Sanierungskredite in der Krise und in der Insolvenz von Unternehmen: Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und russischen Rechts 9783899497335, 9783899497328

A possible alternative to the liquidation of the debtor by means of bankruptcy or insolvency proceedings is the restorat

312 14 1MB

German Pages 338 [340] Year 2011

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Erster Teil. Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit
Zweiter Teil. Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen im deutschen und russischen Recht
Dritter Teil. Sanierungskredite in der Unternehmenskrise
Erster Abschnitt. Die einseitige Beendigung von Kreditverträgen (einschließlich Sanierungskredite)
Zweiter Abschnitt. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite in der Unternehmenskrise
Dritter Abschnitt. Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe der Sanierungskredite
Vierter Abschnitt. Sanierungskredite von Gesellschaftern
Vierter Teil. Sanierungskredite im Insolvenzverfahren
Erster Abschnitt. Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger im Insolvenzverfahren
Zweiter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzeröffnungsverfahren
Dritter Abschnitt. Sanierungskredite nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Vierter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzplan- und Vergleichsverfahren
Fünfter Teil. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
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Sanierungskredite in der Krise und in der Insolvenz von Unternehmen: Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und russischen Rechts
 9783899497335, 9783899497328

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Andrey Shatelyuk Sanierungskredite in der Krise und in der Insolvenz von Unternehmen – Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und russischen Rechts

Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht S-INSO Band 18

Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht

Herausgegeben von Professor Dr. Stefan Smid, Kiel Rechtsanwalt Dr. Mark Zeuner, Hamburg Rechtsanwalt Michael Schmidt, Berlin

S-INSO Band 18

De Gruyter

Andrey Shatelyuk

Sanierungskredite in der Krise und in der Insolvenz von Unternehmen – Eine vergleichende Untersuchung des deutschen und russischen Rechts

De Gruyter

Dr. Andrey Shatelyuk, Rechtsanwalt, Kaliningrad.

ISBN 978-3-89949-732-8 e-ISBN 978-3-89949-733-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston

Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Summary Die Arbeit beschreibt rechtsvergleichend für das deutsche und russische Recht die Besonderheiten der Rechtsstellung von Krediten, die auf die langfristige Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgerichtet sind (Sanierungskredite). Obwohl die Rechtsstellung von Sanierungskrediten im deutschen Recht sowohl in der Gesetzgebung als auch in Rechtsprechung und Lehre vielfach behandelt wird, bleibt es doch eine spannende Materie. In Russland dagegen tauchen Fragen der Notwendigkeit der Sanierungsfinanzierung häufig in der politischen Diskussion auf, aber die meisten der in dieser Arbeit unter dem rechtlichen Blickwinkel analysierten Fragen stellen immer noch Neuland dar. Für den Kreditgeber in Deutschland ist der rechtliche Rahmen für Sanierungskreditverträge in der Krise und deren Gewährung in diesem Zeitraum fließend. In der Regel ist es ein Weg zwischen «Scylla und Charybdis». Dabei wird in der Monographie in Bezug auf den Zeitraum der Kreditgewährung zu Fragen wie der einseitigen Beendigung eines Sanierungskreditvertrages, der Verpflichtung der Kreditinstitute zur Gewährung neuer Kredite sowie der Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe von Sanierungskrediten Stellung genommen. Gesondert wird die Rechtsstellung von durch Gesellschafter gewährten Sanierungskrediten dargestellt. Vor diesem Hintergrund zeigt die Behandlung dieser Fragen im russischen und deutschen Recht sowohl einige Gemeinsamkeiten als auch viele länderbezogene Besonderheiten. Die vom Grundsatz ‘par conditio creditorum’ ausgehenden deutschen und russischen Insolvenzmodelle schließen nicht aus, dass das Not leidende Unternehmen im Insolvenzverfahren seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellt. In der Praxis ist die Zahl der gelungenen Sanierungen relativ gering, obwohl die Zahl der Insolvenzanträge sowohl in Deutschland als auch Russland wächst. Deswegen wird die Rechtsstellung der Sanierungskredite im Insolvenzverfahren sowohl de lege late als auch de lege ferenda dargestellt. Zuerst werden die Rahmenbedingungen der Sanierungskreditgewährung nach der Stellung des Insolvenzantrages analysiert, dann im deutschen Regelinsolvenz- bzw. im russischen Beobachtungs-, Fremdverwaltungs- und Konkursverfahren und zuletzt im deutschen Insolvenzplan- bzw. russischen Vergleichsverfahren analysiert. Hauptsächlich werden die folgenden Fragestellungen beantwortet: Welchen Standpunkt nimmt die heutige Rechtsprechung ein? Mit welchen Maßnahmen kann die Rechtsstellung von Sanierungskrediten im Insolvenzverfahren attraktiver gemacht werden ohne den Interessen der anderen Gläubiger zu schaden?

V

Summary This paper describes and compares the German and Russian laws regarding the particularities of the legal status of loans which are given on purpose of long-term restoring of a debtor’s solvency (rehabilitation loans). Although the legal status of rehabilitation loans in German law is dealt with in a multitude of cases in jurisprudence as well as in doctrine, it still remains an exciting topic. In Russia, however, questions of the necessity of business recovery financing are frequently arising in political discussion, but most of the questions discussed in this paper from the legal point of view still cover new territory. For the German lender the legal framework regarding business recovery financing and the granting of such loans in times of crises still is quite unstructured. Usually it is a path between “Scylla and Charybdis”. Regarding the lending period this monography comments on questions like the one-sided termination of the rehabilitation loan agreement, the bank’s obligation to grant new loans, and the impact of legal rules regarding liability on the conditions of granting such loans. The legal position of rehabilitation loans granted by shareholders is examined separately. Regarding these issues Russian and German law show some common features as well as numerous country-specific ones. The ‘par conditio creditorum’ based bankruptcy models provided for in German and Russian law do not rule out that the insolvent company may restore its solvency during the process of bankruptcy. In practice the number of successful business recoveries is rather small, even though the number of applications for bankruptcy keeps growing in Germany as well as in Russia. Therefore the legal position of rehabilitation loans in the process of bankruptcy is dealt regarding de lege late as well as de lege ferenda. First of all the legal framework regarding granting of rehabilitation loans after filing for bankruptcy is analyzed; thereafter are analyzed their position in the German as well as in the various parts of the Russian bankruptcy process (observation, third-party administration, bankruptcy) as well as in the German ‘bankruptcy plan’ – and the Russian ‘compensation’ – processes. Mainly, the following questions are answered: ‘What position is occupied by the current law?’ and ‘Which measures may be used to improve the legal position of rehabilitation loans in the bankruptcy process without harming the interests of the other creditors?’

VI

Vorwort Diese Doktorarbeit ist meinen Eltern in großer Dankbarkeit und Liebe gewidmet. Bei Ekaterina Zakowrjaschina, Dr. Elina Meriminskaja und Dr. Dmitrij Gavrilin bedanke ich mich für die Idee und Anreize, eine Doktorarbeit in Deutschland zu schreiben. Das Promotionsverfahren an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel wurde erst Dank der Finanzierung der KonradAdenauer Stiftung e. V. möglich, deren Leiter der Abteilung für ausländische Studierende, Herr Dr. Detlev Preuße mein ganzes Studium exzellent betreut hat. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ebenfalls herzlichen Dank an den akademischen Vater der Arbeit — Herrn Prof. Dr. Alexander Trunk. Er hat als Doktorvater ein interessantes Thema empfohlen, dann im Weiteren das Promotionsverfahren fachlich betreut und während der einzelnen Schritte der Gestaltung der Arbeit sehr viel geholfen. Die wertvolle Diskussion mit Herrn Prof. Dr. Stefan Smid sowie die Teilnahme an den von ihm organisierten Seminaren haben die praktische Relevanz der Arbeit wesentlich erhöht sowie neue Blickwinkel auf die zu untersuchende Materie eröffnet. Ihm bin ich auch sehr dankbar für die Aufnahme der Arbeit in diese Reihe sowie für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Bei meinem Lehrer und langjährigem Vorbild als Wissenschaftler – Prof. Dr. h. c. Mark Boguslawskij – bedanke ich mich für die positive Lebenseinstellung, den Glauben an die Menschen sowie für die Kunst, mit Menschen richtig umzugehen. Außerdem bedanke ich mich bei meiner Frau Lilija für die Unterstützung, insbesondere während der mündlichen Prüfung. Besonders herzlichen Dank auch an meine Freunde Dr. Wladimir Golubnichij, Dr. Natalija Karpova, Antje Hillemreich, Dr. Maxim Shachraj, Dr. Adel Auchatow, Dr. Anja Meier, Dr. Roman Zajcev, Dr. Burchard Breig, Christine Hieber, Dr. Thomas Rühle, Konstantin Kruschke, Tim Schröder, Anne Lerke.

VII

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . XI Abkürzungsverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . XXIII Einleitung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

1

Erster Teil Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Zweiter Teil Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen im deutschen und russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Dritter Teil Sanierungskredite in der Unternehmenskrise   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Erster Abschnitt. Die einseitige Beendigung von Kreditverträgen (einschließlich Sanierungskredite)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Zweiter Abschnitt. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite in der Unternehmenskrise   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Dritter Abschnitt. Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe der Sanierungskredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Vierter Abschnitt. Sanierungskredite von Gesellschaftern   .  .  .  .  .  .  . 

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Fünfter Teil Zusammenfassung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

267

Literaturverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Vierter Teil Sanierungskredite im Insolvenzverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Erster Abschnitt. Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger im Insolvenzverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Zweiter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzeröffnungsverfahren Dritter Abschnitt. Sanierungskredite nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Vierter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzplan- und Vergleichsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

IX

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  Einleitung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Ausgangslage und Zielsetzung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Gang der Untersuchung und Abgrenzung des Themas  

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. XXIII . 1 . 1 . 2

Erster Teil. Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  . A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht . . . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  I. Stand des Insolvenzrechts in Deutschland und Russland  .  .  .  .  .  .  1. Stand des Insolvenzrechts in Deutschland  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Stand des Insolvenzrechts in Russland   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. Bestimmung des Krisenbegriffes   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Krisenbegriff im Sinne dieser Arbeit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  III. Bestimmung des Insolvenzbegriffes   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Insolvenzbegriff im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Gesetzliche Merkmale der Eröffnung des Insolvenzverfahrens b) Insolvenzbegriff in der Literatur und die Frage nach der Einbeziehung des Krisenbegriffes in seinen Geltungsbereich   2. Insolvenzbegriff im russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Gesetzliche Merkmale der Eröffnung des Insolvenzverfahrens b) Insolvenzbegriff in der Literatur und die Frage nach der Einbeziehung des Krisenbegriffes in seinen Geltungsbereich   3. Insolvenzbegriff im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  IV. Sanierungsbegriff im deutschen und russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  1. Sanierungsbegriff im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Sanierungsbegriff im russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Sanierungsbegriff im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  I. Begriff des Kreditvertrages im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Rechtliche Grundlagen der Kreditgeschäfte   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Begriff des Kreditvertrages im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Rechtliche Natur des Darlehensvertrages   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Darlehensvertrag: Real- oder Konsensualvertrag?   .  .  .  .  .  .  b) Pflichten der Vertragsparteien und die Frage nach ihrer Gegenseitigkeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

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17 17 18 18 20 22 22 22 22 23 26 26

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XI

Inhaltsverzeichnis

4. Krediteröffnungsvertrag und dessen Stellung im deutschen Recht II. Normen über die Kreditgeschäfte im russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  . 1. Gegenwärtige Gesetzgebung über die Kreditgeschäfte   .  .  .  .  .  . 2. Begriff des Kreditvertrages und dessen rechtliche Natur   .  .  .  .  . III. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . C. Begriff des Sanierungskreditvertrages im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  . I. Betrachtung der Zweckabrede im Kreditvertrag   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Sanierungskreditvertrag als eine Art des zweckgebundenen Kredits   . 1. Begriff des Sanierungskreditvertrages  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Begriff des Sanierungskredites im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  . 2. Arten der Sanierungskreditverträge und ihre Abgrenzung voneinander   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . D. Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Der Unternehmensbegriff im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Der Unternehmensbegriff im russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . III. Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . E. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Zweiter Teil. Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen im deutschen und russischen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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A. Abschluss und Form des Kreditvertrages   .  .  .  .  B. Pflichten des Kreditgebers  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  I. Zurverfügungstellen des Geldbetrages   .  .  .  1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. Aufklärungs- und Beratungspflichten   .  .  .  1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  C. Pflichten des Kreditnehmers   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  I. Pflicht zur Rückerstattung des Kredits   .  .  .  1. Gegenstand der Rückerstattungspflicht   .  a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Fälligkeit der Rückerstattungspflicht   .  .  a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Erfüllbarkeit der Rückerstattungspflicht   a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

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XII

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Inhaltsverzeichnis

II. Zinszahlungspflicht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Zinsbegriff und seine Abgrenzung von anderen Vergütungsarten a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Zinsabrede und Zinshöhe   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Entstehung und Beendigung der Zinspflicht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . III. Abnahme der Darlehensvaluta   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . IV. Pflicht zur Stellung von Sicherheiten   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . D. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Dritter Teil. Sanierungskredite in der Unternehmenskrise   .  .  .  .  .  .

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Erster Abschnitt. Die einseitige Beendigung von Kreditverträgen (einschließlich Sanierungskredite)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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A. Terminologische Klärung der für diesen Abschnitt relevanten Begriffe  .  . B. Ordentliche Beendigung von Kreditverträgen ohne wichtigen Grund   .  . I. Ordentliches Kündigungsrecht nach deutschem Recht   .  .  .  .  .  .  .  . 1. Die ordentliche Kündigung des Darlehensgebers und ihre Grenzen 2. Die ordentliche Kündigung des Darlehensnehmers   .  .  .  .  .  .  .  . II. Die einseitige Vertragsauflösung des Kreditvertrages ohne wichtigen Grund nach russischem Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Das Recht des Kreditgebers   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Das Recht des Kreditnehmers   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . C. Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Außerordentliche Kündigung nach deutschem Recht   .  .  .  .  .  .  .  . 1. Außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers   .  .  .  . a) Tatbestand des § 490 Abs. 1 BGB   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage   .  .  .  .  . bb) Gefährdung der Darlehensrückzahlung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . cc) Zeitpunkt der Kündigung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Schranken des Rechts zur außerordentlichen Kündigung   .  .  . 2. Außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers   .  .  . II. Die einseitige Vertragsauflösung bei Vorhandensein eines wichtigen Grundes nach russischem Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Rechte des Kreditgebers   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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XIII

Inhaltsverzeichnis

a) Die einseitige Auflösung des Kreditvertrages  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Das Recht des Kreditgebers, die Erfüllung des Kreditvertrages zu verweigern  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  c) Zulässigkeit der Aufhebung des Kreditvertrages nach Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Rechte des Kreditnehmers   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  D. Spezifische Fragen der Beendigung von Sanierungskreditverträgen   .  .  I. Rechtslage nach deutschem Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. Rechtslage nach russischem Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  E. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

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Zweiter Abschnitt. Die Pflicht der Kreditinstitute zur Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite in der Unternehmenskrise   .  .  .  .  .  .  .  .  .

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A. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Die Rolle der Banken in der Wirtschaft und die Konzeption der Hausbank   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Die Lehre von der Pflicht der Hausbank, Not leidenden Unternehmen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Theorie der begrenzten Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen (Sanierungs-) Kredit zu gewähren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Kooperationspflichttheorie   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Auffassungen, welche der Theorie zur Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren, begrenzt zustimmen   .  .  .  .  . 4. Auffassungen, welche die Theorie zur Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren, generell ablehnen   .  .  .  .  .  .  . 5. Stellungnahme   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . B. Russisches Recht  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Über die Existenz des Hausbankensystems in Russland   .  .  .  .  .  .  . II. Die Lehre der Pflicht der Hausbank, Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Stand der Problematik   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Das Prinzip von Treu und Glauben und Treuepflichten im russischen Recht (insbesondere Kreditrecht)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Auswirkungen bankrechtlicher Vorschriften auf die mögliche Pflicht der Bank zur Kreditgewährung in der Unternehmenskrise 4. Mögliche Verpflichtung der Bank zur Gewährung eines Sanierungskredits   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

XIV

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Inhaltsverzeichnis

Dritter Abschnitt. Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe der Sanierungskredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . A. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Die Rechtsgrundlage der Bankenhaftung wegen fehlgeschlagener Sanierung im Lichte der Problematik der Sanierungskreditgewährung 1. Vertragliche und vertragsähnliche Haftung der Bank   .  .  .  .  .  .  . 2. Außervertragliche Haftung der Bank   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Haftung der Bank nach § 826 BGB als wichtigster Haftungsgrund bei der Vergabe sittenwidriger Sanierungskredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung   .  .  .  .  .  .  . 2. Auffassungen in der Literatur zur systematischen Stellung unzulässiger Sanierungskredite innerhalb § 826 BGB  .  .  .  .  .  .  . 3. Lösungsvorschläge zu einzelnen Problemkreisen   .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Haftungsrelevante Verhaltensweisen der Bank   .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Sanierungsfähigkeitsprüfung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Zeitpunkt und Gegenstand der Prüfung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . bb) Eigenprüfung oder Prüfung durch einen neutralen Wirtschaftsfachmann   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . cc) Beweggründe des Kreditinstituts: Eigennützigkeit oder Eigensucht als Prüfungskriterium?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . dd) Rechtsfolgen einer Sanierungsprüfung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Schädigungsvorsatz   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4. Haftungsrechtliche Folgen der Insolvenzverschleppung   .  .  .  .  . B. Russisches Recht  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Vertragliche und vertragsähnliche Haftung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Außervertragliche Haftung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Grundsätze des russischen Deliktsrechts   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Grundsatz des Generaldelikts und seine Ausprägung im russischen Zivilrecht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich des Generaldelikts   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Die Tatbestandsmerkmale des Art. 1064 russ. ZGB im Lichte möglicher haftungsrechtlicher Ansprüche gegenüber der Bank wegen der Vergabe sog. sittenwidriger Sanierungskredite   .  .  .  . a) Zufügung eines Schadens („pricˇ inenie vreda“)   .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Rechtswidrigkeit („protivopravnost’“)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Kausalverhältnis („pricˇ innaja svjas’“) zwischen der rechtswidrigen Handlung des Schädigers und dem eingetretenen Schaden   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . d) Verschulden („vina“)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Stellungnahme   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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XV

Inhaltsverzeichnis

Vierter Abschnitt. Sanierungskredite von Gesellschaftern   .  .  .  .  .  .  .

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A. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Notwendigkeit von Kapitalersatzregeln und ihre Begründung im deutschen Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Historische Entwicklung und Stand der Gesetzgebung zum Kapitalersatzrecht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . III. Grundtatbestand des kapitalersetzenden Darlehens nach § 32a Abs. 1 GmbHG und die verwandten Tatbestände nach § 32a Abs. 2, 3 Sätze 1 und 2 GmbHG sowie ihre Rechtsfolgen   . 1. Grundtatbestand des kapitalersetzenden Darlehens nach § 32a Abs. 1 GmbHG und die verwandten Tatbestände nach § 32a Abs. 2, 3 Sätze 1 und 2 GmbHG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Darlehensgewährung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . (1) Darlehensgewährung nach § 32a Abs. 1 GmbHG  .  .  .  .  .  . (2) Wirtschaftlich gleichstehende Rechtshandlungen nach § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG unter dem Gesichtspunkt der Nichtabziehung von Fremdkapital   .  .  .  .  .  .  . b) Normadressaten   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . (1) Gesellschafter   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . (2) Dritte   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Kapitalersatzfunktion des Darlehens  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens sowie Umfang und Dauer der Kapitalersatzfunktion   .  .  .  .  .  .  . a) Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Umfang und Dauer der Kapitalersatzfunktion   .  .  .  .  .  .  .  .  . IV. Sanierungskredite als Hauptanwendungsfall des kapitalersetzenden Darlehens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Abgrenzung der Überbrückungs- und Finanzplankredite von Sanierungskrediten im Lichte des Kapitalersatzrechts   .  .  .  .  .  . a) Überbrückungskredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Finanzplankredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Die Frage der Notwendigkeit der Privilegierung von Sanierungskrediten in der Rechtsprechung und Lehre vor dem Inkrafttreten von § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG n.F.   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Allgemein  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Die Frage der Notwendigkeit des allgemeinen Sanierungsprivilegs   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Auffassungen der Literatur zur Notwendigkeit der Privilegierung einzelner Bereiche der kapitalersetzenden Sanierungskredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Privilegierung der Sanierungsbeteiligung im geltenden Gesellschaftsrecht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Voraussetzungen der Privilegierung der Sanierungskredite   .  .

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Inhaltsverzeichnis

aa) Die Krise der Gesellschaft als maßgeblicher Zeitpunkt der Privilegierung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  bb) Personelle Reichweite des Sanierungsprivilegs  .  .  .  .  .  .  (1) Allgemeine Betrachtung des Darlehensgebers   .  .  .  .  (2) Professionelle Angehörigkeit des Sanierers  .  .  .  .  .  .  cc) Erwerb von Gesellschaftsanteilen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  dd) Sanierungszweck   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  ee) Bestehende und neu gewährte Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Rechtsfolgen des Sanierungsprivilegs und seine Dauer   .  .  .  V. Quo vadis Kapitalersatzrecht?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  VI. Stellungnahme zum System des Kapitalersatzrechts und die allgemeine Bewertung der systematischen Einordnung des Sanierungskredites   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  B. Gesellschafterdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht   I. Betrachtung des Gesellschafterdarlehens vom Standpunkt des Kapitalerhaltungsrechts des russischen GmbHG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. Betrachtung des Gesellschafterdarlehens in der Krise vom Standpunkt des Deliktsrechts  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  III. Betrachtung des Gesellschafterdarlehens vom Standpunkt der Vorschriften des russischen InsG über die vorgerichtliche Sanierung 1. Allgemein   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Zurverfügungstellen finanzieller Hilfen nach Art. 31 russ. InsG aus der Perspektive des deutschen Kapitalersatzrechts   .  .  a) Zeitpunkt der Kreditgewährung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Darlehensgewährung und verwandte Tatbestände   .  .  .  .  .  .  c) Adressat der Finanzierung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  d) Rechtsfolgen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Stellungnahme   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

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Vierter Teil. Sanierungskredite im Insolvenzverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Erster Abschnitt. Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger im Insolvenzverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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A. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . B. Russisches Recht  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Verhältnis zwischen den Vorschriften des russ. ZGB und den Vorschriften des russ. InsG über die Befriedigungsreihenfolge der Gläubigerforderungen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Systematischer Aufbau der Befriedigungsordnung nach dem russischen InsG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Zur Existenz aussonderungsberechtigter Gläubiger im russischen Insolvenzrecht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Vorweg aus der Konkursmasse zu berichtigende Forderungen   .  .

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XVII

Inhaltsverzeichnis

3. Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen nach Art. 134 Pkt. 1 russ. InsG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Zweiter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzeröffnungsverfahren . . . . . .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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A. Allgemeine Charakteristik des Insolvenzeröffnungsverfahrens   .  .  .  .  I. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Insolvenzantrag und dessen Zulässigkeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  II. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Insolvenzantrag und dessen Zulässigkeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Vorläufige Sicherungsmaßnahmen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  3. Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  B. (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren   .  .  .  I. (Sanierungs-)Kredite nach Insolvenzantragstellung und bis zur Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen bzw. bis zum Erlass des Beschlusses über die Annahme des Insolvenzantrages   .  .  .  .  .  1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Neue (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  b) Neue (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. (Sanierungs-)Kredite im Zeitraum zwischen der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Neue (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  aa) Rechtslage nach KO, VglO und GesO   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  bb) Rechtslage nach InsO   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  (1) Kreditverträge, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter bei gleichzeitiger Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes geschlossen werden   (2) Kreditverträge, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots geschlossen werden   (3) Kreditaufnahme durch den Schuldner   .  .  .  .  .  .  .  .  (4) Zustimmung zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme   .  .  .  b) Alte, bereits bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  c) Behandlung von Sanierungskrediten der Gesellschafter   .  .  .  2. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  a) Alte, bereits bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  . 

XVIII

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188 188 188 189 191 191 192 192 193 194

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195 195 195 196 197 197 198

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198 198 199 199 200

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200

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202 203 204 205 207 208 209

Inhaltsverzeichnis

b) Neue (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Zustimmungserfordernisse zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

210 211 212

Dritter Abschnitt. Sanierungskredite nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

214

A. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Allgemeine Charakteristik des eröffneten Insolvenzverfahrens   .  .  . 1. Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Beidseitig nicht erfüllte Verträge   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Insolvenzanfechtung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4. Abriss des Ablaufs des Regelinsolvenzverfahrens   .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Stellung der Sanierungskredite im eröffneten Insolvenzverfahren   .  . 1. Zugesagte oder bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Sanierungskredite in Form von Kontokorrentkrediten  .  .  .  .  . b) Sanierungskredite in Form von Tilgungskrediten   .  .  .  .  .  .  . aa) Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 ff. InsO  .  .  . bb) Kündigung von Sanierungstilgungskrediten   .  .  .  .  .  .  . 2. Aufnahme neuer Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Allgemeine Fragen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Zusätzliche Anforderungen für die Aufnahme neuer (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Folgen der Gewährung neuer Kredite im Fall der Masseunzulänglichkeit   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Rechtsstellung von Gesellschafterkrediten im Insolvenzverfahren a) Bestehende Gesellschafterkredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Gewährung neuer Gesellschafterkredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . B. Russisches Recht  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Stellung von Sanierungskrediten im Beobachtungsverfahren   .  .  .  . 1. Allgemeine Charakteristik  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. (Sanierungs-)Kredite im Beobachtungsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Aufnahme neuer (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Zustimmungserfordernisse   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Sanierungskredite im Verfahren der Fremdverwaltung   .  .  .  .  .  .  . 1. Allgemeine Charakteristik  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Die Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens und ihre Folgen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Beidseitig nicht erfüllte Verträge   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Insolvenzanfechtung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . d) Abriss des Verlaufs des Verfahrens der Fremdverwaltung   .  .  . 2. Sanierungskredite im Verfahren der Fremdverwaltung   .  .  .  .  .  . a) Bestehende Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Die Gewährung neuer Kredite   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

214 214 214 215 216 217 217 218 218 219 220 222 225 225 225 226 228 228 229 231 231 231 233 235 236 237 238 238 238 239 239 240 240 241 242

XIX

Inhaltsverzeichnis

c) Zustimmung zur Aufnahme neuer Sanierungskredite   III. Sanierungskredite im Konkursverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  1. Allgemeine Charakteristik  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  2. (Sanierungs-)Kredite im Konkursverfahren   .  .  .  .  .  .  .  a) Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  .  b) Die Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite   .  .  .  .  .  c) Zustimmung zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme   .  .  .  C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

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242 244 244 246 246 246 247 247

Vierter Abschnitt. Sanierungskredite im Insolvenzplan- und Vergleichsverfahren  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

249

A. Allgemeine Charakteristik   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Deutsches Insolvenzplanverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Russisches Vergleichsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Deutsches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Kredite zwischen Verfahrenseröffnung und Bestätigung des Insolvenzplanes   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. Kredite nach der Bestätigung des Insolvenzplanes   .  .  .  .  .  .  .  . a) Allgemein  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Voraussetzungen der Privilegierung von (Sanierungs-)Krediten innerhalb der Kreditrahmen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Voraussetzungen, deren Erfüllung vor der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht notwendig ist bb) Voraussetzungen, deren Erfüllung nach der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht notwendig ist cc) Wirkung des Vorrangs   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 3. Gesellschafterkredite im Insolvenzplanverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Verhältnis des Grundtatbestandes des Kapitalersatzrechts zu den Vorschriften der InsO über den Kreditrahmen   .  .  .  .  . b) § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG im Lichte der Vorschriften der InsO über Kreditrahmen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4. Bieten die insolvenzrechtlichen Regeln über die Kreditrahmen den Kreditgebern einen ausreichenden Anreiz zur Mitwirkung an der Sanierung des Schuldners?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Russisches Recht   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. (Sanierungs-)Kredite im Zeitraum der Ausarbeitung des Vergleichs und bis zu dessen Bestätigung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 2. (Sanierungs-)Kredite nach der Bestätigung des Vergleichs   .  .  .  . C. Zwischenergebnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

XX

249 249 251 252 252 252 253 253 254 254 255 258 258 259 260

261 263 263 264 265

Inhaltsverzeichnis

Fünfter Teil. Zusammenfassung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . Begriffsbestimmung und Rechte und Pflichten der Parteien in den Kreditverträgen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  II. Sanierungskredite in der Unternehmenskrise   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  III. Sanierungskredite im Insolvenzverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  IV. Gesamtwürdigung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 

267

I.

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267 267 269 273

Literaturverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . I. Deutschsprachige Literatur   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . II. Russischsprachige Literatur   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

277 277 302

XXI

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abs. AcP a.F. Anh. Anm. AG AGB-Banken AGB-Sparkassen AktG Art. Aufl. BankG BB Bd. Begr. BGB BGH BGHZ BKR BT-Drs. BVS RF ChiP c.i.c DB d.h. DStR DZWiR Einl. f. Fn. ff. FZ gem. GiP GmbH GmbHG GmbHR GrZG UdSSR GUS GWB HGB Hrsg.

anderer Ansicht Absatz Archiv für die civilistische Praxis, Zeitschrift alte Fassung Anhang Anmerkung Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift Allgemeine Geschäftsbedingungen der deutschen Banken Allgemeine Geschäftsbedingungen der deutschen Sparkassen Aktiengesellschaft Artikel Auflage Federal’nyj zakon „O bankach i bankovskoj dejatel’sti“ (Föderales Gesetzes „Über die Banken und die Banktätigkeit“) Der Betriebs-Berater, Zeitschrift Band Begründung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundestagsdrucksache Bulleten’ Verchovnogo Suda Rossijskoj Federacii (Amtliche Sammlung des Obersten Gerichtshofes der Russischen Föderation) Chozjaistvo i pravo (Wirtschaft und Recht), Zeitschrift culpa in contrahendo – Verschulden bei Vertragsabschluss Der Betrieb, Zeitschrift das heißt Deutsches Steuerrecht, Zeitschrift Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Einleitung folgende Fußnote fortfolgende Federal’nyj Zakon (Föderales Gesetz) gemäß Gosudarstvo i pravo (Staat und Recht), Zeitschrift Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend der Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau, Zeitschrift Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR Gemeinschaft der Unabhängigen Staaten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) Handelsgesetzbuch Herausgeber

XXIII

Abkürzungsverzeichnis i.S.d. i.V.m. InsG 1998 InsG 1992

InsO JOR JuS JZ KapAEG KO KonTragG KTS KWG MDR MitbestG m.w.N. n.F. NJW Nr. NZI Pkt. RabelsZ Rn. RF RG RGZ RIW RJu RSFSR russ. AG russ. GmbH russ. InsG russ. ZGB S. SMG SZ RF Urt. UWG Verf RF VglO VSND RSFSR

VVAS

XXIV

im Sinne des in Verbindung mit Federal’nyj zakon ot 8.1.1998 „O nesostojatel’nosti (bankrotstve)“ (Föderales Gesetz vom 8.1.1998 „Über die Insolvenz (den Bankrott)“) Federal’nyj zakon ot 19.11.1992 „O nesostojatel’nosti (bankrotstve) perdprijatij“ Gesetz vom 19.11.1992 „Über die Insolvenz (den Bankrott) von Unternehmen“ Insolvenzordnung Jahrbuch für Ostrecht, Zeitschrift Juristische Schulung, Zeitschrift Juristenzeitung, Zeitschrift Kapitalaufnahmeerleichterungsgesetz Konkursordnung Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Zeitschrift für Insolvenzrecht Kreditwesengesetz Monatsschrift für Deutsches Recht Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen neue Fassung Neue Juritische Wochenschrift, Zeitschrift Nummer Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung Punkt Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Randnummer Russische Föderation Reichsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Recht der Internationalen Wirtschaft, Zeitschrift Rossijskaja Justicija (Russische Justiz), Zeitschrift Rossijskaja Sovetskaja Federativnaja Sozialisticˇ eskaja Respublika (Russische Sowjetische Föderative Sozialistische Republik) Akcionernoe obsˇcˇ estvo (Aktiengesellschaft, Russland) Obsˇcˇ estvo s ogranicˇ ennoj otvetstvennost’ju (Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Russland) Federal’nyj zakon „O nesostojatel’nosti (bankrotstve)“ ot 26.10.2002 (Föderales Gesetz „Über die Insolvenz (den Bankrott)“, (Russland) vom 26.10.2002 Grazˇdankskij kodeks Rossijskoj Federacii (Zivilgesetzbuch der Russischen Föderation) Seite Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts Sobranie Zakonodatel’stva Rossijskoj Federacii (Gesetzessammlung der Russischen Föderation) Urteil Gesetz gegen unerlaubten Wettbewerb Verfassung der Russischen Föderation Vergleichsordnung Vedomosti S’jezda narodnych deputatov i Verchovnogo Soveta RSFSR (Bekanntmachung des Kongresses der Volksdeputierten und des Obersten Sovjets der RSFSR) Vestnik Vyssˇego Arbitrazˇnogo Suda RF (Miteilung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF)

Abkürzungsverzeichnis WiRO WM WPGB ZBB ZGB 1922 ZGB 1964 ZInsO ZIP ZGR ZHR ZPO ZZP

Wirtschaft und Recht in Osteuropa, Zeitschrift Zeitschrift für Wirtschaft- und Bankrecht, Wertpapiermitteilung Arbitrazˇnyj Processual’nyj kodeks RF (Wirtschaftsprozessgesetzbuch der Russischen Föderation) Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Grazˇdanskij kodeks RSFSR ot 1922 (Zivilgesetzbuch der RSFSR von 1922) Grazˇdanskij kodeks RSFSR ot 1964 (Zivilgesetzbuch der RSFSR von 1964) Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung Zeitschrift für Zivilprozess

XXV

Einleitung 1.

Ausgangslage und Zielsetzung

Eine Alternative zur Liquidation der Schuldnerfirma im Wege des Konkurs- bzw. Insolvenzverfahrens kann die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit derselben entweder im Wege des Insolvenzverfahrens oder außerhalb eines solchen sein. Sie kann mit Hilfe unterschiedlicher Maßnahmen durchgeführt werden. In der vorliegenden Arbeit wird eine dieser Maßnahmen dargestellt: die Kreditvergabe, die auf die langfristige Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners ausgerichtet ist (Sanierungskredit). Die Rechtsstellung der Sanierungskredite wird rechtsvergleichend für das deutsche und das russische Recht erarbeitet. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt im deutschen Recht. Zuerst wird die entsprechende Frage im deutschen Recht behandelt. Danach wird das russische Recht mit vergleichenden Komponenten und Analysen gegenüber gestellt. Vor dem Hintergrund der relativ jungen Insolvenzgesetze in beiden Ländern1 und des Booms von Insolvenzverfahren2 hat die Thematik von Sanierungskrediten, ihrer Zulässigkeit und rechtlichen Stellung, insbesondere unter haftungsrechtlichen Gesichtspunkten, erhebliche Aktualität.

1 Der zentrale Rechtsakt in Deutschland im Bereich des Insolvenzrechts ist die Insolvenzordnung (InsO) vom 5.10.1994, die am 1.1.1999 in Kraft getreten ist, BGBl. I 1994, 2866; zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.3.2007, BGBl. I 368. In Russland hat eine entsprechende Stellung das Gesetz Nr. 127-FZ vom 26.10.2002 „Über die Insolvenz (den Bankrott)“ (im Folgenden: russ. InsG), SZ RF 2002 Nr. 42, Pos. 4190, idF des föderalen Gesetzes vom 01.12.2007 Nr. 318-FZ, SZ RF 2007, Nr. 49, Pos. 6079. Deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung des russischen InsG bei Wedde, S. 242 ff. Näheres zum Stand des Insolvenzrechts in beiden Ländern siehe Teil. A. I. 1 und 2 dieser Monographie. 2 Nach Information des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation wurden in Russland im Jahre 2003 14277 Insolvenzanträge gestellt, im Jahre 2005 bereits 32190 Insolvenzanträge, und im Jahre 2009 schon 39 570 Insolvenzanträge (http://www.arbitr.ru/_news/totals/ index.htm abgerufen am 11.9.2010; http://www.arbitr.ru/_upimg/424007CC9B95399D798 DAEF89315D675_4.pdf abgerufen am 27.4.2010). Nach Angaben von Creditreform und Statistischem Bundesamt wurden in Deutschland im Jahre 2009 32 687 Unternehmensinsolvenzverfahren eröffnet, was wesentlich höher lag als die 26620 Unternehmensinsolvenzen im Jahre 1999 und 27930 Insolvenzen im Jahre 2000, http://www.creditreform.de/Deutsch/Creditreform/ Aktuelles/Creditreform_Analysen/Insolvenzen_Neugruendungen_Loeschungen/1_unternehmens insolvenzen_deutschland.jsp (abgerufen am 11.9.2006) und http://www.destatis.de/jetspeed/ portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2010/03/PD10_085_52411,templateId=render Print.psml (abgerufen am 27.4.2010).

1

Einleitung

Das Institut des Sanierungskredits wird in dieser Arbeit sowohl für das Insolvenzverfahren als auch für sein Vorfeld (die so genannte Krise des Unternehmens) 3 analysiert. Dabei werden in beiden Rechtsordnungen nicht nur die Vorschriften des Insolvenzrechts betrachtet. Vielmehr werden auch andere Rechtsgebiete, in erster Linie das Zivil- und Gesellschaftsrecht, einbezogen. Nicht näher behandelt werden dagegen wettbewerbs-, konzern-, steuer- und strafrechtliche Aspekte,4 da dies den Umfang der Arbeit sprengen würde. Im Zentrum der Untersuchung steht die Stellung der unbesicherten Sanierungskredite. Die Problematik ihrer Besicherung wird am Rande erwähnt, ohne dass zu den einzelnen Arten der dinglichen oder persönlichen Sicherheiten Stellung genommen wird. Während die Rechtsstellung von Sanierungskrediten im deutschen Recht sowohl in der Gesetzgebung als auch in Rechtsprechung und Lehre vielfach behandelt wird, sind die meisten dieser Fragen für das russische Recht Neuland. Dies ist mit der jüngeren Entwicklung des russischen Wirtschaftsrechts verbunden, das erst seit der Perestrojka auf marktwirtschaftlichen Grundsätzen aufgebaut wird. Die Untersuchung der mit Sanierungskrediten verbundenen Probleme in beiden Rechtsordnungen kann, wie stets bei rechtsvergleichenden Arbeiten, für die wechselseitige Verbesserung der Lösungsansätze von Nutzen sein. Einerseits kann vielleicht der Blick eines russischen Juristen auf das deutsche Recht neue Akzente in die Problematik einbringen. Andererseits können die Ergebnisse der Untersuchung zum russischen Recht und ihr Vergleich mit den deutschen Lösungen für die russische Rechtswissenschaft von Nutzen sein. Zugleich gewinnen die deutschen Leser eine Vorstellung über Herangehensweisen zur Lösung einer praktisch wichtigen Problematik im Schnittpunkt von Insolvenzrecht und Kreditrecht in Russland, die in der russischen Rechtsprechung und Literatur bisher kaum erörtert wurde.

2.

Gang der Untersuchung und Abgrenzung des Themas

Die Arbeit besteht aus fünf Teilen. Im ersten Teil werden die für diese Arbeit relevanten Begriffe dargestellt. Darüber hinaus werden der Stand des Insolvenzrechts in Deutschland und Russland sowie die rechtlichen Grundlagen der Kreditgeschäfte erörtert. Im zweiten Teil werden, zum besseren Verständnis der Rechtsstellung der Kredite in der Krise und im Insolvenzverfahren, die Rechte und Pflichten der Parteien in „gesunden“ Kreditverträgen im deutschen und russischen Recht einander gegenübergestellt. Die wirtschaftlich effizientesten Sanierungskredite werden in der Krise vergeben. Ihre rechtliche Besonderheit in diesem Zeitraum wird im dritten Teil dargestellt. Dabei wird zu den Fragen der einseitigen Beendigung des Sanierungskreditvertrages, der Verpflichtung der Kreditinstitute zur Gewährung neuer Kredite sowie der

3 Ausführliche Stellungnahme zum Begriff „Krise“ im Sinne dieser Arbeit siehe: Erster Teil. A. II. 1 und 2 dieser Monographie. 4 Näheres zu den strafrechtlichen Aspekten der Sanierungskreditgewährung Jung, S. 6 ff.; zur Problematik der Besteuerung des Sanierungsgewinns Wiesmann, S. 3 ff.

2

Einleitung

Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe der Sanierungskredite Stellung genommen. Außerdem wird die Rechtsstellung der Sanierungskredite von Gesellschaftern dargestellt. Die Stellung von Sanierungskrediten, die nach der Stellung des Insolvenzantrages und während des Insolvenzverfahrens gewährt werden, wird im vierten Teil analysiert. Anschließend wird eine rechtsvergleichende und thesenartige Zusammenfassung sowie eine Gesamtwürdigung zur Frage über die Rechtstellung der Sanierungskredite vorgenommen. Zuerst wurde in dieser Monografie die Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur in beiden Ländern hauptsächlich bis 23. Dezember 2006 (erste Einreichung der Doktorarbeit in Dekanat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel zu Prüfung) berücksichtigt. Des Weiteren wurden die Quellen aktualisiert.

3

Erster Teil Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit Bei der Betrachtung der Rechtsstellung der Sanierungskredite im deutschen und russischen Recht sind zunächst die Begriffe zu definieren, die in der Arbeit eine Bedeutung haben. Es wird auf die Frage eingegangen, was die beiden Rechtsordnungen unter Insolvenz, Sanierung, Krise, Kredit, (Sanierungs-)Kreditvertrag sowie Unternehmen verstehen.

A.

Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

I.

Stand des Insolvenzrechts in Deutschland und Russland

Bevor die Begriffe Insolvenz5, Krise und Sanierung im Sinne der Arbeit dargestellt werden, ist es sinnvoll, den Stand des Insolvenzrechts in Deutschland und Russland darzustellen.

1.

Stand des Insolvenzrechts in Deutschland

Das deutsche Insolvenzrecht hat seine Wurzeln im römischen Recht und wurde das letzte Mal umfassend durch die InsO kodifiziert. Dieser Rechtsakt6 hat die Konkursordnung (im Folgenden – KO) 7 und die Vergleichsordnung (im Folgenden – VglO)8 abgelöst. Das Insolvenzverfahren nach der InsO bezweckt die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners im eröffneten Insolvenzverfahren (sog. „par conditio creditorum“).9 Dieser Zweck kann einerseits durch die Verwertung des Schuldnervermögens und die Verteilung des Erlöses oder andererseits durch eine abweichende, in einem Insolvenzplan enthaltene Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, erreicht werden. Die InsO hat also zwei gleichrangige Abwicklungsalternativen – Liquidation oder Sanierung – geschaffen, ohne die eine vor

5 Das Wort Insolvenz wird ins Russische als „neplatezˇesposobnost’“, „nesostojatel’nost’“ oder als „bankrotstvo“ übersetzt. – Décsi/Karcsay, S. 316. 6 Bis zum Inkrafttreten der InsO galt für das Gebiet der ehemaligen DDR die Gesamtvollstreckungsordnung (im Folgenden – GesO), in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.5.1991, BGBl. I S. 1185, zuletzt geändert durch Art. 31 des Justizmitteilungsgesetzes und des Gesetzes zur Änderung kostenrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze vom 18.6.1997, BGBl. I S. 1430. 7 RGBl. 1877, S. 351 idF der Bekanntmachung vom 20.5.1898, RGBl. S. 612. 8 RGBl. I 1935, S. 321, zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.7.1994, BGBl. I S. 1744. 9 § 1 InsO; HK-Kirchhof, InsO, § 1, Rn. 4; Bork, Rn. 1.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

der anderen zu privilegieren.10 Das Verfahren beginnt mit dem Stellen des Insolvenzantrages. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens läuft das Verfahren in der Regel als Liquidations- (bzw. Konkurs)verfahren ab.11 Mit Zustimmung der Gläubiger des Schuldners kann das Gericht das Insolvenzplanverfahren durchführen. Unter Umständen kann auch ein Eigenverwaltungsverfahren angeordnet werden.

2.

Stand des Insolvenzrechts in Russland

Das stark von westlichen Rechtsordnungen beeinflusste vorrevolutionäre Insolvenzrecht des Russischen Reiches12 ist über die Zeit seiner fast völligen „Vergessenheit“ im sowjetischen Recht bis zur Wiedergeburt im gegenwärtigen russischen Recht am 14. Juni 1992 einen langen Weg gegangen. An diesem Tag wurde der Erlass („ukaz“) des Präsidenten der Russischen Föderation13 Nr. 623 „Über Maßnahmen zur Unterstützung und Sanierung insolventer (bankrotter) staatlicher Unternehmen und die Anwendung besonderer Verfahren auf sie“14 (im Folgenden – SanVO) erlassen. Die russische Insolvenzgesetzgebung wurde seit diesem Zeitpunkt durch das Verabschieden zweier aufeinander folgender Insolvenzgesetze charakterisiert: Das Gesetz vom 19.11.1992 Nr. 3921-I „Über die Insolvenz (den Bankrott) von Unternehmen“15 (im Folgenden – InsG 1992) und das Föderale Gesetz vom 8.1.1998 Nr. 6-FZ „Über die Insolvenz (den Bankrott)“16 (im Folgenden – InsG 1998). Das letztgenannte Gesetz wurde im juristischen Schrifttum und der rechtspolitischen Diskussion bald nach seinem Inkrafttreten stark kritisiert und sogar als „Instrument der Neuverteilung des Eigentums“ bezeichnet.17 Im Herbst 2002 wurde ein neues Insolvenzgesetz verabschiedet, das dritte in einem Jahrzehnt.18

10 Braun/Kißler, InsO, § 1, Rn. 4. 11 Das eröffnete Regelinsolvenzverfahren kann auch in Richtung der Sanierung des Schuldners verlaufen. Näher dazu siehe Vierter Teil. Dritter Abschnitt. A. I. dieser Monographie. 12 Sˇersˇ enevicˇ , S. 81. Als zentrale Vorschrift galt für Kaufleute und Handelsgesellschaften die Satzung über die Handelszahlungsunfähigkeit vom 23.7.1832. Sie wurde im Svod Zakonov, Bd. XI. 2. Teil Handelsprozessordnung („Ustav sudoproizvodstva torgovogo“) Art. 384–549 untergebracht. In deutscher Übersetzung bei Borchardt, S. 220 ff. Das Insolvenzverfahren von Nichtkaufleuten war in einer Anlage zur Zivilprozessordnung geregelt. – Beilage III zur Anmerkung des Art. 1400 der Zivilprozessordnung („Ustav grazˇdanskogo sudoproizvodstva“). In deutscher Übersetzung bei Borchardt, S. 255 ff. 13 Das ist ein untergesetzlicher Akt des russischen Präsidenten, den er im Bereich seiner Kompetenzen erlassen kann. Ausführlich dazu siehe Schaich, S. 24 f. 14 VSND RF 1992, Nr. 25, Pos. 1419. Die SanVO wurde nicht ins Deutsche übersetzt. Ausführlich zur Geschichte des russischen Insolvenzrechts siehe Teljukina, S. 27 ff. 15 VSND RF 1993 Nr. 1, Pos. 6. Deutsche Übersetzung des Gesetzestexts von Schwartz, WiRO 1993, S. 226 ff. Das erste Insolvenzverfahren wurde am 15.4.1993 vor dem Wirtschaftsgericht Perm eingeleitet und betraf ein staatliches Unternehmen des Kohlesektors (Gubacha), Reuter Textline Novecom, 21.4.1993 – zitiert nach Trunk, RIW 1993, S. 553. 16 SZ RF 1998, Nr. 2, Pos. 222. InsG 1998 wurde mehrmals verändert. Zuletzt mit zahlreichen Änderungen. Aufgehoben durch russ InsG. Die deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung des InsG 1998 siehe bei Breidenbach, S. 1 ff. 17 Zu den Gründen der Notwendigkeit der Reformierung des InsG 1998 siehe Vitrjanskij, ChiP 2003, Nr. 1, S. 2 ff. 18 Zu Quelle siehe Fn. 1 dieser Arbeit.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

Die sachliche Besonderheit des russischen Insolvenzrechts besteht darin, dass neben den allgemeinen Bestimmungen für alle Unternehmen Besonderheiten für die Insolvenz einzelner Kategorien von Schuldnern gelten. Dazu zählen folgende Schuldnerkategorien: stadtbildende Organisationen,19 landwirtschaftliche Organisationen, Kreditorganisationen, Versicherungsorganisationen sowie professionelle Teilnehmer des Wertpapiermarktes. Darüber hinaus wurden neben dem russ. InsG sektorspezifische Insolvenzgesetze verabschiedet, die Normen über die Insolvenz einzelner Schuldnerkategorien enthalten. Diese Gesetze gehen dem russischen InsG als leges speciales vor. Dabei handelt es sich um das Föderale Gesetz vom 25.2.1999 Nr. 40-FZ „Über die Zahlungsunfähigkeit (Insolvenz) von Kreditorganisationen“20 (im Folgenden – KreditInsG) und das Föderale Gesetz vom 9.7.2002 Nr. 83-FZ „Über die finanzielle Sanierung der landwirtschaftlichen Hersteller“.21 Seit Einführung des Insolvenzverfahrens durch die SanVO hat der Staat begonnen im Insolvenzverfahren eine dominante Rolle zu spielen.22 Um diese Funktion des Staates zu koordinieren, wurde Ende 1993 eine besondere Insolvenzbehörde – das Föderale Amt für Sanierung und Insolvenz („Federal’naja sluzˇba po finansovomu osdorovleniju i bankrotstvu“)23 – gegründet, deren Rechtsnachfolger seit 4.11.2004 das Föderale Steueramt ist.24 Es sollte sowohl die Interessen des föderalen Haushalts im Insolvenzverfahren vertreten als auch durch seine Tätigkeit im Bereich des Erlassens von untergesetzlichen Akten einige Lücken im InsG 1992 und InsG 1998 schließen. Seit der Verabschiedung des russ. InsG hat sich die Lage allerdings wesentlich geändert. Jetzt hat das Föderale Steueramt nur noch die erstgenannte Funktion, während die zweite an das russische Justizministerium abgegeben wurde.25 Das Insolvenzverfahren stellt sich als ein einheitliches Verfahren dar, das aus unterschiedlichen Stufen besteht, die im russ. InsG als Arten des Insolvenzverfahrens („procedury bankrotstva“) bezeichnet werden.26 Das Verfahren beginnt mit Stellen des Insolvenzantrages vor dem Wirtschaftsgericht. Dann wird das Insolvenzverfahren von diesem eröffnet; in der Regel wird gleichzeitig das Beobachtungsverfahren

19 Darunter versteht man juristische Personen, deren Arbeitnehmerzahl nicht weniger als fünfundzwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung des entsprechenden Ortes ausmacht (Art. 169 Pkt. 1 russ. InsG). 20 SZ RF 1999, Nr. 9, Pos. 1097; zuletzt geändert durch das Föderale Gesetz vom 01.12.2007, Nr. 303-FZ, SZ RF 2007, Nr. 49, Pos. 6064. 21 SZ RF 2002, Nr. 28. Pos. 2787; zuletzt geändert durch das Föderale Gesetz vom 29.06.2004, Nr. 58-FZ, SZ RF 2004, Nr. 27, Pos. 2711. 22 Trunk, S. 109. 23 Verordnung der Regierung der RF vom 20.9.1993, Nr. 926, SAPiP RF 1993, Nr. 39, Pos. 3615. – Aufgehoben durch die Verordnung der Regierung der RF vom 01.09.1998 Nr. 537; SZ RF 1998; Nr. 23, Pos. 2546. 24 Pkt. 2 der Verordnung der Regierung RF vom 30.9.2004 Nr. 506 „Über die Verabschiedung der Föderalen Steueramtsordnung“, SZ RF 2004, Nr. 40, Pos. 3961; zuletzt geändert durch die Verordnung der Regierung RF vom 22.02.2008 Nr. 116, SZ RF 2008, Nr. 9, Pos. 853. 25 Zur Rolle des Justizministeriums im Insolvenzverfahren siehe Karlin, ChiP 2003, Nr. 9, S. 3 ff. 26 Der Inhalt der unterschiedlichen Arten des russischen Insolvenzverfahrens wird in den jeweiligen Kapiteln dieser Arbeit unter dem Blickwinkel der Finanzierung des Unternehmens dargestellt. Siehe dazu ausführlich Vierter Teil. Dritter Abschnitt. B: I., II. und III. dieser Monographie.

7

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

angeordnet.27 Danach kann das Gericht eine der folgenden Arten des Insolvenzverfahrens anordnen: eines der beiden Sanierungsverfahren (das Verfahren der finanziellen Sanierung oder das Fremdverwaltungsverfahren) oder ein Liquidationsverfahren (sog. Konkursverfahren). Bei jeder Art des Insolvenzverfahrens besteht außerdem die Möglichkeit, einen Vergleich gemäß Art. 150 Pkt. 1 russ. InsG zu schließen.28 Der russische Gesetzgeber hat, im Unterschied zum deutschen, den Zweck des Insolvenzverfahrens nicht definiert. Das heutige russische Insolvenzverfahren dient meines Erachtens in erster Linie der gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger (so wie im deutschen Recht).29 Der Unterschied besteht darin, dass die Sanierungsalternative gegenüber der Konkursabwicklung bei der Entscheidung über die Anordnung der einzelnen Arten des Insolvenzverfahrens bevorzugt wird.30

II.

Bestimmung des Krisenbegriffes

Das Wort „Krise“ stammt etymologisch von dem altgriechischen Wort „crisis“ und bedeutet „die kritische Entwicklungsphase einer Krankheit bzw. die kritische Zuspitzung eines Handlungsstadiums im antiken Drama.“31 Welche Bedeutung es im modernen russischen und deutschen Insolvenzrecht hat, wird im Folgenden dargestellt. 1.

Deutsches Recht

Im deutschen Wirtschaftsrecht fehlt eine allgemeingültige Beschreibung des Krisenbegriffes. Er taucht in der InsO nicht auf, wird aber in § 32a des Gesetzes über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (im Folgenden – GmbHG)32 („Krise der Gesellschaft“) verwendet. Dort wird der Begriff der Krise ausschließlich auf die Frage nach einer ordnungsgemäßen Kapitalausstattung einer Gesellschaft beschränkt.33 Die Krise und ihre Definition werden aber in der insolvenzrechtlichen Terminologie sowohl in der Rechts- als auch in der Betriebswissenschaft oft verwendet. 27 Dieses Verfahren ist dem deutschen Insolvenzrecht nicht bekannt. Es wurde in Russland schon durch das InsG 1998 eingeführt und hat sein Vorbild im französischen Insolvenzrecht, „la periode d’observation“ (Beobachtungsverfahren). 28 Ein tabellarischer Überblick über die möglichen Abläufe des russischen Insolvenzverfahrens siehe bei Teljukina, InsG, Beilagen Nr. 1 ff. 29 Das folgt aus dem Zweck des Konkursverfahrens, das nach Art. 2 russ. InsG der gemeinschaftlichen Befriedigung der Forderungen der Gläubiger dient. 30 In der russischen Praxis werden die meisten Insolvenzverfahren aber mit der Anordnung des Konkursverfahrens beendet. – Nach den statistischen Angaben des Obersten Wirtschaftsgerichts im Internet (http://www.arbitr.ru/_upimg/424007CC9B95399D798DAEF89315D675_4.pdf, abgefragt am 20.01.2010) wurden im Jahre 2009 39.570 Insolvenzanträge gestellt und 15.473 Konkursverfahren eröffnet. 31 Zitiert nach Wimmer/Stenner, S. 263, Wort „Krise“; Gottwald/Maus, Hb InsR, 1. Aufl., Rn. 1. 32 Vom 20.4.1892, RGBl. S. 477; in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.5.1989, BGBl. S. 846; zuletzt geändert durch Gesetz vom 19.4.2007, BGBl. I S. 524. 33 Becker, Rn. 598; Gottwald/Drukarczyk/Brüchner, Hb InsR, § 2, Rn. 4. Ausführlich zum Krisenbegriff i.S.d. § 32a GmbHG siehe Erster Teil. A. I. 1 und 2 dieser Monographie.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

In der Betriebswirtschaftslehre gibt es keinen einheitlichen und klaren Begriff der Krise des Unternehmens.34 Der Grund dafür liegt darin, dass es aufgrund der mannigfaltigen Krisenerscheinungen und deren jeweils unterschiedlichen Ausprägungen im Einzelfall, sowie der indifferenten subjektiven Wahrnehmung von Krisen von vornherein ausgeschlossen ist, eine betriebswirtschaftlich ganz exakte Begriffsbestimmung zu liefern. Einigkeit besteht aber darin, dass unter der Krise der Zustand eines Schuldners oder schuldnerischen Unternehmens, dessen wirtschaftliche Lebensfähigkeit in Frage steht, d.h. dessen Existenz bedroht ist,35 verstanden wird. Die Betriebswissenschaft kennt unterschiedliche Krisenarten36 und empfiehlt, Maßnahmen zur Beseitigung der Krise frühzeitig zu treffen, weil im Laufe der Zeit die Wahrscheinlichkeit der Überwindung der Krise überproportional abnimmt.37 Für unsere Untersuchung ist die Frage nach Anfang und Ende der Krise von Bedeutung. Der Beginn einer Unternehmenskrise wird mit dem Umstand verbunden, dass es der Unternehmensleitung nicht mehr gelingt, durch geeignete Entscheidungen im Investitions- und Finanzbereich den Unternehmensgesamtwert zu steigern oder auf dem einmal erreichten Niveau zu halten.38 Das Ende der Krise ist vom rein wirtschaftlichen Standpunkt je nach Art der Krise unterschiedlich und kann entweder im Ausweg aus der Krise durch die weitere Tätigkeit des Unternehmens oder in seiner Liquidation bzw. dem Konkurs bestehen.39 In der Insolvenzrechtswissenschaft wird bei der Beschreibung des Krisenbegriffes auf die Merkmale der Eröffnung des Insolvenzverfahrens40 sowie die anfechtungsrechtlichen Vorschriften der InsO hingewiesen.41 Es wird betont, dass Krisensituationen in der Regel beim Vorliegen der zuletzt genannten Merkmale eintreten,42 die betriebswirtschaftliche Krise allein aber keinen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens darstellt.43 Man kann deshalb nicht über einen rein juristischen Begriff der Krise sprechen, weil dafür das Vorhandensein ökonomischer Analysen notwendig ist. Zwar wird in der Rechtswissenschaft darauf hingewiesen, dass unter einer Unternehmenskrise ein Prozess, der durch negative Zielabweichung den Fortbestand der Unternehmens

34 Ausführlich dazu siehe Ritter, S. 15 ff. 35 Wimmer/Stenner, S. 263; Schmidt/Uhlenbruck/Maus, GmbH in Krise, Rn. 5; Uhlenbruck, Gläubigerberatung, S. 1; Picot/Aleth, Rn. 4. 36 Ausführlich dazu siehe Gottwald/Druckarczyk/Brüchner, Hb InsR, § 2, Rn. 5 m.w.N. 37 Kraus/Gleiss, in Bath/Hermanns, RSI, § 4, Rn. 115 ff.; Boeckenfoerde, S. 60 ff. 38 Gottwald/Druckarczyk/Bruechner, Hb InsR, § 2, Rn. 2. 39 Zur Abgrenzung der Krise- und Insolvenzbegriffe nach diesem rechtlichem Standpunkt siehe Erster Teil. A: III. 1. b). dieser Arbeit. 40 Picot/Aleth, Rn. 7 f. 41 Siehe z.B. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 131, Rn. 30 ff. Dabei werden diese Fristen der Insolvenzgefahr in der InsO nicht einheitlich verwendet, sondern vielmehr unterscheiden sie sich voneinander erheblich. So z.B. drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), die auf einer Prognose basiert; die Anfechtung der unmittelbar nachteiligen Handlungen, bei Vorliegen bestimmter in § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO genannten Voraussetzungen – in den letzten drei Monaten vor der Stellung des Insolvenzantrages; Unwirksamkeit der Vollstreckung vor der Stellung des Insolvenzantrages, die im letzten Monat vor der Insolvenzantragstellung erfolgte (§ 88 InsO). 42 Wimmer/Stenner, S. 263 f.; Gottwald/Drukarczyk/Brüchner, Hb InsR, § 2, Rn. 1. 43 Picot/Aleth, Rn. 5.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

ernstlich gefährdet,44 oder die auf die Insolvenzreife zulaufende Entwicklung des Schuldners zu verstehen ist.45 Diese Begriffe zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie für ihre genaue Erklärung die notwendigen wirtschaftlichen Daten benötigen, die erklären, was unter einer „Insolvenzreife“, „ernstlichen Gefährdung“ sowie einer „negativen Zielabweichung, welche den Fortbestand des Unternehmung gefährdet“, zu verstehen ist.

2.

Russisches Recht

Das russische InsG enthält weder eine Legaldefinition der Krise noch wird das Wort dort ein einziges Mal erwähnt. Das Wort „Krise“ wird aber in der Insolvenzgesetzgebung verwendet46 und hauptsächlich bei der Frage nach den notwendigen Kenntnissen des Insolvenzverwalters über seine Fähigkeit, Maßnahmen für die Überwindung des Krisenzustands auszuarbeiten, diskutiert.47 Es wird aber nicht konkretisiert, was damit gemeint ist. In der russischen Betriebswirtschaftslehre ist der Bereich der Unternehmenskrisen jung und wenig erforscht.48 Es ist, soweit ersichtlich, nur eine Definition der Krise zu finden. Danach sind unter „Krise“ sehr zugespitzte Widersprüche in dem sozialwirtschaftlichen System (Unternehmen), die seine Existenz in der Umwelt gefährden, zu verstehen.49 Dabei beschreibt die Betriebswirtschaftslehre sowohl Maßnahmen zur Vorbeugung der wirtschaftlichen Krise vor der Insolvenzantragstellung wie auch nach diesem Zeitpunkt,50 was in der deutschen Betriebswirtschaftsforschung im Bereich der Unternehmenskrise auch der Fall ist. Die Rechtswissenschaft beschäftigt sich nur am Rande mit den Problemen der Vermeidung der Insolvenz und den Besonderheiten der Ausübung der verschiedenen Handlungen sowohl seitens des Schuldners als auch seiner Gläubiger in der Zeit vor der Stellung des Insolvenzantrages. Der Krisenbegriff taucht zwar auf, wird aber nicht definiert und anscheinend als bekannt vorausgesetzt.

3.

Krisenbegriff im Sinne dieser Arbeit

In beiden Rechtsordnungen werden weder allgemeine Legaldefinitionen des Krisenbegriffes verwendet noch taucht er in der InsO und im russ. InsG auf. Er ist vielmehr in beiden Ländern nach seiner Natur ein betriebswirtschaftlicher und kein

44 Kuhn/Uhlenbruck, KO, Vorbem. zu § 1 Rn. 58 mit Hinweis auf Bea/Koetze, BB 1983, S. 565. 45 Becker, Rn. 598. 46 Nach den Angaben der rechtswissenschaftlichen Datenbank „Konsultant plus“ taucht in 320 Rechtsakten im Bereich der Insolvenz, die dort am 1.11.2006 vorhanden waren, das Wort „Krise“ in 14 Fällen (davon in 9 geltenden Rechtsakten) auf. 47 Pkt. 4.2 Anweisung („rasporjazˇenije“) der FSFO vom 24.12.2001 Nr. 389-p „Über die Verabschiedung des vorläufigen Typenprogramms zur Erhöhung der Qualifikation von Fachleuten im Bereich des Antikrisenmanagements“, in: Vestnik FSFO, 2002, Nr. 1. 48 Beloborodov, S. 32. 49 Korotkov/Korotkov, Antikrisenmanagement, S. 17. 50 Siehe z.B. Goncˇ arov/Barulin/Terent’eva, S. 20 ff.; Korotkov/Korotkov, S. 24 ff.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

juristischer Begriff. Bei der Feststellung, ob sich ein Unternehmen in der Krise befindet, wird im Einzelfall die Analyse seiner wirtschaftlichen Lage unter der Berücksichtigung verschiedener Faktoren benötigt. Je nach Berücksichtigung des Umfangs der Faktoren und der Analyse sind unterschiedliche Krisendefinitionen möglich. Im Folgenden wird als Krise der Zustand eines Schuldners oder schuldnerischen Unternehmens bezeichnet, der dessen wirtschaftliche Existenz bedroht.

III. Bestimmung des Insolvenzbegriffes Der Begriff „Insolvenz“ stammt aus dem Lateinischen und lässt sich wörtlich als Zahlungsunfähigkeit übersetzen.51 Welche Bedeutung ihm in der analysierenden Rechtsordnung beigemessen wird, soll im Folgenden dargestellt werden.

1.

Insolvenzbegriff im deutschen Recht

Der Begriff Insolvenz taucht mehrmals in der InsO auf, wird dort aber kein einziges Mal definiert. Nach den Bestimmungen der InsO setzt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens immer einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16 InsO). Als solcher kommen Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in Betracht. Die Lehre geht davon aus, dass der Begriff der Insolvenz in den Insolvenztatbeständen, d.h. in den Eröffnungstatbeständen für das Insolvenzverfahren, niedergelegt ist.52 Deswegen wird zuerst auf die Gründe der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingegangen, um dann sowohl auf die Frage zu antworten, ob auch die Unternehmenskrise in den Geltungsbereich des Insolvenzrechts einbezogen werden kann, als auch um die Meinungen in der Lehre zum Insolvenzbegriff zu erläutern. a)

Gesetzliche Merkmale der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Den allgemeinen Eröffnungsgrund stellt die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) dar,53 die sowohl den Schuldner als auch seinen Gläubiger zur Stellung des Insolvenzantrages berechtigt. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Zahlungsfähigkeit in § 17 Abs. 1 Satz 1 InsO legal definiert und dabei auf die von Rechtsprechung und Literatur zu § 102 Abs. 2 KO („Zahlungsunfähigkeit“) entwickelte Definition zurück-

51 Kobler, S. 201, Wort „Insolvenz“; Wimmer/Stenner, S. 179, das Wort „Insolvenz“ (im letzten Fall unter Hinweis auf Duden, S. 769 re. Sp.). 52 Schmidt, S. 17. Zustimmend HSFK/Fechner, Sanier Hb, A II, Rn. 19, der den Insolvenzbegriff lediglich auf Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit, nicht aber auf die drohende Zahlungsunfähigkeit begrenzt. Während der Besprechung der Reformmöglichkeiten zur Sanierung der KO hat Schmidt die Meinung vertreten, dass die Insolvenz ein ökonomischer Tatbestand, Konkurs dagegen ein durch Insolvenz ausgelöstes Verfahren sei. – Schmidt, a.a.O. 53 Im Unterschied zur drohenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, die unter zeitlichem, persönlichem und sachlichem Blickwinkel die speziellen Eröffnungsgründe ausmachen. – MüKo/Eilenberger, InsO, § 17, Rn. 4.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

gegriffen und sie weiterentwickelt.54 Hiernach soll der Schuldner bereits dann zahlungsunfähig sein, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Zahlungsunfähigkeit muss auf einem objektiven Mangel an verfügbaren Zahlungsmitteln beruhen.55 In der Praxis wird die Zahlungsunfähigkeit häufig durch eine Liquiditätsbilanz ermittelt.56 Dabei sind zu ihrer Feststellung nur die fälligen Forderungen im Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung (sog. Zeitpunkt-Illiquidität), nicht aber die künftig fälligen Forderungen und die Zukunftsperspektiven des Schuldners (sog. Zeitraum-Illiquidität) zu betrachten.57 Nachdem der Gesetzgeber auf das Merkmal der „Wesentlichkeit“ verzichtet hat, ist umstritten, welchen Umfang Zahlungsstockungen erreichen und wie lange sie andauern müssen, um Zahlungsunfähigkeit zu begründen.58 Einigkeit besteht darüber, dass ganz geringfügige Liquiditätslücken nach wie vor außer Betracht bleiben müssen.59 Außerdem ist eines der wichtigsten Indizien der Zahlungsunfähigkeit die Zahlungseinstellung.60 Sie besteht nicht nur in einer Nichtzahlung,61 sondern liegt auch vor, wenn der Schuldner für die betreffenden Verkehrskreise erkennbar nicht in der Lage ist, seine fälligen Zahlungspflichten gegenüber den Gläubigern zu erfüllen.62 Zum Zweck des früheren Reagierens auf die Unternehmenskrise und der Verbesserung der Sanierungsaussichten des Schuldners63 hat der Gesetzgeber – nach dem Beispiel des US-Insolvenzrechts und deutschen Insolvenzstrafrechts (§ 283 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 StGB) – einen neuen Eröffnungsgrund – die drohende Zahlungsunfähigkeit – eingeführt. Zum Stellen des Insolvenzantrages wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ist nur der Schuldner berechtigt, nicht aber der Gläubiger. Sie liegt vor, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, seine bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Dabei handelt es sich nach der Vorstellung des Gesetzgebers um eine Prognose, d.h. dass der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher sein muss, als

54 Sie verstanden unter der Zahlungsunfähigkeit das auf dem Mangel an Zahlungsmittel beruhende, voraussichtlich andauernde Unvermögen des Schuldners, seine fälligen Geldschulden im Wesentlichen zu erfüllen. – RGZ 50, S. 41; 100, S. 65; BGH NJW 1962, S. 102; BGH WM 1959, S. 891; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 102 Rn. 2 m.w.N.; Kilger/Schmidt, KO, § 102, S. 395. 55 Kirchhof, KS, Rn. 13; Braun/Kind, InsO, § 17, Rn. 22. 56 Harz, ZInsO 2001, S. 193 ff.; Foerste, Rn. 109; Bork, Rn. 85. 57 Zimmermann, S. 10; Braun/Kind, InsO, § 17, Rn. 23. 58 Übersicht über die verschiedenen Auffassungen siehe bei Braun/Kind, InsO, § 17, Rn. 7 ff. 59 NR/Mönning, InsO, § 17, Rn. 16; Gottwald/Uhlenbruck, Hb InsR, § 6, Rn. 6; FK/Schmerbach, InsO, § 17, Rn. 5; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 17, Rn. 11. Das AG Köln hat in seinem Urteil vom 9.6.1999 angenommen, dass unabhängig von jeweiligen branchentypischen Umständen eine bloße Zahlungsstockung i.S.d. § 17 InsO nur dann angenommen werden kann, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, weniger als 5 % seiner fälligen Zahlungsverpflichtungen innerhalb einer Obergrenze von 2 Wochen zu erfüllen. – AG Köln NZI 2000, S. 89 f. 60 Katalog der Indizien der Zahlungsunfähigkeit siehe bei Smid, § 3, Rn. 38. 61 Braun/Uhlenbruck, S. 282. 62 BGH NJW 1992, S. 1960; Braun/Uhlenbruck, S. 283; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 17, Rn. 17. 63 NR/Möning, InsO, § 18, Rn. 32; Braun/Kind, InsO, § 18, Rn. 2.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

deren Vermeidung (worst-case Betrachtung).64 Obwohl der Gesetzgeber keine Anforderungen an die Prognose vorgegeben hat, herrscht in der Literatur Einigkeit darüber, dass sie bei Gericht in Form des Liquiditäts- bzw. Finanzplanes vorgelegt werden muss,65 in der für einen bestimmten Zeitraum die Ein- und Auszahlungen gegenübergestellt und ein Mangel an Zahlungsmitteln aufgezeigt wird. Die Frage der Länge des Prognosezeitraums ist umstritten. Nach den unterschiedlichen Ansichten reicht er von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren und wird im Einzelfall von den Produktionsphasen der Unternehmen (z.B. sog. „Saisonunternehmen“, Unternehmen mit kurz- oder langfristiger Produktion) abhängen.66 Dabei geht die Literatur davon aus, dass im Finanzplan nicht nur die bereits bestehenden – wie sich aus dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 InsO ergibt – aber noch nicht fälligen, sondern auch die künftig fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen berücksichtigt werden müssen.67 Die Überschuldung – als dritter Insolvenzeröffnungsgrund – gilt gemäß dem Wortlaut des § 19 Abs. 1 InsO nur für juristische Personen.68 Sie liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO). Dafür ist die rechnerische Überschuldung nicht ausreichend, vielmehr müssen auch die Prognosen (Liquidation oder Fortführung) berücksichtigen werden. Im Prinzip ist das Schuldnervermögen mit dem Liquidationswert anzusetzen und der Fortführungswert ist nur dann zu Grunde zu legen, wenn die Unternehmensfortführung überwiegend wahrscheinlicher als die Liquidation ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). In der Regel liegt der Fortführungswert über dem Liquidationswert, aber das muss nicht unter allen Umständen so sein. So wie bei der Feststellung der drohenden Zahlungsunfähigkeit spielen hier die prognostischen Elemente eine entscheidende Rolle, und weil sie für Dritte schwer erkennbar sind, ist die praktische Bedeutung dieses Eröffnungsgrundes für das Insolvenzverfahren gering.69 Der Gesetzgeber vertritt in § 19 Abs. 2 InsO den sog. einfachen zweistufigen Überschuldungsbegriff, weil er über die überwiegende Wahrscheinlichkeit der Unternehmensfortführung spricht.70 Danach umfasst die erste Stufe eine Feststellung der rechnerischen (bilanziellen) Überschuldung des Schuldnervermögens nach seinem Liquidationswert (exekutorisches Element). Wenn die Fortführungsprognose positiv ausfällt, folgt die zweite Stufe, wonach diese Prognose auf die Bewertung zurückgreift (prognostisches Element).71 Dies zeigt, dass „auch bei einer 64 Begr. zu § 18 RegE InsO, in: Kübler/Prütting (Hrsg.) Das neue Insolvenzrecht, Bd. I, S. 177; Pape/ Uhlenbruck, Rn. 304; Weisemann/Smid/Smid, Hb UnternInsR, § 1, Rn. 38. 65 Heis/Weis, InsR, Rn. 206 m.w.N.; Pape/Uhlenbruck, Rn. 304. 66 Eine Übersicht über den Meinungsstand bietet Braun/Kind, InsO, § 18, Rn. 8. 67 Begr. zu § 22 RegE InsO, S. 173; NR/Möning, InsO, § 18, Rn. 26; Braun/Kind, InsO, § 18, Rn. 9; Braun/Uhlenbruck, S. 285. 68 Der sachliche Anwendungsbereich dieses Insolvenzeröffnungsgrundes ist viel breiter. Er bezieht sich u.a. auf rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO). Ausführlicher siehe dazu FK/Schmerbach, InsO, § 19, Rn. 3. 69 FK/Schmerbach, InsO, § 19, Rn. 2. 70 Weisemann/Smid/Smid, Hb UnternInsR, § 1 Rn. 33. 71 FK/Schmerbach, InsO, § 19, Rn. 6b; Braun/Uhlenbruck, S. 228. In der Literatur wurde auch die Meinung vertreten, dass die moderne Überschuldungsprüfung eine dreistufige Überschuldungsprüfung darstellt. Danach stellt die erste Stufe die rechnerische Überschuldung nach dem Liquidationswert, die zweite Stufe – die positive Fortführungsprognose und die dritte Stufe – die rechnerische Überschuldungsprüfung nach den Fortführungswerten dar. – Bork, Rn. 92 ff.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

positiven Prognose für die Fortführung des Unternehmens nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine Überschuldung vorliegt“.72 So wie bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit hat der Gesetzgeber die Frage des Prognosezeitraums offen gelassen.73 b)

Insolvenzbegriff in der Literatur und die Frage nach der Einbeziehung des Krisenbegriffes in seinen Geltungsbereich

Man unterscheidet generell in der Lehre den Insolvenzbegriff im weiteren und im engeren Sinne. Eine Meinung in der Literatur74 versteht unter Insolvenz jede wirtschaftliche Notlage eines Schuldners oder schuldnerischen Unternehmens, bei der die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens aufgrund eines Insolvenzantrages gegeben sind75 (sog. Insolvenzbegriff im engeren Sinne). Eine andere Meinung versteht darunter einen Zustand, nach dem das Vermögen nicht ausreicht, um alle Gläubiger zu befriedigen76 (sog. Insolvenzbegriff im weiteren Sinne). Ob die Krise auch in den Insolvenzbegriff einbezogen werden soll, ist zweifelhaft. Mit der Einführung des Merkmales der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ könnte eine Erweiterung der zeitlichen Grenzen des Insolvenzverfahrens vorliegen und der Krisenbegriff in den Rahmen der Insolvenz einbezogen werden.77 Die Nachteile einer solchen möglichen Auffassung beständen aber darin, dass nach wie vor78 eine Krisensituation die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur dann rechtfertigt, wenn ein Antrag des Schuldners vorliegt und dort bestimmte, in großem Umfang prognostizierte Merkmale vorhanden sind. Dagegen kann der Gläubiger den Antrag in diesem Fall nicht stellen. Darüber hinaus darf man nicht vergessen, dass der Begriff „Krise“ in der Wirtschaftswissenschaft viel weiter zu verstehen ist als die Insolvenz und nicht jede Krise zur Insolvenz des Schuldners führt.79

72 Ausschlussbericht, abgedruckt bei Balz/Landfermann, S. 226. 73 Nach den unterschiedlichen Meinungen dauern sie von fünf Monaten bis zu drei Jahren. Siehe dazu ausführlich Braun/Kind, InsO, § 19, Rn. 32. 74 Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur besteht keine Notwendigkeit für die Differenzierung des Insolvenzbegriffes nach betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten. – Braun/Uhlenbruck, S. 37; Bichlmeier/Engberding/Oberhofer, Ins Hb, S. 30 m.w.N. 75 Braun/Uhlenbruck, S. 37; Schmidt, S. 17. 76 Bork, Rn. 1. 77 Nach Maus entspricht die wirtschaftliche Krise begrifflich der Insolvenz, wobei dem Begriff „Insolvenz“ über die betriebswirtschaftliche Definition des Begriffes „Krise“ insoweit juristische Bedeutung zukommt, als bei Vorliegen der Insolvenzgründe (Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit) der Vergleichs- oder Konkursantrag gestellt werden muss. – Gottwald/Maus, Hb InsR, 1. Aufl., mit Hinweis auf Hess/Fechner, SanierungHb, S. 4. 78 Zum alten Recht ebenso Schmidt, S. 17. 79 Siehe dazu ausführlich bei Gottwald/Druckarszyk, Hb InsR, § 2, Rn. 1 ff.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

2.

Insolvenzbegriff im russischen Recht

Im russischen InsG und im russischen KredInsG gibt es den Insolvenzbegriff („nesostojetel’nost’“). Er wird in diesen Gesetzen neben dem Begriff „Bankrott“ als Synonym verwendet (Art. 2 Abs. 2 russ. InsG; Art. 2 Pkt. 1 Abs. 1 russ. KredInsG). Der gleichrangige Gebrauch dieser Begriffe begann im russischen Recht Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts.80 Schon das InsG 1992 und danach das InsG 1998 enthalten sie nicht nur im Text, sondern sogar im Titel der Gesetze als Synonyme.81 Die russischen InsG und KredInsG enthalten fast gleichbedeutende Definitionen der Insolvenz und des Bankrotts. Sie verstehen darunter die durch das Wirtschaftsgericht bestätigte Unfähigkeit des Schuldners, in vollem Umfang die Geldforderungen der Gläubiger zu befriedigen und (oder) die sog. obligatorischen Zahlungspflichten82 zu erfüllen. Diese Definition ist enger als die Begriffsbestimmung der Insolvenz (Bankrott) in Art. 65 Pkt. 1 des russischen Zivilgesetzbuches (im Folgenden – russ. ZGB)83, wonach kommerzielle Organisationen vom Gericht als insolvent erklärt werden können, wenn sie nicht imstande sind, die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Andererseits spricht Art. 65 Pkt. 3 russ. ZGB a.F. nicht nur von der gerichtlichen Insolvenz wie die Definition der Insolvenz im russ. InsG, sondern sieht auch die Möglichkeit vor, eine selbstständige Insolvenz zu erklären.84 Die Besonderheit des russischen Insolvenzrechts gegenüber dem deutschen Insolvenzrecht besteht darin, dass die Insolvenz nicht gleich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern erst im Konkursverfahren vom Gericht erklärt wird.85 Der nach deutscher Vorstellung strafrechtliche Begriff Bankrott taucht auch im russischen Strafrecht – in Art. 197 Strafgesetzbuch (im Folgenden – russ. StGB)86 – auf.

80 Zur geschichtlichen Darstellung siehe Michalev, S. 30. 81 Sie wurden von den Verfassern des russischen Zivilgesetzbuches übernommen, die in Art. 65 russ. ZGB die Wörter „Insolvenz“ und „Bankrott“ gleichbedeutend eingesetzt haben. 82 Die obligatorischen Zahlungen sind Steuern und Angaben. 83 Das russ. ZGB besteht aus vier Teilen: Im ersten Teil sind die allgemeinen Fragen des Bürgerlichen Rechts sowie des Sachenrechts und der Allgemeine Teil des Schuldrechts geregelt (Föderales Gesetz vom 20.11.1994 Nr. 51-RF, SZ RF; 1994, Nr. 32, Pos. 3301; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 18.07.2009 Nr. 181-FZ, SZ RF 2009, Nr. 29, Pos. 3618). Der zweite Teil enthält die schuldrechtlichen Verträge sowie die Fragen über die ungerechtfertige Bereicherung und das Deliktsrecht (Föderales Gesetz vom 26.1.1996 Nr. 14-FZ, SZ RF, 1996, Nr. 5, Pos. 410, zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 17.07.2009 Nr. 145-FZ; SZ RF 2009, Nr. 29, Pos. 3582). Der dritte Teil enthält die Normen über das Erbrecht und das Internationale Privatrecht (Föderales Gesetz vom 26.11.2001 Nr. 46-FZ, SZ RF, 2001, Nr. 49, Pos. 4552; in der Fassung des Föderalen Gesetzes vom 30.06.2008 Nr. 105-FZ, SZ RF 2008, Nr. 27, Pos. 3123. Der vierte Teil enthält die Normen über das Urheberrecht (Föderales Gesetz vom 18.12.2006 Nr. 230-FZ, in der Fassung des Föderalen Gesetzes vom 08.11.2008 Nr. 201-FZ, SZ RF 2008, Nr. 45, Pos. 5147. 84 Nach Teljukina (InsG, Art. 2, S. 13 f.) spiegelt sich der Begriff Insolvenz im russ. InsG und im russ. ZGB wieder. 85 Die anderen für die Arbeit wesentlichen Besonderheiten des Insolvenzverfahrens werden an den entsprechenden Stellen im vierten Teil dieser Arbeit dargestellt. 86 Föderales Gesetz vom 13.6.1996 Nr. 63-FZ „Strafgesetzbuch der Russischen Föderation“, SZ RF 1996, Nr. 25, Pos. 2954; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 27.07.2009 Nr. 215-FZ, SZ RF 2009, Nr. 31, Pos. 3921.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

Dort erscheint er aber nicht als Synonym, sondern wird als fiktiver Bankrott lediglich als eine strafrechtliche Unterart der Insolvenz dargestellt.87 Das Verhältnis dieser beiden Begriffe ist eine der in der Literatur am heftigsten umstrittenen Fragen. Einige Autoren verwenden sie als Synonyme.88 Nach einer anderen Ansicht ist der Begriff „Bankrott“ ausschließlich im strafrechtlichen Sinne zu verwenden.89 Das oben Dargestellte zeigt die Schwächen der juristischen Technik bei der Tätigkeit des russischen Gesetzgebers,90 wenn der Begriff Bankrott in der Gesetzgebung sowohl im zivilrechtlichen als auch im strafrechtlichen Sinne verwendet wird. Im Rahmen dieser Arbeit sollen ausschließlich die zivilrechtlichen Aspekte der Insolvenz des Schuldners behandelt werden. Aus diesem Grund wird der Begriff des „Bankrotts“ lediglich im strafrechtlichen Zusammenhang verwendet werden. a)

Gesetzliche Merkmale der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Im russischen InsG gibt es dieselben Insolvenzeröffnungsgründe wie in der deutschen InsO: Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und drohende Zahlungsunfähigkeit. Als allgemeines Merkmal der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen juristische Personen wird die Zahlungsunfähigkeit („neplatezˇesposobnost’“) in Art. 3 Pkt. 2 russ. InsG angesehen. Danach kann eine juristische Person für zahlungsunfähig erklärt werden, wenn sie die Geldforderungen bzw. obligatorischen Zinszahlungspflichten innerhalb einer Frist von drei Monaten ab dem Moment ihrer Fälligkeit nicht erfüllen kann. Außerdem wurden an einigen Stellen des russ. InsG – anders als in § 17 InsO – bestimmte Anforderungen, die zur Stellung eines Insolvenzantrages aus diesem Grund erforderlich sind, genannt. Das sind die Folgenden: (1) Die fälligen Forderungen gegen den Schuldner haben in ihrer Gesamtheit gemäß Art. 6 Pkt. 2 russ. InsG nicht weniger als 100 000 Rubel zu betragen; (2) anders als im deutschen Recht, müssen sie durch eine rechtskräftige Entscheidung eines Gerichts bestätigt werden (Art. 6 Pkt. 3 russ. InsG). Außerdem haben sowohl der Schuldner als auch seine Gläubiger gemäß Art. 7 Pkt. 1 russ. InsG das Recht, sich an das Wirtschaftsgericht zu wenden, bei einem Konkursgläubiger sowie dem bevollmächtigten Organ für (öffentliche) Geldforderungen nach Ablauf von 30 Tagen ab Absendung (Vorlage zur Vollstreckung) des Vollstreckungsdokuments an den Gerichtsvollzieherdienst und in Kopie an den Schuldner. Das oben Dargestellte zeigt, dass im russischen Recht die Zahlungsunfähigkeit – anders als im deutschen Recht – durch konkrete, im Gesetz festgelegte Kriterien bestimmt wird. Der Eröffnungsgrund der Überschuldung gilt im russischen Insolvenzrecht im Unterschied zur InsO, ausschließlich für das Vermögen natürlicher Personen (Art. 3 87 Darunter werden bewusst falsche Erklärungen vom Geschäftsführer oder Eigentümer einer kommerziellen Organisation oder von dem individuellen Unternehmer über seine Insolvenz verstanden, die zu dem Zweck erfolgen, die Gläubiger irrezuführen, um eine Stundung, Ermäßigung oder einen Erlass geschuldeter Zahlungen zu erreichen und die zu einem großem Verlust bei den Gläubigern führt (Art. 197 russ StGB). 88 Belich/Dubincˇ in/Skuratovskij, S. 8; Dubincˇ in, S. 25; Barenboim, S. 22. 89 Popondopulo, Konkursrecht, S. 18 f.; Teljukina, Jurist 1997, Nr. 12, S. 42; Sˇcˇ hennikova, S. 39; Seizeva, S. 4; Kulagin (sowjetischer Gelehrter), S. 172; Sˇersˇ enevicˇ (vorrevolutionärer Gelehrter), S. 460. 90 Ebenso Michalev, S. 32.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

Pkt. 1 und Art. 6 Pkt. 2 russ. InsG).91 Die drohende Zahlungsunfähigkeit stellt auch einen Eröffnungsgrund dar. Nach Art. 8 russ. InsG ist der Schuldner zur Stellung des Insolvenzantrages berechtigt, und zwar im Falle der Vorhersehbarkeit der Insolvenz, beim Vorliegen von Umständen, die offensichtlich belegen, dass er nicht in der Lage sein wird, die Geldforderungen und/oder Pflichtzahlungen in der festgesetzten Frist zu erfüllen. Dieser Tatbestand hat viele sprachliche Ähnlichkeiten mit dem Tatbestand der drohenden Zahlungsunfähigkeit in § 18 Abs. 2 InsO, den die russische Rechtsprechung und die Literatur eher noch nicht konkretisiert haben. Da das russische und das deutsche Insolvenzverfahren ähnliche Zwecke verfolgen – die gleichmäßige Gläubigerbefriedigung – scheint es mir sinnvoll, die Errungenschaft der deutschen Doktrin in diesem Fall bei der Auslegung dieses Merkmales zu berücksichtigen. b)

Insolvenzbegriff in der Literatur und die Frage nach der Einbeziehung des Krisenbegriffes in seinen Geltungsbereich

Der überwiegende Teil der russischen Autoren definiert die Insolvenz gleich und zwar mit denselben Worten wie der Gesetzgeber in Art. 2 russ. InsG.92 Danach ist Insolvenz die durch das Wirtschaftsgericht bestätigte Unfähigkeit des Schuldners, in vollem Umfang die Geldforderungen der Gläubiger zu befriedigen und (oder) Pflichtzahlungen zu erfüllen. Nach russischem Insolvenzrecht kann der Schuldner nur ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens insolvent erklärt werden. Deswegen kann jeder Zeitraum sowohl vor der Stellung des Insolvenzantrages, wenn die wirtschaftlichen Merkmale der Krise vorliegen, als auch der Zeitraum von der Stellung des Insolvenzantrages bis zur Anordnung des Konkursverfahrens als Krise aus dem Standpunkt des russischen Insolvenzrecht verstanden werden.

3.

Insolvenzbegriff im Sinne dieser Arbeit

Während im deutschen Recht der Insolvenzbegriff nicht definiert ist, taucht in Art. 2 russ. InsG der Insolvenzbegriff auf, der dort mit dem strafrechtlichen Begriff des Bankrotts gleichgestellt wird. Im deutschsprachigen Raum wird aber der Bank-

91 Dabei besteht der Tatbestand der Überschuldung im russischen Recht nicht nur aus der rechnerischen Überschuldung (Art. 3 Pkt 1 russ. InsG), sondern daneben soll die Zahlungsunfähigkeit vorliegen: Die juristische Person als Schuldner soll mindestens 10 000 Rubel nicht innerhalb von drei Monaten (Art. 3 Pkt. 1 russ. InsG) ab Moment ihrer Fälligkeit getilgt haben (Art. 6 Pkt. 2 russ. InsG). 92 Popondopulo/Popondopulo, InsG, Art. 2, S. 17; Vitrjanskij/Vitrjanskij, InsG, Art. 2, S. 63; Zalesskij/Andreev, InsG, Art. 2, S. 16 f. Eine besondere Ansicht vertritt aber Teljukina. Nach ihrer Meinung kann der Insolvenzbegriff in zweifachem Sinne verwendet werden: Im engeren Sinne sei darunter ein Schuldnerzustand zu verstehen, der seit dem Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung über die Erklärung des Schuldners als insolvent und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden ist (im Sinne des russ. InsG). Im weiteren Sinne sei unter Insolvenz ein Schuldnerzustand innerhalb des ganzen Konkursverfahrens zu verstehen, der die Insolvenzverfahrensarten, wie das Beobachtungs- und das Fremdverwaltungsverfahren, das Verfahren der finanziellen Sanierung sowie das Konkurs- und Vergleichsverfahren umfasse. – Teljukina, InsG, Art. 2, S. 14.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

rottbegriff ausschließlich im strafrechtlichen Sinne verwendet. Deswegen wird im Folgenden eine einheitliche Terminologie verwendet. Der Begriff Insolvenz wird privat- und öffentlich-rechtliche Aspekte der Vermeidung der Unternehmenskrise umfassen. Im Gegensatz dazu wird der Begriff Bankrott nur bezüglich der strafrechtlichen Aspekte der Insolvenz verwenden. Das Insolvenzverfahren kann in beiden analysierten Staaten nur unter gerichtlicher Aufsicht durchgeführt werden. Dabei bestimmen die beiden Rechtsordnungen drei Insolvenzeröffnungsgründe: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, deren Inhalt sich im deutschen und russischen Rechts erheblich voneinander unterscheiden. Der Insolvenzbegriff wird im russischen Recht als die durch das Wirtschaftsgericht bestätigte Unfähigkeit des Schuldners, in vollem Umfang die Geldforderungen der Gläubiger zu befriedigen und (oder) Pflichtzahlungen zu erfüllen, definiert. Das stimmt auch mit der Ansicht der deutschen Rechtswissenschaft überein, dass erst durch das Insolvenzgericht die Insolvenzeröffnungsgründe geprüft und bestätigt werden können. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beruht damit in beiden Rechtsordnungen nicht auf der subjektiven Meinung des Schuldners bzw. seiner Gläubiger (Insolvenz im weiteren Sinne), sondern erfordert gerichtliche Aufsicht. In der Arbeit wird der Begriff der Insolvenz als die durch das (Wirtschafts-)Gericht bestätigte Unfähigkeit des Schuldners, im durch Gesetz bestimmten Umfang mangels Vermögens die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen, verwendet.

IV.

Sanierungsbegriff im deutschen und russischen Recht

Etymologisch stammt das Wort „Sanierung“ vom lateinischen „sanare“, das mit „gesund machen“, „gesunde Lebensverhältnisse schaffen“ bzw. „wieder leistungsfähig, rentabel machen“ übersetzt wird.93 Was unter der Sanierung in den beiden erforschten Rechtsordnungen zu verstehen ist, wird im Folgenden untersucht.

1.

Sanierungsbegriff im deutschen Recht

Der Gedanke der Sanierung von Unternehmen stand bei der Novellierung der InsO im Vordergrund. Die Vorschriften der KO, VglO und später der GesO enthalten weder den Sanierungsbegriff, noch wird das Wort „Sanierung“ dort erwähnt. Der Sanierungsbegriff taucht allerdings oft in der rechtswissenschaftlichen und betriebswirtschaftlichen Literatur auf und wird dort im Zusammenhang mit dem Ausweg der Unternehmen aus der Krise verwendet. Es kristallisierte sich aber kein einheitlicher Rechtsbegriff in der rechtspolitischen Diskussion heraus.94 Während der Insolvenzrechtsreform gab es in der Literatur eine Diskussion darüber, ob der

93 Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, S. 1165, das Wort „Sanierung“. 94 Siehe dazu ausführlicher Schmidt, S. 18 ff.; Uhlenbruck, KTS 1981, S. 536, Hopt, ZHR 1979, S. 167.

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

Sanierungsbegriff normativ zu verstehen sei oder nicht.95 Es wurde zu dieser Zeit – auch unter dem Einfluss des US-amerikanischen Insolvenzrechts – vorgeschlagen, zur effektivsten Unternehmenssanierung im deutschen Recht ein Reorganisationsverfahren96 einzuführen. Es stand die Frage im Raum, in welcher Beziehung die Begriffe Sanierung und Reorganisation zueinander stehen. Nach der Vorstellung der Insolvenzrechtskommission stellte das Reorganisationsverfahren ein Insolvenzverfahren dar, das die Sanierung bezweckt, d.h. die Kommission definierte die Sanierung weiter als die Reorganisation.97 Auch die InsO definiert weder den Sanierungsbegriff noch taucht das Wort „Sanierung“ dort auf. Wenn der Gesetzgeber über die weitere Existenz des Unternehmens spricht, benutzt er das Wort „Unternehmensfortführung“ (z.B. in § 157 InsO). In der deutschen Gesetzgebung wird das Wort „Sanierung“ aber in steuerrechtlichem Sinne in § 8 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (im Folgenden – EStG)98 verwendet und hat durch die Rechtsprechung dort klare Konturen gefunden.99 Das Wort „Sanierung“ wird aber genauso wie in § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG (sog. Sanierungsprivileg) im sektor- bzw. problemspezifischen Sinne gebraucht.100 Wegen der Breite der Möglichkeiten, den Sanierungsbegriff unterschiedlich zu definieren, existiert in der Wirtschafts- und Rechtswissenschaft eine Fülle von Definitionen des Sanierungsbegriffs. Der Begriff der Sanierung oder Unternehmenssanierung wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur sehr unterschiedlich gehandhabt, und man kann dort von keinem allgemeingültigen Sanierungsbegriff im Sinne der Betriebswirtschaftslehre sprechen.101 Es wird generell zwischen dem Sanierungsbegriff im weiteren und im engeren Sinne unterschieden.102 Darüber 95 Einige Autoren sahen im Rechtsbegriff der Sanierung einen normativen Rechtsbegriff. – Emmerich, Teil I, S. 6 ff., Uhlenbruck, KTS 1981, S. 535. Nach der Meinung von Uhlenbruck „zeigt sich die Anerkennung des rechtlichen Sanierungsbegriffs vor allem in der Anerkennung des außergerichtlichen Vergleichs als ein Verfahren der Schuldenbereinigung“. – Uhlenbruck, KTS 1981, S. 533 unter Verweis auf Künne, 7. Aufl., München 1968. 96 Darunter wurde ein konkursabwendendes Verfahren verstanden, durch das nach eingetretener Insolvenz die Vermögensverhältnisse des Schuldners mit dem Ziel reorganisiert werden, die konkursmäßige Liquidation des Schuldnervermögens zu vermeiden. – Insolvenzrechtskommission, Leitsätze, Nr. 1.1. Damit wurde geplant, dass das Reorganisationsverfahren ein „auf Sanierung zielendes Insolvenzverfahren“ sein sollte. – So Schmidt, S. 21 m.w.N. 97 Übereinstimmend mit der Kommission: Schmidt, S. 21 f.; Uhlenbruck, KTS 1981, S. 537 f. 98 In der Fassung der Bekanntmachung vom 19.10.2002, in: BGBl. I 210, ber. BGBl. I 2003, S. 179. 99 Siehe dazu ausführlich Barth, S. 153 f. 100 Ebenso Schmidt (S. 19) zur alten Rechtslage nach § 3 Nr. 66 EStG. Näher über den Sanierungsbegriff in § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG siehe Zweiter Teil. Vierter Abschnitt. A. IV. 3. dieser Monographie. 101 Swoboda, S. 3; Ritter, S. 31; Schmidt, S. 20; Bichlmeier/Engberding/Oberhofer, Ins Hb, S. 31. 102 Der Sanierungsbegriff im engeren Sinne (sog. finanzwirtschaftliche Sanierung) umfasst die Summe aller finanziellen Maßnahmen (z. B. die Erhöhung des Eigenkapitals, die Stundung von Verbindlichkeiten), die notwendig und geeignet sind, die Zahlungs- und Ertragsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. – Brandstätter, S. 7; Engberding, S. 82; Woll, S. 608; Corsten/ Reiß, A. 5.4.4, S. 101; Böckenförde, S. 7. Der Sanierungsbegriff im weiteren Sinne (sog. leistungswirtschaftliche Sanierung) beinhaltet hingegen „alle Maßnahmen unternehmenspolitischen, führungstechnischer, organisatorischer, finanz- und leistungswirtschaftlicher Art, die die Wiederherstellung existenzerhaltender und späteren Gewinn versprechender Grundlagen des Unternehmens dienen“. – Finsterer, S. 11f.; Jobski in: Buth/Hermanns, RSI, § 5, Rn. 2.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

hinaus existieren Unterschiede bezüglich des Zeitpunkts, der Art und des Umfanges der Sanierungsmaßnahmen.103 Einigkeit besteht aber darüber, dass der Zweck der Sanierung darin besteht, „eine existenzgefährdende Unternehmenskrise zu überwinden und damit für die Existenzsicherung bzw. Erhaltung der Unternehmens als rechtlich selbständige Wirtschaftseinheit Sorge zu tragen (sog. Sanierungserfolg)“.104 In der Rechtwissenschaft gibt es auch verschiedene Auffassungen darüber, was unter Sanierung zu verstehen ist. Einige Autoren verstehen darunter die Summe aller organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen, die dazu führen, die Krisenursachen und Schwächen eines Unternehmens zu beseitigen.105 Die Sanierung ist nach einer anderen Meinung der Inbegriff aller organisatorischen, finanziellen und rechtlichen Maßnahmen, die bestimmt und geeignet sind, ein Not leidendes Unternehmen aus einer ungünstigen wirtschaftlichen Situation herauszuführen und seine weitere Existenz zu sichern.106 Eine dritte Ansicht versteht unter Sanierung die Befreiung eines Unternehmens von allen inneren und äußeren Hemmnissen und Schwierigkeiten zum Zwecke seiner Erhaltung.107 Besonders interessant ist die von der Betriebswissenschaft geprägte Meinung von Karsten Schmidt, die er während der Besprechung der Notwendigkeit der Reform der alten KO auf dem 54. Deutschen Juristentag geäußert hat. Danach sind zwei notwendige Bestandteile des Sanierungsbegriffes zu nennen: Ein kausales Element in Form der Sanierungsbedürftigkeit und ein finales Element in Form des angestrebten Sanierungserfolges. Beide Merkmale seien stets Probleme der Finanzkraft und Ertragsfähigkeit.108 Die Sanierungsmaßnahmen könnten vielfältiger Natur sein, weil jede Benennung von Sanierungstechniken nur exemplarischen, niemals enumerativen Charakter haben könne.109 Karsten Schmidt kommt zu dem Schluss, es sei vielmehr von Nutzen, von einem juristisch unscharfen ökonomischen Sanierungsbegriff auszugehen.110 2.

Sanierungsbegriff im russischen Recht

Im Unterschied zum deutschen Recht taucht in der gegenwärtigen russischen Gesetzgebung das Wort „Sanierung“ erst seit Anfang 2009 auf.111 Darunter versteht

103 Näher dazu siehe Bichlmeier/Engberding/Oberhofer, Ins Hb, S. 31. 104 Vogt, S. 45 m.w.N. 105 Picot/Aleth, S. 2, Rn. 3. 106 Flessner, S. 2; Kuhn/Uhlenbruck, KO, Vorbem. Rn. 59c; Binz/Hess, S. 250 zum Wort „Sanierung“; Fechner, S. 7. 107 Künne, S. 51; Schmitt/Schmitt, S. 25 ff. 108 Nach seiner Meinung beruht die Sanierungsbedürftigkeit auf Illiquidität oder auf bedrohlich fallender Rentabilität; der Sanierungserfolg besteht in ihrer Beseitigung. – Schmidt, S. 20. 109 Schmidt, S. 20. 110 Schmidt, S. 20. Nach Finsterer (S. 19) stellt sich im deutschen Recht der Sanierungsbegriff als ein betriebswirtschaftlich geprägter Begriff dar. 111 Seit dem in Kraft getretenen Gesetz Nr. 296-FZ (SZ RF 2009, Nr. 1, Pos. 4), welches das russ. InsG in neuer Fassung wesentlich geändert hat. In der russischen Wirtschaftsgesetzgebung wird auch das Wort Reorganisation verwendet. Er wird, anders als im amerikanischen Chapter 11 Bankruptcy Code und im Kommissionsentwurf zur InsO, nicht als insolvenzrechtlicher Begriff, der dem Sanierungsbegriff nahe liegt, sondern als zivilrechtlicher allgemeiner Begriff im Sinne

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A. Begriffe Insolvenz, Krise und Sanierung im deutschen und russischen Recht

man einen Maßnahmenkomplex zum Zweck der Vorbeugung der Insolvenz und der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Früher war die Rechtslage so gewesen: Der Gesetzgeber hat nicht den allgemeinen Sanierungsbegriff herangezogen, sondern in Art. 2 russ. InsG den Begriff „vorgerichtliche Sanierung“ verwendet. Darunter verstand er die Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners, die vom Eigentümer des Vermögens des Einheitsunternehmens als Schuldner, von den Gründern (Gesellschaftern) des Schuldners, den Gläubigern des Schuldners oder anderen Personen zur Vorbeugung einer Insolvenz getroffen werden. Daneben verwendet das russische InsG bezüglich einiger Arten von eröffneten Insolvenzverfahren, die die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners bezwecken, zwei Begriffe – „finansovoje ozdorovlenie“ und „vnesˇnee upravlenie“. Obwohl diese zwei Definitionen auf Russisch das Wort Sanierung („sanacija“) nicht enthalten,112 kann man bei ihrer Übersetzung die funktionale Methode der Rechtsvergleichung verwenden und ausgehend von Sinn und Zweck solcher Insolvenzverfahrensarten den ersten Begriff – „finansovoje osdorovlenie“ – als finanzielle Sanierung und den zweiten Begriff – „vnesˇnee upravlenie“ – als Fremdverwaltung teleologisch übersetzen. Das soeben Genannte zeigt, dass im russischen Recht drei Verfahrensarten existieren, welche die Maßnahmenkomplexe zwecks Wiederherstellung des Schuldnervermögens beschreiben: finanzielle Sanierung, Fremdverwaltung und die vorgerichtliche Sanierung. Sie stellen die unterschiedlichen Seiten des möglichen Sanierungsprozesses dar: Während die erste vorgerichtliche Sanierung – was aus ihrem Titel und dem Gesetzestext folgt – ausschließlich außergerichtliche Maßnahmen einbezieht, umfassen sowohl die zweite als auch die dritte Definition ein gerichtliches Sanierungsverfahren. Die terminologischen Unterschiede und die Benennung der Verfahren als „Fremdverwaltung“ und „Verfahren der finanziellen Sanierung“, und die Nichtverwendung des Wortes „Sanierung“ in beiden Fällen kann sowohl mit der schlechten Erfahrung mit dem sog. Sanierungsverfahren nach dem InsG 1992113 als auch mit dem Wunsch des Gesetzgebers erklärt werden, deutliche Unterschiede zwischen den beiden Insolvenzverfahrensarten zu machen, die letztendlich die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners bezwecken. In der russischen Literatur wird weder der Ausdruck Sanierung noch ihr Begriff verwendet. Man spricht allgemein über die „Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners“,114 was nach deutscher Vorstellung der Sanierung gleich steht.

von Fusion, Umwandlung oder Spaltung juristischer Personen (Art. 57 russ. ZGB) verwendet. Dabei gibt es keine Legaldefinition des Reorganisationsbegriffes. Über den Stand der Diskussion dazu siehe Zˇdanov, S. 23. 112 Der erste Begriff lässt sich wörtlich als „finanzielle Gesundung“, der zweite als „äußere Leitung“ übersetzen. 113 Nach der Angaben des Stellvertretenden Vorsitzenden des Obersten Wirtschaftsgericht der RF Prof. Vitrjanskij, der u.a. für im Insolvenzverfahren zuständig war, betrug im Jahre 1996 die jährliche Anzahl der für Insolvenz erklärte Schuldner 1035, während nur für 28 Schuldner eine Sanierung und für 413 das Fremdverwaltungsverfahren eingeleitet wurde. – Vitrjanskij, Jahrbuch für Ostrecht 1997, Teil II, S. 256. 114 Z.B. Sadikov/Masevicˇ , ZGB, Art. 25, S. 103 f.; Rn. 8; Egorov, ChiP, 2004, Nr. 4, S. 73; Abova/ Kabalkin/Abova, ZGB, Art. 66, S. 211; Teljukina, InsG, Art. 2, S. 17, Art. 6, S. 37.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

Auf Grund des oben Dargestellten wird im russischen Recht unter der Sanierung ein Maßnahmenkomplex verstanden, der sowohl unter gerichtlicher Aufsicht als auch ohne sie durchgeführt werden kann und die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners bezweckt.

3.

Sanierungsbegriff im Sinne dieser Arbeit

Der Sanierungsbegriff wird in der deutschen Rechtsordnung nicht definiert. Der russische Gesetzgeber verwendet die Begriffe vorgerichtliche Sanierung und finanzielle Sanierung. Es fehlt aber im russischen Recht ein allgemeiner insolvenzrechtlicher Sanierungsbegriff. Weil der Sanierungsbegriff in den betrachteten Rechtsordnungen nicht definiert ist, stellt sich hier die Frage nach der Notwendigkeit eines gesetzlichen Sanierungsbegriffs. Der Sanierungsbegriff ist kein primär juristisches, sondern vordringlich ein betriebswirtschaftliches Gestaltungsproblem. Aber zu dessen Lösung sind Rechtskenntnisse erforderlich. Aus prozessualer Sicht zeigt eine Sanierung die Ergebnisse von Sanierungsmaßnahmen, welche die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit bezwecken. Im Folgenden wird unter Sanierung ein leistungs- und finanzwirtschaftlicher Maßnahmenkomplex sowohl für den Schuldner in der Krise als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstanden, der auf die dauerhafte Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit gerichtet ist.

B.

Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

I.

Begriff des Kreditvertrages im deutschen Recht

1.

Rechtliche Grundlagen der Kreditgeschäfte

Die Grundsätze der Kreditgeschäftsabwicklung finden sich im deutschen Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch (im Folgenden – BGB)115. Eine zentrale Stellung unter diesen Vorschriften in der Regelung der Kreditgeschäftsabwicklung nahmen die §§ 607–610 BGB a.F. („Darlehensvertrag“) ein. Sie hatten nur allgemeinen und lakonischen Charakter und waren schon bei Inkrafttreten des BGB 1900 veraltet.116 Deswegen versuchte der Gesetzgeber im Rahmen der Schuldrechtsreform von 2001117, u.a. die darlehensrechtlichen Vorschriften des BGB zu modernisieren und

115 In der Fassung der Bekanntmachung vom 2.1.2002 – Neubekanntmachung des BGB v. 18.8.1896 ab 1.1.2002 geltender Fassung. Zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.09.2009 (BGBl. I S. 3145). 116 Näheres darüber Köndgen, S. 457. 117 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I, S. 3138 (im Folgenden – SMG).

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B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

an heutige Rechtsverhältnisse anzupassen.118 Die sachlichen Änderungen bei den allgemeinen darlehensrechtlichen Vorschriften hatten zwei Schwerpunkte: § 488 BGB („Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag“) wurde als konsensualrechtliche Vorschrift formuliert und die Normen über das außerordentliche Kündigungsrecht der Vertragsparteien (§ 610 BGB a.F. bzw. § 490 BGB n.F.) wurden harmonisiert.119 Das gesetzliche Darlehensrecht ist nunmehr in zwei verschiedene Vertragstypen aufgespaltet worden: Die §§ 488 ff. BGB regeln das sogenannte Gelddarlehen und die §§ 607 ff. BGB regeln das sog. Sachdarlehen. Außerdem befinden sich verschiedene Normen, die für das Darlehensrecht große Bedeutung haben, an anderen Stellen des BGB.120 In der Praxis kamen die Vorschriften der §§ 607 ff. a.F. BGB selten zur Anwendung, weil insbesondere die Kreditinstitute die Spielräume des dispositiven Rechts genutzt haben.121 In diesem Fall entwickelte sich das Darlehensrecht auf der Basis allgemeiner schuldrechtlicher Prinzipien und unter der Einfluss der AGBBanken122 und AGB-Sparkassen.123 Darüber hinaus ist die Darlehenspraxis wegen des lückenhaften Charakters der darlehensrechtlichen BGB-Vorschriften wesentlich von der Rechtsprechung des IX. und XI. Senats des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte geprüft worden.124

2.

Begriff des Kreditvertrages im deutschen Recht

In der Wirtschaftswissenschaft gibt es zahlreiche Versuche, das Wort „Kredit“ zu definieren. Nach einem Standpunkt ist darunter das Vertrauen in die Fähigkeit und den Willen des Schuldners zu verstehen, seinen Verpflichtungen ordnungs- und fristgemäß nachzukommen (sog. Kredit im engeren Sinne).125 Andere verstehen

118 BT-Drs., 14/6040, S. 252. Kritisch über die praktische Notwendigkeit der Reform des Darlehensrechts siehe Reiff, Rn. 6. 119 Mülbert, WM 2002, S. 465. 120 Das sind z.B. § 138 BGB bei sittenwidrigen und wucherischen Darlehen oder § 134 BGB für gegen ein gesetzliches Verbot verstoßende Darlehen. 121 Freitag, WM 2001, S. 2371. 122 In der Fassung 1.1.1993 mit Änderungen 1.1.2000, 1.4.2002, auch als Fassung 1.4.2002 bezeichnet. Zitiert nach Baumbach/Hopt, HGB, S. 1744 ff. 123 In der Fassung 1.4.2002 mit Änderung 1.4.2005. Zitiert nach Baumbach/Hopt, HGB, S. 1792 ff. Dagegen haben die Vorschriften des Kreditwesengesetzes (KWG) über das Kreditrecht (zu erwähnen sind die Folgenden: über die Großkredite (§§ 13, 13a), Millionenkredite (§ 14) und Organkredite (§ 15, 16)) in der Bankpraxis nicht nur eine mittelbare Bedeutung für einzelne Kreditgeschäfte zwischen der Bank und ihren Kunden, sondern wirken vielmehr auf das konkrete Kreditgeschäft unmittelbar ein und bestimmen die Anforderungen für die Bank zur Liquidität des Darlehensnehmers – (Reeb, S. 1; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., vor § 607, Rn. 7 f.). Die anderen Gesetze aus dem Bereich des Wirtschaftsrechts der Kreditinstitute (z. B. Hypothekenbankengesetz vom 17.3.1899 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 30.6.1993, BGBl. I S. 1082) und Gesetz vom 16.11.1972 über die Bausparkassen (in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.2.1991, BGBl. I S. 454; zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 5.4.2004, BGBl. I S. 502)) haben außer einigen Ausnahmen auch keine unmittelbare Wirkung für einzelne Kreditgeschäfte. 124 Die Rechtsprechung nahm im Kreditrecht „die Funktion des Ersatzgesetzgebers“ ein. – Claussen, § 8, S. 168, Rn. 60. 125 Pantel, S. 2; Grill/Gramlich/Eller (Hrsg.), Gabler Banklexikon, das Wort „Kredit“, S. 971.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

unter Kredit den Vorgang der Überlassung von Kapital auf Zeit und seine Rückgewähr, ferner aber auch das übertragene Kapital selbst, bei dem der Kreditgeber auf die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers und die künftige Rückgewähr vertraut (sog. Kredit im weiteren Sinne).126 Als rechtswissenschaftlicher Begriff wird das Wort „Kredit“ in unterschiedlichen Rechtsakten verwendet.127 Die wichtigsten Definitionen des Kredites bzw. Kreditvertrages enthalten die Vorschriften des KWG und BGB. Im KWG taucht der Kreditbegriff an folgenden Stellen auf: zuerst in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG und dann in den §§ 19 und 21 KWG. Der Gesetzgeber versteht unter Kreditgeschäft in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KWG „die Gewährung von Gelddarlehen und Akzeptkrediten“. Diese Legaldefinition des Kreditgeschäfts dient den bankaufsichtsrechtlichen Zwecken des KWG.128 Darüber hinaus enthält § 19 KWG einen erheblich weiteren Begriff des Kreditgeschäftes als § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG und bestimmt, was als Kredit die Anzeigepflicht der §§ 13–18 KWG auslöst.129 Der Kreditbegriff enthält danach nicht nur die Kredite im engeren Sinne (z.B. die Geldforderungen, Bürgschaften oder Garantien eines Kreditinstitutes), sondern umfasst fast alle Aktivprozesse der Bilanz und den größten Teil der außerbilanziellen Geschäfte des Kreditinstitutes (wie Besitz des Kreditinstitutes an Aktien oder Leasing- und Factoringverträgen).130 Der Kreditbegriff in § 21 KWG ist ebenfalls weiter definiert als in § 1 Abs. 1 Satz 2 KWG und dient dem Zweck der Behandlung von Organkrediten und der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Krediten über 250 000 Euro.131 Das oben Dargestellte zeigt, dass das KWG den Kreditbegriff im bankaufsichtsrechtlichen Sinne verwendet und dieser deswegen für zivilrechtliche Vorschriften nicht übernommen werden kann.132 Im Zivilrecht begann die Existenz des Kreditbegriffes mit seiner wörtlichen Umsetzung aus Art. 1 Abs. 2 Lit. c) VerbKredRl in § 1 Abs. 2 Verbraucherkreditgesetz133 (im Folgenden – VerbrKG). Jeder Vertrag (z.B. Werk-, Darlehens- oder Geschäftsbesorgungsvertrag) war gleichzeitig ein Kreditvertrag im Sinne des VerbrKG, falls er als Gegenleistung die Gewährung einer entgeltlichen Finanzierungshilfe vorsah. Das oben Genannte sagte nichts zugunsten des Kreditvertrages im Sinne des

126 Pantel, S. 2; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., vor § 607, Rn. 12; statt aller Stauder, 28 ff. m.w.N. Juristisch gesehen kann man diese Situation als „Vorleistung gegen Entgelt“ bezeichnen. – MüKo/Uhlmer, BGB, 3. Aufl., § 1 VerbrKG, Rn. 29 m.w.N. 127 Z.B. § 43a GmbHG („Kreditgewährung an Geschäftsführer“), § 349 HGB („keine Einrede der Vorausklage bei Kreditauftrag“); §§ 89, 115, 288 Abs. 2 AktG („Kreditgewährung an Organmitglieder“), § 824 BGB („Kreditgefährdung“), § 1822 Nr. 8 BGB („Genehmigung des Gerichts zur Aufnahme von Geld auf den Kredit des Mündels“). Diese Begriffe haben in diesen Gesetzen die bestimmten Funktionen, die sich aus dem Zweck der jeweiligen Gesetze ergeben. 128 Kümpel, Rn. 5.3. 129 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., vor § 607, Rn. 14; so im Ergebnis auch Boos/ Fischer/Schulte-Mattler/Fülbier, KWG, § 1, Rn. 45. 130 Boos/Fischer/Schulte-Mattler/Bock, KWG, § 19, Rn. 9. So im Ergebnis auch Schwintowski/ Schäfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 1 Rn. 323; Kümpel, Rn. 5.18. 131 Näher zu diesem Begriff siehe MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 48. 132 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., vor § 607, Rn. 15; Kümpel, Rn. 5.3. 133 Vom 17.12.1990 in: BGBl. I, S. 2840, aufgehoben durch Gesetz vom 27.6.2000, in: BGBl. I, 897, 905.

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B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

VerbrKG als selbständiger Vertragstypus des Schuldrechts. Vielmehr stellt der Kreditvertrag als eine besondere Vertragsgestaltung dar, die eindeutig keinen schuldrechtlichen Vertragstypus einbezieht.134 Die Rechtswissenschaft versuchte lange Zeit, eine einheitliche Definition des Kredites herauszuarbeiten. Wegen der großen Zahl der unterschiedlichen gesetzlichen Definitionen sind solche Bemühungen erfolglos geblieben. Der Kreditbegriff in der Wirtschaftswissenschaft ist zu breit für die rechtliche Umsetzung.135 Deswegen ist es fragwürdig, eine juristische Definition des Kredites zu geben.136 Kredit ist damit „kein abgrenzungsfähiger Begriff, sondern die Umschreibung eines wirtschaftlichen Sachverhalts“.137 In der deutschen Rechtswissenschaft wird auf die Rechtsnatur der unterschiedlichen Arten der Kreditgeschäfte abgestellt. Es kommt jedoch kein allgemeiner Kreditbegriff für alle Kreditgeschäfte zur Anwendung.138 Vielmehr stellt der Darlehensvertrag nach dem Standpunkt der Rechtswissenschaft nur eine Art des Kreditgeschäftes139 dar, allerdings eine ökonomisch wichtige.140 Der Gesetzgeber gab früher keine Definition des Darlehensvertrages und die Rechtsprechung verstand darunter einen schuldrechtlichen Verpflichtungsvertrag über die entgeltliche oder unentgeltliche Nutzung eines Kapitals auf Zeit.141 Zur Zeit unterscheidet man im deutschen Schuldrecht zwischen dem „Darlehen“, das den vom Darlehengeber zur Verfügung gestellten Betrag bezeichnet und dem „Darlehensvertrag“, der das kausale Rechtsgeschäft bezeichnet.142 Der Gesetzgeber hat

134 Bülow, S. 155. Außerdem zu Recht meint Schwintowski (Rn. 323), dass in diesem Fall der Kreditvertrag die rechtliche Ausprägung des Kreditbegriffes im weitern Sinne darstelle. 135 Kümpel, Rn. 5.3. 136 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., Vorb. zu § 607 ff., Rn. 16; Heermann, § 16, Rn. 5. Nach Canaris, BankR, Rn. 1196 wäre es sogar „überflüssig und gefährlich“ – „Es wäre überflüssig, weil es einheitliche Regeln für alle Kreditgeschäfte nicht gibt und es wäre gefährlich, weil er dazu verleiten könnte, unterschiedliche Probleme einer sachwidrigen Einheitslösung zu unterwerfen“. 137 Kümpel, Rn. 5.67; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 45; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 2. 138 Canaris, BankR, Rn. 1196. 139 Mülbert, WM 2002, S. 466; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., vor § 607, Rn. 12; Schwintowski, Rn. 323; Köndgen, NJW 1994, S. 1508. 140 Palandt/Putzo, BGB, Vorb. v. § 488, Rn. 1. Der Gesetzgeber versuchte im Rahmen des SMG den Verbraucherkredit an den Darlehensvertrag anzupassen. Nach der anfänglichen Auffassung des DiskE sollte der Begriff „Kreditvertrag“ als Oberbegriff den Darlehensbegriff ersetzen. – BT-Drs. 14/6040, S. 252. Der Verbraucherkreditvertrag und Darlehensvertrag sollten unter den Titel „Kreditvertrag, Kreditvermittlungsvertrag“ (§§ 490–508 DiskE) zusammengelegt werden. Da aber der Kredit im § 1 Abs. 2 Lit. c VerbKredRl und das entgeltliche Darlehen in § 2 Abs. 1 Lit. c. VerbKredRl Unterfälle des Kreditvertrages sind, wäre in diesem Fall der Begriff des Kreditvertrages sowohl Unterfall als auch Oberbegriff, was den Regeln der formellen Logik widersprochen hätte. Diese mögliche zukünftige Lage wurde im Schrifttum stark kritisiert (Siehe z. B. Köndgen, S. 469 f.; Bülow, S. 154 f.; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 2 m.w.N.). Auf Grund der oben genannten Nachteile wurde zuerst im Regierungsentwurf und dann im Gesetz der Kernbegriff des DiskE „Kreditvertrag“ abgelehnt und schon im RegE durch den Begriff des Darlehens ersetzt. Die Ausnahme taucht in § 493 BGB nur in dem Begriff „Überziehungskredit“ auf. 141 BGH NJW 1962, S. 1148. 142 Wittig/Wittig, WM 2002, S. 145 f.; Freitag, WM 2001, S. 2371 unter den Verweis auf Disk. Entwurf, S. 253. Vor der SMG wurde der Begriff „Darlehen“ sowohl für den zur Nutzung überlassenen Geldbetrag als auch für den Darlehensvertrag als Schuldvertrag verwendet. – Ungeheuer, Rn. 3 m.w.N.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

einer Definition des Darlehensvertrages im BGB n.F. eine Absage erteilt und vielmehr die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien des Darlehensvertrages in § 488 BGB definiert. 3.

Rechtliche Natur des Darlehensvertrages

Bei der Betrachtung der Rechtsnatur des Darlehensvertrages sind die folgenden Fragenkomplexe zu analysieren: Ob ein solcher Vertrag ein Real- oder Konsensualvertrag ist, welche Rechte und Pflichten die Vertragsparteien haben sowie ihre Verhältnisse untereinander. a)

Darlehensvertrag: Real- oder Konsensualvertrag?

Durch das SMG wurde die Frage nach der Konstruktion des Darlehensvertrages als Real- oder Konsensualvertrag gelöst.143 Nach dem Wortlaut des § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Darlehensgeber durch Darlehensvertrag verpflichtet, „[. . .] einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen“. Damit betrachtet der Gesetzgeber den Darlehensvertrag als Konsensualvertrag, der durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande kommt und die Darlehensvertragsparteien gegenseitig verpflichtet.144 b)

Pflichten der Vertragsparteien und die Frage nach ihrer Gegenseitigkeit

Die Frage der Pflichten der Vertragsparteien des Darlehensvertrages und ihres genauen Inhalts benötigt einigen Raum für ihre Darstellung. Deswegen wird diese Frage im Teil II dieser Arbeit („Die Rechte und Pflichten der Parteien des Darlehensvertrages“) ausführlicher behandelt. Jetzt werden nur die wichtigsten und für die weitere Begriffsbildung notwendigen Grundsätze dargestellt. Der deutsche Gesetzgeber hat am Ende des 19. Jahrhunderts § 607 BGB als realvertragliche Norm konstruiert und erwähnte aus diesem Grund keine Pflichten des Darlehensgebers.145 Der gegenwärtige Gesetzgeber, der unter dem Einfluss der konsensualrechtlichen Theorie stand, benutzte für § 488 BGB die Überschrift „Vertragliche Pflichten beim Darlehensvertrag“. Solche sind aber dort nicht ausführlich genannt, weil das Gesetz in diesem Fall lediglich über „vertragstypische Pflichten“ beider Parteien spricht.146 Dabei ist der Darlehensgeber verpflichtet, das Darlehen

143 Nach § 607 a.F. BGB war der Darlehensvertrag vom Gesetzgeber als Realvertrag konstruiert. Es gab aber trotzdem Meinungsverschiedenheiten, ob der Darlehensvertrag als Real- oder Konsensualvertrag betrachtet werden müsste (Zur Diskussion und den Argumenten der Parteien siehe ausführlich Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 13 m.w.N.). Dieser Streit hatte aber in der Bankpraxis nur eine geringe praktische Relevanz, weil dort ausführlich alle rechtlichen Möglichkeiten, wie z.B. Leistung, Gegenleistung und Leistungsstörungsfragen, bestimmt wurden. – Neumann-Duesberg, NJW 1970, S. 1403; SBL/Lwowski, Hb BankR, § 76, Rn. 6. 144 Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 2; Heermann, § 17, Rn. 14; Mülbert, WM 2002, S. 466 f. 145 BT-Drs. 14/6040, S. 252 f.; Soergel/Häuser, BGB, § 607, Rn. 109. 146 Die Parteien können aber zusätzliche Pflichten vereinbaren, wie z.B. die in der Bankpraxis vereinbarte Pflicht des Darlehensnehmers zur Bestellung von Sicherheiten oder über mögliche Aufklärungspflichten seitens der Bank. Ausführlich dazu siehe Zweiter Teil. B. II. und Zweiter Teil. C. IV.

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B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

„zur Verfügung zu stellen“.147 Der Darlehensnehmer ist seinerseits verpflichtet, bei Fälligkeit die zur Verfügung gestellte Darlehensvaluta zurückzuerstatten. Die genannten Hauptpflichten der Vertragsparteien stehen aber nicht im Synallagma. Es handelt sich in diesem Fall lediglich um ein zweiseitig verpflichtendes Schuldverhältnis.148 Nur wenn die Parteien einen verzinslichen Darlehensvertrag geschlossen haben, was in der geschäftlichen Praxis der Regelfall ist, oder bei einem partiarischen Darlehen eine Gewinnbeteiligung vereinbaren, wird es sich um einen gegenseitigen, synallagmatischen Vertrag handeln.149 Zuletzt soll erwähnt werden, dass ein Darlehensvertrag mit dem Zurverfügungstellen des Geldbetrages ein Dauerschuldverhältnis darstellt, da die Valuta immer für einen bestimmten bzw. unbestimmten Zeitraum zur Verfügung gestellt wird.150

4.

Krediteröffnungsvertrag und dessen Stellung im deutschen Recht

In der Bankpraxis der Bundesrepublik Deutschland wurde wegen der Nichtregelung der zahlreichen darlehensspezifischen Probleme im BGB eine besondere Art des Darlehensversprechens entwickelt151: Es handelt sich dabei um den sogenannten Krediteröffnungsvertrag. Eine gesetzliche Regelung für diesen Vertrag gibt es nicht. Er ist aber in der bankrechtlichen Praxis Grundlage jeder Kreditgewährung.152 Gemäß diesem Vertrag ist eine Bank dem Vertragspartner zur Gewährung zu bestimmten Bedingungen, entweder in der vereinbarten Höhe oder auf Abruf bis zu einer vereinbarten Grenze (Kreditrahmen) verpflichtet und der Kreditnehmer ist seinerseits dazu verpflichtet, eine Vergütung in Form von Zinsen und/oder Provisionen zu entrichten.153 Der Vertrag kann eine einmalige Kreditgewährung als auch revolvierende Kreditvergabe vorsehen.154 Bezüglich der Rechtsnatur des Krediteröffnungsvertrages hat die Rechtsprechung es unter Berücksichtigung des von Fall zu Fall möglichen unterschiedlichen Pflichtenkataloges der Vertragsparteien vermieden, den Krediteröffnungsvertrag einem

147 Zum Inhalt dieser Pflicht siehe Zweiter Teil. B. I. dieser Monographie. 148 Mülbert, AcP 1992, S. 454; MüKo/Berger, BGB, vor § 488 BGB, Rn. 17; a.A. Fikentscher, S. 525, der den Darlehensvertrag (§ 607 BGB a. F.) lediglich als einseitigen Vertrag betrachtet. 149 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 17; Palandt/Putzo, BGB, vor § 488, Rn. 3. Dabei stehen im Synallagma der Anspruch des Darlehensgebers auf Zinszahlung bzw. auf Auszahlung des Gewinnes und der Anspruch des Darlehensnehmers auf das „zur Verfügung Stellung“ der Darlehensvaluta. Nicht in Gegenseitigkeit stehen aber das Zurverfügungstellen der Darlehensvaluta und ihre Rückerstattungspflicht. – Mülbert, WM 2002, S. 457; Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 23. 150 BGH NJW 1978, S. 947 f.; 1981; S. 1666; Canaris, BankR, Rn. 1282; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 18; Palandt/Putzo, BGB, vor § 488, Rn. 5. 151 Medicus, SBT, Rn. 292. 152 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 64; Schwintowski/Schäfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 23; Hermann, § 18, Rn. 1. 153 MüKo/Westermann, BGB, 3, Aufl., vor § 607, Rn. 17; Baumbach/Hopt, HGB, S. 1352; Schwintowski/Schäfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 24; SBL/Lwowski, Hb BankR, § 77, Rn. 1; Heermann, § 18, Rn. 2; Stauder, S. 56; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 64. 154 Dazu im einzelnen MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 64. Für solche Zusagen seitens der Bank schuldet der Kunde regelmäßig eine Gegenleistung (sog. Bereitstellungsprovision).

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

bestimmten Vertragstyp eindeutig zuzuordnen. Sie hat aber seinen Charakter als Dauerschuldverhältnis mit einseitigem Kreditabrufsrecht auf der Seite des Kreditnehmers charakterisiert.155 In der Literatur ist die Frage der Rechtsnatur des Krediteröffnungsvertrages umstritten. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Auslegung des Verhältnisses zwischen den einzelnen Kreditgeschäften und dem Krediteröffnungsvertrag. Man trennt sie voneinander mit Hilfe der sog. Trennungstheorie,156 die ihre Wurzeln in der Realvertragstheorie hat. Danach wird mit dem Abschluss des Krediteröffnungsvertrages der Kredit weder sofort in Anspruch genommen noch „valutiert“. Dieses Gestaltungsrecht kann erst später geltend gemacht werden. Der Kreditnehmer erhält das Wahlrecht zwischen unterschiedlichen Kreditarten (z.B. Akzept-, Geld- oder Diskontkredit). Für den Fall, dass der Kreditnehmer die einzelnen Kreditverträge kündigt, wird der Krediteröffnungsvertrag von dieser Kündigung nicht betroffen sein. Die herrschende Lehre geht davon aus, dass es sich beim Krediteröffnungsvertrag nicht um einen Vorvertrag handelt, weil dem Grundtatbestand ein weiterer Vertrag, der Hauptvertrag folgen müsste.157 Es handele sich vielmehr um einen Rahmenvertrag, der die Verpflichtungen der Bank zur Bereitstellung des Kredits in der vereinbarten Form (z.B. Barauszahlung, Kontogutschrift, Wechselakzept oder -diskontierung, Bürgschaftsübernahme) begründet.158

II.

Normen über die Kreditgeschäfte im russischen Recht

1.

Gegenwärtige Gesetzgebung über die Kreditgeschäfte

Eine zentrale Stellung für das russische Kreditrecht haben die Vorschriften des Kapitels 42 Zivilgesetzbuch „Darlehen und Kredit“. Außerdem sei betont, dass sowohl einige Vorschriften des allgemeinen Teils des russischen ZGB als auch des besonderen Teils des Schuldrechts im russischen ZGB Einfluss auf die Kreditgeschäftsabwicklung haben. Eine weitere wichtige Bedeutung für die Kreditgeschäftsabwicklung haben die Vorschriften des Föderalen Gesetzes vom 2.12.1990 Nr. 395-1 „Über die Banken und die Banktätigkeit“ (im Folgenden – BankG)159 (z.B. Art. 28–30, 33 BankG). Ihre Auswirkung auf die Kreditgeschäftsabwicklung in Russland ist höher als die entsprechende Auswirkung des KWG in Deutschland, weil das russische Bankgesetz konkrete Bestimmungen über den notwendigen Vertragsinhalt der bankrechtlichen Verträge sowie einige Vorschriften enthält, die in einigen Berei-

155 BGHZ 83, S. 76, 81; BGH NJW 1978, S. 947; BGHZ 83, S. 76; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 66; Canaris, BankR, Rn. 1202; Schwintowski, Rn. 336. 156 Statt aller Canaris, BankR, Rn. 1201 f. 157 Schwintowski, Rn. 337; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 66; a.A. RGZ 66, S. 359, 361; 86, S. 323; RGRK/Ballhaus, BGB, vor § 607, Rn. 37. 158 WM 1956, S. 865, 867; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 66; Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 20; Claussen, § 8, Rn. 9; Kümpel, Rn. 5. 284; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 9; DKB/Derleder, Hb BankR, § 9, Rn. 68. Ob der Krediteröffnungsvertrag ein Vertrag sui generis ist oder nicht, bleibt offen. Ausführlich dazu siehe Heermann, § 14, Rn. 4 f. m.w.N. 159 In der Fassung des Föderalen Gesetzes vom 3.2.1996 Nr. 17-FZ, SZ RF 1996, Nr. 6, Pos. 492; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom vom 28.04.2009 Nr. 73-FZ, SZ RF 2009, Nr. 18, Pos. 2153.

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B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

chen des russischen Bankrechts eine ähnliche Rolle spielen wie die AGB-Banken oder die AGB-Sparkassen im deutschen Recht.160 In der modernen russischen Transformationswirtschaft spielt sowohl wegen der relativ hohen Inflation, als auch wegen der relativen Billigkeit der Kredite bei ausländischen westlichen Banken im Vergleich zu den russischen Banken die Anknüpfung der Schulden an ausländische Währungen eine merkliche Rolle.161 Deswegen haben einige Vorschriften des russischen Föderalen Gesetzes vom 10.12.2003 „Über die Währungsregelung und Währungskontrolle“162 (im Folgenden – WährG) (z.B. Art. 6 „Währungsgeschäfte der Residenten in der Russischen Föderation“; Art. 16 „Geldreservierung“) große Bedeutung für die Abwicklung der Kreditverträge.

2.

Begriff des Kreditvertrages und dessen rechtliche Natur

Wie im deutschen Recht gibt es auch im russischen Recht keine Legaldefinition des Kredits. Der Begriff des Kredits im zivilrechtlichen Sinne wurde durch die Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts bezüglich der Auslegung der Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB („Kreditvertrag“) entwickelt. Danach versteht man unter Kredit die Gewährung von Geldmitteln unter den Bedingungen der Entgeltlichkeit, Rückzahlbarkeit und Fristigkeit durch eine Bank oder durch eine andere Kreditorganisation an den Kredit- bzw. Darlehensnehmer.163 Wegen der unterschiedlichen Formulierungen des Darlehens- und Kreditvertrages des sowjetischen Zivilgesetzbuches von 1922 (im Folgenden – russ. ZGB 1922),164 Zivilgesetzbuches von 1964 (im Folgenden – russ. ZGB 1964)165 und der Grundsätze der Zivilgesetzgebung der UdSSR von 1991 (im Folgenden – GrZG UdSSR)166 wurden im Schrifttum unterschiedliche Auffassungen über die Rechtsnatur des Kreditvertrages geäußert.167

160 Außerdem macht die Rechtsprechung (in erster Line der Wirtschaftsgerichte und nur in zweiter Linie der ordentlichen Gerichte) im Bereich des Kreditrechts bestimmte Fortschritte und ihre Rolle im russischen Kreditrecht ist in etwa so groß wie im deutschen Recht. 161 Nach den Angaben der russischen Wirtschaftszeitung „Verdomosti“ htpp://www. vedomosti.ru/stories/2004-04-02-41-01.html. Aufgerufen am 2.4.2004. 162 SZ RF 2003, Nr. 50, Pos. 4859. Zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 22.07.2008 Nr. 150-FZ, SZ RF 2008, Nr. 30 (Teil I.), Pos. 3606. 163 Entscheidung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, Nr. 2384/99 vom 15.6.1999, VVAS 1999, Nr. 10, S. 59. In der Lehre werden dagegen unterschiedliche Meinungen zum Kreditbegriff vertreten. Siehe dazu ausführlich Vitrjanskij, ChiP 2004, Nr. 9, S. 4 ff. mit den zahlreichen Verweisen zum Stand der Diskussion. Außerdem wird in russischer Sprache für die Bezeichnung von Kredit- bzw. Darlehensnehmer das gleiche Wort verwendet: „zajemsˇ cˇ ik“, was sowohl als Kreditals auch als Darlehensnehmer übersetzt werden kann. 164 Izvestija VZIK 1922, Nr. 256 vom 12.11.1922. 165 VSNDiVS RSFSR 1964, Nr. 24, Pos. 407. 166 Föderales Gesetz vom 31.5.1991 Nr. 2211-1, VSNDiVS UdSSR 1991, Nr. 26, Pos. 733. 167 Einige Autoren, ausgehend von der besonderen Rolle der Banken in der sowjetischen Wirtschaft (sie waren auf der einen Seite die besonderen Verwaltungsbehörden und gleichfalls auf der anderen Seite auch die Wirtschaftssubjekte), sahen im Kreditvertrag eine Art des Darlehensvertrages. – Fleisˇ iz, S. 213 ff.; Viljanskij, S. 43; Agarkov, S. 58. Dagegen meinten andere Wissenschaftler, dass der Bankkreditvertrag (kurzfristige Darlehen) als selbständiger Vertrag an-

29

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

Der Gesetzgeber hat im Kapitel 42 russ. ZGB von allgemeinen Vorschriften sowohl für den Darlehens- als auch den Kreditvertrag abgesehen. Fraglich ist, ob einer der beiden Verträge vor dem anderen vorrangig ist, oder ob sie möglicherweise ranggleich nebeneinander stehen. Nach der Meinung von Chochlov, dem Leiter der das russ. ZGB verfassenden Kommission, müssen die Vorschriften über den Darlehensvertrag die Funktion der allgemeinen Vorschriften bei der Abwicklung des Kreditvertrages übernehmen.168 Dazu stellt Art. 819 Pkt. 2 russ. ZGB fest, dass auf Beziehungen aus Kreditverträgen die Bestimmungen des § 1 Kapitel 42 russ. ZGB („Darlehen“ („zajem“)) Anwendung finden, soweit nichts anderes in den Vorschriften des § 2 Kapitel 42 russ. ZGB („Kredit“) bestimmt ist oder sich etwas anders aus dem Wesen des Kreditvertrages ergibt.169 Die gegenwärtige Rechtswissenschaft betont auch die engen Beziehungen zwischen den beiden Verträgen.170 Worin liegen aber die Unterschiede und weshalb hat der russische Gesetzgeber diese Verträge voneinander abgegrenzt? Der Darlehensvertrag im russischen Recht wurde vom Gesetzgeber in Art. 807 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB als Realvertrag formuliert. Der Kreditvertrag zählt dagegen zu den konsensualrechtlichen Verträgen, d.h. er gilt als geschlossen, wenn sich die Parteien in der jeweils erforderlichen Form über alle seine wesentlichen Bedingungen geeinigt haben (Art. 432 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB). Dabei stellt sich der Kreditvertrag im russischen Recht als ein zweiseitig verpflichtender Vertrag dar.171 Hinzu kommt die Konstruktion des Darlehensvertrages für die Beziehungen entweder zwischen natürlichen Personen miteinander oder zwischen juristischen Personen, die die Kreditgewährung nicht professionell ausüben. Für die Geldgewährung im gewerblichen Bereich mit Beteiligung von Banken oder anderen Kreditinstituten hat der Gesetzgeber die Konstruktion des Kreditvertrages in Art. 819 ff. russ. ZGB vorgesehen. Wenn eine natürliche oder juristische Person Geld aus gewerblichem Grund gewähren möchte, muss sie zuerst eine Lizenz der russischen Zentralbank bekommen und darf erst dann den Kreditvertrag abschließen. Im russischen Recht gibt es keine Trennung des Darlehensvertrages in Geld- und Sachdarlehensvertrag: Sein Gegenstand können sowohl Geld als auch andere nach

zusehen sei. – Kunik, S. 118; Gurevicˇ , S. 40 ff.; Kompaneez/Polonskji, S. 75. Außerdem zählte nach Fleisˇ iz, S. 215 der Kreditvertrag zu den Konsensualverträgen, nach Gurevicˇ (S. 48 f.) und Ioffe (S. 356 f., 377) dagegen zu den Realverträgen. Es wurde auch die Meinung vertreten, der Kreditvertrag sei eine Art des Darlehensvertrages, aber im Unterschied zu Letzterem könne er sowohl als realer als auch als konsensualer Vertrag gelten. – Suchanov/Novoselova, BankR, S. 12. Ebenso wurde der Kreditvertrag als ein Vorvertrag über den künftigen Abschluss des Darlehensvertrages angesehen. – Agarkov, S. 82. 168 Chochlov, S. 436 f. 169 Die praktische Differenzierung zwischen beiden Verträgen liegt dann, wenn ein Sanierungskreditvertrag in Form des Darlehensvertrages geschlossen wird. Ob in diesem Fall ein notleidendes Unternehmen einen Anspruch aus dem realen Sanierungsdarlehensvertrag auf die Zurverfügungstellen des Geldbetrages hat? Zu dieser Frage wird im zweiten Teil der Arbeit Stellung genommen. 170 Siehe z.B. Efimova, S. 555 ff., Vitrjanskij, ChiP 2004, Nr. 9, S. 13; Zavidov, S. 239 ff. Nach der Meinung von Letzterem haben die beiden Verträge die gleiche wirtschaftliche Natur, auf Grund derer die Darlehenrechtsverhältnisse vorliegen. – Zavidov, a.a.O. 171 Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 502.

30

B. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

Gattungsmerkmalen bestimmte Sachen sein. Der Kreditvertrag wird hingegen ausschließlich im Sinne des deutschen Gelddarlehens verstanden – danach können ohne Gegenstand nur Geldmittel sein.172 Auf Grund der gesetzlichen Erwähnung ist es die Pflicht des Darlehennehmers, die geschuldeten Zinsen zu zahlen. In den letzten Jahren wurde durch die Rechtsprechung ein eigenständiges Merkmal des Kreditvertrages entwickelt: er muss entgeltlich sein, während der Darlehensvertrag sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich – wie im deutschen Recht – sein kann.173 Darüber hinaus gelten für den Kreditvertrag zwingende Formvorschriften: Er bedarf der Schriftform (Art. 820 russ. ZGB), im Unterschied zum Darlehensvertrag, der sowohl in schriftlicher als auch in mündlicher Form gültig ist. Dies alles zeigt, dass der Kreditvertrag im russischen Recht eine Sonderform des Darlehensvertrages darstellt. Im Gegensatz zum Darlehensvertrag ist er jedoch ein Konsensualvertrag mit einem besonderen Rechtssubjekt auf der Seite des Kreditgebers.174

III. Begriff des Kreditvertrages im Sinne dieser Arbeit Man verwendet im deutschen und russischen Rechtssystem für die gleichen wirtschaftlichen Beziehungen unterschiedliche Terminologien: Der Kreditvertrag hat im deutschen Zivilrecht keinen eigenständigen Platz gefunden. In Deutschland gestalten sich die Beziehungen zwischen Unternehmen über die zeitliche Gewährung der Geldmittel gemäß den Vorschriften über den Gelddarlehensvertrag (§ 488 ff. BGB) und den richterrechtlich entwickelten Grundsätzen über die Krediteröffnungsverträge. Solche Verträge sind Konsensualverträge, die als Gegenstand das Zurverfügungstellen des Geldmittels für einen bestimmten Zeitraum haben. Die Beziehungen zwischen den Unternehmen in Russland über die Gewährung der Geldmittel können sowohl nach den Vorschriften über den Darlehens- als auch nach dem Kreditvertrag gestaltet werden. In der Geschäftspraxis wird zwischen den Banken und Unternehmen bzw. natürlichen Personen im Allgemeinen ein Kreditvertrag geschlossen. Zwischen Unternehmen wird dagegen ein Darlehensvertrag geschlossen. Der Kreditvertrag im russischen Recht ist, wie der Darlehens- und Krediteröffnungsvertrag im deutschen Recht, ein Konsensualvertrag, aber als Geldgeber muss ein Sondersubjekt – eine Kreditorganisation – auftreten.

172 Ebenso Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 224 ohne rechtsvergleichenden Ausdruck. 173 Entscheidung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF, Nr. 2384/99 vom 15.6.1999, VVAS 1999, Nr. 10, S. 59. Ebenso in der Lehre: Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 225; Sergeev/ Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 503; Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 463. 174 „Kreditvertrag ist eine Art des Darlehensvertrages“. – so Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 224; Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 430; Vitrjanskij, ChiP 2004, Nr. 9, S. 18; Karimullin, S. 13. Efimova (S. 561) bezeichnet den Kreditvertrag als sog. konsensuale Art des Darlehensvertrages.

31

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

Im Folgenden wird unter dem Kreditvertrag bezüglich des deutschen Rechts ein Gelddarlehens- und Krediteröffnungsvertrag, bezüglich des russischen Rechts ein Kreditvertrag im Sinne von Art. 819 ff. russ. ZGB sowie ein Gelddarlehensvertrag i.S.v. Art. 807 ff. russ. ZGB zu verstehen sein. Dabei wird im Bezug auf das russische Recht der Schwerpunkt der Untersuchung in der Analyse des Kreditvertrages i.S.v. Art. 819 ff. russ. ZGB liegen. Wegen der geringen Bedeutung der Gelddarlehensverträge zwischen Unternehmen in der russischen Unternehmenspraxis werden die rechtlichen Besonderheiten des Gelddarlehensvertrages nur am Rande der Arbeit (hauptsächlich bei der Analyse der Problematik des Gesellschafterdarlehen) dargestellt.

C.

Begriff des Sanierungskreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

Mit dem Abschluss des Darlehens- bzw. Kreditvertrages verfolgen die Vertragsparteien unterschiedliche wirtschaftliche Zwecke. In Betracht kommen etwa die Finanzierung eines Projektes oder einer Kapitalanlage des Darlehensnehmers, der Umbau eines Gebäudes, eine Unternehmenssanierung, die Vergabe aus Gefälligkeit oder die Förderung eines bestimmten Vorhabens im öffentlichen Interesse.175 Diese Zwecke entsprechen beim Abschluss des Darlehenvertrages den Interessen beider Parteien des Darlehens- bzw. Kreditvertrages.176 Sie können als besondere Bedingung im Vertrag die Bestimmung über die Benutzung des Geldmittels zu den bestimmten Zwecken einführen.177 Zweckvorbehalte in Kreditverträgen sind nicht selten in der modernen deutschen und russischen Wirtschaft und in der Unternehmenspraxis eher die Regel als die Ausnahme.178 Die wirtschaftliche Realität in beiden Ländern geht dahin, dass mit der Einbeziehung von Zweckabreden im Kreditvertrag der Kreditgeber die Einschränkung der völlig freien Verwendungsmöglichkeit durch den Kreditnehmer erreichen kann. Die Zweckabreden sollen aber nicht nur pauschal vom Standpunkt der Wirtschaft aus betrachtet werden. Es gilt vielmehr herauszuarbeiten, welche rechtlichen Besonderheiten die Zweckvorbehalte des Darlehens- bzw. Kreditvertrages haben. In einem nächsten Schritt soll der Sanierungskreditvertrag nach deutschem und russischem Recht dargestellt werden. Unter dem Gesichtspunkt der möglichen Zweckabrede im Kreditvertrag wird vorliegend generell zwischen zwei Gruppen von Kreditverträgen unterschieden: Einerseits werden als „normale“, „zweckfreie“, „ungebundene“ oder „freizügige“ Kredite

175 Die dagegen umstrittene Frage, ob es bei vertraglich vereinbarter Zweckbindung zulässig ist, die Forderungen abzutreten oder zu pfänden, wird in der vorliegenden Arbeit nicht untersucht. – Ausführlich dazu siehe Schwintowski/Schärfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 42 ff. 176 MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 9. 177 Derleder, JZ 1989, S. 166. 178 Zum russischen Recht Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 504, während des Darlehensvertrags in der Regel nicht zweckgebunden ist. – Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 498; a.A. Karimullin, S. 173.

32

C. Begriff des Sanierungskreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

solche bezeichnet, bei denen der Kreditvertrag keine Zweckabrede enthält. Andererseits werden als sog. zweckgebundene Kredite solche Kredite bezeichnet, bei denen eine Zweckabrede vorhanden ist.

I.

Betrachtung der Zweckabrede im Kreditvertrag

1.

Deutsches Recht

Das deutsche Recht geht davon aus, dass der Darlehensnehmer die zur Verfügung gestellten Geldmittel in der Regel frei verwenden kann.179 Das BGB enthält keine Bestimmungen über die Besonderheiten des zweckgebundenen Darlehens. Wegen des Grundsatzes der Vertragsfreiheit ist anerkannt, dass solche Bedingungen in Darlehensverträgen enthalten sein können.180 In der Literatur wird betont, dass man für die Qualifizierung eines Verwendungszwecks nach dem rechtsgeschäftlichen Inhalt des Gelddarlehensvertrages entweder eine ausdrückliche Abrede der Parteien oder „besondere, den Vertragschluss begleitende Unstände“ braucht.181 Für die Vereinbarung einer Bedingung gemäß § 158 BGB gelten noch strengere Anforderungen. Weil dort die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes an die Zweckerreichung anknüpft, geht diese Vereinbarung über die Vereinbarung eines wirtschaftlichen Zwecks hinaus.182 In der Rechtsprechung und Literatur wird die Zweckabrede, die gegen §§ 138, 242 BGB verstößt, als unwirksam behandelt.183 Dabei bleibt für die rechtliche Beurteilung der mit dem Darlehen verfolgte wirtschaftliche Zweck ohne Bedeutung.184 Das wesentliche Problem der zweckgebundenen Darlehen besteht darin, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dieser Zweckbindung ergeben. Diese Frage wird in dieser Arbeit in den jeweiligen Abschnitten anhand des Beispiels der Sanierungskredite erörtert.

2.

Russisches Recht

Im russischen Recht gilt der Grundsatz des Art. 845 Pkt. 3 russ. ZGB, wonach eine Bank nicht berechtigt ist, die Verwendung der Geldmittel ihrer Kunden zu bestim-

179 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 607, Rn. 65; Derleder, JZ 1989, S. 166. 180 MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 8. In der Bankpraxis ist aber anerkannt, dass auf Grund der von der Bundesanstalt für die Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden – BaFin) verabschiedeten „Mindestanforderungen an die Kreditgeschäfte der Kreditinstitute“ (im Folgenden – MaK) (BaFin Rundschreiben 34/2002 vom 20.12.2002) zur Aufgabe des Kreditinstituts u.a. die Kontrolle der Zweckmäßigkeit der Verwendung der Darlehensvaluta durch den Darlehensnehmer gehört. – Ziff. 4.3.2 der MaK. Ausführlich zur Betrachtung der Problemkredite durch MaK siehe Theewen, WM 2004, S. 105 ff. 181 MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 9. 182 MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 9; Behrmann, S. 75. 183 BGH DB 1974, S. 1621; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 8. Ausführlich dazu siehe MüKo/Roth, BGB, § 242, Rn. 762 ff. 184 RGRK/Ballhaus, BGB, vor § 607, Rn. 3.

33

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

men oder zu kontrollieren oder nach ihrem Gutdünken seine Verfügung über die Gelder auf andere nicht durch Gesetz oder den Bankkontovertrag geregelte Weise zu beschränken. Diese Grundsätze haben in der Literatur auch bezüglich des Darlehens- bzw. Kreditrechts ihren Niederschlag gefunden.185 Der Gesetzgeber hat aber bezüglich des Darlehenvertrages Art. 814 russ. ZGB eingeführt – diese Vorschrift bestimmt die Besonderheiten der zweckgebundenen Darlehen. Die Lehre geht davon aus, dass diese Regeln auch für die Kreditverträge ihre Anwendung finden sollen.186 Art. 814 Pkt. 1 russ. ZGB enthält die Legaldefinition des zweckgebundenen Darlehens, wonach darunter ein Darlehensvertrag zu verstehen ist, der unter der Bedingung der Verwendung der erhaltenen Mittel zu einem bestimmten Zweck geschlossen ist. In der russischen Literatur existieren unterschiedliche Meinungen zur Rechtsnatur des zweckgebundenen Darlehens. Sie bestimmt aber die Zweckabrede durch eine auflösende oder aufschiebende Bedingung, was nach dem deutschen Recht nicht der Fall ist.187 Nach einer (denkbaren) Sichtweise stellt sich der zweckgebundene Kreditvertrag als ein Vertrag dar, der durch eine negative auflösende Bedingung (Art. 157 Pkt. 2 russ. ZGB) beschwert wird. Dies wird daraus gefolgert, dass die Rechtslage (nämlich das Recht der Bank, die frühzeitige Rückerstattung des Geldes zu fordern) erst und nur dann eintritt, wenn ein Ereignis (die zweckmäßige Verwendung des Geldes) nicht eintritt. Am Eintritt bzw. Nichteintritt dieses Ereignisses hängen nicht die Rechtsfolgen für das gesamte Geschäft, sondern lediglich jene in Bezug auf diese spezielle Berechtigung (frühzeitige Rückerstattung).188 Nach anderer Auffassung stellt ein zweckgebundenes Darlehen einen Vertrag dar, der durch eine aufschiebende Bedingung (Art. 157 Pkt. 1 russ. ZGB) erschwert ist. Mit dem Eintritt dieser Bedingung entsteht nach dem russ. ZGB beim Gläubiger das Recht auf die vorzeitige Rückerstattung der Darlehensvaluta.189 Vom Eintritt dieses Ereignisses hängt nicht die Rechtsfolge des gesamten Rechtsgeschäfts ab, sondern lediglich die Rechtsfolge bezüglich eines Rechts des Darlehensgebers. Der wesentliche Nachteil dieser Theorie besteht darin, dass die Parteien nicht nur die Entstehung ihrer Rechte, sondern auch die ihrer Pflichten vom Eintritt dieser Bedingung abhängig machen. Die beiden Theorien betrachten die Zweckabrede ausschließlich vom Standpunkt der negativen Folgen aus, d.h. der unzweckmäßigen Benutzung des Kredits seitens des Kreditnehmers sowie ab welchem Zeitpunkt die Bedingung über die zweckmäßige Verwendung des Kredits verletzt wird. Die Rechtsfolgen treten auch unabhängig vom späteren Willen des Kreditgebers ein. Eine originelle Erklärung der Natur der zweckgebundenen Kredite wurde von Mozolin und Efimova vorgeschlagen.190 Sie erklären den Zweckcharakter des Dar-

185 Karimullin, S. 185; Karpov, S. 165. 186 Karpov, S. 161; Sadikov/Pavlodskij, ZGB, Art. 819, Rn. 1. 187 Zum deutschen Recht siehe Behrmann, S. 76. 188 Die Meinung wurde von Agarkov (BankR, S, 96 f.) als denkbare bezeichnet und in weiterer Untersuchung abgelehnt. 189 Agarkov, BankR, S. 95; Ders., Rechtsnatur der Zweckkredits, S. 67 f.; Suchanov-Novoselova, BankR, S. 99 f. 190 Mozolin/Efimova Zivilrecht, S. 436.

34

C. Begriff des Sanierungskreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

lehensvertrages durch die Existenz des sog. zeitweiligen Eigentums des Darlehensnehmers an den Geldmitteln. Art. 209 Pkt. 1 des russischen Zivilgesetzbuches geht davon aus, dass einem Eigentümer der Besitz und die Nutzung seines Vermögensgegenstandes sowie die Verfügung über sie zusteht. Das Eigentumsrecht ist in den Vorschriften des russischen ZGB zeitlich nicht begrenzt. Das russische Recht kennt kein zeitweiliges Eigentum. Die zeitliche Begrenzung des Eigentums bezüglich der zweckgebundenen Geldmittel hat zwei Konsequenzen: Erstens, die Einführung einer neuen Art dinglicher Rechte (zeitweiliges Eigentum). Das heutige russische Zivilrecht geht vom nummerus clausus von dinglichen Rechten aus. Das „zeitweilige Eigentum“ ist nicht bekannt. Zweitens, inwieweit ist der Darlehensgeber befugt, im Fall der unzweckmässigen Benutzung des Geldes sein „eigenes“ Geld von Dritten zu verlangen? Diese Frage braucht eine besondere Untersuchung. An dieser Stelle ist hervorzuheben, dass der Ansicht von Mozolin und Efimova nicht gefolgt werden kann. Nicht jede Zweckabrede ist gesetzmäßig, sondern nur die, die weder gegen das Verbot der unzulässigen Ausübung (Art. 10 russ. ZGB) verstößt, noch rechtsordnungsund sittenwidrige Zwecke verfolgt (Art. 169 russ. ZGB). Von Seiten des Kreditnehmers in den zweckmäßigen Kreditverträgen sind zusätzliche zu den normalen Pflichten aus einem Kreditvertrag zwei weitere Pflichten zu erfüllen: Der Kreditnehmer hat den Kredit zweckmäßig zu benutzen und die Kontrolle über seine zweckmäßige Verwendung muss dem Kreditgeber ermöglicht werden. In dieser Arbeit wird auf die Frage einzugehen sein, ob aus der Zurverfügungstellung eines Sanierungskredites zusätzliche Pflichten der Banken folgen.191

II.

Sanierungskreditvertrag als eine Art des zweckgebundenen Kredits

1.

Begriff des Sanierungskreditvertrages

a)

Deutsches Recht

Innerhalb der verschiedenen Modifikationsformen des Kredits sind vorliegend diejenigen von Belang, die zum Zweck der Sanierung des Unternehmens gewährt werden. Wichtig ist in erster Linie die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Sanierungs-

191 Außerdem bereitet die Frage, inwieweit es möglich ist, Kontrolle über die zweckmäßige Verwendung der Geldmittel des Darlehensnehmers auszuüben eine wesentliche Schwierigkeit im russischen Recht (Ausführlich dazu siehe Karpov, S. 163 ff.). Wegen der Breite dieses Fragenkomplexes sei hervorgehoben, dass eine solche Pflicht des Darlehensnehmers aus einem zweckgebundenen Kreditvertrag hergeleitet wird. Die Bank ihrerseits ist nicht verpflichtet, die zweckmäßige Verwendung des Geldes zu kontrollieren. Sie ist allerdings hierzu berechtigt (in dieser Richtung auch Karimullin, S. 182 f.; Karpov, S. 165; a.A. Sadikov, S. 211 f.). Ob die Prüfung von Dokumenten in diesem Zusammenhang zulässig ist und inwieweit die Bank verpflichtet ist, diese anzusehen und zu analysieren, ist meines Erachtens eine Frage der Vertragsfreiheit. Diese Punkte werden im Detail im Kreditvertrag geregelt. Dabei müssen die Vorschriften des Datenschutzrechts, die Fragen der Betriebsgeheimnisse sowie die Vorschriften des russ. ZGB über das Rechtsmissbrauchsverbot berücksichtigt werden.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

kredit vergeben wird: in der Unternehmenskrise (d.h. im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung) oder erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Rahmen des gerichtlichen Insolvenzverfahrens.192 In der Literatur versteht man unter dem Begriff Sanierungskredit eine Art von Krediten, die an in der Krise befindliche Unternehmen von einem Kreditinstitut, einer Gruppe von Kreditinstituten oder von Dritten (Lieferanten, verbundenen Unternehmen oder anderen Gläubigerunternehmen) zum Zwecke der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, entweder durch die Bewilligung von neuen Krediten oder durch Umschuldung alter Kredite, vergeben werden.193 Dabei ist unter den Sanierungskrediten nicht nur das Zurverfügungstellen eines neuen Kredits, sondern auch die Prolongation bestehender Kreditverträge zum Zweck der Sanierung zu verstehen.194 Darüber hinaus hat man meines Erachtens davon auszugehen, dass die Vergabe der Sanierungskredite die Beseitigung eines drohenden oder eingetretenen Insolvenzgrundes bezweckt195 und ausschließlich der Wiederherstellung der langfristigen Zahlungsfähigkeit des Unternehmens dient.196 Deswegen ist es in diesem Fall irrelevant, ob der Kredit unter gerichtlicher Aufsicht oder ohne solche vergeben wird. In beiden Fällen wird er dem Zweck der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit dienen.197 Diese Zweckbindung wird im Vertrag in der Regel dahingehend konkretisiert, dass die Verwendung des Geldes zur Finanzierung bestimmter Maßnahmen vereinbart wird.198 Ob die Zweckbindung in diesen Verträgen auch „allgemein die „Sanierung“ betreffen kann“,199 ist zweifelhaft, weil es (in diesem Fall) für die Bank im Fall des Scheiterns der Sanierung schwer zu beweisen sein wird, ob der Kreditnehmer den Kredit unzweckmäßig verwendet hat. Andererseits kann ein solcher Umstand gegen die ernste Vorbereitung auf die Durchführung der Sanierung sprechen. Im Fall der Einbeziehung einer solchen Zusage in den Darlehensvertrag spricht man von einem Überbrückungskredit,200 weil die Parteien mit der Kreditvergabe die kurzfristige Aufrechterhaltung des Unternehmens bezwecken, nicht aber die langfristige Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit. In der Regel wird beim Abschluss des Sanierungskreditvertrages auch ein sog. Sanierungsvertrag geschlossen. Es handelt sich dabei um einen Vertrag, in dem die Parteien (in der Regel die Gläubiger des Not leidenden Unternehmens und die 192 Rümker, KTS 1981, S. 498; Behrmann, S. 65. Letzter unterscheidet zwischen den Sanierungsund Verwaltungsdarlehen. Unter Verwaltungsdarlehen versteht er die Darlehen, die von einem Insolvenzverwalter angenommen werden. 193 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 208; Drukarczyk, S. 272; Gawaz, Rn. 31. Der Krisenbegriff wird aber von allen diesen Autoren nicht erklärt. 194 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 208; Schertler, S. 134. 195 Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rn. 461; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 22; 208, 210; Behrmann, S. 66. 196 Behrmann, S. 66. 197 Natürlich hat sie, je nach Zeit der Kreditvergabe, d.h. in der Krise oder im Insolvenzverfahren, bestimmte Besonderheiten, die ich in dieser Arbeit in den entsprechenden Abschnitten näher darstellen werde. 198 Schertler, S. 134. 199 Möllers, S. 21. 200 Näher zu den Überbrückungskrediten siehe Erster Teil – C. II. 2. dieser Monographie.

36

C. Begriff des Sanierungskreditvertrages im Sinne dieser Arbeit

Hausbank) mit Hilfe bestimmter Maßnahmen und ihrem Engagement versuchen, das Unternehmen zu sanieren. Das Herzstück des Sanierungsvertrages bildet in der Regel ein Sanierungskreditvertrag, in dem neben den gewöhnlichen auch zusätzliche Bedingungen vorgesehen werden können.201 Allerdings ist der Sanierungskreditvertrag von einen Sanierungsvertrag kaum zu unterschieden, wenn Ersterer auf Grund eines umfassenden Konzepts gewährt wird, das die Durchführung unterschiedlicher finanzieller, leistungswirtschaftlicher und anderer Maßnahmen vorsieht. Das fresh money kann im Sanierungsvertrag nicht nur in Form der Sanierungskreditgewährung, sondern auch durch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen oder von Forderungen des Schuldners202 sowie durch die Erhöhung des Stamm- oder Grundkapitals des Schuldners, wenn es sich um eine Kapitelgesellschaft handelt, erfolgen. b)

Russisches Recht

Die Frage des Sanierungskredits als eine Art eines zweckgebundenen Vertrages ist in der russischen Rechtslehre bisher nicht erforscht. Allerdings scheint alles, was ich in diesem Punkt rechtsdogmatisch bezüglich des Begriffs des Sanierungskreditvertrages und Sanierungsvertrages im deutschen Recht erläutert habe, auch im russischen Recht anwendbar zu sein. c)

Begriff des Sanierungskredites im Sinne dieser Arbeit

Unter einem Sanierungskreditvertrag im Sinne dieser Arbeit werden solche Kreditverträge verstanden, die für den Schuldner in der Krise und auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die dauerhafte Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit bezwecken. Dabei ist unter Sanierungskrediten nicht nur das Zurverfügungstellen eines neuen Kredits, sondern auch die Verlängerung der bestehenden Kreditverträge zum Zweck der Sanierung zu verstehen.

2.

Arten der Sanierungskreditverträge und ihre Abgrenzung voneinander

Unabhängig von der Rechtsordnung des Staates kann man zwei Klassifikationen der Sanierungskredite vorschlagen: Die erste Klassifikation verteilt die Sanierungskredite je nach Art des Kreditgebers: Sie können von einem Dritten (in der Regel der Hausbank) oder einem Eigentümer bzw. Gesellschafter oder Aktionär gewährt werden. Die zweite Klassifikation verteilt die Sanierungskredite auf unmittelbare und mittelbare: Während die ersten von einem Dritten (in der Regel einem Kreditinstitut) in Form eines Darlehens vergeben werden, dienen die zweiten indirekt der Finanzierung des sanierungsbedürftigen Unternehmens (z.B. über eine Kapitalerhöhung).203 Im deutschen und russischen Recht können aber besondere terminologische und rechtliche Unterschiede bezüglich der Abgrenzung von Sanierungs-

201 202 203

Schertler, S. 133. Hopt, ZHR 1979, S. 169; Schertler, S. 134. WM 1986, S. 2 ff. = EWiR 1986, S. 59 (Koendgen); Gawaz, Rn. 33 f.

37

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

krediten von anderen Arten der Unternehmensfinanzierung (insbesondere die im deutschen Recht vorgenommene Differenzierung der Sanierungskredite und Überbrückungskredite, Existenzgründungskredite und objektbezogenen Kredite) entstehen. Diese Differenzierung ist maßgeblich bei vielen Fragen dieser Arbeit.204 Die Abgrenzung ist anhand des Sanierungszwecks solcher Kredite durchzuführen. Man unterscheidet zuerst zwischen Sanierungs- und Überbrückungskrediten. Letztere bezwecken weder die Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität des Unternehmens noch die Neugestaltung der Finanzierungsgrundlage. Sie verfolgen lediglich die kurzfristige Überbrückung der Liquiditätsschwierigkeiten des Schuldners,205 bis die Entscheidung über das weitere Schicksal des Unternehmens getroffen wird. Die nächste Abgrenzung kann man zwischen Sanierungs- und Existenzgründungskrediten ziehen. Die letzteren dienen nicht der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit, sie werden zur Gründung eines Unternehmens gewährt. Die Sanierung kommt in diesem Stadium gar nicht in Frage. Diese Abgrenzung ist besonders für den Fall der haftungsrechtlichen Folgen der Gewährung von Sanierungskrediten relevant und wird im entsprechenden Kapitel dieser Arbeit erwähnt.206 Weiter ist die Unterscheidung zwischen Sanierungskrediten und objektbezogenen Krediten für die Arbeit bedeutsam. Es handelt sich in diesem Fall um solche Kredite, die die Finanzierung von bestimmten Objekten betreffen. Ein Beispiel hierfür ist ein Darlehen an eine Wohnungsbaugesellschaft zur Finanzierung eines Bauobjekts.207 Sie sind aber weder mit dem Sanierungskonzept verbunden, was für haftungsrechtlichen Folgen im deutschen Recht relevant sein kann, noch unbedingt auf die Erhöhung der langfristigen Zahlungsfähigkeit gerichtet. Im russischen Recht fehlt sowohl die umfassende Systematisierung der Sanierungskredite als auch die Abgrenzung in der Literatur zwischen solchen Krediten und anderen Arten der Finanzierung in der Krise. Ob eine solche Abgrenzung der Sanierungskredite bedeutend für unsere Untersuchung im russischen Recht ist, wird in den nächsten Kapiteln der Arbeit dargestellt. Zur Zeit kann man nur sagen, dass die

204 Z.B. für Fragen der Kündigung sowie bei der haftungsrechtlichen Frage des fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs sowie bei der Gewährung des Kredites. Näher dazu siehe Zweiter Teil – Erster Abschnitt. B. dieser Monographie. 205 Rümker, ZHR 1979, S. 205 f.; Gawaz, Rn. 37. Nicht nur im deutschen, sondern auch im europäischen Recht ist diese Qualifizierung bekannt. So unterscheidet man z.B. im europäischen Beihilfenrecht die Rettungsbeihilfe (in der Regel in Form von Krediten), die kurzfristigen Charakter haben, sowie die langfristige Umstrukturierungsbeihilfe (in der Regel in Form von Krediten), die die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners bezwecken. – So Nr. 15, 16 Mitteilung der Europäischen Kommission vom 7.7.2004 „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“, in: ABl. EG 2004, Nr. C 244, S. 2 ff. Ausführlich dazu siehe Fehr, ZIP 2004, S. 2123 ff. 206 Näher dazu siehe Dritter Teil – Dritter Abschnitt. A. dieser Monographie. 207 BGH WM 1979, S. 878; OLG Frankfurt, WM 1990, S. 2012 f. = EWiR 1990, S. 773 (Hegmanns). Sogar wenn in diesem Fall nicht viele Bauvorhaben vorhanden sind, wird ein solcher Umstand diese zweckgebundenen Kredite nicht als Sanierungskredite definieren, zumindest nicht subjektiv vom Standpunkt des Kreditgebers. – So OLG Frankfurt WM 1990, S. 2012 f.; Gawaz, Rn. 36; MüKo/Martens, BGB, 3. Aufl., § 826, Rn. 152.

38

D. Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit

Aufteilung der Kredite auf Sanierungs- und Überbrückungskredite, sowie auf Sanierungskredite und objektbezogene Kredite im russischen Recht denkbar ist und sogar von Nutzen sein kann, um die Stellung der Sanierungskredite besser zu verstehen. Dagegen scheint mir die Abgrenzung der Sanierungs- und Existenzgründungskredite im russischen Recht in erster Line wegen der heutigen wirtschaftlichen Lage wenig praktikabel: Dem Autor sind keine Fälle bekannt, in denen in Russland solche Kredite zur Verfügung gestellt worden wären.

D.

Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit

I.

Der Unternehmensbegriff im deutschen Recht

Das Wort „Unternehmen“ wird im deutschen Recht in zahlreichen Rechtsakten erwähnt.208 Die Rechtsprechung des RG und dann des BGH haben den Begriff „Unternehmen“ in den verschiedenen Gesetzen, insbesondere im UWG, GWG und AktG, definiert.209 Die Rechtsprechung hat aber die Herauskristallisierung eines allgemeinen Unternehmensbegriffes weder bezweckt noch bewirkt.210 Die Rechtslehre hat trotz zahlreicher Bemühungen keinen für alle Rechtsgebiete oder zumindest für das Wirtschaftsrecht einheitlichen Begriff entwickelt.211 Der Grund liegt darin, dass der Unternehmensbegriff in der Rechtswissenschaft „teleologisch determiniert“ ist212 und für die einzelnen Rechtsgebiete im Hinblick auf Willen und Zweck des Gesetzes zu konkretisieren ist.213 Deswegen kann man daraus zwei Schlussfolgerungen ziehen: Zuerst existiert zu Recht in der Literatur Einigkeit darüber, dass es „einen einheitlichen Rechtsbegriff des Unternehmens nicht gibt und nicht geben kann“.214 Zweitens gibt es verschiedene Unternehmensbegriffe bezüglich der jeweiligen Rechtsgebiete.215 Bevor wir untersuchen, wie der Unternehmensbegriff in den für unsere Untersuchung relevanten Rechtsgebieten (Vertrags-, Delikts-, Gesellschafts- sowie Insolvenzrecht) definiert wird, kann hervorgehoben werden, dass eine wichtige Differenzierung darin besteht, welche Rechtsstellung das Unternehmen als Rechtsobjekt und als Rechtssubjekt im deutschen Zivilrecht verdient hat. Die heutige Realität besteht darin, dass das Unternehmen im deutschen Recht kein Rechtssubjekt ist216

208 Siehe z.B. §§ 1, 14, 16, 19 GWB, §§ 15 ff. AktG, § 1 KWG, § 1 MitbestG. 209 Z.B. BGHZ 95, S. 330 (Autokran); BGHZ 107, S. 7 (Tiefbau); BGHZ 115, S. 446 (Video); NJW 1993, S. 1200 (TBB); NJW 1994, S. 446. 210 Siehe dazu ausführlich Spieker, S. 6 m.w.N. 211 Baumbach/Hopt, HGB, Einl. vor § 1, Rn. 31. Überblick bei Spieker, S. 6 ff. 212 Baumbach/Hopt, HGB, Einl. vor § 1, Rn. 31; Dauner-Lieb, S. 14 m.w.N.; Schmidt, HandR, § 4 I S. 64; Steding, GesR, Rn. 39. 213 Dauner-Lieb, S. 14 m.w.N.; Schmidt, HandR, § 4 I l, 63 ff.; Hofmann, HandR, S. 58. 214 Dauner-Lieb, S. 14 m.w.N. 215 Überblick bei Spieker, S. 3 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, Einl. vor § 1, Rn. 31. 216 Brox, HandR, Rn. 115; Roth, Rn. 76; Schmidt, HandR, § 4 IV, S. 78.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

und damit nicht Träger von Rechten und Pflichten sein kann.217 Als Rechtssubjekt tritt vielmehr der Inhaber des Unternehmens auf.218 Bezüglich des Unternehmens als Rechtsobjekt wird sowohl im allgemeinen Sprachgebrauch als auch in der Rechtswissenschaft der Ausdruck „Verkauf des Unternehmens“ verwendet. Damit ist aber in der Rechtswissenschaft in der Regel der Kauf des sog. „Unternehmensträgers“ gemeint.219 Ohne Zweifel ist, dass nach deutschem Recht ein Unternehmen keine Sache220 und kein Recht ist.221 Es gibt auch kein Eigentum am Unternehmen als solchem.222 Mit der Besprechung der Problematik der Bewertung des Unternehmens als Rechtsobjekt und als Rechtssubjekt sind wir zur Frage der Definition des Unternehmensbegriffes im BGB und HGB gekommen. Dort wird das Wort „Unternehmen“ in unterschiedlicher Weise mehrmals erwähnt,223 aber kein einziges Mal definiert. Im Mittelpunkt des HGB steht der Kaufmann bzw. die Handelsgesellschaft.224 Das Zivilrecht enthält aber § 14 Abs. 1 BGB den Begriff „Unternehmer“, der in der Lehre als „Spiegelbild zum Begriff Verbraucher“ bezeichnet wird.225 Eine besonders große Rolle spielt die Bezeichnung „Unternehmen“ im Aktienrecht. In den §§ 15 ff. AktG wird das Unternehmen unter konzernrechtlichem Blickwinkel erwähnt, aber nicht definiert. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, was darunter verstanden werden soll226 und ob ein einheitlicher Unternehmensbegriff bekannt ist.227 Der Unternehmensbegriff umfasst dort nicht nur Kaufleute, sondern wird auch auf Nichtkaufleute – außenstehende Aktionäre228 und Gläubiger im Konzernrecht (§§ 15 ff. und 291 ff. AktG) – ausgedehnt. Im Deliktsrecht wird das Recht am Unternehmen als „sonstiges Recht“ im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB anerkannt.229 Damit wird nicht nur das Unternehmen gegen mögliche Eingriffe von Dritten im sachlich-räumlichen Bestand, sondern auch in seiner geschäftlichen Tätigkeit geschützt. Die InsO definiert den Unternehmensbegriff nicht, erwähnt aber an zahlreichen Stellen das Wort „Unternehmen“ in unterschiedlichen Bedeutungen: § 1 Abs. 1 InsO 217 Es wurde in den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts auf der politischen Ebene versucht, ein eigenständiges Rechtsgebiet – Unternehmensrecht – zu bilden. Siehe BMJ (Hrsg.) Bericht über die Verhandlungen der Unternehmensrechtskommission, Bonn 1980, S. 3 ff. Kritisch dazu Schmidt, GesR, S. 16 ff. 218 Brox, HandR, Rn. 115; Roth, Rn. 76. 219 Schmidt, HandR, § 6 II, S. 145 f. 220 Schmidt, HandR, § 6 I, S. 139; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Stand 2004, § 434, Rn. 18. 221 Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Stand 2004, § 434, Rn. 18. 222 Schmidt, HandR, § 6 I, S. 138. Zur rechtlichen Würdigung des Verkaufs des Unternehmens als Gegenstand des rechtsgeschäftlichen Verkehrs. – MüKo/Lieb, HGB, Anh § 25, Rn. 4. 223 Das sind z.B. § 1 Abs. 2, § 3, § 3 Abs. 2 und Abs. 3; § 22, § 84 Abs. 4 HGB. 224 Der Kaufmann und sein Handelsgewerbe bzw. Handelsgeschäft stellen ein Unternehmen dar. Ihre Begriffe sind aber im Vergleich zum Unternehmensbegriff breiter. – Baumbach/Hopt, HGB, Einl. v. § 1, Rn. 33. Nicht das Unternehmen ist das Zuordnungsobjekt von Rechten und Pflichten, sondern sein „Inhaber“: der Unternehmensträger. – Schmidt, HandR, § 4 IV, S. 81. 225 So Staudinger/Habermann, BGB, Stand März 2004, § 14, Rn. 2. 226 Siehe dazu ausführlich Koppensteiner, in KK-AktG, § 15, Rn. 9 ff. 227 Kübler, GesR, § 28, Rn. II 1 b); MüKo/Bayer, AktG, § 15, Rn. 9. 228 BGHZ 115, S. 187 ff. und 122, 123 ff. 229 BGHZ 45, S. 296, 306 ff.; Kübler, GesR, S. 37.

40

D. Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit

erklärt als Verfahrensziel den Erhalt des Unternehmens. Darüber hinaus nennt die InsO den Ausdruck „Unternehmensfortführung“ bzw. „das Unternehmen fortzuführen“ (z.B. §§ 19 Abs. 1; 22 Abs. 1 Nr. 2; 151 Abs. 2; 157 Satz 1; 229 Satz 1 InsO) oder „das Unternehmen stilllegen“ (§ 158 InsO).230 Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass nicht das Unternehmen, sondern nur der Unternehmensträger Insolvenzschuldner sein kann und das Unternehmen damit seinem Inhaber zugeordnet ist.231 Die InsO spricht bezüglich der Insolvenzfähigkeit von der Möglichkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person (§ 11 Abs. 1 InsO). Dabei sind zwei Teile der InsO der Insolvenz der natürlichen Personen gewidmet: Im neunten Teil das „Verbraucherinsolvenzverfahren und sonstige Kleinverfahren“ und im achten Teil die „Restschuldbefreiung“.232 Dabei wird in der Literatur die Verbraucherinsolvenz der Unternehmensinsolvenz gegenübergestellt. Nach Meinung der Verfasser der InsO war das Unternehmensinsolvenzrecht der zentrale Zweck der Insolvenzrechtsreform.233 Die Lehre – in erster Line im Bereich des Handels- und Gesellschaftsrechts – hat versucht, einen Unternehmensbegriff herauszukristallisieren. Bezüglich des Handelsrechts wurden unterschiedliche Begriffe vorgeschlagen.234 Es wird generell zwischen der sog. Subjektstheorie und der sog. Sozialverbandstheorie unterschieden.235 Die Mehrheit der deutschen Wissenschaftler ist heute der Auffassung, dass unter einem Unternehmen eine wirtschaftlich organisierte Einheit zu verstehen ist, die auf Verbindung personeller und sachlicher Mittel beruht236 und wirtschaftliche Zwecke verfolgt.237

II.

Der Unternehmensbegriff im russischen Recht

Auch dem russischen Recht ist das Wort „Unternehmen“ („predprijatije“) nicht fremd. Es taucht dort in den unterschiedlichsten Gesetzen auf.238 Allerdings exis-

230 Spieker, S. 15 f. definiert den Unternehmensbegriff i.S.d. § 160 InsO (Unternehmensveräußerung) und versteht darunter eine (gewerbliche oder auch nicht gewerbliche) organisatorische Einheit, die einen ideellen oder wirtschaftlichen Zweck verfolgt und die in ihrer Gesamtheit einen größeren Vermögenswert verkörpert (Gesamtvermögenswert oder Unternehmenswert). 231 Schmidt, HandR, § 4 IV, S. 79. 232 Dabei versteht man unter den Verbrauchern in § 304 Abs. 1 InsO natürliche Personen, die keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit oder solche in einem unwesentlichen Umfang ausüben oder ausgeübt haben. 233 Siehe z.B. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11, Rn. 8. 234 Überblick über unterschiedliche Auffassungen zum Unternehmensbegriff bei Schmidt, HandR, § 4 I, S. 65 ff. m.w.N. 235 Ausführlich dazu Wiedemann, S. 308 ff. m.w.N. 236 Brox, HandR, Rn. 114. 237 Hofmann, S. 60; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Stand 2004, § 434, Rn. 18; Bülow, HandR, S. 2 f. m.w.N. 238 Z.B. Föderales Gesetz vom 19.7.1998 Nr. 115-FZ „Über die Besonderheiten der Rechtsstellung der Aktiengesellschaften der Mitarbeiter (Volksunternehmen)“, SZ RF 1998, Nr. 30, Pos. 3611; zuletzt geändert am 21.3.2002, SZ RF 2002, Nr. 12, Pos. 1093; Art. 9 Abs. 1 des Föderalen Gesetzes vom 21.7.1997 Nr. 122-FZ „Über die staatliche Registrierung der Rechte auf Immobilien und Rechtsgeschäfte mit ihnen“, SZ RF 1997, Nr. 30, Pos. 3594; zuletzt geändert am 17.7.2009, Rossijskaja gazeta vom 22.7.2009.

41

Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

tiert kein einheitlicher Unternehmensbegriff. Es werden unterschiedene Unternehmensbegriffe gemäß den jeweiligen Gesetzeszwecken verwendet. Eine wesentliche Besonderheit der Gesetzgebung besteht darin, dass das Wort „Unternehmen“ sowohl als Rechtsobjekt als auch als Rechtssubjekt verwendet wird.239 Als Rechtssubjekt wird es als „staatliches und kommunales Einheitsunternehmen“ („gosudarstvenniye i munizipalnye unitarniye predprijatija“) in Art. 113–115 russ. ZGB und im Föderalen Gesetz vom 14.11.2002 Nr. 161-FZ „Über die staatlichen und kommunalen Einheitsunternehmen“240 eingesetzt. Danach ist das Einheitsunternehmen eine kommerzielle Organisation, der nicht das Eigentum an dem ihr vom Eigentümer zugeteilten Vermögen zusteht.241 Als Rechtsobjekt wird der Begriff „Unternehmen“ in Art. 132 Pkt. 1 russ. ZGB verwendet. Darunter versteht man eine Gesamtheit von Vermögensgegenständen, die für die unternehmerische Tätigkeit genutzt werden.242 Im Definitionskatalog des Art. 2 russ. InsG taucht der Begriff „Unternehmen“ nicht auf.243 Wenn der Gesetzgeber im russischen Insolvenzgesetz über Insolvenzsubjekte spricht, benutzt er den Schuldnerbegriff, der in Art. 2 Abs. 2 russ. InsG definiert wird.244 Wie in der deutschen InsO wird im russischen Insolvenzgesetz zwischen der Insolvenzfähigkeit juristischer und natürlicher Person (Art. 6 Pkt. 1 russ. InsG) unterschieden. Außerdem wird im russ. InsG sowohl der Begriff „Einheitsunternehmen“ häufiger verwendet als auch der Begriff „strategisches Unternehmen“ in Art. 190 Pkt. 1 russ. InsG eingeführt. Das ist keine neue Art des Rechtssubjekts. Gemeint sind lediglich föderale, staatliche Einheitsunternehmen und offene Aktiengesellschaften, deren Aktien sich im föderalen Eigentum befinden und die Produkte (Arbeiten, Dienstleistungen) herstellen, die eine strategische Bedeutung für die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit und der Sicherheit des Staates, die Verteidigung der Sittlichkeit, der Gesundheit, der Rechte und gesetzlichen Interessen

239 Sadikov/Zalesskij, Zivilrecht, AT, S. 219; Abova/Kabalkin/Mozolin, ZGB, Art. 113, S. 345 f.; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. I, S. 474; Popondopulo/Nefedov, Commerzrecht, Bd. I, S. 196. 240 SZ RF 2002, Nr. 48, Pos. 4746; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 01.12.2007 Nr. 318-FZ, SZ RF 2007, Nr. 49. Pos. 6079. Kritisch zur Notwendigkeit der weiteren Existenz solcher Unternehmen im russischen Recht siehe Suchanov, ChiP 2004, Nr. 7, S. 11. 241 Im sowjetischen Recht war der überwiegende Teil der juristischen Personen als staatliche Unternehmen in unterschiedlicher Form organisiert (wie z.B. staatliche Unternehmen, gemeinsame Unternehmen (Joint Venture), Mitunternehmen). – Kozlova, S. 91 ff. mit weiteren geschichtlichen Nachweisen. Der Anteil dieser Rechtsform wird im Zusammenhang mit den Privatisierungsbemühungen der gegenwärtigen russischen Regierung allmählich verringert. Eigentümer eines Einheitsunternehmens können nur der Staat oder die Kommunen sein (Art. 113 Pkt. 1 Abs. 3 russ. ZGB; Sadikov/Zalesskij, Zivilrecht, AT, S. 219). 242 Kritisch zu der praktischen Unvollkommenheit des Begriffes des Unternehmens im Sinne des Art. 132 russ. ZGB siehe Suchanov, ChiP 2004, Nr. 7, S. 7. über den Unternehmensbegriff im sachenrechtlichen Sinne (als Rechtsobjekt) siehe ausführlich Gribanov, ChiP 2003, Nr. 7, S. 62 ff. 243 Im Gegenteil wurde „Unternehmensbegriff“ im InsG 1992 in der Einleitung definiert. Darunter wurde eine die unternehmerische Tätigkeit ausübende juristische Person oder der keine juristische Person bildende Unternehmer oder ein Einzelunternehmen verstanden. 244 Unter Schuldner versteht man einen Bürger, einschließlich eines Einzelunternehmers, oder eine juristische Person, die unfähig sind, in der durch dieses Gesetz bestimmten Frist im vollen Umfang die Geldforderungen der Gläubiger zu befriedigen und/oder Pflichtzahlungen zu erfüllen.

42

D. Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit

der russischen Bürger haben oder die Organisationen des militärindustriellen Komplexes. Der Begriff Unternehmen wird noch an anderer Stelle des russischen InsG – in Art. 110 – als Begriff „Unternehmen des Schuldners“ verwendet. Dort hat der Gesetzgeber erwähnt, dass der Unternehmensbegriff im russ. InsG im Rahmen der Problematik des Verkaufs des Unternehmens als Ganzes (Business) verwendet wird.245 Damit wird unter Unternehmen ein Rechtsobjekt verstanden, nicht aber ein Rechtssubjekt. Die Darstellung der gegenwärtigen Auffassungen in der Lehre zum Begriff des „Unternehmens“ kann mit dem Streit über den Rechtsbegriff der „juristischen Personen“ verknüpft werden. In der Sowjetunion gab es im Laufe der Zeit verschiedene Arten von juristischen Personen, unter denen die staatlichen Unternehmen eine herausragende Rolle gespielt haben. Diese Unternehmen wurden als eine Form der juristischen Person angesehen. Die gegenwärtige russische Rechtswissenschaft ist bis heute mit dieser Theorie verbunden. Es gibt Versuche, den Unternehmen einen eigenständigen Platz einzuräumen, der über den einer Art von juristischen Personen hinausgeht,246 und die unterschiedlichen Gesellschaftsformen (z.B. GmbH, AG) als „korporative Unternehmen“ zu bezeichnen.247 Der Autor geht aber von den gesetzlichen Realitäten aus und bestätigt die Tatsache, dass das Unternehmen nur in den bestimmten Einzelzusammenhängen eine Art der juristischen Personen sein soll.248

III. Der Unternehmensbegriff im Sinne dieser Arbeit In beiden Rechtsordnungen wird der Begriff „Unternehmen“ in verschiedenen Gesetzen verwendet. In beiden Rechtsordnungen hat er sich nicht als allgemeiner Rechtsbegriff herauskristallisiert. Das Insolvenzrecht bildet keine Ausnahme. Im russischen Recht wird aber das Wort Unternehmen in Art. 190 russ. InsG als Rechtsobjekt definiert und gleichzeitig der besondere Begriff „strategisches Unternehmen“ verwendet. Sowohl die InsO als auch das russ. InsG verwenden bei der Frage der Insolvenzfähigkeit der Rechtssubjekte den Ausdruck „natürliche und juristische Personen“. Die Bezeichnung des Unternehmens als Rechtsobjekt hat im deutschen Recht klare Konturen erst in der Rechtsprechung und der Literatur gefunden, während im russischen Recht die Bezeichnung im russ. ZGB ihren Niederschlag gefunden hat. Die sachenrechtlichen Besonderheiten des Unternehmensbegriffes fallen nicht unter den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit.

245 Unter den Unternehmen des Schuldners versteht das russ. InsG den Vermögenskomplex, der zur Verwirklichung der unternehmerischen Tätigkeit bestimmt ist. 246 Semeusov, Sibirskij juridicˇ eskij zˇurnal, 1999, Nr. 6; Laptev, S. 55; Tolstoj, S. 110 ff. 247 So Laptev, S. 61. 248 So auch Suchanov, ChiP 2004, Nr. 7, S. 7 ff.

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Erster Teil: Bestimmung relevanter Begriffe dieser Arbeit

Das Unternehmen als Rechtssubjekt existiert nur im russischen Gesellschaftsrecht und wird als „staatliches (kommunales) Einheitsunternehmen“ bezeichnet. Es stellt sich als Nachfolger des sowjetischen staatlichen Planunternehmens dar. Ihre Zahl wird sich aber in näherer Zukunft durch weitere Privatisierungen allmählich verringern. In der Lehre gehört der Unternehmensbegriff zu den umstrittenen Fragen. Wegen der Schwierigkeit und Komplexität der Frage nach einem allgemeinen Begriff im Sinne beider Rechtsordnungen, die eine besondere detaillierte Untersuchung erfordert, werde ich dem allgemeinen Unternehmensbegriff im Sinne der deutschen herrschenden Lehre folgen. Danach werde ich unter dem Unternehmen eine wirtschaftlich organisierte Einheit verstehen, die auf der Verbindung personeller und sachlicher Mittel beruht und die wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Damit werden Verbraucher aus dem personellen Geltungsbereich der Arbeit ausgeklammert.

E.

Zwischenergebnis

1. Sowohl InsO als auch russ. InsG bezwecken die gleichmäßige Befriedigung von Gläubigern. Es wird auf Grund der Analyse der finanziellen Lage des Schuldners entschieden, ob dafür die Erhaltung des Unternehmens im Wege der Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit oder seine Abwicklung den besseren Weg darstellen. 2. Unter Krise wird der Zustand eines Schuldners oder schuldnerischen Unternehmens verstanden, der seine wirtschaftliche Existenz bedroht. 3. Während im deutschen Recht kein Insolvenzbegriff definiert ist, taucht er im russischen Recht in Art. 2 russ. InsG auf. Unter Insolvenz im Sinne dieser Arbeit werde ich die durch das (Wirtschafts-)Gericht bestätigte Unfähigkeit des Schuldners verstehen, im durch das Gesetz bestimmten Umfang mangels Vermögen die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. 4. Im deutschen Insolvenzrecht wird der Begriff Sanierung nicht erwähnt, anders als in der Lehre, wo er seine Konturen enthält. Im russischen Recht dagegen werden in Art. 2 russ. InsG die Begriffe außergerichtliche und finanzielle Sanierung verwendet. In dieser Arbeit werde ich unter dem Begriff Sanierung die leistungsund finanzwirtschaftlichen Maßnahmenkomplexe sowohl für den Schuldner in der Krise als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens verstehen, die auf die dauerhafte Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit gerichtet sind. 5. In den Zivilgesetzbüchern des deutschen und russischen Rechts wird für die zeitweilige Überlassung von Geld eine unterschiedliche Terminologie verwendet: Gelddarlehensvertrag (§§ 488 ff. BGB) und Darlehens- und Kreditverträge (Art. 807 ff. russ. ZGB). Darüber hinaus hat im deutschen Zivilrecht der Kreditvertrag keinen eigenständigen Platz gefunden. Vielmehr hat sich in der Bankenpraxis ein eigenständiger Vertragstyp herauskristallisiert: der Krediteröffnungsvertrag. In dieser Arbeit werde ich unter Kreditvertrag bezüglich des deutschen Rechts den Gelddarlehens- und Krediteröffnungsvertrag und bezüglich des rus-

44

E. Zwischenergebnis

sischen Rechts hauptsächliche einen Kreditvertrag im Sinne von Art. 819 russ. ZGB verstehen. 6. Zweckabreden sind im modernen Kreditrecht eher die Regel als die Ausnahme. Sie wirken sich wesentlich auf den Umfang der Rechte und Pflichten der Parteien des Kreditvertrages aus. Unter Sanierungskreditvertrag im Sinne dieser Arbeit wird eine Art des Kreditvertrages verstanden, die für den Schuldner in der Krise wie auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die dauerhafte Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit bezweckt. 7. Unter Unternehmen wird eine wirtschaftlich organisierte Einheit verstanden, die auf der Verbindung personeller und sachlicher Mittel beruht und die wirtschaftliche Zwecke verfolgt.

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Zweiter Teil Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen im deutschen und russischen Recht A.

Abschluss und Form des Kreditvertrages

Im deutschen und russischen Recht existieren keine besonderen Vorschriften, die den Abschluss von Darlehens- bzw. Kreditverträgen regeln. Solche Verträge kommen nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften durch (mindestens) zwei übereinstimmende Willenserklärungen (§§ 104 ff., 145 ff. BGB, Art. 423 ff. russ. ZGB) zustande. Sie sind in Deutschland ebenso wie in Russland darauf gerichtet (nach dem Wortlaut des § 488 Abs. 1 BGB; Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB), dass der Darlehens- bzw. Kreditgeber dem Darlehens- bzw. Kreditnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung stellt; der Darlehens- bzw. Kreditnehmer ist demgegenüber verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuerstatten. Das deutsche Zivilrecht enthält keine zwingenden Formvorschriften für den Abschluss von Darlehensverträgen.249 In Ausnahmefällen muss aber der Darlehensvertrag eine bestimmte Form haben, wenn er mit einem Vertrag verbunden ist, der eine obligatorische Beurkundung braucht.250 Das russische Zivilrecht hat dagegen unterschiedliche Ansätze zur Pflicht der Parteien, den Darlehens- bzw. Kreditvertrag in schriftlicher Form abzuschließen: Wenn die Darlehenverträge zwischen Bürgern abgeschlossen werden251 oder wenn der Darlehensgeber keine juristische Person ist, bedarf der Darlehensvertrag keiner obligatorischen Schriftform. Die schriftliche Form wird aber im russischen Recht für die Darlehensverträge zwingend, bei denen der Darlehensgeber eine juristische Person ist (Art. 808 Pkt. 1 russ. ZGB) oder bei denen es sich um Kreditverträge (Art. 820 Satz 1 russ. ZGB) handelt. Gemäß Art. 820 Satz 2 russ. ZGB führt die Nichteinhaltung der Schriftform zur Unwirksamkeit des Kreditvertrages.252

249 Ausnahmen sind aber für den entgeltlichen Verbraucherdarlehensvertrag in § 492 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 491 Abs. 2 BGB vorgesehen. 250 BGH WM 1980, S. 405; 1984, S. 837 f.; Heermann, § 21, Rn. 3. m.w.N. 251 Dabei benötigt der Darlehensvertrag eine Schriftform, wenn gemäß Art. 808 Pkt. 1 russ. ZGB die Höhe des Darlehensbetrages den gesetzlichen Mindestlohn um das Zehnfache übersteigt. Am 16.09.2009 betrug der Mindestlohn in Russland 100 Rubel im Monat – gemäß Art. 5 des Föderalen Gesetzes vom 19.6.2000 Nr. 82-FZ „Über den Mindestlohn“, SZ RF 2000, Nr. 26, Pos. 2729, zuletzt geändert durch Föderalen Gesetz vom 24.06.2008 Nr. 91-FZ, SZ RF 2008, Nr. 26, Pos. 3010 . Das sind nach dem Umrechnungskurs der russischen Zentralbank (htpp://www.cbr.ru) am 16.09.2009 (1 Euro = 45,3036 Rubel) 22,07 Euro. 252 Ein solcher Vertrag gilt als nichtig. Ausführlich zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages siehe Vitrjanskij, Darlehensvertrag, S. 236 ff.

47

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

B.

Pflichten des Kreditgebers

Nach § 488 Abs. 1 Satz 1 BGB wird durch den Darlehensvertrag der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber äußert sich nicht dazu, ob diese Pflicht die einzige des Darlehensgebers ist oder nicht. Vielmehr können die Parteien im Darlehensvertrag den Umfang ihrer Rechte und Pflichten vereinbaren253 und neben dieser Pflicht des Darlehensgebers auf der Seite des Darlehensgebers noch einige „zusätzliche“ Pflichten festlegen. Im russischen Recht hat der Gesetzgeber auch eine Pflicht des Kreditgebers (Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB) genannt: Dem Kreditnehmer sind die Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Das stimmt wörtlich mit der entsprechenden Pflicht des Darlehensgebers im deutschen Recht überein. Ob diese in den betrachteten Rechtsordnungen gleich genannten Pflichten des Darlehensnehmers inhaltlich identisch sind, wird im Folgenden untersucht. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Frage offen gelassen, ob im russischen Recht diese Pflicht des Darlehensgebers seine einzige Pflicht ist.254 Die Vertragsfreiheit im russischen Recht macht es möglich, dass die Parteien auch zusätzliche Rechte und Pflichten vereinbaren.

I.

Zurverfügungstellen des Geldbetrages

1.

Deutsches Recht

Das Zurverfügungstellen der Darlehensvaluta zum vereinbarten Zeitpunkt ist die wichtigste Leistungspflicht des Darlehensgebers. Von ihrer Erfüllung hängt generell die Erfüllung sowohl der Rückzahlungs- als auch der Zinspflichten des Darlehensnehmers ab. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Inhalt des Darlehensvertrages. Im Unterschied zu § 607 BGB a.F., der den Empfang von Geld oder anderen vertretbaren Sachen zum Gegenstand hatte, spricht der gegenwärtige Gesetzestext in § 488 Abs. 1 S. 1 BGB vom Zurverfügungstellen eines vereinbarten Geldbetrages. Das zeigt, dass der Darlehensgeber nur die wertmäßige Verschaffungspflicht des Geldbetrages hat, d.h. der Darlehensgeber nicht unbedingt Geldscheine oder Münzen zur Verfügung zu stellen hat.255

253 Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 8; Schlechteriem, SBT, S. 144. 254 Dafür Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 225. 255 BT-Drs. 14/6040, S. 253; Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 6; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 26; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, § 488, Rn. 14. Darüber hinaus wurde zuerst in der Rechtsprechung und dann in der Literatur betont, dass der Darlehensgeber die Darlehensvaluta nicht nur zu verschaffen, sondern auch für die Laufzeit des Darlehensvertrages zu belassen hat, weil dies aus dem Charakter des Darlehensvertrages als Dauerschuldverhältnis und seinem Geschäftszweck (Verschaffung der Kaufkraft auf Zeit) folgt. – OLG Karlsruhe NJW-RR 1989, S. 1069; BT-Drs. 14/6040, S. 253; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 350; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 31; Soergel/Häuser, BGB, § 607, Rn. 115; Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 10; a.A. Canaris, BankR, Rn. 1322; Mack, WM 1986, S. 1341; Vogler, S. 160, Heise, Rn. 91.

48

B. Pflichten des Kreditgebers

Was unter dem Ausdruck „Zurverfügungstellen“ des Geldbetrages zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber „bewusst offen gelassen“256 und mit dem Verzicht auf die Aufzählung aller möglichen Formen der Gewährung des Geldbetrages einen breiten Spielraum für die Praxis ermöglicht, alle möglichen Formen der Geldgewährung unter diesen Ausdruck zu fassen.257 Mit diesem Ausdruck müssen im Rechtsverkehr verschiedene Formen der Geldüberlassung als Darlehen erfasst werden: Der Darlehensgeber kann seine Verpflichtungen sowohl durch die Übergabe von Bargeld als auch durch unterschiedliche Arten des bargeldlosen Verkehrs (z.B. Gutschrift, Überweisung, Gewährung eines Kontokorrentkredits oder Einräumung eines Überziehungskredits) verwirklichen.258 Nur ausnahmsweise wird er das Geld in Barform gewähren.259 Die Rechtsprechung und Literatur sehen die oben erwähnten Möglichkeiten als gleichrangig an.260 Bei der Geldüberweisung wird die Pflicht des Darlehensgebers als erfüllt angesehen, wenn der Geldbetrag auf dem im Vertrag genau bezeichneten Konto gutgeschrieben und nicht storniert wird,261 weil nur dann der Kreditempfänger Forderungen gegen die Bank in Höhe des Darlehensbetrages hat.262 Die Überweisung auf ein anderes Konto (z.B. Sparkonto) bewirkt keinen Darlehensempfang, wenn es nicht anders vereinbart wurde.263

2.

Russisches Recht

Die Pflicht des Darlehensgebers, die Geldmittel zur Verfügung zu stellen (Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB) ist im russischen Recht ebenso wie im deutschen die Hauptleistungspflicht des Kreditgebers. Eine der zentralen Fragen bei der Analyse dieser Pflicht besteht in der Unklarheit, was unter „Geldmittel“ im Sinne des Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB zu verstehen ist. Wenn der Gesetzgeber in Art. 128 russ. ZGB über den Gegenstand des Bürgerlichen Rechts spricht, verwendet er nicht das Wort „Geldmittel“, sondern „Geld“. In Art. 140 russ. ZGB, der die Überschrift „Geld, Währung“ trägt, wird nur der Rubel als gesetzliches Zahlungsmittel bezeichnet, aber nicht der Begriff „Geld“ definiert.

256 Ungeheuer, Rn. 6. 257 BT-Drs. 14/6040, S. 253; Wittig/Wittig, WM 2002, S. 146; Ungeheuer, Rn. 6. 258 Im deutschen Recht taucht der Begriff des Buchgeldes im BGB nicht auf. In der Lehre und der Rechtsprechung wird das Buchgeld als nicht verkörpertes Geld verstanden und dem verkörperten Geld (Bargeld) gleichgestellt. – WM 1984, S. 946; Jauernig/Mansel, BGB, § 245, Rn. 2. 259 Jauernig/Mansel, BGB, § 488, Rn. 12; Oetker/Mautzsch, S. 211. 260 BGH BB 1956, S. 159; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 340; Palandt/ Putzo, BGB, § 488, Rn. 6; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 29. 261 Oetker/Mautzsch, S. 211. 262 BGH WM 1987, S. 1125; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 29; Canaris, BankR, Rn. 1319. 263 EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 87 m.w.N.; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 29. Ausführlich zu den Möglichkeiten der Auszahlung an Dritte als Erfüllung des Kreditvertrages siehe Claussen, § 8, Rn. 23 m.w.N. sowie MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 33 m.w.N.

49

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

Es herrscht Streit über die Frage, was unter „Geldmittel“ zu verstehen ist.264 Nach einer Auffassung soll unter dem Begriff „Geldmittel“ nur Buchgeld verstanden werden.265 Für die Betrachtung des Buchgeldes als einzige mögliche Form der Kreditgewährung spricht der Umstand, dass Punkt 2.1.1 der Polozˇenije der russischen Zentralbank Nr. 54-P266 feststellt hat, dass Unternehmenskredite ausschließlich in Buchform gewährt werden können, d.h. durch die Übertragung der entsprechenden Rechte. Die Vertreter des anderen Standpunkts verwenden den Begriff „Geldmittel“ im weiteren Sinne und verstehen darunter sowohl Bar- als auch Buchgeld.267 Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Kredite können in Barform gewährt werden, weil das russ. ZGB kein Verbot der Kreditgewährung in Barform enthält. Vielmehr enthält das russ. ZGB in Art. 861 Pkt. 2 den direkten Hinweis darauf, dass Zahlungen zwischen juristischen Personen sowie Zahlungen an Personen oder von Personen im Zusammenhang mit ihrer unternehmerischen Tätigkeit zwar in der Regel bargeldlos erfolgen, andererseits aber auch Barzahlungen zwischen diesen Personen ebenfalls zulässig sind. Die Feststellung der Zahlungsregeln in Russland sind Teil des Aufgabenkreises der russischen Zentralbank.268 Heute soll diese maximale Grenze der Zahlungsverkehr in Barform gemäß ihrer Anweisung vom 20.06.2007 Nr. 1843-U 100 000 Rubel nicht übersteigen.269

264 Ob „Geld“ und „Geldmittel“ inhaltlich gleichbedeutend sind, ist eine der Teilfragen des Problemkomplexes der Rechtsnatur des Geldes im russischen Wirtschaftsrecht. Siehe hierzu ausführlich Novoselova, Habilitationsarbeit, S. 9 ff.; Lavrov, S. 14 ff. Nach einer Meinung existiert das Buchgeld als Eigentumsrecht nicht und kann nicht existieren. Man kann nur von Bargeld sprechen. Der Buchzahlungsverkehr stellt eine Novation dar. (Belov, S. 152 f.) Die Vertreter der anderen Meinung setzen Bar- und Buchgeld gleich, die beide unter den Begriff des Geldes gehören und die beide als offizielle Zahlungsmittel anerkannt werden können. Unter dem Buchgeld versteht man in diesem Fall „die Kreditrestsummen, die sich auf den unterschiedlichen Konten des Kunden befinden und unter den Geltungsbereich des Kapitels 45 russ. ZGB fallen“. (Efimova, Zakon 1997, Nr. 1, S. 97; Oleinik, S. 263). Nach dieser Meinung stellt das Buchgeld ein Quasibargeld, eine Fiktion des Bargeldes dar (Efimova, ChiP 1997, Nr. 2, S. 47). Die Vertreter der anderen Auffassung sprechen von einer besonderen Rechtsnatur des Buchgeldes. Während Bargeld zu den Sachen gehört und Gegenstand des Sach- und Schuldrechts sein kann, hat das Buchgeld schuldrechtliche Natur und stellt ein Forderungsrecht dar (Chochlov, S. 459; Vitrjanskij, Darlehensvertrag, S. 157; Lunz, S. 157; Novoselova, S. 15 f.; Stepanjuk, S. 86). Nach dieser Auffassung stellt das Buchgeld ein abstraktes, unbedingtes und in der Zeit unbegrenztes Forderungsrecht an die Bank auf die Auszahlung des Geldes (sog. „Recht auf Geld“) dar, das in der Buchhaltung der Bank fixiert ist. 265 Raskazova, S. 109 (zitiert nach Karimullin, S. 19, Fn. 1); Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 206, 225; Stepanjuk, S. 77; Novoselova, Doktorarbeit, S. 15; Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 465. 266 Polozˇenie der Zentralbank der RF vom 31.8.1998 Nr. 54-P „Über das Verfahren des Zurverfügungstellens (Anlage) von Geldmittel durch Kreditorganisationen und die Rückerstattung“, Vestnik Banka Rossii, 1998, Nr. 70–71; in der Fassung Polozˇenie der Zentralbank der RF Nr. 144-P vom 27.7.2001, Rossijskaja gazeta, vom 19.9.2001, Nr. 182. 267 Karimullin, S. 19 f.; Zavidov, S. 250; Vikulin/Tosunjan, GiP 1998, Nr. 9, S. 32; Karpov, S. 149; Trofimov, ChiP 1997, Nr. 3, S. 20, 25. 268 Art. 4 Nr. 4 des Föderalen Gesetzes vom 10.7.2002 Nr. 86-FZ „Über die Zentralbank der Russischen Föderation (Bank Russland)“, SZ RF 2002, Nr. 28, Pos. 2790; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz vom 18.07.2009 Nr. 181-FZ, SZ RF 2009, Nr. 29, Pos. 3618. 269 Verweisung („ukazanie“) der russischen Zentralbank vom 20.07.2007 Nr. 1843-U „Über die Feststellung der realen Höhe der Zahlungen mit Bargeld in der Russischen Föderation“, Vestnik Banka Rossii 2007, Nr. 39, in der Fassung der Verweisung der Zentralbank der RF von 28-04-2008 Nr. 2003-U, Vestnik Banka Rossii 2008, Nr. 25.

50

B. Pflichten des Kreditgebers

Ob Geldmittel bei der Kreditgewährung in das Eigentum des Kreditnehmers übergehen müssen oder nicht, zählt ebenfalls zu den Diskussionsfragen. Nach Ansicht der Verfasser des russ. ZGB ist es die Pflicht des Darlehensgebers, den Gegenstand des Darlehensvertrages in das Eigentum des Darlehensnehmers zu übertragen (Art. 807 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB). In der Literatur fehlt eine einheitliche Meinung darüber. Nach einer Auffassung wird im Kreditvertrag nicht vorausgesetzt, dass die Geldmittel in das Eigentum des Kreditnehmers übergehen.270 Nach anderer Ansicht, der zuzustimmen ist, gehen die Geldmittel ins Eigentum des Kreditnehmers über, weil andernfalls dem Darlehensnehmer ein Rechtsgrund für die folgende Geldnutzung fehlen würde.271 Das russische Recht eröffnet, wie das deutsche Recht, verschiedene Arten der Zurverfügungstellung der Geldmittel. In der Praxis werden in der Regel Geldmittel durch Überweisung gewährt.272

II.

Aufklärungs- und Beratungspflichten

1.

Deutsches Recht

Im deutschen Recht wurde auf Grund der BGB-Vorschriften über Treu und Glauben in der Rechtsprechung und der Literatur ein Konzept über Beratungs- und Aufklärungspflichten entwickelt. Diese Pflichten bestehen nicht allgemein, sondern tauchen in konkreten Schuldverhältnissen (vorliegend im Darlehens- und Krediteröffnungsvertrag) bei der Klärung von Einzelfällen auf.273 Der Hauptgedanke solcher Pflichten besteht darin, dass der eine Vertragspartner den anderen über solche Umstände aufklären soll, über welche dieser unter der Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nach Treu und Glauben eine Information erwarten darf.274

270 Kalpin/Grisˇ ajev, Zivilrecht, S. 290; Abova/Kabalkin/Zankovskij, ZGB, Art. 807, S. 496; Karpov, S. 149f.; Stepanjuk, S. 102. Man argumentiert, dass bedeutende Anteile der Geldmittel, die die Kreditinstitute als Kredite gewähren, nicht ihre eigenen Mittel sind, sondern „fremdes Geld“. Das Eigentum am Geld kann aber nur durch den Eigentümer übertragen werden. Deswegen sieht der Kreditvertrag nicht die Übertragung des Geldmittels in das Eigentum des Kreditnehmers vor. Nach Lebedev gibt es kein Eigentumsrecht des Kontoinhabers an dem Buchgeld, weil kein Sachenrecht an dem Buchgeld existiert. Die Geldmittel, die auf dem Verrechnungskonto der Kunden zu bewahren sind, gehören nicht zu ihrem Vermögen, sondern lediglich zu ihren gesamten Passiva. – Popondopulo/Jakovleva/Lebedev, Kommerzrecht, S. 338 f. Zustimmend – Karpov, S. 150. 271 Sadikov, S. 212; Braginskij/Vitrjanskij/Braginskij, Vertragsrecht, S. 291; Kus’min, S. 81; Kogan, S. 79; Asˇ eulov, S. 24. 272 Danach wird die Pflicht der Bank erfüllt, wenn der Kreditbetrag auf dem Korrespondenzkonto des Kreditnehmers bei seiner Bank gutgeschrieben wird. – Efimova, S. 524. Ausführlich zu den Möglichkeiten der Auszahlung an Dritte als Erfüllung des Kreditvertrages siehe Karimullin, S. 527 m.w.N. 273 Richarth, WM 2004, S. 655 m.w.N.; Claussen, § 8, Rn. 16. 274 BGH NJW 1997, S. 1363 f.; OLG Stuttgart WM 1999, S. 844; Schimansky, S. 61.

51

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

Obwohl die Begriffe Aufklärungspflicht- und Beratungspflicht oft als Synonyme verwendet werden,275 muss man sie voneinander unterscheiden. Für das Bestehen der Beratungspflicht muss ein Beratungsvertrag vorliegen und in diesem Vertrag eine Wertungskomponente enthalten sein. Das ist in der Regel eine konkrete Empfehlung, auf Grund derer die Kunden ihre potentielle (Anlage-)Entscheidung treffen.276 Deswegen wird eine allgemeine Beratungspflicht der Banken beim Kreditvertrag verneint277 und diese taucht daher in der Praxis im Unterschied zu Aufklärungspflichten selten auf.278 Aufklärung ist aber Grundbestandteil der Beratung und sieht vor allem die Vermittlung der Fakten vor.279 Weil der Kreditgeber in der Regel nicht gehalten ist, sich über die Sinnhaftigkeit einer Kreditverwendung und über die Preisgerechtigkeit beratend zu äußern,280 haben die finanzierenden Banken bei Darlehensvertragsabschluss generell gegenüber dem Darlehensnehmer keine besonderen Aufklärungspflichten über die Gefahr und die Risiken der von ihm beabsichtigten Darlehensverwendung und brauchen vor dem Vertragsschluss nicht vor ihnen zu warnen.281 Die Rechtsprechung hat im Bereich der Aufklärungspflichten des Kreditgebers aber einige Gruppen der Beratungshaftung, in erster Linie auf dem Gebiet der kreditfinanzierten Kapitalanlage, entwickelt, die eine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel darstellen und die besonders im Privatkundengeschäft gelten. Eine solche Haftung der Bank wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht tauchte in den letzten Jahrzehnten viel häufiger als früher auf.282 In der Praxis haben sich schon einige Fallgruppen herauskristallisiert. Diese können sich in einigen Fällen überschneiden.283 Für die vorliegende Untersuchung haben die folgenden zwei Fälle eine besondere Bedeutung: 284 Zum einen, wenn die Bank gegenüber dem Kreditanleger einen konkreten Wissensvorsprung hat, insbesondere über negative Umstände des Kreditzwecks, oder wenn dem Darlehensgeber (der Bank) wesentliche Umstände bekannt sind, welche dem Kunden nicht ohne weiteres bekannt sind und wegen deren Nichtbeachtung er schwere Nachteile erleiden kann und wenn die Bank eine solchen „Wissensvorsprung“ erkennen kann.285 Für den Sanierungskredit ist diesem Zusammenhang wichtig, dass mit Blick auf die Zweckmäßigkeit des Darlehensvertrages (d.h. u.a. des

275 MüKo/Roth, BGB, § 242, Rn. 260. 276 Horn, WM 1999, S. 4; Richart, WM 2004, S. 655. 277 Schimanskiy, S. 50. Nach seiner Meinung muss die Rede nicht von der Pflicht zur Beratung, sondern von der Sorgfalt bei der Beratung zu sein. – Schimansky, a.a.O. 278 Claussen, § 8 Rn. 16. 279 Richarth, WM 2004, S. 655 m.w.N. 280 BGH NJW-RR 1990, S. 431; Fischer/Klante, Rn. 5.59; Oetker/Maultzsch, S. 213 m.w.N.; Köndgen (WM 2000, S. 469) betont nicht nur die wachsende Rolle der Aufklärungspflichten im Kreditgeschäft, sondern fordert eine allgemeine Finanzierungsberatung bei Kreditgeschäften. 281 BGH NJW 1996, S. 663; 2000, S. 3558 f.; Fische/Klanten, Rn. 5.59; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 91; Richarth, WM 2004, S. 654 m.w.N.; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 79. 282 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 80. Nach Berger (a.a.O.) scheint es heute so, dass sie jetzt eher die Regel als die Ausnahme sind. 283 EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 31; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 83. 284 Ausführlicher über andere Arten der Aufklärungspflichten siehe Richardt, WM 2004, S. 658. 285 BGH NJW 1997, S. 1361; 1999, S. 2032; 2000, S. 3558; Schimansky, S. 65; Claussen, § 8, Rn. 17 a. Nach Richarth (WM 2004, S. 658) kann das angenommen werden, wenn der Bank die Zahlungsunfähigkeit der Geschäftspartner der Kunden bekannt geworden ist.

52

B. Pflichten des Kreditgebers

Sanierungszwecks) eine solche Pflicht der Bank nicht besteht.286 Andererseits kann ein schwerwiegender Interessenkonflikt der Bank (z.B. bei kapitalersetzendem Darlehen)287 entstehen. Bei der Verletzung der Aufklärungspflicht soll die Bank die durch eine ungünstige Finanzierung entstandenen Mehrkosten ersetzen.288

2.

Russisches Recht

Im russischen Recht, so wie im deutschen, können die Kunden mit ihren kreditvergebenden Banken neben einem Kreditvertrag einen Beratungsvertrag über die Besonderheiten einer Kreditvergabe gemäß Art. 789 ff. russ. ZGB („Dienstvertrag“) abschließen. In der Bankpraxis trifft aber der Kunde selten die Entscheidung, einen solchen Vertrag mit der kreditgebenden Bank tatsächlich zu schließen. Im russischen Bankrecht gibt es keine allgemeinen Bankverträge. Eine solche Konstruktion fehlt auch in der Lehre. Der russische Gesetzgeber spricht vom Girovertrag als Grundlage für die geschäftlichen Beziehungen zwischen Bank und Kunde (Art. 845 ff. russ. ZGB) und stellt fest, dass eine Bank nicht berechtigt ist, die Verwendung des Geldes ihres Kunden zu bestimmen oder zu kontrollieren (Art. 845 Pkt. 3 russ. ZGB). Diese Lage kann aber per Gesetz oder durch Vertragsabschluss geändert werden. Dies zeigt, dass eine allgemeine Aufklärungs- und Beratungspflicht verneint wird. Es gibt aber bestimmte Fälle, in denen solche Pflichten denkbar sein können, die im Folgenden näher dargestellt werden. Im Bereich der Verbraucherfinanzierung sind die russischen Banken verpflichtet, gemäß Art. 8 und 10 des russischen Gesetzes vom 7.2.1992 Nr. 2300-I „Über den Verbraucherschutz“ (im Folgenden – VerbrSG)289 dem Verbraucher die notwendigen Informationen, etwa über von ihm zu erbringende Dienstleistungen bei Abschluss des Kreditvertrages, zur Verfügung zu stellen. Die Anforderungen an diese Informationen sind in Art. 10 Pkt. 2 VerbrSG geregelt.290 Diese Pflicht hat das Kreditinstitut aber nur im Rahmen der Beziehungen mit Verbrauchern, nicht mit Unternehmen.291 Diese Pflichten der Bank berücksichtigen nur die Verhältnisse zwischen der Bank und ihren Kunden allgemein, nicht aber die Besonderheiten bei Kreditverträgen, die die deutsche Rechtswissenschaft bezüglich der Kreditgewährung entwickelt hat.292 Außerdem lässt Art. 10 russ. ZGB („Rechtsmissbrauchsverbot“) ähn-

286 BGH WM 1975, S. 353; OLG Hamm WM 1986, S. 286 f. 287 OLG Hamm WM 1998, S. 1230; OLG Stuttgart WM 1999, S. 844. 288 BGH WM 1989, S. 665, 667; 2003, S. 1370. Ausführlich über die Rechtsfolgen der Verletzung der Aufklärungspflicht seitens der Bank siehe MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 88. 289 Rossijskaja gazeta vom 7.4.1992; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz Nr. 96-FZ vom 30.12.2008, Rossijskaja gazeta v. 30.12.2008. 290 Ausführlicher dazu siehe Erdelevskij/Agafonova, VerbrSG, Art. 10, S. 52 ff. 291 Außerdem soll die Bank ihren Kunden bestimmte Informationen anbieten. Diese Möglichkeit ist in Art. 8 BankG vorgesehen. Diese Pflicht ist der Bank gleichermaßen sowohl gegenüber den Verbrauchern als auch gegenüber den Unternehmen auferlegt. Es handelt sich dabei leider um die Gewährung von Informationen über die finanzielle Lage der Bank und über von ihr angebotene Zinssätze in Girogeschäften, nicht aber um die Pflicht der Bank in einigen Fällen über die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit der Kreditaufnahme zu informieren. 292 Im Ergebnis ebenso Karimullin, S. 71.

53

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

lich wie § 242 BGB keine Schlussfolgerungen darüber zu, ob eine Aufklärungs- bzw. Beratungspflicht im russischen Recht und insbesondere im Kreditvertrag denkbar ist. Vielmehr ist dafür eine nähere gerichtliche Auslegung notwendig.293 Man kann versuchen, Spuren der Aufklärungspflicht der Bank auch in Art. 309 russ. ZGB („Allgemeine Bestimmungen über die Erfüllung der Verbindlichkeiten“), der mit § 242 BGB („Treu und Glauben“) vergleichbar ist, zu finden. Danach „müssen die Verbindlichkeiten in gehöriger Weise und fristgemäß entsprechend den Bedingungen der Schuldverhältnisse sowie den Anforderungen des Gesetzes [. . .], und mangels solcher Bedingungen und Anforderungen, entsprechend den Handelsbräuchen oder sonstigen gewöhnlich zu stellenden Anforderungen erfüllt werden“. Ob unter den „gewöhnlich zu stellenden Anforderungen“ auch die Forderung „einer vertraglichen Billigkeit“ zu verstehen ist und man eine Parallele zum Prinzip von Treu und Glauben im deutschen Recht ziehen kann,294 ist jedoch zweifelhaft. Die russische Lehre versteht vielmehr unter „gewöhnlich zu stellenden Anforderungen“ i.S. des Art. 309 russ. ZGB die Gewohnheiten, die im Zivilverkehr entstanden sind.295 Mir sind solche Gewohnheiten beim Abschluss des Kreditvertrages im russischen Recht nicht bekannt.

C.

Pflichten des Kreditnehmers

Nach dem Wortlaut des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zählen zu den Pflichten des Darlehensnehmers im deutschen Recht die Zahlung eines geschuldeten Zinses und die Rückerstattung des zur Verfügung gestellten Darlehens bei Fälligkeit. Obwohl der deutsche Gesetzgeber keinen Vorrang einer dieser Pflichten vor der anderen erwähnt hat, gibt es in der Literatur eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob sie wirklich gleichrangig sind, oder ob eine von diesen Pflichten als Haupt- und die andere als Nebenpflicht anzusehen ist. Der Gesetzgeber schweigt in den Gesetzesmaterialien darüber. Nach dem ungeschriebenen Grundsatz der „Zinssakzessorietät“ des BGB-Darlehensrechts296 setzt die Zinsschuld die Akzessorietät von einer Hauptschuld voraus.297 Mit Erlöschen der Hauptschuld entfällt die Voraussetzung für das Entstehen weiterer Zinsansprüche.298 Die Zinszahlungspflicht steht mit der

293 Dem Autor sind keine Stellungnahmen der Lehre zu dieser Frage bekannt. Aber wegen der Breite des Grundsatzes des Rechtsmissbrauchsverbotes ist eine solche Auslegung nicht ausgeschlossen und theoretisch sogar möglich. 294 So aber Karimullin, S. 72. 295 Abova/Kabalkin/Otnjukova, ZGB, Art. 309, S. 813; Sadikov/Braginskij, ZGB, Art. 309, Rn. 6. Dabei ist eine Partei des Vertrages (in unserem Fall der Kreditnehmer) beweispflichtig und hat zu beweisen, dass die Pflicht der anderen Partei (in unserem Fall die Aufklärungspflicht) als „gewöhnlich zu stellende Anforderung“ in der Bankpraxis wirklich anerkannt ist. – Sadikov/Braginskij, ZGB, Art. 309, Rn. 6. Zur Möglichkeit, die berechtigten Interessen des Kreditnehmers mit der Hilfe der Anfechtungsregeln des Art. 178 russ. ZGB („Unwirksamkeit des Rechtsgeschäftes wegen Irrtums“) auszuüben siehe ausführlich Karimullin, S. 72. 296 Ausführlich darüber Mülbert, AcP 1992, S. 460 f.; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 5. 297 BGH WM 1979, S. 252; 1983, S. 358; Heermann, § 4, Rn. 38. 298 RGZ 84, S. 218; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 1.

54

C. Pflichten des Kreditnehmers

Pflicht, die Darlehensvaluta zur Verfügung zu stellen, im Synallagma.299 Die Rückerstattungspflicht steht dagegen nicht in einem Synallagma und stellt eine reine Abwicklungspflicht dar.300 Die überwiegende Zahl der Autoren sieht die Rückerstattungs- und Zinszahlungspflichten des Darlehensnehmers als Haupt- bzw. Nebenpflichten,301 nicht aber als gleichrangige Hauptpflichten des Darlehensnehmers302 an. Aus dem Gesetzestext des Art. 819 Pkt. 1 russ. ZGB folgt nicht, welchen Rang diese Pflichten im russischen Kreditrecht haben. Das russische Recht geht ebenfalls vom Grundsatz der Zinsakzessorietät aus.303 Die Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts vertritt die Auffassung, dass die Zinspflicht eine Nebenpflicht der Rückerstattungspflicht des Kreditnehmers darstellt.304 Ob sich auf der Seite des Kredit- bzw. Darlehensnehmers nach der Vereinbarung der Parteien im deutschen und russischen Recht einige zusätzliche Nebenpflichten, wie Annahme- und Sicherungspflichten, ergeben können, wird am Ende dieses Punktes behandelt.

I.

Pflicht zur Rückerstattung des Kredits

Ohne Rückerstattungspflicht des Kreditnehmers wird der Kreditvertrag im deutschen und im russischen Recht als Schenkung bezeichnet.305 Darüber hinaus entsteht der Rückerstattungsanspruch in beiden Rechtsordnungen nicht gleichzeitig mit dem Abschluss des Darlehensvertrages, sondern erst nach „Zurverfügungstellen“ der Darlehensvaluta an den Darlehens- bzw. Kreditnehmer, d.h. bei Nichterfüllung dieser Pflicht ist der Kreditnehmer zur Rückzahlung der Darlehensvaluta nicht verpflichtet.306

299 BGHZ 106, S. 45; Mülbert, WM 2002, S. 469 f.; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 362; Heermann, § 21, Rn. 8 m.w.N.; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 18. 300 MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 17, 43; EBJ/Nagel, AktualisierB, Rn. 8 m.w.N. 301 BGHZ 106, S. 45; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 17, 22; Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 12; Heermann, § 21, Rn. 10; Ungeheuer, Rn. 9; EBJ/Nagel, AktualisierB, Rn. 8. 302 Oetker/Mautzsch, S. 214; Berger, S. 13. 303 Vitrjanskij, Darlehensvertrag, S. 220. 304 Pkt. 15 der Entscheidungssammlung des Plenums von Obersten Wirtschaftsgericht und Obersten Gerichtshof der RF vom 8.10.1998 Nr. 13/14 „Über die Praxis der Anwendung der Vorschriften des Zivilgesetzbuches der RF über die Zinsen für die Nutzung fremder Geldmittel“, VVAS 1998, Nr. 11, S. 9 f.; Entscheidung des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF Nr. 2884/98 vom 15.12.1998; VVAS 1999, Nr. 3, S. 21. 305 Außerdem geht das deutsche Recht davon aus, dass ein Darlehensvertrag nicht vorliegt, wenn die Parteien die Erfüllung der Rückerstattung in das Belieben des Darlehensnehmers stellen (sog. pactum de non petendo). – BGHZ 25, S. 174. 306 RGZ 103, S. 286; BGH WM 1983, S. 484 f.; Larenz, Lehrbuch SchR BT, II/1, § 51 I; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., vor § 607; Rn. 3; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 373 m.w.N.; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 44. Zum russischen Recht – Karimullin, S. 74.

55

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

1.

Gegenstand der Rückerstattungspflicht

a)

Deutsches Recht

Im Unterschied zu § 607 BGB alte Fassung, der die Rückzahlung des Darlehens in „gleicher Art, Güte und Menge“ vorsah, spricht der Gesetzgeber heute nur noch von der Rückerstattung des zur Verfügung gestellten Geldbetrages. Trotz dieser offenen Formulierung gehen die Literatur und die Gesetzesmaterialien davon aus, dass der Darlehensnehmer heute nach wie vor nicht dieselben Gegenstände (dieselben Geldscheine oder Münzen) zurückerstatten muss, sondern vielmehr einen Geldbetrag in derselben Höhe zurückerstatten soll (sog. „Nennwert- bzw. Nominalismusprinzip“).307 Das heißt, dass die Darlehensschuld eine Wertschuld ist. Nach diesem Prinzip spielt für die Erfüllung der Geldschuld die primär bestimmte Summe der Währungseinheiten die entscheidende Rolle; die Erhöhung oder Verminderung des Geldwertes hat keine Relevanz.308 Dies bedeutet, dass der Darlehensnehmer die gleiche Darlehenssumme nach dem Nominalbetrag in derselben Währung zurückerstatten muss. Gemäß § 2 des Preisangaben- und Preisklauselgesetzes vom 3.12.1985309 (im Folgenden – PrPkG) sind Wertsicherungsklauseln, d.h. Vereinbarungen, durch die eine Geldschuld wertbeständig gemacht werden soll,310 unter ein repressives Verbot mit Ausnahmevorbehalt (sog. Indexierungsverbot) gestellt.311 Dabei erfasst dieses Verbot generell solche Klauseln, in denen der Betrag von Geldschulden unmittelbar oder selbständig durch den Preis oder Wert von anderen Gütern oder Leistungen bestimmt wird, die mit den vereinbarten Gütern oder Leistungen nicht vergleichbar sind, d.h. nur die Gleitklauseln sind genehmigungsbedürftig.312 Unter den letzteren versteht man solche, die durch Abstimmung mit bestimmten Bezugsgrößen – Goldpreis, Lebenshaltungskostenindex – eine automatische Angleichung der Rückzahlungspflicht zu erzielen suchen.313 Derartige Wertsicherungsklauseln werden in der Bankpraxis häufig verwendet.314 b)

Russisches Recht

Als Gegenstand der Rückerstattung werden Geldmittel verwendet. Obwohl in der russischen Wirtschaft Anfang und Ende der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts hohe Inflation und Zahlungsunwilligkeit herrschten, geht das russische Recht bei der

307 BT-Drs. 14/6040, S. 253; Wittig/Wittig, WM 2001, S. 145, 147; Ungeheuer, Rn. 13; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 54 m.w.N.; Schlechtriem, Rn. 216. 308 BVerfGE 50, S. 92; BFHE 89, S. 436; BGHZ 61, S. 38; Staudinger/Schmidt, BGB, Stand Januar 1997, Vorb. zu §§ 244, Rn. D. 24 ff. m.w.N; Herrmann, § 3, Rn. 76. 309 BGBl. I S. 1429, zuletzt geändert durch die Achte Zuständigkeitsanspruchsverordnung vom 25.11.2003, in: BGBl. I. S. 2304, 2318. 310 BGH NJW 1975, S. 105. 311 Jauernig/Vollkommer, BGB, § 244, Rn. 18; Hk-BGB/Schulze, § 244, Rn. 14. 312 Hk-BGB/Schulze, § 244, Rn. 15; Palandt/Heinricus, BGB, § 245, Rn. 25. Zuständig für die Genehmigung solchen Klauseln ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des PrPkG vom 3.12.1984 (BGBl. I, S. 1429) das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. 313 BGHZ 53, S. 318; 63, S. 134; Palandt/Heinricus, BGB, § 245, Rn. 28. 314 Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 13; Schlechtriem, Rn. 216.

56

C. Pflichten des Kreditnehmers

Höhe der Rückerstattung vom Nominalismusprinzip aus.315 Die Parteien versuchen nicht nur durch die Höhe der Zinsen, sondern auch durch die Verknüpfung der Rückerstattungsbedingungen mit unterschiedlichen Arten von Wertsicherungsklauseln sich gegen die Inflationsrisiken der Kreditgewährung zu sichern. Besonders beliebt im Rechtsverkehr ist die Anknüpfung der Erfüllungsbedingungen an den Kurs ausländischer Währungen (besonders US $ oder Euro). Eine derartige Möglichkeit lässt Art. 317 Pkt. 2 russ. ZGB zu. Diese Vereinbarung bedarf keiner vorherigen Genehmigung der russischen Zentralbank. Darüber hinaus können die Parteien des Darlehensvertrages die Höhe der Rückerstattungssumme an den Marktpreis jeder Ware oder jedes Wertpapiers koppeln.316

2.

Fälligkeit der Rückerstattungspflicht

a)

Deutsches Recht

Die Fälligkeit der Rückerstattung kann entweder durch vertragliche Vereinbarung oder durch den Zweck des Darlehensvertrages oder durch Kündigung des Vertrages (mit der Ablauf der Kündigungsfrist) bestimmt werden. In der Regel wird der Darlehensvertrag für eine bestimmte Zeit (sog. Festdarlehen) abgeschlossen. In diesem Fall wird er mit Ablauf des vertraglich vereinbarten Zeitraums rückerstattungsfähig.317 Bei Fehlen einer Rückgabefrist ist die Bestimmung des Rückerstattungszeitpunkts des Darlehensvertrags eine Auslegungsfrage. In diesem Fall ist für die Fälligkeit des Darlehens der Darlehenszweck maßgeblich.318 Wenn es sich nicht um einen zweckgebundenen Vertrag handelt und im Vertrag keine Rückerstattungsfristen vorgesehen sind, kommt es für die Fälligkeit auf eine ordentliche Kündigung des Darlehensvertrages an.319 b)

Russisches Recht

Im russischen Kreditrecht gibt es nach dem Zivilgesetzbuch keine Vorschriften, die bestimmen, wann der Kreditvertrag fällig wird, wenn er keine Bestimmungen über die Laufzeitbeendigung enthält. Die Rückerstattungsfrist kann durch einen bestimmten Zeitpunkt (Datum oder Ablauf einer bestimmten Frist) ausgelöst werden. Weiter kann der Fälligkeitszeitpunkt gemäß den Vorschriften des Darlehensrechts über die einseitige Auflösung des Darlehenvertrages innerhalb von dreißig Tagen nach Aufforderung des Darlehensgebers zur Rückerstattung (Art. 810 Pkt. 1 Abs. 2 russ. ZGB) oder aus wichtigem Grund (Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB und Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB) bestimmt werden. Dabei hat der Gesetzgeber die Frage offen gelassen, wann zweckgebundene Kreditverträge fällig werden, wenn im Vertrag keine Erfüllungsfrist vorgesehen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass

315 Statt aller Karimullin, S. 76 f. m.w.N.; a.A. Achmetcˇ in, S. 22, der von der Rückzahlung einer äquivalenten Geldsumme (s. g. Valorismusprinzip) spricht. 316 Karimullin, S. 80. 317 Schlechtriem, Rn. 220. 318 BGH NJW 1979, S. 1164; Schlechtriem, Rn. 220; Müller, Rn. 282. 319 Müller, Rn. 982; Brox/Walker, SBT, § 17, Rn. 25.

57

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

solchen Verträgen ein besonderer Zweck zugrunde liegt und, wenn nichts anderes im Vertrag bestimmt ist, mit der Erfüllung dieses Zwecks rückerstattet werden müssen. 3.

Erfüllbarkeit der Rückerstattungspflicht

a)

Deutsches Recht

Die Parteien des Darlehensvertrages können selbst die Höhe sowie die Art und Weise der Rückerstattung bestimmen. So wie im Fall der Darlehensgewährung haben die Parteien eine breite Palette unterschiedlicher Auszahlungsarten vor sich: in Barform oder in den verschiedenen Arten des bargeldlosen Zahlungsverkehrs. Die vorzeitige Erfüllbarkeit der Rückerstattungspflicht hängt davon ab, ob der Darlehensvertrag entgeltlicher oder unentgeltlicher Natur ist. Bei einem unentgeltlichen Darlehensvertrag kann der Darlehensbetrag vom Darlehensnehmer ohne vorherige Kündigung jederzeit zurückerstattet werden, weil in diesem Fall auf der Seite des Darlehensgebers kein schützenswertes Interesse an einer zeitgemäßen Rückerstattung der Darlehenssumme besteht.320 Bei einem entgeltlichen bzw. verzinslichen Darlehen ist die vorzeitige Rückzahlung nur mit der Einwilligung des Geldgebers möglich, weil dieser ein schützenwertes Interesse an weiterer Zinszahlung hat.321 Die Beendigung von Kreditverhältnissen nach dem Krediteröffnungsvertrag hat aber ihre Besonderheiten. Wie aus Nr. 19 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken folgt, unterteilt sie sich in zwei Rechtsakte: Das Ende des Krediteröffnungsvertrages sowie die Rückzahlung des bestimmten Einzelkredites, d.h. jede der Parteien kann sowohl den Krediteröffnungsvertrag als auch einzelne Kreditbeziehungen kündigen.322 b)

Russisches Recht

Die Bestimmung der Rückerstattungsfrist gehört nach russischem Recht nicht zu den wesentlichen Bedingungen des Kreditvertrages, mit denen Art. 432 Pkt. 1 russ. ZGB den Abschluss des Vertrages verbunden hat.323 Weil der russische Gesetzgeber von dem Konzept der Entgeltlichkeit des Kreditvertrages ausgegangen ist, kann man nicht von einer Trennung zwischen der Beendigung des entgeltlichen und unentgeltlichen Kredits sprechen, sondern lediglich von der Besonderheit der Beendigung des entgeltlichen Kredits. So wie im deutschen Recht kann er entweder als Ganzes oder bei langfristigen Krediten in Raten zurückerstattet werden. Weil auf den Kreditvertrag als besondere Art des Darlehensvertrages die Vorschriften des ZGB-Darlehensrechts anwendbar sind, kann der Kreditvertrag genauso wie ein verzinsliches Darlehens nur mit der Zustimmung des Kredit- bzw. Darlehensgebers vorzeitig zurückerstattet werden (Art. 810 Pkt. 2 Abs. 2).324

320 321 322 323 324

58

Brox/Walker, Rn. 288. Müller, Rn. 988. Claussen, § 8, Rn. 35. Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 505. Näher hierzu siehe Dritter Teil. Erster Abschnitt. C. dieser Monographie.

C. Pflichten des Kreditnehmers

II.

Zinszahlungspflicht

Mit der Frage nach der rechtlichen Natur von Zinsen ist die Lösung der Probleme bezüglich der Zinseszinsen, der Abgrenzung der Zinsen von unterschiedlichen Vergütungsarten, der Arten der Befriedigung von Geldforderungen im Fall der Teilauszahlung, der Zinsen, welche im Falle der vorzeitigen Rückerstattung des Kredits anfallen sowie der sog. Wucherzinsen verbunden. Daher wird im Folgenden zunächst auf die Zinsdefinition und dann auf die Frage nach Zinshöhe, Entstehung und Beendigung der Zinspflicht in beiden Rechtsordnungen eingegangen.

1.

Zinsbegriff und seine Abgrenzung von anderen Vergütungsarten

a)

Deutsches Recht

Nach der Schuldrechtsreform ist das verzinsliche Darlehen, das in der Unternehmenspraxis ganz im Vordergrund steht, der gesetzliche Regeltyp.325 Obwohl das Wort „Zins“ im BGB an vielen Stellen auftaucht, findet man dort keine gesetzliche Definition des Begriffs.326 Der Zinsbegriff wurde vom Gesetzgeber nicht vorgegeben sondern als bekannt vorausgesetzt.327 Der Gesetzgeber ging von einer einheitlichen gesetzlichen und vertraglichen Zinsdefinition aus, wonach „die allgemeinen Zinsbestimmungen des BGB auch für Darlehenszinsen gelten sollten“.328 Im Laufe der BGB-Rechtsprechungsgeschichte hat sich eine Zinsdefinition herauskristallisiert. Die moderne Rechtsprechung und Literatur verstehen unter Zinsen eine gewinn- oder umsatzunabhängige, in Geld oder anderen vertretbaren Sachen zu entrichtende laufzeitabhängige Vergütung für die Kapitalnutzung(-smöglichkeit) des Kapitalnehmers.329 Das bedeutet, dass Rechtsprechung und Lehre in Deutschland sich bei der Definition des Zinsbegriffes an der Kapitalnutzung des Darlehensnehmers, nicht an der Kapitalentbehrung des Kreditgebers,330 orientieren. Mit der Hilfe des Merkmales der Laufzeitabhängigkeit der Zinsen können die Zinsen sich von den laufzeitunabhängigen Leistungen (z.B. Antrags-, Bearbeitungsgebühren331) abgrenzen. Die Letzteren fallen generell nicht unter den Zinsbegriff und 325 BT-Drs. 14/6040, S. 253; Ungeheuer, Rn. 10; Reiff, Rn. 9; Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 4. Andererseits lässt der Wortlaut des § 488 Abs. 2 Satz 3 BGB auch das unentgeltliche Darlehen zu. – Wittig/Wittig, WM 2002, S. 145 f.; Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 4; Hermann, § 21, Rn. 8. 326 Allgemein zum Zinsbegriff: MüKo/Grundmann, BGB; § 246, Rn. 3 ff.; Canaris, NJW 1978, S. 1891. 327 Heermann, § 4, Rn. 11. 328 Mugdan II, 173. Seit dem Urteil des RG vom 1.1.1903 (RGZ 53, S. 297. Die Zinsen wurden dort als „Vergütung für den Gebrauch des als Darlehen erhaltenen Kapitals“ definiert) orientiert sich der BGB-Zinsbegriff typologisch fast durchweg an Darlehenszinsen. 329 BGH NJW 1979, S. 806; 1981, S. 1206; OLG Köln ZIP 1992, S. 1480; Canaris, NJW 1978, S. 1891 f.; Sorgel/Teichmann, BGB, § 246, Rn. 3 m.w.N.; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 608, BGB, Rn. 1; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 147 m.w.N. 330 Ausführlich zur Entwicklung der Zinsdefinition im deutschen Recht siehe Mülbert, AcP 1992, S. 459 m.w.N. 331 BGH NJW 1978, S. 805, 806; WM 1985, S. 10, 12; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 608, Rn. 5; Canaris, NJW 1978, S. 1891; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 147.

59

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

stellen lediglich die Vergütungen für die Überlassung oder die Hingabe des Kapitals dar.332 Aus der Zinsdefinition folgt auch, dass umsatz- und gewinnabhängige Vergütungen, wie Gewinn- und Umsatzbeteiligung sowie Dividenden, keine Zinsen darstellen.333 Darüber hinaus sind Restschuldversicherungsprämien, Bereitstellungszinsen334 und in Rückzahlungsraten enthaltenen Tilgungsanteile335 keine Zinsen. Es ist insoweit irrelevant, ob diese oder jene Vergütung von den Parteien nicht als Zins (z.B. Kreditkosten, Teilzahlungen) bezeichnet wird. Vielmehr hängt die Auslegung der abgesprochenen Bezeichnung als Zins von der wirklichen ökonomischen Funktion der abgesprochenen Vergütung ab.336 Die Parteien können aber neben den Zinsen auch die Bezahlung anderer Kosten, Vergütungen oder zinsähnlicher Beiträge (z.B. Disagio, Gebühren, Provisionen) vereinbaren.337 Hier ist die Frage, ob solche Bezahlungen als Zinsen angesehen werden und unter das Zinseszinsverbot fallen oder ob sie als Verwaltungsgebühren zinsähnliche Beiträge darstellen. Diese Frage wird im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls entschieden.338 b)

Russisches Recht

Der Kreditvertrag ist im russischen Recht immer ein entgeltlicher Vertrag.339 Im Unterschied zu § 488 BGB ist die Zinspflicht im russischen Recht nicht nur der gesetzliche Regelfall, sondern eine gesetzliche Pflicht des Kreditnehmers. Im Fall der Kreditgewährung von einer Hausbank können die Parteien eine Zinshöhe vereinbaren, die wesentlich niedriger ist als der Refinanzierungszinssatz der russischen Zentralbank. Wenn aber die Höhe der Zinsen im Vertrag nicht vereinbart ist, kann sie gemäß den Vorschriften über den Darlehensvertrag (Art. 809 russ. ZGB) festgestellt werden.340 Obwohl der russische Gesetzgeber das Wort „Zins(-en)“ an zahlreichen Stellen im ZGB erwähnt, gibt es im ZGB – wie im deutschen Recht – keine a priori Definition des Zinses. Der russische Gesetzgeber hat den Zinsbegriff als bekannt vorausge-

332 SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 3. Aber in einigen Fällen, die Ausnahmecharakter haben, können sie doch als verdeckte Zinsen qualifiziert werden, wenn sie zu hoch sind und deswegen tatsächlich die Vergütung für die Kapitalnutzung darstellen. – EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 147. 333 RGZ 18, S. 156; Canaris, NJW 1978, S. 1891 f.; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 147 m.w.N. 334 BGH WM 1968, S. 156 f.; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 3. 335 SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 3. 336 BGH BB 1971, S. 107; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 78, Rn. 1; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 608, Rn. 5; Jungmann, WM 2001, S. 1403; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 165. 337 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 362. 338 Überblick über die Abgrenzung der Zinsen von anderen Kosten siehe Heermann, § 4, Rn. 27 ff. 339 Die Entscheidung des Moskauer Wirtschaftsgerichts vom 26.6.2001 Nr. A40-14945/ 01-92-72 (Im Internet am 26.11.2005 http://www.kodeks.ru/free-arb-mos?d&nd=780032020& razdel=714000001&prevDoc=780032020&spack=110listid%3D010000000100%26listpos%3D76 %26lsz%3D86%26nd%3D77800281%26nh%3D1%26razdel%3D714000001%26start%3D60%26 abgerufen); Efimova, S. 519; Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 463. 340 A.A. Dubincˇ in, ChiP 1998, Nr. 2, S. 87. Nach der Analyse des Art. 30 BankG kommt er zum Schluss, dass ein Kreditvertrag, der keine Bedingungen über die Zinshöhe enthält, nichtig sein soll und die Regeln des Art. 809 russ. ZGB nicht auf diesen Kreditvertrag anwendbar seien.

60

C. Pflichten des Kreditnehmers

setzt. Der Zinsbegriff taucht aber auch in anderen Gesetzen auf: In Art. 43 Pkt. 3 des Ersten Teils des Steuergesetzbuches der Russischen Föderation341 (im Folgenden – SteuerGB I) wird er im steuerrechtlichen Sinne breit gefasst und passt deswegen nicht zu dieser Untersuchung. Darüber hinaus ist ein buchhaltungsrechtlicher Zinsbegriff auch in einem untergesetzlichen Akt der russischen Zentralbank enthalten.342 Diese Definition hat aber nur bilanzrechtliche Bedeutung und kann daher meines Erachtens bei der Auslegung des Zinsbegriffes des russ. ZGB bzw. Darlehensrechts nicht verwendet werden. Die Literatur versteht im Einklang mit der Ansicht des Obersten Wirtschaftsgerichts der Russischen Föderation unter Zinsen die Vergütung für die Geldmittelnutzung.343 Danach besteht der Zinsbegriff aus zwei Merkmalen: Einerseits sind die Zinsen eine Vergütung und andererseits stellt diese Vergütung die Gegenleistung für die Geldmittelnutzung dar. Die Merkmale der Zeit-, Gewinn- und Umsatzabhängigkeit aus der deutschen Rechtsordnung sind im russischen Darlehenszinsrecht ohne Belang. Dieser Umstand zeigt, dass im russischen Recht keine genaue Abgrenzung zwischen Zinsen und anderen Vergütungen existiert. Auf der anderen Seite dieser Rechtsunsicherheit steht der Umstand, dass in der modernen russischen Bankpraxis auf dem Hintergrund der Existenz des von der Rechtsprechung breit definierten Zinsbegriffs die untergesetzlichen Rechtsakte der Zentralbank eine entscheidende Rolle für die Bestimmung dieser oder jeder Vergütungsform als Zins spielen.344

341 Föderales Gesetz vom 31.7.1998 Nr. 146-FZ, SZ RF 1998, Nr. 31 Pos. 3824; in der Fassung des Föderalen Gesetzes vom 2.11.2004 Nr. 127-FZ, SZ RF 2004, Nr. 45, Pos. 4377; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz § 195-FZ vom 19.7.2009, SZ RF 2009, Nr. 29, Pos. 3632. Dort versteht man unter Zins ein früher angekündigtes (festgesetztes) Einkommen, einschließlich der Diskontform, das aus einer Schuldverschreibung jeder Art (unabhängig von der Form ihrer Ausfertigung) bezogen wird. Dabei gelten als Zinsen insbesondere auch die aus Geldanlagen und Schuldverschreibungen bezogenen Einkünfte. 342 Verordnung („polozˇenie“) der russischen Zentralbank vom 5.12.2002 Nr. 205-P „Buchführungsregeln in Kreditorganisationen, die sich auf dem Gebiet der Russischen Föderation befinden“, Vestnik Banka Rosssii 2002, Nr. 71; in der Fassung vom 26.03.2007 Nr. 1806-U, Vestnik Banka Rosssii 2008, Nr. 20–21. Unter Zinsen versteht man danach ein Entgelt, das der Kreditgeber vom Kreditnehmer für die Verwendung des Kredits bekommt und das gewöhnlich im Jahreszins dargestellt wird. 343 Pkt. 12, 15 der Entscheidungssammlung des Plenums von Obersten Wirtschaftsgericht und Oberstem Gerichtshof der RF vom 8.10.1998 Nr. 13/14 (Fn. 305); Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 471; Vitrjanskij, Darlehenvertrag, S. 220; Chochlov, S. 424; Sadikov/Pavlodskij, ZGB, Art. 809, Rn. 3; Oleinik, S. 314; Novoselova, Kommentar, S. 164. Die Letzteren führten dazu ein zusätzliches Zinsmerkmal an: diese Vergütung muss in der Regel in einen bestimmten Anteil zur Darlehenssumme stehen. – Suchanov/Novoselova, BankR, S. 101. In der deutschen Literatur wurde dieses Merkmal von Stammer und Jakobus vertreten. Siehe dazu Schmitz, Zinsrecht, S. 8. A.A. Karimullin (S. 125) hat aber in seiner rechtsvergleichenden Arbeit wörtlich die in der deutschen Rechtlehre von Canaris (NJW 1978, S. 1891 ff.) vorgeschlagene Zinsdefinition für das russische Recht übernommen. 344 Das kann man an dem Beispiel des Disagios sehen. Ausführlich dazu siehe Stepanjuk, S. 167; Karpov, S. 167.

61

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

2.

Zinsabrede und Zinshöhe

a)

Deutsches Recht

Die Höhe von Darlehenszinsen liegt im Bereich der Privatautonomie der Parteien und kann durch Vereinbarung bestimmt werden (sog. Zinsabrede). Der Gesetzgeber fordert keine bestimmte Form der Zinsabrede. Deswegen kann sie zwischen den Parteien sowohl schriftlich als auch stillschweigend vereinbart werden.345 Einige Besonderheiten existieren aber im Geschäftsverkehr: gemäß den HGB-Vorschriften sind die von Kaufleuten an andere Kaufleute gewährten Darlehen ohne entsprechende Vereinbarung zinspflichtig (§ 354 Abs. 2 HGB). Im Firmenkundengeschäft kann die Zinshöhe, wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird, nach billigem Ermessen der Bank festgestellt werden (Nr. 12 Abs. 2 AGB-Banken, § 315 BGB). Die Bank ist auch ohne spezielle Abrede gemäß Nr. 12 AGB-Banken berechtigt, die banküblichen Zinsen vom Darlehensnehmer zu verlangen.346 Der Zinssatz kann sowohl fest als auch variabel (sog. „b.a.w. Kredite“) bestimmt werden.347 Bei der Frage nach der Zinshöhe spielen zwei Besonderheiten der Zinsen eine große praktische Rolle: Zuerst müssen die Parteien die zivilrechtlichen Grenzen der Zinshöhe bestimmen. Auf der einen Seite stehen die Vorschriften über wucherische Zinsen (§ 138 BGB)348 und auf der anderen Seite die Regeln über Treu und Glauben (§ 242 BGB) als Schranken. Darüber hinaus müssen, bei einem Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, auch die §§ 309 BGB Nr. 5 und 6 BGB beachtet werden. Außerdem stellen die §§ 248, 249 BGB ein Zinseszinsverbot, d.h. ein Verbot der Vereinbarungen von Zinseszinsen, dar. b)

Russisches Recht

Das Prinzip der Zinsfreiheit findet seinen Ausdruck auch im russischen Kreditrecht: Die Parteien können die Zinshöhe vereinbaren.349 Wenn die Zinshöhe im Kreditvertrag nicht bestimmt ist, werden die Vorschriften über die darlehensrechtlichen Zinsen verwendet (Art. 809 russ. ZGB). In diesem Fall richtet sie sich nach dem Bankzinssatz (Refinanzierungssatz), der am Tag der Zahlung des geschuldeten Betrags oder eines Teilbetrags durch den Darlehensnehmer am Wohnort des Darlehensbzw. Kreditgebers, wenn er eine juristische Person ist, an seinem Sitz, gilt. Dabei kann der Zinssatz sowohl fest als auch variabel vereinbart werden.350

345 RGZ 118, S. 165; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 164; Hk-BGB/Ebert, § 488, Rn. 5. 346 EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 151; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 164. 347 Oetker/Mautzsch, S. 215; Schlechtriem, Rn. 214; Jauernig/Mansel, BGB, § 488, Rn. 20. 348 Diese Vorschriften regeln die Obergrenze erlaubter Zinsen. Nach der BGH-Rechtsprechung ist für das Vorliegen von wucherischen Zinsen ein zwölfprozentiger Zinsunterschied zwischen Vertrags- und Marktzinsen sowie ein relativer Unterschied von 100 % als Grenze ausreichend. – BGH NJW 1990, S. 1595. 349 Obwohl dieses Prinzip an keiner Stelle im russ. ZGB seinen Niederschlag gefunden hat, wird es in der Literatur aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (Art. 421 russ. ZGB) hergeleitet. – Sadikov/Pavlodskij, ZGB, Art. 809, Rn. 2; Abova/Kabalkin/Zankovskij, ZGB, Art. 809, S. 499; Karimullin, S. 135. 350 Pkt. 3.9 der Anordnung der Zentralbank der RF vom 26.6.1998 Nr. 39-P „Über die Reihenfolge der Anrechnung von Zinsen nach den Operationen, die mit der Anlage und Verteilung der

62

C. Pflichten des Kreditnehmers

Im russischen Recht fehlen Vorschriften, welche die Grenzen der Zinshöhe unmittelbar bestimmen. Infolgedessen wird die Zulässigkeitsgrenze im russischen Darlehensrecht auf drei Wegen ermittelt: durch die zivilrechtlichen Vorschriften über die Unwirksamkeit von sog. Knechtungsverträgen (Art. 179 russ. ZGB), durch den Grundsatz des Rechtsmissbrauchsverbotes (Art. 10 Pkt. 1 russ. ZGB) sowie durch die Vorschriften über ungerechtfertigte Bereicherung (Art. 1102 ff. russ. ZGB). Vor dem Hintergrund des Fehlens von Rechtsprechung über die Zinsgrenzen im Bezug auf die Anerkennung von Kreditverträgen als Knechtungsverträge351 stellt sich das Rechtsmissbrauchsverbot als eine effektiv funktionierende Schutznorm dar. Nach der Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts widersprechen unbegründet überhöhte Zinssätze im Kreditvertrag der Vorschrift des Art. 10 russ. ZGB über das Rechtsmissbrauchsverbot.352 Ihre Zulässigkeitszinsgrenze wird im Gegensatz zum deutschen Recht aber nicht erwähnt. Dagegen scheint es zweifelhaft, ob die Vorschriften des russ. ZGB über das Bereicherungsrecht von Nutzen sein können, wenn die Zinshöhe unverhältnismäßig hoch ist. Der Tatbestand der Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung (Art. 1102 Pkt. 1 russ. ZGB) sieht vor, dass eine Person, die ohne einen durch Gesetz, eine andere Rechtsvorschrift oder ein Rechtsgeschäft gegebenen Grund auf Kosten eines anderen Vermögen erlangt oder Aufwendungen unterlassen hat, diesem das ungerechtfertigt Erworbene oder Behaltene zurückzugeben hat. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass weder das russ. ZGB noch die anderen Rechtsvorschriften ein direktes Verbot enthalten, aufgrund eines Kreditvertrages überhöhte Zinsen zu zahlen.

3.

Entstehung und Beendigung der Zinspflicht

a)

Deutsches Recht

Im Darlehensvertrag werden in der Regel Anfang und Ende des Zinslaufs vereinbart.353 Zinsen entstehen kraft Gesetzes „als Folge der Vereinbarung der zeitlich be-

Geldmittel von Banken und die Darstellung genannten Operationen an den Buchhaltungskontos“, Vestnik Banka Rosssii 1998, Nr. 53–54 und 61; in der Fassung von Anordnung der Zentralbank der RF vom 24.12.98 N 64-P, Rossijskaja gazeta vom 3.2.1999; Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 471. 351 Nach der Meinung von Sadikov können Unternehmen bei ungünstiger Konjunktur des Marktes solche Rechtsgeschäfte abschließen, wenn sie Ängste haben, die wirtschaftliche Lage werde sich im Folgenden verschlechtern. Solche Rechtsgeschäfte könnten nicht als Knechtungsvertrag anerkannt werden. – Sadikov/Sadikov, ZGB, Art. 179, Rn. 9. Des Weiteren können nach dieser Ansicht (a.a.O) in die Gruppe der Knechtungsverträge solche Verträge nicht einbezogen werden, die von einem Unternehmen mit offensichtlicher kommerzieller Fehlkalkulation geschlossen wurden, weil in dem Fall ein Unternehmen seine unternehmerische Tätigkeit auf eigenes Risiko ausübt. 352 Entscheidung des Präsidiums des Obersten Wirtschaftsgerichts vom 16.12.1997 Nr. 964/97, zitiert nach Sarbasˇ , Gerichtspraxis, Art. 10, Rn. 1. 353 BGH NJW 1985, S. 1831; WM 1985, S. 10 f.; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, § 488, Rn. 64.

63

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

grenzten Überlassung des Geldbetrages durch den Darlehensgeber“.354 Die rechtliche Natur der Zinszahlungspflicht im deutschen Recht als akzessorische Schuld hat in diesem Fall direkte Auswirkungen auf Anfang und Ende der Zinszahlungspflicht. Bei Fehlen einer solchen Vereinbarung wird davon ausgegangen, dass der Zinsanspruch mit der Entstehung der Hauptforderung des Darlehensgebers – frühestens mit der Auszahlung der Darlehensvaluta355 und der Möglichkeit des Darlehensnehmers, die Valuta zu nutzen356 – beginnt. Wegen des akzessorischen Charakters der Zinsschuld endet die Zinszahlungspflicht mit der Fälligkeit des Darlehensvertrags oder dem Wirksamwerden der Kündigung.357 b)

Russisches Recht

So wie im deutschen, werden im russischen Kreditvertragsrecht in der Regel Zinsbedingungen vereinbart. Wenn sie nicht vereinbart werden, was in der Bankpraxis sehr selten geschieht, sind die Vorschriften über die Darlehenszinsen (Art. 809 russ. ZGB) zu beachten358, d.h. monatlich nach dem Refinanzierungszins der Zentralbank für die Zeit der tatsächlichen Nutzung des Kredites, anzuwenden. Weil im russischen Recht die Zinsen für den Zeitraum der realen Geldnutzung berechnet werden, entsteht die Zinszahlungspflicht zum Zeitpunkt der tatsächlichen Kreditgewährung, nicht aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrages.359 Der Zeitpunkt der Beendigung der Zinszahlungspflicht ist der Zeitpunkt der Rückerstattung der Kreditsumme.360 Sie kann in jeder von den Vertragsparteien vereinbarten Art und Weise rückerstattet werden, sogar einmalig.

III. Abnahme der Darlehensvaluta 1.

Deutsches Recht

Die darlehensrechtlichen Vorschriften des BGB enthalten keine Aussage über eine Pflicht des Darlehensnehmers, die vereinbarte Valuta abzunehmen. Das Prinzip der Vertragsfreiheit lässt eine solche Möglichkeit zu und gewährt den Parteien das 354 BGHZ 25, S. 177 f.; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 43 m.w.N.; a.A. Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 4, die Parteivereinbarung sei Grundlage für den Rückerstattungsanspruch. 355 BGH NJW 1983, S. 1543; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607 Rn. 17. 356 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 17; Claussen, § 8, Rn. 17. 357 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 365; Soergel/Häuser, BGB, § 608, Rn. 18. Wenn die Parteien die Periodizität der Zinszahlungen nicht besprochen haben, was im Geschäftsverkehr sehr selten ist, sind die Zinsen gemäß den Darlehensvorschriften nach Ablauf je eines Jahres oder, falls der Darlehensvertrag kürzer als ein Jahr ist, zum Zeitpunkt der Rückerstattung zu zahlen (§ 488 Abs. 2 BGB). 358 Pkt. 12 der Entscheidungssammlung des Plenums von OWG und OG der RF 1998, Nr. 13/14; (Fn. 305); Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 209, 225. 359 Sadikov/Pavlodskij, ZGB, § 819, Rn. 3; Karpov, S. 169 unter der Verweis auf Entscheidung des Wirtschaftsgericht des Vologder Gebiets, Sache Nr. A13-678/99-12. 360 Karpov, S. 169. Nach den Pkt. 3.5 und 3.7.9 der Polozˇenie der Zentralbank der RF vom 26.6.1998 Nr. 39-P (Fn. 351) beginnt die Frist der Zinszahlung mit dem nächsten Tag, welcher das Zurverfügungstellen des Kredits folgt und endet am Tag ihrer tatsächlichen Rückerstattung. Zustimmend Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 471.

64

C. Pflichten des Kreditnehmers

Recht, eine Abnahmepflicht des Darlehensnehmers als Nebenpflicht im Vertrag zu bestimmen.361 Fraglich ist, ob diese Pflicht für die Bank praktische Bedeutung hat, weil ein Kreditinstitut in der Praxis für die Kreditgewährung in der Regel Bereitstellungszinsen fordert.362 Weil diese Pflicht im Darlehensvertrag nicht erwähnt sei, könne sie allgemein nicht gerechtfertigt werden.363 Die Rechtsprechung und die Literatur haben jedoch einige Fallgruppen herausgearbeitet, bei denen eine solche Pflicht als Ausnahme bejaht wird.364 Es handelt sich in erster Linie um die Berücksichtigung der unterschiedlichen Vertragszwecke der Parteien und der Interessen des Darlehensgebers.365 Bei der Betrachtung der Pflicht des Darlehensnehmers, die Darlehensvaluta abzunehmen, geht es in erster Linie um die Frage, welche Sanktionen eine Verletzung nach sich ziehen kann. Es können sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben: Zum einen kann der Verzug des Darlehensnehmers zu einem Schadensersatzanspruch der Bank (sog. Nichtabnahmeentschädigung) führen.366 Zum anderen kann eine Abnahmeverweigerung als konkludent geäußerte Kündigung auszulegen sein.367

2.

Russisches Recht

Die geltenden Vorschriften des russ. ZGB erwähnen keine Abnahmepflicht des Kreditnehmers.368 Nach der Meinung von Chochlov, des Vorsitzenden der Kommission für die Entwicklung des russ. ZGB, besteht eine Pflicht des Kreditnehmers, Geldmittel vom Kreditgeber abzunehmen. Eine derartige Pflicht folgt seiner Ansicht nach aus dem konsensualen Charakter des Kreditvertrages.369 Eine ganz andere Auffassung vertritt Suchanov, ein anderes Mitglied der Kommission zur Erarbeitung des BGB. Nach dessen Meinung ist der Darlehensnehmer nach den allgemeinen Regeln nicht zur Annahme des Kredites gezwungen und hat deshalb das Recht, einen schon vereinbarten Kredit in vollem Umfang oder auch nur teilweise zu kündigen.370

361 Derleder, JZ 1989, S. 168; Mülbert, AcP 1992, S. 472; Köndgen, S. 72. 362 Luther, S. 92; Stauder, S. 125; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, § 607, Rn. 367. 363 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607 Rn. 367. 364 Siehe dazu ausführlich Mülbert, AcP 1992, S. 472 ff. 365 EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 92; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 367. Das sind z.B. die Fälle, in denen es um ein verzinsliches Darlehen geht (BGH NJW 1991, S. 1817 f.; Palandt/Putzo, BGB, § 488, Rn. 23; Erman/Saenger, BGB, § 488, Rn. 9), wenn der Darlehensvertrag für den Darlehensnehmer Anlagecharakter hat (RG JW 1937, S. 2765; BGH WM 1962, S. 114; 1991, S. 760, 761; Derleder, JZ 1989, S. 169). 366 BGH NJW 2001, S. 509 ff.; Jauernig/Berger, BGB, § 488, Rn. 17; Derleder, JZ 1989, S. 175. Die Höhe der Nichtabnahmeentschädigung wird in der Praxis der AGB-Banken in Höhe von 2–5 % der Darlehenssumme berechnet. – Köndgen, NJW 1994, S. 1513. 367 Mülbert, AcP 1992, S. 510; Soergel/Häuser, BGB, § 607 Rn. 133. 368 Der Entwurf des vorrevolutionären Bürgerlichen Gesetzbuches des Russischen Reiches (Art. 1899 Abs. 1 Satz 2) ging von der Existenz der Abnahmepflicht des Darlehensnehmers im verzinslichen Darlehensvertrag aus. – Zitiert nach Tortjumov (Hrsg.), Bürgerliches Gesetzbuch. Entwurf der gegründete Oberste Kommission („Projekt visocˇ aisˇe osnovannoi komissii“) für die Ausarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuches, Band II, Sankt Petersburg 1910, S. 465. 369 Chochlov, S. 437. 370 Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 226.

65

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

Seine Auffassung stimmt mit der herrschenden Lehre in dieser Frage überein. Diese erkennt keine allgemeine Abnahmepflicht des Kreditnehmers an.371 Eine solche Pflicht können man nur dann bejahen, wenn sie im Kreditvertrag372 oder im Gesetz oder in anderen Rechtsakten ausdrücklich vorgesehen sei. Dabei wird ausschließlich auf Art. 821 Pkt. 2 russ. ZGB über das Kündigungsrecht des Kreditnehmers verwiesen. Wenn die Parteien im Kreditvertrag die Abnahmepflicht des Kreditnehmers vereinbart hätten, dann solle der Letztere im Fall der Nichtabnahme des Kredits, wenn dies Schaden verursache, zum Schadensersatz verpflichtet sein.373 Eine vermittelnde Ansicht geht davon aus, dass die Kreditgewährung für die Bank eine Art unternehmerischer Tätigkeit sei und diese deswegen bei Abschluss des Kreditvertrages davon ausgehe, dass sie einen Gewinn in Prozentform bekommen werde.374 Darüber hinaus habe der Gesetzgeber als allgemeine Regel das Kreditverweigerungsrecht anerkannt. Eine Ausnahme von dieser Regel könne entweder im Gesetz oder im Kreditvertrag vorgesehen werden. Aber in den Fällen, in denen der Kreditnehmer das Recht habe, den Kreditvertrag zu verweigern, fehle dementsprechend die Pflicht, den Kredit anzunehmen.375

IV.

Pflicht zur Stellung von Sicherheiten

1.

Deutsches Recht

Das BGB erhält keine Vorschriften über die Pflicht des Darlehengebers, Sicherheiten für die Gewährung des Darlehens zu bestellen. Ausgehend vom Vertragsfreiheitsgrundsatz können die Parteien des Darlehensvertrages eine solche Pflicht des Darlehensnehmers vereinbaren. In der Bankpraxis wird der Anspruch der Bank auf Stellung von Sicherheiten durch die konkrete Benennung der Sicherheit geregelt.376 Die Parteien des Darlehensvertrages können auch bestimmen, dass sie auf Sicherheiten verzichten (sog. Blankokredit). Wenn im Darlehensvertrag die Höhe der Sicherheiten unter dem Besicherungsniveau liegt, hat der Darlehensgeber zwei Alternativen: entweder nach einer bestimmten Zeit den Darlehensvertrag zu kündigen oder die Stellung zusätzlicher Sicherheiten zu verlangen.377 Im bankmäßigen Geschäftsverkehr kann die Bank auf Grund von Nr. 13 Abs. 2 AGB-Banken oder Nr. 22 Abs. 1 AGB-Sparkassen vom Darlehensnehmer die Neubestellung oder die Verstärkung der bankmäßigen

371 Karimullin, S. 54; Suchanov/Novoselova, BankR, S. 117; Belov, BankR, S. 43. 372 Suchanov/Novoselova, BankR, S. 117. 373 Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 226; Suchanov/Novoselova, BankR, S. 117. 374 Efimova, S. 536 f. 375 Efimova, a.a.O. 376 Claussen, § 8, Rn. 28. 377 BGH NJW 1981, S. 1363; BGH NJW 1986, S. 1928; SBL/Häuser, Hb BankR, § 83, Rn. 143; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 607, Rn. 50; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 121.

66

C. Pflichten des Kreditnehmers

Sicherheiten für alle Verbindlichkeiten verlangen.378 Der Grund für eine solche Nachbesicherung können Leistungsstörungen auf der Seite des Kreditnehmers sein, die das Risiko des Kreditgebers in diesem Fall erhöhen und zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder zu einem Wertverlust der Sicherheiten führen können. Beispiele hierfür sind die Verschlechterung der Bonität des Darlehensnehmers379 oder das Sinken des als Sicherheit dienenden Wertpapierdepots unter den Wert des Darlehens.380 Bei der Bewertung der Sicherheiten darf die Bank die Sicherheiten nicht nach ihrem freien Ermessen bewerten. Im Gegenteil, sie hat kaum Spielraum, darf die derzeit bankübliche Kreditlinie nicht unterschreiten und nicht ohne besonderen Grund von ihrer bisherigen Beleihungspraxis abweichen.381 Eine angemessene Übersicherung ist erlaubt,382 ihre Grenze liegt in der Bankpraxis bei maximal 25 %.383 Falls aber die Höhe der Sicherheiten im Kreditvertrag schon vereinbart worden ist, ist ein Nachbesicherungsanspruch der Bank ausgeschlossen.384

2.

Russisches Recht

Eine allgemeine Pflicht des Kreditnehmers, Sicherheiten zu gewähren, hat im russ. ZGB keinen Niederschlag gefunden. Diese Pflicht taucht aber in bestimmten Fällen in der sektorspezifischen Haushalts- und Bankgesetzgebung auf 385 und stellt sich damit im russischen Wirtschaftsrecht eher als Ausnahme denn als Regel dar. Die Parteien des Kreditvertrages können vielmehr die Sicherungsart selbst auswählen,386 was sie in der Bankpraxis regelmäßig auch tun. Als mögliche Sicherungsarten

378 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 607, Rn. 50; Claussen, § 8, Rn. 28. Zur Besicherung von Kontokorrentkrediten siehe MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 607, Rn. 50 m.w.N. 379 Westermann, WM 1993, S. 1873; Claussen, § 8, Rn. 29. 380 BGH EWiR § 607 BGB 4/90 (Rieble); SBL/Häuser, Hb BankR, § 83, Rn. 144. 381 BGH NJW 1990, S. 2676 f.; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 95; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 57. 382 BGH WM 1979, S. 1176, 1179; BGH NJW 1981, S. 1363, Möllers, S. 14; Canaris, BankR, Rn. 2654. 383 Flosbach, S. 170; Möllers, S. 14. Der BGH hielt eine Übersicherung von 20% für rechtens (BGH WM 1966, S. 13, 14). 384 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 607, Rn. 50. 385 So z.B. Art. 77 des Haushaltsgesetzbuches der RF (SZ RF 1998, Nr. 31, Pos. 3823; zuletzt geändert durch Föderales Gesetz Nr. 181-FZ vom 18.07.2009; SZ RF 2009, Nr. 29, Pos. 3618; im Folgenden – HaushGB) sieht die Pflicht des Stellens von Sicherheiten als notwendige Bedingung der Gewährung von Haushaltskrediten in Pkt. 1 vor. Dabei bestimmt Art. 77 Pkt. 3 HaushGB die möglichen Sicherungsarten (das sind Bankgarantie, Bürgschaft und Verpfändung des Vermögens (u.a. auch Aktien)) und stellt minimale Anforderungen an ihre Höhe (sie dürfen nicht unter der 100 % Grenze des zu gewährenden Kredites liegen) sowie an ihre Liquidität fest. Darüber hinaus sollen die Kreditinstitute, wenn sie von der russischen Zentralbank einen sog. „Lombardkredit“ (d.h. der Kredit wird unter Verpfändung staatlicher Wertpapiere der russischen Zentralbank gewährt) bekommen, auch bestimmte Sicherheiten stellen. Ausführlich dazu siehe Prikaz der Zentralbank der RF vom 13.3.1996 Nr. 02-63 „Anordnung („polozˇenie“) über die Gewährung des Lombardkredites durch die Zentralbank RF“; Vestnik Banka Rossii 1996, Nr. 13; zuletzt geändert am 24.6.2002; Vestnik Banka Rossii 2002, Nr. 37. 386 Art. 33 Abs. 1 BankG; Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 504; Karimullin, S. 162.

67

Zweiter Teil: Rechte und Pflichten der Parteien von Kreditverträgen

hält Art. 33 Abs. 1 BankG eine beispielhafte Liste der Sicherungsarten (z.B. Pfand der Mobilien und Immobilien, Bankgarantie) bereit. Im russischen Bankrecht werden gemäß der Anordnung der Zentralbank der RF vom 24. März 2004 Nr. 245-P „Über die Ordnung der Bildung der Reserven von Kreditorganisationen für die möglichen Verluste aus Darlehen, nach Leihenbahre und gleichgestellte Verschuldung“387 die Darlehen nach bestimmten Kriterien einer von fünf Kategorien zugeordnet. Die Kreditorganisationen sollen bei der Zentralbank je nach Art der Kategorie von null bis hundert Prozent des zur Verfügung gestellten Betrages hinterlegen.388 Dabei sollen die Kreditinstitute bei der Gewährung von Not leidenden Krediten von zwanzig bis hundert Prozent der Kreditvaluta auf ihrem Konto bei der Zentralbank der RF reservieren, die in der Regel die Banken zur Stellung der entsprechenden Sicherheiten auffordert.

D.

Zwischenergebnis

1. Sowohl im deutschen als auch im russischen Recht kommen Darlehens- bzw. Kreditverträge nach den allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften durch (mindestens) zwei übereinstimmende Willenserklärungen zustande (§§ 104 ff., 145 ff. BGB, Art. 423 ff. russ. ZGB). 2. Die schriftliche Form des Darlehensvertrages stellt im deutschen Recht in der Regel keine notwendige Voraussetzung der Wirksamkeit des Vertrages dar. Dagegen ist die Schriftform im russischen Recht für die Wirksamkeit des Kreditvertrages gemäß Art. 820 Abs. 1 russ. ZGB erforderlich. 3. Der Umfang der Pflichten des Kreditgebers hat in beiden Rechtsordnungen in Bezug auf die wichtigste Leistungspflicht des Kreditgebers – die Valuta zur Verfügung zu stellen – viele Gemeinsamkeiten. Sie erfolgt in der Bankpraxis in Buchform, obwohl das Zurverfügungstellen durch Bargeld nicht ausgeschlossen ist. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass im deutschen Recht die Pflicht der Darlehenverschaffung und -überlassung besteht, während diese Aufteilung im russischen Recht unbekannt ist. 4. Unterschiedlich lösen das deutsche und das russische Recht die Frage nach einer Aufklärungspflicht des Kreditgebers. Obwohl in beiden Rechtsordnungen eine solche Pflicht verneint wird, hat das deutsche Recht auf Grund der erweiterten Auslegung des Grundsatzes von Treu und Glauben ein kompliziertes System von „Verboten mit Erlaubnisvorbehalten“ entwickelt. 5. Den Kreditnehmer können viele verschiedene Pflichten treffen: Zinszahlungs-, Rückerstattungspflicht, Pflicht zur Annahme der Darlehensvaluta und Pflicht zur Stellung von Sicherheiten. Hinsichtlich der Pflicht zur Rückerstattung gibt es im deutschen und russischen Recht viele Gemeinsamkeiten. Die wichtigste besteht darin, dass sowohl das russische als auch das deutsche Recht vom Nenn-

387 388

68

Vestnik Banka Rosii, 2004, Nr. 28. Ausführlich dazu siehe Alekseeva/Pychtin/Homenko, S. 327 f.

D. Zwischenergebnis

wert- und Nominalismusprinzip ausgehen. Unterschiede liegen aber im Devisenrecht, wobei diese Frage nur in Russland aktuell erscheint, da sie in Deutschland im Zusammenhang mit der Umstellung von DM auf Euro wesentlich an Aktualität verloren hat. 6. Die Zinszahlungspflicht ist im deutschen Recht in erster Linie mit der detailliert entwickelten Definition des Zinses verbunden, wodurch die Zinsen von anderen Vergütungsarten abgrenzt werden. Das russische Recht geht dem gegenüber von einem eher allgemeinen Begriff des Zinses aus. 7. Die Pflicht zur Abnahme der Darlehensvaluta ist im deutschen Recht ein Produkt der Rechtsprechung, die in einigen Fällen, wenn dies nicht ausdrücklich im Vertrag vorgesehen ist, den Darlehensnehmer zwingt, die Darlehensvaluta anzunehmen. Die Banken in Deutschland befriedigen aber ihre Interessen dadurch, dass sie vom Darlehensnehmer Bereitstellungszinsen verlangen. Im russischen Recht werden unterschiedliche Auffassungen über das Vorhandensein einer solchen Pflicht im Kreditrecht vertreten. Die herrschende Lehre erkennt die Abnahmepflicht nur in bestimmten Fällen als Ausnahme an. 8. Die Stellung von Sicherheiten stellt in der Regel eine notwendige Bedingung des Kreditvertrages in Deutschland und Russland in der Praxis dar. Der Blankokredit ist dagegen in der Praxis wenig entwickelt.

69

Dritter Teil Sanierungskredite in der Unternehmenskrise In diesem Teil wird die Rechtsstellung der Sanierungskredite in der Krise untersucht. Dabei hat man davon auszugehen, dass in diesem Zeitraum das Kreditinstitut vor vier Handlungsalternativen steht,389 die dessen Engagement in diesem Zeitraum charakterisieren können: Es kann die bestehenden (Sanierungs-)Kredite unter bestimmten Voraussetzungen einseitig beenden, es kann stillhalten, es kann die Stellung weiterer Sicherheiten verlangen sowie neue (Sanierungs-)Kredite gewähren.390 Jede dieser Entscheidungen der Bank wird nicht nur auf einer wirtschaftliche Analyse der Lage des Not leidenden Unternehmens beruhen, sondern sich an den möglichen erheblichen haftungsrechtlichen Risiken orientieren, die beim Treffen der Entscheidung von großer Bedeutung im russischen und deutschen Recht sein könnten.

Erster Abschnitt Die einseitige Beendigung von Kreditverträgen (einschließlich Sanierungskredite) A.

Terminologische Klärung der für diesen Abschnitt relevanten Begriffe

Bei den Versuchen, ein Sanierungskonzept zu erarbeiten und durchzuführen, gehört die Frage, ob eine Bank Kreditverträge mit einem sanierungsbedürftigen Unternehmen beenden darf, zu den wichtigsten Fragen der Sanierungsstrategie eines Unternehmens. Im deutschen Recht können sich die Parteien eines Schuldverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag einseitig lösen. Das deutsche Recht sieht dafür drei unterschiedliche Arten der einseitigen Aufhebung der Schuldverhältnisse vor, je nach Art des Schuldverhältnisses und ihrer Wirkung: Widerrufs-, Rücktrittsund Kündigungsrecht. Wenn es um die Aufhebung von Dauerschuldverhältnissen geht, zu denen auch die Darlehensverträge gehören, dann können sie nicht nur

389 Zum deutschen Recht auch so Kiethe, KTS 2005, S. 186 f.; Ebbing, KTS 1996, S. 357. A.A. Rümker, KTS 1981, S. 493; Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 2 ff.; 17 ff.; 24 ff., die lediglich von drei Handlungsalternativen des Kreditinstitutes sprechen. Zum russischen Recht haben weder die Rechtsprechung noch die Lehre bisher Stellung genommen. 390 Dabei wird in dieser Arbeit auf die Frage des Verkaufs Sanierungskrediten oder Not leidenden Krediten (sog. distressed loans) nicht näher eingegangen werden.

71

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

durch Zeitablauf, sondern auch durch Zweckerreichung sowie durch Kündigung aufgelöst werden.391 Unter der Kündigung eines Darlehensvertrages versteht man eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit dem Inhalt, dass das Darlehen als Dauerschuldverhältnis mit Wirkung für die Zukunft beendet sein soll.392 Man unterscheidet zwischen der ordentlichen und der außerordentlichen Kündigung.393 Ebenso wie im deutschen Recht können sich im russischen Recht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Parteien der Schuldverhältnisse vom Vertrag einseitig lösen. Der Kreditvertrag kann sowohl durch Zweckerreichung als auch bei Vorhandensein bestimmter im russ. ZGB genannter Voraussetzungen durch die Willenserklärung einer Partei aufgelöst werden. Der terminologische Apparat im russischen Recht unterscheidet sich wesentlich vom deutschen und kann bei den deutschen Juristen für Verwirrung sorgen. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich die Konturen des russischen Modells der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen erst kurz nach dem Inkrafttreten des Zweiten Teils des Zivilgesetzbuches, wo diese in hohem Maße auslegungsbedürftigen Vorschriften zu finden sind, in der Rechtsprechung und in der Literatur herauszubilden begannen.394 Das russische Zivilrecht kennt nicht die Differenzierung der einseitigen Vertragsauflösung nach Kündigung, Rücktritt und Widerruf. Man unterscheidet nach dem Wortlaut von Kapitel 29 russ. ZGB („Die Aufhebung und Veränderung des Vertrages“) die folgenden Arten einseitiger Vertragsaufhebung: Die einseitige Vertragsaufhebung wegen wesentlicher Verletzung des Vertrages durch die andere Partei, die einseitige Vertragsaufhebung in den Fällen, die im russ. ZGB, in anderen Gesetzen oder im Vertrag vorgesehen sind, sowie die einseitige Vertragsaufhebung wegen wesentlicher Veränderung der Umstände. Diese Arten der einseitigen Aufhebung werden in der Regel gerichtlich geltend gemacht.395 Außerdem ist im russ. ZGB noch eine Art der einseitigen Vertragsaufhebung vorgesehen: die Vertragsverweigerung („otkas ot dogovora“). Anders als im deutschen Recht wird das Wort „Verweigerung“ im russischen Zivilrecht nur im Sinne der ein-

391 Larenz, Lehrbuch SchR AT, S. 30. 392 RG JW 1911, S. 39; 1919, S. 242, 243; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 115; Soergel/Häuser, BGB, § 609, Rn. 21; Schwintowski/Schäfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 243. 393 Gernhuber, S. 390 ff. über die deutsche Doktrin der Beendigung der Dauerschuldverhältnisse siehe Oetker, S. 248 ff. Außerdem kann nach deutschem Recht auch die Verweigerung des (Sanierungs-)Kredits in der Krise des Unternehmens pflichtwidrig sein. Als Beispiel kann man den Fall bringen, dass sie die Insolvenz des Not leidenden Unternehmens herbeiführt. – Ebbing, KTS 1996, S. 348, Kiethe, KTS 2005, S. 189. 394 Im Gegensatz zur Lage in der deutschen Rechtswissenschaft hat die Problematik der Vertragsbeendigung im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit in der sowjetischen Literatur gefunden. Als komplexe Untersuchung der Frage der Vertragsauflösung kann lediglich die Doktorarbeit von Samengof (S. 3 ff.) erwähnt werden. In der Literatur zum russ. ZGB wurden diese Fragen in den Arbeiten von Somenkov, S. 3 ff. und Komarov, S. 334 ff. untersucht. Spezielle Arbeiten bezüglich der Auflösung von Darlehens- oder Kreditverträgen wurden nicht veröffentlicht. Es gibt aber Besprechungen dieser Fragen in jüngeren Doktorarbeiten und Monographien. Siehe z.B. Karpov, S. 126 ff.; Karimullin, S. 37 ff.; Vitrjanskij, Darlehensrecht, S. 114 ff. 395 Näher dazu siehe Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/1, S. 189.

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A. Terminologische Klärung der für diesen Abschnitt relevanten Begriffe

seitigen Aufhebung des Vertrages verwendet.396 Rechtsfolge der einseitigen Aufhebung des Vertrages ist das Erlöschen der Verbindlichkeiten der Parteien (Art. 453 Pkt. 2 russ. ZGB). Welche konkreten Auswirkungen dies hat, hängt von der Art der einseitigen Aufhebung ab.397 Für die einseitige Aufhebung von Kreditverträgen sind zwei Arten von Aufhebungshandlungen von besonderer Bedeutung für diese Arbeit, die ohne Gerichtsweg geltend gemacht werden können398: die einseitige Vertragsaufhebung, die auf Grund der russ. ZGB-Vorschriften oder den Vorschriften anderer Gesetze erfolgen kann, und die Vertragsverweigerung. Weder in der Gesetzgebung noch in der Rechtsprechung wurde bisher eine allgemeine Definition dieser beiden Arten der einseitigen Aufhebung des Vertrages gegeben. In der Lehre wird aber neben den Begriffen der Aufhebung des Vertrages399 auch eine Definition der Vertragsverweigerung vorgeschlagen.400 Darüber hinaus hat man zu erwähnen, dass im russ. ZGB bezüglich der einseitigen Beendigung von Kreditverträgen eine spezielle Terminologie verwendet wird: der Anspruch auf vorzeitige Rückerstattung des Darlehensbetrages (Art. 810 Pkt. 1 Abs. 2; Art. 813; Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB) und die Verweigerung der Kreditgewährung (Art. 821 Pkt. 1 und 2). Diese Fachausdrücke beschreiben nach der deutschen Terminologie ein Recht des Kreditgebers, sich unter bestimmten Umständen entweder fristlos oder unter Einhaltung einer bestimmten Frist vom Kreditvertrag zu lösen. Außerdem gelten die Rechtsfolgen solcher Handlungen des Kreditgebers ex nunc für die Zukunft, so wie im deutschen Recht bei der Kündigung. Daraus lässt sich schließen, dass im russischen Kreditrecht die Vorschriften der einseitigen Ver-

396 Es existiert im russischen Zivilrecht nach deutscher Terminologie auch ein ähnliches Institut wie das Leistungsverweigerungsrecht in § 321 BGB. Es wird in Art. 328 Pkt. 2 russ. ZGB („Erfüllung durch die Gegenleistung“) beschrieben. Als Rechtsfolge dieses Tatbestandes sind die Aussetzung der Erfüllung der Verbindlichkeiten (d.h. Leistungsverweigerung als Unsicherheitseinrede im Sinne des deutschen Zivilrechts) oder die Verweigerung der Erfüllung der Verbindlichkeiten vorgesehen. In der Kommentarliteratur wurde hervorgehoben, dass es sich in dem Fall um das Verweigerungsrecht im Sinne des Art. 450 Pkt. 3 russ. ZGB handelt. – Sadikov/Rozenberg, ZGB, Art. 450, S. 1109, Rn. 4. 397 Siehe dazu die allgemeine Darstellung von Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 192. Als allgemeine Regel gilt den Grundsatz, wonach die Parteien das, was sie bis zu Änderung oder Aufhebung des Vertrages zur Erfüllung der Verbindlichkeit geleistet haben, nicht zurückfordern können. Die von diesem Grundsatz abweichenden Regeln können gemäß Art. 453 Pkt. 4 russ. ZGB entweder durch das Gesetz bestimmt oder von den Parteien vereinbart werden. Eingehend dazu siehe Sadikov/Rozenberg, ZGB, Art. 453, S. 1017 f. 398 Abova/Kabalkin/Mozolin, ZGB, Art. 450, S. 855; Sadikov/Rozenberg, ZGB, Art. 450, S. 1008 (beide nur zum Vertragsverweigerung). 399 Darunter versteht Mozolin das vorzeitige Erlöschen eines nicht erfüllten Vertrages (in vollem Umfang oder zum Teil) nach den Gründen, die in Art. 407–419 russ. ZGB („Erlöschen der Schuldverhältnisse“) vorgesehen sind. – Abova/Kabalkin/Mozolin, ZGB, Art. 450, S. 854. Nach Ansicht von Somenkov versteht man darunter einen Akt, der auf die Beendigung der auf die Zukunft gerichteten Gültigkeit eines in vollem Umfang oder teilweise nicht erfüllten Vertrages und der damit entstehenden Verpflichtungen gerichtet ist. – Somenkov, S. 20. 400 Darunter ist eine einseitige Willenserklärung des Gläubigers zu verstehen, die dem Schuldner in schriftlicher Form bekannt gegeben werden muss. – Somenkov, S. 100. Nach Ansicht von Otnjukova stellt sich die einseitige Vertragsverweigerung als ein einseitiges Rechtgeschäft dar, das die Verpflichtungen ohne Gerichtsweg beendet. – Abova/Kabalkin/Otnjukova, ZGB, Art. 310, Rn. 3.

73

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

tragsauflösung inhaltlich sowohl den Tatbeständen deutscher Kündigungsvorschriften als auch deren Rechtsfolgen ähnlich sind. Zum Zweck der präzisen Darstellung der Besonderheiten der russischen und deutschen Modelle der einseitigen Aufhebung der Kreditverträge wird die originale russische Terminologie in der Arbeit in diesem Kapitel beibehalten.

B.

Ordentliche Beendigung von Kreditverträgen ohne wichtigen Grund

I.

Ordentliches Kündigungsrecht nach deutschem Recht

Wenn der Darlehensvertrag keine Laufzeitfristen enthält oder auf unbestimmte Zeit („bis auf weiteres“) abgeschlossen worden ist, ist jede Vertragspartei zu einer ordentlichen Kündigung berechtigt.401 Die Kündigung, die ohne Grund oder ohne nähere Erläuterung erklärt werden kann, wird als ordentliche Kündigung bezeichnet.402 Sie ist der gesetzliche Regelfall. Das Recht auf eine ordentliche Kündigung des Darlehensvertrages steht gemäß § 488 Abs. 3 BGB gleichermaßen dem Darlehensgeber sowie dem Darlehensnehmer zu.403 In der Bankpraxis werden aber die dispositiven Normen des BGB404 durch die AGB-Regeln (Nr. 18 Abs. 1, Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken und Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen) und durch Vereinbarung der Parteien ersetzt.405 Sie lassen die ordentliche Kündigung innerhalb einer dreimonatigen Frist zu. Zeitweilig kann diese Frist auch verlängert oder verkürzt werden,406 bisweilen auch ganz fehlen.407 Ein langfristiger permanenter Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts des Darlehensnehmers ist nicht möglich (§ 489 Abs. 4 BGB).

1.

Die ordentliche Kündigung des Darlehensgebers und ihre Grenzen

Die Fragen der ordentlichen Kündigung des Darlehensgebers sind in § 488 Abs. 3 BGB bzw. in Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken und Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen geregelt. Im Zusammenhang mit der starken Stellung der Bank auf dem Markt als Darlehensgeber besteht ein Merkmal des deutschen Rechts darin, dass das ordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers unter bestimmten Umständen ausgeschlossen oder begrenzt sein kann. In den darlehensrechtlichen Vorschriften des BGB findet sich keine Lösung dieser Frage. Die Rechtsprechung und die Literatur wenden

401 402 403 404 405 406 407

74

BGH WM 1981, S. 331 f.; Oetker, S. 272 ff.; Larenz/Canaris, S. 18. Schwintowski/Schäffer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 242. Oetker/Mautzsch, S. 219. RGZ 104, S. 86; BT-Drs. 14/6040, S. 253; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 226. Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 19. BGH WM 1978, S. 236; 1983, S. 1038; Wittig/Wittig, WM 2002, S. 147; Ungeheuer, Rn. 16. SBL/Bruchner, Hb BankR, § 79, Rn. 36; DKB/Reietr/Methner, Hb BankR, § 28, Rn. 39.

B. Ordentliche Beendigung von Kreditverträgen ohne wichtigen Grund

die Vorschrift über Treu und Glauben (§ 242 BGB) an.408 Sie haben den Grundsatz entwickelt, wonach eine Bank bei der Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts auf die ihr bekannten, erkennbaren oder die aus der eingegangenen rechtsgeschäftlichen Beziehung folgenden Interessen ihrer Darlehensnehmer genügend Rücksicht zu nehmen hat und das Recht auf ordentliche Kündigung nur bei Bestehen eines „ernstlichen Anlasses“ (d.h. nur bei einem berechtigten Interesse des Darlehensgebers) ausüben darf.409 Insbesondere muss man beachten, dass die Darlehensnehmer aufgrund einer Kreditkündigung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten können. Auf der anderen Seite wird § 242 BGB hinsichtlich der Rücksichtnahme des Darlehensgebers bei der ordentlichen Kündigung so restriktiv ausgelegt, dass der einmal vom Kreditinstitut gewährte Kredit nicht obligatorisch verlängert werden muss.410 In der Rechtsprechung und in der Literatur werden hinsichtlich der Beschränkungen der ordentlichen Kündigung unterschiedliche Fallgruppen definiert. Sie können in der Praxis in verschiedener Weise miteinander kombiniert werden.411

2.

Die ordentliche Kündigung des Darlehensnehmers

Nur bei den zinslosen Darlehen kann der Darlehensnehmer jeder Zeit ohne Kündigungserklärung die Darlehenssumme zurückerstatten (§ 488 Abs. 3 Satz 3 BGB). Wenn aber für den Darlehensvertrag Zinsen vereinbart wurden – was in der Bankpraxis der Regelfall ist – muss der Darlehensnehmer zuerst kündigen, um danach die Darlehenvaluta in vollem Umfang zurückzahlen zu können. Neben der Möglichkeit für den Darlehensnehmer, die Darlehensverhältnisse durch ordentliche Kündigung zu beenden, sieht § 489 Abs. 1, 2 BGB die zusätzliche Möglichkeit vor, einen Darlehensvertrag für eine bestimmte Laufzeit mit einem festen Zinssatz oder mit einem veränderlichen Zinssatz zu kündigen. Die letztgenannten Kündigungsmöglichkeiten sind in verschiedene Gruppen aufgeteilt und haben je nach Fallgruppe unterschiedliche Kündigungsfristen und Zweckbindungen.412

408 OLG Hamburg MDR 1965, S. 294; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 19 m.w.N.; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 239. Diese Regeln haben ihre Bedeutung besonders im bankrechtlichen Bereich. Nur für das Kreditinstitut stellt die Kreditvergabe eine Berufspflicht dar. Außerhalb dieses Bereiches kann niemand verpflichtet werden, ein Kreditverhältnis gegen seinen Willen fortzuführen, weil solch eine Tätigkeit keinen berufspflichtigen Charakter besitzt. – Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 18. 409 BGH WM 1986, S. 605 ff.; OLG Hamburg MDR 1965, S. 294; OLG Düsseldorf WM 1977, S. 546; Voglis, S. 3; Ahnert, BKR 2002, S. 260; abweichend: OLG Hamm NJW-RR 1992, S. 686, 687; OLG Frankfurt WM 1992, S. 1018, 1022. 410 Siehe dazu ausführlich zweiter Abschnitt dieses Teils der Monographie. 411 Voglis, S. 82. Ausführlich zu den Grenzen der Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts siehe MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 239 ff. Nach zutreffender Ansicht im Schrifttum stellen die Kündigungsschranken sich als ein kompliziertes Mosaik dar, worin die Einschränkungen der Privatautonomie umso größer und die Schranken des Kündigungsrechts desto höher sind, je weitreichender die Rechtsfolgen des Verstoßes gegen das Prinzip von Treu und Glauben sind. – Singer, S. 112 f.; Voglis, S. 85. 412 Siehe dazu ausführlich MüKo/Berger, BGB, § 489, Rn. 10 ff.

75

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

II.

Die einseitige Vertragsauflösung des Kreditvertrages ohne wichtigen Grund nach russischem Recht

Die Vorschriften des Allgemeinen Teils des russischen Schuldrechts (Art. 307–453 russ. ZGB) enthalten keine besonderen Bestimmungen über die Beendigung der Verträge, bei denen keine Laufzeit vereinbart worden ist. Vielmehr können die Parteien nach den Bestimmungen des russischen ZGB-Darlehensrechts, wenn sie keine Vereinbarung über die Beendigungsmodalitäten getroffen haben, gemäß den Vorschriften des Art. 810 russ. ZGB („Rückerstattungspflicht des Darlehensnehmers“) den Kreditvertrag ohne Grund oder nähere Erläuterung beenden.413 Vergleichbar dem deutschen Kündigungsrecht stellt auch das russische ZGB für die Beendigung des Darlehensvertrages getrennte Voraussetzungen für den Darlehensgeber und den Darlehensnehmer auf,414 die im Folgenden näher erläutert werden.

1.

Das Recht des Kreditgebers

Falls die Zeit der Rückerstattung des Darlehens durch den Vertrag nicht bestimmt ist oder diese durch den Abruf fällig wird, lässt Art. 810 Pkt. 1 Abs. 2 russ. ZGB zu, dass der Darlehensgeber den Darlehensnehmer zur Rückerstattung auffordert. Der Darlehensnehmer hat die Darlehensvaluta innerhalb von dreißig Tagen nach Abgabe der Kündigungserklärung des Darlehensgebers zurückzuerstatten. Diese Frist im russischen Recht gilt unabhängig sowohl von der Höhe der Darlehensvaluta als auch von dem entgeltlichen Charakter des Darlehensvertrages. Der Ermessenspielraum der Bank bei der einseitigen Vertragsbeendigung im russischen Recht ist im Vergleich zum deutschen Recht weitaus höher. Obwohl die dreißigtägige Frist den Schutz des Darlehensnehmers vor der Kündigung zur Unzeit erhöht und praktisch die einseitige Vertragsbeendigung zur Unzeit ausschließt,415 lässt sich eine gute Stellung des Darlehensnehmers im russischen Kreditrecht nicht generell feststellen. Das ist auf zwei wichtige Faktoren zurückzuführen: Art. 30 BankG nennt die wesentlichen Bedingungen der Verträge der Kreditorganisationen sowohl mit der russischen Zentralbank als auch mit ihren Kunden und dem Büro der Kreditgeschichten (entspricht der deutschen Schufa) und konnte damit vergleichbare Bedeutung mit den AGB-Banken in Deutschland spielen. Diese Vorschrift enthält aber weder eine konkrete Grenze noch Beispiele für die zulässige oder unzulässige Beendigung von Kreditverträgen, obwohl sie die Fest-

413 Die Paragraphen des russ. ZGB über das Kreditrecht enthalten bezüglich der Beendigung der Kreditverträge keine Vorschriften über die jeweilige Rückerstattungszeit. Die Lehre geht davon aus, dass die Vorschriften über die Pflicht des Darlehensnehmers, die Darlehensvaluta nach den Regeln des Art. 810 russ. ZGB rückzuerstatten, auch auf die Kreditverträge anwendbar sind. – Egorov/Sergeev/Rasskasova, ZGB, Art. 810, S. 842. 414 Dabei werden die Begriffe „Verweigerung“ oder „einseitige Aufhebung“ in Art. 810 russ. ZGB nicht verwendet, sondern es wird über die „Rückerstattung des Darlehens“ gesprochen. 415 Die Parteien des Kreditvertrages können diese Frist nach ihrem Belieben erhöhen oder verringern, was aus Art. 810 Pkt. 2 russ. ZGB folgt. Im Ergebnis auch so – Abova/Kabalkin/Zankovskij, ZGB, Art. 810, S. 501.

76

B. Ordentliche Beendigung von Kreditverträgen ohne wichtigen Grund

legung der Bedingungen für die Vertragsbeendigung als notwendige Voraussetzung für die Gültigkeit jedes bankrechtlichen Vertrages (hierzu gehört auch der Kreditvertrag) voraussetzt.416 Art. 30 BankG geht auf den Inhalt der „Beendigungsbedingungen“ nicht ein. Hinzu kommt, dass in der Praxis sowie in der Theorie der Grundsatz von Treu und Glauben erst seine ersten besonderen Konturen anzunehmen beginnt.417 Es fehlt aber im russischen Zivilrecht an einer Doktrin zu den Schranken der einseitigen Beendigung der Verträge.418

2.

Das Recht des Kreditnehmers

Im Unterschied zum deutschen Kreditkündigungsrecht ist das russische Kreditrecht durch eine viel schwächere Stellung des Kreditnehmers bei der Ausübung der einseitigen Vertragsauflösung ohne wichtigen Grund charakterisiert. Wenn auch bei den unverzinslichen Verträgen die Ausgangslage im deutschen und russischen Recht identisch ist – dem Darlehensnehmer steht jederzeit ein Kündigungs- oder Beendigungsrecht zu, so unterscheidet sich die Rechtslage des Darlehensnehmers im russischen und deutschen Recht beim verzinslichen Darlehen erheblich. Das ist in der Bankpraxis eher der Regelfall. Die Ausgangslage besteht darin, dass der Darlehensnehmer nach russischem Recht das verzinsliche Darlehen oder den Kredit nur mit Zustimmung des Darlehensgebers gemäß Art. 810 Pkt. 2 Abs. 2 russ. ZGB zurückerstatten kann. Heute spricht einerseits der Universalcharakter der russischen Banken gegen solch eine Einschränkung des Rechts des Darlehensnehmers, d.h. so wie die deutschen Kreditinstitute können auch die russischen sowohl Kredite gewähren als auch ihr Geld auf dem Wertpapiermarkt investieren.419 Zum anderen führt das Bejahen eines Rechts der Bank, den Antrag des Darlehensnehmers abzulehnen, dazu, dass die Geschäftsbeziehung gegen den Willen einer Partei fortgeführt wird. Das heißt, dass ein einmal gewährter Kredit für den Kunden ein „ewiger“ Kredit sein kann. Diese Analyse dieser Vorschrift des russ. ZGB für die weitere Fortführung der Geschäftsbeziehungen ist daher kritisch zu bewerten. In diesem Fall muss sich der Darlehensnehmer bei der Beendigung des Kreditvertrages auf die Vorschriften über die unzulässige Rechtsausübung (Art. 10 russ. ZGB) berufen können. Es wäre aber in diesem Fall vernünftig, seitens der Bank im Kreditvertrag die Bedingungen für eine einseitige Vertragsauflösung durch den Darlehensnehmer innerhalb einer angemessenen Frist für die weitere Anlage der Darlehensvaluta vorzusehen. Im Vergleich zu § 489 BGB besteht eine weitere Schwäche der Stellung des Darlehensnehmers im russischen Wirtschaftsrecht darin, dass die darlehens- und kre-

416 In der Literatur ist aber umstritten, ob diese Voraussetzung für die Gültigkeit jedes bankrechtlichen Vertrages sein soll. – Naumova, ChiP 2003, Nr. 12, S. 36 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 417 Ein Überblick über den russischen Grundsatz von Treu und Glauben siehe Dritter Teil. Zweiter Abschnitt. B. I. 2. dieser Monographie (m.w.N.). 418 Im Unterabschnitt über die Kündigungsmöglichkeit der Sanierungskredite (Dritter Teil. Erster Abschnitt. D. II.) wird diese Frage näher dargestellt. 419 Eingehend zur Entwicklung des gegenwärtigen russischen Bankrechts Topornin, S. 265 ff.

77

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

ditrechtlichen Vorschriften des russischen ZGB nicht die Möglichkeit des Kreditnehmers regeln, Kreditverträge mit einem relativ hohen oder veränderlichen Zinssatz wegen Veränderung der Marktzinssätze zu beenden.

C.

Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen bei Vorliegen eines wichtigen Grundes

I.

Außerordentliche Kündigung nach deutschem Recht

Bei Eintritt der darlehensspezifischen Risiken nach dem Abschluss des Darlehensvertrages – unabhängig davon, ob die andere Vertragspartei ihre Pflichten erfüllt hat – können die Vertragsparteien fristlos ohne dahingehende Vereinbarung ihre Dauerschuldverhältnisse bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch außerordentliche Kündigung beenden.420 Eine solche Kündigung ist ein Spezialfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. der Lehre von clausula rebus sic stantibus.421 Besonderheiten des Kündigungsrechts sieht § 490 BGB für beide Vertragsparteien unter getrennten Voraussetzungen vor. § 490 BGB enthält aber keine abschließende Regelung des außerordentlichen Kündigungsrechts der Kreditinstitute. Vielmehr befinden sich solche Regeln auch in Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken und Nr. 26 Abs. 2 AGB-Sparkassen. Sie bleiben von § 490 BGB unberührt.422

1.

Außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensgebers

a)

Tatbestand des § 490 Abs. 1 BGB

Was unter einem wichtigen Grund bezüglich der Kündigung des Darlehensgebers zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in § 490 Abs. 1 BGB konkretisiert. Danach kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag unter der Bedingung der Beachtung der Belange des Schuldners423 fristlos kündigen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht oder die Fortsetzung der Geschäftsverbindungen nicht zumutbar ist. Im Folgenden werden diese Tatbestandsmerkmale im Einzelnen dargestellt. aa)

Wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage

Ob die Vermögenslage des Schuldners und ihre Verschlechterung im Darlehenskündigungsrecht einheitlich betrachtet wird und damit ein Tatbestandsmerkmal

420 BGH NJW 1981, S. 1666 f.; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 34; Oetker, S. 264 ff.; Canaris, BankR, Rn. 1246 ff.; EBJ/Thessinga, BankR, Rn. IV 137. A.A. für das Gefälligkeitsakzept Hans. OLG Hamburg WM 1988, S. 863. 421 Über das Verhältnis zwischen der außerordentlichen Kündigung und der Lehre über den Wegfall der Geschäftsgrundlage siehe Oetker, S. 418 ff., a.A. Voglis, S. 7 und 113 f. jeweils m.w.N. 422 BT-Drs. 14/6040, S. 254. Kritisch dazu Freitag, WM 2001, S. 2376 m.w.N. 423 BGH WM 1984, S. 586 m.w.N.; Wittig/Wittig, WM 2002, S. 148; Ungeheuer, Rn. 35 m.w.N.

78

C. Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen

bildet424 oder ob sie aus zwei alternativen Tatbestandsmerkmalen (Verschlechterung der Vermögenslage und Verringerung der Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten) besteht,425 ist fraglich. Der Ausgangspunkt besteht darin, dass die Stellung der Sicherheiten keine eigenständige Pflicht des Darlehensnehmers darstellt.426 Die uneigenständige Rolle des Merkmales „Verringerung der Werthaltigkeit der gestellten Sicherheiten“ ergibt sich auch daraus, dass keine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners i.S.d. § 490 Abs. 1 BGB vorliegt, wenn eine wirtschaftlich wenig werthaltige Sicherheit weggefallen ist.427 Nach der hier vertretenen Ansicht handelt es sich also um einen Tatbestand des Kündigungsrechts, der im Kern eine wesentliche Vermögensverschlechterung voraussetzt. Diese kann sich entweder in einer bedeutenden Vermögensverschlechterung des Darlehensnehmers oder im Verlust der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit zeigen. Deswegen wird die Kündigung als unzulässig angesehen, wenn hinreichende Sicherheiten gestellt worden sind428 oder wenn eine werthaltige Sicherheit durch eine andere Sicherheit ausgewechselt wird.429 Die Vorschriften über das Darlehenskündigungsrecht definieren den Begriff der Vermögensverschlechterung nicht. Die bilanziellen Ergebnisse des Unternehmens spielen eine große, aber keine entscheidende Rolle bei der Betrachtung der Frage der Kreditwürdigkeit des Unternehmens in diesem oder jenem Fall. Als Ausgangspunkt für eine solche Analyse ist vom Stand des Schuldnervermögens auszugehen. Dabei bleibt aber unklar, was darunter im Zusammenhang mit § 490 Abs. 1 BGB zu verstehen ist. Als Ansatz müssen die materiellen Aspekte dienen, d.h. man muss zuerst den Stand des Schuldnervermögens bewerten. Die Schwierigkeit besteht aber darin, dass es im Zivilrecht viele verschiedene Vermögensbegriffe gibt und sich dabei kein einheitlicher Vermögensbegriff herauskristallisiert hat.430 Nach einheitlicher Auffassung der Rechtsprechung und Lehre umfassen die Vermögensverhältnisse im Kreditrecht die gesamte wirtschaftliche und finanzielle Situation des Kreditnehmers.431 Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass in der Wirtschaftswissenschaft unterschiedliche Bewertungssysteme entwickelt wurden, was bei der

424 Mülbert, WM 2002, S. 474; Palandt/Putzo, BGB, § 490, Rn. 7. 425 Freitag, WM 2001, S. 2372; DKB/Baum/Reitner/Metner, Hb BankR, § 28, Rn. 53. 426 Ausführlich dazu siehe Zweiter Teil. C. IV. 1. dieser Arbeit. 427 OLG Frankfurt ZIP 2002, S. 1030 f.; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, § 490 BGB, Rn. 6. 428 BT-Drs. 14/6040, S. 254; OLG München ZIP 1990, S. 1552, 1556; NJW-RR 1996, S. 370; Erman/Saenger, BGB, § 490, Rn. 6; Mülbert, WM 2002, S. 474 m.w.N.; Canaris, ZHR 1979, S. 120; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 6; a.A. RegE (BT-Drs. 14/6867, Anl. 3) S. 64; OLG Gelle ZIP 1982, S. 942, 952; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609 BGB, Rn. 117; Obermüller, ZIP 1980, S. 343; Hadding, S. 199 f.; Wiegelmann, S. 84 f. 429 OLG München NJW-RR 1996, 370; Jauernig/Berger, BGB, § 490, Rn. 5; Bamberger/Roth/ Rohe, BGB, § 490, Rn. 9. Wenn aber innerhalb angemessener Frist die geforderte Nachsicherung durch den Darlehensnehmer unterbleibt, ist der Kreditgeber berechtigt, den Kreditvertrag außerordentlich zu kündigen (Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken; Nr. 26 Abs. 2 lit. b. AGB-Sparkassen). 430 Zur Diskussion darüber siehe Larenz/Wolf, AT, § 21, Rn. 1 ff. 431 BGH WM 1957, S. 949 f.; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 48; MüKo/Berger, BGB, § 490, Rn. 3; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 79, Rn. 48.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Bewertung eines Unternehmens zu verschiedenen Ergebnissen führen kann. Die Bank hat in der Regel relativ begrenzte Möglichkeiten, die Vermögenslage des Unternehmens absolut objektiv und schnell zu prüfen, und deshalb ist eine ausreichende Sicherheit für sie schon genügend, um Kredit zu gewähren. Um eine gewisse Sicherheit in der Bewertung der Vermögenslage zu erreichen, hat der Gesetzgeber die Aspekte der Vermögensverschlechterung auf den ersten Platz der Bewertungskriterien gestellt: Man muss die gesamte Vermögenslage des Darlehensnehmers im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses berücksichtigen432 und als Ausgangspunkt für die weiteren Untersuchungen nehmen. Diese Vermögenslage hat man mit der Vermögenslage im Zeitpunkt der Kündigung zu vergleichen. Nur wenn sie sich weiter verschlechtern wird, kann die Bank den Darlehensvertrag außerordentlich lösen.433 Eine solche Vermögensverschlechterung muss objektiv vorliegen434 und darf nicht auf subjektive Elemente gestützt oder einfach als mechanische Reaktion auf äußere Umstände angenommen werden.435 Zuletzt handelt es sich nicht bei jeder Verschlechterung um eine wesentliche Verschlechterung. Dabei kann man bezüglich des außerordentlichen Kündigungsrechts des Darlehengebers von einem Maßstab der de-minimis Regeln sprechen. Wo liegt die Schwelle der Wesentlichkeit der Vermögensverschlechterung? Dies wurde in den Gesetzesbegründungsmaterialien offen gelassen und lässt sich nach den Maßstäben, die sich in der Rechtsprechung und in der Literatur zum Wesentlichkeitsmerkmal der §§ 321, 610 BGB a.F. und Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken herauskristallisiert haben, bestimmen.436 Danach ist auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien abzustellen.437 Mindestens 10 % der Darlehensvaluta wurden als wesentliche Verschlechterung angesehen.438 Der Sicherheitenumfang wird ebenso als ausreichend angesehen, wenn er die zur Verfügung gestellte Darlehensvaluta, alle Zinsen sowie Provisionen und weitere Kosten der Verwertung deckt.439

432 Ebenso Jauernig/Berger, BGB, § 490, Rn. 3. Wenn der Darlehensgeber die Information über die schlechte Vermögenslage des Schuldners vor dem Vertragsabschluss erst nach dem Vertragsabschluss bekommen hat, findet § 490 Abs. 1 BGB keine Anwendung. – BGH WM 2002, S. 1345 (zu § 609 BGB a.F.). 433 BGH WM 1959, S. 626; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, § 490, Rn. 6. 434 Freitag, WM 2001, S. 2370; Erman/Saenger, BGB, § 490, Rn. 6. 435 Reifner, ZBB 2001, S. 199; DKB/Baum/Reitner/Metner, Hb BankR, § 28, Rn. 54. Um eine absolut objektive Beurteilung der Vermögensverschlechterung vornehmen zu können, muss man eine unabhängige sachverständige Prüfung sowohl bei Abschluss des Darlehensvertrages als auch nach Eintritt oder im Vorfeld des Eintritts der Vermögensverschlechterung durchführen. Das kann für die Bank im Fall der Sanierungskreditgewährung für die Vermeidung der nachträglichen Haftungsrisiken wegen des Vorwurfs der sittenwidrigen Insolvenzverschleppung nützlich sein. Siehe dazu Zweiter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 3. b). dieser Monographie. 436 Ebenso Freitag, WM 2001, S. 2373; DKB/Baum/Reitner/Metner, Hb BankR, § 28, Rn. 54; SBL/Bunte, Hb BankR, § 24, Rn. 33. m.w.N. 437 Claussen, § 8, Rn. 38; DKB/Baum/Reitner/Metner, Hb BankR, § 28, Rn. 54. 438 BGH WM 1988, 195 f.; OLG München ZIP 1990, S. 1552, 1556. 439 Die 110 % Schwelle der gesicherten Forderungen wird als zulässige Deckungsgrenze für die gestellten Sicherheiten angesehen. – BGH WM 1988, S. 227.

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C. Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen

bb)

Gefährdung der Darlehensrückzahlung

Solange der Kunde seiner Rückzahlungspflicht nachkommt, ist die Bank nicht zur Kündigung des Kredits berechtigt.440 Der Darlehensgeber muss nicht auf den tatsächlichen Eintritt der Vermögensverschlechterung warten.441 Nach dem Inkrafttreten des SMG kann für alle Darlehensgeber und nicht nur für die Banken gemäß § 490 Abs. 1 BGB nicht nur die „einfache“, sondern auch die sich sichtbar abzeichnende („drohende“) Gefährdung der Rückführung des Darlehens zu einem Kündigungsrecht führen.442 Der Gesetzgeber strebte auch hier – wie im Insolvenzrecht mit der Einführung des Insolvenzeröffnungsmerkmals „drohende Zahlungsunfähigkeit“ (§ 18 InsO) – an, bevorstehende Situationen frühzeitig erkennen und Interessen besser berücksichtigen zu können. Die Tatsache, dass der Schuldner aufgrund seiner Zahlungsunfähigkeit seine Zahlungen eingestellt hat (§ 17 InsO) oder eine Zahlungseinstellung droht, kann einen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen.443 In vielen Fällen hat aber der Darlehensgeber keine Zeit, um die wirtschaftliche Lage des Unternehmens vollständig zu prüfen. In diesem Fall trifft er die Entscheidungen über die wesentliche Vermögensverschlechterung auf Grund äußerer Merkmale. Die allgemeine wirtschaftliche Krise und die daraus folgende allgemeine wirtschaftliche Konjunkturverschlechterung, Verringerung des Absatzmarktes rechtfertigen nicht für sich allein die außerordentliche Kündigung,444 vielmehr müssen sie sich wesentlich auf die Vermögenslage des Schuldners auswirken.445 In der Rechtsprechung und der Literatur wurde betont, dass eine solche Gefährdung der Rückzahlung immer das Vorliegen objektiv verifizierbarer Kriterien voraussetze.446 Zu solchen „objektiven“ Merkmalen zählen neben den Insolvenzeröffnungsgründen auch solche Umstände, die für die Verschlechterung der Kreditfähigkeit sprechen, wie die Kündigung von Krediten,447 die Verluste eines Unternehmens, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, Wechselproteste448 sowie die Tatsache, dass sich die bisherige Finanzplanung des Darlehensnehmers als unzuverlässig erwiesen hat. 449 cc)

Zeitpunkt der Kündigung

Beim Vorliegen der Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung unterscheidet der Gesetzgeber zwischen der Kündigung vor der Auszahlung der Dar-

440 Staab, S. 30; Wittig/Wittig, WM 2002, S. 148; Freitag, WM 2001, S. 2373. 441 BT-Drs. 14/6040, S. 254; Jauernig/ Berger, BGB, § 490, Rn. 4. 442 BT-Drs. 14/6040, S. 254; Bamberger/Roth/Rohe, BGB, § 490, Rn. 8. Die Formulierung „drohende Vermögensverschlechterung“ wurde aus Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken bzw. Nr. 26 AGB-Sparkassen übernommen. 443 BGH NJW-RR 1990, S. 110; BGH ZIP 2003, S. 1336 m.w.N. 444 Zum Widerrufsrecht: OLG Düsseldorf WM 1978, S. 1300, 1303; BGH WM 1985, S. 1135; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 10; Canaris, BankR, Rn. 1238. 445 Erman/Saenger, BGB, § 490, Rn. 6. 446 BGH WM 1985, S. 604 f.; BGH NJW-RR 1990, S. 110; OLG München WM 1996, S. 1623; SBL/Bunte, Hb BankR, § 24, Rn. 37 m.w.N.; Freitag, WM 2001, S. 2373. 447 Jauernig/Berger, BGB, § 490, Rn. 4. 448 Voglis, S. 131. 449 BGH WM 1960, S. 576; Baumbach/Hopt/Hopt, S. 1547, Rn. G 19.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

lehensvaluta („im Zweifel stets“) und der Kündigung nach der Auszahlung der Darlehensvaluta, die nur „in der Regel“ möglich ist.450 b)

Schranken des Rechts zur außerordentlichen Kündigung

So wie das ordentliche Kündigungsrecht hat das außerordentliche Kündigungsrecht der Kreditinstitute dem Rücksichtnamegebot des § 242 BGB zu genügen,451 das Kündigungsrecht kann also in einzelnen Fällen durch den Grundsatz von Treu und Glauben eingeschränkt werden. Die Hürden sind beim außerordentlichen Kündigungsrecht wesentlich höher, als beim ordentlichen Kündigungsrecht.452

2.

Außerordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers

Der Darlehensnehmer hat gemäß § 490 Abs. 2 BGB und Nr. 18 Abs. 2 AGB-Banken ein fristloses Kündigungsrecht. Dabei kann er Darlehensverträge mit festem Zinssatz sowie die durch Grund- und Schiffspfandrecht gesicherten Darlehensverträge nur kündigen, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. In diesem Fall sind die Fristen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB einzuhalten.453

II.

Die einseitige Vertragsauflösung bei Vorhandensein eines wichtigen Grundes nach russischem Recht

1.

Rechte des Kreditgebers

Das Recht einer Partei, sich bei Vorhandensein eines wichtigen Grundes vom Vertrag zu lösen, hat Niederschlag sowohl im Allgemeinen Teil des russischen Schuldrechts (Art. 451 Pkt. 2 russ. ZGB „wesentliche Veränderung der Umstände“)454 als auch in den zahlreichen Vorschriften des Besonderen Teils des russischen ZGB gefunden. Im Kreditrecht des ZGB liegt das Recht, den Kreditvertrag aus wichtigem Grund zu beenden, sowohl auf der Seite des Kreditgebers (Art. 813, 814 Pkt. 2 sowie Art. 821 Pkt. 1 und 3 russ. ZGB), als auch auf der des Kreditnehmers (Art. 821 Pkt. 2 russ. ZGB).

450 Dieser Unterschied dürfte gering sein. – Coester-Waltjen, Jura 2002, S. 677; a.A. Wittig/Wittig, WM 2001, S. 148. Nach § 609 BGB a.F. war umstritten, ob der Kreditgeber den Darlehensvertrag vor der Auszahlung der Darlehensvaluta aus wichtigem Grund außerordentlich kündigen kann. Dafür: Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 34 f. Dagegen: OLG Frankfurt MDR 1952, S. 745; BGH WM 1995, S. 1277; Oetker, S. 360 m.w.N. 451 BGH WM 1988, S. 1490; 1969, S. 721, 723; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 92. 452 Voglis, S. 118. Eingehend zu den Schranken der Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts siehe Voglis, S. 118 ff. 453 Ausführlich zum außerordentlichen Kündigungsrecht des Darlehensnehmers siehe MüKo/ Berger, BGB, § 490, Rn. 24 ff. 454 Auf die Voraussetzungen des Art. 451 Pkt. 2 russ. ZGB soll aber im Rahmen dieser Arbeit nicht genauer eingegangen werden, weil solche Verträge in der Praxis auf dem Gerichtsweg aufgelöst werden.

82

C. Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen

a)

Die einseitige Auflösung des Kreditvertrages

Bezüglich der einseitigen Vertragsauflösung des Kreditverhältnisses aus wichtigem Grund hat der Gesetzgeber zwei Tatbestände für den Darlehensgeber entwickelt: Art. 813 russ. ZGB und Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB. Während der Inhalt der ersten Vorschrift im Folgenden näher dargestellt wird, werden die konkreten Bestimmungen der zweiten Vorschrift, welche Besonderheiten für die Beendigung von zweckgebundenen Verträgen vorsieht, ausführlich bei der Betrachtung der Besonderheiten der Beendigung von Sanierungskreditverträgen erläutert.455 Art. 813 russ. ZGB eröffnet dem Darlehensgeber eine Möglichkeit, im Fall der Verschlechterung der Werthaltigkeit gestellter Sicherheiten den Darlehensvertrag vorzeitig rückabzuwickeln. Was unter den Sicherheiten im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist, bleibt offen. In der Literatur wurde zu Recht hervorgehoben, dass das Element des „Sicherheitenstellens“ dieses Tatbestandes im weiteren Sinne verstanden werden muss. Darunter fallen nicht nur die Fälle, in denen der Darlehens- oder Kreditnehmer Sicherheiten stellt, sondern auch die, in denen ein Dritter das tut.456 Diese dispositive Vorschrift hat im Vergleich zu § 490 Abs. 1 BGB einige Besonderheiten. Zuerst ist die drohende Verschlechterung der Sicherheiten kein ausreichender Grund für die Kündigung des Darlehensvertrages. Außerdem wird der Grad der Nichterfüllung der in Art. 813 russ. ZGB genannten Pflichten in dieser Vorschrift nicht benannt. Die Vorschrift muss eng ausgelegt werden und darf nur bei der tatsächlichen Verletzung von wesentlichen Pflichten angewendet werden. Andernfalls könnte man von Rechtsmissbrauch seitens des Kreditgebers sprechen, was gegen Art. 10 Pkt. 1 Satz 1 russ. ZGB verstoßen würde. b)

Das Recht des Kreditgebers, die Erfüllung des Kreditvertrages zu verweigern

Das Recht des Kreditgebers, die Erfüllung des Kreditvertrages zu verweigern, ist in Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB geregelt.457 Da höchstrichterliche Rechtsprechung und die allgemeine Darstellung zu den Voraussetzungen der Kreditverweigerung durch den Kreditgeber in Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB fehlen, ist eine genaue Betrachtung des Tatbestandes erforderlich, die im Folgenden vorgenommen werden soll. Was unter der ersten Voraussetzung des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB – Vorhandensein der Anzeichen – zu verstehen ist, wird nicht näher erklärt. Dieses Merkmal kann den Indizien des deutschen Kündigungsrechts gegenübergestellt werden. Ihren genauen Inhalt im russischen Kreditrecht betrachtet man in engem Zusammenhang mit dem zweiten Element des Tatbestandes: nicht jedes Anzeichen der Gefährdung rechtzeitiger, sondern nur „offensichtliche“ Anzeichen sollen berücksichtigt werden. Was darunter zu verstehen ist, bleibt ebenso offen. In den seinerzeit veröffent-

455 Siehe dazu dritter Teil erster Abschnitt D. II. dieser Monographie. 456 Sadikov/Pavlodskij, ZGB, Art. 813, Rn. 1. Dabei stellt auch die Insolvenz Dritter, wenn sie die Sicherheiten gestellt haben, einen ausreichenden Umstand für die einseitige Vertragsauflösung nach Art. 813 russ. ZGB dar. – Sadikov/Pavlodskij, ZGB, Art. 813, Rn. 1. 457 Danach kann der Kreditgeber die Überlassung der vereinbarten Kreditsumme an den Darlehensnehmer gänzlich oder zum Teil verweigern, wenn es offensichtliche Anzeichen dafür gibt, dass er den Betrag vom Darlehensnehmer nicht rechtzeitig zurückerhalten wird.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

lichten Entwürfen des Zweiten Teils des russ. ZGB458 nannte Art. 796 Pkt. 1 als solchen Umstand die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Darlehensnehmer. Die Lehre geht davon aus, dass zu solchen Umständen die wirtschaftlichen und rechtlichen Faktoren gehören, die an der Kreditwürdigkeit des Schuldners zweifeln lassen (z.B. Insolvenz des Schuldners,459 Heranziehung des Schuldners zur Haftung,460 Entscheidung der Gründer einer juristischen Person – des Darlehensnehmers – über ihre Umwandlung, Verringerung des Stammkapitals des Darlehensnehmers,461 Anordnung des Zwangsvollstreckungsverfahrens462 und der Verringerung des Satzungskapitals des Schuldners, Erhebung einer Klage gegen den Schuldner auf eine große Geldsumme463). Über die Beachtlichkeit dieser oder jener oben genannten Umstände kann man streiten. Eine komplette Untersuchung würde aber weit über die Grenzen dieser Arbeit hinausgehen. Deswegen werden in der Arbeit nur die für die Kündigung der Sanierungskredite relevanten Umstände problematisiert.464 Die Bank trägt die Beweislast für das Vorhandensein solcher Umstände.465 Die dritte Voraussetzung besteht darin, dass diese offensichtlichen Anzeichen die rechtzeitige Rückerstattung des Betrages gefährden müssen. Dieses Element des Tatbestandes könnte ebenso wie die zwei oben dargestellten Elemente weit ausgelegt werden. Fraglich ist, ob es sich um wesentliche Beträge oder Anteile der zur Verfügung gestellten Darlehensvaluta handeln muss oder ob jede Höhe des Betrages ausreicht, um den Kreditvertrag zu beenden. Diese weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur diskutierte Frage ist mit Hilfe des Art. 10 russ. ZGB zu beantworten. Die Kündigung des Vertrages wegen Gefährdung der Rückerstattung eines verhältnismäßig kleinen Anteils des Darlehensbetrages würde einen Rechtsmissbrauch seitens des Kreditgebers darstellen. Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB gibt keinen Anlass zu einer anderen Auslegung dieser Vorschriften als der wörtlichen. Deswegen muss eine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners vorliegen. Dagegen lässt sich nicht von einer drohenden Verschlechterung im Sinne des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB sprechen, weil das Merkmal „offensichtlich“ gegen diese breite Auslegung spricht und erst bereits eingetretene Umstände erfasst. Die offensichtlichen Anzeichen sollen lediglich die Rückerstattung der Kreditvaluta, nicht aber der Zinsen gefährden.466 Das folgt aus der Auslegung des Wortlautes „[...] offensichtliche Anzeichen gibt, dass der zur Verfügung gestellte Betrag [...] nicht rechtzeitig zurückerstattet werden wird“. Der Gesetzestext spricht lediglich über den Betrag, nicht aber über die Zinsen oder anderen Vergütungen. Dabei 458 Rossijskaja gazeta vom 25.8.1995. 459 Abova/Kabalkin/Simonjuk, Art. 821 ZGB, S. 515, Rn. 1; Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 504 f.; Karimullin, S. 37. 460 Abova/Kabalkin/Simonjuk, Art. 821 ZGB, S. 515, Rn. 1; Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 504 f. 461 Karimullin, S. 37. 462 Sgibneva, S. 218 f.; Karimullin, S. 38. 463 So Kalpin/Grisˇ ev, Zivilrecht, S. 290. 464 Ausführlich dazu siehe z.B. Vierter Teil, zweiter Abschnitt B. II. 2. und Vierter Teil, Dritter Abschnitt. B. I. 2. a). dieser Monographie. 465 Mozolin/Efimova, Zivilrecht, S. 466. 466 So auch Karimullin, S. 39 f.

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C. Außerordentliche Beendigung von Kreditverträgen

wird nach dem Abschluss des Kreditvertrages erst die Darlehensvaluta zur Verfügung gestellt, und die Zinsen sind ein Entgelt für die Möglichkeit, diese Valuta zu benutzen. Deswegen fällt die Gefährdung der Zinszahlung nicht in den Anwendungsbereich des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB. Eine wichtige praxisrelevante Besonderheit des russischen Rechts bei der fristlosen Beendigung des Kreditvertrages besteht darin, dass der Kreditgeber das Recht auf eine einseitige Aufhebung des Kreditvertrages aus wichtigem Grund nach Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB nur vor der Auszahlung der Darlehensvaluta hat.467 Bei der Betrachtung der Rechtsfolgen des Verweigerungsrechts nach Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB hat man Art. 450 Pkt. 3 russ. ZGB anzuwenden. Der Vertrag gilt erst mit dem Zeitpunkt der Verweigerungserklärung als aufgelöst, das heißt mit ex nunc Wirkung. Weder Gesetzgebung noch Rechtsprechung betrachten die Frage über das Verhältnis zwischen Art. 821 Abs. 1 und Art. 813 russ. ZGB in dem Fall, dass die Vermögenslage des Schuldners sich verschlechtert, aber ausreichende Sicherheiten vorhanden sind. Für die getrennte Anwendung dieser Vorschriften spricht die wörtliche Auslegung, da keine Beschränkungen ihrer Anwendung vorgesehen sind. Man hat aber davon auszugehen, dass in Bezug auf die normale Kreditgewährung ihre Sicherung in der Bankpraxis der Regelfall ist. Die Bank als kommerzielle Organisation und als Kreditgeber verfolgt mit der Kreditgewährung eine Gewinnerzielungsabsicht. Sie stellt die stärkere Partei im Kreditvertrag dar. Die Ausübung des Kündigungsrechts bei ausreichenden Sicherheiten in der Krise, vor dem Hintergrund der Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners, ist für die Bank mit keinen Verlusten verbunden. Nach der Verwertung der Sicherheiten erhält sie ihr Geld zurück. Deswegen stellt sich eine Kündigung der Bank im analysierten Fall als Rechtsmissbrauch dar und ist damit gemäß Art. 10 Pkt. 1 russ. ZGB unzulässig. Die Lösung im russischen Recht entspricht damit der Lösung im deutschen Recht. Die Darstellung des russischen Rechts zur einseitigen Beendigung der Kreditverträge aus wichtigem Grund hat gezeigt, dass Art. 813 und Art. 821 Abs. 1 russ. ZGB nach ihren Voraussetzungen den Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen des § 490 Abs. 1 BGB nahe kommen. c)

Zulässigkeit der Aufhebung des Kreditvertrages nach Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB

Die Frage, ob der Kreditgeber, nach der vollständigen Valutierung den Kreditvertrag beenden kann, ist als eigenständige Norm in der russischen Gesetzgebung direkt nicht geregelt. Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB – als Vorschrift des Allgemeinen Teils des russischen Schuldrechts – gibt einer Partei das Recht, wegen einer wesentlichen Verletzung des Vertrages seitens der anderen Partei den Vertrag aufzuheben. Die Norm stellt keine zeitlichen Grenzen für diese Verletzung auf. Es ist vielmehr irrelevant, ob die wesentliche Verletzung vor der Erfüllung der Leistung einer Partei oder erst danach entstanden ist. Die Voraussetzung soll nur darin bestehen, dass ein Vertrag wesentlich verletzt ist.

467

Vitrjanskij, S. 256.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

In Bezug auf die Aufhebung der Kreditvertrages mangelt es an Rechtsprechung zur Frage, ob der Kreditgeber bei wesentlicher Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners nach der vollständigen Auszahlung der Darlehensvaluta den Kreditvertrag nach Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB einseitig aufheben darf.468 Die Legaldefinition der wesentlichen Verletzung des Vertrages in Art. 450 Pkt. 2 Abs. 2 russ. ZGB469 lässt eine positive Antwort auf diese Frage zu. Die Aufhebung des Vertrages kann aber nur über den Gerichtsweg erfolgen,470 was bei der Kündigung des Darlehensgebers aus wichtigem Grund nach § 490 BGB nicht den Fall ist.

2.

Rechte des Kreditnehmers

Dem Kreditnehmer steht zur einseitigen Auflösung des Kreditvertrages aus wichtigem Grund das Verweigerungsrecht nach Art. 821 Pkt. 2 russ. ZGB zu.471 Dieses Recht hat er nur vor der Annahme der Darlehensvaluta, nicht aber danach. In der Literatur ist dieser Themenkomplex wenig erforscht. Jedenfalls wurde aber betont, dass die Beweggründe des Darlehensnehmers für seine Verweigerung keine Rolle spielen und er das Verweigerungsrecht etwa auch dann ausüben kann, wenn er für den Kredit kein Bedürfnis hat.472

D.

Spezifische Fragen der Beendigung von Sanierungskreditverträgen

I.

Rechtslage nach deutschem Recht

Die Kündigung der Sanierungskredite kann die weitere Existenz des Not leidenden Unternehmens wesentlich erschweren oder sogar zum Scheitern bringen. Unter welchen Voraussetzungen ist eine solche Kündigung zulässig? Die Antwort auf diese Frage gehört zu den wichtigsten Problemkreisen der Sanierungskreditfinanzierung. Sie ist sowohl für die Bank als auch für den Schuldner relevant und hängt sowohl davon ab, ob es sich um einen befristeten oder unbefristeten Kredit handelt, als auch davon, ob es um eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung geht.

468 In der Rechtsprechung wird Nichtzuverfügungstellen des Kredits als Grund für die Aufhebung des Vertrages auf Grund seiner wesentlichen Verletzung durch den Kreditgeber angesehen. – Entscheidung der Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 5.4.2002, § 5689/01 (zitiert nach Sarbasˇ , Gerichtspraxis, S. 710). 469 Danach gilt als wesentlich eine Verletzung des Vertrages durch eine der Parteien, wenn sie für die andere Partei einen derartigen Schaden zur Folge hat, dass sie in erheblichem Umfang das verliert, womit sie bei Vertragsabschluß rechnen konnte. 470 Abova/Kabalkin/Mozolin, Art. 450, S. 854, Rn. 3; Sadokov/Rozenberg, Art. 450, S. 1007. 471 Nach dieser Vorschrift kann der Darlehensnehmer die Annahme des Kredits gänzlich oder zum Teil verweigern, indem er dies dem Kreditgeber vor dem vertraglich für die Überlassung vereinbarten Termin mitteilt, wenn durch das russ. ZGB, andere Rechtsvorschriften oder den Kreditvertrag nichts anders geregelt ist. 472 Sergeev/Tolstoj/Medvedev, Zivilrecht, Bd. II, S. 505; Abova/Kabalkin/Solovjanenko, ZGB, Art. 821, Rn. 1.

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D. Spezifische Fragen der Beendigung von Sanierungskreditverträgen

Der Ausgangspunkt besteht darin, dass ein Sanierungskredit sowohl in Form eines befristeten als auch unbefristeten Kredits gewährt werden kann. Während die befristeten (Sanierungs-)Kredite zum vereinbarten Zeitpunkt rückerstattet sein sollen und dabei keine (ordentliche) Kündigung oder Aufforderung durch das Kreditinstitut benötigen,473 können die Parteien in Bezug auf unbefristete Sanierungskredite miteinander eine ordentliche Kündigung hypothetisch ausschließen.474 Das wird aber in der Praxis selten getan. Beim Abschluss des Sanierungskreditvertrages wird vorausgesetzt, dass die Sanierung mit einem erheblichen Ausfallrisiko verbunden ist. Der Kreditgeber hat schon die Sanierungsaussichten des Schuldners geprüft und seine Sanierungsfähigkeit festgestellt, sonst wäre die Gewährung des Sanierungskredits ohne ernstliche Erfolgsaussichten mit erheblichen haftungsrechtlichen Risiken verbunden.475 Im Zusammenhang damit, dass Sanierungskredite nicht einfache Kredite sind und eine Art der zweckgebundenen Kredite darstellen, die ausschließlich auf den Zweck der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit ausgerichtet sind, liegt bei ihrer Kündigung die entscheidende Frage darin, ob die Sanierungsmassnahmen ordnungsgemäß verlaufen. Der Sanierungszweck verdrängt die ordentliche Kündigung. Sie ist beim Sanierungskredit nicht zulässig, solange die Sanierung erwartungsgemäß verläuft und der wirtschaftliche Zustand des Unternehmens sich nicht wesentlich verschlechtert.476 Damit ist die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts beim Sanierungskredit praktisch ausgeschlossen.477 Die Sanierungsabrede wird als eine von der ordentlichen Kündbarkeit „abweichende Kündigungsregelung“ im Sinne der Nr. 19 Abs. 2 Satz 1 AGB-Banken verstanden.478 Dagegen gibt es für die Bank die Möglichkeit, den Sanierungskredit im Wege der außerordentlichen Kündigung auf Grund einer Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB bzw. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken aufzulösen. Dabei werden nicht jede Vermögensverschlechterung und nicht jede Gefährdung der Rückzahlung einen wichtigen Grund

473 Kiethe, KTS 2005, S. 193; Obermüller, Rn. 5.52; Ebbing, KTS 1996, S. 354 f. 474 BGH ZIP 2004, S. 1589 = EWiR 2004, S. 1165 f. (Nielsen); SBL/Bruchner, Hb BankR, § 79, Rn. 36. 475 Ausführlich zu den haftungsrechtlichen Folgen der Gewährung des Sanierungskredits siehe Dritter Teil, dritter Abschnitt A. II. 4. dieser Monographie. 476 RG Bank Archiv 1937/38, S. 311, 312; BGH WM 1956, S. 217; OLG Hamm, WM 1991, S. 402; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 208 ff. und § 609 BGB, Rn. 74; SBL/Bruchner, Hb BankR, § 79, Rn. 36; Häuser, S. 94; Claussen, § 8, Rn. 46b; Feddersen, S. 602. A.A. OLG Hamm WM 1991, S. 1116, 1118, wonach die Bank berechtigt sei, jederzeit den Kredit zu kündigen, weil die Vereinbarung keine zeitliche Bindung enthalte und die Kündigung nicht (ausdrücklich) ausgeschlossen sei. 477 RG Bank Archiv 1937/38, S. 311; BGH WM 1959, S. 629; 1957, S. 951; BGH ZIP 2004, S. 1589, 1592; 2004, S. 2134; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 210; Claussen, § 8, Rn. 46b; Feddersen, S. 605; Theewen, BKR 2003, S. 147; Kiethe, KTS 2005, S. 193. A.A. DKB/Hoffmann, Hb BankR, § 14, Rn. 40; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 62, wonach nicht nur die ordentliche Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB, sondern auch die außerordentliche Kündigung vor der Auszahlung nach § 490 Abs. 1 BGB bzw. der Widerruf nach § 610 BGB a.F. ohne ausdrückliche Bestimmung ausgeschlossen sind. 478 MüKo/Westermann, BGB 3. Aufl., § 610, Rn. 9; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB 12. Aufl., § 609, Rn. 83.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

im Sinne dieser Vorschrift darstellen, sondern nur wesentliche. Deshalb ist bei kurzfristigem Misserfolg der Sanierung ein Kündigungsanlass nicht gegeben.479 Das Scheitern der Sanierung bedeutet für den Kreditgeber, der einen unbesicherten Sanierungskredit zur Verfügung gestellt hat, dass sich die Vermögenslage des Schuldners wesentlich verschlechtert hat bzw. zu verschlechtern droht. Der BGH hat in seinem Urteil vom 14. September 2004 betont, wenn „in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers seit dem Zeitpunkt, in dem das Kreditinstitut seine Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt“, ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung vorliegen könne.480 Damit hat der BGH den engen Zusammenhang des Sanierungszwecks und der Verschlechterung der Vermögensverhältnisse betont.481 Die Nichterreichung des Sanierungszwecks und wesentliche Vermögensverschlechterung des Schuldners sind stark mit einander verbunden.482 Die nicht aussichtsreiche Sanierung stellt sich nach deutschem Recht allein als eine wesentliche Vermögensverschlechterung dar und ist ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung des Sanierungskreditvertrages.483 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz des BGH kann bei der Betrachtung der Kündigungsmöglichkeit ausreichend besicherter Sanierungskreditverträge auftreten. Wenn sich in diesem Fall, trotz ausreichender Besicherung des Sanierungskredits,484 die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers wesentlich verschlechtern und der Sanierungsplan nicht mehr aussichtsreich erscheint, darf der Kreditgeber den Sanierungskreditvertrag nicht kündigen.485 479 BGH ZIP 1981, S. 146; OLG Köln WM 1985, S. 1132 f.; Obermüller, ZIP 1980, S. 340 ff.; Canaris, ZHR 1979, S. 124 ff., 133 ff.; Claussen, § 8, Rn. 44; Kiethe, KTS 2005, S. 196; Ebbing, KTS 1996, S. 356; Theewen, BKR 2003, S. 147; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 76; Obermüller, Rn. 5.82. 480 BGH WM 2004, S. 2202 unter Verweis auf BGH WM 1956, S. 217, 220; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 72 f.; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB 12. Aufl., § 607, Rn. 210. 481 Ob allein ein Scheitern der Sanierung, ohne Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers, einen Grund für fristlose Kündigung darstellen wird, was im Insolvenz(eröffnungs-)verfahren möglich ist, hat der BGH nicht erwähnt. 482 Neben den veränderten Umständen kann die außerordentliche Kündigung des Sanierungskredits mit einer zur Zeit des Abschlusses des Darlehensvertrages falschen Einschätzungen der Bank verbunden sein. Demnach komme die außerordentliche Kündigung eines Sanierungskredits nur in Frage, wenn der Kreditgeber erst nachträglich von den schlechten Vermögensverhältnissen des Kreditgebers erfährt (Kiethe, KTS 2005, S. 196; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 210), was aber bei der Vergabe von Sanierungskrediten eher seltener der Fall sein dürfte. Auch im Falle einer zusätzlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers aufgrund neuer Umstände nach Auszahlung des Sanierungskredits sowie bei einseitigem Abweichen des Kreditnehmers von der im Sanierungsvertrag gebilligten Krisenbewältigungsstrategie verfehlt. – Kiethe, KTS 2005, S. 196. 483 RG BankArch 1937/38, S. 311, 312; Hauser, S. 94 f.; Möllers, S. 19; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 609, Rn. 120; Voglis, S. 131. 484 Erst bei der Einbeziehung der gewissen Relevanz der Verschlechterung kann die Bank die Stellung der zusätzlichen Sicherheiten vom Schuldner nachfordern. – BGH ZIP 1981, S. 144; Grunewald, ZIP 1981, S. 586 f.; BGH EWiR 2004, § 607 BGB, a.F. 1/05, 18 (Eisner). 485 Claussen, § 8, Rn. 46b; Canaris, BankR, Rn. 1247; SBL/Häuser; Hb BankR, § 85, Rn. 70. A.A. OLG Celle, ZIP 1982, S. 942; BGH WM 1985, S. 1128, 1136 = WuB I A. Nr. 17 AGB-Banken 2.85 Obermüller; Voglis, S. 10, 91; Möllers, S. 16; SBL/Häuser, Hb BankR, 1. Aufl., § 85, Rn. 70; Staudinger/ Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 607, Rn. 210, § 609, Rn. 117, wonach die Bank die Kündigung sogar dann aussprechen darf, wenn das Unternehmen ausreichende Sicherheiten unter Berücksichti-

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D. Spezifische Fragen der Beendigung von Sanierungskreditverträgen

Auf Sanierungskredite findet die Beschränkung der Ausübung des Kündigungsrechts, ausgehend von der Breite dieser Problematik bei Kreditverträgen in allgemeinen, nur in drei Fällen Anwendung. Es handelt sich dabei um das Verbot der Kündigung zur Unzeit und der Kündigung, die dem Grundsatz des „venire contra factum proprium“ widerspricht, sowie um die Kündigung, die gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Eine Kündigung zur Unzeit in Bezug auf Sanierungskredite wird dann angenommen, wenn der Kreditnehmer ein Sanierungskonzept verfolgt, um seine ungünstige finanzielle Situation zu beheben, und dieses Konzept durch die Kündigung vereitelt würde.486 Die Rechtsfolge der zur Unzeit ausgesprochenen Kündigung des Sanierungskredits ist nicht ihre Unwirksamkeit, vielmehr werden die Kreditverhältnisse beendet.487 Der Kreditgeber soll aber den in diesem Zusammenhang eingetretenen Schaden ersetzen.488 Im zweiten Fall (Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium)489 wird davon ausgegangen, dass die Bank, die in der Krise eine gesteigerte Treuepflicht gegenüber ihrem Kreditnehmer hat,490 die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens kennt und diese im Sanierungsverfahren mitgeteilt hat. Die Kündigung des Sanierungskredits kann zur Insolvenz des Unternehmens führen und wird damit gegen den Grundsatz venire contra factum proprium verstoßen.491 Außerdem liege ein unzulässiges widersprüchliches Verhalten bei der Kündigung der Sanierungskredite vor, wenn eine sehr starke Abhängigkeit des Kreditnehmers vom Kreditgeber besteht. Das ist vor allem der Fall, wenn der Kreditnehmer einen wesentlichen Teil seines Vermögens als Sicherheiten an den Kreditgeber übertragen hat.492 Bei Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch die Kündigung des Sanierungskredits493 besteht der Ausgangspunkt darin, dass die Bank bei der Küngung seiner Zerschlagungswerte gestellt hat oder weitere Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden. 486 OLG Hamm WM 1991, S. 402, 403; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1989, S. 1519; Kiethe, KTS 2005, S. 198; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 54; DKB/Hofmann, Hb BankR, § 15, Rn. 41; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 241. Wenn aber die Sanierung aussichtslos erscheint, ist der Kreditgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt und es liegt keine Kündigung zu Unzeit vor. – SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 54; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 111; § 488, Rn. 241. 487 BGH WM 1978, S. 234, 236; OLG Köln, WM 1985, S. 1128; Kiethe, KTS 2005, S. 196; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 55; Rümker, KTS 1981, S. 495. 488 Kiethe, KTS 2005, S. 196; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 241; Rümker, KTS 1981, S. 495. 489 OLG Hamm, 1991, S. 403; Voglis, S. 95 f.; Kiethe, KTS 2005, S. 203; Canaris, ZHR 1979, S. 124 ff., 133 ff., 138. 490 Näher dazu siehe Canaris, ZHR 1979, S. 116 f. und Kiethe, KTS 2005, S. 203. 491 Voglis, S. 96; Kiethe, KTS 2005, S. 203. Der Gesetzgeber des SMG (Dt-Drs. 14/6040, S. 253) ist auch davon ausgegangen, dass die Kündigung ausgeschlossen sein kann, wenn die Rückerstattung des Darlehens zur Insolvenz des Darlehensnehmers führt, während die ratenweise Rückzahlung nicht dazu führen würde und sogar möglich wäre. Kritisch Mülbert, WM 2002, S. 474. 492 Canaris, ZHR 1979, S. 124 ff.; Kiethe, KTS 2005, S. 203. 493 BGHZ 102, S. 68; BGH WM 1977, S. 234, 235; OLG Hamm, WM 1991, S. 402, 403; Kiethe, KTS 2005, S. 203; DKB/Hoffmann, Hb BankR, § 15, Rn. 41; Canaris, ZHR 1979, S. 116 f.; 124 ff.; Schwintowski/Schäfer/Schwintowski, Hb BankR, § 14, Rn. 259. Zu den verschiedenen Aspekten des rechtsmißbräuchlichen Verhaltens eines Kreditinstituts bei der Kündigung eines Sanierungskredits siehe Kiethe, KTS 2005, S. 196 m.w.N.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

digung nicht nur ihre eigenen Interessen berücksichtigen soll, sondern vielmehr unter den Umständen des Einzelfalls auch die Interessen der anderen Vertragspartei berücksichtigen und sich fragen muss, ob die Fortsetzung des Kreditvertrags zumutbar ist.494 Eine rechtsmissbräuchliche Kündigung wird dann angenommen, wenn ihr Vorteil für den Kreditgeber in einem groben Missverhältnis zu den Nachteilen stehe, die dem Kreditnehmer aus der Beendigung des Kreditverhältnisses drohen.495 Die Bank kann mit der Zusage des Sanierungskredits zu Recht die Durchführung bestimmter Maßnahmen fordern.496 Wenn aber Maßnahmen wie die Stellung zusätzlicher Sicherheiten von der Bank gefordert werden, deren Erfüllung zur Existenzvernichtung des Unternehmens führen kann, darf die Bank diese Maßnahmen von Not leidenden Unternehmen nicht verlangen.497 Rechtsfolge einer rechtsmißbräuchlichen Kündigung ist ihre Unwirksamkeit.498 Liegen die notwendigen Voraussetzungen für die Kündigung des Sanierungskredits vor, ist es unerheblich, ob die Bank an einer außergerichtlichen Sanierung beteiligt ist oder nicht. Wenn die Bank an dem Verfahren der außergerichtlichen Sanierung nicht teilnimmt, aber einen Sanierungskreditvertrag geschlossen hat, kann sie sich von ihrem Vertrag lösen. Ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich entfaltet eine Bindungswirkung nur für diejenigen Gläubiger, die ihn geschlossen haben. Die anderen Gläubiger können dagegen nicht gezwungen werden, dem außergerichtlichen Vergleich beizutreten und sind nicht gehindert, ihre Ansprüche gegen den Schuldner uneingeschränkt durchzusetzen, sogar wenn die überwiegende Mehrheit der Gläubiger den Vergleich befürwortet.499 Diese Gläubiger, die als sog. „Akkordstörer“ bezeichnet werden,500 handeln nicht sittenwidrig, wenn sie ihre Ansprüche gegen das Schuldnerunternehmen in vollem Umfang geltend machen und u.a. die Kreditverträge kündigen.501

494 BGH WM 1978, S. 234, 236; Kiethe, KTS 2005, S. 202; Rümcker, KTS 1981, S. 496. Die Frage der Zulässigkeit der Fortsetzung des Kreditvertrages hat eine besondere Bedeutung und wird im Abschnitt II. dieser Teil der vorliegenden Arbeit ausführlicher dargestellt. 495 BGH WM 1978, S. 234, 236; 1981, S. 150, 151; OLG Hamm WM 1985, S. 1411; OLG Köln WM 1985, S. 1128, 1132; Kiethe, KTS 2005, S. 200; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 56; MüKo/Berger, BGB, § 488, Rn. 239. 496 Als Beispiel kann man die Beteiligung der Gesellschafter des Unternehmens an Sanierungsverfahren nennen. – OLG Frankfurt BB 1986, S. 626; OLG Düsseldorf WM 1989, S. 1842; Voglis, S. 100; Canaris, ZHR 1979, S. 134 f. 497 Voglis, S. 100 f. 498 SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 56; Kiethe, KTS 2005, S. 193. 499 BGH NJW 1992, S. 967. 500 Ausführlich dazu siehe Ebenroth/Grashoff, BB 1992, S. 865 ff. 501 BGH WM 1992, S. 333 = WuB IV A. § 779 BGB 1.92 Uhlenbruck; Staudinger/Marburger, BGB, Neubearbeitung 2002, § 779, Rn. 61; MüKo/Habersack, BGB, § 779, Rn. 29; a.A. Voglis, S. 101; Eidenmüller, ZHR 1996, S. 343 ff. Voglis (S. 101) geht weiter und behauptet, dass der kurzfristige Ausschluss des Kündigungsrechts der Bank im Vergleich zu anderen üblichen Sanierungsmaßnahmen ein „milderes“ Mittel darstellt. Diese Ansicht steht im Widerspruch zur ständigen BGHRechtsprechung (BGH WM 1985, S. 1493 = WuB I A. Nr. 17 AGB-Banken 1.86 Obermüller; BGH NJW-RR 1990, S. 110, 111).

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D. Spezifische Fragen der Beendigung von Sanierungskreditverträgen

II.

Rechtslage nach russischem Recht

Im Unterschied zum deutschen Recht enthält das russische ZGB einige Bestimmungen über die Kündigung der zweckgebundenen Darlehen, zu denen u.a. auch die Sanierungskredite gehören. Es handelt sich um die Regel des Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB, welcher die Besonderheiten der Beendigung aller zweckgebundenen Darlehen behandelt. Außerdem sieht Art. 821 Pkt. 3 russ. ZGB bei Vorliegen der gleichen Tatbestandsmerkmale die Möglichkeit der Verweigerung der Erfüllung des Kreditvertrages vor. Diese Rechte des Kreditgebers gelten vor dem Hintergrund der in Art. 814 Pkt. 1 russ. ZGB festgestellten beiden Pflichten des Darlehensnehmers, die im deutschen Recht in der Regel bei den zweckgebundenen Darlehensverträgen im Vertragstext vorhanden sind: Zum einen hat der Darlehensnehmer die erhaltenen Mittel für einen bestimmten Zweck verwenden. Die zweite Pflicht besteht darin, dass der Darlehensnehmer dem Darlehensgeber die Kontrolle über die zweckentsprechende Verwendung des Darlehensbetrages ermöglichen muss. Weil Art. 821 Pkt. 3 russ. ZGB keinen eigenständigen Tatbestand bildet und lediglich auf Art. 814 russ. ZGB verweist, wird im Folgenden zuerst der Tatbestand des Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB analysiert, und anschließend werden die Besonderheiten der Kündigung von Sanierungskrediten dargestellt. Der Tatbestand des Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB besteht aus zwei zueinander alternativen Voraussetzungen. Das Vorliegen jeder einzelnen dieser Voraussetzungen führt zu den entsprechenden Rechtsfolgen. Zum einen handelt es sich um die Verletzung der Pflicht des Kreditnehmers, dem Kreditgeber die Möglichkeit zu eröffnen, die zweckgemäße Verwendung des Kredits zu prüfen.502 Die konkreten Konturen dieser Pflicht müssen im Vertrag vereinbart werden.503 Die andere Voraussetzung besteht in der nicht zweckgemäßen Verwendung der Darlehensvaluta. Was darunter zu verstehen ist, bleibt im ZGB offen und ist dem Belieben der Parteien überlassen. Für die Parteien ist es empfehlenswert, ein möglichst genaues Sanierungskonzept zu erstellen, dessen Bedingungen auch die konkreten Verwendungszwecke des Sanierungskredites für den Schuldner vorsehen. Zu den wesentlichen Vorteilen der zu analysierenden Vorschrift gehört die Möglichkeit der Parteien, die Voraussetzungen der Kontrolle der zweckgemäßen Verwendung sowie den Inhalt des Verwendungszwecks beliebig zu vereinbaren. In der Praxis legen die Banken, als die wirtschaftlich starke Partei des Kreditvertrages, die genauen Bedingungen für die Kündigung des Sanierungskredites fest. Diese Regel (Art. 814 i.V.m. Art. 821 Pkt. 3 russ. ZGB) ist für die normale zweckgebundene Finanzierung (wie z.B. Baufinanzierung oder Bürgschaftsgeschäfte) gut geeignet. Wenn es sich aber um eine Art der Krisenfinanzierung wie die Sanierungskredite handelt, dann berücksichtigt sie nur zum Teil die Besonderheit der möglichen Beendigung solcher Verträge: Bei der Finanzierung in der Krise verwendet das Not leidende Unternehmen die Geldmittel nur in ganz seltenen Ausnahme-

502 Entscheidung des Föderalen Wirtschaftsgerichts vom Zentralen Bezirk vom 23.10.2000 Nr. A64-3997/99-9 (zitiert nach Avercˇ enko, ZGB, Art. 814). 503 Ausführlich dazu siehe Karpov, S. 121 f.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

fällen unzweckmäßig. Die für die vorliegende Untersuchung praktische Frage liegt darin, ob ein solches Recht der Bank, den Sanierungskreditvertrag zu kündigen, nach russischem Recht bestimmten Grenzen unterliegt. Sowohl die Regeln, wonach die Bank die Kredite ohne bestimmte Laufzeit beenden kann (Art. 810 Pkt. 2 Satz 1 russ. ZGB), als auch die anderen Vorschriften des russischen Darlehens- bzw. Kreditrechts enthalten keine Angaben über bestimmte Grenzen einer solchen einseitigen Beendigung. Dieser Umstand bedeutet aber nicht, dass solche Grenzen im russischen Recht fehlen und die zu analysierende Frage allein im Ermessenspielraum der Bank liegt. Im russischen Zivilrecht kann sich der Sanierungszweck des Kreditvertrages als zusätzliche Garantie für den Kreditnehmer, wie im deutschen Recht, darstellen, wenn der Kreditnehmer die Geldmittel zweckmäßig verwendet und sich seine wirtschaftliche Lage nicht wesentlich verschlechtert. Diese Schlussfolgerungen lassen sich aus den Vorschriften über die unzulässige Rechtsausübung (Art. 10 Pkt. 1 Satz 1 russ. ZGB) ziehen. Spricht die Bank die Kündigung aus, ohne dass sich die wirtschaftliche Lage des Not leidenden Unternehmens verschlechtert hat, die die Sanierung des Unternehmens nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt, liegt kein ausreichender Grund für die Bank vor, den Sanierungsvertrag zu beenden, weil sie in diesem Fall ihr Recht missbrauchen würde. Es ist keine Rechtsprechung zu dieser Frage bekannt. Deswegen kann man nur hoffen, dass die russischen Gerichte bei der Betrachtung der Frage der Zulässigkeit der einseitigen Beendigung der Sanierungskredite seitens der Bank nicht nur die Regeln des Art. 810 russ. ZGB berücksichtigen werden, sondern dass Art. 10 Pkt. 1 Satz 1 russ. ZGB in einem solchen Fall Priorität haben wird. Bei einer Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners und beim Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Vermögensverschlechterung (Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB, Art. 813 russ. ZGB oder Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB) vor dem Hintergrund einer nicht aussichtsreichen Sanierung des Schuldners kann der Kreditgeber die bestehenden Kreditverhältnisse kündigen bzw. über den Gerichtsweg aufheben. In diesem Fall ist aber davon auszugehen, dass vor dem Hintergrund des Umstandes, dass sich das Unternehmen in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, nur eine wesentliche Verschlechterung der finanziellen Lage während des Zeitraums der Kreditgewährung einen entsprechenden Grund darstellt, der das Errreichen des Zwecks der Kreditgewährung (d.h. Sanierung des Unternehmens) aussichtslos macht.504 Dabei müssen kurzfristige Misserfolge des Unternehmens ohne Belang bleiben. Der Grund dafür liegt darin, dass erst in diesem Fall das Kreditinstitut sein Recht, die Kreditverträge zu kündigen, nicht rechtsmissbräuchlich i.S.d. Art. 10 russ. ZGB geltend macht. Noch eine Besonderheit charakterisiert die fristlose Kündigung der Sanierungskredite im russischen Recht: Ausreichend besicherte Sanierungskredite im russischen Recht dürfen ebenso wie im deutschen Recht nicht gekündigt werden.505

504 Nach Ansicht von Karimullin darf die Bank den Sanierungskreditvertrag nur dann kündigen, wenn sich die Vermögenslage des Schuldners verschlechtern wird, wofür z.B. die Unmöglichkeit der Realisierung des Sanierungsplanes spricht. – Karimullin, S. 40 f. (ohne Verweis auf Rechtsquellen und zusätzliche Argumente dazu). 505 Zu den Gründen siehe Dritter Teil, erster Abschnitt C. II. 1. dieser Monographie.

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E. Zwischenergebnis

E.

Zwischenergebnis

1. Kreditverträge können sowohl nach deutschem als auch nach russischem Recht unter bestimmten Umständen durch einseitige Akte der Parteien beendet werden. Während es sich dabei im deutschen Recht um eine Kündigung handelt, werden im russischen Recht verschiedene Begriffe verwendet. Aus deutscher Perspektive gesehen, handelt es sich im russischen Recht bei der einseitigen Aufhebung des Darlehens- oder Kreditvertrages aufgrund der Wirkungen ex nunc ebenfalls um ein Kündigungsrecht. Dieses kann in beiden Rechtsordnungen sowohl ohne Grund (ordentlich) bei Fehlen von Bestimmungen über die Rückerstattungszeit als auch bei Vorhandensein eines wichtigen Grundes (außerordentlich) ausgeübt werden. 2. Die Interessen des Kreditnehmers bei Ausübung des ordentlichen Kündigungsrechts sind im deutschen Recht effizienter als im russischen Recht geschützt. Das erklärt sich sowohl aus der besonderen Vorschrift (§ 489 BGB) im deutschen Recht als auch durch die Einschränkungen des Kündigungsrechts, die aus § 242 BGB hergeleitet werden. Das russische Recht ist stärker auf die Berücksichtigung der Interessen des Kreditgebers ausgerichtet. 3. Das deutsche Modell der fristlosen Kündigung des Darlehensvertrages schützt die Interessen der beiden Parteien des Vertrages sowohl vor als auch nach dem Zurverfügungstellen der Valuta. Im Vergleich zum deutschen Recht sind im russischen Recht die Interessen der beiden Parteien nicht ausreichend geregelt (BGB-Kreditkündigungsrecht vs. ZGB-Kreditrecht). Die Möglichkeit der einseitigen Aufhebung des Kreditvertrages wegen einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Kreditnehmers nach der vollständigen Auszahlung der Darlehensvaluta kann nur über den Gerichtsweg gemäß Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB hergeleitet werden. 4. Im Unterschied zum deutschen Recht sind im russischen Recht die Fragen der Kündigung zweckgebundener Kredite in Art. 821 Pkt. 3 bzw. Art. 814 Pkt. 2 russ. ZGB besonders geregelt. In Deutschland sind diese Fragen stark durch die höchstrichterliche Auslegung des Grundsatzes von Treu und Glauben geprägt. 5. Bei der Frage der Kündigung der Sanierungskredite beruhen die Schwerpunkte beider Rechtsordnungen auf unterschiedlichen Besonderheiten der Finanzierung. Während im russischen Recht die Frage der Zweckbindung und ihrer Kontrolle seitens des Darlehens- bzw. Kreditgebers im russ. ZGB, in der Rechtsprechung und in der Lehre wichtig ist, liegen im deutschen Recht vor dem Hintergrund des Fehlens besonderer Vorschriften sowohl über die Kündigung zweckgebundener Kreditverträge allgemein als auch über die Kündigung der Sanierungskredite im Besonderen in der Rechtsprechung und der Lehre die Schwerpunkte bei der Frage, bei welchem Grad der Verschlechterung der finanziellen Lage des Schuldners die Möglichkeit besteht, sie zu kündigen. 6. In beiden Rechtsordnungen wird die Frage der Kündbarkeit von Sanierungskrediten mit ähnlichen Ergebnissen entschieden: Nicht besicherte oder nicht ausreichend besicherte Sanierungskredite sind zwar kündbar, aber nur in Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

wesentlich verschlechtert hat, die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB bzw. Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB, Art. 813 russ. ZGB, Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB (in letzterem Fall über den Gerichtsweg) vorliegen und die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheint. Im deutschen Recht sind auch für den Fall der Kündigung des Sanierungskredits in einigen Fällen Einschränkungen des Kündigungsrechts relevant.

Zweiter Abschnitt Die Pflicht der Kreditinstitute zur Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite in der Unternehmenskrise A.

Deutsches Recht

I.

Die Rolle der Banken in der Wirtschaft und die Konzeption der Hausbank

In der deutschen Wirtschaft existiert seit langem das Problem der Kapitalisierung der Unternehmen. Nach unterschiedlichen Angaben beträgt der Anteil der Unternehmensfremdfinanzierung 40 bis 70 % ihrer Bilanzsumme.506 Die Banken treten als die wichtigsten Geldgeber für Unternehmen auf und gewähren besonders kleinen und mittleren Unternehmen wegen ihrer begrenzten Refinanzierungsmöglichkeiten auf dem Wertpapiermarkt den größten Teil der Fremdfinanzierung. In der deutschen Geschäftspraxis und in der ihr folgenden Literatur wurde die Konzeption der sog. Hausbank entwickelt. Das sind Banken, mit denen die Unternehmen in direkten, vertraglichen Beziehungen stehen und die einen Großteil ihrer Geschäfte in langfristig angelegten Bankverbindungen abwickeln.507 Diese Banken kennen das Unternehmen besser als andere potentielle dritte Geldgeber, d.h. seine Vor- und Nachteile auf dem jeweiligen Markt, seine Geschäftsbeziehungen und die Zukunftsaussichten.508 Darüber hinaus haben die Hausbanken im Vergleich mit Drittbanken in der Regel eine hohe Sanierungsmotivation, weil sie dadurch einerseits ihre Altkredite unter Berücksichtigung der möglichen haftungsrechtlichen Rechtsfolgen retten und andererseits auch einen gesunden Kunden wiedergewinnen können. Mit der Konzeption der Hausbank sind außerdem die Fragen über so genannte Vertrauensverhältnisse und über den so genannten allgemeinen Bankvertrag verbunden. Zuerst sind das RG509 und dann der BGH510 in ihrer Rechtsprechung davon

506 Mülbert, S. 52 f. Allgemein über die Rolle der Banken in der deutschen Wirtschaft siehe auch ders., S. 1 ff. 507 Mülbert, S. 52 f. Ausführlich vom betriebswirtschaftliche Standpunkt siehe Elsas, S. 10 ff. 508 Feddersen, S. 601. 509 RGZ 126, S. 50. 510 BGHZ 13, S. 198, 200.

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A. Deutsches Recht

ausgegangen, dass zwischen der Bank und ihren Kunden ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehe, aus dem die Bank gegenüber den Kunden gewisse Sorgfalts- und Rücksichtnamepflichten habe.511 Ab dem Zeitpunkt der ersten rechtsgeschäftlichen Kontaktaufnahme zwischen Kreditnehmer und Kreditgeber bestehe ein Bankvertrag.512 Allerdings hat der Bundesgerichtshof am 29. April 2002 entschieden, dass sich selbst aus einer längeren Geschäftsverbindung zwischen einer Bank und einem Kunden noch nicht ergibt, dass ein eigenständiger allgemeiner Bankvertrag als Rahmenvertrag besteht.513

II.

Die Lehre von der Pflicht der Hausbank, Not leidenden Unternehmen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren

Außer der möglichen Kündigung der Bank aus wichtigem Grund bei Verschlechterung der Vermögenslage des Kunden erwähnt die deutsche Gesetzgebung keine Möglichkeit des Handelns der Bank514 mit dem Kunden während seiner Krise. Als eine Alternative der Bank in diesem Zeitraum kommt ihre Pflicht zur weiteren Kreditgewährung an ein in Schwierigkeiten befindliches Unternehmen in Betracht.515 Die Rechtsprechung geht in eine klare Richtung – die Gerichte erkennen eine Rechtspflicht der Hausbank gegenüber einem vorübergehend in der Krise befindlichen Kunden zur Sicherung der kurzfristigen Liquidität sowie zur Krediterhöhung, Verlängerung oder zum Abschluss eines Sanierungsvertrages nicht an.516 Auch das Vorliegen ausreichender Sicherheiten auf Seiten des Not leidenden Unternehmens und seine Sanierungsfähigkeit begründen keine derartige Pflicht,517 weil sonst das Kreditinstitut gezwungen würde, eine unternehmerische Mitverantwortung für das Schicksal des Unternehmens zu tragen.518 Grund zur Diskussion schafft aber der Umstand, dass in einzelnen Aspekten dieser Problematik die Rechtsprechung eine „Hoffnung“ für die Wissenschaftler sieht, dass doch nicht alles so eindeutig ist wie es auf den ersten Blick scheint, und dass in einigen Ausnahmefällen eine solche Pflicht zu bejahen ist.519

511 Ausführlich über die „Lehre vom „Vertrauensverhältnis kraft Geschäftsverbindung“ siehe DKB/Häuser, Hb BankR, § 2, Rn. 41 ff. m.w.N. 512 Für einen allgemeinen Bankvertrag sind z.B. SBL/Hopt, Hb BankR, § 1; EBJ/Thessinga, Rn. I 8 f.; Zum allgemeinen Bankvertrag siehe eingehend DKB/Häuser, Hb BankR, § 2, Rn. 1 ff. 513 BGH NJW 2002, S. 3695. Ausführlich dazu siehe Roth, WM 2003, S. 480 ff. 514 Eingehend dazu aus dem haftungsrechtlichen Gesichtspunkt siehe Dritter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 3 dieser Monographie. 515 Solche Vorschriften sind im italienischen Recht vorhanden. – Hopt, ZHR 1979, S. 157. 516 OLG Zweibrücken WM 1984, S. 1635; OLG Frankfurt BB 1986, S. 626; OLG München WM 1994, S. 1028, 1030; „grundsätzlich“ angenommen in: BGH NJW-RR 1990, S. 110, 111; OLG Karlsruhe WM 1991, S. 1332; OLG Gelle ZIP 1982, S. 942, 952. 517 BGH WM 1978, S. 234, 237; 1985, S. 1136; OLG Zweibrücken WM 1984, S. 1635, 1638; OLG Gelle ZIP 1982, S. 942, 952; OLG München WM 1994, S. 1028, 1030. 518 OLG Zweibrücken WM 1984, S. 1635, 1638. 519 In BGH NJW-RR 1990, S. 110, 111, BGH WM 1956, S. 217, 220 und BGH WM 1988, S. 1223, 1224 wurde die Frage offen gelassen. In einigen Fällen wurde eine derartige Verpflichtung von der Rechtsprechung als obiter dictum für krasse Ausnahmefälle bejaht: OLG Düsseldorf, WM 1983, S. 873, 882; OLG Saarbrücken WM 1988, S. 1227, 1228; LG Traunstein WM 1991, S. 850, 852.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

In der Literatur wird die Frage, ob eine Hausbank gegenüber dem Not leidenden Unternehmen ausnahmsweise zur Gewährung eines zusätzlichen (Sanierungs-)Kredits verpflichtet ist, kontrovers beurteilt.

1.

Theorie der begrenzten Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren

Diese Theorie und damit der Anfang der Diskussion über eine solche Pflicht der Hausbank geht auf Canaris zurück. Ende der 70er Jahre wurden durch ihn die dogmatischen Grundlagen für Ansprüche des Not leidenden Unternehmens auf Gewährung zusätzlichen Kredits analysiert, bestimmte Fallgruppen zusammengestellt und positiv – allerdings nur in Ausnahmefällen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen – auf diese Frage geantwortet.520 Diese Theorie ist beschränkt auf in existenzbedrohende, wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Unternehmen. Wenn es sich um sanierungsbedürftige Unternehmen handelt, muss ihr Zustand nicht so dramatisch sein, dass ein wichtiger Grund im Sinne der AGB-Banken vorläge, um einen Kreditvertrag fristlos zu beenden. Erst in diesem dramatischen Fall kann nach dieser Theorie bei Vorliegen der im Folgenden genannten Voraussetzungen von einer Kreditvergabepflicht der Bank gesprochen werden. Als Grundlagen für den Anspruch des Not leidenden Unternehmens auf die Gewährung eines zusätzlichen Kredits kommen nach dieser Theorie sowohl die Heranziehung der Treupflicht als auch die Lehre vom Rechtsmissbrauch in Betracht.521 Aus dem Vergleich mit dem Treupflichtgedanken des Gesellschaftsrechts, wonach aus dem zuvor bestehenden Verhältnis zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung entstehen kann, wird analog ein Anspruch auf Zustimmung zur Vertragsänderung im Kreditrecht abgeleitet.522 Im Übrigen basiert diese Theorie auch auf der Interpretation der Lehre über das Rechtsmissbrauchsverbot. Danach stellt es grundsätzlich einen einseitigen Rechtsmissbrauch dar, wenn sich die Bank auf den Grundsatz der Abschlussfreiheit beruft. Der Begriff Rechtsmissbrauch wird aber im weiteren Sinne verwendet. Es wird darauf verwiesen, dass „nicht nur die Ausübung eines subjektiven Rechts, sondern auch jede andere Ausnutzung günstiger Rechtslagen oder -positionen bei Widerspruch zu Treu und Glauben unzulässig“ sei.523 Bei der Auslegung der Lehre vom Rechtsmissbrauch geht diese Theorie weiterhin davon aus, dass die im Rahmen der Rechtsmissbrauchslehre entwickelten Rechtsprinzipien nicht nur rechtsbegrenzende, sondern unter Umständen auch rechtsbegründende Funktionen haben.524

520 Canaris, ZHR 1979, S. 113 ff., 138; Ders., BankR, Rn. 1271 ff.; ebenso Hoffmann, S. 138 f. 521 Canaris, ZHR 1979, S. 120; Ders., BankR, Rn. 1271. 522 Canaris, ZHR 1979, S. 120 unter Verweis auf die herrschende Lehre und BGH LM Nr. 8 zu § 105 HGB und Nr. 8 zu § 138 HGB; Canaris, a.a.O., S. 121 ff. 523 Canaris, ZHR 1979, S. 121. 524 Canaris, ZHR 1979, S. 120 f. unter Verweis auf Canaris, Vertrauenshaftung, S. 266 ff.

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A. Deutsches Recht

Ausgehend davon, dass die Pflicht zur Gewährung eines Kredits eine Einschränkung der Privatautonomie ist, hat Canaris seine These jedoch eingeschränkt. Diese Einschränkung besteht darin, dass die oben dargestellten Grundlagen und die daraus folgende Pflicht der Hausbank, dem Not leidenden Unternehmen einen Kredit zu gewähren, nur unter folgender Voraussetzung entstehen sollen: In erster Linie sei die Kreditwürdigkeit oder Sanierungsfähigkeit des Unternehmens erforderlich. Andernfalls habe die Bank keine Pflicht zur Geldgewährung, weil sie sonst unter Drohung der deliktsrechtlichen Haftung gegenüber den anderen Unternehmensgläubigern aus § 826 BGB handeln würde.525 In zweiter Line müsse der Kreditnehmer Gewähr für eine zweckgerechte und erfolgversprechende Verwertung des Kredits bieten.526 Das nächste Erfordernis sei eine „angemessene“ Beteiligung der Gesellschafter an der Sanierungsaktion, falls der Kreditnehmer eine Gesellschaft ist, weil von der Bank nicht verlangt werden könne, allein die Last der Sanierung und die damit verbundenen Risiken zu tragen. Dies gelte aber nicht bei unterkapitalisierten Gesellschaften.527 Zuletzt sei die ausreichende Besicherung und/oder das Bestehen von ausreichenden Sanierungschancen528 erforderlich. Fehlten solche Sicherheiten, komme eine Kreditgewährungspflicht der Bank nicht in Betracht. Diese Theorie geht weiterhin davon aus, dass die Hausbank bei Vorliegen der oben erwähnten Voraussetzungen die Kredite nicht nur prolongieren, sondern sogar erhöhen müsse, wenn sich die Unternehmensgesellschafter an der Sanierung mit ihren Beitragen beteiligen. Solche Kredite sollen nur den kurzfristigen Liquiditätsengpass des Unternehmens ausgleichen.529 Dabei sei ein Anspruch auf Gewährung eines langfristigen Sanierungskredits als Ausnahme nur unter bestimmten Bedingungen, die sich als zusätzliche im Verhältnis zu den „normalen“ Voraussetzungen der kurzfristigen Finanzierung darstellen, zulässig.530 In Betracht komme etwa eine erhebliche Abhängigkeit des Kreditnehmers von seiner Hausbank oder ein enger Zusammenhang zwischen einer Kreditgewährung und einem bestimmten Projekt.531

2.

Kooperationspflichttheorie

In seiner Habilitationsschrift hat Eidenmüller die Theorie von den Kooperationspflichten der Gläubiger während der Unternehmenssanierung entwickelt.532 Er geht davon aus, dass ein „Reorganisationsrecht“ existiere, in dessen Rahmen es ein System von Kooperationspflichten der Kreditinstitute bei der Unternehmenssanierung gebe. Diese Pflichten sind nach seiner Auffassung dazu geeignet, in erster Linie

525 Canaris, ZHR 1979, S. 133 f. 526 Canaris, ZHR 1979, S. 134. 527 Canaris, ZHR 1979, S. 134. 528 Canaris, ZHR 1979, S. 114. In diesem Fall würde das bloße Vorliegen eines Sanierungsplans das außerordentliche Kündigungsrecht ausschließen. 529 Canaris, ZHR 1979, S. 121; Ders., BankR, Rn. 1272. 530 Canaris, ZHR 1979, S. 133. 531 Canaris, ZHR 1979, S. 133; Ders., BankR, Rn. 1272. Dagegen ergibt sich keine Pflicht zur Kreditgewährung allein aus wiederholter Duldung der Kreditüberziehung. – Ders., ZHR 1979, S. 128. 532 Eidenmüller, S. 457 ff., 555 ff.; 591 ff., 738 ff., Ders., ZHR 1996, S. 354 ff.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

die Problematik der sog. „Akkordstörer“ und andere Hindernisse für eine außergerichtlichen Sanierung zu beseitigen.533 Der Grund für die Sanierungskooperationspflichten liege aber in der ökonomischen Erwägung, ob die Fortführung des Unternehmens sinnvoll ist oder nicht. Die Kooperationspflichten würden sich als ein sog. „bewegliches System“ von Wertungskriterien darstellen.534 Dieses System solle zur „Ausprägung gegenseitiger Treupflichten“ führen, die zwischen den Beteiligten des außergerichtlichen Reorganisationsverfahrens eine gesellschaftsähnliche Verbindung schaffen würden.535 Die Kooperationspflichten würden sich einerseits aus dem Verhältnis der Gläubiger zum Schuldner und andererseits aus dem Verhältnis der Gläubiger untereinander auf Grund der sog. „Interessengemeinschaft der Gläubiger“ bei der Sanierung eines Schuldners ergeben.536 Unter diesen Pflichten537 sind für die vorliegende Untersuchung jene, die das mögliche Kreditvergabeengagement der Bank bei der Sanierung des Not leidenden Unternehmens betreffen, relevant. Auf Grund dieses Systems sei die Kreditversorgungspflicht der Bank zu bejahen.538 Eine Pflicht der Bank wird nach dieser Ansicht nicht aus dem „bilateralen Verhältnis“ zwischen der Bank und den Not leidenden Unternehmen (sog. mittelbare Kooperationspflicht), sondern vielmehr aus dem Verhältnis der Gläubiger miteinander (sog. unmittelbare Kooperationspflicht) hergeleitet.539 Was die Vergabe der Sanierungskredite betrifft, wird nach dieser Theorie die Sanierungsfähigkeit und die Sanierungswürdigkeit des Unternehmens in der Regel als zugemutet gehalten.540 Die Reorganisationsmaßnahmen müssen aber im Rahmen eines Reorganisationskonzepts geeignet und erforderlich für die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit des Schuldners sein, was auf Grundlage des Sanierungsgutachtens zu beurteilen ist.541 Ein wesentlicher Nachteil dieser Theorie besteht allerdings in der Nichtberücksichtigung des Kreditrechts.542 Die Bank müsse dem Unternehmen einen zu 100 % be533 Näher zu den möglichen Vorteilen der Anerkennung solcher Pflichten Eidenmüller, ZHR 1996, S. 354 f. 534 Eidenmüller, ZHR 1996, S. 363 m.w.N. 535 Eidenmüller, S. 608; Ders., ZHR 1996, S. 354 ff. Die Kooperationspflichten bestünden sowohl aus Pflichten zur Verhandlung über eine außergerichtliche Sanierung als auch aus Zustimmungspflichten zu solchen. – Eidenmüller, ZHR 1996, S. 354. 536 Eidenmüller, ZHR 1996, S. 369 ff. 537 Ausführlicher dazu siehe Eidenmüller, ZHR 1996, S. 360 ff. 538 Eidenmüller, ZHR 1996, S. 345. 539 Eidenmüller, S. 459. Diese Auffassung wurde in der Lehre zu Recht mit dem Argument kritisiert, dass vor dem Eintritt der Krise des Schuldners keine Verbindung zwischen den Gläubigern besteht. Außerdem können die Interessen der verschiedenen Gläubiger sich von einander unterscheiden. Deswegen darf nicht verlangt werden, dass während der Krise die Gläubiger wie Gesellschafter zu betrachten sind. – BGH WM 1992, S. 322, 325 = WuB IV A. § 779 BGB 1.92 Uhlenbruck; Voglis, S. 146. 540 Eidenmüller, S. 761. Nach seiner Auffassung (a.a.O) wird das vorgelegte Sanierungsgutachten in den überwiegenden Fällen zum Ergebnis kommen, dass die Reorganisationsfähigkeit und -würdigkeit das Gesamtunternehmen zu verneinen ist. 541 Eidenmüller, S. 761. 542 So auch Voglis, S. 145. Nach seiner Auffassung (a.a.O.) sollten auch die Interessen der Arbeitnehmer und des Sozialstaats berücksichtigt werden.

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A. Deutsches Recht

sicherten Überbrückungskredit vergeben, wenn eine „plausible Reorganisationschance“ vorhanden ist.543 Zu den wesentlichen Schwächen dieser Theorie gehört außerdem der Umstand, dass sie weder das vorherige Verhalten der Bank, wie die Theorie der begrenzten Pflicht der Hausbank bei der Vergabe des Kredits noch Anforderungen an die Höhe der gewährten Kredite berücksichtigt. Außerdem erscheint es nicht überzeugend, dass die Frage, ob die Parteien einen Darlehensvertrag abgeschlossen haben, bei dieser Theorie zu den sekundären gehört.544 Diese Ausführungen zeigen, dass die Kreditvergabepflicht der Bank nach dieser Theorie viel breiter als nach der vorher dargestellten Theorie ist, die solche Möglichkeit nur in bestimmten Ausnahmefällen bejaht hat.

3.

Auffassungen, welche der Theorie zur Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren, begrenzt zustimmen

In der Lehre gibt es Auffassungen, welche innerhalb enger Grenzen eine Pflicht des Kreditinstituts zu kurzfristiger Kreditgewährung bejahen.545 Die Vertreter dieser Ansicht begründen ihre Meinung unterschiedlich. In einigen Ausnahmefällen bestätigen sie das Vorhandensein dieser Pflicht der Hausbank unter engeren als den oben dargestellten Voraussetzungen. Die Vertreter dieser Theorie legen die Akzente auf unterschiedliche Besonderheiten der Kreditvergabepflicht. Nach der Auffassung von Westermann dient der Umstand, dass die Kreditgewährung einen Vertrauenstatbestand schafft, als Herleitung für eine Anspruchsgrundlage zu einer solchen Verpflichtung aus dem früheren Verhalten der Bank oder aus einer sehr starken wirtschaftlichen Abhängigkeit des Unternehmens von der Bank, der sog. Treuebindung.546 Die Entscheidungsfreiheit des Darlehensgebers könne wegen des Verbotes der sittenwidrigen Schädigung wesentlich begrenzt sein. Dabei reiche allerdings eine rein praktische Abhängigkeit des Not leidenden Unternehmens von fresh money für die Begründung der Kreditgewährungspflicht des Kreditgebers allein nicht aus.547 Die Bank habe aber die Pflicht zur Gestattung eines kurzfristigen Überziehungskredits.548 Dabei könne sie ihre Forderungen gegenüber dem Not leidenden Unternehmen ausreichend absichern.549 Westermann lehnt eine allgemeine Pflicht der Hausbank ab, bei einer Notlage oder Konkursreife an der Sanierung mitzuwirken. Unter außergewöhnlichen Umständen bejaht er aber die Pflicht der

543 Eidenmüller, S. 743. 544 Im Ergebnis so auch Voglis, S. 146. 545 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 3, 16; Hopt, ZHR 1979, S. 169; Staudinger/Hopt/ Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22; Kämpfer, S. 13 f. 546 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 16. Nach seiner Meinung (a.a.O.) kommt es bei dem Treuepflichtgesichtspunkten auf eine Abwägung zwischen der Stärke der Bedrohung des Kreditnehmers bei der Verweigerung einer kurzfristigen Überziehung und dem Risiko der Bank an, das etwa durch die Besicherung des Kredits gemindert sein könnte. 547 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 4. 548 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 4. 549 Westermann, ZIP 1982, S. 380; MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 4.

99

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Hausbanken, einen Sanierungskredit im Rahmen einer selbst betriebenen aussichtsreichen Sanierungsaktion zu gewähren.550 In diesem Fall müsse der Kreditnehmer neben den oben genannten Voraussetzungen551 zusätzlich sowohl sanierungsfähig sein, als auch ein Sanierungskonzept verfolgen. Ohne Vorliegen dieser Voraussetzungen würde der Bank eine unternehmerische Mitverantwortung für das Not leidende Unternehmen (Kreditnehmer) aufgezwungen.552 Nach der Meinung von Hopt kann die Bank ausnahmsweise, zwecks Abwendung von drohenden gravierenden Schäden, aus der dem Bankvertrag zugrunde liegenden besonderen Treuepflicht verpflichtet sein, vorübergehend einen Kredit zu gewähren.553 Voraussetzung sei, dass sie kein eigenes Risiko eingehe – die Sicherheiten in diesem Fall können ausnahmsweise eine Rolle spielen, und, dass es sich nur um eine lediglich vorübergehende Überbrückungshilfe handele.554 Was die Gewährung von Sanierungskrediten an sanierungsbedürftige Unternehmen betrifft, lehnt Hopt eine solche Pflicht der Bank grundsätzlich ab. Ausnahmen können sich allein aus einem Sanierungsvertrag ergeben.555 Ein solcher Vertrag müsse u.a. die Bedingung enthalten, dass die Kredite nicht gekündigt oder verlängert werden. Aufgrund dieses Vertrages kann auch ausnahmsweise ein Anspruch des Darlehensnehmers auf zusätzliche Kredite bestehen.556 Ist nach dieser Meinung die Bank zur Mitwirkung an der Sanierung verpflichtet, entfalle ihre Bindung erst dann, wenn die Entwicklung der Verhältnisse nachhaltig von den dem Sanierungsvertrag oder Sanierungsplan zugrundegelegten Umständen abweiche.557 Daneben könne die Bank zur Vergabe eines Sanierungskredits verpflichtet sein, wenn sie die Sanierung initiiert, Bedingungen kumulativ bestimmt und sich bei der Ermittlung des Sanierungsbedarfs des Darlehensnehmers zurechenbar verkalkuliert habe. Außerdem sei ein Anspruch auch denkbar, wenn unter den konkreten

550 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 4 unter Verweis auf Canaris, ZHR 1979, S. 135. 551 Obwohl nach seiner Meinung in einigen „außergewöhnlichen Ausnahmefällen“ die Bank verpflichtet sei, einen ungesicherten Kredit zu gewähren. – MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 4. 552 MüKo/Westermann, BGB, 3. Aufl., § 610, Rn. 3 mit zahlreichen Nachweisen u.a. auf OLG Zweibrücken ZIP 1984, S. 1334; OLG Düsseldorf WM 1989, S. 1838; BGH WM 1985, S. 1437; OLG Nürnberg WM 1960, S. 890, 892. 553 Hopt, ZHR 1979, S. 159. Als Beispielsfall dient ein Wechsel, der Freitagnachmittag in der Bank ankommt und dessen Höhe die Kreditlinie nur gering überschreitet. Wenn das Not leidende aber kreditwürdige Unternehmen nicht erreichbar sei, dann solle die Bank in diesem Fall auf Grund von § 242 BGB verpflichtet sein, diesen Wechsel einzulösen. – Hopt, a.a.O. 554 Hopt, ZHR 1979, S. 159. Nach seiner Meinung (a.a.O.) bildet das Vorhandensein von ausreichenden Sicherheiten allein keinen Grund für einen Anspruch des Kreditnehmers auf Kreditgewährung. Vielmehr ist auf die mögliche Entstehung eines Schadens für den Kunden im Zusammenhang mit der Nicht-Gewährung von Geldmitteln abzustellen. 555 Nach seiner Meinung bedarf es in diesem Fall keiner ausdrücklichen Parteiabrede. Vielmehr kann ein solcher Anspruch in ganz engen Grenzen auf Grund der Auslegung des Sanierungsvertrages möglich sein. – Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22. 556 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22. 557 Hopt, ZHR 1979, S. 169; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22 unter Verweis auf BGH WM 1956, S. 217, 220, der eine Pflicht zu Beleihung der weiterer Forderungen von Kunden gegen Dritte (Treuepflicht aus Sanierungsvertrag) bejaht, wenn sich die (Liquiditäts-)Situation des Kunden verschlechtert.

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A. Deutsches Recht

Umständen des Einzelfalles eine „Verweigerung zusätzlicher Kredite nur durch sachfremde Erwägungen motiviert sein konnte, etwa die Förderung eines anderen Kunden oder eines zu ihren Beteiligungen zählenden Unternehmens durch Ausschaltung des Darlehensnehmers“.558 Soweit danach eine Verpflichtung der Bank zu weiterer Kreditgewährung in Frage komme, bedürfe es stets der Stellung ausreichender Sicherheiten durch den Darlehensnehmer.559 Die kurzfristige Verpflichtung der Bank, innerhalb enger Grenzen dem Not leidenden Unternehmen einen Kredit zu gewähren, wird auch von Kämpfer bejaht.560 Nach seiner Meinung besteht eine solche Pflicht, wenn zwischen der Bank und einem Unternehmen umfangreiche Geschäftsbeziehungen existieren. In diesem Fall müsse die Bank zusätzlich einen Vertrauenstatbestand geschaffen haben.561 Um nicht das finanzielle Risiko zu tragen, muss sie als Voraussetzung für die Gewährung solcher Kredite von dem Unternehmen die Stellung entsprechender Sicherheiten verlangen.562

4.

Auffassungen, welche die Theorie zur Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren, generell ablehnen

Der überwiegende Teil der Literatur lehnt eine Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen dem sanierungsbedürftigen Unternehmen einen Kredit zu gewähren, zu prolongieren oder einen ausgezahlten Kredit nicht zu kündigen, ab.563 Im Folgenden werden ihre Argumente dargestellt. Die Treuepflicht aus dem Darlehensvertrag rechtfertigt eine derartige Pflichtenbindung der Bank nicht, weil sie auf der vorliegenden engen Verbindung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer, nicht aber auf dem Darlehensvertrag selbst oder auf dessen Charakter als Dauerschuldverhältnis beruhen würde.564 Solche Treuepflichten entstünden erst, wenn die Übernahme von fremden Interessen durch einen Vertragspartner notwendig werde, die als Bestandteil des allgemeinen Vertragsrechts abgelehnt wird.565 Es wird hervorgehoben, dass die Rechtsprechung auf die Frage der erhöhten Treuepflicht der Bank in ihrem Verhältnis mit dem Kreditnehmer Bezug nimmt und davon ausgeht, dass eine solche bei einer gesteigerten wirtschaft-

558 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22 mit Verweis auf Schmid, WM 1983, S. 492. 559 Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22. 560 Kämpfer, S. 13 f. 561 Kämpfer, S. 13. Ein solcher Vertrauenstatbestand kann entweder durch die Zusage von Krediten oder eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von der Bank sowie dann geschaffen werden, wenn die Bank die Sanierungsbedingungen mit dem Unternehmen ausgehandelt und sich dabei zurechenbar verkalkuliert hat. – Kämpfer, S. 15 (im letzten Fall unter Verweis auf Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, 12. Aufl., § 610, Rn. 22). 562 Kämpfer, S. 14. 563 Batereau, WM 1992, S. 1519; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 61; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 109; Schertler, S. 118 ff.; Lauer, Rn. 161; Obermüller, ZIP 1980, S. 1061 f. 564 Schertler, S. 120 f. 565 Schertler, S. 121.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

lichen Abhängigkeit des Kunden von der Bank entstehe und dann aber lediglich zur Pflicht der Bank führe, die Interessen ihres Schuldners zu berücksichtigen.566 Die Kreditaufnahme ausschließlich bei einer einzigen Bank mache eine gesteigerte Wahrnehmung der Interessen des Kreditnehmers noch nicht erforderlich. Treupflichten entstünden daher nicht in dem Ausmaß, dass sie einen Anspruch auf Kreditgewährung begründen könnten.567 Ein weiteres Argument besteht in der Ablehnung der analogen Anwendung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten auf die Bank bei der Begründung ihrer Kreditvergabepflicht. Weil ein gemeinsamer angestrebter Zweck nicht vorliege, sei im Verhältnis Bank – Not leidender Kreditnehmer eine gesellschaftsvertragliche Bindung der Parteien nicht gegeben.568 Unter dem Aspekt fehlender mitgliedschaftlicher Verbundenheit sei eine allgemeine Treuepflicht aus dem Kreditverhältnis abzulehnen.569 Weitere Argumente begründen sich auf bankaufsichtsrechtliche Vorschriften. Es wird davon ausgegangen, dass der Sanierungskredit wie jeder Kredit ein Risikogeschäft darstellte. Der Schutzzweck des § 18 KWG und die Vorschriften über Großund Organkredite seien aber mit der Auffassung über eine begrenzte Pflicht der Bank, unter bestimmten Umständen Kredit zu gewähren, kaum zu vereinbaren.570 Eine solche Pflicht würde vielmehr einen „Eingriff in die Geschäftspolitik“ der Bank darstellen.571 Aus diesen Vorschriften werde offenkundig, dass das KWG auf rein vertragliche Kreditvergabe ausgerichtet und eine darüber hinausgehende willensunabhängige Vergabepflicht nicht erlaubt sei. Als weiteres Argument wird der Verstoß gegen Grundsatz I der Bekanntmachung Nr. 1/69 des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen betreffend die Grundsätze über das Eigenkapital sowie über die Liquidität der Kreditinstitute vom 20. Januar 1969572 in Verbindung mit § 10 KWG angeführt.573 Im Fall der Bejahung der Theorie der begrenzten Pflicht der Hausbank, unter bestimmten Umständen den Not leidenden Unternehmen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren, würde das gesamte Kreditvolumen des Unternehmens belastet, weil neue Zusatzkredite in noch nicht bestimmbarer Größenordnung zur Überwindung von zwischenzeitlich eingetretenen finanziellen Schwierigkeiten der Kreditnehmer aufgewendet werden müssten.574 Des Weiteren könne gegen eine solche Pflicht der Bank der Umstand angeführt werden, dass die Sicherheiten nur dann einen vollständigen Ausgleich für den Minderwert des Rückzahlungsanspruchs bilden, wenn sie nach dem Urteil eines un-

566 Schertler, S. 118 unter Verweis auf BGH WM 1967, S. 950. 567 Schertler, S. 121 f. 568 Schertler, S. 124. 569 Schertler, S. 124; Rümker, KTS 1981, S. 504. 570 Rümcker, KTS 1981, S. 504; Obermüller, ZIP 1980, S. 1062 m.w.N.; Ders., Rn. 5.158; Schmidt, WM 1983, S. 492; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 110. 571 So MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 110. 572 Bundesanzeiger Nr. 17, zuletzt geändert durch Bekanntmachung von 23.1.1980 (Nr. 15). 573 Rümker, KTS 1981, S. 503. Diese Vorschriften enthalten Regeln über die notwendigen Grenzen der Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute. 574 Rümker, KTS 1981, S. 503.

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A. Deutsches Recht

beteiligten, sachkundigen und unterrichteten Beobachters im Hinblick auf die Gesamtumstände zur Deckung des vollen Kreditrisikos ausreichend und ohne nennenswerte Schwierigkeiten verwertbar seien.575 Seien solche Sicherheiten vorhanden und sei die Gefahr, dass der Kunde trotz des Sanierungskredits insolvent werde, nicht allzu hoch, so bestehe kein anerkennenswertes Bedürfnis dafür, dem Schuldner einen Rechtsanspruch gerade gegen seine Hausbank auf Einräumung eines zusätzlichen Kredits zu gewähren. Denn sofern gute Aussichten für eine erfolgreiche Sanierung bestünden und ausreichende Sicherheiten geboten würden, solle man angesichts der Konkurrenzlage auf dem Kreditmarkt erwarten, dass andere Kreditinstitute einspringen. Seien aber auch andere Kreditinstitute dazu nicht bereit, weil die Gefahr bestehe, dass das Unternehmen trotz des tatsächlichen Kredits insolvent werde, und seien die Sicherheiten nur schwer verwertbar, so sei es der Hausbank nicht zuzumuten, noch einen neuen Kredit zu vergeben, den sie möglicherweise nur zum Teil und nur durch Verwertung von Sicherheiten in einem arbeitsaufwändigen und zeitraubenden Verfahren wieder beitreiben könne.576 Darüber hinaus könne der Kreditgeber die Kreditzusage gemäß §§ 321 und 490 BGB einseitig verweigern oder kündigen, wenn die Vermögenslage der anderen Partei sich wesentlich verschlechtert oder zu verschlechtern droht. Sei damit ein Rückzahlungsanspruch gefährdet, so müsse ein „Leistungsverweigerungsrecht“ erst Recht dann angenommen werden, wenn nicht einmal ein vertraglicher Anspruch auf die Leistung bestehe.577 In der Lehre wird gesondert hervorgehoben, dass die Regeln des § 32a GmbHG über das kapitalersetzende Darlehen eine wesentliche Hürde für die Anerkennung einer solchen Pflicht sein können. Es bestünde ein großes Risiko der Kreditinstitute, dass die aufgrund dieser Pflicht gewährten Kredite als kapitalersetzende Darlehen aufgefasst und im möglicherweise zu eröffnenden Insolvenzverfahren als nachrangig eingestuft werden könnten.578 Außerdem könnte die Anerkennung einer solchen Pflicht auf der Seite des Kreditgebers mit sich bringen, dass Kreditverlängerung und neue Kreditvergabe der Bank zu einem haftungsrechtlichen Risiko wegen Gläubigergefährdung oder Insolvenzverschleppung führen könnten.579 Zuletzt wird eine solche Pflicht mit dem Argument abgelehnt, dass der Bank damit die unternehmerische Mitverantwortung nach Art eines Gesellschafters aufgezwungen werde. Ausgehend von den knappen Eigenkapitalquoten der deutschen Unternehmen und ihrer Abhängigkeit von der Außen- und Bankfinanzierung

575 Obermüller, Rn. 5.156. 576 Obermüller, ZIP 1980, S. 1061; Ders., Rn. 5.156. 577 Obermüller, ZIP 1980, S. 1061; Ders., Rn. 5.155. Das Leistungsverweigerungsrecht des § 321 BGB erlösche aber wieder, wenn der andere Vertragsteil Sicherheit leiste. – RGZ 53, S. 244; 65, S. 185, 193; Obermüller, ZIP 1980, S. 1061; Ders., Rn. 5.156; MüKo/Emmerich, BGB, § 321, Rn. 17. 578 Rümker, KTS 1981, S. 504 f.; Schertler, S. 132; Obermüller, Rn. 5.157; Ders., ZIP 1980, S. 1062. Ausführlich zur Betrachtung des Darlehens als „kapitalersetzende“ i.S.d. § 32a GmbHG siehe Dritter Teil. Vierter Abschnitt. A. dieser Arbeit. 579 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 110. Zur haftungsrechtlichen Problematik der Sanierungskreditgewährung siehe Dritter Teil – Dritter Abschnitt. A. dieser Arbeit.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

würde ein solcher Ausnahmefall zum Regelfall werden.580 Damit würden die wirtschaftlichen Risiken der Darlehensvergabe und Verwendung der Darlehensvaluta – nicht wie es die Regel sein sollte – ebenmäßig zwischen dem Darlehensgeber und Darlehensnehmer verteilt. Vielmehr würde der wesentliche Teil der Risiken auf den Schultern der Bank als Kreditgeber liegen und damit jeder Kredit von vornherein mit der Gefahr behaftet sein, dass ein Zusatzkredit von nicht voraussehbarer Höhe gewährt werden müsse.581

5.

Stellungnahme

Eine generelle Pflicht der Hausbank, (Sanierungs-)Kredite zu gewähren, ist abzulehnen. Dies folgt zum einen daraus, dass die geschäftliche Beziehung zwischen der Hausbank und ihrem Kunden nicht auf dem allgemeinen Bankvertrag aufgebaut ist, wie das früher in der Literatur angenommen wurde. Das hat der BGH582 zu Recht abgelehnt. Dazu kommt der Umstand, dass in den letzten Jahren im Zusammenhang mit den eintretenden Globalisierungstendenzen und der verschärften Konkurrenz auf dem Finanzmarkt die Hausbankverbindung immer weniger im deutschen Finanzmarkt verbreitet ist.583 Die Pflicht zur Kreditversorgung kann sich wie eine Kündigungsschranke auswirken und sollte bei zuvor unverbundenen Parteien bei erstmaligem Gewähren eines Kredits nicht in Betracht kommen. Eine Treuepflicht der Bank zugunsten des Kreditnehmers entsteht nach der Auffassung des BGH durch eine an Auflagen gebundene Kreditgewährung, auf die die Bank Rücksicht zu nehmen hat. Solche Rücksicht kann aber nicht ewig dauern und ist durch den Zeitpunkt begrenzt, in dem sie den eigenen Interessen der Bank zuwiderzulaufen beginnt. Das ist der Fall, wenn die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich weiter verschlechtert und eine zusätzliche Kreditgewährung geringe Erfolgsaussichten hat. Die Beteiligung der Bank an der weiteren Finanzierung des Unternehmens würde dann einerseits ihre Finanzierungsfreiheit begrenzen und andererseits im gewissen Umfang die Last der unternehmerischen Mitverantwortung für das Schicksal des Unternehmens auf sie übertragen.584 Außerdem führt die Anerkennung einer solchen Pflicht der Bank zur Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn dafür die notwendigen Haftungsvoraussetzungen585 vorliegen. Allein die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens und die langfristige wirtschaftliche Beziehung zwischen der Bank und dem Unternehmen können aber eine Pflicht der Bank, einen (Sanierungs-)Kredit zur Verfügung zu stellen, nicht begründen. Vielmehr ist zu verlangen, dass zwischen beiden ein Sanierungsvertrag geschlossen wird, der u.a. die Gewährung des Sanierungskredits beinhaltet. In diesem Fall kann die Bank aber nur unter der Bedingung der Stellung von

580 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 110; Rümker, KTS 1981, S. 505 f. 581 Obermüller, Rn. 5.160; Rümcker, KTS 1981, S. 503; Schwintowski/Schäfer/Schwintowski, BankR, § 14, Rn. 258; Claussen, § 8, Rn. 46a; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 110 m.w.N. 582 NJW 2002, S. 3695. 583 So auch Mülbert, S. 51 ff. 584 So auch Schertler, S. 117 f. 585 Eingehend dazu siehe S. 128 ff.

104

B. Russisches Recht

ausreichenden Sicherheiten auf der Seite des Kreditnehmers verpflichtet sein, zusätzliche Kredite zu gewähren. Diese Pflicht kann nicht auf Dauer existieren, sondern nur so lange, wie ein Not leidendes Unternehmen sanierungsfähig ist. Andernfalls kann die Bank ihr außerordentliches Kündigungsrecht gebrauchen und sich vom Sanierungskreditvertrag fristlos lösen. Außerdem sollte ein Sanierungsgutachten eines unabhängigen Dritten vorliegen, um haftungsrechtliche Risiken der Bank bei der Kreditvergabe zu vermeiden.586 Nur unter diesen Bedingungen, die natürlich einen Ausnahmefall darstellen, können die sanierungsfähigen Unternehmen einen Anspruch auf die Vergabe des Sanierungskredits haben. Daneben muss ein Finanzierungsengagement von Gesellschaftern und Inhabern des Unternehmens vorhanden sein.

B.

Russisches Recht

I.

Über die Existenz des Hausbankensystems in Russland

Bei der Betrachtung der gegenwärtigen Rolle der russischen Banken muss man den historischen Hintergrund ihrer Stellung in der sowjetischen Planwirtschaft berücksichtigen.587 Dort konnte man allgemein von einer besonderen Vertrauensbeziehung eigener Art zwischen den staatlichen Banken und den staatlichen oder kooperativen Unternehmen sprechen. Diese Rechtslage hat sich seit Beginn der Perestroika im Zusammenhang mit der Liberalisierung der Planwirtschaft und dem Zerfall der UdSSR wesentlich verändert. Zur Zeit können Kreditinstitute in jeder Eigentumsform – private, staatliche oder kommunalen Banken – gegründet werden und Gewinnerzielung als Hauptzweck verfolgen. Die russische Verfassung sieht in Art. 8 sowohl das Prinzip der Freiheit der wirtschaftlichen Tätigkeit als auch die gleiche Anerkennung und Verteidigung der privaten, staatlichen, kommunalen und anderen Eigentumsform vor. Heute stehen aber noch immer viele große russische Banken entweder unter direktem staatlichem Einfluss oder unter dem Einfluss staatlicher Unternehmen. Der wesentliche geschäftliche Unterschied zu sowjetischen Zeiten besteht aber darin, dass die Unternehmen so viele Konten bei den unterschiedlichen Banken besitzen können wie sie möchten. Die Eröffnung eines Kontos begründet dabei nicht die Entstehung eines allgemeinen Bankvertrages mit den damit verbundenen Rechten und Pflichten der Parteien. Eine solche Konstruktion ist weder der russischen Gesetzgebung bekannt, noch hat sie Niederschlag in der Lehre gefunden. Tatsächlich ist es in der Praxis so, dass die Unternehmen in der Regel mehrere Konten haben und besonders kleine und mittlere Unternehmen, Unternehmen aus mehreren kleinen Städten oder konzernverbundene Unternehmen in der Regel Konten nur bei einer oder wenigen Banken. Man kann daher auch im russischen Recht von einer begrenzten Existenz des Hausbankensystems sprechen.

586 Ausführlich zur Notwendigkeit des Sanierungsgutachtens für die Vermeidung der haftungsrechtlichen Risiken bei der Sanierungskreditvergabe siehe Dritter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 3. dieser Arbeit. 587 Damals spielten die Banken eine besondere Rolle. Es gab einige sektorspezifische Banken und die Unternehmen konnten nur bei diesen Gruppen Kredite erhalten. Siehe dazu ausführlich Topornin, Bankrecht, S. 318 ff.

105

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

II.

Die Lehre der Pflicht der Hausbank, Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren

1.

Stand der Problematik

Weder im russischen ZGB noch in anderen Rechtsquellen des russischen Rechts finden sich Vorschriften, die einen Anspruch des in die Krise geratenen Kreditnehmers auf Gewährung zusätzlicher Geldmittel bejahen oder verneinen. Vor dem Hintergrund der Frage, dass es sowohl an Rechtsprechung als auch diesbezüglicher Diskussion in der Literatur fehlt, wird deutlich, dass diese Problematik wissenschaftlicher Analyse bedarf. 2.

Das Prinzip von Treu und Glauben und Treuepflichten im russischen Recht (insbesondere Kreditrecht)

Im gegenwärtigen russischen Zivilgesetzbuch und auch in anderen Gesetzen, die die zivilrechtlichen Beziehungen regeln, taucht der Grundsatz von Treu und Glauben („vera i doverie“) in solch präziser Form wie in § 242 BGB nicht auf. In der russischen Zivilgesetzgebung werden aber an verschiedener Stelle die Begriffe Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Gutgläubigkeit (alle werden als „dobrosovestnost’“ bezeichnet)588, Vernunft („razumnost’“), Gerechtigkeit („spravedlivost’“) verwendet. Sie werden dort aber – wie Treu und Glauben im deutschen Recht – als philosophische Kategorien nicht definiert. Die meisten Untersuchungen im russischsprachigen Schrifttum sowie die Rechtsprechung sind der Analyse des Grundsatzes „dobrosovestnost’“ (Redlichkeit, Gewissenhaftigkeit, Gutgläubigkeit) gewidmet.589 Die Monographien und Aufsätze dazu befassen sich in der Regel in ihrem Kern mit der Analyse der Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb.590 So wie im deutschen Recht in Bezug auf Treu und Glauben herrscht auch im russischen Recht in Bezug auf den Grundsatz „dobrosovestnost’“ die Meinung, dass er nicht zu definieren sei.591 Vielmehr könnten solche Ansätze nur nach den Ergebnissen einer sich immer wieder wiederholenden Rechtsprechung bestimmt werden.592

588 Einen geschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Zivilrecht des Zarenreichs und in der Sowjetunion gibt Solotych, Jahrbuch für Ostrecht 1998, S. 24 ff. 589 Siehe z.B. Bevsenko, S. 3 ff.; Chukreev, Zˇurnal rossijskogo prava 2002, Nr. 11, S. 100 ff.; Avenjanova, Juridicˇ eskij mir 2001, Nr. 10, S. 41 ff.; Krasnova, Zˇurnal rossijskogo prava 2003, Nr. 3, S. 62 ff.; Necˇ aev, VVAS 2004, Nr. 6, S. 122 ff.; Michailov, ChiP 2004, Nr. 6, S. 88 ff.; Emel’janova, S. 3 ff. 590 Es handelt sich in erster Linie um Art. 220, 234, 302, 303, 1109 russ. ZGB. Es wurde sogar von Braginskij vorgeschlagen, Treu und Glauben nach russischem Recht aus den Vorschriften über „gutgläubigen Erwerb“ herzuleiten. – Braginskij/Vitrjanskjj/Braginskij, Vertragsrecht, S. 135 ff. 591 Schellhammer, Rn. 1172; MüKo/Roth, BGB, § 242, Rn. 1 („unbestimmter Rechtsbegriff“); Vitrjanskij, VVAS 1997, Nr. 7, S. 131. Nach Sklovskij (ChiP 2002, Nr. 9, S. 81) versteht man unter Gutgläubigkeit eine Willenslage, die durch die unschuldbare Unkenntnis der objektiven Hindernisse zur Erreichung eines der betreffenden Verfolgten juristischen Zwecks charakterisiere, vor allem im Erwerb des Privatrechts. 592 Vitrjanskij, VVAS 1997, Nr. 7, S. 131 f.

106

B. Russisches Recht

Darüber hinaus tauchen im Zivilgesetzbuch andere Formulierungen auf, die entweder nach deutscher Tradition direkt in die Materie von Treu und Glauben einbezogen werden (z.B. Rechtsmissbrauchsverbot in Art. 10 russ. ZGB) oder bei erweitender Auslegung auch zu Treu und Glauben gehören können (z.B. allgemeine Prinzipien und Sinn des Zivilrechts in Art. 1, 8 Pkt. 1 russ. ZGB). Ob diese oben genannten Kategorien des russischen Zivilrechts inhaltlich ähnliche Konturen wie der Grundsatz von Treu und Glauben im deutschen Recht haben, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht vertieft erörtert werden. Die russische Rechtsprechung unternimmt erste Schritte in Richtung einer Konkretisierung und inhaltlichen Ausfüllung dieser Grundsätze. Dies bedarf einer speziell hierauf bezogenen komplexen Untersuchung. In der vorliegenden Arbeit werden alle in diesem Punkt genannten Kategorien des russischen Zivilrechts als Treu und Glauben im Sinne des russischen Rechts bezeichnet. Im Folgenden werden in Hinsicht auf die Frage der Pflicht der Bank, Not leidenden Unternehmen einen Kredit zu gewähren, die drei zentralen Vorschriften zum russischen Treu und Glauben untersucht: Art. 6 Pkt. 2, Art. 8 Pkt. 1 Abs. 1 und Art. 10 Pkt. 3 russ. ZGB. Art. 6 russ. ZGB („analoge Anwendung der Zivilgesetzgebung“) ist dergestalt anzuwenden, dass, wenn die zivilrechtlichen Beziehungen in der Gesetzgebung oder Individualvereinbarung nicht geregelt sind oder ein Handelsbrauch fehlt, man zu diesen Beziehungen eine Gesetzesanalogie zu ziehen hat. Erst wenn dies nicht möglich ist, dürfen die Rechte und Pflichten der Parteien durch Anwendung von Rechtsanalogien sowie die Anforderungen von Redlichkeit, Vernunft und Gerechtigkeit bestimmt werden. Bis heute spielt aber die Gesetzesanalogie in der Praxis eine unbedeutende Rolle.593 Begründungen für die Heranziehung der Kriterien der Redlichkeit, Vernunft und Gerechtigkeit in Bezug auf die Kreditgewährung in der Krise sind dem Autor, ebenso wie seitens der russischen Unternehmen geltende Handelsbräuche in diesem Bereich in Russland, nicht bekannt. Art. 8 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB („Gründe für die Entstehung bürgerlicher Rechte und Pflichten“) legt fest, dass Rechte und Pflichten nicht nur unmittelbar auf dem russ. ZGB beruhen können, sondern u.a. auch auf Grund allgemeiner Prinzipien und Gedanken der Zivilgesetzgebung begründet werden können. Man kann aber im russischen Recht nicht annehmen, dass allein auf Grund von langjährigen Beziehungen zwischen einer Bank und ihren Kunden eine Pflicht der Bank zur Finanzierung des Not leidenden Unternehmens in der Krise besteht. Eine solche Pflicht hat weder Niederschlag in der russischen Zivilgesetzgebung gefunden, noch ist sie der Lehre bekannt.

593 Braginskij/Vitrjanskij/Braginskij, Vertragsrecht, S. 135. Nach Meinung von Braginskij wird sie auch in Zukunft im russischen Zivilrecht eine geringe Rolle spielen. – Braginskij/Vitrjanskij/Braginskij, Vertragsrecht, S. 136.

107

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass ein Not leidendes Unternehmen eine sog. „unternehmerische Tätigkeit“594 selbständig ausübt.595 Die Bejahung einer solchen Pflicht der Bank ohne vertraglichen Grund bedeutete eine teilweise Übertragung der unternehmerischen Mitverantwortung für das Schicksal des Not leidenden Unternehmens vom Schuldner auf die Bank. Das russische Zivilgesetzbuch schließt aber nicht aus, dass solche Pflichten der Bank in einem Vertrag vorgesehen werden können. Art. 10 Pkt. 1 russ. ZGB („Grenzen der Rechtsausübung“) kommt dem deutschen Grundsatz von Treu und Glauben nahe und ist eine häufig in der Praxis angewendete Norm, die die konkreten Grenzen des Grundsatzes der Redlichkeit im russischen Zivilrecht bestimmt. Diese Vorschrift bestimmt den Umfang der Ausübung ziviler Rechte und stellt fest, dass solche Handlungen von Bürgern und juristischen Personen unzulässig sind, die ausschließlich mit der Absicht vorgenommen werden, dem anderen zu schaden, oder die auf andere Weise rechtsmissbräuchlich sind. Ob das Nichtzurverfügungstellen von Krediten seitens der Bank für das Not leidende Unternehmen einen Rechtsmissbrauch darstellt, ist zweifelhaft. Dies lässt sich, wenn die Parteien eine solche Pflicht nicht ausdrücklich vereinbaren, aus den früheren Verhältnissen zwischen der Bank und dem Unternehmen wohl nicht herleiten. Eine weitere Schwierigkeit bei der möglichen Begründung einer solchen Pflicht der Bank besteht darin, dass im russischen Recht Treuepflichten der Gesellschafter untereinander oder gegenüber der Gesellschaft weder gesetzlich festgestellt noch von der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt sind.596 Deswegen kann im russischen Recht ein solches Argument zugunsten der zu betrachtenden Pflichten der Bank, wie die analoge Anwendung der (gesellschaftsrechtlichen) Treuepflichten auf die Gewährung von Krediten an Not leidende Unternehmen, nicht akzeptiert werden.

3.

Auswirkungen bankrechtlicher Vorschriften auf die mögliche Pflicht der Bank zur Kreditgewährung in der Unternehmenskrise

Schon Ende der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde den sowjetischen staatlichen Banken verboten, Kredite für die Deckung von Verlusten der Unternehmen zu gewähren, und die Vergabe von Krediten an zahlungsunfähige Unternehmen wurde an besonders strenge Bedingungen geknüpft.597 Das russische BankG enthält, im Unterschied zum deutschen KWG, keine konkreten Bestimmungen über die Risikosicherung bei der Ausübung der Rechtsgeschäfte von Banken. Derartige Bestimmungen gibt es nur in untergesetzlichen Rechtsakten der russischen Zentral594 Die unternehmerische Tätigkeit stellt gemäß Art. 2 Pkt. 1 Abs. 3 russ. ZGB eine selbständige und auf eigene Gefahr ausgeübte Tätigkeit dar, die auf systematische Gewinnerzielung gerichtet ist. 595 Die konzernrechtlichen Besonderheiten der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit sind in dieser Arbeit ohne Belang. 596 Näher dazu siehe Meriminskaja, S. 32. 597 Verordnung des Zentralkomitees der UdSSR und Ministerrat der UdSSR vom 17.7.1987 Nr. 821 „Über die Vervollkommnung des Bankensystems des Staates und die Verstärkung seiner Auswirkungen auf die Erhöhung der Effizienz der Wirtschaft“ (Zitiert nach Topornin, Bankrecht, S. 319 ff.).

108

C. Zwischenergebnis

bank.598 Danach müssen die Banken einen Anteil des Geldes im Verhältnis zur Höhe des gewährten Kredits bei der Zentralbank hinterlegen. Dieser Anteil ist umso größer, je schlechter die Bonität des Kunden und die Höhe der gestellten Sicherheiten ausfällt. Diese beiden Indikatoren sind in der Unternehmenskrise besonders hoch und machen der Bank die Gewährung der (Sanierungs-)Kredite nur dann möglich, wenn ausreichende Sanierungschancen für das Not leidende Unternehmen vorhanden sind. Die Banken stehen bei der Gewährung der Kredite somit zwischen Hammer und Amboss: Auf der einen Seite setzen sowohl die Vorschriften des russ. ZGB über Kreditverträge als auch die Normen des BankG (Art. 33), das Vorliegen von Sicherheiten nicht als obligatorische Bedingung für die Gewährung von Krediten voraus. Andererseits ist bei der Gewährung unbesicherter Kredite das Risiko der Nichtrückerstattung des Kredits hoch.

4.

Mögliche Verpflichtung der Bank zur Gewährung eines Sanierungskredits

Das oben Dargestellte zeigt, dass im russischen Recht eine allgemeine Pflicht zur Gewährung von Krediten nicht existiert. Was die Pflicht zur Gewährung von Sanierungskrediten betrifft, könnte die Rechtslage anders aussehen. Man kann zwar ebenfalls nicht von einer allgemeinen Pflicht zur Gewährung von Sanierungskrediten sprechen. Wenn aber die Parteien einen Sanierungsvertrag geschlossen haben, dessen Inhalt u.a. auch die Pflicht der Bank vorsieht, dem Not leidenden Unternehmen einen Sanierungskredit zur Verfügung zu stellen, ist die Bank verpflichtet, einen Sanierungskredit zu gewähren. Die Bank muss dann aber von den Not leidenden Unternehmen verlangen können, entsprechende Sicherheiten zu stellen. Anders riskiert sie, das Geld von Anlegern, das sie als Sanierungskredit dem Not leidenden Unternehmen zur Verfügung stellt, im Fall des Scheiterns der Sanierung zu verlieren. Außerdem wäre auch eine finanzielle Beteiligung an der Sanierung des Unternehmens seitens seiner Eigentümer und Gesellschafter wünschenswert.

C.

Zwischenergebnis

1. Weder die deutsche noch die russische Gesetzgebung antworten auf die Frage, ob eine Pflicht der Bank existiert, einem Not leidenden Unternehmen einen (Sanierungs-)Kredit zu gewähren. Zu dieser Frage gibt es im deutschen Recht umfangreiche Rechtsprechung und Literatur, während sie im russischen Recht keine Aufmerksamkeit gefunden hat. 2. Die Rechtsprechung in Deutschland lehnt eine Pflicht der Bank ab, einem Unternehmen einen Kredit zu gewähren. Es gibt unterschiedliche Auffassungen im Schrifttum, die einer solchen Pflicht der Bank in dieser oder jeder Weise zustim598 Z.B. in der Anordnung der Zentralbank der RF vom 26.3.2004 Nr. 254-P „Über die Reihenordnung der Herausbildung von Kreditorganisationen von Reserven für mögliche Verluste nach Darlehen und gleichgestellte Verschuldung“, Vestnik Banka Rossii 2004, Nr. 28.

109

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

men: Die Kooperationspflichttheorie sowie die Theorie der begrenzten Pflicht der Hausbank, dem Not leidenden Unternehmen in der Krise einen Kredit zu gewähren, legen eine solche Pflicht weit aus. Außerdem halten einige Wissenschaftler eine solche Pflicht der Bank als „Ausnahmefall“ unter Berücksichtigung unterschiedlicher Umstände für möglich. Die Mehrheit der Wissenschaftler lehnt eine Pflicht der Bank zur Vergabe von Krediten jedoch ab. 3. Nach meiner Auffassung ist eine Pflicht zur Vergabe von Krediten trotz ihrer grundsätzlichen Ablehnung im deutschen Recht jedenfalls in einem Fall zu bejahen, nämlich dann, wenn die Bank sich hierzu im Rahmen eines Sanierungskreditvertrages verpflichtet hat. Notwendiges Erfordernis ist dann aber die Sanierungsfähigkeit des Schuldners sowie das Vorhandensein von Sicherheiten. Zumindest wünschenswert ist die allgemeine Beteiligung der Gesellschafter an der Finanzierung. 4. Im russischen Recht wird grundsätzlich eine solche Pflicht der Bank abgelehnt. Eine Ausnahme kann aber der Fall bilden, dass zwischen der Bank und dem Not leidenden Unternehmen ein Sanierungsvertrag geschlossen ist. In diesem Fall muss die Bank Sanierungskredite gewähren, wenn die notwendigen Sicherheiten vorhanden sind.

Dritter Abschnitt Auswirkungen der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Vergabe der Sanierungskredite Wenn der Sanierungsversuch des Not leidenden Unternehmens gelingt und die langfristige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederhergestellt wird, werden neben allen Forderungen der Unternehmensgläubiger auch die Forderungen auf Rückerstattung der gewährten Sanierungskredite der Bank befriedigt. Wesentlich anders sieht die Lage für die Bank aus, wenn der Sanierungsversuch entweder verzögert wird oder scheitert. In diesem Fall können sowohl das Not leidende Unternehmen über seinen Insolvenzverwalter als auch seine Gläubiger versuchen, Schadensersatz wegen der fehlgeschlagenen Sanierung von der Bank als wichtigstem Geldgeber zu beanspruchen. Wenn die Bank generell keine Kreditversorgungspflicht in der Unternehmenskrise trägt, kommt ein Schadensersatzanspruch im Falle der finanziellen Nichtbeteiligung an der Unternehmenssanierung nicht in Betracht.599 Inwieweit die unterschiedlichen haftungsrechtlichen Risiken einer fehlgeschlagenen Sanierung im deutschen und russischen Recht bei der Frage des Für und Wider einer Bank, sich an einem Sanierungsverfahren zu beteiligen, eine Rolle spielen, wird im Folgenden dargestellt.

599 Zum deutschen Recht: BGH NJW 1970, S. 657, 658; Wenzel, S. 241 f. m.w.N.; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 114a. Zum russischen Recht im Ergebnis siehe Dritter Tei. Zweiter Abschnitt. B. II. 4. dieser Arbeit.

110

A. Deutsches Recht

A.

Deutsches Recht

I.

Die Rechtsgrundlage der Bankenhaftung wegen fehlgeschlagener Sanierung im Lichte der Problematik der Sanierungskreditgewährung

Im deutschen Recht besteht generell keine Pflicht der Bank, sich an der Sanierung des Unternehmens zu beteiligen. Die Bank ist aber berechtigt, einem sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindenden Unternehmen Kredite zu gewähren.600 Wenn sie die Entscheidung über die Gewährung des Sanierungskredits trifft, muss sie die Fragen der „Drittwirkung der Kredite“ und die möglichen haftungsrechtlichen Folgen der Kreditvergabe berücksichtigen. Unter bestimmten Voraussetzungen können die Gläubiger des Not leidenden Unternehmens oder ein Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die Bank haben. Diese Ansprüche können sowohl vertraglicher, als auch außervertraglicher Natur sein.

1.

Vertragliche und vertragsähnliche Haftung der Bank

Im Falle der außergerichtlichen Sanierung können die Vertragsparteien miteinander einen Sanierungsvertrag abschließen. Nach diesem Vertrag kann die Bank u.a. zur Finanzierung des Not leidenden Unternehmens verpflichtet sein. Neben der vertraglichen Haftung aus Sanierungsverträgen kommt in Fällen, in denen in diesem Sanierungsvertrag nur eine Bank oder ein Bankenkonsortium auf der einen Seite und das Not leidende Unternehmen auf der anderen Seite stehen, nicht aber die anderen Gläubiger eine vertragliche oder vertragsähnliche Haftung des Kreditgebers gegenüber den Unternehmensgläubigern nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte (§ 311 Abs. 2 BGB) in Betracht. Grundlage dafür können die „über das Faktum der jeweiligen Gläubigerstellung zu den insolventen Unternehmen hinausgehende vertragliche Beziehungen“ oder anderweitig begründete Sonderverbindungen zwischen den Parteien sein.601 Im Folgenden wird untersucht, in welchen Fällen solche Schutz- und Obhutspflichten der Bank gegenüber den Mitgläubigern des Not leidenden Unternehmens bestehen können. Der Bundesgerichtshof sieht den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht als geeignete Grundlage für den Schutz der Mitgläubiger des Not leidenden Unternehmens aus dem Kreditvertrag zwischen ihm und einer Bank. Für eine Haftung des Kreditgebers wegen c.i.c. in unserem Fall verlangt der BGH vielmehr sowohl eine besondere „Leistungsnähe“, als auch ein der Vertragspartei erkennbares „persönliches Interesse“ des Gläubigers.602

600 BGH WM 1956, S. 527, 529; 1961, S. 1103, 1106. 601 Schmitz, S. 37. 602 BGHZ 51, S. 91, 95 ff.; Schmitz, S. 37 f.; Herrmann, JZ 1983, S. 424; Canaris, BankR, Rn. 24. Im Laufe der Rechtsfortbildung wurden diese Voraussetzungen wesentlich abgeschwächt. – BGH NJW 1984, S. 355, 356 f.; BGH JZ 1985, S. 951, 952; Schmitz, S. 37 m.w.N.

111

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Wenn bei der Sanierungskreditvergabe die Bank sich nicht nur auf die Kreditvergabe beschränkt, sondern auch zusätzliche Leistungen an Gläubiger erbringt, kann dieser enge geschäftlichen Kontakt zwischen der Bank und anderen Gläubigern des Schuldners bei einigen Verhaltensarten der Bank zu deren Haftung führen.603 Die nähere Darstellung dieser Haftungsalternativen geht aber weit über den Gegenstand dieser Untersuchung hinaus und gehört nicht zur Aufgabe dieser Arbeit.604 Dagegen können Sanierungskreditverträge mit überhöhten Zinssätzen wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 BGB als nichtig anerkannt werden.605

2.

Außervertragliche Haftung der Bank

Wenn die Mitgläubiger des Not leidenden Unternehmens mit der finanzierenden Bank nicht rechtsgeschäftlich verbunden oder in den Schutzbereich von Verträgen einbezogen sind, können nur deliktische Ansprüche in Betracht kommen. Das deutsche Deliktsrecht besteht im Wesentlichen aus drei Tatbeständen (§ 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 sowie § 826 BGB). Ob sie alle Grundlage für die Ansprüche der Gläubiger sein können, ist zweifelhaft.

603 Es handelt sich in erster Linie um die Haftung der Bank gegenüber Nichtkunden wegen einer falschen unentgeltlichen Auskunft. Eine solche Auskunftserteilung der Bank an einen Vertragspartner soll gleich gestellt sein und dann einen konkludenten Auskunftsvertrag darstellen, wenn die Auskunft für die andere Partei erkennbar eine große Bedeutung hat. – RGZ 131, S. 239, 246; BGHZ 12, S. 105, 108; BGH WM 1980, S. 527, 528; 1990, S. 1990 f.; Palandt/Thomas, BGB, § 675, Rn. 3; von Heymann, S. 130; a.A. Canaris, BankR, 3. Aufl., Rn. 88; Stoll, RabelsZ 1982, S. 591, 596, die die reine Erteilung einer Auskunft nicht als konkludenten Vertragsabschluss ansehen und vielmehr von der Bank eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtungserklärung verlangen. Wenn eine Bank einem Not leidenden Unternehmen einen Sanierungskredit gewährt und von anderen Mitgläubigern des Unternehmens ebenfalls die Gewährung eines Darlehens gefordert hat, ist – wie der BGH in seiner richtungsweisenden Entscheidung vom 29.5.1978 betont hat (BGH WM 1978, S. 896 f.) – zwischen der Bank und den anderen Mitgläubigern ein eigenständiges Vertrauensverhältnis begründet worden. In diesem Fall hat die Bank nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auf die anderen Mitgläubiger des Unternehmens (ihre Kunden) mehr als üblich Rücksicht zu nehmen. Darüber hinaus haben die anderen Mitgläubiger in diesem Fall von der Bank die erforderlichen Hinweise zu bekommen oder umfassend über die drohenden und der Bank allein in vollem Ausmaß bekannten Risiken bei der Darlehensgewährung an das Not leidende Unternehmen (ihr Kunde) aufgeklärt zu werden. – BGH WM 1978, S. 896 f.; Rümker, ZHR 1979, S. 206; Schmitz, S. 42 f.; Hermann, JZ 1983, S. 425; a.A. Martens, ZHR 1979, S. 178, der eine außervertragliche Haftung der Bank wegen der Verletzung der Interessenwahrnehmungspflicht gegenüber den übrigen Unternehmensgläubigern annimmt. Wenn die Bank diese Bedingungen nicht erfüllt, muss sie die möglichen Schäden aus c.i.c. gemäß § 311 BGB ersetzen. – BGH WM 1978, S. 997. 604 Eingehend dazu siehe Schmitz, S. 41 ff. 605 Das OLG Frankfurt hat in seinem Urteil v. 18.1.1967 (NJW 1967, S. 1043) die Unterwerfung eines Schuldners im Zuge seiner Sanierung unter eine Treuhandschaft zumindest dann als sittenwidrig (gemäß § 138 BGB) angesehen, wenn dem an die Stelle des Schuldners tretenden Treuhänder dem Gläubiger gegenüber die wirtschaftliche Selbständigkeit und Freiheit nicht gewahrt bleibe.

112

A. Deutsches Recht

Ein Anspruch des Unternehmensgläubigers aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert daran, dass es diesem in der Regel um den Ersatz seines primären Vermögensschadens geht, das Vermögen aber kein sonstiges Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB ist.606 Auch ein Anspruch wegen Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb kommt nicht in Betracht, weil es bei der Sanierungskreditvergabe an der notwendigen Voraussetzung der „Unmittelbarkeit“ oder „Betriebsbezogenheit“ des Angriffs gegenüber dem Gewerbebetrieb der Mitgläubiger von Seiten der kreditgewährenden Bank fehlt.607 Bei der Frage, ob die Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB eine Anspruchsgrundlage für Mitgläubiger des Not leidenden Unternehmens gegenüber der Bank darstellen kann, muss zwischen den Vorschriften des StGB, KWG und § 92 Abs. 2 AktG sowie § 64 Abs. 1 GmbHG unterschieden werden. Nur selten kommen in der bankrechtlichen Praxis Fälle einer strafbare Handlungen der Bank wegen Betruges (§ 263 StGB), Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten des Insolvenzstrafrechts (§§ 26, 27, 283 ff. StGB) in Betracht, weil bei einem ernsthaften Sanierungsversuch die subjektiven Voraussetzungen dieser Straftaten (vorsätzlicher Beitrag der Bank zum Kreditbetrug) schwer nachweisbar sind.608 Als spezielle bankrechtliche Schutzgesetze kommen die Vorschriften des KWG in Betracht. Sowohl § 13 Abs. 1 KWG als auch § 18 KWG dienen aber der Erhaltung der Bonität der Kreditinstitute und der Interessen ihrer Anleger.609 Sie stellen damit keine Schutzgesetze zugunsten der Gläubiger dar. Weitere für die Sanierungskreditgewährung wichtige Schutzgesetze zugunsten der Gesellschaftsgläubiger im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind § 92 Abs. 2 AktG und § 64 Abs. 1 GmbHG.610 Bei Vorliegen der Insolvenzgründe (Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung) eines Not leidenden Unternehmens ist die sanierungskreditgewährende Bank in der Regel nicht zur Stellung des Insolvenzantrages verpflichtet. Im Ausnahmefall kann ihr aber zum Vorwurf gemacht werden, dass sie das gesetzwidrige Verhalten des Unternehmens (ihres Kunden) unterstützt hat, als Folge dessen die Insovenzverfahrenseröffnung verzögert wurde und die Befriedigungsaussichten der Mitgläubiger verringert wurden. In diesem Fall kann die Bank theoretisch als Gehilfe nach § 830 Abs. 2 BGB haften.611 Wegen der strengen Voraussetzungen kommt eine solche Haftung der Bank in der Praxis aber selten zur Anwendung: Die vorsätzliche Unterstützung des Antragsverpflichteten, die positive Kenntnis (nicht nur fahrlässige Unkenntnis des Insolvenzgrundes)612 der Bank von dem Umstand voraussetzt, dass der Antragsverpflichtete die Stellung des Insolvenz-

606 Canaris, BankR, 4. Aufl., Rn. 128; Schmitz, S. 45 m.w.N. 607 Canaris, BankR, 4. Aufl., Rn. 128; Schmitz, S. 45; Kruppa, S. 25. 608 Kruppa, S. 26 f.; Canaris, BankR, 4. Aufl., Rn. 129. Ausführlich dazu Dechamps, S. 32 ff. 609 Zu § 13 KWG – BGH WM 1970, S. 633; 1971, S. 1332; Koller, S. 35; Schmitz, S. 46. Zu § 18 KWG – BGH WM 1973, S. 141; 1984, S. 131; Schmitz, S. 46; Canaris, BankR, 4. Aufl., Rn. 129; Rümker, ZHR 1979, S. 199. 610 Bezüglich § 64 Abs. 1 GmbHG – BGHZ 29, S. 100, 102 ff.; BGH NJW 1990, S. 1730; bezüglich § 92 Abs. 1 AktG – RGZ 159, S. 211, 233; BGHZ 75, S. 96, 106 f.; BGH WM 1985, S. 385. Zustimmend: Schmitz, S. 47 m.w.N.; Kruppa, S. 26; MüKo/Martens, BGB, 3. Aufl., § 823 Rn. 169. 611 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 64, Rn. 49; Schmitz, S. 47. 612 BGHZ 75, S. 96, 108.

113

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

antrages über die höchstens dreiwöchige Frist hinaus pflichtwidrig unterlassen hat und somit eine vorsätzliche Insolvenzverschleppung vorgenommen hat, ist kaum nachweisbar.613 Schließlich kommt ein Anspruch aus § 826 BGB in Frage. Er stellt die am häufigsten angewendete Vorschrift im Bereich der Sanierungshaftung der Banken dar. Dies wird im Folgenden näher dargestellt.

II.

Haftung der Bank nach § 826 BGB als wichtigster Haftungsgrund bei der Vergabe sittenwidriger Sanierungskredite

1.

Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung614

Die Wurzeln der heutigen BGH-Rechtsprechung zur sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung liegen in der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu den Sicherungsverträgen. Zunächst hat das RG in seiner Entscheidung vom 9. April 1932 eine Reihe von Fallgruppen gebildet615: Konkursverschleppung, Knebelung und Aussagung des Schuldners, stille Geschäftsinhaberschaft des Sicherungsnehmers, Kredittäuschung sowie Gläubigergefährdung. Diese Typen wurden sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur als Orientierungshilfen bezeichnet, die keineswegs abschließend sind und die einander überschneiden.616 Erst der BGH begann sich primär mit der Sanierungskreditproblematik zu beschäftigen. Dabei hat er die vom RG entwickelten Fallgruppen nur als Anhaltspunkte im Rahmen der umfassenden Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls herangezogen.617 Einige wurden in der jüngeren BGH-Rechtsprechung teilweise bejaht, andere begrenzt.618 Der BGH hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 9. Juli 1953 betont, dass es für die Feststellung der Beeinträchtigung der Gläubigerinteressen seitens der Bank erforderlich ist, im Einzelfall sämtliche Interessen abzuwägen.619 Dabei lehnt der BGH subsumtionsfähige Tatbestandsmerkmale ab und erwähnt sogar, dass „die Grenze fließt“.620 Was in der heutigen Rechtsprechung über sittenwidrige Sanierungskreditgewährung fehlt, sind klare Konturen, an denen ein Kreditinstitut sein Vorgehen bei der Gewährung oder Versagung eines Sanierungs-

613 RGZ 129, S. 330, 332; RGZ 133, S. 326, 329; Erman/Schiemann, BGB, § 830, Rn. 3; dagegen kritisch Schmidt, ZIP 1980, S. 329; Ders., ZIP 1988, S. 1501 f. 614 Ausführlich dazu siehe Gawaz, Rn. 131 ff. 615 RGZ 136, S. 247, 253. 616 BGH WM 1956, S. 283, 284; NJW 1970, S. 567, 568 f.; Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, § 826, Rn. 148a m.w.N.; Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 826, Rn. 38; Martens, ZHR 1979, S. 175. 617 BGHZ 10, S. 228, 233; BGH WM 1970, S. 399; OLG Celle, ZIP 1982, S. 942. 618 Batereau, WM 1992, S. 1519 f. 619 BGHZ 10, S. 228 ff. 620 BGHZ 10, S. 228, 233 f.; OLG Hamm NJW-RR 1995, S. 617, 618. Kritisch hierzu MüKo/Wagner, BGB, § 826, Rn. 78 (übereinstimmend mit Koller, JZ 1985, S. 1013). Nach dieser Meinung besteht zu „solchem Quietismus kein Anlass“, weil die Rechtsprechung des BGH „durchaus verlässliche Kriterien der ,Sittenwidrigkeit‘ erarbeitet hat (BGH NJW 1970, S. 657, 658), die als Standards professionellen Verhaltens von Banken bei der Kreditvergabe in der Krise zu verstehen sind“.

114

A. Deutsches Recht

kredits ausrichten kann.621 Das ist die Folge der starken Hervorhebung der einzelfallorientierten Betrachtung der Sanierungskredite.622 Die Rechtsprechung grenzt den zulässigen Sanierungskredit und die sittenwidrige Insolvenzverschleppung folgendermaßen voneinander ab: Insolvenzverschleppung liege vor, wenn ein Kredit nicht für eine wirklich nachhaltige Sanierung, sondern nur für eine Verzögerung des Zusammenbruchs des Unternehmens genüge.623 Damit schiebe der Kreditgeber den eigentlich unvermeidlichen Konkurs eines Unternehmens hinaus, bekomme im gewonnenen Zeitraum einige Vorteile, die anderen Gläubiger des Unternehmens würden dadurch aber über die Kreditfähigkeit des Schuldners getäuscht.624 Damit werde die Befriedigung der anderen Gläubiger erschwert oder vereitelt.625 Der BGH betont, dass ein solcher sittenwidriger Sanierungskredit auch durch eigennützige und rücksichtslose Risikoreduzierung durch Schaffung weiterer Sicherheiten charakterisiert sein könne,626 wenn dies zu einer Schädigung Dritter führe. Allein die Kreditvergabe an ein sich in Zahlungsschwierigkeiten befindendes Unternehmen sieht der BGH aber nicht als sittenwidrig an, für die Annahme der Sittenwidrigkeit müssten vielmehr weitere Umstände hinzukommen.627

2.

Auffassungen in der Literatur zur systematischen Stellung unzulässiger Sanierungskredite innerhalb § 826 BGB

Die Haftung der Bank für die Gewährung sittenwidriger Sanierungskredite taucht in der Literatur unter der Fallgruppe „Gläubigerbegünstigung und -benachteiligung“ auf.628 Diese Gruppe gehört zu den „undurchsichtigsten und umstrittensten

621 Wenzel, NZI 1999, S. 2986. 622 Wenzel, NZI 1999, S. 2986. Folgende Beispiele sollen dies illustrieren. Während der BGH zunächst betont hat, dass die Gewährung von Sanierungsdarlehen rechtlich prinzipiell unproblematisch ist und nur in Ausnahmefällen sittenwidrig sein kann (BGH WM 1965, S. 475, 476; Wenzel, NZI 1999, S. 2986), hat er in späteren Entscheidungen angedeutet, dass die Vergabe eines Sanierungskredits „im Hinblick auf eine mögliche Gefährdung der Rechte und Ansprüche dritter Gläubiger grundsätzlich zu missbilligen ist, wenn nicht ausnahmsweise die begründete Aussicht auf den Erfolg der Sanierungsbemühungen belegt werden kann“ (BGH NJW 1970, S. 657, 658). Als weiteres Beispiel kann das Merkmal der Prüfung der Erfolgsaussichten der Sanierung durch einen externen branchenkundigen Wirtschaftsfachmann genannt werden. Wurde in der BGHEntscheidung von 1953 eine solche externe Prüfung als eine der Pflichten der Bank bezeichnet (BGHZ 10, S. 228 (L). Ebenso BGHZ 96, S. 231), so war in einer späteren BGH-Entscheidung die sorgfältige interne Prüfung der Bank ohne Involvierung eines Dritten ausreichend. – BGHZ 96, S. 231. Andere Beispiele zur widersprüchlichen Rechtsprechung des BGH bei Wenzel, NZI 1999, S. 2986. 623 BGHZ 10, S. 228, 234. 624 BGH WM 1962, S. 527, 529; BGHZ 10, S. 228, 232 f.; BGH BB 1996, S. 344, 345. 625 BGH WM 1962, S. 527, 529. 626 BGH WM 1962, S. 965, BGH WM 1975, S. 534. 627 BGH WM 2001, S. 1458. 628 Bamberger/Roth/Spindler, BGB, § 826, Rn. 38 ff.; Erman/Schiemann, BGB, § 826, Rn. 31 ff. Nach Hönn und Dönneweg ist von „Gläubigerbenachteiligung und -gefährdung“ zu sprechen – Soergel/Hönn/Dönnenweg, BGB, § 826, Rn. 145 ff. Von Gläubigergefährdung (im engeren Sinne, Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, § 826, Rn. 159) ist meist dann die Rede, wenn spätere Kreditgeber

115

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Fallgruppen“ des § 826 BGB.629 Hier ist weder die Begrifflichkeit einheitlich, noch die Einteilung der Unterfälle eindeutig.630 Da das BGB selbst keinen „Tatbestand“ der Gläubigergefährdung enthalte, seien die besonderen Umstände des Einzelfalls entscheidend.631 Die Gewährung von Sanierungskrediten könne im Fall der späteren Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Verringerung der Masse, und in der Folge zur Verschlechterung der Befriedigungsmöglichkeiten der anderen Gläubiger (sog. Gläubigerbenachteiligung) führen und so die Interessen der Gläubiger schädigen und den Tatbestand des § 826 BGB erfüllen. Eine weitere Folge der Gewährung solcher Sanierungskredite kann auch die verspätet vorgenommene Stellung des Insolvenzantrages (sog. Insolvenzverschleppung) sein. Dabei führt die Gewährung jedes Sanierungskredits mehr oder weniger zur Gläubigerbenachteiligung, weil damit der Kreditgeber einerseits die Masse durch zusätzliche Forderungen, nämlich Rückerstattung des Sanierungskredites plus Zinsen (die in der Regel hoch sind) belastet, und andererseits in der Regel Sicherheiten zur Sicherung des Sanierungskredits beansprucht. Jeder Sanierungskredit verschiebt die Fristen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Zukunft. In den Fällen der Übersicherung des Sanierungskredits, der Gewährung des Sanierungskredits ohne realistische Sanierungsaussichten, sowie der Gewährung eines für die Sanierung des Unternehmens nicht ausreichenden Sanierungskredits – das sind alles Fälle des sog. „sittenwidrigen“ Sanierungskredits – werden sowohl die Interessen der anderen Gläubiger benachteiligt, als auch die Stellung des Insolvenzantrages verschleppt. Diese beiden Folgen der Gewährung eines sittenwidrigen Sanierungskredits (Insolvenzverschleppung und Gläubigerbenachteiligung) stehen zueinander in folgendem Verhältnis: Je später einerseits das Insolvenzverfahren eröffnet wird, desto größer die Gläubigerbenachteiligung. Andererseits kann eine starke Gläubigerbenachteiligung nach den Vorschriften der InsO noch kein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung darstellen und muss nicht zwingend zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens führen. Eine Gläubigerbenachteiligung kann von Seiten der Gläubiger in der Regel erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter festgestellt werden. Der Geschäftsführer des Unternehmens kann, solange die Geschäfte des Unternehmens gut gehen, (unter Beachtung der Vorschriften des Wettbewerbsrechts) sogar andere Unternehmen benachteiligen oder begünstigen. Erst dann, wenn ein Unternehmen in die Krise gerät, muss es die anfechtungsrechtlichen Vorschriften des Insolvenzrechts (§§ 129 ff. InsO) berücksichtigen. Deswegen spielen die äußeren Verhältnisse des Unternehmens eine entscheidende Rolle für die Stellung des Insolvenzantrages, weil das Unternehmen damit zeigt, dass es sich in einer Krise befindet, die es ohne gerichtliches Verfahren nicht überwinden kann. In diesem Fall sind die Interessen der Gläubiger durch die anfechtungsrechtlichen Vorschriften der InsO zum Teil geschützt. Deswegen wäre es in diesem Fall korrekt,

durch Umfang und Art der Einräumung von Sicherheiten durch den Schuldner gefährdet werden. Neuhof (NJW 1988, S. 3226 f.) dagegen unterteilt die Haftungskonstellationen „Konkursverschleppung“ und „eigennütziger Sanierungskredit“. 629 Erman/Schiemann, BGB, § 826, Rn. 31. 630 Erman/Schiemann, BGB, § 826, Rn. 31. 631 RGZ 136, S. 247 ff.; BGHZ 10, S. 228, 232; Gawaz, Rn. 135.

116

A. Deutsches Recht

von Insolvenzverschleppung als Unterfall der Gläubigerbenachteiligung zu sprechen.632 Fraglich ist vorliegend vor allem, welche haftungsrechtlichen Unterschiede es – je nach Rechtsfolge der Sanierungsaktion – zwischen normalen bzw. zulässigen Sanierungskrediten, die die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens bezwecken, und andererseits den sogenannten sittenwidrigen Sanierungskrediten gibt, die zur Gläubigerbenachteiligung führen.633 Während die Rechtsprechung Kriterien zur Abgrenzung zulässiger von sittenwidrigen Sanierungskrediten entwickelt hat, und dabei in erster Linie auf subjektive Elemente zurückgreift,634 beschränkt sich die Literatur auf die Diskussion der Zulässigkeit der von der Rechtsprechung entwickelten Merkmale.635 Die Lösungsvorschläge der Literatur unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu einzelnen Fragen der Qualifizierung des Sanierungskredits als sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB sollen im Folgenden dargestellt werden. 3.

Lösungsvorschläge zu einzelnen Problemkreisen

Beim Beweis der sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung nach § 826 BGB hat man alle vier Tatbestandmerkmale des § 826 BGB zu beweisen. Das zentrale Problem bei der Analyse der Tatbestandsmerkmale des § 826 BGB wegen Gewährung sittenwidriger Sanierungskredite ist der Beweis der Sittenwidrigkeit. Dieser kann nur mit Hilfe der durchgeführten Sanierungsfähigkeitsprüfung und durch Analyse des im Rahmen der Krisenanalyse entwickelten realistischen Sanierungskonzepts geführt werden, durch das die Bank vom positiven Ergebnis einer Sanierung überzeugt worden sein soll.636 Bevor die einzelnen Aspekte dieser Prüfung in den Punkten b), c), und d) dargestellt werden, wird zunächst in Punkt a) die Frage über das anspruchsbegründende Verhalten der Bank für die Haftung wegen der Gewährung der Sanierungskredite dargestellt. a)

Haftungsrelevante Verhaltensweisen der Bank

Weil die Sanierungskreditgewährung in dieser Arbeit im weiteren Sinne verstanden wird und darunter nicht nur die Neugewährung von Sanierungskrediten selbst, sondern auch Stillhalten bei bestehenden Krediten zu Sanierungszwecken oder die Prolongation der normalen Kreditverträge unter der Bedingung der Ergänzung des Kreditvertrags um den Sanierungszweck verstanden werden, hat man die Frage zu 632 Ebenso im Ergebnis Soergel/Hönn/Dönneweg, BGB, § 826, Rn. 148a. 633 Diese Abgrenzung kann dann besonders kompliziert sein, wenn bei objektiver Analyse die Kreditvergabe nicht von Anfang an schon aussichtslos ist, sondern es erst im Laufe des Verfahrens wird und deswegen nicht das Ziel verfolgte, nur eine Möglichkeit zur Erschöpfung der zukünftigen Insolvenzmasse zu finden. 634 Baterau, WM 1992, S. 1519 f. Deswegen meint er, dass die Grenze zwischen Sittenkonformität und sittenwidriger Gläubigerbenachteiligung fließend sei. – Ders., a.a.O. unter Verweis auf BGH WM 1970, S. 399. 635 Ausführlich zu den Lösungskonzepten der Literatur zur Problematik der Gewährung unzulässiger Sanierungskredite siehe Gawaz, S. 219 ff. 636 OLG Hamm ZInsO 1999, S. 574; Gogger, S. 225; Theewen, BKR 2003, S. 145.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

klären, welche sanierungsrelevant Verhaltensweisen der Kredit gewährenden Bank unter die Haftung wegen § 826 BGB fallen. Die Besonderheiten der Kreditgewährung unter haftungsrelevanten Umständen werden im folgenden Teil der Arbeit genauer dargestellt, deshalb wird an dieser Stelle zunächst die Frage über das Stillhalten und die Stundung der Bank in der Krise erörtert werden. Unter Stillhalten versteht man unterschiedliche Arten von Handlungen der Bank nach dem Abschluss des Kreditvertrages. In der Regel wird darunter der Verzicht auf die Ausübung eines gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsrechts bei einem schon ausgezahlten Kredit637 und auf die Verwertung der Sicherheiten638 verstanden. Stillhalten ist auch in der Aufrechterhaltung einer Kreditlinie zu sehen, die unbefristet oder „b.a.w.“ gewährt wurde, ebenso in der Prolongation von Krediten.639 Es gibt zwei Umstände, die sich wesentlich auf die Haftung für das Stillhalten auswirken. Zuerst handelt es sich um den Umstand, dass weder ein Anspruch auf Kündigung zur „rechten Zeit“ existiert640 noch das Vorliegen der Kündigungsvoraussetzungen des Sanierungskredits zur Kündigung verpflichtet.641 Dazu kommt, dass nur das Zurverfügungstellen von Neu-Krediten (d.h. die Aufstockung bestehender Linien oder sonstige Vereinbarungen über zusätzliche Darlehen) für die Qualifizierung nach § 826 BGB relevant ist, nicht aber die Auszahlung schon früher zugesagter Kredite oder die volle Inanspruchnahme einer nur teilweise ausgenutzten Kreditlinie.642 Deswegen wird davon ausgegangen, dass Stillhalten grundsätzlich zulässig ist und daher kein anspruchsbegründendes Verhalten der Bank darstellt.643 Die Rechtslage bei einer sogenannten Stundung oder einem Moratorium hat aber ihre Besonderheiten. Darunter versteht man den Umstand, dass die Kredite abgelaufen sind und das Kreditinstitut die ausdrückliche Abrede mit dem Schuldnerunternehmen über weitere Stundungsversprechen des Kreditinstitutes oder ein Moratorium vereinbart.644 Wenn in diesem Fall das Kreditinstitut den Wert seiner Sicherheiten erhöht bzw. neue Sicherheiten hereinnimmt oder sich in sonstiger Weise eine Vorzugstellung vor den anderen Gläubigern verschafft645 und den Kre-

637 Obermüller, Rn. 5.18 f.; Theewen, BKR, 2003, S. 142, Kiethe, KTS 2005, S. 206; Schäffler, BB 2006, S. 58. 638 Ebbing, KTS 1996, S. 322 m.w.N. 639 OVG Rheinland-Pfalz, BB 1972, S. 1293 ff.; BGH WM 1979, S. 455 m.w.N.; Schäffler, BB 2006, S. 58; Obermüller, 5.19; Kiethe, KTS 2005, S. 206; Ahnert, BKR 2002, S. 258. 640 BGH NJW 1970, S. 657; Theewen, BKR 2003, S. 142; Kiethe, KTS 2005, S. 207; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 109; Ebbing, KTS 1996, S. 333. 641 Kiethe, KTS 2005, S. 207 unter Verweis auf Obermüller, Rn. 5.22. 642 Obermüller, Rn. 5.105; Schäffler, BB 2006, S. 58. 643 BGH, NJW 1970, S. 657, 658; BGH, WM 1964, 671; 1963, S. 1093, 1094; 1965, S. 475, 476; Schäffler, BB 2006, S. 58; Lauer, Rn. 123 ff.; Kiethe KTS 2006, S. 207; Obermüller, Rn. 5.22 ff. (die beiden Letztgenannten nennen gleichzeitig die Ausnahmen, die in der Arbeit als Stundung bezeichnt sind). – Kiethe, KTS 2005, S. 207; Obermüller, Rn. 5; Rümker, KTS 1981, S. 512; Ebbing, KTS 1996, S. 333. Außerdem wird, wenn das Stillhalten zu einer Gläubigergefährdung bzw. -benachteiligung, insbesondere durch eine Insolvenzverschleppung, führt, auch eine Grundlage für den Schadenersatzanspruch nach § 826 BGB vorliegen. – Kiethe, KTS 2005, S. 207; Rümker, KTS 1981, S. 512; Ebbing, KTS 1996, S. 333; BGH NJW 1970, S. 657, 658. 644 Theewen, BKR 2003, S. 142; Obermüller, Rn. 5.21. 645 BGH WM 1995, S. 1663; BGH WM 1995, S. 1397; Theewen, BKR 2003, S. 142; Kiethe, KTS 2005, S. 207; Rümcker, KTS 1981, S. 512; Ebbing, KTS 1996, S. 333.

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A. Deutsches Recht

ditvertrag als einen Sanierungsvertrag und nicht lediglich als Überbrückungskredit gestaltet, werden gegen solche Handlungen der Bank in gleicher Weise wie wegen einer neuen Sanierungskreditgewährung die haftungsrechtlichen Bedenken aus § 826 BGB bestehen.646 b)

Sanierungsfähigkeitsprüfung

In der Literatur besteht Streit über die Frage, ob es eine Pflicht der Bank zur Prüfung der Sanierungsfähigkeit des Not leidenden Unternehmens gibt. Nach einer Meinung lässt sich eine solche Pflicht nicht aus allgemeinen Verkehrssicherungspflichten ableiten.647 Die Gegenauffassung bejaht eine solche Pflicht als eine Rücksichtspflicht der Bank gegenüber ihren Mitgläubigern und als Instrument der Sanierungsverantwortung,648 weil alle „Gläubiger (...) auf die Deckungsmasse, auf das Vermögen des Schuldners angewiesen“ seien und damit de facto eine Interessengemeinschaft bilden.649 Es existieren verschiedene Ansichten zu den Aspekten der Sanierungsfähigkeitsprüfung. aa)

Zeitpunkt und Gegenstand der Prüfung

Die Prüfung der Sanierungsfähigkeit hat das Unternehmen zum Zeitpunkt der Kreditgewährung zum Gegenstand.650 Wenn nach der Gewährung des Sanierungskredits ein Gutachten erstellt wird, kann das nur für die Sittenwidrigkeit des Sanierungskredits sprechen, wenn auch die Sanierungsprognose negativ war.651 Die Frage über die konkreten zeitlichen Grenzen (Zeitpunkt) der Neukreditgewährung als Voraussetzung für die Haftung der Bank nach § 826 BGB wegen der Gläubigerbenachteiligung ist umstritten. Fest steht nur, dass sie in der Krise erfolgen soll. Ob darunter Konkurs- bzw. Insolvenzreife verstanden werden soll, wovon die Rechtsprechung und ein Teil der Lehre ausgeht652, oder die Sanierungsbedürftigkeit, wovon ein anderer Teil der Lehre ausgeht,653 oder die von einem Teil der Lehre und einer BGH-Entscheidung vertretene Ansicht, dass der Schuldner objektiv

646 Theewen, BKR 2003, S. 142. 647 Westermann, Interessenkollisionen, S. 38; Rümker, ZHR 1979, S. 198. 648 Wegerhoff, DB 1955, S. 549; Wüst, S. 268; Martens, ZHR 1979, S. 174 f.; Müller, KTS 1975, S. 207; Gawaz, Rn. 319 ff. Generell eine solche Pflicht bejaht Serick, Bd. III, § 30 V 4b, S. 61. 649 Wüst, S. 270; Gawaz, Rn. 317. 650 Wenzel, S. 298. 651 Das Kreditinstitut soll zuerst das Ergebnis der Wirtschaftsprüfung abwarten „wenn Zweifel an der Durchführbarkeit der Maßnahme vorab nicht auszuschließen sind. Ein bereits gestellter Überbrückungskredit sollte gegebenenfalls prolongiert werden. Nur wenn das Gutachten positiv ausfällt, ist eine nachträgliche Bestätigung der Einschätzung des Kreditinstituts nach Kreditgewährung unschädlich.“ – OLG Schleswig WM 1982, S. 25, 27; Theewen, BKR 2003, S. 146. 652 BGHZ 10, S. 228; BGH WM 1970, S. 399, 401; Gawaz, Rn. 320; Batereau, WM 1992, S. 1518. 653 Kiethe, KTS 2005, S. 184; Obermüller, Rn. 5.104. Von einer Sanierungsbedürftigkeit kann nach dieser Ansicht ausgegangen werden, wenn die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebes und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz ohne Stützungsmaßnahmen nicht erhalten werden kann und deshalb, wenn diese Entwicklung nicht zu stoppen ist, in absehbarer Zeit Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eintreten wird. – Kiethe, KTS 2005, S. 187; Obermüller, Rn. 5.104; Ebbing, KTS 1996, S. 331.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

zahlungsunfähig oder überschuldet war,654 oder die nur in der Lehre vertretene Ansicht, den für § 826 BGB haftungsrelevanten Zeitpunkt der Kreditgewährung an den Krisenbegriff des Kapitalersatzrechts anzuknüpfen,655 ist umstritten. Dieser Umstand führt vor dem Hintergrund, dass der Richter darüber in der Regel erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ex post entscheiden wird, sowohl zu erheblichen Rechtsunsicherheiten bei der Kreditgewährung in der Krise656 als auch dazu, dass der Anfang des risikoträchtigen Zeitraums vom Einzelfall abhängt.657 Bei der Betrachtung des für den Vorwurf der sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung i.S. des § 826 BGB relevanten Zeitpunkts der Kreditgewährung hat man von dem Kriterium der objektiven Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung des Kreditnehmers auszugehen. Nur in diesem Fall kann man Rechtsunsicherheit vermeiden und auf Grund der konkreten, in den §§ 17 und 19 InsO vorhandenen Merkmale der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung die Krise des Unternehmens beurteilen. Als notwendiges Ergebnis der Prüfung soll auch Antwort auf die Frage gegeben werden, ob der Schuldner sanierungsfähig ist oder nicht. Bei positiver Antwort stellt sich für das Unternehmen dann die Frage nach der wirtschaftlichen Zweckdienlichkeit einer Kreditgewährung für ein konkretes Sanierungsprojekt.658 Was in der Sanierungsfähigkeitsprüfung festzustellen ist, ist in der deutschen Gesetzgebung nicht geregelt. Man geht davon aus, dass im Sanierungsplan, der auf Grund der Sanierungsfähigkeitsprüfung erarbeitet wird, die Ursachen der Krise und die Strategien ihrer Überwindung aufzuzeigen sind, sowie konkrete Maßnahmen im Bereich Absatzwirtschaft, Finanzierung und Management zu entwickeln sind.659 bb)

Eigenprüfung oder Prüfung durch einen neutralen Wirtschaftsfachmann660

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob die Prüfung der Sanierungsfähigkeit durch einen neutralen Wirtschaftsfachmann (sog. „Fremdprüfung“) erfolgen muss oder ob es vom Standpunkt der Sittenkonformität des Sanierungskredits aus zulässig ist, dass die Bank die Prüfung selbst (sog. „Eigenprüfung“) vornehmen lässt. Die Eigenprüfung erfolgt in der Regel schneller als die Fremdprüfung und ist mit einer geringen Belastung des möglichen Kreditnehmers verbunden.661 Das Problem für die Bank besteht allerdings darin, dass der Beweis der Objektivität aufgrund

654 BGH NJW 1970, S. 659; Schäffler, BB 2006, S. 58; MüKo/Wagner, BGB, § 826, Rn. 79. 655 Bormann, NZI 1999, S. 390. Kritisch dazu Schäffler, BB 2006, S. 57. 656 So auch Schäffler, BB 2006, S. 57. 657 So auch Kiethe, KTS 2005, S. 183. 658 Theewen, BKR 2003, S. 145. 659 BGH NJW 1986, S. 837; BGH WM 1998, S. 248; Theewen, BKR 2003, S. 145. 660 Bei der Prüfung durch einen Wirtschaftsfachmann handelt es sich um eine allgemeine Prüfung durch einen Dritten. Dagegen wird die Frage über die besonderen Arten der Sanierungsprüfung – der sog. Prüfung durch die öffentliche Hand, Prüfung durch den Kredit gewährenden Sicherheitenpool – sowie Fälle, in denen ein vom Leitungsorgan des Schuldners oder von seinen Gesellschaftern erarbeitetes Sanierungskonzept bei der Bank hinterfragt wird, nicht berücksichtigt. Siehe dazu ausführlich Theewen, BKR 2003, S. 144, Gawatz, Rn. 328 ff. m.w.N. 661 Theewen, BKR 2003, S. 146.

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eines eigenen Gutachtens schwieriger möglich sein wird als bei einer Prüfung durch einen neutralen Fachmann.662 Nach einer Ansicht in der Literatur663 ist die Prüfung der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens der „Beruf des Bankers“.664 Die Kreditinstitute können selbst am besten den wirtschaftlichen Zustand des Unternehmens, seine Perspektiven und die zukünftige Entwicklung des jeweiligen Wirtschaftszweiges beurteilen, weil sie auf Grund ihrer langjährigen wirtschaftlichen Tätigkeit ausreichend Erfahrung bei der Prüfung eines Sanierungsfalls haben und selbst ein großes Interesse an einer erfolgreichen Sanierung besitzen.665 Außerdem können die Banken wegen der langjährigen Geschäftsbeziehungen im Vergleich zu einem Wirtschaftsfachmann in kürzerer Zeit besser Einblick in die Verhältnisse des Not leidenden Unternehmens gewinnen.666 Für eine Eigenprüfung durch die Bank spricht auch folgendes: Das Not leidende Unternehmen verfügt in der Regel nicht über ausreichende Geldmittel, um die Erstellung eines Drittsanierungsgutachtens zu bezahlen und die Parteien haben wenig Zeit, um das Unternehmen zu retten und können deshalb nicht auf die Erstellung des Drittgutachtens warten.667 Nach einer anderen Ansicht in der Literatur, die zum Teil auch in der Rechtsprechung ihren Niederschlag gefunden hat,668 ist für die Sanierungsfähigkeitsprüfung ein Sachverständigengutachten notwendig.669 Nach dieser Ansicht sei das Urteil der Bank über die Sanierungsaussichten eines Not leidenden Unternehmens durch die eigenen Interessen vorgeprägt.670 In der Literatur wird auch vertreten, dass die Frage der Erstellung eines neutralen Fachgutachtens „abstrakt wohl gar nicht zu beantworten ist, da es sich um eine situationsabhängige Pflicht handelt. Die Faktoren Zeit und Kosten können gegen

662 Theewen, BKR 2003, S. 146; Neuhof, NJW 1998, S. 3230. Eine solche Sanierungsprüfung könnte vom Gericht als oberflächlich angesehen werden. – Wenzel, S. 298; Obermüller, S. 556. 663 Wenzel, S. 298; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, S. 1952; Rümcker, KTS 1981, S. 509; Barkhausen, NJW 1953, S. 1665; Westermann, Interessenkollisionen, S. 38; Wegerhoff, DB 1955, S. 754; Serick, Bd. III, § 30 V 4c, S. 61 und § 30 VIII Nr. 24, S. 97. 664 So schon Barkhausen, NJW 1953, S. 1665. 665 Wenzel, NZI 1999, S. 298. 666 Obermüller, Rn. 1042; Rümker, ZHR 1979, S. 205; Wenzel, NZI 1999, S. 298; Ebbing, KTS 1996, S. 349 f. 667 SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, S. 1592; Wenzel, NZI 1999, S. 298. 668 Der BGH ist in seinen Entscheidungen (BGHZ 10, S. 228 ff. und BGH WM 1971, S. 441) von der Notwendigkeit der Sanierungsfähigkeitsprüfung durch einen neutralen Fachmann ausgegangen, hat aber in seiner späteren Entscheidung (BGH WM 1986, S. 2 ff.) diese Anforderung nicht mehr gestellt. 669 Westermann, Kreditwirtschaft, S. 21; Marthes, ZHR 1979, S. 186; Feddersen, S. 601; Kiethe, KTS 2005, S. 211; Claussen, ZHR 1983, S. 195; Schäffler, BB 2006, S. 58; Gottwald/Obermüller, HB InsR, § 96, Rn. 10. Nach Scholz ist die Beteiligung eines neutralen Wirtschaftsfachmannes jedenfalls dort notwendig, „wo es auf besondere Branchenkenntnisse ankommt“ – Scholtz, S. 90. Zustimmend Gawaz, Rn. 327, 602, 616; Hopt, S. 47; Theewen, BKR 2003, S. 145 (spricht von einem „objektiven, unabhängigen und branchenkundigen Sanierungsverständigen“). Nach Neuhof (NJW 1998, S. 3230 f.) ist, wenn die Bank auf ein externes Sanierungsgutachten verzichtet, der von ihr gewährte Kredit „in der Regel“ sittenwidrig. D. h. die Bank muss beweisen, dass das Sanierungsvorhaben unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände Erfolgsaussichten hatte. 670 Gawaz, Rn. 327, 597.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

einen externen Sachverständigen sprechen, wenn andernfalls die Sanierung gefährdet ist oder die Kosten in keinem Verhältnis zu dem konkreten Fall stehen“, d.h. die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Drittprüfung müsse im Einzelfall gefällt werden.671 Eine solche Verpflichtung des Kreditinstitutes bestehe aber solange nach dieser Ansicht nicht „wie es selbst über die notwendigen Fachkenntnisse verfügt“.672 Wegen der notwendigen Objektivität sollte die Prüfung nur durch einen von der Bank unabhängigen Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden. Nur dann hat „das Kreditinstitut alles Zumutbare getan, um zu verhindern, dass andere Gläubiger durch von vornherein aussichtslose Sanierungsmassnahmen geschädigt werden.“673 Dabei trägt das Kreditinstitut nicht das Risiko der Sanierungsprüfung und der Ergebnisse. In diesem Fall wird auch die Kausalität zwischen dem Schaden und den pflichtwidrigen Handlung fallen.674 cc)

Beweggründe des Kreditinstituts: Eigennützigkeit oder Eigensucht als Prüfungskriterium?

Die Rechtsprechung hat das Kriterium der Eigennützigkeit des Sanierungskredits entwickelt, um die zulässigen von den insolvenzverschleppenden und sittenwidrigen Sanierungskrediten abzugrenzen. Danach bringt sich das Kreditinstitut dann in den Verdacht der Insolvenzverschleppung, wenn es bei der Gewährung eines Sanierungskredits eigennützige Zwecke verfolgt.675 Von einer eigennützigen Kreditvergabe der Bank ist zunächst dann auszugehen, wenn die Kreditvergabe erfolgt, obwohl die Bank erkennt, dass die Vergabe weiterer Mittel wirtschaftlich keinen Sinn macht, d.h. der wirtschaftlichen Krise nicht durch die Kredite abgeholfen werden kann.676 Dabei können die gewährten Mittel ausreichend sein, um den wirtschaftlichen „Todeskampf“ des Unternehmens und die Insolvenzantragsstellung zu verzögen, nicht aber um seine Zahlungsfähigkeit wiederherzustellen.677 Dabei gewährt das Kreditinstitut Neukredite und nimmt Sicherheiten zur Abdeckung nicht nur der neuen Kredite, sondern auch der alten Kredite in Anspruch, um in diesem Zeitraum seine Stellung als Gläubiger zum Nachteil der anderen Gläubiger zu verbessern.678 Das Kreditinstitut wird die

671 Ebbing, KTS 1996, S. 349 f. Im Ergebnis auch so Häuser, S. 113. 672 Obermüller, Rn. 1044; Ebbing, KTS 1996, S. 349 f.; Hess/Fechner, Sanierungs-Hb, S. 288. 673 Theewen, BKR 2003, S. 146. Weil die Prüfung durch einen unabhängigen Wirtschaftsmann erhebliche Zeit in Anspruch nimmt, darf die Bank diesen Zeitraum durch neue Kredite überbrücken. – OG Schleswig WM 1982, S. 25. 674 OLG Hamm, WM 1991, S. 1116, 1118; Schäffler, BB 2006, S. 60. 675 BGHZ 10, S. 228. 676 BGH WM 1961, S. 1106; 1965, S. 476; OLG Schleswig, WM 1982, S. 27; Obermüller, ZIP 1980, S. 1059; Theewen, BKR 2003, S. 143; Ebbing, KTS 1996, S. 348. 677 BGH WM 1970, S. 399 ff.; 1986, S. 2, 3; Lauer, S. 25; Theewen, BKR 2003, S. 143; Ebbing, KTS 1996, S. 348. 678 BGH WM 1970, S. 399; OLG Köln 1981, S. 1238; OLG Zweibrücken WM 1985, S. 86; Obermüller, ZIP 1980, S. 1059 f.; Neuhof, NJW 1998, S. 3228; Ebbing, KTS 1996, S. 348 m.w.N.; Gogger, S. 223; Theewen, BKR 2003, S. 143. Nach Obermüller (Rn. 1039) sei durch den Kredit sogar ein Zinsen und Tilgung übersteigender Mehrwert auf Dauer nicht zu erwarten.

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A. Deutsches Recht

Neukredite nur unter der Bedingung gewähren, dass das Sanierungsvorhaben erfolgreich ist und die zur Verfügung gestellten Kredite tatsächlich rückerstattet werden können.679 Die inhaltliche Bedeutung des Begriffes „Uneigennützigkeit“ ist in der Literatur umstritten. Es wird diskutiert, ob Eigennützigkeit ein geeignetes Kriterium für die Abgrenzung zulässiger Sanierungskredite von den unzulässigen sein kann. Einige sprechen sich im Einklang mit der Rechtsprechung dafür aus. Nach ihrer Auffassung sind uneigennützige Kredite grundsätzlich nicht sittenwidrig, dagegen sind eigennützige Kredite regelmäßig sittenwidrig.680 Die Rechtsprechung hat eine Reihe von Entscheidungen getroffen, in denen sie Sanierungskredite als sittenwidrig angesehen hat: Offenhalten einer Kreditlinie zur stillen Liquidation,681 bei Vorliegen der Erkenntnis, dass die Sanierung fehlschlagen kann;682 Einsetzung eines Vertrauensmanns zur einseitigen Verfolgung von Bankinteressen;683 Ausführung von Überweisungen, um die Kreditfähigkeit des Schuldners vorzutäuschen und um damit Bauunternehmen zur Fertigstellung zu veranlassen;684 wenn die Kreditgewährung zum Hinausschieben des Insolvenzantrages führt, um die Stellung der Bank als einer der Insolvenzgläubiger zu verbessern.685 Zum Teil wird der Begriff der „Eigennützigkeit“ in der Literatur kritisiert.686 Diese Kritik beruht darauf, dass der BGH in seiner Grundsatzentscheidung zu den sittenwidrigen Sanierungskrediten vom 9. Juli 1953 den Eigennützigkeitsbegriff nicht genauer bestimmt hat. Der BGH hätte dann nämlich zu dem Schluss kommen müssen, dass „die meisten Sanierungen“ – wie alle wirtschaftlichen Vorgänge – „eigennützig erfolgen“.687 Die Bank handele als „gewerbliches, auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen“ immer eigennützig688 und verfolge pekuniäre Interessen.689 Die entscheidende Frage bei der Bestimmung der Sittenwidrigkeit eines Sanierungskredits seien Art und Umfang der Prüfungspflichten der Bank im Hinblick auf die Erfolgsaussichten der Sanierung.690 Anstelle von Eigennutz sei der Begriff Eigensucht das geeignete Kriterium für die Abgrenzung der zulässigen von

679 BGHZ 10, S. 234; Gogger, S. 223; Ahnert, BKR 2002, S. 257; Ebbing, KTS 1996, S. 348. 680 Obermüller, Rn. 1037 ff.; Immenga, WuB IV A. § 826 BGB 2.86; Uhlenbruck, S. 59; Serick, Bd. III, § 30 IV 3c, S. 48; Soergel/Hönn, BGB, § 826, Rn. 151. 681 OLG Köln WM 1981, S. 1238: konkret nicht eigennützig. 682 OLG Schleswig WM 1982, S. 25: nicht ausreichend. 683 BGH WM 1964, S. 671. 684 OLG Zweibrücken WM 1985, S. 86. 685 BGH WM 1970, S. 399; 1976, S. 878; 1986, S. 2; DBK/Heise, Hb BankR, § 29, Rn. 22. Im Schrifttum wurde vorgeschlagen, auch jene Kredithingabe als sittenwidrig zu qualifizieren, die der Finanzierung von Lieferungen an den Kreditnehmer dient, wenn die Lieferungen bei gleichzeitiger Untersagung der Weiterverarbeitung, in das Sicherungsgut der Bank fallen (Obermüller, Rn. 5.116; DBK/Heise, Hb BankR, § 29, Rn. 22), ebenso wie die uneigennützige Vergabe von Sanierungskrediten an Personen, die bislang nicht Gläubiger des Not leidenden Unternehmens waren (Ebbing, KTS 1996, S. 348). 686 Gawaz, Rn. 341, 346 m.w.N.; Meyer-Cording, JZ 1953, S. 666; Rümker, ZHR 1979, S. 204 f.; Koller, JZ 1985, S. 1016; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 826, Rn. 147. 687 Meyer-Cording, JZ 1953, S. 665 f. 688 Häuser, S. 111 f., Rümker, ZHR 1979, S. 205. 689 Gawaz, Rn. 341 mit Verweis auf v. Stein/Kersten/Gärtner, S. 770. 690 Häuser, S. 111 f.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

den sittenwidrigen Sanierungskrediten.691 Eigensucht sei dann anzunehmen, wenn keine Prüfung der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens durchgeführt worden sei.692 Meines Erachtens ist jeder Kredit seiner Natur nach eigennützig, weil er auch die Interessen des Kreditgebers verfolgt. Nur wenn er zinslos ist oder zu einem sehr geringen Zinssatz gewährt wird, kann man von einem uneigennützigen Kredit sprechen. Deshalb ist es einfacher, die Konturen des Begriffs Uneigennützigkeit zu erkennen. Man könnte sagen, dass eine Bank u.a. in zwei Fällen uneigennützig handelt: zum einen dann, wenn sie zum Zeitpunkt der Kreditgewährung keine offenen bzw. (Alt-)Forderungen aus früheren Krediten gegen den Darlehensnehmer besitzt, sondern sie erstmals neu begründet hat, zum zweiten dann, wenn das Kreditinstitut nur die (Neu-)Kredite aus dem Vermögen des Schuldners besichert hat. Dagegen scheint die Auffassung zu weitgehend, die Kreditinstitute dürften nur Zins- und Tilgungsleistungen von Unternehmen, nicht aber andere wirtschaftliche Vorteile verlangen,693 um eine Gläubigerbenachteiligung durch Kredite zu vermeiden. Das ist damit verbunden, dass der Sanierungskredit eine Art des Kreditvertrages darstellt und die Bank das Recht hat, wirtschaftliche Vorteile im Rahmen der sittlichen Grenzen des Zivilrechts zu erwirtschaften. Dagegen verbietet das geltende Recht nicht, zusätzliche Gebühren zu nehmen, die keine Zinskosten darstellen.694 dd)

Rechtsfolgen einer Sanierungsprüfung

Wenn eine Prüfung die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens bestätigt hat, dann ein Sanierungskonzept oder -plan vorgelegt und dieses Konzept anschließend umgesetzt wurde und eine Schädigung auf diese Weise vermieden wird,695 dann wird in der Regel eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung verneint.696 Darüber hinaus kann der Kreditgeber bei einer positiven Prognose eines Not leidenden Unternehmens Sicherheiten in angemessenem Umfang verlangen.697 c)

Schädigungsvorsatz

Die Gläubiger des Schuldners oder der später ernannte Insolvenzverwalter müssen, anders als bei der Haftung des Geschäftsführers des Schuldnerunternehmens, mindestens einen bedingten Vorsatz der Bank beweisen.698 Für diesen Vorsatz ist es aus-

691 Rümker, ZHR 1979, S. 204; Koller, JZ 1985, S. 1016; Erman/Schiemann, BGB, § 826, Rn. 34; Staudinger/Schäfer, BGB, 12. Aufl., § 826, Rn. 147. 692 Koller, JZ 1985, S. 1016. 693 So auch Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 8; Theewen, BKR 2003, S. 143. 694 Zur Abgrenzung der Zinskosten und anderen Kosten des Kredits siehe Zweiter Teil. C. II. 1. a). dieser Arbeit. 695 BGHZ 96, S. 231; OLG München WM 1999, S. 1114; Wenzel, S. 298; Obermüller, S. 553. 696 Neuhof, NJW 1998, S. 3231; Theewen, BKR 2003, S. 146. 697 Theewen, BKR 2003, S. 146. Selbst beim Scheitern der Sanierung besteht bei einer solchen Sicherheitenbestellung keine Möglichkeit der Insolvenzanfechtung (§ 142 InsO „anfechtbares Bargeschäft“). – SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 87b; Obermüller, Rn. 6.68; Theewen, BKR 2003, S. 146; Kirchhof, ZInsO 1998, S. 6; Wittig, NZI 1998, S. 52. 698 BGH WM 1962, S. 529; 1983, S. 1406; 1984, S. 586; 2001, S. 1457; DKB/Heise, Hb BankR, § 29, Rn. 26; Palandt/Putzo, BGB, § 826, Rn. 37; Theewen, BKR 2003, S. 148.

124

A. Deutsches Recht

reichend, wenn der Organvertreter des Schuldnerunternehmens und die Bank die Schädigung bei der Vergabe des Sanierungskredits als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen haben699 oder wenn für die Bank begründete Bedenken gegen die Erfolgsperspektiven des Sanierungsversuches bestanden.700 Nicht ausreichend ist aber, dass die Hausbank die Insolvenzverschleppung billigend in Kauf genommen hat und der Organvertreter des insolventen Schuldners nur fahrlässig gehandelt hat.701 Damit ist es praktisch schwer, das Verschulden des Kreditinstituts zu beweisen.

4.

Haftungsrechtliche Folgen der Insolvenzverschleppung

Man unterscheidet bei den Haftungsfolgen bei der Gewährung sittenwidriger Sanierungskredite zwischen Tatbeständen, die im Innenverhältnis und im Außenverhältnis des Kreditgebers verwirklicht werden.702 Im Innenverhältnis können sowohl der Insolvenzverwalter des Not leidenden Unternehmens als auch dessen Gläubiger einen Schadensersatzanspruch geltend machen. Der Insolvenzverwalter kann einen Rückgewährungsanspruch wegen Nichtigkeit des Kreditvertrages sowie des Sicherungsvertrages nach § 138 BGB geltend machen. Dies hat zur Folge, dass der Insolvenzverwalter die unwirksam bestellten Sicherheiten zurückfordern kann.703 Die Unternehmensgläubiger können auch einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Bank geltend machen, dessen Umfang als Differenz zwischen den nach Eintritt der Insolvenzreife getätigten Lieferungen, Zahlungen oder anderen Leistungen des Gläubigerunternehmens einerseits und den Gegenleistungen des Schuldnerunternehmens, sowie eines auf das Kreditinstitut anrechenbaren Anteils andererseits berechnet wird.704 Der Insolvenzverwalter kann auch von der kreditgewährenden Bank Schadensersatz wegen Verkürzung der Masse (§ 92 InsO) verlangen, wenn das Kreditinstitut durch den erfolglosen Sanierungsversuch den Zeitraum für die Zurückführung des Engagements des Schuldners aus ihren Zahlungen und Leistungen an seine Kunden, verwendet.705

699 BGH WM 1962, S. 529; NJW 1996, S. 182; Theewen, BKR 2003, S. 148. 700 BGH WM 1986, S. 2, 5; Theewen, BKR 2003, S. 148; Obermüller, Rn. 5.140 m.w.N. 701 Nuehoff, NJW 1998, S. 3225; Theewen, BKR 2003, S. 148. 702 In der Literatur wird auch die Auffassung vertreten, dass in einigen Ausnahmefällen die Haftung der kreditgewährenden Bank ausgeschlossen sein kann. Es handelt sich um den Fall, dass die Täuschung über die Kreditwürdigkeit des Schuldnerunternehmens in den Medien oder im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung nach § 92 AktG mittels Bekanntmachung im Bundesanzeiger oder in den Medien der Krisenzustand des Unternehmens der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde oder es sich um ein neu gegründetes Unternehmen handelt. – Obermüller, Rn. 5.141; Theewen, BKR 2003, S. 148. 703 BGH WM 1971, S. 442; Theewen, BKR 2003, S. 147; DBK/Hesse, Hb BankR, § 29, Rn. 26; Gogger, S. 223 f.; Ebbing, KTS 1996, S. 350. 704 BGH NJW 1994, S. 2220; OLG Hamburg NJW-RR 1995, S. 1506; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, S. 1443; Theewen, BKR 2003, S. 147; Neuhof, NJW 1998, S. 3227. 705 Theewen, BKR 2003, S. 148; Ebbing, KTS 1996, S. 350.

125

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Im Außenverhältnis unterscheidet man zwischen der Haftung der Bank gegenüber Alt- und Neugläubigern des Schuldners wegen sittenwidriger Sanierungskreditgewährung. Zu den Altgläubigern gehören solche Gläubiger des Unternehmens, deren Forderungen vor den insolvenzverschleppenden Handlungen der kreditgewährenden Bank begründet werden.706 Ihr Anspruch gegen die Bank wird auf den sogenannten Quotenschaden begrenzt, d.h. eine Differenz zwischen der theoretischen Insolvenzquote und der theoretischen Quote ohne die Gewährung des Sanierungskredites.707 Bei Neugläubigern, d.h. denen, die erst nach dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht Forderungen gegen den späteren Insolvenzschuldner erworben haben, haftet dagegen die Bank für den gesamten Ausfall, weil sie während des Zeitraums, den die Bank durch die Kreditgewährung gewonnen hat, im Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit des Not leidenden Unternehmens an ihn Leistungen erbracht haben.708

B.

Russisches Recht

Im russischen Recht besteht keine Pflicht der Bank, sich an einer Unternehmenssanierung zu beteiligen. Die Bank ist vielmehr berechtigt, einen Kredit an ein in die wirtschaftliche Krise geratenes Unternehmen zu vergeben. Obwohl bei der Gewährung von Sanierungskrediten die haftungsrechtliche Drittwirkungsproblematik relevant sein könnte, hat sich diese Frage bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur gestellt. Im Folgenden werden die möglichen haftungsrechtlichen Folgen der Gewährung eines Sanierungskredits an ein in die Krise geratenes Unternehmen nach russischem Recht untersucht. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob eine vertragliche, vertragsähnliche und außervertragliche Haftung einer Bank im Falle einer fehlgeschlagenen Sanierung bei früherer Kreditgewährung nach russischem Recht denkbar ist.

I.

Vertragliche und vertragsähnliche Haftung

Gegenüber den vier im deutschen Recht bekannten Arten der vertragsähnlichen Haftung ist im russischen Recht nur die Haftung wegen culpa in contrahendo in begrenztem Umfang in den von der Gesetzgebung vorgesehenen Fällen (z.B. Art. 455 Pkt. 2 Abs. 2 russ. ZGB, Art. 613 Pkt. 2 russ. ZGB, Art. 944 russ. ZGB) bekannt. Es gibt

706 Obermüller, S. 252; Wenzel, NZI 1999, S. 298. 707 BGHZ 126, S. 181; 138, S. 211; BGH NJW 1998, S. 2667, 2669; Wenzel, NZI 1999, S. 298; DBK/Hesse, Hb BankR, § 29, Rn. 27; Theewen, BKR 2003, S. 148. Nach Ansicht von Schäffler (BB 2006, S. 60) können lediglich die Neugläubiger nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Schadenersatzansprüche gegen das Kreditinstitut geltend machen. Den Altgläubigern fehle die Aktivlegitimation. 708 BGH WM 1964, S. 671; BGH NJW 1994, S. 2220; 1995, S. 398; OLG Düsseldorf NZI 1999, S. 156; OLG Naumburg GmbHR 1998, S. 183; Theewen, BKR 2003, S. 148; DBK/Heise, Hb BankR, § 29, Rn. 27; Wenzel, NZI 1999, S. 299, Staudinger/Oechsler, BGB, Stand November 2002, § 826, Rn. 357 m.w.N.

126

B. Russisches Recht

weder eine allgemeine Haftung wegen culpa in contrahendo709 noch eine spezielle Haftung bezüglich der Gewährung von Sanierungskrediten. Untersuchungsgegenstand ist damit vorliegend ausschließlich eine mögliche vertragliche Haftung der Bank. Dabei ist der einfache Sanierungskreditvertrag zwischen der Bank und dem Not leidenden Unternehmen von einem Sanierungsvertrag zwischen den Gläubigern (u.a. auch der Bank) und dem Not leidenden Unternehmen, welcher die Pflicht der Bank zur Gewährung des Sanierungskredites als selbständige Pflicht vorsieht, zu unterscheiden. Im ersten Fall haben die Mitgläubiger des Unternehmens keine Haftungsansprüche gegenüber der Bank, weil sie sich selbst an der Unternehmenssanierung nicht beteiligen. Im zweiten Fall aber, falls im Sanierungsvertrag keine konkreten Bedingungen geregelt sind und die Bank einen Sanierungskredit zur Verfügung gestellt hat, dessen Bedingungen wesentlich strenger als normale Kreditvertragsbedingungen sind,710 könnte der Geschädigte diesen Vertrag bei dem gleichzeitigen Vorliegen der drei Voraussetzungen des Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB711 als sog. Knechtungsvertrag anfechten. Obwohl Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB in der Rechtsprechung selten angewendet wird712 und weder sie noch die Lehre zur Möglichkeit der Anerkennung einzelner Sanierungsverträge als Knechtungsverträge Stellung genommen haben, wird diese Untersuchung im Folgenden unternommen. Bei der Betrachtung des ersten Tatbestandmerkmales des Knechtungsvertrages – das „Zusammentreffen von schwierigen Umständen“ (so Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB) – stellt sich die Frage, ob eine Unternehmenskrise darunter fällt. Allein die Ausübung unternehmerischer Tätigkeit als eine Art von Risikotätigkeit713 kann nicht bedeuten, dass das Unternehmen während seiner Tätigkeit nicht in einen schwierigen Umstand geraten kann und diesen im Voraus einkalkulieren müsste. Vielmehr kann nicht nur die Insolvenz des Unternehmens,714 sondern auch die Unternehmenskrise das Vorliegen schwieriger Umstände im Sinne des Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB bedeuten. Das Vorhandensein des zweiten Tatbestandmerkmals eines Knechtungsvertrages – der Vertrag wurde unter „äußerst ungünstigen Bedingungen für eine Partei geschlossen“ (so in Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB) – ist mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Der Ausgangspunkt liegt darin, dass nach russischem Recht allein Geldmangel beim Schuldner nicht zu den Umständen der höheren Gewalt (Art. 401 Pkt. 3 russ. ZGB) gehört. Damit kann sich der Schuldner nicht auf seine wirtschaftliche Krise als Grund für die spätere Nichterfüllung des Sanierungskreditvertrages berufen. Die Notwendigkeit zu beweisen, dass die Bedingungen des Rechtsgeschäfts äußerst ungünstige Bedingungen für den Schuldner darstellen, ist mit einem Ver709 Ausführlich dazu siehe Ovcˇ innikova, Zakonodatel’stvo, 2004, Nr. 3, 4. 710 Das können höhere Zinssätze oder eine unverhältnismäßig große Differenz zwischen Kredithöhe und Sicherheitenhöhe sein. 711 Gutnikov, S. 343; Egorov/Sergeev/Sergeev, ZGB, Art. 179, S. 408. 712 Egorov/Sergeev/Sergeev, ZGB, Art. 179, S. 405; Gutnikov, S. 343 f. (nur im Bezug auf juristische Personen). 713 Zum Begriff der unternehmerischen Tätigkeit siehe Art. 2 Pkt. 1 Abs. 3 russ. ZGB. 714 Abova/Kabalkin/Halfina/Korunova, ZGB, Art. 179, S. 545 (im Bezug auf die Insolvenz allgemein).

127

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

gleich der Bedingungen des zu analysierenden Sanierungskreditvertrages mit den Bedingungen anderer Sanierungskreditverträge in der Krise verbunden. Weil Sanierungskreditverträge immer teuer sind und in der Regel im Vergleich mit normalen Kreditverträgen zusätzliche Rechte des Kreditgebers (wie zusätzliche Kontrollrechte, strengere Bedingungen zur Zweckmäßigkeit der gewährten Mittel) enthalten, wird es für den Schuldner schwer, nachzuweisen, dass die Bedingungen des Sanierungskreditvertrages „äußerst ungünstig“ für den Schuldner waren. In der Lehre wurde auch zu Recht hervorgehoben, dass dann, wenn eine Ware auf dem Markt zur Zeit nicht zu einem normalen Preis besorgt werden könne und zu einem höheren Preis erworben wird, der geschlossene Vertrag nicht als Knechtungsvertrag angesehen würde.715 Der Sanierungskredit stellt eben auf dem Markt eine verknappte Ware dar, die immer teuer ist und die Banken wegen der finanziellen Schwierigkeiten der Kunden ungern gewähren. Deshalb können Sanierungskreditverträge mit den im Vergleich zu den normalen Vertragsbedingungen wesentlich höheren Zinssätzen nicht unter dieses Tatbestandsmerkmal des Knechtungsvertrages fallen. Die Lage kann aber dann anders aussehen, wenn es sich entweder um einen Sicherungsvertrag zum Sanierungskreditvertrag oder um eine Sicherungsklausel in einem Sanierungskreditvertrag handelt, die neben der Besicherung der Sanierungskredite selbst auch die Besicherung der alten Kredite vorsieht. In diesem Fall kann eine solche Übersicherung des Vertrags als Knechtungsvertrag betrachtet werden, weil sich eine solche Übersicherung im Vergleich zum normalen Kreditvertrag als eine äußerst ungünstige Bedingung für den Schuldner darstellt, und er diese Sicherheit auch bei seiner weiteren Tätigkeit (z.B. bei der Arbeit mit den Lieferanten oder bei der Kreditaufnahme als weitere Sicherheiten) verwenden könnte. Der Beweis des Vorhandenseins des dritten Tatbestandsmerkmales des Knechtungsvertrages – Wissen der anderen Partei über die schwierige Lage der ersten Partei und die Ausnutzung dieser Lage – stellt in unserem Fall keine wesentliche Schwierigkeit dar. Das ist damit verbunden, dass bei der Sanierungskreditgewährung die schwierige wirtschaftliche Lage des Schuldners dem Kreditgeber bekannt ist, was letztendlich durch den Abschluss des Sanierungskreditvertrages bestätigt wird.716 Diese Darstellung zeigt, dass im russischen Zivilrecht nur Sanierungskreditverträge mit einer Sicherungsklausel oder Sicherungsverträge zum Sanierungskreditvertrag, die sowohl die Sicherung der alten Kredite als auch des neuen Sanierungskredites vorsehen, vom Gericht als Knechtungsverträge im Sinne des Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB anerkannt werden können. In diesem Fall sprechen wir von der Anfechtung des geltenden Sanierungskreditvertrages. Diese Anfechtung kann erst vom Gericht auf Antrag des Geschädigten bzw. des Insolvenzverwalters des Not leidenden Unternehmens als unwirksam erklärt werden (Art. 179 Pkt. 1 russ. ZGB).717

715 Gutnikov, S. 346 f. 716 Nach Sadikov indiziert allein der Abschluss des Vertrages das Vorhandensein dieses Tatbestandsmerkmales des Knechtungsvertrages. – Sadikov/Sadikov, ZGB, Art. 179, S. 492. 717 In der Rechtsfolge des angefochtenen Rechtsgeschäfts unterscheidet sich das russische Zivilrecht bei den Rechtsfolgen des Schadenersatzanspruches: bei der Ersetzung der Schaden nach allgemeinen Regeln des Zivilrechts (Art. 15 russ. ZGB) wird das Rechtsgeschäft in der Regel wirksam bleiben und der Schädiger soll den Schaden in vollem Umfang (realer Schaden und entgan-

128

B. Russisches Recht

II.

Außervertragliche Haftung

Das Konzept einer außervertraglichen Haftung der Bank für die Benachteiligung von Gläubigern ist im russischen Recht wenig entwickelt. Das ist sowohl die Folge des recht jungen Insolvenzrechts als auch ein Zeichen der praktischen Unterentwicklung der deliktischen Berufshaftung bzw. deliktischen Bankenhaftung im russischen Zivilrecht.718 Das Deliktsrecht hat in den letzten Jahrzehnten seine ersten Schritte von den zivilrechtlichen Lehrstühlen der Universitäten in Richtung Praxis gemacht. Deswegen werden im Folgenden zuerst ein Überblick über die Grundsätze des russischen Deliktsrechts gegeben und dann die Tatbestandsmerkmale des sog. „Generaldelikts“ (Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB) im Lichte der möglichen haftungsrechtlichen Ansprüche von Drittgläubigern und Insolvenzverwaltern gegenüber der sanierungskreditgewährenden Bank wegen einer Gläubigerbenachteiligung dargestellt. 1.

Grundsätze des russischen Deliktsrechts

a)

Grundsatz des Generaldelikts und seine Ausprägung im russischen Zivilrecht

Die russische Zivilgesetzgebung geht bei den Grundlagen des Deliktsrechts vom sogenannten Prinzip des „generellen Delikts“719 aus, das seine Ausprägung in Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB gefunden hat. Gemäß dieser Vorschrift hat derjenige, der einer anderen Person oder deren Vermögen oder dem Vermögen einer juristischen Person schuldhaft Schaden zufügt, den Schaden in voller Höhe zu ersetzen.720 Daraus folgt das Verbot, unberechtigt das Vermögen oder die Persönlichkeit eines anderen zu schädigen.721 Es zeigt sich eine Parallele zu Art. 1382 des französischen Code civil, der jedenfalls den Grundsatz des generellen Delikts verkörpert.722

gener Gewinn) ersetzen. Die Besonderheit der Rechtsfolgen der Anfechtung von Knechtungsverträgen bestehen darin, dass das Rechtsgeschäft selbst (der Sanierungskreditvertrag) als nichtig anerkannt wird. Der Schuldner soll die an ihn erbrachten Leistungen zurückgewähren (die Darlehensvaluta rückerstatten). Diese Leistungen sollen aber nicht an den Gläubiger (Kreditgeber), sondern zugunsten der Russischen Foederation erbracht werden. Darüber hinaus ist dem Geschädigten (dem Not leidenden Unternehmen) von der anderen Partei (Kreditgeber) alles zurückzugewähren, was sie auf Grund des Rechtsgeschäfts erhalten hat. Zuletzt hat der Schuldner einen Anspruch an den Schädiger (das Kreditinstitut) auf Schadensersatz. Die Höhe des Anspruches umfasst nur den zugefügten realen Schaden (Art. 179 Pkt. 1 Satz 3 russ. ZGB), nicht aber den entgangenen Gewinn. 718 In der Sowjetunion wurden in der Praxis die Vorschriften des Deliktsrechts über die Unternehmenshaftung kaum angewendet. Nach Heidemann waren sie sogar „unterentwickelt“. Nur im Bereich der Arbeitgeberhaftung gab es Rechtsprechung. – Heidemann, S. 122, 214. 719 Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 366; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5; Wölk, S. 75; Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 833. Zu einer rechtsvergleichenden Analyse des Begriffes „Generaldelikt“ siehe bei Wölk, S. 75 ff. m.w.N. 720 Diese Vorschrift stellt eine wörtliche Wiederholung der Generalklausel des sowjetischen Deliktsrechts in Art. 126 Pkt. 1 GrZG UdSSR dar und hat viele Gemeinsamkeiten mit Art. 444 Pkt. 1 ZGB 1964. Näher dazu Wölk, S. 119 m.w.N. 721 Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5. 722 Art. 1382 Code civil: „Jedes Verhalten eines Menschen, das einem anderen einen Schaden zufügt, verpflichtet denjenigen, durch dessen Verschulden der Schaden entstanden ist, zum Schadensersatz“ [zitiert nach Gotthart, S. 75]. Dabei leitet die französische Rechtsprechung und

129

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Außerdem gibt es im russischen ZGB auch eine Reihe von sog. „Sonderdelikten“, welche die Haftung im außervertraglichen Bereich behandeln.723 Es gibt aber weder spezielle Vorschriften über die Benachteiligung von Gläubigerinteressen noch Vorschriften über die sittenwidrige vorsätzliche Schädigung von Unternehmen. Deswegen wird im Folgenden untersucht, ob die sittenwidrige Sanierungskreditgewährung unter den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des Generaldelikts fällt. b)

Sachlicher und persönlicher Anwendungsbereich des Generaldelikts

Hinsichtlich des persönlichen Geltungsbereichs des Generaldeliktsrechts muss zwischen dem Gläubiger (Geschädigter) und dem Schuldner (Schädiger) unterschieden werden. Geschädigter ist die Person, der Schaden zugefügt wurde.724 Darunter fallen sowohl natürliche als auch juristische Personen.725 Diese Formulierung umfasst sowohl alle denkbaren Gläubigerarten im Insolvenzverfahren als auch alle möglichen Formen insolvenzfähiger Unternehmen. Unter einem Schädiger ist eine Person zu verstehen, durch deren Verhalten einer anderen Person ein Schaden zugefügt wurde.726 Obwohl unmittelbarer Schädiger nur eine natürliche Person sein kann,727 ersetzt die juristische Person die Schäden, die deren Mitarbeiter bei der Ausübung ihrer Tätigkeit verursacht haben.728 Unter den sachlichen Geltungsbereich des Generaldelikts fallen nach dem Wortlaut des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB die Schädigung der Persönlichkeit und die Schädigung des Vermögens juristischer Personen. Was darunter zu verstehen ist, wird im ZGB nicht näher definiert. Deswegen wird im Folgenden der für unsere Untersuchung relevante Vermögensbegriff („imusˇcˇestvo“) erläutert.729 Es ist davon auszugehen, dass das russische ZGB keine Definition des Vermögens enthält, sondern mehrfach das Wort „Vermögen“ mit unterschiedlichem Inhalt verwendet.730 Deswegen muss im russischen Zivilrecht bei der Verwendung des Vermögensbegriffes

die Lehre aus dieser Vorschrift die Haftung der Bank für eine sittenwidrige Sanierungskreditgewährung her. Siehe ausführlich Schmitz, S. 91 ff. 723 Sie gelten als leges specialis zu den Vorschriften des Generaldelikts – so (im Ergebnis ohne Verwendung des lateinischen Ausdrucks) Entscheidung des Präsidiums des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 17.10.2000 Nr. 8098/99 (zitiert nach Avercˇ enko, ZGB, Art. 1064, S. 1205); Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 833; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 367. 724 Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 829; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 388. 725 Nichtjuristische Personen sind aus dem Anwendungsbereich des russischen Deliktsrechts herausgenommen, weil sie mit ihrem ganzen Vermögen haften. – Sadikov/Jarosˇ cˇ enko, Zivilrecht, Bd. II, S. 647; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 388. 726 Wölk, S. 123; Gavrilov, RJ 2000, Nr. 6, S. 22. 727 Sergeev/Tolstoj/Sergeev, Zivilrecht, Bd. III, S. 15; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 381; Braginskij/Vitrjanskij/Vitrjanskij, Vertragsrecht, S. 721 ff.; a.A. Heidemann, S. 42 bezüglich Art. 444 ZGB 1964. Er spricht vom Schädiger als deliktsfähige natürliche Person und Organisationen mit Rechtspersönlichkeit. – Heidemann, a.a.O. unter Verweis auf Krasavcˇ ikov, Sovetskoe grazˇdanskoe pravo, Bd. I, Moskau 1985, S. 361 und Ioffe/Tolstoj/Cˇerepachin/Smirnov, Sovetskoje grazˇdanskoe pravo, Moskau 1971, S. 366. 728 Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 830; Gavrilov, RJ 2000, Nr. 6, S. 22. 729 Bezüglich der Schädigung der Persönlichkeit siehe Wölk, S. 124 ff. m.w.N. 730 Sergeev/Tolstoj/Sergeev, Zivilrecht, Bd. I, S. 274; Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. I, S. 300; Wölk, S. 134.

130

B. Russisches Recht

in jedem einzelnen Fall seine genaue Bedeutung untersucht werden.731 Die Rechtsprechung hat keine klaren Konturen zum Vermögensbegriff des Art. 1064 russ. ZGB entwickelt. Auch in der Literatur ist seine Bedeutung umstritten. Nach einer Auffassung sind darunter lediglich körperliche Gegenstände zu verstehen.732 Nicht eingeschlossen seien Rechte und sonstige immaterielle Vermögensgegenstände. Die Wurzeln dieses engen Vermögensbegriffs seien darin zu sehen, dass im sowjetischen Recht der Vermögensbegriff viel enger war als im deutschen Recht und alle im Gesetz genannten Beispiele für Vermögensschädigungen (Art. 457 ZGB 1964; Art. 1082 russ. ZGB) nur auf körperliche Gegenstände bezogen waren und sind. Eine andere Ansicht legt Art. 1064 russ. ZGB als haftungsrechtliche Generalklausel aus. Für die Auslegung des deliktischen Vermögensbegriffs verwendet sie auch die Aufzählung der Arten der Rechtsobjekte in Art. 128 russ. ZGB („Arten von Rechtsobjekten“) sowie des Art. 132 Pkt. 2 Abs. 2 russ. ZGB („Vermögensgegenstände des Unternehmens“) und versteht deswegen das Vermögen im Sinne von Art. 1064 russ. ZGB in einem weiteren Sinne als die Schädigung sämtlichen Vermögens: Dazu gehören auch reine (primäre) Vermögensschäden ohne gleichzeitige Verletzung sonstiger (absoluter) Rechtsgüter.733 Die Vertreter einer dritten Auffassung (sog. „mittlere Auffassung“), die wegen der Vielzahl der Vertreter im Schrifttum als die „herrschende Ansicht“ bezeichnet wird, gehen davon aus, dass Art. 1064 russ. ZGB nicht das Vermögen als solches, sondern das Eigentum und andere Vermögensrechte mit absolutem Charakter schütze.734 Neben dem Eigentum gehören dazu auch die anderen absoluten Rechte, die in Art. 216 Pkt. 1 russ. ZGB aufgezählt werden und beispielhaften Charakter haben.735 Es besteht somit eine gewisse Parallele zu § 823 Abs. 1 BGB, wo zu den sonstigen Rechten nur die eigentumsähnlichen Rechte gehören.736 In Bezug auf unsere Problematik ist zu untersuchen, ob die Verringerung des Wertes der Forderungen der Gläubiger an die Konkursmasse unter den Geltungsbereich 731 Sergeev/Tolstoj/Sergeev, Zivilrecht, Bd. I, S. 274; Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. I, S. 300. 732 Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. I, S. 300; Burian/Strzebniok, PHi 2000, Nr. 2, S. 61; Heidemann, S. 53, 108 unter Verweis auf Gespräche mit Miskina (Professorin an der Universität Sankt Petersburg) und Malenin (Professor am Institut für Staat und Recht, Moskau). Diese Auffassung wurde von Heidemann nur bezüglich der deliktsrechtlichen Vorschriften der GrZG UdSSR vertreten. 733 Neumüller, S. 161; Drujinija, S. 93. Solotych (Zivilgesetzbuch, Teil II, S. 40) gehen von einem generellen Schadensersatzanspruch im russischen Deliktsrecht aus, unabhängig von der Art des verletzen Schutzguts. Maleina vertritt die Auffassung, dass Vermögen i.S.d. Art. 1064 russ. ZGB sowohl die Vermögensrechte mit absolutem Charakter als auch das Vermögen im weiten Sinne sind: Nach ihrer Meinung kann ein Vermögensschaden in der Verletzung oder dem Verlust einer Sache und in der Nichtannahme des Gewinns, den der Geschädigte erhalten konnte, wenn das geschuldete Tun nicht eingetreten wäre, liegen. – Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 837. 734 Sadikov/Faisudinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5; Emeljanov, RJ 2001, Nr. 1, S. 25, Zavidov/Gusev, S. 469; Wölk, S. 142 f.; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 4 f. 735 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. I, S. 331. 736 RGZ 57, S. 353, 356; 95, S. 283, 284; Erman/Schieman, BGB, § 823, Rn. 35; Staudinger/Hager, BGB, Stand Januar 1999, § 823, Rn. B 124; Wölk, S. 138 (letztere mit gleichem rechtsvergleichenden Ergebnis).

131

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

des russischen Deliktsrechts fällt. Dabei stellt sich die Frage, was nach russischem Recht unter dem Begriff Konkursmasse zu verstehen ist und ob die Forderungen der Gläubiger an die Konkursmasse in den sachlichen Anwendungsbereich des Deliktsrechts fallen. Bezüglich der Rechtsnatur der Konkursmasse muss berücksichtigt werden, dass Art. 131 Pkt. 1 russ. InsG eine Legaldefinition enthält. Danach beinhaltet die Konkursmasse das gesamte Vermögen des Schuldners, das dieser im Moment der Eröffnung des Konkursverfahrens hat und das im Verlauf des Konkursverfahrens ermittelt wird. Dazu gehören sämtliche Vermögensarten, u.a. auch die Forderungen des Schuldners gegenüber Drittschuldnern.737 Die Forderungen der Gläubiger an die Konkursmasse stellen kein absolutes Recht (kein Eigentumsrecht) dar, es handelt sich vielmehr um ein subjektives Recht des Gläubigers. Deswegen gehören diese Forderungen nicht zu den Vermögensgegenständen im Sinne der herrschenden Auslegung des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB. Allerdings geben die Vorschriften des russischen ZGB keinen Anlass zu dieser begrenzten Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs des Deliktsrechts. Im russischen Deliktsrecht gibt es vielmehr den Generaltatbestand, unter dessen sachlichen Geltungsbereich alle Vermögensgegenstände fallen, die durch das Zivilrecht geschützt sind. Nur in diesem Fall kann von einem Generaltatbestand des Deliktsrechts gesprochen werden. Jede Form einer begrenzten Auslegung des sachlichen Geltungsbereichs des Art. 1064 russ. ZGB führt dazu, dass, obwohl dem Vermögen Schaden zugefügt wird, dieser wegen der begrenzten Auslegung des Vermögensbegriffes in Art. 1064 russ. ZGB nicht ersetzt werden kann. Eine begrenzte Auslegung des sachlichen Geltungsbereichs des Deliktsrechts würde den Schutz der bürgerlichen Rechte wie Ersatz von Schaden (Art. 12 russ. ZGB) begrenzen und dafür keine angemessene Kompensation bieten. Deswegen sollte der Begriff Vermögen in Art. 1064 russ. ZGB in einem weiten Sinne verstanden werden, so dass in den Schutzbereich des Deliktsrechts u.a. die Forderungen der Gläubiger zur Konkursmasse fallen.

2.

Die Tatbestandsmerkmale des Art. 1064 russ. ZGB im Lichte möglicher haftungsrechtlicher Ansprüche gegenüber der Bank wegen der Vergabe sog. sittenwidriger Sanierungskredite

Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur gehen von vier notwendigen Tatbestandsmerkmalen der Generalklausel des russischen Deliktsrechts aus: Zufügung eines Schadens, Rechtswidrigkeit, Kausalverhältnis zwischen beiden Elementen und Verschulden des Schädigers.738 Im Folgenden werden sie unter dem Blickwin-

737 Rechtsprechungsübersicht von Präsidium des Wirtschaftsgerichts der Republick Hakassija vom 28.8.2000, VVAS 2000, Nr. 11, S. 71. Ausführlich zur Rechtsnatur der Konkursmasse im russischen Recht siehe Teljukina/Tkacˇ ev, Advokat 2003, Nr. 8. 738 Entscheidung des Präsidiums des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 13.6.2000 Nr. 8904/99 (zitiert nach Avercˇ enko, ZGB, Art. 1064, S. 1205); Entscheidung des Föderalen Wirtschaftsgerichts des Zentralen Bezirks der RF vom 23.3.2003 Nr. A35-1221/01-C22 (zitiert nach

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B. Russisches Recht

kel einer möglichen Haftung der Bank für die Vergabe eines sog. sittenwidrigen Sanierungskredits im Sinne des deutschen Rechts untersucht. a)

Zufügung eines Schadens („pricˇ inenie vreda“)

Die Hauptvoraussetzung der außervertraglichen Haftung ist der Eintritt eines Vermögensschadens bei einem Subjekt.739 Solche schädigenden Handlungen können in Form aktiven Tuns – was die Regel ist – oder – eher die Ausnahme – in Form eines Unterlassens eintreten.740 Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass im russ. ZGB keine Definition des Schadens existiert, versteht man in der Literatur darunter eine ungünstige, negative Rechtsfolge, die durch die Verletzung eines Persönlichkeitsrechts, Vermögensrechts oder eines Rechtsgutes („blago“) eingetreten ist741 und u.a. zu einem Verlust, einer Verringerung oder Zerstörung des Vermögens führt.742 Im Rahmen der Problematik einer sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung ist fraglich, ob die Verringerung der Konkursmasse einen Schaden für das Unternehmen darstellt. Im russischen Deliktsrecht erhält der Geschädigte grundsätzlich vollen Schadensersatz.743 Die Forderungen der Mitgläubiger des Not leidenden Unternehmens stellen, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, Forderungen der Gläubiger zugunsten der Konkursmasse des Schuldners dar. Die Konkursmasse ist durch das Deliktsrecht geschütztes Vermögen. Die Verringerung seines Umfangs als Folge einer sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung fügt anderen Unternehmensgläubigern Schaden zu. Dieser Schaden besteht in der Verringerung der Wertigkeit der Forderungen der Gläubiger des Not leidenden Unternehmens. b)

Rechtswidrigkeit („protivopravnost’“)

Das Fehlen einer Legaldefinition der Rechtswidrigkeit und die fehlende Stellungnahme der Rechtsprechung dazu haben in der Literatur für Meinungsverschiedenheiten gesorgt.744 Nach russischem Recht verletzt die Gewährung des nach deutscher Terminologie sogenannten „sittenwidrigen“ Sanierungskredits keine zwingenden Vorschriften. Dagegen könnte es sich nur um einen Verstoß gegen die sittlichen Prinzipien der Gesellschaft handeln. Die Sittenwidrigkeit als Element des Tatbestandmerkmales „Rechtswidrigkeit“ taucht nur in Art. 1064 Pkt. 3 Abs. 2 russ. ZGB auf, wonach der Ersatz des Schadens versagt werden kann, wenn er dem Geschädigten auf sein Verlangen hin oder mit seiner Einwilligung zugefügt wurde und die Handlungen des Schädigers nicht gegen die sittlichen Prinzipien der Ge-

Avercˇ enko, ZGB, Art. 1064, S. 1207); Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 367; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 3; Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 835; Braginskij/Vitrjanskij/Vitrjanskij, Vertragsrecht, S. 703; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 14. 739 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 7. 740 Sadikov/Jarosˇ cˇ enko, Zivilrecht, Bd. II, S. 640; Drijinina, S. 94; Wölk, S. 144 f.; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 374. 741 Mozolin/Malenina, Zivilrecht, S. 836. 742 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 8; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 4; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 371. 743 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 5. 744 Zum sowjetischen Recht siehe ausführliche Darstellung von Heidemann, S. 57 f. m.w.N.; zum gegenwärtigen russischen Recht siehe Wölk, S. 154 ff. m.w.N.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

sellschaft verstoßen. Diese Vorschrift gilt aber nur in Bezug auf Schäden natürlicher Personen, was aus dem Wortlaut „[...] auf sein Verlangen und mit seiner Einwilligung zugefügt [...]“ folgt, und nicht in Bezug auf Schäden juristischer Personen.745 Die Rechtswidrigkeit i.S.d. Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB sollte weit ausgelegt werden und darunter sowohl die Verletzung von Rechtsvorschriften, als auch die Verletzung von sittlichen Prinzipien der Gesellschaft fallen.746 Diese Ansicht lässt sich mit der systematischen Auslegung des russischen Deliktsrechts begründen. Diese Vorschrift enthielt keinen Verweis auf die ausschließliche Begrenzung der zu ersetzenden Schäden auf die Rechtsnormverletzung. Vielmehr verankert sie in Art. 1064 Pkt. 3 Satz 2 russ. ZGB das Verbot der Verletzung der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft in den bestimmten Fällen. Angesichts der Notwendigkeit, die Rechtswidrigkeit zu beweisen,747 ist es schwierig, sittenwidrige Sanierungskredite als Unterfall des Generaldelikts anzusehen. Dies ist mit der Auslegung der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft verbunden.748 Es bleibt abzuwarten, ob die Prinzipien der „ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung“ in der Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffes der Rechtswidrigkeit des Generaldelikts einen Niederschlag in den russischen sittlichen Prinzipien der Gesellschaft finden und in der Lehre besprochen werden. An dieser Stelle ist aber hervorzuheben, dass nicht jeder Sanierungskredit im Falle einer nicht gelungenen Sanierungsaktion als sittenwidrig bzw. den sittlichen Prinzipien der Gesellschaft widersprechend angesehen werden kann. Vielmehr ist eine Sanierungsfinanzierung auf Grund eines vorher erstellten Gutachtens nicht als sittenwidrig anzusehen. Dieses Gutachten soll sowohl eine Information über die Möglichkeit, das Not leidende Unternehmen zu sanieren (sog. „Sanierungsfähigkeitsprüfung“), enthalten, als auch die Maßnahmen, deren Durchführung von der Bank als Bedingung der Sanierungskreditfinanzierung verlangt werden, entsprechend als geeignet für die langfristige Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Not leidenden

745 In der Lehre wird im Zusammenhang mit der Auslegung des Art. 1064 Pkt. 3 Abs. 2 russ. ZGB ausschließlich auf die Zufügung von Schäden einer natürlichen Person verwiesen. Siehe z.B. Sadikov/Faitzutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 10; Braginskij/Jarosˇ cˇ enko, ZGB, S. 358. 746 In der Lehre wurde hervorgehoben, dass grundsätzlich jede Schädigung für rechtswidrig erachtet wird (Smirnov/Sobcˇ ak, S. 66; Bobrova, S. 19; Gjurdsˇ an, S. 13 (zitiert nach Heidemann, S. 57) und nicht zusätzlich die Verletzung der Rechtsnorm erforderlich sei (Wölk, S. 156), wenn eine Person zur Zufügung des Schadens nicht ermächtigt war (Sadikov/Faitzudinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 22; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 366) A.A. Kalpin/Maleina, Zivilrecht, Bd. II, S. 512; Ponomar, RJu 1998, Nr. 12, S. 21, wonach die Verletzung von moralischen Prinzipien ohne gleichzeitige Verletzung des subjektiven Rechts keine Rechtswirkung hat. Nach Ansicht von Sadikov/Jarosˇ cˇ enko, (Zivilrecht, Bd. II, S. 637) und Erdelevskij (Moralschaden, S. 77) richtet sich die Rechtswidrigkeit nach der Verletzung des objektiven Rechts. 747 Entscheidung des Präsidiums des Föderalen Wirtschaftsgerichts des Zentralen Bezirks der RF vom 6.8.2003 Nr. A48-3153/00-12 (zitiert nach Avercˇ enko, ZGB, Art. 1064, S. 1207). A.A. Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 5; Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 5; Emeljanova, RJu 2001, Nr. 1, S. 24; Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 366, wonach jegliche Schadenszufügung gegenüber einem anderen rechtswidrig sein solle, wenn die Person nicht ermächtigt war, den Schaden zuzufügen. 748 Auf die Schwierigkeit der Auslegung der sittlichen Prinzipen der Gesellschaft verweist im Bezug auf ihre Auslegung in Art. 1064 Pkt. 3 Abs. 2 russ. ZGB Mozolin/Malenina, Zivilrecht, S. 836.

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B. Russisches Recht

Unternehmens bestimmt. Erst in diesem Fall kann von einer mit den sittlichen Prinzipien der Gesellschaft konformen Sanierungskreditfinanzierung gesprochen werden, weil der Sanierungszweck ernstlich verfolgen wird, ex-ante Erfolgsaussichten hat und nicht ausdrücklich eigennützige wirtschaftliche Interessen der Bank in Form einer gleichzeitigen Besicherung nicht nur des Sanierungskredits selbst, sondern auch der alten Kredite, verfolgt wird. c)

Kausalverhältnis („pricˇ innaja svjas’“) zwischen der rechtswidrigen Handlung des Schädigers und dem eingetretenen Schaden

Die Kausalität zwischen rechtswidriger Sanierungskreditgewährung und der Zufügung eines Schadens bei den anderen Unternehmensgläubigern als Folge dieser Kreditgewährung ist für den Vorwurf der sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung erforderlich. Der Beweis der Kausalität wird dadurch erschwert, dass sich die Literatur zur Zeit noch im Stadium heftiger Diskussionen über die Methoden einer objektiven Bestimmung der Kausalität befindet.749 Die Rechtsprechung hat zu dieser Frage bisher keine Stellung genommen. Das Schrifttum geht von den Maßstäben der Einzelfalls aus und stellt einheitlich fest, dass je nach Situation diese oder jene Theorie als tauglich anerkannt wird.750 Wenn in unserem Fall kein positives Sanierungsgutachten von einem Dritten im Bezug auf die Möglichkeit der Gewährung eines Sanierungskredits erstellt wird und ein Schaden durch Unterschied zwischen dem Wert der Forderungen der Gläubiger an den Schuldner im Zeitpunkt der Kreditgewährung und zum Zeitpunkt der Erhebung der Klage wegen der Vergabe des sittenwidriger Sanierungskredits bzw. zum Zeitpunkt des Scheiterns der Sanierung vorhanden ist, kann die Kausalität in der Regel angenommen werden. d)

Verschulden („vina“)

Das letzte Tatbestandsmerkmal des Generaldelikts – das Verschulden – wird vermutet (Art. 1064 Pkt. 2 russ. ZGB).751 Das bedeutet, dass der Schädiger von der Verpflichtung, Schadenersatz zu zahlen, befreit wird, wenn er beweist, dass der Schaden ohne sein Verschulden entstanden ist.752 Die meisten Autoren verstehen unter Verschulden – ähnlich wie im Strafrecht – eine psychologische Beziehung der Person zu ihrer Handlung753 und deren Ergebnissen.754 Wie im deutschen Recht

749 Die Theorien der Bestimmung der Kausalität sind zum Teil dem deutschen Recht bekannt und zum Teil erst im sowjetischen Recht entstanden. Näher dazu Wölk, S. 146 ff. m.w.N. 750 Braginskij/Vitrjanskij/Vitrjanskij, Vertragsrecht, S. 717; Sergeev/Tolstoj/Egorov, Zivilrecht, Bd. I, S. 669 f.; Wölk, S. 152 f. 751 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 14; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 7; Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 839; Drujinina, S. 106. 752 Sergeev/Tolstoj/Tolstoj, Zivilrecht, Bd. III, S. 13; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 7. 753 Smirnov/Sobcˇ ak, S. 79; Grisˇajev/Erdelevskij, Zivilrecht, S. 181; Kalpin/Malein, Zivilrecht, Bd. II, S. 513; Sergeev/Tolstoj/Egorov, Zivilrecht, Bd. I, S. 575. A.A. Suchanov/Korneev, Zivilrecht, Bd. II/2, S. 379; Braginskij/Vitrjanskij/Vitrjanskij, Vertragsrecht, S. 750 f., die davon ausgehen, dass der Schädiger im Zivilrecht – in Anlehnung an Art. 401 russ. ZGB – schuldhaft gehandelt hat, wenn er nicht die notwendige Sorgfalt und Vorsicht walten ließ. 754 Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 839.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

existieren zwei Formen des Verschuldens: Schuld in Form des Vorsatzes und in Form der Fahrlässigkeit.755 Dies alles zeigt, dass das Verschulden der Bank bei der Vergabe sog. sittenwidriger Sanierungskredite im russischen Deliktsrecht in der Regel indiziert wird und im Unterschied zum § 826 BGB sowohl in Form des Vorsatzes als auch in Form der Fahrlässigkeit erfolgen kann. 3.

Stellungnahme

Die obige Darstellung der Tatbestandsmerkmale des Generaldelikts ergibt, dass der konkrete Inhalt der Voraussetzungen des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB in vielen Punkten einer näheren Stellungnahme durch die Rechtsprechung bedarf. Als geschütztes Rechtsgut kann nach hier vertretener Ansicht das Vermögen im weiteren Sinne geschützt sein. Damit fällt die Verringerung des Wertes der Konkursmasse unter den sachlichen Anwendungsbereich des generellen Delikts. Beim Beweis des gleichzeitigen Vorhandenseins aller vier Voraussetzungen stellt sich die Bestimmung der Rechtswidrigkeit der Handlungen der Bank als eine besondere Schwierigkeit dar. Sie verletzten nicht bestimmte Rechtsakte des russischen Rechts, sondern nur sittliche Prinzipien der Gesellschaft. Die Verletzung sittlicher Prinzipien der Gesellschaft fällt aber auch unter das Tatbestandmerkmal „Rechtswidrigkeit“ des Generaldelikts. Nach der hier vertretenen Ansicht verletzt die Gewährung eines Sanierungskredits, der nicht die wirkliche Sanierung der Gesellschaft verfolgt, sondern lediglich das Stellen des Insolvenzantrages verschiebt und seitens der Bank hauptsächlich eine zusätzliche Besicherung der vorher gewährten Altkredite und nicht die ernstliche Sanierung des Not leidenden Unternehmens bezweckt, die sittlichen Prinzipien der russischen Gesellschaft. Diese Gewährung eines Sanierungskredits ohne vorherige Prüfung der Erfolgsaussichten der Sanierung fällt damit unter das Tatbestandmerkmal des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB. Für den Beweis des ernstlichen Vorhabens der Bank bei der Sanierungskreditgewährung ist ein Gutachten notwendig. Damit kann eine außervertragliche Haftung der Bank für die Gewährung des nach deutschem Recht sog. „sittenwidrigen“ Sanierungskredits aus dem generellen Delikt des Art. 1064 Abs. 1 russ. ZGB hergeleitet werden. Der Unterschied zum deutschen Deliktsrecht besteht immerhin darin, dass im russischen Recht in diesem Fall neben dem Vorsatz auch Fahrlässigkeit ausreichend ist.

C.

Zwischenergebnis

1. Die Bank muss bei der Sanierungskreditgewährung ihre haftungsrechtlichen Risiken beachten. In beiden Rechtsordnungen wurden vertragliche, vertragsähnliche und außervertragliche Anspruchsgrundlagen dargestellt.

755 Pkt. 20 der erläuternden Leitentscheidungen des Obersten Gerichtshofes der RF Nr. 14 vom 5.1.1998, BVS RF 1998, Nr. 1, S. 5; Smirnov/Sobcˇ ak, S. 80; Mozolin/Maleina, Zivilrecht, S. 839; Sadikov/Faisutdinov, ZGB, Art. 1064, Rn. 7.

136

B. Russisches Recht

2. Die vertragsähnlichen Ansprüche gegenüber der Bank im Fall der fehlgeschlagenen Sanierungskreditgewährung spielen weder im deutschen noch im russischen Recht eine bedeutende Rolle. Im deutschen Recht sind sie dagegen im Fall einer Erbringung zusätzlicher Leistungen durch die Bank auf Grund des Sanierungsvertrages möglich. Die vertragliche Haftung der Bank kann in beiden Rechtsordnungen im Fall der Stellung besonders hoher Sicherheiten zum Sanierungskreditvertrag aus den Vorschriften über Knechtungsverträge im russischen Recht bzw. über sittenwidrige Schädigung im deutschen Recht folgen. 3. Die Vorschriften über die außervertragliche Haftung der Bank führen in beiden Rechtsordnungen zu einem effektiven Schutz der Gläubiger des Unternehmens (des Schuldners) und reduzieren den Ermessensspielraum der Bank beim Gewähren von Sanierungskrediten. 4. Im deutschen Recht bieten lediglich die Vorschriften über die sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB) eine geeignete Grundlage. Dabei hat ein Kreditinstitut im Fall der Neugewährung von Sanierungskrediten an ein Not leidendes Unternehmen zu prüfen, ob eine geplante Kreditgewährung als Sanierungskredit oder bereits als sittenwidrige Insolvenzverschleppung zu bewerten ist. Auf Grundlage der Sanierungsfähigkeitsprüfung soll ein realistisches Sanierungskonzept entwickelt werden, dessen Bestandteil die Gewährung der Sanierungskredite sein wird. Die entsprechenden Sicherheiten können für Neukredite gestellt werden. 5. Als haftungsrelevantes Verhalten des Kreditinstituts bei der Sanierungskreditvergabe kommt im deutschen Recht nur die Sanierungskreditgewährung in Betracht. Das Stillhalten der Bank ist dagegen grundsätzlich zulässig und stellt daher kein anspruchbegründendes Verhalten dar. In einigen Fällen kann auch das Verhalten der Bank bei Stundung bzw. Moratorium haftungsrechtlich relevant sein. 6. Im russischen Recht wird dagegen die Frage der außervertraglichen Haftung der Bank für die Gewährung sogenannter sittenwidriger Sanierungskredite nicht erörtert. Eine Antwort gibt dieses Kapitel. Ausgangspunkt ist das sog. „generelle Delikt“ gemäß Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB. Dabei gibt es zu dieser Vorschrift trotz fast zehnjähriger Existenz viele in der Rechtsprechung noch nicht gelöste Fragen, die in der Lehre unterschiedlich beantwortet werden. Die Verringerung der Konkursmasse fällt unter den Geltungsbereich des Deliktsrechts. Bei den vier notwendigen Tatbestandsmerkmalen des generellen Delikts ist der Beweis des Vorhandenseins jedes Tatbestandsmerkmals aufgrund verschiedener Ansatzpunkte in der zivilrechtlichen Dogmatik mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Eine besondere Schwierigkeit stellt der Beweis der Rechtswidrigkeit der sog. sittenwidrigen Sanierungskreditgewährung dar. Der Tatbestand der außervertraglichen Haftung der Bank für die Gewährung des nach deutschem Recht sog. „sittenwidrigen“ Sanierungskredits kann aus dem generellen Delikt des Art. 1064 Abs. 1 russ. ZGB hergeleitet werden. Der Unterschied zum deutschen Deliktsrecht besteht aber darin, dass im russischen Recht in diesem Fall neben Vorsatz auch Fahrlässigkeit ausreichend ist.

137

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Vierter Abschnitt Sanierungskredite von Gesellschaftern Eine Finanzierung während der Krise kann das Unternehmen nicht nur von Dritten bekommen, sondern auch von seinen Gesellschaftern oder Aktionären.756 Im deutschen Recht hat die Frage der Qualifizierung der Leistungen der Gesellschafter (an die Gesellschaft) während der Unternehmenskrise wegen ihrer großen praktische Rolle bedeutende Aufmerksamkeit der Rechtsprechung und der Lehre erfahren. Dieser Fragenkomplex ist unter der Überschrift „kapitalersetzendes Darlehen“ bekannt geworden und ist wegen der weitreichenden Rechtsprechung und eingehender Behandlung im Schrifttum kaum zu überblicken.757 Im russischen Recht hat diese Problematik weniger Aufmerksamkeit und keinen eigenen Platz in der Gesetzgebung, Rechtsprechung und der Lehre gefunden.758 Im Folgenden wird die Stellung der Sanierungskredite im deutschen Recht vom Standpunkt des Kapitalersatzrechts dargestellt. Was das russische Recht betrifft, soll vom Standpunkt des deutschen Rechts aus der Versuch unternommen werden, zunächst die Spuren des russischen Kapitalersatzrechts in den Vorschriften des Insolvenz-, Delikts- und Gesellschaftsrechts zu finden und dann auf Grund dieser Ergebnisse die Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Sanierungskredite der Gesellschafter darzustellen.

A.

Deutsches Recht

Bei der Betrachtung der Rechtsstellung der Sanierungskredite innerhalb des Kapitalersatzrechts werden zunächst seine Grundsätze (Ziff. I., II. und III.) und erst danach die Rechtsstellung der Sanierungskredite (Ziff. IV.) dargestellt.

756 Die Darstellung dieses Abschnitts bezieht sich auf die Besonderheiten der Finanzierung einer russischen oder deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung („obsˇcˇ estvo s ogranitcˇennoj otvetstvennost’ju“; im Folgenden im Bezug auf russisches Recht – russ. GmbH). In beiden Ländern ist die Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der GmbH beschränkt und stellen sich GmbH als beliebteste Form der unternehmerischen Tätigkeit dar; (gemäß Angaben des russischen Einheitlichen Staatlichen Registers der juristischen Personen waren am 1.10.2005 von in diesem Register eingetragenen 2 681 973 juristischen Personen 1 668 814 russ. GmbH (zitiert nach Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel (Hrsg.), Konzeption der Entwicklung der Gesellschaftsgesetzgebung bis 2008, Zakon 2006, Nr. 9, S. 13). Die Tätigkeit der russ. GmbH wird hauptsächlich durch zwei Rechtsakte geregelt: durch Art. 46–68 und 87–94 russ. ZGB und durch das Föderale Gesetz vom 8.2.1998 Nr. 14-FZ „über die Gesellschaften mit beschränkter Haftung“, SZ RF 1998, Nr. 7, Pos. 785; zuletzt geändert durch das Föderale Gesetz vom 29.12.2004 Nr. 192-FZ, SZ RF 2005, Nr. 1 (1. Teil), Pos. 18. Siehe die deutsche Übersetzung der ursprünglichen Fassung des Gesetzes bei Schwarz/Balajan, WiRO 1998, S. 252 ff. 757 Überblick über Literatur zum Kapitalersatzrecht siehe z.B. bei Michalski/Heidinger, GmbHG, vor § 32a oder bei Scholz/Schmidt, GmbHG, vor § 32a. 758 In der deutschen Rechtswissenschaft wurde in einer rechtsvergleichenden Untersuchung zur deutschen und russischen Durchgriffshaftung von Meriminskaja (S. 109 ff.) die Frage der möglichen Qualifizierung der kapitalersetzenden Leistungen des Gesellschafters in der Krise des Unternehmens erwähnt.

138

A. Deutsches Recht

I.

Notwendigkeit von Kapitalersatzregeln und ihre Begründung im deutschen Recht

Das Haftungsprivileg des Gesellschafters (§ 13 Abs. 2 GmbHG) findet seine Rechtfertigung in einer ordnungsgemäßen Kapitalausstattung einer GmbH. Ihr Stammkapital soll entsprechend den Regeln des GmbHG (§§ 5, 7 Abs. 2, § 8 Abs. 2, §§ 56a, 57) aufgebracht sein und darf nicht an den Gesellschafter auskehrt werden (§§ 30, 31 GmbHG). Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften besitzt ein Gesellschafter grundsätzlich Finanzierungsfreiheit. Der Gesellschafter hat sicherzustellen, dass er die Gesellschaft finanzieren wird.759 Wenn eine Gesellschaft in normalem bzw. gesundem Zustand ist, dann gilt der Grundsatz der Finanzierungsfreiheit unbegrenzt. In diesem Zeitraum ist der Gesellschafter sowohl bei der Lösung der Frage, ob das Unternehmen überhaupt Kapital braucht (sog. Finanzierungsfreiheit „Ob“), als auch bei der Frage, in welcher Form – Fremd- oder Eigenkapital – dieses Kapital zugeführt wird (sog. Finanzierungsfreiheit „Wie“),760 frei zu entscheiden. In der Krise der Gesellschaft werden die „Ob“ und „Wie“ Finanzierungsfreiheiten eingeschränkt.761 Das ist damit verbunden, dass die Krise die Unterkapitalisierung der Gesellschaft zeigt762 und in diesem Fall der Gesellschafter bei der Finanzierung der eigenen Gesellschaft stärker die Interessen der anderen Gläubiger der Gesellschaft berücksichtigen muss. Aber allein die Tatsache, dass der Gesellschafter der Gesellschaft näher steht und deswegen besser über ihren Zustand informiert ist als die anderen Gläubiger, genügt nicht, um das vom Gesellschafter gewährte Fremdkapital mit dem Stammkapital der Gesellschaft bzw. ihrem Haftungskapital gleichzustellen.763 Wenn eine unterkapitalisierte Gesellschaft in die Krise gerät, dann steht der Gesellschafter vor einer Wahl: Entweder die Gesellschaft aufzulösen oder durch den Zufluss von Neumitteln (z.B. in Form der Nachschüssen (§§ 26 GmbHG)) zu sanieren. Der zweite Weg ist aber nicht zwingend. Der Gesellschafter hat vielmehr die Wahl.764 Ein vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen dritter Weg kann in diesem Fall die Vermeidung der Liquidation durch die Gewährung der Kreditmittel darstellen. Die zentrale rechtliche Frage besteht darin, ob das vom Standpunkt des deutschen Wirtschaftsrechts einen dritten Weg darstellt oder diese Kredite auf besondere Weise als Eigenkapital qualifiziert werden.

759 BGHZ 104, S. 22, 40 ff. 760 v. G/H/Hommelhoff, Hb KapER, Rn. 2.10. 761 v. G/H/Hommelhoff, Hb KapER, Rn. 2.14. 762 Dieser Grundsatz betrifft zwei Arten der Unterkapitalisierung: Die nominelle und die formelle bzw. materielle Unterkapitalisierung. Bei formeller Unterkapitalisierung sind Fremd- und Eigenkapital der Gesellschaft nicht ausreichend, um ihren Finanzierungsbedarf abzudecken. Über die nominelle Unterkapitalisierung spricht man dann, wenn die Gesellschafter das erforderliche Kapital in der Form von Fremdkapital zur Verfügung stellen. – Ulmer, FS Duden, S. 670; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 15. 763 BGHZ 76, S. 326, 330; Schmidt, GesR, S. 533. 764 Das folgt aus der BGH-Rechtsprechung (BGHZ 127, S. 17), wonach der Gesellschafter nicht gezwungen ist, das verlorene Stammkapital durch eine Erhöhung der Einlage zu ersetzen.

139

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Wenn die Gesellschaft von anderen Parteien keine Kredite bekommen kann, dann stellen die Darlehen von Gesellschaftern die letzte Möglichkeit dar, fresh money für die Gesellschaft zu bekommen. In diesem Fall gewähren die Gesellschafter in der Regel die Kredite zu marktüblichen Konditionen. Weil die Gesellschaft von dritter Seite keine Kredite mehr erhält, bedeutet die Darlehensgewährung von Gesellschaftern eine Lebensverlängerung der Gesellschaft.765 Ein solches Darlehen oder die Ausübung wirtschaftlich vergleichbarer Vorgänge wird unter bestimmten Umständen in Eigenkapital des Unternehmens umqualifiziert. Diese Verantwortung des Gesellschafters für die Art der Fortführung des Unternehmens in der Krise taucht unter dem Stichwort „Finanzierungs(folge-)verantwortung“ des Gesellschafters auf.766 Dabei gehen Rechtsprechung und Lehre von der Seriosität der Finanzierung der Gesellschaft seitens des Gesellschafters oder ihm gleichstehender Kreditgeber aus, so dass er bei Verlusten der Gesellschaft entweder liquidieren oder neues Haftkapital zufügen wird767 und damit die Verantwortung für die ordnungsgemäße Unternehmensfinanzierung und für die in der Krise der Gesellschaft getroffenen Entscheidung trägt.768 Über die Finanzierungs(folge-)verantwortung wird damit die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters in der Krise begrenzt. Wenn die Mittel in einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt werden, zu dem die Gesellschaft nach allgemeinen Maßstäben nicht mehr kreditwürdig ist, müssen sie nicht mehr als Fremdkapital berücksichtigt und mit dem haftenden, eigenen Kapital gleichgestellt werden.769 Dabei hat das Darlehen des Gesellschafters in diesem Fall kapitalersetzende Funktion, d.h. es hat das notwendige Eigenkapital zu ersetzen.770 Kraft dieser Finanzierungs(folge-)verantwortung wird in der Krise der Gesellschaft durch die Vergabe der Gesellschaftsdarlehen die Liquidation nicht verschleppt und das haftende Kapital nicht auf Kosten der Gläubiger verringert.771 Darüber hinaus besteht der Zweck des Eigenkapitalersatzrechts auch in der Verhinderung unrichtiger Darstellungen über die finanzielle Lage der Gesellschaft, wenn sie mit Hilfe einer Fremdfinanzierung in der Krise fortgeführt wird und dabei für den außenstehenden Gläubiger der Eindruck einer gesunden Gesellschaft hervorgerufen wird.772

765 BGHZ 76, S. 326, 330; 81, S. 252, 257. 766 BGHZ 127, S. 336, 345; BGH WM 1997, S. 1482; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 1 m.w.N. Kritisch Schmidt, GesR, S. 534, Fn. 31. 767 BGHZ 127, S. 345; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 1 m.w.N. 768 BGHZ 90, S. 381, 389; 127, S. 336, 346. 769 Schmidt, GesR, S. 530 f.; Hebersack, ZHR 1997, S. 467. 770 BGHZ, 76, S. 326, 330; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 18; Michlaski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 41; Schmidt, GesR, S. 534. 771 BGHZ 109, S. 55, 57; Grunewald, Rn. 2 F 132. 772 BGHZ 109, S. 55, 57. Vom Standpunkt der Wirtschaftslehre aus kann es sich bei der Gewährung der gesellschaftsrechtlichen Darlehen zum Zeitpunkt der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft um echte Fremdmittel handeln. Das in der Unternehmenskrise gewährte Gesellschaftsdarlehen erfüllt aber die Funktion des Eigenkapitals, wenn es bezweckt, das geringe Stammkapital aufzustocken. Zu den Rechtsfolgen der Gewährung des eigenkapitalersetzenden Darlehens siehe Dritter Teil. Vierter Abschnitt. III. 2. dieser Arbeit.

140

A. Deutsches Recht

II.

Historische Entwicklung und Stand der Gesetzgebung zum Kapitalersatzrecht773

In der ursprünglichen Fassung enthielten die Vorschriften des GmbHG keine Spuren des Gesellschaftsdarlehensrechts. Im Laufe der Rechtsentwicklung wurden zuerst auf Grund der §§ 242, 826 BGB und dann auf Grund der analogen Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG die Grundsätze des eigenkapitalersetzenden Darlehens von RG und BGH entwickelt.774 In der Lehre haben diese Grundsätze breite Zustimmung gefunden.775 Die Kodifizierung dieser Rechtsprechungsgrundsätze erfolgte im Frühjahr 1980776 im GmbHG. Die als Ergebnis der Kodifizierung eingeführten Vorschriften (§§ 32a und 32b GmbHG) blieben aber in einigen Aspekten hinter den Rechtsprechungsgrundsätzen zurück.777 Die weitere Entwicklung des Eigenkapitalersatzrechts des GmbHG ist durch die parallele Weitergeltung der §§ 32a, 32b GmbHG (sog. „Novellierungsregeln“) einerseits und der von RG und BGH entwickelten Rechtsgrundsätze (sog. „Rechtsprechungsregeln“) andererseits gekennzeichnet.778 Die Kluft zwischen Richterrecht und Novellierungsregeln wurde durch Verabschiedung dreier neuer Gesetze in den 90er Jahren verbreitert. Zuerst wurde durch die Insolvenzrechtsreform 1994 (Art. 48 Nr. 2a EGInsO)779 § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG im Sinne der InsO neu gefasst und der Fremdkapitalcharakter der kapitalersetzenden Darlehen normiert.780 Danach wurde durch die Verabschiedung zwei neuer Gesetze und ihr Inkrafttreten am 1.5.1998 der persönliche Geltungsbereich des GmbH-Kapitalersatzrechts wesentlich verringert: Zunächst hat Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Konzerne an Kapitalmärkten und zur Erleichterung der Aufnahme von Gesellschafterdarlehen (im Folgenden – KapAEG)781 § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG eingeführt, wonach Gesellschafter, die mit weniger als 10 % Gesellschaftsanteil an der Gesellschaft beteiligt sind und keine Geschäftsführerposition besitzen, aus dem Geltungsbereich des GmbH-Kapitalersatzrechts ausgeschlossen werden (sog. „Kleinbeteiligungsprivileg“). Dazu wurden über Art. 10 des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (im Folgenden – KonTraG)782 durch die Einführung des § 32a Abs. 3

773 Zur Geschichte des Kapitalersatzrechts siehe Bezzenberger, S. 26 ff. m.w.N. 774 Die folgenden Gerichtsentscheidungen haben für die Entwicklung des Rechts des eigenkapitalersetzenden Darlehens große Bedeutung: RG JW 1938, S. 862; 1939, S. 929; 1939, S. 355; RGZ 166, S. 51, 57; BGHZ 31, S. 258; 61, S. 171; 69, S. 274; 75, S. 334; 76, S. 326; 81, S. 252; 81, S. 311. 775 Siehe z.B. Ulmer, FS Duden, S. 661 ff. m.w.N.; Lutter/Hommelhoff, ZGR 1979, 31 ff. 776 Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und anderer handelsrechtlicher Vorschriften vom 4.7.1980, BGBl. I, 836. 777 SBL/Stodolkowitz, Hb BankR, § 84, Rn. 6. Das wurde erstmals vom BGH in der sog. „Nutzfahrzeugentscheidung“ bemerkt – BGHZ 90, S. 370. 778 BGHZ 90, S. 370, 376 ff.; BGH ZIP 1999, S. 1236 f.; Scholtz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 13 m.w.N. Kritisch dazu Grunewald, GmbHR 1997, S. 7. 779 BGBl. I, S. 2911, 2931. 780 Kritisch Bezzenberger, S. 33 m.w.N. 781 BGBl. I, S. 707. 782 BGBl. I, S. 786.

141

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Satz 3 GmbHG jene Darlehensgeber aus dem Geltungsbereich des § 32a GmbHG ausgeschlossen, die in der Krise der Gesellschaft die Gesellschaftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise erwerben (sog. „Sanierungsprivileg“).

III. Grundtatbestand des kapitalersetzenden Darlehens nach § 32a Abs. 1 GmbHG und die verwandten Tatbestände nach § 32a Abs. 2, 3 Sätze 1 und 2 GmbHG sowie ihre Rechtsfolgen783 Das Bild des kapitalersetzenden Darlehens bezieht sich sowohl auf den Tatbestand des § 32a Abs. 1 GmbHG als auch auf die verwandten Tatbestände des § 32a Abs. 2 GmbHG (Sicherung durch Gesellschafter), § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG (Gleichstellung der Rechtshandlungen Dritter), Kleinbeteiligungs- und Sanierungsprivileg. Im Folgenden werden die für diese Untersuchung wichtigsten Teile der breiten Palette des § 32a GmbHG, und zwar die Tatbestände des § 32a Abs. 1 GmbHG, § 32a Abs. 3 Satz 1 und 2 GmbHG, erforscht.

1.

Grundtatbestand des kapitalersetzenden Darlehens nach § 32a Abs. 1 GmbHG und die verwandten Tatbestände nach § 32a Abs. 2, 3 Sätze 1 und 2 GmbHG

Der Tatbestand des § 32a Abs. 1 GmbHG besteht aus folgenden Elementen – der Darlehensgewährung oder der Ausübung gleichgestellter Handlungen, der Krise der Gesellschaft sowie einem Darlehensgeber, der in den persönlichen Anwendungsbereich des § 32a GmbHG fällt. a)

Darlehensgewährung

(1)

Darlehensgewährung nach § 32a Abs. 1 GmbHG

Das Wort „Darlehen“ wird in § 32a GmbH im rechtstechnischen Sinne verwendet. Darunter versteht man sowohl Sach- als auch Gelddarlehen im Sinne der §§ 488 ff. und 607 ff. BGB.784 Dabei sind die folgenden Alternativen der Darlehensgewährung nicht von Belang: ob es verzinslicher oder partiarischer Natur ist,785 ob es für einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum gewährt wurde,786 sowie seine Motive oder Beweggründe.787 783 Die Rechtsprechungs- und Novellierungsregeln unterscheiden sich voneinander nach dem persönlichen Geltungsbereich, nach den Regeln über die Privilegierung der Sanierungsbeteiligung sowie nach den Rechtsfolgen. Die vorliegende Untersuchung geht aber generell von einem „einheitlichen“ Tatbestand des Kapitalersatzrechts aus. Dagegen werden die oben genannten Unterschiede ausführlicher an den jeweiligen Stellen dieses Kapitels erläutert. 784 BGH GmbHR 1990, S. 119 (wonach die Nutzungsüberlassung der Darlehensgewährung gleichsteht); B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 29. 785 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 99; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 29. 786 R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 141. 787 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 101, Barth, S. 150.

142

A. Deutsches Recht

Nach dem Wortlaut des § 32a Abs. 1 GmbHG muss das Darlehen „gewährt werden“. Hier kann man gewisse Parallelen zu der Pflicht des Darlehensgebers, die Darlehensvaluta „zur Verfügung zu stellen“ (§ 488 Abs. 1 Satz 1 BGB) finden. Im Unterschied zu dieser Pflicht nach § 488 BGB legen Rechtsprechung und Literatur den Wortlaut des § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG anders aus. Danach setzt diese Pflicht nicht zwingend voraus, dass die Darlehensvaluta durch den Gesellschafter tatsächlich schon überlassen wurde, sondern es genügt, dass das in der Krise gewährte Darlehensversprechen erfüllt werden muss.788 (2)

Wirtschaftlich gleichstehende Rechtshandlungen nach § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG unter dem Gesichtspunkt der Nichtabziehung von Fremdkapital

§ 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG spricht von der Gleichstellung jener Rechtshandlungen mit der Darlehensgewährung, die der Darlehensgewährung nach § 32a Abs. 1 GmbHG wirtschaftlich entsprechen. Es geht um Rechtshandlungen, welche die Voraussetzungen des § 32a Abs. 1 GmbHG erfüllen und damit eigenkapitalersetzenden Charakter besitzen.789 Die Praxis bietet eine umfangreiche Kasuistik zur Auslegung des Begriffes „wirtschaftlich gleichstehende Rechtshandlungen“ aus dem Blickwinkel des Eigenkapitalersatzrechts. Einige Aspekte sind umstritten.790 Übereinstimmung besteht aber darüber, dass die Vorschriften über den Eigenkapitalersatz dann Anwendung finden, wenn eine entsprechende Vereinbarung über das Verbleiben finanzieller Mittel in der Krise erfolgt. Dies entspricht der Gewährung eines Darlehens zu Beginn der Krise. Dabei wird eine zumindest konkludente Finanzierungsabrede zwischen Gesellschafter und Gesellschaft gefordert.791 In folgenden Fällen liegt eine solche Vereinbarung vor: Kontokorrentkredit,792 Prolongation eines fälligen Darlehens793 sowie unechtes Factoring.794 Das Recht des Darlehensgebers, bei wesentlicher Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Darlehensnehmers den Darlehensvertrag zu kündigen (§ 490 Abs. 1 BGB), ist auch auf das Gesellschafterdarlehen anwendbar: Der Gesellschafter kann bei Verschlechterung der Kreditwürdigkeit der Gesellschaft seinen Darlehensvertrag mit ihr kündigen. Tut er dies nicht oder fordert er bei Fälligkeit des Darlehens nicht die Rückzahlung der Darlehenssumme, lässt er damit den Darlehensvertrag bestehen und die Gesellschaft kann die Kreditmittel weiter nutzen. Ein solches Verhalten des Gesellschafters kann dann unter Umständen als kapitalersetzendes Darlehen be-

788 BGHZ 133, S. 298; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 99; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 29; Scholz/Schmidt, GmnHG, § 32a, Rn. 31; a.A. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 32 (sofern das Darlehen in Kenntnis der Unterkapitalisierung gegeben worden ist); R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 142. 789 OLG Hamburg DB 1986, S. 1328; LG Ulm ZIP 1983, S. 1442; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 34 m.w.N. 790 Ausführlich dazu siehe Scholz/Schmidt, GmbH, § 32a, Rn. 114 ff. m.w.N. 791 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 106; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 144. 792 OLG Celle NZG 2000, S. 104; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 107 m.w.N.; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 37. 793 BGHZ 75, S. 334; 81, S. 311, 317; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32 a, Rn. 144 m.w.N. 794 OLG Köln ZIP 1986, S. 1585; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 29 m.w.N.

143

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

trachtet werden.795 Dieser Fall wird als „Stehenlassen des Darlehens“ bezeichnet.796 Ab dem Zeitpunkt des Stehenlassens unterliegt das „normale“ Darlehen den Regeln des kapitalersetzenden Darlehens.797 Bei der Umqualifizierung des stehengelassenen Darlehens in ein kapitalersetzendes Darlehen muss der Gesellschafter die Möglichkeit haben, den Darlehensvertrag zu kündigen. Außerdem kann die Umqualifizierung des Stehenlassens vermieden werden, wenn der Gesellschafter in angemessener Zeit798 nach Krisenbeginn einen Insolvenzantrag stellt.799 Die Nichtgeltendmachung einer erst nach Eintritt der Krise fällig gewordenen Forderung unterliegt denselben Kriterien wie das Stehenlassen einer Darlehensforderung.800 Wenn diese Möglichkeit in der Unternehmenskrise nicht besteht, kann von Anfang an weder von der Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters die Rede sein, noch können die Handlungen des Gesellschafters als kapitalersetzend qualifiziert werden.801 b)

Die Normadressaten

Die Regeln zum kapitalersetzenden Darlehen erfassen die Gesellschafter sowie Dritte, wenn diese Gesellschaftern gleichgestellt werden können. (1)

Gesellschafter

In der Regel gewährt der Gesellschafter das eigenkapitalersetzende Darlehen. Dabei wird er formell betrachtet, d.h. als Inhaber von Gesellschaftsanteilen.802 Außerdem spielt es keine Rolle, ob der Gesellschafter sich tatsächlich unternehmerisch betätigt oder die Beteiligung lediglich als Investment hält.803 Aber nicht alle Gesellschafter fallen unter den Geltungsbereich des § 32a GmbHG, sondern nur die, deren Anteil an der Gesellschaft die 10 %-Schwelle des Stammkapitals übersteigt, sofern sie sich nicht gleichzeitig als Geschäftsführer der GmbH betätigen (§ 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG).804 Damit werden Gesellschafter ohne unternehmerische Mitverantwortung und ohne Insiderstellung aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts ausgenommen.805

795 Für die Umqualifizierung des stehengelassenenen Darlehens in ein eigenkapitalersetzendes Darlehen ist das Vorhandensein einer konkludent vereinbarten Finanzierungsabrede erforderlich. – Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 102 ff.; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 143. 796 BGH NJW 1999, S. 2596; BGHZ 125, S. 141, 147; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 143; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 45. Zu dem theoretischen Streit, ob das Stehenlassen des Kredits als Darlehensgewährung i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG oder als „eine der Darlehensgewährung wirtschaftlich entsprechende Rechtshandlung“ i.S.d. § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG zu qualifizieren ist siehe eingehend Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 47. 797 BGHZ 75, S. 334, 338; 76, S. 331; 81, S. 252, 257. 798 D.h. gemäß den in § 64 Abs. 1 GmbHG niedergelegten Maßstäben. – BGH NJW 1998, S. 3200, 3201. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH beträgt der Zeitraum zwei bis drei Wochen. – BGH NJW 1995, S. 658, 659, 1998, S. 3200, 3201. 799 BGH NJW 1995, S. 563; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 112. 800 BGH NJW 1995, S. 457; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 145. 801 Goette, ZHR 1998, S. 225. 802 BGH WM 1988, S. 1525; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 122; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 16; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 32. 803 BGH WM 1988, S. 1525; Früh, GmbHR 1999, S. 842; v. G/H/v. Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.8. 804 Goette, ZHR 1998, 226 ff. m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 210. Kritisch hierzu Schmidt, ZIP 1996, S. 1586; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 11 ff. 805 RegE KapAEG, ZIP 1997, S. 710; Barth, S. 24.

144

A. Deutsches Recht

(2)

Dritte

Um die Umgehung der Vorschriften zum kapitalersetzenden Darlehen zu erschweren, werden die Darlehen, die nicht rechtlich, sondern wirtschaftlich vom Gesellschafter herrühren, als eigenkapitalersetzende Darlehen betrachtet.806 Der Begriff Dritte wird dabei in weiterem Sinne verstanden – d.h. jeder Kreditgeber, der nicht zum Kreis der GmbH-Gesellschafter oder der ihnen gleichgestellten Personen im Sinne des § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG zählt.807 c)

Kapitalersatzfunktion des Darlehens

Die Novellierungsregeln des § 32a Abs. 1 GmbHG nehmen einen eigenkapitalersetzenden Charakter des Darlehens an, wenn die Gesellschafter zu einem Zeitpunkt „als ordentliche Kaufleute Kapital zugefügt hätten“. Diese unbestimmte Formulierung wurde im KonTraG mit den Worten „Krise der Gesellschaft“ bezeichnet. Rechtsprechung und Lehre gehen davon aus, dass die Darlehengewährung nur dann dem Verhalten eines ordentlichen Kaufmannes widerspricht, wenn die Gesellschaft hauptsächlich kreditunwürdig808 oder insolvenzreif809 ist.810 Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft ist dann anzunehmen, wenn die Gesellschaft von dritter Seite nicht mehr zu marktüblichen Bedingungen ohne Besicherung durch die Gesellschafter Kredit erhalten hätte und ohne die Zuführung von Eigenkapital oder von Gesellschafterdarlehen liquidiert werden müsste.811 Die Insolvenzreife wird dagegen bei Überschuldung812 oder Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft813 angenommen. Das Merkmal der Kreditwürdigkeit bzw. Kreditunwürdigkeit ist nicht abstrakt, sondern für jeden Kredit individuell nach den

806 BGH ZIP 1995, S. 125; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 61 m.w.N. 807 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 138. Konkret ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter Normadressat der Eigenkapitalerhaltungsvorschriften sein kann. Ausführlich dazu siehe Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 61 m.w.N. 808 BGHZ 81, S. 311, 318; BGH NJW 1997, S. 3171 f. m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 44 m.w.N.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 18. Bei der kapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung verwendet man hingegen den Wortlaut Überlassungsunwürdigkeit. – BGH GmbHR 2006, S. 703 m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 44. 809 BGHZ 76, S. 326; BGH GmbHR 2006, S. 703; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 23. 810 Als Oberbegriff wird (überwiegend in der Lehre) die Kreditunwürdigkeit betrachtet (so z.B. Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 38; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 44; B/H/Hueck/ Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 42 m.w.N.; a.A. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 23; Gehrlein, S. 387). Der BGH betrachte in seiner Entscheidung v. 3.4.2006 (GmbHR 2006, S. 703) Insolvenzreife und Kreditwürdigkeit als eigenständige Tatbestandvoraussetzungen einer Krise. 811 BGHZ 76, S. 326, 330; BGH WM 1994, S. 791; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 45 m.w.N.; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 38 m.w.N. 812 Bejahend zur rechnerischen Überschuldung – BGHZ 133, S. 298, 302; BGH NJW 1996, S. 720; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41 m.w.N. 813 B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 43 m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 60 m.w.N.; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 47. Bezüglich der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft kann die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft in der Regel angenommen werden. – FK/Dauernheim, InsO, § 135, Rn. 35; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 61 m.w.N.

145

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

objektiven Maßstäben zu prüfen,814 d.h. vom Standpunkt eines wirtschaftlich vernünftig denkenden außenstehenden Kreditgebers aus einer ex-ante Sicht815 unter Berücksichtigung von Art, Umfang und Struktur des Unternehmens sowie der Besonderheiten der Branche, in der es arbeitet.816 Im konkreten Fall wird es von Rechtsprechung und Literatur für zulässig erachtet, die Feststellung der Kreditunwürdigkeit anhand von Indizien zu treffen.817 Bedeutung und Stellenwert der Indizien (sowohl im positiven als auch im negativen Sinn) hängen danach von den Umständen des Einzelfalls ab.818 Zu diesen Indizien sollen sowohl jene zählen, die allgemein die finanzielle Tätigkeit des Unternehmens charakterisieren (z.B. Moratorien, Pfändung oder Kündigung von Krediten,819 weitreichender Verlust des Stammkapitals,820 ausstehende Löhne, Steuern und Sozialabgaben821), als auch solche Indizien, welche die finanziellen Beziehungen zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft charakterisieren (z.B. fehlende Besicherung der Gesellschafterdarlehen,822 vollwertige Besicherung des Kreditvertrages aus dem Gesellschaftervermögen,823 eine besonders hohe824 oder niedrige Verzinsung825). Darüber hinaus soll es eine Reihe von Indizien geben, die gegen den eigenkapitalersetzenden Charakter eines Darlehens sprechen.826 Für diese Untersuchung sind die folgenden relevant: gleichrangige Beteiligung von Nichtgesellschaftern an einer Unternehmenssanierung,827 erhebliche ungenutzte Kreditlinien bei der Hausbank,828 Kurzfristigkeit der Darlehensgewährung aufgrund des vorhandenen realistischen Finanzplanes der Gesellschaft.829

814 BGHZ 119, S. 201; BGH NJW-RR 1997, S. 606; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 45 m.w.N.; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 42 m.w.N. 815 v. G/H/v. Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.42; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 45. Eine solche Beurteilung kann aber nicht vom Standpunkt eines beteiligten Kreditinstitutes abhängen. – BGH ZIP 1992, S. 177, 178. 816 B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 42 m.w.N. 817 BGH NJW 1996, S. 720; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 46; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41. Zweifeln bezüglich des Werts von Indizien Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 21. 818 Scholz/Schmidt, GmbHG § 32a, Rn. 37; v. G/H/v. Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.65. 819 OLG München NZG 1999, S. 603; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41. 820 BGH NJW 1996, S. 720; GmbHR 1995, S. 381; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 48 ff. 821 BGH NJW 1996, S. 720, 721. 822 BGH ZIP 1999, S. 1524, 1526; OLG Celle DStrR 2000, S. 1484; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 52 m.w.N. 823 BGH ZIP 1985, S. 158; NJW-RR 1990, S. 230, 231; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 27 m.w.N. Kritisch Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41. 824 OLG Düsseldorf ZIP 1989, S. 586, 587; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 51. 825 OLG Celle DStR 2000, S. 1484; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 51 m.w.N. Kritisch hierzu Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 41. 826 Siehe dazu ausführlich Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 56 f. 827 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 56. 828 OLG Dresden NZG 1999, S. 347; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 56. 829 BGHZ 75, S. 334, 337; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 56.

146

A. Deutsches Recht

2.

Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens sowie Umfang und Dauer der Kapitalersatzfunktion

a)

Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens

Man trennt die Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens außerhalb und innerhalb des Insolvenzverfahrens. Außerhalb des Insolvenzverfahrens ist zwischen den Rechtsfolgen der Gewährung eines kapitalersetzenden Darlehens nach Rechtsprechungs- und Novellierungsregeln zu unterscheiden. Die Novellierungsvorschriften geben im Fall der Gewährung des kapitalersetzenden Darlehens kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Darlehensgläubiger.830 Vielmehr können solche Rechtsfolgen nur auf Grund der Rechtsprechungsregeln eintreten. Sie gelten auch im Vorfeld des Insolvenzverfahrens, bei Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens (z.B. bei der Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse) sowie beim Freiwerden einer Gesellschaftersicherheit durch Erfüllung der Hauptforderung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens.831 Danach können zwei Rechtsfolgen eintreten: Die Auszahlungssperre nach § 30 Abs. 1 GmbHG analog und der Erstattungsanspruch nach § 31 Abs. 1 GmbHG analog. Im Fall der Auszahlungssperre nach § 30 Abs. 1 GmbHG analog tritt ein Rückzahlungsverbot des Gesellschafterdarlehens ein, wenn die Gesellschaft kreditunwürdig ist.832 Dabei ist jede Form der Rückgewähr untersagt. In diesem Fall darf das eigenkapitalersetzende Darlehen solange nicht zurückerstattet werden, wie es rechnerisch fehlendes Stammkapital oder die vorhandene Überschuldung bzw. Unterbilanz abdeckt.833 Kapitalersetzende Kredite, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Verfügung gestellt wurden, werden im eröffneten Insolvenzverfahren als nachrangige Insolvenzforderungen i.S.d. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO behandelt.834 b)

Umfang und Dauer der Kapitalersatzfunktion

Bezüglich des Umfangs des Darlehens, das in Eigenkapital umqualifiziert wird, besteht ein Disput zwischen der Rechtsprechung und den Novellierungsregeln. Ein nach den Novellierungsregeln gewährtes Darlehen, das den Tatbestandsvoraussetzungen des § 32a GmbHG entspricht, wird im vollen Umfang zu Eigenkapital umqualifiziert.835 Eine Verteilung des Darlehens auf einen kapitalersetzenden Anteil 830 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 160. 831 OLG Düsseldorf ZIP 1995, S. 465; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 76. 832 BGHZ 31, S. 258, 273; 81, S. 365, 367; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 50. 833 BGHZ 76, S. 326; 335; Scholz/Schmid, GmbHG, § 32a, Rn. 77; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 77. Wird aber die Darlehensvaluta entgegen dem Zahlungsverbot des § 30 Abs. 1 GmbHG zurückerstattet, bedeutet das keine Unwirksamkeit des Erfüllungsgeschäftes. – BGH NJW 1988, S. 139, 140. Näher dazu siehe Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 69 834 Ausführlich wird die Frage der Qualifizierung der kapitalersetzenden Leistungen nach der Stellung des Insolvenzantrages bzw. der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. seiner Aufhebung an der entsprechenden Stelle der Arbeit (Vierter Teil – Zweiter Abschnitt. II. 1. a). (bb); Vierter Teil – Dritter Abschnitt. A. II. und Vierter Teil – Vierter Abschnitt. B. 3. b) dieser Arbeit dargestellt. 835 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 80; v. G/H/v. Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.85.

147

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

und einen nicht kapitalersetzenden Anteil wird abgelehnt, weil sie praktisch kaum durchführbar ist.836 Wesentlich schwieriger ist die Rechtslage nach den Regeln der Rechtsprechung. Danach wird das Darlehen an die Beeinträchtigung des Stammkapitals gekoppelt.837 Ein Gesellschaftskredit wird als kapitalersetzend nur in dem Umfang betrachtet, in dem er rechnerisch eine Unterbilanz oder eine über die Unterbilanz hinausgehende Überschuldung abdecken kann. Wenn die Summe, die für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit erforderlich ist, niedriger ist als der gewährte Kredit, dann wird die Kreditsumme, die den Fehlbetrag übersteigt, nicht als kapitalersetzend im Sinne des § 30 GmbHG analog betrachtet.838 Aus dem rechtlichen Charakter des Fremdkapitals mit der wirtschaftlichen Funktion des Eigenkapitals folgt die Möglichkeit, dass das kapitalersetzende Darlehen verzinslich sein kann.839 Der Gesellschaft ist auch die Zahlung von Zinsen verboten.840 Auch bezüglich der Frage der Dauer der Kapitalersatzfunktion unterscheidet man zwischen den Rechtsprechungs- und den Novellierungsregeln. Nach den Novellierungsregeln knüpft die Dauer des Kapitalersatzes an die Dauer der Krise an. Dabei muss die Gesellschaft vom Zeitpunkt der Darlehensgewährung bzw. vom Stehenlassen des Darlehens an, bis zum Abzug bzw. bis zur Geltendmachung ohne Unterbrechung kreditwürdig gewesen sein (sog. „Entsperrung“).841 Das Gesellschafterdarlehen wird als funktionelles Eigenkapital betrachtet: Wenn die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft sich verbessert, kann das Gesellschafterdarlehen seinen eigenkapitalersetzenden Charakter nur dann verlieren, wenn bis zur Rückzahlung des Kredits die Kreditwürdigkeit neu eintritt und freies Vermögen vorhanden ist, um die Darlehenssumme zurückzuerstatten.842 Nach den Rechtsprechungsregeln tritt dagegen keine Entsperrung ein, weil das Stammkapital schon auf andere Weise gedeckt ist.843

836 OLG München ZIP 1997, S. 1118; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 53 m.w.N.; B/H/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 48; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 92; a.A. OLG Hamm ZIP 1989, S. 1398, 1399; Früh, GmbHR 1999, S. 846; Lutter, DB 1980, S. 1321. 837 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 80; v. G/H/v. Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.88. 838 FK/Dauernheim, InsO, § 135, Rn. 58; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 80. 839 BGH NJW 1996, S. 1341; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 81 m.w.N.; FK/Dauernheim, InsO, § 135, Rn. 59; a.A. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 32a, Rn. 80 f. Ausführlich zur Verzinsung des eigenkapitalersetzenden Darlehens siehe Schößer, GmbHR 2005, S. 273 ff. 840 BGH BB 2005, S. 176. 841 BGH BB 87, S. 2391; OLG Hamburg, DB 1986, S. 1328; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 31; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 50 m.w.N. 842 BGH WM 1989, S. 14; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 51 m.w.N. 843 BGH NJW 2000, S. 2578; MüKo/Stodolkowitz, InsO, § 135, Rn. 59 und 109; a.A. Scholz/ Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 84.

148

A. Deutsches Recht

IV.

Sanierungskredite als Hauptanwendungsfall des kapitalersetzenden Darlehens

Sanierungskredite, die von einem Gesellschafter oder einem gleichstehenden Dritten in Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG gewährt werden, gehören zu den Hauptanwendungsfällen des Kapitalersatzrechts.844 Im Folgenden soll untersucht werden, ob diese benachteiligte Stellung gegenüber der Drittfinanzierung berechtigt ist. Anschließend wird die Abgrenzung von Sanierungskrediten gegenüber anderen Arten der Unternehmensfinanzierung behandelt und dann der Meinungsstand zur Frage der Notwendigkeit einer Privilegierung der Sanierungskredite nach § 32a GmbHG a.F. dargestellt. Schließlich werden das Konzept des Sanierungsprivilegs und die Tatbestandmerkmale des geltenden § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG erörtert.

1.

Abgrenzung der Überbrückungs- und Finanzplankredite von Sanierungskrediten im Lichte des Kapitalersatzrechts

Bei der Unternehmensfinanzierung in der Krise können neben den Sanierungsauch Überbrückungs- und Finanzplankredite eine bedeutende Rolle spielen. Ihre Rechtsstellung wird im Weiteren unter dem Gesichtspunkt des Kapitalersatzrechts mit ihrer gleichzeitigen Abgrenzung von Sanierungskrediten dargestellt. a)

Überbrückungskredite

In der Regel haben die Überbrückungskredite der Gesellschafter so wie die Überbrückungsfinanzierung allgemein845 eine kurzfristige Natur und dienen der Überwindung einer nicht vorhergesehenen Liquiditätsschwierigkeit.846 Überbrückungskredite von Gesellschaftern werden nicht von den Eigenkapitalersatzregeln erfasst, wenn diese Kredite nur zur Überwindung vorübergehenden Finanzbedarfs gewährt werden und auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Schuldners objektiv mit ihrer kurzfristigen Auflösung gerechnet wird.847 Manchmal erfüllt der Überbrückungskredit aber doch eine kapitalersetzende Funktion. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn er die Insolvenzabwendung bezweckt848 oder wenn Überbückungskredite ständig gewährt werden.849 Außerdem 844 BGHZ 31, S. 258, 268 ff.; 81, S. 311; 105, S. 168; DStR 1997, S. 505; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 56; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 58; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 19; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 40 m.w.N.; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 473; a.A. Vollmer/Smerdka, DB 2000, S. 758. 845 Siehe dazu Erster Tel. C. II. b). dieser Arbeit. 846 BGHZ 90, S. 381, 394 f.; BGH NJW 1995, S. 457, 458; LG Kiel GmbHR 2001, S. 296; B/H/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 29 m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 76 m.w.N.; Scholz/Schmidt, GmbHG; § 32a, Rn 43; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 34; Barth, S. 139; a.A. Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 70 ff. 847 BGH NJW 1995, S. 457; 1997, S. 3171; LG Kiel ZInsO 2001, S. 326; statt aller Bath, S. 139 m.w.N. 848 BGHZ 90, S. 381, 393 f.; BGH NJW 1997, S. 3171, 3172; BGH NJW-RR 1990, S. 230; Roth/ Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 71; Barth, S. 139. 849 BGH NJW 1995, S. 457, 458; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 76.

149

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

können sie als kapitalersetzend angesehen werden, wenn sie fortbestehen, obwohl der Liquiditätsengpass noch nicht überwunden ist.850 b)

Finanzplankredite

Eine zuerst in der Literatur entwickelte und dann von der Rechtsprechung anerkannte Art der Krisenfinanzierung stellen die sog. „Finanzplankredite“ dar.851 Das sind bereits zugesagte, aber noch nicht ausgezahlte Kredite, welche die Gesellschafter nach Vereinbarung miteinander oder mit der Gesellschaft unter bestimmten Umständen (in der Regel in der Krise der Gesellschaft oder innerhalb des Insolvenzverfahrens) zu geben verpflichtet sind.852 Diese Mittel haben anlageähnlichen Charakter, werden als Einlagen behandelt und gehören nach der Grundsatzentscheidung des BGH vom 28. Juni 1999 nicht zu der eigenständigen Kategorie des kapitalersetzenden Darlehens.853 Dies wird damit begründet, dass das Kapitalersatzrecht nur die bereits gewährten Leistungen und die in der Krise versprochenen Leistungen, nicht aber die Pflicht zur Gewährung weiterer Leistungen, die außerhalb der Krise begründet wird – d.h. nicht die privatautonome Ausübung der Finanzierungsfreiheit – erfasst. Bei Finanzplankrediten existiert damit kein subjektives Tatbestandmerkmal (sie hängen nur vom Parteiwillen ab und werden nicht im Bezug auf eine Krise versprochen), was beim eigenkapitalersetzenden Darlehen gegeben ist. Außerdem kann nach den Kapitalersatzregeln kein Anspruch auf die Gewährung der Darlehensvaluta bestehen.854 Finanzplankredite und Sanierungskredite sind aber nicht identisch. Während Sanierungskredite ausschließlich darauf gerichtet sind, Insolvenz zu vermeiden und die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen, können Finanzplankredite nicht nur in der Krise, sondern jederzeit gewährt werden. Ein weiterer Unterschied besteht im Bereich des außerordentlichen Kündigungsrechts solcher Kredite bei der nachträglichen Verschlechterung der Vermögenslage der Gesellschaft: Während die Sanierungskredite bei Vorhandensein aller Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB vom Kreditgeber gekündigt werden können, kann eine solche Kündigung bei den Finanzplankrediten ausdrücklich ausgeschlossen sein.855

850 BGH GmbHR 1990, S. 125, 126 f.; NJW 1996, S. 3203, 3204; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 43. 851 Ausführlich dazu siehe v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 9.1 ff. 852 BGH NJW 1999, S. 2809, 2811 dazu EWiR 1999, S. 843 f. (Dauner-Lieb); Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 93. Diese Finanzabreden können Bestandteil der Satzung, Gegenstand eines Gesellschafterbeschlusses oder Gegenstand einer ausdrücklich oder konkludent vereinbarten schuldrechtlichen Nebenabrede sein. – Hebersack, ZGR 2000, S. 411 m.w.N. 853 BGH NJW 1999, S. 2809; Hebersack, ZGR 2000, S. 411 m.w.N.; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, § 9, Rn. 9.7; a.A. Hachenberg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 61; Schmidt, ZIP 1981, S. 691. 854 Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 74; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 67. Ausführlich zur Abgrenzung zwischen den Finanzplankrediten und kapitalersetzenden Darlehen siehe Haersack, ZGR 2000, S. 411 ff. 855 Nach Heidinger können Sanierungskredite auch im Insolvenzfall eingefordert werden, was sie in die Nähe der Finanzplankredite bringe und sogar die Grenzen zwischen ihnen verwische. – Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 73 unter Verweis auf BGH WM 1997, S. 576.

150

A. Deutsches Recht

2.

Die Frage der Notwendigkeit der Privilegierung von Sanierungskrediten in der Rechtsprechung und Lehre vor dem Inkrafttreten von § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG n.F.

a)

Allgemein

Zur Frage einer möglichen Privilegierung gesellschaftlicher Sanierungskredite und ihrer Stellung im Vergleich zur Drittfinanzierung in der Unternehmenskrise hatte der BGH erstmals in seiner Helaba-Sonnenring-Entscheidung vom 21. September 1981856 zu entscheiden. Dort hat der BGH die Grundsätze über kapitalersetzende Gesellschaftsdarlehen auf Sanierungskredite einer Bank, welche Anteile an einer Schuldnergesellschaft hielt, übertragen. Nach seiner klaren Vorstellung hat der BGH sowohl die Privilegierung der Sanierungskredite zugesagt als auch den institutionellen Kreditgebern keine Sonderstellung im Kapitalersatzrecht gegeben: Obwohl nicht die Bank selbst, sondern ihre 100 %ige Tochtergesellschaft mehrheitliche Anteile an der Not leidenden Gesellschaft in ihrer wirtschaftlichen Krise, unternehmerische Kontrolle und Verantwortung erwarb, und zwar zeitlich erst nach Gewährung der Altkredite, hat der BGH solche Kredite als kapitalersetzend betrachtet, ebenso die neuen Kredite der Tochtergesellschaft der Bank. Dabei waren die Beweggründe der Bank für den Anteilserwerb und die Darlehensgewährung unbeachtlich.857 Die Entscheidung fiel mit einer heftigen rechtspolitischen Diskussion in der Literatur über die Notwendigkeit der Reform des deutschen Insolvenzrechts zusammen. Der Schwerpunkt der Diskussion lag in den Bedürfnissen der deutschen Wirtschaft, eine sanierungsfreundliche und sanierungsorientierte Insolvenzgesetzgebung zu schaffen. Der kapitalersetzende Sanierungskredit war und ist ein wichtiger Teil der erfolgreichen Sanierung des Not leidenden Unternehmens. In der Lehre wurde das geltende Kapitalersatzrecht heftig kritisiert.858 Im Folgenden wird dargestellt, welche Meinungsverschiedenheiten existierten, wobei zuerst die Zweckmäßigkeit der Einführung des allgemeinen Sanierungsprivilegs und sodann die Modelle der Privilegierung der Sanierungskredite im Vorfeld des Insolvenzverfahrens betrachtet werden. b)

Die Frage der Notwendigkeit des allgemeinen Sanierungsprivilegs

Die Fragen der unterschiedlichen Aspekte und Modelle der Sanierungsprivilegierung haben in der Lehre große Aufmerksamkeit gefunden. Als Ausgangspunkt stellte sich die Frage der Notwendigkeit und der Zweckmäßigkeit der Privilegierung der Sanierungskredite innerhalb des Kapitalersatzrechts.

856 BGHZ 81, S. 311 ff. 857 BGHZ 81, S. 311, 315. 858 Siehe z.B. Claussen, ZHR 1983, S. 196 ff., Ders., GmbHR 1996, S. 323 ff.; Rümker, ZIP 1982, S. 1387 ff.; Schräm/Weber, ZIP 1982, S. 1028; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 150 ff.; Götz/Higerl, DB 1997, S. 2367. Für die Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts – Grunewald, GmbHR 1997, S. 7 ff.

151

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Als Privilegierung wurde der Umstand bezeichnet, dass der Sanierungsträger, der dem Unternehmen das Kapital zur Verfügung stellt, nicht der Anwendung der Vorschriften über Kapitalersatz unterworfen sein soll.859 Die Befürworter der Privilegierung der Sanierungskredite gingen in erster Linie von der Sanierungsfeindlichkeit des Kapitalersatzrechts mit dem Argument aus, dass diejenigen, die in der Unternehmenskrise fresh money gewähren, ein Risiko für die Gesamtheit aller Gläubiger eingehen.860 Statt diese Finanzierung als normalen Kredite zu betrachten, würde sie vielmehr „diskriminiert“ und als kapitalersetzender Kredit betrachtet.861 Auf Grund einer teleologischen Reduktion des Merkmales „ordentlicher Kaufmann“ des § 32a Abs. 1 GmbHG forderte ein Teil des Schrifttums ein allgemeines Sanierungsprivileg, das sowohl Kreditinstitute als auch Gesellschafter erfassen sollte.862 Die überwiegende Mehrheit der Lehre äußerte sich gegen die Durchsetzung eines allgemeinen Sanierungsprivilegs.863 Dafür spreche zum einen, dass die Eigenkapitalersatzregeln im Sanierungsfall für die Seriosität der Kapitalaufbringung zu sorgen hätten864 und zum anderen der Normzweck des § 32a GmbHG – Gläubigerschutz vor unbeschränkter Finanzierungsfreiheit.865 Der Sanierungskredit solle nicht zu Lasten anderer Gläubiger gewährt werden, die Gesellschafter hätten vielmehr den Sanierungskredit solange zu belassen, bis der Sanierungserfolg eingetreten sei und die Gesellschaft den Geldbedarf durch Fremdkapital befriedigen könnte.866 Dieser Auffassung hat sich auch der BGH angeschlossen und in seiner späteren Entscheidung das allgemeine Sanierungsprivileg verneint.867 c)

Auffassungen der Literatur zur Notwendigkeit der Privilegierung einzelner Bereiche der kapitalersetzenden Sanierungskredite

Die Tatsache, dass die Rechtsprechung des BGH das allgemeine Sanierungsprivileg nicht anerkannt hat, hat die Lehre nicht darin gehindert, wissenschaftliche Konzeptionen der Privilegierung der Sanierungskredite zu entwickeln. Dabei ging es in

859 Korch, S. 189 f. 860 Westermann, ZIP 1982, S. 390; Rümcker, ZIP 1982, S. 1393. 861 Liebs, S. 123. Außerdem sei die Vorstellung, dass ein ordentlicher Kaufmann seiner Gesellschaft in der Krise nur Eigenkapital zuführe, lebensfremd. – Liebs, S. 123. In dieser Richtung auch Westermann, ZIP 1982, S. 386, 390. 862 Rumcker, ZIP 1982, S. 1395; Westermann, ZIP 1982, 386, 391; Schmidt, ZHR 1983, S. 189. 863 Hachenburg/Uhlmer, GmbHG, § 32, Rn. 59; Kämpfer, S. 92 f.; SBL/Stodolkowitz, Hb BankR, § 84, Rn. 12; Ullrich, GmbHR 1983, S. 138, 144; Fleck, S. 123 f.; Jaeger/Henckel, KO, § 32a, Rn. 41; Kuhn/Uhlnebruck, KO, § 32a, Rn. 10; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 26; B/H/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, 17 f.; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 36; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., § 32a, Rn. 38. 864 BGHZ 105, S. 168, 175; BGH WM 1984, S. 625; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 473 m.w.N.; Priester, S. 729 m.w.N. 865 Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 473. 866 Hachenberg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 59. Gegen die allgemeine Privilegierung spricht auch der Umstand, dass eine solche Privilegierung die gesamte Konzeption des Kapitalersatzrechts aus den Angeln hebt. – v. G/H/Dauner-Lieb, KapER Hb, Rn. 4.5; Fleck, S. 123 f. m.w.N. 867 BGHZ 119, S. 191, 196 m.w.N.

152

A. Deutsches Recht

erster Linie um die Möglichkeit, Sanierungskredite von institutionellen Kreditgebern innerhalb des Kapitalersatzrechts zu privilegieren. Es wurden unterschiedliche Modelle der Privilegierung der Sanierungskredite im Vorfeld des Insolvenzverfahrens entwickelt.868 Dabei handelte es sich in erster Linie um die Privilegierung von an einer GmbH beteiligten Kreditinstituten in ihrer Doppelrolle als Gesellschafter und Kreditgeber.869 Folgende Möglichkeiten der Verbesserung der Sanierungsfreundlichkeit des Kapitalersatzrechts, die aus der teleologischen Reduktion des § 32a GmbHG entwickelt wurden, wurden vorgeschlagen: die Privilegierung anhand des Beteiligungsumfangs (sog. „Zwergbeteiligungen“),870 Finanzierungskonsortien,871 Objektgesellschaften und Kapitalbeteiligungsgesellschaften,872 Sanierungskredite der Gesellschafter auf Grund von dritter Seite erstellter Sanierungsgutachten.873 Der Großteil der Gelehrten hat eine Sonderstellung der institutionellen Kreditgeber mit dem Argument abgelehnt, dass dies sowohl Sinn und Zweck der Vorschriften über das Kapitalersatzrecht widerspreche,874 als auch zu Lasten anderer Gläubiger durchgeführt würde.875 Unabhängig von den Motiven der Banken, der Gesellschaft ein Darlehen zu gewähren, hat der BGH eine Privilegierung der kapitalersetzenden Bankkredite abgelehnt.876 Die klare Einstellung der Rechtsprechung sowohl gegen das allgemeine als auch das besondere Sanierungsprivileg hat dazu geführt, dass die Diskussion darüber in der Rechtswissenschaft für lange Zeit erst einmal verebbte.

3.

Privilegierung der Sanierungsbeteiligung im geltenden Gesellschaftsrecht

Nach fast zehnjähriger Beruhigung der Diskussion über die Frage der Notwendigkeit der Privilegierung von Sanierungskrediten im Kapitalersatzrecht begann Mitte der 90er Jahre eine neue Welle heftiger Kritik an der Sanierungsfeindlichkeit des Kapitalersatzrechts, die zum Teil mit der Einführung des Kleinbeteiligungsprivilegs in § 32a GmbHG verbunden war.877 Als mögliches Ergebnis dieser Kritik878 wurde in das GmbHG im Jahre 1998 eine neue Vorschrift – § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG – eingeführt. Die Position des Sanierungsprivilegs des § 32a Abs. 3 Satz 3 868 Siehe dazu ausführlich Fleck, S. 107, 120 ff. 869 Rümker, ZIP 1982, S. 1385; Schröter/Weber, ZIP 1982, S. 1028; Claussen, ZHR 1983, S. 214; Menzel, AG 1982, S. 150 ff., Westermann, ZIP 1982, S. 391; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 150 f. 870 Schmidt, ZHR 1983, S. 187; Obermüller, Bank im Konkurs, Rn. 697b und c; Ullrich, GmbHR 1983, S. 144. 871 Schmidt, ZHR 1983, S. 185 f.; Claussen, ZHR 1983, S. 211. 872 Rümcker, ZHR 1983, S. 1388; Ulrich, GmbHR 1983, S. 143 f. 873 Schmidt, ZHR 1983, S. 189. 874 Schmidt, ZHR 1983, S. 175 ff.; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 59 m.w.N.; B/H/ Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 18. 875 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 59; Kämpfer, S. 82. 876 BGHZ 105, S. 168. 877 Siehe z.B. Claussen, GmbHR 1996, S. 320 f.; Götz/Hegerl, DB 1997, S. 2365, 2367 f.; Goette, ZHR 1998, S. 228, 230. 878 Das Gesetz wurde in Eile, „dem Rat der Wissenschaft und Praxis“ folgend, verabschiedet. – Seibert, GmbHR 1998, S. 309 f.

153

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

GmbHG im System des Kapitalersatzrechts gestaltet sich allerdings nicht einfach. Leider wurden die Vorstellungen des Gesetzgebers über den Regelungszweck des Sanierungsprivilegs nur im Bereich des Rechtsausschusses fixiert.879 Die dort formulierte Begründung ist aber weder vollständig noch berücksichtigt sie die bisherige Diskussion über die Notwendigkeit der Privilegierung von Sanierungskrediten.880 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber bei der Umarbeitung des KonTraG die Regeln über Kleinbeteiligungsprivilegien nicht berücksichtigt.881 Deshalb existieren in der Literatur unterschiedliche Auffassungen über die systematische Stellung des Sanierungsprivilegs im geltenden Kapitalersatzrecht und über deren einzelne Aspekte. Unstrittig ist nur, dass das Sanierungsprivileg sowohl im Anwendungsbereich der Rechtsprechungs- als auch der Novellierungsregeln gilt.882 Seit dem Inkrafttreten der Sanierungsprivilegregeln gibt es nur einige Gerichtsentscheidungen, aber eine Vielzahl von Aufsätzen über die Problematik des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG.883 Viele Fragen sind offen geblieben und in der Lehre umstritten. Im Folgenden werden zuerst die Tatbestandsmerkmale des Sanierungsprivilegs dargestellt und dann auf Grund dieser Darstellung zur Frage der systematischen Stellung des Sanierungsprivilegs im System des Kapitalersatzrechts Stellung genommen. a)

Voraussetzungen der Privilegierung der Sanierungskredite

Für die Freistellung der sanierungsorientierten kapitalersetzenden Leistungen aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts sollen die folgenden Tatbestandsmerkmale des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG vorliegen: Die Gesellschaft muss sich in der Krise befinden, in diesem Zeitraum soll der Erwerb der Gesellschaftsanteile erfolgen, wobei der Anteilserwerber die entsprechenden Voraussetzungen des Gesetzes zu erfüllen hat und zuletzt sollen die Handlungen des Anteilserwerbers einen Sanierungszweck verfolgen. Dagegen ist die Gewährung eines Kredites keine notwendige Voraussetzung des Sanierungsprivilegs.884 Sie wird aber vermutet.885 aa)

Die Krise der Gesellschaft als maßgeblicher Zeitpunkt der Privilegierung

Das Sanierungsprivileg ist nur bei einem Beteiligungserwerb in der Krise der Gesellschaft anwendbar.886 Wenn aber ein Unternehmen den Anteil außerhalb der Krise

879 BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491. 880 Nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491) bezweckte der Gesetzgeber mit der Einführung des Sanierungsprivileges die Möglichkeit zu schaffen, in der Krise der Gesellschaft Geschäftsanteile und unternehmerische Kontrolle zu übernehmen, ohne Gefahr zu laufen, dass stehengelassene Altkredite, oder Neukredite allein deshalb in eigenkapitalersetzende Darlehen umqualifiziert würden. 881 Der Gesetzgeber hat bei KonTraG andere Zwecke als bei der Umarbeitung des KapEG verfolgt. – So BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491. 882 Dörrie, ZIP 1999, S. 15; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 57 m.w.N.; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 79; Michalski/Heidinger, GmbHG; § 32a, Rn. 221 m.w.N. 883 Siehe z.B. Literaturübersicht bei v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, vor Teil 4, S. 97 f. 884 Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 196. 885 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508. 886 Dörrie, ZIP 1999, S. 13 f.; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.29; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 194.

154

A. Deutsches Recht

erwirbt und danach die Gesellschaft in die Krise gerät, unterliegt das gewährte Darlehen den Regeln über den Kapitalersatz, wenn es ihn „stehen lässt“.887 Der Begriff der Krise wird vom Gesetzgeber in KonTraG nicht näher definiert. Bei ihrer Definition besteht die Schwierigkeit darin, dass sowohl die Materialien zum KonTraG als auch die systematische Stellung des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG im Kapitalersatzrecht einen Teil des Schrifttums zweifeln lassen, ob die Kreditwürdigkeit im Fall des Sanierungsprivilegs nur im Sinne einer Unfähigkeit der Gesellschaft, von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen einen Kredit zu bekommen, verstanden werden kann. Vielmehr wird in diesem Fall vorgeschlagen, die Krise an die Beteiligungsbereitschaft selbst anzuknüpfen.888 Die Krise wird überwiegend in der Lehre genau so wie in § 32a Abs. 1 GmbHG ausgelegt.889 Das Kreditinstitut ist nur deswegen zum Erwerb der Gesellschaftsanteile bereit, weil es seine Chancen auf die Rückerstattung der von ihm an die Gesellschaft erbrachten Leistungen als nicht hoch einschätzt und deshalb anstrebt, seine Lage als Gläubiger der Gesellschaft über den Erwerb der Gesellschaftsanteile zukünftig zu verbessern.890 Die Bestimmung des genauen Zeitpunktes des Eintrittes der Krise ist in der Praxis nachträglich mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Das hängt mit der fehlenden Erklärung in den Gesetzgebungsmaterialien zusammen. In der Unternehmenspraxis kann beim Scheitern der Sanierung die Frage des Anfangszeitpunkts der Krise von großer Bedeutung sein, nämlich dann, wenn sowohl ein Altgesellschafter als auch der Sanierer Kredite an die Gesellschaft gewährt haben. Einerseits werden die Altgesellschafter an einem möglichst späten und andererseits die Sanierer an einem möglichst frühen Zeitpunkt des Eintritts der Krise Interesse haben. Deswegen wäre in diesem Fall von einer vermittelnden Auffassung auszugehen und der Zeitpunkt des Eintritts der Krise dann anzunehmen, wenn diese sich klar abzuzeichnen891 beginnt und Maßnahmen zur ihrer Überwindung seitens der Geschäftsführung der Gesellschaft bzw. ihren Gesellschaftern einleitend getroffen werden. bb)

Personelle Reichweite des Sanierungsprivilegs

(1)

Allgemeine Betrachtung des Darlehensgebers

Wenn der Gesetzgeber vom Personenkreis des Sanierungsprivileges spricht, verwendet er das Wort „Darlehensgeber“. Dabei enthält das Sanierungsprivileg keine besonderen Anforderungen an die Personen, die Anteile zum Zweck der Überwin-

887 Dörrie, ZIP 1999, S. 14. 888 Hommelhoff (RWS-Forum 10, S. 189, für den Zeitraum vor der Einführung des Sanierungsprivileges); Altmeppen, ZGR 1999, S. 299. Altmeppen (ZGR 1999, S. 299 f.) versteht die Krise im engeren Sinne und beschränkt sie nur auf die „Sanierungskreditwürdigkeit“ der Gesellschaft, d.h. dass der betriebswirtschaftlich nachvollziehbar handelnde Kreditgeber in dieser Lage noch einen Sanierungskredit geben könnte. 889 Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 194; Pichler, WM 1999, S. 417; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.29; Rümcker/Denicke, S. 678 ff. 890 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.30; Claussen, GmbHR 1996, S. 323. 891 Im Ergebnis auch so v. G/H/Dauber-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.31; Götz/Hegerl, DB 2000, S. 1388.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

dung der Krise erwerben.892 In der Lehre gibt es unterschiedliche Auffassungen über die Einbeziehung einiger Gesellschafterarten in den Geltungsbereich des Sanierungsprivileges. Personen, die bisher an der Gesellschaft nicht beteiligt waren und in der Krise Geschäftsanteile zum Zweck der Überwindung der Krise erwerben,893 sowie die kleinbeteiligten Altgesellschafter gemäß den Maßstäben des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG werden unbestritten von den Rechtsfolgen des Kapitalersatzrechts über die Anwendung der Sanierungsprivilegsregeln freigestellt.894 Ein Dritter fällt unter den persönlichen Geltungsbereich des Sanierungsprivilegs, sofern er nicht als gleichzustellender Dritter im Sinne des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG zu behandeln ist.895 Schwieriger ist die Antwort auf die Frage, ob die Altgesellschafter, die an einer Gesellschaft mehr als 10 % Anteil besitzen, oder jemand, der diesen Gesellschaftern nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG gleich steht, aus dem Geltungsbereich des Sanierungsprivilegs auszuschließen sind, wenn sie in der Krise der Gesellschaft ihre Beteiligungen zum Zweck der Überwindung der Krise aufstocken. Nach einer Auffassung kann allein der Umstand, dass die Gesellschaft in die Krise geraten ist und ein Gesellschafter zum Zweck der Krisenüberwindung weitere Anteile an der Gesellschaft erwirbt und der Gesellschaft ein Darlehen gewährt, nicht für die Ansehung dieses Kredits als kapitalersetzend sprechen.896 Das GmbHG schließe dabei eine Privilegierung von Altgesellschaftern, die ihre Beteiligung durch den Erwerb zusätzlicher Geschäftsanteile erhöhen, nicht explizit aus. Mit der Erhöhung ihrer Gesellschaftsanteile würden diese versuchen, ihre Einflussnahme auf das Treffen strategischer Entscheidungen der Gesellschaft zu erhöhen. Man müsse die Sanierungsinitiative u.a. auch des Altgesellschafters, die über die Prüfung der Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft von einem Dritten bestätigt worden ist, begünstigen und die Sanierungskreditgewährung von Altgesellschaftern in den Geltungsbereich des Sanierungsprivileges einbeziehen.897 Auch den Altgesellschaftern sei die Chance zu geben, die Fehler der Vergangenheit zu erkennen, zu analysieren und ihre Geschäftspolitik für die Zukunft zu ändern.898

892 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 222 m.w.N. Nach der Meinung im Schrifttum haben Darlehensgeber und Erwerber des Gesellschaftsanteils nicht unbedingt identisch zu sein, was der Fall ist, wenn die Gesellschafterstellung von einem konzernverbundenen Unternehmen erworben wird. – v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.41; Heinert, Rn. 228. 893 R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 113 m.w.N.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 80; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 195; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 19; Dörrie, ZIP 1999, S. 13; Pentz, GmbHR 2004, S. 536. 894 Pentz, GmbHR 2004, S. 536; Siebert, GmbHR 1998, S. 310; Obermüller, ZInsO 1998, S. 53; Hirte, ZInsO 1998, S. 158; Neuhof, NJW 1998, S. 3223; Pichler, WM 1999, S. 414; Dörrie, ZIP 1999, S. 16; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 478; Wenzel, S. 277; Barth, S. 176; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 80; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 195. 895 Barth, S. 176; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 117. 896 Rümcker, Münch Hb GesR, § 52, Rn. 133; Dörrie, ZIP 1999, S. 17; Früh, GmbHR 1999, S. 845; Altmeppen, FS Single, S. 220 f.; Pentz, GmbHR 2004, S. 537; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 478 f. 897 Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 61; Früh, GmbHR 1999, S. 845; Dörrie, ZIP 1999, S. 17; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 478 f.; Rümker/Denicke, S. 676 f.; Noack, Rn. 196; Wenzel, S. 278. 898 Heinert, S. 223.

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A. Deutsches Recht

Nach der Gegenmeinung ist von einer engen Auslegung des Wortlauts des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG und der Gesetzesbegründung zu Art. 10 KonTraG auszugehen, wonach der Sanierungsgesellschafter nicht schlechter gestellt werden soll, als er stünde, wenn er die Gesellschaftsanteile in der Krise nicht erworben hätte.899 Deshalb könnten die Altgesellschafter über das Sanierungsprivileg nicht begünstigt werden, sonst würden sie besser gestellt, als nach § 32a Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Außerdem müssten sich diese Gesellschafter die Unternehmenskrise selbst objektiv zurechnen und die Finanzierungs(folge)verantwortung tragen.900 Eine mittlere Auffassung geht davon aus, dass nicht unternehmerisch beteiligte Gesellschafter, die in der Krise der Gesellschaft ihre Beteiligung zum Zweck der Krisenüberwindung über die 10 % erhöhen, von den Regeln des § 32a Abs. 1 GmbH freigestellt werden.901 Nur in diesem Fall werden sie keine Kenntnis von der Krise der Gesellschaft haben und keine unternehmerische Mitverantwortung tragen. Meiner Meinung nach sollen die Altgesellschafter, wenn sie unternehmerische Mitverantwortung tragen, sogar nach der Erhöhung ihrer Gesellschaftsanteile die Finanzierungsverantwortung im vorigen Umfang tragen und dem persönlichen Geltungsbereich des Sanierungsprivilegs nicht unterliegen, weil sie für die Krise der Gesellschaft objektiv mitverantwortlich sind. (2)

Professionelle Angehörigkeit des Sanierers

Mit der Einführung des Sanierungsprivilegs bezweckt der Gesetzgeber in erster Linie die aktive Teilnahme der institutionellen Kreditgeber an der Sanierung des Unternehmens. Er hat aber kein allgemeines Privileg für sie und kein Bankprivileg eingeführt.902 Vielmehr werden neben den institutionellen Gläubigern auch andere Kreditgeber erfasst, etwa Lieferanten, öffentliche Hand903 sowie Konzernunternehmen.904 Sanierungsgesellschafter kann in diesem Fall jeder werden.905 Die Sanierungskredite der Banken und Versicherungen können auch nach § 25 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften vom 17. Dezember 198906 privilegiert werden. Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute, die mit einer Unternehmensbeteiligungsgesellschaft im Sinne der §§ 15–19 AktG verbunden sind, unterliegen danach nicht den Vorschriften über die eigenkapitalersetzenden

899 BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491. 900 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn 80; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 195 m.w.N.; Götz/Hegerl, DB 2000, S. 1388; Wittig, NZI 1998, S. 56; Neuhof, NJW 1998, S. 3223; B/H/Hueck/ Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 19 m.w.N.; Pichler, WM 1999, S. 411, 415; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 222; Grünewald, FS Bezzenberg, S. 88; Hirte, ZInsO 1998, S. 151; Haas, DZWiR 1999, S. 180; Obermüller, ZInsO 1998, S. 53; Dauner-Lieb, DStrR 1998, S. 1520; Barth, S. 175. Nach Dauner-Lieb (DStR 1998, S. 1519) bedeutet eine solche Privilegierung der Altgesellschafter sogar das Ende des geltenden Kapitalersatzrechts. 901 Barth, S. 176; Dauner-Lieb, DStR 1998, S. 1520; Hirte, ZInsO 1998, S. 151; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 195, 197; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 80. 902 LG Erfurt ZIP 2001, S. 1673, 1676; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.42. 903 v. G/H/Dauner-Lieb, KapE Hb, Rn. 4.42 m.w.N.; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 477 m.w.N. 904 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.41 m.w.N. 905 Rümker/Denicke, S. 672 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 81. 906 BGBl. I, S. 2488.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Gesellschaftsdarlehen, weil die ihnen gehörenden Anteile bis zum Ablauf von vier Jahren nach ihrer erstmaligen Beteiligung an diesem Unternehmen nicht zugerechnet werden, wenn der Kredit außerhalb der Krise vergeben worden und später der Gesellschaft belassen worden ist.907 Damit geht diese Sonderregelung sogar weiter als das Sanierungsprivileg. Ein Nachweis der Beteiligung zu Sanierungszwecken muss nicht erbracht werden. cc)

Erwerb von Gesellschaftsanteilen

Einige Wissenschaftler verzichten auf das Merkmal des Beteiligungserwerbs zugunsten der Begünstigung sämtlicher Sanierungskredite im Rahmen seriöser Sanierungsversuche.908 Diese Auffassung scheint nicht überzeugend,909 weil bei dieser Struktur die gesamte Konzeption des Kapitalersatzrechts unterlaufen würde. Das Sanierungsprivileg begünstigt nicht die Sanierungskredite als solche, sondern die Sanierungsbeteiligung eines Darlehensgebers.910 Der Gesetzgeber hat offen gelassen, auf welche Art und Weise die Gesellschaftsanteile erworben werden können. Rechtsprechung und Literatur benennen dazu die Zeichnung neuer Gesellschaftsanteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung, Übernahme vorhandener Anteile im Wege ihrer Übertragung,911 Umwandlung der Kreditforderungen des Darlehensgebers in Eigenkapital (sog. „Debt-Equit-Swap“)912 sowie die Verpfändung von Gesellschaftsanteilen.913 Die Höhe der erworbenen Anteile spielt keine Rolle.914 Eine Obergrenze ist nicht vorgesehen.915 Weil die Leistungen der Kleinbeteiligten an der Gesellschaft vom Standpunkt des Kapitalersatzrechts aus privilegiert sind, hat nur der Erwerb von Anteilen in Höhe von mindestens 10 % des Stammkapitals praktische Relevanz. Erst mit dem Abschluss des Erwerbsvorganges liegt ein Erwerb im Sinne von § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG vor.916 dd)

Sanierungszweck

Als nächste Voraussetzung der Privilegierung von Sanierungskrediten wird der Erwerb der Geschäftsanteile in der Krise zum Zwecke ihrer Überwindung genannt.

907 R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 137. 908 Vollmer/Smerdka, DB 2000, S. 757; Altmeppen, ZGR 1999, S. 299 f.; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 476. 909 Ebenso v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.17 ff. und 4.32; Pentz, GmbHR 2004, S. 535 m.w.N.; Westermann, FS Zöllner, 1998, S. 623; Heinert, S. 102. 910 BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491. 911 BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 222 m.w.N.; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 111; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 197. 912 Schmidt/Uhlenbruck/Wittig, GmbH in Krise, Rn. 342; Barth, S. 183; Picot/Aleth, Rn. 490. 913 Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 222 m.w.N; Neuhof, NJW 1998, S. 414. 914 Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 478; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 222 m.w.N.; R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 110; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 82; Barth, S. 181; a.A. Claussen (GmbHR 1996, S. 327) hat seinerzeit einen Erwerb bis zu 51 % des Stammkapitals als Obergrenze der Privilegierung vorgeschlagen. 915 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.34; Rümcker, Münch Hb GesR, § 52, Rn. 135. 916 Pichler, WM 1999, S. 417.

158

A. Deutsches Recht

Dieses Tatbestandsmerkmal wird sowohl subjektiv als auch objektiv betrachtet.917 Zunächst sollen die objektiven Kriterien der Sanierung vorgestellt werden. Sie bestimmen sich vom Standpunkt eines objektiven Dritten aus.918 Zu den objektiven Kriterien zählen im Einzelnen die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft sowie die Eignung der Sanierungsmaßnahmen im konkreten Fall.919 Daneben sollen die durchgeführten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Anteilserwerbs oder der Kreditgewährung (ex-ante Betrachtung), nicht im Nachhinein (ex-post Betrachtung), objektiv geeignet sein, das Unternehmen zu sanieren.920 Ob ein unabhängiger, außenstehender Experte diese Gutachten erstellen soll, ist fraglich,921 aber wegen der wesentlichen Beweiserleichterung bezüglich der Seriosität der Sanierung wünschenswert.922 Diese Objektivität ist für die Anwendung des Sanierungsprivilegs erforderlich. Anderenfalls kann der Kreditgeber im Fall einer nicht gelungenen Sanierung wegen der Ansprüche der anderen Gläubiger oder des Insolvenzverwalters aus § 826 BGB wegen Insolvenzverschleppung oder Gläubigergefährdung verpflichtet sein, einen möglichen Schaden zu ersetzen.923 Für die Feststellung der subjektiven Anforderungen ist der „Wille des Anteilserwerbers“ bei der Sanierung der Gesellschaft zu erforschen.924 Es werden aber keine be-

917 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508. 918 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508; Pentz, GmbHR 2004, S. 536 m.w.N., Lutter/ Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 84; Casper/Uhlrich, GmbHR, 2000, S. 475 f. m.w.N.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 223; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.55; Dörrie, ZIP 1999, S. 14; Altmeppen, FS Sigle, S. 224. Kritisch Westermann, DZWiR 2000, S. 8; Haas, DZWiR 1999, S. 181. Zweifelnd Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 198; a.A. Vollmer/Smerdka, DB 2000, S. 759, die minimale Anforderungen an eine Fortführungsprognose stellen. 919 Pentz, GmbHR 1999, S. 450; Pichler, WM 1999, S. 417; Dörrie, ZIP 1999, S. 14; v. G/H/DaunerLieb, Hb KapER, Rn. 4.55 f.; Barth, S. 198 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 84; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 474 ff.; Götz/Hegerl, DB 2000, S. 1388; Rümcker, Münch Hb GesR, § 52, Rn. 137; a.A. Westermann, DZWiR 2000, S. 8 und Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 198, die ein objektives Kriterium der Sanierbarkeit ablehnen, d.h. die Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft bezweifeln und die Voraussetzung der Eignung der durchgeführten Maßnahmen der Krisenüberwindung ablehnen. 920 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508 f.; MüKo/Stodolkowitz, InsO, § 135, Rn. 24; Pentz, GmbHR 2004, S. 536; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 476 m.w.N. 921 Dafür: Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 447; Rümcker/Denicke, S. 680; Barth, S. 200; v. G/H/ Dauner-Lieb, KapE Hb, Rn. 4.56 m.w.N.; Dagegen: BGH WM 1985, S. 293; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 84; Grünewald, FS Bezzenberg, S. 87 f. 922 Im Ergebnis auch so Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 32a, Rn. 84; Barth, S. 200; Pentz, GmbHR 1999, S. 45. 923 Dörrie, ZIP 1999, S. 14; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 475; Haas, DZWiR 1999, S. 181. Außerdem können wegen der gleichen Normzwecke des § 826 BGB bei der Sanierungskreditgewährung und den § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG (d. h. Gläubigerschutz vor einer Insolvenzverschleppung) und geschichtlichen Ursprung des Kapitalersatzrechts aus § 826 BGB die Anforderungen an die Sanierungskreditgewährung aus § 826 BGB auf § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG übertragen werden (im Ergebnis auch so Barth, S. 195 f.) Deswegen sind die Anforderungen, Notwendigkeit einer Sanierungsfähigkeitsprüfung für den Ausschluss des Vorwurfes der „sittenwidrigen“ Sanierungskreditgewährung gemäß § 826 BGB (siehe Dritter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 3. b). dieser Arbeit) auf dem Fall des Zuverfügungstellens eines Sanierungskredites bzw. seines Stehenlasses bei § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG anwendbar. 924 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508 f.; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 19; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, S. 476; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 62.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

sonderen Anforderungen an die Feststellung dieses Merkmales gestellt, sondern es wird vielmehr ein solcher Wille vermutet.925 ee)

Bestehende und neu gewährte Kredite

Der Wortlaut des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG spricht bezüglich der freigestellten Gesellschaftsleistungen nicht von Darlehen, sondern von Kredit, worunter aber die Darlehensgewährung i.S.d. § 32a Abs. 1 GmbHG verstanden wird.926 Die sonstigen Leistungen, die dem Darlehen nach § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG gleichgestellt sind, können über den Wortlaut der Vorschrift hinaus auch vom Sanierungsprivileg erfasst werden.927 Unter die Kreditgewährung fallen sowohl Altkredite (die vor dem Erwerb der Gesellschaftsanteile entweder direkt zum Zweck der Überwindung der Krise gewährt oder ohne solchen Zweck zur Verfügung gestellt und erst nach dem späteren Erwerb der Gesellschaftsanteile zum Zweck der Krisenüberwindung stehengelassen wurden928) als auch Neukredite (die nach dem Erwerb der Gesellschaftsanteile gewährt worden sind).929 Diese Darlehen werden sowohl gleichzeitig mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile, als auch später im Laufe der anhaltenden Krise, solange sie dem „Zweck der Überwindung der Krise“ dienen, gewährt.930 Die bereits vor Anteilserwerb gewährten und umqualifizierten Darlehen können durch den Zuerwerb von Anteilen zu Sanierungszwecken rückwirkend nicht befreit werden.931 b)

Rechtsfolgen des Sanierungsprivilegs und seine Dauer

Der Geltungsbereich des Sanierungsprivilegs gilt uneingeschränkt für das gesamte geltende Kapitalersatzrecht.932 Daraus lassen sich zwei Schlussfolgerungen ziehen: Erstens fallen in den Anwendungsbereich des Privilegs die Rechtsprechungsregeln933 und zweitens sind diese Regeln nicht nur auf den Anteilserwerb an einer

925 Pentz, GmbHR 2004, S. 536; Casper/Ullrich, GmbHR 2000, 476 m.w.N.; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.54; Dörrie, ZIP 1999, S. 14; Pichler, WM 1999, S. 418; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 198. 926 R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 124; Barth, S. 203. 927 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 86 m.w.N.; Rümker/Denicke, S. 680 f.; Grünewald, FS Bezzenberger, 2000, S. 90 f.; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 224; Pentz, GmbHR 2004, S. 535; Ders., ZIP 1999, S. 448 (in diesem Fall aber zweifelnd); Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 196; a.A. Haas, DZWiR 1999, S. 180. Nach der Auffassung von Hirte (Rn. 5.151) sind die privilegierten Leistungen nur auf Geldleistungen, nicht aber Sachleistungen begrenzt. 928 R/S-L/Pentz, GmbHG, § 32a, Rn. 134. 929 OLG Düsseldorf ZIP 2004, S. 508; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 85; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 62; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 199; Grunewald, FS Bezzenberger, S. 85; Dörrie, ZIP 1999, S. 12; a.A. Pichler, WM 1999, S. 415 mit Verweis auf den Gesetzeswortlaut („[...] erwirbt ein Darlehensgeber [...]“) verlangt er vorherige Darlehensvergabe. 930 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 85. 931 BT-Drs. 13/10038, ZIP 1998, S. 491; Dörrie, ZIP 1999, S. 17; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 225; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 80. 932 Begr. zum RegE zum KapAEG, BT-Drs. 13/7141, ZIP 1997, S. 710. 933 Dörrie, ZIP 1999, S. 14; Pentz, GmbHR 1999, S. 450; Altmeppen, ZGR 1999, S. 298; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 79; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 200.

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A. Deutsches Recht

GmbH, sondern auch auf Anteilserwerbe an anderen in den Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts fallenden Unternehmensformen anwendbar.934 Hinsichtlich der Dauer der Privilegierung ist hervorzuheben, dass für die Anwendung des Sanierungsprivilegs der Sanierungserfolg nicht notwendig ist.935 Die späteren Darlehen werden nur dann privilegiert, wenn sie im Zusammenhang mit dem Zweck der Überwindung der Krise zur Verfügung gestellt wurden. Dabei werden die Darlehen nur für die gesamte Dauer der aktuellen Krise, in der sie gewährt oder stehen gelassen werden, privilegiert, nicht aber in einer neuen Krise.936 Damit ist das Sanierungsprivileg nach der Überwindung der ersten Krise beendet.

V.

Quo vadis Kapitalersatzrecht?

In den letzten Jahrzehnten unterliegt das Kapitalersatzrecht einer Fundamentalkritik. Man spricht jetzt nicht davon, ob die Gesetzgebung und die Rechtsprechung in einzelnen Aspekten Recht haben, sondern hauptsächlich davon, ob das Kapitalersatzrecht auf dem richtigen Weg sei.937 Die kritischen Gedanken reichen von Kritik an Mängeln des Eigenkapitalersatzrechts bis zu Vorschlägen, dieses völlig abzuschaffen.938 Die Argumente der Kritiker des Kapitalersatzrechts basieren auf den folgenden Gedanken: Der Begriff der Finanzierungs(folge-)verantwortung wird als ein „inhaltsleerer“ Begriff bezeichnet939. Darüber hinaus wäre es kein Widerspruch, wenn ein in der Krise gewährtes Darlehen als Darlehen behandelt würde.940 Es sei auch schlecht für den Gläubiger der GmbH auf Grund einer Darlehensgewährung in der Krise schlechter da zustehen als bei einer sofortigen Liquidation.941 Außerdem liege in der Gewährung des ordnungsgemäß bilanzierten Darlehens keine Täuschung,942 Schädigung der Gläubiger943 oder eine Bereicherung der Gesellschaf-

934 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.27 f.; Barth, S. 213 f. 935 Barth, S. 189; Pichler, WM 1999, S. 417. Im Fall der gelungenen Sanierung kann das Darlehen allerdings zurückerstattet werden. – Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 199. 936 Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 87; Pentz, GmbHR 2004, S. 535; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 200; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 19; Barth, S. 206 ff.; Michalski/ Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 227; Grunewald, FS Bezzenberger, S. 91; kritisch Götz/Hegerl, DB 2000, S. 1385, 1389 für eine dreijährige Karenzzeit entsprechend § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO. A.A. Obermüller, ZInsO 1998, S. 53; Wittig, NZI 1998 S. 56; Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 64, 67 wonach einmal in der Krise erbrachte Gesellschafterleistungen, die vom Sanierungsprivileg erfasst werden, in einer neuen Krise von der Anwendung des Kapitalersatzrechts ausgeschlossen sind. 937 Nach Schmidt (GmbHR 2005, S. 797) stehe das Kapitalersatzrecht seit Ende 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts sogar vor ganz elementaren Rechtfertigungs- und Systemproblemen. Selbst die Kenner der Materie (Grunewald/Noack, GmbHR 2005, S. 193 m.w.N.) bezeichnen das Kapitalersatzrecht als „kompliziert“. 938 So Grunewald, GmbHR 1997, S. 7; Claussen, GmbHR 1996, S. 320. 939 So Reiner, S. 422; Haas, NZI 2001, S. 2. 940 So Reiner, S. 425; Bezzenberger, S. 34; Fastrich, S. 144 f. 941 Grunewald, GmbHR 1997, S. 8; Götz/Hegerl, DB 1997, S. 2368; Kallmeyer, GmbHR 2004, S. 378; Bezzenberger, S. 38; Koppensteiner, AG 1998, S. 314. 942 Bezzenberger, S. 35; Fastrich, S. 146; Schummer, S. 288 ff.; Götz, S. 65 ff. 943 Reiner, S. 443 ff.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

ter auf ihre Kosten.944 Darüber hinaus wird das Kapitalersatzrecht vom Standpunkt der ökonomischen Analyse des Wirtschaftsrechts kritisiert.945 Zuletzt wird auch darauf hingewiesen, dass das Insolvenzrecht und nicht das Gesellschaftsrecht dazu bestimmt sei, Unternehmensfortführung in den Fällen der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu unterbinden.946 Im Zusammenhang mit der Diskussion über eine mangelnde Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbH auf dem europäischen Markt947 begann die Diskussion über die Notwendigkeit der Reform des GmbH-Rechts. Vor dem Hintergrund zahlreicher Vorschläge dazu in der Wissenschaft948 hat das Bundejustitzministerium am 7. Juni 2006 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vorgestellt.949 Auf Grund dieses Referentenentwurfes hat die Bundesregierung einen Regierungsentwurf vom 23. Mai 2007 erfasst (im Folgenden – MoMiG).950 Gegenstand dieses Gesetzesentwurfes ist auch das Kapitalersatzrecht. Seine Reform soll durch die Einführung der Neuregelungen und gleichzeitige Abschaffung einiger Vorschriften sowohl im GmbHG als auch in anderen Gesetzen durchgeführt werden.951 Die Zerschlagung des geltenden Modells des Kapitalersatzrechts erfolgt zuerst durch die Einführung von Abs. 5 in § 30 GmbHG, der die Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatzrecht aufhebt.952 Darüber hinaus sollen die Novellierungsregeln modifiziert werden: §§ 32a/b GmbHG sollen gestrichen und stattdessen einige ihrer Bestimmungen in die InsO und das AnfG implementiert werden. Damit werden nicht die Vorschriften des GmbHG, sondern ausschließlich die Regeln der InsO und des AnfG die Besonderheiten der Darlehensfinanzierung in der Krise enthalten.

944 Engert, ZGR 2004, S. 824 ff. 945 Eidenmüller, S. 388 ff.; Drukarcyk, S. 414 f.; Engert, ZGR 2004, S. 815 ff. Das Kapitalersatzrecht wird als sanierungsfeindlich und damit als dem Gläubiger schädlich bezeichnet. – Götz, S. 167 ff.; Engert, ZGR 2004, S. 815. 946 Reiner, S. 415 ff.; Bezzenberger, S. 41; Grunewald/Noack, GmbHR 2005, S. 194; Fastrich, S. 159; Röhricht, ZIP 2005, S. 513. 947 Zu den Tendenzen im europäischen Gesellschaftsrecht siehe Hopt, ZIP 2005, S. 461 ff. 948 Eingehend dazu siehe Siebert, ZIP 2006, S. 1168 m.w.N. 949 Den Entwurf folgt weitgehend den Vorschlägen von Grunewald/Noack, GmbHR 2005, S. 194 und Huber/Hebersack, BB 2006, S. 1 ff. Dieser Referentenentwurf ist unter folgende Adresse im Internet abrufbar: http://www.bmj.bund.de/media/archive/1236.pdf. 950 BT-Drs. 16/6140 = BR-Drucks. 354/07. 951 Näher dazu siehe Siebert, ZIP 2006, S. 1168 ff. Dabei haben die Regierungs- und Referentenentwürfe des MoMiG in Fragen des Kapitalersatzrecht die gleiche, in diesem Punkt des Abschnittes behandelte Auffassung, vertreten. 952 Diese Maßnahmen werden in der Lehre positiv angenommen und begrüßt. – Schiffer, BB 2006, S. 15; Flesner, NZG 2006, S. 647; Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1657 m.w.N. zum Stand der Veröffentlichung des MoMiG. Es wurde in der Lehre hervorgehoben, dass die bisherige Analogie zur Kapitalerhaltung eine historisch bedingte „Krücke“ ist, die von der Rechtsprechung aus der Not heraus nur deshalb entwickelt wurde, weil zum damaligen Zeitpunkt ein dogmatisches Gebäude noch nicht errichtet war und im Insolvenzrecht geeignete Regelungen noch nicht kodifiziert waren. – Röhricht, ZIP 2005, S. 512; Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1654.

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A. Deutsches Recht

Der wichtigste Gedanke der Reform besteht darin, dass künftig alle Forderungen auf die Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens als nachrangige Insolvenzforderungen betrachtet werden sollen.953 Diese Änderung des § 39 Abs. 1 InsO macht damit keine Unterschiede zwischen den kapitalersetzenden Darlehen und anderen („normalen“) Gesellschafterdarlehen mehr.954 Sowohl der Begriff „kapitalersetzendes Darlehen“ als auch der Begriff der „Krise“ werden aufgegeben.955 Dagegen sollen nicht alle Gesellschafterdarlehen betroffen sein, sondern das MoMiG sieht ein Sanierungs- und Kleinbeteiligungsprivileg in § 39 Abs. 4 und 5 InsO vor. Während das Kleinbeteiligungsprivileg im Wesentlichen wie in § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG sachlich beibehalten wird,956 soll nach dem Konzept dieses Gesetzesentwurfes künftig die Vergabe der Sanierungskredite, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen gewährt werden und den Tatbestandmerkmalen des heutigen § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG entsprechen, wesentlich durch zwei Novellen modifiziert werden.957 Zuerst wird der Zeitpunkt des Erwerbs der Gesellschaftsanteile nicht an die „Krise“ der GmbH, sondern an dem Zeitpunkt der „drohenden Zahlungsunfähigkeit“ der Gesellschaft geknüpft. Diese Regel wird in der Lehre kritisiert, und als Anknüpfungspunkt wird nicht die „drohende Zahlungsunfähigkeit“, sondern (einfache) „Zahlungsunfähigkeit“ vorgeschlagen.958 Außerdem soll nach dem MoMiG das Privileg nicht an die Dauer der Sanierung geknüpft werden, sondern bis zur „Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit“ bestehen.959

953 Diesen Forderungen werden die wirtschaftlich entsprechenden Forderungen aus den Rechtshandlungen gleichgestellt (§ 39 Abs. 1 Nr. 5 1. Satz InsO gemäß MoMiG). Im Schrifttum wird hingegen eine generelle Erweiterung der Nachrangigkeit auf sämtliche Forderungen des Gesellschafters von einigen Autoren kritisiert und abgelehnt. – Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1657; Kleindiek, ZGR 2006, S. 358. 954 Begr. MoiMiG, S. 35. Nach dem neuen Konzept gebe es keine kapitalersetzenden Darlehen mehr. Jedes Gesellschafterdarlehen sei beim Eintritt der Insolvenz nachrangig. – BegrMoMiG, S. 82 f. 955 Grundgedanke des MoMiG in Bereich des Kapitalersatzrechts ist, „dass die Organe und Gesellschafter der gesunden GmbH einen einfachen und klaren Rechtsrahmen vorfinden.“ – Siebert, ZIP 2006, S. 116. Außerdem können, nach MoMiG, alle Gesellschaftsdarlehen, die im Jahr vor Stellung des Insolvenzantrages von der Gesellschaft zurückgezahlt worden sind, durch Anfechtung wieder zur Masse gezogen werden (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO; § 6 AnfG). Kritisch dazu Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1657, die für die Einführung einer zweijährigen Frist plädieren. 956 Die Novelle besteht darin, dass entgegen der bisherigen Rechtsprechung im Bezug auf das AktG (BGHZ 90, S. 381 ff.; BGH, ZIP 2005, S. 1316 ff.) das Kleinbeteiligungsprivileg nicht erst ab einer Aktienbeteiligung von 25 % Anwendung finden soll, sondern eine einheitliche Höhe von 10 % für alle Rechtsformen gilt. 957 Im Schrifttum wird die Übernahme des Sanierungsprivileges in InsO sowohl begrüßt (Schiffer, BB 2006, S. 17; Flesner, NZG 2006, S. 647) als auch sachliche Kritik dagegen geäußert (Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1656; Noack, DB 2006, S. 1480). 958 Noack, DB 2006, S. 1480; Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1656. Als Argument wird hervorgehoben, dass auch von den Anteilserwerbern nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit innerhalb der DreiWochen-Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG vorgenommene Sanierungsbemühungen das Sanierungsprivileg in Anspruch nehmen dürfen. – Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1656; Noack, DB 2006, S. 1480. 959 Kritisch dazu Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1656; Noack, DB 2006, S. 1481; Flesner, NZG 2006, S. 647.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Sowohl der Gesetzgeber als auch die Mehrheit der Stimmen in der Lehre gehen davon aus, dass im Bereich des Kapitalersatzrechts das MoMiG das GmbH-Recht für die mittelständische Zielgruppe wesentlich vereinfachen wird.960 Die Reform stellt keine plastische Chirurgie des Kapitalersatzrechts dar, wie die GmbH-Reform von 1980, sondern gestaltet einige Bereiche das Rechts der Gesellschafterfinanzierung in der Krise wesentlich um.961 Nach dem Gedanken des Gesetzgebers soll es in der Zukunft das Kapitalersatzrecht im Sinne der heutigen Rechtlage nicht mehr geben. Damit ist zukünftig nur dasjenige Kapital Eigenkapital, das die Gesellschafter gewollt als solches aufbringen; andere Finanzierungen wie zum Beispiel in der Krise gewährte Gesellschafterdarlehen werden nicht mehr zu Eigenkapital umqualifiziert. Dagegen werden nicht nur kapitalersetzende, sondern alle Gesellschafterdarlehen (unter Berücksichtigung des Sanierungs- und Kleinbeteiligungsprivilegs) als nachrangige Insolvenzforderung im eröffneten Insolvenzverfahren betrachtet.

VI. Stellungnahme zum System des geltenden Kapitalersatzrechts und die allgemeine Bewertung der systematischen Einordnung des Sanierungskredites Das geltende deutsche System des Kapitalersatzrechts ist durch die Gedanken des Gläubigerschutzes einerseits und andererseits durch die Finanzierungs(folge-)verantwortung der Gesellschafter geprägt. Man geht davon aus, dass die Kredite in der Krise die Funktion von Eigenkapital haben. Statt das Eigenkapital zu erhöhen, wird in diesem Zeitraum ein Darlehen gewährt. Das Gesellschafterdarlehen wird in Ersatz-Eigenkapital umqualifiziert und solange als funktionales Eigenkapital gebunden, bis die finanzielle Krise der Gesellschaft überwunden ist, d.h. die Gesellschaft wieder kreditwürdig geworden ist oder das Stammkapital der Gesellschaft wieder hergestellt ist. Dabei wird der Gedanke des Gläubigerschutzes weit ausgelegt. Damit wird das Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger in die Kreditwürdigkeit der Gesellschaft geschützt962 und durch diese Regel die Deckungsquote bei den Gläubigern insolventer Schuldner erhöht. Im Mittelpunkt des Kapitalersatzrechts steht das insolvenzrechtliche Verbot, überschuldete und/oder zahlungsunfähige Unternehmen ohne Einleitung geeigneter Sanierungsmaßnahmen fortzuführen. In der Krise der Gesellschaft hat der Gesellschafter die Wahl zwischen zwei Sanierungsalternativen – entweder erhöht er das Eigenkapital oder er gewährt Kredit.963 Generell geht es um zwei Alternativen: Sanierung oder Liquidation des Unternehmens. Diese neu gewährten Mittel werden als Risikokapital behandelt und deswegen in funktionelles Eigenkapital umqualifiziert. Diese Finanzierungsverantwortung des Gesellschafters stellt sich als Serio-

960 Begr. MoMiG, S. 35; Rümermann, GmbHR 2006, S. 677; Bayer/Graff, DStR 2006, S. 1658; Schiffer, BB 2006, S. 18. a.A. Mülbert, WM 2006, S. 1978, der über das in den Einzelheiten auf Widerspruchen stoßende System spricht. 961 Nach Mülber handelt es sich „weniger um die Reform, als um einen Systemwechsel“. – Mülbert, WM 2006, S. 1977 f. 962 Kritisch hierzu Haas, NZI 2000, S. 4. 963 BGHZ 75, S. 336 ff.; BFH GmbHR 1992, S. 385.

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A. Deutsches Recht

sitätsgarant der Sanierung dar, was für den Gläubiger der Gesellschaft einen wesentlichen Vorteil des Systems des Kapitalersatzrechts bringt. Zu klären, ob die deutsche Gesetzgebung und die Rechtsprechung insoweit rechtspolitisch auf dem richtigen Weg sind, ist nicht Aufgabe dieser Arbeit und fordert eine umfassende Untersuchung. Für unsere Darstellung gilt es, die Stellung der Sanierungskredite im System des geltenden Kapitalersatzrechts zu vergleichen. Bis zur Einführung des Sanierungsprivilegs wurde der Sanierungskredit als kapitalersetzender Kredit angesehen und als Hauptanwendungsfall des Kapitalersatzrechts bezeichnet.964 Deswegen wurde die Sanierungsfeindlichkeit des damaligen Kapitalersatzrechts in der Lehre stark kritisiert. Die Einordnung des Sanierungsprivilegs verursachte viele schwierige Probleme, die zum Teil erst von der Rechtsprechung geklärt worden sind, und dennoch weiter Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussionen bleiben. Die unterschiedlichen Bewertungen in der Lehre reichen von der Auffassung des Sanierungsprivilegs als „Sonderrecht“ im Rahmen des Eigenkapitalersatzrechts bzw. als klare Ausnahme aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts,965 bis hin zu der Ansicht, wonach die gesamte Konzeption des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG als „unschlüssig“ bezeichnet wird.966 Zur Zeit sind die Sanierungskredite nach wie vor ein Hauptanwendungsfall des Kapitalersatzrechts. Sie können erst dann aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts herausgenommen werden, wenn sie im Zusammenhang mit einem Erwerb der Gesellschaftsanteile gewährt werden. Dabei hat sich mit der Einführung des Sanierungsprivilegs der Rahmen der Finanzierungs(folge-)verantwortung des Gesellschafters wesentlich geändert: sie greift jetzt nicht nicht so weit wie früher, und somit ist die Finanzierung des Unternehmens im deutschen Recht viel flexibler geworden als früher. Das Konzept des Sanierungsprivilegs, welches das Kapitalersatzrecht dereguliert hat, ist meines Erachtens richtig und schlüssig durchdacht. Der Gesetzgeber hat mit dem Sanierungsprivileg versucht, den Rahmen der Unternehmenssanierung zu verbessern. Ob ihm dies gelungen ist, ist eine Bewertungsfrage, die man anhand der mangelnden Rechtsprechung in diesem Bereich eher positiv beantworten kann. Außerdem zeigt sich der richtige Weg im Konzept des Sanierungsprivileges darin, dass seine Grundgedanken im MoMiG in das künftige Insolvenzrecht einbezogen werden.

964 Siehe dazu Dritter Teil – Vierter Abschnitt. A. IV. dieser Arbeit. 965 Barth, S. 171; Dörrie, ZIP 1999, S. 12, 13; Wittig, NZI 1998, S. 55 f.; Schmidt/Uhlenbruck/Wittig, GmbH in Krise, Rn. 351 ff.; Obermüller, ZInsO 1998, S. 51; Pichler, WM 1999, S. 411 ff.; Neuhof, NJW 1998, S. 3233; Wenzel, S. 277; Götz/Hegerl, DB 2000, S. 1385 ff.; Eidenmüller, S. 388 f., 396 ff.; Picot/Aleth, Rn. 333 ff.; Früh, GmbHR 1999, S. 844 f.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 32a, Rn. 79; Casper/Uhlrich, GmbHR 2000, S. 473. 966 Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 32a, Rn. 60.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

B.

Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht

Nach ihrer Grundstruktur entspricht die russische GmbH grundsätzlich der deutschen GmbH, hat aber ihre Besonderheiten.967 Im Bezug auf die Finanzverfassung der russischen GmbH ist zuerst darauf hinzuweisen, dass die Höhe ihres Stammkapitals gemäß Art. 14 Pkt. 1 Satz 2 russ. GmbHG hundert gesetzliche Minimumgehälter beträgt, was vor dem Hintergrund der entsprechenden Grenzen im geltenden deutschen Recht (25 000,– Euro) für einen effizienten Gläubigerschutz sehr wenig ist.968 Diesen Gedanken bestätigt auch der Umstand, dass die Frage der Kapitalerhaltung in der Gesetzgebung und im Schrifttum stiefmütterlich behandelt wird, während die Frage der Kapitalaufbringung ihren Niederschlag sowohl im russischen ZGB und GmbHG als auch im weitreichenden Schrifttum gefunden hat.969 Das kann die Begründung des Kapitalersatzrechts, das im deutschen Recht eine erweiterte Auslegung des Grundsatzes über die Erhaltung des Stammkapitals darstellt, im russischen Recht wesentlich erschweren. Außerdem ist der Grundsatz der Finanzierungs(folge-)verantwortung eines russischen GmbH-Gesellschafters weder der Gesetzgebung und Rechtsprechung noch dem Schrifttum bekannt.970 Dies alles bedeutet allerdings nicht, dass sich die Frage der Existenz kapitalersetzender Darlehen im russischen Recht nicht stellt. Letztendlich sind auch im deutschen Recht die Regeln über das kapitalersetzende Darlehen zuerst aus den BGBNormen über die sittenwidrige Schädigung (§ 826 BGB)971 und erst danach aus der analogen Anwendung der Vorschriften des GmbHG über die Kapitalerhaltung (§§ 30, 31) entstanden. So wird im Folgenden im russischen Recht ebenfalls dieser Weg gegangen und ein Versuch unternommen, mögliche Grundlagen für das Kapitalersatzrecht auf drei Wegen zu ermitteln: Zuerst über die analoge Anwendung der Vorschriften des russ. ZGB und russ. GmbHG zur Kapitalerhaltung, dann im Deliktsrecht und zuletzt in den Normen des InsG über die Finanzierung der vorgerichtlichen Sanierung.

967 Bei dem Konzept der russischen GmbH geht die Gesetzgebung davon aus, dass die Gesellschafter das Risiko von Verlusten der Gesellschaft bis zur Höhe der von ihnen geleisteten Einlagen tragen (Art. 87 Pkt. 1 russ. ZGB). Die Ausnahmen, die mit der sog. Durchgriffshaftung verbunden sind, werden in dieser Arbeit nicht dargestellt. Ausführlich dazu siehe Meriminskaja, S. 58 ff. Allgemein rechtsvergleichend dazu Schwarz/Balajan, WiRO 1998, S. 152 f. 968 Die Frage der Finanzierung der Unternehmen vom Standpunkt des Gesellschaftsrechts aus hat sowohl allgemein als auch speziell unter dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes wenig Aufmerksamkeit in der russischen Lehre gefunden. 969 Siehe z.B. Kiperman, S. 18 ff.; Becker, Russ GesR, S. 28 ff. 970 Im Ergebnis ebenso Meriminskaja, S. 125. 971 Zur Rechtslage vor GmbH Reform 1980: RG NW 1938, S. 864 f. Dazu siehe Hochenburg/ Ulmer, GmbHG, 7. Aufl., Anh. zu § 30, Rn. 75 m.w.N.

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B. Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht

I.

Betrachtung des Gesellschafterdarlehens vom Standpunkt des Kapitalerhaltungsrechts des russischen GmbHG

Die Grundlagen des russischen GmbH-Kapitalerhaltungsrechts befinden sich sowohl im ZGB als auch überwiegend im russischen GmbHG, wo sie in Kapitel III (Art. 14–31 „Haftungskapital und das Vermögen der Gesellschaft“) niedergelegt sind. Den Schwerpunkt der Finanzverfassung des russischen GmbHG bildet der Begriff des „minimalen Satzungskapitals“. Haftungskapital und Satzungskapital werden gleichgestellt. Im russischen Recht fehlt der Grundsatz der Kapitalerhaltung, wie er in § 31 Abs. 1 des deutschen GmbHG festgehalten ist. Für diese Arbeit sind aber zwei Vorschriften über die Kapitalerhaltung von Bedeutung: Zum einen die Besonderheit der Verringerung des Satzungskapitals der Gesellschaft, wenn der Wert des reinen Aktivvermögens einer Gesellschaft am Ende des zweiten oder eines späteren Rechnungsjahres geringer als ihr Satzungskapital ist (Art. 90 Pkt. 4 russ. ZGB und Art. 20 Pkt. 3 Abs. 2 russ. GmbHG).972 In diesem Fall muss die Gesellschaft ihr Satzungskapital herabsetzen. Wenn dieses Nettovermögen unter den Betrag des gesetzlich bestimmten Mindestkapitals sinkt, ist die Gesellschaft zu liquidieren.973 Es handelt sich lediglich um das gesetzliche Mindestkapital, nicht aber um das reale Stammkapital, das höher sein kann. Die Maßstäbe der Kapitalerhaltung gelten damit im russischen Recht lediglich in Höhe der bestimmten gesetzlichen Mindestkapitalgrenzen, nicht aber real für das zur Fortführung des Unternehmens benötigte Kapital. Die zweite Besonderheit besteht darin, dass Einlagen ins Vermögen der Gesellschaft von Gesellschaftern erst erbracht werden können, wenn die Gesellschafterversammlung mit Zweidrittel-Mehrheit zustimmt. Dies gilt für alle Gesellschafter (Art. 27 Pkt. 1 Abs. 2 russ. GmbHG). Die Einlagen der einzelnen Gesellschafter können, wenn dies in der Satzung nicht anders vorgesehen ist, nicht mit dem Haftungskapital der Gesellschaft nach russischem Gesellschaftsrecht gleichgestellt werden. Eine wesentliche Gemeinsamkeit mit dem deutschen Gesellschaftsrecht besteht darin, dass sich diese Einlagen ins Vermögen der Gesellschaft (sog. „Sacheinlagen“) nicht auf die Höhe der Anteile der Personen, die diese zugefügt haben, auswirkt, und dass sie als Eigentum der Gesellschaft betrachtet werden.974 Im Zeitraum der normalen Existenz der Gesellschaft (mit der Ausnahme einer Liquidation der Gesellschaft) können solche Einlagen nicht zurückgefordert werden.975 Deswegen kann ein „einfaches“ Darlehen nicht als Einlage angesehen werden, weil dafür die notwendigen

972 Was unter dem Aktivvermögen in diesem Fall zu verstehen ist, ist im russischen Recht umstritten. Siehe dazu Heeg, S. 68 ff. (zum „reinen Aktiva“) sowie Stepanov, Pravo i ekonomika, 2000, Nr. 8. 973 In der Regel erfolge eine solche Liquidation im Wege des Insolvenzverfahrens. – Zalesskij/ Suchanov, GmbHG, Art. 20, S. 70. 974 Zum russischen Recht – Tichomirov/Solov’ewa, RGmbHG, Art. 20, S. 157. Zum deutschen Recht – Scholz/Priester, GmbHG, § 32a, Rn. 6 ff. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann aber im deutschen Recht der Fall darstellen, wenn von einem der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschafter eine Stammeinlage auf das erhöhte Kapital übernommen wird, so erwirbt derselbe einen weiteren Geschäftsanteil (§ 55 Abs. 3 GmbHG). 975 Tichomirov/Solov’ewa, RGmbHG, Art. 20, S. 157.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Voraussetzungen – der Beschluss der Gläubigerversammlung – fehlt. Deshalb kann eine gesetzliche Analogie nicht herangezogen werden und das gewährte Gesellschaftsdarlehen als Einlage bezeichnet werden. Der Weg einer gesetzlichen Analogie zu kapitalersetzenden Darlehen scheidet nicht aus.

II.

Betrachtung des Gesellschafterdarlehens in der Krise vom Standpunkt des Deliktsrechts

Das russische Deliktsrecht enthält keine Tatbestände der persönlichen Haftung für die Benachteiligung der Gläubiger im Zeitraum der Krise des Unternehmens bzw. während seiner Kreditunwürdigkeit durch das Zurverfügungstellen neuer Kredite oder durch Stehenlassen gewährter Kredite. In der Literatur wird weder die Frage der allgemeinen Einbeziehung der deliktsrechtlichen Vorschriften in das Gesellschafts- oder Insolvenzrecht noch die Frage der Haftung der Bank bzw. der Gesellschafter für die Abziehung in der Krise gewährten Kapitals erläutert. Dies wird im Folgenden durch eine Analyse des Generaldelikts (Art. 1064 russ. ZGB) geschehen. Von den vier Tatbestandsmerkmalen des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB (Zufügung eines Schadens, Rechtswidrigkeit, Kausalität und Verschulden)976 stellen die Fragen über Schadenszufügung und Rechtswidrigkeit die wichtigsten dar.977 Beim Beweis der Schadenszufügung ist davon auszugehen, dass das Geld von einem Gesellschafter in der Unternehmenskrise unter marktüblichen Kriterien gewährt wurde und dann entweder kurz vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückerstattet wurde oder in der Gesellschaft geblieben ist. De lege lata werden die Gesellschafter mit ihren Forderungen aus solchen Handlungen im eröffneten Insolvenzverfahren entweder als gewöhnliche Insolvenzgläubiger oder, wenn Sicherheiten gestellt wurden, als absonderungsberechtigte Gläubiger betrachtet. Das russische InsG kennt keine Gläubiger, die nachrangig im Vergleich mit den einfachen Insolvenzgläubigern sind.978 Wenn alle Forderungen der Gläubiger gemäß dem Register der Gläubigerforderungen befriedigt sind, ist das Wirtschaftsgericht befugt, gemäß Art. 125 Pkt. 4 russ. InsG einen Beschluss über die Beendigung des Insolvenzverfahrens zu treffen. Das russ. InsG erwähnt nicht, wie Forderungen der Gesellschafter gegen die Gesellschaft, die nicht aus dem Gesellschaftsvertrag entstanden sind, berücksichtigt werden sollen. Dieser Umstand bedeutet, dass die Leistungen Dritter in der Unternehmenskrise den Leistungen der Gesellschafter nach russ. InsG gleichgestellt sind.

976 Eingehend zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen siehe Dritter Teil – Dritter Abschnitt. B. II. 2. dieser Arbeit. 977 Die anderen beiden Tatbestandsmerkmale des Art. 1064 russ. ZGB – die Kausalität und das Verschulden – bedürfen der Klärung durch die erwartete Rechtsprechung, wie im Kapitel über die haftungsrechtlichen Risiken bei der Sanierungskreditgewährung bereits dargestellt wurde. Siehe dazu ausführlich dazu S. 143 ff. 978 Ausführlich zu der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger im russischen Insolvenzverfahren siehe Vierter Teil – Erster Abschnitt – B. dieser Arbeit.

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B. Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht

Die oben genannten Handlungen des Gesellschafters verschleppen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und verringern damit die Konkursmasse der Gesellschaft. Die Konkursmasse ist, wie oben im Abschnitt über die haftungsrechtlichen Risiken der Sanierungskreditgewährung dargestellt wurde,979 vor rechtswidrigen Handlungen geschützt. Obwohl nur die Gewährung von Krediten, zu wesentlich höheren als den üblichen Marktkonditionen direkt der Gesellschaft einen Schaden zufügen kann, hat man davon auszugehen, dass über die Gewährung von Krediten, die wesentlich günstiger als normale Kredite sind, der Gesellschafter das Vertrauen der anderen Gläubiger der Gesellschaft erweckt und die Gläubiger deshalb auf die Kreditwürdigkeit vertrauen und neue Geschäfte abschließen. Deswegen stellt die Gewährung von Krediten in der Krise, die den Marktbedingungen nicht entsprechen (z.B. besonders hohe oder besonders niedrige Zinsen), und ihre spätere Abziehung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine gläubigerschädigende Handlung dar. Damit verschlechtern sich die Befriedigungsaussichten der anderen Unternehmensgläubiger im Vergleich zur Lage ohne solche Abziehung. In diesem Fall liegt daher eine Schadenszufügung im Sinne des Art. 1064 Pkt. 1 russ. ZGB vor. Ohne diese Kreditgewährung müsste der Schuldner Insolvenzantrag stellen oder die Krise wäre für andere Gläubiger so offensichtlich, dass sie Verträge mit dem Schuldner unter viel strengeren Bedingungen oder gar nicht mehr abschließen und die alten laufenden Verträge beenden würden. Solange der Kredit nicht zurückverlangt wird, kann von einer Schadenzufügung keine Rede sein. Erst wenn der Gesellschafter diese Kredite kündigt oder kurz vor der Insolvenzantragsstellung zurückerstattet, könnte man von einer Schadenszufügung zulasten der anderen Gläubiger der Gesellschaft sprechen. Beim Beweis der Rechtswidrigkeit der zu analysierenden Handlungen liegt die Schwierigkeit darin, dass in der Gesetzgebung solche Handlungen nicht explizit als rechtswidrig genannt werden. Der im Kapitel über die haftungsrechtlichen Risiken der Sanierungskreditgewährung gezogenen Schlussfolgerung, dass die Verletzung der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft durch das Generaldelikt geschützt sei,980 ist zu folgen. Bei der Auslegung der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft macht die Rechtsprechung bisher nur erste Schritte, die im Bereich des Gesellschafts- und Insolvenzrechts sogar noch bevorstehen. In der Lehre fehlt momentan eine Beschreibung der Konturen der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft in Bezug auf die Gewährung des Gesellschaftsdarlehens in der Unternehmenskrise. Sie ist aber für die Abgrenzung der zulässigen von der unzulässigen Finanzierung erforderlich. Die Handlungen des Gesellschafters können meines Erachtens als rechtswidrig bezeichnet werden, wenn ein Gesellschafter einen Kredit in der Krise unter marktüblichen Bedingungen gewährt und dann kurz vor der Insolvenzantragstellung zurückverlangt. Damit erweckt er die Hoffnung, dass das Unternehmen noch zahlungsfähig ist und verschleppt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters in der Krise soll dadurch begrenzt sein, dass er in erster Linie eine seriöse Finanzierung bezweckt und nicht ausschließlich Rücksicht auf Eigeninteressen nimmt. 979 980

Siehe dazu ausführlich Dritter Teil – Dritter Abschnitt – B. II. 1. b). dieser Arbeit. Ausführlich dazu siehe Dritter Teil – Dritter Abschnitt – B. II. 2. b). dieser Arbeit.

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Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Das russische Deliktsrecht lässt meines Erachtens damit zu, von der Existenz eines nach deutschem Rechtsverständnis kapitalersetzenden Darlehens auch im russischen Recht auf theoretischer Ebene zu sprechen.

III. Betrachtung des Gesellschafterdarlehens vom Standpunkt der Vorschriften des russischen InsG über die vorgerichtliche Sanierung 1.

Allgemein

Im Unterschied zur InsO haben die Regeln über die vorgerichtliche Sanierung des Schuldners im russ. InsG einen besonderen Platz gefunden, nämlich in Kapitel II des russ. InsG („Vorbeugung der Insolvenz“ 981), das aus zwei Artikeln (30 und 31) besteht. Die Grundsatzvorschrift ist Art. 30 Pkt. 2 russ. InsG („Maßnahmen zur Vorbeugung der Insolvenz der Organisationen“ 982), wonach die Gründer (Gesellschafter) des Schuldners und die russischen Organe der ausführenden Gewalt in den durch föderales Gesetz vorgesehenen Fällen verpflichtet sind, rechtzeitige Maßnahmen zur Vorbeugung einer Insolvenz der Organisation zu treffen. Diese Formulie-

981 Die Überschrift dieses Kapitels wurde im Schrifttum kritisiert, weil der Schuldner nach russischem Recht nur im Konkursverfahren für insolvent erklärt werden kann. Dagegen kann er nicht nur innerhalb der vorgerichtlichen Sanierung sondern auch nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellen und so die Erklärung als insolvent vermeiden. – Teljukina, KonkR, S. 261 f. Die Bezeichnung „vorgerichtliche Sanierung“ in Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG ist meines Erachtens nicht ganz korrekt und sogar verwirrend. Dies beruht darauf, dass der Begriff „vorgerichtliche Sanierung“ zwei Mal im russ. InsG, zuerst im Definitionskatalog des Art. 2 und dann in Art. 31 Pkt. 1 verwendet wird. In Art. 2 russ. InsG wird der Begriff vorgerichtliche Sanierung sogar definiert (zur Definition siehe Erster Teil – A. IV. dieser Arbeit). Dagegen verwendet Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG den Begriff der vorgerichtlichen Sanierung im engeren Sinne, weil er nicht nur finanzielle Maßnahmen (so in Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG), sondern auch andere leistungswirtschaftliche Maßnahmen einbeziehen kann. Die Lehre geht überwiegend davon aus, dass die vorgerichtliche Sanierung ausschließlich als finanzielle Sanierung im Sinne des Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG zu verstehen ist und den Maßnahmen nach Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG gleichsteht (Vitrjanskij/Vitrjanskij, InsG, Art. 2, S. 67, Rn. 10; Teljukina, KonkR, S. 267; Dies., InsG, Art. 31, S. 117, Rn. 1 (nach ihrer Auffassung stellt die vorgerichtliche Sanierung nach ihrem Sinn einen Vertrag zwischen Schuldner und Sanierer, der die Mittel zur Verfügung stellt, dar. – Dies., KonkR, S. 267 f.); Suchanov/Suchanov, Zivilrecht, Bd. I, S. 208; Zalesskij/Andreev, InsG, Art. 31, S. 99; Popondopulo/Popondopulo, InsG, Art. 31, S. 76, Rn. 1 aber an anderer Stelle im gleichen Kommentar zum russ. InsG definiert er die vorgerichtliche Sanierung im Sinne des Art. 2 russ. InsG – Popondopulo/Popondopulo, InsG, Art. 2, S. 16 f.). Es ist aber meiner Meinung nach korrekter, diese Maßnahme als lex specialis im Vergleich zur Definition des Art. 2 russ. InsG zu verstehen. Das beruht darauf, dass die vorgerichtliche Sanierung nicht nur finanzielle Maßnahmen einbezieht, sondern viel komplexer ist und neben der finanziellen Sanierung auch die leistungswirtschaftliche Sanierung einbezieht. Deswegen wäre es korrekt, die Maßnahmen nach Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG als „finanzielle Maßnahmen innerhalb der vorgerichtlichen Sanierung“ zu bezeichnen. 982 Der Begriff „Organisationen“ wird aber näher nicht definiert. Im Schrifttum werden darunter juristische Personen verstanden. – Wedde, Anhang I, übersetzung des InsG.

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B. Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht

rung hat viele Unklarheiten, die von der Rechtsprechung nicht beseitigt wurden.983 Für unsere Untersuchung besteht der wichtigste Umstand in der Bestimmung der „Maßnahmen zur Vorbeugung der Insolvenz der Organisation“ im Sinne des Art. 30 Pkt. 2 russ. InsG. In der Lehre findet man dafür zahlreiche Beispiele, etwa die folgenden: Verkauf eines Teils des Schuldnervermögens,984 Wechsel des Leitungspersonals,985 Reorganisation des Schuldners,986 Zahlungsaufschub, die Novation der Verpflichtungen987 und zuletzt das Zurverfügungstellen notwendiger Finanzmittel.988 Die Frage über das Zurverfügungstellen finanzieller Mittel im Zeitraum vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum Zweck der Verhinderung der Insolvenz des Schuldners ist aber gesondert in Art. 31 russ. InsG geregelt. Pkt. 1 dieser Vorschrift bestimmt, dass „durch die Gründer (Gesellschafter) des Schuldners, den Eigentümer des Vermögens eines Einheitsunternehmens als Schuldner, die Gläubiger und andere Personen im Rahmen der Maßnahmen zur Vorbeugung einer Insolvenz dem Schuldner finanzielle Hilfe in der zur Tilgung der Geldverbindlichkeiten und der Pflichtzahlungen sowie zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners notwendigen Höhe gewährt werden kann“.989 Der Sinn des Art. 31 russ. InsG besteht darin, dass mit der finanziellen Hilfe, die entweder vom Gesellschafter oder von Dritten zur Verfügung gestellt wird, der Schuldner die Tilgung der Geldverbindlichkeiten und der Pflichtzahlungen gewährleisten sowie seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellen kann. Hier können die Fragen auftauchen, in welchem Umfang die Geldverpflichtungen und die sog. obligatorischen Pflichtzahlungen getilgt sein sollen und was unter der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu verstehen ist. Ist davon auszugehen, dass alle Forderungen des Schuldners getilgt werden, die während der finanziellen Sanierung,990 oder innerhalb von 3 Monaten nach der Sanierung fällig sind und die Gesellschaft damit keine Insolvenzmerkmale nach Art. 3 Pkt. 2 InsG aufweisen darf? 991 Die Rechtsprechung hat zu dieser Frage keine Stellung genommen.

983 Die wesentliche praktische Schwäche dieses Artikels besteht darin, dass die Nichterfüllung dieser Verpflichtung der Gesellschafter des Schuldners keine Haftung nach sich zieht. – So auch Teljukina, InsG, Art. 30, S. 116; a.A. Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 30, S. 226, danach können solche Personen zur subsidiären Haftung nach den Schulden des Schuldners gemäß Art. 10 Pkt. 4 russ. InsG einbezogen werden). 984 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 30, S. 226, Rn. 5; Teljukina, KonkR, S. 263. 985 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 30, S. 226, Rn. 5. 986 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 30, S. 226, Rn. 5; Teljukina, KonkR, S. 263; Popondopulo/ Popondopulo, InsG, Art. 31, S. 75. 987 Zalesskij/Andreev, InsG, Art. 31, S. 98. 988 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 30, S. 227. Zur alten Rechtslage mit ähnlichem Ergebnis Teljukina, InsG 1998, § 26, S. 50; Vitrjanskij/Tal’, InsG 1998, S. 100. 989 Diese Vorschrift wird im weiteren (Dritter Teil. Vierter Abschnitt. B. III. 2. dieser Arbeit) aus dem Gesichtspunkt des deutschen Kapitalersatzrechts dargestellt. 990 So Teljukina, KonkR, S. 267. 991 So Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 31, S. 229, Rn. 4.

171

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

Es ist davon auszugehen, dass nicht das Merkmal „Überschuldung“ sondern nur die „Zahlungsunfähigkeit“ im russischen Recht einen Insolvenzeröffnungsgrund gegenüber juristischen Personen darstellt. Deswegen kann sogar die Gewährung einer kurzfristigen Finanzierung formell die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens i.S. des Art. 31 Pkt. 1 InsG beseitigen. Damit fällt unter Sanierung i.S.d. Art. 31 Pkt. 1 InsG sowohl die Gewährung von Überbrückungs- als auch von Sanierungskrediten. Dagegen ginge die Ausdehnung der Tilgung der Geldverbindlichkeiten und Pflichtzahlungen auf alle Forderungen des Schuldners, die zum Zeitpunkt der Durchführung der finanziellen Sanierung fällig sind, zu weit. Diese wünschenswerte, aber in der Praxis irrige Auslegung berücksichtigt die Überschuldung des Schuldners, die nach russischem Recht gerade keinen Insolvenzeröffnungsgrund darstellt. Allgemein ist hervorzuheben, dass die Vorschriften des II. Kapitels des InsG keine Sanierungspflicht des Gesellschafters bzw. Eigentümers des Unternehmens begründen. Diese Vorschriften lassen es aber zu, dem Unternehmen in der Krise finanzielle Hilfe zur Verfügung zu stellen.

2.

Zurverfügungstellen finanzieller Hilfen nach Art. 31 russ. InsG aus der Perspektive des deutschen Kapitalersatzrechts

Der Tatbestand des Art. 31 Abs. 1 InsG kommt dem Tatbestand des § 32a deutschen GmbHG recht nah.992 Im welchem Umfang dies der Fall ist, wird im Folgenden auf Grund der Analyse einzelner Voraussetzungen des Art. 31 Pkt. 1 InsG dargestellt. a)

Zeitpunkt der Kreditgewährung

Art. 31 Pkt. 1 InsG erwähnt nicht, zu welchem Zeitpunkt das Gewähren der finanziellen Hilfe zulässig ist. Die systematische Auslegung des Kapitels II des InsG und insbesondere des Art. 30 Pkt. 3 InsG spricht dafür, dass an eine solche Finanzierung im Rahmen der außergerichtlichen Sanierung bis zum Stellen des Insolvenzantrages gedacht war. Der Anfang dieser Frist ist weder im Gesetz noch im Schrifttum geklärt. Die Frist soll nicht nur auf einen Monat begrenzt sein, innerhalb dessen der Leiter des Schuldners gemäß Art. 9 InsG Zeit hat, bei Vorhandensein von Umständen, die im Einzelnen für die Kreditunwürdigkeit des Schuldners sprechen, Insolvenzantrag zu stellen. Vielmehr soll sich diese Frist aus den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung dessen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit auch ein Insolvenzeröffnungsgrund nach russischem Recht ist, herleiten. Das oben Genannte bedeutet, dass die Gesellschaft in diesem Zeitraum in der Regel kreditunwürdig im Sinne des § 32a deutschen GmbHG sein kann.993

992 Ob der Tatbestand des eigenkapitalersetzenden Darlehens des deutschen Rechts im russischen Recht damit erfüllt werden kann (so Meriminskaja, S. 127 zu Art. 26 Pkt. 1 InsG 1998, der wörtlich in Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG wiederholt wird), wird im Folgenden näher erläutert. 993 Im Ergebnis auch so Meriminskaja, S. 127 zu Art. 26 Pkt. 1 InsG 1998.

172

B. Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise im russischen Recht

b)

Darlehensgewährung und verwandte Tatbestände

Was unter einer finanziellen Unterstützung zu verstehen sein soll, hat das russ. InsG nicht näher konkretisiert. In der Lehre versteht man darunter unterschiedliche Maßnahmen, wobei auch die Gewährung eines Kredits bzw. Darlehens genannt wird.994 Das kann sowohl durch Gewährung eines Sanierungskredits als auch durch Stehenlassen des schon früher gewährten „einfachen“ Kredits unter der Bedingung der Verwendung des Geldes für die Sanierung des Schuldners erfolgen. Über die Bedingungen der Finanzierung schweigt Art. 31 russ. InsG. Sie kann aber sowohl entgeltlich als auch unentgeltlich erfolgen.995 Das folgt aus Art. 31 Pkt. 2 russ. InsG, wonach die Gewährung der finanziellen Hilfe von einer Übernahme von Verpflichtungen zugunsten der finanzielle Hilfe gewährenden Personen durch den Schuldner oder andere Personen begleitet werden kann. Damit entspricht die Gewährung der „finanziellen Unterstützung“ i.S.d. Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG der Darlehensgewährung i.S.d. § 32a deutschen GmbHG. c)

Adressat der Finanzierung

Kreditgeber können sowohl der Gesellschafter als auch Dritte sein. Nähere Anforderungen an solche Personen sind in Art. 31 russ. InsG nicht geregelt. Der Adressat der Finanzierung ist in Art. 31 russ. InsG aber weiter als im deutschen Recht, weil darunter alle möglichen Personen – sowohl Gesellschafter als auch nahe stehende Personen i.S.d. § 32a GmbHG als auch Kleingesellschafter, was nach § 32a GmbHG nicht der Fall ist – fallen. d)

Rechtsfolgen

Es werden keine Rechtsfolgen der Gewährung der finanziellen Hilfe nach Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG vorgesehen, weder für den Fall, dass die Sanierung gelingt noch für den Fall, dass sie scheitert. Ein praktisches Problem stellt nur die Qualifizierung der Rechtsfolgen im Fall nicht gelungener Sanierung dar.996 Das geltende Insolvenzrecht enthält keine besondere Qualifizierung der Forderungen der Personen, die ihre Leistungen zum Zweck der Durchführung der vorgerichtlichen Sanierung gemäß Art. 31 russ. InsG erbracht haben. Sie werden den Leistungen der anderen Gläubiger, die an der Sanierung nicht teilgenommen haben, gleichgestellt und entsprechend qualifiziert.997 In der Lehre wurde von Vitrjanskij und Novoselova vorgeschlagen, die Mittel, die von einem Gesellschafter bzw. Eigentümer des Unternehmens zur Verfügung gestellt wurden, nach einer fehlgeschlagenen Sanierung nicht

994 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 31, S. 229. 995 Teljukina, InsG, Art. 31, S. 117 f. 996 Dagegen wurde in der Lehre hervorgehoben, dass nach der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners diese Geldmittel, je nach Willen der Parteien, sowohl zurückerstattet als auch nicht werden können. – Teljukina, InsG, Art. 31, S. 117. 997 Die Rechtsprechung gibt es keine Antwort auf diese Frage. Im russischen Insolvenzrecht sind die Leistungen des Gesellschafters den Leistungen Dritter gleichgestellt: Je nach Art der Leistungen können ihre Forderungen im Insolvenzverfahren jeweils als „normale“ Insolvenzforderungen, als Forderungen von Pfandgläubigern oder, nach deutscher Terminologie, als Forderungen absonderungsberechtigter Gläubiger betrachtet werden. Näher zur Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger siehe Vierter Teil – Erster Abschnitt. B. Dieser Arbeit.

173

Dritter Teil: Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

als normale Insolvenzforderungen zu betrachten, sondern lediglich als nachrangige Insolvenzforderungen nach der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger der dritten Reihenfolge, weil damit Rechtsmissbrauch bei der Durchführung der vorgerichtlichen Sanierung vermieden werden könnte.998 Das russ. InsG sieh diese Möglichkeit zur Zeit aber nicht vor.

3.

Stellungnahme

Die oben genannte Untersuchung zeigt, dass die Voraussetzungen der kapitalersetzenden Leistungen im Sinne des § 32a deutsches GmbHG dem Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG nahe kommen. Das Zurverfügungstellen finanzieller Unterstützung umfasst auch die Gewährung eines Kredits. Als Kreditgeber kommen sowohl die Gesellschafter als auch Dritte in Betracht. Schließlich ist der Zeitpunkt der Kreditgewährung die Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft. Die Schwierigkeiten in diesem Fall bestehen darin, dass weder die Merkmale, die in § 32a Abs. 1 deutsches GmbHG als „[. . .] wie ein ordentlicher Kaufmann [. . .]“ bezeichnet werden, noch die Rechtsfolgen für die Deckung des Finanzbedarfs des Unternehmens normiert sind. Damit ist die Möglichkeit, bestimmte Leistungen der Eigentümer des Unternehmens in der Krise bei nicht gelungener Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren als kapitalersetzende Leistungen zu qualifizieren, ausgeschlossen. Die Vorschläge von Vitrjanskij und Novoselova zur Umqualifizierung ihrer Forderungen in nachrangige Forderungen sind einerseits zu begrüßen. Ob die Rechtsprechung aber in diese Richtung geht, bleibt abzuwarten und ist wegen der Tradition der buchstäblichen Auslegung einzelner Vorschriften des russischen Rechts unwahrscheinlich.

C.

Zwischenergebnis

1. Im deutschen Recht ist die Frage der Rechtsstellung der Sanierungskredite von Gesellschaftern eng mit dem Recht des eigenkapitalersetzenden Darlehens verbunden. Unter kapitalersetzendem Darlehen versteht man eine Art des Gesellschafterdarlehens, das zum Zweck der Abwendung einer Insolvenz der Gesellschaft gewährt wurde oder weil die Gesellschaft im Zeitpunkt der Darlehensgewährung am Markt kein Fremdkapital zu marktüblichen Bedingungen hätte erhalten können, weil sie nach marktüblichen Kriterien kreditunwürdig ist, und deshalb ohne ein solches Darlehen die Gesellschaft hätte liquidiert werden müssen. Der Sanierungskredit stellt einen Hauptanwendungsfall des Kapitalersatzrechts dar. 2. Statt Eigenkapital zuzufügen, wird der Gesellschaft ein (Sanierungs-)Kredit zur Verfügung gestellt. Deswegen ersetzen diese Kredite im deutschen Recht das fehlende Eigenkapital und haben damit kapitalersetzende Funktion. Die Umqualifizierung als funktionales Eigenkapital findet solange statt, bis die finanzielle Krise der Gesellschaft überwunden ist.

998

174

Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 31, S. 230 f., Rn. 5.

C. Zwischenergebnis

3. Mit der Einführung des Sanierungsprivileges in § 32a GmbHG sind die Sanierungskredite, die zusammen mit dem Erwerb des Gesellschaftsanteils verbunden sind, aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts herausgefallen. Dagegen sind die Sanierungskredite, die entweder mit solchem Erwerb nicht verbunden sind oder die von Alt-Gesellschaftern mit mehr als 10 % Beteiligung gewährt werden, als kapitalersetzende (Sanierungs-)Kredite zu qualifizieren. Diese Seriositätsgrenze der Sanierung im deutschen Recht ist zu befürworten. 4. Auf Grund der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen GmbHModelle auf dem europäischen Markt hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Modernisierung des GmbH-Rechts (MoMiG) vorgelegt. Das Kapitalgesellschaftsrecht ist eines der davon stark betroffenen Institute. Nach MoMiG soll der Unterschied zwischen den „kapitalersetzenden“ und „normalen“ Darlehen aufgehoben werden. Die gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitalersatzregeln sollen ins insolvenzrechtliche Nachrangigkeits- und Anfechtungskonzept verlangt werden. Das Sanierungsprivileg wird aber beibehalten. 5. Dem russischen Recht ist das Rechtsinstitut des kapitalersetzenden Darlehens zur Zeit nicht bekannt. Sanierungskredite von Gesellschaftern oder nahe stehenden Dritten im Sinne des § 32a deutschen GmbHG, die zur Zeit der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden, werden im russischen Recht dem Drittdarlehen gleichgestellt und nicht als funktionales Eigenkapital betrachtet. Damit haben einerseits die Sanierungskreditgeber im russischen Recht im Vergleich zum deutschen Recht mehr Spielraum bei der Gestaltung der Verträge. Andererseits werden die Gläubiger des Schuldners schlechter als im deutschen Recht gestellt, weil die Seriositätsgrenze fehlt. 6. Es wurde versucht, auf Grund der Analyse der Vorschriften des Delikts-, Gesellschafts- und Insolvenzrechts die Möglichkeit zu erforschen, die Grundsätze des Kapitalersatzrechts im russischen Wirtschaftsrecht herzuleiten. 7. Während die Grundsätze des Kapitalersatzrechts aus den Vorschriften des russischen Gesellschaftsrechts nicht hergeleitet werden können, hat die Auslegung des Art. 1064 russ. ZGB gezeigt, dass eine außervertragliche Haftung der Gesellschafter für die Gewährung von Krediten in der Unternehmenskrise unter Umständen nicht ausgeschlossen ist. Ihre praktische Begründung erfordert aber in erster Linie sowohl die genaue Feststellung des Begriffes der Rechtswidrigkeit als auch die Beschreibung der Konturen der sittlichen Prinzipien der Gesellschaft im Bezug auf die Gewährung der Gesellschaftsdarlehen in der Unternehmenskrise. 8. Das Insolvenzrecht enthält in Art. 31 Pkt. 1 russ. InsG einen Tatbestand der Leistungen der Personen in der Krise, die dem Tatbestand des § 32a GmbHG nahe steht. Diese russische Vorschrift hat aber keine Rechtsfolgen für die Deckung des Finanzbedarfes des Unternehmens sowohl während der Krise als auch im eröffneten Insolvenzverfahren vorgesehen.

175

Vierter Teil Sanierungskredite im Insolvenzverfahren Erster Abschnitt Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger im Insolvenzverfahren In diesem Abschnitt wird zunächst die für die weitere Untersuchung relevante Frage der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger in den jeweiligen Rechtsordnungen dargestellt. Obwohl diese Darstellung in ihrem Kern nur die Stellung der Gläubigerforderungen allgemein betrachtet, hat sie große praktische Bedeutung für die vorliegende Arbeit sowohl für die Betrachtung der Lage der Sanierungskredite de lege lata als auch für die mögliche Stellung der Sanierungskredite de lege ferenda.

A.

Deutsches Recht

Im deutschen Recht unterscheidet man vier große Gruppen der Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren: Forderungen der aussonderungs- und absonderungsberechtigten Gläubiger sowie Masse- und Insolvenzgläubiger. Ausgangspunkt ist der Umstand, dass nicht das gesamte Vermögen, das sich zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beim Schuldner befindet, in die Insolvenzmasse einbezogen wird. Vielmehr gehört das Vermögen, das sich bei dem Schuldner befindet und an dem dingliche oder unter Umständen persönliche Rechte anderer bestehen (z.B. Eigentum an einer unbeweglichen Sache, Herausgabeanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer) nicht zur Insolvenzmasse.999 Dieses Vermögen ist für die berechtigte Person gemäß § 47 InsO auszusondern. Personen, die als aussonderungsberechtigte Gläubiger bezeichnet werden, können sowohl Gläubiger des Schuldners als auch Dritte sein. Die aussonderungsberechtigten Gläubiger werden am Insolvenzverfahren nicht beteiligt, und die Geltendmachung ihrer Rechte erfolgt außerhalb des Insolvenzverfahrens (§ 47 Satz 2 InsO). Am Insolvenzverfahren nehmen nur die absonderungsberechtigten Gläubiger, die Massegläubiger sowie die Insolvenzgläubiger teil. Sie werden in dieser Reihenfolge im Verfahren befriedigt und im Folgenden auch in dieser Reihenfolge dargestellt. Zum Zweck der Bewährung des Sicherungsrechts in der Insolvenz1000 kann aufgrund einer besonderen Vereinbarung oder eines besonderen Rechts die vorrangige

999 Smid/Smid, InsO, § 47, Rn. 1. Ausführlich zu dinglichen und schuldrechtlichen Aussonderungsrechten siehe Jaeger/Henckel, InsO, § 47, Rn. 36 ff. 1000 Bork, Rn. 246.

177

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Befriedigung aus bestimmten Sicherungsgütern, die zur Insolvenzmasse gehören, erlaubt sein. Die gesicherten Gläubiger können eine solche Befriedigung bis zur Höhe der gesicherten Forderungen beanspruchen.1001 Diese Gläubiger werden als absonderungsberechtigte Gläubiger bezeichnet. Der Gegenstand der Absonderung wird, im Unterschied zum Gegenstand der Aussonderung, grundsätzlich vom Insolvenzverwalter verwertet.1002 Die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten sind grundsätzlich Masseverbindlichkeiten.1003 Als Oberbegriff umfassen die Masseverbindlichkeiten sowohl die Kosten des Insolvenzverfahrens als auch die sonstigen Masseverbindlichkeiten.1004 Diese Gläubiger werden gemeinsam als Massegläubiger bezeichnet und haben grundsätzlich ein Recht auf vollständige Befriedigung aus der Insolvenzmasse gegen den Insolvenzverwalter unabhängig vom Verlauf des Verteilungsverfahrens.1005 Die Masseforderungen sind im Verhältnis untereinander gleichrangig.1006 Nach der Befriedigung der aussonderungsberechtigten Gläubiger und der Massegläubiger werden die Personen befriedigt, deren Forderungen in der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind und einen Vermögensanspruch darstellen. Sie werden in § 38 InsO als Insolvenzgläubiger bezeichnet. Diese Gläubiger werden als persönliche Gläubiger des Schuldners bezeichnet1007 und sind im geltenden deutschen Insolvenzrecht grundsätzlich gleich zu behandeln.1008 Sie werden im Unterschied zu den Massegläubigern nicht nur an den Organen der Gläubiger-

1001 FK-Joneleit/Imberger, InsO, § 49, Rn. 1. 1002 Wenn sich aber die bewegliche Sache nicht im Besitz des Insolvenzverwalters befindet, ist der Gläubiger zu ihrer Verwertung befugt (§ 173 Abs. 1 InsO). 1003 Zur Möglichkeit des vorläufigen Insolvenzverwalters die Masseverbindlichkeiten zu begründen siehe Vierter Teil – Zweiter Abschnitt. B. II. 1. a). bb). dieser Arbeit. 1004 Zum Unterschied zwischen ihnen siehe Jaeger/Henckel, InsO, § 53, Rn. 7 f. 1005 Den Masseansprüchen gehen nicht nur die Aus- und Absonderungsrechte, sondern auch die Aufrechnung bei der Befriedigung vor. – Jaeger/Henckel, InsO, § 53, Rn. 30 f.; Smid/Smid, InsO, § 53, Rn. 4. Zur Zulässigkeit der Aufrechnung im Insolvenzverfahren siehe Schwahn, S. 6 ff. 1006 MüKo/Hefenmehl, InsO, § 53, Rn. 11. Der Grundsatz der vollständigen Befriedigung der Masseansprüche kann unter bestimmten Umständen schwer realisierbar sein. Es handelt sich um Fälle, in denen schon nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Masse für die Deckung der Massekosten nicht ausreicht, d.h. für die Gerichtskosten und die Ansprüche des Insolvenzverwalters sowie der Mitglieder des Gläubigerausschusses. Dann ist das Verfahren nach § 207 InsO mangels Masse einzustellen. Das Verfahren wird damit beendet. Wenn die Masse für die Massekosten ausreicht, aber für sonstige Masseverbindlichkeiten nicht mehr, dann wird vorerst das Verfahren nicht eingestellt. Der Insolvenzverwalter hat Masseunzulänglichkeit dem Gericht anzuzeigen und den Massegläubigern mitzuteilen. Im Fall der Masseunzulänglichkeit werden die Massegläubiger nach der Reihenfolge des § 209 InsO befriedigt. Eingehend zur Abwicklung der masseunzulänglichen Insolvenzverfahren siehe Smid, WM 1998, S. 1313 ff. 1007 Dazu gehören auch die Gläubiger mit nicht fälligen Forderungen nach § 41 InsO und mit auflösend bedingten Forderungen nach § 42 InsO. Ausführlich zum Begriff „persönliche Gläubiger des Schuldners“ i.S. des § 38 InsO siehe MüKo/Ehricke, InsO, § 38, Rn. 10 ff. 1008 In der KO (§ 61 Abs. 1 Nr. 1–6) und in der GesO (§ 17 Abs. 3 Nr. 1–4) gab es unterschiedliche Rangklassen der Insolvenzgläubiger. Zur damaligen Rechtlage siehe kritisch Gottwald/Heimann/ Klopp, Hb InsR, 1. Aufl., § 20, Rn. 6 ff. m.w.N.

178

B. Russisches Recht

versammlung beteiligt, sondern auch als „Hauptbeteiligte“ dieser Organe bezeichnet.1009 Innerhalb der Gruppe der Insolvenzgläubiger gibt es eine Gruppe der sog. nachrangigen Insolvenzgläubiger.1010 Sie werden nach der in § 39 InsO festgestellten Rangfolge befriedigt. Von den in diesem Katalog aufgezählten Forderungen sind Forderungen auf Zahlung von Zinsen der Insolvenzgläubiger, die seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufen z.B. Kredit- oder Verzugszinsen (§ 39 Abs. 1 Ziff. 1 InsO) und Forderungen auf Rückgewähr kapitalersetzender Darlehen (bzw. nicht zulässigen Gesellschafterdarlehen im Sinne des § 39 Abs. 1 Ziff. 5 InsO) für die vorliegende Untersuchung besonders wichtig. In der Praxis der Insolvenzabwicklung in Deutschland bedeutet das Einstellen bestimmter Forderungen der Gläubiger unter die nachrangigen Insolvenzforderungen, dass nach der Verteilung der Masse zwischen den anderen Gläubigergruppen in der Regel für sie kein Geld übrig bleibt.1011

B.

Russisches Recht

Im russischen Recht befinden sich die Vorschriften über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen sowohl im Insolvenzgesetz als auch, was im deutschen Recht nicht der Fall ist, im Zivilgesetzbuch. Die betreffenden Regelungen im ZGB und im russischen InsG stimmen nur zum Teil überein und enthalten bezüglich bestimmter Arten der Gläubigerforderungen gewisse konzeptionelle Unterschiede. Deswegen soll zunächst das Verhältnis dieser Vorschriften und erst aufgrund der dort getroffenen Schlussfolgerung die Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren dargestellt werden.

I.

Verhältnis zwischen den Vorschriften des russ. ZGB und den Vorschriften des russ. InsG über die Befriedigungsreihenfolge der Gläubigerforderungen

Die Vorschriften über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen im Insolvenzverfahren befinden sich im russ. InsG in Kapitel VII, welches die Besonderheiten der Durchführung des Konkursverfahrens regelt. Die Schlüsselvorschrift ist dort Art. 134 russ. InsG. Auf der anderen Seite ist Schlüsselvorschrift für die Frage der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger in der Liquidation der juristi-

1009 Pape, Rn. 7, 12. 1010 Diese Gläubiger nehmen nur dann am Insolvenzverfahren teil, wenn das Insolvenzgericht sie zur Anmeldung besonders auffordert (§ 174 Abs. 3 InsO). Dabei werden sie erst nach der vollständigen Befriedigung der Forderungen der „allgemeinen“ Insolvenzgläubiger befriedigt. – MüKo/Ehricke, InsO, § 38, Rn. 1. 1011 Foerste, Rn. 65. Diese Forderungen werden vor Rechtsverteilung unter den Gesellschaftern nach § 199 Satz 2 InsO („Überschuss bei der Schlussverteilung“) befriedigt. – v. G/H/Gerkan, Hb KapER, Rn. 3.137; Schmidt, GmbHR 1999, S. 11, der dies als „ganz unwahrscheinlichen Fall“ bezeichnet; Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 255.

179

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

schen Personen Art. 64 russ. ZGB.1012 Diese Vorschrift stimmt inhaltlich mit Art. 106 Pkt. 2 InsG 1998 überein, der die Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren feststellte. Diese Einheitlichkeit wurde nach dem Inkrafttreten des russischen InsG wesentlich verändert: Art. 134 russ. InsG hat eine von Art. 64 russ. ZGB abweichende Lösung eingeführt. Obwohl diese Vorschriften erfreulicherweise die Rolle des Staates bei der Verteilung des Konkursmasse reduziert und die Stellung der Pfandgläubiger verbessert haben,1013 gibt es erhebliche rechtliche Bedenken gegen diese Lösung. Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Gesetzgeber gleichzeitig mit dem Verabschieden des russ. InsG die entsprechenden Änderungen in Art. 64 russ. ZGB unterlassen hat. Fraglich ist nun, welche dieser inhaltlich wesentlich voneinander abweichenden Vorschriften im russischen Insolvenzverfahren anzuwenden sind. Dies stellt zunächst die Frage nach der Normenhierarchie des russischen Rechts. Das russische ZGB ist sowohl nach der Vorstellung der höchstrichterlichen Rechtsprechung als auch nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum ein normales (Föderales) Gesetz, nicht aber ein sog. Föderales Verfassungsgesetz.1014 Das Problem besteht darin, dass sowohl das ZGB als auch das InsG einfache Gesetze auf der gleichen Stufe sind, die einander widersprechen. Bezüglich einer etwaigen Kollision verweisen sowohl das russische ZGB als auch das russische InsG jeweils auf ihren Vorrang: Einerseits stellt der am 1.1.1995 in Kraft getretene Erste Teil des russischen ZGB in Art. 3 Pkt. 2 Abs. 2 den Grundsatz fest, wonach die in anderen Gesetzen enthaltenen Normen des Zivilrechts dem russischen ZGB entsprechen müssen. Was darunter (Normen des Zivilrechts) zu verstehen ist, wird bezüglich des Insolvenzrechts in Art. 65 Pkt. 3 russ. ZGB („Zahlungsfähigkeit der juristischen Personen“) erläutert: Während die Gründe für die gerichtliche Feststellung der Insolvenz einer juristischen Person sowie das Verfahren der Liquidation einer solchen juristischen Person im Gesetz über die Insolvenz geregelt sein sollen (d.h. im heutigen russ. InsG), ist die Frage der Rangfolge bei der Befriedigung von Forderungen der Gläubigern durch Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB bestimmt. Diesen Umstand hat das russische Verfassungsgericht schon vor Inkrafttreten des russischen InsG in Pkt. 5.1 seiner Entscheidung vom 12. März 2001 zur Verhältnismäßigkeit der Vorschriften über die Befriedigung der Gläubigerforderungen nach russ. ZGB und russ. KreditInsG bestätigt.1015

1012 Durch das Föderale Gesetz vom 18.12.2006 Nr. 231-FZ wurden die einigen Bestimmungen des Art. 64 russ. ZGB in einigen Punkten geändert. 1013 Ausführlich dazu siehe Schateljuk, S. 43. 1014 Die russische Verfassung kennt neben der Verfassung selbst auf der föderalen Ebene auch die Föderalen Verfassungsgesetze. Sie unterscheiden sich von einander je nach ihren Verabschiedungsverfahren. Die Föderalen Verfassungsgesetze haben höhere juristische Kraft im Vergleich zu Föderalen Gesetzen (so Marcˇ enko/Marcˇ enko, Rechtstheorie, S. 601 f.). Ein Überblick über den Stand der Diskussion der Normenhierarchie im russischen Zivilrecht siehe bei Heeg, S. 12 ff. m.w.N. 1015 Entscheidung des Verfassungsgerichts der RF vom 12.3.2001 Nr. 4-P bezüglich der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen des russischen InsG 1998 im Bezug auf die die Möglichkeit der Berufung gegen Entscheidungen der Wirtschaftsgerichte im Bereich des Insolvenzrechts, anderen Bestimmungen der russischen InsG 1998, Art. 49 KreditInsG, sowie Art. 106, 160, 179 und 191 WPGB auf Grund des Antrages des Wirtschaftsgerichts des Cheljabisker Gebiet, Anträgen von Bürgern und juristischen Personen, in: SZ RF 2001, Nr. 12, Pos. 1138.

180

B. Russisches Recht

Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber in den Übergangsvorschriften des am 3.12.2003 in Kraft getretenen russischen InsG (Art. 232 Pkt. 3) festgestellt, dass das russ. InsG im Bereich „mit der Insolvenz gemäß russischen InsG verbundener Beziehungen“ zeitlich vorrangig ist, d.h. bis zur Anpassung geltender Gesetze und anderer Rechtsakte auf dem Gebiet der Russischen Föderation an das russische InsG.1016 Danach sollen die anderen Gesetze und Rechtsakte in diesem Bereich nur insoweit Anwendung finden als sie dem InsG nicht widersprechen. In der Lehre wird der Vorrang des InsG in diesem Fall teilweise unterstützt.1017 Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass das russ. ZGB die Frage der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen bei der Liquidation juristischer Personen unabhängig von der Ursache der Liquidation (d.h. ob die Liquidation im Rahmen des Insolvenzverfahrens oder außerhalb dessen erfolgt) feststellt. Art. 134 Pkt. 4 russ. InsG solle deswegen Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB nicht widersprechen. Sofern Zweifel bestünden, solle Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB Anwendung finden und die Forderungen der Gläubiger sollen in der Rangfolge befriedigt werden, die im russ. ZGB vorgesehen ist.1018 Bei der Betrachtung zweier von einander abweichender Regeln des russ. InsG und russ. ZGB geht das russ. InsG einerseits in seinem Haupttext von der Übereinstimmung mit dem russischen ZGB aus und erspricht nach Art. 1 Pkt. 1 keinen Vorrang der Vorschriften des russischen InsG vor den Regeln des russischen ZGB über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen. In Art. 1 Pkt. 1 russ. InsG wird darüber gesprochen, dass dem sachlichen Geltungsbereich des russischen InsG u.a. die Bedingungen der Durchführung von Insolvenzverfahren sowie andere Beziehungen unterliegen, die bei Unfähigkeit des Schuldners entstehen, die Forderungen der Gläubiger in vollem Umfang zu befriedigen. Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen.1019 An sich sollte vom Vorrang der Regeln des Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen im Insolvenzverfahren ausgegangen werden, was sowohl aus Art. 65 Pkt. 3 russ. ZGB als auch aus Pkt. 5.1 der zitierten Entscheidung des Verfassungsgerichts vom 12. März 2001 hervorgeht. Das würde sich, wie im Folgenden dargestellt werden wird, negativ auf die Befriedigungsaussichten der „einfachen“ Insolvenzgläubiger auswirken. Rechtlich gesehen handelt es sich nicht um den Vorrang für den Pfandgläubiger und eine Auslegung,

1016 Kritisch dazu siehe Teljukina, InsG, Art. 232, S. 530 f. 1017 Popondopulo/Gorodov, InsG, Art. 134, S. 293; Vitrjanskij/Nikitina, InsG, Art. 134, S. 577. Die zuletzt genannten Autoren sprechen aber über die Feststellung „neuer im Vergleich zum InsG 1998 und Art. 64 russ. ZGB“ Regeln über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen im russ. InsG. 1018 Mit ähnlichen Argumenten – Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 134, S. 388 f. Eliseev argumentiert mit der funktionellen Rolle des russ. ZGB in der Regelung privatrechtlicher Beziehungen. – Egorov/Sergeev/Eliseev, ZGB, Art. 65, S. 150. Im Ergebnis auch so Pustovalova, S. 51 f.; Teljukina, InsG, Art. 134, S. 349 f.; Abova/Kabalkin/Mozolin, ZGB, Art. 65, S. 184, die drei letztgenannten allerdings ohne Argumente. 1019 Nach Ansicht von Pustovalova (S. 15) stellt die Insolvenzgesetzgebung nur in bestimmten Fragen eine lex specialis im Vergleich zur Zivilgesetzgebung dar: u.a. in Fragen über Eröffnungsgründe, die Reihenfolge der Liquidation juristischer Personen.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

die durch die ökonomische Analyse der Befriedigungsrangfolge geprägt ist, sondern um eine verfassungskonforme Lösung der Kollision der Reihenfolgen der Befriedigung von Gläubigerforderungen. Die derzeitige Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts ist allerdings in die umgekehrte Richtung gegangen. Mit Beschluss des Plenums vom 8. April 2003 Nr. 4 „Über einige Fragen zum Inkrafttreten des russischen InsG“1020 hat das Gericht in Pkt. 8 Abs. 1 bestimmt, dass die Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger im Insolvenzverfahren gemäß den Vorschriften des russ. InsG bestimmt wird, während die Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger bei der Liquidation einer juristischen Person, die mit der Insolvenz nicht verbunden ist, gemäß Art. 64 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB erfolgen soll.1021 Begründet wurde dies aber nicht. Damit war der Vorrang der Regeln des russ. InsG vor den Regeln des russ. ZGB bezüglich der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger festgestellt. Die einfache Anwendung des Grundsatzes „lex specialis derogat legi generali “ stellt in diesem Fall meiner Meinung nach aufgrund der oben genannten Argumente für die Anwendung des Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB keinen ausreichenden Grund dar und ist ein juristischer Irrweg bei der Auslegung der Frage der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen im Insolvenzverfahren. In dieser Arbeit soll aber von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen und im Folgenden daher die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger im russischen Recht gemäß Art. 134 russ. InsG unter vergleichenden Berücksichtigung des Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB vorausgesetzt werden.

II.

Systematischer Aufbau der Befriedigungsordnung nach dem russ. InsG

Art. 134 russ. InsG unterscheidet systematisch die vorweg aus der Konkursmasse zu berichtigenden Forderungen und die Forderungen, die aus der Konkursmasse in einer bestimmten, in Art. 134 Pkt. 4 russ. InsG genannten Reihenfolge befriedigt werden. Diese beiden Arten der Gläubigerforderungen werden erst nach einer Darstellung der Frage über die Existenz der aussonderungsberechtigten Gläubiger im russischen Insolvenzrecht vorgestellt werden.

1.

Zur Existenz aussonderungsberechtigter Gläubiger im russischen Insolvenzrecht

Im Insolvenzgesetz wird der Ausdruck „nicht auf Geld gerichtete Forderungen der Gläubiger“ (z.B. Art. 4 Abs. 5) verwendet. Diese Formulierung wird im russ. InsG nicht näher definiert. Kurz nach Inkrafttreten des Insolvenzgesetzes begannen so-

1020 VVAS 2003, Nr. 6, S. 7. 1021 VVAS 2003, Nr. 6, S. 9.

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B. Russisches Recht

wohl die Rechtsprechung als auch das Schrifttum, seine genauen Konturen zu bestimmen.1022 Der Unterschied zwischen nicht auf Geld gerichteten Forderungen und zu solchen, die auf Geld gerichtet sind,1023 besteht darin, dass erstere im Insolvenzverfahren gemäß Art. 4 Pkt. 5 russ. InsG in einer besonderen Reihenfolge nicht durch das Insolvenzgericht, sondern durch die Gerichte gemäß dem von der entsprechenden allgemeinen Prozessgesetzgebung aufgestellten Verfahren geprüft werden. Neben der besonderen Stellung dieser Forderungen im Beobachtungs- und im Fremdverwaltungsverfahren1024 gibt es im Konkursverfahren bestimmte Besonderheiten der Befriedigung solcher Forderungen. Nur einige Arten von „nicht auf Geld gerichteten Forderungen gegen den Schuldner“ (etwa Forderungen auf Anerkennung von Eigentumsrechten, auf Herausgabe von Vermögen aus fremdem, ungesetzlichem Besitz) werden gemäß Art. 126 Pkt. 1 Abs. 7 russ. InsG in die Konkursmasse nicht einbezogen und können außerhalb des Konkursverfahrens geltend gemacht werden. Auf die oben im Einzelnen aufgezählten Forderungen sind die Regeln des Art. 134 InsG über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen nicht anwendbar.1025 Nach der Terminologie des deutschen Insolvenzrechts kann man einige Arten „nicht auf Geld gerichteter Forderungen“, deren Verzeichnis in Art. 126 Pkt. 1 Abs. 7 InsG gegeben ist, als auf eine ausgesonderte Befriedigung gerichtete Forderungen bezeichnen und die Gläubiger solcher Forderungen entsprechend aussonderungsberechtigte Gläubiger nennen.

2.

Vorweg aus der Konkursmasse zu berichtigende Forderungen

Zu dieser Gruppe gehören unterschiedlichen Arten von Verpflichtungen, die mit der Durchführung des Konkursverfahrens verbunden sind. Sie werden vom Gesetzgeber als „laufende Verpflichtungen“ („tekusˇcˇ ie objasatel’stva“) bezeichnet.1026 Das

1022 So werden z.B. die Forderungen auf naturelle Erfüllung, Forderungen auf Anerkennung des Eigentumsrechts oder Forderungen auf Unwirksamerklärung von nichtigen Rechtsgeschäften und die Anwendung der Folgen ihrer Unwirksamkeit genannt. Näher dazu bei Pustovalova, S. 17. 1023 Gemäß Art. 2 russ. InsG versteht man darunter die Verpflichtung des Schuldners, einem Gläubiger eine bestimmte Geldsumme aus einem zivilrechtlichen Vertrag oder auf anderer im russ. ZGB vorgesehener Grundlage zu zahlen. 1024 Siehe z.B. Art. 63 Pkt. 2 Abs. 1; Art. 95 Pkt. 1 russ. InsG. 1025 Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der RF (zum Art. 98 InsG 1998 („Rechtsfolgen der Eröffnung des Konkursverfahrens“)), BVS RF 1999, Nr. 9, S. 10 ff.; Vitrjanskij/Nikitina, InsG, Art. 134, S. 578, Rn. 6. Die anderen „vermögensrechtlichen Forderungen“ (so in Art. 126 Pkt. 1 Pkt 7 russ. InsG) können dagegen nur im Rahmen des Konkursverfahrens erhoben werden. Kritisch dazu Teljukina, InsG, Art. 126, S. 329 sowie Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 126, S. 335. 1026 Bezüglich des InsG 1998 war umstritten, welche Verpflichtungen der Schuldner außerhalb der Befriedigungsrangordnung des InsG 1998 erfüllen konnte. Diese Frage wurden dort nicht geregelt, aber von der Rechtsprechung und Lehre anerkannt. – Entscheidung des Präsidiums des Plenums des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 13.11.2001 Nr. 2588/01, VVAS 2002, Nr. 2, S. 24; Vitrjanskij/Nikitina, InsG 1998, Art. 106, S. 254, Rn. 4.

183

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Verzeichnis dieser Forderungen in Art. 134 Pkt. 1 InsG hat beispielhaften Charakter.1027 Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Arten der laufenden Verpflichtungen. Inhaltlich gesehen handelt es sich nach der Terminologie des deutschen Insolvenzrechts um Masseforderungen, weil sie außerhalb der Rangordnung des InsG befriedigt werden müssen, in das Register der Gläubigerforderungen nicht eingetragen werden und ihre Gläubiger nicht als Personen anerkannt werden, die am Insolvenzverfahren teilnehmen.1028 Für die Sanierung des Not leidenden Unternehmens ist die Einbeziehung von zwei Arten von Forderungen in diese Gruppe besonders wichtig: Es handelt sich dabei zunächst um die Verbindlichkeiten aus Arbeitslohn, die nach Annahme des Insolvenzantrages durch das Wirtschaftsgericht entstanden sind und zur Bezahlung der Arbeitnehmer des Schuldners während des Konkursverfahrens entstehen. Die Lage nach dem InsG entspricht im Wesentlichen der Lage nach der deutschen KO (§ 61 Abs. 1 Nr. 1) und belastet damit einerseits wesentlich die Masse, andererseits lässt sich in der russischen Transformationswirtschaft so ein kurzfristiger Effekt, nämlich die Erhaltung von Arbeitsplätzen, erzielen. Für die Fortführung des Unternehmens spielt die Einbeziehung in die Gruppe der laufenden Verpflichtungen, nach dem Wortlaut des InsG der sog. „laufenden Zahlungen“ („tekusˇcˇ ie platezˇi“), eine ausschlaggebende Rolle. Dieser Begriff ist allgemein in Art. 5 InsG bestimmt. In den folgenden Kapiteln des InsG werden die Besonderheiten der Stellung solcher Forderungen in den jeweiligen Arten des Insolvenzverfahrens geregelt. An dieser Stelle sei aber hervorgehoben, dass man generell zwei Arten laufender Zahlungen unterscheidet: a) Forderungen, die nach der Annahme des Insolvenzantrages entstanden sind,1029 b) Zahlungsverpflichtungen aus Verträgen mit Gläubigern und Verpflichtungen der sog. bevollmächtigten Organe, die vor der Annahme des Insolvenzantrages entstanden, aber erst nach der Anordnung der jeweiligen Art des Insolvenzverfahrens fällig Steuerforderungen sind.1030 Die wesentliche Besonderheit der Stellung dieser Forderungen im russischen Insolvenzverfahren besteht darin, dass sie als laufende Zahlungen nur innerhalb der Art des Insolvenzverfahrens anerkannt werden, in der sie fällig werden. Werden sie aber nach dessen Beginn im Rahmen dieser Insolvenzverfahrensart nicht befriedigt, so werden sie innerhalb der nächsten Insolvenzverfahrensart im Register der Gläubigerforderungen nur als „einfache“ bzw. „normale“ Insolvenzforderungen anerkannt.1031 Dieser Umstand

1027 Im russ. InsG werden als Beispiele die laufenden kommunalen und Nutzungszahlungen (Art. 134 Pkt. 1 Abs. 4 russ. InsG) oder die Verbindlichkeiten aus Arbeitslohn genannt, die nach Annahme des Insolvenzantrags durch das Wirtschaftsgericht entstanden sind. Näher dazu siehe Teljukina, InsG, Art. 134, S. 350 f. 1028 Teljukina, InsG, Art. 134, S. 351 f., allerdings nur zum russischen Insolvenzrecht ohne rechtsvergleichende Prämissen. 1029 Sie werden aber als laufende Zahlungen nur nach ihrer Fälligkeit einbezogen. – Teljukina, InsG, Art. 5, S. 33. 1030 Die Notwendigkeit der Privilegierung dieser Forderungen wird damit begründet, dass diese Gläubiger von der schwierigen Lage des Schuldners nicht wussten oder nicht wissen konnten. – Teljukina, InsG, Art. 5, S. 33, die aber an der Notwendigkeit der Gewährung eines privilegierten Status in diesem Fall zweifelt. 1031 Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 5, S. 96. Nach Ansicht von Pustovalova (S. 21) werden solche Forderungen im Beobachtungsverfahren und im Verfahren der finanziellen Sanierung in norma-

184

B. Russisches Recht

erhöht für die Bank die Risiken der nicht rechtzeitigen Rückerstattung des Kredits und seiner Zinsen und damit den Kreditpreis. Die Befriedigung der Gläubiger aus den laufenden Verpflichtungen erfolgt nicht gemäß den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Proportionalität, sondern gemäß Art. 134 Pkt. 3 InsG nach dem Grundsatz „prior tempore, potior jure“,1032 der seinen Niederschlag in Art. 855 russ. ZGB („Reihenfolge der Abbuchung der Geldmittel vom Bankkonto“) bezüglich des Girovertrages gefunden hat.1033 Die Verbindlichkeiten werden damit je nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung getilgt.

3.

Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen nach Art. 134 Pkt. 4 russ. InsG

Das russische Recht hat im Unterschied zur InsO ein kompliziertes System der Reihenfolge der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger konstruiert, die nach der Befriedigung der Masseforderungen erfolgt. Der Ausgangspunkt bei der Befriedigung der Gläubigerforderungen besteht darin, dass bei der Unmöglichkeit der Befriedigung einer Kategorie von Forderungen diese im Verhältnis zwischen ihrer Höhe und der Höhe der Konkursmasse befriedigt werden.1034 Die Befriedigung der nächsten Kategorie erfolgt erst nach der vollständigen Befriedigung der vorhergehenden Kategorie. Art. 134 Pkt. 4 russ. InsG spricht von vier Rängen der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger aus der Konkursmasse. Die Gläubiger des sog. ersten Ranges bilden im Vergleich zu den Gläubigern der anderen Ranggruppen im russischen Insolvenzverfahren eine Minderheit. Dies sind Forderungen von natürlichen Personen, denen gegenüber der Schuldner aufgrund einer Lebens- oder Gesundheitsverletzung haftet, und die im Wege einer Kapitalisierung der entsprechenden periodischen Zahlungen sowie einer Kompensation des moralischen Schadens befriedigt werden. Einen wesentlich bedeutenderen Anteil der Forderungen bilden die Forderungen der Gläubiger des zweiten Ranges. Dazu zählen die Forderungen von Arbeitnehmern auf die Auszahlung der Arbeitslöhne oder die Auszahlung ihrer Abfindungen sowie die Ansprüche auf Zahlung von Vergütungen aus Autorenverträgen.

ler Reihenfolge befriedigt, wenn das betreffende Rechtsverhältnis zwischen Schuldner und Gläubiger erst nach Annahme des Insolvenzantrages entsteht und Fälligkeit vor Anordnung des finanziellen Sanierungsverfahrens eintritt. Werden die Forderungen aber dort nicht erfüllt, so werden sie nach Eröffnung des Konkursverfahrens außerhalb der normalen Reihenfolge befriedigt. Im Verfahren der Fremdverwaltung werden sie aber von der Geltung des Moratoriums gedeckt. 1032 D.h. der zeitlich erste wird mit seinem Recht gegenüber den anderen (spaeteren) bevorzugt. 1033 Wenn dabei die Höhe der geleisteten Zahlung nicht zur Tilgung der ganzen Schuld ausreichen wird, wird gemäß Art. 319 russ. ZGB die Zahlung mangels anderer Vereinbarung zuerst auf die beim Gläubiger bei Einforderung der Erfüllung anfallenden Kosten, dann auf die Zinsen und zuletzt auf die Hauptschuld angerechnet. 1034 Vitrjanskij/Nikitina, InsG, Art. 134, S. 579.

185

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Die Gläubiger des dritten Ranges bilden die mehrheitliche Gruppe der Gläubiger – dies sind nach Terminologie des Art. 134 Pkt. 4 Abs. 4 russ. InsG die sog. „anderen Gläubiger“. Dabei wird vom russ. InsG kein Unterschied zwischen den Forderungen der sog. bevollmächtigten Gläubiger (Steuerforderungen) und den Forderungen der Konkursgläubiger innerhalb dieses Ranges gemacht, wie es etwa in Art. 64 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB und Art. 106 Pkt. 2 InsG 1998 („Reihenfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen“) der Fall ist bzw. war.1035 Die Lage nach dem InsG hat damit die Befriedigungsaussichten der „einfachen“ unbesicherten Gläubiger des dritten Ranges im Vergleich zur Rechtslage nach dem InsG 1998 sowie nach Art. 64 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB wesentlich verbessert und deren Forderungen den Forderungen des Fiskus und anderer Gläubiger, ähnlich wie nach der deutschen InsO, gleichgestellt. Der oben dargestellte Überblick über die Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger der ersten drei Ränge im russischen Insolvenzrecht zeigt, dass sie nach deutscher Terminologie als „Insolvenzgläubiger“ bezeichnet werden können. Besonders geregelt ist die Frage der Befriedigung der Pfandgläubiger. Im russischen Insolvenzrecht ist der Terminus des „absonderungsberechtigten Gläubigers“ nicht bekannt. Vielmehr wird von der Rechtsstellung der Pfandgläubiger gesprochen. Die anderen nach deutschem Verständnis absonderungsberechtigten Gläubiger werden im InsG nicht erfasst. Die Reihenfolge der Befriedigung der Pfandgläubiger im russischen Recht hat zwei Besonderheiten, aus denen sich eine wesentlich schwächere Rechtsstellung der Pfandgläubiger im russischen Recht im Vergleich zum deutschen Insolvenzrecht ergibt: Zum einen werden die Forderungen der Pfandgläubiger im russischen Insolvenzverfahren erst nach denjenigen der aussonderungsberechtigten Gläubiger und der Gläubiger laufender Zahlungsverpflichtungen befriedigt. Dieser Umstand stellt nur einen Teil der Diskriminierung dieser Forderungen im Vergleich zum deutschen Recht dar. Die zweite Besonderheit der Stellung der Pfandgläubiger besteht darin, dass, obwohl ihre Forderungen aus dem Wert des Pfandgegenstands grundsätzlich vorrangig vor anderen Gläubigern befriedigt werden, sie als Ausnahme gemäß Art. 134 Pkt. 4 Abs. 4 InsG erst nach der Befriedigung der Forderungen der Gläubiger des ersten und zweiten Rangs, deren Forderungsrechte vor Abschluss des entsprechenden Pfandvertrags entstanden sind, befriedigt werden. Dies kann den Wert des Pfandgegenstandes in einigen Fällen wesentlich verringern, weil der Pfandgläubiger beachten muss, dass einige Gläubigergruppen ihre Forderungen aus dem Pfandgegenstand vorab befriedigen können. Die Rechtsstellung der Pfandgläubiger nach dem russ. InsG sieht aber wesentlich besser aus als nach Art. 64 russ. ZGB und nach Art. 106 InsG 1998, wo sie erst nach 1035 Danach bilden die Forderungen des Fiskus, der sowohl im InsG 1998 als auch im russ. InsG als „bevollmächtigter Gläubiger“ bezeichnet wurde, den vierten Rang und die anderen Gläubiger erst den fünften Rang. Das entsprach zum Teil der Rechtslage nach der deutschen KO, wonach gemäß § 61 Abs. 1 Ziff. 2 die Forderungen des Fiskus, die im letztem Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden sind, im Vergleich zu den anderen „einfachen“ Konkursforderungen privilegiert wurden. Im russischen Recht sind alle Forderungen der Gläubiger, selbst diejenigen, die vor einem Jahr fällig geworden sind, privilegiert worden. Deswegen ist die praktische Abschaffung des Superprivilegs des russischen Fiskus nur zu begrüßen.

186

C. Zwischenergebnis

der Befriedigung der Forderungen des ersten und zweiten Ranges ihre Forderungen befriedigen konnten. Damit ist der Wert des Pfandrechts im russischen Recht wesentlich erhöht worden.

C.

Zwischenergebnis

1. Die Frage der Reihenfolge der Befriedigung der Gläubiger wird im deutschen Recht an unterschiedlichen Stellen der InsO mit Bezug auf verschiedene Gläubigergruppen geregelt. Im russischen Recht ist diese Frage sowohl in Art. 64 Pkt. 1 russ. ZGB als auch in Art. 134 ff. InsG geregelt. Diese beiden Vorschriften widersprechen sich in vielen Punkten. Die Rechtsprechung des Obersten Wirtschaftsgerichts geht im Gegensatz zum Verfassungsgericht davon aus, dass die Vorschriften der InsO hier anwendbar sein sollen. 2. In beiden Rechtsordnungen existieren wesentliche terminologische und inhaltliche Unterschiede bei der Bezeichnung der Gläubigergruppen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass es sich im großem und ganzen um vier große Gläubigergruppen handelt, die nach deutscher Terminologie als Aussonderungsgläubiger, Absonderungsgläubiger, Massegläubiger und Insolvenzgläubiger bezeichnet werden können. Ihre Rechtsstellung hat im deutschen und russischen Recht sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede. 3. Zu den Gemeinsamkeiten gehört, dass zuerst die Forderungen der aussonderungsberechtigten Gläubiger im deutschen Recht bzw. einige Arten der nicht auf Geld gerichteten Forderungen der Gläubiger im russischen Recht befriedigt werden. 4. Unterschiede ergeben sich aus dem Umstand, dass im deutschen Recht zuerst die Forderungen absonderungsberechtigter Gläubiger, dann die Massegläubiger, später die normalen Insolvenzgläubiger und zuletzt die sog. „nachrangigen Insolvenzforderungen“ befriedigt werden. Im russischen Recht werden zuerst die Masseforderungen und dann die Insolvenzgläubiger befriedigt, die in drei Gruppen aufgeteilt werden. 5. Die Pfandgläubiger im russischen Recht sind im Verhältnis zur Stellung von Absonderungsgläubigern im deutschen Recht wesentlich benachteiligt: Einerseits werden sie (im russischen Recht) zwar in der Regel vor Forderungen der einfachen Insolvenzgläubiger befriedigt, es sei denn, vor dem Abschluss des Pfandvertrages sind Forderungen ersten und zweiten Ranges entstanden. Andererseits werden sie im russischen Recht aber erst nach der Befriedigung der Massegläubiger befriedigt.

187

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Zweiter Abschnitt Sanierungskredite im Insolvenzeröffnungsverfahren A.

Allgemeine Charakteristik des Insolvenzeröffnungsverfahrens

I.

Deutsches Recht

Im Zeitraum zwischen Stellung des Insolvenzantrages bis zur Eröffnungsentscheidung wird die wichtigste Frage für die weitere Existenz des Unternehmens entschieden: entweder wird über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet oder nicht. Man teilt dieses Verfahren in zwei Teile: von der Stellung des Insolvenzantrages bis zur Entscheidung über seine Zulässigkeit (sog. quasi-streitiges Parteiverfahren) und ab diesem Zeitpunkt bis zur endgültigen Entscheidung über das Schicksal des Insolvenzantrages.1036 Im Folgenden wird ein grober Abriss über die Stellung des Insolvenzantrages und seine Zulässigkeit, die sanierungsrelevanten Besonderheiten der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen sowie die Frage der Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens gegeben.

1.

Insolvenzantrag und dessen Zulässigkeit

Das deutsche Insolvenzeröffnungsverfahren ist ein Antragsverfahren, d.h. es kann gemäß § 13 Abs. 1 InsO nur auf Antrag, nicht aber von Amts wegen eröffnet werden.1037 Dabei sind antragsberechtigt sowohl Gläubiger als auch der Schuldner.1038 Nach Stellung des Antrages prüft das Gericht die Zulässigkeit auf Grund unterschiedlicher im Gesetz genannter Voraussetzungen.1039 Im Wesentlichen hängen die Begründetheit des Insolvenzantrages und die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Vorliegen der Eröffnungsgründe und davon ab, dass die vorhandene Masse ausreichend ist.1040 Das Gericht trifft keine besondere förmliche Entscheidung über die Annahme des Insolvenzantrages. Seine Zulässigkeit kann nur auf Grund sekundärer Merkmale beurteilt werden, die mit der Zulassung des Insolvenzantrages eingeführt werden können.1041 Deswegen werden im Folgenden die für die Fortführung des Unternehmens wichtigsten Sicherungsmaßnahmen dargestellt. 1036 Beck/Depre/Beck, § 1, Rn. 19. 1037 Pape/Uhlenbruck, Rn. 325; Smid/Smid, InsO, § 13, Rn. 1. 1038 § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO. Eine Antragspflicht gibt es nur für den Schuldner und für Organe juristischer Personen (§ 42 Abs. 2 BGB, § 130a, 177a HGB, 99 GenG, 92 Abs. 2 AktG und 64 GmbHG), nicht aber für Gläubiger. 1039 Zu den Voraussetzungen zählen u.a.: die Zuständigkeit des Gerichts, die Prozess- und die Parteifähigkeit des Insolvenzantragsstellers, die Prozessfähigkeit des Schuldners und seine Insolvenzfähigkeit. Näher dazu siehe Smid, § 4, Rn. 7 ff. 1040 Zu den Insolvenzeröffnungsgründen siehe ausführlich Erster Teil. A. III. 1. dieser Arbeit. 1041 Das sind z.B. der Beginn der Amtsermittlungen des Insolvenzgerichtes nach § 5 Abs. 1 InsO oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 ff. InsO. – Gottwald/Uhlenbruck, Hb InsR § 12, Rn. 24 m.w.N.; Kirchhof, Rn. 125.

188

A. Allgemeine Charakteristik des Insolvenzeröffnungsverfahrens

2.

Vorläufige Sicherungsmaßnahmen

Der Prozess der Prüfung der Eröffnungsvoraussetzungen, insbesondere die Prüfung der Insolvenzeröffnungsgründe, erfordert einige Zeit, weil umfangreiche Ermittlungen durchgeführt werden müssen.1042 Deswegen besteht die Gefahr, dass in diesem Zeitraum entweder durch unvernünftige Verfügungen des Schuldners selbst oder durch masseschädliches Handeln anderer Gläubiger das Schuldnervermögen verringert und damit die wirtschaftliche Lage des Schuldners verschlechtert wird. Um eine solche Situation zu vermeiden, hat das Gericht nach § 21 Abs. 1 InsO bis zur endgültigen Entscheidung über den Antrag alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um eine Verringerung des Schuldnervermögens zu verhindern. Die Entscheidung über die Anordnung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen trifft das Insolvenzgericht von Amts wegen. Aus dem beispielhaften Katalog der möglichen Sicherungsmaßnahmen des § 21 Abs. 2 InsO,1043 die in der Praxis miteinander korrespondieren und kombiniert werden können,1044 sind für die Finanzierung des Unternehmens die Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes und die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters am wichtigsten. Sie werden im Folgenden dargestellt. Das Gericht kann gegen den Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot anordnen.1045 Davon werden alle Vermögensgegenstände erfasst, die im Falle der Insolvenzverfahrenseröffnung Teil der Insolvenzmasse sind,1046 d.h. sowohl vorhandenes als auch zukünftiges Schuldnervermögen, inländisches und ausländisches Vermögen.1047 Nach seiner Rechtsnatur stellt es ein absolutes Verfügungsverbot dar, das natürlich durch den Zweck des Insolvenzverfahrens beschränkt wird.1048 Seine Rechtswirkung ist – anders als nach den §§ 135, 136 BGB – die absolute Unwirksamkeit der dagegen verstoßenden Verfügungen des Schuldners.1049 Mit der Einordnung des allgemeinen Verfügungsverbotes ist besonders stark eine andere, in der Praxis genauso wichtige Maßnahme zur Sicherung und Erhaltung des Schuldnervermögens verknüpft: die Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzver-

1042 Kautzsch, S. 37; Uhlenbruck, GmbHR 1995, S. 199. 1043 Pape/Uhlenbruck, Rn. 380; Braun/Kind, InsO, § 21, Rn. 7. 1044 Braun/Kind, InsO, § 21, Rn. 7 mit zahlreichen Beispielen. Solche Maßnahmen können miteinander kombiniert werden, soweit hierdurch keine systematischen Widersprüche entstehen. – Smid/Smid/Thiemann, InsO, § 21, Rn. 20. 1045 Unter Verfügungen versteht man Rechtsgeschäfte, die unmittelbar darauf gerichtet sind, auf ein bestehendes Recht einzuwirken, es zu verändern, zu übertragen oder aufzuheben. – BGH WM 1987, S. 1220; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 21, Rn. 20. 1046 BGH ZIP 1995, S. 40 m.w.N.; MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 55. 1047 Begr RegE zur InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 116; BGH WM 1992, S. 1040 f.; Gerhardt, KS, S. 194, Rn. 3; Bork, Rn. 106; MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 57. 1048 Gerhardt, KS, S. 194, Rn. 4; MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 55 m. w. N; Kirchhof, Rn. 126; Smid/Smid/Thiemann, InsO, § 21, Rn. 13; Neben dem absoluten kann das Gericht auch ein besonderes Verfügungsverbot anordnen, das lediglich auf einzelne Gegenstände, nicht aber auf das gesamte Schuldnervermögen beschränkt ist. – OLG Stuttgart WM 1985, S. 1371. 1049 Bork, Rn. 106; Smid/Smid/Thiemann, InsO, § 21, Rn. 13; Pape/Uhlenbruck, Rn. 381 m.w.N.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

walters.1050 Seine Rechtsstellung unterscheidet sich hinsichtlich der Einordnung des allgemeinen Verfügungsverbots und man unterscheidet danach drei Arten der vorläufigen Insolvenzverwalter, deren Aufgaben nach Art, Umfang und Inhalt im Folgenden unter den Buchstaben a), b) und c) näher erläutert werden. a) Die Insolvenzrechtsreform hatte als häufigsten in der Insolvenzpraxis vorkommenden vorläufigen Insolvenzverwalter denjenigen im Auge, dem die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über das Vermögen des Schuldners übergeben werden (§ 22 Abs. 1 Satz 1 InsO).1051 Seine Kompetenzen entsprechen vorübergehend den Befugnissen des Insolvenzverwalters im eröffneten Insolvenzverfahren.1052 In der gegenwärtigen Praxis wird wegen der hohen persönlichen Haftungsrisiken ein solcher Verwalter nach § 61 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO nur selten ernannt.1053 Der Verwalter hat eine breite Palette an Befugnissen. Die wichtigsten für die Sanierung des Unternehmens sind die Folgenden: Er hat das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO)1054, und er hat das Unternehmen fortzuführen, bis über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden wird (§ 22 Abs. 1 Satz 2 InsO). Nur zum Zweck der wesentlichen Vermeidung der Verringerung der Masse kann der Insolvenzverwalter, mit Zustimmung des Insolvenzgerichts, ein Unternehmen stilllegen.1055 b) Im Regelfall bestellt das Gericht wegen der Besonderheiten der Haftung einen vorläufigen Insolvenzverwalter ohne generelle Verwaltungs- und Verfügungsfunktion unter gleichzeitiger Bestimmung der Art und des Umfangs seiner Pflichten (§ 22 Abs. 2 Satz 1 InsO).1056 Der Nachteil der Anordnung eines solchen Verwalters besteht darin, dass sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Schuldners mit den obligatorischen Pflichten des vorläufigen Verwalters aus § 22 Abs. 2 InsO kreuzen und sogar teilweise decken. Die Folge sind erhebliche Unsicherheiten bei der Bestimmung des Aufgabenumfangs.1057

1050 Er wird vom Gericht ausgewählt und bestellt. Wenn später ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, wird er in der Regel auch zum endgültigen Verwalter ernannt. Die Anforderungen an einen solchen Verwalter entsprechen den Anforderungen an einen endgültigen Insolvenzverwalter. Siehe dazu ausführlich Gottwald/Uhlenbruck, Hb InsR, § 14, Rn. 26. 1051 Im Fall der Bestellung dieser Verwalter spricht man oft von einem „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter“. – Bork, Rn. 103 m.w.N. Kritisch Smid, § 4, Rn. 31. 1052 Bork, Rn. 103, Obermüller/Hess, InsO, Rn. 177. 1053 Kirchhof, ZInsO 2004, S. 57, FK/Schumacher, InsO, § 55, Rn. 31. 1054 Begr. zu § 26 RegE, BR-Drs. 1/92, S. 116 f. 1055 Begr. zu § 26 RegE, BT-Drs. 1/92, S. 116; AG Aachen, ZIP 1999, S. 1494 („Wenn erhebliche Verluste erwirtschaftet werden und keine konkrete Aussicht auf Sanierung besteht, kann das Insolvenzgericht das Unternehmen stilllegen“). 1056 BGH ZInsO 2002, S. 819 ff.; Pape/Uhlenbruck, Rn. 398; MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 48, 50; Kirchhof, ZInsO 1999, S. 356 ff., 436 ff. Die Pflichten solcher Verwalter begründen aber keine bessere Rechtsstellung gegenüber einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit dessen Verwaltungsund Verfügungsbefugnissen. – Lauer, Rn. 95; Gottwald/Uhlenbruck, Hb InsR, § 14, Rn. 27. Er wird in der Literatur als „schwacher“ oder als „isoliert bestellter“ vorläufiger Insolvenzverwalter bezeichnet. – Hess/Weiss, Insolvenzrecht, Rn. 2953 m.w.N.; Foerste, Rn. 103. Kritisch dazu MüKo/ Haarmeyer, InsO, § 21, Fn. 160. 1057 MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 47; Kritisch dazu FK/Schmerbach, InsO, § 22, Rn. 59.

190

A. Allgemeine Charakteristik des Insolvenzeröffnungsverfahrens

c) Zum Zweck der Sicherung des Schuldnervermögens im Eröffnungsverfahren kann das Gericht einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, der lediglich bei Verfügungen des Schuldners eine Zustimmungsbefugnis hat (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).1058 Die Verfügungen des Schuldners werden nur mit seiner Zustimmung wirksam: Diese kann sowohl in der vorherigen Einwilligung als auch in der späteren Genehmigung bestehen.1059 Das Gericht kann eine solche Zustimmung sowohl für einzelne als auch für alle Verfügungen des Schuldners fordern.1060

3.

Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens

Die InsO sieht keine Fristen für die Dauer des Insolvenzeröffnungsverfahrens vor. Der Gesetzgeber ist bei seinem Konzept von einer möglichst frühen Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgegangen, woraus man schließen kann, dass er auch von einer möglichst kurzen Dauer des Insolvenzeröffnungsverfahrens ausgegangen ist.1061 Die Entscheidung über die Dauer des Verfahrens liegt im Ermessen des Insolvenzgerichtes und beträgt in der gegenwärtigen Praxis einen Zeitraum von ein paar Wochen bis zu wenigen Monaten, wobei die Sanierungschancen des Unternehmens zu berücksichtigen sind.1062 Über den Insolvenzantrag entscheidet das Gericht: entweder lehnt es den Antrag ab, weil die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht vorliegen, oder es eröffnet das Insolvenzverfahren.

II.

Russisches Recht

Der russische Gesetzgeber hat im Unterschied zum deutschen die Regeln über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens an unterschiedlichen Stellen im InsG untergebracht. Diese Regeln tauchen in Kapitel I des InsG „Allgemeine Bestimmungen“

1058 MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 47. Der vorläufige Insolvenzverwalter stellt sich in diesem Fall nur als „Berater“ des Schuldners dar. – Pape/Uhlenbruck, Rn. 399; Bork, Rn. 103. Kritisch dazu MüKo/Haarmeyer, InsO, § 21, Rn. 47. Ein Teil der Literatur (Bork, Rn. 103; Braun/Kind, InsO, § 21, Rn. 5) bezeichnet einen solchen vorläufigen Insolvenzverwalter als „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter (ebenso AG Wuppertal ZIP 2001, S. 1335 ff.), weil er keine Verfügungsbefugnis, sondern lediglich Verhinderungsmacht habe. 1059 Pape/Uhlenbruck, Rn. 399 Fn. 60 m.w.N; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 21, Rn. 24. 1060 MüKo/Harrmeyer, InsO, § 21, Rn. 65 m.w.N.; Smid/Smid/Thiemann, InsO, § 21, Rn. 38. 1061 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsätze 1.2.4, 1.2.9. Die Frage der Dauer der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hängt auch davon ab, ob die notwendigen Verfahrenskosten gedeckt sind. Die Auslegung des Begriffes der Verfahrenskosten bezüglich der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird kontrovers diskutiert. Siehe dazu ausführlich Pannen, NZI 2000, S. 575 ff. mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung und der Literatur. In der Insolvenzpraxis wird das Verfahren von Verwalter in der Regel so lange durchgeführt, so lange das Insolvenzgeld (aber gemäß § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III für die Dauer nicht länger als drei Monaten) ausreichend ist, um die Löhne zu bezahlen. Näher dazu siehe Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 22, Rn. 90 ff. 1062 Nach der Ansicht von Kautzsch (S. 85 f.) kann man in diesem Verfahrensstadium ein Sanierungskonzept umarbeiten, was meiner Meinung nach zwar wünschenswert, aber zweifelhaft ist, weil der vorläufige Insolvenzverwalter Vermögenssicherungsaufgaben hat.

191

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

(Art. 3, 4, 6–9 InsG) und in Kapitel III des InsG „Verhandlung der Insolvenzsachen vor dem Wirtschaftsgericht“ (z.B. Art. 32–44, 46–48, 55, 56 InsG) auf.1063 Ähnlich wie im deutschen Recht teilt man das Insolvenzeröffnungsverfahren im russischen Recht in zwei Verfahrensstufen auf: Vom Stellen des Insolvenzantrages bis zur Entscheidung über seine Zulässigkeit und von diesem Zeitpunkt bis zur endgültigen Entscheidung über das Schicksal des zulässigen Insolvenzantrages.

1.

Insolvenzantrag und dessen Zulässigkeit

So wie im deutschen Recht ist das russische Insolvenzeröffnungsverfahren ein Antragsverfahren (Art. 33 Pkt. 2, Art. 42 InsG). Antragsberechtigte können sowohl der Schuldner als auch seine Gläubiger sein.1064 Der russische Gesetzgeber hat im InsG aber viel präziser als der deutsche die prozessualen Besonderheiten der Stellung des Insolvenzantrages und des Treffens der Entscheidung über sein Schicksal geregelt (Art. 37–44 InsG). Wie im deutschen Recht prüft das Insolvenzgericht die Zulässigkeit des Insolvenzantrages auf Grund unterschiedlicher, im InsG geregelter Voraussetzungen. Die wichtigsten sind das Vorhandensein der Insolvenzeröffnungsgründe.1065 Über die Annahme des Insolvenzantrages wird aber nicht nach den sekundären Merkmalen entschieden, sondern das Gericht erlässt einen förmlichen Akt – in Form eines Beschlusses. Die Frage der Gerichtskosten ist im russischen Recht nur zum Teil mit dem Umfang der Masse verbunden: Für das Stellen des Insolvenzantrages ist nur der Beweis erforderlich, dass die antragstellende Person die Gerichtsgebühr gezahlt hat. Die Höhe dieser Gebühren hängt nicht von der Größe der Masse und der Art des Schuldners ab. Sie ist für alle Schuldnerarten gleich und beträgt 2000 Rubel.1066

2.

Vorläufige Sicherungsmaßnahmen

In der Frage der Anordnung der Sicherungsmaßnahmen verweist das InsG in Art. 46 Pkt. 1 InsG auf die allgemeinen Vorschriften des einstweiligen Rechtsschutzes des Wirtschaftsprozesskodexes, die sich dort in Art. 91 WPGB befinden.

1063 Weil die Durchführung des Insolvenzverfahrens zur ausschließlichen Zuständigkeit des Wirtschaftsgerichts gehört (Art. 33 Pkt. 1 Nr. 1 WPGB, Art. 33 Pkt. 1 russ. InsG), sind die Vorschriften des WPGB auf die Behandlung von Insolvenzsachen anwendbar, es sei denn, das russ. InsG oder andere sektorspezifische Insolvenzgesetze sehen etwas anderes vor (Art. 223 Pkt. 1 WPGB). Ausführlich zu verfahrensrechtlichen Besonderheiten des Insolvenzeröffnungsverfahrens siehe Popondopulo/Slepcˇ enko, S. 125 ff. 1064 Art. 7 Pkt. 1 russ. InsG. 1065 Ausführlich zu den Insolvenzeröffnungsgründen siehe Erster Teil. A. III. 1. dieser Arbeit. 1066 Art. 333.21 Pkt. 1 Nr. 5) des SteuerGB, Teil II. Nach dem offiziellen Umrechnungskurs der russischen Zentralbank (htpp://www.cbr.ru/eng/main.asp.) am 16.09.2009 (1 Euro = 45,3036 Rubel) entspricht diese Summe 44,15 Euro.

192

A. Allgemeine Charakteristik des Insolvenzeröffnungsverfahrens

Unter diesen Maßnahmen1067 sind für die Unternehmensfinanzierung im Insolvenzeröffnungsverfahren der Arrest von Geldmitteln oder anderen Vermögens des Schuldners sowie das Verfügungsverbot besonders wichtig. Genau wie im deutschen Recht bezüglich des Insolvenzeröffnungsverfahrens, hat die Liste dieser Maßnahmen in Art. 91 Pkt. 1 WPGB beispielhaften Charakter,1068 wobei die Maßnahmen miteinander kombiniert werden können (Art. 91 Pkt. 1 Unterabs. 2 WPGB). Solche Maßnahmen können nicht vom Gericht von Amts wegen veranlasst werden, vielmehr bedarf es dafür eines Antrags auf Anordnung bestimmter Sicherungsmaßnahmen (so in Art. 42 Pkt. 7, 46 InsG) von Personen, die am Insolvenzverfahren teilnehmen.1069 Eine weitere Besonderheit des russischen Insolvenzeröffnungsverfahrens besteht darin, dass am Ende des Insolvenzeröffnungsverfahrens, falls das Insolvenzgericht die Notwendigkeit der Fortführung des Insolvenzverfahrens bzw. Eröffnung des Beobachtungsverfahrens feststellt, das Insolvenzgericht in seinem Beschluss über die Anordnung des Beobachtungsverfahrens einen Insolvenzverwalter bestellen wird. Er beginnt seine Tätigkeit erst im später eröffneten Beobachtungsverfahren (Art. 49 Pkt. 2 Abs. 3 InsG).1070 Damit kann der Schuldner sein Vermögen im Eröffnungsverfahren weiter verwalten und darüber verfügen. Im Eröffnungsverfahren wird lediglich die sog. Selbstverwaltungsorganisation der Insolvenzverwalter,1071 nicht aber der Insolvenzverwalter über Zeit und Ort der Gerichtsverhandlung informiert, in der die Begründung der Forderungen des Antragsstellers geprüft wird.

3.

Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens

Als Ergebnis der Prüfung der Begründetheit der Forderungen des Antragstellers gegen den Schuldner erlässt das Wirtschaftsgericht einen von drei möglichen Beschlüssen (Art. 48 Pkt. 3 InsG): Entweder erkennt es die Forderungen des Antragstellers als begründet an und ordnet das Beobachtungsverfahren an, oder es lehnt die Anordnung des Beobachtungsverfahrens ab und belässt den Antrag ohne Prüfung oder es lehnt die Anordnung des Beobachtungsverfahrens ab und beendet das 1067 Siehe bezüglich des Wirtschaftsprozesses Jarkov/Jarkov, Wirtschaftsprozess, S. 206 ff. sowie die rechtsvergleichende Untersuchung der Besonderheiten der vorläufigen Sicherungsmaßnahme nach deutschem und russischem Zivilprozessrecht – Stanke, S. 1 ff. 1068 Kritisch dazu siehe Jarkov/Jarkov, WPGB, Art. 91, S. 244. 1069 Dabei kann der Antrag nur auf die Erfüllung bestimmter Sicherungsmaßnahmen (Art. 42 Pkt. 7, 46 russ. InsG), nicht aber auf den Erlass von Maßnahmen nach dem Ermessen des Gerichts gerichtet sein. 1070 Er wird in der Regel gleichzeitig mit der Anordnung des Beobachtungsverfahrens ernannt. Im Ausnahmefall kann aber eine solche Bestellung innerhalb von 15 Tagen ab Erlass des Beschlusses über die Anordnung des Beobachtungsverfahrens stattfinden (Art. 49 Pkt. 3 russ. InsG). 1071 Diese Organisation ist gemäß Art. 2 russ. InsG eine nicht kommerzielle Organisation, die auf der Mitgliedschaft aufbaut, von russischen Bürgern gegründet wird, in das einheitliche staatliche Register der Selbstverwaltungsorganisationen der Insolvenzverwalter eingetragen wird und Ziel deren Tätigkeit die Regelung und Sicherstellung der Tätigkeit der Insolvenzverwalter ist. Ausführlich zur Rechtsstellung dieser Organisation siehe Talapina, Pravo i ekonomika, 2003, Nr. 11, S. 8 ff.

193

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Insolvenzverfahren.1072 Unabhängig von der Art der Entscheidung des Wirtschaftsgerichts darf das Insolvenzeröffnungsverfahren nicht länger als 35 Tage ab dem Zeitpunkt der Antragsstellung dauern,1073 worin es sich wesentlich vom deutschen Insolvenzrecht unterscheidet.

B.

Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

Das Stellen des Insolvenzantrages beendet die Sanierungsversuche des Not leidenden Unternehmens nicht. Besonders während der Fortführung des Unternehmens werden der Leiter des Unternehmens oder der Insolvenzverwalter versuchen, fresh money entweder für das gesamte Sanierungsprojekt oder für die Durchführung einzelner Sanierungsmaßnahmen (z.B. für die Bezahlung der Löhne und Gehälter)1074 zu bekommen. Die Sanierung ist aber schwierig, wenn es im Eröffnungsverfahren nicht gelingt, das Unternehmen ohne weitere Unterbrechung weiterzuführen. Die Kreditgewährung allgemein und die Sanierungskreditgewährung insbesondere haben in diesem Verfahrensstadium Besonderheiten, die im Folgenden erläutert werden. Bei der Finanzierung des Not leidenden Unternehmens stellt sich die Bank in diesem Zeitraum generell die Frage, ob der Schuldner überhaupt nach der Bestellung des Insolvenzverwalters einen Kredit erhalten kann. Bei positiver Antwort auf diese Frage hängt die Kreditgewährung in der Regel nicht von der Besicherung des Kredits ab, weil Sicherheiten in der Regel für bestehende Kredite schon gestellt sind, sondern von der Frage, wie die Rückzahlungs- und Zinsansprüche der Bank im eröffneten Insolvenzverfahren qualifiziert werden und welche Aussichten auf Befriedigung die Bank hat, wenn der Schuldner liquidiert wird. Die Antworten auf diese Fragen können nicht nur in beiden Rechtsordnungen, sondern innerhalb jeder Rechtsordnung je nach Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens unterschiedlich sein: Entweder nach Insolvenzantragstellung und bis zum Erlass der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen im deutschen Recht bzw. bis zur Annahme des Insolvenzantrages im russischen Recht oder ab diesem Zeitpunkt bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens. Deshalb werden diese Fragen im Folgenden rechtsvergleichend im russischen und deutschen Recht für diese beiden Zeiträume des Verfahrens voneinander getrennt betrachtet.

1072 Näher zum Inhalt dieser Alternativen siehe Teljukina, InsG, Art. 48, S. 150. 1073 Art. 42 Pkt. 6 Abs. 2 russ. InsG. Diese Frist setzt sich aus zwei Fristen zusammen: In einer fünftägigen Frist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung hat das Gericht einen Beschluss über die Zulässigkeit des Insolvenzantrages zu fassen und danach innerhalb einer maximal dreißigtägigen Frist die Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu treffen. 1074 Zur Problematik der Vorfinanzierung des Insolvenzgeldes im deutschen Recht siehe ausführlich Fuchs/Preis, § 56 I, Niesel/Roeder, SGB III, §§ 183 ff. Rn. 1 ff.; Braun/Wierzioch, ZIP 2003, S. 2001 ff.

194

B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

I.

(Sanierungs-)Kredite nach Insolvenzantragstellung und bis zur Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen bzw. bis zum Erlass des Beschlusses über die Annahme des Insolvenzantrages

Nach Stellen des Insolvenzantrages bleibt der Schuldner bis zur Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen bzw. bis zum Erlass des Beschlusses über die Annahme des Insolvenzantrages sowohl im russischen als auch im deutschen Recht verfügungsberechtigt. In diesem Fall ist es denkbar, dass er sowohl die alten vorhandenen Kredite benutzt als auch neue Kredite zu bekommen versucht. Diese Alternativen werden im Folgenden näher betrachtet.

1.

Deutsches Recht

a)

Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Kredite

Mit Stellen des Insolvenzantrages werden die bestehenden Kreditverträge des Schuldners nicht beendet. Vielmehr hat das Stellen dieses Antrages grundsätzlich keine Auswirkung auf die laufenden Verträge.1075 Ob die Kreditverträge weiter laufen und der Schuldner ggf. zusätzliche Mittel erhält, hängt davon ab, wie die Ansprüche der Bank aus dem Kreditvertrag im eröffneten Insolvenzverfahren bewertet werden. Die unbesicherten Forderungen der Bank auf Rückerstattung der schon vor der Insolvenzantragsstellung zur Verfügung gestellten Geldmittel werden als einfache Insolvenzforderungen qualifiziert. Die nach Stellen des Insolvenzantrages gewährten unbesicherten Kredite und bezahlten Zinsen werden ebenso als Insolvenzforderungen bewertet. Diese Lage schafft für die Banken wenige Anreize, die bestehenden Kreditverträge in diesem Zeitraum fortzuführen. Die automatische Fortführung der bestehenden Kreditverhältnisse bedeutet aber nicht, dass sie nicht gekündigt werden können. Diese Möglichkeit folgt aus dem Umstand, dass sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners wesentlich verschlechtert hat. Sie setzt voraus, dass die Vermögensverschlechterung des Kreditnehmers bzw. Sicherungsgebers die Rückerstattung bzw. Bestimmung des Gerichts gefährden oder bedrohen wird.1076 Die Stellung des Insolvenzantrages wird von der Rechtsprechung und Lehre als ausreichender Grund für die Kündigung der nicht zweckgebundenen, „normalen“ Kredite angesehen.1077

1075 Stahmer, S. 120. 1076 Zum Kündigungsrecht des Darlehensgebers siehe ausführlich Dritter Teil. Erster Abschnitt. C. I. Dieser Arbeit. Dabei spielt in diesem Fall § 119 InsO („Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen“) keine Rolle. 1077 BGH WM 1985, S. 1493 (dazu WuB I A – Nr. 17 AGB Banken 1.86 Obermüller); WM 1991, S. 402; Wittig, DB 1999, S. 198. Die außerordentliche Kündigung der ausreichend besicherten Kredite nach dem Stellen des Insolvenzantrages nicht entgegensteht. – Sonnenhol, WM 2002, S. 1265; Sonnenhol, WM 2002, S. 1265 unter Verweis u.a. auf Begründign zum Fraktionsentwurf des SMG, BT-Drs. 14/6040, S. 254; Baumbach/Hopt, HGB, GeBankGesch, Rn. G 19. A.A. Jauering/Mensel, BGB, § 490, Rn. 5; PWW/Kessal-Wulf, BGB, § 490, Rn. 2 (allgemein zum Kreditrecht).

195

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Bei der Kündigung der Sanierungsverträge gibt es aber die Besonderheiten, die mit den Beschränkungen des Kündigungsrechts der Bank verbunden sind. Für die vorliegende Untersuchung liegen die Konsequenzen darin, dass die Bank wegen des Verbots der Kündigung zur Unzeit nicht handeln und während einer Erfolg versprechenden Sanierungsphase den Kreditvertrag nicht kündigen darf,1078 obwohl Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt wurde. Andernfalls könnte der Schuldner Schadenersatz von der Bank verlangen. Dies bedeutet, dass ein seriöser Sanierungsversuch des Not leidenden Unternehmens, in dessen Rahmen ein Sanierungskredit gewährt wird, nach Stellen des Insolvenzantrages nicht gestört werden darf. Die Bank darf nur dann kündigen, wenn die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheint, ein Sanierungsversuch scheitert.1079 b)

Neue (Sanierungs-)Kredite

Die Finanzierung des Schuldners nach Stellen des Insolvenzantrages wird von der InsO nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann das Not leidende Unternehmen Kreditverträge schließen.1080 Es erhält aber nur Kredite, wenn es die notwendigen Sicherheiten bestellt, weil sonst die Forderungen der Bank auf Rückerstattung des Kredits als normale Insolvenzforderungen bewertet werden.1081 Dieser Umstand ist für die Bank wenig erfreulich, weil normale Insolvenzgläubiger im eröffneten Insolvenzverfahren meistens leer ausgehen. Die InsO hat wie die KO, VglO, GesO für den betrachteten Zeitraum keine Anreize für die spätere Rettung des Unternehmens durch das Gewähren von (Sanierungs-)Krediten geschaffen.1082 Zur Rechtfertigung dieser Rechtslage de lege ferenda ist hervorzuheben, dass im deutschen Recht keine andere Alternative denkbar ist, weil frühestens mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters die Möglichkeit besteht, Masseforderungen zu begründen. Vor seiner Bestellung werden die begründeten Forderungen als Insolvenzforderungen behandelt. Die Begründung der Masseverbindlichkeiten durch den Schuldner aufgrund der Tatsache, dass Insolvenzantrag gestellt ist, ist in der InsO nicht vorgesehen. Deswegen ist es für Unternehmen im Zeitraum zwischen Stellung des Insolvenzantrages bis zur Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen schwer, nicht nur neue Sanierungs-, sondern auch neue „einfache“ Kredite zu bekommen.

1078 OLG Hamm ZIP 1985, S. 1387 (dazu EWiR 1991, S. 541 (Brink)); Weisemann/Smid/Spieker/Nisters, Hb UnternIns, Kapitel 13, Rn. 128; Ebbing, KTS 1996, S. 354 ff. 1079 BGH WM 2004, S. 2200; 2004, S. 1676; OLG Hamm WM 1991, S. 402. 1080 Obermüller, Rn. 5.200; Wittig, DB 1999, S. 198. 1081 In der Regel stellt in diesem Zeitraum die Bestellung der Sicherheiten ein Bargeschäft (d.h. einen unmittelbaren und gleichwertigen Gegenleistungsaustausch) dar, das gemäß § 142 InsO nicht anfechtbar ist. Eine Ausnahme kann sich aber in dem Fall ergeben, dass die Tatbestandsmerkmale des § 133 Abs. 1 InsO („vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung“) vorhanden sind. Das ist der Fall, wenn ein Schuldner unter dem Druck des Kreditgebers Sicherheiten in einem Umfang gewährt, deren Wert „in keinem vernünftigen Verhältnis zu der Höhe des Kredits steht oder die auch Altverbindlichkeiten abdecken sollen“. – Obermüller, Rn. 5.200. 1082 Zur Rechtslage nach altem deutschem Insolvenzrecht siehe Kämpfer, S. 26 ff.

196

B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

2.

Russisches Recht

Die Besonderheit des Zeitraums nach dem Stellen des Insolvenzantrages bis zu seiner Annahme im russischen Insolvenzrecht besteht darin, dass er gemäß Art. 42 Pkt. 2 russ. InsG nicht länger als fünf Tage dauert. Wenn es in diesem Zeitraum um die Finanzierung des Schuldners geht, hat man im russischen Recht zwischen Möglichkeiten, die bestehenden (Sanierungs-)Kredite zu benutzen und neue (Sanierungs-)Kredite in Anspruch zu nehmen, zu unterscheiden. a)

Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Kredite

Das Stellen des Insolvenzantrages beendet im russischen Recht ebenso wie im deutschen Recht die bestehenden Kreditverträge nicht. Vielmehr kann der Schuldner sie weiter benutzen. Die (Sanierungs-)Kredite, die in diesem Zeitraum angenommen werden, wenn sie nicht besichert sind, werden aber als Insolvenzforderungen dritten Ranges betrachtet genau so wie unbesicherte Kredite, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vergeben wurden. Diese Rechtslage schafft keine Anreize für den Kreditgeber für ein weiteres Zuverfügungstellen von noch nicht ausgezahlten Krediten oder der Verlangung der Zinszahlungen für die gewährten aber noch nicht fälligen Krediten. Die nicht zweckgebundenen, „einfachen“ Kredite können in diesem Zeitraum gekündigt werden. Für nicht in vollem Umfang valutierte Kredite folgt dies aus Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB; für vollständig valutierte Kredite dagegen aus Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB. Darf das Kreditinstitut dann als Verhandlungsalternative die bestehenden Sanierungskredite beenden? In Russland gibt es weder Rechtsprechung noch Schrifttum über die Kündbarkeit von Sanierungskrediten im Zeitraum nach dem Stellen des Insolvenzantrages. Wegen des zweckgebundenen Charakters des Sanierungskredits als Problemkredit und der Möglichkeit der Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners nach dem Abschluss des Sanierungskreditvertrages ist davon auszugehen, dass diese Verträge nicht gekündigt werden können, solange das Not leidende Unternehmen Sanierungsmaßnahmen gemäß eines Sanierungsplans durchführt. Nur bei einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners, die die Realisierung des Sanierungskonzepts bzw. Sanierungszwecks aussichtslos macht,1083 darf die Bank die Kreditverträge gemäß Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB kündigen, wenn die Kreditvaluta nicht in vollem Umfang zur Verfügung gestellt wurde, oder gemäß Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB über den Gerichtsweg beenden, wenn die Bank die Pflicht zur Zuverfügungstellung der Geldmittel vollständig erfüllt hat. Damit verdrängt der Sanierungszweck des Kreditvertrages den Umstand der Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners durch das Stellen des Insolvenzantrages. Diese Lösung des russischen Rechts vor dem Hintergrund der Kurzfristigkeit des Zeitraums seit der Stellung des Insolvenzantrages bis zur seiner 1083 Unter Umständen kann der Kreditgeber unter den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach Art. 10 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB geraten.

197

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Annahme scheint hier sinnvoll zu sein, um den Not leidenden Unternehmen eine Sanierungschance zu geben. b)

Neue (Sanierungs-)Kredite

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Schuldner in diesem Zeitraum neue Kreditverträge schließt und neue (Sanierungs-)Kredite erhält. Wenn die Kredite ohne Sicherheiten zur Verfügung gestellt werden, werden sie als normale Insolvenzforderungen dritten Rangs betrachtet. Das ist nicht ausreichend für die vollständige Befriedigung bei der Masseverteilung und stellt keinen Anreiz für die Gewährung des Kredits dar. Dafür sind auch keine Besonderheiten vorgesehen. Wenn die Kreditverträge während des Eröffnungsverfahrens geschlossen und die Kredite ausgezahlt werden, dann werden die Rückerstattungsansprüche aus diesen Verträgen als normale Insolvenzforderungen dritten Rangs qualifiziert. Dieser Umstand bedeutet, dass es in diesem Zeitraum vor dem Hintergrund der Ungewissheit der Zukunft des Unternehmens und der Kurzfristigkeit dieses Zeitraums (maximal 5 Tage) für die Bank wirtschaftlich nicht vernünftig ist, neue unbesicherte Sanierungskredite zu gewähren.

II.

(Sanierungs-)Kredite im Zeitraum zwischen der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

1.

Deutsches Recht

Der Umstand, dass ein einmal stillgelegtes Unternehmen nur in Ausnahmefällen sanierungsfähig ist,1084 kann für den vorläufigen Insolvenzverwalter nur bedeuten, dass er alle möglichen Finanzierungsformen der Unternehmensfortführung versucht. Für die potentiellen Gläubiger des Unternehmens ist wichtig, wie die Gegenleistungsansprüche zu aus in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen bewertet werden. Nur die Qualifizierung dieser Leistungen als Masseleistungen kann die Betriebsfortführung retten. Der mit der Betriebsfortführung beauftragte vorläufige Insolvenzverwalter darf das Unternehmen nur dann stilllegen, wenn eine Betriebsfortführung zur Verminderung des Vermögens führen wird.1085 Eine Schwierigkeit besteht aber dann, wenn das Gericht den Insolvenzverwalter zur Fortführung des Unternehmens verpflichtet, ohne gleichzeitig ein allgemeines Verfügungsverbot zu erlassen. In diesem Fall muss der Insolvenzverwalter unterschiedliche Verträge abschließen, um das Unternehmen fortzuführen. Das geht weit über die einfache Sicherung des Schuldnervermögens hinaus.1086 Die „aktive“ Unternehmensfortführung wird, ohne gleichzeitigen Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots, damit stark erschwert. Im Folgenden werden die Fragen der Besonderheiten der Annahme neuer Kredite sowie die Möglichkeit bestehende Sanierungskredite zu nutzen näher analysiert. 1084 Kautzsch, S. 41; Fink, Rn. 303. 1085 SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 153; Wittig, DB 1999, S. 198; Willensiek, WM 1999, S. 407. Kritisch zur Fortführungspflicht des vorläufigen Insolvenzverwalters Kautzsch, S. 41 ff. 1086 Pohlmann, Rn. 319; Kautzsch, S. 42; Bähr, ZIP 1998, S. 1553.

198

B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

a)

Neue (Sanierungs-)Kredite

Bei der Betrachtung der Vergabe neuer Kredite sieht die Rechtslage nach geltendem Recht wesentlich anders aus als im Zeitraum vor Inkrafttreten der InsO. aa)

Rechtslage nach KO, VglO und GesO

Die Frage, wie die neu gewährten Kredite qualifiziert wurden, hing im alten deutschen Insolvenzrecht davon ab, in welcher Art des Insolvenzverfahrens (Konkursoder Vergleichsverfahren) sie vergeben wurden. Nur im Vergleichsverfahren waren solche Kredite privilegiert: Dies wurde von der Rechtsprechung und Literatur nicht aus den Vorschriften der VglO über das Vergleichseröffnungsverfahren, sondern aus § 106 VglO hergeleitet: Kredite, die im Vergleichsantragsverfahren mit der Zustimmung des vorläufigen Vergleichsverwalters angenommen wurden, waren beim Scheitern des Vergleichs im Anschlusskonkurs als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO und nicht als normale Konkursforderungen zu qualifizieren.1087 Wenn aber der Vergleich gelang, waren diese Forderungen nicht auf die Quote herabgesetzt, d.h. das Kreditinstitut konnte sein Geld nicht im Quotenanteil, sondern in vollem Umfang zurückfordern.1088 Im Konkurs- bzw. Gesamtvollstreckungsverfahren zählte die Frage der Qualifizierung der neu gewährten Kredite, die unter der Mitwirkung eines Sequesters angenommen wurden, zu den Diskussionsfragen1089: Nach einer Auffassung, die breite Zustimmung im Schrifttum und begrenzte in der Rechtsprechung gefunden hat,1090 waren diese Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten zu qualifizieren. Ihre Argumente waren unterschiedlicher Natur. Die einen verwiesen auf § 59 Abs. 1 und Abs. 2 KO,1091 andere sprachen sich für eine analoge Anwendung des § 224 Abs. 1 Nr. 5 KO1092 oder „doppelte Analogie“ zu § 106 VglO aus.1093

1087 BGHZ 32, S. 268; BGH WM 1981, S. 6; Kilger/Schmidt, VglO, § 106, Rn. 1; Uhlenbruck, S. 61 m.w.N.; Wittig, DB 1999, S. 199. 1088 Kredite, die im Zeitraum zwischen Bestätigung und Aufhebung des Vergleichs (sog. Nachverfahren) gewährt wurden, wurden nach § 106 VglO nicht privilegiert. Wenn aber die Vergleichserfüllung scheiterte und es im Nachverfahren zum Konkurs kam, so wurde der Rückerstattungsanspruch der Bank als einfache Konkursforderung qualifiziert. – Uhlenbruck, S. 60 f. 1089 Diese Frage beruhte darauf, dass die KO die Rechtsstellung des Sequesters im Unterschied zur InsO nicht geregelt hat. 1090 OLG Stuttgart ZIP 1981, S. 252; LG Hamburg KTS 1985, S. 575 f.; Kilger, ZIP 1988, S. 410; Castendieck, KTS 1978, S. 16; Gerhardt, ZIP 1982, S. 1; Wessel, BB 1982, S. 1579; Eickmann, ZIP 1984, S. 731; Uhlenbruck, KTS 1982, S. 209. 1091 Urban, MDR 1982, S. 443. 1092 Kilger, S. 211; Gerhardt, ZIP 1982, S. 8; Balz, EWiR 1987, S. 1229; Eickman, ZIP 1984, S. 731; Uhlenbruck, KTS 1982, S. 209; Häsemeyer, S. 150. Sie verweisen auf eine mögliche analoge Anwendung der Vorschriften über den Nachlasspfleger und den Testamentsvollstrecker, deren Verbindlichkeiten Masseschulden waren. Weil der Sequester wie auch Testamentsvollstrecker und Nachlasspfleger die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das jeweils verwaltete Vermögen besaß, sollten diese Vorschriften auch für vom Sequester begründete Verbindlichkeiten gelten. – FG Baden-Würtenberg ZIP 1982, S. 1478; Gerhardt, ZIP 1982, S. 8; Kilger, S. 211. Zu weiteren ablehnenden Argumenten gegen diese Auffassung siehe Fink, S. 185 ff. m.w.N. 1093 LG Hamburg KTS 1985, S. 575, 577; Castendieck, KTS 1978, S. 16; Johlke, EWiR 1987, S. 91 f.; Fink, Rn. 184 (letzterer verweist allein auf die analoge Anwendung von § 106 VglO).

199

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Der überwiegende Teil der Gerichtsentscheidungen und ein Teil des Schrifttums haben die vom Sequester aufgenommenen Kredite im Eröffnungsverfahren nicht als Masseschulden bzw. vorab zu befriedigende Ansprüche (§ 13 Nr. 1 GesO) anerkannt,1094 sondern als normale Konkursforderungen. Weil in diesem Fall solche Konkursgläubiger die Befriedigung nur quotal bekommen konnten, war dies der Grund, während der Sequestration nur besicherte Kredite zu gewähren.1095 bb)

Rechtslage nach InsO

Die InsO bezweckt u.a. die praktische Erleichterung der Kreditaufnahme im Insolvenzeröffnungsverfahren.1096 Ob das Unternehmen neue Kredite bekommt, hängt davon ab, welche Art von Sicherungsmaßnahmen eingeführt wird. Man muss unterscheiden, ob ein Unternehmen seine Tätigkeit allein ohne vorläufigen Insolvenzverwalter ausübt oder ob ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Dies wird im Folgenden ebenso wie die Frage der möglichen Zustimmung zur Annahme neuer Kredite dargestellt. (1)

Kreditverträge, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter bei gleichzeitiger Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes geschlossen werden

Die günstigste Situation für die Finanzierung des Unternehmens besteht, wenn vom Gericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Schuldnervermögen ernannt wird. Dies beruht darauf, dass die von ihm begründeten Verbindlichkeiten, sowohl gesetzliche als auch vertragliche, gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO zu den Masseverbindlichkeiten gehören.1097 Weil solche Darlehen in diesem Fall die Finanzierung der sonstigen Masseverbindlichkeiten bezwecken und aus Handlungen des vorläufigen Insolvenzverwalters entstehen, werden sie in der Praxis als „Massedarlehen“ bzw. „Massekredit“ bezeichnet.1098 Die Notwendigkeit

1094 BGHZ 97, S. 87, 90; 105, S. 230, 243; BGH WM 1995, S. 1368; ZIP 1986, S. 448; OLG Düsseldorf ZIP 1984, S. 728 f.; BFH ZIP 1986, S. 849; Weber/Irschlinger/Wirth, KTS 1980, S. 94; Uhlenbruck, KTS 1990, S. 23; Pape, ZIP 1994, S. 93. Zur GesO – Smid/Smid, GesO, § 2, Rn. 124; Hess/Binz/ Wienberg, GesO, § 2, Rn. 112. 1095 Gottwald/Obermüller, Hb InsR, 1. Aufl., § 86, Rn. 29. Außerdem spielt in der Praxis die Abwicklung der Kreditverträge über das Treuhandkonto des Sequesters eine wesentliche Rolle. – Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 106, Rn. 13m. 1096 Wittig, DB 1999, S. 199 m.w.N., Uhlenbruck, GmbHR 1995, S. 195. 1097 Begr. RegE § 64, BR-Drucks 1/92, S. 126; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 153; Pohlmann, Rn. 320; Uhlenbruck/Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 55, Rn. 80; Smid, § 4, Rn. 31; Obermüller /Hess, InsO, Rn. 1232; Kautzsch, S. 42; Wittig, DB 1999, S. 199. Nach Stahmer (S. 221 f.) kann der Anspruch der Bank auf die Gewährung von Zinsforderungen nur direkt aus § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO als Masseforderungen herleiten, während der Rückzahlungsanspruch der Bank als nur über die analoge Anwendung des Art. 55 Abs. 2 Satz 2 InsO begründbar sei. Das ist mit der Qualifizierung der letzteren nicht als Gegenleistungs- sondern als Rückabwicklungsanspruch der Bank verbunden. 1098 AG Hof NZI 2000, S. 37; Smid, WM 1998, S. 1314; Eidenmüller, S. 863; Obermüller, Rn. 5.278; MüKo/Hefermehl, InsO, § 55, Rn. 221. Im allgemeinen wirtschaftlichen Gebrauch ist eine solche Definition auch gebräuchlich. Siehe z.B. FAZ vom 4.4.2002 („Banken lassen Dornier nicht hängen“); Handelsblatt vom 29.9.2005 („Goldman Sachs kauft „Ihr Platz“).

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B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

und die Zulässigkeit ihrer Aufnahme kann sich aus der Pflicht des Verwalters, das Unternehmen fortzuführen, ergeben. Das muss nicht unbedingt ein Sanierungskredit sein, vielmehr kann man von der Stützung der Einzel- und Gesamtliquidation des Unternehmens sprechen.1099 Die Entscheidung für eine dieser Varianten hängt sowohl von der Sanierungsfähigkeit des Unternehmens als auch von der Initiative der Parteien des Darlehensvertrages ab, die in kurzer Zeit ein seriöses Sanierungskonzept entwickeln sollen, um den Vorwurf der Ausplünderung des Unternehmens sowie eine außervertragliche Haftung zu vermeiden. Eine solche Privilegierung der Darlehen des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Verfügungsbefugnis im Vergleich zu den „einfachen“ Forderungen hat aber begrenzten Charakter, weil sie nicht gegenüber den Absonderungsforderungen gilt. Diese Kredite konkurrieren vor allem auch mit anderen Masseverbindlichkeiten.1100 Wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird, werden die Massegläubiger nach der Reihenfolge des § 209 InsO befriedigt, d.h. zuerst werden die Kosten des Insolvenzverfahrens, dann die Masseverbindlichkeiten, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind, und zuletzt die übrigen Masseverbindlichkeiten (unter ihnen die Rückforderungsansprüche der Banken aus den nach der Stellung des Insolvenzantrages zur Verfügung gestellten (Sanierungs-)Krediten) befriedigt. Die mögliche persönliche Haftung des vorläufigen Insolvenzverwalters nach §§ 21 Abs. 2 Nr. 1, 61 InsO kann auch der kreditierenden Bank praktisch wenig hilfreich sein, weil sie nur greift, wenn der Insolvenzverwalter erkennen konnte, dass das von ihm in Anspruch genommene Darlehen aus der Insolvenzmasse nicht voll würde zurückerstattet werden können. Konnte er dies nicht erkennen, ist er zum Ersatz des Schadens nicht verpflichtet.1101 Da der vorläufige Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis berechtigt ist, Sicherheiten zu bestellen,1102 ist der ideale Ausweg für die kreditgewährende Bank, einen gesicherten Kredit zu gewähren und dann ihre Insolvenzforderungen im eröffneten Insolvenzverfahren als absonderungsberechtigter Gläubiger zu befriedigen. Im eröffneten Insolvenzverfahren können solche etwaigen Sicherheiten nicht angefochten werden, wenn sie ein Bargeschäft (§ 142 InsO) darstellen.1103 Das Problem in diesem Fall besteht darin, dass das Unternehmen in der Regel über keine freien Vermögenswerte verfügt und nur über eine relative Besicherung der Kredite als Masseforderungen die Rückzahlung des Kredits garantieren kann.

1099 Mönning, Rn. 340; Kautzsch, S. 48. 1100 Wittig, DB 1999, S. 199. 1101 Uhlenbruck, FS für Vieregge, S. 891; Wittig, DB 1999, S. 199; Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1236c. 1102 Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 29. 1103 Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 29; Beck/Depre/Zuleger, § 18, Rn. 82; SBL/Häuser, Hb BankR, § 85, Rn. 153 m.w.N.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

(2)

Kreditverträge, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots geschlossen werden

Eine Norm, die ausdrücklich bestimmt, wie von einem vorläufigen Verwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes geschlossene Kreditverträge qualifiziert werden, enthält die InsO nicht. Das entspricht aber nicht der praktischen Realität, in der oft ein solcher Insolvenzverwalter ernannt wird.1104 Nach den allgemeinen Regeln gehört es nicht zum Aufgabenkreis eines solchen vorläufigen Insolvenzverwalters, das Insolvenzgeld vorzufinanzieren und „Abstimmungen“ zur Betriebsfortführung sowie zur übertragenen Sanierung vorzunehmen.1105 Das Gericht kann aber die Fortführung des Unternehmens in den Pflichtenkreis solcher Verwalter aufnehmen. Der Verwalter soll in diesem Fall nur im Einvernehmen mit dem Schuldner handeln. Ob von einem solchen Verwalter begründete Verbindlichkeiten auch als Masseverbindlichkeiten betrachtet werden können, ist in der InsO nicht beantwortet und wird deshalb diskutiert. Nach einer Ansicht, die von der analogen Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO ausgeht, kann ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) in gleicher Weise wie ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit gleichzeitiger Anordnung eines allgemeine Verfügungsverbotes die Masseverbindlichkeiten im Eröffnungsverfahren begründen.1106 Das wird mit damit begründet, dass sowohl bei der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei allgemeinem Verfügungsverbot als auch bei allgemeinem Zustimmungsvorbehalt der vorläufige Insolvenzverwalter die Letztentscheidungsbefugnis bei der Begründung der Verbindlichkeit habe. Deswegen bestehe eine Regelungslücke in § 55 Abs. 2 InsO und der Gesetzgeber habe sich über die dem allgemeinen Verfügungsverbot vergleichbaren Fälle gar keine Gedanken gemacht und die Problematik nicht gesehen.1107 Nach anderer Ansicht kann ein vorläufiger Ermächtigungsverwalter oder vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsbefugnissen gemäß § 55 Abs. 2 InsO keine Masseverbindlichkeiten begründen, sondern lediglich Insolvenzforderungen.1108 Danach scheidet die analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO auf Fälle der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 22 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt InsO) mangels Vorliegens einer Regelungslücke aus. Darüber hinaus hätte mit dieser Privilegierung „der durch den vorläufigen Insolvenzverwalter/Schuldner mit Zustimmung des Verwalters be-

1104 Zu den Gründen siehe Jaeger/Henckel, InsO, § 55, Rn. 85. 1105 LG Hamburg ZInsO 2003, S. 1094 kritisch dazu Frind/Foerster, ZInsO 2004, S. 76 f. 1106 LG Essen NZI 2001, S. 217 (zum Leasingsvertrag); AG Neumünster, ZIP 2002, S. 720 f.; Bork, ZIP 1999, S. 781; ferner Ahrendt/Struck, ZInsO 1999, S. 452 f.; Spliedt, ZIP 2001, S. 1941 ff.; HKEickman, InsO, § 55, Rn. 26. 1107 So Bork, ZIP 1999, S. 785. 1108 BGH ZIP 1997, S. 1551; LG Frankfurt ZInsO 2001, S. 563; OLG Hamm ZIP 2002, S. 676 f. (die letzte Entscheidung lehnt dazu die analoge Anwendung des § 55 Abs. 2 InsO ab); NR/Andres, InsO, § 55, Rn. 129 f.; FK-Schumacher, InsO, § 55, Rn. 32 m.w.N.; Peters-Lange, ZIP 1999, S. 422; Bähr, ZIP 1998, S. 1559; Berscheid, ZInsO 1999, S. 700; Fink, Rn. 324.

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B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

gründete Verbindlichkeiten als Masseschulden dieser bessere Möglichkeiten, als es das Gesetz für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis vorsieht“.1109 Außerdem können wegen der strukturellen Unterschiede in der Tätigkeit des „schwachen“ und des „starken“ Insolvenzverwalters die Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens nicht uneingeschränkt in das Eröffnungsverfahren vorverlagert werden. Selbst das Gericht kann in diesem Fall keine Befugnis einräumen, Kreditgeschäfte als Masseverbindlichkeiten abzuschließen, selbst wenn es den Verwalter zur Kreditaufnahme ermächtigt oder angeordnet hat, dass die Verfügungen des Schuldners nur mit seiner Zustimmung wirksam sein können.1110 Von einer sog. vermittelnden Auffassung, der zuzustimmen ist, geht sowohl die höchstrichterliche Rechtsprechung als auch die Mehrheit in der Literatur aus.1111 Ausgangspunkt ist, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter ohne gleichzeitige Anordnung des allgemeinen Verfügungsverbotes keine Masseverbindlichkeiten begründen kann. In einigen Fällen kann aber das Insolvenzgericht den Schuldner auch ohne begleitendes allgemeines Verfügungsverbot dazu ermächtigen, einzelne, im Voraus genau festgelegte Verpflichtungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse einzugehen, soweit dies für eine ordnungsgemäße Verwaltung nötig ist. Diese Verbindlichkeiten werden als Masseverbindlichkeiten bewertet. Dabei wird eine pauschale Ermächtigung solcher Verwalter dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Rechtsklarheit nicht gerecht.1112 Diese Rechtslage führt dazu, dass der Kreditgeber in der Praxis bei Abschluss des Kreditvertrages mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots in jedem einzelnen Fall prüfen soll, ob ein vorläufiger Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht konkret dazu ermächtigt ist, die Masseforderungen für den Kreditvertrag zu begründen. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist auch für die Begründung der Verbindlichkeiten zum Schadensersatz wegen der Nichterfüllung der Masseverbindlichkeiten nach § 61 Satz 2 InsO verpflichtet,1113 wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Diese Lage schafft sowohl einen Anreiz für die Begründung neuer Verbindlichkeiten im Allgemeinen als auch für die Gewährung von Sanierungskrediten und macht es damit möglich, das Unternehmen für diesen Zeitraum fortzuführen. (3)

Kreditaufnahme durch den Schuldner

Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters liegt im Ermessen des Gerichts. Wenn das Gericht keinen vorläufigen Verwalter bestellt, kann der Schuldner selbst

1109 Peters-Lange, ZIP 1999, S. 422. 1110 Wittig, DB 1999, S. 199 m.w.N. 1111 BGH ZInsO 2002, S. 819 = EWiR § 55 InsO 5/02, S. 919 (Spliedt); OLG Köln ZIP 2001, S. 1422; AG Duisburg, ZIP 2002, S. 1700; Jaeger/Henckel, InsO, § 55, Rn. 88; Kirchhof, ZInsO 2001, S. 1 f.; Smid, DZWiR 2002, S. 444 f.; Pohlmann, Rn. 335 ff.; Drevers-Marlow, S. 162 f.; Pape/Uhlenbruck, Rn. 525; Braun/Bäuerle, InsO, § 55, Rn. 50 f.; Gottwald/Uhlenbruck, Hb InsR, § 14, Rn. 10; Stahmer, S. 122; Hess/Obermüller, InsO, Rn. 1234; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 22, Rn. 92; Prütting/Stickenblock, ZIP 2002, S. 1611; MüKo/Hefermehl, InsO, § 55, Rn. 219. 1112 BGH WM 2002, S. 1888 ff., 1892 m.w.N.; Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1234; Braun/Bäuerle, InsO, § 55, Rn. 51. 1113 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 61, Rn. 18; Meyer, S. 19 ff.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

neue Kredite aufnehmen. Die Rückerstattungsforderungen der Bank werden aber im später eröffneten Insolvenzverfahren als einfache Insolvenzforderungen betrachtet. Wenn aber ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird, hängt die Annahme neuer Kredite vom Umfang seiner Kompetenz ab. Der Schuldner kann die Sicherheiten nur mit seiner Zustimmung stellen.1114 Falls ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnissen bestellt wird, so geht auf ihn die gesamte Verwaltungs- und Verfügungsmacht über. In diesem Fall kann der Schuldner weder Kredite erhalten noch sie zurückerstatten. Auch die Stellung zusätzlicher Sicherheiten von Seiten des Schuldners für die alten Kredite ist dann ausgeschlossen.1115 Der Abschluss aller nach der Bestellung eines solchen Verwalters vorgenommenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen des Schuldners über sein Vermögen, das zur Masse gehört, ist unwirksam.1116 (4)

Zustimmung zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme

Die Höhe der aufgenommenen Kredite im Eröffnungsverfahren wird von der InsO nicht begrenzt. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass im Eröffnungsverfahren der Schuldner oder vorläufige Insolvenzverwalter eher eine kurzfristige als eine langfristige Finanzierung für die Unternehmensfortführung erhalten wird, stellt sich die Frage einer möglichen Zustimmung praktisch nur bei der Annahme von Sanierungskrediten.1117 Die Relevanz dieser Frage ist darauf zurückzuführen, dass mit der Aufnahme von Sanierungskrediten die Masse wesentlich belastet wird. Die Relevanz der Zustimmung der Kreditaufnahme kann aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden und hängt davon ab, welche Person berechtigt ist, die Kredite anzunehmen. Wenn der berechtigte Schuldner den Kredit aufgenommen hat, benötigt er in der Regel keine zusätzliche Zustimmung.1118 Die Frage, ob der vorläufige Insolvenzverwalter selbst eine Zustimmung für die Annahme von Krediten von Gläubigerausschuss, Gläubigerversammlung und Insolvenzgericht benötigt, gehört zu den kontroversen Fragen des Insolvenzeröffnungsverfahrens. Das Problem besteht darin, dass der Insolvenzverwalter für die Aufnahme wesentlich die Masse belastender Darlehen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 160 Abs. 2 Satz 2 InsO eine Zustimmung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht bestellt ist, der Gläubigerversammlung benötigt.1119 Über die Zustimmung im Insolvenzeröffnungsverfahren schweigt der Gesetzgeber der InsO. Bezüglich der Berufung der Gläubigerversammlung bestimmt die InsO in § 74 Abs. 1 Satz 1, dass sie erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen

1114 Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1236e. 1115 Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1236a, der von einem allgemeinen Verfügungsverbot bezüglich der Stellung der Sicherheiten spricht. 1116 Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1236a. 1117 Nach Fink (Rn. 150) wird diese Frage im Insolvenzeröffnungsverfahren selten gestellt. 1118 Eine Ausnahme besteht dann, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt ernannt wird, der vom Gericht solche Befugnisse erhalten hat. 1119 Wegen der Ungewöhnlichkeit der Kreditaufnahme im Konkursverfahren setzte nach § 134 Nr. 2 KO jede Darlehensaufnahme, nicht nur die „wesentliche“ Darlehensaufnahme, die Zustimmung des Gläubigerausschusses voraus. – Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 134, Rn. 6 m.w.N.

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B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

kann. Der InsO ist seine Einberufung im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht zu entnehmen. In der Lehre wird betont, dass die systematische Stellung des § 67 Abs. 1 InsO im dritten Teil der InsO in den Vorschriften über die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dafür spricht, dass die Gläubigerversammlung nur im eröffneten Insolvenzverfahren einberufen werden kann.1120 Damit bedarf der vorläufige Insolvenzverwalter keiner Zustimmung der Gläubigerversammlung für die Annahme der Kredite. Dagegen kann das Insolvenzgericht gemäß § 67 Abs. 1 InsO vor der ersten Gläubigerversammlung einen Gläubigerausschuss einsetzen. Es scheint sinnvoll, dass auch im Eröffnungsverfahren die Einberufung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses zulässig ist, insbesondere in großen Insolvenzverfahren.1121 Wenn er einberufen wird, wird seine Zustimmung für die Annahme der erheblich die Masse belastenden Darlehen im Sinne des § 160 Abs. 2 InsO notwendig.1122 In der Lehre wird ausgeführt, dass die Rolle, welche die Gläubigerversammlung für den Schutz der Gläubigerinteressen im eröffneten Insolvenzverfahren bei der Frage der Fortführung des Unternehmens spielt, im Eröffnungsverfahren dem Insolvenzgericht zukommt (§ 22 Abs. 1 Nr. 2 InsO) und das Insolvenzgericht, nicht aber der vorläufige Gläubigerausschuss seine Zustimmung zur Stilllegung des Unternehmens geben soll.1123 Die Rechtsprechung hat dazu bisher keine Stellung genommen. Die Zustimmung des Insolvenzgerichts für die Annahme der erheblichen Darlehen ist in der Regel überflüssig, weil der Schutz der Gläubiger in unserem Fall durch die Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses erreicht wird. Wenn aber ein solcher nicht einberufen wird, dann soll der vorläufige Insolvenzverwalter bei einer erheblichen Darlehensaufnahme die Zustimmung des Insolvenzgerichts einholen. b)

Alte, bereits bestehende (Sanierungs-)Kredite

Die Rechtslage mit der Fälligkeit der bestehenden (Sanierungs-)Kredite nach dem Erlass vorläufiger Maßnahmen ist ähnlich wie nach Stellen des Insolvenzantrages – sie werden fortgeführt. Eine automatische Beendigung der bestehenden Verträge nach der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen sieht die InsO ausdrücklich nicht vor, weil § 24 InsO für die Wirkung des Verfügungsverbotes weder auf § 41 InsO noch auf § 103 ff. InsO verweist.1124

1120 Kautzsch, S. 50; Pohlmann, Rn. 303 m.w.N.; Fink, Rn. 312; a.A. Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 106, Rn. 13m; Kleiner, S. 58 f. 1121 AG Köln NZI 2000, S. 443 mit Anmerkung von Fuchs; HK-Eickman, InsO, § 67, Rn. 1; MüKo/Gößmann, InsO, § 67, Rn. 2; Smid/Smid, InsO, § 67, Rn. 2; NR/Delhaes, InsO, § 67, Rn. 4; Kübler/Prütting/Kübler, InsO, § 67, Rn. 11. Die Begründung zu § 78 RegE (entspricht zum Teil dem heutigen § 67 InsO), BT-Drs. 12/2443, S. 131 lässt die Einsetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses bei Großinsolvenzen zu. A.A. Pohlmann, Rn. 300 f.; Uhlenbruck, KS, S. 337. 1122 Zu den Kriterien der erheblichen Belassung der Masse siehe Vierter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 2. dieser Arbeit. 1123 Kautzsch, S. 51; Fink, Rn. 318; Pohlmann, Rn. 353 (bezüglich des Falles, dass die Darlehensaufnahme für die Geschäftführung offensichtlich erforderlich sei). Zum alten Recht – Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 106, Rn. 13m; Koch, S. 106. 1124 Jaeger/Henckel, InsO, § 55, Rn. 90; Wittig, DB 1999, S. 198; Obermüller/Hess, InsO, Rn. 1237; Uhlenbruck/Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 55, Rn. 82. Eingehend – Pohlmann, Rn. 487 ff.

205

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Die Qualifizierung der Rückerstattungsansprüche des Kreditgebers aus dem Kreditvertrag, die im analysierten Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens entstanden sind, hängt von der Art der angeordneten vorläufigen Sicherungsmaßnahmen ab: Wenn der Schuldner verfügungsbefugt bleibt, was eine absolute Ausnahme darstellt, werden von ihm in Anspruch genommene Kredite als Insolvenzforderungen betrachtet. In der Regel wird aber ein vorläufiger Insolvenzverwalter ernannt. § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO lässt zu, dass die Verbindlichkeiten aus einem Dauerschuldverhältnis, zu dem der vorläufige Insolvenzverwalter die Gegenleistung in Anspruch genommnen hat, als Masseverbindlichkeiten qualifiziert werden.1125 Die Dauerschuldverhältnisse werden dabei im weiteren Sinne verstanden. Darunter fallen nicht nur Miet- und Pachtverhältnisse, sondern u.a. auch die Darlehensverträge.1126 Dabei werden die Leistungen der Bank nur in dem Umfang umqualifiziert, in dem sie in die Masse fließen sollen1127 oder in welchem der vorläufige Insolvenzverwalter mit entsprechender Kompetenz1128 die Gegenleistung für das Schuldnervermögen in Anspruch nimmt (sog. „striktes Äquivalenzprinzip“).1129 Das betrifft sowohl die Möglichkeit der Nutzung der schon gestellten Darlehensvaluta (d.h. die Kreditzinsen) als auch die Pflicht diese Valuta zurückzuerstatten (d.h. die Rückerstattungsforderungen).1130 Der Ausgangspunkt bei der Frage der Kündbarkeit der Sanierungskreditverträge besteht darin, dass diese Verträge nicht kündbar sind, solange die Sanierungsmaßnahmen erwartungsgemäß verlaufen1131, keine wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage des Schuldners vorhanden ist bzw. droht. Die InsO enthält kein Kündigungsverbot für den Kreditgeber für diesen Zeitraum. Es stellt sich die Frage, ob allein die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen einen Grund für die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen darstellt.1132 Die InsO sieht keine Privilegierung der Liquidation vor der Sanierung vor. Beide werden gemäß § 1 Satz 1 InsO vielmehr gleichgestellt. Deswegen kann man allgemein nicht beurteilen, ob allein die Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaß1125 In diesem Fall handelt es sich nicht um jeden vorläufigen Insolvenzverwalter, sondern nur um denjenigen, der nach dem Wortlaut des Art. 55 Abs. 2 Satz 1 InsO die Verbindlichkeiten begründen kann. Nach Ansicht von Hefermehl (MüKo/Hefermehl, InsO, § 55, Rn. 222) werden „die Ansprüche der Vertragspartner aus Dauerschuldverhältnissen ebenso behandelt, wenn der Verwalter sie selbst durch Neuabschluss begründet hätte“. 1126 Uhlenbruck/Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 55, Rn. 83. 1127 So Smid/Smid, InsO, § 55, Rn. 44 (ausschließlich zu Miet- und Pachtzinsen). 1128 Ausführlich dazu siehe Pkt. II 1 a) dieses Abschnittes der Arbeit. 1129 OLG Hamm, ZIP 2002, S. 676; Uhlenbruck/Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 55, Rn. 83; Kübler/ Prütting/Prütting, InsO, § 55, Rn. 69; Jaeger/Henckel, InsO, § 55, Rn. 90 und 93; NR/Andres, InsO, § 55, Rn. 129. 1130 Nach Stahmer (S. 309) sind die Zinsansprüchen der Bank aus der voll vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgezahlten Kreditverträgen als Masseverbindlichkeiten zu bewerten, wenn sie von einem verfügungsbefügten vorläufigen Insolvenzverwalter nach § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO in Anspruch genommen werden. 1131 DKB/Hoffmann, Hb BankR, § 15, Rn. 40 (zur Rechtslage bei Kündigung der Sanierungskrediten allgemein). 1132 So aber Obermüller, ZInsO 2002, S. 102; Wittig, DB 1999, S. 198 (die beiden in Bezug auf die Kreditverträge allgemein).

206

B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

nahmen die wirtschaftliche Lage des Schuldners gefährdet. Eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Kreditnehmers droht, aber ihr Rahmen ist nicht kalkulierbar, weil das Verfahren entweder in ein Sanierungs- oder ein Liquidationsverfahren münden kann. Deswegen darf allein die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen nicht pauschal als wesentliche Verschlechterung der Vermögenslage, die die Sanierung des Schuldners aussichtslos macht, angesehen werden. c)

Behandlung von Sanierungskrediten der Gesellschafter

Die Frage der Finanzierung des Unternehmens seitens der Gesellschafter hängt stark davon ab, wie ihre Kredite qualifiziert werden. Oft sind Sanierungskredite von ihnen ultima ratio für die Sanierung des Unternehmens. Ob sie als kapitalersetzende Darlehen im Sinne des § 32a GmbHG behandelt werden oder nicht, hängt von der Art der Sicherungsmaßnahmen ab. Wenn kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird und allein der Schuldner verfügungsbefugt bleibt, dann werden diese Mittel als kapitalersetzende i.S. des § 32a GmbHG betrachtet. Dies beruht darauf, dass der Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens als „Krise“ des Unternehmens i.S. des § 32a GmbHG anzusehen ist. Die weiteren Voraussetzungen (Gesellschafter als Kreditgeber und vorhandene Kreditgewährung) sind ebenfalls erfüllt. In diesem Fall werden die Forderungen der Gesellschafter als nachrangige Forderungen (§ 39 Abs. 1 Ziff. 5 InsO) betrachtet. Anders ist aber die Rechtslage, wenn ein kleinbeteiligter Gesellschafter i.S. des § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG, der gleichzeitig kein Geschäftsführer der Gesellschaft ist, einen Kredit gewährt oder wenn es sich um einem Sanierungskredit handelt, der im Rahmen eines Erwerbs bestehender Gesellschaftsanteile entweder von einem Gesellschafter, der weniger als 10 % Gesellschaftsanteil besitzt und kein Geschäftsführer ist, oder von einem Dritten gewährt wird. Derartige Kredite fallen nicht unter § 32a Abs. 1 GmbHG und werden wie im Vorfeld der Insolvenzantragsstellung privilegiert und im eröffneten Insolvenzverfahren entweder als einfache Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO oder, wenn sie entsprechend besichert sind, als Forderungen absonderungsberechtigter Gläubiger betrachtet. Wesentlich anders sieht die Ausgangslage aus, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Wenn ein befugter Insolvenzverwalter i.S. des § 55 Abs. 2 Satz 1 InsO solche Darlehen aufnimmt, werden sie nicht als nachrangige Insolvenzforderung oder „einfache“ Insolvenzforderung, sondern als Masseforderung nach § 55 Abs. 2 InsO qualifiziert und damit nicht als kapitalersetzendes Darlehen behandelt.1133 Dabei wird als Argument darauf verwiesen, dass es sich um einfache Überbrückungsdarlehen handele, welche eine Funktion der Zwischenfinanzierung bis zur endgültigen Entscheidung der Gläubigerversammlung über die bestmögliche Verwertungsform des schuldnerischen Unternehmens haben und dann mit einer

1133 Fink, Rn. 323; Bork, Rn. 373; Haas, DZWiR 1999, S. 182; Koppensteiner, AG 1998, S. 317; Michalski/Heidinger, InsO, § 32a, Rn. 75; Noack, FS Claussen, S. 315; v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.155 (erwähnt aber nur starke vorläufige Insolvenzverwalter gemäß § 55 Abs. 2 InsO).

207

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

solchen Finanzierung keine langfristigen Sanierungszwecke verfolgt würden.1134 Deswegen hätten diese Überbrückungskredite, anders als Sanierungskredite, nicht die Bedeutung eines kapitalersetzenden Darlehens.1135 Außerdem wird darauf verwiesen, dass in diesem Fall die sog. Finanzierungsfolgeverantwortung der Gesellschafter fehle und sie keinen unternehmerischen Einfluss haben.1136

2.

Russisches Recht

Eine Pflicht des Schuldners zur Fortführung des Unternehmens ist im Insolvenzeröffnungsverfahren nach russischem Recht im Unterschied zur InsO nicht vorgesehen. Diese Entscheidung bleibt vielmehr dem Belieben des Schuldners überlassen. Der Schuldner soll die Nachteile und Vorteile einer solchen Fortführung selbst abwägen. Nur die Tilgung aller Schulden, u.a. durch einen gewährten Kredit mit gleichzeitigem Zurverfügungstellen der entsprechenden Dokumente gegenüber dem Wirtschaftsgericht kann zur Beendigung des Insolvenzeröffnungsverfahrens führen. Das ist darauf zurückzuführen, dass nach russischem Recht nur die Zahlungsunfähigkeit, nicht aber die Überschuldung einen Insolvenzeröffnungsgrund gegen juristische Personen darstellt.1137 Sogar die teilweise Erfüllung der Forderungen des Konkursgläubigers oder des bevollmächtigten Organs stellt einen Grund für die Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Wirtschaftsgericht dar, wenn die verbleibende Summe der nicht erfüllten Forderungen niedriger ist als die minimal zulässige Höhe der Verschuldung, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausreicht.1138 Deswegen kann jede Finanzierung, sogar eine kurzfristige, einen rechnerischen Sanierungseffekt im Sinne des InsG haben, wenn sie die Forderungen des Gläubigers, der Insolvenzantrag gestellt hat, bis unter die Grenze der Zahlungsunfähigkeit, die in Art. 7 russ. InsG bestimmt ist, tilgt. Dieser Kredit stellt aber keinen wirklichen Sanierungskredit im Sinne dieser Arbeit dar, weil er die Zahlungsfähigkeit (d.h. rein technisch nach russischem Recht) nur kurzfristig wiederherstellt. Der Schuldner ist immer noch überschuldet. Sogar wenn er mit Hilfe dieses „unechten“ Sanierungskredits gegenüber den Personen, die den Insolvenzantrag gestellt haben, seine Verpflichtungen erfüllt und formell nach den Maßstäben des russ. InsG die Kriterien für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Bezug auf die Gläubiger, die den Insolvenzantrag gestellt haben, nicht mehr erfüllt, bedeutet dies nicht die langfristige Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit. Sol-

1134 Fink, Rn. 322. Nach seiner Ansicht ist ein „Darlehen im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht geeignet, kapitalersetzenden Charakter zu entwickeln“. 1135 Fink, a.a.O. 1136 Haas, DZWiR 1999, S. 182 (in den Beispielen zu dieser These gibt er aber nur Beispiele mit einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis). 1137 Ausführlich dazu siehe Erster Teil. A. III. 2. a). dieser Monographie. 1138 Diese Schlussfolgerung folgt auch aus Art. 48 Pkt. 3 Abs. 4 russ. InsG, wonach der Beschluss über die Ablehnung der Anordnung der Beobachtung und über das Belassen des Antrags ohne Prüfung erlassen wird, wenn u.a. das Fehlen nur einer der in Art. 33 Punkt 2 dieses Gesetzes aufgestellten Bedingungen festgestellt wurde, und wenn der Antrag eines anderen Gläubigers vorliegt.

208

B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

che Kredite werden auch als Überbrückungskredite bezeichnet, weil sie lediglich die kurzfristige Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherstellen und auf die Lösung kurzfristiger Liquiditätsprobleme ausgerichtet sind. Wie im deutschen Recht sind zwei Alternativen zu unterscheiden: einerseits ob die Möglichkeit besteht, schon bestehende Kredite zu benutzen, und anderseits ob die Möglichkeit, neue Kredite aufzunehmen, vorhanden ist. Ferner spricht die Frage einer möglichen Zustimmung des Kontrollorgans für die Aufnahme der Kredite eine bedeutende Rolle. a)

Alte, bereits bestehende (Sanierungs-)Kredite

Die Annahme des Insolvenzantrages hat keine Auswirkungen auf bestehende Dauerschuldverhältnisse. Das Insolvenzgesetz sieht ebenso im Insolvenzeröffnungsverfahren für den Zeitraum nach Annahme des Insolvenzantrages keine automatische Fälligkeit der Verpflichtungen der Parteien vor. Die bestehenden Verträge (u.a. auch die Kreditverträge) können fortgeführt werden. Die Qualifizierung der in dem Zeitpunkt fälligen Forderungen der Bank aus den bestehenden (Sanierungs-)Kreditverträgen unterscheidet sich in erster Linie je nach dem, ob sie besichert sind oder nicht. Während die mit einem Pfand besicherten Forderungen als Forderungen Pfandgläubigern qualifiziert werden, werden die Forderungen aus unbesicherten (Sanierungs-)verträgen als Insolvenzforderungen dritten Ranges qualifiziert. Für die Qualifizierung der in diesem Zeitpunkt des Eröffnungsverfahrens fällig gewordenen unbesicherten (Sanierungs-)Kredite als Masseforderungen fehlen die notwendigen Voraussetzungen des Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG: Erstens entsteht die Verpflichtung der Bank,1139 eine bestimmte Geldsumme zur Verfügung zu stellen, vor der Annahme des Insolvenzantrages. Zweitens fallen gemäß der zweiten Alternative des Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG unter die laufenden Forderungen die Verpflichtungen der Gläubiger, deren Forderungen erst nach der Anordnung der jeweiligen Stufen des Insolvenzverfahrens fällig sind. Der Katalog der Stufen des Insolvenzverfahrens ist im Art. 27 russ. InsG enthalten und erwähnt das Eröffnungsverfahren nicht als eine Stufe des Insolvenzverfahrens. Die Kommentarliteratur ist auch der wörtlichen Auslegung des Art. 27 russ. InsG treu geblieben.1140 Deswegen kann das Eröffnungsverfahren nicht zu den Stufen des Insolvenzverfahrens im Sinne des russ. InsG gezählt werden und sowohl die ausgezahlten und in dem Zeitraum fälligen Kredite als auch fällige Verbindlichkeiten sind nicht als laufende Forderungen zu qualifizieren.

1139 Was unter der „Entstehung der Verpflichtungen der Bank“ i.S. des Art. 5 russ. InsG zu verstehen ist, wird weder im russ. InsG, noch in der Rechtsprechung und Insolvenzrechtsschrifttum erklärt. Nach meiner Ansicht sollte darunter in Bezug auf die Kreditverträge der Zeitpunkt seines Abschlusses verstanden werden, d.h. der Zugang des Akzepts bei demjenigen, der die Offerte erklärt hat (Art. 433 Pkt. 1 russ. ZGB). Näher dazu im Bezug auf den Kreditvertrag siehe Zweiter Teil – B. 2. dieser Monographie. 1140 Z.B. Teljukina, InsG, Art. 27, S. 105 f.; Popondopulo/Popondopulo, InsG, Art. 27, S. 68; Vitrjanskij/Vitrjanskij, InsG, Art. 27, S. 209; Zalesskij/Andreev, InsG, Art. 27, S. 89 (die beiden letztgenannten Kommentare sprechen von einer „geschlossenen Aufzählung“ der Arten der Insolvenzprozeduren).

209

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Anders sieht die Rechtslage bei den im analysierten Zeitraum des Eröffnungsverfahrens gewährten Krediten aus, die erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig werden. Sie sollen als Masseforderungen angesehen werden. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass das Insolvenzgesetz für die Bank wenige Anreize für die Fortführung der Dauerschuldverhältnisse in diesem Zeitraum vorgesehen hat, steht die Bank vor der Frage der Zulässigkeit der Kündigung der bestehenden Sanierungskreditverträge. Der Ausgangspunkt besteht darin, dass die Sanierungskredite nicht kündbar sind solange das Sanierungskonzept erwartungsgemäß verläuft. Außerdem können diese Kredite gekündigt werden, wenn der Schuldner den (Sanierungs-)Kredit unzweckmäßig verwendet hat (Art. 821 Pkt. 3 russ. ZGB kündigen).1141 Allein die Annahme des Insolvenzantrages stellt aber keinen ausreichenden Grund für die ordentliche Kündigung der bestehenden Sanierungskreditverträge dar. Das ist darauf zurückzuführen, dass im Fall der Sanierungskreditgewährung die Bank von Anfang an von einer schwierigen wirtschaftlichen Lage des Schuldners ausgeht. Nur wichtige Gründe können einen ausreichenden Kündigungsgrund darstellen. Die Qualifizierung der unbesicherten Forderungen als Insolvenzforderungen spricht für die Möglichkeit, den Kreditvertrag wegen des Eintritts von Umständen zu kündigen, die offensichtlich Anzeichen dafür sind, dass der Kreditbetrag nicht rechtzeitig rückerstattet wird (Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB). Dieser Umstand zeigt die Schwäche des Konzepts der laufenden Zahlungen (Art. 5 russ. InsG) im Bezug auf Dauerschuldverhältnisse im russischen Eröffnungsverfahren im Vergleich zum Insolvenzeröffnungsverfahren nach deutschem Recht. b)

Neue (Sanierungs-)Kredite

Das Insolvenzgesetz schließt die Möglichkeit nicht aus, nach der Annahme des Insolvenzantrages neue Verbindlichkeiten zu begründen. Neue (Sanierungs-) Kreditverträge können geschlossen werden. Das russische Recht sieht dann eine Privilegierung der neuen Verbindlichkeiten im Unterschied zu den bestehenden Kreditverträgen vor: Sie werden als laufende Forderungen gemäß Art. 5 Pkt. 1 1. Alternative russ. InsG qualifiziert.1142 Die Gefahr auf der Seite des Kreditgebers kann darin bestehen, dass die laufenden Forderungen oder der Teil, der bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird, bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht getilgt ist. Dann werden sie

1141 Sowohl die Abweichung vom Sanierungsplan als auch der Umfang der nicht zweckmäßigen Verwendung des Kredits müssen wesentlich sein, sonst gerät der Kreditgeber unter den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs nach Art. 10 Pkt. 1 Abs. 1 russ. ZGB und muss den eingetretenen Schaden ersetzen. 1142 Diese Rechtslage stellt eine wesentliche Erleichterung im Verhältnis zum früheren Zustand nach dem InsG 1998 dar, wo wegen des Fehlens gesetzlicher Bestimmungen und einer gewissen Unklarheit im Schrifttum über die Qualifizierung neu begründeter Verbindlichkeiten (und u.a. auch der Kreditverträge) die laufende Tätigkeit des Unternehmens in diesem Zeitraum paralysiert wurde. Näher dazu siehe Vitrjanskij, VVAS 2001, Nr. 3, S. 103; Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 5, S. 94.

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B. Die (Sanierungs-)Kreditgewährung im Insolvenzeröffnungsverfahren

nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenzforderungen dritten Ranges und nicht als laufende Forderungen betrachtet. Vor dem Hintergrund der Kurzfristigkeit des Eröffnungsverfahrens (max. 30 Tage) ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass laufende Forderungen, die am Ende dieses Zeitraums fällig werden, sofern sie nicht rechtzeitig vom Schuldner befriedigt werden, als Insolvenzforderungen qualifiziert werden.1143 Es ist deswegen für die Bank sinnvoll, bei der Vergabe der überbrückungs- oder Sanierungskredite den Rückerstattungszeitpunkt erst nach der Beendigung des Eröffnungsverfahrens zu vereinbaren. Damit wird einerseits die mögliche Umqualifizierung der laufenden Forderungen in Insolvenzforderungen verhindert und andererseits der Beweis für die Lebensfähigkeit des Unternehmens geführt. c)

Zustimmungserfordernisse zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme

Wie im deutschen Recht enthält das russische InsG keine Begrenzung der Begründung von Verbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren. Die Verbindlichkeiten können aber in einigen Fällen, besonders bei der Gewährung von Sanierungskrediten, wesentlich die Masse belasten. Weil im russischen Eröffnungsverfahren die Figur des vorläufigen Insolvenzverwalters fehlt, wird im Folgenden untersucht, ob die Aufnahme der Sanierungskredite einem Zustimmungsvorbehalt eines Kontrollorgans unterliegen müsste. Als solches können Gläubigerversammlung, Gläubigerkomitee und Insolvenzgericht auftreten. Das russische InsG sieht umgekehrt die Möglichkeit vor, im Eröffnungsverfahren weder die Gläubigerversammlung noch das Gläubigerkomitee einzuberufen. Das ist darauf zurückzuführen, dass es nach Art. 12 Pkt. 1 Abs. 3 russ. InsG zu den Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört, die Gläubigerversammlung zu organisieren und durchzuführen. Außerdem wird das Gläubigerkomitee (das im russischen Recht dem deutschen Gläubigerausschuss sehr nahe steht) gemäß Art. 18 Pkt. 1 russ. InsG durch die Gläubigerversammlung auf Vorschlag der Konkursgläubiger und bevollmächtigten Organe erst für den Zeitraum der Durchführung der Beobachtung, der finanziellen Sanierung, der Fremdverwaltung und des Konkursverfahrens gewählt. Im Eröffnungsverfahren wird es deswegen nicht einberufen. Das wird auch durch die wörtliche Auslegung des Art. 18 Pkt. 1 russ. InsG in der Literatur bestätigt, die sich ausschließlich auf die im russischen InsG genannten Stufen des Insolvenzverfahrens beschränkt.1144 Die obigen Ausführungen zeigen, dass für die Annahme der (Sanierungs-)Kredite im russischen Insolvenzrecht weder die Genehmigung der Gläubigerversammlung noch des Gläubigerkomitees notwendig ist. Man könnte auch annehmen, dass die Zustimmung des Insolvenzgerichts erforderlich wäre. Das Insolvenzgesetz schweigt hier zu ebenso wie das deutsche Insolvenzrecht. Ob eine Zustimmung im russischen Recht notwendig ist, ist unerforscht. Das Insolvenzgericht hat in diesem Zeitraum im Vergleich zur Lage im deutschen Insolvenzrecht weniger Ermessenspielraum. Das Eröffnungsverfahren stellt sich in Russ-

1143 1144

Vitrjanskij/Novoselova, InsG, Art. 5, Rn. 4, S. 96. So Teljukina, InsG, Art. 18, S. 73, Rn. 4; Vitrjanskij/Vitrjanskij, InsG, Art. 18, S. 160, Rn. 2.

211

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

land als ein strenges Antragsverfahren dar, in welchem die Insolvenzgerichte die Entscheidungen erst nach Stellen des entsprechenden Antrages durch die jeweiligen Parteien des Verfahrens treffen.1145 Die Rolle des Insolvenzgerichts im Antragsverfahren entspricht kaum der Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters im Beobachtungsverfahren, mit dem der Schuldner alle Verträge vereinbaren soll, die gemäß Art. 64 Pkt. 2 Abs. 3 russ. InsG mit der Aufnahme des Darlehens verbunden sind. Die analoge Anwendung der Vorschriften über den Zustimmungsvorbehalt des Insolvenzgerichts ist damit wegen der systematischen Unvergleichbarkeit der Rolle des Zustimmungsvorbehalts im Antragsverfahren mit der Rolle des vorläufigen Insolvenzverwalters im Beobachtungsverfahren generell nicht möglich. Anderseits kann der Schutz der Masse in diesem Zeitraum durch eine analoge Anwendung des Art. 64 Pkt. 2 Abs. 3 russ. InsG im Eröffnungsverfahren nicht erreicht werden. Daraus ergibt sich eine erhebliche Verunsicherung der Gläubiger über die Qualifizierung ihrer Forderungen. Daher werden sie versuchen, die bestehenden (Kredit-)Verträge aufzulösen. Dieser Umstand kann die laufende Tätigkeit des Schuldners wesentlich erschweren und die möglichen zukünftigen Sanierungsaussichten verringern.

C.

Zwischenergebnis

1. In beiden Rechtsordnungen stellt sich das Insolvenzverfahren als Antragsverfahren dar. 2. Das System der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen unterscheidet sich in beiden Rechtsordnungen wesentlich. Das deutsche Modell mit der Schlüsselmaßnahme – der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters – ist flexibler, berücksichtigt die verschiedenen Situationen während des Eröffnungsverfahrens und kann das Vertrauen der Gläubiger in die Fortführung der Geschäftverbindungen mit dem Schuldner erwecken. 3. Beide Rechtsordnungen schließen die Möglichkeit nicht aus, das Unternehmen im Eröffnungsverfahren mit Hilfe von (Sanierungs-)Krediten zu finanzieren. Die Besonderheiten der Finanzierung wurden für zwei Zeitpunkte des Antragsverfahrens dargestellt: für den Zeitraum seit der Stellung des Insolvenzantrages und bis zu seiner Annahme bzw. der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen oder ab diesem Zeitpunkt bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens. 4. Im Zeitraum seit der Stellung des Insolvenzantrages und bis zu seiner Annahme bzw. der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen zeigt die Rechtslage in beiden Rechtsordnungen diverse Gemeinsamkeiten. Insbesondere kann der Schuldner sowohl bestehende Kredite benutzen als auch neue aufnehmen. Kredite, welche der Schuldner in diesem Zeitraum sowohl auf Grund der bestehenden Kreditverträge als auch auf Grund der neu in diesem Zeitpunkt des Verfahrens abgeschlossenen Kreditverträge annimmt, werden als einfache Insol1145 Als Beispiel kann man den Fall der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen nennen.

212

C. Zwischenergebnis

venzforderungen im deutschen Recht bzw. Insolvenzforderungen dritten Ranges im russischen Recht qualifiziert. Die Sanierungskredite können sowohl im deutschen als auch im russischen Insolvenzrecht nur unter der Bedingung der wesentlichen Abweichung vom Sanierungskonzept gekündigt werden. 5. Im zweiten Zeitabschnitt kann die Finanzierung des Schuldners fortgeführt werden. Die Gewährung neuer Kredite im deutschen Recht hängt von der Stellung der neu gewährten (Sanierungs-)Kredite und davon ab, welche Art Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wird. Wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bei allgemeinem Verfügungsverbot oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit der Kompetenz, Kredite aufzunehmen, bestellt, werden solche Verbindlichkeiten als Masseverbindlichkeiten betrachtet. Dagegen wird die Mehrzahl der Verwalter wegen der haftungsrechtlichen Risiken als Insolvenzverwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeine Verfügungsverbotes und ohne Kompetenz zur Begründung der bestimmten Verbindlichkeiten bestellt. Die von ihnen begründeten Verbindlichkeiten werden als einfache Insolvenzforderungen qualifiziert. Im russischen Recht werden alle in diesem Zeitraum entstandenen Rückerstattungsansprüche der Bank aus Kreditverträgen als Masseforderungen betrachtet. Dieser Umstand schafft im russischen Recht, vor dem Hintergrund seltener Fälle der Nichteröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, bessere Bedingungen für die Gewährung der neuen Sanierungskredite als im deutschen Recht. 6. Die bestehenden Kredite werden im zuletzt erforschten Zeitraum in Russland und Deutschland nicht automatisch fällig. Bestehende Sanierungskredite können in beiden Rechtsordnungen dann gekündigt werden, wenn die Vermögensverhältnissen des Schuldners sich so verschlechtert haben, dass die Realisierung des Sanierungskonzepts scheitert. 7. Gesellschafterkredite werden im russischen Recht den Drittkrediten gleich gestellt. Im deutschen Recht werden sie dagegen als kapitalersetzende Darlehen betrachtet, wenn kein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt wird. Wenn aber ein vorläufiger verfügungsberechtigter Insolvenzverwalter bestellt wird und er diese Kredite aufnimmt, werden sie als Masseforderungen betrachtet. 8. Ein Zustimmungserfordernis für neue (Sanierungs-)Kredite ist im Zeitraum nach der Annahme des Insolvenzantrages und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens in beiden Rechtsordnungen gesetzlich nicht vorgesehen. Im deutschen Recht kann sie durch die Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses erfolgen, wenn er in diesem Zeitraum einberufen wird. Wenn die Kredite die Masse wesentlich belasten, was bei Sanierungskrediten der Regelfall ist, benötigen sie die Zustimmung dieses Organs. Im russischen Recht ist dagegen keine Zustimmungserfordernis für die Aufnahme erheblich die Masse belastender Kredite vorgesehen.

213

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Dritter Abschnitt Sanierungskredite nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Die Frage, was mit dem Zeitraum „nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ gemeint ist, ist im Rechtsvergleich unterschiedlich zu beantworten. Während man darunter im deutschen Recht sowohl ein sog. „Regelinsolvenzverfahren“1146 als auch ein Insolvenzplanverfahren verstehen kann, sieht die Rechtslage im russischen Recht wesentlich komplizierter aus. Dort können in diesem Zeitraum fünf Verfahrensarten – ein obligatorisches (das Beobachtungsverfahren) und vier wahrscheinliche (das Verfahren der finanziellen Sanierung, das Fremdverwaltungsverfahren, das Konkurs- und das Vergleichsverfahren) stattfinden. In diesem Abschnitt wird die Rechtsstellung der Sanierungskredite in den beiden Rechtsordnungen im Verlauf der jeweiligen Verfahren (d.h. im Regelinsolvenzverfahren im deutschen Recht und im Beobachtungs-, Fremdverwaltungs- und Konkursverfahren im russischen Recht) gegenübergestellt. Dagegen wird die Stellung der Sanierungskredite in den sog. „sanierungsorientierten“ Verfahrensarten (Insolvenzplanverfahren im deutschen Recht und Vergleichsverfahren im russischen Recht), die in hohem Grad die Autonomie des Gestaltungswillens der Parteien charakterisieren, im nächsten Abschnitt dieser Arbeit betrachtet.

A.

Deutsches Recht

I.

Allgemeine Charakteristik des eröffneten Insolvenzverfahrens

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens schließt nicht aus, dass ein Unternehmen im Laufe des Verfahrens seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellt. Die Sanierung des Unternehmens kann in diesem Zeitraum mit der Hilfe unterschiedlicher Maßnahmen durchgeführt werden.1147 Im Folgenden wird ein Überblick über die sanierungsrelevanten Besonderheiten des Regelinsolvenzverfahrens gegeben.

1.

Wirkungen des eröffneten Insolvenzverfahrens

Unter den verschiedenen Wirkungen des eröffneten Verfahrens sind drei für die Sicherung des Schuldnervermögens besonders wichtig:1148 das Vollstreckungsverbot, die Rückschlagsperre und die Bestellung des Insolvenzverwalters. Das Vollstreckungsverbot wird für die gesamte Dauer des Regelinsolvenzverfahrens sowohl

1146 So wird im deutschen Recht das eröffnete Insolvenzverfahren bezeichnet. – OLG Köln, ZIP 2000, S. 2031; Braun/Kießner, InsO, § 1, Rn. 5; Jaeger/Ehricke, InsO, § 11, Rn. 17. 1147 Einen Überblick dazu siehe Rattunde, S. 58 ff.; Kautzsch, S. 97 ff. 1148 Eingehend zur Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens siehe Landfermann, Rn. 1 ff.

214

A. Deutsches Recht

für Alt- als auch für Neugläubiger des Schuldners angeordnet.1149 Nur die Gesamtvollstreckung nach den Regeln der InsO ist zulässig. Bei der sog. „Rückschlagsperre“ handelt es sich um ein Verbot der Zwangsvollstreckung von Sicherheiten aus dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen im letzten Monat nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.1150 Nicht zuletzt hängt der Erfolg der Sanierung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der Person des Insolvenzverwalters, seiner Fähigkeiten und Berufserfahrung ab. Er ist verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen in Besitz zu nehmen und zu verwalten (§ 148 Abs. 1 InsO).1151 Auf ihn geht das Verfügungsrecht über das Unternehmensvermögen über.1152

2.

Beidseitig nicht erfüllte Verträge

Die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Verträge des Schuldners bleiben nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam. Der Verwalter muss aber nicht alle Vermögensansprüche, die vom Schuldner begründet wurden, erfüllen. Wenn von einer Seite der Vertrag vollständig erfüllt ist oder bei nicht-synallagmatischen Verträgen bleibt der Vertrag bestehen und ist zu erfüllen.1153 Die Problematik des rechtlichen Schicksals der von beiden Seiten nicht vollständig erfüllten Verträge hat besondere Auseinandersetzungen in der Rechtsprechung und Lehre verdient. Das ist mit dem lückenhaften Charakter der Vorschriften des Insolvenzvertragsrechts verbunden. Wenn ein gegenseitiger Vertrag von beiden Parteien (Schuldner und sein Kontrahent) nicht (vollständig) erfüllt ist, hat der Insolvenzverwalter gemäß § 103 Abs. 1 InsO zwei Alternativen. Einerseits steht ihm das Recht zu, den Vertrag zu erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen. Die Verpflichtungen, welche die andere Vertragspartei nach Aufforderung des Verwalters erfüllt, werden ihrerseits als Masseforderungen betrachtet. Als zweite Alternative kann der Verwalter die Erfüllung des Vertrages ablehnen, womit die Forderung des Gläubigers wegen

1149 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 89, Rn. 1; Braun/Kroth, InsO, § 89, Rn. 6 f. 1150 Eine solche Sicherung wird kraft § 88 InsO unwirksam. 1151 Die Verfügungsmacht des Verwalters ist aber nicht unbegrenzt. Vielmehr kann sie bei Rechtshandlungen, die gemäß §§ 160 ff. InsO für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind, beschränkt werden. In diesem Fall braucht er die Zustimmung des Gläubigerausschusses – falls ein solcher nicht geschaffen wurde, der Gläubigerversammlung, um bestimmte Rechtshandlungen vorzunehmen. 1152 § 80 Abs. 1 InsO. Die Ausnahme von diesem Grundsatz ist der Fall der Anordnung der Eigenverwaltung, wenn der Leiter des Unternehmens seine Verwaltungs- und Verfügungsmacht behält. – Foerste, Rn. 160. Es handelt sich um eine absolute Verfügungsbeschränkung; die Rechtshandlungen des Schuldners, die er nach Verfahrenseröffnung über Gegenstände der Insolvenzmasse vornimmt, werden absolut unwirksam. – Lauer, Rn. 126; Foerste, Rn. 155; Smid/Smid, InsO, § 81, Rn. 1. 1153 Bork, Rn. 153; Gogger, S. 144. Ausführlich zum Anwendungsbereich des § 103 Abs. 1 InsO siehe Smid/Smid, InsO, § 103, Rn. 10 ff.

215

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Nichterfüllung als Schadensersatzforderung in die Insolvenztabelle und damit nur als einfache Insolvenzforderungen eingetragen wird.1154 § 103 InsO bzw. der frühere § 17 KO1155 wurden im Laufe der Zeit von Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich ausgelegt.1156 Nach zur Zeit überwiegender Ansicht (sog. Theorie der „insolvenzrechtlichen Modifizierung des Vertrages“ bzw. „Qualitätssprungstheorie“) sollen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder die ursprünglichen gegenseitigen Erfüllungsansprüche aus dem Vertrag noch die aus ihr resultierende Ansprüche erlöschen,1157 sondern mit der Erfüllungswahl die gegenseitigen Ansprüche aus dem Vertrag insolvenzrechtlich modifiziert werden und die Erfüllungsansprüche durch die Verfahrenseröffnung für die Dauer des Insolvenzverfahrens nur ihre Durchsetzbarkeit verlieren.1158

3.

Insolvenzanfechtung

Das Insolvenzanfechtungsrecht (§§ 129 ff. InsO1159) stellt sich als Instrument zum Schutz der Interessen der Insolvenzgläubiger vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dar und soll ihre Gleichbehandlung durchsetzen.1160 Mit dessen Hilfe kann der Insolvenzverwalter Gegenstände, die aus dem Vermögen des Schuldners innerhalb eines bestimmten Zeitraumes vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sachlich ungerechtfertigt ausgeschieden sind, in die Insolvenzmasse zurückholen.1161 Die InsO geht in § 129 Abs. 1 davon aus, dass Rechtshandlungen der Gläubiger, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, vom Insolvenzverwalter angefochten werden können. Die konkreten Anfechtungstatbestände sind in § 130–136 InsO nor-

1154 In Bezug auf die teilbaren Leistungen, wenn der Insolvenzverwalter sie wählt, werden nach § 105 InsO nur solche Gegenleistungen als Masseverbindlichkeiten betrachtet, die nach der Verfahrenseröffung erbracht wurden. 1155 Obwohl § 103 Abs. 1 InsO mit dem § 17 Abs. 1 KO wörtlich fast identisch ist (eine Ausnahme stellt der Umstand, dass in KO über den zweiseitigen Vertrag gesprochen wurde, während die InsO über den gegenseitigen Vertrag spricht), kann sie wegen der unterschiedlichen Verfahrenszwecke der KO und InsO anders ausgelegt werden. Diesen Gedanken bestätigt auch der Umstand, dass in der Lehre § 103 InsO als Norm, die den Schutz der Masse bezweckt, während § 17 KO den Schutz des Vertragspartners bezweckte, angesehen wird. – Stahmer, S. 9. 1156 Ausführlich dazu siehe Uhlenbruck/Bescheid, InsO, § 103, Rn. 2 ff. 1157 Davon geht die sog. „Erlöschungstheorie“ aus. – BGHZ 116, S. 156, 158 ff.; 106, S. 236, 241 ff.; Henckel, JZ 1987, S. 360; Ders., ZZP 1986, S. 425, 429 f.; Kreft, ZIP 1997, S. 865 ff.; Kuhn/ Uhlenbruck, KO, § 17, Rn. 1, 19; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 103, Rn. 7. 1158 BGHZ 150, S. 353, 359; 155, S. 87, 90; BGH NJW 2005, S. 2231; Mohrbutter/Mohrbutter, DZWiR 2003, S. 1 ff. Christiansen, KTS 2003, S. 549 ff. 1159 Die wesentliche Besonderheit dieser Vorschriften besteht darin, dass sie mit den BGB-Anfechtungsregeln (§§ 119 ff. BGB) weder gemeinsame Zwecke verfolgen noch gemeinsame Voraussetzungen und Wirkungen haben. – Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 129, Rn. 6 m.w.N. 1160 HK-Kreft, InsO, § 129, Rn. 1. 1161 BGHZ 97, S. 87, 96; BGH WM 1971, S. 908; Braun, Rn. 204; Smid/Zeuner, InsO, § 129, Rn. 1. Dabei ist die Schaffung von Vorteilen der Insolvenzmasse, die sie ohne anfechtbare Rechtshandlungen nicht erlangen hätte, verboten. – BGH WM 1971, S. 708, 709; ZIP 1986, S. 448, Smid/Zeuner, InsO, § 129, Rn. 1.

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A. Deutsches Recht

miert.1162 Die Anfechtbarkeit der Rechtshandlung verlangt immer eine zeitliche Nähe zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Je nach Anfechtungstatbestand sind verschiedene Fristen zu beachten.1163

4.

Abriss des Ablaufs des Regelinsolvenzverfahrens

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter bis zum Berichtstermin das Unternehmens fortzuführen.1164 Nach dem Berichtstermin muss der Insolvenzverwalter gemäß § 159 InsO die Masse unverzüglich verwerten, soweit die Beschlüsse der Gläubigerversammlung dem nicht entgegenstehen. Soweit das Unternehmen in diesem Zeitraum noch lebensfähig ist, kommt eine übertragende Sanierung durch Veräußerung des Unternehmens, also ein Wechsel des Unternehmensträgers in Betracht.1165 In der Regel wird aber das Regelinsolvenzverfahren nach der Schlussverteilung aufgehoben.1166 In der Insolvenzpraxis der Bundesrepublik Deutschland gehört zu den häufigsten Fällen der Beendigung des Verfahrens die Beendigung wegen nicht ausreichender Insolvenzmasse.1167

II.

Stellung der Sanierungskredite im eröffneten Insolvenzverfahren

Zur Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage benötigt das Unternehmen in der Regel Geld. Das beruht auf dem Umstand, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Verwalter das Unternehmen zumindest bis zum Berichtstermin fortführt. Sowohl dafür als auch für eine möglichst langfristige Finanzierung bedarf der Verwalter der Liquidität in Form eines Kredits.1168 Allein dem Insolvenzverwalter, nicht aber dem Schuldner steht das Recht zu, Darlehensverträge abzuschließen und Darlehen anzunehmen. Während dieses Zeitraums ist in der Regel nur eine kurzfristige Finanzierung möglich. Erst nach dem Berichtstermin und der Entscheidung der Gläubigerversammlung über das weitere Schicksal des Unterneh-

1162 Sowohl die Rechtsnatur der Insolvenzanfechtung allgemein als auch viele einzelne Elemente des Insolvenzanfechtungsgrundsatzes und -tatbestandes sind umstritten. Einen Überblick dazu siehe Henckel, FS Gerhardt, S. 361 ff. m.w.N. 1163 Sie können auch den Fall des außergerichtlichen Sanierungsvergleichs einschließen. Die Leistungen des Schuldners aufgrund eines solchen sind nicht von der insolvenzrechtlichen Anfechtung ausgenommen. – OLG Rostock ZIP 2003, S. 1459 (zu § 130 InsO); ZIP 2002, S. 1902 (zu § 10 Abs. 4 Nr. 4 InsO). 1164 Die Betriebsstilllegung ist aber in den Ausnahmefällen möglich. Sie ist nach § 158 Abs. 1 InsO mit der Zustimmung des Gläubigerausschusses verbunden. Näher dazu siehe FK-Flessner, InsO, § 158, Rn. 1 ff. 1165 Ausführlich dazu siehe Schrümpell, S. 5 ff. und Kautzsch, S. 145 ff. 1166 Als zweite Alternative der Beendigung des Insolvenzverfahrens kommt vorzeitiger Abbruch (sog. „Einstellung des Verfahrens“) in Betracht. Zu unterschiedlichen Arten der Einstellung des Verfahrens siehe Bork, Rn. 306 ff. 1167 Kirchhof, Rn. 194. 1168 Uhlenbruck, ZBB 1992, S. 284; Stahmer, S. 156 m.w.N.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

mens kann man über die langfristige Finanzierung (und in erster Line über die Gewährung von Sanierungskrediten) nachdenken, wenn auf Grund der Analyse der wirtschaftlichen Lage des Schuldners die Entscheidung getroffen wird, das Schuldnerunternehmen (ganz oder zum Teil) zu sanieren. Im Folgenden wird dargestellt, ob ein eröffnetes Insolvenzverfahren im deutschen Recht für die effiziente Sanierungskreditfinanzierung geeignet ist. Dabei wird zwischen der Stellung zugesagter oder bestehender (Sanierungs-)Kredite und der Aufnahme neuer (Sanierungs-)Kredite unterschieden.

1.

Zugesagte oder bestehende (Sanierungs-)Kredite

Bei der Betrachtung der zugesagten Sanierungskredite ist davon auszugehen, dass sie sowohl in Form von Kontokorrent- als auch von Tilgungskrediten gewährt werden können. a)

Sanierungskredite in Form von Kontokorrentkrediten

Kontokorrentkredite stellen revolvierende Kredite dar, denen drei Vereinbarungen zugrunde liegen: Giro-, Kontokorrent- sowie Darlehensvertrag.1169 Der Kunde ist bis zu einer bestimmten vereinbarten Kreditlinie frei, über sein Girokonto zu verfügen. Der Girovertrag gehört zu den Geschäftsbesorgungsverträgen.1170 Die Geschäftsbesorgungsverträge, die vor der Eröffnung der Insolvenzverfahrens geschlossen wurden, erlöschen gemäß § 116 InsO (früher § 23 Abs. 2 KO) durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Damit erlischt auch der Girovertrag.1171 Ob auch ein Kontokorrentkreditvertrag damit erlischt, wird diskutiert. Nach einer Ansicht, die zahlreiche Vertreter in der Lehre gefunden hat,1172 unterliegt der Geschäftsvertrag des Kontokorrents einer Anwendung des Wahlrechts des Verwalters nach § 103 InsO. Dies wird damit begründet, dass die Interessenlage von Darlehen und Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag nicht vergleichbar sei.1173 Der Kontokorrentkreditvertrag sei kein Geschäftsbesorgungsvertrag und unterliege deswegen den Regeln des §§ 115, 116 InsO nicht, weil die gegenseitigen Verrechnungen mit dem Konkurszweck unvereinbar seien.1174 Der Darlehensvertrag besteht demnach über die Verfahrenseröffnung hinaus fort und der Verwalter kann noch die Auszahlung des Darlehens verlangen. Plausibler erscheint aber die andere Auffassung, welche sowohl die Rechtsprechung als auch ein Teil der Lehre vertreten. Danach erlischt das Kontokorrent mit der

1169 Steinhoff, ZIP 2000, S. 1141. 1170 MüKo/Heermann, BGB, § 675, Rn. 87 und § 676 f, Rn. 1; Palandt/Putzo, BGB, § 676 f, Rn. 1. 1171 BGH ZIP 1995, S. 660 dazu EWiR 1995, S. 591 (Neuhof); HK/Marotzke, InsO, § 116, Rn. 4. 1172 Zu § 23 Abs. 2 KO – Staub/Canaris, HGB, § 355, Rn. 113 ff. Zur Rechtslage nach InsO – Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 103, Rn. 19a; Heise, Rn. 347; Stahmer, S. 185; Marotzke, ZInsO 2004, S. 1274; HK/Marotzke, InsO, § 115, Rn. 3 ff. 1173 Stahmer, S. 185. 1174 Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 23, Rn. 15.

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A. Deutsches Recht

Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil es den Regeln des § 116 InsO unterliegt.1175 Deswegen ist der Verwalter nach dieser Ansicht zur Ausübung des Wahlrechts bei derartigen Verträgen nicht befugt. Dabei ist irrelevant, ob ein Kunde die Kontokorrentkredite innerhalb der vereinbarten Kreditlinie in Anspruch genommen hat oder diese Linie mit Zustimmung der Bank überstiegen und damit einen Überziehungskredit bekommen hat. In beiden Fällen, unabhängig davon, in welchem Umfang der Schuldner diese Möglichkeiten genutzt hat, werden diese Kredite sofort fällig.1176 Eine Kündigung der Bank ist in diesem Fall nicht notwendig, weil die Rechtsfolgen kraft InsO automatisch eintreten.1177 Nicht ausgezahlte Kreditlinien können aus diesem Grund vom Insolvenzverwalter nicht in Anspruch genommen werden.1178 Wenn der Sanierungskredit in der Form von Kontokorrentkrediten gewährt wird, erlischt er nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens selbst dann, wenn der Schuldner alle notwendigen Maßnahmen gemäß dem Sanierungskonzept trifft. Die zwingenden Regeln des § 116 InsO haben in diesem Fall Vorrang von den BGB-Vorschriften über Treu und Glauben im Bezug auf die Kündigung. b)

Sanierungskredite in Form von Tilgungskrediten

Die Rechtslage der Tilgungskredite, d.h. solcher Kredite, die auf Grund einer bestimmten Vereinbarung über das Zurverfügungstellen der Geldsumme und seine Rückzahlung, nicht aber auf Grund der Kontokorrentabrede gewährt worden sind (z.B. Annuitätsdarlehen, Ratenkredite und Schuldscheindarlehen), sieht folgendermaßen aus: Die unbesicherten Tilgungskredite werden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Rechtsgrund dafür ist aber nicht § 116 InsO, sondern § 41 InsO.1179 Diese Grundsätze gelten allerdings nicht für (Sanierungs-)Tilgungskredite, die der vorläufige Insolvenzverwalter mit der entsprechenden Kompetenz zur Begründung von Masseverbindlichkeiten geschlossen hat, weil diese dem Anwendungsbereich des § 41 InsO nicht unterliegen.1180 Für die weitere Untersuchung der Stellung der Sanierungstilgungskredite sind sie im Zusammenhang mit dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 ff. InsO zu analysieren, und dabei ist auch die Frage der Anwendbarkeit des Kündigungsrechts auf sie während dieses Zeitraums zu beachten.

1175 BGHZ 70, S. 93; 74, S. 253, 254; OLG Celle, NZI 2000, S. 181; Obermüller, Rn. 5.269; Smid/Meyer, InsO, § 116, Rn. 27; FK-Wegener, InsO, § 103, Rn. 33, § 116, Rn. 35; Braun/Roth, InsO, § 116, Rn. 10; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116, Rn. 18; Fleckner, ZIP 2004, S. 597; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 122. 1176 Obermüller, Rn. 5.269a; Wittig, Rn. 1463. 1177 BGH WM 1979, S. 719; Obermüller, Rn. 5.269a.; MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 122; Smid/Meyer, InsO, § 116, Rn. 27. 1178 Wittig, DB 1999, S. 201; Obermüller, Rn. 5.296; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 103, Rn. 21. 1179 Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 31; Weisemann/Smid/Spieker/Nisters, Hb UnternIns, Kapitel 13, Rn. 125; a.A. Mülbert, AcP 192, S. 506; Luther, S. 113 f.; Heise, Rn. 156, die eine solche Fälligkeit nach § 41 InsO bzw. § 65 Abs. 1 KO ablehnen. Danach muss zwischen Verfahrenseröffnung und dem Berichtstermin ein insolventes Unternehmen weiter geführt werden, um bis zur Klärung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage die Möglichkeit der Sanierung zu erhalten. 1180 OLG Frankfurt ZIP 1983, S. 1229, 1230; FK-Schumacher, InsO, § 41, Rn. 2; Braun/Bäurle, InsO, § 41, Rn. 4; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 41, Rn. 2 m.w.N. Zu den weiteren Ausnahmen aus dem Anwendungsbereich des § 41 InsO siehe Jaeger/Henckel, InsO, § 41, Rn. 6.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

aa)

Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach § 103 ff. InsO

Die InsO enthält bisher keine speziellen Regeln über die Abwicklung der Darlehenstilgungsverträge durch den Insolvenzverwalter. Deswegen unterliegt diese den Regeln der §§ 103, 105 InsO.1181 In welchem Umfang auf diese Verträge die Regeln der InsO über die Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte anwendbar sind, wird diskutiert. In diesem Zusammenhang bedarf es der Auslegung der Tatbestandsmerkmale „gegenseitiger Vertrag“ und „nicht vollständig erfüllter Vertrag“ des § 103 Abs. 1 InsO. Nur das verzinsliche Darlehen, zu dem auch die Sanierungskredite gehören, stellt sich als gegenseitig verpflichtender Vertrag dar. Deswegen fallen unverzinsliche Darlehen grundsätzlich nicht unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters nach §§ 103 InsO.1182 Der Insolvenzverwalter kann die Erfüllung des Darlehensvertrages nur dann verlangen, wenn nach einer ex ante Prognose der Verfahrenserlös aus der Liquidation der Masse zur vorrangigen Befriedigung der Ansprüche der Bank aus dem Darlehensvertrag ausreicht. Sonst haftet er nach § 61 InsO für diese falsche Prognose.1183 Eine wesentliche Frage der Finanzierung des Unternehmens im eröffneten Insolvenzverfahren besteht darin, ob vollständig ausgezahlte Darlehen unter das Wahlrecht des Insolvenzverwalters fallen.1184 Da wenig Rechtsprechung zu dieser Frage vorliegt,1185 ist dies umstritten. In der Lehre und in den Gesetzesmaterialien zum SMG wird vertreten, dass die Pflicht des Darlehensgebers, die Darlehensvaluta zur Verfügung zu stellen, zweigeteilt ist: zum einen besteht die Pflicht, die Darlehensvaluta zu verschaffen und dann diese Valuta zu belassen.1186 Bezüglich des Wahlrechts des Insolvenzverwalters geht eine Minderheitsansicht im Schrifttum von

1181 Eine analoge Anwendung des § 108 Abs. 1 InsO auf die Darlehensverträge wird vom überwiegenden Teil des Schrifttums abgelehnt. – Stahmer, S. 274 ff. m.w.N. Das Bundesministerium für Justiz hat im Jahre 2004 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der InsO (Abgedruckt in ZIP 2004, S. 1868 ff.), wo in Art. 1 Nr. 22 vorgeschlagen ist, § 108 Abs. 2 InsO neu zu fassen. Danach solle „ein vom Schuldner eingegangenes Darlehensverhältnis mit Wirkung für die Masse fortbestehen, soweit dem Darlehensnehmer der geschuldete Gegenstand zur Verfügung gestellt wurde“. Diese Änderung hat im Schrifttum heftige Diskussionen sowohl über ihre Zweckmäßigkeit als auch über einzelne Formulierungen im Wortlaut erweckt. Siehe z.B. Freitag, ZIP 2004, S. 2368 ff m.w.N. 1182 BGHZ 106, S. 241; 116, S. 156 ff.; Schmidt, JS 1976, S. 757; Smid/Smid, InsO, § 103, Rn. 14; MüKo/Huber, InsO, § 103, Rn. 69; Jaeger/Henckel, KO, § 17, Rn. 31; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 103, Rn. 19 m.w.N.; Luther, S. 77; HK/Marotzke, InsO, § 103, Rn. 5; Mülbert, WM 2002, S. 467; Heise, Rn. 114; Palandt/Putzo, BGB, vor § 488, Rn. 3; Jaeuering/Berger, BGB, § 488, Rn. 3; Freitag, ZIP 2004, S. 2369; a.A. Canaris, BankR, 2. Aufl., Rn. 1259; Oetker, S. 235; Obermüller, ZInsO 2002, S. 102 f.; FK-Wegener, InsO, § 103, Rn. 6, die davon ausgehen, dass ganz oder zum Teil valutierte Darlehen ohne vorherige Prüfung der § 103 ff. InsO als „nicht fällige Forderungen“ zu behandeln seien. 1183 Kübler/Prütting/Lücke, InsO, § 61, Rn. 4. Näher zur Voraussetzungen der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Ansprüchen aus dem Darlehensvertrag siehe Stahmer, S. 207 ff. m.w.N. 1184 Diese Frage kann besonders für die Problematik der Zulässigkeit der Aufrechnung und der Verwertungsreife der Kreditsicherheiten wichtig sein. 1185 In BGH WM 1990, S. 54, 56 wurde diese Frage am Rande erläutert und offen gelassen. 1186 Siehe dazu S. 50 f.

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A. Deutsches Recht

dem Umstand aus, dass die Bank ihre Hauptleistungspflicht nur dann vollständig erfüllt hat, wenn sie u.a. dem Darlehensnehmer auch die Darlehensvaluta belassen hat. Deswegen werde allein mit der vollständigen Auszahlung der Darlehensvaluta die Hauptleistungspflicht des Darlehensgebers noch nicht vollständig erbracht, weil § 103 InsO auch für sonstige Dauerschuldverhältnisse gelte, was aus § 108 Abs. 1 InsO folge.1187 Nicht die Vornahme der Leistungshandlungen, sondern der Eintritt des Leistungserfolges bestimme die Erfüllung der Leistung, wie sich aus § 362 Abs. 1 BGB ergebe. Der Leistungserfolg der Belassungspflicht trete nicht mit der Auszahlung der Darlehensvaluta, sondern erst mit ihrem Belassen im Vermögen des Darlehensnehmers bis zur Fälligkeit des Darlehens ein.1188 Dagegen wird die Anwendbarkeit von § 103 InsO auf Darlehensverträge mit vollständig ausgezahlter Darlehensvaluta nach anderer Ansicht abgelehnt, weil der Kreditgeber mit Auszahlung der Kreditvaluta seine Pflichten vollständig erfüllt habe. Die weitere Belassung stelle keine Leistung des insolventen Kreditgebers dar, denn der Abfluss von Vermögenswerten habe mit der Auszahlung bereits stattgefunden.1189 Nach dieser Ansicht sind, wenn der Darlehensgeber das Darlehen voll valutiert hat, die Darlehensverträge im Sinne des § 103 InsO einseitig vollständig erfüllt, und damit ist § 103 InsO nicht mehr anwendbar.1190 Dabei wird betont, dass, obwohl der Vertrag nach Überlassung der Valuta noch nicht vollständig erfüllt sei, der Insolvenzverwalter kaum die Erfüllung des Vertrages verlangen werde, weil hierdurch nach §§ 103 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 2 1 Alt. InsO der Rückerstattungsanspruch des Darlehensgebers zur Masseverbindlichkeit aufgewertet würde, ohne dass der Masse weitere Liquidität zuflösse.1191 Deswegen fallen nach dieser, mittlerweile herrschenden Ansicht unter den Anwendungsbereich dieser Regeln nur verzinsliche Fest- oder Tilgungsdarlehen, bei denen es sich um zugesagte, aber noch nicht vollständig ausgezahlte Kredite handelt. Neben § 103 InsO enthält auch § 105 InsO für die Darlehensfinanzierung wichtige Regeln. Diese Vorschriften bestimmen die Auswirkungen des Wahlrechts des Verwalters auf die teilbaren Leistungen. Darunter fällt auch das verzinsliche Darlehen.1192 Diese Frage wird im Insolvenzrecht aber anders als in § 266 BGB („Teilleistungen“) entschieden: nicht die vollständige Leistung, sondern nur die Teile, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, werden als Teil-

1187 Wiegmann, S. 123; Stahmer, S. 277 f.; Uhlenbruck/Berschied, InsO, § 103, Rn. 21; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 103, Rn. 19; Staudinger/Hopt/Mülbert, BGB, § 607, Rn. 442; Heise, Rn. 184, 840. 1188 Heise, Rn. 176 f.; Stahmer, S. 255 f. unter Verweis auf MüKo/Heinrichs, § 362, Rn. 27. Außerdem wird von Stahmer (S. 270 f.) die Zweckmäßigkeit dieser Ansicht mit Schutz, Erhaltung und mittelbarer Anreicherung der Masse argumentiert. 1189 FK/Wegener, InsO, § 106, Rn. 6; Obermüller, in FS Kreft, S. 436; Fleckner, ZIP 2004, S. 596; Smid/Smid, InsO, § 103, Rn. 15; NR/Balthasar, InsO, § 103, Rn. 12; MüKo/Huber, InsO, § 103, Rn. 69; Hess/Weis/Weinhuber, InsO, § 103, Rn. 11 m.w.N.; HK-Marotzke, § 103, Rn. 5; Schmidt, JZ 1976, S. 761 f. (der Letztere für analoge Anwendung des § 728 BGB bei Unternehmenskrediten). 1190 BGH WM 1990 S. 54, 56; Jaeger/Henckel, KO, § 17, Rn. 12; FK-Wegener, InsO, § 103, Rn. 6. 1191 MüKo/Berger, BGB, vor § 488, Rn. 122; Schwörer, Rn. 405. 1192 Nach Stahmer (S. 285) nur die Gegenleistung steht ein Zuordnungsobjekt. Weil ein Rückzahlungsanspruch keinen Gegenleistungs- sondern Rückabwicklungsanspruch darstellt, ist § 105 Satz 1 InsO auf den Rückzahlungsanspruch nicht direkt, sondern analog anwendbar.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

leistung im Sinne des § 105 InsO verstanden.1193 Wenn der Darlehensgeber die Darlehensvaluta bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers bereits teilweise ausgezahlt hat, so ist dieser Teil eine Insolvenzforderung. Wenn aber der Insolvenzverwalter Erfüllung verlangt, dann wird diese auf Verlangen erbrachte Leistung eine Masseforderung.1194 Dabei hat die Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters keine Auswirkung auf die Umqualifizierung schon vorher erbrachter Leistungen, diese werden, unabhängig von der Entscheidung des Verwalters, als Insolvenzforderungen betrachtet.1195 Dazu zählen nicht nur Tilgungs-, sondern auch Zinsleistungen.1196 Für die Sanierungskredite bestehen die Konsequenzen aus dem oben Dargestellten darin, dass die in Form von Tilgungsdarlehen zur Verfügung gestellten Sanierungskredite dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterliegen.1197 Wenn sie nicht vollständig ausgezahlt sind, kann er die Auszahlung nach § 103 InsO verlangen. Wenn aber die Darlehensvaluta vollständig ausgezahlt ist, ist § 103 InsO nicht anzuwenden. Ein Sanierungstilgungsvertrag, der vom bevollmächtigten vorläufigen Insolvenzverwalter geschlossen wurde, unterliegt nicht den Grundsätzen des § 103 InsO und der Insolvenzverwalter kann die Erfüllung des Vertrages vom Kreditgeber gemäß § 488 Abs. 1 BGB verlangen. Wenn aber der Vertrag entweder nicht vom bevollmächtigten Insolvenzverwalter als Masseverbindlichkeit geschlossen wird oder vom bevollmächtigten Schuldner (in der Krise oder im Eröffnungsverfahren), so hat der Insolvenzverwalter das Wahlrecht nach § 103 InsO. Dabei werden von ihm verlangte Leistungen als Masseforderungen gemäß § 105 InsO bewertet. Wenn die Insolvenzmasse zur Befriedigung solcher Masseforderungen im weiteren Insolvenzverfahren nicht ausreicht, trägt der Insolvenzverwalter die persönliche Haftung für ihre Begründung nach § 61 Satz 1 InsO. bb)

Kündigung von Sanierungstilgungskrediten

Die Möglichkeit der weiteren Nutzung der Sanierungstilgungskredite, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wurden oder die von ihm neu angenommen wurden, hängt von der Frage der Zulässigkeit der Kündi-

1193 BGH ZIP 1997, S. 688 (zu § 9 Abs. 1 GesO, § 17 Abs. 1 KO); Smid, DZWiR 2004, S. 17. 1194 Nach Livonius (S. 32) sollte nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO bezüglich bereits valutierter Darlehen nur der jeweilige im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Erfüllungsanspruch Masseforderung werden. Die Anwendbarkeit des § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf den Rückzahlungsanspruch als Rückabwicklungsanspruch sei daher abzulehnen. 1195 Wittig, DB 1999, S. 201; a.A. Obermüller, Rn. 5.275, wonach die schon vor Verfahrenseröffnung ausgezahlten Kredite der Bank als Masseforderungen qualifiziert werden. 1196 Luther, S. 93; Stahmer, S. 197 f.; Wiegmann, S. 124. Nach Marotzke (HK-Marotzke, InsO, § 105, Rn. 8 und 13) sei ein Darlehen summengemäß nicht teilbar, wenn für den Darlehensnehmer nur die volle Darlehenssumme von Interesse sei. Daher ist nach seiner Meinung § 105 InsO nicht auf den Rückzahlungs-, sondern nur auf den Zinszahlungsanspruch anwenden. 1197 Dagegen kann diskutiert werden, ob ein Insolvenzverwalter die Kontokorrentkredite in Anspruch nehmen kann. Nach hier vertretene Ansicht kann der Insolvenzverwalter sie auch in Anspruch nehmen. Zu den Argumenten dazu und zum Stand der Diskusssion siehe FK/Marotzke, InsO, § 116, Rn. 5; Ders., § 115, Rn. 5 ff. m.w.N.

222

A. Deutsches Recht

gung des Kreditgebers nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ab. Diese Frage ist ihrerseits eine Teilfrage der Zulässigkeit der sog. „insolvenzabweichenden Lösungsklausel“. Darunter versteht man solche Klauseln, die einer Partei für den Fall der Zahlungseinstellung, des Stellens des Insolvenzantrags oder der Insolvenzeröffnung das Recht einräumen sich vom Vertrag zu lösen.1198 Die Rechtsstellung der Lösungsklauseln im Insolvenzverfahren ist sowohl allgemein1199 als auch im Bezug auf den Darlehensvertrag umstritten. § 127 Abs. 2 DiskE und § 137 Abs. 2 des Regierungsentwurfes der InsO sahen im eröffneten Insolvenzverfahren ein Kündigungsverbot für den Vertragspartner des Schuldners vor. Dieses Verbot hat der Rechtsausschuss aber nicht umgesetzt.1200 Grund hierfür war die Annahme, dass in der Schuldnerkrise übernommene Sanierungsversuche durch den alten Vertragspartner unterstützt werden. Es bestehe die Gefahr, dass der Schuldner keinen neuen Vertragspartner finden werde und der alte von seinem Kündigungsrecht eher Gebrauch machen wird.1201 Deswegen werde durch ein Kündigungsverbot die Insolvenzgefahr erhöht. Ein weiterer Grund sei die Erwartung des internationalen Geschäftsverkehrs, der von dem gerechten Zustand ausgehe, wonach die Kündigung seitens des solventen Vertragspartners bei Insolvenz der anderen Vertragspartei zulässig sei.1202 § 119 InsO erklärt anders als der DiskE zur InsO und RegE zur InsO die Lösungsklauseln nicht ausdrücklich für unwirksam.1203 § 119 InsO beschränkt nur die vertraglichen Lösungsrechte, verbietet aber nicht die Ausübung gesetzlicher Kündigungsrechte.1204 Diese bleiben auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen.1205 Der Grundsatz, dass die Sanierungskredite nur bei wesentlicher Abweichung vom Sanierungsplan gekündigt werden können, gilt auch im Regelinsolvenzverfahren. Sofern Sanierungschancen bestehen und die Maßnahmen gemäß Sanierungsplan ordnungsgemäß verlaufen, dürfen die bestehenden Sanierungskreditverträge nicht gekündigt werden.1206

1198 BGH NZI 2003, S. 493, Baun/Kroth, InsO, § 119, Rn. 6. 1199 Siehe eingehend dazu Schwörer, Rn. 5 ff. und Wortberg, S. 1 ff. 1200 BT-Drs. 12/7302, § 137, S. 170 RegE; BR Drucks. 1/92, § 137 RegE, S. 152 f. 1201 BT-Drs. 12/7302, §137 RegE., S. 170. Dazu Obermüller/Hess, InsO, Rn. 675; Wittig, Rn. 1464. 1202 BT-Drs. 12/7302, § 137 RegE, S. 170. Kritisch Wittig, DB 1999, S. 201 mit Verweis auf das teilweise Kündigungsverbot des Chapter 11 § 365 (e) US Bankruptsy code. Nach Ansicht von Stahmer (S. 296) gelte dies nur dann, wenn das Darlehen einem tatsächlich bereits sanierungsbedürftigen Unternehmen mit schlechter Vermögenslage gewährt werde. 1203 Nach gegenwärtiger Ansicht sind die Lösungsrechte des Vertragspartners nach zivilrechtlichem Leistungsstörungsrecht solange gesperrt, wie der Insolvenzverwalter sein Recht nicht verwirkt hat. – Marotzke, KTS 2002, S. 29. 1204 Smid/Meyer, InsO, § 119, Rn. 10 m.w.N.; Freitag, ZIP 2004, S. 2371. 1205 HK-Marotzke, InsO, § 119, Rn. 2; Freitag, ZIP 2004, S. 2371; MüKo/Huber, InsO, § 119, Rn. 20. Nach Stahmer (S. 301 f.) stehe der außerordentlichen Kündigung nach Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB-Banken ab dem Antrag auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Kündigungsverbot aus § 119 InsO entgegen. 1206 Obermüller, 5.71 und 5.82; Stahmer, S. 207; Hopt, ZHR 1979, S. 169. Noch eine Besonderheit der Stellung der Sanierungskredite besteht darin, dass im Unterschied zur Vergabe der normalen Kredite der Sanierungsvertrag nicht nach § 119 Abs. 2 BGB wegen Irrtum über die Zahlungsfähigkeit des Schuldners als wesentliche Eigenschaft der Person des Darlehensnehmers angefochten werden kann. – Heise, Rn. 140; Stahmer, S. 200.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Anders kann aber die Lage aussehen, wenn die reale wirtschaftliche Lage des Schuldners vom Sanierungskonzept wesentlich abweicht. In diesem Fall soll aber die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens nicht pauschal als ein Grund für die Kündigung der bestehenden Sanierungskredite betrachtet werden. Vielmehr muss die Verschlechterung der Vermögenslage, die die Sanierung als nicht aussichtsreich erscheinen lässt, wesentlich sein.1207 Die Frage über die Zulässigkeit der Kündigung ungesicherter, zweckfreier Kredite durch das Kreditinstitut ist umstritten. Auf dem Hintergrund der fehlenden Erwähnung dieser Frage in der InsO geht die in der Rechtsprechung und Lehre herrschende Ansicht davon aus, dass der Kreditgeber berechtigt ist, nach der Verfahrenseröffnung die bestehenden Tilgungskredite gemäß § 490 Abs. 1 BGB und Nr. 19 Abs. 3 AGB Banken bzw. Nr. 26 Abs. 2 AGB Sparkassen ohne besondere Vereinbarung zu kündigen.1208 Dabei ist unerheblich, ob der Insolvenzverwalter die Auszahlung der Kredite verlangt.1209 Nach anderer Ansicht in der Lehre wird eine solche Möglichkeit abgelehnt. Nach der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters würden die Tilgungs- und Zinsansprüche des Darlehensgebers Masseverbindlichkeiten. Ihre Befriedigungsrisiken könnten aber nicht als wesentlich charakterisiert werden, weil diese Forderungen vorrangig vor den Insolvenzforderungen befriedigt werden. Deswegen gefährde die Qualifizierung der Forderungen als Masseforderungen die Rückerstattung des Darlehens nicht. In diesem Fall sei das Kündigungsrecht der Bank ausgeschlossen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz können die Fälle der Masseunzulänglichkeit darstellen. Dann würde die Kündigung der Kredite zulässig.1210 Meiner Meinung nach ist davon auszugehen, dass die genannten Kredite, wenn der Insolvenzverwalter sie in Anspruch nimmt, als Masseverbindlichkeiten zu betrachten sind. Ob diese Qualifizierung der Rückerstattung des Kredits gefördert und die Kündigung ausgeschlossen ist, hängt vom Verhältnis zwischen den Forderungen aus dem Kreditvertrag, die als Masseverbindlichkeiten qualifiziert werden, und

1207 Als Indiz dafür kann der Fall dienen, dass, wenn die fälligen Kredite, die als Masseverbindlichkeiten qualifiziert sind, nicht vom Insolvenzverwalter nicht rechtzeitig erstatten werden, die Bank die Sanierungskredite kündigen kann. 1208 BGH WM 1978, S. 234; 1979, S. 1176; 1985, S. 769 = WuB I A Nr. 17 AGB-Banken 1.85 Pleyer; BGH WM 1985, S. 1493; 1986, S. 605 = WuB I A Nr. 17 AGB-Banken 5.86 Schröter; Schmidt, JZ 1976, S. 759; MüKo/Berger, BGB, vor § 488; Canaris, BankR, 2. Aufl., Rn. 1258; Wittig, DB 1999, S. 201; Jaeger/Henckel, § 17 KO, Rn. 12; MüKo/Huber, InsO, § 103, Rn. 69, Obermüller, Rn. 5.276 f. m.w.N., wonach der Darlehensgeber sein Darlehensversprechen in der Regel nach § 610 BGB widerrufen bzw. nach § 490 Abs. 1 BGB kündigen wird. 1209 Obermüller, Rn. 5.270 und 5.276; Canaris, BankR, 2. Aufl., Rn. 1258; Weisemann/Smid/Spieker/Nisters, Hb UnternIns, Kapitel 13, Rn. 125. Nach Obermüller (Rn. 5.272 mit der Nachweisen zu Rechtslage nach altem Konkursrecht. (RGZ 86, S. 249; 88, S. 375)) wird im Unterschied zu den allgemeinen Regeln eine besondere Kündigung für Tilgungskredite nur dann notwendig, wenn Dritte als Gesamtschuldner oder Bürge haften, weil im Verhältnis zu Dritten § 41 InsO nicht gilt. 1210 Luther, S. 95 (zu § 610 BGB a.F.); Tintelnot, S. 172 ff.; NR/Balthasar, InsO, § 103, Rn. 12; Wiegemann, S. 125; Stahmer, S. 201 f.; 211 f. (sowohl zum § 610 a. F. BGB, als auch zum § 321 BGB und Nr. 19 Abs. 3 Satz 2 AGB Banken). Nach Ansicht von Stahmer (S. 199) ginge das Recht des Verwalters ins Leere, könnte der Darlehengeber schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Darlehen widerrufen.

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A. Deutsches Recht

anderen Forderungen aus dem Kreditvertrag, die als „einfache“ oder nachrangige Insolvenzforderungen qualifiziert werden, ab. Erst wenn der Umfang dieser Forderungen im Vergleich zum Umfang der Masseverbindlichkeiten größer ist, darf der Kreditgeber die bestehenden Kreditverträge kündigen. 2.

Aufnahme neuer Kredite

a)

Allgemeine Fragen

Die Kreditverträge können in diesem Verfahrensstadium nicht mehr vom Schuldner, sondern lediglich vom Insolvenzverwalter abgeschlossen werden, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf diesen übergeht.1211 Solche Kredite werden als Masseverbindlichkeiten qualifiziert, weil sie aus seiner Handlung entstehen (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 InsO).1212 Wenn aber der Insolvenzverwalter das vor Insolvenzeröffnung eingerichtete Kontokorrentkonto bei einem Kreditinstitut fortführt, wird das den Abschluss eines neuen Kontokorrentvertrages bedeuten.1213 Die Forderungen der Bank aus einem solchen Kontokorrentvertrag werden ebenfalls als Masseschulden betrachtet.1214 Die Frage der Zweckmäßigkeit der Gewährung des (Sanierungs-)Kredits entscheidet sich aufgrund folgender Kriterien: Welche zusätzlichen Anforderungen gibt es für die Annahme der neuen Kredite? Welche Folgen treten bei der Vergabe der neuen Kredite im Fall der Masseunzulänglichkeit auf und welche allgemeinen Schwierigkeiten ergeben sich bei der Besicherung der neuen Kredite? b)

Zusätzliche Anforderungen für Annahme neuer (Sanierungs-)Kredite

In einigen Fällen benötigt der Insolvenzverwalter für die Annahme neuer Kredite die Genehmigung des Gläubigerausschusses oder, wenn ein solcher nicht gewählt worden ist, der Gläubigerversammlung (§ 160 InsO). Das ist etwa der Fall, wenn solche Kredite die Masse erheblich belasten, weil gemäß § 134 Abs. 2 KO der Verwalter bei der Darlehensaufnahme in jedem Fall die Genehmigung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung einzuholen hat. Die modernisierte Regel der InsO hat gewisse Schwierigkeiten mit sich gebracht: Unklar ist, wo die Abgrenzung wirtschaftlich bedeutender Kreditaufnahmen von weniger bedeutenden zu treffen ist. Der Gesetzgeber hat keine Wertgrenze festgestellt1215 und auch die Rechtspre1211 Wittig, DB 1999, S. 201; Obermüller, Rn. 5.278; Uhlenbruck, ZBB 1992, S. 285 (letzterer nur zum RegE der InsO). 1212 Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 32; Weisemann/Smid/Spieken/Nisters, Hb UnternIns, Kapitel 13, Rn. 123; Wittig, DB 1999, S. 201. Die neuen Kredite, die im Hauptverfahren des Vergleichsverfahrens angenommen wurden, wurden auch gemäß § 106 VglO als Masseschulden i.S.v. § 50 Abs. 1 Nr. 1 KO betrachtet ebenso wie Kredite, die im Hauptverfahren im Konkursverfahren angenommen wurde. Ausführlich dazu siehe Kämpfer, S. 25 ff. (zur VglO) und 36 ff. (zur KO). 1213 BGH WM 1991, S. 60 (zu Rechtslage nach KO); Obermüller, Rn. 5.279. 1214 Obermüller, Rn. 5.279. 1215 Smid/Smid, InsO, § 160, Rn. 6. Darauf hat er absichtlich verzichtet. – Begr. zu RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 174; NR/Balthasar, InsO, § 160, Rn. 41.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

chung hat bisher keine entsprechenden Grenzen entwickelt. In der Literatur sind sie deswegen strittig. Nach einer Ansicht kann die Aufnahme eines Darlehens, das 10 % des Massevermögens ausmacht, nicht erheblich sein.1216 Nach der Gegenauffassung, welche die überwiegende Zustimmung in der Lehre genießt, kann es keine derart starren Grenzzahlen für alle Darlehensaufnahmen geben.1217 Dies würde dem Bestreben des Gesetzgebers der InsO widersprechen.1218 Vielmehr müsse die Entscheidung unter der Berücksichtigung der Masseverbindlichkeiten, der zu erwartenden freien Masse und deren Liquidität sowie der Höhe der Insolvenzforderungen getroffen werden.1219 Für die Erheblichkeit seien die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft und die Dauer der eintretenden Bindung relevant.1220 Die fehlende Zustimmung berührt die Wirksamkeit des Handels des Insolvenzverwalters nicht,1221 d.h. der Kreditvertrag bleibt wirksam, selbst wenn dem Kreditnehmer die fehlende Zustimmung bekannt war.1222 Im Bezug auf die Finanzierung in der Krise wurde betont, dass die Zwischenfinanzierung außerhalb dieser Regeln bleiben solle.1223 Damit sind die Überbrückungskredite nicht zustimmungspflichtig, während Sanierungskredite der Zustimmung der Gläubigerversammlung bedürfen. c)

Folgen der Gewährung neuer Kredite im Fall der Masseunzulänglichkeit

Wenn die Masse für die vollständige Befriedigung der Masseverbindlichkeiten, zu denen auch die vom Insolvenzverwalter aufgenommenen Sanierungskredite gehören,1224 nicht ausreicht, stellen sich für die Bank zwei Fragen: Welche Aussicht auf Befriedigung ihrer Rückerstattungsansprüche hat sie in diesem Fall und kann sie möglicherweise vom Insolvenzverwalter Schadensersatz verlangen? Bei der Antwort auf die erste Frage ist zu berücksichtigen, dass das Gericht im Fall der Masseunzulänglichkeit für die Deckung der Verfahrenskosten das Insolvenzverfahren einstellen wird (§ 207 Abs. 1 InsO). In diesem Fall wird weder die Masse weiter verwertet noch werden die Masseverbindlichkeiten, zu denen die durch den Insolvenzverwalter neu aufgenommenen Kredite gehören, berücksichtigt. Der Kreditgeber geht leer aus.1225 Wenn die Verfahrenskosten gedeckt worden sind und

1216 FK-Wagner, InsO, § 160, Rn. 7. Nach Görg sind die Darlehensaufnahmen ohne wesentliches Risiko für die Masse und daher unerheblich, wenn sie nicht höher als die Einnahme, die binnen eines kurzen Zeitraums – etwa eines Monats – aus der Fortführung des Unternehmens zu erwarten sind. – MüKo/Görg, InsO, § 160, Rn. 20 1217 Smid/Smid, InsO, § 160, Rn. 6; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160, Rn. 22; Kübler/Prütting/ Onusseit, InsO, § 160, Rn. 17; NR/Balthasar, InsO, § 160, Rn. 41. 1218 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160, Rn. 22. 1219 Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 160, Rn. 17; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160, Rn. 22. 1220 NR/Balthasar, InsO, § 160, Rn. 41. 1221 Fink, S. 130 f; Wittig, Rn. 1466; BegrRegE der InsO, Br Drucks. 1/92, § 183, RegE, S. 185; Obermüller, Rn. 5.280. 1222 Obermüller, Rn. 5.280 m.w.N.; Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 32; Wittig, DB 1999, S. 201. 1223 NR/Balthasar, InsO, § 160, Rn. 41; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160, Rn. 17; MüKo/Görg, InsO, § 160, Rn. 20. 1224 Die Rechtlage gemäß KO war umstritten. Siehe dazu Kämpfer, S. 36 f. m.w.N. 1225 Wittig, DB 1999, S. 202.

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die Insolvenzmasse für die Befriedigung sämtlicher Massenverbindlichkeiten nicht ausreicht, ist der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Insolvenzmasse weiter zu verwerten und zu verwalten (§ 208 Abs. 3 InsO). Das hat zur Folge, dass die Reihenfolge der Befriedigung in diesem Fall geändert wird und die Aussichten der Befriedigung der früher begründeten Masseverbindlichkeiten (u.a. auch der Rückerstattungsansprüche der Banken aus den Kreditverträgen) sich im Vergleich zum „normalen Zustand“ im Insolvenzverfahren wesentlich verschlechtern: Zuerst werden die Verfahrenskosten gedeckt, dann die Masseverbindlichkeiten, die nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit begründet worden sind und erst danach die anderen Masseverbindlichkeiten, die vor der Anzeige über die Masseunzulänglichkeit begründet wurden.1226 Wenn aber die Masse für die Befriedigung der Masseverbindlichkeiten, die vor der Anzeige über die Masseunzulänglichkeiten begründet worden sind, ausreicht, werden diese nicht nach dem Grad ihrer Wichtigkeit für die Fortführung des Unternehmens, nach dem Zeitpunk ihrer Begründung oder nach anderen Kriterien, die die Masseverbindlichkeiten der Kredit gewährenden Bank im Vergleich mit anderen Masseverbindlichkeiten privilegiert, befriedigt. Vielmehr werden solche „früher begründeten“ Masseverbindlichkeiten quotal befriedigt (§ 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Die Konkurrenz der Forderungen der Bank aus neu gewährten Krediten zu anderen Masseverbindlichkeiten, die nicht nur ein Insolvenzverwalter, sondern auch ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners begründen kann, macht ihre Befriedigungsaussichten geringer als es im Zeitpunkt ihrer Begründung scheinen mochte.1227 Die Bank kann versuchen, die Frage einer möglichen Haftung des Insolvenzverwalters für die Begründung der Masseverbindlichkeiten zu stellen. Die Rechtsgrundlage dafür können in diesem Fall die Regeln des § 61 InsO sein. Ob diese Haftung ein Ausgleich der entsprechenden Risiken oder möglichen Verluste der Bank im Fall der Kreditgewährung an ein sich im Insolvenzverfahren befindendes Unternehmen sein kann, ist zweifelhaft.1228 Die Rechtslage nach der InsO im Vergleich zur Haftung des Insolvenzverwalters nach der KO hat sich vom Standpunkt des Kreditgebers aus wesentlich verbessert.1229 Bei der Feststellung der „voraussichtlichen Masseunzulänglichkeit“ muss der Insolvenzverwalter davon ausgehen, dass der Eintritt der Masseunzulänglichkeit wahrscheinlicher ist als deren Nichteintritt.1230 Eine wesentliche Beweiserleichterung für das Kreditinstitut ist der Umstand, dass der Insolvenzverwalter dafür beweispflichtig ist, dass er diese Lage nicht vorher-

1226 Wittig, DB 1999, S. 202. 1227 In ähnlicher Richtung Gottwald/Obermüller, Hb InsR, § 96, Rn. 32; Wittig, DB 1999, S. 202; Dies., Rn. 1468. 1228 Nach § 82 KO war der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten allen Beteiligten verantwortlich. Die Rechtsprechung hat aber die Haftung des Sequesters abgelehnt. Sie hat damit argumentiert, dass „die Geschäftspartner des Verwalters durch die Verfahrenseröffnung gewarnt sind und sich bewusst sein müssten, dass sie das Risiko der Masseunzulänglichkeit eingingen“. – BGHZ 100, S. 346 = WuB VI B § 82 KO 1.87 (Johlke); LG Hamburg vom 28.6.1996; WuB VI B. – § 82 KO, 1.97 (Wittig). Zu Rechtslage nach KO siehe Jährig/Schuck/Rösler/Woite, S. 790. 1229 Nach Kautzsch (S. 119) kann sich sogar die Neuregelung der Haftung des Insolvenzverwalters positiv auf die Finanzierungsentscheidung der Bank auswirken. 1230 Begründung zu § 72 RegE, BR-Drucks. 1/92, S. 129/130.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

sehen konnte.1231 Deswegen geht die Bank im Fall der Gewährung von Neukrediten davon aus, dass der Verwalter den Umfang und das Genügen der Masse für einen solchen Vertrag geprüft hat. Insbesondere dann aber, wenn es um Großinsolvenzverfahren geht, kann der Insolvenzverwalter nicht vorhersehen, ob die Masse ausreichen wird oder nicht. In solchen Fällen trägt die Bank ein gewisses Risiko selbst. Im geltenden Recht, ebenso wie nach altem Recht,1232 versuchen die Insolvenzverwalter ihre persönliche Haftung für die Aufnahme neuer Kredite ausdrücklich auszuschließen.1233 Wenn aber eine solche Haftung in Betracht kommt, wird der Insolvenzverwalter wegen des Verhältnisses zwischen seiner Finanzkraft und dem Umfang des Kredites tatsächlich kaum in der Lage sein, sie zu decken.1234 Dieser Umstand schafft ein großes Risiko für das Kreditinstitut und kann in vielen Fällen gegen die Entscheidung sprechen, Sanierungskredite zu gewähren.

3.

Rechtsstellung von Gesellschafterkrediten im Insolvenzverfahren

Die Gesellschafter können dem Unternehmen jederzeit Kredite gewähren. Im deutschen Recht existiert kein Finanzierungsverbot für die Gesellschafter nach Stellen des Insolvenzantrages. Gesellschaftskredite können sowohl in Form von Überbrückungs- als auch Sanierungskrediten vergeben werden. Eine besondere Bedeutung für die Finanzierung hat die Frage der möglichen Qualifizierung dieser Sanierungskredite der Gesellschafter als kapitalersetzende Leistungen. Im Folgenden wird, wie im Fall der Drittfinanzierung, zwischen den schon gewährten oder bestehenden Gesellschaftskrediten und der Neugewährung von Gesellschaftskrediten unterschieden. a)

Bestehende Gesellschafterkredite

Im Konkurs- und Vergleichsverfahren konnten die Gesellschafter den Anspruch auf die Rückzahlung des Darlehens nicht geltend machen. Mit solchen Ansprüchen konnten sie nicht als Konkurs- oder Vergleichsgläubiger am Verfahren teilnehmen.1235 Ähnlich war es im Sequestrationsverfahren,1236 dort waren sie ebenfalls keine Konkurs- oder Vergleichsgläubiger.1237 Dabei betraf diese Lage nicht nur die Ansprüche auf die Rückerstattung des Darlehens, sondern auch auf die Zinsen.1238

1231 Begründung zu § 72 RegE, BR-Drucks. 1/92, S. 129/130; Weisemann/Smid/Spieker/Nisters, Hb UnternIns, Kapitel 13, Rn. 124; Kautzsch, S. 119; Wittig, Rn. 1470. 1232 Järg/Schuck/Rösler/Woite, Hb KredGeschäft, 5. Aufl., S. 790. 1233 Wittig, DB 1999, S. 202; Dies., Rn. 1470. 1234 Wittig, DB 1999, S. 202; Dies., Rn. 1470. 1235 LG Erfurt ZIP 2001, S. 1673 (Falls das kapitalersetzenden Darlehen zugleich eine rechtswidrige Beihilfe darstellt, werden sie im Insolvenzverahren als nachrangige Forderungen geltend gemacht); Michalski/Heidinger, GmbHG, § 32a, Rn. 255; Jaeger/Henckel, KO, § 32a, Rn. 12; Scholz/ Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 53. 1236 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 67; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 59. 1237 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 68; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 53 und 61 m.w.N. 1238 Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 53; Jaeger/Henckel, KO, § 32a, Rn. 7; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32 a, Rn. 69.

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In der gegenwärtigen Insolvenzgesetzgebung sieht die Rechtslage folgendermaßen aus: Die Gläubiger, welche kapitalersetzende Darlehen in der Krise der GmbH gewährt haben, nehmen am eröffneten Insolvenzverfahren als nachrangige Insolvenzgläubiger nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO teil.1239 Dabei fallen darunter sowohl die Kredite i.S. von § 32a Abs. 1 GmbHG als auch die Sicherheiten, die von Gesellschaftern nach den Regeln des § 32a Abs. 2 GmbHG gestellt worden sind.1240 b)

Gewährung neuer Gesellschafterkredite

Wenn sich die Gesellschafter an der Sanierung des Unternehmens beteiligen und selbst Gesellschaftskredite gewähren, weckt dies in der Regel das Vertrauen der Drittgläubiger in die Seriosität des Sanierungskonzepts und seine Erfolgsaussichten. Nehmen sie dagegen von einer möglichen Gewährung von Krediten Abstand, so spricht dies für den aussichtslosen Zustand des Unternehmens und gegen eine Beteiligung der Banken an der Sanierung. Die Gewährung von Gesellschaftskrediten nach der InsO unterscheidet sich wesentlich von der Rechtslage nach altem Insolvenzrecht. Im früheren Insolvenzrecht hatten die Fragen der Stellung der kapitalersetzenden Leistungen nur im Vergleichsverfahren Bedeutung, weil das Konkursverfahren in der Regel ein Liquidationsverfahren darstellte.1241 Sie sollten mit der obligatorischen Zustimmung des Vergleichsverwalters angenommen werden und den Zwecken des § 106 VglO entsprechen. Der Verwalter sollte dabei die haftungsrechtlichen Besonderheiten der Sanierungskredite berücksichtigen und sie nur dann aufnehmen, wenn sie eine erfolgreiche Sanierung versprachen.1242 Wenn aber das Vergleichsverfahren misslang, stellten solche Darlehen im Abschlusskonkurs Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO dar.1243 Diese Rechtsstellung der Gesellschaftskredite mit eigenkapitalersetzender Funktion wurde mit der vergleichbaren Rechtslage zu neuen Krediten von Dritten gerechtfertigt.1244 Die InsO hat an keiner Stelle über das Schicksal der von Gesellschaftern des Unternehmens oder nahe stehenden Dritten neu gewährten Darlehen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entschieden. Die Vorschrift des deutschen GmbH-Gesetzes gilt in der Krise der Gesellschaft. Ob damit einer Krise im engeren Sinne (die Rechts-

1239 Schmidt, GmbHG in Krise, Rn. 1453; Bork, Rn. 373; a.A. Obermüller (Rn. 5.281), nach dessen Meinung spreche die Systematik der InsO dafür, dass nur die Kredite im Planverfahren für nachrangig erklärt (§ 264 Abs. 3 InsO). 1240 Schmid, GmbH in Krise, Rn. 1453. 1241 Nach H/B/Hueck/Fastrich, GmbHG, 15. Aufl., § 32a, Rn. 10 wurde die Frage der Gewährung der kapitalersetzenden Darlehen in KO als „kaum praktisch“ charakterisiert. 1242 Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 67; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 73; Kautzsch, S. 126 f. Zu den Anforderungen an die Sorgfaltsprüfung des Vergleichsverwalters siehe Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 67 m.w.N. 1243 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 73; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, 15. Aufl., § 32a, Rn. 10; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 67; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 149 f.; Ulrich, GmbHR 1983, S. 137. 1244 Bley/Mohrbutter, VglO, § 106, Rn. 8 m.w.N.; Scholz/Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., § 32a, Rn. 67; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 153; Ullrich, GmbHR 1983, S. 137; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 32a, Rn. 73; Schmidt, ZHR 1983, S. 178; Kämpfer, S. 112.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

lage vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens) gemeint ist oder im weiteren Sinne (die Rechtslage sowohl vor als auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens), hat der Gesetzgeber offen gelassen. In der Rechtsprechung und Lehre kann das Tatbestandselement „Krise“ des § 32a GmbHG über das Merkmal der Kreditunwürdigkeit festgestellt werden.1245 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist das direkte Indiz der Kreditunwürdigkeit des Unternehmens. Das könnte für die Anerkennung der Kapitalersatzfunktion im eröffneten Insolvenzverfahren sprechen. Diese Frage ist aber nicht so einfach zu beantworten wie es scheint. Vielmehr spielt hier das Verhältnis zwischen den Vorschriften des Insolvenz- und des Gesellschaftsrechts eine ausschlaggebende Rolle. Mit der Gewährung eines Gesellschaftskredits weckt der Gesellschafter gegenüber Drittgläubigern den Eindruck, dass das Unternehmen kreditwürdig sei. Im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist aber nach der Vorstellung im deutschen Recht die Insolvenz schon eingetreten und vom Gericht ist die Zahlungsunfähigkeit oder ein anderer Insolvenzeröffnungsgrund festgestellt worden. 1246 Die Besonderheit dieses Zustandes besteht darin, dass der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Ernennung des Insolvenzverwalters folgt, der die Gläubigerversammlung einberuft. Diese, nicht aber die Gesellschafter, bestimmen die unternehmerische Zukunft des Schuldnerunternehmens. Die Gesellschaftskredite werden nicht vom Geschäftsführer angenommen, sondern von einem Insolvenzverwalter. Seine Interessen und die Interessen des Gesellschafters (Kreditgebers) werden sich in der Regel nicht decken. Bei bedeutenden Darlehen muss er nicht die Genehmigung der Gesellschafter, sondern die des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung (§ 160 InsO) einholen. Ein unternehmerischer Einfluss des Gesellschafters besteht nicht mehr. Das hat die Konsequenz, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Finanzierungs(folge-)verantwortung des Gesellschafters nicht mehr existiert.1247 Die Gewährung der zusätzlichen Kredite erhöht in erster Linie die Überlebenschancen des Schuldnerunternehmens und als Folge davon profitieren alle Gläubiger und die Gesellschafter selbst. Die Ansprüche der Gesellschafter aus der Kreditgewährung nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens können aus den oben genannten Gründen nicht als kapitalersetzende Kreditforderungen nachrangige Befriedigung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO „genießen“. Weil sie in diesem Fall nicht zu den kapitalersetzenden Darlehen gehören, werden die Forderungen der Gesellschafter oder gleichstehende Kredite im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG mit den Ansprüchen derjenigen, die unbesicherte Kredite an die Gesellschaft nach dem Insolvenzeröffnungsverfahren gewährt haben, gleich gestellt und als Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Nr. 1 InsO betrachtet.1248 Damit wer-

1245 Siehe dazu ausführlich Dritter Teil – Vierter Abschnitt. A. III. 1. c). dieser Arbeit. 1246 So Kautzsch, S. 127 f. 1247 Haas, DZWiR 1999, S. 182; v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.152 und 14.128 ff. m.w.N.; Schmid, GmbH in Krise, Rn. 1458. 1248 B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 10; v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.128 ff. m.w.N. und 14.152; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 135, Rn. 15; Bork, Rn. 373; Kämpfer, S. 150 f.; Koppensteiner, AG 1998, S. 317; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 62, Rn. 64; Noack, Rn. 209; Barth, S. 178 f. Hass, DZWiR 1999, S. 182; Kautzsch, S. 127; Fink, Rn. 320; a.A. Ulmer, GesR, S. 125 f.

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B. Russisches Recht

den im Insolvenzverfahren gewährte Gesellschaftskredite nicht der Regelung des Kapitalersatzrechts unterworfen.1249 Die InsO zählt die Gesellschafter nicht zu den Beteiligten des Insolvenzverfahrens.1250 Deswegen können sie während des Insolvenzverfahrens eine Kapitalerhöhung durchführen und ihre Anteile erhöhen.1251 Dritte können an diesen Maßnahmen ebenso teilnehmen wie die Gesellschafter. Wenn von diesen Personen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile Kredite gewährt werden, unterliegen diese dem sog. Sanierungsprivileg nach § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG.1252 Sie werden genauso wie die entsprechenden Leistungen in der Krise der Gesellschaft und im Insolvenzeröffnungsverfahren nicht als kapitalersetzende Leistungen charakterisiert, sondern als Masseleistungen bewertet. Einerseits bringt die Qualifizierung der im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb gewährten Sanierungskredite in diesem Zeitraum keine großen Anreize im Vergleich mit den „normalen“ Gesellschaftsdarlehen, weil auch sie als Masseforderungen qualifiziert werden. Andererseits spricht der Erwerb von Gesellschaftsanteilen in diesem Zeitraum für die Seriosität der Sanierung.

B.

Russisches Recht

I.

Stellung der Sanierungskredite im Beobachtungsverfahren

1.

Allgemeine Charakteristik

Die erste Unterart des Insolvenzverfahrens, im Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens1253 bis zur Entscheidung des Wirtschaftsgerichts auf Grund des Vorschlages der ersten Gläubigerversammlung, wird im russischen Insolvenzrecht als Beobachtungsverfahren (Art. 62–75 russ. InsG) bezeichnet. Es bezweckt gemäß dem Wortlaut des Art. 2 russ. InsG die Sicherung der Unversehrtheit des Vermögens des Schuldners, die Durchführung einer Analyse seiner finanziellen Situation, die Erstellung des Registers der Gläubigerforderungen und die Abhaltung der ersten Gläubigerversammlung.

1249 Fink, Rn. 322; Kautzsch, S. 127. Außerdem gelten bei der Annahme der Gesellschafter die Regeln über das Zustimmungserfordernis seitens der Gläubigerversammlung. Der Insolvenzverwalter soll solche Darlehen, wenn ihre Annahme die Masse erheblich belastet, nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Gläubigerausschusses annehmen. – v. G/H/Johlke/ Schröder, Hb KapER, Rn. 14.151. Siehe dazu ausführlich bezüglich der Drittdarlehen im Insolvenzverfahren Vierter Teil. Dritter Abschnitt. A. II. 2. dieser Arbeit. 1250 Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 221, Rn. 13; Noack, Rn. 104; Barth, S. 178. 1251 Barth, S. 178. 1252 Im Ergebnis auch so Bork, Rn. 373. 1253 Das Beobachtungsverfahren wurde in der ursprünglichen Fassung des InsG 1998 ab dem Zeitpunkt der Annahme des Insolvenzantrages eingeführt (Art. 56 InsG 1998). Weil diese Vorschrift keine Möglichkeit vorsah, eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Gerichtes zu erheben, hat das Verfassungsgericht der Russischen Föderation sie in seiner Entscheidung vom 12.3.2001 Nr. 4-P (SZ RF 2001, Nr. 12, Pos. 1138) für verfassungswidrig erklärt. Dies wurde mit der Verletzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Rechtsschutzes (Art. 46 Pkt. 1 und 2, Art. 55 Pkt. 3 VerfRF) begründet.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Im Kern des Beobachtungsverfahrens wird dabei die Antwort auf eine Frage gesucht: Ist es möglich, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wiederherzustellen oder nicht? Zeitlich kann man gewisse Parallelen mit dem Zeitraum von der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen bis zur Entscheidung der ersten Gläubigerversammlung im deutschen Insolvenzrecht ziehen: Ob diese zeitliche Parallele auch inhaltliche Berührungspunkte zeigt, wird im Folgenden dargestellt. Das Beobachtungsverfahren kann für das Vermögen fast aller Schuldnergruppen angeordnet werden.1254 Seine Dauer kann nicht länger als sieben Monate seit dem Zeitpunkt der Annahme des Insolvenzantrages beim Wirtschaftsgericht betragen.1255 Zum Zweck des Schutzes des Vermögens des Schuldners treten ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses des Wirtschaftsgerichts über die Anordnung der Beobachtung verschiedene Wirkungen ein, die in Art. 63 russ. InsG aufgezählt sind. Für die spätere Sanierung des Unternehmens sind besonders wichtig das Zwangsvollsteckungsverbot1256 und das Verbot der Aufrechnung.1257 Außerdem bedeutet die Anordnung des Beobachtungsverfahrens eine wesentliche Begrenzung der Befugnisse des Leiters des Schuldners und seiner Organe. Der Leiter des Schuldners bleibt bestehen, aber seine Befugnisse werden unter die Aufsicht des vom Insolvenzgericht ernannten vorläufigen Insolvenzverwalters gestellt. Nur mit dessen Zustimmung kann der Leiter des Unternehmens die in Art. 64 Pkt. 2 russ. InsG aufgezählten Rechtsgeschäfte (z.B. Empfang oder Vergabe von Bürgschaften, die Abtretung von Forderungen) sowie Rechtsgeschäfte oder miteinander verbundene Rechtsgeschäfte ab einer Wertgrenze von 5 % des bilanziellen Wertes der Aktiva des Schuldners vornehmen.1258 Die Rechte und Pflichten des vorläufigen Insolvenzverwalters sind in Art. 66 russ. InsG aufgezählt.1259 Der vorläufige Insolvenzverwalter ist berechtigt, sich im eigenen Namen mit den Ansprüchen auf Unwirksamerklärung von Rechtsgeschäften

1254 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen das Vermögen einiger Schuldnergruppen führt nicht zur Eröffnung des Beobachtungsverfahrens. Es handelt sich dabei um abwesende Schuldner (Art. 228 Pkt. 1 Satz 2 russ. InsG), liquidierte Schuldner (Art. 225 Pkt. 1 Satz 2 russ. InsG) sowie um Kreditorganisationen. Im letzten Fall folgt dies aus Art. 182 Pkt. 1 russ. InsG. a.A. Popondopulo/Skvorcov, InsG, Art. 62, S. 122, wonach das Beobachtungsverfahren eine obligatorische Art des Insolvenzverfahrens juristischer Personen darstellt. 1255 Art. 62 Pkt. 3 russ. InsG unter Verweis auf Art. 51 russ. InsG. Nach Andreev kann sich in einigen Ausnahmefällen die maximale Dauer des Verfahrens sogar noch weiter auf Grund des Art. 158 WPGB verschieben. – Vitrjanskij/Andreev, InsG, Art. 62, S. 282 unter den Verweis auf Nr. 21 des Informationsbriefes des Obersten Wirtschaftsgerichtes der RF vom 6.8.1999, Nr. 43, VVAS 1999, Nr. 10, S. 78. 1256 Zur Ausnahme aus diesem Verbot siehe Art. 63 Pkt. 1 Abs. 3 russ. InsG. 1257 Diese ist aber zulässig, wenn die in Art. 134 Pkt. 4 russ. InsG aufgestellte Rangfolge der Befriedigung der Gläubigerforderungen verletzt wird, was bei jedem Insolvenzverfahren eine Ausnahme darstellt. 1258 Den leitenden Organen des Schuldners wird ihrerseits verboten, die in Art. 65 Pkt. 3 russ. InsG aufgezählten Entscheidungen, die die finanzielle Verfassung des Unternehmens berühren, zu treffen. Es handelt sich z.B. um Umwandlungsmaßnahmen des Unternehmens, die Beteiligung des Schuldners an anderen juristischen Personen, die Ausschüttung von Dividenden. 1259 Dazu hat er die Rechte und Pflichten, die in Art. 24 russ. InsG für alle Insolvenzverwalter festgestellt sind. – Vitrjanskij/Andreev, InsG, Art. 66, S. 296; Zalesskij/Fedotova, InsG, Art. 67, S. 164.

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B. Russisches Recht

und Entscheidungen sowie auf Anwendung der Folgen der Unwirksamkeit nichtiger Verträge, die der Schuldner unter Verletzung der in den Art. 63, 64 russ. InsG aufgestellten Anforderungen abgeschlossen oder erfüllt hat, an das Wirtschaftsgericht zu wenden. Die Lehre schlägt vor, dass Rechtsgeschäfte, die nicht nur nach, sondern auch vor der Anordnung des Beobachtungsverfahrens geschlossen wurden, nach den im Insolvenz- und Zivilrecht1260 sowie den anderen Föderalen Gesetzen1261 vorgesehenen Rechtsgrundlagen angefochten werden können. Der vorläufige Insolvenzverwalter ist verpflichtet, gemäß Art. 66 Pkt. 1 Abs. 4 russ. InsG Maßnahmen zur Sicherung der Unversehrtheit des Vermögens des Schuldners zu treffen.1262 Die primäre Aufgabe des Verwalters besteht in der Durchführung einer Analyse der finanziellen Situation des Schuldners.1263 Auf der Grundlage dieser Analyse bereitet er eine Einschätzung der Möglichkeiten für die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners und eine Begründung zur Zweckmäßigkeit der Anordnung der jeweiligen Arten des Insolvenzverfahrens gemäß Art. 70 Pkt. 2 russ. InsG vor. Er ist außerdem verpflichtet, die erste Gläubigerversammlung einzuberufen und durchzuführen. Diese ist ihrerseits berechtigt, auf Grund seines Berichtes die Entscheidung über die Anordnung der jeweiligen Art des Insolvenzverfahrens zu treffen und gleichzeitig den entsprechenden Antrag an das Wirtschaftsgericht zu stellen. Das Beobachtungsverfahren wird durch Beschluss des Wirtschaftsgerichts beendet. In diesem Beschluss kann es auf Grund der Entscheidung der ersten Gläubigerversammlung und des Vorschlages des vorläufigen Insolvenzverwalters1264 entweder eine der weiteren Insolvenzverfahrensarten anordnen, oder aus Gründen, die in Art. 57 russ. InsG und Art. 150 WPGB vorgesehen sind, das Verfahren beenden.1265

2.

(Sanierungs-)Kredite im Beobachtungsverfahren

Obwohl der Gesetzgeber die Möglichkeit, Kredite im Beobachtungsverfahren zu vergeben, in Art. 64 Pkt. 2 Abs. 3 russ. InsG im Zusammenhang mit der Notwendig1260 Popondopulo/Skvorcov, InsG, Art. 66, S 132. 1261 Teljukina, InsG, Art. 66, S. 178; Zalesskij/Fedotova, InsG, Art. 66, Rn. 1. 1262 Den Katalog solcher Maßnahmen enthält § 91 WPGB. Eingehend dazu siehe Zalesskij/ Fedotova, InsG, Art. 66, S. 166. 1263 Die Methodik der Durchführung der finanziellen Analyse hat die russische Regierung in ihrer Verordnung vom 25.6.2003 Nr. 367 „über die Verabschiedung der Regeln über die Durchführung der finanziellen Sanierung durch den Arbitrageverwalter“ (SZ RF 2003, Nr. 26, Pos. 2664) festgestellt. 1264 Vitrjanskij/Andreev, InsG, Art. 67, S. 298; a.A. Zalesskij/Fedotova (InsG, Art. 67, S. 168), nach deren Auffassung erst die Entscheidung der ersten Gläubigerversammlung als Grundlage für die Entscheidung durch das Wirtschaftsgericht dienen kann. 1265 In einigen Fällen kann es aber auf Grund der vorgestellten Dokumente eine von der Entscheidung der ersten Gläubigerversammlung oder dem Vorschlag des vorläufigen Insolvenzverwalters abweichende Entscheidung treffen. In diesem Fall hat Art. 75 russ. InsG detailliert die Frage der Priorität der Anordnung der jeweiligen Verfahrensarten geregelt. Dabei wird die Anordnung der Sanierungsverfahren (Verfahren der finanziellen Sanierung und Fremdverwaltungsverfahren) gegenüber anderen Verfahrensarten bevorzugt. – Mit ähnlichem Ergebnis Teljukina, InsG, Art. 75, S. 207.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

keit der Zustimmung zu ihrer Annahme erwähnt hat, hat die Problematik der Finanzierung des Schuldners im Beobachtungsverfahren in der russischen Literatur wenig Aufmerksamkeit erfahren und ist in der Kommentarliteratur zum russischen InsG nur am Rande bezüglich der Analyse einzelner Problemfragen erwähnt.1266 Das Beobachtungsverfahren bezweckt nicht die Befriedigung der Gläubiger des Schuldners durch Veräußerung des Unternehmens oder die Durchführung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. Vielmehr soll während dieses Verfahrens die finanzielle Lage des Unternehmens analysiert und von der ersten Gläubigerversammlung auf Grund dieser Analyse eine Entscheidung über das Schicksal des Unternehmens getroffen werden. Der wesentliche Nachteil des russischen Beobachtungsverfahrens im Vergleich mit dem Zeitraum zwischen der Einsetzung des vorläufigen Insolvenzverwalters bis zur ersten Gläubigerversammlung oder zum ersten Berichtstermin im deutschen Insolvenzrecht besteht darin, dass der vorläufige Insolvenzverwalter das Not leidende Unternehmen nicht fortführen soll. Ebenso fehlt eine solche Pflicht beim Schuldner. Der vorläufige Insolvenzverwalter kann daher als nicht verfügungsbefugter vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungskompetenz im Sinne des deutschen Rechts bezeichnet werden. Der Schuldner bleibt dagegen im Beobachtungsverfahren verfügungsbefugt. Seine Befugnisse werden aber vom russ. InsG wesentlich einerseits durch den zustimmungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalter und andererseits durch die zwingenden Vorschriften des russ. InsG begrenzt. Im Beobachtungsverfahren fehlen auch die wichtigsten Mechanismen (z.B. zur Frage der Erfüllung schwebender Rechtsgeschäfte oder ausführliche anfechtungsrechtliche Vorschriften1267) für die Verwandlung seiner Sollmasse in die Istmasse. Noch ein interessantes Detail des Aufbaus des russ. InsG spricht gegen die Möglichkeit, das Unternehmen in diesem Zeitraum zu sanieren: Die Vorschriften des russ. InsG über das Beobachtungsverfahren erwähnen keine Möglichkeit, die Zahlungsfähigkeit des Schuldners während des Beobachtungsverfahrens wiederherzustellen, obwohl diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist.1268 Dies alles zeigt, dass das Beobachtungsverfahren für eine effiziente Sanierung des Unternehmens wenig geeignet ist. Das Unternehmen benötigt in diesem Zeitraum eine Finanzierung, um seine Tätigkeit fortzuführen. Allein der Wert des fortgeführten Unternehmens wird in der Regel seine Kapitalisierung im Vergleich mit der Stilllegung des Unternehmens erhöhen. Die Dauer der Finanzierung ist in der Regel ein kurzfristiger Charakter zu eigen, denn die maximale Dauer des Beobachtungsverfahrens soll sieben Monate ab dem Zeitpunkt der Annahme des Insolvenzantrages nicht übersteigen und die weitere Anordnung der Unterarten des Insolvenzverfahrens ist unklar. Darüber hinaus kann für die langfristige Finanzierung des Not leidenden Unternehmens eine wichtige Rolle spielen, dass vorher nicht abzuschätzen ist, ob das Insolvenz-

1266 Z.B. Teljukina, InsG, Art. 64, S. 183; Vitrjanskij/Andreev, InsG, Art. 70, Rn. 1, S. 305. 1267 Eine Ausnahme von dieser These stellt das Recht des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Rechtsgeschäfte des Schuldners, die Art. 64 russ. InsG verletzen, anzufechten dar. 1268 Das folgt aus den allgemeinen Vorschriften des russ. InsG (Art. 57 Pkt. 1 Abs. 1 russ. InsG).

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B. Russisches Recht

gericht nach der Aufhebung des Beobachtungsverfahrens das Fremdverwaltungsoder das Konkursverfahren anordnet. Deswegen kann man von einer möglichen Gewährung von Überbrückungs- statt von Sanierungskrediten sprechen.1269 a)

Bestehende (Sanierungs-)Kredite

Die Anordnung des Beobachtungsverfahrens bedeutet, im Unterschied zur Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens im deutschen Recht, nicht die automatische Fälligkeit der Forderungen der Gläubiger. Das betrifft sowohl Tilgungs- als auch Kontokorrentkredite. Bei der weiteren Fortführung der Kreditverhältnisse stellen sich die Kreditgeber zwei Fragen: Wie werden ihre Forderungen aus dem bestehenden (Sanierungs-)Kreditvertrag im Beobachtungsverfahren qualifiziert und unter welchen Voraussetzungen kann der Kreditgeber den (Sanierungs-)Kreditvertrag in diesem Zeitraum einseitig beenden? Der Schuldner kann im Beobachtungsverfahren die Sanierungskredite weiter benutzen. Alle Rückerstattungs- und Zinsforderungen des Kreditgebers aus bestehenden (Sanierungs-)Kreditverträgen werden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (u.a. im Beobachtungsverfahren) als Masseforderungen betrachtet, was aus Art. 5 Pkt. 1 Satz 2 russ. InsG folgt. Diese Forderungen sollen während des Verfahrens getilgt werden, wenn sie fällig werden.1270 Dieser Umstand schafft eine günstige Lage für die Finanzierung des Not leidenden Unternehmens im Beobachtungsverfahren. Die Vertragsparteien können sich vom Vertrag bei Vorliegen der gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen lösen. Das Insolvenzgesetz enthält kein Verbot einer Lösungsklausel (sowohl vertraglich als auch gesetzlich) im Beobachtungsverfahren. Weder in der Rechtsprechung noch in der Lehre ist geklärt, ob die Bank einen bestehenden (Sanierungs-)Kreditvertrag kündigen darf. Obwohl die geltende Insolvenzgesetzgebung kein Kündigungsverbot im Insolvenzverfahren enthält, kann der Kreditgeber die Sanierungskredite nur in Ausnahmefällen kündigen. Die schwierige wirtschaftliche Lage des Schuldners ist dem Kreditgeber längst bekannt. Das Sanierungskonzept, auf Grund dessen sie den Sanierungskredit gewähren wird, soll diesen Umstand berücksichtigen. Allein die Anordnung des Beobachtungsverfahrens und unbedeutende Abweichungen von der Erfüllung des Sanierungskonzepts können nicht als Grund für die Kündigung der Sanierungskredite angesehen werden. Vor dem Hintergrund, dass in der russischen Insolvenzpraxis die Masse in der Regel ausreicht, um das Insolvenzverfahren fortzuführen und die Rückerstattungs- und Zinsforderungen des Kreditgebers in diesem Zeitraum als Masseforderungen qualifiziert werden, könnte die pauschale Entscheidung zugunsten der Zulässigkeit der Kündigung der unbesicherten Kre-

1269 Nach Andreev ist die Möglichkeit der Kreditgewährung an das Unternehmen, gegen welches das Insolvenzverfahren eröffnet ist, sehr gering. – Vitrjanskij/Andreev, InsG, Art. 70, S. 305. 1270 Teljukina, InsG, Art. 5, S. 33.

235

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

dite auf Grund des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB oder Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB große Bedenken hervorgerufen. Sanierungskredite können erst dann beendet werden, wenn sich die Vermögensverhältnisse des Schuldners wesentlich verschlechtert haben, was die Sanierung des Not leidenden Unternehmen aussichtslos macht. Die gesetzlichen Grundlagen dafür stellen Art. 821 Pkt. 1, Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB in Verbindung mit Art. 10 Pkt. 1 russ. ZGB. b)

Aufnahme neuer (Sanierungs-)Kredite

Es besteht die Möglichkeit, während des Beobachtungsverfahrens einen (Sanierungs-)Kredit zu bekommen. In diesem Fall kann ein solcher entweder von einem Dritten (in der Regel eine Bank) oder von einem Gesellschafter gewährt werden. Das Engagement des Gesellschafters bei der Kreditvergabe wird vom Gesetzgeber als wünschenswert angenommen.1271 Die Forderungen der Gesellschafter aus dessen Kreditvertrag werden den Forderungen Dritter aus Kreditverträgen gleichgestellt, d.h. die Rückerstattungs- und Zinszahlungsansprüche aus in einem Zeitraum angenommenen Krediten werden als laufende Forderungen (Masseforderungen) gemäß Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG betrachten: Damit entspricht die Lage der Forderungen der Gesellschafter im russischen Recht wesentlich der im deutschen Eröffnungsverfahren von einem bevollmächtigten Insolvenzverwalter angenommenen Kredite von Gesellschaftern. Die Betrachtung der Rückzahlungsansprüche aus Kreditverträgen als laufende Forderungen im russischen Insolvenzrecht hat für Kreditgeber sowohl eine positive, als auch eine negative Seite. Die positive Seite besteht darin, dass solche Rückzahlungsforderungen außerhalb der Reihenfolge der Befriedigung und vor den Forderungen der Pfandgläubiger erlöschen sollen. Wenn andererseits solche Forderungen bis zum Ende des Beobachtungsverfahrens fällig und dabei nicht gelöscht werden, werden sie als normale Insolvenzforderungen betrachtet.1272 Diese Lage unterscheidet sich wesentlich von der Lage nach deutschem Recht, wo diese als Masseforderungen im Eröffnungsverfahren wie auch im Regelinsolvenzverfahren betrachtet werden und nicht den späteren Nachrang als Insolvenzforderungen erhalten. Zu diesem Nachteil der Qualifizierung der Forderungen der Gläubiger als Masseforderungen in langfristiger Perspektive im russischen Recht kommt der Umstand hinzu, dass das russ. InsG keine besondere Verantwortung des Schuldners für den

1271 Das folgt aus zwei Umständen: Zuerst (im Bezug auf die Insolvenzschuldner im Form der Aktiengesellschaft (akzionernye obsˇ cˇ estva)) ist es nicht rechtwidrig und der Schuldner ist gemäß Art. 64 Pkt. 5 Satz 1 russ. InsG berechtigt, eine Kapitalerhöhung durch Ausgabe zusätzlicher gewöhnlicher Aktien an einen geschlossenen Kreis gegen zusätzliche Einlagen der Gründer (Gesellschafter) und dritter Personen durchzuführen. Anderseits ist der Geschäftsführer des Schuldners nach der Anordnung des Beobachtungsverfahrens gemäß Art. 64 Pkt. 4 russ. InsG verpflichtet, sich innerhalb von zehn Tagen ab dem Erlass des Beschlusses über die Anordnung der Beobachtung an die Gründer (Gesellschafter) des Schuldners mit dem Vorschlag zu wenden, ihre allgemeine Versammlung durchzuführen, bzw. an den Eigentümer des Vermögens eines Einheitsunternehmens als Schuldner zur Prüfung eines Vorschlags an die erste Gläubigerversammlung des Schuldners auf Anordnung der finanziellen Sanierung gegenüber dem Schuldner, der Durchführung einer zusätzlichen Aktienemission zu richten. 1272 Teljukina, InsG, Art. 5, S. 34.

236

B. Russisches Recht

Ausfall der Forderung vorgesehen hat.1273 Wegen dieses Umstands wäre es für den Kreditgeber praktikabel, in den Sanierungskreditverträgen Fälligkeitsfristen sowohl für die Zinszahlungen als auch für die Rückerstattung der Darlehensvaluta über die Dauer des Beobachtungsverfahrens am Anfang der nächsten Art des Insolvenzverfahrens zu vereinbaren. c)

Zustimmungserfordernisse

Drei Arten der Zustimmung im Beobachtungsverfahren können denkbar sein: Die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, die Zustimmung der Gläubigerversammlung sowie des Gläubigerkomitees. Das Insolvenzgesetz hat in Art. 64 Pkt. 2 Abs. 2 den Grundsatz festgestellt, dass alle Darlehens- und Kreditverträge, die der Schuldner nach der Anordnung des Beobachtungsverfahrens angenommen hat, mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter vereinbart werden sollen.1274 Nicht nur die Annahme bestimmter Kredite, sondern aller Kredite (unter anderen auch Sanierungskredite) ohne solche Zustimmung ist untersagt. Dabei soll die Annahme der Kredite, die sowohl nach der Anordnung des Beobachtungsverfahrens auf Grund der bestehenden Kreditverträge als auch der Kredite, die erst auf Grund im Beobachtungsverfahren geschlossener Kreditverträge gewährt werden, mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter vereinbart werden. Diese Zustimmung soll in schriftlicher Form gegeben werden. Dabei weist weder das russ. InsG noch die Rechtsprechung darauf hin, ob eine solche Zustimmung vor der Annahme des Kredits notwendig oder ob eine nachträgliche Zustimmung auch ausreichend für die Gesetzmäßigkeit der Kreditannahme ist. Sowohl die vorherige als auch die nachträgliche Zustimmung dürften ausreichen.1275 Es wäre bestimmt besser, die vorherige Zustimmung einzuholen, denn wenn der vorläufige Insolvenzverwalter diese Zustimmung nicht gewährt, wird der Kreditvertrag nichtig. Die erste Gläubigerversammlung wird erst am Ende des Beobachtungsverfahrens, spätestens 10 Tage vor seiner Beendigung (Art. 72 Pkt. 1 Abs. 2 russ. InsG), einberufen. Ihre Zustimmung sowie die Zustimmung des Wirtschaftsgerichts als Voraussetzung der Wirksamkeit der Annahme des (Sanierungs-)Kredits hat das russ. InsG nicht vorgesehen. Diese sind vom theoretischen Standpunkt aus gesehen auch überflüssig, weil über die Zustimmung des vorläufigen Insolenzverwalters der Schutz der Masse erreicht werden kann. Darüber hinaus würde die zusätzliche Zustimmung die Kreditaufnahme wesentlich bürokratisieren und erschweren und letztendlich gegen die Entscheidung der Bank sprechen, in diesem Zeitraum (Sanie-

1273 Das russische InsG kennt keine spezielle Haftung, wie sie im deutschen Recht für den (vorläufigen) Insolvenzverwalter in § 61 InsO vorgesehen ist. Der Fremdverwalter trägt aber die deliktische Haftung. Damit entspricht die Lage im russischen Insolvenzrecht im Wesentlichen der Lage im französischen und englischen Insolvenzrecht. Zu Rechtslage dort siehe Stahmer, S. 246 ff. 1274 Popondopulo/Skvorcov, InsG, Art. 64, S. 128; Zalesskij/Fedotova, InsG, Art. 64, S. 159. 1275 Der vorläufige Insolvenzverwalter hat in diesem Fall großen Ermessenspielraum für die Stellung bestimmter Bedingungen für seine Zustimmung. Der Fall des Rechtsmissbrauchs seitens des vorläufigen Insolvenzverwalters ist in dem Fall denkbar. Weder die Rechtsprechung noch die Lehre haben aber Grenzen der Zulässigkeit der Zustimmung entwickelt.

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Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

rungs-)Kredite zu gewähren. Dieser Umstand würde die Fortführung des Schuldnerunternehmens erschweren und die Sanierungschancen des Schuldners, wenn sie existieren, verringern.1276

II.

Sanierungskredite im Verfahren der Fremdverwaltung

1.

Allgemeine Charakteristik

Das Verfahren der Fremdverwaltung stellt sich als eine Art des Insolvenzverfahrens dar, das gegenüber dem Schuldner Anwendung findet und gemäß Art. 2 russ. InsG die Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit bezweckt. Dieses Ziel wird mit Hilfe unterschiedlicher Maßnahmen, die im Fremdverwaltungsplan bestimmt werden können, und hauptsächlich durch die Tätigkeit des Fremdverwalters bezüglich der Anfechtung bestimmter Rechtsgeschäfte sowie durch sein Wahlrecht, bestimmte Rechtsgeschäfte abzulehnen, durchgeführt. Das Fremdverwaltungsverfahren entspricht dem Zeitraum zwischen den Berichtstermin bis zum Anfang der Masseverteilung im Regelinsolvenzverfahren im deutschen Recht. Ob diese zeitliche Parallele auch inhaltliche Berührungspunkte zeigt, wird im Folgenden dargestellt. a)

Die Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens und ihre Folgen

Das Verfahren der Fremdverwaltung wird vom Wirtschaftsgericht im Bezug auf das Vermögen der meisten Unternehmen1277 angeordnet. Die Folgen der Anordnung der Fremdverwaltung sind in Art. 94 russ. InsG aufgezählt und werden in den folgenden Artikeln des russ. InsG konkretisiert. Die wichtigsten Folgen für die weitere Finanzierung des Unternehmens stellen die Anordnung des sog. Moratoriums,1278 sowie die Beendigung der Befugnisse des Geschäftsführers des Schuldners und der Übergang der Verwaltung der Angelegenheiten des Schuldners auf den Insolvenzverwalter, der in dem Zeitraum Fremdverwalter genannt wird, dar.1279 Deswegen ist

1276 Die Einberufung des Gläubigerkomitees ist im Beobachtungsverfahren möglich. Nach Art. 17 Pkt. 4 russ. InsG wird seine genaue zahlenmäßige Zusammensetzung durch die Gläubigerversammlung bestimmt und die Gläubigerversammlung am Ende des Beobachtungsverfahrens einberufen. Das russ. InsG sieht aber nur die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Beobachtungsverfahren vor, was vor dem Hintergrund der Möglichkeit, die Entscheidungen schon am Anfang des Beobachtungsverfahrens zu treffen, effizient erscheint. 1277 Die Ausnahme bilden die Kreditorganisationen (Art. 182 Pkt. 1 russ. InsG), fehlenden Unternehmen (Art. 228 Pkt. 1 russ. InsG) und liquidierten Schuldner (Art. 225 Pkt. 1 russ. InsG), bei denen nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Konkursverfahren angeordnet sein soll. 1278 Darunter versteht Art. 2 russ. InsG den Aufschub der Erfüllung von Geldforderungen und Pflichtzahlungen durch den Schuldner. Zum Anwendungsbereich des Moratoriums, seiner Rechtsnatur siehe Teljukina, InsG, Art. 95, S. 254 sowie Rasˇ cˇ evskij, S. 103 ff. 1279 Die Befugnisse des Fremdverwalters sind in Art. 99 russ. InsG aufgezählt. Daneben hat er die allgemeinen Rechte und Pflichten für alle Arten der Insolvenzverwalter, die in Art. 24 russ. InsG genannt sind. Aßerdem gehen auf dem Fremdverwalter gehen alle anderen Befugnisse der Leitungsorgane des Schuldners über. – Teljukina, InsG, Art. 94, S. 250; a.A. Zalesskij/Timonina, InsG, Art. 94, S. 260 f., wonach die Befugnisse der anderen Leitungsorgane nur begrenzt werden, nicht aber im vollem Umfang auf den Fremdverwalter übergehen.

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B. Russisches Recht

in dem Zeitraum allein der Fremdverwalter, nicht aber der Schuldner berechtigt, im Namen des Schuldners die Verträge (und u.a. auch Kreditverträge) abzuschließen. b)

Beidseitig nicht erfüllte Verträge

Das System der Erfüllung beiderseits nicht (vollständig) erfüllter Verträge unterscheidet sich im Fremdverwaltungsverfahren wesentlich von jenem der InsO. Das russische Recht enthält weder Besonderheiten für unterschiedliche Vertragsarten, noch Besonderheiten der Ablehnung teilbarer Leistungen und zu Dauerschuldverhältnissen.1280 Die Regeln über die Erfüllung schwebender Rechtsgeschäfte im Fremdverwaltungsverfahren sind in einem einzigen Artikel des russischen InsG (Art. 102) konzentriert. Eine wesentliche Besonderheit besteht auch darin, dass sich das Wahlrecht des Insolvenzverwalters1281 auf Verträge mit noch nicht fälligen Forderungen auswirkt, weil die Anordnung der Fremdverwaltung selbst nicht die Fälligkeit der bestehenden Verträge des Schuldners bewirkt.1282 Das russische InsG stellt im Vergleich mit den Bestimmungen des § 103 Abs. 1 deutschen InsO auch an das Wahlrecht des Insolvenzverwalters einige zusätzliche Anforderungen. Zum einen greift Art. 102 nur dann, wenn diese Rechtsgeschäfte die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners behindern sollen,1283 oder die Erfüllung dieser Rechtsgeschäfte für den Schuldner Nachteile gegenüber ähnlichen, unter vergleichbaren Umständen abgeschlossenen Rechtsgeschäften bringt. Zudem kann der Insolvenzverwalter dieses Recht nur innerhalb der ersten drei Monate ab Zeitpunkt der Anordnung der Fremdverwaltung wahrnehmen. c)

Insolvenzanfechtung

Auch das Konzept des Insolvenzanfechtungsrechts des Fremdverwalters unterscheidet sich wesentlich vom Insolvenzanfechtungsrecht der deutschen InsO. Anfechtungstatbestände sind nicht nur im russischen InsG (Art. 103 Pkt. 2–5), sondern auch auf Grund des direkten Verweises des Art. 103 Pkt. 1 russ. InsG in anderen „Föderalen Gesetzen“ vorgesehen.1284 „Föderales Gesetz“ wird aber von Gesetzgeber nicht näher definiert. Die Lehre versteht darunter jedes Gesetz, einschließlich das russische ZGB.1285

1280 Art. 77 Pkt. 2 Abs. 3 russ. InsG 1998 enthält zuerst die Bestimmungen über die Möglichkeit für einen Insolvenzverwalter, die Erfüllung eines langfristigen Vertrages, der für die Dauer von mehr als einen Jahr geschlossen wurde, abzulehnen. Diese Bestimmung wurde aber vom russischen Verfassungsgericht in seinem Beschluss vom 6.7.2000 Nr. 9 (SZ RF 2000, Nr. 24, Pos. 2658) als mit der Verfassung und ihren Art. 8 Pkt. 1; 19 Pkt. 1 und 2; 34 Pkt. 1; 35 Pkt. 2; 55 Pkt. 3 nicht vereinbar erklärt. 1281 Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 102, S. 28, Rn. 2; a.A. Teljukina, InsG, Art. 102, S. 267, Rn. 5, die das Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters als seine Pflicht sieht. 1282 Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 102, Rn. 1, S. 450. 1283 Was darunter zu verstehen ist, bleibt offen und dem Ermessenspielraum des Fremdverwalters überlassen. Nach treffendem Ausdruck von Teljukina (InsG, Art. 102, S. 267) „stelle Auslegung dieses Merkmales eine unbegrenzte Breite für die Phantasie des Insolvenzverwalters dar“. 1284 Dabei wird dieser Wortausdruck im Singular verwendet, was zu möglichen Verwirrungen nicht nur für den ausländischen, sondern auch für russischen Juristen führen kann. 1285 Teljukina, InsG, Art. 103, Rn. 2, S. 270; Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 103, S. 282 f.

239

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Im russischen Insolvenzrecht können nur Rechtsgeschäfte des Schuldners, nicht aber seine einseitigen Rechtshandlungen angefochten werden. Das Kriterium der Gläubigerbenachteiligung ist nicht als notwendige Voraussetzung für die Anfechtung eines Rechtsgeschäfts in Art. 103 Pkt. 1 russ. InsG genannt. Außerdem können die Rechtsgeschäfte, die in Art. 103 Pkt. 3 und 4 russ. InsG genannt sind, neben dem Fremdverwalter auch durch die Gläubiger angefochten werden.1286 d)

Abriss des Verlaufs des Verfahrens der Fremdverwaltung

Das Fremdverwaltungsverfahren dauert in der Regel achtzehn Monate mit der Möglichkeit, das Verfahren bis zu sechs Monate zu verlängern.1287 Ob das für die effiziente Sanierung des Unternehmens ausreichend ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls (z.B. Art des Not leidenden Unternehmens, seinen Produktionsphasen oder der Marktkonjunktur) ab.1288 Das Fremdverwaltungsverfahren wird auf Grund eines Fremdverwaltungsplanes durchgeführt.1289 Er wird vom Fremdverwalter oder einem von ihm beauftragten Dritten erarbeitet und durch die Gläubigerversammlung bestätigt. In diesem Plan kann neben unterschiedlichen Maßnahmen auch eine übertragene Sanierung vorgesehen werden, die ausführlich in Art. 110 russ. InsG geregelt ist. Das Wirtschaftsgericht erlässt gemäß Art. 119 Pkt. 6 und 7 russ. InsG auf Grund des Berichtes des Fremdverwalters sowie der Entscheidung der Gläubigerversammlung einen von folgenden Beschlüssen: (1) über die Beendigung des Insolvenzverfahrens bei Befriedigung aller Gläubigerforderungen entsprechend dem Register der Gläubigerforderungen oder bei Bestätigung eines Vergleichs durch das Wirtschaftsgericht; (2) über die Verlängerung der Dauer der Fremdverwaltung; (3) über die Erklärung des Schuldners als insolvent und die Eröffnung des Konkursverfahrens, (4) über die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners und den Übergang zu den Abrechnungen mit den Gläubigern.

2.

Sanierungskredite im Verfahren der Fremdverwaltung

Im Verfahren der Fremdverwaltung ist die Notwendigkeit von fresh money besonders aktuell für die Sanierung des Schuldners. Die Ausnutzung der Sanierungskredite kann eine der wichtigsten Maßnahmen der Wiederherstellung seiner Zahlungs-

1286 Nach Teljukina kann auch der Gläubiger die Rechtsgeschäfte, die in Art. 103 Pkt. 5 genannt sind, anfechten. – Teljukina, InsG, Art. 103, S. 272. 1287 Art. 93 Pkt. 2 russ. InsG. Für einige Schuldnergruppen kann das Fremdverwaltungsverfahren länger als zwei Jahre dauern: Es handelt sich um stadtbildende Unternehmen (Art. 172 russ. InsG), landwirtschaftliche Organisationen und Bauerunternehmen (Art. 178 Pkt. 3 Abs. 2 russ. InsG, Art. 219 Pkt. 4 Abs. 2 russ. InsG). 1288 Wenn diese Frist nicht ausreichend ist, um die Zahlungsfähigkeit des Schuldner wiederherstellen, können die Gläubiger danach mit dem Schuldner einen sanierungsorientierten Vergleich vereinbaren. Näher zum Vergleichsverfahren siehe Vierter Teil – Vierter Abschnitt. B. II. dieser Arbeit. 1289 Der Fremdverwaltungsplan antwortet auf die Frage, mit Hilfe welcher Maßnahmen die Zahlungsfähigkeit des Schuldners wiederherstellt wird. Näher zu den gesetzlichen Anforderungen zum Inhalt des Fremdverwaltungsplanes siehe Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 106, S. 462 f.

240

B. Russisches Recht

fähigkeit darstellen. Im Folgenden werden die Fragen der Rechtsstellung der Sanierungskredite in diesem Zeitraum des Insolvenzverfahrens für auf die schon bestehenden Kredite, die Annahme neuer Kredite sowie die Frage der Zustimmungserfordernissen für die Kreditaufnahme dargestellt. a)

Bestehende Kredite

Die Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens hat keine Auswirkung auf die Fälligkeit sowohl der Kontokorrent- als auch der Tilgungskredite. Die Forderungen aus diesen Verträgen werden im Fremdverwaltungsverfahren nach seiner Anordnung nicht automatisch fällig. Die Verträge können also fortgeführt werden. Die Modalität ihrer Rechtslage ist einerseits mit der rein theoretischen und wirtschaftlich in der Regel wenig sinnvollen Möglichkeit verbunden, dass der Verwalter im Wege der Ausübung seines Rechts nach Art. 102 russ. InsG die bestehenden und nicht (vollständig) erfüllten Sanierungskreditverträge einseitig auflöst. Andererseits besteht die Frage, wie die in dem Zeitraum fälligen Forderungen der Bank aus den bestehenden Sanierungskreditverträgen qualifiziert werden. Zuletzt hat für den Schuldner auch die Frage über die Zulässigkeit der Kündigung der (Sanierungs-) Kreditverträge seitens des Kreditgebers große praktische Bedeutung. Der Insolvenzverwalter kann nur innerhalb der ersten drei Monate nach der Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens die Erfüllung von Sanierungskreditverträgen ablehnen. Die praktische Realisierung dieser Möglichkeit, die in Art. 102 Pkt. 2 russ. ZGB vorgesehen ist, wird dadurch erschwert, dass der Sanierungskredit nicht zu den Rechtsgeschäften gehört, die die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners verhindern. Ganz im Gegenteil bezwecken diese Kredite die Sanierung des Unternehmens. Vor dem Hintergrund der Seltenheit der Gewährung eines Sanierungskredits und dessen hohe Kosten wird es als zweites Hindernis für den Insolvenzverwalter schwer, die Umstände zu beweisen. Der Verwalter muss begründen, dass die Erfüllung des Sanierungskreditvertrages für den Schuldner ungünstiger ist, als ähnliche Sanierungskreditverträge, die zu vergleichbaren Bedingungen geschlossen werden. Die im Fremdverwaltungsverfahren fällig gewordenen Rückerstattungs- und Zinsansprüche aus bestehenden (Sanierungs-)Kreditverträgen werden als Masseforderungen gemäß Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG qualifiziert. Die Frage der Kündigung von Sanierungskrediten im Fremdverwaltungsverfahren hat Besonderheiten, die den im Beobachtungsverfahren im Wesentlichen entsprechen. Der Schuldner kann im Fremdverwaltungsverfahren die Sanierungskredite weiter nutzen. Dafür muss er die Bedingungen des Sanierungsplans erfüllen. Wie auch zu anderen Zeitpunkten des Insolvenzverfahrens hat der Gesetzgeber keine Besonderheiten für die Kündigung der Sanierungskredite in diesem Fall vorgesehen. Die Bank darf die Sanierungskredite nur dann kündigen, wenn die Erfüllung der Sanierung wesentlich vom Sanierungsplan abweicht1290 und sich die Vermögenslage des Schuldners verschlechtert hat.

1290

Die Kriterien der Wesentlichkeit können im Fremdverwaltungsplan definiert werden.

241

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Ob dabei die Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens pauschal ein „offensichtliches Anzeichen“ der Verschlechterung des Vermögenslage des Schuldners i.S. des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB darstellt, ist zweifelhaft. Weder die russische Gesetzgebung noch Rechtsprechung und Schrifttum haben zu dieser Frage bisher Stellung genommen. Das Argument für die Betrachtung der Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens als Kündigungsgrund im Sinne des Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB besteht darin, dass die Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens keine automatische Sanierung des Schuldners bedeutet. Die wirtschaftliche Lage des Schuldners ist ernst und kann zu seiner Liquidation führen. Dagegen wird mit der Anordnung des Fremdverwaltungsverfahren bestätigt, dass der Schuldner Sanierungschancen hat und sie vom Gericht als ernsthaft angesehen werden, sonst wäre das Konkursan Stelle des Fremdverwaltungsverfahrens angeordnet werden. Wenn die Kreditverhältnisse fortgeführt werden, wird die Bank mit ihrem Anspruch auf Rückzahlung der im Fremdverwaltungsverfahren valutierten Darlehen als Massegläubiger gemäß Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG betrachtet.1291 b)

Die Gewährung neuer Kredite

Im Verfahren der Fremdverwaltung ist es nicht ausgeschlossen und sogar wünschenswert, neue (Sanierungs-)Kredite anzunehmen. Das russ. InsG macht keine Unterschiede zwischen der Annahme der Geldmittel von Dritten und von einem Gesellschafter bzw. Eigentümer des Schuldners. Solche Kredite werden, genau wie im Beobachtungsverfahren, als laufende Forderungen betrachtet, weil sie gemäß der ersten Alternative des Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gewährt werden. Dabei entspricht die Lage auch im Wesentlichen der Lage nach deutschem Insolvenzrecht und schafft Anreize für die Gewährung neuer Sanierungskredite an den Schuldner. Die Besonderheit der Sanierungskredite im Fremdverwaltungsverfahren im Unterschied zum Sanierungskredit im Beobachtungsverfahren besteht darin, dass vor dem Hintergrund seiner Dauer von bis zu 24 Monaten im Fremdverwaltungsverfahren ihre Fälligkeit viel flexibler gestaltet werden kann als im Beobachtungsverfahren, das höchstens 7 Monate dauern kann. c)

Zustimmung zur Aufnahme neuer Sanierungskredite

In einigen Fällen kann die Höhe der vom Insolvenzverwalter begründeten Verbindlichkeiten die Masse wesentlich belasten. Wie im deutschen Regelinsolvenzverfahren wurde im russischen Fremdverwaltungsverfahren die Begründung bestimmter Verbindlichkeiten des Schuldners mit der notwendigen Zustimmung kompetenter Organe verbunden. Dazu zählen Gläubigerversammlung und -komitee. Das Gesetz enthält in diesem Fall in Bezug auf den Darlehensvertrag drei Arten von Bestimmungen.

1291 Wenn aber der Vertrag erst vor der Annahme des Insolvenzantrages geschlossen ist, was als absolute Ausnahme betrachtet werden kann, wird er nach zweiter Alternative des Art. 5 Pkt. 1 russ. InsG als laufende Forderung (Masseforderung) betrachtet.

242

B. Russisches Recht

Zuerst handelt es sich um die Möglichkeit, in einem Fremdverwaltungsplan den Abschluss, die Annahme und die Erfüllung von Darlehens- oder Kreditverträgen vorzusehen. Die Vorschriften über den Fremdverwaltungsplan (Art. 106 f. russ. InsG) enthalten keine zwingende Regelung über die Darlehensverträge als Bestandteil des Fremdverwaltungsplanes. Die Einfügung einer Kreditannahme in den Fremdverwaltungsplan und die Aufzählung der konkreten Bedingungen dieser Rechtsgeschäfte sprechen aber für die Ernsthaftigkeit der Finanzierung und in der Regel über ihren langfristigen Charakter. Weder das russische InsG noch die Rechtsprechung konkretisieren die Bedingungen des Fremdverwaltungsplanes in Bezug auf den Abschluss eines Sanierungskreditvertrages. Im Schrifttum wurde zu Recht betont, dass in diesem Fall die Bedingungen des Abschlusses des Darlehensvertrages erwähnt sein sollen (seine maximalen Fristen, die minimale Zinssatz und die möglichen Arten der Kreditsicherheiten).1292 Die zwingende Regel des russischen InsG im Bezug auf die Sanierungskreditgewährung als einer Art der Kredite besteht darin, dass jede Darlehensaufnahme gemäß Art. 101 Pkt. 4 Satz 1 russ. InsG nur mit der Zustimmung von Gläubigerversammlung oder -komitee geschlossen werden kann. Welches dieser beiden Organe zuständig ist, hat Art. 101 russ. InsG leider nicht konkretisiert.1293 Das Gläubigerkomitee soll nur dann zuständig sein, wenn es von der Gläubigerversammlung bevollmächtigt wird.1294 Im zweiten Fall kann die Zustimmung überflüssig sein, wenn der Kredit schon vorher von der Gläubigerversammlung konkret im Fremdverwaltungsplan vorgesehen wurde. Von diesen Gedanken geht auch das Konzept des russischen InsG aus, das in Art. 101 Pkt. 4 Satz 2. InsG die Kollision über die Notwendigkeit der sekundären Zustimmung gelöst hat. Wenn aber der Fremdverwaltungsplan die Annahme der (Sanierungs-)Kredite nicht ausdrücklich vorgesehen hat, dann wird die Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des -komitees notwendig.1295 Im dritten Fall ist die Zustimmung der Gläubigerversammlung (des -komitees) für Rechtsgeschäfte vorgesehen, wenn die Höhe der nach Anordnung der Fremdverwaltung begründeten Geldverpflichtungen die Summe der Gläubigerforderungen um mehr als 20 % überschreitet (Art. 104 Pkt. 1 russ. InsG). Rechtsgeschäfte, die neue Geldverbindlichkeiten des Schuldners mit sich bringen, können durch den Fremdverwalter dann nur mit Zustimmung der Gläubigerversammlung (des Gläubigerkomitees) abgeschlossen werden.1296 Diese Regeln verhindern die Vergrößerung der Verschuldung des Schuldners im Laufe des Fremdverwaltungsverfahrens

1292 Popondopulo/Lebedev, InsG, Art. 101, S. 214. 1293 Das russische InsG geht davon aus, dass die Abgrenzung der Kompetenz zwischen diesen Organen hinsichtlich der Bestätigung von Rechtsgeschäften des Schuldners im Fremdverwaltungsplan vorgesehen sein muss (Art. 106 Pkt. 3 russ. InsG). 1294 Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 101, S. 458. 1295 Nach Teljukina handelt es sich um eine vorläufige Zustimmung der Gläubiger, weil der Fremdverwaltungsplan von den Gläubigern bestätigt wird. – Teljukina, InsG, Art. 101, S. 264. In dieser Richtung auch Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 101, S. 277 f. 1296 Bei der Bestimmung, welches Organ diese Zustimmung gewähren soll, hat man von ihrer Kompetenzabgrenzung in jedem einzelnen Fall im Fremdverwaltungsplan auszugehen.

243

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

und die Entstehung der Situation, dass er nicht einmal in der Lage sein wird, die laufenden Forderungen zu befriedigen.1297 Das oben genannte heißt, dass die laufenden Geldforderungen, die vor der Einführung des Verfahrens der Fremdverwaltung entstanden sind, für die Bestimmung der anfänglichen Höhe der Forderungen der Konkursgläubiger, die im Register eingetragen sind, nicht berücksichtigt wurden.1298 Damit werden Sanierungskredite, die vor der Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens (im Beobachtungs- oder im Insolvenzeröffnungsverfahren oder sogar in der Krise) geschlossen wurden, diesen Regeln nicht unterliegen.1299 Die Rechtsfolgen der ohne notwendige Zustimmung geschlossenen (Sanierungs-) Kreditverträge bestehen darin, dass diese vom Gericht auf Antrag eines Konkursgläubigers oder bevollmächtigten Organs für unwirksam erklärt werden können. Die Rechtsgeschäfte, die ohne solche Zustimmung der Gläubigerversammlung bzw. des Komitees geschlossen werden, werden gemäß Art. 168 russ. ZGB als unwirksam (nichtig) erklärt.1300

III. Sanierungskredite im Konkursverfahren 1.

Allgemeine Charakteristik

Das Konkursverfahren stellt sich gemäß Art. 2 russ. InsG als eine Unterart des Insolvenzverfahrens dar, das gegenüber dem für insolvent erklärten Schuldner mit dem Ziel einer gleichmäßigen Befriedigung der Forderungen der Gläubiger Anwendung findet. Es dauert in der Regel ein Jahr mit der Möglichkeit, es auf den Antrag einer im Insolvenzverfahren beteiligten Person um nicht mehr als sechs Monate zu verlängern.1301 Dieser Umstand kann in einigen Fällen ein Hindernis für die bessere Befriedigung der Forderungen der Gläubiger darstellen, wenn z.B. zusätzliches

1297 Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 104, S. 457 f. 1298 Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 104 InsG, S. 457. Nach Solov’jeva werden in der Höhe der Geldverpflichtungen die laufenden Forderungen nicht einbezogen, weil sie schon vor der Anordnung des Fremdverwaltungsverfahrens existieren. – Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 104, S. 286. 1299 In welchem Zeitraum die Zustimmung erfolgen soll, ist im russ. InsG nicht geregelt. In der Lehre wurde hervorgehoben, im Abschluss an die höchstrichterliche Stellungnahme zur Zustimmung im Aktienrecht, dass nachträgliche Zustimmung zulässig sei. – Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 101, S. 447 unter den Verweis auf Pkt. 14 des Beschlusses des Plenums des Obersten Gerichtshofes der RF und Plenum des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 2.4.1997 Nr. 4/8 „über einige Fragen der Anwendung des Föderalen Gesetzes über Aktiengesellschaften“ (VVAS 1997, Nr. 6, S. 11), in der Fassung von 5.2.1998 (VVAS RF 1998, Nr. 4, S. 33), aufgehoben durch Verordnung des Plenums der Obersten Gerichtshofes der RF und Plenum des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 18. und 20.11.2003, Nr. 18/20 (VVAS 2004, Nr. 1, S. 8). 1300 Vitrjanskij/Denisov, InsG, Art. 101, S. 449, Rn. 5; a.A. Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 100, S. 277 f., nach ihrer Auffassung kann der Vertrag nur für nichtig erklärt werden. 1301 Art. 124 Pkt. 2 russ. InsG; Pkt. 16 der Entscheidung des Plenums des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 8.4.2003 Nr. 4, VVAS 2003, Nr. 6, S. 10; Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 124, S. 345; Pustovalova, S. 170; Popondopulo/Gorodov, InsG, Art. 124, S. 267, Rn. 2; Popondopulo/Slepcˇ enko, S. 282; Teljukina, InsG, Art. 124, S. 125 (die Letzte aber kritisch zu dieser Rechtslage); a.A. Vitrjanskij/Nikitina, InsG, Art. 124, Rn. 3, wonach das Konkursverfahren mehrmalig auf den Antrag des Konkursverwalters verlängert werden kann (besonders in dem Fall, wenn das Vermögen des Schuldners sich im Ausland befindet).

244

B. Russisches Recht

Vermögen des Schuldners aufgefunden oder ein Anfechtungsverfahren gewonnen wurde. Die Anordnung des Konkursverfahrens hat die in Art. 126 russ. InsG aufgezählten unterschiedlichen Rechtsfolgen. Für das Insolvenzrecht von besonderer Bedeutung sind die Umstände, dass alle vor Eröffnung des Konkursverfahrens entstandenen Geldverbindlichkeiten sowie Pflichtzahlungen des Schuldners fällig werden, sowie die Ernennung des Konkursverwalters.1302 Innerhalb von zwei Monaten nach der Veröffentlichung der Information über die Eröffnung des Konkursverfahrens, wird gemäß Art. 142 Pkt. 1 Abs. 3 russ. InsG das Register der Gläubigerforderungen geschlossen. Nach diesem Zeitpunkt kann der Konkursverwalter die Forderungen der Gläubiger befriedigen.1303 Die Eröffnung des Konkursverfahrens bedeutet in der gegenwärtigen russischen Insolvenzpraxis in der Regel die Zerschlagung des Unternehmens im Wege seiner Auflösung,1304 obwohl unter bestimmten Umständen auch die Möglichkeit existiert, im Wege der übertragenden Sanierung die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens wiederherzustellen. Die Parteien können auch einen sanierungsorientierten Vergleich abschließen. Dagegen ist die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners innerhalb des Konkursverfahrens nach dem Konzept des russischen InsG nur ausnahmsweise möglich. Dieses geht davon aus, dass bei Vorhandensein der Sanierungsfähigkeit des Schuldners und anderer notwendiger Voraussetzungen1305 nach einer positiven Entscheidung der Gläubigerversammlung das Wirtschaftsgericht auf Grund eines entsprechenden Antrages des Konkursverwalters einen Beschluss über die Beendigung des Konkursverfahrens und den Übergang zur Fremdverwaltung oder in das Verfahren der finanziellen Sanierung erlassen kann.

1302 Ihm steht das Insolvenzanfechtungsrecht und das Recht zu, die bestimmten Rechtsgeschäfte des Schuldners zu erfüllen. Näher dazu siehe Zalesskii/Solov’jeva, InsG, Art. 1294, S. 366 ff. 1303 Der Prozess des Verkaufs des Vermögens des Schuldners ist genau in Art. 139 russ. InsG geregelt. Nicht alles Vermögen, das theoretisch zur Konkursmasse gehören kann, wird letztendlich veräußert: Für die Veräußerung der sog. „sozial bedeutenden Objekte“ und des sog. „sozialen Wohnungsstandes“ sind Besonderheiten vorgesehen. Der Verkauf solchen Vermögens kann ausgeschlossen oder wesentlich erschwert sein, was für die Befriedigungsaussichten der Gläubiger besonders nachteilig wird. Ausführlich dazu siehe Teljukina, InsG, Art. 132, S. 344. 1304 Teljukina, KonkR, S. 408. 1305 Die genauen Voraussetzungen dafür sind in Art. 146 russ. InsG aufgezählt. Wichtigstes Hindernis dafür kann der Umstand sein, dass früher gegenüber dem Schuldner weder das Verfahren der finanziellen Sanierung noch das Verfahren der Fremdverwaltung durchgeführt wurden, d.h. sofort nach dem Beobachtungsverfahren das Konkursverfahren eingeführt wurde. Aber im Lichte der Bemühungen des Staates, den Erhalt des Not leidenden Unternehmens zu unterstützen, scheint mir die Notwendigkeit der Einführung dieser Voraussetzung ins Modell des Übergangs vom Konkurs- zum Sanierungsverfahren nicht durchdacht. Damit ist auch verbunden, dass letztendlich die Entscheidung der Gläubiger, ob sie den Weg des Verfahrens der Fremdverwaltung oder des Konkursverfahrens gehen werden, davon abhängt, wo ihre Forderungen bessere Aussichten auf Befriedigung erhalten.

245

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

2.

(Sanierungs-)Kredite im Konkursverfahren

Bis zur Befriedigung der Gläubigerforderungen kann der Verwalter in einigen Fällen neues Geld für die Fortführung des Unternehmens benötigen. Ob im russischen Insolvenzrecht die Gewährung der Sanierungskredite in dieser Art des Insolvenzverfahrens möglich und sinnvoll ist, wird im Folgenden dargestellt. Es wird unter dem Gesichtspunkt von drei Problemkomplexen analysiert: Die Gewährung der alten (Sanierungs-)Kredite, die Möglichkeit der Annahme neuer (Sanierungs-)Kredite und zuletzt werden die Zustimmungsbedingungen für den Abschluss dieser Rechtsgeschäfte dargestellt. a)

Alte bzw. bestehende (Sanierungs-)Krediten

Die alten bzw. bestehenden (Sanierungs-)Kredite werden gemäß Art. 126 Pkt. 1 Abs. 1 russ. InsG so wie alle vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Geldverbindlichkeiten mit der Anordnung des Konkursverfahrens fällig.1306 Das betrifft alle Verbindlichkeiten des Schuldners, d.h. sowohl die laufenden Zahlungen als auch die Insolvenzforderungen. Damit werden alle bis zum Datum der Entscheidung des Wirtschaftsgerichts über die Anordnung des Konkursverfahrens bestehenden Sanierungskreditverträge fällig. Die Parteien können vereinbaren, dass der Schuldner die Kreditlinien weiter in bestimmtem Umfang nutzen kann. In diesem Fall werden auf diese Verträge die Grundsätze über die Betrachtung der neu angenommenen (Sanierungs-)Kredite angewendet, die im Punkt b) dieses Abschnittes dargestellt werden. b)

Die Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite

Die Annahme neuer Kredite sowie die Begründung neuer Verbindlichkeiten wird im Konkursverfahren nicht ausgeschlossen. Forderungen, die aus solchen Krediten entstanden sind, werden als laufende Forderungen betrachtet. Die Kreditgewährung ist sowohl seitens Dritter als auch seitens der Gesellschafter oder Inhaber des Schuldners möglich. Das Zurverfügungstellen des Geldes seitens der Letzteren wird sogar vom Gesetzgeber des russ. InsG erwünscht.1307 Die Qualifizierung der Forderungen der Bank aus den Kreditverträgen als laufende Zahlungen stellt in diesem Fall keinen Anreiz für die langfristige Finanzierung des Schuldners und der Gewährung eines Sanierungskredits dar, weil das Verfahren nicht länger als 18 Monaten dauern kann. Eine kurzfristige Finanzierung ist aber denkbar.

1306 Popondopulo/Gorodov, InsG, Art. 126, S. 271. Seit dem Zeitpunkt der Anordnung des Konkursverfahrens bleiben nach Teljukina (InsG, Art. 126, S. 328) keine Gläubiger, deren Erfüllungsfrist nicht eintreten ist. 1307 Das folgt aus Art. 125 russ. InsG, wonach der Eigentümer des Vermögens des Einzelunternehmens als Schuldner, die Gründer (Gesellschafter) des Schuldners oder eine oder mehrere dritte Personen zu beliebiger Zeit vor Beendigung des Konkursverfahrens berechtigt sind, gleichzeitig alle Gläubigerforderungen entsprechend dem Register der Gläubigerforderungen zu erfüllen oder dem Schuldner Geldmittel zu überlassen, die zur Befriedigung aller Gläubigerforderungen entsprechend dem Register der Gläubigerforderungen nach den in Art. 113 russ. InsG vorgesehenen Verfahren und Bedingungen ausreichen.

246

C. Zwischenergebnis

Diese Kredite werden in der Regel in Form von Tilgungskrediten, nicht aber in Form von Kontokorrentkrediten gegeben. Das ist damit verbunden, dass nach Art. 133 Pkt. 1 russ. InsG der Konkursverwalter im Konkursverfahren nur ein Konto des Schuldners haben kann, das er für die Auszahlungen an die Gläubiger benutzen kann. Es wird damit der Begriff des Hauptkontos des Schuldners eingeführt. Alle anderen Konten des Schuldners, mit bestimmten für die Sanierungskreditgewährung bedeutungslosen Ausnahmen, sollen gemäß Art. 133 Pkt. 1 Abs. 3 russ. InsG geschlossen werden und das Geld auf das Hauptkonto des Schuldner überwiesen werden. Das oben genannte bedeutet, dass der Konkursverwalter in der Regel ein Kontokorrentverhältnis nur mit einer Bank haben wird.1308 c)

Zustimmung zur (Sanierungs-)Kreditaufnahme

Die Kontrolle der Tätigkeit des Konkursverwalters erfolgt nach Art. 143 russ. InsG durch die Annahme (mindestens 1 Mal pro Monat) seines Berichtes durch die Gläubigerversammlung bzw. das -komitee. Es fehlen aber Vorschriften, die bestimmen, dass die Begründung neuer Verbindlichkeiten mit diesen Organen zu vereinbaren ist. Damit bedarf die Kreditaufnahme keiner zusätzlichen Genehmigung der Gläubigerversammlung bzw. des -komitees.

C.

Zwischenergebnis

1. Das Regelinsolvenzverfahren nach deutschem Recht geht in der Regel in die Richtung eines Liquidationsverfahrens. Die InsO schließt aber nicht aus, dass ein Not leidendes Unternehmen im Laufe des Verfahrens seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellt. 2. Die bestehenden (Sanierungs-)Kredite (sowohl in Form von Tilgungs- als auch von Kontokorrentkrediten) werden im deutschen Recht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig. Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters, einen nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrag in Anspruch zu nehmen und die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen, bezieht sich weder auf die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem bevollmächtigten vorläufigen Insolvenzverwalter geschlossenen (Sanierungs-)Kreditverträge noch auf von diesem vorläufigen Insolvenzverwalter in Anspruch genommene (Sanierungs-)Kredite. 3. Sanierungskredite sind solange nicht kündbar, als die Vermögenslage des Schuldners sich nicht so verschlechtert, dass die Sanierung nicht mehr erfolgreich erscheint. 4. Neue (Sanierungs-)Kredite können angenommen werden. Die Rückerstattungsund Zinsansprüche werden als Masseverbindlichkeiten qualifiziert. Als zusätzliches Erfordernis bedarf die Annahme des (Sanierungs-)Kredits im Unterschied zu Überbrückungskrediten der Zustimmung des Gläubigerausschusses.

1308

Als Ausnahme kann er aber ein Konto in der ausländischen Währung führen.

247

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

5. Gesellschafterkredite werden der Regelung des Kapitalersatzrechts nicht unterworfen. Die Ansprüche der Gesellschafter aus der Kreditgewährung werden als Masseverbindlichkeiten betrachtet. 6. Im russischen Insolvenzrecht gibt es drei Stufen der Insolvenzverfahren, die zeitlich dem deutschen Regelinsolvenzverfahren entsprechen: Beobachtungs-, Fremdverwaltungs- und Konkursverfahren. 7. Das Beobachtungsverfahren ist im Unterschied zu Fremdverwaltungsverfahren für die effiziente Sanierung des Unternehmens wenig geeignet: wenn Ersteres die Sicherung des Vermögens des Schuldners, die Vornahme einer Analyse seiner finanziellen Situation, die Erstellung des Registers der Gläubigerforderungen und die Abhaltung der ersten Gläubigerversammlung bezweckt, hat das zweite die Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit des Schuldners zum Ziel. Das Konkursverfahren dagegen ist auf die gleichmäßige Befriedigung der Forderungen der Gläubiger ausgerichtet und erfolgt in der Regel im Wege der Liquidation des Unternehmens. 8. Die Rechtsstellungen der Sanierungskredite im Beobachtungs- und Fremdverwaltungsverfahren haben viele Gemeinsamkeiten. Der Schuldner kann sowohl neue Sanierungskredite aufnehmen als auch die alten Sanierungskredite bzw. Kreditlinien nutzen. Die bestehenden Kredite können allein wegen der Anordnung dieser Insolvenzverfahrensarten nicht gekündigt werden. Solange das Sanierungskonzept erwartungsgemäß verläuft, sind die Sanierungskredite nicht kündbar. Erst wenn die Abweichungen von Sanierungskonzept wesentlich sind, kann die Bank sie kündigen. Neue (Sanierungs-)Kredite können aufgenommen werden. Die Stellung von Gesellschafterkrediten und Drittkrediten ist in diesem Fall gleich. Beide Arten werden als Masseforderungen qualifiziert. 9. Der Unterschied zwischen der Rechtsstellung der Sanierungskredite im Beobachtungs- und im Fremdverwaltungsverfahren besteht darin, dass während des Beobachtungsverfahrens jede Kreditaufnahme eine Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters benötigt. Im Fremdverwaltungsverfahren ist dafür die Genehmigung der Gläubigerversammlung oder des -komitees notwendig. 10. Im russischen Konkursverfahren handelt es sich in der Regel um eine kurzfristige Finanzierung. Die bestehenden Sanierungskredite werden mit der Anordnung des Konkursverfahrens fällig. Die Annahme neuer Kredite sowie die Begründung neuer Verbindlichkeiten werden im Konkursverfahren nicht ausgeschlossen. Die Kredite können in der Regel in Form von Tilgungskrediten zur Verfügung gestellt werden. Die Rückerstattungs- und Zinsforderungen aus diesen Krediten werden als Masseforderungen betrachtet. Die Kreditgewährung ist sowohl seitens Dritter als auch seitens der Gesellschafter bzw. Eigentümer des Schuldners möglich. Die Kreditaufnahme in diesem Zeitraum bedarf keiner zusätzlichen Genehmigung der Gläubigerversammlung bzw. des -komitees.

248

A. Allgemeine Charakteristik

Vierter Abschnitt Sanierungskredite im Insolvenzplanund Vergleichsverfahren A.

Allgemeine Charakteristik

I.

Deutsches Insolvenzplanverfahren

Das von der Insolvenzrechtsreform als ihr Kernstück bezeichnete Insolvenzplanverfahren1309 ist ein jüngeres Institut des deutschen Insolvenzrechts. Die Regeln über das Insolvenzplanverfahren befinden sich in §§ 217 ff. InsO. Es stellt sich als eine alternative Verfahrensart, innerhalb des einheitlichen Insolvenzverfahrens dar, verfolgt aber die gleichen Zwecke wie die Regelinsolvenzverfahren: die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Man strebte mit der Einführung des Insolvenzplanverfahrens in erster Linie an, das Insolvenzverfahren sanierungsfreundlicher zu machen.1310 Es gibt drei Verwertungsalternativen des Insolvenzplanes1311: Die Liquidation des Unternehmens, die übertragene Sanierung und die Sanierung des Schuldners.1312 Diese Formen können sowohl in einer puren Variante vorkommen als auch miteinander kooperieren. Das Insolvenzplanverfahren kann man grob in vier Abschnitte unterteilen: die Planvorlage, die Vorprüfung durch das Gericht, den Erörterungs- und Abstimmungstermin und die Durchführung der Abstimmung. Obwohl die InsO die Stellung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzplanverfahrens nicht als notwendige Voraussetzung seiner Eröffnung vorsieht, geht man davon aus, dass ein solches Verfahren ausschließlich ein Antragsverfahren darstellt.1313 Eine der wichtigsten Besonderheiten des Insolvenzplanverfahrens im Vergleich mit den Bestimmungen des Regelinsolvenzverfahrens besteht darin, dass im Mittelpunkt der Personen, deren Zustimmung für die Annahme des Insolvenzplanes erforderlich ist nach dem Wortlaut der InsO (§ 221) die sog. „Beteiligten“ gestellt sind. Darunter fallen absonderungsberechtigte Gläubiger, Insolvenzgläubiger und der

1309 Kübler/Prütting, RWS Dok. 18, Bd. I, S. 445. 1310 Es unterschiedet sich wesentlich von § 173 ff. KO (Zwangsvergleich), die Fortführungsund Liquidationsvergleiche nach VglO sowie § 16 GesO (Vergleich). Als Vorbild des Insolvenzverfahrens hat das amerikanische Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des Bankrupty Code 1978 gedient. (Allgemeine Begründung RegE InsO Balz/Landfermann, S. 53). 1311 Die Rechtsnatur des Insolvenzplanes ist umstritten. Ausführlich dazu siehe Happe, S. 63 ff.; Leipold, KTS 2006, S. 109 ff. 1312 Braun, Rn. 312. 1313 Uhlenbruck/Lüer, InsO, vor § 217, Rn. 32. Antragsberechtigt kann sowohl der Schuldner als auch der Insolvenzverwalter sein. Die Frage nach der Möglichkeit der Stellung des Insolvenzplanes seitens des Gläubigers ist negativ zu beantworten, um die Gefahr einer verfahrenshemmenden Planvielfalt zu vermeiden. – Smid, WM 1996, S. 1253 f. A.A. § 255 RegE InsO.

249

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Schuldner.1314 Die Beteiligten bilden im Insolvenzplan (Gläubiger) Gruppen. Je nach Gruppenzugehörigkeit sind ihre Rechte im Insolvenzplan festgelegt. Diese Gläubigergruppen können auf Grund § 222 InsO mit unterschiedlichen Rechtsstellungen gebildet sein.1315 Theoretisch ist die Zustimmung jeder Beteiligungsgruppe nötig. Die Abstimmung erfolgt in jeder Gläubigergruppe. Dabei ist für die Annahme des Planes nach § 244 InsO die Stimm- und Kopfmehrheit (sog. „doppelte Mehrheit“1316) erforderlich. Die Ausnahme von diesem Grundsatz bildet aber die Konstruktion des sog. „Obstruktionsverbots“, wonach der Insolvenzplan gegen den Willen einiger Gläubiger bzw. Gläubigergruppen unter dem Vorhandensein der bestimmten Voraussetzungen durchgesetzt werden kann.1317 Nach der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht können unterschiedliche rechtsgestaltende Wirkungen einer solchen Bestätigung eintreten, die im Insolvenzplan vorgesehen worden sind. Diese Wirkungen gelten auch gegenüber denjenigen Gläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben sowie gegenüber den Beteiligten, die gegen die Annahme des Insolvenzplanes gestimmt haben.1318 Nach der rechtskräftigen Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann die Erfüllung des Insolvenzplanes besonders überwacht werden.1319 Dies muss im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes besonders vorgesehen werden. Die Aufgabe des Überwachers wird in diesem Fall der Insolvenzverwalter, die Mitglieder des Gläubigerausschusses und das Insolvenzgericht erfüllen. 11 Jahre nach Inkrafttreten der InsO wird das Insolvenzplanverfahren in der Praxis selten angemeldet. Das ist damit verbunden, dass es für den Insolvenzverwalter in der Regel schwer ist, während der mehrmonatigen Zeit der Umarbeitung und der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Gericht das Unternehmen fortzuführen und aufrechtzuerhalten.1320

1314 FK-Flessner, InsO, § 221, Rn. 2. Im Gegenteil sind die aussonderungsberechtigten Gläubigern, Masseschuldner, die Insolvenzschuldner, die persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners sowie an dieser Gesellschaft beteiligte Personen nicht als Beteiligte im Sinne des § 221 InsO anzusehen. – Wimmer/Stenner, S. 210. 1315 Daraus sollen in jedem Insolvenzplan mindestens die drei folgenden Gruppen gebildet werden: Aussonderungsberechtigte, einfache Insolvenzgläubiger und nachrangige Insolvenzgläubiger, soweit die Forderungen der Letzteren nicht nach § 225 InsO als erlassen gelten sollen. Weitere Untergruppen sind auch möglich. Näher dazu siehe Bork, Rn. 321. 1316 Kübler/Prütting, RWS Dok. 18, Bd. I, S. 481. 1317 Es handelt sich um drei Voraussetzungen: Zuerst sollen die Gläubiger dieser Gruppe durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als im Regelinsolvenzverfahren (LG Traunstein NZI 1999, S. 462 f.; AG Müldorf NZI 1999, S. 423), d.h. sie sollen im Ergebnis die Höhe ihrer Konkursquote bekommen. – Kirchhof, Rn. 426. Danach sollen alle Beteiligten nach 226 Abs. 1 InsO innerhalb einer Gruppe gleiches Recht gewähren. Zuletzt hat die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Insolvenzplan mit der notwendigen Mehrheit zustimmen. 1318 Uhlenbruck/Lüer, InsO, vor § 217, Rn. 45. Näher dazu bei Uhlenbruck/Lüer, InsO, vor § 217, Rn. 48. 1319 Das ist besonders in den Fällen nützlich, wenn es um die Fortführung des Unternehmens geht. – Begr. zu RegE, § 307, BT-Drs. 12/2443, S. 215. 1320 Im Voraus auch so Pape, NJW 1999, S. 31. Zu den anderen Gründen siehe Kautzsch, S. 256 ff.

250

A. Allgemeine Charakteristik

II.

Russisches Vergleichsverfahren

Wie im deutschen Recht existiert auch im russischen Recht die Möglichkeit, einen Vergleich zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern während des Insolvenzverfahrens abzuschließen. Das Vergleichsverfahren im russischen Recht, so wie das Insolvenzplanverfahren im deutschen Recht, kann unterschiedliche Alternativen verfolgen: Sanierung, Liquidation oder übertragene Sanierung. Der Vergleich, als eine Unterart des Insolvenzverfahrens1321 kann zu jedem Zeitpunkt nach der Antragsstellung gemäß Art. 150 Pkt. 1 russ. InsG geschlossen werden.1322 Dabei sieht das russ. InsG (Art. 151–154) je nach Art des Insolvenzverfahrens, in dem der Vergleich geschlossen wird, bestimmte Besonderheiten des Abschlusses des Vergleichs. Die Besonderheit der Durchführung der Abstimmung über den Vergleich während der Gläubigerversammlung besteht darin, dass nicht in den bestimmten Gläubigergruppen abgestimmt wird, wie im deutschen Insolvenzplanverfahren, sondern mit Stimmenmehrheit der Gesamtzahl der Stimmen der Konkursgläubiger und der bevollmächtigten Organe nach dem Register der Gläubigerforderungen.1323 Zwei wesentliche Besonderheiten können den Abschluss des Vergleichs erschweren. Zuerst handelt es sich um dem Umstand, dass die Entscheidung über den Abschluss des Vergleichs nur dann gültig wird, wenn alle Pfandgläubiger für den Vergleich gestimmt haben (Art. 150 Pkt. 2 Abs. 1 russ. InsG). Das nächste Hindernis besteht darin, dass, obwohl die bevollmächtigten Organe nach russischem InsG den Vergleich abschließen können,1324 die Steuergesetzgebung eine solche Möglichkeit nur im begrenzten Umfang zulässt.1325 Wie im deutschen Insolvenzplanverfahren geht die russische Gesetzgebung in Art. 156 Pkt. 3 russ. InsG davon aus, dass die Bedingungen des Vergleichs für Insolvenzgläubiger und bevollmächtigte Organe, die gegen den Vergleich gestimmt oder an der Abstimmung nicht teilgenommen haben, nicht schlechter sein dürfen als für Konkursgläubiger und bevollmächtigte Organe, die für seinen Abschluss gestimmt haben.1326

1321 Art. 2 russ. InsG, das Wort „Vergleich“. A.A. Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 150, S. 428, das der Vergleich nicht zu den Insolvenzverfahrensarten gehört, weil einerseits der geschlossene Vergleich das Insolvenzverfahren beendet und andererseits er innerhalb jeder Art des Insolvenzverfahrens geschlossen werden kann. 1322 Ebenso wie im deutschen Recht ist die Frage über die Rechtsnatur des Vergleichs eine Diskussionsfrage. Siehe dazu ausführlich Teljukina, KonkR, S. 464 ff.; Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 150, S. 427. 1323 Ausführlich dazu siehe Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 150, S. 427. 1324 Das Oberste Wirtschaftsgericht der RF legte Art. 120 Pkt. 5 InsG 1998 als Verbotsnorm für den Fiskus, den Vergleich im Insolvenzverfahren abzuschließen. – Pkt. 17 des Informationsbriefes des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 14.6.2001 Nr. 64, VVAS 2001, Nr. 9, S. 72. 1325 Näher zu der Problematik der Forderungen des Fiskus im Vergleichsverfahren siehe Egorov, ChiP 2004, Nr. 4, S. 69 ff. und Ermolenko, Efremova, ChiP 2004, Nr. 7, S. 75 ff. 1326 Pkt. 16 des Praxisübersicht des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 20.12.2005 Nr. 97, VVAS 2006, Nr. 3, S. 117 f. In der Praxis ist die Beantwortung der Frage, welche Bedingungen schlechter und welche besser sind wegen der unterschiedlichen Erfüllungsalternativen mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. Es wurde sogar vorgeschlagen, für alle Gläubiger einheitliche Erfüllungsbedingungen im Vergleichsvertrag vorzubereiten und zuzustimmen. – Teljukina, InsG, Art. 156, S. 406.

251

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Nur wenn alle Minimalanforderungen des russischen InsG zum Vergleich erfüllt sind,1327 kann er vom Wirtschaftsgericht bestätigt werden. Es gibt unterschiedliche Wirkungen der Bestätigung des Vergleichs. Sie hängen oft davon ab, bei welcher Art des Insolvenzverfahrens der Vergleich bestätigt wird.1328 Die wichtigste besteht darin, dass nach der Bestätigung des Vergleichs durch das Gericht gemäß Art. 159 Pkt. 1 und 4 russ. InsG sowohl das Insolvenzverfahren als auch die Befugnisse des Insolvenzverwalters beendet werden1329 und der Schuldner seine finanzielle Freiheit im vollen Umfang, unter den Bedingungen, die im Vergleichsvertrag vorgesehen sind, wiederlangt.

B.

Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

I.

Deutsches Recht

Die Rechtsstellung der Sanierungskredite kann im Zeitraum zwischen der Verfahrenseröffnung und der Bestätigung des Insolvenzplanes sowie nach der Bestätigung des Insolvenzplanes Besonderheiten aufweisen, die im Folgenden getrennt von einander dargestellt werden. 1.

Kredite zwischen Verfahrenseröffnung und Bestätigung des Insolvenzplanes

Für die Annahme der Kredite im Zeitraum zwischen der Eröffnung des Insolvenzplanverfahrens und der Bestätigung des Insolvenzplanes1330 ist es irrelevant, ob später das Insolvenzverfahren in Richtung eines Regelinsolvenzverfahrens oder in die Richtung eines Insolvenzplanverfahrens ablaufen wird: Die (Sanierungs-)Kredite, die ein Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum zum Zweck der Unternehmensfortführung aufnimmt, werden als Masseverbindlichkeiten betrachtet.1331 Genauso wie bei allen anderen Masseverbindlichkeiten können Banken, die Massekredite gewährt haben, bis zur Bestätigung des Insolvenzplanes volle Befriedigung verlangen. Der Plan darf in ihre Ansprüche nicht eingreifen, d.h. ihre Kündigungsrechte oder die vereinbarten Fälligkeiten gemäß § 258 Abs. 2 InsO nicht ändern.1332

1327 Näher dazu sieh Art. 156 russ. InsG. 1328 Näher darüber siehe Teljukina, KonkR, S. 464 f. 1329 Die Fremd- oder Konkursverwalter können aber ihre Befugnisse als Geschäftsführer des Schuldners bei juristischen Personen bis zur Ernennung bzw. Auswahl der Geschäftsleitung des Schuldners erfüllen. Kritisch dazu Zalesskij/Solov’jeva, InsG, Art. 159, S. 451. 1330 Erst nach dem Berichtstermin wird entschieden, ob gegen das Vermögen des Schuldners ein Regelinsolvenzverfahren oder ein Insolvenzplanverfahren eröffnet wird. Bis zur Entscheidung des Insolvenzgerichtes über das Schicksal des Insolvenzplanantrages werden aber keine von den Regeln des Eröffnungsverfahrens abweichenden Besonderheiten gelten. (Wittig, DB 1999, S. 203) Das hat auch keine Rechtsfolgen für die Kredite, die der vorläufige Insolvenzverwalter bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufnimmt. 1331 Hess/Weiss/Weinberger/Hess, InsO, vor § 217, Rn. 94; Wittig, DB 1999, S. 203. 1332 Obermüller, Rn. 5. 290; Wittig, DB 1999, S. 203. Das Insolvenzplan kann gemäß § 217 InsO u.a. lediglich die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger, Insolvenzgläubiger und nachrangiger Insolvenzgläubiger abweichend vom Regelinsolvenzverfahren regeln, nicht aber der Massegläubiger. – Begr. RegE zu § 264 und zu § 217; § 253 RegE, S. 195.

252

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

Die Rechtslage der bestehenden Sanierungskredite unterscheidet sich je nachdem, ob diese Kredite ausgezahlt sind oder nicht. Der Kreditgeber eines nicht ausgezahlten und vom Insolvenzverwalter nicht in Anspruch genommenen Sanierungskredits wird nach deutschem Recht nicht als Insolvenz- oder Massegläubiger qualifiziert. In diesem Fall kann der Kreditgeber diese Kredite nach der Bestätigung des Insolvenzplanes gewähren.1333 Die Frage der Bewertung schon (teilweise) ausgezahlter Kredite ist bereits im Allgemeinen im Abschnitt über die Rechtsstellung der Sanierungskredite im Regelinsolvenzverfahren erläutert worden.1334 Die gewährten Kredite, die als Masseverbindlichkeiten qualifiziert sind, bedürfen weder der Befristung noch der Kündigung, um fällig zu werden. Der Kreditgeber kann aber diese Massekredite nicht zurückverlangen und dem Schuldner erlassen, sie weiter nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu benutzen. In diesem Fall werden die Forderungen der Bank aus einem still gestellten Massekredit in einem möglichen nächsten (zweitem nach Reihenfolge) Insolvenzverfahren in der Regel nicht als Masse-, sondern als Insolvenzforderungen qualifiziert. Nur mit der Hilfe der Vorschriften über die sog. Kreditrahmen (§ 264 ff. InsO) kann diese Qualifizierung geändert werden.1335 Im Insolvenzplanverfahren kann die Befriedigung der Insolvenzgläubiger abweichend von den Vorschriften der InsO geregelt werden.

2.

Kredite nach der Bestätigung des Insolvenzplanes

a)

Allgemein

Die Bestätigung des Insolvenzplanes und die Aufhebung des Insolvenzverfahrens bedeutet nicht, dass die Probleme des Kapitalmangels automatisch gelöst werden. Vielmehr besteht das wichtige Problem für die Sanierung des Unternehmens in diesem Zeitraum darin, dass das Schuldnerunternehmen für die tatsächliche Ausführung des Planes die erforderlichen Mittel braucht. Seine wirtschaftliche Lage kann seitens des Kreditgebers sehr skeptisch bewertet werden: Um ein Engagement des Letzteren zu bekommen, reicht in der Regel das Versprechen der produktiven Zusammenarbeit in Zukunft nicht aus. Der Ruf des Schuldners hat einen bestimmten Makel erhalten. In diesem Fall wird ein möglicher Kreditgeber, sogar wenn ein Erfolg versprechender Sanierungsplan angenommen wird, eine Garantie fordern, dass der Kredit zurückerstattet wird. In erster Linie wird der Kreditgeber bereit sein, solchen Kredit zu gewähren, wenn der Schuldner Sicherheiten stellt. Die Rechtslage mit Sicherheitenbereitstellung ist aber problematisch: denn der größte Teil der Sicherheiten wird zugunsten der Plangläubiger gestellt.1336 Nur steht im

1333 Bei Vorhandensein aller notwendigen Voraussetzungen der InsO (§§ 264 ff. InsO) können sie nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens in den Kreditrahmen angenommen werden. 1334 Siehe dazu ausführlich Vierter Teil – Dritter Abschnitt. A. II. dieser Arbeit. 1335 Näher dazu siehe Vierter Teil – Vierter Abschnitt. B. I. 3. b). dieser Arbeit. 1336 Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 264, Rn. 1; Braun, KS, Rn. 5; Frank, Rn. 245. In der Praxis stehen sogar dem Unternehmen in diesem Zeitraum die üblichen Kreditsicherheiten nicht zur Verfügung. – Begr zu § 311 RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 216.

253

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Abschlussinsolvenzverfahren die Alternative offen, die Forderungen aus dem Kreditvertrag lediglich als gewöhnliche Insolvenzforderungen anzumelden. Dann soll der Kreditgeber aber mindestens „einigermaßen sicher“ sein, dass er im Fall des Scheiterns der Sanierung, und Eröffnung eines zweiten Insolvenzverfahrens gegen das Vermögen des Schuldners seine Rückzahlungsansprüche durchsetzen können wird.1337 Zum Zweck der Erleichterung der Finanzierung des Unternehmens und dadurch der Förderung seiner Sanierung hat der Gesetzgeber der InsO im Zeitraum nach der Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. seiner Überwachung für die Kreditgeber des Unternehmens eine besondere Prozedur vorgesehen. Im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes kann gemäß §§ 264 ff. InsO eine besondere, von den normalen Regeln abweichende, Vereinbarung über die Aufnahme der neuen Kredite getroffen werden.1338 Gläubiger mit Forderungen aus diesen Kreditverträgen, die sie während der Zeit der Überwachung gewähren werden, können in der Anschlussinsolvenz vorrangig gegenüber den Insolvenzgläubigern befriedigt werden. Weil die Höhe solcher Kredite einen bestimmten Gesamtbetrag nicht übersteigen soll, wurde die oben genannte Regel über die Annahme der Kredite im Insolvenzplanverfahren als „Kreditrahmen“ bezeichnet (§ 264 Abs. 1 Satz 1 InsO).1339 Um zu beurteilen, ob diese Regeln für die aktive Beteiligung des Kreditgebers an der Sanierung des schuldnerischen Unternehmens geeignet sind, hat man zuerst das gesamte Konzept des Kreditrahmens im Lichte der Sanierungskreditgewährung zu analysieren. Die Kündigung der bestehenden Sanierungskreditverträge nach der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht liegt in den Händen des Kreditgebers. Seine Kündigungfreiheit ist mit der Erfüllung der Voraussetzungen der § 490 und 242 BGB verbunden. b)

Voraussetzungen der Privilegierung von (Sanierungs-)Krediten innerhalb der Kreditrahmen

Die für die Privilegierung der (Sanierungs-)Kredite innerhalb des Kreditrahmens erforderlichen Voraussetzungen können sowohl vor als auch nach der Bestätigung des Insolvenzplanes auftreten. aa)

Voraussetzungen, deren Erfüllung vor der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht notwendig ist

Als erste Voraussetzung soll im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes vorgesehen werden, dass die Gläubiger mit den Krediten oder die Massegläubiger mit ihren

1337 Begr zu § 311 RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 216; Smid/Rattunde, Rn. 5.79. 1338 MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 1; Frank, Rn. 239; Hess/Weiss/Weinberger/Hess, InsO, vor § 217, Rn. 96. Der Gesetzgeber ging bei der Schaffung der § 264 InsO davon aus, dass dringend benötige Sanierungskredite mangels verfügbarer Sicherheiten ohne eine derartige Privilegierung gegenüber den normalen Insolvenzforderungen kaum zu bekommen wären. – Begründung zu § 311 RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 216. 1339 Wegen des begrenzten Umfangs der Kredite, die in den Kreditrahmen aufgenommen werden, sind sie in der Lehre als Plafondrahmen bezeichnet. Die Gläubiger, die in diesen Rahmen einbezogen werden, werden Plafondgläubiger genannt.

254

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

stehengelassenen Krediten Vorrang gegenüber den Insolvenzgläubigern in der Zeit der Überwachung des Insolvenzplanverfahrens genießen werden.1340 Die Privilegierung innerhalb des Kreditrahmens ist begrenzt. Schon der Titel „Kreditrahmen“ spricht dafür: Der Kreditrahmen soll die im Insolvenzplan genannten Vermögensgegenstände nicht übersteigen (§ 264 Abs. 1 Satz 3 InsO).1341 Dies betrifft den gesamten Umfang des Kredites,1342 dessen Höhe aus dem Kredit, Zinsen und dazu gehörenden Kreditkosten besteht.1343 Damit wird der Schutz der Insolvenzgläubiger vor einer übermäßigen Kreditaufnahme bezweckt.1344 Die praktische Folge für den Kreditgeber besteht darin, dass die Kredite den Überwachungszeitraum nicht übersteigen dürfen, um unter das Kreditrahmenprivileg zu fallen. Wenn der Kredit nur teilweise den Kreditrahmen übersteigt, dann wird er in einen privilegierten und nicht einen privilegierten Kreditteil aufgespalten.1345 Zuletzt soll im Insolvenzplan die Überwachung seiner Erfüllung vorgesehen sein, was aus §§ 260 und 264 Abs. 1 InsO folgt.1346 bb)

Voraussetzungen, deren Erfüllung nach der Bestätigung des Insolvenzplanes durch das Insolvenzgericht notwendig ist

Die erste Voraussetzung in diesem Zeitraum besteht darin, dass die Kredite angenommen sein müssen. Der Kreditbegriff wird bezüglich des § 264 InsO im weiteren Sinne zu verstehen sein: Darunter fallen sowohl Geld- als auch Sachdarlehen.1347 Mit „sonstige Kredite“ sind etwa die Lieferantenkredite in Form der Stundung der Kaufpreisforderungen1348 und sonstige Vorleistungskredite gemeint.1349 Die Betei-

1340 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 3; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 3; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 12; NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 5. 1341 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 6; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 13 f.; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 7. Wenn der Plan einen höheren Kreditrahmen als vorhandene Vermögensgegenstände vorsieht, wird er vom Gericht nicht bestätigt. – NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 4; Uhlenbruck/ Lüer, InsO, § 264, Rn. 15. 1342 Zum Inhalt des Begriffs „Kredit“ i.S.d. § 264 InsO siehe Dritter Teil. Vierter Abschnitt. B. 3. b). bb). Dieser Arbeit. Nach dem Ersten Bericht der Kommission (Leitsatz 2.3.8 Abs. 1 Satz 3) dürfen die Kreditrahmen das in der Reorganisationsbilanz ausgewiesene Eigenkapital nicht übersteigen. Nach Ansicht von Drukarczyk erscheint diese Regel sinnvoll, weil Vorrechte bei Knappheit von Ressourcen umso mehr wert seien, je restriktiver sie gehandhabt werden. – MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 9. 1343 Obermüller, Rn. 5.296; Wittig, DB 1999, S. 204. 1344 NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 4; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 15. Die Insolvenzpläne sind sanierungsorientiert und die Vermögensgegenstände werden nicht auf Grund des Zerschlagungs-, sondern des Sanierungswertes bewertet. Bei der Liquidation des Schuldners kann dieser Umstand dazu führen, dass die Höhe der Kreditrahmen für die Befriedigung alle in diese Rahmen einbezogenen Gläubiger nicht ausreicht. In diese Richtung auch NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 4. 1345 NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 8; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 7. 1346 Wittig, DB 1999, S. 204; Braun, in KS, Rn. 16; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 264, Rn. 5. 1347 Frank, Rn. 254; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 4 f. Darüber hinaus gehören dazu Bar-, Diskont-, Aval-, Akzept und Akkredetivkredite. – Frank, Rn. 256; Obermüller, Rn. 5.293; Fink, Rn. 360; Wittig, DB 1999, S. 204. 1348 Begründung zum RegE, § 311 RegE, S. 216; Frank, Rn. 254; Obermüller, Rn. 5.293; Braun, KS, Rn.17; Fink, Rn. 360; Wittig, DB 1999, S. 204; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 5. 1349 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 5.

255

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

ligten haben aber das Recht, den Kreditrahmen ausschließlich nur auf bestimmte Kreditarten zu beschränken.1350 In den Kreditrahmen können u.a. auch die zweckgebundenen Krediten einbezogen werden. Obwohl verbindlichen Kreditzusagen den Abschluss des Darlehensvertrages i.S. des § 488 Abs. 1 BGB bedeuten, wird nach der Konzipierung des Kreditrahmens nur die Aufnahme des Kredits privilegiert,1351 nicht aber die bloßen Kreditzusagen.1352 Das scheint angemessen, weil die Kreditrahmen die konkrete, nicht aber die potentielle Kreditgewährung bezwecken.1353 Das Stehenlassen von Massekrediten wird der Darlehensgewährung gleich gestellt.1354 Das Stehenlassen der Massekredite soll dabei spätestens vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgen, weil das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren solange nicht aufheben kann, als unstreitige Masseansprüche zu berichtigen und für die streitigen Masseansprüche Sicherheiten bestellt sind (§ 258 Abs. 2 InsO). Einige Arten von Darlehen sind aus dem Anwendungsbereich des Kreditrahmens ausgeschlossen. Das ist mit dessen Konzept verbunden. Lediglich solche Kapitalzuführungen sind bevorrechtigt, die rechtlich gesehen als Fremdkapital des Schuldners betrachtet werden. Dagegen sind Arten der Darlehen, die als Eigenkapital des Schuldners oder der Übernahmegesellschaft betrachtet werden (z.B. Kapitalzuführungen, Nutzungsüberlassungen) von der Privilegierung der §§ 264 ff. InsO ausgeschlossen.1355 Die nächste Voraussetzung besteht in dem Fortbestehen des Amtes des Insolvenzverwalters nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens1356 zum Zweck der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplanes (§ 261 Abs. 1 InsO). Zu seinem Aufgabenkreis gehört u.a. auch, die Vereinbarung über den Kreditrahmen schriftlich zu bestätigen,1357 in welcher Höhe der gewährte Kredit nach Hauptforderung, Zinsen

1350 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 5; NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 2; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 12. 1351 Fink, Rn. 259; NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 3; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 13; MüKo/ Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 4. 1352 Zur VglO aber so Obermüller, ZIP 1983, S. 21 f.; Künne, KTS 1971, S. 249. 1353 Nach Ansicht von Fink (Rn. 259) scheint diese Ausstellung untauglich, weil unter dem Umstand der weiteren Existenzsicherung des Unternehmens, dieses die verbindlichen Kreditzusagen schon vor der Bestätigung des Insolvenzplanes vom Insolvenzverwalter bekommen kann. 1354 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 3; NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 2; Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 264, Rn. 2; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 14. Nach Ansicht der Letzteren (a.a.O) ist das Stehenlassen des Massekredits zu verneinen, wenn die Kreditkonditionen zugunsten des Gläubigers geändert werden. 1355 Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 3. Zur Qualifizierung der Gesellschafterleistungen im Überwachungszeitraum im Lichte des § 264 ff. InsO siehe S. 282 ff. 1356 Dagegen ist die Überwachung durch einen Sachwalter nicht ausreichend. – MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 4. Die Insolvenzrechtskommission ging davon aus, dass Aufnahme und Abruf der Kredite, die im Rahmen eines Kreditrahmens aufgenommen werden („Sanierungskredite“) der Zustimmung des Verwalters bedürfen (Leitsatz 2.3.8). 1357 Wittig, DB 1999, S. 204; Fink, Rn. 359; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 21 ff.; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 8; Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 264, Rn. 8; HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 7; NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 7.

256

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

und Kosten innerhalb des Kreditrahmens liegt.1358 Der Insolvenzverwalter hat nur die formalen Voraussetzungen der Kreditannahme zu prüfen – d.h. ob die Höhe des Kreditrahmens für die Deckung der neuen Kredite ausreicht. Dagegen liegt die Frage über die Zweckmäßigkeit des angenommenen Kredits nicht im Prüfungsbereich des Verwalters.1359 Wenn aber nach dem Insolvenzplan nicht alle Kreditgeschäfte, sondern nur bestimmte Arten in den Kreditrahmen einzubeziehen sind, ist der Insolvenzverwalter befugt, sie zu prüfen und bestätigt, ob sie in den Kreditrahmen einbezogen werden.1360 Als letzte Voraussetzung stellt sich die öffentliche Bekanntmachung und die Eintragung ins Handelsregister der Information über innerhalb der Kreditrahmen angenommene Kredite (sog. „Plafondkredite“) dar.1361 Weil diese Information öffentlich bekannt sein soll, können die potentiellen Gläubiger wählen, ob sie Kredite mit Nachrang, nur mit Vorrang nach § 264 InsO oder überhaupt nicht gewähren werden.1362 Die innerhalb der Kreditrahmen angenommenen Kredite können nicht unendlich nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens privilegiert werden. Der Zeitraum der Überwachung ist auf drei Jahre nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens begrenzt.1363 Die Gründe dieser Frist liegen darin, dass der Gesetzgeber mit der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplanes keinen Dauerzustand anordnen soll,1364 sondern diese lediglich der Überwachung der Anfangschwierigkeiten des Unternehmens nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens dient.1365 Mit dieser Frist soll die Dauersubventionierung des Unternehmens verhindert werden.1366

1358 MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 8; Uhlenbruck, FS für Vieregge, S. 891; Obermüller/Hess, Rn. 693; Fink, Rn. 359; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.63. 1359 Wittig, DB 1999, S. 204; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 22; Fink, Rn. 359; HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 7; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Rn. 9.57; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 264, Rn. 12. Kritisch dazu Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 264, Rn. 8. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann vorliegen, wenn im gestaltenden Teil des Insolvenzplanes vorgesehen ist, dass bestimmte Rechtsgeschäfte des Schuldners (u.a. auch die Kredite oder bestimmte Arten des Kredits) oder der Übernahmegesellschaft während der Zeit der Überwachung nur mit der Zustimmung des Insolvenzverwalters nach § 263 Satz 1 InsO wirksam sind. – HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 7. 1360 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 7. 1361 MüKo/Wittig, InsO, § 265, Rn. 1; Smid/Smid/Ratunde, InsO, § 264, Rn. 3. 1362 HK-Flessner, InsO, § 265, Rn. 1 unter Verweis auf RegE, S. 216 f.; NR/Braun, InsO, § 265, Rn. 1. 1363 § 268 Abs. 1 Nr. 2 InsO; Fink, Rn. 373; Obermüller, Rn. 5.297; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 9. Die Überwachungsfrist kann aber kürzer sein, wenn z.B. die Erfüllung der Ansprüche gegen den Schuldner gewährleistet ist oder die Ansprüche erfüllt werden. – Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 266, Rn. 3; MüKo/Wittig, InsO, § 266, Rn. 9; Obermüller, Rn. 5.297. 1364 So Amtl Begr zu RegE.; MüKo/Wittig, InsO, § 266, Rn. 1. 1365 Begr zu § 313 RegE zur InsO, BT-Drs. 12/2442, S. 217; Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 266, Rn. 1. 1366 HK-Flessner, InsO, § 266, Rn. 2. In dieser Richtung Gottwald/Braun, Hb InsR, § 71, Rn. 13. In der Literatur wurde eine solche Begrenzung zum Teil kritisiert und sogar mit dem Argument, dass das Risiko für einen professionellen Kreditgeber für die Gewährung ungesicherter Kredite zu hoch sei und es deswegen besser wäre, diese Frist auf bis zu vier Jahre zu verlängern. – Rümker, RWS Forum 3, S. 159; Kämpfer, S. 156 ff.

257

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

cc)

Wirkung des Vorrangs

Die Wirkung der Kreditrahmenregel der InsO besteht darin, dass diese Kreditforderungen in einem Anschlussinsolvenzverfahren als Insolvenzforderungen mit Vorrang von anderen Insolvenzforderungen befriedigt werden. Diese Kreditgläubiger werden mit ihren Forderungen gegenüber den Forderungen der Insolvenzgläubigern aus dem ersten Insolvenzverfahren und gegenüber allen anderen vertraglichen Neugläubigern, deren Ansprüche nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens während der Überwachung vertraglich begründet wurden, vorrangig befriedigt.1367 Kein Vorrang besteht bei Plafondgläubigern gegenüber Gläubigern mit Forderungen aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, das während der Zeit der Überwachung begründet worden1368 oder in dieser Zeit aus einem Dauerschuldverhältnis entstanden ist.1369 Sie werden den Plafondgläubigern gleich gestellt. Die Plafondgläubiger haben ebenfalls keinen Vorrang gegenüber Masseforderungen1370 und aussonderungsberechtigten Gläubigern.1371 Dieser Vorrang beruht nicht auf den Absonderungsrechten, die entweder nach dem Plan bestehen geblieben sind oder durch ihn neu begründet werden.1372 Sie können auf ihre abgesonderte Befriedigung verzichten. In diesem Fall werden für sie als ungesicherte Insolvenzgläubiger die Kreditrahmenvorschriften der InsO eine Bedeutung haben. Dem Autor sind solche, in der Praxis denkbaren Fälle1373 der Selbstexekution der absonderungsberechtigten Gläubiger nicht bekannt.

3.

Gesellschafterkredite im Insolvenzplanverfahren

Die Bereitschaft der Gesellschafter, nach dem Inkrafttreten des Insolvenzplanes ein Darlehen zur Verfügung zu stellen, kann eine wesentliche Rolle für die Gesundung des Unternehmens spielen. Im Insolvenzplanverfahren genau so wie in jedem Zeitraum nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt sich die Frage, wie die Leis-

1367 Wittig, DB 1999, S. 204; Braun, KS, Rn. 5. Anders aber war die Lage nach §§ 96, 106 VglO, das die gewährten Verwalterdarlehen im Anschlusskonkursverfahren als erstrangige Masseschulden privilegierte. – Bley/Mohrbutter, VglO, § 106, Rn. 15. 1368 NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 12; HK-Flessner, InsO, § 265, Rn. 2. A.A. Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 265, Rn. 4. Kritisch dazu siehe MüKo/Wittig, InsO, § 265, Rn. 15 ff. 1369 Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 265, Rn. 4; MüKo/Wittig, InsO, § 265, Rn. 1 f. Ausführlich zur Rechtsstellung der Gläubiger mit Forderungen aus gesetzlichen Dauerschuldverhältnissen im Abschlussinsolvenzverfahren siehe MüKo/Wittig, InsO, § 265, Rn. 8 ff. m.w.N. 1370 NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 9; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 266, Rn. 9. A.A. Erster Bericht der Kommission, Leitsatz 2.3.7; Fink, S. 175 ff.: Befriedigung von Massegläubigern. 1371 NR/Braun, InsO, § 264, Rn. 11; MüKo/Wittig, InsO, § 265, Rn. 18; Uhlebruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 28. 1372 HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 10; MüKo/Drukarcuyk, InsO, § 264, Rn. 11; Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 266, Rn. 6, Braun, KS, Rn. 34 f.; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 266, Rn. 10. 1373 MüKo/Drukarcyk, InsO, § 264, Rn. 11; Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 266, Rn. 6; Braun, KS, Rn. 22 ff.; HK-Flessner, InsO, § 264, Rn. 10.

258

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

tungen der Gesellschaft (und u.a. auch die Gesellschafterkredite) im Fall der nicht gelungenen Sanierung betrachtet werden. a)

Verhältnis des Grundtatbestandes des Kapitalersatzrechts zu den Vorschriften der InsO über den Kreditrahmen

Nach allgemeiner Auffassung hat die InsO die Annahme der Gesellschaftsdarlehen in den Kreditrahmen ausgeschlossen. Das wurde damit begründet, dass nach dem Wortlaut des § 264 Abs. 3 InsO „§ 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unberührt bleibe“.1374 Die Verfasser der InsO gehen davon aus, dass die Aufnahme der kapitalersetzenden Leistungen in den Kreditrahmen dem Ziel einer ordnungsgemäßen Kapitalausstattung der sanierten Gesellschaft widersprechen würde.1375 Das bedeutet, dass in der Überwachungsphase die Regeln des kapitalersetzenden Darlehens uneingeschränkt anwendbar sind1376 und der Gesellschafter die Finanzierungsverantwortung im vollen Umfang tragen wird, weil er gemäß § 259 Abs. 1 Satz 2 InsO nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wieder verfügungsbefugt ist. Die Gesellschaftsfinanzierung im Überwachungszeitraum ist damit im „doppelten Sinne nachrangig“1377: Einerseits werden sie gegenüber den Forderungen, die unter den Voraussetzungen der Kreditrahmen des Planverfahrens angenommen werden, als nachrangige Insolvenzgläubiger benachteiligt. Auf der anderen Seite werden sie im Verhältnis zu normalen Insolvenzgläubigern einen Nachrang „genießen“.1378 Solche Situation führt dazu, dass das Engagement des Gesellschafters oder nahe stehenden Dritten i.S.d. § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG im Zeitraum nach Anfang der Überwachung des Insolvenzplanes eher auf die Gewährung der kurzfristigen Finanzierung ausgerichtet wird. Dagegen wird die Gewährung der Sanierungskredite davon abhängen, ob die Regeln des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG ihre Anwendung in einem Abschlussinsolvenzverfahren finden.

1374 Fink, Rn. 362; Obermüller, ZInsO 1998, S. 54; Ders., Rn. 5.296; Uhlenbruck/Schmidt/Wittig, GmbH in Krise, Rn. 1124; Ders., DB 1999, S. 204; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 8; Hass, DZWiR 1999, S. 182; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 11; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 66; v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.156; a.A. der Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsatz 2.3.8. Abs. 3, S. 213 f. Bezüglich InsO – Noack, Rn. 217 f.; Kämpfer, S. 150; Bork, Rn. 373; Noack, FS Claussen, S. 307. Nach Ansicht der Letzteren schaffen die Insolvenzregeln gegenüber dem Kapitalersatzrecht das speziellere Recht. In der Literatur vor in Kraft treten der InsO wurde vorgeschlagen, Anteilseigner wie die anderen Gläubiger zu behandeln (so Rümker, ZIP 1982, S. 1394; Ders., RWS Forum 3, S. 150; Uhlenbruck, GmbHR 1982, S. 152; Schröter/Weber, ZIP 1982, S. 1028; Ulmer, ZHR 1985, S. 553), weil ein verschuldetes Unternehmen im Sanierungsverfahren ohnehin Schwierigkeiten mit der zur Verfügung Stellung des Kapitals hat. 1375 Die Begründung zu § 311 RegE, BT-Drs. 12/2443, S. 216. Zustimmend: Smid/Rattunde, Rn. 5.79; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 32a, Rn. 11 m.w.N. 1376 Fink, Rn. 362 f.; Hirte, ZInsO 1998, S. 150; Hass, DZWiR 1999, S. 182; v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.156; Obermüller, Rn. 5.290. 1377 v. G/H/Johlke/Schröder, Hb KapER, Rn. 14.156. 1378 Kritisch dazu Fink, Rn. 363; MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 16.

259

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

b)

§ 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG im Lichte der Vorschriften der InsO über Kreditrahmen

Weder die Vorschriften der InsO noch die Regierungsbegründung zu § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG und §§ 264 ff. InsO klären die Frage der Einbeziehung von Sanierungskrediten in die Kreditrahmen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Gesellschaftsanteile nach der Stellung des Insolvenzantrages oder der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gewährt wurde. § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbH und §§ 264 ff. InsO sind unterschiedlich orientiert: Während das Sanierungsprivileg auf die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgerichtet ist, ist § 264 InsO nur auf die Zeit danach ausgerichtet.1379 Während § 264 InsO ausschließlich die Erleichterung der Beschaffung des notwendigen Fremdkapitals (u.a. auch Sanierungskredite) behandelt,1380 richtet sich § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG auf den Erwerb der Gesellschaftsanteile in der Unternehmenskrise. Die Gewährung von Sanierungskrediten wird wünschenswert, aber stellt keine Voraussetzung der Privilegierung nach § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG dar. Die Gemeinsamkeit dieser Vorschriften besteht darin, dass sie die Verbesserung der Bedingungen für die Sanierung des Schuldners bezwecken. Nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens kann der Gesellschafter Unternehmensanteile erwerben. Im Zusammenhang damit gewährte Kredite, die die langfristige Widerherstellung der Zahlungsfähigkeit des Not leidenden Unternehmens bezwecken, unterliegen nicht den Regeln des Kapitalersatzrechts. Diese Sanierungskredite können in die Kreditrahmen einbezogen werden, wenn sie gleichzeitig alle Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG und der §§ 264 ff. InsO erfüllen.1381 Das ist damit verbunden, dass nach der Konzeption des GmbHG-Sanierungsprivileges diese Kredite mit den anderen Insolvenzforderungen gleichgestellt werden sollen. § 265 Abs. 1 InsO enthält keine Einschränkung gegenüber den bestimmten Arten der Neugläubiger nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Komplizierter sieht die Möglichkeit der Einbeziehung der Sanierungskredite in Kreditrahmen aus, die von einem verfügungsbefugten vorläufigen Insolvenzverwalter bzw. von einem Insolvenzverwalter angenommen und als Masseforderungen qualifiziert werden, wenn sie vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen gelassen werden. Der Ausgangspunkt besteht hier darin, dass diese Sanierungskredite mit einer Sanierungsstrategie bzw. einen Sanierungsversuch verbunden sind. An diesen Zweck war auch der Erwerb der Geschäftsanteile geknüpft. Diese Sanierungskredite von Gesellschaftern können nur unter der Bedingung in die Kreditrahmen einbezogen werden, dass ihre Einbeziehung in den Insolvenzplan mit dem ursprünglichen Sanierungsversuch verbunden ist und dazwischen keine Insolvenz eingetreten

1379 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.64; Heinert, S. 236. 1380 Begründung zur RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 216. 1381 v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.65; Haas, DZWiR 1999, S. 177, 182; Scholz/Schmidt, GmbHG, § 32a, Rn. 199. Nach Kübler/Prütting/Noack, Rn. 189, wird man in dieser Konstellation das Vorliegen des Merkmals „zur Überwindung der Krise“ stets als erfüllt ansehen müssen.

260

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

ist.1382 Die pauschale Aufnahme aller dieser Kredite in die Kreditrahmen ist nicht zulässig und widerspricht dem Konzept der §§ 264 ff. InsO.1383

4.

Bieten die insolvenzrechtlichen Regeln über die Kreditrahmen den Kreditgebern einen ausreichenden Anreiz zur Mitwirkung an der Sanierung des Schuldners?

Die in der Überschrift dieses Punktes gestellte Frage besteht im Kern darin, ob die Vorschriften der InsO über die Kreditrahmen einen ausreichenden Anreiz für die Gewährung der Sanierungskredite im Überwachungszeitraum bieten. Darin ist zwischen den Anreizen für Dritte und für Gesellschaftsgläubiger zu unterscheiden. Im ersten Fall werden de lege lata die unbesicherten Forderungen der Kreditinstitute aus Plafondkrediten langfristig gesehen als Insolvenzforderungen qualifiziert. Erst wenn das Insolvenzverfahren im Zeitraum der Überwachung eröffnet wird, können sie einen Vorrang gegenüber den Insolvenzgläubigern und nachrangigen Insolvenzgläubigern genießen. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass die ungesicherten Insolvenzgläubiger in der Regel in einem liquidationsorientierten Insolvenzverfahren leer ausgehen.1384 Das Abschlussinsolvenzverfahren ist in der Regel auf die Zerschlagung des Unternehmens ausgerichtet. Die Sanierungskreditgläubiger werden im Vergleich mit den anderen vorrangigen Gläubigern innerhalb des Kreditrahmens (d.h. mit den Forderungen aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis, die während der Zeit der Überwachung begründet worden sind oder in dieser Zeit aus einem Dauerschuldverhältnis entstanden sind) nicht nach dem Grundsatz „prior tempore, potior jure“, sondern gleichbehandelt.1385 Damit stehen ihre Befriedigungsaussichten in keinem Vergleich mit bevorrechtigten Forderungen der Masse- und Absonderungsgläubiger. Dieser Umstand zwingt die Kreditinstitute, besicherte Kredite zur Verfügung zu stellen. Die Lage mit der Stellung der Sicherheit hängt davon ab, wie schnell der Schuldner seine Rentabilität wiedergewinnt und Sicherheiten nicht nur in solchem begrenztem Umfang, wie kurz nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens besitzen wird.1386 Das kann aber erst nach dem entsprechenden Zufluss des neuen Geldes erfolgen. Dieser geschlossene Kreis kann nur zum Teil mit den Kreditrahmenvorschriften

1382 Lehner, S. 125 f.; v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.66. 1383 Näher dazu siehe v. G/H/Dauner-Lieb, Hb KapER, Rn. 4.67 f. 1384 MüKo/Drukarczyk, InsO, § 264, Rn. 15. Auf die geringen Chancen der (vollständigen) Befriedigung der Plafondläubiger verweist auch Wittig. – MüKo/Wittig, InsO, § 266, Rn. 1. 1385 Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 264, Rn. 31; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 264, Rn. 3. 1386 Zwei Möglichkeiten können für Sicherheiten für die Kredite sprechen: Einerseits werden Globalsicherungsverträge mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 103 InsO beendet und andererseits können die Absonderungsberechtigten in ihrem Absonderungsrecht im gestaltenden Teil des Insolvenzverfahren gemäß § 215 InsO eingeschränkt werden. – Braun, KS, Rn. 43 f., der seine Meinung zweifelnd hinsichtlich Globalsicherungsverträgen äußert; Wittig, DB 1999, S. 205; Hess/Weiss/Weinberger/Hess, InsO, vor § 217, Rn. 97.

261

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

der InsO gelöst werden. In der Lehre wird den Kreditgebern abgeraten, ihr Kreditengagement über die dreijährige Höchstzeit der Überwachung zu vereinbaren.1387 All dies lässt zweifeln, ob de lege lata die Vorschriften der InsO über die Kreditrahmen einen unklaren Anreiz für die Sanierungskreditgewährung nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens geschaffen haben.1388 Diese unbefriedigende Lage, die natürlich in jedem einzelnen Fall vom Umfang der Zins- und Tilgungsverpflichtungen abhängt, kann de lege ferenda erst durch den freiwilligen Verzicht der absonderungsberechtigten Gläubiger auf ihre Sicherheiten zugunsten der Plafondgläubiger nach § 264 Abs. 1 Satz 1 InsO verbessert werden. Dagegen überzeugt die Möglichkeit, die Forderungen der Plafondgläubiger mit Masseforderungen gleich zu stellen, nicht ganz. Das ist mit der Funktion der Masseforderungen verbunden, die bezwecken, die Fortführung des Unternehmens nach der Stellung des Insolvenzantrages zu ermöglichen. Die Gleichstellung der Plafondgläubigern mit Massegläubigern wird diese Aufgabe der Massekredite wesentlich erschweren. Die Rechtslage der Gesellschafterleistungen sieht nur zum Teil sanierungsfreundlich aus. Zu Recht werden die kapitalersetzenden Kredite nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und im Abschlussinsolvenzverfahren von den Kreditrahmenregeln nicht berührt. Die Finanzierungs(folge-)verantwortung der Gesellschaft ist in vollem Umfang nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wiederhergestellt. Damit können (Sanierungs-)Kredite, deren Geber nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens als nachrangige Gläubiger qualifiziert sind, nicht in die Kreditrahmen einbezogen werden. Wenn aber ihre Forderungen im Zusammenhang mit dem Sanierungsprivileg gewährt sind, können sie in die Kreditrahmen erst dann einbezogen werden, wenn das Insolvenzplanverfahren mit dem ursprünglichen Sanierungszweck während des Erwerbs der Gesellschaftsanteile wesentlich übereinstimmt. Erst dann, wenn die Gesellschafter entweder ihre Forderungen vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen lassen oder danach neu gewähren, können sie in die Kreditrahmen einbezogen werden. Diese Lage schafft Anreize sowohl für Kleingesellschafter bzw. Aktionäre, die weniger als 10 % Anteile in einer GmbH bzw. 25 % in einer AG besitzen, als auch für Gläubiger des Schuldners, ihre unternehmerische Beteiligung an einer Not leidenden Gesellschaft zu erhöhen bzw. Anteile an der Gesellschaft zu erwerben und die neuen Sanierungskredite in diesem Zusammenhang zu gewähren. Genau diese neuen Gesellschafter können nach dem Konzept der Sanierungsfinanzierung nach Bestätigung des Insolvenzplanes einen großen Sanierungsbeitrag leisten. Diese höchstens auf drei Jahre befristete Subventionierung des Zuflusses von fresh money in einem Unternehmen betrifft aber nicht Altgesellschafter und schafft für die Letzteren keine besonderen Anreize im Vergleich mit dem Zeitraum der „Krise“ des Unternehmens. 1387 Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 265, Rn. 2; MüKo/Wittig, InsO, § 266, Rn. 7. 1388 In dieser Richtung auch Braun, KS, Rn. 46, der diese Regeln als „Papiertiger“ bezeichnet. Zurückhaltend gegenüber den Vorschriften über die Kreditrahmen. – Smid/Smid/Rattunde, InsO, § 264, Rn. 1. Zweifelhaft MüKo/Wittig, InsO, § 266, Rn. 5. Positiv in Erwartung FK-Jaffe, InsO, § 266, Rn. 5.

262

B. Sanierungskredite im Plan- und Vergleichsverfahren

II.

Russisches Recht

Genau so wie im deutschen Recht tauchen in diesem Zeitraum des Insolvenzverfahrens die gleichen wirtschaftlichen Fragen auf: Einerseits braucht der Schuldner für die Sanierung des Unternehmens die Kredite und andererseits ist der Umfang der Sicherheiten sowohl während der Ausarbeitung des Vergleichs als auch nach seiner Bestätigung im Wesentlichen begrenzt. Die Stellung der Sanierungskredite hat ihre Besonderheiten ja nach dem Zeitpunkt ihrer Gewährung: vor oder nach der Bestätigung des Vergleichs. 1.

(Sanierungs-)Kredite im Zeitraum der Ausarbeitung des Vergleichs und bis zu dessen Bestätigung

Der Vergleich kann in jeder Stufe des Insolvenzverfahrens geschlossen werden. Die Ausarbeitung des Vergleichs hat keine Auswirkungen auf die Annahme der Sanierungskredite: Ihre Annahme wird nach den Regeln erfolgen, die für jeweilige Stufe des Insolvenzverfahrens vorgesehen sind. Weil die Besonderheiten der Annahme neuer Sanierungskredite in den jeweiligen Stufen des Insolvenzverfahrens in den entsprechenden Abschnitten der Arbeit besprochen wurden, werden sie im Folgenden nicht näher dargestellt.1389 Das Insolvenzgesetz stellt in Art. 158 Pkt. 1 russ. InsG fest, dass die notwendige Bedingung für die Bestätigung des Vergleichs die Tilgung der Forderungen der Gläubiger der ersten und zweiten Ranges darstellt.1390 Aus dieser These folgt, dass die Tilgung der anderen Forderungen des Schuldners nicht notwendige Bedingung der Bestätigung des Vergleichs ist. Eine besondere Stellung haben aber die Massegläubiger. Sie nehmen an der Abstimmung über den Vergleich nicht teil. Als Bedingung der Betätigung des Vergleichs wurde die Tilgung ihrer Forderungen in Art. 158 russ. InsG nicht genannt. Ebenso hat Art. 159 russ. InsG als Rechtsfolge der Bestätigung des Vergleichs keine Auswirkungen auf die Masseforderungen genannt. Das Oberste Wirtschaftsgericht der RF geht davon aus, dass die Fälligkeit der Masseforderungen von der Bestätigung des Vergleichs nicht berührt wird und der Vergleich vom Wirtschaftsgericht bestätigt werden kann, sogar wenn der Schuldner die Masseforderungen nicht getilgt hat.1391 Damit fallen die Masseforderungen nicht unter den Geltungsbereich des Vergleichs.1392 Die Rechtslage mit der Tilgung der Masseforderungen im Zeitpunkt vor der Bestätigung des Vergleichs hat zu Folge, dass ein Schuldner nach der Bestätigung des Vergleichs im russischen Recht wesentlich mehr Masse hätte als im deutschen Recht in

1389 Ausführlich dazu siehe Vierter Teil. Dritter Abschnitt. B.: I. 2., II. 2. und III. 2. dieser Arbeit. 1390 Ebenso Teljukina, InsG, Art. 158, S. 400. 1391 Pkt. 10 des Praxisübersicht des Obersten Wirtschaftsgerichts der RF vom 20.12.2005 Nr. 97, VVAS 2006, Nr. 3, S. 118 f. A.A. Zalesskii/Solov’jeva, InsG, Art. 158, S. 448 und Art. 157, S. 446, wonach die Masseforderungen vor der Bestätigung des Vergleichs befriedigt werden sollen. 1392 Teljukina, InsG, Art. 151, S. 400.

263

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

diesem Zeitpunkt. Die Realität besteht aber darin, dass das Schicksal der freien Sicherheiten im Vergleich entschieden wird. Darüber hinaus schafft diese Lage im russischen Recht Anreize für den Massegläubiger, die bestehenden Verträge zu beenden. Das ist auch nicht zuletzt damit verbunden, dass im möglichen zweiten Insolvenzverfahren dessen Forderungen nicht als Masse-, sondern als Insolvenzforderungen des dritten Ranges betrachtet werden. Die Rechtslage der bestehenden Sanierungskredite unterscheidet sich danach, ob diese Kredite ausgezahlt sind oder nicht. Der Kreditgeber mit einem nicht ausgezahlten und vom Insolvenzverwalter bzw. Schuldner nicht in Anspruch genommenen Sanierungskredit wird nach deutschem Recht nicht als Insolvenz- oder Massegläubiger qualifiziert. In diesem Fall kann der Kreditgeber diese Kredite nach der Bestätigung des Insolvenzplanes gewähren.1393 Die Rechtslage der bestehenden Sanierungskredite, die als Masseverbindlichkeiten bewertet sind, sieht im russischen Recht schlechter aus als im deutschen Recht, weil sie in Russland bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens nicht befriedigt werden müssen. Vielmehr kann im Insolvenzplanverfahren die Befriedigung der Insolvenzgläubiger abweichend von den Vorschriften des russ. InsG geregelt werden. 2.

(Sanierungs-)Kredite nach der Bestätigung des Vergleichs

Die Gedanken der erfolgreichen und langfristigen Fortführung des Unternehmens nach Aufhebung des Insolvenzvergleichs haben im russ. InsG wenig Platz gefunden. Sonst hätte der Gesetzgeber Anreize für den Kreditgeber geschaffen, um in diesem Zeitraum das Unternehmen zu finanzieren: Nach der Bestätigung des Vergleichs und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens werden die angenommenen Massekredite in der Regel als einfache Insolvenzforderungen betrachtet. Die Möglichkeit ihrer Stellung sieht gering aus. Diese absolute Gleichgültigkeit des Gesetzgebers zur Stellung solcher Kredite erstaunt. In diesem Fall werden die Kreditinstitute nur dann Kredite gewähren, wenn diese besichert sind. Die erheblichen Schwierigkeiten mit dem Stellen der neuen Sicherheiten schaffen erhebliche Risiken für die Fortführung des Unternehmens nach der Bestätigung des Vergleichs. Diese unbefriedigende Lage hinsichtlich der Finanzierung der laufenden Tätigkeit des Schuldners in diesem Zeitraum kann durch die Einführung von Regeln über eine Privilegierung von Kreditaufnahmen des Schuldners nach der Bestätigung des Vergleichs ins russ. InsG beseitigt werden. Das soll naturgemäß mit der Existenz eines neutralen Beobachters, der den Umfang der Kreditaufnahmen in dem Zeitraum beaufsichtigt, verbunden sein. Damit soll das Fortbestehen des Amtes des Insolvenzverwalters innerhalb der Dauer der Kreditrahmenregeln beibehalten sein.1394

1393 Bei Vorhandensein aller Voraussetzungen der InsO können sie nach der Aufhebung des Insolvenzverfahhrens in die Kreditrahmen aufgenommen werden. Näher dazu siehe Vierter Teil – Vierter Abschnitt. B. 3. b). dieser Monographie. 1394 Heutzutage ist gemäß Art. 159 Pkt. 4 russ. InsG ab dem Datum der Bestätigung des Wirtschaftsgerichts über den Vergleich die Befugnis des Insolvenzverwalters beendet.

264

C. Zwischenergebnis

Es sollen in diesen Kreditrahmen innerhalb des dreijährigen Zeitraums Leistungen aus allen Arten der Darlehen i.S. des russischen Zivilgesetzbuches (u.a. auch die Sanierungskredite) einbezogen werden, die sowohl nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erbracht wurden, als auch vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gewährte Massedarlehen. Sie sollen in einem Anschlussinsolvenzverfahren, das innerhalb des dreijährigen Zeitraums eröffnet wird, als Insolvenzforderungen des ersten Rangs mit anderen Forderungen gleichgestellt werden. Der Umfang dieser Privilegierung soll aber das Vermögen des Schuldners nicht übersteigen.

C.

Zwischenergebnis

1. Das Insolvenzplanverfahren im deutschen Recht und Vergleichsverfahren im russischen Recht bieten abweichend vom Regelinsolvenzverfahren Möglichkeiten, das Verfahren zu gestalten. Sie können sowohl Liquidation, als auch Sanierung oder übertragende Sanierung vorsehen. 2. Die Rechtsstellung der Sanierungskredite unterscheidet sich je nach dem Zeitpunkt ihrer Bewilligung: Vor der Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. Vergleichs durch das Gericht und danach während des bestimmten Zeitraums nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. 3. Vor der Bestätigung des Vergleichs bzw. Insolvenzplans durch das Gericht fordert das deutsche Recht die Tilgung der Masseforderungen. Im russischen Recht gehört ihre Tilgung nicht zu den notwendigen Bedingungen der Bestätigung des Vergleichs. Darüber hinaus sollen im russischen Recht die Forderungen der Insolvenzgläubiger der ersten und zweiten Reihen befriedigt werden. Das deutsche Modell des Insolvenzplanverfahrens sieht im Vergleich zum russischen Modell des Vergleichs flexibler und sanierungsfreundlicher aus. 4. Im deutschen Recht existieren besondere Regeln für die Finanzierung der Tätigkeit des Not leidenden Unternehmens nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (sog. „Kreditrahmen“). Diese erleichtern die Finanzierung des Unternehmens und fördern seine Sanierung. Die Sanierungskredite, die entweder zu dem Zeitpunkt gewährt werden oder vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen gelassen wurden, können in die Kreditrahmen einbezogen werden und in einem neuen Insolvenzverfahren als vorrangige Insolvenzforderungen privilegiert werden. Eine effiziente Sanierung fordert aber die aktive Teilnahme der aussonderungsberechtigten Gläubiger im Insolvenzverfahren. 5. Die kapitalersetzenden Kredite der Gesellschafter können in die Kreditrahmen nicht einbezogen werden. Die Einbeziehung von Sanierungskrediten der Gesellschafter, die mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen in der Krise gewährt werden und unter den Geltungsbereich der Regeln des GmbHG über das Sanierungsprivileg in die Kreditrahmen fallen, hängt davon ab, ob sie mit dem ursprünglichem Sanierungsversuch verbunden sind oder nicht. 6. Ein großer Nachteil des russischen Insolvenzrechts besteht darin, dass dort keine Vorschriften über die Privilegierung bestimmter Leistungen der Gläubiger im Zeitraum nach der Bestätigung des Vergleichs vom Wirtschaftsgericht existieren.

265

Vierter Teil: Sanierungskredite im Insolvenzverfahren

Die zu diesem Zeitpunkt angenommenen oder stehen gelassenen (Sanierungs-) Kredite werden, wenn diese durch die Kreditsicherheiten nicht gedeckt sind, als Insolvenzforderungen des dritten Ranges betrachtet. Vor dem Hintergrund des Fehlens freier Sicherheiten, schafft diese Lage keine Anreize für das Kreditinstitut, dem Unternehmen nach der Bestätigung des Vergleichs unbesicherte (Sanierungs-)Kredite zu gewähren. Es wird vorgeschlagen, diese bedauerliche Rechtslage der Sanierungsfinanzierung im russischen Recht im analysierten Zeitraum über die Einführung der Kreditrahmen ins russische Insolvenzrecht zu ändern. Mit Hilfe dieser Kreditsubventionierung soll die weitere Existenz des Not leidenden Unternehmens nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens attraktiver gemacht werden.

266

Fünfter Teil Zusammenfassung Die vorangegangene Untersuchung hat gezeigt, dass die Rechtsstellung der Sanierungskredite im deutschen und russischen Recht sowohl viele Gemeinsamkeiten als auch erhebliche Unterschiede aufweist. Das wird im Folgenden in den ersten drei Punkten (Ziff. I–III) thesenweise gezeigt. Abschließend wird eine Gesamtwürdigung der untersuchten Materie vorgenommen (Ziff. IV).

I.

Begriffsbestimmung und Rechte und Pflichten der Parteien in den Kreditverträgen

1.

Die Sanierungskreditgewährung erfolgt auf Grund eines Vertrages. Unter der Bezeichnung Sanierungskreditvertrag ist ein Kreditvertrag zu verstehen, der für den Schuldner in der Krise wie auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die dauerhafte Wiederherstellung seiner Zahlungsfähigkeit bezweckt.

2.

Vor dem Hintergrund eines im Wesentlichen ähnlichen Inhalts der Pflichten der Parteien der Kreditverträge ist das deutsche Recht kreditnehmerfreundlicher als das russische Recht.

II.

Sanierungskredite in der Unternehmenskrise

1.

Im deutschen und russischen Recht wird die Frage über die einseitige Beendigung von Sanierungskreditverträgen mit ähnlichen Ergebnissen entschieden: Sie können zwar einseitig beendet werden, aber nur in Ausnahmefällen, nämlich dann, wenn sich die wirtschaftliche Lage des Schuldners wesentlich verschlechtert hat, die Voraussetzungen des § 490 Abs. 1 BGB bzw. Art. 821 Pkt. 1 russ. ZGB, Art. 450 Pkt. 2 russ. ZGB vorliegen und die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheint.

2.

Sowohl das deutsche als auch das russische Recht gehen davon aus, dass eine allgemeine Pflicht der Bank, einem Unternehmen in der Krise einen Kredit zu gewähren, grundsätzlich nicht besteht. Diese Pflicht kann aber in Ausnahmefällen in beiden Rechtsordnungen bejaht werden. Es handelt sich um Fälle, in denen die Bank sich hierzu im Rahmen eines Sanierungskreditvertrages verpflichtet hat. Notwendige Voraussetzung ist dann die Sanierungsfähigkeit des Schuldners sowie das Vorhandensein von Sicherheiten.

3.

Zur Auswirkung der haftungsrechtlichen Vorschriften auf die Sanierungskreditgewährung:

267

Fünfter Teil: Zusammenfassung

3.1. Die vertragsähnlichen Ansprüche gegenüber der Bank im Fall einer fehlgeschlagenen Sanierungskreditgewährung spielen im deutschen Recht nur eine sekundäre Rolle. Dem russischen Kreditrecht sind sie unbekannt. 3.2. Die vertragliche Haftung der Bank kann im Fall der Stellung besonders hoher Sicherheiten zum Sanierungskreditvertrag aus den Vorschriften über Knechtungsverträge im russischen Recht bzw. über die sittenwidrige Schädigung im deutschen Recht folgen. 3.3. Im deutschen Recht hat die Rechtsprechung § 826 BGB als Schutznorm gegen die unseriöse Sanierungskreditgewährung entwickelt. Die Kreditinstitute haften, wenn sie den Insolvenzantrag des insolvenzreifen Kreditnehmers mit neuen Krediten lediglich hinauszögern, um zwischenzeitlich eigennützige Ziele zu verfolgen. Viele Fragen der Qualifizierung von Sanierungskrediten als sittenwidrig sind umstritten. Ein Kreditinstitut soll einen Sanierungskredit erst nach der Prüfung der Sanierungsfähigkeit des Not leidenden Unternehmens durch einen neutralen Wirtschaftsfachmann auf Grund des Sanierungskonzeptes gewähren. Die entsprechenden Sicherheiten können nur für Neukredite gestellt werden. 3.4. In Russland sind weder in der Rechtsprechung noch im Schrifttum Fragen im Zusammenhang mit der außervertraglichen Haftung der Bank für die Sanierungsfinanzierung aufgetaucht. Diese Haftung wurde vorliegend im Rahmen der Tatbestandsmerkmale des sog. „Generaldelikts“ (Art. 1064 Pkt. 1 Satz 1 russ. ZGB) analysiert. Danach kann die Herleitung der außervertraglichen Haftung der Bank für die Gewährung des nach deutschem Recht sittenwidrigen Sanierungskredits nicht ausgeschlossen sein. 4.

Zur Betrachtung des Sanierungskredits von Gesellschaftern:

4.1. Die Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen kann nicht nur seitens eines Dritten, sondern auch seitens eines Gesellschafters bzw. des Eigentümers des Unternehmens erfolgen. Die Besonderheiten dieser Finanzierung im deutschen Recht haben unter dem Stichwort „kapitalersetzendes Darlehen“ ihren Niederschlag gefunden. 4.2. Sanierungskredite von Gesellschaftern oder nahe stehenden Dritten, die in der Krise gewährt bzw. stehen gelassen werden, stellen einen Hauptanwendungsfall des Kapitalersatzrechts dar. Die Rückerstattung dieses Kredits ist solange nicht zulässig, solange die Gesellschaft kreditunwürdig ist. Seit der Einführung des Sanierungsprivilegs in § 32a GmbHG sind die Sanierungskredite, die mit dem Erwerb von Gesellschaftsanteilen in der Krise verbunden sind, aus dem Geltungsbereich des Kapitalersatzrechts herausgenommen. 4.3. Die in Deutschland geplante Reform des GmbH-Rechts (MoMiG) berührt im Wesentlichen das Kapitalersatzrecht. Seine weitere Existenz wird in Frage gestellt. Das soll vor allem durch die Verlagerung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen über die Finanzierung durch Gesellschafter in der Krise in die InsO und das AnfG durchgeführt werden. Darüber hinaus soll die analoge Anwendung der §§ 30 f. GmbHG auf die Rückgewähr eines Gesellschafter-

268

Zusammenfassung

darlehens in der Krise der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die Regeln über das Sanierungsprivileg sollen in der InsO in modernisierter Form beibehalten werden. 4.4. Im russischen Recht stellt sich die Frage nach der Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen seitens eines Gesellschafters als Neuland dar. Die ihr während der Zeit der Kreditunwürdigkeit der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Sanierungskredite wurden in der vorherigen Untersuchung dem Drittdarlehen gleich gestellt und nicht als funktionales Eigenkapital betrachtet. Es wurde versucht, auf Grund der Analyse der Vorschriften des Delikts-, Gesellschafts- und Insolvenzrechts die Möglichkeit zu erforschen, die Grundsätze des Kapitalersatzrechts im russischen Recht herzuleiten. 4.5. Die Auslegung der deliktsrechtlichen Normen des russ. ZGB (Art. 1064) schließt die Herleitung der Kapitalersatzregeln auf der theoretischen Ebene nicht aus. Das russische Insolvenzgesetz enthält in Art. 31 Pkt. 1 den Tatbestand der Leistungen der Personen in der Krise, die dem Tatbestand des § 32a GmbHG nahe steht. Da Rechtsfolgen bei Nichtdeckung des Finanzbedarfs des Unternehmens fehlen, ist diese Vorschrift in der Praxis nicht lebensfähig.

III. Sanierungskredite im Insolvenzverfahren 1.

Zur Befriedigungsreihenfolge der Gläubiger:

1.1.

Die Bewertung der Stellung der Sanierungskredite im Insolvenzverfahren hängt im Wesentlichen von der Qualifizierung der Forderungen der Bank aus solchen Kreditverträgen ab. Die unbesicherten Forderungen der Bank sowohl auf Rückerstattung der Darlehensvaluta als auch auf Zinszahlung, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden sind, werden im eröffneten Insolvenzverfahren in Russland und Deutschland den anderen unbesicherten vertraglichen fälligen Forderungen aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gleich gestellt. Die Bank mit ihren Forderungen aus diesen unbesicherten Krediten bzw. Sanierungskreditverträgen wird als Insolvenzgläubigerin im deutschen Recht bzw. als Insolvenzgläubigerin dritten Ranges im russischen Recht betrachtet.

1.2.

Im Insolvenzverfahren gibt es in beiden Rechtsordnungen nur zwei Möglichkeiten, die Sanierungsfinanzierung für den Kreditgeber de lege ferenda attraktiver zu gestalten: Die Forderungen aus diesen Verträgen sind entweder als Masseforderungen zu qualifizieren oder zu besichern. Vor dem Hintergrund des Fehlens freier Sicherheiten beim Schuldner im Insolvenzverfahren bleibt nur die erste Möglichkeit realistisch.

2.

Zur Rechtsstellung der Sanierungskredite im Insolvenzeröffnungsverfahren:

2.1.

Im Insolvenzeröffnungsverfahren unterscheidet sich die Rechtsstellung der Sanierungskredite je nach dem Zeitpunkt des Verfahrens.

269

Fünfter Teil: Zusammenfassung

2.2.

In einem Zeitraum (seit der Stellung des Insolvenzantrages bis zu seiner Annahme) zeigt die Rechtslage in beiden Rechtsordnungen mehrere Gemeinsamkeiten. Insbesondere kann der Schuldner sowohl bestehende Kredite nutzen als auch neue aufnehmen. Die Kredite, welche der Schuldner in diesem Zeitraum aufnimmt, werden als einfache Insolvenzforderungen im deutschen Recht bzw. Insolvenzforderungen dritten Ranges im russischen Recht qualifiziert. Die Sanierungskredite können sowohl im deutschen als auch im russischen Recht nur dann gekündigt werden, wenn in den Vermögensverhältnissen des Kreditnehmers seit dem Zeitpunkt, in dem die Bank ihre Mitwirkung an der Sanierung zugesagt hat, eine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt.

2.3.1. In einem anderen Zeitabschnitt des Insolvenzeröffnungsverfahren (seit der Annahme des Insolvenzantrages bzw. der Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens) hat die Sanierungsfinanzierung viele landbezogene Besonderheiten. Während im russischen Recht alle in diesem Zeitraum entstandenen Rückerstattungsund Zinszahlungsansprüche der Bank aus Kreditverträgen als Masseforderungen betrachtet werden, hängt im deutschen Recht die Gewährung neuer (Sanierungs-)Kredite davon ab, welche Art der Sicherungsmaßnahmen durchgeführt wird. In der Praxis wird die Mehrzahl der Verwalter ohne gleichzeitige Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes und ohne Kompetenz zur Begründung bestimmter Verbindlichkeiten bestellt. Die von ihnen begründeten Verbindlichkeiten werden als einfache Insolvenzforderungen betrachtet. Als vorteilhafter Weg für die Sanierungsfinanzierung kann entweder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit der gleichzeitigen Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbotes oder die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit der Kompetenz, Kredite aufzunehmen, gesehen werden. In beiden der zuletzt genannten Fälle kann der Verwalter Masseverbindlichkeiten begründen. 2.3.2. Während Gesellschafterkredite im Eröffnungsverfahren nach russischem Recht den Drittkrediten gleichgestellt werden, sieht die Rechtslage mit der Qualifizierung von Gesellschafterkrediten im deutschen Recht komplizierter aus und hängt von der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen (insbesondere von der Kompetenz des vorläufigen Insolvenzverwalters) ab. 2.3.3. Eine zusätzliche Bedingung der Annahme von Sanierungskrediten durch einen kompetenten vorläufigen Insolvenzverwalter ist im deutschen Recht die Zustimmung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses, wenn der Insolvenzverwalter erst vom Insolvenzgericht einberufen wurde. Im russischen Recht ist das nicht der Fall. 2.3.4. Die Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen bzw. die Annahme des Insolvenzantrages bedeutet keine automatische Fälligkeit der bestehenden Sanierungskreditverträge. Vielmehr können diese Verträge im deutschen und russischen Insolvenzrecht nur unter der Bedingung einer wesentlichen Vermögensverschlechterung, die die Sanierung als nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt, gekündigt werden.

270

Zusammenfassung

3.

Zur Rechtsstellung der Sanierungskredite im Regelinsolvenzverfahren:

3.1.

Das Regelinsolvenzverfahren geht in Deutschland in der Regel in die Richtung eines Liquidationsverfahrens, obwohl der Sanierungsweg auch nicht ausgeschlossen ist. Im russischen Recht gibt es drei Stufen des Insolvenzverfahrens, die zeitlich dem deutschen Regelinsolvenzverfahren entsprechen: Beobachtungs-, Fremdverwaltungs- und Konkursverfahren.

3.2.

Die bestehenden Sanierungskredite können im deutschen Regelinsolvenzverfahren nur in Form von Tilgungs-, nicht aber von Kontokorrentkrediten vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden. Im russischen Recht dagegen können sie im Beobachtungs- und Fremdverwaltungsverfahren sowohl als Tilgungs- als auch als Kontokorrentkredite angenommen werden, während sie mit der Anordnung des Konkursverfahrens fällig werden.

3.3.

Die bestehenden Sanierungskredite, die im deutschen Recht von dem Insolvenzverwalter in Anspruch genommen wurden, sowie die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter mit der Kompetenz, Masseverbindlichkeiten zu begründen, neu angenommenen Sanierungskredite sind im deutschen Regelinsolvenzverfahren genauso wie die bestehenden Sanierungskredite im russischen Beobachtungs- und Fremdverwaltungsverfahren nicht kündbar. Dies gilt nur dann, solange eine wesentliche Vermögensverschlechterung des Schuldners nicht eingetreten ist, die die Sanierung nicht mehr aussichtsreich erscheinen lässt.

3.4.

Neue (Sanierungs-)Kredite können im Regelinsolvenzverfahren im deutschen und russischen Recht angenommen werden (mit der Besonderheit, dass es sich im russischen Konkursverfahren in der Regel um eine kurzfristige Finanzierung handelt). Die vom Insolvenzverwalter in Deutschland verlangten Leistungen werden als Masseforderungen betrachtet. In Russland werden die Kreditgeber mit den im Beobachtungs- und Fremdverwaltungsverfahren fällig gewordenen Verpflichtungen aus den (Sanierungs-)Kreditverträgen als Massegläubiger qualifiziert.

3.5.

Die neu aufgenommenen Gesellschafterkredite und Drittkredite werden in beiden Rechtsordnungen gleich gestellt. Sie werden als Masseforderungen qualifiziert. Damit sind die Gesellschafterkredite im deutschen Recht der Regelung des Kapitalersatzrechts nicht unterworfen.

3.6.

Als zusätzliches Erfordernis bedarf die Annahme des Sanierungskredits nach deutschem Recht der Zustimmung des Gläubigerausschusses. Dagegen unterscheidet sich im russischen Recht die Rechtslage je nach der Stufe des Insolvenzverfahrens: Während im Beobachtungsverfahren jede Kreditaufnahme der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bedarf, ist die Aufnahme des Sanierungskredits im Fremdverwaltungsverfahren mit der Genehmigung der Gläubigerversammlung oder des -komitees verbunden. Im Konkursverfahren benötigt die Kreditaufnahme keine zusätzliche Genehmigung.

4.

Zur Rechtsstellung der Sanierungskredite im Insolvenzplan- bzw. Vergleichverfahren:

271

Fünfter Teil: Zusammenfassung

4.1.

Das Insolvenzplanverfahren im deutschen Recht und das Vergleichsverfahren im russischen Recht können sowohl Liquidation als auch Sanierung sowie übertragende Sanierung vorsehen. Die Rechtsstellung der Sanierungskredite hat zu zwei Zeitpunkten des Verfahrens ihre Besonderheiten: vor der Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. Vergleichs durch das (Wirtschafts-)Gericht und danach.

4.2.

Im Zeitraum bis zur Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. Vergleichs werden die Sanierungskredite im deutschen Recht grundsätzlich wie Sanierungskredite im Regelinsolvenzplan und im russischen Recht wie Sanierungskredite in den jeweiligen Stufen des Insolvenzverfahrens behandelt. Die beiden Rechtsordnungen gehen davon aus, dass die Forderungen des Kreditgebers, die als Masseforderungen qualifiziert werden, bis zur Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. Vergleichs in vollem Umfang befriedigt werden sollen.

4.3.

Nach der Bestätigung des Insolvenzplanes und Aufhebung des Insolvenzverfahrens sieht das deutsche Recht besondere Regeln für die Annahme der Sanierungskredite vor. Neu gewährte (Sanierungs-)Kredite sowie vor der Aufhebung des Insolvenzverfahrens stehen gelassene Massekredite können im Abschlussinsolvenzverfahren als vorrangige Insolvenzforderungen bei ihrer Einbeziehung in den sog. „Kreditrahmen“ privilegiert werden. Eine effiziente Sanierung fordert aber eine aktive Teilnahme der aussonderungsberechtigten Gläubiger und der Gesellschaftern im Zeitpunkt nach der Bestätigung des Insolvenzplanes.

4.4.

Die kapitalersetzenden Kredite der Gesellschafter können nicht in den Kreditrahmen einbezogen werden. Dagegen sieht die Einbeziehung der Sanierungskredite, die unter das Sanierungsprivileg des § 32a GmbHG fallen, differenziert aus: Die nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens von einem Geschäftsführer in Anspruch genommenen Kredite können in den Kreditrahmen einbezogen werden, wenn sie gleichzeitig die Voraussetzungen der §§ 264 ff. InsO und § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG erfüllen. Dagegen können die von einem (verfügungsbefugten vorläufigen) Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Sanierungskredite und vor der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens stehen gelassenen Sanierungskredite erst dann in den Kreditrahmen einbezogen werden, wenn sie mit dem ursprünglichen Sanierungsversuch verbunden sind.

4.5.

Ein wesentlicher Makel des russischen Insolvenzmodells besteht in der Nichtberücksichtigung der Leistungen an den Schuldner während des Zeitraums nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Damit werden die nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner aufgenommenen Kredite, wenn diese durch Kreditsicherheiten nicht gedeckt sind, als Insolvenzforderungen dritten Ranges im nächsten Insolvenzverfahren betrachtet.

272

Zusammenfassung

IV.

Gesamtwürdigung

Vor dem Hintergrund der Bestrebungen in Deutschland und Russland, die Sanierung von Unternehmen attraktiver zu gestalten, spielt die Frage der Rechtsstellung der Sanierungskredite eine erhebliche Rolle. Wichtig für die Bereitschaft des Kreditinstituts, einem Not leidenden Unternehmen einen Sanierungskredit zu gewähren, ist nicht nur das Vorhandensein der Sanierungsfähigkeit des Kreditnehmers, sondern auch rechtliche Rahmen der Sanierungskreditvergabe. Schon in der Unternehmenskrise können die Banken Sanierungskredite gewähren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen im russischen und deutschen Recht in diesem Zeitraum haben sowohl erhebliche Gemeinsamkeiten als auch wesentliche, landbezogene Besonderheiten. Zu den sinnvollen und sanierungsfreundlichen einheitlichen Grundsätzen der Behandlung von Sanierungskrediten gehören zwei Verhandlungsalternativen des Kreditgebers in diesem Zeitraum, die zu begrüßen sind: Einerseits handelt es sich um sein Recht, bestehende Sanierungskredite einseitig zu beenden bzw. zu kündigen. Andererseits besteht eine Pflicht des Kreditgebers, Not leidenden Unternehmen Kredite zu gewähren, nur in Ausnahmefällen. In Bezug auf die haftungsrechtlichen Folgen der Sanierungskreditgewährung sowie der Gesellschafterfinanzierung in der Krise bieten das deutsche und russische Recht voneinander wesentlich abweichende Lösungen an. Im deutschen Modell der Sanierungskreditgewährung wurden mit Hilfe der erweiterten Auslegung des Verbotes der sittenwidrigen Schädigung des § 826 BGB präzise und gerechte Kriterien für die Abgrenzung der zulässigen von den sittenwidrigen Sanierungskrediten entwickelt. Dieser Lösungsansatz dient dem Schutz der Gläubiger des Schuldners und verringert die Macht der Banken bei der Kreditfinanzierung. Im russischen Recht haben weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung und Lehre die Grenzen der Zulässigkeit der Sanierungsfinanzierung entwickelt. Die Kreditinstitute im russischen Recht haben damit mehr Spielraum bei der rechtlichen Gestaltung der Sanierungsfinanzierung. Diese für die Banken vorteilhafte Rechtslage verringert gleichzeitig den Schutz der Gläubiger des Schuldners. Die Gläubiger sind damit bei der Sanierungskreditgewährung im russischen Recht schlechter als im deutschen Recht gestellt. Eine ernsthafte Sanierung braucht im russischen Recht ihren präzisen Rahmen. Dieser könnte von den Wirtschaftsgerichten durch eine erweiterte Auslegung des Tatbestandes des Generaldelikts hergeleitet werden. Dazu ist sowohl eine Konkretisierung des Tatbestandsmerkmales „Rechtswidrigkeit“ als auch eine umfassende Untersuchung zu der Frage einer „ernsthaften Sanierungsfinanzierung“ in der russischsprachigen Doktrin notwendig. Die Frage des Schutzes der Gläubiger spielte auch eine erhebliche Rolle bei der Betrachtung der Sanierungsfinanzierung durch die Vergabe von Gesellschafterkrediten im deutschen Recht. Sanierungskredite der Gesellschafter sind differenzierend

273

Fünfter Teil: Zusammenfassung

zu betrachten: Einerseits stellen sie ein Herzstück des Kapitalersatzrechts dar. Andererseits können die damit verbundenen erheblichen Risiken der Banken bei der Sanierungskreditgewährung verringert werden. Damit können sowohl die Gewährung der Sanierungskredite als auch ihr Stehenlassen bei dem Vorhandensein der Voraussetzungen des § 32a Abs. 3 Satz 3 GmbHG a.F. Bzw. § 135 Abs. (3) InsO (Sanierungsprivileg) nicht als kapitalersetzende Leistungen betrachtet werden. Wegen seiner komplizierten praktischen Anwendung und im Zusammenhang mit dem Vorhandensein viel „leichterer“ Modelle der Betrachtung von Gesellschafterdarlehen in der Krise in anderen europäischen Rechtsordnungen steht das Kapitalersatzrecht unter heftiger Kritik in Wissenschaft und Praxis. Das vom Bundesjustizministerium im Juli 2006 vorgestellte MoMiG geht auf einen Vorschlag der Wissenschaft zurück. Die Modernisierung des Rechts des Gesellschafterdarlehens in der Krise betrifft vor allem die Sanierungskredite der Gesellschafter. Obwohl das Sanierungsprivileg in modernisierter Form in § 39 Abs. 4 Satz 2 InsO beibehalten ist, besteht die für die Sanierungsfinanzierung wichtigste Änderung darin, dass nicht nur kapitalersetzende, sondern alle Darlehen von Gesellschaftern im Insolvenzverfahren nachrangig betrachtet werden sollen. Im russischen Recht ist dagegen die Problematik der besonderen Behandlung von Gesellschafterdarlehen in der Krise nicht bekannt. Sanierungskredite von Gesellschaftern sind Drittkrediten gleichgestellt. Damit nimmt das russische Recht weniger Rücksicht auf die Interessen der Unternehmensgläubiger bei der Sanierungsfinanzierung als das deutsche Recht. Bedauerlicherweise erwähnt eine vom russischen Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Handel im Juli 2006 vorgeschlagene „Konzeption der Entwicklung der Gesellschaftsrechtsgesetzgebung bis zum Jahre 2008“ nicht die Notwendigkeit der Einführung von Vorschriften über die Besonderheiten der Gesellschafterfinanzierung in der Krise ins russische Recht. Trotzdem kann der nicht ausreichende Schutz der Gläubiger in Bezug auf die Sanierungsdarlehen der Gesellschafter verbessert werden. Die Untersuchung in dieser Arbeit hat gezeigt, dass der direkte Weg die Einführung von Rechtsfolgen in der Norm des russischen Insolvenzgesetzes über die Finanzierung in der Krise (Art. 31 Pkt. 1) ist. Der Grundsatz der „ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung“ ist aus dem Generaldelikt herleitbar. Dafür kann die Konkretisierung des Tatbestandmerkmales der „Rechtswidrigkeit“ genutzt werden. Die vom Grundsatz par conditio creditorum ausgehenden deutschen und russischen Insolvenzmodelle schließen nicht aus, dass das Not leidende Unternehmen im Insolvenzverfahren seine Zahlungsfähigkeit wiederherstellt. Die politisch erwünschte Sanierung wird mit der Liquidation des Unternehmens in der InsO und im russ. InsG gleich gestellt. Die Rechtsstellung der Sanierungskredite in beiden Rechtsordnungen ist aber nicht einheitlich. Sie hängt sowohl von der Stufe des Insolvenzverfahrens als auch von den Besonderheiten je nach Art der Sanierungsverträge (Drittkredite oder Kredite von Gesellschaftern) ab, sowie davon, ob es sich um schon vorher gewährte Kredite oder um einen neuen Kredit handelt und ob zusätzlich die Zustimmung der kompetenten Organe notwendig ist.

274

Zusammenfassung

Wenn die Forderungen der Bank aus dem Kreditvertrag im deutschen und russischen Recht als Masseforderungen qualifiziert werden, kann das in einigen Fällen sogar für die Banken einen gefährlichen Weg darstellen. Das ergibt sich in Russland und Deutschland aus unterschiedlichen Gründen. Für Deutschland spielt der wirtschaftliche Umstand eine große Rolle, dass nach wie vor ein erheblicher Anteil der Insolvenzverfahren wegen Massemängeln beendet wird. Für Russland stellt sich das Problem im rechtlichen Bereich. Die Qualifizierung als Masseforderungen im russischen Insolvenzrecht hat ihre Vorteile und Nachteile im Vergleich mit einer ähnlichen Qualifikation im deutschen Insolvenzrecht: Einerseits gelten die Masseforderungen im russischen Recht nicht in allen Stufen des Insolvenzverfahrens, sondern sollen in den Stufen des Verfahrens getilgt werden, in dem sie fällig sind. Vor dem Hintergrund, dass in der Praxis eine Haftung des Insolvenzverwalters für die Nichttilgung dieser Forderungen fehlt, birgt die Qualifizierung der Forderungen aus Sanierungskreditverträgen als Masseforderungen sogar erhebliche Risiken für die kreditgewährenden Institute. Andererseits hat die Qualifizierung als Gläubiger mit Masseforderungen im russischen Insolvenzrecht zur Folge, dass diese Forderungen noch vor den Forderungen der Pfandgläubiger befriedigt werden, was im deutschen Insolvenzrecht nicht der Fall ist. Im Bezug auf die bestehenden Sanierungskredite bieten das deutsche und das russische Insolvenzeröffnungsverfahren eine sanierungsfreundliche Lösung an: Sie können nur wegen einer wesentlichen Vermögensverschlechterung, die eine Sanierung nicht mehr aussichtsreich macht, gekündigt werden. Dagegen hängt die Annahme neuer Sanierungskredite vom Zeitpunkt des Eröffnungsverfahren ab: Im Zeitraum bis zur Annahme des Insolvenzantrages bzw. zur Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen ist die Sanierungskreditgewährung für den (Sanierungs-) Kreditgeber im deutschen und russischen Recht ohne Anreiz. Dagegen unterscheidet sich die Stellung der Sanierungskredite in beiden Rechtsordnungen im zweiten Teil des Eröffnungsverfahrens (seit der Annahme des Insolvenzantrages bzw. der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen bis zur Beendigung des Eröffnungsverfahrens). Das deutsche Recht hat ein kompliziertes System entwickelt, das unterschiedliche Lösungsansätze je nach der Art der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen vorsieht. Das russische Recht bietet eine viel transparentere Lösung, weil in diesem Zeitraum nur der Schuldner (Kredit-)Verträge abschließen und tilgen darf. Das Fehlen der Figur des vorläufigen Insolvenzverwalters im russischen Recht macht Rechtsmissbräuche des Schuldners möglich. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Vergabe von Sanierungskrediten nicht ausgeschlossen. Im deutschen Regelinsolvenzverfahren genauso wie im Beobachtungs- und Fremdverwaltungsverfahren werden die neu angenommenen Kredite als Masseverbindlichkeiten qualifiziert. Drittkredite werden den Gesellschafterkrediten gleichgestellt. Im russischen Recht ist das Fremdverwaltungs-, nicht aber das Beobachtungs- und insbesondere nicht das Konkursverfahren, dazu geeignet Sanierungskredite aufzunehmen. Das ist einerseits mit der unterschiedlichen Dauer der einzelnen Stufen des Verfahrens verbunden. Andererseits sind diese Stufen unterschiedlich sanierungsfreundlich und nur das Fremdverwaltungsverfahren ist sanierungsorientiert.

275

Fünfter Teil: Zusammenfassung

Eine vom Regelinsolvenzplanverfahren abweichende Lösung können die Parteien im Insolvenzplan- bzw. Vergleichsverfahren treffen. Die Stellung der Sanierungskredite innerhalb dieser Modelle unterscheidet sich im deutschen und russischen Recht wesentlich voneinander. Ein Erfordernis des Insolvenzverwalters, Masseforderungen im deutschen Recht vor der Bestätigung des Insolvenzplanes zu tilgen, korrespondiert mit dem Recht der Gläubiger, Massekredite stillzulegen. Im russischen Insolvenzrecht gelten dagegen nicht nur in der Frage der Notwendigkeit der Tilgung der Masseforderungen vor der Bestätigung des Vergleichs, sondern auch in vielen anderen Fragen des Vergleichsverfahrens andere Grundsätze als im deutschen Insolvenzplanrecht. Unterschiedliche Lösungsansätze in Bezug auf die Setzung von Anreizen für die (Sanierungs-)Kreditgewährung bieten das deutsche und russische Insolvenzrecht zum Zeitpunkt nach der Bestätigung des Insolvenzplanes bzw. Vergleichs. Die Regeln über den Kreditrahmen im deutschen Insolvenzplanrecht bieten gewisse Anreize für das Zurverfügungstellen von fresh money an Not leidende Unternehmen, fordern aber in der Praxis das Engagement der aussonderungsberechtigten Gläubiger sowie der Gesellschafter bei der Finanzierung des Schuldners. Dem russischen Insolvenzrecht fehlen Regeln über die Behandlung von Sanierungskrediten nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Berücksichtigung der Besonderheiten der Sanierungsfinanzierung in diesem Zeitpunkt wäre für die langfristige Existenz des kurzfristig geheilten Unternehmens wünschenswert. Es wäre für den russischen Gesetzgeber ratsam, die Regeln über den Kreditrahmen zu analysieren und ins russische Insolvenzrecht vergleichbare Vorschriften über die Privilegierung von Darlehen (sowohl von nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens neu gewährten als auch von vor der Aufhebung des Verfahrens stehen gelassenen Massekrediten) innerhalb der dreijährigen Frist nach Aufhebung des Vergleichs einzuführen. Der Sanierungskredit ist und bleibt damit im deutschen und russischen Recht ein Problemkredit, der mit der Lösung vieler Fragen aus dem Zivil-, Gesellschafts-, Haftungs- und Insolvenzrecht verbunden ist. Er fordert in erster Linie mehr Aufmerksamkeit der Rechtsprechung und des Schrifttums. Dagegen sind einige gesetzliche Eingriffe in die in dieser Arbeit betrachtete Problematik hauptsächlich im russischen Recht notwendig.

276

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