterschiedlichen 616
Sec. 241 (2) (a) IA 1986. Sec. 241 (2) (b) IA 1986. 618 Siehe zum Kreis der nahestehenden Personen bereits oben unter III. 6. b) (3). 619 Sec. 241 (2A) (b) IA 1986. 620 Sec. 241 (2A) (a), (3), (3A) bis (3C) IA 1986. 621 Siehe zur Anfechtungsbefugnis ausführlich im Folgenden unter III. 6. e) (1). 622 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 88 ff. 623 Siehe hierzu ausführlich oben unter III. 2. d) (2). 624 Siehe Yagerphone, Re [1935] Ch, S. 392, 396; MC Bacon Ltd. (No 2), Re [1990] BCC, S. 430, 434 f.; Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282 ff.; Lewis v CIR [2001] 3 All ER, S. 499, 509 f.; Exchange Travel (Holdings) Ltd. (No 3), Re [1997] 2 BCLC, S. 579 ff. Siehe zur Anfechtung gemäß sec. 239 IA 1986 ausführlich im Folgenden unter III. 8. b). 625 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 90. 617
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Zielrichtungen der jeweiligen Vorschriften dazu, dass eine direkte Anwendbarkeit der Rechtsprechungsregeln auch auf sec. 238 IA 1986 in Frage gestellt wird626. Während sec. 214 IA 1986 dem Schutz der ungesicherten Gläubiger und sec. 239 IA 1986 der Wahrung der Rangfolge in der Insolvenz diene, ziele sec. 238 IA allein auf eine Wiederherstellung des Gesellschaftsvermögens quo ante. Dementsprechend seien im Rahmen von sec. 238 IA 1986 nicht zwingend die ungesicherten Gläubiger die materiell Begünstigten627. Stellt man auf den Wortlaut von sec. 238 (3) IA 1986 ab, so müssten bei einer Veräußerung von Vermögenswerten, die von einer floating charge erfasst sind, diese wieder der floating charge zufallen um den Zustand herzustellen, der ohne das fragliche Geschäft bestünde628. Eine werbende Gesellschaft kann jedoch grundsätzlich frei über das Sicherungsgut einer floating charge verfügen629. Die Rechtsprechung führt im Rahmen von sec. 239 IA 1986 daher unter anderem an, dass im Zeitpunkt des fraglichen Geschäfts das Sicherungsgut wirksam aus der floating charge herausfalle, sodass bei einer Anfechtung durch den Insolvenzverwalter eventuelle Erlöse der Anfechtung nie Teil des Gesellschaftsvermögens werden könnten630. Hiergegen spricht wiederum der Wortlaut von sec. 241 (1) (a) und (b), der eine Rückübertragung in das Gesellschaftsvermögen vorsieht631. Eine eindeutige Stellungnahme der Rechtsprechung zu dieser Frage steht noch aus. d) Konkurrenzen Sec. 241 (4) IA 1986 sieht explizit vor, dass eine Anfechtung gemäß den ss. 238 ff. IA 1986 neben sämtliche anderen Ansprüche und Rechtsbehelfe tritt. Sollten sich die Ansprüche jedoch auf ein und dieselbe Handlung stützen, so muss eine Kumulation aufgrund des rein restitutiven Charakters
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Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 89 ff.; Parry, Transaction Avoidance, S. 639 ff., 654 ff. 627 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 90. 628 Parry, (2002) 23 Comp. Law., S. 49, 51; dies., Transaction Avoidance, S. 583; Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 37, 90. 629 Robson v Smith [1895] 2 Ch, S. 118, 124; Illingworth v Holdsworth [1904] AC, S. 335, 358. 630 Yagerphone, Re [1935] Ch, S. 392, 394. Siehe auch Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282, 289 f.; N W Robbie & Co Ltd. v Witney Warehouse Co Ltd. [1963] 1 WLR, S. 1324, 1338; MC Bacon Ltd. (No 2), Re [1990] BCC, S. 430, 434 f. Siehe hierzu auch ausführlich Parry, Transaction Avoidance, S. 639 ff., 654 ff. 631 Sec. 241 (1) (a) und (b): „to be vested in the company“, (Hervorhebung durch die Verfasserin).
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der Vorschrift ebenso wie im Verhältnis von sec. 214 IA 1986 zu sec. 239 IA 1986 oder sec. 212 IA 1986 ausscheiden632. e) Verfahren Das Verfahren einer Anfechtung gemäß sec. 238 IA 1986 birgt hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis, der Darlegungs- und Beweislast mit einigen widerleglichen Vermutungen zugunsten des Anfechtungsberechtigten sowie der Anfechtungsfrist von den allgemeinen Verfahrensregeln abwiechende Besonderheiten. Die Kosten des Verfahrens unterliegen den Regelungen der IR 1986 und deren Änderungen. (1) Anfechtungsbefugnis Gemäß sec. 238 (2) IA 1986 kann allein derjenige im Rahmen eines winding up eine Anfechtungsklage bei Gericht erheben, der das Amt des Liquidators oder Insolvenzverwalters inne hat („office holder“)633. Erhebt dieser keine Anfechtungsklage, so können hierdurch benachteiligte Gläubiger die Entscheidung des office holder vom Gericht überprüfen lassen634. Darüber hinaus müssen, ebenso wie im Rahmen von sec. 214 IA 1986635, entweder die Gläubigerversammlung oder im Rahmen einer auf Ersuchen der Gläubiger stattfindenden freiwilligen Liquidation, das Gericht einer Anfechtung zustimmen636. Im Rahmen eines winding up by the court muss das Gericht zustimmen637. (2) Darlegungs- und Beweislast Die Darlegungs- und Beweislast ruht, ebenso wie im Rahmen der ss. 213, 214 IA 1986638, auf dem Insolvenzverwalter639. Dieser hat insbesondere den Wert der Leistung und Gegenleistung darzulegen und zu beweisen640.
632 Explizit im Verhältnis zu sec. 212 IA 1986 Barton Manufacturing Co Ltd., Re [1998] BCC, S. 827 ff. Siehe zum Verhältnis von sec. 214 IA 1986 zu den übrigen Vorschriften ausführlich oben unter III. 2. e). 633 Sec. 238 (1) IA 1986: „the office-holder may apply to the court for an order under this section“. 634 Siehe sec. 168 (5) IA 1986 sowie sec. 112 IA 1986. 635 Siehe oben unter III. 2. f) (1). 636 Sec. 165 (2) (b), Sch. 4, Abschnitt 3A, IA 1986 637 Sec. 167 (1) (a) IA 1986. 638 Siehe oben unter III. 2. f) (2) und 3. e). 639 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 532 f.; Bailey/Groves, Corporate Insolvency Law and Practice, S. 956. 640 Mears v Latif [2005] EWHC 1146 (Ch), Rn. 28 ff. Die Entscheidung betrifft allerdings sec. 339 und sec. 423 IA 1986. Erstere stellt jedoch die Paralellvorschrift zu
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Handelt es sich jedoch um spekulations- beziehungsweise risikobehaftete Leistungen an die Gesellschaft, so hat der Anfechtungsgegner den Wert der risikobehafteten Leistung an die Gesellschaft darzulegen und zu beweisen641. Beruft sich der Anfechtungsgegner auf seine Gutgläubigkeit im Sinne der sec. 238 (5) IA 1986 beziehungsweise der sec. 241 (2) IA 1986642, hat er diese für ihn günstige Tatsache darzulegen und zu beweisen643. (3) Anfechtungsfrist Die Anfechtungsfrist richtet sich grundsätzlich nach sec. 8 (1) Limitation Act 1980644, sodass ein Geschäft innerhalb von zwölf Jahren anfechtbar ist. Dies gilt nicht, sofern die Anfechtung auf eine Rückerlangung von Geld zielt. Ist letzteres der Fall, so sieht sec. 8 (2) Limitation Act 1980 i.V.m. sec. 9 (1) Limitation Act 1980 eine sechsjährige Frist vor. Das Gericht hat somit den jeweiligen Zweck der Anfechtung zu ermitteln und ist hierbei gerade nicht an die jeweiligen Anträge gebunden645. Zielt die Anfechtung in erster Linie auf eine der in sec. 241 IA 1986 genannten nicht-monetären Maßnahmen und nur hilfsweise auf eine Rückerlangung von Geld, so beträgt die Frist zwölf Jahre 646. Verzögert der Insolvenzverwalter den Anfechtungsantrag übermäßig und schuldhaft, so kann sich dieser unter Umständen nicht auf die langen Anfechtungsfristen berufen647. Die Anfechtungsfrist beginnt ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des winding up, da erst ab diesem Zeitpunkt das Geschäft überhaupt angefochten werden kann648. (4) Verfahrenskosten Die Kostentragungsregeln entsprechen denen im Rahmen einer auf sec. 214 IA 1986 gestützten Klage 649. Die Verfahrenskosten einer auf sec. 238 IA 1986 gestützten Anfechtungsklage sind somit gemäß sec. 175 sec. 238 IA 1986 in einem Privatinsolvenzverfahren dar. Zu sec. 423 IA 1986 siehe im Folgenden unter III. 7. 641 Phillips v Brewin Dolphin Bell Lawrie Ltd. [2001] 1 WLR, S. 143, 153. Siehe auch Keay/Walton, Insolvency Law, S. 610; Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 26-044. 642 Siehe hierzu bereits oben unter III. 6. c) (2). 643 Barton Manufacturing Co Ltd., Re [1998] BCC, S. 827. 644 Priory Garage (Walthamstow) Ltd., Re [2001] BPIR, S. 144, 149, 160. 645 Farmizer (Products) Ltd., Re [1997] BCC, S. 655, 661 ff.; Priory Garage (Walthamstow) Ltd., Re [2001] BPIR, S. 144, 160 f. 646 Priory Garage (Walthamstow) Ltd., Re [2001] BPIR, S. 144, 160. 647 Hamblin v Field [2000] BPIR, S. 621 ff. 648 Priory Garage (Walthamstow) Ltd., Re [2001] BPIR, S. 144 ff. 649 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter III. 2. f) (4).
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III. Englische Rechtslage
(2) IA 1986 i.V.m. R. 4.218 IR 2008 vorrangig als Kosten des winding up selbst aus der Masse zu tragen650. f) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die Entwicklung der Existenzvernichtungshaftung ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass das deutsche Anfechtungsrecht für die der Haftung zugrunde liegenden Fallgestaltungen als unbefriedigend angesehen wird651. Es stellt sich mit Blick auf die englischen Anfechtungsmöglichkeiten somit die Frage, ob sie die gleichen Schwächen der deutschen Anfechtungsregelungen teilen. Betrachtet man die tatbestandliche Ebene, so stellen existenzvernichtende Eingriffe im Grunde nichts anderes dar als für die Gesellschaft nachteilige Vermögenstransaktionen. Sec. 238 IA 1986 erfasst somit grundsätzlich auch die Fallgestaltungen, die der deutschen Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. In der englischen Literatur wird eine solche für die Gesellschaft nachteilige Vermögenstransaktion sogar mit einer der wesentlichen Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung verdeutlicht. Als für die Gesellschaft nachteilige Transaktion sieht das englische Recht insbesondere solche Geschäfte an, bei denen für die Gesellschaft betriebsnotwendige Güter zwar zum Marktpreis veräußert werden, deren Folgen dieser Veräußerung jedoch aufgrund der Betriebsnotwendigkeit deutlich weiter reichen. Sec. 238 IA 1986 bietet nicht nur im Vergleich zu den übrigen englischen Anfechtungstatbeständen, sondern auch im Vergleich zur deutschen Existenzvernichtungshaftung sogar den wesentlichen Vorteil, dass der Tatbestand keinerlei subjektive Anforderungen stellt. Die in Deutschland lange Zeit ungeklärte Frage des Vorsatzerfordernisses bei existenzvernichtenden Eingriffen erübrigt sich somit im Rahmen von sec. 238 IA 1986. Der Hintergrund der Schaffung der deutschen Existenzvernichtungshaftung liegt jedoch vielmehr auf deren Rechtsfolgenseite der Anfechtungsregelungen. Das deutsche Anfechtungsrecht ist auf eine reine Rückabwicklung beschränkt und ist somit nicht in der Lage, die über den konkreten Eingriff in das Gesellschaftsvermögen hinausreichenden Kollateralschäden zu kompensieren652. Sec. 238 IA 1986 ermöglicht dem Gericht den Zustand wiederherzustellen, der ohne das angefochtene Geschäft bestünde. Geht man nun allein von diesem Wortlaut aus, so müsste die Rechtsfolge der Anfechtung weiter reichen als die reine Rückgewähr des Erlangten im Rahmen der deutschen Anfechtungsrechte, zumal die Maßnahmen, die das 650 651 652
R. 4.218 (3) IR 2008. Siehe oben unter II. 2. b) (5). Siehe oben unter II. 2. b) (5).
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englische Gericht anordnen kann, in dessen freiem Ermessen liegen. Anders als im Rahmen des gerichtlichen Ermessens der diversen englischen Haftungstatbestände, ist das Ermessen des Gerichts im Rahmen von sec. 238 IA 1986 dennoch ebenfalls auf eine reine Rückabwicklung beschränkt. Die Wirkung der Anfechtung ist rein restitutiv. So fließt in der Regel allein der von der angefochtenen Handlung betroffene Vermögensgegenstand wieder in das Gesellschaftsvermögen. Sec. 238 IA 1986 teilt somit die gleiche Schwäche im Hinblick auf existenzvernichtende Eingriffe wie die deutschen Anfechtungsregeln.
7. Betrügerische Geschäfte zulasten von Gläubigern – transactions defrauding creditors, ss. 423 ff. IA 1986 7. Transactions defrauding creditors Sec. 423 IA 1986 ermöglicht die Anfechtung von betrügerischen Geschäften zulasten der Gläubiger. Die Vorschrift zielt darauf, Schuldner davon abzuhalten ihr Vermögen außer Reichweite ihrer Gläubiger zu bringen und dient somit ebenfalls dem Gläubigerschutz653. Wie bereits sec. 238 IA 1986 knüpft auch sec. 423 IA 1986 an eine transaction at an undervalue an. Fehlt es sec. 238 IA 1986 jedoch an einer subjektiven Komponente im Tatbestand, so setzt sec. 423 IA 1986 zwingend eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung voraus. Anders als bei sec. 213 IA 1986 verhindert dieses subjektive Tatbestandselement jedoch nicht die praktische Relevanz der Vorschrift. Für sec. 423 IA 1986 allein finden sich nahezu ebenso viele veröffentlichte Entscheidungen wie für sec. 213 IA 1986 und sec. 238 IA 1986 zusammen654. Gründe für dieses zunächst überraschende Ergebnis finden sich unter anderem im Anwendungsbereich der Vorschrift. a) Sachlicher Anwendungsbereich Eine wesentliche Besonderheit der sec. 423 IA 1986 stellt ihr Anwendungsbereich dar. Im Gegensatz zu den weiteren, im Rahmen dieser Untersuchung betrachteten Anfechtungsrechten ist der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift nicht auf ein winding up beschränkt. Sec. 423 IA 1986 findet vielmehr auch außerhalb von Abwicklungsverfahren Anwendung und ist darüber hinaus nicht auf Handlungen unter Beteiligung von 653 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 95, 98 ff., 117; Keay/Walton, Insolvency Law, S. 632. Vgl. auch sec. 423 (3) IA 1986. 654 Im Rahmen einer Recherche bei Westlaw UK im Oktober 2012 fanden sich 75 veröffentlichte Entscheidungen, die sec. 213 IA 1986 behandelten sowie 139 Entscheidungen im Hinblick auf sec. 238 IA 1986 im Gegensatz zu 151 Entscheidungen im Hinblick auf sec. 423 IA 1986.
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Kapitalgesellschaften beschränkt, sondern erfasst auch Vermögenstransaktionen von Privatpersonen655. b) Tatbestand Das zentrale Tatbestandsmerkmal der sec. 423 IA 1986 bildet, ebenso wie bei sec. 238 IA 1986 eine transaction at an undervalue. Die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen von sec. 238 IA 1986 gelten somit entsprechend 656. Allerdings findet sich in sec. 423 IA 1986 keine Beschränkung der Anfechtbarkeit auf solche Geschäfte, die im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens von einer zahlungsunfähigen Gesellschaft abgeschlossen wurden beziehungsweise in deren Folge die Gesellschaft zahlungsunfähig wurde657. Nach sec. 423 IA 1986 sind vielmehr sämtliche Geschäfte anfechtbar, sofern sie die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen658. Im Unterschied zu sec. 238 IA 1986 schränkt sec. 423 (3) IA 1986 den Tatbestand jedoch auf subjektiver Seite ein, indem die Vorschrift eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung voraussetzt. Die Gesellschaft muss das Geschäft gerade zu dem Zweck abgeschlossen haben, entweder Vermögen außer Reichweite einer Person zu bringen, die eine Klage gegen die Gesellschaft anstrengt beziehungsweise möglicherweise anstrengen wird oder um in anderer Weise die Interessen dieser Person im Hinblick auf die Klage zu beeinträchtigen659. Die Anforderungen, die die Rechtsprechung an dieses subjektive Tatbestandsmerkmal stellt, sind nicht ganz eindeutig. Zunächst bestätigte der Court of Appeal eine Entscheidung, in der verlangt wurde, dass die Gläubigerbenachteiligung Hauptzweck („dominant purpose“) des in Frage stehenden Geschäfts sein müsse660. Wenig später weist der Court of Appeal jedoch darauf hin, dass die Gläubigerbenachteiligung lediglich ein wesentlicher Zweck („substantial purpose“) sein müsse statt
655
Siehe nur Keay, McPhersons’s Law of Company Liquidation, S. 714. Aufgrund der Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes sollen im Folgenden nur Anfechtungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften näher betrachtet werden. 656 Agricultural Mortgage Corporation plc v Woodward [1994] BCC, S. 688, 695; Menzies v National Bank of Kuwait [1994] BCC, S. 119, 128 f. Siehe zum Tatbestandsmerkmal der transaction at an undervalue ausführlich oben unter III. 6. b) (2). 657 Siehe zum relevanten Zeitraum des Abschlusses der transaction i.R.d. sec. 238 IA 1986 oben unter III. 6. b) (3). 658 Hierzu kritisch Stubbs, (2008) 21 Insolv. Int., S. 17, 18. 659 Sec. 423 (3) IA 1986. Im Gegensatz zu sec. 213 IA 1986 spricht sec. 423 IA 1986 insoweit von „purpose“. 660 Chohan v Saggar [1992] BCC, S. 306, 323, bestätigt durch den Court of Appeal [1994] 1 BCLC, S. 706 ff., Barclays Bank plc v Eustice [1995] BCC, S. 978, 990. Kritisch hierzu Pinewood Joinery v Starelm Properties Ltd. [1994] 2 BCLC, S. 412, 419; The Law Society v Southall [2001] EWCA Civ 2001.
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des insoweit schwerer darzulegenden Hauptzwecks661. Letzteres wird durch die Entscheidung „Inland Revenue Commissioners v Hashmi“ bestätigt, in der der Court of Appeal allein auf den wesentlichen Zweck des Geschäfts abstellt 662. Eine betrügerische Absicht in Form der Unlauterkeit im Sinne der sec. 213 IA 1986 ist somit jedenfalls keine Tatbestandsvoraussetzung663. Zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands genügt es auch, wenn Zweck des Geschäfts die Benachteiligung eines einzigen Gläubigers ist 664. Es ist jedoch nicht ausreichend, wenn es sich bei der Gläubigerbenachteiligung allein um einen Nebeneffekt des in Frage stehenden Geschäfts oder seine Folge handelt 665. Die mit der Darlegung der subjektiven Motivationslage der Gesellschaft in der Praxis verbundenen Schwierigkeiten sucht die Rechtsprechung dadurch zu vermeiden, dass diese unter Umständen aus den Gesamtumständen des Falles abgeleitet werden kann666. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen sich die Gesellschaft im Zeitpunkt des in Frage stehenden Vermögenstransfers bereits mit Klagen der Gläubiger konfrontiert sieht und nach der transaction das Vermögen nicht ausreicht, um die Ansprüche zu befriedigen667. Ebenso spricht eine gewisse Vermutung für eine Benachteiligungsabsicht, wenn im Vorfeld von wirtschaftlich riskanten Vorhaben ein Vermögenstransfer stattfindet 668. c) Rechtsfolge Gemäß sec. 423 (2) IA 1986 kann das Gericht solche Maßnahmen anordnen, von denen es ausgeht, dass sie die Position wieder herstellen, die ohne das angefochtene Geschäft bestünde und dass sie die Interessen der Person 661
Royscot Spa Leasing Ltd. v Lovett [1995] BCC, S. 502, 507. Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] BCC, S. 943, 946. Kritisch hierzu Keay [2003] The Conveyancer and Property Lawyer, S. 272, 283. 663 Arbuthnot Leasing International Ltd. v Havelet Leasing (No 2) [1990] BCC, S. 636, 644; Brabon, Re [2000] BCC, S. 1171, 1199. 664 Sec. 423 (3) IA 1986: „a person“. Siehe auch National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 120 f. 665 Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] BCC, S. 943, 949. Siehe auch Gil v Baygreen Properties Ltd. [2005] BPIR, S. 95 ff.; Random House UK Ltd. v Allason [2008] EWHC 2854 (Ch). 666 Siehe Moon v Franklin [1996] BPIR, S. 196, 204. Siehe auch Midland Bank v Wyatt [1997] 1 BCLC, S. 242, 254 f.; Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] BCC, S. 943, 952. 667 Aiglon Ltd. v Gau Shan Co Ltd. [1993] BCLC, S. 1321, 1328 f.; Royscott Spa Leasing Ltd. v Lovett [1995] BCC, S. 502, 507 f; Banca Carige SPA Cassa di Risparmio di Genova e Imperia v Banco Nacional de Cuba [2001] 2 Lloyd’s Rep, S. 147, 158 f. 668 Butterworth, Re (1881–82) LR 19 Ch D, S. 588 ff.; Midland Bank v Wyatt [1996] BPIR, S. 288 ff.; Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] BPIR 271 ff., bestätigt durch Inland Revenue Commissioners v Hashmi [2002] BCC, S. 943, 952. 662
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III. Englische Rechtslage
schützen, die von dem Geschäft nachteilig betroffen ist. Die Art als auch das Ob der Maßnahme steht im freien Ermessen des Gerichts669. Sec. 425 (1) IA 1986 enthält eine beispielhafte Auflistung der möglichen Maßnahmen, die mit denen der sec. 241 (1) IA 1986 eng verwandt sind670. Ebenso wie im Rahmen von sec. 238 IA 1986 zielen die jeweiligen Maßnahmen nicht auf eine monetäre Kompensation eines Schadens der Gesellschaft, sondern auf eine Rückabwicklung des Geschäfts zur Wiederherstellung der ursprünglichen Lage671. Auch wird im Rahmen von sec. 423 IA 1986 das angefochtene Geschäft selbst nicht nichtig672. Im Unterschied zu sec. 238 IA 1986 hat das Gericht bei der Anordnung der jeweiligen Maßnahme jedoch zusätzlich die Interessen der betroffenen Gläubiger zu berücksichtigen673. Das Gericht kann Maßnahmen nur insoweit anordnen, als der Schutz der von dem angefochtenen Geschäft Betroffenen dies erfordert674. Der Court of Appeal führt diesbezüglich in der Entscheidung „Chohan v Saggar“ aus, dass das Gericht das durch das angefochtene Geschäft verlorene Vermögen des Schuldners wiederherzustellen habe, um so denjenigen Gläubigern, die von dem Geschäft benachteiligt wurden, den Zugriff auf dieses Vermögen wieder zu ermöglichen675. Sec. 425 (2) IA 1986 ermöglicht schließlich die Erstreckung der Maßnahmen auch auf das Vermögen unbeteiligter Dritter, sieht jedoch, wie bereits sec. 241 (2) IA 1986676, den Schutz gutgläubiger Dritter vor677.
669
Sec. 423 (2) IA 1986: „the court may […] make such order“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch Griffin v Awoderu [2008] EWHC 349 (Ch), Rn. 40; National Westminster Bank plc v Jones [2001] 1 BCLC, S. 98, 121. 670 Siehe zu letzterem ausführlich oben unter III. 6. c) (1). 671 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 95, 116; Keay, McPhersons’s Law of Company Liquidation, S. 726. Siehe hierzu ausführlich im Rahmen von sec. 238 IA 1986 oben unter III. 6. c) (1). 672 Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 95, 116. 673 Sec. 423 (2) IA 1986: „(a) restoring the position to what it would have been […] and (b) protecting the interests of persons who are victims of the transactions“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 674 Chohan v Saggar [1994] 1 BCLC, S. 706, 714; Arbuthnot Leasing International Ltd. v Havelet Leasing (No 2) [1990] BCC, S. 636, 645. 675 Chohan v Saggar [1994] 1 BCLC, S. 706, 714. Siehe auch Dora v Simper [2000] 2 BCLC, S. 561, 565 f. 676 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter III. 6. c) (2). 677 Sec. 423 (2) (a) und (b) IA 1986. Siehe auch Arbuthnot Leasing International Ltd. v Havelet Leasing Ltd. (No 2) [1990] BCC, S. 636 ff.
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d) Verfahren Befindet sich die Gesellschaft in einem winding up, so kann der official receiver, der liquidator oder mit einer Genehmigung des Gerichts jede Person beim zuständigen Gericht eine Anfechtungsklage erheben678, die vom angefochtenen Geschäft betroffen ist oder betroffen sein kann („victim“) 679. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens kann derjenige die Anfechtungsklage erheben, sofern er von einem für die Gläubiger nachteiligen Geschäft betroffen ist oder betroffen sein kann680. Erhebt ein einzelner Betroffener die Anfechtungsklage gemäß sec. 423 IA 1986, so wird diese so behandelt, als ob im Namen aller Betroffenen angefochten worden sei681. Die Darlegungs- und Beweislast ruht mangels gesetzlicher Vermutungen oder Erleichterungen allein auf dem Anfechtenden682. Die Anfechtungsfrist bestimmt sich gemäß der ss. 8 und 9 Limitation Act 1980683. Im Rahmen eines winding up sind die Verfahrenskosten als vorrangige Insolvenzforderungen aus dem Gesellschaftsvermögen zu befriedigen684. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens trägt grundsätzlich die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens685. Allerdings steht im Rahmen eines Zivilverfahrens die Kostenentscheidung im freien Ermessen des Gerichts, sodass dieses von der Grundregel abweichen kann686. e) Rechtsvergleichende Anmerkungen Hinter der deutschen Existenzvernichtungshaftung steht das Ziel, die Gesellschafter davon abzuhalten das Vermögen ihrer Gesellschaft unter Ausnutzung der Haftungsbeschränkung außer Reichweite der Gläubiger der Gesellschaft zu bringen. Ist dieses Gläubigerschutzziel im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung auf eine Insolvenzverursachung oder -vertie-
678
Sec. 424 (1) IA 1986: „An application for an order under section 423“. Sec. 424 (1) (a) IA 1986 i.V.m. sec. 423 (5) IA 1986. Siehe hierzu auch ausführlich Armour, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 95, 102 ff. 680 Sec. 424 (1) (c) IA 1986 i.V.m. sec. 423 (5) IA 1986. 681 Sec. 424 (2) IA 1986. Siehe auch Hill v Spread Trustee Co Ltd. [2006] BCC, S. 646, 667. 682 Siehe nur Habib Bank Ltd. v Ahmed [2004] BPIR, S. 35 ff. 683 Hill v Spread Trustee Company [2006] BCC, S. 646, 670, 674. 684 Sec. 176 ZA IA 1986 i.V.m. rr. 4.218 ff. IR 2008. Siehe zu den Verfahrenskosten im Rahmen eines winding up bereits ausführlich oben unter III. 2. f) (4). 685 R. 44.3 (2) (a) Civil Procedure Rules 1998. 686 R. 44.3 (1), (2) (b) Civil Procedure Rules 1998. 679
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III. Englische Rechtslage
fung beziehungsweise auf eine Gesellschaft in Liquidation beschränkt687, so verfolgt sec. 423 IA 1986 das gleiche Ziel ohne eine solche Beschränkung. Darüber hinaus ist der objektive Tatbestand der sec. 423 IA 1986, der allein ein unausgewogenes Geschäft voraussetzt, deutlich weiter als der der sec. 238 IA 1986, die bereits sämtliche Fallgestaltungen existenzvernichtender Eingriffe zu erfassen vermag. Durch den zusätzlich sehr weiten Kreis anfechtungsberechtigter Personen scheint sec. 423 IA 1986 somit auf den ersten Blick einen umfassenden Schutz vor solchen Vermögenstransaktionen zu vermitteln, die für die Gläubiger nachteilig sind. Dieser Befund ist allerdings dadurch zu relativeren, dass die subjektiven Voraussetzungen der Vorschrift deutlich enger gefasst sind als der im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung erforderliche Eventualvorsatz688. Sec. 423 IA 1986 setzt als wesentlichen Zweck der transaction eine Gläubigerbenachteiligung voraus. Vor dem Hintergrund der bereits nur schwer nachweisbaren objektiven Voraussetzungen der sec. 238 IA 1986 kommt der sec. 423 IA 1986 daher nur eine geringe Bedeutung im Rahmen der Insolvenz von Kapitalgesellschaften zu689. Auf Rechtsfolgenseite zeigt sich erneut der deutliche Unterschied zwischen den diversen Anfechtungsmöglichkeiten und der Existenzvernichtungshaftung. Während die Anfechtungsrechte und somit auch sec. 423 IA 1986 allein auf eine Wiederherstellung des status quo durch eine Rückabwicklung des angefochtenen Geschäfts zielen, führt die Existenzvernichtungshaftung zu einem je nach Fallgestaltung weitreichenden Schadensersatz690.
8. Ungleiche Behandlung einzelner Gläubiger – preferences, sec. 239 IA 1986 8. Preferences Gemäß sec. 239 IA 1986 sind sämtliche Handlungen und Unterlassungen anfechtbar, die einen einzelnen Gläubiger oder Sicherungsgeber der Gesellschaft in eine bessere Lage versetzen, als dieser im Falle einer insolvenzbedingten Liquidation innegehabt hätte691. Infolge der Anfechtung kann das Gericht sämtliche Maßnahmen anordnen, die der Herstellung des Zustandes dienen, der ohne die angefochtene Bevorzugung bestanden
687 Siehe zum sachlichen Anwendungsbereich der Existenzvernichtungshaftung oben unter II. 4. a). 688 Siehe oben unter II. 4. c) (3). 689 So auch Steffek, KTS 4/2007, S. 451, 465. 690 Siehe oben unter II. 4. e). 691 Sec. 239 (4) IA 1986.
8. Preferences
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hätte692. Die Vorschrift zielt somit auf eine Wiederherstellung des Prinzips der Gleichbehandlung der Gläubiger, wenn auch nur innerhalb ihres jeweiligen Ranges 693. Anders als sec. 238 IA 1986 zielt die Vorschrift somit gerade nicht auf eine Anreicherung der Insolvenzmasse durch eine Wiederherstellung des ursprünglichen Verhältnisses der Aktiva zu den Passiva der Gesellschaft 694. Im Rahmen einer Bevorzugung wird bereits gar nicht zuungunsten der übrigen Gläubiger in dieses Verhältnis eingegriffen, da mit einer Bevorzugung einzelner Gläubiger nicht nur Aktiva vermindert werden, sondern gleichzeitig auch die Passiva der Gesellschaft 695. Darüber hinaus kommt der Vorschrift, wie sämtlichen transaction avoidances, auch eine präventive Funktion zu696. Sec. 239 IA 1986 als auch sec. 238 IA 1986 teilen sich nicht nur den sachlichen Anwendungsbereich697, sondern werden darüber hinaus durch die gleichen Vorschriften sowohl hinsichtlich ihres Tatbestandes als auch der Rechtsfolge konkretisiert. So wird auch im Rahmen der sec. 239 IA 1986 der für die Anfechtung maßgebliche Zeitpunkt durch sec. 240 IA 1986 bestimmt und die möglichen Rechtsfolgen der Anfechtung durch sec. 241 IA 1986698. Dementsprechend wird auf diese Aspekte im Folgenden nur eingegangen, soweit sich Unterschiede zu sec. 238 IA 1986 ergeben. a) Tatbestand Um ein Handeln oder Unterlassen der Gesellschaft gemäß sec. 239 IA 1986 anfechten zu können, muss die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt (siehe im Folgenden unter (3)) einen Gläubiger oder Sicherungsgeber tatsächlich bevorzugt haben (siehe im Folgenden unter (1)) und die Gesellschaft diese Bevorzugung auch gewünscht haben (siehe im Folgen-
692
Sec. 239 (3) IA 1986. Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 132 f. Siehe auch Report of the Review Committee, Insolvency Law and Practice, HMSO Cmnd. 8558 (1982), S. 282. 694 Siehe nur Goode, Principles of Corporate Insovlency Law, S. 522 f., 571. 695 Goode, Principles of Corporate Insovlency Law, S. 522 f., 571. 696 Keay/Walton, Insolvency Law, S. 598. Kritisch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 571; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 133 f., 136. 697 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter III. 6. a). Auch im Rahmen der Betrachtung von sec. 239 IA 1986 wird mangels Relevanz für den Untersuchungsgegenstand eine Anfechtung im Rahmen einer administration ausgeblendet. 698 Siehe zu beidem ausführlich oben unter III. 6. b) und c). 693
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III. Englische Rechtslage
den unter 2))699. Im Gegensatz zu sec. 238 IA 1986 reichen somit allein objektive Umstände für eine Anfechtbarkeit nicht aus. (1) Objektive Bevorzugung Die für eine Anfechtung erforderlichen objektiven Merkmale einer Bevorzugung ergeben sich aus sec. 239 (4) IA 1986. Die Gesellschaft bevorzugt eine andere Person im Sinne der Vorschrift dann, wenn diese andere Person ein Gläubiger oder Sicherungsgeber der Gesellschaft ist und die Gesellschaft durch eine Handlung oder Unterlassung dieser Person zu einer besseren Position verhilft, als sie ohne ein Handeln oder Unterlassen im Fall einer insolvenzbedingten Liquidation innegehabt hätte700. Bereits dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich entnehmen, dass eine Bevorzugung allein von Altgläubigern der Gesellschaft oder Altsicherungsgebern für Gesellschaftsschulden anfechtbar ist701. Im Zeitpunkt der Bevorzugung muss somit die Verbindlichkeit gegenüber dem Gläubiger bereits bestanden haben beziehungsweise die Sicherheit bereits bestellt worden sein702. Die Bevorzugung selbst ergibt sich gemäß sec. 239 (4) (b) IA 1986 daraus, dass der Gläubiger oder Sicherungsgeber durch die Bevorzugung im Falle einer auf die Bevorzugung folgenden insolvenzbedingten Liquidation eine bessere Position innehätte als ohne die Bevorzugung. Dies bedeutet in der Regel, dass der Gläubiger, Sicherungsgeber oder aber ein Dritter auf Veranlassung des Gläubigers oder Sicherungsgebers eine Zahlung erhält 703, eine nachträgliche Sicherheit von der Gesellschaft für Altverbindlichkeiten eingeräumt wird704 oder sonstige Vermögenswerte zugunsten des Gläubigers oder Sicherungsgebers aus dem Gesellschaftsvermögen abfließen705. Neben einer Handlung kann auch eine Unterlassung auf Seiten 699
Zur schlagwortartigen Bezeichnung der einzelnen Tatbestandsmerkmale siehe nur Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 126. 700 Sec. 239 (4) IA 1986. 701 Sec. 239 (4) (a) IA 1986: „that person is one of the company’s creditors or a surety or guarantor for any of the company’s debts or other liabilities“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 575; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 138 f. 702 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 138. 703 Siehe DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903 ff.; Exchange Travel (Holdings) Ltd., Re [1997] 2 BCLC, S. 579 ff.; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26 ff. 704 Siehe MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324 ff.; Shapland Inc, Re [2000] BCC, S. 106 ff.; Mistral Finance Ltd., Re [2001] BCC; S. 27 ff. 705 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 574 f.; Report of the Review Committee, Insolvency Law and Practice, HMSO Cmnd. 8558 (1982), S. 275, jeweils mit einer Aufzählung weiterer möglicher Bevorzugung. Siehe auch ausführlich zur Bevorzu-
8. Preferences
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der Gesellschaft eine anfechtbare Bevorzugung darstellen706. Schließlich erwähnt sec. 239 (7) IA 1986 explizit, dass auch die Befolgung beziehungsweise Vollstreckung eines Urteils unter Umständen eine anfechtbare Bevorzugung darstellen kann. Steht die geleistete Bevorzugung allein im Zusammenhang mit einer Altforderung oder bereits bestellten Sicherheit so liegt eine ungerechtfertigte Bevorzugung vor707. Zahlt die Gesellschaft jedoch im Zusammenhang mit der Begründung neuer werthaltiger Ansprüche oder räumt sie in diesem Zusammenhang eine Sicherheit ein, so liegt hierin keine Bevorzugung, sofern sich Leistung und Gegenleistung gleichwertig gegenüberstehen708. Tritt eine Gesellschaft beispielsweise im Hinblick auf ein bestimmtes Geschäft in Vorleistung, liegt in der Vorleistung keine Bevorzugung im Sinne von sec. 239 IA 1986 vor, da sie einen Anspruch auf die Gegenleistung hat 709. Auch ein gleichzeitiges Austauschgeschäft stellt somit keine anfechtbare Bevorzugung dar710. Übersteigt allerdings der Vermögensabfluss auf Seiten der Gesellschaft den Vermögenszufluss, sodass sowohl neue als auch bestehende Forderungen gegenüber der Gesellschaft befriedigt werden, so liegt in dem Teil der Zahlung, der die bestehende Forderung befriedigt, eine anfechtbare Bevorzugung711 vor. Gleiches gilt für die Einräumung einer Sicherheit, die eine neue Forderung gegen die Gesellschaft besichert, jedoch über die zu besichernde Forderung hinausgeht und somit auch zum Teil Altforderungen gegen die Gesellschaft nachträglich absichert 712. Ob tatsächlich eine objektive Bevorzugung im Sinne von sec. 239 (4) IA 1986 vorliegt, bemisst sich nach der Position des bevorzugten Gläubigers in einer hypothetischen, unmittelbar an die relevante Handlung oder Unterlassung anschließenden, insolvenzbedingten Liquidation der Gesell-
gung von Sicherungsgebern Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 149 ff.; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 589 ff. 706 Sec. 239 (4) (b): „the company […] suffers anything“. Siehe zur Auslegung von „suffer“, allerdings in anderem Zusammenhang, Berton v Alliance Economic Investment Co [1922] 1 KB, S. 742 ff. 707 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 577 f.; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 138 f. 708 Siehe nur Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 577: „for [the creditor] does not take out a penny more than he puts in“. 709 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transacions, S. 123, 138; Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 578 ff. 710 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 578 ff. 711 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 139. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 577 f. 712 Siehe nur Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 139.
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schaft 713. Auf eine tatsächliche Liquidation kann es schon deshalb nicht ankommen, da Bevorzugungen auch im Rahmen einer administration anfechtbar sind 714. In einer solchen hypothetischen Liquidation muss der Bevorzugte also tatsächlich eine bessere Position innehaben als er ohne die Bevorzugung hätte715. Da die Position des Gläubigers unter Annahme einer unmittelbar nach der Bevorzugung stattfindenden Liquidation zu bestimmen ist, kann es hierbei nicht auf den Kreis der Gläubiger in der später tatsächlich stattfindenden Liquidation ankommen716. Die Bevorzugung muss somit den Gläubigern eine bessere Position im Verhältnis zu den übrigen Gläubigern verschaffen, die zum Zeitpunkt der Bevorzugung bereits existieren717. Anders gewendet, erfordert die Anfechtbarkeit als weitere, wenn auch nicht ausdrückliche Voraussetzung eine Bevorzugung zum Nachteil der übrigen, nicht besicherten Gläubiger718. Hintergrund dieser zusätzlichen Voraussetzung ist, dass beispielsweise eine Zahlung zugunsten eines gesicherten Gläubigers, die die bestellte Sicherheit nicht übersteigt, bereits keine Bevorzugung darstellt, da die Position der übrigen Gläubiger durch diese Zahlung nicht verändert wird719. Mit der Zahlung geht nämlich eine Verringerung der Verbindlichkeit der Gesellschaft und damit auch des Sicherungsinteresses des Sicherungsnehmers einher, sodass das so frei werdende Gesellschaftsvermögen vielmehr den übrigen Gläubigern zur Verfügung steht720.
713 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 584; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 145 f. Siehe diesbezüglich auch LedinghamSmith, Re [1993] BCLC, S. 635, 640 f., allerdings im Rahmen einer Privatinsolvenz. 714 Siehe sec. 239 (1) i.V.m. sec. 238 (1) (a) IA 1986. 715 Sec. 239 (4) (b) IA 1986. 716 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 145. 717 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 581; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 145. 718 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 581; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 145. 719 Dies gilt natürlich nur, sofern die Bestellung der Sicherheit wirksam ist bzw. die Sicherheit nicht nachträglich unwirksam oder nichtig wird, vgl. hierzu ausführlich Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S.584 f.; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 147 ff. Siehe auch Mistral Finance Ltd, Re [2001] BCC, S. 27 ff. 720 Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 584 f.; Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 147 ff.
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(2) Subjektive Anforderung Als subjektives Element fordert sec. 239 (5) IA 1986, dass die Entscheidung zur Bevorzugung im soeben beschriebenen Sinn gerade von einem diesbezüglichen Wunsch beeinflusst wurde721. Das deutsche Äquivalent zu diesem Wunsch ist in der Vorsatzform der Absicht zu suchen722. Bei der Beurteilung der subjektiven Voraussetzungen ist allein die subjektive Motivationslage der Gesellschaft maßgeblich. Nur die Gesellschaft muss die bevorzugte Stellung des Gläubigers für den Fall ihrer insolvenzbedingten Liquidation gewünscht haben723. Die Motive des bevorzugten Gläubigers beziehungsweise Sicherungsgebers bleiben gänzlich außer Betracht724. In Abgrenzung zur Vorgängervorschrift ist es nicht erforderlich, dass dieser Wunsch der einzige Grund der Bevorzugung oder der entscheidende gewesen ist 725. Es genügt vielmehr, dass dieser Wunsch ein Faktor von mehreren bei der Entscheidung über das Ob der Bevorzugung gewesen ist 726. Eine vergleichbare Voraussetzung findet sich auch bereits im Rahmen der sec. 423 IA 1986727. Fällt der Wunsch zu bevorzugen gänzlich weg, beispielsweise weil die Gesellschaft auf Druck des bevorzugten Gläubigers gehandelt hat, so ist die, wenn auch objektive, Bevorzugung nicht anfechtbar728. Wird die Gesellschaft jedoch allein von vernünftigen wirtschaftlichen Erwägungen geleitet, so liegt bereits keine Bevorzugung im Sinne der Vorschrift vor729. Dies ist nach Auffassung der Rechtsprechung unter anderem
721
Sec. 238 (5) IA 1986: „The court shall not make an order […] unless the company which gave the preference was influenced in deciding to give it by a desire to produce in relation to that person the effect mentioned in subsection (4) (b)“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 722 Steffek, KTS 2007, S. 451, 470. 723 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 589. 724 Kritisch zur fehlenden Berücksichtigung der Interessen derjenigen, die von der Bevorzugung profitieren Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 570 f.; Keay, (1998) 2 CfiLR, S. 198 ff. 725 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649. Siehe auch Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 159 f. 726 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649. 727 Siehe oben unter III. 7. b). 728 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 337; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 910. Siehe auch Keay/Walton, Insolvency Law, S. 623 ff. 729 Vgl. MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336; DKG Contractors Ltd., Re [1990] BCC, S. 903, 910; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649 f.
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dann der Fall, wenn die Gesellschaft Zahlungen in das im Debit geführte Bankkonto leistet um eine weitere Finanzierung zu sichern730. Bei der Beurteilung der subjektiven Motivationslage der Bevorzugung ist der Zeitpunkt der Entscheidung selbst maßgeblich und nicht der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswirkungen der Bevorzugung731. Es kann grundsätzlich von den objektiven Umständen auf die subjektiven Beweggründe geschlossen werden732. (3) Maßgeblicher Zeitraum Grundsätzlich muss die Gesellschaft, um ein Geschäft gemäß sec. 239 IA 1986 anfechten zu können, dieses Geschäft, ebenso wie im Rahmen der sec. 238 IA 1986, innerhalb eines bestimmten Zeitraums im Vorfeld eines winding up abgeschlossen haben733. Es gilt somit das bereits im Rahmen von sec. 238 IA 1986 Erörterte entsprechend734. Allerdings sieht sec. 239 IA 1986 dahingehend eine Besonderheit vor, dass Handlungen oder Unterlassungen zugunsten Dritter, die nicht mit der Gesellschaft verbunden sind, nur dann anfechtbar sind, sofern sie innerhalb von sechs Monaten vor dem Eintritt der Insolvenz stattgefunden haben735. Für eine Bevorzugung einer der Gesellschaft nahestehenden Person verlängert sich dieser Zeitraum ebenso wie im Rahmen von sec. 238 IA 1986 auf zwei Jahre736. b) Rechtsfolge Sec. 239 (3) IA 1986 sieht ebenso wie sec. 238 (3) IA 1986 vor, dass bei Vorliegen sämtlicher Tatbestandsvoraussetzungen das Gericht solche Maßnahmen anordnen kann, von denen es ausgeht, dass sie die Position der Gesellschaft wiederherstellen, die bestünde, hätte die Gesellschaft die betreffende Person nicht bevorzugt. Die bereits im Rahmen von sec. 238 IA 1986 besprochene beispielhafte Auflistung möglicher Maßnahmen in sec. 241 IA 1986 als auch die dort erörterten Implikationen für Dritte gel730
MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 337; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649 f. 731 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649. 732 MC Bacon Ltd. (No 1), Re [1990] BCLC, S. 324, 336; Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643, 649. Siehe auch Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 163 ff. sowie Keay/Walton, Insovlency Law, S. 563 f., die jedoch auf die zurückhaltende Bereitschaft der Gerichte einen solchen Rückschluss zu ziehen hinweisen. 733 Sec. 239 (2) IA 1986 i.V.m. sec. 240 IA 1986. 734 Siehe sec. 240 IA 1986, Siehe hierzu ausführlich oben unter III. 6. b) (3). 735 Sec. 240 (1) (b) IA 1986. 736 Sec. 240 (1) (a) IA 1986.
8. Preferences
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ten für preferences entsprechend, sodass auf die Ausführungen im Rahmen der sec. 238 IA verwiesen wird 737. Anders jedoch als im Rahmen von sec. 238 IA 1986 sieht die Rechtsprechung mit der Entscheidung „Re Oasis Merchandising Services Ltd.“ sowohl für sec. 214 IA 1986738 als auch für preferences ausdrücklich vor, dass das aufgrund dieser Vorschriften zurückerhaltene Vermögen nicht einen Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, sondern Teil eines statutory trust zugunsten der ungesicherten Gläubiger739. Die Verteilung des Vermögens folgt somit gerade nicht unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlichen Rangfolge der Gläubiger. Diese Rechtsprechung stößt auf Kritik in der Literatur, die auf den Wortlaut der Vorschrift verweist, der eine Rückübertragung in das Gesellschaftsvermögen vorsieht740. Eine Klärung dieses Streits zwischen Literatur und Rechtsprechung ist insbesondere in den Fällen relevant, in denen das Gesellschaftsvermögen mit einer floating charge belastet ist 741. c) Konkurrenzen Eine Anfechtung gemäß sec. 239 IA 1986 tritt grundsätzlich neben sämtliche anderen Ansprüche und Rechtsbehelfe 742. Insbesondere ist grundsätzlich eine Überschneidung mit sec. 238 IA 1986743 sowie mit der West Mercia-Haftung der Geschäftsführer744 denkbar. d) Verfahren Das Anfechtungsverfahren unterliegt grundsätzlich den gleichen Besonderheiten hinsichtlich der Anfechtungsbefugnis, der Darlegungs- und Beweislast, der Anfechtungsfrist sowie der Verfahrenskosten wie bereits im Rahmen von sec. 238 IA 1986 erörtert745. Hinsichtlich der Beweislast sieht auch sec. 239 IA 1986 selbst, neben den bereits erwähnten Erleichterungen der sec. 240 (2) IA 1986 sowie nach sec. 241 (2) IA 1986, eine Erleichte737
Siehe oben unter III. 6. c) Siehe hierzu bereits oben unter III. 2. d) (2). 739 Oasis Merchandising Services Ltd., Re [1997] BCC, S. 282, 289; Yagerphone, Re [1935] Ch, S. 392, 396; MC Bacon Ltd. (No 2), Re [1990] BCC, S. 430, 434 f.; Lewis v CIR [2001] 3 All ER, S. 499, 509 f. 740 Sec. 241 (1) (a) und (b): „to be vested in the company“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe hierzu Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 179 f.; Parry, Transaction Avoidance, S. 644 ff. 741 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter III. 2. d) (2) und 6. c) (3). 742 Sec. 241 (4) IA 1986. 743 Siehe Clasper Group Services Ltd., Re (1988) 4 BCC; S. 673 ff. Siehe auch Goode, Principles of Corporate Insolvency Law, S. 595 f. 744 Siehe nur Liquidator of West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd (1988) 4 BCC, S. 30 ff. 745 Siehe hierzu ausführlich oben unter III. 6. e). 738
220
III. Englische Rechtslage
rung vor. Handelt es sich bei der bevorzugten Person um eine der Gesellschaft nahe stehende Person746, so wird der Wunsch der Bevorzugung widerleglich vermutet747. Diese Vermutung kann nur dann entkräftet werden, wenn zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass die Gesellschaft allein von wirtschaftlich vernünftigen Erwägungen geleitet wurde748. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass gerade Geschäftsführer, die umfassende Einblicke in die finanzielle Situation der Gesellschaft haben, der Versuchung unterliegen können, sich selbst oder andere verbundene Personen im Wissen um den desolaten finanziellen Zustand der Gesellschaft zu bevorzugen749. Grundsätzlich kann eine preference auch im Rahmen der misfeasance proceedings geltend gemacht werden750. Die Gerichte erscheinen diesbezüglich jedoch eher zurückhaltend, sofern nicht sämtliche Voraussetzungen der sec. 239 IA 1986 gegeben sind 751. e) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die ss. 238 und 423 IA 1986 knüpfen maßgeblich an ein unausgewogenes Geschäft zulasten der Gesellschaft an und somit auch mittelbar zulasten ihrer Gläubiger. Sie erfassen daher nicht nur tatbestandlich auch die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegenden Fallgestaltungen, sondern verfolgen auch auf funktionaler Ebene ein im Ansatz vergleichbares Ziel752. Sec. 239 IA 1986 unterscheidet sich jedoch sowohl von den Anfechtungsmöglichkeiten der ss. 238 und 423 IA 1986 als auch von der Existenzvernichtungshaftung bereits auf funktionaler Ebene. Die Vorschrift zielt gerade nicht auf eine Anreicherung der Insolvenzmasse, wenn auch im Rahmen der ss. 238 und 423 IA 1986 nur durch eine Wiederherstellung des ursprünglichen Verhältnisses der Aktiva zu den Passiva der 746
Siehe zum Begriff der connected person sec. 249 i.V.m. sec. 435 IA 1986. Siehe hierzu ausführlich bereits oben unter III. 6. b) (3). Sec. 239 (6) IA 1986 schließt von diesem Kreis jedoch Angestellte der Gesellschaft explizit aus. 747 Sec. 239 (6) IA 1986. 748 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 168 ff.; Die Widerlegung der Vermutung gelang allein in Fairway Magazines Ltd., Re [1993] BCLC, S. 643 ff. sowie in der umstrittenen Entscheidung Beacon Leisure Ltd., Re [1992] CLC, S. 565 ff. Für einen gescheiterten Gegenbeweis siehe u.a. Wills v Corfe Joinery Ltd. [1997] BCC, S. 511, 512; Weisgard v Pilkington [1995] BCC, S. 1108 ff.; Brian D Pierson (Contractors) Ltd., Re [1999] BCC, S. 26 ff.; Shapland Inc, Re [2000] BCC, S. 106 ff.; Conegrade Ltd., Re [2003] BPIR, S. 358 ff. 749 Walters, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 123, 166. 750 Siehe sec. 241 (4) IA 1986. 751 Siehe Knight v Frost [1999] 1 BCLC, S. 364, 381 f.; Continental Assurance Company of London plc, Re [2007] 2 BCLC, S. 287, 448. 752 Siehe oben unter III. 6. f) und 7 e).
9. Ergänzende Regelungen
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Gesellschaft, sondern auf eine Sicherung der Gleichbehandlung der Gläubiger innerhalb ihres Ranges. Sofern die Gesellschaft einen Gläubiger oder Sicherungsgeber im Sinne der sec. 239 IA 1986 bevorzugt, wird bereits gar nicht zulasten der übrigen Gläubiger das Verhältnis der Aktiva zu den Passiva verändert. Mit einer Bevorzugung einzelner Gläubiger werden gerade nicht nur Aktiva vermindert, sondern gleichzeitig auch die Passiva der Gesellschaft. Sec. 239 IA 1986 ist somit allenfalls dann auf existenzvernichtende Eingriffe anwendbar, wenn der eingreifende Gesellschafter gleichzeitig bereits zum Zeitpunkt des Eingriffs Gläubiger oder Sicherungsgeber der Gesellschaft war. Zwar hat ein Gesellschafter im Rahmen einer Liquidation oder eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich einen Anspruch auf das anteilige Restvermögen der Gesellschaft nach Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger. Dies begründet jedoch gerade nicht seine Stellung als Gläubiger zum Zeitpunkt der Bevorzugung, der tatbestandlich vor Eröffnung des jeweiligen Abwicklungsverfahrens liegt. In den wenigen Fällen, in denen eine Anwendung der sec. 239 IA 1986 auf existenzvernichtende Eingriffe aufgrund einer Gläubigerstellung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft zum Zeitpunkt des Vermögensabflusses überhaupt denkbar ist, teilt sie schließlich den gemeinsamen Nachteil sämtlicher Anfechtungsrechte. Auch sec. 239 IA 1986 vermag die über den konkreten Vermögensabfluss hinausgehenden Schäden nicht zu erfassen, sondern lediglich das ihm zugrunde liegende Geschäft rückabzuwickeln beziehungsweise Wertersatz zu gewähren. Sämtliche betrachteten Anfechtungsrechte sind somit nicht in der Lage einen Schadensersatz insbesondere für Kollateralschäden zu gewähren, der mit der Existenzvernichtungshaftung vergleichbar wäre.
9. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände 9. Ergänzende Regelungen Die Liste der Anfechtungsrechte ist mit den bereits betrachteten Vorschriften noch nicht beendet. Das englische Insolvenzrecht kennt fünf weitere Anfechtungsrechte, die durch zwei weitere Anfechtungsrechte des CA 2006 ergänzt werden. Zu den Anfechtungsmöglichkeiten im Rahmen des IA 1986 zählt die Anfechtung von Vermögensverfügungen nach Stellung des Insolvenzantrages oder eines Eröffnungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung gemäß sec. 127 IA 1986, die Anfechtung der Rechtsfolgen einer Einzelzwangsvollstreckung ebenfalls nach Stellung des Insolvenzantrages oder eines Eröffnungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung
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III. Englische Rechtslage
gemäß sec. 128 IA 1986753, die Anfechtung wucherischer Darlehn an die Gesellschaft gemäß sec. 244 IA 1986754 sowie die Anfechtung bestimmter Globalsicherheiten gemäß sec. 245 IA 1986755. Ergänzend ermöglicht der CA 2006 die Anfechtung bestimmter nicht registrierter Sicherheiten gemäß sec. 874 CA 2006 756 sowie die Anfechtung von Geschäften über wesentliche Vermögensbestandteile einer Gesellschaft gemäß der ss. 190 ff. CA 2006. Aufgrund der Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes soll im Folgenden lediglich auf eine Anfechtung und Haftung gemäß der ss. 190 ff. CA 2006 (siehe im Folgenden unter a)) und die damit eng verknüpfte Haftung im Zusammenhang mit einem Missbrauch der Firma einer insolventen Gesellschaft gemäß der ss. 216 f. IA 1986 (siehe im Folgenden unter b)) näher eingegangen werden. a) Geschäfte über wesentliche Vermögensbestandteile einer Gesellschaft – substantial property transactions, ss. 190 ff. CA 2006 Die Company Law Review Steering Group greift unter der Bezeichnung „phoenix problem“ in ihrem Abschlussbericht die bereits aus dem deutschen Recht unter dem Begriff GmbH-Stafette bekannte Fallkonstellation auf und weist auf eine damit zusammenhängende mögliche Gläubigergefährdung hin757. Um eine solche Gläubigergefährdung zu minimieren, setzt das englische Recht an zwei ganz unterschiedlichen Punkten an. Die ss. 190 ff. CA 2006 regulieren Geschäfte über wesentliche Vermögensbestandteile einer Gesellschaft, während unter anderem sec. 216 IA 1986 an
753 Aufgrund des beschränkten Anwendungsbereichs dieser Vorschriften findet eine nähere Betrachtung im Rahmen dieser Untersuchung nicht statt. 754 In der gesamten veröffentlichten Rechtsprechung findet sich keinerlei Hinweis auf diese Vorschrift, siehe nur Keay/Walton, Insolvency Law, S. 647. Eine nähere Betrachtung dieser Vorschrift unterbleibt somit mangels Praxisrelevanz. 755 Siehe hierzu ausführlich Bennett, in: Armour/Bennett, Vulnerable Transactions, S. 183 ff.; Keay, McPherson’s Law of Company Liquidation, S. 704 ff. Da die Bestellung einer floating charge keinen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen darstellt und darüber hinaus kein Äquivalent im deutschen Recht vorhanden ist, unterbleibt im Rahmen dieser Untersuchung eine nähere Darstellung. 756 Siehe ausführlich zum System der Registrierung bestimmter Globalsicherheiten Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 1235 ff. Der Schwerpunkt dieser Vorschrift liegt im Bereich der Unternehmenspublizität, sodass eine eingehendere Untersuchung im Folgenden unterbleibt. 757 Company Law Review Steering Group, Final Report v. 26.07.2001, URN 01/943, Bd. 1, S. 324 ff. Siehe zur insoweit parallelen Problematik im deutschen Recht oben unter II. 4. d) (1) und (3).
9. Ergänzende Regelungen
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einen Missbrauch der Firma anknüpft, an den zusätzlich zivilrechtliche als auch strafrechtliche 758 Sanktionen geknüpft werden759. Der CA 2006 sieht in seinem zehnten Teil im vierten Kapitel vor, dass gewisse Geschäfte der Gesellschaft mit ihren Geschäftsführern die Zustimmung der Gesellschafter voraussetzen und knüpft an eine Missachtung dieses Genehmigungserfordernisses sowohl Anfechtungsrechte als auch eine persönliche Haftung der an dem Geschäft beteiligten Personen760. Insbesondere bedarf ein Geschäft über wesentlichen Vermögensbestandteilen zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Geschäftsführer, einem Geschäftsführer einer herrschenden Gesellschaft oder aber einer mit diesen verbundenen Person gemäß sec. 190 (1) CA 2006 der Zustimmung der Gesellschafter761. Sofern der Vertragspartner Geschäftsführer der herrschenden Gesellschaft ist oder mit diesem verbunden ist, bedarf das Geschäft zusätzlich der Zustimmung der Gesellschafter der herrschenden Gesellschaft 762.
758 Sec. 216 (4) IA 1986 sieht eine Gefängnisstrafe oder ein Bußgeld bei einem Verstoß gegen sec. 216 (1) bis (3) IA 1986 vor. Im Folgenden soll jedoch allein die zivilrechtliche Sanktion gemäß sec. 217 IA 1986 näher betrachtet werden. 759 Siehe hierzu im Folgenden. 760 Neben den im Folgenden erörterten Vereinbarungen über den Erwerb oder Verkauf wesentlicher Vermögensbestandteile erfordern gemäß sec. 197 ff. CA 2006 Darlehns- und Kreditvereinbarungen, gemäß ss. 188 f. CA 2006 Arbeitsverträge der Gesellschafter sowie gemäß ss. 215 ff. CA 2006 Abfindungszahlungen an Gesellschafter eine Zustimmung der Gesellschafter. 761 Die Zustimmung der Gesellschafter erfordert gemäß sec. 281 (3) CA 2006 grundsätzlich eine einfache Mehrheit, sofern die Satzung der Gesellschaft nicht ein höheres Quorum vorschreibt. Ausnahmen zum Zustimmungserfordernis finden sich in ss. 192 bis 194 CA 2006 und betreffen insbesondere einen Vermögenstransfer zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sowie zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer 100%igen Tochtergesellschaft sowie zwischen Schwestergesellschaften. Ebenfalls ist eine Zustimmung der Gesellschafter im Rahmen eines winding up oder einer administration nicht erforderlich. 762 Sec. 190 (2) CA 2006. Der CA 2006 spricht insoweit von holding company. Dieser Begriff ist in sec. 1159 CA 2006 legaldefiniert als eine Gesellschaft, die unter anderem entweder die Mehrheit der Stimmrechte an einer Gesellschaft (subsidiary) hält, ein Gesellschafter dieser abhängigen Gesellschaft ist und das Recht zur Berufung oder Abberufung der Mehrheit der Geschäftsführer der abhängigen Gesellschaft hat oder ein Gesellschafter ist und aufgrund einer Vereinbarung mit den anderen Gesellschaften allein die Mehrheit der Stimmrechte kontrolliert. Darüber hinaus definiert sec. 1159 CA 2006 eine Gesellschaft als Tochtergesellschaft, sofern die holding company einziger Gesellschafter der abhängigen Gesellschaft ist. Der CA 2006 spricht darüber hinaus vor allem im Zusammenhang mit Rechnungslegungsvorschriften von parent company, deren Definition weiter gefasst ist als die der holding company. Siehe hierzu sec. 1162 CA 2006. Die Begriffe herrschende Gesellschaft oder Muttergesellschaft werden im Folgenden synonym und im Sinne sämtlicher einschlägigen Definitionen des CA 2006 verwandt.
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III. Englische Rechtslage
Gemäß sec. 191 CA 2006 handelt es sich dann um einen wesentlichen Vermögensbestandteil im Sinne von sec. 190 CA 2006, wenn dessen Wert zehn Prozent des Gesamtwertes des im aktuellen Jahresabschluss ausgewiesenen Eigenkapitals, jedoch mindestens GBP 5.000, übersteigt oder aber größer als GBP 100.000 ist763. Geht die Gesellschaft ohne Zustimmung der Gesellschafter und somit im Widerspruch zu sec. 190 (1) CA 2006 eine solche Vereinbarung ein, so kann die Gesellschaft gemäß sec. 195 (2) CA 2006 die Vereinbarung sowie infolge der Vereinbarung geschlossene Geschäfte anfechten764. Darüber hinaus trifft die an der Vereinbarung beteiligten Geschäftsführer gemäß sec. 195 (3) CA 2006 eine persönliche Haftung für sämtliche Verluste oder Schäden, die der Gesellschaft infolge der Vereinbarung entstanden sind 765. Der Kreis der haftenden Personen umfasst darüber hinaus solche Personen, die mit den an der Vereinbarung beteiligten Geschäftsführern verbunden sind 766 sowie nicht unmittelbar an der Vereinbarung beteiligte Geschäftsführer, die jedoch mit einer Partei der Vereinbarung verbunden sind 767 sowie Geschäftsführer der Gesellschaft, die die Vereinbarung oder hiermit verbundene Geschäfte ermöglicht haben768. Eine Haftung ist gemäß sec. 195 (6) CA 2006 dann ausgeschlossen, sofern der nicht unmittelbar an der Vereinbarung beteiligte Geschäftsführer darlegen und beweisen kann, dass er alle vernünftigen Schritte unternommen hat, um eine Einhaltung von sec. 190 CA 2006 zu gewährleisten. Darüber hinaus schließt sec. 195 (7) CA 2006 eine Haftung für den Fall aus, dass die an der Vereinbarung unmittelbar beteiligte verbundene Person oder ein nicht unmittelbar beteiligter Geschäftsführer von einem Verstoß gegen sec. 190 CA 2006 nichts wussten. Bereits dem Wortlaut von sec. 195 (3) CA 2006 lässt sich entnehmen, dass die Haftung neben eine eventuelle Anfechtung tritt769. Dementsprechend kann die Haftung auch solche Verluste umfassen, die durch eine Rück-
763
Sec. 191 CA 2006. Sec. 195 (2) CA 2006. Zu den Ausnahmen siehe sec. 195 (2) (a) bis (c) CA 2006. 765 Sec. 195 (3) (b) i.V.m. sec. 195 (4) (a) CA 2006. Siehe zum Umfang der Haftung nur NBH Ltd. v Hoare [2006] 2 BCLC, S. 649, 666 ff. Mit der persönlichen Haftung ist eine Rechenschaftspflicht hinsichtlich sämtlicher durch die Vereinbarung erlangter Vorteile verbunden, siehe sec. 195 (3) (a) CA 2006. 766 Sec. 195 (4) (b) CA 2006. 767 Sec. 195 (4) (c) CA 2006. 768 Sec. 195 (4) (d) CA 2006: „any other director of the company who authorised the arramgement […]“. 769 Sec. 195 (3) CA 2006: „Whether or not the arrangement or any such transaction has been avoided, each of the persons […] is liable“. 764
9. Ergänzende Regelungen
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abwicklung der angefochtenen Vereinbarung nicht gedeckt werden770. Schließlich bestimmt sec. 195 (8) CA 2006, dass sowohl die Anfechtung gemäß sec. 195 (2) CA 2006 als auch die Haftung gemäß sec. 195 (3) CA 2006 neben sämtliche anderen Vorschriften treten, die eine Anfechtungsmöglichkeit oder eine Haftung vorsehen771. b) Missbrauch der Firma einer insolventen Gesellschaft – restriction on re-use of company names, ss. 216 f. IA 1986 Sec. 216 IA 1986 untersagt dem Geschäftsführer oder shadow director einer insolventen Gesellschaft 772 sich in einem Zeitraum von fünf Jahren ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an der Vorbereitung, Gründung oder Geschäftsführung einer solchen Gesellschaft zu beteiligen oder Geschäftsführer einer solchen Gesellschaft zu sein, die den gleichen oder einen ähnlichen Namen wie die insolvente Gesellschaft trägt773. Dieses Verbot trifft aber nur solche Geschäftsführer, die innerhalb von zwölf Monaten vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche tätig waren774. Einem Geschäftsführer ist darüber hinaus untersagt, in einer anderen Form als einer Gesellschaft unter dem verbotenen Namen tätig zu sein775. Bei der Nutzung des Namens genügt bereits, dass der verwendete Name grundsätzlich irreführen kann776.
770 Davies/Worthington, Gower and Davies’ principles, S. 578. Siehe hierzu auch Duckwari (No 2), Re [1998] 2 BCLC, S. 315 ff. sowie Duckwari (No 3), Re [1999] 1 BCLC, S. 168 ff. 771 Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass der auf sec. 195 CA 2006 gestützte Anspruch grundsätzlich lediglich obligatorisch ist. Sofern sich jedoch in England und Wales aus dem common law ergibt, dass Ansprüche der Gesellschaft gegen ihre Geschäftsführer dinglichen Charakter haben (proprietary character), gilt dies auch im Rahmen von sec. 195 CA 2006, siehe hierzu nur Davies/Worthington, Gower and Davies’ principles, S. 578 f., 615. 772 Eine Gesellschaft ist dann insolvent im Sinne der Vorschrift, sofern zu einem Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, zu dem das Vermögen der Gesellschaft nicht ausreicht um die Schulden und andere Verbindlichkeiten sowie die Kosten des Verfahrens zu tragen, siehe sec. 216 (7) IA 1986. 773 Sec. 216 (1), (2), (3) (a) und (b) IA 1986. Siehe auch rr. 4.228 bis 4.230 IR 1986 für gewisse Ausnahmen, so für den Fall, dass ein zugelassener Insolvenzverwalter (insolvency practitioner) in den Verkauf des Geschäfts der insolventen Gesellschaft eingebunden ist, sodass der Verkauf nicht unter Wert stattfindet und für den Fall, dass der Verkauf innerhalb einer Unternehmensgruppe stattfindet, siehe hierzu ausführlich Davies/Worthington, Gower and Davies’ principles, S. 240 ff. 774 Sec. 216 (1) IA 1986. 775 Sec. 216 (3) (c) IA 1986. 776 Ricketts v Ad Valorem Factors Ltd. [2004] 1 BCLC, S. 1 ff.; Revenue and Customs Commissioners v Walsh [2005] 2 BCLC, S. 455 ff.
226
III. Englische Rechtslage
Ist eine Person sec. 216 IA 1986 zuwider an der Geschäftsführung einer Gesellschaft beteiligt oder handelt eine Person auf Anweisung einer unter sec. 216 IA 1986 gebundenen Person, so haftet diese Person gemäß sec. 217 IA 1986 gesamtschuldnerisch neben der neu gegründeten Gesellschaft und anderen ebenso haftenden Personen für sämtliche Schulden der neuen Gesellschaft 777. Die für die Haftung relevanten Schulden sind solche, die in dem Zeitraum entstanden sind, in dem die betroffene Person an der Geschäftsführung der neuen Gesellschaft unter Verstoß gegen sec. 216 IA 1986 beteiligt war oder auf Anweisung einer Person gehandelt hat, die von sec. 216 IA 1986 gebunden ist 778. c) Rechtsvergleichende Anmerkungen Sowohl die Anfechtungsmöglichkeit von Geschäften über wesentliche Vermögensbestandteile der Gesellschaft ohne Zustimmung der Gesellschafter als auch der Missbrauch der Firma einer insolventen Gesellschaft lassen sich für die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegenden Fallgruppen nicht nutzbar machen. Im ersteren Fall entfällt die Anfechtungsmöglichkeit und Haftung bereits mit einer Zustimmung der Gesellschafter, die bei existenzvernichtenden Eingriffen ohnehin vorliegt. Ein solcher Eingriff ist bereits tatbestandlich nicht ohne die Mitwirkung der Gesellschafter denkbar. Die Haftung für einen Missbrauch der Firma ließe sich allenfalls bei der Fallgruppe der GmbH-Stafette heranziehen779. Anknüpfungspunkt der Haftung ist jedoch im englischen Recht nicht ein Vermögensentzug der Gesellschafter, sondern ein Missbrauch der Firma der insolventen Gesellschaft durch den Geschäftsführer. Die Vorschrift sanktioniert somit eine mögliche Irreführung des Geschäftsverkehrs. Sie dient somit gerade nicht dem Schutz der Gläubiger der insolventen Gesellschaft, so wie dies bei der Existenzvernichtungshaftung, wenn auch nur mittelbar, der Fall ist.
777 778 779
Sec. 217 (1) und (2) IA 1986. Sec. 217 (3) IA 1986. Siehe zur GmbH-Stafette bereits oben unter II. 4. d) (1) und (3).
10. Directors’ disqualifications
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10. Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer – directors’ disqualifications 10. Directors’ disqualifications Neben den diversen Anfechtungsrechten und Haftungstatbeständen sieht das englische Recht schließlich die äußerst praxisrelevante Sanktion780 der Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer vor781, die umfassend im CDDA 1986782 geregelt sind. Ein solches Instrument ist sowohl im Hinblick auf den weiten Anwendungsbereich als auch die Praxisrelevanz dem deutschen Recht unbekannt 783. Die im Vergleich zu den Anfechtungsrechten und Haftungstatbeständen hohe Relevanz der Vorschrift ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass es sich um staatliche Verfahren handelt, die durch Steuergelder finanziert werden784. Aufgrund der hohen Praxisrelevanz entfalten die Tätigkeitsverbote zusätzlich eine stark präventive Wirkung785. Sec. 1 CDDA 1986 bestimmt, dass unter bestimmten, im CDDA 1986 näher definierten Voraussetzungen einer Person für bis zu fünfzehn Jahren gerichtlich untersagt werden kann, als Geschäftsführer einer Gesellschaft 786, als insolvency practitioner oder receiver tätig zu sein787 oder sich direkt oder indirekt an der Vorbereitung, Gründung oder Geschäftsführung 780 Der Jahresbericht des Insolvency Service weist für den Berichtszeitraum 2011–12 bei allein 43.594 eröffneten gerichtlichen Abwicklungen 1.151 ausgesprochene Tätigkeitsverbote von Geschäftsführern aus, verglichen mit 1.437 Tätigkeitsverboten im Berichtszeitraum 2010–11 bei 57.682 eröffneten gerichtlichen Abwicklungen, siehe The Insolvency Service, Annual Report & Accounts 2011–12 v. 16. Juli 2012, HC 358, S. 18, 30. 781 Gemäß sec. 22 (4) CDDA 1986 umfasst der Begriff des Geschäftsführers unabhängig von der tatsächlichen Bezeichnung sämtliche Personen, die die Stellung eines Geschäftsführers innehaben. Darüber hinaus erstreckt der CDDA 1986 Tätigkeitsverbote auch auf shadow directors, siehe ss. 4 (2), 6 (3C), 8 (1) und (2A) sowie sec. 9E CDDA 1986. 782 Company Directors’ Disqualification Act 1986 (c.46) v. 25. Juli 1986. Ergänzende Regelungen finden sich u.a. in den Insolvent Companies (Disqualification of Unfit Direcotrs) Proceedings Rules 1987. 783 Die nach deutschem Recht bestehenden Tätigkeitsverbote gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 GmbHG gründen sich auf einen sehr eingeschränkten Katalog vor allem strafbewährter Pflichten und sind daher insbesondere in ihrer Praxisrelevanz mit den englischen Vorschriften nicht zu vergleichen. 784 Hierauf hinweisend Davies/Worthington, Gower and Davies’ Principles, S. 236. 785 Siehe nur Fletcher, The Law of Insolvency, Nr. 27-053. 786 Der Begriff der Gesellschaft umfasst neben den in sec. 73 (1) IA 1986 i.V.m. sec. 1 (1) CA 2006 bezeichneten Kapitalgesellschaften gemäß sec. 22 (2) (b) CDDA 1986 i.V.m. Part V IA 1986 u.a. auch unregistered companies sowie gemäß regulation 4 Limited Liability Partnership Regulations 2001 auch limited liability partnerships. 787 Siehe zu den einzelnen Funktionsträgern im Rahmen der Insolvenzverfahren bereits oben unter III. 1. g).
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III. Englische Rechtslage
einer Gesellschaft zu beteiligen788. Neben den gerichtlichen Tätigkeitsverboten sieht der CDDA 1986 seit dem Insolvency Act 2000789 ergänzend die Möglichkeit vor, sich freiwillig einem solchen Verbot zu unterwerfen790. Der CDDA 1986 unterscheidet grundsätzlich drei verschiedene Kategorien von Tätigkeitsverboten für Geschäftsführer791. Zur ersten Kategorie gehören die Tätigkeitsverbote, die entweder ex lege anwendbar sind oder aber von Amts wegen ausgesprochen werden können. Sec. 11 CDDA 1986 sieht ein solches ex lege und somit zwingendes Verbot für natürliche Personen während der Dauer einer Privatinsolvenz vor, also von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zum Eintritt der Restschuldbefreiung792. Sofern ein Gericht eine Verurteilung gemäß sec. 213 oder sec. 214 IA 1986 ausspricht, so kann es von Amts wegen ergänzend ein Tätigkeitsverbot erlassen793. Zur zweiten Kategorie zählen die in den ss. 2 bis 5 CDDA 1986 genannten fakultativen Tätigkeitsverbote794, die an ein generelles Fehlverhalten im Zusammenhang mit der Vorbereitung, Gründung, Geschäftsführung, Liquidation oder Löschung einer Gesellschaft anknüpfen. Hierzu zählt insbesondere die dauerhafte Verletzung von Publizitätspflichten795. Ein solches Tätigkeitsverbot wird auf Antrag des Secretary of State, des official receiver, des liquidator oder eines Gesellschafters oder Gläubigers ausgesprochen796. Ebenso steht ein Tätigkeitsverbot, das in Folge einer behördlichen Untersuchung beantragt wird, gemäß sec. 8 CDDA 1986 im Ermessen des Gerichts797. 788
Sec. 1 (1) CDDA 1986. Insolvency Act 2000 (c. 39). 790 Siehe ss. 1A, 7 (2A) und sec. 8 (2A) CDDA 1986. Diese freiwilligen Unterwerfungen betrugen im Berichtszeitraum 2011–12 80% der insgesamt verzeichneten Tätigkeitsverbote, siehe The Insolvency Service, Annual Report & Accounts 2011–12 v. 16. Juli 2012, HC 358, S. 30. 791 Vgl. Bachner, ZGR 17/2006, S. 526, 552, der jedoch im Detail eine leicht abweichende Einteilung vornimmt. 792 Siehe sec. 11 (1) (a) CDDA 1986. Weitere Tätigkeitsverbote ex lege enthalten sec. 11 (1) (b) CDDA 1986 im Falle eines Fehlverhaltens während einer Privatinsolvenz (bankruptcy restrictions order) sowie sec. 12 CDDA 1986 bei Aufhebung eines Zahlungsplanverfahrens nach Part VI des County Courts Act 1984 gemäß sec. 429 IA 1986. Darüber hinaus sehen die ss. 9A bis 9E CDDA 1986 die Möglichkeit vor, ein Tätigkeitsverbot bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu verhängen. 793 Sec. 10 CDDA 1986. Die praktische Relevanz dieser Vorschrift ist angesichts von nur 10 gefundenen Entscheidungen bei Westlaw UK im Oktober 2012 jedoch nur gering. 794 Siehe nur sec. 2 (1) CDDA 1986: „The court may make a disqualification order“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 795 Siehe sec. 3 und 5 CDDA 1986. 796 Sec. 16 (2) CDDA 1986. Siehe zu den einzelnen Funktionsträgern im Rahmen von Insolvenzverfahren oben unter III. 1. g). 797 Sec. 8 (2) CDDA 1986. 789
10. Directors’ disqualifications
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Die dritte und wohl praxisrelevanteste798 Kategorie sieht mit sec. 6 CDDA 1986 schließlich ein mindestens zweijähriges 799 zwingendes Tätigkeitsverbot vor800. Voraussetzung für ein solches Tätigkeitsverbot ist die Insolvenz der Gesellschaft 801 und die mangelnde Eignung des Geschäftsführers zur Führung einer Gesellschaft 802. Die Voraussetzung der mangelnden Eignung wird in sec. 9 CDDA 1986 unter Verweis auf Schedule 1 konkretisiert803. Das Gericht hat demnach bei der Beurteilung der mangelnden Eignung unter anderem Verstöße gegen die Geschäftsführerpflichten, insbesondere Buchführungspflichten sowie das Ausmaß der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für anfechtbare Rechtshandlungen sowie das Ausmaß der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers für den Eintritt der Insolvenz der Gesellschaft zu berücksichtigen804. Sec. 6 CDDA 1986 erfasst hierbei nicht nur amtierende Geschäftsführer, sondern insbesondere auch shadow directors 805. Im Gegensatz zu den fakultativen Tätigkeitsverboten kann ein Tätigkeitsverbot gemäß sec. 6 CDDA 1986 jedoch nur auf Antrag des Secretary of State verhängt werden806. Die konkret auszusprechende Dauer des jeweiligen Tätigkeitsverbots liegt, abgesehen von der zweijährigen Mindestgrenze gemäß sec. 6 (4) CDDA 1986 im Rahmen eines Verbots aufgrund mangelnder Eignung, grundsätzlich im freien Ermessen des Gerichts807. Allerdings hat der Court of Appeal mit der Entscheidung „Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd., Re“808 gewisse Leitlinien entwickelt. Ein Tätigkeitsverbot von mehr als zehn Jahren ist nach dieser Entscheidung nur bei besonders schwerem Fehlver798
Siehe nur die nach einzelnen Tatbeständen aufgeschlüsselte Statistik der Jahre 2007 bis 2012 des Companies House, Statistical Tables on Companies Registration Activities 2011/12, S. 22, abzurufen unter < www.companieshouse.gov.uk/about/pdf/ companiesRegActivities2011_2012.pdf > (zuletzt abgerufen im Oktober 2012). 799 Sec. 6 (4) CDDA 1986. 800 Sec. 6 (1) CDDA 1986: „The court shall make a disqualification order“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 801 Sec. 6 (1) (a) CDDA 1986, Sec. 6 (2) CDDA 1986 enthält eine Legaldefinition hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals der Insolvenz, die im Gegensatz zu sec. 123 IA 1986 eine cash flow-insolvency nicht erfasst: „a company becomes insolvent if (a) the company goes into liquidation at a time when ist assets are insuffisient for the payment of ist debts and other liabilities and the expenses of the winding up“. 802 Sec. 6 (1) (b) CDDA 1986: „that his conduct as a director of that company […] makes him unfit to be concerned in the management of a company“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 803 Kritisch zum unbestimmten Tatbestandsmerkmal der „unfitness“ Bachner, ZGR 17/2006, S. 526, 552. 804 Siehe Schedule 1, Part I and II CDDA 1986. 805 Sec. 6 (3C) CDDA 1986. 806 Sec. 7 (1) CDDA 1986. 807 Siehe sec. 1 (1, (2) CDDA 1986. 808 [1991] Ch., S. 164, 174.
230
III. Englische Rechtslage
halten der Geschäftsführer möglich, während ein Tätigkeitsverbot von bis zu fünf Jahren bereits bei geringfügigen Verstößen möglich ist 809. Es liegt allerdings auch im Ermessen des Gerichts einen Betroffenen von seinem Tätigkeitsverbot auf Antrag unter Auflagen zu befreien810. Die Tätigkeitsverbote werden schließlich sowohl durch eine strafrechtliche Sanktion, sec. 13 CDDA 1986, als auch durch eine persönliche Haftung für sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft bei Zuwiderhandlungen, sec. 15 CDDA 1986, abgesichert, die jedoch in der Praxis kaum eine Rolle spielen811. Außerdem werden gemäß sec. 18 CDDA 1986 sämtliche Personen, die einem gerichtlichen oder freiwillig akzeptierten Tätigkeitsverbot unterliegen, mit ihren Personalien sowie dem Grund des Tätigkeitsverbots in einem diesbezüglichen Register veröffentlicht.
11. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach englischem Recht 11. Lösungen nach englischem Recht Eine Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung kennt das englische Recht nicht. Vielmehr erteilt das englische Recht einer Haftung, die allein an die Stellung des Gesellschafters anknüpft, eine deutliche Absage. Das englische Recht antwortet auf die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegenden Fallgestaltungen, anders als das deutsche Recht, gerade nicht mit einem Spezialtatbestand. Es stützt sich vielmehr auf diverse Haftungstatbestände und Anfechtungsrechte, verbunden mit den weitreichenden Folgen einer Geschäftsführerdisqualifizierung. Insbesondere letztere wirkt gleichzeitig präventiv auf die Handelnden ein. Sämtliche Haftungstatbestände knüpfen allerdings primär an ein Verhalten der Geschäftsführer an und erfassen Gesellschafter nur als faktische Geschäftsführer oder shadow directors. In Deutschland ist dieses Verhältnis im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung umgedreht. Geschäftsführer haften als Gehilfen der primär haftenden Gesellschafter. Die gesetzlichen Haftungstatbestände des IA 1986, so die Haftung für eine betrügerische Fortsetzung der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft gemäß sec. 213 IA 1986 sowie für eine Insolvenzverschleppung gemäß sec. 214 IA 1986 erfassen tatbestandlich nur zum Teil die Sachverhalte, 809
Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd., Re [1991] Ch., S. 164, 174. Siehe sec. 17 CDDA 1986. 811 Westlaw UK liefert im Oktober 2012 nur 13 Entscheidungen, die überhaupt sec. 15 CDDA 1986 zitieren sowie 30 Entscheidungen bzgl. sec. 13 CDDA 1986, während eine entsprechende Nachfrage bezüglich sec. 6 CDDA 1986 allein 112 „key cases“ liefert. Siehe bzgl. sec. 15 CDDA 1986 nur Prestige Grindings, Re [2006] BCC, S. 421 ff.; IRC v McEntaggart [2006] BCLC, S. 476 ff. 810
11. Lösungen nach englischem Recht
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die eine Existenzvernichtungshaftung begründen. Sec. 213 IA 1986 vermag sämtliche Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung zu erfassen, allerdings unter der weitreichenden Einschränkung einer nachweisbaren absichtlichen Gläubigerbenachteiligung. Ein solch hohes Maß an Vorsatz lässt sich in den deutschen Entscheidungen zur Existenzvernichtungshaftung nicht finden. Es genügt bereits eine billigende Inkaufnahme der Beeinträchtigung des Vermögens der Gesellschaft im Hinblick auf die Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten. Die Anwendbarkeit der sec. 214 IA 1986 auf existenzvernichtende Eingriffe ist ebenfalls nur eingeschränkt möglich, da die Vorschrift ein Missmanagement bei Unabwendbarkeit einer überschuldungsbedingten Abwicklung sanktioniert. Die Haftung steht somit der Insolvenzverschleppungshaftung deutlich näher als der Existenzvernichtungshaftung. Zudem setzt sie zwingend ein überschuldungsbedingtes Insolvenzverfahren voraus. Deutliche Parallelen im dogmatischen Haftungskonzept zur Existenzvernichtungshaftung finden sich allerdings außerhalb der gesetzlichen Regelungen des IA 1986 in der West Mercia-Haftung des common law. Auch diese Haftung knüpft primär an eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer an, erfasst jedoch auch Gesellschafter, sofern sie maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsleitung nehmen. Letztere hat mit zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft die Interessen der Gläubiger zu beachten, die die Gesellschafter als finanzielle Träger der Gesellschaft in einem solchen Fall ablösen. Das englische Recht geht ebenso wie das deutsche davon aus, dass diese Interessen durch die Gesellschaft mediatisiert werden, sodass diese Pflicht nicht unmittelbar gegenüber den Gläubigern besteht, sondern gegenüber der Gesellschaft. Aufgrund dieses Pflichtverständnisses ist der Anwendungsbereich dieser Haftung ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung gerade nicht auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren beschränkt. Auf Rechtsfolgenseite steht der Umfang der Haftung im Rahmen der ss. 213 f. IA 1986 im Ermessen des Gerichts, das durch den Schaden begrenzt ist, den die Gesellschaft durch das Fehlverhalten ihrer Geschäftsführer erlitten hat. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die West MerciaHaftung unabhängig davon, ob sie im Rahmen von misfeasance proceedings geltend gemacht wird oder im Rahmen einer common law Klage auf Schadensersatz. Sämtlichen Entscheidungen gemeinsam ist, dass die Gerichte äußert zurückhaltend bei der Beurteilung des Umfangs des Schadens sind. Dies führt in aller Regel zu einer Beschränkung der Haftung auf den der Gesellschaft unmittelbar durch die Pflichtverletzung selbst entstandenen Schaden ohne Berücksichtigung weiterer Folgeschäden. Die für die Gesellschaft und somit mittelbar auch für ihre Gläubiger negativen Folgen eines Vermögensabflusses, insbesondere die über den kon-
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III. Englische Rechtslage
kreten Verlust hinausgehenden Folgen in Form von Kollateralschäden, werden in England zumindest in der Literatur thematisiert. Insbesondere im Rahmen der Anfechtungsmöglichkeit nach sec. 238 IA 1986 und somit bei zulasten der Gesellschaft unausgewogenen Geschäften werden diese über den konkreten Verlust hinausgehenden Folgen diskutiert, jedoch ohne Auswirkung auf die Spruchpraxis. Grund hierfür dürfte der oftmals schwierige Kausalitätsnachweis im Hinblick auf die Schadenshöhe bei einer diffusen Gemengelage im Vorfeld einer Insolvenz sein. Betrachtet man die unzähligen Einflüsse auf die Vermögenssituation einer Gesellschaft insbesondere in Insolvenznähe, so ist eine gewisse Berechtigung zur zurückhaltenden Betrachtung des Verschuldensanteils des Haftenden am jeweiligen Verlust der Gesellschaft nicht von der Hand zu weisen. Lässt sich ein kausaler Zusammenang zwischen dem Schaden der Gesellschaft und der Pflichtverletzung feststellen, so steht das englische Recht zumindest nicht grundsätzlich der Erfassung von Kollateralschäden entgegen. Die englische Spruchpraxis erreicht das gerade auf diese Folgeschäden gerichtete Schutzziel der Existenzvernichtungshaftung jedoch nicht. Die diversen Anfechtungsrechte teilen schließlich, auch wenn sie tatbestandlich einige der Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung abzudecken vermögen, die gleiche Schwäche der deutschen Anfechtungsregelungen. Sie sind auf eine reine Rückabwicklung beschränkt beziehungsweise gewähren sekundär nur Wertersatz für den der Gesellschaft entzogenen Vermögensgegenstand. Ein durch den Eingriff über den konkreten Verlust der entzogenen Vermögensgegenstände hinausgehender Schaden wird nicht erstattet.
IV. Französische Rechtslage Zur Verwirklichung eines möglichst effektiven Gläubigerschutzes bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der société à responsabilité limitée, setzt das französische Recht ebenso wie das englische und zukünftig auch das niederländische Recht nahezu ausschließlich auf ex post-Mechanismen. Ähnlich wie im englischen Recht dienen die diversen Anfechtungsrechte und Haftungstatbestände der Wiederherstellung und -erweiterung der Haftungsmasse. Hinzu treten verschiedene Sanierungsverfahren zur Vermeidung einer insolvenzbedingten Abwicklung. Das Erfordernis eines Mindestkapitals wurde in Frankreich im Jahre 2003 abgeschafft. Eine der tragenden, wenn nicht die tragende Säule des französischen Gläubigerschutzssystems in der Insolvenz bildet die Geschäftsführerhaftung in Form der responsabilité pour insuffisance d’actif (siehe im Folgenden unter 2.)1. Diese weist funktionale Parallelen zur deutschen Existenzvernichtungshaftung auf. In den Fällen der Missachtung der Eigenständigkeit der juristischen Person besteht darüber hinaus mit der sogenannten extension de procédure die Möglichkeit, das Insolvenzverfahren auf weitere Personen zu erstrecken (siehe im Folgenden unter 3.). Darüber hinausgehende Ansätze einer persönlichen Haftung der Gesellschafter extra legem finden sich nicht zuletzt aufgrund der Weite der Tatbestandsmerkmale weder für den Fall einer insolvenzbedingten Abwicklung noch für den Fall einer sonstigen Abwicklung der Gesellschaft (siehe im Folgenden unter 4.). Die responsabilité pour insuffisance d’actif als auch die extension de procédure werden durch die Möglichkeit der Insolvenzanfechtung (siehe im Folgenden unter 5.) sowie durch die zivilrechtliche Anfechtung und durch weitere Haftungstatbestände ergänzt (siehe im Folgenden unter 6.). Ebenso wie das englische Recht sieht schließlich auch das französische Recht die äußerst praxisrelevante Sanktion der Tätigkeitsverbote für Geschäftsführer vor, die dem deutschen Recht fremd ist (siehe im Folgenden unter 7.). Die Anfechtungsrechte, die ergänzenden Haftungstatbestände sowie die Tätigkeitsverbote bilden den gesetzlichen Hintergrund, vor dem 1
Die Ergänzung durch die obligation aux dettes sociales ist mit einer Neuregelung Ende 2008 entfallen, siehe Ordonnance Nr. 2008-1345 v. 18. Dez. 2008.
234
IV. Französische Rechtslage
sowohl die Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz als auch die Möglichkeit der Erstreckung des Insolvenzverfahrens zu betrachten sind. Gleiches gilt für die gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Grundzüge des Rechts der französischen Schwester der GmbH (siehe im Folgenden unter 1.).
1. Grundsätzliches zur société à responsabilité limitée 1. Grundsätzliches zur SARL Die französische société à responsabilité limitée wurde 1925 in bewusster Anlehnung an die nur wenig jüngere deutsche GmbH geschaffen2. Es verwundert somit nicht, dass die SARL dem deutschen Recht in vielen Belangen weitaus näher steht als die angelsächsische Ltd. (siehe im Folgenden unter a) bis g))3. Die Möglichkeit der Gründung einer Einpersonengesellschaft nach dem Vorbild der SARL, einer sogenannten entreprise unipersonelle à responsabilité limitée4, wurde ebenso wie in den Niederlanden erst nachträglich 1985 geschaffen5. Für diese EURL gelten in Abweichung zu den Regeln der SARL einige wenige Besonderheiten, so unter anderem hinsichtlich der Rechnungslegung 6. Ebenso wie die jeweiligen Gesellschaften mit beschränkter Haftung in den anderen betrachteten Ländern stellt die SARL in Frankreich die häufigste Gesellschaftsform dar7. Im Gegensatz zur gesellschaftsrechtlichen Nähe von GmbH und SARL unterscheidet sich das französische Insolvenzrecht deutlich von den deutschen Regelungen (siehe im Folgenden unter h)). Hauptaugenmerk des Insolvenzrechts ist die Prävention wirtschaftlicher Schwierigkeiten durch zahlreiche insolvenzrechtliche Vorverfahren8.
2
Gesetz v. 7. März 1925. Siehe auch Merle, Sociétés commerciales, Nr. 173; Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 93. 3 Siehe auch Recq/Hoffmann, GmbHR 2004, S. 1070, 1077. 4 Im Folgenden abgekürzt als EURL. 5 Gesetz Nr. 85-697 v. 11. Juli 1985. 6 Im Gegensatz zur Mehrpersonen-SARL verbietet das Gesetz unter anderem Schachtelkonstruktionen unter Beteiligung mehrerer EURL, Art. L. 223-5 Code de commerce, abgekürzt C.com. Siehe auch Artt. L. 223-1 Abs. 2, L. 223-19 Abs. 3, L. 223-21 Abs. 1, L. 223-31 C.com. bzgl. besonderer Rechnungslegungsvorschriften sowie Art. 1844-5 Abs. 4 Code civile, abgekürzt C.civ., bzgl. der Auflösung der Gesellschaft. 7 Am 30. Sept. 2009 waren 1.780.107 SARL in das Handelsregister eingetragen und standen 1.380.022 sociétés civiles gegenüber, gefolgt von 113.492 sociétés anonymes, siehe den Nachweis bei Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 7. 8 Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 44, 52 ff. sowie in deutscher Sprache Sonnenberger/Dammann, Französisches Handels- und Wirtschaftsrecht, S. 504 f.
1. Grundsätzliches zur SARL
235
a) Gesetzliche Grundlagen Neben den für alle französischen Gesellschaftsformen geltenden Normen des Code Civil9 finden für eingetragene Handelsgesellschaften seit der Neukodifizierung des französischen Wirtschaftsrechts 196610 vor allem die Vorschriften des Code de Commerce Anwendung. Seit der Ordonnance Nr. 2000-912 vom 18. September 200011 findet sich das Recht der Handelsgesellschaften im zweiten Buch des Code de Commerce. Das Recht der SARL findet sich vor allem in den Artt. L. 223-1 bis 223-43 C.com. sowie in den Artt. L. 241-1 bis 241-9 C.com. Diese werden durch die Vorschriften in der partie reglementaire des Code de Commerce ergänzt12. Das französische Insolvenzrecht wurde mit der Ordonnance Nr. 2000912 vom 18. September 2000 im sechsten Buch des Code de Commerce kodifiziert und mit der Loi de sauvegarde des entreprises13 2005 grundlegend sowie zuletzt durch die Ordonnance Nr. 2008-1345 vom 18. Dezember 200814, deren Änderungen am 15. Februar 2009 in Kraft traten, reformiert. In diesem sechsten Buch finden sich nicht nur die insolvenzrechtsspezifischen Haftungstatbestände, sondern auch die Regelungen hinsichtlich der Geschäftsleitungsverbote. b) Gründung der SARL Eine SARL kann durch eine oder mehrere natürliche, aber auch juristische Personen gegründet werden15. Sofern eine Einpersonengesellschaft gegründet wird, sieht der Décret Nr. 2006-301 eine Mustersatzung vor16. Der Gründungsakt einer SARL besteht in der Unterzeichnung des schriftlich und in französischer Sprache abzufassenden Gesellschaftsvertrages durch die Gesellschafter beziehungsweise deren Vertreter17. Eine notarielle Beurkundung ist nicht erforderlich18. Als Mindestangaben hat der Gesellschaftsvertrag den Namen der Gesellschaft, deren Dauer, Sitz, Unterneh9
Siehe Artt. 1832 ff. C.civ. Gesetz Nr. 66-537 v. 24. Juli 1966. 11 Ordonnance Nr. 2000-912 v. 18 Sept. 2000. 12 Siehe Artt. R. 223-1 ff. C.com. 13 Gesetz Nr. 2005-845 v. 26. Juli 2005. 14 Ordonnance Nr. 2008-1345 v. 18. Dez. 2008. 15 Art. L. 223-1 C.com. Die Anzahl der Gesellschafter darf jedoch 100 nicht überschreiten. Ist dies der Fall, so stellt dies einen Auflösungsgrund dar, sofern die Anzahl der Gesellschafter nicht binnen eines Jahres verringert wird oder die Gesellschaft in eine andere Gesellschaftsform umgewandelt wird, siehe Art. L. 223-3 C.com. 16 Décret Nr. 2006-301 v. 9. März 2006. 17 Art. L. 223-6; Art. 1835 C.civ. 18 Arg. ex Art. 1844-2 C.civ. Eine notarielle Beurkundung ist nur dann erforderlich, wenn ein Grundstück oder ein Pachtvertrag mit einer Laufzeit von mehr als zwölf Jahren in die Gesellschaft eingebracht werden soll, siehe Décret 55-22 v. 4. Jan. 1955, Art. 4. 10
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IV. Französische Rechtslage
mensgegenstand und die Höhe des Stammkapitals sowie die Bewertung der Sacheinlagen, die Aufteilung der einzelnen Geschäftsanteile unter den Gesellschaftern und eine Erklärung über die Erbringung der Einlagen zum Inhalt 19. Der Name der Gesellschaft muss mit dem Zusatz société à responsabilite limitée oder SARL enden oder beginnen20. Der Unternehmensgegenstand der SARL ist grundsätzlich unbeschränkt. Nur Versicherungsgesellschaften, Kapitalbildungsgesellschaften oder Sparvereine können nicht als SARL gegründet werden21. Nach Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrages ist eine Gründungsanzeige in einem amtlichen Mitteilungsblatt zu veröffentlichen22 und der Gründungsvorgang der zuständigen Steuerbehörde zu melden23. Die Gründungsunterlagen24 sind beim örtlich zuständigen Centre de Formalités des Entreprises (CFE) einzureichen25. Diese zur Beschleunigung des Gründungsverfahrens geschaffene zentrale Anlaufstelle leitet die Unterlagen an die jeweilig zuständigen und miteinzubeziehenden Behörden, so unter anderem das Handelsregister, weiter26. Die Mitwirkung der Behörden beschränkt sich auf das Einschreiben in mehrere Register. Eine behördliche Genehmigung der Gründung ist grundsätzlich nicht erforderlich27. Die Gesellschaft erlangt ihre Rechtspersönlichkeit erst mit der abschließenden Eintragung in das Handelsregister28.
19
Artt. L. 210-2, L. 223-1 Abs. 4, L. 223-7 Abs. 3 und Art. L. 223-9 Abs. 1 C.com. Art. L. 223-1 Abs. 4 C.com. 21 Art. L. 223-1 C.com. 22 Art. R. 210-3 und 4 C.com. 23 Gemäß Artt. 809 f. Code général des impôts ist auf bestimmte Sacheinlagen eine Registersteuer zu entrichten. 24 Zu den Gründungsunterlagen zählen der Gesellschaftsvertrag, die Bestellungsurkunden der Geschäftsführer und weiterer Organe, soweit nicht bereits im Gesellschaftsvertrag enthalten und ein Sachgründungsbericht im Fall der Erbringung der übernommenen Stammeinlage im Wege der Sacheinlage, vgl. Art. R. 123-103 C.com. Des wieteren sind die zur Anmeldung beim Handelsregister erforderlichen Unterlagen einzureichen, siehe Artt. R. 123 53 f. C.com. 25 Art. R. 123-6 C.com. 26 Das CFE leitet die Unterlagen u.a. an das zuständige Finanzamt, das Statistikamt sowie das zuständige Handelsregister zur Eintragung weiter, siehe Artt. R. 123-2 Abs. 2, R. 123-9 sowie Art. R. 123-13 C.com., jeweils i.V.m. Anhang 1-1. 27 Siehe Art. R. 123-8 a.E. sowie Art. R. 123-94 f. C.com. 28 Soweit die beim CFE eingereichten Unterlagen vollständig sind, stellt dieses bzw. das zuständige Handelsregister bereits einen Nachweis der Gesellschaftsgründung aus, sog. récépissé de création d’entreprise, siehe Art. L. 123-9-1 C.com. Zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaft führt jedoch erst die abschließende Eintragung in das Handelsregister, siehe Art. L.210-6 C.com. 20
1. Grundsätzliches zur SARL
237
c) Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile Die Höhe des Stammkapitals kann seit dem 1. August 2003 durch die Gesellschafter grundsätzlich frei festgesetzt werden29. Somit kann eine SARL mit einem Stammkapital von einem Euro gegründet werden30. Hintergrund dieser Reform ist der nur geringe Grad an Gläubigerschutz, den ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindestkapital zu vermitteln vermag 31. Der Gesellschaftsvertrag kann darüber hinaus ein variables Stammkapital vorsehen32. Ebenso wie die Höhe des Stammkapitals kann der Nennbetrag der Geschäftsanteile durch die Gesellschafter frei festgesetzt werden33. Der Nennbetrag sämtlicher Geschäftsanteile muss jedoch gleich groß sein34. Ebenso wenig wie der Nennbetrag kann das mit dem jeweiligen Anteil verbundene Stimmrecht unterschiedlich ausgestaltet werden35. Allerdings können vom Prinzip der anteiligen Teilnahme am Gewinn abweichende Vorzugsanteile geschaffen werden36. Sämtliche Gesellschaftsanteile müssen zwingend von den Gesellschaftern gezeichnet werden37. Die Beteiligung der Gesellschafter am Gewinn und Verlust der Gesellschaft wird, sofern nicht anders im Gesellschaftsvertrag geregelt, proportional zu ihren Geschäftsanteilen bestimmt 38. Die Beteiligung am Verlust ist jedoch auf die übernommene Einlage beschränkt 39. Das Stammkapital kann entweder in Form der Bareinlage oder im Wege der Sacheinlage von den Gesellschaftern eingebracht werden40. Bareinlagen müssen zu mindestens einem Fünftel vor Gründung der Gesellschaft erbracht sein, Sacheinlagen vollständig 41. Daneben sieht das Gesetz die
29 Art. L. 223-2 C.com., geändert durch Gesetz Nr. 2003-721 v. 1. Aug. 2003, Art. 1 Abs. 1. 30 Da mindestens ein Geschäftsanteil übernommen werden muss, kann eine Gesellschaft nicht gänzlich ohne Stammkapital gegründet werden, siehe diesbezüglich nur Merle, Sociétés commerciales, Nr. 178 m.w.N. 31 Projet de loi pour l’initative économique, Assemblée Nationale Nr. 507 v. 18. Dez. 2002, S. 6. 32 Artt. L. 231-1 ff. C.com. 33 Art. L. 223-2 S. 1 C.com. 34 Art. L. 223-2 S. 2 C.com. 35 Art. L. 223-27 Abs. 2 i.V.m. Art. L. 223-28 Abs. 1 C.com. 36 Siehe nur Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 1094, 735. 37 Art. L. 223-7 Abs. 1 C.com. 38 Art. 1844-1 Abs. 1 C.civ.; Art. L. 232-12 Abs. 1 C.com. 39 Art. L. 223-1 Abs. 1 C.com. 40 Art. L. 223-7 Abs. 1 C.com. 41 Artt. L. 223-7 Abs. 1, R. 223-3 C.com.
238
IV. Französische Rechtslage
Einbringung von Kapital in Form von Dienstleistungen vor, wobei durch letzteres eine Beteiligung sui generis entsteht42. d) Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz Die Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses wurde, trotz Forderungen aus der Literatur43, nicht durch die Schaffung eines funktionalen Ausgleichs, so beispielsweise im Rahmen der Kapitalerhaltungsregeln, flankiert. Die bestehenden Regeln der Kapitalerhaltung setzen sich aus Auszahlungsverboten, dem grundsätzlichen Verbot des Erwerbs eigener Anteile 44 und den Regeln der Kapitalherabsetzung45 zusammen. Auszahlungen an die Gesellschafter aus dem Gesellschaftsvermögen sind nur aus den Bilanzgewinnen der Gesellschaft, abzüglich der erlittenen Verluste, der gesetzlichen46 oder satzungsmäßig zu bildenden Reserven und vermehrt um den Gewinnvortrag möglich47. Darüber hinaus bedürfen sie der Zustimmung der Gesellschafterversammlung 48. Maßgeblich für die Auszahlung ist grundsätzlich jeweils der letzte Jahresabschluss 49. Sinkt die Summe des Eigenkapitals unter den Betrag, den das Gesetz oder die Satzung als Mindestbetrag für eine solche Gewinnausschüttung erfordert, ist eine solche nicht möglich50. Sämtliche Auszahlungen im Widerspruch zu diesen gesetzlichen Bestimmungen werden als sogenannte dividende fictif angesehen und müssen dann zurückgezahlt werden, wenn der Gesellschafter von der Irregularität Kenntnis hatte51. Anders als das deutsche Recht erfasst das französische Recht allerdings nur offene Auszahlungen als
42 Art. L. 223-7 Abs. 1 und 2 C.com. Werden die Einlagen als Dienstleistung eingebracht, so erwirbt der Gesellschafter keinen Anteil am Stammkapital der Gesellschaft, sondern lediglich eine Beteiligung am Gewinn und Verlust der Gesellschaft, Artt. 1843-2 Abs. 2, 1844-1 Abs. 2 C.civ. 43 Siehe u.a. Serra, Bull. Joly Sociétés 2004, S. 915 ff.; Nurit-Pontier, D. 2003, S. 1612 ff. Siehe auch Bauerreis, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 1, 4. 44 Siehe Art. L. 223-34 Abs. 4 C.com. Die Gesellschaft kann allerdings eigene Anteile im Wege der Kapitalherabsetzung erwerben, siehe Art. L. 223-34 Abs. 4 S. 2 i.V.m. Art. L. 223-14 Abs. 4 C.com. 45 Siehe Art. L. 223-34 C.com. 46 Gemäß Art. L. 232-10 C.com. muss mindestens ein zwanzigstel der erwirtschafteten Gewinne als Rücklage in der Gesellschaft verbleiben, es sei denn die Rücklagen erreichen ein zehntel des Stammkapitals. 47 Art. L. 232-11 Abs. 1 C.com. 48 Art. L. 232-12 Abs. 2 C. com. 49 Siehe Art. L. 232-12 C.com. i.V.m. Art. L. 232-11 C.com. 50 Art. L. 232-11 Abs. 3 C.com. 51 Art. L. 232-17 C.com. i.V.m. Art. L. 223-40 C.com.
1. Grundsätzliches zur SARL
239
dividende fictif und gerade nicht verdeckte Auszahlungen52. Kommt es zu einer Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen entgegen der gesetzlichen Vorschriften, trifft den Geschäftsführer darüber hinaus eine zivilrechtliche 53 als auch strafrechtliche 54 Verantwortlichkeit. Sinkt das Eigenkapital der Gesellschaft unter die Hälfte des nominalen Stammkapitals, ist der Geschäftsführer darüber hinaus verpflichtet die Gesellschafterversammlung hiervon zu unterrichten. Diese hat dann über eine Kapitalherabsetzung oder eine Auflösung der Gesellschaft zu entscheiden55. Mit der Aufgabe des Mindestkapitalerfordernisses ist ebenso wie in England56 die gläubigerschützende Wirkung der Kapitalerhaltungsregeln zu relativieren. Institutionelle Gläubiger, so insbesondere Banken, weichen dementsprechend auf persönliche Bürgschaften von Geschäftsführern oder Gesellschaftern aus, um somit über die Hintertür einen gewissen Schutz zu gewährleisten57. e) Gesellschafterversammlung Die Gesellschafterversammlung entscheidet über Satzungsänderungen, über die Auflösung der Gesellschaft sowie über eine Umwandlung 58. Darüber hinaus hat sie binnen sechs Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres den Geschäftsführungsbericht, das Inventar und den Jahresabschluss zu genehmigen59. Außerdem fällt die Bestellung der Geschäftsführer in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, sofern diese nicht bereits durch die Satzung bestellt werden60, beziehungsweise deren Abberufung61. Die Gesellschafterversammlung kann auch die grundsätzlichen Befugnisse der Geschäftsführer mit Wirkung im Innenverhältnis festlegen62. Eine darüber hinausgehende Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung 52
Siehe nur Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 1094, 735. Siehe in deutscher Sprache auch Fleischer, in: Lutter, ZGR Sonderheft 17/2006, S. 114, 123 f. 53 Siehe zur allgemeinen zivilrechtlichen Haftung der Geschäftsführer im Folgenden unter IV. 6. a). 54 Art. L. 241-3 Nr. 2 C.com. 55 Art. L. 223-42 Abs. 1 und 2 C.com. 56 Siehe hierzu bereits oben unter III. 1. d). 57 Legeais, in: FS Bouloc, S. 599, 606. Siehe auch in deutscher Sprache Bauerreis, in: Blaurock, Anleger- und Gläubigerschutz bei Handelsgesellschaften, S. 1, 4. 58 Artt. L. 223-30, L. 223-34, L. 223-42, L. 223-43, L. 232-12 C.com. Siehe auch Art. 1836 C.civ. 59 Art. L. 223-26 Abs. 1 C.com. 60 Art. L. 223-18 Abs. 2 C.com. 61 Art. L. 223-25 C.com. Eine Abberufung ist jedoch nur aufgrund eines gerechtfertigten Motivs zulässig, Art. L. 223-25 Abs. 1 S. 2 C.com. 62 Art. L. 223-18 Abs. 4 C.com.
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IV. Französische Rechtslage
sieht das Gesetz nicht vor63. Sofern die Gesellschaft einen Wirtschaftsprüfer bestellen muss oder möchte, fällt dies ebenfalls in die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung 64. Die Gesellschafterversammlung wird grundsätzlich durch den Geschäftsführer einberufen65. Darüber hinaus können auch die Gesellschafter die Versammlung einberufen, sofern sie über mindestens die Hälfte der Anteile verfügen oder aber sowohl ein Viertel aller Gesellschafter als auch ein Viertel der Anteile repräsentieren66. Schließlich kann auch jeder einzelne Gesellschafter eine gerichtliche Einberufung der Gesellschafterversammlung verlangen67. Jeder Gesellschafter hat das Recht zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und besitzt Stimmrechte allein in Höhe der Zahl seiner Geschäftsanteile 68. Ein Gesellschafter kann sich durch einen Ehegatten beziehungsweise durch einen anderen Gesellschafter vertreten lassen, sofern die Gesellschaft aus mehr als zwei Gesellschaftern besteht69. Eine hiervon abweichende Regelung in der Satzung ist möglich70. Neben den Gesellschaftern sind sowohl der Geschäftsführer71 als auch ein eventueller Wirtschaftsprüfer an der Teilnahme der Versammlung berechtigt, jedoch ohne eigene Stimmrechte72. Die Beschlüsse der Gesellschafter sind grundsätzlich im Rahmen einer Gesellschafterversammlung zu fassen, sofern nicht der Gesellschaftsvertrag beispielsweise die Möglichkeit einer schriftlichen Beschlussfassung im Umlaufverfahren vorsieht 73. Lediglich die Beschlussfassung über den Geschäftsführungsbericht, das Inventar sowie den Jahresabschluss sind zwingend Gegenstand einer Gesellschaftsversammlung 74. Grundsätzlich
63
Siehe nur Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 279, 354, 1077. Artt. L. 223-35 ff. C.com. 65 Art. L. 223-27 Abs. 2 C.com. Sind mehrere Geschäftsführer vorhanden, so kann der Gesellschaftsvertrag Bestimmung über die Befugnis zur Einberufung vorsehen, Art. L. 223-18 Abs. 4 C.com. 66 Art. L. 223-27 Abs. 3 C.com. 67 Art. L. 223-27 Abs. 4 C.com. 68 Art. L. 223-27 Abs. 2 i.V.m. Art. L. 223-28 Abs. 1 C.com. Siehe auch bereits oben unter IV. 1. c). 69 Art. L. 223-28 Abs. 2 C.com. 70 Art. L. 223-28 Abs. 3 C.com. 71 Art. R. 223-23 C.com sieht vor, dass der Geschäftsführer oder bei mehreren Geschäftsführern einer von ihnen der Gesellschafterversammlung vorsitzt. 72 Art. L. 223-39 Abs. 2 C.com. 73 Art. L. 223-27 C.com. 74 Art. L. 223-27 Abs. 1 i.V.m. Art. L. 223-26 Abs. 1 C.com. 64
1. Grundsätzliches zur SARL
241
genügt zur Beschlussfassung eine einfache Mehrheit 75, sofern das Gesetz oder die Satzung nicht eine höhere Mehrheit erfordern76. f) Geschäftsführung Die SARL wird durch eine oder mehrere natürliche Personen geleitet77. Diese werden entweder durch die Satzung oder die Gesellschafterversammlung für die Dauer der Gesellschaft bestellt, sofern keine hiervon abweichende Regelung getroffen wird78. Die Befugnisse der Geschäftsleitung umfassen grundsätzlich sämtliche Tätigkeiten im Interesse der Gesellschaft 79. Hierzu zählt die umfassende Einzelvertretungsbefugnis eines jeden Geschäftsführers im Außenverhältnis 80. Die Satzung der Gesellschaft kann dies allein im Innenverhältnis einschränken81. Eine weitergehende Weisungsgebundenheit vor allem gegenüber den Gesellschaftern sieht das französische Recht nicht vor82. Die Pflichten der Geschäftsleitung umfassen unter anderem die Erstellung eines jährlichen Geschäftsleitungsberichts, eines Inventars sowie des Jahresabschlusses 83. Bei einer Verletzung gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Pflichten oder bei sonstigen Geschäftsleitungsfehlern haften die Geschäftsführer einzeln oder gesamtschuldnerisch sowohl der Gesellschaft als auch Dritten gegenüber 84. Eine Entlastung durch die Gesellschafterversammlung sieht das französische Recht nicht vor85. In der Insolvenz wird die Organpersonenhaftung durch speziellere Haftungsregeln verdrängt, die wiederum durch umfassende Geschäftsleitungsverbote ergänzt werden86. 75
Art. L. 223-29 Abs. 1 C.com. Siehe Art. L. 223-29 Abs. 2 C.com. sowie Art. L. 223-30 C.com. 77 Art. L. 223-18 Abs. 1 C.com. 78 Art. L. 223-18 Abs. 2 und 3 C.com. 79 Art. L. 223-18 Abs. 4 i.V.m. Art. L. 221-4 C.com. Siehe ebenso Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 279, 354, 1077; Merle, Sociétés commerciales, Nr. 197. 80 Art. L. 223-18 Abs. 4 bis 7 C.com. i.V.m. Art. L. 221-4 C.com. 81 Art. L. 223-18 Abs. 2 und 4 C.com. 82 Siehe nur Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 279. Siehe auch bereits oben unter IV. 1. e). 83 Siehe Art. L. 223-26 Abs. 1 C.com. Für weitere explizit geregelte Pflichten siehe Art. L. 223-19 (Informationspflicht ggü. Gesellschaftern bzgl. bestimmter Insichgeschäfte), L. 223-42 Abs. 1 C.com. (Informationspflicht ggü. den Gesellschaftern bzgl. eines Absinkens des Eigenkapitals unter die Hälfte des nominalen Stammkapitals). 84 Art. L. 223-22 Abs. 1 C.com. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter IV. 6. a). 85 Siehe Art. L. 223-22 Abs. 5 C.com. 86 Siehe zur Haftung der Geschäftsführer in der Insolvenz ausführlich im Folgenden unter IV. 2. sowie zu den Geschäftsleitungsverboten unter IV. 7. 76
242
IV. Französische Rechtslage
Die Geschäftsführer werden durch einen Beschluss der Gesellschafterversammlung abberufen87. Aufgrund dieses Umstandes ergibt sich somit zumindest ebenso wie in England und den Niederlanden eine faktische Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer. Darüber hinaus kann ein Gericht auf Antrag eines jeden Gesellschafters den Geschäftsführer abberufen, sofern dem Antrag ein gerechtfertigtes Motiv zugrunde liegt88. g) Auflösung der Gesellschaft Das französische Recht kennt eine Vielzahl von Gründen, die zur sofortigen Auflösung der Gesellschaft, zunächst nur mit Wirkung im Innenverhältnis 89, führen. Diese Auflösungsgründe sind für alle Gesellschaften zentral in Art. 1844-7 C.civ. zusammengefasst. Sie umfassen beispielsweise den Zeitablauf, das Erreichen des Gesellschaftszwecks oder den Auflösungsbeschluss der Gesellschafter90. Darüber hinaus sieht Art. L. 223-3 C.com. eine Auflösung der Gesellschaft bei Überschreiten der maximal zulässigen Anzahl der Gesellschafter vor und Art. L. 223-42 Abs. 1 C.com. bei Unterschreiten der Hälfte des nominalen Stammkapitals durch das Eigenkapital der Gesellschaft 91. Mit der Auflösung der Gesellschaft haben die Gesellschafter einen Liquidator zu bestellen, während gleichzeitig das Amt der Geschäftsführer endet92. Das sich anschließende Liquidationsverfahren ist, ebenso wie das Gründungsverfahren, verbunden mit zahlreichen Publizitätspflichten93. So wirkt die Auflösung der Gesellschaft Dritten gegenüber erst mit der Veröffentlichung im Handelsregister94. Der zu bestellende Liquidator hat das Gesellschaftsvermögen zu liquidieren und mit Rücksicht auf die Gläubigerinteressen über eine Verteilung unter den Gesellschaftern zu entschei-
87
Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. e). Art. L. 223-25 Abs. 2 C.com. 89 Siehe Art. L. 237-2 Abs. 3 C.com. 90 Kein Auflösungsgrund stellt hingegen die Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer Hand dar, siehe Art. L. 223-4 C.com. 91 Es besteht die Möglichkeit innerhalb einer gesetzlichen Frist den gesetzeswidrigen Zustand zu beseitigen, siehe Artt. L. 223-3, L. 223-42 Abs. 2 C.com. Wird die Auflösung der Gesellschaft aufgrund des Absinkens des Eigenkapitals innerhalb der gesetzlichen Frist nicht beschlossen und der gesetzeswidrige Zustand nicht beseitigt, kann auch jeder Dritte die Auflösung der Gesellschaft verlangen, Art. L. 223-42 Abs. 4 C.com. 92 Art. L. 237-18 C.com. i.V.m. Art. L. 237-15 C.com. 93 Die Gesellschaft muss unter anderem die Bezeichnung „société en liquidation“ führen, siehe Art. L. 237-2 Abs. 1 C.com. Zu den weiteren Pflichten siehe Artt. L. 237-3, R. 642-41, R. 643-3, R. 123-69 und Art. R. 123-159 C.com. 94 Art. L. 237-2 Abs. 3 C.com. 88
1. Grundsätzliches zur SARL
243
den95. Das Liquidationsverfahren endet mit einem Beschluss der Gesellschafterversammlung, in dem diese die Liquidationsbilanz und die Beendigung des Liquidationsverfahrens feststellt sowie den Liquidator entlastet96. Erst mit der Veröffentlichung dieses Beschlusses wird die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht mit der Folge des Verlusts der Rechtspersönlichkeit97. h) Insolvenz der Gesellschaft Ähnlich wie im englischen Recht sieht auch das französische Recht vier verschiedene Verfahren in Abhängigkeit von der Sanierungsfähigkeit und der Zahlungseinstellung der Gesellschaft vor98. Letzteres wird in Art. L. 631-1 Abs. 1 C.com. legaldefiniert als die Unfähigkeit, die fälligen Verbindlichkeiten durch die kurzfristig realisierbaren Aktiva zu begleichen99. Gleichzeitig stellt Art. L. 631-1 Abs. 1 C.com. fest, dass dann keine Einstellung der Zahlungen vorliegt, wenn der Schuldner darlegen kann, dass seine Kreditreserven oder gewährte Zahlungsaufschübe dazu führen, dass er die fälligen Verbindlichkeiten befriedigen kann. Die vier Verfahren sind: procédure de sauvegarde und redressement judiciaire (siehe im Folgenden unter (1))); procédure de conciliation (siehe im Folgenden unter (2)) sowie die liquidation judiciaire (siehe im Folgenden unter (3)). (1) Sanierungsverfahren – procédure de sauvegarde und redressement judiciaire, Artt. L. 620-1 ff. C.com. und Artt. L. 631-1 ff. C.com. Sowohl die procédure de sauvegarde als auch der redressement judiciaire zielen auf eine Fortführung des Unternehmens und eine Bereinigung der Verbindlichkeiten100. Beide Verfahren weisen deutliche Parallelen auf. So sehen sie mit Eröffnung des Verfahrens eine sogenannte période d’observation vor, in der unter gerichtlicher Aufsicht das Unternehmen fortgeführt
95
Artt. L. 237-24, L. 237-31 Abs. 1 C.com. Siehe auch Merle, Sociétés commerciales, Nr. 120. 96 Siehe Art. L. 237-9 Abs. 1 C.com. 97 Art. L. 237-2 Abs. 2 C.com. 98 Siehe Artt. L. 611-4, L. 620-1, L. 631-1, L. 640-1 C.com. 99 Art. L. 631-1 Abs. 1 C.com. 100 Siehe Art. L. 620-1 Abs. 1: „permettre la poursuite de l’activité économique, le maintien de l’emploi et l’apurement du passif“. Siehe auch Art. L. 631-1 Abs. 2 C.com.: „permettre la pursuite de l’activité de l’entreprise“ Siehe zu beiden Verfahren ausführlich Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nrn. 401 ff., 1301 ff.; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Nrn. 305 ff.
244
IV. Französische Rechtslage
wird101 und ein Sanierungsplan erarbeitet wird102. Der Eröffnungsbeschluss sowohl einer procédure de sauvegarde als auch eines redressement judiciaire benennt einen administrateur, der die Geschäftsleitung während der période d’observation überwacht und ihr assistiert sowie einen mandataire judiciaire, der im Namen und Interesse der Gläubiger des Insolvenzschuldners handelt 103. Die procédure de sauvegarde steht jedoch nur Gesellschaften offen, die ihre Zahlung noch nicht eingestellt haben104. Die procédure de sauvegarde kann ausschließlich von der Gesellschaft selbst beantragt werden105. Hat die Gesellschaft ihre Zahlungen bereits eingestellt, so muss der Geschäftsführer innerhalb von 45 Tagen den redressement judiciaire beantragen106. Sofern sich die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit nicht bereits in einer procédure de conciliation befindet, kann der redressement judiciare auch von Amts wegen, auf Antrag eines Generalanwalts („ministère public“)107 oder aber eines Gläubigers eröffnet werden108. Stellt sich im Rahmen der auf die Verfahrenseröffnung folgenden période d’observation heraus, dass eine Sanierung unmöglich ist, so kann das Gericht die insolvenzbedingte Abwicklung („liquidation judiciare“) eröffnen109.
101 Siehe Artt. L. 621-3, L. 622-1 ff. für die procédure de sauvegarde und Artt. L. 6317, L. 631-14 für den redressement judiciaire, die im Wesentlichen auf die genannten Vorschriften im Rahmen der procédure de sauvegarde verweisen. 102 Siehe Artt. L. 626-1 ff. für die procédure de sauvegarde und Art. L. 631-19 I für den redressement judiciaire, der auf die Artt. L. 626-1 ff. C.com verweist. Der Sanierungsplan im Rahmen des redressement judiciaire unterscheidet sich vom Plan im Rahmen der procédure de sauvegarde vor allem hinsichtlich der Kündigungsmöglichkeiten der Arbeitnehmer, siehe nur Artt. L. 321-8 f. Code du travail. 103 Art. L. 621-4 Abs. 3 C.com. für die procédure de sauvegard sowie i.V.m. Art. L. 631-9 C.com. für den redressement judiciare. Zu den Aufgaben des administrateur siehe im Rahmen der procédure de sauvegard Art. L. 622-1 C.com. und im Rahmen des redressement judiciaire Art. L. 631-12 C.com. Zu den Aufgaben des mandataire judiciaire siehe im Rahmen der procédure de sauvegarde Art. L. 622-20 C.com sowie i.V.m. Art. L. 631-14 Abs. 1 C.com. für den redressement judiciaire. 104 Art. L. 620-1 Abs. 1 S. 1 C.com. 105 Art. L. 620-1 Abs. 1 C.com. 106 Art. L. 631-4 Abs. 1 C.com. 107 Siehe zur Rolle des ministère public nur Bandrac, in: Guinchard, Droit et pratique de la procédure civile, Nrn. 102.110 ff. 108 Art. L. 631-5 Abs. 1 und 2 C.com. 109 Art. L. 622-10 Abs. 2 und Art. L. 631-15 II C.com.
1. Grundsätzliches zur SARL
245
(2) Vergleichsverfahren – procédure de conciliation, Artt. L. 611-4 ff. C.com. Die procédure de conciliation steht Gesellschaften offen, die sich entweder bereits in der Krise befinden oder deren Krise absehbar ist und die ihre Zahlungen seit nicht mehr als 45 Tagen eingestellt haben110. Sie wird von der Gesellschaft beantragt111. Ebenso wie die beiden Sanierungsverfahren dient auch die procédure de conciliation der Überwindung der Krise der Gesellschaft, jedoch durch einen Vergleich mit den Gläubigern112. Scheitert das Vergleichsverfahren und ist die Gesellschaft zahlungsunfähig, so entscheidet das Gericht von Amts wegen über die Eröffnung eines redressement judiciaire113. Ist eine Sanierung im Rahmen des redressement judiciaire nicht möglich, so eröffnet das Gericht eine liquidation judiciaire114. (3) Insolvenzbedingte Abwicklung – liquidation judiciaire, Artt. L. 640-1 ff. C.com. Ist die Sanierung des Unternehmens von Anfang an ausgeschlossen, so hat der Geschäftsführer innerhalb von 45 Tagen ab Einstellung der Zahlungen die Eröffnung der liquidation judiciaire zu beantragen, sofern sich die Gesellschaft nicht bereits in einer procédure de conciliation befindet 115. Die liquidation judiciaire ist auf eine Beendigung der Geschäftsaktivitäten der Gesellschaft gerichtet und auf einen Verkauf sämtlicher Vermögenspositionen der Gesellschaft 116. Sofern sich die Gesellschaft nicht bereits in einer procédure de conciliation befindet, kann die liquidation judiciaire ebenso wie der redressement judiciaire117 auch von Amts wegen eröffnet werden118 oder vom ministère public oder einem Gläubiger beantragt werden119.
110
Art. L. 611-4 i.V.m. Art. L. 611-5 Abs. 1 C.com. Art. L. 611-6 Abs. 1 C.com. 112 Siehe Art. L. 611-7 Abs. 1 C.com. 113 Art. L. 631-4 Abs. 2 C.com. 114 Art. L. 640-4 Abs. 2 C.com. 115 Art. L. 640-1 Abs. 1 i.V.m. Art. L. 640-4 C.com. 116 Art. L. 640-1 Abs. 2 C.com. 117 Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. h) (1). 118 Art. L. 640-5 Abs. 1 C.com. Scheitert eine procédure de conciliation und ist die Gesellschaft zahlungsunfähig, so eröffnet das Gericht die liquidation judiciaire ebenfalls von Amts wegen, siehe Art. L. 640-4 Abs. 2 C.com. 119 Art. L. 640-5 Abs. 1 und 2 C.com. Dies gilt auch, sofern sich die Gesellschaft in der période d'observation im Rahmen einer procédure de sauvegarde befindet, siehe Art. L. 622-10 C.com. 111
246
IV. Französische Rechtslage
Mit der Eröffnung der liquidation judiciaire bestimmt das Gericht einen mit dem Verfahren beauftragten Richter („juge-commissaire“), der unter anderem die vom Verfahren betroffenen Interessen zu schützen hat 120. Darüber hinaus bestimmt das Gericht mit der Eröffnung des Verfahrens als Insolvenzverwalter121 einen sogenannten mandataire judiciaire122. Im Laufe des Insolvenzverfahrens kann das Gericht dem Insolvenzverwalter weitere Verwalter zur Seite stellen, sogenannte liquidateurs123. Das Gericht nominiert auch bis zu fünf sogenannte contrôleurs unter den Gläubigern, die dem Insolvenzverwalter und dem verfahrensleitenden Richter assistieren124. Im Eröffnungsbeschluss bestimmt das Gericht auch den Zeitpunkt der Zahlungseinstellung 125. Dieser kann maximal 18 Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegen126. Sofern dieser Zeitpunkt nicht bestimmt wird, gilt der Zeitpunkt der Eröffnung des Verfahrens als Zeitpunkt der Zahlungseinstellung 127. Der Eröffnungsbeschluss ist unter anderem im Handelsregister bekanntzumachen128. Der Eröffnungsbeschluss unterbricht sämtliche gegen die Gesellschaft anhängigen Verfahren und steht der individuellen Verfolgung von Ansprüchen gegen die Gesellschaft entgegen129. Mit der Eröffnung des Verfahrens geht die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Gesellschaft auf den Insolvenzverwalter über130. Obwohl 120
Art. L. 641-1-II C.com. Zu den Aufgaben des juge-commissaire siehe Art. L. 64111 i.V.m. Artt. L. 621-9, L. 623-2, L. 631-11, L. 622-13 Abs. 1 und Art. L. 622-16 Abs. 4 C.com. Auch im Rahmen einer procédure de sauvegarde sowie im Rahmen eines redressement judiciaire wird ein juge-commissaire bestellt, siehe L. 621-4 Abs. 1 C.com. für die procédure de sauvegarde sowie Art. L. 621-4 Abs. 1 C.com. i.V.m. Art. L. 631-9 C.com. für den redressement judiciaire. 121 Art. L. 651-1 II Abs. 1 S. 1 C.com.: „en qualité de liquidateur“. 122 Art. L. 641-1 II Abs. 1 S. 1 C.com. Siehe zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters auch Art. L. 641-2 sowie L. 641-4 C.com. 123 Art. L. 641-1 II Abs. 1 S. 2 C.com. 124 Art. L. 641-1 II Abs. 4 C.com. i.V.m. Art. L. 621-10 C.com. Siehe zu den Aufgaben der Gläubigervertreter Art. L. 621-11 C.com. 125 Art. L. 641-1-IV i.V.m. Art. L. 631-8 Abs. 1 S. 1 C.com. 126 Art. L. 641-1-IV i.V.m. Art. L. 631-8 Abs. 2 C.com. 127 Art. L. 641-1-IV i.V.m. Art. L. 631-8 Abs. 1 S. 2 C.com. 128 Art. R. 621-8 C.com. i.V.m. Art. R. 641-7 C.com. Auch der Eröffnungsbeschluss einer procédure de sauvegarde, siehe Art. R. 621-8 C.com. sowie eines redressement judiciaire, siehe Art. R. 631-1 C.com., ist unter anderem im Handelsregister als auch im Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales zu veröffentlichen. 129 Art. L. 641-3 Abs. 1 C.com. i.V.m. Art. L. 622-21 C.com. sowie Art. R. 640-1 C.com. Gleiches gilt im Übrigen auch im Rahmen der procédure de sauvegarde, siehe Art. L. 622-21 sowie im Rahmen des redressement judiciare, siehe Art. L. 622-21 i.V.m. Art. L. 631-14 Abs. 1 C.com. sowie Art. R. 631-2 Abs. 2 C.com. 130 Art. L. 641-9 I C.com.
1. Grundsätzliches zur SARL
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die Eröffnung der liquidation judiciaire zur sofortigen Auflösung der Gesellschaft mit Wirkung im Innenverhältnis führt131, bleiben die Geschäftsführer dennoch im Amt 132. Der Insolvenzverwalter handelt im Namen und Interesse der Gläubigergesamtheit 133. Ihm obliegt die Verwertung des Vermögens 134, die Feststellung der Insolvenzforderungen135 sowie deren Befriedigung 136. Im Gegensatz zu den verschiedenen Sanierungsverfahren kann die Gesellschaft als werbendes Unternehmen nur mit Zustimmung des Gerichts und nur für die Dauer von zunächst drei Monaten weitergeführt werden137. Ist die Insolvenzmasse unter den Gläubigern verteilt oder ist die Durchführung des Verfahrens aufgrund der Unzulänglichkeit der Masse nicht möglich, so endet das Verfahren mit einem Beschluss des Gerichts138. Die Staatskasse kann allerdings die Verfahrenskosten vorstrecken139. Die sich hieraus ergebende Forderung der Staatskasse nimmt, ebenso wie die Verfahrenskosten selbst 140, den Rang einer bevorrechtigten Forderung ein141. Die Masse ist für die Verfahrensdurchführung dann unzulänglich, sofern die realisierten Aktiva und die im Interesse der Gläubiger und des Unternehmens angestrengten Verfahren noch nicht einmal die teilweise Befriedigung der Gläubiger ermöglichen142. Das eingestellte Verfahren kann unter anderem auf Antrag eines Gläubigers dann wieder aufgenommen werden, sofern ein Verfahren im Interesse der Gläubiger nicht angestrengt wurde143. Mit Veröffentlichung des Beendigungsbeschlusses des Gerichts endet die Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft 144.
131 132 133 134 135 136 137 138 139 140 141 142 143 144
Art. 1844-7 Nr. 7 C.civ. Siehe hierzu auch bereits oben unter IV. 1. g). Art. L. 641-9 II. C.com. Art. L. 641-4 Abs. 3 i.V.m. Art. L. 622-20 C.com. Siehe hierzu Artt. L. 642-1 bis L. 642-17 C.com. Artt. L. 641-4 Abs. 1 und 2, L. 641-5 C.com. Siehe hierzu Artt. L. 643-1 bis L. 643-8 C.com. Art. L. 641-10 Abs. 1 i.V.m. Art. R. 641-19 C.com. Art. L. 643-9 Abs. 2 C.com. Art. L. 663-1 Abs. 1 C.com. Siehe zur Rangfolge der Forderungen in der Insolvenz Art. L. 641-13 C.com. Art. L. 663-1 Abs. 3 C.com. Art. R. 643-16 C.com. Art. L. 643-13 Abs. 1 und 2 C.com. Art. L. 237-2 Abs. 2 C.com.
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IV. Französische Rechtslage
2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – la responsabilité pour insuffisance d’actif, Artt. L. 651-1 ff. C.com. 2. La responsabilité pour insuffisance d’actif Die Artt. L. 651-1 bis 651-4 C.com. regeln die seit Inkrafttreten der Loi de sauvegarde des entreprises am 1. Januar 2006 in la responsabilité pour insuffisance d’actif umbenannte und leicht veränderte action en comblement du passif145. Diese stellt im Vergleich zu den Haftungstatbeständen der anderen betrachteten Länder als auch im Vergleich zu den übrigen französischen Haftungstatbeständen die wohl praxisrelevanteste Vorschrift dar146. Dies liegt insbesondere an der sehr offenen Formulierung des Tatbestandes der Vorschrift. Darüber hinaus stellt die responsabilité pour insuffisance d’actif auch die älteste kodifizierte Haftungsvorschrift dar, da sie auf Art. 99 des Gesetzes Nr. 67-563 vom 13. Juli 1967 und wiederum dessen Vorgängervorschriften zurückgeht. Art. L. 651-2 C.com. ermöglicht dem Gericht, sofern in einem Insolvenzverfahren (irgend)einer juristischen Person des Privatrechts147 eine Unterdeckung der Passiva festgestellt wird und diese durch Fehler ihrer Geschäftsleitung mitverursacht wurde, den formellen oder faktischen Geschäftsführern sämtliche oder Teile der Verbindlichkeiten der juristischen Person aufzuerlegen148. Der dritte Absatz der Vorschrift bestimmt weiter, dass die von den Geschäftsführern zu leistende Summe zwar in das Vermögen der Gesellschaft zu leisten ist, jedoch anteilsmäßig den Gläubigern der Gesellschaft zufließt149. Die responsabilité pour insuffisance d’actif
145 Durch die Insolvenzrechtsreform des Loi de sauvegarde des entreprises wurde die action en comblement du passif 2005 unter der Kapitelüberschrift „De la responsabilité pour insuffisance d’actif“ mit kleinen Änderungen neu gefasst. Siehe zu den Reformen bereits oben unter IV. 1. a). Rechtsprechung und Literatur halten in der Regel jedoch noch an der alten Terminologie fest. 146 Die jährliche Statistik für den Berichtszeitraum 2011–2012 verzeichnet 212 anhängige Anträge bei insgesamt 482 anhängigen Insolvenzverfahren, siehe hierzu die Annuaire statistique de la Justice, éd. 2011–2012, S. 55, abzurufen unter < www.justice. gouv.fr/art_pix/stat_annuaire_2011-2012.pdf > (zuletzt abgerufen im Oktober 2012), Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 446 erwähnt für die Jahre 2001 und 2002 auch die Zahl der stattgebenden Urteile, die im Jahr 2001 bei 657 Klagen 450 beträgt und im Jahr Jahr 2002 431 bei 625 Klagen. Siehe zur Bedeutung der Vorschrift auch Meyer/Gros, GmbHR 2006, S. 1032, 1035. 147 Art. L. 651-1 C.com. Die Darstellung im Folgenden bezieht sich jedoch allein auf die SARL. 148 Art. L. 651-2 C.com. 149 Art. L. 651-2 Abs. 3 C.com.
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
249
stellt somit eine Schadensersatzhaftung zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger einer insolventen Gesellschaft dar150. a) Sachlicher Anwendungsbereich Die Vorschriften der Artt. L. 651-1 ff. C.com. sind nach Art. L. 651-1 C.com. anwendbar, wenn über das Vermögen einer SARL ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde151. Aus der Zusammenschau mit Art. L. 651-2 C.com. ergibt sich jedoch, dass der Anwendungsbereich nur bei einer liquidation judiciaire eröffnet ist152. Diese Klarstellung geht auf die Ordonnance Nr. 2008-1345 vom 18. Dezember 2008 zurück. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Gesetzesfassungen ist durch diese Ordonnance eindeutig klargestellt, dass die Artt. L. 651-ff. C.com. nicht im Verlauf eines Sanierungsverfahrens Anwendung finden153. b) Haftender Personenkreis Der Kreis der haftenden Personen wird ebenfalls durch die Artt. L. 651-1 f. C.com. bestimmt. Sämtliche formellen („dirigeants de droit“) als auch faktischen Geschäftsführer („dirigeants de fait“) einer SARL können der Haftung unterliegen154. (1) Formeller Geschäftsführer Die Bezeichnung dirigeant de droit erfasst grundsätzlich sämtliche vom Gesetz zur Geschäftsführung berufenen Personen einer Gesellschaft 155. Eine SARL kann gemäß Art. L. 223-18 Abs. 1 C.com. ausschließlich durch eine oder mehrere natürliche Personen geleitet werden, die entweder durch 150
Soinne, Traité des procédures collectives, Nr. 2582; Hannoun, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 36; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.11. 151 Art. L. 651-1 C.com: „procédure collective“. 152 Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com.: „Lorsque la liquidation judiciaire d’une personne morale fait apparaître une insuffisance d’actif, le tribunal peut [...]“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 153 Sowohl die Formulierung der action in der Fassung der Ordonnance Nr. 2000-912 als auch des Loi de sauvegarde des entreprises wurde in der Literatur so verstanden, dass die action auch während eines Sanierungsverfahrens möglich sei, siehe Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.31; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 787. Die Ordonnance Nr. 2008-1345 enthält somit eine eindeutige Klarstellung, siehe hierzu den Bericht an den Präsidenten der Republik, JORF Nr. 0295 v. 19. Dez. 2008, S. 19457, 19462. 154 Art. L. 651-1 i.V.m. Art. L. 651-2 C.com. 155 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 766 f.; Vallens, in: Lamy Droit commercial, Nr. 4261; Campana, Code de commerce, Art. L. 651-2, A 2) und 4), S. 824; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.13.
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IV. Französische Rechtslage
die Satzung oder die Gesellschafterversammlung bestellt werden156. Es können somit allein die so bestellten formellen Geschäftsführer als dirigeant de droit gemäß Art. L. 651-2 C.com. haftbar sein157. Auf eine ordnungsgemäße Bestellung und Eintragung dieser kommt es jedoch nicht an, sofern der Geschäftsführer das Amt angetreten und ausgeführt hat158. Ebenso wenig ist weder die persönliche Fähigkeit des Geschäftsführers relevant, noch kann sich der Geschäftsführer darauf berufen gar nicht tätig geworden zu sein159. Von der Haftung sind die im Zeitpunkt der Eröffnung der liquidation judiciaire amtierenden Geschäftsführer160 sowie unter Umständen ausgeschiedene Geschäftsführer161 betroffen. Ebenso wie bei der Bestellung des Geschäftsführers spielt auch bei seinem Widerruf die ordnungsgemäße Publizität hinsichtlich der Beendigung des Amtes keine Rolle. Setzt der Geschäftsführer seine Tätigkeit trotz Abberufung fort, so ist er auch weiterhin gemäß Art. L. 651-2 C.com. haftbar162. Schließt sich an eine Liquidation eine liquidation judiciaire an, können auch die Liquidatoren einer Gesellschaft gemäß den Art. L. 651-2 C.com. haften163.
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Siehe oben unter IV. 1. e). und f). Siehe hierzu Vallens, in: Lamy droit commercial, Nr. 4261; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.13. 158 Cass. com. 8. Juli 2003, Nr. 00-18.250, RJDA 2004, Nr 76. Siehe auch Cass. com., 24. April 1981, Rev. soc. 1981, S. 637; Cass. com. 26. Jan. 1988, Bull. civ. IV, Nr. 52. Siehe hierzu auch Art. L. 210-9 C.com., sowie Art. L. 123-8 C.com. 159 Zur Haftung eines unter Vormundschaft gestellten Geschäftsführers siehe Cass. 1er civ., 9. Nov. 1983, Nr. 81-16549, Bull. civ. IV, Nr. 283. Siehe Cass. com., 9. Mai 1995, Nr. 93-11.338, Bull. civ. IV, Nr. 134, zur Haftung einer rechtlichen Geschäftsführerin trotz der faktischen Geschäftsleitung durch den Ehemann. Siehe zu letzterem auch Cass. com., 31. Jan. 1995, Nr. 92-21.548, RTD com. 1996, S. 543. 160 Cass. com. 18. März 1980, Nr. 78.13483, Bull. civ. IV, Nr. 132; Cass. com. 4. Okt. 1983, Nr. 82-11.626, Bull. civ. IV, Nr. 250. 161 Cass. com., 17. Nov. 1992, Nr. 90-20.299, Bull. civ. IV, Nr. 359; Cass. com., 14. Okt. 1997, Nr. 95-15.384, Bull. civ. IV, Nr. 254; Cass. com., 17. Feb. 1998, Nr. 95-18.510, Bull. civ. IV, Nr. 78. 162 Siehe Cass. com., 14. Okt. 1997, Nr. 95-15.384, Bull. civ. IV, Nr. 254. Siehe auch Cass. com., 23. März 1982, Rev. soc. 1982, S. 834; Cass. com., 17. Jan. 1989, Nr. 86-19.252, Bull. civ. IV, Nr. 26; Hannoun, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 19; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.13. 163 Siehe nur Vallens, in: Lamy droit commercial, Nr. 4261; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.13. Siehe zur Rolle der Liquidatoren bereits oben unter IV. 1. g). 157
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
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(2) Faktischer Geschäftsführer Art. L. 651-2 C.com. ermöglicht neben einer Haftung des formellen Geschäftsführers auch eine Haftung rein faktischer Geschäftsführer164. In der Rechtsprechung findet sich zur Annahme einer faktischen Geschäftsführung eine kaum zu übersehende Kasuistik. So werden unter anderem ebenfalls ausgeschiedene formelle Geschäftsführer165, Gesellschafter166, Muttergesellschaften167 und kreditgebende Banken168 von einer Haftung erfasst. Rechtsprechung und Literatur fassen unter den gesetzlich nicht definierten Begriff des faktischen Geschäftsführers denjenigen, der eine Aufgabe der Geschäftsführung in völliger Freiheit und Unabhängigkeit ausübt169. Diese Definition setzt zunächst ein aktives Eingreifen voraus170. Da im Gegensatz zum formellen Geschäftsführer ein faktischer Geschäftsführer 164 Bereits das Insolvenzgesetz v. 13. Juli 1967, hier Art. 99, sah die Haftung des faktischen Geschäftsführers vor, sodass auch hier auf die diesbezügliche Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann. 165 Cass. com., 1. Juli 1997, Nr. 95-15.149, RTD com. 1998, S. 162; CA Paris, 3e ch., 10. Okt. 2000, Bull. Joly Sociétés 2001, Nr. 7. 166 Cass. com., 25. Jan. 1994, Nr. 91-20.007, RJDA 1994, Nr. 457; Cass. com., 12. Okt. 2004, Nr. 03-10.624, Dr. sociétés 2005, comm., Nr. 46. Zur faktischen Geschäftsleitung eines Minderheitsgesellschafters siehe Cass. com. 10. März 1970, Nr. 68/14391, Bull. civ. IV, Nr. 93; Cass. com., 26. Mai 1987, Nr. 85-18.811, Bull. civ. IV, Nr. 125. 167 Art. L. 233-1 C.com. definiert als Tochtergesellschaft, sogenannte filiale, eine Gesellschaft, an der eine andere Gesellschaft mehr als die Hälfte des Kapitals gezeichnet hat. Darüber hinaus definiert Art. L. 233-3 C.com. eine herrschende Gesellschaft unter anderem als eine solche, die direkt oder indirekt Anteile an einer anderen Gesellschaft hält, sodass sie im Rahmen der Gesellschafterversammlung dieser anderen Gesellschaft die Mehrheit der Stimmen besitzt oder aufgrund einer Vereinbarung mit den anderen Stimmberechtigten die Stimmenmehrheit besitzt. Sofern im Folgenden entweder von Muttergesellschaften oder herrschenden Gesellschaften gesprochen wird, so werden beide Begriffe synonym und im Sinne beider Definitionen verwandt. 168 Zur Haftung einer Muttergesellschaft siehe CA Aix-en-Provence, 8 e ch., 26. Mai 1981, RJ com. 1981, S. 344; Cass. com., 6. Juni 2000, Nr. 96-21.134, RJDA 2000, Nr. 868; Cass. com. 2. Nov. 2005, Rev. soc. 2006, S. 398. Zur Haftung einer kreditgebenden Bank siehe Cass. com., 24. Jan. 1983, RJ com. 1984, S. 215. 169 Siehe Cass. com., 27. Feb. 2007, Nr. 05-22.036, Dr. sociétés 2007, comm., Nr. 95; Cass. com., 12. Juli 2005, Nr. 03-14.045, Rev. soc. 2006, S. 162; Cass. com., 15. März 2005, Nr. 03-17.558, unveröffentlicht; Cass. com., 26. Juni 2001, Nr. 98-19.665, Dr. sociétés 2001, comm., Nr. 140. Siehe auch bereits Rives-Lange, D. 1975, chron., S. 41, 42: „est un dirigeant de fait celui qui, en toute souveraineté et indépendance, exerce une activité positive de gestion et de direction“. 170 St. Rspr., siehe nur Cass. com., 26. Juni 2001, Nr. 98-19.665, Dr. sociétés 2001, comm., Nr. 140: „d’une activité positive“; Cass. com., 19. Dez. 1995, Nr. 92-20.116, Bull. civ. IV, Nr. 307.
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nicht mit der Führung der Geschäfte betraut ist, genügt Untätigkeit zur Annahme der faktischen Geschäftsführung ebenso wenig wie die reine Erteilung von Empfehlungen171. Es muss sich um ein aktives Eingreifen in die der formellen Geschäftsführung zugeordneten Aufgaben handeln, also um eine Einmischung in deren Aufgabenbereich172. Ein einmaliges Eingreifen genügt in diesem Zusammenhang nicht173. Im Gegensatz zur deutschen Auffassung ist die faktische Geschäftsführung allerdings nicht mit einem nach außen wahrnehmbaren Handeln verknüpft. Auch rein gesellschaftsinterne Handlungen können zu einer faktischen Geschäftsleitung führen174. In jedem Fall müssen die Handlungen, die zur Annahme einer faktischen Geschäftsleitung führen, konkret benannt werden. Ein Hinweis auf umfassende Befugnisse, weitreichende Macht in der Gesellschaft, so insbesondere als alleiniger Gesellschafter175 oder die Nichtwahrnehmung der Geschäftsleitung durch den formellen Geschäftsführer genügen nicht 176. Auch eine weitreichende Delegation von Geschäftsführungsbefugnissen durch den formellen Geschäftsführer genügt nicht zur Annahme einer faktischen Geschäftsleitung, da diese in einem solchen Fall in der Regel gerade nicht in völliger Freiheit und Unabhängigkeit ausgeübt wird177. Das Vorhandensein eines faktischen Geschäftsführers hat nicht zwingend Einfluss auf die Haftung des formellen Geschäftsführers. Beide wer-
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Cass. com., 23. März 1971, Nr. 70-10.308, Bull. civ. IV, Nr. 91. Siehe auch Tricot, Dr. et patr. 1/1996, S. 24, 27. 172 Der Begriff immixtion wird vornehmlich in der Literatur verwendet, siehe Champaud/Danet, RTD 1992, S. 818, 819; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 275. Siehe aber auch CA Paris, 11. Juni 1987, Bull. Joly 1987, Nr. 299. 173 CA Paris, 11. Juni 1987, Bull. Joly 1987, Nr. 299 : „[…] une participation continue à cette direction et un contrôle effectif et constant de la marche de la société en cause“ ; ebenso Tricot, Dr. et patr. 1/1996, S. 24, 27; Cozian/Vianier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 275. Siehe auch Cass. com., 6. Jan. 1998, Nr. 95-18.478, JCP E 1998, Nr. 9. 174 Zur Annahme einer faktischen Geschäftsleitung wurde u.a. als ausreichend angesehen: die Übernahme der Buchhaltung, so Cass. com., 22. Jan. 2002, Nr. 98-21.619, unveröffentlicht, bzw. bereits die Tatsache, dass Anfragen bzgl. der Buchhaltung an die betreffende Person gerichtet wurden, so CA Paris, 3e ch., B, 12. April 2002, RJDA 2002, Nr. 1030 ; die Einstellung und Entlassung von Personal, so Cass. com. 19. Feb. 2002, Nr. 99-14.906, RJDA 2002, Nr. 791 ; Cass. com., 6. Juli 1999, Nr. 97-14.721, Rev. proc. coll. 2001, S. 266 sowie die Bestimmung der Gehaltspolitik der Gesellschaft, so CA Montpellier, 2 e ch. B, 7. März 2000, Act. proc. coll. 2000, Nr. 222. 175 Cass. com., 30. Mai 2006, Nr. 05-14.958, Dr. sociétés 2007, comm., Nr. 7; CA Paris, 3e ch. C, 2. Juli 2003, Rev. proc. coll. 2005, S. 154. 176 Cass. com., 12. Juli 2005, Nr. 02-19.860, Bull. Joly Sociétés 2006, Nr. 5; CA Douai, 2e ch., 2e sect., 3. Nov. 2005, JCP E 2006, Nr. 1406. 177 Cass. com., 13. Feb. 2007, Nr. 05-20.126, Dr. sociétés 2007, comm., Nr. 95.
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den in der Rechtsprechung unabhängig voneinander betrachtet, sodass eine parallele Haftung möglich ist 178. c) Tatbestand Der Tatbestand der responsabilité pour insuffisance d’actif setzt eine Überschuldung („insuffisance d’actif“) (siehe im Folgenden unter (1)), einen Geschäftsleitungsfehler (siehe im Folgenden unter (2)) und eine kausale Verknüpfung dieser beiden Merkmale voraus (siehe im Folgenden unter (3)). In dieser Tatbestandsstruktur spiegelt sich die klassische Dreigliedrigkeit des allgemeinen französischen Deliktsrechts – faute, dommage, lien de causalité179 –, sodass die Haftung der Artt. L. 651-1 ff. C.com. als spezielle Ausformung der allgemeinen deliktischen Haftung angesehen wird180. (1) Überschuldung – insuffisance d’actif Eine Haftung der Geschäftsführer kommt nur dann in Betracht, wenn sich im Verlauf eines Liquidationsverfahrens eine sogenannte insuffisance d’actif herausstellt und damit ein die Gesamtheit der Gläubiger treffender Schaden181. Ganz im Sinne der klassischen Dreigliedrigkeit des allgemeinen Deliktstatbestandes kommt es zu keiner Haftung, wenn keine insuffisance d’actif und damit kein Schaden vorliegt 182. Der Begriff der insuffisance d’actif bezeichnet im Rahmen von Art. L. 651-2 C.com. nicht die zur Einstellung des Insolvenzverfahrens führende Massearmut183. Auch ist das Vorliegen einer insuffisance d’actif nicht mit der Zahlungseinstellung der Gesellschaft gleichzustellen, die zur 178
Siehe Cass. com., 24. April 1990, Nr. 88-14.911, Bull. civ. IV, Nr. 123; Cass. com., 9. Mai 1995, Nr. 93-11.338, Bull. civ. IV, Nr. 134. Siehe auch Art. L. 651-2 C.com.: „par tous les dirigeants de droit ou de fait ou par certains d’entre eux“. 179 Siehe Art. 1382 C.civ.: „tout fait […], qui cause […] un dommage“. Siehe hierzu auch Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 4; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.11; Fortis, Entreprises en difficulté, in: D. Rép. com., Nr. 22. 180 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.11; Hannoun, Redressement et liquidation judiciaries, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 37. 181 Siehe Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com. Siehe auch Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 5; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.31. Da sowohl das Insolvenzgesetz vom 13. Juli 1967 als auch das von 1985 bereits eine insuffisance d’actif erforderten, kann zur Konkretisierung dieses Begriffs auch auf die diesbezüglichen älteren Entscheidungen zurückgegriffen werden. 182 Cass. com., 27. Juni 2006, Nr. 05-14.271, Bull. civ. IV, Nr. 152. 183 Der Code de Commerce benutzt den Begriff ebenfalls im Zusammenhang mit der Einstellung eines Insolvenzverfahrens aufgrund von Massearmut, siehe Art. L. 228-29 sowie Artt. L. 643-9 ff. C.com.
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens führt184. Zwar erfordert bereits die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens als Eröffnungsgrund die Zahlungseinstellung und damit ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Aktiv- und Passivvermögen der Gesellschaft 185, der Begriff der insuffisance reicht jedoch weiter186. Die insuffisance d’actif ergibt sich aus der Differenz zwischen dem gesamten Aktiv- und Passivvermögen der Gesellschaft 187. Sie entspricht daher grundsätzlich der Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO. Bei der Feststellung der Passiva der Gesellschaft188 sind im Rahmen der responsabilité pour insuffisance d’actif jedoch nur diejenigen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind 189. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Verbindlichkeiten, so beispielsweise die Verfahrenskosten, werden bei der Feststellung der insuffisance d’actif nicht berücksichtigt190. Somit ist der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen einer Überschuldung grundsätzlich die Eröffnung der liquidation judiciaire191. Da zu diesem Zeitpunkt jedoch in der Regel keine abschließende Aussage über die insuffisance d’actif möglich ist, stellt die Rechtsprechung bezüglich deren Vorliegen als auch deren Höhe auf den Wissensstand zum Zeitpunkt des Urteils ab192. Dies führt dazu, dass auch solche Verbindlichkeiten, die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt werden, aber bereits vor 184 Siehe nur Art. L. 651-2 C.com.: „Lorsque […] la liquidation juridique d’une personne morale fait apparaître une insuffisance“. 185 Im Rahmen der für die Insolvenz der Gesellschaft relevanten Feststellung der Zahlungseinstellung sind nur die fälligen Verbindlichkeiten den kurzfristig realisierbaren Aktiva gegenüberzustellen, siehe Art. L. 631-1 Abs. 1 C.com. Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. h). 186 Derrida/Godé/Sortais/Honorat, Redressement et liquidation judiciaires des entreprises, Nr. 578 weisen jedoch darauf hin, dass in 99% der Fälle bei einer Einstellung der Zahlungen auch eine insuffisance d’actif vorliegen wird. 187 Siehe hierzu nur CA Paris, 3 e ch. B., 15. Nov. 2007, Rev. proc. coll. 2008, comm., Nr. 88. 188 Zum Verfahren siehe Art. L. 641-14 i.V.m. Artt. L. 624-1 ff. C.com. 189 Cass. com., 28. Feb. 1995, Nr. 92-18.572, RJDA 1995, Nr. 651; Cass. com., 16. Feb. 1993, Nr. 90-21.331, Bull. civ. IV, Nr. 67; Cass. com., 28. April 1998, Nr. 95-21.969, Bull. Joly Sociétés 1998, Nr. 384. Siehe auch Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nrn. 4319 f.; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 792 f.; Hannoun, Redressement et liquidation judiciaries, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 57; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.31. 190 Cass. com., 16. Feb. 1993, Nr. 90-21.331, Rev. soc. 1993, S. 655; Cass. com., 28. April 1998, Nr. 95-21.969, Bull. Joly Sociétés 1998, Nr. 384. 191 Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nr. 4320; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 792 f. Siehe hierzu auch Cass. com., 28. Feb. 1996, Nr. 92-18.572, RJDA 1995, Nr. 651. 192 Cass. com., 7. Juni 2005, Nr. 04-13.262, JCP E 2005, Nr. 1751; Cass. com., 27. Juni 2006, Nr. 05-11.690, JCP E 2007, Nr. 1117.
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der Eröffnung des Verfahrens begründet wurden, berücksichtigt werden können. Eine abschließende Feststellung der insuffisance d’actif ist für die Bejahung der Haftung allerdings gar nicht erforderlich. Es reicht bereits aus, dass mit Sicherheit feststeht, dass die Aktiva nicht zur Deckung der Passiva ausreichen werden193. Zur Bejahung der Haftung genügt es somit, dass die Überschuldung bestimmbar ist. (2) Geschäftsleitungsfehler Neben der insuffisance d’actif setzt Art. L. 651-2 C.com. lediglich allgemein einen Geschäftsleitungsfehler voraus194. In Anlehnung an Art. L. 223-22 C.com., der die allgemeine Geschäftsführerhaftung regelt195, sieht die Literatur das Tatbestandsmerkmal bei jeder fehlerhaften Ausübung der Aufgaben der Geschäftsleitung erfüllt 196. Die nähere Konkretisierung dieses sehr weiten Verständnisses des Fehlerbegriffs ergibt sich allein aus der Rechtsprechung und dort aus einer nahezu unübersehbaren Fülle von Entscheidungen197. Eine fehlerhafte Geschäftsleitung im Sinne der Rechtsprechung reicht von Verstößen gegen Gesetz und Satzung198 über unternehmerische Fehlentscheidungen199, 193 Cass. com., 27. Juni 2006, Nr. 05-11.690, JCP E 2007, Nr. 1117; Cass. com., 7. Juni 2005, Nr. 04-13.262, JCP E 2005, Nr. 1751; Cass. com., 25. Jan. 1994, Nr. 9120.236, Bull. civ. IV, Nr. 31. Siehe auch Hannoun, Redressement et liquidation judiciaries, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 56; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.33. 194 Art. L. 651-2 C.com.: „faute de gestion“. 195 Siehe hierzu im Folgenden unter IV. 6. a). 196 Siehe Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Bd. II, Nr. 3285; Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 2416; Le Corre, Droit et pratique des procedures collectives, Nr. 922.21, jeweils mit Verweis auf den Wortlaut des Art. L. 22322 C.com.: „fautes commises dans leur gestion“. 197 Für einen umfassenden Überblick über die Kasuistik siehe Hannoun, Redressement et liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 48; Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nrn. 32 ff.; Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nrn. 4324 ff.; Le Corre, Droit et pratique des procedures collectives, Nrn. 922.21 ff. Aufgrund der gleichlautenden Formulierung des Insolvenzgesetzes von 1985 kann auch hier auf ältere Rechtsprechung zurückgegriffen werden. 198 Siehe nur CA Paris, 21. Sept. 2001, 3 e ch. B, Dr. sociétés 2002, comm., Nr. 62 zur Haftung wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht (Art. L. 640-1 C.com.). 199 Als Geschäftsleitungsfehler wurden angesehen: Abschluss von für die Gesellschaft ruinösen Handelsabkommen, siehe Cass. com., 11. Juli 1995, Nr. 93-15.864, JCP G 1995, II, Nr. 22549; im Vergleich zur Unternehmensgröße unangemessene bzw. unnütze Investitionen, siehe Cass. com., 8. Jan. 2002, Nr. 98-17.439, Bull. civ. IV, Nr. 7; Einlassen auf ein unausgewogenes Projekt trotz schwieriger finanzieller Lage, was zum Ruin der Gesellschaft führen musste, siehe CA Lyon, 12. Sept. 2002, Dr. sociétés 2004, comm., Nr. 7; die Bewilligung von Darlehn ohne Rückzahlungsgarantie zugunsten einer Gesell-
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fehlerhafte beziehungsweise unvollständige Buchhaltung 200 bis hin zur Untätigkeit oder zum Desinteresse der Geschäftsleitung 201. Im Gegensatz zu Art. L. 223-22 C.com. reicht der Begriff des Geschäftsleitungsfehlers im Rahmen von Art. L. 651-2 C.com. sogar soweit, dass hierunter auch Fehler vor Aufnahme des Geschäftsbetriebs erfasst werden. So sieht die Rechtsprechung eine bereits bei Gründung der Gesellschaft vorliegende nur unzureichende Kapitalausstattung der Gesellschaft 202 sowie eine nur einseitige Risikoverteilung in einer Konzernstruktur203 als Geschäftsleitungsfehler an. Mit der Abschaffung der erst 2005 durch die Loi de sauvegarde des entreprises neu geschaffenen obligation aux dettes social durch die Ordonnance Nr. 2008-1345 vom 18. Dezember 2008 können ebenfalls die ehemals dort aufgezählten besonderen Geschäftsleitungsfehler zur Konkretisierung des Geschäftsleitungsfehlers herangezogen werden204. Die obligation aux dettes social sah eine Sanktionierung von fünf besonders schwerwiegenden Geschäftsleitungsfehlern vor, deren verbindendes Element in der Überschreitung der Grenze zwischen dem Vermögen der Gesellschaft und dem des Geschäftsführers oder Dritter beziehungsweise im Missbrauch der juristischen Person lag. schaft, die vom gleichen Geschäftsführer geleitet wurde, siehe Cass. com., 8. Okt. 2003, Nr. 00-20.667, RJDA 2004, Nr. 353; Veräußerung des Kundenstamms an die Konkurrenz, Cass. com., 28. Mai 1991, Nr. 89-21.116, Bull. civ. IV, Nr. 187; Investitionen in beträchtlicher Höhe allein im Interesse des Geschäftsführers, Cass. com., 20. Juni 2000, Nr. 97-17.888, Bull. Joly Sociétés 2000, Nr. 231. 200 Siehe CA Paris, 25. Okt. 2002, RJDA 2003, Nr. 172 bzgl. einer fehlenden bzw. unregelmäßigen Buchhaltung, die es nicht erlaubte, die finanzielle Situation der Gesellschaft einzuschätzen; Cass. com., 18. Jan. 2000, Nr. 96-18.512, Bull. Joly Sociétés 2000, Nr. 103, zur Haftung wegen des Nicht-Aufstellens einer Bilanz trotz Kenntnis der finanziell schwierigen Lage der Gesellschaft. 201 Siehe nur Cass. com., 25. März 1997, Nr. 95-10.995, Bull. Joly 1997, Nr. 292. 202 Siehe Cass. com., 19. März 1996, Nr. 94-12.004, JCP E 1996, I, pan. 617; Cass. com., 23. Nov. 1999, Nr. 97-12.834, RJDA 2000, Nr. 457. 203 Siehe Cass. com., 27. Juni 2006, Nr. 05-11.690, JCP E 2007, Nr. 1117. Zur Haftung wegen Unterkapitalisierung und zu den sog. „Aschenputtel“-Gesellschaften unter deutschem Recht siehe oben unter II. 4. d) (5). 204 Unter Geltung des alten Rechts bestand eine tatbestandliche Exklusivität zwischen der responsabilité pour insuffisance d’actif und der action en responsabilité aux dettes sociales, siehe Art. L. 652-1 C.com. a.F. Letztere wurde durch die Ordonnance Nr. 20081345 ersatzlos gestrichen, da die Praxis dennoch beide Ansprüche parallel geltend machte, siehe nur den Bericht an den Präsidenten der Republik, JORF v. 19. Dez. 2008, S. 19457, 19462. Die action aux dettes sociales selbst geht wiederum auf die bis zur Loi de sauvegarde des entreprises bestehende Möglichkeit der déclaration personnelle en redressement ou en liquidation judiciare zurück, sodass die gesamte ältere Rechtsprechung zur Konkretisierung des Begriffs des Geschäftsleitungsfehlers herangezogen werden kann.
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Als besonders schwerwiegend werden dementsprechend Verfügungen über Vermögenswerte der juristischen Person wie über Eigene angesehen205 sowie Entnahmen aus dem Gesellschaftsvermögen um persönliche Kosten des Geschäftsführers oder Dritter zu decken206. Auch das Führen von Handelsgeschäften im eigenen Interesse unter dem Deckmantel der juristischen Person und somit das Nutzen der juristischen Person allein zur Verfolgung eigener Zwecke wird als besonders schwerwiegender Geschäftsleitungsfehler angesehen207. Als dritter besonders schwerwiegender Geschäftsleitungsfehler wird entsprechend der ehemaligen obligation aux dettes social die gesellschaftsinteressenwidrige Nutzung von Vermögensgütern oder des Kredits der Gesellschaft im eigenen Interesse angesehen208. Unter der ergänzenden Voraussetzung der Bösgläubigkeit wird letzteres ebenfalls strafrechtlich als sogenannter „abus de biens sociaux“ sanktioniert209. Aus der strafrechtlichen Rechtsprechung ergibt sich, dass ein Handeln entgegen den Interessen der Gesellschaft dann vorliegt, wenn die Gesellschaft durch dieses Handeln einen Verlust erleidet, ihr Gewinn entgeht oder sie auch nur einem Risiko ausgesetzt wird210. Hierunter fallen solche Fälle, in denen das Unternehmen der betroffenen Gesellschaft in den Dienst einer dritten Gesellschaft gestellt wird 211 oder Dritten gegen-
205 Siehe Cass. com., 30. Okt. 2007, Nr. 06-14.796, Gaz. proc. coll. 1/2008, S. 71, 72: „pour caractériser le fait d’avoir dispose des biens de la personne morale comme des siens propres, l’arrêt retient que le commodat avait permis […] d’augmenter sa clientèle propre en vidant la société de sa substance“. Siehe auch Cass. com., 20. Jan. 1987, Nr. 85-11.508, D. 1987, somm., S. 235. 206 Siehe Cass. com., 30. März 2005, Nr. 03-15.761, unveröffentlicht; Cass. com., 6. Juli 1993, Nr. 90-13.029, Bull. civ. IV, Nr. 283; CA Paris; 2. Nov. 1988, Rev. proc. coll. 1989, S. 595; CA Bourghes, 19. Okt. 1988, Rev. proc. coll. 1989, S. 595. 207 Siehe hierzu CA Paris, 13. Okt. 1954, D. 1955, jurispr. S. 41; Cass. com., 29. Jan. 1968, Nr. 63-11.930, Bull. civ. IV, Nr. 44; Cass. com., 5. März 2002, Nr. 98-17.417, Act. proc. coll. 2002, Nr. 119. 208 Siehe nur Art. L. 652-1 Abs. 1 Nr. 3 C.com. a.F. 209 Siehe Art. L. 241-3 und Art. L. 242-6 C.com. Der abus des biens sociaux stellt den am häufigsten angewandten Straftatbestand im Gesellschaftsrecht dar, siehe nur Gibirila, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1060, Nr. 43; Cozian/Viandier, Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 646. Im Gegensatz zu den zivilrechtlichen Tatbeständen a.F. sehen die strafrechtlichen Tatbestände explizit eine „mauvaise foi“ vor, siehe hierzu Derrida/Godé/Sortais/Honorat, Redressement et liquidation judiciaires des entreprises, Anm. Nr. 584. 210 Siehe nur Cass. crim., 16. Jan. 1964, D. 1964, jurispr., S. 194. Die zivilrechtliche Rechtsprechung greift aufgrund der ähnlich lautenden Formulierung der Tatbestände auf die strafrechtliche Rechtsprechung zurück. 211 Zur Nutzung des Gesellschaftsvermögens zur Akquise sämtlicher Konzernaktivitäten Cass. com., 17. Dez. 2003, Nr. 00-17.347, Rev. proc. coll. 2005, S. 155; zur kostenfreien Überlassung des Personals an eine andere Gesellschaft siehe CA Paris, 3 e ch. A, 9. Dez. 2003, Nr. 2002/03991.
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IV. Französische Rechtslage
über Leistungen nicht abgerechnet 212 beziehungsweise Kredite nicht zurückgefordert werden213. Im Rahmen der strafrechtlichen Haftung ist im Falle eines persönlichen und unmittelbaren Schadens auch eine Verurteilung zum Schadensersatz möglich214. Die den strafrechtlichen Tatbestand des Bankrotts215 erfüllenden Handlungen können ebenfalls im Rahmen der responsabilité pour insuffisance d’actif zivilrechtlich geahndet werden216. Bereits die ehemalige obligation aux dettes sociales sah eine Haftung bei einer Unterschlagung oder Veruntreuung des Gesellschaftsvermögens oder bei einer vorsätzlichen Erhöhung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft vor217. Die Rechtsprechung nimmt einen derartigen Geschäftsleitungsfehler beispielsweise bei einer Übertragung der Aktiva und des Kundenstamms einer zahlungsunfähigen Gesellschaft auf eine Nachfolgegesellschaft an218. Schließlich führt auch die Fortsetzung eines defizitären Unternehmens, die zur Einstellung der Zahlungen der Gesellschaft führen musste, zur Haftung im Rahmen der responsablilité pour insuffisance d’actif219. Indem ein solches Verhalten sanktioniert wird, soll auch ein möglichst früher Insolvenzantrag durch den Geschäftsführer sichergestellt werden220. Trotz der allgemeinen Formulierung des Art. L. 651-2 C.com. genügt es zur Haftungsbegründung nicht, auf eine generelle Unfähigkeit oder Untätigkeit der Geschäftsleitung abzustellen. Der von der Geschäftsleitung
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Cass. com., 28. Sept. 2004, Nr. 02-16.855, unveröffentlicht. Cass. com., 8. Okt. 2003, Nr. 01-00.236, Rev. proc. coll. 2005, S. 155. 214 Siehe Cass. ass. plén., 12. Jan. 1979, JCP G 1980, II, Nr. 19335: „qu’à ceux qui ont personnellement souffert du dommage directement causé par l’infraction“. Siehe auch Art. 2 Code de procédure pénale. Aufgrund der Voraussetzung eines persönlichen und unmittelbaren Schadens scheiden gesellschaftsfremde Dritte als Anspruchsinhaber aus. Siehe zur zivilrechtlichen Haftung als Annexhaftung zum strafrechtlichen abus de biens sociaux nur Cozian/Viandier, Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 666 ff.; Gibirila, in: J.Cl. com., Abschnitt 1060, Nrn. 43 ff.; Mestre/Velardocchio, Lamy sociétés commerciales, Nrn. 739 ff. Aufgrund des auf das Zivilrecht beschränkten Untersuchungsgegenstandes wird auf den abus de biens sociaux jedoch nicht näher eingegangen. 215 Siehe Art. L. 654-2 C.com. 216 Siehe Cass. com., 5. Juli 2005, Nr. 02-10.233, Bull. civ. IV, Nr. 149 zur Unterschlagung durch unerlaubte Einlagenrückgewähr. 217 Siehe nur Art. L. 652-1 Abs. 1 Nr. 5 C.com. a.F. 218 CA Paris, 9. März 1993, Rev. proc. coll. 1993, S. 584. 219 CA Bourges, ch. civ., 21. Feb. 2006, Rev. proc. coll. 2007, S. 91; CA Orléans, ch. com., 23. März 2006, Rev. proc. coll. 2006, S. 257. Siehe bereits zum alten Recht Cass. com., 23. Jan. 2001, Nr. 97-16.322, Rev. proc. coll. 2002, S. 115. Siehe auch Art. L. 652-1 Abs. 1 Nr. 4 C.com. a.F. 220 So Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nr. 4368. Siehe auch CA Paris, 3e ch., A, 23. Mai 2006, Rev. proc. coll. 2007, S. 94. 213
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begangene Fehler ist vielmehr konkret zu benennen221. Hierbei können sämtliche Geschäftsleitungsfehler bis zur Eröffnung der liquidation judiciaire berücksichtigt werden, ungeachtet dessen, wie weit diese zeitlich zurückliegen222. Dadurch dass die Vorschrift im Gegensatz zur Vorgängervorschrift nun in der Formulierung eindeutig allein auf die liquidation judiciaire abstellt, sind auch die im Rahmen eines Sanierungsverfahrens begangenen Geschäftsleitungsfehler zu berücksichtigen223. (3) Kausalität zwischen Geschäftsleitungsfehler und Überschuldung In der ursprünglichen Gesetzesfassung von 1967224 wurde bei Vorliegen einer insuffisance d’actif sowohl das Vorliegen eines Geschäftsleitungsfehlers als auch dessen Kausalität für die insuffisance d’actif vermutet. Seit der Neufassung des Gesetzes von 1985225 setzt die Haftung der Geschäftsführer jedoch als dritte und abschließende Voraussetzung die Darlegung der Kausalität zwischen den beiden ersten Tatbestandsmerkmalen voraus. Aus der Formulierung des Art. L. 651-2 C.com. ergibt sich, dass für die Bejahung der Kausalität bereits ausreicht, dass der Geschäftsleitungsfehler lediglich zur insuffisance d’actif beigetragen hat 226. Es ist dementsprechend nicht erforderlich, dass der begangene Fehler die einzige Ursache oder Hauptursache der unzureichenden Aktiva ist 227. Vielmehr werden sämtliche konkurrierenden Ursachen als äquivalent angesehen. Es kann somit bereits bei einem noch so geringen oder lange zurückliegenden Geschäftsleitungsfehler die Kausalität im Sinne des Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com. bejaht werden228. 221
Cass. com., 28. Mai 1991, Nr. 89-21.116, Bull. civ. IV, Nr. 187; Cass. com., 6. Juli 1993, Nr. 91-15.469, Bull. civ. IV, Nr. 287. 222 Siehe Cass. com., 18. März 1980, Nr. 78-13.483, Bull. civ. IV, Nr. 132; Cass. com., 4. Okt. 1983, Nr. 82-11.626, Bull. civ. IV, Nr. 250; Cass. com., 14. März 2000, Nr. 9717.753, Bull. civ. IV, Nr. 59; Cass. com., 8. Jan. 2002, Nr. 98-22.077, Dr. sociétés 2002, comm., Nr. 131. Zu den damit verbundenen Kausalitätsproblemen siehe im Folgenden unter IV. 2. c) (3). 223 Cass. com., 7. Juli 2009, Nr. 08-18.895, unveröffentlicht. Siehe Le Corre, Droit et pratique des procedures collectives, Nr. 922.21; Hannoun, Redressement et liquidation judiciaire, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 50. 224 Gesetz Nr. 67-563 v. 13. Juli 1967. 225 Gesetz Nr. 85-98 v. 25. Jan. 1985. 226 Art. L. 651-1 Abs. 1 C.com.: „ayant contribué à cette insuffisance“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 227 Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Bd. II, Nr. 3285. Siehe auch Cass. com. 21. Juni 2005, Nr. 04-12.087, D. 2005, S. 1950; Cass. com., 30. Nov. 1993, Nr. 91-20.554, Bull. civ. IV, Nr. 440. 228 Jeweils mit Hinweis auf die aus dem allgemeinen Zivilrecht stammende „théorie de l’équivalence des conditions“ Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judiciaries des entreprises, Nr. 579 b); Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt
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Begründet wird dieses nur sehr schwache Kausalitätserfordernis damit, dass es schwierig, wenn nicht unmöglich sei, den konkreten Kausalitätszusammenhang zwischen einem mehr oder minder lang zurückliegenden Geschäftsleitungsfehler und einer unter Umständen mehrere Jahre später auftretenden insuffisance d’actif darzulegen229. Durch dieses weite Verständnis der Kausalität ist die jetzige Gesetzesfassung nicht weit von der ursprünglichen Vermutungsregel entfernt230. Die Regelung wird jedoch dadurch relativiert, dass der Richter auf der Rechtsfolgenseite den Grad der Kausalität berücksichtigen kann und sogar ganz von einer Haftung absehen kann231. (4) Verschulden Aufgrund der Bezugnahme allein auf einen Geschäftsleitungsfehler ist es für das Vorliegen des Tatbestandes irrelevant, ob der Geschäftsleitungsfehler vorsätzlich oder fahrlässig verursacht wurde232. Der Dogmatik des französischen Deliktsrechts entsprechend, beinhaltet bereits der Begriff faute sowohl die Rechtswidrigkeit des Handelns als auch den Aspekt des Verschuldens 233. Somit reicht allein das objektive Vorliegen eines Fehlers zur Bejahung der Haftung aus. Der individuelle Verschuldensmaßstab kann jedoch ebenso wie der Grad der Kausalität im Rahmen der Haftungsbemessung vom Richter berücksichtigt werden234.
41-52, Nrn. 64 ff.; Hannoun, Redressement et Liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 54; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.41. 229 Fortis, Entreprises en difficulté, in: D. Rép. com., Nr. 34; Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nrn. 64 ff. Siehe auch Rép. min. Badinter, JOAN 1984, S. 1382. 230 So auch Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 66. Ein Gesetzesantrag mit dem Ziel der Verantwortlichkeit für nur die konkret durch den Fehler entstandenen Schäden scheiterte, siehe de Roux, Interv., JOAN CR 2005, S. 1795. 231 Siehe hierzu im Folgenden unter IV. 2. d) (1). 232 Derrida/Godé/Sortais, Redressement et liquidation judiciaries des entreprises, Nr. 579 c), S. 440; Delebecque/Germain, Droit commercial, Bd. II, Nr. 3285, S. 1265; Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 2416. 233 Die französische Rechtswissenschaft unterscheidet lediglich zwischen einer „faute délictuelle“ und einer „faute quasi-délictuelle“, wobei erstere durch den Willen des Schädigers verursacht wird, letztere durch ein außer Acht Lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt. Beides begründet jedoch gleichermaßen eine „faute“. Siehe hierzu nur Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 622 m.w.N. 234 Siehe hierzu im Folgenden.
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
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d) Rechtsfolge Die Weite des Tatbestandes setzt sich auf Rechtsfolgenseite fort, indem die Festsetzung der Haftung in das freie Ermessen des Gerichts gestellt wird (siehe im Folgenden unter (1)). Verurteilt dieses den Geschäftsführer, so hat dieser seine Zahlungen zugunsten der Gesellschaft zu leisten, bevor die Haftungssumme an die Gläubiger wieder ausgeschüttet wird (siehe im Folgenden unter (2)). Neben der direkten Rechtsfolge in Form von Zahlungen zugunsten des Gesellschaftsvermögens sieht der Code de Commerce weitere Maßnahmen vor, um sowohl die Vollstreckbarkeit der Haftung sicherzustellen als auch um eine Nichtbefolgung des Urteils durch den Geschäftsführer zu verhindern (siehe im Folgenden unter (3)). (1) Ermessensentscheidung des Gerichts Gemäß Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com. kann das Gericht bestimmen, dass die insuffisance d’actif entweder insgesamt oder zu einem Teil durch die Geschäftsführer zu tragen ist 235. Sowohl das Ausmaß als auch das Ob einer Verurteilung der Geschäftsführer stehen, von der Begrenzung auf die Höhe der insuffisance d’actif abgesehen, somit im freien Ermessen des Gerichts236. Die nunmehr eindeutige Begrenzung der Haftung auf die Höhe der insuffisance d’actif durch die Ordonnance Nr. 2008-1345 verknüpft im Gegensatz zur vorhergehenden Formulierung 237 die Haftung mit dem sich in der insuffisance d’actif konkretisierenden Schaden. Die Gesetzgebung folgt damit der ohnehin schon in der Rechtsprechung bestehenden Praxis 238. Durch diese Klarstellung wird darüber hinaus der bereits in der amtlichen Überschrift 239 zum Ausdruck kommende kompensatorische Charakter der Artt. L. 652-1 ff. C.com. verdeutlicht, die gerade nicht einen Straf235
Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com.: „le tribunal peut […] décider que le montant de cette insuffisance d’actif sera supporté, en tout ou partie“, (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 236 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.16; Hannoun, Redressement et Liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 75; Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 122. Zur Verneinung der Haftung trotz Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen siehe auch Cass. com., 25. Juni 2002, Nr. 9918.643, RJDA 2002, Nr. 1306; CA Paris, 9. Okt. 1998, Act. proc. coll. 1999, Nr. 41. 237 Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com. sah in der Fassung der Loi de sauvegarde des entreprises vor, dass die „dettes de la personne morale“ dem Geschäftsführer auferlegt werden können. 238 Cass. com., 27. Juni 2006, Nr. 05-11.690, JCP E 2007, Nr. 1117; Cass. com., 21. Jan. 2003, Nr. 01-03.656, Act. proc. coll. 2003, Nr. 77. Zur Bestimmung der insuffisance d’actif siehe bereits oben unter IV. 2. c) (1). 239 Buch VI, Title V, Kapitel I C.com.: „De la responsabilité pour insuffisance d’actif“.
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IV. Französische Rechtslage
schadensersatz vorsehen240. Allerdings bleibt es weiterhin dem Ermessen des Gerichts überlassen, den konkreten Beitrag des einzelnen Geschäftsführers zur insuffisance d’actif bei der Haftungshöhe zu berücksichtigen241. Die Begrenzung der Haftung auf die Höhe der insuffisance d’actif kollidiert mit dem Umstand, dass zur Bejahung der Haftung bereits allein das sichere Vorliegen einer insuffisance d’actif ausreicht und dementsprechend ihre konkrete Höhe im Zweifel zum Zeitpunkt des Urteils (noch) gar nicht feststeht242. Die Instanzengerichte lösen dieses Problem, indem sie entweder eine Verurteilung bis zur Höhe der zum Zeitpunkt des Urteils bereits definitiv feststehenden insuffisance d’actif aussprechen243 oder aber den Geschäftsführer zur Zahlung einer bestimmten Quote der insuffisance d’actif verurteilen244. Neben der Höhe der Verurteilung steht es auch im Ermessen des Gerichts entweder sämtliche formellen oder faktischen Geschäftsführer oder nur bestimmte von ihnen zu verurteilen245. Verurteilt das Gericht mehrere Personen, kann es auch eine Gesamtschuld anordnen246. Das weite Ermessen des Gerichts sowohl in Bezug auf die Höhe der Haftung als auch den von einer Haftung betroffenen Personenkreis, führt in der Praxis vornehmlich zu einer Kompensation des weiten Tatbestandes247. So werden vor allem die Kausalität zwischen dem individuellen Fehlverhalten der einzelnen Geschäftsführer und der insuffisance248, Bemühungen 240
Siehe zum rein kompensatorischen Charakter der Vorschrift auch Roussel Galle, Rev. soc. 2009, S. 249, 267. 241 Siehe nur Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.51. Zur Verurteilung zur Zahlung des gesamten Schadens trotz eines nur teilweisen Beitrags des Geschäftsleitungsfehlers zu diesem siehe Cass. com., 6. Feb. 2001, Nr. 98-15-129, Bull. civ. IV, Nr. 33; Cass. com., 21. Juni 2005, Nr. 04-12.087, Bull. civ. IV, Nr. 134. 242 Siehe hierzu oben unter IV. 2. c) (1). 243 Siehe Cass. com., 19. Dez. 2006, Nr. 05-11.848, unveröffentlicht; Cass. com. 25. Jan. 1994, Nr. 91-20.220, Bull. civ. IV, Nr. 32. 244 Siehe Cass. com., 5. Mai 2004, Nr. 01-02.041, D. 2004, S. 1796; Cass. com., 25. Jan. 1994, Nr. 91-20.236, Bull. civ. IV, Nr. 31. 245 Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com.: „le montant de cette insuffisance d’actif sera supporté, […] par tous les dirigeants de droit ou de fait ou par certains d'entre eux“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 246 Siehe Art. L. 651-2 Abs. 1 C.com. a.E.: „En cas de pluralité de dirigeants, le tribunal peut, par décision motivée, les déclarer solidairement responsable“. Das Innenverhältnis richtet sich bei einer gesamtschuldnerischen Haftung nach Artt. 1213 ff. C.civ. 247 Vauvillé, Rev. proc. coll. 2006, S. 345, 348. 248 Eine Haftung wurde beispielsweise abgelehnt, da der Geschäftsleitungsfehler mehrere Jahre zurücklag und so dessen Beitrag zur konkreten insuffisance fragwürdig war, siehe CA Paris, 8. März 1984, Rev. soc. 1984, S. 832; CA Versailles, 3. Mai 1990, Bull. Joly 1990, Nr. 188. Siehe zur Relativierung der théorie de l’équivalence des conditions auch Hannoun, Redressement et Liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 54.
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der Geschäftsführer zur Abwendung von Fehlern249, die finanzielle Situation der Geschäftsführer250 bis hin zu externen Ursachen wie die gesamtwirtschaftliche Lage bei der Bemessung der Haftungssumme berücksichtigt251. Dies führt in der Praxis entweder zu einer Verurteilung zur Zahlung nur eines Teilbetrages der insuffisance d’actif, kann aber durchaus auch zur vollständigen Ausschöpfung des Haftungsrahmens führen252. Die diesbezügliche Vielfalt der Entscheidungen bis hin zu einer Verurteilung des Geschäftsführers trotz gänzlich mangelnder Kausalität zwischen insuffisance und Geschäftsleitungsfehler 253 macht jedoch auch die durch das weite Ermessen begründete Gefahr der Willkür deutlich254. Der schadensersatzrechtliche Charakter der Vorschrift führt abschließend zur Anwendbarkeit des Art. 1153-1 C.civ., sodass eine Verurteilung auch die Zahlung von Zinsen in Höhe des gesetzlichen Zinssatzes grundsätzlich ab dem Zeitpunkt des Urteils umfassen kann, es sei denn der Richter bestimmt einen anderen Zeitpunkt255. (2) Materiell Begünstigter Die Haftung für eine insuffisance d’actif ist nicht als direkte Außenhaftung gegenüber den Gläubigern ausgestaltet. Dennoch stehen die vom Geschäftsführer zu leistenden Summen den Gläubigern der Gesellschaft zu. Art. L. 651-2 Abs. 3 C.com. bestimmt, dass der von den Geschäftsführern zu zahlende Betrag in das Vermögen der Gesellschaft zu leisten ist, dann aber anteilig an sämtliche Gläubiger auszuzahlen ist 256. Indem der dritte Absatz bestimmt, dass die Haftungssumme an sämtliche Gläubiger anteilig
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So CA Versailles, 13 e ch., 7. Sept. 1998, Rev. proc. coll. 2002, S. 112. So CA Paris, 3e ch. C, 9. Okt. 1998, Rev. proc. coll. 2002, S. 112. Siehe zur Befugnis des Gerichts sämtliche erforderlichen Informationen über die finanzielle Situation des Geschäftsführers einzuholen im Folgenden unter IV. 2. f) (2). 251 Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 133; Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nr. 4349; Vauvillé, Rev. proc. coll. 2006, S. 345, 348. 252 So wurde beispielsweise in Cass. com., 25. Jan. 1994, Nr. 91-20.236, Bull. civ. IV, Nr. 31, eine Verurteilung in Höhe von 25% der insuffisance ausgesprochen, in Cass. com., 28. Jan. 2004, Nr. 01-16.355, unveröffentlicht, in Höhe von 90%. Ausführlich zur diesbezüglichen Statistik, jedoch die 1970er Jahren betreffend, Fabre, Ètude jurisprudentielle des sanctions civiles, S. 107 ff. 253 Siehe Cass. com., 30. Nov. 1993, Nr. 91-20.554, Bull. civ. IV, Nr. 440. 254 Auf die Gefahr der Willkür hinweisend Sortais, in: FS Bézard, S. 321 f. 255 Siehe Art. 1153-1 C.civ.: „ces interest courent à compter du prononcé du jugement à moins que le juge n’en décide autrement“. Zur Anwendbarkeit von Art. 1153-1 C.civ. siehe nur Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nr. 4349. 256 Siehe Art. L. 651-2 Abs. 1 und 3 C.com. 250
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auszuzahlen ist257, findet die Auszahlung allein in Abhängigkeit der jeweiligen Höhe der Insolvenzforderung statt258. Die im Art. L. 641-13 C.com. vorgesehene Rangfolge der Insolvenzforderungen wird somit nicht berücksichtigt 259. Aus dieser Gleichrangigkeit sämtlicher Insolvenzforderungen sind nur die dem Geschäftsführer auferlegten Kosten und Gebühren ausgenommen, die bei einer Verurteilung des Geschäftsführers vorrangig aus der Haftungssumme zu begleichen sind 260. Dass gemäß Art. L. 651-2 Abs. 3 C.com. sämtliche Gläubiger anteilig an der durch die Geschäftsleitung gezahlten Summe partizipieren, führt schließlich auch dazu, dass nicht zwischen Alt- und Neugläubigern differenziert wird261. Sowohl die Missachtung der Rangfolge als auch die Gleichberechtigung der Alt- und Neugläubiger erscheint im Regelfall, indem die Schadensersatzleistung des Geschäftsführers nicht ausreicht, um sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu tilgen, als fraglich. Die Gleichrangigkeit sämtlicher Insolvenzforderungen bedingt ebenfalls, dass im Rahmen der Haftung die nicht gesicherten und damit nachrangigen Forderungen262, deren Feststellung dann unterbleiben kann, wenn die Aktiva bereits nicht zur Befriedigung der Verfahrenskosten sowie der bevorrechtigten Forderungen ausreichen, nunmehr zwingend vom Insolvenzverwalter festzustellen sind 263. (3) Ergänzende Maßnahmen Die Haftung des Art. L. 651-2 C.com. wird durch eine Reihe von Möglichkeiten flankiert, die sowohl vorab die Vollstreckbarkeit des auf Schadensersatz lautenden Urteils sicherstellen als auch eine mögliche Nichtbefolgung des Urteils durch den Geschäftsführer verhindern sollen. 257
Art. L. 651-2 Abs. 3 C.com.: „[Les sommes] sont réparties au marc le franc entre tous les créanciers“. 258 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 799. 259 Siehe Cass. com., 20. Mai 1997, Nr. 95-12.162, Bull. civ. IV, Nr. 147: hier urteilte die Cour de Cassation noch unter Geltung der Vorgängervorschrift, dass die Verteilung sogar ohne Berücksichtigung der rangersten Forderungen durchgeführt werden müsse. Siehe auch Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Nr. 1079; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.63. Zur gegenteiligen Auffassung siehe Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, Nr. 609. 260 Art. L. 651-3 Abs. 4 C.com.: „Les dépens et frais irrépétibles auxquels a été condamné le dirigeant sont payés par priorité sur les sommes versées pour combler le passif“. 261 Cass. com., 20. Mai 1997, Nr. 95-12.162, Bull. civ. IV, Nr. 147. Siehe auch MartinSerf, Rev. proc. coll. 1997, S. 487, 489; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.62. A.a. Saint-Alary-Houin, Droit des entreprises en difficulté, Nr. 609. Zur Bestimmung der insuffisance d’actif siehe bereits oben unter IV. 2. c) (1). 262 Zur Rangfolge der Forderungen in der Insolvenz Art. L. 641-13 C.com. 263 Siehe Art. L. 641-4 Abs. 2 C.com.
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265
Art. L. 651-4 C.com. Abs. 1 ermöglicht dem vorsitzenden Richter264 zunächst zur Anwendung des Art. L. 651-2 C.com. von Amts wegen oder auf Antrag einer der klagebefugten Personen265 sämtliche Dokumente oder Informationen über die Vermögenslage des Geschäftsführers von der öffentlichen Verwaltung oder Vorsorge, von Sozialeinrichtungen sowie von Kreditinstituten einzufordern266. Dieses Recht besteht ungeachtet jeder entgegenstehenden, gesetzlichen Bestimmung267. Aus der Formulierung des Art. L. 651-4 Abs. 1 C.com.268 wird deutlich, dass das Gericht bereits vor Verfahrensbeginn klären kann, ob die Vermögenssituation des Geschäftsführers überhaupt die Geltendmachung der Haftung rechtfertigt 269. Außerdem können durch diese Informationsmöglichkeit des Richters Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit dem Vermögen des Geschäftsführers aufgedeckt werden270. Art. L. 651-4 Abs. 2 C.com. sichert darüber hinaus die Vollstreckbarkeit des zulasten des Geschäftsführers ergangenen Urteils, indem sie dem vorsitzenden Richter ermöglicht, jegliche Sicherungsmaßnahme hinsichtlich des Vermögens des Geschäftsführers anzuordnen271. Die Vorschrift beugt somit dem Umstand vor, dass sich der verurteilte Geschäftsführer beispielsweise durch die Organisation seiner persönlichen Insolvenz einer Haftung entzieht 272. Kommt der verurteilte Geschäftsführer seinen Zahlungsverpflichtungen aus dem Urteil nicht nach oder aber hat der Geschäftsführer einen der vormals im Rahmen der obligation aux dettes sociales sanktionierten beson264
Art. L. 651-4 Abs. 1 C.com.: „le président du tribunal“. Siehe zur Klagebefugnis im Folgenden unter IV. 2. f) (1). 266 Art. L. 651-4 Abs. 1 C.com. 267 Art. L. 651-4 Abs. 1 C.com. hebt somit im Rahmen der genannten Institutionen die berufsspezifischen Schweigepflichten auf, siehe hierzu nur Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Bd. II, Nr. 3289. 268 Art. L. 651-4 Abs. 1 C.com.: „pour l’application des disposition de l’article L. 651-2“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 269 Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 100. Siehe auch Delebecque/Germain, Traité de droit commercial, Bd. II, Nr. 3289. Zur finanziellen Lage des Geschäftsführers als Ermessensgesichtspunkt hinsichtlich der Höhe der Rechtsfolge siehe bereits oben unter IV. 2. d) (1). 270 Hannoun, Redressement et Liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nr. 67. 271 Siehe Art. L. 651-4 Abs. 2 C.com. 272 De Roux, Rapp. Nr. 2095 vor der Ass. Nat. am 11. Feb. 2005, S. 417. Ist über das private Vermögen des Geschäftsführers bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet, so bedeutet dies keinesfalls, dass dies der action entgegensteht, siehe Cass. com., 14. Mai 2002, Nr. 99-12.166, Bull. civ. IV, Nr. 85. Es finden lediglich die besonderen Verfahrensregeln des Art. R. 651-6 C.com. Anwendung, sodass vor allem die Forderungen aus der action nur neben den sonstigen Forderungen stehen. 265
266
IV. Französische Rechtslage
ders schwerwiegenden Geschäftsleitungsfehler begangen273, so kann der vorsitzende Richter schließlich dem Geschäftsführer verschiedene Geschäftsleitungsverbote auferlegen274. Darüber hinaus können die besonders schwerwiegenden Geschäftsleitungsfehler zur strafrechtlichen banqueroute führen275. Nach der Reform durch die Loi de sauvegarde des entreprises im Jahr 2005 ist eine Erstreckung des Insolvenzverfahrens auf einen Geschäftsführer, der seinen Schadensersatzpflichten nicht nachkommt, sogenannte déclaration personnelle en redressement ou en liquidation judiciaire276, nicht mehr möglich277. e) Konkurrenzen Die Haftung für eine insuffisance d’actif verdrängt als spezielle gesetzliche Regelung der Geschäftsführerhaftung in der Insolvenz grundsätzlich sämtliche allgemeinen Haftungstatbestände, so unter anderem die Haftung für allgemeine Geschäftsleitungsfehler gemäß Art. L. 223-22 C.com.278 als auch die deliktische Haftung der Artt. 1382 f. C.civ.279. Ebenso ist es nicht möglich, einen Antrag auf Erstreckung des Insolvenzverfahrens mit einer auf eine responsabilité pour insuffisance d’actif gestützten Klage zu verbinden280. Die allgemeineren Haftungsregeln finden im Anwendungsbereich der Artt. L. 651-1 ff. C.com. jedoch dann Anwendung, sofern es um den Ersatz 273
Siehe hierzu bereits oben unter IV. 2. c) (2). Siehe zu den Geschäftsleitungsverboten im Folgenden unter IV. 7. 275 Siehe Artt. L. 654-1 ff. C.com. 276 Art. L. 624-4 C.com. a.F. 277 Vgl. Art. L. 624-4 C.com. a.F. Im Rahmen der déclaration wurde ein persönliches Insolvenzverfahren über das Vermögen des betroffenen Geschäftsführers eröffnet, in dem die Gesellschaftsverbindlichkeiten ebenfalls den Masseverbindlichkeiten zugerechnet wurden. Hiervon zu unterscheiden ist die unter der Loi de sauvegarde des entreprises neu formulierte extension de redressement judiciaire gemäß Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. Siehe hierzu im Folgenden unter IV. 3. Ausführlich zur alten Rechtslage Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nrn. 145. Diese bezeichnet die Abschaffung der vielfach kritisierten extensions-sanctions als die bemerkenswerteste Neuerung durch die Loi de sauvegarde des entreprises. 278 Cass. com., 28. Feb. 1995, Nr. 92-17.329, Bull. civ. IV, Nr. 60; Cass. com., 20. Juni 1995, Nr. 97-17.753, Bull. civ. IV, Nr. 187. Zur Haftung aufgrund von Art. L. 223-22 C.com. siehe im Folgenden unter IV. 6. a). 279 Cass. com., 20. Juni 1995, Nr. 93-12.810, Bull. civ. IV, Nr. 187; Cass. com., 8. Juli 2003, Nr. 00-16.882, Act. proc. coll. 2003, Nr. 215. Zur Haftung aufgrund von Art. 1382 C.civ. siehe im Folgenden unter IV. 6. b). 280 Cass. com., 17. Feb. 1998, Nr. 95-14.839, Bull. civ. IV, Nr. 74; Cass. com., 1. Dez. 1992, Nr. 90-20.409, Bull. civ. IV, Nr. 383. Siehe zur Insolvenzerstreckung ausführlich im Folgenden unter IV. 3. 274
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
267
eines Schadens geht, der erst nach Eröffnung der liquidation judiciaire entstanden ist281. Wurde bereits vor Eröffnung der liquidation judiciaire von einem Gläubiger ein Verfahren aufgrund der allgemeinen Haftungsregelungen gegen einen Geschäftsführer angestrengt, so hat der Eintritt in die liquidation judiciaire und somit die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Artt. L. 651-1 ff. C.com. auf das zuerst eröffnete Verfahren ebenfalls keine Auswirkungen282. Schließlich kann es auch dann zu einer Anwendbarkeit der allgemeinen Haftungstatbestände neben der Haftung für eine insuffisance d’actif kommen, wenn der durch den Geschäftsführer begangene Fehler von seiner Organstellung zu trennen ist 283 und der Geschädigte allein individuell betroffen ist 284. Letzteres ist jedoch nicht bereits bei einem Forderungsausfall eines Gläubigers der Fall285. f) Verfahren Das Verfahren zur Geltendmachung der Haftung für eine insuffisance d’actif unterliegt grundsätzlich den Verfahrensvorschriften des sechsten Buchs des Code de Commerce, welches durch den Code de procédure civile ergänzt wird286. Abweichend von den allgemeinen Regeln finden mit Art. L. 651-3 C.com. hinsichtlich der Klagebefugnis als auch der Verfahrenskosten sowie mit Art. L. 651-4 C.com. hinsichtlich der Darlegungslast besondere Regelungen Anwendung. (1) Klagebefugnis Die Haftung kann sowohl durch den als Insolvenzverwalter berufenen mandataire judiciaire sowie die ihm zur Seite gestellten Verwalter als auch vom ministère public bei dem für das Insolvenzverfahren zuständigen Gericht geltend gemacht werden287. Auch kann im gemeinsamen Interesse der Gläubiger das Gericht durch die Mehrheit der zu Kontrolleuren bestimmten Gläubiger angerufen werden, sofern der mandataire judiciaire 281
Siehe Cass. com., 14. März 2000, Nr. 97-17.753, Bull. civ. IV, Nr. 59. Siehe auch Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 922.12. 282 Cass. com., 10. Feb. 2009, Nr. 07-20.445, Bull. civ. IV, Nr. 21. 283 Siehe Cass. com., 28. April 1998, Nr. 96-10.253, Bull. civ. IV, Nr. 139; Cass. com., 7. März 2006, Nr. 04-16.536, Bull. civ. IV, Nr. 61. 284 Siehe Cass. com., 7. März 2006, Nr. 04-16.536, Bull. civ. IV, Nr. 61; Ass. Plén., 9. Juli 1993, Nr. 89-19.211, D. 1993, jur., S. 469; CA Paris, 1 re ch. A, 10. März 1998, Rev. proc. coll. 1999, S. 46. 285 Cass. com., 7. Juli 2004, Nr. 02-10.687, unveröffentlicht. 286 Siehe Artt. L. 661-1 ff. i.V.m. Artt. R. 661-1 ff. C.com., insbesondere Art. R. 662-1 Nr. 1 C.com. 287 Art. L. 651-3 Abs. 1 C.com. i.V.m. Art. R. 651-1 C.com. Siehe zu den Funktionsträgern im Rahmen einer liquidation judiciaire bereits oben unter IV. 1. h) (3).
268
IV. Französische Rechtslage
trotz Mahnung nicht fristgerecht die Klage erhebt 288. Die Klagebefugnis einzelner Gläubiger sieht Art. L. 651-3 C.com. nicht vor. (2) Darlegungs- und Beweislast Grundsätzlich gelten auch bei einer Geltendmachung der Haftung für eine insuffisance d’actif die Artt. 6 ff. des Code de procédure civile hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast: jede Partei muss die für den Erfolg ihrer Klage notwendigen Fakten darlegen und beweisen289. Bezüglich der Darlegungslast bestimmt jedoch Art. L. 651-4 C.com. ergänzend, dass der vorsitzende Richter von Amts wegen oder auf Antrag einer der klagebefugten Personen einen Richter oder ein Mitglied eines von ihm zu benennenden Gerichts mit der Einholung weitreichender Informationen bezüglich der Vermögenslage des Geschäftsführers beauftragen kann290. Hierdurch soll die Sachverhaltsaufklärung sowohl erleichtert als auch beschleunigt werden291. (3) Verjährung Der Anspruch verjährt innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Urteils, das die liquidation judiciaire eröffnet 292. Damit ist der Zeitpunkt des Geschäftsleitungsfehlers für eine Verjährung nicht relevant. Die Verjährung wird durch die Klageerhebung gehemmt 293. (4) Verfahrenskosten In Ermangelung gesonderter Kostentragungsregeln gelten grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Code de procédure civile294. Art. 700 des Code de procédure civile bestimmt, dass der Richter über die Kostentragungspflicht zu entscheiden hat. Bestimmt dieser keine besondere Kostentragungspflicht, so sind die Kosten des Verfahrens von der unterlegenen
288 Art. L. 651-3 Abs. 2 C.com. i.V.m. Art. R. 651-4 C.com. Es müssen mindestens zwei der contrôleurs die Klage erheben. Siehe zur Rolle der Kontrolleure im Insolvenzverfahren bereits oben unter IV. 1. h) (3). 289 Art. 6 und Art. 9 Code de procédure civile. 290 Siehe hierzu breits oben unter IV. 2. d) (3). 291 So de Roux, Rapp. Nr. 2095 vor der Ass. Nat. am 11. Feb. 2005, S. 414 f. 292 Art. L. 651-2 Abs. 2 C.com. Siehe ausführlich zur Frage der Verjährung MartinSerf, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nrn. 93 ff.; Hannoun, Redressement et Liquidation judiciaires, J.-Cl. com., Abschnitt 2905, Nrn. 71 ff.; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 921.41. 293 Cass. com., 8. Dez. 1980, Gaz. Pal. 1981, pan. jur., S. 125. 294 Artt. L. 695 bis 700 Code de procédure civile.
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
269
Partei zu tragen295. Hat der Geschäftsführer dementsprechend die Verfahrenskosten zu tragen, so sind diese gemäß Art. L. 651-3 Abs. 4 C.com. vorrangig aus der Haftungssumme zu entrichten. Unterliegt der Kläger, so sind die Kosten aus der Insolvenzmasse zu bestreiten. Diesbezüglich stellt die Ordonnance Nr. 2008-1345 in Art. L. 622-17 C.com. beziehungsweise Art. L. 641-13 C.com. klar, dass die Kosten des Insolvenzverfahrens als nach dem Eröffnungsbeschluss entstandene Forderungen vorrangig zu befriedigen sind. Sollte das Vermögen der juristischen Person zu Beginn des Verfahrens nicht ausreichen um die Haftung geltend zu machen, kann die Staatskasse nach einem entsprechenden Beschluss des Richters in Vorleistung gehen296. g) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die responsabilité pour insuffisance d’actif ist ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung eine zugunsten der Gläubiger einer insolventen Gesellschaft bestehende, durch das Gesellschaftsvermögen mediatisierte Insolvenzverursachungshaftung. Auf funktionaler Ebene reicht die Existenzvernichtungshaftung jedoch weiter. Sie sanktioniert nicht nur eine Insolvenzverursachung, sondern generell einen Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger. In der Liquidation bedarf es somit nicht der Insolvenzverursachung oder -vertiefung. Aufgrund ihrer funktionalen Unterschiede ist der sachliche Anwendungsbereich der responsabilité pour insuffisance d’actif im Vergleich zur Existenzvernichtungshaftung deutlich eingeschränkt. Der Tatbestand der französischen Haftung ist hingegen zumindest im Hinblick auf die haftungsbegründende Pflichtverletzung denkbar weit gefasst. Ein weiterer Unterschied zur Existenzvernichtungshaftung, der sich ebenso in den übrigen betrachteten Ländern findet, liegt im Kreis der Haftungsadressaten. Anders als die Existenzvernichtungshaftung und vergleichbar mit den diversen Haftungstatbeständen der übrigen betrachteten Länder sanktioniert auch die responsabilité pour insuffisance d’actif primär ein Fehlverhalten der Geschäftsführer und nicht das der Gesellschafter. Gesellschafter haften nur als faktische Geschäftsführer. Das Verständnis der faktischen Geschäftsführung ist jedoch wiederum weiter als das deutsche. Schließlich liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied zur deut295
Siehe Art. 700 Code de procédure civile; zur Kostentragungspflicht des unterlegenen Geschäftsführers im Rahmen einer action en responsabilité pour insuffisance d’actif siehe auch CA Aix-en-Provence, 27. Jan. 1976, D. 1976, somm., S. 67. 296 Art. L. 663-1 Abs. 1 Nr. 2 C.com. Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. h) (3).
270
IV. Französische Rechtslage
schen Existenzvernichtungshaftung auf Rechtsfolgenseite der französischen responsabilité pour insuffisance d’actif. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Die Artt. L. 651-1 ff. C.com. sind allein im Rahmen einer liquidation judiciaire und somit in einem aufgrund von Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eröffneten, auf Abwicklung gerichteten formellen Insolvenzverfahren anwendbar. Anders die Existenzvernichtungshaftung. Zur Anwendung dieser genügt allein das Vorliegen einer materiellen Insolvenz, die sich sowohl auf eine Zahlungsunfähigkeit als auch eine Überschuldung gründen kann. Einer Eröffnung eines förmlichen Insolvenzverfahrens bedarf es gerade nicht. Darüber hinaus ist die Existenzvernichtungshaftung auch gänzlich ohne das Zusatzkriterium der Insolvenzverursachung oder -vertiefung im Rahmen eines Liquidationsverfahrens anwendbar 297. Der Unterschied im sachlichen Anwendungsbereich schlägt sich, wie in den übrigen betrachteten Ländern, auch auf das Verfahren zur Geltendmachung der Haftung nieder. In Frankreich sind grundsätzlich die Funktionsträger im Rahmen eines formellen Insolvenzverfahrens, so insbesondere der mandataire judiciaire als Insolvenzverwalter, klagebefugt. Die Gläubiger sind allein auf das Tätigwerden ihrer gewählten Vertreter im Insolvenzverfahren angewiesen, die wiederum nur einschreiten können, sofern der mandataire judiciaire untätig bleibt. In Deutschland können individuelle Gläubiger zumindest bei einer masselosen Insolvenz sowie im Rahmen einer Liquidation den Anspruch der Gesellschaft pfänden und sich überweisen lassen298. Im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung sowie Durchsetzung des Anspruchs sieht das französische Recht mit der weitreichenden Befugnis zur Ermittlung der finanziellen Lage der Geschäftsführer eine erstaunliche Besonderheit vor, die dem deutschen Recht gänzlich fremd ist. Letzteres sieht die Darlegungs- und Beweislast grundsätzlich allein beim Kläger. Der Anspruch aufgrund einer responsabilité pour insuffisance d’actif verjährt schließlich unabhängig vom Zeitpunkt des Geschäftsleitungsfehlers binnen drei Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens. In Deutschland verjährt der Anspruch binnen dreier Jahre ab Entstehung des Anspruchs und der Kenntnis hiervon299.
297 298 299
Siehe oben unter II. 4. a). Siehe oben unter II. 4. g). Siehe oben unter II. 4. i).
2. La responsabilité pour insuffisance d’actif
271
(2) Haftender Personenkreis Primäre Haftungsadressaten der responsabilité pour insuffisance d’actif sind, anders als bei der Existenzvernichtungshaftung 300, nicht die Gesellschafter, sondern die formellen Geschäftsführer einer SARL. In Deutschland hingegen haften die Geschäftsführer nur als Gehilfen der primär handelnden Gesellschafter. Die Existenzvernichtungshaftung zielt gerade auf eine Sanktionierung eines Fehlverhaltens der Gesellschafter. Gesellschafter haften in Frankreich gemäß Art. L. 651-2 C.com. nur, wenn diese in völliger Freiheit und Unabhängigkeit dauerhaft in die Geschäftsführung eingreifen. Ein einzelner isolierter existenzvernichtender Eingriff der Gesellschafter vermag somit nach französischer Auffassung nicht die Stellung als faktischer Geschäftsführer zu begründen. Anders als in Deutschland ist ein nach Außen wahrnehmbares Handeln zur Begründung der Stellung als faktischer Geschäftsführer jedoch nicht erforderlich. In vielen Fällen der Existenzvernichtungshaftung sind darüber hinaus die Gesellschafter auch Geschäftsführer der Gesellschaft, so beispielsweise im „Kindl-Backwaren“Fall301, im „Handelsvertreter“302- und „Autohändler“303-Fall sowie im „Trihotel“-Fall304. (3) Tatbestand Die responsabilité pour insuffisance d’actif setzt eine Überschuldung der Gesellschaft voraus, zu der ein Geschäftsführungsfehler zumindest beigetragen hat. Diese Dreigliedrigkeit des Tatbestandes – Schaden, Fehler, Kausalität – findet sich auch im deutschen Deliktsrecht und somit auch im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung wieder305. Zur Begründung der Existenzvernichtungshaftung genügt bereits jede Vermögensminderung der Gesellschaft, die in die Insolvenz und somit entweder in die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung führt306. Die französische Haftung setzt zwingend eine Überschuldung voraus. Darüber hinaus genügt im Rahmen eines Liquidationsverfahrens, während dessen die responsabilité pour insuffisance d’actif gar nicht anwendbar ist, jegliche Vermögensminderung unter Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesell-
300
Siehe oben unter II. 4. b) und 5. BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff. 302 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff. 303 BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177 ff. 304 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. 305 Siehe oben unter II. 4. c). 306 Siehe oben unter II. 4. c) (1) (c). 301
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IV. Französische Rechtslage
schaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger 307. Stellt der Tatbestand der responsabilité pour insuffisance d’actif im Hinblick auf den Schaden somit höhere Anforderungen als die Existenzvernichtungshaftung, so sind diese im Hinblick auf die Pflichtverletzung deutlich milder. Im Rahmen der französischen Haftung kann bereits jede fehlerhafte Ausübung der Aufgaben der Geschäftsleitung zur Haftung führen. Dies umfasst sowohl den Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte zu eigenen Gunsten, die fremdnützige Bestellung von Sicherheiten als auch einen bilanziell nicht oder nur unzureichend abbildbaren Abzug von Vermögenswerten wie beispielsweise die Veräußerung des Kundenstamms. Die französische Haftung vermag darüber hinaus auch die Fallgruppen zu erfassen, die nicht zu einer Existenzvernichtungshaftung führen. Hierzu zählen unternehmerische Fehlentscheidungen, wie unnütze und unangemessene Investitionen, sowie eine unzureichende Kapitalausstattung der Gesellschaft und somit eine Unterkapitalisierung als auch eine nur einseitige Risikoverteilung in einer Konzernstruktur und somit „Aschenputtel“-Konstellationen308. Als drittes Tatbestandsmerkmal setzten schließlich sowohl die französische als auch die deutsche Haftung eine kausale Verknüpfung von Pflichtverletzung und Schaden voraus. In Frankreich ist es allerdings bereits ausreichend, dass der Geschäftsleitungsfehler zur Überschuldung nur beigetragen hat. Aufgrund dieses sehr weiten Kausalitätsverständnisses rückt dieses Tatbestandsmerkmal in die Nähe einer Vermutungsregelung. Im Gegensatz zur französischen Regelung hat die deutsche Rechtsprechung ihre ursprünglichen Vermutungsregeln zugunsten eines strengen Kausalitätserfordernisses aufgegeben. Ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen begründet im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung nur dann eine Haftung, sofern der Eingriff adäquat kausal zu einem Schaden der Gesellschaft geführt hat, der gleichzeitig die insolvenz der Gesellschaft begründet309. Auf subjektiver Ebene setzt die Existenzvernichtungshaftung zumindest Eventualvorsatz des Gesellschafters voraus310, während die französische Haftung aufgrund ihrer Bezugnahme allein auf einen Geschäftsleitungsfehler gänzlich ohne subjektive Anforderungen auskommt.
307 308 309 310
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben
unter unter unter unter
II. 4. c) (1) (c). II. 4. d) (4) bis (6). II. 4. c) (1) (c) und (2). II. 4. c) (3).
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(4) Rechtsfolgen Ein weiterer deutlicher Unterschied zwischen der responsabilité pour insuffisance d’actif und der Existenzvernichtungshaftung findet sich auf der Rechtsfolgenseite. Sowohl das Ob als auch die Höhe der Haftung liegen in Frankreich im freien Ermessen des Gerichts. In Deutschland hat der haftende Gesellschafter hingegen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung der Gesellschaft den Schaden zu ersetzen, der ihr durch den existenzvernichtenden Eingriff entstanden ist 311. Die Höhe der Haftung ist in Frankreich allein durch die insuffisance d’actif begrenzt, sodass dem Haftendenden die Zahlung des gesamten Massedefizits zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auferlegt werden kann. Der Haftungsrahmen ist in Frankreich somit deutlich weiter als in Deutschland. Auf Rechtsfolgenseite können in Frankreich allerdings das jeweilige Verschulden als auch der jewielige Kausalitätsbeitrag der Pflichtverletzung berücksichtigt werden und so zu einer Einschränkung der weiten Rechtsfolge führen. Spricht das Gericht eine Haftung aus, so ist diese sowohl in Frankreich als auch in Deutschland als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Wiederum anders als bei der Existenzvernichtungshaftung ist die Haftungssumme in Frankreich jedoch sodann anteilig an sämtliche Gläubiger auszuzahlen, unabhängig ihres jeweiligen Ranges. Im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung kommt die Haftungssumme allein dem Gesellschaftsvermögen zu Gute, sodass – anders als in Frankreich – gerade keine Sonderregel bei der Verteilung der Haftungssumme zugunsten der Gläubiger Anwendung findet. Vielmehr ist die Verteilung des Gesellschaftsvermögens und damit auch der Haftungssumme den allgemeinen Regeln des jeweiligen Abwicklungsverfahrens unterworfen. Schließlich sieht die responsabilité pour insuffisance d’actif als weitere Besonderheit die Möglichkeit einer umfassenden Ermittlungsbefugnis des Gerichts von Amts wegen vor. Sie soll sowohl die Vollstreckbarkeit des Urteils sicherstellen als auch eine mögliche Nichtbefolgung des Urteils verhindern. Außerdem kann das Gericht umfassende Geschäftsleitungsverbote aussprechen. Solche Möglichkeiten sind dem deutschen Recht fremd.
311
Siehe oben unter II. 4. e).
274
IV. Französische Rechtslage
3. Insolvenzerstreckung – extension de procédure, Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. 3. Extension de procédure Neben der soeben behandelten responsabilité pour insuffisance d’actif sieht der Code de commerce eine weitere Möglichkeit der Haftung Dritter für (fremde) Verbindlichkeiten vor: die sogenannte extension de procédure. Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. ermöglicht die Erstreckung eines bereits eröffneten Insolvenzverfahrens auf das Vermögen einer oder mehrerer anderer Personen. Gründe für eine solche Verfahrenserstreckung sind die Fiktivität der sich in der Insolvenz befindlichen juristischen Person oder eine Vermögensvermischung zwischen dem Insolvenzschuldner und einer weiteren Person312. Dieses auf die Rechtsprechung zurückgehende stark verfahrensrechtlich geprägte Instrument wurde durch die Loi de sauvegarde des entreprises gesetzlich kodifiziert, ohne hiermit jedoch eine inhaltliche Änderung der richterrechtlichen Insolvenzerstreckung zu bezwecken313. Hintergrund der Insolvenzerstreckung ist die im französischen Recht bestehende Pflicht zur Respektierung der Eigenständigkeit der juristischen Person, die in den Fällen der Vermögensvermischung oder Fiktivität gerade nicht beachtet, sondern vielmehr missbraucht wird314. Die im französischen Insolvenzrecht vor der Loi de sauvegarde des entreprises vorgesehene Möglichkeit der Eröffnung eines ergänzenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Geschäftsführers unter Einbeziehung der Schulden der Gesellschaft, sogenannte extension-sanction, ist seit dieser Reform im Jahr 2005 nicht mehr vorgesehen315. a) Sachlicher Anwendungsbereich Sowohl eine procédure de sauvegarde, ein redressement judiciaire als auch die liquidation judiciaire können auf das Vermögen einer anderen Person erstreckt werden316. Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. spricht von einer Erstreckung des Verfahrens. Die Insolvenzerstreckung ist somit nur dann
312
Siehe Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. Siehe Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 159. 314 Delmotte, RJDA 2006, S. 539, 541; Jacquemont, in: J.-Cl. Com., Abschnitt 2165, Nr. 5; Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 715. 315 Siehe zur extension-sanction unter Geltung des alten Rechts nur Martin-Serf, in: J.Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 41-52, Nr. 145 sowie Martin-Serf, in: J.-Cl. Sociétés Traité 1999, Abschnitt 41-54. Siehe auch bereits oben unter Fn. 275. 316 Siehe Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. für die procédure de sauvegarde sowie Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. i.V.m. Art. L. 631-7 C.com. für den redressement judiciaire sowie i.V.m. Art. L. 641-1 I C.com. für die liquidation judiciaire. 313
3. Extension de procédure
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möglich, wenn das zu erstreckende Insolvenzverfahren noch nicht beendet ist 317. Im Gegensatz zur responsabilité pour insuffisance d’actif bedeutet die Anwendbarkeit gerade auch im Rahmen einer procédure de sauvegarde, dass die Insolvenzerstreckung gerade nicht zwingend die Einstellung der Zahlung des Insolvenzschuldners voraussetzt318. b) Betroffener Personenkreis Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. sieht ausdrücklich vor, dass ein Insolvenzverfahren auf „eine oder mehrere andere Personen“ erstreckt werden kann319. Eine nähere Konkretisierung sieht das Gesetz nicht vor. Ein Insolvenzverfahren kann somit grundsätzlich auf jegliche natürliche oder juristische Person ausgedehnt werden320. c) Tatbestand Die Insolvenzerstreckung ist im Fall der Vermögensvermischung und der Fiktivität der juristischen Person möglich321. Da die Formulierung des Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. über die alleinige Erwähnung dieser beiden Fälle der Insolvenzerstreckung nicht hinausgeht und mit der Aufnahme in das Gesetz keine Änderung der bisherigen Rechtslage beabsichtigt ist, ergeben sich die konkreten Voraussetzungen der Insolvenzerstreckung weiterhin aus den Grundsätzen der Rechtsprechung 322. Diese stellt zur Ermittlung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen ausschließlich auf Tatsachen vor Eröffnung des zu erstreckenden Insolvenzverfahrens ab323.
317
Siehe Cass. com., 12. Nov. 1991, Nr. 90-14.244, Bull. civ. IV, Nr. 343; Cass. com., 11. Juli 1995, Nr. 93-15.525, Bull. civ. IV, Nr. 208; Cass. com., 22. Okt. 1996, Nr. 95-13.024, Bull. civ. IV, Nr. 256; Cass. com., 28. Nov. 2000, Nr. 97-12.265, RJDA 2001, Nr. 339; Cass. com., 19. Nov. 2003, Dr. sociétés 2004, comm., Nr. 78; Cass. com., 18. Jan. 2005, Nr. 03-18.264, Gaz. proc. coll. 1/2005, S. 22. 318 Siehe zu den einzelnen Eröffnungsvoraussetzungen der verschiedenen Insolvenzverfahren bereits oben unter IV. 1. h). 319 Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com.: „la procédure ouverte peut être étendue à une ou plusieurs autres personnes“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 320 Siehe nur Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.42. Siehe zur Rechtsfolge der Insolvenzerstreckung ausführlich im Folgenden unter IV. 3. d). 321 Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com.: „La procédure ouverte peut être étendue [...] en cas de confusion de leur patrimoine avec celui du débituer ou de fictivité de la personne morale“. 322 Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 159. 323 Siehe Cass. com. 28. Nov. 2000, Nr. 98-10.083, Bull. civ. IV, Nr. 187; Cass. com., 13. März 2007, Nr. 05-15.833, unveröffentlicht, Nr. 488 F-D. Siehe auch Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 17.
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IV. Französische Rechtslage
(1) Vermögensvermischung – confusion de patrimoine Der rechtspraktisch relevantere Fall der Insolvenzerstreckung ist die Vermögensvermischung. Dies lässt sich dadurch begründen, dass auch bei einer Fiktivität der juristischen Person in der Regel zwei Vermögensmassen nicht klar voneinander getrennt werden324. Eine Vermögensvermischung liegt dann vor, wenn sich die Vermögenslage der betroffenen Personen jeweils nicht klar bestimmen lässt 325. Die Rechtsprechung hat zwei grundlegende Indizien326 entwickelt, die eine Vermögensvermischung begründen können. Zum einen stellt die Rechtsprechung auf eine nicht mehr vorhandene Trennung mehrerer Vermögensmassen ab327, seien es die von natürlichen oder juristischen Personen, zum anderen auf anormale finanzielle Beziehungen zwischen mehreren Vermögensmassen328. Eine nicht mehr vorhandene Trennung mehrerer Vermögensmassen liegt in der Regel im Falle einer undurchsichtigen Buchführung, einer sogenannten confusion des comptes, vor, die eine klare Zuordnung der einzelnen Vermögensmassen nicht mehr ermöglicht 329. Allerdings vermag eine undurchsichtige Buchführung aufgrund der strengen Anforderungen an die Darlegungslast eher selten eine Vermögensvermischung zu begründen330. Auch eine, wenn auch noch so enge, rechtliche und wirtschaftliche Verflechtung zwischen zwei Personen oder Gesellschaften, vor allem im Rahmen von Konzernstrukturen, reicht allein für die Annahme einer Vermögensvermischung aus 331. Ebenso wenig vermag eine Unterschlagung von
324 CA Paris, 3e ch. A, 22. März 2005, Nr. 04/13841. Siehe auch de Roux, Rapp. Nr. 2095 vor der Ass. Nat. am 11. Feb. 2005, S. 200. 325 Siehe nur Reille, La notion de confusion des patrimoines, Nrn. 588 ff. 326 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.21. Die übrige Literatur versteht die beiden Indizien als Konkretisierungen des Tatbestandsmerkmals der Vermögensvermischung, siehe nur Delmotte, RJDA 2006, S. 539. Im Ergebnis nehmen beide Auffassungen allerdings in den gleichen Fällen eine Vermögensvermischung an. 327 Siehe nur Cass. com., 28. Nov. 2000, Nr. 98-10.083, D. 2001, S. 309: „l’imbrication des patrimoines“. Siehe auch Tricot, in: Rapp. C. cass. 1997, S. 165, 167. 328 Siehe Cass. com., 7. Jan. 2003, Nr. 00-13.192, Bull. civ. IV, Nr. 3 und Cass. com., 10. Jan. 2006, Nr. 04-18.917, Rev. soc. 2006, 629: „la relation financière anormale“. Siehe auch Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nrn. 3 und 11 ff.; Vallens, Entreprises en difficulté, in: Lamy Droit commercial, Nr. 3032; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.23; Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 159. 329 Siehe Cass. com., 4. Juli 2000, Nr. 98-12.117, JCP E 2000, Nr. 39; Cass. com., 8. Jan. 2002, Nr. 98-23.177, Act. proc. coll. 2002, Nr. 70. Zusammenfassend Tricot, in: Rapp. C. cass. 1997, S. 165, 169. 330 So Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 13. 331 Siehe statt aller Cass. com., 19. April 2005, Nr. 05-10.094, Bull. civ. IV, Nr. 92; Cass. com., 10. Jan. 2006, Nr. 04-18.917, Rev. soc. 2006, S. 629.
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Gesellschaftsvermögen durch Geschäftsführer eine Insolvenzerstreckung aufgrund einer Vermögensvermischung zu begründen332. Eine anormale finanzielle Beziehung nimmt die Rechtsprechung hingegen bereits dann an, wenn die Verbindlichkeiten der einen Person durch eine andere ohne angemessene Gegenleistung getilgt werden333. Auch wenn Leistungen einer Gesellschaft oder Person allein einer anderen ohne angemessene Gegenleistung zu Gute kommen, liegt ein Fall der Vermögensvermischung vor334. Nach der Rechtsprechung werden anormale finanzielle Beziehungen jedoch nur bei einem dauerhaften und planvollen Vorgehen angenommen335. Als zusätzliches Kriterium wird in der Literatur gefordert, dass die Insolvenzerstreckung auch im Interesse der Gläubigergesamtheit liegen muss 336. Dies sei dann nicht gegeben, wenn die Gläubigergesamtheit durch die Vermögensvermischung nicht geschädigt worden sei. Dieses zusätzliche Kriterium wird damit begründet, dass mit der Ordonnance Nr. 20081345 vom 18. Dezember 2008 die Insolvenzerstreckung allein von solchen Personen beantragt werden könne, die im Interesse der Gläubigergesamtheit handeln337. In sämtlichen in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen ist dieses zusätzliche Kriterium allerdings ohnehin erfüllt 338. Der Tatbestand der Vermögensvermischung enthält schließlich keinerlei subjektive Voraussetzung339. (2) Fiktivität der juristischen Person – fictivité de la personne morale Den zweiten Fall, in dem das Gesetz eine Insolvenzerstreckung ermöglicht, bildet die Fiktivität einer juristischen Person. Die Rechtsprechung nimmt die Fiktivität dann an, wenn deren Geschäftstätigkeit von Anfang an der 332
CA Caen, 1re ch. civ. et com., 24. Jan. 2008, Act. proc. coll. 2008, Nr. 108. Cass. com., 2. Feb. 1999, Nr. 96-13.678, Act. proc. coll. 1999, Nr. 75; Cass. com., 19. Feb. 2002, Nr. 99-12.776, RJDA 2002, Nr. 653. 334 Cass. com., 19. Dez. 2000, Nr. 97-22.049, RJDA 2001, Nr. 338; Cass. com., 8. Jan. 2002, Nr. 98-23.177, Act. proc. coll. 2002, Nr. 70; CA Paris, 3 e ch. B, 23. Juni 2006, Rev. proc. coll. 2007, S. 160; Cass. com., 7. Dez. 2004, Nr. 03-12.030, Bull. Joly Sociétés 2005, Nr. 130. 335 Cass. com., 13. März 2007, Nr. 05-15.833, unveröffentlicht; Cass. com., 2. Mai 2007, Nr. 06-12.378, Gaz. proc. coll. 3/2007, S. 27. Siehe auch Tricot, in: Rapp. C. cass. 1997, S. 165, 170; Delmotte, RJDA 2006, S. 539, 541. 336 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.21. A.A. Reille, La notion de confusion des patrimoines, Nr. 277. 337 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.21. Siehe zur Antragsbefugnis im Folgenden unter IV. 3. f) (1). 338 Siehe nur den Nachweis bei Reille, La notion de confusion des patrimoines, Nr. 277. 339 Siehe Cass. com., 8. Jan. 2008, Nr. 06-15.977, Gaz. proc. coll. 2/2008, S. 13. 333
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Verschleierung der Tätigkeit des hinter der Gesellschaft stehenden Geschäftsherrn dient und sich somit von dessen Geschäftstätigkeit nicht unterscheidet340. Bei einer Mehrpersonengesellschaft ist daher das Fehlen von Aktivität im Innenverhältnis der Gesellschaft ein Indiz der Fiktivität der Gesellschaft 341. Ergänzend wird auf das Fehlen eines der in der Satzung anzugebenden Merkmale der juristischen Person abgestellt 342, so vor allem auf einen fehlenden, von den Interessen der einzelnen Gesellschafter losgelösten gemeinsamen Zweck 343. Sofern es sich ohnehin nur um eine Einpersonengesellschaft handelt, indiziert eine fehlende oder fiktive Einlage des Gesellschafters die Fiktivität der Gesellschaft selbst 344. Auch zur Begründung der Fiktivität einer Gesellschaft genügt es jedoch nicht, allein auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit oder enge wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der juristischen Person und einer weiteren Person abzustellen345. Unter Umständen ermöglicht die Rechtsprechung allerdings in den Fällen einer sehr engen Konzernverflechtung unabhängig von einer Vermögensvermischung oder der Fiktivität einer Gesellschaft einen Rückgriff auf andere Konzerngesellschaften aus Rechtsscheinsgesichtspunkten346. d) Rechtsfolge Haben eine oder mehrere Personen ihr Vermögen mit dem des Insolvenzschuldners vermischt oder den Insolvenzschuldner als fiktive Gesellschaft missbraucht, so kann das Gericht gemäß Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. das
340
Cass. com., 21. Nov. 1995, Nr. 93-20.054, Rev. proc. coll. 1997, S. 165. Siehe auch Vallens, in: Lamy droit commercial, Nr. 3036; Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 717; Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 34. 341 Siehe CA Paris, 3e ch. B, 1. Juli 2005, Nr. 05/05274. 342 Cass. com., 13. Okt. 1998, Nr. 96-10.293, Bull. Joly Sociétés 1999, Nr. 10. Siehe auch Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 717; Vallens, in: Lamy Droit commercial, Nr. 3037. Zu den Pflichtangaben in der Satzung oben unter IV. 1. b). 343 Siehe Cass. com., 15. Mai 2007, Nr. 06-14.262, Bull. civ. IV, Nr. 132; CA Aix-enProvence, 6. März 2002, Dr. sociétés 2002, comm., Nr. 216. Siehe auch Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Nr. 186. 344 CA Rouen, 2e ch. civ., 16. Dez. 1999, RJDA 2000, Nr. 552. 345 Siehe Cass. com., 20. Okt. 1992, Nr. 90-21.070, Bull. civ. IV, Nr. 314; CA Montpellier, 31. Juli 1991, D. 1991, jur., S. 474; Cass. com., 16. Okt. 2001, Nr. 9813.607, Act. proc. coll. 2001, Nr. 256. Siehe auch Vallens, in: Lamy Droit commercial, Nrn. 3039 f.; Jacquemont, Droit des entreprises en difficulté, Nr. 186. 346 Siehe hierzu nur Cass. com., 18. Okt. 1994, Nr. 93-11.807, RJDA 1995, Nr. 153 sowie die weiteren Nachweise bei Mestre/Velardoccio, Lamy sociétés commerciales, Nr. 2172, 2).
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bereits eröffnete Insolvenzverfahren auf das Vermögen dieser anderen Person oder Personen erstrecken347. Die Feststellung der Fiktivität der Gesellschaft führt im Rahmen der extension de procédure allein zur Insolvenzerstreckung auf die hinter der Gesellschaft stehenden Personen und beinhaltet dementsprechend keine Aussage über die Nichtigkeit der Gesellschaft 348. Außerhalb einer extension de procédure führt die Fiktivität der Gesellschaft zu deren Nichtigkeit349. (1) Ermessensentscheidung des Gerichts Wie bereits bei der responsabilité pour insuffisance d’actif legt der Wortlaut der Vorschrift die Insolvenzerstreckung in das freie Ermessen des Gerichts350. Vor der Kodifizierung der Insolvenzerstreckung durch die Loi de sauvegarde des entreprises bestand ein derartiges Ermessen des Gerichts jedoch nicht. Lag eine Vermögensvermischung oder eine Fiktivität der Gesellschaft vor, so musste das Gericht das Insolvenzverfahren ausdehnen351. Betrachtet man die Absicht des Gesetzgebers, der lediglich die richterrechtliche Insolvenzerstreckung ohne Änderung gesetzlich festschreiben wollte 352, so verwundert die Formulierung des Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. Darüber hinaus ist es in den Fällen der Vermögensvermischung oder Fiktivität der juristischen Person aufgrund der Missachtung der Eigenständigkeit der juristischen Person durch die Gesellschafter nicht erforderlich, auf diese Eigenständigkeit Rücksicht zu nehmen. In der Literatur wird daher von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers ausgegangen, sodass bei Vorliegen einer Vermögensvermischung oder einer Fiktivität der Gesellschaft auch weiterhin kein Ermessensspielraum der Gerichte eröffnet ist 353.
347
Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com.: „la procédure ouverte peut être étendue à une ou plusieurs autres personnes“. 348 So Cass. com., 19. Feb. 2002, Nr. 98-20.578, JCP E 2002, Nr. 1677. Siehe auch Legros, JCP E 2002, S. 1677, 1678. 349 Siehe Cass. com., 16. Juni 1992, Nr. 90-17.237, D. 1993, jur., S. 508; Cass. com. 22. Juni 1999, Nr. 98-13.611, Bull. civ. IV, Nr. 136. Die Nichtigkeit der Gesellschaft führt zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft ex nunc, siehe Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 165. Siehe auch im Folgenden unter IV. 4. b). 350 Siehe Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com.: „La procédure ouverte peut être étendue“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 351 Siehe Cass. com., 26. März 1985, Nr. 82-16.002, Bull. civ. IV, Nr. 108. Siehe auch Daigre, Entreprises en difficulté, in: D. Rép. com., Nr. 104. 352 Siehe Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S, 159. 353 Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 55. Siehe auch Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.31.
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(2) Erstreckung des Insolvenzverfahrens Die Erstreckung des Insolvenzverfahrens bedeutet, dass gerade kein eigenständiges Insolvenzverfahren über das Vermögen einer anderen Person eröffnet wird. Vielmehr wird das bereits eröffnete Ausgangsverfahren, sei es eine procédure de sauvegarde, eine procédure de redressement oder eine liquidation judiciaire, als einheitliches Verfahren nunmehr auch auf das Vermögen einer anderen Person, sei es eine natürliche oder juristische Person, erstreckt354. Aufgrund der Einheitlichkeit des Verfahrens ist es irrelevant, ob das jeweilige Insolvenzverfahren der Person, die von der Erstreckung betroffen ist, auch losgelöst von der Insolvenzerstreckung offen stünde355. Da ein bereits eröffnetes Insolvenzverfahren erstreckt wird, stellt sich auch weder die Frage nach der Berufung von Insolvenzorganen noch nach einer gesonderten Bestimmung des Zeitpunktes der Zahlungseinstellung 356. Trotz der Einheitlichkeit des Verfahrens wirkt die Insolvenzerstreckung für die von der Erstreckung betroffene Person aus Gründen des Gläubigerschutzes allerdings nur ex nunc und nicht rückwirkend von der Eröffnung des zu erstreckenden Insolvenzverfahrens an357. Ebenso unterbricht erst das Erstreckungsurteil Individualklagen oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die Person, auf die das Insolvenzverfahren erstreckt wird358. Die Wirkung ex nunc führt schließlich auch dazu, dass die Gläubiger der Person, auf die das Insolvenzverfahren erstreckt wird, nicht vom Privileg der Neugläubiger gemäß Art. L. 622-17 C.com.359 profitieren können. Auch wenn ihre Forderungen gegen die Person, auf die das Insolvenzverfahren erstreckt wird, nach Eröffnung des zu erstreckenden Insolvenzver-
354 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.42: „La confusion des patrimoines entraîne extension véritable“. Siehe auch Cass. com., 15. Jan. 1991, Nr. 89-13.380, Bull. civ. IV, Nr. 25; Cass. com., 23. Juni 1998, Nr. 96-19.997, Act. proc. coll. 1998, Nr. 113; CA Bourges, ch. civ., 31. Aug. 2004, JCP E 2005, pan. Nr. 551. 355 Cass. com., 8. Jan. 2008, Nr. 06-15.977, Gaz. proc. coll. 2/2008, S. 13. 356 Siehe Cass. com., 24. Okt. 1995, Nr. 93-20.469, Rev. proc. coll. 1996, S. 206; Cass. com., 8. Juni 1999, Nr. 97-10.276, Act. proc. coll. 1999, Nr. 155. 357 Cass. com., 23. Feb. 1983, Nr. 81-14957, D. 1983, jur., S. 508; Cass. com., 16. Juni 2004, Nr. 01-17.234, Act. proc. coll., 2004, Nr. 193; Cass. com., 28. Sept. 2004, Nr. 02-12.552, Bull. civ. IV, Nr. 170. 358 Siehe Cass. com., 16. Juni 2004, Nr. 01-17.234, Bull. civ. IV, Nr. 128; Cass. com., 28. Sept. 2004, Nr. 02-12.552; Bull. civ. IV, Nr. 170. 359 Art. L. 622-17 C.com. sieht im Rahmen der procédure de sauvegarde eine bevorzugte Befriedigung von Neugläubigern vor, das heißt der Gläubiger, deren Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind. Gleiches gilt i.V.m. Art. L. 63114 C.com. für den redressement judiciaire sowie gemäß Art. L. 641-13 C.com. für die liquidation judiciaire.
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fahrens, aber noch vor Insolvenzerstreckung begründet worden sind, gelten sie in dem nunmehr einheitlichen Verfahren als Altgläubiger 360. Mit der Einheitlichkeit des Verfahrens ist eine Verschmelzung der betroffenen Vermögensmassen zu einer einheitlichen Insolvenzmasse verbunden361. Dies führt grundsätzlich dazu, dass die Forderungen der jeweiligen Gläubiger einheitlich durch den Insolvenzverwalter und zulasten sämtlicher Insolvenzschuldner festgestellt werden362. Dies gilt jedoch nicht, sofern die Forderungen im Ausgangsverfahren bereits abschließend festgestellt wurden363. Ist die Frist zur Forderungsanmeldung im Ausgangsinsolvenzverfahren zum Zeitpunkt der Verfahrenserstreckung bereits abgelaufen, so können weder die neu hinzutretenden Gläubiger auf die Feststellung im Rahmen des Ausgangsverfahrens Einfluss nehmen, noch können die Gläubiger des Ausgangsinsolvenzverfahrens Einfluss auf die Feststellung der Forderungen der hinzutretenden Gläubiger nehmen. Beide sind aufgrund des Fristablaufs im Ausgangsinsolvenzverfahren diesbezüglich präkludiert 364. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gläubiger der Person, auf die das Verfahren erstreckt wird, ihre Forderungen gar nicht mehr anmelden können. Die Frist zur Forderungsanmeldung der Gläubiger der Person, auf die das Verfahren erstreckt wird, beginnt aufgrund der Einheitlichkeit des Verfahrens und der Vermögensmassen ex nunc erst mit der Veröffentlichung des Urteils, das die Erstreckung des Insolvenzverfahrens ausspricht 365. Von der Verschmelzung der Vermögensmassen ist schließ-
360
Cass. com., 20. Feb. 2001, Nr. 98-12.768, RJDA 2001, Nr. 707; Cass. com., 16. Juni 2004, Nr. 01-17.234, Bull. civ. IV, Nr. 128. 361 Cass. Com., 30. Juni 2009, Nr. 08-15.715, unveröffentlicht; Cass. com., 8. Nov. 1988, Nr. 87-11.233, D. 1989, somm., S. 372; Cass. com., 17. Feb. 1998, Nr. 97-13.098, Bull. civ. IV, Nr. 58; Cass. civ., 1 re ch., 13. Feb. 2001, Nr. 98-16.109, Dr. sociétés 2001, comm., Nr. 112; Cass. com., 7. Jan. 2003, Nr. 99-16.204, Bull. civ. IV, Nr. 4. Siehe auch Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.42. 362 Cass. com., 19. Feb. 2002, Nr. 98-22.011; Bull. civ. IV, Nr. 34; Cass. com., 1. Okt. 1997, Nr. 95-11.210, Bull. Joly Sociétés 1997, Nr. 392; CA Montpellier, 2 e ch. B, 4. Nov. 1997, Act. proc. coll. 1998, Nr. 49. 363 Cass. com., 19. Feb. 2002, Nr. 98-22.011, Bull. civ. IV, Nr. 34. Kritisch hierzu Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 71; Pétel, JCP E 2002, S. 806 f. 364 Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 71. Siehe auch Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.42; Pétel, JCP E 2002, S. 806 f. 365 Cass. com., 11. Dez. 2001, Nr. 98-22.643, Bull. civ. IV, Nr. 198. Siehe auch Le Corre, D. 2002, S. 1122, 1123; ders., Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.43. Siehe zur Wirkung des Erstreckungsurteils auch Cass. com. 16. Mai 2006, Nr. 05-14.595, Bull. civ. IV, Nr. 122.
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lich die Rangstellung der Gläubiger nicht betroffen. Ihre jeweiligen Privilegien bleiben trotz der Insolvenzerstreckung gewahrt366. Ein Verlust der Rechtspersönlichkeit ist mit der Verschmelzung der Vermögensmassen und der Einheitlichkeit des Verfahrens nicht verbunden367. Die Rechtsprechung leitet hieraus insbesondere ab, dass sich die Haftung eines Geschäftsführers im Falle der Vermögensvermischung im Rahmen einer responsabilité pour insuffisance d’actif trotz der Insolvenzerstreckung allein auf die Passiva seiner Gesellschaft beschränkt beziehungsweise sich die Höhe der Haftung allein aus der Höhe der insuffisance d’actif seiner Gesellschaft ergibt368. (3) Sonderfälle der Insolvenzerstreckung Bei der Erstreckung des Insolvenzverfahrens sind aufgrund der unterschiedlichen französischen Insolvenzverfahren zweierlei Besonderheiten zu beachten. Die betrifft zunächst die Erstreckung einer procédure de sauvegarde. Dieses auf eine Sanierung des Unternehmens gerichtete Verfahren ist nur in den Fällen eröffnet, in denen noch keine Einstellung der Zahlungen vorliegt 369. Stellt sich im Fall der Insolvenzerstreckung heraus, dass die vereinigte Masse die fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen kann und somit eine Zahlungseinstellung vorliegt, kann die procédure de sauvegarde nicht fortgesetzt werden. Sie ist vielmehr in ein redressement judiciaire oder eine liquidation judiciare umzuwandeln370. Den zweiten Sonderfall der Insolvenzerstreckung bilden die Fälle, in denen das Ausgangsverfahren auf eine Person erstreckt werden soll, die sich bereits in einem eigenständigen Insolvenzverfahren befindet. Ist der Verfahrenstyp dieses zweiten, bereits eröffneten Insolvenzverfahrens der des zu erstreckenden Verfahrens, so ergeben sich keine Schwierigkeiten. Handelt es sich jedoch um zwei unterschiedliche Verfahrenstypen, so wird in der Literatur je nach Verfahrenstyp differenziert, um die Einheitlichkeit des Verfahrens zu erreichen. Als Ausgangspunkt dient die Praxis 366 Cass. com., 5. Dez. 1995, Nr. 93-20.981, Bull. civ. IV, Nr. 281; Cass. com., 6. Feb. 1996, Nr. 93-10.333, Bull. civ. IV, Nr. 35; Cass. com., 2. März 1999, Nr. 95-19.917, D. affaires 1999, S. 560. 367 Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 67; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.44. 368 Cass. com., 17. Juli 2001, Nr. 98-18.780, Act. proc. coll. 2001, Nr. 218; Cass. com., 8. Juli 2003, Nr. 00-21.608, Act. proc. coll. 2003, Nr. 263; Cass. com., 30. Okt. 2007, Nr. 06-14.672, Act. proc. coll. 2008, Nr. 30. 369 Zu den Voraussetzungen des Verfahrens siehe bereits oben unter IV. 1. h). 370 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.34; Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 59. Siehe auch Art. L. 621-12 und Art. L. 622-10 C.com. Siehe zu den einzelnen Verfahren bereits ausführlich oben unter IV. 1. h).
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der Rechtsprechung, die explizit die Möglichkeit einer Erstreckung eines redressement judiciaire, das auf eine Sanierung gerichtet ist, auf eine Person, die sich bereits in einer auf Abwicklung gerichteten liquidation judiciare befindet, untersagt371. Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Überlegung, dass die zwingend auf eine Abwicklung gerichtete liquidation judiciare nicht in ein Verfahren zurückgeführt werden soll, dass die Fortsetzung des Unternehmens ermöglicht372. Die procédure de redressement sieht mit Art. L. 631-15-II C.com. hingegen ausdrücklich die Umwandlung in eine liquidation judiciare vor. Ist das Ausgangsinsolvenzverfahren ein redressement judiciaire und das zweite Verfahren eine liquidation judiciare, so hat sich das Ausgangsverfahren in die liquidation judiciaire einzufügen373. Die Erstreckung eines redressement judiciaire auf eine procédure de sauvegarde ist bereits aus dem Grund möglich, dass eine procédure de sauvegarde jederzeit in ein redressement judiciaire umgewandelt werden kann374. Soll eine procédure de sauvegarde auf eine Person erstreckt werden, die sich bereits in einem redressement oder einer liquidation judiciare befindet, so ist wiederum nach dem Vorliegen einer Zahlungseinstellung zu differenzieren. Liegt diese nach Erstreckung des Verfahrens vor, so ist die procédure de sauvegarde in einen redressement oder eine liquidation judiciare umzuwandeln 375. Stellt sich durch die Vereinigung der betroffenen Vermögensmassen jedoch heraus, dass die fälligen Verbindlichkeiten bedient werden können und somit keine Zahlungseinstellung vorliegt, so ist die procédure de sauvegarde als einheitliches Verfahren, zumindest statt eines redressement judiciare, fortzusetzen376. Da die Rechtsprechung allerdings bereits eine Umwandlung einer liquidation judiciaire in ein redressement judicicaire versagt, wird erst recht eine Umwandlung in eine procédure de sauvegarde ausscheiden. Soll schließlich eine liquidation judiciare auf ein bereits eröffnetes sekundäres Insolvenzverfahren erstreckt werden, sei es eine procédure de sauvegarde oder ein redressement judiciare, so führt der zwingende Cha371
Siehe nur Cass. com., 4. Jan. 2000, Nr. 97-11.712, Bull. civ. IV, Nr. 3. Régnaut-Moutier, Act. proc. coll. 2000, Nr. 24. 373 Siehe nur Cass. com., 22. Okt. 1996, Nr. 94-20.076, Bull. Joly Sociétés 1997, Nr. 56. 374 Siehe Art. L. 621-12 Abs. 1 C.com. 375 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.21 sowie Nr. 213.34; Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 59. 376 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.34, der jedoch wohl eine Erstreckung auch auf eine liquidation judiciare befürwortet. Siehe auch Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 59; Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 716. 372
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IV. Französische Rechtslage
rakter der liquidation judiciare verbunden mit der erforderlichen Einheitlichkeit des Verfahrens dazu, dass allein die liquidation als einheitliches Verfahren in Betracht kommt 377. e) Konkurrenzen Die gerichtliche Entscheidung zur Erstreckung des Ausgangsinsolvenzverfahrens unterbricht wie die Eröffnung eines regulären Insolvenzverfahrens sämtliche gegen die von der Erstreckung betroffene Person erhobenen Individualklagen oder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen378. Insbesondere ist es nicht möglich, den Antrag auf Erstreckung des Insolvenzverfahrens mit einer auf eine responsabilité pour insuffisance d’actif gestützten Klage zu verbinden379. f) Verfahren Ebenso wie bei der Haftung für eine insuffisance d’actif finden sich im sechsten Buch des Code de commerce einige Sonderregeln für das Verfahren der Insolvenzerstreckung, die durch die allgemeinen Regeln des Code de procédure civile ergänzt werden380. (1) Antragsbefugnis Mit der Ordonnance Nr. 2008-1345 vom 18. Dezember 2008 nunmehr eindeutig geregelt ist die Befugnis, eine Insolvenzerstreckung zu beantragen. Sowohl ein administrateur, der mandataire judiciaire und der ministère public können eine Erstreckung des Insolvenzverfahrens beantragen381. Ebenso kann das Gericht von Amts wegen das Verfahren erstrecken382. Das Gericht des Ausgangsinsolvenzverfahrens bleibt zuständig 383. Ergän377
Cass. com., 15. Jan. 1991, Nr. 89-13.380, Bull. civ. IV, Nr. 25; Cass. com., 22. Okt. 1996, Nr. 94-20.076, Bull. Joly Sociétés 1997, Nr. 56; Cass. com., 23. Juni 1998, Nr. 9619.997, Act. proc. coll. 1998, Nr. 113. Siehe auch Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 61; Honorat, Rev. soc. 1988, S. 438; kritisch zur zwingenden Erstreckung der liquidation judiciare siehe Cabrillac, JCP E 1989, II, S. 245. 378 Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 718; Le Cannu, Bull. Joly Sociétés 1998, S. 657. Siehe zur Eröffnungswirkung des Insolvenzverfahrens bereits oben unter IV. 1. h) (3). 379 Cass. com., 17. Feb. 1998, Nr. 95-14.839, Bull. civ. IV, Nr. 74; Cass. com., 1. Dez. 1992, Nr. 90-20.409, Bull. civ. IV, Nr. 383. 380 Siehe Artt. L. 661-1 ff. i.V.m. Artt. R. 661-1 ff. C.com., insbesondere Art. R. 662-1 Nr. 1 C.com. 381 Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. Siehe zu den einzelnen Funktionsträgern im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bereits oben unter IV. 1. h). 382 Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. 383 Art. L. 621-2 Abs. 2 a.E. C.com.
3. Extension de procédure
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zend ermöglicht Art. L. 622-20 Abs. 1 C.com. i.V.m. Art. R. 622-18 C.com. den als contrôleur nominierten Gläubigern384 die Interessen der Gläubigergesamtheit zu verfolgen, sofern der mandataire judiciaire trotz Mahnung nicht tätig wird385. Eine Insolvenzerstreckung auf Antrag einzelner Gläubiger scheidet aufgrund der abschließenden Aufzählung in Art. L. 621-2 Abs. 1 C.com. als auch im Interesse der Gläubigergesamtheit aus386. (2) Darlegungs- und Beweislast Bezüglich der Darlegungs- und Beweislast gelten die allgemeinen Bestimmungen der Artt. 6 ff. des Code de procédure civile, sodass der Antragsteller die Fiktivität der Gesellschaft oder die Vermögensvermischung darzulegen und zu beweisen hat 387. (3) Verjährung Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. sieht keine besonderen Verjährungsvorschriften, insbesondere nicht eine dreijährige Verjährung wie die der Haftung für eine insuffisance d’actif, vor. Dementsprechend greift die herrschende Meinung auf die allgemeine dreißigjährige Verjährung zurück388. Zu beachten ist jedoch, dass nur ein laufendes Insolvenzverfahren erstreckt werden kann389. (4) Verfahrenskosten Auch im Rahmen der extension de procédure gelten in Ermangelung gesonderter Kostentragungsregeln grundsätzlich die allgemeinen Vorschriften des Code de procédure civile390. Die Kosten sind daher von der unterlegenen Partei zu tragen, sofern nicht eine besondere Kostenlast bestimmt wird391. Die Kostenregelung dürfte jedoch keine Rolle spielen, da es sich mit der Erstreckung der Verfahren um ein einheitliches Insolvenzverfahren mit 384
Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. h) (3). De Roux, Rapp. Nr. 2095 vor der Ass. Nat. am 11. Feb. 2005, S. 200 f.; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 213.32; Vallens, in: Lamy Droit commercial, Nr. 3044; a.A. CA Angers, 27. Sept. 1990, Rev. proc. coll. 1992, S. 297. 386 Cass. com., 16. März 1999, Nr. 96-19.537, Bull. civ. IV, Nr. 67; Cass. com., 19. Feb. 2002, Nr. 99-12.776, Dr. sociétés 2002, comm., Nr. 134. 387 Siehe nur Vallens, in: Lamy Droit commercial, Nr. 3045. 388 Siehe nur Jacquemont, in: J.-Cl. com., Abschnitt 2165, Nr. 51, m.w.N.; a.A. Diener, D. 1977, jur., S. 620, 624. 389 Siehe hierzu oben unter IV. 3. a). 390 Artt. L. 695 bis 700 Code de procédure civile. 391 Art. 700 Code de procédure civile. 385
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einer einheitlichen Vermögensmasse handelt. Die im Rahmen des Insolvenzverfahrens entstandenen Kosten sind vorrangig aus der nunmehr einheitlichen Insolvenzmasse zu befriedigen392. Sollte das Vermögen der Schuldner nicht ausreichen, so besteht auch im Rahmen der extension de procédure die Möglichkeit der vorläufigen Inanspruchnahme der Staatskasse393. g) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die extension de procédure sanktioniert funktional parallel zur deutschen Fallgruppe der Vermögensvermischung eine Missachtung der Grenze zwischen dem Gesellschafts- und Privatvermögen. Als weiteres funktionales Ziel sucht die extension de procédure einen Missbrauch einer juristischen Person zu eigenen Zwecken zu sanktionieren. Auch die mit der „Kindl-Backwaren“-Entscheidung begründete Existenzvernichtungshaftung gründete sich auf einen Missbrauch der juristischen Person394. Dieser Gedanke wurde allerdings mit der „Trihotel“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugunsten einer Haftung für die Verletzung der Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens aufgegeben395. Bei existenzvernichtenden Eingriffen liegt schon gar kein Missbrauch der Gesellschaftsform vor, da dieser nur bei ihrer Schaffung oder beim Gebrauchmachen der Gesellschaft, also beim Abschluss von Geschäften denkbar ist396. Die französische Haftung sanktioniert im Rahmen der Fiktivität der juristischen Person jedoch gerade eine Nutzung der Gesellschaft als reine Fassade zur Umgehung gesetzlicher Vorgaben. Funktional verfolgt die extension de procédure somit andere Ziele als die der Existenzvernichtungshaftung. Vergleicht man die extension de procédure mit der Fallgruppe der Vermögensvermischung, so fällt zunächst der beschränkte Anwendungsbereich der Insolvenzerstreckung auf. Dieser ist bei der Insolvenzerstreckung, anders als der Anwendungsbereich der Vermögensvermischung, auf die Insolvenzverfahren der procédure de sauvegarde, das redressement judiciaire sowie die liquidation judiciaire beschränkt. Nur diese Verfahren können jeweils auf das Vermögen einer anderen Person erstreckt werden.
392
Art. L. 622-17 C.com. bzw. Art. L. 641-13 C.com. Siehe Art. L. 663-1 C.com. Siehe hierzu auch bereits oben unter IV. 1. h) (3) und 2. f) (4). 394 Siehe oben unter II. 1. b). 395 Siehe oben unter II. 1. c). 396 So BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27. 393
4. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung
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Tatbestandlich setzt die französische Insolvenzerstreckung ebenso wie die deutsche Haftung für eine Vermögensvermischung 397 eine nicht mehr vorhandene Trennung mehrerer Vermögensmassen voraus, die in der Regel eine undurchsichtige Buchführung mit sich bringt. Ergänzend nimmt das französische Recht eine Vermögensvermischung aber auch bei dauerhaft anormalen finanziellen Beziehungen an, so wenn die Verbindlichkeiten einer Person durch eine andere dauerhaft getilgt werden. Diese Differenzierung findet sich im deutschen Recht nicht. Anders als die Vermögensvermischung 398 sieht die französische Insolvenzerstreckung auf Rechtsfolgenseite auch keine unmittelbare Haftung Dritter vor, sondern nur die verfahrensrechtliche Folge der Erstreckung des Insolvenzverfahrens. Das über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnete Verfahren wird auf die oder diejenigen Personen erstreckt, die ihr Vermögen mit dem des Insolvenzschuldners vermischt haben. Mit der Erstreckung des Insolvenzverfahrens ist die Vereinigung der Vermögensmassen verbunden, sodass letztlich ebenso wie bei der deutschen Vermögensvermischung das Vermögen derjenigen Person, auf die das Verfahren erstreckt wird, für die Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners des zu erstreckenden Ausgangsverfahrens mithaftet. Umgekehrt haftet aber das Vermögen des Insolvenzschuldners des zu erstreckenden Ausgangsverfahrens auch für die Verbindlichkeiten der von der Erstreckung betroffenen Person. Anders als in Deutschland wird somit umfassender die durch die Vermögensvermischung faktisch geschaffene Einheit der Aktiva und Passiva rechtlich nachvollzogen. Die deutsche Haftung sieht nur einen Durchgriff auf das Vermögen der Hintermänner vor.
4. Richterrechtliche Ausgestaltung einer persönlichen Gesellschafterhaftung 4. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung Außerhalb der grundsätzlich sehr weit gefassten gesetzlichen Haftungstatbestände sowie der Insolvenzerstreckung finden sich in der französischen Rechtsprechung, soweit ersichtlich, keine Ansätze einer persönlichen Haftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft oder Dritten. In den Fällen einer Insolvenzverursachung oder -vertiefung bedarf es bereits keiner eigenständigen richterrechtlichen Haftung. Bei werthaltigen Ansprüchen gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter wird der Insolvenzverwalter immer das Insolvenzverfahren eröffnen, um auf die weit gefasste action en responsabilité pour insuffisance d’actif zurückgreifen zu kön397 398
Siehe oben unter II. 4. d) (6). Siehe oben unter II. 4. d) (6).
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IV. Französische Rechtslage
nen399. Diese Haftung geht bereits auf Art. 99 des Gesetzes Nr. 67-563 vom 13. Juli 1967 und dessen Vorgängervorschriften zurück400, sodass sich bereits wesentlich früher als in Deutschland und den Niederlanden eine sehr weitreichende Insolvenzverursachungshaftung etabliert hat. Auch eine Haftung der Gesellschafter extra legem außerhalb einer formellen Insolvenz ist nicht ersichtlich. Die französische Rechtsprechung bedient sich, wenn überhaupt, der weit gefassten deliktischen Generalklausel des Art. 1382 C.civ401. Allerdings finden sich beide Fallgruppen der Insolvenzerstreckung – die Vermögensvermischung und die fiktive Gesellschaft 402 – außerhalb einer formellen Insolvenz im Richterrecht. a) Sphärenvermischung In der französischen Rechtsprechung finden sich einige wenige Fälle, in denen die rechtliche Selbstständigkeit der juristischen Person aufgrund einer Sphärenvermischung außer Acht gelassen wurde. So sah die Cour de cassation beispielsweise aufgrund einer Vermögensvermischung drei Gesellschaften als nur eine juristische Person an403. Ebenso bestätigte das Gericht eine Entscheidung, in der das Instanzengericht zulasten des Mehrheitsgesellschafters einen Vertrag zwischen diesem und dem ehemaligen Geschäftsführer aufgehoben hatte. Die Aufhebung begründete die Cour de cassation damit, dass der Gesellschafter seine Angelegenheiten missbräuchlich mit denen der Gesellschaft vermischt habe 404. Der Gesellschafter hatte dem erwerbenden Geschäftsführer gekündigt, sodass dieser nicht in der Lage war, seinen Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag weiter nachzukommen405. b) Fiktive Gesellschaft – société fictive Die französische Literatur und Rechtsprechung setzt sich darüber hinaus mit dem Problem des Missbrauchs der juristischen Person auseinander, unter dem auch in Deutschland zunächst die Existenzvernichtungshaftung behandelt wurde406. Die französische Rechtsprechung konzentriert sich insbesondere auf die Fälle, in denen die Gesellschaft als fiktive Gesell399 400 401 402 403 404 405 406
Siehe hierzu bereits oben unter IV. 2. Siehe bereits oben unter IV. 2. Siehe im Folgenden unter IV. 6. c). Siehe oben unter IV. 3. c). Cass. com., 9. Mai 1995, Nr. 93-11.724, D. 1996, jur., S. 322. Cass. com., 29. Nov. 1971, Nr. 69-10.863, Bull. civ. IV, Nr. 286. Cass. com., 29. Nov. 1971, Nr. 69-10.863, Bull. civ. IV, Nr. 286. Siehe zur deutschen Fallgruppe der Vermögensvermischung oben unter II. 4. d) (6).
4. Richterrechtliche Gesellschafterhaftung
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schaft 407 gegründet wird, um die Tätigkeit der hinter ihr stehenden Person zu verschleiern. Ein solches Verhalten führt zur Nichtigkeit der Gesellschaft und zieht unter Umständen eine Haftung der Gründer sowie Organe gemäß Art. L. 210-8 Abs. 1 C.com. für die Schäden nach sich, die durch einen Mangel bei den Gründungsvoraussetzungen entstanden sind. Wird die juristische Person nur punktuell missbraucht um Rechte zu erwerben, die den hinter der Gesellschaft stehenden Personen nicht zustehen, so versagt die Rechtsprechung diese von den Gesellschaftern begehrten Rechte408. c) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die Fälle der Sphärenvermischung stehen in der Nähe der deutschen Fallgruppe der Vermögensvermischung 409. Es ist somit davon auszugehen, dass auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens und somit außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com.410 die Fälle der deutschen Vermögensvermischung von der französischen Rechtsprechung geahndet werden. Allerdings stellt die Vermögensvermischung gerade keine Fallgruppe der Existenzvernichtungshaftung dar. Sie kann allenfalls dann existenzvernichtende Eingriffe erfassen, sofern diese aufgrund ihrer Vielzahl nicht mehr isoliert feststellbar sind 411. Eine Nutzbarmachung der Grundsätze der société fictive scheitert wie bereits im Rahmen der extension de procédure412 bei existenzvernichtenden Eingriffen. Zwar wurde die alte Existenzvernichtungshaftung ebenfalls auf einen Missbrauch der Gesellschaft gestützt, doch wurde dieser Begründungsansatz mit dem „Trihotel“-Urteil gerade aufgegeben. So betont der Bundesgerichtshof, dass in einem Eingriff der Gesellschafter in das Gesellschaftsvermögen schon gar kein Missbrauch der Gesellschaftsform vorläge 413. Dieser sei nur bei ihrer Schaffung oder beim Gebrauchmachen der Gesellschaft, also beim Abschluss von Geschäften denkbar414. 407 Siehe zu den Voraussetzungen, unter denen eine société fictive angenommen wird bereits oben unter IV. 3. c) (2). Ausführlich Mestre/Velardoccio, Lamy sociétés commerciales, Nrn. 472 ff. 408 Siehe nur die Nachweise bei Mestre/Velardoccio, Lamy sociétés commerciales, Nrn. 488 f. 409 Siehe oben unter II. 4. d) (6). 410 Siehe zur französischen Fallgruppe der Vermögensvermischung im Rahmen der Insolvenzerstreckung bereits oben unter IV. 3. c) (1). 411 Siehe oben unter II. 4. d) (6). 412 Siehe oben unter IV. 3. g). 413 BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138, 2139. 414 So BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 27.
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5. Insolvenzanfechtung – action en nullité, Artt. L. 632-1 ff. C.com. 5. Action en nullité Werden im Vorfeld einer Insolvenz dem späteren Insolvenzschuldner Aktiva entzogen, so führt dies zu einer Verkürzung der Insolvenzmasse, die der Gläubigergesamtheit zur Befriedigung ihrer Forderungen zur Verfügung steht415. Gleichzeitig kann durch einen Entzug von Aktiva in Verbindung mit einer Bevorzugung einzelner Gläubiger in das Rangverhältnis dieser eingewirkt werden und so gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger in der Insolvenz verstoßen werden416. Um beides zu sanktionieren und gleichzeitig die Aktiva des Insolvenzschuldners wiederherzustellen, sehen die Artt. L. 632-1 ff. C.com. mit der action en nullité die Geltendmachung der Nichtigkeit gewisser Rechtshandlungen im Vorfeld der Insolvenz vor417. Die Artt. L. 632-1 ff. C.com. sind im Rahmen eines redressement judiciaire anwendbar sowie i.V.m. Art. L. 641-14 Abs. 1 C.com. im Rahmen einer liquidation judiciaire. a) Tatbestand Der Code commerce unterscheidet zwischen solchen Rechtshandlungen, die infolge der Anfechtung zwingend durch das Gericht für nichtig zu erklären sind und solchen, die das Gericht für nichtig erklären kann. Die zwingende Nichtigkeit von Rechtshandlungen im Vorfeld der Insolvenz wird abschließend durch Art. L. 632-1 C.com. geregelt. Dieser sieht beispielsweise die Nichtigkeit von unentgeltlichen Verfügungen, von Verträgen, in denen die Leistung des späteren Insolvenzschuldners deutlich die seines Vertragspartners übersteigt sowie die Nichtigkeit der Befriedigung noch nicht fälliger Verbindlichkeiten und der Bestellung von Hypotheken und Pfandrechten zur Absicherung bereits bestehender Forderungen gegen den späteren Insolvenzschuldner vor418. Diese Nichtigkeitsgründe werden in Art. L. 632-2 C.com. dahingehend ergänzt, dass das Gericht in Fällen einer Befriedigung von fälligen Forderungen und der Eingehung von entgeltlichen Rechtsgeschäften die Nichtigkeit aussprechen kann, sofern der Vertragspartner Kenntnis von der Zahlungseinstellung seines Vertragspartners hatte419. 415
Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 345, 348. Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 345, 348. 417 Siehe Art. L. 632-4 C.com. Siehe auch Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 345, 348. 418 Art. L. 632-1-I Nrn. 1, 2, 3 und 6 C.com. 419 Art. L. 632-2 C.com. 416
5. Action en nullité
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Das Gericht kann jedoch nur die Nichtigkeit solcher Rechtshandlungen aussprechen, die nach der Einstellung der Zahlungen vorgenommen wurden und somit innerhalb der sogenannten période suspecte420. Dieser Zeitpunkt kann höchstens 18 Monate vor der Verfahrenseröffnung liegen und wird durch das Gericht im Eröffnungsbeschluss festgelegt 421. Im Falle einer unentgeltlichen Verfügung sieht Art. L. 632-1-II C.com. jedoch eine Verlängerung um weitere sechs Monate vor. Im Gegensatz zur allgemeinen zivilrechtlichen Anfechtung von Rechtshandlungen im Rahmen der action paulienne422 setzt die action en nullité sowohl bei der zwingenden Nichtigkeit als auch bei der rein fakultativen Nichtigkeit gerade nicht eine vorsätzliche Benachteiligung, sogenannte fraude423, voraus424. b) Rechtsfolge Spricht das Gericht die Nichtigkeit aus, so führt dies gemäß Art. L. 632-4 C.com. zur Wiederherstellung der Aktiva des Schuldners 425. Dies bedeutet also, dass der durch die Rechtshandlungen Begünstigte die erhaltenen Vorteile zurückerstatten muss, sei es in Form einer Rückgabe des Erlangten, in Form einer Rückabwicklung von Verträgen oder in Form von Wertersatz426. Hierbei wirkt die Nichtigkeit erga omnes, sodass sie auch gutgläubigen Dritten entgegengehalten werden kann427. c) Konkurrenzen Die besondere Insolvenzanfechtung der action en nullité verdrängt die allgemeine zivilrechtliche Anfechtung der action paulienne nicht. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung und der strengeren Voraussetzungen
420
Art. L. 632-1-I C.com.: „Sont nuls, lorsqu’ils sont intervenus depuis la date de cessation des paiements“. Siehe auch Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nrn. 650.00 ff., 651.30; Jacquemont, Droit des entreprises en difficluté, Nrn. 263, 591. 421 Art. L. 631-7 Abs. 1 und 2 C.com. Siehe hierzu auch bereits oben unter IV. 1. h) (3). 422 Siehe im Folgenden unter IV. 6. d). 423 Cornu, Vocabulaire juridique, S. 401: „acte accompli dans le dessein de préjudicier à des droits que l’on doit respecter“. 424 Siehe nur Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 651.30. 425 Art. L. 632-4 C.com.: „Elle a pour effet de reconstituer l’actif du débiteur“. 426 Siehe nur Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nrn. 655.21 ff. 427 Cass. com., 3. Feb. 1998, Nr. 95-20.389, Bull. civ., IV, Nr. 53; Cass. com., 30. Juni 2004, Nr. 02-13.465, Bull. civ., IV, Nr. 137.
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IV. Französische Rechtslage
der action paulienne treten beide Anfechtungsmöglichkeiten vielmehr in den Insolvenzverfahren nebeneinander428. d) Verfahren Die Nichtigkeit der Rechtshandlungen kann vom administrateur beziehungsweise vom mandataire judiciaire, vom juge-commissaire bei der Ausführung eines Sanierungsplans im Rahmen eines redressement judiciare sowie vom ministère public geltend gemacht werden429. Bei einer Untätigkeit des mandataire judiciaire kann die Nichtigkeit ergänzend auch von den als contrôleur nominierten Gläubigern geltend gemacht werden430, während ein Tätigwerden einzelner Gläubiger im eigenen Interesse ausscheidet431. Allerdings können einzelne Gläubiger unter Umständen mit der action paulienne die Nichtigkeit im eigenen Interesse geltend machen432. Anfechtungsgegner ist die jeweilige Person, mit der der Insolvenzschuldner die angefochtene Rechtshandlung getätigt hat433. Eine besondere Frist zur Geltendmachung der Nichtigkeit sieht das Gesetz nicht vor. Aufgrund der Anfechtungsbefugnis allein der Insolvenzorgane kann die Nichtigkeit jedoch nur während eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden434. e) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die tatbestandlich sehr weit gefasste französische action en nullité ermöglicht grundsätzlich eine Anfechtung sämtlicher Rechtshandlungen, die den einzelnen Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. Ebenso wie die tatbestandliche Erfassung teilt die action en nullité allerdings die gleiche Schwäche wie die bereits betrachteten deutschen und englischen Anfechtungsrechte435. Auf Rechtsfolgenseite ist sie auf eine reine Rückabwicklung oder Wertersatz beschränkt. Weitergehende Schä428 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 438; Jacquemont, Droit des entreprises en difficluté, Nr. 631; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nrn. 651.21 und 621.32. 429 Art. L. 632-4 C.com. Siehe zu den diversen Funktionsträgern im Rahmen der Insolvenzverfahren bereits oben unter IV. 1. h) 430 Siehe hierzu bereits oben unter IV. 2. f) (1). 431 Siehe nur Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nrn. 651.21, 652.12. 432 Siehe hierzu im Folgenden unter IV. 6. d). 433 Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 1702; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 434. 434 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 434; Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 652.31. 435 Siehe oben unter II. 2. b) (5) und III. 6. c), 7. c) und 8. b).
6. Ergänzende Regelungen
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den der Gesellschaft, die insbesondere von der Existenzvernichtungshaftung abgedeckt werden436, erfasst auch die französische Insolvenzanfechtung nicht.
6. Ergänzende Anfechtungsrechte sowie Haftungstatbestände 6. Ergänzende Regelungen Die responsabilité pour insuffisance d’actif, die extension de procédure, sowie die action en nullité werden durch zahlreiche weitere Regelungen flankiert. Zu diesen zählt der zentrale, allgemein gesellschaftsrechtliche Haftungstatbestand für durch Geschäftsführungsfehler verursachte Schäden, der sich für die SARL in Art. L. 223-22 C.com. findet (siehe im Folgenden unter a)). Organe und Gesellschafter einer SARL können unter Umständen auch nach allgemeinem Deliktsrecht und somit gemäß Art. 1382 C.civ. haften (siehe im Folgenden unter b)). Beide Tatbestände können insbesondere auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zur Anwendung berufen sein, sofern sie außerhalb des Anwendungsbereichs der spezielleren responsabilité pour insuffisance d’actif geltend gemacht werden. Dies ist dann der Fall, wenn Schäden im Rahmen der Sanierungsverfahren oder erst nach Eröffnung der liquidation judiciaire entstanden sind. Aus der deliktischen Haftung hat sich die nunmehr eigenständig geregelte Haftung von Kreditgebern für eine missbräuchliche Kreditgewährung sowie für einen missbräuchlichen Kreditentzug entwickelt (siehe im Folgenden unter c)). Neben diese weiteren Haftungstatbestände tritt schließlich das zivilrechtliche Pendant zur action en nullité (siehe im Folgenden unter d)). a) Haftung für Geschäftsleitungsfehler, Art. L. 223-22 C.com. Die Regelung des Art. L. 223-22 C.com. enthält die allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung der Geschäftsführer einer SARL für die von ihnen begangenen Fehler. Anders als die spezialgesetzliche Ausprägung der Geschäftsführerhaftung in Form des Art. L. 651-2 C.com., der explizit eine Haftung sowohl des formellen als auch des rein faktischen Geschäftsführers vorsieht437, erfasst die allgemeine Geschäftsführerhaftung nur formelle Geschäftsführer438. Art. L. 223-22 Abs. 1 C.com. bestimmt, dass Geschäftsführer entweder einzeln oder gesamtschuldnerisch gegenüber der Gesellschaft oder aber 436
Siehe oben unter II. 4. c) (2). Siehe oben unter IV. 2. b). 438 Cass. com. 21. März 1995, Nr. 93-13.721, Bull. civ. IV, Nr. 98; Cass. com., 20. Nov. 2007, Nr. 06-16.933, Dr. sociétés 2008, comm., Nr. 14. 437
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IV. Französische Rechtslage
gegenüber Dritten für Verstöße gegen Gesetze oder Verordnungen, gegen die Satzung sowie ganz allgemein für Geschäftsleitungsfehler439 haften. Gleiches gilt auch für die Liquidatoren einer Gesellschaft, die gemäß Art. L. 237-12 Abs. 1 C.com. ebenfalls sowohl gegenüber der Gesellschaft als auch gegenüber Dritten für die durch ihre Fehler bei der Ausübung des Amtes entstandenen Schäden haften440. Grundlage der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführerhaftung ist ebenfalls die klassische Dreigliedrigkeit französischer Haftungstatbestände 441 – faute, dommage, lien de causalité442. Der Anspruch aus Art. L. 223-22 Abs. 1 C.com. verjährt innerhalb von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Geschäftsführungsfehlers oder der Kenntnis des jeweils Geschädigten vom Geschäftsführungsfehler 443. (1) Haftung gegenüber der Gesellschaft Zentrales Merkmal der Geschäftsführerhaftung gegenüber der Gesellschaft ist der vom Geschäftsführer begangene Fehler. Dieser muss weder besonders schwer wiegen noch vorsätzlich begangen worden sein444. Eine nähere Konkretisierung dieses sehr wagen Rechtsbegriffs lässt sich allein aus der Kasuistik der Rechtsprechung entnehmen. Hierbei reicht der Kreis der haftungsbegründenden Fehler von einer Verletzung der Satzungsregeln über eine wesentliche Transaktion ohne Zustimmung der Gesellschafter, eine einseitige Erhöhung der Vergütung der Geschäftsführer, das Handeln des Geschäftsführers im eigenen Interesse unter Missachtung des Gesellschaftsinteresses bis zu einem Steuerbetrug445. Ist der Gesellschaft durch den Geschäftsführungsfehler ein Schaden entstanden, so hat der Geschäftsführer der Gesellschaft diesen zu ersetzen446. 439
Art. L. 223-22 Abs. 1 C.com.: „fautes commises dans leur gestion“. Siehe nur Cathelineau-Roulaud, in: J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 31-20, Nrn. 43 ff. 441 Guyon, Droit des affaires, Bd. I, S. 537; Merle, Sociétés commerciales, Nr. 198. 442 Siehe Art. 1382 C.civ.: „tout fait […], qui cause […] un dommage“. Siehe hierzu auch bereits oben unter IV. 2. c) sowie im Folgenden unter IV. 6. b). 443 Art. L. 223-23 C.com. 444 Siehe Cass. 1re civ., 26. Nov. 1974, Nr. 73-13.555, JCP G 1975, IV, S. 17; Cass. com., 19. Juni 2001, Nr. 98-18.929, Bull. Joly Sociétés, 2001, Nr. 245. Zum Begriff des faute siehe bereits oben unter IV. 2. c) (2). 445 Für eine beispielhafte Auflistung der Fallgruppen der Geschäftsleitungsfehler im Rahmen des Art. L. 223-22 siehe Legeais, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1219, Nrn. 53 ff. sowie allgemein für sämtliche Gesellschaftsformen Gibirila, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1053, Nrn. 18 ff. Siehe auch die grundsätzlich mit den Fehlern des Art. L. 223-22 C.com. vergleichbaren Geschäftsführungsfehlern im Rahmen der responsabilite pour insuffisance d’actif oben unter IV. 2. C) (2). 446 Legais, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1219, Nr. 53; Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés commerciales, Nr. 684 m.w.N. 440
6. Ergänzende Regelungen
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Der Schaden ist nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen jedoch nur dann ersatzfähig, wenn es sich um einen gegenwärtigen, unmittelbar erlittenen, bestimmten und persönlichen Schaden handelt 447, der kausal auf die fehlerhafte Geschäftsführung zurückzuführen ist 448. Auf die Haftung der Geschäftsführer kann weder mittels einer Klausel in der Satzung verzichtet werden449, noch kann die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführung entlasten450. Der Schaden der Gesellschaft kann entweder durch einzelne oder sämtliche Gesellschafter geltend gemacht werden451. Die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer besteht, entgegen des Wortlauts der Vorschrift, nicht nur gegenüber der Gesellschaft selbst, sondern auch gegenüber ihren Gesellschaftern persönlich452. Letzteres wird jedoch nur angenommen, sofern der einzelne Gesellschafter tatsächlich unmittelbar und persönlich einen Schaden erlitten hat, der von dem der Gesellschaft zu unterscheiden ist 453. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Gesellschafter persönlich ein Gutachten zum Nachweis eines Geschäftsführungsfehlers in Auftrag gegeben hat 454 oder aber der Geschäftsführer einzelne Gewinnnausschüttungen bewusst unterlassen hat 455. Handelt es sich tatsächlich um einen persönlichen Schaden, so kann dieser auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden456. (2) Haftung gegenüber Dritten Art. L. 223-22 C.com. birgt darüber hinaus die Besonderheit, dass der Wortlaut der Vorschrift explizit auch eine Haftung des Geschäftsführers gegenüber gesellschaftsfremden Dritten erfasst457. Dies verwundert insoweit, als dass der Geschäftsführer gerade im Außenverhältnis in der Regel allein in seiner Organfunktion auftritt. Die Handlungen des Geschäftsfüh447
Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés commerciales, Nr. 684; Gibirila, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1053, Nr. 11: „dommage [...] actuel, direct, certain, personel“. 448 Gibirila, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1053, Nr. 12; Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés commerciales, Nr. 685 m.w.N. 449 Art. L. 223-22 Abs. 4 C.com. 450 Art. L. 223-22 Abs. 5 C.com. 451 Art. L. 223-22 Abs. 3 C.com. 452 Siehe Cass. com., 14. Dez. 2004, Nr. 01-11.059, Bull. Joly Sociétés 2005, Nr. 99. Siehe auch Guyon, Droit des affaires, Bd. I, S. 538; Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés commerciales, Nr. 678 m.w.N.; Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 1074, 637 ff., 289 ff. 453 CA Paris, 3e ch. C., 4. Feb. 2000, Bull. Joly Sociétés 2000, Nr. 196: „dommage direct, certain, personnel, distinct du dommage causé à la société“. Siehe auch auch Cass. com., 4. Juli 2006, Nr. 05-13.171, JCP E 2006, Nr. 2248. 454 Siehe CA Paris, 5e ch. A, 10. Juli 1991, RJDA 1991, Nr. 12. 455 Siehe CA Paris, 15. Dez. 1995 und 15. Jan. 1996, RTD com. 1997, S. 282. 456 Siehe Cass. com., 7. Juli 2004, Nr. 00-22.887, unveröffentlicht. 457 Art. L. 223-22 C.com.: „Les gérants sont responsables [...] envers les tiers“.
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IV. Französische Rechtslage
rers verpflichten selbst bei einer Überschreitung der innergesellschaftlichen Befugnisse und somit bei einer Pflichtverletzung im Innenverhältnis dennoch grundsätzlich allein die Gesellschaft 458. In den Augen der Literatur ist die allgemeine Geschäftsführerhaftung daher auch nur als ultima ratio heranzuziehen, sofern ein Rückgriff auf die Gesellschaft selbst sowie auf sämtliche spezielleren gesetzlichen459, vertraglichen oder sonstigen460 Schadensersatzansprüche und Sanktionen nicht möglich sein sollte 461. Auch die Rechtsprechung berücksichtigt mittlerweile die primäre Pflichtenbindung im Innenverhältnis zur Gesellschaft. Sie bejaht daher entgegen des Wortlauts der Vorschrift eine Haftung gegenüber Dritten nur noch dann, wenn die Pflichtverletzung von der Organstellung zu trennen ist 462. Die Cour de cassation konkretisiert dies dahingehend, dass der Geschäftsführer eine vorsätzliche, besonders schwerwiegende Pflichtverletzung begangen haben müsse, die mit der normalen Ausübung seiner Funktion unvereinbar sei463. Beispiele für eine solche Pflichtverletzung sind die Sicherungsabtretung einer Forderung, deren Betrag nicht mit den erbrachten Leistungen übereinstimmt, eine doppelte Mobilisierung einer Forderung oder die Einräumung einer Lizenz im Wissen um die Nichtigkeit des der Lizenz zugrunde liegenden Patents464. Ebenso stellt es eine von der Organstellung zu trennende Pflichtverletzung dar, wenn der Geschäftsführer unter dem Deckmantel einer fiktiven Gesellschaft, die den gleichen Sitz und die gleiche Telefonnummer der Gesellschaft hat, deren Geschäftsfüh-
458
Siehe Art. L. 223-18 Abs. 5 C.com.: „la société est engagée même par les actes du gérant qui ne relèvent pas de l’objet social“. 459 Neben der Haftung gemäß Art. L. 651-2 C.com. sehen die Artt. L. 266 f. Livre des procédures fiscales sowie Art. L. 244-1 Code de la sécurité sociale eine besondere Einstandspflicht der Geschäftsführer gegenüber Dritten vor. Aufgrund des beschränkten Untersuchungsgegenstandes wird hierauf jedoch nicht näher eingegangen. 460 In Betracht kommen insbesondere eine Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht oder aufgrund des allgemeinen Rechtsscheins, siehe hierzu nur Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés Commerciales, Nr. 688. 461 Siehe Guyon, J.-Cl. Sociétés Traité, Abschnitt 132-10, Nr. 4; Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés commerciales, Nr. 686; Metivet, in: Rapp. C. cass. 1998, S. 111, 112; Cozian/Viandier/Deboissy, Nrn. 1074, 638, 297. 462 Cass. com., 22. Jan. 1991, Nr. 89-11.650, RF compt. 1991, Nr. 223: „Faute détachable des fonctions et personnellement imputable au dirigeant“. Siehe auch Cass. com., 27. Jan. 1998, Nr. 93-11.437, Bull. civ. IV, Nr. 48; Cass. com., 20. Mai 2003, Nr. 99-17.092, Bull. civ. IV, Nr. 84. 463 Cass. com., 20. Mai 2003, Nr. 99-17.092, Bull. civ. IV, Nr. 84; Cass. com., 7. Juli 2004, Nr. 02-17.729, Bull. Joly Sociétés, Nr. 303; Cass. com., 26. Feb. 2008, Nr. 05-18.569, Bull. Joly Sociétés 2008, Nr. 140. 464 Siehe nur Legeais, in: J.-Cl. com., Abschnitt 1219, Nr. 62 m.w.N.
6. Ergänzende Regelungen
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rer er ist, Geschäfte im eigenen Namen und außerhalb des Gesellschaftszwecks der von ihm geführten Gesellschaft ausübt 465. An den verschiedenen Beispielen lässt sich erkennen, dass die Haftung Dritten gegenüber einer deliktischen Haftung sehr nah kommt. Aus diesem Grund wird die Haftung gegenüber der Gesellschaft auch als vertraglich qualifiziert466, die gegenüber Dritten jedoch deliktisch467. Dies erst recht, wenn die Cour de cassation aufgrund dieser Kriterien sogar eine Haftung auf der Grundlage des Art. L. 223-22 C.com. gegenüber solchen Dritten bejaht, die noch nicht einmal Vertragspartner der Gesellschaft sind 468. Allerdings dürfte eine von der Organstellung zu trennende Verletzungshandlung die Ausnahme bilden469. Liegt eine solche Verletzungshandlung allerdings vor, so kann der Dritte seinen Schaden auch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens geltend machen, sofern dieser allein ihn persönlich trifft und nicht die Gläubigergesamtheit 470. b) Allgemeine deliktische Haftung, Art. 1382 C.civ. Gemäß Art. 1382 C.civ. verpflichtet jede beliebige Handlung eines Menschen, die einem anderen einen Schaden verursacht, denjenigen, durch dessen unerlaubte Handlung der Schaden entstanden ist, den Schaden zu ersetzen471. Sind die Voraussetzungen sämtlicher spezialgesetzlicher Haftungstatbestände, insbesondere mangels einer Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, nicht gegeben, so kann möglicherweise ein Rückgriff auf diese allgemeine deliktsrechtliche Generalklausel zu einem Schadensersatzanspruch führen. Eine mit den Niederlanden oder auch Deutschland vergleichbare Kasuistik für die Haftung von Geschäftsführern und Gesellschaftern im Rahmen der deliktischen Generalklausel hat sich jedoch ebenso wenig wie eine Kasuistik zu einer richterrechtlichen Haftung extra legem herausgebildet472. Hintergrund dürfte auch hier der Umstand sein, dass ein Insolvenzverwalter bei werthaltigen Ansprüchen gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter 465
CA Aix-en-Provence, 20. Sept. 2000, Nr. 96-11162. Cass. com., 4. Okt. 1976, Nr. 75-10.902, Bull. civ. IV, Nr. 245. 467 Siehe Cass. 3e civ., 4. Jan. 2006, Nr. 04-14.731, Bull. civ. III, Nr. 7; Cass. com., 10. Juli 2007, Nr. 06-16.165, D. affaires, 2007, S. 33 sowie Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés Commerciales, Nr. 678. 468 Siehe nur Cass. com., 28. April 1998, Nr. 96-10.253, D. affaires, S. 1008. 469 Guyon, Rev. soc. 1983, S. 575; Lucas, Bull. Joly Sociétés 2006, S. 941, 945. 470 Siehe Cass. com., 7. Juli 2004, Nr. 02-10.687, unveröffentlicht; Cass. com., 7. März 2006, Nr. 04-16.536, D. 2006, S. 857 f. 471 Art. 1382 C. civ.: „Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé à le réparer“. 472 Siehe zur fehlenden Kasuistik zu einer Haftung extra legem bereits oben unter IV. 4. 466
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IV. Französische Rechtslage
das Insolvenzverfahren eröffnen wird, da er dann auf die action en responsabilité pour insuffisance d’actif zurückgreifen kann. Diese Haftung geht zudem auf Rechtsfolgenseite über eine deliktische Haftung hinaus 473. (1) Haftung faktischer Geschäftsführer Der Rückgriff auf die allgemeine deliktische Haftung kommt außerhalb eines Insolvenzverfahrens insbesondere dann in Betracht, sofern rein faktische Geschäftsführer im Rahmen ihrer Geschäftsführung einen Fehler begehen. In einem solchen Fall ist der Anwendungsbereich des Art. L. 22322 C.com. gerade nicht eröffnet 474. Die faktischen Geschäftsführer können dann sowohl der Gesellschaft, den Gesellschaftern sowie Dritten gegenüber auf der Grundlage des Art. 1382 C.civ. für die Schäden haften, die durch ihre Fehler entstanden sind 475. Eine Haftung gegenüber der Gesellschaft sowie gegenüber den Gesellschaftern gemäß Art. 1382 C.civ. wird jedoch dann von einer vertraglichen Haftung verdrängt, sofern der faktische Geschäftsführer in einer vertraglichen Beziehung zur Gesellschaft oder den betroffenen Gesellschaftern steht476. Dritten gegenüber kommt eine Haftung gemäß Art. 1382 C.civ. in Anlehnung an die Haftung formeller Geschäftsführer nur dann in Betracht, wenn die Verletzungshandlung von der faktischen Geschäftsleitung zu trennen ist 477. Darüber hinaus zieht die Rechtsprechung auch bei formellen Geschäftsführern außerhalb eines Insolvenzverfahrens neben der Haftung aus Art. L. 223-22 C.com. teilweise Art. 1382 C.civ. heran478. Hintergrund ist die Tatsache, dass eine Haftung gegenüber Dritten in beiden Fällen nur dann in Betracht kommt, wenn die Pflichtverletzung von der Organstellung zu trennen ist, also nicht das Innenverhältnis zur Gesellschaft betrifft 479. 473
Siehe ausführlich zur action en responsabilité pour insuffisance d’actif bereits oben unter IV. 2. 474 Siehe zum beschränkten Anwendungsbereich des Art. L. 223-22 C.com. bereits oben unter IV. 6. a). 475 Siehe nur Cass. com., 6. Okt. 1981, Nr. 77-15.264, D. 1983, jur., S. 133. Kritisch hierzu Soinne, D. 1983, jur., S. 133, 134, der sich für eine Anwendung des Art. L. 223.22 C.com. auch bei faktischer Geschäftsleitung ausspricht. Siehe auch Dedessus-LeMoustier, Rev. soc. 1997, S. 499, 517 f. 476 Siehe nur Cass. com., 4. Okt. 1976, Nr. 75-10.902, Bull. civ. IV, Nr. 245. 477 Cass. com., 10. Juli 2007, Nr. 06-16.165, D. affaires, 2007, S. 33. Siehe auch Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 275, lit. b). 478 Siehe CA Versailles, 8. April 1999, RJDA 1999, Nr. 1221 für eine kumulative Heranziehung beider Normen; Cass. com., 11. Okt. 1994, Nr. 90-16.309, Bull. civ. IV, Nr. 281; CA Lyon, 13. Nov. 1996, D. 1998, jur., S. 250 für eine alleinige Heranziehung des Art. 1382 C.civ. 479 Siehe auch bereits oben unter IV. 6. a) (2).
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(2) Gesellschafterhaftung Ansätze, die eine Haftung der Gesellschafter gegenüber ihrer Gesellschaft auf Art. 1382 C.civ. stützen, finden sich weder in Literatur noch Rechtsprechung. Allerdings ist eine Haftung der Gesellschafter gegenüber Dritten denkbar, sofern ihr Handeln zu einem Schaden geführt hat480. Wann dies jedoch der Fall ist, lässt sich nur aus einigen wenigen Einzelfallentscheidungen ableiten. Eine Darstellung dieser Haftung der Gesellschafter in der Literatur ist, wenn überhaupt, auf wenige Hinweise zur Rechtsprechung beschränkt 481. In der Literatur wird jedoch zumindest darauf hingewiesen, dass ebenso wie bei der Haftung der Geschäftsführer Dritten gegenüber eine Haftung der Gesellschafter nur dann denkbar ist, sofern die unerlaubte Handlung von der Stellung als Gesellschafter zu trennen ist 482. Nach der Definition der Cour de cassation im Rahmen der Geschäftsführerhaftung muss somit ein schwerwiegender Fehler vorliegen, der mit der normalen Ausübung der Befugnisse der Gesellschafter nicht zu vereinbaren ist 483. Im Jahre 2001 hat die Cour de cassation erstmals die Haftung der Gesellschafter gegenüber einem Geschäftsführer bejaht, den sie unter Missachtung gesetzlicher Regelungen, entgegen des Gesellschaftsinteresses und im eigenen Interesse des Amtes enthoben hatten484. Die Cour de cassation hat wenige Jahre später zudem entschieden, dass die Auflösung einer Gesellschaft missbräuchlich zulasten der Gläubiger beschlossen wurde und diesen unter Rückgriff auf Art. 1382 C.civ. einen Ersatzanspruch gegen den Gesellschaftergeschäftsführer zugestanden485. Die kurzfristige Abwicklung der Gesellschaft während eines laufenden Verfahrens gegen diese sollte der Umgehung der Durchsetzung einer Forderung gegen die Gesellschaft dienen486.
480
Cass. com., 1. Feb. 1994, Nr. 92-11.171, Bull. Joly Sociétés 1994, Nr. 413, die allerdings im Ergebnis eine Haftung ablehnt. Vgl. auch Cass. com., 18. Juni 1974, Nr. 73-10.662, Bull. civ. IV, Nr. 199, allerdings in Bezug auf die Haftung der Gesellschafter einer sociéte anonyme. Siehe auch Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nrn. 1067, 404. 481 Siehe nur Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 1067; Mestre/Velardocchio, Lamy Sociétés Commerciales, Nr. 813; sowie Lamour, D. 2003, S. 51, 54 m.w.N. 482 Cozian/Viandier/Deboissy, Droit des sociétés, Nr. 1067; Lamour, D. 2003, S. 51, 54, 56 m.w.N. 483 Siehe zur Haftung der Geschäftsführer bereits oben unter IV. 6. a) (2). 484 Cass. com., 13. März 2001, Nr. 98-16.197, Rev. soc. 2001, S. 818. Siehe hierzu auch Lamour, D. 2003, S. 51. 485 Cass. com., 21. Sept. 2004, Nr. 01-00.866, RJDA 2005, Nr. 147, allerdings im Hinblick auf die Auflösung einer société civile immobilière. 486 Cass. com., 21. Sept. 2004, Nr. 01-00.866, RJDA 2005, Nr. 147.
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IV. Französische Rechtslage
Bei beiden Entscheidungen sind die Gläubiger unmittelbar geschädigt und gerade nicht nur mittelbar durch einen Eingriff in das Gesellschaftsvermögen betroffen. Dies entspricht den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, nach denen ein Schaden nur dann ersatzfähig ist, wenn es sich um einen gegenwärtigen, unmittelbar erlittenen, bestimmten und persönlichen Schaden handelt, der kausal auf die unerlaubte Handlung zurückzuführen ist 487. Ebenso wie bereits bei der Haftung der Geschäftsführer gegenüber Gesellschaftern488 und somit Dritten muss der erlittene Schaden der Gläubiger von dem der Gesellschaft zu trennen sein. Eine deliktische Haftung der Gesellschafter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft kommt somit nur dann in Betracht, wenn sie ihre Befugnisse zulasten der Gläubiger missbrauchen und diese hierdurch unmittelbar einen Schaden erleiden. Eine deliktische Haftung der Gesellschafter kommt darüber hingegen nicht in Betracht, wenn diese von ihren gesetzlichen Befugnissen zur Überwachung der Geschäftsleitung keinen Gebrauch gemacht haben. So hat die Cour de cassation entschieden, dass den Gesellschaftern ihre Rechte nur im eigenen Interesse und nicht im Interesse der Gläubiger zustehen. Ein Unterlassen vermag daher keine unerlaubte Handlung gegenüber den Gläubigern zu begründen489. Reine Formfehler vermögen die Haftung der Gesellschafter ebenso wenig zu begründen, sofern die dahinterstehenden Interessen gerechtfertigt erscheinen490. c) Haftung von Kreditgebern Die französische Rechtsprechung hat im Rahmen der allgemeinen Deliktshaftung des Art. 1382 C.civ. eine Haftung von Kreditgebern entwickelt, sofern durch deren missbräuchliche Kreditgewährung als auch deren missbräuchlichen Kreditentzug andere Gläubiger einen Schaden erleiden491. Während bereits seit 1984 eine Haftung von Kreditanstalten492 für missbräuchlichen Kreditentzug kodifiziert ist 493, wurde die Haftung für eine missbräuchliche Kreditgewährung erst mit Art. L. 650-1 C.com. durch die 487
Siehe nur Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nrn. 700 ff., 859 ff. Siehe hierzu bereits oben unter IV. 6. a) (1). 489 Cass. com., 5. Feb. 1973, Nr. 71-10.746, Bull. civ. IV., Nr. 58. 490 Cass. com., 22. Nov. 2005, Nr. 03-19.860, RJDA 2006, Nr. 412; CA Paris, 6. März 1998, Rev. soc. 1998, S. 436. 491 Siehe Rodière/Rives-Lange, Droit bancaire, S. 462 ff.; Routier, La responsabilité du banquier, S. 18 ff. und 28 ff.; Urbain-Parleani, RD banc. et fin. 2002, S. 365; Guyon, RD banc. et fin. 2002, S. 369, jeweils mit Nachweisen der Rspr. 492 Siehe zum Begriff der Kreditanstalt (l’établissement de crédit) Art. L. 511-1 Code monétaire et financier, im Folgenden abgekürzt als C. monét. et fin. 493 Siehe Art. L. 313-12 C. monét. et fin. 488
6. Ergänzende Regelungen
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Loi de sauvegarde des entreprises kodifiziert494. Die praktische Bedeutung beider Haftungen ist jedoch ebenfalls im Vergleich zur responsabilité pour insuffisance d’actif gering 495. (1) Missbräuchliche Kreditgewährung – soutien abusif, Art. L. 650-1 C.com. Die Loi de sauvegarde des entreprises kodifiziert mit Art. L. 650-1 C.com. erstmalig die richterrechtlich ausgeprägte Haftung für eine missbräuchliche Kreditgewährung, sogenannter soutien abusif. Vor dieser Kodifikation sah die Rechtsprechung eine auf Art. 1382 C.civ. gestützte Haftung insbesondere von Banken gegenüber Gläubigern ihres Kreditnehmers vor. Haftungsvoraussetzung war, dass die Gläubiger einen Schaden dadurch erlitten, dass die Bank Kredite gewährt oder verlängert hatte, obwohl die Situation des Kreditnehmers unwiederbringlich geschädigt war und die Bank dies hätte erkennen müssen496. Begründet wurde diese Haftung mit der durch die Gewährung von Krediten in der Krise verbundenen Gefahr, dass diese das Überleben des Unternehmens künstlich verlängerten und so zu einer Vertiefung des Ausfallschadens der übrigen Gläubiger führten497. Art. L. 650-1 C.com. stellt jedoch zunächst im Falle der Eröffnung einer procédure de sauvegarde, eines redressement judiciaire oder einer liquidation judiciaire allgemein die nicht bestehende Verantwortlichkeit der Gläubiger für durch gewährte Kredite verursachte Schäden fest 498. Erst im Anschluss an diese vielfach kritisierte Feststellung 499 normiert Art. L. 650-1 C.com. mit der Haftung im Fall der vorsätzlichen Benachteiligung500, der Einmischung in die Geschäftsführung des Kreditnehmers sowie im Falle einer unverhältnismäßigen Sicherungsvereinbarung drei 494
Siehe nur Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 439 ff. Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 440; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 446. Siehe auch Annuaire statistique de la Justice, abzurufen unter < www.justice.gouv.fr/budget-et-statistiques-10054/annuaires-statistiques-de-lajustice-10304/ > (zuletzt abgerufen im Oktober 2012). 496 Siehe Cass. com., 5. Dez. 1978, Nr. 76-10.054, JCP G 1979, II, Nr. 19132; Cass. com., 10. Dez. 2003, Nr. 01-03.746, JCP G 2004, IV, Nr. 1297. Siehe auch Vézian, La responsabilité du banquier, S. 135 ff.; Urbain-Parleani, RD banc. et fin. 2002, S. 365 ff. 497 Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 440. 498 Siehe Art. L. 650-1 Abs. 1 C.com.: „les créanciers ne peuvent être tenus pour responsables des préjudices subis du fait des concours consentis“. 499 Siehe zur von der Literatur in Frage gestellten Vereinbarkeit der gesetzlichen Feststellung einer nicht bestehenden Verantwortlichkeit mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen Routier, D. 2005, S. 1478 ff.; Pasqualini, Responsabilité du banquier, Nrn. 128, 130, 133. Siehe auch die die Vereinbarkeit feststellende Entscheidung Nr. 2005-522 DC des Conseil Constitutionnel v. 22. Juli 2005, JORF Nr. 173 v. 27. Juli 2005, S. 12225 ff. 500 Der französische Gesetzestext spricht von „fraude“, siehe Art. L. 650-1 Abs. 1 C.com. Siehe zum Begriff fraude auch bereits Fn 422. 495
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Ausnahmen der nicht bestehenden Verantwortlichkeit. Hierdurch wird die richterrechtliche soutien abusif deutlich eingeschränkt 501. Hintergrund dieser Formulierung ist die Absicht des Gesetzgebers einerseits weiterhin der mit der Kreditgewährung in der Krise begründeten Gefahr Rechnung zu tragen, andererseits aber auch die Kreditgewährung als oftmals wichtigen Strohhalm zur Überbrückung einer Unternehmenskrise nicht zu behindern502. Die Haftung für eine vorsätzliche Benachteiligung ergibt sich bereits aus dem Grundsatz fraus omnia corrompit, sodass die Erwähnung in Art. L. 650-1 C.com. lediglich die Kodifikation einer Selbstverständlichkeit darstellt 503. Hinter dieser Fallgruppe steht die Absicht des Gesetzgebers unter anderem eine missbräuchliche Forderungsabtretung zugunsten des Kreditgebers zu sanktionieren, die zu einer fiktiven Liquidität des Kreditnehmers führt 504. Der im zweiten Ausnahmefall zum Ausdruck kommende Gedanke, dass eine Einmischung in die Geschäftsleitung zur Verantwortlichkeit für entstandene Schäden führen kann, findet sich ebenfalls bereits in Form der ausdrücklich vorgesehenen Haftung rein faktischer Geschäftsführer im Rahmen des Art. L. 651-2 C.com.505. Allein die Haftung für Schäden, die durch unverhältnismäßige Sicherungsvereinbarungen entstehen, hatte bis zur Kodifikation des Art. L. 650-1 C.com. im Gesetz noch keinen Niederschlag gefunden506. Diese letztgenannte Fallgruppe zielt gerade nicht auf eine Sanktionierung unverhältnismäßig hoher Kredite im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers507, sondern betrifft allein das Verhältnis zwischen Kredit und Kreditsicherheit 508. Aufgrund der allein schlagwortartigen Auflistung dieses Ausnahmefalls bleibt dessen Tragweite jedoch unklar. Weder der Zeitpunkt der Beurteilung der Angemessenheit der Kreditsicherheit noch die Berücksichtigungsfähigkeit der über den Kreditbetrag hinausgehenden Aspekte bei der Beurteilung der Angemessenheit, wie beispiels501 Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 439, 441. Siehe auch Routier, D. 2005, S. 1478; Urbain-Parléani, RD banc. et fin. 2002, S. 365 ff. 502 Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 441. 503 Routier, D. 2005, S. 1478, 1480; Robine, D. 2006, S. 69, 74; Pasqualini, Responsabilité du banquier, Nr. 134; Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 441. 504 Siehe Hyest, Rapp. Nr. 335 vor dem Senat am 11. Mai 2005, S. 441 f. Siehe auch Caramalli, Petites affiches, 76/2005, S. 6. 505 Siehe hierzu oben unter IV. 2. b) (2). 506 Caramalli, Petites affiches, 76/2005, S. 6. 507 Cass. civ., 1re, 12. Juli 2005, Nr. 03-10.921, D. 2005, S. 2276. Siehe auch Art. L. 313-10 und Art. L. 341-4 Code de la consommation. 508 Siehe Art. L. 650-1 Abs. 1 C.com.: „si les garanties prises en contrepartie de ces concours sont disproportionnées à ceux-ci“.
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weise die Berücksichtigung der mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken, ergeben sich aus dem Gesetz509. Auch ist unklar, welche Kreditsicherheiten unter den Begriff der „garantie“ in Art. L. 650-1 C.com. fallen510. Soweit das Gesetz den Begriff der garantie an anderer Stelle verwendet511, ist dieser denkbar weit zu verstehen und umfasst sämtliche denkbaren Kreditsicherheiten512. Ist in den normierten drei Ausnahmefällen tatsächlich ein kausaler Zusammenhang zwischen der gewährten Unterstützung und einem Ausfallschaden der übrigen Gläubiger gegeben, so ist der Kreditgeber zum Schadensersatz verpflichtet513. Allerdings ist nur der Schaden zu ersetzen, der durch die Kreditgewährung entstanden ist. Der Kreditgeber haftet demnach nur in Höhe der Schlechterstellung der übrigen Gläubiger, die durch die Kreditgewährung verursacht wurde und somit allein auf einen Quotenschaden514. Ergänzend sieht Art. L. 650-1 Abs. 2 C.com. die Möglichkeit vor, dass die gewährten Kreditsicherheiten für nichtig erklärt werden oder zumindest reduziert werden können. Da es sich bei der Haftung gemäß Art. L. 650-1 C.com. um eine Verantwortlichkeit zugunsten der Gläubigergesamtheit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens handelt, sind in analoger Anwendung des Art. L. 622-20 C.com.515 allein der mandataire judiciaire sowie jeder ihm zur Seite gestellte weitere liquidateur und unter Umständen auch jeder contrôleur klagebefugt 516. Die Zuständigkeit des Gerichts ergibt sich nicht bereits aus der Anhängigkeit des Insolvenzverfahrens 517. Vielmehr finden die allgemeinen Prozessregeln Anwendung 518, sodass grundsätzlich das Gericht am Wohnsitz
509
Crocq, in: FS Simler, S. 291, 303; Robine, D. 2006, S. 69, 75. Siehe nur Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Nr. 640. 511 Siehe nur Art. L. 225-35 C.com. 512 Siehe nur Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, Nr. 640. 513 Art. L. 650-1 Abs. 1 C.com.: „responsables des préjudices subis du fait des concours consentis“. 514 Siehe bereits zur soutien abusif Cass. com., 22. März 2005, Nr. 03-12.922, D. 2005, S. 1020. Siehe auch Bouteiller, in: J.-Cl. com., Abschnitt 3100, Nr. 23; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 450. 515 Jeweils i.V.m. Art. L. 631-14 C.com. für den redressement judiciaire sowie i.V.m. Art. L. 641-4 C.com. für die liquidation judiciaire. 516 Lienhard, Sauvegarde des entreprises en difficulté, Nr. 2303; Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficutlé, S. 449; Bouteiller, in: J.-Cl. com., Abschnitt 3100, Nr. 24. Siehe auch bereits zur soutien abusif Cass. com., 4. Dez. 2001, Nr. 98-19.169, Act. proc. coll. 2002, Nr. 30. Siehe zu den Funktionsträgern im Rahmen der Insolvenzverfahren bereits oben unter IV. 1. h). 517 Cass. com., 12. Okt. 1999, Nr. 96-18.471, RJDA 1999, Nr. 1349. 518 Jeantin/Le Cannu, Entreprises en difficulté, S. 449. 510
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des Beklagten zuständig ist519. Allerdings ist das Insolvenzgericht zuständig, sofern die Mehrheit der Gläubiger in dessen Zuständigkeitsbereich den Ausfallschaden erlitten hat520. (2) Haftung von Kreditinstituten für einen missbräuchlichen Kreditentzug, Art. L. 313-12 C. monét. et fin. Die Haftung von Kreditinstituten für einen missbräuchlichen Kreditentzug bildet das Spiegelbild zur Haftung für eine missbräuchliche Kreditgewährung. Während letztere erst mit der Loi de sauvegarde des entreprises kodifiziert wurde, kennt das französische Recht mit Art. L. 313-12 C. monét. et fin. bereits seit dem Gesetz Nr. 84-46 vom 24. Januar 1984 eine Haftung von Kreditinstituten521 für einen Kreditentzug. Ein Kreditinstitut kann einen gewährten Kredit nur innerhalb einer Frist von mindestens 60 Tagen522 und durch eine vorherige schriftliche Absichtserklärung entziehen, es sei denn die Situation des Kreditnehmers ist unwiederbringlich zerrüttet oder ihm kann ein ernstlicher Vorwurf gemacht werden523. Respektiert das kreditgebende Institut diese Bedingungen nicht, entzieht den Kredit also spontan, so haftet es gegenüber dem Kreditnehmer für die durch den Kreditentzug entstandenen Schäden524. d) Anfechtung – action paulienne, Art. 1167 Abs. 1 C.civ. Die allgemeine zivilrechtliche Ausprägung der französischen Anfechtungsrechte, sogenannte action paulienne, findet sich in Art. 1167 Abs. 1 C.civ. Im Gegensatz zur action en nullité, die auf einen kollektiven Schutz der Gläubigergesamtheit in einem Insolvenzverfahren zielt 525, schützt die action paulienne das auf die Begleichung der Schuld gerichtete Individualinteresse des einzelnen Gläubigers 526. Art. 1167 Abs. 1 C.civ. bestimmt, dass die Gläubiger in ihrem eigenen Namen diejenigen Rechtshandlungen ihres Vertragspartners anfechten 519
Art. 42 Code de procédure civile. Art. 46 Code de procédure civile. Siehe auch Cass. com., 3. Juni 1997, Nr. 95-13.981, Bull. civ., IV, Nr. 161. 521 Art. L. 511-1 C. monét. et fin. definiert Kreditinstitute als juristische Personen, die als übliche Geschäftstätigkeit Bankgeschäfte, so unter anderem Kreditgeschäfte (siehe Art. L. 311-1 C. monét. et fin.), betreiben. 522 Art. D. 313-14-1 C. monét. et fin. 523 Art. L. 313-12 C. monét. et fin. 524 Art. L. 313-12 Abs. 3 C. monét. et fin. Siehe auch Cass. com., 4. Dez. 2001, Nr. 99-17664, RD bancaire et fin., 2002, S. 12: „la faute […] concouru de façon certaine à la production du dommage“. 525 Siehe bereits oben unter IV. 5. 526 Siehe nur Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nr. 1158. 520
6. Ergänzende Regelungen
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können, die dieser unter Verletzung ihrer Rechte getätigt hat. Die Rechtsprechung versteht dies denkbar weit, sodass unter anderem sämtliche entgeltlichen sowie unentgeltlichen Verträge sowie einseitige Rechtshandlungen erfasst werden527. In subjektiver Hinsicht ist, anders als im Rahmen der action en nullité, zwingend eine vorsätzliche Benachteiligung des Gläubigers erforderlich528. Um jedoch den gutgläubigen Erwerber zu schützen, muss zumindest bei unentgeltlichen Rechtshandlungen ergänzend eine Böswilligkeit auch des Vertragspartners hinzutreten529. Folge der action paulienne ist nicht die Nichtigkeit der Rechtshandlungen mit Wirkung erga omnes, sondern lediglich die relative Unwirksamkeit, sogenannte inopposabilité, gegenüber dem von der Rechtshandlung benachteiligten Gläubiger 530. Der benachteiligte Gläubiger kann somit auf das zugreifen, was durch die Rechtshandlung dem Vermögen des Schuldners entzogen wurde, so als ob diese nicht stattgefunden hätte531. Ist dieser Zugriff nicht mehr möglich, so hat der begünstigte Dritte entsprechenden Wertersatz zu leisten532. Die action paulienne kann von jedem benachteiligten Gläubiger in eigenem Interesse geltend gemacht werden533 mit der Folge, dass er auch allein von der Anfechtung profitiert534. Die Rechtshandlung wird gegenüber demjenigen angefochten, der von ihr begünstigt wird535. Die allgemeine Anfechtungsklage wird gerade nicht durch die speziellere action en nullité verdrängt536. Sie kann daher auch als Individualklage während eines Insolvenzverfahrens erhoben werden537. Darüber hinaus kann die action paulienne im Rahmen eines Insolvenzverfahrens auch im Gesamtinteresse aller Gläubiger durch den mandataire judiciaire oder einen ihm zur Seite gestellten liquidateur geltend gemacht werden, sofern
527
Siehe nur Gautier/Pasqualini, Action paulienne, in: D. Rép. civ., Nrn. 13 ff. m.w.N. 528 Siehe Cass. 1er civ., 13. Jan. 1993, Nr. 91-11.871, Bull. civ. I, Nr. 5; Cass. 1 er civ., 14. Feb. 1995, Nr. 92-18.886, Bull. civ. I, Nr. 79. Siehe auch Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nrn. 1175 ff. m.w.N. 529 Siehe nur Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nrn. 1178 ff. m.w.N. 530 Siehe nur Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nrn. 1157 f., 1182 ff. m.w.N. 531 Cass. 1er civ., 30. Mai 2006, Nr. 02-13.495, JCP G 2006, II, Nr. 10150. 532 Siehe nur Chabas, in: Mazeaud, Leçons de droit civil, S. 1071. 533 Cass. com., 26. Jan. 1988, Nr. 86-13.053, Bull. civ. IV, Nr. 54. 534 Cass. com., 8. Okt. 1996, Nr. 93-14.068, Bull. civ. IV, Nr. 214. 535 Cass. com., 4. Juni 1969, Nr. 67-14.366, Bull. civ. IV, Nr. 207; Cass. 1 er civ., 6. Nov. 1990, Nr. 89-14.948, Bull. civ. I, Nr. 229. 536 Siehe hierzu bereits oben unter IV. 5. c). 537 Siehe Cass. com., 8. Okt. 1996, Nr. 93-14.068, Petites affiches 153/1996, S. 28; Cass. com., 2. Nov. 2005, Nr. 04-16.232, Bull. civ. IV, Nr. 214.
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IV. Französische Rechtslage
die Gläubigergesamtheit einen Schaden erlitten hat538. Das zuständige Gericht ist nicht zwingend das zuständige Insolvenzgericht. Die Zuständigkeit wird nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln bestimmt 539. Da die action paulienne sich maßgeblich auf eine vorsätzliche Benachteiligung stützt, ist eine Anfechtung innerhalb von dreißig Jahren möglich540. e) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die Existenzvernichtungshaftung sanktioniert einen Eingriff des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen. Die Geschäftsführer der Gesellschaft haften allein als Auslöser oder Gehilfen541. Die allgemeine Geschäftsführerhaftung gemäß Art. L. 223-22 C.com., die allein formelle Geschäftsführer erfasst, kann somit bei existenzvernichtenden Eingriffen der Gesellschafter nicht herangezogen werden. Allerdings stellt Art. L. 223-22 C.com. zumindest im Hinblick auf eine Haftung gegenüber der Gesellschaft den Paralleltatbestand zu § 43 Abs. 2 GmbHG dar542. Ebenso wie § 43 Abs. 2 GmbHG erfasst Art. L. 223-22 C.com. somit zumindest den Tatbeitrag der Geschäftsführer beim existenzvernichtenden Eingriff der Gesellschafter, sofern nicht die speziellere responsabillité pour insuffisance d’actif Anwendung findet 543. Eine unmittelbare Haftung der Geschäftsführer gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft gemäß Art. L. 223-22 C.com. scheitert jedenfalls daran, dass diese keinen unmittelbaren Schaden erleiden. Der Bundesgerichtshof weist im „Trihotel“-Urteil insbesondere darauf hin, dass die Gesellschaft unmittelbar Geschädigte des Eingriffs sei, die Gläubiger hingegen nur mittelbar betroffen seien544. Eine Haftung der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens kommt aber gemäß Art. 1382 C.civ. in Betracht, sofern sie als faktische Geschäftsführer agieren. Voraussetzung der Haftung ist somit ein Handeln der Gesellschafter in völliger Freiheit und Unabhängigkeit. Bereits im Rahmen der action en responsabiliteé 538
Siehe Cass. com., 13. Nov. 2001, Nr. 98-18.292, D. 2001, S. 3617; Cass. 1 er civ., 13. Juli 2004, Nr. 03-10.292, Petites affiches 73/2005, S. 3. 539 Le Corre, Droit et pratique des procédures collectives, Nr. 621.31. Vgl. auch Cass. com., 6. Juli 1993, Nr. 91-13.834, zitiert von Soinne, Traité des procédures collectives, Nr. 5636-1. A.A. Soinne, Traité des procédures collectives Nr. 1800. 540 Terré/Simler/Lequette, Les obligations, Nrn. 1159 ff.; Gautier/Pasqualini, Action paulienne, in: D. Rép. civ., Nrn. 103 f. 541 Siehe oben unter II. 4. b) und 5. a) (2). 542 Siehe zur deutschen Geschäftsführerhaftung oben unter II. 5. a). 543 Siehe zum Anwendungsbereich der responsabillité pour insuffisance d’actif oben unter IV. 2. a). 544 BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 33. Siehe hierzu bereits oben unter II. 3. c) (2) (a).
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pour insuffisance d’actif vermag ein existenzvernichtender Eingriff der Gesellschafter, deren Haftung als faktische Geschäftsführer zu begründen545. Ist diese spezialgesetzliche Haftung mangels eines formellen Insolvenzverfahrens nicht anwendbar, so begründet ein Eingriff in das Gesellschaftsvermögen dennoch weiterhin einen Fehler der faktischen Geschäftsführung. Das Gesellschaftsvermögen darf allein im Rahmen der Gewinnausschüttung ausgezahlt werden546 und erst recht darf über die Vermögenswerte der Gesellschaft nicht wie über Eigene verfügt werden547. Solche Fehler der faktischen Geschäftsleitung unterfallen grundsätzlich auch Art. 1382 C.civ., sofern gerade keine spezialgesetzliche Regel Anwendung findet. Eine Haftung der Gesellschafter ist somit ebenfalls außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens für existenzvernichtende Eingriffe denkbar, sofern sie als faktische Geschäftsführer auftreten. Im Gegensatz zur action en responsabilité pour insuffisance d’actif ist die Haftung dann auch nicht auf die Verursachung einer Überschuldung beschränkt 548. Im Rahmen des Art. 1382 C.civ. führt bereits jede kausal verursachte Schädigung zu einer Haftung. Ob Gesellschafter tatsächlich für Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen zu gesellschaftsfremden Zwecken als faktische Geschäftsführer haften, ist allerdings weder in Literatur noch Rechtsprechung ersichtlich. Eine Haftung faktischer Geschäftsführer gegenüber Dritten gemäß Art. 1382 C.civ. scheidet aus den gleichen Gründen wie bereits die Haftung formeller Geschäftsführer gemäß Art. 223-22 C.com. aus. Es fehlt an einem unmittelbaren Schaden der Gläubiger, den auch Art. 1382 C.civ. voraussetzt. Auf der Grundlage von Art. 1382 C.civ. lässt sich schließlich eine Haftung der Gesellschafter für existenzvernichtende Eingriffe aufgrund ihrer Stellung als Anteilsinhaber gegenüber Dritten ebenfalls nicht begründen. Der Anspruch der Gläubiger scheitert wiederum dadurch, dass diese nur mittelbar durch den Eingriff geschädigt werden. Ob die Gesellschafter gemäß Art. 1382 C.civ. gegenüber der Gesellschaft selbst haften können, lässt sich weder aus der Rechtsprechung noch aus der Literatur entnehmen. Die Haftung von Kreditgebern als letzter betrachteter Haftungstatbestand zielt funktional in eine ganz andere Richtung als die Existenzvernichtungshaftung. Sanktioniert erstere eine künstliche Verlängerung der 545
Siehe oben unter IV. 2. b) (2). Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. d). 547 Siehe hierzu bereits oben im Rahmen der responsabilité pour insuffisance d’actif unter IV. 2. c) (2). 548 Siehe zur Voraussetzung der insuffisance d’actif ausführlich oben unter IV. 2. c) (1). 546
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IV. Französische Rechtslage
Gesellschaft durch die Zuführung finanzieller Mittel, so zielt letztere auf eine Sanktionierung eines Entzugs von Gesellschaftsvermögen. Auch wenn Gesellschafter zwar grundsätzlich als Kreditgeber einer Gesellschaft denkbar sind, insbesondere dann, wenn sich ihre Gesellschaft in finanziellen Schwierigkeiten befindet, so erfasst deren mögliche Haftung gerade nicht existenzvernichtende Eingriffe. Die action paulienne teilt schließlich die gleiche Schwäche der deutschen Anfechtungsrechte549. Auch wenn sie existenzvernichtende Eingriffe grundsätzlich erfasst, so ist ihre Rechtsfolge auf eine Rückabwicklung des angefochtenen Rechtsgeschäfts beschränkt. Einen darüber hinausgehenden Schadensersatz, auf den die Existenvernichtungshaftung zielt, gewährt die action paulienne gerade nicht.
7. Geschäftsleitungsverbote – faillite personnelle und l’interdiction de diriger, Artt. L. 653-1 ff. C.com. 7. Faillite personnelle und l’inderdiction de diriger Das französische Insolvenzrecht sieht mit den Artt. L. 653-1 ff. C.com. ebenso wie das englische Insolvenzrecht 550 die Möglichkeit einer persönlichen Sanktionierung für formelle oder faktische Geschäftsführer entweder in Form eines besonderen Geschäftsleitungsverbots, der sogenannten faillite personnelle, oder in Form eines (einfachen) Geschäftsleitungsverbots vor551. Die Voraussetzungen einer solchen Sanktion reichen von der Nichtbefolgung des Urteils im Fall einer responsabilité pour insuffisance d’actif552, über das Vorliegen eines von fünf, ehemals unter dem Tatbestand der obligation aux dettes sociales erfassten, besonders schwerwiegenden Geschäftsleitungsfehlern553 bis hin zu einem von den Voraussetzungen einer persönlichen Haftung losgelösten eigenständigen Tatbestandskatalog. Letzterer umfasst die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit trotz eines gesetzlichen Verbotes, die ruinöse Insolvenzverschleppung, die Eingehung von Verbindlichkeiten zulasten der Gesellschaft, die das wirtschaftliche Leistungsvermögen dieser überschreiten, die Gläubigerbevorzugung in der Insolvenz, die Weigerung der Kooperation mit Insolvenzorganen sowie den Verstoß gegen sämtliche Grundsätze der Buchhaltung 554. 549 550 551 552 553 554
Siehe zu den deutschen Anfechtungsrechten oben unter II. 2. b) (5). Siehe oben unter III. 10. Artt. L. 653-1-I Nr. 2, L. 653-4, L. 653-5, L. 653-6 sowie Art. L. 653-8 C.com. Art. L. 653-6 C.com. Siehe hierzu bereits oben unter IV. 2. d) (3). Art. L. 653-4 C.com. Siehe hierzu bereits oben unter IV.2. c) (2). Art. L. 653-5 C.com.
7. Faillite personnelle und l’inderdiction de diriger
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Liegen die Voraussetzungen der Artt. L. 653-4 bis L. 653-6 C.com. vor, so liegt es im freien Ermessen des Gerichts entweder eine faillite personnelle oder aber ein Geschäftsleitungsverbot für eine Dauer von maximal 15 Jahren auszusprechen555. Ergänzend kann das Geschäftsleitungsverbot außerdem bei einer nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erfolgten Stellung eines Insolvenzantrages ausgesprochen werden556. Mit der faillite personnelle ist zunächst ein umfassendes Verbot der Leitung, Führung, Verwaltung oder Kontrolle, sei es direkt oder indirekt, jeglichen kaufmännischen, handwerklichen oder landwirtschaftlichen Unternehmens oder jeglicher juristischer Person verboten557. Darüber hinaus verliert der Geschäftsführer mit der faillite personnelle sein Stimmrecht in sämtlichen Gremien juristischer Personen und er kann zur Veräußerung seiner Gesellschaftsanteile veranlasst werden558. Schließlich kann das Gericht ein Verbot des passiven Wahlrechts für sämtliche öffentlichen Ämter aussprechen559. Weniger einschneidend sind die Konsequenzen des Geschäftsleitungsverbots, das alternativ zur faillite personnelle vom Gericht gemäß Art. L. 653-8 C.com. ausgesprochen werden kann. Dieses umfasst nur das Verbot der Leitung, Führung, Verwaltung oder Kontrolle jeglichen kaufmännischen, handwerklichen oder landwirtschaftlichen Unternehmens oder jeglicher juristischer Person. Im Gegensatz zur faillite personnelle kann das Gericht das Verbot auch auf bestimmte Unternehmen oder juristische Personen beschränken560. Können sämtliche Verbindlichkeiten aufgrund einer Haftung gemäß Art. L. 651-2 C.com. beglichen werden, sind sämtliche Sanktionen aufzuheben und der Geschäftsführer ist zu rehabilitieren561. Außerdem kann das Gericht einen Teil oder auch sämtliche Sanktionen aufheben, sofern der verurteilte Geschäftsführer die Passiva freiwillig ausgleicht oder er seine Befähigung nachweist die vom Verbot erfassten Unternehmen zu leiten562. Die faillite personnelle sowie das Geschäftsleitungsverbot können innerhalb von drei Jahren ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom mandataire judiciaire, den ihm zur Seite gestellten Insolvenzverwaltern sowie 555
Artt. L. 653-4 bis L. 653-6, L. 653-8, jeweils Abs. 1, C.com.: „le tribunal peut prononcer“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch Art. L. 653-11 Abs. 1 C.com. 556 Art. L. 653-8 Abs. 3 C.com. 557 Art. L. 653-2 C.com. i.V.m. Art. L. 653-11 Abs. 1 C.com. 558 Art. L. 653-9 C.com. 559 Art. L. 653-10 C.com.: „l’incapacité d’exercer une fonction publique élective“. Siehe auch de Roux, Rapp. Nr. 2095 vor der Ass. Nat. am 11. Feb. 2005, S. 451 ff. 560 Art. L. 653-8 Abs. 1 a.E. C.com. 561 Art. L. 653-11 Abs. 2 und 5 C.com. 562 Art. L. 653-11 Abs. 3 und 4 C.com.
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vom ministère public beantragt werden beziehungsweise bei deren Untätigkeit durch die Mehrheit der contrôleurs563.
8. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach französischem Recht 8. Lösungen nach französischem Recht Dem französischen Recht ist eine Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, wie sie in Deutschland besteht, ebenso wie dem englischen Recht, unbekannt. Das französische Recht kennt jedoch mit der responsabilite pour insuffisance d’actif einen zentralen Haftungstatbestand, der ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung eine Insolvenzverursachung sanktioniert. Beide Regelungen zielen auf einen Schutz der Gläubigergesamtheit. Die französische Haftung stellt im Rechtsvergleich, auch wenn sie allein im Rahmen eines förmlichen Insolvenzverfahrens anwendbar ist, die rechtspraktisch relevanteste Vorschrift dar. Diese hohe Praxisrelevanz der Vorschrift führt auch dazu, dass die rechtspraktische Bedeutung der flankierenden Haftungstatbestände sowohl innerhalb als auch außerhalb einer formellen Insolvenz deutlich zu relativieren ist. Ebenfalls parallel zum englischen Recht und anders als das deutsche Recht rückt das französische Recht mit seiner Insolvenzverursachungshaftung die Geschäftsführer und nicht die Gesellschafter in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch alle weiteren Fälle einer persönlichen Haftung, die auf die Sachverhalte der Existenzvernichtungshaftung anwendbar sind, knüpfen allein an die Stellung als Geschäftsführer an. Ebenso wie im englischen Recht ist die Haftung der Geschäftsführer, bis auf die allgemeine Organhaftung gemäß Art. L. 223-22 C.com., allerdings nicht allein auf formelle Geschäftsführer beschränkt, sondern vermag Gesellschafter zumindest als faktische Geschäftsführer zu erfassen. Während im englischen Recht aber bereits die Einflussnahme auf die formelle Geschäftsleitung ausreicht um zumindest die Stellung als shadow director zu begründen564, erfordert das französische Recht die Ausübung der Geschäftsführung in völliger Freiheit und Unabhängigkeit und eine gewisse Dauer. Anders als in Deutschland565 genügen jedoch rein gesellschaftsinterne Handlungen zur Begründung der faktischen Geschäftsleitung. Auf tatbestandlicher Ebene ist zunächst sämtlichen französischen Haftungstatbeständen die Dreigliedrigkeit von Schaden, Fehler und Kausalität gemeinsam. Diese Dreigliedrigkeit findet sich grundsätzlich auch im deutschen Deliktsrecht wieder und zeichnet sich durch die Weite der einzelnen 563 564 565
Art. L. 653-7 C.com. i.V.m. Art. L. 653-1-II C.com. Siehe oben unter III. 2. b). Siehe oben unter II. 2. b) (2).
8. Lösungen nach französischem Recht
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Tatbestandsmerkmale aus. Aufgrund der Fokussierung der Haftung im gesellschaftsrechtlichen Kontext auf die Stellung als Geschäftsführer konkretisiert sich das Tatbestandsmerkmal des Fehlers auf sämtliche Fehler der Geschäftsführung. Zu diesen zählt insbesondere auch eine Verfügung über Vermögenswerte der juristischen Person wie über eigene. Existenzvernichtende Eingriffe stellen nichts anderes dar, sodass diese von der responsabilité pour insuffisance d’actif, von der allgemeinen Geschäftsführerhaftung, aber auch der deliktischen Haftung erfasst werden. Aufgrund des weiten Verständnisses des Fehlerbegriffs sind die französischen Regelungen darüber hinaus in der Lage, auch unternehmerische Fehlentscheidungen sowie eine materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft zu erfassen. Sämtliche dieser Geschäftsführungsfehler führen ebenso wie im deutschen Recht566 nur dann zu einer Haftung, sofern ein Schaden entstanden ist. Auch wenn das französische Recht grundsätzlich eine Haftung der (faktischen) Geschäftsführer gegenüber Dritten kennt, können Gläubiger der Gesellschaft eine Haftung bei existenzvernichtenden Eingriffen nicht geltend machen. Diese schädigen die Gläubiger nur mittelbar und allein die Gesellschaft unmittelbar567. Voraussetzung für den Schadensersatz nach französischem Recht ist aber eine unmittelbare Schädigung. Die responsabilité pour insuffisance d’actif setzt einen qualifizierten Schaden in Form der Überschuldung der Gesellschaft voraus, zu der der Geschäftsführungsfehler zumindest beigetragen haben muss. Im Gegensatz dazu fordert die Existenzvernichtungshaftung bereits als sittenwidrige Schädigung einen insolvenzverursachenden Eingriff und somit eine unmittelbare Insolvenzverursachung 568. Diese ist jedoch im Gegensatz zum französischen Recht nicht auf eine Überschuldung begrenzt, sondern erfasst auch die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft 569. Da existenzvernichtende Eingriffe regelmäßig nicht nur zur Zahlungsunfähigkeit, sondern auch zur Überschuldung führen werden, ist letzterer Unterschied im Gegensatz zu den Anforderungen an die Kausalität rechtspraktisch weniger relevant. Da in Deutschland eine insolvenzverursachende Schädigung der Gesellschaft erforderlich ist, ist die deutsche Haftung enger gefasst und somit mit einer höheren Darlegungs- und Beweislast verbunden. In Frankreich genügt eine Mitverursachung der Überschuldung. Die Parallele zur Existenzvernichtungshaftung ist dennoch offenkundig. Die Existenzvernichtungshaftung sanktioniert jedoch auch einen Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens ohne das 566 567 568 569
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben
unter unter unter unter
II. 4. c) (2). II. 3. c) (2) (a). II. 4. c) (1) (c). II. 4. c) (1) (c).
312
IV. Französische Rechtslage
Zusatzkriterium der Insolvenzverursachung 570. Der durch die Existenzvernichtungshaftung vermittelte Gläubigerschutz geht somit über den der responsabilité pour insuffisance d’actif hinaus. Der wesentliche rechtspraktische Unterschied zwischen der Existenzvernichtungshaftung und der responsabilité pour insuffisance d’actif liegt daher auch im sachlichen Anwendungsbereich. Letztere ist allein auf ein formelles Insolvenzverfahren beschränkt. Die Existenzvernichtungshaftung ist jedoch auch außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens und zudem bei einer Gesellschaft in Liquidation anwendbar571. Außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens finden in Frankreich wiederum die Haftung gemäß Art. L. 223-22 C.com. sowie gemäß Art. 1382 C.civ. Anwendung. Die französischen Haftungstatbestände erfassen daher insgesamt sämtliche Fälle, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. Liegt ein Geschäftsführungsfehler vor, der zu einem Schaden beziehungsweise der Überschuldung der Gesellschaft geführt hat, bedarf es nach französischem Recht zur Haftungsbegründung keines bestimmten Vorsatzes der Geschäftsführer mehr. Im Gegensatz hierzu müssen in Deutschland die Gesellschafter und Geschäftsführer im Rahmen der deliktischen Haftung zumindest eventualvorsätzlich gehandelt haben572. Allerdings berücksichtigt auch das französische Recht das jeweilige Verschulden, jedoch allein auf Rechtsfolgenseite im Rahmen der Ermessensausübung des Gerichts. Blickt man auf die Rechtsfolgenseite, so nimmt die action en responsabilité pour insuffisance erneut eine Sonderstellung im Rechtsvergleich ein. Die Rechtsfolge dieser Haftung steht zwar ebenso wie die der englischen Haftungstatbestände573 im Ermessen des Gerichts, allerdings schöpft die französische Rechtsprechung dieses Ermessen auch aus. Unabhängig vom konkreten Verursachungsbeitrag der Haftenden für die Überschuldung der Gesellschaft können und werden diese zur Zahlung der Summe der gesamten Unterdeckung zugunsten des Gesellschaftsvermögens verurteilt. Die Existenzvernichtungshaftung ist hingegen auf den konkret durch den existenzvernichtenden Eingriff entstandenen Schaden begrenzt574. Ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung 575 ist die responsabilité pour insuffisance grundsätzlich als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft ausgestaltet. Die Haftungssumme wird jedoch in Frankreich anteilig an sämtliche Gläubiger verteilt, sodass die französische Haftung eine Stel570 571 572 573 574 575
Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben Siehe oben
unter unter unter unter unter unter
II. 4. c) (1) (c). II. 4. a). II. 4. c) (3). III. 2. d) (1), 3. d) und 4. e) (1). II. 4. e). II. 4. e)
8. Lösungen nach französischem Recht
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lung zwischen Innen- und Außenhaftung einnimmt. Die allgemeine Organhaftung gemäß Art. L. 223-22 C.com. sowie die Haftung faktischer Geschäftsführer gemäß Art. 1382 C.civ. ist ebenso wie die deutsche Existenzvernichtungshaftung auf den durch die Pflichtverletzung eingetretenen Schaden der Gesellschaft begrenzt. In den Fällen der Sphärenvermischung hebt das französische Recht die Identitätsverschiedenheit zwischen mehreren Person auf, sodass Gesellschafter auf diesem Wege gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft haftbar sein können. Die Fälle der Vermögensvermischung werden daher vom französischen Recht ebenfalls erfasst. Das französische Recht sieht darüber hinaus im Rahmen eines formellen Insolvenzverfahrens mit der Insolvenzerstreckung ein dem deutschen Recht fremdes Instrument des Gläubigerschutzes vor, das allerdings die Fälle existenzvernichtender Eingriffe nicht zu erfassen vermag. Die extension de procédure findet ihr funktionales Pendant ebenfalls in der Fallgruppe der Vermögensvermischung. Aufgrund der gesetzlichen Verankerung in Art. L. 621-2 Abs. 2 C.com. und der zahlreichen prozessualen Erleichterungen bis hin zu einer Erstreckung von Amts wegen nimmt die französische Insolvenzerstreckung allerdings eine deutlich prominentere als auch praxisrelevantere Stellung ein als die deutsche Fallgruppe der Vermögensvermischung. Sowohl die Insolvenzanfechtung als auch die allgemeine Anfechtung teilen schließlich die Schwäche der deutschen und englischen Anfechtungsrechte576, indem sie allein auf eine Rückabwicklung beziehungsweise Wertersatz zielen. Mit Blick auf existenzvernichtende Eingriffe spielt daher auch die französische Anfechtung nur eine untergeordnete Rolle.
576
Siehe oben unter II. 2. b) (5) und III. 6. f), 7. c) und 8. b).
V. Niederländische Rechtslage Das Recht der niederländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, ist mit Wirkung zum 1. Oktober 2012 grundlegend reformiert worden1. Mit der Ende 2009 in den Gesetzgebungsprozess eingebrachten Reform des B.V.-Rechts wurde unter anderem das Erfordernis eines Mindestkapitals endgültig aufgegeben2. Durch diese Reform wendet sich das niederländische Recht somit endgültig einem Gläubigerschutz ex post zu. Die zunächst ebenfalls geplante Reform des Insolvenzrechts3 zur Förderung von Sanierungsverfahren wurde nach Auskunft des Justizministers im Januar 2011 nicht weiter verfolgt4. Bereits in den 1980er Jahren fand in den Niederlanden eine umfassende Diskussion um den Missbrauch der Haftungsbeschränkung zulasten der Gläubiger statt. Die Folge dieser Diskussion war ebenfalls keine Stärkung eines ex ante wirkenden Gläubigerschutzes, sondern die Entwicklung diverser ex post-Mechanismen vergleichbar mit denen des englischen und französischen Rechts. Das infolge der damaligen Diskussion schließlich kodifizierte sogenannte dritte Missbrauchsgesetz5 enthält als zentrale Vor-
1
Siehe den ursprünglichen Gesetzesentwurf der sogenannten Wijziging van boek 2 van het Burgerlijk Wetboek in verband met de aanpassing van de regeling voor besloten vennootschappen met beperkte aansprakelijkheid (Wet vereenvoudiging en flexibilisering B.V.-recht), Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 2 sowie das am 1. Okt. 2012 in Kraft getretene Gesetz vom 18. Juni 2012, Stb. 2012, Nr. 301. Das Gesetz wird im Folgenden als B.V.-Reform abgekürzt. 2 Siehe die ursprüngliche Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006– 2007/31058, Nr. 3, S. 1 sowie den neu gefassten Art. 2:178 Abs. 1 BW. 3 Siehe den Vorentwurf der Kommission Insolvenzrecht unter dem Vorsitz von Kortman, Voorontwerp Insolventiewet v. 1. Nov. 2007, Begründung S. 1. Der Entwurf ist abzurufen unter < www.rijksoverheid.nl./documenten-en-publicaties/kamerstukken/2007/ 11/21/voorstel-commissie-kortman-voorontwerp-insolventiewet.html > (zuletzt abgerufen am 12. Sept. 2012). 4 Siehe die Antwort des Justizministers vom 17. Jan. 2011 auf eine parlamentarische Anfrage bzgl. der geplanten Insolvenzrechtsreform, Tweede Kamer Kamervragen (Aanhangsel) 2010–2011, Nr. 1014. 5 Wet Bestuurdersaansprekelijkheid in geval van faillissement v. 16. Mai 1986, in Kraft seit dem 1. Jan. 1987. Parallel hierzu ist das Wet Bestuurdersaansprakelijkheid v.
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V. Niederländische Rechtslage
schrift eine Haftung der Geschäftsführer für insolvenzverursachende Geschäftsleitungsfehler, von der auch die jüngste Reform nicht abweicht (siehe im Folgenden unter 2.). Es handelt sich nach niederländischer Auffassung um eine Form einer direkten Durchgriffshaftung, sog. directe doorbraak van aansprakelijkheid6, da Organe der Gesellschaft gegenüber Dritten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Anders als in England oder Frankreich hat sich ergänzend zur gesetzgeberischen Initiative in der Rechtsprechung eine umfassende Kasuistik zu einer unmittelbaren Haftung der agierenden Personen gegenüber den Gläubigern entwickelt, sog. indirecte doorbraak7. Ebenso wie in Deutschland ist diese Haftung in einen deliktischen Generaltatbestand eingebettet. Beim indirecte doorbraak handelt es sich gerade nicht um eine Haftung der Organe der Gesellschaft gegenüber Dritten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, sondern vielmehr um eine Haftung für eigenes Verschulden, welche neben die bestehenden Verpflichtungen der Gesellschaft tritt (siehe im Folgenden unter 3.). Diese nahezu parallel zur Existenzvernichtungshaftung verlaufende Entwicklung findet ihren Ausgangspunkt ebenfalls in Konzernverbindungen, die in den Niederlanden bis heute auch den Hauptanwendungsfall darstellen. Die Rechtsprechung ermöglicht darüber hinaus unter dem Begriff vereenzelviging eine Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit zweier Rechtssubjekte, sodass die eine für die Verbindlichkeiten der anderen haftet (siehe im Folgenden unter 4.). Neben die diversen Haftungstatbestände treten sowohl in der Insolvenz (siehe im Folgenden unter 5.) als auch außerhalb einer solchen weitere Anfechtungsrechte und Haftungstatbestände (siehe im Folgenden unter 6.). Sämtliche Haftungs- und Anfechtungstatbestände sind ebenso wie in England und Frankreich vor dem Hintergrund der gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Grundlagen zu betrachten (siehe im Folgenden unter 1.).
21. Mai 1986 ergangen, das eine Haftung für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge vorsieht. 6 Die Bezeichnung als Haftungsdurchgriff, sogenannter doorbraak van aansprakelijkheid geht auf van Schilfgaarde, Doorbraak van aansprakelijkheid, S. 1 ff., zurück. 7 Siehe zum Begriff indirecte doorbraak nur van Schilfgaarde, Anmerkung zu HR v. 4. Okt. 1991, Nr. 14328 („Glorywave“), NJ 1992, Nr. 247, S. 977 f.
1. Grundsätzliches zur B.V.
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1. Grundsätzliches zur besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 1. Grundsätzliches zur B.V. Die besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid stellt im Vergleich zu GmbH, zur Ltd. und zur SARL die jüngste Gesellschaftsform dar. Erst in Folge der Ersten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 8 schuf der niederländische Gesetzgeber 1971 in Anlehnung an die SARL und die GmbH die B.V. als eigenständige Rechtsform9. Im Nachgang trat ab dem 1. Januar 1987 die Möglichkeit der Gründung einer Einpersonengesellschaft hinzu 10. Da die Einführung der B.V. allein der Umgehung der für die Aktiengesellschaften zwingenden Publikationsvorschriften der Richtlinie diente11, wurde ein Großteil der Vorschriften dem geltenden Aktienrecht entlehnt. Bis heute teilen sich daher die B.V. und die niederländische Aktiengesellschaft, sogenannte naamloze vennootschap met beperkte aansprakelijkheid12, einen Großteil ihrer Regelungen13. Die N.V. geht bereits auf die Handelskompanien Anfang des 17. Jahrhunderts zurück und fand durch die Einführung des französischen Code de Commerce 1811 in den Niederlanden ihre erste gesetzliche Ausgestaltung14. Die B.V. stellt heute die in den Niederlanden am häufigsten gewählte rechtsfähige Gesellschaftsform dar 15. Die grundlegende Reform des B.V.Rechts ist vor dem Hintergrund dieser Entwicklung der B.V. sowie der europäischen Diskussionen um die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften und der hieraus folgenden Konkurrenzsituation der einzelnen nationalen Gesellschaftsformen16 zu sehen. a) Gesetzliche Grundlagen Das niederländische Recht ist bestrebt, sämtliche Regelungen im Bereich des Privatrechts, so auch das Recht der Rechtspersonen, einheitlich in seinem Bürgerlichen Gesetzbuch („Burgerlijk Wetboek“) zusammenzufassen. Dieses findet sich in dem 1976 in Kraft getretenen zweiten Buch des 8
Erste Richtlinie Nr. 68/151/EWG des Rates v. 9. März 1968. Gesetz v. 3. Mai 1971. 10 Gesetz v. 16. Mai 1986. 11 Siehe nur Maeijer, NV 1968, S. 25 ff. 12 Im Folgenden abgekürzt als N.V. 13 Siehe Artt. 2:64 ff. Burgerlijk Wetboek, abgekürzt als BW, für die N.V. sowie Artt. 2:175 ff. BW für die B.V. 14 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 1 ff. 15 Nach einer Abfrage der Statistik beim Centraal Bureau voor de Statistiek standen im Oktober 2012 722.000 B.V.s nur 4200 N.V.s gegenüber. 16 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 1. 9
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V. Niederländische Rechtslage
(neuen) Burgerlijk Wetboek, welches unter dem ersten Titel allgemeine Bestimmungen enthält, die für sämtliche Rechtspersonen gelten. Die speziellen Regelungen der B.V. finden sich im fünften Titel des zweiten Buches 17. Diese im Vergleich zu den übrigen betrachteten Rechtsordnungen relativ jungen Regelungen der B.V. sind 2012 insbesondere im Hinblick auf die Satzungsautonomie, die Vorschriften der Kapitalaufbringung und – erhaltung sowie einige Haftungsvorschriften erneut reformiert worden18. So ist das Mindestkapitalerfordernis abgeschafft worden und die Haftungsvorschriften sowohl der Gesellschafter als auch der Geschäftsführer wurden erweitert19. Neben der 2012 in Kraft getretenen B.V.-Reform sieht ein weiteres jedoch noch nicht in Kraft getretenes Gesetz die Möglichkeit einer monoistischen Geschäftsleitung sowie eine Anpassung der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 2:9 BW20 vor. Die Regelungen des niederländischen Insolvenzrechts finden sich hingegen im sogenannten Faillismentswet 21. Die Vorschriften des FW werden jedoch wiederum durch einzelne Regelungen im BW vor allem hinsichtlich einer Haftung der Geschäftsführer ergänzt22. Parallel zur Reform des B.V.Rechts beabsichtigte der niederländische Gesetzgeber auch das Insolvenzrecht zu modernisieren und zu flexibilisieren23. Trotz erster Vorarbeiten einer Expertenkommission, die einen Vorentwurf am 1. November 2007 veröffentlichte, nahm der zuständige Justizminister jedoch vorerst von einem Reformvorhaben Abstand 24. b) Gründung Eine B.V. wird durch die Unterzeichnung einer notariellen Gründungsurkunde in niederländischer Sprache durch eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen gegründet25.
17
Artt. 2:175 bis 284a BW. Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 1 ff. Siehe zu den Motiven der Reform auch bereits oben unter V. 1. 19 Siehe nur die neu gefassten Artt. 2:178 und 216 Abs. 3 BW. 20 Siehe Wet van 6 juni 2011 tot wijziging van boek 2 van het Burgerlijk Wetboek in verband met de aanpassing van regels over bestuur en toezicht in naamloze en besloten vennootschappen, Stb. 2011, Nr. 275. Im Folgenden abgekürzt als Wet bestuur en toezicht. Mit einem Inkrafttreten wird zum 1. Jan. 2013 gerechnet. Siehe zur Haftung gemäß Art. 2:9 BW im Folgenden unter V. 6. b). 21 Im Folgenden abgekürzt als FW. 22 Siehe nur Art. 2:248 BW. 23 Voorentwerp Insolventiewet, Begründung, S. 1. 24 Siehe hierzu bereits oben unter Fn. 3 und 4. 25 Art. 2:175 Abs. 2 BW i.V.m. Art. 2:176 S. 1 BW sowie Art. 2:196 Abs. 2 lit. b und c. Siehe auch Sanders/Westbroek, B.V. en N.V., S. 33. 18
1. Grundsätzliches zur B.V.
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Die Gründungsurkunde umfasst die Gründungssatzung der Gesellschaft, die den Namen, den Sitz und den Zweck der Gesellschaft beinhaltet26. Der Name der Gesellschaft muss mit dem Zusatz Besloten Vennootschap met beperkte aansprakelijkheid beziehungsweise B.V. beginnen oder enden27. Mit dem Wegfall des Mindestkapitalerfordernisses muss die Satzung nur noch den Nominalwert der Anteile angeben28, sofern nicht freiwillig ein Mindestkapital vorgesehen ist29. Sofern verschiedene Arten von Anteilen vorgesehen sind, so sind die jeweilige Anzahl als auch der jeweilige Nennbetrag der verschiedenen Anteilsarten anzugeben30. Das bei der Gründung gezeichnete und tatsächlich eingezahlte Kapital muss in der notariellen Gründungsurkunde ebenfalls angegeben werden31. Eine notarielle Erklärung von Kreditinstituten, welche die Einzahlung bestätigt und eine Erklärung eines Wirtschaftsprüfers im Fall einer Sacheinlage sind mit der B.V.Reform nicht mehr erforderlich32. Mit der Gründungsurkunde werden auch die ersten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt 33. Darüber hinaus kann die Gründungsurkunde auch einen Aufsichtsrat bestimmen34. Schließlich sind in die Gründungsurkunde unter anderem solche Rechtsgeschäfte mit aufzunehmen, die mit der Übernahme von Anteilen zusammenhängen und wodurch der Gesellschaft besondere Verpflichtungen auferlegt werden35. Die Gründungsurkunde muss von jedem Gründer und durch jeden, der nach dieser Urkunde Anteile an der Gesellschaft halten soll, gezeichnet werden36. Dies bedeutet, dass ein Gesellschaftsgründer nicht automatisch auch Anteile halten muss, wobei dies jedoch die Regel sein dürfte. Die Satzung verkörpert eine eigenständige Rechtsordnung nicht vertraglicher Art, an die sowohl die Gesellschafter als auch die Gesellschaft selbst gebunden sind 37. Das niederländische Recht versteht sämtliche juristischen Personen als Teilrechtsordnungen („deelrechtsorde“), das heißt als selbst-
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Art. 2:177 Abs. 1 BW. Art. 2:177 Abs. 2 BW. 28 Art. 2:178 Abs. 1 S. 1 BW. 29 Art. 2:178 Abs. 1 S. 3 BW. 30 Art. 2:178 Abs. 1 S. 2 BW. 31 Art. 2:178 Abs. 1 S. 4 BW. 32 Siehe nur die Begründung zur B.V.-Reform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 8 f. 33 Art. 2:242 Abs. 1 S. 1 BW. 34 Art. 2:252 Abs. 1 S. 1 BW. 35 Art. 2:204 Abs. 1 BW. 36 Art. 2:175 Abs. 2 BW. 37 Siehe Nieuwe/Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 46; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 2 f., 11 ff., 13 f. mit jeweils w.N. 27
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ständiges juristisches System, das durch Gesetz und Satzung beschrieben wird38. Nach der notariellen Gründung sind die Geschäftsführer verpflichtet, die Gesellschaft in das Handelsregister einzutragen39. Diese Eintragung ist keine konstitutionelle Voraussetzung für die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft. Mit Zeichnung der notariellen Urkunde ist die Gesellschaft bereits rechtsfähig 40. c) Kapitalaufbringung und Gesellschaftsanteile Das niederländische Recht kennt mit dem Inkrafttreten der B.V.-Reform am 1. Oktober 2012 kein Mindestkapitalerfordernis mehr 41. Bei Zeichnung eines Anteils muss dessen Nennbetrag eingezahlt werden, sofern nicht eine spätere Zahlung vereinbart wird 42. Hintergrund der Abschaffung des Mindestkapitals und der damit verbunden Vorschriften ist, ebenso wie in Frankreich43, dass ein solches häufig im Missverhältnis zum tatsächlichen Umfang der Geschäftsaktivitäten einer Gesellschaft steht und somit nur einen beschränkten Gläubigerschutz zu vermitteln vermag 44. Die Einlage ist grundsätzlich in Geld zu leisten, sofern in der Satzung nicht etwas anderes bestimmt ist45. Wird die Einlage anders als in Geld geleistet, so muss dies unverzüglich nach Übernahme des Anteils geschehen46. Der Wert der eingebrachten Sache sowie die zugrunde liegende Bewertungsmethode sind mit der B.V.-Reform nur noch von den Gesellschaftern zu bestätigen und nicht mehr von einem Wirtschaftsprüfer oder Buchprüfer47. Ein Anspruch auf eine Arbeits- oder Dienstleistung kann nicht eingebracht werden48. Die Anteile der B.V. sind mit der Reform zu-
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Van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 2 f., 11 ff., 13 f., jeweils m.w.N. 39 Art. 2:180 Abs. 1 BW. 40 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 63. 41 Siehe die ursprüngliche Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006– 2007/31058, Nr. 3, S. 1 sowie den neu gefassten Art. 2:178 Abs. 1 BW. 42 Art. 2:191 Abs. 1 BW. 43 Siehe hierzu bereits oben unter IV. 1. c). 44 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 26 f. 45 Art. 2:191a Abs. 1 BW. 46 Art. 2:191b Abs. 2 BW. 47 Art. 2:204a Abs. 1 und Art. 2:204b Abs. 1 BW. Siehe auch die Begründung zur B.VReform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 8 f. 48 Art. 2:191b Abs. 1 S. 2 BW.
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dem übertragbar, müssen jedoch vor einer freien Übertragung an Dritte zunächst den Mitgesellschaftern angeboten werden49. Sowohl der Nennbetrag der jeweiligen Anteile als auch mit diesen verbundene Rechte und Pflichten können durch die Satzung unterschiedlich ausgestaltet sein50. So kann diese unter anderem Vorzugsanteile vorsehen, die einen zusätzlichen Gewinnanspruch beinhalten oder Prioritätsanteile, die bestimmte besondere Stimmrechte gewähren51. Innerhalb einer Anteilsklasse müssen jedoch sämtliche Anteile gleich behandelt werden52. d) Kapitalerhaltung und Gläubigerschutz Die Regeln der Kapitalaufbringung werden, ebenso wie im deutschen Recht, durch Vorschriften der Kapitalerhaltung und Kapitalherabsetzung53 und durch Vorschriften hinsichtlich des Kaufs eigener Anteile 54 ergänzt55. Der Grundsatz der Kapitalerhaltung findet sich für die B.V. in Art. 2:216 BW, der grundlegend durch die B.V.-Reform geändert worden ist. Art. 2:216 BW regelt einheitlich sämtliche Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, seien es Gewinnausschüttungen, Rückzahlungen von Einlagen aufgrund einer Kapitalherabsetzung oder im Rahmen des Kaufs eigener Anteile 56. Gewinne können an die Gesellschafter und andere, die ein Recht auf den ausschüttungsfähigen Gewinn haben, ausgezahlt werden57. Auch können Auszahlungen aus den freien Reserven vorgenommen werden58. Nach der ursprünglichen Gesetzesbegründung fallen unter den Begriff der Auszahlung sämtliche geldwerten Vorteile 59. Ein Verzicht der Gesellschaft auf eigene Vorteile zugunsten der Gesellschafter fällt nach der 49 Art. 2:175 Abs. 1 i.V.m. Art. 2:195 Abs. 1 BW. Siehe auch die Begründung zur B.V.-Reform, Tweede Kamer, Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 38 und 49 f. 50 Siehe Art. 2:178 Abs. 1 S. 2 und Art. 2:201 Abs. 1 und 3 BW. 51 Siehe hierzu auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 217 ff.; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 121 ff. 52 Art. 2:201 Abs. 2 BW. 53 Siehe Art. 2:208 BW. 54 Siehe Artt. 2:207, 207a, 207d BW. 55 Siehe hierzu auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 96. 56 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 22, 28. 57 Art. 2:216 Abs. 1 S. 1 BW. Siehe auch die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 68. 58 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 68 f. 59 Tweede Kamer Drs. 1978–1979, Nr. 3, S. 48. Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 152 m.w.N. Siehe auch die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 73: „een uitkering in natura onder de werkingssfeer van artikel 216 valt“, (Hervorhebung durch die Verfasserin).
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Rechtsprechung des Hoge Raad hingegen nicht unter den Begriff der Auszahlung 60. Der neu gefasste Art. 2:216 BW verdeutlicht, dass Gesellschaftsvermögen jedoch nur dann ausgezahlt werden kann, sofern das Vermögen der Gesellschaft größer ist als die gesetzlichen und satzungsmäßigen Rücklagen der Gesellschaft 61. Maßgeblich ist der letzte festgestellte Jahresabschluss beziehungsweise Zwischenabschluss 62. Die Gesellschafterversammlung beschließt über die Auskehrung von Gewinnen und sonstige Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, sofern diese Befugnis nicht einem anderen Gesellschaftsorgan übertragen wurde63. Die Geschäftsleitung muss dem Beschluss zur Auszahlung von Gesellschaftsvermögen zustimmen64. Diese Zustimmung kann sie verweigern, wenn sie weiß oder wissen muss, dass die Gesellschaft nach der Ausschüttung ihren fälligen Verbindlichkeiten nicht wird nachkommen können65. Mit diesem „Auszahlungstest“66 wird von einer rein bilanziellen Betrachtungsweise der bestehenden Kapitalerhaltungsvorschriften zugunsten eines Solvenztests abgewichen. Mit der B.V.-Reform werden nunmehr in Art. 2:216 Abs. 3 BW ausdrücklich die bislang nicht geregelten Folgen eines Verstoßes gegen die Auszahlungsvorschriften geregelt. Bislang wurde davon ausgegangen, dass ein gegen Art. 2:216 BW a.F. verstoßender Beschluss nichtig sei und somit der ausgeschüttete Gewinn als ungerechtfertigte Zahlung zurückzuerstatten sei67. Der neu gefasste Art. 2:216 BW geht nicht mehr von einer Nichtigkeit des Auskehrbeschlusses aus, sondern verbindet den neu eingeführten Solvenztest mit einer Haftung der Geschäftsführer und einer Rückzahlpflicht der Gesellschafter und sonstiger empfangsberechtigter Dritter für zu Unrecht erfolgte Auszahlungen68. Das niederländische Recht wendet sich somit noch deutlicher als bisher einem Gläubigerschutz ex post zu69. Darüber hinaus kann ein unrechtmäßiger Gewinnausschüttungs60
HR v. 1. Okt. 1997, BNB 1997, Nr. 401. Zur umfangreichen Kritik in der Literatur an diesem Urteil siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 152 m.w.N. 61 Art. 2:216 Abs. 1 BW. 62 Art. 2:216 Abs. 1 S. 3 BW. Siehe auch die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 70. 63 Art. 2:216 Abs. 1 S. 1 und 2 BW. 64 Art. 2:216 Abs. 2 S. 1 BW. 65 Art. 2:216 Abs. 2 S. 2 BW. 66 Die Begründung der B.V.-Reform spricht ausdrücklich von einem uitkeringstest statt eines liquiditeitstest, siehe Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006– 2007/31058, Nr. 3, S. 29. 67 Siehe zur alten Rechtslage nur Bier, Uitkeringen aan aandelhouders, S. 54. 68 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter V. 6. c). 69 Siehe Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 28 ff.
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beschluss auch weiterhin eine unerlaubte Handlung darstellen und eine fehlerhafte Auszahlung kann einen Geschäftsleitungsfehler begründen70. e) Gesellschafterversammlung Die Rechte und Pflichten der Gesellschafterversammlung werden durch das Burgerlijk Wetboek negativ definiert. Der Gesellschafterversammlung stehen innerhalb der gesetzlichen und der durch die Satzung festgelegten Grenzen sämtliche Befugnisse zu, die nicht der Geschäftsleitung oder anderen zugewiesen sind 71. Zu diesen Befugnissen zählen unter anderem die Änderung der Satzung72, die Auflösung der Gesellschaft 73, die Umwandlung, Verschmelzung und Spaltung 74 sowie die Feststellung des Jahresabschlusses 75. Darüber hinaus kann die Gesellschafterversammlung die Geschäftsführer berufen und abbestellen, soweit diese Befugnisse nicht dem fakultativen Aufsichtsrat76 übertragen wurden77. Außerdem kann die Satzung vorsehen, dass bestimmte Beschlüsse der Geschäftsleitung zuvor durch die Gesellschafterversammlung genehmigt werden müssen und diese gegenüber der Geschäftsführung weisungsbefugt ist 78. Vor allem im Rahmen von Konzernverhältnissen79 besteht darüber hinaus eine faktische Leitungsmacht gegenüber den Tochtergesellschaften80, nicht zuletzt aufgrund der Befugnis zur Abberufung der Geschäftsführer81. 70 Siehe im Folgenden unter V. 3. d) (3) sowie V. 2. c) (1) und 6. b). Siehe auch die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 31 f., 33. 71 Art. 2:217 Abs. 1 BW. 72 Artt. 2:231 ff. BW. 73 Art. 2:19 Abs. 1 lit. a BW. 74 Artt. 2: 18 Abs. 2 lit. a , 317, 334m Abs. 1 und 3 BW. 75 Art. 2:210 Abs. 3 BW. Siehe zu den weiteren zwingenden Befugnissen der Gesellschafterversammlung nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 320. 76 Die Satzung einer B.V. kann einen Aufsichtsrat vorsehen, der aus einer oder mehreren natürlichen Personen besteht, Art. 2:250 Abs. 1 BW. Siehe hierzu nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 484 ff. 77 Artt. 2:242 Abs. 1, 244 Abs. 1 BW sowie Art. 2:272 BW. Siehe auch Wet bestuur en toezicht Art. 2:242 Abs. 1 und Art. 244 Abs. 1 a.E. BW. 78 Art. 2:239 Abs. 3 und 4 BW. 79 Unter einem Konzern versteht das niederländische Recht eine wirtschaftliche Einheit, in der juristische Personen und Gesellschaften organisatorisch verbunden sind, sei es durch Stimmrechtsabhängigkeiten oder durch einen Haftungsverbund, wobei das Gesetz den Begriff groep und nicht concern benutzt, siehe Art. 2:24b BW i.V.m. Art. 2:24a Abs. 1 a) und b) BW. Ein systematisches Konzernrecht kennt das niederländische Recht jedoch nicht. Vielmehr finden sich hauptsächlich im zweiten Buch des BW einzelne Regeln, die die internen und externen Rechtsbeziehungen eines Konzerns betreffen. Siehe auch Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 1 f. 80 Tochtergesellschaft einer juristischen Person ist eine solche Gesellschaft, in der die juristische Person (Muttergesellschaft) oder eine oder mehrere ihrer Tochtergesellschaften aufgrund eines Vertrages mit anderen Stimmberechtigten oder auch ohne einen sol-
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Die Gesellschafterversammlung kann grundsätzlich durch die Geschäftsführung einberufen werden82. Darüber hinaus können die Gesellschafter, sofern sie mindestens ein Hundertstel des gezeichneten Kapitals vertreten, die Einberufung aus wichtigem Grund verlangen83. Die Gesellschafterversammlung ist mindestens einmal pro Geschäftsjahr einzuberufen, sofern die Gesellschafter nicht anderweitig mindestens einmal jährlich Beschluss fassen84. Jeder Gesellschafter ist zur Teilnahme an der Gesellschafterversammlung und zur Wahrnehmung seiner Rechte im Rahmen der Gesellschafterversammlung befugt, wobei eine Vertretung möglich ist85. Stimmberechtigt sind allein die Gesellschafter, von denen jeder mindestens eine Stimme hat, sofern die Satzung nicht stimmrechtslose Anteile vorsieht 86. Die Art der Stimmabgabe im Rahmen einer Gesellschafterversammlung, ob mündlich oder schriftlich, ist gesetzlich nicht geregelt und richtet sich daher nach einer dementsprechenden Regelung in der Satzung87. Beschlüsse können auch außerhalb einer Versammlung gefasst werden, so unter anderem im elektronischen Verfahren88. Sämtliche Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, für die weder gesetzlich noch in der Satzung keine größere Mehrheit vorgesehen ist, werden durch die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen getroffen89. Handelt es sich um eine große Gesellschaft, sogenannte structuurvennootschap90, so werden einige Befugnisse der Gesellschafterversammlung
chen allein oder zusammen mehr als die Hälfte der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung ausüben können oder eine solche Gesellschaft, von der die Muttergesellschaft oder eine oder mehrere ihrer Tochtergesellschaften Anteilseigner sind und aufgrund eines Vertrages mit anderen Stimmberechtigten oder auch ohne einen solchen allein oder zusammen mehr als die Hälfte der Geschäftsführer oder der Aufsichtsratsmitglieder bestellen oder entlassen können, auch wenn alle Stimmberechtigten ihr Stimmrecht wahrnehmen, siehe Art. 2:24a Abs. 1 BW. Sofern im Folgenden von herrschender Gesellschaft oder Muttergesellschaft gesprochen wird, so werden diese Begriffe synonym und im Sinne sämtlicher Alternativen des Art. 2:24a Abs. 1 BW verwandt. 81 Siehe nur HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 674. 82 Art. 2:219 BW. 83 Art. 2:220 Abs. 1 BW. 84 Art. 2:218 BW. 85 Art. 2:227 Abs. 1, 2 und 3 BW. 86 Art. 2:228 Abs. 1 BW und Art. 2:228 Abs. 5 BW. 87 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 371. 88 Art. 2:238 Abs. 1 und 2 BW. 89 Art. 2:230 Abs. 1 BW. 90 Nach Art. 2:263 Abs. 2 BW muss die Gesellschaft unter anderem mindestens 100 Arbeitnehmer in den Niederlanden beschäftigen sowie in der Bilanz mindestens 13 Mio. Euro als gezeichnetes Kapital mitsamt der Reserven ausweisen.
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einem zwingenden Aufsichtsrat91 zugewiesen. Hierzu gehören die Bestellung und Entlassung von Geschäftsführern oder das Erfordernis der Zustimmung des Aufsichtsrats zu allen wichtigen Beschlüssen der Geschäftsführung 92. Allerdings sieht das Gesetz eine Vielzahl von Ausnahmen vor93. Zudem sieht eine weitere Reform des B.V.-Rechts statt des zwingenden Aufsichtsrats eine fakultative Zweiteilung der Geschäftsführung in ausführende und nicht ausführende Geschäftsführer vor, wobei letzteren eine Aufsichtsfunktion zukommt 94. Die Sonderregeln im Hinblick auf große Gesellschaften sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass gerade in großen Gesellschaften die Gesellschafter als eigentliche wirtschaftliche Eigentümer oft nur noch anonyme Anleger sind, die ihren Einfluss auf die Geschäftsleitung nicht mehr wahrnehmen95. f) Geschäftsführung Die jüngste, voraussichtlich am 1. Januar 2013 in Kraft tretende Reform des B.V.-Rechts sieht eine Wahlmöglichkeit zwischen monoistischer und dualistischer Geschäftsführung vor96. Die Geschäftsführung einer B.V. kann aus einer oder mehreren natürlichen oder auch juristischen Personen bestehen, wobei bei einer monoistischen Struktur nicht ausführende Geschäftsführer natürliche Personen sein müssen97. Die ersten Geschäftsführer werden durch die Gründungsurkunde bestellt, im Folgenden durch die Gesellschafterversammlung 98. Besteht ein Aufsichtsrat, so werden die Geschäftsführer durch diesen bestellt 99. Die Rechte und Pflichten der Geschäftsführung werden durch das Gesetz, durch den Gesellschaftszweck sowie die Satzung näher konkretisiert100. Der Geschäftsführung obliegt die Führung der Geschäfte der Gesellschaft 101. Zu den Aufgaben der Geschäftsführung zählen insbesondere die Buchführung, sodass jederzeit die Rechte und Pflichten der Gesellschaft erkennbar sind 102 und die Aufstellung des Jahresabschlusses 103. 91
Art. 2:268 BW. Artt. 2:272 bis 274 BW. 93 Art. 2:263 Abs. 3 BW. Siehe für eine abgeschwächte Form der Sonderregelung auch Art. 2:265 BW. 94 Siehe Wet bestuur en toezicht, Art. 2:274a und Art. 239a BW. 95 Siehe nur Van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 383. 96 Siehe Wet bestuur en toezicht, Art. 2:239a BW. 97 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 430 m.w.N. sowie Wet bestuur en toezicht, Art. 2:239a Abs. 1 BW. 98 Art. 2:242 Abs. 1 BW. Siehe auch bereits oben unter V. 1. b) und e). 99 Art. 2:242 Abs. 1 S. 3 BW i.V.m. Art. 2:272 Abs. 1 S. 1 BW. 100 Vgl. nur Artt. 2:7, 239, 240 Abs. 1 BW. 101 Art. 2:239 Abs. 1 BW. 102 Art. 2:10 BW. 92
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V. Niederländische Rechtslage
Besteht die Geschäftsführung aus mehreren Geschäftsführern, sind diese vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsbestimmung insgesamt mit der Führung der Geschäfte der Gesellschaft beauftragt, sogenannte collegiaal bestuur104. Die Geschäftsführung insgesamt vertritt somit grundsätzlich auch die Gesellschaft nach außen105. Die Satzung kann sowohl eine Einzelvertretungsbefugnis vorsehen als auch eine Gesamtvertretungsbefugnis 106. Etwaige Einschränkungen der Befugnisse sind mit Wirkung ausschließlich im Innenverhältnis möglich107. Im Außenverhältnis ist die Vertretungsbefugnis unbeschränkt und unbedingt108. Jeder einzelne Geschäftsführer ist gegenüber der Gesellschaft zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verpflichtet109. Bei einer Pflichtverletzung haften die Geschäftsführer gesamtschuldnerisch gegenüber der Gesellschaft für eine unzulängliche Aufgabenerfüllung 110. Die Satzung kann bestimmen, dass die Geschäftsführung bei der Erfüllung ihrer Aufgaben gegenüber einem anderen Gesellschaftsorgan weisungsgebunden ist 111. Darüber hinaus besteht eine faktische Leitungsmacht der Gesellschafterversammlung, so unter anderem durch deren Befugnis der Abberufung der Geschäftsführer112. g) Auflösung der Gesellschaft Die Gründe für eine Auflösung einer B.V. finden sich enumerativ in Art. 2:19 BW. Sie umfassen unter anderem die Erreichung des Gesellschaftszwecks, einen Auflösungsbeschluss der Gesellschafter oder die Aufhebung eines Insolvenzverfahrens aufgrund von Massearmut oder eine gescheiterte Einigung in der Gläubigerversammlung 113. Darüber hinaus kann eine B.V. zwangsweise durch die Industrie- und Handelskammer114 103
Art. 2:210 BW. Art. 2:239 Abs. 1 BW: „is het bestuur belast met het besturen“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 417. 105 Art. 2:240 Abs. 1 BW. 106 Art. 2:240 Abs. 2 BW. 107 Art. 2:240 Abs. 3 BW. 108 Art. 2:240 Abs. 3 BW. 109 Art. 2:9 S. 1 BW. 110 Vgl. Art. 2:9 S. 2 BW bzw. Wet bestuur en toezicht, Art. 2:9 Abs. 2 BW. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter V. 6. b). 111 Art. 2:239 Abs. 4 BW. 112 Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. e). 113 Zu den beiden letztgenannten Aufhebungsgründen siehe auch im Folgenden unter V. 1. h). 114 Art. 2:19 a BW bestimmt, dass die Industrie- und Handelskammer eine Gesellschaft dann auflösen kann, wenn sie entweder ihre jährlichen Gebühren nicht bezahlt hat 104
1. Grundsätzliches zur B.V.
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sowie bei einem verbotenen Gesellschaftszweck oder einer fehlerhaften Gründung durch ein Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft 115 aufgelöst werden. Sofern die Gesellschaft zum Zeitpunkt ihrer Auflösung über eigenes Vermögen verfügt, bleibt die Rechtspersönlichkeit zur Liquidierung des Vermögens bestehen116. Bei der Verteilung der Verwertungserlöse sind vorrangig die Gläubiger der Gesellschaft zu berücksichtigen117. Das Gericht kann zur Liquidierung der Vermögenswerte der Gesellschaft einen oder mehrere Verwalter bestellen118. Bestellt das Gericht diese, so können die Organe der Gesellschaft ohne vorherige Zustimmung weder Beschlüsse fassen, noch Rechtshandlungen für die Gesellschaft tätigen119. Soweit vom Gericht keine Liquidatoren bestellt werden, obliegt die Liquidation der Vermögenswerte den Geschäftsführern120. Übersteigen die offenen Forderungen, die gegen die Gesellschaft bestehen, deren Vermögen, beantragt der Liquidator die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern nicht alle bekannten Gläubiger einer Abwicklung außerhalb eines Insolvenzverfahrens zustimmen121. Die Gesellschaft hört zu dem Zeitpunkt auf zu bestehen, zu dem die Liquidation endet, also zu dem Zeitpunkt, zu dem keine dem Liquidator oder Insolvenzverwalter bekannten Vermögenswerte mehr vorhanden sind 122. Verfügt die Gesellschaft zum Zeitpunkt ihrer Auflösung über keine Vermögenswerte, so hört sie unverzüglich auf zu bestehen123. Der Liquidator oder Insolvenzverwalter zeigt den jeweiligen Zeitpunkt der Beendigung dem Register an, wobei dem nur eine deklaratorische Funktion zukommt 124. Der Verlust der Rechtspersönlichkeit tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem kein Vermögen mehr vorhanden ist 125.
oder seit einem Jahr keine Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen sind bzw. die Angaben unrichtig sind. 115 Art. 2:20 und Art. 2:21 BW. Eine juristische Person ist dann verboten, wenn ihr Zweck oder ihre Tätigkeit im Widerspruch zur öffentlichen Ordnung stehen, siehe Art. 2:20 Abs. 1 BW. 116 Siehe Art. 2:19 Abs. 5 BW. 117 Art. 2:23b Abs. 1 BW. 118 Art. 2:22 BW. 119 Art. 2:22 Abs. 3 BW. 120 Art. 2:23 BW. 121 Art. 2:23a Abs. 4 BW. 122 Art. 2:19 Abs. 6 i.V.m. Art. 2:23b Abs. 9 BW. 123 Art. 2:19 Abs. 4 BW. 124 HR v. 26. März 2004, Nr. C02/316, NJ 2004, Nr. 330, S. 2805, 2813 f. Siehe auch den Tonkelaar, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:19 BW, Nr. 5; Sanders/Westbroek, B.V. en N.V., S. 37 f. 125 Art. 2:19 Abs. 4 BW.
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V. Niederländische Rechtslage
h) Insolvenz der Gesellschaft Das FW unterscheidet zwischen einer insolvenzbedingten Abwicklung einer Gesellschaft (siehe im Folgenden unter (2)) und der Möglichkeit eines Zahlungsaufschubs bei drohender Insolvenz (siehe im Folgenden unter (1)). (1) Sanierungsverfahren – surséance van betaling, Artt. 214–283 FW Befindet sich eine Gesellschaft in vorübergehenden finanziellen Schwierigkeiten und besteht begründete Aussicht, dass die Gesellschaft diese wird überwinden können, so kann sie einen gerichtlichen Zahlungsaufschub, sogenannte surséance van betaling, beantragen126. Das Gericht beschließt nach Anhörung sämtlicher Gläubiger der Gesellschaft über den zu gewährenden Zahlungsaufschub127. Dieser steht der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entgegen128. Der Zahlungsaufschub unterbricht darüber hinaus sämtliche Zwangsvollstreckungsverfahren gegen die Gesellschaft 129, nicht jedoch sonstige gegen die Gesellschaft anhängige Verfahren130. Während des Zahlungsaufschubs wird der Geschäftsführung der Gesellschaft ein Verwalter zur Seite gestellt, mit dessen Hilfe die werbende Tätigkeit fortgeführt und die Gesellschaft saniert werden soll131. Die Gesellschaft kann in der Folge nur noch unter Mitwirkung beziehungsweise mit Genehmigung der bestellten Verwalter über ihr Vermögen verfügen132. Die ungesicherten Gläubiger der Gesellschaft können während eines Zahlungsaufschubs nur quotal befriedigt werden133. Auf vorrangige Forderungen hat der Zahlungsaufschub jedoch keine Auswirkungen, es sei denn, dass eine Befriedigung trotz der Vorrangstellung nicht möglich ist 134. Die Gesellschaft kann während des Zahlungsaufschubs auch einen Vergleich mit ihren Gläubigern schließen135. Lehnt das Gericht den Antrag auf einen Zahlungsaufschub ab, so kann es von Amts wegen das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnen136.
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Art. 214 Abs. 1 FW. Siehe hierzu ausführlich Pannevis, Insolventierecht, S. 321 ff. Art. 215 Abs. 2 FW. 128 Art. 248 Abs. 1 FW. 129 Art. 230 Abs. 1 FW. 130 Art. 231 Abs. 1 FW. 131 Art. 215 Abs. 2 FW. 132 Art. 228 Abs. 1 FW. 133 Art. 232 i.V.m. Art. 233 FW. 134 Art. 232 FW. 135 Art. 252 i.V.m. Art. 214 Abs. 3 FW. Siehe hierzu ausführlich Pannevis, Insolventierecht, S. 339 ff. 136 Art. 218 Abs. 5 FW. 127
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(2) Insolvenzbedingte Abwicklung – faillissement, Artt. 1–213kk FW Hat die Gesellschaft ihre Zahlungen eingestellt, so wird auf eigenen Antrag oder auf Antrag eines oder mehrerer Gläubiger nach einer summarischen Prüfung durch das zuständige Gericht die Insolvenz der Gesellschaft erklärt und so das Insolvenzverfahren eröffnet137. Ein eigener Antrag der Gesellschaft setzt, sofern nicht in der Satzung etwas anderes bestimmt ist, zwingend einen Beschluss der Gesellschafterversammlung voraus138. Eine Insolvenzantragspflicht des Geschäftsführers kennt das niederländische Recht nicht 139. Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so muss er neben der Zahlungseinstellung der Gesellschaft seine Forderungen glaubhaft darlegen140. Ist die Gesellschaft mangels eigener Vermögenswerte bereits beendet 141, so kann auf Antrag eines Gläubigers ein Insolvenzverfahren auch dann eröffnet werden, wenn er glaubhaft machen kann, dass noch Vermögenswerte vorhanden sind 142. Im Interesse der Öffentlichkeit ist zudem die Staatsanwaltschaft berechtigt ein Insolvenzverfahren zu beantragen143. Eine Zahlungseinstellung setzt voraus, dass mindestens zwei offene Forderungen von verschiedenen Gläubigern gegen die Gesellschaft bestehen, mindestens eine dieser Forderungen fällig ist und die Gesellschaft sämtliche ihrer Zahlungen eingestellt hat 144. Allein die Einstellung bestimmter Zahlungen genügt nicht 145. Die Überschuldung als Eröffnungsgrund im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO kennt das niederländische Recht nicht. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert die Gesellschaft die Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen, die vollumfänglich auf den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter („curator“) übergeht 146. Dessen Aufgabe besteht in der Verwertung des Vermögens zugunsten der Gläubigergesamtheit 147. Sowohl die Gläubiger als auch die Gesellschaft selbst können bei Gericht bestimmte Handlungen des Insolvenzverwalters, so insbesondere die Geltendmachung von Ansprüchen zugunsten der 137
Art. 1 Abs. 1 FW i.V.m. Art. 6 Abs. 3 FW. Art. 2:246 BW. 139 Siehe nur Lennarts/Timmerman, NV 1997, S. 302, 305 ff. 140 Art. 6 Abs. 3 FW. 141 Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. g). 142 HR v. 27. Jan. 1995, Nr. 8546 („Adjuncten Properties/Söderrquist“). NJ 1995, Nr. 579, S. 2763, 2771. 143 Art. 1 Abs. 2 FW. 144 Siehe nur Willems, in: van Sint Truiden/Verstijlen, Insolventierecht, Art. 6 FW, Nr. 5; Pannevis, Insolventierecht, S. 16 ff. 145 HR v. 30. Okt. 1981, Nr. 5888, NJ 1982, Nr. 13, S. 55, 56. 146 Art. 23 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 FW. 147 Art. 68 Abs. 1 FW. 138
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V. Niederländische Rechtslage
Masse, und Unterlassungen beantragen148. Neben dem Insolvenzverwalter wird durch den Eröffnungsbeschluss ein zuständiger Insolvenzrichter benannt, der den Insolvenzverwalter überwacht und unter anderem die Geltendmachung von Forderungen außerhalb einer Realisierung der Insolvenzmasse zu genehmigen hat149. Ist bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ersichtlich, dass die Insolvenzmasse nur ausreicht um vorrangige Forderungen (teilweise) zu befriedigen, so sehen die Artt. 137a ff. FW auf Antrag des Insolvenzverwalters oder von Amts wegen ein vereinfachtes Verfahren vor150. Dieses erlaubt unter anderem ein völliges außer Acht Lassen der nicht gesicherten Forderungen151. Die nicht bevorrechtigten Insolvenzgläubiger können jedoch Widerspruch gegen das vereinfachte Verfahren einlegen152. Reicht schließlich die Insolvenzmasse noch nicht einmal aus, um die Kosten des Verfahrens zu zahlen, so kann das Gericht das Verfahren aufheben oder aber die Kosten erlassen153. Darüber hinaus besteht in bestimmten Fällen die Möglichkeit nach Genehmigung durch den zuständigen Insolvenzrichter einen Kostenvorschuss beim Justizministerium zu beantragen154. Auch der Insolvenzschuldner kann schließlich seinen gesamten Insolvenzgläubigern einen Vergleich anbieten155. Bevorrechtigte Forderungen werden vom Vergleich allerdings nicht mitumfasst und müssen vollständig und vorrangig befriedigt werden156. Stimmen die übrigen Gläubiger einem solchen Vergleich zu 157 und wird dieser vom zuständigen Insolvenzgericht bestätigt, so ist das Insolvenzverfahren beendet 158.
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Art. 69 FW. Art. 68 Abs. 2 FW. 150 Siehe Art. 137a Abs. 1 FW. 151 Siehe hierzu ausführlich Pannevis, Insolventierecht, S. 256 ff. 152 Siehe Art. 137e FW. 153 Art. 16 Abs. 1 FW. 154 Siehe Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 2 der Garantstellingsregeling curatoren 2012 v. 27. Jan. 2012, Staatscourant 2012, Nr. 3973. Siehe auch im Folgenden unter V. 2. f) (4). 155 Art. 138 FW i.V.m. Art. 157 FW. Siehe hierzu auch ausführlich Pannevis, Insolventierecht, S. 259 ff. 156 Siehe Art. 163 Abs. 1 FW. 157 Siehe Art. 143 FW. 158 Art. 161 FW. 149
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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2. Persönliche Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz – kennelijk onbehoorlijk bestuur, Art. 2:248 BW 2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten Art. 2:248 BW geht auf eine umfangreiche Diskussion um den Missbrauch der Haftungsbeschränkung in den 1980er Jahren zurück159. Im Rahmen dieser Diskussion fand eine Untersuchung statt, die zu dem Ergebnis führte, dass bei einem Drittel der beantragten Insolvenzen ein unsorgfältiger Umgang mit Gläubigerbelangen indiziert sei und sogar bei einem noch größeren Anteil an Insolvenzen Hinweise auf absichtlich gläubigerschädigendes Handeln zu finden seien160. Diesem Befund sucht das dritte Missbrauchsgesetz161 dahingehend Rechnung zu tragen, indem es die Fälle erfasst, in denen eine ausgeplünderte und insolvente B.V. den Gläubigern zurückgelassen wird, während sich die Verantwortlichen auf die Haftungsbeschränkung berufen162. Die Kernaussage des dritten Missbrauchsgesetzes findet sich in Art. 2:248 BW163. Dieser bestimmt, dass im Falle der Insolvenz der Gesellschaft jeder Geschäftsführer gegenüber der Insolvenzmasse gesamtschuldnerisch für die Verbindlichkeiten haftet, die nicht durch die Verwertung der verbleibenden Vermögenswerte beglichen werden können, sofern die Geschäftsleitung ihre Pflichten offenbar nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und anzunehmen ist, dass dies ein wesentlicher Grund für die Insolvenz ist. Die Haftung ist somit im Gesamtinteresse der Gläubiger als Insolvenzverursachungshaftung ausgestaltet164 und wird als spezialgesetzliche Ausgestaltung der allgemeinen deliktischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW und hier des Verstoßes gegen die allgemeine Sorgfalt im Geschäftsverkehr verstanden165. 159
Siehe bereits oben unter V. Berghuis/Paulides, Misbruik van B.V.'s, S. 1 ff. 161 Siehe hierzu auch bereits oben unter V. 162 De Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 67 f.; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 3 f. 163 Siehe auch die nahezu wortgleiche Vorschrift des Art. 2:138 BW, die im Rahmen der Insolvenz einer N.V. anwendbar ist. Bei den im Folgenden zitierten Entscheidungen wird daher nicht danach differenziert, zu welcher der beiden Vorschriften sie ergangen sind. 164 Siehe HR v. 11. Juni 1993, Nr. 14989, NJ 1993, Nr. 713, S. 2952, 2968; HR v. 8. April 2005, Nr. R04/005 („Laurus“), NJ 2006, Nr. 443, S. 4186, 4237. Siehe hierzu auch im Folgenden unter V. 2. d) (2). 165 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 834. Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders, S. 63; de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 105; van Koppen, Actio Pauliana en onrechtmatige daadvordering, S. 129; van Schilfgaarde, Misbruik van rechtspersonen, S. 16. Siehe auch Rb. Breda v. 160
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V. Niederländische Rechtslage
a) Sachlicher Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des Art. 2:248 BW ist allein im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet166. Dieses setzt die vollständige Einstellung der Zahlungen der Gesellschaft voraus167. b) Haftender Personenkreis Gemäß Art. 2:248 Abs. 1 BW haftet jeder Geschäftsführer, sofern die Geschäftsführung ihre Aufgabe nicht ordnungsgemäß erfüllt hat168. (1) Formelle Geschäftsführer Der Begriff des Geschäftsführers umfasst zunächst sämtliche formellen Geschäftsführer, die im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieses Amt innehaben169. Darüber hinaus ist Art. 2:248 BW auch auf ausgeschiedene Geschäftsführer anwendbar, sofern sie innerhalb von drei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens dieses Amt innehatten170. Ist formeller Geschäftsführer einer Gesellschaft wiederum eine juristische Person, so werden gemäß Art. 2:11 BW sämtliche natürliche Personen, die zum Zeitpunkt der Anspruchsentstehung formelle Geschäftsführer der letztgenannten waren, von der Haftung erfasst 171. Darüber hinaus kommt gemäß Art. 2:261 Abs. 1 BW eine unmittelbare Haftung auch der Personen in Betracht, die ohne Mitglied der Geschäftsführung zu sein aufgrund von Satzungsbestimmungen oder aufgrund eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung für eine bestimmte Zeit oder unter bestimmten Umständen Aufgaben der Geschäftsführung verrichten. Besitzt die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so findet Art. 2:248 BW auch
1. Mai 1990, („THB“), NJ 1990, Nr. 740, S. 3062, 3064 ff. A.A. Kortmann/Faber, WPNR 1996, Nr. 6249, S. 899 ff. Siehe zur Haftung gemäß Art. 6:162 BW ausführlich im Folgenden unter V. 3. 166 Art. 2:248 Abs. 1 BW: „In geval van faillissement“. 167 Siehe zum Insolvenzverfahren bereits ausführlich oben unter V. 1. h) (2). 168 Art. 2:248 Abs. 1 BW: „iedere bestuurder [is] […] aansprakelijk […], indien het bestuur zijn taak kennelijk onbehoorlijk heeft vervuld“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 169 Siehe nur de Groot, Bestuurdersaanssprakelijkheid, S. 120; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 277 f. i.V.m. S. 195 f. m.w.N. 170 Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 278; de Groot, Bestuurdersaanssprakelijkheid, S. 123. Siehe auch HR v. 10. Sept. 1993, Nr. 15045 („De Zilver Ster“), NJ 1994, Nr. 272, S. 1185 ff. Siehe zur Befristung im Folgenden unter V. 2. c) (1). 171 Siehe ergänzend HR v. 28. April 2000, Nr. C99/087 („Montedison“), NJ 2000, Nr. 411, S. 2625, 2655.
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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auf dessen Aufgabenerfüllung unmittelbar Anwendung 172. Schließlich fallen auch Liquidatoren unter den Begriff der Geschäftsführer, da diese gemäß Art. 2:23a Abs. 1 BW die gleichen Rechte, Pflichten und Haftungen wie die formellen Geschäftsführer trifft. Auf gerichtlich bestellte Verwalter im Rahmen eines Sanierungsverfahrens ist Art. 2:248 BW allerdings nicht anwendbar173. (2) Faktische Geschäftsführer Der Kreis der haftenden Personen wird durch Art. 2:248 Abs. 7 auch auf rein faktische Geschäftsführer erstreckt. Gemäß Art. 2:248 Abs. 7 BW ist einem formellen Geschäftsführer auch die Person gleichgestellt, die die Führung der Gesellschaft bestimmt oder mitbestimmt hat, als wäre sie ein Geschäftsführer. Hintergrund der durch Art. 2:248 Abs. 7 BW vorgesehenen Haftungserweiterung ist, dass eine Haftungsumgehung durch das Einsetzen eines Strohmannes als Geschäftsführer vermieden werden soll174. Die Literatur spricht insoweit auch vom formellen Geschäftsführer als „Marionette“ in der Hand des faktischen Geschäftsführers175. Voraussetzung für die Erstreckung der Haftung auch auf faktische Geschäftsführer ist, dass diese die Aufgaben des formellen Geschäftsführers übernehmen, Letzteren also verdrängen. In der Formulierung des Hof Leeuwarden bedeutet dies ein „direktes Bemühen um die alltäglichen Geschäftsvorfälle, das Planen für die Zukunft, das Inangriffnehmen neuer Projekte und/oder das Einführen neuer Strategien beziehungsweise Aktivitäten gleicher Schwere und Ausmaßes“176. In der Rechtsprechung wird dies vor allem dann angenommen, wenn jemand nach außen, vor allem gegenüber Vertragspartnern der Gesellschaft, als Geschäftsführer auftritt177. Eine dauer172 Art. 2:259 BW. Siehe zur diesbezüglichen Haftung des Aufsichtsrats ausführlich nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 511 ff., insbesondere Nr. 514 m.w.N. Aufgrund des fakultativen Bestehens des Aufsichtsrats soll im Folgenden nur auf die Haftung der formellen und faktischen Geschäftsführer eingegangen werden. 173 Art. 2:248 Abs. 7 S. 2 BW. 174 Sanders/Westbroek, B.V. en N.V., S. 168; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 198 mit umfangreichen Nachweisen zu den Gesetzgebungsmaterialien. 175 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 465 lit. b. Siehe auch die Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 24 sowie HR v. 4. Mai 2001, Nr. C99/253, NJ 2001, Nr. 378, S. 2821, 2832. 176 Vgl. HR 28. Juni 1996 („Bodam Jachtservice“), NJ 1997, Nr. 58, S. 273, 275, 277 (Wiedergabe der Ausführungen des Hof Leeuwarden) 177 Grundlegend Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 20. Mai 1988, Nr. 7346 („Koster/Kobo“), NJ 1989, Nr. 676, S. 2529, 2532 f.; HR v. 28. Juni 1996 („Bodam Jachtservice“), NJ 1997, Nr. 58, S. 273, 274 f., 291; HR v. 5. Juni 1998, Nr. 16566, NJ 1998, Nr. 668, S. 3858, 3858 f., 3886; HR v. 4. Mai 2001, Nr. C99/253, NJ 2001, Nr. 378, S. 2821, 2822 f., 2836.
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V. Niederländische Rechtslage
hafte Verdrängung des formellen Geschäftsführers ist jedoch nicht erforderlich. So kann bereits eine einzige Handlung ausreichen, um von einem faktischen Geschäftsführer im Sinne von Art. 2:248 Abs. 7 ausgehen zu können178. Nicht von Art. 2:248 Abs. 7 BW werden hingegen diejenigen erfasst, die aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit der Gesellschaft oder aufgrund gesetzlicher beziehungsweise satzungsmäßiger Befugnisse Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, so beispielsweise kreditgebende Banken, Gesellschafter beziehungsweise Muttergesellschaften sowie Aufsichtsratsmitglieder179. Überschreiten diese jedoch ihre Befugnisse, kommt eine Haftung als faktischer Geschäftsführer in Betracht180. Handelt eine juristische Person als faktischer Geschäftsführer, so haften gemäß Art. 2:11 BW deren formelle Geschäftsführer181. c) Tatbestand Voraussetzung einer Haftung gemäß Art. 2:248 Abs. 1 BW ist eine offenbar nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung, von der anzunehmen ist, dass sie eine wesentliche Ursache der Insolvenz ist 182. (1) Nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung Hauptvoraussetzung der Haftung eines Geschäftsführers gemäß Art. 2:248 BW ist, dass die Geschäftsführung ihre Aufgabe in einem Zeitraum von drei Jahren vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 183 offenbar nicht ordnungsgemäß erfüllt hat184. Da die Geschäftsführung als Kollektivorgan ausgestaltet ist185, führt bereits das Fehlverhalten eines einzelnen Geschäftsführers zu einer Haftung der Geschäftsführung insgesamt 186. 178
Siehe nur Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 465 lit. b. m.w.N. Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 465 lit. b; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 153; de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 97. Siehe zur Grenze der Einflussnahme und Weisungsbefugnis der Gesellschafter bereits oben unter V. 1. e) und f). 180 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 465 lit. b. 181 HR v. 14. März 2008, Nr. C06/142, NJ 2008, Nr. 466, S. 4505, 4529. 182 Art. 2:248 Abs. 1 BW. 183 Schließt sich das Insolvenzverfahren an ein Sanierungsverfahren an, so ist der Beginn des Sanierungsverfahrens maßgeblich, Art. 249 Abs. 1 Nr. 1 FW. 184 Art. 2:248 Abs. 1 und 6 BW. 185 Siehe bereits oben unter V. 1. f). 186 So auch der Justizminister in den Verhandlungen der zweiten Kammer zum Gesetzentwurf 16631, Tweede Kamer 1985–1986, Handelingen, S. 250. Siehe auch Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 457 lit. b; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 283. Im Ergebnis ebenso van Schilfgaarde, Misbruik van rechtspersonen, S. 53 sowie van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 152. A.A. van der 179
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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Ziel der Vorschrift ist allerdings nicht eine Sanktionierung sämtlicher Managementfehler, sondern vielmehr die Sanktionierung eines unverantwortlichen Handelns der Geschäftsführer187. Geschäftsführer haften daher gemäß Art. 2:248 BW auch nur, sofern sie ganz offensichtlich und unmissverständlich unbesonnen und unverantwortlich gehandelt haben188. Nach der Rechtsprechung des Hoge Raad liegt dann eine offenbar nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung vor, wenn kein vernünftiger Geschäftsführer unter denselben Umständen so gehandelt hätte189. Aus den Gesetzesmaterialien ist darüber hinaus ersichtlich, dass für eine offenbar nicht ordnungsgemäße Geschäftsleitung im Sinne des Art. 2:248 BW stets ein Wissen oder Wissenmüssen um eine Gläubigerbenachteiligung erforderlich ist 190. Ein Handeln zum eigenen Vorteil ist hingegen nicht erforderlich191. Das Handeln der Geschäftsführer ist aus einer ex ante-Sicht zu beurteilen, wobei sämtliche Umstände des Falles herangezogen werden müssen192. So können auch die Erfahrenheit der einzelnen Geschäftsführer, die Solvenz der Gesellschaft zum Zeitpunkt der relevanten Handlung als auch
Grinten, Handboek, Nr. 399.1, der Art. 2:248 BW für nicht anwendbar hält, wenn nur ein Geschäftsführer nicht ordnungsgemäß gehandelt hat. 187 Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 21. 188 Art. 2:248 Abs. 1 BW: „kennelijk onbehoorlijk“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 110 f.; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 457 lit. a. Siehe zum vergleichbaren Haftungsmaßstab des hinreichend ernsten Vorwurfs i.R.d. Haftung gemäß Art. 6:162 BW im Folgenden unter V. 3. d) (1) und zum ernsten Vorwurf i.R.d. Haftung gemäß Art. 2:9 BW im Folgenden unter V. 6. b). Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 441. 189 HR v. 7. Juni 1996, Nr. 15971, NJ 1996, Nr. 695, S. 4016, 4031; HR v. 8. Juni 2001, Nr. C99/298 („Panmo“), NJ 2001, Nr. 454, S. 3397, 3408. Siehe auch HR v. 8. April 2005, Nr. R04/005 („Laurus“), NJ 2006, Nr. 443, S. 4186, 4237. 190 Ausführungen des Justizministers in den Verhandlungen der zweiten Kammer zum Gesetzentwurf 16631, Tweede Kamer 1984–1985, Handelingen, S. 6337. Siehe auch Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 284; Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:248, Nr. 3. b); a.A. van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 457 lit. a. 191 Siehe nur Wezemann, Aansprakelijkeid van bestuurders, S. 285 mit umfassenden Nachweisen zu den Gesetzesmaterialien. 192 Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 3; Anmerkung des Justizministers zum Endvorschlag, Tweede Kamer Drs. 1983– 1984/16631, Nr. 9, S. 4 f.; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 457 lit. a. Vgl. auch HR 14. Okt. 2005, Nr. C04/172 („Ontvanger/Van Burgeler“), NJ 2006, Nr. 30, S. 269, 293.
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außergewöhnliche und außerhalb der Gesellschaft liegende Umstände in die Beurteilung mit einfließen193. Beispiele eines unverantwortlichen und somit haftungsauslösenden Handelns des Geschäftsführers sind ein deutlicher Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften zulasten der Gläubiger, das Fassen von finanziell weitreichenden Beschlüssen ohne hinreichende Vorbereitung, eine nicht rechtzeitige Vorsorge für ersichtliche Risiken oder aber das Unterlassen der Prüfung der Kreditwürdigkeit von Vertragspartnern beziehungsweise eine zu lange Kreditgewährung194. Ersteres ist insbesondere dann der Fall, sofern der Geschäftsführer an einer Gewinnausschüttung mitwirkt, in deren Folge die Gesellschaft ihr Unternehmen einstellen muss und ihre Gläubiger unbefriedigt zurücklässt 195. Auch eine nur selektive Erfüllung von Verbindlichkeiten im Angesicht der Insolvenz kann eine Pflichtverletzung im Sinne des Art. 2:248 BW begründen196. Es wird somit grundsätzlich sowohl ein aktives Tun als auch ein Unterlassen der Geschäftsführer von Art. 2:248 BW erfasst 197. Sofern die Geschäftsführung ihrer Pflicht zur Buchhaltung gemäß Art. 2:10 BW oder ihrer Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses gemäß Art. 2:394 BW nicht nachgekommen ist, wird gemäß Art. 2:248 Abs. 2 BW unwiderleglich198 vermutet, dass die Geschäftsführung ihre Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt hat199. (2) Kausalität zwischen fehlerhafter Geschäftsführung und Insolvenz Eine fehlerhafte Geschäftsführung ist nach Art. 2:248 Abs. 1 BW jedoch nur dann haftungsbegründend, sofern sie einen wesentlichen Beitrag zur Insolvenz der Gesellschaft geleistet hat200. Die nicht ordnungsgemäße Ge-
193
Anmerkung des Justizministers zum Endvorschlag, Tweede Kamer Drs. 1983– 1984/16631, Nr. 9, S. 4 f. 194 Für weitere Beispiele mit Verweisen auf die Rechtsprechung siehe de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 108 f.; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 285 f.; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 457 lit. c. 195 Hof Arnhem v. 19. Feb. 2002 („Reinders Didam/Gunning“), JOR 2002, Nr. 56. 196 HR v. 30. Mai 1997, Nr. 16285 („Van Essen q.q./Aalbrecht en Looman“), NJ 1997, Nr. 663, S. 3625, 3634 f. Siehe hierzu auch im Folgenden unter V. 3. d) (2). 197 Siehe nur Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer, Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 4. 198 Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemigsrecht, Art. 2:248 Nr. 5; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 459 lit. a. Siehe auch HR v. 20. Mai 1988, Nr. 7346 („Koster/Kobo“), NJ 1989, Nr. 676, S. 2529, 2537. 199 Art. 2:248 Abs. 2 BW. 200 Art. 2:248 Abs. 1 BW: „aannemelijk is dat [de kennelijk onbehoorlijke taakvervulling] een belangrijke oorzaak is van het faillissement“.
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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schäftsführung muss somit gerade nicht die einzige Ursache der Insolvenz sein201. Wird die fehlerhafte Geschäftsführung bei einer Verletzung der Rechnungslegungspflichten nach Art. 2:248 Abs. 2 BW vermutet, so schließt sich hieran die nunmehr widerlegliche Vermutung an, dass diese auch die Ursache für die Insolvenz der Gesellschaft ist 202. (3) Entlastungsmöglichkeit individueller Geschäftsführer Kann die Geschäftsführung die Vermutung des Art. 2:248 Abs. 2 BW hinsichtlich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Insolvenz widerlegen, so haftet sie nicht. Zur Widerlegung dieser Vermutung genügt es, dass glaubhaft solche Umstände dargelegt werden, die darauf schließen lassen, dass nicht die fehlerhafte Geschäftsführung, sondern andere Ursachen der Insolvenz zugrunde liegen203. Die Geschäftsführung muss darüber hinaus darlegen, dass die Insolvenz durch eine ordnungsgemäße Geschäftsführung gerade nicht zu verhindern war204. Gemäß Art. 2:248 Abs. 3 BW kann sich aber auch ein individueller Geschäftsführer entlasten. Kann er darlegen und beweisen, dass die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung ihm nicht zuzuschreiben ist und er alles Erforderliche unternommen hat um die Folgen der nicht ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung abzuwenden, so ist er gemäß Art. 2:248 Abs. 3 BW nicht haftbar. Enthält sich beispielsweise ein Geschäftsführer einem haftungsbegründenden Geschäftsführungsbeschluss und legt er in der Folge sein Amt nieder, so ist er nach den Gesetzesmotiven vollständig entlastet205. Ist die Geschäftsführung ihren Rechnungslegungspflichten nicht nachgekommen, wird also die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nach Art. 2:248 Abs. 2 BW unwiderleglich vermutet, so soll eine individuelle Entlastung allerdings nur in Ausnahmefällen möglich sein206. Gemäß Art. 2:248 Abs. 6 kann sich ein Geschäftsführer nicht unter Berufung auf eine Entlastung durch die Gesellschafterversammlung von seiner Verantwortlichkeit freisprechen. 201
Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemigsrecht, Art. 2:248 Nr. 4. Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemigsrecht, Art. 2:248 Nr. 5; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 459 lit. a. 203 HR v. 20. Mai 1988, Nr. 7346 („Koster/Kobo“), NJ 1989, Nr. 676, S. 2529, 2537; HR v. 23. Nov. 2001, Nr. C00/002 („Mefigro“), NJ 2002, Nr. 95, S. 744, 754; HR v. 20. Okt. 2006, Nr. C05/069 („Van Schilt/Jansen q.q.“), NJ 2007, Nr. 2, S. 10, 28 f. 204 HR v. 30. Nov. 2007, Nr. C06/102, NJ 2008, Nr. 91, S. 835, 846. 205 Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer, Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 19. 206 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 459 lit. b. 202
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d) Rechtsfolge Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, so haftet jeder Geschäftsführer gemäß Art. 2:248 Abs. 1 BW gegenüber der Insolvenzmasse gesamtschuldnerisch für den Betrag der Masseverbindlichkeiten, der nicht durch eine Verwertung der Insolvenzmasse gedeckt werden kann. Unter bestimmten Umständen kann das Gericht jedoch gemäß Art. 2:248 Abs. 4 BW die Haftungssumme reduzieren. (1) Inhalt und Umfang des Anspruchs Die gesamtschuldnerische Haftung der Geschäftsführer erstreckt sich auf den Gesamtbetrag des Massedefizits207 und ist somit vom tatsächlich eingetretenen Schaden losgelöst, der durch die fehlerhafte Geschäftsführung entstanden ist 208. Bei der Berechnung des Defizits werden neben sämtlichen Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch die Kosten des Insolvenzverfahrens sowie die durch eine Inanspruchnahme der Geschäftsführer entstehenden Verfahrenskosten berücksichtigt209. Nachrangige Forderungen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft aufgrund ihrer Stellung als Gesellschafter fallen jedoch nicht unter die von der Haftung umfassten Verbindlichkeiten210. Lässt sich der konkrete Umfang der offenen Verbindlichkeiten nicht bestimmen, so kann das Gericht diesen gemäß Art. 2:248 Abs. 5 S. 1 BW in Verbindung mit Artt. 612 bis 615b des Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering211 schätzen. Ist die Haftungssumme gemessen an der Art und Schwere der fehlerhaften Geschäftsführung sowie im Hinblick auf weitere Insolvenzursachen unverhältnismäßig, so kann das Gericht gemäß Art. 2:248 Abs. 4 S. 1 BW die Haftungssumme insgesamt reduzieren. Darüber hinaus kann das Gericht auch die Haftungssumme nur eines einzelnen Geschäftsführers vermindern, sofern die jeweils zu leistende Summe im Hinblick auf die Amtszeit des Geschäftsführers unverhältnismäßig erscheint 212. Dies betrifft vor allem ehemalige Geschäftsführer, die nicht für eine Erhöhung des Defizits nach ihrer Amtszeit haften sollen sowie Neu-Geschäftsführer, die nicht für Umstände vor ihrer Amtszeit verantwortlich sein sollen213. Eine darüber 207
Vgl. Art. 2:248 Abs. 1 BW. Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 463. 209 HR v. 10. Sept. 1993, Nr. 15045, NJ 1994, Nr. 272, S. 1185, 1195. Siehe auch Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 343. 210 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 463. 211 Im Folgenden abgekürzt als Rv. 212 Art. 2:248 Abs. 4 S. 2 BW. 213 Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 39. 208
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hinausgehende Berücksichtigung individuellen Verhaltens bei der Bemessung der Haftungssumme sieht Art. 2:248 Abs. 4 BW nicht vor214. (2) Materiell Begünstigter Die Geschäftsführer haften nach Art. 2:248 Abs. 1 BW gegenüber der Insolvenzmasse 215. Trotz des klaren Wortlauts war es in der Literatur lange Zeit umstritten, ob es sich bei der Haftung der Geschäftsführer gemäß Art. 2:248 BW um eine interne Haftung gegenüber der Gesellschaft handelt oder um eine Art externe Haftung gegenüber der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft 216. Der Hoge Raad scheint sich, wenn auch nicht explizit, der letzteren Auffassung anzuschließen217. Folge dieser Auffassung ist, dass die im Fall einer internen Haftung mögliche Aufrechnung des haftenden Geschäftsführers mit eigenen Forderungen gegenüber der Gesellschaft 218 ausscheidet 219. (3) Ergänzende Maßnahmen Sofern ein Geschäftsführer gemäß Art. 2:248 BW haftet und nicht in der Lage ist die Haftungssumme aufzubringen, so kann der Insolvenzverwalter gemäß Art. 2:248 Abs. 9 BW diejenigen Rechtsgeschäfte des Geschäftsführers durch eine außergerichtliche Erklärung für nichtig erklären, durch die die Möglichkeit des Rückgriffs auf den Geschäftsführer geschmälert wurde und die vermutlich gerade zu diesem Zweck getätigt wurden. Rückerstattungen infolge dieser Anfechtung kommen der Insolvenzmasse zu Gute220. Allerdings ist eine Anfechtung nur insoweit möglich, als sie zur Wiederherstellung der vollen Rückgriffsmöglichkeit erforderlich ist221. Außerdem sieht Art. 2:248 Abs. 9 in Verbindung mit Art. 3:45 Abs. 5 einen Schutz gutgläubiger Dritter vor. 214
Kritisch hierzu van den Hoek, in: van Schilfgaarde, De nieuwe misbruikwetgeving, S. 61, 70 ff. Siehe zur Entlastungsmöglichkeit individueller Geschäftsführer bereits oben unter V. 2. c) (3). 215 Art. 2:248 Abs. 1 BW: „is iedere bestuurder jegens de boedel hoofdelijk aansprakelijk“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 216 Siehe zum Streitstand nur Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 333 f. m.w.N. 217 Siehe HR v. 11. Juni 1993, Nr. 14989, NJ 1993, Nr. 713, S. 2952, 2968; HR v. 8. April 2005, Nr. R04/005 („Laurus“), NJ 2006, Nr. 443, S. 4186, 4237. 218 Gemäß Art. 53 FW kann derjenige, der sowohl Schuldner als auch Gläubiger des Insolvenzschuldners ist, grundsätzliche mit eigenen vor der Insolvenz entstandenen Forderungen gegenüber dem Insolvenzschuldner aufrechnen. 219 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 455; wohl auch Lennarts, in: van Dijk/Leijte/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:248 Nr. 2. 220 Art. 2:248 Abs. 9 BW: „ten behoeve van de boedel“. 221 Art. 2:248 Abs. 9 BW i.V.m. Art. 3:45 Abs. 4 BW.
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V. Niederländische Rechtslage
e) Konkurrenzen Art. 2:248 Abs. 8 BW sieht ausdrücklich vor, dass Art. 2:248 BW das Recht des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung vertraglicher Ansprüche gegen den Geschäftsführer und dessen Recht zur Geltendmachung der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 2:9 BW unberührt lässt 222. Da letztere jedoch auf einen Schutz der Gesellschaft gerichtet ist und Art. 2:248 BW gläubigerschützende Funktion zukommt, kann Art. 2:9 BW nur dann neben Art. 2:248 BW treten, sofern ein gegenüber der Gesellschaft nicht ordnungsgemäßes Verhalten gleichzeitig auch die Interessen der Gläubiger verletzt223. Es ist daher auch davon auszugehen, dass die (Innen-)Haftung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft aufgrund einer unrechtmäßigen Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen gemäß Art. 2:216 Abs. 3 BW als Konkretisierung des Art. 2:9 BW224 künftig neben Art. 2:248 BW tritt. Allerdings weist die Begründung der B.V.-Reform darauf hin, dass die Haftung gemäß Art. 2:248 BW im Gegensatz zu Art. 2:216 Abs. 3 BW allein aufgrund ihres größeren möglichen Umfangs bereits strengeren Anforderungen unterliege, so unter anderem einer Insolvenzverursachung durch die fehlerhafte Geschäftsführung 225. Obwohl Art. 2:248 BW als spezialgesetzliche Ausgestaltung der allgemeinen Deliktshaftung angesehen wird, treten darüber hinaus grundsätzlich auch der Anspruch individueller Gläubiger gemäß Art. 6:162 BW und der Anspruch des Insolvenzverwalters gemäß Art. 6:162 BW neben den Anspruch aus Art. 2:248 BW226. Der Anspruch gemäß Art. 6:162 BW wird jedoch von den Gerichten regelmäßig als subsidiär behandelt 227. Schließlich treten die Anfechtungsmöglichkeiten gemäß Artt. 42 ff. FW
222
Siehe zu Art. 2:9 BW im Folgenden unter V. 6. b). De Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 135. 224 So die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006‒2007/31058, Nr. 3, S. 32. Siehe zur Haftung aufgrund Art. 2:216 Abs. 3 ausführlich im Folgenden unter V. 6. c). 225 Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006‒2007/31058, Nr. 3, S. 32. 226 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f.; HR v. 30. Mai 1997, Nr. 16285 („Van Essen q.q./Aalbrecht en Looman“), NJ 1997, Nr. 663, S. 3625, 3634 f. Siehe auch Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders, S. 67; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 156; de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 135 f. sowie Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 337 m.w.N. 227 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f.; HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. Siehe zur Konkurrenz von Art. 2:248 und Art. 6:162 BW auch im Folgenden unter V. 3. f). 223
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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neben die Haftung228, die zudem durch die Anfechtungsmöglichkeit des Art. 2:248 Abs. 9 BW ergänzt wird. f) Verfahren Das Verfahren unterliegt mangels einer spezialgesetzlichen Regelung grundsätzlich den allgemeinen Zivilprozessregeln und somit den Regeln des Rv. Um die Geltendmachung des Anspruchs zu erleichtern, sieht Art. 2:248 BW selbst allerdings vor allem hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast sowie der Verfahrenskosten einige Besonderheiten vor. (1) Klagebefugnis Aus der Anwendbarkeit des Art. 2:248 BW nur im Falle der formellen Insolvenz der Gesellschaft 229 folgt, dass der Anspruch nur durch den Insolvenzverwalter im Namen sämtlicher Gläubiger geltend gemacht werden kann230. Um diesen Anspruch geltend machen zu können, bedarf es einer Genehmigung durch den zuständigen Insolvenzrichter231. Gläubiger der Gesellschaft können auch dann nicht einen Anspruch gemäß Art. 2:248 BW geltend machen, wenn der Insolvenzverwalter dies unterlässt. In diesem Fall müssen die Gläubiger sich an den Insolvenzrichter wenden, der dann den Insolvenzverwalter zur Geltendmachung des Anspruchs auffordern kann232. Allerdings bleibt den einzelnen Gläubigern unbenommen, deliktische Ansprüche gegen den Geschäftsführer gemäß Art. 6:162 BW geltend zu machen233. (2) Darlegungs- und Beweislast Im niederländischen Prozessrecht gilt ebenfalls der Grundsatz, dass derjenige, der sich auf Tatsachen oder Rechte beruft, diese Tatsachen beziehungsweise die Tatsachen, die die Rechte begründen, auch darzulegen und
228
De Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 105 f. Siehe zur Insolvenzanfechtung nach den Artt. 42 ff. FW im Folgenden unter V. 5. 229 Siehe oben unter V. 2. a). 230 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 456; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 151; de Groot, Bestuurdersansprakelijkheid, S. 70; Wezemann, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 323. Siehe auch HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 617 f. 231 Art.68 Abs. 2 FW. 232 Art. 69 FW. Siehe hierzu auch bereits oben unter V. 1. h) (2). 233 Vgl. HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f.; HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 669. Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 454 lit. b; Pannevis, Insolventierecht, S. 153. Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter V. 3.
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V. Niederländische Rechtslage
zu beweisen hat 234. Der Insolvenzverwalter hat somit grundsätzlich die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Geschäftsführung darzulegen und zu beweisen sowie die Geschäftsführer die sie entlastenden Tatsachen. Erleichterungen dieser Beweislast ergeben sich vor allem durch die gesetzlichen Vermutungen des Art. 2:248 Abs. 2 BW235. Hinsichtlich der Kausalität zwischen fehlerhafter Geschäftsführung und Insolvenz genügt allerdings bereits eine Glaubhaftmachung. Eines unmittelbaren Nachweises bedarf es nach den Gesetzesmotiven gerade nicht 236. Gleiches gilt für die Anfechtungsmöglichkeit gemäß Art. 2:248 Abs. 9. Auch hier bedarf es lediglich einer Glaubhaftmachung, dass der Geschäftsführer das angefochtene Rechtsgeschäft freiwillig abgeschlossen hat. Eines Beweises der Benachteiligungsabsicht bedarf es nicht 237. (3) Verjährung Die Verjährung richtet sich nach Art. 3:310 Abs. 1 BW238. Nach dieser Vorschrift verjährt ein Anspruch auf Schadensersatz nach Ablauf von fünf Jahren von dem Tag an, nach dem der Geschädigte sowohl von dem Schaden als auch der haftenden Person Kenntnis erlangt hat. Der Anspruch verjährt jedenfalls nach Ablauf von zwanzig Jahren nach dem Ereignis, durch das der Schaden verursacht wurde239. Im Rahmen von Art. 2:248 BW ist die Kenntnis des Insolvenzverwalters maßgebend240. (4) Verfahrenskosten Die Verfahrenskosten fließen in die Berechnung des von der Geschäftsführung zu tragenden Defizits mit ein, werden also im Fall einer Haftung von den Geschäftsführern getragen241. Im Falle einer Klageabweisung werden die Verfahrenskosten bevorrechtigt als besondere Insolvenzkosten von der Insolvenzmasse getragen242. Im Falle einer masselosen Insolvenz kann darüber hinaus zur Geltendmachung des Anspruchs beziehungsweise zur Prüfung eines möglichen Anspruchs nach Genehmigung durch den zustän234 Artt. 24, 149 Abs. 1, 150 Rv. Siehe auch Snijders/Klaassen/Meijer, Nederlands burgerlijk procesrecht, S. 215. 235 Siehe hierzu bereits oben unter V. 2. c) (2). 236 Stellungnahme des Justizministers, Tweede Kamer Drs. 1983–1984/16631, Nr. 6, S. 26 und 28. 237 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 466 m.w.N. 238 Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:248, Nr. 2. 239 Art. 3:310 Abs. 1 BW. 240 Lennarts, in: van Dijk/Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:248, Nr. 2. 241 Siehe bereits oben unter V. 2. d) (1). 242 Art. 3:277 Abs. 1 BW. Siehe ausführlich zur Differenzierung zwischen allgemeinen und besonderen Insolvenzkosten Pannevis, Insolventierecht, S. 284 f.
2. Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten
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digen Insolvenzrichter ein Vorschuss durch das Justizministerium beantragt werden243. g) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die Haftung gemäß Art. 2:248 BW stellt das niederländische Spiegelbild zur französischen responsabilité pour insuffisance d’actif dar244. Beide sind ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung im Kern eine Insolvenzverursachungshaftung zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft, wenn auch mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen. Aufgrund der weitgehenden Übereinstimmung mit der französischen Haftung teilt die niederländische Haftung einerseits deren Beschränkung des sachlichen Anwendungsbereichs, andererseits aber auch den offenen Tatbestand und die weitgefasste Rechtsfolge. Insbesondere letztere geht über die der Existenzvernichtungshaftung hinaus. Dennoch reicht auch die Haftung gemäß Art. 2:248 BW auf funktionaler Ebene nicht an die Existenzvernichtungshaftung heran. Während die niederländische Haftung allein einen Beitrag zur Zahlungsunfähigkeit im Rahmen eines formellen Insolvenzverfahrens sanktioniert, knüpft letztere allgemein an einen Verstoß gegen die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger an. Schließlich findet sich auch bei der Haftung gemäß Art. 2:248 BW der gleiche Unterschied im Kreis der Haftungsadressaten im Vergleich zur Existenzvernichtungshaftung wie in den übrigen betrachteten Ländern. Haftungsadressaten der niederländischen Regelung sind die Geschäftsführer der Gesellschaft und nicht die Gesellschafter. Allerdings ist auch in den Niederlanden die Haftung nicht auf die formellen Geschäftsführer beschränkt. Aufgrund eines weiteren Verständnisses der faktischen Geschäftsführung des niederländischen Rechts als das des deutschen wird von Art. 2:248 BW auch ein Handeln der Gesellschafter erfasst. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Art. 2:248 BW ist allein im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens anwendbar. Dieses wird in den Niederlanden auf Antrag bei Zahlungseinstellung eröffnet. Die Existenzvernichtungshaftung setzt hingegen allein die materielle Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft voraus und ist darüber hinaus auch im Rahmen eines Liquidationsverfahrens anwendbar 245. 243
Art. 2:248 Abs. 10 BW i.V.m. Art. 2:138 Abs. 10 BW sowie Art. 2 Abs. 1 der Garantstellingsregeling curatoren 2012 v. 27. Jan. 2012, Staatscourant 2012, Nr. 3973. 244 Siehe zur responsabilité pour insuffisance d'actif ausführlich oben unter IV. 2. 245 Siehe oben unter II. 4. a).
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Die alleinige Anwendbarkeit im Rahmen eines eröffneten Insolvenzverfahrens in den Niederlanden einerseits, die Anknüpfung an die materielle Insolvenz beziehungsweise die Anwendbarkeit auch im Rahmen eines Liquidationsverfahrens andererseits in Deutschland führt im Hinblick auf die Klagebefugnis zu deutlichen Unterschieden. In den Niederlanden kann allein der Insolvenzverwalter die Haftung geltend machen. Gläubiger sind auf eine Überprüfung der Entscheidung des Insolvenzverwalters beschränkt, während sie in Deutschland den der Gesellschaft zustehenden Anspruch zumindest im Rahmen einer Liquidation sowie in einer masselosen Insolvenz pfänden und sich überweisen lassen können. Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, so ist aber auch in Deutschland allein der Insolvenzverwalter klagebefugt246. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast ergeben sich vor allem durch die gesetzlichen Vermutungen des Art. 2:248 Abs. 2 BW sowie die objektive Ausgestaltung der Haftung Erleichterungen, während die Existenzvernichtungshaftung gerade keine Vermutungsregeln mehr vorsieht247. Die Verjährung des Anspruchs aus Art. 2:248 BW ist mit fünf Jahren ab Kenntnis ein wenig länger als die grundsätzlich dreijährige deutsche Frist 248. (2) Haftender Personenkreis Der wohl größte Unterschied zwischen der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung gemäß Art. 2:248 BW liegt im Kreis der Haftungsadressaten. Art. 2:248 BW sanktioniert eine Pflichtverletzung der Geschäftsführer, die Existenzvernichtungshaftung eine Pflichtverletzung der Gesellschafter249. Allerdings ist die niederländische Haftung nicht auf formelle Geschäftsführer beschränkt. Sie knüpft vielmehr an die Rolle des Geschäftsführers an und vermag somit auch Gesellschafter zu erfassen, sofern diese die Führung der Geschäfte mitbestimmt haben. Das niederländische Recht ist bezüglich der Annahme der faktischen Geschäftsführung weniger streng als das deutsche. Im Falle eines existenzvernichtenden Eingriffs wird der Gesellschafter regelmäßig den formellen Geschäftsführer verdrängen und sich aktiv in die Geschäftsführung einmischen, sodass von einer faktischen Geschäftsführung nach niederländischem Verständnis auszugehen ist. Darüber hinaus waren in vielen Fällen der Existenzvernichtungs-
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Siehe zur Klagebefugnis nach deutschem Recht oben unter II. 4. g). Siehe oben unter II. 4. h) sowie zur alten Rechtslage vor „Trihotel“ unter II. 1. a) und b). 248 Siehe oben unter II. 4. i). 249 Siehe oben unter II. 4. b). 247
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haftung die Gesellschafter gleichzeitig auch Geschäftsführer ihrer Gesellschaften250. (3) Tatbestand Art. 2:248 BW sanktioniert eine unverantwortliche Handlung im Wissen um eine Gläubigerbenachteiligung, die einen wesentlichen Beitrag zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft geleistet hat. Nichts anderes stellt ein existenzvernichtender Eingriff dar. Während letzterer jedoch sowohl eine Verursachung oder Vertiefung sowohl der Zahlungsunfähigkeit als auch der Überschuldung erfasst und im Rahmen der Liquidation gänzlich ohne diese Kriterien auskommt, sanktioniert Art. 2:248 BW allein die Verursachung der Zahlungsunfähigkeit. Dass die niederländische Haftung nur auf die Zahlungsunfähigkeit abstellt, dürfte rechtspraktisch jedoch kaum eine Rolle spielen. Bei existenzvernichtenden Eingriffen liegt regelmäßig sowohl die Zahlungsunfähigkeit als auch die Überschuldung der Gesellschaft vor. Da die niederländische Haftung jedoch allein auf eine Verursachung der Zahlungsunfähigkeit abstellt, werden die Fälle einer Insolvenzvertiefung von Art. 2:248 BW nicht erfasst. Greift der Gesellschafter im Rahmen eines Liquidationsverfahrens in das Gesellschaftsvermögen ein, ohne dass durch sein Verhalten die Insolvenz verursacht oder vertieft wird, kommt daher erst recht nicht eine Haftung gemäß Art. 2:248 BW in Betracht. Im Hinblick auf die in die Insolvenz führende Pflichtverletzung ist Art. 2:248 BW aufgrund der offenen Formulierung der relevanten Pflicht als auch aufgrund des weiten Kausalitätsbegriffs tatbestandlich weiter gefasst als die Existenzvernichtungshaftung. Haftungsbegründend ist bereits jeder Geschäftsführungsfehler, der nur zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft beiträgt. Die Existenzvernichtungshaftung setzt hingegen voraus, dass der existenzvernichtende Eingriff in die Insolvenz der Gesellschaft geführt hat251. Dieser tatbestandliche Unterschied führt dazu, dass sämtliche Fallgruppen der existenzvernichtenden Eingriffe, sofern sie zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft beitragen, als Pflichtverstoß von Art. 2:248 BW erfasst werden. Darüber hinaus vermag Art. 2:248 BW insbesondere auch ein Missmanagement zu erfassen. Sämtliche Pflichtverstöße sind zudem, anders als bei der Existenzvernichtungshaftung, bereits ohne weitere subjektive Anforderungen haftungsbegründend. In den Nie250 Siehe nur BGH, Urteil v. 24. Juni 2002, II ZR 300/00 („Kindl-Backwaren“), BGHZ 151, S. 181 ff.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 256/02 („Handelsvertreter“), ZIP 2005, S. 250 ff.; BGH, Urteil v. 13. Dez. 2004, II ZR 206/02 („Autohändler“), NZG 2005, S. 177 ff.; BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff. 251 Siehe oben unter II. 4. c) (1) (c).
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derlanden genügt bereits das Wissenmüssen um die Gläubigerbenachteiligung. Im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung muss der Gesellschafter die dauerhafte Beeinträchtigung der Fähigkeit die Verbindlichkeiten zu erfüllen nicht nur erkannt haben, sondern sie zudem gebilligt haben252. Eine weitere Besonderheit der niederländischen Regelung liegt schließlich darin, dass bei einer mehrgliedrigen Geschäftsführung das Fehlverhalten Einzelner der Geschäftsleitung insgesamt zugerechnet wird, sodass wiederum sämtliche Geschäftsführer haften. Eine solche Zurechnung ist dem deutschen Recht fremd. (4) Rechtsfolgen Ebenso wie bei der responsabilité pour insuffisance d’actif253 findet sich ein weiterer deutlicher Unterschied zur Existenzvernichtungshaftung auf Rechtsfolgenseite. Nach niederländischem Recht haftet der Geschäftsführer grundsätzlich für den gesamten Betrag der Masseverbindlichkeiten, der nicht durch eine Verwertung der Insolvenzmasse gedeckt werden kann. Anders als im deutschen Recht ist die Rechtsfolge somit vom tatsächlich durch die Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft eingetretenen Schaden losgelöst und deutlich weiter. Besteht die Geschäftsführung aus mehreren Personen, haften diese darüber hinaus grundsätzlich unabhängig von ihrem jeweiligen Beitrag gesamtschuldnerisch. Allerdings kann das Gericht mit Blick auf die Amtszeit der Geschäftsführer unter Umständen die Haftung Einzelner reduzieren. Das deutsche Recht ermöglicht hingegen eine Berücksichtigung des individuellen Verursachungsbeitrags im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer bei der Existenzvernichtungshaftung 254. Parallel zur französischen Haftung nimmt die niederländische eine Zwischenstellung zwischen Innen- und Außenhaftung ein. Die Geschäftsführer haften zwar gegenüber der Insolvenzmasse, können sich jedoch auf die sonst bei einer Innenhaftung bestehende Aufrechnungsmöglichkeit mit eigenen Forderungen nicht berufen. Mit der „Trihotel“-Entscheidung ist die Existenzvernichtungshaftung allein eine Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft. Dem deutschen Recht ist schließlich die zusätzliche Anfechtungsmöglichkeit des Art. 2:248 Abs. 9 BW fremd.
252 253 254
Siehe oben unter II. 4. c) (3). Siehe oben unter IV. 2. d). Siehe oben unter II. 5. e).
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3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak, Art. 6:162 BW 3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak Der Hoge Raad hat in diversen Entscheidungen unter Heranziehung der allgemeinen deliktischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW den Gläubigern einer Gesellschaft einen direkten Zugriff unter anderem auf Geschäftsführer als auch auf Gesellschafter ermöglicht. Insbesondere die Haftung von Muttergesellschaften gegenüber den Gläubigern ihrer Tochtergesellschaften255 gründet sich weit überwiegend auf Art. 6:162 BW256. Die Haftung gemäß Art. 6:162 BW stellt dennoch keine Strukturhaftung dar257. Den zentralen Anknüpfungspunkt der deliktischen Haftung bildet eine individuell vorwerfbare unerlaubte Handlung in Form eines Verstoßes gegen die Verkehrssitte258. Aufgrund dieser Anknüpfung folgt aus der Haftung gerade kein Haftungsdurchgriff in der Form, dass die Gesellschafter entgegen der Haftungsbeschränkung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften. Die Haftung gemäß Art. 6:162 BW tritt vielmehr neben die Haftung der Gesellschaft für ihre eigenen Verbindlichkeiten und ergänzt diese. Die Literatur spricht dennoch, wenn auch missverständlich259, von einem sogenannten indirecte doorbraak260. a) Sachlicher Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich des Art. 6:162 BW ist aufgrund seines Charakters als Generalklausel denkbar weit. Insbesondere ist eine mögliche Haftung gemäß Art. 6:162 BW gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft nicht auf Fälle eines eröffneten Insolvenzverfahrens oder der materiellen Insolvenz der Gesellschaft beschränkt. Ebenso wenig ist der Anwendungsbereich auf Konzernsachverhalte beschränkt261, wenn auch diese einen Hauptanwendungsfall der Haftung darstellen262. 255
Siehe Art. 2:24a Abs. 1 BW sowie bereits oben unter V. 1. e), Fußnote Nr. 79. Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 185; Van Solinge/Nieuwe Weme, in: AsserSerie 2-II, Nr. 839. 257 van Andel, Ondernemingsrecht 2006, S. 388 ff.; Maeijer, Anmerkungen zu HR v. 25. Sept, 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, S. 1535 ff. A.A. Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 275 f.; Kortmann, Ondernemingsrecht 2006, S. 384 f. 258 Art. 6:162 BW Abs. 2: „Als onrechtmatige daad worden aangemerkt een inbreuk op [...] een doen of nalaten in strijk met hetgeen volgens ongeschreven recht in het maatschappelijk verkeer betaamt“. 259 So auch Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 834. 260 Van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 18; Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 264; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 185. 261 Boschma, De Eenpersoons-B.V., S. 127 ff.; Van Solinge/Nieuwe Weme, in: AsserSerie 2-II, Nr. 834. 262 Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 185; Van Solinge/Nieuwe Weme, in: AsserSerie 2-II, Nr. 839. 256
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b) Haftender Personenkreis Der Kreis der Personen, der gemäß Art. 6:162 BW gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft haftet, ergibt sich aus einer Konkretisierung des Tatbestands der unerlaubten Handlung in Form eines Verstoßes gegen die Verkehrssitte263. Als zentrales Tatbestandsmerkmal hat der Hoge Raad letzteres dadurch konkretisiert, dass er besondere Verhaltenspflichten in Abhängigkeit von der jeweiligen Stellung der von der Haftung betroffenen Personen zur Gesellschaft entwickelt hat. Eine Haftung gemäß Art. 6:162 BW gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft ist dementsprechend entweder als (faktischer) Geschäftsführer beziehungsweise Liquidator264, als Gesellschafter oder aber als Gläubiger möglich265. (1) Formelle und faktische Geschäftsführer Es gehört zu den grundlegenden Überlegungen des niederländischen Gesellschaftsrechts, dass auf dem formellen Geschäftsführer eine besondere Sorgfaltspflicht gegenüber Vertragspartnern einer sich in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Gesellschaft lastet, deren Verletzung zu einer Haftung gemäß Art. 6:162 BW führt266. Eine solche Sorgfaltspflicht kann auch auf rein faktische Geschäftsführer erstreckt werden. Diese müssen sich so intensiv um die Geschäftsleitung der Gesellschaft bemüht haben267, dass eine Erstreckung der Sorgfaltspflichten, die sonst nur auf der formellen Geschäftsführung lasten, gerechtfertigt ist 268. Der Hoge Raad spricht diesbezüglich von einer qualifizierten Art faktischer Leitungsmacht in Form einer intensiven und eindringlichen Bemühung um die Geschäftsführung der abhängigen Gesell263
Siehe zu diesem Tatbestandsmerkmal ausführlich im Folgenden unter V. 3. c) (1) und d). 264 Gemäß Art. 2:23a Abs. 1 BW treffen den Liquidator die gleichen Rechte, Pflichten und Haftungen wie den Geschäftsführer. 265 Boschma, De Eenpersoons-B.V., S. 127 ; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 185 ff., der jedoch allein auf die Stellung der Muttergesellschaft im Verhältnis zu ihren Tochtergesellschaften abstellt. Auf die Haftung der Aufsichtsratsmitglieder im Verhältnis zu Dritten soll aufgrund der Beschränkung des Untersuchungsgegenstands nicht näher eingegangen werden. Siehe hierzu nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 515 m.w.N. 266 HR v. 31. Jan. 1958, („van Dullemen/Sala“), NJ 1958, Nr. 251, S. 513 ff.; HR v. 6. Okt. 1989, Nr. 13618 („Beklamel“), NJ 1990, Nr. 286, S. 1144 ff.; HR v. 8. Dez. 2006, Nr. C05/256 („Ontvanger/X“), NJ 2006, Nr. 659, S. 6307 ff. mit einer Auflistung der bisherigen Rechtsprechung. Siehe hierzu auch im Folgenden unter V. 3. d) (1) und (2). 267 Die intensive Bemühung um die Geschäftsleitung wird auch als Schwerpunkt der Haftungsvoraussetzungen bezeichnet, so der Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 13. Jan. 1995, Nr. 15498 („Sobi/Hurks I“), NJ 1995, Nr. 482, S. 2262, 2289. 268 Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 188.
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schaft 269. Wie intensiv jedoch die Bemühung im Detail sein muss, ist nicht eindeutig geklärt 270. In der „Osby“-Entscheidung des Hoge Raad aus dem Jahr 1981, in der erstmalig die Haftung auch auf faktische Geschäftsführer erstreckt wurde, gründete der Hoge Raad eine intensive Bemühung einer herrschenden Gesellschaft unter anderem auf ihren 100%-igen Anteilsbesitz an einer Tochtergesellschaft 271. In der Entscheidung „Sobi/Hurks II“ aus dem Jahr 2001 begründet der Hoge Raad eine faktische Geschäftsführung auch dadurch, dass eine herrschende Gesellschaft Einblick in die Geschäftsführung der Tochter im Rahmen eines zentralen cash managements hat, diese beaufsichtigt und nur im Einzelfall in die Geschäftsführung eingreift, im Übrigen die Tochtergesellschaft die tagtäglichen Geschäfte aber selbstständig führt 272. Es genügt somit bereits eine potentielle Eingriffsmöglichkeit aufgrund der Ausgestaltung der Konzernstruktur273. Die Haftung der herrschenden Gesellschaft als faktischer Geschäftsführer ist nicht nur Ausgangspunkt, sondern auch Hauptanwendungsfall einer Haftung gegenüber den Gläubigern274. Grund hierfür ist unter anderem, dass in Konzernsachverhalten die Autonomie der Geschäftsleitung faktisch aufgrund der Leitungsmacht der herrschenden Gesellschaft aufgehoben
269 Siehe HR v. 14. Nov. 1997, Nr. 16434 („Henkel/JMG“), NJ 1998, Nr. 270, S. 1456, 1476: „als hij zich intensief met de bedrijfsvoering bezighoudt en in feite de (volledige) zeggenschap heeft over de (andere) rechtspersoon“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch bereits HR v. 15. Jan. 1993, Nr. 14873 („JMG/Henkel“), NJ 1993, Nr. 301, S. 1099, 1111 und HR v. 19. Feb. 1988, Nr. 13068 („Albada Jelgersma II“), NJ 1988, Nr. 487, S. 1805, 1817 f. 270 Siehe Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR 13. Jan. 1995, Nr. 15498 („Sobi/Hurks I“), NJ 1995, Nr. 482, S. 2262, 2288. Siehe auch Maeijer, Anmerkung zu HR 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3664, 3665; Timmerman, Anmerkung zu HR 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), TVVS 1994, S. 189. 271 Siehe HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526 f. 272 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 672 ff. Siehe auch Generalanwalt Timmerman, Schlussanträge, in: HR v. 12 Sept. 2008, Nr. C06/311 („Van Dusseldorp/Coutts“), in: Bartman/Wezeman, Uitspraken ondernemingsrecht, S. 2254, 2263 ff. 273 Generalanwalt Timmerman, Schlussanträge, in: HR v. 12 Sept. 2008, Nr. C06/311 („Van Dusseldorp/Coutts“), in: Bartman/Wezeman, Uitspraken ondernemingsrecht, S. 2254, 2263 ff. Ablehnend noch Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 13. Jan. 1995, Nr. 15498 („Sobi/Hurks I“), NJ 1995, Nr. 482, S. 2262, 2295. 274 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 834, 839; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 185.
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wird275. Dies schließt jedoch eine Haftung auch natürlicher Personen als Gesellschafter oder Gesellschafter-Gesellschafter nicht aus276. (2) Gesellschafter Losgelöst von der möglichen Haftung des Gesellschafters als faktischer Geschäftsführer legt der Hoge Raad auch den Gesellschaftern in ihrer Stellung als Anteilseigner der Gesellschaft unter Umständen die Pflicht auf, Gläubigerinteressen zu berücksichtigen277. Dementsprechend kommen diese auch aufgrund ihrer Stellung als Anteilseigner als Haftungsadressaten in Betracht. (3) Gläubiger Schließlich finden sich in der Rechtsprechung auch Gläubiger als Haftungsadressaten, so insbesondere Kreditgeber in Form von Banken oder Muttergesellschaften. Dass diese in bestimmten Fällen eine Pflicht zur Berücksichtigung der Interessen der übrigen Gläubiger der Schuldnergesellschaft trifft, ist bereits seit der „Erba-I“-Entscheidung des Hoge Raad aus dem Jahr 1957278 im niederländischen Recht anerkannt279. c) Tatbestand Art. 6:162 Abs. 1 BW bestimmt, dass derjenige, der gegenüber einem anderen eine ihm zurechenbare, unerlaubte Handlung begeht, verpflichtet ist, dem anderen den daraus resultierenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht besteht gemäß Art. 6:163 BW jedoch nur dann, wenn der erlittene Schaden vom Schutzzweck der Haftung erfasst ist. Der deliktische Anspruch ist somit von vier Voraussetzungen abhängig: einer unerlaubten Handlung, deren Zurechenbarkeit an den Täter, einem kausalen Schaden und schließlich die Erfassung des Schadens vom Schutzzweck der Haftung280. 275
Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. e) und f). Boschma, De Eenpersonen-B.V., S. 127 ff.; Raaijmakers, Ondernemingsrecht, S. 288; Van Solinge/Nieuwe Weme, in: in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 834, 839. Siehe auch HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526 f. sowie HR v. 14. Nov. 1997, Nr. 16434 („Henkel/JMG“), NJ 1998, Nr. 270, S. 1456, 1476 für die Haftung eines hinter der Muttergesellschaft stehenden Gesellschafters. 277 Siehe HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654 ff. Siehe hierzu auch im Folgenden unter V. 3. d) (3) und (4). 278 HR v. 28. Juni 1957, („Erba I“), NJ 1957, Nr. 514, S. 1009 ff. 279 Siehe im Folgenden unter V. 3. d) (5) und (6). 280 Vgl. Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:162, Nr. 1 a); Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 35, die jedoch zusätzlich zwischen Schaden und Kausalität differenziert. 276
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(1) Unerlaubte Handlung Als unerlaubte Handlung, so die Legaldefinition des Art. 6:162 Abs. 2 BW werden ein Eingriff in ein (subjektives 281) Recht sowie ein Tun oder Unterlassen in Verletzung einer gesetzlichen Pflicht oder der ungeschriebenen Regeln der Verkehrssitte282 angesehen, sofern kein Rechtfertigungsgrund gegeben ist 283. Vor allem das Kriterium des Verstoßes gegen die Verkehrssitte hat eine nähere Konkretisierung durch die Rechtsprechung erfahren284. Aus dieser ergibt sich, dass ein Verstoß gegen die Verkehrssitte auch in einem Verstoß gegen solche Verhaltensregeln liegen kann, die vor einem reinen Vermögensschaden schützen sollen285. In einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen hat der Hoge Raad insbesondere für (faktische) Geschäftsführer, Gesellschafter als auch Gläubiger der Gesellschaft solche Verhaltensregeln konkretisiert, die die (übrigen) Gläubiger der Gesellschaft schützen sollen286. (2) Zurechenbarkeit der unerlaubten Handlung Eine unerlaubte Handlung kann gemäß Art. 6:162 Abs. 3 BW dann dem Täter zugerechnet werden, wenn diese auf sein schuldhaftes Handeln zurückgeführt werden kann oder ein Gesetz oder die Verkehrsauffassung eine Handlung dem Täter zurechnen. Für ein schuldhaftes Handeln im Sinne der Vorschrift genügt nach der Rechtsprechung des Hoge Raad bereits ein dem Täter subjektiv vorwerfbares Handeln287. Eine unerlaubte Handlung ist dem Täter dann vorwerfbar, wenn er in Anbetracht seiner persönlichen Kenntnisse, Erfahrungen, seines Wissens als auch seiner Möglichkeiten anders hätte handeln können und müssen288. Die Vorwerfbarkeit umfasst hierbei sowohl vorsätzliches als auch fahrlässiges Handeln289.
281 Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:162, Nr. 2 b); Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 46. 282 Art. 6:162 Abs. 2 BW: „hetgeen volgens ongeschreven recht in het maatschappelijk verkeer betaamt“. 283 Art. 6:162 Abs. 2 BW. 284 Siehe nur Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 58 m.w.N. 285 Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:162, Nr. 2 d); Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 65 m.w.N. insbesondere der Rechtsprechung. 286 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter V. 3. d). 287 Siehe HR v. 11. Nov. 1983, Nr. 12147, NJ 1984, Nr. 331, S. 1169, 1170 f. Siehe auch Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nrn. 99, 106. 288 Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 106. 289 Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nrn. 100 f.
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Der Täter haftet darüber hinaus auch dann, wenn ihm eine unerlaubte Handlung aufgrund eines Gesetzes oder der Verkehrsauffassung zuzurechnen ist und somit unabhängig von seinem subjektiven Verschulden290. Gerade eine Zurechnung aufgrund der Verkehrsauffassung, die anhand objektiver Kriterien zu bestimmen ist 291, bietet insbesondere bei mangelnder Sachkunde oder Unerfahrenheit 292 die Möglichkeit, die Schwächen der subjektiven Zurechnung aufgrund der persönlichen Fähigkeiten des Täters zu relativieren293. So wird in der Regel als Maßstab herangezogen, was von einer Person in einer mit dem Täter vergleichbaren Stellung hätte erwartet werden können294. Eine unerlaubte Handlung kann nicht nur natürlichen Personen, sondern auch juristischen Personen zugerechnet werden. Ein Handeln oder Unterlassen wird dann einer juristischen Person zugerechnet, sofern die Verkehrsauffassung das in Frage stehende Handeln oder Unterlassen als das der juristischen Person ansieht295. Die Zurechnung ist hierbei nicht zwingend an die Organstellung des Handelnden geknüpft 296. Handelt allerdings ein Organ, so wird dessen Handeln ebenfalls nicht zwingend der Gesellschaft zugerechnet. Vielmehr kann das Organ auch unabhängig von der juristischen Person haften297. Die Haftung des Gesellschaftsorgans kann grundsätzlich neben die Haftung der juristischen Person selbst treten, jedoch nur sofern ersterem ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann298.
290
Art. 6:162 Abs. 3 a.E. Siedburgh, Toerekening van een onrechtmatige daad, S. 215 ff.; Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 123. 292 Siehe Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nrn. 121, 124. Der Hoge Raad hält allerdings bezüglich der Haftung im Rahmen der beruflichen Tätigkeit an der Zurechnung allein aufgrund schuldhaften Handelns fest, siehe nur HR v. 22. März 1996, Nr. 15894 („Kromjongh/Erven Van Dijk“), NJ 1996, Nr. 668, S. 3815, 3822. 293 So auch Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 121. 294 Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 106. 295 Siehe hierzu ausführlich Maeijer, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 112 ff. m.w.N.; Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nrn. 325 ff. 296 Siehe nur HR v. 6. April 1979, Nr. 11364, NJ 1980, Nr. 34, S. 79, 90. Siehe auch Art. 6:170 BW für die Zurechnung des Handelns eines Verrichtungsgehilfen. Zur parallelen Haftung gemäß Art. 6:170 BW und gemäß Art. 6:162 BW siehe Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 332. 297 HR v. 25. Nov. 1927, („Kretzschmar/Mendes de Leon“), NJ 1928, S. 364 ff.; HR v. 31. Jan. 1958, („Van Dullem/Sala“), NJ 1958, Nr. 251, S. 513 ff. 298 Maeijer, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 115, 117; Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 334; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 469, 839 ff. Siehe zu den jeweiligen Einzelfällen ausführlich im Folgenden unter V. 3. d). 291
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(3) Kausaler Schaden Durch die unerlaubte Handlung muss einem Dritten ein kausaler Schaden entstanden sein299. Welche Schäden grundsätzlich ersatzfähig sind und welche Anforderungen an die Kausalität zu stellen sind, ist allgemein für sämtliche gesetzlichen Schadensersatzansprüche in den Artt. 6:95 ff. BW geregelt 300. Gemäß Art. 6:95 BW besteht ein Schaden, der aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung zum Schadensersatz ersetzt werden muss, grundsätzlich im erlittenen Vermögensschaden und sonstigen erlittenen Nachteilen, sofern das jeweilige Gesetz auch deren Ersatz vorsieht. Der Wortlaut des Art. 6:162 BW spricht nur allgemein von einem Schaden. Aus der Rechtsprechung des Hooge Raad ist jedoch ersichtlich, dass Art. 6:162 BW auch auf den Ersatz eines Vermögensschadens zielt 301. Zwischen der unerlaubten Handlung und dem Schaden muss grundsätzlich eine kausale Verbindung im Sinne einer conditio sine qua non bestehen302. Dies wird durch Art. 6:98 BW dahingehend konkretisiert, dass nur der Ersatz des Schadens in Betracht kommt, der mit dem Ereignis, auf dem die Haftung des Schuldners beruht, in einem solchen Zusammenhang steht, dass der Schaden im Hinblick auf die Art der Haftung und des Schadens als eine Folge dieses Ereignisses dem Täter zugerechnet werden kann. Der Schaden muss somit dem Täter ebenso wie bereits die unerlaubte Handlung zuzurechnen sein. Besteht zwischen zwei Schadensursachen, für die jeweils eine andere Person verantwortlich ist, eine alternative Kausalität und steht fest, dass mindestens eine der Ursachen für den erlittenen Schaden kausal ist, so haften grundsätzlich beide Personen für den Schaden303. (4) Schutzzweckzusammenhang Gemäß Art. 6:163 BW besteht eine Verpflichtung zum Schadensersatz jedoch nur, wenn die durch die unerlaubte Handlung verletzte Regel, sei es eine gesetzliche oder ungeschriebene 304, den Schutz gerade des konkret
299
Art. 6:162 Abs. 1 BW: „de schade die de ander dientengevolge lijdt“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 300 Siehe hierzu auch im Folgenden unter V. 3. e) (1). 301 Siehe zur Konkretisierung der Haftung ausführlich im Folgenden unter V. 3. d). 302 Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:162, Nr. 1 f), Art. 6:163, Nr. 1 e). Siehe zur haftungsausfüllenden Kausalität im Folgenden unter V. 3. e) (1). 303 Art. 6:99 BW. 304 Siehe nur Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 135.
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Geschädigten vor dem erlittenen Schaden bezweckt305. Insbesondere im Rahmen einer Verletzung der Verkehrssitten ist somit maßgeblich, ob der Täter die verletzten Interessen des Geschädigten hätte berücksichtigen müssen306. Das niederländische Recht spricht insoweit von der Relativität des Schadens 307. d) Fallgruppen Der Hoge Raad betont in sämtlichen seiner Entscheidungen die jeweils besonderen Umstände des Einzelfalls, die erst eine Haftung gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft aufgrund von Art. 6:162 BW rechtfertigen308. Auch wenn der Hoge Raad jeweils von Einzelfallentscheidungen ausgeht, so lassen sich dennoch einige wenige Fallgruppen bilden. Zwei von ihnen knüpfen an die Stellung als Geschäftsführer an (siehe im Folgenden unter (1) und (2)), weitere zwei an die Stellung als Gesellschafter (siehe im Folgenden unter (3) und (4)) und schließlich ebenso viele an die Stellung als Gläubiger der Gesellschaft (siehe im Folgenden unter (5) und (6)). (1) Fortsetzung von defizitären Geschäftsaktivitäten – betalingsonmacht Ein (faktischer) Geschäftsführer haftet dann gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft gemäß Art. 6:162 BW persönlich, wenn ihm im Hinblick auf seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, wie sie Art. 2:9 BW begründet, ein hinreichend ernster Vorwurf gemacht werden kann309. Diese Haftung wird im Anschluss an eine Entscheidung des Hoge Raad310 aus dem Jahr 1989 als „Beklamel“-Formel bezeichnet 311. Im Gegensatz zur Haftung nach Art. 2:9 BW fordert der Hoge Raad im Rahmen des Art. 6:162 BW nicht allein einen ernsten Vorwurf, sondern explizit einen hinreichend ernsten Vorwurf312. Eine Verschärfung des 305
Siehe auch Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nr. 131 mit Hinweis auf § 823 Abs. 2 BGB. 306 Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:163, Nr. 2. Siehe auch HR v. 30. Sept. 1994, Nr. 15308 („Staat/Shell“), NJ 1996, Nr. 196, S. 915, 941; HR v. 27. Jan. 1984, Nr. 12202, NJ 1984, Nr. 536, S. 1855, 1856. 307 Lindenbergh, in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 6:162, Nr. 1 f), Art. 6:163, Nr. 1, Hartkamp/Siedburgh, in: Asser-Serie 6-IV, Nrn. 129 ff. 308 Siehe Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 13. Jan. 1995, Nr. 15498 („Sobi/Hurks I“), NJ 1995, Nr. 482, S. 2262, 2288, 2295. Siehe auch Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 839. 309 Siehe nur HR v. 8. Dez. 2006, Nr. C05/256 („Ontvanger/X“), NJ 2006, Nr. 659, S. 6307, 6319. Siehe zu Art. 2:9 BW im Folgenden unter V. 6. b). 310 HR v. 6. Okt. 1989, Nr. 13618 („Beklamel“), NJ 1990, Nr. 286, S. 1144 ff. 311 Voorontwerp Insolventiewet, Entwurf, S. 68, Art. 8.1. 312 Siehe zu den jeweils unterschiedlichen Haftungsmaßstäben der Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 2:9, Art. 2:248 und Art. 6:162 BW nur Generalanwalt Timmerman,
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Haftungsmaßstabes in dem Sinne, dass der Geschäftsführer, sofern er auch alleiniger Gesellschafter ist, bereits dann haftet, wenn er nicht (ernsthaft) davon ausgehen konnte, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten werde erfüllen können, lehnt die Rechtsprechung ab313. Dies verdeutlicht, dass nicht allzu leichtfertig von einer Vorwerfbarkeit und somit von einer deliktischen Haftung ausgegangen werden kann314. Bei einer mehrgliedrigen Geschäftsführung haften die einzelnen Geschäftsführer nur, sofern ihnen jeweils ein persönlicher Vorwurf gemacht werden kann315. Anders als insbesondere im Rahmen von Art. 2:248 BW316, Art. 2:9 BW317 und Art. 2:216 Abs. 3 BW318 haften die Geschäftsführer somit nicht kollektiv. Eine persönlich vorwerfbare unerlaubte Handlung liegt unter anderem dann vor, wenn der Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft ab einem bestimmten Zeitpunkt 319 Verbindlichkeiten eingegangen ist, obwohl er wusste oder wissen musste, dass die Gesellschaft diesen nicht würde nachkommen können und auch eine sonstige Rückgriffsmöglichkeit auf die Gesellschaft nicht bestehen würde320. Haftungsgrund ist somit die wissentliche gläubigerschädigende Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten. Mit der „Albada Jelgersma II“-Entscheidung aus dem Jahr 1988 erstreckt der Hoge Raad die diesbezügliche Rechtsprechung auch auf rein faktische Geschäftsführer, so insbesondere in Form von Muttergesellschaften321. Schlussanträge, in: HR v. 20. Juni 2008, Nr. C06/187 („Willemsen/NOM“), NJ 2009, Nr. 21, S. 199, 204 ff. sowie Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 441 m.w.N. 313 Siehe Generalanwalt Franx, Schlussanträge, in: HR v. 6. Okt. 1989, Nr. 13618 („Beklamel“), NJ 1990, Nr. 286, S. 1144, 1148 sowie HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654, 3664. 314 Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 469. 315 HR v. 8. Jan. 1999, Nr. 16753 („Pelco“), NJ 1999, Nr. 318, S. 1737, 1749 f. 316 Siehe hierzu ausführlich oben unter V. 2. b). 317 Siehe hierzu im Folgenden unter V. 6. b). 318 Siehe hierzu im Folgenden unter V. 6. c). 319 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 668. Siehe auch Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 651, der insoweit von einem peildatum spricht. 320 HR v. 6. Okt. 1989, Nr. 13618 („Beklamel“), NJ 1990, Nr. 286, S. 1144, 1145 f., 1149. Siehe auch HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654 ff. 321 Siehe HR v. 19. Feb. 1988, („Albada Jelgersma II“), NJ 1988, Nr. 487, S. 1805 ff. Eine unerlaubte Handlung besteht hier gerade nicht darin, dass die Muttergesellschaft den Anschein der Kreditwürdigkeit der Tochtergesellschaft weckte, da insbesondere der klagende Gläubiger einen Brief der Muttergesellschaft, in dem diese die Zahlung der Lieferanten garantiert, nicht erhalten hatte, siehe insbesondere HR v. 19. Feb. 1988, („Albada Jelgersma II“), NJ 1988, Nr. 487, S. 1805, 1817. A.A. van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 842. Siehe zur Haftung faktischer Geschäftsführer HR v. 15. Jan.
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V. Niederländische Rechtslage
Im Rahmen von Konzernverbindungen nimmt der Hoge Raad eine Haftung einer herrschenden Gesellschaft, sofern sie um die finanziellen Schwierigkeiten der Tochtergesellschaft wusste, auch bei einem Unterlassen an. So wird dann eine Haftung angenommen, wenn die herrschende Gesellschaft ein Eingreifen in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft zugunsten der Gläubiger der Tochter unterlässt, obwohl sie hierzu die Möglichkeit hat 322. Es besteht somit eine Sorgfaltspflicht der Muttergesellschaft gegenüber den Gläubigern einer abhängigen Gesellschaft ab dem Zeitpunkt, ab dem die Muttergesellschaft von der finanziell angespannten Lage der Tochtergesellschaft weiß. Die Pflichten der Muttergesellschaft reichen unter Umständen sogar soweit, dass diese die Pflicht trifft, die Gläubiger der Gesellschaft angemessen über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu informieren beziehungsweise eine surséance323 anzufragen324. Greift der Geschäftsführer der Muttergesellschaft in die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft im Wissen um ihre finanzielle Lage ein, ohne die Interessen der Gläubiger der Tochtergesellschaft zu berücksichtigen, so haftet auch dieser persönlich aufgrund einer unerlaubten Handlung gegenüber den Gläubigern der Tochtergesellschaft 325. (2) Zahlungsverweigerung und selektive Bezahlung – betalingsonwil Dem Geschäftsführer kann auch dann ein ausreichend ernsthafter persönlicher Vorwurf gemacht werden, sofern er dafür Sorge getragen hat, es zugelassen hat oder er hätte wissen müssen, dass infolge seiner Handlung oder Unterlassung die Gesellschaft ihren gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nur zum Teil nachkommt 326. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Geschäftsführer bewusst eine solche Vermögenslage durch Verlagerung der Aktiva der Gesellschaft 1993, Nr. 14873 („JMG/Henkel“), NJ 1993, Nr. 301, S. 1099 ff.; HR v. 14. Nov. 1997, Nr. 16434 („Henkel/JMG“), NJ 1998, Nr. 270, S. 1456 ff. Vgl. auch bereits HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526. 322 Siehe HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 671 ff.; Siehe auch Generalanwalt Timmerman, Schlussanträge, in: HR v. 12. Sept. 2008, Nr. C06/311 („Van Dusseldorp/Coutts“), in: Bartman/Wezeman, Uitspraken ondernemingsrecht, S. 2254, 2263 ff. Siehe hierzu auch oben unter V. 3.b) (1). 323 Siehe hierzu ausführlich oben unter V. 1. h) (1). 324 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 671 ff. 325 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 676 ff. 326 HR v. 8. Dez. 2006, Nr. C05/256 („Ontvanger/X“), NJ 2006, Nr. 659, S. 6307, 6319; HR v. 3. April 1992, Nr. 14577 („Van Waning/Van der Vliet“), NJ 1992, Nr. 411, S. 1646, 1651; HR v. 18. Feb. 2000, Nr. C98/208 („New Holland Belgium/Oosterhof“), NJ 2000, Nr. 295, S. 2020, 2027.
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schafft, dass die Gesellschaft nicht in der Lage ist ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen327. Aus der Rechtsprechung des Hoge Raad ist ersichtlich, dass eine unerlaubte Handlung unter Umständen auch darin liegen kann, dass der Geschäftsführer es unterlassen hat dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten erfüllen kann, indem er bestehende Kreditrahmen ausschöpft oder neue Kredite aufnimmt 328. Ob in einem solchen Verhalten tatsächlich eine unerlaubte Handlung zu sehen ist, wird in der Literatur jedoch kritisch diskutiert329. Neben der Weigerung die Verbindlichkeiten zu erfüllen oder dem Herbeiführen einer solchen finanziellen Lage, dass die Gesellschaft erst gar nicht in der Lage ist ihre Verbindlichkeiten zu erfüllen, kann eine unerlaubte Handlung auch in einer selektiven Erfüllung der Verbindlichkeiten liegen330. Die unerlaubte Handlung liegt hier in einer Ungleichbehandlung der Gläubiger entgegen der paritas creditorum331. Allerdings liegt nicht bereits in jeder Erfüllung einer Verbindlichkeit zulasten anderer Gläubiger im Angesicht einer angespannten finanziellen Lage der Gesellschaft in den Augen der niederländischen Rechtsprechung eine unerlaubte Handlung. Jedenfalls, so der Hoge Raad in der Entscheidung „Coral/Stalt“ aus dem Jahr 1998, dürfe eine Konzerngesellschaft nach ihrem Beschluss zur Beendigung der Geschäftstätigkeit nicht andere Konzerngesellschaften vor konzernfremden Gläubigern bevorzugen, wenn sie nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfüge, um sämtliche ihrer Gläubiger zu befriedigen. Allein besondere Umstände könnten eine solche 327 Siehe Hof Den Haag v. 8. Juni 1999, („Van Dijk/Gilhuis“), JOR 2000, Nr.93; Hof Den Haag v. 20. Aug. 1998, („Ontvanger/Van Grinsven“), JOR 1999, Nr. 39; Rb. Arnhem v. 11. April 1996, („ABN Amro/Informatiecentrum“), JOR 1996, Nr. 76; Hof Amsterdam v. 18. Mai 1995 („Detam“), TVVS 1995, S. 248. 328 HR v. 3 April 1992, Nr. 14577 („Van Waning/Van der Vliet“), NJ 1992, Nr. 411, S. 1646, 1651; HR v. 8. Dez. 2006, Nr. C05/256 („Ontvanger/X“), NJ 2006, Nr. 659, S. 6307, 6318. 329 Huizink, in: Klaassen/Schlössels/van Solinge et. al., Aansprakelijkheid in beroep, bedrijf of ambt, S. 445, 452, verneint in den Fällen, in denen der Kreditrahmen nicht ausgeschöpft wird, eine unerlaubte Handlung. A.A. van der Ingh, in: van Solinge/Beckman/van den Ingh, et. al., De financiering van de onderneming, S. 23, 25 f., der zumindest in besonderen Fällen eine unerlaubte Handlung aufgrund von Zahlungsverweigerung annimmt. 330 HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232. Siehe auch HR v. 30 Mai 1997, Nr. 16285 („Van Essen q.q./Aalbrecht en Looman“), NJ 1997, Nr. 663, S. 3625, 3634 f., worin der Hoge Raad in einer selektiven Bezahlung auch eine Pflichtverletzung im Sinne des Art. 2:248 BW sieht sowie Art. 47 FW zur Anfechtungsmöglichkeit einer solchen selektiven Erfüllung von Verbindlichkeiten im Angesicht der Insolvenz. 331 HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232. Siehe hinsichtlich der paritas creditorum auch Art. 3:277 BW.
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V. Niederländische Rechtslage
Ungleichbehandlung rechtfertigen332. Wann und ob überhaupt eine solche Ungleichbehandlung im Widerspruch zur gesetzlichen Rangfolge der Forderungen zu rechtfertigen ist und somit eine Haftung ausschließt, ist jedoch weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eindeutig geklärt333. Betrachtet man die zur Fallgruppe der selektiven Bezahlung in gewisser Weise spiegelbildliche Rechtsprechung zur Fallgruppe der Durchbrechung der Gleichbehandlung der Gläubiger zu eigenen Gunsten334, so dürfte bereits dann in der selektiven Zahlung von Gläubigern eine unerlaubte Handlung liegen, sofern ernsthaft damit zu rechnen ist, dass nicht sämtliche Gläubiger befriedigt werden können335. Dies steht jedoch im Widerspruch zur Fallgruppe der Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten, die auf ein Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Gläubigerbenachteiligung abstellt 336. (3) Unrechtmäßiger Gewinnausschüttungsbeschluss Die Haftung des Gesellschafters aufgrund seiner Stellung als Anteilseigner der Gesellschaft illustriert das „Nimox“-Urteil des Hoge Raad vom 8. November 1991337. Der Entscheidung liegt ein Gewinnausschüttungsbeschluss einer Muttergesellschaft als alleinige Gesellschafterin zugrunde. Dieser Beschluss, so der Hoge Raad, stelle eine unerlaubte Handlung dar, da die alleinige Gesellschafterin zum Zeitpunkt des Beschlusses gewusst habe, dass der Gesellschaft nach der Ausschüttung und sofern ein geplantes Projekt keine Verbesserung der finanziellen Situation der Gesellschaft mit sich bringe, keine Reserven verbleiben werden338. Das so geschaffene Ausfallrisiko habe sich für die Gläubiger in der Insolvenz auch tatsächlich realisiert339. Ein Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Gläubiger332
HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232. Siehe HR 12. Juni 1998, („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232. Siehe auch Verstijlen, WPNR 1999, Nr. 6355, S. 301 ff.; van Schilfgaarde, Anmerkung zu HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4233, 4234 sowie Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 206 f. und van Solinge/Nieuwe Weme, in: AsserSerie 2-II, Nr. 469 lit. b mit jeweils w.N. 334 Siehe hierzu ausführlich im Folgenden unter V. 3. d) (6). 335 So auch van Schilfgaarde, Anmerkung zu HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4233, 4234; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 206 mit Verweis auf HR v. 8. Mai 1986, („Keulen/BLG“), NJ 1986, Nr. 792, S. 3032 ff. A.A. Winter, in: van Hees/Timmerman, Vragen rond de faillissementspauliana, S. 65, 82 f., der eine Unvermeidbarkeit der Insolvenz voraussetzt. 336 Siehe soeben unter V. 3. d) (1). 337 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654 ff. 338 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 663 f., 665. 339 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 663 f., 665. 333
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benachteiligung im Sinne der „Beklamel“-Formel ist jedoch nicht Haftungsvoraussetzung340. Es genüge bereits, wenn der alleinige Gesellschafter damit hätte rechnen müssen, dass die in ein Projekt gelegten Erwartungen einer Verbesserung der finanziellen Situation enttäuscht werden können und er sich aufgrund des Auskehrbeschlusses der Belange der übrigen Gläubiger nicht ausreichend angenommen habe 341. Es genügt also bereits, dass der alleinige Gesellschafter ernsthaft mit der Möglichkeit eines Defizits hätte rechnen müssen342. Ein solcher Gewinnausschüttungsbeschluss, so der Hoge Raad, stelle selbst dann eine unerlaubte Handlung des alleinigen Gesellschafters gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft dar, wenn von dessen Wirksamkeit ausgegangen werden müsse 343. Den alleinigen Gesellschafter trifft somit, auch wenn er grundsätzlich im Rahmen seiner Kompetenzen handelt, bei Gewinnausschüttungsbeschlüssen die Pflicht Gläubigerinteressen zu berücksichtigen. Die somit dem Alleingesellschafter auferlegte Sorgfaltspflicht gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft obliegt sowohl Muttergesellschaften und natürlichen Personen als alleinigen Gesellschaftern344, sie lässt sich aber auch auf Mehrheitsgesellschafter und sonstige Gesellschafter übertragen, die einen solchen Gewinnausschüttungsbeschluss mittragen345. Die B.V.-Reform nimmt im Rahmen der Begründung des neu gefassten Art. 2:216 BW ausdrücklich auf die bisherige Rechtsprechung, insbesondere das „Nimox“-Urteil, Bezug und betont die gemeinsame Grundlage beider Haftungen346. Beiden Haftungen liegt die Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen zugrunde. Art. 6:162 BW ermöglicht jedoch eine Haftung auch gegenüber Dritten, während Art. 2:216 BW nur eine Innenhaftung begrenzt auf den Betrag der zu Unrecht erfolgten Auszahlung begründet. So sieht die Begründung der B.V.-Reform Art. 2:216 340
Siehe hierzu oben unter V. 3. d) (1). HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664. 342 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 663 f. Siehe auch Maeijer, Anmerkung zu HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, S. 666; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 843; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 213 f. 343 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664. Vor Inkrafttreten der B.V.-Reform führte ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregel des Art. 2:216 BW a.F. zur Nichtigkeit des Auskehrungsbeschlusses, siehe hiezu bereits oben unter V. 1. d). 344 Schoonbrood-Wessels, in: Houwen/Schoonbrood-Wessels/Schreurs, Aansprakelijkheid in concernverhoudingen, S. 916; Boschma, De Eenpersoons-B.V., S. 128. 345 Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 214. 346 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 33. Siehe zu Art. 2:216 BW auch bereits oben unter V. 1. d) sowie im Folgenden unter V. 6. c). 341
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V. Niederländische Rechtslage
BW auch nur als Ergänzung des bestehenden Haftungssystems 347. Das „Nimox“-Urteil des Hooge Raad erweitert daher auch nach der B.V.-Reform weiterhin den im B.V.-Recht gewährleisteten Kapitalschutz348. (4) B.V.-Stafetten Aus der „Rainbow“-Entscheidung des Hoge Raad vom 13. Oktober 2000 folgt, dass auch in der Beendigung der Geschäftsaktivitäten einer Gesellschaft und deren Fortsetzung durch eine Folgegesellschaft eine unerlaubte Handlung liegen kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Fortsetzung durch die Folgegesellschaft allein dazu dient einer Inanspruchnahme der Ausgangsgesellschaft durch ihre Gläubiger zu entgehen349. Eine solche Vorgehensweise, so der Hoge Raad, sei gegenüber dem benachteiligten Gläubiger unerlaubt und verpflichte die für die Vorgehensweise verantwortliche (juristische) Person zum Schadensersatz350. Im konkreten Fall hatte der Geschäftsführer und alleinige Gesellschafter einer B.V. sämtliche Geschäftsaktivitäten der Gesellschaft inklusive des Auftragsbestandes, der Kundendaten, des Fahrzeugbestandes sowie der Mietverträge über die Geschäftsräume auf eine Ltd. übertragen. Diese übernahm ebenfalls die Arbeitnehmer der B.V. Geschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter der Ltd. war ebenfalls der Gesellschafter der B.V. Dieser wusste um die drohende Inanspruchnahme der B.V. durch den Staat aufgrund ausgebliebener Steuerzahlungen. Im Anschluss an die Übertragung wurde über das Vermögen der B.V. ein Insolvenzverfahren eröffnet 351. (5) Erwecken des Anscheins der Kreditwürdigkeit Die weit verzweigte Rechtsprechung im Hinblick auf eine unerlaubte Handlung gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft findet ihren Ausgangspunkt in der „Osby“-Entscheidung des Hoge Raad vom 25. September 1981352. Hierin hat der Hoge Raad erstmalig, anknüpfend an die Rolle einer herrschenden Gesellschaft als Kreditgeber der abhängigen Gesellschaft, eine Sorgfaltspflicht des Gesellschafters gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft angenommen. Der Entscheidung liegt eine Bindung sämtlicher, auch zukünftiger Aktiva einer 100%-igen Tochtergesellschaft als Sicherheit für einen von der Muttergesellschaft gewährten Kredit 347 Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 33 ff. 348 So bereits Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 844; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 214, beide jedoch noch vor der B.V.-Reform. 349 HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836 f. 350 HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836 f. 351 HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4828. 352 HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513 ff.
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zugrunde, sodass die Tochter de facto eventuellen Neugläubigern keinerlei Sicherheit mehr gewähren konnte. Der Hoge Raad sieht in einem solchen Vorgehen dann eine unerlaubte Handlung der Mutter zum Nachteil der Gläubiger der Tochter, wenn die Muttergesellschaft es unterlässt, die Interessen der Neugläubiger der Tochter zu berücksichtigen353. Dass ein kreditgebender Gesellschafter bei der Bestellung von Sicherheiten auch die Interessen der übrigen Gläubiger der kreditnehmenden Gesellschaft zu beachten hat, fußt wiederum auf den viel älteren „Erba“-Entscheidungen aus den Jahren 1957 und 1959, in denen der Hoge Raad für kreditgebende Banken eine solche Pflicht begründet hat354. Hintergrund der diesbezüglichen Sorgfaltspflicht ist ein sogenanntes stilles Pfandrecht355. Wird ein solches Pfandrecht eingeräumt, so erlangen Dritte unter Umständen erst mit der Veröffentlichung des Jahresabschlusses der sicherungsgebenden Gesellschaft von den bestellten (stillen) Sicherheiten Kenntnis356. Ergänzend stellt der Hoge Raad darauf ab, dass die Muttergesellschaft eine solche Einsicht und Leitungsmacht über die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft habe, dass sie im Hinblick auf den Umfang ihrer Forderung und der diesbezüglichen Sicherheiten als auch hinsichtlich der Geschäftsaktivitäten der Tochtergesellschaft zum Zeitpunkt der Sicherheitsbestellung wusste oder hätte wissen müssen, dass neue Gläubiger durch einen Mangel an Rückgriffsmöglichkeiten benachteiligt würden. Unterlässt die Muttergesellschaft es dennoch für die Befriedigung der übrigen Gläubiger zu Sorgen, so läge in der Besicherung eine unerlaubte Handlung 357. Eine einer Muttergesellschaft zurechenbare unerlaubte Handlung kann auch darin liegen, dass Organe beziehungsweise Angestellte im Rahmen von Vertragsverhandlungen zwischen der Tochtergesellschaft und Dritten Vertrauen in die Kreditwürdigkeit der Tochter unterhalb der Schwelle einer Garantiezusage wecken. Nimmt sich die Muttergesellschaft dann in der 353
HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526. Siehe HR v. 28. Juni 1957, („Erba I“), NJ 1957, Nr. 514, S. 1009 ff.; HR v. 20. März 1959, („Erba II“), NJ 1959, Nr. 581, S. 1266 ff. 355 Siehe Artt. 3:239 ff. BW. Das stille Pfandrecht ist ein beschränkt dingliches Recht, mit dem Zweck aus den mit diesem Recht belegten Gütern eine Forderung vorrangig zu befriedigen. Das stille Pfandrecht wird gemäß Art. 3:239 Abs. 1 BW durch eine registrierte, privatschriftliche oder eine öffentliche Urkunde bestellt, die jedoch nicht öffentlich registriert werden und somit für Dritte grundsätzlich nicht einsehbar sind. 356 Siehe Art. 2:375 Abs. 3 BW. 357 HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526. Vgl. auch Generalanwalt Timmerman, Schlussanträge, in: HR v. 12 Sept. 2008, Nr. C06/311 („Van Dusseldorp/Coutts“), in: Bartman/Wezeman, Uitspraken ondernemingsrecht, S. 2254, 2263 ff. 354
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V. Niederländische Rechtslage
Folge den Belangen der Gläubiger nicht an, sodass diese mit ihren Forderungen ausfallen, begründet dies die Haftung der Mutter358. (6) Durchbrechung der Gleichbehandlung der Gläubiger zu eigenen Gunsten Die weitere Fallgruppe, in der einzelne Gläubiger den Haftungsadressaten bilden, liegt im Spiegelbild zur bereits besprochenen Fallgruppe der selektiven Bezahlung359. In der „Keulen/BLG“-Entscheidung aus dem Jahr 1986 urteilt der Hoge Raad, dass eine Gesellschaft dann unerlaubt handelt, wenn sie von einer Tochtergesellschaft die Rückzahlung eines Darlehns verlangt, obwohl sie ernsthaft damit rechnen muss, dass die übrigen Gläubiger der Tochtergesellschaft hierdurch mit ihren Forderungen ausfallen werden360. Als wahres Motiv der Haftung in der „Keulen/BLG“-Entscheidung wird in der Literatur allerdings die nominale Unterkapitalisierung der Tochtergesellschaft vermutet361. Die Tochtergesellschaft hatte lediglich ein Eigenkapital von 100 Gulden und war gänzlich von der Finanzierung der Muttergesellschaft mittels des zurückgeforderten Darlehns in Höhe von 30 Millionen Gulden abhängig 362. Eine Durchbrechung der paritas creditorum findet sich ebenfalls in der „Nimox“-Entscheidung des Hoge Raad363. In dieser Entscheidung stützt der Hoge Raad eine unerlaubte Handlung der Muttergesellschaft nicht nur auf ihren Beschluss zur Gewinnausschüttung zum Nachteil der Gläubiger 364, sondern auch auf einen weiteren Aspekt. Die Muttergesellschaft hatte sich den Gewinn nicht auszahlen lassen, sondern in ein langfristiges Darlehn an die Tochtergesellschaft umgewandelt. Die diesbezügliche Forderung gegen die Tochtergesellschaft hatte die Muttergesellschaft dann im Wissen um die drohende Insolvenz der Tochter an eine Bank verkauft, die über einen Sicherheitenüberschuss verfügte365. Die Muttergesellschaft hat sich durch ihr Vorgehen in den Augen des Hoge Raad einen unrechtmäßi-
358 HR v. 18. Nov. 1994, Nr. 15521 („NBM/Securicor“), NJ 1995, Nr. 170, S. 721 ff. Hiervon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen die Muttergesellschaft im Rahmen einer Rechtsscheinshaftung selbst an einen Vertrag gebunden wird, siehe hierzu nur Schoordijk, NJB 1996, S. 1001. 359 Siehe bereits oben unter V. 3. d) (2). 360 HR v. 9. Mai 1986, Nr. 12618 („Keulen/BLG“), NJ 1986, Nr. 792, S. 3032, 3033. 361 Van den Ingh, in: van den Ingh/van Solinge/Maeijer, Drie Nijmeegse redes, S. 1, 12. 362 HR v. 9. Mai 1986, Nr. 12618 („Keulen/BLG“), NJ 1986, Nr. 792, S. 3032. 363 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654 ff. 364 Siehe hierzu bereits oben unter V. 3. d) (3). 365 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664.
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gen Vorrang vor den übrigen Gläubigern verschafft 366. Ob es sich hierbei, wie im Fall „Nimox“ um eine Muttergesellschaft handelt oder um sonstige Gläubiger, ist für die Anknüpfung der Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die paritas creditorum unerheblich367. e) Rechtsfolge Gemäß Art. 6:162 Abs. 1 BW ist der Täter verpflichtet, dem durch seine unerlaubte Handlung Geschädigten den verursachten Schaden zu ersetzen. (1) Inhalt und Umfang des Schadensersatzes Inhalt und Umfang des Schadensersatzes werden ebenso wie die haftungsbegründende Kausalität 368 durch die Artt. 6:95 ff. BW näher konkretisiert. Das niederländische Recht geht grundsätzlich von einem Schadensersatz in Geld aus 369. Der Richter kann jedoch auf Antrag des Geschädigten auch Schadensersatz in anderer Form, so beispielsweise in Form einer Naturalrestitution, zusprechen370. Hat der Geschädigte einen Vermögensschaden erlitten, so umfasst dieser Schaden gemäß Art. 6:96 Abs. 1 und 2 BW erlittene Verluste, entgangene Gewinne sowie angemessene Aufwendungen zur Vermeidung oder Minderung solcher Schäden, die als Folge der unerlaubten Handlung auftreten, angemessene Aufwendungen zur Feststellung des Schadens und der diesbezüglichen Haftung und angemessene Aufwendungen zur Erreichung einer außergerichtlichen Befriedigung 371. Im Rahmen der diversen Fallgruppen einer Haftung gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft gemäß Art. 6:162 BW bedeutet dies, dass die Instanzengerichte in der Regel die Zahlung eines bestimmten Betrages in Geld, vermehrt um die gesetzlichen Zinsen und Aufwendungen, zusprechen372. Als 366 HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664. Siehe auch Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 225. 367 Schoonbrood-Wessels, in: Houwen/Schoonbrood-Wessels/Schreurs, Aansprakelijkheid in concernverhoudingen, S. 911; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 226. 368 Siehe oben unter V. 3. c) (3). 369 Art. 6:103 S. 1 BW. 370 Art. 6:103 S. 2 BW. 371 Die Aufwendungen zur Schadensfeststellung oder zur Erreichung einer außergerichtlicen Befriedigung sind dann nicht nach Art. 6:96 Abs. 2 BW zu ersetzen, sofern gemäß Art. 241 Rv die Regeln der Prozesskosten Anwendung finden, Art. 6:69 Abs. 3 i.V.m. Art. 241 Rv. 372 Siehe HR v. 19. Feb. 1988, („Albada Jelgersma II“), NJ 1988, Nr. 487, S. 1805, 1808; HR v. 6. Okt 1989, („Beklamel“), NJ 1990, Nr. 286, S. 1144, 1145; HR v. 3. April 1992, Nr. 14577 („Van Waning/Van der Vliet“), NJ 1992, Nr. 411, S. 1646, 1650; HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4837; HR v. 18. Nov. 1994, Nr. 15521 („NBM/Securicor“), NJ 1995, Nr. 170, S. 721, 726; HR v. 9. Mai 1986, Nr. 12618 („Keulen/BLG“), NJ 1986, Nr. 792, S. 3032, 3033.
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weitere mögliche Folge einer unerlaubten Handlung, vor allem im Hinblick auf die paritas creditorum, kann das Gericht auch eine Nichtberücksichtigung einer Forderung gegen die Gesellschaft im Rahmen der Insolvenzverteilung anordnen, sofern hierdurch der Schaden der übrigen Gläubiger entfällt 373. Die konkrete Höhe des zu leistenden Betrages bemisst der Richter gemäß Art. 6:97 BW auf diejenige Weise, die am besten der Art des Schadens entspricht. In der Entscheidung „Bannenberg/de Bont“ vom 16. September 2005 hat der Hoge Raad entschieden, dass der Umfang des jeweils zu ersetzenden Schadens erst dann festgestellt werden könne, wenn feststünde, was der Geschädigte aus der Insolvenzmasse erhalte374. Der geschädigte Gläubiger muss dementsprechend zunächst seine Forderungen gegen die Gesellschaft zur Insolvenztabelle anmelden und die Schlussverteilung abwarten, bevor der im Rahmen von Art. 6:162 BW zu ersetzende Ausfallschaden festgestellt werden kann375. Steht der konkrete Schaden fest, so kann der zu leistende Schadensersatz grundsätzlich durch eventuell eingetretene Vorteile des Geschädigten376, durch Billigkeitserwägungen377 sowie ein Mitverschulden378 zugunsten des Schädigers gemildert werden. Ein Mitverschulden ist vor allem im Rahmen der Fallgruppe der Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten sowie im Rahmen des Anscheins der Kreditwürdigkeit denkbar. Liefert beispielsweise ein Gläubiger der Gesellschaft weiterhin und trotz auffallend unregelmäßiger Zahlungen der Gesellschaft Waren und vergrößert so seinen Schaden, so ist grundsätzlich sein Mitverschulden berücksichtigungsfähig 379. Haften zwei oder mehrere Personen für den gleichen Schaden, so haften sie gemäß Art. 6:102 Abs. 1 S. 1 BW gesamtschuldnerisch. Zur Bestimmung dessen, was die einzelnen Schadensersatzverpflichteten gemäß Art. 6:10 BW im Innenverhältnis jeweils zu leisten haben, wird der zu leistende Schadensersatz, ebenso wie im Rahmen der Berücksichtigung des
373
Siehe HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664. HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. 375 HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. Siehe auch HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f. 376 Art. 6:100 BW. 377 Art. 6:109 BW. 378 Art. 6:101 BW. 379 Siehe auch Maeijer, Anmerkung zu HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, S. 1535, 1536. 374
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Mitverschuldens, gemäß Art. 6:101 BW je nach zurechenbarem Schadensbeitrag verteilt 380. (2) Materiell Begünstigter Aufgrund der Anknüpfung der Haftung in sämtlichen betrachteten Fallgruppen an eine Sorgfaltspflichtverletzung ist materiell Begünstigter grundsätzlich jeder Geschädigte, dessen Schutz durch die verletzte Sorgfaltspflicht bezweckt wird381. Je nach Fallgruppe ist der materiell Begünstigte somit im Zusammenhang mit der jeweiligen Sorgfaltspflicht zu konkretisieren. Die Anknüpfung an die Verletzung der gegenüber jedem Gläubiger individuell bestehenden Sorgfaltspflicht kann in einigen Fallgruppen zu einer Differenzierung zwischen Alt- und Neugläubigern führen. In den Fällen, in denen die unerlaubte Handlung darin besteht, dass trotz Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit neue Verbindlichkeiten eingegangen werden, können auch nur diese neuen Vertragsgläubiger einen Anspruch geltend machen382. Die unerlaubte Handlung liegt gerade in einer Verletzung der Sorgfaltspflicht, die gegenüber neuen Vertragspartnern in Form einer Hinweispflicht ab Kenntnis der schlechten finanziellen Situation der Gesellschaft besteht. Eine solche Hinweispflicht erstreckt sich allerdings auch zumindest ab dem Zeitpunkt, ab dem die Gesellschaft damit rechnen muss, dass sie nicht alle Gläubiger wird befriedigen können, auf Altgläubiger, die langfristig vertraglich an die Gesellschaft gebunden sind. Dementsprechend profitieren diese zumindest teilweise von der Haftung383. Ebenso sind im Rahmen der Fallgruppe des Anscheins der Kreditwürdigkeit in erster Linie Neugläubiger materiell Begünstigte einer Haftung gemäß Art. 6:162 BW384. Im Gegensatz hierzu werden in den Fallgruppen des unrechtmäßigen Gewinnausschüttungsbeschlusses, der selektiven Bezahlung und Zahlungsverweigerung sowie der Durchbrechung der Gleichbehandlung der Gläubiger nicht allein Interessen der Neugläubiger beeinträchtigt, sondern grundsätzlich aller Gläubiger. Je nach konkreter Ausgestaltung des 380
Art. 6:102 Abs. 1 S. 2 BW. Vgl. auch HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. Siehe zur Anknüpfung der Haftung bereits oben unter V. 3. c) (1) und d). 382 Siehe HR v. 19. Feb. 1988, („Albada Jelgersma II“), NJ 1988, Nr. 487, S. 1805, 1816 f.; HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 671. 383 So auch Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 198 f. 384 Siehe HR v. 25. Sept. 1981, Nr. 11721 („Osby“), NJ 1982, Nr. 443, S. 1513, 1526. Siehe auch Timmerman, NV 1990, S. 13, 17; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 842; Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 227 f. 381
366
V. Niederländische Rechtslage
Falls können daher auch Altgläubiger zu den materiell Begünstigten zählen385. f) Konkurrenzen Verstoßen Geschäftsführer oder Gesellschafter gegen ihre gesetzlichen Pflichten und werden hierdurch Gläubiger geschädigt, so kann dies grundsätzlich auch eine unerlaubte Handlung begründen386. Machen individuelle Gläubiger einen Anspruch gemäß Art. 6:162 BW geltend, so tritt dieser Anspruch sowohl neben einen Anspruch der Gläubigergesamtheit aus Art. 6:162 BW als auch neben den Anspruch aus Art. 2:248 BW387. Gleiches gilt für die beiden letztgenannten Ansprüche untereinander388. Insbesondere die Konkurrenz zu Art. 2:248 BW verwundert, stellt diese Vorschrift doch eine spezialgesetzliche Ausgestaltung der deliktischen Generalklausel dar389. In der Praxis ist allerdings davon auszugehen, dass der auf Art. 6:162 BW gestützte Anspruch zumindest individueller Gläubiger als subsidiär behandelt wird390. Dies nicht zuletzt deshalb, da der Schaden der Gläubiger erst nach Verteilung der Insolvenzmasse und nach Verteilung der Zahlungen aufgrund der Haftung gemäß Art. 2:248 BW zu beziffern ist 391. Ist Art. 2:248 BW nicht anwendbar, so verbleibt Art. 6:162 BW als Generalklausel ein eigenständiger Anwendungsbereich. So kann beispielsweise im Rahmen von Art. 6:162 BW eine unerlaubte Handlung sanktioniert werden, die außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Art. 2:248 BW liegt392. Darüber hinaus verbleibt ein eigenständiger Anwendungsbereich auch dann, wenn den Geschäftsführer zwar der Vorwurf 385 Siehe HR v. 9. Mai 1986, Nr. 12618 („Keulen/BLG“), NJ 1986, Nr. 792, S. 3032, 3033; HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 663 f. Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 843, Lennarts, Concernaansprakelijkheid, S. 226. 386 Siehe nur Pannevis, Insolventierecht, S. 157. 387 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f. Siehe auch Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders, S. 67; van Schilfgaarde/Winter, Van de B.V. en de N.V., S. 156 sowie Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 337 m.w.N. 388 HR v. 30. Mai 1997, Nr. 16285 („Van Essen q.q./Aalbrecht en Looman“), NJ 1997, Nr. 663, S. 3625, 3634 f. 389 Siehe bereits oben unter V. 2. 390 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f.; HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. 391 Siehe HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. Siehe hierzu bereits oben unter V. 3. e) (1). 392 Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders, S. 68.
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367
einer nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung als auch eines Verstoßes gegen die ihm gegenüber den Gläubigern obliegende Sorgfaltspflicht trifft, dies jedoch keine wesentliche Ursache der Insolvenz im Sinne des Art. 2:248 BW darstellt 393. Ein Zusammentreffen von Art. 6:162 BW mit der allgemeinen Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 2:9 BW394 ist ebenso wie ein Zusammentreffen der spezialgesetzlichen Ausgestaltung der deliktischen Haftung in Form von Art. 2:248 BW mit Art. 2:9 BW möglich395. Ersteres ist vor allem in den Fällen einer Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten denkbar, da in diesen Fällen eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung auf eine Benachteiligung der Gläubiger gerichtet ist. Darüber hinaus kann auch im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung Art. 6:162 BW neben Art. 2:9 BW treten396. Ist grundsätzlich ein Nebeneinander von Art. 6:162 BW und Art. 2:9 BW denkbar, so muss Gleiches für das Verhältnis von Art. 2:216 Abs. 3 BW zu Art. 6:162 BW gelten. Nach der Begründung der B.V.-Reform stellt Art. 2:216 BW eine Konkretisierung des Art. 2:9 BW dar397. Ebenso wie beim Verhältnis von Art. 2:216 Abs. 3 BW zu Art. 2:248 BW ist jedoch zu berücksichtigen, dass Art. 2:216 Abs. 3 BW als auf eine reine Rückgewähr gerichtete Innenhaftung weniger strengen Voraussetzungen unterliegt als die Haftung gemäß Art. 6:162 BW398. Schließlich steht Art. 6:162 BW auch in Anspruchskonkurrenz zu den Anfechtungsrechten der Artt. 3:45 ff. BW beziehungsweise der Artt. 42 ff. FW399. Liegen die Voraussetzungen der Artt. 3:45 ff. BW beziehungsweise Artt. 42 ff. FW vor, so stellt die anfechtbare Handlung aufgrund des 393
Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders,
S. 69. 394
Siehe hierzu im Folgenden unter V. 6. b). Siehe nur Generalanwalt Timmerman, Schlussanträge, in: HR v. 2. März 2007, Nr. C05/336 („Nutsbedrijf Westland“), NJ 2007, Nr. 240, S. 2377, 2386 f., 2389. Siehe zum Konkurrenzverhältnis von Art. 2:248 BW und Art. 2:9 BW bereits oben unter V. 2. e). 396 HR v. 2. März 2007, Nr. C05/336 („Nutsbedrijf Westland“), NJ 2007, Nr. 240, S. 2377, 2393 f. 397 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006‒2007/31058, Nr. 3, S. 32, 33 ff. mit dem zusätzlichen Hinweis, dass Art. 2:216 BW das bestehende Haftungssystem nur ergänze. Siehe zur Haftung gemäß Art. 2:216 Abs. 3 BW im Folgenden unter V. 6. c). 398 Siehe zum Konkurrenzverhältnis von Art. 2:248 BW und Art. 2:216 Abs. 3 BW bereits oben unter V. 2. e) sowie ausführlich zu Art. 2:216 Abs. 3 BW im Folgenden unter V. 6. c). 399 Siehe HR v. 28. Juni 1957, („Erba I“), NJ 1957, Nr. 514, S. 1009, 1014; HR v. 30. Mai 1997, Nr. 16285 („Van Essen q.q./Aalbrecht en Looman“), NJ 1997, Nr. 663, S. 3625 ff. Siehe zu den Anfechtungstatbeständen ausführlich im Folgenden unter V. 5. und 6. e). 395
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V. Niederländische Rechtslage
Gleichlaufs des wesentlichen Tatbestandsmerkmals der Gläubigerbenachteiligung regelmäßig auch eine unerlaubte Handlung dar. Liegen die Voraussetzungen der Artt. 42 ff. FW vor, so besteht wohl in Anlehnung an die Entscheidung „Lunderstädt/de Kok q.q.“ nicht nur eine Wahlmöglichkeit zwischen Art. 6:162 BW und der Anfechtung, sondern vielmehr die Möglichkeit einer subsidiären Berufung auf Art. 6:162 BW400. Liegen die Voraussetzungen der Anfechtungstatbestände nicht vor, so kann eine Handlung nur in besonderen Ausnahmefällen eine unerlaubte Handlung begründen401, so beispielsweise bei einer nur selektiven Bezahlung 402. In sämtlichen Fallgruppen einer Haftung Dritter gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft gründet der Hoge Raad allerdings die Haftung ohnehin auf besondere Umstände403 und dies unabhängig von einem eventuellen Zusammenlauf mit den jeweiligen Anfechtungsrechten. Von den Voraussetzungen der Artt. 42 ff. FW losgelöste besondere Umstände finden sich beispielsweise in den Fällen „Keulen/BLG“ und „Coral/Stalt“404. Die Haftung aus unerlaubter Handlung bietet im Vergleich zu den Anfechtungsrechten den Vorteil, dass sie auf einen Schadensersatz gerichtet ist im Gegensatz zu einer reinen Rückgewähr im Rahmen der letzteren405. g) Verfahren Das Verfahren zur Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 6:162 BW richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln des Rv. Aufgrund der Insolvenznähe der betrachteten unerlaubten Handlungen als auch aufgrund der vielfach konzernrechtlichen Einbettung der jeweiligen Sachverhalte hat die Rechtsprechung allerdings vor allem im Hinblick auf die Klagebefugnis sowie die Darlegungs- und Beweislast spezifische Regelungen entwickelt.
400
HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603 ff. Siehe auch Hof’s-Hertogenbosch v. 22. Aug. 2002, JOR 2002, Nr. 209. 401 HR v. 16. Juni 2000, Nr. C98/308 („Van Dooren q.q./ABN Amro I“), NJ 2000, Nr. 578, S. 4012, 4022. Siehe hierzu ausführlich Steffens, Onrechtmatige daadvordering en aansprakelijkheid van bestuurders, S. 82 ff., 90 ff. m.w.N. 402 HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4233. 403 Siehe hierzu bereits oben unter V. 3. d). 404 Siehe hierzu oben unter V. 3. d) (2) und (6). 405 Siehe nur van Schilfgaarde, Anmerkung zu HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4233. Siehe zu den Anfechtungsrechten im Folgenden unter V. 5. und 6. e).
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(1) Klagebefugnis Die Tatsache, dass das niederländische Recht eine unerlaubte Handlung in den verschiedensten Formen der Verletzung einer Sorgfaltspflicht gegenüber den Gläubigern sieht, spiegelt sich nicht nur in der materiell rechtlichen Stellung der geschädigten Gläubiger wider, sondern auch in der Klagebefugnis. Grundsätzlich ist der individuell geschädigte Gläubiger zur Geltendmachung seines Schadens berechtigt, den er durch die Verletzung der gegenüber ihm bestehenden Sorgfaltspflicht erlitten hat 406. Ob über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, wirkt sich auf die Klagebefugnis nicht aus, da die Schadensersatzforderung gerade keine Masseforderung darstellt, sondern eine Forderung der Gläubiger gegen den unerlaubt handelnden Geschäftsführer, Gesellschafter oder Gläubiger407. Obwohl es sich beim Anspruch gemäß Art. 6:162 BW also um einen Anspruch der Gläubiger gegen Dritte und nicht gegen die Gesellschaft beziehungsweise Insolvenzmasse handelt, hat der Hoge Raad in der Entscheidung „Peeters/Gatzen“ vom 14. Januar 1983 anerkannt, dass auch ein Insolvenzverwalter im Namen der Gläubiger einen Anspruch aus unerlaubter Handlung geltend machen kann, sofern die Gesamtheit der Gläubiger einen Nachteil erlitten hat 408. Um diesen Anspruch geltend machen zu können bedarf es einer Genehmigung durch den zuständigen Insolvenzrichter409. In welchen Fällen eine solche Benachteiligung der Gläubigergesamtheit beziehungsweise ein Verstoß gegen eine Sorgfaltspflicht zum Schutz der Gläubigergesamtheit vorliegt, sodass die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters begründet ist, wird in der Literatur unterschiedlich beurteilt 410. Eine eindeutige Stellungnahme der Rechtsprechung fehlt. Einigkeit besteht darin, dass im Falle einer Verminderung des Gesellschaftsvermögens durch einen Abfluss der Aktiva ohne werthaltige Gegenleistung eine Be-
406
HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/053 („Lunderstädt/De Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618. Vgl. auch HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. 407 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618. 408 HR v. 14. Jan. 1983, Nr. 12026 („Peeters/Gatzen“), NJ 1983, Nr. 597, S. 1876, 1877. Siehe auch HR v. 8. Nov. 1991, Nr. 14278 („Nimox“), NJ 1992, Nr. 174, S. 654, 664; HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C99/341 („Sobi/Hurks II“), NJ 2005, Nr. 96, S. 619, 669; HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. 409 Art.68 Abs. 2 FW. 410 Siehe zum Streitstand nur Janssen/Boeve, in: van de Hel/van den Nieuwenhuijzen/Verdonschot, Het Voorontwerp Insolventiewet, S. 93, 94 ff.
370
V. Niederländische Rechtslage
nachteiligung der Gläubigergesamtheit gegeben ist 411. Die Literatur spricht insofern auch von einem von der Gesellschaft abgeleiteten Schaden412. Ob ein solcher auch in den übrigen Fallgruppen gegeben ist, hängt von der jeweils verletzten Sorgfaltspflicht sowie den tatsächlichen Umständen des Falls ab. So kann beispielsweise die Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten je nach Fallgestaltung zu einer Erhöhung der Insolvenzquote für die Altgläubiger führen und damit gerade nicht zu einem die Gläubigergesamtheit treffenden Schaden. Ebenso können im Rahmen selektiver Bezahlungen sowohl sämtliche als auch nur einzelne Gläubiger benachteiligt werden413. Sofern die Gläubigergesamtheit zwar keinen Nachteil erlitten hat, jedoch von einer Forderung gemäß Art. 6:162 BW profitieren würde, lehnt der Hoge Raad in der Entscheidung „Bannenberg/de Bont“ eine Klagebefugnis des Insolvenzverwalters ab414. Eine solche hatte die Vorinstanz noch angenommen, da durch die Haftung vorrangige Forderunge in erheblichem Umfang nicht zu berücksichtigen gewesen wären, sodass den übrigen Gläubigern ein größerer Betrag zu Gute gekommen wäre415. Ist der Insolvenzverwalter klagebefugt, so schließt dies die Klagebefugnis individueller Gläubiger nicht aus 416. Strengt der Insolvenzverwalter jedoch eine auf Art. 6:162 BW gestützte Klage an, so wird in der Regel eine solche vorrangig zu behandeln sein – nicht zuletzt deshalb, weil von deren Ausgang und der sich hieran anschließenden Verteilung der Masse der tatsächliche Forderungsausfall und somit auch der tatsächliche Schaden der individuellen Gläubiger abhängig ist417.
411 Van Schilfgaarde, Anmerkung zu HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2987, 2988; van Andel, in: Van Andel/Verstijlen, Preadviezen 2006, S. 5, 41; Janssen/Boeve, in: van de Hel/van den Nieuwenhuijzen/Verdonschot, Het Voorontwerp Insolventiewet, S. 93, 96; Kortmann/Vermunt, AA 2006, S. 732, 733 f.; van Koppen, Reactie op de reactie inzake Notarissen/Curatoren THB, AA 1998, S. 678; Timmermann, TVVS 1998, S. 97, 100; Kortmann/Faber, AA 1998, S. 268, 272; Vriesendorp, AA 1997, S. 809, 813. 412 Siehe nur Timmerman, TVVS 1998, S. 97, 100. 413 Van Andel, in: van Andel/Verstijlen, Preadviezen 2006, S. 5, 41 ff. Siehe auch Generalanwalt Huydecoper, Schlussanträge, in: HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 608 ff. 414 HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 29744, 2987. 415 Ausführungen des Hof’s-Hertogenbosch, in: HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2976 f. 416 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618. 417 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618 f. Siehe auch HR v. 16. Sept. 2005, Nr. C04/128 („Bannenberg q.q./de
3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak
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(2) Darlegungs- und Beweislast Mangels einer gesonderten Regelung zur Darlegungs- und Beweislast trägt der klagende Gläubiger oder Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast 418. Er hat insbesondere darzulegen und zu beweisen, dass der von der Haftung Betroffene um die kritische finanzielle Situation der Gesellschaft wusste beziehungsweise hätte wissen müssen419. Der Hoge Raad sieht jedoch verschiedene Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast vor, unter anderem indem er unter bestimmten Umständen von einer unwiderlegbaren Vermutung bezüglich des Wissens um die Benachteiligung einzelner Gläubiger ausgeht 420. Weist der klagende Gläubiger die intensive Bemühung der Muttergesellschaft um die Geschäftsvorgänge der Tochtergesellschaft nach, so vermutet der Hoge Raad, dass die Muttergesellschaft zum Zeitpunkt der selektiven Zahlung über den gleichen Kenntnisstand wie die Tochtergesellschaft hinsichtlich der möglichen Folgen der Zahlung für die übrigen Gläubiger verfügt 421. Unter Umständen kann einen Geschäftsführer auch eine sekundäre Behauptungslast treffen. In der Entscheidung „Veenbring/Baarsma“ vom 27. November 1998 bestätigte der Hoge Raad die Auffassung der Vorinstanz, dass die vom Kläger vorgebrachte Behauptung der Zahlungsverwiegerung mangels wirksamen Bestreitens als zugestanden gelte, sofern der Geschäftsführer keine Buchhaltungsunterlagen vorlege, aus denen die tatsächliche Zahlungsunfähigkeit hervorgehe422. Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft gemäß Art. 2:10 BW verpflichtet ist, die Bücher der Gesellschaft so zu führen, dass jederzeit die finanziellen Verpflichtungen der Gesellschaft daraus ersichtlich sind 423.
Bont“), NJ 2006, Nr. 311, S. 2974, 2987. Siehe zur Feststellung des individuellen Schadens erst nach Verteilung der Insolvenzmasse bereits oben unter V. 3. e) (1). 418 Artt. 24, 149 Abs. 1, 150 Rv. 419 Siehe nur HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654, 3664. 420 Klaassen, in: Kortmann/Faber/Strens-Meulemeester, Vertegenwoordiging en tussenpersonen, S. 89 ff.; Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 285. Grundlegend HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232 f. Siehe auch van Schilfgaarde, Anmerkungen zu HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4233, 4234 f. 421 HR v. 12. Juni 1998, Nr. C97/070 („Coral/Stalt“), NJ 1998, Nr. 727, S. 4219, 4232 f. 422 HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654, 3664. 423 Lennarts, Conernaansprakelijkheid, S. 251 ff.; Van den Ingh, in: van den Ingh/van Solinge/Maeijer, Drie Nijmeegse redes, S. 1, 12.
372
V. Niederländische Rechtslage
Schließlich kann sich die Beweislastverteilung aus Billigkeitserwägungen soweit verschieben, dass es zu einer Umkehr der Beweislast kommt424. Allerdings finden sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur vereinzelt Hinweise zu möglichen Sachverhalten, die eine solche Umkehr rechtfertigen. In der Entscheidung „Van Waning/van der Vliet“ aus dem Jahr 1992 erwägt der Hoge Raad, dass es in einem Fall der Zahlungsverweigerung eines Geschäftsführers auf der Hand läge, von demjenigen, der vollständige Leitungsmacht in der Gesellschaft besäße, zu verlangen, dass dieser auch darlegt, dass die Gesellschaft nicht in der Lage sei zu bezahlen425. In der zwei Jahre später ergangenen Entscheidung „Romme/Bakker“ weist der Hoge Raad jedoch darauf hin, dass allein eine vollumfassende Leitungsmacht eines alleinigen, geschäftsführenden Gesellschafters noch keine Beweislastumkehr rechtfertige und gerade keine Grundlage für eine diesbezügliche allgemeine Regel darstelle 426. Allerdings nimmt der Hoge Raad im Hinblick auf das Wissen oder Wissenmüssen um die kritische finanzielle Situation der Gesellschaft und eine drohende Gläubigerbenachteiligung jedenfalls in den Fällen eine Beweislastumkehr an, in denen eine Gesellschaft beim Eingehen einer Verbindlichkeit selbst nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügt um der Verbindlichkeit nachzukommen, sondern von einem Zufluss durch eine Tochtergesellschaft abhängig ist 427. (3) Verjährung Deliktische Ansprüche verjähren wie nahezu sämtliche Schadensersatzansprüche gemäß Art. 3:310 Abs. 1 S. 1 BW innerhalb von fünf Jahren mit Beginn des Tages, der auf den Tag folgt, an dem der Geschädigte sowohl vom Schaden als auch von der haftenden Person Kenntnis erlangt hat. Der Anspruch verjährt spätestens mit Ablauf von zwanzig Jahren nach dem Ereignis, durch das der Schaden verursacht worden ist 428. Grundsätzlich ist somit die Kenntnis des geschädigten Gläubigers für die Verjährung maßgeblich. In den Fällen, in denen die Gläubigergesamtheit von der uner-
424
HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654,
3664. 425 HR v. 3. April 1992, Nr. 14577 („Van Waning/Van der Vliet“), NJ 1992, Nr. 411, S. 1646, 1651. 426 HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654, 3664. 427 HR v. 10. Juni 1994, Nr. 15435 („Romme/Bakker“), NJ 1994, Nr. 766, S. 3654, 3664. Siehe auch HR v. 20. Nov. 1998, Nr. 16691 („Møkster/Wijsmuller“), NJ 1999, Nr. 684, S. 4016, 4035 f., wo der Hoge Raad allerdings die Beweislastumkehr ablehnt. 428 Art. 3:310 Abs. 1 Alt. 2 BW.
3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak
373
laubten Handlung nachteilig betroffen ist und somit der Insolvenzverwalter klagebefugt ist 429, wird auf dessen Kenntnis abzustellen sein. (4) Verfahrenskosten Die Verfahrenskosten trägt grundsätzlich die unterlegene Partei430. Ist der Insolvenzverwalter aufgrund eines die Gläubigergesamtheit treffenden Nachteils klagebefugt und unterliegt dieser, so sind die Verfahrenskosten wohl als Teil der besonderen Insolvenzkosten anzusehen und somit von der Masse vorrangig zu tragen431. Anders als im Rahmen von Art. 2:248 BW besteht im Falle der Massearmut gerade keine Möglichkeit einen Kostenvorschuss durch das Justizministerium zu beantragen432. h) Rechtsvergleichende Anmerkungen Die diversen Fallgruppen der deliktischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW weisen eine enge Verwandtschaft zur Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung auf. Beide Haftungen zielen funktional auf einen Schutz der Gläubiger, indem sie diversen Personengruppen die Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen auferlegen. Tatbestandlich sind beide Haftungen in deliktische Generalklauseln eingebettet. In den Niederlanden haben sich jedoch mehr Fallgruppen als in Deutschland etabliert, die eine größere Varianz an Sachverhalten erfassen und so verschiedene Aspekte des Gläubigerschutzes abdecken. Dies führt insbesondere zu einem im Vergleich zu Deutschland größeren Kreis an potentiellen Haftungsadressaten. Der wohl deutlichste Unterschied zur deutschen Haftung liegt auf der Rechtsfolgenseite. Anders als in Deutschland wird in den Niederlanden der Schutz der Gläubiger im Rahmen der Haftung gemäß Art. 6:162 BW nicht zwingend durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert. Dieser Unterschied wirkt sich aber nicht nur auf Rechtsfolgenseite aus, sondern auch auf das Verfahren und dort auf die Klagebefugnis. (1) Sachlicher Anwendungsbereich und Verfahren Der sachliche Anwendungsbereich der niederländischen Haftung ist ebenso wenig wie der der Existenzvernichtungshaftung433 auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren beschränkt. Im Gegensatz zur deutschen Existenzvernichtungshaftung ist die niederländische Haftung darüber hinaus je nach 429
Siehe zur Klagebefugnis des Insolvenzverwalters bereits oben unter V. 3. g) (1). Art. 237 Abs. 1 Rv. 431 Siehe hierzu bereits oben unter V. 2. f) (4). 432 Siehe Art. 2 Abs. 1 Garantstellingsregeling curatoren 2012 v. 27. Jan. 2012, Staatscourant 2012, Nr. 3973. 433 Siehe oben unter II. 4. a). 430
374
V. Niederländische Rechtslage
Fallgruppe auch nicht zwingend auf eine materiell insolvente Gesellschaft oder eine solche in Liquidation beschränkt. Befindet sich die Gesellschaft in einem Insolvenzverfahren, so ist anders als in Deutschland nicht zwingend allein der Insolvenzverwalter klagebefugt. Vielmehr können grundsätzlich auch individuelle Gläubiger ihren Anspruch verfolgen, sofern sie einen individuellen Schaden erlitten haben. Sie sind gerade nicht, wie im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung, auf eine Pfändung und Überweisung des Anspruchs der Gesellschaft verwiesen434. Allerdings tritt in den Niederlanden der Anspruch der individuellen Gläubiger rechtspraktisch zunächst hinter den des Insolvenzverwalters zurück. Der Insolvenzverwalter ist dann klagebefugt, sofern durch die unerlaubte Handlung die Gläubigergesamtheit einen Schaden erlitten hat. Die Darlegungs- und Beweislast trägt ebenso wie in Deutschland grundsätzlich der Kläger. Die niederländische Rechtsprechung sieht jedoch in größerem Maße als die deutsche diverse Erleichterungen der Darlegungsund Beweislast bis hin zu einer Beweislastumkehr vor. Die Verjährungsfrist der Ansprüche ist wie bereits bei den Ansprüchen gemäß Art. 2:248 BW mit fünf Jahren ein wenig länger als die grundsätzlich dreijährige Verjährungsfrist der Ansprüche aufgrund eines existenzvernichtenden Eingriffs 435. (2) Haftender Personenkreis Je nach niederländischer Fallgruppe kommen ebenso wie bei der Existenzvernichtungshaftung Gesellschafter und Geschäftsführer als Haftungsadressaten in Betracht. Die niederländische Geschäftsführerhaftung erfasst darüber hinaus und im Unterschied zur deutschen Haftung in größerem Maße rein faktische Geschäftsführer. Dies ist bereits dann der Fall, wenn Dritte sich intensiv um die Geschäfte der Gesellschaft bemüht haben. Unter Umständen kann auch bereits eine potentielle Eingriffsmöglichkeit in die Geschäftsführung einer abhängigen Gesellschaft ausreichen, um die Stellung als möglicher Haftungsadressat zu begründen. Der deutschen Existenzvernichtungshaftung völlig fremd ist schließlich die Möglichkeit, dass auch einzelnen Gläubigern gewisse Rücksichtsnahmepflichten im Hinblick auf die übrigen Gläubiger auferlegt werden und diese somit ebenfalls als potentielle Haftungsadressaten in Betracht kommen.
434 435
Siehe oben unter II. 4. g). Siehe oben unter II. 4. i).
3. Deliktische Haftung – indirecte doorbraak
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(3) Tatbestand Die niederländische Haftung ist ebenso wie die deutsche in einen deliktischen Generaltatbestand eingebettet und wird durch diverse Fallgruppen konkretisiert. Der gemeinsame Kern sämtlicher betrachteter Fallgruppen der niederländischen Haftung für eine unerlaubte Handlung liegt in der Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen. Diese Pflicht liegt auch der Existenzvernichtungshaftung zugrunde. Anders als bei der Existenzvernichtungshaftung besteht in den Niederlanden diese Pflicht jedoch grundsätzlich gegenüber jedem einzelnen Gläubiger. Allerdings besteht die Pflicht ebenso wie die im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung auch gegenüber der Gläubigergesamtheit – im Rahmen der letzteren jedoch mediatisiert über die Gesellschaft. Die Pflicht besteht nach deutschem Recht daher in der Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger436. Stellt man allerdings darauf ab, dass die niederländische Pflicht grundsätzlich auch gegenüber der Gläubigergesamtheit besteht, so ist der Schritt zur Mediatisierung über die Gesellschaft nicht weit. In den Niederlanden führen sämtliche Verletzungen gesellschaftsrechtlicher Regeln und Pflichten zu einer Haftung gegenüber den Gläubigern, von denen der Handelnde hätte wissen müssen oder wenn er zumindest ernsthaft damit hätte rechnen müssen, dass Gläubiger mit ihren Forderungen ausfallen werden. So können beispielsweise eine fehlerhafte Geschäftsführung, fehlerhafte Beschlüsse der Gesellschafter oder ein missbräuchliches Ausnutzen der Haftungsbeschränkung die Haftung begründen. Die gegenüber den Gläubigern bestehende Pflicht kann unter Umständen sogar soweit reichen, dass diese über die finanzielle Situation der Gesellschaft zu informieren sind. Folge dieses umfassenden Schutzes ist, dass anders als bei der Existenzvernichtung gerade nicht nur ein wie auch immer gearteter Abfluss liquider Mittel der Gesellschaft sanktioniert wird, sondern beispielsweise auch bereits das Begründen neuer Verbindlichkeiten, das Erwecken des Anscheins der Kreditwürdigkeit bis hin zu einer unterlassenen Information beziehungsweise einer unterlassenen Anfrage eines Sanierungsverfahrens. Da in den Niederlanden auch ein Unterlassen eine Haftung begründen kann, führt darüber hinaus auch eine Unterkapitalisierung der Gesellschaft zu einer Haftung, sofern der Handelnde hätte wissen müssen, dass die Gesellschaft infolge dieser nicht oder nur zum Teil ihren Verbindlichkeiten würde nachkommen können und dieser nicht eingegriffen hat. Ist die Beeinträchtigung der Fähigkeit zur Zahlung der 436
Siehe oben unter II. 4. c) (1).
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V. Niederländische Rechtslage
Verbindlichkeiten absehbar, so können auch eine unternehmerische Fehlentscheidung und Risikogeschäfte zu einer Haftung führen. Eine Vermögensvermischung wird schließlich ebenfalls eine Haftung nach Art. 6:162 BW begründen können, da auch in einem solchen Fall der Handelnde es zumindest zulässt, dass infolge der ungeordneten finanziellen Verhältnisse der Gesellschaft diese ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommt. Eine Insolvenzverursachung oder -vertiefung setzt die niederländische Haftung gerade nicht voraus. Der Pflichtenkreis in den Niederlanden ist somit umfassender. Dieser Unterschied zwischen den tatbestandlichen Ausgestaltungen wird noch dadurch verstärkt, dass die niederländische Haftung ohne ein Vorsatzmoment auskommt. Während die deutsche Haftung zumindest eine billigende Inkaufnahme der Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten voraussetzt437, genügt in den Niederlanden bereits, dass der Handelnde davon hätte ausgehen müssen oder bereits ernsthaft damit hätte rechnen müssen. Aufgrund der deliktischen Einbettung beider Haftungen setzen diese schließlich einen durch die Pflichtverletzung und somit durch die unerlaubte Handlung verursachten Schaden voraus. Anders als die Existenzvernichtungshaftung stellt die Haftung im Rahmen des Art. 6:162 BW jedoch auf den unmittelbar durch die Gläubiger erlittenen Schaden ab. Bei einem Vermögensschaden der Gesellschaft bei existenzvernichtenden Eingriffen, der so weit reicht, dass die Gesellschaft in die Insolvenz fällt oder eine solche vertieft, liegt jedoch ebenfalls ein Vermögensschaden der Gläubiger vor. (4) Rechtsfolgen Der Unterschied zwischen der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung nach Art. 6:162 BW, der sich durch die jeweilige Pflichtenbindung und die Klagebefugnis bereits angedeutet hat, liegt auf Rechtsfolgenseite. Der unerlaubt handelnde Geschäftsführer, Gesellschafter oder Gläubiger haftet unmittelbar gegenüber den geschädigten Gläubigern der Gesellschaft und zwar in der Höhe des von den jeweiligen Gläubigern erlittenen Vermögensschadens. Da der Schaden bereits vom Gesellschaftsvermögen losgelöst ist, stellt sich in den Niederlanden schon nicht die Frage nach der Erstattungsfähigkeit von Kollateralschäden. Haben die Gläubiger einen Schaden erlitten, so ist dieser zu ersetzen und zwar unabhängig davon, ob die Summe sämtlicher Gläubigerschäden den Wert des der Gesellschaft entzogenen Vermögensgegenstands übersteigt. Hat die Gläubigergesamtheit einen Schaden erlitten, so kann der Insolvenzverwalter den Anspruch 437
Siehe oben unter II. 4. c) (3).
4. Vereenzelviging
377
an sich ziehen. Ebenso wie bei der Pflichtbindung ist somit der Unterschied zur Existenzvernichtungshaftung nicht groß. In einem existenzvernichtenden Eingriff liegt gerade eine Schädigung der Gläubigergesamtheit, sodass in einem solchen Fall der Schutz ebenfalls über die Insolvenzmasse mediatisiert wird.
4. Richterrechtliche Aufhebung der rechtlichen Selbstständigkeit zweier Rechtssubjekte – vereenzelviging 4. Vereenzelviging Neben den soeben beschriebenen Formen eines direkten und indirekten Haftungsdurchgriffs findet sich in der Rechtsprechung die richterliche Fiktion des sogenannten vereenzelviging438. Unter vereenzelviging versteht das niederländische Recht „das außer Acht Lassen der Identitätsverschiedenheit zwischen einer juristischen Person und einer anderen juristischen Person oder einer natürlichen Person“439. Folge der richterlichen Fiktion ist, dass ein Verhalten, eine Eigenschaft oder auch Wissen des einen Rechtssubjekts dem anderen zugerechnet wird440. Kann eine solche Einheit zwischen zwei Rechtssubjekten angenommen werden, so haftet die eine Person für die Verbindlichkeiten der anderen in Form eines direkten Durchgriffs 441. Durch das vereenzelviging wird somit die Grundregel des Art. 2:175 Abs. 1 BW, aber auch der allgemeineren Regel des Art. 3:276 BW, nämlich dass eine Rechtsperson ausschließlich für eigene Verbindlichkeiten haftet, relativiert 442. Der Hoge Raad sieht allerdings nur unter besonderen Umständen, die stark vom jeweiligen Einzelfall abhängen, die Möglichkeit des vereenzelviging443. Eindeutige Aussagen der Rechtsprechung, in welchen Fällen sol-
438
Grundlegend HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825 ff. 439 Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4832. Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie, 2-II, Nr. 825; Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 265; De Groot/Mulder, in: BW-krant jaarboek, S. 123, 140. 440 Groenewoud, V&O 1/2003, S. 4; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie, 2-II, Nr. 825. Siehe auch HR v. 3. Nov. 1995, Nr. 15782 („Roco“), NJ 1996, Nr. 215, S. 1047, 1063. 441 Groenewoud, V&O 1/2003, S. 4; Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 265; Dorresteijn, Substance over form in het ondernemingsrecht, S. 21; Timmerman, Ondernemingsrecht 2001, S. 294, 296; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie, 2-II, Nr. 835. 442 Siehe nur Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 265 m.w.N. 443 HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836; HR v. 9. Juni 1995, Nr. 8551 („Krijger/Citco“), NJ 1996, Nr. 213, S. 1023, 1036.
378
V. Niederländische Rechtslage
che Umstände vorliegen, fehlen444. Eine der möglichen Fallkonstellationen liegt in einem Missbrauch der rechtlichen Selbstständigkeit juristischer Personen zum Nachteil Dritter445. Dieser kann unter anderem im Fall der Vermögensvermischung oder in einer Gesetzesumgehung mittels einer juristischen Person liegen446. Ebenfalls kann unter Umständen die Selbstständigkeit juristischer Personen aufgehoben werden, wenn aufgrund einer gemeinsamen Geschäftsanschrift und einer gemeinsamen Personalausstattung der Schein der Identität beider Gesellschaften geweckt wird oder im Falle von B.V.-Stafetten447. Das Ausnutzen unternehmerischer Macht zulasten Dritter begründet in der Regel jedoch auch bereits eine unerlaubte Handlung 448. Aufgrund der Unklarheiten im Tatbestand und der äußerst zurückhaltenden Handhabe des Hoge Raad hinsichtlich der Anwendung des vereenzelviging wird in der Literatur daher auch eine ergänzende, wenn nicht sogar alleinige Heranziehung einer Haftung für eine unerlaubte Handlung befürwortet449. Aus den Entscheidungen des Hoge Raad lässt sich darüber hinaus schließen, dass eine Haftung für vereenzelviging ohnehin nur als ultima ratio möglich ist, sofern das gesetzliche System nicht anderweitig zu vergleichbaren Ergebnissen führt450. Nicht zuletzt aus diesem Grund finden sich in der Rechtsprechung kaum Entscheidungen, in denen eine Haftung auf vereenzelviging gestützt wird451.
444
Siehe nur Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 271. HR v. 9. Juni 1995, Nr. 8551 („Krijger/Citco“), NJ 1996, Nr. 213, S. 1023, 1036; HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836. Siehe auch Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 3. Nov. 1995, Nr. 15782 („Roco“), NJ 1996, Nr. 215, S. 1047, 1057. 446 Siehe Rb. Amsterdam v. 20. Jan. 1994, („Café De Zeilvaart“), KG 1994, Nr. 79, S. 161 f. zur Vermögensvermischung in Verbindung mit einer engen Verstrickung einer Holdinggesellschaft mit einer ihrer Tochtergesellschaften sowie HR v. 19. Sept. 1997, Nr. 16303 („Gaswacht II“), NJ 1998, Nr. 256, S. 1352 ff. zur Umgehung von firmenrechtlichen Vorschriften mittels einer Schwestergesellschaft. 447 Generalanwalt Mok, Schlussanträge, in: HR v. 3. Nov. 1995, Nr. 15782 („Roco“), NJ 1996, Nr. 215, S. 1047, 1057 f. Ablehndend im Falle einer B.V.-Stafette HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836. 448 HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, Nr. 698, S. 4825, 4836. Siehe hierzu ausführlich oben unter V. 3. d). 449 Maeijer, Anmerkung zu HR v. 13. Okt. 2000, Nr. C98/377 („Rainbow“), NJ 2000, S. 4837, 4838 f.; Groenewoud, V&O 1/2003, S. 4, 6; Timmerman, Ondernemingsrecht 2001, S. 294, 296, 300; van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 835. 450 De Groot/Mulder, in: BW-krant jaarboek, S. 123, 140; Timmerman, Ondernemingsrecht 10/2001, S. 294, 299; Groenewoud, V&O 1/2003, S. 4, 6; Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 265. 451 Siehe die Auflistung ablehnender Entscheidungen bei van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 835. Siehe auch Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 273 445
4. Vereenzelviging
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Die praktische Bedeutung der Haftung wird schließlich dadurch relativiert, dass durch ein vereenzelviging dem Kläger lediglich die Möglichkeit eröffnet wird, seine ursprüngliche Forderung gegen eine andere Person geltend zu machen452. Wird hingegen eine Haftung auf eine unerlaubte Handlung gestützt, so kann der geschädigte Gläubiger Schadensersatz fordern453. Die Haftung für vereenzelviging sanktioniert wie ursprünglich auch die Existenzvernichtungshaftung 454 vor allem einen Missbrauch der juristischen Person und zwar dort, wo die gesetzlichen Regelungen Lücken aufweisen. Auch die Parallelität zwischen der Annahme eines vereenzelviging und der daraus folgenden Haftung und der deliktischen Haftung fand sich vor der Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als besondere Fallgruppe im Rahmen des § 826 BGB in Deutschland. Insbesondere im Fall „Rheumaklinik“ stützt der Bundesgerichtshof die Haftung für einen existenzvernichtenden Eingriff mit fast wortgleicher Begründung auf die alte Existenzvernichtungshaftung und auf § 826 BGB455. Der Bundesgerichtshof hat jedoch sowohl den Missbrauchsgedanken als auch die Parallelität von deliktischer und richterrechtlicher Haftung mit der Einordnung der Existenzvernichtungshaftung als deliktische Haftung aufgegeben456. Die Niederlande vollziehen letzteren Schritt zumindest rechtspraktisch ebenfalls nach. Die richterrechtliche Haftung für vereenzelviging tritt hinter die deliktische Haftung zurück. Sollte die umfangreiche deliktische Haftung in den Niederlanden in besonderen Ausnahmefällen des Missbrauchs der juristischen Person nicht zur Anwendung gelangen, so verbleibt allerdings der Rückgriff auf die richterrechtliche Haftung. Dem niederländischen Recht verbleibt somit anders als dem deutschen Recht eine zusätzliche rein richterrechtliche Haftung, die in besonderen Ausnahmefällen auch dann zu einer Haftung führt, sollten die gesetzlichen Mechanismen zu keinem Erfolg führen. Aufgrund des bereits sehr weiten Anwendungsbereichs der deliktischen Haftung dürfte eine solche Ausnahme für die Fälle existenzvernichtender Eingriffe bereits nicht vorliegen. Insbesondere in den Fällen der Vermögensvermischung trägt das niederländische Recht jedoch den
die darauf hinweisen, dass in keiner der seit 2004 ergangenen Entscheidungen eine Berufung auf vereenzelviging eine Haftung nicht zu begründen vermochte. 452 Bartman/Dorresteijn, Van het concern, S. 268; Groenewoud, V&O 1/2003, S. 4, 6; Timmerman, Ondernemingsrecht 2001, S. 294, 296, 300. 453 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter V. 3. e). 454 Siehe oben unter II. 1. b). 455 BGH, Urteil v. 20. Sept. 2004, II ZR 302/02 („Rheumaklinik“), ZIP 2004, S. 2138 ff. Siehe hierzu bereits oben unter II. 1. b) (3) und (4). 456 Siehe oben unter II. 1. c).
380
V. Niederländische Rechtslage
tatsächlichen Umständen mit der Figur des vereenzelviging umfassender Rechnung als das deutsche Recht.
5. Insolvenzanfechtung – faillissementspauliana, Artt. 42 ff. FW 5. Faillissementspauliana Die Insolvenzanfechtung, sogenannte faillissementspauliana, ist in den Artt. 42 ff. FW geregelt457. Das Gesetz unterscheidet gemäß Art. 42 und Art. 47 FW grundsätzlich zwischen der Anfechtung solcher Rechtshandlungen, zu denen der Insolvenzschuldner nicht verpflichtet war (siehe im Folgenden unter a)) und solchen, zu denen der Insolvenzschuldner verpflichtet war (siehe im Folgenden unter b))458. Die Rechtsfolge und das Anfechtungsverfahren sind für beide Anfechtungsmöglichkeiten einheitlich in den Artt. 49 ff. FW geregelt (siehe im Folgenden unter c) und e)). Die Insolvenzanfechtung ist nur im Rahmen eines faillissement möglich459. a) Anfechtung gemäß Art. 42 FW Den Ausgangspunkt der verschiedenen Anfechtungsmöglichkeiten bildet Art. 42 FW. Dieser bestimmt in Absatz 1 Satz 1, dass der Insolvenzverwalter zugunsten der Masse jede Rechtshandlung, die der Insolvenzschuldner vor der Insolvenzerklärung vorgenommen hat, ohne dass er zu dieser verpflichtet war und von der er wusste oder wissen musste, dass hierdurch Gläubiger benachteiligt werden, durch eine außergerichtliche Erklärung für nichtig erklären kann. (1) Freiwillige Rechtshandlung Gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW können allein solche Rechtshandlungen angefochten werden, zu denen weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Pflicht bestand460. So ist beispielsweise die Zahlung einer nicht fälligen Schuld eine solche freiwillige Rechtshandlung im Sinne des Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW461. Auch die Einräumung von Sicherheiten, sofern hierzu keine 457 Siehe ergänzend bereits oben zur Anfechtung gemäß Art. 2:248 Abs. 9 BW unter V. 2. d) (3). 458 Siehe Art. 42 FW Abs. 1: „onverplicht“ und Art. 47 FW: „opeisbare schuld“. 459 Siehe nur die Überschrift des zweiten Abschnitts des ersten Titles des FW, der auch die Insolvenzanfechtung regelt: „Van de gevolgen der faillietverklaring“. Siehe zum faillissement bereits oben unter V. 1. h) (2). 460 Siehe auch HR v. 8. Jan. 1937, („Van der Feltz q.q./N.V. Hoornsche Crediet- en Effectenbank“), NJ 1937, Nr. 431, S. 573, 575. 461 Siehe nur Christiaans/Verstijlen, in: van Sint Truiden/Verstijlen, Insolventierecht, Art. 42 Nr. 2 lit. a).
5. Faillissementspauliana
381
ausdrückliche vertragliche Verpflichtung besteht, insbesondere im Falle von Drittsicherheiten, stellt eine solche freiwillige Rechtshandlung dar462. (2) Benachteiligung der Gläubiger Die angefochtene Handlung muss gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW die Gläubiger des späteren Insolvenzschuldners benachteiligt haben. Ob eine Benachteiligung vorliegt, wird anhand der hypothetischen Betrachtung beantwortet, ob die Gläubiger ohne die fragliche Rechtshandlung besser stünden als sie ohne die Anfechtung tatsächlich stehen463. Eine Benachteiligung kann dementsprechend beispielsweise in einem Abfluss liquider Mittel464, in der Bestellung von Sicherheiten465, im Eingehen neuer Verbindlichkeiten sowie in einer selektiven Bezahlung und somit in einem Verstoß gegen die Rangordnung der Gläubiger liegen466. Bei der Feststellung, ob durch die angefochtene Handlung Gläubiger benachteiligt wurden, wird nicht auf den Kreis der Gläubiger zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung oder zum Zeitpunkt der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung abgestellt, sondern auf die Gläubiger, die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorhanden sind 467. Die Benachteiligung muss jedoch grundsätzlich zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung noch vorliegen468. Wird im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens das Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen bestritten, so muss die Benachteiligung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch gegeben sein469.
462 Siehe HR v. 10. Dez. 1976, Nr. 11010 („Eneca“), NJ 1977, Nr. 617, S. 1971, 1973 f.; HR v. 16. Jan. 1987, Nr. 13016 („Steinz q.q./Amro Bank“), NJ 1987, Nr. 528, S. 1853, 1854. 463 HR v. 19. Okt. 2001, Nr. C99/324 („Diepstraten/Gilhuis q.q.“), NJ 2001, Nr. 654, S. 4876, 4886. 464 Siehe HR v. 3. Okt. 1980, Nr. 11556, NJ 1980, Nr. 643, S. 2156 ff. 465 Siehe HR v. 16. Juni 2000, Nr. C98/308 („Van Dooren q.q./ABN Amro I“), NJ 2000, Nr. 578, S. 4012, 4022. 466 Siehe nur Christiaans/Verstijlen, in: van Sint Truiden/Verstijlen, Insolventierecht, Art. 42 Nr. 2 lit. b) mit diversen weiteren Beispielen und Nachweisen der Rechtsprechung. 467 Pannevis, Insolventierecht, S. 113 f.; Christiaans/Verstijlen, in: van Sint Truiden/ Verstijlen, Insolventierecht, Art. 42, Nr. 2 lit. b). 468 HR v. 19. Okt. 2001, Nr. C99/324 („Diepstraten/Gilhuis q.q.“), NJ 2001, Nr. 654, S. 4876, 4886. 469 HR v. 19. Okt. 2001, Nr. C99/324 („Diepstraten/Gilhuis q.q.“), NJ 2001, Nr. 654, S. 4876, 4886 f.
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V. Niederländische Rechtslage
(3) Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Benachteiligung Eine Anfechtung ist nur dann möglich, sofern der Insolvenzschuldner von der Benachteiligung der Gläubiger wusste oder wissen musste470. Handelt es sich um eine entgeltliche Rechtshandlung, so kann diese gemäß Art. 42 Abs. 2 FW nur angefochten werden, sofern beide Parteien von der Benachteiligung wussten oder hätten wissen müssen471. Allein das Wissen um eine möglicherweise eintretende Benachteiligung genügt nicht 472. (4) Vermutungsregelungen, Art. 43 und Art. 45 FW Die strikten Anforderungen an das Wissenselement bei entgeltlichen Rechtshandlungen werden durch einen ausführlichen Katalog an Vermutungsregeln in Art. 43 FW erleichtert. Wurde die angefochtene Handlung innerhalb eines Jahres vor der gerichtlichen Insolvenzerklärung vorgenommen und hat sich der Insolvenzschuldner nicht bereits vor diesem Zeitraum zu dieser Rechtshandlung verpflichtet, so wird gemäß Art. 43 FW das Wissen vorbehaltlich eines Gegenbeweises in diversen Fällen auf beiden Seiten vermutet. Dies ist unter anderem dann der Fall, sofern es sich um Rechtshandlungen unter Beteiligung einer juristischen Person und einer natürlichen Person handelt, wenn letztere Geschäftsführer der juristischen Person ist, mit deren Geschäftsführer verwandt ist oder die natürliche Person gemeinsam mit ihren Verwanden, sei es direkt oder indirekt, mindestens die Hälfte der Gesellschaftsanteile gezeichnet hat473. Handelt es sich um Rechtshandlungen unter Beteiligung zweier juristischer Personen, so wird das Wissen unter anderem dann vermutet, sofern die beiden Gesellschaften einen gemeinsamen Geschäftsführer oder miteinander verwandte Geschäftsführer besitzen oder der Geschäftsführer der einen Gesellschaft mit einem Gesellschafter der anderen Gesellschaft verwandt ist 474. Ebenso wird das Wissen bei Rechtsgeschäften von Konzerngesellschaften untereinander vermutet475. Als Geschäftsführer beziehungsweise Gesellschafter werden auch solche Personen angesehen, die innerhalb eines Jahres vor der Vornahme der fraglichen Handlung eine solche Stellung innehatten476.
470
Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW: „waarvan [de schuldenaar] bij dit verrichten wist of behoorde te weten dat daarvan benadeling van de schuldeisers het gevolg zou zijn“. 471 Art. 42 Abs. 2 FW. 472 HR v. 1. Okt. 1993, Nr. 15098 („Ontvanger/Pellicaan“), NJ 1994, Nr. 257, S. 1107, 1114 f. 473 Art. 43 Abs. 1 Nr. 4 lit. a und b FW. 474 Art. 43 Abs. 1 Nr. 5 lit. a, b und c FW. 475 Art. 43 Abs. 1 Nr. 6 FW. 476 Art. 43 Abs. 4 FW.
5. Faillissementspauliana
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Schließlich wird das Wissen auch bei einem zulasten des Insolvenzschuldners unausgewogenen Leistungsaustausches vermutet477. Im Falle einer unentgeltlichen Rechtshandlung, welche der Insolvenzschuldner binnen eines Jahres vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat, wird sein Wissen beziehungsweise Wissenmüssen um die Benachteiligung der Gläubiger in Folge der Rechtshandlung ohne das Hinzutreten weiterer Umstände vermutet478. b) Anfechtung gemäß Art. 47 FW Die Erfüllung einer Verbindlichkeit durch den Insolvenzschuldner aufgrund eines Gesetzes oder aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung ist gemäß Art. 47 FW nur in zwei Fällen anfechtbar. Entweder wusste derjenige, der die Zahlung empfangen hat, dass ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des späteren Insolvenzschuldners bereits beantragt war oder die Zahlung wurde in Abrede der Parteien zum Zweck der Begünstigung des Zahlungsempfängers vor den anderen Gläubigern geleistet479. Beide Alternativen können ebenfalls eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beteiligten begründen480. Im Rahmen der ersten Alternative ist ein formeller Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erforderlich. Sofern zum Zeitpunkt der fraglichen Zahlung die Parteien lediglich von der Unvermeidbarkeit eines Insolvenzverfahrens ausgegangen sind, ohne dass ein solches bereits beantragt war, ist Art. 47 FW nicht anwendbar481. Die erste Alternative erfasst nicht nur Zahlungen des späteren Insolvenzschuldners, sondern auch solche Zahlungen, die ein Gläubiger des späteren Insolvenzschuldners in Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber dem Insolvenzschuldner an Dritte zahlt, die ebenfalls auch Gläubiger des Insolvenzschuldners sind482. Im Rahmen der zweiten Alternative genügt es zur Annahme eines erforderlichen kollusiven Zusammenwirkens beider Parteien nicht, dass beide von einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger wussten483. Die Zahlung muss gemäß Art. 47 FW gerade die Begünstigung des Zahlungsempfängers bezwecken. 477
Art. 43 Abs. 1 Nr. 1 FW. Art. 45 FW. 479 Art. 47 FW. 480 Siehe Artt. 341, 343 und Art. 344 Wetboek van Strafrecht. 481 HR v. 16. Juni 2000, Nr. C98/308 („Van Dooren q.q./ABN Amro I“), NJ 2000, Nr. 578, S. 4012, 4022; HR v. 29. Juni 2001, Nr. C99/296 („Meijs q.q./Bank of Tokyo“), NJ 2001, Nr. 662, S. 4932, 4948. 482 HR v. 18. Jan. 2008, Nr. C06/111 („S./Brouwer“), NJ 2008, Nr.335, S. 3104, 3131. 483 HR v. 20. Nov. 1998, Nr. 16670 („Verkerk Varkenshandel/Tiethoff q.q.“), NJ 1999, Nr. 611, S. 3453, 3463. 478
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V. Niederländische Rechtslage
c) Rechtsfolge Der Insolvenzverwalter erklärt im Rahmen einer erfolgreichen Anfechtung die angefochtene Rechtshandlung entweder gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW oder Art. 47 FW für nichtig 484. Ficht der Insolvenzverwalter eine freiweillige Rechtshandlung gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW an und wusste der durch die Rechtshandlung Begünstigte von der Benachteiligung nicht und musste von dieser auch nichts wissen, ist ihm gegenüber gemäß Art. 42 Abs. 3 FW eine Anfechtung nicht wirksam, sofern er darlegen und beweisen kann, dass er zum Zeitpunkt der gerichtlichen Insolvenzerklärung und somit zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung 485 durch die in Frage stehende Rechtshandlung nicht mehr bevorteilt ist 486. Ein Vorteil liegt dann vor, sofern das Vermögen der Gegenseite durch die Handlung vergrößert wurde487. Bei einer wirksamen Anfechtung muss gemäß Art. 51 Abs. 1 FW das, was durch die angefochtene Rechtshandlung dem Vermögen des Schuldners entzogen wurde vom Anfechtungsgegner an den Insolvenzverwalter zurückerstattet werden. Bei der Rückabwicklung sind die Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß Artt. 6:203 ff. BW zu beachten488. Auf Seiten des Insolvenzschuldners muss nach Art. 51 Abs. 3 FW der Insolvenzverwalter das, was der Schuldner aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung erhalten hat oder dessen Wert zurückgewähren, sofern die Masse hierdurch bereichert ist. Kann der Insolvenzschuldner das Erhaltene oder dessen Wert nicht zurückgeben, so kann der Anfechtungsgegner seine Forderung als Masseforderung geltend machen489. Haben Dritte vom Anfechtungsgegner in gutem Glauben entgeltlich Rechte an den Vermögensgegenständen, die aufgrund der Anfechtung zurückzuerstatten sind, erworben, werden diese gewahrt490. Gegenüber einem gutgläubigen Dritten, der die Vermögensgegenstände unentgeltlich vom Anfechtungsgegner erworben hat, wirkt eine Anfechtung nicht, sofern er darlegen und beweisen kann, dass er zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund der angefochtenen Rechtshandlung nicht bevorteilt ist 491.
484
Siehe Art. 42 Abs. 1 FW a.E. und Art. 47 FW: „vernietigd“. Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. h) (2). 486 Art. 42 Abs. 3 FW. 487 Siehe nur Christiaans/Verstijlen, in: van Sint Truiden/Verstijlen, Insolventierecht, Art. 42, Nr. 4 mit Verweis auf die Gesetzesmotive. 488 Art. 51 Abs. 1 FW. 489 Art. 51 Abs. 3 FW: „als concurrent schuldeiser opkomen“. 490 Art. 51 Abs. 2 S. 1 FW. 491 Art. 51 Abs. 2 S. 2 FW. 485
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d) Konkurrenzen Die besondere Insolvenzanfechtung der Artt. 42 ff. FW verdrängt die allgemeine Anfechtungsmöglichkeit des Art. 3:45 BW492. Neben die Insolvenzanfechtung tritt regelmäßig eine Haftung für eine unerlaubte Handlung, da nur unter besonderen Umständen eine unerlaubte Handlung vorliegen kann, die nicht auch die Voraussetzung einer Anfechtung begründet493. Da die Haftung gemäß Art. 2:248 BW eine spezialgesetzliche Ausgestaltung der allgemeinen Deliktshaftung darstellt, tritt diese ebenfalls regelmäßig neben die Anfechtungsmöglichkeiten der Artt. 42 ff. FW494. Ebenso tritt die Haftung der Geschäftsführer und Gesellschafter aufgrund einer unrechtmäßigen Auszahlung gemäß Art. 2:216 Abs. 3 BW mit Inkrafttreten der B.V.-Reform neben die Artt. 42 ff. FW495. e) Verfahren Ist eine Rechtshandlung des Insolvenzschuldners anfechtbar, so erklärt der Insolvenzverwalter diese Handlung durch eine außergerichtliche empfangsbedürftige Erklärung gegenüber dem Anfechtungsgegner für nichtig496. Darüber hinaus kann die Nichtigkeit der Rechtshandlung auch im Rahmen einer Anfechtungsklage gerichtlich erklärt werden497. Sämtliche Klagen im Zusammenhang mit den Rechten aus den Artt. 42 ff. FW können jedoch nur mit Zustimmung des zuständigen Insolvenzrichters durch den Insolvenzverwalter erhoben werden498.
492
HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 618. Siehe zur allgemeinen Anfechtung gemäß Art. 3:45 BW im Folgenden unter V. 6. e). 493 HR v. 16. Juni 2000, Nr. C98/308 („Van Dooren q.q./ABN Amro I“), NJ 2000, Nr. 578, S. 4012, 4022. Siehe zum Konkurrenzverhältnis auch bereits oben unter V. 3. f). 494 De Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 105 f.. Siehe hierzu bereits oben unter V. 2. e). 495 Verkerk, Onderneming and Financiering 2008, Nr. 77/78, S. 43, 49. 496 Art. 42 Abs. 1 S. 1 FW. Siehe zur außergerichtlichen Nichtigerklärung auch Artt. 3:49 f. BW. 497 Art. 3:51 BW. Siehe auch Christiaans/Verstijlen, Insolventierecht, Art. 42 FW Nr. 2 lit. d). 498 Art. 49 Abs. 1 i.V.m. Art. 68 FW. Endet ein Insolvenzverfahren mit einem Vergleich, in dem der Schuldner einen Masseverzicht erklärt, so können die auf die Artt. 42 ff. FW gegründeten Forderungen durch einen im Rahmen des Vergleichs berufenen Liquidator zugunsten der Gläubiger geltend gemacht oder weiterverfolgt werden. Wird kein Masseverzicht erklärt, so verfallen die auf die Anfechtungen beruhenden Forderungen mit Anerkennung des Vergleichs, siehe Art. 50 FW.
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V. Niederländische Rechtslage
Den Gläubigern des Insolvenzschuldners steht keine Anfechtungsbefugnis zu 499. Sie können aber gemäß Art. 49 Abs. 2 FW unter Heranziehung der Anfechtungsgründe die Feststellung einer Forderung im Rahmen des Insolvenzverfahrens streitig stellen. Auch können sie beim zuständigen Richter eine Anfechtung durch den Insolvenzverwalter beantragen500. Die Darlegungs- und Beweislast sämtlicher Anfechtungsvoraussetzungen richtet sich mangels einer speziellen Regelung nach den allgemeinen prozessualen Regeln501. Der Insolvenzverwalter als Anfechtender trägt somit die Darlegungs- und Beweislast, die allerdings durch die diversen Vermutungsregeln der Artt. 42 ff. FW erleichtert wird502. Die Verfahrenskosten fallen unter die besonderen Kosten des Insolvenzverfahrens und werden bevorrechtigt von der Insolvenzmasse getragen503. Sofern der Insolvenzschuldner eine juristische Person ist, kann der Insolvenzverwalter darüber hinaus einen Kostenvorschuss durch das Justizministerium beantragen504. Die Anfechtungsfrist beträgt sowohl im Falle des Art. 42 FW als auch im Falle des Art. 47 FW drei Jahre, beginnend ab der Kenntnis des Insolvenzverwalters von der Gläubigerbenachteiligung505. f) Rechtsvergleichende Anmerkungen Auf tatbestandlicher Ebene stellen die Artt. 42 ff. FW die niederländische Parallele zu § 133 InsO dar. In beiden Fällen sind solche Handlungen anfechtbar, die mit dem Vorsatz Gläubiger zu benachteiligen vorgenommen wurden506. Ebenso wie unter Geltung des deutschen Anfechtungsrechts sind somit auch unter Geltung des niederländischen Rechts existenzvernichtende Eingriffe grundsätzlich anfechtbar. Das niederländische Anfechtungsrecht teilt jedoch ebenso wie das Anfechtungsrecht der übrigen betrachteten Länder mit Blick auf existenzvernichtende Eingriffe die gleiche Schwäche. In Folge der Anfechtung ist nur das zurückzugewähren, was durch die anfechtbare Handlung aus der Masse ausgeschieden ist beziehungsweise Wertersatz zu leisten. Die angefochtene Handlung wird rück499 HR v. 21. Dez. 2001, Nr. C00/054 („Lunderstädt/de Kok I“), NJ 2005, Nr. 95, S. 603, 617 f. 500 Art. 69 FW. 501 Artt. 24, 149 Abs. 1, 150 Rv. 502 Siehe zu den Vermutungsregeln bereits oben unter V. 5. a) (4). 503 Art. 3:277 Abs. 1 BW. Siehe ausführlich zur Differenzierung zwischen allgemeinen und besonderen Insolvenzkosten Pannevis, Insolventierecht, S. 284 f. 504 Art. 43 Abs. 6 FW i.V.m. Art. 2:138 Abs. 10 BW sowie der Garantstellingsregeling curatoren 2012 v. 27. Feb. 2012, Staatscourant 2012, Nr. 3973. Siehe hierzu bereits oben unter V. 2. f) (4). 505 Siehe Art. 3:52 Abs. 1 lit. c BW. 506 Siehe zum deutschen Anfechtungsrecht bereits oben unter II. 2. b) (5).
6. Ergänzende Regelungen
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abgewickelt. Die Existenzvernichtungshaftung zielt jedoch gerade auf den Ersatz des oftmals weiterreichenden Vermögensschadens, der der Gesellschaft durch den Vermögensentzug entstanden ist. Ebenso wie in Deutschland wird die beschränkte Rechtsfolge der Anfechtungsrechte allerdings auch in den Niederlanden durch die weiterreichende deliktische und spezialgesetzliche Haftung kompensiert507.
6. Ergänzende Anfechtungsmöglichkeiten sowie Haftungstatbestände 6. Ergänzende Regelungen Auch in den Niederlanden werden die betrachteten Haftungstatbestände und Anfechtungsrechte von diversen weiteren Vorschriften flankiert. Art. 2:203 Abs. 3 BW sieht eine Haftung der Gründer gegenüber Dritten vor und vermag einen Teilbereich der Fallgruppe abzudecken, die in Deutschland unter dem Begriff materielle Unterkapitalisierung diskutiert wird (siehe im Folgenden unter a)). Art 2:9 BW kodifiziert den Grundtatbestand der Haftung der Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft für nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung und dient nicht zuletzt der Konkretisierung der Sorgfaltspflichtverletzung im Rahmen von Art. 6:162 BW (siehe im Folgenden unter b))508. Neben der persönlichen Haftung der Geschäftsführer für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz gemäß Art. 2:248 BW haften Geschäftsführer gemäß Art. 2:249 BW auch Dritten gegenüber, sofern der Jahresabschluss irreführende Angaben enthält (siehe im Folgenden unter d)). Eine weitere Ergänzung situativer ex post-Regeln ist mit der B.V.-Reform im Hinblick auf Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen in Art. 2:216 Abs. 3 BW kodifiziert worden509 (siehe im Folgenden unter c)). Schließlich sind im niederländischen Recht für Gläubiger nachteilige Rechtshandlungen auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens gemäß Art. 3:45 BW anfechtbar (siehe im Folgenden unter e)). a) Gründerhaftung, Art. 2:203 Abs. 3 BW Art. 2:203 Abs. 3 BW kodifiziert die sogenannte „Beklamel“-Haftung510 für die in der Gründung befindliche Gesellschaft. Hintergrund dieser Haftung ist der Umstand, dass eine Gesellschaft bereits vor Abschluss ihrer 507 Siehe zur Haftung gemäß Art. 2:248 BW und Art. 6:162 BW bereits oben unter V. 2. und 3. 508 Siehe hierzu auch bereits oben unter V. 3. d) (1). 509 Siehe zur Reform insgesamt bereits oben unter V. sowie zur Reform des Art. 2:216 BW bereits oben unter V. 1. d). 510 Siehe hierzu bereits ausführlich oben unter V. 3. d) (1).
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V. Niederländische Rechtslage
Gründung, das heißt vor Zeichnung der notariellen Gründungsurkunde511, verpflichtet werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft eine Vorgründungshandlung in ihrem Namen nach ihrer Gründung bestätigt oder die Gründungsurkunde ausdrücklich eine solche Bindung vorsieht 512. Kommt die Gesellschaft ihren Verpflichtungen in Folge einer solchen Bestätigung der Vorgründungshandlungen nicht nach, so haften diejenigen, die im Namen der zu gründenden Gesellschaft gehandelt haben Dritten gegenüber gemäß Art. 2:203 Abs. 3 S. 1 BW für den dadurch erlittenen Schaden, sofern sie wussten oder wissen mussten, dass die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen würde513. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Art. 2:203 Abs. 3 BW die in Deutschland unter dem Begriff materielle Unterkapitalisierung diskutierten Fallgruppen514 zumindest dann zu erfassen vermag, wenn die Gesellschaft die Verbindlichkeiten nicht befriedigt, die bereits vor Abschluss ihrer Gründung entstanden sind. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Wissen beziehungsweise Wissenmüssen der Handelnden ist der Abschluss des jeweiligen Rechtsgeschäfts515. Wird über das Vermögen der Gesellschaft innerhalb eines Jahres nach Gründung ein Insolvenzverfahren eröffnet, so wird das Wissen der Handelnden darüber, dass die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen würde, widerleglich vermutet516. Kommt die Gesellschaft ihren Vorgründungsverbindlichkeiten nicht nach, so muss der geschädigte Dritte nicht erst gegen die Gesellschaft vorgehen, sondern kann unmittelbar diejenigen in Anspruch nehmen, die im Namen der zu gründenden Gesellschaft gehandelt haben517. Auf eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kommt es somit nicht an. Sofern die Gesellschaft trotz ausbleibender Erfüllung der Verbindlichkeit solvent sein sollte, können die in Anspruch genommenen Handelnden bei der Gesellschaft Regress nehmen518. Eine mögliche Haftung der Geschäftsführer aufgrund der erteilten Bestätigung der Vorgründungshandlung, so beispielsweise aufgrund von Art. 2:9 BW, Art. 2:248 BW oder aber auch aufgrund von Art. 6:162 BW, 511
Siehe zum Gründungsverfahren oben unter V. 1. b). Art. 2:203 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BW. Siehe hierzu ausführlich van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nrn. 68 ff. 513 Art. 2:203 Abs. 3 S. 1 BW. 514 Siehe hierzu oben unter II. 4. d) (5). 515 HR v. 28. März 1997, Nr. 16212 („Kabeh Jewels“), NJ 1997, Nr. 582, S. 3152, 3160. 516 Art. 2:203 Abs. 3 S. 2 BW. Siehe auch Hof Amsterdam v. 6. Okt 2005, („Van Kerkwijk/Van den Berg“), JOR 2005, Nr. 293. 517 Siehe nur Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 87. 518 Siehe nur Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 87. 512
6. Ergänzende Regelungen
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bleibt von einer Haftung derjenigen, die im Namen der zu gründenden Gesellschaft gehandelt haben, unberührt 519. b) Haftung für Geschäftsleitungsfehler, Art. 2:9 BW Die jüngste, voraussichtlich am 1. Januar 2013 in Kraft tretende Reform des B.V.-Rechts führt zu einer Konkretisierung des Art. 2:9 BW, dessen Regelung im Kern jedoch erhalten bleibt 520. Der allgemeine Pflichtenrahmen der Geschäftsführer einer B.V. wird auch mit Inkrafttreten der jüngsten Reform weiterhin durch Art. 2:9 BW normiert. Besitzt die Gesellschaft einen Aufsichtsrat, so wird auch dessen Aufgabenerfüllung von Art. 2:9 BW erfasst 521. Schließlich richten sich auch die Pflichten der Liquidatoren gemäß Art. 2:23a Abs. 1 BW nach Art. 2:9 BW. Jeder Geschäftsführer ist gemäß Art. 2:9 S. 1 BW522 gegenüber der juristischen Person zu einer ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben verpflichtet523. Da die Geschäftsführung der B.V. sämtlichen Geschäftsführern als Kollektiv übertragen wird524, bestimmt Art. 2:9 S. 2 BW, dass jeder von ihnen gesamtschuldnerisch gegenüber der Gesellschaft für eine unzulängliche Aufgabenerfüllung haftet525. Anders als im Rahmen der Art. 2:248 und Art. 6:162 BW erfasst Art. 2:9 BW nur formelle Geschäftsführer526. Art. 2:9 BW setzt zunächst ebenso wie Art. 2:248 BW527 eine nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung voraus528. Diese liegt insbesondere dann vor, wenn die Geschäftsführer über das Vermögen der Gesellschaft wie über Eigenes verfügen529. Anders als im Rahmen von Art. 2:248 BW stellt 519
Art. 2:203 Abs. 3 S. 1 BW a.E. Siehe Wet bestuur en toezicht, Art. 2:9 BW. Siehe zur diesbezüglichen Reform des B.V.-Rechts auch bereits oben unter V. 1. a). 521 Art. 2:259 BW. Siehe zur diesbezüglichen Haftung der Aufsichtsratsmitglieder nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 513. 522 Zukünftig Art. 2:9 Abs. 1 S. 1 BW, siehe Wet bestuur en toezicht. 523 Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. f). 524 Vgl. Art. 2:239 Abs. 1 BW. Siehe hierzu bereits oben unter V. 1. f). 525 Art. 2:9 BW: „Indien het een aangelegenheid betreft die tot de werkkring van twee of meer bestuurders behoort, is ieder van hen voor het geheel aansprakelijk terzake van een tekortkoming“. Siehe auch den durch das Wet bestuur en toezicht neu gefassten Art. 2:9 Abs. 2 S. 1 und S. 2 1. HS BW mit leicht geänderte Formulierung: „Elke bestuurder draagt verantwoordelijkheid voor de algemene gang van zaken. Hij is voor het geheel aansprakelijk terzake van onbehoorlijk bestuur [...]“. 526 Siehe nur van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 445. 527 Siehe bereits oben unter V. 2. c) (1). 528 Siehe zu diversen Beispielen auch Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 69 f. 529 Siehe nur HR v. 8. Juli 1991, Nr. 14306 („Metaal en Buizen“), NJ 1991, Nr. 765, S. 3336 ff. 520
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V. Niederländische Rechtslage
die Rechtsprechung im Rahmen des Art. 2:9 BW grundsätzlich darauf ab, ob den Geschäftsführern im Hinblick auf die nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung ein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann530. Mit der jüngsten Reform wird diese Rechtsprechung zukünftig in Art. 2:9 BW kodifiziert531. Besteht die Geschäftsführung aus mehreren Geschäftsführern, so ist nicht erforderlich, dass jedem einzelnen Geschäftsführer ein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann. Im Hinblick auf das Verständnis der Geschäftsführung als Kollektivorgan genügt bereits das vorwerfbare Verhalten eines Geschäftsführers, das dann der gesamten Geschäftsführung zugerechnet wird532. Ob der Geschäftsführung ein ernsthafter Vorwurf gemacht werden kann, muss anhand der Gesamtumstände des Falles beurteilt werden, so unter anderem unter Berücksichtigung der durch die juristische Person ausgeübten Aktivitäten, das sich hieraus ergebende Risiko, der Informationen, die dem Geschäftsführer zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Handlung zur Verfügung standen oder hätten zur Verfügung stehen müssen als auch unter Berücksichtigung der Fähigkeiten und Sorgfalt, die von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer erwartet werden können533. Kann ein individueller Geschäftsführer darlegen und beweisen, dass ihm die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht zuzurechnen ist und er nicht nachlässig darin gewesen ist, Maßnahmen zu treffen, um deren Folgen abzuwenden, so haftet er nicht 534. Darüber hinaus kann die
530 HR v. 10. Jan. 1997, Nr. 16145 („Staleman/van de Ven“), NJ 1997, Nr. 360, S. 1969, 1989; HR v. 20. Juni 2008, Nr. C06/187 („Willemsen/NOM“), NJ 2009, Nr. 21, S. 192, 211. Siehe zu den Unterschieden im Haftungsmaßstab bereits oben unter V. 2. c) (1) und 3. c) (1) sowie Van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 441 m.w.N. 531 Siehe den durch das Wet bestuur en toezicht neu gefassten Art. 2:9 Abs. 2 S. 2 2. HS BW: „ [...] tenzij hem mede gelet op de aan anderen toebedeelde taken geen ernstig verwijt kann worden gemaakt [...]“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). 532 Vgl. Art. 2:9 S. 2 BW: „ieder van [twee of meer bestuurders is] voor het geheel aansprakelijk terzake van een tekortkoming“, (Hervorhebung durch die Verfasserin). Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 446. Siehe hierzu auch bereits i.R.v. Art. 2:248 BW oben unter V. 2. c) (1). An diesem Grundsatz festhaltend Wet bestuur en toezicht, Begründung, Tweede Kamer Drs. 2008–2009/31763, Nr. 3, S. 8. 533 HR v. 10. Jan. 1997, Nr. 16145 („Staleman/van de Ven“), NJ 1997, Nr. 360, S. 1969, 1989; HR v. 29. Nov. 2002, Nr. C01/096, NJ 2003, Nr. 455, S. 3539, 3555 f.; HR v. 20. Juni 2008, Nr. C06/187 („Willemsen/NOM“), NJ 2009, Nr. 21, S. 192, 211. 534 Art. 2:9 S. 2 BW a.E. Siehe auch den durch das Wet bestuur en toezicht neu gefassten Art. 2:9 Abs. 2 S. 2 2. HS: „[...] tenzij hem mede gelet op de aan anderen toebedeelde taken geen ernstig verwijt kan worden gemaakt en hij niet nalatig is geweest in het treffen van maatregelen om de gevolgen van onbehoorlijk bestuur af te wenden“.
6. Ergänzende Regelungen
391
Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer entlasten und somit auf eine Haftung gemäß Art. 2:9 BW verzichten535. Inhalt und Umfang des Schadensersatzes werden durch die Artt. 6:95 ff. BW näher konkretisiert 536. Art. 2:9 BW erlangt insbesondere in der Insolvenz dann Bedeutung, sofern die Pflichtverletzung der Geschäftsführung außerhalb des im Rahmen von Art. 2:248 BW relevanten dreijährigen Zeitraums vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattgefunden hat 537. Da Art. 2:9 BW keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt, kann die Vorschrift je nach Ausgestaltung des Falles einen größeren Schaden erfassen, dessen Folgen sich bis in die Insolvenz der Gesellschaft ziehen538. Aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtung der Norm im Vergleich zu Art. 2:248 BW539 und den diversen Fallgruppen der Gläubigerbenachteiligung im Rahmen von Art. 6:162 BW540 ist ein Zusammentreffen jedoch nur denkbar, sofern die nicht ordnungsgemäße Geschäftsführung nicht nur zu einem Schaden der Gesellschaft, sondern auch zu einer Benachteiligung der Gläubiger geführt hat541. Im Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführung kann Art. 6:162 BW ebenfalls neben Art. 2:9 BW treten542. Art. 2:216 BW stellt eine Konkretisierung des Art. 2:9 BW dar und ergänzt somit Art. 2:9 BW543. Zur Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 2:9 BW kann die Gesellschafterversammlung eine dritte Person bestimmen, da es sich um einen mit den Interessen der Geschäftsführer zuwiderlaufenden Belang der Gesellschaft handelt 544. Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens obliegt es dem Insolvenzverwalter, die Ansprüche aus Art. 2:9 BW zu verfolgen545. 535 Siehe HR v. 20. Okt. 1989, Nr. 13617 („Ellem“), NJ 1990, Nr. 308, S. 1217, 1223 f. 536 Siehe hierzu bereits oben unter V. 3. c) (3) und e). 537 Wessels, SV&V 3/2003, S. 93; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 336. 538 Wessels, SV&V 3/2003, S. 93; Wezeman, Aansprakelijkheid van bestuurders, S. 336. 539 Siehe oben unter V. 2. 540 Siehe oben unter V. 3. 541 Siehe zum Konkurrenzverhältnis mit anderen Vorschriften bereits ausführlich oben unter V. 2. e) und 3. f). 542 HR v. 2. März 2007, Nr. C05/336 („Nutsbedrijf Westland“), NJ 2007, Nr. 240, S. 2377, 2393 f. 543 Siehe die Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006‒2007/31058, Nr. 3, S. 32, 33 ff. mit dem zusätzlichen Hinweis, dass Art. 2:216 BW das bestehende Haftungssystem nur ergänze. Siehe zur Haftung gemäß Art. 2:216 Abs. 3 BW im Folgenden unter V. 6. c). 544 Siehe Art. 2:256 BW. 545 Siehe Art. 2:248 Abs. 8 BW.
392
V. Niederländische Rechtslage
Der Anspruch aus Art. 2:9 BW verjährt innerhalb von fünf Jahren ab dem Tag, nach dem die Gesellschaft sowohl von der Pflichtverletzung als auch von der haftenden Person Kenntnis erlangt hat, jedenfalls nach Ablauf von zwanzig Jahren nach der Pflichtverletzung 546. c) Erstattung von und Haftung für unrechtmäßige Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, Art. 2:216 Abs. 3 BW Mit Inkrafttreten der B.V.-Reform zum 1. Oktober 2012 sieht der neu gefasste Art. 2:216 Abs. 3 S. 1 BW eine Haftung der Geschäftsführer und faktischen Geschäftsführer547 im Falle einer unzulässigen Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen vor548. Diese wird in Art. 2:216 Abs. 3 S. 4 BW zudem durch eine Rückgewährpflicht derjenigen ergänzt, die die unzulässige Auszahlung erhalten haben. Kann die Gesellschaft nach einer Auszahlung ihren fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen und wussten die Geschäftsführer dies zum Zeitpunkt der Auszahlung oder hätten dies wissen müssen, so haften sie gemäß Art. 2:216 Abs. 3 S. 1 BW gegenüber der Gesellschaft als Gesamtschuldner für das durch die Auszahlung entstandene Defizit, vermehrt um die gesetzlichen Zinsen ab dem Tag der Auszahlung. Die Geschäftsführer müssen der Gesellschaft somit den Betrag der Auszahlung erstatten549. Kann ein Geschäftsführer darlegen und beweisen, dass er von der Auszahlung nichts wusste und dass er alles in seiner Macht Stehende unternommen hat um deren Folgen abzuwenden, so haftet er nicht550. Gleichzeitig sind diejenigen, zu deren Gunsten die Auszahlung erfolgt – also in der Regel Gesellschafter – nach Art. 2:216 Abs. 3 S. 4 BW zur Rückzahlung verpflichtet, sofern sie wussten oder redlicherweise hätten wissen müssen, dass die Gesellschaft in Folge der Auszahlung ihren fälligen Verbindlichkeiten nicht wird nachkommen können. Diese Pflicht zur Rückzahlung besteht ebenfalls nur in Höhe oder im Wert der empfangenen Auszahlung, vermehrt um die gesetzlichen Zinsen ab dem Tag der Auszahlung 551. Art. 2:216 Abs. 3 S. 5 BW regelt schließlich eine interne Ausgleichspflicht zwischen den Gesellschaftern als Empfängern der Auszahlung und den haftenden Geschäftsführern. Sofern die Geschäftsführer Ersatz geleis546
Art. 3:310 Abs. 1 BW. Siehe auch de Groot, Bestuurdersaansprakelijkheid, S. 36. Art. 2:216 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 4 BW. 548 Siehe zu den Voraussetzungen einer zulässigen Auszahlung im Rahmen des Art. 2:216 BW bereits oben unter V. 1. d). 549 Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 31. 550 Art. 2:216 Abs. 3 S. 3. 551 Art. 2:216 Abs. 3 S. 4. 547
6. Ergänzende Regelungen
393
tet haben, steht ihnen gegenüber den Gesellschaftern, die von der drohenden Zahlungsunfähigkeit wussten oder diese hätten vorhersehen müssen, ein Regressanspruch zu552. Sowohl im Falle einer Haftung der Geschäftsführer als auch im Falle einer Rückzahlpflicht der Gesellschafter können beide nicht mit eigenen Forderungen gegen die Gesellschaft aufrechnen553. Die Begründung der B.V.-Reform versteht Art. 2:216 Abs. 3 BW als Konkretisierung der allgemeinen Geschäftsführerpflichten gemäß Art. 2:9 BW sowie als Ergänzung des bestehenden Haftungssystems 554. Die Erstattungspflicht beziehungsweise Rückzahlpflicht des Art. 2:216 Abs. 3 BW tritt somit neben die bestehenden Haftungstatbestände als auch Anfechtungsrechte555. Der Anspruch aus Art. 2:216 Abs. 3 BW unterliegt grundsätzlich der regelmäßigen fünfjährigen Verjährung 556. d) Jahresabschlusshaftung der Geschäftsführer, Art. 2:249 BW Der Geschäftsführung obliegt insbesondere die Buchführung, sodass jederzeit die Rechte und Pflichten der Gesellschaft erkennbar sind 557 und die Aufstellung des Jahresabschlusses 558. Wird durch einen veröffentlichten Jahresabschluss, Zwischenabschlüsse oder Geschäftsberichte ein irreführender Eindruck über die Lage der Gesellschaft vermittelt, haften die Geschäftsführer gemäß Art. 2:249 S. 1 BW gegenüber Dritten als Gesamtschuldner für den Schaden, den diese dadurch erlitten haben559. Dritte im Sinne der Vorschrift sind sowohl Gläubiger der Gesellschaft, Arbeitnehmer als auch Gesellschafter560. Um sich auf Art. 2:249 BW berufen zu können, müssen die Dritten einen Kausalzusammenhang zwischen dem vermittelten irreführenden Eindruck und dem erlittenen Schaden darlegen und beweisen. Gelingt dies, so
552
Art. 2:216 Abs. 3 S. 5. Art. 2:216 Abs. 3 S. 6. 554 Begründung der B.V.-Reform, Tweede Kamer Drs. 2006–2007/31058, Nr. 3, S. 32 ff. 555 Siehe zu den Konkurrenzen bereits oben, insbesondere unter V. 3. d) (3) zumVerhältnis zur deliktischen Haftung wegen unrechtmäßiger Auszahlungen sowie unter V. 2. e), V. 3. f) sowie V. 6. b). 556 Art. 3:310 abs. 1 BW. 557 Art. 2:10 BW. 558 Art. 2:210 BW. 559 Siehe auch Art. 2:139 BW für eine Haftung der Geschäftsführer einer N.V. sowie Art. 336 Wetboek van Strafrecht. Auch die Pflicht der Liquidatoren der Gesellschaft hat sich gemäß Art. 2:23a Abs. 1 BW an Art. 2:249 BW zu messen. 560 Lennarts, in: van Dijk, Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:249 Nr. 3. Siehe auch van Solinge/Nieuwe Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 470 lit. d. 553
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V. Niederländische Rechtslage
wird die Verantwortlichkeit der Geschäftsführer vermutet561. Diese können sich allerdings gemäß Art. 2:249 S. 2 BW dadurch entlasten, dass sie darlegen und beweisen, dass ihnen die Irreführung nicht zuzurechnen ist. Aufgrund des in der Regel nur schwer zu führenden Beweises des kausalen Zusammenhangs zwischen dem vermittelten irreführenden Eindruck und dem erlittenen Schaden ist die praktische Relevanz dieser Vorschrift begrenzt 562. e) Anfechtung aufgrund einer Gläubigerbenachteiligung, actio Pauliana, Artt. 3:45 ff. BW Außerhalb eines Insolvenzverfahrens können gemäß Art. 3:45 Abs. 1 BW solche Rechtshandlungen angefochten werden, zu denen der Schuldner nicht verpflichtet war und bei deren Vornahme er wusste oder wissen musste, dass in deren Folge ein oder mehrere Gläubiger in ihren Befriedigungsmöglichkeiten benachteiligt werden. Ebenso wie bereits Art. 42 Abs. 2 und 3 FW differenziert Art. 3:45 Abs. 2 und 3 BW bei den weiteren Voraussetzungen zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Rechtshandlungen. Eine entgeltliche Rechtshandlung ist gemäß Art. 3:45 Abs. 2 BW nur dann anfechtbar, wenn auch der durch die Rechtshandlung Bevorzugte von der Benachteilung wusste oder hätte wissen müssen. Handelt es sich um eine unentgeltliche Rechtshandlung, so ist die Anfechtung gegenüber dem durch die Rechtshandlung Bevorzugten gemäß Art. 3:45 Abs. 3 BW dann nicht wirksam, sofern dieser von der Benachteiligung weder wusste noch wissen musste, sofern er darlegen und beweisen kann, dass er zum Zeitpunkt der Anfechtung nicht mehr durch die angefochtene Handlung bevorteilt ist563. Das Wissen um die Benachteiligung wird ebenso wie bei der Insolvenzanfechtung in zahlreichen Fällen vermutet. Artt. 3:46 f. BW und Art. 43 FW sowie Art. 45 FW sind wortgleich564. Auch der Schutz gutgläubiger Dritter ist in Art. 3:45 Abs. 5 BW nahezu wortgleich zu Art. 51 Abs. 2 FW geregelt 565. Mit der Anfechtung ist die Rechtshandlung ex tunc nichtig 566. Damit hat der Schuldner an den Anfechtungsgegner ohne Rechtsgrund geleistet, sodass der Anfechtungsgegner das Erhaltene zurückgeben beziehungsweise im Falle einer Geldleistung zurückzahlen muss567. Die Rückabwicklung
561 562 563 564 565 566 567
Lennarts, in: van Dijk, Leijten/Lennarts, Ondernemingsrecht, Art. 2:249 Nr. 4. Siehe nur van Nieuwe/Weme, in: Asser-Serie 2-II, Nr. 470 lit. e m.w.N. Siehe hierzu bereits oben unter V. 5. a). Siehe zu den diversen Vermutungsregeln bereits oben unter V. 5. (4). Siehe hierzu bereits oben unter V. 5. c). Art. 3:53 Abs. 1 BW. Art. 6:203 BW.
6. Ergänzende Regelungen
395
richtet sich ebenso wie bereits bei der Insolvenzanfechtung nach den Artt. 6:203 ff. BW568. Zur Anfechtung ist jeder Gläubiger befugt, der durch die fragliche Rechtshandlung in seinen Befriedigungsmöglichkeiten benachteiligt wurde, unabhängig davon, ob sein Anspruch vor oder nach der Rechtshandlung entstanden ist569. Ein Gläubiger kann Rechtshandlungen gemäß Art. 3:45 Abs. 4 BW jedoch nur insoweit anfechten, als es für die Aufhebung der ihm entstandenen Benachteiligung erforderlich ist. Anfechtungsgegner ist die jeweilige Vertragspartei des Schuldners570. Eine anfechtbare Rechtshandlung wird entweder durch eine außergerichtliche empfangsbedürftige Erklärung oder durch eine gerichtliche Entscheidung für nichtig erklärt571. Eine außergerichtliche Nichtigerklärung kann im Rahmen einer Feststellungsklage überprüft werden572. Die Entscheidung hat dann jedoch nur deklaratorischen Charakter573. Die Anfechtungsrechte verfristen innerhalb von drei Jahren nachdem der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat574. f) Rechtsvergleichende Anmerkungen Sämtliche der weiteren ergänzenden niederländischen Regelungen erfassen, wenn überhaupt nur einzelne Ausschnitte existenzvernichtender Eingriffe. Die Gründerhaftung, auch wenn sie grundsätzlich eine gewisse Nähe zur deutschen Fallgruppe der Unterkapitalisierung aufweist, erfasst nur Handlungen im Rahmen der Gründung der Gesellschaft und nicht existenzvernichtende Eingriffe. Die Geschäftsführerhaftung gemäß Art. 2:9 BW findet grundsätzlich ihr Pendant in § 43 GmbHG 575. Ebenso wie diese Vorschrift erfasst Art. 2:9 BW jedoch nur formelle Geschäftsführer und sanktioniert deren Pflichtverletzung allein gegenüber der Gesellschaft. Existenzvernichtende Eingriffe der Gesellschafter erfasst die Vorschrift somit nicht. Da das niederländische Recht jedoch auch eine eigenständige und unmittelbare Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft selbst kennt, ist eine Anwendung des Art. 2:9 BW bei existenzvernichtenden Eingriffen denkbar, wenn die nicht ordnungs568
Siehe oben unter V. 5. c). Art. 3:45 Abs. 1 a.E. BW. 570 Art. 3:50 Abs. 1 und Art. 3:51 Abs. 2 BW 571 Artt. 3:49 bis 51 BW. Siehe auch Hijma, in: in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 3:51 Nr. 2 lit. b). 572 Art. 3:302 BW. Siehe auch Hijma, in: in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 3:50 Nr. 2. 573 Hijma, in: in: Nieuwenhuis/Stolker/Valk, BW Tekst & Commentaar, Art. 3:50 Nr. 2. 574 Art. 3:52 Abs. 1 lit. d BW. 575 Siehe zur Haftung gemäß § 43 GmbHG oben unter II. 5. a). 569
396
V. Niederländische Rechtslage
gemäße Geschäftsführung gleichzeitig auch zu einer Benachteiligung der Gläubiger führt. In diesen Fällen werden jedoch im Rahmen eines Insolvenzverfahrens regelmäßig vorrangige Ansprüche aus Art. 2:248 BW und unmittelbare Ansprüche der Gläubiger gemäß Art. 6:162 BW bestehen576. Eines Umweges über Art. 2:9 BW bedarf es somit nicht. Darüber hinaus können die Gesellschafter die Geschäftsführer entlasten. Eine Anwendung des Art. 2:9 BW bei existenzvernichtenden Eingriffen kommt somit nicht in Betracht. Die neue Regelung des Art. 2:216 Abs. 3 BW ist zwischen den deutschen Kapitalschutzregeln der §§ 30, 31 GmbHG und der Existenzvernichtungshaftung als Insolvenzverursachungshaftung anzusiedeln. Einerseits schafft sie eine situative Ausschüttungssperre unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Gläubigerinteressen, andererseits teilt Art. 2:216 Abs. 3 BW aufgrund der Haftungsbegrenzung auf die Ausschüttung selbst die Schwäche der §§ 30, 31 GmbHG. Eine Nutzbarmachung für existenzvernichtende Eingriffe scheidet somit ebenso wie die Anfechtung gemäß Art. 3:45 BW aus. Beide sind gerade nicht in der Lage die Schäden der Gesellschaft beziehungsweise der Gläubiger mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen zu erfassen. Die Jahresabschlusshaftung ist schließlich vor allem in den Fällen einer Vermögensvermischung denkbar. Existenzvernichtende Eingriffe, insbesondere solche, die sich nicht unmittelbar in der Bilanz widerspiegeln, vermag sie nicht zu erfassen.
7. Existenzvernichtende Eingriffe – Lösungen nach niederländischem Recht 7. Lösungen nach niederländischem Recht Sämtliche der niederländischen Haftungstatbestände, die eine Haftung entgegen oder trotz der Haftungsbeschränkung bei der B.V. vorsehen, haben sich aus einer umfassenden Diskussion um den Missbrauch der Haftungsbeschränkung zulasten der Gläubiger insbesondere in Insolvenznähe entwickelt. Diese Entwicklung liegt auch der Existenzvernichtungshaftung zugrunde. Während sich das deutsche Recht jedoch auf die Gesellschafter als primäre Haftungsadressaten konzentriert, ist der niederländische Ansatz deutlich umfassender. Das niederländische Recht kennt anders als das deutsche Recht sowohl eine mittelbare, durch das Gesellschaftsvermögen mediatisierte Haftung zugunsten der Gläubiger als auch eine unmittelbare Haftung nicht nur der Gesellschafter, sondern auch der Geschäftsführer und sogar Dritter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft. Blickt man 576
Siehe bereits oben unter V. 2. und 3. d) (1) und (2).
7. Lösungen nach niederländischem Recht
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auf diesen Kreis der Haftungsadressaten, so liegt ein Akzent wie auch bereits in England und Frankreich, wenn auch weniger deutlich, auf der Geschäftsführerhaftung. Parallel zur französischen responsabilité pour insuffisance d’actif kennt das niederländische Recht zunächst mit Art. 2:248 BW einen Spezialtatbestand, der eine Insolvenzverursachung der Geschäftsführer sanktioniert. Gesellschafter werden von dieser Vorschrift nur als faktische Geschäftsführer erfasst, wobei auch in den Niederlanden das Verständnis der faktischen Geschäftsführung weiter ist als in Deutschland. Art. 2:248 BW führt bereits bei jeder offenbar nicht ordnungsgemäßen Geschäftsführung zu einer Haftung, sofern diese zur Insolvenz der Gesellschaft beigetragen hat. Ein solcher Geschäftsführungsfehler liegt insbesondere dann vor, wenn finanziell weitreichende Beschlüsse im Wissen oder Wissenmüssen um die für die Gläubiger nachteiligen Folgen gefasst werden. Dies ist bei existenzvernichtenden Eingriffen der Fall, da die faktisch dauerhafte Beeinträchtigung der Erfüllung der Verbindlichkeiten der Gesellschaft gerade die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der Eingreifende diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billigend in Kauf nimmt. Ebenso wie die responsabilité pour insuffisance d’actif ist die Haftung gemäß Art. 2:248 BW jedoch nur auf ein formelles Insolvenzverfahren aufgrund von Zahlungsunfähigkeit beschränkt und deckt somit nur einen Teilbereich der Existenzvernichtungshaftung ab. Deutlich weitreichender ist daher auch die Parallelität der niederländischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW zur Existenzvernichtungshaftung. Ebenso wie in Deutschland ist auch in den Niederlanden im Rahmen der allgemeinen deliktischen Haftung zumindest auch der Gesellschafter in seiner Stellung als Anteilsinhaber Haftungsadressat. Anders als in Deutschland unterscheidet das niederländische Recht jedoch zwischen mehreren Fallgruppen, die auch eine Haftung der Geschäftsführer und Dritter vorsehen. Der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung gemäß Art. 6:162 BW ist insbesondere gemeinsam, dass ihr Anwendungsbereich nicht auf ein eröffnetes Insolvenzverfahren beschränkt ist. Anders als in Deutschland haben sich in den Niederlanden unter Art. 6:162 BW diverse Fallgruppen in der Rechtsprechung etabliert, die über die Existenzvernichtungshaftung noch hinausgehen. In beiden Ländern ist jedoch Kerngedanke der Pflicht die Beachtung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger. In den Niederlanden wird der Gläubigerschutz jedoch nicht zwingend durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert. Vielmehr besteht eine Sorgfaltspflicht unmittelbar gegenüber den einzelnen Gläubigern als auch der Gläubigergesamtheit. Gesellschafter haften in den Niederlanden insbesondere in den Fällen einer unrechtmäßigen Gewinnausschüttung, bei denen die Gesell-
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V. Niederländische Rechtslage
schafter damit hätten rechnen müssen, dass infolge der Auszahlung nicht mehr alle Gläubiger befriedigt werden können. Auch die Geschäftsführer haften unter anderem dann, wenn sie wissentlich Aktiva der Gesellschaft mit der Folge verlagern, dass die Gesellschaft ihren Verbindlichkeiten nicht mehr nachkommen kann. Da anders als in Deutschland auch ein Unterlassen zur Haftung führen kann, vermag das niederländische Recht auch Fälle der Unterkapitalisierung zu erfassen. Zielt die Existenzvernichtungshaftung nur auf eine Beeinträchtigung der Interessen der Gläubigergesamtheit durch einen Entzug von Gesellschaftsvermögen, so werden im Rahmen des Art. 6:162 BW zusätzlich die Interessen einzelner Gläubiger berücksichtigt. Die Haftung kann daher auch bereits dann begründet sein, wenn nur das Interesse eines einzelnen Gläubigers verletzt wird. Sollten sämtliche gesetzlichen Vorschriften nicht anwendbar sein, besteht in den Niederlanden darüber hinaus die Möglichkeit, die Identitätsverschiedenheit zwischen zwei Personen im Wege des richterrechtlichen vereenzelviging aufzuheben. Vor allem in den Fällen einer Vermögensvermischung liegt dieser Weg auf der Hand, der jedoch auf diese Fälle nicht beschränkt ist. So kann das vereenzelviging auch im Rahmen der Fallgruppe der B.V.-Stafette zu einer Haftung führen. Mit der Einordnung der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB scheint der Weg einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung extra legem in Deutschland vorerst abgeschnitten. Auf tatbestandlicher Ebene reichen die Möglichkeiten des niederländischen Rechts daher insgesamt deutlich weiter als die Existenzvernichtungshaftung. Die mit der Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung durch die „Trihotel“-Entscheidung einhergehende Änderung auf Rechtsfolgenseite findet sich in den Niederlanden in Art. 2:248 BW wieder. Zumindest für die Fälle der Insolvenzverursachung wird ebenso wie bei der Existenzvernichtungshaftung der Schutz der Gläubiger durch das Gesellschaftsvermögen beziehungsweise die Insolvenzmasse mediatisiert, sodass die (faktischen) Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft haften. Der Umfang der Haftung gemäß Art. 2:248 BW reicht allerdings deutlich über die Existenzvernichtungshaftung hinaus, da er grundsätzlich sämtliche Masseverbindlichkeiten erfasst, die nicht durch eine Verwertung der Insolvenzmasse gedeckt werden können. In den Fällen der Haftung gemäß Art. 6:162 BW ist hingegen die Schadensersatzpflicht ebenso wie bei der Existenzvernichtungshaftung jeweils vom konkret erlittenen Schaden abhängig. Die niederländische Haftung stellt allerdings auf den konkret entstandenen Schaden einzelner Gläubiger beziehungsweise der Gläubigergesamtheit ab, der diesen entweder individuell oder insgesamt zu ersetzen ist. Die Existenzvernichtungshaftung stellt im Unterschied dazu auf den Schaden der Gesellschaft ab, der dieser zu ersetzen ist. Der im Rahmen der Existenz-
7. Lösungen nach niederländischem Recht
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vernichtung zu leistende Schadensersatz besteht jedoch nur soweit dies zur Gläubigerbefriedigung erforderlich ist. Auch wenn somit in Deutschland der Schaden der Gläubiger durch das Gesellschaftsvermögen mediatisiert wird und in den Niederlanden eine unmittelbare Haftung gegenüber den Gläubigern besteht, dürfte faktisch der Umfang des Ersatzanspruchs kaum divergieren. Die diversen niederländischen Anfechtungsrechte als auch die Ersatzpflicht bei unrechtmäßigen Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen gemäß Art. 2:216 Abs. 3 BW spielen schließlich ebenso wie in den übrigen Ländern für existenzvernichtende Eingriffe aufgrund ihrer beschränkten Rechtsfolge nur eine untergeordnete Rolle. Art. 2:216 BW schafft allerdings anders als die §§ 30, 31 GmbHG eine situative Ausschüttungssperre, die ausdrücklich die Interessen der Gläubiger in den Blick nimmt.
VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick Sämtlichen betrachteten Rechtsformen mit beschränkter Haftung liegt eine strikte Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen zugrunde, die sich zugunsten der Gesellschafter in der Haftungsbeschränkung spiegelt. Sowohl die Gesellschafter selbst als auch die Geschäftsführer, die das Gesellschaftsvermögen grundsätzlich im Interesse der Gesellschafter verwalten, haben diese strikte Trennung zu beachten. Deutlich wird dies an den Kapitalerhaltungsregeln. In Deutschland sind Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter jeweils nur oberhalb der Grenze des Mindestkapitals möglich. In den übrigen Ländern sind Auszahlungen sogar nur aus den Gewinnen der Gesellschaft möglich. Diese Trennung zwischen den Vermögensmassen und damit auch der Erhalt eines eigenständigen Gesellschaftsvermögens wird in den betrachteten Rechtsordnungen zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft durch diverse ex postMechanismen geschützt.
1. Nationaler Gläubigerschutz bei existenzvernichtenden Eingriffen 1. Nationale Lösungen Wird in das Gesellschaftsvermögen entgegen den Kapitalerhaltungsregeln eingegriffen, so reicht der Gläubigerschutz über ex post-Mechanismen von einer bereicherungs- oder gesellschaftsrechtlichen Rückgewähr über eine Rückgewähr oder Wertersatz aufgrund einer Anfechtung bis hin zur Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft oder aber auf Schadensersatz. Insbesondere bei einem Eingriff in das Gesellschaftsvermögen, der zur Insolvenz der Gesellschaft führt und sich somit in besonderem Maße zulasten der Gläubiger der Gesellschaft auswirkt, sehen die betrachteten Rechtsordnungen entweder Schadensersatzansprüche oder darüber hinausgehende besondere Haftungstatbestände vor. Aufgrund der jeweils unterschiedlichen nationalen Ausgestaltungen dieser Regelungen ist danach zu differenzieren, ob über das Vermögen der Gesellschaft ein formelles Insolvenzverfahren eröffnet wird. Ist dies der Fall, so führt die deutsche Existenzvernichtungshaftung und die Haftung
402
VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick
gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, die englische West Mercia-Haftung sowie unter Umständen die Haftung für wrongful und fraudulent trading und schließlich die niederländische Haftung gemäß Art. 6:162 BW bei existenzvernichtenden Eingriffen zu einem Anspruch auf Schadensersatz. Das französische Recht sieht in einem solchen Fall mit der responsabilité pour insuffisance d’actif eine besondere Haftung vor, die in den Niederlanden mit Art. 2:248 BW eine Parallelvorschrift findet. Scheitert ein formelles Insolvenzverfahren mangels Masse oder wird in das Gesellschaftsvermögen ohne das Zusatzkriterium der Insolvenzverursachung oder -vertiefung unter Missachtung der Kapitalerhaltungsregeln im Rahmen einer Liquidation eingegriffen, so findet in Deutschland ebenfalls die Existenzvernichtungshaftung und die Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG, in England die West Mercia-Haftung und gegebenenfalls die Haftung für fraudulent trading sowie in den Niederlanden die Haftung gemäß Art. 6:162 BW Anwendung. Die responsabilité pour insuffisance d’actif, die niederländische Haftung gemäß Art. 2:248 BW und die englische Haftung für wrongful trading finden jedoch keine Anwendung. Während dieser Wegfall in England und den Niederlanden aufgrund der West MerciaHaftung und der allgemeinen deliktischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW keiner Kompensation bedarf, besteht in Frankreich zunächst eine Lücke. Diese kann jedoch durch eine Heranziehung der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen und zivilrechtlichen Regelungen gemäß Art. L. 223-22 C.com. und Art. 1382 C.civ. geschlossen werden. Der auffälligste Unterschied all dieser fremden Tatbestände zur Existenzvernichtungshaftung liegt bei den jeweiligen Haftungsadressaten. Während die Existenzvernichtungshaftung und die niederländische Haftung gemäß Art. 6:162 BW eine ausdrückliche Haftung der Gesellschafter kennen, sind die übrigen Haftungsregelungen an diejenigen adressiert, die das Gesellschaftsvermögen entweder als formelle oder faktische Geschäftsführer verwalten. Dieser Unterschied spielt rechtspraktisch bei existenzvernichtenden Eingriffen jedoch eine nur geringe Rolle. Die Rechtsordnungen, die allein an die Stellung als Geschäftsführer anknüpfen, legen den Begriff der Geschäftsführung weit aus. Greift ein Gesellschafter in Form von existenzvernichtenden Eingriffen in das Gesellschaftsvermögen aber auch die Geschäftsführung ein, so lässt sich grundsätzlich in den betrachteten Ländern dessen Stellung als faktischer Geschäftsführer begründen. Auch wenn der sachliche Anwendungsbereich und der Kreis der Haftungsadressaten bei den einzelnen Regelungen unterschiedlich ausgestaltet sind, liegt sämtlichen betrachteten Haftungstatbeständen ein gemeinsamer Kern zugrunde. Die Existenzvernichtungshaftung sanktioniert ausdrücklich einen Verstoß gegen die gegenüber der Gesellschaft bestehende Pflicht, die
1. Nationale Lösungen
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Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger zu berücksichtigen. Der II. Senat des Bundesgerichtshofs versteht diese Pflicht als das „systemimmanente normative Korrelat der Instrumentalisierung der GmbH als haftungsbegrenzende Institution“1. Auch die englische West Mercia-Haftung knüpft ausdrücklich an die Verletzung der gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht an, mit zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten der Gesellschaft die Interessen der Gläubiger – mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen – zu beachten. In den Kreis dieser grundsätzlich gegenüber der Gesellschaft bestehenden Pflicht zugunsten der Gläubiger reiht sich auch die niederländische Haftung gemäß Art. 6:162 BW ein. Auch ihr liegt eine Verletzung der Pflicht zur Berücksichtigung der Gläubigerinteressen zugrunde. So haften die Gesellschafter und Geschäftsführer dann, wenn sie bei einer Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen und Pflichten damit rechnen mussten, dass infolge ihrer Handlung nicht sämtliche Gläubiger befriedigt werden können. Anders als die übrigen Tatbestände besteht diese Pflicht jedoch nicht nur gegenüber der Gläubigergesamtheit, sondern auch gegenüber einzelnen Gläubigern. Die französische responsabilité pour insuffisance d’actif als auch die niederländische Haftung gemäß Art. 2:248 BW knüpfen an einen Fehler der Geschäftsleitung und somit ebenfalls an eine Verletzung einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Sorgfaltspflicht an. Diese ist in beiden Ländern insbesondere dann verletzt, wenn über das Vermögen der Gesellschaft wie über Eigenes verfügt wird mit der Folge der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung aufgrund der Insolvenz der Gesellschaft. Anders gewendet haben die Haftungsadressaten somit ebenfalls gegenüber der Gesellschaft die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger zu beachten. Auch der in Frankreich außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens anwendbaren Haftung der formellen Geschäftsführer gegenüber der Gesellschaft gemäß Art. L. 223-22 C.com. liegt eine vergleichbare Pflichtverletzung zugrunde. Sie lässt sich im Rahmen des Art. 1382 C.civ. gleichfalls auf faktische Geschäftsführer erstrecken. Diese Parallele auf Tatbestandsebene wird auf Rechtsfolgenseite dadurch ergänzt, dass es sich in allen Fällen um einen Schadensersatzanspruch entweder der Gesellschaft selbst oder aber unmittelbar der Gläubiger handelt beziehungsweise sogar um eine vom konkreten Schaden losgelöste Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft insgesamt. Sofern dieser Schadensersatz insbesondere in England auf den unmittelbaren Schaden der Gesellschaft begrenzt ist und scheinbar Kollateralschäden nicht erfasst, so ist dies keine Folge der rechtlichen Ausgestaltung der Haftung. Der rechtspraktische Unterschied in der Höhe der jeweiligen Haf1
BGH, Urteil v. 16. Juli 2007, II ZR 3/04 („Trihotel“), ZIP 2007, S. 1552 ff., Rn. 25.
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VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick
tungssumme ist vielmehr Beweisschwierigkeiten geschuldet. So scheut sich die englische Rechtsprechung aufgrund ihres strikten Kausalitätsverständnisses vor der Anerkennung von Kollateralschäden. Die rechtliche Möglichkeit auch diese von der Haftung zu erfassen besteht dennoch und in sämtlichen betrachteten Rechtsordnungen. Die einzelnen nationalen Regeln sind somit in der Lage existenzvernichtende Eingriffe zu erfassen und zudem funktional mit der Existenzvernichtungshaftung vergleichbar. Auf der jeweiligen nationalen Ebene besteht also kein Defizit des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen.
2. Kollisionsrechtlicher Ausblick 2. Kollisionsrechtlicher Ausblick Ist der Befund auf nationaler Ebene eindeutig, so verschwimmt dieser zunächst bei einem Grenzübertritt der Gesellschaften. Der Gläubigerschutz bei existenzvernichtenden Eingriffen ist von der Anwendbarkeit der deutschen und fremder Regelungen abhängig, die wiederum Folge der jeweiligen kollisionrechtlichen Qualifikation ist. Diese ist bereits im Hinblick auf die deutsche Existenzvernichtungshaftung Gegenstand eines umfassenden Streits in der Literatur. Sie schwankt zwischen einer gesellschaftsrechtlichen, deliktsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Qualifikation, ergänzt um die Möglichkeit der Mehrfachqualifikation oder einer Sonderanknüpfung 2. Die Qualifikation und damit die Anwendbarkeit sowohl der deutschen als auch der fremden Regelungen auf EG-Auslandsgesellschaften mit Sitz im Inland richten sich grundsätzlich nach deutschem Recht als der lex fori3. Maßstab dieser Qualifikation sind jedoch nicht die materiellrechtlichen Begriffe des deutschen Rechts4. Zur Qualifikation sind vielmehr die Begriffe des anwendbaren Kollisionsrechts, unter die die einzelnen nationalen Regelungen zu subsumieren sind, autonom zu bestimmen5. Dies gilt umso mehr, handelt es sich bei der Kollisionsnorm um Gemeinschaftsrecht6. Hierzu sind die einzelnen Begriffe nach ihrem Sinn und Zweck zu hinterfragen und mit dem der nationalen Regelungen abzugleichen. Stimmen Sinn und Zweck des kollisionsrechtlichen Anknüpfungsmoments und
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Siehe bereits oben unter I. 1. b). Siehe nur Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 I. 4 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 I. 2. 5 Kropholler, Internationales Privatrecht, § 16 II. 2; Sonnenberger, in: MüKo BGB, Einl. IPR, Rn. 496 m.w.N. 6 Siehe nur Sonnenberger, in: MüKo BGB, Einl. IPR, Rn. 527 m.w.N. 3
2. Kollisionsrechtlicher Ausblick
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der nationalen Regelung überein, so kann letztere unter die Kollisionsnorm subsumiert werden7. Die materiellrechtliche Einordnung der Existenzvernichtungshaftung mit der „Trihotel“-Entscheidung8 in § 826 BGB und somit in das Deliktsrecht vermag also den Konflikt um die Qualifikation nicht zu lösen. Ebenso wenig kann allein die matereriellrechtliche Einordnung der übrigen fremden Regelungen die Frage nach der kollisionsrechtlichen Qualifikation beantworten. Eine kollisionsrechtliche Zuordnung zum Deliktsrecht käme nur dann in Betracht, wenn sie sich unter den Begriff der unerlaubten Handlung in Art. 4 Rom II-VO subsumieren ließe. Dieser Begriff setzt die Verletzung einer allgemeinen Pflicht voraus, die alle Personen zu beachten haben und die ihren Ursprung gerade nicht in rechtsformspezifischen Regelungen hat oder aus einer vertraglichen oder sonstigen Sonderverbindung zwischen zwei bestimmten Personen herrührt9. Der Bundesgerichtshof knüpft die Existenzvernichtungshaftung jedoch ausdrücklich an eine Verletzung der den Gesellschaftern auferlegten Pflicht, die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zu beachten10. Geschäftsführer haften, wenn überhaupt, als Teilnehmer 11. Bereits aufgrund des beschränkten Adressatenkreises muss somit eine deliktsrechtliche Qualifikation der Existenzvernichtungshaftung ausscheiden12. Mit dem gleichen Argument scheidet grundsätzlich auch eine deliktsrechtliche Qualifikation der fremden Haftungstatbestände aus. Allein im Hinblick auf die niederländische Haftung gemäß Art. 6:162 BW ließe sich über eine deliktsrechtliche Einordnung nachdenken. Allerdings knüpft auch diese Haftung an die Verletzung spezifischer gesellschaftsrechtlicher Regeln. Darüber hinaus stellt sich die Pflichtverletzung trotz des weiteren Adressatenkreises auch nicht als Jedermann-Pflicht dar. Vielmehr ist sie je nach Fallgestaltung eine allein auf die Gesellschafter, die Geschäftsführer oder einzelne Gläubiger zugeschnittene Pflicht, die gerade auf der besonderen Stellung im Verhältnis zur Gesellschaft und deren
7 Siehe BGH, Urteil v. 19. Dez. 1958, IV ZR 87/58, BGHZ 29, S. 137, 139; BGH, Urteil v. 22. März 1967, IV ZR 148/65, BGHZ 47, S. 324, 332 sowie Sonnenberger, in: MüKo BGB, Einl. IPR, Rn. 494 ff., 527 ff.; Kropholler, Internationales Privatrecht, § 17 I. 8 Siehe nur oben unter II. 1 c). 9 Siehe nur Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 402; Junker, in: MüKo BGB, Rom II-VO Art. 4, Rn. 14. 10 Siehe oben unter II. 4. b) und c) (1). 11 Siehe oben unter II. 4. b) und 5. a). 12 So auch Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 301 f.; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 419; Schanze, NZG 2007, S. 681, 685; wohl auch Goette, ZInsO 2007, S. 1177, 1183.
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VI. Rechtsvergleichendes Fazit und kollisionsrechtlicher Ausblick
Gläubigern beruht. Somit muss auch hier eine deliktsrechtliche Qualifikation ausscheiden. Sucht man Anhaltspunkte für die Qualifikation in der Rechtsprechung des EuGH, so scheint mit der Entscheidung „Gourdain/Nadler“ zumindest für die französische responsabilité pour insuffisance d’actif eindeutig eine insolvenzrechtliche Qualifikation festzustehen13. Auch bei der Existenzvernichtungshaftung wird nicht zuletzt in Anlehnung an diese Entscheidung des EuGH für eine insolvenzrechtliche Qualifikation gestritten14. Die Entscheidung des EuGH beruht auf der Vorgängervorschrift des heutigen Art. L. 651-2 C.com. und erging vor Inkrafttreten der EuInsVO. Als Kriterien der insolvenzrechtlichen Qualifikation der französischen Haftung zieht der EuGH die Klagebefugnis des Insolvenzverwalters aus dem Insolvenzverfahren heraus, die fehlende Klagebefugnis einzelner Gläubiger beziehungsweise des Schuldners selbst, die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts sowie die Rechtsfolge zugunsten der Gläubigergesamtheit heran15. All diese Regelungen stellen jedoch Besonderheiten der konkreten Ausgestaltung der französischen responsabilité pour insuffisance d’actif dar. Obwohl der EuGH selbst die Bedeutung der autonomen Qualifikation hervorhebt 16, verstößt er mit der Entscheidung somit selbst gegen diesen Grundsatz17. Blickt man in die mittlerweile einschlägige Kollisionsnorm des Art. 4 EuInsVO, sind die Regelungen insolvenzrechtlich zu qualifizieren, die die Voraussetzungen und die Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens betreffen. Die responsabilité pour insuffisance d’actif setzt zwar zwingend die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens voraus, knüpft jedoch an eine Pflichtverletzung der Gesellschafter vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens an, die grundsätzlich auch bereits vor Eintritt der materiellen Insolvenz liegen kann18. Das Insolvenzverfahren ist somit nur Anlass, nicht jedoch Grund der Haftung19. Gleiches gilt für die übrigen Haftungstatbestände, die eine Insolvenzverursachung oder -vertiefung voraussetzen, und erst recht für diejenigen, die bereits gänzlich ohne das Zusatzkriterium der materiellen 13 EuGH, Urteil v. 22. Feb. 1979, Rs. 133/78 („Gourdain/Nadler“), Slg. 1979, S. 733 ff., Rn. 5. 14 Kindler, IPRax 2009, S. 189, 193; Kühnle/Otto, IPRax 2009, S. 117, 120 f.; Gehrlein, WM 2008, S. 761, 762, 769. 15 EuGH, Urteil v. 22. Feb. 1979, Rs. 133/78 („Gourdain/Nadler“), Slg. 1979, S. 733 ff., Rn. 5. 16 EuGH, Urteil v. 22. Feb. 1979, Rs. 133/78 („Gourdain/Nadler“), Slg. 1979, S. 733 ff., Rn. 3. 17 Siehe zur Kritik an der Entscheidung nur Willemer, Vis attractiva concursus, S. 119 f. m.w.N. 18 Siehe oben unter IV. 2. c) (2). 19 Willemer, Vis attractiva concursus, S. 292.
2. Kollisionsrechtlicher Ausblick
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oder formellen Insolvenz zu einer Haftung führen können. Die betrachteten Haftungstatbestände fallen also weder unter die Voraussetzungen noch unter die Ausgestaltung des Insolvenzverfahrens im Sinne des Art. 4 EuInsVO20. Eine insolvenzrechtliche Qualifikation scheidet daher ebenfalls aus. Besinnt man sich auf die im Rahmen der rein nationalen Betrachtung gefundenen Ergebnisse, so ist allein eine gesellschaftsrechtliche Qualifikation nicht nur der Existenzvernichtungshaftung, sondern sämtlicher Haftungstatbestände bei existenzvernichtenden Eingriffen denkbar. Dem Gesellschaftsstatut und somit dem Gründungsrecht der Gesellschaft unterliegen sämtliche Regelungen, nach denen die Gesellschaft „entsteht, lebt und wieder vergeht“21. Als Indiz, welche Regeln dies umfasst, lässt sich Art. 10 Abs. 2 des Referentenentwurfs für ein Gesetz zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen heranziehen. Dieser führt insbesondere die Haftung der Mitglieder der Gesellschaft und Organmitglieder für Verbindlichkeiten der Gesellschaft sowie die Haftung wegen der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Pflichten auf22. Die gefundenen nationalen Lösungen bei existenzvernichtenden Eingriffen knüpfen allesamt an die Stellung als Gesellschafter oder Geschäftsführer der Gesellschaft und/oder an eine Verletzung spezifischer, allein die Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreffender Regelungen und Pflichten, die (auch) zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft bestehen, an; zudem handelt es sich grundsätzlich um eine Haftung (auch) gegenüber der Gesellschaft selbst beziehungsweise der Masse. Es ist somit allein das Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern beziehungsweise Geschäftsführern betroffen. Es handelt sich somit um Regelungen aus dem Kernbereich des Gesellschaftsrechts. Aufgrund dieser rein gesellschaftsrechtlichen Qualifikation bringen EGAuslandsgesellschaften bei einer Sitzverlegung ins Inland im Rucksack ihres Gesellschaftsstatuts die jeweiligen gläubigerschützenden Regelungen bei existenzvernichtenden Eingriffen mit. Auch wenn man die Frage nach den gläubigerschützenden Regelungen bei existenzvernichtenden Eingriffen in einen grenzüberschreitenden Kontext bettet, lässt sich daher keine Lücke im Gläubigerschutz feststellen. 20
Für die Existenzvernichtungshaftung ebenso Osterloh-Konrad, ZHR 172 (2008), S. 274, 301; Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 415; für die responsabilité pour insuffisance d’actif und die Haftung für wrongful trading siehe nur Willemer, Vis attractiva concursus, S. 292 f.; 308, 310 ff. 21 BGH, Urteil v. 11. Juli 1957, II ZR 318/55, BGHZ 25, S. 134, 144. Siehe bereits oben unter I. 1. a). 22 Siehe hierzu bereits oben unter I. 1. a). Siehe auch Weller, in: MüKo GmbHG, Einl., Rn. 387 ff., 396 f.; Kindler, in: MüKo BGB, IntGesR, Rn. 543; Großfeld, in: Staudinger, IntGesR, Rn. 255, 317 f., 348 ff., jeweils m.w.N.
Zusammenfassung I. Einführung 1. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung birgt aufgrund ihrer vermögensrechtlichen Selbstständigkeit und der beschränkten Haftung ihrer Gesellschafter für ihre Gläubiger besondere Gefahren. Diesen begegnet das deutsche Recht trotz vielfacher Kritik insbesondere mit einem Mindestkapital, dessen Aufbringung und Erhaltung besonderen Regeln unterliegt. Entzieht ein Gesellschafter der Gesellschaft oberhalb der Grenze des Mindestkapitals Vermögen und fällt diese daraufhin in die Insolvenz, so stößt das Gläubigerschutzkonzept an seine Grenzen. Es wird daher von der Rechtsprechung durch eine punktuelle ex post-Regelung in Form der Existenzvernichtungshaftung ergänzt. In England, Frankreich und den Niederlanden stellen solche ex post-Mechanismen des Gläubigerschutzes bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung das Fundament des Gläubigerschutzes dar. Die Niederlande planen die Aufhebung ihres Mindestkapitalerfordernisses, während Frankreich diesen Schritt bereits 2003 vollzogen hat und England ein solches Erfordernis nie kannte. 2. Kennen die ausländischen Rechte ein ausdifferenziertes Gläubigerschutzsystem ex post, so stellt sich die Frage, ob und wenn ja, welche Lösungen sie für die Sachverhalte bereithalten, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen. Die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen ex post-Regelungen ist insbesondere in einem grenzüberschreitenden Kontext von Bedeutung. Je nach konkreter Ausgestaltung dieser Regeln treten sie im Rucksack des Gesellschaftstatuts ihre kollisionsrechtliche Reise ins Inland an, wo sie auf die deutsche Existenzvernichtungshaftung treffen. Die offene Frage, welche dieser Regelungen bei EG-Gesellschaften mit Sitz im Inland anwendbar sind, lässt sich jedoch nur auf der Grundlage der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Regelungen beantworten.
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II. Deutsche Rechtslage 3. Der Bundesgerichtshof hält mit dem „Trihotel“-Urteil vom 16. Juli 2007 zu Recht an der als Existenzvernichtungshaftung bezeichneten Haftung der Gesellschafter für kompensationslose insolvenzverursachende oder -vertiefende Eingriffe in das Gesellschaftsvermögen fest. Das gesetzliche System des Gläubigerschutzes weist bezüglich derartiger Eingriffe insbesondere auf Rechtsfolgenseite eine auch vom Gesetzgeber nicht gewollte Schutzlücke auf. 4. Mit der Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung durch das „Trihotel“-Urteil begründet der II. Senat die Pflicht der Gesellschafter zur Berücksichtigung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger. An die Verletzung dieser Pflicht knüpft er nunmehr die Existenzvernichtungshaftung an. Indem der Bundesgerichtshof eine derartige Pflicht der Gesellschafter schafft, ist es nur konsequent die Haftung mit der „Sanitary“-Entscheidung vom 9. Februar 2009 auch auf Gesellschaften in Liquidation auszudehnen, die ohnehin einer besonderen Vermögensbindung unterliegen. 5. Da es sich im Gegensatz zum Haftungskonzept vor der „Trihotel“-Entscheidung somit um eine Haftung für eine Pflichtverletzung handelt, ist es folgerichtig diese Haftung auch als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft auszugestalten. Eine Außenhaftung gegenüber den Gläubigern widerspräche darüber hinaus den Systemprinzipien des GmbHG. 6. Die vom Bundesgerichtshof nunmehr als systemkonform bezeichnete Existenzvernichtungshaftung vermag das Ziel der Neuordnung, eine homogenere und dogmatisch schärfere Ausgestaltung der Haftung, nicht zu erreichen. Zwar stellt sich eine Lösung über § 826 BGB im Gegensatz zu einer genuin gesellschaftsrechtlichen Lösung extra legem als der methodensaubere Weg dar, der sich durch die Aufnahmefähigkeit des § 826 BGB für besondere gesellschaftsrechtliche Wertungen auch problemlos beschreiten lässt. Sofern man mit dem Bundesgerichtshof die Haftung an eine Pflichtverletzung der Gesellschafter knüpft, bedarf es jedoch keines Rückgriffs auf § 826 BGB. Eine Pflichtverletzung der Gesellschafter führt bereits gemäß § 280 BGB zu einer Haftung. Ein Rückgriff auf das Deliktsrecht lässt sich auch nicht mit dem Bedürfnis der Beschränkung der Existenzvernichtungshaftung allein auf vorsätzliches Handeln rechtfertigen, da sich eine derartige Beschränkung bereits im Rahmen der §§ 280, 276 BGB und unter
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Rückgriff auf die Strukturprinzipien des GmbHG systemkonform begründen lässt. 7. Die alleinige Einordnung der bisherigen Tatbestandsmerkmale der Existenzvernichtungshaftung in § 826 BGB führt zu einer Vielzahl rechtspraktischer Konsequenzen. Kommen aufgrund der Anknüpfung der Haftung an eine Pflichtverletzung der Gesellschafter allein diese als Deliktstäter in Betracht, so führt die Einordnung in das Deliktsrecht dennoch zu einer Erweiterung des haftenden Personenkreises gemäß § 830 BGB auf Anstifter und Gehilfen. Auf Rechtsfolgenseite ist die Haftung einerseits auf den adäquat kausal verursachten Schaden begrenzt, durch das Erfordernis der Sittenwidrigkeit andererseits auf das, was zur Befriedigung der Gläubiger tatsächlich erforderlich ist. Aufgrund der Einordnung in § 826 BGB tritt die Haftung darüber hinaus in Konkurrenz zu sämtlichen anderen Ansprüchen im Gegensatz zur bisherigen Subsidiarität. Als weitere Konsequenz der Neuordnung der Haftung ist allein die Gesellschaft beziehungsweise der Insolvenzverwalter gemäß § 80 InsO unmittelbar klagebefugt. Gläubiger sind auf den Umweg einer Pfändung und Überweisung der Ansprüche angewiesen, was zumindest für den Fall der masselosen Insolvenz zweifelhaft erscheint. Im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast gilt die zivilprozessuale Normalität. Dies bringt im Gegensatz zur bisherigen, zumindest teilweisen Beweiserleichterung insbesondere für den vollen Kausalitätsnachweis zwischen Eingriff und Schaden sowie die Höhe des Schadens erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Die Insolvenz einer Gesellschaft wird sich vielfach nicht auf einen einzelnen Eingriff zurückführen lassen, da sie von einer Vielzahl interner und externer Faktoren abhängig ist. Die Ansprüche aus § 826 unterliegen schließlich der regelmäßigen Verjährung der §§ 195, 199 BGB. 8. Da die dogmatische Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung zu keiner Änderung der Haftungsvoraussetzungen führt, bleiben die bisherigen Fallgruppen bestehen. Zu einer Haftung führende existenzvernichtende Eingriffe liegen daher insbesondere in einem Abzug von Liquidität und sonstigen Vermögenswerten, der fremdnützigen Bestellung von Sicherheiten und dem bilanziell kaum abbildbaren Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen, jeweils mit der Folge der Insolvenz der Gesellschaft. Unternehmerische Fehlentscheidungen und Risikogeschäfte können auch weiterhin nur ausnahmsweise bei einem grob unangemessenen Risiko zu einer Haftung führen und dies auch nur dann, wenn die Maßnahme zwangsläufig und erkennbar in die Insolvenz führen musste. Mit der „Gamma“-Entscheidung des
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Bundesgerichtshofs vom 28. April 2008 führt nunmehr eindeutig eine materielle Unterkapitalisierung der Gesellschaft nicht zu einer Existenzvernichtungshaftung. Neben die Existenzvernichtungshaftung tritt schließlich die Haftung für eine Vermögensvermischung als eigenständige Haftung. Insbesondere bei einer Vielzahl von nicht zu unterscheidenden Eingriffen verschwimmt jedoch die Grenze zwischen der Existenzvernichtungshaftung und der Haftung für Vermögensvermischung. 9. Ein existenzvernichtender Eingriff wird kaum ohne eine wie auch immer geartete Mitwirkung des Geschäftsführers stattfinden. Dieser haftet sowohl tatbestandlich als auch auf Rechtsfolgenseite über die Grenzen des § 30 GmbHG hinaus gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowohl in Befolgung einer existenzvernichtenden Weisung der Gesellschafter als auch dann, wenn er einen existenzvernichtenden Eingriff eines Gesellschafters nur zulässt. Ein nachträglicher Verzicht der Gesellschaft auf den Ersatzanspruch ist dann nicht möglich, soweit der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist. Neben diese Haftung tritt seit dem MoMiG darüber hinaus mit § 64 S. 3 GmbHG eine Rückgewähr des Geschäftsführers für zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führende Zahlungen. Der Rückzahlungsanspruch besteht ex post mit Eintritt der Zahlungsunfähigkeit, jedoch nur sofern ex ante erkennbar war, dass die Zahlung zur Zahlungsunfähigkeit führen musste. Mit der Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung haftet der Geschäftsführer schließlich auch als Anstifter oder Gehilfe des Gesellschafters gemäß § 826 i.V.m. § 830 Abs. 2 BGB. Durch die Neuordnung der Existenzvernichtungshaftung und das MoMiG findet somit eine deutliche Akzentverschiebung zulasten der Geschäftsführer statt. Der eigenständigen Regelung des § 64 S. 3 GmbHG hätte es gerade angesichts der übrigen Haftungstatbestände nicht bedurft. 10. Auch wenn Gesellschafter und Geschäftsführer deliktisch im Außenverhältnis gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamtschuldner haften, so ist im Innenverhältnis aufgrund der unterschiedlichen Rollenverteilung von einer alleinigen Verantwortlichkeit des Gesellschafters auszugehen. Der Geschäftsführer kann bei einer Inanspruchnahme vollen Regress vom Gesellschafter fordern. Gleiches gilt aus Billigkeitserwägungen für die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG sowie gemäß § 64 S. 3 GmbHG, für die der Geschäftsführer ebenfalls Freistellung verlangen kann oder bei den Gesellschaftern Regress nehmen kann.
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11. Betrachtet man sämtliche Neuerungen im Rahmen der Existenzvernichtungshaftung in ihrem Zusammenspiel, so begründen sie erst recht kein homogenes Gläubigerschutzkonzept bei existenzvernichtenden Eingriffen. Neben den Schadensersatz der Gesellschafter bei existenzvernichtenden Eingriffen tritt ein Schadensersatz nebst Rückgewähr der Geschäftsführer, während bei Verstößen gegen die Kapitalerhaltungsregeln ein Schadensersatz der Geschäftsführer neben eine reine Rückgewähr der Gesellschafter tritt. Dogmatisch findet sich darüber hinaus die Haftung der Gesellschafter in § 826 BGB und somit im Deliktsrecht wieder, obwohl sie an eine Pflicht der Gesellschafter anknüpft, während die Geschäftsführerhaftung gemäß § 43 GmbHG rein gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren ist. Zu allem tritt der Anspruch gemäß § 64 S. 3 GmbHG, der vom Gesetzgeber insolvenzrechtlich qualifiziert wird.
III. Englische Rechtslage 12. Eine der deutschen Existenzvernichtungshaftung vergleichbare Haftung der Gesellschafter kennt das englische Recht nicht. Eine allein an die Stellung als Gesellschafter anknüpfende Haftung lehnt das englische Recht vielmehr seit jeher ab. Die diversen gläubigerschützenden ex post-Mechanismen des englischen Rechts knüpfen ausschließlich an die Person des Geschäftsführers an, erfassen Gesellschafter jedoch als faktische Geschäftsführer oder bereits aufgrund ihrer Einflussnahme auf die Geschäftsführung als shadow director. 13. Die in Deutschland viel beschriebenen Tatbestände des wrongful und fraudulent trading unterscheiden sich funktional deutlich von der Existenzvernichtungshaftung. Erstere ist auf eine überschuldungsbedingte Abwicklung beschränkt und sanktioniert ein Missmanagement des Geschäftsführers bei Kenntnis einer unabwendbaren insolvenzbedingten Abwicklung. Das wrongful trading steht somit eher in der Nähe der Insolvenzverschleppungshaftung des § 64 S. 1 GmbHG denn in der Nähe der Insolvenzverursachung in Form existenzvernichtender Eingriffe. Das fraudulent trading sanktioniert eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in der Absicht Gläubiger zu betrügen. Trotz der funktionalen Unterschiede erfassen sowohl die Haftung für fraudulent trading als auch für wrongful trading tatbestandlich einen Teil der Sachverhalte, die der Existenzvernichtungshaftung zugrunde liegen.
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14. Die Haftung für fraudulent trading erfasst tatbestandlich grundsätzlich sämtliche Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung sowohl der Gesellschafter als auch der Geschäftsführer, scheitert rechtspraktisch jedoch am hohen Vorsatzerfordernis der absichtlichen Gläubigerschädigung. 15. Da ein existenzvernichtender Eingriff rein faktisch in der Regel nur den letzten Schritt in die insolvenzbedingte Abwicklung der Gesellschaft darstellt, deren werbende Tätigkeit der Gesellschafter gerade nicht fortsetzen will, stellt der existenzvernichtende Eingriff ein Missmanagement im Sinne des wrongful trading dar. Ist infolge des existenzvernichtenden Eingriffs eine überschuldungsbedingte Abwicklung unvermeidbar und wusste der Gesellschafter dies, so erfasst auch sec. 214 IA 1986 Eingriffe der Gesellschafter als faktische Geschäftsführer oder als shadow director. Erst recht werden von dieser Vorschrift die Mitwirkungshandlungen der Geschäftsführer erfasst. Die Einschränkung auf eine überschuldungsbedingte Abwicklung dürfte aufgrund der Unterschiede in den nationalen Insolvenzverfahren rechtspraktisch kaum ins Gewicht fallen. 16. Im Gegensatz zum statutory law weist die Haftung, die auf die Entscheidung „West Mercia Safetywear Ltd. v Dodd“ zurückgeht, deutliche funktionale Parallelen zur Existenzvernichtungshaftung auf. Beide Haftungen knüpfen an die Verletzung der Pflicht gegenüber der Gesellschaft an, bereits im Vorfeld einer Insolvenz die Interessen der Gläubiger, mediatisiert durch das Gesellschaftsvermögen, zu berücksichtigen. Während die deutsche Rechtsprechung eine solche Pflicht als eine Pflicht der Gesellschafter geschaffen hat, ergibt sich die englische Pflicht jedoch allein aus der Pflichtenstellung des Geschäftsführers. Mit zunehmendem Fremdkapitalzufluss verwalten die Geschäftsführer nicht mehr das Vermögen der Gesellschafter, mediatisiert durch die Gesellschaft, sondern das der Gläubiger. Sie haben somit ab einem bestimmten Zeitpunkt im Vorfeld der Insolvenz nunmehr deren Interessen zu beachten. Aufgrund des weiten Begriffs des de facto und shadow director kann diese Pflicht allerdings gerade auch auf den Gesellschaftern ruhen. Da die englischen Gerichte im Rahmen ihres Ermessens den jeweiligen Verschuldensbeitrag berücksichtigen können, besteht ebenso wie in Deutschland die Möglichkeit, dass im Ergebnis allein die Gesellschafter haften. 17. Die Haftung für wrongful und fraudulent trading sowie die West Mercia-Haftung bleiben rechtspraktisch auf Rechtsfolgenseite hinter der
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Existenzvernichtungshaftung zurück. Die Gerichte sind äußerst zurückhaltend bei der Feststellung eines Schadens der Gesellschaft, den sie im Regelfall auf den konkret entzogenen Vermögensgegenstand beschränken. Darüber hinausgehende Folgeschäden, deren Ersatz gerade das Ziel der Existenzvernichtungshaftung ist, werden von der englischen Rechtsprechung im Rahmen des Schadensersatzes grundsätzlich nicht berücksichtigt. Grund hierfür sind jedoch weniger das fehlende Bewusstsein um diese Schäden sowie eingeschränkte Möglichkeiten im Rahmen des statutory oder common law als vielmehr die Schwierigkeiten im Hinblick auf den Kausalitätsnachweis. Der Schaden ist in allen drei Fällen als Schaden der Gesellschaft grundsätzlich auch dieser zu ersetzen. Es handelt sich somit jeweils um eine Innenhaftung. Im Falle des wrongful und fraudulent trading bilden die zu leistenden Zahlungen jedoch einen statutory trust zugunsten der Gläubigergesamtheit. 18. Mit den misfeasance proceedings sieht das englische Recht eine verfahrensrechtliche Besonderheit vor, die aufgrund ihrer Möglichkeit zur Sachverhaltsermittlung von Amts wegen eine erhebliche Erleichterung der Darlegungs- und Beweislast mit sich bringt. Insbesondere die West Mercia-Haftung profitiert von dieser Besonderheit, die dem deutschen Recht fremd ist. 19. Die diversen Anfechtungsrechte, die das Kernstück des englischen Gläubigerschutzes ex post bilden, teilen auf Rechtsfolgenseite die gleiche Schwäche der deutschen Anfechtungsregeln. Da sie auf eine reine Rückabwicklung zielen, führen sie in keinem Fall zu einem Ersatz der Kollateralschäden der Gesellschaft infolge existenzvernichtender Eingriffe.
IV. Französische Rechtslage 20. Das französische Recht lehnt im Gegensatz zum englischen Recht eine allein an die Stellung des Gesellschafters anknüpfende Haftung nicht ausdrücklich ab. Eine Existenzvernichtungshaftung deutscher Prägung ist dem französischen Recht dennoch ebenso wie eine allein an die Stellung als Gesellschafter anknüpfende Haftung fremd. Auch im französischen Recht knüpfen die gläubigerschützenden ex post-Mechanismen ausschließlich an die Stellung als Geschäftsführer an. Gesellschafter werden jedoch als faktische Geschäftsführer von den Haftungstatbeständen erfasst, sofern sie in völliger Freiheit und Unabhängigkeit und
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für eine gewisse Dauer zumindest im Innenverhältnis in die Geschäftsführung eingegriffen haben. 21. Mit der responsabilité pour insuffisance d’actif kennt das französische Recht einen zentralen Haftungstatbestand, der ebenso wie die Existenzvernichtungshaftung eine Insolvenzverursachung oder -vertiefung sanktioniert. Beide Haftungstatbestände weisen funktional deutliche Parallelen auf. Da der Geschäftsleitungsfehler und die erforderliche Kausalität nach französischem Recht weiter gefasst sind als bei der Existenzvernichtungshaftung, erfasst die responsabilité pour insuffisance d’actif sämtliche Fallgruppen der Existenzvernichtungshaftung. Darüber hinaus kann sie auch unternehmerische Fehlentscheidungen und eine materielle Unterkapitalisierung erfassen. Im Gegensatz zur Existenzvernichtungshaftung ist die französische Haftung jedoch allein auf einen wie auch immer gearteten Verursachungsbeitrag der Geschäftsführer zur Überschuldung der Gesellschaft und zudem auf ein formelles Insolvenzverfahren beschränkt. 22. Außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens erfasst die allgemeine gesellschaftsrechtliche Haftung der formellen Geschäftsführer gemäß Art. L. 223-22 C.com. den Tatbeitrag der Geschäftsführer bei existenzvernichtenden Eingriffen. Gesellschafter haften als faktische Geschäftsführer gemäß Art. 1382 C.civ. Beide Haftungstatbestände knüpfen ebenso wie die responsabilité pour insuffisance d’actif nur allgemein an einen Geschäftsleitungsfehler an. Dieser muss zu einem Schaden der Gesellschaft geführt haben, der bei existenzvernichtenden Eingriffen vorliegt. Da die responsabilité pour insuffisance d’actif die im gesamten Rechtsvergleich rechtspraktisch relevanteste Vorschrift darstellt, spielen die ergänzenden Haftungstatbestände in Frankreich eine nur untergeordnete Rolle. 23. Auf Rechtsfolgenseite geht die französische Haftung weit über die Existenzvernichtungshaftung hinaus, da den haftenden (faktischen) Geschäftsführern der Betrag der gesamten Überschuldung als Haftungssumme auferlegt werden kann und dies unabhängig von ihrem Verursachungsbeitrag. Anders als in England wird dieses weite Ermessen von den französischen Gerichten auch ausgeschöpft. Da das Gericht den jeweiligen Verursachungsbeitrag aber berücksichtigen kann, ist ebenso wie in Deutschland eine alleinige Haftung der Gesellschafter möglich. Die Geschäftsführer haften zwar gegenüber der Gesellschaft, jedoch wird sodann die Haftungssumme anteilig an sämtliche Gläubiger verteilt. Die responsabilité pour insuffisance d’actif nimmt somit eine
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Stellung zwischen Innenhaftung und unmittelbarer Außenhaftung ein. Die übrigen Haftungstatbestände sind hingegen wie die Existenzvernichtungshaftung auf den Schaden begrenzt, der der Gesellschaft durch den Geschäftsleitungsfehler entstanden ist. 24. Die Praxisrelevanz der responsabilité pour insuffisance d’actif wird nicht nur aufgrund ihres offenen Tatbestandes begründet, sondern zusätzlich durch eine verfahrensrechtliche Besonderheit. Das Gericht kann ebenso wie in England von Amts wegen ermitteln. Dies ist in Frankreich jedoch (nur) möglich, um die Vollstreckbarkeit des Urteils sicherzustellen. Hierzu kann das Gericht umfassende Informationen über die Vermögenslage der Geschäftsführer und unabhängig von entgegenstehenden rechtlichen Bestimmungen einholen. 25. Eine weitere verfahrensrechtliche Besonderheit sieht das französische Recht mit der extension de procédure vor. Sie ermöglicht die Erstreckung eines bereits eröffneten Insolvenzverfahrens auf eine oder mehrere weitere Personen und dies unter Umständen sogar von Amts wegen. Die extension de procédure erfasst jedoch nur die deutsche Fallgruppe der Vermögensvermischung. Da sie aber zu einer Verschmelzung der betroffenen Vermögensmassen und zu einem einheitlichen Insolvenzverfahren führt, trägt sie den Folgen einer Vermögensvermischung umfassender Rechnung als die deutsche Haftung. Außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens hebt das französische Recht ebenfalls die Identitätsverschiedenheit zweier Personen im Falle der Sphärenvermischung auf. 26. Die französischen Anfechtungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb einer förmlichen Insolvenz sind ebenso wie in Deutschland, England und den Niederlanden auf eine reine Rückabwicklung beschränkt.
V. Niederländische Rechtslage 27. Im Gegensatz zum englischen und französischen Recht kennt das niederländische Recht eine ausdrücklich an die Stellung als Gesellschafter anknüpfende gläubigerschützende Haftung, die sehr eng mit der Existenzvernichtungshaftung verwandt ist. Diese Haftung ist jedoch anders als in Deutschland nicht auf die Stellung als Gesellschafter beschränkt, sondern erfasst neben Geschäftsführern auch Gläubiger der Gesellschaft. Anders als das deutsche Recht kennt das niederländische Recht darüber hinaus eine nahezu parallel zur französischen responsa-
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bilité pour insuffisance d’actif ausgestaltete Haftung, die allein an die Stellung als Geschäftsführer anknüpft und daher ebenfalls formelle Geschäftsführer sowie Gesellschafter als faktische Geschäftsführer erfasst. Ergänzt werden beide Haftungen durch eine einzelfallabhängige, rein richterrechtliche Möglichkeit einer Durchgriffshaftung. 28. Die parallel zur französischen responsabilité pour insuffisance d’actif ausgestaltete Insolvenzverursachungshaftung der Geschäftsführer gemäß Art. 2:248 BW erfasst aufgrund des auf ein formelles Insolvenzverfahren beschränkten sachlichen Anwendungsbereichs nur einen Teilbereich der Existenzvernichtungshaftung. Ist ein solches Verfahren jedoch eröffnet, so genügt bereits jede Mitverursachung der Zahlungsunfähigkeit durch einen offensichtlichen Fehler der Geschäftsführung zur Haftungsbegründung. Ein solcher Fehler liegt insbesondere in einem Handeln der Geschäftsführung im Wissen oder Wissenmüssen um die nachteiligen Folgen ihrer Entscheidung für die Gläubiger. Die nachteiligen Folgen für die Gläubiger bei existenzvernichtenden Eingriffen sind in der Regel offensichtlich. Eine billigende Inkaufnahme setzt das niederländische Recht gerade nicht voraus. Gesellschafter werden von Art. 2:248 BW als faktische Geschäftsführer dann erfasst, wenn sie bereits einmalig Aufgaben der Geschäftsführung übernehmen und so die formelle Geschäftsführung verdrängen. Hiervon ist bei existenzvernichtenden Eingriffen auszugehen. 29. Die deliktische Haftung gemäß Art. 6:162 BW weist mit Blick auf die Gesellschafter als Haftungsadressaten nicht nur deutliche Parallelen zur Existenzvernichtungshaftung auf, sondern geht über diese noch hinaus. Im Gegensatz zur Existenzvernichtungshaftung haben die Gesellschafter und Geschäftsführer und unter Umständen auch Gläubiger der Gesellschaft die Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger umfassend zu beachten. Sie haften dann, sofern sie wussten oder wissen mussten beziehungsweise damit hätten rechnen müssen, dass infolge der Verletzung gesellschaftsrechtlicher Regeln und Pflichten nicht sämtliche Gläubiger befriedigt werden können und diese Folge auch tatsächlich eingetreten ist. Die Existenzvernichtung stellt gerade eine solche Missachtung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens zur vorrangigen Befriedigung der Gläubiger dar. Die niederländische Pflichtenbindung reicht jedoch über die der Existenzvernichtungshaftung hinaus, da sie auch die Interessen einzelner Gläubiger mit einbezieht. Die niederländische Haftung ist daher nicht auf existenzvernichtende Eingriffe beschränkt. Die Haftung gemäß Art. 6:162 BW erfasst daher ebenso wie die Existenzvernich-
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tungshaftung unrechtmäßige Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen und B.V.-Stafetten, aber auch eine Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten, selektive Zahlungen, das Erwecken des Anscheins der Kreditwürdigkeit sowie die Durchbrechung der Gleichbehandlung der Gläubiger zu eigenen Gunsten sowie unter Umständen eine Unterkapitalisierung. 30. Trotz der spezialgesetzlichen Regelung der Insolvenzverursachungshaftung in Art. 2:248 BW und der allgemeinen deliktischen Haftung gemäß Art. 6:162 BW behält sich die niederländische Rechtsprechung mit der Figur des vereenzelviging eine dritte Regelung extra legem vor, um in Einzelfällen eine Durchgriffshaftung zu begründen. Mithilfe dieser Rechtsfigur kann die Identitätsverschiedenheit zwischen zwei Rechtspersonen aufgehoben werden. Diese Rechtsfigur erfasst vor allem die Fallgruppe der Vermögensvermischung, ist jedoch nicht auf diese beschränkt. Insbesondere im Rahmen von BV-Stafetten kann diese Figur zu einer Haftung der Beteiligten führen. 31. Ebenso wie bereits die französische responsabilité pour insuffisance d’actif geht die Haftung gemäß Art. 2:248 BW auf Rechtsfolgenseite über die Existenzvernichtungshaftung hinaus. Die haftenden (faktischen) Geschäftsführer haften gegenüber der Insolvenzmasse für sämtliche Masseverbindlichkeiten, die nicht durch eine Verwertung der Masse gedeckt werden können. Der Schutz der Gläubiger wird daher ebenso wie bei der Existenzvernichtungshaftung über das Gesellschaftsvermögen mediatisiert. Die Haftung gemäß Art. 6:162 BW ist hingegen grundsätzlich eine unmittelbare Außenhaftung gegenüber den Gläubigern selbst. Wie die Existenzvernichtungshaftung ist sie jedoch auf den konkret entstandenen Schaden beschränkt. Hat die Gläubigergesamtheit einen Schaden erlitten, so fließt der Ersatz jedoch ebenfalls in die Masse. In den Fällen existenzvernichtender Eingriffe besteht daher rechtspraktisch auch auf Rechtsfolgenseite ein nur geringer Unterschied zur Existenzvernichtungshaftung. 32. Das niederländische Anfechtungsrecht reiht sich in den Kreis der übrigen betrachteten Anfechtungsrechte ein. Sowohl innerhalb als auch außerhalb einer förmlichen Insolvenz sind die Anfechtungsmöglichkeiten auf eine reine Rückgewähr beziehungsweise Wertersatz beschränkt, sodass sie weder die Schäden der Gesellschaft noch die der Gläubiger im Sinne der Existenzvernichtungshaftung erfassen.
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Zusammenfassung
VI. Rechtsvergleichende Zusammenfassung und kollisionsrechtlicher Ausblick 33. In England, Frankreich und in den Niederlanden besteht im Vergleich zu Deutschland kein Defizit des gesellschaftsrechtlichen Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen. Sämtliche Länder kennen Haftungstatbestände, die nicht nur existenzvernichtende Eingriffe rechtspraktisch erfassen, sondern auch funktional mit der Existenzvernichtungshaftung vergleichbar sind. 34. Sämtliche der Haftungsregeln bei existenzvernichtenden Eingriffen sind gesellschaftsrechtlich zu qualifizieren. Aufgrund ihrer Anknüpfung an die Stellung als Gesellschafter oder Geschäftsführer, an eine Verletzung spezifischer, allein die Gesellschaft mit beschränkter Haftung betreffender Regelungen und Pflichten, die (auch) zugunsten der Gläubiger der Gesellschaft bestehen, und aufgrund der zudem grundsätzlichen Ausgestaltung (auch) als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, handelt es sich um Regelungen aus dem Kernbereich des Gesellschaftsrechts. EG-Auslandsgesellschaften nehmen diese Regelungen somit im Rucksack ihres Gesellschaftsstatuts mit nach Deutschland. Weder auf nationaler Ebene noch in einem grenzüberschreitenden Kontext bestehen daher Schutzlücken bei existenzvernichtenden Eingriffen.
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Sachverzeichnis aansprakelijkheid terzake van onbehoorlijk bestuur 326, 389 ff., 395 f. : siehe auch Geschäftsführerhaftung Aufsichtsrat 389 Entlastungsmöglichkeit 390 f. existenzvernichtender Eingriff 395 f. gesamtschuldnerische Haftung 389 Geschäftsführerpflicht 389 Geschäftsleitungsfehler 389 Haftungsmaßstab 389 f. Haftungsumfang 391 Klagebefugnis 391 Konkurrenzen 391 Liquidator 389 Verjährung 392 Zurechung 390 abus de biens sociaux 257 : siehe auch responsabilité pour insuffisance d’actif Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen 32, 68, 81 ff. : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe bilanzielle Abbildbarkeit 32, 68, 81 GmbH-Stafette 82 Kompensationslosigkeit des Eingriffs 82 f. Pflicht zur Fortführung der Gesellschaft 83 Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte 32, 67, 77 ff. : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe bilanzielle Abbildbarkeit 32, 67, 80 cash pool 77 cash management 78 Kompensationslosigkeit des
Eingriffs 78 upstream-loan 78 Vereinnahmung von Forderungen 78 Vereitelung der Durchsetzung von Forderungen 79 GmbH-Stafette 79 Kollateralschäden 80 action en comblement du passif : siehe responsabilité pour insuffisance d‘actif action en nullité 290 ff., 313 : siehe auch Anfechtungsrechte, liquidation judiciaire, redressement judiciaire Antragsbefugnis 292 Antragsfrist 292 Anfechtungsgegner 292 Dritte 291 existenzvernichtender Eingriff 292 f. fakultative Nichtigkeit 290 Fallbeispiele 290 Konkurrenzen 291 f. période suspecte 291 Rückabwicklung 291, 292 f. sachlicher Anwendungsbereich 290 Wertersatz 291, 292 f. Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses 291 zwingende Nichtigkeit 290 action paulienne 292, 304 ff., 308, 313 : siehe auch Anfechtungsrechte actio Pauliana 394 f. : siehe auch Anfechtungsrechte actio pro socio 177, 179, 180, 185 : siehe derivative claim, West MerciaHaftung Adams v Cape Industries p.l.c. 188, 189 : siehe auch Durchgriffshaftung
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Sachverzeichnis
administration 129 f. : siehe Insolvenzverfahren, Sanierungsverfahren agency 188 f., 191 f. : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem Aktienkonzernrecht 15 ff. „Albada Jelgersma II“Entscheidung 355 altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung 13 f., 21 ff., 45, 47 f., 49 ff., 88 f., 109 : siehe auch Außenhaftung, Durchgriffshaftung, Missbrauch der juristischen Person, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung Außenhaftung 13 f., 24 f., 51 deliktische Haftung 50 f. gesellschaftsrechtliche Haftung 23 ff. Haftung extra legem 14, 45, 47 f., 50 Subsidiarität 25, 88 f., 109 Verschuldensmaßstab 25 Anfechtungsrechte action en nullité 290 ff., 313 action paulienne 292, 304 ff., 308, 313 actio Pauliana 394 f. faillissementspauliana 380 ff. preferences 212 ff. substantial property transactions 222 ff. transactions at an undervalue 192 ff., 232 transactions defrauding creditors 207 ff. unentgeltliche Leistung, § 4 AnfG, § 134 InsO 42 f. vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung, § 3 AnfG, § 133 InsO 42 f. articles of association 120 f., 127 f. : siehe model articles, private company limited by shares Aschenputtel-Gesellschaften 69, 85 : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe, fraudulent trading, responsabilité
pour insuffisance d’actif, Unterkapitalisierung Auflösung der Gesellschaft : siehe auch wilde Liquidation besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 326 f. private company limited by shares 131 ff. société à responsabilite limitée 242 f. Außenhaftung : siehe altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Durchgriffshaftung, direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, Gründerhaftung, Jahresabschlusshaftung, responsabilité civile des gérants, responsabilité pour insuffisance d’actif Auslöser existenzvernichtender Eingriffe 34, 98, 101 : siehe auch Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen, Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung Ausschüttungssperre : siehe Kapitalerhaltung, Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter „Autohändler“-Urteil 24 f., 69, 271 „Autokran“-Urteil 16 f., 61, 77 „Ausfallhaftung“-Urteil 23 Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs 112 f. : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen : siehe auch Kapitalerhaltung, Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen, Geschäftsführerhaftung für
Sachverzeichnis
unrechtmäßige Auszahlungen, Liquidatorenhaftung Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG 30 ff., 54 f., 64, 70 f., 96 f. Auszahlungsverbot des § 64 S. 1 GmbHG 33 f. Auszahlungsverbot des § 73 Abs. 1 GmbHG 33 f., 35 f., 66 f., 74 besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 321 f. private company limited by shares 123 ff. société à responsabilité limitée 238
Bank 65, 106 : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, Haftung von Kreditinstituten für missbräuchlichen Kreditentzug, indirecte doorbraak, responsabilité pour insuffisance d’actif, soutien abusif, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen „Bannenberg/de Bont“Entscheidung 364, 370 balance sheet insolvency 133, 136, 172 : siehe West Mercia-Haftung, winding up, wrongful trading Beihilfe : siehe Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen „Beklamel“-Entscheidung 354, 358, 387 Berater 65, 106 : siehe auch Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen besloten vennootschap met beperkte aanspakelijkheid 5, 315, 317 ff. : siehe auch bestuur, B.V.-Reform, Insolvenzverfahren Alternative zur GmbH 5 Auflösung der Gesellschaft 326 f. Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen 321 f. Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen 322, 392 ff., 396, 399 Geschäftsleitung (bestuur) 325 f.
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Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen 322, 392 ff., 396 Gesellschaftsanteile 320 f. Gesellschafterversammlung 323 ff. gesetzliche Grundlagen 317 f. Gläubigerschutz ex post 315, 322 Gründungsverfahren 318 ff. Haftung für existenzvernichtende Eingriffe 343 ff., 373 ff., 379, 388 f., 395 f., 396 ff., 402 ff. Insolvenzverfahren 329 ff. Kapitalaufbringung 320 Kapitalerhaltung 321 f. Konzern 323 Mindestkapita 315, 318, 320 Praxisrelevanz 317 Rechtspersönlichkeit 320, 327 Solvenztest 322, 399 structuurvennootschap 324 Teilrechtsordnung 320 Zahlungsunfähigkeit 329 bestuur 325 f. : siehe auch faktischer Geschäftsführer, Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerpflichten Kollektivorgan (collegiaal bestuur) 325 f. Pflichten 325 f., 336, 389 f., 392 Vertretungsmacht 326 Weisungsgebundenheit 323, 326 betrügerische Geschäfte zulasten von Gläubigern : siehe transactions defrauding creditors “Bremer Vulkan”-Urteil 21 ff., 41, 68, 78 business judgment rule 71 : siehe existenzvernichtender Eingriff, unternehmerische Fehlentscheidungen B.V. : siehe besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid B.V.-Reform 315, 318, 322, 325, 359 f., 389, 392 ff., 396 Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen (Art. 2:216 Abs. 3 BW) 322, 392 ff., 396, 399
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Sachverzeichnis
Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen (Art. 2:216 Abs. 3 BW) 322, 392 ff., 396, 399 cash flow insolvency 132 f., 136, 172 : siehe West Mercia-Haftung, winding up, wrongful trading cash management 78, 171 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff, West Mercia-Haftung cash pool 71, 77 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff „Centros“-Entscheidung 4 Chohan v Saggar 210 Colin Gwyer & Associates Ltd. v London Wharf (Limehouse) Ltd. 173 common law 116 : siehe auch Haftung extra legem, West Mercia-Haftung agency 188 f. derivative claim 177, 179, 180, 185 Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen 124 f. Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen 125 Geschäftsführerpflichten 128 f., 165 ff. Geltendmachung von Schäden der Gesellschaft 179 f. mere façade 189 ff. Schadensersatzklage (remedy for compensation) 182 f. single economic unit 188 West Mercia-Haftung 116, 165 ff., 231 Wiederherstellung des Vermögens (restoration of property) 182 f. company voluntary arrangements 129 f. : siehe Sanierungsverfahren „Coral/Stalt“-Entscheidung 357, 368 Creasey v Breachwood Motors Ltd. 191 curator 329 : siehe auch Insolvenzverwalter
deliktische Haftung : siehe altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, sittenwidrige Vermögensschädigung, indirecte doorbraak, responsabilité délictuelle deliktsrechtliche Qualifikation 6 f., 405 f. : siehe kollisionsrechtliche Qualifikation derivative claim 177, 179, 180, 185 : siehe actio pro socio, common law directe doorbraak : siehe Durchgriffshaftung, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, indirecte doorbraak director 127 ff. : siehe auch faktischer Geschäftsführer, Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerpflichten, directors’ disqualification Entlastung 125, 174, 181 gesellschaftsrechtliche Definition 168 insolvenzrechtliche Definition 137 Pflichten 125, 128, 165 ff., 168 f. shadow director 137, 168 Vertretungsmacht 127 f. Weisungsgebundenheit 126, 129 directors’ disqualification 227 ff. : siehe auch Tätigkeitsverbot fakultatives Tätigkeitsverbot 228 fraudulent trading 162, 228 mangelnde Eignung 229 persönliche Haftung 230 Praxisrelevanz 227 strafrechtliche Haftung 230 Tätigkeitsverbot ex lege 228 wrongful trading 147, 228 direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger 53 f., 61, 90 f. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der
Sachverzeichnis Gesellschafter, Verlustdeckungshaftung in der VorGmbH, Unterbilanzhaftung dirigeant : siehe gérant Dispositionsbefugnis der Gesellschafter über das Gesellschaftsvermögen : siehe Kapitalerhaltung Dividendenauskehr : siehe Gewinnausschüttung dividende fictif 238 f. : siehe Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen, Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen, société à responsabilité limitée Durchgriffshaftung : siehe auch altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Außenhaftung, extension de procédure, Missbrauch der juristischen Person, Unterkapitalisierung, Vermögensvermischung agency 188 f. Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter 25 Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten 315 f., 331 ff. indirecte doorbraak 316, 347 ff. mere façde 189 ff. Missbrauch der juristischen Person 24 f., 27 single economic unit 188 société fictive 288 f. Sphärenvermischung 288, 289, 313 Unterkapitalisierung 13 vereenzelviging 316, 377 ff., 398 Vermögensvermischung 13, 67, 86, 92 Eigeninteresse der Gesellschaft 17, 19, 21 f., 28, 53, 63, 99 : siehe auch Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens Einwilligung der Gesellschaftergesamtheit 54 : siehe neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung
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eigenkapitalersetzendes Gesellschafterdarlehn 79 entgangener Gewinn 75, 87 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter Entlastung : siehe aansprakelijkheid terzake van onbehoorlijk bestuur, director, gérant, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Jahresabschlusshaftung, misfeasance proceedings, responsabilité civile des gérants, West Mercia-Haftung, wrongful trading entreprise unipersonelle à responsabilité limitée (EURL) 234 : siehe auch société à responsabilité limitée „Erba I“-Entscheidung 350, 361 Erfolgshaftung : siehe unbeschränkte Gesellschafterhaftung Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen : siehe auch Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen, Kapitalerhaltung, Verhältnis Gesellschafter- zu Geschäftsführerhaftung common law 124 f. dividende fictif 238 f. Erstattung gem. § 31 GmbHG 30 ff., 42, 52 ff. Erstattung gem. Art. 2:216 Abs. 3 BW 322, 392 ff., 396, 399 Erstattung gem. Art. 847 CA 2006 124 EuInsVO 6, 406 f. : siehe auch kollisionsrechtliche Qualifikation existenzvernichtender Eingriff 2, 28, 26, 55, 66 ff. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Fallgruppen
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existenzvernichtender Eingriffe, Kapitalerhaltung, sittenwidrige Vermögensschädigung, Überschuldung, Unterkapitalisierung, Zahlungsunfähigkeit betriebsfremder Zweck 68, 83 bilanzielle Abbildbarkeit 67 f., 81 f. business judgment rule 71 cash pool 71, 77 Erhöhung des Insolvenzrisikos 72 ex ante-Betrachtung 73 Geltendmachung subjektiver Rechte 71 Insolvenzverursachung oder -vertiefung 2, 26, 55, 66, 72 ff. Kompensationslosigkeit des Eingriffs 66, 70 f. Managementfehler 69, 83 nachträgliche, unerwartete Vermögensverschlechterung 81 Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 28, 66 Pflicht zur Fortsetzung des Gesellschaftsunternehmens 69, 83 planmäßiger Entzug von Gesellschaftsvermögen 50, 51, 72 Unterlassen der Durchsetzung von Forderungen 70 Unvermeidbarkeit der Insolvenz 73, 91 f. upstream-loan 71 Vereitelung der Durchsetzung von Forderungen 70 Verlust der Schuldendeckungsfähigkeit 55, 76 Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 73 Abs. 1 GmbHG 66 f., 74 Verzicht auf subjektive Rechte 71 Vorteil des Gesellschafters 68 existenzvernichtender Eingriff des Geschäftsführers : siehe Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverursachungshaftung des § 64 S. 3 GmbHG, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen
Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter 13 f., 21 ff., 26 ff., 43 ff., 45 f., 46 f., 51 ff., 62 ff., 401 : siehe auch altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, existenzvernichtender Eingriff, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriff, Gesellschafterpflichten, Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Schadensersatz der Gesellschafter aufgrund Pflichtverletzung, sittenwidrige Vermögensschädigung, Strukturprinzipien des GmbH-Rechts, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen, Verhältnis Gesellschafterzu Geschäftsführerhaftung Bank 65, 106 f. Berater 65, 106 f. Darlegungs- und Beweislast 91 f. deliktische Haftung 26 f., 45 f., 51 ff., 54 ff. direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger 53 f., 90 f. entgangener Gewinn 75, 87 ersatzfähiger Schaden 87 f. faktischer Gesellschafter 65, 106 Gesellschafter-Gesellschafter 65 Gesellschaft in Liquidation 29, 63, 74, 76, 88 Gleichlauf mit §§ 30, 31 GmbHG 28, 53 Haftungsbegrenzung 87 f. haftungsbegründende Kausalität 74 ff. Innenhaftung 14, 28, 45 f., 51 ff., 86 Insolvenzverursachung oder -vertiefung 2, 26, 55, 66, 72 ff. Klagebefugnis 89 ff. Kollateralschaden 32, 44, 46, 74 f., 80, 87 Konkurrenzen 88 f. masselose Insolvenz 90 materiell Begünstigter 86 f. Mediatisierung des Gläubigerschutzes 53, 56 mittelbarer Gesellschafter 64, 106
Sachverzeichnis persönlicher Anwendungsbereich 63 ff. Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 28, 51, 55, 56 ff., 64, 66, 87 Rechtsfortbildung 47 f., 57, 60 richterliche Schätzung 92 sachlicher Anwendungsbereich 63 Schadensersatzpflicht 86 ff. Schwestergesellschaft 65 sittenwidrige Vermögensschädigung 14, 26, 45 f., 51 f., 54 f., 56 ff., 65 f., 72 ff. situative Ausschüttungssperre 73 Sonderdelikt 63, 98, 106 Strukturprinzipien des GmbHRechts 58 f., 60 Subsidiarität 60 f., 88 f. Teilnahme 65, 106 f. Verfahrenskosten 75, 87 Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung 44 f., 58, 108 ff. Verjährung 93 f. Verlust der Schuldendeckungsfähigkeit 55, 76 Vermögensschaden 74, 87 Verschuldensmaßstab 58 f., 76 f. Vorhersehbarkeit der Insolvenz 76 f., 81, 83, 84 Wiederherstellung der Schuldendeckungsfähigkeit 87 f. extension de procédure 233, 274 ff., 313 : siehe auch Durchgriffshaftung, liquidation, Missbrauch der juristischen Person, procédure de sauvegarde, redressement judiciaire Antragsbefugnis 284 f. anormale finanzielle Beziehungen 277, 287 Darlegungs- und Beweislast 285 Ermessensentscheidung des Gerichts 279 existenzvernichtender Eingriff 286 f. Fiktivität der juristischen Person 274, 277 f., 286 gekreuzte Insolvenzverfahren 282 ff. Gläubigerinteresse 277
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Konkurrenzen 284 Konzernverflechtung 276 f., 278 Missbrauch der juristischen Person 286 Nichtigkeit der Gesellschaft 279 persönlicher Anwendungsbereich 275, 287 Pflicht zur Respektierung der Eigenständigkeit der juristischen Person 274 Rechtsscheinshaftung 278 sachlicher Anwendungsbereich 274 f., 286 f. undurchsichtige Buchführung 276, 287 Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen 276 f. Verfahrenserstreckung 278 f., 280 ff., 287 Verfahrenskosten 285 f. Verjährung 285 Verlust der Rechtspersönlichkeit 282 Vermögensvermischung 274, 276 f., 286, 287 Verschuldenserfordernis 277 Faillissement 329 ff. : siehe Insolvenzverfahren faillissementspauliana 380 ff. : siehe auch Anfechtungsrechte, faillissement Anfechtungsbefugnis 380, 385 Anfechtungsfrist 386 Anfechtungsgegner 384 Darlegungs- und Beweislast 383, 386 Dritte 384 Entgeltlichkeit der Rechtshandlung 382 Erfüllung von Verbindlichkeiten 383 existenzvernichtender Eingriff 386 f. freiwillige Rechtshandlungen 380 f. Gläubigerbegünstigung 383 Gläubigerbenachteiligung 381 Kenntnis 382, 383 Konkurrenzen 385 nahestehende Personen 382 Nichtigkeit der Rechtshandlung 384, 385 Rückabwicklung 384, 386 f.
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sachlicher Anwendungsbereich 380 Verfahrenskosten 386 Wertersatz 384, 386 f. faillite personnelle 308 ff. : siehe l’interdiction de diriger Fairmont Tours (Yorkshire) Ltd., Re 140 faktischer Geschäftsführer : siehe Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, indirecte doorbraak, l’interdiction de diriger, Quasi-Organhaftung der Gesellschafter, responsabilité pour insuffisance d’actif, West MerciaHaftung, wrongful trading faktischer Gesellschafter 65, 106 : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Unterkapitalisierung, Vermögensvermischung Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfeldern und -chancen 32, 68, 81 ff. Abzug von Liquidität 32, 67, 77 ff. Aschenputtel-Gesellschaften 85 Ausgangspunkt des Rechtsvergleichs 112 f. fremdnützige Bestellung von Sicherheiten 80 f. Risikogeschäfte 83 f. Unterkapitalisierung 84 f. unternehmerische Fehlentscheidungen 83 Vermögensvermischung 86 Fiktivität der juristischen Person : siehe extension de procédure, société fictive floating charge 151, 182, 203 : siehe misfeasance proceedings, transactions at an undervalue, wrongful trading fraudulent trading 116, 156 ff., 230 f., 402 : siehe auch winding up
absichtliche Gläubigerbenachteiligung 157, 158 f., 164 Aschenputtel-Gesellschaften 164 Bestellung von Sicherheite zulasten des Beklagten 162 Darlegungs- und Beweislast 157, 162 directors’ disqualification 162 Dritte 157 f. Ermessensentscheidung des Gerichts 161 f. existenzvernichtender Eingriff 163 ff., 230 f., 402 Fortsetzung der Geschäftstätigkeit 158 ff., 164 fremdnützige Bestellung von Sicherheiten 164 Haftungsmaßstab 159 Haftungsumfang 161 Kenntnis 160 f. Klagebefugnis 162, 163 materiell Begünstigter 161 f., 165 Missbrauch der juristischen Person 163 persönlicher Anwendungsbereich 157 f., 163 f. Praxisrelevanz 157 Risikogeschäfte 164 sachlicher Anwendungsbereich 157, 163 Schadensersatz 161, 165 strafrechtliche Haftung 156 Strafschadensersatz 161 Unterkapitalisierung 164 Verjährung 162, 163 Verfahrenskosten 162 Verlust der Gläubiger 159, 165 Verschuldensmaßstab 158 f., 165 fremdnützige Bestellung von Sicherheiten 80 f. : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe levereged buyout 80 limitation language 81 bilanzielle Abbildbarkeit 80 „Gamma“-Urteil 28 f., 69, 84, 99 Gehilfe existenzvernichtender Eingriffe : siehe Geschäftsführerhaftung für
Sachverzeichnis existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen, Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung gérant 241 f. : siehe auch faktischer Geschäftsführer, Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerpflichten, l’interdiction de diriger Entlastung 241 Pflichten 241 Vertretungsmacht 241 Weisungsgebundenheit 239 f., 241 gesamtschuldnerische Haftung : siehe aansprakelijkheid terzake van onbehoorlijk bestuur, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, indirecte doorbraak, Verhältnis Gesellschafterzur Geschäftsführerhaftung Geschäfte über wesentliche Vermögensbestandteile : siehe substantial property transactions Geschäftsführer : siehe bestuur, director, faktischer Geschäftsführer, gérant, Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerpflichten, Haftungsprivileg des Geschäftsführers bei Gesellschafterweisung, Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers Geschäftsführerhaftung : siehe auch Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten in der Insolvenz, Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen, indirecte doorbraak, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Jahresabschlusshaftung,
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responsabilité pour insuffisance d’actif, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen, Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung, West Mercia-Haftung, wrongful trading ansprakelijkheid terzake van onbehoorlijk bestuur (Art. 2:9 BW) 326, 389 ff., 396 Haftung gem. § 43 Abs. 2 GmbHG 34 f., 94 f., 95 f., 98 ff. responsabilité civile des gérants (Art. L. 223-22 C.com.) 241, 293 ff., 306 f. Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG 94 f., 95 f., 98 ff., 301 f. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen, Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen, Sonderdelikt der Gesellschafter, Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung Auslöser existenzvernichtender Eingriffe 98 eigenständiger Eingriff des Geschäftsführers 98 Entlastung 100 Gehilfe existenzvernichtender Eingriffe 98 Haftungsfreistellung 111 Haftungsprivileg des Geschäftsführers bei Gesellschafterweisung 95 f., 98 f. Klagebefugnis 96 Konkurrenzen 107 f. materiell Begünstigter 95 MoMiG 98 organschaftliche Überwachungspflicht 100 Pflichtverletzung 99 f. Verjährung 96 Verschuldensmaßstab 100 Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung 108 ff.
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Verzicht auf den Ersatzanspruch 101 Zahlungen der Geschäftsführer an Gesellschafter 98 Geschäftsführerhaftung für Insolvenzverursachung : siehe Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten (kennelijk onbehoorlijk bestuur, Art. 2:248 BW) 315 f., 331 ff., 397 f., 402 f. : siehe auch Durchgriffshaftung, faillissement, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe Anfechtung von Rechtsgeschäften des Geschäftsführers 339, 346 Aufsichtsratsmitglieder 332 f. Außenhaftung 339, 346 Bank 334 Billigkeitserwägungen 338 Darlegungs- und Beweislast 336, 337, 341 f., 344 directe doorbraak 316 Entlastung 337, 346 ex ante-Betrachtung 335 existenzvernichtender Eingriff 343 ff., 397 f., 402 f. faktischer Geschäftsführer 333 f., 343, 344 f. Fallbeispiele 336 gesamtschuldnnerische Haftung 338, 346 Geschäftsführer 332 f. Geschäftsleitungsfehler 334 ff., 345 Haftungsumfang 338, 346 Haftungsmaßstab 335, 345 f. Insolvenzvertiefung 345 Insolvenzverursachung 336 f., 343, 345 f. Kenntnis des Geschäftsführers 335, 345 f. Klagebefugnis 341, 344 Konkurrenzen 340 f. Liquidator 333 persönlicher Anwendungsbereich 332 ff., 343, 344 f. materiell Begünstigter 339, 346 Rechnungslegungspflicht 336 richterliche Schätzung 338
sachlicher Anwendungsbereich 332, 343 f. Schaden 338 unternehmerische Fehlentscheidungen 345 Verfahrenskosten 342 f. Verjährung 342, 344 Verschuldensmaßstab 335, 345 f. Zahlungsunfähigkeit 332, 345 Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen : siehe auch Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverschleppung, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Kapitalerhaltung, Verhältnis Gesellschafter- zu Geschäftsführerhaftung common law 125 dividende fictif 238 f. Haftung gem. Art. 2:216 Abs. 3 BW 322, 392 ff., 396, 399 Haftung gem. § 43 Abs. 3 GmbHG 33 f., 95 ff., 109 f. Geschäftsführerpflichten : siehe auch Geschäftsführerhaftung, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, indirecte doorbraak, Insolvenzversursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern, West-Mercia Haftung, misfeasance proceedings Rechnungslegung 241, 325 common law 165 ff., 169 ff. Companies Act 2006 165 ff., 169 ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung (Art. 2:9 BW) 326, 389, 393 Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen 56 f., 165 ff., 169 ff., 183 f., 354 ff., 373, 375 f. Pflicht zur Förderung des Gesellschaftserfolgs 166, 169 Sorgfalt eines ordentlichen
Sachverzeichnis Geschäftsmanns (§ 43 Abs. 1 GmbHG) 95, 99 Treuepflicht 174 Gesellschafter-Gesellschafter 65 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Teilnahme an existenzvernichtenden eingriffen Gesellschaft in Liquidation 29, 63, 74, 76, 88, 212, 312 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter Gesellschafterpflichten : siehe auch existenzvernichtender Eingriff, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, indirecte doorbraak, Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern, Sonderrechtsbeziehung Pflicht zur Fortsetzung des Gesellschaftsunternehmens 69 Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 28, 52, 55, 56 ff., 64, 66 strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht 40 ff. Treuepflicht 23, 40 ff., 56 ff. Gesellschafterversammlung 125 ff., 239 f., 323 ff. : siehe besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, private company limited by shares, société à responsabilité limitée Gesellschafterweisung : siehe Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers Gesellschaftsanteile 122 f., 237, 320 f. : siehe besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, private company limited by shares, société à responsabilité limitée Gesellschaftsinteresse : siehe Eigeninteresse der Gesellschaft gesellschaftsrechtliche Qualifikation 6 f., 407 : siehe kollisionsrechtliche Qualifikation Gesellschaftsstatut 4
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Gesellschaftszweck 57 : siehe auch Treuepflicht gesetzliches Gläubigerschutzkonzept 16, 24, 27 f., 29 ff., 61, 101 MoMiG 61 Gewinnausschüttung : siehe Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen Gläubigerschutz ex ante 1 f., 3 : siehe auch Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung Gläubigerschutz ex post 3 besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 315 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 2, 102, 112 private company limited by shares 153 société à responsabilité limitée 233 Gleichlauf der Existenzvernichtungshaftung mit §§ 30, 31 GmbHG 28, 53 : siehe neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung GmbH-Stafette 79, 82, 258, 360, 378 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chancen, indirecte doorbraak, responsabilité pour insuffisance d’actif, restriction on re-use of company names, vereenzelviging „Gourdain/Nadler“-Entscheidung 406 Gründerhaftung (Art. 2:203 BW) 387 f., 395 : siehe auch Gründungsverfahren, „Beklamel“-Entscheidung Gründungstheorie 4 ff. Gründungsverfahren 119 ff., 235 f., 318 ff. : siehe besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, private company limited by shares, société à responsabilité limitée Haftung extra legem : siehe auch altes Haftungskonzept der Existennzvernichtungshaftung,
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Sachverzeichnis
common law, Rechtsfortbildung altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung 14, 21 ff., 45, 47 f., 50 agency 188 f. mere façde 189 ff. single economic unit 188 société fictive 288 f. Sphärenvermischung 288 vereenzelviging 316, 377 ff., 398 Vermögensvermischung 13, 67, 86 f., 92 West Mercia-Haftung 116, 165 ff., 231 Haftung gem. Art. 6:162 BW : siehe indirecte doorbraak Haftungsbeschränkung ex ante : siehe Strukturprinzipien des GmbHRechts Haftungsfreistellung : siehe Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, Geschäftsführerhaftung gem. Art. 2:216 Abs. 3 BW, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen, Verhältnis Gesellschafter- zu Geschäftsführerhaftung Haftungsprivileg des Geschäftsführers bei Gesellschafterweisung 95 f., 98 f., 104 : siehe Geschäftsführer, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG Haftungsprivileg des Gesellschafters 52 f., 61 Haftung von Kreditinstituten für missbräuchlichen Kreditenzug (Art. L. 313-12 C. monét. et fin.) 304, 307 f. : siehe auch soutien abusif
Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung (§ 826 BGB) 14, 26, 45, 48 ff., 72, 74 : siehe auch existenzvernichtender Eingriff, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Rechtsfortbildung, Unterkapitalisierung Anwendungsbereich des § 826 BGB 46 f. Berücksichtigung insolvenz- und gesellschaftsrechtlicher Wertungen 49 f., 54 f. Erhöhung des Insolvenzrisikos 72 Fallgruppe der Gläubigerbenachteiligung 50 gezielte Schädigung einzelner Gläubiger 51 Insolvenzverursachung oder -vertiefung 26, 55, 72 ff. mittelbare Schädigung 46 f., 54 Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 51, 55, 56 ff. planmäßiger Entzug von Gesellschaftsvermögen 50, 51, 72 Unterkapitalisierung 85 Unvermeidbarkeit der Insolvenz 73 Verlust der Schuldendeckungsfähigkeit 55 Vermögensschaden 46, 74, 87 Verstoß gegen das Auszahlungsverbot des § 73 Abs. 1 GmbHG 66 f., 74 Vorhersehbarkeit der Insolvenz 76 f. Vorsatz 58, 76 f. Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes zugunsten der Gläubiger (§ 823 Abs. 2 BGB) 36 ff. : siehe auch Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger „Handelsvertreter“-Urteil 24 f., 83, 155, 271
Sachverzeichnis Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen 61 f. : siehe auch neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung indirecte doorbraak (Art. 6:162 BW) 316, 347 ff., 397 f., 402 ff. : siehe auch Durchgriffshaftung, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe, Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten Anschein der Kreditwürdigkeit 360 ff. Bank 350 Billigkeitserwägungen 364 B.V.-Stafette 360 Darlegungs- und Beweislast 371 f., 374 Durchbrechung der Gläubigergleichbehandlung 362 f. existenzvernichtender Eingriff 373 ff., 397 f., 402 ff. faktischer Geschäftsführer 348 f., 354 ff. Fallgruppen 354 ff., 373, 375 Fortsetzung defizitärer Geschäftsaktivitäten (betalingsonmacht) 354 ff. gesamtschuldnerische Haftung 364 f. Gesschäftsführer 348 f., 354 ff. Geschäftsführerpflichten 348 f., 354 ff. Gesellschafter 350, 358 ff. Gesellschafterpflichten 350, 356, 359 Gläubiger 350, 360 ff. Gläubigerpflichten 360 f. Haftungsumfang 363 f. kausaler Schaden 353, 376 Klagebefugnis 369 f., 374 f., 376 f. Konkurrenzen 366 ff. Konzern 349 f., 356, 357 Liquidator 348 materiell Begünstigter 365 f. Mitverschulden 364 Nichtberücksichtigung von Insolvenzforderungen 364 persönlicher Anwendungsbereich 348 ff., 374
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Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen 354 ff., 373, 375 f. Relativität des Schadens 354 Risikogeschäfte 375 f. sachlicher Anwendungsbereich 347, 373 f. Schadensersatz 363 ff., 376 f. Schutzzweckzusammenhang 353 f. selektive Bezahlung 356 ff. stilles Pfandrecht 361 Strukturhaftung 347 unerlaubte Handlung 347, 351 unrechtmäßiger Gewinnausschüttungsbeschluss 358 ff. Unterkapitalisierung 362, 375 unternehmerische Fehlentscheidungen 375 f. Verfahrenskosten 373 Verjährung 372 f., 374 Vermögensschaden 353, 363, 376 Vermögensvermischung 376 Verschuldensmaßstab 351 f., 376 Verstoß gegen die Verkehrssitte 351 Zahlungsverweigerung (betalingsonwil) 356 ff. Zurechenbarkeit 351 f. Inland Revenue Commissioners v Hashmi 209 Innenhaftung : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung Insolvenzantragspflicht : siehe auch Insolvenzverfahren, Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger, Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 329 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 37 f. private company limited by shares 129, 154 société à responsabilité limitée 245 Insolvenzerstreckung : siehe extension de procédure
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insolvenzrechtliche Qualifikation 6 f., 101, 406 f. : siehe kollisionsrechtliche Qualifikation Insolvenzverfahren : siehe auch Insolvenzverwalter, masselose Insolvenz, Sanierungsverfahren, winding up administration 129 f. faillissement 329 ff. liquidation judiciaire 245 ff. procédure de conciliation 245 receivership 130 f. redressement judiciaire 243 f. winding up 118 f., 131 ff. Insolvenzverschleppung 33, 58, 102 : siehe auch unbeschränkte Gesellschafterhaftung, wrongful trading Teilnahme an einer Insolvenzverschleppung 58 Insolvenzverschleppungshaftung bei Führungslosigkeit 58 Insolvenzverursachung oder – vertiefung 2, 26, 55, 66, 72 ff., 259 f., 269, 336 f., 343, 345 f. : siehe Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten, existenzvernichtender Eingriff, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung, responsabilité pour insuffisance d’actif Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG : siehe auch Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen, Sonderdelikt der Gesellschafter, Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung, Zahlungsunfähigkeit Auslöser existenzvernichtender Eingriffe 101 Begründung neuer Verbindlichkeiten 102 Darlegungs- und Beweislast 105
Entlastung 104, 105 ex ante-Betrachtung 103 Gehilfe existenzvernichtender Eingriffe 101, 104 Haftungsbegrenzung 104 f. Haftungsfreistellung 110 f. Haftungsprivileg 104 insolvenzrechtliche Qualifikation 101 Klagebefugnis 105 Konkurrenzen 107 f. MoMiG 98, 101 f., 103, 108 Rückerstattung der Zahlung 104 Solvenztest 103 f. Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns 102, 103 Unvermeidbarkeit der Zahlungsunfähigkeit 103 105 Verhältnis Gesellschafter- zur Geschäftsführerhaftung 108 ff. Verjährung 105 Verursachung der Zahlungsunfähigkeit 102 ff. Zahlungen der Geschäftsführer an Gesellschafter 102 f. Zeitpunkt der Anspruchsentstehung 102 Insolvenzverwalter : siehe curator, Insolvenzverfahren, liquidator, Liquidatorenhaftung, mandataire judiciaire „Inspire Art“-Entscheidung 4 insuffisance d’actif 253 ff., 271 f. : siehe responsabilité pour insuffisance d’actif, masselose Insolvenz Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern 56 f., 166, 169 f., 172 f., 174 f., 184 : siehe Geschäftsführerpflichten, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens, West Mercia-Haftung Jahresabschlusshaftung 393 f., 396 Kapitalaufbringung 122 f., 237 f., 320 : siehe besloten vennootschap met
Sachverzeichnis beperkte aansprakelijkheid, private company limited by shares, société à responsabilité limitée Kapitalausstattung : siehe Unterkapitalisierung Kapitalerhaltung : siehe auch Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen, Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen, gesetzliches Gläubigerschutzkonzept besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 321 f. Gesellschaft mit beschränkter Haftung 30 ff., 55., 64, 96 private company limited by shares 123 ff. société à responsabilité limitée 238 f. „KBV“-Urteil : siehe „Kindl-Backwaren“-Urteil kennelijk onbehoorlijk bestuur : siehe Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten „Keulen/BLG“-Entscheidung 362, 368 „Kindl-Backwaren“-Urteil 23 ff., 50, 67, 155, 271, 286 Kinsela v Russell Kinsela Pty Ltd. 169 f. : siehe West Mercia-Haftung Kollateralschaden 32, 44, 46, 75, 80, 87 : siehe auch Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter kollisionsrechtliche Qualifikation 6 ff., 101, 404 ff. : siehe auch EuInsVO, Rom II-VO, Sonderanknüpfung autonome Qualifikation 404, 406 Deliktsrecht 6 f., 405 f. Gesellschaftsrecht 6 f., 407 Insolvenzrecht 6 f., 101, 406 f. Mehrfachqualifikation 7 Kompensationslosigkeit des Eingriffs 66, 70 f., 78, 82 f. : siehe Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und -chance, Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff
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Leitungsmacht 17, 19 levereged buyout 80 : siehe fremdnützige Bestellung von Sicherheiten l’interdiction de diriger 308 ff. : siehe auch responsabilité pour insuffisance d’actif, Tätigkeitsverbot Antragsbefugnis 309 f. Antragsfrist 309 f. Ermessensentscheidung des Gerichts 309 faktischer Geschäftsführer 308 Geschäftsleitungsfehler 308 Rehabilitationsmöglichkeit 309 limitation language 81 : siehe fremdnützige Bestellung von Sicherheiten liquidation : siehe winding up Liquidation : siehe Auflösung der Gesellschaft, wilde Liquidation liquidation judiciaire 245 ff. : siehe Insolvenzverfahren liquidator 131, 133 : siehe auch Insolvenzverwalter, Liquidatorenhaftung Liquidatorenhaftung : siehe auch Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen aansprakelijkheid terzake van onbehoorlijk bestuur 389 Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG 95 Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten 333 Haftung gem. § 73 Abs. 3 GmbHG 33 f., 35 f., 38 ff. indirecte doorbraak 348 responsabilité civile du liquidateur 294 responsabilité pour insuffisance d’actif´ 250 West Mercia-Haftung 169 Ltd. : siehe private company limited by shares „Lunderstädt/ de Kok q.q“Entscheidung 368
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Managementfehler : siehe unternehmerische Fehlentscheidungen, existenzvernichtender Eingriff mandataire judiciaire 246 : siehe auch Insolvenzverwalter, Liquidatorenhaftung masselose Insolvenz : siehe auch Insolvenzverfahren besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 330 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 90 private company limited by shares 134 société à responsabilité limitée 247, 253 f. materielle Unterkapitalisierung : siehe Unterkapitalisierung MDA Investment Management Ltd., Re 201 Mediatisierung des Gläubigerschutzes 53, 56, 174, 183 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Innenhaftung, misfeasance proceedings, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, West Mercia-Haftung memorandum of association 119 f. : siehe private company limited by shares mere façade 189 ff., 191 f. : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem Mindestkapital besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid 3, 315, 318, 320 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 1 ff., 30 f. private company limited by shares 3, 122 société à responsabilié limitée 3, 233, 237 misfeasance proceedings 175 ff., 184 : siehe auch preferences, West MerciaHaftung, winding up, wrongful trading Antragsbefugnis 176, 184 f. Antragsfrist 178 f.
Arglist 178 Darlegungs- und Beweislast 177 Entlastung 181 Ermessensentscheidung des Gerichts 180 ff. floating charge 182 Geschäftsleitungsfehler 175 Haftungsumfang 180 ff. materiell Begünstigter 180, 182 sachlicher Anwendungsbereich 175 Schadenseratz 180, 187 statutory trust 182 Strafschadensersatz 181 Verfahrenskosten 177, 182 Missbrauch der Firma : siehe restriction on re-use of company names Missbrauch der juristischen Person : siehe auch Durchgriffshaftung altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung 24 f., 27 extension de procédure 274, 279, 286 fraudulent trading 163 Geschäftsführerhaftung für Masseverbindlichkeiten 315 f., 331 ff. responsabilité pour insuffisance d’actif 256 société fictive 288 f., 289 vereenzelviging 377 ff. wrongful trading 135 missbräuchlicher Kreditentzug : siehe Haftung von Kreditinstituten für missbräuchlichen Kreditenzug missbräuchliche Kreditgewährung : siehe soutien abusif mittelbarer Gesellschafter 64, 106 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen model articles 120 f., 126, 127, 128 : siehe auch articles of association, private company limited by shares MoMiG 2 : siehe auch eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehn, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem.
Sachverzeichnis § 43 Abs. 2 GmbHG, gesetzliches Gläubigerschutzkonzept, Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Unterkapitalisierung Morphitis v Bernasconi 161 naamloze vennootschap met beperkte aansprakelijkheid (N.V.) 317 National Westminster Bank p.l.c. v Jones 197 neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung 14, 26 ff., 45 ff., 51 ff., 76 f., 86 : siehe auch altes Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterpflichten, Rechtsfortbildung, sittenwidrige Vermögensschädigung Berücksichtigung insolvenz- und gesellschaftsrechtlicher Wertungen 54 f. deliktische Haftung 26 f., 45, 51 ff., 54 ff. Einwilligung der Gesellschaftergesamtheit 54 Gleichlauf mit §§ 30, 31 GmbHG 28, 53 Haftungsbeschränkung 87 f. Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen 61 f. Innenhaftung 14, 28, 46, 51 ff., 86 f. Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern 56 f. Mediatisierung des Gläubigerschutzes 53, 56 MoMiG 33, 48 Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 28, 52, 55, 56 ff. Rechtsfortbildung 45, 45 f., 47 f., 57, 59 f.
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rechtspraktische Konsequenzen 60 f. Schadensersatz der Gesellschafter aufgrund Pflichtverletzung 56 ff., 60 sittenwidrige Schädigung 2, 45 f., 51 ff., 54 f., 56 ff., 66 ff., 72 ff. Spezialitätsgrundsatz 56, 57 f., 59 Strukturprinzipien des GmbHRechts 58 f., 60 Subsidiarität 60, 88 f. Verschuldensmaßstab 58 f., 76 f. Niederlassungsfreiheit 4, 8 „Nimox“-Entscheidung 358 f., 362 f. Normzwecklehre 23 obligation aux dettes sociales 257 : siehe auch responsabilité pour insuffisance d’actif Ord v Belhavens Pubs Ltd. 188, 191 organschaftliche Überwachungspflicht 100 : siehe Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG „Osby“-Entscheidung 349, 360 f. pari passu principle 117 : siehe auch preferences „Peeters/Gatzen“-Entscheidung 369 période d’observation 243 f., 245 : siehe auch procédure de sauvegarde, redressement judiciare période suspecte 291 : siehe action en nullité Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 28, 51, 55, 56 ff., 64, 66, 87 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Gesellschafterpflichten, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern Philips v Brewin Dolphin Bell Laurie Ltd. 194, 195, 197 preferences 212 ff. : siehe auch administration, Anfechtungsrechte, misfeasance
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proceedings, transactions at an undervalue, winding up Anfechtungsbefugnis 219, 202, 204 Anfechtungsfrist 219, 205 Anfechtungsgegner 218 f., 201 f. Bevorzugung einzelner Gläubiger 213, 214 ff. Darlegungs- und Beweislast 219 f., 204 f. Dritte 218 f. Ermessensentscheidung des Gerichts 218 f., 199 ff. existenzvernichtender Eingriff 220 f. Fallbeispiele 214 f. hypothetische Liquidation 215 f. Konkurrenzen 219 misfeasance proceedings 220 nahestehende Personen (connected persons) 218, 220 pari passu principle 213, 220 f. Rückabwicklung 218 f., 199 ff., 221 sachlicher Anwendungsbereich 213 statutory trust 219 Verfahrenskosten 219, 205 f. Verschuldensmaßstab 217 f. Wertersatz 218 f., 199 ff., 221 Zeipunkt des Geschäftsabschlusses 218 private company limited by shares 4, 115, 118 ff. : siehe auch director, winding up Alternative zur GmbH 4 f. articles of association 120 f., 127 f. Auflösung der Gesellschaft 129 ff. Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen 123 ff. Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen 124 f. Geschäftsführer (director) 127 ff. Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen 125 Gesellschaftsanteile 122 f. Gesellschafterversammlung 125 ff. gesetzliche Grundlagen 119 Gläubigerschutz ex post 115, 192 Gründungsverfahren 119 ff. Haftung für existenzvernichtende Eingriffe 151 ff., 163 ff., 183 ff. 191 f., 206 f., 211 f., 220 f., 226, 230 ff., 402 ff.
Insolvenzverfahren 129, 131 ff. Kapitalaufbringung 122 f. Kapitalerhaltung 123 ff. memorandum of association 119 f. Mindestkapital 3, 122 model articles 120 f., 126, 127, 128 Praxisrelevanz 118 Publizitätspflichten 115 Rechtspersönlichkeit 121 Überschuldung 133 Zahlungsunfähigkeit 132 f. procédure collective : siehe Insolvenzverfahren procédure de conciliation 245 : siehe Sanierungsverfahren procédure de sauvegarde 243 f. : siehe Sanierungsverfahren public limited company by shares (p.l.c.) 118, 122, 126 Publizitätspflichten 112 : siehe auch private company limited by shares, société à responsabilité limitée Qualifikation : siehe kollisionsrechtliche Qualifikation qualifiziert faktischer Konzern 13, 15 ff. : siehe auch Strukturhaftung Quasi-Organhaftung der Gesellschafter 23, 35 R v Grantham 159 „Rainbow“-Entscheidung 360 Re Oasis Merchandising Services Ltd. 219 Rechtsfortbildung 45, 45 f., 47 f., 57, 59 f. : siehe auch Haftung extra legem, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung rechtspraktische Konsequenzen des „Trihotel“-Urteils 60 f. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, „Trihotel“-Urteil
Sachverzeichnis receivership 130 f. : siehe Insolvenzverfahren redressement judiciaire 243 f. : siehe Insolvenzverfahren, période d’observation, Sanierungsverfahren remedy for compensation 182 f., 231 : siehe common law, West MerciaHaftung responsabilité civile des gérants 241, 293 ff., 306 f., 312 f., 402 ff. : siehe auch Geschäftsführerhaftung Außenhaftung 295 ff. deliktische Haftung 297 Entlastung 295 existenzvernichtender Eingriff 306 f., 402 ff. Fallbeispiele 294, 296 f. Geschäftsleitungsfehler 293 f. Innenhaftung 294 f. kausaler Schaden 294 f. Klagebefugnis 295 Liquidator 294 persönlicher Anwendungsbereich 293 f., 306 persönlicher Gesellschafterschaden 295 Verjährung 294 Verschuldenserfordernis 294 vertragliche Haftung 297 responsabilité délictuelle 297 ff., 306 f., 312 f., 402 f. existenzvernichtender Eingriff 306 f., 402 f. faktische Geschäftsführer 298, 306 f. formelle Geschäftsführer 298 Gesellschafter 299 f., 307 Kreditgeber 300 f. responsabilité pour insuffisance d’actif 233, 248 ff., 310 ff., 402 ff. : siehe auch liquidation judiciare, responsabilité civile des gérants, responsabilité délictuelle abus de biens sociaux 257 Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und – chancen 272 Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte 272 action en comblement du passif 248 Amtsermittlung 265, 268, 270, 273
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Aschenputtel-Gesellschaften 256, 272 Außenhaftung 263 f. Bank 251 Bankrott 258 Bestellung von Sicherheiten zulasten des Beklagten 265 Darlegungs- und Beweislast 268 deliktische Haftung 253 Ermessensentscheidung des Gerichts 261 ff., 273 existenzvernichtender Eingriff 269 ff., 310 ff., 402 ff. faktischer Geschäftsführer 249, 251 ff., 269, 271 Fallbeispiele 255 ff. formeller Geschäftsführer 249 f. fremdnützige Bestellung von Sicherheiten 272 Geschäftsleitungsfehler 255 ff., 272 Gesellschafter 251 Gleichrangigkeit der Insolvenzforderungen 264, 273 Haftungsumfang 261 ff., 273, 312 f. Insolvenzerstreckung 266 Insolvenzverursachung 259 f., 269 kausaler Schaden 259 f., 262 f., 272 Klagebefugnis 267 f., 270 Konkurrenzen 266 f. Liquidator 250 materiell Begünstigter 263 f., 273 Missbrauch der juristischen Person 256 persönlicher Anwendungsbereich 249 ff., 262, 269, 271 Praxisrelevanz 233, 248 sachlicher Anwendungsbereich 249, 269, 270 SARL-Stafette 258 Schaden 253 ff. Schadensersatz 261 f., 263 Strafschadensersatz 261 f. Tätigkeitsverbot 265 f. Überschuldung (insuffisance d’actif) 253 ff., 271 f. Unterkapitalisierung 256, 272 unternehmerische Fehlentscheidung 255, 272 Verfahrenskosten 254, 266
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Verjährung 268, 270 Verschuldenserfordernis 260, 272 restoration of property 182 f. : siehe common law, West MerciaHaftung restriction on re-use of company names 225 f., 226 : siehe auch substantial property transactions „Rheumaklinik“-Urteil 26, 70, 82 Risikogeschäfte 83 f., 153 f., 164, 186, 375 f. : siehe fraudulent trading, unternehmerische Fehlentscheidungen, West Merciahaftung, wrongful trading Rom II-Verordnung 6, 405 : siehe auch kollisionsrechtliche Qualifikation „Romme/Bakker“-Entscheidung 372 Rucksack des Gesellschaftsstatuts 6, 407 Salomon v Salomon 115, 118, 134, 187 f., 189 : siehe auch Durchgriffshaftung Sanierungsverfahren : siehe auch Insolvenzverfahren administration 129 f. company voluntary arrangements 129 f. procédure de conciliation 245 procédure de sauvegarde 243 f. redressement judiciaire 243 f. surséance van betaling 328 „Sanitary“-Urteil 28 f., 53, 63, 67, 99 f. SARL : siehe société à responsabilité limitée Schadensersatzpflicht der Gesellschafter aufgrund Pflichtverletzung (§ 280 BGB) 56 ff., 59 f. : siehe auch neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Spezialitätsgrundsatz Schuldendeckungsfähigkeit 55, 76, 87 f. : siehe existenzvernichtender Eingriff, Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung
Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger : siehe auch Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes zugunsten der Gläubiger Insolvenzantragspflicht 37 f. Auszahlungsverbot des § 30 GmbHG 36 f. Auszahlungsverbot des § 73 GmbHG 38 ff. Untreue gem. § 266 StGB 40 ff. Schutzlücken des gesetzlichen Gläubigerschutzkonzepts 27, 37, 42, 43, 44 f. : siehe auch gesetzliches Gläubigerschutzkonzept Schwestergesellschaft 65, 106 : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffenn Sevenoaks Stationers (Retail) Ltd., Re 229 shadow director 137, 153, 168, 179, 185 : siehe director single economic unit 188, 191 f. : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem sittenwidrige Vermögensschädigung : siehe Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung (§ 826 BGB) situative Ausschüttungssperre 73, 103 f., 396, 399 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Solvenztest Sitztheorie 4 „Sobi/Hurks II“-Entscheidung 349 société à responsabilité limitée 5, 234 ff. : siehe auch gérant Alternative zur GmbH 5 Auflösung der Gesellschaft 242 f. Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen 238 f. dividende fictif 238 f. Erstattung unrechtmäßiger Auszahlungen 239 f. gesetzliche Grundlagen 235 Geschäftsführer (gérant) 241 f.
Sachverzeichnis Geschäftsführerhaftung für unrechtmäßige Auszahlungen 239 Gesellschaftsanteile 237 Gesellschafterversammlung 239 f. Gläubigerschutz ex post 233 Gründungsverfahren 235 f. Haftung für existenzvernichtende Eingriffe 269 ff., 286 f., 289, 292 f., 306 ff., 310 ff., 402 ff. Insolvenzverfahren 243, 245 ff. Kapitalaufbringung 237 f. Kapitalerhaltung 238 f. Mindestkapital 3, 233, 237 Mustersatzung 235 Praxisrelevanz 234 Publizitätspflichten 236, 242 Rechtspersönlichkeit 236, 243, 247 Zahlungseinstellung 243, 245 f. société fictive 288 f., 289 : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem Solvenztest 103 f., 322, 399 : siehe besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG Sonderanknüpfung 7 f., 404 : siehe auch kollisionsrechtliche Qualifikation Sonderrechtsbeziehung 56 : siehe auch Treuepflicht Sonderdelikt der Gesellschafter 63, 98, 106 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter soutien abusif 301 ff., 307 f. Sphärenvermischung 288, 289, 313 : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem, Vermögensvermischung Spezialitätsgrundsatz 56, 57 f., 59 : siehe auch neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, Schadensersatzpflicht der Gesellschafter aufgrund einer Pflichtverletzung Staatsaufsicht 115 f. strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht 40 ff.
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: siehe Gesellschafterpflichten, Untreue Strukturhaftung 18 : siehe auch indirecte doorbraak, qualifiziert faktischer Konzern Strukturprinzipien des GmbHRechts 58 f., 60 : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung substantial property transactions 222 ff., 226 : siehe auch Anfechtungsrechte, restriction on re-use of company names surséance van betaling 328 : siehe auch Sanierungsverfahren Tätigkeitsverbot directors’ disqualifications 227 ff. faillite personnelle 308 ff. l’interdiction de diriger 308 ff. „TBB“-Urteil 19 ff. Teilnahme an existenzvernichtenden Eingriffen 65, 106 f. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Sonderdelikt der Gesellschafter Anstiftung 106 Bank 65, 106 f. Beihilfe 106 Berater 65, 106 f. faktischer Gesellschafter 106 Gesamtschuld 106, 109 f. Haftungsfreistellung 109 ff. Mittäterschaft 106 mittelbarer Gesellschafter 106 Schwestergesellschaft 106 f. Verschuldenserfordernis 106 „Tiefbau“-Urteil 17 transaction avoidance 117 : siehe auch Anfechtungsrechte, preferences, substantial property transactions, transactions at an undervalue, transactions defrauding creditors
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Sachverzeichnis
transactions at an undervalue 192 ff., 232 : siehe auch administration, Anfechtungsrechte, winding up Abzug betriebsnotwendiger Ressourcen, Geschäftsfelder und – chancen 206 Anfechtungsbefugnis 202, 204 Anfechtungsfrist 205 Anfechtungsgegner 201 f. Auszahlung aus dem Gesellschaftsvermögen 194 Darlegungs- und Beweislas 204 f. Dritte 201 f. Ermessensentscheidung des Gerichts 199 ff. existenzvernichtender Eingriff 206 f. floating charge 203 Gegenleistung (consideration) 195 ff. gutgläubiger Geschäftsabschluss 198 f. Konkurrenzen 203 f. Missverhältnis der Leistungen 195, 196 f. Praxisrelevanz 192 Rückabwicklung 199 ff., 207 sachlicher Anwendungsbereich 193 statutory trust 202 nahestehende Personen (connected persons) 198 Verfahrenskosten 205 f. Verschuldenserfordernis 192, 198 f., 206 Vorteil der Gesellschaft 198 f. Wertersatz 199 ff. zweiseitiges Geschäft 193 f. Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses 197 f. transactions defrauding creditors 207 ff. : siehe auch Anfechtungsrechte, transaction at an undervalue Anfechtungsbefugnis 211, 212 Anfechtungsfrist 211, 205 Anfechtungsgegner 210 Darlegungs- und Beweislast 211 Dritte 210 Ermessensentscheidung des Gerichts 209 f.
existenzvernichtender Eingriff 211 f. Gläubigerinteresse 210 Missverhältnis der Leistungen 208, 195 ff. Praxisrelevanz 207, 212 Rückabwicklung 209 f., 212 sachlicher Anwendungsbereich 207 f., 211 f. Verfahrenskosten 211 Verschuldenserfordernis 208, 212 vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung 207, 208 f., 212 Wertersatz 209 f. Treuepflicht 23, 40 ff., 56 ff., 174 : siehe Geschäftsführerpflichten, Gesellschafterpflichten, Sonderrechtsbeziehung „Trihotel“-Urteil 2 f., 14, 26 ff., 37, 51 ff., 65 f., 68 f., 70, 72 f., 75, 82 f., 85, 95, 98, 99 f., 109, 192, 271, 286, 289, 306, 346, 398, 405 : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, neues Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung, rechtspraktische Konsequenzen des „Trihotel“-Urteils Unvermeidbarkeit der Insolvenz 73, 91 f., 103, 105, 138 ff., 154 f. : siehe existenzvernichtender Eingriff, Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG, wrongful trading unbeschränkte Gesellschafterhaftung 58 f. : siehe auch Strukturprinzipien des GmbH-Rechts ungleiche Behandlung der Gläubiger : siehe action en nullité, action paulienne, actio Pauliana, faillissementspauliana, indirecte doorbraak, preferences, transactions defrauding creditors Unterbilanzhaftung 90 : siehe auch Verlustdeckungshaftung in der Vor-GmbH
Sachverzeichnis Unterkapitalisierung 13, 28 f., 69 f., 84 f., 153 f., 164, 186, 256, 272, 362, 375 : siehe Aschenputtel-Gesellschaften, Durchgriffshaftung, Fallgruppen existenzverichtender Eingriffe, fraudulent trading, Gründerhaftung, Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung, indirecte doorbraak, responsabilité pour insuffisance d’actif, Unterkapitalisierung, West MerciaHaftung, wrongful trading Unterlassen der Durchsetzung von Forderungen 70 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff unternehmerische Fehlentscheidungen 83 f., 138, 153 f., 155, 186, 255, 272, 345, 375 f. : siehe auch Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe Untersuchungsverfahren : siehe misfeasance proceedings Untreue 40 ff. : siehe auch Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger, strafrechtliche Vermögensbetreuungspflicht upstream-loan 71, 78 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff Überschuldung 73 : siehe auch balance sheet insolvency, Insolvenzverfahren, private company limited by shares, responsabilité pour insuffisance d’actif, wrongful trading „Überseering“-Entscheidung 4 „Van Waning/van der Vliet“Entscheidung 372 „Veenbring/Barsma“-Entscheidung 371 vereenzelviging 316, 377 ff., 398 : siehe auch Durchgriffshaftung, Haftung extra legem B.V.-Stafette 378 Haftungsdurchgriff 377 Konkurrenzen 379
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Missbrauch der juristischen Person 378 f. Praxisrelevanz 379 Rechtsscheinshaftung 378 Vermögensvermischung 378 Zurechnung 377 Vereitelung der Durchsetzung von Forderungen 70, 79 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte, existenzvernichtender Eingriff Vereinnahmung von Forderungen 78 : siehe Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte Verhältnis Gesellschafter- zu Geschäftsführerhaftung 44 f., 58, 108 ff. : siehe auch Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Homogenität des Gläubigerschutzes bei existenzvernichtenden Eingriffen, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG gesamtschuldnerische Haftung 109 f. Verursachungs- und Verschuldensbeitrag 110 Haftungsfreistellung 110 f. ungerechtfertigte Bereicherung 111 Verlustdeckungshaftung in der VorGmbH 61, 90 : siehe auch direkte Forderungszuständigkeit der Gläubiger, Unterbilanzhaftung Vermögensinteresse der Gesellschaft : siehe Eigeninteresse der Gesellschaft Vermögensschaden 46, 74, 87, 353, 363, 376 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Haftung wegen sittenwidriger Vermögensschädigung, indirecte doorbraak Vermögensvermischung 13, 67, 86 f., 92, 274, 276 f., 286, 287, 376, 378 : siehe Durchgriffshaftung, extension de procédure, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe,
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Haftung extra legem, Sphärenvermischung, vereenzelviging, Waschkorblage „Video“-Urteil 17 ff. Vorhersehbarkeit der Insolvenz 76 f., 81, 83, 84 : siehe Existenzvernichtungshaftung der Gesellschafter, Haftung wegen sittenwidrige Vermögensschädigung Vorrang der Gläubigerbefriedigung : siehe Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens vulnerable transactions : siehe transaction avoidance Waschkorblage 92 : siehe auch Vermögensvermischung Weisung des Gesellschafters : siehe Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers 95 f. : siehe auch bestuur, director, gérant, Haftungsprivileg des Geschäftsführers bei Gesellschafterweisung West Mercia-Haftung (West Mercia Safetywear v Dodd) 116 f., 165 ff., 231, 402 ff. : siehe auch common law, director, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe, Geschäftsführerpflichten, Haftung extra legem, misfeasance proceedings Abzug von Liquidität und sonstiger Vermögenswerte 186 Abzug betriebsnotwendiger Ressourchen, Geschäftsfelder und -chancen 186 actio pro socio 177, 179, 185 Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen 171, 186 balance sheet insolvency 172 cash flow insolvency 172 cash management-System 171 Einzelinteressen der Gläubiger 170 Entlastung 174 f., 181 existenzvernichtender Eingriff 183 ff., 231, 402 ff.
faktischer Geschäftsführer 169, 185 Fallbeispiele 170 f. Geschäftsführer 168 Geschäftsführerpflichten 165 ff., 169 ff. Haftungsumfang 180 ff., 187 Haftungsmaßstab 173 f. Interesse der Gläubigergesamtheit 170 Interessenverschiebung zwischen Gesellschaftern und Gläubigern 166, 169 f., 172 f., 174 f., 184 Kenntnis des Geschäftsführers 172 f. Kinsela v Russell Kinsela Pty Ltd. 169 f. Klagebefugnis 176 f., 179, 184 f. Konkurrenzen 183 liquidator 169 materiell Begünstigter 180, 182 Mediatisierung des Gläubigerschutzes 174, 183 misfeasance proceedings 175 ff., 184 f., 187, 231 persönlicher Anwendungsbereich 168 f., 185 Pflicht zur Berücksichtigung von Gläubigerinteressen 165 f., 167, 168, 169 ff., 183 f., 185 Pflicht zur Förderung des Gesellschaftserfolgs 166 f., 169 Risikogeschäfte 186 sachlicher Anwendungsbereich 167, 184 Schadensersatzklage (remedy for compensation) 182 f., 231 shadow director 168, 179, 185 Strafschadensersatz 181 Treuepflicht des Geschäftsführers 174 Unterkapitalisierung 186 unternehmerische Fehlentscheidungen 186 Wiederherstellung des Vermögens (restoration of property) 182 f. Zeitpunkt der Interessenverschiebung 172 f. Wet vereenvoudiging en flexibilisering B.V.-recht : siehe B.V.-Reform
Sachverzeichnis wilde Liquidation 21, 24 : siehe auch Auflösung der Gesellschaft winding up 118 f., 131 ff. : siehe auch Insolvenzverfahren, misfeasance proceedings balance sheet insolvency 133 cash flow insolvency 132 f. Insolvenzantragspflicht 129 liquidator 131, 132, 133 masselose Insolvenz 134 voluntary winding up 131 f. winding up by the court 132 ff. Woolfson v Strathclyde Regional Council 189 wrongful trading 116, 134 ff., 230 f., 402 : siehe auch director, directors’ disqualifications, Fallgruppen existenzvernichtender Eingriffe, winding up balance sheet insolvency 136 Berücksichtigung von Gläubigerverlusten 145 Bestellung von Sicherheiten zulasten des Beklagten 147 bevorzugte Tilgung einzelner Verbindlichkeiten 145 cash flow insolvency 136 Darlegungs- und Beweislast 141, 149 deliktische Haftung 143 directors’ disqualifications 147 Entlastung 140 f., 145 f. Ermessensentscheidung des Gerichts 144 ff. Ermessensspielraum der Geschäftsführer 142 f. ex ante-Betrachtung 142 existenzvernichtender Eingriff 151 ff., 230 f., 402 faktischer Geschäftsführer 137, 153 floating charge 151 Geschäftsführer 137 Haftungsmaßstab 141 f. Haftungsumfang 144 ff., 156 „Handelsvertreter“-Urteil 155 insolvenzbedingte Abwicklung 136, 152 Insolvenzverschleppung 135, 151
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kausaler Schaden 143, 144 Kenntnis des Geschäftsführers 138 ff. „Kindl-Backwaren“-Urteil 155 Klagebefugnis 148, 152 Konkurrenzen 147 f. materiell Begünstigter 146 f. Minimierung der Gläubigerverluste 140 f., 153 Missbrauch der juristischen Person 135 persönlicher Anwendungsbereich 137, 153 Praxisrelevanz 135, 150 Rangrückstellung einer Forderung des Beklagten 147 Risikogeschäfte 153 f. sachlicher Anwendungsbereich 136, 152 Schadensersatz 144, 15 Schädigungsvorsatz 149 shadow director 137, 153 statuotry trust 146, 150 Strafschadensersatz 144 Überschuldung 136 Unterkapitalisierung 153 f. unternehmerische Fehlentscheidungen 138, 153 f., 155 Unvermeidbarkeit der überschuldungsbedingten Abwicklung 138 ff., 154 f. Verfahrenskosten 150 Verjährung 149 f., 152 Verschuldensmaßstab 149 Zeitpunkt der Kenntnis 138 ff. Yukong Line Ltd. of Korea v Rendsburg Investments Corp of Liberia (No. 2) 190 f. Zahlungen der Geschäftsführer an Gesellschafter 98, 102 f. : siehe Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen, Geschäftsführerhaftung für existenzvernichtende Eingriffe gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, Insolvenzverursachungshaftung gem. § 64 S. 3 GmbHG
466 Zahlungsunfähigkeit 73 : siehe auch cash flow insolvency, besloten vennootschap met beperkte aansprakelijkheid, private company limited by shares, société à responsabilité limitée
Sachverzeichnis Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens 2, 24, 26, 52, 54 f., 59 f., 66, 68 f. : siehe auch Eigeninteresse der Gesellschaft, Pflicht zur Respektierung der Zweckbindung des Gesellschaftsvermögens