Insolvenz- und finanzrechtliche Perspektiven der Insolvenz von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Kommunen 9783110894202, 9783899493894

The present work examines different models and proposals on the insolvency of states and regional corporations.

217 26 1MB

German Pages 314 [316] Year 2007

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Insolvenz- und finanzrechtliche Perspektiven der Insolvenz von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Kommunen
 9783110894202, 9783899493894

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Friedrich L. Cranshaw Insolvenz- und finanzrechtliche Perspektiven der Insolvenz von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Kommunen

Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht S-INSO Band 7

Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht

Herausgegeben von Professor Dr. Stefan Smid, Kiel Rechtsanwalt Dr. Mark Zeuner, Hamburg Rechtsanwalt Michael Schmidt, Berlin

S-INSO Band 7

De Gruyter Recht • Berlin

Friedrich L. Cranshaw

Insolvenz- und finanzrechtliche Perspektiven der Insolvenz von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, insbesondere Kommunen

De Gruyter Recht • Berlin

Dr. iur. Friedrich L. Cranshaw, Rechtsanwalt, Mutterstadt/Mannheim/Karlsruhe/Stuttgart.

∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

ISBN 978-3-89949-389-4

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright 2007 by De Gruyter Rechtswissenschaften Verlags-GmbH, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Umschlaggestaltung: Christopher Schneider, Berlin Datenkonvertierung/Satz: WERKSATZ Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen

Vorwort Den Anstoß zu dieser Monographie gab ein Vortrag zu dem Thema „Insolvenzund finanzrechtliche Perspektiven der Insolvenz von Kommunen“, den der Verfasser anlässlich des 2. Kieler Symposium zum Insolvenzrecht am 19. Mai 2006 auf Einladung von Herrn Universitätsprofessor Dr. Stefan Smid halten durfte. Das Interesse der Teilnehmer an der Fragestellung hat den Verfasser ermutigt, die anlässlich dieses Vortrags angesprochenen Gegenstände breiter darzustellen. Die Finanznot der öffentlichen Hand, insbesondere auch der Kommunen und der Länder, ist evident. Sie hat vielfältige Ursachen. Vor diesem Hintergrund wird gelegentlich in der Politik und zunehmend einem Teil der Wissenschaft, insbesondere auch von Vertretern der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften, gefordert, zur Behebung der Problematik sei ein dem Insolvenz(plan)verfahren ähnliches Entschuldungsverfahren der Länder und der Kommunen geboten. Die Gläubiger der öffentlichen Hand sollen somit an der Haushaltssanierung beteiligt werden. Die vorliegende Arbeit versucht, Argumente zur bestehenden Diskussion beizutragen, insbesondere einige Zusammenhänge aufzuzeigen. Herzlichen Dank sage ich erneut Herrn Prof. Dr. Stefan Smid für seine Anregung zu der Publikation und die überaus freundliche Begleitung. Für die Aufnahme in die Reihe „Schriften zum deutschen, europäischen und internationalen Insolvenzrecht“ des Verlags de Gruyter danke ich ebenso ihm wie den Mitherausgebern. Dem Verlag, insbesondere Herrn Dr. Schremmer, danke ich für seine Bereitschaft zur Veröffentlichung. Ich widme diese Arbeit meiner Ehefrau, Frau Monika Cranshaw, die mich durch ihre stete Ermutigung sehr unterstützt hat, insbesondere aber bereitwillig Korrektur gelesen hat. Allfällige Fehler jeder Art gehen jedoch natürlich allein zu meinen Lasten. Redaktionsschluss der Untersuchung war Juni/Juli 2006, z. T. konnten Rechtsänderungen bis Dezember 2006 einbezogen werden. Soweit unvermeidbar, wurde auf Entwürfe von Regelwerken zurückgegriffen. Die Ende August verkündeten Änderungen des Grundgesetzes infolge der ersten Stufe der Föderalismusreform und das Föderalismus-Begleitgesetz konnten berücksichtigt werden. Das Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.2006 und erste Äußerungen dazu fanden gleichfalls Berücksichtigung. Mutterstadt, im Dezember 2006

Friedrich L. Cranshaw

Inhaltsübersicht Rdnr. Seite Vorwort   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

V

Abkürzungsverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

XV

I. Die Ausgangslage für Überlegungen einer Insolvenz öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften   .  .  .  .  .  .  .  .

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1

1. Die Verschuldung der öffentlichen Hand   .  .  .  .  .  .  .  .  .

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2. Folgen der Verschuldung auf Länder- und Kommunalebene, die Suche nach Entschuldungskonzepten   .  .  .  .  .

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3. Mögliche Konzepte bzw. Beispiele zur Behebung, Beschränkung oder Eindämmung der Haushaltsnotlage und der Verschuldung, jeweils mit Finanzierungsfolgen, Handlungsspielräume   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Maßnahmen der regionalen bzw. lokalen Gebietskörperschaften (Länder, Kommunen)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Handlungsspielräume der öffentlichen Hand, insbesondere der Kommunen, Problemfelder beim „schlanken Staat“ (der „schlanken Regionalkörperschaft“)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 4. Die Fremdfinanzierung der Staatsausgaben   .  .  .  .  .  .  . a) Überblick   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Public Private Partnership („PPP“) und ähnliche Finanzierungsmodelle   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“ einer (exorbitanten) Staatsverschuldung – der Staatsbankrott?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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1. Die Situation des „Staatskonkurses“, der Widerstreit zu dem Verständnis des Insolvenzrechts als Haftungsverwirklichung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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2. Historische Erfahrungen mit dem Staatskonkurs   .  .  .  .

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24

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene   .  .  .  .  .  .  . a) Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland (Überblick)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

VII

Inhaltsübersicht

aa) Der Finanzausgleich im Bund und die Mindestausstattungspflicht der Länder gegenüber ihren Gebietskörperschaften als wesentliches Strukturelement der Finanzierung der Kommunen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . bb) Die Basis der Kommunalfinanzierung, das Konnexitätsprinzip, Regelungen in den einzelnen Flächenbundesländern   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . cc) Einige Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zur Kommunalfinanzierung, insbesondere zum Finanzausgleich   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . dd) Die Maßstäbe der Bundeshilfen zur Haushaltssanierung nach dem Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2006   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . ee) Die Einnahmen der Kommunen, Föderalismusreform, Steuerungsmechanismen der Haushalte   .  .  .  .  .  .  .  . b) Das europäische Gemeinschaftsrecht und die Staatsverschuldung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Eine kaum beachtete Regelung für Kommunen: Die europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 16. Oktober 1985 (Europäische Kommunalcharta, EKC) 4. Die Organisation des faktischen Staatskonkurses durch Notstandsgesetzgebung und Zahlungseinstellung gegenüber den Gläubigern – das Vorgehen Argentiniens gegenüber Anleihegläubigern in der Staatskrise ab 2002   .  .  .  . a) Das Verhalten Argentiniens nach faktischer Erklärung des Staatsbankrotts gegenüber Anleihegläubigern und deren Klagen gegen das Land in Deutschland   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Rechtsinstrumente des Völkerrechts – Staatenimmunität, IWF-Übereinkommen und Staatsnotstand – als geeignete Hilfen für den Schuldner und Risiken für Gläubiger, die prozessual vorgehen?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Die Entscheidungen inländischer Gerichte und eine erste Würdigung (2006)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . III. Vorschläge und Modelle einer Insolvenz von Staaten und Regionalkörperschaften   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 1. Regelungswerke zur Staatsentschuldung an den Beispielen des Staatskonkurses des vorm. deutschen Reichs und der „municipalities“ in den USA nach 11 USC Chapter 9   .  .  . a) Die Abwicklung der Schulden des Deutschen Reiches nach dem 2. Weltkrieg   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Das US-amerikanische Konzept der Insolvenz von „municipalities“ in 11 USC Ch. 9   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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Inhaltsübersicht

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren für Staaten bzw. regionale Gebietskörperschaften   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Das Modell des IMF zur Behandlung von Staateninsolvenzen (zur Behebung bzw. Vermeidung internationaler Schuldenkrisen)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Der Vorschlag von Kratzmann (1982)  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Der Vorschlag von Paulus zu Staaten- und Kommunalinsolvenzen (2003)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . d) Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF (2005)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . e) Die Einbindung eines Insolvenzverfahrens in ein Haushaltsnotlagenregime nach Schuppert/Rossi (2006), das Konzept von Faber (2005) und weitere Lösungsansätze in der Literatur (Borchert, 2004; Blankart, 2005)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland – zusammen mit der Beschränkung der Einzelvollstreckung ein geschlossenes System?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 143

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1. Das Programm der Insolvenzunfähigkeit von Bund und Ländern – § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 143 a) Die Insolvenzunfähigkeit von Bund und Ländern   .  .  .  .  . 143 b) Der deklaratorische Charakter des § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Bezug auf die Länder   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 144 2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzlicher Regelungswerke   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Die Bedeutung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO – sind die Kommunen, die regionalen Gebietskörperschaften, grundsätzlich insolvenzfähig?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Die Insolvenzfähigkeit sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des jeweiligen Bundeslandes, Regelungen in den Ländern   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Anmerkungen zu einzelnen landesrechtlichen Vorschriften über die Insolvenzunfähigkeit der juristischen Personen unter der Aufsicht des Landes einschließlich der Gebietskörperschaften   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, Einflüsse des Gemeinschaftsrechts   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 166 a) Die Anknüpfung der Insolvenzfähigkeit an den Rechtsträger   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 166

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IX

Inhaltsübersicht

b) Die Insolvenzunfähigkeit rechtlich unselbstständiger öffentlich-rechtlicher Unternehmen, Ausgliederung dieser Unternehmen, Unterschiede zur interkommunalen Zusammenarbeit auf dem Wege der Delegation öffentlicher Aufgaben   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 168 c) Haftung der Kommune für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen, Insolvenzabwendungspflichten, Risiken für die Unternehmen bei Beherrschung durch eine Kommune?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 173 d) Grundsätzliche Insolvenzfähigkeit bei fehlender gegenteiliger Gesetzesnorm, Hindernisse für Insolvenzunfähigkeitsregeln durch europäisches Gemeinschaftsrecht?   .  .  . 175 4. Insolvenzunfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts aufgrund Verfassungsrechts   .  .  .  .  . 177 a) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten   .  .  .  .  .  .  . 178 b) Die Insolvenzunfähigkeit der Kirchen und ihrer Gliedkörperschaften   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 181 5. Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen Bund, Länder und Kommunen sowie gegen andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, §§ 15 Nr. 3 EG ZPO, 882a ZPO   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Das System der Regelwerke, das die Einzelzwangsvollstreckung beschränkt   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Die Zwangsvollstreckung gegen Bund, Länder und juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 882a ZPO   .  . c) Die Vollstreckung gegen Gemeinden und Gemeindeverbände   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Formelle Voraussetzungen der Vollstreckung   .  .  .  .  . bb) Materielle Voraussetzungen der Vollstreckung, „Schuldnerschutzvorschriften“  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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6. Zusammenfassung: Die Folgen der Insolvenzunfähigkeit, insb. nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 194

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7. Vorschlag eines „Modellgesetzes“ für Insolvenzfähigkeit und Einzelvollstreckung   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 202

156

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich in den Rechtsordnungen europäischer Länder an Beispielen; Insolvenzverfahren und Einzelvollstreckung gegen Gebietskörperschaften in der Schweiz und in Österreich   .  .  .  .  .  . 204

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1. Ausblick auf die Selbstverwaltung, die Finanzhoheit und -autonomie in den Verfassungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 207

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Inhaltsübersicht

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften in der Schweiz nach dem SchGG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Bemerkungen zur kommunalen Selbstverwaltung und zum Finanzausgleich   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Historische Vorarbeiten der Gesetzgebung zur Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . c) Das schweizerische Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen, öffentlichen Rechts (SchGG) – ein Programm für die Sanierung?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Bemerkungen zur Einbettung des Gesetzes in das System der Zwangsvollstreckung und zu seinem allgemeinen Teil   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . bb) Die pfändbaren Vermögensgegenstände   .  .  .  .  .  .  .  . cc) Die Restschuldbefreiung als Sanierungsinstrument   .  . d) Die Möglichkeiten des Eingriffs in die Rechte von Anleiheund sonstigen Gläubigern nach Art. 13 ff. SchGG beim Gläubigergemeinschaftsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . e) Das Verfahren der Gläubigerbefriedigung unter Beiratschaft nach Art. 28 ff. SchGG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . f) Weitere Anmerkungen zu der Rechtslage nach dem SchGG; die Möglichkeit der Schuldbefreiung auf dem Weg der Beiratschaft und durch Nachlassvertrag   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Die weiteren Wirkungen der Beiratschaft; keine Befreiung von Altverbindlichkeiten („Restschuldbefreiung“) durch die Beiratschaft; der Unterschied zum Gläubigergemeinschaftsverfahren   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . bb) Die Kürzung von Gläubigerrechten nach vorgängiger erfolgloser Beiratschaft nach Art. 3 SchGG im Rahmen der Möglichkeiten des Art. 13 SchGG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . cc) Das schweizerische Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden – ein Modell der Entschuldung für Gemeinden in Deutschland?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . g) Die Abwicklung einer Kommunalinsolvenz in der Schweizer Praxis – die Anwendung des SchGG und weitergehende Lösungen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Erfahrungen in der Schweiz mit der Beiratschaft über zahlungsunfähige Kommunen und damit im Zusammenhang stehenden Rechtsstreiten   .  .  .  .  .  .  .  .  .  . bb) Die Verantwortlichkeitsklagen Beteiligter gegen den Kanton und deren rechtliche Grundlagen   .  .  .  .  .  .  . cc) Haftungsklagen von Anleihezeichnern gegen die emittierende Bank   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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XI

Inhaltsübersicht

dd) Insolvenzrechtliche Entscheidungen des Bundesgerichts zum SchGG   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 270 ee) Die weitere Entwicklung seit den Entscheidungen des Bundesgerichts   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 271 3. Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften (Gemeinden) in Österreich sowie der Finanzausgleich und die Vollstreckung gegen die öffentlich-rechtlichen und die gemeinnützigen Organisationen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . a) Vorbemerkung: Stellung der Kommunen und Finanzausgleich in Österreich   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . b) Vollstreckung und Konkursverfahren gegen Kommunen in Österreich  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . aa) Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen Gemeinden   . bb) Konkursverfahren über kommunale Gebietskörperschaften in Österreich?   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

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VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts („Kommunalkredit“)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 282

203

1. Die Eigenschaft als Kommunalkredit (Überblick)   .  .  .  .  . 282

203

2. Die bankaufsichtsrechtlichen Grundlagen des Kommunalkredits und seine Privilegierung gegenüber Krediten an andere Kreditnehmer   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 289

204

3. Änderungen durch die von Basel II veranlassten Reformen des europäischen und inländischen Bankaufsichtsrechts für die „Kommunalkredite“  .  .  .  .  .  .  .  . 295

208

4. Die aufsichtsbehördlichen Prüfungen und Genehmigungen als Basis der Finanzierung, die Unzulässigkeit der Besicherung von eigenen Verbindlichkeiten der Kommunen am Beispiel der Gemeindeordnung von Schleswig-Holstein   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 307 a) Die aufsichtsrechtlichen Prüfungs- und Genehmigungserfordernisse für Kreditgeschäfte der Kommune, die Folgen der Nichteinhaltung der gemeinderechtlichen Vorgaben   .  . 307 b) Das weitgehende Verbot der Besicherung eingegangener schuldrechtlicher Verpflichtungen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 315 5. Die Änderung der haushaltsrechtlichen Lage durch Einführung eines kaufmännischen Rechnungswesens, einige Folgen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 322 a) Einige Befunde aus dem geänderten Rechnungswesen der Kommunen am Beispiel des hessischen Rechts   .  .  .  .  .  .  . 325

XII

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Inhaltsübersicht

b) Folgen der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 330

221

6. Eigenschaft und Folgen des „Kommunalkredit“ (Zusammenfassung)   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 337

223

VII. Folgen etwa künftiger Insolvenzfähigkeit von Kommunen bzw. Regionalkörperschaften nach den Modellerwägungen für die Entschuldung in der Literatur   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 339

225

VIII. Ergebnisse, Thesen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 340

229

Literatur- und Quellenverzeichnis   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

233

Anhänge I–III Anhang I: Gesetzesmaterialien des Landesrechts, die dem Text und den Anhängen zugrunde liegen   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

239

Anhang II: Regelungswerke zur Insolvenzunfähigkeit von Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des jeweiligen Bundeslandes im Recht der Länder   .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .

246

Anhang III: Übersicht über die zitierten gerichtlichen Entscheidungen

258

XIII

Abkürzungsverzeichnis1, 2 aaO ABl. ABl. (EG) ABl. (EU) Abs. a.F. AKG amtl. Art. BAfin Bay. VBl. BBl. Bek. v. Beschl. BG BGBl. BGE BGH BGHZ BKR BVerfG BVerfGE BIP BSP Bundesgericht DB DM DöV DRspr DVBl. DZWiR

am angegebenen Ort Amtsblatt (des Saarlandes) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, zitiert nach Reihe C (Mitteilungen usw.) und L (Rechtsakte) Amtsblatt der Europäischen Union (ab 2/2003) Absatz alte Fassung einer Rechtsnorm (dementsprechend „n.F.“ neue Fassung) Allgemeines Kriegsfolgengesetz amtlich Artikel (auch Plural) Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bayerische Verwaltungsblätter, Boorberg Verlag, München Bundesblätter (Schweiz) Bekanntmachung vom . . . Beschluss Schweizerisches Bundesgericht, Lausanne Bundesgesetzblatt Deutschland, Bundesgesetzblatt der Republik Österreich Entscheide des schweizerischen Bundesgerichts, Zitierweise: Jahrgang, Band und Seite (z.B. 124 III 337); der Jahrgang 126 betrifft das Jahr 2000 Bundesgerichtshof Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, Zitierweise: BGHZ, Band, Seite Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht, Verlag C. H.Beck, München Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts, Zitierweise: BVerfGE, Band, Seite Bruttoinlandsprodukt Bruttosozialprodukt Bundesgericht der Schweiz (Lausanne) Der Betrieb, Verlagsgruppe Handelsblatt, Düsseldorf Deutsche Mark Die öffentliche Verwaltung, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart Deutsche Rechtsprechung, zitiert nach Jahr/Nr., Deubner Verlag, Köln Deutsches Verwaltungsblatt, Verlag Carl Heymanns, Köln Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht, Verlag de Gruyter, Berlin

1 Gesetze in der jeweils geltenden Fassung, soweit nicht anders vermerkt. Zusätze, die auf das Bundesland hinweisen „HessVwVG“ = hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz, sind nachfolgend nicht gesondert aufgelistet, die Arbeit orientiert sich an den gebräuchlichen Abkürzungen der Bundesländer. 2 Zeitschriften und Entscheidungssammlungen werden nach Jahr und Seite zitiert, soweit nicht auf eine anderweitige Vorgehensweise hingewiesen wird.

XV

Abkürzungsverzeichnis EG oder EG-Vertrag

EGMR EO EStAL EStG EuG EuGH EuZW EvBl. EWiR FAZ GemO, GO GBl. GG GVBl. GVOBl. HGB IGH ICSID

ILC IMF [IWF] idF InsO IR IWF-Abkommen JBl. JurisPR-InsR JZ KO KTS KV KWG LKrO, KrO LVerfGE

XVI

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25.03.1957 idF der Verträge von Amsterdam und Nizza vom 21.02.2001, BGBl. 2001 II 1667, 1671, zitiert nach Artikeln, z.B. Art. 87 EG; die Abkürzung EG-Vertrag entspricht der Fassung vor dem 01.05.1999 (Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags) Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Exekutionsordnung (Österreich) European State Aid Law Quarterly, Lexxion Verlag, Berlin Einkommensteuergesetz Europäisches Gericht 1. Instanz Europäischer Gerichtshof, Luxemburg Zeitschrift für europäisches Wirtschaftsrecht, Verlag C. H.Beck, München Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen in der Österreichischen Juristenzeitung, Manz Verlag, Wien Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, RWS Verlag Kommunikationsforum, Köln, Hrsg.: Bruno M. Kübler Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt Gemeindeordnung Gesetzblatt, ggf. mit dem Hinweis auf das betreffende Bundesland, Bsp.: BremGBl. Grundgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt, ergänzt um einen Hinweis auf das Bundesland in gebräuchlicher Abkürzung Gesetz- und Verordnungsblatt, wie GVBl. Handelsgesetzbuch Internationaler Gerichthof (International Court of Justice/ICJ) – nach Art. XIV der Charta der Vereinten Nationen International Centre for Settlement of Investment Disputes, Schiedsgericht aufgrund des Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, 1965 International Law Commission (Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen) International Monetary Fund [Internationaler Währungsfonds] in der Fassung Insolvenzordnung InfrastrukturRecht – Energie – Verkehr – Abfall – Wasser, Verlag C. H.Beck, München auch Bretton-Woods-Abkommen; Abkommen über den Internationalen Währungsfonds (IWF, s.o.), ursprünglich v. 22.07.1944 Juristische Blätter, Österreich, Springer Verlag, Wien New York Juris PraxisReport Insolvenzrecht, Hrsg. Stefan Smid, Klaus Wimmer Saarbrücken, Zitierweise: jurisPR InsR, Nr./Jahr, Anm.Nr., Autor Juristenzeitung, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen Konkursordnung (Deutschland, Österreich) KTS Zeitschrift für Insolvenzrecht, Carl Heymanns Verlag, Köln Kantonalverfassung (Schweiz) Kreditwesengesetz Landkreisordnung, Kreisordnung der Bundesländer Entscheidungssammlung der Landesverfassungsgerichte der Länder, zitiert als LVerfGE Band, Seite . . ., Hrsg: Verfassungsgerichte/Gerichtshöfe/Staatsgerichtshöfe Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Verlag de Gruyter, Berlin

Abkürzungsverzeichnis mwN NJW Nds. VBl. NordÖR NVwZ-RR NZBau OGH OLG OVG PCIJ Rdnr. RdW RGBl. S. SchGG SR Slg.

StGH Umdruck Urt. VBl. BW VerfG, VerfGH VG vgl. VGH VO VwVG WM

ZaöRV

ZBB ZBl. ZfiR ZInsO ZIP ZPO

mit weiterem Nachweis (auch Plural) Neue Juristische Wochenschrift, Verlag C. H.Beck, München Niedersächsische Verwaltungsblätter, Boorberg Verlag, Stuttgart Zeitschrift für das öffentliche Recht in Norddeutschland, Nomos Verlag, Baden-Baden NVwZ-Rechtsprechungsreport Verwaltungsrecht, Verlag C. H.Beck, München Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht, Verlag C. H.Beck, München Oberster Gerichtshof (Österreich), Wien Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Permanent Court of International Justice (Cour Permanente de Justice Internationale), 1922–1946, Vorgänger des IGH auf Völkerbundsebene Randnummer Österreichisches Recht der Wirtschaft, Lexis Nexis Verlag, Wien Reichsgesetzblatt (Deutschland, Österreichisches Kaiserreich, bis 1918) Satz Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts Systematische Sammlung des schweizerischen Bundesrechts, zitiert nach Nrn. Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sowie des Europäischen Gerichts 1. Instanz, Zitierweise: Slg. Jahr Teil I (EuGH) / Teil II (EuG) – Seite; z.B. Slg. 2004 I- . . . Staatsgerichtshof Ausdruck einer über die Internetseite des jeweiligen Gerichts verfügbaren Entscheidung, zitiert als „Umdruck, S. . . . “ Urteil eines Gerichts Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg, Boorberg Verlag, Stuttgart Verfassungsgericht, Verfassungsgerichtshof eines Bundeslandes (auch LVerfG) Verwaltungsgericht vergleiche Verwaltungsgerichtshof (auch Österreich) Verordnung Verwaltungsvollstreckungsgesetz (mit Hinweis auf ein Bundesland, z.B. „HessVwVG“ = hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz) Zeitschrift für Wirtschaft und Bankrecht, Wertpapiermitteilungen Teil IV Verlag Herausgebergemeinschaft WERTPAPIER-MITTEILUNGEN Frankfurt/Main Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht (Heidelberg Journal of International Law), Hrsg.: Armin v. Bogdandy, Rüdiger Wolfrum, Kohlhammer Verlag, Stuttgart Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft, RWS Verlag Kommunikationsforum, Köln Österreichisches Zentralblatt für die juristische Praxis (1912–1938) Zeitschrift für Immobilienrecht, RWS-Verlag Kommunikationsforum, Köln Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht ZAP Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, Recklinghausen Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, RWS Verlag Kommunikationsforum, Köln Zivilprozessordnung

XVII

I.

Die Ausgangslage für Überlegungen einer Insolvenz öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften

1.

Die Verschuldung der öffentlichen Hand

Die Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Länder und Gemeinden ist im Jahr 2006 mit ca. 1,5 Billionen Euro und damit ca. 70 % des Bruttoinlandsprodukts hoch verschuldet 3 , die sog. Maastrichtkriterien 4 sind nicht eingehalten. Dies entspreche Schulden von ca. 18.200 €/Einwohner. Dabei seien die latenten Renten- und Pensionsansprüche nicht berücksichtigt, unter deren Einbeziehung sich eine Verschuldensquote von 270 % des (heutigen) Bruttoinlandsprodukts ergeben soll.5

3 Siehe z.B. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) v. 06.05.2006, S. 13 „Staatsschuld erstmals über 1.500.000.000.000 Euro“. Ein Blick in die Historie sei gestattet: Die Anfangsjahre der Bundesrepublik waren von vergleichsweise geringer Verschuldung geprägt, die – freilich ohne Kassenkredite – 1950–1973 Werte zwischen 16 % und knapp 22 % des Bruttosozialproduktes (BSP) erreichte; wenn die Zahlen auch nicht unmittelbar vergleichbar sind, da die heutigen 70 % das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen zum Vergleichsmaßstab haben, ist doch die Differenz beeindruckend. In absoluten Zahlen, wenn auch vor ganz anderem ökonomischen Hintergrund, startete die Bundesrepublik 1950 mit einer Verschuldung auf allen Ebenen des Gemeinwesens mit 18,6 Mrd. DM (umgerechnet ca. 10,3 Mrd. €, davon nur 400 Mio. € Verschuldung der Kommunen), die bis 1973 auf damals horrende 156 Mrd. DM anwuchs (umgerechnet ca. 86 Mrd. €, davon 62,7 Mrd. DM = ca. 35 Mrd. € zu Lasten der Kommunen). Die Zahlen lassen die Folgerung zu, dass die Bundesrepublik von Altschulden aus und vor dem 2. Weltkrieg weitgehend befreit war; im Unterschied dazu betrug die Staatsschuld der USA 1945 125,5 % des BSP, um bis 1950 auf 84 % zu sinken und bis 1972 weiter auf ca. 45 % abzunehmen. Großbritannien begann 1945 mit 269 % des BSP, erreichte 1950 221 % und sank bis 1972 auf 102 %, alles ganz andere Verschuldungen als sie heute zur Stabilität in Europa für wesentlich gehalten werden. Vgl. zu diesen Angaben Weise, Öffentliche Verschuldung und Vermögensbildung in der Bundesrepublik Deutschland, in: Herbert Giersch (Hrsg.) Die Weltwirtschaft, Halbjahresschrift des Instituts für Weltwirtschaft, Kiel, 1974, Heft 2, S. 40 ff./Tabelle S. 41. Zu Marktpreisen ergaben sich 1968 für die USA Schulden der öffentlichen Hand von 56 % des BSP, für die Bundesrepublik 21 %, für Großbritannien 98 % und für andere heutige EU-Staaten einschließlich Schweiz waren Prozentsätze von 19 % (Frankreich) bis 65 % (Belgien) festzustellen, vgl. Hagemann/Laaser, Weise, Die öffentlichen Haushalte im Zielkonflikt zwischen Struktur- und Konjunkturpolitik, Die Weltwirtschaft, 1970, Heft 2, S. 106 ff./Tabelle S. 121. 4 Als „Maastrichtkriterien“ werden die in dem Vertrag von Maastricht vereinbarten Konvergenzkriterien bezeichnet, die zunächst Voraussetzung für die Teilnahme an der Währungsunion sind (Art. 121 Abs. 1 EG). Dazu gehören u.a. ein „hohe( r) Grad an Preisstabilität“ und „eine auf Dauer tragbare Finanzlage der öffentlichen Hand“. Nach Erreichen der Währungsunion sind diese Kriterien weiterhin maßgeblich und im Rahmen des Art. 104 EG, der sich mit den öffentlichen Defiziten und der Haushaltsdisziplin befasst, ist daher die Preisstabilität als wesentlicher Auslegungsgrundsatz zu beachten, vgl. Calliess/Ruffert/Häde, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., 2002, Art. 104 Rdnr. 3 ff. 5 FAZ, aaO, nach Angaben des Sachverständigenrates.

1

1

I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

Der Zinsendienst benötigt nach demselben Presseartikel 16 % der Steuereinnahmen des Staates.6 Je 1 % p.a. steigende Zinsen belasten danach die Haushalte mit jeweils 15. Mrd. €.

2

Die Verschuldung der Kommunen beläuft sich auf ca. 84 Mrd. € 7 , die der Länder auf 443 Mrd. €.8 Auf kommunaler Ebene sind allein die Finanzierungsdefizite 2004 um mehr als 80 % auf 8,5 Mrd. € angestiegen.9 Die Haushaltslage ist vielfach dramatisch, so dass u.a. durch Veräußerung von Vermögenswerten bzw. Unternehmensbeteiligungen auf kommunaler Ebene 10 versucht wird, der Verschuldung entgegen zu wirken.

3

Das Phänomen hoher Verschuldung ist nun aber keines, das nur Deutschland betreffen würde.11 Vielmehr sind davon mit unterschiedlicher Prägung alle Staaten der Europäischen Union betroffen. Außereuropäisch hat die Verschuldung einer Reihe von Staaten, gerade der ärmsten Länder, schon lange katastrophale Szenarien angenommen, die bekanntlich Anlass zu Entschuldungsaktionen durch die in der Weltwirtschaft führenden Nationen waren. Daneben ist an die argentinische Schuldenkrise 2002 12 zu erinnern.

6 FAZ, aaO, nach den Angaben des Bundes der Steuerzahler. 7 Budäus, Rating von Bund . . ., wie kreditwürdig ist die öffentliche Hand ? Speyer, 7.4.2005; Schuppert/Rossi, Bausteine eines bundesstaatlichen Haushaltsnotlagemanagements, Hertie School of Governance, No. 3, 2006, S. 35. 8 Budäus, aaO, FN 5. 9 Vgl. Faber, Haushaltsausgleich und Haushaltssicherungskonzept, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 34 Rdnr. 3 mwN. 10 Am bekanntesten dürfte der Verkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft an einen USamerikanischen Finanzinvestor sein, der in der Öffentlichkeit in den ersten Monaten des Jahres 2006 sehr kontrovers diskutiert wurde, siehe Burger, Schuldenfrei auf einen Schlag, FAZ v. 24.02.2006, S. 3 und „Dresden ist auf einen Schlag schuldenfrei“, FAZ v. 10.03.2006, S. 13. Ziel der Stadt ist die Verwendung des Nettoerlöses von ca. 982 Mio. € für die Tilgung der Verbindlichkeiten von ca. 741 Mio. €, so dass die Kommune schuldenfrei wird. 11 Siehe hierzu für 2005 die „Mitteilung der Kommission an den Rat und das europäische Parlament – Die öffentlichen Finanzen in der WWU [Wirtschafts- und Währungsunion – Anm. des Verf.] – 2005“ vom 01.06.2005, Dokument KOM (2005) 231 endgültig. Vgl. für 2006 die Pressemitteilung der Kommission vom 13.06.2006 (IP/06/77) und die Publikation der Europ. Kommission „Public Finances in EMU [European Monetary Union – Anm. des Verf.] 2006“, von Juni 2006, Quelle: ec.europa.eu/economy_finance/publications/ european_economy/2006/ee306_en.pdf, publ. in European Economy no 3/2006 vorgesehen. Dort ist die Gesamtverschuldung 2006 der Mitgliedstaaten zwischen 4,4 % (Estland) und 108 % des GDP (Gross Domestic Product = Bruttoinlandsprodukt) angegeben (Italien), S. 50. Der Durchschnitt liegt bei 71 % der zwölf EU-Staaten, bei 64 % im Europa der 25 Staaten. Deutschland ist mit 69 % im oberen Segment der großen Staaten. Im Länderbericht Deutschland (aaO, S. 214 ff.) ist im Zusammenhang mit der Klage des Bundeslandes Berlin vor dem BVerfG (2 BvF 3/03, mdl. Verhandlung war am 26.04.2006) davon die Rede, dies „might give rise to a reconsideration of insolvency procedures in the federal system“, aaO, S. 216. Damit wird die Frage eines geordneten Zahlungsunfähigkeitsverfahrens auf der Ebene der deutschen Bundesländer auf europäischer Ebene thematisiert und die Erwartung an das BVerfG, hier ggf. den Weg zu weisen, erscheint hoch. 12 Siehe dazu Alvarez-Plata/Brück, „Ein neuer Weg des Währungsfonds in Argentinien“, Sparkassenzeitung 39/29.09.2003 und Alvarez-Plata/Schrooten, Nach der Argentinienkrise . . ., Wochenbericht des DIW Berlin 44/03, insb. die dortige Fn 3.

2

1. Die Verschuldung der öffentlichen Hand

Die Gründe der Verschuldung in Deutschland auf allen Ebenen des Gemeinwesens sind bekanntermaßen vielfältig. Es soll genügen, auf einige geläufige Beispiele hinzuweisen. Zum einen dürfen die Aufwendungen für die Sozialsysteme genannt werden, die neben den Beiträgen ihrer Mitglieder (z.T. auch steuerähnlich mit Umverteilungsaspekten unter dem Aspekt der Solidargemeinschaft) massiver staatlicher Zuschüsse bedürfen, die beachtliche Teile der öffentlichen Haushalte ausmachen.13 Die wesentlichen Ursachen wiederum hierfür sind die Finanzierung der seit weit über einem Jahrzehnt anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit und die demographische Entwicklung. In diesem Zusammenhang spielen daher nicht nur die erforderlichen Aufwendungen zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit eine Rolle, sondern auch die fehlenden Beitragseingänge der Mitglieder. Ein anderer Teilaspekt ist die notwendige Finanzierung der deutschen Einheit. Nicht unterschätzt werden darf der Aufwand für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Dienstes, der erhebliche Personalaufwendungen ebenso wie spätere Ruhegehaltsaufwendungen erfordert, wobei bei den Beamtenpensionen, die zu Lasten der jeweiligen Haushalte gehen, weitgehend keine Kapitaldeckung oder Rückstellung o.ä. besteht. Eine Ausnahme bildet u.a. das Land Rheinland-Pfalz, das einen „Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung AdöR“ 1996 geschaffen hat, der Versorgungsrücklagen für einen Teil der Beamten bildet, nämlich die ab 30.09.1996 in das öffentlich-rechtliche Beamten- oder Richterdienstverhältnis des Landes berufen wurden.14 Entsprechende Maßnahmen haben weitere fünf Länder getroffen, nämlich Bremen, Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen, eine Planung besteht in Bayern. Der Bund wird für seine Beamten ab 01.01.2007 nachziehen.15

4

Ferner ist an die investiven Ausgaben zu denken, die bei gegebener krisenhafter Haushaltslage ebenfalls neue Kreditaufnahme bedingen, wie die Erneuerung älterer oder der notwendige Ausbau von neuen Infrastrukturen,16 u.a. zur Förderung bzw. Aufrechterhaltung des Wirtschaftsstandorts, bundesweit, regional und lokal.

5

13 So etwa macht der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Jahr 2006 mit ca. 119,5 Mrd. € etwa 45 % des Gesamthaushaltes des Bundes aus. Daneben stehen die Bundesschuld mit ca. 30 Mrd. € und der Verteidigungshaushalt mit ca. 27,9 Mrd. € weit „abgeschlagen“. Die Neuverschuldung von 38 Mrd. € übersteigt die Investitionen um ca. 15 Mrd. €, für die also nur gegen 23 Mrd. € ausgegeben werden. Siehe zu den Zahlen und Angaben „Steinbrück: Bewährungsprobe kommt 2007“, FAZ, 24.06.2006, S. 1 f. 14 Landesgesetz über die Errichtung eines Finanzierungsfonds für die Beamtenversorgung Rheinland-Pfalz v. 12.03.1996, GVBl. 1996, S. 152 ff.; vgl. dazu Keilmann, Personalausgabenbudgetierung, Die Entwicklung in Rheinland-Pfalz seit 1996, Teil I: Der Aufbau, Verwaltung und Management 2001, S. 160 ff. Ende 2003 belief sich das Fondsvermögen auf ca. 323 Mio. €, für Ende 2004 wurde es auf ca. 477 Mio. € geschätzt (bei erwarteten Zuführungen aus dem Landeshaushalt von ca. 139 Mio. € für 2004), siehe Landtagsdrucksache Rheinland-Pfalz 14/3436 v. 24.09.2004, S. 12, wo auch die Struktur der Versorgungsrücklage und ihre Bildung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen umrissen wird. 15 Siehe die Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums v. 05.07.2006 zur Beschlussfassung der Bundesregierung eines „Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Versorgungsrücklagengesetzes“. Daneben besteht ein Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, siehe die erwähnte Pressemitteilung. Erstattungen aus dem Fonds sind erst ab 2020 vorgesehen, was die erst langfristige Wirkung von dergleichen Maßnahmen unterstreicht. 16 Zu der Thematik Infrastruktur und Daseinsvorsorge siehe auch Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts auf das Insolvenzverfahren, 2006, S. 173 ff./175–179.

3

I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

5a

Nur paradigmatisch soll diesbezüglich hingewiesen werden auf • • • • • • • •

Straßenbau Kanalisation, Wasserversorgung, Gas- und Stromversorgung Krankenhäuser 17 Schienenwege, Luftverkehrszentren, Wasserwege Öffentliche Sicherheit Universitäten, sonstige Hochschulen Kindergärten, Schulen Grundstückserschließungen

5b

Bei einem Teil der Infrastrukturen ist evident, dass sie sich bei einer strikt ökonomischen Betrachtung kaum rechnen können, d.h. auf staatliche Finanzierung angewiesen sind, auch wenn Beiträge und Kosten von den „Nutzern“ der Einrichtung zu tragen sind. Ein Beispiel hierfür ist der Aufbau einer rechtsstaatlichen Anforderungen genügenden Justiz, die nicht nach strikt betriebswirtschaftlichen Grundsätzen wird arbeiten können. Soweit hier Gebührenstrukturen bestehen, die den einen Zweig durch den anderen finanzieren, können dem z.B. europarechtliche Bestimmungen entgegenstehen, die auf den konkreten Aufwand abzielen und die Querfinanzierung anderer Geschäfte nicht erlauben. Ein Beispiel sind die Notargebühren bei gesellschaftsrechtlichen und handelsregisterrechtlichen Vorgängen.18

5c

Dabei darf nicht verkannt werden, dass der Staat nicht nur durch unmittelbare eigene Aufwendungen dergleichen Infrastrukturen schafft und unterhält. Auch wenn der Private z.B. eine Klinik errichtet oder eine Landebahn als Flughafenbetreiber, wird er in seine ökonomische Einschätzung der Profitabilität des Investments die steuerliche Seite einbeziehen. Je günstiger z.B. die Abschreibungen gestaltet sind, umso eher wird er seine positive Entscheidung treffen oder doch durch die steuerliche Seite mit beeinflussen lassen. Ganze Wirtschaftszweige, etwa der Wohnungsbau, waren Jahrzehnte wesentlich auf die steuerlichen Vorteile ausgerichtet, die dem privaten Investor, auch dem Eigenheimkäufer, gewährt werden. Der Staatshaushalt wird hier durch Einnahmeausfälle tangiert, die umgekehrt höhere Neuverschuldung erfordern. Gemeinhin spricht die Politik gern von Subventionen, die es abzubauen gelte, wobei freilich von einer allgemein akzeptierten Begrifflichkeit nicht entfernt die Rede sein kann.19 17 Zur krisenhaften Situation von kommunalen Krankenhäusern vgl. nur die derzeitige Diskussion (2006) um die Strukturierung der gesetzlichen Krankenversicherung (und die dort in der Politik heftig umstrittenen Lösungsansätze) sowie den im Juni/Juli 2006 aktuellen Tarifstreit um die Ärztevergütungen. Nach dem Deutschen Städtetag leidet die Hälfte der kommunalen Krankenhäuser unter „roten Zahlen“, siehe Streiks in kommunalen Krankenhäusern, FAZ v. 24.06.2006, S. 1 f./2. 18 Vgl. z.B. die Urteile des EuGH v. 21.03.2002 – Rs C-264/00, Gründerzentrum-BetriebsGmbH gg. Land Baden-Württemberg (Vorlage des Amtsgerichts Müllheim/Baden) – Slg. 2002 I-3333 und v. 30.06.2005 – Rs C-165/03, Mathias Längst (Vorlage des Landgerichts Stuttgart), Slg. 2005 I-5637. 19 Es steht freilich fest, dass mit „Subvention“ nicht nur der klassische Subventionsbegriff des überkommenen deutschen Wirtschaftsförderungsrechts gemeint ist und auch nicht der weite Beihilfenbegriff des europäischen Rechts der Staatsbeihilfen nach Art. 87 ff. EG-Vertrag, sondern offenbar jede Ausnahme von der eine öffentliche Abgabe (Steuern, Beiträge, Gebühren) generierenden Norm. In dieser undifferenzierten Begrifflichkeit der Politik kann freilich ein Zirkel-

4

1. Die Verschuldung der öffentlichen Hand

Die Verschuldung wiederum engt durch die notwendigen Zinszahlungen den Haushaltsrahmen ein. Dabei profitiert die Bundesrepublik von den seit einer Reihe von Jahren niedrigen Zinsen, ein Umstand, der in der öffentlichen Diskussion unterzugehen scheint. Eine weitere Schärfe gewinnt die Problematik dadurch, dass der „Standort Deutschland“ international und europaweit zugleich im Systemwettbewerb mit anderen Staaten steht, die deutlich niedrigere Steuer- und Abgabensätze aufweisen. Vergleiche der jeweiligen Belastung sind jedoch selten sachgerecht, da nicht nur der absolute Steuersatz auf den Ertrag beispielsweise von Bedeutung ist, sondern auch die Bemessungsgrundlage, Freibeträge und ähnliche Faktoren. In bestimmten Segmenten kann die Bundesrepublik den Systemwettbewerb auf der Abgabenebene sicherlich nicht für sich entscheiden, wenn man z.B. auf dem Sektor der Einkommensteuer für Private mit flächenmäßig kleinen Staaten mit systematisch geringeren Infrastrukturbelastungen konkurriert. Der Haushalt wird auf der Einnahmenwie der Ausgabenseite auch dadurch berührt, dass die Unternehmen anders als noch vor wenigen Jahren innerhalb der Europäischen Union wesentlich leichter ihre Tätigkeit in einen Mitgliedstaat mit niedrigerer Belastung verlagern können 20 und der Systemwettbewerb mit den neuen Mitgliedern der Gemeinschaft anhält.

6

Mit anderen Worten besteht eine Schere zwischen Staatsaufgaben und Staatseinnahmen und -ausgaben.

7

Die Kommunen sind hiervon auf der untersten Ebene des Staatsaufbaus erheblich betroffen. Sie haben die hohen lokalen Infrastrukturaufwendungen und die weiteren Kosten zu tragen, die ihnen durch Vorschriften des Gemeinschaftsrechts, des Bundes und der Länder, oktroyiert werden 21, ohne jedoch die Einnahmeseite wesentlich steuern zu können.

8

Ein zufälliges und beliebiges aktuelles Beispiel belegt das drastisch. In einem rheinland-pfälzischen Landkreis im eigentlich wohlhabenden Rhein-Neckarraum um Mannheim-Ludwigshafen ist der Verwaltungshaushalt 2006 mit ca. 8 Mio. € defizitär. Von den Ausgaben in Höhe von 117 Mio. € entfallen ca. 77 Mio. € auf die Aus-

8a

schluss liegen, wenn die Ausnahmeregelung gerade auf der Basis des Systems der Steuer oder Abgabe beruht. So etwa ist selbstverständliche Grundlage jeder Ertragssteuer die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit; bei insolventen Unternehmen führt die Besteuerung des Sanierungsgewinns wohl regelmäßig zur Überschreitung dieser Grenze. Die seinerzeitige Abschaffung der Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 66 a.F. EStG hat dann im Nachhinein in der Praxis zu der Notwendigkeit des europarechtlich allerdings nicht zweifelsfreien Erlasses vom März 2003 geführt (vgl. dazu Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts auf das Insolvenzverfahren, 2006, S. 1362 ff./1366 ff. mwN). So notwendig es ist, tatsächliche Subventionen zu erkennen und abzubauen (worüber die Politik sich bekanntermaßen im Grundsatz, aber nicht im Detail einig ist), so dürfen die politischen Akteure dennoch darüber nicht die Stringenz des jeweiligen Systems aus dem Auge verlieren. 20 Sitzverlegung, Fusionen usw. 21 Man denke nur an ein in diesem Kontext sehr kleines Beispiel: Das Postulat, für alle Kinder bis zum Schulalter Kindertageseinrichtungen einzurichten, deren Erzieher einen (Fach)Hochschulabschluss haben, würde zu deutlichen Steigerungen der Personalausgaben führen, die aber offenbar niemand zu tragen bereit ist, oder die Bezüge auf ein Maß abzusenken, das das Ganze für die Zielgruppe dann aber unattraktiv macht.

5

I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

gaben für Jugend und Soziales. Insbesondere beklagt der Landrat, Hartz IV sei viel teurer geworden als gedacht. Einnahmeverbesserungen seien kaum möglich.22 Dagegen steht die Untersagung der (notwendigen) Sanierung des Kreisbades, was über kurz oder lang dann die Aufgabe der Infrastruktur erforderlich machen wird, wenn sich die Verhältnisse nicht ändern. Auf die bundesgesetzliche Zuweisung der Verantwortlichkeit für Aufgaben und auf die etwa daraus resultierende Kostenlast ohne entsprechenden Ausgleich haben die Kommunen kaum Einfluss. Die benachbarte rheinland-pfälzische Großstadt, ein Oberzentrum mit u.a. hoher Arbeitslosigkeit, klagt seit Jahren, ihr fehlten 150 Mio. € für „unaufschiebbare Investitionen“, für die auch in die mittelfristige Finanzplanung bis 2009/2010 nichts habe eingestellt werden können.23

2.

Folgen der Verschuldung auf Länder- und Kommunalebene, die Suche nach Entschuldungskonzepten

9

Die hohe Verschuldung und die Finanzierungsprobleme der öffentlichen Hand bedingen die Suche nach einem Regime der Haushaltssicherung.

10

Auf Länderebene zeigt die Krisensituation des Landes Berlin, in der sich Haushaltsprobleme eines Bundeslandes mit kommunalen Themen verbinden, brennpunktartig das gesamte Spektrum der zur „extremen Haushaltsnotlage“ führenden Umstände.24 Zugleich zeigt sich aber auch die Methodik, wie der Bundesstaat die Problematik löst oder lösen soll, nämlich über zusätzliche Leistungen des Zentralstaats an seine in akuter Haushaltsnotlage befindliche Gebietskörperschaft zur Haushaltssanierung.25 Die Länder Bremen (2006) und das Saarland haben ebenfalls

22 Vgl. „Die Rheinpfalz“, Ludwigshafen v. 28.07.2006, Teil „Landkreis“, Seiler, „Fassungsloser Blick auf wachsendes Haushaltsloch“. 23 Vgl. „Die Rheinpfalz“, Ludwigshafen, v. 31.08.2006, Ludwigshafener Rundschau, S. 1, „. . . 150 Millionen fehlen“. Im selben Beitrag wird der Stadtkämmerer mit der Aussage zitiert, es drohe eine Erhöhung des ohnehin bestehenden Defizits von 36,8 Mio. €, da u.a. „Die Kosten im Jugend- und Sozialbereich in allen Betreuungsformen sowie bei Hartz IV . . . davonlaufen.“ Man sucht „mehr Darlehen“ und „Finanzierungsmodelle“. 24 Vgl. zu Details der Haushaltsnotlage Berlins die unter „www.berlin.de/sen/finanzen/ haushalt/notlage/index.html“ zugänglichen Dokumente (Stand: Ende Juni 2006), insb. den dort verfügbaren Antragsschriftsatz von Prof. Dr. J. Wieland vom 04.09.2003 und die nachfolgende Fn. 25 Siehe die Klage des Landes Berlin vor dem BVerfG zu 2 BvF 3/03 auf „Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen“ nach dem Finanzausgleichsgesetz (FAG) idF von Art. 5 Solidarpaktfortführungsgesetz (SFG) v. 20.12.2001, BGBl. 2001 I 3955, in Kraft ab 01.01.2005, (mit den seitherigen Änderungen, zuletzt idF von Art. 4 Abs. 21 d. Gesetzes v. 22.09.2005, BGBl. 2005 I 2809); zum Vortrag des Landes Berlin vgl. BVerfG, Pressemitteilung Nr. 18/2006 v. 10.03.2006. Das Land Berlin hatte danach 2002 einen Schuldenstand von 47,5 Mrd. €, der trotz aller eigener Haushaltssanierungsanstrengungen auf 66,8 Mrd. € im Jahr 2007 steigen soll. 2009 erwartet die Senatsverwaltung für Finanzen sogar 68,2 Mrd. € (FAZ v. 27.04.2006, Tabelle S. 2). Der Betrag entspricht bei ca. 3,4 Mio. Einwohnern einer Pro-Kopf-Verschuldung von ca. 14.000 € bzw. ca. 20.000 € (2007). Berlin leide ferner unter einer nur bei der Hälfte des Länderdurchschnitts der anderen Bundesländer liegenden Zins-/Steuerrelation (2002: 20,8 %) und einer jedenfalls doppelt so hohen Kreditfinanzierungsquote (2003: 20,2 %). Vgl. auch die Darstellung der Lage Berlins und eine Würdigung von Küpper, „2,6 Milliarden Euro Zinsen im Jahr“, FAZ v. 27.04.2006, S. 2.

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2. Folgen der Verschuldung

entsprechende Klagen wegen unverschuldeter extremer Haushaltsnotlage beim BVerfG eingereicht.26 Die rechtlichen Strukturen bieten das Grundgesetz bzw. das Finanzausgleichsgesetz (Bund).

10a

In dem bisher grundlegenden Urteil des BVerfG zu Bremen und dem Saarland aus dem Jahr 1992 27 hat der Senat im Verhältnis Bund/Länder zum Ausdruck gebracht, dass bei extremer Haushaltsnotlage eines „Gliedes der bundesstaatlichen Gemeinschaft“ das bundesstaatliche Prinzip eine Pflicht begründe, dem betroffenen Land bzw. – umgekehrt – dem Bund, die notwendige Hilfe zur „haushaltswirtschaftlichen Stabilisierung“, d.h. zur Haushaltssanierung, in geeigneter Form zu leisten.28 In der mündlichen Verhandlung über die Klage Berlins 2006 deutete die Berichterstattung darüber an, dass die derzeitige Struktur des Finanzausgleichs wohl unterschiedlich im Senat betrachtet und jedenfalls die Situation der Länder als dramatisch angesehen wird.29 Das Urteil vom 19. Oktober 2006 hat das Land Berlin enttäuscht, aber die Konturen für Bundeshilfen schärfer herausgearbeitet (siehe hierzu Kapitel II 3 a) dd).

11

Auf der Ebene der Kommunen haben Landesverfassungsgerichte und Staatsgerichtshöfe geurteilt, das Recht auf gemeindliche Selbstverwaltung umfasse zugleich einen Anspruch gegen das Land auf hinreichende Finanzausstattung, wobei bei den freiwilligen Aufgaben jedenfalls Mittel für ein Mindestmaß kommunaler Betätigung zur Verfügung stehen müssen.30

12

Es bestehen also rechtliche Instrumentarien, um Haushaltsnotlagen und „Zahlungsunfähigkeitsszenarien“ zu steuern. Die Sanierung und Entschuldung spielt sich dabei allerdings ausschließlich auf den verschiedenen staatlichen Ebenen ab, die

13

26 Bremen: Die Klage wurde im April 2006 eingereicht, siehe die Pressemitteilung des Senators für Finanzen vom 07.04.2006. Die Eckpunkte der Klagebegründung sowie die die Klage untermauernden Gutachten stellt auch Bremen unter der Adresse „www.finanzen.bremen.de/de5/ detail.php?gsid =bremen53.c.3362.de“ zur Verfügung (Stand: Ende Juni 2006). Bremen und das Saarland haben dabei im Schulterschluss ihre Klagen abgestimmt, so z.B. auf einer gemeinsamen Kabinettssitzung am 23.08.2005, siehe die Pressemitteilung von Ministerpräsident und Staatskanzlei Saarland v. 23.08.2005, die die fundamentalen Positionen beider Bundesländer erhellt. Das Saarland hat am 12.09.2005 Klage erhoben, vgl. Min. d. Finanzen/Landesregierung, Finanzplan des Saarlandes 2005–2009 v. 8.11.2005, S. 2, 12 zur extremen Haushaltsnotlage; die Dokumente aus dem Saarland können unter der Adresse www.finanzen.saarland.de/htdig/ cgi-bin/htsearch.cgi eingesehen werden (Stand: Ende Juni 2006). 27 BVerfG, Urt. v. 27.05.1992 – 2 BvF 1,2/88, 1/89, 1/90 – BVerfGE 89, 148 ff. 28 BVerfG, aaO, LS 6, Ls 6b), 6c). 29 Vgl. den Beitrag, „Das Land Berlin fordert Solidarität vom Bund“, FAZ v. 27.04.2006, S. 1, 2; der Senatsvorsitzende soll mit dem Blick auf die Vielzahl der „überschuldeten Länder“ (FAZ, aaO) Zweifel an der Zeitgemäßheit des derzeitigen Finanzausgleichs geäußert und drastisch davon gesprochen haben, die Vogelgrippe habe sich auf dem Hühnerhof ausgebreitet, wo es früher nur wenige kranke Tiere gegeben habe (FAZ, aaO, S.2). 30 Vgl. z.B. zum Finanzausgleichsgesetz (Mecklenburg-Vorpommern) und der dortigen Landesverfassung LVerfG MVP, Urt. v. 18.12.2003 – LVerfG 13/02 – DÖV 2004, 448 = DVBl. 2004, 450, C I der Entscheidungsgründe mwN, in Anlehnung an Literatur und Rechtsprechung; siehe auch Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, Urt. v. 10.11.1993 – GR 3/92 – DVBl. 1994, 206 und Bayerischer Verfassungsgerichtshof, 27.02.1997 – Vf. 17-VII-94 – BayVBl. 1997, 303. Siehe weiterführend Kapitel II 3a), cc).

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I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

einander unterstützen, d.h. die eine Ebene trägt ökonomisch von der anderen warum auch immer begründete Verbindlichkeiten und hilft ihr damit aus ggf. selbst „verschuldeter“ Notlage. Dieses sog. bail out wird verschiedentlich in Frage gestellt 31 und ist auf europäischer Ebene aus nahe liegenden Gründen einer supranationalen Gemeinschaft ausgeschlossen.32

14

Es wundert nicht, dass auch nach anderen Auswegen aus der Krisensituation gesucht wird. Dabei geht es schlagwortartig auch um Maßnahmen zur Ordnung des „Staatsbankrotts“.33 Die im Zentrum dieser Monographie stehende Frage nach einer Methodik der Entschuldung von öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften im Wege eines förmlichen Verfahrens („Insolvenzverfahren“), die in der fachwissenschaftlichen Literatur und der öffentlichen Diskussion 34 mehrfach behandelt wurde und aktuell diskutiert wird, ist und wäre gleichwohl keine nationale Thematik nur in Deutschland.

14a

Zum einen würde die internationale Verflechtung der Finanzmärkte und diejenige im Binnenmarkt der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes bei Durchführung eines Insolvenzverfahrens mit etwaigen Forderungsverlusten der Gläubiger tiefgreifende Auswirkungen auf diese Märkte haben, was auf die bedeutende Position der Bundesrepublik als größte Volkswirtschaft der Europäischen Union und des EWR sowie auf ihre Mitgliedschaft unter den G 7 bzw. G 8Staaten zurückgeht.

14b

Bei der Behandlung von dergleichen Lösungswegen ist methodisch ferner nicht nur bei den regionalen Gebietskörperschaften anzusetzen, sondern es sind auch Modelle zu beleuchten, die für die Entschuldung souveräner Gesamtstaaten entwickelt worden sind, Konzepte, deren wesentliche Prinzipien sich auf die Länder und die regionalen Gebietskörperschaften bzw. sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts ggf. herunter brechen lassen könnten, soweit man bei einer Gesamtwürdigung zur Bejahung von dergleichen Entschuldungsstrategien käme.

14c

Auch wenn die Bundesrepublik Deutschland nicht als „Sanierungsfall“ betrachtet werden kann, wie die Politik meinte 35 , ist aber sicherlich richtig, dass die etwaige Entwicklung internationaler Entschuldungsstrategien für souveräne Staaten auf der Basis eines hierfür geschaffenen völkerrechtlich verbindlichen Regelwerks im Ergebnis wohl weder vor den Toren der Bundesrepublik noch ihrer Länder oder sonstigen Gebietskörperschaften anhalten würde. Ein solches Regelwerk existiert

31 Siehe das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen aus dem Jahr 2005, „Haushaltskrisen im Bundesstaat“, S. 11 ff./ Tz. 2.2.1, 2.2.2 und 2.3. 32 Vgl. Art. 103 Abs. 1 EG; ratio legis ist es, die Kreditfähigkeit der Mitgliedstaaten nicht auf Solidarität, sondern auf Haushaltsdisziplin zu gründen, siehe Hattenberger, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 2000, Art. 103 Rdnr. 1. 33 Siehe Reinhard Müller, „Ordnung des Staatsbankrotts“, zur Verfassungsklage des Landes Berlin vor dem BVerfG, FAZ v. 27.04.2006, S. 2. 34 Der Finanzsenator des Landes Berlin hat nach dem Beitrag in der FAZ, „Ordnung des Staatsbankrotts“, Ausgabe vom 27.04.2006, S. 2, geäußert, man müsse „über eine Art Insolvenzrecht für Bundesländer nachdenken.“ 35 Siehe FAZ v. 24.06.2006, S. 1 „Steinbrück: Bewährungsprobe . . ./Unterstützung für „Sanierungsfall“.

8

3. Konzepte zur Eindämmung der Haushaltsnotlage

aber bislang nicht und es bestehen Zweifel, dass es in absehbarer Zeit dazu kommen wird. Wenn man das Thema eines wie auch immer gestalteten Insolvenzverfahrens über (regionale) Gebietskörperschaften oder überhaupt über juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgreift, darf man nicht übersehen, dass die Zulassung eines solchen „Gesamtverfahrens“ eine weitgehende Aufhebung von Vollstreckungshemmnissen bei der Einzelvollstreckung nach sich ziehen könnte bzw. müsste.

15

Dem Insolvenzverfahren nach der InsO vergleichbare Regelwerke müssten insbesondere der par conditio creditorum – wie sie auch immer zu definieren wäre – verpflichtet sein. Völlig unerträglich wäre bei einer solchen Lösung jegliche Bevorzugung, Besicherung oder Aufrechnung zugunsten öffentlich-rechtlicher Forderungen anderer staatlicher Stellen (Sozialversicherungsträger, Steuern, Rückforderung öffentlicher Zuschüsse an die insolvente öffentlich-rechtliche Körperschaft usw.). Dergleichen Zahlungsunfähigkeitsverfahren/Gesamt(„vollstreckungs“)verfahren könnten auf die Anfechtung von Rechtshandlungen mit Vorteilen einzelner Gläubiger in einer période suspecte gleichfalls nicht verzichten. Insolvenztatbestände wären neu zu definieren.

16

Ein Teil dieser Gesichtspunkte findet sich in den diversen Vorschlägen in der Literatur zu einer Insolvenz von Kommunen.36

16a

Zusammenfassend ist zunächst folgendes festzustellen:

17

Ziel von Gesamtverfahren zur Entschuldung von Gebietskörperschaften der öffentlichen Hand wäre die Beteiligung der privaten Gläubiger an der Sanierung und damit eine jedenfalls teilweise Verneinung einer Pflicht zum bail out durch die anderen Glieder der staatlichen (Länder-/Gemeinde)Ebene oder bundesstaatlichen (Bund/Länder) Gemeinschaft. Warum dies so sein soll, wird an den verschiedenen Modellen umrissartig gezeigt werden. Im Zentrum steht aber sicher auch die Überlegung, dass der private Gläubiger die Chancen der geschäftlichen Verbindung mit der betroffenen Gebietskörperschaft genutzt hat, aus welchem Grunde er in einer Krise auch die Risiken mit tragen soll. Aus verschiedenen Gründen ist diese Annahme freilich nicht plausibel.

3.

Mögliche Konzepte bzw. Beispiele zur Behebung, Beschränkung oder Eindämmung der Haushaltsnotlage und der Verschuldung, jeweils mit Finanzierungsfolgen, Handlungsspielräume

a)

Maßnahmen der regionalen bzw. lokalen Gebietskörperschaften (Länder, Kommunen)

Die betroffene Gebietskörperschaft kann zur Vermeidung oder Abwendung der Zahlungsunfähigkeit diverse Wege beschreiten. Einen „Königsweg“ wird es nicht geben. Das Postulat wird schlicht wie stets in Zeiten der Krise eines Wirtschaftsteilnehmers lauten müssen, möglichst die Einnahmen auf das notwendige und mögliche Maß zu erhöhen und die Ausgaben auf ein tragfähiges Niveau zu senken.

36

Siehe Kapitel III 2a) ff., Rdnr. (110–133).

9

18

I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

19

Zur Besserung oder Behebung der Haushaltsnotlage, insbesondere auch der Verschuldung kommen u.a. in Frage (die Reihenfolge ist beliebig und keine „Rangfolge“, die es bei der Komplexität der Materie und der Unterschiede der einzelnen Gebietskörperschaften auch nicht geben kann) • die Beschränkung der freiwilligen Aufgaben/Leistungen der Kommune/Gebietskörperschaft soweit als möglich mit der Folge der Kostenersparnis (allerdings erst nach Finanzierung etwaiger Stilllegungskosten von zu schließenden Einrichtungen). • Einnahmensteigerungen durch Erhöhung von Steuern (siehe auf Bundesebene die massiven Steuererhöhungen zum 01.01.2007), Beiträgen und Gebühren bzw. die Einführung neuer Abgaben; Wegfall kostenlos ausgeführter Amtshandlungen. • die Veräußerung werthaltiger Assets der Kommune oder des Landes (z.B. Grundstücke, Unternehmensbeteiligungen), soweit rechtlich zulässig und ökonomisch sinnvoll. Auf das Beispiel Dresdens mit erfolgreicher Veräußerung der dortigen Wohnungsbaugesellschaft ist bereits hingewiesen worden.37 • die Reduzierung der Kosten von Infrastrukturmaßnahmen, z.B. auf dem Sektor der Erschließung von Arealen durch Erschließungsverträge ohne Eigenbeitrag der Kommune (§ 124 Abs. 3 BauGB) oder bei sonstigen Maßnahmen der Bebauungsplanung durch städtebauliche Verträge (§ 11 BauGB) bzw. Vorhaben- und Erschließungspläne (§ 12 BauGB). • die Ansiedlung von Gewerbetreibenden, die eine Steigerung des örtlichen/regionalen Steueraufkommens erwarten lassen mit günstigen allgemeinen Rahmenbedingungen; auf diesem Sektor herrscht ein reger europaweiter Standortwettbewerb.38 Dabei sind ggf. Vorleistungen im Sinne weiterer zu finanzierender Infrastrukturen oder die Senkung örtlicher Steuern (z.B. durch Senkung der Hebesätze), die wiederum „gegenzufinanzieren“ ist, erforderlich. • die „Teilprivatisierung“ von Infrastrukturen (z.B. durch public private partnership 39 ) oder zu üblichen Krediten alternative Finanzierungsmodelle.

37 S.o., Fn 10; hierzu gehört auch der Verkauf des fusionierten Universitätsklinikums GießenMarburg an eine private Aktiengesellschaft unter Beteiligung des Landes mit 5 % gegen einen Kaufpreis von 112 Mio. € und weitere erhebliche Leistungen des Erwerbers, insbesondere eine Investitionsverpflichtung/Einlage-/Rücklageverpflichtung von addiert ca. 470 Mio. €. Hierzu und zu weiteren Details siehe FAZ, „Rhön erwirbt das erste privatisierte Universitätsklinikum“, v. 19.12.2005, S. 11. 38 Siehe den Standortwettbewerb zwischen Wien, Holzkirchen/München und Basel um die Führung von Sandoz mit dem Erfolg der bayerischen Bewerberin nach Senkung der Gewerbesteuer um 30 %, wobei für das Unternehmen unternehmerische und nicht fiskalische Erwägungen im Vordergrund gestanden haben sollen; Deutschland sei gleichwohl steuerlich nicht konkurrenzfähig; siehe im einzelnen den Beitrag in der FAZ v. 27.04.2005, S. 17, „Standortverlagerung von Wien nach Bayern“. 39 Vgl. dazu Weber/Schäfer/Hausmann (Hrsg.), Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006. Siehe dazu sogleich Kapitel I 4), Rdnr. (28) ff.

10

3. Konzepte zur Eindämmung der Haushaltsnotlage

Beispiele: Schulgebäude mit Teilbetrieb, Schwimmbäder 40 , kulturelle Einrichtungen, Sportstadien/-anlagen; Justizvollzugsanstalten mit Teilbetrieb 41, andere öffentlich genutzte Bauten wie Rathaus, Gerichtsgebäude, Finanzamtsgebäude usw. • die Übertragung bzw. Teilübertragung oder Überlassung einer (kommunalen bzw. regionalen) Aufgabe auf/an einen privaten Dritten, ggf. gesellschaftsrechtliche Beteiligung der Gebietskörperschaft oder eines Gemeindeverbandes; die Fallgruppe überschneidet sich z.T. mit der vorstehenden. Beispiele: Abfallentsorgung, kommunale Krankenhausbetriebe 42, Hafenbetriebe, Öffentlicher Personennahverkehr 43, Energieversorgung („Stadtwerke“), Wasserversorgung, Verkehrserschließung, Rettungs- und Krankentransportdienste 44 , Pflegeeinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, Einrichtungen auf dem Sektor der Kinderund Jugendhilfe.45 • die Bündelung von gemeinsamen Ressourcen von Kommunen in Zweckverbänden und ähnlichen „joint ventures“, die „interkommunale Zusammenarbeit“, gelegentlich verbunden mit der Rückübernahme („Rekommunalisierung“) von privatisierten Aufgaben 46 • die „formelle“ Privatisierung durch Outsourcing von kommunalen Tätigkeiten auf eigene privatrechtlich organisierte Gesellschaften • die konsequente Durchführung von Vergabeverfahren, auch unterhalb der Schwellenwerte der RL 2004/17/EG und 2004/18/EG bzw. §§ 87 ff. GWB sowie der

40 Vgl. zu einem solchen Fall Europ. Kommission, E. v. 12.01.2001 – Az: SG (2001) D/285046 bzw. N 258/00; S. 3, 4. 41 „Zur Teilprivatisierung“ (hier: Teilbetrieb) von Haftanstalten als Modell siehe das hessische Projekt „Hünfeld“, vgl. „Ein Haftplatz für 100 000 Euro“, FAZ v. 08.12.2005, S. 62. 42 Eines der Beispiele ist neben der Privatisierung des Universitätsklinikums Marburg-Gießen die Einleitung des Interessebekundungsverfahrens zur Herauslösung der neurologische, psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen erbringenden Landeskliniken (!) in Brandenburg aus der Landesverwaltung, siehe die Anzeige in der FAZ v. 30.05.2005, S. 18. 43 Siehe dazu auch EuGH, Urt. v. 23.07.2003 – Rs C-280/00, Altmark Trans, RP Magdeburg gg. Nahverkehrsgesellschaft Altmark (Vorlage des BVerwG) – Slg. 2003 I-7747 = NJW 2003, 2515 = EuZW 2003, 496 ff. 44 Sie sind nahezu flächendeckend privatisiert (kaum mehr bei städtischen Feuerwehren z.B.), freilich weitgehend in der überkommenen Tradition der Leistungsvergabe an die gemeinnützigen Institutionen kirchlicher oder anderer Organisationen wie DRK, Malteser usw.; zu einem Rechtsstreit zu diesem Konzept siehe EuGH, U. v. 25.10.2001 – Az: Rs C-475/99, Ambulanz Glöckner gg. Landkreis Südwestpfalz (Vorlage des OVG Rheinland-Pfalz), Slg. 2001 I-8089 (zur Unternehmenseigenschaft von Sanitätsorganisationen, die Leistungen „auf dem Markt für Notfall- und für Krankentransport“ erbringen). 45 Der Sektor der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen für Kinder bis zum Schulalter ist überwiegend in der Verantwortung freier Träger, insbesondere kirchlicher Organisationen, so dass die Kosten für die öffentliche Hand trotz der geleisteten Zuschüsse geringer sind als bei eigenem Betrieb. 46 Zu den damit verbundenen (z.T. ungelösten) vergaberechtlichen Fragen siehe OLG Naumburg, Beschl. v. 03.11.2005 – 1 Verg 9/05 – IR 2006, 23 einerseits (Ausschreibungspflicht bei Aufgabenübertragung auf andere Kommunen), OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.06.2006 – IR 2006, 215 f., Anm. Michaels (Verneinung einer Ausschreibungspflicht) andererseits.

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I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

Verdingungsordnungen und außerhalb der Sektoren wo das geboten ist. Die Europäische Kommission hat zu der Thematik Ende Juni 2006 eine „Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen in bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen“ herausgebracht.47 Darin wird praktisch ein Procedere für Vergaben unterhalb der Schwellenwerte aufgezeigt, wenn auch Ziel der Mitteilung nur sein soll, den öffentlichen Auftraggebern Handreichungen zu bieten, um die Vorgaben des EuGH einzuhalten. Für die Kommunen ist das höchst bedeutsam. Es geht darum, dass Anbieter aus der gesamten Gemeinschaft eine faire Chance bekommen sollen, auch an unter den Schwellenwerten liegenden Vergaben beteiligt zu werden. Erforderlich sind in der Regel die Bekanntmachung der Vergabe, ausreichende Fristen für die Bieter, die Einhaltung der Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung der Bieter, wirksamer Rechtsschutz gegen rechtswidrige Vergaben und das Verbot der Bevorzugung „heimischer Anbieter“.48 b)

20

Handlungsspielräume der öffentlichen Hand, insbesondere der Kommunen, Problemfelder beim „schlanken Staat“ (der „schlanken Regionalkörperschaft“)

Die Handlungsspielräume der Kommunen bzw. der Länder sind trotz des nur beispielhaften Kataloges in lit. a) vorstehend auf der Aufgabenseite wohl enger als es scheint. Ein Grund dafür sind die Pflichtaufgaben der Verwaltung, die erfüllt werden müssen, in welchem Bereich effektive und deutliche Ersparnisse wohl eher zu gering sind, um maßgeblich zur Entschuldung beizutragen.

21

Ein weiterer Grund sind die von dritter Seite (Bund, Land) aufoktroyierten Aufgaben ohne hinreichende Kostendeckung. Ein beliebiges Beispiel hierfür mag die Diskussion um die Befreiung von Kindergartenbeiträgen für 3–6-Jährige in Rheinland-Pfalz im Jahr 2006 sein. Soweit die Landeskasse die damit zusammenhängenden Ausgaben nicht vollständig tragen sollte, ginge das zu Lasten der Kommunen und der freien Träger der Einrichtungen.49

22

Weitere Probleme bei der Realisierung eines „schlanken Staates“ aus Geldmangel hängen mit Zielkonflikten der diversen öffentlichen Aufgaben zusammen, die gegenwartsbezogen, aber auch zukunftsorientiert sein können.

23

Damit verbunden ist die Frage, was man unter „Daseinsvorsorge“ verstehen will. Die Definition ist offen und dynamisch, sie ist Teil eines gesamtgesellschaftlichen 47 Dokument v. 23.06.2006, siehe www.ec.europa.eu/internal_market/publicprocurement/ key-docs_de.htm; siehe auch die Pressemitteilung der Kommission IP/06/1053 v. 24.07.2006. 48 Gleichwohl ist das Vorgehen der Kommission außerordentlich kritikwürdig, da ihr auf dem Sektor unterhalb der Schwellenwerte jegliche Regelkompetenz fehlt. 49 Gerade auf dem Sektor der sozialen Ausgaben hat es in den letzten Jahren Auseinandersetzungen der Kommunen mit den Ländern darüber gegeben, ob die Überwälzung der Aufgabe ohne (vollständige) Kostendeckung rechtlich zulässig ist – der Erfolg der Kommunen scheint aus der Sicht des objektiven Beobachters eher bescheiden. Es ging dabei insbesondere um Sozialhilfeleistungen und um kommunale Zuschüsse zu Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen; vgl. im einzelnen Kapitel II 3), Rdnr. (40) ff.

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3. Konzepte zur Eindämmung der Haushaltsnotlage

Konsenses. Dieser Konsens mag sogar von Region zu Region etwas verschieden sein, europaweit jedenfalls bestehen erhebliche Unterschiede, was man in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU unter Daseinsvorsorge subsumiert.50 So etwa gehört in Deutschland zutreffend die flächendeckende Versorgung der Privaten und der mittelständischen Wirtschaft mit Bankdienstleistungen seit langem zur Daseinsvorsorge, ein Anliegen, dem die öffentlichen Banken auch im Wettbewerb entsprechen und das in den jeweiligen Sparkassengesetzen geregelt ist.51 In Großbritannien ist das keineswegs der Fall, so dass der Staat mit Beihilfen nach Art. 87 EG eingreifen musste.52 Mit dem Verständnis des Staates von „Daseinsvorsorge“ hängen wiederum die Infrastruktureinrichtungen und die Kostenbelastung der Bürger und der Haushalte ebenso zusammen wie die Fremdfinanzierung der Aufgaben durch Kredite. Vor diesem Hintergrund lässt sich dennoch feststellen, dass zwar sämtliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge zugleich Infrastrukturen sind, aber umgekehrt längst nicht alle Infrastruktureinrichtungen der Daseinsvorsorge dienen und daher der besonderen Aufmerksamkeit der zuständigen Regional-/Kommunalkörperschaft bedürfen. Zur Daseinsvorsorge gehören beispielsweise sicher nicht Sportstätten für den Berufssport u.ä.

23a

Ein ganz anderes Problem stellt die Kosteneinsparung oder die Einnahmeerhöhung dar, d.h. aus Sicht der „Nutzer“ öffentlicher Einrichtungen die Verteuerung der Nutzung oder deren Beeinträchtigung durch Maßnahmen wie z.B. auf dem Erziehungs- oder Schul- bzw. Gesundheitssektor

24

• die Reduzierung anderweitiger öffentlicher Zuschüsse zur Entlastung der Haushalte von Land und Kreis mit der Folge der Belastung der Kommune und der Nutzer der Einrichtung (z.B. Kindergarten oder Kindertagesstätte), u.a. durch einkommensabhängige Staffelung der Entgelte • die etwaige Reduzierung von Standards (durch Personalschlüsselreduzierung oder die Hinnahme von Qualifikationsminderungen in Erziehungseinrichtungen und Krankenhäusern) • der Verzicht auf die Errichtung einer weiterführenden Schule in kommunaler Hand mit der Folge der Belastung der Haushalte anderer Kommunen mit der Nutzung durch Schüler aus der Region ohne hinreichende Kostenbeteiligung 50 Vgl. hierzu die Übersicht von Pernice/Wernicke, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Kommentar I, Art. 16 EGV, insb. Rdnr. 9 (Stand: April 2003). 51 Siehe z.B. § 2 Sparkassengesetz für das Land Schleswig-Holstein idF v. 09.02.2005, GVBl. 2005, S. 111. Freilich verursacht das der öffentlichen Hand in Deutschland keine Kosten, das Gegenteil ist der Fall. 52 Generell ist das ein heute bedeutsames Problem in Mitgliedstaaten, in denen sich die private Kreditwirtschaft mangels definierter Rentabilität der Kundenbeziehungen wohl aus der Fläche zurückgezogen hat, wie in Großbritannien, wo die Kommission folgerichtig Beihilfen für die Post genehmigt hat, um Mindeststrukturen zu ermöglichen. Siehe hierzu die Entscheidungen der Kommission, keine Einwendungen zu erheben bzw. eine Beihilfe überhaupt zu verneinen vom 12.02.2002 – Az: C (2002) 311 fin., S. 11 (Universal Banking Services through post offices), vom 18.09.2002 – Az: C (2002) 3341 fin., S. 1f., 16 (Reinvention of the urban post office network) und vom 27.05.2003 – Az: C (2003) 1652 fin., S. 1, 20 (Governmental rural network support funding, debt payment funding and rolling working capital loan to Post Office Limited), ein ganzes Bündel von Maßnahmen.

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I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

• die Nutzung von Einrichtungen durch Bürger verschiedener Kommunen bei alleiniger Kostenlast der Trägergemeinde der Infrastruktur.

25

Ein weiteres massives Problem für die Gebietskörperschaften stellen Personalkosten der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes dar (Löhne, Gehälter, Beamtenbesoldung), zumal ein Personalabbau politisch wie rechtlich erschwert ist, wenn man an die Unkündbarkeit langjähriger Angestellter nach dem TVöD (früher nach § 55 BAT) oder die öffentlich-rechtlich angestellten Lebenszeitbeamten denkt. Hinzu kommen Altersversorgungs- und Pensionslasten, die nicht bzw. kaum durch Rückstellungen oder Fonds gedeckt sind.53

25a

Mittlerweile versucht man, die Altersversorgung der Arbeitnehmer durch Umstellungen vom Umlagesystem auf Kapitaldeckungssysteme und von der Gesamtversorgung der Mitarbeiter in ein Punktesystem mit Reduzierung der Versorgung in den Zusatzversorgungskassen (ZVK) in den Griff zu bekommen.54

25b

Bei Ausgliederungen der Eigenbetriebe usw. nutzt man personalpolitisch faktisch die Möglichkeiten des Betriebsübergangs nach § 613a BGB iVm § 324 UmwG, so dass sich Entlastungen bei den Kommunen nach Ablauf der Fristen des § 613a BGB bzw. der 5-Jahresfrist des § 133 UmwG ergeben. Schließlich werden damit die Zahlungsunfähigkeitsrisiken der Arbeitnehmer gegen Zahlung der Umlage durch den neuen Träger des ausgegliederten Unternehmens auf den Träger der Insolvenzsicherung, d.h. die Bundesagentur (§§ 188 ff. SGB III) und den PSV (BetrAVG) verlagert, freilich um den „Preis“ der jährlichen gesetzlichen Umlagen zu Lasten der nun privatrechtlich organisierten Gesellschaft. 4.

Die Fremdfinanzierung der Staatsausgaben

a)

Überblick

26

Unter „Fremdfinanzierung“ im Sinne dieses Abschnittes soll nicht die hoheitlich verfügte Refinanzierung der Staatsausgaben durch Steuern, Gebühren, Beiträge, d. h. Abgaben, verstanden werden, sondern diejenige aufgrund privatrechtlichen Vertrages durch Investoren (in einem weiten Sinne auch als Kreditgeber), die die Mittel deshalb zur Verfügung stellen, weil sie für ihr Investment einen vernünftigen Ertrag ohne Risiko erwarten.

27

Dazu gehören z.B.55 • der klassische Kommunalkredit in Gestalt etwa von Schuldscheindarlehen und des kurzfristigen Kassenkredits 56 53 S.o. Kapitel I 1), Rdnr. (4). 54 Auch bei den kirchlichen ZVK ! 55 Siehe hierzu für den Bereich des Bundes auch die Aufzählung der Finanzierungsformen in § 4 Abs. 1 Bundesschuldenwesengesetz v. 12. Juli 2006 (= Art. 1 des Bundesschuldenwesenmodernisierungsgesetzes), BGBl. 2006 I 1466 ff. § 4 Abs. 2 des Gesetzes gestattet der aufgrund Rechtsverordnung des BMF (§ 1 Abs. 1 Bundessschuldenwesengesetz) agierenden „Bundesrepublik Deutschland – Finanzagentur GmbH“ als Instrument des Bundes den Einsatz von an den Finanzmärkten eingeführten derivativen Finanzierungsinstrumenten (z.B. zur Zins- und Kurssicherung – Anm. des Verf.). Erforderlich ist die Zulassung im Haushaltsgesetz. 56 Zum Thema „Kommunalkredit“ siehe Kapitel VI, insb. den Überblick in VI 1), Rdnr. (282) ff.

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4. Die Fremdfinanzierung der Staatsausgaben

• sonstige längerfristige Finanzierungen • Finanzierungsformen, die den Haushalt nicht unmittelbar tangieren • „private“ Straßenbaufinanzierungen u.ä. nach dem seinerzeit entwickelten Mogendorfer Modell 57; die Maßnahme wird refinanziert durch Forderungsverkauf der Ansprüche des vom Staat beauftragten Infrastrukturerstellers gegen Einredeverzicht 58 (im Hinblick auf Gewährleistungs- und etwa sonstige Ansprüche gegenüber dem Ersteller) im Verhältnis zum Finanzier und „Abzahlung“ der Forderung durch den Staat nebst Finanzierungskosten über einen langen Zeitraum. Der Haushalt wird erst in der Zukunft mit den Teilforderungen belastet.59 • Leasing und leasingähnliche Strukturen 60 • Finanzierung durch die Begebung von Wertpapieren und Anleihen aller Art • Bürgschaften für öffentliche Unternehmen, um diesen günstigere Refinanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen mit mittelbaren Vorteilen für die Kommune als Gesellschafterin. b)

Public Private Partnership („PPP“) und ähnliche Finanzierungsmodelle

Seit einigen Jahren ist in Deutschland ein in Großbritannien 61 schon seit längerem verbreitetes Konzept in der Diskussion und der zunehmenden Umsetzung: Mit „public private partnership“ 62 (s.o.) und ähnlichen Bezeichnungen werden Finan-

57 Siehe dazu Jahndorf, Alternative Finanzierungsformen des Staates, NVwZ 2001, 620 ff./622; vgl. auch RhPfVerfGH – VGH N 3/96 – DVBl. 1997, 49 ff., der das Mogendorfer Modell und Leasing mit Auflagen haushaltsrechtlich in Rheinland-Pfalz zugelassen hat. 58 Vgl. zu der Thematik und zum Wortlaut Sester/Bunsen, in: Weber/Schäfer/Hausmann; § 10, S. 446, vgl. Fn 62. 59 Vgl. RhPfVerfGH, aaO; zu Details vgl. Schede/Pohlmann, in: Weber/Schäfer/Hausmann, § 3, S. 134. 60 Dazu gehört auch das einige Jahre lang praktizierte Modell des sog. US-Lease („cross-border lease“), das in den Bundesländern auf unterschiedliche Akzeptanz und Resonanz gestoßen ist. Die Konstruktion verbindet miteinander – sehr vereinfacht ausgedrückt – den Verkauf einer Infrastruktur durch die Gebietskörperschaft an eine US-Projektgesellschaft und die langfristige Rückmietung; nach Ablauf der Mietzeit besteht regelmäßig eine Rückerwerbsoption. Die Kommune generiert im wesentlichen Barwertvorteile in beachtlicher Höhe. Der Erwerber/Vermieter nutzt für sich Steuervorteile in den USA. Die Struktur ist außerordentlich komplex. Mit einer Gesetzesänderung in den USA entfiel dieses Modell ab Anfang 2004. Siehe zu dieser Struktur als Illustration innovativer Finanzierungsstrategien im kommunalen Bereich im einzelnen Sester, Tatbestand und rechtliche Struktur des Cross-Border-Leasings, ZBB 2003, 94 ff. Danach waren Städte aus Sicht der Investoren „besonders attraktiv, weil sie nicht insolvenzfähig sind; dadurch erhöht sich der Wert der Transaktion . . .“, Sester, aaO. Siehe auch die Darstellung des US-Lease bei Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, LBl., § 87 Rdnr. 86. 61 Ebenso in Australien, s.u. Rdnr. (28c) mwN, aber nach der FAZ v. 22.07.2006, S. 11, auch Spanien und südamerikanische Länder. 62 Zu Einzelheiten siehe Weber/Schäfer/Hausmann (Hrsg.), Praxishandbuch Public Private Partnership, München, 2006. Der Bundesgesetzgeber forciert neuestens die „Öffentlich Privaten Partnerschaften“, z.B. durch das „Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften“, das sog. „PPP-Beschleunigungsgesetz“ v. 01.09.2005, BGBl. 2005 I 2676 ff. Die betroffenen Felder werden erkennbar an den Details dieses Gesetzes; Art. 1 ergänzt im Vergaberecht des GWB die §§ 99, 101; Art. 2 ergänzt die Vergabeverordnung; Art. 3 ändert das Fernstraßenbaufinanzierungsgesetz mit Regelungen zur Mautgebührenfinanzierung; die weite-

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I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

zierungsmodelle umschrieben, die sich für alle investiven Ausgaben eignen und die eine Beteiligung privater Investoren an einem öffentlichen Projekt vorsehen. In der Bundesrepublik Deutschland gehören dazu Vorhaben wie Schulen, Schwimmbäder, aber neuerdings auch Justizvollzugsanstalten.63 In Großbritannien sind in größerem Umfang auch Projekte in der Realisierung, die der nationalen Sicherheit dienen.64

28a

Der generelle Vorteil solcher Projekte liegt in der klaren Strukturierung dessen, was gewollt ist, von Anfang an, denn das Vorhaben wird ausgeschrieben und soll in der konsequenten Umsetzung ohne kostentreibende Änderungen auskommen, wenn einmal die Verträge abgeschlossen sind. Dazu gehört auch der Fernstraßenbau auf Mautbasis, ggf. mit Verkauf von bisher im öffentlichen Eigentum zum Gemeingebrauch ohne Gebühren stehenden öffentlichen Straßen und Autobahnen. Die LKW-Maut und die immer öfter im politischen Raum diskutierte PKW-Maut würden sich zweifellos für weitergehende Planungen zur Privatisierung gut eignen, denn ein bereits vorhandener Ertrag erleichtert dem Bieter die Investitions- und Rentabilitätsberechnung.

28b

Der Staat bis hin zur kommunalen Ebene bedient sich also bereits alternativer Finanzierungsstrukturen, die je nach Konstruktion den Haushalt nicht nur aktuell entlasten, sondern generell der Kostenreduzierung dienen bei idealiter gleichzeitiger Risikoverlagerung von manchen Folgekosten der Infrastruktur auf einen privaten Investor. Ob im Einzelfall die Rechnung im Hinblick auf die Gesamtheit aller öffentlichen Haushalte, die berührt sind, schlüssig ist, kann nur die prognostische Prüfung aller relevanten und im konkreten Fall spezifischen wirtschaftlichen Faktoren ergeben. Der Erfolg dergestalt finanzierter Maßnahmen wird sich aber im Einzelfall möglicherweise erst nach Jahrzehnten zeigen.

28c

Die „Endstufe“ dieser Entwicklung ist die vollständige Übernahme oder Bereitstellung einer Infrastrukturmaßnahme 65 durch private Investoren, ein weltweit zu beobachtendes Phänomen. Die finanzstarken Finanzinvestoren (u.a. Investmentfonds, Pensionsfonds) haben an dergleichen Großprojekten offenbar lebhaftes In-

ren Artikel 4 ff. betreffen die Bundeshaushaltsordnung (u.a. ist bei Privatisierungsmaßnahmen die Risikoverteilung zu beachten), das Grunderwerbsteuergesetz (Steuerbefreiung unter bestimmten Voraussetzungen bei ppp-Projekten) und das Grundsteuergesetz sowie das Investmentgesetz (Kapitalanlagegesellschaften ist der Erwerb von Nießbrauchrechten an Grundstücken, die Gegenstand von ppp-Vorhaben sind, gestattet). Siehe zur Motivation und zum derzeitigen Umfeld auch Schwenn, „Die große Infrastruktur-Koalition“, FAZ v. 22.07.2006, S. 11. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte 2001 eigens einen Forschungsauftrag an das RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft e.V. vergeben, das prüfen sollte, inwieweit mittelständischen Bauunternehmen neue Felder im Zusammenhang mit der Privatisierung erschlossen werden können; siehe dazu den Abschlussbericht vom Februar 2003 von Blochmann/Mahlstedt „Kooperationen mittelständischer Bauunternehmen zur Erschließung neuer Marktfelder bei der Erschließung öffentlicher Aufgaben“, Eschborn, 2003, publ. unter www. BMWi/Redaktion/PDF/J-L/kooperation-mittelstaendischer-bauunternehmen-gesamtbericht. 63 S.o. Kapitel I 3a), Rdnr. (19) und Fn 41. 64 Z.B. Tankflugzeuge, Großschiffe (Flugzeugträger), letztere mit einer Gesamtvertragslaufzeit von über 40 Jahren mit der langfristigen Sicherung von 10.000 Arbeitsplätzen, siehe im einzelnen Cranshaw, Einflüsse des Europäischen Rechts auf das Insolvenzverfahren, 2006, S. 293, Fn 1469. 65 Vgl. dazu den Beitrag in der FAZ „Privat statt vom Staat“ vom 15.08.2006, S. 17.

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4. Die Fremdfinanzierung der Staatsausgaben

teresse. Im 1. Halbjahr 2006 sollen weltweit ca. 98 Mrd. US-$ „gesammelt“ worden sein 66 , um in Infrastrukturprojekte investiert zu werden. Dabei hat man nicht die typischen oder durchschnittlichen kommunalen oder regionalen Infrastrukturen im Auge, wenn aus dem Jahr 2006 von der britischen Hafenbetriebsgesellschaft „AB Ports“, der Londoner Busgesellschaft Stagecoach oder dem Londoner Flughafenbetreiber die Rede ist. Aus der Sicht der Investoren ist die Anlage risikolos (Gegenbeispiel ist der ebenfalls private Eurotunnel), wobei man erst im Planungsstadium befindlichen Projekten offenbar eher skeptisch gegenübersteht.67 Betrachtet man die Entwicklung im Ausland, muss man sie als dynamisch einschätzen. Eine Vorreiterrolle in Europa spielt Großbritannien, weltweit habe Australien Infrastrukturen „schon früh privatisiert“.68 Die Dimensionen zeigen sich drastisch, wenn die FAZ in dem erwähnten Beitrag berichtet, nach der OECD seien bis 2030 weltweit Straßeninvestitionen von 290 Mrd. US-$ erforderlich.69 Die Grundsatzüberlegung aus der Sicht des Staates oder der Gebietskörperschaft bei der Entscheidung ist mehrschichtig. Entweder geht es um die Alternative, die benötigte oder jedenfalls gewünschte Infrastruktur durch Private zu erhalten oder überhaupt nicht, weil die Gebietskörperschaft die Mittel nicht zur Verfügung stellen kann oder will. Jedenfalls sind Inhalt und Ziel, die Infrastruktur im Wettbewerb zu erhalten, also marktgerecht, und zwar in der geforderten Qualität und zu angemessenen vertretbaren Preisen. Diese Voraussetzungen sollen durch die ggf. europaweiten Ausschreibungsverfahren nach den Vergaberichtlinien gewährleistet werden. Dasselbe gilt für die Übertragung bestehender Infrastrukturen an Private zu Betrieb und Unterhaltung (z.B. die Privatisierung von Fernstrassen), wobei der Verkauf der vorhandenen Substanz zugleich Liquidität für den bisherigen staatlichen Träger bringen soll.

28d

Die Infrastruktur wird dabei fungibel und zwar sowohl in Gestalt der Infrastruktureinrichtungen selbst, als auch in Gestalt des Investment in die Gesellschaft, die die Infrastrukturen im Besitz hat und/oder betreibt.

28e

Damit verbunden sind der Natur der Sache nach erhebliche potentielle Interessenkonflikte zwischen dem Investor und dem Staat oder seiner Gebietskörperschaft als denjenigen, die ihren Bürgern die Infrastruktur zu ökonomisch vertretbaren Bedingungen zur Verfügung stellen wollen.70 Eine besondere Konstellation kann sich dann ergeben, wenn die Infrastruktur zum Kern der Daseinsvorsorge gehört und faktisch monopolistische Strukturen bestehen. Ein Beispiel mag die lokale oder

28f

66 FAZ, aaO, unter Bezugnahme auf Zahlen des „Infrastructure Journal“. 67 Siehe dazu im einzelnen, FAZ, aaO, S. 17. Aus Deutschland berichtet die FAZ von der Privatisierung des Flughafens Lahr und vom Warnowtunnel in Rostock. Sogar Privatpersonen stehe die Anlage in solche Projekte (durch Beteiligung an einem geschlossenen Infrastrukturfonds) offen. 68 FAZ, aaO, S. 17. 69 FAZ, aaO. Bei weltweiter Betrachtung über die Zeitachse erscheint dieser Betrag aber eher viel zu niedrig. 70 Im europäischen Raum darf auf die aktuell massive Einflussnahme der Europäischen Kommission auf die Mobilfunkbetreiber hingewiesen werden, die besonderen Gebühren im mitgliedstaat-übergreifenden Mobilfunkverkehr zu senken; dabei handelt es sich um eine in erheblichem Wettbewerb stehende Infrastruktur, die zudem sicher nicht zu einem engeren Bereich der Daseinsvorsorge gehört.

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I. Die Ausgangslage f. Überlegungen einer Ins. öffentl.-rechtl. Gebietskörpersch.

regionale Wasserversorgung sein, wie ein „Fall“ aus Großbritannien zeigt: Bemerkenswert ist, dass die zuständige britische Regulierungsbehörde Ofwat 71 bei der Veräußerung des Wasserversorgers Thames Water nach einem Pressebericht vom August 2006 Wert darauf legen soll, die Gesellschaft nicht mit hohen Verbindlichkeiten zur Refinanzierung des Kaufpreises belasten zu lassen, um den Verbrauchern nicht zusätzliche Risiken bzw. Preiserhöhungen aufzuerlegen.72 Die Lösung von dergleichen Fragen dürfte wie stets eher in von Anfang an sachgerechter Gestaltung der Verträge, Konzessionen und sonstiger Rechtsinstrumente sowie der sorgfältigen Erarbeitung der Vergabebedingungen liegen als in späteren aufsichtsbehördlichen Eingriffen.

28g

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass dergleichen Finanzierungsmodelle Chancen bieten, die auf nationaler, aber auch europäischer Ebene fortentwickelt werden sollten. Sie entbinden im Kernbereich der Daseinsvorsorge den Staat nicht von der Verantwortung, für die notwendigen Infrastrukturen Sorge zu tragen, womit er zugleich das Risiko der Insolvenz des privaten Infrastrukturbetreibers trägt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn kein anderer Investor die Assets des fallierten Betreibers übernimmt. Eine solche Konstellation dürfte vorliegen, wenn die Infrastruktur stets der Bezuschussung bedarf und wirtschaftlich ohne die „Subvention“ nicht fortgeführt werden kann. Zugleich dürfen die bereits oben erwähnten Interessenkonflikte ebenso wenig übersehen werden wie das Risiko der Intransparenz und etwaigen inneren Widersprüchlichkeit des jeweiligen Konzeptes, das jedem hochkomplexen System inne wohnt.73

28h

In der Rechtsprechung hat sich der Staatsgerichtshof von Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 10.05.1999 74 zur Finanzausstattung der Kommunen am Rande mit der Privatisierung befasst. Er hat festgestellt, die Landesverfassung (Art. 71 Abs. 1 S. 1, 73 Abs. 1) könne „keine genaueren materiellen Maßstäbe geben, an denen eine Ergebniskontrolle der staatliche gewährten Finanzausstattung der Gemeinden ... denkbar ist.“ Er hat dies auf die „Vielfalt und Komplexität der Funktionszusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Einnahmen, Ausgaben und Aufgaben der Länder sowie der Gemeinden ...“ zurückgeführt. Er hat schließlich davon gesprochen, die „Flucht aus dem Haushalt“ durch Übertragung von Aufgaben auf juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts führe dazu, dass die Haushaltspläne Aussagekraft und Transparenz verlieren. Diese sicher zutreffende Aussage gilt aber nicht, wenn der Staat oder die Gebietskörperschaft sich entschlossen hat, die Infrastruktur überhaupt nicht (mehr) selbst verantwortlich anzubieten und der Kernbereich der Daseinsvorsorge nicht berührt ist.

71 Office of Water Services. 72 Vgl. Gassmann, Thames Water muss sparen, FTD (Financial Times Deutschland) Kompakt v. 23.08.2006, S. 3. Dadurch soll nach FTD die Investition von Thames Water in das sanierungsbedürftige Leitungsnetz sichergestellt werden. 73 Siehe dazu auch Schwenn „Die große Infrastruktur-Koalition“, FAZ v. 22.07.2006, S. 11 mit einer Würdigung der public-private-partnership-Debatte in Deutschland und mit Hinweisen zu Projekten in Deutschland und Schwierigkeiten im Einzelfall. 74 StGH, Urt. v. 10.05.1999 – GR 2/97 – JZ 1999, 1049 ff. = Umdruck S. 42 f., II 2 e), cc) der Entscheidungsgründe, verfügbar auch unter www.baden-wuerttemberg.de/staatsgerichtshof/.

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II.

Wege aus der „Schuldenfalle“ einer (exorbitanten) Staatsverschuldung – der Staatsbankrott?

1.

Die Situation des „Staatskonkurses“, der Widerstreit zu dem Verständnis des Insolvenzrechts als Haftungsverwirklichung

Hohe Staatsverschuldung 75 zeigt bei typischer Weise gleichzeitig fehlenden oder unzureichenden Rücklagen stets Strukturkrisen des betroffenen Gemeinwesens an.

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Finanzierungsmittel decken generell entweder ein Haushaltsdefizit ab, also die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben oder sie dienen der Finanzierung außerordentlicher Ausgaben. In beiden Fällen werden damit die künftigen Staatseinnahmen, bei privater, nicht staatsdominierter Wirtschaft die öffentlichen Abgaben (Steuern, Beiträge, Gebühren), zur Abdeckung bereits getätigter Ausgaben benötigt und verwendet, d.h. der Spielraum des künftigen Haushaltsgesetzgebers bzw. der Haushaltssatzung wird beschränkt. Das kann und wird in der Regel sinnvoll sein, insbesondere bei investiver Verwendung der Finanzierung, die auf die eine oder andere Art Vorteile für das Gemeinwesen mit sich bringt und sich dadurch trägt. Einzelheiten müssen im Rahmen dieser Arbeit dahin stehen und der Finanzwissenschaft, der Betriebswirtschaft und Volkswirtschaft überlassen werden, die sich damit ständig und umfänglich auseinandersetzen.

30

Eine krisenhafte Situation mit nur schwer (oder gar nicht) beherrschbarer Verschuldung war in der Historie regelmäßig die Folge von Kriegen oder Bürgerkriegen.76 Aber auch die Notwendigkeit außerordentlicher finanzieller Anstrengungen im Interesse des Aufbaus von öffentlichen und privaten Infrastrukturen 77 gehören dazu oder – neuestens – die Bemühung um Wahrung von überkommenen Sozialsystemen, die z.B. durch Arbeitsmarktstrukturkrisen und demographische Entwicklungen gefährdet werden.78

31

Bei hoher Staatsverschuldung, deren Abbau den Akteuren durch die ordnungsgemäße Erfüllung auf den im Vertrag oder Gesetz vorgesehenen Wegen (auch langfristig) kaum machbar erscheint, ist es daher nicht überraschend, wenn hohe Verschuldungsgrade als „Schuldenfalle“ empfunden wurden und man daher nach

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75 Zentralstaat oder dessen Gebietskörperschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts. 76 Siehe die Erfahrungen des 1. und 2. Weltkriegs, insbesondere der Währungsreform in Deutschland; vgl. dazu auch die Beispiele unten. 77 Wie in der Bundesrepublik nach der Wiedervereinigung. 78 Siehe in der Bundesrepublik die Diskussion um die gesetzliche Krankenversicherung, die Rentenversicherung und die Leistungen an Langzeitarbeitslose und sonst Bedürftige („Sozialhilfe“, „Hartz IV“), Maßnahmen, die sich nicht durch Beiträge Betroffener bzw. Begünstigter allein finanzieren, sondern erheblicher staatlicher Zuschüsse bedürfen, die wiederum am Kreditmarkt (global) durch Verschuldung der entsprechenden Gebietskörperschaft refinanziert werden.

19

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Auswegen suchte, um die Last zum Nachteil – oder je nach Sichtweise unter Beteiligung – der (privaten) Gläubiger zu verringern.

33

In der Geschichte sind Staatskonkurse dem gemäß nicht selten. Die Thematik ist auch in der Wissenschaft schon vor mehr als hundert Jahren diskutiert worden.79

33a

Zur Begrifflichkeit des „Staatskonkurses“ oder -bankrotts hebt Jaeger in seinem bedeutenden Kommentar zur Konkursordnung 80 indes völlig zutreffend hervor, es handele sich nicht um ein Konkursverfahren, sondern um „ein auf Nichtkönnen oder Nichtwollen beruhender Zustand der Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Verbindlichkeiten, der sich seinem Wesen nach nicht durch eine konkursmäßige Haftungsverwirklichung lösen lässt“.81

33b

Dem liegt die überkommene Wertung des Insolvenzrechts in Deutschland als Rechtsmaterie zugrunde, die ein Verfahren zur (möglichst) gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger aus dem zu liquidierenden Vermögen des Schuldners bereit hält. Ein Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) nach der KO bedeutete exekutorische Zerschlagung des Schuldnervermögens („Gesamtvollstreckung“; siehe § 3 KO) im Gläubigerinteresse.82 Diesem Verständnis folgt auch die Insolvenzordnung in ihrem Hauptziel 83, wenn sie in § 1 Abs. 1 1. HS InsO die gesetzgeberische Entscheidung trifft, das Verfahren diene der gemeinschaftlichen Befriedigung der Gläubiger „indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt“ wird.84

33c

Mit dem fresh start des US-amerikanischen Insolvenzrechts und den entsprechenden Ansätzen neuerer ausländischer Insolvenzrechte, die sich mehr der Reorganisation des Schuldners zuwenden, steht ein solches vollstreckungsrechtliches System nicht im Einklang. Diesem anderen Verständnis ist auch die deutliche Hinwendung zur Sanierung des bestehenden Unternehmens in der von der Europäischen Kommission im Auftrag gegebenen Studie aus dem Jahr 2002 verpflichtet.85 Mag man den fresh start als primäre Funktion, als Hauptziel des Insolvenzrechts, auch ablehnen und gesetzgeberisch die Interessen der Gläubiger im Fokus sehen, also die Haftungsverwirklichung, trägt dieses Konzept jedoch nicht in der Insolvenz 86 79 Siehe aus der umfangreichen Fundstellenangabe von Jaeger, Kommentar zur Konkursordnung, 6./7. Aufl. 1936, § 213 Anm. 1; z.B. Collas, Staatsbankrott und seine Abwicklung, 1904; F. Meili, Staatsbankrott und moderne Rechtswissenschaft, 1895; Pflug, Staatsbankrott und internationales Recht, 1898. 80 Im Vorwort zur ab 1958 herausgegebenen 8. Auflage spricht der Mitherausgeber Friedrich Lent von der Neuauflage „eines Werkes von Weltruf“. 81 Jaeger, aaO, § 213 Rn 1, S. 843. Siehe auch Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 9, 11, der zutreffend feststellt, der „Staatsbankrott“ sei zukunftsorientiert, aaO, Rdnr. 9; das Ausscheiden aus dem Markt, einer der Aspekte des Insolvenzverfahrens bei Unternehmen, funktioniere beim Staat nicht, aaO, Rdnr. 11. 82 Jaeger/Lent, 8. Aufl. 1958, Einl. S. LI, Anm. III. 83 Smid, InsO, Kommentar, § 1 Rdnr. 32. 84 Siehe den Regierungsentwurf zur InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 108 re. Sp. 85 Philippe&Partners, Deloitte&Touche Corporate Finance (Hrsg.), Bankruptcy and a fresh start; stigma on failure and legal consequences of bankruptcy, Brüssel 2002. 86 Zahlungsunfähigkeit sowohl als Mangel an (geeigneten) Zahlungsmitteln zur Begleichung fälliger Schuld (damit im Sinne des § 17 InsO) als auch als strukturelle Zahlungsunfähigkeit; das Merkmal der letzteren ist das Unvermögen des Schuldners, nach Liquidation seiner sämtlichen Vermögenswerte dennoch seine Schuldner nicht vollständig befriedigen zu können (Überschuldung).

20

2. Historische Erfahrungen mit dem Staatskonkurs

souveräner Staaten oder von Gebietskörperschaften. Befinden sich diese in einer die wirtschaftliche Existenz bedrohenden Zahlungskrise, erhält also der Staat keinen Kredit mehr und kann er fällige Schulden nicht bezahlen, scheidet aus völkerrechtlicher Sicht dennoch eine alle Aktiva des souveränen Staates liquidierende Gesamtvollstreckung der Natur der Sache nach aus. Das Gemeinwesen muss auch weiterhin seine staatlichen Aufgaben gegenüber seinen Bürgern und in der Völkergemeinschaft erfüllen. Der Staatsbankrott kann, wenn überhaupt, in „verfahrensmäßiger“ Form, nur im Rahmen einer Restrukturierung gesteuert werden.

33d

Das gilt auch für Gebietskörperschaften eines Staates, jedenfalls, soweit diese mit verfassungsrechtlichem Schutz (insbesondere mit Bestandsgarantie) ausgestattete juristische Personen des öffentlichen Rechtes sind.

33e

Im Übrigen würde die vollständige Liquidation aller Aktiva nicht weiter helfen: Soweit diese als Infrastrukturen benötigt werden, um der künftigen Entwicklung der Region und ihrer Bevölkerung im Gesamtstaat zu dienen, müsste dieser die „liquidierten“ Vermögenswerte der Gebietskörperschaft wieder aufbauen oder aus der „Insolvenzmasse“ aufkaufen.

33f

Die Insolvenzsituation kann, seltener bei Staaten, problemloser bei deren Gebietskörperschaften, durch Eintritt in einen anderen Staat, der die Schulden des Eintretenden übernimmt oder durch Fusion zweiter innerstaatlicher Gebietskörperschaften mit derselben Zielrichtung aufgefangen werden. Die „Altschulden“ zahlt dann im wesentlichen die Gesamtheit der Steuerzahler, die „übernehmende“ Gebietskörperschaft wird Gesamtrechtsnachfolger.

34

2.

Historische Erfahrungen mit dem Staatskonkurs

In der Historie gibt es umfangreiche Erfahrungen mit der Zahlungsunfähigkeit oder der wirtschaftlichen Notlage von Staaten und wie damit umgegangen wurde.

35

Eine „bewährte“ Methode von Staaten zur Behebung der staatlichen Insolvenz ist historisch betrachtet die Münzverschlechterung bzw. die Finanzierung der Staatsschuld mit der Notenpresse durch „Hyperinflation“, wobei jede Geldentwertung dem Staat die Befriedigung der Staatsschuld erleichtert, soweit sie nicht auf seiner eigenen Ebene wiederum zu erhöhten Ausgaben führt.

36

Ebenso wie der Staatsbankrott selbst sind historisch auch die sonstigen Methoden zu seiner Beherrschung oder Steuerung nicht neu.87

37

Im 16. Jahrhundert hatte Spanien während der Regierung Philipps II. allein dreimal den Staatsbankrott erklärt, ein Ereignis, das sich unter seinen Nachfolgern im 17. Jahrhundert noch fünfmal wiederholte; in Abständen von fünf bis zwanzig

37a

87

Zu Details heute angedachter Steuerungsmechanismen siehe Kapitel III 2.

21

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Jahren jeweils trat der Staatskonkurs ein.88 Die Staatsbankrotte Spaniens im 16. Jahrhundert brachten das damals schon „global“ agierende Handelshaus der Fugger an den Rand eigenen Ruins (1564), die Verluste aus der Finanzierung der spanischen (habsburgischen) Staatsschuld waren enorm, ein Fall der frühen Neuzeit mit Beteiligung „Privater“ 89 an der Sanierung des Staates.

37b

Im 18. Jahrhundert war die Entschuldung des Staates auf dem Wege des ausdrücklich erklärten Staatsbankrotts gleichfalls vertraut bzw. üblich, aber auch die Heraufsetzung des Münzwertes bei gleichem Metallgehalt an (Edel)metallen oder die Herabsetzung des Metallgehaltes, gelegentlich beides parallel.90 Diese Methodik wertet die Währung ab und erleichtert die nominale Rückzahlung der Staatsschuld. Adam Smith stellt dazu fest, bei Überschreitung einer bestimmten Grenze der Staatsverschuldung sei die „gerechte“ und „vollständige“ Rückzahlung nie gelungen. Soweit man die Staatsfinanzen überhaupt in den Griff bekommen habe, sei dies durch (teilweise offenen) Bankrott geschehen. Teilweise habe man zwar Rückzahlungen geleistet, deren Wert aber durch die oben erwähnten Methoden (der Manipulation) des Währungswertes (drastisch) gemindert wurde, wodurch eben das „materielle“ Ergebnis eines Konkurses erreicht wurde, nämlich die teilweise Befreiung von der Schuldenlast zum Nachteil der Gläubiger.91 Smith kritisiert diese Methoden heftig als betrügerisch.

37c

Aus dem 19. Jahrhundert darf an den Staatsbankrott Dänemarks im Jahre 1813 als Folge der napoleonischen Kriege und der daraus resultierenden Inflation erinnert werden, der die Herzogtümer Schleswig und Holstein als Teil des damaligen dänischen Gesamtstaates ebenfalls in den Bankrott trieb; Dänemark behalf sich nicht nur mit der Beschlagnahme der Edelmetallbestände (Silber) der Herzogtümer, sondern mit einer 6 %-igen Zwangssteuer auf den gesamten Immobilienbesitz mit den entsprechenden einschneidenden Folgen für die grundbesitzende Bevölkerung.92

37d

Am Ende des 19. Jahrhunderts wird von dem Schweizer Juristen Friedrich Meili sehr kritisch von Zins- und Kapitalkürzungen sowie von Zahlungsaussetzung durch das seinerzeitige Osmanische Reich, Spanien und Ägypten berichtet. Er weist

88 Vgl. zum spanischen Staatsbankrott Edelmayer, Der Aufstieg zur Hegemonialmacht unter Karl V. . . . bzw. Das 17. Jahrhundert – eine Epoche der Dekadenz?, in: Schmidt, Kleine Geschichte Spaniens, 2004, S. 145 ff. bzw. S. 180 ff. : Staatsbankrotte ereigneten sich in den Jahren 1557, 1575, 1596 (Regierungszeit Philipps II.), 1607, 1627, 1647, 1652, 1662; Edelmayer, aaO, Tabelle S. 146, 180 f. 89 Siehe dazu Details in Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Mannheim, 1973, Band 9, S. 523 f.; es sollen 5,8 Mio. Gulden verloren gegangen sein, eine erhebliche Summe, deren Wert indes nicht exakt mit heutigen Maßstäben zu umschreiben ist. 90 Siehe Adam Smith, An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations, 1776 in der deutschen Übersetzung von Recktenwald (Hrsg.), Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen, 11. Aufl. 2005, Fünftes Buch, Drittes Kapitel („Staatsschulden“), S. 803 ff. [219 ff.]; vgl. die dortigen Beispiele, so Smith „von der Antike bis zur Gegenwart“. Die nachfolgenden Zitate orientieren sich an der Begrifflichkeit der deutschen Übersetzung von Recktenwald. 91 Smith, aaO, S. 803 f. [219 f.]. 92 Zu Einzelheiten siehe Kratzmann, Der Staatsbankrott, JZ 1982, 319 ff./319 re. Sp./320 li. Sp. sowie Haese/Prawitt-Haese, „Zur Beförderung des heilsamen Sparkassenwesens“, Schleswig-Holstein im dänischen Gesamtstaat (1790er–1864), S. 11 f.

22

2. Historische Erfahrungen mit dem Staatskonkurs

„auf die außerordentlich bequeme Praxis gewisser Staaten, sich ihrer Schulden zu entledigen“, hin.93 Auch Finanzierungsprobleme von Kommunen sind beileibe kein neues Phänomen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts. So etwa kam es in der römischen Spätantike bereits zu einer „allgemeinen“ Finanzkrise von Kommunen.94

38

Infolge der Beteiligung an Eisenbahnprojekten kamen Ende des 19. Jahrhunderts Schweizer Kommunen in Bedrängnis.95 Etwas in Vergessenheit geraten scheint aus der jüngsten deutschen Geschichte die Staatsinsolvenz des vormaligen deutschen Reiches nach dem 2. Weltkrieg, deren Abwicklung der Parlamentarische Rat u.a. durch Art. 134 GG und der Deutsche Bundestag durch Art. 135a GG und das Allgemeine Kriegsfolgengesetz (AKG) steuerte.96 Das BVerwG hat dies in seinem Urteil vom 03.11.2005 wieder in Erinnerung gebracht und eine Haftung der Bundesrepublik für Schulden des Deutschen Reiches aus militärischen Altlasten verneint.97 Das AKG ist das „Insolvenzgesetz“, mittels dessen die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Reichs abgewickelt worden ist und das der Bundesrepublik einen von dergleichen „Altlasten“ weitgehend bereinigten Start ermöglichte. Sein System besteht im Erlöschen sämtlicher Ansprüche (§ 1) mit Ausnahme ausdrücklich bezeichneter besonderer Forderungen, die z.B. aus sozialen Gründen nicht völlig ausgeschlossen wurden.

39

Art. 135a Abs. 2 GG sieht eine ähnliche Gestaltung für Staatsschulden der vormaligen DDR vor. Ebenfalls aus der jüngsten deutschen Vergangenheit darf an § 40 I DM-BilanzG 98 erinnert werden, der „Geldinstituten und Außenhandelsbetrieben“, die nach der Wiedervereinigung 1990 sonst als Folge der Währungsumstellung und Neubewertung der Aktiva und Passiva der Unternehmen nach §§ 6 ff. des Gesetzes ggf. überschuldet gewesen und in die Gesamtvollstreckung geraten wären, eine verzinsliche Forderung gegen den „Ausgleichsfonds Währungsumstellung“ einräumte, die diese Folge vermeiden sollte. Den „Geldinstituten“ der DDR wurde nach § 40 Abs. 2 DMBilG zur Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalgrundsätze eine darüber hinausgehende Forderung eingeräumt, die ihnen ein

39a

93 Meili, Die Schuldenexecution und der Concurs gegen Gemeinden, Zürich, 1880, Schlussbemerkung S. 57 f./58. 94 Siehe Kloft, Die Wirtschaft der griechisch-römischen Welt, 1992, S. 236 f. mwN. 95 Siehe dazu unten Kapitel V 2c) Rdnr. (199) ff., die sog. Nationalbahn-Misere. 96 Nicht vergessen werden darf auch die Währungsreform 1948, die ebenfalls „klassisch“ die Staatsschuld revidieren half. Vgl. dazu das DM-Umstellungsgesetz, Kapitel III 1a), Rdnr. (96a) und Fn. 331. 97 BVerwG, Urt. v. 03.11.2005 – 7 C 27.04 (zur Verneinung der Haftung der Bundesrepublik für Rüstungsaltlasten des vormaligen deutschen Reichs) DVBl. 2006, 186 = NVwZ 2006, 354; siehe dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 8/2006 v. 30.03.2006, Anm. 1. 98 Gesetz über die Eröffnungsbilanz in Deutscher Mark und die Kapitalneufestsetzung (DMBilG), Einigungsvertrag v. 31.08.1990 (BGBl. 1990 II 1885, publ. unter Einigungsvertrag: Sonderdruck aus der Sammlung „Das deutsche Bundesrecht“, Baden-Baden, 1990) Anlage II Kapitel III Sachgebiet D idF der Bekanntmachung v. 28.07.1994 und idF der Änderung bis Art. 8 Abs. 19 des Gesetzes v. 04.12.2004, BGBl. 2004 I 3166.

23

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Eigenkapital von 4 % der Bilanzsumme und eine Grundsatz I-Belastung 99 bis zum 13-fachen des Eigenkapitals ermöglichte, um das Kreditgeschäft fortführen zu können. 3.

Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses in der Bundesrepublik und auf europäischer Ebene

a)

Strukturen in der Bundesrepublik Deutschland (Überblick)

aa)

Der Finanzausgleich im Bund und die Mindestausstattungspflicht der Länder gegenüber ihren Gebietskörperschaften als wesentliches Strukturelement der Finanzierung der Kommunen

40

Wesentliches Strukturelement zur Vermeidung der Haushaltskrise auf Bundes- und Länderebene ist der horizontale und vertikale Finanzausgleich insbesondere nach Art. 107 GG und dem Finanzausgleichsgesetz (Bund).

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Daneben existiert eine Fülle verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Bestimmungen der Länder über den landesinternen Finanzausgleich und Zuwendungen an die Regionalkörperschaften zur Finanzierung auferlegter Aufgaben und zu Investitionen. Neben den Landesverfassungen, spezifischen Gesetzen über die Gemeindefinanzierung und neben den Finanzausgleichsgesetzen stehen Regelungen der Gemeinde- oder Kreisordnungen über generelle finanzielle Ausstattungspflichten der Länder gegenüber den Kommunen bzw. Bestimmungen über die Kostendeckung im übertragenen Wirkungskreis. Pauschalierungssysteme und ähnliche Modelle führen dazu, dass nicht jede Kostenbelastung, die mit der Übertragung von Aufgaben verbunden ist, konkret ausgeglichen wird. Damit wird zugleich verhindert, dass derjenige kommunale Leistungsträger, der die auferlegte Aufgabe ökonomisch am ineffizientesten erledigt, hierfür durch die Höhe der Ausgleichsleistungen honoriert wird. Der interkommunale Finanzausgleich auf der Basis landesrechtlicher Vorschriften belastet „reiche“ Gemeinden zugunsten weniger finanzkräftiger Gebietskörperschaften.

41a

Vorschriften zur Kreditbegrenzung in den Haushalten der Länder sind Bestandteile der Länderverfassungen, sie sollen auf Länderebene Verschuldungskrisen verhindern. Haushaltsgesetze bzw. Gesetze mit klaren Finanzierungszuweisungen sind damit justiziabel, die Möglichkeiten hierzu werden auch genutzt.100 Eine Reihe von Bundesländern begrenzt z.B. die Kreditaufnahme der Höhe und der Sache nach auf die Investitionssumme der im Haushaltsjahr vorgenommenen Investitionen des Landes. Ausnahmen gelten bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und in ähnlichen Fällen, die die Verfassung als so gravierend ansieht, dass man die Obergrenzen aufgrund des dann höherrangigen Interesses nicht einhalten 99 Siehe unten Kapitel VI 2), Rdnr. (289) ff. und § 10 KWG. 100 Siehe z.B. BerlVerfGH , Urt. v. 31.10.2003 – VerfGH 125/02 – NVwZ 2004, 210 ff., Nichtigerklärung von Bestimmungen des Haushaltsgesetzes von Berlin 2002/2003, da die Voraussetzungen der Überschreitung der Kreditobergrenze, die danach u.a. bei extremer Haushaltsnotlage zulässig ist, nicht dargelegt waren. Vgl. auch NWVerfGH, Urt. v. 02.09.2003 – VerfGH 6/02 – NVwZ 2004, 217 ff., zur Pflicht des Haushaltsgesetzgebers von Nordrhein-Westfalen zur Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots und dazu „Spielräume zur Verschuldungsbegrenzung oder gar -rückführung zu nutzen . . .“.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

muss.101 Andere Landesverfassungen statuieren im Wortlaut weniger bestimmt, Kredit dürfe nur bei außerordentlichem Bedarf 102 oder für werbende Zwecke aufgenommen werden. Ist nach Ablauf des Haushaltsjahres ein Haushaltsgesetz noch nicht erlassen, erlaubt z.B. Hamburg ausdrücklich die begrenzte Aufnahme von Kassenkrediten (Art 67 Abs. 1 Nr. 3 LV) bzw. Hessen die Ausgabe von „Schatzanweisungen“ (Art. 140 Nr. 2 LV). Im Mittelpunkt der Gemeindefinanzierung steht das kommunale Selbstbestimmungsrecht, das seinerseits eine Ausstattungspflicht des Landes 103 generiert, die dennoch selten im Detail so eindeutig scheint, als dass sie problemlos gerichtlich durchsetzbar wäre. Als Kern ist jedoch im Schrifttum und in der Rechtsprechung

101 1.) Art. 84 S. 2 LV Baden-Württemberg – 2.) Art. 103 LV Brandenburg – 3.) Art. 131a S. 1 LV Hamburg – 4.) Art. 65 Abs. 1 LV Mecklenburg-Vorpommern: Eine Ausnahme von der Kreditbegrenzung ist dort nicht nur bei Störungen des wirtschaftlichen Gleichgewichts vorgesehen, sondern auch „zur Überwindung einer schwerwiegenden Störung oder unmittelbaren Bedrohung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Landes“. Die über das normale verfassungsrechtliche Maß hinausgehende „Kreditaufnahme muss nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sein, derartige Störungen oder unmittelbare Bedrohungen abzuwehren“ (Art. 65 Abs. 2 S. 3 LV M-V). – 5.) Art. 83 LV Nordrhein-Westfalen: Kredite dürfen ferner „entsprechend den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in der Regel nur . . .“ bis zur Höhe der Investitionen im Haushalt übernommen werden. – 6.) Art. 71 S. 2 LV Niedersachsen: Kredite dürfen nach Art. 71 „die für eigenfinanzierte Investitionen, Investitionsfördermaßnahmen und zur Umschuldung veranschlagten Ausgaben nicht überschreiten. In Niedersachsen gelten Ausnahmen bei einer „nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Abwehr einer akuten Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen . . .“. – 7.) Art. 117 LV Rheinland-Pfalz – 8.) Art. 108 Abs. 2 LV Saarland – 9.) Art. 95 Satz 2 LV Sachsen – 10.) Art. 99 LV Sachsen-Anhalt: Die Landesverfassung erstreckt die Möglichkeit der Kreditaufnahme auch auf Investitionen für „Aufwendungen für den Schutz und für die Wiederherstellung der natürlichen Lebensgrundlagen“. Die Ausnahme bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ist wie in Mecklenburg-Vorpommern näher präzisiert: „Die erhöhte Kreditaufnahme muss nach Umfang und Verwendung bestimmt und geeignet sein, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwenden:“, Art. 99 Abs. 2 LV LSA. – 11.) Art. 53 S. 2 LV Schleswig-Holstein; Art. 53 LV SH erweitert die Ausnahmen, die eine die Investitionen übersteigende Kreditaufnahme rechtfertigen um die Finanzierung von Maßnahmen zur „Überwindung einer schwer wiegenden Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Landes“. – 12.) Art. 98 LV Thüringen: Auch das Land Thüringen hat die Ausnahmen der Kreditfinanzierung über die Investitionen des Haushaltsjahres hinaus erweitert und zwar um Aufwendungen zur „Überwindung einer schwer wiegenden Störung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung des Freistaats unter Berücksichtigung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts . . .“. 102 1.) Art. 82 LV Bayern – 2.) Art. 87 Abs. 2 LV Berlin: Die Kreditaufnahme ist zulässig, wenn andere Mittel fehlen. – 3.) Art. 72 Abs. 1 LV Hamburg: Die Kreditaufnahme ist daneben „in der Regel“ nur zulässig für „werbende Zwecke“. – 4.) Art. 141 S. 1 LV Hessen (wie Hamburg). 103 Vgl. zu der Thematik Faber, Insolvenzfähigkeit für Kommunen?, LKT 2005, 441 ff./444 mwN; Nierhaus, Verfassungsrechtlicher Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, LKV 2005, 1 ff. mwN; Henneke, Kommunale Finanzgarantien in der Rechtsprechung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 24, S. 443 ff.; Henneke, Grundstrukturen des kommunalen Finanzausgleichs, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25, S. 499 ff.; Hidien, Die Gemeindefinanzen im bundesstaatlichen Finanzausgleich, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 26, S. 513 ff. Zur Kritik am derzeitigen System des kommunalen Finanzausgleichs siehe Scherf, Sachgerechte Zuweisung staatlicher Finanzzuweisungen, Justus-Liebig-Universität Gießen, Finanzwissenschaftliche Arbeitspapiere, Arbeitspapier Nr. 66 – 2003, Gießen, 2003, S. 22 f., erweiterte Fassung eines Vortrags v. 27.03.2003.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

von Landesverfassungsgerichten die Pflicht des Landes zu einer Mindestausstattung zur Erfüllung der Pflichtaufgaben und eines gewissen Maßes an freiwilligen Aufgaben der Selbstverwaltung, unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes, herausgearbeitet worden. Bei weitergehenden freiwilligen Aufgaben bedarf es zusätzlich einer den Aufgaben angepassten Ausstattung, die u.a. der Verteilungssymmetrie unterliegt.104 Die Einzelheiten sind mit landesrechtlichen Besonderheiten und Abweichungen filigran. Die Aufgabenstrukturierung in den Bundesländern (monistische oder dualistische Struktur) 105 hat insbesondere Einfluss auf die Betrachtung der Aufgabenfinanzierung durch die Länder. Unabhängig hiervon bleibt dem Landesgesetzgeber ein beachtlicher Spielraum für politische Entscheidungen. Zunehmend hat sich in den letzten Jahren der Grundsatz der Konnexität durchgesetzt (siehe sogleich lit. bb). Eingriffe des Bundesgesetzgebers mit Belastung der kommunalen Gebietskörperschaften werden in Urteilen von Landesverfassungsgerichten nicht nach dem Konnexitätsprinzip beurteilt, das danach kein allgemeines Instrument der Lastenverteilung ist.106

42a

Auseinandersetzungen mit den gemeindlichen Gebietskörperschaften sind vorprogrammiert, wenn insbesondere bundesgesetzlich Aufgabenverschiebungen stattfinden und die kommunale Seite sich dabei massiv benachteiligt sieht. Auf die derzeitig (2006) geführte Debatte über die auszugleichenden Kosten von Hartz IV darf hingewiesen werden 107; dort geht es um Summen zwischen 3,9 und 5,5 Mrd. € für 2007 mit unterschiedlichen Ansätzen und Gewichtungen.108

42b

Die oben grob umrissenen Strukturen sollen u.a. den Haushaltsnotstand vermeiden oder doch steuern. Es handelt sich um allein innerhalb der Staatsverwaltung angesiedelte Vermögensverschiebungen. In der Literatur ist zwar über die „Außenhaftung“ der Länder diskutiert worden, d.h. darüber, ob Gläubiger Zahlungsansprüche

104 Nierhaus, Verfassungsrechtlicher Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung, LKV 2005, 1 ff./6 mwN, insb. unter Hinweis auf das Neulietzegöricke-Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg v. 16.09.1999, LVerfGE 10, 237 ff., siehe Anhang III. 105 Henneke, Grundstrukturen des kommunalen Finanzausgleichs, aaO, Rdnr. 16 ff., unterscheidet nach Aufgabenstruktur und Finanzierung verschiedene Modelle in den Bundesländern: Die überkommene Struktur der Aufgaben ist „dual“ (Henneke aaO, Rdnr. 16) und differenziert nach Selbstverwaltungsaufgaben und übertragenen staatlichen Aufgaben. Das „monistische Modell“ hingegen geht von einer Betrachtung der Aufgaben der Kommunen aus, die nicht nach eigenen und vom Staat übertragenen Aufgaben differenziert, sondern alle einheitlich als „öffentliche Aufgaben“ begreift (Henneke, aaO, Rdnr. 12 ff.). Die Diskussion über die Aufgabenstrukturierung wird in der Bundesrepublik von Anfang an geführt (siehe Henneke, aaO, Rdnr. 13); siehe zu dualistischer und monistischer Struktur aus der älteren Literatur auch von Unruh, Gemeinderecht, in: von Münch (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 1976, S. 78 ff., I 4c), S. 101 ff./102. Zum „Monismus“ vgl. z.B. § 2 GemO BW; monistisch sind auch die Gemeindeordnungen von Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. Zum Dualismus vgl. nur Art. 6 Abs. 2, 7, 8 GO Bayern. 106 Siehe z.B. StGH Baden-Württemberg, Urt. v. 10.05.1999 – JZ 1999, 1049, ebenso VerfGH Sachsen, Urt. v. 23.11.2000 – Vf. 53-II-97 – www.justiz.sachsen.de/gerichte/homepages/verfg/ docs/49-VIII-97a.pdf. 107 Siehe hierzu nur den Beitrag „Bettelbrief an die Kommunen“, FAZ v. 11.08.2006, S. 13. 108 Vgl. zu Details den Beitrag „Bund und Kommunen streiten um 3,5 Milliarden“, FAZ v. 22.08.2006, S. 9.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

gegen kommunale Gebietskörperschaften auch gegen das jeweilige Bundesland durchsetzen könnten. Erörtert wurde dabei auch eine Anwendung der Grundsätze der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung.109 Im Ergebnis sind diese Erwägungen aber ganz überwiegend auf Ablehnung gestoßen.110 Dem ist im Ergebnis de lege lata zuzustimmen. Ein unmittelbarer Anspruch der Gläubiger der Gebietskörperschaft gegen das Land aus einer Ausstattungsgarantie besteht somit nicht. Ebenso wenig ist der Anspruch auf Finanzausgleich oder sonstige Leistungen im Umfeld der Ausstattungsverpflichtung des Landes der Pfändung durch kommunale Gläubiger zugänglich. Auch die Verpfändung oder Zession zur Sicherung scheidet aus. Beides wäre unzulässige Besicherung eigener Verbindlichkeiten der Kommunen, die nur sehr eingeschränkt gestattet ist.111 Die Vollstreckung in solche öffentlich-rechtlichen Forderungen wäre wohl jedenfalls unter dem Aspekt der Gefährdung der Erfüllung der öffentlichrechtlichen Aufgaben des Schuldners 112 nicht zuzulassen. Zu Gegenstimmen in der Literatur darf auf die Darstellung der Einzelvollstreckung gegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts in Kapitel IV/5 verwiesen werden.

42c

Unabhängig hiervon würde ein Land eine Kommune zur Vermeidung negativer Rückwirkungen auf die Bonität aller Gebietskörperschaften sicher nicht ohne Hilfe lassen, wenn einmal alle Mechanismen zur Vermeidung der unbewältigbaren Krise erfolglos waren. Nicht ausgeschlossen mag auch in geeigneten Fällen eine kommunale Gebietsreform unter Einbindung der Not leidenden Gebietskörperschaft in eine größere kommunale Organisation sein oder die Auflösung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts unter gleichzeitiger Übernahme ihrer Aufgaben und Verbindlichkeiten durch einen oder mehrere Rechtsnachfolger.

42d

bb)

Die Basis der Kommunalfinanzierung, das Konnexitätsprinzip, Regelungen in den einzelnen Flächenbundesländern

Die Finanzierung der Kommunen ruht infolge der Rechtslage in den Bundesländern nach verbreiteter Kategorisierung auf zwei großen „Säulen“ („Dualismus“) 113, geprägt von dem Grundsatz angemessener (hinreichender ?) Ausstattung durch die

109 Siehe dazu Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 206–208 mwN aus der Literatur; vgl. Kirchhof, Das Finanzierungssystem der Landkreise, DVBl. 1995, 1057 ff. sowie den Beitrag „Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise“, in: Ipsen, Gemeinden und Kreise in der bundesstaatlichen Finanzverfassung, Baden-Baden, 1995, S. 59 f. 110 Strikt ablehnend auch Faber, aaO, LKT 2005, 444; ablehnend Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 207, 211 ff.; der Autor leitet den Anspruch der Kommunen aus der Aufgabenlast her, S. 273, Ziff. 19–21. 111 Vgl. hierzu Kapitel VI 4 b), Rdnr. (315) ff. 112 Vgl. z.B. § 136 Abs. 1 Niedersächsische Gemeindeordnung zur Zulassungsverfügung bei der Zwangsvollstreckung gegen Kommunen und den „materiellen“ Schuldnerschutz durch Beschränkung der Gegenstände, in die die Vollstreckung zulässig ist. 113 Begrifflichkeit bzw. Kategorisierung nach Henneke, Kommunale Finanzgarantien in der Rechtsprechung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 24, insb. Rdnr. 16 ff. mwN dazu bzw. Mückl, Konnexitätsprinzip in der Verfassungsordnung, ebda., § 3, Rdnr. 59 ff./60 ff. Inwieweit das Konnexitätsprinzip effektiv und nachhaltig die Finanznot der Kommunen insgesamt verbessert, muss abgewartet werden. Eine entscheidende Besserung der wirtschaftlichen Lage der einzelnen Gemeinde kann es sicher allein nicht leisten, da

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Länder auf der einen, der Kostendeckung für übertragene Aufgaben auf der anderen Seite.

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Zu der einen „Säule“ gehört danach das eigene Steuererhebungs- und das durch Landesrecht, insbesondere die Kommunalabgabengesetze, determinierte begrenzte Steuerfindungsrecht der Kommunen 114 sowie das Recht zur Erhebung von Gebühren, Beiträgen und sonstigen Abgaben. Damit verwirklicht sich in gewissem Umfang die Finanzhoheit der Gebietskörperschaften. Hierzu gehören aber als weiteres Standbein auch die staatlichen Zuweisungen aufgrund Bundesrechts und der Finanzausgleich nach den landes- und bundesrechtlichen Vorschriften.

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Damit ist indes noch nicht die Frage gelöst, wer Aufgaben bezahlt, die den Kommunen vom Staat neu übertragen werden oder deren Erledigungsstandards er mit der Folge von Verteuerungen ändert, unabhängig davon, welches Modell der Aufgabenstrukturierung in dem jeweiligen Bundesland realisiert ist. Damit ist die Frage des staatsrechtlichen Konnexitätsbegriffes berührt. Die Kostentragung durch den „Aufgabenverursacher“ muss notwendige weitere „Säule“ der Kommunalfinanzen sein. Die neuere verfassungsrechtliche und kommunalrechtliche Entwicklung ist von der wohl einhelligen Anerkennung der dem zugrunde liegenden Erkenntnis geprägt, dass Aufgaben – und Ausgabenverantwortung nämlich (mehr) in Einklang gebracht werden müssen. Es soll nicht so sein, dass neue staatliche Aufgaben bejaht bzw. entwickelt werden und die für die Entscheidung zuständige Gebietskörperschaft die Aufgabe einer in der Staatsorganisation ihr untergeordneten Einheit zuweist und ihr die Kosten aufbürdet. Dasselbe gilt bei der Weiterübertragung einer bereits bestehenden öffentlichen Aufgabe. Typisch hierfür wäre, wenn das Land durch Gesetz des Landesparlamentes Kommunen bestimmte Aufgaben auferlegen könnte, ohne deren Finanzierung zu berücksichtigen. Dabei kann es übrigens nicht hinreichend sein, wenn es z.B. für die Ersterrichtung der angeordneten Infrastruktur zwar einen erheblichen Zuschuss geben würde, die Folgekosten über Jahrzehnte aber allein der Kommune obliegen würden.

45a

Das Konnexitätsprinzip bringt die Divergenz zwischen Aufgaben- und Ausgabenzuständigkeit zur Deckung. In Form der strikten Konnexität muss der Gesetzgeber bei Aufgabenübertragung Kostenregelungen treffen (entweder in der die Übertragung regelnden Rechtsnorm oder in gesondertem Regelwerk) und zugleich entstehende Mehrbelastungen „ganz- oder teilweise“ zu Lasten seines Haushalts oder seiner sonstigen Finanzmittel ausgleichen.115

dabei eine Fülle individueller Faktoren eine Rolle spielen dürfte, die das zum Mehrkostenausgleich verpflichtete Land bei der übergreifenden Betrachtung aller Gebietskörperschaften kaum sämtlich berücksichtigen kann. So betrachtet bedeutet Konnexität keineswegs Kostenneutralität im Einzelfall. 114 Vgl. hierzu Waldhoff, Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 13, insb. Rdnr. 5 f. 115 Zur Begrifflichkeit siehe Henneke, aaO, sowie Mückl, Konnexitätsprinzip in der Verfassungsordnung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 3, insb. Rdnr. 17, 18, 59 ff., der Autor spricht sogar von einem „Siegeszug des Konnexitätsprinzips“, aaO, Rdnr. 59.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Der Ausgleich der Mehrbelastung kann angesichts der wohl meist vielfältigen Möglichkeiten der Erfüllung der übertragenen Aufgaben und der unterschiedlichen Effizienz, die bei einer Vielzahl von zuständigen Aufgabenträgern vorhanden sein wird, nicht die konkrete Kostenübernahme bedeuten. Das wäre der Fall, wenn das Land für die Aufgabenerfüllung periodisch Abschlagszahlungen leisten und auf Nachweis nach Ablauf der relevanten Rechnungsperiode eine Schlusszahlung erbringen würde. Damit wiederum wäre die Gebietskörperschaft, die die Aufgabe überträgt, finanzwirtschaftlich in der Hand der Körperschaft, die sie erfüllt. Es würde ein falscher Anreiz gesetzt, die öffentliche Aufgabe nicht hinreichend effizient zu erfüllen. Die allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit dürften im Einzelfall nicht hinreichend sein, um die Risiken aus der Übertragung für den Haushalt der übergeordneten Körperschaft einzugrenzen. Maßstab muss daher z.B. eine pauschalierende Betrachtung sein, die von einer „mittleren“ Effizienz ausgeht und auf dieser Basis zu Ausgleichsleistungen bei Mehrbelastungen kommt.116

45b

„Relative“ Konnexität fordert lediglich Kostenregelungen ohne ausdrückliche Bestimmungen über den notwendigen Finanzausgleich.117 Grenzen sind dann nur die verfassungsrechtlichen Ausstattungspflichten. Es verwundert nicht, dass das Modell der relativen „Konnexität“ sich überlebt hat. Ob materiell die Unterschiede substantiell waren, mag dahinstehen. Die verschiedenen Spielarten auch der strikten Konnexität eröffnen dem Landesgesetzgeber bei den einzelnen Aufgabengesetzen hinreichende Spielräume. Sie entlasten aber auch die Gemeinden nicht völlig von den zusätzlichen Kosten neu übertragener oder geänderter Aufgaben. Die Gebietskörperschaften sind trotz der in der nachfolgenden Übersicht teilweise anzutreffenden prozeduralen Sicherung der kommunalen Beteiligung an kostenauslösenden Bestimmungen mehr Objekt denn Subjekt der Gesetzgebung.

45c

In den Ländern ist die Rechtslage zur Kommunalfinanzierung insgesamt 118 sowie zur Konnexität unterschiedlich.119 Prinzipiell lassen sich Gruppen von Landesrechten bilden, die untereinander nach Aufgabenerfüllung und Finanzierung vergleichbar sind.120 Aufgrund der im Detail aber doch voneinander abweichenden landesrechtlichen Regelwerke wird nachfolgend auf eine Darstellung der Länder nach einzelnen Gruppen verzichtet und an der alphabetischen Reihenfolge festgehalten.

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116 Zu Einzelheiten des Ausgleichs und zu Pauschalierung siehe Mückl, aaO, Rdnr. 77, 80 f., 85 ff. 117 Zur „relativen“ Konnexität siehe Mückl, aaO, Rdnr. 64; Henneke, aaO, Rdnr. 17 ff. 118 Nachfolgend werden aus dem Kommunalrecht allein die Normen für die Gemeinden behandelt, auf eine Darstellung zu den Kreisen wird verzichtet. 119 Zur Verbindung zwischen monistischer und dualistischer Aufgabenübertragung auf die Kommunen und dem „dualen“ Finanzierungssystem siehe im einzelnen Henneke, aaO, § 24 Rdnr. 16 ff. 120 Henneke, aaO.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

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Bayern 121 Das bayerische Landesrecht steht für die überkommene „dualistische“ Aufgabenerfüllung und für eine „dualistische“ 122 Finanzierung kommunaler Aufgaben. Art. 11 Abs. 2 LV 123 erkennt den Gemeinden die Ordnung und Verwaltung ihrer „eigenen Angelegenheiten“ zu, wobei die Selbstverwaltung dem Demokratieaufbau „von unten nach oben (dient)“ (Art. 11 Abs. 4 LV). Staatliche Aufgaben, die im Namen des Freistaats Bayern erfüllt werden, können ihnen durch Parlamentsgesetz übertragen werden (Art. 11 Abs. 3 LV). Details zu dem eigenen Wirkungskreis der Gemeinden enthält Art. 83 Abs. 1 LV.

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Den Aufgaben entspricht die Finanzierung: Die Kommunen decken ihre Ausgaben durch öffentliche Abgaben (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 LV). Eine ausdrückliche Bestimmung zum Finanzausgleich fehlt indes; sie ist infolge der bundesrechtlichen Steuerzuweisungen nach dem Grundgesetz (vgl. Art. 106 GG) und der die Lücken schließenden Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs aber auch nicht zwingend.124

47b

Das strikte Konnexitätsprinzip enthält Art. 83 Abs. 3 LV, das durch ein Konsultationsverfahren mit „den kommunalen Spitzenverbänden“ prozedural abgesichert ist. Art. 83 Abs. 3 S. 1 LV verpflichtet den Freistaat ausdrücklich, Kostendeckungsregelungen nicht nur bei der Aufgabenübertragung neuer staatlicher Aufgaben oder bei der Zuweisung neuer Aufgaben im eigenen kommunalen Wirkungskreis zu schaffen, sondern dies auch bei Änderungen bereits existenter Aufgaben zu tun („... stellt er besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender oder neuer Aufgaben“). Bei Mehrbelastungen „... ist ein entsprechender finanzieller Ausgleich zu schaffen“ (Art. 83 Abs. 3 Satz 2).

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Gemeinderechtlich spiegelt sich die verfassungsrechtliche Lage in den Art. 6–8 GO, das Konnexitätsprinzip findet seine knappe Darstellung in Art. 8 Abs. 4 GO zum übertragenen Wirkungskreis. Danach „... (sind) bei der Zuweisung von Angelegenheiten gleichzeitig die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen“. Dem Landesgesetzgeber bleibt danach bei Gesetzen, die Kosten zu Lasten der Gemeinden generieren, keine Wahl als eine präzise Kostenfolgenabschätzung vorzunehmen und die Kommunen entsprechend zu refinanzieren. Zugewiesen werden Mittel, soweit sie „notwendig“ sind, so dass auch Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sowie Effizienz der Aufgabenerfüllung gewährleistet sind.

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Baden-Württemberg Die baden-württembergische Lösung der Aufgabenerfüllung ist monistisch, „die Gemeinden sind in ihrem Gebiet die Träger der öffentlichen Aufgaben ...“ (Art. 71 121 Zum Stand und zu den Fundstellen der im folgenden behandelten Landesrechte siehe Anhang I. 122 Zur Begrifflichkeit des Dualismus vgl. insb. Henneke, aaO, Rdnr. 16 ff., passim. 123 „LV“ meint stets die jeweilige Landesverfassung eines Bundeslandes, unabhängig, wie das Landesrecht sie abkürzt oder wie die „Langform“ lautet. 124 Vgl. z.B. Bay VerfGH, Urt. v. 27.02.1997 – Vf. 17-VII-94 – Bay. VBl. 1997, 303 ff.; so auch Henneke, aaO, Rdnr. 15 mwN.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Abs. 1 LV). Da den Gemeinden durch Gesetz öffentliche Aufgaben übertragen werden können (Art. 71 Abs. 3 Satz 1 LV), bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass die anlässlich dessen zu treffenden Kostenregelungen den „entsprechenden finanziellen Ausgleich“ der Mehrbelastungen vorzusehen haben, so dass auch in Baden-Württemberg strikte Konnexität besteht. Art. 73 Abs. 1 LV garantiert die zur Aufgabenerfüllung nötige Finanzausstattung, die Absätze 2 und 3 enthalten die Steuer- und Abgabenhoheit der Kommunen sowie den Finanzausgleich in Gestalt der Beteiligung der Kommunen an den Steuereinnahmen des Landes und zwar nach Maßgabe eines gesonderten Gesetzes und „unter Berücksichtigung der Aufgaben des Landes“. § 2 Abs. 2 GemO wiederholt bei der Regelung der Übertragung von Pflichtaufgaben auf die Kommunen das Konnexitätsprinzip des Art. 71 Abs. 3 LV fast wörtlich.

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Brandenburg

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Die Lösung des Landes Brandenburg ist ebenfalls dualistisch bei der Aufgabenerbringung (Art. 97 Abs. 2, 3 Satz 1 LV) bei strikter Konnexität der durch Gesetz oder sonstige das Gesetz ausfüllende Normen (Satzungen, Rechtsverordnungen) übertragenen Aufgaben (Art. 97 Abs. 3, Sätze 2, 3 LV). Die Gemeinden und ihre Verbände sind vorher zu hören (Folge aus Art. 97 Abs. 4 LV). Steuerfindungsrecht auf der Basis bestehender Gesetze und Finanzausgleich stellen die weiteren Grundlagen der kommunalen Einnahmen dar (Art. 99 LV). Einfachgesetzlich bestimmt § 3 Abs. 3 Satz 2 GO die Möglichkeit der Übertragung von pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben auf die Gemeinden bzw. von Pflichtaufgaben, die nach Weisung des Landes auszuführen sind. Nach § 3 Abs. 7 GO können den Gemeinden auch „ausnahmsweise“ aufgrund entsprechenden Gesetzes Aufgaben zur Erledigung im Auftrag übertragen werden.

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Die Kostenregelung Brandenburgs ist in § 4 GO („Erstattung von Kosten“) sehr konkret. Das Land hat sämtliche mit der Aufgabenübertragung verbundenen Kosten bei den Pflichtaufgaben nach Weisung oder den Auftragsangelegenheiten zu tragen (§ 4 Abs. 1 GO). Werden freiwillige zu „pflichtigen“ Selbstverwaltungsaufgaben, ist nur noch ein „angemessener Kostenausgleich“ zu leisten. Ändert sich bei diesen Aufgaben z.B. der Standard, ist dies gleichfalls zu „berücksichtigen“, d.h. der Finanzausgleich erhöht oder vermindert sich mit dem geforderten Standard, eine sachgerechte Lösung, die ökonomisch nur die jeweilige Belastung ausgleicht. Die Bestimmungen über die Kosten und deren Ausgleich müssen zeitgleich in das Normsetzungsverfahren eingebracht und geschätzt werden. Sie sind jährlich „im Gemeindefinanzierungsgesetz bereitzustellen und fortzuschreiben“ (§ 4 Abs. 3 GemO). Dieses Konzept behält die jeweiligen Kosten und ihre Veränderungen im Auge. Sie erleichtert notwendige Strukturanpassungen (oder auch einmal den Verzicht auf eine Aufgabe).

49b

Hessen

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Die Aufgabenstruktur in Hessen ist dualistisch, den Kommunen können neben ihren eigenen Aufgaben (Art. 137 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 LV) solche des Landes „... durch Gesetz oder Verordnung ... zur Erfüllung nach Anweisung“ übertragen

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

werden“ (Art. 137 Abs. 4 LV). Die notwendigen Finanzierungsmittel für all diese Aufgaben sind durch „Lasten- und Finanzausgleich zu sichern.“ Für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben müssen den Kommunen eigene Finanzquellen zur Verfügung stehen (Art. 137 Abs. 5 LV).

50a

Strikte Konnexität ist bei der Übertragung staatlicher Aufgaben nach Anweisung ebenso wie bei der Übertragung neuer oder der Änderung bestehender eigener Aufgaben gefordert. Mehrbelastungen, aber auch Entlastungen der Gemeinden „in ihrer Gesamtheit“, führen zu einem „entsprechenden Ausgleich (Art. 137 Abs. 6 Satz 2 LV)“. Das ist an die Gemeinden ein klares Signal zu effizienter Aufgabenerfüllung. Entscheidend für die Leistungen des Landes sollte damit der Durchschnitt der Kommunen sein, nicht die Einzelgemeinde. Bei besonders effizienter Erfüllung droht auf der anderen Seite keine Reduzierung der Ausgleichsleistungen.

50b

§ 3 Satz 1 HGO spiegelt auf einfachgesetzlicher Ebene die Konnexität kurz und knapp. Unabhängig von der Art der Aufgabe können danach neue Pflichten nur durch Gesetz auferlegt werden, das gleichzeitig die Mittelaufbringung zu regeln hat, eine Vorschrift, die angesichts der Finanzknappheit der öffentlichen Hand nur zu begrüßen ist.

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Mecklenburg-Vorpommern Die kommunalen Aufgaben sind auch in Mecklenburg-Vorpommern „dual“ mit eigenem und staatlichem Wirkungskreis (Art. 72 Abs. 1, 5 LV M-V, §§ 2, 3 KV M-V). Die Finanzgarantie des Landes für die Kommunen enthält Art. 73 Abs. 1 LV M-V (Steuer- und Finanzhoheit) bzw. Art. 73 Abs. 2 LV M-V (Finanzausgleich für steuerschwache Kommunen und im Hinblick auf unterschiedliche Aufgabenbelastung). Die strikte Konnexität für übertragene öffentliche Aufgaben aller Art regelt Art. 72 Abs. 3 LV M-V mit einem „entsprechenden finanziellen Ausgleich für Mehrbelastungen.“

51a

Die Steuer- und Finanzhoheit unterstreicht § 4 Abs. 1 KV M-V mit der Feststellung, dass die Kommunen die notwendigen Finanzierungsmittel grundsätzlich aus ihren eigenen Einnahmen aufzubringen haben und der Finanzausgleich nur dann eingreift, wenn die eigenen Mittel nicht ausreichen. Er ist damit subsidiär.

51b

Die Kommunalverfassung wiederholt und präzisiert die Konnexität. Zeitgleich mit der Auferlegung von Aufgaben ist die Entscheidung über die Deckung der Kosten zu treffen, Mehrbelastungen sind auf der Basis von Kostenfolgeabschätzungen auszugleichen. Die kommunalen Verbände als Institutionen der kommunalen Interessenbündelung sind zu beteiligen. Der Mehrbelastungsausgleich ist in dem Gesetz oder der Verordnung vorzunehmen, die die Aufgaben überträgt, oder „zeitnah“ im Finanzausgleichsgesetz (Land) zu regeln. Es soll also keine Vorfinanzierung durch die Kommunen erfolgen und vor allem keine Verzögerung der Entscheidung über einen Finanzausgleich auftreten (§ 4 Abs. 2 KV M-V). Mindern sich die Kosten für bestimmte Aufgaben, erfolgt der Finanzausgleich zugunsten des Landes (§ 4 Abs. 3 KV M-V), die entstandene Kostenentlastung kann auch auf Verwaltungsvorschriften beruhen.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

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Niedersachsen Niedersachsen regelt die Kommunalverfassung und die Kommunalfinanzierung in Art. 57 f. LV. Den Gemeinden, die grundsätzlich Träger der öffentlichen Verwaltung sind (Art. 57 Abs. 3 LV), können pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben und staatliche Aufgaben nach Weisung übertragen werden (Art. 57 Abs. 4 Satz 1 LV). Satz 2 der Bestimmung verpflichtet das Land zum unverzüglichen gesetzlichen Ausgleich der „erheblichen und notwendigen Kosten“, so dass geringfügiger Mehraufwand nicht auszugleichen wäre. Bei zu dergleichen Kostensteigerungen führenden Änderungen der maßgeblichen Rechtsvorschriften ist eine Erhöhung der Ausgleichsleistungen vorzunehmen, wenn die Kostenerhöhungen wiederum erheblich sind. Sinken umgekehrt die Kosten, z.B. durch Standardabsenkung, kann auch der Ausgleich zurück gefahren werden, dies ist aber nicht zwingend (Art. 57 Abs. 4 Satz 3, 2. Halbsatz LV). Die Verfassung spricht dabei von „Anpassung“ der Kosten, was inhaltlich sowohl die Erhöhung als auch die Reduzierung des Ausgleichs umfasst. Für entsprechende Vorgänge vor dem 01.01.2006 gelten Übergangsbestimmungen (Art. 57 Abs. 4 Satz 5). Damit genügt das niedersächsische Recht dem Grundsatz strikter Konnexität.125 Art. 58 LV verpflichtet das Land zur Wahrung der Finanzautonomie und Finanzhoheit der Gemeinden durch die Zuweisung eigener kommunaler Steuerquellen sowie zu einem „übergemeindlichen“ Finanzausgleich unter Beachtung der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes. Damit werden Grenzen der Pflicht zur Finanzausstattung ebenso aufgezeigt wie die Möglichkeit eines horizontalen Ausgleichs unter den Kommunen.

52a

§ 3 Abs. 1 NGO bestimmt als Grundsatz, dass die Gemeinden ihre Aufgaben aus eigenen Mitteln zu finanzieren haben. Nur, soweit diese nicht ausreichen, findet der übergemeindliche Finanzausgleich statt. Ein maßgebliches Kriterium der hierbei relevanten Finanzkraft der Gemeinde ist die sog. Steuerkraftmesszahl 126, eine Addition der maßgeblichen Steuerkraftzahlen, zu denen im wesentlichen die Gewerbesteuer und die kommunalen Anteile an der Einkommen- und der Umsatzsteuer sowie die Grundsteuer gehören. Die kommunalen Steuern werden mit fiktiven Hebesätzen berücksichtigt, so dass ein Steuerwettbewerb zu Lasten der anderen Kommunen durch besonders niedrige Hebesätze nicht stattfindet. Die Folgen niedriger Hebesätze könnten sonst durch erhöhte Finanzausgleichsansprüche kompensiert werden.

52b

Nordrhein-Westfalen

53

Wie in Baden-Württemberg (s.o.) ist in Nordrhein-Westfalen die Aufgabenübertragung monistisch (Art. 78 Abs. 2, 3 LV), die Gemeinden können zur „Übernahme und Durchführung“ öffentlicher Aufgaben verpflichtet werden (Art. 78 Abs. 3 Satz 1

125 Anders noch in der Literatur bei Henneke, aaO, § 24 Rdnr. 21, Mückl, aaO, Rdnr. 65 mwN. 126 Vgl. zu den Steuerkraftzahlen einzelner Steuern und zur daraus abgeleiteten Steuerkraftmesszahl Henneke, Grundstrukturen des kommunalen Finanzausgleichs, in: Henneke/Pünder/ Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 25 Rdnr. 33 ff.; Scherf, Sachgerechte Verteilung staatlicher Finanzuweisungen, 2003, insb. S. 11 ff.

33

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

1. Halbsatz LV). Zulässig ist dies nur, wenn nach Halbsatz 2 der Bestimmung gleichzeitig die Kostendeckung geregelt wird. Ein Kostenausgleich ist dann zwingend, wenn die Aufgabenübertragung oder die Standard- oder Strukturveränderung bestehender Aufgaben zu einer wesentlichen Belastung der betroffenen Kommunen führt (Art. 78 Abs. 3 Satz 2 LV). Basis ist eine Kostenfolgeabschätzung. Auszugleichen sind die notwendigen durchschnittlichen Aufwendungen und zwar möglichst pauschaliert (Sollvorschrift, Art. 78 Abs. 3 Satz 2 LV). Bei nachträglich festgestellten wesentlichen Abweichungen der Istzahlen von der Folgenabschätzung erfolgt eine Anpassung für die Zukunft. Die kommunalen Spitzenverbände sind stets zu beteiligen (Art. 71 Abs. 3 Satz 5, 2. Halbsatz LV). Eigene Steuerquellen der Kommunen hat das Land zu ermöglichen. Ein übergemeindlicher Finanzausgleich ist zu gewährleisten (Art. 79 LV).

53a

54

Auf der Ebene der Gemeindeordnung bestimmt § 3 Abs. 4 GO die strikte Konnexität durch Anordnung eines „entsprechenden Ausgleichs“ für Mehrbelastungen durch neue Aufgaben oder die Fortschreibung bestehender. Rheinland-Pfalz Grundlage des rheinland-pfälzischen Kommunalrechts ist Art. 49 LV. Die Aufgabenzuweisung entspricht dem überkommenen dualistischen Muster (Art. 49 Abs. 1, 4 Satz 1 LV).

54a

Die Übertragung von Pflichtaufgaben der Selbstverwaltung bzw. von Landesaufgaben, die nach Anweisung zu erledigen sind, erfolgt nach Maßgabe eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung (Art. 49 Abs. 4 LV). Strikte Konnexität fordert Art. 49 Abs. 5 LV. Erfasst ist neben der Übertragung oder besonderen Ausgestaltung der Erfüllung neuer Aufgaben wie in anderen Landesrechten auch in Rheinland-Pfalz die inhaltliche Änderung bestehender Aufgaben („... stellt es [das Land – Ergänzung des Verf.] besondere Anforderungen an die Erfüllung bestehender Aufgaben ...“, Art. 49 Abs. 5 Satz 1, 1. Halbsatz LV). Ein Ausgleich ist auch dann vonnöten, wenn nicht die Aufgabe, aber deren Finanzierung zur Pflicht gemacht wird (2. Halbsatz der zitierten Bestimmung). Ein Beispiel sind Pflichten zur Bezuschussung von Trägern der freien Jugendhilfe ohne Aufgabenverantwortung der Kommune. Es begegnet keinem Zweifel, dass eine derartige verfassungsrechtliche Norm sachgerecht ist. Sie nimmt dem Gesetzgeber die Möglichkeit, durch einfaches Gesetz zwar keine Aufgaben, aber die Finanzierungsverantwortung zuzuweisen. Der Finanzausgleich muss auch in Rheinland-Pfalz „entsprechend“ sein, wobei Einzelheiten dem Gesetz vorbehalten bleiben.

54b

Art. 49 Abs. 6 LV regelt an erster Stelle die Sicherung der finanziellen Basis der Kommunen durch „Lasten- und Finanzausgleich“. Erst Satz 2 verpflichtet das Land, den Gemeinden für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben autonom zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung zu stellen.

54c

Die GemO spiegelt und präzisiert diese verfassungsrechtliche Situation in den §§ 2, 3 GemO.

54d

Bei den übertragenen staatlichen Auftragsangelegenheiten haben die Gemeinden die notwendigen Sach- und Personalmittel zur Verfügung zu stellen sowie die

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

(sonst) erforderlichen Mittel (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GemO). Durch Gesetz oder Verordnung kann anderes bestimmt werden (§ 2 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz GemO). Eine relative Konnexität regelt § 2 Abs. 3 Satz 2 GemO bei der Übertragung neuer Aufgaben. Die Vorschrift ist im Lichte der strikten Konnexität des Art. 49 Abs. 5 LV zu sehen. Die Übertragung von Aufgaben nach Bundes-, Landes- und Europarecht auf die Kommunen darf auch durch Rechtsverordnung vorgenommen werden, wenn eine gesonderte Deckung etwa entstehender Kosten erfolgt (§ 2 Abs. 4 GemO). § 3 Abs. 1 Satz 1 GemO verpflichtet das Land, den Kommunen zur Sicherung der für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Finanzmittel das „Recht zur Erhebung eigener Abgaben“ zu gewähren und ein Finanzausgleichssystem zu schaffen.

54e

Saarland

55

Auch das Saarland hält an dem überkommenen Modell der dualistischen Aufgabenzuweisung fest (vgl. Art. 117 Abs. 2, 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LV). Finanzhoheit und -autonomie sichert Art. 119 Abs. 1 LV. Das Land gewährleistet ferner eine angemessene Finanzausstattung zur Aufgabenerfüllung, der „auch der kommunale Finanzausgleich“ dient (Art. 120 Abs. 2 LV). Strikte Konnexität legt Art. 120 Abs. 1, 2 LV für die zur Durchführung übertragenen Aufgaben des Landes fest sowie für solche öffentlichen Aufgaben, die das Land bisher selbst erfüllt hat und die es nun den Gemeinden „gesetzlich zur Pflicht macht“, d.h. als eigene Aufgaben auferlegt. Den Gemeinden sind nämlich die erforderlichen Mittel zu sichern (Art. 120 Abs. 1 Satz 3 LV). Die Umwandlung von Landesaufgaben in kommunale Selbstverwaltungsaufgaben durch förmliches Gesetz führt demzufolge nicht zur Berücksichtigung der anfallenden Kosten im Finanzausgleich, sondern sie sind durch das Land anderweit zu decken.127

55a

Die Grundsätze der Landesverfassung finden sich im KSVG wieder, dessen § 5 Abs. 2 die Selbstverwaltungsaufgaben näher präzisiert und dazu sogar – angesichts der geographischen Lage und der Historie des Saarlandes folgerichtig – die Kooperation mit den Gebietskörperschaften der angrenzenden europäischen Regionen (in Frankreich und Luxemburg) zur Aufgabe macht. Die §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 KSVG ordnen an, dass bei Übertragung pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben (§ 5) bzw. staatlicher Aufgaben nach Weisung (Auftragsangelegenheiten, § 6) Bestimmungen über die Deckung der Kosten zu treffen sind. Die damit nur relative Konnexität des KSVG ist jedoch im Lichte der verfassungsrechtlich strikten Konnexität des Art. 120 Abs. 1 Satz 2 LV zu sehen.

55b

Sachsen

56

Der Freistaat Sachsen hat sich für die monistische Aufgabenstruktur entschieden (Art. 84 f. LV). Die Gemeinden oder ihre Verbände („Zusammenschlüsse“) sind „rechtzeitig“ anzuhören, wenn „allgemeine Fragen“ durch Gesetz geregelt werden

127 Siehe zu dieser außergewöhnlichen, aber folgerichtigen Finanzierungsvariante Henneke, aaO, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 24 Rdnr. 17 und FN 15 mwN.

35

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

sollen (Art. 84 Abs. 2 LV). Wie in anderen oben behandelten Landesrechten ist die Anhörung, ein Element des rechtlichen Gehörs, ein wesentliches Recht, das dazu beitragen kann, kostenträchtige Aufgabenübertragungen zu hinterfragen oder gar zu vermeiden. Justiziabel wird die Anhörung wohl insbesondere dadurch, dass sie rechtzeitig erfolgen muss, Fehler können das Gesetzgebungsvorhaben oder das Gesetz gefährden.

56a

Die Finanzverfassung für die Kommunen ist wie in den anderen Bundesländern ebenfalls dual: Die Gemeinden haben auf der Basis bestehender Gesetze Steuer- und Abgabenfindungs- und Erhebungsrechte. An den Steuereinnahmen des Landes werden sie im Rahmen des „übergemeindlichen“ Finanzausgleichs und unter Beachtung der eigenen Aufgaben des Landes beteiligt (Art. 87 Abs. 2, 3 LV). Generalklausel ist Art. 87 Abs. 1 LV, der festlegt, das Land habe dafür zu sorgen, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können, was nichts anderes als eine knappe Formulierung der Finanzierungsgarantie darstellt. Die Einzelheiten enthalten wie in den anderen Bundesländern spezialgesetzliche Regelungen. Bei der Übertragung von Aufgaben sind nach Art. 85 Abs. 1 Satz 2 LV Bestimmungen über die Kostendeckung zu treffen. Diese nur relative erstarkt in Art. 85 Abs. 2 LV zur „strikten“ Konnexität, denn ein finanzieller Ausgleich von etwaigen Mehrbelastungen durch die Übertragung von Aufgaben ist dort zwingend angeordnet. Konkrete Maßstäbe freilich obliegen dem Gesetzgeber, der wiederum einen entsprechenden Spielraum hat.

56b

Das Prinzip strikter Konnexität findet sich wieder in § 2 Abs. 2 Satz 3 SächsGemO bei Mehrbelastungen infolge der Übertragung von neuen Pflichtaufgaben und von Pflichtaufgaben nach Weisung (den sog. Weisungsaufgaben), vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 bzw. Abs. 3 iVm Abs. 2 Satz 1 SächsGemO.

56c

Die Finanzausstattung der Kommunen aufgrund eigener Abgabenerhebungsrechte enthält § 73 Abs. 1–3 SächsGemO, der zugleich anordnet, dass die Gemeinden auf die Wirtschaftskraft der Abgabepflichtigen Rücksicht zu nehmen haben, d.h. auch der kommunale Normgeber hat sich an dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit zu orientieren.

57

Sachsen-Anhalt Der sächsisch-anhaltinische Nachbar des Freistaats Sachsen hat die dualistische Aufgabenzuordnung gewählt (Art. 87 Abs. 2, 3 Satz 1 LV). Strikt konnex ist die Zuweisung neuer „pflichtiger“ Selbstverwaltungsaufgaben ebenso wie die Übertragung von staatlichen Aufgaben zur „Erfüllung nach Weisung“ (Art. 87 Abs. 3 Sätze 2, 3 LV). Der Ausgleich bei Mehrbelastungen muss „angemessen“ sein; das ist eine der Grundlagen der Finanzierung der Kommunen. Basis der Einnahmen sind die eigenen Steuern und Abgaben der Kommunen (Art. 88 Abs. 3 LV) sowie das Finanzausgleichssystem nach Art. 88 Abs. 2 LV; danach ist die unterschiedliche Finanzkraft der Kommunen „angemessen“ auszugleichen, d.h. nicht vollständig. Auch leistungsschwache Kommunen sind nicht Objekt des Landes, wenn Art. 88 Abs. 2 Satz 2 LV bestimmt, dass bei Sonderzuweisungen und Fördermitteln stets das Selbstverwaltungsrecht zu wahren, d.h. zu achten ist.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Einfachgesetzlich bestimmt § 3 GO LSA wie in anderen Ländern (s.o.) ein Subsidiaritätsverhältnis zwischen eigenen Einnahmen und staatlichem „übergemeindlichem“ Finanzausgleich, der nur eingreift, wenn die eigenen Einnahmen nicht hinreichend sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 GO LSA). Maßgeblich für den Finanzausgleich ist die Finanzkraft der jeweiligen Kommune, bei der „insbesondere“ die Steuerkraftmesszahl zu berücksichtigen ist (siehe hierzu auch oben zum niedersächsischen Recht). Die Gemeinden sollen zudem die Steuerkraft „pfleglich“ behandeln und insgesamt dafür sorgen, dass ihre Finanzen „gesund bleiben“. Die Vermeidung von Zahlungsunfähigkeitssituationen wird damit im Ergebnis zur Norm gemacht.

57a

§ 4 Abs. 1 Satz 2 GO LSA wiederholt die strikte Konnexität der Verfassung bei der Übertragung neuer Aufgaben (die eines Gesetzes bedarf), wenn kurz und bündig bestimmt wird, die „Aufbringung der Mittel (sei) gleichzeitig sicherzustellen ...“, wenn auch nicht ausdrücklich angeordnet wird, das Land habe den Gemeinden einen Ausgleich für Mehrbelastungen zuzuerkennen.

57b

Schleswig-Holstein

58

Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein hat sich der monistischen Aufgabenstruktur angeschlossen und folgt damit den Ländern Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen (Art. 46 Abs. 1, 4 LV). Basis der kommunalen Einnahmen ist die in Art. 48 LV verankerte Finanzhoheit (wenn auch im Rahmen der Steuergesetze), die die Realsteuern und sonstige „Kommunalsteuern“ umfasst. Daneben stehen natürlich die durch das Grundgesetz zugewiesenen Steuern und Steueranteile. Aufgabe des Finanzausgleichs (Art. 49 Abs. 1 LV), der weiteren Komponente der kommunalen Einnahmen, ist die Sicherung der Leistungsfähigkeit der „steuerschwachen Gemeinden“ ebenso wie der Ausgleich unterschiedlicher Belastungen bei der Aufgabenerfüllung. Dieser Aspekt ist generell von erheblicher Bedeutung, mit der Leistungskraft der Gemeinden hat er bei systematischer Betrachtung wenig zu tun. Die Unterschiede in der Belastung bei ein- und derselben Aufgabe können erheblich sein. Eine Kommune in Insellage kann z.B. völlig anderen Anforderungen im Hinblick auf Verkehrswege ausgesetzt sein als eine solche im Umfeld einer Großstadt mit geringerer Fläche; dasselbe gilt für Schulen und Rettungswesen. Eine Großstadt wiederum mit vielen Pendlern im Einzugsbereich hat wiederum erheblich mehr in Verkehrsinfrastrukturen einschließlich des ÖPNV zu investieren und Folgelasten daraus zu tragen als eine Gemeinde im Landkreis, deren Einwohner das Arbeitsangebot in der Großstadt wahrnehmen. Das von Art. 49 LV angesprochene Phänomen besteht in jedem Bundesland und in jedem föderalen Staat mit Selbstverwaltungskörperschaften. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass besondere geographische Lagen oder Agglomerationen besondere Anforderungen an Infrastrukturen stellen, so dass die betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften auch ein berechtigtes Interesse daran haben, dass ein Finanzausgleich auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt.

58a

Art. 49 Abs. 2 LV statuiert auch in Schleswig-Holstein das strikte Konnexitätsprinzip: Bei Aufgabenübertragung durch Gesetz oder Rechtsverordnung muss bei Mehrbelastungen ein „entsprechender finanzieller Ausgleich“ geschaffen werden.

58b

37

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

58c

Die Gemeindeordnung relativiert die Aufgabenerledigung insoweit, als sie in § 2 Abs. 1 GO die Kommunen verpflichtet, vor Übernahme einer neuen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe zu prüfen, ob diese „ nicht ebenso gut auf andere Weise, insbesondere durch Private, erfüllt werden kann“. Bejaht sie die Frage, dürfte praktisch die Notwendigkeit bestehen, die Aufgabe dem Privaten zu überlassen und eigene Aktivitäten zu unterlassen.

58d

Den Kommunen können durch Gesetz oder Rechtsverordnung „einzelne“ Selbstverwaltungsaufgaben übertragen werden (§ 2 Abs. 2 GO), ebenso Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung (§ 3 Abs. 1 GO). Nach § 3a GO müssen die Gemeinden die Erfüllung ihrer Aufgaben aus eigenen Einnahmen finanzieren; nur subsidiär greift der Finanzausgleich, der die Steuerkraft ebenso berücksichtigt wie den Ausgabebedarf „der Gemeinden“.

58e

Die Einnahmenbeschaffung regelt § 76 GO; Basis ist das Recht der Gemeinde zur Abgabenerhebung (§ 76 Abs. 1 GO). Vorrangig sollen die Kosten durch Leistungsentgelte gedeckt werden und nur, wenn diese nicht hinreichend sind, durch Steuern. Mit anderen Worten soll die Kosten derjenige tragen, der sie veranlasst hat und eine Verteilung auf alle Steuerbürger der Kommune soll nur dort erfolgen, wenn das nicht möglich ist.

59

Thüringen Das thüringische Landesrecht geht von dualistischer Aufgabenzuordnung aus (Art. 91 Abs. 1, 2 LV, Selbstverwaltungsaufgaben bzw. Art. 91 Abs. 3 LV, Übertragung staatlicher Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung). Wie z.B. in Sachsen sind die Gemeinden oder ihre Zusammenschlüsse zu hören, bevor ein Gesetz „allgemeine Fragen“ regelt; hinreichend ist die „grundsätzliche Gelegenheit zur Stellungnahme“.

59a

Die staatliche Finanzgarantie enthält Art. 93 Abs. 1 Satz 1 LV, das Land hat dafür zu sorgen, dass die Selbstverwaltungskörperschaften ihre Aufgaben erfüllen können. Strikte Konnexität ist nur für die Übertragung staatlicher Aufgaben nach Weisung bestimmt Art. 93 Abs. 1 Satz 2 LV, nicht jedoch für neue Selbstverwaltungsaufgaben.128 Die weiteren Grundlagen der Kommunalfinanzen statuiert Art. 93 Abs. 2 LV mit der Finanzhoheit der Gemeinden und Art. 93 Abs. 3 LV mit einer knappen Regelung zum Finanzausgleich, wonach die Kommunen unter „Berücksichtigung der Aufgaben des Landes im Rahmen des Gemeindefinanzausgleichs an dessen Steuereinnahmen beteiligt“ werden.

59b

Die Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung bildet in § 2 Abs. 1, 2 die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises ab, d.h. die Selbstverwaltungsaufgaben, wobei in Abs. 3 der Bestimmung Regelbeispiele dieser Aufgaben umrissen werden: „Zu den Aufgaben des eigenen Wirkungskreises gehören insbesondere ... die Gewähr-

128 Henneke, aaO, § 24 Rdnr. 16 spricht zutreffend von „Aufgabendualismus und daran anknüpfender dualistischer Finanzgarantie“.

38

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

leistung des öffentlichen Personennahverkehrs, der Versorgung mit Energie und Wasser, die Abwasserbeseitigung- und reinigung, die Sicherung und Förderung eines bedarfsgerechten Angebotes an Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen, ... der öffentliche Wohnungsbau, die gesundheitliche und soziale Betreuung ...)“. Der Katalog umfasst „klassische“ Felder der Daseinsvorsorge, aber auch Gebiete, auf denen private Erfüllung längst auf dem Vormarsch ist oder überwiegt, wenn man den Wohnungsbau, die Abfallbeseitigung oder die Energieversorgung betrachtet. Aus „Gründen des öffentlichen Wohls“ können weitere Selbstverwaltungsaufgaben auferlegt werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 ThürKO). Die Übertragung staatlicher Aufgaben des Landes durch Gesetz oder untergesetzliche Rechtsnorm ermöglicht § 3 Abs. 1 ThürKO. Die Voraussetzungen der Übertragung der Ausführung von Bundesgesetzen durch Rechtsverordnung der Landesregierung oder der zuständigen Ministerien beschreibt § 3 Abs. 1a ThürKO.

59c

Grundsätze der Beschaffung von Einnahmen umreißt § 54 ThürKO. Danach erheben die Gemeinden Abgaben nach den entsprechenden Gesetzen (§ 54 Abs. 1 ThürKO). Die für die Aufgabenerfüllung erforderlichen Einnahmen sollen aus Entgelten für erbrachte Leistungen gespeist werden, allerdings nur, soweit dies „vertretbar und geboten“ ist (§ 54 Abs. 2 Nr. 1 ThürKO). Damit werden u.a. Staffelungen der Entgelte nach der jeweiligen wirtschaftlichen oder sozialen Situation der Leistungsempfänger möglich gemacht.

59d

Des Weiteren hat die Kommune ihre Kosten aus Steuern zu decken, wenn nämlich ihre sonstigen Einnahmen nicht hinreichend sind (§ 54 Abs. 2 Nr. 2 ThürKO; siehe dazu auch oben zum Recht von Schleswig-Holstein). Mögen auch die verschiedenen Landesrechte vielfältig strukturiert sein und mag auch die Finanzausstattung der Kommunen höchst differenziert ausfallen, so kann doch ein gemeinsames Ziel festgestellt werden, nämlich die Angemessenheit der Verteilung der Aufgaben und der Finanzmittel im Interesse der Wahrung der kommunalen Selbstverwaltung und der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit der Gemeinden. Wie die neuere Rechtsprechung der Verfassungsgerichte einiger Bundesländer die Thematik betrachtet, soll Gegenstand der nachfolgenden Übersicht sein. cc)

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Einige Beispiele aus der jüngeren Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zur Kommunalfinanzierung, insbesondere zum Finanzausgleich

Nicht überraschend ist angesichts der ökonomischen Situation, dass die Zahl der Streitigkeiten vor den Verfassungsgerichten und Staatsgerichtshöfen der Länder nicht unbeträchtlich ist.129 Brennpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzungen

129 Aus der Rechtsprechung der letzten Jahre darf hingewiesen werden auf folgende Entscheidungen (siehe hierzu auch Anhang III): 1. Bayern: Bayerischer VerfGH, Entscheidung v. 27.02.1997 – Vf. 17-VII-94 – Bay. VBl. 1997, 303 ff. 2. Baden-Württemberg: a) StGH, Urt. v. 10.05.1999 – GR 2/97, Normenkontrollantrag des Ortenaukreises und des Landkreises Schwäbisch-Hall – VBl. BW 1999, 294 = DVBl. 1999,

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61

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

sind die Finanzausgleichsgesetze der Länder, deren Einzelregelungen von Kommunen unter den verschiedensten Gesichtspunkten angegriffen werden. Die Rechtsstreite zeigen damit die dramatische Situation, die angesichts knapper Kassen die Kommunen und die Länder veranlasst, die bestehenden Verteilungsauseinandersetzungen um die knappen finanziellen Ressourcen vor den Verfassungsgerichten auszutragen.

61a

Betrachtet man Entscheidungen aus der neueren Rechtsprechung der Verfassungsgerichte einzelner Bundesländer in den Jahren 2005 und 2006, so ergeben sich die folgenden Befunde:

1351 ff. = JZ 1999, 1049 ff. m. Anm. Ferdinand Kirchhof; siehe auch www.baden-württemberg.de/ staatsgerichtshof/. . . b) Urt. v. 08.02.2000 – GR 1/98, Normenkontrollantrag des Landkreis Konstanz, siehe StGH, aaO. 3. Brandenburg: VfG, Urt. v. 16.09.1999 – VfGBbg. 28/98, Verfassungsbeschwerde der Gemeinde Neulietzegöricke – NVwZ-RR 2000, 129 = GVBl. 1999, 443 (LS), siehe auch www. verfassungsgericht.brandenburg.de. 4. Mecklenburg-Vorpommern: a) LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 26.01.2006,– LVerfG 15/04, Verfassungsbeschwerde der Stadt Parchim b) Urt. v. 11.05.2006 – LVerfG 1, 5, 9/05, Verfassungsbeschwerden des Landkreises Rügen, des Landkreises Uecker-Randow, der Stadt Wolgast und der Gemeinde Mönchhagen, siehe www.landesverfassungsgericht-mv.de/prozesse/ aktuelle. c) Urt. v. 18.12.2003 – LVerfG 13/02 – DÖV 2004, 448 = LKV 2004, 175 = LVerfGE 14,293. 5. Niedersachsen: a) Nds. StGH, Urt. v. 25.11.1997 – StGH 14/95 . . . 25/95, 2/96 . . . 29/96, 22 Verfassungsbeschwerden von Kommunen – DVBl. 1998, 185 ff. b) Nds. StGH, Urt. v. 16.05.2001 – StGH 6/99-9/99, 1/00, Nds.VBl. 2001, 184 ff., siehe auch www.staatsgerichtshof.niedersachsen.de/ 0699leit.htm u.a. 6. Nordrhein-Westfalen: a) VerfGH, Urt. v. 09.07.1998 – VerfGH 16/96, 7/97, Verfassungs beschwerden von 200 kreisangehörigen Kommunen – DVBl. 1998, 1280 ff. www.nrwe/ovgs/ vgh_nrw/j1998/VerfGH_16_96_VerfGH_7_97urteil19980709.html b) Urt. v. 10.12.2002– VerfGH 10/01, Verfassungsbeschwerde Stadt Iserlohn (als unzulässig verworfen) www.nrwe/ovgs/ vgh_nrw/j2002/VerfGH_10_01urteil20021210.html. 7. Rheinland-Pfalz: a) Urt. v. 16.03.2001 – VGH B 8/00 – DöV 2001, 601 ff. b) Urt. v. 25.01.2006 – VGH B 1/05, Verfassungsbeschwerde der Ortsgemeinde Bann, Landesfinanzausgleichsgesetz 8. Sachsen: a) VerfGH, Urt. v. 23.11.2000 – Vf. 49-VIII-97, Normenkontrolle auf kommunalen Antrag der Städte Zwickau und Hoyerswerda, Finanzausgleichsgesetz (Sachsen) 1997 – www. justiz.sachsen.de/gerichte/homepages/verfg/docs/49-VIII-97a.pdf b) Urt. v. 23.11.2000 – Vf. 53-II97, abstrakte Normenkontrolle des Abgeordneten Dr. K. und 29 weitere Mitglieder des sächs. Landtags, Finanzausgleichsgesetz (Sachsen) 1997, www.justiz.sachsen.de/gerichte /homepages/ verfg/docs/53-II-97a.pdf c) Urt. v. 18.11.2004 – Vf. 89-VIII-03, Normenkontrollverfahren auf kommunalen Antrag des Verwaltungsverbandes „Grüner Grund“ und acht anderer gegen das Finanzausgleichsgesetz Sachsen idF v. 11.12.2002 (SächsGVBl. 2002, 317 ff.). 9. Sachsen-Anhalt; a) LVerfG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 13.06.2006 – LVG 7/05 Verfassungsbeschwerde einer kreisangehörigen (kleinen) Gemeinde mit 239 Einwohnern wegen Heranziehung zur Verwaltungsgemeinschafts-, Kreis- und Gewerbesteuerumlage (interkommunale Solidarität u.a.) b) Urt. v. 13.06.2006 – LVG 21/05, Verfassungsbeschwerde einer kreisangehörigen Gemeinde mit ca. 9.000 Einwohnern zur Kreis-, Gewerbesteuer- und Finanzausgleichsumlage, siehe insgesamt www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de/. 10. Thüringen: a) Thüringer VerfGH, Urt. v. 06.06.2002 – VerfGH 14/98, Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Gera u. 12 anderer Städte und Kommunen, Thüringer Finanzausgleichsgesetz u.a. – NVwZ-RR 2003, 249 ff. = DVBl. 2003, 415 b) Urt. v. 21.06.2005 – VerfGH 28/03, Fraktion der SPD im Thüringer Landtag, abstrakte Normenkontrolle, Thüringer Finanzausgleichsgesetz – NVwZ-RR 2005, 665 ff. = DöV 2005, 92 = ThürVBl. 2005, 228 ff.; zu dem Urteil vgl. die zustimmende Anmerkung von Henneke, Kommunale Finanzgarantien in der Rechtsprechung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff, Recht der Kommunalfinanzen, § 24, S. 443 ff., Rdnr. 151 ff. Zum Text des Urteils siehe auch www.thverfgh.thueringen.de/verfgh/. . .

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

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Die jüngste Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Der Thüringer Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 21.06.2005 130 auf abstrakte Normenkontrolle der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag zum Thüringer Finanzausgleichsgesetz geurteilt, die Kommunen seien finanziell so auszustatten, dass das „Selbstverwaltungsrecht mit Leben“ erfüllt bleibe. Der VerfGH unterscheidet zwischen dem unmittelbaren eigenen Wirkungskreis der Kommunen und dem übertragenen Aufgabenkreis der Kommunen, in dessen Rahmen sie staatliche Aufgaben vollziehen. Ausgangspunkt ist die „dualistische Struktur der kommunalen Aufgabenbelastung“ 131 nach den beiden Alternativen des Art. 93 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen. Die Verfassung gewährleistet in Art. 93 die „finanzielle Lebensfähigkeit“ der Kommunen und der Gemeindeverbände und damit die kommunale Selbstverwaltung. Das Grundgesetz gewährleiste in Art. 28 Abs. 2 Satz 3 die finanzielle Eigenverantwortung der Kommunen. Damit verbunden sei ein primär gegen die Länder gerichteter Anspruch auf angemessene Finanzausstattung.132 Die Finanzausstattung muss (nach Art. 93 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung) so bemessen sein, dass die Gemeinden die Ausgaben für die Pflichtaufgaben im eigenen und übertragenen Wirkungskreis bewältigen können und ihnen danach noch „Spielraum“ bleibt, Aufwendungen auf dem Sektor freiwilliger Aufgaben zu tragen.133 Der damit verbundene vertikale Finanzausgleich zwischen Land und Kommune sei abhängig von den Aufgaben und der Finanzkraft der Kommunen, er komme den finanziell schwachen Kommunen zugute, nicht den „reichen“, sog. abundanten Gemeinden mit „fiktiver“ Steuerkraft, die höher sei als der „fiktive“ Bedarf.134 Das Selbstverwaltungsrecht ist jedenfalls verletzt, wenn die Gemeinden freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben im Ergebnis gar nicht mehr wahrnehmen können. Die Kommunen dürften nicht zu „staatlichen Filialunternehmen“ degradiert werden. Die finanzielle Mindestausstattung muss damit schon nach Art. 93 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung über den Aufwand für die Pflichtaufgaben hinausgehen, sie ist aus der Sicht des Thüringer VerfGH auch unabhängig von der Leistungsfähigkeit des Landes, eine weitgehende Folgerung. Dieser Kernbereich sei auch nicht „verhandlungsfähig.135

62a

Die Lösung einer etwa unzureichenden eigenen Leistungsfähigkeit des Landes sieht der VerfGH darin, die Kommunen von Aufgaben zu entlasten, das Niveau der geforderten Leistungen abzusenken oder den Kommunen neue Einnahmen zu erschließen, wobei jedoch zutreffend erkannt wird, auf dem Sektor der vom Bund

62b

130 Thüringer VerfGH 28/03, NVwZ-RR 2005, 665 ff.; s.o. 131 Thüringer VerGH, aaO, LS 2 bzw. C I 3 der Gründe. Umdruck S. 36 f. 132 Thüringer VerGH, aaO, C I 2, 2a), b) der Gründe, Umdruck, S. 35. 133 Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 38. 134 Thüringer VerGH, aaO, Umdruck, S. 38; die Ansätze fiktiver Steuerkraft und fiktiver Aufwendungen soll die konkreten Verhältnisse relativieren und dadurch u.a. nicht angemessene Haushaltsstrukturen einzelner Kommunen für den Finanzausgleich neutralisieren. Damit wird der andernorts beklagten Vollkaskomentalität des Finanzausgleichs entgegen gewirkt, siehe dazu Blankart „Haftungsgrenzen im föderalen Staat, Wider die prämienlose Vollkaskoversicherung“ . . ., FAZ v. 26.11.2005, S. 13. 135 Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 39 f. , C I 5 der Gründe, Umdruck, S. 39 ff.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

veranlassten Aufgaben sei nur eine entsprechende Gesetzgebungsinitiative, „etwa über den Bundesrat“ 136, möglich. Beruht die bundesrechtlich übertragene Pflichtaufgabe gar auf europäischem Richtlinienrecht und wird daher eine europarechtliche Verpflichtung im Ergebnis nur „durchgereicht“, ist eine Beeinflussung der Standards de facto nicht möglich. Dabei bleibt nur der Weg, auf die europäische Gesetzgebung seitens des Bundes Einfluss zu nehmen bzw. die Finanzierung der durch den Standard verursachten Kostenerhöhungen durch den Bund. Neben dem vorstehend skizzierten „unantastbaren“ Kernbereich steht aus Sicht des VerfGH der Anspruch auf angemessene Finanzausstattung, der u.a. von den Grundsätzen der Leistungskraft des Landes und der Verteilungssymmetrie bestimmt werde. Gelder sind danach „aufgabengerecht“ zu verteilen.137

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Ein ganz anderer Aspekt ist nach dem Urteil der in Art. 93 Abs. 1 Satz 2 Verfassung angeordnete finanzielle Ausgleich für Mehrbelastungen der Kommunen durch die Übertragung staatlicher Aufgaben, seien sie vom Land oder vom Bund veranlasst. Ohne Übertragung auf die Gemeinden habe diese Kosten das Land allein zu tragen. Ohne Finanzausgleich führe das zu einem Verlust an kommunaler Finanzautonomie infolge der durch die Übertragung notwendigen Ausgaben.138 Daher enthalte die Verfassung ein „striktes Konnexitätsprinzip“, denn nur dann sei die Übertragung der Aufgabe im Haushalt der Gemeinde neutral. Gleichwohl bedeutete das keine vollständige Kostenübernahme im Einzelfall, sondern eine Betrachtung nach Durchschnittskosten, wobei der Gesetzgeber einen „Wertungsspielraum“ habe.139 Der Mehrausgleich sei unabhängig von der Finanzkraft der Kommunen und der Leistungsfähigkeit des Landes. Dem wiederum bleibt damit im Ergebnis nur, die Aufgabe selbst zu erledigen, zu verbilligen, auf sie zu verzichten 140 oder den Bundesgesetzgeber bzw. den europäischen Gesetzgeber entsprechend zu beeinflussen .

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Dem Urteil ist zuzustimmen. Verantwortlich für die kommunalen Aufgaben ist weitgehend der Staat, vielfach auch der Bundesstaat oder die Europäische Gemeinschaft/Union. Die Kostenverantwortlichkeit kann dabei nicht uneingeschränkt bei der Gemeinde liegen, sondern nur insoweit, als sie die übertragenen Aufgaben nicht ökonomisch effizient erfüllt. Gegen „Ineffizienz“ schützt das Land eine durchschnittsbezogene und damit pauschalierende Betrachtung des Ausgleichs der Mehrkosten. Bei unzureichenden eigenen Finanzmitteln kann der Staat oder der Bundesstaat oder die Gemeinschaft Standards absenken oder auf die Aufgaben verzichten – aber eben nicht zu Lasten der Kommunen Aufgaben verlagern. Umgekehrt besteht dann schon vor diesem Hintergrund kein erkennbarer Anlass zur Erörterung eines kommunalen Insolvenzverfahrens.

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Das Urteil des Thüringer VerfGH macht sehr transparent, worum es tatsächlich bei einer kommunalen Insolvenz u.a. ginge bzw. welches Risiko dabei bestünde: Der Staat einschließlich des Bundesstaates und der europäischen Gemeinschaft würde

136 137 138 139 140

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Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 40. Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 41. Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 44, C I 6 der Gründe. Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 46. Thüringer VerGH, aaO, Umdruck S. 47.

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

sich seine autonom definierten Aufgaben ohne gleichzeitigen und vollständigen Ausgleich im Ergebnis infolge der Aufgabenverlagerung auf die kommunale Ebene durch diese bezahlen lassen und bei deren Insolvenz von einer einzigen Gruppe Betroffener, nämlich von den kommunalen Gläubigern. Damit wären zugleich erhebliche negative Anreize verbunden, jedenfalls würde das Bewusstsein der Kostenverantwortlichkeit für Aufgabenschaffung und -übertragung nicht gestärkt. Die Alternativen zur Risikotragung durch die Kommunen (und deren Gläubiger bei Insolvenzfähigkeit) sind, wie der Thüringer VerfGH herausgearbeitet hat, Verzichte auf Aufgaben bzw. Aufgabenstandards oder Abgaben- bzw. Entgelterhöhungen.

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Verfassungsgerichtliche Rechtsprechung aus Rheinland-Pfalz Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 25.01. 2006 141 in viel bescheidenerem Kontext als in dem Urteil des Thüringer VerfGH dem Landesgesetzgeber auferlegt, das Landesfinanzausgleichsgesetz RheinlandPfalz 142 dahingehend zu ändern, dass die „nicht kasernierten Soldaten der Stationierungsstreitkräfte“ 143 bei der Bemessung der (einwohnerbezogenen) Ansätze für den Finanzausgleich zu berücksichtigen seien. Entgegen Landesregierung und Landtag bejahte der VerfGH eine Verletzung des Art. 49 der Landesverfassung.144 Der Fall zeigt zunächst, dass es nicht um jährliche Millionensummen gehen muss, sondern im örtlichen Bereich auch eher geringere Beträge relevant sind. Ansatz der Ortsgemeinde ist Art. 49 Abs. 6 der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz. Der VerfGH hat dem Gesetzgeber bis 31.12.2007 aufgegeben, „eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen“.145 Entscheidend sind aber die grundsätzlicheren Feststellungen des Urteils. Art. 49 Abs. 6 der Landesverfassung garantiere den Kommunen eine angemessene Finanzausstattung. Freilich habe der Gesetzgeber ein weites Ermessen, einen Anspruch der einzelnen Gemeinde auf Kostenerstattung für bestimmte Aufgaben oder für die Erledigung der übertragenen staatlichen Aufgaben gibt es danach in RheinlandPfalz (nach der ständigen Rechtsprechung des VerfGH) nicht.146 Der Finanzausgleich habe zwei Ziele: Als vertikaler Ausgleich vergrößere er die jeweilige „Finanzmasse“ der Kommune, als horizontaler Ausgleich sorge er dafür, dass unter den Gemeinden ein Ausgleich der Lasten stattfinde.147 Maßstab des gesetzgeberischen Ermessens ist die Gleichbehandlung der Kommunen. Das Finanzausgleichssystem muss widerspruchsfrei und in sich „folgerichtig“ sein. Da nach dem Konzept

141 VerfGH RhPf – VGH B 1/05, s.o. 142 IdF v. 22.12.2004, GVBl. 2004, S. 579. 143 In der betroffenen kleinen westpfälzischen Ortsgemeinde ist die Zahl der US-amerikanischen Soldaten [aufgrund der US-Einrichtungen in Ramstein und Landstuhl (Militärkrankenhaus)] prozentual bedeutend; für die Ortsgemeinde ging es um einen Betrag von ca. 13.000 €, mit dem sie vor den Verwaltungsgerichten erfolglos war (VG Neustadt, OVG Koblenz. Die Nichtzulassungsbeschwerde zum BVerwG hatte mangels revisiblen Rechts keinen Erfolg.). Der VerfGH hat an das OVG zurückverwiesen. 144 BS 100-1 BS 100-1; Verfassung v. 18.05.1947, VOBl. 1947, S. 209 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 16.12.2005, GVBl. 2005, S. 495; 2006, S. 20. 145 VerfGH RhPf, Tenor Ziff. 1b). 146 VerfGH RhPf, aaO, C I, Umdruck S. 11 f. mwN. 147 VerfGH RhPf, aaO, Umdruck, S. 12.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

des rheinland-pfälzischen Finanzausgleichsgesetzes die Zahl der Einwohner eine maßgebliche Größe 148 ist, hatte der Gesetzgeber mit der Nichtberücksichtigung der nichtkasernierten Soldaten einen Systemfehler zu verantworten, der zu ändern ist.149

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Im Unterschied zu dem wesentlich verdichteteren Ansatz des Urteils des Thüringer VGH erkennt der rheinland-pfälzische VerfGH dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu und fordert „nur“ Ausschluss von Willkür der Finanzausgleichsregelung und die Wahrung der „interkommunalen“ Gleichbehandlung.150 Ein weiter Spielraum für den Landesgesetzgeber eröffnet sich auch durch den Hinweis, Maßstab seien die Relation zwischen dem „aufgabenabhängigem Bedarf und den verfügbaren Finanzmitteln“.151 Bereits kleinere Abweichungen von der Systematik bedingen allerdings einen Verfassungsverstoß, wie der Fall der Ortsgemeinde Bann zeigt. Die neuere Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts MecklenburgVorpommern Das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat am 26. Januar und am 11. Mai 2006 in zwei Urteilen gegen Kommunen entschieden.

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Im Urteil vom 26.01.2006 wurde die Verfassungsbeschwerde der Stadt Parchim als unzulässig zurückgewiesen.152 Sie hatte die Verletzung des (strikten) Konnexitätsprinzips des Art. 72 Abs. 3 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern durch die Bestimmung des § 20 des Kindertagesförderungsgesetzes MecklenburgVorpommern (KiföG M-V) 153 gerügt. Die angegriffene Vorschrift des KiföG M-V sieht vor, dass der Finanzierungsbedarf eines Platzes in einer Kindertageseinrichtung oder Tagespflege zu 50 % von der Gemeinde des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes getragen wird, sofern nicht das Land oder der örtliche Träger der Jugendhilfe dafür aufkommt. Die Beschwerdeführerin hatte Mehrkosten ohne Ausgleich beanstandet. Das Landesverfassungsgericht bejaht als Zweck des Konnexitätsprinzips im Sinne des Art. 72 der Landesverfassung den „Schutz der Finanzkraft der Gemeinde als Kernstück der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie“.154 Es sei auch gleichgültig, ob die Aufgabe nebst Finanzierung oder allein die „Finanzierungslast“ auferlegt werde, die sich entweder als „Fortsetzung“ oder als „besondere Ausprägung“ der Aufgabe darstelle.155 Das ist zutreffend, da sonst der Gesetzgeber

148 Die Einwohnerzahl ist stets ein wesentliches Merkmal für Finanzausgleichsstrukturen. 149 VerfGH RhPf, aaO, Umdruck S. 13 ff./16 sowie D. der Gründe, S. 18, LS 1, 2 des Urteils. 150 VerfGH RhPf, aaO, Umdruck, S. 12 mwN aus der überkommenen Rechtsprechung in RhPf. VerfGHE 19, 339 ff.; 26, 391 ff. 151 VerfGH RhPf, aaO, Umdruck, S. 12 unter Bezugnahme auf RhPf. VerfGHE 15, 66 ff.; 19, 339 ff., 19, 339 ff., 29, 75 ff. und den Beitrag von Paul Kirchhof, DVBl. 1980, 711 ff. (zu den Maßstäben des Finanzausgleichs). 152 Urteil vom 26.01.2006 – LVerfG 15/04; s.o. unter der Internetseite des LVG MecklenburgVorpommern. 153 KiföG M-V v. 01.04.2004 – GVOBl. M-V 2004, S. 146 idF v. 19.12.2005 – GVOBl. 2005, S. 640 ff./644. 154 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 15/04, aaO, II der Gründe, Umdruck S. 8. 155 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 15/04, aaO, II der Gründe, Umdruck S. 8 mwN. Zur Literatur und Rechtsprechung des BVerfG und in Abgrenzung zur dagegen stehenden Auffassung des LVerfG Sachsen-Anhalt zu dem dortigen Kinderbetreuungsgesetz, LVerfG, Urt. v. 08.12.1998 – LVG 19/97 – LVerfGE 9, 368 ff. 393 f. = Umdruck S. 14 ff., insb. Rdnr. 66, siehe

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Finanzierungslasten in Gestalt von Zuschusspflichten für Organisationen problemlos auferlegen könnte. Dennoch war die Beschwerde der Stadt Parchim erfolglos. Grund war aus Sicht des Verfassungsgerichts fehlender substantiierter Vortrag zu den behaupteten Kostensteigerungen. „Überblickt“ die Gemeinde die Folgen des angegriffenen Gesetzes, so wird bei der Rüge, das Konnexitätsprinzip sei verletzt, letzten Endes zur Darlegung der Beschwerdebefugnis eine umfassende ökonomische Betrachtung der beanstandeten gesetzlichen Regelung insgesamt und der mit und ohne die ausgabenrelevanten Aufgaben bestehenden Folgen für die Gemeinde gefordert. Ansonsten bleibt die Verfassungsbeschwerde unzulässig.156 Das erschwert die Durchsetzung des Finanzierungsanspruchs bei ungenügender Finanzausstattung durch das Land. Die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen sollen offenbar weitgehende Forderungen der Kommunen gegenüber dem Land eindämmen. Sie nehmen aber auch der strikten Konnexität etwas von ihrer praktischen Wirksamkeit. In seinem Urteil vom 11.05.2006 157 hatte sich das Landesverfassungsgericht mit Verfassungsbeschwerden gegen das Finanzausgleichsgesetz Mecklenburg-Vorpommern 158 von 2004 auseinander zu setzen. Das Landesrecht sah seit 2001 vor, dass sich die Einnahmen der Gemeinden aus eigenen Steuern und Zuweisungen nach dem Finanzausgleichsgesetz des Landes „gleichmäßig“ zu den Einnahmen des Landes aus Steuern und Finanzausgleich auf Bundes- und Länderebene entwickeln sollten, abzüglich der an die Gemeinden und Kreise fließenden Ausgleichsleistungen (sog. Gleichmäßigkeitsgrundsatz).159 Den Kommunen war ab 1999 im Finanzausgleichsgesetz ein verrechnungsfreier Betrag von umgerechnet ca. 1,38 Mrd. € p.a. zur Verfügung gestellt worden, der später (ab 2003) abgesenkt und nach 1,2 Mrd. € für 2005 zum 01.01.2006 endgültig abgeschafft wurde. Damit verbunden war eine Absenkung der Mindestfinanzausstattung.160 Das Land stand auf dem Standpunkt, der Gleichmäßigkeitsgrundsatz habe durch den anrechnungsfreien Betrag nicht realisiert werden können und es habe daher seine Mindereinnahmen selbst tragen müssen.161

www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de/entscheidungen . . . Danach ist eine reine „Restfinanzierungsverpflichtung“ gegenüber freien Trägern der Jugendhilfe ohne Handlungsverpflichtung nicht an der Konnexität des Art. 87 Abs. 3 der Landesverfassung von Sachsen-Anhalt zu messen, sondern an der Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung der Art. 2 Abs. 3, 87 Abs. 1 Landesverfassung Sachsen-Anhalt. In diesem Rahmen schuldet das Land nur eine angemessene finanzielle Ausstattung der Kommunen, LVerfG LSA, aaO, Rdnr. 69. 156 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 15/04, aaO, II der Gründe, Umdruck S. 7. 157 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05 – Urt. v. 11.05.2006 – www. landesverfassungsgericht-mv.de/prozesse/aktuelle. 158 5. Gesetz zur Änderung des Finanzausgleichsgesetzes M-V v. 04.03.2004, GVOBl. M-V 2004, S. 96. 159 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, A I der Gründe, Umdruck S. 4. 160 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, Umdruck, S. 4–6. 161 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, Umdruck, S. 7.

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Das LVerfG wies die Verfassungsbeschwerden unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 18.12.2003 162 als unbegründet zurück. Zwar umfasse die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung auch einen Anspruch auf angemessene Finanzausstattung gegen das Land. Zum Kern der kommunalen Selbstverwaltung gehöre auch die Möglichkeit, ein Minimum freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben finanzieren zu können.163 Der Gesetzgeber habe freilich einen weiten Spielraum. Entgegen der Landesregierung leitet das Verfassungsgericht aus der „Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung“ einen Leistungsanspruch ab, wogegen die Landesregierung nur Abwehransprüche bejahen wollte.164 Ob der Kernbereich durch gesetzgeberische Entscheidungen verletzt sei, müsse wertend beantwortet werden. Eine solche Betrachtung des kommunalen Finanzgebarens ist zwar aus Sicht des LVerfG nicht unproblematisch für die Selbstverwaltung, aber sie sei entgegen der Meinung des Staatsgerichtshofs von Baden-Württemberg möglich.165 Dieser hat die Auffassung vertreten, in den weiten, aber durchaus gebundenen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und in das autonome Selbstverwaltungsrecht der Kommunen dürfe der Staatsgerichtshof nicht durch Parameter u.ä. Maßstäbe zum Finanzausgleich eingreifen; „Selbstverwaltung und Gesetzgebung würden sich nicht mehr in autonomer Selbstgestaltung, sondern in Ausübung des extern durch den Staatsgerichtshof vorgegebenen Rahmens vollziehen“.166 Der Staatsgerichtshof übt also anders als das LVerfG Mecklenburg-Vorpommern angesichts der Komplexität der wirtschaftlich-politischen Prozesse konsequent judicial self-restraint.167

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Anders auch als der Thüringische VerfGH ist das LVerfG Mecklenburg-Vorpommern der Auffassung, die Mindestausstattung bestehe nur im Rahmen der eigenen Leistungsfähigkeit des Landes. Das finanziell „Mögliche“ sei die Grenze.168 Die zur Verfügung gestellten Finanzmittel ändern sich daher in Abhängigkeit von der jeweiligen Finanzsituation – aber eben nur innerhalb der weiten Grenzen, jenseits derer die „Unantastbarkeit“ des Rechts auf Selbstverwaltung berührt ist.169 In angespannter Finanzlage muss dem Gebot der Verteilungssymmetrie 170 zwischen Land

162 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 18.12.2003 – LVerfG 13/02 – DÖV 2004, 448 = LKV 2004, 175 = LVerfGE 14, 293. 163 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, aaO, Umdruck, S. 25, 27, 28 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des niedersächsischen sowie des baden-württembergischen Staatsgerichtshofs, des bayerischen und des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs. 164 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, Umdruck, S. 28. 165 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, aaO, Umdruck, S. 29; aA Staatsgerichtshof (StGH) Baden-Württemberg, Urt. v. 10.05.1999 – JZ 1999, 1049 = ESVGH 49, 242 ff. 166 StGH Baden-Württemberg, aaO, II 2 a) ff. der Entscheidungsgründe, insb. lit e), aa) aE. 167 Vgl. dazu auch BVerfG, Urt. v. 31.07.1973 – 2 BvF 1/73 – BVerfGE 36, 1 ff., LS 2. „2. Der Grundsatz des judicial self-restraint zielt darauf ab, den von der Verfassung für die anderen Verfassungsorgane garantierten Raum freier politischer Gestaltung offenzuhalten.“ 168 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern, aaO, Umdruck, S. 29 f.; im Anschluss an VerfGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.07.1998 – VerfGH 16/96, 7/97 – NVwZ-RR 1999, 81 ff. = DVBl. 1998, 1280 ff. Nach diesem Urteil des VerfGH NW hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum, wie er den Anspruch auf angemessene Finanzausstattung erfüllt und welches System er dabei anwendet. 169 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, C I 4 der Gründe, Umdruck, S. 30. 170 Zur Verteilungssymmetrie ebenso Nds. StGH, Urt. v. 16.05.2001 – StGH 6/99–9/99, 1/00, Verfassungsbeschwerden von 28 Gemeinden/Städten/Samtgemeinden/Flecken, der Landeshauptstadt und von Landkreisen gegen das Niedersächsische Finanzverteilungsgesetz (1999), das

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

und Gemeinde entsprochen werden.171 Die Auffassung des LVerfG MecklenburgVorpommern entspricht daher insoweit derjenigen des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs in dem in bezug genommenen Urteil vom 16.05.2001. Es könne auch „Anlass“ bestehen, „den Kommunen durch Entlastung von Aufgaben und Ausgaben zu helfen.“ Damit bleibt als Fazit, dass der Landesgesetzgeber jenseits des weiten Entscheidungsspielraums in Mecklenburg-Vorpommern bei weiterhin fehlenden Finanzmitteln Aufgaben kürzen, sie „verbilligen“ oder auf sie verzichten muss. Dieser Standpunkt ist von dem des Thüringer VerfGH doch wohl weniger weit entfernt als es beim ersten Eindruck scheint.

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Die Verfassungsbeschwerden der Kommunen scheitern nach dem Urteil des LVerfG Mecklenburg-Vorpommern dann schlicht daran, dass ihnen aus dessen Sicht noch hinreichend Mittel zur Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben bleiben.172 Damit ist die verfassungsrechtlich garantierte Selbstverwaltung nicht verletzt. Die Methode des LVerfG ist ebenso „einfach“ wie zutreffend: Es vergleicht nämlich die Finanzausstattung der Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern mit denen anderer Flächenbundesländer, wobei es auf die Besonderheiten des Landes eingeht (Flächen- und Bevölkerungsstruktur, Arbeitslosigkeit).173 Das LVerfG stellt dabei unter Bezugnahme auf den Landesrechnungshof u.a. fest, die Gesamteinnahmen pro Kopf der Bevölkerung hätten 2004 in Mecklenburg-Vorpommern unter Einschluss von Ausgleichsleistungen seitens des Landes in Höhe von 904 €/Kopf der Bevölkerung insgesamt 1634 € betragen, in den „finanzschwachen Flächenländern West“ 174 (jedoch nur) 1477 € (dortiger durchschnittlicher Landeszuschuss pro Kopf: 485 €).175 Daraus folgert das LVerfG, die Kommunen des Landes hätten in der Vergleichsgruppe eine überdurchschnittliche Ausstattung gehabt, wenn auch ihre eigene Finanzkraft geringer gewesen sei. Dann betrachtet es die konkrete Situation der einzelnen Beschwerdeführer und stellt akribisch fest, was an freiwilligen Leistungen in den Jahren 2004 und 2005 noch finanziert werden konnte. Die Band-

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Niedersächsische Gesetz über den Finanzausgleich (1999) und das Haushaltsbegleitgesetz (1999) – Nds.VBl. 2001, 184 ff. = NVwZ-RR 2001, 553; D IV 1 d) der Gründe, Umdruck, S. 33. 171 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, C I 5 der Gründe, Umdruck, S. 31 mit Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619, 1628/83, (erfolglose) Verfassungsbeschwerde der Gemeinde Rastede und einer weiteren Stadt gg. das Nds. Ausführungsgesetz zum Abfallbeseitigungsgesetz (Bund) – BVerfGE 79, 127 ff., D I 3b) der Gründe, wo das BVerfG feststellt, Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG enthalte „auch außerhalb des Kernbereichs der Garantie ein verfassungsrechtliches Aufgabenverteilungsprinzip hinsichtlich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden, das der zuständigkeitsverteilende Gesetzgeber zu berücksichtigen hat. Auf diese Weise sichert Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG den Gemeinden einen Aufgabenbereich, der grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfasst.“ 172 Siehe zu folgendem LV 1, 5, 9/05, aaO, IV 1 ff. der Gründe, Umdruck, S. 43 ff. 173 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, D IV der Gründe, Umdruck, S. 43–45. 174 Es mag offen bleiben, ob diese Aussage für die zitierten Länder Rheinland-Pfalz, SchleswigHolstein, Niedersachsen und Saarland so zutrifft. 175 Zu den angegebenen und weiteren Zahlen siehe LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, D IV der Gründe, Umdruck, S. 44 ff.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

breite der Leistungen ist erheblich 176, sie reicht bei einem der Beschwerdeführer von „Theaterzuschüssen“ über „Geschäftsausgaben der Fraktionen“ einer Kommunalvertretung, einen „Frauentreff“, Zuschüsse für die „Internationale Zusammenarbeit“ bis zu einem „Verkehrslandeplatz“ und „Mitgliedsbeiträgen an Verbände und Vereine“. Ähnlich ist die Situation bei den anderen Beschwerdeführern. Statistisch aussagekräftiger ist der Anteil der freiwilligen Aufgaben am Verwaltungshaushalt, der in einem Fall 8 % im Jahr 2004 ausmacht, 2005 allerdings nur noch 3,12 %. In den Fällen der weiteren Beschwerdeführer sind ebenfalls noch einige Prozente des Verwaltungshaushaltes für freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben berücksichtigt. Bei einem der Beschwerdeführer will das LVerfG „nicht unberücksichtigt bleiben“ lassen, dass 11 % des Verwaltungshaushalts durch Ausgaben für das fehlgeschlagene (und wohl fremdfinanzierte) Projekt eines Baugebiets (Erwerb von der Treuhand 1995) belastet würden. Hier führt die Eigenverantwortlichkeit zugleich zur Eigenbelastung. Ein „bail out“, so kann man insoweit aus dem Urteil folgern, kann es bei angespannter Finanzlage des Landes nicht für eigene „Fehleinschätzungen“ der Kommunen geben und schon gar nicht kann bei einer solchen Situation mit Erfolg eine Regelung des kommunalen Finanzausgleichs angegriffen werden. Im Ergebnis, so das LVerfG, zeigten die beschwerdeführenden Kommunen bzw. Kreise eine „ihre Identität“ prägende „Wahrnehmung von freiwilligen Aufgaben der Selbstverwaltung“, u.a. in der „Förderung sozialer Angelegenheiten sowie des Vereinslebens“ und, mit einer Ausnahme, auch auf dem Sektor der Kultur. Mit diesen Feststellungen mussten die Verfassungsbeschwerden ohne Erfolg bleiben.

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Der Finanzausgleich in der jüngsten Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts Sachsen-Anhalt Auch das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt hat sich jüngst in zwei Entscheidungen vom 13. Juni 2006 mit Fragen des kommunalen Finanzausgleichs auseinandergesetzt 177 und § 19a des Finanzausgleichgesetzes Sachen-Anhalt 178 für unvereinbar mit der kommunalen Selbstverwaltung erklärt. Durch diese Vorschrift führte man eine sog. Finanzausgleichsumlage ein, um „Steueroasen“ entgegen zu wirken und um bei Gemeinden mit hohem Steueraufkommen bei der Gewerbesteuer und einer Finanzkraft, die erheblich über dem Bedarf liege, im Interesse „interkommunaler Solidarität“ Teile des „Überschusses“ abzuschöpfen. Die Finanzausgleichsumlage änderte nichts an der zudem u.a. nach anderen Bestimmungen der Gemeinde- bzw. Landkreisordnung erhobenen Kreis- und Verwaltungsgemeinschaftsumlage bzw. der Gewerbesteuerumlage, da sie nach § 19a Abs. 2 Finanzausgleichsgesetz deren Bemessungsgrundlagen nicht änderte.

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Das führte dazu, dass die Beschwerdeführerin in dem Verfahren LVG 7/05, eine Gemeinde von 239 Einwohnern, die aufgrund aktiver Unternehmensansiedlungs-

176 LVerfG Mecklenburg-Vorpommern zu LV 1, 5, 9/05, aaO, D IV der Gründe, Umdruck, S. 46–49. 177 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteile v. 13.06.2006 zu LVG 7/05 und LVG 21/05, siehe www. lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de/. 178 Finanzausgleichsgesetz idF des Gesetzes v. 21.12.2004, GVBl. LSA 2004, S. 840.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

politik durch den Mindesthebesatz von 200 % für die Gewerbesteuer die Verlagerung eines Unternehmens von Niedersachsen nach Sachen-Anhalt erreichte, durch die Umlagen erhebliche Defizite hinnehmen musste. Sie trug vor, bei Einnahmen von ca. 21,1 Mio. € im Jahr 2004 nach Abzug der diversen Umlagen (Kreisumlage, Gewerbesteuerumlage, Finanzausgleichsumlage) in Gesamthöhe von ca. 23,3 Mio. € ein Defizit von 2,2 Mio. € 179 zu haben. Dieses werde umso größer, je höher die Steuereinnahmen seien.180 Die Finanzkraft der Kommunen und damit der Finanzausgleich und die Umlagen ergeben sich aus einer hier nicht weiter zu behandelnden komplexen Betrachtung, die u.a. auf „fiktiven“ Gewerbesteuer(durchschnitts)hebesätzen von 324 % statt dem gesetzlichen Minimum von 200 % aufbaut, das die Beschwerdeführerin zugrunde legt.181 Der Investor werde solche Sätze nicht zahlen, sondern den Standort aus Sachsen-Anhalt wieder wegverlagern, was ihm mangels Standortgebundenheit leicht möglich sei.182 Die Landesregierung ist dem Vortrag der Beschwerdeführerin u.a. mit dem Argument entgegen getreten, es liege ein „atypischer Sonderfall“ vor, Steueroasen sollten verhindert werden, denn damit erreiche die Beschwerdeführerin ohne entsprechende Investitionen Unternehmensansiedlungen zu Lasten anderer Kommunen mit höherem Hebesatz. Dies solle aus Gründen der „interkommunalen Solidarität“ nicht sein.183 Das LVerfG hat geurteilt, der beanstandete § 19a Finanzausgleichgesetz SachsenAnhalt sei verfassungswidrig, weil er bei den betroffenen Gemeinden Beiträge über das zulässige Maß hinaus „abschöpfe“ oder weil sie gegenüber den damit „verschonten“ Gemeinden durch Nivellierung erheblich schlechter gestellt würden.184 Dabei sei die Umverteilung von „reichen“ zugunsten von „armen“ Kommunen zulässig. Dieser horizontale oder „interkommunale“ 185 Finanzausgleich steht im Einklang mit Art. 88 Abs. 1 Satz 2 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt 186, der angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Kommunen fordert. Die Umlage nach § 19a Finanzausgleichsgesetz Sachsen-Anhalt sei ein sachlicher Grund im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (dort zum bündischen 179 D.h. knapp 10.000 €/Einwohner! Es ist evident, dass eine solche Gemeinde bei solchen Rahmenbedingungen über kurz oder lang effektiv zahlungsunfähig werden müsste. 180 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteile v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, Umdruck, S. 8, Rdnr. 20, siehe www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de/. 181 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, Umdruck, S. 4, Rdnr. 8, S. 5, Rdnr. 10, S. 7 f., Rdnr. 16 f., siehe www.lverfg.justiz.sachsen-anhalt.de/. 182 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO. 183 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, Umdruck S. 10, Rdnr. 33. Die Argumentation der Landesregierung ist nicht unbedingt sehr überzeugend, ist doch der Standortwettbewerb seit vielen Jahren mit zunehmender Verschärfung im Gange und zwar europaweit. Niedrige Steuersätze sind da nur ein Gesichtspunkt. Sie sind noch das eher weniger problembehaftete Instrument, während spezifische Infrastrukturinvestitionen, die nur einem konkreten Unternehmen dienen, unzulässige und häufig wohl nicht genehmigungsfähige Beihilfen nach Art. 87 EG darstellen können. Siehe dazu Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts, 2006, S. 216 f. mwN und FN 1061, 1062. Zum „Steuerwettbewerb“ siehe Cranshaw, aaO, S. 223/225 mwN; vgl. auch FAZ v. 15.02.2005, Verlagerung der Sandozzentrale von Wien nach Holzkirchen/München. 184 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO, Umdruck S. 15, Rdnr. 54. 185 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO, Umdruck S. 15, Rdnr. 56. 186 Vom 16. Juli 1992 GVBl. LSA Nr. 31/1992 v. 17. 7. 1992 idF des Gesetzes v. 27.01.2005, GVBl. LSA 2005, S. 44.

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65b

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Einstehen der Länder untereinander 187). Diesen Gedanken greift das LVerfG für das Verhältnis zwischen den Kommunen auf. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat das LVerfG dagegen, dass von der Bemessungsgrundlage der Finanzausgleichsumlage die Gewerbesteuerumlage nicht abgesetzt wird.

65c

Das Recht auf kommunale Selbstverwaltung sei erst verletzt, wenn die „eigene Finanzausstattung der Gemeinden in Frage gestellt würde“ oder wenn sich durch die Finanzausgleichsumlage im Einzelfall eine unzulässige Nivellierung ergebe. Dasselbe gelte für die Kumulierung der Umlagen (s.o.).188 Die Finanzausgleichsumlage ist aber zu Recht daran gescheitert, dass das Gesetz keine Vorsorge gegen eine Abschöpfung trifft, die verfassungsrechtliche Grenzen überschreitet, wofür das Gesetz eine Ausnahmeregelung vorsehen müsse, die aber fehlte.189 Es geht vorliegend damit um die Frage der Abschöpfung bei (hoch) abundanten Kommunen, also Gemeinden, deren Steuerkraft(messzahl) über der Bedarfs(messzahl) liegt. Diese Kommunen erbringen Ausgleichsleistungen im horizontalen interkommunalen Finanzausgleich, ohne selbst Leistungen zu erhalten.

65d

Die Möglichkeit des Unterschreitens der Mindestausstattung ist nach dem Urteil eine evidente Verletzung des Selbstverwaltungsrechts. Die unzulässige Nivellierung ist deutlich filigraner. Sie liege dann vor, wenn die umlagepflichtige Kommune nach der entsprechenden Berechnung der Steuerkraftmesszahl und der Bedarfsmesszahl nach dem Finanzausgleichsgesetz Sachen-Anhalt (2005) einen Rangverlust gegenüber anderen Gemeinden allein durch die Belastung mit der Finanzausgleichsumlage erleidet. Wie der Gesetzgeber der Unvereinbarkeit mit der Verfassung abhilft, sei seinem gesetzgeberischen Ermessen überlassen. Mangels Ermächtigung hat ihm das LVerfG keine Frist zur Erledigung gesetzt. Der verfassungswidrige Zustand dauere bis zur Abhilfe durch den Gesetzgeber fort.190

65e

Entsprechend hat das LVerfG Sachen-Anhalt auch in der zweiten Entscheidung vom 13.06.2006 geurteilt.191 Betroffen war eine Kommune mit etwa 9.000 Einwohnern, die durch Bescheid des Statistischen Landesamtes vom März 2005 u.a. zur Finanzausgleichsumlage herangezogen wurde; über den dagegen gerichteten Widerspruch war zum Zeitpunkt des Urteils noch nicht entschieden. Das VG Mageburg stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder her, das OVG Sachsen-

187 BVerfG, Urt. v. 24.06.1986 – 2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84 und 1, 2/85, zum Finanzausgleich – BVerfGE 72, 330 ff., 386/387; 397. In der Bestimmung des Art. 107 Abs. 2 GG (horizontaler Finanzausgleich) realisiert sich ein „bündisches Prinzip des Einstehens füreinander, das nicht nur im Verhältnis von Bund und Ländern, sondern auch im Verhältnis der Länder untereinander gilt. Dieses Prinzip verpflichtet die einzelnen Länder ungeachtet ihrer Eigenstaatlichkeit und finanziellen Selbständigkeit zu gewissen Hilfeleistungen an andere, finanziell leistungsschwache Länder.“ 188 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO, Umdruck S. 18, Rdnr. 66 f. 189 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO, Umdruck S. 18, Rdnr. 69 f. 190 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 7/05, aaO, Umdruck S. 19 ff., Rdnr. 70 ff., 72, 73 ff., 85. 191 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 21/05, www.lverfg.justiz.sachsenanhalt.de . . . , Umdruck, S. 16 ff., Rdnr. 80 ff.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Anhalt wies die Beschwerde des Landesamts zurück, da aus Sicht der Gerichte § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht anwendbar sei,192 so dass der Widerspruch Suspensivwirkung hatte. Nach dem Urteil des LVerfG muss dem Widerspruch im Hinblick auf die Unvereinbarkeit mit der Verfassung abgeholfen werden, wenn auch der Gesetzgeber noch keine Entscheidung getroffen haben mag und obwohl das LVerfG nicht die Nichtigkeit der inkriminierten Norm des § 19a Finanzausgleichsgesetz SachsenAnhalt (2005) angeordnet hat.193 dd)

Die Maßstäbe der Bundeshilfen zur Haushaltssanierung nach dem Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.Oktober 2006 194

Die jüngste Entwicklung in Deutschland markiert nunmehr das Berlin-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 2006.195 Es ist nicht nur für die Frage des Finanzausgleichs von Interesse, sondern auch für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen vom „Bankrott“ eines Landes oder einer Gebietskörperschaft gesprochen werden kann.

66

Berlin wurden die ab dem Jahr 2002 begehrten „Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen“ nicht gewährt. Die Bestimmungen der §§ 11 Abs. 6 des Finanzausgleichsgesetzes 1993 (Bund), Art. 5 § 11 Solidarpaktfortführungsgesetz sind nach dem Urteil verfassungsgemäß und widersprechen nicht Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG über Ergänzungszuweisungen an leistungsschwache Länder.

66a

Das Land Berlin hatte u.a. vorgetragen, es befinde sich in extremer Haushaltsnotlage und könne sich daraus „nicht mehr aus eigener Kraft befreien“.196 Die ihm „obliegenden Sanierungsanstrengungen (habe das Land Berlin) unternommen“. Entscheidend für die Verteilungsgrundsätze des Bund-Länder-Ausgleichs ist neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben in den Artikeln 106, 107 GG das Maßstäbegesetz 197, insbesondere dessen § 12 zu den „Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen“. Die Bundesergänzungszuweisungen stehen nur leistungsschwachen (= finanzschwachen) Bundesländern zu (§ 10). Sie sind „nachrangig“ und haben nur Ergänzungsfunktion (§ 10 Abs. 3 Maßstäbegesetz). Die Finanzkraft dieser Länder kann „allgemein angehoben“ oder „Sonderlasten“ können mitfinanziert werden; die letzteren sind die „Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen“ nach § 12.198

66b

Eine Reihe von Bundesländern sowie die Bundesregierung haben den Normenkontrollantrag für unzulässig gehalten. Neben der Bundesregierung hat die Mehrzahl der Länder den Antrag Berlins daneben auch für unbegründet erachtet.199 Vorgetragen wurde u.a., das Land Berlin „... versuche, die hilfeleistungsbegrenzende

66c

192 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 21/05, aaO, Umdruck S. 4, Rdnr. 9. 193 LVerfG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 13.06.2006 zu LVG 21/05, aaO, Umdruck S. 18, Rdnr. 94. 194 BVerfG, Urt. v. 19.10.2006 – 2 BvF 3/03 – www.bverfg.de/entscheidungen/fs2006/ 019 _2bvf000303.html. 195 Zum Vortrag Berlins im Rechtsstreit siehe BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 44 ff. 196 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 57, 59. 197 Gesetz v. 09.09.2001 – BGBl. 2001 I S. 2302. 198 Vgl. dazu auch BVerfG, aaO, Tenor, Rdnr. 12, 4 ff. 199 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 69 ff./69; 74 ff./74.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Funktion von Eigenverantwortung und Eigenanstrengungen unzulässig zu minimieren.200 Dem gegenüber hat Bremen, das selbst ein Verfahren eingeleitet hat, dem Vortrag Berlins zugestimmt. Bremen vertritt eine – aus der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG abgeleitete – Pflicht zur Sanierungshilfe in extremer Haushaltsnotlage. Das sei bei Berlin der Fall. Irrelevant sei eine etwaige Mitverursachung der Situation durch Berlin selbst. Eine solche Problematik könne nur „präventiv“ berücksichtigt werden.201 Auch das ebenfalls Klage führende Saarland hat Berlin unterstützt, u.a. mit dem Argument, die behauptete Finanzschwäche anderer Bundesländer sei kein brauchbares Argument gegen eine Hilfeverpflichtung, da Maßstab der Feststellung einer extremen Haushaltsnotlage die Haushaltssituation der Gesamtheit aller Bundesländer sei.202

66d

Dem Gericht haben mehrere finanzwissenschaftliche Gutachten der verschiedenen Beteiligten vorgelegen. Mit den zugrunde liegenden Haushalts-/Finanzdaten im Ländervergleich befasst sich das Gericht ausgiebig (u.a. mit der Zins-/Steuer- (bzw. Einnahmen)quote, den Primäreinnahmen und -ausgaben).203 Für weitere Details muss auf die Darstellung im Urteil des BVerfG verwiesen werden.

67

Trotz der unstreitig gegebenen schwierigen Haushaltslage Berlins verneint der Senat einen Anspruch auf Bundesergänzungszuweisungen:

67a

67b

Kern ist die Aussage, diese Zuweisungen seien nur im Rahmen eines „strengen Ultima-Ratio-Prinzips“ gestattet. Daher seien sie nur zulässig (aber auch geboten), wenn eine extreme Haushaltsnotlage zu bejahen sei. Dies wiederum ist nach Auffassung des BVerfG nur dann der Fall, wenn eine existenzbedrohende Notstandsituation besteht. Die Sanierungshilfe des Bundes erfordert zudem die vorherige Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten des Hilfe begehrenden Landes, die Leistung durch den Bund muss der „einzig verbliebene Ausweg“ sein.204 Diese Kernsätze zu Umfang und Grenzen der bundesstaatlichen Solidarität in der Bundesrepublik zeigen Parallelen zu der Diskussion um den „Einwand“ des Staatsnotstands nach Art. 25 des Entwurfs der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit bei völkerrechtlichem Unrecht 205, hier in Fällen der Nichterfüllung von internationalen Zahlungspflichten seitens des Schuldnerstaates. Virulent geworden ist das in den letzten Jahren durch den Staatsbankrott Argentiniens und die dadurch hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten Pri-

200 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 87 ff./87. 201 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 117 ff. 202 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 79 ff. 203 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 126 ff., siehe insbesondere die Definitionen der verschiedenen Kennziffern in Absatz-Nr., 129 ff. 204 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 172. 205 Siehe Vereinte Nationen, Resolutionen und Beschlüsse der 56. Tagung der Generalversammlung, Band I, Resolutionen, New York, 2002, S. 530 ff., A/56/589, „Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen“. Vgl. auch General Assembly, Official Records, Fiftysixth session, Supplement No. 10 /A/56/10), Report of the International Law Commission, Fiftythird session, UN, New York, 2001, S. 43 ff., Text of the draft articles on Respponsibility of States; S. 59 ff. Text . . . with commentaries thereto.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

vater gegen Argentinien, das sich auf den Staatsnotstand berufen hat.206 Die völkerrechtliche Entwicklung der letzten 100 Jahre hat zu der heutigen (jedenfalls ganz überwiegenden) Meinung geführt, dass der Notstand eine streng zu handhabende Ausnahme darstellt, die eine Abweichung von dem eigentlich gebotenen völkerrechtlich richtigen Verhalten rechtfertigt. Teilweise wird gefordert, eine Notstandslage bestehe erst dann, wenn eine existentielle Gefahr für den betreffenden Staat entstanden ist. Ähnlich hat das BVerfG nunmehr zu den Voraussetzungen der extremen Haushaltsnotlage argumentiert. Die Bundeszuweisungen dienen nach dem BVerfG nicht dazu, politische Fehlentscheidungen eines Landes mit der Folge finanzieller Engpässe umgehend auszugleichen, auch nicht der Projektfinanzierung oder der Korrektur „finanzieller Schwächen“.207 Die Notlage ist aus der Sicht des Senats stets endogener Natur, sie beruht auf den Folgen früherer politischer Entscheidungen des Landes, die zu übermäßigen Kreditaufnahmen und zur Rechtspflicht der Bedienung dieser Kredite geführt haben.208 Daneben steht als potentielle Ursache unzureichende Finanzausstattung in der Vergangenheit.209 Unabhängig davon, dass Bundesergänzungszuweisungen als Sanierungsinstrument von dem Senat für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten werden und zwar u.a. vor dem Hintergrund der Autonomie der Landespolitik, sind sie dennoch als äußerstes Mittel „erlaubt und geboten“.210 Der Begriff der extremen Haushaltsnotlage und derjenige der Leistungsschwäche eines Landes nach Art. 107 GG wird zugleich dynamisch aufgefasst: „Leistungsschwäche“ ist relativ im Verhältnis des betroffenen zu den anderen Bundesländern zu betrachten.211 Die Leistungsschwäche ist an der Relation zwischen den Einnahmen des Landes und seinen Lasten aufgrund der bestehenden Aufgaben zu messen.212

68

Aus der zutreffenden Sicht des Berlin-Urteils ist der Begriff der „relativen“ Haushaltsnotlage daher dynamisch und nur durch vergleichende Betrachtung zu lösen. Er ändert sich auf der Zeitachse. Die Bundeshilfen sind aber im Ergebnis nur Hilfe zur Selbsthilfe, wenn vor ihrer Gewährung vorab die Ausschöpfung aller eigenen Möglichkeiten des betreffenden Landes gefordert wird, seine Finanzlage zu verbessern. Dabei ist wiederum der Vergleich mit den anderen Bundesländern vonnöten. Sind dort Maßnahmen umgesetzt, die das Hilfe begehrende Land nicht ergriffen hat, ist das, so der Senat, ein Indiz für fehlende Ausschöpfung gegebener eigener Möglichkeiten – mit anderen Worten kann dann von einem entsprechenden Haushaltsnotstand nicht gesprochen werden.213

68a

Eine absolute Betrachtungsweise bezieht sich nur auf die Aufgabenerfüllung.

68b

Auf die völlig berechtigte Kritik des Senats, die Bundesergänzungszuweisungen seien ein unbefriedigender Notbehelf zur Sanierung in extremen Haushaltsnot-

68c

206 207 208 209 210 211 212 213

Siehe hierzu detaillierter Kapitel II 4 nachfolgend, mwN. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 181. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 187 ff. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 187 aE, 188. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 190. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 192 ff./194. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 186, 194. BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 198 ff.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

lagen, aber kein wirklich geeignetes Instrument dafür, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Zu Recht wird auch gerügt, dass der Bund es bisher nicht fertig gebracht habe, entsprechende Strukturen finanzverfassungsrechtlich zu schaffen. Geradezu unverständlich ist es, wenn der Senat weiterhin rügen muss, dass nicht einmal wesentliche Kennzahlen der einzelnen Länder und des Bundes ohne „statistische Bereinigungen“ miteinander vergleichbar sind, d.h. eine Aussage über eine Notlage schon deshalb nur sehr schwer möglich ist.214

69

Eine den Anspruch auf entsprechende Bundeszuweisungen begründende extreme Haushaltsnotlage verneint der Senat damit, es liege lediglich eine angespannte Haushaltslage vor, die das Land wohl aus eigener Kraft bewältigen könne.215 Neben verschiedenen hier nicht im Detail zu erörternden Kennziffern betrachtet der Senat u.a. die Zins-/Steuerquote, d.h. das Verhältnis zwischen Zinsen für die Finanzierung und den Steuern sowie ähnlichen Einnahmen nach zwei verschiedenen Ansätzen (Zins-Steuer-Quote 1 und 2), die keinen Anhaltspunkt für eine extreme Haushaltsnotlage zeigten.216

69a

Auf der Einnahmenseite habe Berlin in den Jahren 1995–2004 pro Einwohner 26,1 % bis 35 % mehr Einnahmen gehabt als der Durchschnitt der Bundesländer.

69b

Auf der Ausgabenseite führt der Vergleich mit dem Stadtstaat Hamburg („hochgerechnet auf die Einwohnerzahl Berlins“ 217) in wesentlichen Ausgabepositionen zu der Feststellung, dass Berlin deutlich höhere Ausgaben auf diversen Schlüsselfeldern hatte (u.a. „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“, „Soziale Sicherung“, „Gesundheit“, „Wohnungswesen“ 218, „Wirtschaftsunternehmen“). Die sog. „Bankenhilfe“ für die vormalige Bankgesellschaft Berlin aus dem Jahr 2001 ist darin nicht enthalten und wurde vom Senat „abgesetzt“.219 Das BVerfG mahnt schließlich an, Berlin könne seine Einnahmen durch Privatisierung und Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze steigern. Zusammenfassend wird dann der Einwand zurückgewiesen, das Land könne die ihm auferlegten Aufgaben nicht mehr erfüllen. Die Sparpotentiale anderer Bundesländer seien bei dieser Betrachtung nicht einmal berücksichtigt worden. Mit diesem Fazit war dann der Antrag Berlins zurückzuweisen.220

70

Das Urteil ist in Berlin mit Bedauern aufgenommen und in der Politik ansonsten überwiegend als richtungsweisend angesehen worden. Forderungen nach einem „Stabilitätspakt“ wurden unmittelbar erhoben.221 Mittlerweile ist die Politik dabei,

214 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 202 ff./204. 215 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 206 ff., 218 ff., 223–226. 216 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 227. 217 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 237 ff., insb. Tabelle, Absatz-Nr. 239. Ähnlich hat das LVerfG Mecklenburg-Vorpommern im Urteil v. 11.05.2006 – LV 1, 5, 9/05 argumentiert, s.o. Rdn. (64 f), und die Einnahmen der klagenden Kommunen mit denen in anderen Bundesländern verglichen. 218 Die enorme Summe von 1.295 Mio. € über den Ausgaben der Freien und Hansestadt Hamburg ist sicher Folge der früher bekannt großzügigen Wohnungsbauförderung in Berlin. 219 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 239 ff. 220 BVerfG, aaO, Absatz-Nr. 250 ff./255. 221 Siehe Mechthild Küpper, „Ärmlich und unsexy“, aber „halbwegs gefasst . . . – Berliner Reaktionen“, FAZ v. 20.10.2006, S. 2. Auf Bundesebene wurden sofort strengere Grenzen für Kreditaufnahmen befürwortet, vgl. „Berliner Finanzklage gescheitert Karlsruhe: Keine extreme Not-

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

mit der Aufarbeitung des Urteils zu beginnen. Im Zentrum steht offenbar das Ziel einer bundesweiten, Bund und Länder umfassenden, „Schuldengrenze“, die die Kommunen und Sozialversicherungsträger einschließt. Orientierungskennziffern sind die Maastricht-Kriterien.222 Nach dem Vorschlag des sächsischen Ministerpräsidenten vom November 2006 soll der Anteil der Neuverschuldung, der nach Maastricht 3 % des Bruttoinlandsprodukts beträgt, auf 1 bzw. 1,5 % beschränkt werden. „Überschuldete“ Länder sollen durch „übergeordnete Gremien, (die) die Finanzhoheit beschneiden oder durch die Einschränkung der „unbegrenzten Haftung des öffentlichen Kreditnehmers“ 223 diszipliniert werden. Die letztere Aussage lässt sich als Erwägung, wenn nicht Postulat, eines Insolvenzverfahrens über Gebietskörperschaften verstehen, das den Schuldner (!) disziplinieren soll. Auf weitere Einzelheiten der politischen Diskussion ist im vorliegenden Rahmen nicht einzugehen. Deutliche Kritik an dem Urteil übt die Finanzwissenschaft 224, wenn dort die Entscheidung für nicht weitgehend genug betrachtet und gefordert wird, das BVerfG hätte entscheiden müssen, es gebe auch dann keine Bundeshilfe, wenn Berlin seine Zinsen nicht mehr zahlen könne. Dann komme es zur Insolvenz, die durch notwendige Verzichte der Gläubiger (beginnend mit den Anleihegläubigern) zur Sanierung führe. Daraufhin setze das ordnungsgemäße Funktionieren der Kreditmärkte ein. Die bloße Möglichkeit einer Insolvenz der Gebietskörperschaften wirke bereits präventiv.225

70a

Die vorstehend grob umrissene Kritik an dem Berlin-Urteil ist nur dann überzeugend, wenn man das Insolvenzverfahren als Königsweg ansieht und das Konzept der Insolvenzunfähigkeit als ökonomisch ungeeignet betrachtet, den Herausforderungen von Haushaltsnotlagen wirksam zu begegnen. Gegen die Einführung eines „Insolvenzverfahrens“ über das Vermögen von Gebietskörperschaften sprechen gute Gründe. Eines der Kernprobleme hat das BVerfG, wenn auch eingekleidet in die Thematik der Bundeszuweisungen, beleuchtet, nämlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine so extreme Situation besteht, dass darauf mit einem „Zahlungsunfähigkeitsverfahren“ zu reagieren wäre. Postuliert man wie der zitierte Beitrag in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein Insolvenzverfahren über Berlin, enthält dieses Petitum im Ergebnis zugleich eine andere Aussage, nämlich diejenige, dass die Schwelle für die Eröffnung eines solchen Verfahrens deutlich unter der existenzbedrohenden Haushaltsnotlage nach dem Berlin-Urteil liegen muss. Liegt die Schwelle auf gleicher Höhe, kommt sachlogisch ein solches Verfahren ebenso wenig in Frage wie die Leistung von Sonderzuweisungen des Bundes.

70b

lage“, FAZ v. 20.10.2006, S. 1. Das Urteil begrüßt der Kommentar der FAZ v. 20.10.2006, S. 13 „Die Grenze der Solidarität“. Die Diskussion hierüber hält an und wird auf der nächsten – zweiten – Stufe der Föderalismusreform ab 2007 zu einem Ergebnis führen müssen. Siehe dazu und zum Länderfinanzausgleich nebst Steuerverteilung Schäfers, „Vor dem Finanzpoker“, FAZ v. 15.12. 2006, S. 18. 222 Siehe FAZ v. 20.11.2006, S. 13 „Milbradt will scharfe Sanktionen gegen Haushaltssünder“. 223 FAZ, aaO. 224 Vgl. Blankart, „Für Berlin bringt nur noch die Insolvenz die Rettung“, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung v. 22.10.2006, S. 42. 225 Blankart, aaO.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Senkt man die ökonomischen Voraussetzungen für ein Verfahren unter das vom BVerfG vorgegebene Niveau ab und bejaht auf der Basis des Vortrags des Landes Berlin in dem Verfahren die Möglichkeit, ein kommunales Zahlungsunfähigkeitsverfahren zu eröffnen, so ist das die Wertung, die Insolvenz sei nicht die ultima ratio für existentielle Notsituationen, sondern das in schwieriger Haushaltsnotlage gebotene Procedere, um relativ rasch für die Zukunft wieder ohne drückende Lasten zu sein. Mit Gläubigerschutz hätte diese Sichtweise wenig gemein, hier würde sich allein das Schuldnerinteresse durchsetzen. ee)

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Die Einnahmen der Kommunen, Föderalismusreform, Steuerungsmechanismen der Haushalte

Die Einnahmepositionen der Kommunen im Verwaltungshaushalt stammen nur etwa zur Hälfte aus eigenen Steuern, Gebühren usw.226 Die andere Hälfte wird aus Zuweisungen des Bundes und der Länder gespeist, u.a. durch den Anteil an der Einkommen- und Umsatzsteuer. Das Aufkommen der Steuern nach Maßgabe des Art. 106 Abs. 5–8 GG bzw. des Zuschusses nach Art. 106a GG sowie die weiteren Zuweisungen werden den Gemeinden nach einem von ihnen rechtlich kaum beeinflussbaren Schlüssel und weiteren gesetzlichen Bestimmungen (z.B. des Landesrechts, wie oben dargestellt 227) zugewandt, auf die sie mangels Gesetzgebungskompetenz ebenfalls keinen Einfluss haben. Das hängt wiederum damit zusammen, dass der Staatsaufbau der Bundesrepublik faktisch zwar dreistufig ist (Bund, Länder, Kommunen), verfassungsrechtlich nach dem Grundgesetz aber nur zweistufig (Bund und Länder) und die Kommunen der Verwaltung der Länder zugeordnet werden.228 Dennoch haben sie die lokalen und regionalen Verwaltungen und Infrastrukturen darzustellen und zu unterhalten.

71a

Die Föderalismusreform 2006 229, die mit einer Fülle von Änderungen des Grundgesetzes einhergeht, bringt auch Änderungen in der Finanzverfassung mit sich. Damit soll eine „klarere Zuordnung der Finanzverantwortung“ erfolgen, die „Aufgabenverantwortung“ (bei den Gemeinschaftsaufgaben, Art. 91a GG) soll entflochten werden.230 Die Grundgesetzänderungen betreffen im Einzelnen u.a. folgendes: • Art. 104a Abs. 4 GG ist völlig neu gefasst worden, die bisherige Regelung ist Teil eines neuen Art. 104b GG geworden. Nach der Neuregelung sind Gesetze, die von den Ländern als eigene Angelegenheit oder im Auftrag des Bundes ausgeführt

226 Vgl. Waldhoff, Kommunale Einnahmen im Überblick, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 7 insb. Rdnr. 3 (Tabelle S. 110), Jahr: 2004; Quellenangabe bei Waldhoff: Finanzberichte des BMF. 227 Siehe zur landesinternen Situation z. B. LVerfG MVP, Urt. v. 18.12.2003 – LVerfG 13/02 – DÖV 2004, 448 sowie generell die vorstehend beleuchteten Entscheidungen. 228 Vgl. statt aller Maunz-Dürig, Art. 28 Rdnr. 70, 79. 229 Vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 22, 23, 33 . . . 104a, 104b, 105, 107, 109 . . . 143c) v. 28.08.2006, BGBl. 2006 I Nr. 41 v. 31.08.2006, S. 2034 ff., nach Art. 2 in Kraft ab 01.09.2006. Zur Gesetzesbegründung vgl. BR-Drs. 16/813 v. 07.03.2006 und 462/06 v. 30.06.2006. 230 BR-Drs. 16/813, S. 10.

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3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

werden und die Pflichten der Länder zu Geldleistungen oder diesen vergleichbare geldwerte Leistungen oder Dienstleistungen an Dritte zum Gegenstand haben, generell zustimmungspflichtig, wenn der Bund nicht die Kosten vollständig trägt.231 Damit sind auch Bundesgesetze, bei denen der Bund mehr als die Hälfte der Ausgaben trägt (Art. 104a Abs. 3 GG) und die von den Ländern ausgeführt werden, zustimmungspflichtig. Das zwingt den Bund zur Kostenübernahme, also zur Konnexität, oder zum anderweitigen Ausgleich, da ansonsten im politischen Prozess kaum mit der Zustimmung der Mehrheit der Länder im Bundesrat zu rechnen ist. Besonders bedeutsam ist das bei den Sozialausgaben. Die Regelung schlägt über die Länder auf die Gemeinden durch und mag dort entlastend wirken. Bundesgesetze, deren Vollzug zu Kosten führt, die die Länder (und damit die Gemeinden) nicht in ihrer Eigenschaft als Verfassungsorgan treffen, sondern „wie einen privaten Dritten, etwa als Betreiber einer Einrichtung ...“, sind allerdings nicht zustimmungspflichtig.232 • Der neue Art. 104b GG n.F. (Art. 104 Abs. 4 GG a.F.) ermöglicht unverändert Finanzhilfen des Bundes für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Kommunen zur „Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ... zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet ... (und) zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums“ (Art. 104b Abs. 1 Nrn. 1–3 GG n.F.). Dies allerdings unter weitgehendem Gesetzesvorbehalt und nicht mehr in Angelegenheiten der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder.233 Das ist eine wesentliche Änderung.234 Unverändert ist, dass die Finanzhilfen „erforderlich“ (und damit auch geeignet) sein müssen, um den Zweck der Regelung zu erfüllen. Art. 104b Abs. 2 Satz 2 GG n.F. ordnet ferner an, dass die Mittel befristet zu gewähren sind, ihre Berechtigung regelmäßig zu überprüfen ist und sie der Höhe nach ständig abnehmen müssen, denn sie sind „im Zeitablauf mit fallenden Jahresbeträgen zu gestalten“. Mit der Neuregelung soll das Ziel erreicht werden, Bundesmittel „flexibel“ (nur noch) zur Behebung von „konkreten Problemlagen“ einzusetzen.235 • Art. 105 Abs. 2a GG wird um einen weiteren Satz ergänzt, der den Ländern Steuerautonomie beim Grunderwerbsteuersatz ermöglicht. In Art. 107 Abs. 1 Satz 4 GG n.F. hat man bei der Bemessung des Länderanteils an der Umsatzsteuer für die dort vorgesehenen Ergänzungszuweisungen für Länder mit (im Länderdurchschnitt) unterdurchschnittlichen Einnahmen aus der Einkommen- und Körperschaftssteuer korrespondierend geregelt, dass bei der Grunderwerbsteuer die Steuerkraft zu berücksichtigen sei. Damit will man „Fehlanreize“ durch Senkung des Grunderwerbsteuersatzes in den Ländern vermeiden, da man die Gefahr sieht, dass die entsprechenden Steuerausfälle durch Zuweisungen aus der Umsatzsteuer egalisiert werden könnten.236 231 BR-Drs. 16/813, S. 18 f. zu den hierunter zu subsumierenden Leistungen nach der Koalitionsvereinbarung v. 18.11.2005. 232 BR-Drs. 16/813, S. 19. 233 BR-Drs. 16/813, S. 19. 234 Die Begründung nennt Ganztagsschul-Investitionsprogramme, die damit nicht mehr durch den Bund bezuschusst würden, da die Länder auf diesem Sektor die alleinige Gesetzgebungskompetenz haben, BR-Drs. 16/813, S. 19. 235 BR-Drs. 16/813, S. 19 f. 236 BR-Drs. 16/813, S. 20.

57

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

• Die Neuregelungen in Art. 125c Abs. 2 und in Art. 143c GG n.F. betreffen u.a. Übergangsvorschriften zur Gemeindeverkehrsfinanzierung und zur sozialen Wohnraumförderung. Förderungen durch den Bund enden in bestimmtem Umfang bereits zum 31.12.2006; andere, insbesondere etwa die auf Art. 104a Abs. 4 GG a.F. gestützten „besonderen Programme nach § 6 Abs. 1 Gemeindeverkehrfinanzierungsgesetz“, haben eine Laufzeit bis spätestens 31.12.2019.237 Einfachgesetzlich erforderliche Rechtsangleichungen enthält das „Föderalismusreform-Begleitgesetz“.238

71b

Tiefgreifendere Veränderungen in der Finanzverfassung auf der Bund-/Länderebene wird vermutlich die zweite Stufe der Föderalismusreform mit sich bringen. Die weitere Entwicklung im politischen Prozess bleibt abzuwarten.

72

Zu den Steuerungsmechanismen der Haushalte gehören nicht nur die landes- und bundesrechtlichen Vorschriften der Verfassungen und die haushaltsrechtlichen Bestimmungen im engeren Sinne, die unmittelbar Ein- und Ausgaben beeinflussen.

72a

Dazu zählen auch Regelwerke, die die Finanzierung der Kommunen erleichtern, wie das nationale und europäische Bankaufsichtsrecht 239, aber auch europarechtliche Vorschriften, die die Stabilität der Wirtschaft und der Währung stützen sollen (wie die Maastrichtkriterien, zum europäischen Recht siehe sogleich lit. b) nachfolgend).

72b

Zur Steuerung des Wirtschaftsgeschehens und der Staatshaushalte dient unverändert auch das ebenfalls wohl etwas aus dem Blick geratene Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (Stabilitätsgesetz):240 Danach haben Bund und Länder bekanntermaßen gleichzeitig für Stabilität des Preisniveaus (d.h. der Währung), ein hohes Beschäftigungsniveau (d.h. geringe Arbeitslosigkeit), stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum sowie außenwirtschaftliches Gleichgewicht zu sorgen. Für weitere Details ist hier kein Raum, es muss aber hinterfragt werden, inwieweit die autonome Politik der Bundesrepublik überhaupt noch hinreicht, diese Ziele zu verfolgen. Durch weltweite Verflechtung der Wirtschaft ergeben sich hier schwerwiegende Zielkonflikte, ein erheblicher Teil der Wirtschaftspolitik ist rechtlich oder doch faktisch durch den zunehmenden Binnenmarkt „vergemeinschaftet“. Bei Gefährdung eines der obigen Ziele (§ 3) stellt der Bund u.a. den Gebietskörperschaften Orientierungsdaten zur Verfügung, um gemeinsam die Probleme abzuwenden. Der Bund erfasst in seiner mittelfristigen Finanzplanung (§ 9; 5 Jahre) ferner die voraussichtlichen Ausgaben und deren Deckung unter Beachtung der „mutmaßlichen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Leistungsvermögens“.

237 Für Einzelheiten wird auf die Begründung in der BR-Drs. 16/813, S. 21–23 verwiesen. 238 Föderalismusreform-Begleitgesetz v. 05.09.2006, BGBl. 2006 I 2098 ff. 239 Siehe dazu Kapitel VI 2), Rdnr. (254) ff.; 3), Rdnr. (260) ff. 240 Stabilitätsgesetz v. 08.06.1967, BGBl. 1967 I 582 mit Änderungen bis zu Art. 101 V des Gesetzes v. 25.11.2003, BGBl. 2003 I 2304.

58

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Bei Störungen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts kann der Bund die Kreditaufnahme der Länder und Gemeinden beschränken (mit Ausnahme der nicht rechtsfähigen kommunalen Unternehmen, §§ 19, 1 S. 1). Die Länder sorgen dafür, dass sie selbst und ihre Kommunen sich an die Vorgaben des Bundes halten (§ 23). Dabei ist der Gleichrang (!) der Aufgaben von Bund, Land und Kommunen zu beachten, auf die Verhältnisse der Stadtstaaten ist Rücksicht zu nehmen (§ 24). Es bestehen daher gesetzliche Regelwerke, die der Störung der Wirtschaft begegnen sollen bzw. die dafür Sorge tragen sollen, dass schwere Störungen auf der Ebene der öffentlichen Körperschaften nicht eintreten.

73

Kann der kommunale Haushalt nicht ausgeglichen werden, sind Haushaltssicherungskonzepte vorgesehen, die in mehreren Bundesländern gemeinde-rechtlich kodifiziert sind. Sie können hier nicht im Einzelnen gewürdigt werden, auf die länderübergreifende vergleichende Darstellung von Faber darf hingewiesen werden.241 Neben den von Faber genannten sieben Bundesländern sieht auch Hessen in seiner geänderten Gemeindeordnung 242 ein Haushaltssicherungskonzept vor (§ 94 Abs. 2 GemO). Inhalte eines derartigen Konzepts sind nach den Feststellungen von Faber im Ergebnis tiefgreifende Einsparmaßnahmen ebenso wie die Aufgabe von defizitärer kommunaler unternehmerischer Betätigung.243 Damit soll die Haushaltslage stabilisiert werden. Haushaltssicherungsmaßnahmen, die abhängig vom jeweiligen Landesrecht ggf. Teil der Haushaltssatzung sind, die von der Gemeindevertretung zu beschließen und der Aufsichtsbehörde zu genehmigen ist (vgl. § 94 Hess. GemO), sind ein weiteres Element zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit.

74

b)

Das europäische Gemeinschaftsrecht und die Staatsverschuldung

Einen mittelbaren durchaus verhaltenen Zwang auf die Bundesrepublik und ihre Gliedkörperschaften, die Staatsverschuldung nicht überborden zu lassen – so dass die faktische Situation eines „Staatsbankrotts“ gar nicht erst eintreten soll – üben die Regelungen der Art. 98 ff. EG über die Wirtschafts- und Währungspolitik, insbesondere die Maastricht-Kriterien der Währungsunion innerhalb der EU aus. Zum einen statuiert Art. 103 Abs. 1 EG ein Verbot der Haftung des einen für Verbindlichkeiten des anderen Mitgliedstaates oder seiner Gliedkörperschaften, das sog. no bail out. Dadurch sollen Zinsrisiken aufgrund der Staatsverschuldung bei dem jeweiligen Mitgliedstaat verbleiben, der entsprechend verschuldet ist, sein ungünstigeres Ranking bei den Kreditgebern soll nicht auf die gesamte Gemeinschaft ausstrahlen. Ziel ist die Disziplinierung der öffentlichen Schuldner in den Mitgliedstaaten.244 In

241 Faber, Haushaltsausgleich und Haushaltssicherungskonzept, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 34, Rdnr. 37–50 mwN. 242 Hess. Gemeindeordnung idF v. 27.03.2005, GVBl. 2005 I 142 idF der Änderung v. 17.10.2005, GVBl. 2005 I 674, 686. 243 Siehe Faber, aaO, § 34 Rdnr. 43. 244 Siehe Calliess/Ruffert/Häde, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 103. Rdnr. 1 f.; Hailbronner/Wilms/Jochum, Recht der Europ. Union, Band 2, 2004, Art. 103 EGV Rdnr. 1, 3 f.

59

75

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

der Literatur wurde gar diskutiert und – unzutreffend – bejaht, aus dem Verbot des bail out resultiere die Insolvenzfähigkeit der Mitgliedstaaten.245

76

Des Weiteren ordnet Art. 104 EG Abs. 1 an, dass die Mitgliedstaaten „übermäßige öffentliche Defizite“ vermeiden. Adressat ist der Mitgliedstaat, betroffen ist aber nicht nur der Zentralstaat, sondern seine sämtlichen Gliedkörperschaften und sonstigen Organisationen, deren Handeln die Haushaltslage des Mitgliedstaats insgesamt tangiert. Dadurch soll die Haushaltsstabilität der Mitgliedstaaten gewahrt werden. Die Bestimmung dient der Geldwertstabilität, die durch steigende Staatsverschuldung gefährdet ist.246 Maßgeblich für die Feststellung eines übermäßigen Defizits ist eine Gesamtbetrachtung, wobei jedoch bestimmten Referenzgrößen, nämlich dem jährlichen Finanzierungsdefizit und dem öffentlichen Schuldenstand, jeweils im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP zu Marktpreisen), „insbesondere“ Bedeutung zukommt (Art. 104 Abs. 2 Satz 2 lit. a), b) EG). Diese Referenzgrößen betragen 3 % des BIP beim Finanzierungsdefizit und 60 % des BIP beim öffentlichen Schuldenstand. Die Referenzwerte werden in Art. 104 Abs. 2 S. 2 EG wieder nicht strikt als Obergrenzen betrachtet, sondern durch Klauseln aufgeweicht, die – verkürzt – genügen lassen, wenn das Verhältnis sich dem Referenzwert nähert oder in seiner Nähe bleibt. Die Kommission hat insoweit hinreichend Flexibilität bewiesen. Nutzt alles Entgegenkommen bei der Auslegung der Kriterien nichts, sehen Art. 104 Abs. 3 ff. EG ein abgestuftes Verfahren vor, das schließlich in eine Geldbuße (mindestens 0,2 % des Bruttosozialprodukts) einmünden kann (Art. 104 Abs. 11 EG), wobei man sich natürlich fragen muss, wozu dies nutzt, wenn ohnehin bereits die Staatsverschuldung sehr hoch ist, zumal Art. 256 Abs. 1 EG die Vollstreckung gegen Mitgliedstaaten verunmöglicht. Bei Weigerung, den Sanktionen nachzukommen, droht das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 f. EG beim EuGH, das wiederum nicht vollstreckbar wäre.

76a

Freilich dürfte der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung in den Mitgliedstaaten dazu führen, dass die Geldbuße schließlich gezahlt würde.

76b

Im Rahmen der Föderalismusreform in der Bundesrepublik von 2006 hat man in Art. 104a GG einen weiteren Absatz 6 eingefügt, der bei Verletzungen der „supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands“ eine Aufteilung der „Lasten“ zwischen Bund und Ländern nach weiterer Bestimmung des parallel geschaffenen Lastentragungsgesetzes (= Art. 15 Föderalismusreform-Begleitgesetz) vorsieht.247 Grundsätzlich soll die Körperschaft die Lasten tragen, die dafür verantwortlich ist.248 Betroffen sind alle Fälle des Fehlverhaltens, gleich ob durch Gesetzgeber, Verwaltung oder Rechtsprechung (!).

245 Vgl. dazu Calliess/Ruffert/Häde, aaO, Art. 103 Rdnr. 7 und Fn 16 mwN. 246 Die Regelung besteht nicht ohne Grund, ist doch, wie oben aufgezeigt, die Geldentwertung eine der Ereignisse, die sich faktisch entschuldend für den Staat auswirken kann. Vgl. Calliess/Ruffert/Häde, aaO, Art. 104 EG, Rdnr. 2–4. Zur Kritik aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht, inwieweit der von Art. 104 EG angenommene Zusammenhang zwischen Haushaltsdefizit und Preisstabilität besteht, vgl. Hailbronner/Wilms/Jochum, aaO, Art. 104 Rdnr. 4 ff./5. 247 BT-Drs. 16/813, S. 4, 19; zum Lastentragungsgesetz vgl. BT-Drs. 16/814, S. 10 f., 21 ff. sowie BGBl. 2006 I 2098 ff./2105. 248 BR-Drs. 16/813, S. 19.

60

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Ein ebenfalls neuer Art. 109 Abs. 5 GG regelt die Verteilung der aus Sanktionen der EU resultierenden Belastungen bei Verletzung der Haushaltsdisziplin gem. Art. 104 EG. Das dazu ebenfalls parallel erlassene Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetz (= Art. 14 Föderalismusreform-Begleitgesetz) füllt die verfassungsrechtliche Bestimmung näher aus.249

76c

Inwieweit die Länder den dadurch erzeugten Druck an ihre Gemeinden weitergeben (können), muss hier offen bleiben. Man kann aber vermuten, dass etwa Sanktionszahlungen Deutschlands an die EU wegen Verstoßes gegen das Vergaberecht durch Kommunen, die das Land nach Art. 104a Abs. 6 GG n.F. in Verbindung mit dem Lastentragungsgesetz zu übernehmen hat, „durchgeleitet“ werden. In Niedersachsen sieht z.B. Art. 57 Abs. 7 LV den Rückgriff des Landes generell vor, sollte es „wegen Rechtsverstoßes einer kommunalen Körperschaft in Anspruch genommen werden“. Die vorstehende Grundgesetzänderung gibt der kommunalrechtlichen Norm potentiell eine eigene Dynamik.

76d

c)

Eine kaum beachtete Regelung für Kommunen: Die europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung vom 16. Oktober 1985 (Europäische Kommunalcharta, EKC) 250

Die EKC ist kein Rechtsinstrument der Europäischen Union bzw. der Europäischen Gemeinschaft, sondern eine Schöpfung des Europarates. Sie ist von den Staaten der Europäischen Union, zuletzt von Frankreich 2006, ratifiziert worden. Es handelt sich damit um eine völkerrechtliche Vereinbarung, die die Bundesrepublik entsprechend verpflichtet (Art. 59, 32 Abs. 2 GG nach Beteiligung der Länder 251).

77

Die Charta legt Standards der kommunalen Selbstverwaltung fest, die in anderen Mitgliedstaaten längst nicht denen in der Bundesrepublik entsprechen. Gesetzesänderungen hat die Charta in Deutschland nicht veranlasst. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung aus 1986 stellt daher lakonisch fest, „die Charta (verpflichte) die Vertragsstaaten, ihren kommunalen Gebietskörperschaften ein hohes Maß an Selbstverwaltung zu geben, dem der Rechtsstand in der Bundesrepublik Deutschland bereits“ entspreche.252

77a

249 BT-Drs. 16/813, S. 5, 20; zum Sanktionszahlungs-Aufteilungsgesetz siehe BT-Drs. 16/814, S. 9, 21 sowie BGBl. 2006 I 2098 ff./2104. 250 Für die Bundesrepublik Deutschland ist die EKC aufgrund des Zustimmungsgesetzes zu der bereits am 15.10.1985 unterzeichneten Charta und nach Hinterlegung der Ratifizierungsurkunde am 17.05.1988 seit 01.09.1988 völkerrechtlich verbindlich nach Art. 15 Abs. 2 der EKC; zum Zustimmungsgesetz siehe BGBl. 1987 II 65 sowie die BR-Drs. 613/86 und die BT-Drs. 10/6086. Die Bundesrepublik hat die Charta insgesamt akzeptiert und keinen Gebrauch von der Möglichkeit des Art. 12 EKC gemacht, nur eine bestimmte Anzahl der Regelungen anzunehmen. Ebenso wenig hat sie nach Art. 13 die Anwendung der Charta auf bestimmte Gebietskörperschaften beschränkt oder ausgeschlossen, wie sich an dem Zustimmungsgesetz, Art. 1 Satz 1 und an der Begründung zu Art. 12, 13 der Charta zeigt, BT-Drs. 10/6086, S. 15. Der Text ist auch über den Europarat verfügbar unter www.conventions.coe.int/Treaty/. 251 Bei dergleichen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die die Belange der Länder betreffen, ist mit diesen das Einvernehmen nach der Verständigung zwischen der Bundesregierung und den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des Bundes vom 14. November 1957 herzustellen, das ist das sog. Lindauer Abkommen vom 23./25.10. bzw. 14.11.1957, abgedruckt bei Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 32 Rdnr. 45. 252 BT-Drs. 10/6086, S. 1, ebenso Abschnitt I. der Denkschrift, BR-Drs. 343/86.

61

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

77b

Dennoch ist die EKC nicht ohne Belang für Deutschland. Sie enthält zu dem hier interessierenden Thema der kommunalen Finanzierung umfangreiche Regelungen in Art. 9, der in der deutschen Übersetzung folgenden Wortlaut hat: 253 „Artikel 9 254 Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften (1) Die kommunalen Gebietskörperschaften haben im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolitik Anspruch auf angemessene Eigenmittel, über die sie in Ausübung ihrer Zuständigkeiten frei verfügen können. (2) Die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften müssen in angemessenem Verhältnis zu den durch die Verfassung oder das Gesetz vorgesehenen Zuständigkeiten stehen. (3) Die Finanzmittel der kommunalen Gebietskörperschaften müssen zumindest teilweise aus kommunalen Steuern und Gebühren stammen, bei denen sie das Recht haben, den Hebesatz im gesetzlichen Rahmen festzusetzen. (4) Die Finanzierungssysteme, auf denen die Mittel beruhen, die den kommunalen Gebietskörperschaften zur Verfügung stehen, müssen ausreichend vielfältig und dynamisch gestaltet sein, damit diese soweit wie praktisch möglich in die Lage versetzt werden, mit der tatsächlichen Entwicklung der Kosten für die Ausübung ihrer Zuständigkeiten Schritt zu halten. (5) Der Schutz der finanziell schwächeren kommunalen Gebietskörperschaften erfordert die Einführung von Finanzausgleichsverfahren oder gleichwertigen Maßnahmen, die zum Ausgleich der Auswirkungen ungleicher Verteilung der möglichen Finanzierungsquellen und der Kostenlasten bestimmt sind. Derartige Verfahren oder Maßnahmen dürfen die Entscheidungsfreiheit der kommunalen Gebietskörperschaften in ihrem eigenen Verantwortungsbereich nicht schmälern. (6) Die kommunalen Gebietskörperschaften werden auf geeignetem Weg zu der Frage angehört, in welcher Weise ihnen umverteilte Mittel zugeteilt werden sollen. (7) Soweit möglich werden Zuweisungen an die kommunalen Gebietskörperschaften nicht zur Finanzierung bestimmter Vorhaben vorgesehen. Die Gewährung von Zuweisungen darf die grundsätzliche Freiheit der kommunalen Gebietskörperschaften, die Politik in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich zu bestimmen, nicht beeinträchtigen. (8) Zur Finanzierung ihrer Investitionsausgaben haben die kommunalen Gebietskörperschaften im Rahmen der Gesetze Zugang zum nationalen Kapitalmarkt.“

77c

Die mit der Gesetzesvorlage dem Bundestag als Begründung vorgelegte Denkschrift stellt zu Art. 9 Abs. 1 und 2 lediglich fest, dass sich hieraus der grundsätzliche Anspruch der Kommunen auf „angemessene Finanzmittel zur Erfüllung ihrer Aufgaben“ ergebe. Die weiteren Absätze seien Ausprägungen dieses Grundsatzes.255

253 Verbindlich sind allerdings die englische und französische Fassung, siehe den Text in der BT-Drs. 10/6086, S. 13 unten. 254 Der Text wurde der BT-Drs. 10/6086 v. 30.09.1986 entnommen, die Basis des deutschen Zustimmungsgesetzes war. 255 Vgl. BT-Drs. 10/6086, S. 15.

62

3. Strukturen zur Vermeidung des Staatskonkurses

Art. 9 EKC enthält die wesentlichen Grundlagen zur ökonomischen Sicherung der kommunalen Selbstverwaltung 256, nämlich

77d

• das Recht zur Erhebung eigener Steuern und Abgaben und zur eigenverantwortlichen Haushaltsführung, also die Grundsätze kommunaler Finanzhoheit und Finanzautonomie, ohne die Selbstverwaltung nicht vorstellbar ist 257 • den Anspruch auf angemessene Finanzausstattung gegen den Zentralstaat, der Vertragspartner der EKC ist • die Pflicht zum Finanzausgleich im Interesse der schwächeren Kommunen. Das Konnexitätsprinzip, d.h. die Kostendeckung bei Aufgabenübertragung, spricht Art. 9 EKC in den Absätzen 2 und 4 an, ohne eine konkrete Formulierung zu finden, von einer „strikten“ Konnexitätsregelung kann nicht gesprochen werden.258 Die Charta führt in Deutschland bislang – nachvollziehbar – ein Schattendasein. Die Finanzierung der Kommunen in der Bundesrepublik, namentlich der Finanzausgleich, entspricht diesem weiten Rahmen. Die Rechtsprechung der Verfassungsund Verwaltungsgerichtsbarkeit hat die vielfältigen gesetzlichen Vorschriften in Bund und Ländern, in Verfassungen und einfachgesetzlichen Regelungen so detailliert behandelt, dass damit zugleich der Anspruch des Art. 9 EKC erfüllt ist. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich, soweit erkennbar, die Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte nur einmal mit der EKC auseinandergesetzt hat und zwar das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg im Urteil vom 16.09.1999.259 Es hat eine eigenständige Bedeutung der EKC für die Entscheidung des Rechtsstreits verneint. Die Charta enthalte keine konkreten Regelungen zur Ausgestaltung des Finanzausgleichs und auch keine Angaben zur Mindesthöhe. Sie gehe daher über die Bestimmungen des Art. 99 der Verfassung von Brandenburg 260 nicht hinaus. Art. 99 der Verfassung von Brandenburg gibt den Kommunen ein Recht, eigene Steuerquellen nach Maßgabe der Gesetze zu erschließen; das Land hat durch einen Finanzausgleich dafür zu sorgen, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben erfüllen können, die überdies an den Steuereinnahmen des Landes angemessen zu beteiligen sind. Das Verfassungsgericht von Brandenburg hätte auch auf Art. 28 Abs. 2 Satz 3, 107 Abs. 2 Satz 1, 104a Abs. 4 Satz 1 a.F., 106 Abs.5 ff. GG verweisen können.

256 Siehe dazu auch den „Erläuternden Bericht“, den „Explanatory Report“ zur EKC, hier zu Art. 9, verfügbar unter www.conventions.coe.int/Treaty/en/Reports/Html/122.htm., wo es vor Art. 9 par. 1 zutreffend heißt, dass „The legal authority to perform certain functions is meangingless if local aurhorities are deprived of the financial resources to carry them out.“ 257 Zu „Finanzhoheit“ und „Finanzautonomie“ vgl. Pünder/Waldhoff, Kommunales Finanzrecht in der Verfassungsordnung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 1 Rdnr. 6 ff./7, 8, passim. 258 Vgl. zur Begrifflichkeit Mückl, Konnexitätsprinzip in der Verfassungsordnung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 3 Rdnr. 64, passim. Der „Erläuternde Bericht“, aaO, zu Art. 9 par. (Abs.) 2 Satz 2 spricht davon „This relationship is particulary strong for functions which have been specifically assigned to it.“ 259 VerfG Brandenburg – VfgBbg. 28/98, Verfassungsbeschwerdeverfahren der Gemeinde Neulietzegöricke wegen § 2 Gemeindefinanzierungsgesetz (Brandenburg) 1998 v. 22.12.1997, GVBl. 1997 I 154 – LVerfGE 10, 237 ff. = NVwZ-RR 2000, 129; Umdruck, S. 18, siehe auch www.verfassungsgericht.brandenburg.de. 260 Verfassung von Brandenburg v. 20.08.1992, GVBl. 1992 I S. 298.

63

77e

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Die Bundesrepublik und die Länder konnten daher im Ergebnis der Charta unproblematisch zustimmen, da sie keine Ausweitung – damals wie heute – des bestehenden Finanzverfassungsrechtes der Kommunen darstellt.

77f

Sie würde aber Wirksamkeit entfalten, wenn sich die gesetzlichen Grundlagen in der Bundesrepublik ändern würden, insbesondere, wenn die Länder im Wege der Verfassungs- bzw. Gesetzesänderung in die Ansprüche der Kommunen auf angemessene Ausstattung eingreifen würden und wenn Art. 28 GG dem nicht entgegenstünde. Schließlich wäre dann noch die Charta als völkerrechtlich bindende Regelung zu beachten, die zwar gekündigt werden kann (Art. 17), aber bis dahin Verbindlichkeit behält.

77g

Es stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob nicht schon Art. 9 EKC der Einführung eines Insolvenzverfahrens zur Sanierung der Kommunen entgegenstünde. Es ist evident, dass eine zahlungsunfähige Kommune nicht angemessen ausgestattet worden ist oder über nicht hinreichenden Zugang zu eigenen Steuerquellen hatte. Die Charta verpflichtet des Weiteren zur Umverteilung, wenn Art. 9 Abs. 5 den Finanzausgleich verpflichtend vorsieht. Finanzschwächere Kommunen sollen geschützt werden; Teil der angemessenen Ausstattung ist es, Aufgaben und damit verbundene Kostenlasten in Einklang mit den hierfür notwendigen finanziellen Mitteln zu bringen. Dem steht ein Zahlungsunfähigkeitsverfahren diametral entgegen. Bei der Betrachtung entsprechender Modelle oder Konzepte für dergleichen Verfahren bzw. deren Bewertung sollte daher auch die EKC nicht ausgeblendet werden.

78

4.

Die Organisation des faktischen Staatskonkurses durch Notstandsgesetzgebung und Zahlungseinstellung gegenüber den Gläubigern – das Vorgehen Argentiniens gegenüber Anleihegläubigern in der Staatskrise ab dem Jahre 2002 261

a)

Das Verhalten Argentiniens nach faktischer Erklärung des Staatskonkurses gegenüber Anleihegläubigern und deren Klagen gegen das Land in Deutschland

Ein Beispiel für die Organisation des faktischen Staatskonkurses hat die Argentinienkrise der letzten Jahre gezeigt. Das Land befand sich aus vielerlei, hier nicht näher darzulegenden Gründen, Ende 2001 in einer tiefen politischen und wirtschaftlichen Krise. Zur Bewältigung derselben wurde eine Notstandsgesetzgebung „auf sozialem, wirtschaftlichen, administrativen, finanziellem und währungspoliti-

261 Siehe dazu OLG Frankfurt, Urteile vom 13.06.2006 – 8 U 107/03 – NJW 2006, 2931 ff. m. Anm. Sester NJW 2006, 2891 f. und Anm. Schroeter, EWiR 2006, 557 f. sowie OLG Frankfurt, Urt. v. 27.06.2006 – 8 U 110/03 – Internetseite des OLG Frankfurt. Zu dem Urteil vom 13.06.2006 siehe auch Cranshaw, jurisPR-InsR 26/2006, Anm. 3 und ders., Fragen der gerichtlichen Durchsetzung von Forderungen aus ausländischen Staatsanleihen in der Krise des Schuldners – zugleich Urteilsanmerkung zu dem Urteil des OLG Frankfurt vom 13. Juni 2006 – 8 U 107/03, DZWiR (erscheint 2007).

64

4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

schem Gebiet“ 262 geschaffen („Gesetz Nr. 25.561“), die über eine Verordnung und eine darauf gestützte „Resolution“ ein Moratorium für sämtliche im Ausland begebene Schuldverschreibungen anordnete. Argentinien hatte in den Neunziger Jahren eine ganze Reihe von an der Börse gehandelten Auslandsanleihen in Deutscher Mark in der an den Kapitalmärkten üblichen Weise über Bankenkonsortien begeben. Anleger waren auch Privatpersonen in Deutschland. Diese Inhaberschuldverschreibungen waren deutschem Recht unterstellt, als Gerichtsstand war Frankfurt/Main vereinbart. Die einschlägigen Anleihebedingungen enthielten zudem auch einen Immunitätsverzicht Argentiniens, um dem völkerrechtlichen Einwand der Staatenimmunität bei Rechtsstreitigkeiten entgegen zu wirken.

78a

Dennoch hielt Argentinien in der Staatskrise seine Versprechungen (auch gegenüber den ausländischen Anleihegläubigern) nicht ein und ordnete das bereits erwähnte Moratorium an. Später bot Argentinien in Umschuldungsverhandlungen 263 die Umschuldung der Anleihen an. Nach Pressepublikationen in den Jahren 2005/2006 und nach den zitierten Urteilen des OLG Frankfurt nahmen etwa 76 % der Anleger einen Umschuldungsvorschlag Argentiniens Anfang 2005 an. Dieser bestand darin, die bisher begebenen Anleihen in neue Schuldverschreibungen zu deutlich verlängerten Laufzeiten und erheblich reduzierten Zinsen umzutauschen. Entscheidend dabei war jedoch der Verlust von ca. 70 % der bisherigen Kapitalforderung und der seit Jahren aufgelaufenen und nicht befriedigten Zinsen.264 Der damit nicht zufriedene Gläubiger, der also nicht zustimmte, sollte kein neues Angebot erhalten, an der Umschuldung nicht teilhaben und damit den vollständigen Verlust seiner Forderungen riskieren.

78b

Eine Reihe von Klägern startete daher, z.T. wohl nach Kündigung der betroffenen Anleihen gegenüber der als Zahlstelle jeweils (empfangs)zuständigen Bank 265, Klagen gegen Argentinien vor den Gerichten in Frankfurt auf Rückzahlung der Anleihebeträge bzw. auf Zahlung rückständiger Zinsen.

79

262 Zitat des OLG Frankfurt im Urteil vom 13.06.2006, aaO, aus einer dort zum Verfahren eingereichten Unterlage, aaO, S. 2931 f. 263 Siehe zu der Thematik von dergleichen Umschuldungen Horn, Rechtsfragen internationaler Umschuldungen, WM 1984, 713 ff. 264 Vgl. dazu auch Kämmerer, Der Staatsbankrott aus völkerrechtlicher Sicht, ZaöRV 2005, 651 ff./663 mwN. Unter der Überschrift „Argentinien schüttet kräftig Geld aus“ berichtet die FAZ v. 15.12.2006, S. 27, das Ergebnis der Umschuldung sei nun für die Gläubiger günstiger. Argentinien habe mit der Umschuldung Kupons ausgegeben, die an das Wachstums des Bruttoinlandsprodukts „gekoppelt“ sind (d.h. des argentinischen, Anm. des Verf.) und dessen günstige Entwicklung führe dazu, dass Kurse von Kupons und umgeschuldeten Anleihen zusammen mittlerweile (Dezember 2006) zwischen 58 % und 66 % des ursprünglich eingesetzten Kapitals ausmachten. Sehr plastisch meint die FAZ, der Anleger habe mit den „BIP-Koupons“ „so etwas wie Aktien der Argentinien AG, die den Besitzern zwar keinen Kapitalanteil, wohl aber einen Anspruch auf Zahlung von „Dividenden“ in guten Geschäftsjahren gewähren.“, FAZ, aaO. Sicher ist das freilich nicht, ein Ökonom der Weltbank rügt die Wirtschaftspolitik des Landes, die dieselbe der früheren Jahre sei, die „zu extremen Zyklen von Boom und Pleite geführt habe“, Zitat nach FAZ, aaO. 265 Vgl. z.B. LG Frankfurt, Urt. v. 14.03.2003 – 2-21 O 294/02 – WM 2003, 783 ff., Absatz 14 der Entscheidungsgründe; LG Frankfurt, Urt. v. 14.03.2003 – 2-21 O 509/02 – Internetpublikation von Entscheidungen des LG Frankfurt, Absatz 6 des Tatbestandes, siehe www.lg-frankfurt. justiz.hessen.de/internet/ lg-frankfurt.nsf .

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

79a

Das OLG Frankfurt hatte 2006 mehrere Fälle zur Entscheidung als Berufungsgericht vorliegen. Grundlegend für die Haltung des bislang entscheidenden 8. Senats dürfte das veröffentliche Urteil vom 13. Juni 2006 sein, das der Klage stattgegeben und die Berufung der Republik Argentinien gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Frankfurt zurückgewiesen hat.

79b

Im wesentlichen hatte sich Argentinien gegen die Klage mit völkerrechtlichen Einwendungen verteidigt. Zum einen wurde gegen die Zulässigkeit der Klage vorgebracht, die eingeklagten Forderungen beträfen sog. Devisenkontrakte nach dem sog. Bretton-Woods-Abkommen und seien daher unklagbar („unenforceable“). Das Gericht hatte sich zudem mit der Prozessvoraussetzung der Staatenimmunität zu befassen. Zum anderen wurde materiell-rechtlich der sog. Staatsnotstand eingewendet, der zur Unbegründetheit der Klage führt.

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Die Strategie Argentiniens bei der Abwicklung des „Staatskonkurses“ bestand also darin, aufgrund autonomen eigenen Rechtes Zahlungen an Finanzgläubiger aus Anleihen, die bzgl. ihrer ökonomischen Wirkung nichts anderes als langfristige Kapitalmarktdarlehen an den betreffenden Schuldner sind 266, zunächst einzustellen. Der zweite Teil dieses Procedere ging dahin, die Gläubiger letzten Endes vor die Alternative zu stellen, entweder gar nichts zu erhalten oder auf wesentliche Teile ihrer Forderungen zu verzichten und für die verbleibenden eine umgeschuldete Anleihe zu akzeptieren. Der Gläubiger, der sich der Argumentation des Schuldners in einer Notlage zu sein, verschließt (der also aus Schuldnersicht Obstruktion betreibt), riskiert damit nach der Zielsetzung des Schuldners den völligen Verlust des Anspruchs. Geht dies mit weitgehender Akzeptanz u.a. internationaler Organisationen (z.B. des IWF) aufgrund der Einsicht einher, dass das Integritätsinteresse des souveränen Staatsschuldners und das Funktionieren des Welthandels das Interesse der privaten Gläubiger überwiege 267, ihre eingesetzten Kapitalmittel zurück zu erhalten, so ist das eine Art faktische „Anerkennung“ einer allein von dem Schuldner regulierten Staateninsolvenz. Umgekehrt müssen sich die Gläubiger, die anders als eine große Gläubigermehrheit die Konditionen des Schuldners nicht angenommen haben, „vorhalten“ lassen, dass sie zu Lasten anderer vollständige Zahlung ihrer Ansprüche fordern.268 In insolvenzrechtlichen Termini fordern sie vorzugsweise Befriedigung entgegen der par conditio creditorum. Die in

266 Zutreffend Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Köln, 3. Aufl. 2004, Rdnr. 9.189. 267 Ohler, Der Staatsbankrott, JZ 590 ff./596 spricht davon, das „Selbsterhaltungsrecht des Staates (wirke) daher in der eigenen Insolvenz fort und (erlaube) den einseitigen Umgang mit zuvor begründeten Verbindlichkeiten“ (textliche Hervorhebung durch den Verf.). 268 Zur Kritik an dem Urteil des OLG Frankfurt in diesem Sinne siehe Sester, Argentinische Staatsanleihen: Schicksal der „Hold outs“ nach Wegfall des Staatsnotstands, NJW 2006, 2891 f. Abwägend hält Kämmerer, Der Staatsbankrott aus völkerrechtlicher Sicht, ZaöRV 2005, 651 ff./673, nicht „jedes Renegatentum“ (gemeint ist die Ablehnung von Umschuldungsplänen usw. des Schuldners durch Gläubiger(minderheiten) für unbillig. Siehe zu derselben Thematik des abweichenden Gläubigerverhaltens unter den Aspekten des sog. „Trittbrettfahrerverhaltens“, des „rush-to-the-courthouse“ usw. (auch zur Terminologie) Berensmann, Die Einbindung privater Gläubiger in die Prävention und Bewältigung von internationalen Verschuldungskrisen, in: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik, Berichte und Gutachten 2003, Bonn, 2003, S. 41 ff., passim.

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4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

der Literatur hierzu diskutierte Lösung ist – wie vorliegend – der vollständige Verlust oder die Bindung an eine Mehrheitsentscheidung von Gläubigern.269 b)

Rechtsinstrumente des Völkerrechts – Staatenimmunität, IWF-Übereinkommen und Staatsnotstand – als geeignete Hilfen für den Schuldner und Risiken für Gläubiger, die prozessual vorgehen?

Es stellt sich die Frage, inwieweit die verschiedenen Instrumente des Völkerrechts dem in der wirtschaftlichen Krise befindlichen Staat gegenüber seinen Anleihegläubigern helfen.270

81

Zunächst soll beleuchtet werden, wie sich die Staatenimmunität auswirkt, die im Allgemeinen zu einem klageabweisenden Prozessurteil führt, wenn ein fremder Staat vor einem ausländischen Gerichtsstand verklagt wird. Sie ist die erste zu überwindende Hürde bei einer Klage des Anleihegläubigers. Wäre ein Staat bereits gegen jedwede Klageerhebung außerhalb seiner eigenen Gerichte geschützt, könnte er in Fällen wie dem vorliegenden den Gläubigern international seine Bedingungen ohne weiteres aufzwingen, da sich sein nationales Recht generell durchsetzen würde. Die Immunität spielte für das OLG Frankfurt allerdings keine Rolle, weil die Anleihebedingungen den Verzicht auf die Immunität enthielten.271

82

Es ist völkerrechtlich ganz weitgehend anerkannt, dass eine generelle bzw. „absolute“ Immunität von Staaten, vor einem fremden Forum verklagt zu werden, heute nicht mehr besteht. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, ob das zum Rechtsstreit führende Handeln dem hoheitlichen Bereich, den acta iure imperii, oder dem privatrechtlichen bzw. „kommerziellen“ Sektor zuzurechnen ist, d.h. den acta iure gestionis.272 Nur wenn Streitgegenstand acta iure imperii sind, bleibt die Klage vor

82a

269 Sester, aaO. In Fällen wie den vorliegenden ist das deutsche Schuldverschreibungsgesetz (Gesetz, betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen v. 08.12.1899, RGBl. 1899, S. 691 idF von Art. 53 des Gesetzes v. 05.10.1994, BGBl. I 1994, S. 2911, „SchVerschrG“) gleich aus mehreren Gründen unanwendbar oder es wäre seiner Struktur nach aus Schuldnersicht nicht zielführend. Es ist zum einen nur anwendbar auf „jemand“, der im Inland seinen Wohnsitz oder gewerbliche Niederlassung hat, § 1 SchVerschrG, so dass ausländische Schuldner nicht erfasst werden; weitere internationalprivatrechtliche Erwägungen sollen hier nicht angestellt werden. Das Gesetz gilt nicht für Schuldverschreibungen des Bundes und der Länder, für Gemeinden sind landesrechtliche Regelungen vorbehalten, § 24 SchVerschr. Solche scheiden praktisch aber aus, soweit keine einheitliche Regelung aller Länder zustande käme, da ansonsten der Wettbewerb wohl zugunsten der Länder ohne die Beschränkbarkeit von Gläubigerrechten ausschlagen würde. Schließlich ermöglicht das Gesetz nicht die Kürzung von Kapitalbeträgen der Anleihen, § 12 Abs. 3 SchVerschrG. 270 Die von Kämmerer, aaO, ZaöRV 2005, 651 ff./660 f., diskutierte Frage, ob und in welchem Umfang der UN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen (Art. 39 ff. – „Maßnahmen bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“) Umschuldungen anordnen könnte, auch mit Wirkung gegenüber Privaten, soll vorliegend nicht weiter erörtert werden. 271 Nach den vom OLG wiedergegebenen Gründen des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Frankfurt betraf der Immunitätsverzicht auch das Vollstreckungsverfahren mit Ausnahme offenbar konkretisierter Vermögensgegenstände. 272 Vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, Rdnr. 9–132 ff. Siehe bereits in der etwas älteren völkerrechtlichen Literatur die Darstellung von Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, 3. Aufl. 1975, Rdnr. 1101 ff./1108 ff., mit den Ausnahmen u.a. der damaligen

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

dem fremden Gericht unzulässig. In der Bundesrepublik steht das BVerfG seit dem „Iran-Beschluß“ von 1961 ebenfalls auf dem Standpunkt einer solchen zurückhaltend zu handhabenden „relativen“ oder „restriktiven“ Immunität.273 Zudem ist anerkannt, dass der vor ausländischen Gerichten beklagte Staat wie im vorliegenden Fall auf seine Immunität, so sie denn vorhanden ist, verzichten bzw. sich der fremden Gerichtsbarkeit unterwerfen kann.274

82b

Die neueren Entwicklungen gehen zu Kodifikationen mit weiterer Zurückdrängung der Staatenimmunität. Das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität („Basler Übereinkommen“), eine Kodifikation des Europarates aus dem Jahre 1972, ist 1976 für die teilnehmenden Staaten in Kraft getreten, für die Bundesrepublik im August 1990 (BGBl. 1990 II 34; BR-Drs. 611/88). Das Übereinkommen betrifft Einschränkungen der Immunität. U.a. kann sich ein Staat nicht auf Immunität berufen, wenn er sich der fremden Gerichtsbarkeit ausdrücklich in einem schriftlichen Vertrag unterworfen hat (Art. 2 lit.b Basler Übereinkommen) oder wenn eine vertragliche Verbindlichkeit im Gerichtsstaat zu erfüllen ist (Art. 4 Ziff. 1 Basler Übereinkommen) bzw. wenn ein schiedsgerichtliches Verfahren vereinbart ist und es um bestimmte Fragen dieses Verfahrens geht (Art. 12 Abs. 1 Basler Übereinkommen). Acht Staaten haben bisher (Ende 2006) ratifiziert.

82c

Auf der Ebene der Vereinten Nationen hat die Vollversammlung im Dezember 2004 mit der Resolution 59/38 den langjährig entwickelten Entwurf der Völkerrechts-

Ostblockstaaten und Großbritanniens (vor dem Immunity Act 1978, s.u.). Vgl. in diesem Sinne aus der Rechtsprechung nationaler Gerichte OGH (Österreich), Urt. v. 10.05.1950 – 1 Ob 167/49 – SZ 23, 143; Beschl. v. 14.06.1989 – 9 ObA 170/89 – Dokument JJT/19890614/OGH0002/ 009OBA00170/8900000/000; OGH, Beschl. v. 25.08.1998 – 1 Ob 100/98g – Dokument JJT/ 19980825/OGH002/0010OB00100/98G0000/000; Schweizerisches Bundesgericht (BG), Urt., I. öffentlichrechtl. Abt., v. 30.04.1986, Spanien gg. X. S.A. u.a. – BGE 112 Ia 148 ff./149 Erwägung 3b); BG, Urt. v. 15.11.1978, Banque Centrale de la République de Turquie gg. Weston Compagnie . . . S.A. u.a. – BGE 104 Ia 367 ff./369 ff., insb. Erwägung 2b)-d). Siehe hierzu auch den britischen Immunity Act von 1978, der unter § 13 3. (1) A . . . (a) festhält, dass Immunität nicht begehrt werden kann, wenn „. . . a commercial transaction entered into by the State . . .“ vorliegt, sowie das Urteil des engl. Court of Appeal v. 14.11.2002 – [2002] EWCA Civ 1643, Sabah Shipyard (Pakistan) Ltd. gg. The Islamic Republic of Pakistan u& anr, im wesentlichen zu dem Thema des Verzichts auf Immunität. Zur rechtlichen Betrachtung der Staatenimmunität in Großbritannien unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EGMR und anderer internationaler Rechtsentwicklungen vgl. das Urteil des Court of Appeal v. 17.06.2005, [2005] EWCA Civ. 745, Farouk Abdul Aziz gg. Republic of Yemen, Lord Justice Pill – www.hmcourts-service.gov.uk/judgmentsfiles/j3211/ aziz-v-yemen.htm, Rdnr. 30 ff. In den USA bedeutete der Foreign Sovereign Immunities Act von 1976, 28 USC §§ 1601 ff., 1605 (a), den Schritt zu einer relativen oder „funktional beschränkten“ Immunität, BVerfG NJW 1978, 485, Teil C I/1 der Gründe. Zu der Diskussion um Zurückdrängung siehe auch EGMR, Urt. v. 21.11.2001, Fogarty gg. United Kingdom – Appl. No. 37112/97, zur relativen Immunität im Arbeitsrecht und zum britischen State Immunity Act 1978. 273 BVerfG, Beschl. v. 30.04.1963 – 2 BvM 1/62, F. gg. Kaiserreich Iran – BVerfGE 16, 27 ff. = NJW 1963, 1732 = DöV 1963, 692 ff., Teil C der Gründe mit eingehender Darstellung u.a. der Rechtsprechung einer Reihe von Ländern weltweit und von Bemühungen um eine Kodifikation seitens der UN. Die Grundsätze zur relativen Immunität wiederholt das BVerfG in dem der Frage der Vollstreckung gegen einen fremden Staat gewidmeten „Philippinen-Beschluss“ v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342 ff. = NJW 1978, 485 = WM 1978, 1319 = RIW 1978, 122. 274 Vgl. dazu Seidl-Hohenveldern, aaO, Rdnr. 1103; BVerfG, 2 BvM 1/72, s.o.; Foreign Sovereign Immunities Act (USA, 1976), 28 USC § 1605 (a) (1); State Immunity Act (Großbritannien, 1976), § 13 2. (1), (2), Court of Appeal (England), “Sabah Shipyard”, s.o.

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4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

kommission 275 der UN zu einem „Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Immunität der Staaten und ihres Vermögens von der Gerichtsbarkeit“ angenommen, das von 23 Staaten unterzeichnet, aber erst von drei ratifiziert ist und an dem Deutschland sich bislang nicht beteiligt hat. Nach dessen Art. 7 § 1. 1 lit. b) ist die Berufung auf die Immunität ausgeschlossen, wenn die fremde Gerichtsbarkeit in einem Vertrag ausdrücklich und schriftlich vereinbart wurde. Wesentlich ist aber Art. 10 § 1 des Übereinkommens, das in Übereinstimmung mit den anderen bereits geschilderten Rechtsentwicklungen bei „privatwirtschaftlichen Rechtsgeschäften“ (engl.: „commercial transaction“) die Berufung auf die Staatenimmunität verneint. Die Erläuterungen der International Law Commission der UN, halten fest, dass unter „commercial transaction“ u.a. Darlehensverträge und Anleihen auf den Märkten anderer Staaten fallen, neben Geschäften aller Art zum Kauf von Gegenständen oder zur Beschaffung von Dienstleistungen.276 Anknüpfungspunkt für acta iure gestionis ist nicht der von dem betreffenden Staat mit der Transaktion verfolgte Zweck, sondern die Art des staatlichen Handelns, seine „Natur“, ob der Staat nämlich „wie eine Privatperson“ 277 agiert oder nicht.

82d

Damit kann festgestellt werden, dass nach heutiger ganz überwiegender Völkerrechtsmeinung die „kommerziellen Transaktionen“ kraft ihrer Natur die Immunität ausschließen und dies erst recht der Fall ist, wenn der betreffende Staat auf die Immunität ausdrücklich wie in den hier relevanten Anleihefällen verzichtet hat.

82e

Die Staatenimmunität ist daher kein Mittel, um den angenommenen Staatskonkurs mit Sicherheit nach eigenem Verfahrensrecht durch eigene staatliche Gerichte des betroffenen Staates abwickeln zu können. In der Praxis kommen die Staaten, um überhaupt Mittel an den Finanzmärkten zu erhalten, an dem Verzicht auf Immunität wohl nicht vorbei.278 Das OLG Frankfurt hatte sich sodann mit dem Einwand Argentiniens auseinander zu setzen, die Klage sei unzulässig, weil dem das IWF-Übereinkommen 279 entgegenstehe. Dessen Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 legt fest, dass Devisentransaktionen („exchange contracts“), „die die Währung eines Mitglieds berühren ...“ 280 und die den mit dem Abkommen in Einklang stehenden Devisenbestimmungen eines Mitgliedstaats zuwiderlaufen, „unenforceable“, unklagbar, sind.

275 International Law Commission. 276 Zur Kommentierung siehe „Report of the International Law Commission on the work of its forty-third session – Draft Articles on Jurisdictional Immunities of States and their Property, with commentaries, 1991“, U.N. New York, 2005. Zur deutschen Fassung siehe Vereinte Nationen, Resolutionen und Beschlüsse der 59. Tagung der Generalversammlung, Band I, Resolutionen, New York, 2005, S. 507 ff. Siehe dazu auch Schweisfurth, aaO, Rdnr. 9–134 und Fn 191 dort mwN. 277 BVerfGE 16, 27 ff., s.o., C II/2 der Gründe aE; sehr ähnlich, wenn nicht identisch die Kommentierung zu dem og. UN-Übereinkommen zur Staatenimmunität, S. 20, Rdnr. 25 zu Art. 1 § 2. 278 Siehe hierzu Horn, aaO, WM 1984, 713 ff./714 f. 279 IWF-Übereinkommen (= Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds, auch „Bretton-Woods-Abkommen“) von 1944 mit Änderungen bis 1990/1992 (aufgrund Beschlusses v. 28.06.1990); für die Bundesrepublik siehe die jeweiligen Zustimmungsgesetze BGBl. 1952 II 638, BGBl. 1968 II 1227, BGBl. 1978 II 13 und 1994 II 279; weitere Angaben vgl. FNA 7401-1 und 7401 1-2-3. 280 Deutsche amtl. Übersetzung, verbindlich ist indes nur die engl. Fassung, siehe BGH, Urt. v. 08.11.1993 – II ZR 216/92 – NJW 1994, 390 = WM 1994, 54.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

83a

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland gehören zu den „exchange contracts“ keine Kapitalmarkttransaktionen.281 Grund hierfür ist aus der zutreffenden Sicht des BGH im Ergebnis die systematische Stellung der zitierten Vorschrift des Art. VIII ebenso wie ihr Wortlaut und die Zielsetzung des IWF-Übereinkommens, nämlich (u.a.) die Erleichterung des Wachstums des internationalen Handels und die Eliminierung von Devisenkontrollen, die das Wachstum des Welthandels hemmen.282 Art. VIII Abschnitt 2 trägt zudem die Überschrift „Avoidance of restrictions on current payments“, hat also einen Bezug zum laufendem Zahlungsverkehr. Art. XXX (d) „Explanation of terms“, auf den der BGH 283 gleichfalls hinweist, formuliert ebenfalls ausdrücklich, dass „... (d) Payments for current transactions means payments which are not for the purpose of transferring capital“. Zudem müssen die Devisenvorschriften zum Zeitpunkt des Beitritts zum IWF bestanden haben oder später mit Zustimmung des IWF eingeführt worden sein (Art. VIII Abschnitt 2 (a) und (b), Satz 1 IWF-Übereinkommen).284

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Ausländische Beschränkungen des Kapitalmarkts, die aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 56 EG 285 nur im Verhältnis zu Drittstaaten Bedeutung haben können, unterfallen daher nicht der zitierten Vorschrift des Art. VIII des IWF-Übereinkommens über Devisenkontrakte. Anleihen sind Kapitalmarktprodukte und gerade nicht Instrumente des laufenden Zahlungsverkehrs.

83c

Dem hat sich das OLG Frankfurt angeschlossen.286 Auch das Bretton-Woods-Abkommen zum IWF ermöglicht es damit nicht, mit Hilfe des Umwegs über die autonome Interpretation des Devisenkontraktes durch den Schuldnerstaat die Verwaltung des von ihm erklärten (faktischen) Staatskonkurses 287 in den eigenen Händen bzw. vor den eigenen Gerichten zu halten, soweit Auseinandersetzungen mit Kapitalmarktgläubigern betroffen sind.

84

Damit hätte die Klage gegen Argentinien nur noch abgewiesen werden können,288 wenn zum relevanten Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Staatsnotstand zu bejahen gewesen und als „Einwand“ gegen die Klageforderung zu bejahen gewesen wäre.

281 BGH, Urt. v. 08.11.1993 (Kapitaltransaktion zum Erwerb einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung), siehe vorstehende Fn; BGH, Urt. v. 22.02.1994 (Eingehung einer Wechselverbindlichkeit; die Anwendung des Art. VIII scheitert an einer fehlenden mit dem IWF-Übereinkommen konformen Devisenkontrollbestimmung) – XI ZR 16/93 – NJW 1994, 1868 = WM 1994, 581, zustimmend Ebenroth/Woggon, EWiR 1994, 471 f.; vgl. dazu auch Ebke, in: Staudinger, 12. Aufl., Anh. zu Art. 34 EG BGB Rdnr. 25 f./30, anders bei Darlehensgewährung noch BGH, Urt. v. 04.11.1991 – IX ZR 250/90 – BGHZ 116, 77 ff. 282 Art. I (ii), (iv) IWF-Übereinkommen, siehe auch BGH II ZR 216/92, aaO. 283 BGH, II ZR 216(92, aaO, s.o. 284 Art. VIII Abschn. 2 (a) „. . . no member shall, without the approval of the fund, impose restrictions on the making of payments and transfers for current international transactions“ bzw. (b) „. . . Exchange contracts . . . contrary to the exchange control regulations of that member maintained or imposed consistently with this Agreement.“ (Hervorhebung im Text durch den Verf.). 285 Siehe dazu Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl. 2002, Art. 56 EG-Vertrag, Rdnr. 4, 5, 8, 26 ff. 286 OLG Frankfurt, 8 U 107/03, aaO, II/1 der Entscheidungsgründe. 287 So er denn wirklich vorliegt! 288 Abgesehen von etwaigen wertpapierrechtlichen Einwendungen.

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4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

Eine internationale Übereinkunft zu der Thematik besteht nicht. Die International Law Commission der Vereinten Nationen hat jedoch auf der historischen Entwicklung aufbauend über Jahrzehnte 289 „Draft Articles on Responsibility of States for International Wrongful Acts“ (Stand 2001) entwickelt, die als Anlage der Resolution 56/83 am 12.12.2001 zur Kenntnis genommen wurden.290 Vorfrage der Verantwortlichkeit ist diejenige nach den Voraussetzungen, unter denen eine Haftung anzunehmen ist. Diese Frage beantwortet der angenommene Text nicht, sondern er setzt das völkerrechtswidrige Handeln des betroffenen Staates voraus. Das zur Verantwortlichkeit führende Verhalten oder dessen Feststellung ergibt sich aus anderen Rechtsquellen.291

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Das OLG Frankfurt bejaht ohne weitere Begründung die Rechtsverletzung stillschweigend, wenn es sich auf den Einwand des Staatsnotstandes durch Argentinien einlässt, denn dieser ist Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Staat völkerrechtliche Pflichten einzuhalten hat.292 In Frage kommt die völkergewohnheitsrechtliche Regel des „pacta sunt servanda“.293 Offen, aber von den Instanzgerichten wohl gleichfalls stillschweigend angenommen, ist die Frage, ob der Staatsnotstand als völkerrechtliche Regel auch Privaten gegenüber eingewendet werden könnte.294 Unterstellt man, wie die Rechtsprechung des LG Frankfurt und des OLG Frankfurt, dass die Nichtbedienung der Anleihen ausländischer (privater Gläubiger) zugleich die Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht darstellt, kommt es auf die Voraussetzungen des Staatsnotstandes nach Art. 25 des angenommenen Textes an, wenn dieser auch (noch) nicht geltendes Völkervertragsrecht darstellt, aber wohl Völkergewohnheitsrecht.

289 Zur Historie vgl. Schweisfurth, Völkerrecht, Rdnr. 7–10 ff. 290 Siehe Vereinte Nationen, Resolutionen und Beschlüsse der 56. Tagung der Generalversammlung, Band I, Resolutionen, New York, 2002, S. 530 ff., A/56/589, „Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidrige Handlungen“, engl. Fassung siehe im Text: „Responsibility of States for internationally wrongful Acts“. Nach der Resolution 59/35 v. 2.12.2004 hat die Generalversammlung eine Bestandsaufnahme der seitherigen Entwicklung beschlossen und das Thema für das Jahr 2007 wieder auf ihre Agenda gesetzt, siehe Resolutionen und Beschlüsse der 59. Tagung der Generalversammlung Band I, New York, 2005, S. 503. In der Ursprungsresolution bleibt die Annahme durch die UN und die einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten. 291 Siehe „International Law Commission Draft Articles on Responsibilty of States for internationally wrongful Acts with commentaries“, UN, New York 2005, S. 59 f. 292 Das LG Frankfurt hat in seinem Urteil v. 14.03.2003 – 2-21 O 294/02 – WM 2003, 783 ff. das Problem umgekehrt angesprochen und gefragt, ob der Einwand des Staatsnotstandes den privaten Klägern, die keine Völkerrechtssubjekte sind, überhaupt entgegen gehalten werden kann, die Frage aber mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Staatsnotstands dahin gestellt sein lassen, da es nicht darauf ankam. 293 Vgl. Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, Rdnr. 4–71 ff. 294 Siehe dazu auch die von dem OLG Frankfurt, Vorlagebeschluss v. 24.06.2003 – 8 U 52/02 – NJW 2003, 2688 f. zitierte Erwägung des Berichterstatters des BVerfG in dem Verfahren des BVerfG 2 BvM 1–3/03, es „. . . wäre . . . denkbar, dass sich eine möglicherweise existierende Rechtsfigur des . . . Staatsnotstands auf jegliche zu dem betroffenen Staat bestehenden Rechtsbeziehungen auswirke.“, also auch auf den privaten Kläger, auch wenn dieser nicht „Träger eines im Völkerrecht verankerten Rechtes . . .“ sei, Zitat nach OLG Frankfurt, aaO, S. 2689.

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84b

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

Art. 25 §§ 1, 2 enthält eine Ausnahmeregel für Fälle der „necessity“ (Notstand) und lautet in der deutschen Übersetzung der Resolution: „1. Ein Staat kann sich nur dann auf einen Notstand als Grund für den Ausschluss der Rechtswidrigkeit einer Handlung, die mit einer völkerrechtlichen Verpflichtung dieses Staates nicht in Einklang steht, berufen, wenn die Handlung a) die einzige Möglichkeit für den Staat ist, ein wesentliches Interesse vor einer schweren und unmittelbar drohenden Gefahr zu schützen, und b) kein wesentliches Interesse des Staates oder der Staaten, denen gegenüber die Verpflichtung besteht, oder der gesamten internationalen Gemeinschaft ernsthaft beeinträchtigt.“ 295 „2. In keinem Fall kann ein Staat sich auf einen Notstand berufen ... (b) wenn der Staat zu der Notstandsituation beigetragen hat.“

84c

Die Kommentierung der International Law Commission befasst sich mit der Historie des Notstandes seit dem 19. Jahrhundert und kommt zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen streng sein müssen, um gegen Missbrauch zu schützen. Dem ist beizupflichten. Die verschiedenen mit der Problematik befassten (internationalen) Gerichte, Schiedsgerichte usw. haben danach das Prinzip des „Notstands“ grundsätzlich anerkannt.296 In der Kommentierung der ILC wird u.a. von einem frühen Fall der Entscheidung eines Schiedsgerichts berichtet, das sich mit einer Staatsschuld des damaligen Türkischen Reiches gegenüber Russland zu befassen hatte und das den Notstand nur dann bejahen wollte, wenn tatbestandsmäßig die Einhaltung der internationalen Pflicht „self-destructive“ sei.297 In einem anderen Fall vor dem 2. Weltkrieg ging es ebenfalls um die Erfüllung von finanziellen Verpflichtungen, und zwar durch Griechenland gegenüber einem belgischen Unternehmen aufgrund von Schiedssprüchen.298 Das betroffene Unternehmen Société Commerciale de Belgique hatte in Griechenland ein Infrastrukturprojekt (350 km Eisenbahnen) realisieren sollen. Griechenland hatte gleichfalls seine erheblichen finanziellen Schwierigkeiten eingewandt.299 Der Grundsatz wurde wohl vom PCIJ 300 akzeptiert, aber die Entscheidung über die Notstandslage Griechenlands lag außerhalb seiner Jurisdiktion.301

295 Generalversammlung, 56. Tagung, Resolutionen, S. 530 ff.; der englische Text von lit. a) und b) lautet: „. . . (a) is the only way for the State to safeguard an essential interest against a grave and imminent peril . . . (b) . . . does not seriously impair an interest of the State or . . . towards which the obligation exist . . .“; der Text zu 2. formuliert „. . . 2. In any case, necessity may not be invoked . . . if . . . (b) The State has contributed to the situation of necessity“; vgl. „Draft Articles on Responsibility . . . with commentaries“, aaO, S. 194 ff. 296 „Draft Articles on Responsibility . . . with commentaries“, aaO, S. 194 ff./195. 297 „Draft Articles on Responsibility . . . with commentaries“, aaO, S. 194 ff./197 f. „sog. Russian Indemnity“-Fall; das Türkische Reich hatte „force majeure“ aufgrund „extrem schwieriger finanzieller Lage“ eingewandt. 298 „Draft Articles on Responsibility . . . with commentaries“, aaO, S. 194 ff./198 f., Société Commerciale de Belgique, PCIJ, Permanent Court of International Justice, Urt. v. 15.06.1939, Belgien gg. Griechenland, Série A/B, No. 78, S. 160 ff. 299 PCIJ, Séries C, Part I, S. 140 f., «Situation budgétaire et monétaire». 300 Permanent Court of International Justice. 301 PCIJ, Série A/B, S. 175 ff./176–178. Auf weitere Rechtsprechung des PCIJ kann hier nicht eingegangen werden.

72

4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

Der IGH 302 hatte in den letzten Jahren ebenfalls Gelegenheit, sich mit der Frage des „Notstands“ zu befassen, wenn auch nicht in Fällen des „Staatsbankrotts“. In der Entscheidung „Gabcíkovo-Nagymaros“ 303 aus dem Jahr 1997 hatte der IGH über ein Wasserbauprojekt bzw. ein Wasserkraftwerk aufgrund eines Vertrages zwischen Ungarn und der vormaligen Tschechoslowakei aus dem Jahr 1977 zu urteilen; betroffen war der Lauf der Donau an der (später) slowakisch-ungarischen Grenze von der slowakischen Hauptstadt bis Budapest. Das Projekt scheiterte und es kam zum Streit zwischen den Beteiligten.304 Ungarn berief sich zur Begründung der Nichterfüllung des Vertrages aus dem Jahr 1977 auf Notstand und begründete ihn unter Hinweis auf mit dem Projekt verbundene Umweltprobleme. Der IGH sieht den Notstand als völkergewohnheitsrechtlich anerkanntes Rechtsinstitut an, das (ansonsten) völkerrechtswidriges Verhalten rechtfertigt. Die Voraussetzungen entnimmt er dem damaligen Art. 33 des Entwurfs der Völkerrechtskommission der UN aus dem Jahr 1980 über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidriges Handeln, der den Bestimmungen des Art. 25 des mit der Resolution 56/83 zur Kenntnis genommenen Entwurfs der Völkerrechtskommission (s.o.) weitgehend entspricht.305 Das Gericht betrachtet Beeinträchtigungen der Umwelt als möglichen Ausgangspunkt, „Notstand“ gegenüber bestehenden vertraglichen Pflichten einzuwenden. Aber auch der IGH geht von strengen Voraussetzungen aus. Eine mögliche Gefahr („peril“) genügt nicht, vielmehr muss diese unmittelbar, d.h. aktuell, drohen („imminent“) und sie muss schwerwiegend („grave“) sein.306 Die von dem betroffenen Staat ergriffene Maßnahme muss die „einzig mögliche Antwort“ darauf sein.307 Das Vorbringen Ungarns war nicht erfolgreich.308 Zur Rechtsnatur des Notstands führt der IGH aus, er beende ein Vertragswerk nicht, sondern er suspendiere es nur vorübergehend; nach Wegfall der tatbestandlichen Voraussetzungen leben die vertraglichen Pflichten wieder auf.309 In seinem Gutachten vom 09.07.2004 zur Mauer Israels auf palästinensischem Territorium hat der IGH diese Grundsätze des Urteils Gabcíkovo-Nagymaros zum Notstand wiederholt.310 302 Internationaler Gerichtshof (International Court of Justice), nach Kapitel XIV der Charta der Vereinten Nationen, zu Details siehe Schweisfurth, Völkerrecht, Rndr. 8–19 ff. mwN. 303 IGH, Urt. v. 25.09.1997 – General List No. 92, Ungarn gg. Slowakei wg. des Projektes Gabcíkovo-Nagymaros – verfügbar über www.icj-cij.org/icjwww/docket/ihs/ihsjudgment/ ihs_ijudgment_070025.html. 304 Zu Details des Sachverhaltes siehe IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 15 ff. mwN. 305 IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 49 ff./50 (Text des Art. 33). 306 IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 53/54. 307 IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 54 vorl. Absatz „. . . the only possible response to it . . .“. 308 IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 59. 309 IGH, Urteil Gabcíkovo-Nagymaros, aaO, Rdnr. 101: „. . . state of necessity is not a ground for the termination of a treaty . . .“ „Even if found justified, it does not terminate a treaty; . . . it may be in fact be dormant, but . . . it continues to exist.“ „As soon as the state of necessity ceases to exist, the duty to comply with treaty obligations revives.“ So auch Kämmerer, aaO, ZaöRV 2005, 651 ff./654, 656 ff. 310 IGH, Gutachten „Legal consequences of the construction of a wall in the occupied Palestinian Territory“ v. 09.07.2004 – General List No. 131 – u.a. elektronisch publiziert unter www. icj-cij.org/icjwww/docket//ihs.

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84d

II. Wege aus der „Schuldenfalle“

In den Termini des deutschen Rechts ist der Staatsnotstand daher ein Rechtfertigungsgrund zur Nichteinhaltung vertraglicher Pflichten für die Dauer der Notsituation, d.h. eine Einrede, die der Schuldner substantiiert vorzubringen und zu beweisen hat.

84e

Die Krise Argentiniens 2001/2002 war auch Gegenstand eines Schiedsurteils des ICSID 311 in einem Streit zwischen Argentinien und der CMS Gas Transmission Company.312 Hintergrund war die Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge und von Schlüsselindustrien in Argentinien 1989. Die CMS Gas Transmission Company beteiligte sich 1995 an einer der Gastransportgesellschaften in Argentinien. Infolge der argentinischen Krise wurden die aus Sicht des Investors seitens des argentinischen Staates gegebenen Zusagen nicht erfüllt, so dass er erhebliche Schäden erlitt. Argentinien wandte gegen die Klage ebenfalls Notstand ein, den das Schiedsgericht der Sache nach als völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrund ohne weiteres anerkannte 313, wobei Ausgangspunkt Art 25 der Articles on Responsibility of States for ... wrongful Acts ist. Dabei wird unter Erörterung der historischen Entwicklung und der bisherigen Rechtsprechung das Erfordernis strenger Voraussetzungen betont. Nach Diskussion des Für und Wider kommt das Schiedsgericht zu dem Ergebnis, die argentinische Politik habe selbst über lange Zeit hinweg zu der Krise beigetragen, so dass trotz der Erfüllung einiger Elemente des Staatsnotstands dessen Voraussetzungen zu verneinen seien.314 Das bedeutet zugleich, dass der „selbst verschuldete“ Staatskonkurs keinen Rechtfertigungsgrund für den Einwand des Staatsnotstands abgibt. c)

Die Entscheidungen inländischer Gerichte und eine erste Würdigung (2006)

85

Das OLG Frankfurt hat zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung das Bestehen des Staatsnotstandes abgelehnt, u.a., weil Argentinien seine wirtschaftliche Situation nachhaltig verbessert hat, sich mit den anderen Anleihegläubigern geeinigt und schließlich an den IWF erhebliche Beträge zurückgezahlt hatte (um seine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu vergrößern). Mit anderen Worten hat es den Einwand für unbegründet gehalten, weil die „Tatbestandsvoraussetzungen“ des Staatsnotstands nicht mehr gegeben waren. Zu diesem Ergebnis kam der Senat infolge der Einlassungen Argentiniens einerseits, eigener Untersuchungen anhand öffentlich zugänglicher Informationen andererseits, wobei auch das Schiedsurteil des ICSID verwertet werden konnte.315

85a

Die Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 2 GG wurde nicht eingeholt, da aus Sicht des OLG nicht die Frage von Inhalt und Tragweite des Staatsnotstandes zu

311 International Centre for Settlement of Investment Disputes, errichtet aufgrund des von der Weltbank in die Wege geleiteten „Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten . . .“ aus dem Jahr 1965, siehe Details dazu bei Schweisfurth, Völkerrecht, Rdnr. 19–73 ff. mwN. 312 ICSID, Case No. ARB/01/08, Schiedsspruch v. 12.05.2005, verfügbar über www.worldbank. org/icsid/. . . 313 ICSID, CMS Gas. gg. Argentinien, aaO, Rdnr. 316 ff. 314 ICSID, aaO, Rdnr. 331. 315 OLG Frankfurt, aaO.

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4. Organisation des Staatskonkurses durch Argentinien

klären war, sondern diejenige, ob dessen Voraussetzungen vorlagen, damit eine Tatsachenfrage. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das BVerfG hat sich in zwei Entscheidungen der 1. Kammer des 2. Senats aus den Jahren 2003 und 2006 mit den Einwendungen Argentiniens gegen die Prozessführung verschiedener Kläger und die Vorgehensweisen des OLG Frankfurt bzw. des LG Frankfurt befasst.316 Argentinien hatte in seinem Vortrag in beiden Fällen den Staatsnotstand in den Fokus gestellt und die Nachteile betont, die entstünden, wenn die Umschuldungsverhandlungen mit anderen Gläubigern durch Prozesse gestört würden (2003) bzw. wenn die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Argentinien, die das OLG Frankfurt 2005 bewilligt hatte, nur gegen Sicherheitsleistung erfolgen würde. Das BVerfG wies in beiden Fällen die Anträge als unzulässig bzw. auch unbegründet (Entscheidung aus 2006) zurück. Im Ergebnis weist die Kammer die zu klärenden Tatsachenfragen zum Staatsnotstand den Fachgerichten zu.

86

Dem Urteil des OLG Frankfurt ist im Ergebnis zuzustimmen, wenn es auch zwei Punkte aufweist, denen man je nach Betrachtung nicht uneingeschränkt beipflichten mag. Einmal ist es nicht ganz überzeugend, wenn die Einigung mit anderen Gläubigern als Ausgangspunkt genommen wird, um die Beseitigung des Staatsnotstands mit zu begründen; damit wird die par conditio creditorum empfindlich gestört, denn der gerichtlich vorgehende Gläubiger will zu 100 % befriedigt werden und zwar auf Kosten derjenigen, die bereits Forderungsverzichte in erheblichem Umfang hingenommen haben.317 Nicht ganz zweifelsfrei scheint auch, ob es wirklich allein Sache des OLG war, die Tatbestandsvoraussetzungen des Staatsnotstandes zu beurteilen oder ob nicht eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 2 GG angezeigt gewesen wäre. Das BVerfG hat durch seine obigen Entscheidungen das OLG in seiner Auffassung freilich bestärkt.

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Der Vorwurf der erheblichen Verletzung der par conditio creditorum trifft gleichwohl nicht die Gläubiger, sondern den Schuldnerstaat, der offenbar nicht einmal „Rückstellungen“ getroffen hat, um die Kläger wenigstens so wie die anderen abzufinden. Die Kritik an der Rechtsprechung in der Literatur geht fehl.318 Es ist nicht Aufgabe der inländischen Gerichte, den Individualrechtsschutz zugunsten erst künftig etwa zu entwickelnder Insolvenz- oder sonstiger Entschuldungsverfahren für Staaten hintanzustellen.319 Auch existiert kein völkerrechtliches „Rücksichtnahmegebot“ des Gerichtsstaates gegenüber dem betroffenen Staat und auch kein Gebot der Solidarität mit wechselseitigen „Beistandspflichten“ sub specie einer „gerechten Weltwirtschaftsordnung“, das die Gerichte veranlassen müsste, den priva-

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316 BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschlüsse vom 13.02.2003 – 2 BvQ 3/03 – www. bverfg.de/entscheidungen/qk20030213_2bvq000303.html, Absatz-Nr. 17 f. bzw. v. 08.02.2006 – 2 BvR 575/05 – www.bverfg.de/entscheidungen/rk20060208_2bvr057505.html, Absatz-Nr. 7, 9. 317 Siehe zu dieser Kritik auch Sester, aaO, NJW 2006, 2892. 318 Sester, aaO; NJW 2006, 2891 f./2892. 319 Die hier vertretene gläubigerfreundliche Betrachtung ist sicherlich streitig, siehe zur Entwicklung der Rechtsprechung vor US-Gerichten Kämmerer, aaO, ZaöRV 2005, 651 ff./663 ff./ 665 ff.

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II. Wege aus der „Schuldenfalle“

ten Kläger abzuweisen.320 Das Instrument des nach der Resolution 56/83 in den Blick gerückten völkerrechtlichen Notstandes dürfte weitgehend als Völkergewohnheitsrecht angesehen werden können. Die strengen Voraussetzungen dürften indes in den Fällen der „Insolvenz“ von Staaten kaum jemals vorliegen. Die Regelung des Art. 25 über den Notstand in dem Entwurf über die „Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts“ ist jedenfalls kein geeignetes Programm der autonomen Abwicklung einer Staateninsolvenz. Im Kern steht dabei die Frage, welche Voraussetzungen dafür bestehen sollen und wer darüber entscheidet. Nach der Rechtsprechung der verschiedenen internationalen Gerichte und Schiedsgerichte in den letzten 100 Jahren müssen ganz tiefgreifende (existentielle) Probleme vorliegen, die den Schuldnerstaat berechtigen, die Befriedigung seiner Verbindlichkeiten zu verweigern. Auch bei den inländischen Gebietskörperschaften wäre es kaum möglich, sich auf den Notstand als Einrede gegen Gläubigerforderungen zu berufen.

89

Die Vollstreckung aus dem Urteil des OLG Frankfurt mag sehr schwierig sein, aussichtslos ist sie nicht.321 Erst in der Vollstreckung zeigt sich deutlich die Thematik des „Staatskonkurses“ als eine Frage der „Gesamtvollstreckung“. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des BVerfG und des BGH scheidet infolge der Staatenimmunität die Vollstreckung in Vermögensgegenstände des Schuldners aus, die hoheitlichen Zwecken dienen, also den acta iure imperii zuzuordnen sind. Vermögensgegenstände der diplomatischen Vertretungen, vom Grundstück bis zum Konto der Botschaft, sind der Vollstreckung entzogen. Der Schuldnerstaat muss lediglich glaubhaft machen, dass der ins Auge gefasste Vollstreckungsgegenstand den Aufgaben der Botschaft zu dienen bestimmt ist.322

320 Zu Thematik und Begrifflichkeit siehe Ohler, aaO, JZ 2005, 590 ff./593 f. Die Problematik beginnt schon mit der höchst diffizilen Frage, wovon die Bejahung eines Staatsnotstandes abhängt, ein Begriff, der von einer Fülle einzelner Faktoren abhängt und der sich zudem dynamisch fortentwickelt. 321 AA Sester, aaO. 322 Siehe – wegweisend – den „Philippinen-Beschluss“ des BVerfG v. 13.12.1977 – 2 BvM 1/76 – BVerfGE 46, 342 ff. = NJW 1978, 485 = WM 1978, 1319; BGH, Beschl. v. 28.05.2003 – IXa ZB 19/03 – NJW-RR 2003, 1218 = RPfl. 2003, 518; Beschl. v. 04.10.2005 – VII ZB 8/05 – NJW-RR 2006, 425 = WM 2006, 41 = BGHR Zivilsachen GVG § 20 Abs. 2 Staatenimmunität 1.

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III. Vorschläge und Modelle einer Insolvenz von Staaten und Regionalkörperschaften 1.

Regelungswerke zur Staatsentschuldung an den Beispielen des Staatskonkurses des vormaligen deutschen Reichs und der „municipalities“ in den USA nach 11 USC Chapter 9

a)

Die Abwicklung der Schulden des Deutschen Reiches nach dem 2. Weltkrieg

Die junge Bundesrepublik hat sich nach ihrer Gründung mit dem Staatskonkurs des Deutschen Reichs auseinander gesetzt. Art. 134 Abs. 4, 135a GG 323 sowie das auf Art. 135a GG gestützte Allgemeine Kriegsfolgengesetz aus dem Jahre 1957 324 stellen ein Haftungssystem zur Bewältigung der Altschulden dar.325

90

Das Gesetz ordnet in § 1 Abs. 1 AKG das Erlöschen der gegen das Deutsche Reich, das Land Preußen 326 und verschiedene Sondervermögen gerichteten Ansprüche an, soweit nicht das AKG eine andere Bestimmung trifft. § 1 Abs. 3 AKG enthält eine überraschend flexible Regelung dergestalt, dass durch ein weiteres Bundesgesetz über das AKG hinaus Entschädigungen gewährt werden können, wenn die Erfahrungen beim Vollzug des AKG dies notwendig machten. Das AKG entschuldet ferner Bund und andere „öffentliche Rechtsträger“, d.h. auch Länder und Gemeinden einschl. der Gemeindeverbände, von Ansprüchen, die nach der Rechtsordnung allein auf Vermögensübernahme oder Funktionsnachfolge gestützt werden könnten (§ 2 Nr. 1 AKG). Länder und Gemeinden bzw. Gemeindeverbände wurden ferner von etwaigen Haftungsrisiken im Zusammenhang mit Maßnahmen befreit, die auf Anordnungen der alliierten Militärbehörden (bis 1.8.1945) durchgeführt wurden oder die zur Beseitigung eines „kriegsbedingten Notstandes“ erfolgten und die Aufgabe des Reichs waren (§ 2 Nr. 4 AKG).

91

Der Zweite Teil des Gesetzes, §§ 4 ff. AKG, befasst sich mit den erloschenen und zu erfüllenden Ansprüchen, die hier nicht weiter zu behandeln sind. Aber auch diese Forderungen, z.B. Versorgungs- und Schadenersatzansprüche (§§ 5, 6) wurden sehr detaillierten und damit anspruchsvermindernden Voraussetzungen unterworfen.

92

Die Verfahrensregelungen (§§ 26–28 AKG) verlangen fristgerechte Anmeldung (§ 28 Abs. 1 S. 1 AKG) bei Anmeldestellen und bei Ablehnung des Anspruchs fristgerecht Klage bei dem zuständigen Gericht (§ 29 AKG).

93

323 In das Grundgesetz eingefügt durch Gesetz v. 22.10.1957, BGBl. 1957 I 1745. 324 AKG v. 05.11.1957, BGBl. 1957 I 1747 mit Änderungen idF von Art. 2 Abs. 16 des Gesetzes v. 12.08.2005, BGBl. 2005 I 2354. 325 S.o. Kapitel II 2 Rdnr. 39. Nur am Rande sei hier auch auf das Londoner Schuldenabkommen vom 27.02.1953 hingewiesen, das Auslandsschulden der jungen Bundesrepublik mit den Hauptgläubigern aus dem Ausland regulierte, siehe BGBl. 1953 II 333. 326 Im Hinblick auf die vormals ganz oder teilweise preußischen heutigen Bundesländer.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

94

Das AKG ist damit, wie bereits oben festgestellt, ein Insolvenzgesetz zur Entschuldung eines Staates, das sehr langfristig wirkt, wie das oben zitierte Urteil des BVerwG zu den Rüstungsaltlasten zeigt (Rdnr. 39). Die Rechtsprechung hat sich mehrfach mit dem Gesetz befasst.

95

Der BGH hat in seinem Urteil zum AKG aus dem Jahre 1961 327 zur Frage der Haftung des beklagten Landes unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge herausgearbeitet, der Zusammenbruch des Reiches habe angesichts des „ungeheuren Ausmaßes der Verbindlichkeiten des ... Reichs ...“ Regelungen „unvermeidlich“ gemacht, die sich am Konkursrecht orientierten. Man habe im großem Umfang Ansprüche streichen oder kürzen müssen, um andere wichtigere Ansprüche, z.B. aus „sozialpolitischen ... Gründen zu erfüllen“. Doch damit nicht genug: Der Senat stellt auch fest, in der Rechtsprechung des BGH sei anerkannt, bei vollständiger Erfüllung der Ansprüche gegen das Reich würden die öffentlichen Haushalte untragbar belastet, denn anders als beim Konkursverfahren werde eben zur Befriedigung der Gläubiger gerade nicht nur das Vermögen des Reichs und Preußens herangezogen.328

96

Das BVerfG hat sich in zwei Entscheidungen mit dem AKG auseinandergesetzt.329

96a

In dem Beschluss aus dem Jahr 1961 hat das Gericht als wesentliche verfassungsrechtliche Grundlage des AKG bereits Art. 134 Abs. 4 GG betrachtet. Der Senat stellt die Bankrottsituation des vormaligen Reichs dar, das, wie es auch im Parlamentarischen Rat ausgedrückt worden sei, nicht nur „vorübergehend zahlungsunfähig, sondern ... konkursreif“ gewesen sei. Mangels künftiger Einnahmen des Reichs aufgrund der staatlichen Neuordnung haben ihm auch die für die Schuldtilgung nötigen Einnahmen gefehlt. Das allgemeine Konkursrecht sei hierfür ungeeignet, so dass ein neues Regelwerk habe entwickelt werden müssen. Ein Wettlauf der Gläubiger sei zu vermeiden gewesen, die Aktiven des Reichs hätten den „neuen Berechtigten und ihren öffentlichen Interessen nutzbar“ gemacht werden müssen.330 Die verfassungsrechtliche Grundlage ermögliche jede Regelung, die erforderlich sei, um den Staatsbankrott zu „bereinigen“, der bereits durch die Währungsreform und dem (ihrer Umsetzung dienenden) Umstellungsgesetz festgestellt worden sei.331

327 BGH, Urt. v. 21.12.1961 – III ZR 157/60 – BGHZ 35, 245 ff./251, betreffend die Entschädigung von Personen, die im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurden, nach dem damals entsprechenden Gesetz vom 20.05.1898; der BGH hat einen Fall der Funktionsnachfolge angenommen und eine weitergehende Entschädigung als die bereits gewährte abgelehnt. 328 BGH, aaO, S. 251 f. 329 BVerfG, Urt. v. 24.11.1962 – 1 BvR 987/58 – BVerfGE 15, 126 ff./135, „Staatsbankrott“; Beschl. v. 03.11.1965 – 1 BvR 62/61, BVerfGE 19, 150 = NJW 1966, 196 = DÖV 1966, 510, vergebliche Verfassungsbeschwerde auf erfolglose Klage gegen einen Landkreis auf Schadenersatz wegen einer Beschlagnahme unmittelbar nach Kriegsende (BGH, Beschl. v. 30.01.1961 – III ZA 28/60). 330 BVerfG, 24.11.1962, aaO, IV A 1b) der Gründe. 331 BVerfG, 24.11.1962, aaO, IV A 2a) der Gründe; § 14 Nr. 1 des Umstellungsgesetzes (Drittes Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens, Ges. Nr. 63 der Militärregierung, v. 20.06.1948, WiGBl. 1948, Beil. 5 S. 13; FNA, Stand 31.12.2005 (!) 7601-0).

78

1. Regelungswerke zur Staatsentschuldung

Anders als bei dem Konkurs von Unternehmen sei eine Liquidation durch Zerschlagung nicht möglich, vielmehr komme nur eine Sanierung des Gemeinwesens in Frage. Im Vordergrund stehe wie in der Währungsgesetzgebung die Sanierung, der Blick nach vorn in die Zukunft und nicht die Rückschau, die „Abrechnung über die Vergangenheit“.332 Dies sei im Interesse gesunder Staatsfinanzen, die die Basis für die Entwicklung des Gemeinwesens sind, nicht vermeidbar und historisch bei Staatskonkursen „allenthalben“ zu finden.333 Inhaltlich führt der Senat ferner aus, die Aktiven seien nicht zu liquidieren gewesen, denn sie waren unverzichtbar im Interesse der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben durch den Staat. Das Gericht stellt weiter fest, dass die Finanzpolitik sich in der Lage der Bundesrepublik nach der staatlichen Neuordnung nicht allein auf die Bewältigung der Konkurslage fokussieren konnte oder auf die Behebung der Kriegsfolgen, der Staat habe vielmehr sämtliche anderen Staatsaufgaben zu erfüllen, wozu (insbesondere) der Wiederaufbau gehörte. Daher könne dem Gesetzgeber keine „rechtlich verbindliche Dringlichkeitsskala“ vorgeschrieben werden 334, d.h. keine Rangfolge der zu finanzierenden Aufgaben. Ergebnis ist, dass der Gesetzgeber die Verbindlichkeiten des Reichs nur „nach Maßgabe des Möglichen“ befriedigen musste. Art. 14 GG wird durch Art. 134 GG ebenso wenig wie das Rechtsstaatsprinzip verletzt. Vielmehr hat der Senat für entscheidend angesehen und dies mehrfach betont, dass „der Schuldner (d.h. das Reich, Anm. des Verf.) in eine finanzielle Lage geraten war, die nur nach den „Prinzipien der Behebung eines Staatskonkurses“ bereinigt werden konnte.335

96b

Genau betrachtet, ist diese letztere Feststellung des Gerichts recht problematisch, denn sie setzt voraus, dass es ein System für die Abwicklung eines Staatskonkurses gibt, dessen Grundlagen als „Prinzipien“ allgemein anerkannt sind, wovon nun auch heute, fast 45 Jahre nach dem Beschluss des BVerfG, nicht die Rede sein kann. Die Weltgemeinschaft oder doch eine Reihe von Protagonisten ringt um ein solches System – bisher ohne durchgreifenden Erfolg. Dennoch hat der Senat zutreffend den Unterschied zwischen dem Staatskonkurs, der sich gegen einen souveränen Staat (oder gegen verfassungsrechtlich mit eigenen „Selbstbestimmungsrechten“ ausgestattete Gebietskörperschaften desselben) richtet und einem „Gesamt(vollstreckungs)verfahren“ gegen natürliche Personen, privatrechtlich strukturierte Unternehmen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts herausgearbeitet. Es gibt kein Liquidationsverfahren, sondern zwingend Sanierung. Der Staat bestimmt im Interesse seiner Zukunft als Gemeinwesen selbst, was für ihn an Belastungen zur Befriedigung von Forderungen aus der Zeit vor dem „Staatsbankrott“ tragbar ist.

96c

Dennoch sind die Strukturen des Art. 134 Abs. 4 GG und des AKG ebenso wie die Rechtsprechung des BVerfG nicht sozusagen analog auf die heutige Verschuldungssituation der öffentlichen Hand auf allen Ebenen zu projizieren. Die dabei entscheidende historische Situation war völlig anders als heute.

96d

332 333 334 335

BVerfG, 24.11.1962, aaO, IV A 2a) der Gründe. BVerfG, 24.11.1962, aaO. BVerfG, 24.11.1962, aaO. BVerfG, 24.11.1962, aaO, IV 2b) der Gründe.

79

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

Der zweite Beschluss des BVerfG zu dem Thema aus dem Jahr 1965 336 befasst sich mit einem Kommunalfall aus der Zeit nach dem Zusammenbruch Deutschlands. Ansprüche, die in jener Zeit gegenüber Kommunen begründet wurden, die „notgedrungen Verwaltungsaufgaben übernehmen mussten, die unter normalen Verhältnissen von übergeordneten Stellen zu erfüllen waren“, wurden in § 2 Nr. 4 AKG den Forderungen gegen das Reich gleichgestellt und erloschen daher.337 Die Verfassungsbeschwerde war hier wie in dem 1962 entschiedenen Fall erfolglos. In dem Beschluss von 1965 zeichnet der Senat die 1962 entwickelten Linien seiner Rechtsprechung zum Staatskonkurs nach und wiederholt sie. Dem Argument, die Kommunen seien gar nicht in Konkurs geraten, begegnet er mit der Feststellung, auch deren finanzielle Grundlagen seien „von Ausnahmen abgesehen ... erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden.“ Schließlich habe der Gesetzgeber die Rückgriffsansprüche der Kommunen gegen das Reich regeln müssen, soweit diese dessen Aufgaben erfüllt hätten. Es habe ferner keinen Grund gegeben, diejenigen Gläubiger besser zu behandeln, die eher zufällig Ansprüche gegen eine Kommune hätten – die ohne § 2 Nr. 4 AKG hätten vollständig befriedigt werden müssen – als diejenigen mit unmittelbar gegen das Reich gerichteten Forderungen.

96f

Mit anderen Worten muss eine Regelung des Staatskonkurses ebenso Forderungen der lokalen/regionalen Gebietskörperschaften gegen den Zentralstaat erfassen wie auch Ansprüche Privater gegen die Gliedkörperschaft, um nicht den Erfolg des gesamten Regelwerks zu beeinträchtigen. Ungeachtet der historischen Sondersituation des Falles in chaotischer Zeit 338 zeigt sich doch, dass insolvenzrechtliche Regelwerke für Gebietskörperschaften auch gegenseitige Ansprüche der Gebietskörperschaften untereinander (unabhängig vom „Rang“ im Gemeinwesen) beschränken müssten, ebenso wie Rückgriffsansprüche Privater gegenüber anderen Gebietskörperschaften, soweit diese Ansprüche im Zusammenhang mit dem „Insolvenzschuldner“ stehen. b)

Das US-amerikanische Konzept der Insolvenz von „municipalities“ 339 in 11 USC Chapter 9

97

Die Vereinigten Staaten haben, anders als die Bundesrepublik, ein „Zahlungsunfähigkeitsverfahren“ von municipalities in 11 USC Chapter 9 „Adjustment of debts of a municipality“ bundesgesetzlich geregelt, das vom Supreme Court akzeptiert worden ist.340 Ausgangspunkt war die wirtschaftliche Depression der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts.341 Das US-amerikanische Verfahren wird als erfolgreiches Modell und zur Nachahmung empfohlen dargestellt und immer wieder bei der Entwicklung von Entschuldungsmechanismen herangezogen.

98

Dabei ist nur am Rande darauf hinzuweisen, dass Chapter 9 des Bankruptcy Act zwar seit nunmehr 60 Jahren zur Anwendung kommt, aber insgesamt weniger als 336 BVerfG, 03.11.1965, s.o. 337 BVerfG, 03.11.1965, aaO, B II 1., 2. der Gründe. 338 Das BVerfG, 03.11.1965, aaO, B II 4. der Gründe, spricht von chaotischen Verhältnissen. 339 Nach 11 USC § 101 (40) ist „municipality“ eine staatliche Teil-/Unterorganisation, nämlich a „political subdivision or public agency or instrumentality of a State“. 340 Municipal Bankruptcy Act, Pub. L. No. 302, 50 Stat. 653 (1937), vom Supreme Court im Fall US v. Bekins, 304 US 27,54 (1938) akzeptiert. 341 Siehe Kratzmann, JZ 1982, 319 ff.

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1. Regelungswerke zur Staatsentschuldung

500 Fälle von kommunalen bzw. lokalen Organisationen bekannt sind, die unter diesem Regelwerk ihre Zahlungsunfähigkeit abgewickelt haben.342 Das ist über die Zeitdauer betrachtet und angesichts der Größe der USA eine vergleichsweise geringe Zahl. Spektakuläre Fälle waren das Moratorium und die Sanierung von New York (1975) sowie der Bankrott von Orange County in Kalifornien Ende 1994.343 Zu beachten ist zudem, dass die Mehrzahl der Fälle „special purpose districts“ betraf, nicht „general municipalities“.344 In der jüngeren Vergangenheit war neben Orange County u.a. die Stadt Bridgeport (1991) in Connecticut betroffen. Des weiteren gestatten nicht alle US-Bundesstaaten das bundesgesetzliche Chapter 9-Verfahren, wieder andere haben gesetzliche Voraussetzungen geschaffen, die den Antrag nach 11 USC Chapter 9 erst nach Erfüllung weitergehender Voraussetzungen ermöglichen.345 Diese Staaten der USA wollen nach der Literatur die municipalities von letztlich unbegründeten Anträgen abhalten, da die Bundesstaaten Insolvenzanträge ihrer Gliedkörperschaften im Interesse der Kreditwürdigkeit aller vermeiden möchten.346 Anders betrachtet hat das US-Bundesrecht zwar ein insolvenzrechtliches System für die Insolvenzen der municipalities entwickelt, das aber als Modell für andere Staaten hinterfragt werden darf, da es einer ernsten Belastungsprobe bei Kommunen nicht ausgesetzt war, im Übrigen nicht einmal „flächendeckend“ gilt und in einer Reihe von Bundesstaaten von Vorbedingungen abhängig gemacht wird. In Deutschland müsste sich ein derartiges System, folgt man den Stimmen der Literatur und der Beurteilung der Haushaltslagen in den Kommunen, möglicherweise umgehend einer Tauglichkeitsprüfung unterziehen. Gegenstand des US-amerikanischen Konzepts ist die Sanierung der notleidend gewordenen „municipality“ 347. Ein wesentliches Merkmal ist dabei, dass nur die Körperschaft selbst das Verfahren in Gang bringen kann, ein Gläubigerantrag also

342 Siehe dazu unter US Courts Chapter 9, Municipality Bankruptcy, www.uscourts.gov/ bankruptcycourts/bankruptcybasics/chapter9.html.; dort wird ausgeführt, die Fälle nach Kapitel 9 seien zwar selten, aber sie könnten viele Mio. $ betreffen. 343 Im Fall von Orange County hatte der für die Finanzen verantwortliche Treasurer offenbar durch Wertpapierspekulationen an der Wall Street 1,7 Mrd. US-$ aus einem Investment Pool von 7,4 Mrd. $ verloren, siehe die Rezension „The Orange County Bankruptcy: Who’s next ?“ zu einer Studie über das Thema, Baldassare, „When government fails . . .“ in: Public Policy Institute of California, Research Brief, Issue 11, April 1998, publ. im Internet unter www.ppic.org. 344 Siehe zu der erheblichen Relativierung der Bedeutung des Chapter 9-Verfahrens Chang, Municipal Bankruptcy: State Authorization under the Federal Bankruptcy Code, III und Fn 35, Public Law Research Institute, Reports, Fall 1995, www.uchastings.edu/. . .; die Autorin spricht unter Bezugnahme auf McConnell/Picker, When Cities go broke: A conceptual Introduction to Municipal Bankruptcy, von 452 Fällen bis 1991, wobei sich von 1972–1991 lediglich 90 Chapter 9-Verfahren ereignet haben sollen. Zwischen 1972 und 1984 sollen wiederum lediglich 3 Fälle von „general municipalities“ aufgetreten sein. Keiner davon soll im Zusammenhang mit der langfristigen fianziellen Gesundheit von Städten gestanden haben („. . . none of these were related to the long-term financial health of the cities“, aaO, Fn 35). 345 Nach Chang, aaO, Appendix B, Survey of Authorization Statutes in various States, hatten damals Georgia und Iowa die Antragstellung nach Chapter 9 untersagt. Connecticut, Kentucky, New Jersey und Pennsylvania haben „Preconditions to Filing“ angeordnet. 346 Chang, aaO, III Abs. 1 meint „States have a strong interest in preventing their municipalities from filing bankruptcy, in order to protect the credit of all municipalities in the state“. Municipality ist mit „Gliedkörperschaft“ wiedergegeben. 347 11 USC § 101 (40).

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99

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

nicht möglich ist [11 USC §§ 901 (a), 301 (a)]. Ziel ist Gläubigerschutz (und Sanierung).348

99a

Unter den weiten Begriff der municipality fallen nicht nur Kommunen, sondern auch eine Reihe anderer öffentlicher Strukturen wie Schulbezirke, „public improvement districts“ (Organisationen, deren Aufgabe mit unterschiedlicher Definition die Verbesserung bzw. Organisation spezifischer lokaler Daseinsvorsorge ist), bis hin zu Organisationen, die ihre Ausgaben im wesentlichen durch Gebühren bzw. Entgelte decken, wie „bridge authorities“ und „highway authorities“. Ein direkter Vergleich mit den Rechtsverhältnissen in Deutschland verbietet sich schon aufgrund der völlig anderen Strukturen und Traditionen. Auf weitergehende Ausführungen muss im Rahmen dieses Beitrages verzichtet werden.

100

Aus verfassungsrechtlichen Gründen des Tenth Amendment zur US-Verfassung ist die Liquidation des Vermögens und die Verteilung des Erlöses nicht möglich, da das aus US-amerikanischer Sicht die Souveränität der Staaten über die Regelung ihrer inneren Angelegenheiten beeinträchtigt.

101

Damit besteht die Aufgabe des Insolvenzverfahrens in dem Schutz der „municipality“ vor ihren Gläubigern und ihrer Reorganisation auf der Basis eines Plans. Im Kern steht die Beschneidung der bestehenden Ansprüche der Gläubiger durch die aus jeder Sanierung bekannten Maßnahmen, insbesondere die quotale Streichung von Hauptforderungen und Zinsen bis hin zur Umfinanzierung. Das Spektrum ist erheblich und soll hier nicht weiter vertieft werden. Die Gläubiger sind entsprechend der Rechtsprechung des Supreme Court nicht berechtigt, einen Plan vorzulegen, um eine – auch nur indirekte – Kontrolle der municipality zu vermeiden. Auch das Verfahren nach Chapter 9 soll der municipality nicht die Befugnis nehmen, ihren Verwaltungsaufgaben selbstständig nachzukommen.

102

Ein Vorgehen nach Chapter 9 hat eine Reihe von Voraussetzungen, u.a. die Eigenschaft als Schuldner (debtor) nach 11 USC § 109 (c), wonach „(c) An entity may be a debtor under chapter 9 of this title if and only if such entity – (1) is a municipality; (2) is specifically authorized, in its capacity as a municipality or by name, to be a debtor under such chapter by State law, or by a governmental officer or organization empowered by State law to authorize such entity to be a debtor under such chapter; (3) is insolvent; (4) desires to effect a plan to adjust such debts; and (5) A)–D) ...“.

102a

Insolvent ist die „municipality“ nach 11 USC § 101 (32) (C), wenn „(32) „insolvent“ means ... (C) with reference to a municipality, financial condition such that the municipality is – (i) generally not paying its debts as they become due unless such debts are the subject of a bona fide dispute; or (ii) unable to pay its debts as they become due.“

102b

„Insolvenzgrund“ ist nicht nur die „klassische“ Zahlungsunfähigkeit, sondern auch ohne deren Feststehen die allgemeine Nichtzahlung fälliger Verbindlichkeiten, soweit diese nicht in gutem Glauben als streitig betrachtet werden können. Dies entspricht der tatsächlichen Zahlungseinstellung.

348 Siehe Chang, aaO, „Executive Summary“, „Federal law permits municipalities to seek protection from their creditors by filing for bankruptcy . . .“

82

1. Regelungswerke zur Staatsverschuldung

Der US Supreme Court hat sich mit der Verfassungsmäßigkeit der bundesgesetzlichen Regelungen verschiedentlich auseinandergesetzt. Die erstmals 1934 erlassene Gesetzgebung des Kongresses wurde im Fall des Cameron County Water Improvement District No. 1, eines texanischen Bewässerungsverbandes 349, im Jahre 1936 angewandt und vom Supreme Court für verfassungswidrig gehalten, weil unzulässiger Eingriff in die Souveränitätsrechte der Bundesstaaten.350 Der Verband war zahlungsunfähig und hatte einen Plan vorgeschlagen, der Anleihegläubigern Befriedigung in Höhe von knapp 50 % bei zugleich ermäßigtem Zinssatz aus Mitteln vorschlug, die von der Reconstruction Finance Corporation aufgenommen werden sollten, einer in der wirtschaftlichen Depression 1932 gegründeten (heute: vormaligen) Institution der US-Bundesregierung, die u.a. Finanzhilfen an kommunale Einrichtungen vergab.351 Mehr als 30 % der betroffenen Gläubiger hatten zugestimmt, eine mehr als 2/3-Mehrheit wurde letztlich erwartet. Das wäre im Ergebnis ein Austausch der einen gegen eine andere Anleihe gewesen.

103

In einem wenig später vorgelegten Fall eines (Agrar)Bewässerungsverbandes aus Kalifornien 352 hatte der Supreme Court auf der Basis eines im Jahr 1937 „nachgebesserten“ Municipal Bankruptcy Act (heute Chapters 9 und 10) erneut zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verfahrens zu entscheiden. Der Verband hatte seit Juli 1933 weder Zins noch Tilgung auf eine Anleihe bezahlt, als er sich im September 1937 für insolvent erklärte. Unter Zuhilfenahme der vorerwähnten Reconstruction Finance Corporation wurde Anleihegläubigern ein Betrag von knapp 60 % der Kapitalforderung gegen Verzicht auf den Rest einschließlich aufgelaufener Zinsen vorgeschlagen. Anleihegläubiger, die 87 % aller betroffenen Forderungen hielten, hatten zugestimmt. Der US Supreme Court billigte die nunmehr gefundene bundesrechtliche Lösung mit der Begründung, der Bundesstaat habe kooperiert, er habe der fraglichen Gesetzgebung zugestimmt.353 Steht der Anwendung des Insolvenzrechts des Bundes aus Sicht des Bundesstaates etwas entgegen, kann dieser entsprechend handeln; das Insolvenzrecht ermöglicht es, den insolventen Träger öffentlicher Aufgaben zu retten, wozu der Bundesstaat machtlos gewesen wäre. Dagegen sprechende Argumente des US-Verfassungsrechts werden sämtlich zurück gewiesen. Auch das Argument der Steuerhoheit des Bundesstaats verfing nicht, da die Abgabenpflichtigen des Verbandes selbst aufgrund des damaligen niedrigen Preises für Agrarprodukte nicht hinreichend zahlungsfähig waren, so dass der Verband nur den laufenden Betrieb aufrecht erhalten und den Anleihegläubigern nichts bezahlt hatte.354

104

349 Der Begriff des „district“ als einzelstaatliche Untereinheit („Körperschaft“) der Verwaltung soll hier vereinfachend und verallgemeinernd mit „Verband“ wiedergegeben werden, siehe zu dessen Funktion 298 US 513, 524. 350 Siehe den Überblick zur Geschichte des Chapter 9 in der veröffentlichten Information der „Bankruptcy Judges“ Division, verfügbar unter www.uscourts.gov/bankruptcycourts/ bankruptcybasics/chapter9.html; (Stand der Internetadresse: Ende Juni 2006), siehe die Entscheidung US Supreme Court v. 25.05.1936 – No. 859, Ashton v. Cameron County Water Improvement District No. 1 – 298 US 513 (1936). 351 Siehe Encyklopaedia Britannica, 2000, „Reconstruction Finance Corporation“. 352 U.S. v. Bekins et al., Lindsay-Strathmore Irrigation District, Entscheidung v. 25.04.1938 – Nos. 757, 772 – 304 US 27 (1938). 353 304 US 27, 54. 354 US v. Bekins et al., 304 US 27, 46, 53, 54.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

Der Fall ist nahezu klassisch: Der Verband wird saniert, von par conditio creditorum kann nicht die Rede sein, soweit der sehr schmale Sachverhalt etwas dazu hergibt. Diejenigen, die seit den Zahlungsrückständen des Verbandes Leistungen im Rahmen der Betriebsweiterführung erbracht haben, wurden offenbar jeweils vollständig bezahlt.355 Dennoch haben die betroffenen Gläubiger wohl mangels Alternative mit großer Mehrheit zugestimmt.

105

In einem dritten Fall, über den auch in der deutschen juristischen Literatur 1982 berichtet wurde 356, urteilte der US Supreme Court über ein vom US-Bundesstaat New Jersey 1931 vor der bundesstaatlichen Regelung eingeführtes Zahlungsunfähigkeitsverfahren, das einen „Zwangsvergleich“ 357 über die Ansprüche der Gläubiger ermöglichte. Betroffen war ein Seebad in New Jersey mit 15.000 Einwohnern.358 1935 beantragten die Gläubiger(!), die Kommune finanziell unter die Aufsicht der (staatlichen) Municipal Finance Commission nach dem New Jersey Municipal Finance Act zu stellen, eine Gesetzgebung zur Steuerung von Haushaltsnotlagen 359, deren Ziel u.a. war, der Beeinträchtigung der Kreditwürdigkeit der öffentlichen Hand entgegenzutreten.360 Das Recht von New Jersey sah einen Sanierungsplan vor, der sämtliche Forderungen aller Gläubiger umfassen und der die Zustimmung von 85 % der Gläubiger, berechnet nach Forderungen, neben weiteren Voraussetzungen verlangte. Die betroffene Körperschaft, die Kommission und der Supreme Court von New Jersey hatten zuzustimmen. An eine rechtskräftige Entscheidung sind danach sämtliche Gläubiger gebunden.361 Bonds 362 im Umfang von ca. 10,8 Mio. US-$ (die 1929, 1930 begeben worden waren!) sollten im Fall Asbury Park umgeschuldet werden 363 und zwar in Anleihen, die erst 1966 fällig wurden und mit einem niedrigeren Zins als ursprünglich zu verzinsen waren. Das bedeutete eine Laufzeit von 36–37 Jahren, innerhalb derer u.a. durch Geldentwertung der Wert der Anleihen erheblich verkürzt werden konnte. Bemerkenswert ist die Aussage des Supreme Court zur ökonomischen Bewertung einer unbesicherten kommunalen Anleihe, die er nur für „... a draft on the good faith of a municipality in exercising its taxing power ...“ hält, einen Wechsel auf die Kompetenz der Körperschaft, sich künftig durch sachgerechte Ausübung ihrer Besteuerungsrechte ordnungsgemäß zu refinanzieren und die Anleihe zurück zahlen zu können. Das wesentliche Aktivum einer Kommune sei nämlich ihre Steuerhoheit und die stehe nicht zur Verteilung an. Eine Stadt könne

355 US v. Bekins et al., 304 US 27, 46 „. . . that upon the assessment levied . . . in the year 1932 there was a delinquency of 47 [%] and that since . . . had been levied only an assessment of sufficient amount to maintain and operate ist works . . .“ (Hervorhebung und Klammern vom Verf.). 356 Kratzmann, Der Staatsbankrott, JZ 1982, 319 ff./321. 357 Begriff von Kratzmann, aaO. 358 US Supreme Court, Faitoute Iron & Steel Co. et al. v. City of Asbury Park, New Jersey – Entscheidung vom 01.06.1942 – No. 896 – 316 US 502 (1942). 359 Offenbar seit 1915 (!) befasste sich der Gesetzgeber von New Jersey mit Finanzproblemen der dortigen „municipalities“, vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 511, 512. 360 Vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 504 „This legislation was enacted to meet the public emergency arising from a default in the payment of municipal obligations, and the resulting impairment of public credit“ mwN aus der Gesetzgebungshistorie. 361 Vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 504. 362 Hier: öffentliche Anleihen. 363 Das Recht von New Jersey gestattete keine Reduzierung des Kapitalbetrages der Anleihe.

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1. Regelungswerke zur Staatsentschuldung

nicht übernommen werden und dann zum Vorteil ihrer Gläubiger wirken.364 Wesentlicher rechtlicher Aspekt, der gegen den Vergleich ins Feld geführt wurde, war die „Contract Clause“ der US-Verfassung (Art. 1 Sect. 10) 365, die staatliche Eingriffe in vertragliche Ansprüche unterbinden soll.366 Trotz der völlig anderen Strukturen in Deutschland ist die Kernaussage richtig. Der private Gläubiger verlässt sich auf die überkommenen Strukturen, die sich eben gerade nicht nur auf die kommunalen Steuern stützen, sondern die notwendigen Zuweisungen des Landes und mittelbar des Bundes.

105a

Der „Zwangsvergleich“ in der Sache Asbury Park wurde angenommen, der Supreme Court hatte nichts daran auszusetzen. Drei Aspekte hielt er in der Kommunalinsolvenz für wesentlich, nämlich unparteiische externe Kontrolle der Kommunalfinanzen, eine „konzertierte“ Aktion aller Gläubiger ohne Rechtsverfolgung durch einzelne und angemessene („rateable“) Verteilung der möglichen Zahlungen an die Gläubiger; dies alles vor dem Hintergrund, die Kommune als staatliche Teilkörperschaft („subdivision“, s.o.) zu erhalten und den Gläubigern die bestmögliche Befriedigung zu gewähren.367 Die Gesetzgebung von New Jersey hat sich danach um eine Lösung bemüht, die die Kommune funktionsfähig erhielt und nur dann war auch eine Zahlung an die Gläubiger aus den vorhandenen Steuermitteln möglich.368 Der Einwand der Contract Clause war damit nicht durchgreifend, dagegen stand ein weiteres ungeschriebenes Spezifikum des US-Verfassungsrechts, die police power, die im öffentlichen Interesse weitgehende Eingriffsmöglichkeiten in Individualrechte zugunsten anderer Rechtsgüter ermöglicht, wie der Gesundheit, der öffentlichen Sicherheit, der allgemeinen Wohlfahrt usw.369 Der Supreme Court nimmt dabei eine Güterabwägung vor („balance of interests“).370 Vorliegend hat er auch genau dies getan und aus einem argumentum a minore ad maius abgeleitet, dass es einem Bundesstaat nicht verwehrt werden könne, Verbindlichkeiten seiner politischen Untergliederungen im Interesse deren Erhaltung und der Gesamtheit der Gläubiger, von denen 85 % zugestimmt hatten, zu regulieren, wenn er schon bei anderen (privaten) Organisationen (building & loan associations; insolvente Bank) im Interesse des Staates so vorgegangen sei.371

105b

Anzumerken bleibt, dass 1975 das von Gesetzgeber und Gouverneur des Staates New York im Eilverfahren zugunsten der damals in erheblichen wirtschaftlichen Problemen befindlichen Stadt New York angeordnete dreijährige Moratorium für verschiedene kurzfristige Anleihen372 beim Court of Appeals des Staates New York

106

364 Vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 509. 365 Section 10 – „No State shall; pass any . . ., or Law impairing the Obligation of Contracts; . . .“. 366 Zu Details siehe Kratzmann, JZ 1982, 319 ff./321 f. Vgl. des Weiteren City of Asbury Park, 316 US 502, 513, passim. 367 Vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 510. 368 Vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 512, der Supreme Court bemüht das Bild „. . . the goose which lays its golden eggs . . .“. 369 Kratzmann, aaO, S. 322 und FN 51, 53. 370 Siehe die instruktive Kurzübersicht in Encyklopaedia Britannica, 2000 unter „police power“. 371 Zu Details vgl. City of Asbury Park, 316 US 502, 514 mwN. 372 Volumen: 5 Mrd. US-$ (!), heute – nicht kaufkraftbereinigt – nominal ca. 3,8 Mrd. €.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

scheiterte.373 Das Moratorium betraf die Gläubiger, die nicht „freiwillig“ ihre Wertpapiere in langfristige Anleihen der Municipal Assistance Corporation for the City of New York umwandelten.374 Die gestundeten Beträge waren mit 6 % p.a. zu verzinsen. Grund des Scheiterns war eine vom Gericht angenommene Verletzung der Verfassung des Staates New York, die Verschuldung verbietet, wenn nicht die betreffende Stadt „... pledges its faith and credit ... for the payment of the principal of the indebtedness ...“, d.h. das Versprechen, bei Fälligkeit zu zahlen und die Steuereinnahmen entsprechend zu verwenden 375, sogar dann, wenn die gegebenen steuerlichen Möglichkeiten überschritten sind. Eine finanzielle Notlage („financial emergency“) und die „police power“ seien nicht geeignet, eine Verfassungsbestimmung zu ändern.376

107

An diesen wenigen Fällen der US-Praxis zeigt sich nicht nur die Zielsetzung der unvermeidbaren Sanierung des insolventen Gemeinwesens anstelle von Verwertungs-/Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch die höchst praktische Überlegung, ein Schuldner könne nur soviel zahlen, wie ihm nach seiner Finanzkraft möglich. Die unbegrenzte Zahlungs- und Kreditfähigkeit der öffentlichen Hand ist danach eine Chimäre. Andererseits steht daneben die Entscheidung des New Yorker Appellationsgerichthofs, der auf die verfassungsrechtlichen und aus seiner Sicht nicht angreifbaren Grundsätze der Zahlungspflicht hinweist. Freilich ist all das vor dem Hintergrund einer völlig anderen Finanzverfassung zu sehen.

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Betrachtet man die obigen Fälle, so ergeben sich abhängig von der Teilrechtsordnung, ob Bundesstaat oder Zentralstaat, verfahrensrechtliche Unterschiede, die man sämtlich in die Betrachtung einbeziehen kann und die gekennzeichnet sind durch • (formale) Freiwilligkeit der Verfahrenseinleitung durch den Schuldner oder Antrag der Gläubiger, den Schuldner unter staatliche Aufsicht zu stellen, die nichts mit einem Gläubigerinsolvenzantrag zu tun hat; • Zustimmung zu dem Sanierungsplan durch den Schuldner, eine „neutrale“ öffentliche Aufsichtsinstanz und das Gericht, ggf. höherer Instanz

373 Court of Appeals of New York – Entscheidung v. 19.11.1976, Flushing National Bank on Behalf of itself and (others) v. Municipal Assistance Corporation for the City of New York – 40 NY 2d 731 ff., verfügbar über www.courts.state.ny.us/reporter/archives.htm; siehe die zusammenfassende Darstellung bei Kratzmann, JZ 1982, 319 ff./321 f. 374 Court of Appeals New York, Flushing National Bank, aaO, 733, das Gericht spricht ebenfalls von „voluntarily“ in Anführungszeichen. 375 Court of Appeals New York, Flushing National Bank, aaO, 733, 735,737. 376 Court of Appeals New York, Flushing National Bank, aaO, 740 f., dagegen dissenting opinion des Richters Cooke, aaO, 742 pp., der die extreme Situation der Stadt New York und die Maßnahmen zur Behebung des „Haushaltsnotstands“ (in deutscher Terminologie) darstellt, die u.a. vom Einfrieren und Schließungen von Infrastrukturen begleitet waren, von Finanzmaßnahmen und dem Abbau von insgesamt ca. 36.000 Arbeitsplätzen innerhalb 10 Monaten bis Oktober 1975 und etwa 13.000 weiteren bis Juni 1976, also 49.000 Entlassungen usw., Court of Appeals New York, Flushing National Bank, aaO, 747 p. Die dissenting opinion hält die Anwendung der police power für gleichwohl möglich und stellt fest, dass die Verfassung des Staates New York sogar ausdrücklich die notwendigen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Verwaltungsarbeit auch in Zeiten des Notstandes („emergency“) aufgrund einer Ergänzung („Amendment“) im Jahr 1963 gestatte, aaO, 760, 761.

86

1. Regelungswerke zur Staatsentschuldung

• • • •

Zustimmung durch ein Gläubigerquorum nach Forderungen keine Vollstreckungsmaßnahmen die par conditio creditorum scheint jedenfalls nicht im Mittelpunkt zu stehen keine automatischen Leistungen anderer Körperschaften zur Behebung des Haushaltsnotstandes

Dennoch scheint die US-amerikanische Lösung das wohl einzige auf Kommunen und vergleichbare Organisationen bezogene Modell, das in seinen praktischen Ergebnissen analysiert und bei Lösungserwägungen herangezogen werden kann. Die gezeigte Methodik ist „universell“ einsetzbar. Bei Schuldverschreibungen wie Anleihen usw., die Investoren erwerben und die am Markt handelbar sind, wie in den dargestellten US-Fällen, liegt es aus Schuldnersicht nahe, sie nicht in bar sofort abzulösen, um das notwendige Gläubigerquorum zu erreichen. Zahlungsunfähigkeit bedeutet eben das Fehlen der nötigen Liquidität zur Bedienung fälliger oder demnächst fälliger Forderungen. Die Kürzung des Anspruchs bei gleichzeitiger Begebung neuer Wertpapiere zur Ablösung der bisher bestehenden Bonds, verbunden mit erheblich längerer Laufzeit und gekürzten Zinsen, führt je nach Ausgangslage dazu (z.B. über einen Abzinsungsfaktor), dass der Gläubiger erheblich höhere Kürzungen hinnehmen muss als die nominale Quote darzustellen scheint. Zugleich behält er das Bonitätsrisiko seines Schuldners wie bei jedem Insolvenzplan. Kommt es – ggf. etliche Jahre später – zu einer zweiten oder weiteren Haushaltsnotlage, kann eine nochmalige Kürzung die Folge sein. Die klassische Insolvenz beschränkt sich jedoch nicht auf Gläubiger von „bonds“, sondern sie umfasst eine Fülle verschiedener Gläubiger, deren Ansprüche auf diversen Rechtsgrundlagen beruhen, wodurch das Verfahren ungleich schwieriger wird.

109

Für Anleihegläubiger freilich besteht auch in Deutschland schon seit 1899 ein Modell zur Willensbildung der Anleger und zwar in Gestalt des „Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen“.377 Der Schuldner der Anleihe kann die Versammlung einberufen, die mit Wirkung für alle Gläubiger zur „Abwendung einer Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens“ bis zu drei Jahren Stundung bewilligen und den Zins kürzen kann. Die Mehrheit muss dabei 75 % der abgegebenen Stimmen erreichen (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 11 Abs. 1 SchVerschrG). Auf Kapitalbeträge kann die Gläubigerversammlung nicht verzichten (§ 12 Abs. 3 SchVerschrG). Dieses Procedere ist, systematisch betrachtet, bei allen inländischen Schuldverschreibungen anwendbar, gleich wer der Emittent ist. In der Insolvenz gibt es eine gesonderte Versammlung der Anleihegläubiger (§§ 18 ff. SchVerschrG). Der Ansatz dieses Modells ist derselbe wie die Lösungen in den USA nach 11 USC Ch. 9, wenn man von der nur beschränkten Eingriffsmöglichkeit in die Gläubigerrechte nach dem Schuldverschreibungsgesetz einmal absieht. Nur theoretisch könnte ein öffentlicher Anleiheschuldner versuchen, in einer Gläubigerversammlung die Anleihezeichner mit dem Hinweis auf drohende Zahlungseinstellung zu Sanierungsbeiträgen zu bewegen, denn das SchVerschrG setzt Insolvenzfähigkeit nicht voraus. Aus gutem Grunde hat ein öffentlicher Schuldner dies bislang nicht in Erwägung gezogen; dagegen spricht u.a., dass nur die Minder-

109a

377 Gesetz v. 04.12.1899, RGBl. 1899, 691 idF der Änderungen bis zum 05.10.1994, BGBl. 1994 I 2911, Schuldverschreibungsgesetz (SchVerschrG).

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

heit der Gläubiger erfasst wäre, entscheidend aber, dass dies die Kreditwürdigkeit ernsthaft gefährden würde und eine Zustimmung der Anleihegläubiger aufgrund des andersartigen Rechtssystems und der andersartigen Rechtstradition in Deutschland wohl nicht zu erwarten wäre.

2.

Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren für Staaten bzw. regionale Gebietskörperschaften

a)

Das Modell des IMF zur Behandlung von Staateninsolvenzen (zur Behebung bzw. Vermeidung internationaler Schuldenkrisen) 378

110

Der Internationale Währungsfonds hat angesichts der enormen Verschuldungskrisen gerade ärmerer Länder ein Konzept zu deren Entschuldung von internationalen Anleihen entwickelt und vorgestellt. Dieses Modell wird aber, um dies vorweg zu bemerken, von den internationalen Akteuren abgelehnt.379

111

Die nachstehend grob umrissene Konzeption des IWF aus dem Jahre 2001 und später ist die Weiterentwicklung bzw. eine von zahlreichen Entwicklungslinien, die seit den Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden sind und die internationale Verschuldungskrisen steuern wollen.380

112

Die Lösung des IWF sieht nach den von Anne Krueger, der stellvertretenden Chefin der Institution (bis August 2006), zusammengefasst so aus 381, dass Länder in Zahlungsschwierigkeiten Schuldnerschutz „beantragen“ können sollen, was zur Aussetzung der Zahlungen führt, d.h. einem automatic stay, wie ihn das US-amerikanische Insolvenzrecht vorsieht. Kapitalverkehrskontrollen sollen verhindern, dass das Schuldnerland durch Kapitalflucht seiner Bürger und Unternehmen von innen finanziell erodiert. All dies soll den Zeitraum bis zu einer Einigung mit den Gläubigern umfassen. Das Procedere würde die privaten ausländischen Gläubiger betreffen, denn die internen Gläubiger des Schuldnerstaates kann er mit seiner eigenen Gesetzgebung beeinflussen.

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Die Gesetzgebung jedes einzelnen Staates soll Regelungen vorsehen, die seine Gebietsansässigen dazu zwingen, sich im Sinne dieses Konzepts zu verhalten, was konkret bedeuten müsste, dass auf Guthaben des Schuldnerstaates oder seiner 378 International Monetary Fund; siehe dazu die Meldung in der FAZ v. 28.11.2001 über die Pressekonferenz von Krueger, „IWF für Insolvenzverfahren bei Staaten“, FAZ v. 29.11.2001, S. 18, siehe auch IMF, „Proposals for a Sovereign Debt Restructuring Mechanism (SDRM), A factsheet, January 2003, updated April 19, 2006, verfügbar unter www.imf.org/external/ . . .; Francois Gianviti/Timothy Geitner, IMF, Proposed Features of a Sovereign Debt Restructuring Mechanism, Februar 2003 und Kenneth Rogoff/Jeromin Zettelmeyer, Bankruptcy Procedures for Sovereigns: A history of ideas, 1976 – 2001, IMF Staff Papers Vol. 49 No. 3, p. 470–507; vgl. aus der Bundesrepublik die Untersuchung aus dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (Hrsg.) von Berensmann, Die Einbindung privater Gläubiger in die Prävention und Bewältigung von Internationalen Verschuldungskrisen, Berichte und Gutachten 7/2003. 379 Berensmann, aaO, S. VII der Zusammenfassung. Skeptisch ist auch Ehricke, in: Henckel/ Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 17. 380 Kenneth Rogoff/Jeromin Zettelmeyer, Bankruptcy Procedures for Sovereigns: A history of Ideas, 1976–2001. 381 Siehe FAZ v. 29.11.2001, S. 18.

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2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

Gebietsansässigen in einem Gläubigerstaat, genauer: durch die privaten Gläubiger dort, nicht zugegriffen werden könnte.382 Der IWF sieht sich dabei als regulierende Stelle, die die Aussetzung auf Antrag des Schuldnerlandes vornimmt. Materiell ist dafür Voraussetzung, dass eine auf Dauer nicht tragbare Verschuldung besteht und das Schuldnerland aufgrund seiner Situation auf den ihm damit versperrten Kapitalmärkten keine Mittel mehr bekommen kann. Der IWF würde zugleich Hilfen zum Aufbau von Währungsreserven und zur Bezahlung benötiger Importe leisten.383

114

Der IWF wäre damit „Alt“Gläubiger und zugleich neutrale Stelle, die über das Verfahren entscheidet, ebenso wie Neugläubiger. Er wäre also, wenn man eine Analogie vornehmen will, Massegläubiger. Die Anleihen sollen umgeschuldet werden, d.h. in praxi nichts anderes als ein klassisches Modell der Reduzierung des Kapitals sowie der Zinsen, eine Verlängerung der Laufzeit und eine Streichung von bestehenden Rückständen, wobei diese Elemente alternativ und kumulativ verwendet werden würden. Mit anderen Worten geht es wie in jedem Reorganisationsverfahren von Unternehmen um den mehr oder weniger massiven Verzicht der Gläubiger, eine rein finanzwirtschaftliche und mehr oder weniger technische Maßnahme, die von dem „Verhandlungsgeschick“ der Gläubigerrunde und der Einschätzung der wirtschaftlichen Situation des Schuldnerlandes und seiner Gebietsansässigen, die ebenfalls Verpflichtungen aus Anleihen haben, abhängt.

115

Ist schon die Einführung eines Zahlungsunfähigkeitsverfahrens für das Segment der internationalen Anleihen umstritten und allem Anschein nach kaum realisierbar, so stellt es doch nur einen Ausschnitt aus den finanziellen Schwierigkeiten eines Schuldnerlandes dar, das zugleich seine interne Verschuldung ebenfalls in den Griff bekommen muss.

116

Der Vorschlag des IWF bedeutet, dass parallel interne Zahlungsunfähigkeitsverfahren für regionale oder lokale Gebietskörperschaften und alle sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nötig wären, um nicht das internationale Regime, das das Ziel der finanzwirtschaftlichen Sanierung des Zentralstaats verfolgt, durch zuwiderlaufende interne Strukturen in dem betroffenen Staat zu konterkarieren.

117

b)

Der Vorschlag von Kratzmann (1982)

Der Vorschlag von Kratzmann 384 geht bereits 1982 – bei einer deutlich geringeren Verschuldung 385 – davon aus, eine Regelung des Staatsbankrotts sei einer Notstandsverfassung vergleichbar, die rechtzeitig und nicht erst in der Katastrophe zu treffen sei. Jedenfalls sollte man ein solches Regelwerk möglichst nur für die Zukunft schaffen, nicht für die gegenwärtige Situation. Dem ist – wenn man denn

382 FAZ, aaO, S. 18. 383 FAZ, aaO, S. 18. 384 Kratzmann, Der Staatsbankrott, JZ 1982, 319 ff. 385 Die Bundesverschuldung hat zum 01.07.1981, also vor 25 Jahren, gerade einmal ca. 258 Mrd. DM ( = ca. 132 Mrd. €) betragen, Kratzmann, aaO.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

einem solchen Vorgehen beipflichtet – zuzustimmen. Die Art. 134, 135a GG seien keine Staatsbankrottverfassung, da sie erst nach der Katastrophe entstanden seien. Dem ist methodisch allerdings nicht zuzustimmen. Warnend und zutreffend hebt der Autor hervor, dass ein Weg zur Schuldbefreiung die Gefahr heraufbeschwört, ausgenutzt zu werden. Konkursgrund soll die Zahlungsunfähigkeit sein, ausgehend davon, dass Überschuldung mangels Liquidation des Vermögens ohnehin nicht bedeutsam sein kann.

119

Maßstab der Zahlungsunfähigkeit ist danach die Verbindung eines hohen Schuldenstandes mit stark progessiver Entwicklung bei gleichzeitig „andere Staatstätigkeiten geradezu erstickenden“ Zins- und Tilgungspflichten für die bestehende Verschuldung. Aus der Sicht von Kratzmann ist auch zu differenzieren, wann die Forderung entstanden ist, also das Postulat einer Rangfolge nach der Erkennbarkeit der Zahlungsschwierigkeiten des Staates, ein interessantes, aber in der Praxis vom Ansatz her nicht realisierbares Unterfangen. Die Bediensteten der insolventen Körperschaft haben nach dieser Lösung ebenfalls einen Beitrag zu leisten.

120

Der Autor schlägt eine Verfassungsänderung vor, die es ermöglichen soll, die Fälligkeit von Bundesverpflichtungen hinauszuschieben oder den Anspruch zu kürzen. Die Zahlungsunfähigkeit wird durch Bundesgesetz festgestellt, das aber erst mit Zustimmung des Bundesverfassungsgerichts wirksam werden soll, das wiederum die Bundesbank zuvor anzuhören hat. Der Vorschlag fingiert die Zahlungsunfähigkeit, d.h. den Insolvenzgrund, wenn der Schuldendienst ein Drittel der Gesamtausgaben in dem konkreten Haushaltsjahr ausmacht und zugleich die Verschuldung innerhalb von drei Jahren vor dem Bezugsjahr unter einer weiteren Voraussetzung auf das Doppelte der Gesamtausgaben des Haushalts des Bezugsjahres angestiegen ist. Die Ansprüche der Beamten und privatrechtlich angestellten Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sollen abweichend von Gesetz und Vertrag (auch Kollektivvertrag) abgeändert werden können.

121

Über die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit kann man trefflich diskutieren, was nicht Gegenstand dieses Beitrags sein soll. Im Übrigen finden sich hier die bereits oben beschriebenen Elemente der Freiwilligkeit, der Überwachung durch einen Dritten und die Begleitung der Reorganisation durch ein unabhängiges Organ. Richtig an einem solchen Vorschlag wäre die Beschlussfassung durch ein Gericht, hier das BVerfG. Nicht geeignet wäre die Entscheidung durch Gremien von Ökonomen, Wirtschaftsprüfern und ähnlichen Berufsgruppen im Rahmen etwa einer vom Bundestag eingesetzten Expertenkommission. Ein Zahlungsunfähigkeitsverfahren im demokratischen Staat wäre zu Recht ein justizförmiges Verfahren, das auf der Entscheidung unabhängiger Richter beruhen muss, denn jedweder auch einer vom Bundestag eingesetzten Expertenkommission, deren Mitglieder nicht zugleich Parlamentsmitglieder sind, mangelt es an demokratischer Legitimation. Freilich können und müssten Experten ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die Diskussion um das richtige Procedere einbringen.

122

Bricht man den Vorschlag auf Länder und Kommunen herunter, ließe er sich entsprechend umsetzen – wenn ein solches Verfahren richtig ist. Insolvenzverwalter könnten ihre spezifischen Sanierungserfahrungen einbringen, die umso wertvoller sein können, je mehr im Staatsaufbau die einzelne Einheit einem Unternehmen in Größe und Komplexheit ähnelt.

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2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

c)

Der Vorschlag von Paulus zu Staaten- und Kommunalinsolvenzen (2003) 386

Die Überlegungen von Paulus gehen von dem Konzept einer Restrukturierung von Staaten aus, die dann auf die Kommunen heruntergebrochen werden.387 Seine Lösungsansätze sind von dem von ihm grundsätzlich vertretenen Konzept der Sanierung als Gegenstand eines Insolvenzverfahrens 388 beeinflusst, nicht von dem der Haftungsdurchsetzung. Unter modellhafter Heranziehung der Regelungen der Chapter 11 und Chapter 9 – Verfahren des US-amerikanischen Insolvenzrechts kommt er zwanglos zur Anwendung modifizierter Regelungen zum Insolvenzplan der §§ 217 ff. InsO, die aus seiner Sicht den geeigneten Rahmen abgeben. Im Zentrum 389 des Insolvenzverfahrens für Staaten steht die Zusammenfassung der Gläubigerinteressen zur Erarbeitung einer für alle vorteilhafteren Lösung als sie die individuelle Rechtsverfolgung bieten kann und zwar in einem der Rechtsstaatlichkeit verpflichteten Verfahren, das transparent und effizient ist sowie sich der Billigkeit verpflichtet sieht. Als Folgen der strukturell nicht gelösten Zahlungsunfähigkeitssituation arbeitet er weitergehende Probleme heraus, nämlich Verschlechterung der Lebensbedingungen der Bevölkerung der ärmsten Staaten und der radikale – ökonomisch und ökologisch nicht vertretbare – Verbrauch natürlicher Ressourcen zur Bewältigung bzw. Bedienung der Schuldenlast.390

386 Paulus, Überlegungen zu einem Insolvenzverfahren für Staaten, WM 2002, 725 ff.; ders., Rechtlich geordnetes Insolvenzverfahren für Staaten, ZRP 2002, 383 ff., ders., A statutory Procedure for Restructuring Debts of Sovereign States, RIW 2003, 401 ff.; ders., Überlegungen zur Insolvenzunfähigkeit von Gemeinden, ZInsO 2003, 869 ff. 387 Paulus, aaO, WM 2003, 869 ff./869. 388 Er spricht von einem weltweiten Siegeszug der Insolvenzrechte, die sich darauf fokussieren. Bei der Unternehmensinsolvenz, die nicht staatsrechtlich determiniert ist, kann dem nicht beigepflichtet werden, denn Ziel jeden Insolvenzrechts muss aus diesseitiger Sicht unverändert die Haftungsdurchsetzung sein, die freilich nicht Zerschlagung bedeuten muss, sondern Sanierung bedeuten kann, soweit genug Substanz vorhanden ist und die Sanierung den Gläubigern unter Beachtung der Risiken während der Sanierungsphase eine bessere Befriedigung verspricht. Bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Gebietskörperschaften) kann es aus staatsrechtlichen Gründen allerdings nie um Liquidation gehen. Hier beschränkt sich die Haftungsdurchsetzung methodisch auf die Durchführung eines Sanierungsverfahrens. 389 Paulus, WM 2002, 725 ff., 725, zum Insolvenzverfahren für Staaten. Zu einem Ansatz aus der amerikanischen Literatur, der zugleich im Anhang des Aufsatzes den Text eines internationalen Abkommens vorschlägt, vgl. Schwarcz, „Idiots Guide“ to Sovereign Debt Restructuring, Emory Law Journal, Vol. 53, 2004, p. 1189 ff./1212 pp. (Conclusion), 1215 ff. Textvorschlag des Abkommens), siehe International Insolvency Institute, www.iiiglobal.org. Der Autor will die mit der Restrukturierung zusammenhängenden Probleme, die Zustimmung der Gläubiger zu erhalten, mit einer Konvention lösen, die auf dem Vorrang der Forderungen derjenigen Finanziers beruhen soll, welche die Reorganisation vorfinanzieren. Die „Altgläubiger“ sollen – in Gläubigerklassen eingeteilt – durch einen Reorganisationsplan gebunden werden, dem alle diese Gläubigergruppen zugestimmt haben. Der Schuldnerstaat wird von allen nicht im Plan geregelten Verbindlichkeiten befreit, alternativ erwägt der Autor, dass Gläubiger ohne Kenntnis von dem Plan ausgenommen bleiben könnten, siehe Schwarcz, aaO, p. 1212, 1216. Das ist – vergleicht man – ebenfalls nichts anderes als die Struktur des Insolvenzplans nach der InsO, auf die Staatenebene gespiegelt. Würde eine solche Konvention je geschlossen und die Bundesrepublik ihr beitreten, wäre sie nach nach Art. 25 GG gebunden und müsste die notwendigen Maßnahmen im inländischen Recht umsetzen. Allerdings wäre eine solche Lösung ohnehin nur im Rahmen eines einheitlichen Vorgehens auf der Ebene der europäischen Union und des EWR denkbar. 390 Paulus, aaO, WM 2002, S. 726.

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123

124

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

124a

Dieser letztere Ansatz entspricht, wenn man so will und einmal eine Analogie wagen darf, verfahrensrechtlich der Frage, in welchem Umfang Vermögen des Schuldners zur Befriedigung der Gläubiger herangezogen werden soll, also die Frage nach der Insolvenzmasse bzw. den Pfändungsgrenzen. Dennoch kann natürlich ein Insolvenzverfahren von Staaten den Schutz der Ressourcen gegen Raubbau und die Verbesserung der Lebensbedingungen nicht leisten. Vielmehr sind dafür stabile staatliche Verhältnisse mit demokratisch gewählten Regierungen und rechtsstaatlichen Strukturen sowie die konsequente Achtung der Menschen- und Bürgerrechte die beste, aber auch eine notwendige erste Voraussetzung. Ein Insolvenzverfahren für Staaten bedarf der Teilnahme von Partnern, die auch handlungsfähig sind und die willens und in der Lage sind, getroffenen Vereinbarungen nachzukommen. Daher kann auch Paulus nicht uneingeschränkt beigepflichtet werden, wenn er Bedenken gegen ein solches Insolvenzverfahren vor dem Hintergrund der Souveränität der Staaten nicht gelten lassen will. Das Gegenteil ist aus diesseitiger Sicht zutreffend: Nur der souveräne Staat kann verantwortlich an der Weltwirtschaft und dem weltweiten Kapitalverkehr teilnehmen. Richtig an den Bedenken ist freilich nur, dass die Teilnahme an einem solchen Verfahren nicht erzwungen werden kann, sondern der Freiwilligkeit bedarf. Dies entspricht auch letzten Endes dem Ansatz von Paulus.391 Das Chapter 9-Verfahren des US-Rechts ist auch nur deshalb mit der Verfassung der USA vereinbar, weil das Verfahren nur von der betreffenden municipality freiwillig in Gang gesetzt werden kann und weil der Bundesstaat als Träger der Souveränität grundsätzlich seine Zustimmung zu einem solchen Verfahren erklärt hat.392

125

Der Verfahrensvorschlag von Paulus leitet sich von den Unternehmensinsolvenzen und der Überlegung ab, die Liquidation des Schuldnervermögens entspreche ohnehin nicht mehr den Anforderungen der globalen Wirtschaft. Vielmehr sei der in den USA selbstverständliche fresh start maßgeblich, der dem Schuldner die Wiedereingliederung in den Markt ermöglicht. Vielfach sei die Liquidation sinnwidrig, so bei den zunehmend dienstleistungsorientierten Volkswirtschaften der hochentwickelten Länder oder den Ländern im Übergang von Plan- zu Marktwirtschaft, bei denen eine Insolvenz mit Zerschlagung von Vermögenswerten zu einer Systemkrise führen kann. All dies ist richtig und ein Gläubiger der Marktwirtschaft wird genauso handeln, um seine Forderungen gegenüber dem insolventen Schuldner möglichst optimiert zu realisieren. Die Frage muss aber doch gestattet sein, was das Verfahrensziel ist – die Befriedigung der Gläubiger oder die Wiedereingliederung des Schuldners im Markt oder – bei Staaten – in die Weltwirtschaft. Wenn die Liquidation des Schuldnerunternehmens aus der Sicht der Gläubiger und Fremdkapitalgeber sinnvoll erscheint, weil dies bessere Befriedigung verspricht, soll es dann dennoch zu einem Zwangsakkord kommen, z.B. im Interesse der Investoren und Eigenkapitalgeber? Die Frage beantwortet sich für die natürliche Person durch das richtige Konzept der Vermeidung eines lebenslangen Schuldturms, wobei freilich das pfändbare Vermögen verwertet ist. Für Staaten und Gebietskörperschaften kann die Lösung nur in einer Reorganisation bestehen – und zwar gerade vor dem Hinter-

391 392

92

Paulus, aaO, S. 734. S.o.; Kapitel III 1 b) Rdnr. (97) ff.

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

grund von Souveränitätsüberlegungen. Für Unternehmen bestehen in den verschiedenen Rechtsordnungen diverse Insolvenzziele.393 Wenig überzeugend ist allerdings, wenn institutionelle Gläubiger durch einen Verhaltenskodex mit Ächtung bei Verstößen gezwungen werden sollen, sich auf Verhandlungen einzulassen, die der Sanierung von Schuldnern dienen, mag das nun ein Konzept von INSOL sein oder ein „London Approach“, u.a. ausgehend oder begrüßt von der Bank von England.394 Das bedeutet eben nichts anderes als die Rechte der Gläubiger auf Durchsetzung ihrer Ansprüche zugunsten des Schuldners hintanzustellen. Die Sanierungspraxis in der Bundesrepublik zeigt jedenfalls, dass Gläubiger keineswegs leichtfertig etwa die Zahlungsunfähigkeit herbeiführen oder nicht zu Verhandlungen bereit sind. Das Gegenteil ist der Fall, wollen sie doch ihre Ansprüche realisieren und Verluste vermeiden und zwar auf der Basis hinreichender Tatsachen. Bei der außergerichtlichen Sanierung bewegt sich jedenfalls bei der Rechtslage in Deutschland der Gläubiger bekanntermaßen zwischen der Scylla der Herbeiführung der Insolvenz, wenn nicht gehandelt wird und der Charybdis der Teilhabe an etwaiger Insolvenzverschleppung. Daher sind bei mittelbaren Zwängen, welche die Übernahme von Verantwortung herbeiführen sollen, entscheidende Zweifel sehr angebracht.

126

Der Verfahrensvorschlag von Paulus geht inhaltlich aus von

127

• der Einschaltung eines neutralen Dritten, der entweder im wesentlichen den ordnungsgemäßen Verfahrensablauf nach US-amerikanischem Vorbild überwacht oder der nach europäischem Vorbild auch inhaltlich auf die Entscheidung Einfluss nimmt; dieser neutrale Dritte kann danach z.B. der Internationale Gerichtshof sein oder ein International Bankruptcy Court 395, in keinem Fall aber ein Gläubiger, auch nicht der IWF.396 • der Zahlungsunfähigkeit als alleinigem Insolvenzgrund bei Staaten unter hier völlig zutreffender Ablehnung der Überschuldung 397, da diese bei Staaten (Gebietskörperschaften und Regionalregierungen gleichermaßen) schlechterdings nicht vernünftig feststellbar erscheint.398 • der Einleitung des Verfahrens ausschließlich durch Eigenantrag des Schuldners; die damit verbundenen Nachteile sind hinzunehmen 399, auch deshalb, weil der Schuldnerstaat großes Interesse haben muss, entschuldet zu werden und wieder am internationalen Kapitalmarkt teilhaben zu können, also kreditwürdig zu sein.

393 Siehe die eindrückliche Zusammenstellung ganz divergierender Rechtsordnungen bei Paulus, aaO, WM 2002, S. 729. 394 Siehe hierzu Paulus, aaO, WM 2002, S. 728 und WM 2002, 778 (INSOL Verhaltenskodex) und INSOL International, Statement of Principles for a Global Approach to Multi-Creditor Workouts, London, 2000. 395 Paulus, aaO, WM 2002, S. 730 mwN, FN 47 zum International Bankruptcy Court. 396 Das deutsche Recht beantwortet dieses Thema mit dem Erfordernis eines von Schuldner und Gläubiger unabhängigen Dritten als Insolvenzverwalter, siehe § 56 InsO. 397 Paulus, aaO, S. 731. 398 Vgl. Kapitel VI 5b), Rdnr. (330) ff. 399 So auch Paulus, aaO, WM 2002, S. 731.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

• der Einreichung eines Schuldenbereinigungsplans durch den Schuldner und (dessen) Missbrauchskontrolle durch den neutralen Dritten; das ist der pre packaged plan und die Kontrolle nach § 231 InsO, auf die Staatenebene gespiegelt. • der Belassung eines „Existenzminimums“ für das Schuldnerland als materielle Voraussetzung, entsprechend dem Vorgehen und den Auflagen der Weltbank und des IWF bei Finanzhilfen an verschuldete Staaten 400; das ist letzten Endes die Frage nach der „Insolvenzmasse“ und den „unpfändbaren Gegenständen“, siehe §§ 35 f. InsO. • dem automatic stay für alle Altgläubiger mit Verfahrenseinleitung 401, eine Regelung des US-Konkursrechts, die für das Chapter 9-Verfahren noch weiter ausgedehnt ist und die Parallelen in §§ 88 ff. InsO hat. • der Bildung einer Zwangsgemeinschaft der Gläubiger, also einer Gläubigerversammlung mit Gruppenbildung und letzten Endes mit Zwangsakkord 402; hier sieht Paulus zutreffend erhebliche und kaum überwindbare Probleme, wenn man bedenkt, dass die externen öffentlichen Gläubiger des Schuldnerlandes schon gar nicht zwangsweise eingebunden werden können. „Collective Action Clauses“ oder „Exit Consents“, durch die die Gläubiger vertraglich Mehrheitsentscheidungen in Restrukturierungssituationen akzeptieren, können nicht erzwungen, sondern allenfalls langsam Standard werden, wenn hervorragend aufgestellte Schuldner außerhalb der Krise dies durchsetzen. • der Planannahme und sodann Überwachung des Planvollzugs durch den neutralen Dritten mit Sanktionen bis zum Wiederaufleben der Schuldenlast.

127a

Zu Recht spricht Paulus auch die Anfechtungsthematik an, die andere Lösungen zur Behandlung einer Insolvenz von Gebietskörperschaften aussparen. Ob die Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen tatsächlich eine Disziplinierungsfunktion auf die Gläubiger im Vorfeld des Verfahrens ausüben würde, muss allerdings bezweifelt werden; das Problem bleibt, von Paulus zutreffend beschrieben, was denn anfechtbar sein soll. Wenn man ein Insolvenzverfahren für Staaten, wie vorliegend, aus bestehenden Rechtsordnungen herleitet, die die Anfechtung wegen Gläubigerbenachteiligung 403 kennen, muss man auch auf die dortigen Erfahrungen rekurrieren und feststellen, dass es eine Fülle von anfechtbaren Rechtshandlungen gibt, die keineswegs fraudulenten Charakter haben. Nur bei diesen aber wäre „Disziplinierung“ denkbar.

127b

Der Verfahrensvorschlag von Paulus stimmt in den wesentlichen Grundzügen mit der Insolvenzordnung überein.

128

Das für Gemeinden von Paulus in Erwägung gezogene Modell entspricht im Ergebnis dem Modellgesetz, das er für Staaten entwickelt hat.

400 Paulus, aaO, WM 2002, S. 732. 401 Paulus, aaO, WM 2002, S. 732. 402 Nach § 245 InsO, vgl. Smid/Rattunde, InsO, Kommentar, § 254 Rdnr. 10. 403 Zu Recht betont Paulus die Insolvenzanfechtung als ein Rechtsinstrument, das dem Insolvenzrecht von alters her immanent sei, siehe aus dem römischen Recht D 42.8 Quae in fraudem creditorum facta sunt, ut restituantur.

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2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

Materiell geht er von der modifizierten Anwendung der Insolvenzordnung aus, wobei thematisiert wird, ob die Länder das Verfahren ausgestalten könnten und ob dies aus Art. 72 GG oder § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO resultiert, der entsprechend auszulegen sei, wofür sich der Vorschlag entscheidet. Die Richtigkeit dieser Erwägung ergibt sich aus der Historie der Vorschrift, die Art. IV Nov EG KO inhaltlich inkorporiert, auf welcher Basis das sächsische Recht im Jahr 1900 bereits die Konkursordnung entsprechend modifiziert angewandt hatte.

128a

Bei den Kommunen sieht sein Konzept, das auch bei den Bundesländern möglich erschiene, konsequent folgendes vor:

128b

Ausschließliche Zulässigkeit des Eigenantrags; Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens, alleinige Planinitiative bei der Schuldnerkommune; Durchführung des Planverfahrens analog den Regeln der Insolvenzordnung. d)

Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF (2005) 404

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen hat im April 2005 ein Gutachten über „Haushaltskrisen im Bundesstaat“ vorgelegt, in welchem er unter den „Maßnahmen der bundesstaatlichen Gemeinschaft zur Überwindung bestehender Finanzkrisen“ die Anwendung eines Insolvenzverfahrens für die Länder diskutiert. Als weitere Teilaspekte der Krisenbewältigung werden u.a. die Eigenbeteiligung des betroffenen „Gliedstaats“ der „bundesstaatlichen Gemeinschaft“ und die Hilfen durch die anderen Gebietskörperschaften erörtert.405

129

Basis des vorgestellten Konzeptes ist es, „Abschreckungswirkungen“ zu erzeugen und „Fehlanreizen“ zu steuern.406 Unterstützungsmaßnahmen könnten so konstruiert werden, dass die Länder von einer „laxen“ Finanzpolitik abgehalten würden. Effekte auf die Gläubiger könnten sich u.a. durch eine „No-bail-out-Politik“ des Zentralstaates ergeben; mit anderen Worten sollen die Gläubiger sich nicht darauf verlassen können, dass der Bund den Ländern aus desaströser Finanzlage („Haushaltskrise“) hilft.

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Die Beschränkung von Hilfen der bundesstaatlichen Gemeinschaft auf unverschuldete Finanzkrisen wird diskutiert, aber letztlich nicht gefordert; vielmehr soll in diesen Fällen nur ein „besonders strenger Maßstab“ angelegt werden.407 Im Zentrum steht jedoch der Eigenbeitrag des betreffenden Landes, so dass die bundesstaatliche Unterstützung Hilfe zur Selbsthilfe ist. Sie setzt jedoch eine Analyse der Krisenursachen und eines etwaigen Verschuldens voraus. Die Kriterien eines Verschuldens bleiben an dieser Stelle freilich offen.

130a

404 Verfügbar u.a. über www.bundesfinanzministerium.de/cln_04/nn_4336/DE/Service/ Downloads/Abt_I/Gutachten_Haushaltskrisen_im_Bundesstaat. . .pdf (Stand: Ende Juni 2006); siehe auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (heute: BMin für Wirtschaft und Technologie) v. 08.07.2005 „Zur finanziellen Stabilität des deutschen Föderalstaates“, verfügbar über www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/G/ gutachten-zur-finanziellen-stabilitaet-des-deutschenfoederalstaates. . . 405 Gutachten, S. 13 ff. 406 Gutachten, Tz. 2.3, S. 12. 407 Gutachten, Tz. 2.3.1, S. 14 f.

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III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

130b

Die Hilfen des Bundesstaates können aus Sicht des Gutachtens „unattraktiv“ gestaltet werden; die Haushaltskrise kann dadurch überwunden werden, sie wird danach aber dennoch mit Nachteilen verknüpft sein. Diskutiert wird die Zwangsfusion mit einem anderen Bundesland, die aber u.a. auch negative Anreize mit sich bringen könnte und im Übrigen der Zustimmung der Bevölkerung „mindestens“ der das finanzschwache Land aufnehmenden Länder bedürfte. Art. 29 GG fordert aber den Volksentscheid in allen betroffenen Ländern, so dass ein radikaler Umbau der derzeitigen verfassungsrechtlichen Lage nötig wäre, worauf das Gutachten nicht eingeht. Erörtert wird ferner die Aufhebung der finanziellen Autonomie während der Zeitdauer der Hilfeleistung und deren Übertragung auf „eine zu diesem Zweck geschaffene“ Institution bzw. die Festschreibung eines Sanierungsprogramms.408

130c

Ähnlich äußert sich auch das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium. Zum einen wird eine Schuldenbegrenzung bei Bund und Ländern gefordert und zwar auf der Basis der Maastricht-Kriterien. Die bisherige „ungeregelte ... Beistandsverpflichtung“ sei die Basis für „schwerwiegende Fehlanreize“.409 Zum anderen soll daher das bail out, die bundesstaatliche Solidarität der Gliedkörperschaften des Staates untereinander, auf nicht selbst verschuldete Notlagen beschränkt werden 410, verbunden mit dem Recht der Länder und Gemeinden, Zuschläge auf die Einkommen- bzw. Körperschaftssteuer zu erheben, was zur Verbesserung der Einnahmeseite und zur Stärkung der Selbstverantwortlichkeit führt. Das Gutachten spricht von einem „Föderalismus mit beschränkter Haftung“.411 Wie das Gutachten des Beirats beim Finanzministerium wird auch hier „ein geordnetes vergleichsähnliches Insolvenzverfahren im Falle eines Schuldenüberhangs“ andiskutiert und auf „Konzepte ... in der Fachdiskussion“ verwiesen.412 Der Druck, der von der vorgestellten konsequenten „Haftungsbeschränkung“ ausginge, würde sicherlich das Zahlungsunfähigkeitsrisiko erhöhen und zugleich den Ruf nach einem „Insolvenzverfahren“ unter Beteiligung der Gläubiger an der Enthaftung lauter werden lassen. Umgekehrt meint das Gutachten, der heute infolge der „Haftung“ des Bundes für die Länder außer Kraft gesetzte Kreditmarkt werde dann seiner Funktion gerecht und Finanzierungen an der Steuerkraft der Länder ausrichten.413 Das ist nichts anderes als die Beteiligung der privaten Gläubiger an der Sanierung der Gebietskörperschaft.

131

Unter dem Aspekt der Eigenbeteiligung des in der Krise befindlichen Landes erörtert das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF die Heranziehung der Bevölkerung und der „Gläubiger bzw. Inhaber der Staatsschuldverschreibungen“. Die Möglichkeiten der Steuererhöhung werden in richtiger Erkenntnis der

408 Gutachten, Tz. 2.3.2, S. 15 f. 409 Gutachten Wiss. Beirat Bundeswirtschaftsministerium, Rdnr. 90, 91. 410 Gutachten Wiss. Beirat Bundeswirtschaftsministerium, Rdnr. 92 411 Gutachten Wiss. Beirat Bundeswirtschaftsministerium, S. 42. 412 Gutachten Wiss. Beirat Bundeswirtschaftsministerium, Rdnr. 74 und Fn 23 unter Hinweis auf Blankart/Klaiber, Wer soll für die Schulden von Gebietskörperschaften haften, in: Festschrift für René L. Frey, Zürich, 2004, S. 137–150. 413 Gutachten Wiss. Beirat Bundeswirtschaftsministerium, Rdnr. 72 ff. zur Beteiligung der Länder und Gemeinden an Steuern mit eigenen Sätzen usw.

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2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

Sachlage als begrenzt angesehen, da sich die Steuerpflichtigen dem durch Wegzug entziehen könnten.414 Der „Beteiligung“ der Gläubiger an den Kosten der Behebung der Krise widmet sich dasselbe Gutachten eingehend.415 Methodisch wird hierzu ein „Insolvenz- oder Vergleichsverfahren“ erörtert und als positiv herausgestellt.

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Als Modell empfiehlt man im Ergebnis das Chapter 9-Verfahren des US-Bundesrecht, das praxiserprobt sei.416 Die weiteren Details zum Procedere entsprechen dem präferierten US-Modell, nämlich Leitung des Verfahrens durch einen neutralen Dritten (Bundesgericht, Rechnungshof), automatic stay für die Gläubiger nach Antragstellung, Entwicklung eines „Schuldenbereinigungsplans“ unter Beteiligung der Gläubiger und Verteilung der Masse „nach allgemeinen Regeln“. Neben den Eigenantrag soll aber das Antragsrecht des Bundes treten, ein Vorschlag, der zum einen nicht mit dem gewählten Modell harmoniert, zum anderen aber die Länder in die Hand des Bundes geben würde, was abzulehnen ist.417

132a

Insgesamt will das Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMF auf das in der InsO niedergelegte Regelwerk für die Insolvenz von natürlichen Personen und Unternehmen zurückgreifen.

132b

Nicht unproblematisch ist bereits der Insolvenzgrund: Bei der Überschuldung will man barwertig die künftigen Einnahmen der Gebietskörperschaft berücksichtigen. Neben der diskutierten hochkomplexen Frage, wie dieser zu bemessen sei, fehlt die Erörterung des zu berücksichtigenden Referenzzeitraumes, eine entscheidende Größe für den Barwert der künftigen Einnahmen. Inwieweit Barwerterwägungen im Überschuldungsstatus zu berücksichtigen sind, wird schon in der insolvenzrechtlichen Literatur nicht hinreichend diskutiert, im Bereich der Insolvenz von Gebietskörperschaften scheint die Thematik a priori kaum lösbar. Ausreichen müsste daher aus diesseitiger Sicht der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§§ 17, 18 InsO). Da ohnehin eine Liquidation nach zutreffender Auffassung des Gutachtens nicht in Frage kommen kann, erscheinen die Ausführungen zur Überschuldung eher unbehelflich.418 Gefordert werden „wie bei der Überschuldung natürlicher Personen“ Pfändungsgrenzen, um Mindestanforderungen an Daseinsvorsorge aufrecht zu erhalten, ein Ansinnen, dem selbstverständlich zuzustimmen wäre.419 Der Umfang dieser Pfändungsgrenzen, d.h. der Insolvenzmasse (vgl. §§ 35 f. InsO), soll politisch, unabhängig vom Einzelfall, festgelegt werden, aber offenbar erst, wenn der Insolvenzfall eingetreten ist. Die Argumentation ist nicht überzeugend, wenn man das so gemeint haben sollte: Wenn apodiktisch erst im „politischen Meinungsbildungsprozess“ festgelegt werden soll, was zur verteilungsfähigen Masse im Rahmen eines

414 Gutachten Wiss. Beirat Finanzministerium, Tz. 2.3.3, S. 16 f. 415 Gutachten, Tz. 2.3.4, S. 17 ff. 416 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 20 f. 417 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 21. 418 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 17. 419 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 18; bei der Analogie zur InsO wird offenbar übersehen, dass bei natürlichen Personen die Überschuldung natürlich kein Insolvenztatbestand ist.

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132c

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

Planes gehören soll, der die Befriedigung der Gläubiger aus den künftigen Einnahmen vorsieht, denn nichts anderes besagt das Konzept, ist willkürlichem Handeln zu Lasten der Gläubiger Tür und Tor geöffnet. Wenn man beispielsweise Hilfen zur Überwindung der Zahlungsunfähigkeit im Bundesstaat nur als verzinsliche Darlehen zu marktüblichem Zins an Gliedkörperschaften in der Krise gewährte, die vorrangig – ähnlich einem Massekredit, siehe § 55 InsO – zurückzuführen wären und wenn man die verteilungsfähige Masse tatsächlich an einem Barwert der Staatseinnahmen über einen kürzeren Zeitraum orientieren würde, wäre es problemlos möglich, die Quote der Gläubiger beliebig zu kürzen und das im Einzelfall zu steuern. Dies bringt das Gutachten auch klar zum Ausdruck, wenn festgestellt wird, wenn die „Pfändungsgrenzen“ nur hoch genug seien, dann sinke das zur Verfügung stehende Kreditniveau. Die Kreditgeber würden abhängig von den Pfändungsgrenzen immer vorsichtiger.420 Genau diese Grenzen sollen aber kaum berechenbar sein (s.o.). Methodisch übersieht das Gutachten auch, dass es „Pfändungsgrenzen“ gibt, nämlich § 882a ZPO bzw. die auf § 15 Nr. 3 ZPO fußenden Vollstreckungsbeschränkungen des jeweiligen Landesrechts bei den Kommunen.421

132d

Höchst kritisch und als mit der Insolvenzordnung nicht im Einklang stehend sind die Ausführungen über den Rang der Forderungen zu betrachten.422 Zum einen wird bei der Analogie methodisch wohl die Insolvenzmasse mit dem Rang einer Forderung und der Ausfall mit dem Nachrang verwechselt. Abzulehnen ist auch das Postulat des „besonderen Vorrangs“ der Forderungen der Arbeitnehmer und der Pensionsforderungen. In der Insolvenzordnung gibt es hier keinen Vorrang, die gegenteilige Annahme des Gutachtens findet im Gesetz keine Stütze. Übersehen wird, dass die Zulassung des Insolvenzverfahrens de lege lata massive Beiträge des Staates zur Insolvenzsicherungseinrichtung nach der Richtlinie 80/987/EWG idF der RL 2002/74/EG ebenso mit sich bringt wie gegenüber dem PSV nach dem BetrAVG. Die Haftung gegenüber Arbeitnehmern und Pensionären kann aus Gründen des Anwendungsvorrangs des Europarechts nicht geändert werden. Soweit die künftigen Aufwendungen für Arbeitnehmer und der Rückgriff des PSV für Pensionsleistungen gemeint sind, ist das wieder keine Frage des insolvenzrechtlichen Vorrangs, sondern der Personalaufwendungen des sanierten oder in der Sanierung befindlichen Gemeinwesens. Sie sind aus den laufenden Einnahmen zu befriedigen, aber nicht vorrangig, sondern im Gleichrang mit den nach Annahme des Sanierungsplans noch verbliebenen „Altforderungen“ der Gläubiger.

132e

Die Einführung eines Insolvenzverfahrens habe, so das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF, erhebliche Anreize auf den Kreditnehmer und die Gläubiger. Ersterer werde von übermäßiger Verschuldung abgehalten, wenn man eine „No-bail-out-Bedingung“ einführe, d.h. wenn ihn die bundesstaatliche Gemeinschaft nicht stützt.423 Entscheidend stellt aber das Gutachten auf einen „Anreizmechanismus“ für die Kreditgeber.424 Bei Wegfall des bail out und bei Entwertung

420 421 422 423 424

98

Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 20. Siehe insb. Kapitel IV. 5. Gutachten, TZ. 2.3.4, S.18. Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 18. Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 19.

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

„nachrangiger Forderungen“ 425 würden die Kreditgeber die Bonität eines Bundeslandes sorgfältig prüfen. Es werde sich nicht nur ein Kreditrating einstellen, sondern es werde vor- und nachrangige Kredite und besicherte Kredite geben (= Generierung eines mittelbaren Vorrangs). Inhaltlich handelt es sich bei diesen Vorschlägen um Disziplinierungsmaßnahmen, insbesondere zu Lasten der Gläubiger, die für die Zwecke der Haushaltsdisziplin instrumentalisiert werden sollen.426 Fern liegend ist auch die Erwägung, neben den institutionellen Kreditgebern könnte man auch andere Vertragspartner als Druckmittel verwenden, um die betroffene Gebietskörperschaft im Vorfeld der Krise zu disziplinieren, wenn man u.a. davon spricht, ein Land könne Probleme haben, neue Landesbedienstete einzustellen. Zum einen werden die Bewerber die Problematik nicht beurteilen können, zum weiteren wird angesichts des Arbeitsmarktes kaum eine Alternative bestehen und zum Dritten wird es eher um Personalabbau als um Aufbau gehen, wenn sich die Situation krisenhaft zuzuspitzen beginnt. Völlig unerfindlich ist, wie sich der mittelständische Gewerbetreibende, der ggf. von Aufträgen der Gebietskörperschaften abhängig ist, schützen soll. Wenn zutreffend zusammenfassend festgehalten wird, die Verfahrensregeln im Falle der „Überschuldung“ müssten für die Kreditgeber transparent gemacht werden, ist das begrüßenswert, aber auch völlig selbstverständlich. Es wären, wie schon Kratzmann (s.o.) zutreffend ausgearbeitet hat, eine verfassungsrechtliche Ermächtigung und ein einfaches Bundesgesetz erforderlich. Die Feststellung wiederum, die Regelungen im Hinblick auf Vor- und Nachrang von Forderungen folgten „vor allem“ aus „privatrechtlichen vertraglichen Vereinbarungen“ 427, trifft so nicht zu. Diese Erwägung knüpft an die aus der Finanzierungspraxis bekannten Vereinbarungen über die Vergabe von Finanzierungsmitteln als senior und junior loans bzw. an vertraglich subordinated loans an, also an Vor- und Nachrangfinanzierungen. Dies sind aber keine durchgängig angewandten Strukturen.

132f

Insgesamt vermag daher der Ansatz des Gutachtens aus insolvenzrechtlicher Sicht nicht zu befriedigen, zumal die öffentlich-rechtlichen Ansprüche anderer hoheitlich tätiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts und deren Behandlung nicht einmal gestreift werden. Die Last soll vorrangig die privaten Kreditgeber treffen, um die Länder zu disziplinieren.428 Dem kann nicht gefolgt werden, zumal die Forderungsverluste der Kreditgeber 429 sich bei Bund und Ländern durch geminderte Steuerlasten infolge der Forderungsabschreibung zeigen würden. Der bewährten Kommunalkreditfinanzierung in Deutschland wird dieses Konzept nicht annähernd gerecht.

132g

425 Auf die Problematik der Begrifflichkeit ist oben hingewiesen worden. 426 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 19 unten. 427 Gutachten, TZ. 2.3.4, S. 20. 428 Gutachten, TZ. 4, Weitergehende Vorschläge, S. 48, 49 (Abstract). 429 Das Gutachten spricht, offenbar in Anlehnung an das präferierte Chapter 9-Verfahren, von den Inhabern von Staatsschuldtiteln, also von Bonds. Das ist aber nur eine Seite der Verbindlichkeiten bei Kreditgebern, die eingegangenen Verbindlichkeiten sind vielfältig und komplex.

99

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

e)

133

Die Einbindung eines Insolvenzverfahrens in ein Haushaltsnotlagenregime nach Schuppert/Rossi (2006) 430, das Konzept von Faber (2005) und weitere Lösungsansätze in der Literatur (Borchert, 2004; Blankart, 2005)

Die Studie von Schuppert/Rossi (2006) Schuppert/Rossi halten die Schaffung eines insolvenzrechtlichen Regelwerkes für Gebietskörperschaften für überfällig. Die Struktur des Insolvenzplanverfahrens soll in ein Haushaltsnotlagenregime integriert werden.431

134

Dem „Dogma“ der Insolvenzunfähigkeit der öffentlichen Hand liege ein mit der ökonomischen Realität zunehmend nicht mehr zur Deckung zu bringendes Staatsverständnis zugrunde.432 Dennoch habe der Staat paradoxer Weise keine Probleme Kredite zu erhalten.433 In der Literatur werde die Behandlung des Staates als erstklassiger Schuldner gar für sonderbar gehalten.434 Die Finanzkraft des Staates sei eben nicht unerschöpflich, wie sich auch in der Historie der Staatskonkurse zeige.435 Der Staatsbankrott sei Schuldenfalle, aus der eine Befreiung aus eigener Kraft sich als kaum möglich erweisen könne.436 Die Europäische Kommission tue das ihrige mit Äußerungen über „unermessliche finanzielle Ressourcen“ hinzu, um Bedenken im Hinblick auf die Bonität der öffentlichen Hand zu zerstreuen.437

134a

Die Darstellung macht sich neben den zitierten Erwägungen von Kämmerer und Ohler auch die von Budäus 438 zu eigen, der den Ausschluss der Insolvenzunfähigkeit zwar als wohl formal zutreffend betrachtet, aber ökonomisch für sehr zweifelhaft hält. Sogar das derzeit niedrige Zinsniveau und der Personalabbau reiche bei manchen Gebietskörperschaften nicht einmal aus, um den zusätzlichen Zinsaufwand der Verschuldung zu bedienen, für ihn liegt die Problematik in einer Zinsfalle. Daher, so Schuppert/Rossi, sei jedenfalls zu prüfen, inwieweit das Insolvenzrecht Teil eines Haushaltssicherungskonzepts werden könne. Immerhin befasse sich das Insolvenzrecht seit „Jahrhunderten“ mit dem Phänomen der Zahlungsunfähigkeit.

135

Das Argument der Souveränität der Staaten als Begründung für die Insolvenzunfähigkeit verfange bei den Bundesländern jedenfalls nicht, denn ihnen fehle das

430 Schuppert/Rossi, Bausteine eines bundesstaatlichen Haushaltsnotlagenregimes, Hertie School of Governance – working papers, No. 3, March 2006. Siehe auch Schuppert/Rossi, Notwendigkeit und Inhalt eines Haushaltsnotlagengesetzes, ZRP 2006, 8 ff. 431 Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 5.2.3, S. 45. 432 Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 5.2.1, S. 34. 433 Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 5.2.1, S. 35 f. 434 Schuppert/Rossi, aaO unter Hinweis und Zitat von Kämmerer, Der Staatsbankrott aus völkerrechtlicher Sicht, ZaöRV 2005, 651 ff. 435 Kämmerer, aaO, S. 651. 436 Schuppert/Rossi, aaO, S. 36, unter Zitat von Kämmerer, aaO, und Ohler, Der Staatsbankrott, JZ 2005, 590 ff./592. 437 Schuppert/Rossi, aaO, S. 36, unter Zitat von Kämmerer, aaO, S. 651, dieser unter Hinweis auf die (Italien betreffende) Entscheidung der Europ. Kommission in der Beihilfesache EFIM, ABl. (EG) C 349 v. 29.12.1993, S. 2 ff. 438 Schuppert/Rossi, aaO, S. 37 f.; Budäus, Rating von Bund, Ländern und Kommunen: Wie kreditwürdig ist der öffentliche Sektor ?, S. 10 f.

100

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

hierfür maßgebliche Besteuerungsrecht, denn die Steuern seien sämtlich bundesgesetzlich determiniert. Die Länder sind nach dieser Analyse vom Bund abhängig.439 Die Souveränität der Staaten bzw. das Völkerrecht stehe indes einem „konsentierten Insolvenzverfahren“ nicht entgegen. Die Studie verweist hier auf die Vertragsfreiheit der Völkerrechtssubjekte zum einen, auf das „Konditionalitätsregime“ des IWF zum anderen. Die Eingriffe des IWF in die Haushalte und die Wirtschaftslage der Staaten, die um Unterstützung nachsuchen, seien sehr intensiv, aber dennoch unter dem Aspekt des volenti non fit iniuria-Gedankens unbedenklich.440 Schliesslich stützen sich Schuppert/Rossi auf die Ausführungen von Paulus zu einem Insolvenzverfahren für Staaten, denen die Studie positiv gegenüber steht.441 Dem „Standardargument“ 442, gegen die Insolvenzfähigkeit spreche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch den Insolvenzschuldner, treten Schuppert/Rossi dezidiert entgegen, u.a. mit der Argumentation von Ohler, der aus dem modernen Insolvenzrecht folgert, dies habe neben der Gläubigerbefriedigung auch die Schuldnerreorganisation im Fokus, es lasse „... sich formulieren, das Insolvenzverfahren solle das Überleben des Gemeinschuldners erst ermöglichen, indem er sich von seinen Restschulden befreit.“ 443

136

Dazu ist festzustellen, dass natürlich nicht die Liquidation eines Bundeslandes oder einer Kommune im Rahmen eines Gesamtverfahrens in Frage kommen könnte, sondern nur eine Sanierung. Das präferierte Konzept stellt sozusagen das Insolvenzrecht auf den Kopf, denn Ziel ist danach, anders als die Insolvenzordnung vorsieht, nicht (vorrangig) die Befriedigung der Gläubiger, sondern die Entschuldung der Gebietskörperschaft und zwar im wesentlichen zu Lasten der Gläubiger. Das hat mit dem für Private und Unternehmen geltenden Insolvenzrecht nichts zu tun, das den Gläubigern die Möglichkeit gibt, die Optimierung ihrer Befriedigung aus dem Schuldnervermögen zu erreichen.444 Dieser Weg soll den Gläubigern versperrt werden, wenn es um Gebietskörperschaften geht. Es geht auch gar nicht um Gläubigerbefriedigung, die stets im Fokus eines funktionierenden Insolvenzrechts steht 445, sondern um die ökonomische Fortexistenz des Schuldners, im Übrigen auch unabhängig vom Verschulden der Gebietskörperschaft oder ähnlichen Umständen, die bei einer natürlichen Person die Restschuldbefreiung gefährdeten.446

136a

439 Schuppert/Rossi, aaO, S. 36 f. 440 Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 5.2.2, S. 38–40, 41 f. unter Zitat von Weigeldt, Die Konditionalität des Internationalen Währungsfonds . . ., 1999, S. 251 ff. 441 Paulus, s.o. Buchst. e); Schuppert/Rossi, aaO, S. 40, führen aus, dem Beispiel des Chapter 9-Verfahrens (könne man) eine „gewisse Überzeugungskraft nicht absprechen“, aaO, S. 40. 442 Schuppert/Rossi, aaO, S. 42. 443 Schuppert/Rossi, aaO, S. 42; Ohler, JZ 2005, 590 ff. 444 Vgl. hierzu zutreffend Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 1 Rdnr. 1 mwN. 445 Siehe zum concursus der Gläubiger, die die Haftung durchsetzen wollen, eindrücklich Smid, InsO, Kommentar, § 1 Rdnr. 34 und Uhlenbruck, aaO. 446 Siehe die Tatbestände des § 290 InsO, z.B. Abs. 1 Nr. 2: Der Schuldner hat grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben in den letzten drei Jahren vor dem Eröffnungsantrag gemacht, um Kredite zu erlangen oder Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen, oder Abs. 1 Nr. 4: Der Schuldner hat im letzten Jahr vor dem Antrag die Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch die Begründung unangemessener Verbindlichkeiten beeinträchtigt oder er hat Vermögen mit demselben Ergebnis verschwendet. Wenn man Analogien zum Verfah-

101

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

Die These von Ohler, die oben angestellte Überlegung zum Überleben des Schuldners „stehe ganz in Übereinstimmung mit dem Ansatz des modernen Insolvenzrechts“, stimmt damit keineswegs mit der Insolvenzordnung überein. Lediglich das Instrument des Planes als Gerüst für eine geeignete Vorgehensweise könnte der Insolvenzordnung eingeschränkt entlehnt werden. Auf weitere Details kann im Rahmen dieses Beitrags nicht eingegangen werden.

136b

Bei der Frage der Beeinträchtigung der Souveränität darf nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die Bundesrepublik selbst, soweit der Rahmen der Art. 23, 25 GG eingehalten würde, wie ihn das BVerfG grundsätzlich im Maastricht-Urteil 447 zu den europäischen Verträgen umrissen hat, wohl an einem Zahlungsunfähigkeitsverfahren teilnehmen könnte. Bei hinreichend demokratischer Legitimität könnten auch die Länder sich einem solchen Verfahren unterwerfen, wenn ihre staatliche und verfassungsrechtliche Position nicht beeinträchtigt wird. Wenn man Überlegungen zu dem Chapter 9-Verfahren in 11 USC des US-Bundesrechts heranzieht darf nicht übersehen werden, dass dieses Verfahren natürlich gerade nicht für die Einzelstaaten, sondern nur für die municipality Anwendung findet und selbst hier – siehe das obige Beispiel der Stadt New York – nicht alles unproblematisch ist.448 Ferner sei der Hinweis gestattet, dass aufgrund des sehr weiten municipality-Begriffes des US-Rechts darunter auch Organisationen fallen, die im deutschen Insolvenzrecht durchaus insolvenzfähig sind oder sein können, wie öffentlich-rechtliche Versicherungen, Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, öffentlich-rechtliche Banken usw.

137

Zu der Situation der Kommunen halten Schuppert/Rossi eine Regelung des „Haushaltsnotlagen- und Insolvenzthemas ...“ für dringlich. Sie berufen sich dabei auf das Konzept von Paulus 449, der bei der Anwendung eines Insolvenzregimes eine „mentale“ Hemmung der Protagonisten sieht, die noch im „Liquidationsgedanken verharrten“.

138

Das Konzept von Faber (2005) In einem weitergehenden und die bisherige Literatur würdigenden Ansatz von Faber, auf die sich die Studie von Schuppert/Rossi ebenfalls stützt, wird ein auf die Kommunen zugeschnittenes Insolvenzplanverfahren befürwortet.450 Zutreffend ist dabei die Überlegung, ein derartiges Verfahren sei obsolet, wenn das Land seiner Ausstattungspflicht genüge. Paradox scheint das Postulat eines Insolvenzverfahrens, wenn gerade dieses nicht geschieht. Die Insolvenzfähigkeit würde damit aber

ren nach der Insolvenzordnung entwickelt, darf man nicht a priori selektiv das etwa schuldhafte (selbstschädigende) Verhalten des öffentlichen Schuldners ausblenden. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF identifiziert das ja auch durchaus als Problem und will das Verschulden der Gebietskörperschaft bei der Gewährung von Staatshilfen berücksichtigen, freilich nicht zugunsten der privaten Gläubiger, sondern zur Schonung der öffentlichen Kassen unter dem Aspekt der No-bail-out-Bedingung. 447 BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92 und 2159/92 – BVerfGE 89, 155 ff. = NJW 1993, 3047 ff. = WM 1993, 3047 ff. 448 Siehe oben Kapitel III 1b) Rdnr. (106) f. 449 Paulus, ZinsO, 869 ff., s.o. lit. c). 450 Faber, Insolvenzfähigkeit für Kommunen ?, DVBl. 2005, 933 ff.; LKT 2005, 441 ff.

102

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

einen völligen Fehlanreiz darstellen, das etwa ausstattungspflichtige Land könnte sich zu Lasten der Gläubiger teilweise seiner Pflichten entziehen. Ja es wäre sogar einfacher möglich, Aufgaben auf die Kommunen zu verlagern und die etwa eintretende Zahlungsunfähigkeit auf dem Rücken der Gläubiger auszutragen, ein ökonomisch ebenso wie rechtsstaatlich nur schwer erträglicher Gedanke. Die Autorin drückt aber klar und deutlich aus, wie das Verfahren ablaufen soll. Die Gläubigerbefriedigung steht im Interesse der Zukunft des Gemeinwesens nicht „im Vordergrund“.451 Die Gläubigerbefriedigung soll auch keineswegs die par conditio creditorum im Auge haben, vielmehr will sie unterscheiden, ob der Gläubiger einen öffentlich-rechtlichen Leistungsanspruch hatte oder ob er sich sozusagen die Kommune als Vertragspartner aussuchen konnte. Dieser Überlegung kann keineswegs zugestimmt werden. Es gibt dann schutzwürdige und nicht schutzwürdige Gläubiger. Wo soll angesetzt werden? Ist die deutschlandweit agierende Bank oder nur die regionale bzw. lokale schutzwürdig oder nicht? Wie ist die Lage bei dem mittelständischen Unternehmer, der Leistungen für die Kommune erbringt, wie bei dem kleinen Handwerker? Ist die Arge, die gerade eine kommunale Infrastruktur fertiggestellt hat, aber noch nicht vergütet wurde (vgl. § 641 BGB), schutzwürdig oder nicht? Oder gehört dazu nur der Leistungsempfänger etwaiger Sozialleistungen, obwohl hier aufgrund landes- oder bundesgesetzlicher Regelungen gerade Sonderzuweisungen sachgerecht wären, also ein bail out? Ist der wegen der Insolvenz betriebsbedingt entlassene Bedienstete der Kommune schutzwürdig oder nicht, obwohl er von der Bundesagentur für Arbeit Insolvenzgeld erhielte, wäre die Kommune insolvenzfähig und bestünden Rückstände? Dies wirft übrigens die Frage auf, wie man es wohl mit der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld hielte.

138a

Eine Beschränkung der Insolvenzfähigkeit auf die „freiwillige Aufgabenerfüllung“ (d.h. die Verwendung der Assets und der Aufwendungen für diese Aufgaben zur Schuldentilgung bei den Gläubigern) führte, so die Autorin, zur Liquidation kommunaler Selbstverwaltung. Dem ist im Grundsatz zuzustimmen, die Argumentation entspricht der der US-Gerichte zur Freiwilligkeit des Chapter 9-Verfahrens und zur Wahrung der Souveränität des Bundesstaates in Gestalt der „municipality“ als dessen „subdivision“. Die Strukturen sind anders, das Ziel ist gleich – keine Liquidation staatlicher Funktion der Daseinsvorsorge gegen den Willen der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaft. Die Frage ist aber, was man denn richtiger Weise unter „Daseinsvorsorge“ subsumiert.

138b

Das Postulat eines Haushaltssicherungssystems, als dessen eine Komponente ein Insolvenzverfahren dringend angemahnt wird, das auf dem Konzept des sanierenden Insolvenzplanes beruht, hat mit dem System der Insolvenzordnung nur den äußeren Anschein gemeinsam, ist jedoch inhaltlich weit davon entfernt. Es darf erinnert werden, dass der Plan lediglich ein Instrument ist, das inhaltlich sachgerecht mit Leben zu füllen ist.

138c

451

Faber, DVBl. 2005, 933 ff./945; Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 5.2.2, S. 44.

103

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

139

Das Insolvenzplanverfahren und die Ausgestaltung im Rahmen einer Haushaltsnotlagensanierung nach der Studie von Schuppert/Rossi Bei den Lösungswegen zur Steuerung der Haushaltsnotlage durch „H.notlagenprävention“, „H.notlagenfeststellung“ und „H.notlagensanierung“ kommen Schuppert/Rossi auf das Insolvenz(Plan)verfahren als einen der Bausteine zurück.452 Die Feststellung der Haushaltsnotlage des Landes soll einer neutralen Instanz mit hoher Kompetenz zugewiesen werden, wobei man an ein „pluralistisch zusammengesetztes Entscheidungsgremium“ denkt.453 Die Autoren zeigen Sympathie für die Institution eines Stabilitätsrats, wie ihn der Wissenschaftliche Beirat beim BMF konzipiert hat 454 und der sich aus Finanzministern der Länder, Bundesrechnungshof, Bundesbank und unabhängigen Sachverständigen zusammensetzen soll. Aus diesseitiger Sicht kann nur das BVerfG als Entscheidungsgremium in Frage kommen, durch einen Stabilitätsrat z.B. beraten. Es darf wiederholt werden, dass es sich um ein justizförmiges Verfahren handeln muss und nicht um allein wirtschaftliche Entscheidungen. Hinzu kommt, dass das Verfahren der Feststellung nach Schuppert/Rossi „problemspezifisch“ zugeschnitten werden soll, also ggf. im Nachhinein individuell angepasst an den Einzelfall. Das fördert weder das Vertrauen der Gläubiger noch wird es der verfassungsrechtlichen Dimension eines solchen Verfahrens gerecht und schon gar nicht wird die demokratische Legitimation erkennbar.

139a

Zum Ablauf des Verfahrens meint die Studie von Schuppert/Rossi folgendes: Insolvenzgrund sei (allein) die Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO. Dem wäre zuzustimmen.

139b

Das Antragsrecht auf Einleitung des Haushaltsnotlageverfahrens soll dem Land zustehen, solange die Krise sich noch anbahnt. Ist sie eingetreten, kann der Stabilitätsrat von Amts wegen das Verfahren einleiten; kritisch ist anzumerken, dass er zugleich Antragsteller und Entscheidungsgremium wäre, eine kaum erträgliche Situation. Von der Freiwilligkeit des Chapter 9 – Verfahrens ist nichts zu erkennen. Offen bleibt, wer das Planinitiativrecht hat, möglicherweise vermengt die Studie Planinitiative und Antragsrecht.455 Unter Darstellung der Ausführungen von Paulus zum Insolvenzplan 456 soll die Insolvenz in Eigenverwaltung abgewickelt werden.

139c

Die Diskussion um Fremd- oder Eigenverwaltung in der Studie ist indes nicht zielführend, da die Kommune oder das Land verfassungsrechtlich nicht unter Kuratel eines Insolvenzverwalters gestellt werden kann. Auch an dieser Stelle wird inhaltlich das Chapter 9-Verfahren verfehlt. Postuliert wird ein Chief Restructuring Officer in Anlehnung an Fälle aus Großinsolvenzen von Unternehmen bzw. das Erfordernis der Zustimmung des Stabilitätsrates unter Ablehnung eines Staatskommissars.457

452 453 454 455 456 457

104

Schuppert/Rossi, Tz. 6.2, S. 54 ff. Schuppert/Rossi, Tz. 6.2.2., S. 57 f. Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, Gutachten 2005 (s.o.). Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 6.2.2, S. 58 ff. Siehe oben Kapitel III 2c) Rdnr. (123) ff. Schuppert/Rossi, aaO, Tz. 6.2.2, S. 58 ff./61.

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

Das Land oder die Kommune würden in einer solchen Situation eines exzellenten Spezialisten bedürfen, dessen Bezeichnung völlig unerheblich ist, der aber nicht die Leitung übernehmen kann, denn dagegen stehen wieder die verfassungsmäßigen Gremien von Land und/oder Kommune. Die Beschäftigung mit dem komplexen Verhältnis zwischen dem gesetzlichen Vertretungsorgan der insolventen Kapitalgesellschaft, bei der Eigenverwaltung angeordnet ist und den anderen Gremien (Aufsichtsrat, Hauptversammlung oder Gesellschafterversammlung) hätte den Spannungsbogen aufgezeigt, in dem sich bei Insolvenz einer im Verfassungsrecht wurzelnden Gebietskörperschaft Parlament und Regierung bewegen. Der Stabilitätsrat kann ebenso wenig wie ein Chief Restructuring Officer, nimmt man das Staatsrecht ernst, die Entscheidungen des Parlaments beeinträchtigen. Bei einer Kommune wäre allemal der herkömmliche „Staatskommissar“ ( = der von der Kommunalaufsicht Beauftragte, z.B. gem. § 127 Gemeindeordnung Schleswig-Holstein) besser, der freilich die notwendigen Kenntnisse für Sanierungen mitbringen muss.

140

Das kommunale Insolvenzverfahren – der Ansatz von Borchert (2004) Zu der Frage eines Insolvenzverfahrens auf kommunaler Ebene hat Borchert in einem prägnanten Beitrag die Frage der beschränkten Insolvenzfähigkeit für Kommunen gestellt 458 , deren Einführung er für konsequent hält. Der Beitrag kritisiert, die Kommunen hätten infolge der Insolvenzunfähigkeit keine Bonitätsprobleme, obwohl sie praktisch „pleite“ seien.459 Der Staat profitiere hiervon, da er so Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagern könne, ohne für den notwendigen Ausgleich zu sorgen, womit er die hohe Verschuldung der Kommunen gefördert habe. Unter beschränkter Insolvenzfähigkeit versteht Borchert, dass die hoheitlichen Aufgaben der Kommune nicht tangiert werden – und ihr auch die Mittel dazu verbleiben. Im freiwilligen Bereich sollen wesentliche Einschnitte vorgenommen werden, des Weiteren soll eine Reihe von zusätzlichen Maßnahmen verwirklicht werden. Im Einzelnen will er u.a.460 • das der Erfüllung freiwilliger Aufgaben dienende Vermögen verwerten (was übrigens unter anderem Aspekt als dem der Insolvenz ja stetig geschieht, denkt man an die Veräußerung/Privatisierung kommunaler Wohnbaugesellschaften 461 oder an die Privatisierung kommunaler Krankenhäuser der Allgemeinversorgung) • Verträge von Kommunen, die Zahlungspflichten begründen, wirkungslos werden lassen (hier würde eine § 103 InsO entsprechende Lösung vollauf hinreichend sein!) • die Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen und Gemeindegrundstücken, von Alten- und Pflegeheimen (auch das ist nicht revolutionär, sondern Wirklichkeit, die auch ohne Haushaltsnotlage sachgerecht sein kann) • Personalmaßnahmen durchführen, die (wohl) auch betriebsbedingte Kündigungen einschließen würden

458 Borchert, Beschränkte Insolvenzfähigkeit für Kommunen, Die Gemeinde SH 1/2004, S. 2 f. unter „Auf ein Wort“. 459 Borchert, aaO, S. 2. 460 Borchert, aaO, S. 2 unten, 3. 461 Auf das Beispiel der Stadt Dresden darf nochmals hingewiesen werden.

105

140a

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

• die Einsetzung eines Beauftragten nach § 127 Gemeindeordnung SchleswigHolstein durch die Aufsichtsbehörde als eine „Art“ Insolvenzverwalter.

140b

Kreditgläubiger würden als Konsequenz dieses Konzepts einen Teil ihrer Forderungen einbüßen, aber aus seiner Sicht vorsichtiger bei der Kreditvergabe werden. Die Selbstverwaltung der Kommune würde durch die Aufgabe freiwilliger Leistungen indes empfindlich getroffen. Die beschränkte Insolvenzfähigkeit soll aber als Resultat die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben sichern. Das Unwirksamwerden ausgabewirksamer Verträge würde freilich nicht dazu führen, dass der Gläubiger nichts erhielte. Das Verfahren wird in dem Beitrag nicht weiter aufgeschlüsselt, wobei die Einschränkung freiwilliger Aufgaben und Verkauf zugehöriger Assets Teilliquidation mit quotaler Abfindung der Gläubiger bedeutet. Gegen das Konzept der Teilliquidation hat sich Faber letzten Endes mit dem Argument des Ausverkaufs der kommunalen Selbstverwaltung gewandt.462

140c

Den Druck, ein beschränktes Insolvenzverfahren zuzulassen, sieht er durch die Einführung der kaufmännischen Buchführung, der Doppik 463, anstelle der kameralistischen Buchführung, erhöht. Dann werde eine Kommune erkennen, ob sie über ihre Verhältnisse lebe, wenn nämlich der Wertverlust der Vermögenswerte der Kommune größer sei als der „Substanzerhalt“. Anders gewendet, wird die Kommune Abschreibungen und Rückstellungen ähnlich den Unternehmen vorzunehmen bzw. zu bilden haben. Dadurch werden Buchverluste entstehen, aber auch ggf. stille Reserven. Insolvenzrechtlich würde sich dann effektiv die Frage nach dem Insolvenzgrund der Überschuldung stellen, wollte man die Insolvenzordnung tatsächlich nahezu unmodifiziert in einem Regelwerk der Insolvenz von juristischen Personen des öffentlichen Rechts abbilden. Dabei würde sich auch die Frage einer Pflicht des Bürgermeisters oder sonstigen gesetzlichen Vertreters der Kommune zur Insolvenzantragstellung erheben bzw. zur Ingangsetzung eines entsprechenden Verfahrens, was bei analoger Anwendung der InsO zwingend wäre und aus § 89 Abs. 2 iVm § 42 Abs. 2 BGB resultieren würde.

140d

Wie die anderen Konzepte aus der Literatur leidet dieser praxisbezogene Ansatz darunter, dass der Charakter der Kommunalfinanzierung und die filigrane bankaufsichtsrechtliche Struktur – in Deutschland und Europa – ebenso verkannt werden wie das dahinter stehende geschlossene System aus Insolvenzunfähigkeit, Vollstreckungsbeschränkungen bei der Einzelvollstreckung und verfassungsrechtlichen Bezügen. Das Programm der Insolvenzunfähigkeit und der Vollstreckungsbeschränkung soll nachfolgend dem Konzept der postulierten Insolvenzfähigkeit gegenüber gestellt werden.

141

Daneben werden Interdependenzen einer etwaigen Insolvenz eines Landes oder einer Kommune mit anderen Ereignissen, z.B. auf dem Arbeitsmarkt, nicht (hinreichend) untersucht. Das Finanzierungssystem der öffentlichen Hand bildet mit den Begleitregelwerken zum Vollstreckungsrecht/Insolvenzrecht und der Gesamt-

462 463

106

Siehe oben Kapitel III 2e), Rdnr. (133 ff., 138b). Vgl. dazu Kapitel VI 5), Rdnr. (322) ff.

2. Vorschläge von neueren Entschuldungs-/Zahlungsunfähigkeitsverfahren

heit der Folgen, wenn man ein Insolvenzverfahren zuließe, ein einigermaßen geschlossenes System, das freilich so empfindlich ist wie die Ökologie des Wattenmeeres vor der norddeutschen Küste. Das Postulat eines Länderinsolvenzverfahrens aus der Finanzwissenschaft – der Vorschlag von Blankart (2005) 464

142

Blankart identifiziert als Grund der ständig steigenden Staatsverschuldung ebenfalls das bestehende Finanzierungssystem in Deutschland zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Die entstehenden Kosten würden „im Kreis herumgereicht“. Bund, Länder und Gemeinden würden jeder für sich jeweils zu Lasten der anderen Entscheidungen treffen. Aus seiner Sicht fallen die „Nutznießer“ der kostenverursachenden Maßnahmen, diejenigen, die darüber entscheiden und schließlich diejenigen, die tatsächlich die Kosten tragen, auseinander. Die einzelnen Körperschaften könnten sich in der Haushaltskrise auf die Solidarität der anderen verlassen.

142a

Mit anderen Worten fehlt es aus seiner Sicht an der notwendigen Eigenverantwortlichkeit, das bail out verhindert aus dieser Sichtweise den Schuldenabbau. In Deutschland fehle es, anders als bei den Bundesstaaten der USA, an Budgetausgleichsregelungen der Länder und an Bestimmungen zur Begrenzung des Schuldenstandes. Außerdem gebe es in den USA keinen Anspruch auf Bundeshilfe, auch nicht in extremer Haushaltslage. Die von Blankart zitierte Ablehnung der Garantie von Gemeindeanleihen von Gemeinden, die durch den Wirbelsturm Rita geschädigt waren, durch das US-Finanzministerium (zur Vermeidung des Risikos einer Zinssteigerung der „Treasury Bonds“), betrifft freilich nicht einen Bundesstaat, sondern Kommunen.

142b

Blankart stellt sich ähnlich wie der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium und der Beirat beim Bundesfinanzministerium (siehe oben lit. d) eine „Haftungsbegrenzung“ bei der Unterstützung der Länder durch den Bund in Haushaltsnotlagen vor. Er postuliert ein Insolvenzverfahren für die Bundesländer; § 12 InsO sei ökonomisch unverständlich. Dadurch würden die Zinsen in die Höhe getrieben, denn bei Zahlungsunfähigkeit bestünden Unsicherheiten der Gläubiger im Hinblick auf das Schicksal ihrer Forderungen. Er sieht ein solches Insolvenzverfahren positiv, da es „die Ansprüche der Gläubiger (kläre), sie nach einer Prioritätsliste (abfinde) und der Gebietskörperschaft so wieder auf die Beine (helfe.).“ Das US-amerikanische Konkursrecht kenne daher zu Recht ein eigenes Verfahren für „zahlungsunfähige Gebietskörperschaften“.

142c

Zutreffend an diesen Überlegungen ist sicherlich die Notwendigkeit größerer Transparenz und Kostenverantwortlichkeit. Soweit er zum Schuldenabbau ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Länder fordert (konsequenter Weise dann auch für Kommunen), entspricht das den bereits oben vorgestellten Überlegungen zur Staateninsolvenz und zu den Kommunalinsolvenzen. Der Hinweis

142d

464

Blankart, „Haftungsgrenzen im föderalen Staat“ . . ., FAZ v. 26.11.2005, S. 13.

107

III. Vorschläge u. Modelle einer Insolvenz von Staaten u. Regionalkörperschaften

auf das US-Recht hilft allerdings wenig weiter, da 11 USC Ch. 9 ein Insolvenzverfahren über Bundesstaaten gerade nicht regelt.465 Auch nach dieser Überlegung aus der Finanzwissenschaft entschuldet sich der Staat allein auf Kosten der privaten Gläubiger.

465

108

Siehe Kapitel III 1b.), Rdnr. (97) ff.

IV.

Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentlich-rechtlicher Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland – zusammen mit der Beschränkung der Einzelvollstreckung ein geschlossenes System?

1.

Das Programm der Insolvenzunfähigkeit von Bund und Ländern – § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO

a)

Die Insolvenzunfähigkeit von Bund und Ländern

Ausgangspunkt des (geschlossenen) Systems der Insolvenzunfähigkeit öffentlichrechtlicher Gebiets- bzw. Regionalkörperschaften und der daraus resultierenden Folgen ist § 12 InsO. Danach wird in § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Bundes oder eines Landes kurzerhand für unzulässig erklärt. Die Konkursordnung glaubte noch ohne eine solche ausdrückliche Bestimmung auskommen zu können; lediglich § 89 BGB zeigte bereits in der Fassung von 1896, dass der Fiskus jedenfalls nicht dem Konkurs unterliegen sollte.466 Die Gründe hierfür liegen, wie oben dargestellt 467, darin, dass die Aufrechterhaltung der staatlichen Funktionen die Durchführung eines liquidierenden „Konkurses“ ausschließt. Abgesehen hiervon stellt sich die Frage, wie die Insolvenzabwicklung mangels durchsetzbaren Verfahrens gegen einen souveränen Staat unter gleichzeitiger Beachtung des Selbstbestimmungsrechts funktionieren sollte.468 § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist daher im Hinblick auf den Bund deklaratorisch. b)

143

Der deklaratorische Charakter des § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO in Bezug auf die Länder

Auch im Hinblick auf die Länder handelt es sich ebenfalls nur um einen Programmsatz und nicht um eine Norm mit wirklich funktionalem Charakter. Die „Insolvenzunfähigkeit“ folgt hier sowohl aus der Funktion der Länder als auch aus den verfassungsrechtlich klaren Festlegungen des Grundgesetzes. Würde man § 12 InsO insoweit regelnden Charakter zuerkennen, wäre es dem Bundesgesetzgeber möglich, die Insolvenzfähigkeit der Länder und damit ihre Umgestaltung und ggf. ihre Liquidation in einem einfachen Bundesgesetz herzustellen. Dies verbietet bereits die „Ewigkeitsgarantie“ des Art. 79 Abs. 3 GG, aber auch z.B. die sehr komplexen Regelungen zur Neugliederung des Bundesgebietes nach Art. 29 GG.

466 Vgl. den Unterschied im Wortlaut des § 89 Abs. 1 (im Jahr 1896: Satz 1) zu § 89 Abs. 2 BGB (im Jahr 1896: Satz 2), denn Satz 2 statuiert die Abmeldepflicht in der Konkurssituation nicht für den Fiskus. 467 Siehe Kapitel II 1), Rdnr. (29) ff. 468 Jaeger/Lent, 8. Aufl. 1973, § 213 Anm. 2, S. 809, betont daher zutreffend u.a., es mangele an einer „übergeordneten Zwangsgewalt und unentbehrlichen Verfahrensvorschriften“.

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

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Freilich bedeutet das nicht, dass Bund und Länder nicht in eine faktische „Insolvenzsituation“ hinein geraten könnten; eine solche Unterstellung würde jeder historischen Erfahrung von „Staatsbankrott“ widersprechen. Bund und Länder können lediglich nicht einem Insolvenzverfahren unter Aufsicht Dritter unterworfen werden. Dennoch muss es Mechanismen geben, wenn z.B. die Länder nicht aus eigener Kraft ihre laufenden Ausgaben finanzieren könn(t)en.469 Nur muss das kein „Insolvenzverfahren“ sein.

2.

Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzlicher Regelungswerke

a)

Die Bedeutung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO – sind die Kommunen, die regionalen Gebietskörperschaften, grundsätzlich insolvenzfähig? 470

146

Die weitere Frage bleibt, ob Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts prinzipiell insolvenz(verfahrens)fähig sind.471 Dies scheint § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO eindeutig zu bejahen, denn die Insolvenz über juristische Personen des öffentlichen Rechts ist danach zulässig, wenn sie nicht (ausnahmsweise) durch ausdrückliche Norm des Landesrechts ausgeschlossen ist. Anders ausgedrückt schützt der öffentlich-rechtliche Charakter einer juristischen Person nicht ohne weiteres vor der Insolvenz. Wird die Insolvenzverfahrensunfähigkeit vom Gesetzgeber gewählt, ist das gleichzeitig die Festlegung des Vorrangs des Verwaltungsrechts gegenüber dem Zivilrecht, d.h. die Verneinung der Haftungsdurchsetzung durch Einbeziehung des gesamten vollstreckbaren Vermögens des Schuldners in die Befriedigung der Gläubiger (vgl. § 1 InsO).472 Nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO scheint der Landesgesetzgeber bestimmen zu können, ob er seinen Kommunen ein Insolvenzverfahren zumutet oder nicht. Wenn er denn in seiner Entscheidung frei ist, könnte er auch die Insolvenzfähigkeit an weitergehendere Kriterien knüpfen als in der InsO vorgesehen. So bestünde z.B. die Möglichkeit, ein Insolvenzverfahren nur eingeschränkt zuzulassen, etwa nur dann, wenn Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit zusammenträfen (wie das nach dem sächsischen AG ZPO aus dem Jahr 1900 der Fall war, s.u.) oder wenn weitere Kriterien erfüllt sind.

147

Die Begründung des Regierungsentwurfs zur InsO 473 beschränkt sich auf die Feststellung, Abs. 1 Nr. 2 übernehme inhaltlich Art. IV des „Einführungsgesetzes zu

469 Siehe zu einem geordneten Zahlungsunfähigkeitsverfahren Europ. Commission, Public Finances in EMU, 2006, S. 216, zum Länderbericht Deutschland. 470 Vgl. zu der Thematik grundsätzlich Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Diss. Bonn 1999 und die ebenfalls 1999 erschienene Monographie von Lehmann, Die Konkursfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts, Diss. Hannover 1997, sowie neuerdings die Untersuchung von Faber, Insolvenzfähigkeit für Kommunen, DVBl. 2005, 933 ff., sowie dieselbe, Zahlungsfähigkeit von Kommunen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 35, S. 685 ff. 471 Grundsätzlich bejaht dies die allgemeine Meinung mit Differenzierungen, siehe u.a. Stoll, Insolvenz und hoheitliche Aufgabenerfüllung, KTS 1992, S. 521 ff./522. 472 Vgl. dazu auch Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr 8. 473 BT-Drs. 12/2443, Begründung zu dem damaligen § 14 InsO (Regierungsentwurf), S. 113.

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2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

dem Gesetze, betreffend Änderungen der Konkursordnung“.474 Der Regierungsentwurf wiederholt die dort bereits gegebene Begründung 475, es gehe dabei um die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Das ist ein Argument, das die gesamte Diskussion über die Insolvenz(verfahrens)fähigkeit öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften bestimmt. Mit anderen Worten will der Bundesgesetzgeber die überkommenen Strukturen der Bestimmung der Insolvenzverfahrensfähigkeit der Kommunen und kommunalen Verbände nicht antasten. Damit verbleibt es dabei, dass der Landesgesetzgeber Inhalt und Verfahren der Vollstreckbarkeit gegen die Gebietskörperschaften bestimmt. Damit kann er, sofern nicht höherrangiges Verfassungsrecht (des Landes oder des Bundes) dagegen steht, inhaltliche Regelungen zur Insolvenz seiner Gebietskörperschaften treffen, die von denen der InsO abweichen. Dazu würde z.B. die Beschränkung der Verfahrensgründe 476, die Definition der Insolvenzmasse, der Ausschluss der Liquidation und die Beschränkung auf einen Sanierungsplan ebenso gehören wie die „Stelle“, die über die Eröffnung des Verfahrens und das Vorliegen der Insolvenzgründe entscheidet oder denjenigen, der die Aufsicht über den Ablauf des Verfahrens führt.477 Die Entscheidung für oder gegen die Insolvenz(verfahrens)fähigkeit geht daher über das Ergebnis, wonach lediglich kein Insolvenzverfahren stattfindet, weit hinaus. Die Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers würde aufgegeben, wenn er allein die landesgesetzlichen Vorschriften über die Insolvenzunfähigkeit aufheben würde, ohne ein geeignetes Verfahren zu entwickeln. Im bundesweiten Interesse aller Gebietskörperschaften wäre dann freilich ein inhaltlich völlig identisches „Insolvenzverfahrensrecht“ zwingend, wenn es auch von jedem Landesgesetzgeber als eigenständiges Gesetz erlassen werden müsste, stets unter der obigen Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit. Das vorstehende Ergebnis zur Gestaltungsfreiheit findet einfachgesetzlich seine Bestätigung in § 15 Nr. 3 EG ZPO, eine im Kern schon seit den Reichsjustizgesetzen 1877 bestehende Vorschrift 478, welche die Einzelzwangsvollstreckung gegen Gemeinden und Gemeindeverbände wegen Geldforderungen davon abhängig macht, ob landesrechtliche Vorbehalte bestehen.479 Die Regelung geht der bundesrechtlichen Vorschrift des § 882a ZPO über die Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts wegen einer Geldforderung vor, die trotz des Wortlautes des § 882a Abs. 3 Satz 1 („... Körperschaften ... des öffentlichen Rechts ...“) gerade nicht die Gemeinden umfasst.

147a

Verfassungsrechtlich könnte auch bereits Art. 28 GG bzw. Länderverfassungsrecht jedenfalls einem von dritten Gläubigern oder dem Land eingeleiteten Zahlungsunfähigkeitsverfahren entgegen stehen.

148

474 Gesetz v. 17.05.1898, EG KNov. RGBl. 1898 I, S. 248 ff., sodann BGBl. III 311-3, abgedruckt auch bei Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl., 1973, 2. Band 2. Halbband, S. 1176 f., aufgehoben durch Art. 2 Nr. 3 EG InsO. 475 Begründung zur Art. IV EG KNov., hier zitiert nach Jaeger/Weber, aaO, § 213 Anm. 3 mwN. 476 Siehe die vorstehende Rdnr. (143). 477 Hier würde sich im Sinne der Diskussion anlässlich des 2. Kieler Insolvenzrechtssymposiums vom Mai 2006 ein weites Betätigungsfeld für erfahrene Insolvenzverwalter ergeben. 478 EG ZPO v. 30.03.1877, RGBl. 1877, 244, idF v. 19.04.2006, BGBl. 2006 I 866. 479 Ausgenommen ist die Verfolgung dinglicher Rechte.

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

Die Thematik kann im Rahmen dieses Beitrags nicht erschöpfend behandelt werden, es seien jedoch wenige Anmerkungen gestattet.

148a

Bundesrechtlich gewährleistet Art. 28 Abs. 2 GG die kommunale Selbstverwaltung einschließlich der finanziellen Eigenverantwortung und einer „wirtschaftskraftbezogenen Steuerquelle“.480 Regelungen zur Stärkung der kommunalen Positionen sind 1994 bzw. 1997 (!) in das Grundgesetz aufgenommen worden 481 (die Föderalismusrefom 2006 führt hier zu Änderungen, siehe Rdnr. 71 oben). Dadurch sollte seinerzeit die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt werden.482 Nach zutreffender Auffassung meinte die Bezugnahme auf die Wirtschaftskraft (Art. 104a Abs. 4 GG a.F.) nicht die Wirtschaftskraft der Steuersubjekte, sondern den jeweiligen geographischen Raum der betroffenen Kommune.483 Maßstab ist hierfür das regionale Bruttoinlandsprodukt.484 Art. 28 GG schützt allerdings anerkanntermaßen nicht die einzelne Gemeinde und deren Bestand schlechthin, sondern die kommunale Selbstverwaltung als Rechtsinstitut. Anders wären z.B. Gebietsreformen nicht möglich. Die kommunale Selbstverwaltung des Art. 28 GG als Verfassungsprinzip steht ebenfalls nicht unter dem Schutz des Art. 79 Abs. 3 GG, der Verfassungsgesetzgeber könnte dies daher ändern. Als Zweck der kommunalen Selbstverwaltung und als Argument gegen die Auflösung einer einzelnen Gemeinde wird im Zusammenhang mit Gebietsreformen zudem der Gedanke des Funktionierens der Daseinsvorsorge für die Bürger verstanden, wurzelnd im Sozialstaatsprinzip. Des Weiteren werden diskutiert das Demokratiegebot, die Mitwirkung der Bürger in ihrer konkreten Gemeinde und das Rechtsstaatsprinzip. Über Art. 20 GG würde dann doch wieder Art. 79 Abs. 3 GG zu einem begrenzten bundesrechtlichen Schutz der Selbstverwaltung führen.

148b

Das erste Argument wird brüchig, je mehr Aufgaben der Daseinsvorsorge auch im Wettbewerb durch Unternehmen erfüllt werden können (und ihnen auch übertragen werden) und wenn man beachtet, dass die Bestimmung von Daseinsvorsorge nicht allein dem Landes- oder Bundesgesetzgeber in freier Entscheidung obliegt, sondern auch gemeinschaftsrechtlich determiniert ist.485 Je mehr man Aufgaben

480 Art. 28 Abs. 2 S. 3 2. Halbsatz GG. 481 Gesetz v. 27.10.1994, BGBl. 1994 I 3146 bzw. Gesetz v. 20.10.1997, BGBl. 1997 I 2470. 482 Zu den komplexen Zusammenhängen auch zu Art. 106 Abs. 6 GG (Steueraufkommen zugunsten der Kommunen) und Art. 106 Abs. 5a GG (Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer) sowie zur Wirkung der Gesetzesvorbehalte in Art. 106 bzw. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vgl. Scholz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 28 Rdnr. 84a ff. 483 Auf die Verbindung zu Art. 104a Abs. 4 GG a.F. [vor der Föderalismusreform 2006, siehe Rdnr. (71 ff.) und BGBl. 2006 I 2034 ff.], den Finanzhilfen des Bundes an Länder und Kommunen für bestimmte Investitionen u.a. zum Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft weist Scholz, aaO, Rdnr. 84d, zutreffend hin. 484 Scholz, in: Maunz-Dürig, aaO, Rdnr. 84d, spricht von „dem jeweiligen regionalen (kommunalen) Sozialprodukt“. 485 Siehe dazu Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts . . ., 2006, S. 180 ff.

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2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

dem Wettbewerb überlässt und sie auch nicht (mehr) öffentlich-rechtlich definiert, umso schwächer wird dieses Argument.486 Das Argument zur Mitwirkung der Bürger ist deshalb nicht überzeugend, weil gerade nach Gebietsreformen Bedarf nach Bürgerbeteiligung an dem geänderten Gemeinwesen besteht. Das Rechtsstaatsprinzip, das u.a. Geeignetheit der Gebietsänderung und Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes fordert, steht sicher in akuter Haushaltsnotlage einer Kommune der Vereinigung mit einer anderen nicht entgegen.487 Der Bund ist durch die Gewährleistung der Grundsätze der kommunalen Selbstverwaltung zudem nach Art. 28 Abs. 3 GG verpflichtet und zwar den Kommunen gegenüber.488 Gegen Eingriffe können sich die Kommunen vor dem BVerfG nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG unter den dortigen Voraussetzungen wehren.

148c

Angesichts der Position der Kommunen in Art. 28 GG könnte man erwarten, dass dem in der Finanzverfassung des Bundes hinreichend Rechnung getragen wird, dass nämlich Konnexität zwischen den den Kommunen auferlegten Aufgaben und den Ausgaben hierfür besteht, der Bund also jedenfalls auf seiner Ebene dafür sorgt, die Kommunen nicht im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz mit Aufgaben zu belasten, ohne ihnen auch die entsprechenden Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Das ist indes nicht der Fall.

148d

Auch legt § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO keineswegs nahe, dass die Insolvenzunfähigkeit „nur erklärt werden dürfe, wenn das Land ...“ die Haftung für die Folgen übernehme.489 Es besteht im Außenverhältnis auch keine allgemeine rechtliche Pflicht, die Krisenbewältigung im Interesse der Gläubiger zu steuern.490 Die Leistungsverpflichtungen des Landes (und des Bundes) ergeben sich allein aus der Finanzverfassung und einzelnen Gesetzen im Zusammenhang mit der Übertragung von Aufgaben und ihrer Finanzierung.

148e

§ 12 InsO ist eine Vorschrift des Verfahrensrechts, die eben in Verbindung mit dem Landesrecht die „Gesamtvollstreckung“ ausschließt. Sie stellt jedoch nicht eine Bestimmung des materiellen Rechts mit drittschützender Wirkung dar.491 Daher ist auch § 12 Abs. 2 InsO keine gegen die „Ausfallhaftung“ des Landes sprechende Vor-

486 So führt etwa die Veräußerung des kommunalen Krankenhauses an einen privaten Betreiber, der in Konkurrenz zu anderen steht, wohl nahezu notwendig zur Verneinung des Krankenhausbetriebes als unmittelbar kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge, soweit nur vertraglich vorgesehen ist, dass der Private in eigener Verantwortung entsprechende Leistungen vorhält. Sein Entgelt erhält er von den Versicherungsträgern und den Patienten. 487 Ein anderes Thema ist, ob die übernehmende Kommune hierdurch unverhältnismäßig in ihren Rechten geschmälert wird. 488 Maunz-Dürig, Grundgesetz, Art. 28 Rdnr. 89 (33. Lfg. 1997). 489 Vgl. Richter, Kommunales Vermögen und seine Verwaltung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.) Recht der Kommunalfinanzen, § 38 Rdnr. 122. 490 Stoll, Insolvenz und hoheitliche Aufgabenerfüllung, KTS 1992, 521 ff./522, geht wohl davon aus, dass eine entsprechende Verpflichtung des Staates das Korrelat für die Anordnung der Insolvenzverfahrensunfähigkeit ist. 491 Siehe zur Frage einer durch § 12 InsO etwa hervorgerufenen Ausfallhaftung die Argumentation bei Richter, aaO.

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

schrift, wie in der Literatur für möglich gehalten, sondern eine Bestimmung, die allein dem Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers dient und die europarechtlich zwingend ist.492

148f

Die Landesverfassungen spiegeln in etwa dieses Bild.493 Betrachtet man noch einmal paradigmatisch zwei Länderverfassungen, einmal von Rheinland-Pfalz, zum anderen von Schleswig-Holstein, so ergibt sich folgendes:

148g

Art. 49 der Verfassung für Rheinland-Pfalz 494 befasst sich mit der Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände. Er legt fest, dass die Gemeinden in ihrem Gebiet ausschließlicher Träger der örtlichen öffentlichen Verwaltung sind und sie jede nicht anderweit zugewiesene Aufgabe erfüllen können (Abs. 1). Absatz 3 gewährleistet die Selbstverwaltung, gekennzeichnet durch die Rechts- aber nicht die Fachaufsicht des Staates über die Kommunen. Die bereits oben dargestellten Absätze 4 und 5 zur Aufgabenübertragung und zur „strikten Konnexität“ sowie Absatz 6 zum Lasten- und Finanzausgleich und zur Finanzhoheit unterstreichen dieses Bild der eigenverantwortlich handelnden Gemeinde.

148h

Die Verfassung des Landes Schleswig-Holstein 495 behandelt in Art. 46 die kommunale Selbstverwaltung; Absatz 1 der Vorschrift berechtigt – mit Gesetzesvorbehalt – die Gemeinden, alle öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gebiet zu erfüllen, wobei sie jedoch nur „im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit“ verpflichtet sind. Absatz 4 ermöglicht es, den Gemeinden öffentliche Aufgaben durch Gesetz aufzuerlegen.

492 § 12 Abs. 2 InsO ermöglicht im Gegenteil der Kommune, Leistungen an die Insolvenzausfallversicherung aller Unternehmen zu sparen, der Kommunalhaushalt wird entlastet. Dem gegenüber wiegt das Risiko des Landes auf Inanspruchnahme nicht schwer. In einem einmal gedachten Fall der erklärten Zahlungsunfähigkeit einer Kommune wären die Leistungen an die Arbeitnehmer ein Faktor der notwendigen Finanzierungshilfen. Europarechtlich ist die Vorschrift unumgänglich, wie sich aus der Richtlinie 2002/74/EG des Europ. Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei „Zahlungsunfähigkeit des Arbeitsgebers“ („Zahlungsunfähigkeitsrichtlinie“), ABl. (EG) L 270 v. 08.10.2002, S. 10 ff., einer Novellierung der RL 80/987/EWG, ergibt. Zwar liegt bei der etwa „zahlungsunfähigen“, aber insolvenzunfähigen juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht die Voraussetzung des Art. 2 RL vor, nämlich die Beantragung eines mitgliedstaatlichen Gesamtverfahrens, das ja gerade nicht möglich ist. Richtig ist auch, dass die Richtlinie nicht öffentlich-rechtliche Organisationen, sondern privatrechtliche Unternehmen im Auge hat. Bei dieser Auslegung hätten allerdings die Arbeitnehmer keinerlei Schutz gegen den Verlust ihrer Lohnansprüche. Das würde den Zweck der Richtlinie in diesen Fällen in ihr Gegenteil verkehren. Hier läge ein Fall vor, in welchem der effet utile des Gemeinschaftsrechts sich zutreffend durchsetzen würde. Im Interesse der Arbeitnehmer ist die Regelung des § 12 Abs. 2 InsO eine ausreichende Garantie in entsprechender Anwendung des Art. 1 Abs. 2 RL, da ansonsten nur in Frage käme, den landesrechtlichen Ausschluss der Insolvenzfähigkeit nicht zu beachten und zwar im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts, eine nahezu unlösbare Konstellation. 493 Siehe auch Kapitel II 3 a) zu den der Staatsverschuldung entgegenwirkenden Strukturen und den dort in Übersicht dargestellten Verfassungen und Kommunalordnungen der Bundesländer. 494 Verfassung v. 18.05.1947, VOBl. 1947, S. 209 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 15.12.2005, GVBl. 2005, S. 495, 2006, S. 20. 495 Ursprünglich Landessatzung vom 13.12.1949, GVOBl. 1950, S. 3, seit 13.06.1990 „Verfassung des Landes Schleswig-Holstein“ mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 14.02.2004, GVOBl. 2004, S. 54.

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2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

Das Korrelat hierzu ist Art. 49 Abs. 2 zum kommunalen Finanzausgleich, der bei der Übertragung von Aufgaben an die Kommunen Bestimmungen über deren Finanzierung vorschreibt. Eigenverantwortung und Selbständigkeit treten deutlich hervor, wenn Art. 46 Abs. 3 LV die Staatsaufsicht auf die Rechtsaufsicht beschränkt und Art. 47 betont, die Haushaltswirtschaft werde von den Gemeinden in eigener Verantwortung geführt. Abgabenhoheit (Art. 48 LV) und sogar der Finanzausgleich sind ebenfalls Ausfluss der kommunalen Selbstverwaltung. Letzterer nivelliert im gewissen Umfang generell Unterschiede in der Leistungskraft der Kommunen, wodurch es letztlich wieder möglich wird, auch leistungsschwache Gemeinden für ihre Bürger attraktiv zu halten. Die verfassungsrechtlichen Parallelen sind offenkundig. Kernstück ist jeweils die weitgehende Zuständigkeit für die örtlichen Angelegenheiten unter eigener Verantwortung, die Möglichkeit der Übertragung von öffentlichen Aufgaben durch gesetzliche Regelungen und ein allgemeiner und ein spezifischer Finanzausgleich. Letzterer unterstützt die strukturschwachen Kommunen. Es findet also ein bail out statt, ein Einstehen der einen Körperschaft für Verbindlichkeiten der anderen, freilich aus gutem Grund.

148i

Vor dem Hintergrund dieses Befundes wird erneut deutlich, dass sich ein Insolvenzverfahren gegen Gemeinden als „Gesamtvollstreckungs“verfahren mit der Möglichkeit der Liquidation des kommunalen Vermögens mit geltendem Verfassungsrecht nicht in Einklang bringen lässt. Die örtliche öffentliche Verwaltung und die von der Kommune ausgehende Infrastruktur würde unter Verletzung tragender Grundsätze der Verfassung zugunsten von privaten und anderen öffentlichen Gläubigern dem Ziel der Gläubigerbefriedigung untergeordnet. Aber auch ein Sanierungsverfahren nach der InsO wäre nach den dortigen – auf natürliche Personen und Unternehmen, gleich ob in privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Form – zugeschnittenen Strukturen nicht durchführbar, u.a., weil öffentliche Verwaltung unter einem Insolvenzverwalter ausgeübt würde, ein mit den verfassungsrechtlichen Leitlinien nicht in Einklang zu bringender Vorgang.

149

Die Theorie vom Verdrängungsbereich 496 erscheint nicht überzeugend, da schon in der Praxis nicht recht vorstellbar ist, wie ohne Beeinträchtigung der Selbstverwaltung die Zuständigkeit eines Insolvenzverwalters von dem der Gemeinde verbleibenden Bereich abzugrenzen sein sollte.

149a

Gegen die Ablehnung der Lehre vom Verdrängungsbereich, die einen Insolvenzverwalter voraussetzt, scheinen zwei Argumente zu sprechen:

149b

Die eine Argumentation verbindet sich mit der Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO, die aber gleichwohl auf die Ziele des § 1 InsO gerichtet ist (vgl. § 270 Abs. 1 Satz 2 InsO) und die beim Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen entweder gar nicht angeordnet (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO) oder beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 272 InsO wieder aufzuheben ist. In beiden Fällen würde die Körperschaft der Entscheidungskompetenz des Insolvenzgerichts und der Autonomie der Gläubiger unterliegen. Der Sachwalter nach § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO übt die Aufsicht über den 496 Siehe die Darstellung hierzu unter Kapitel IV, 4b) zur Diskussion um die Insolvenz(verfahrens)fähigkeit kirchlicher Organisationen des öffentlichen Rechts.

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

Schuldner im Hinblick auf die Verwaltung und die Verfügung über die Insolvenzmasse aus. Auch das kollidiert mit der kommunalen Selbstverwaltung als Ausprägung des Demokratieprinzips auf lokaler Ebene (vgl. z.B. Art. 11 Abs. 4, 5 LV Bayern).

149c

Das zweite Argument, das für eine Fremdinsolvenzverwaltung und für die Verdrängungsbereichslehre zu sprechen scheint, ist die Beiratschaft über Gemeinden nach dem schweizerischen SchGG 497, eine Form der Zwangsverwaltung über die Kommune, die von Dritten ausgeübt wird und die auch über die verwaltungsrechtliche Zwangsverwaltung hinausgeht. Das Konkurs- und das Nachlassverfahren nach dem SchKG der Schweiz ist jedoch im Falle der Kommunen gerade ausgeschlossen bzw. dem kantonalen Recht überlassen, so dass eine der InsO wirklich vergleichbare Situation nicht festzustellen ist. Das Amt des Beirats ist zudem auch mit gewissen öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestattet.498

149d

Nicht übersehen werden darf dabei, dass die Gemeinden sehr wohl – aber eben verwaltungsrechtlich – zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen angehalten werden können, wobei (mit Nuancen in der Bundesländern) die Instrumentarien der Kommunalaufsicht bis hin zur Anordnung bzw. Ersatzvornahme reichen. Ist der geordnete Gang der Verwaltung behindert oder gefährdet, kann die Aufsichtsbehörde als ultima ratio darüber hinausgehend einen „Beauftragten“, einen „Staatskommissar“, einsetzen. Das ist nichts anderes als die Zwangsverwaltung der Gemeinde. Auf Details soll vorliegend nicht weiter eingegangen werden.499 Daher sei nur bemerkt, dass in verschiedenen Landesrechten 500 die kommunalrechtlichen Vorschriften über die Einzelvollstreckung gegen die Gemeinden sogar zugleich den Verweis enthalten, jeweils genau zitierte aufsichtsrechtliche Bestimmungen blieben unberührt. Das bedeutet, dass der Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit der Zulassung der 497 Siehe unten Kapitel V 2), Rdnr. (214) ff. 498 Für weitere Details darf auf die Übersicht zum schweizerischen Recht in Kapitel V, Rdnr. (214) ff. verwiesen werden. 499 Zu den hier relevanten aufsichtsrechtlichen Vorschriften über den Beauftragten vgl. zu den einzelnen Landesrechten: § 124 GemO Baden-Württemberg – Art. 114 GO Bayern. Voraussetzung der Bestellung eines Beauftragten ist die ernstliche Behinderung einer ordnungsgemäßen Verwaltung durch Beschlussunfähigkeit des Gemeinderats oder die Weigerung, rechtmäßigen Weisungen der Kommunalaufsicht nachzukommen. – § 128 GO Brandenburg – § 140 HGO Hessen – § 83 KV Mecklenburg-Vorpommern – § 124 GO Nordrhein-Westfalen. In § 128 GO, der Vorschrift über die Vollstreckung gegen Kommunen, verweist Absatz 3 nur auf die Instrumente der Anordnung durch die Kommunalaufsicht und die Ersatzvornahme, nicht die Bestellung eines Beauftragten. Das ändert aber nichts daran, dass die Vollstreckung das auslösende Moment der Bestellung eines Beauftragten sein mag, siehe dieselbe Situation z. B. in Niedersachsen. – § 132 NGO Niedersachsen. §§ 136 Abs. 1 Satz 5 NGO über die Vollstreckung gegen Kommunen lässt 131 NGO (Anordnung und Ersatzvornahme) unberührt, nicht jedoch wird auf § 132 NGO Bezug genommen. Dennoch kann ein Beauftragter bestellt werden, wenn sich anlässlich der Vollstreckung herausstellt, ein ordnungsgemäßer Gang der Verwaltung sei nicht mehr gewährleistet. – § 124 GemO Rheinland-Pfalz -§ 134 KSVG Saarland – § 116 SächsGemO Sachsen – § 139 GO LSA Sachsen-Anhalt. § 140 GO LSA über die Vollstreckung verweist freilich nicht auf § 139 GO LSA; dennoch wird in Ausnahmefällen, wenn durch die Vollstreckung herauskommt, dass die Verwaltung in „erheblichem Umfang nicht den Voraussetzungen an eine gesetzmäßige Verwaltung entspricht“ (Voraussetzung des § 139 GO LS), die Bestellung eines Beauftragten in Frage kommen. – § 127 GO Schleswig-Holstein – § 122 ThürKO Thüringen. 500 Siehe die entsprechenden Bundesländer in der obigen Fn.

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2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

Zwangsvollstreckung (soweit eine Zulassungsverfügung nötig ist, siehe unten IV 5c) alle aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten bleiben, um den zugrunde liegenden Vorgang zu prüfen, auch daraufhin, ob die Haushaltswirtschaft der Gemeinde Anlass bietet, einzugreifen – bis hin zur Bestellung eines Beauftragten.

150

Zudem wäre das Ergebnis fragwürdig: Damit würde nicht nur die Kommune entschuldet, sondern auch das Land. Mit anderen Worten würde durch Aufgabenverlagerung auf die Kommunen ohne wirklich hinreichende Finanzausstattung nicht nur Verschuldung verlagert, sondern bei wirtschaftlicher Betrachtung auch die Entschuldung des betreffenden Landes auf der kommunalen Ebene gefördert. Belastet wären allein die privaten kommunalen Gläubiger. Der „Insolvenzverwalter“ der Kommune müsste versuchen, beim Land eine Ausstattungsverpflichtung notfalls im Klagewege zu realisieren. Dies dürfte ein Unterfangen sein, das wohl in den seltensten Fällen den gewünschten Erfolg herbeiführen würde. Schon aus diesem Grund ist daher auch eine Lösung nicht sachgerecht, die ein Insolvenzverfahren zur Reorganisation einer Kommune an die Voraussetzung knüpfen will, dass das betreffende Land seiner Ausstattungsverpflichtung nicht nachkommt.501 Denn wenn eine solche Verpflichtung in rechtlich durchsetzbarer Form 501 Faber, aaO, DVBl. 2005, 933 ff., (vgl. Kapitel III 2e); soweit die Untersuchung die Ausstattungsverpflichtung des Landes in Zweifel zieht, da sich u.a. eine beihilferechtliche Problematik (d.h. im Sinne der Art. 87 f. EG – Anm. des Verf.) „aufdränge“, liegt ein Missverständnis des europäischen Rechtes vor. Leistungen des Landes an eine Gemeinde – anders die gemeindlichen Unternehmen – werfen nie beihilferechtliche Fragen auf, da die Kommune kein Unternehmen im Sinne des Art. 87 EG ist. Sie kann freilich selbst Beihilfegeber sein und durch ihre Mittel, die stets „staatlich“ im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG sind, den Wettbewerb verzerren, u.a. eben durch mit den Art. 87 ff. EG nicht vereinbare Beihilfen an ihre Unternehmen. Anders ist dies freilich bei den von der Kommune betriebenen und im Wettbewerb stehenden Unternehmen. Gegen die Annahme einer Beihilfe seitens des Staates gegenüber den kommunalen Unternehmen streitet das getrennte Rechnungswesen nach dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2000/52/EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (Transparenzrichtlinie-Gesetz – TranspRLG) vom 16.08.2001, BGBl. 2001 I 2141. Das öffentliche Unternehmen selbst kann zwar durch seine eigene Leistungserbringung ebenfalls Beihilfen an andere Unternehmen gewähren (z.B. verbilligter Energiebezug von Unternehmen durch einen öffentlichen Energielieferanten usw.), wobei allerdings eine Zurechnung zum Staat erforderlich ist, also zur Kommune oder zum Land, die bei fehlender konkreter Einflussnahme auf das kommunale Unternehmen aber fehlt, so EuGH, Urt. v. 16.05.2002 – Rs C-482/99, Frankreich gg. Kommission (Stardust Marine) – Slg. 2002 I-4397 = WM 2002, 1756 ff. Damit ist auch Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., 1999, S. 258 f. zu widersprechen, der ebenfalls einen Verstoß gegen europäisches Beihilferecht annimmt, wenn man entgegen der von ihm vertretenen Auffassung „eine Gewährleistungspflicht der Länder aus Art. 28 Abs. 2 GG für zahlungsunfähige Gemeinden anerkennt“, auch wenn die Gemeinde ihre erwerbswirtschaftlichen Aktivitäten in der Krise nicht aufgegeben hat. Die „zahlungsunfähige“ Gemeinde wäre als Konsequenz dieser Literaturmeinung offenbar nur dann nicht wie ein öffentliches Unternehmen zu betrachten, wenn sie zuvor ihre kommunalen Unternehmen veräußert oder liquidiert hätte. Dieser Auffassung kann bzw. könnte nicht zugestimmt werden: Die Gemeinde ist selbst Teil des Staates, ihre Finanzmittel sind staatliche Mittel im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG. Die Beihilferelevanz entsteht nicht erst dann, wenn die Kommune vom Land unterstützt wird. Wäre die Erwägung von Engelsing zutreffend, dann wäre bereits der Finanzausgleich aus Landes- oder Bundesmitteln außerhalb jeglicher Haushaltsnotlage an die Kommunen, die „erwerbswirtschaftliche Geschäftsbetriebe“ (Engelsing, aaO,

117

150a

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

besteht, dann bedarf es des Verfahrens nicht. Des Weiteren spricht die Verflechtung der übertragenen Aufgaben mit den eigenen der Kommune jedenfalls solange gegen ein Insolvenzverfahren, solange nicht – durch sehr eingehende transparente Buchhaltung der Kommune – sehr klar zwischen den Aufwendungen für die Erfüllung des staatlichen, nicht kommunalen, Aufgaben unterschieden werden kann und den Erträgen hierfür. Dazu ist eine vollständige Änderung des kommunalen Haushaltswesens und ein eingehendes Controlling erforderlich. Hiervon ist derzeit und auf absehbare Zeit nicht auszugehen.502

150b

Ein Insolvenzverfahren zu Lasten der Gläubiger verbietet sich umso mehr, wenn man in der Literatur im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hervorhebt, dass die Erfüllung der örtlichen Aufgaben wiederum unabhängig von der Leistungskraft der betreffenden Kommune ist, mit anderen Worten die eigenen Mittel nicht ausreichen, um die Aufwendungen zu tragen.503 Übersteigert wird diese Situation, wenn der Bund den Kommunen – wenn auch eingeschränkt – Aufgaben zuweisen kann, ohne dass er selbst oder das Land die Finanzierungslast (vollständig) übernimmt. Ein Zahlungsunfähigkeitsverfahren würde danach letzten Endes auch der Entschuldung des Verursachers Bund dienen, wenn sich die Kommune verschuldet, um auch der oktroyierten Aufgabe gerecht zu werden.504

151

Es ist daher insgesamt folgerichtig, wenn die Länder die Insolvenzfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts „nur“ ganz weitgehend, von Gemeinden und Gemeindeverbänden einschließlich der Kreise aber generell ausgeschlossen haben.505

S. 259) unterhalten, am Maßstab des Beihilferechts zu messen. Das Gegenteil ist richtig: Die Gemeinde ist als solche nicht potentieller Beihilfeempfänger, die von ihr betriebenen Unternehmen können es sein. Es wird dabei nicht verkannt, dass mit Privatisierung von öffentlichen Aufgaben das Beihilferisiko der kommunalen Unternehmen wächst, siehe dazu auch Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts, S. 173 ff. Wäre die gegenteilige Auffassung richtig, würde dies übrigens in letzter Konsequenz dazu führen, die Unterstützung im Haushaltsnotstand u.a. von der Zustimmung der europäischen Kommission und deren zu erwartenden strikten Auflagen zur Sanierung der Kommune abhängig zu machen, eine der kommunalen Selbstverwaltung und dem verfassungsrechtlichen Aufbau völlig abträgliche Vorstellung, die auch nicht entfernt durch den Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und den effet utile zur Durchsetzung desselben gedeckt wäre. Die Kommune ist „ als solche“ eben nie Unternehmen im Sinne der Art. 87 ff. EG. 502 Siehe hierzu auch Kapitel VI 5), Rdnr. (322) ff. zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts. 503 Vgl. BVerfG, Urt. v. 23.11.1988 – 2 BvR 1619/83 und 2 BvR 1628/83 – BVerfGE 79, 127 ff./ 146 ff. = NVwZ 1989, 327 = DVBl. 1989, 300; siehe aus der Literatur Mückl, Konnexitätsprinzip in der Verfassungsordnung von Bund und Ländern, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 3, S. 33 ff./36 f., Rdnr. 11. 504 Mückl, aaO, § 3 Rdnr. 15. 505 Siehe zum Ausschluss des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der kommunalen Gebietskörperschaften die Übersicht im Anhang II. Dabei ist ohne weitergehende Bedeutung, wenn etwa das bayerische Recht (Gemeindeordnung – GO – für den Freistaat Bayern idF der Bekanntmachung v. 22.08.1998, GVBl. 1998, S. 796 idF v. 24.12.2005, GVBl. 2005, S. 665) in Art. 77 Abs. 3 formuliert, über das Vermögen einer Gemeinde finde „ein Insolvenz-, Konkurs- oder gerichtliches Vergleichsverfahren“ nicht statt, denn zum Zeitpunkt des Erlasses der GO gab es eben für die Abwicklung einer Insolvenz neben der Konkursordnung noch die Vergleichsordnung. Dasselbe gilt für Mecklenburg-Vorpommern; die Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern idF d. Bekanntmachung v. 08.06.2004, GVOBl. M-V 2004, S. 205 idF des Gesetzes v. 19.12.2005, GVOBl. M-V 2005, S. 640 schließt in § 62 Abs. 2 über das Vermögen der Gemeinde

118

2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

Die gesetzgeberische Erkenntnis, dass hierfür eine Notwendigkeit besteht, war bereits im 19. Jahrhundert vorhanden. Die heutigen gesetzlichen Vorschriften zur Insolvenzunfähigkeit der Kommunen gehen daher nicht originär auf § 116 Abs. 2 der Deutschen Gemeindeordnung (DGO) aus dem Jahr 1935 zurück 506, die das Konkursverfahren über das Vermögen einer Gemeinde ausschloss.507 Vielmehr gibt es zahlreiche Vorgängerregelungen der verschiedenen deutschen Länder, die z.T. auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückgehen.508

152

In Sachsen war der Konkurs über „politische Gemeinden, für Kirchen- und für Schulgemeinden“ 509 zwar zulässig, erforderte jedoch beide (schon damals bestehenden) Insolvenzgründe, nämlich Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung, kumulativ.510 Die Feststellung der Voraussetzungen des Vorliegens dieser beiden Tatbestände oblag dem zuständigen Ministerium, das gleichzeitig festzulegen hatte, welche Vermögensgegenstände „für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Gemeinde unentbehrlich ...“ waren. Das Ministerium bestimmte folglich die Insolvenzmasse. Es wird sogar ein Praxisfall überliefert, nämlich den der Gemeinde Glashütte aus dem Jahre 1929, deren Konkurs durch Vergleich erledigt worden ist. Die dort gewonnene Erfahrung war dann, wie Jaeger berichtet, der Grund, auch in Sachsen die Konkursunfähigkeit der Gemeinden und Bezirksverbände bzw. Schulbezirke einzuführen.511 Man empfand den Konkurs als unzweckmäßig.512

152a

Dem ist dann die Deutsche Gemeindeordnung in dem erwähnten § 116 Abs. 2 gefolgt, wobei dort jedoch Gemeindeverbände und andere öffentlich-rechtliche Körperschaften nicht erfasst sind; bei den Gemeindeverbänden ging man offenbar davon aus, sie seien vom Konkurs entsprechend den Gemeinden ausgenommen.513 Das Landesrecht enthält Verweisungsvorschriften für Landkreise.514

das „Gesamtvollstreckungs- oder gerichtliches Vergleichsverfahren“ aus, ein allein terminologisches Problem, zu lesen ist „Insolvenzverfahren“, aA insoweit wohl Faber, Insolvenzunfähigkeit . . ., aaO, § 35 Rdnr. 8/ S. 689. 506 DGO v. 30.01.1935, als Landesrecht zunächst fortgeltend gem. Art. 123 Abs. 1, 30, 124, 125 GG, geändert/neu gefasst bereits am 01.04.1946 durch die VO Nr. 21 der Brit. Militärregierung (brit. Zone) und durch Gesetze der Länder ab 1945, durch die späteren Gemeindeordnungen außer Kraft gesetzt. 507 Auch das Vergleichsverfahren, das die Zulässigkeit des Konkursverfahrens voraussetzte, war damit für Kommunen ausgeschlossen (§ 2 Abs. 1 S. 3 Vergleichsordnung v. 26.02.1935, RGBl. I 321, BGBl. III 311-1). 508 Vgl. die Aufzählung bei Jaeger, KO, 6./7. Aufl. 1936, § 213 Anm. 1, S. 843; Bsp.: Bayern: Gemeinden und alle „unter staatlicher oder gemeindlicher Leitung stehenden Körperschaft(en) und Stiftung(en)“, Art. 10, 9 II AG ZPO v. 26.06.1899, GVBl. 1899, 401. 509 Jaeger, 6./7. Aufl., aaO, S. 843. 510 § 4 AGZPO, KO, Gesetz v. 20.06.1900, GVBl. 1900, 322, jeweils zitiert nach Jaeger, aaO. 511 Durch Teil 4 Kap. III § 8 der „sog. SparVO“ v. 21.09.1931, GBl. 1931, S. 155, zitiert nach Jaeger, Konkursordnung, 1936, § 213 Anm. 2 aE/ S. 844. 512 Jaeger, aaO, 6./7. Aufl., § 213 Abs. 2; Grundlage der Konkursunfähigkeit war dann die SparVO v. 21.09.1931, GBl. 1931, 155. 513 So Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl. 1973, § 213 Rdnr. 3 für die Rechtslage nach Außerkraftsetzen der DGO. 514 Faber, Zahlungsunfähigkeit . . ., aaO, § 35 FN 26 aE.

119

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

152b

Der Fall der Gemeinde Glashütte hat sich etwa in derselben Zeit abgespielt wie derjenige der City of Asbury Park in den USA.515 In den USA ist man ebenfalls den Weg des Zwangsvergleichs gegangen, danach haben aber die Rechtsentwicklungen gegensätzliche Wege genommen. In den USA wählte man den Weg des 11 USC Chapter 9-Verfahrens, in Deutschland führten dieselben Erfahrungen zur Stärkung des Konzepts der Insolvenzunfähigkeit, heute einfachgesetzlich in § 12 InsO verankert. b)

Die Insolvenzfähigkeit sonstiger juristischer Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des jeweiligen Bundeslandes, Regelungen in den Ländern 516

153

§ 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestattet den Ländern, nicht nur ihre Kommunen, sondern generell juristische Personen des öffentlichen Rechts dem Insolvenzverfahren zu entziehen. Grund ist hier wie bei den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden das öffentliche Wohl und das Funktionieren der Verwaltung, die nicht dem Handeln eines Insolvenzverwalters oder der Autonomie (privater) Gläubiger ausgesetzt werden sollen. Anders als bei den Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden besteht hier allerdings kein verfassungsrechtlicher Bezug. Die Bestimmung hat insoweit unzweifelhaft konstitutive Wirkung. Dergleichen Organisationen sind daher uneingeschränkt insolvenz(verfahrens)fähig, wenn eben eine die Insolvenz nicht ausschließende gesetzliche Regelung besteht.

153a

Dergleichen Bestimmungen sind umgekehrt verfassungsrechtlich unbedenklich, insbesondere ist das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Willkürverbot nicht verletzt, wie das BVerfG in dem grundlegenden Beschluss vom 05.10.1993 entschieden hat.517 Der Gesetzgeber kann daher auch differenzieren, welche juristischen Personen des öffentlichen Rechts er vom Insolvenzverfahren ausnimmt und welche nicht.518 Er hat somit einen erheblichen Gestaltungsspielraum.

153b

Dieser kann durch das europäische Recht der Staatsbeihilfen (Art. 87 ff. EG) für am Markt tätige öffentliche Unternehmen eingeschränkt sein. So etwa haben die Bundesländer mit Wirkung zum 19.07.2005 die Insolvenzfähigkeit der öffentlichrechtlichen Kreditinstitute, die im Wettbewerb tätig sind, generell hergestellt, die Insolvenz(verfahrens)unfähigkeit damit aufgehoben. Der Grund hierfür ist die sog. 515 Siehe oben, Kapitel III 1b), Rdnr. (105) ff. 516 Siehe hierzu auch die Übersicht in Anhang II. 517 BVerfG, Beschl. v. 05.10.1993 – 1 BvL 34/81, Verwaltungsberufsgenossenschaft gegen Handelskammer Hamburg (Vorlage des BSG), Klage gegen die Belastung mit der Konkursausfallgeldumlage nach dem seinerzeitigen § 186c AFG – NJW 1994, 1465 = KTS 1994, 90 = WM 1994, 268, insb. C I, II 2, 3 der Gründe. 518 BVerfG, vorige FN, C II, 2 der Gründe, wo der Senat ausführt, der Landesgesetzgeber habe von der Konkursunfähigkeit Organisationen ausgenommen, die zwar – „meist historisch“ öffentlich-rechtlich strukturiert seien, aber sich „vorwiegend privatwirtschaftlich“ (d.h. am Markt) betätigten, deren Konkursrisiko das Land daher nicht tragen wolle, wie bei Versicherungen bzw. Kreditinstituten. Siehe auch BVerfG, Beschl. v. 23.03.1982 – 2 BvL 13/79, Landesverband der Betriebskrankenkassen (Bayern) gg. Pensionssicherungsverein (Vorlage des VG München), Beiträge zur Insolvenzsicherung der Betriebsrenten – BVerfGE 60, 135 ff. = ZIP 1982, 713 ff. = NJW 1982, 2859 ff.; in dieser Entscheidung hat das BVerfG auch nach Änderung des § 15 Nr. 3 EG ZPO die Befugnis der Länder bestätigt, ihre eigenen den Konkurs ausschließenden Bestimmungen auf Art. IV EG KNov. zu stützen.

120

2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

Brüsseler Verständigung 5 19 Deutschlands aus dem Jahr 2001 mit der Europäischen Kommission über die Aufhebung der aus Sicht der Kommission (auf „Konkurrentenbeschwerde“ der privaten Banken hin) in der überkommenen Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bestehenden Beihilfe nach Art. 87 Abs. 1 EG. Die darauf folgende Entscheidung der Kommission aus dem Jahr 2002 fordert auch die Aufhebung der Insolvenzunfähigkeit.520 Ausgenommen sind die Förderinstitute.521 Ansonsten haben die Länder gestützt auf § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO in großem Umfang die Insolvenz(verfahrens)unfähigkeit öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten geregelt. Die föderale Struktur der Bundesrepublik bedingt hier jedoch eine erhebliche Zersplitterung auf kaum übersehbare Einzelgesetze.522 Für den Kreditgeber bzw. Gläubiger, für den die Insolvenzunfähigkeit ein maßgeblicher Aspekt der Eingehung oder der Strukturierung der Vertragsbeziehung mit seinem Kunden sein wird, ist das misslich; es ist jedenfalls aufwendig, wenn 16 Landesrechte laufend einem Monitoring zu unterziehen wären. Bei der gebotenen vertrauensvollen Zusammenarbeit sollten die tangierten öffentlich-rechtlichen Einrichtungen daher zweckmäßig entweder die aktuellen gesetzlichen Vorschriften im Verkündungsblatt in geeigneter Form vorhalten oder autorisiert auf ihrer Internetseite bereit stellen. § 12 InsO hat eben nicht nur Bedeutung für die Finanzierung der Kommunen oder Gemeindeverbände (Landkreise), sondern auch für diejenige der sonstigen Körperschaften, die z.B. Aufgaben der Kommunen erledigen oder an denen die Kommunen beteiligt sind. c)

154

Anmerkungen zu einzelnen landesrechtlichen Vorschriften über die Insolvenzunfähigkeit der juristischen Personen unter der Aufsicht des Landes einschließlich der Gebietskörperschaften

Die Bandbreite der diversen Gesetzesmaterie ist erheblich, sie sieht in den Ländern wie folgt aus: 5 23

155

Generell lassen sich nach der Art der Regelung zwei Gruppen unterscheiden, nämlich einmal Länder mit „Generalklauseln“, die im Ergebnis mit ausdrücklich be-

155a

519 Zustimmung Deutschlands zu Vorschlägen zu zweckdienlichen Maßnahmen der Kommission nach Art. 88 Abs. 1 S. 2 EG, Art. 18, 19 (Beihilfe)verfahrensVO 659/99/EG, ABl. (EG) L 83 v. 27.03.1999, S. 1 ff. 520 Europ. Kommission, Entscheidung v. 27.03.2002 – E 10/2000, C (2002) 1286 – ABl. (EG) C 150 v. 22.06.2002, S. 7 ff.; das Schreiben der Kommission an die Bundesrepublik ist wie in allen Fällen, in denen bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen keine Einwendungen mehr in beihilferechtlicher Sicht erhoben werden, nur im Internet publiziert, siehe ec.europa.eu/ comm/competition/state_aid/register/ii/by_case_nr_e2000_000. html#10 (Stand: Ende Juni 2006). Die Kommission fordert in diesem Schreiben die „Abschaffung der Bestimmungen der Länder, die auf § 12 (1) Nr. 2 Insolvenzordnung beruhen.“ 521 Siehe hierzu im einzelnen die Entscheidung der Kommission, aaO, Dritter Teil, S. 10 ff. und FN 2, S. 10 mit paradigmatischer Aufzählung rechtlich selbstständiger Institute. 522 Siehe z.B. die Übersichten bei Faber, aaO, § 35 FN 26 zu Kommunen und anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften usw.; vgl. HK-Kirchhof, § 12 Rdnr. 3 f.; Kübler/Prütting, InsO, Kommentar, § 12 Rdnr. 7; MK InsO/Ott, § 12 Rdnr. 23. Die Aufzählungen sind z.T. nicht aktualisiert. Vgl. insgesamt Anhänge I und II. 523 Siehe auch die Übersichten und zwar Anhang I zur Gesetzesmaterie mit den Fundstellen und Abkürzungen und Anhang II mit den konkreten Vorschriften der einzelnen Regelwerke. Fundstellen und der Stand der Gesetzgebung sind daher im folgenden Text nicht angegeben.

121

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

zeichneten Ausnahmen alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes für insolvenz (verfahrens)unfähig erklären. Das ist die weitaus größte Gruppe. Daneben stehen Regelwerke mit „offenen“ Generalklauseln, die ebenfalls zwar sämtliche juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfassen, aber eine Weiterverweisung auf die lex specialis der konkreten Körperschaft, Anstalt usw. enthalten, die wiederum Abweichendes regeln kann. Parallel hierzu stehen meist ergänzende Vorschriften über die Insolvenzunfähigkeit der Kommunen und kommunalen Verbände.

155b

Nach Gesetzestypen lassen sich Länder unterscheiden, die die Insolvenzunfähigkeit geregelt haben in • Ausführungsgesetzen zu bundesgesetzlichen Regelungen, wobei nicht jedes Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung Bestimmungen über die Insolvenzunfähigkeit enthält (s.u.) 5 24 • gesonderten Landesgesetzen über die Insolvenzunfähigkeit, die nicht immer terminologisch an die InsO angepasst sind (s.u.) 525 • den Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzen (s.u.) 526 • allgemeinen Gesetzen über die Landesorganisation, u.a. mit Verweisungen auf andere Gesetzeswerke (s.u.) 527

155c

Überwiegend stehen die Vorschriften zur Insolvenzunfähigkeit im Kontext zu Bestimmungen über die Durchführung der Einzelvollstreckung gegen Kommunen bzw. juristische Personen des öffentlichen Rechts. Teilweise sind diese Bestimmungen angesichts des § 882a ZPO redundant, zu einem anderen Teil berühren sie nur Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung.

155d

Nachfolgend sind Bestimmungen einzelner Bundesländer angesprochen, einen weitergehenden Überblick vermitteln die bereits erwähnten Anhänge I und II.

156

Baden-Württemberg § 45 AG GVG (Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz) erklärt das Insolvenzverfahren über alle Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts für unzulässig, womit systematisch auch die Gemeinden und Gemeindeverbände erfasst sind (Satz 1). Wie zwischenzeitlich in allen Bundesländern, in denen dies erforderlich war, nimmt die Vorschrift öffentlich-rechtliche Kreditinstitute aus (§ 45 AGGVG Satz 2).

157

Bayern Art. 25 AG GVG nimmt alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts von einem Insolvenzverfahren aus, mit Ausnahme der Bayerischen Landesbank und der Sparkassen (Abs. 2). Anders als Baden-Württemberg verzichtet Bayern gleichwohl nicht auf eine (redundante) Bestimmung in Art. 77 Abs. 3 GO bzw. Art. 71 Abs. 3 LKrO.

524 525 526 527

122

Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt. Berlin, (Bremen), Hamburg, Niedersachsen, Thüringen. Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland. Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein.

2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

Bundesländer mit leges speciales über Konkurs- bzw. Insolvenzunfähigkeit

158

Bundesländer mit eigenen Gesetzen über die Konkursunfähigkeit bzw. Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts sind Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Thüringen.528 Für Details darf auf die nachfolgenden Ausführungen sowie die Tabelle in Anhang II verwiesen werden. Bei den Stadtstaaten erübrigen sich Parallelvorschriften zu den Kommunen,

158a

Berlin Für die Regelungen der Bundeshauptstadt darf auf Anhang II verwiesen werden.

158b

Bremen Die juristischen Personen unter Landesaufsicht sind mit Ausnahme der öffentlichrechtlichen Versicherungen und Banken insolvenzunfähig nach § 4 AG ZPO, KO, ZVG (Bremen). Die Freie Hansestadt Bremen bildet mit den Gemeinden Bremen und Bremerhaven einen einzigen „Gemeindeverband höherer Art“ (Art. 143 Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen). Dieser unterfällt damit nicht § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, sondern Nr. 1 der Vorschrift und ist kraft Bundesrechts insolvenzunfähig.

158c

Freie und Hansestadt Hamburg Die Hamburgische Gesetzgebung ist eines der Beispiele für eine Gesetzestechnik, die für die Rechtsunterworfenen und damit auch die Gläubiger völlig intransparent ist. Zur Anpassung an die Insolvenzordnung hat man 2001 das „Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts“ vom 25.04.1988 529 aufgehoben und zwar in § 2 des nur zwei Paragraphen umfassenden „Hamburgischen Gesetzes über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts“. Dessen § 1 erklärt das „Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der unmittelbaren Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterliegen, sowie über das Vermögen der Körperschaft des öffentlichen Rechts „Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf“ für unzulässig. Das „Hamburgische Insolvenzunfähigkeitsgesetz“ ist daher für den Dritten etwas verwirrend Teil des Gesetzes zur Neustrukturierung des Universitäts528 Niedersachsen: Niedersächsisches Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts; Bremen: Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts; Hamburg: Hamburgisches Insolvenzunfähigkeitsgesetz – insolvenzfähig ist dagegen z.B. die Hamburg Port Authority AdöR nach § 2 Abs. 6 des Errichtungsgesetzes (2004), siehe im einzelnen Lagoni, Hamburg Port Authority . . ., NordÖR 2005, 445 ff./449; Thüringen: vgl. Art. 3 § 4 des Thüringer Zivilrechtsausführungsgesetzes v. 3.12.2002, GVBl. 2002, S. 424 (Änderung des Thüringer Gesetzes über die Gesamtvollstreckung), siehe auch Landtagsdrucksache 3/2719 v. 25.09.2002 und Landtagsdrucksache 4/1247; Berlin: § 1 Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts idF des Art. II des 5. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Landesbank Berlin – Girozentrale; Herbeiführung der Insolvenzfähigkeit der Landesbank Berlin aufgrund der oben erwähnten Brüsseler Verständigung Deutschlands, vgl. zur Begründung im einzelnen Drucksache 15/487 des Berliner Abgeordnetenhauses Vorblatt und S. 2. 529 GVBl. 1988, S. 49.

123

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

Krankenhauses Eppendorf“ („Universitäts-Krankenhaus Eppendorf-StrukturgesetzUKEStrG“), nämlich dessen Art. 4. Sein Inkrafttreten am 15.09.2001 ist als Art. 6 wiederum Teil des UKEStrG. Noch weniger „anwenderfreundlich“ ist die Gesetzesänderung 2005 530, die einen Halbsatz an § 1 anfügt, wonach Insolvenzunfähigkeit nur besteht, „soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist.“ Die Änderung wiederum ist Art. 4 des Gesetzes zur Errichtung der Hamburg Port Authority, dessen Art. 1 das Gesetz über die Hamburg Port Authority („HPAG“) enthält und dessen § 2 Abs. 6 seinerseits bestimmt, dass das Hamburgische Insolvenzunfähigkeitsgesetz keine Anwendung finde. Der Rechtsanwender muss damit mehrere Schritte nachvollziehen; er muss das „UKEStrG“ sowie das „HPAG“ sichten, um dann doch festzustellen, dass er sich auf die Aussage einer generellen Insolvenzunfähigkeit keineswegs verlassen kann, sondern bei jeder rechtlich selbstständigen juristischen Person in Hamburg die einschlägigen Rechtsvorschriften eruieren und sichten muss. Eine gesetzestechnisch derart offene Lösung mag zwar rechtssystematisch befriedigend sein, für den Rechtsanwender ist sie wenig brauchbar, da ihre Aussage offen bleibt.

158d

Niedersachsen Neben dem Niedersächsischen Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts stehen die Insolvenzunfähigkeitsbestimmungen zu den Gemeinden (§ 136 Abs. 2 NGO) und Landkreisen (§ 68 Abs. 2 NLO).

158e

Thüringen In Thüringen ist die Rechtslage gleichfalls von dem Dualismus mehrerer Regelwerke für Kommunen und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts bestimmt. Die Insolvenzunfähigkeit der letzteren Gruppe folgt aus § 1 des Thüringer Gesetzes über die Gesamtvollstreckung in das Vermögen juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Die Ausnahmen sind filigran gestaltet – öffentlich-rechtliche Banken und Versicherungen sind nur insolvenzunfähig, wenn Gewährträgerhaftung besteht, die bei den am Markt tätigen Kreditinstituten durch den Brüsseler Kompromiss mit der EU-Kommission aufgehoben wurde (vgl. §§ 3 Abs. 2 Satz 2, 26 Thüringer Sparkassengesetz). Die Insolvenzunfähigkeit der Kommunen folgt aus § 69 Abs. 3 der Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) für die Gemeinden, mit entsprechenden Verweisen für die Landkreise (§ 114 Abs. 2 Satz 1 ThürKO) und einem eigentümlichen Umweg für die Verwaltungsgemeinschaften, u.a. über § 36 Abs. 1 ThürKGG, dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit.

159

Bundesländer mit Regelungen in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen Einige weitere Bundesländer regeln die Insolvenzunfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts in den entsprechenden Verwaltungsvollstreckungsgesetzen, nämlich Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen 531 sowie das Saar530 GVBl. 2005 256 ff., 262. 531 Nordrhein-Westfalen: § 78 Abs. 3 S. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen; Hessen: § 26 Abs. 1 Hess.VwVG.

124

2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

land. Für Einzelheiten wird neben den folgenden Anmerkungen auf die Übersicht in den Anhängen I und II verwiesen. Die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen unterliegen einer rechtssystematischen Schwäche insoweit, als sie in ein Gesetz über die Vollstreckung durch die Verwaltung und wegen verwaltungsrechtlicher Ansprüche eingebunden sind. Die fraglichen Vorschriften bedürfen daher der Auslegung, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass die Insolvenzunfähigkeit tatsächlich „generell“ ausgeschlossen ist. Allerdings ist dabei nur die Auslegung nach dem Wortlaut oder die teleologische Interpretation zielführend, denn mangels klarer Äußerungen des Landesgesetzgebers und der meist „falschen“ rechtssystematischen Stellung im VwVG helfen weder die systematische noch die historische Auslegung weiter.

159a

Teleologisch kann mit der älteren Rechtsprechung des BVerfG und des BSG freilich festgestellt werden, dass es sinnwidrig wäre, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur dann ausgeschlossen wäre, wenn es um die Verfolgung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen im Sinne des jeweiligen VwVG ginge. Der Gläubiger, der privatrechtliche Forderungen verfolgt, könnte bei einem solchen Verständnis Insolvenzantrag stellen.532 Die öffentlich-rechtlichen Gläubiger könnten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder vollstrecken (§ 89 Abs. 1 InsO) noch würden sie an der Verteilung letzten Endes partizipieren. Schließlich würde auch das Nahziel der Landesgesetzgeber verfehlt, nämlich Beiträge an den PSV aG und die Beteiligung an der Insolvenzgeldumlage zu vermeiden. Die Lösung über die Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze ist daher rechtssystematisch verfehlt. Hinzu kommt, dass in denselben Bundesländern redundante Sondervorschriften für die Kommunen bestehen.

159b

Brandenburg VwVGBbg 533

In Brandenburg schließt § 38 Abs. 3 S. 2 das Insolvenzverfahren gegen Gemeinden, Gemeindeverbände, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts aus. Ausgenommen sind nach § 38 Abs. 4 S. 1 die Kredit- und Versicherungsanstalten des öffentlichen Rechts. Für die Gemeinden besteht insoweit eine „Doppelregelung“, als § 38 Abs. 3 S. 2 VwVGBbg das Insolvenzverfahren bereits ausschließt, während § 38 Abs. 4 S. 2 VwVGBbg durch den Verweis u.a. auf § 129 GemO zugleich dessen Absatz 2 unberührt lässt, der ebenfalls anordnet, dass über Gemeinden und Gemeindeverbände das Insolvenzverfahren nicht stattfindet. Für die Landkreise führen Verweisungen über § 67 Abs. 2 LKrO zur Doppelregelung über die Insolvenzunfähigkeit. Wie in den anderen Ländern mit Anordnung der Insolvenzunfähigkeit wohnt auch der brandenburgischen Lösung die oben erwähnte terminologische Schwäche inne,

532 Siehe die Landesärztekammer-Entscheidung des BVerfG, Beschl. v. 06.12.1983 – 2 BvL 1/82, BVerfGE 65, 359 ff. = ZIP 1984, 344 = RPfl. 1984, S. 327, C 1. der Gründe. 533 Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg.).

125

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

wenn auch der Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts ein eigener Abschnitt, der IV., gewidmet wurde. Dennoch: Den Anwendungsbereich des Gesetzes kennzeichnet § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVG mit der Formulierung „Geldforderungen des Landes, der Gemeinden, ... der unter Landesaufsicht stehenden Körperschaften ..., die öffentlich-rechtlicher Natur sind oder deren Beitreibung im Verwaltungszwangsverfahren ... zugelassen ist, werden nach den Bestimmungen dieses Gesetzes im Verwaltungswege vollstreckt.“ Der Landesgesetzgeber hatte bei der Schaffung der Vorschrift im Jahr 1991 die Befreiung von den Beiträgen an den PSV und die Konkursausfallgeldumlage im Auge 534 und dies fordert eben den generellen Ausschluss der Insolvenzfähigkeit.

159c

Hessen Für die inhaltlich seit der Landesärztekammer-Entscheidung des BVerfG 535 unveränderte Insolvenzunfähigkeitsregelung des § 26 HessVwVG gelten dieselben rechtssystematischen Bedenken wie in all jenen Fällen der Einbindung der Insolverfahrensunfähigkeit in das Verwaltungsvollstreckungsgesetz des Landes. Hessen hat zudem redundante gleichgerichtete Vorschriften in § 146 HGO für die Gemeinden und in § 54 Abs. 1 HKO für die Landkreise geschaffen.

159d

Saarland Dasselbe gilt für das Saarland mit § 37 Abs. 1 Satz 2 SVwVG mit Parallelregelungen für die Gemeinden, Landkreise und den Stadtverband Saarbrücken (§§ 138 Abs. 2, 192, 217 KSVG).

159e

Nordrhein-Westfalen Die Regelung des § 78 VwVG NW ist bis auf unbedeutende Details identisch mit § 38 VwVGBbg, wobei der Verweis auf § 125 GO NW zwar nicht den Bezug auf eine Insolvenzunfähigkeitsvorschrift der Gemeindeordnung enthält; dennoch besteht auch in Nordrhein-Westfalen eine Doppelregelung, da § 128 Abs. 2 GO NW ebenfalls die Insolvenzunfähigkeit der Gemeinden regelt. § 57 Abs. 3 KRO NW verweist wiederum auf § 128 Abs. 2 GO NW.

160

Mecklenburg-Vorpommern Die Insolvenzunfähigkeit der „Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit“, der rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist in

534 Siehe dazu die Gesetzesbegründung in der Landtagsdrucksache 1/347 v. 14.08./23.08.1991, S. 48/49 und die Beschlussempfehlung des Innenausschusses (ohne weitere Begründung), Landtagsdrucksache 1/539 v. 21./22.11.1991, S. 33 f. 535 BVerfGE 65, 359 ff., s.o.

126

2. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit aufgrund landesgesetzl. Regelungswerke

§ 19 Abs. 4 Satz 1 des Landesorganisationsgesetzes 536 geregelt, der auf § 62 Abs. 2 der Kommunalverfassung verweist, eine Vorschrift, die terminologisch noch nicht angepasst ist und „ein Gesamtvollstreckungs- oder gerichtliches Vergleichsverfahren“ ausschließt. Zwei Voraussetzungen müssen allerdings erfüllt sein, nämlich Fach- oder Rechtsaufsicht des Landes und keine gegenteilige Regelung in einem anderen Gesetz. Diese Regelung gilt wiederum nicht für öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Versicherungen, die demgemäss insolvenzfähig sind. Für die Gemeinden bewirkt § 62 Abs. 2 KV M-V die Insolvenzunfähigkeit, die über weitere Verweisungsvorschriften hierauf auch für die Landkreise und Ämter gilt (§§ 120 Abs. 1, 144 Abs. 1 KV M-V). Für den Rechtsanwender ist das Auffinden der Vorschrift nicht ganz unproblematisch, da er aus der Vorschrift des § 19 LOG über die Rechtaufsicht erst zu § 62 Abs. 2 KV M-V geführt wird und § 19 LOG nur in der Überschrift neben anderem an das Thema „Insolvenz“ anknüpft.

161

Rheinland-Pfalz § 8a Abs. 1 des Landesgesetzes zur Ausführung der Zivilprozessordnung, des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und die Insolvenzordnung (AG ZPO ZVG, InsO) 537 ordnet die Insolvenzunfähigkeit der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts an. Abs. 2 stellt ausdrücklich die Insolvenzfähigkeit der Innungen und Kreishandwerkerschaften heraus; entscheidend ist aber die Insolvenzfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Banken in Rheinland-Pfalz. Redundanzvorschriften für Kommunen bestehen in RheinlandPfalz nicht.

162

Sachsen In Sachsen befasst sich die Generalklausel des § 19 Sächsisches Justizgesetz 538 mit der Thematik. Die Vorschrift findet sich in Teil 2 Abschnitt 2 des Gesetzes, der sich mit der „Ausführung von die ordentliche Gerichtsbarkeit betreffenden verfahrensrechtlichen Vorschriften“ befasst. Sie steht im (wenig systematischen) Zusammenhang u.a. mit der Dienstaufsicht über die Richter und sonstigen Justizbediensteten, mit Legalisations- und Bekanntmachungsregelungen. Sondervorschriften in den Gemeinde- und Kreisordnungen bestehen nicht.

536 Organisationsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern v. 14.03.2005 (LOG), GVOBl. 2005, S. 98 ff. iVm der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern idF d. Bekanntmachung v. 08.06.2004, GVOBl. 2004, S. 205 idF v. 19.12.2005, GVOBl. 2005, S. 640. Für den nicht täglich mit dem Landesrecht befassten Dritten ist die Regelung wie die hamburgische recht sperrig, denn sie veranlasst ihn, weiter zu suchen, ob nicht leges speciales der jeweiligen Körperschaft usw. doch die Insolvenzfähigkeit zugesteht. Die Generalklausel des § 19 Abs. 4 LOG erscheint also eher weniger hilfreich. 537 Gesetz v. 30.08.1974, BS 3210-2. 538 SächsJG; § 19 SächsJG schließt wie andere Bundesländer das Insolvenzverfahren über das Vermögen aller vom Land beaufsichtigten juristischer Personen des öffentlichen Rechts aus mit Ausnahme der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute.

127

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

163

Sachsen-Anhalt Einschlägige Norm in Sachsen-Anhalt ist § 6 Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung (AG InsO LSA ), eine Bestimmung, die mit der Vorgängerregelung über die Gesamtvollstreckung inhaltlich übereinstimmt. Die sächsisch-anhaltinische Vorschrift (das Ausführungsgesetz befasst sich ansonsten allein mit den geeigneten Stellen nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Verbraucherkreditverfahren) nimmt von der Insolvenzunfähigkeit in Absatz 2 der Bestimmung nicht nur die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aus, sondern auch ausdrücklich die Handwerksinnungen und Kreishandwerkerschaften sowie die öffentlich-rechtlichen Versicherungen, die nicht mit Gewährträgerhaftung ausgestattet sind (Absatz 2 Nr. 1).539

163a

164

In Verkennung der (damals wie heute identischen) Rechtslage wurde 1998 in Sachsen-Anhalt ein Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gegen einen Abwasserzweckverband gestellt, der im Hinblick auf § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Gesamtvollstreckungsunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts 540 unter der Aufsicht des Landes 541 abzuweisen war.542 Bemerkenswert war in diesem Fall freilich die Antragstellerin: Eine Kommune wollte die Gesamtvollstreckung über den Zweckverband erzwingen, somit ist die eine öffentlich-rechtliche und insolvenzunfähige Körperschaft gegen die andere vorgegangen! Schleswig-Holstein Nicht einfach gestaltet sich für den Rechtsanwender auch die Suche nach der generellen Insolvenzunfähigkeitsnorm im Landesrecht von Schleswig-Holstein, dessen Regelung derjenigen des Nachbarn Mecklenburg-Vorpommern sehr ähnlich ist.

164a

Maßgeblich ist § 52 Landesverwaltungsgesetz (LVwG) über die Aufsicht über die Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit und die rechtsfähigen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in Schleswig-Holstein. Die Vorschrift ist systematisch gerade nicht Teil des Abschnitts V LVwG über die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Geldforderungen, d.h. des landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsrechts. Der dortige § 271 regelt aber die Einzelvollstreckung gegen alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes. § 52 Satz 2 LVwG verweist inhaltlich auf die §§ 131 ff. GO; gleichzeitig werden aber die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute und Versicherungen aus dem Geltungsbereich des § 131 GO herausgenommen, wie aus § 52 S. 3 LVwG

539 Das entspricht § 10 Absätze 2, 4 des Gesetzes für öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen in Schleswig-Holstein v. 15.06.1995. 540 GVBl. LSA Nr. 51/1992, S. 869; heute: § 6 AG InsO LSA v. 17.11.1998, s.o. 541 Die Landesaufsicht folgt vorliegend u.a. aus § 17 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG LSA), heute idF der Bekanntmachung v. 26.02.1998 (GVBl. LSA 1998, 81) idF v. 22.03.2006 (GVBl. LSA S. 128, 135); das Beispiel zeigt deutlich die filigrane Struktur der durch Landesgesetz angeordneten Insolvenzunfähigkeit in Deutschland. Für den Gläubiger/Kreditgeber, der im gesamten Binnenmarkt agiert, für den ein Geschäft in Deutschland „cross border“ ist, aber auch für den im gesamten Bundesgebiet agierenden Gewerbetreibenden, ist es von deutlichem Nachteil, dass er in 16 Landesrechten jeweils zusammen klauben muss, ob nun eine Institution insolvenzfähig ist oder nicht. 542 Siehe die Beschwerdeentscheidung des LG Halle v. 15.07.1998 – 14 T 213/98, 58 N 164/98 AG Halle-Saalkreis, B. v. 29.04.1998 – DZWiR 1999, 258 f.

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3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

hervorgeht. § 131 Abs. 2 GO schließt endlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinden aus, wodurch auch die weiteren juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfasst werden. § 70 Abs. 2 KrO regelt dasselbe für die Landkreise. Wie in Mecklenburg-Vorpommern wirkt die Gesetzestechnik auf den Rechtsanwender eher sperrig und unnötig kompliziert. Zudem bestehen Sonderregelungen für bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts. Das sind etwa die Rundfunkanstalten 543 oder bestimmte Versicherungen nach § 19 des Gesetzes über öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten in Schleswig Holstein.544 Das Nachbarland Mecklenburg-Vorpommern gestattet aber gerade generell das Insolvenzverfahren über öffentlich-rechtliche Versicherungen (s.o.).

164b

Zusammenfassung, Einflussnahme des europäischen Rechts

165

Die Rechtslage ist daher, zurückhaltend formuliert, sachlich und systematisch uneinheitlich und überwiegend intransparent. Die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts wird nicht nur von Bundes- und Landesrecht determiniert, sondern auch vom europäischen Recht (insb. Art. 87 ff. EG) beeinflusst [siehe hierzu sogleich Ziff. 3 lit. d), Rdnr. (176)]. 3.

Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts, Einflüsse des Gemeinschaftsrechts

a)

Die Anknüpfung der Insolvenzfähigkeit an den Rechtsträger

165a

Die Insolvenzfähigkeit (§ 11 InsO) knüpft an die juristische oder natürliche Person, den Rechtsträger des Unternehmens, nicht an Vermögensmassen.545

166

Daher sind selbstverständlich unternehmerische oder sonstige Aktivitäten der öffentlichen Hand in den rechtsfähigen Strukturen des Privatrechts dem Insolvenzverfahren unterworfen.546 Mit anderen Worten ist z.B. die AG, die GmbH oder die GbR oder die sonstigen Gesellschaftsformen des Privatrechts, an der die öffentliche Hand beteiligt ist, einem Insolvenzverfahren ebenso zugänglich wie die nicht ausdrücklich insolvenzunfähige Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts.

166a

Ohne Bedeutung ist, ob die öffentliche Hand mit Mehrheit beteiligt ist oder nicht oder ob eine vertragliche Verlustausgleichspflicht der Kommune oder des Landes gegenüber dem Unternehmen besteht, typischer Weise in Gestalt eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages (auch „Ergebnisabführungsvertrag“ – EAV) nach § 302 AktG. Das Bundesverwaltungsgericht hat eine solche vertragliche

166b

543 Siehe nachfolgend Kapitel IV 4a), Rdnr. (178) ff. 544 Gesetz v. 15.06.1995, GVOBl. 1995, S. 230. Die AOK z.B. unterfällt im Einklang mit dem Wortlaut, im Widerspruch zur Bezeichnung des Gesetzes, jedoch nicht diesem Gesetz, lediglich die Provinzialversicherungen (§§ 1, 10 Abs. 4). 545 Dies gilt auch für die Nachlassinsolvenz gem. §§ 315 ff. und die Insolvenz über das gemeinschaftlich verwaltete Gesamtgut einer Gütergemeinschaft nach §§ 332 bzw. 332 f. InsO. 546 So auch Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 12 Rdnr. 13.

129

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

Verpflichtung zutreffend nicht ausreichen lassen, um die Konkursunfähigkeit einer Hafenbetriebs-AG zu verneinen, die sich mehrheitlich in der Hand der Hansestadt Bremen befand.547 Das ist zutreffend, zumal bei der privatrechtlich organisierten Gesellschaft die Insolvenz durch Überschuldung während der Dauer eines solchen Vertrages nicht eintreten kann, da das Unternehmen Verluste stets durch werthaltige Ausgleichsansprüche gegen seinen Gesellschafter, die selbst nicht insolvenzfähige Gebietskörperschaft, ausgleichen kann, der am 01.01. des auf das Geschäftsjahr folgenden Kalenderjahrs entsteht und bis zur Zahlung zu verzinsen ist. Die denkbare Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit dürfte weitgehend im Hinblick auf die Zahlung eben jenes Ausgleichsanspruchs ausscheiden. Für den Gläubiger kommt der Anspruch auf Sicherung nach § 303 AktG hinzu, sollte der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufgehoben oder gekündigt werden.

166c

Ohne Belang ist auch, wenn die Kommune einen rechtlich unselbstständigen Eigenbetrieb in eine AG oder GmbH nach §§ 168 ff. Umwandlungsgesetz zulässig ausgliedert (vgl. sogleich lit. b). Die Gesellschaft ist als AG oder GmbH insolvenzfähig, die Innehabung von 100 % der Aktien oder Anteile ändert hieran nichts.548

167

Unbeachtlich ist, wer beteiligt ist, ob also Bund, Länder oder Kommunen betroffen sind. Abhängig von der Beteiligungshöhe und dem Umfang der Kapitalbindung kann dann erhebliches öffentliches Vermögen liquidiert werden. Ist ein am Markt gegen Entgelt tätiges Unternehmen betroffen, kann der Staat oftmals nicht einmal die Liquidation durch Insolvenz rechtlich verhindern, wenn nämlich die Sanierung zu Lasten des Staatshaushalts aus europarechtlicher Sicht zur Wettbewerbsverzerrung führen würde.549 Dann hängt das Schicksal des Unternehmens, das bei wirtschaftlicher Betrachtung öffentliches Kapital darstellt, davon ab, dass die europäische Kommission der mit der Rettung verbundenen Staatsbeihilfe zustimmt.550 b)

168

Die Insolvenzunfähigkeit rechtlich unselbstständiger öffentlich-rechtlicher Unternehmen, Ausgliederung dieser Unternehmen, Unterschiede zur interkommunalen Zusammenarbeit auf dem Wege der Delegation öffentlicher Aufgaben

Eigenbetriebe und rechtlich unselbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts Umgekehrt sind rechtlich unselbstständige öffentlich-rechtliche Strukturen nicht insolvenzfähig, wenn die rechtsfähige Organisation, der sie angehören, ihrerseits 547 BVerwG, Beschl. v. 16.04.1980 – 7 B 116.79 – ZIP 1980, 466. 548 Hirte, aaO; so auch zutreffend BVerwG, Urt. v. 13.07.1999 – 1 C 13.98 – KTS 2000, 276 = ZIP 1999, 1816 = DVBl. 1999, 1727. 549 Das Vermögen einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft, die vom Staat (Zentralstaat und alle Gliedkörperschaften) beherrscht wird, stellt staatliche Mittel im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG dar, die Gesellschaft ist öffentliche Gesellschaft im Sinne der Transparenzrichtlinie 80/723/ EWG, u.a. geändert durch die RL 2000/52/EG idF d. RL 2005/81/EG, ABl. (EU) L 312 v. 29.11.2005, S. 47, umgesetzt durch das Änderungsgesetz des Transparenzrichtlinie-Gesetzes v. 21.12.2006, BGBl. 2006 I 3364, siehe EuGH, U.v. 16.05.2002 – Rs C-482/99, Frankreich gg. Kommission (Stardust Marine), Slg. 2002 I-4397 = WM 2002, 1756 ff. = EuZW 2002, 468 ff. 550 Die Kommission entscheidet dabei nach Maßgabe der „Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten“ (2004), ABl. (EU) C 244 v. 01.10.2004, S. 2 ff.

130

3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

insolvenzunfähig ist. Das ist der Fall bei den kommunalen Eigenbetrieben 551, die „wirtschaftliche Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit der Gemeinde ...“ sind.552 Dabei handelt es sich um rechtlich unselbstständige Unternehmen mit organisatorischer Verselbstständigung, eigenständigem Rechnungswesen und kaufmännischer, nicht mehr kameralistischer Buchführung und Bilanzierung.553 Ein Problem für die Eigenbetriebe kann sich ergeben, wenn sie im Wettbewerb tätig sind, da dann die Wettbewerbsregeln des Gemeinschaftsrechts einschliesslich des Beihilferechts einzuhalten sind.554 Eine cross border-Aktivität ist aber jedenfalls beihilferechtlich nicht vonnöten, da hinreichend ist, wenn die „Subventionierung“ Wettbewerber davon abhält, auf den Markt des beihilferechtlich begünstigten Unternehmens vorzustoßen. Anderweitige unternehmerische Aktivitäten der Kommunen realisieren sich in Form von Regiebetrieben, die unmittelbar Teil der Gemeindeverwaltung ohne organisatorische Trennung und ohne verselbstständigtes Rechnungswesen sind. Schließlich kann die Kommune Unternehmen ebenfalls je nach Landesrecht als unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts führen. In allen Fällen handelt es sich um Unternehmen in „funktionalem Sinne“ 555 des Umwandlungsgesetzes, aber auch des europäischen Rechts.556 Es genügt das Angebot von Gütern oder Diensten auf einem Markt gegen Entgelt, unmaßgeblich sind der handelsrechtliche Charakter als Gewerbe oder gar die Gewinnerzielungsabsicht.557

551 So auch Gundlach, Die Insolvenzfähigkeit juristischer Personen und Vermögen des öffentlichen Rechts, DöV 1999, 815 ff. Die Eigenbetriebe sind rechtlich unselbstständiger Teil der Gemeinde(verwaltung), was damit auch haftungsrechtlich nicht anders sein kann; vgl. MKInsO/Ott, § 12 Rdnr. 16; Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 12. Siehe aber den Hinweis auf § 3 EigBG Sachsen von Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, aaO, § 12 Rdnr. 13 und HK-Kirchhof, § 12 Rdnr. 7. 552 Vgl. z.B. zur Definition § 106 GemO Schleswig-Holstein sowie § 1 des Eigenbetriebsgesetzes Sachsen-Anhalt v. 24.03.1997, GVBl. LSA 1997, S. 446. 553 Sie sind nicht rechtsfähig, aber Kaufmann nach § 1 HGB und damit auch „registerpflichtig“. Siehe dazu BayObLG, Beschl. v. 12.12.2001 – 3Z 174/01 – Rpfl. 2002, 316 = DB 2002, 370; OLG Frankfurt – Beschl. v. 20.12.2001 – 20 W 184/01 – DB 2002, 369 = OLGReport Frankfurt 2002, 76. Sie sind in Abteilung A des HReg einzutragen. Damit besteht die für den Gläubiger etwas unerwartete Rechtslage, dass ein im Register eingetragenes Unternehmen dennoch keine eigene Rechtspersönlichkeit hat und daher dem Insolvenzverfahren überhaupt nicht und der Einzelvollstreckung nur eingeschränkt zugänglich ist, soweit nämlich der Eigenbetrieb zum Verwaltungsvermögen gehört, siehe Richter, Kommunales Vermögen und seine Verwaltung, in: Henneke/ Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 38 Rdnr. 8 ff. 554 Siehe Calliess/Ruffert/Bröhmer, Kommentar zu EU-Vertrag und EG-Vertrag, 2. Aufl., 2002, Art. 48 Rdnr. 3. Dann ist auch die Transparenzrichtlinie 2000/52/ EG der Kommission vom 26. Juli 2000 zur Änderung der Richtlinie 80/723/EWG über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen, s.o. Rdnr. (167 u. Fn. 549) zu beachten, ebenso die RL 2005/81/EG. 555 Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 1996, § 168 Rdnr. 9. 556 Als ein Unternehmen im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechtes (Art. 85, 86 EG) ist jede Einheit anzusehen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, unabhängig von Rechtsform und Finanzierung. 557 Siehe z.B. EuGH, Urt. v. 22.01.2002 – Rs C-218/00, Cisal di Barristello gg. INAIL – Slg. 2002 I-691.

131

168a

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

168b

Da die genannten Typen kommunaler unternehmerischer Betätigung keine eigene Rechtspersönlichkeit haben, kann in diesem Zusammenhang schon grundsätzlich nicht von Insolvenzfähigkeit gesprochen werden.

169

Die Umwandlung der unselbstständigen öffentlich-rechtlichen Unternehmen in privatrechtliche Organisationsformen Bei den oben genannten kommunalen Unternehmen des öffentlichen Rechts eröffnet die Umwandlung in eine Gesellschaft des privaten Rechts durch Ausgliederung (§§ 168 ff. UmwG), die insbesondere im letzten Jahrzehnt allenthalben anzutreffen ist, neue Perspektiven, aber auch Probleme.558 Das Umwandlungsgesetz will gerade diese „Privatisierungen“ nicht rechtsfähiger öffentlicher Unternehmen begünstigen.559 Eines der Motive für die Umwandlung ist die Enthaftung der Gebietskörperschaft von den nach Vollzug entstehenden neuen Verbindlichkeiten des Unternehmensträgers.560 Die Haftung der ausgliedernden Kommune für die übertragenen „Alt“Verbindlichkeiten besteht nur noch fünf Jahre fort (§§ 172 f., 157 UmwG).561

169a

Andere Motive mögen die größere Gestaltungsfreiheit bei der Geschäftstätigkeit des Unternehmens betreffen, die erweiterten Möglichkeiten der Refinanzierung ohne Bindung an detaillierte haushaltsrechtliche Vorgaben usw.562 Die weiteren Anreize für dergleichen Umwandlungen sind vielfältig. Sie reichen von haushaltsrechtlichen über steuerliche und personalrechtliche Erwägungen bis hin zu Überlegungen über den erleichterten Zugang zum Kapitalmarkt für die Refinanzierung des Unternehmens, echter privater Beteiligung im Rahmen von public private partnerships (s.o.) und nicht zuletzt bis zum Vergaberecht.563

169b

Mit letzterem verbunden ist der Natur der Sache nach die Vergabe eigener kommunaler Aufträge an das ausgegliederte Unternehmen. Diese Inhouse-Vergaben ohne Ausschreibung durch die Kommune hat der EuGH in seiner jüngsten Rechtsprechung freilich bei privater Beteiligung bzw. dann, wenn die kommunale Kontrolle diejenige unterschreitet, die man bei „eigener Dienststelle“ ausüben kann, bean-

558 Nach Altmeppen, Die Einflussrechte der Gemeindeorgane in einer kommunalen AG, NJW 2003, 2561 ff./2561, beträgt der Anteil der kommunalen Unternehmen in Rechtsformen des privaten Rechts „deutlich“ über 50 %. 559 Siehe die Gesetzesbegründung zu § 168 UmwG, BR-Drs. 75/94, S. 132. 560 In der Kommentarliteratur wird geradezu davon gesprochen, infolge der „angespannten Finanzlage“ hätten die Ausgliederungen „stark zugenommen“, Heckschen, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Losebl., § 168 UmwG Rdnr. 10. 561 Die Regelung entspricht der Nachhaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters der OHG, KG und der GbR nach § 160 HGB bzw. §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB. Der Gläubiger wird die Kommune nach Maßgabe der §§ 172 f., 157 UmwG in Anspruch nehmen oder Sicherheit durch Kommunalbürgschaft diskutieren. 562 Siehe hierzu Perlitt, in: Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 2003, § 168 Rdnr. 4 f., 15; die Kommentierung spricht ganz allgemein davon, dass ordnungs- und finanzpolitische Aspekte für die Privatisierung sprechen, kurz der marktwirtschaftliche Gedanke. Siehe auch die dortigen vielfältigen Literaturnachweise zu dem Thema Privatisierung. 563 Altmeppen, aaO, S. 2562; vgl. auch Heckschen, in Widmann/Mayer, aaO, Rdnr. 18, siehe auch die weiteren Hinweise zur neueren Rechtsprechung des EuGH, aaO, Rdnr. 44 ff.

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3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

standet 564 und als Verletzung des Gemeinschaftsrechts angesehen. Zutreffend hat jedoch jüngst das OLG Düsseldorf in Abweichung vom OLG Naumburg die Übertragung einer gemeinsamen öffentlichen Aufgabe (Abfallbeseitigung) an einen dafür gegründeten Zweckverband nicht als öffentlichen Auftrag im Sinne des Vergaberechts gesehen und daher eine Ausschreibung verneint (siehe Rdnr. 171 ff., 172a ff.).565 Mit der Ausgliederung wandelt sich die Insolvenzunfähigkeit des kommunalen Unternehmens in die Insolvenzfähigkeit des rechtsfähigen privatrechtlichen Unternehmensträgers um, der regelmäßig Kapitalgesellschaft sein wird.566 Der Beschränkung der Haftung der Kommune steht das Risiko der Insolvenz der übernehmenden Körperschaft gegenüber. Durch das „Outsourcing“ relativiert sich damit die Insolvenzunfähigkeit der Kommune selbst.

169c

Auf der Ebene der Finanzierung wird die betreffende GmbH, AG usw. einer kommunalen Bürgschaft bedürfen, will sie und ihre Gesellschafterin von den günstigen Kommunalkrediten profitieren, was sich wiederum auf der Ebene der Kommune in günstigen Preisen für die von der GmbH erbrachten Leistungen widerspiegelt bzw. in der Werthaltigkeit der Beteiligung der Kommune. Ferner wird die Gemeinde für die Bürgschaftsübernahme eine marktübliche Vergütung von ihrer Gesellschaft fordern und erhalten. Zugleich bedeutet das aber, positiv betrachtet, dass die Kommune Flexibilität im unternehmerischen Handeln gewinnt, ohne Vorteile bei der Finanzierung einzubüßen, wenn sie sich des Instruments der Bürgschaft sachgerecht bedient.567 Nur am Rande soll darauf hingewiesen werden, dass das Umwandlungsgesetz mit dem Formwechsel nach §§ 301 ff. eine weitere Option für die Privatisierung rechtsfähiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften und Anstalten bereithält, sofern das anwendbare Bundes- bzw. Landesrecht dies gestattet. Wie bei den Ausgliederungen ist auch hier die Motivation vielfältig.568

564 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.01.2005 – Rs C-26/03, Stadt Halle und RPL Lochau gg. Arge TREA Leuna (Vorlage des OLG Naumburg) – Slg. 2005 I-1; Urt. v. 13.10.2005 – Rs C-458/03, Parking Brixen GmbH gg. Gemeinde Brixen und Stadtwerke Brixen AG (Vorlage des Verwaltungsgerichts, Autonome Sektion für die Provinz Bozen), Slg. 2005 I-8612; Urt. v. 10.11.2005 – Rs C-29/04, Kommission gg. Republik Österreich (Abfallentsorgung Stadt Mödling), Slg. 2005 I-9705; EuGH, Urt. v. 11.05.2006 – Rs C-340/04, Carbotermo SpA u.a. (Vorlage des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia) Slg. 2006 I-4137. 565 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.06.2006 – VII-Verg 17/06 – IR 2006, 215 f.; unzutreffend OLG Naumburg IR 2006, 23, siehe auch Fn 569. 566 Die Ausgliederung ist mitnichten eine Privatisierung, denn die GmbH, KG usw. bleibt im öffentlichen Besitz, verliert aber die Vorteile der günstigen „Kommunalfinanzierung“, wenn die Kommune nicht für die Verbindlichkeiten bürgt und verliert bei erweiterter Selbstständigkeit auch die Möglichkeit der Vergabe durch die Kommune an ihre Gesellschaft ohne Ausschreibung („Inhouse“-Vergabe) mit entsprechenden Folgen für die Auftragslage s.o. In der Literatur wird von der „formellen Privatisierung“ bei dieser Konstellation gesprochen, während man unter „materieller Privatisierung“ die Übernahme der Gesellschaft und damit der öffentlichen Aufgabe durch private staatsunabhängige Investoren verstehen will. 567 Vgl. Kapitel VI 1), Rdnr. (282) ff. 568 Vgl. Perlitt, aaO, § 301 Rdnr. 4 mwN.

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IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

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Die interkommunale Zusammenarbeit Von dem Betrieb eines rechtlich unselbstständigen Unternehmens durch die Kommune ist die Wahrnehmung oder die Übertragung (Delegierung) von öffentlichen Aufgaben der Gebietskörperschaft auf eine andere zu unterscheiden, aber auch die Gründung eines Zweckverbandes mehrerer Kommunen zur Aufgabenerledigung. Insolvenzrechtliche Probleme stellen sich dabei gleichfalls nicht, da die Beteiligten jeweils nicht insolvenzverfahrensfähig sind.

172

Da diese Vorgehensweise von der Zielsetzung der Vereinfachung der Aufgabenerledigung und davon geprägt ist, sie kostengünstiger zu gestalten, stellen sich ebenfalls sofort Fragen des Vergaberechts, die dann virulent werden, wenn man die „ausgelagerte“ Tätigkeit oder Übertragung der öffentlichen Aufgabe als Beschaffungsmaßnahme der auslagernden Gebietskörperschaft nach §§ 97 ff., 99 GWB und der europäischen Vergaberichtlinien betrachtet. Die Einzelheiten sind umstritten. Die vollständige Delegation der Aufgabe unter Befreiung des bisherigen Aufgabenträgers von seinen Pflichten schliesst jedoch (anders als die bloße Beauftragung) das Vergaberecht aus, da ansonsten ein Zwang zur Privatisierung entfaltet würde, wenn eine Kommune mit anderen eine gemeinsame Aufgabenerledigung anstrebt.

172a

Die Entwicklung ist im Fluss. Das Thema spielt in der Rechtsprechung bei der Abfall- und bei der Abwasserentsorgung eine Rolle. Zuzustimmen ist dem OLG Düsseldorf, das auf dem am Markt umkämpften Sektor der Abfallentsorgung einen Verstoß gegen das Vergaberecht verneint hat, wenn Kommunen Abfallentsorgungsaufgaben auf dem Wege der Delegation auf einen gemeinsamen Zweckverband übertragen, auch wenn dieser dieselbe Aufgabe gleichermaßen auf eine von ihm gegründete Anstalt des öffentlichen Rechts weiter überträgt.569

172b

Das OLG Naumburg hat dem gegenüber auch bei der Delegation die Anwendung des Vergaberechts bejaht 570; in dem von ihm entschiedenen Fall war ein Entsorgungsvertrag mit einem privaten Unternehmen durch den Landkreis gekündigt worden, um die Entsorgungsleistungen durch den Eigenbetrieb des benachbarten Landkreises durchführen zu lassen, mit dem die Fusion bevorstand. Die Aufgabenübertragung auf einen Dritten ist aus Sicht des OLG Naumburg ausgeschlossen, wenn die betroffene Leistung auch am Markt erbracht werden kann. Die Kommune, die die konkrete öffentliche Aufgabe – z.B. infolge der Änderungen von Standards – nicht mehr allein, sondern nur gemeinsam mit anderen erledigen kann, müsste nach dieser Rechtsauffassung, sofern es einen Markt gibt, zwangsläufig privatisieren. Die Bildung kommunaler Einrichtungen, die die Aufgaben von Kommunen übernehmen und Ressourcen bündeln, wäre mit zunehmender Privatisierung ausgeschlossen, sofern die kommunale Einrichtung (Zweckverband) nicht erfolgreich aus dem Wettbewerb gesamteuropäischer Ausschreibung hervorginge. Zur Vermei-

569 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.06.2006 – VII-Verg 17/06, siehe IR 2006, 215 f. mit zustimmender Anm. Michaels. 570 OLG Naumburg, Beschl. v. 03.11.2005 – 1 Verg 9/05 – VergabeR 2006, 88 ff. m. Anm. Portz = IR 2006, 23, fortgeführt im Beschl. v. 02.03.2006 – 1 Verg 1/06; siehe hierzu die Anmerkung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes unter www.dstgb-vis.de/home/Rechtsprechung/ olg_naumburg. . .

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3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

dung von Diskriminierung und Ungleichbehandlung dürfte sie wohl nicht einmal einen Informationsvorsprung vor anderen etwaigen Mitbietern haben oder an der Ausschreibung mitwirken, um nicht von vornherein aus dem Wettbewerb auszuscheiden. Auf Details hierzu muss auf die einschlägige Spezialliteratur verwiesen werden. Der Rechtsprechung des OLG Naumburg ist vor dem Hintergrund des erwähnten faktischen Privatisierungszwanges nicht zu folgen. c)

Haftung der Kommune für ihre privatrechtlich organisierten Unternehmen, Insolvenzabwendungspflichten, Risiken für die Unternehmen bei Beherrschung durch eine Kommune?

Für die Verbindlichkeiten einer rechtlich selbstständigen, privatrechtlich organisierten Kapitalgesellschaft, an der die Kommune beteiligt ist, haftet die Gebietskörperschaft (auch wenn sie Alleingesellschafterin ist) nicht, soweit nicht ein besonderer Verpflichtungsgrund besteht. Sie hat auch nicht die Pflicht, die Insolvenz zu vermeiden. Vielmehr ist ihre Position rechtlich nicht anders als diejenige eines langfristig planenden privaten Investors der Marktwirtschaft, der mit seiner Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft bestimmte unternehmerische Zwecke verfolgt, sein Risiko ökonomisch auf eine bestimmte Einlage begrenzt und der rechtlich den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber durch Rechtsformwahl überhaupt nicht haftet.

173

In der Literatur wird u.a. aus dem Rechtsstaatsprinzip das Verbot abgeleitet, die Gläubiger kommunaler Unternehmen durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu schädigen mit der Folge einer Nachschusspflicht für die Gebietskörperschaft, die Träger des Unternehmens ist.571 Dieser Überlegung kann aufgrund der klaren Bestimmungen der Insolvenzordnung und der rechtsformspezifischen Vorschriften des Gesellschaftsrechts über Insolvenzfähigkeit, Insolvenzgründe und Insolvenzantragspflichten nicht gefolgt werden. Die Motive der vom Bundesgesetzgeber geschaffenen Umwandlung nach §§ 168 ff. UmwG streiten ebenfalls gegen diese Auffassung. Damit verbleibt es dabei, dass dem Gläubiger ein Anspruch gegen die Kommune zustehen muss, der sich nicht allein aus ihrer schlichten Position als Gesellschafter ergibt, soweit nicht die Rechtsform (GbR, OHG usw.) dies vorschreibt.572 Der Ausschluss der Insolvenz und die Begründung einer (letztlich nicht beschränkten) Nachschusspflicht würde im Übrigen die rechtsformbedingten Haftungsbeschränkungen aufheben. Zudem würde damit ein vom allgemeinen Insolvenzrecht abweichendes Sonderinsolvenzrecht kommunaler Unternehmen in den Rechtsformen des privaten Rechtes entstehen, das diesen auch in der Krise zu Lasten staatlicher Mittel erlauben würde weiterzuarbeiten, wodurch bei Vorliegen der

173a

571 So auch Faber, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 35 Rdnr. 34 ff. mwN mit Wiedergabe des Meinungsstandes, siehe FN 103 ff. Ablehnend auch Gundlach, Die Haftung der Gemeinden für ihre Eigengesellschaften, LKV 2000, S. 58 ff.; siehe auch Kuhl/Wagner, Das Insolvenzrisiko der Gläubiger kommunaler Eigengesellschaften, ZIP 1995, 433 ff.; zum Rechtsstaatprinzip und den hieraus zu ziehenden Folgen vgl. auch Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 2005, Rdnr. 387, S. 324. 572 Aus haushaltsrechtlichen Gründen der Unzulässigkeit unbegrenzter Haftung sollte diese Konstellation im Grundsatz nicht vorkommen.

135

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

weiteren Tatbestandsvoraussetzungen wieder ein Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht (Art. 87, 88 EG) resultieren würde.573

174

Besondere Verpflichtungsgründe im obigen Sinne sind wie bei jedem Gesellschafter beispielsweise etwaige Ansprüche • aus Übernahme einer Bürgschaft oder Ausfallbürgschaft (s.o.) • aus Insolvenzverschleppungshaftung, auch dann, wenn der handelnde Geschäftsführer Beamter oder Angestellter der Kommune war und nun seinerseits nach §§ 64, 43 GmbHG in Anspruch genommen würde • aus culpa in contrahendo, wenn bei dem Gläubiger im Ausnahmefall besonderes Vertrauen darin geweckt wurde, die Kommune werde schon für Verluste der Beteiligungsgesellschaft einstehen usw.574 • aus existenzvernichtendem Eingriff.575

174a

Trifft die Kommune im Allgemeinen keine Pflicht zur Insolvenzabwendung, gelten also für die privatrechtlich organisierten Beteiligungen der öffentlichen Hand die allgemeinen Vorschriften z.B. des Gesellschaftsrechts und des Insolvenzrechts, stellt sich umgekehrt die Frage, ob das öffentliche (kommunale) Unternehmen infolge der Eigentümerposition der Gebietskörperschaft, die ggf. weitere Unternehmen betreibt oder an ihnen beteiligt ist, seinerseits evtl. hierdurch Nachteile infolge der Eigenkapitalersatzregeln hinnehmen muss.576 Dieses Thema wurde 2005 in der Rechtsprechung des OLG Brandenburg behandelt, betroffen war eine Sparkasse in kommunaler Trägerschaft. Das OLG hat unzutreffend deren Kredit an eine GmbH als eigenkapitalersetzend qualifiziert, weil der Gewährträger der Sparkasse, ein Landkreis, an der GmbH zugleich 20 % der Anteile hielt. Die Ausführungen des OLG zu den Rechtsinstituten der Anstaltslast- und Gewährträgerhaftung sowie zur Bestellung der Gremien durch den „Gewährträger“ (heute: Träger) sind jedenfalls heute ohne jeden Zweifel infolge Wegfalls der beiden Institute gegenstandslos.577 Aber auch unabhängig hiervon erweist sich das Urteil als rechtsfehlerhaft in der Einschätzung des § 32a Abs. 3 GmbHG. Die interne Organi-

573 Siehe zu einer im Ergebnis vergleichbaren, vom allgemeinen Insolvenzrecht abweichenden Konstruktion des italienischen Rechts nach dem Gesetz 95/79, der amministrazione straordinaria bei bestimmten Unternehmen, die Würdigung als rechtswidrige Beihilfe durch die europ. Kommission und die Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte, EuGH, Urt. v. 01.12.1998 – Rs C-200/97, Ecotrade gg. Altiforni e Ferriere di Servola SpA (Vorlage der Corte Suprema di Cassazione) – Slg. 1998 I-7907; Urt. v. 17.06.1999 – Rs C-295/95, Piaggio SpA gg. Dornier Luftfahrt GmbH, Ministero della Difesa u.a. – EuZW 1999, 530 ff. = Slg. 1999 I-3735. Eine Pflicht zur Insolvenzabwendung lehnt auch Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 51, u.a. deshalb ab. 574 Das OLG Celle hat einen Anspruch aus Vertrauenshaftung zwar abgelehnt, aber eben nur bei allgemeiner Erwartung des Gläubigers, gerade nicht bei der ausdrücklichen Hervorrufung von Vertrauen. Siehe zur Verneinung der Haftung, wenn kein besonderer Verpflichtungsgrund besteht, OLG Celle, Urt. v. 12.07.2000 – 9 U 125/99 – ZIP 2000, 1981 = ZInsO 2001, 172 = KTS 2001, 127. 575 Bejahend insoweit auch Faber, aaO, § 35 Rdnr. 38 f.; siehe dazu BGH, Urt. v. 24.06.2002 – II ZR 300/00 – BGHZ 151,181 ff., mwN. 576 OLG Brandenburg, Urt. v. 12.01.2005 – 7 U 97/04 – ZIP 2006, 184, siehe die Besprechung in: jurisPR-InsR 17/2006, Anm. 5 Bähr, sowie EWiR 2006, 73 (Anm. Schodder). 577 Zutreffend Bähr, aaO. Siehe hierzu den „Brüsseler Kompromiss“ zu den Instituten der Anstaltslast und Gewährträgerhaftung.

136

3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

sation mit Gremienbestellung u.ä.578 reicht keineswegs aus, um im vorliegenden Falle den Kreditgeber als mittelbaren Gesellschafter zu betrachten. Vielmehr fehlt es in dergleichen Fällen an der Finanzierungs(mit)verantwortung des Kreditgebers, der im Wettbewerb Finanzierungsleistungen anbietet im Unterschied zu der Gebietskörperschaft, die mit ihrem Engagement stets regional-/wirtschaftspolitische Ziele verfolgt. Die gesetzlichen Vorgaben, auch des Aufsichtsrechts, wirken Finanzierungen entgegen, die tendenziell eigenkapitalersetzend sind. Aufgrund der einschlägigen Regelwerke fehlt es an der rechtlichen Einwirkungsmöglichkeit der öffentlichen Hand auf die Einzelkreditvergabe.579 Die Erwägungen des OLG Brandenburg würden übrigens tendenziell wettbewerbsverzerrend auf die Kreditpolitik zu Lasten öffentlich-rechtlich organisierter Institute wirken. Zudem würde sich für die an dem Insolvenzschuldner beteiligte Gebietskörperschaft das Problem des Nachteilsausgleichs gegenüber dem Institut stellen. Der vom OLG Brandenburg entschiedene Fall unterscheidet sich ferner von dem im Urteil des BGH vom 19.09.1988 wesentlich: 580 Der dortige Kreditgeber hat letzten Endes, wenn man den Sachverhalt würdigt, die Ansiedlungs- und Wirtschaftspolitik der Freien und Hansestadt Hamburg vollzogen.581 Zudem war das damals beklagte Institut als Treuhänder immerhin formal selbst Gesellschafter.582 Davon sind Sachverhalte wie der vom OLG Brandenburg beurteilte scharf zu unterscheiden, ganz unabhängig von der ebenfalls vorzunehmenden Differenzierung der diversen Regelwerke in den Bundesländern. Zudem gebietet auch die Einheit der Rechtsordnung, in jenen Fällen von einer wirtschaftlichen Einheit zwischen Gebietskörperschaft und Kreditinstitut abzusehen. Eine solche hat in dem von Bähr herangezogenen Fall auch die europäische Kommission ebenso wie das EuG abgelehnt, während die Klägerin mit Unterstützung durch die Bundesrepublik gerade das Gegenteil behauptete, um die Klage gegen die Kommissionsentscheidung zu begründen.583 Die fehlende wirtschaftliche Einheit, augenfällig in der unabhängigen selbstständigen Kreditentscheidung, hat der BGH schon in dem Urteil vom 19.09.1988 verkannt.584 Bei Bejahung einer solchen Einheit zwischen Gebietskörperschaft und Kreditinstitut wird bei gleichzeitiger Annahme von Eigenkapitalersatz stillschweigend der Beihilfecharakter (Art. 87 f. EG-Vertrag) der „Finanzhilfen“ im Sinne des § 32a Abs. 3 GmbHG oder der verwandten Vorschriften unterstellt; damit liegt ohne Genehmigung durch die Euro-

578 OLG Brandenburg, aaO, II/1 der Gründe. 579 Zutreffend zur Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ebenso Bähr, aaO. 580 BGH, Urt. v. 19.09.1988 – II ZR 255/87, „Hamburger Stahlwerke“– BGHZ 105, 168 ff.; siehe zum Sachverhalt auch das Urteil des EuG v. 29.06.2000 – Rs T-234/95, DSG Dradenauer Stahlgesellschaft gg. Kommission (wg. Entscheidung der Kommission 96/236/EGKS v. 31.10.1995, ABl. (EG) 1996 L 78, S. 31) – Slg. 2000 II-2603. 581 BGH, aaO, S. 177 „. . . Die Bekl. hat unter anderem die bankmäßigen Geschäfte der FHH (Freie und Hansestadt Hamburg – Anm. des Verf.) zu besorgen . . ., wozu auch die Kredithilfe gehört, deren Ansiedlung in Hamburg die FHH wünscht und fördert.“ 582 BGH, aaO, S. 174, 177 unten. 583 EuG, Urteil Dradenauer Stahlwerke, aaO, Rdnr. 75; auf Frage im Verwaltungsverfahren der Kommission hatte Deutschland noch präzise herausgearbeitet, dass sich die Beziehungen zwischen dem Kreditgeber und der FHH nicht aus deren Eigentümerstellung an der Kreditgeberin, sondern nur aus den konkreten Verträgen herleiten ließen, was im Ergebnis zum Gegenteil einer wirtschaftlichen Einheit führt (EuG, aaO, Rdnr. 127 ff.). 584 Bähr, aaO.

137

174b

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

päische Kommission ein zur Nichtigkeit der Geschäfte führender Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG vor.585 Diese Konsequenz hat in einer späten Folgeentscheidung zu dem Komplex „Hamburger Stahlwerke“ auch das OLG Hamburg erkannt und u.a. zum Ausdruck gebracht, die Einschaltung der Kreditgeberin „als Leistungsmittlerin“ (der Stadt Hamburg) sei „bloße Erfüllungsmodalität“.586 Die dort geschilderte Konstellation ist aber eben ein Ausnahmefall. Der Annahme einer Beihilfe steht das Zurechenbarkeitskriterium nach der Rechtsprechung des EuGH entgegen. Fehlt es unter Zugrundelegung des Urteils Stardust Marine an der Zurechenbarkeit der Leistung des öffentlichen Kreditgebers zum Staat 587, wäre es ein offenbarer Wertungswiderspruch, den Finanzier dennoch als mittelbaren Gesellschafter anzusehen mit der Begründung, eigenkapitalersatzrechtlich werde er von seinem Eigentümer beherrscht. Das Gegenteil ist der Fall. Daher war schon das Urteil des BGH aus dem Jahr 1988 nicht bedenkenfrei; das Urteil des OLG Brandenburg aus dem Jahr 2005 bei ganz anderem Sachverhalt erweist sich als unrichtig. Es steht aus den genannten Gründen auch keineswegs im Einklang mit dem Urteil des BGH aus dem Jahr 1988.588 d)

Grundsätzliche Insolvenzfähigkeit bei fehlender gegenteiliger Gesetzesnorm, Hindernisse für Insolvenzunfähigkeitsregeln durch europäisches Gemeinschaftsrecht ?

175

Fehlt eine ausdrückliche landesrechtliche Bestimmung über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (zu den Gebietskörperschaften s.o.), dann ist der betreffende Rechtsträger insolvenzfähig, unterfällt damit der InsO und über sein Vermögen kann auf begründeten Antrag eines Gläubigers oder aufgrund Eigenantrags ein Insolvenzverfahren eröffnet werden. Dieses weist keine kommunal- oder sonst landesrechtlichen Besonderheiten auf.

176

Die Rechtsmeinung der Europäischen Kommission zur Insolvenzunfähigkeit von Unternehmen Insolvenzfähig sind namentlich die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute aufgrund der Brüsseler Verständigung Deutschlands mit der EU-Kommission.589 Dadurch bedingt, waren sämtliche entsprechenden Gesetze in Deutschland zu ändern.590 Für die Kommission war die Insolvenzunfähigkeit ein Aspekt der angenommenen staatlichen Beihilfen für die Institute.

585 BGH, Urt. v. 04.04.2003, Ausgleichsleistungsgesetz I–V ZR 314/02 – ZfiR 2003, 603 = EuZW 2003, 444 = EStAL 2003, 497. 586 OLG Hamburg, Urt. v. 02.04.2004 – 1 U 119/00 099, Freie und Hansestadt Hamburg gg. Dradenauer Stahlgesellschaft – EStAL 2005, 705 ff. Das OLG Hamburg verkennt freilich den Zusammenhang zwischen dem Eigenkapitalersatz und der beihilferechtlichen Situation, was indes für sein Urteil nicht tragend war. Der BGH hat das Urteil des OLG Hamburg mit Urt. v. 12.10.2006 – III ZR 299/05 – WM 2006, 2274 aufgehoben und zurückverwiesen. Siehe EuG, Urt. v. 29.06.2000 – Rs T-234/95, Rdnr. 174a, 174b, Fn 580, 583. 587 EuGH, Urt. v. 16.05.2002 – Rs C-482/99, Frankreich gg. Kommission (Stardust Marine) – Slg. 2002 I-4397. 588 AA Bähr, aaO. 589 Siehe oben Kapitel IV 2b) Rdnr. (153b). 590 „Allgemeine“ Gesetze über die Insolvenzunfähigkeit, Sparkassengesetze usw., s.o. Kapitel IV 2b).

138

3. Die Insolvenzfähigkeit von kommunalen Unternehmen

Aus dieser problematischen und keineswegs einzelfallbezogenen Haltung der Kommission resultiert ein potentielles Hemmnis für „Insolvenzunfähigkeitsregeln“:

176a

Der Ansatz der Europäischen Kommission ist im Ergebnis sehr weit: Sie nimmt generell an, der Ausschluss der Insolvenzfähigkeit in den Mitgliedstaaten stelle eine staatliche Garantie für die betroffenen Unternehmen dar, die den Wettbewerb in der Gemeinschaft im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EG verzerre. Es liege daher eine jedenfalls heute nicht mehr hinnehmbare Staatsbeihilfe vor [auch wenn die Insolvenzunfähigkeit bereits zum Zeitpunkt der römischen Verträge (1957) bereits bestand], die auf den Vorschlag zweckdienlicher Maßnahmen (durch die Kommission) nach Art. 88 Abs. 1 EG aufgehoben werden müsse. Sie hat diese Auffassung in mehreren Fällen konsequent vertreten.591 Dennoch ist diese Rechtsmeinung allenfalls dann zutreffend, wenn im Zusammenhang mit der Insolvenzunfähigkeit auch Ansprüche auf staatliche Mittel verbunden sind. Die lediglich günstigere Finanzierung aufgrund von Bestimmungen des Aufsichtsrechts der Kreditinstitute stellt keine Beihilfe aus staatlichen Mitteln dar.592 Vielmehr stammen die günstig gewährten Finanzierungsmittel entweder überhaupt nicht vom Staat (bei privaten Kreditgebern) oder es fehlt die für die Bejahung einer Beihilfe notwendige Zurechnung zum Staat nach dem Urteil Stardust Marine des EuGH.593 Die Kommission betrachtet die Insolvenzunfähigkeit konsequent kritisch, wenn öffentlich-rechtliche Unternehmen betroffen sind, wobei jedoch ihr grundsätzlicher Ansatz eben nicht zutreffend ist.594

176b

591 Siehe oben zu der Deutschland betreffenden Entscheidung vom 27.03.2002, s.o. Kapitel IV 2b). Grundsätzlich hat sich die Kommission hierzu in Ziff. 2.1.3 der „Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen in Form von Haftungsverpflichtungen und Bürgschaften“ vom 23.11.1999 geäußert, ABl. (EG) C 71, v. 11.03.2000, S. 14 ff. In der Beihilfesache E 8/2002 gegen Österreich wegen der dortigen Ausfallhaftung für die Landeshypothekenbanken und Sparkassen hat sie betont, die günstigeren Finanzierungsbedingungen der betreffenden Unternehmen durch den Ausschluss eines Insolvenzverfahrens sei eine „Form der Garantie“, siehe Schreiben v. 30.04.2003, Dokument C (2003) 1329 fin. In dem Beihilfeverfahren E 3/02, Frankreich, Électricité de France, ein „Établissement public industriel et commercial“ (EPIC) des französischen Rechts seit 1946, ABl. (EU) C 164 v. 15.07.2003, S. 7 ff., hat die Kommission das förmliche Prüfverfahren „wegen der unbeschränkten staatlichen Bürgschaft in Zusammenhang mit dem EPIC-Status“ eingeleitet. Mit Art. 1 der Entscheidung v. 16.12.2003, ABl. (EU) L 49 v. 22.02.2005 hat sie die Aufhebung des EPIC-Status angeordnet und zwar ab 1.1.2005; sie wiederholt dort die Auffassung, Insolvenzunfähigkeit sei unbegrenzte staatliche Garantie, siehe die Entscheidung v. 16.12.2003, Rdnr. 10 f., 157. EdF hat zwar Klage gegen die Entscheidung der Kommission eingereicht, nicht jedoch gegen die geforderte Aberkennung des Status als EPIC, siehe die Mitteilung der Klageerhebung zum EuG v. 27.04.2004 zu Rs T-156/04, ABl. (EU) C 179 v. 10.07.2004, S. 12. 592 Zur Verneinung einer Staatsbeihilfe bei bloßer Insolvenzunfähigkeit ohne den Anspruch auf staatliche Leistungen seitens der betreffenden Unternehmen siehe Koenig, Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts – ein Beihilfetatbestand . . .?, BB 10/2003, S. 1. Siehe dazu auch Cranshaw, Einflüsse des europ. Rechts auf das Insolvenzverfahren, S. 282 ff. 593 EuGH, Urt. v. 16.05.2002 – Rs C-482/99, Frankreich gg. Kommission (Stardust Marine) – Slg. 2002 I-4397 = WM 2002, 1756 ff. = EuZW 2002, 468 ff. 594 In Frankreich folgt die Insolvenzunfähigkeit nach den von der Kommission in der Entscheidung vom 16.12.2003 zitierten Rechtsprechung der frz. Gerichte, aaO, Rdnr. 11 und FN 6, aus dem seit Ende des 19. Jahrhunderts anerkannten Grundsatz der Unpfändbarkeit öffentlich-rechtlicher Körperschaften. Das ist grundsätzlich dieselbe Basis, die in Deutschland der Insolvenzunfähigkeit als Unzulässigkeit der „Gesamtvollstreckung“ zugrunde liegt.

139

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

4.

177

Insolvenzunfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts aufgrund Verfassungsrechts

Neben den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die als Gebietskörperschaften bzw. nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO in Verbindung mit Landesrecht insolvenzunfähig sind, stehen solche, deren Insolvenzunfähigkeit sich unmittelbar auf Verfassungsrecht gründet. Parallele Vorschriften im Rundfunkrecht, die die Insolvenzunfähigkeit der Rundfunkanstalten, der einen Gruppe, um die es hier geht, festschreiben (siehe lit. a), scheinen damit im Ergebnis derzeit redundant. a)

Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten

178

Bei der einen Gruppe insolvenzunfähiger öffentlich-rechtlicher Organisationen kraft Verfassungsrechts handelt es sich um die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.595 Die Rundfunkfreiheit nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 GG schließt nach dem Beschluss des 1. Senats des BVerfG vom 05.10.1993 ein Konkursverfahren aus, denn der Staat habe die Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten. Dies gelte auch unter den „gegenwärtigen Bedingungen des dualen Rundfunks“ (d.h. 1993). Ein Konkursverfahren über Rundfunkanstalten sei damit nicht vereinbar, denn es sei nicht ausgeschlossen, dass der Konkursverwalter über den finanziellen Rahmen das Programm bestimme oder doch beeinflusse. Im Hinblick auf die Pflicht der Länder, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch finanziell zu gewährleisten, bestehe kein Bedürfnis nach einem Konkursverfahren. Gegenüber den Arbeitnehmern bestehe ebenfalls eine Einstandspflicht bei Zahlungsunfähigkeit. Diese Situation ist unverändert, die Aufgabe des Insolvenzverwalters würde ebenso wie die des Konkursverwalters auf die Befriedigung der Gläubiger gerichtet sein, die Ziele des § 1 InsO bilden den Rahmen seines Pflichtenkreises.

179

Das BVerwG war 1987 noch der Auffassung, der Konkurs einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt sei nicht unzulässig, ihre Zahlungsunfähigkeit nicht durch den Staat gesichert.596 Sie seien auch nicht mit den Kirchen vergleichbar, bezüglich derer das BVerfG Konkursunfähigkeit angenommen habe.597 Ein Konkurs einer Anstalt hindere die „Grundversorgung“ der Bevölkerung mit „Hörfunk- und Fernsehprogrammen“ nicht, notfalls könne der Staat eine neue Anstalt gründen.598 Dem ist das BVerfG nicht gefolgt. 595 BVerfG, Beschl. v. 05.10.1993 – 1 BvL 35/81, SDR AdöR gg. Verwaltungsberufsgenossenschaft (Vorlage des BSG), Klage gegen die Belastung mit der Konkursausfallgeldumlage nach dem seinerzeitigen § 186c AFG – BVerfGE 89, 144 ff. = NJW 1994, 1466 f. Die Rechtsprechung hat der Senat bestätigt im Beschluss v. 18.04.1994 – 1 BvR 243/87, 1272/89, WDR und ZDF gg. PSV aG – NJW 1994, 2348 = BB 1995, 57 = NVwZ 1994, 1094. Anders noch zum WDR das OVG Münster – Urt. v. 18.06.1990 – 2 A 2842/80 – ZIP 1980, 687 ff. und das BVerwG, Urt. v. 15.01.1987 – 3 C 3.81 – NJW 1987, 3017 ff. In der Literatur war umstritten, ob nach Änderung des EG ZPO durch Art. 2 des Gesetzes v. 20.08.1953 auf Grund der Gesetzgebungskompetenz des Bundes noch Raum für den Ausschluss der Konkursfähigkeit kraft Landesrechts sei, dezidiert verneinend Everhardt/Gaul, BB 1976, 467 ff., soweit nicht Gebietskörperschaften betreffend; ähnlich Herdt, BB 1977, 1357 f.; dagegen Säuberlich, BB 1979, 168–170 und Kleber ZIP 1982, 1299–1301 vor dem Hintergrund von BVerfG, ZIP 1982, 713 ff. 596 BVerwG, Urt. v. 15.01.1987 – 3 C 3.81 – NJW 1097, 3017 ff. 597 Siehe nachfolgend sogleich lit. b.), Rdnr. (181) ff.; BVerwG, aaO, S. 3018. 598 BVerwG, aaO. Die Haltung des BVerwG klingt vor dem Hintergrund der heutigen Situation auf dem Markt der Fernsehanbieter sehr aktuell, zumal, wenn man die kritische Rechtsprechung

140

4. Insolvenzunfähigkeit von juristischen Personen aufgrund Verfassungsrechts

In den Rundfunkstaatsverträgen ist § 12 InsO ebenso wie der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung getragen.599 b)

180

Die Insolvenzunfähigkeit der Kirchen und ihrer Gliedkörperschaften

Eine ganz andere Kategorie insolvenzunfähiger Körperschaften des öffentlichen Rechts stellen die verfassten Kirchen des überkommenen deutschen Staatskirchenrechts dar. Zu ihnen gehören auch diejenigen Körperschaften, die nach Art. 137 Abs. 5 S. 2 WRV 600 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erst verliehen bekommen. Diese stehen ebenso wenig wie die katholischen Bistümer oder die evangelischen Landeskirchen unter der Aufsicht des Staates. Sie lassen sich auch nicht unter § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO subsumieren.

181

Nach zutreffender Rechtsprechung des BVerfG 601 folgt die Konkursunfähigkeit (die Insolvenzunfähigkeit) unmittelbar aus der Befugnis der Kirchen nach Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV, ihre eigenen Angelegenheiten nach ihrem Selbstverständnis unabhängig vom Staat zu ordnen. Der Status als Körperschaften des öffentlichen Rechts beschränkt dies nicht und hat andere Gründe. Das Konkursrecht ist kein für alle geltendes Gesetz im Sinne des Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV. Vielmehr würde der Auftrag der Kirche „in der Welt“ beeinträchtigt, wenn ein Konkursverwalter das kirchliche Vermögen verwalten und darüber verfügen würde. Zudem wurzelt das Interesse der Kirchen an einem Ausschluss des Konkursverfahrens auch in der Glaubensfreiheit des Art. 4 GG. Überdies sei ihnen im Rahmen eines Konkurses bzw. der Vollstreckung so viel an Gegenständen zu belassen, dass sie ihrem Auftrag nachkommen könnten, so dass für die Gläubiger ohnehin wenig Masse bliebe.602 Ferner sei die Wahrscheinlichkeit einer Zahlungsunfähigkeit gering. Aber auch die wirtschaftliche Lage der Kirchen hat sich seit der Entscheidung des BVerfG verschlechtert.

181a

des EuG zur öffentlichen Finanzierung von Fernsehanbietern in anderen Mitgliedstaaten berücksichtigt, siehe z.B. Urt. v. 10.05.2000 – Rs T-46/97, SIC gg. Kommission u.a. – Slg. 2000 II-2125 und Europ. Komm., Entsch. v. 07.11.2001 – NN133/A/01 u.a. – ABl. (EG) C 98 v. 23.04.2002, S. 2 ff. (Verfahrenseinleitung nach Art. 10 III VerfahrensVO 659/99/EG.). 599 Siehe z.B. den Deutschlandradio-Staatsvertrag (1993) der in § 32 die Unzulässigkeit des Insolvenzverfahrens bestimmt nebst dem Zustimmungsgesetz von Schleswig-Holstein v. 23.11.1993, GVOBl. 1993, S. 532 idF v. 30.01.2004, GVOBl. 2004, S. 50 und § 1 Abs. 3 des Gesetzes von Schleswig-Holstein zu dem Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk v. 29.02.1992, GVOBl. 1992, S. 120 idF v. 21.06.2005, GVOBl. 2005, S. 254. Vgl. insgesamt die Zusammenstellung der Insolvenzunfähigkeitsregeln für Rundfunkanstalten bei Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 39 f. Die entsprechende Bestimmung enthält nach der bei Ehricke, aaO, im einzelnen dargestellten Rechtslage regelmäßig § 1 Abs. 3 des jeweiligen Staatsvertrages (Hessischer Rundfunk, MDR, NDR, ORB, SWF, Staatsvertrag der Länder Berlin und Brandenburg). Siehe auch § 32 Abs. 3 Deutschlandradio-Staatsvertrag. Soweit die rundfunkrechtlichen Staatsverträge und landesrechtlichen Gesetze eine entsprechende Vorschrift vermissen lassen, siehe Ehricke, aaO, verbleibt es ohnehin bei der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. 600 Weimarer Reichsverfassung von 1919. 601 BVerfG, Beschl. v. 13.12.1983 – 2 BvL 13 – 15/82, Bistum Rottenburg-Stuttgart, Ev. Kirchenkreis Hildesheim KdÖR bzw. Ev. Gesamtgemeinde Mainz KdöR gg. Verwaltungsberufsgenossenschaft (Vorlage des BSG), Klage gegen die Belastung mit der Konkursausfallgeldumlage nach dem seinerzeitigen § 186c AFG, BVerfGE 66, 1 ff. = NJW 1984, 2401 ff. 602 BVerfG, aaO, C I 2 b) der Gründe.

141

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

181b

Dem ist der Rechtsausschuss des Bundestages bei der Diskussion der InsO gefolgt und hat auf eine Sonderregelung für die Kirchen verzichtet.603

181c

Der gegen die Insolvenzunfähigkeit der kirchlichen Organisationen des öffentlichen Rechts in der Literatur geäußerten Kritik ist nicht zu folgen. Ein eigenverantwortliches Handeln der Kirchen wäre in der Insolvenz nicht mehr denkbar, von der Autonomie würde nichts übrig bleiben.604 Nach der an der Insolvenzunfähigkeit der Kirchen geübten Kritik ergibt sich ein hinlänglicher Schutz bereits aus § 36 InsO iVm 882a ZPO, also durch die Beschränkung der Insolvenzmasse. Mit demselben Argument lässt sich die Insolvenzfähigkeit aller öffentlich-rechtlichen Organisationen begründen. Im Zentrum steht dabei die dem Gesellschaftsrecht entnommene Lehre vom „Verdrängungsbereich“.605 Dieses Konzept geht generell davon aus, die Bereiche von Insolvenzverwalter und öffentlich-rechtlicher Körperschaft könnten voneinander sachgerecht abgegrenzt werden. Die öffentlich-rechtlichen Befugnisse und Aufgaben würden autonom von der insolventen Körperschaft ohne Einflussnahme des Verwalters ausgeübt bzw. erfüllt, während der Verwalter das nicht insolvenzfreie Vermögen verwertet, das zum Zeitpunkt der Insolvenz vorhandene ebenso wie das künftige (§ 35 2. HS InsO).606 Diese Lösung ist außerordentlich weitreichend, wenn man mit Engelsing zu § 882a ZPO 607, der der Begrenzung der Vollstreckungsmasse im Interesse der Erfüllung der öffentlichen – bzw. kirchlichen – Aufgaben dient, zugleich die Auffassung vertritt, Steuern seien im Allgemeinen zedierbar und pfändbar.608 Die §§ 829, 882a Abs. 2 ZPO seien gesetzliche Grundlage für die „Pfändung öffentlich-rechtlicher Ansprüche des Staates“. Ausgenommen seien Finanzzuweisungen aus dem Finanzausgleich; letzterem ist zuzustimmen. In der Hand des Gläubigers – bzw. Insolvenzverwalters wird die öffentlich-rechtliche Forderung ihrer hoheitlichen Rechte oder ihres öffentlich-rechtlichen Charakters entkleidet.609

181d

Da die Kirchensteuer die wesentliche Einnahmequelle der verfassten Kirchen ist, würde in einer einmal vorgestellten Insolvenz der Insolvenzverwalter auf diesen Vermögenswert zugreifen mit der Folge, dass die Aufgabenerfüllung praktisch nicht mehr möglich wäre. Dasselbe gälte, wenn Steuerforderungen der Kommunen dem Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse zur Verfügung stünden.

181e

Die mit diesen Erwägungen verbundene Lehre vom Verdrängungsbereich knüpft an aktienrechtliche Überlegungen an und beleuchtet das aus diesseitiger Sicht völlig andere Thema, welchen Zuständigkeitsbereich in der Insolvenz der AG (oder GmbH) die Gesellschaftsorgane haben. Besonders interessant ist das bei der Eigen603 Kübler/Prütting, InsO, Band I, S. 171 f. zu dem Regierungsentwurf des späteren § 12. 604 Im Ergebnis so wie hier Ehricke, in: Henckel/Gerhardt (Hrsg.), Jaeger, Insolvenzordnung, Großkommentar, § 12 Rdnr. 37 ff. 605 Hirte, aaO, § 12 Rdnr. 14, Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 135, 140, 160 f. 606 Hirte, aaO; Engelsing, aaO, jeweils mwN. 607 Die Bestimmung gilt auch für die kirchlichen Körperschaften des öffentlichen Rechts, siehe Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 882a Rdnr. 7. 608 Engelsing, aaO, S. 74 ff. mwN. 609 Engelsing, aaO; BGH, Urt. v. 18.06.1979 – VII ZR 84/78 – NJW 1979, 2198 f., betreffend den Übergang einer von einem Dritten getilgten Steuerforderung „nach privatrechtlichen Vorschriften“.

142

4. Insolvenzunfähigkeit von juristischen Personen aufgrund Verfassungsrechts

verwaltung nach §§ 270 ff. InsO, inwieweit nämlich die Gremien der insolventen Gesellschaft Kompetenzen gegenüber der Geschäftsführung ausüben können, die ihrerseits der Erfüllung des Insolvenzzwecks (§ 1 InsO !) verpflichtet ist.610 Dieser überlagert die Kompetenzen der Gesellschaftsgremien. In der konkursrechtlichen Literatur unterscheidet Jaeger/Weber die Wirkungskreise des Konkursverwalters und der Vertretungsorgane der Körperschaft. Die Wahrnehmung von Vermögensrechten, mit Ausnahme der Verfügung über freigegebene oder nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögensgegenstände, gehört nicht dazu.611 Die aktienrechtliche Kommentarliteratur unterscheidet eine Funktionstrennung in „Verdrängungs-, Insolvenzschuldner- und Überschneidungsbereich“.612 Der Verdrängungsbereich ist durch die alleinige Rechtsmacht des Verwalters gekennzeichnet (§ 80 InsO). Mit anderen Worten blieben bei Anwendung dieser Erwägungen der Körperschaft nur die vom Insolvenzbeschlag freien Vermögensgegenstände, zu denen die Steuern wohl nicht gehören würden. Die für völlig andere Konstellationen entwickelte Lehre von den Wirkungskreisen (bzw. dem Verdrängungsbereich) ist vorliegend abzulehnen, denn der kirchlichen öffentlich-rechtlichen Körperschaft oder der Kommune bliebe für die Erfüllung ihrer öffentlichen bzw. kirchlichen Aufgaben faktisch kein Wirkungskreis. Das ist – bei den Kirchen – weder mit Art. 4 noch mit Art. 140 GG iVm 137 ff./137 Abs. 3 WRV vereinbar.613 Bei den Kommunen würde die Selbstverwaltung faktisch ausgehebelt.

181f

Zum Teil bestehen insbesondere für die Zukunft absehbare nicht geringe wirtschaftliche Probleme der Großkirchen.614 Dennoch: An den tragenden Gründen der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung hat sich nichts geändert. Auch bei einer Eigenverwaltung nach §§ 270 ff. InsO ist doch das Verfahren auf die Befriedigung der Gläubiger ausgerichtet und gerade bei Sanierung über einen Insolvenzplan deren Disposition unterworfen („Gläubigerautonomie“). Das ist wiederum nicht mit dem aus Art. 4, 140 GG, 137 WRV folgenden geschützten Interesse der Kirchen und ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationen an kirchlicher Autonomie vereinbar.615

181g

610 Siehe Cranshaw, Einflüsse des europäischen Rechts . . ., S. 1399–1401. 611 Jaeger/Weber, Konkursordnung, Band 2/2, 8. Aufl. 1973, § 208 Rdnr. 28 ff. 612 Hüffer, Aktiengesetz, Kommentar, § 264 Rdnr. 10. 613 So auch Kübler/Prütting, § 12 Rdnr. 7; die Auffassung von Hirte, aaO, ist daher entgegen der Auffassung von Kind, in: Braun, InsO, Kommentar, § 13 Rdnr. 19, Fn 4 keineswegs überzeugend. 614 Vgl. in jüngster Zeit die Äußerung aus dem Rat der EKD zum Risiko „in wenigen Jahren“ möglicher „faktischer Gestaltungsunfähigkeit“; FAZ v. 06.07.2006, S. 1 f. und aus dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ Ziff. 10 zu den finanziellen Herausforderungen der Zukunft; auszugsweise Abdruck in der FAZ, aaO, S. 7. Aus den kath. Bistümern ist die Sanierung des Erzbistums Berlin erforderlich und in die Wege geleitet worden. Eine Landeskirche hat ebenfalls jüngst eine „dramatische Finanzsituation“ (FAZ) gezeigt, es wurde davon gesprochen, man müsse die Kirche „auf allen Ebenen zurückbauen“, siehe FAZ v. 23.06.2006, S. 1 zur Landeskirche in Westfalen. Auch bei den von der Kirchensteuer abhängigen kirchlichen Haushalten schlagen sich wie bei den staatlichen Arbeitsmarktlage, demographische Entwicklung und die wirtschaftliche Situation nieder, wozu noch bekanntermaßen die Thematik der in den letzten Jahrzehnten erheblichen Kirchenaustritte hinzuzurechnen ist. Nicht zu verkennen ist auch, dass die Senkung der Einkommensteuern sich unmittelbar proportional auf die Kirchensteuern ausgewirkt hat, ein Einnahmenausfall, der von den Kirchen mangels der Möglichkeit, indirekte Steuern zu erhöhen oder andere zu erheben, nicht einmal gemindert werden kann. 615 Zur Diskussion über die Frage der res sacrae, die für den kirchlichen pastoralen Auftrag

143

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

182

Bedient sich die Kirche zur Erfüllung ihrer Aufgaben „in der Welt“, typischer Weise zunehmend im Erziehungs- , Schul- und Krankenhauswesen, der Rechtsformen des privaten Rechts, etwa ein katholisches Bistum einer regionalen Caritas Trägergesellschaft mbH, dann hat sie auf die Insolvenzunfähigkeit verzichtet, die betreffende Gesellschaft ist nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen insolvenzfähig; zur Ausgliederung siehe Fn. 615.616 5.

Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen Bund, Länder und Kommunen sowie gegen andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, §§ 15 Nr. 3 EG ZPO, 882a ZPO

a)

Das System der Regelwerke, das die Einzelzwangsvollstreckung beschränkt

183

Leitet man die Insolvenzunfähigkeit aus einem grundsätzlichen Verbot oder der Beschränkung der Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens der öffentlichen Verwaltung ab, folgt hieraus auch ohne weiteres die Beschränkung der Einzelzwangsvollstreckung.

184

In Deutschland wird dies durch § 15 Nr.3 EG ZPO in Verbindung mit landesrechtlichen Bestimmungen (Kommunen und Kommunalverbände betreffend) und § 882a ZPO (Bund und Länder sowie sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts) bewirkt, die ein abgestimmtes Regelwerk darstellen und die Vollstreckung in einem geordneten Verfahren in begrenztem Umfang ermöglichen. b)

Die Zwangsvollstreckung gegen Bund, Länder und juristische Personen des öffentlichen Rechts nach § 882a ZPO

185

§ 882a Abs. 1, 2 ZPO beschränkt die Vollstreckung von Geldforderungen gegen Bund und Länder, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Anwendungsbereich der Vorschrift sind allein Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen privatrechtlicher Geldforderungen aus Titeln nach der ZPO und nach dem ArbGG, §§ 704, 803–882a ZPO.617

185a

Neben der Vollstreckung aus Titeln nach der ZPO bzw. solchen der Arbeitsgerichte stehen solche der Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte, die nach den dortigen Bestimmungen vollstreckt werden – auch gegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, z.B. nach § 170 VwGO.618

erforderlich und der res circa sacra (BVerfG, aaO), die für die Erfüllung der kirchlichen Sendung in der Gesellschaft unverzichtbar sind, vgl. von Campenhausen, Staatskirchenrecht, 3. Aufl., 1996, S. 300 ff. Mit der Ausgliederung von öffentlich-rechtlichem Vermögen in eine Gesellschaft des privaten Rechts hat die Kirche dieses entwidmet, woraus wieder Insolvenzfähigkeit der entsprechenden Rechtsträger folgt. Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung mag offen bleiben, inwieweit die Kirchenverträge und Konkordate, die jedenfalls mit dem Heiligen Stuhl auch völkerrechtlich verbindlich sind, eigenständige Bedeutung für die Insolvenzunfähigkeit der kirchlichen Teilglieder haben; diese wäre nicht einmal durch den europäischen Gesetzgeber angreifbar. 616 Siehe auch Hirte, aaO, Rdnr. 15. 617 Vgl. Thomas/Putzo, ZPO, § 704 Vorbem. IV Rdnr. 14 f. 618 Vgl. zu § 170 VwGO die eingehende Darstellung bei Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 107 ff.

144

5. Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

Ferner findet die Einzelvollstreckung gegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die Gebietskörperschaften im Rahmen und nach Maßgabe des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Bund) und der Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze statt. Der Anwendungsbereich dieser Gesetze betrifft im vorliegenden Zusammenhang die Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Zahlungsansprüche. Hier haben die entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften ihren Anwendungsbereich und ihre Berechtigung. Soweit der Landesgesetzgeber redundant generell Vollstreckungsvoraussetzungen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts (Ausnahme: Gemeinden und Gemeindeverbände) regeln wollte, stünde dem § 882a ZPO entgegen.

185b

Nach § 882a Abs. 1 ZPO erhält der Schuldner zunächst eine Wartefrist von vier Wochen, denn der Gläubiger muss der zur „Vertretung des Schuldners“ zuständigen Behörde bzw. dem Finanzminister (wenn in Vermögenswerte des Schuldners vollstreckt werden soll, die eine andere Behörde verwaltet), vorab die Absicht der Vollstreckung anzeigen und danach den Ablauf der Frist abwarten. Bei Fristbeginn müssen alle sonstigen Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, der Titel muss jedoch noch nicht zugestellt sein (arg. e §§ 750 Abs. 1, 845 Abs. 1 Satz 3 ZPO).619

185c

Ziel ist es, dem Vollstreckungsschuldner zu ermöglichen, Maßnahmen zur Sicherstellung der Erfüllung der ihm obliegenden öffentlichen Aufgaben zu treffen und die (Haushalts)Mittel zu beschaffen, um ohne Zwangsvollstreckung freiwillig leisten zu können.620

185d

Eine darüber hinausgehende materielle Vollstreckungsbeschränkung enthält § 882a Abs. 2 ZPO, der die Zwangsvollstreckung in Sachen 621 (nicht jedoch in Forderungen und Rechte) nach § 808 Abs. 2 ZPO für unzulässig erklärt, die für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben entweder unentbehrlich sind oder – wesentlich weiter – deren Veräußerung als Folge der Vollstreckung „ein“ öffentliches Interesse entgegensteht. Ob die Voraussetzungen vorliegen, entscheidet das Vollstreckungsgericht im

186

619 Siehe Stöber, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2003, § 882a Rdnr. 3. 620 Becker, in: Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 882a Rdnr. 1 mwN; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 10.12.1998 – 2 BvR 1516/93, Zwangsvollstreckung gegen ein Bundesland aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des BVerfG, NJW 1999, 778 f., offen bleibt, ob die Frist des § 882a ZPO bzw. § 170 VwGO analog anwendbar sei, nötig ist aber eine hinreichende Frist. Die Entscheidung BVerfG, Beschl. v. 05.03.1991 – 1 BvR 440/83, Vollstreckung gegen die Bundesrepublik aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des BVerfG – NJW 1991, 2758 f., fordert eine angemessene Frist zur freiwilligen Erbringung der Leistung, die auf sechs Wochen festgelegt wurde und die der Beschluss u.a. damit begründet, bei streitigen Forderungen stünden oft keine Haushaltsmittel zur Verfügung, so dass außerplanmäßige Mittel bereits gestellt werden müssten und dies könne „einige Wochen“ dauern. Der Beschluss ist nicht überzeugend, sechs Wochen sind sicher deutlich zu lang; zu erinnern ist, dass die privatrechtliche Körperschaft in Prozessen nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung handelsrechtlich Rückstellungen bilden wird, denen eben im Haushaltsrecht eine Aufnahme im Haushaltsplan entsprechen würde. Mit der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in der Kommunalverwaltung dürfte sich dieses Problem bei den Kommunen erledigen, siehe Kapitel VI 5a), Rdnr. (322) ff. 621 Vgl. zum Umfang der Vollstreckung auch Loh/Wimmer, Aktuelle Fragen bei der Vergabe von Kommunalkrediten, WM 1996, 1941 ff./1942 f., zugleich im Vergleich zum gemeinderechtlichen Vollstreckungsschutz. Siehe auch Cromme, Vollstreckung gegen illiquide Gemeinden aus Kommunalkrediten und DDR-Altschulden, ZBB 1996, 231 ff.

145

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

Erinnerungsverfahren nach Anhörung des zuständigen Ministers, wiederum ein etwas anderer Verfahrensschritt, denn das ist nicht notwendig das Finanzministerium. Im Instanzenzug ist dann wie stets im Erinnerungsverfahren gegen den Beschluss des Vollstreckungsgerichts die sofortige Beschwerde (§ 793 ZPO) zulässig bzw. die Rechtsbeschwerde, soweit sie zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO); die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache bzw. das Erfordernis der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung als Voraussetzung der Zulassung der Rechtsbeschwerde dürfte in dergleichen Vollstreckungen regelmäßig gegeben sein. Der Streit wird sich angesichts der weiten Fassung des § 882a ZPO stets daran entzünden, ob Unentbehrlichkeit des Gegenstandes der Pfändung oder ein öffentliches Interesse an der Nichtveräußerung der jeweiligen Sache besteht.622 Mit einer Literaturmeinung ist festzustellen, dass mit der 2. Alternative (entgegenstehendes öffentliches Interesse) nicht das Vollstreckungsrecht des Gläubigers ausgehebelt werden darf.623 Andererseits ist das Gegenbeispiel der Beteiligung der öffentlichen Hand an einem notleidenden Unternehmen, in die im öffentlichen Interesse nicht vollstreckt werden soll, um die dortigen Arbeitsplätze nicht zu gefährden, nicht „einschlägig“.624 Ein so verstandenes öffentliches Interesse wäre bereits konturenlos und würde die Gläubigerrechte zur Vollstreckung vereiteln. § 882a Abs. 2 ZPO ist jedoch auf die Pfändung einer Beteiligung schon nicht anwendbar, da dort nur die Unpfändbarkeit von Sachen geregelt ist, nicht jedoch eines Konglomerats von Vermögens- und Mitgliedschaftsrechten, wie sie eine Unternehmensbeteiligung vermittelt. Anders wäre dies nur bei der Pfändung von Aktien.

187

Die vorstehenden Vollstreckungsbeschränkungen oder Verfahrenshemmnisse erstreckt § 882a Abs. 3 ZPO auf alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, unabhängig, ob sie der Aufsicht der Länder unterliegen, mit Ausnahme öffentlich-rechtlicher Kreditinstitute (§ 882a Abs. 3 S. 2 ZPO), jedoch mit Ausnahme der Kommunen.

188

Unter § 882a ZPO fallen auch Vollstreckungsmaßnahmen gegen kirchliche juristische Personen des öffentlichen Rechts 625, wobei der gesetzliche Vertreter an die Stelle der Behörde bzw. des Ministers tritt.626 c)

189

Die Vollstreckung gegen Gemeinden und Gemeindeverbände 627

Die Vollstreckung gegen Gemeinden und Gemeindeverbände nach den landesrechtlichen Vorschriften unterliegt materiell ähnlichen Vollstreckungsbeschränkungen,

622 Vgl. hierzu die eingehende Darstellung bei Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 57 ff. 623 Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 66. 624 Engelsing, aaO, S. 66. 625 Der Wortlaut des § 882a ZPO nimmt sie nicht aus, das BVerfG ist in seinem Beschl. v. 13.12.1983 – 2 BvL 13–15/82, s.o., NJW 1984, 2401 ff./2402 von der Anwendung der Bestimmung ausgegangen. 626 Stöber, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl. 2002/26. Aufl. 2007, § 882 Rdnr. 7. 627 Siehe aus der Literatur Cromme, Vollstreckung gegen illiquide Gemeinden aus Kommunalkrediten und DDR-Altschulden, ZBB 1996, 231 ff. sowie Loh/Wimmer, Aktuelle Fragen bei der Vergabe von Kommunalkrediten, WM 1996, 1941 ff. Vgl. hierzu auch die Übersicht in Anhang II

146

5. Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

wie sie in § 882a ZPO geregelt sind (siehe hierzu sogleich lit. bb). Für Details wird ergänzend auf Anhang II verwiesen. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich auf die Gemeinden, da die Landesgesetze für die Landkreise und sonstigen kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften weitgehend auf die Gemeindeordnungen verweisen bzw. die Landkreisordnungen identische Regelungen enthalten. aa)

Formelle Voraussetzungen der Vollstreckung

Formell bedarf die Vollstreckung in fast allen Flächenbundesländern der Zulassungsverfügung 628 der Aufsichtsbehörde, ein Verwaltungsakt, gegen den der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Sowohl Gemeinde als auch Gläubiger können gegen die Verfügung im Wege der Anfechtungsklage vorgehen. Die Gemeinde muss einwenden, durch die Gestattung der Vollstreckung in ihrem Selbstverwaltungsrecht betroffen zu sein (Art. 28 Abs. 2 GG, § 42 Abs. 2 VwGO). Es entsteht also bei der Vollstreckung gegen Gebietskörperschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts wegen Geldforderungen ein gespaltener Rechtsweg. Die Zulassungsverfügung entspricht überkommenem Recht und war wie die Anordnung der Insolvenzunfähigkeit in der Deutschen Gemeindeordnung enthalten (§ 116 Abs. 1).

190

Die in weiten Passagen im Wortlaut fast übereinstimmenden Regelungen mit einigen landesspezifischen Unterschieden ermöglichen die Einzelvollstreckung unter folgenden Voraussetzungen:

191

a) Es bedarf einer Zulassungsverfügung der Kommunalaufsichtsbehörde, soweit nicht die Verfolgung dinglicher Rechte des Gläubigers betroffen ist. Damit wird z.B. die rechtswirksam bestellte Grundschuld an kommunalem Vermögen wie stets nach dem ZVG verwertet, ggf. nach vorheriger Duldungsklage nach §§1192, 1147 BGB, einer Mitwirkung der Aufsichtsbehörde bedarf es nicht. b) Die Zulassungsverfügung muss den Vermögensgegenstand bezeichnen, in den die Zwangsvollstreckung zugelassen wird und den Zeitpunkt der Vollstreckung bestimmen. Das Vollstreckungsverfahren richtet sich im Übrigen nach der Zivilprozessordnung. Dies entspricht inhaltlich § 116 Abs. 1 der vormaligen deutschen Gemeindeordnung.

mit den Angaben der gesetzlichen Bestimmungen der Bundesländer über die Einzelzwangsvollstreckung. In den Stadtstaaten spielt die hier behandelte Thematik mangels selbstständiger Gemeinden keine Rolle, die Vollstreckung richtet sich in diesen Fällen gegen das Bundesland. Das gilt auch für Bremen, da zwar die Städte Bremen und Bremerhaven jeweils Gemeinden des bremischen Staates sind, aber die „Freie Hansestadt Bremen . . . einen aus den Gemeinden Bremen und Bremerhaven zusammengesetzten Gemeindeverband höherer Ordnung bildet“ (Art. 143 Abs. 2 Landesverfassung). 628 Baden-Württemberg: § 127 GemO; Brandenburg: § 129 Abs. 1 GO; Mecklenburg-Vorpommern: § 62 Abs. 1 KV M-V; Niedersachsen: § 136 Abs. 1 NGO; Nordrhein-Westfalen: § 128 Abs. 1 GO NW; Rheinland-Pfalz: § 128 GemO; Saarland: § 138 Abs. 1 KSVG; Sachsen-Anhalt: § 143 GO LSA; Sachsen: § 122 SächsGO; Schleswig-Holstein: § 131 Abs. 1 GO; Thüringen: § 69 Abs. 1 ThürKO; Engelsing, aaO, S. 87 geht (1999) für Thüringen noch wie in Bayern (Art. 77 GO) davon aus, dass lediglich die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Titels an die Aufsichtsbehörde erforderlich ist. Siehe auch Gummer/Heßler, in: Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 15 EG ZPO Rdnr. 4.

147

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

191a

Eine typische Bestimmung ist diejenige des § 131 Abs. 1 GO Schleswig-Holstein 629 mit folgender Formulierung: „ § 131 Zwangsvollstreckung und Insolvenz 630 (1) Zur Einleitung der Zwangsvollstreckung gegen die Gemeinden wegen einer Geldforderung bedarf die Gläubigerin oder der Gläubiger einer Zulassung der Kommunalaufsichtsbehörde, es sei denn, dass es sich um die Verfolgung dinglicher Rechte handelt. In der Verfügung hat die Kommunalaufsichtsbehörde die Vermögensgegenstände zu bezeichnen, in welche die Zwangsvollstreckung zugelassen wird, und über den Zeitpunkt zu befinden, in dem sie stattfinden soll. Die Zwangsvollstreckung wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchgeführt. (2) ...“.

192

Ausnahmen von dem Erfordernis der Zulassungsverfügung als Vollstreckungsvoraussetzung bestehen in Bayern und Hessen:

192a

Die bayerische Gemeindeordnung 6 31 fordert vor der Einleitung der Vollstreckung lediglich die Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Titels an die Rechtsaufsichtsbehörde und eine Frist von einem Monat nach der Zustellung, bevor die Vollstreckung beginnen darf. Das entspricht im wesentlichen dem Konzept des § 882a ZPO mit dem Unterschied der Monats- statt der Vierwochenfrist des § 882a ZPO.

192b

Hessen hat seine frühere Bestimmung über das Erfordernis einer Zulassungsverfügung in der Gemeindeordnung (§ 146 Abs. 1 Hessische Gemeindeordnung a.F.) 2002 aufgehoben 632 und es bei der entsprechenden Regelung des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts bewenden lassen. Die mit den oben dargestellten Landesrechten bis dahin übereinstimmenden Bestimmungen in § 26 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HessVwVG wurden 2003 gegen das Votum des Städte- und Gemeindebundes aufgehoben, u.a. mit der etwas merkwürdigen Begründung, der Wegfall der Zulassungsverfügung könne zu früherer Erfüllung ohne Vollstreckung beitragen und damit dem Rechtsfrieden dienen.633

192c

Damit sind Bayern und Hessen diejenigen Bundesländer, die Einzelvollstreckungen gegen die ihrer Aufsicht unterliegenden Kommunen und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts erleichtert haben. Dennoch geht aus diesseitiger Sicht die hessische und die bayerische Regelung inhaltlich nur wenig über die der anderen Bundesländer hinaus. Hebt der Landesgesetzgeber die in seiner Kompe-

629 IdF v. 20.02.2003, GVOBl. 2003, S. 57, s.o. 630 Fast identisch sind die Formulierungen in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und im Saarland. 631 Art. 77 Abs. 1 Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern idF d. Bekanntmachung v. 22.08.1998, GVBl. 1998, S. 797 ff. mit den Änderungen bis zum Gesetz v. 24.12.2005, GVBl. 2005, S. 686. 632 Art. 23 des Ersten Gesetzes zur Verwaltungsstrukturreform v. 20.06.2002, GVBl. I 2002, S. 342 ff. 633 Fünftes Gesetz zur Änderung des Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes v. 23.09.2003, GVBl. I 2003, S. 268 ff.; Hessischer Landtag, Drs. 16/177, S. 5, 10, 12, 17.

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5. Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

tenz liegende Vollstreckungsbeschränkung nach § 15 Nr. 3 EG ZPO auf oder füllt er sie nicht aus, finden über § 882a Abs. 3 Satz 1 ZPO (analog) die Einschränkungen der Vollstreckung nach § 882a Abs. 1 und 2 ZPO Anwendung. bb)

Materielle Voraussetzungen der Vollstreckung, „Schuldnerschutzvorschriften“

In einer Reihe von Flächenbundesländern wird zudem angeordnet, dass die Aufsichtsbehörde die Verfügung zu erlassen hat, aber zugleich darauf achten muss, nicht die Zwangsvollstreckung in Vermögensgegenstände anzuordnen, die für die Aufgabenerfüllung unentbehrlich sind bzw. deren Veräußerung dem öffentlichen Interesse widerstreitet. Neben den formellen Vollstreckungsvoraussetzungen stehen daher materielle Schuldnerschutzvorschriften.

193

So etwa formuliert § 136 Abs. 1 Satz 2 und 3 Niedersächsische Gemeindeordnung (Auszug): 634

193a

„... Die Kommunalaufsichtsbehörde hat die Zulassungsverfügung zu erteilen, in ihr die Vermögensgegenstände zu bestimmen ... Die Zulassung der Zwangsvollstreckung in solche Vermögensgegenstände, die für den geordneten Gang der Verwaltung oder für die Versorgung der Bevölkerung unentbehrlich sind, sowie in Vermögensgegenstände, die durch Stiftungsakt zweckgebunden sind, ist ausgeschlossen. Die Zwangsvollstreckung wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchgeführt.“ 635 Ausdrückliche Bestimmungen existieren außer in Niedersachsen ferner in den Ländern • Brandenburg (§ 129 Abs. 1 Satz 2 GO) In der Literatur wurde am Beispiel des brandenburgischen Rechts in Verbindung mit Art. 28 Abs. 2 GG ein sehr weitgehender Vollstreckungsschutz angenommen, der sich danach im Ergebnis u.a. auf Geldforderungen und Kassenguthaben erstreckt: 636 Da die Zulassungsverfügung dem Zweck dient, die Daseinsvorsorge durch Vollstreckungsmaßnahmen nicht zu gefährden, ist nach dieser Auffassung auch das Finanzvermögen schützenswert, soweit es für Investitionen und laufende Ausgaben erforderlich ist.637 Die Pfändung von Steuerforderungen wird infolge der kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften (iVm der Abgabenordnung) verneint.638 • Rheinland-Pfalz (§ 128 Satz 3 GemO) • Sachsen (§ 122 Abs. 2 SächsGemO) Die sächsische Gesetzeslage ist dadurch gekennzeichnet, dass die Zulassung erfolgen muss, wenn nicht Vermögensgegenstände betroffen sind, die „für die Erfüllung von Pflichtaufgaben unentbehrlich sind oder deren Veräußerung ein öffent634 IdF v. 22.08.1996, GVBl. 1996, S. 382, s.o. 635 Ganz ähnliche Regelungen haben Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. 636 Cromme, Vollstreckung gegen illiquide Gemeinden aus Kommunalkrediten und DDR-Altschulden, ZBB 1996, 231 ff./231. 637 Cromme, aaO. 638 Cromme, aaO.

149

193b

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

193c

193d

liches Interesse entgegensteht.“ 639 Damit gehören alle Gegenstände, die der Erfüllung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben dienen, generell nicht zu dem vor der Vollstreckung geschützten Bereich, jedenfalls nicht nach der 1. Alternative des § 122 Abs. 2 SächsGemO. Freilich kann gegen deren Verwertung die 2. Alternative der Bestimmung sprechen (entgegenstehendes öffentliches Interesse), wobei angesichts der gesetzlichen Regelung das Problem aber nicht dadurch umgangen werden kann, dass man stets die 2. Alternative bejaht, sollte die erste nicht greifen. Soweit hier ein Unterschied zu den anderen Landesrechten besteht, wäre das ein weitgehender Eingriff in das kommunale Vermögen bzw. eine erweiterte Vollstreckungsmöglichkeit für die Gläubiger. Zugleich wäre damit in einer einmal gedachten Insolvenz eine deutliche Mehrung der Insolvenzmasse verbunden (vgl. § 36 Abs. 1 InsO) oder – anders betrachtet – eine umfangreiche Liquidation kommunalen Vermögens. Dies könnte wiederum zur Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung führen. Die Möglichkeit der vollständigen Liquidation der Vermögenswerte, die der Erfüllung der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben dienen, schließt die Fortführung derartiger Aufgaben begrifflich aus. Damit wäre der Kernbereich der Selbstverwaltung verletzt, wie sich aus der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zur Finanzierung der Gemeinden ergibt.640 • Sachsen-Anhalt (§ 143 Satz 3 GO LSA) • und Thüringen (§ 69 Abs. 1 Satz 3 ThürKO). Materiell hat die Zulassungsbehörde eine Interessenabwägung zwischen dem Vollstreckungsinteresse des Gläubigers und demjenigen der Gemeinde vorzunehmen, die genügend Zeit benötigt, freiwillig zu leisten oder sich sonst im Interesse ihrer Aufgabenerfüllung auf die Vollstreckung einzustellen, z.B. durch Darlegung der unentbehrlichen Gegenstände oder solcher, deren Verwertung dem öffentlichen Interesse entgegensteht.641 In der Praxis wird es darum gehen, in einer derartigen Haushaltsnotlage, die die Vollstreckung unvermeidbar macht, Zuschüsse zu bekommen oder Zeit, sich für die zu veräußernden Sachen möglichst Ersatz zu beschaffen.642 Die Aufsichtsbehörde kann freilich nicht die Vollstreckung gänzlich versagen, denn der Gläubiger hat einen Rechtsanspruch auf die Erteilung der Verfügung.643 Unentbehrlich im Sinne der landesrechtlichen Vorschriften und des § 882a ZPO sind auf jeden Fall die Gegenstände, die dem Verwaltungsvermögen angehören, d.h. unmittelbar der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Kommune dienen.644 Anders ist dies bei den der Aufgabenerfüllung nur mittelbar dienenden Gegenständen des Finanzvermögens.645 Es ist evident, dass der Wandel des Verständnisses 639 Vgl. dazu Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 98 f. 640 Vgl. oben Kapitel II 3 a bb), Rdnr. (43) ff. 641 Vgl. Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 9. Aufl. 2005, Rdnr. 386. 642 Gern, aaO, Rdnr. 387. 643 Gern, aaO, Rdnr. 387 mwN. 644 Zu § 882a ZPO vgl. Becker, in: Musielak, ZPO, 4. Aufl. 2005, § 882a Rdnr. 3 ff. 645 Vgl. zur Differenzierung Richter, Kommunales Vermögen und seine Verwaltung, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 38 Rdnr. 8 ff.; vgl. zu der Begrifflichkeit und dem Wandel die Darstellung bei Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, § 20 S. 376 u. Fn. 2 sowie den Hinweis bei Richter, aaO, Fn 10.

150

5. Die Beschränkung von Einzelvollstreckungsmaßnahmen

von eigener kommunaler Infrastruktur auch die Frage tangiert, was zum Verwaltungsvermögen gehört und was nicht. Das „Outsourcing“ von Aufgaben eröffnet den Vollstreckungszugriff auf die privatrechtlich organisierte Gesellschaft ebenso wie das geänderte Verständnis dessen, was die öffentliche Hand selbst im Zusammenhang mit der Daseinsvorsorge zu leisten habe. Anders formuliert: Der ggf. durch Haushaltsprobleme diktierte Rückzug aus kommunalen („öffentlich-rechtlichen“) Infrastrukturen kann die Kommune nachhaltig von Verbindlichkeiten entlasten, ihren Finanzierungsbedarf vermindern, ihre (abstrakten) Vollstreckungsrisiken reduzieren. Umgekehrt wird auch ihr Aktivvermögen abnehmen. Des weiteren dürfte eine Verschiebung vom Verwaltungsvermögen auf das Finanzvermögen stattfinden, was wiederum die potentielle Möglichkeit des Vollstreckungszugriffs der Gläubiger verbessert und den finanziellen Handlungsspielraum der Körperschaft erweitern mag.

193e

Diejenigen Bundesländer ohne ausdrückliche Regelung über den Schuldnerschutz haben aber bestimmt, dass die Aufsichtsbehörde den Gegenstand der Vollstreckung festlegt 646 (Baden-Württemberg, § 127 GO; Mecklenburg-Vorpommern, § 62 KV M-V; Nordrhein-Westfalen (§ 128 GO); Saarland (§ 138 KSVG) und Schleswig-Holstein (§ 131 GO).

193f

Baden-Württemberg hat das behördliche Ermessen im Erlasswege in einer Verwaltungsvorschrift zur Gemeindeordnung gebunden.647

193g

Am baden-württembergischen Landesrecht zeigt sich paradigmatisch, dass eben das Fehlen eingehenderer inhaltlicher Bestimmungen zum Vollstreckungsschutz nicht dazu führt, dass ein solcher landesrechtlich nicht besteht, sondern nur, dass die Aufsichtsbehörden pflichtgemäß zwischen den berechtigten Belangen des Titelgläubigers und denen der Schuldnerkommune entscheiden müssen. Weder gibt es ein „im Zweifel für die Gemeinde“ noch stets „automatisch“ die Zulassung der Vollstreckung. Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist die Prüfung, ob der Ablauf der Verwaltung oder die Versorgung der Bevölkerung „beeinträchtigt“ werden.648 „Beeinträchtigung“ bedeutet Gefährdung.649 Die zitierte ältere Verwaltungsvorschrift weist die Behörden ausdrücklich an, „eine Zwangsvollstreckung in solche Vermögensgegenstände nicht zuzulassen, die für eine ordnungsgemäße Verwaltung oder für die Versorgung der Bevölkerung unentbehrlich sind.“ 650 Die Aufsichtsbehörde kann sogar dem Gläubiger Gegenstände der Zwangsvollstreckung benennen, sollte er in seinem Antrag auf Erlass der Zulassungsverfügung etwa in einen ungeeigneten Gegenstand vollstrecken wollen.

646 Zur Festlegung des Vollstreckungsgegenstandes siehe VV Nr. 2 zu § 127 GemO Baden-Württemberg, vgl. die nächste FN. 647 Die Verwaltungsvorschrift (VwV) zu § 127 GemO ist abgedruckt bei Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, LBl., vor den Erläuterungen zu § 127 GO, Stand der Bearb.: Februar 1989. 648 Kunze/Bronner/Katz, aaO, Rdnr. 7. 649 Kunze/Bronner/Katz, aaO, Rdnr. 8. 650 Kunze/Bronner/Katz, aaO, Ziff. 2 VwV GemO.

151

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

193h

Bei ihrer Entscheidung steht der Behörde ein weiter (gerichtlich überprüfbarer) Beurteilungsspielraum zur Seite.651 Die Durchführung der Vollstreckung ist erst zulässig oder umgekehrt untersagt, wenn bestandskräftig über ihre Zulassung entschieden ist. Die Kommune ebenso wie der Gläubiger können den Verwaltungsrechtsweg ausschöpfen einschließlich der Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes (siehe hierzu § 80 VwGO). Daher ist die Verfügung der Kommune als auch den Gläubigern, die sie beantragt haben, förmlich nach den Vorschriften über die Verwaltungszustellung zuzustellen und eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Es ist zu vermuten, dass in der Praxis aufgrund der möglichen Verfahrensdauer die Verwaltungsstreitsache schließlich in der Hauptsache erledigt sein wird (vgl. § 161 VwGO), weil die Gebietskörperschaft bezahlt haben wird.

193i

Schon die frühe verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat zutreffend herausgearbeitet, dass Sinn der Zulassungsverfügung ist, „den Vorrang unverzichtbarer öffentlicher Interessen zu gewährleisten“.652 Daneben stehen der Kommune gegen die Vollstreckung aus dem Titel die Schutzmechanismen des Zivilprozessrechts zur Seite, z.B. die Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO, wenn die zugrunde liegende Forderung erloschen ist.653

193j

Fehlt es an vollstreckbaren Gegenständen, muss die Behörde die Zulassung versagen. Gleichzeitig treten weitere Mechanismen ein. Die Aufsichtsbehörde wird aufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Kommune erwägen und auf ein Haushaltsnotlagenregime drängen. Des weiteren wird zu prüfen sein, inwieweit die Kommune staatliche Finanzausgleichsleistungen, ggf. aus einem Sonderfonds, erhalten kann.654 Können die Gläubiger nicht sämtlich befriedigt werden, geht die Kommentarliteratur von deren gleichmäßiger (d.h. zunächst nur quotaler) Befriedigung aus, die die Aufsichtsbehörde durch die Zulassungsverfügung ermöglicht.655 Die erwähnte VwV verpflichtet die Aufsichtsbehörde „durch entsprechende Gestaltung für eine möglichst gleichmäßige anteilige Befriedigung aller Gläubiger zu sorgen.“ 656 Eine Schuldbefreiung ist damit allerdings nicht verbunden.

193k

Vor diesem Hintergrund ist die Rechtslage in Sachsen zunächst nicht anders als in Baden-Württemberg, dessen Kommunalrecht wie in Sachsen von einer monistischen Aufgabenstruktur geprägt ist. Die Formulierung des „Wirkungskreises“ (§ 2 GemO BW) bzw. der „Aufgaben der Gemeinde“ (§ 2 SächsGemO) ist in den Absätzen 2 und 3 dieser Bestimmungen fast identisch, Absatz 1 der jeweiligen Vorschrift ist inhaltlich deckungsgleich. Damit können die Überlegungen zur Rechtslage in Baden-Württemberg für die Beurteilung des sächsischen Gemeinderechts herangezogen werden. Zudem fordert § 2 Abs. 1 SächsGemO von den Kommunen, die „erforderlichen öffentlichen Einrichtungen“ für das „soziale, kulturelle und wirtschaftliche Wohl ihrer Einwohner“ zu schaffen. Damit scheint der Vollstreckung in

651 652 653 654 655 656

152

Kunze/Bronner/Katz, aaO, Rdnr. 10 f. Zu § 127 GemO BW, VG Freiburg, Urt. v. 10.10.1957 – IV 216/57 – BWVBl. 1958, 127. VG Freiburg, aaO. Kunze/Bronner/Katz, aaO, Rdnr. 8aE. Kunze/Bronner/Katz, aaO, Rdnr. 11. Kunze/Bronner/Katz, aaO, Ziff. 3 VwV GemO.

6. Zusammenfassung

Bibliotheken, Schwimmbäder, Altenheime usw.657 doch tendenziell dieselbe Grenze gesetzt, wie sie oben für das baden-württembergische Recht umrissen worden ist. Offen scheint ferner, wie sich der kommunalrechtliche Schuldnerschutz darstellt, wenn es an dem Erfordernis einer Zulassungsverfügung wie in Bayern und Hessen fehlt, wenn man die Kommune dadurch geradezu anhalten will, ihre Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen, um die Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Damit ist allerdings nicht der Verzicht auf jeglichen Schuldnerschutz verbunden. Vielmehr ist in diesen Fällen § 882a ZPO heranzuziehen, da der Landesgesetzgeber auf seine Prärogative der Gestaltung der Vollstreckung gegen die Kommunen gem. § 15 Nr. 3 EG ZPO verzichtet hat. Das ist auch deshalb richtig, weil der Schutz durch § 882a ZPO geringer ist als durch die kommunalrechtlichen Vorschriften (s.o.). Bei Forderungen und Rechten stellt sich aber die Frage, inwieweit sie pfändbar sind, was insbesondere bei den Steuer- und Abgabenforderungen der Gebietskörperschaft eine Rolle spielt.658 Würde man die Vollstreckung in Steueransprüche zulassen, würde bis zur vollständigen Befriedigung des Pfändungspfandgläubigers nur jener befriedigt. Die öffentlichen Aufgaben könnten nicht mehr erfüllt werden. Mit der herrschenden Meinung ist von der Unpfändbarkeit von Steueransprüchen auszugehen.659 Zu Vollstreckungsmaßnahmen gegen ein Bundesland gem. § 882a ZPO hat das LG Mainz in einem älteren Beschluss Ansprüche des Landes gegen den Bund „aus Haushaltsmitteln“ für unpfändbar gehalten.660

6.

193l

Zusammenfassung: Die Folgen der Insolvenzunfähigkeit, insb. nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO

Die positiven Folgen der Insolvenzunfähigkeit, hier der Wegfall der Verpflichtung, sich an der Insolvenzgeldumlage nach SGB III und an der Umlage an den PSV gem. § 17 Abs. 2 BetrAVG zu beteiligen, sind aus der Sicht der BMJ 2004 so positiv gesehen worden, dass man die Insolvenzunfähigkeit ausweiten wollte. In dem Referentenentwurf zur Änderung der Insolvenzordnung vom September 2004 ist eine Ergänzung des § 12 Abs. 1 InsO um eine Nr. 3 vorgesehen, die dem Bundesfinanzminister die Möglichkeit geben sollte, durch Rechtsverordnung (!) der Bundesaufsicht unterliegende juristische Personen des öffentlichen Rechts für insolvenzunfähig zu erklären. Damit hätte die Möglichkeit bestanden, z.B. die Ersatzkrankenkassen und andere Organisationen von den Umlagen zu befreien. Dieser Plan ist nach Äußerungen aus dem BMJ offenbar mittlerweile fallen gelassen worden.

657 Siehe zu diesen Beispielen und anderen Engelsing, aaO, S. 98 f. 658 Siehe zu der Thematik Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 74 ff.; der Autor bejaht im Grundsatz die Pfändbarkeit der Steuerforderung. Offen ist das bei Loh/Wimmer, Aktuelle Fragen bei der Vergabe von Kommunalkrediten, WM 1996, 1941 ff./1944 f., die generell auf „den geordneten Gang der Verwaltung“ oder die Unentbehrlichkeit für die Versorgung der Bevölkerung (nach dem untersuchten Recht von Brandenburg) abstellen, aber zweckgebundene Landeszuweisungen an die Kommunen von der Vollstreckbarkeit ausnehmen. 659 Vgl. die Nachweise bei Engelsing, aaO. 660 LG Mainz, Beschl. v. 30.01.1974 – 8 T 8/74 – RPfl. 1974, 166, dagegen kritisch Loh/Wimmer, aaO, WM 1996, 1941 ff./1944 f.

153

194

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

194a

Die Folge wäre dann die Staatshaftung gegenüber den Arbeitnehmern gem. § 12 Abs. 2 InsO gewesen.

195

Die Rechtslage in Deutschland zur Insolvenzunfähigkeit ist zersplittert, insbesondere sind die einschlägigen Regeln bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die keine Gemeinden(Gemeindeverbände) sind, für Dritte nur schwer vorzuhalten, so dass hier eine gesetzgeberische Initiative der Länder für mehr Klarheit im Interesse der insbesondere künftigen Gläubiger angezeigt erscheint.

196

Ist der Vertragspartner bzw. Schuldner eine insolvenzunfähige Person des öffentlichen Rechts, insbesondere eine Körperschaft mit eigenem Steueraufkommen wie eine regionale bzw. lokale Gebietskörperschaft, besteht ein wirtschaftliches Risiko für den Gläubiger nicht, da er rechtlich nicht in einem Gesamtverfahren auf eine Quote verwiesen werden kann. Dies erleichtert ihm und der Körperschaft die Kreditversorgung ganz erheblich.

196a

Voraussetzung ist der tatsächliche und verfassungsrechtliche Konsens des Einstehens der Gebietskörperschaften untereinander im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe. Dieser leitet sich u.a. aus der engen Verflechtung von Aufgaben und Aufgabenfinanzierung ab. Daraus wiederum folgt die jeweils vollständige Befriedigung der Gläubiger. Wenig behelflich war daher ein 1994 publizierter und kritisierter Runderlass aus Brandenburg über „Zahlungsverpflichtungen der Kommunen“ 661, der eine Einstandspflicht des Landes verneinte und im Jahr 2000 wieder aufgehoben wurde.

196b

Das Risiko der tatsächlichen Zahlungsunfähigkeit besteht nicht oder ist denkbar gering, im Haushaltsnotstand wird die öffentlich-rechtliche Körperschaft Unterstützung durch andere Gliedkörperschaften des Staates erhalten, insbesondere durch den Finanzausgleich und etwaige Sonderzuweisungen.662 Ggf. kommt die Gewährträgerhaftung hinzu, soweit sie nicht europarechtlich ausgeschlossen ist.

196c

Die eigene Steuerkraft des Schuldners/Kreditnehmers kann laufend zur Schuldtilgung herangezogen werden, durch die Erhöhung öffentlicher Abgaben kann die Körperschaft in Maßen ihre Einnahmen erhöhen.

197

Die Staatsaufsicht über den Haushalt und deren Instrumentarium ermöglicht die laufende Überwachung der Verschuldung und der Liquiditätsplanung, um eine tatsächliche Zahlungsunfähigkeit nicht entstehen zu lassen.

661 Runderlass III Nr. 89/1994 v. 2.12.1994, aufgehoben durch Runderlass Nr. 14/2000 v. 17.11.2000. Siehe hierzu Loh/Wimmer, aaO, WM 1996, 1941 ff./1941 f. 662 Daher ist auch Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 6. Aufl., 1997, Rdn 1.12 nicht zu folgen, der mit der Aussage, es sei „fälschlich“, in der Insolvenzunfähigkeit ein „Indiz für besonders gute Bonität“ zu sehen. Die Aussage führt im Umkehrschluss dazu, dass besondere Vorsicht angezeigt sei. Anders ist dies freilich aus Sicht von Obermüller, wenn eine Gewährträgerhaftung bestehe. Diese beseitigt allerdings das Bonitätsrisiko nicht, wenn man auf den Ausgangspunkt blickt, sondern verlagert es nur auf eine höhere Haftungsebene. Die verfassungsrechtlich determinierten Finanzausgleichsregelungen stellen zwar keine Außenhaftung dar und sie sind auch nicht der Pfändung durch Gläubiger zugänglich, sie ermöglichen jedoch im Zusammenwirken mit den weiteren Einnahmen der Gebietskörperschaften die Befriedigung der Gläubiger und erfüllen daher ökonomisch in gewisser Weise die Funktion der Gewährträgerschaft.

154

6. Zusammenfassung

Die Kreditfähigkeit der öffentlichen Hand, auch der Kommunen, gründet auf diesen Prämissen und jahrzehntelangen Erfahrungen. Die Kommune bzw. die sonst der Aufsicht unterliegende Körperschaft hat noch weitere Vorteile: Fehler der Haushaltsaufsicht können Ansprüche gegen das Land generieren. Zur Aufgabe der Kommunalaufsicht gehört auch, Selbstschädigungen der Kommune durch unsachgemäßes Handeln zu vermeiden. In diesen Fällen muss die erforderliche aufsichtsbehördliche Genehmigung notfalls versagt werden. Fehler bei der Aufsicht stellen nach der Rechtsprechung des BGH Amtspflichtverletzungen gegenüber der Kommune dar.663

197a

Von der Insolvenzunfähigkeit der Regionalkörperschaft können auch rechtsfähige kommunale Unternehmen des privaten oder öffentlichen Rechts profitieren, wenn die Gemeinde ihnen unter Wahrung der einschlägigen Vorschriften Bürgschaften zur Verfügung stellt, auch als sog. modifizierte Ausfallbürgschaft. Dadurch wird die Finanzierung durch Kredite deutlich preisgünstiger.

198

Europaweit besteht in der EU ein Konsens, anzunehmen, dass innerhalb eines Mitgliedstaats entstehende Haushaltsnotlagen durch Hilfen anderer öffentlich-rechtlicher Organisationen behoben werden. Deutlich wird das z.B. in der Annahme der Kommission, die Insolvenzunfähigkeit führe ohne weiteres zur gegenseitigen Hilfe.664

199

Insbesondere aber wird der Konsens in den Regelungen des Bankaufsichtsrechts erkennbar.665 Die Änderung der Richtlinie 2000/12/EG u.a. zur Implementierung von Basel II in europäisches Bankaufsichtsrecht ermöglicht z.B. für Gebietskörperschaften im Ergebnis unverändert zum bisherigen Recht 6 6 6 die Gewährung extrem günstiger Kommunalkredite, u.a. durch Erleichterungen bei den Eigenkapitalvorschriften der Banken (sog. „Nullanrechnung“).667 Die Gebietskörperschaft wird genauso betrachtet wie der Zentralstaat, dem sie angehört.

200

Andere Mitgliedstaaten können den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Kreditinstituten ebenfalls die „Nullanrechnung“ im Eigenkapital gestatten. Somit können tendenziell alle Institute gemeinschaftsweit, abhängig von ihrem internen Aufsichtsrecht, deutschen Gemeinden Kredite günstig anbieten, da sie kein Eigenkapital hier zu binden brauchen.

200a

Der Konsens geht noch weiter: Die Nullanrechnung gilt auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtlich organisiert sind und die ein eigenes Steuererhebungsrecht haben, wie die Bistümer und Landeskirchen in Deutschland.

200b

663 BGH, Urt. v. 12.12.2002 – III ZR 201/01 – BGHZ 153, 198 ff. In diesen Kontext gehört im Ergebnis auch das Urteil des BGH v. 25.01.2006 – VIII ZR 398/03 zur Anwendung des § 138 BGB in einem extremen Sonderfall, bei dem der „Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in besonders grobem Maße“ verletzt wurde (BGH, aaO, Umdruck Rdnr. 31); die Aufsichtsbehörde hätte, wenn damit befasst, die beschriebene Maßnahme nicht genehmigt. 664 Siehe die Entscheidung der Europ. Kommission v. 16.02.2002 – 2003/C 164/03, zum insolvenzunfähigen frz. EPIC, ABl. (EU) C 164 v. 15.07.2003, S. 23 ff. 665 Vgl. Kapitel VI 2), Rdnr. (289) ff. 666 Vgl. Kapitel VI 2), Rdnr. (289) ff., VI 3), Rdnr. (295) ff. 667 Vgl. Kapitel VI 2), Rdnr. (289 ff./291b, VI 3 Rdnr. (295 ff./297 ff.).

155

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

201

Mit diesem weit greifenden Regime der Insolvenzunfähigkeit geht ein abgestimmtes System der eingeschränkten Einzelvollstreckung einher, das aus § 882a ZPO und den die Befugnis des § 15 Nr. 3 EG ZPO nutzenden Landesrechten resultiert.

7.

Vorschlag eines „Modellgesetzes“ für Insolvenzfähigkeit und Einzelvollstreckung

202

Die erhebliche Rechtszersplitterung und die damit verbundenen Probleme für die Rechtsunterworfenen und die Rechtsanwender lassen in den Ländern ein einheitliches Modellgesetz sachgerecht erscheinen, das Gesamt- sowie Einzelvollstreckung zusammenfasst und nicht Teil eines anderen Gesetzes ist. Insbesondere die Verwaltungsvollstreckungsgesetze sind nicht der richtige systematische Standort der Regelungen zur Insolvenzunfähigkeit. Die in der Literatur geäußerte Überlegung, der zutreffende Weg sei, alle Insolvenzunfähigkeitsregeln in ein Ausführungsgesetz zur ZPO, InsO usw. einzubinden, erscheint gerade aus praktischer Sicht eher nicht zutreffend.668

202a

Aufgrund des Vorrangs des Bundesrechts ist auf alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts außer den Kommunen und den Gemeindeverbänden § 882a ZPO anzuwenden. Inhaltlich ist daher zu hinterfragen, ob bei der Verwaltungsvollstreckung gegen die nicht kommunalen öffentlich-rechtlichen Organisationen besondere Schutzvorschriften erforderlich sind, die über § 882a ZPO hinausreichen.

203

Unter ganz weitgehender Übernahme bzw. Berücksichtigung der überkommenen Strukturen und Formulierungen könnte das im Folgenden dargestellte bzw. vorgeschlagene Modellgesetz ein vorstellbarer Denkansatz sein. Es sieht u.a. eine Definition der Vermögensgegenstände vor, in die vollstreckt werden kann. Das Finanzvermögen soll generell der Befriedigung der Gläubiger dienen, Ausnahmen sollen bei Unverzichtbarkeit der Gegenstände für die Aufgabenerfüllung gelten. Es sieht ferner Verfahrensregeln für die Einzelvollstreckung vor, die u.a. der Verfahrensbeschleunigung dienen sollen. „Landesgesetz über die Insolvenzfähigkeit und die Einzelzwangsvollstreckung wegen Geldforderungen gegen Gebietskörperschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts §1 Allgemeine Bestimmungen (i) Für die Einzelvollstreckung wegen Geldforderungen sowie das Insolvenzverfahren gegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes . . . unterliegen, gelten die folgenden Bestimmungen.

668 AA Engelsing, aaO, S. 153, der seinerseits einen Vorschlag für ein „Insolvenzunfähigkeitsgesetz“ macht.

156

7. Vorschlag eines „Modellgesetzes“ für Insolvenzfähigkeit u. Einzelvollstreckung

(ii) Juristische Personen des öffentlichen Rechts im Sinne dieses Gesetzes sind die Gebietskörperschaften (Gemeinden, Kreise, ...) 669 einschließlich der Gemeindeverbände sowie die rechtsfähigen Anstalten, Körperschaften und Stiftungen des öffentlichen Rechts („sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts“). (iii) „Vollstreckungsschuldner(in)“ ist die juristische Person des öffentlichen Rechts, gegen die als Schuldner die Vollstreckung wegen einer Geldforderung betrieben wird. (iv) „Aufsichtsbehörde“ ist diejenige Verwaltungsbehörde, die nach dem für die jeweilige juristische Person des öffentlichen Rechts geltenden Gesetz die Rechtsaufsicht ausübt. (v) „Vollstreckungsgegenstand“ ist der Vermögensgegenstand des Vollstreckungsschuldners, in den der Gläubiger die Vollstreckung betreiben will. (vi) „Verfügung“ der Aufsichtsbehörde ist deren Entscheidung über die Zulassung einer Einzelzwangvollstreckungsmaßnahme oder die Ablehnung der Zulassung. (vii) Die „allgemeinen“ Vorschriften nach § 3 Abs. v sind diejenigen des Verwaltungsverfahrensund des Verwaltungsprozessrechts nach der Verwaltungsgerichtsordnung einschließlich der Maßnahmen des vorläufigen oder einstweiligen Rechtsschutzes. §2 Insolvenzverfahren über das Vermögen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (i) (1) Ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der der Aufsicht des Landes unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts wird ausgeschlossen. (2) Hiervon ausgenommen sind nur die in Absatz 2 und Absatz 3 genannten juristischen Personen. (ii) Insolvenzverfahrensfähig sind abweichend von Absatz 1 die öffentlich-rechtlichen Banken und Kreditinstitute [sowie die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen.] 670 (iii) Insolvenzverfahrensfähig sind ferner ...671 §3 Verfahren bei Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen Gebietskörperschaften (i) (1) Die Vollstreckung gegen die in § 1 Abs. 2 genannten Gebietskörperschaften wegen Geldforderungen bedarf der Zulassungsverfügung der zuständigen Aufsichtsbehörde auf Antrag des Gläubigers, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden. (2) In dem Antrag und der Zulassungsverfügung ist der Vollstreckungsgegenstand zu bezeichnen. (ii) Die Vollstreckungsschuldnerin ist vor Erlass der Verfügung zu hören. (iii) Die Aufsichtsbehörde lässt die Vollstreckung zu, wenn die beabsichtigte Vollstreckungsmaßnahme nicht den Bestimmungen des § 4 widerspricht. Sie kann die Zulassung auch nur teilweise erteilen und sie mit Bedingungen und Auflagen versehen.

669 Angabe der landesrechtlich nach den Gemeinde- und Kreisordnungen und weiterer Regelwerke als Gebietskörperschaft anzusehenden Gemeinwesen. 670 Ob die öffentlich-rechtlichen Versicherungen einbezogen werden sollen, ist Sache des jeweiligen Landesrechts. Ansonsten ergibt sich die Ausnahme des Abs. ii) aus der bisherigen Rechtslage, die Resultat des Brüsseler Kompromisses mit der Europ. Kommission ist. 671 Weitere insolvenzfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts wären hier anzugeben. Die Liste ist hier stetig fortzuschreiben, in Errichtungsgesetzen ist auf die dann geänderte Vorschrift zu verweisen.

157

IV. Das Konzept der Insolvenzunfähigkeit öffentl.-rechtl. Organisationen i. d. BRD

(iv) Die Aufsichtsbehörde entscheidet innerhalb [eines Monats 672] nach dem Eingang des Antrags des Gläubigers. Die Verfügung ist der Vollstreckungsschuldnerin und dem Gläubiger zuzustellen. Die Vollstreckung kann nach Einhaltung einer Frist von einer Woche nach Zustellung der Zulassungsverfügung erfolgen, soweit nicht die Aufsichtsbehörde in der Zulassungsverfügung eine andere angemessene Frist bestimmt, die insgesamt zwei Monate nach dem Eingang des Antrags nicht überschreiten soll. (v) Die Zulassungsverfügung gilt als erteilt, wenn die Aufsichtsbehörde nicht innerhalb [eines Monats] nach dem Eingang des Antrags des Gläubigers eine Entscheidung erlassen hat. Maßgeblich für die Fristeinhaltung ist der behördeninterne Abschluss der Verfügung; dem Gläubiger ist auf Antrag der Stand des Entscheidungsvorgangs nach Ablauf der Frist zu bescheinigen. Die Rechte der Vollstreckungsschuldnerin, die Zulassung der Vollstreckungsmaßnahme nach den allgemeinen Vorschriften anzufechten, bleiben unberührt. (vi) Die Zwangsvollstreckung wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung durchgeführt. §4 Umfang der Zwangsvollstreckung gegen Gebietskörperschaften (i) Pfändbar sind alle Gegenstände des Finanzvermögens der Vollstreckungsschuldnerin, wenn nicht die Aufsichtsbehörde im überwiegenden öffentlichen Interesse in der Zulassungsverfügung ausnahmsweise anderes bestimmt. (ii) Gegenstände des Verwaltungsvermögens sind auch mit Zustimmung der Vollstreckungsschuldnerin nur pfändbar, wenn die Aufsichtsbehörde dies in der Zulassungsverfügung ausnahmsweise gestattet. (iii) Die Vollstreckung nach den vorstehenden Absätzen i) und ii) darf die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Vollstreckungsschuldnerin, den geordneten Gang der öffentlichen Verwaltung oder die Versorgung der Bevölkerung nicht gefährden. (iii) Die Vollstreckung in Ansprüche auf Steuern, Gebühren, Beiträge und sonstige öffentliche Abgaben, die Ansprüche auf Finanzausgleichszuwendungen und andere Leistungen des Landes sowie sonstige öffentlich-rechtliche Ansprüche aller Art ist ausgeschlossen. Die Aufsichtsbehörde kann mit Zustimmung des [Ministeriums ...] Ausnahmen bewilligen. Absatz iii) gilt entsprechend. §5 Einzelzwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen die sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts Die Vollstreckung gegen die in § 1 Abs. 2 genannten der Aufsicht des Landes unterstehenden sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts wegen Geldforderungen wird nach der Zivilprozessordnung durchgeführt. Der zulässige Umfang der Vollstreckungsmaßnahmen folgt aus § 882a ZPO.“

672 Eine Frist für die Entscheidung ist aus diesseitiger Sicht im Interesse des Gläubigers erforderlich; über die zulässige bzw. zumutbare Dauer des Entscheidungsvorgangs kann man verschiedener Auffassung sein. Eine Orientierung enthält die Rechtsprechung des BVerfG zur Vollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen gegen den Bund. Einen weiteren Anhaltspunkt bietet § 882a Abs. 1 ZPO, der die Vollstreckung nach Ablauf von vier Wochen nach der Anzeige der Zwangsvollstreckung ermöglicht.

158

V.

Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich in den Rechtsordnungen europäischer Länder an Beispielen; Insolvenzverfahren und Einzelvollstreckung gegen Gebietskörperschaften in der Schweiz und in Österreich

An einigen Beispielen der Verfassungen von anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union soll auf der Ebene des Zentralstaates nachfolgend kursorisch untersucht werden, inwieweit dort (den Strukturen in der Bundesrepublik vielleicht vergleichbare) Regelungen zur kommunalen Selbstverwaltung einschließlich solcher zu Finanzhoheit und Finanzautonomie von Gemeinden vorgefunden werden können.673

204

Zur Abrundung des Bildes über kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung gegen Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts in Europa sollen dann in einem weiteren Schritt Konzepte zweier unmittelbarer Nachbarn der Bundesrepublik, nämlich der Schweiz und Österreichs in grobem Überblick anhand der dort geltenden gesetzlichen Regelungen beleuchtet werden.

205

Die rechtsvergleichende Betrachtung soll hinterfragen, ob es einen „gesamteuropäischen“ Konsens über grundlegende Strukturen der kommunalen Selbstverwaltung gibt. Daraus wieder ließe sich ggf. folgern, ob förmliche Zahlungsunfähigkeitsverfahren gegenüber Selbstverwaltungskörperschaften tendenziell eher auszuschließen oder umgekehrt möglich sind oder ob die Grobstruktur der ausländischen Regelungswerke einschließlich Finanzausgleichsbestimmungen in tatsächlicher Hinsicht gegen ein Insolvenzverfahren spricht. Da eine Detailuntersuchung den dieser Arbeit gesetzten Rahmen sprengen würde, muss es freilich bei Anhaltspunkten sein Bewenden haben.

206

673 Die nachfolgende Darstellung von Bestimmungen aus den Verfassungen von EU-Mitgliedstaaten beruht auf den deutschen Übersetzungen der bei dtv erschienen Textausgabe „Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten“, 6. Aufl., 2005, Hrsg.: Adolf und Christiane Kimmel. Bei der Wiedergabe der einzelnen Verfassungen sind dort jeweils Angaben zu der Übersetzung gemacht. Es wird nicht verkannt, dass bei rechtsvergleichenden Betrachtungen die Übersetzung in eine andere Sprache (hier die deutsche) das Risiko in sich birgt, dass Rechtsinstitute des ausländischen Rechts in eine Terminologie münden, die nicht dem Rechtsverständnis der betroffenen Rechtsordnung exakt entspricht.

159

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

1.

207

Ausblick auf die Selbstverwaltung, die Finanzhoheit und -autonomie in den Verfassungen von Mitgliedstaaten der Europäischen Union

Frankreich 674 Von den großen Mitgliedstaaten regelt Frankreich die kommunale Selbstverwaltung in Art. 72 ff. der Verfassung der französischen Republik. Nach Art. 72-2 erhalten die Gebietskörperschaften der französischen Republik (u.a. die Gemeinden, Départements, Regionen usw., Art. 72 Abs. 1) Steuer- und Finanzautonomie (Art. 72-2 Abs. 1–3). Art. 72-2 Abs. 4 sieht wohl strikte Konnexität bei Aufgabenübertragungen vor. Art. 72-2 Abs. 5 statuiert den Finanzausgleich als Maßnahme der „Förderung der Gleichheit zwischen den Gebietskörperschaften“.

208

Italien Die Verfassung der Republik Italien, einer der anderen großen Mitgliedstaaten, regelt die kommunale Selbstverwaltung in den Art. 114 ff.675, wobei insbesondere auf die Definition der Selbstverwaltungskörperschaften in Art. 114 Abs. 1, 2 der Verfassung hinzuweisen ist. Gebietskörperschaften sind danach Gemeinden, Provinzen, Großstädte mit besonderem Status und Regionen. Art. 119 Abs. 1 bestimmt, dass die Gebietskörperschaften Finanzautonomie „für Einnahmen und Ausgaben“ haben. Die eigene Finanzhoheit durch Steuer- und sonstige Einnahmenerhebungsrechte folgt aus Art. 119 Abs. 2. Ein Ausgleichsfonds nach Art. 119 Abs. 3 aufgrund gesonderter gesetzlicher Regelung führt zum Finanzausgleich für Körperschaften „mit geringerer Steuerkraft pro Einwohner“, ohne dass eine Zweckbindung besteht. Art. 119 Abs.4 der Verfassung garantiert praktisch eine hinreichende Finanzausstattung, wenn danach die zugewiesenen Einnahmen die Möglichkeit geben, die öffentlichen Aufgaben der Gebietskörperschaft insgesamt zu finanzieren.676 Für bestimmte weitere Zwecke (z.B. Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung, Beseitigung wirtschaftlicher Ungleichheit usw.) stellt der Zentralstaat weitere Mittel zur Verfügung (Art. 119 Abs. 5). Umgekehrt haftet der Zentralstaat ausdrücklich nicht (im Außenverhältnis) für die Schulden der Gebietskörperschaften (Art. 119 Abs. 6 Satz 3), die sich wiederum nur für investive Ausgaben verschulden dürfen (Art. 119 Abs. 6 Satz 2).

209

Spanien Die Verfassung des Königreichs Spanien 677 ist dem gegenüber recht knapp. Sie gewährleistet den Gemeinden und den Provinzen (lokale Körperschaft, Zusammen674 Verfassung v. 04.10.1958 mit Änderungen bis 01.03.2005, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S. 169 ff. (Übersetzung: A. Kimmel/ Chr. Kimmel). 675 Verfassung v. 27.12.1947 mit Änderungen bis zum 30.03.2003, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S.289 ff. (Übersetzung: Mayer-Tasch). 676 Art. 119 Abs. 3: „Le risorse derivanti dalle fonti di cui ai commi precedenti consentono ai Comuni, alle Province, alle Città metropolitane e alle Regioni di finanziare integralmente le funzioni pubbliche loro attribuite“. 677 Verfassung v. 29.12.1978 mit Änderungen bis 27.08.1992, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S.289 ff. (Übersetzung: A.Kimmel).

160

1. Ausblick auf die Selbstverwaltung, die Finanzhoheit und -autonomie

schluss von Gemeinden) Autonomie (Art. 140, Satz 1, 141). Ebenso denkbar knapp fällt die „Finanzverfassung“ des Art. 142 aus, die aber durchaus als Statuierung der Finanzhoheit, Finanzautonomie und der Konnexität in gedrängtester Form begriffen werden kann, wenn es dort heißt, die „ lokalen Haushalte (müssten) über ausreichende Mittel“ für die übertragenen Aufgaben verfügen, die wesentlich aus eigenen Steuern und den Anteilen an Steuern des Gesamtstaates bzw. der Autonomen Gemeinschaften stammen.678 Einfachgesetzlich hat Spanien in seinem neuen „Konkursgesetz“ die Konkursfähigkeit u.a. der Gebietskörperschaften ausgeschlossen, wenn Art. 1 Abs. 3 Ley Concursal formuliert: „Ne podresán ser declaradas en concurso las entitades que integran la organización territorial del Estado, los organismos públicos y demás entes de derecho publico.“679

209a

Griechenland

210 Verfassung 680

überantwortet die „Verwaltung der örtlichen AngeDie griechische legenheiten ... den örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften erster und zweiter Stufe“, für die eine Vermutung der Zuständigkeit in den örtlichen Angelegenheiten gilt. Die Einzelheiten stehen unter Gesetzesvorbehalt (Art. 102 Abs. 1). Die Aufsicht ist lediglich Rechtsaufsicht (Art. 102 Abs. 4 Satz 1). Die Körperschaften sind in Verwaltung „und ihren Finanzen“ selbstständig (Art. 102 Abs. 2 Satz 1). Die Finanzhoheit und -autonomie regelt Art. 102 Abs. 5: Der Zentralstaat muss durch gesetzliche Maßnahmen die „finanzielle Selbstständigkeit“ sicherstellen; ebenso muss er die Mittel „zur Erfüllung der Aufgaben und der Ausübung der Zuständigkeiten“ sicherstellen (Art. 102 Abs. 5, Satz 1). Die griechische Verfassung anerkennt damit eine Ausstattungspflicht des Zentralstaats für die Gebietskörperschaften als für die Selbstverwaltung wesensmäßig. Einfachgesetzlich werden „Vergabe und Verteilung (der Einnahmen sowie) Steuern und Gebühren geregelt (Art. 102 Abs. 5 Satz 3).

211

Polen Betrachtet man von den mittelosteuropäischen Staaten, die zum 1. Mai 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, einen weiteren unmittelbaren Nachbarn Deutschlands, den Mitgliedstaat Polen, so stellt man gleichfalls in der Verfassung ein starkes Selbstverwaltungselement fest (Art. 163 ff. der Verfassung der Republik Polen).681 678 Art. 142: „La Haciendas locales deberán disponer de los medios suficientes para el desempeño de las funciones que la ley atribuye a las Corporaciones respectivas y se nutrirán fundamentalmente de tributos propios y de participación en los del Estado y de las Comunidades Autónomas.“ Zur Übersetzung siehe Kimmel/Kimmel, aaO. 679 Vgl. zu Details Carlón, in: Rojo/Beltrán, Comentario de la Ley Concursal, Tomo I, Madrid 2004, S. 159 ff. 680 Verfassung der Republik Griechenland v. 09.06.1975 mit Änderungen bis zum 17.04.2001, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S.197 ff. (Übersetzung: Filos, Dagtoglou, siehe JöR n.F. 32 (1983), S. 360 ff.). 681 Verfassung v. 02.04.1997, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S. 545 ff. (Übersetzung: Deutscher Text nach der Internetseite der Polnischen Botschaft; siehe auch www.Botschaft-Polen.de).

161

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

211a

Basis der örtlichen Verwaltung ist die Gemeinde, die alle örtlichen Selbstverwaltungsaufgaben erfüllt, soweit diese nicht anderen örtlichen „Einheiten“ übertragen sind (Art. 164 Abs. 1, 3). Darüber hinaus sind der örtlichen Selbstverwaltung in einer Art Regel-/Ausnahmeverhältnis alle öffentlichen Aufgaben anvertraut, die nicht anderen Trägern der öffentlichen Verwaltung durch Verfassung oder einfachgesetzliche Regelung zugewiesen sind (Art. 163). Die Verfassung differenziert weiter nach Eigenaufgaben, die der „Befriedigung der Bedürfnisse der Selbstverwaltungsgemeinschaft dienen“ und übertragenen Aufgaben, die allerdings durch „Bedürfnisse des (Gesamt)Staates“ begründet sein müssen (Art. 166 Abs. 1 und 2). Die Aufsicht ist Rechtsaufsicht (Art. 171 Abs.1).

211b

Mit der Zuweisung von Einnahmen befasst sich Art. 167 der Verfassung: Danach gewährleistet der Gesamtstaat einen Anteil an den Staatseinnahmen, der den Aufgaben entspricht (Art. 167 Abs. 1). Den Gemeinden und anderen örtlichen Gebietskörperschaften stehen sowohl eigene Einnahmen auf der Basis entsprechender gesetzlicher Bestimmungen zu als auch Zuwendungen aus dem Staatshaushalt, die allgemeiner Natur sein können, aber auch zweckgebunden (Art. 167 Abs. 2, 3). Bei Änderungen der Aufgaben und Zuständigkeiten müssen die „öffentlichen Einkommen“ ebenfalls geändert werden (Art. 167 Abs. 4), was sowohl Be- als auch Entlastung für die Kommunen bedeuten kann. Im Ergebnis wird damit wohl eher ein striktes Konnexitätsprinzip statuiert. Als Fazit darf man ferner festhalten, dass auch Polen seinen Kommunen Finanzautonomie, Finanzhoheit sowie damit verbunden eine sachgerechte Finanzausstattung gewährleistet.

212

Estland Betrachtet man ein kleineres nordosteuropäisches Land, so fällt in Estland eine starke Selbstverwaltungskomponente der Verfassung auf.682 Ein ganzer Abschnitt (XIV.) befasst sich mit der örtlichen Selbstverwaltung (Art. 154 –160). Alle örtlichen Angelegenheiten werden von den örtlichen Selbstverwaltungskörperschaften (Gemeinden und Städte, Art. 155 Abs. 1) selbstständig erledigt und entschieden (Art. 154 Abs. 1). Den Kommunen können durch Gesetz oder Vertrag staatliche Aufgaben auferlegt werden. Im Falle gesetzlicher Überwälzung von Pflichten gilt ein striktes Konnexitätsprinzip (Art. 154 Abs. 2 Sätze 1, 2). Die „örtliche Selbstverwaltung“ hat einen eigenen Haushalt sowie das Recht, Steuern“ „einzuführen und zu erheben“ und Lasten aufzuerlegen (Art. 157 Abs. 1, 2).

213

Mitgliedstaaten ohne differenziertere ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung, Bedeutung der EKC 683 Neben den vorstehend umrissenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen einer Auswahl von Mitgliedstaaten stehen andere europäische Staaten, die ebenfalls ähnliche Strukturen zur kommunalen Selbstverwaltung und Finanzierung entwickelt haben. Zu nennen sind z.B. Ungarn, Tschechien, Slowenien, die Slowakei, Portugal 682 Verfassung der Republik Estland v. 28.06.1992, mit Änderungen bis zum 25.02.2003, abgedruckt in Übersetzung bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S. 111 ff. (Übersetzung/Quelle: Botschaft der Republik Estland). 683 Siehe Kapitel II 3 c), Rdnr. (72) ff.

162

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

und Litauen, jeweils mit spezifischen Unterschieden. Andere Mitgliedstaaten kennen keine ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Regelwerke, jedenfalls keine, die Selbstverwaltung und Finanzierung miteinander verknüpfen. Dies ändert aber nichts an dem gemeinsamen europäischen Verständnis zu der Thematik, denn „Lücken“ werden in allen Mitgliedstaaten durch eine völkerrechtlich bindende Vereinbarung, nämlich durch die Europäische Charta der Kommunalen Selbstverwaltung (EKC) ausgefüllt. Die EKC ist mittlerweile von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden bzw.684 in Kraft getreten, teilweise geht die Ratifizierung bis auf 1988 und die frühen Neunziger Jahre zurück.

2.

Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften in der Schweiz nach dem SchGG 685

a)

Bemerkungen zur kommunalen Selbstverwaltung und zum Finanzausgleich

Wie jedes föderal strukturierte Staatswesen kommt auch die Eidgenossenschaft keineswegs ohne Finanzausgleichsstrukturen aus, die sowohl auf der Ebene des Bundes als auch der Kantone bestehen. Die vorliegende Arbeit muss sich dabei auf ganz wenige Hinweise beschränken, die dem besseren Verständnis des Hintergrundes der nachfolgenden Bestimmungen zur Vollstreckung gegen öffentlichrechtliche Körperschaften dienen sollen.

214

Art. 135 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft 686 stellt in Absatz 1 fest, dass der Bund den Finanzausgleich zwischen den Kantonen 687 fördere, wobei nach Absatz 2 die Finanzkraft der Kantone bei Bundeszuweisungen ebenso beachtet wird wie „die Berggebiete“. Genauso achtet der Bund bei seinen Maßnahmen darauf, wie sie sich auf die Gemeinden auswirken; die „besondere Situation der Städte und der Agglomerationen sowie der Berggebiete“ wird „berücksichtigt“ (Art. 50 Abs. 2 und 3 Bundesverfassung). Die Gemeindeautonomie gewährleistet die Bundesverfassung im Rahmen der kantonalen Gesetzgebung (Art. 50 Abs. 1 Bundesverfassung).

214a

Das „Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich“ (FiLag) 688 hat den Ressourcenausgleich zugunsten der schwächeren Kantone ebenso zum Gegenstand wie den interkantonalen Lastenausgleich sowie den Ausgleich von „geografischtopografischen“ und „soziodemografischen“ Lasten durch den Bund (Art. 1 FiLaG). Ziel des Finanzausgleichs ist u.a. die Gewährleistung einer minimalen Finanzausstattung der Kantone (Art. 2 lit. d).

214b

684 Frankreich hat am 30.06.2006 ratifiziert, siehe die Mitteilung des Rates der Gemeinden und Regionen Europas, www.rgre.de/. . . 685 Zum SchGG siehe unten lit. c) in dieser Gliederungsziffer. 686 SR 101; Bundesverfassung v. 18.04.1999 nach dem Stand v. 08.08.2006. 687 Die Kantone sind den Bundesländern in Deutschland staatsorganisatorisch vergleichbar mit eigener Verfassung, Gesetzeswerken usw. 688 SR 613.2, Gesetz v. 03.10.2003, Stand: 05.04.2005.

163

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

214c

Auf kommunaler Ebene 689 ist das jeweilige kantonale Recht maßgeblich, auf dessen Darstellung vorliegend bis auf ganz wenige paradigmatische Hinweise aus dem Recht einzelner Kantone verzichtet werden muss. Zunächst soll die Bemerkung genügen, dass die Staatsorganisation unterhalb der Zentralstaatsebene sich ebenso wie in den Ländern der Bundesrepublik durch eine erhebliche Vielfalt der Regelwerke auszeichnet.

214d

Beispiele aus dem Recht der Schweizer Kantone, Graubünden Im Kanton Graubünden beispielsweise bestehen mehrere Gemeindearten. Die politischen Gemeinden sind wie die Kreise und Regionalverbände rechtsfähige Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts (Art. 60 Abs. 1, Satz 1, 70 Abs. 1, 72 Abs. 1 der Verfassung des Kantons Graubünden).690 Die Aufsicht über die Gebietskörperschaften übt die Kantonalregierung aus (Art. 67, 74 Verfassung). Kurz und bündig hält Art. 67 Abs. 2 fest, dass die Gemeinde bei „schwerwiegenden Missständen ... unter Kuratel gestellt werden“ kann. Die Körperschaften wirken bei der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben untereinander und mit dem Kanton zusammen (Art. 76 Abs. 2 Verfassung), die Aufgaben selbst sind „periodisch auf ... Notwendigkeit, Wirksamkeit und Finanzierbarkeit ...“ zu überprüfen (Art. 77 Verfassung), d.h. unfinanzierbar werdende Leistungen werden auf Notwendigkeit überprüft werden.

214e

Das „Gemeindegesetz des Kantons Graubünden“ 691 befasst sich an mehreren Stellen mit dem Finanzgebaren der Gemeinden. So etwa erklärt Art. 7 Abs. 1 die Bestellung von Pfandrechten an „Nutzvermögen“ der Gemeinde ohne Bewilligung der Kantonsregierung für nichtig. Eine Ausnahme stellt das nachfolgend sogleich (unter lit. c) behandelte Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden dar. Die Art. 97 f. des Gemeindegesetzes regeln die Finanzaufsicht durch die Kantonalregierung, die bei Nichtbeachtung der „Grundsätze einer ordnungsgemäßen Finanzverwaltung“ die „notwendigen Maßnahmen“ einleiten kann (Art. 97 Abs. 1). Wenn die Regierungsanordnungen oder Regelungen zum Finanzausgleich unbeachtet bleiben, kann die Gemeinde ganz oder teilweise unter Kuratel durch einen Kurator oder eine Kuratelkommission gestellt werden, auf den/die die Befugnisse der Gemeindeorgane übergehen (Art. 98 Abs. 1–3 Gemeindegesetz).

214f

Der Kanton Jura Im Kanton Jura genießen die Gemeinde und Gemeindeverbände gleichermaßen Selbstverwaltung, die in den Schranken von Verfassung und Gesetz gewährleistet ist (Art. 110 Constitution de la République et Canton du Jura).692 Die Aufsicht nimmt die Kantonsregierung wahr, die insbesondere das Finanzgebaren überwacht und notfalls die Gemeindeorgane suspendieren und durch „außerordentliche Verwaltung“ ersetzen kann (Art. 111 Constitution).693 689 Die Schweiz hat gegen 3.000 Gemeinden bei insgesamt ca. 7,5 Mio. Einwohnern. 690 Rechtssammlung Graubünden 131.226, Verfassung v. 18.05./14.09.2003, Stand: 19.10.2005. 691 Rechtssammlung Graubünden 175.050, Gesetz v. 28.04.1974. 692 Rechtssammlung Jura, 131.235; Constitution v. 20.03.1977, Stand: 18.10.2005. 693 „(3) Dans les cas graves, il peut suspendre les organs . . . et les remplacer par une administration extraordinaire“.

164

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

214g

Der Kanton Tessin Im Tessin garantiert Art. 16 Costituzione della Repubblica e Cantone Ticino 694 die Existenz der Gemeinden, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Selbstverwaltung genießen sie nach Maßgabe der Verfassung und der Gesetze (Art. 16 Abs. 2 ).695 Die Aufsicht über die sämtlichen kantonalen Körperschaften des öffentlichen Rechts übt der Kanton aus. Die Strukturen sind damit letzten Endes denen in der Bundesrepublik strukturell vergleichbar. Der Kanton wacht über die Gemeinden, damit sie ihre öffentlichen Aufgaben erfüllen und die ihnen gezogenen finanziellen Grenzen einhalten. Im Gegenzug genießen sie zum einen im Rahmen von Verfassung und Gesetzen Bestandsschutz und kommunale Selbstverwaltung, wobei strukturelle Schwächen, die z.B. geographisch oder sozial bedingt sind, durch horizontalen und vertikalen Finanzausgleich ökonomisch ausgeglichen oder doch gemildert werden. Flankierend zu diesen öffentlich-rechtlichen Strukturen hat die Schweiz ein System der Vollstreckung gegen Kommunen und sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts geschaffen (siehe lit. c). b)

214h

Historische Vorarbeiten der Gesetzgebung zur Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts

Nach einer zeitgenössischen Rezension zu einem im Auftrag des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements angefertigten Gutachtens mit Gesetzesvorschlag des Züricher Juristen Friedrich Meili hat man sich in der Schweiz schon in den Achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts mit dem Thema der Vollstreckung und Insolvenz gegen Kommunen befasst. Nach diesem Beitrag waren mehrere Kommunen im Zusammenhang mit der Beteiligung an der nationalen Eisenbahn (ein Thema, das auch in den USA bekanntlich das Insolvenzrecht generell beeinflusst hat) nur durch das Eingreifen des schweizerischen Zentralstaates der Insolvenz entgangen 6 9 6, die sog. „Nationalbahn-Misere“.697 In der Einleitung seiner Monographie zur „Schuldexecution und zum Concurs gegen Gemeinden“ stellt Meili 1880 fest, es sei „eine bekannte Thatsache, dass viele Gemeindewesen in der Schweiz weit über ihre finanziellen Kräfte sich öconomisch engagiert“ hätten.698 Trefflicher könnte man heute die Lage vieler Kommunen in Deutschland kaum beschreiben.

215

In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts konnten sich auch Schweizer Gemeinden wie die in den USA und in Deutschland der Weltwirtschaftskrise nicht

215a

694 Rechtssammlung Tessin 131.229, Costituzione v. 14.12.1997, Stand: 11.07.2006. 695 Art. 16 Abs. 2: „Esso è autonomo nei limiti della Costituzione e delle leggi.“ 696 Siehe dazu die Rezension von Paul Laband, Archiv für öffentliches Recht 1886, S. 219 ff. zu F. Meili, Rechtsgutachten und Gesetzesvorschlag, betreffend die Schuldexekution und den Konkurs gegen Gemeinden, Bern 1885. Meili hatte sich schon vorher mit seinem Werk „Die Schuldexecution und der Concurs gegen Gemeinden“, Zürich 1880, empfohlen. 697 Vgl. hierzu BG, II. Zivilabt., Urt. v. 01.12.2000, Beirat der Munizipalgemeinde Leukerbad und Munizipalgemeinde Leukerbad gg. Caisse de Retraite et de Prévoyance du Personel Enseignant du Canton du Valais sowie Kantonsgericht Wallis (obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen) – BGE 127 III 55, S. 62. 698 Meili, aaO, Einleitung, S. 1.

165

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

entziehen. Einige wurden zahlungsunfähig, konnten ihre Obligationsanleihen nicht bedienen und suchten ihrer Verbindlichkeiten ledig zu werden. Der schweizerische Bundesrat erließ zunächst Notstandsmaßnahmen und legte der Bundesversammlung sodann 1939 einen Gesetzesentwurf vor, der erst 1947 zu dem unter lit. c) näher zu beleuchtenden SchGG führte.699 Grund der Gesetzesvorlage war aber nicht die Entschuldung, sondern vorrangig die Sorge um die Kreditwürdigkeit der Gebietskörperschaften. Ziel des Gesetzes ist die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger und daneben die Sanierung des Gemeindehaushalts.700 c)

Das schweizerische Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts (SchGG) – ein Programm für die Sanierung ?

aa)

Bemerkungen zur Einbettung des Gesetzes in das System der Zwangsvollstreckung und zu seinem allgemeinen Teil

216

Die heutige Rechtslage in der Schweiz zur Zwangsvollstreckung gegen öffentlichrechtliche Körperschaften des kantonalen Rechts und Kommunen ist daher durch das oben erwähnte SchGG, das „Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und andere Körperschaften des kantonalen öffentlichen Rechts“ vom 04.12.1947 geprägt.701 Daneben steht das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG).702

217

Art. 30 Abs. 1 SchKG schließt die Zwangsvollstreckung (einschließlich des Konkurses als Teil des SchKG 703) gegen „Kantone, Bezirke und Gemeinden“ aus, sofern darüber anderweitige bundesgesetzliche („eidgenössische“) oder kantonale Bestimmungen erlassen wurden. Das Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden und die anderen öffentlich-rechtlichen kantonalen Körperschaften aus dem Jahr 1947 ist also lex specialis gegenüber dem SchKG, das damit subsidiär ist.

218

Auf die Kantone selbst ist das SchGG nach Art. 1 Abs. 2 nicht anwendbar. Mangels etwaiger kantonaler Sonderregelungen ist aber wiederum für dergleichen Vollstreckungsfälle das SchKG heranzuziehen, das auch für Vollstreckungen gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft und deren Anstalten die gesetzliche Grundlage

699 Vgl. zur Gesetzgebungshistorie BG, Urteil Munizipalgemeinde Leukerbad, aaO, S. 59, Erwägung 4a). 700 BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 59, 61, passim. 701 BBl. 1948 I 242, SR 282.11, verfügbar über www.admin.ch. 702 SR 281.1, Stand: 11.01.2005. 703 Art. 39 Abs. 1 Nrn. 1–12 SchKG enthält folgerichtig auch einen numerus clausus derjenigen Schuldner, gegen die die Betreibung auf dem Wege der „Ordentlichen Konkursbetreibung“ nach Art. 159 ff. SchKG oder der „Wechselbetreibung“ gem. Art. 177 ff. SchKG fortgesetzt werden kann, zu denen öffentlich-rechtliche Organisationen nicht gehören, sondern allein im Handelsregister eingetragene Personen oder Organisationen. Siehe zum Überblick über einige Fragen des schweizerischen Insolvenzrechts den Länderbeitrag von Stephen V. Berti, in:Kirchhof/Lwowski/Stürner, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, München, 2003, S. 1031 ff. mwN. In der Schweiz beginnt die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen einheitlich mit einem Betreibungsbegehren an das Betreibungsamt, so dass sich die bei Konkursreife ggf. anschließende Gesamtvollstreckung durch das Konkursverfahren als „Fortsetzung“ der eingeleiteten Einzelvollstreckung darstellt.

166

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

bietet.704 Allerdings ist nicht die Gesamtexekution zulässig, also ein Konkursverfahren, sondern nur die Spezialexekution 705, d.h. die sog. Pfändungs- und die Pfandverwertungsbetreibung als deren Spielarten. Art. 2 Abs. 1 SchGG schließt das Konkursverfahren über das Vermögen der Kommunen aus gutem Grund aus, denn es ist nach Art. 197 Abs. 1 SchKG ein Liquidationsverfahren.706 Das pfändbare Vermögen des Schuldners wird zur einheitlichen Insolvenzmasse, die der „gemeinsamen Befriedigung der Gläubiger“ dient.

219

Mit dem SchGG liegt ein System vor, das die Vollstreckung gegen Gemeinden als Schuldner ordnet und diesen zugleich die Chance bietet, sich unter eher engen Voraussetzungen zu sanieren, wie nachfolgend zu zeigen sein wird. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass es um alle Körperschaften des öffentlichen Rechts in den Kantonen geht und nicht „nur“ um die Kommunen, d.h. auch um Organisationen, deren Pendant in der Bundesrepublik nach dem jeweiligen Landesrecht durchaus insolvenzfähig sein könnte.

220

Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute genießen jedoch auch in der Schweiz, ganz ähnlich z.B. der Bestimmung des § 882a Abs. 3 Satz 2 ZPO, keinen gesonderten Schuldnerschutz und sie sind auch nicht konkursunfähig, denn das SchGG gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht für sie.707 Grund ist dabei für das Bundesgericht, dass der Staat privatwirtschaftliche Tätigkeit zur öffentlichen Aufgabe machte und entsprechende Leistungen erbringt. Das rechtfertigt nicht, die privatrechtlichen Strukturen zugunsten des öffentlichen Rechts zurücktreten zu lassen.

221

Auch Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind nicht durch das SchGG privilegiert, sondern unterfallen den allgemeinen Vorschriften des SchKG.708 bb)

Die pfändbaren Vermögensgegenstände

Wie schon von Meili 1885 im Ergebnis in seinem Gutachten vorgeschlagen, unterscheidet das Gesetz zwischen Finanz- und Verwaltungsvermögen der Kommunen und folgt damit der verwaltungsrechtlichen Lehre in Deutschland.709 Alle Vermö-

704 Amon/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., 1997, § 7 Rdnr. 14 f. 705 Anon/Gasser, aaO, § 7 Rdnr. 15, § 1 Rdnr. 26 f., § 9 Rdnr. 1. 706 Ein dem Insolvenzplanverfahren vergleichbares Sanierungsverfahren sieht das SchKG nicht vor, siehe auch Berti, aaO, S. 1037 f. Der Schuldner kann sich jedoch bemühen, einen „Nachlassvertrag“ mit seinen Gläubigern zu schließen, der ihn von Schulden befreit. 707 Amon/Gasser, aaO, § 7 Rdnr. 13; BG, II. Zivilabt., Urt. v. 01.12.1994, Lignoform Innenausbau AG gg. Aargauische Kantonalbank wg. Bauhandwerkerpfandrecht – BGE 120 II 321. 708 BG, Urteil Aargauische Kantonalbank, aaO, S. 322, Erwägung 2b). 709 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, § 20 S. 376 u. Fn. 1, 2 unter Hinweis auf § 116 Deutsche Gemeindeordnung und eine ältere vollstreckungsrechtliche Darstellung (Forsthoff/Simons, 1931). Das BG bezieht sich ausdrücklich auf die deutsche Verwaltungslehre und definiert das Finanzvermögen als Vermögenswerte, „die nur mittelbar, nämlich mit ihrem Kapitalwert und ihren Erträgnissen, zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben beitragen . . .“, Urt., II. Zivilabt., v. 03.11.1977, Zehtner Armierungen AG gg. Schweizerische Eidgenossenschaft – BGE 103 II 227. Siehe auch die identische Definition bei Wolff/Bachof/Stöber, Verwaltungsrecht Band 2, 6. Aufl., 2000, § 75 Rdnr. 8.

167

222

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

genswerte, die nicht zum Verwaltungsvermögen gehören, sind als Gegenstände des Finanzvermögens pfändbar (Art. 7 iVm Art. 9). Gegenstände des Verwaltungsvermögens wiederum sind alle, die unmittelbar der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen. Solange sie öffentlichen Zwecken gewidmet sind, sind sie weder pfändbar noch verwertbar, auch nicht mit Zustimmung des Schuldners (Art. 9 Abs. 1). Ausdrücklich unpfändbar bzw. unverwertbar sind Steuerforderungen (Art. 9 Abs. 2), eine für jedes Staatswesen zwingende Lösung 7 10, die Phänomene wie die Steuerpacht und ähnliche Instrumente unterbindet und die Steuerhoheit wahrt. Alle öffentlichen Zwecken dienenden Einrichtungen sind nur mit Zustimmung der Kantonalregierung pfändbar und verwertbar (Art. 8 Abs. 1), ebenso öffentliche Wald-, Weide- und Almflächen. Die Kantonalregierung kann ihre Genehmigung auch mit Bedingungen und Auflagen verbinden (Art. 8 Abs. 2). Dasselbe gilt für (rechtsgeschäftliche) Verpfändungen (Art. 8 iVm Art. 10 Abs. 1). Die Umwidmung eines Grundstücks in Verwaltungsvermögen setzt umgekehrt die Befriedigung oder Besicherung der Pfandgläubiger an diesem Grundstück voraus (Art. 11 Abs. 1), bis dahin bleibt es vollstreckungsfähiges Finanzvermögen (Art. 11 Abs. 2).711

222a

Zweckgebundenes öffentliches Vermögen der Kommune (z.B. von „stiftungsähnlichen Fonds“ und Pensionskassen) darf nur ge- oder verpfändet werden, wenn die Schuld aus dem Zweck der Sondervermögen herrührt (Art. 12 Abs. 1).

222b

Die Unpfändbarkeit des Verwaltungsvermögens ist aber nicht auf das SchGG beschränkt, wie das Bundesgericht festgestellt hat. Vielmehr gilt dieser Grundsatz generell, er ist „... eine zwangsläufige Folge des Vorrangs des öffentlichen Rechts (bzw. der sich daraus ergebenden Zweckgebundenheit des Verwaltungsvermögens) über das Privatrecht ...“.712 Dieses Prinzip führte dann in den vom BG entschiedenen Fällen des Bauhandwerkersicherungspfandrechts dazu, dass Subunternehmer baulicher Leistungen für die öffentliche Hand bei Ausfall ihres Vertragspartners (des Werkunternehmers, den die öffentliche Verwaltung beauftragt hat) keine Sicherung an dem jeweiligen öffentlichen Grundstück erhielten. Anders betrachtet: Der Staat haftete im Ergebnis dem Subunternehmer nicht.713 cc)

223

Die „Restschuldbefreiung“ als Sanierungsinstrument

Zu den Möglichkeiten der „Befreiung“ von im Rahmen der Verfahren nach dem SchGG nicht befriedigten Verbindlichkeiten der Kommunen, die Art. 3 SchGG bietet, darf auf die Schlussbemerkung zu dem Gesetz nach Würdigung der Instrumente des Gläubigergemeinschaftsverfahrens und der Beiratschaft verwiesen werden.714

710 AA Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen . . ., S. 135, 140, 160. 711 BG, II. Zivilabt., Urt. v. 05.06.1985, Comune di Vico Morcoto gg. Credito Svizzero e Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino – BGE 111 II 81. 712 BG, Urteil Zehtner Armierungen, aaO, S. 237. 713 Vgl. BGE 103 II 227, S. 240; BG, Urt. v. 30.04.1969, Bissig gg. Einwohnergemeinde d. Stadt Grenchen und Regierungsrat des Kantons Solothurn – BGE 95 I 97, S. 101/103 (zu Art. 11 SchGG); BG, II. Zivilabt., Urt. v. 15.06.1998 A. AG gg. Schweizerische Eidgenossenschaft – 124 III 337, S. 338 (Tenor), 341. 714 Siehe Buchstaben c), d) nachfolgend = Rdnr. (216) ff. und Rdnr. (224) ff.

168

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

d)

Die Möglichkeiten des Eingriffs in die Rechte von Anleihe- und sonstigen Gläubigern nach Art. 13 ff. SchGG beim Gläubigergemeinschaftsverfahren

Eine gesonderte Gruppe der Gläubiger stellen Anleihegläubiger dar, in deren Rechte nach Maßgabe der Art. 13–27 SchGG unter Bildung einer „Gläubigergemeinschaft“ eingegriffen werden kann. Der Abschnitt im SchGG zu diesem Thema stellt neben der ebenfalls zu behandelnden Beiratschaft den Kern des Regelwerks dar.715

224

Ist die Körperschaft nicht mehr in der Lage, die Verpflichtungen aus einer Anleihe bei Fälligkeit zu befriedigen, so kann sie ein Verfahren einleiten, das ihrer Sanierung dient und in die Gläubigerrechte nach Art. 13 SchGG eingreift. Als Anleihe ist ein Finanzinstrument nach der Legaldefinition in Art. 13 SchGG nur anzusehen, wenn die „Anleihensobligation“ von der Körperschaft „unmittelbar oder mittelbar“ zu einheitlichen Bedingungen und öffentlich („zur öffentlichen Zeichnung“) emittiert wurde.

225

Ist das der Fall, besteht nach Art. 13 lit. a)–f) SchGG u.a. die Möglichkeit

226

• die „Amortisationsfrist“, d.h. die Laufzeit der Anleihe, um bis zu fünf Jahre zu verlängern • rückständige oder innerhalb eines Jahres fällige Tilgungsbeträge auf fünf Jahre ab Beschluss der Gläubigerversammlung zu stunden • „ausnahmsweise“ die Reduzierung des Anleihezinses für fünf Jahre um 50 % vorzunehmen • „ausnahmsweise“ Zinsverzichte rückständiger Zinsen um 50 % zu bestimmen • Änderungen der für die Anleihe etwa bestellten Sicherheiten oder Teilverzichte darauf festzulegen. Die Maßnahmen kommen jeweils auch kumulativ in Frage (Art. 14 Abs. 2) und können sogar zweimal vor Ablauf der ersten Frist um jeweils fünf Jahre verlängert werden (Art. 14 Abs. 3). Die Eingriffsmöglichkeiten gehen weit über das deutsche Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen 716 hinaus und erinnern mit der Möglichkeit der Laufzeitverlängerung und der drastischen Zinskürzung doch eher an Maßnahmen in den USA aus den Dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts.717 Immerhin kann bei wörtlicher Auslegung der Art. 13, 14 Abs. 2, 3 SchGG dem Gläubiger einer kommunalen Anleihe z.B. eine maximale Laufzeitverlängerung bis zu 15 Jahren unter gleichzeitiger Zinsreduzierung auf die Hälfte des Zinssatzes nach den Anleihebedingungen zugemutet werden. Die genannten Eingriffsmöglichkeiten sind zwingenden Rechts und können daher durch rechtsgeschäftliche Abreden einschließlich der Anleihebedingungen nicht „ausgehebelt“ werden (Art. 14 Abs. 1).

715 Siehe zu der Kürzung der Ansprüche von Anleihegläubigern zu den hier umrissenen Fällen aus der Praxis in den USA, Rdnr. (97 ff./104 f.) oben und zu dem Konzept des Gesetzes betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen in Deutschland, Rdnr. (109a) oben. 716 Vgl. oben Rdnr. (109a). 717 Siehe oben Rdnr. (105) ff. zu dem Fall Asbury Park.

169

226a

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

227

Die Kürzung der Gläubigerrechte ist indes nur zulässig, wenn sie zur Behebung der Haushalts(„Notlage“) • erforderlich und geeignet sind (Art. 22 Abs. 1 1, Halbsatz) SchGG • und „wenn zur Abwendung der Notlage alles getan worden ist, was billigerweise erwartet werden darf“ (Art. 22 Abs. 1 2. Halbsatz) SchGG.

227a

Die Maßnahmen, die die Körperschaft selbst unternommen haben muss, bevor die Anleihegläubiger zur Sanierung beitragen, dürften materiell im wesentlichen diejenigen sein, die auch im Falle der Beiratschaft, dem zweiten Sanierungsinstrument nach den Art. 28 ff. SchGG, verlangt werden. Dazu gehört u.a. • den Haushalt „zu ordnen“ und soweit als möglich die Ausgaben zu vermindern und die Einnahmen zu erhöhen (Art. 34 Abs. 2 SchGG) • fällige Forderungen der Körperschaft einzuziehen (Art. 35 Abs. 1 SchGG). Offen mag bleiben, inwieweit dazu auch die Verwertung des Finanzvermögens gehört, soweit dies erforderlich ist (Art. 34 Abs. 2 Satz 1 SchGG) bzw. inwieweit die Körperschaft Steuern- und Abgabenerhöhungen in die Wege geleitet, Entgelte für die von ihr erbrachten Leistungen erhöht haben muss (Art. 37 Abs. 1 Satz 1 SchGG). Man muss das aber wohl eher bejahen, denn ein Gläubigerbeitrag zur Sanierung – um nichts anderes handelt es sich – ist ohne all diese Maßnahmen vielleicht geeignet zur Behebung einer Haushaltsnotlagensituation, aber eben nicht erforderlich, wenn sich die Körperschaft aus eigener Kraft hieraus befreien kann.

228

Entscheidend ist freilich das Verfahren und die Voraussetzungen, unter denen so weitreichende Maßnahmen zulässig sind. Die Art. 15 ff. SchGG errichten für den kommunalen Schuldner hohe Hürden, bevor die Anleihegläubiger in der geschilderten Weise zu seiner Sanierung beitragen.

229

Das Verfahren verwebt dabei eigentümlich Elemente der Kommunalaufsicht, der richterlichen Überwachung des Verfahrens auf schweizerischer Bundesebene und der Gläubigerautonomie. Der öffentliche Schuldner stellt den Antrag auf Durchführung des Verfahrens bei der Kantonalregierung, die begutachtet, votiert und an das schweizerische Bundesgericht in Lausanne leitet. Die Schuldnerin hat dabei ihre wirtschaftliche Lage unter Beifügung der (Haushalts)unterlagen und solcher der vergangenen fünf Jahre dazulegen. Sie muss also ihre Zahlungsunfähigkeit nachweisen. Das Bundesgericht prüft die wirtschaftliche Lage und lässt ggf. selbst ein eigenes Gutachten nach Anhörung der Nationalbank erstellen. Des weiteren kann das Gericht vorläufig Stundungen 718 der fraglichen Anleihe anordnen, aber auch anderer Verbindlichkeiten der Schuldnerin. Das ist nichts anderes als die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen. Kommt das Bundesgericht zu dem vorläufigen Ergebnis, die Notlage der Körperschaft sei zum Entscheidungszeitpunkt nicht anders zu beheben als durch (die von der Körperschaft vorgeschlagenen) Maßnahmen gem. Art. 13, 14 SchGG, so beruft es eine Gläubigerversammlung der An-

718 Stundung bedeutet in der Schweiz wie im deutschen Recht ein Hinausschieben der Fälligkeit, sie hemmt die Verjährung. Vgl. Honsell/Vogt/Wiegandt, Basler Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht – Obligationenrecht I, 3. Aufl. 2003, Art. 75 OR, N 5 mwN. BG, Urt. der I. Zivilabteilung – Urt.v. 15.03.1968 – 94 II 101 ff./104.

170

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

leihegläubiger ein, deren Vorsitz dem „Instruktionsrichter des Bundesgerichts“ obliegt. Werden mehrere Anleihen behandelt, finden mehrere Gläubigerversammlungen statt (Art. 15–18 SchGG). Die Maßnahmen bedürfen zweier Mehrheiten der Anleihegläubiger („Obligationäre“), nämlich einmal einer 2/3-Kapitalmehrheit in der Versammlung, die zugleich der einfachen Mehrheit des platzierten Anleihekapitals entsprechen muss (Art. 20 Abs. 1 SchGG). Bei ablehnendem Beschluss kann die Schuldnerin noch zwei Monate lang versuchen, die Zustimmung von weiteren Gläubigern zu erhalten, um die Quoren zu erreichen, wobei diese schriftlichen Abstimmungen öffentlich zu beglaubigen und beim Bundesgericht einzureichen sind (Art. 20 Abs. 2 SchGG).

230

Das Bundesgericht genehmigt den Gläubigerbeschluss, der damit für alle anderen Gläubiger der betroffenen Anleihe ebenfalls verbindlich wird (Art. 23 Abs. 1). Das Gericht kann dabei auch Quoren mit einfacher Mehrheit „des in der Gläubigerversammlung vertretenen, nicht aber des im Umlauf befindlichen Kapitals“ für die „Gesamtheit der Obligationäre verbindlich erklären“ (Art. 20 Abs. 3) und dann nach Art. 23 Abs. 1 SchGG genehmigen. Die Genehmigung setzt ferner wie auch bei jedem geordneten Insolvenzverfahren die Wahrung der par conditio creditorum voraus bzw. die Zustimmung derer, die ungleich behandelt werden (Art. 22 Abs. 2). Schließlich ist die Gewährung von Sondervorteilen für einzelne Gläubiger ungültig (Art. 22 Abs. 3); sie führt zur Versagung der gerichtlichen Genehmigung wegen Unredlichkeit bzw. wegen Verstoßes gegen die gesetzlichen Voraussetzungen (Art. 23 Abs. 2 SchGG).

231

Für jede von mehreren Anleihen gibt es eine eigene Gläubigerversammlung (Art. 17 Abs.2 SchGG). Nun ist es natürlich denkbar, dass eine Kommune in einer solchen Situation die eine Anleihe bedient, die andere nicht. Es ist aber doch sehr fraglich, ob die par conditio creditorum dergestalt verletzt werden kann, dass der einen Gläubigergruppe Kürzungen zugemutet werden, während andere vollständig befriedigt werden. Dagegen schützt zum einen das doppelte Quorum sowie die Möglichkeit des Antrags jedes Obligationärs, einen Antrag auf Beiratschaft zu stellen, die dann auf die par conditio bedacht sein müsste (Art. 29 Abs. 2 2. Alternative iVm Art. 34 Abs. 1 SchGG, wonach die Beiratschaft dafür sorgt, die Gläubiger „im Rahmen des Finanzplans möglichst bald und gleichmäßig“ zu befriedigen). Bei Verletzung der par conditio creditorum dürfte aber der Antrag der Kommune auch kaum das oben beschriebene komplexe Zulassungsprocedere überstehen und schon gar nicht ist dann alles getan worden, um die Notlage ohne Beschneidung der Gläubigerrechte zu beheben. Daher wären in einem solchen Fall bei mehreren Anleihen generell ein Eingriff bei allen vorprogrammiert und es würde hierüber in einer jeweils rechtlich selbstständigen Versammlung entschieden.

232

Jede der Gläubigergemeinschaften kann beschließen, dass ihre Zustimmung nur gültig ist, wenn andere Anleihegläubigergemeinschaften „gleiche oder entsprechende“ Vermögensopfer erbringen (Art. 21 Abs. 1 SchGG), d.h. die Zustimmung ist aufschiebend bedingt durch eine geeignete pari passu-Regelung. Das Bundesgericht kann bei Vorliegen dieser Voraussetzung die Genehmigung für alle Gläubigergemeinschaften erteilen, wenn die Hälfte des platzierten Anleihekapitals aller Anleihen zugestimmt hat, auch wenn die Gläubiger einer Anleihe die Zustimmung

233

171

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

verweigert haben. Das ist nichts anderes als ein cram down auf der Ebene der Anleihen, vergleichbar mit, aber weitaus einfacher strukturiert als § 245 InsO (und auch deutlich weniger weitreichend).

234

Das Bundesgericht kann sogar, „wenn die Billigkeit es verlangt“, in das Verfahren andere Gläubiger einbeziehen und diesen Vermögensopfer wie den Obligationären auferlegen, „insbesondere, wenn andernfalls die Sanierung unbillig verunmöglicht“ würde; diese kurzen Bestimmungen des Art. 24 Abs. 1 und 2 SchGG sind nicht mehr und nicht weniger als die Ermöglichung eines umfassenden Sanierungsprogramms durch gerichtliche Entscheidung, wenn denn nur eine Gemeinschaft von Anleihegläubigern besteht. Das Verfahren ist zunächst – ohne Zustimmung der betroffenen Gläubiger (!) – für die Fälle gedacht, in denen die Forderungen der sonstigen Gläubiger höchstens ein Drittel des umlaufenden Anleihekapitals erreichen (Art. 24 SchGG), also insgesamt an der Verschuldung der Körperschaft nur ein Viertel ausmachen. Bei einer derartigen Konstellation mag ein cram down recht und billig sein, denn es ermöglicht die Sanierung und die quotale Befriedigung der anderen Gläubiger, die eine Mehrheit von 75 % der Gesamtverschuldung repräsentieren, es dient der Realisierung der par conditio creditorum.

235

Nur wenn die Eindrittelgrenze der Gesamtverschuldung überschritten ist, muss die einfache Mehrheit dieser anderen Gläubiger zustimmen und die Summe ihrer Forderungen muss mehr als die Hälfte aller in die Regelung einbezogenen Forderungen ausmachen (Art. 24 Abs. 2 SchGG). In jedem Falle ist den betroffenen Gläubigern rechtliches Gehör zu gewähren, sie sind untereinander gleich zu behandeln. Bereits erbrachte Sanierungsbeiträge sind abzusetzen, Sicherungsrechte zu beachten (Art. 25 SchGG).

236

Eine erhebliche Beeinträchtigung erleidet die Gleichbehandlung der Gläubiger freilich dadurch, dass Art. 26 SchGG von der Einbeziehung eine Fülle von Forderungen ausnimmt, nämlich u.a. • • • •

236a

Verbindlichkeiten mit öffentlich-rechtlichem Charakter Verbindlichkeiten, die beim Gläubiger unpfändbar sind Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern, Beamten, Pensionären usw. bzw. gegenüber Versicherungen.

Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als der Wegfall eines Beitrags öffentlicher Gläubiger oder umgewendet die Finanzierung der Sanierung allein durch bestimmte Gruppen privater Gläubiger, vornehmlich eben der Anleihegläubiger, die ihrerseits mindestens, wenn es sich um Beteiligungen Privater an kleinen Anleihestückelungen handelt, ebenso schutzwürdig sind wie die „ausgenommenen Gläubiger“. Bedenken muss man bei allen diesen Verfahrensweisen, dass der materielle Eingriff in die Gläubigerrechte verhalten bleibt. e)

237

Das Verfahren der Gläubigerbefriedigung unter Beiratschaft nach Art. 28 ff. SchGG

Ein völlig anderes Verfahrenskonzept verfolgt das zweite Herzstück des Gesetzes mit der Schaffung des Instituts der Beiratschaft nach den Art. 28–45 SchGG. Sie ist eine gesteigerte Art der Zwangsverwaltung der Gemeinde, die entweder die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit durch die Körperschaft voraussetzt oder die

172

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Prognose, diese werde auf längere Zeit ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen können. Dabei muss die Anordnung der Zwangsverwaltung 719 („Kuratel“, s.o.) nach dem Recht des Kantons unterblieben sein oder sich als ineffizient erwiesen haben (Art. 28 Abs. 1 SchGG). Die Anordnung erfolgt durch die Aufsichtsbehörde 720 auf Antrag der Schuldnerin, der Kantonsregierung oder eines Gläubigers, der freilich sein berechtigtes Interesse glaubhaft machen muss (ansonsten es an der Antragsbefugnis fehlt), Art. 28 Abs. 1, 3 SchGG. Die Anordnung unterbleibt, wenn das – weniger einschneidende – oben umrissene Gläubigergemeinschaftsverfahren „möglich und genügend“ ist oder den Interessen der Gläubiger anderweit ausreichend entsprochen wird (Art. 28 Abs. 2 SchGG).

238

Die Behörde kann die Beiratschaft auch zur Vermeidung der Verwertung eines durch Zwangsvollstreckung verstrickten Pfandgegenstandes anordnen, wenn die Pfandverwertung „untunlich“ ist und die Beiratschaft dem Gläubigerinteresse entspricht (Art. 29 Abs. 1 SchGG). Ferner ist die Beiratschaft u.a. zulässig, wenn eine Gläubigerbenachteiligung nicht vollstreckender Gläubiger zu befürchten ist oder wenn Anleihegläubiger Vermögensopfer nach Art. 13 SchGG bringen sollen (Art. 29 Abs. 2 SchGG).721 Antragsbefugt ist im Falle des Art. 29 Abs. 1 SchGG die Schuldnerin bzw. die Kantonsregierung, im Falle des Absatzes 2 der jeweils durch Benachteiligung gefährdete Gläubiger oder der mit dem Vermögensopfer zu belastende Obligationär.

239

Mit der Anordnung der Beiratschaft ist die Stundung nach Art. 41 Abs. 1 SchGG verbunden.722

239a

Die Dauer der Beiratschaft beträgt erstmals maximal drei Jahre mit einer Verlängerungsoption um längstens weitere drei Jahre.723 Sie kann auch nur einen Teil der gemeindlichen Aktivitäten erfassen (Art. 30 SchGG).

240

Die Prüfung, ob die Beiratschaft anzuordnen ist, erfolgt durch die Aufsichtsbehörde auf der Basis der Schilderung der Gemeinde über ihre Jahresrechnungen der vergangenen fünf Jahre und des laufenden Jahres. Die Kantonsregierung hat abhängig, wer den Antrag stellt, dazu Stellung zu nehmen oder den Antrag (der Kommune) zu begutachten (Art. 31 SchGG). Die Kantonsregierung kann auch der beabsichtigten Beiratschaft mit der Folge einer Entscheidung durch das Bundesgericht widersprechen (Art. 31 Abs. 1). Als vorläufige Sicherungsmaßnahme kann die Aufsichts-

241

719 Für das deutsche Recht entspricht dies der Bestellung eines „Staatskommissars“, des Beauftragten der Aufsichtsbehörde nach dem jeweiligen Gemeinderecht (s.o.), die ebenfalls ultima ratio und nur dann zulässig, d.h. verhältnismäßig ist, wenn die anderen Mittel der Aufsicht nicht hinreichend sind und der ordungsgemäße Gang der Verwaltung gefährdet bzw. behindert ist. 720 Das ist nicht die Kommunalaufsichtsbehörde, sondern die zuständige Betreibungsaufsichtsbehörde, z.B. im Wallis das Kantonsgericht in seiner Eigenschaft als „obere kantonale Betreibungsaufsichtsbehörde“, siehe das Urteil Munizipalgemeinde Leukerbad des BG, BGE 127 III 55, S. 56. 721 Siehe oben Buchstabe d) Rdnr. (224) ff. 722 BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 61; zu Art. 41 Abs. 1 siehe auch unten lit. f), aa). 723 6 Jahre sind die Höchstdauer, gleichgültig, ob das Ziel der Sanierung erreicht wurde oder nicht, siehe BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 61, Erwägung 4b) aE.

173

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

behörde der Schuldnerin Stundung für drei Monate bewilligen und nach Anhörung der Kantonsregierung die Tätigkeit der Schuldnerorgane aufheben oder einschränken (Art. 31 Abs. 3).

242

Mit Abschluss der Prüfung und Anordnung der Beiratschaft wird diese nach Erzielung des Einvernehmens mit der Kantonalregierung „einer oder mehreren Personen“ übertragen (Art. 33 Abs. 2 SchGG), die eine Entschädigung erhalten und nach dem SchKG für ihre Handlungen dem Kanton gegenüber verantwortlich sind. Dieser haftet wiederum im Außenverhältnis (Art. 5 ff. SchKG, Art. 33 Abs. 3 SchGG). Aufgrund der nachfolgend umrissenen weitreichenden Folgen der Beiratschaft bzw. ihrer Ablehnung und weiteren Maßnahmen steht den jeweils Betroffenen gegen die Entscheidungen der Aufsichtsbehörde die Beschwerde an das Bundesgericht (Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) zu (Art. 45 SchGG). Sie kann mit derjenigen nach § 34 Abs: 2 InsO verglichen werden (freilich nicht mit dem Instanzenzug, an dessen Ende erst die Rechtsbeschwerde zum BGH steht).

243

Die Kompetenzen des Beirats bzw. der Beiräte Die Beiräte haben weitgehende Kompetenzen, die in eigentümlicher Weise sowohl privat- bzw. vollstreckungsrechtlicher als auch verwaltungsrechtlicher Natur sind. Ausgangspunkt ist dabei, wie dargelegt, dass andere Maßnahmen nicht hinreichend sind, um dem Gläubigerinteresse zu genügen.

243a

Die Parallele zur Funktion des Insolvenzverwalters ist evident, wenn Art. 38 Abs. 1 Satz 2 SchGG die finanzielle Geschäftsführung auf die Beiräte überträgt und den Organen der Körperschaft und deren Verwaltungsaufsichtsbehörden entzieht (vgl. § 80 InsO!). Der beschränkten Aufgabe entspricht es, wenn die anordnende Aufsichtsbehörde die Kompetenzen „genau umschreiben muss“. Eben dies hat in Deutschland der BGH für den vorläufigen Insolvenzverwalter bekanntlich am 18.07.2002 nach §§ 21, 22 InsO entschieden, dessen begrenzte Funktion 724 der des Beirates strukturell vergleichbar erscheint.

244

Verfügungen und Verpflichtungen der Schuldnerorgane bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Beiratschaft (Art. 39 Abs. 2 S. 1 SchGG), wobei eine Ausnahme für die laufenden Ausgaben aus schon vorhandenen „Einnahmequellen“ besteht. Gutgläubiger Erwerb bleibt geschützt (Art. 39 Abs. 2 Satz 2 SchGG).

245

Mit der Kompetenz für laufende Aufgaben bleibt für die Reorganisationsphase unter der Kuratel der Beiräte nur ein Restbereich kommunaler Selbstverwaltung, denn auch Gemeindereferendum oder Gemeindeinitiative stehen Verfügungen der Beiräte nicht entgegen (Art. 39 Abs. 2 SchGG). Das ist insolvenzrechtlich betrachtet zugleich ein Element der Eigenverwaltung, das zudem durch die Möglichkeit der Übertragung von Einzelbefugnissen an die Organe der Körperschaft gestärkt wird (Art. 39 Abs. 3 SchGG), wozu freilich die Zustimmung der Aufsichtsbehörde erforderlich ist. Im Übrigen haben die Organe der Körperschaft Weisungen der Beirat-

724

174

BGH, Urt. v. 18.07.2002 – IX ZR 195/01 – BGHZ 151, 353 ff./LS c), d), S. 365/367.

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

schaft nachzukommen, ansonsten die Organmitglieder persönlich haftbar sind, eine außerordentlich scharfe Waffe (Art. 40 Abs. 2 SchGG). Die Funktion der Beiratschaft als Zahlungsunfähigkeitsverfahren mit Sanierungscharakter (infolge der Beschränkung der Vollstreckungsmasse nach Art. 6 ff. SchGG) zeigt sich auch an der Möglichkeit der Anfechtung gläubigerbenachteiligender Rechtshandlungen (Art. 41 Abs. 3 SchGG iVm Art. 285 ff. SchKG). Nach Art. 36 SchGG iVm Art. 285 ff. SchKG obliegt die Anfechtung den Beiräten, soweit nicht die Aufsichtsbehörde einem Verzicht auf die nach dem Recht der Schweiz nötige Anfechtungsklage oder einem Vergleich mit dem Anfechtungsgegner zustimmt.725 Dasselbe gilt für die Inhaftungnahme der Organe aus Verantwortlichkeitsklage.726

246

Zu den Befugnissen der Beiratschaft auf dem Sektor der kommunalen Entgelte und öffentlichen Abgaben darf auf den nachfolgenden Überblick über die Aufgabe der Beiräte verwiesen werden.

247

Die Aufgaben der Beiräte bzw. des Beirats Die Beiräte haben u.a. • ein Inventar und eine Eröffnungsbilanz des Vermögens mit gesondertem Ausweis des (weil nach Art. 6 ff. SchGG pfändbaren) Finanzvermögens auf den Zeitpunkt der Anordnung der Beiratschaft zu erstellen und eine Jahresbilanz nach Ablauf jeden Verwaltungsjahres zu errichten (Art. 38 Abs. 1 SchGG) • in der Regel einen Rechnungsruf zu erlassen (Art. 38 Abs. 1 SchGG) • aus den gewonnenen Erkenntnissen einen Finanzplan über die geplanten Sanierungsmaßnahmen zu erarbeiten (Art. 38 Abs. 1 SchGG). Die Bilanz und der Plan sind der Kantonsregierung und der Schuldnerin zuzustellen und öffentlich auszulegen, worüber die Gläubiger zu unterrichten sind (Art. 38 Abs. 3 Satz 1 SchGG)! Der Plan kann innerhalb einer Frist von 30 Tagen gegenüber der Aufsichtsbehörde angefochten werden (Art. 38 Abs. 3 Satz 2 SchGG). Die Parallelität zum Insolvenzplan (vgl. §§ 217 ff., 231 ff. InsO) liegt auch hier auf der Hand.

248

Die Aufgabe der Beiratschaft besteht materiell u.a. darin • die fälligen Verbindlichkeiten der verpflichteten Körperschaft nach Maßgabe des Sanierungsplans gleichmäßig zu befriedigen, Art. 34 Abs. 1 SchGG • den Finanzhaushalt zu ordnen, Art. 34 Abs. 2, 1. Alt. SchGG • Ausgaben zu senken, Einnahmen zu erhöhen, Art. 34 Abs. 2, 2. Alt. SchGG • rückständige Forderungen beizutreiben, insbesondere Steueransprüche durchzusetzen, Art. 35 Abs. 1 SchGG • das Finanzvermögen, wo nötig, ganz oder teilweise zu verwerten, Art. 35 Abs. 2 Satz 1 SchGG und den Erlös im Rang nach bestehenden Pfandrechten zur Tilgung der Verbindlichkeiten der Körperschaft zu verwenden, Art. 35 Abs. 2 Satz 3 SchGG

725 726

Vgl. Art. 290 f. SchKG. Ebenfalls Art. 36 SchGG.

175

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

• Ansprüche gegen Anfechtungsgegner und Verantwortlichkeitsansprüche gegen Organe und Mitarbeiter der Körperschaft, wo vorhanden, durchzusetzen (s.o., Art. 36 SchGG).

248a

Die Beiratschaft kann nach Art. 37 SchGG generell sogar auf ganz sensiblen Gebieten Anordnungen treffen, nämlich „soweit notwendig ... zweckmäßig ... und tragbar ... von Amts wegen ... oder auf Antrag eines Gläubigers“ (Hervorhebung durch den Verf.), wenn auch mit Zustimmung der Kantonsregierung, • Steuern und Abgaben erhöhen(!) • Entgelte für öffentliche Leistungen neu einführen oder erhöhen, beides ohne durch abweichende Regelungen des „kommunalen Rechts“ gehindert zu sein (!) • neue Steuern und Abgaben einführen (!), deren Erhebung nach kantonalem Recht zulässig ist, auf die die unter Beiratschaft stehende Körperschaft aber bislang verzichtet hatte (Art. 37 Abs. 2 SchGG).

249

Rechtsschutz gegen Beiratsentscheidungen Rechtsschutz gegen die Anordnungen der Beiratschaft wird durch Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde gewährt, Art. 44 SchGG. Gegen die Entscheidung der Aufsichtsbehörde ist nach Art. 45 lit. b) SchGG die Beschwerde an das Bundesgericht statthaft, u.a. mit der Begründung, die Erhöhung von Steuern, Abgaben und Entgelten sei (fehlerhaft) abgelehnt worden oder die Zustimmung der Kantonalregierung (s.o.) sei fehlerhaft nicht eingeholt worden. Daneben wird die Möglichkeit der sog. staatsrechtlichen Beschwerde an das Bundesgericht genutzt.727 f)

Weitere Anmerkungen zu der Rechtslage nach dem SchGG; die Möglichkeit der Schuldbefreiung auf dem Weg der Beiratschaft und durch Nachlassvertrag

aa)

Die weiteren Wirkungen der Beiratschaft; keine Befreiung von Altverbindlichkeiten („Restschuldbefreiung“) durch die Beiratschaft; der Unterschied zum Gläubigergemeinschaftsverfahren

250

Die Beiratschaft soll als solche zur vollständigen Befriedigung der Gläubiger führen, gegebenenfalls auch erst nach langjähriger Stundung, die die Dauer der Beiratschaft um drei Jahre übersteigen kann (Art. 43 Abs. 2 SchGG). Die Einschränkung der Gläubigerrechte hierdurch kann daher insgesamt neun Jahre andauern (Art. 42, 30 Abs. 1und 2 SchGG), zuzüglich der Dreimonatsfrist als vorläufige Maßnahme der Aufsichtsbehörde (Art. 32 Abs. 3 SchGG). Während der Beiratschaft ist die Vollstreckung und Verwertung für Altschulden, die vor Beginn der Beiratschaft bestanden, ausgesetzt (Art. 41 Abs.1 bzw. Art. 29 Abs. 1 iVm Art. 6 SchGG), nicht jedoch für Neuschulden, die vollstreckungsrechtlich den Masseverbindlichkeiten nach der Terminologie der Insolvenzordnung vergleichbar sind.

251

Ziel der Beiratschaft ist somit die geordnete Befriedigung der Gläubiger auf der Basis eines Plans bei gleichzeitiger äußerster Anstrengung der Schuldnerin, dies zu erreichen; sie muss ihre Ressourcen soweit als möglich anspannen.

727

176

BG, Urteil Leukerbad, aaO, BGE 127 III 55 ff.

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Anleihegläubiger und sonstige Gläubiger müssen weitergehende Kürzungen ihrer Rechte im Umfang des Art. 13 nur hinnehmen, soweit ein Gläubigergemeinschaftsverfahren stattfindet, Art. 29 Abs. 2 iVm Art. 13 ff. SchGG. Eine generelle Schuldbefreiung im Hinblick auf die nach Wegfall der Beiratschaft und Erfüllung des Finanzplans etwa noch bestehenden Altverbindlichkeiten ist damit nicht verbunden. Die Wiederherstellung des „finanziellen Gleichgewichts“ (vgl. Art. 42 Abs. 2) als Aufgabe der Beiratschaft ist aber erfüllt, die Schuldnerin kann auf der Basis dieser Prämisse ihre verbleibenden Gläubiger vollständig und vertragsgerecht befriedigen. Weitere Nachteile sind dann den Gläubigern nicht entstanden, Fristen sind während der Beiratschaft gehemmt (Art. 41 Abs. 2).

252

Die Beiräte können aber auf keinen Fall das Erlöschen von Gläubigerforderungen verfügen, auch wenn die Lage der Kommune aussichtslos ist oder erscheint.728 Das SchGG sieht das nicht vor.729 Die im Gang des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagene Möglichkeit, beim Fehlschlagen der Beiratschaft im Rahmen „außerordentlicher Maßnahmen“ unbesicherte Verbindlichkeiten um bis ein Drittel zu kürzen und Zinsen für Kapitalforderungen um bis zu zwei Drittel herabsetzen zu können, wurde abgelehnt. Auch der Vorschlag eines Nachlassvertrags wurde abgelehnt. Grund war die Sorge um die Kreditwürdigkeit der Gemeinden in ihrer Gesamtheit. Die öffentliche Hand müsse ihren Verpflichtungen „unter allen Umständen in vollem Maße nachkommen“.730 Zudem wurde argumentiert, „Obligationen von Städten und Gemeinden (seien) als mündelsichere Anlagen anerkannt“.731 Daher meinte man in der Schweiz, den Obligationären nur ausnahmsweise Einschränkungen zumuten zu können.

252a

An dieser Stelle ist ein Blick auf das deutsche bürgerliche Recht vonnöten: § 1806 BGB verpflichtet den Vormund, Vermögen des Mündels verzinslich anzulegen. § 1807 Abs. 1 BGB schreibt vor, dass er sich dazu der Anlagemöglichkeiten der Nrn. 1 ff. dieser Vorschrift bedienen soll. Bei Abweichungen bedarf er nach § 1811 BGB der Erlaubnis des Vormundschaftsgerichts, die freilich nur verweigert werden soll, wenn die anstelle der Anlagen nach § 1807 Abs. 1 Nrn. 1 ff. BGB gewählte Vermögensanlage den „Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufen würde.“ Die Anlagen nach § 1807 Abs. 1 Nr. 2–4 BGB sind ausnahmslos verbriefte Forderungen oder Wertpapiere, die von Gebietskörperschaften begeben worden sind. Ziff. 4 betrifft kommunale Körperschaften, das sind Gemeinden, Städte, Kreise und Gemeindeverbände.732 Will der Vormund eine andere Anlageform nach § 1811 BGB wählen, so muss sie u.a. im Hinblick auf die Sicherheit

252b

728 BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 61 f. Die betroffene Kommune hatte argumentiert, das SchGG enthalte eine regelungsbedürftige Lücke. Der Beirat hatte mit Zustimmung der Gemeinde eine Forderung von ca. 527 TSFrs „abgewiesen“, das Kantonsgericht als Aufsichtsbehörde hatte die Verfügung aufgehoben. Das Finanzvermögen der Kommune hatte 6 Mio. SFrs betragen, die Schulden 223 Mio. SFrs. Damit ist allerdings keine Aussage über das (in einen etwa doppischen Abschluss einzubringende) gesamte Vermögen der Kommune unter Einbeziehung des Verwaltungsvermögens gemacht und auch nicht möglich. 729 BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 59 f. 730 Das berichtet aus den Entwürfen und Gesetzgebungsmaterialien zum SchGG das BG im Urteil Leukerbad, aaO, S. 59 f. 731 BG, Urteil Leukerbad, aaO, S. 59 f. 732 Zu Einzelheiten siehe Diederichsen, in: Palandt, BGB, 66. Aufl., 2007, § 1807 Rdnr. 3 ff.

177

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

den Anlagen nach § 1807 BGB gleichwertig sein.733 Die Situation ist in diesem Punkt nicht anders als in der Schweiz. Die rechtliche Möglichkeit für eine Gebietskörperschaft, sich ihrer Schulden durch ein Zahlungsunfähigkeitsverfahren weitgehend zu entledigen, hätte ein verheerendes Signal auf die Finanzierung durch Schuldverschreibungen und andere Wertpapierbegebungen der öffentlichen Hand. Der schweizerische Bundesgesetzgeber hat diese Problemlage erkannt und zugunsten der Gläubiger ausschlagen lassen. bb)

Die Kürzung von Gläubigerrechten nach vorgängiger erfolgloser Beiratschaft nach Art. 3 SchGG im Rahmen der Möglichkeiten des Art. 13 SchGG

253

Erst dann, wenn die Beiratschaft trotz Verwertung von Finanzvermögen und unter Anspannung aller Ressourcen einschließlich Kostensenkungen und der Erhöhung von Abgaben und Entgelten der Kommune „nach angemessener Frist“ erfolglos war (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SchGG), stellt sich für den schweizerischen Gesetzgeber die Frage weiterer Vermögensopfer von Gläubigern. Die Körperschaft kann auch erst nach diesem Zeitpunkt mit ihren Gläubigern einen entsprechenden Nachlassvertrag 7 34 nach etwa bestehendem kantonalem Recht schließen, für den die entsprechenden Bestimmungen der Art. 293 ff. SchKG über den Nachlassvertrag allerdings nicht gelten (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 SchGG).

253a

Der schweizerische Nachlassvertrag ist die Parallele zum Insolvenzplan nach der InsO bzw. der früheren Vergleichsordnung.735 Er ist Zwangsvergleich, also im wesentlichen Vollstreckungsmaßnahme.736 Er beruht auf der Erwägung des Obligationenrechts, dass jeder Gläubiger auf Forderungen im Vertragswege verzichten kann. Es gibt ihn in den Formen des „Stundungsvergleichs“, des „Dividendenvergleichs“ (Verzicht mit Abgeltung durch quotale Befriedigung) und den Nachlassvertrag mit Vermögensübertragung als Liquidationsvergleich.737 Die im Nachlassverfahren nicht befriedigten Schulden werden „gelöscht“ 738, während im Konkurs die Haftung weiter fortbesteht. Diese Lösungen des schweizerischen Bundesrechts stehen den öffentlich-rechtlichen Organisationen aufgrund Art. 2 Abs. 2 SchGG aber gerade nicht zur Verfügung. Details des Nachlassverfahrens werden dem kantonalen Gesetzgeber überlassen, der der Zustimmung des schweizerischen Bundesrates bedarf (Art. 3 Abs. 1 und 5 SchGG). Die Möglichkeiten des Art. 13 SchGG (s.o. bei den Anleihegläubigern) stellen jedoch die Grenze dessen dar, was man den Gläubigern zumuten will (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 SchGG).

733 Diederichsen, aaO, § 1811 Rdnr. 3 mwN; die Anlage muss „hinreichend sicher“ sein. 734 Der „Nachlassvertrag“ ist eine Vereinbarung über einen Verzicht, er ist Erlassvertrag im Sinne der Terminologie des deutschen Rechts (§ 397 BGB). Siehe zum Nachlassvertrag auch Berti, in: MK-InsO, aaO, Rdnrn. 48 ff./49. 735 Vgl. zum Nachlass(Vertrags)verfahren vor der Teilreform zum 01.01.1997, Stadler, Der schweizerische Nachlassvertrag, KTS 1995, 539–562; für die Rechtslage danach vgl. Hunkeler, Das revidierte schweizerische „Nachlassverfahren“ – der Insolvenzplan schweizerischen Rechts, ZInsO 2000, 369–375; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, §§ 53 ff., S. 441 ff. 736 Stadler, aaO, S. 540 f. 737 Hunkeler, aaO, S. 370. 738 Hunkeler, aaO, S. 373.

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2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Das Verfahren über die Zustimmung der Gläubiger schreiben Art. 3 Abs. 3 und 4 SchGG vor: Es müssen zwei Drittel der in der Gläubigerversammlung anwesenden Gläubiger der Kürzung ihrer Rechte nach Köpfen und nach Forderungen zustimmen, wobei zum Weiteren ein Quorum von mindestens 50 % aller gegen die Körperschaft gerichteten unbesicherten („nicht pfandgedeckten“) Forderungen erreicht werden muss (Art. 3 Abs. 3 SchGG). Nur auf Beschwerde kann bei Verfehlen dieser Mehrheiten und „ausnahmsweise“ das Bundesgericht „zur Ermöglichung einer Sanierung“ auch einen Beschluss für verbindlich erklären, wenn wenigstens die einfache Mehrheit der vertretenen Gläubiger nach Köpfen und vertretenen Forderungen erreicht wird. In diesem Ausnahmefall reicht also der Beschluss der Mehrheit der konkreten Gläubigerversammlung aus! Die Gläubiger, die Eingriffe in ihre Rechte ablehnen, müssen daher aktiv werden, erscheinen und mitstimmen; das ist nicht anders bei der Abstimmung über den Insolvenzplan nach der InsO.739 cc)

254

Das schweizerische Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden – ein Modell der Entschuldung für die Gemeinden in Deutschland ?

Eine echte Schuldbefreiung ist mit der Durchführung der Maßnahmen nach dem SchGG aber im Hinblick auf die Grenzen des Art. 13 SchGG nicht verbunden. Das Gesetz kennt lediglich Schulderleichterungen, die freilich bei Zinsreduzierungen über Jahre durchaus massiv sein können und für den Gläubiger ein echtes Vermögensopfer bedeuten. Unbenommen bliebe es dem Schuldner, mit seinen Gläubigern, auch kollektiv, Vereinbarungen zu schließen, die ihnen effektiv Verzichte auf Kapitalforderungen zumuten würde. Das wäre jedoch nicht möglich auf dem Wege des Zwangsakkords 740, etwa nach dem Modell des § 245 InsO, sondern nur auf dem Weg des freiwilligen Entgegenkommens. Man darf indes nicht übersehen, dass die Gläubiger auch nach der InsO ihre Zustimmung zur Kürzung ihrer Ansprüche durch Insolvenzplan mit Mehrheit versagen können und dann nur die Liquidation des Schuldnerunternehmens (bei Privaten mit Restschuldbefreiungsverfahren) bleibt. Bei einer Gebietskörperschaft bliebe dann als Alternative in einem Kollektivverfahren entweder dessen Einstellung und der Verweis auf die Einzelvollstreckung mit vielleicht eher mäßigen Erfolgen angesichts der beschränkten pfändbaren Masse oder die Dekretierung der „Restschuldbefreiung“ durch den Gesetzgeber. Die Kriterien der Restschuldbefreiung, z.B. durch Definition einer verteilungsfähigen Masse durch den Barwert 741 der Erträge der Gebietskörperschaft über einen bestimmten Zeitraum, wären noch zu entwickeln. Vielleicht ist die fehlende vollständige Schuldbefreiung der Grund, weshalb in der Diskussion über das Postulat eines Insolvenzverfahrens über Gebietskörperschaften in Deutschland das Regelwerk der Schweizer Nachbarn bisher unverdient unerörtert geblieben ist. Gewiss sind die Eingriffe in die kommunale Selbstverwaltung nach dem SchGG tiefgreifend und

739 So bestätigt sich der römisch-rechtliche Grundsatz, dass „ius civile vigilantibus scriptum sit.“, Scaevola, libro primo responsorum, D.42.8.24, „Quae in fraudem creditorum facta sunt ut restituantur“. 740 Zum Begriff siehe Smid, InsO, Kommentar, § 245 Rdnr. 4, 10. 741 Es gibt natürlich keinen Barwert als absoluten Wert, sondern nur einen Barwert unter Zugrundelegung bestimmter Parameter, u.a. der einbezogenen periodischen Erträge, der Zeitdauer und des Zinssatzes.

179

255

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

die Möglichkeiten der Heranziehung aller kommunalen Ressourcen weitgehend. Provokativ mag auch die Abgaben- und Entgelterhöhung sein, insbesondere die Schaffung neuer Steuern. Wenn man es mit einem kommunalen Zahlungsunfähigkeitsverfahren de lege ferenda ernst meinen sollte, kommt man an der Diskussion des oben umrissenen Regelwerkes unseres wirtschaftlich starken und auf den Finanzmärkten bedeutenden europäischen Nachbarn nicht vorbei.

256

Ist die Gemeinde zahlungsunfähig, muss sie auch in Deutschland überlegen, welche Leistungen sie noch freiwillig anbieten kann 742 und wie sie, z.B. durch Einnahmesteigerungen und Kostenreduzierungen, etwas bewirken kann. Bei den oktroyierten Aufgaben mit strikter Konnexität müssen Länder (und auch der Bund) überlegen, ob sie bei eigenen Schwierigkeiten prüfen, ob und wie sie Leistungen weiter anbieten.743 Das ist letzten Endes nichts anderes als das, was Art. 34 Abs. 2 SchGG den Beiräten als schlichte ökonomische Notwendigkeit aufgibt: „Den Finanzhaushalt zu ordnen und nach Möglichkeit die Ausgaben zu vermindern und die Einnahmen zu erhöhen.“ Notfalls wird ein staatlicher Beauftragter das Notwendige durchsetzen.

257

Die Verschränkung öffentlich-rechtlicher und vollstreckungsrechtlicher Aspekte in der Beiratschaft nach dem SchGG und der im Ergebnis verhaltene Eingriff in Gläubigerrechte führt dazu, dass das SchGG trotz einer Reihe von Parallelen doch ein anderes System darstellt als das Sanierungsverfahren nach der Insolvenzordnung. Daher wäre die Beiratschaft im Ergebnis auch nicht geeignet, um die Theorie vom Verdrängungsbereich (s.o.) zu stützen, die im deutschen Recht postuliert wird, um die Insolvenzverfahrensfähigkeit öffentlich-rechtlicher Gebietskörperschaften zu ermöglichen. Wie man in der Schweiz mit dem einzigen Praxisfall der Beiratschaft umgegangen ist und welche Folgeprobleme und Lösungen aufgetreten sind, soll im Folgenden betrachtet werden.

258

g)

Die Abwicklung einer Kommunalinsolvenz in der Schweizer Praxis – die Anwendung des SchGG und weitergehende Lösungen

aa)

Erfahrungen in der Schweiz mit der Beiratschaft über zahlungsunfähige Kommunen und damit im Zusammenhang stehenden Rechtsstreiten

Das schweizerische Bundesgericht hat sich in den Jahren 2000–2005 in insgesamt elf Entscheidungen mit verschiedenen Facetten der Zahlungsunfähigkeit einer Gemeinde im Kanton Wallis („Munizipalgemeinde L.“) auseinander zu setzen gehabt, die die Bandbreite der Problematik zeigen. Die Urteile reichen von solchen zur Beiratschaft nach dem SchGG, also zum oben beschriebenen Verfahren, über Staatshaftungsklagen gegen den Kanton wegen behaupteter Verletzung der aufsichtsrechtlichen Pflichten und über eine Haftungsklage von Anleihezeichnern der Munizipalgemeinde gegen die emittierende Bank wegen Verletzung von Aufklärungspflichten bis hin zu strafrechtlichen Entscheidungen, da infolge der Vor-

742 Vgl. dazu das oben in Übersicht besprochene Urteil des LVerfG Mecklenburg-Vorpommern v. 11.05.2006, vgl. Rdnr. (64b). 743 Siehe hierzu die oben behandelte jüngste Rechtsprechung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 21.06.2005, Rdnr. (62) ff.

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2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

gänge, die zum ökonomischen Zusammenbruch der Kommune geführt haben, die Strafverfolgung gegen Verantwortliche eingeleitet wurde. Diese Urteile sollen nachfolgend unter dem Aspekt beleuchtet werden, was aus ihnen für die Praxis zahlungsunfähiger Kommunen in der Schweiz hergeleitet werden kann und ob Erkenntnisse für deutsche Gebietskörperschaften gewonnen werden können. Dabei ist festzuhalten, dass das Bundesgericht in einem Urteil vom 20.09.2002 davon ausgeht, der von ihm behandelte Fall betreffe die erste Beiratschaft seit Bestehen des SchGG überhaupt.744

258a

Einige Details zum Sachverhalt, insbesondere zur Verschuldung der Kommune unter Beiratschaft 745 Die Munizipalgemeinde L., ein Ort im Kanton Wallis, war Ende 1998 zusammen mit der Burgergemeinde L.746 und einer Fülle von Gesellschaften, die mit der Munizipal- und der Burgergemeinde gesellschaftsrechtlich verflochten waren, mit 454 Mio. SFR 747 (= ca. 286 Mio. € 748) verschuldet. Nach Abzug der Innenverschuldung der Beteiligten untereinander resultierten für die gesamte vom BG so bezeichneten „L ...-Gruppe“ (Gemeinden nebst Beteiligungen) gegenüber dritten („externen“) Gläubigern noch 350 Mio. SFR (= ca. 220 Mio. €). Die Einwohnerzahl betrug damals etwa 1.750. Das bedeutete eine Außenverschuldung insgesamt von 200.000 SFR/Einwohner (oder von ca. 126.000 €/Einwohner). Bezogen auf die Munizipalgemeinde allein bestanden 1998 Schulden in Höhe von 170 Mio. SFR (= ca. 107 Mio. €) oder von ca. 61.000 €/Einwohner. Insbesondere infolge des Zinslaufs waren diese bis 2002 einschl. „bestrittener Forderungen“ auf 220/230 Mio. SFR angewachsen, also um weitere ca. 30 %.749 Die Verschuldung blieb lange Zeit außerhalb der „L...-Gruppe“ offenbar unbekannt. Erst 1993 (zur Rechnungslegung 1991) gab es Feststellungen seitens des kantonalen Finanzinspektorats, das einen „negativen Verschuldungsfaktor“ beobachtete, was „bedeute“, dass die Tilgung der Nettoverbindlichkeiten unter Verzicht auf Investitionen bei gleichzeitig unveränderter „Selbstfinanzierungsmarge“ 750 744 BG, Urt. v. 20.09.2002 – II. Zivilabteilung, 5 P.244/2002 – Erwägung 2.3 aE – Internetpublikation des BG. 745 Sachverhaltsangaben nach BG, Urt. v. 03.07.2003 – II. öffentlichrechtliche Abteilung, 2 C.5/1999 – Internetpublikation des BG, Sachverhalt, Buchst. C und D (aE); siehe www.bger.ch/ index/jurisdiction. 746 „Munizipalgemeinde“ oder auch „Einwohnergemeinde“ ist die Übersetzung des Begriffes „Commune municipale“ nach Art. 77 der Constitution du canton du Valais v. 08.03.1907 (Verfassung des Kantons Wallis, KV Wallis, bis zur Änderung vom 13.05.2004, ABl. Nr. 20/2004, in Kraft ab 01.02.2006), Rechtssammlung 101.1 des kantonalen Rechts des Wallis; die Commune municipale „est composée des personnes habitant le territoire communal“ (Art. 77 Abs. 1 KV Wallis). „Burgergemeinde“ ist die Übersetzung der „Communes bourgeoisiales“ des Art. 80 Constitution und meint „..une collectivité de droit public chargée de realiser des tâches d’intêret public fixées par la loi », verfügbar über www.vs.ch/. . . 747 Schweizer Franken. 748 Die Umrechnung der in den Urteilen usw. in Schweizer Franken angegebenen Beträge in Euro erfolgen durch den Verf. der Anschaulichkeit halber. Die Beträge sind ungefähr und gerundet wiedergegeben, beruhend auf dem Umrechnungskurs 2006. 749 Zahlenangaben nach dem Urteil des BG v. 03.07.2003 – 2 C.4/2000 – Internetpublikation des BG, Sachverhalt, Buchst. A, B, E. 750 BG, Urteil 2C.4/2000, Sachverhalt, Buchstabe C.

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V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

mehr als 100 Jahre(!!) dauern würde. Auf die entsprechende Mitteilung des Finanzinspektorats an die beteiligten Behörden des Kantons und die Gemeinde geschah nichts. 1996 wurde wiederum über eine Selbstfinanzierungsquote von nur noch 0,5 % berichtet sowie darüber, die finanzielle Lage der Gemeinde sei „angespannt“; gesetzliche Kompetenzregelungen für Darlehensaufnahmen seien nicht eingehalten worden. Erneut geschah zunächst nichts.751, 752 Schließlich kam es 1998 zur teilweisen (kommunal)aufsichtsrechtlichen Zwangsverwaltung der Kommune(n). Da die Gläubiger einen im Rahmen der Zwangsverwaltung ausgearbeiteten Sanierungsplan ablehnten, wurde 1999 auf Antrag des Staatsrates des Wallis durch Entscheidung des Kantonsgerichts für drei Jahre die Beiratschaft nach dem SchGG angeordnet. Im Rahmen der Beiratschaft hat die Munizipalgemeinde ihre Ausgaben verringert, die Steuern auf das „Höchstmaß“ festgesetzt und sich von Beteiligungen getrennt, die teilweise zu liquidieren waren.

258b

Das Postulat von Blankart und die Staatshaftungsurteile des Bundesgerichts vom 03.07.2006 In der aktuellen Diskussion um die Behebung der Haushaltsnotlage des Bundeslandes Berlin nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19.10.2006 hat der bekannte Schweizer Finanzwissenschaftler Blankart in einem Beitrag in der ,Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‘ ein Insolvenzverfahren postuliert und in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des schweizerischen Bundesgerichts hingewiesen, das es 2003 abgelehnt habe, den Kanton für Risiken der kommunalen Gläubiger einstehen zu lassen. Die Aufsicht habe nach dem BG den Schutz der Gemeinde zum Ziel und nicht den der Gläubiger. Das BG habe darauf erkannt, dass die Gläubiger sich persönlich hinreichend sicher über die finanzielle Lage einer Kommune informieren könnten. Die Kreditgeber „von Gebietskörperschaften (seien) wie aus einem Dornröschenschlaf ...“ erwacht.753 Sie kümmerten sich seitdem um die Bonität der Gebietskörperschaften und durch höhere Zinsen auf höhere Risiken erfülle der „Kreditmarkt wieder seine Funktion“. Blankart sieht das als Beleg dafür, dass ein Insolvenzverfahren über Gebietskörperschaften in Deutschland erforderlich ist. In der Rechtsprechung des BVerfG sei auch nicht die Rede von einer Hilfe zugunsten der Gläubiger, sondern von der Hilfe für „ein Glied der bundesstaatlichen Gemeinschaft“. In der Insolvenz, so der Vorschlag, müssten zuerst die „Zeichner der Staatsanleihen, dann die anderen Gläubiger verzichten“. Das BVerfG hätte aus Sicht von Blankart auch als ultima ratio keine Hilfen ermöglichen dürfen.754

751 BG, Urteil 2C.4/2000, aaO. 752 Zum Vergleich: Auf Länderebene in Deutschland hatte das Land Berlin einen Schuldenstand am Kreditmarkt von 16.919 €/Einwohner, Bremen den höchsten Wert von 18.564 €/Einwohner, Alle öffentlichen Haushalte in Deutschland zusammen kamen auf einen Durchschnitt von 17.752 €/Einwohner. Der Durchschnitt bei den Kommunen betrug 1190 €/Einwohner, so wenig aussagekräftig die Zahl auch für den Einzelfall ist. Alle Zahlen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (Stand: 19.05.2006), siehe unter www.destatis.de,../daten1/stba/html/basis/de. . . 753 Blankart, „Für Berlin bringt nur noch die Insolvenz die Rettung“, FAS v. 22.10.2006, S. 42. 754 Blankart, aaO.

182

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

bb)

Die Verantwortlichkeitsklagen Beteiligter gegen den Kanton und deren rechtliche Grundlagen

Das BG hatte sich u.a. mit vier Staatshaftungsklagen zu befassen, die Gläubiger und die Munizipalgemeinde L. selbst gegen den Kanton erhoben hatten mit der tatsächlichen Behauptung, der Kanton habe seine aufsichtsrechtlichen Pflichten gegenüber der Kommune L. nicht wahrgenommen und der daraus gezogenen rechtlichen Folgerung, er hafte hierfür auf Schadenersatz unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung.755 Gerügt wird ein Unterlassen: Die Behörden des Kanton hätten bedeutend früher eingreifen müssen als tatsächlich geschehen, um eine zur Überschuldung führende Verschuldung der Gemeinde zu verhindern.

259

Materiell-rechtliche Grundlage der Staatshaftungsklagen war das kantonale Verantwortlichkeitsgesetz des Wallis 756 nebst der Verfassung und dem Gemeindegesetz des Kantons. Art. 61 OR ermöglicht den Kantonen, vom eidgenössischen Obligationenrecht abweichende Staatshaftungsvorschriften zu erlassen. Streitgegenstand der Prozesse vor dem BG war also nicht die Frage, ob der Kanton einer seiner Gebietskörperschaften in einer extremen finanziellen Notlage Hilfen gewähren muss, wie dies – verkürzt – Gegenstand der Klagen deutscher Kommunen vor den Landesverfassungsgerichten oder Klagen der Länder vor dem BVerfG war und ist. Nach der Kantonalverfassung des Wallis sind die Gemeinden autonom. Sie sind für die örtlichen Aufgaben zuständig und solche, die sie „allein oder mit anderen Gemeinden lösen können“ (Art 69 KV Wallis).757 Ihr Aufgabenkreis umfasst eigene und durch das Gesetz übertragene Aufgaben (Art. 70 Abs. 2 KV Wallis). Sie stehen unter der Aufsicht des Staatsrates (Art. 75 Abs. 1 KV Wallis), die Rechtsaufsicht ist, soweit nicht Verfassung und einfache Gesetze anderes vorsehen. „Wichtige Vorhaben“ können durch Gesetz der Homologation oder der Genehmigung durch den Staatsrat unterworfen werden (Art. 75 Abs. 2,3 KV Wallis).

260

Die „Gemeindeordnungen“ des Kantons, bis 30.06.2004 das „Gesetz über die Gemeindeordnung“ (GOG), ab 01.07.2004 das „Gemeindegesetz“ (GemeindeG 758) regeln zu den hier relevanten Themen folgendes:

261

Die Einwohnergemeinden und die Burgergemeinden sind öffentlich-rechtliche Körperschaften des kantonalen Rechts (Art. 1 GOG, Art. 1 Abs. 1 GemeindeG).

261a

Sie genießen Autonomie bei der Erfüllung aller eigenen, aber auch der übertragenen Aufgaben (Art. 2 Abs. 1 GOG, Art. 2 Abs. 1 GemeindeG). Vorbehaltlich anderweitiger Gesetzgebung der Eidgenossenschaft bzw. des Kantons sind sie „namentlich“ zu-

755 BG, Urteile vom 03.07.2003 – II. Öffentlichrechtliche Abteilung – a) 2 C.4/2000, Munizipalgemeinde Leukerbad gg. Kanton Wallis b) 2 C.4/1999, Einwohnergemeinde Rheinfelden und Einwohnergemeinde Oftringen gg. Kanton Wallis c) 2C.1/2001, Basler Kantonalbank gg. Kanton Wallis d) 2C.5/1999, Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden gg. Kanton Wallis. 756 Loi sur la responsabilité des collectivités publiques et de leurs agents; deutsche Fassung: Gesetz über die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gemeinwesen und ihrer Amtsträger vom 10.05.1978, Rechtssammlung des Kantons Wallis 170.1. 757 Die Regelungen der Art. 75, 78, 79 KV Wallis zu kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften des Kantons waren Gegenstand der Änderungen zum 01.02.2006. 758 GemeindeG v. 05.02.2004 mit Änderungen bis zum 14.09.2005.

183

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

ständig für die Verwaltung und Kontrolle der Gemeindefinanzen und für eine Reihe weiterer verwaltungsrechtlicher Aufgaben wie die Ortspolizei, die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, den Umweltschutz, die Ortsplanung und das Bauwesen, die Frühkindpädagogik und die Förderung der lokalen Wirtschaft (Art. 6 lit. a)–o) GOG; Art. 6 lit. a)–o) GemeindeG). Der Finanzhaushalt der Gemeinde ist nach dem GOG „nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit, der Dringlichkeit und wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwendung der finanziellen Mittel sowie der Anstrebung des Haushaltsgleichsgewichts“ zu führen (Art. 71 Abs. 1 GOG); nach neuer Rechtslage (Art. 74 Abs. 1 GemeindeG) „müssen die Gemeindefinanzen nach den Grundsätzen der Gesetzmäßigkeit, der wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwendung der öffentlichen Gelder, des Finanzhaushaltsgleichgewichts auf Dauer, ... geführt werden“. Neben einer Reihe von weiteren hier nicht zu behandelnden Bestimmungen zum gemeindlichen Rechnungswesen sieht Art. 81 GemeindeG bei einem Bilanzfehlbetrag die Erarbeitung eines Finanzplans mit Sanierungsmaßnahmen vor. Bei auf Dauer fehlendem „Gleichgewicht der Gemeindefinanzen“ kann der Staatsrat einen Beauftragten bestellen, der dann diese Aufgabe erledigt (Art. 80–82 GemeindeG).

261b

Die Gemeinden unterliegen der Rechtsaufsicht des Kantons (Art. 121 GOG, Art. 144 GemeindeG). Dem Staatsrat sind eine Reihe von Rechtsgeschäften zur Genehmigung vorzulegen (Art. 123 GOG, Art. 146 GemeindeG). Nach dem GOG war u.a. die Aufnahme von Investitionsdarlehen, die bestimmte Grenzen der Jahresbruttoeinnahmen überschritten und von Darlehensgewährungen, die 1 % der Jahresbruttoeinnahmen überstiegen und nicht hinreichend besichert waren, genehmigungspflichtig (Art. 123 lit. b), e) GOG); diese Passagen wurden aufgehoben, was die Autonomie und die Eigenverantwortlichkeit der Kommunen stärkt, aber auch die Haftungsrisiken des Kantons bei fehlerhafter Entscheidung mindert. Weggefallen sind damit auch Bestimmungen des GOG, die die Verweigerung der Genehmigung bei Gefährdung des „Vermögens und des finanziellen Gleichgewichts“ der Gemeinde bzw. Auflagen und Bedingungen ebenso wie die Auferlegung von Sanierungsmaßnahmen ermöglichten (Art. 124bis GOG). Damit bleibt es allein bei der weiten Verpflichtung des Art. 74 GemeindeG (s.o.).

261c

Die bestehenden Aufsichtsmaßnahmen gehen bis zur Zwangsverwaltung für Gemeinden, die u.a. „beharrlich ihren Verpflichtungen nicht nachkommen ... oder ihr finanzielles Gleichgewicht oder Vermögen erheblich gefährden ...“, wobei „Untersuchung und Verwarnung“ vorausgegangen sein müssen (Art. 128 Abs. 1 GOG, Art. 151 Abs. 1 GemeindeG). Es bleibt also eine effiziente Gemeindeaufsicht, wobei die Einhaltung gesunder Haushaltsstrukturen oder die Sanierung auch zwangsweise durchgesetzt werden können. Zudem beschließt die Urversammlung über eine Reihe von Darlehen und darlehensähnlichen Geschäften (Art. 16 GOG, Art. 17 GemeindeG), ebenso über den Haushaltsvoranschlag (Rechnungsvoranschlag) und über die Genehmigung der Rechnung (Art. 7 GOG, Art. 7 GemeindeG). Unabhängige Revisoren prüfen die Rechung jährlich, auch den Verschuldungsgrad und ob die Gemeinde ihren Verpflichtungen nachkommen kann (Art. 83, 84 Abs. 3 GemeindeG). Diese Bestimmungen waren in dem GOG nicht enthalten und sind – sicher nicht zuletzt vor dem Hintergrund des finanziellen Debakels der betroffenen Gemeinde – deutlich verschärft worden, insbesondere durch eine externe Kontrolle

184

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

unabhängiger Dritter, die auch der Gemeinde gegenüber haften (Art. 83 Abs. 5 GemeindeG). Diese Strukturen sind denen in der Bundesrepublik durchaus vergleichbar, wenn auch wohl größere Autonomie der Gemeinden besteht. Die Klagen gegen den Kanton Wallis nach dem Verantwortlichkeitsgesetz waren sämtlich erfolglos. Eine Staatshaftung wurde in den konkreten Fällen verneint. Nachfolgend sollen die wesentlichen Urteilsgründe angesprochen werden, die mit der Thematik des etwa grundsätzlichen Einstehens des Kantons für Verbindlichkeiten der Gemeinden zu tun haben könnten.

262

Die Staatshaftungsklage der betroffenen Munizipalgemeinde gegen den Kanton

263

In der aus diesseitiger Sicht als „Leitverfahren“ zu betrachtenden Klage der Munizipalgemeinde selbst gegen den Kanton stellt das BG fest, die Gemeinde könne durchaus staatshaftungsrechtlich aktivlegitimiert sein. Es sei nicht ausgeschlossen, dass aus der Staatsaufsicht eine Schutzpflicht gegenüber der Gemeinde oder gar ein subjektives Recht derselben resultiere.759 Die Verletzung der Aufsichtspflicht könne eine Amtspflichtverletzung darstellen, soweit eine Pflicht zum Einschreiten bestehe. Die Haftung setze Widerrechtlichkeit voraus, die wiederum erst bei der Verletzung einer wesentlichen Amtspflicht zu bejahen ist.760 Im Rahmen und aufgrund der den Kommunen durch die Kantone gewährten Autonomie könne der Kanton nicht ohne weiteres für das Verhalten der Gemeindeorgane verantwortlich sein, sondern nur dort, wo das kantonale Recht entsprechende Pflichten auferlege. Eine generelle Haftung für die Verbindlichkeiten der Kommunen sei jedoch ausweislich der Gesetzesmaterialien des SchGG nicht vorgesehen.761 Die Kommunalaufsicht diene der Gesamtheit aller Kommunen des Kantons. Sie solle „gewährleisten, dass die Gemeinden ihre Aufgaben wahrnehmen und dass ein Lastenausgleich (insbesondere der Finanzausgleich) stattfindet und korrekt und gesetzmäßig abläuft.“ 7 62 Der Hinweis auf den Finanzausgleich scheint in der Tat bemerkenswert, zeigt er doch, dass die Kommune gerade nicht auf ihre eigenen ökonomischen Möglichkeiten allein und ausschließlich angewiesen ist. Die Aufsicht habe ferner den Schutz der Gemeinde und ihrer Bürger im Auge. Soweit der Kanton das „finanzielle Gleichgewicht“ überwachen müsse, diene dies dem Schutz der Kommune vor sich selbst und vor Machtmissbrauch ihrer Organe. Bedeutsam ist der Hinweis, dass zwar die Kantone nach dem Recht der Eidgenossenschaft nicht für die Schulden der Kommunen einstehen müssen, eine Haftung „aus Verantwortlichkeit, namentlich wegen mangelnder Aufsichtstätigkeit ...“ hierdurch aber nicht „ausgeschlossen“ wird.763 Sogar die Beiratschaft nach dem SchGG sei nur subsidiär, so dass es den Kantonen umgekehrt offen stehe, für „... die Schul-

759 760 761 762 763

BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 2.2. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgründe 5, 5.1 ff. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgründe 6.1.1, 6.1.2, 6.2.2. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 6.4. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 6.4 Abs. 3.

185

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

den ihrer Gemeinden einzustehen bzw. sich selber Garantenpflichten auferlegen, die zu einer Haftung führen können.“ 7 64

263a

Zur Frage der Widerrechtlichkeit und der aus Sicht des BG daraus folgenden Amtspflichtverletzung der Kantonsbehörden stellt das BG u.a. fest, dass den Gemeindeorganen der klagenden Kommune erhebliche Rechtsverstöße unterlaufen sind, die von den Aufsichtsbehörden offenbar mangels leistungsfähigen Kontrollsystems, das aber gesetzlich wohl auch nicht gefordert war, nicht ohne weiteres erkannt werden konnten. So etwa wurden Darlehen mit geringen Ausnahmen entgegen dem damaligen Recht (s.o.) nicht zur Genehmigung vorgelegt, eine vorsätzliche Rechtsverletzung. Ferner hatte die Gemeinde das GOG auch in anderen Punkten offenbar nicht eingehalten.765 Trotz nur „meist lediglich partiell und rudimentär“ geregelter Zuständigkeiten auf dem Sektor der Gemeindefinanzen habe der Kanton die Pflicht einzuschreiten, wenn sich eine Gemeinde „... gesetzwidrig verhält oder überschuldet ...“.766 Im Ergebnis hat das BG eine Handlungspflicht des Kantons bejaht und zwar schon vor und unabhängig von der späteren aufsichtsrechtlich angeordneten Zwangsverwaltung. Bei einer anderen Kommune, der Gemeinde V., hatte der Staatsrat des Kantons im Jahr 2000, also während des laufenden Prozesses, ebenfalls Maßnahmen ergriffen (allerdings unterhalb der Schwelle der Zwangsverwaltung), um angesichts deren starker Verschuldung zu intervenieren.767 Die Frage, ab welchem Zeitpunkt das Einschreiten geboten war, ist eine Tatsachenfrage, die hier nicht zu vertiefen ist.

263b

Die Klage scheiterte allein am Selbstverschulden der Munizipalgemeinde L. Der Kanton müsse bei drohender Überschuldung nicht ohne jede Rücksicht auf das eigene Verhalten der Gemeinde eingreifen, seine Haftung kann daher nicht bei jeder Amtspflichtverletzung stets bejaht werden. Die Klage sei zwar trotz des der Gemeinde zurechenbaren „rechtswidrigen“ Verhaltens ihrer Organe (hier des Gemeindepräsidenten und des Gemeindeschreibers) zwar nicht rechtsmissbräuchlich, denn es gehe ihr nicht in erster Linie um ihre eigenen Verluste, sondern im wesentlichen um die Befriedigung der Gläubiger und die Entlastung des Beirats von dem Vorwurf, nicht alles zur Interessenwahrung der Kommune und der Gläubiger getan zu haben.768 Das BG prüft sodann aber, ob das schadenstiftende und amtspflichtwidrige Verhalten des Kantons durch das Eigenverschulden der Kommune verdrängt wird.769 Das Gericht lässt das Verschulden der Gemeinde überwiegen und spricht davon, dieses Eigenverschulden breche den Kausalzusammenhang bzw. es verneint eine „maßgebliche Kausalität“ der Amtspflichtverletzung für einen etwaigen Schaden. Bei geringem Verschulden der Gemeindeorgane und grobem Verschulden der kantonalen Behörden hafte der Kanton, sogar bei kriminellen Aktionen von Gemeindemitarbeitern, die für die Kantonsbehörden eher erkennbar sein könnten (Kassenveruntreuungen).770 Umgekehrt muss sich die Gemeinde das 764 765 766 767 768 769 770

186

BG, Urteil 2C.4/2000, aaO. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 7.2 Abs. 1. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 7.4. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 7.4. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 8.3 Abs. 2, 8.4. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 8.5. BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 8.5.1.

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Verhalten ihrer Organe entgegenhalten lassen; vorliegend wurden negativ berücksichtigt die Kenntnis des Gemeindepräsidenten von der maroden Finanzlage, die Hinweise auf drohende Überschuldung durch die kommunale Revisionsstelle, „bewusste Fahrlässigkeit“ einzelner Personen der Gemeinde, fehlendes Herantreten an den Kanton zur Lösung der finanziellen Probleme und blindes Vertrauen von Gemeindeorganen gegenüber dem Gemeindepräsidenten sowie das Verhalten eben jenes Präsidenten selbst und des Gemeindeschreibers.771 Die Klage ist somit am Mitverschulden der Munizipalgemeinde gescheitert und nicht etwa daran, dass es generell keine Haftung für Amtspflichtverletzung im vorliegenden Fall hätte geben können, die zur Teilbefriedigung der Gläubiger geführt hätte.772 Damit ist der Prämisse von Blankart erheblich zu widersprechen. Auch in der Schweiz kann es – gerade aufsichtsrechtlich bedingt– so sein, dass der Kanton nach seinem eigenen Recht für kommunale Schulden mittelbar einzustehen hat, sofern er seine Pflichten gegenüber der Gemeinde verletzt hat. Inwieweit deren ausweglose Verschuldung anderweit durch Zuwendungen erleichtert wird, ist eine völlig andere Frage, die das BG in diesem Urteil nicht zu behandeln hatte.

263c

Vergleicht man mit der Rechtslage in der Bundesrepublik, sind deutliche Parallelen erkennbar. Die kommunale Rechtsaufsicht schützt nach Maßgabe des Landesrechts auch die Kommune selbst, wenn der die Aufsicht ausübende Beamte der Gebietskörperschaft so gegenüber tritt, wie dies für das Verhältnis zwischen Behörde und Bürger charakteristisch ist.773 Der 3. Senat des BGH hat mit dieser Erwägung Regelungen der Sächsischen Gemeindeordnung über die Genehmigungsbedürftigkeit von bestimmten Rechtsgeschäften in Verbindung mit der einschlägigen Verwaltungsvorschrift des Landes als drittschützend gewertet. Erteilte Genehmigungen im Zusammenhang mit dem Neubau einer Sporthalle als „kommunales Investorenvorhaben“ (Leasingmodell) 774 hat er als fehlerhaft und amtspflichtwidrig angesehen. Die Revision des beklagten Landkreises gegen das Berufungsurteil des OLG Dresden, das der auf Schadenersatz gerichteten Feststellungsklage der Gemeinde stattgegeben hatte, hat er zurückgewiesen. Die Finanzierung der Sporthalle sei unwirtschaftlich im Vergleich zu einer herkömmlichen Kreditfinanzierung gewesen. Auch im Bereich der Selbstverwaltung habe die Aufsicht die Pflicht, Selbstschädigungen der Gemeinde zu verhindern.775 Ein Mitverschulden (§ 254 BGB) sei vom Berufungsgericht fehlerfrei verneint worden. Wie in der Schweiz haftet der Träger der Kommunalaufsicht bei Amtspflichtverletzung gegenüber der Gemeinde in dergleichen Fällen auf Schadenersatz (§ 839 BGB iVm Art. 34 GG).776

264

771 BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 8.5.2, 8.5.3. 772 BG, Urteil 2C.4/2000, Erwägungsgrund 8.4. 773 BGH, Urt. v. 12.12.2002 – III ZR 201/01 – BGHZ 153, 199 ff./201. 774 BGH, aaO, S. 199. 775 BGH, aaO, S. 204. 776 Es ist dabei für die getroffene Wertung im Ergebnis ohne Belang, dass der Anspruch vom OLG Dresden auf das vormalige Staatshaftungsgesetz der DDR nach Maßgabe des Einigungsvertrages und nur „daneben“ (BGH, aaO, S. 200) auf einen „..mit dem Staatshaftungsanspruch konkurrierenden Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB iVm Art. 34 GG)“ gestützt wurde (BGH, aaO).

187

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

265 265a

Die Urteile des BG vom 03.07.2003 in den Rechtsstreiten des Kantons mit Gläubigern der Munizipalgemeinde Die Staatshaftungsklage kommunaler Gläubiger Von besonderem Interesse in dem beschriebenen Kontext ist zunächst eine Klage zweier Gemeinden 777 aus dem Kanton Aargau gegen den Kanton Wallis, die ebenfalls auf dem kantonalen Verantwortlichkeitsgesetz beruhten. Den Klagen lagen Darlehen zugrunde, die die aargauischen Gemeinden R. und O., die Finanzierungsüberschüsse hatten, 1997 in Höhe von jeweils 2 Mio. SFR (ca. 1,26 Mio. €) an die Munizipalgemeinde L. gewährt hatten. L. hatte Finanzierungsbedarf, den sie in Höhe der Darlehen über Finanzbroker gegen Provision bei den erwähnten aargauischen Gemeinden befriedigte. Die zu zahlenden Zinsen lagen über den marktüblichen Konditionen. Genehmigungen nach dem GOG wurden von der Gemeinde L. nicht eingeholt. Ab September 1998 zahlte die Darlehensnehmerin die fälligen Leistungen auf die Darlehen nur teilweise, danach überhaupt nicht mehr. Daraufhin gingen die Darlehensgläubiger gegen die Munizipalgemeinde L. gerichtlich vor und erhoben schließlich auch Klage gegen den Kanton. Nach identischer Erörterung einer Reihe der bereits in dem Urteil über die Klage der Gemeinde gegen den Kanton selbst abgehandelten Fragen (s.o.) scheiterte die Klage daran, dass die Gemeindeaufsicht zwar eine Reflexwirkung oder einen Schutzeffekt zugunsten der kommunalen Gläubiger entfalte, aber nicht unmittelbar den Schutz der Gläubiger bezwecke. Diesen „stehe es grundsätzlich frei, sich über die Solvenz und die finanzielle Situation einer Gemeinde zu informieren, ... wobei ihnen zusätzlich zugute kommt, dass die entsprechenden Informationen bei einer öffentlichrechtlichen Körperschaft relativ einfach – jedenfalls einfacher als bei privaten Kreditnehmern zugänglich sind.“ 778 Auch das kantonale Finanzhaushaltsgesetz und das Steuergesetz haben danach keine gläubigerschützende Funktion. Diese von Blankart herangezogene Passage 779 zur Möglichkeit der Gläubiger, sich selbst zu vergewissern, ist aber nicht tragend, sondern obiter dictum zur Untermauerung der Feststellung, dass das Staatshaftungsrecht des Kantons einen Gläubigerschutz vorliegend nicht bezwecke und dies eben auch letzten Endes infolge der eigenen Recherchemöglichkeiten der Gläubiger nicht nötig sei. Eines der dem BG vorgelegten rechtswissenschaftlichen Gutachten geht aber wohl sogar von „einem direkten Schutzzweck für die Gläubiger aus“.780

265b

Zu dem Sachverhalt, der dem Urteil des BG in dem Rechtsstreit „Einwohnergemeinden R. und O. gg. Kanton Wallis“ zugrunde liegt, gibt es zu dem Thema einer nicht erfolgreichen Anlagestrategie einer kommunalen Gebietskörperschaft ebenfalls eine gewisse Parallele in der deutschen Rechtsprechung. In dem Urteil des 11. Senats des BGH vom 05.11.2002 ging es um einen Rechtsstreit, den die Gemeinde G. gegen den Landkreis W. um die Rückzahlung eines überwiesenen Geldbetrages in Höhe von ca. 3,5 Mio. DM (ca. 1,9 Mio. €) führte und der unter dem rechtlichen Gesichts777 778 779 780

188

BG, Urt. vom 03.07.2003 – 2C.4/1999, Sachverhalt, Buchstabe C, F. G. BG, Urt. vom 03.07.2003 – 2C.4/1999, Erwägungsgrund 8.3, 8.3.2., 8.3.3 aE, 8.3.3.1/2. Vgl. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 22.10.2006, S. 42. Siehe hierzu im einzelnen BG, Urt. vom 03.07.2003 – 2C.4/1999, Erwägungsgrund 8.3.3.2.

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

punkt der vorgetäuschten Überweisung zu beurteilen war (Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB).781 Im Mittelpunkt des Geschehens stand der Finanzmakler K.782, der einer „Vielzahl“ anlagewilliger Gemeinden, Landkreise und kommunalen Gesellschaften andere Kommunen als Darlehensnehmer vermittelte. Die „Anlagezinsen lagen über, die Kreditzinsen unter den banküblichen Zinsen“.783 Er übernahm also die Rolle des Finanzintermediärs anstelle der Banken. In dem vom BGH entschiedenen Fall kamen die Beteiligten freilich nicht in Kontakt zueinander. Da K. betrügerisch handelte, Beträge an sich brachte und durch Täuschung Zahlungsvorgänge bei den beteiligten Gemeinden veranlasste, um Lücken zu schließen, die durch sein Verhalten verursacht worden waren, wurden scheinbar Darlehensverhältnisse zwischen Kommunen begründet und scheinbar Darlehensrückzahlungen getätigt, die rechtlich 784 in Wahrheit gar nicht zustande gekommen waren. Auf die Klage der Gemeinde wurde der Kreis wegen Fehlens einer wirksamen Anweisung rechtskräftig zur Rückzahlung des Betrages nebst Verzugszinsen unter dem oben erwähnten bereicherungsrechtlichen Aspekt verurteilt.

265c

Die Staatshaftungsklage eines Bankengläubigers gegen den Kanton Aus denselben Gründen wie die Klage der beiden Gemeinden ging auch die Staatshaftungsklage einer Schweizer Kantonalbank, einer Anstalt des kantonalen öffentlichen Rechts eines anderen Kantons, wegen eines der Munizipalgemeinde L. 1997 gewährten Darlehens in Höhe von 9 Mio. SFR (= ca. 5,65 Mio. €) verloren.785 Die Gremien der Bank hatten, da man dergleichen Finanzierungen an Gebietskörperschaften als „äußerst attraktiv“ ansah, erhebliche Beträge bewilligt, wobei für Gemeinden bis 100.000 Einwohnern eine Kreditlinie („Globallimite“) von 10 Mio. SFR (ca. 6,30 Mio. €) einzuhalten war.786 Nach Fälligstellung und gerichtlichem Vorgehen infolge der Nichtzahlung gegen die Darlehensnehmerin L. erhob die Kantonalbank nach vorheriger außergerichtlicher Inanspruchnahme des Kantons Ende des Jahres 2000 Verantwortlichkeitsklage, die, wie erwähnt, erfolglos blieb. Bemerkenswert ist hierbei, dass die betroffene Bank offenbar nicht auf die seinerzeit nach kantonalem Recht noch bestehende Genehmigungspflicht durch die Aufsichtsbehörden achtete, eine Rechtsverletzung der Kommune, deren Folgen das BG freilich ausdrücklich offen lässt.787 Das ist ein maßgeblicher Unterschied zur Rechtslage in der Bundesrepublik. Fehlt es an der aufsichtsbehördlichen Genehmigung und bleibt es daher bei der Unwirksamkeit des Vertrages, kann der Gläubiger einen Bereicherungsanspruch haben, der den dortigen Einschränkungen unterliegen kann (siehe nur § 818 Abs. 3 BGB) oder

781 BGH, Urt. v. 05.11.2002 – XI ZR 381/01 –BGHZ 152, 307 ff. 782 BGH, aaO, S. 307. 783 BGH, aaO, S. 307 f. 784 BGH, aaO. 785 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2C.1/2001 – Internetpublikation des BG, Sachverhalt Buchstabe A, D. G. I und Erwägungsgrund 7.4, 7,3 ff./ 7.3.3 aE. 786 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2C.1/2001, aaO, Sachverhalt, Buchstabe A. 787 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2C.1/2001, aaO, Erwägungsgründe 3.2 ff./3.3.

189

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

einen im Einzelfall ggf. dem Mitverschulden nach § 254 BGB ausgesetzten Schadenersatzanspruch gegen die Gemeinde aus culpa in contrahendo (vgl. § 311 Abs. 2 BGB).788 Die Finanzierungspraxis achtet daher sehr genau auf das Vorliegen der aufsichtsbehördlichen Genehmigungen.

265d

Die Klage einer kommunalen Selbsthilfeeinrichtung Von Interesse ist schließlich auch das vierte klagabweisende Urteil des BG, das in dem Prozess der Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden („ESG“) gegen den Kanton Wallis erging.789 Die ESG ist eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Selbsthilfeorganisation der Kommunen in Form der Genossenschaft des eidgenössischen Rechts, deren Ziel darin besteht, Gemeinden günstige Kredite am Kapitalmarkt zu beschaffen, „insbesondere solchen in schwierigen finanziellen Verhältnissen“.790 Das „Geschäftsmodell“ der ESG besteht nach dem Urteil des BG darin, dass sie selbst Kredite auf Rechnung der Kommunen aufnimmt. Nach Bevollmächtigung durch die Gemeinden bündele sie die Kreditanträge und bringe sie allein oder mit einem Bankenkonsortium auf den Kapitalmarkt, sie begibt also Anleihen. Im Ergebnis wirkt sie als Finanzintermediär wie eine Bank, so dass ihr geringes Stammkapital von ca. 5,5 Mio. SFR (1998: ca. 3,5 Mio. €) nicht im Gegensatz zum seinerzeitigen Emissionsvolumen von ca. 3,9 Mrd. SFR (= ca. 2,5 Mrd. €) stand. Bei den sog. Obligationsanleihen bürgen die beteiligten Gemeinden der emittierenden Bank und den Gläubigern anteilig im Umfang ihrer Quote („sog. Quotenbürgschaft“). Im Innenverhältnis zur ESG haften sie auf deren erstes Anfordern bei Zahlungsunfähigkeit einer Gemeinde auf Sicherstellung der Ansprüche der ESG gegenüber derselben ebenfalls in Höhe ihrer jeweiligen Quote. Bei dem zweiten Finanzierungsmodell, der sog. Privatplatzierung, gibt es nach dem zitierten Urteil keine Quotenbürgschaft, aber die ESG zediert ihre sämtlichen Ansprüche an die Emissionsbank.791 Mit anderen Worten werden bei diesen Modellen kommunale Darlehen gebündelt und damit durch die Masse ein Effekt erzielt, der die notwendigen Beträge für eine Anleihe ergibt, die die einzelne Kommune nicht hätte begeben können, von den Transaktionskosten einmal völlig abgesehen. Von größerer Bedeutung ist dabei, dass das Risiko gestreut wird und die Sicherheit der Gläubiger erheblich ansteigt. Es ist nämlich im Ergebnis unerheblich, ob die ESG nach Inanspruchnahme der an der Anleihe beteiligten Kommunen im Falle der Zahlungsunfähigkeit eines Beteiligten leistet oder die einzelnen Gemeinden. Durch das gewählte Modell hätten sich „einige Zeit“ günstige Konditionen erzielen lassen, wie das BG meint.792 Letzten Endes ist das, wenn auch unter Beachtung von Ratings und Bonitätsprüfungen der um Kredit nachsuchenden Kommunen, zugleich ein Modell der Solidarität der

788 Vgl. statt aller Heinrichs, in: Palandt, BGB, 65. Aufl. 2006, § 311 Rdnr.. 11 ff./15 mwN; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 311 Rdnr. 12. Siehe aus der Rspr. BGH, Urt. v. 10.06.1999 – IX ZR 409/97 – BGHZ 142, 51 ff. = NJW 1999, 3335 = WM 1999, 1637 = ZIP 1999, 1346. 789 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 C.5/1999. 790 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 C.5/1999, aaO, Sachverhalt, Buchstabe A. 791 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 C.5/1999, aaO, Sachverhalt, Buchstabe A. 792 BG, Urt. v. 03.07.2003 – 2 C.5/1999, aaO, Sachverhalt, Buchstabe A.

190

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Gebietskörperschaften untereinander. Es ist im Hinblick auf die Bürgschaft und die Innenhaftung als „Bonitätsleihe“ der Gemeinden untereinander zu betrachten. Anfang des Jahres 2006 hatte die ESG offenbar ca. 900 Mitglieder bei einem Emissionsbestand von 1,15 Mrd. SFR (= ca. 724 Mio. €).793 Die Munizipalgemeinde und die Burgergemeinde L. wurden 1983 bzw. 1995 Mitglied des ESG, sie beteiligten sich an diversen Anleihen, im Jahr 1995 allein mit insgesamt 41 Mio. SFR (ca. 26 Mio. €). Ab April 1999 nahm die ESG die Gemeinde L. auf Zahlung in Höhe von 51 Mio. SFR (= ca. 32 Mio. €) in Anspruch und erhob ähnlich den anderen Klägern sodann gegen den Kanton Wallis Verantwortlichkeitsklage. Aus den bei den Klagen der anderen Gläubiger bereits genannten Gründen scheiterte auch die Staatshaftungsklage der ESG. Auf die weiteren Details des Urteils, namentlich auf die Frage des Schadenseintritts vor dem Hintergrund der besonderen Konstruktion der Anleihen usw., ist vorliegend nicht einzugehen.

265e

Als Fazit bleibt, dass sich aus Staatshaftungsrecht durchaus eine Haftung des Kantons gegenüber der Gemeinde ergeben kann, wenn diese insolvent wird, wobei das Mitverschulden der Kommune eine entscheidende Rolle spielt. Unbeachtlich ist dabei, dass die Haftung effektiv der Befriedigung der Gläubiger dient (die ihrerseits keinen unmittelbaren Anspruch aus Amtspflichtverletzung gegen den Kanton haben) und dadurch auf dem Wege des Reflexes dennoch eine Überwälzung des Insolvenzrisikos der Gemeinde von den Gläubigern auf die übergeordnete Gebietskörperschaft möglich ist. Der ordnungsgemäße Ablauf des Finanzausgleichs als einer der Zwecke der Staatsaufsicht und die auf dem Wege der Selbsthilfe der Kommunen durch die ESG in gewissem Umfang vermittelte Bonitätsleihe sorgen außerdem dafür, dass die Notsituation möglichst nicht eintritt. Der Fall „L.“ ist daher eine absolute Ausnahme. Die Urteile des Bundesgerichts vom 03. Juli 2003 tragen damit die Auffassung nicht, es gebe (grundsätzlich) keine Hilfe zu Lasten übergeordneter Gebietskörperschaften.

266

Neben den Staatshaftungsklagen und den Urteilen des BG stehen weitere Entscheidungen des Bundesgerichts im Zusammenhang mit der seinerzeitigen Finanzlage und der Beiratschaft der Gemeinde L.

267

cc)

Haftungsklagen von Anleihezeichnern gegen die emittierende Bank

In dem Urteil des BG vom 21.02.2006 794 geht es in einem Rechtsstreit von Anlegern gegen ihre Bank um behauptete Ansprüche der Erwerber einer Anleihe der betroffenen Gemeinde, deren Anteile die Käufer ursprünglich von der Bank Z. erworben hatten, die die Platzierung der Anleihe der Gemeinde L. 1992 als „Privatplatzierung“ angetragen hatte. Es wurde ein Übernahme- und Zahlstellenvertrag geschlossen, über die Anleihe (7 Mio. SFR insgesamt = ca. 4,4 Mio. €) ein Globalzertifikat ausgestellt. Als die Zahlungen ausblieben, verklagten die Anleger die Rechtsnachfolgerin der emittierenden Bank Z. Die Begebung der Anleihe war nach dem Vortrag der Kläger nicht zulässig, der Übernahme- und Zahlstellenvertrag wegen Verletzung der einschlägigen gemeinderechtlichen Vorschriften nichtig. Das erstinstanz793 794

Siehe zu Details der Arbeit der ESG unter www.esg-ccs.ch/. . . BG, Urt. v. 21.02.2006 – 4 C.20/2005 – Internetpublikation des BG.

191

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V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

liche Handelsgericht Zürich verneinte – für das BG bindend – die Nichtigkeit. Damit war im Berufungsverfahren im Ergebnis lediglich die Frage von Bedeutung, ob eine Haftung der Bank aus culpa in contrahendo bestand und zwar unter dem Gesichtspunkt einer allfälligen Aufklärungspflichtverletzung gegenüber den Anlegern.795 Da es sich um eine Privatplatzierung handelte, kamen die besondern Regeln des schweizerischen Obligationenrechts zu den öffentlichen Anleihenemissionen nicht zur Anwendung.796 Das Bundesgericht verneint einen Anspruch. Zwar besteht eine Aufklärungs- und Beratungspflicht der Bank dem Kunden gegenüber unter bestimmten Voraussetzungen, wenn nämlich ein Vermögensverwaltungsvertrag mit Beratung seitens der Bank abgeschlossen wurde, wenn der Kunde Rat oder Empfehlung begehrt oder wenn die Bank ungebeten Empfehlungen ausspricht. Dies gelte auch im vorvertraglichen Rechtsverhältnis. Bei gezielten Weisungen des Kunden bejaht das BG aber eine solche Pflicht nur in Ausnahmefällen, wenn die Bank z.B. einen Wissensvorsprung vor dem Anleger über Risiken der Anlage hat oder wenn der Kunde auch ohne Nachfrage aufgrund der Geschäftsverbindung Aufklärung erwarten darf.797 Mangels Nachweises einer ungefragten Empfehlung und mangels Wissensvorsprungs über die Finanzlage der Gemeinde wurden die vorliegenden Klagen abgewiesen. Die Kläger vermochten nicht nachzuweisen, dass die Beklagte sich zum Zeitpunkt der Platzierung der Anleihe über die wirtschaftliche Lage der Kommune hätte vergewissern müssen. Zudem habe die Gemeinde bis 1998 effektiv Zahlungen geleistet: Außerdem sei es „ohnehin sehr schwierig“, die „Zahlungsunfähigkeit bei Gemeinwesen“ zu prognostizieren. Der Fall zeigt, wie weit die Zahlungsunfähigkeit einer Gemeinde tragen kann.

269

Das finanzielle Debakel der Munizipalgemeinde L. und der Burgergemeinde hatte auch ein strafrechtliches Nachspiel, das zu bisher insgesamt drei Entscheidungen des Bundesgerichts führte. Für Einzelheiten wird auf die zitierten Erkenntnisse des Bundesgerichts verwiesen.798 Die Verfahren waren wohl Ende 2005 noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. dd)

270

Insolvenzrechtliche Entscheidungen des Bundesgerichts zum SchGG

Der Fall der Gemeinde L. als der bislang einzige der Anordnung einer Beiratschaft nach dem SchGG seit dem Erlass des Gesetzes im Jahre 1947 gab dem Bundesgericht auch Gelegenheit, seine Würdigung des Gesetzes in die Diskussion einzubringen und Detailfragen verbindlich zu klären.

795 BG, Urt. v. 21.02.2006 – 4 C.20/2005 – Internetpublikation des BG, Erwägungsgrund 2.4 und 4 ff. 796 BG, Urt. v. 21.02.2006 – 4 C.20/2005 – Internetpublikation des BG, Erwägungsgrund 4.2.1. 797 BG, Urt. v. 21.02.2006 – 4 C.20/2005 – Internetpublikation des BG, Erwägungsgrund 4.2.3. 798 BG, I. Öffentlichrechtliche Abteilung, Entscheidung v. 02.03.2001 – 1 P.737/2000 (Ablehnung des Untersuchungsrichters wegen Befangenheit) – Internetpublikation des BG; Kassationshof, Sitzung v. 11.10.2005 – 6 P.146/2004 und 6S.400/2004 (teilweise erfolgreiches Rechtsmittel eines Beteiligten Y. gegen eine Verurteilung wegen Beihilfe zu Vermögensdelikten) – Internetpublikation des BG; Kassationshof, Sitzung v. 11.10.2005 – 6 P.149/2004 und 6S.404/2004 (teilweise erfolgreiches Rechtsmittel des Beteiligten X. gegen eine Verurteilung wegen diverser Vermögensdelikte).

192

2. Kommunale Selbstverwaltung, Finanzausgleich und Vollstreckung

Dabei ist u.a. auf das bereits oben behandelte Urteil vom 01.12.2000 zu 5 P.419/ 2000 hinzuweisen, das dem Beirat versagt, weitergehende Eingriffe in Gläubigerrechte vorzunehmen, als sie das SchGG selbst gestattet.799 In einer ähnlichen Entscheidung hat sich das BG mit der Beschwerde der Munizipalgemeinde und ihres Beirats gegen eine weitere Entscheidung des Kantonsgericht Wallis als obere Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen befasst.800 Der Beirat hatte u.a. verfügt, alle Forderungen gegenüber der Munizipalgemeinde seien spätestens zum 20.07.1999 fällig und ihr Zinslauf ende zu jenem Stichtag. Dagegen wendete sich eine Gläubigerin erfolgreich an das Kantonsgericht. Neben einigen hier nicht abzuhandelnden Fragen des Prozessrechts ging es um die Thematik, inwieweit dem Beirat weitergehende rechtliche Möglichkeiten zustehen, die das SchGG nicht explizit vorsieht. Im Hinblick auf ihre Überschuldungssituation und den Zweck des SchGG waren Gemeinde und Beirat der Auffassung, der Beirat müsse Vorschriften des SchKG analog anwenden können. Dies entspreche Sinn und Zweck des SchGG, die Gemeinde zu sanieren. Ferner sei das SchGG lückenhaft, der Beirat müsse des Weiteren mehr Kompetenzen haben als die Kommune. Daher seien die der Verfügung des Beirats zugrunde liegenden Vorschriften des SchKG (Art. 208, 209 SchKG) analog anzuwenden. Nach Art. 208 SchKG werden nicht grundpfandrechtlich gedeckte Forderungen sämtlich fällig; die Bestimmung ist mit §§ 65 KO, 41 InsO vergleichbar. Art. 209 SchKG beendet mit Konkurseröffnung den Zinslauf, eine § 63 Nr. 1 KO entsprechende Vorschrift. Der Beirat wollte somit in das Verfahren der Beiratschaft nach dem SchGG Regelungen des Konkursverfahrens nach dem SchKG punktuell einbringen. Das Kantonsgericht ist dieser Argumentation nicht gefolgt und hat die Verfügung des Beirats für nichtig erklärt. Das Bundesgericht hat die gegen diese Entscheidung gerichtete staatsrechtliche Beschwerde der Munizipalgemeinde und ihres Beirats zurückgewiesen. Wie in der Entscheidung zu 5 P.419/2000 vom selben Datum hat es festgestellt, dass weitergehende Eingriffe als sie das SchGG ausdrücklich vorsieht vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt waren. Den weiteren Einwand, die Entscheidung des Kantonsgerichts verletze die Gemeinde in ihren verfassungsmäßigen Eigentumsrechten nach der Bundesverfassung der Schweiz, hat das BG ebenfalls zurückgewiesen und zwar mit dem Argument der Unpfändbarkeit des für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nötigen Verwaltungsvermögens. Der Umstand, dass die Gemeinde auf lange Zeit kein Finanzvermögen mehr bilden könne, ist nach Auffassung des BG Folge der selbst begründeten Verbindlichkeiten. Ein Eingriff in die Eigentumsrechte der Gemeinde sei damit „klarerweise“ nicht verbunden.

270a

Das BG hat es daher auch in dieser Entscheidung abgelehnt, im Interesse der Kommune das SchGG in den beanstandeten Punkten rechtsfortbildend auszulegen.

270b

799 BG, II. Zivilabteilung – 5P.419/2000 v. 01.12.2000, Beirat der Munizipalgemeinde Leukerbad und Munizipalgemeinde L. gg. Caisse de Retraite . . . du Canton du Valais u. Kantonsgericht Wallis – Internetpublikation des BG bzw. BGE 127 III 55 ff. 800 BG, II. Zivilabteilung – 5P.418/2000 v. 01.12.2000, Beirat der Munizipalgemeinde Leukerbad und Munizipalgemeinde L. gg. Einwohnergemeinde Rheinfelden und Kantonsgericht Wallis – Internetpublikation des BG.

193

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

ee)

Die weitere Entwicklung seit den Entscheidungen des Bundesgerichts

271

Nach diesen Entscheidungen des BG und angesichts der Gesetzeslage nach dem SchGG ist im Hinblick auf die damalige Lage der Munizipalgemeinde ebenso wie der Burgergemeinde die weitere Entwicklung von Interesse.

271a

Betrachtet man entsprechende elektronische Publikationen, so ergibt sich folgendes Bild: Die Gläubiger der Munizipalgemeinde haben im Rahmen eines wohl 2003 geschlossenen dreiseitigen Sanierungsvertrages ihre Forderungen (weitgehend) an eine Sanag ... AG veräußert und unter Verzicht in Höhe von 78 % ihrer Forderungen Quotenzahlungen wie bei einer klassischen Insolvenz erhalten. Eine Sanierungsvereinbarung wurde 2004 auch mit der Burgergemeinde zu offenbar deutlich günstigeren Konditionen für die Gläubiger geschlossen.801 Im Gegenzug hat der Kanton offenkundig Bürgschaften übernommen, welche die Verbindlichkeiten der Sanierungsgesellschaft besichern, die diese bei Kreditgebern zur Befriedigung der Quote von 22 % aufgenommen hat.802

271b

Die Käuferin der Forderungen ist soweit ersichtlich eine von den anderen Gemeinden des Wallis zu diesem Zweck gegründete und gehaltene Gesellschaft. Diese Vorgehensweise ist nichts anders als eine Hilfe der anderen Gebietskörperschaften des Kantons zur Selbsthilfe, ein Element des Einstehens füreinander, wie auch der Staatsrat des Kantons in der zitierten Pressemitteilung betont hat. Er habe immer „klar zum Ausdruck gebracht ...“, die betroffene Gemeinde „nicht einfach ihren finanziellen Problemen zu überlassen.“ 803

271c

Die Kommune selbst weist in ihrem im Internet publizierten „Finanzbericht & Rechnung 2005“ 804 eine Verschuldung von ca. 204 Mio. SFR aus (= ca. 128,4 Mio. €) bei einer Prokopf-Belastung von ca. 125.000 SFR (= ca. 78.700 €), ein unverändert enormer Betrag. Die Kommune sieht sich trotz des ihr offensichtlich erhebliche Beschränkungen auferlegenden Sanierungsplanes 805 auf einem guten Weg in die Zukunft.

272

Beeindruckend ist freilich die gesamte Publikation, die dem Bürger transparent und jederzeit verfügbar die ökonomische Situation der Gemeinde verdeutlicht und zwar u.a. in Gestalt einer Bilanz mit Kommentierung.806 Dabei zeigt sich die Bedeutung einer solchen Bilanz, wenn auf der Passivseite kein Eigenkapital dargestellt ist, sondern auf der Aktivseite dafür ein „Bilanzfehlbetrag“ in Höhe von ca. 182 Mio. SFR (= ca. 114,6 Mio. €), der indiziell die ökonomische Überschuldung bei einem Unternehmen zeigen würde, sofern es an stillen Reserven fehlt. Aber auch an dem Schweizer Beispiel zeigt sich die Problematik der kommunalen Bilanz, die keineswegs 801 Siehe NZZ Online, Züricher Zeitung v. 13.04.2005 „Letzter Sanierungsschritt in Leukerbad“, www.nzz.ch/2005/. . . 802 Siehe NZZ, aaO, sowie die Medienmitteilung des Kantons Wallis vom 13.11.2003 „Sanierung der Munizipalgemeinde Leukerbad – Entscheidung des Staatsrates“, verfügbar über die Internetseite des Kantons Wallis. 803 Medienmitteilung v. 13.11.2003, aaO. 804 Siehe www.leukerbad.org/. . . 805 Nach S. 3 des Finanzberichts 2005 darf sie keine Darlehen bei Dritten aufnehmen. 806 Finanzbericht, aaO, S. 8.

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3. Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften

bedeutende Verwertungsmöglichkeiten für die Gläubiger unter den Aktiva ausweisen muss. Im vorliegenden Fall weist die Kommune z.B. unter den Sachgütern im (unpfändbaren) Verwaltungsvermögen ca. 16,3 Mio. SFR (= ca. 10 Mio. €) aus (ca. 9 % der Aktiva).807 Bei dem Sanierungskonzept über einen Forderungsverkauf durch die Gläubiger an die og. kommunale Gesellschaft mit hohen Abschlägen darf nicht übersehen werden, dass die von den Gemeinden des Wallis und dem Kanton übernommenen Lasten gewiss nicht gering sind. Der Kanton gehörte 2000 zu den Kantonen mit der schwächsten Wirtschaftskraft. Eine zusätzliche Bürgschaft in Millionenhöhe bei nur ca. 281.000 Einwohnern ist eine beachtliche Bürde.

273

Man kann daher durchaus feststellen, dass die Gebietskörperschaften vorliegend versucht haben, für eines ihrer Glieder einzustehen, das freilich so sehr verschuldet war, dass die Gläubiger Forderungsverzichte gegen sofortige Zahlung einer Quote auf Refinanzierungsrisiko des Kantons und seiner anderen Gemeinden vorgezogen haben. Gleichwohl hätten nicht verkaufsbereite Gläubiger nach Beendigung der Beiratschaft regelmäßig vollstrecken und von der Gemeinde vollständige Zahlung verlangen können, freilich bei einer wohl wirtschaftlich uninteressanten Rückzahlungsdauer über Jahrzehnte.808 Dies mag Motiv der Veräußerung gewesen sein.

274

Bei dieser faktischen Insolvenz haben dann die Gläubiger außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu Lösungen gefunden. Eines förmlichen Insolvenzverfahrens bedurfte es auch in diesem bisher einzigen Extremfall, in dem eine Beiratschaft bestand, nicht. Nach alledem ist auch durch das Schweizer Beispiel die Notwendigkeit der Einführung eines Insolvenzverfahrens bei Gebietskörperschaften mit massiven Eingriffen in Gläubigerrechte in der Bundesrepublik nicht erkennbar. Die Schweiz hat ihrerseits ebenfalls aus gutem Grund das SchGG nicht zu einem kommunalen Sanierungsverfahren mit wesentlichen Eingriffen in Gläubigerrechte ausgebaut. Auch das Bundesgericht in Lausanne hat entsprechenden Rechtsfortbildungen zu Recht widerstanden. 3.

Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften (Gemeinden) in Österreich sowie der Finanzausgleich und die Vollstreckung gegen die öffentlich-rechtlichen und gemeinnützigen Organisationen 809

a)

Vorbemerkung: Stellung der Kommunen und Finanzausgleich in Österreich

275

276

Das Selbstverwaltungsrecht in Österreich Auch zu der ganz ähnlich wie Deutschland in Länder und Bezirke („Kreise“) bzw. Gemeinden gegliederten bundesstaatlichen Struktur der Republik Österreich sollen einige Bemerkungen genügen.

807 Finanzbericht, aaO, S. 8, 51 ff. 808 Zumindest nach der Einschätzung des kantonalen Finanzinspektorats, s.o. 809 Hinweis: Die Abkürzungen BGBl. und RGBl in diesem Abschnitt meinen das Bundesgesetzblatt der Republik Österreich bzw. das ehemalige Reichsgesetzblatt des österreichischen Kaiserreiches.

195

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

276a

Die österreichische Verfassung, das Bundes-Verfassungsgesetz 810, erreicht in den Art. 115–120 über die Gemeinden eine erhebliche Regelungstiefe. Die Gemeinden sind Gebietskörperschaften mit dem Recht der Selbstverwaltung, sie können sich zu Gemeindeverbänden zur Erledigung gemeinsamer Aufgaben zusammenschließen (Art. 116 Abs. 1, 116a Abs. 1 Satz 1 Bundes-Verfassungsgesetz). Wie in Deutschland haben sie einen eigenen und einen in Österreich vom Bund und vom Land übertragenen Wirkungsbereich (Art. 118 Abs. 1 B-VG).

276b

Der erstere umfasst im wesentlichen sämtliche Angelegenheiten im „ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft“, soweit sie zur Besorgung in der Gemeinde geeignet sind (zum eigenen Wirkungskreis vgl. insbesondere Art. 118 Abs. 1–3, B-VG). Der eigene Wirkungskreis schließt das Recht ein, Träger von Vermögen zu sein und kommunale Unternehmen zu betreiben; dazu gehört auch die selbstständige Haushaltsführung und das Recht „Abgaben auszuschreiben“, also Finanzautonomie und Finanzhoheit (Art. 116 Abs. 2 B-VG). In einem nicht enumerativen Katalog mit „Regelbeispielen“ gewährleistet Art. 118 Abs. 3 B-VG den Kommunen ausdrücklich wichtige Selbstverwaltungsfunktionen wie die „Dienstherreneigenschaft“, das örtliche Baupolizeiund das Bau-/Raumplanungsrecht sowie eine Fülle weiterer ordnungsbehördlicher Funktionen.

276c

Der übertragene Wirkungskreis umfasst die Angelegenheiten, die die Gemeinde nach den bundes- oder landesrechtlichen Bestimmungen im Auftrag und nach Weisung des Bundes oder des Landes auszuführen hat, Art. 119 Abs. 1 B-VG.

276d

Die Rechtsaufsicht über die Gemeinden in deren eigenen Wirkungskreis steht Bund und Land zu (Art. 118 Abs. 4 Satz 2, 119a B-VG). Das Recht zur Prüfung des Finanzgebarens der Kommunen durch das Bundesland auf Einhaltung der Grundsätze der „Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit“ ist Gegenstand gesonderter Regelung in Art. 119a Abs. 2 B-VG. Die Überprüfung der gemeindlichen Finanzen obliegt des weiteren dem Rechnungshof. Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern werden von ihm insoweit kontrolliert (Art. 121 Abs.1, 127a B-VG), ebenso Unternehmen mit mehr als 50 % öffentlicher Beteiligung oder sonst bestehender entsprechender Einflussnahmemöglichkeit (Art. 127a Abs. 3, 126b Abs. 2 B-VG).

276e

Der Finanzausgleich nach dem Finanz-Verfassungsgesetz Den Finanzausgleich regelt als Grundsatznorm das Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG).811 § 2 F-VG bestimmt eine relative Konnexität insoweit, als jede Gebietskörperschaft den Aufwand trägt, den ihre Aufgaben verursachen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Länder können ihren sonst nicht gedeckten Aufwand auf die Kom-

810 Bundes-Verfassungsgesetz v. 10.11.1920 mit späteren Änderungen, im wesentlichen außer Kraft gesetzt 1934, wieder in Kraft getreten „nach herrschender Auffassung“ (so die Internetpublikation der Verfassung) am 19.12.1945 mit Änderungen bis zum Gesetz Nr. 121/2005 (Änderung des Bundesverfassungsgesetzes und des Richterdienstgesetzes), BGBl. 121/2005 I v. 27.10.2005. Zum Bundesverfassungs-Gesetz (B-VG) siehe unter www.ris.bka.gv.at. . .. Das Bundesverfassungs-Gesetz der Republik Österreich ist auch abgedruckt bei Kimmel/Kimmel, Verfassungen der EU-Mitgliedstaaten, S. 459 ff. 811 BGBl. Nr. 45/1948 mit Änderungen bis zum BGBl. I Nr. 100/2003.

196

3. Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften

munen umlegen, wobei das Bundesrecht Höchstbeträge dieser Umlagen bestimmen kann (§ 3 Abs. 2 F-VG). Neben der Verteilung der Erträge aus Steuern und Abgaben unter die Gebietskörperschaften kann der Bund sowohl allgemeine Finanzzuweisungen (zur Aufgabenerfüllung) als auch zweckbestimmte Zuschüsse geben (§ 3 Abs. 1 F-VG). Entscheidend erscheint aber eine Generalklausel in § 4 F-VG, die zwingend vorschreibt, dass die Regelungen zu den §§ 2 und 3 F-VG im Einklang mit den aufgabenbezogenen Lasten erlassen werden und auf die „Grenzen der Leistungsfähigkeit der beteiligten Gebietskörperschaft“ geachtet wird, die nicht überschritten werden dürfen. Die allgemeinen Finanzzuweisungen des Bundes an die Länder und der Länder an die Kommunen erfolgen als sog. Schlüsselzuweisungen, die auf den Durchschnitt der Belastung der Gebietskörperschaften durch ihre Pflichtaufgaben sowie auf deren eigene Steuerkraft abstellen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 F-VG). Bedarfszuweisungen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 F-VG) gibt es für „außergewöhnliche Erfordernisse“, als Härteausgleich bei der Verteilung von Abgaben und Schlüsselzuweisungen, aber auch „zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung des Gleichgewichtes im Haushalt“ (§ 12 Abs. 1 Satz 1, 1. Var. F-VG). Auch das österreichische Recht kennt somit eine „klassische“ bail-out-Regelung. Die zweckgebundenen Zuschüsse (§ 12 Abs. 2 F-VG) des Bundes oder die der Länder an die Kommunen werden strikt nach dem Konnexitätsprinzip gehandhabt, da die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen Aufgaben und Zuschüsse regeln müssen.

276f

§ 13 F-VG ermöglicht bei Bedarfszuweisungen und zweckgebundenen Zuschüssen die Vergabe unter Bedingungen. Dabei geht es zum einen um die Einhaltung des Zwecks des Zuschusses. Bei den Bedarfszuweisungen knüpfen die Bedingungen an die „Erhaltung oder Herstellung des Gleichgewichts im Haushalt der empfangenden Gebietskörperschaften“. Der jeweilige Leistungserbringer (Bund, Land) kann die Einhaltung der Bedingungen durch seine Organe überprüfen lassen (§ 13 Satz 2 F-VG); das ist nichts anderes als eine weitere Aufsichtsmaßnahme. Das bail out erfolgt daher weder bedingungslos noch bleibt es ohne Überwachung.

276g

Zur Wahrung der Finanzhoheit ordnet § 16 Abs. 2 Satz 1 F-VG an, dass „Abgabenrechte, Abgabenertragsanteile und vermögensrechtliche Ansprüche“ aus dem Finanzausgleich weder abgetreten noch verpfändet werden dürfen. Die Zwangsvollstreckung gegen die Gebietskörperschaften in dergleichen Ansprüche ist ausgeschlossen. Eine Ausnahme bilden die Länder, die Landeshauptstädte oder Städte mit eigenem Statut. Ausnahmen von diesem Verbot können vom Bundesfinanzminister bewilligt werden. Die Finanzausgleichsansprüche würden daher nicht in eine etwaige Konkursmasse einer Kommune fallen.

276h

Der konkrete Finanzausgleich wird aktuell aufgrund des Finanzausgleichsgesetzes 2005 812 (FAG 2005) vorgenommen, das nach § 26 FAG mit den notwendigen Übergangsregelungen am 31.12.2008 außer Kraft tritt und wie in der Bundesrepublik Deutschland detailliert die einzelnen Ausgleichsbeträge regelt.

276i

812 Bundesgesetz, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 2005-2008 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden, BGBl. I Nr. 34/2005 mit Änderungen bis zu BGBl. I Nr. 105/2005.

197

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

276j

Betrachtet man diese Regelungsstrukturen, so ist das österreichische Recht wie das deutsche darauf bedacht, die Zahlungsunfähigkeitssituation einer Gebietskörperschaft erst gar nicht eintreten zu lassen. Ihrer Verhinderung dient die aufgabengerechte Verteilung der finanziellen Ressourcen, die Unterstützung in Haushaltsnotlagen, aber auch die Staatsaufsicht über das finanzielle Verhalten der Körperschaften mit der Möglichkeit, notfalls steuernd einzugreifen (vgl. z.B. Art. 119a Abs. 6 Abs. Satz 2, Abs. 7, 8 B-VG; die Aufsicht erfasst unter Gesetzesvorbehalt auch die Option zur Auflösung des Gemeinderates, Art. 119a Abs. 7 Satz 1, Abs. 3 B-VG). Die Instrumente des Aufsichtsrechts sind denen in der Bundesrepublik vergleichbar. b)

277

Vollstreckung und Konkursverfahren gegen Kommunen in Österreich

Anders als die Eidgenossenschaft hat die Republik Österreich allerdings kein bundesgesetzlich breiter angelegtes Sondervollstreckungs- bzw. Sanierungsrecht für Kommunen geschaffen, ebenso wenig aber im Unterschied zu Deutschland den Konkurs einfachgesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen. aa)

Einzelvollstreckungsmaßnahmen gegen Gemeinden

278

Die Rechtslage wird für die Einzelvollstreckung einmal durch die 1896 erlassene Exekutionsordnung 813 bestimmt. Die dortige Regelung des § 15 EO beschränkt die Vollstreckung gegen öffentlich-rechtliche Körperschaften und bestimmte gemeinnützige Organisationen durch das Erfordernis einer Erklärung der zuständigen Verwaltungsbehörde darüber, in welche Vermögensgegenstände die Vollstreckung ohne Beeinträchtigung der jeweils von dem Vollstreckungsschuldner verfolgten öffentlichen Interessen zulässig ist. Die Bestimmung erfasst nur die Gemeinden und für „öffentlich und gemeinnützig erklärte Anstalt(en)“, nicht jedoch die Vollstreckung gegen die Republik Österreich und die Bundesländer.814 Maßgeblich ist z.B. bei einer öffentlichen Krankenanstalt die Feststellung, ob der Betrieb durch die Vollstreckung gefährdet ist.815 Die Rechtslage ist wiederum ganz ähnlich wie in der Bundesrepublik, wenn man an die meist erforderliche Zulassungsverfügung denkt, deren Vorliegen Voraussetzung der Durchführung der Vollstreckung gegen kommunale Gebietskörperschaften ist.

278a

Zum Zeitpunkt der Vollstreckung muss die Erklärung der Behörde vorliegen. Bis dahin kann in die Gegenstände des Gemeindevermögens (oder der sonst durch § 15 EO geschützten Organisation, s.o.) nicht vollstreckt werden.816 Dem für die Einleitung der Zwangsvollstreckung zuständigen Bezirksgericht obliegt jedoch vorweg die Prüfung, ob § 15 EO überhaupt anwendbar ist, ob also der Vollstreckungs-

813 Exekutionsordnung (EO), RGBl. 79/1896 mit Änderungen bis zum BGBl. I 68/2005. 814 Angst/Jakusch/Pimmer, Exekutionsordnung, 14. Aufl. 2006, § 15 EO, Anm.; OGH, Beschl. v. 14.10.1992 – 3 Ob 77/92, Vollstreckung von Gemeindeabgaben gegen eine „öffentlich und gemeinnützig erklärte Landeskrankenanstalt“ – JBl. 1993, 528 = EvBl. 1993/82, S. 346. 815 OGH, Beschluss v. 14.10.1992 – 3 Ob 77/92 – EvBl. 1993/82, S. 346, s.o. 816 Angst/Jakusch/Pimmer, aaO, siehe VwGH, Erkenntnis v. 05.10.1993 – 93/11/0109, Folgeentscheidung nach dem Beschluss des OGH v. 14.10.1992 in derselben Vollstreckungssache – Dokument JWR/1993110109/19931005X01.

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3. Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften

schuldner gemeinnützige Organisation unter § 15 EO oder Gemeinde ist.817 Auch die in der allgemeinen Vollstreckungspraxis grundsätzlich einfache und höchst effiziente Kontenpfändung ist ohne die Erklärung der Verwaltungsbehörde nicht zulässig, da dadurch der Gemeinde die Verfügung über ihre Guthaben entzogen wird und „keineswegs klar“ sei, dass die Kontoguthaben nach § 15 EO der Pfändung unterliegen würden.818 Das österreichische Recht schützt damit auch Kontoguthaben als oder wie Verwaltungsvermögen. Die Vollstreckung ist nach § 39 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 4 EO einzustellen, wenn sie nach § 15 EO für unzulässig erklärt wurde. Dabei ist das Maß der Einstellung abhängig von der Bewilligung der Behörde, d.h. es ist daher nicht nur eine vollständige, sondern auch eine teilweise Einstellung möglich.819 In dem zitierten Urteil des OGH vom 14.10.1992 hat der Senat auch festgestellt, dass die Vollstreckung einschließlich sämtlicher „Exekutionsakte“ bis dahin vollständig einzustellen ist, wenn die Behörde rechtskräftig entschieden hat, alle „Vermögensbestandteile (seien) unverzichtbar“, d.h. wenn jegliche Vollstreckung zu unterbleiben hat, weil ansonsten eine Beeinträchtigung des öffentlichen Interesse zu bejahen ist. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Unpfändbarkeit. Die Einstellung kann in den Fällen der Ziff. 4 auch von Amts wegen erfolgen (§ 39 Abs. 2 Satz 1 EO).

278b

Die Feinsteuerung erfolgt damit wie in Deutschland und in der Schweiz durch die Bewilligung der Aufsichtsbehörde, die Sorge trägt, dass die Kommune ihre Aufgaben erfüllen kann. Zuständig ist die bundesrechtlich zuständige Behörde, da die Entscheidung nach § 15 EO aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs (Österreich) Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung ist.820

278c

bb)

Konkursverfahren über kommunale Gebietskörperschaften in Österreich?

Die österreichische Konkursordnung 821 lässt in ihrem Text nicht ausdrücklich erkennen, ob Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts insolvenzfähig sind, da sie nur von der Konkursfähigkeit natürlicher Personen und der juristischen Personen ohne weitere Unterscheidung handelt. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs steht dazu auf dem Standpunkt, die Konkursfähigkeit 822 leite sich vom Bürgerlichen Recht insoweit ab, als der, der parteifähig ist, auch Konkursfähigkeit besitzt, also einem Konkursverfahren unterzogen werden kann.823

817 VwGH, aaO, s.o. 818 OGH, Beschluss v. 10.07.1991 – 3 Ob 88/90, Kontenpfändung gegen eine Gemeinde – Dokument JJR/19910710/0030OB00088/9000000/002, siehe www.ris.bka.gv.at. 819 OGH, 3 Ob 77/92, s.o. 820 VwGH, Erkenntnis v. 05.10.1993, s.o., Dokument JWR/1993110109/19931005X01. 821 Ursprünglich KO, RGBl. Nr. 337/1914, mit Änderungen bis zum 8. Bundesgesetz 2006, BGBl. 2006 I Nr. 8/2006 v. 13.01.2006 (Gerichtsgebühren- und Insolvenzrechtsnovelle 2006). 822 Dasselbe gilt für die Ausgleichsordnung (AO), die der Sanierung des Schuldners durch Vergleich dient, siehe §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 AO, ursprünglich idF der Kaiserlichen Verordnung v. 10.12.1914, RGBl. Nr. 337/1914, wieder „verlautbart“ am 20.07.1934, BGBl. II Nr. 178 mit Änderungen und Bekanntmachungen bis BGBl. I Nr. 8/2006, s.o. 823 Siehe dazu Mohr, Die Konkurs-, Ausgleichs- und Anfechtungsordnung, 10. Aufl., 2006, I 1 E 98; OGH, Beschluss v. 20.03.2003 – 8 Ob 244/02v – Dokument JJR/20030320/OHH0002/0080OB 00244/02V0000/001, siehe www.ris.bka.gv.at.

199

279

V. Selbstverwaltungsstrukturen und Finanzausgleich

279a

In der Literatur wird die Konkursfähigkeit ebenfalls bejaht, es wird zugleich darauf hingewiesen, dass der Umfang der Konkursmasse durch § 15 EO determiniert werde. Es wird sogar der Konkurs des österreichischen „Bundesstaates bzw. der Bundesländer“ im Grundsatz bejaht, aber als „wohl nur theoretisch“ bezeichnet.824 Dieser Erwägung des bloß „Theoretischen“ ist es wohl geschuldet, dass tiefergreifende Überlegungen zu verfassungs- und völkerrechtlichen Fragestellungen in diesem Kontext nicht angestellt werden.

279b

Damit ist die Kommune in Österreich im Grundsatz konkursfähig, was auch der OGH in einer älteren in der Kommentarliteratur erwähnten Entscheidung aus dem Jahr 1933 anerkannt hat.825 Das war etwa zur gleichen Zeit, als in den USA als Folge der weltweiten wirtschaftlichen Depression die Diskussionen über gesetzgeberische Regelungen im Gange waren, die zu 11 USC Chapter 9 führten. In Deutschland wurde aufgrund älteren Landesrechts der Konkurs der Gemeinde Glashütte betrieben. In der Schweiz waren differenzierte Lösungen in Vorbereitung.826 Zur selben Zeit wurde in Österreich die Ausgleichsordnung wieder bekannt gemacht. Damit ist die damalige Entscheidung des OGH eher folgerichtig und „passt“ in den historischen Kontext. Die moderne Kommentarliteratur weist keinen anderen Fall nach 827, so dass die Problematik in Österreich nur vordergründig – dogmatisch – gelöst scheint. Wie der OGH in einem aktuellen Fall entscheiden würde, scheint vor diesem Hintergrund keineswegs gesichert.

280

Ob eine solche Situation angesichts der differenzierten Finanzverfassung wirklich wahrscheinlich ist (s.o.), muss offen bleiben. Zu bedenken ist freilich, dass die Beschränkungen der Vollstreckung (u.a.) nach § 15 EO und § 16 F-VG zugleich die Konkursmasse erheblich einschränken würden, denn nach § 1 KO werden vom Konkursbeschlag nur die der Exekution unterworfenen Vermögensgegenstände erfasst (§ 1 Abs. 1 KO). Da der Konkursbeschlag jedoch auch künftiges Vermögen umfasst, wären die Aufsichtsbehörden, der Bund und die Länder, wohl mindestens gehalten, der betreffenden Gemeinde jedenfalls so unter die Arme zu greifen, dass es mit den Gläubigern zu einem Ausgleich auf der Basis eines konkreten Ausgleichsvorschlags 828 nach § 2 Abs. 1 AO käme, um der Kommune die Fortexistenz zu ermöglichen, wenn denn tatsächlich die Konkurs- und damit die Ausgleichs(verfahrens)fähigkeit bejaht würde, d.h. die Gesamtvollstreckung in das kommunale Vermögen. Der Ausgleich führt mit der Zustimmung der entsprechenden Gläubigermehrheit (vgl. § 42 AO) und den weiteren hier nicht näher darzustellenden Voraussetzungen seiner Wirksamkeit zur Befreiung von den im Rahmen des Ausgleichs nicht befriedigten Verbindlichkeiten auch derjenigen Gläubiger, die sich nicht am Verfahren beteiligt oder gegen den Ausgleich (= Vergleich) gestimmt

824 Petschek/Reimer/Schiemer, Österreichisches Insolvenzrecht, 1973, S. 21. 825 OGH, 21.11.1933 – ZBl 34/32a, zit. nach Mohr, aaO. Das elektronisch verfügbare österreichische Rechtsinformationssystem RIS enthält die Entscheidung nicht. 826 Die „Botschaft“ des schweizerischen Bundesrates, die u.a. zu dem dortigen Bundesgesetz geführt hat, stammt schon vom Juni 1939. 827 Siehe Mohr, aaO. 828 Zur Konkretisierung siehe z. B. OGH, Beschl. v. 09.02.1998 – 8 Ob 4/89, Angebot von 40 % Ausgleichsquote ohne „Freistellung“ der Ab- und Aussonderungsberechtigten als Grund für die Ablehnung der notwendigen Bestätigung des Ausgleichs durch das Gericht – RdW 1989, 3.

200

3. Die rechtliche Stellung der Gebietskörperschaften

haben (§ 53 Abs. 1 AO). Ab- und Aussonderungsberechtigte bleiben unberührt, sie nehmen mit dem „mutmaßlichen“ Ausfall an der Erfüllung des Ausgleichs teil (§ 46 Abs. 1 AO). Die Bestimmungen sind mit denjenigen der Insolvenzordnung über den Insolvenzplan vergleichbar (siehe dort §§ 227 Abs. 1, 254 InsO). Die vergleichende Betrachtung Österreichs führt daher einmal zu einer von Deutschland dogmatisch wohl abweichenden Betrachtung der Konkursfähigkeit, die indes in keiner Weise belegt, dass es effektiv zu einem solchen Verfahren kommen kann. Wahrscheinlich führen die Bestimmungen des Finanzausgleichs dazu, dass die Insolvenz einer Kommune zuverlässig vermieden wird. Insbesondere die Wahrung der Konnexität trägt zur Stabilisierung bei. Einer gesonderten gesetzlichen Regelung wie in der Schweiz bedurfte bzw. bedarf es in Österreich nicht, wenn man mit der – insbesondere älteren – Rechtsprechung des OGH die Konkursfähigkeit der Gemeinden bejaht.

201

281

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften und sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts („Kommunalkredit“) 829 1.

Die Eigenschaft als Kommunalkredit (Überblick)

In der Wortwahl nicht ganz zutreffend, wird in der Kreditpraxis mehr oder weniger jede Finanzierung von (inländischen) Gebietskörperschaften oder sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Kommunalkredit bezeichnet, nicht nur die Finanzierung von Kommunen im engeren Sinne einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes.

282

Dahinter verbirgt sich systematisch die klassische Investitionsfinanzierung der Kommunen im engeren Sinne, aber auch der eigentlich für kürzere Liquiditätsbeschaffung gedachte Kassenkredit, der nicht selten Dauererscheinung im kommunalen Alltag zu sein scheint.

283

Unter „Kommunalkredit“ subsumiert die Praxis zudem jede Finanzierung, für die eine Gebietskörperschaft die unbedingte Rückhaftung übernommen hat, z.B. die der kommunalen privatrechtlich organisierten Gesellschaft, deren Verbindlichkeiten von der Kommune wie von einer „Konzernobergesellschaft“ verbürgt sind. Das können Langfrist- und Kurzfristfinanzierungen ebenso sein wie Forderungsankäufe von Forderungen gegen Kommunen, soweit dort Einredeverzichtserklärungen aus dem Grundgeschäft abgegeben werden.830

284

Solche als Kommunalkredit identifizierte Finanzierungen sind aufgrund ihrer Risikofreiheit besonders günstig, der Ertrag für den Kreditgeber gering.831 Insbesondere enthält die Bepreisung des Kredits kein Risikoelement, da die Kommune sicher ist und kein Adressausfallrisiko besteht.

285

Ein Insolvenzverfahren über eine Kommune würde also die Kreditgeber ungleich härter treffen als dies schon bei einer Unternehmensinsolvenz der Fall ist, denn eine statistische Verlustquote oder Verlustwahrscheinlichkeit wird nicht durch höhere Entgelte abgefedert.

286

Die Gründe der günstigen und erleichterten Refinanzierungsmöglichkeiten für die Kommunen liegen in den oben erwähnten Regelwerken des Bankaufsichtsrechts

287

829 Vgl. die illustrative Darstellung von Josten, Kommunalkreditgeschäft: Kommunen zwischen Insolvenzunfähigkeit und finanzwirtschaftlichem Kollaps, BKR 2006, 133 ff. 830 Vgl. Kapitel I 4) Rdnr. (26 ff./27) sowie Sester/Bunsen, in: Weber/Schäfer/Hausmann, Praxishandbuch Public Private Partnership, 2006, § 10, S. 446. 831 Josten, aaO, BKR 2006, 135 re. Sp.; der Beitrag spricht bezüglich der Kreditmarge „der Erfahrung nach bis hinab in Regionen von wenigen Basispunkten“ (1 Basispunkt entspricht 0,01 %Anm. d. Verf.).

203

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

begründet, national und europaweit, das Teil des Konsenses ist, dass Forderungen gegen die Gebietskörperschaften und sonst insolvenzunfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts in vollem Umfang zurückbezahlt werden und im Übrigen der „Staat“ unbegrenzt kreditwürdig ist.

287a

Ein weiteres Segment dieses Konsenses bildet das Vollstreckungsrecht, seien es die Beschränkungen der Einzelvollstreckung oder der Ausschluss der Gesamtvollstreckung (s.o.).

287b

Das dritte Segment bildet das Kommunalaufsichtsrecht, das im Rahmen der Rechtsaufsicht prüft, ob die Verschuldung für die Kommune tragbar ist. Unterstützung ex post erhalten die Aufsichtsbehörden von den Rechnungshöfen von Bund und Land und den Rechnungsprüfungsbehörden auf der kommunalen Ebene.

288

Das Zusammenspiel all dieser Elemente sollte die Zahlungsunfähigkeit zuverlässig verhindern können, so dass im Einklang mit bestehenden Ausstattungspflichten des Landes und dem Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern und innerhalb der Länder von einem Zahlungsunfähigkeitsverfahren der Kommunen überhaupt nicht die Rede sein sollte.832 2.

Die bankaufsichtsrechtlichen Grundlagen des Kommunalkredits und seine Privilegierung gegenüber Krediten an andere Kreditnehmer

289

Die Rechtsgrundlagen der Privilegien des Kommunalkredites ergeben sich nach inländischem Recht aus dem Kreditwesengesetz (KWG).833 Das Bankaufsichtsrecht ist zudem in erheblichem Umfang europarechtlich überformt.

290

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG müssen Kreditinstitute „im Interesse der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten gegenüber ihren Gläubigern, insbesondere zur Sicherheit der ihnen anvertrauten Vermögenswerte, angemessene Eigenmittel haben.“ Die deutsche Bankaufsichtsbehörde, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) 834 bzw. ihr Rechtsvorgänger, das BAKred (das vormalige Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen), hat die Angemessenheit nach noch übergangsweise geltendem Recht 835 in der „Bekanntmachung über die Änderung und Ergänzung der Grundsätze über die Eigenmittel und die Liquidität der Institute vom 20.07.2000“ nach internationalen Standards festgelegt, in dem sog. Grundsatz I zu § 10 KWG.836 Die „Bekanntmachung“ hat den Charakter einer Verwaltungsvorschrift. Sie ist durch eine Verordnung, die Solvabilitätsverordnung ab 01.01.2007 abgelöst worden.837 Die Eigenmitteldefinition ist entscheidend für das Geschäft der

832 Ähnlich Faber, DVBl. 2005, 933 ff. 833 Gesetz über das Kreditwesen idF der Neufassung d. bek. v. 09.09.1998, BGBl. 1998 I 2776 mit Änderungen, zuletzt durch Art. 4a des Gesetzes v. 22.09.2005, BGBl. 2005 I 2809 und (siehe Ziff. 3) Art. 1 d. Gesetzes v. 17.11.2006, BGBl. 2006 I 2606. 834 Bis 30.04.2002: Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. 835 Zu den Neuerungen de lege ferenda siehe Kapitel VI 3), Rdnr. (260) ff. 836 Grundsatz I idF der Bekanntmachung v. 29.10.1997, BAnz Nr. 210 idF v. 20.07.2000, BAnz. Nr. 160, abgedruckt bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler, aaO, S. 1536 ff. 837 Boos, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 10 KWG Rdnr. 1 ff., zur Solvabilitätsverordnung siehe sogleich Ziff. 3 nachfolgend.

204

2. Die bankaufsichtsrechtlichen Grundlagen des Kommunalkredits de lege lata

Kreditwirtschaft, da u.a. die materielle Behandlung des Kreditgeschäfts ebenso davon abhängt wie das Rating. Eine Bank, die z.B. nicht über genügend Eigenmittel verfügt, kann nicht mehr wachsen und darf neue Kredite nur mehr vergeben, wenn Rückzahlungen erfolgt sind. Ein ungünstiges Rating beeinträchtigt durch Verteuerung die Möglichkeit des betreffenden Kreditinstituts, am Kapitalmarkt (weltweit) zur eigenen Refinanzierung Mittel aufzunehmen. Die Regelungen dienen dem Funktionieren der Kapitalmärkte und dem Vertrauen der Anleger in die Kreditinstitute als Finanzintermediäre – europa- und weltweit. Sie steuern die Risikosituation der Banken. Das Aufsichtsrecht ist nämlich nicht allein nationales Recht der Bundesrepublik, sondern im Zusammenhang mit dem europäischen Binnenmarkt europarechtlich bestimmt und harmonisiert. Für das Eigenkapital darf u.a. auf die sog. Eigenmittelrichtlinie verwiesen werden.838

290a

Banken durften daher schon nach bisherigem Recht nicht unbegrenzt Kredit geben, sondern nur bis zum 12,5-fachen ihres Eigenkapitals (= 8 % Eigenkapitalbedarf). § 2 Abs. 1 Grundsatz I legt fest, dass das Verhältnis zwischen dem haftenden Eigenkapital der Bank (§ 10 Abs. 2 Satz 2 KWG) und den sog. gewichteten Risikoaktiva 8 % nicht unterschreiten darf (bei täglicher Überprüfung!). Risikoaktiva sind nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 Grundsatz I u.a. die sog. Bilanzaktiva, Positionen aus der Bankbilanz nach akribisch vorgeschriebenem Muster. Bilanzaktiva sind wiederum in § 7 Grundsatz I näher definiert. Dazu gehören nach § 7 Ziff. 4 Grundsatz I u.a. Forderungen an Kunden (= Kreditnehmer).

291

Dabei werden die einzelnen Risikoaktiva gewichtet, d.h. mit einem bestimmten Prozentsatz ihres Eurobetrages angesetzt. So etwa ist der Betriebsmittelkredit (Kontokorrentkredit) an ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen, wenn nicht Besonderheiten hinzutreten, mit 100 % zu gewichten (§ 13 Abs. 6 Nr. 2 Grundsatz I), d.h. er ist vollständig mit Eigenkapital zu unterlegen.

291a

Völlig anders stellt sich die Lage bei Forderungen gegen inländische und bestimmte ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts dar (vereinfacht „Kommunalkredit“):

291b

Wird ein Risikoaktivum, d.h. ein Kredit oder ein Schuldtitel, u.a. von Bund, Land, Gemeinde, Gemeindeverband oder einem rechtlich unselbstständigen Sondervermögen derselben geschuldet oder ausdrücklich gewährleistet, beträgt die Anrechnung 0 % (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Grundsatz I, „Nullanrechnung“). Das bedeutet, dass Banken an diese Adressen ohne Beschränkung durch Eigenkapitalrestriktionen Kredite vergeben können. Das gilt ebenso für die Zentralregierungen bestimmter Länder 839, die Europäischen Gemeinschaften und für Regionalregierungen und lokale Gebietskörperschaften aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen

838 Richtlinie des Rates v. 17.04.1989 über die Eigenmittel von Kreditinstituten, ABl. (EG) L 124 v. 05.05.1989, siehe Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, Einf. Rdnr. 29 ff., siehe dort auch für weitere Details zum europäischen Aufsichtsrecht. Zur Reform siehe sogleich Ziff. 3. 839 Zur Zone A des § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. B) Grundsatz 1 gehören ca. 30 Staaten, darunter außerhalb der EU/EG die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Saudi-Arabien, die Schweiz, Japan und Mexiko; siehe zum Stand 2003/2004 Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 13 Grundsatz I Rdnr. 10. ff.

205

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

Gemeinschaft oder des Europäischen Wirtschaftsraums 840, sofern dieser Staat ebenfalls eine Nullanrechnung für seine Banken gestattet, dies der Europ. Kommission mitgeteilt hat und die Kommission dies wiederum entsprechend bekannt gemacht hat [(§ 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. b), c), e)].

291c

Mit nur 20 % werden u.a. gewichtet Risikoaktiva, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschuldet werden, die keine Erwerbszwecke verfolgen und von einer der Gebietskörperschaften in § 13 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) Grundsatz I (Bund, Länder, Gemeinden usw.) getragen werden.

291d

Grund der Nullanrechnung ist die Steuer- und Abgabenhoheit, das Haushaltsrecht und „spezifische institutionelle Vorkehrungen zur Verringerung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit“.841 Begünstigt sind neben Gemeinden usw. auch die kommunalen Zweckverbände und die Eigenbetriebe. Des weiteren sind Kreditnehmer begünstigt, deren Risikoaktivum eine Kommune usw. ausdrücklich gewährleistet. Gemeint ist damit die in der Praxis verbreitete Bürgschaft zugunsten kommunaler bzw. sonst öffentlicher Unternehmen, auch wenn es sich um eine Ausfallbürgschaft handelt. Eine dingliche Sicherheit, auch eine werthaltige, genügt nicht. Auch hieran zeigt sich die Bedeutung der einwandfreien und risikolosen Bonität der Bürgen, die unterstellt wird.842

291e

Zu den spezifisch institutionellen Vorkehrungen gehört auch die Insolvenzunfähigkeit. Das Prinzip hat bezüglich der Staaten der Zone A weltweite Bedeutung, ungeachtet der Überlegungen des IWF zur Entwicklung eines Entschuldungsverfahrens für Staaten. Man braucht aber die Grenzen der EG nicht zu überschreiten: Jede Bank kann, soweit das oben beschriebene Verfahren der gegenseitigen Nullanrechnung und deren Bekanntgabe erfolgt ist, jedweder lokalen Gebietskörperschaft beliebig Kredit geben, ohne von Eigenkapitalregeln behindert zu werden, eine örtliche Bank in Schleswig-Holstein könnte also z.B. nicht nur eine Gemeinde in Rheinland-Pfalz finanzieren, sondern auch eine solche in Finnland, Spanien, Griechenland und in Ungarn sowie Großbritannien und Island. Freilich ist die Unterlegung mit Eigenkapital nur einer von einer Reihe von Aspekten eines Kreditvertrages.

291f

Die Folge der „Nullanrechnung“ ist, dass der Kreditgeber Eigenkapitalkosten erspart. Damit kann der Kommunalkredit bereits deswegen billiger angeboten werden als übliche und in ihrer Zielrichtung vergleichbare Kredite. Des Weiteren werden Risikokosten gespart, da ein Ausfallrisiko nicht besteht. Für die Kommunen bzw. sonstigen Gebietskörperschaften ist dieser Umstand eine erhebliche Erleichterung zur Deckung ihres Finanzierungsbedarfs. Ohne dass dies im Rahmen dieses Beitrages näher dargestellt werden könnte, ist festzustellen, dass die Nullanrechnung für alle Arten von Finanzierungen gilt, nicht nur für den klassischen Kredit. 840 Liechtenstein, Norwegen, Island. 841 Schulte-Mattler, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 13 Grundsatz I Rdnr. 3 ff. 842 Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 21 KWG Rdnr. 90.

206

2. Die bankaufsichtsrechtlichen Grundlagen des Kommunalkredits de lege lata

Kommunalkredite sind darüber hinaus von einer Reihe aufsichtsrechtlicher Maßnahmen befreit; die Gebietskörperschaften werden dadurch erheblich gegenüber anderen Kreditnehmern begünstigt.

292

Zunächst soll hier § 18 KWG beleuchtet werden. Kreditinstitute müssen sich ab bestimmten Größenordnungen 843 der Kredite die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmer offen legen lassen, diese analysieren und laufend überwachen (§ 18 KWG). Diese Vorgehensweise dient der Risikosteuerung und ermöglicht frühzeitig die Gegensteuerung zur Risikobegrenzung. Offenlegung bedeutet z.B. die Einreichung des Jahresabschlusses innerhalb angemessener Zeit nach Ablauf des Geschäftsjahres und weiterer Unterlagen, die aussagekräftig sind und eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage erlauben. Die BAFin achtet äußerst sorgfältig darauf, dass die Offenlegungspflichten nach § 18 KWG eingehalten werden.

292a

Es gibt jedoch Ausnahmen. So etwa gelten bestimmte Kreditgewährungen nicht als Kredite im Sinne des § 18 KWG, d.h. es muss keine Offenlegung stattfinden (§ 21 KWG). In vorderster Linie stehen dabei die Kredite an Bund, Länder, Kommunen und Kommunalverbände (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 KWG). Die Offenlegung ist jedoch auch entbehrlich bei Krediten an alle anderen inländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die EG und die Europäische Investitionsbank (§ 21 Abs. 3 Nr. 3 KWG) sowie alle öffentlich verbürgten Kredite, gleich an welchen Kreditnehmer (§ 21 Abs. 3 Nr. 4 KWG). Bürgen müssen wieder Bund, Land, Kommune, Kommunalverband oder Sondervermögen des Bundes sein. Grund ist erneut die unterstellte Bonität, die eine Überwachung der Kreditvergabe der Institute durch die BAFin entbehrlich machen.844

292b

Die Novellierung 2006 des KWG ändert hieran nichts.845 Die Anforderung von Unterlagen nach § 18 KWG, die Überwachung der Einreichung, die Analyse und die zu ziehenden Schlussfolgerungen sowie die Dokumentation einschließlich der Installation von Maßnahmen zur Sicherstellung der „flächendeckenden“ Einhaltung der Vorschrift, verursachen den Kreditinstituten einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand. Bei den Kommunalkrediten fällt dieser Aufwand zur Einhaltung des § 18 KWG infolge der Bestimmung des § 21 KWG weg. Dadurch verbilligt sich der Kommunalkredit zusätzlich, so dass es schließlich zu den bereits erwähnten extrem günstigen Konditionen kommt.846

292c

Des Weiteren sind Kommunalkredite von den Großkreditbeschränkungen und von den Großkreditmeldungen nach den §§ 20 Abs. 2 Nr. 1 lit. a), Abs. 6 Nr. 2 lit. a) KWG befreit.

293

Die KWG-Novelle 2006 lässt auch dies unberührt (vgl. § 20 Abs. 2 nF KWG).847 843 Ab 750.000.– € bzw. bei Überschreiten von 10 % des relevanten Eigenkapitals des Kreditinstituts. 844 Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, § 21 KWG Rdnr. 44 ff. mit weiteren Einzelheiten, u.a. zu kommunalen Zweckverbänden usw. Zu § 21 Abs. 3 siehe Bock, aaO, § 21 KWG Rdnr. 78 ff., zu dem dortigen Typ juristischer Personen gehören z.B. Kirchen, gesetzliche Krankenkassen, öffentliche Rundfunkanstalten usw. 845 Vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie v. 17.11.2006, BGBl. 2006 I 2606 ff./2606. 846 Josten, BKR 2006, 135. 847 KWG idF des Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie.

207

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

294

Diese aufsichtsrechtliche Einschätzung der Risikofreiheit der Kredite an Kommunen war jedoch nicht immer so. In der Wirtschaftskrise am Ende der Zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts und später in Deutschland kam es nicht nur zu einem Konkursverfahren über eine Gemeinde 848, sondern auch zur „Dritten Notverordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen“.849 In Teil 5 Kap. Ia § 2 wurde angeordnet, dass die bis dahin rechtlich unselbstständigen Spar- und Girokassen in Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit umzuwandeln waren. Grund war, die Spargläubiger gegen den Zugriff auf das Sparvermögen durch Gläubiger der Kommune zu schützen.850 Die wirtschaftliche Situation war in der Weltwirtschaftskrise verheerend, an den Konkurs der Stadt Glashütte 1929 ist zu erinnern. In den Zwanziger Jahren griff man auch zur Beschränkung der Kredite durch die Sparkassen an Kommunen. 1931 erließ der Reichspräsident gar ein Kommunalkreditverbot.851 3.

295

Änderungen durch die von Basel II veranlassten Reformen des europäischen und inländischen Bankaufsichtsrechts für die „Kommunalkredite“

In der kommunalrechtlichen Literatur 852 wird vermutet, dass sich die Änderungen des Bankaufsichtsrechts, die von Basel II, den geänderten Eigenkapitalvoraussetzungen und der anderweitigen Handhabung der Adressausfallrisiken ab 2007 bestimmt sind, auch auf den Kommunalkredit auswirken. Namentlich wird vermutet, dass das Rating – durch Ratingagenturen – ggf. die bisherigen Privilegierungen gegenstandslos machen wird. Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein.

296

Das reformierte europäische Bankaufsichtsrecht (2006) Die maßgeblichen Reformregelwerke zur Implementierung von Basel II in das europäische Recht sind die Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute 853 (die reformierte „Bankenrichtlinie“) und die Richtlinie 2006/ 49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2006 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten 854 (die reformierte „Kapitaladäquanzrichtlinie“), die zum 01.01.2007 in nationales Recht umzusetzen sind. Aus den hochkomplexen Regelwerken kann zu der Frage, in welchem Umfang künftig Eigenkapital bei der Kreditvergabe gebunden sein wird, folgendes – verkürzt – abgeleitet werden:

848 Vgl. Kapitel IV 2a), Rdnr. (152a f.) sowie (278b), (294). 849 RGBl. 1931 I 554. 850 Jaeger, Konkursordnung, 6./7. Aufl. 1936, § 213 Rdnr. 3; Fischer, in: Boos/Fischer/SchulteMattler, (Hrsg.), Kreditwesengesetz, Einf. Rdnr. 5. 851 Vgl. im einzelnen Josten, aaO, BKR 2006, 135. 852 Vgl. nur Faber, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 35 Rdnr. 43 ff. 853 ABl. (EU) L 177 v. 30.06.2006, S. 1 ff. 854 ABl. (EU) L 177 v. 30.06.2006, S. 201 ff.

208

3. Änderungen des europäischen und inländischen Bankaufsichtsrechts

Für die Eigenkapitalunterlegung der Kreditinstitute ist Anhang VI der RL 2006/ 49/EG maßgeblich.855 Nach Tz. 1.1, Rdn. 1 werden im sog. Standardansatz („Kreditrisikostandardansatz“ = KSA) Zentralstaaten zwar sog. Risikogewichte von 100 % zugewiesen, die abhängig von dem Rating einer anerkannten Ratingagentur nach Rdn. 2 aber von 0 % (Bonitätsstufe 1) bis 150 % (Bonitätsstufe 6) schwanken können. Dies zeigt zunächst eine fundamentale Änderung des bisherigen Procedere der Nullanrechnung (s.o.). Forderungen gegen den eigenen Zentralstaat, die auf die Landeswährung lauten und in dieser refinanziert sind, d.h. in Euro, werden jedoch mit 0 % gewichtet, das ist die bisherige Regelung. Solange also diese Voraussetzung vorliegt oder solange die Bundesrepublik mit Bonitätsstufe 1 geratet ist, bedürfen Kreditforderungen gegen den Bund auch künftig keiner Eigenkapitalunterlegung. Mit „Forderungen an Regionalregierungen oder Gebietskörperschaften“ befasst sich Anhang VI Tz. 2, Rdn. 8 ff. Danach werden diese staatlichen Untereinheiten eines Zentralstaats, d.h. in Deutschland Länder und Gemeinden sowie Gemeindeverbände, behandelt wie Forderungen an andere Kreditinstitute (Tz. 2 Rdn. 8). Entscheidend ist indes Tz. 2 Rdn. 9, wonach solche Forderungen genauso gewichtet werden wie Forderungen gegen den eigenen Zentralstaat, sofern sich das Ausfallrisiko der Kredite an die Regionalregierungen oder die Gebietskörperschaften nicht von dem der Forderungen gegen den Zentralstaat unterscheidet. Voraussetzung sind ferner eigenständige Steuererhebungsrechte und „besondere institutionelle Vorkehrungen“ zur Reduzierung des Ausfallrisikos (Hervorhebung vom Verf.). Die zuständigen Behörden publizieren, wer das Risikogewicht des Zentralstaates haben wird. Diese Vorgehensweise führt wieder zur Nullanrechnung. Die Voraussetzungen liegen vor, da Länder und Kommunen eigene Steuererhebungsrechte haben und auch die notwendigen institutionellen Voraussetzungen bestehen, nämlich in Gestalt der derzeitigen Finanzverfassung von Bund und Ländern, insbesondere durch den Finanzausgleich. Seinen Beitrag leistet aber auch der weitgehende Schutz vor Einzelvollstreckung (vgl. § 882a ZPO und die gemeinderechtlichen Bestimmungen) und der Ausschluss der Gesamtvollstreckung („Insolvenzunfähigkeit“). Es kommt für die Fortsetzung der Nullanrechnung eben nicht auf den Ausschluss des Zahlungsunfähigkeitsrisikos an, sondern allein auf dessen Reduzierung. Bei Drittländern(!), deren Aufsichtsrecht dem der Gemeinschaft „mindestens gleichwertig“ ist, können die nationalen Aufsichtsbehörden in der Gemeinschaft ihren Banken gestatten, Forderungen gegen Gebietskörperschaften und Regionalregierungen dieser Staaten ebenso zu gewichten wie die Forderungen gegen den Drittstaat selbst. Forderungen gegen öffentlich-rechtlich verfasste Kirchen mit eigenem Abgabenerhebungsrecht sind wie Forderungen gegen Regionalregierungen und Gebietskörperschaften des Zentralstaats zu gewichten, wenn auch nicht mit der Bindung der Gewichtung an den Zentralstaat (Anhang VI Tz. 2, Rdn. 11). Über die Verweisung von Anhang VI Tz. 9 Rdn. 11 auf Art. 89 Abs. 1 Buchst a) und Titel V, Kapitel 2, Abschnitt 3 (in der Richtlinie fälschlich als „Teil 3“ bezeichnet – Anm. d. Verf.), Unterabschnitt 1 der Richtlinie856, wird aufgrund „niedrigen Risikos“ auch bei den Kirchen die Nullanrechnung ermöglicht. 855 856

ABl. (EU) L 177 v. 30.06.2006, S. 177 ff. Dies wiederum bedeutet einen weiteren Verweis, u.a. auf Art. 78 der Richtlinie.

209

297

297a

297b

297c

297d

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

298

Die Umsetzung der europäischen Rechtsänderungen in das inländische Recht 857 Im inländischen Recht wurde zum Zwecke der Umsetzung der schon lange in der Diskussion befindlichen Richtlinien das KWG 858 reformiert („KWG-Novelle 2006“) und der Grundsatz I als Verwaltungsvorschrift ersetzt durch eine Verordnung, die sog. „Solvabilitätsverordnung“.859 § 10 Abs. 1 Satz 9 KWG-Novelle 2006 ermächtigt das Bundesfinanzministerium (BMF) zum Erlass einer Rechtsverordnung, die nähere Bestimmungen über die angemessene Eigenmittelausstattung trifft, die sog. Solvabilität. Zu den Regelbeispielen des § 10 Abs. 1 Satz 9 Nrn. 1 ff. gehört die Ermächtigung zum Erlass von Bestimmungen über die Bemessung von Adressausfallrisiken.

298a 298b

298c

Die daraufhin erlassene und am 01.01.2007 in Kraft getretene SolvV regelt die Thematik der Gewichtung der Kredite wie folgt: Kredite gehören aufsichtsrechtlich zu den sog. Adressausfallrisiken bzw. Ausfallrisikopositionen. Dies folgt aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 SolvV, der unter die Adressenausfallrisikopositionen u.a. die sog. bilanziellen Adressenausfallrisikopositionen nach § 10 SolvV subsumiert. Nach § 10 Nr. 1 SolvV gehören zu den bilanziellen Adressenausfallrisikopositionen wiederum die Bilanzaktiva nach näherer Definition in § 19 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1–9 KWG, eine Bestimmung, die die KWG-Novelle 2006 nicht ändert. Bilanzaktiva sind nach Nr. 2 dieser Vorschrift wiederum u.a. Forderungen an Kunden, d.h. Forderungen gegen Kreditnehmer aller Art, dem gemäß auch solche gegenüber Gebietskörperschaften und sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, somit Kommunalkredite.860 Nr. 5 umfasst Schuldverschreibungen und andere festverzinsliche Wertpapiere, die insbesondere von öffentlichen Stellen begeben werden. Die Behandlung dieser Adressenrisikoausfallpositionen regeln die §§ 24 ff. SolvV. Die Banken müssen ihre Positionen gem. § 9 SolvV im sog. Kreditrisikostandardansatz (= KSA) in KSA-Forderungsklassen aufspalten, § 24 Satz 1 SolvV. Kommunalkredite gehören zu den KSA-Forderungsklassen nach § 25 Abs. 1 Nr. 1 (Zentralregierungen), Nr. 2 (Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften), Nr. 3 (sonstige öffentliche Stellen). Den Kreditinstituten steht es frei, ob sie den nachfolgend umrissenen Standardansatz oder den hier nicht weiter behandelten „Internal Rating-Based Appoach-Ansatz (IRBA-Ansatz, §§ 55 ff. SolvV) wählen, der auf

857 Vgl. den Kurzüberblick „Umsetzung von Basel II in Deutschland und der Europäischen Union“, Monatsbericht des BMF, Januar 2006, S. 57 ff., verfügbar über www.bundesfinanzministerium.de/cln_06/nn_3792/DE/Aktuelles/Monatsbericht_des_BMF/2006/01/. (Stand: Juni 2006). 858 Siehe den Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur „Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie“ v. 26.04.2006, BT-Drs. 16/1335. Das Gesetz wurde am 17.11.2006 erlassen, BGBl. 2006 I 2606 ff., es tritt zu verschiedenen Zeitpunkten, in Kraft, der späteste ist der 01.01.2007. Zu Änderungen durch die Novellierung des KWG selbst vgl. unter VI 2 oben. 859 Entwurf der Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen über die angemessene Eigenmittelausstattung (Solvabilität) von Instituten – Solvabilitätsverordnung (SolvV) v. 31.03. 2006. Siehe die „Verordnung über die angemessene Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen (Solvabilitätsverordnung – SolvV“ v. 14.12.2006, BGBl. 2006 I 2926–3064. 860 Vgl. Bock, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz, § 19 Rdnr. 25.

210

3. Änderungen des europäischen und inländischen Bankaufsichtsrechts

internen Ratings der Institute beruht.861 Dieser Ansatz muss von der BAFin zugelassen werden (§ 55 Abs. 1 Satz 2 SolvV).“ § 25 Abs. 2 Nr. 1 SolvV bestimmt, dass der Forderungsklasse der Zentralregierungen nach Nr. 1 u.a. eine KSA-Position zugeordnet ist, deren Erfüllung von der Bundesrepublik, der Bundesbank oder deren unselbstständigem Sondervermögen geschuldet wird. Zu den Regionalregierungen und den örtlichen Gebietskörperschaften nach Nr. 2 gehört eine KSA-Position, deren Erfüllung von einem Bundesland, einer Gemeinde oder einem Gemeindeverband bzw. einem rechtlich unselbstständigem Sondervermögen derselben geschuldet wird. Damit sind z.B. auch Zweckverbände erfasst, ebenso wie Eigenbetriebe u.ä., § 25 Abs. 3 Nrn. 1–3 SolvV. Unter § 25 Abs. 3 Nr. 6 werden auch kirchliche Körperschaften des öffentlichen Rechts subsumiert, die „bundesweit verfasst“ sein müssen und die Kirchensteuer nach Art. 140 GG, 137 Abs. 6 WRV erheben dürfen oder die am Steueraufkommen beteiligt werden. „Bundesweite Verfassung“ im Sinne der Bestimmung kann jedoch nicht bedeuten, dass die einzelne Körperschaft sich bundesweit erstreckt, denn ähnlich den staatlichen Gebietskörperschaften sind die großen Kirchen bekanntermaßen regional organisiert, in Landeskirchen und Bistümern, aber über zentrale Organisationsstrukturen vernetzt.

299

Die eigentliche Gewichtung nehmen dann die §§ 26 ff. SolvV vor:

300 301

Forderungen gegen die Bundesrepublik und ihre rechtlich unselbstständigen Sondervermögen, die in Euro geschuldet und refinanziert sind, haben ein „KSA-Risikogewicht“ von 0 % (§ 26 Nr. 1 SolvV), das ist die bisherige „Nullanrechnung“. Änderungen in Abhängigkeit vom Rating sind denkbar, wenn die Voraussetzungen der Nr. 1 nicht vorliegen (vgl. § 26 Nrn. 3, 4). Das KSA-Risikogewicht für Regionalregierungen und örtliche Gebietskörperschaften, d.h. wieder Bundesländer, inländische Kommunen und Gemeindeverbände sowie deren rechtlich unselbstständige Sondervermögen richtet sich nach dem Risikogewicht des Zentralstaates, § 27 Nr. 1 SolvV. Mit anderen Worten wird der Kommunalkredit eines inländischen Instituts in Euro, der auch in derselben Währung refinanziert ist, gleichfalls mit 0 % gewichtet.

302

Das ist aufgrund der Eurozone und der breiten Möglichkeit der Refinanzierung in Euro sicherlich nicht das entscheidende Problem.

303

Nach § 27 Nr. 2 SolvV gilt die „automatische“ Gewichtung des Zentralstaats auch für Regionalregierungen und Gebietskörperschaften im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum, so dass sich auch hier an der derzeitigen Lage kaum Wesentliches ändern dürfte.

304

Auf die weiteren Optionen der künftigen Kommunalfinanzierung auf der Basis eines Rating sowie die künftige Berücksichtigung einer kommunalen Bürgschaft

305

861 Vgl. zu diesem Ansatz und zum Standardansatz den Kurzüberblick „Umsetzung von Basel II in Deutschland und der Europäischen Union“, Monatsbericht des BMF, Januar 2006, S. 57 ff./58 f.; s.o. Siehe zum KSA das Erfordernis der Anerkennung der Ratingagentur, deren sich der Kreditgeber bedient, §§ 41 ff., 52 f. SolvV, Anlage 1 Tabelle 12.

211

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

bei den privatrechtlich organisierten Unternehmen in öffentlicher Hand kann im Rahmen dieses Beitrages nicht näher eingegangen werden. Wesentliche Änderungen sind auch hier nicht zu erwarten. Nach § 70 SolvV können Institute, die den IRBA-Ansatz wählen, den KSA-Ansatz u.a. für Kredite an inländische Gebietskörperschaften und Förderinstitute „zeitlich unbeschränkt“ beibehalten.

306

Es bleibt als Ergebnis, dass das Aufsichtsrecht nach der Umsetzung von Basel II weiterhin die Option einer Nullanrechnung bei Bund, Ländern, Kommunen und Gemeindeverbänden ermöglicht. Dies entspricht dem in der europäischen Gesetzgebung (nach geltendem ebenso wie nach künftigem Recht) bestehenden Konsens, der die Option der Nullanrechnung auch ausländischen Kreditgebern inländischer „Regionalregierungen und Gebietskörperschaften“ eröffnet. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

4.

Die aufsichtsbehördlichen Prüfungen und Genehmigungen als Basis der Finanzierung, die Unzulässigkeit der Besicherung von eigenen Verbindlichkeiten der Kommunen am Beispiel der Gemeindeordnung von Schleswig-Holstein

a)

Die aufsichtsrechtlichen Prüfungs- und Genehmigungserfordernisse für Kreditgeschäfte der Kommune, die Folgen der Nichteinhaltung der gemeinderechtlichen Vorgaben

307

Trotz der Nichtanwendung des § 18 KWG auf den Kommunalkredit (auch nach der KWG-Novelle 2006) bedeutet das keineswegs, dass die kommunalen Gebietskörperschaften sozusagen „ungeprüft“ Kredite aufnehmen könnten und zwar zu Lasten anderer Gebietskörperschaften oder zu Lasten der „unvorsichtigen“ 862 Gläubiger, welche die wirtschaftliche Lage ihres kommunalen Kreditgebers nicht geprüft haben. Zunächst darf nicht übersehen werden, dass der Haushalt und die Aufnahme von Finanzierungsmitteln durch Zustimmungserfordernisse des Gemeinderats/ „Kommunalparlaments“ demokratisch legitimiert ist und erhebliche Öffentlichkeitswirksamkeit 863 besteht; auch das ist eine nicht zu unterschätzende Kontrollinstanz für die Verwaltung.

308

Ferner ist festzustellen, dass die sonst dem Kreditinstitut im ausschließlichen Eigeninteresse obliegende Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers beim Kommunalkredit in anderer Form u.a. auf die Aufsichtsbehörden verlagert ist. Auf die darin enthaltene Pflicht der Aufsichtsbehörde, die Kommune vor Selbstschädigung zu bewahren, wenn sie eine Maßnahme umsetzen und finanzieren will, die nicht mit dem Grundsatz einer sparsamen Haushaltsführung oder mit der Leistungsfähigkeit der Kommune in Einklang steht, ist bereits oben hingewiesen worden.864

862 Siehe zu diesem Aspekt die Stimmen in der Literatur, die die Einführung eines Insolvenzverfahrens befürworten, siehe z.B. Kapitel III 2d, Rdnr. (129) ff., 2e), Rdnr. (133) ff., passim. 863 Auch bei vergleichsweise geringeren Haushaltsausgaben besteht gelegentlich beachtliches Interesse der Öffentlichkeit der Kommune. 864 Kapitel IV 6), Rdnr. (197); siehe BGH, Urt. v. 12.12.2002 – III ZR 201/01 – BGHZ 153, 198 ff.

212

4. Die aufsichtsbehördlichen Prüfungen und Genehmigungen

Schließlich sorgt eine Fülle von Genehmigungserfordernissen für die Einhaltung der den Kommunen auferlegten Haushaltsgrundsätze.

309

Die Kontrolldichte soll nachfolgend anhand eines der kommunalrechtlichen Regelwerke der Bundesländer, nämlich der Gemeindeordnung Schleswig-Holstein, übersichtsartig verfolgt werden. Maßstab des ökonomischen Handelns sind die allgemeinen Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit, der Sparsamkeit, der Sicherung der steten Erfüllung der Aufgaben der Kommune, der Ausgeglichenheit des Haushalts und der Wahrung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nach Maßgabe des § 75 GemO SH und anderer Vorschriften. All dies hat die Gemeinde eigenverantwortlich zu erfüllen (§ 3a GemO SH), wenn auch unter Beachtung ihrer Steuerkraft eine Option auf Finanzausgleich besteht.

310

Vor diesem Hintergrund prüft die Aufsichtsbehörde, ob sie Kreditaufnahmen genehmigen kann. Die Genehmigung stellt sich gegenüber der Gemeinde als Verwaltungsakt dar, der zugleich gegenüber dem Kreditgeber Drittwirkung insoweit hat, als der Finanzierungsvertrag zwischen Kommune und Kreditgeber erst mit der Genehmigung wirksam wird, die Genehmigung ist „privatrechtsgestaltend“. Nach § 118 Abs. 1 GemO SH und vergleichbaren Vorschriften anderer Bundesländer sind ohne Genehmigung geschlossene Kreditgeschäfte, Bürgschaften usw. unwirksam. Bis zu ihrer Erteilung ist das Geschäft schwebend unwirksam, bei bestandskräftiger Versagung tritt endgültig Unwirksamkeit ein.865 Versäumt die Kommune bei Abschluss des Rechtsgeschäfts den Hinweis, dass die aufsichtsbehördliche Genehmigung fehlt, macht sie sich schadenersatzpflichtig aus culpa in contrahendo, nunmehr kodifiziert in § 311 Abs. 2 BGB, da sie Vertrauen in das Zustandekommen des Geschäfts pflichtwidrig begründet hat.866

311

Der Kreditgeber prüft daher sozusagen „anstelle“ der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kreditnehmers je nach Art des Geschäfts im Einzelfall, ob die Gemeindevertretung und die Aufsichtsbehörden die notwendigen Beschlüsse gefasst, die notwendigen Genehmigungen erteilt haben. Entscheidenden Wert wird er darauf legen, dass die weiteren formellen Kriterien für eine ordnungsgemäße Verpflichtung der Kommune eingehalten sind (siehe z.B. § 51 Abs. 1–3 GemO SH).

312

Genehmigungsbedürftig sind z.B.

313

• der Höchstbetrag der Kassenkredite in der Haushaltssatzung nach § 87 Abs. 2 GemO SH mit einer Freistellungsmöglichkeit durch Verordnung des Innenministeriums nach Abs. 3 der Vorschrift • Investitionskredite, § 85 Abs. 1, 4 GemO SH 865 Vgl. statt aller Heinrichs, in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 66. Aufl. 2007, § 275 Rdnr. 35 ff./36, 125 Rdnr. 4, Einf. vor § 164 Rdnr. 5a, Übbl. vor § 104 Rdnr. 32; siehe aus der jüngeren zivilgerichtlichen Rechtsprechung BGH, Urt. v. 10.06.1999 – IX ZR 409/97 – BGHZ 142, 51 ff./59 f. = ZIP 1999, 1346 = NJW 1999, 3335, zur schwebenden Unwirksamkeit der Bürgschaft eines Landkreises gegenüber der BfA [(!); heute: Deutsche Rentenversicherung Bund]; Vorinstanz: OLG Naumburg, Urt. v. 18.11.1997 – 11 U 1230/97 – NJW 1998, 1716 ff. Vgl. aus der älteren Rechtsprechung allgemein zur Folge behördlicher Genehmigungserfordernisse für privatrechtliche Rechtsgeschäfte BGH, Urt. v. 20.02.1957 – V ZR 125/55 – BGHZ 23, 342 ff./ 344. 866 BGHZ 142, 51 ff./63 f.

213

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

• Umschuldungskredite, § 85 Abs. 1, 2 GemO SH • kreditähnliche Geschäfte, § 85 Abs. 5 GemO SH • Bürgschaften (zugunsten kommunaler Unternehmen, um deren Kreditunterlage zu verbessern), § 86 Abs. 2 GemO SH

314

Wesentlich ist dabei, dass Kredite nur aufgenommen werden dürfen, wenn die Finanzierung nicht anderweit dargestellt werden kann oder wenn eine anderweitige Finanzierung (z.B. unter Liquidation von Gemeindevermögen) „wirtschaftlich unzweckmäßig wäre“ (§ 76 Abs. 3 GemO SH). Die Genehmigung der (langfristigen) Investitions- und Umschuldungsfinanzierungen und der kreditähnlichen Geschäfte nach § 85 GemO SH darf, wenn auch nur „in der Regel“, nicht erteilt werden, wenn die Finanzierung nicht mit der dauernden Leistungsfähigkeit der Kommune in Einklang gebracht werden kann, § 85 Abs. 2 Satz 3, Abs. 5 Satz 2 GemO SH. Maßstab der Genehmigung sind die „Grundsätze einer geordneten Haushaltswirtschaft“, § 85 Abs. 2 Satz 2 GemO SH. Für die kurzfristig gedachten Kassenkredite nach § 87 Abs 1 GemO SH bedurfte es solcher Bestimmungen nicht. b)

Das weitgehende Verbot der Besicherung eingegangener schuldrechtlicher Verpflichtungen

315

Neben den Genehmigungserfordernissen steht als konsequenter weiterer Baustein das in allen Bundesländern bestehende Verbot, eigene Verbindlichkeiten der Kommune zu besichern 867, wovon z.B. in Schleswig-Holstein eine Ausnahme für Wohnungsbaumaßnahmen gemacht wird, §§ 118 Abs. 2, 85 Abs. 8 S. 1, 2 GemO SH. Die langfristige Finanzierung von wohnwirtschaftlichen Maßnahmen der Kommunen gegen Grundpfandrechte ist daher zulässig. Inwieweit diese Ausnahme infolge „formeller“ Privatisierung bzw. Ausgliederung auf kommunale Unternehmen oder gar deren Privatisierung selbst wiederum künftig noch bedeutsam sein wird, kann hier dahinstehen.

316

Eine weitere Ausnahme gilt für Geschäfte, die nach der „Verkehrsübung“ nur gegen Sicherheiten bestellt werden, wenn die Kommunalaufsichtsbehörde die Besicherung zulässt. Eine solche Verkehrsübung besteht derzeit nicht.

317

Der Verstoß gegen § 85 Abs. 8 Satz 1 GemO SH führt über die Unwirksamkeit nach § 118 Abs. 1 GemO SH hinausgehend zur Nichtigkeit, § 118 Abs. 2 GemO SH.868

318

Prägend für die Kommunalfinanzierungen ist damit das weitgehende Fehlen jeglicher Besicherung der Ansprüche gegenüber dem Kreditnehmer. Dies ist im Allgemeinen auch richtig, da es im Hinblick auf das Grundkonzept, das auf stets

867 Vgl. Fromme, Belastung künftiger Haushalte, – Verpflichtungsermächtigungen, Kreditaufnahme, alternative Finanzierungsformen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, S. 615 ff., § 31 Rdnr. 46. 868 Für das Landesrecht von Baden-Württemberg siehe die identische Bestimmung über das Verbot der Besicherung in §§ 87 Abs. 6, 117 Abs. 2 GemO – Bayern: Art. 71 Abs. 6 GO – Brandenburg: § 85 Abs. 6 GO – Hessen: §§ 103 Abs. 8, 134 Abs. 2 HGO – Mecklenburg-Vorpommern: § 54 Abs. 3 KV M-V – Niedersachsen: §§ 92 Abs. 7, 133 Abs. 4 NGO – Nordrhein-Westfalen: §§ 86 Abs. 5, 130 Abs. 2 GO NW – Rheinland-Pfalz: §§ 103 Abs. 6, 115 GemO – Saarland: 92 Abs. 7, 125 Abs. 2 KSVG – Sachsen: §§ 82 Abs. 6, 120 Abs. 2 SächsGemO – Sachsen-Anhalt: §§ 100 Abs. 6 GO LSA; die Nichtigkeitsfolge des § 140 GO LSA bezieht sich dem Wortlaut nach auf das Verbot der Gewährung von Sicherheiten für Dritte. – Thüringen: § 63 Abs. 6 ThürKO.

214

4. Die aufsichtsbehördlichen Prüfungen und Genehmigungen

gegebener Bonität und Risikofreiheit aufbaut, keiner Sicherheiten bedarf.869 Die ein Insolvenzverfahren anmahnenden Konzepte 870, die u.a. erwarten, dass sich die Kreditgeber Sicherheiten bestellen lassen, übersehen, dass dies zugleich eine Änderung der dem entgegen stehenden gemeinderechtlichen Vorschriften erfordern würde. Das weitgehende Verbot, rechtsgeschäftlich Sicherheiten zu bestellen, korrespondiert auch mit der Beschränkung der Einzelvollstreckung. Gegenstände, die notwendig sind, um die Funktion der Verwaltung sicherzustellen, sollen nicht dem Risiko der Vollstreckung bzw. der Verwertung ausgesetzt werden. Verbindlichkeiten Dritter, z.B. eines kommunalen Unternehmens, dürfen nur mit der oben unter lit. a) angesprochenen Genehmigung der Aufsichtsbehörde besichert werden, die sämtliche tatsächlichen und ihr übermittelten Sachverhaltsdetails ebenso untersuchen muss wie die Rechtslage nach inländischem und europäischem Recht (Art. 10 EG).871

319

Auf eine andere zugunsten der Kommune wirkende Regelung soll nur am Rande hingewiesen werden: Bürgerlich-rechtlich hat der Bundesgesetzgeber auf einem bedeutenden Sektor außerhalb der Kreditgewährung die Kommunen von einer gesetzlichen Pflicht zur Besicherung eines Vertragspartners freigestellt.

320

§ 648a Abs. 6 Nr. 1 BGB nimmt die juristischen Personen des öffentlichen Rechts und die öffentlich-rechtlichen Sondervermögen generell von dem Anspruch des Bauunternehmers auf Bauhandwerkersicherung aus, ein Vorteil, der sogar unabhängig von der Insolvenzfähigkeit der juristischen Person des öffentlichen Rechts besteht. Hierzu stellt die Kommentarliteratur zur Begründung knapp darauf ab, es bestehe kein Insolvenzrisiko.872 Wer also ein Insolvenzverfahren mit „hohen Pfändungsfreigrenzen“, d.h. geringer Insolvenzmasse, zugunsten der Kommunen vorschlägt und gleichzeitig vermutet, die Gläubiger würden wie bei Unternehmensfinanzierungen auch beim Kommunalkredit angemessene dingliche Sicherheiten fordern und durchsetzen, andernfalls sie ihre Verluste in der Insolvenz der Kommune selbst zu verantworten hätten, verkennt die Zusammenhänge. Dingliche Sicherheiten werden häufig nicht zur Verfügung stehen, da die sonst zu belastenden Sachen oder sonstigen Gegenstände entweder für die hoheitliche Verwaltung benötigt werden oder als Infrastrukturen der Daseinsvorsorge möglichst nicht „ausverkauft“ werden sollen.

321

Der dabei entstehende Zielkonflikt zwischen Gläubigerschutz und Daseinsvorsorge dürfte kaum lösbar sein.

321a

869 Kunze/Bronner/Katz, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, LBl., meinen hierzu zutreffend, der Kredit beruhe auf der Steuer- und der Leistungskraft, der Grund des Verbots, vgl. § 87 Rdnr. 99. 870 S.o.; z.B. Kapitel III 2 c), Rdnr. (123 ff.), e), Rdnr. (133) ff. 871 In der Praxis handelt es sich um die Stellung einer Bürgschaft oder Ausfallbürgschaft, siehe zu den Voraussetzungen ihrer Genehmigung und der hohen Prüfungsdichte den Leitfaden des Innenministeriums von Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahre 2004, „Kommunalbürgschaften und andere Sicherheiten – Ein Leitfaden für die Praxis“, verfügbar unter www.mvregierung.de/im/pages/kommunal/km_buerg.pdf. 872 Vgl. Sprau, in: Palandt, aaO, § 648a Rdnr. 2.

215

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

5.

Die Änderung der haushaltsrechtlichen Lage durch Einführung eines kaufmännischen Rechnungswesens, einige Folgen 873

322

Das Haushaltsrecht der Kommunen befindet sich bekanntermaßen bundesweit in einer Reformphase, die bislang u.a. in Nordrhein-Westfalen und in Hessen bereits zur Einführung der kaufmännischen Buchhaltung in die Gemeindeordnungen geführt hat, wobei die hessische Gemeindeordnung eine Wahlmöglichkeit zwischen der bisherigen Kameralistik und der Doppik vorsieht (§§ 114a ff. Hess. GemO).874 In allen anderen Bundesländern ist die Umstellung des kommunalen Rechnungswesens ebenfalls in vollem Gange. Die Konferenz der Innenminister hat 2003 Modelle für Regelungswerke entwickelt.875 Die Gründe für diesen Wandel zu einem „Neuen Kommunalen Rechnungswesen“ (NKR), der sich erst in der Zukunft auswirken wird, sind vielfältig und können im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht eingehender beleuchtet werden.876 Man kann vielleicht holzschnittartig kurz zusammengefasst festhalten, dass sich die Kommunalverwaltung zu einem öffentlich-rechtlichen „Dienstleistungsunternehmen“ 877 fortentwickelt und daher ihre finanziellen Strukturen ähnlich den für privatrechtliche Unternehmen geltenden und bewährten Grundsätzen ordnet und offen legt.878 Die Reformüberlegungen sollen nach der Literatur gerade von der Finanzknappheit der Kommunen angestoßen worden sein.879 Maßgeblich ist die Erzielung einer Transparenz im Hinblick auf den Ressourcenverbrauch, den die Kameralistik nicht abbilden kann.

322a

Auf Länderebene wird die Doppik ebenfalls diskutiert, Bremen, Hessen und Hamburg setzen sie um, in Nordrhein-Westfalen wird sie erprobt.

873 Siehe hierzu Pünder, Kommunales Haushaltsrecht in der Reform – von der Kameralistik zur Doppik, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 5, S. 70 ff. mwN; zum Stand der Reformen in den Bundesländern siehe unter www.doppik.de. 874 Hessische Gemeindeordnung idF v. 07.03.2005 – GVBl. 2005 I 142, mit Änderungen bis 17.10.2005- GVBl. 2005 I, 674/686. 875 Faber, Haushaltsausgleich und Haushaltssicherungskonzept, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 34 Rdnr. 67 mwN. 876 Siehe zu der Thematik die Darstellung von Pünder, Kommunales Haushaltsrecht in der Reform, aaO, mwN zur aktuellen Diskussion und Literatur. Vgl. auch die Zusammenfassung des Unterausschusses „Reform des Gemeindehaushaltsrechts“ des AK III „Kommunale Angelegenheiten“ der Innenministerkonferenz im Beschluss vom 9./10.10.2000, in dem auch über erste Konzepte und Erfahrungen ab Mitte der Neunziger Jahre berichtet wird, vgl. dazu unter www. doppik-hessen.de/. . . (Stand: Ende Juni 2006). 877 Pünder, aaO, Rdnr. 6, S. 76. 878 Die Gesellschaften des privaten Rechts sind in der Diskussion insoweit bereits einen weiteren Schritt gegangen, als die internationale Verflechtung der Wirtschaft und der Wettbewerb das Eingehen auf internationale Rechnungslegungsstandards erfordert. Für kapitalmarktorientierte Gesellschaften sind die IAS/IFRS (International Financial Reporting Standards) vorgeschrieben (siehe die IAS-Verordnung 1606/2002, ABl. (EU) L 243 v. 11.09.2002, S. 1 ff. und das BilanzrechtsreformG v. 04.12.2004, BGBl. 2004 I 3166 sowie das BilanzkontrollG v. 15.11.2004, BGBl. 2004 I 3408). 879 Pünder, aaO, Rdnr. 1, S. 73 mwN.

216

5. Die Änderung der haushaltsrechtlichen Lage

Aus der Praxis kann festgestellt werden, dass z.B. die Stadt Salzgitter die Kameralistik bereits für 2004 aufgegeben und eine Bilanz erstellt hat. Von einem ersten Erfolg wird berichtet: Der Stadtrat verzichtete auf den Bau einer Turnhalle.880

322b

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat ebenfalls als erstes Bundesland eine Eröffnungsbilanz für 2005 erstellt.881 Danach hat Hamburg ein Eigenkapital von 4 Mrd. € bei Vermögenswerten von 50 Mrd. und Passiva von 46 Mrd. Die Aktiva habe man „konservativ“ bewertet. Einen vollständigen ersten Abschluss will Hamburg im Herbst 2007 für das Jahr 2006 vorlegen. In der Eröffnungsbilanz hat man Rückstellungen für Pensionen in Höhe von ca.18,2 Mrd. € aufgenommen, davon über 90 % für Beamtenpensionen. Das sind ca. 40 % aller Verbindlichkeiten.882 Die Transparenz der Bilanzzahlen ist beeindruckend, sie sind auch für den nicht im kommunalen Haushaltsrecht erfahrenen Bürger verständlich. Die einzelnen Bilanzpositionen zeigen aber auch, worauf noch zurückzukommen sein wird, den Unterschied zur Bilanz eines Unternehmens – es geht bei der kommunalen/staatlichen Bilanz anders als dort nicht um Darstellung eines kaufmännischen Gewinns, ebenso wenig bei der Ergebnisrechnung. Im Fokus stehen Ressourcenverbrauch und – aufkommen.883 Auch die Eigenkapitalziffer ist relativ, da sie wie in jeder Bilanz Differenz zwischen Aktiven und Verbindlichkeiten ist. Auf der Aktivseite der Bilanz von Hamburg dominieren, wie bei einem modernen Gemeinwesen nicht anders zu erwarten, die Vermögenswerte der Verwaltungseinrichtungen (die der „Erstellung von Leistungen für Bürger dienen“) und der (von allen Bürgern genutzten) Infrastrukturen.884 Die Grundstücke und Gebäude des Anlagevermögens für eigene Zwecke und des „Infrastrukturvermögens“ stellen einschließlich der aktivierten Kunstgegenstände, der Denkmäler und Sammlungen (ca. 3,3 Mrd. €) sowie der „Anlagen zur Verkehrslenkung, Ver- und Entsorgung“, weiteren Anlagen, BGA 885 und Anzahlungen die Sachanlagen der Bilanz dar (Pos. A II 1–8) dar. Sie machen mit ca. 32,6 Mrd. € knapp über 65 % aller Aktiva aus.886 All dies ist Verwaltungsvermögen oder doch im öffentlichen Interesse weitgehend unveräußerliches Vermögen.

322c

Zu fragen ist, inwieweit diese Änderungen des kommunalen bzw. staatlichen Rechnungswesens Auswirkungen auf die Frage der Verschuldung haben werden, auf die Finanzierung der Kommunen und auf die Diskussion zur Insolvenzfähigkeit.

323

880 Siehe die Äußerungen des Stadtkämmerers gegenüber der FAZ, vgl. den Artikel „Vorreiter Salzgitter“, FAZ v. 16.08.2006, S. 13. 881 Siehe die Äußerungen des ersten Bürgermeisters vom 15.08.2006, vgl. dazu den Beitrag „Hamburg macht den Haushalt transparent“, FAZ v. 16.08.2006, S. 13. Für Details vgl. die Pressemitteilung des Senats vom 15.08.2006 „Hamburg zieht Bilanz“, verfügbar unter www.fhh. hamburg.de/stadt/Aktuell/pressemeldungen/2006/august/15/start.html (Stand: August 2006). Vgl. auch die dort publizierte Bilanz (Excel-Tabelle). 882 Vgl. die Pressemitteilung vom 15.08.2006, aaO, S. 5, mit Abdruck einer Zusammenfassung der Bilanz auf S. 6. 883 So auch der Unterausschuss „Reform des Gemeindehaushaltsrechts“ vom Oktober 2000, s.o. 884 Auf die Differenzierung weist der Pressebericht vom 15.08.2006, aaO, S. 4f., ausdrücklich hin. 885 BGA = Betriebs- und Geschäftsausstattung. 886 Eröffnungsbilanz der Freien und Hansestadt Hamburg zum 01.01.2006, Exceltabelle, verfügbar wie oben unter www.fhh.hamburg.de. . ..

217

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

324

Wenn die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens sinnhaft sein soll, müssen die Vorschriften des jeweiligen Gemeinderechts, auf dem das System dann aufbaut, ausgelegt werden wie die entsprechenden Vorschriften der §§ 238 ff. HGB über die Handelsbücher der Kaufleute. a)

Einige Befunde aus dem geänderten Rechnungswesen der Kommunen am Beispiel des hessischen Rechts

325

Betrachtet man paradigmatisch die hessische Gesetzgebung, so führen die §§ 114a ff. HGO u.a. zu den im folgenden im groben Überblick dargestellten Befunden.887

326

Die Gemeinde muss einen Jahresabschluss nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufstellen, der „klar und übersichtlich“ ist und der „die tatsächliche Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ darzustellen hat, § 114s Abs. 1 HGO. Dem Jahresabschluss aus Vermögensrechnung, Ergebnisrechnung und Finanzrechnung (§ 114s Abs. 2 HGO) ist u.a. ein Anhang mit Erläuterung beizufügen (§ 114s Abs. 4 Nr. 1 HGO). Durch einen Rechenschaftsbericht ist der Jahresabschluss ebenfalls zu erläutern (§ 114s Abs. 3 HGO).

326a

Dieses Konzept entspricht bis in die Terminologie den Strukturen der §§ 248 ff. HGB bzw. der 264 ff. HGB für den Jahresabschluss der Kapitalgesellschaften mit Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Lagebericht. Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, die GoB, sind die gesetzlichen Vorschriften der Rechnungslegung und die hierunter ebenfalls zu subsumierenden nicht in Gesetzesform gegossenen Grundsätze der Kaufleute.888

326b

Inhaltlich (weitgehend) identisch mit § 114s Abs. 1 Satz 2 HGO (Darstellung der tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragslage, s.o.) ist § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB. Das ist der Gedanke des „true and fair view“ der 4. EG-Richtlinie (Art. 2 Abs. 3) 889. Die Bestimmung ist Generalklausel, deren Aufgabe darin besteht, über die GoB hinaus ein tatsächliches Bild der Lage des Unternehmens bzw. hier der Gemeinde zu vermitteln. Die Vorschrift ermöglicht somit eine sachgerechte Auslegung und Korrektur der Einzelbestimmungen zur Rechnungslegung.890

326c

Die Vermögenslage meint die bilanzielle Darstellung des Rein- bzw. Nettovermögens als Differenz der Aktiven und Passiven ohne Ausweis stiller Reserven.891 Letztere wären ggf. aufzulösen, wenn eine Überschuldungssituation droht. Wenn in der Literatur festgestellt wird, es handele sich bei dem Eigenkapital nicht um einbezahltes gezeichnetes Kapital 892, so ist das natürlich richtig. Das auf der Passivseite ausgewiesene Kapital ist aber stets „nur“ eine Rechenziffer, die lediglich kennzeichnet, wie viel freies Vermögen noch vorhanden ist.

887 Für die Rechtslage in Nordrhein-Westfalen siehe Faber, Haushaltsausgleich . . ., aaO. 888 Siehe hierzu Beater, in: MK-HGB, § 264 Rdnr. 19 u. FN 59. 889 Vierte Richtlinie des Rates 78/660/EWG v. 25.07.1978, ABl. (EG) L 222 v. 14.08.1978, S. 11. 890 Vgl. zur Diskussion über Inhalt und Tragweite der Vorschrift Baumbach/Hopt, HGB, 30. Aufl., 2000, § 264 Rdnr. 9; Beater, aaO, § 264 Rdnr. 19; R. Hüttemann, in: Canaris u.a. (Hrsg.), HGB Staub, Großkommentar, § 264 Rdnr. 23 ff./26 f. 891 Vgl. statt aller Hüttemann, aaO, § 264 Rdnr. 36 ff. 892 Schwarting, Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen, in: Henneke/Pünder/Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 36 Rdnr. 73.

218

5. Die Änderung der haushaltsrechtlichen Lage

Eine Kommune hat der Natur der Sache nach kein Mindestkapital. Gravierender ist die in der Darstellung auf der Aktivseite liegende Suggestion, diese Vermögenswerte stünden tatsächlich notfalls zur Verfügung, um die Verbindlichkeiten auf der Passivseite durch die Liquidation der Aktiva auszugleichen. Da die Gebietskörperschaft aber nicht liquidiert werden kann, spielt der Aspekt der „Selbstkontrolle“ des Kaufmanns im Interesse mittelbaren Gläubigerschutzes als ratio legis zur Bilanzaufstellung keine Rolle.893 Auch die ratio legis des § 19 Abs. 1 InsO ist die des Gläubigerschutzes; 894 der Schuldner, der strukturell zahlungsunfähig ist, soll in das Insolvenzverfahren eintreten, damit ggf. sein Vermögen unter Beachtung der par conditio creditorum liquidiert werden kann. Bei juristischen Personen gibt es im Ergebnis kein insolvenzbeschlagsfreies Vermögen, soweit nicht der Insolvenzverwalter die Freigabe erklärt.895 Bei Kommunen, aber auch bei insolvenzfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (dort im Hinblick auf § 882a ZPO), bestehen Einschränkungen. Da das Gemeindevermögen in beachtlichem Umfang jedenfalls aus Infrastrukturen besteht 896, die für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung benötigt werden („Verwaltungsvermögen“), scheidet es als Bestandteil der Insolvenzmasse nach § 35 InsO aus, so dass die Bilanz im Umfang dieser Aktiva für Gläubiger nicht aussagekräftig ist. Umgekehrt müsste man bei Zulassung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung den Insolvenzstatus um die nicht zur Masse gehörenden Aktiva kürzen. Dies wiederum führt schneller zum Ausweis der Überschuldung.

326d

Die Vermögenslage wird ergänzt durch die Angaben im Anhang, im Gemeinderecht Hessens nach § 114s Abs. 4 Nr. 1 HGO. Die Ertragslage resultiert aus der GuV und zeigt den Erfolg des Geschäfts-/Haushaltsjahrs, Zukunftsprognosen resultieren aus dem Rechenschaftsbericht gem. § 114s Abs. 3 HGO, der dem Lagebericht des § 289 HGB für die Kapitalgesellschaften entsprechen sollte. Die Finanzlage betrifft Finanzierung und Liquidität, sie umfasst auch außerhalb der Bilanz liegende Verpflichtungen.897

326e

Die Gemeinde hat ferner einen konsolidierten Gesamtjahresabschluss mit ihren Sondervermögen, Unternehmen 898, Beteiligungen und Stiftungen bzw. Aufgabenträgern mit kaufmännischer Rechnungslegung zu erstellen, § 114s Abs. 5 HGO, unabhängig, ob diese privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich strukturiert sind. Das Konzept ist vergleichbar mit dem Konzernabschluss der §§ 290 ff. HGB. Über das Bilanzrecht des HGB hinausgehend verlangt der Gesetzgeber der hessischen Gemeindeordnung zudem eine Kapitalflussrechnung, § 114s Abs. 8 HGO.

326f

893 Vgl. zu diesem Aspekt der Bilanzerstellung des Kaufmanns U. Hüffer, in: Canaris u.a. (Hrsg.), HGB Staub, Großkommentar, § 247 Rdnr. 1 ff. 894 Vgl. dazu Smid, InsO, Kommentar, § 19 Rdnr. 2; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 19 Rdnr. 1. 895 Vgl. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 35 Rdnr. 113 ff., unter Hinweis auf die Ausnahmen. 896 So zutreffend Schwarting, Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen, in: Henneke/Pünder/ Waldhoff (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 36 Rdnr. 73. 897 Hüttemann, aaO, Rdnr. 36 ff. 898 Ohne Sparkassen und Sparkassenzweckverbände.

219

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

327

Die Gemeinde hat „für ungewisse Verbindlichkeiten und Aufwendungen Rückstellungen“ zu bilden, § 114m Abs. 4 HGO. Das Konzept der zu bildenden Rückstellungen ist weniger weit als § 249 HGB, dennoch lassen sich aus der Literatur und Rechtsprechung hierzu die entsprechenden Folgerungen für die Rückstellungsbildung der Gemeinde ziehen.

327a

Die Rückstellungsbildung ist Teil der Pflicht der Kommune, ihre jederzeitige Zahlungsfähigkeit sicherzustellen, betrachtet man § 114 m Abs. 1 und Abs. 4 HGO im systematischen Zusammenhang. Allerdings vermengt sich an dieser Stelle eine bilanzielle Erwägung (Darstellung der Rückstellungen in der Bilanz, siehe § 249 HGB) mit einem Liquiditätskriterium bzw. Aspekten eines Liquiditätsplans. Insolvenzrechtlich hindert die ordnungsgemäße Darstellung von Rückstellungen im Jahresabschluss natürlich nicht die Illiquidität, wenn auf die ungewissen Verbindlichkeiten Zahlungen zu leisten sind, es aber an Zahlungsmitteln (Kassenmittel oder Kredit) fehlt. Die Existenz von Rückstellungen macht freilich darauf aufmerksam, dass in der Liquiditätsplanung entsprechend Vorsorge für die nötigen Zahlungen zu treffen ist.

327b

Die Palette der möglichen Rückstellungen ist sehr weit 899 und reicht von Pensionsverpflichtungen 900 und Altersteilzeit über unterlassene Instandhaltung bis hin zu Prozessrückstellungen (in Passivprozessen der Gemeinde einschließlich des Hauptsachebetrags, ansonsten für die gesamten Prozesskosten der Instanz) und Umweltrisiken.901 Sind Leistungen des Landes oder Abgaben ggf. zurück zu zahlen, ist das ebenfalls Gegenstand der Rückstellung.

327c

Bürgschaftsübernahmen für kommunale Gesellschaften sind in der Regel nicht als Rückstellung zu passivieren, sondern entweder unter der Bilanz auszuweisen, wie dies aus § 251 HGB resultiert oder aber als Verbindlichkeit zu passivieren, wenn die Inanspruchnahme erfolgt und nicht „streitig“ ist, aber noch nicht darauf geleistet worden ist.902 Ansonsten kommt, wie bei den verbreiteten kommunalen Ausfallbürgschaften, eine Rückstellung in Frage, wenn die Inanspruchnahme dem Grunde nach erfolgt ist.

328

Maßgeblich für das ausgewiesene Ergebnis sind die Wertansätze, die in § 108 Abs. 3 HGO vorgeschrieben sind. Die Vermögensgegenstände sind auf der Grundlage einer ordnungsmäßigen Inventur (erstmals zum 01.01.2009) zu erfassen und „mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die Abschreibungen, die Verbindlichkeiten zu ihrem Rückzahlungsbetrag und die Rückstellungen in Höhe des Betrages anzusetzen, der nach sachgerechter Beurteilung notwendig ist ...“. Das ist nichts anderes als die Inventarerrichtung nach den §§ 240 f. HGB und die Bewer-

899 Siehe zur Bandbreite das Zitat bei Faber, Haushaltsausgleich und Haushaltssicherungskonzept, aaO, § 34 Rdnr. 69 und FN 176; die dortige Aufzählung ist nicht abschließend. 900 Pensionsverpflichtungen ggf. bei kommunalen Beamten (eine Frage des Beamtenrechts) oder bei den Beteiligungen, nicht jedoch, wenn die betriebliche (kommunale) Altersvorsorge sich in laufenden Zahlungen an die Zusatzversorgungseinrichtung erschöpft. Siehe zu den Pensionsrückstellungen Ballwieser, in: MK-HGB, § 249 Rdnr. 26 ff. 901 Siehe im Einzelnen das Zitat bei Faber, aaO. 902 Vgl. D. Kleindiek, in: Canaris u.a. (Hrsg.), HGB Staub Großkommentar, § 251 Rdnr. 1, 6 f.; Ballwieser, MK-HGB, § 246 Rdnr. 69 ff.

220

5. Die Änderung der haushaltsrechtlichen Lage

tung nach den §§ 252 ff. HGB. Der Wortlaut zur Regelung der Wertansätze ist wesentlich an § 253 Abs. 1 HGB angelehnt. Das ist schon deswegen nicht anders möglich, weil das Gesetz, wie erwähnt, eine Konsolidierung des kommunalen Konzerns vorschreibt, die schlechterdings sinnlos wäre, wenn sich die Wertansatzvorschriften fundamental von denen unterscheiden würden, die für die Unternehmensbeteiligungen der Gemeinde gelten. Die Kommunen haben des Weiteren eine Ergebnis- und Finanzplanung für einen Fünfjahreszeitraum vorzulegen, § 114 h Abs. 1 HGO, wobei ihnen aufgegeben ist, die erforderlichen und geeigneten Maßnahmen im Interesse eines geordneten Haushalts zu treffen und zwar „unter Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit“. b)

329

Folgen der Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens

Die Wertansätze in der Bilanz können unter Berücksichtigung der Abschreibungen zu einer Unterbilanz führen. Dann wäre formal der Fall einer Gebietskörperschaft zu bejahen, die „buchmäßig“ überschuldet ist. Gleichwohl wäre das kein Anlass zur Prüfung der Voraussetzungen nach § 19 InsO, da die Kommune nicht insolvenzfähig ist. Die Bilanz der Kommune dient daher zwar der Eigeninformation bzw. Eigenkontrolle der Gemeindeorgane und der Gemeindebürger ebenso wie der Rechenschaftslegung der Gemeindeorgane, so dass eine Parallele zu dem Kaufmann zu bejahen ist.903

330

Gläubigerschutzfunktion hat sie jedoch nicht. Alle Bestimmungen, die bei den privatrechtlichen Unternehmen an die Verletzung von Buchführungs- und Bilanzierungspflichten oder an die Ergebnisse derselben (z.B. eben die in der Bilanz festgestellte Überschuldung) knüpfen, sind nicht anwendbar.904 Damit entfallen zugleich die bei den insolvenzfähigen Körperschaften (z.B. der GmbH oder AG) rechtsformspezifisch bestehenden Schadenersatzrisiken der Organmitglieder wegen Insolvenzverschleppung ebenso wie strafrechtliche Risiken im Hinblick auf Insolvenzstraftaten.905 Die etwaige Einführung der Insolvenzfähigkeit für Kommunen würde hieran ohne gleichzeitige Strafrechtsreform nichts ändern. Offen muss auch im Rahmen dieser Arbeit die Frage bleiben, ob die Organe der Kommune ein persönliches Haftungsrisiko hätten (§ 42 Abs. 2 Satz 2 BGB analog).

330a

Inwieweit sich angesichts einer etwa offenkundigen Überschuldung einer Kommune nachhaltig negative Folgen für die Refinanzierungsfähigkeit derselben oder ihre privaten Konzerngesellschaften de lege lata ergeben, also bei Aufrechterhaltung des Systems der Insolvenzunfähigkeit, muss mangels Erfahrungen offen bleiben.

331

903 Zur ratio legis der Bilanz für den Kaufmann vgl. U. Hüffer, in: Canaris u.a. (Hrsg.), HGB Staub, Großkommentar, § 247 Rdnr. 1 ff. 904 Die Gemeinde als solche wird nicht zum Kaufmann und unterliegt damit auch nicht den §§ 238 ff. HGB, so dass die handelnden Organe der Kommune von Verletzungen dieser Vorschriften nicht tangiert werden; anders wiederum, wenn sie in Personalunion Organmitglieder eines kommunalen Unternehmens sind, das selbst insolvenzfähig ist und auf das unmittelbar die §§ 238 ff. HGB anzuwenden sind. 905 Vgl. §§ 283 ff., 14 StGB, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG , 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG.

221

VI. Besonderheiten der Finanzierung von Gebietskörperschaften

331a

Allerdings sollte eine Überschuldung nach der Literatur „eigentlich“ ausscheiden.906 In Nordrhein-Westfalen ist sie nicht gestattet und führt zur Notwendigkeit eines Haushaltssicherungskonzepts (§§ 75 Abs. 7, 76 GO NW).907 Der Eintritt der Überschuldung ist ein Ereignis, das nicht im eigentlichen Sinne „verboten“ werden kann. Vielmehr kann von den Gemeindeorganen aus diesseitiger Sicht nur verlangt werden, dass sie stetig darauf achten, eine drohende Überschuldung abzuwenden oder dass sie eine bereits entstandene Überschuldung umgehend bereinigen, soweit in ihren Kräften stehend. Dies mag z.B. durch die Hebung stiller Reserven des Finanzvermögens erfolgen (lukrativer Verkauf einer Unternehmensbeteiligung mit erheblichen „Buchgewinnen“ der Kommune) oder durch die Erlangung eines Anspruchs auf Finanzausgleich, der idealiter noch zum Stichtag des Jahresabschlusses aktivierungsfähig ist.

331b

Die den Jahresabschlüssen der privaten Unternehmen ähnlichen kommunalen Abschlüsse dürften dann auch systematischer Auswertung durch Investoren bzw. Kreditgeber zugänglich sein, die an einem Investment in der jeweiligen Kommune interessiert sind, allerdings mit der Einschränkung, dass aktivierte Gegenstände des Verwaltungsvermögens ggf. nicht berücksichtigt werden können.

332

Es ist evident, dass der Jahresabschluss der Kommune zu dem bisher Ungewohnten führt, dass Substanzverzehr des Anlagevermögens durch Ausweis der Abschreibungen oder Aufwandsrückstellungen transparent wird. Des weiteren werden bei dem ersten Jahresabschluss die effektiven Werte des kommunalen Vermögens erkennbar, so dass mit Spannung abgewartet werden darf, welches Nettovermögen ausgewiesen werden wird.

333

Bisher nicht in Erscheinung getretene Risiken werden durch die Rückstellungen augenfällig und beeinträchtigen das Ergebnis. Inwieweit sich die Passivseite der kommunalen Bilanz durch Altersversorgungsrisiken für Mitarbeiter dramatisch verschlechtert, wird abzuwarten sein.

334

Die wirtschaftliche Lage der Kommune wird für Bürger, die kommunalen Organe, die Aufsichtsbehörden und für Investoren transparenter, für die Verwaltung werden Risiken steuerbarer. Die Gemeinden werden sich im Hinblick auf die Positionen „Abschreibung“ und „Rückstellungen“ schlechter darstellen lassen müssen, als ihre Lage unter den ansonsten unveränderten Rahmenbedingungen effektiv ist.

335

Man kann sich im Übrigen vorstellen, dass bei (buchmäßig) dramatisch negativer Situation kommunaler Abschlüsse nicht nur der Ruf nach Unterstützung durch das Land auf dem Wege des Finanzausgleichs lauter werden wird, sondern dass sich auch die Stimmen derer verstärken werden, die unter Hinweis auf die Situation bei einer vergleichbaren Kapitalgesellschaft („... längst pleite ...“) die Insolvenzfähigkeit fordern werden. Denkbar ist auch die Aufforderung an die Gläubiger, sich doch an einer außergerichtlichen Sanierung „verantwortlich“ zu beteiligen und damit eine Sanierung auf ihre Kosten zu bewältigen, was in der Tat ein Insolvenzverfahren entbehrlich machen würde, dem aber gleichkäme.

906 Schwarting, Kassen-, Rechnungs- und Prüfungswesen, in: Henneke u.a. (Hrsg.), Recht der Kommunalfinanzen, 2006, § 36 Rdnr. 75. 907 Siehe dazu Schwarting, aaO.

222

6. Eigenschaft und Folgen des „Kommunalkredit“

Mögen sich auch Verschiebungen oder „Verschlechterungen“ der gemeindlichen Situation durch die Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens ergeben, so hat und kann dies gleichwohl bei sonst unveränderten Rahmenbedingungen in dem hier untersuchten Zusammenhang keine Rolle spielen. Die Brisanz entfaltet sich erst bei etwaiger Einführung der Insolvenzfähigkeit. Dann wiederum wäre entscheidend, auf welchen Insolvenzgrund ein (Eigen)antrag einer dramatisch schlecht dastehenden Kommune gestützt werden könnte. Die Insolvenzfähigkeit wiederum ist vor dem Hintergrund der Haushaltsrechtsreform, welche die Situation der Kommune transparenter machen und zu ihrer Klärung beitragen soll, entbehrlich. 6.

336

Eigenschaft und Folgen des „Kommunalkredit“ (Zusammenfassung)

Fasst man die Eigenschaften und Vorzüge des Kommunalkredits zusammen, so ergibt sich u.a., dass

337

• er keine Kapitalunterlegung fordert • er keine Risikokosten für die Kreditgeber und Investoren verursacht • keine Wertberichtigung oder Abschreibung aufgrund des Fehlens eines (Adressen-)Ausfallrisikos für die Kreditgeber zu befürchten ist • eine aufwändige im sonstigen Kreditgeschäft übliche Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kommune entfällt (§ 18 KWG) und damit auch eine kostenaufwändige Analyse und ein „Monitoring“ der entsprechenden Unterlagen nicht erforderlich sind.

338

Dies hat zur Folge, dass • die kommunalen Kreditnehmer schnell Kredite erhalten können 908 • die Kommunalkreditkonditionen mit ganz geringen Kreditmargen äußerst günstig sind 909 • für die Kommune selbst die ebenfalls aufwändige Aufbereitung von Unterlagen allein für Zwecke des Kreditgebers entfällt • die öffentliche Hand insgesamt jährlich aufgrund dieses Systems sicherlich Milliardenbeträge einspart. Wenn man mit den einschlägigen Veröffentlichungen davon ausgeht, dass im Jahr 2006 eine Zinserhöhung von 1 % den Staat 15 Mrd. € jährlich zusätzlich kosten würde und die Kommunen mit 84 Mrd. verschuldet sind, so würden diese mit 840 Mio. p.a. zusätzlich belastet; eine Erhöhung um nur 0,5 % p.a. würde die Kommunen noch mit 420 Mio. € im Jahr treffen, wenn all die Vorteile des Kommunalkredits wegfielen und zu entsprechender Verteuerung führten! Nach Lage der Dinge wäre das nur über Steuern zu finanzieren.

908 909

Josten, aaO, BKR 2006, 133 ff. spricht von Kreditzusagen, „vielfach auf Zuruf“. Siehe hierzu Josten, aaO, BKR 2006, 133 ff./135 re. Sp.

223

VII. Folgen etwa künftiger Insolvenzfähigkeit von Kommunen bzw. Regionalkörperschaften nach den Modellerwägungen für die Entschuldung in der Literatur Würde man die Insolvenzfähigkeit der kommunalen/regionalen Gebietskörperschaften entsprechend den oben vorgestellten Entschuldungsmodellen einführen, wäre folgendes zu erwarten, jedenfalls zu besorgen bzw. es müssten ganze Regelungssysteme gesetzlich neu strukturiert werden: 1. Deutliche Verteuerung der Finanzierung durch Entstehung erheblicher Kosten für die Kreditgeber, die der Finanzaufsicht unterliegen, abhängig von der dann jeweils individuell zu beurteilenden Bonitätsstufe des Kreditnehmers, wobei auch die geringe Insolvenzmasse wohl ein Kriterium sein müsste. 2. Abhängigkeit des zur Verfügung stehenden Kreditvolumens u.a. von der von den Kreditgebern (oder Ratingagenturen) eingeschätzten Bonität. 3. Die Feststellungen zu 1. und 2. gelten auch für die Begebung von Anleihen durch die Gebietskörperschaften. 4. Erstreckung dieser Wirkungen u.a. auf bislang durch öffentliche Bürgschaften ebenfalls günstig mit Krediten versehene öffentliche Unternehmen. 5. Im Einzelfall, abhängig von der Art der Finanzierung und dem Kreditnehmer, Notwendigkeit der Kreditbesicherung durch (atypische) Personal 910- und Realsicherheiten. 6. Eingeschränkte Möglichkeit der Besicherung bei Sachsicherheiten auf Gegenstände, die nicht zur Aufgabenerfüllung benötigt werden. 7. Ggf. Notwendigkeit von Sicherheitenbestellungen zugunsten anderer kommunaler Gläubiger (vgl. § 648a BGB). Wird die Sicherheit, wie üblich, durch Bankaval geleistet, wird dadurch die Kreditlinie in Höhe der Bankbürgschaft ausgenutzt, d.h. im Ergebnis würde sich der Kreditbedarf der Kommune bzw. Regionalkörperschaft erhöhen; für die Bürgschaftsübernahme ist ein Entgelt zu zahlen. 8. Hohes Risiko der Reduzierung der Attraktivität als Standort bei „insolvenzbedingter“ weitgehender Liquidation von nicht „unbedingt“ für die Funktionsfähigkeit notwendigem Vermögen, d.h. für Vermögen außerhalb der Pflichtaufgaben der Kommune/Regionalkörperschaft. 9. Ausreichende Finanzierung übertragener Aufgaben (unabhängig von dem monistischen oder dualistischen System kommunaler Aufgabenzuordnung in den Bundesländern) durch die übergeordnete Körperschaft (Gemeinde, Land) oder Erstreiten der Finanzierungsmittel zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit oder zu deren Beseitigung. 910

Verbindliche Finanzierungszusagen des Landes u.ä.

225

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VII. Folgen etwa künftiger Insolvenzfähigkeit von Kommunen

10. Risiko von Folgeinsolvenzen (Unternehmen) der Gläubiger der insolventen Kommune/Regionalkörperschaft bei Forderungsverlusten mit den damit verbundenen sozialen Konsequenzen. 11. Negative Wirkungen auf dem Arbeitsmarkt (bundesweit, regional, lokal) infolge insolvenzbedingten Personalabbaus. 12. Verteuerung der Arbeitskosten der Kommunen bzw. Regionalkörperschaften durch Beiträge zur Insolvenzgeldumlage und an den PSV. 13. Gesamtwirtschaftlich steuerliche Einbussen durch Abschreibungen auf Forderungen der Gläubiger. 14. Die schlichte Einführung der Insolvenzfähigkeit wäre nicht hinreichend, vielmehr wären neue bzw. Änderungen bestehender Regelwerke erforderlich, auch auf europäischer Ebene, nämlich u.a. a. die Änderung des Finanzaufsichtsrechts, d.h. u.a. der RL 48/2006/EG und 49/2006/EG mit der Folge erheblicher Wettbewerbsverwerfungen, wenn Deutschland/ein Bundesland allein die Insolvenzfähigkeit von Gebiets-/Regionalkörperschaften einführen würde. b. Änderungen des Einzelvollstreckungsregimes und der Regelungen über den Ausschluss der Insolvenzfähigkeit. c. die Änderung der Gemeindeordnungen, Kreisordnungen und ähnlicher Normen d. Verfahrensregelungen für das kommunale Insolvenzverfahren, betreffend u.a. die Definition der Insolvenzgründe, die Art der Verfahrensabwicklung, die Bestimmung des Sachwalters/neutralen Dritten, der die Kommune „überwacht“, die Einführung von cram down-Regelungen (vgl. § 245 InsO), die Frage der Anfechtung (auch gegenüber öffentlichen Stellen), die Definition der Insolvenzmasse und allgemein die Behandlung aller Aspekte, die die Insolvenzordnung behandelt und von denen im Interesse der Funktion der Verwaltung und der Daseinsvorsorge abgesehen werden müsste. Die vielfältigen Fragen und Probleme, die sich in diesem Kontext stellen, zeigen sich beispielhaft an dem schweizerischen Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden ... (SchGG) 911, das bei weitem nicht so weitgehend in die Gläubigerrechte eingreift, wie dies bei einem von den Befürwortern des kommunalen Insolvenzverfahrens in Deutschland vorgestellten Insolvenzplan der Fall sein müsste. e. Empirisch zeigen Erfahrungen der letzten Jahre in der Schweiz folgendes: An dem bisher einzigen Fall einer insolventen Kommune unter Beiratschaft lässt sich erkennen, dass die Gläubiger – ohne rechtlich nach dem SchGG dazu veranlasst zu sein – zu einem Vergleich unter erheblichen Verzichten bereit waren, der zudem von anderen Gebietskörperschaften organisiert wurde. Die konkrete Situation war aber nach dem vorliegenden Sachverhalt, insbesondere nach dem jeweiligen Tatbestand der Urteile des BG, wohl durch weitgehendes Versagen der verschiedenen Kontrollmechanismen gekennzeichnet, u.a. der Kommunalaufsicht. Hinzu kam offenbar strafrecht911

226

Siehe dazu Kapitel V 2), Rdnr. (216) ff. oben.

VII. Folgen etwa künftiger Insolvenzfähigkeit von Kommunen

15.

16. 17. 18.

19.

lich relevantes Verhalten Beteiligter. In solchen Fällen eine zwangsweise Beteiligung der Gläubiger an der Sanierung durch ein Insolvenzverfahren zu institutionalisieren, ist durchaus zu hinterfragen. f. Auf der Ebene von Staaten war der Umgang Argentiniens in der Krise 2001/ 2002 mit seinen privaten Gläubigern auf jeden Fall unangemessen und fragwürdig. Die bestehenden völkerrechtlichen Instrumente decken dieses Vorgehen nicht. Die Rechtsprechung der internationalen Gerichte und Schiedsgerichte zum völkergewohnheitsrechtlichen Notstand – gespiegelt auf das Problem der Zahlungsunfähigkeit – zeigt eine Parallele zu etwaigen Insolvenzsituationen inländischer Gebietskörperschaften auf. Der Notstand setzt eine existenzbedrohende Situation voraus, die – international – zudem nicht selbst wesentlich verursacht sein darf. Das ist eine Situation, die ganz ähnlich der Konstellation ist, bei der das BVerfG im Interesse der Bürger einer Gebietskörperschaft im Berlin-Urteil vom 19.10.2006 die Verpflichtung des Bundes zur Unterstützung des betroffenen Landes gesehen hat. In insolvenzrechtlichen Termini wäre Insolvenzgrund danach eine „existenzbedrohende Lage“, die dann in die Begriffe der Zahlungsunfähigkeit bzw. der Überschuldung umzudeuten wäre. Vor der Umstellung auf ein „kommunales Insolvenzverfahren“ würde eine hinreichende Zeit benötigt, um den Marktteilnehmern die Einstellung auf das neue System zu ermöglichen und im Hinblick auf die Refinanzierung dieses Systems. Den derzeitigen Gläubigern wäre ebenso Bestandschutz zu gewähren wie auch den Gebietskörperschaften selbst. Für eine Entlastung von der derzeitigen Verschuldung wäre eine solche Lösung völlig ungeeignet. Die Thematik betrifft angesichts der weltweiten Kapitalmärkte auch die Refinanzierung bei ausländischen Gläubigern. Der Kredit der Bundesrepublik als einer der bedeutendsten Volkswirtschaften würde beschädigt. Letztlich wären die Folgen kaum absehbar.912

912 Ganz ähnlich Gumboldt, Institutionelle Reformen als Lösung für die Krise der öffentlichen Haushalte, ZRP 2006, 3 ff./7.

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VIII. Ergebnisse, Thesen 340

Aus den obigen Erwägungen resultieren folgende Ergebnisse bzw. Thesen: 1. In der Bundesrepublik besteht ein geschlossenes System, das den Ländern und Kommunen die Aufnahme der benötigten Kreditmittel zu günstigsten Preisen und die Eingehung von Verpflichtungen ohne Sicherheitsgewährungen problemlos ermöglicht und das auf gesetzlich geschütztem Vertrauen beruht, die öffentliche Hand werde ihre Verpflichtungen erfüllen. Dem entspricht ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, der auch europaweit seine Fortsetzung im Aufsichtsrecht der Kreditinstitute findet. Dieser Konsens findet sich auch in der „Europäische Charta der kommunalen Selbstverwaltung“ wieder, die einem Zahlungsunfähigkeitsverfahren von Kommunen entgegen steht. Vergleichbare oder doch ähnliche Systeme finden sich auch in den Rechtsordnungen europäischer Nachbarländer. 2. Die internationale Realisierung eines geordneten von einem neutralen Dritten überwachten Reorganisationsverfahrens über einen Staat würde allerdings sicher nicht vor den Toren der Europäischen Union, der Bundesrepublik Deutschland oder deren Regionalkörperschaften inne halten. 3. Entsprechende Überlegungen haben indes im Augenblick politisch und auch wirtschaftlich betrachtet zutreffend keine Aussicht auf Realisierung. Sie beziehen sich allerdings nur auf Teilaspekte der Entschuldung und knüpfen insbesondere an (internationale) Anleihen an. Die vorgeschlagenen Konzepte übernehmen weitgehend Analogien aus dem US-amerikanischen Recht, 11 USC Chapter 9 bzw. Chapter 11. Das US-Recht wiederum ermöglicht nur Zahlungsunfähigkeitsverfahren von municipalities, keineswegs jedoch von Bundesstaaten. Das Herunterbrechen auf die Länder auf der Basis des US-Modells ist daher nicht zweifelsfrei. Umgekehrt gehören zu den municipalities auch öffentlich-rechtliche Strukturen, die in der Bundesrepublik gleichfalls insolvenzfähig sind, wenn man die verschiedenen Rechte der Bundesländer betrachtet. Näher liegend erscheint eine Betrachtung des schweizerischen Systems, das im „Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden ...“ (SchGG) einen Weg zwischen der berechtigten Erwartung der Gläubiger auf Erfüllung und dem Interesse der Gebietskörperschaften auf Sanierung sucht und das davon bestimmt ist, den „Kredit“ der juristischen Personen des öffentlichen Rechts insgesamt nicht zu gefährden. 4. Die Einführung eines Systems der Insolvenz der regionalen Gebietskörperschaften wäre allenfalls langfristig möglich und nicht als Instrument geeignet, um derzeitigen Haushaltsnotlagen abzuhelfen.

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VIII. Ergebnisse, Thesen

5. Das Konzept der Insolvenzfähigkeit der Gebietskörperschaften erscheint unter verschiedenen Aspekten (s.o.) nicht überzeugend. Völlig abzulehnen ist die in der Literatur vertretene Überlegung der „Disziplinierung“ der Gläubiger, die lediglich zu Recht auf das bestehende System vertrauen. Dieser Aspekt ist auch deshalb ungeeignet, weil er falsche Anreize setzt: Der zum Finanzausgleich Verpflichtete, ob Bund oder Land, könnte seine Ausstattungspflicht absenken, das Steuererhebungs- und -findungsrecht auf der kommunalen Ebene weiter beschränken, ohne die Aufgabendichte oder die Aufgabenstandards zu reduzieren. Die Ressourcen könnten für die Erfüllung derselben Aufgaben verknappt und die daraus im Rahmen eines Zahlungsunfähigkeitsverfahrens evident werdenden wirtschaftlichen Risiken den Gläubigern der fallierten Gebietskörperschaft auferlegt werden, nicht aber der Gesamtheit aller Bürger bzw. Wirtschaftsubjekte. 6. Das US-amerikanische Modell des Verfahrens nach 11 USC Ch. 9 ist bei den gegebenen Strukturen nicht auf die Bundesrepublik übertragbar. Bei den gegebenen Fallzahlen und unter Beachtung des Umstandes, dass die Zahl der Kommunen im Sinne der Terminologie in Deutschland darunter eher gering ist, kann man auch nicht von einem erprobten System sprechen, das aufgrund der bestehenden Erfahrungen auf die Situation in Deutschland übertragbar wäre. Der spektakuläre Fall von Orange County ist gar eine durch Kapitalmarktspekulation zustande gekommene Insolvenz, die kein Gegenstück in Deutschland aufweist. 7. Gesamtwirtschaftlich würden im Übrigen wohl überwiegend nur Haushaltsbelastungen umgeschichtet und zwar einmal infolge der Gewinnschmälerung der Kreditgeber/Gläubiger um die Beträge, auf die bei der Sanierung bei einer Regionalkörperschaft „verzichtet“ würde (steuerlich wirksame Abschreibungen und Wertberichtigungen). Die öffentlichen Sozialkassen hätten ebenfalls ihren Teil bei einer „Kommunalinsolvenz“ zu tragen, nämlich im wesentlichen die Folgen etwa insolvenzbedingten Personalabbaus. Von der Kommune aufgegebene freiwillige Leistungen (= Infrastrukturen) müssten ggf. anderweit zu Lasten eines anderen Trägers wieder aufgebaut oder übernommen werden. 8. Ferner treten weitere unerwünschte gesamtwirtschaftliche Folgeeffekte auf wie Folgeinsolvenzen von Gläubigern der insolvent gewordenen Regionalkörperschaft, wobei gerade auch an die dann unvermeidbaren Forderungs- oder Auftragsausfälle lokaler Unternehmen zu denken ist, die ständig hohe Auftragsvolumina mit ihrer Kommune abgewickelt haben. Hieraus wiederum entstehen neue Folgekosten von Arbeitslosigkeit usw. Auf die Kreditverteuerung ist bereits oben hingewiesen worden. Im Hinblick auf die europaweite Vergabe von Infrastrukturprojekten würde die Zulassung der Insolvenz von Gebietskörperschaften in Deutschland zugleich nachhaltig deren Kreditwürdigkeit bei den Anbietern von Werk- und Dienstleistungen tangieren und Forderungen nach Vorauszahlungen und Sicherstellungen nach sich ziehen, was wiederum Verteuerung der Infrastruktur bedeuten würde. Folgeinsolvenzen bei Zahlungsunfähigkeit von Gebietskörperschaften würden zugleich Unternehmen aus anderen EU-Mitgliedstaaten treffen und sich nachteilig auf den Binnenmarkt auswirken.

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VIII. Ergebnisse, Thesen

9. Insgesamt erscheinen daher die derzeitigen Konzepte (vgl. Kapitel III) wenig tragfähig, zumal sie die Zusammenhänge der verschiedenen Teilregelungskreise (ganz weitgehend) ausblenden. 10. Unabhängig von diesen insolvenzrechtlichen Erwägungen ist die Strukturierung des Finanzausgleichs in der Bundesrepublik zu sehen. Eine striktere Haushaltshaltsverantwortlichkeit bedingt auch verbesserte Kompetenzen bei der Einnahmenerzielung und der Entscheidung über die Entstehung von Kosten. 11. Die Landesgesetzgeber könnten zur erleichterten Beurteilung der Insolvenzfähigkeit (insbesondere im Interesse der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts) durch die (potentiellen) Gläubiger generell gesonderte und einheitliche Regelungswerke über die Insolvenzunfähigkeit erlassen, die auch die Ausnahmen davon sämtlich konkret bezeichnen. Aufgrund des Sachzusammenhangs sollte dies in einem Gesetz erfolgen, das einheitlich die regelungsbedürftigen Aspekte zur Einzel- und zur Gesamtvollstreckung zusammenfasst. Die betreffenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sollten die für sie geltende Gesetzgebung zur Insolvenzunfähigkeit im Internet einsehbar zur Verfügung stellen. 12. Ein professionell arbeitender erfahrener Insolvenzverwalter kann in einer Haushaltsnotlage einer Gebietskörperschaft als Sanierungsberater gute Dienste leisten, wenn sich die Kommune mit ihren Unternehmensbeteiligungen wie ein Konzern betrachtet, der betriebswirtschaftlich der Sanierung bedarf. Die dem insolvenzerfahrenen professionellen Berater gezogenen Grenzen sind einmal enger als bei einer gewöhnlichen Sanierung, vorgegeben durch das Haushaltsrecht und die Notwendigkeit der Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Sie sind aber auch weiter, da die sonst sanierungsspezifischen und mit der Anwendbarkeit des Insolvenzrechts zusammenhängenden Probleme bis hin zu insolvenzanfechtungsrelevanten Fragen der Vergütung mangels Insolvenzfähigkeit des kommunalen Mandanten nicht bestehen.

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913 Soweit nicht anders vermerkt, werden Kommentare und Sammelwerke zitiert wie folgt: Autor, ggf. Titel des Beitrags, Angabe des Sammelwerks nebst Herausgeber, Art . . . § . . ., S . . ., Rdnr. Internetfundstellen sind z.T. nur bis zu einer zur Weiterleitung geeignet erscheinenden Schnittstelle angegeben.

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Landkreisordnung für den Freistaat Bayern (LKrO)

Gesetz zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (AG GVG)

GVBl. 1981, S. 188 GVBl. 2005, S. 655

GVBl. 1998, S. 826 ff. GVBl. 2005, S. 665

GVBl. 1998, S. 796 GVBl. 2005, S. 665

GVBl. 1998, S. 991c; GVBl. 2003, S. 817

GBl. 1975, S. 868 GBl. 2006, S. 77

GBl. 1987, S. 288

GBl. 2000, S. 698 GBl. 2006, S. 20

GBl. 1953, S. 173b GBl. 2000, S. 449

Fundstellen

a Die Landesverfassungen werden generell nachfolgend mit „LV“ abgekürzt, ansonsten werden die den Gesetzblättern zugrundegelegten Abkürzungen verwendet. b GBl.: Gesetzblatt für Baden-Württemberg c GVBl.: Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt.

GO idF d. Bek. v. 22.08.1998 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 24.12.2005

Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (GO)

AG GVG v. 16.12.1975 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 07.03.2006

Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz und von Verfahrensgesetzen zur ordentlichen Gerichtsbarkeit (AG GVG) LV v. 15.12.1998 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 10.11.2003

LKrO idF d. Bek. v. 19.06.1987 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 14.02.2006

Landkreisordnung für BadenWürttemberg (LKrO)

Verfassung des Freistaates Bayern (LV)

GemO idF v. 24.07.2000 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 14.02.2006

Gemeindeordnung für BadenWürttemberg (GemO)

Bayern

LV v. 11.11.1953 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 23.05.2000

Verfassung des Landes BadenWürttemberg (LV)

BadenWürttemberg

Fassung

Regelwerk

Bundesland

Anhang I Gesetzesmaterialien des Landesrechts, die dem Text und den Anhängen zugrunde liegen a

240

g

f

e

d

Art. 4 des Gesetzes v. 12.09.2001 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 29.06.2005

Gesetz v. 15.12.1987 idF des Änderungsgesetzes v. 28.05.2002

GVBl.: Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin. GVBl. I: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Brandenburg Teil I. Brem. GBl.: Bremisches Gesetzblatt. Hmbg. GVBl.: Hamburgisches Gesetz – und Verordnungsblatt Teil I.

Hamburgisches Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (Hamburgisches Insolvenzunfähigkeitsgesetz)

VwVGBbg v. 18.12.1991 mit Änderungen bis zu Art. 5 des Gesetzes v. 17.12.2003

Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg)

Hamburg

LKrO v. 15.10.1993 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 22.06.2005

Landkreisordnung für das Land Brandenburg (LKrO)

Art. 1 Gesetz über die Konkursunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts = § 4 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Zivilprozessordnung, der Konkursordnung und des Zwangsversteigerungsgesetzes (AG ZPO, KO, ZVG)

GO idF d. Bek. v. 10.10.2001 mit Änderungen bis zu Art. 15 des Gesetzes v. 29.06.2006

Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GO)

Bremen

LV v. 20.08.1992 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 16.06.2004

Verfassung des Landes Brandenburg (LV)

Brandenburg

IdF des Gesetzes v. 19.09.2002, siehe auch das 5. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Landesbank Berlin

Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Berlin

Fassung

Regelwerk

Bundesland

HmbgGVBl. 2001, S. 375 g HmbgGVBl. 2005, S. 256

Brem. GBl. 1987, S. 293 f Brem. GBl. 2002, S. 131 ff

GVBl. 1991 I, S. 661 GVBl. 2005 I, S. 298, 303

GVBl. 1993 I, S. 398 GVBl. 2005 I, S. 210

GVBl. 2001 I, S. 154 GVBl. 2001, S. 74

GVBl. 1992 I, S. 298e GVBl. I 2004, S. 254

GVBl. 2002, S. 286d

Fundstellen

Anhang I

j

i

h

LV v. 19.05.1993 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 27.01.2006 NGO idF d. Bek. v. 22.08.1996 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 18.05.2006

Niedersächsische Gemeindeordnung (NGO)

KV M-V idF d. Bek. v. 08.06.2004 mit Änderungen bis zu Art. 6 des Gesetzes v. 19.12.2005

Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (KV M-V)

Niedersächsische Verfassung (LV)

LOG M-V v. 14.03.2005

HessVwVG idF d. Bek. v. 27.07.2005

Hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HessVwVG)

Organisationsgesetz für das Land Mecklenburg Vorpommern (Landesorganisationsgesetz, LOG M-V)

HKO idF d. Bek. v. 07.03.2005 mit Änderungen bis zu Art. 32c des Gesetzes v. 17.10.2005

Hessische Landkreisordnung (HKO)

LV v. 23.05.1993 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 04.04.2000

HGO idF d. Bek. v. 07.03.2005 mit Änderungen bis zu Art. 32b des Gesetzes v. 17.10.2005

Hessische Gemeindeordnung (HGO)

Verfassung des Landes MecklenburgVorpommern (LV)

LV v. 01.12.1946 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 18.10.2002

Verfassung des Landes Hessen (LV)

GVBl I: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen Teil I. GVOBl. M-V: Gesetz- und Verordnungsblatt für Mecklenburg-Vorpommern. Nds. GVBl.: Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt

Niedersachsen

MecklenburgVorpommern

Hessen

Nds. GVBl. 1996, S. 382 Nds. GVBl. 2006, S. 203

Nds. GVBl. 1003, S. 107 j Nds. GVBl. 2005, S. 58

GVOBl. M-V 2004, S. 205 GVOBl. M-V 2005, S. 640

GVOBl. 2005, S. 98

GVOBl. M-V 1993, S. 371, 372 i GVOBl. M-V 2000, S. 158

GVBl. 2005 I, S. 574

GVBl. 2005 I, S. 183 GVBl. 2005 I, S. 674 ff.

GVBl. 2005 I, S. 142 GVBl. 2005 I, S. 674 ff.

GVBl. 1946 I, S. 229 h GVBl. 2002 I, S. 628

Anhang I

241

242

k

GemO idF d. Bek. v. 31.01.1994 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 02.03.2006 LKO idF d. Bek. v. 31.01.1994 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 02.03.2006

Gemeindeordnung (GemO)

Landkreisordnung (LKO)

VwVG NRW v. 19.02.2003 mit Änderungen bis zu Art. 10 des Gesetzes v. 05.04.2005

Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfale (VwVG NRW)

LV v. 18.05.1947 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 16.12.2005

KrO idF d. Bek. v. 14.07.1994 mit Änderungen bis zu Art. 19 des Gesetzes v. 05.04.2005

Kreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (KrO)

Verfassung für Rheinland-Pfalz (LV)

GO idF d. Bek. v. 14.07.1994 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Ersten Teils des Gesetzes v. 03.05.2005

Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO)

InsOUnfJurPG v. 27.03.1987 mit Änderungen bis zu Art. 3 des Gesetzes v. 21.11.2002

Niedersächsisches Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts (InsOUnfJurPG) LV v. 28.06.1950 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 22.06.2004

NKO v. 22.08.1996 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 18.05.2006

Niedersächsische Landkreisordnung (NKO)

Verfassung des Landes NordrheinWestfalen (LV)

Fassung

Regelwerk

GV NRW: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen.

Rheinland-Pfalz

NordrheinWestfalen

Bundesland

GVBl. 1994, S. 188 GVBl. 2006, S. 57

GVBl. 1994, S. 153 GVBl. 2006, S. 57

VOBl. 1947, S. 209 GVBl. 2005, S. 495 GVBl. 2006, S. 20

GV NRW 2003, S. 156, 818 GV NRW 2005, S. 351

GV NRW 1994, S. 646 GV NRW 2005, S. 306

GV NRW 1994, S. 666 GV NRW 2005, S. 498

GV NRW 1950, S. 127 k GV NRW 2004, S. 360

GVBl. 1987, S. 67 f. GVBl. 2002, S. 730

Nds. GVBl. 1996, S. 365 Nds. GVBl. 2006, S. 203

Fundstellen

Anhang I

o

n

m

l

SächsJG v. 24.11.2000 mit Änderungen bis zu Art. 4 des Gesetzes v. 09.09.2005

Gesetz über die Justiz im Freistaat Sachsen (SächsJG)

LV v. 16.07.1992 mit Änderungen bis zu § 1 des Gesetzes v. 27.01.2005

SächsLKRO v. 19.07.1993 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 11.05.2005

Landkreisordnung für den Freistaat Sachsen (SächsLKrO)

Verfassung des Landes Sachsen Anhalt (LV)

SächsGemO idF d. Bek. v. 18.03.2003 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 01.06.2006

Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen (SächsGemO)

SVwVG v. 27.03.1974 mit Änderungen bis zu Art. 1 Abs. 15 des Gesetzes v. 15.02.2006

Gesetz Nr. 990 – Saarländisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (SVwVG) LV v. 27.05.1992

KSVG idF d. Bek. v. 27.06.1997 mit Änderungen bis zu Art. 1 Abs. 17 des Gesetzes v. 15.02.2006

Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG)

Verfassung des Freistaats Sachsen (LV)

SVerf v. 15.12.1947 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 05.09.2001

Verfassung des Saarlandes (SVerf)

Gesetz v. 30.08.1974 idF v. 05.04.2005

GVBl.: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Rheinland-Pfalz. ABl.: Amtsblatt des Saarlandes. Sächs. GVBl.: Sächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt. GVBl. LSA: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt.

Sachsen-Anhalt

Sachsen

Saarland

Landesgesetz zur Ausführung der Zivilprozessordnung, des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und die Insolvenzordnung (AG ZPO, ZVG, InsO)

GVBl. LSA 2000, S. 600 o

Sächs. GVBl. 2000, S. 482 Sächs. GVBl. 2001, S. 704 Sächs. GVBl. 2005, S. 266

Sächs. GVBl. 2003, S. 677 Sächs. GVBl. 2005, S. 155

Sächs. GVBl. 2003, S. 55, 159 Sächs. GVBl. 2006, S. 151

Sächs. GVBl. 1992 I S. 243 n

ABl. 1974, S. 430 ABl. 2006, S. 474

ABl. 1997, S. 682 ABl. 2006, S. 474

ABl. 1947, S. 1077 m ABl. 2001, S. 1630

GVBl. 1974, S. 371l, BS 3210-2 GVBl. 2005, S, 95

Anhang I

243

244

q

p

LVwG idF d Bek. v. 02.06.1992 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 15.03.2006

Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz, LVwG)

LV v. 25.10.1993 mit Änderungen bis zum Gesetz v. 11.10.2004

KrO idF d. Bek. v. 28.02.2003 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 01.02.2005

Kreisordnung für Schleswig Holstein (KrO)

Verfassung des Freistaats Thüringen (LV)

GO idF d. Bek. v. 28.02.2003 mit Änderungen bis zu Art. 2 des Gesetzes v. 28.03.2006

AG InsO LSA v. 17.11.1998 mit Änderungen bis zu Art. 51 des Gesetzes v. 18.11.2005

Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung (AG InsO LSA) = Art. 1 des Gesetzes über die Ausführung der Insolvenzordnung und zur Anpassung landesrechtlicher Vorschriften v. 17.11.1998

Gemeindeordnung für Schleswig Holstein (GO)

LKO LSA v. 05.10.1993 mit Änderungen bis zu Art. 3 des Gesetzes v. 22.03.2006

Landkreisordnung für das Land Sachsen Anhalt (LKO LSA)

LV v. 13.06.1990 mit Änderungen bis zu Art. 1 des Gesetzes v. 14.02.2004

GO LSA v. 05.10.1993 mit Änderungen bis zu Art. 8 des Gesetzes v. 21.03.2006

Gemeindeordnung für das Land Sachsen Anhalt (GO LSA)

Verfassung des Landes SchleswigHolstein (LV)

Fassung

Regelwerk

GVOBl. Schl.-H. bzw. GVOBl.: Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein. GVBl.: Gesetz- und Verordnungsblatt für den Freistaat Thüringen.

Thüringen

SchleswigHolstein

Bundesland

GVBl. 1993, S. 635 q GVBl. 2004, S. 745

GVOBl. Schl.-H. 1992, S. 243, 534 GVOBl. Schl.-H. 2006, S. 52

GVOBl. Schl.-H. 2003, S. 94 GVOBl. Schl.-H. 2005, S. 66

GVOBl. Schl.-H. 2003, S. 57 GVOBl. Schl.-H. 2006, S. 28

GVOBl. Schl.-H. 1990, S. 391 p GVOBl. Schl.-H. 2004, S. 54

GVBl. LSA 1998, S. 461 GVBl. LSA 2005, S. 698

GVBl. LSA 1993, S. 508 GVBl. LSA 2006, S. 128

GVBl. LSA 1993, S. 568 GVBl. LSA 2006, S. 102

Fundstellen

Anhang I

ThürKO idF d. Bek. v. 28.01.2003 mit Änderungen bis zu Art. 5 des Gesetzes v. 23.12.2005 ThürKGG idF d. Neubek. v. 10.10.2001

Gesetz v.10.11.1995 mit Änderungen bis zu Art. 3 § 4 des Thüringer Zivilrechtsausführungsgesetzes v. 03.12.2002 ThürSpk v. 19.11.1994 mit Änderungen bis zu Art. 3 § 1 des Gesetzes v. 03.12.2002

Thüringer Gemeinde- und Landkreisordnung (Thüringer Kommunalordnung, ThürKO)

Thüringer Gesetz über die Kommunale Zusammenarbeit (ThürKGG)

Thüringer Gesetz über die Gesamtvollstreckung in das Vermögen juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Thüringer Sparkassengesetz (Thür SpkG)

GVBl. 1994, S. 911 GVBl. 2002, S. 42

GVBl. 1995, S. 341 GVBl. 2002, S. 424 ff./429

GVBl. 2001, S. 290

GVBl. 2003, S. 41 GVBl. 2005, S. 446

Anhang I

245

246

Generalklausel Alle Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts einschl. der Gebietskörperschaften sind insolvenzunfähig.

§ 882a Abs. 3 S. 1 ZPOd

Ausnahmen: öffentlich-rechtliche Kreditinstitute, § 882a Abs. 3 Satz 2 ZPO

§ 45 Satz 1 AG GVG Ausnahmen: § 45 S. 2 AG GVG Ausnahmen: Landesbank BadenWürttemberg, Sparkassen, Landesbausparkassen

§ 882ae Sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden, Anzeige der Vollstreckungsabsicht an die zuständige Vertretungsbehörde und an den zuständigen Finanzminister (wenn das Vermögen von einer anderen Behörde verwaltet wird); Einhaltung einer Frist von vier Wochen nach dem Zeitpunkt der Anzeige, § 882a Abs. 1 S. 1 ZPO.

b

„Bestimmung“ des Landesrechts nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO, unabhängig von der Frage, inwieweit Verfassungsrecht bereits das Insolvenzverfahren ausschließt. Ausgenommen von der Darstellung bleiben die Rundfunkanstalten aufgrund bestehender Staatsverträge. Diese sind zudem aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG kraft Verfassungsrechts insolvenzunfähig. Ebenso sind weitere Sonderregelungen einzelner Landesrechte ausgenommen. c Materielle Voraussetzung ist jeweils, dass die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben bzw. die Versorgung der Bevölkerung nicht gefährdet bzw. beeinträchtigt wird usw. d § 882a Abs. 3 ZPO ist auf alle Vollstreckungmaßnahmen wegen (privatrechtlicher) Geldforderungen gegen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der Kommunen anzuwenden, für die Landesrecht gilt. Wegen öffentlich-rechtlicher Geldforderungen sind im wesentlichen die verwaltungsvollstreckungsrechtlichen Vorschriften der Länder (Landesverwaltungsvollstreckungsgesetze) zu beachten. Diese sind in dieser Übersicht bei der Einzelvollstreckung nicht mit abgebildet. e § 882a ZPO verdrängt in seinem Anwendungsbereich (Vollstreckung von Titeln der ordentlichen und der Arbeitsgerichte) spezifische landesrechtliche Vorschriften.

a

Baden-Württemberg 1. Jur. Personen döR

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Norm, Ausnahmen

Bundesland

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II Regelungswerke zur Insolvenzunfähigkeit von Gebietskörperschaften und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des jeweiligen Bundeslandes a im Recht der Länder b

Anhang II

Art. 77 Abs. 3 GO Art. 71 Abs. 3 LKrO

Landkreise

Ausnahmen: § 25 Abs. 2 AG GVG: Sparkassen, Bayerische Landesbank

Gemeinden

Generalklausel Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes sind insolvenzunfähig.

Keine Sonderregelung zur Insolvenzunfähigkeit von Kommunen und Kreisen.

Hinweis: Art. 77 Abs. 1 Satz 2 GO bzw. Art. 71 Abs. 2 LKrO betreffen öffentlichrechtliche Geldforderungen,soweit nicht „Sondervorschriften bestehen“.

Art. 71 Abs. 1, 2 LKrO

Art. 77 Abs. 1, 2 GO

§ 882a Abs. 3 ZPO, s.o.

Gemeinden, Kreise: §§ 127 GemO, 51 Abs. 2 LKrO

Art. 77 GO, 71 LKrO, § 882a ZPO Soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden, vorherige Zustellung einer beglaubigten Abschrift des Vollstreckungstitels an die Rechtsaufsichtsbehörde und Einhaltung einer Monatsfrist nach diesem Zeitpunkt.

Zu § 882a ZPO, s.o.

§ 127 GemO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, soweit nicht die Vollstreckung in der „Verfolgung dinglicher Rechte“ besteht. Festlegung des Vollstreckungsgegenstandes und des Zeitpunktes der Vollstreckung; Anwendung der ZPO.

f Kommunen: Alle kommunalen Gebietskörperschaften nach jeweiligem Landesrecht, unabhängig von der konkreten Bezeichnung, insb. Gemeinden und Landkreise.

2. Kommunen

Bayern 1. Jur. Personen döR

2. Kommunen f

Anhang II

247

248

1. Jur. Personen döR

Brandenburg

Gemeinden, Gemeindeverbände, Anstalten, Körperschaften, Stiftungen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig.

Generalklausel

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die der Staatsaufsicht Berlins unterliegen, sind insolvenzunfähig.

Kredit- und Versicherungsanstalten des öffentlichen Rechts

Ausnahmen: § 38 Abs. 4 Satz 1 VwVGBbg:

§ 38 Abs. 3 S. 2 VwVGBbg

Ausnahmen: § 1 Satz 2 des Gesetzes: Landesbank BerlinGirozentrale

§ 1 Satz 1 Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts

§ 882a ZPO, s.o. § 38 VwVGBbg

§ 882a ZPO, s.o.

Generalklausel

Berlin

Zu § 882a ZPO, s.o.

Zu § 882a ZPO, s.o.

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Bundesland

Norm, Ausnahmen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II

Insolvenzunfähigkeit besteht für alle juristischen Personen des öffentlichen

§ 1 Hamburgisches Gesetz über die Insolvenzunfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts g

Ausnahmen: § 4 Abs. 1 AG ZPO, KO, ZVG: Öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen, öffentlichrechtliche Bank- und Kreditinstitute einschließlich der Sparkassen

Alle unter der Landesaufsicht stehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig.

„Offene“ Generalklausel

§ 4 Abs. 2 AG ZPO, KO, ZVG:

§§ 67 Abs. 2 LKrO, 129 Abs. 2 GemO, 38 Abs. 4 S. 2 VwVGBbg

Landkreise

Generalklausel

§§ 129 Abs. 2 GO, 38 Abs. 4 Satz 2 VwVGBbg

Gemeinden

§ 882a ZPO

§ 882a ZPO

§ 67 Abs. 2 LKrO, 129 Abs. 1 GO

§ 129 Abs. 1 GO

Zu § 882a ZPO, s.o.

Zu § 882a ZPO, s.o.

§ 129 GO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

g Hamburgisches Insolvenzunfähigkeitsgesetz idF v. 12.09.2001 = Art. 4 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Universitäts-Krankenhauses Eppendorf, Universitäts-Krankenhaus Eppendorf – Strukturgesetz bzw. UKEStrG, mit Änderungen bis zu Art. 4 des Gesetzes v. 29.06.2005 zur Errichtung der Hamburg Port Authority = Hamburg Port Authority Errichtungsgesetz.

Hamburg

Bremen

2. Kommunen

Anhang II

249

250

2. Kommunen

Hessen 1. Jur. Personen döR

§ 146 HGO

§ 54 Abs. 1 HKO

Kreise

Ausnahmen: § 26 Abs. 2 HessVwVG: Öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute sowie Versicherungsunternehmen

§ 26 Abs. 1 Satz 2 HessVwVG

Gemeinden

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die unter der Aufsicht des Landes stehen, sind insolvenzunfähig.

Generalklausel

Ausnahmen: Hamburg Port Authority nach § 2 Abs. 6 Gesetz über die Hamburg Port Authority; Hbg. Landesbank Girozentrale; ggf. andere nach Maßgabe von § 2 des Insolvenzunfähigkeitsgesetzes

Rechts und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§ 26 Abs. 1 Satz 1 HessVwVG: Allgemeine Bestimmung, die alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes erfasst, einschließlich der Gemeinden und Kreise.

§ 882a ZPO

Keine Zulassungsverfügung; Statthaftigkeit der Vollstreckung, wenn die Schuldner nicht an „der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gehindert werden“.

§ 26 HessVwVG:

Zu § 882a ZPO, s.o.

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Norm, Ausnahmen

Bundesland

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II

Niedersachsen 1. Jur. Personen döR

2. Kommunen

MecklenburgVorpommern 1. Jur. Personen döR

Ausnahmen § 1 Abs. 2 InsOUnfJurPG Öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen und öffentlichrechtliche Bank- und Kreditinstitute

§§ 161 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 2 KV-MV

Zweckverbände

Alle der Landesaufsicht unterliegenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig.

§ 144 Abs. 1, 62 Abs. 2 KV M-V

Ämter

§ 1 Abs. 1 InsOUnfJurPG

§§ 120 Abs. 1, 62 Abs. 2 KV M-V

Landkreise

Generalklausel

§ 62 Abs. 2 KV-MV

§§ 19 Abs. 4 Satz 2 LPG M-V, 62 Abs. 2 KV M-V: Ausnahmen: § 19 Abs. 4 S. 2 LOG M-V Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Versicherungen

Gemeinden

„Offene“ Generalklausel Alle Körperschaften des öffentlichen Rechts ohne Gebietshoheit, rechtsfähige Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig, soweit nichts anderes bestimmt ist.

§ 882a ZPO

§ 161 Abs. 1 S. 2, 62 Abs. 1 KV M-V

§ 144 Abs. 1, 62 Abs. 1 KV M-V

§§ 120 Abs. 1, 62 Abs. 1 KV M-V

§ 62 Abs. 1 KV-MV

§ 882a ZPO

Zu § 882a ZPO s.o.

§ 62 KV M-V: Zulassungsverfügung, soweit nicht dingliche Rechte verfolgt werden; in der Zulassungsverfügung erfolgt die Angabe der Vermögensgegenstände, in die die Vollstreckung zulässig ist und des Zeitraums der Vollstreckung. Ansonsten Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO, s.o.

Anhang II

251

252

Gemeinden, Gemeindeverbände sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig. Gemeinden

2. Kommunen

Kreise

Generalklausel

Nordrhein-Westfalen 1. Jur. Personen döR

§§ 57 Abs. 3 KrO, 128 Abs. 2 GO

§ 78 Abs. 3 S. 2 VwVG NW Ausnahmen: § 78 Abs. 4 S. 1 VwVG NRW: Kreditanstalten und Versicherungsanstalten des öffentlichen Rechts § 128 Abs. 2 GO

§ 68 Abs. 2 NLO

Landkreise

§§ 57 Abs. 3 KrO, 128 Abs. 2 GO

§ 128 Abs. 1 GO

§ 882a ZPO

§ 68 Abs. 1 NLO

§ 136 Abs. 1 NGO

§ 136 Abs. 2 NGO

Gemeinden

2. Kommunen

§ 128 GO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO, s.o.

§ 136 NGO, 68 NLO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Bundesland

Norm, Ausnahmen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II

Saarland 1. Jur. Personen döR

2. Kommunen

Rheinland-Pfalz 1. Jur. Personen döR

§ 37 Abs. 1 Satz 2 SVwVG Ausnahmen: § 37 Abs. 2 SVwVG: „...öffentlich-rechtliche Versicherungsunternehmen und öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute einschließlich der Sparkassen“.

Generalklausel

Ausnahmen: § 8a Abs. 2 AG ZPO, ZVG, InsO Innungen, Kreishandwerkerschaften, Sparkassen, Landesbank RP, Westdeutsche Immobilienbank.

§ 8a Abs. 1 AG ZPO, ZVG InsO

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind insolvenzunfähig.

Keine Sonderregelung zur Insolvenzunfähigkeit von Kommunen und Kreisen

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der Gebietskörper schaften sind insolvenzunfähig.

Generalklausel

§ 882a ZPO

Gemeinden, Kreise: §§ 128 GemO, 71 LKO

§ 882a ZPO

Zu § 882a ZPO, s.o.

§§ 128 GemO, 71 LKO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden oder die Vollstreckung nach dem VwVG RP stattfindet. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO, s.o.

Anhang II

253

254

2. Kommunen

Keine Sonderregelung zur Insolvenzunfähigkeit von Kommunen und Kreisen

§ 19 Satz 1 SächsJG Ausnahmen: § 19 Satz 2 SächsJG: Sparkassen, Landesbank Sachsen, Sachsen-Finanzverbund, SachsenFinanzgruppe.

Generalklausel

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschl. der Gebietskörperschaften sind insolvenzunfähig.

§§ 217, 138 Abs. 2 KSVG

Stadtverband Saarbrücken

Sachsen 1. Jur. Personen döR

§§ 192, 138 Abs. 2 KSVG

Landkreise

Gemeinden; Landkreise: § 122 SächsGemO; §§ 65 Abs. 2 SächsLKrO, 122 SächsGemO

§ 882a ZPO

§§ 217, 138 Abs. 1 KSVG

§§ 192, 138 Abs. 1 KSVG

§ 138 Abs. 1 KSVG

§ 138 Abs. 2 KSVG

Gemeinden

2. Kommunen

§ 122 Abs. 1, 3 SächsGemO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung.

Zu § 882a ZPO, s.o.

§ 138 Abs. 1 KSVG: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Bundesland

Norm, Ausnahmen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II

2. Kommunen

1. Jur. Personen döR

Sachsen-Anhalt

Ausnahmen: § 6 Absatz 2 Nrn. 1–3 AG InsO LSA Öffentlich-rechtliche Bank- und Kreditinstitute; Handwerksinnungen und Kreishandwerkerschaften sowie die öffentlichrechtlichen Versicherungen, die nicht mit Gewährträgerhaftung einer Gebietskörperschaft oder eines kommunalen Zweckverbandes ausgestattet sind.

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschl. der Gebietskörperschaften sind insolvenzunfähig.

Keine Sonderregelung zur Insolvenzunfähigkeit von Kommunen und Kreisen

§ 6 Abs. 1 AG InsO LSA

Generalklausel

Gemeinden; Landkreise: §§ 143 GO LSA; §§ 68 Abs. 6 LKO LSA, 143 GO LSA

§ 882a ZPO

§ 143 GO LSA: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO, s.o.

Anhang II

255

256

2. Kommunen

1. Jur. Personen döR

Schleswig-Holstein

§ 131 Abs. 2 GO § 70 Abs. 2 KrO

Kreise

Ausnahmen: § 52 S. 3 LVwG Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute und Versicherungsunternehmen

Insolvenzunfähig sind alle Körperschaften, Anstalten und Stiftungen döR unter der Aufsicht des Landes, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gemeinden

§§ 52 Sätze 1, 2 LVwG, 131 Abs. 2 GO

„Offene“ Generalklausel

§ 271 LVwG: Sonderregelung für die Verwaltungsvollstreckung

§ 70 Abs. 1 KrO

§ 131 Abs. 1 GO

§ 882a ZPO

§§ 131 Abs. 1 GO, 70 Abs. 1 KrO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO, s.o.

Formelle Voraussetzungen der Einzelvollstreckung c

Norm, Ausnahmen

Norm, Ausnahmen

Bundesland

Art der Regelung, insolvenzunfähige Organisationen

Regelwerke zur Einzelvollstreckung wegen einer Geldforderung

Regelwerke zur Insolvenzfähigkeit

Anhang II

2. Kommunen

Thüringen 1. Jur. Personen döR

§ 69 Abs. 3 ThürKO §§ 114, 69 Abs. 3 ThürKO §§ 46 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 2 ThürKO, 36 Abs. 1 ThürKGG, 53 ff./69 ThürKO.

Landkreise

Verwaltungsgemeinschaft

Die öffentlich-rechtlichen Versicherungsunternehmen, Bank- und Kreditanstalten sind nur insolvenzunfähig, soweit Gewährträgerhaftung besteht, die durch den Brüsseler Kompromiss für die dortigen Kreditinstitute abgeschafft wurde.

Ausnahmen: § 3 Abs. 2 S. 2 iVm § 26 ThürSpkG iVm § 2 des vorstehenden Gesetzes:

§ 1 des Thüringer Gesetzes über die Gesamtvollstreckung in das Vermögen juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Gemeinden

Alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Landes sind insolvenzunfähig.

Generalklausel

§§ 46 Abs. 2, 52 Abs. 2 ThürKO, 36 Abs. 1 ThürKGG, 53 ff., 69 Abs. 1 ThürKO

§§ 14, 69 Abs. 1 ThürKO

§ 69 Abs. 1 ThürKO

§ 882a ZPO

§ 69 Abs. 1 ThürKO: Vorherige Zulassungsverfügung der Aufsichtsbehörde, sofern nicht dingliche Rechte verfolgt werden. Angabe des Vollstreckungsgegenstandes und des Vollstreckungszeitpunktes in der Verfügung. Durchführung der Vollstreckung nach der ZPO.

Zu § 882a ZPO s.o.

Anhang II

257

258

i

Art

Datum

Az.

Urteil

Urteil

EuGH

EuGH

25.10.2001

17.06.1999

01.12.1998

Rs C-475/99

Rs C-295/95

Rs C-200/97

Rdnr. 19, Fn 44

Ambulanz Glöckner gg. Landkreis Südwestpfalz (Vorlage des OVG Rheinland-Pfalz)

Rdnr. 173a, Fn 573

Piaggio SpA gg. Dornier Luftfahrt GmbH, Ministero della Difesa u.a. (Vorlage des Tribunale di Genova)

Rdnr. 173a, Fn 573

Ecotrade gg. Altiforni e Ferriere di Servola SpA (Vorlage der Corte Suprema di Cassazione)

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Slg. 2001 I-8089

EuZW 1999, 530 ff. = Slg. 1999 I-3735

Slg. 1998 I-7907

Fundstelle i

Zur Unternehmenseigenschaft von Rettungsdienstorganisationen, die Leistungen „auf dem Markt für Notfall- und für Krankentransporte ...“ erbringen.

Wie das Urteil Ecotrade, s.o.

Regelwerke, die vom allgemeinen Insolvenzrecht abweichen und dem begünstigten Unternehmen im Unterschied zu Konkurrenten eine Fortsetzung der Tätigkeit zu Lasten der öffentlichen Hand ermöglichen, als unzulässige Staatsbeihilfe (Art. 87 f. EG-Vertrag); zur italienischen amministrazione straordinaria (Gesetz 95/79).

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Bei der Angabe von Internetfundstellen bedeutet ein Trennungszeichen am Zeilenende kein entsprechendes Zeichen in der Internetadresse

Urteil

EuGH

I. Europäische Gemeinschaftsgerichtsbarkeit

Gericht

Anhang III Übersicht über die zitierten gerichtlichen Entscheidungen

Anhang III

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

EuGH

EuGH

EuGH

EuGH

23.07.2003

16.05.2002

21.03.2002

22.01.2002

Rs C-280/00

Rs C-482/99

Rs C-264/00

Rs C-218/00

Rdnr. 19, Fn 43

Altmark Trans, RP Magdeburg gg. Nahverkehrsgesellschaft Altmark (Vorlage des BVerwG)

Rdnr.150a, 167, 174b, 176b, Fn 501, 549, 587, 593

Frankreich gg. Kommission (Stardust Marine)

Rdnr. 5b Fn 18

Gründerzentrum-BetriebsGmbH gg. Land BadenWürttemberg (Vorlage des Amtsgerichts Müllheim)

Rdnr. 168a Fn 557

Cisal di Barristello gg. INAIL (Vorlage des Tribunale di Vicenza)

Slg. 2003 I-7747 = NJW 2003, 2515 = EuZW 2003, 496 ff.

Slg. 2002 I-4397 = WM 2002, 1756 ff. = EuZW 2002, 468 ff.

Slg. 2002 I-3333

Slg. 2002 I-691

Vergabe subventionierter Leistungen (Art. 86 Abs. 2 EG-Vertrag) als Staatsbeihilfe (Art. 87 f. EG-Vertrag). Voraussetzungen des beihilfefreien Ausgleichs für Leistungen (hier: ÖPNV).

Vermögen öffentlicher Unternehmen als staatliche Mittel im Sinne des Staatsbeihilfenrechts (Art. 87 EG-Vertrag); Kriterium der Zurechenbarkeit der Handlungen des Unternehmens zum Staat. [Anm. d. Verf.: Das Urteil ist unter dem Aspekt der Einheitlichkeit der Rechtsordnung umgekehrt relevant für die Nichtanwendung des § 32a GmbHG und verwandter Vorschriften, wenn eine Gebietskörperschaft formell Mehrheitsgesellschafter ist, aber ohne die Möglichkeit, die Vergabe der Finanzhilfe konkret beeinflussen zu können.]

Vereinbarkeit von Notargebühren mit dem EG-Vertrag (badische Amtsnotare).

Zum Unternehmensbegriff nach dem EG-Vertrag (Erbringung von Leistungen am Markt gegen Entgelt).

Anhang III

259

Art

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

EuGH

260

EuGH

EuGH

EuGH

EuG

10.05.2000

10.11.2005

13.10.2005

30.06.2005

11.01.2005

Datum

Rs T-46/97

Rs C-29/04, Siehe auch EuGH zu Rs C-340/04, S. 291

Rs C-458/03

Rs C-165/03

Rs C-26/03

Az.

Rdnr. 179, Fn 598

SIC gg. Kommission u.a.

Rdnr. 169b, Fn 564

Kommission gg. Republik Österreich (Abfallentsorgung Stadt Mödling)

Rdnr. 169b, Fn 564

Parking Brixen GmbH gg. Gemeinde Brixen und Stadtwerke Brixen AG (Vorlage des Verwaltungsgerichts, Autonome Sektion für die Provinz Bozen)

Rdnr. 5b, Fn 19

Mathias Längst (Vorlage des Landgerichts Stuttgart)

Rdnr. 169b, Fn 564

Stadt Halle und RPL Lochau gg. Arge TREA Leuna (Vorlage des OLG Naumburg)

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Slg. 2000 II-2125

Slg. 2005 I-9705

Slg. 2005 I-8612

Slg. 2005 I-5637

Slg. 2005 I-1

Fundstelle i

Öffentliche Finanzierung von Rundfunkanstalten und Staatsbeihilfenrecht (Art. 87 f. EGVertrag).

Voraussetzungen der InhouseVergabe ohne Ausschreibungsverfahren; s.o. Urteile Stadt Halle und Parking Brixen.

Voraussetzungen der Inhouse-Vergabe ohne Ausschreibungsverfahren; nicht hinreichend ist die Mehrheit in Gremien, schädlich ist die Geschäftszweckerweiterung außerhalb des Einzugsbereichs der Gebietskörperschaft.

Vereinbarkeit von Notargebühren mit dem EG-Vertrag.

Voraussetzungen der InhouseVergabe ohne Ausschreibungsverfahren; Notwendigkeit der Einflussnahme wie auf eine eigene Verwaltungsstelle.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

29.06.2000

Urteil

Beschluss

Beschluss

BVerfG

BVerfG

BVerfG

03.11.1965

30.04.1963

24.11.1962

II. Bundesverfassungsgericht

EuG

1 BvR 62/61

2 BvM 1/62

1 BvR 987/58

Rs T-234/95

DöV 1963, 692 ff.

Rdnr. 82a , Fn 273

BVerfGE 19,150 = NJW 1966, 196 = DÖV 1966, 510

BVerfGE 16, 27 ff. = NJW 1963, 1732 =

F. gg. Kaiserreich Iran („Iran-Beschluss“)

Rdnr. 96, Fn 329

BVerfGE 15, 126 ff.

Slg. 2000 II-2603

Rdnr. 96, Fn 329

Rdnr. 174a – 174b, Rdnr. 580, 583, 586

DSG Dradenauer Stahlgesellschaft gg. Kommission

Vergebliche Verfassungsbeschwerde auf erfolglose Klage gegen einen Landkreis auf Schadenersatz wegen einer Beschlagnahme unmittelbar nach Kriegsende (BGH, Beschl. v. 30.01.1961 – III ZA 28/60); zum „Staatsbankrott“ des vormaligen deutschen Reichs; zu Art. 134, 135a GG und zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz (AKG)

Bejahung einer „funktional beschränkten“, „restriktiven“ oder „relativen“ Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren, wenn das den Streitgegenstand bildende Handeln des fremden Staates dem „kommerziellen Sektor“ zuzurechnen ist, den acta iure gestionis.

Zum „Staatsbankrott“ des vormaligen deutschen Reichs; zu Art. 134, 135a GG und zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz (AKG).

Erfolglose Klage gegen die Beihilfeentscheidung der Kommission 96/236/EGKS v. 31.10.1995, ABl. (EG) 1996 L 78, S. 31).

Anhang III

261

Art

Beschluss

Beschluss

Beschluss

Gericht

BVerfG

262

BVerfG

BVerfG

06.12.1983

23.03.1982

13.12.1977

Datum

2 BvL 1/82

2 BvL 13/79

2 BvM 1/76

Az.

Rdnr. 159a, Fn 532

Landesärztekammer Hessen gg. Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege (Vorlage des BSG)

Rdnr. 153a, Fn 518 BVerfGE 65, 359 ff. = ZIP 1984, 344 = RPfl. 1984, 327

BVerfGE 60,135 ff. = ZIP 1982, 713 ff. = NJW 1982, 2859 ff.

BVerfGE 46, 342 ff. = NJW 1978, 485 = WM 1978, 1319 = RIW 1978, 122

„Philippinen-Beschluss“ Rdnr. 82a, 89 , Fn 273, 322

Landesverband der Betriebskrankenkassen (Bayern) gg. Pensionssicherungsverein (Vorlage des VG München)

Fundstelle i

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Insolvenzunfähigkeit der Ärztekammer infolge § 26 Abs. 1 S. 4 HessVwVG; Gültigkeit der Bestimmung des § 26; Art IV KNov. ermöglicht iVm § 15 Nr. 3 EG ZPO den Erlass neuer Vorschriften zur Konkursunfähigkeit; die Auslegung der Vorschrift als allgemeine „Konkursunfähigkeitsregelung“ ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Beiträge zur Insolvenzsicherung der Betriebsrenten; Befugnis der Länder, auch nach Änderung des § 15 Nr. 3 EG ZPO ihre eigenen, den Konkurs ausschließenden Bestimmungen, auf Art. IV EG KNov. zu stützen.

Zur Staatenimmunität; Fortsetzung der Rechtsprechung vom 30.04.1963, s.o.: Immunität gegen Vollstreckung in Gegenstände, die mit acta iure imperii zusammenhängen. Erforderlichkeit der Glaubhaftmachung durch den Vollstreckungsschuldner ist hinreichend.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Be schluss

Urteil

Beschluss

Beschluss

Urteil

BVerfG

BVerfG

BVerfG

BVerfG

BVerfG

27.05.1992

05.03.1991

23.11.1988

24.06.1986

13.12.1983

2 BvF 1, 2/88, 1/89, 1/90

1 BvR 440/83

2 BvR 1619/83 und 2 BvR 1628/83

2 BvF 1, 5, 6/83, 1/84 und 1, 2/85

2 BvL 13 – 15/82

Rdnr. 11, Fn 27

Klage von Bremen und dem Saarland

Rdnr. 185d, Fn 620

Rdnr. 64d, 150b, Fn 171, 503

Rdnr. 65b, Fn 187

Rdnr. 181a, 188; Fn 601 f., 625

Bistum RottenburgStuttgart, Ev. Kirchenkreis Hildesheim KdÖR bzw. Ev.Gesamtgemeinde Mainz KdöR gg. Verwaltungsberufsgenossenschaft (Vorlage des BSG)

BVerfGE 89, 148 ff.

NJW 1991, 2758

BVerfGE 79, 127 ff. = NVwZ 1989, 327 = DVBl. 1989, 300

BVerfGE 72, 330 ff.

BVerfGE 66, 1 ff. = NJW 1984, 2401 ff.

Pflicht zur gegenseitigen Hilfe von Bund und Ländern in extremer Haushaltsnotlage.

Vollstreckung gegen die Bundesrepublik aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des BVerfG, Notwendigkeit einer Sechswochenfrist für den Bund vor Vollstreckung.

u.a. Unabhängigkeit der Erfüllung örtlicher Aufgaben von der Finanzierungskraft der Kommunen.

Zum Finanzausgleich: „Bündisches“ Prinzip des Einstehens füreinander im Verhältnis Bund/Länder und der Länder untereinander (Art. 107 Abs. 2 GG).

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Belastung mit der Konkursausfallgeldumlage nach dem seinerzeitigen § 186c AFG; zur Konkursunfähigkeit der Kirchen kraft Verfassungsrechts.

Anhang III

263

Art

Beschluss

Beschluss

Urteil

Beschluss

Beschluss

Gericht

BVerfG

264

BVerfG

BVerfG

BVerfG

BVerfG

10.12.1998

18.04.1994

12.10.1993

05.10.1993

05.10.1993

Datum

2 BvR 1516/93

1 BvR 243/87 1 BvR 1272/89

2 BvR 2134/92 und 2159/92

1 BvL 34/81

1 BvL 35/81

Az.

Rdnr. 185d, Fn 620

Rdnr. 178, Fn 595

WDR und ZDF gg. PSV aG (Vorlage des BSG)

Rdnr. 136b, Fn 447

Verwaltungsberufsgenossenschaft gg. Handelskammer Hamburg (Vorlage des BSG) Rdnr. 153 a, Fn 517

Rdnr. 178, Fn 595

SDR AdöR gg. Verwaltungsberufsgenossenschaft (Vorlage des BSG)

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Zur Konkursausfallgeldumlage, wie oben

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen die Belastung mit der Konkursausfallgeldumlage nach dem seinerzeitigen § 186c AFG. Zur Konkursunfähigkeit der Rundfunkanstalten kraft Verfassungsrechts (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG).

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

NJW 1999, 778

NJW 1994, 2348 = BB 1995, 57 = NVwZ 1994, 1094

Zwangsvollstreckung gegen ein Bundesland aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des BVerfG, Notwendigkeit ausreichender Frist, §§ 882a ZPO, 170 VwGO.

Konkursunfähigkeit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten als Folge des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; keine Pflicht zur Zahlung der Umlage an den PSV aG.

BVerfGE 89, 155 ff. Maastrichturteil zur europäischen = NJW 1993, 3047 ff. Einigung; Voraussetzungen der = WM 1993, 3047 ff. Übertragung von Souveränitätsrechten durch die Bundesrepublik.

NJW 1994, 1465 = KTS 1994, 90 = WM 1994, 268

BVerfGE 89, 144 ff. = NJW 1994, 1466 f.

Fundstelle i

Anhang III

Beschluss

Beschluss

Urteil

BVerfG

BVerfG

BVerfG

19.10.2006

08.02.2003

13.02.2003

1 BvR 3/03

2 BvR 575/05 1. Kammer d. 2. Senats

2 BvQ 3/03 1. Kammer d. 2. Senats

Rdnr. 66 , Fn 194

Abstraktes Normenkontrollverfahren des Landes Berlin gegen § 11 Abs. 6 Finanzausgleichsgesetz (Bund) 1993/2001 und gegen Art 5 § 11 Solidarpaktfortführungsgesetz (Bund) 2001

Rdnr. 86, Fn 316

Rdnr. 86 , Fn 316

www.bverfg.de/ entscheidungen/ fs2006/019_2bvf 000303html

www.bverfg.de/ entscheidungen/ rk20060208.2bvr 057505.html

www.bverfg.de/ entscheidungen/ qk20030213_2b v9000303html

Antragabweisendes Urteil, u.a.: Keine Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen für das Land Berlin mangels extremer Haushaltsnotlage; unbefriedigende Notlösung der Anwendung des Art. 107 II 3 GG auf den bundesstaatlichen Notstand. Überforderung des geltenden Rechts bei Sanierungslagen von Länderhaushalten. Haushaltsengpässe sind keine Notlagen. Maßstab der extremen Haushaltsnotlage, die Hilfen erlaubt und gebietet, ist der Vergleich mit anderen Bundesländern (auf der Aufgaben-, Ausgaben- und Einnahmenseite). Die Bundeshilfe ist ultima ratio nach Ausschöpfung der eigenen finanziellen Möglichkeiten des Landes.

Unzulässige und unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des OLG Frankfurt in einem Prozess zu einer „ArgentinienAnleihe“, s.o. Die Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen des Staatsnotstandes obliegt den Fachgerichten.

Unzulässigkeit eines Antrags (keine vorherige Ausschöpfung des Rechtswegs) Argentiniens gegen die Prozessführung des LG Frankfurt in einer Argentinienanleihe trotz Vorbringens des Staatsnotstands und befürchteter Nachteile für das Land.

Anhang III

265

266

Art

Datum

Urteil

Urteil

Bay.VerfGH

Nds. StGH

25.11.1997

27.02.1997

III. Landesverfassungsgerichte

Gericht

Rdnr. 13, 47a, 61; Fn 31, 124, 129

Parteien Randnummer/Fußnote imText

StGH 14/95 Verfassungsbeschwerden ... 25/95, von Kommunen 2/96 ... 29/96, 22 Rdnr. 61, Fn 129

Vf. 17-VII-94

Az.

DVBl. 1998, 185 ff.

Bay. VBl. 1997, 303 ff

Fundstelle i

Anspruch der Kommunen auf finanzielle Mindestausstattung nach der niedersächsischen Verfassung; keine Regelungen des Landes über Kostendeckung bei Aufgabenübertragung durch den Bund (Sozialhilfe); weiter Spielraum des Landesgesetzgebers bei der Finanzierung der übertragenen staatlichen Aufgaben der Kommunen; keine vollständige Kostendeckung; Aushöhlungsverbot; freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben müssen noch möglich sein; Verteilungssymmetrie.

Finanzielle Mindestausstattung der Gemeinden als Kern der kommunalen Selbstverwaltung; Sicherung der Finanzierung der Pflichtaufgaben; angemessene Ausstattung zur Erfüllung freiwilliger Aufgaben erforderlich, Abhängigkeit insoweit von der Finanzsituation des Landes; weiter Entscheidungsspielraum des Landesgesetzgebers bei der Finanzausstattung.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

ii

Urteil

Urteil

LVerfG Sachsen Anhalt

StGH Baden Württemberg

10.05.1999

08.12.1998

09.07.1998

GR 2/97

LVG 19/97

VerfGH 16/96, 7/97

Landesverfassung (des jeweiligen Bundeslandes).

Urteil

VerfGH Nordrhein Westfalen

Rdnr. 28h, 61; Fn 74, 129

Normenkontrollantrag des Ortenaukreises und des Landkreises Schwäbisch-Hall

Rdnr. 64a, Fn 155

Rdnr. 61, Fn 129

Verfassungsbeschwerden von 200 kreisangehörigen Kommunen

VBl. BW 1999, 294 = DVBl. 1999, 1351 ff. = JZ 1999, 1049 ff.

LVerfGE 9, 368 ff.; www.lverfg. justiz. sachsen-anhalt.de/ Entscheidungen...

DVBl. 1998, 1280 ff.

Unvereinbarkeit des Gesetzes über den kommunalen Finanzausgleich BW (1991) mit der LV, u.a.: Keine Anwendung der „Kostendeckungsgarantie“ des Landes nach Art. 71 Abs. 3 LV auf durch Bundesrecht übertragene Sozial(hilfe)aufgaben; das Konnexitätsprinzip des

Zum Kinderbetreuungsgesetz Sachsen-Anhalt: Keine Verletzung des Konnexitätsprinzips (Art. 87 Abs. 3 LV) bei Restfinanzierungspflichten gegenüber freien Trägern der Jugendhilfe; Maßstab ist vielmehr nur die angemessene Finanzausstattung nach Art. 2 Abs. 3, 87 Abs. 1 LV ii.

Gemeindefinanzierungsgesetze 1996, 1997 NRW: Weiter Spielraum des Landesgesetzgebers bei der Erfüllung des Anspruchs der Kommunen auf angemessene Finanzausstattung; Orientierung an den finanziellen Möglichkeiten des Landes; Zulässigkeit der Einwohnergewichtung und fiktiver Hebesätze zur Ermittlung des Finanzbedarfs und der Steuerkraft der Kommune.

Anhang III

267

Art

Urteil

Gericht

VfG Brandenburg

268

16.09.1999

Datum

VfGBbg. 28/98

Az.

Rdnr. 61, 77e; Fn 129, 259

Verfassungsbeschwerde der Gemeinde Neulietzegöricke

Parteien Randnummer/Fußnote imText

NVwZ-RR 2000, 129 = GVBl. 1999, 443

Fundstelle i

Zum Gemeindefinanzierungsgesetz 1998: Finanzausstattungsanspruch der Kommunen nach Art. 99 S. 2, 3 LV; Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes; Verbot der Aushöhlung des Selbstverwaltungsrechts durch unzureichende Finanzmittel; weiter Ermessensspielraum des Gesetzgebers für den Finanzausgleich; zum Gleichmäßigkeitsgrundsatz; das Mindestmaß der Finanzausstattung umfasst auch die Erfüllung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben; keine Bedeutung von Art. 9 der Europ. Charta für die kommunale Selbstverwaltung, da sie nicht über Art. 99 LV hinausgeht.

Art. 104a GG ist keine allgemeine Lastenverteilungsregelung; Pflicht zur finanziellen Mindestausstattung der Kommunen, die auch die Wahrnehmung freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen muss. Weiter Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers beim Finanzausgleich; weitgehender Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes; keine Detailvorgaben des StGH. Erfordernis der „prozeduralen Absicherung der Finanzgarantie“ der LV.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Urteil

StGH BadenWürttemberg

VerfGH Sachsen

23.11.2000

08.02.2000

Vf. 53-II-97

GR 1/98

Rdnr. 42, 61; Fn 106, 129

Abstrakte Normenkontrolle des Abgeordneten Dr. K. und 29 weiterer Mitglieder des sächs. Landtags

Rdnr. 61, Fn 129

Normenkontrollantrag des Landkreis Konstanz

www.justiz. sachsen. de/ gerichte/ homepages/verfg/ docs/49-VIII-97a. pdf

www.badenwürttemberg. de/ staatsgerichtshof/..

Finanzausgleichsgesetz (Sachsen, FAG) 1997: Verfassungswidrigkeit des FAG mangels „finanzkraftunabhängigen und vollständigen Mehrbelastungsausgleichs“ für die den Kommunen gesetzlich übertragenen Aufgaben gem. Art. 85 LV; Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers; keine Anwendung des Art. 85 LV auf bundesgesetzlich übertragene Aufgaben; keine allgemeine Anwendung des Konnexitätsprinzips des Art. 104a GG; „Einstandspflicht für ausreichende Finanzausstattung“ der Kommunen nach Art. 87 LV mit Gestaltungsspielraum; zum Gleichmäßigkeitsgrundsatz.

Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich (BW): Unzulässigkeit des Antrags aufgrund des vorausgehenden Urteils des StGH v. 10.05.1999 (s.o.). „Materielle Kontrolle ausreichender kommunaler Finanzausstattung“ nur, wenn der vom StGH geforderte „prozedurale“ Schutz „offenkundig“ nicht (ausreicht).

Anhang III

269

iii

270

Urteil

Urteil

VerfGH Sachsen

VerfGH RheinlandPfalz

16.03.2001

23.11.2000

Datum

VGH B 8/00

Vf. 49VIII-97

Az.

Rdnr. 61, Fn 129

Verfassungsbeschwerde gegen Kostenbelastungen nach dem AG BtG RP iii

Rdnr. 42, 61; Fn 106, 129

Normenkontrolle auf kommunalen Antrag der Städte Zwickau und Hoyerswerda

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Landesgesetz zur Ausführung des Betreuungsgesetzes RP.

Art

Gericht

DöV 2001, 601 ff.

www.justiz. sachsen.de/ gerichte/ homepages/ verfg/docs/49-VIII97a.pdf

Fundstelle

AG BtG (Zuschüsse an Betreuungsvereine durch Kommunen): Anspruch der Gemeinden auf angemessene Finanzausstattung auf dem Weg des „Lasten- und Finanzausgleichs“; Kein Verstoß gegen Art. 49 LV (kommunale Selbstverwaltung) durch die Auferlegung der Mitfinanzierung von Betreuungsvereinen; keine Konnexität nach Art. 49 Abs. 5 LV a.F. (anders nach Art. 49 Abs. 5 LV n.F.); „erheblicher Gestaltungsspielraum“ des Gesetzgebers bei der Aufgaben- und damit der Kostenauferlegung.

Finanzausgleichsgesetz (Sachsen) 1997: Unzulässigkeit des Antrags mangels substantiierten Vortrags zur Übertragung neuer Aufgaben (Art. 85 LV) und zur Rechtsverletzung nach Art. 87 LV. Vorbehalt der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes bei Erfüllung „der Einstandspflicht für eine ausreichende Finanzausstattung“ der Kommunen.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Nds. StGH

Urteil

16.05.2001

StGH 6/99– 9/99, 1/00 Rdnr. 61, 64d; Fn 129, 170

Verfassungsbeschwerden von 28 Kommunen und Kreisen

Nds.VBl. 2001, 184 ff.

Nds. Finanzverteilungsgesetz, Nds. Finanzausgleichsgesetz u.a., Haushaltsbegleitgesetz (1999): Zur Selbstverwaltungsgarantie der Art. 57, 58 LV als zwei „selbstständigen“ Regelungen zur finanziellen Sicherung der Kommunen; im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises fordert Art. 57 Abs. 4 LV keine vollständige Kostendeckung. Spielraum des Landesgesetzgebers, der an der Aushöhlung der Garantie des Art. 57 Abs. 4 LV seine Grenze findet. Finanzkraftunabhängige Finanzierung; im eigenen Wirkungskreis Pflicht des Landes nach Art. 58 LV, die „erforderlichen Mittel“ zur Verfügung zu stellen; Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers mit interkommunalem Finanzausgleich und ggf. Ausschluss abundanter Gemeinden von Zuweisungen. Kein völliger Abbau der Finanzkraftunterschiede oder Rangumkehr; Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes unter Wahrung der finanziellen Mindestausstattung, die freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben nicht verunmöglicht.

Anhang III

271

iv

272

Urteil

Urteil

Thüringer VerfGH

VerfGH Nordrhein Westfalen

10.12.2002

06.06.2002

Datum

Rdnr. 61, Fn 129

Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Gera u. 12 anderer Städte und Kommunen

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Rdnr. 61, Fn 129

VerfGH 10/01 Verfassungsbeschwerde der Stadt Iserlohn

VerfGH 14/98

Az.

Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz NRW.

Art

Gericht

www.nrwe/ovgs/ vgh_nrw/j2002/ VerfGH_0_101 urteil20021210. html

NVwZ-RR 2003, 249 ff. = DVBl. 2003, 415

Fundstelle

Kostenlastregelung im AG BSHG iv NRW (§ 6 Abs. 1, 50 % der Kosten mit der Möglichkeit abweichender Vereinbarungen mit dem Kreis): Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde mangels unmittelbarer Betroffenheit durch das Gesetz, da die Heranziehung der Kommune zuzunächst einer Satzung des Kreises bedarf, gegen die ihrerseits vorzugehen wäre.

Thüringer Finanzausgleichsgesetz: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden; bei Rüge verfassungswidrigen Finanzausgleichs Notwendigkeit substantiierten Vortrags dazu, dass „das Land seiner Pflicht ... zur finanziellen Grundausstattung gerade der beschwerdeführenden Gemeinde gegenüber nicht nachgekommen ist ...“. Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber der Verfolgung von Ansprüchen auf Finanzausgleich durch die Kommune vor den Fachgerichten.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

31.10.2003

18.12.2003

Urteil

Berl.VerfGH

LVerfG Urteil MecklenburgVorpommern

02.09.2003

Urteil

VerfGH NordrheinWestfalen

LVerfG 13/02

VerfGH 1 25/02

VerfGH 6/02

Rdnr. 12, 61, 64c, 71 , Fn 30, 129, 162, 227

Verfassungsbeschwerden von zwei amtsangehörigen Gemeinden

Rdnr. 41a, Fn 100

Normenkontrollantrag von 63 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses

Rdnr. 41a, Fn 100

Antrag der CDU-Landtagsfraktion im Düsseldorfer Landtag wegen kreditfinanzierter Rücklagen

DÖV 2004, 448 = LKV 2004, 175 = LVerfGE 14, 293

NVwZ 2004, 210 ff.

www.vgh. nrw.de und NVwZ 2004, 217 ff.

Klage gegen § 10h FAG M-V (Zuweisungen für Infrastrukturinvestitionen): Anspruch der Gemeinden auf angemessene Finanzausstattung, die auch ein Mindestmaß an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ermöglichen muss. Verbot der finanziellen Aushöhlung des Kernbereichs der Selbstverwaltung; weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Verfassungsgemäßheit der angegriffenen Bestimmung; Zulässigkeit, die Einwohnerzahl statisch (stichtagsbezogen) als Maßstab der Finanzhilfe zu verwenden.

Nichtigerklärung von Bestimmungen des Haushaltsgesetzes von Berlin 2002/2003 mangels Darlegung der Voraussetzungen der Überschreitung der Kreditobergrenze.

Nichtigkeit von Vorschriften des Haushaltsgesetzes 2001 bzw. 2002 wegen Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit (u.a. Ausprägung des „finanzrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips“, Art. 81 Abs. 3, 83 S. 2 LV): Beschränkung der Kreditaufnahme auf das im Interesse des gesamtwirtschaftichen Gleichgewichts erforderliche Maß; keine kreditfinanzierte Einstellung in die Allgemeine Rücklage des Landes NRW; keine Neuverschuldung ohne aktuellen Ausgabenbedarf.

Anhang III

273

Art

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

VerfGH Sachsen

274

Thüringer VerfGH

VerfGH RheinlandPfalz

LVerfG MecklenburgVorp.

26.01.2006

25.01.2006

21.06.2005

18.11.2004

Datum

LVerfG 15/04

VGH B 1/05

VerfGH 28/03

Vf. 89-VIII-03

Az.

Rdnr. 61, 64a; Fn 129, 152 ff.

Verfassungsbeschwerde der Stadt Parchim

Rdnr. 61, 63 ff.; Fn 129, 141 ff.

Verfassungsbeschwerde der Ortsgemeinde Bann

Rdnr. 61, 62 ff., Fn 129, 130 ff.

Fraktion der SPD im Thüringer Landtag, abstrakte Normenkontrolle

Rdnr. 61, Fn 129

Normenkontrollverfahren auf kommunalen Antrag des Verwaltungsverbandes „Grüner Grund“ und acht anderer

Parteien Randnummer/Fußnote imText

www.landes verfassungsgerichtmv. de/prozesse/ aktuelle

NVwZ-RR 2005, 665 ff. = DöV 2005, 92 = ThürVBl. 2005, 228 ff.

www.justiz. sachsen.de/ gerichte/ homepages/ verfg/docs/ 89-VIII-03. ..

Fundstelle

Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde aufgrund nicht hinreichend substantiierten Vortrags zur Verletzung des Konnexitätsprinzips nach Art.72 der Verfassung durch Restfinanzierungsverpflichtungen nach dem Kindertagesförderungsgesetz MVP: Siehe im einzelnen Rdnr. (64a).

Landesfinanzausgleichsgesetz RP: Siehe im einzelnen oben Rdnr. (63).

Thüringer Finanzausgleichsgesetz: Siehe im einzelnen Rdnr. (62).

Verfahren gegen das Finanzausgleichsgesetz Sachsen idF v. 11.12. 2002 (SächsGVBl. 2002, 317 ff.), da die Verwaltungsverbände für die übertragenen Aufgaben keinen Ausgleich nach dem FAG Sachsen erhielten (§ 16) vgl. www./89-VIII-03...: Die Anträge wurden (als unzulässig) verworfen, da die Antragsteller u.a. die Antragsfrist versäumt hatten.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Urteil

LVerfG Sachsen Anhalt

LVerfG Sachsen Anhalt

13.06.2006

13.06.2006

11.05.2006

BGH

Urteil

20.02.1957

IV. Ordentliche Gerichtsbarkeit

Urteil

LVerfG MecklenburgVorp.

V ZR 125/55

LVG 21/05

LVG 7/05

LVerfG 1, 5, 9/05

Rdnr. 311, Fn 865

Rdnr. 61, 65e; Fn 129, 177 ff.

Verfassungsbeschwerde einer kreisangehörigen Gemeinde mit ca. 9.000 Einwohnern

Rdnr. 61, 65, 65a, 65c ff.; Fn 129, 177, 180 ff.

Verfassungsbeschwerde einer kreisangehörigen (kleinen) Gemeinde mit 239 Einwohnern

Rdnr. 61, 64b ff.; Fn 129, 157 ff.

Verfassungsbeschwerden der Landkreise Rügen Uecker-Randow, der Stadt Wolgast und der Gemeinde Mönchhagen

BGHZ 23, 342 ff.

www.lverfg.justiz. sachsen-anhalt.de/

www.lverfg. justiz. sachsen-anhalt.de/

www.landes verfassungsgerichtmv. de/prozesse/ aktuelle

Zur schwebenden Unwirksamkeit zivilrechtlicher Geschäfte bis zur behördlichen Genehmigung.

Siehe im einzelnen Rdnr. (65e).

Heranziehung zur Kreis-, Gewerbesteuer- und Finanzausgleichsumlage:

Siehe im einzelnen Rdnr. (65), (65a).

Heranziehung zur Verwaltungsgemeinschafts-, Kreis und Gewerbesteuerumlage (interkommunale Solidarität u.a.); Verfassungswidrigkeit von § 19a FAG LSA wegen Schlechterstellung:

Siehe im einzelnen Rdnr. (64b) ff. oben.

Anhang III

275

Art

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

BGH

276

BGH

BGH

BGH

BGH

08.11.1993

04.11.1991

19.09.1988

18.06.1979

21.12.1961

Datum

II ZR 216/92

IX ZR 250/90

II ZR 255/87

VII ZR 84/78

III ZR 157/60

Az.

Rdnr. 83a , Fn 282

Rdnr. 83a , Fn 281

Rdnr. 157a, Fn 580 ff.

„Hamburger Stahlwerke“

Rdnr. 181c, Fn 609

Rdnr. 95, Fn 327

Parteien Randnummer/Fußnote imText

NJW 1994, 390 = WM 1994, 54

BGHZ 116, 77

BGHZ 105, 168 ff.

NJW 1979, 2198 f

BGHZ 35, 245 ff.

Fundstelle

Zum IWF-Übereinkommen („Bretton-Woods-Abkommen“). Art. VIII Abschn. 2(b) über die Unklagbarkeit von „exchange contracts“/ Devisenkontrakten ist auf Kapitalmarkttransaktionen nicht anwendbar (hier: gesellschaftrechtliche Beteiligung).

Das IWF-Übereinkommen Art. VIII Abschn. 2(b) zu „exchange contracts“ ist auf Darlehensgewährungen anwendbar (aufgegeben, s.u.)

Anwendung des § 32a GmbHG auf einen Kreditgeber, der die Förderungspolitik der ihn tragenden Gebietskörperschaft (Bundesland) vollzieht.

Übergang einer von einem Dritten getilgten Steuerforderung „nach privatrechtlichen Vorschriften“.

Zum AKG: Entschädigung von Personen, die im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurden, nach dem damals entsprechenden Gesetz vom 20.05.1898; der BGH hat einen Fall der Funktionsnachfolge angenommen und eine weitergehende Entschädigung als die bereits gewährte abgelehnt.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

BGH

BGH

BGH

BGH

BGH

BGH

04.04.2003

12.12.2002

18.07.2002

24.06.2002

10.06.1999

22.02.1994

V ZR 314/02

III ZR 201/01

IX ZR 195/01

II ZR 300/00

IX ZR 409/97

XI ZR 16/93

Rdnr. 174b, Fn 585

Ausgleichsleistungsgesetz I

Rdnr. 197a, 264, 308 , Fn 663, 773, 864

Rdnr. 243a, Fn 724

Rdnr. 174, Fn 575

Rdnr. 265c, 311, Fn 788, 865

Landkreis gg. BfA (heute: Deutsche Rentenversicherung Bund)

Rdnr. 83 a, Fn 281

ZfiR 2003, 603 = EuZW 2003, 444 = EStAL 2003, 497

BGHZ 153, 199 ff.

BGHZ 151, 353 ff.

BGHZ 151, 181 ff.

BGHZ 142, 51 ff./ 59 f. = ZIP 1999, 1346 = NJW 1999, 3335

NJW 1994, 1868 = WM 1994, 581

Der Verstoß gegen Art. 88 Abs. 3 Satz 3 EG-Vertrag ist Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB.

Haftung bei Fehlern der Kommunalaufsicht gegenüber der beaufsichtigten Kommune. Schutz gegen „Selbstschädigung“.

Zum Erfordernis der Festlegung der Zuständigkeiten und Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters im einzelnen (keine Generalermächtigung) bei einem Beschluss gem. § 22 InsO.

Zur Existenzvernichtungshaftung des Gesellschafters [Anm. des Verf.: Die Rechtsprechung ist auch auf Kommunen als Anteilseigner anwendbar.]

Schwebende Unwirksamkeit einer ohne aufsichtsbehördliche Genehmigung übernommenen Bürgschaft (Sachsen-Anhalt).

Zu Art. VIII Abschnit 2(b) BrettonWoods-Abkommen (s.o.): Wechselverbindlichkeiten fallen nicht unter das Abkommen.

Anhang III

277

Art

Beschluss

Beschluss

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

BGH

278

BGH

BGH

OLG Naumburg

OLG Celle

12.07.2000

18.11.1997

25.01.2006

04.10.2005

28.05.2003

Datum

Rdnr. 89, Fn 322

Rdnr. 89, Fn 322

Parteien Randnummer/Fußnote imText

9 U 125/99

11 U 1230/97

Rdnr. 174, Fn 574

Rdnr. 311, Fn 865

Landkreis gg. BfA [heute: Deutsche Rentenversicherung Bund]

VIII ZR 398/03 Rdnr. 198a, Fn 663

VII ZB 8/05

IX a ZB 19/03

Az.

ZIP 2000, 1981 = ZInsO 2001, 172 = KTS 2001, 127

NJW 1998, 1716 ff

www.bundes gerichtshof.de = DRSpr Nr. 2006/6914

NJW-RR 2006, 425 = WM 2006, 41

NJW-RR 2003, 1218 = RPfl. 2003, 518

Fundstelle

Keine allgemeine Vertrauenshaftung der Kommune gegenüber Gläubigern ihrer Gesellschaft.

Vorinstanz zu BGH IX ZR 409/97, s.o.; zur Bedeutung der fehlenden aufsichtsbehördlichen Genehmigung für eine Kommunalbürgschaft (Sachsen-Anhalt).

Zur Anwendung des § 138 BGB auf das Vertragswerk einer Kommune in einem extremen Sonderfall, bei dem der „Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung in besonders grobem Maße“ verletzt wurde.

Zur Staatenimmunität: Keine Vollstreckung in Vermögensgegenstände einer diplomatischen Mission (s.o.).

Zur Staatenimmunität: Keine Vollstreckung in Vermögensgegenstände einer diplomatischen Vertretung. Erfordernis der Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu den acta iure imperii durch den Vollstreckungsschuldner.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

12.01.2005

03.11.2005

OLG Urteil Brandenburg

OLG Naumburg

Beschluss

02.04.2004

Urteil

OLG Hamburg

20.12.2001

Beschluss

OLG Frankfurt

12.12.2001

Be schluss

BayObLG

1 Verg 9/05

7 U 97/04

1 U 119/00 099

20 W 184/01

3Z 174/01

Rdnr. 19, 172b, Fn 46, 570

Rdnr. 174a, Fn 576

Rdnr. 174b, Fn 586

Freie und Hansestadt Hamburg gg. Dradenauer Stahlgesellschaft

Rdnr. 168, Fn 553

Rdnr. 168, Fn 553

IR 2006, 23, Anm. Michaels = VergabeR 2006, 88 ff. m. Anm. Portz

ZIP 2006, 184

EStAL 2005, 705 ff.

DB 2002, 369 = OLGReport Frankfurt 2002, 76

Rpfl. 2002, 316 = DB 2002, 370

Die delegierende Übertragung einer kommunalen Aufgabe (Abfallentsorgung) durch einen Landkreis auf einen anderen durch interkommunale Zweckvereinbarung ist Vertrag nach §§ 99 ff. GWB und unterliegt der Ausschreibung.

Ist eine kommunale Gebietskörperschaft Gewährträger einer Sparkasse, ist deren Finanzierung an eine GmbH, an der die Kommune ebenfalls entsprechend beteiligt ist, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eigenkapitalersetzend gem. § 32a Abs. 3 GmbHG. [Anm. d. Verf.: Das Urteil ist überholt durch Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, es steht nicht im Einklang mit der hier parallelen beihilferechtlichen Wertung im Urteil Stardust Marine des EuGH.]

Rückforderung einer unerlaubten Staatsbeihilfe (Art. 87 f. EG) nach negativer Kommissionsentscheidung; Anwendung der §§ 134, 812 ff. BGB.

Handelsregisterpflicht kommunaler Eigenbetriebe in HRA als Kaufleute.

Handelsregisterpflicht kommunaler Eigenbetriebe in HRA als Kaufleute.

Anhang III

279

Art

Beschluss

Urteil

Beschluss

Urteil

Gericht

OLG Naumburg

280

OLG Frankfurt

OLG Düsseldorf

OLG Frankfurt

27.06.2007

21.06.2006

13.06.2006

02.03.2006

Datum

8 U 110/03

VII-Verg 17/06

8 U 107/03

1 Verg 1/06

Az.

Rdnr. 78 ff., Fn 261

Rdnr. 169b, 172a, Fn 565, 569

Rdnr. 78 ff., Fn 261

Rdnr. 172b, Fn 570

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Internetseite des OLG Frankfurt

IR 2006, 215 f., Anm. Michaels mit Weiterverweis

NJW 2006, 2931 f. = EWiR 2006, 557 f. Anm. Schroeter

www.dstgb-vis/ de...,

Fundstelle

Weiteres Urteil einer „Serie“ von Fällen zu Argentinienanleihen der Frankfurter Gerichte, s.o. Urteil v. 13.06.2006.

Die Delegation kommunaler Aufgaben (Abfallentsorgung) durch Gemeinden auf einen Zweckverband mit befreiender Wirkung für die Kommunen ist kein öffentlicher Auftrag und unterfällt nicht dem Vergaberecht (anders OLG Naumburg, s.o.).

Der Klage eines Anlegers gegen Argentinien stattgebendes Urteil aus einer Anleihe, die Argentinien infolge des dortigen „Staatsbankrotts“ nicht bedient hatte. Verneinung des Staatsnotstands; Behandlung der völkerrechtlichen Fragen der Staatenimmunität, des Bretton-Woods-Abkommen (IWF), Art. VIII Abschn. 2(b), sowie des Staatsnotstandes in Fällen der Zahlungsunfähigkeit eines souveränen Staates.

Bestätigung des Beschlusses v. 03.11.2005. Kritische Anmerkung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, siehe Internetadresse in der Spalte links.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

LG Frank furt

BVerwG

Beschluss

16.04.1980

V. Verwaltungsgerichtsbarkeit

14.03.2003

Be15.07.1998 schluss 29.04.1998 (LG) Beschluss (AmtsG)

LG Halle

30.01.1974

Beschluss

LG Mainz

Rdnr. 163a, Fn 542

Rdnr. 193l, Fn 660

7 B 116.79

Rdnr. 166b, Fn 547

2-21 O 294/02 Rdnr. 79, Fn 265

14 T 213/98; 58 N 164/98 AG HalleSaalkreis

8 T 8/74

ZIP 1980, 466

WM 2003, 783 ff.

DZWiR 1999, 258 f.

RPfl. 1974, 166

Bejahung der Insolvenzfähigkeit der Bremer Hafenbetriebsgesellschaft AG trotz 50,42 %-Beteiligung des Landes Bremen und trotz einer vertraglichen Verlustausgleichspflicht; daher Verpflichtung zur Tragung der Konkursausfallgeldumlage nach § 186c AFG.

Eine der Entscheidungen des LG Frankfurt bzw. der Frankfurter Gerichte in einer Serie zu Klagen von Anlegern aus ArgentinienAnleihen (s.o. OLG Frankfurt v. 13.06.2006); u.a. Verneinung des Vorliegens des Staatsnotstands Argentiniens, offen,ob der Einwand privaten Gläubigern entgegen gehalten werden kann.

Unzulässiger Antrag auf Gesamtvollstreckung nach sächsischanhaltinischem Recht (durch eine Stadt) gegen einen Zweckverband.

Zu § 882a ZPO: Unpfändbarkeit von Ansprüchen des Landes gegen den Bund „aus Haushaltsmitteln“.

Anhang III

281

Art

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

BVerwG

282

BVerwG

BVerwG

OVG Münster

18.06.1980

03.11.2005

13.07.1999

15.01.1987

Datum

2 A 2842/80

7 C 27.04

1 C 13.98

3 C 3.81

Az.

Rdnr. 178, Fn 595

WDR

Rdnr. 39, Fn 97

Rdnr. 166c, Fn 548

Komm. Versorgungsunternehmen (Ludwigshafen/Rh.) gg. PSV aG

Rdnr. 178, Fn 595 f.

WDR gg, PSVaG

Parteien Randnummer/Fußnote imText

ZIP 1980, 687 ff.

DVBl. 2006, 186 = NVwZ 2006, 354

KTS 2000, 276 = ZIP 1999, 1816 = DVBl. 1999, 1727.

NJW 1987, 3017 ff.

Fundstelle

Zu § 17 Abs. 2 BetrAVG; Anwendung des § 213 KO auf den WDR, Verneinung der Konkursunfähigkeit, überholt durch den Beschl. des BVerfG zur Insolvenzunfähigkeit der öffentlich-rechtl. Rundfunkanstalten v. 18.04.1994, s.o., zu 1 BvR 243/87.

Verneinung der Haftung der Bundesrepublik für Rüstungsaltlasten des vormaligen deutschen Reichs aufgrund des AKG.

Konkursfähigkeit eines in eine AG umgewandelten Betriebs „Stadt werke“ (§§ 57 UmwG a.F.), Unbeachtlichkeit der Alleingesellschafterstellung einer insolvenzunfähigen Gebietskörperschaft; Beitragspflicht nach dem BetrAVG.

Konkursausfallgeldumlage bei Rundfunkanstalt: Bejahung der Konkursfähigkeit einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt (dagegen erfolgreiche Verfassungsbeschwerde zum BVerfG).

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

10.10.1957

IV 216/57

Rdnr. 193i, Fn 652

Urteil

Beschluss

Beschluss

Beschluss

OGH

OGH

OGH

OGH

1. Österreich

10.07.1991

25.08.1998

14.06.1989

10.05.1950

3 Ob 88/90

1 Ob 100/98g

9 ObA 170/89

1 Ob 167/49

Rdnr. 278a, Fn 818

Rdnr. 82a, Fn 272

Rdnr. 82a, Fn 272

Rdnr. 82a, Fn 272

VI. Ausländische Gerichte und internationale Gerichte

VG Freiburg

Dokument JJR/ 19910710/ 0030OB00088/ 9000000/002, siehe www.ris.bka. gv.at

Dokument JJT 19980825/ OGH002/ 0010OB00100/ 98G0000/000.

Dokument JJT/ 19890614/ OGH0002/ 009OBA00170/ 8900000/000

SZ 23, 143

BWVBl. 1958, 127

Zu § 15 EO: Kontenpfändung gegen eine Gemeinde.

Fortsetzung der Rechtsprechung zur Verneinung der Staatenimmunität bei acta iure gestionis.

Fortsetzung der Rechtsprechung zur Verneinung der Staatenimmunität bei acta iure gestionis.

Bejahung einer „restriktiven“ Staatenimmunität, wenn der Streitgegenstand des Prozesses aus acta iure gestionis herrührt.

Keine materielle Prüfung des Bestehens der titulierten Forderung durchdie Aufsichtsbehörde anlässlich der Entscheidung über die Zulassungsverfügung gem. § 127 GemO.

Anhang III

283

Art

Beschluss

Beschluss

Beschluss

Erkenntnis

Gericht

OGH

284

OGH

OGH

VwGH

05.10.1993

20.03.2003

09.02.1998

14.10.1992

Datum

8 Ob 244/02v

8 Ob 4/89

3 Ob 77/92

Az.

Rdnr. 278a , 278c , Fn 816, 820

Vollstreckung von Gemeindeabgaben gegen eine „öffentlich und gemeinnützig erklärte Landes krankenanstalt“

Rdnr. 279, Fn 823

Rdnr. 280, Fn 828

Rdnr. 278 ff., Fn 819 ff.

Parteien Randnummer/Fußnote imText

Dokument JWR/ 1993110109/ 19931005X01

Dokument JJR/20030320/ OHH0002/ 0080OB00244/ 02V0000/00 www.ris.bka.gv.at.

RdW 1989, 3

JBl. 1993, 528 = EvBl. 1993/82, S. 346

Fundstelle

Folgeentscheidung zu OGH 3 Ob 77/92.

Ableitung der Konkursfähigkeit aus der Parteifähigkeit des Bürgerlichen Rechts.

Zur Konkretisierung des Ausgleichs angebots nach § 2 AO; Notwendigkeit der Freistellung der Ab- und Aussonderungsberechtigten.

Zu § 15 EO: U.a. Teileinstellung der Exekution gegen eine Gemeinde nach § 39 Nr. 4 EO, wenn die Bewilligung nur eine Teilvollstreckung erlaubt. Zur Erklärung der Behörde über nicht der Vollstreckung unterliegenden Gegenstände.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

BG

BG

BG

BG

2. Schweiz

05.06.1985

15.11.1978

03.11.1977

30.04.1969

II. Zivilabt.

II. Zivilabt

Rdnr. 222, Fn 711

Comune di Vico Morcoto gg. Credito Svizzero e Camera di esecuzione e fallimenti del Tribunale di appello del Cantone Ticino

Rdnr. 82a , Fn 272

Banque Centrale de le République de la Turquie gg. Weston Compagnie

Rdnr. 222, 222b , Fn 709, 713

Zehtner Armierungen AG gg. Schweizerische Eidgenossenschaft

Rdnr. 222b, Fn 713

Staatsrechtliche Beschwerde: Bissig gg. Einwohnergemeinde d. Stadt Grenchen und Regierungsrat des Kantons Solothurn

BGE 111 III 81

BGE 104 Ia 367

BGE 103 II 227

BGE 95 I 97

Zu Art. 11 Abs. 2 SchGG: Kein Verlust der Verwertungsbefugnis einer Hypothek, wenn der Vermögenswert vom Finanz- in Verwaltungsvermögen umgewidmet wird, es sei denn der Gläubiger habe versäumt, Zahlung der Schuld oder Sicherheit zu verlangen oder er habe mit der Rechtsverfolgung „böswillig zugewartet“.

Bejahung einer „restriktiven“ Staatenimmunität, beschränkt auf die acta iure imperii.

Unpfändbarkeit von Verwaltungsvermögen, keine Bestellung eines Bauhandwerkerpfandrechts an öffentlichen Sachen, die unmittelbar einer öffentlichen Aufgabe dienen, unabhängig von deren Charakter und davon, ob ein Privater sie erfüllen könnte.

Zu § 9 Abs. 1 SchGG: Unpfändbarkeit, Unverwertbarkeit und Unzulässigkeit der Verpfändung von Verwaltungsvermögen einer Kommune (Bauhandwerkerpfandrecht an kommunalem Grundstück); zur Widmung und Überführung in Verwaltungsvermögen.

Anhang III

285

Art

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Gericht

BG

286

BG

BG

BG

01.12.2000

15.06.1998

01.12.1994

30.04.1986

Datum

Staatsrechtliche Beschwerde

II. Zivilabt. 5 P 419/2000

II. Zivilabt.

II. Zivilabt.

I. öffentl. rechtl. Abteilung

Az.

Rdnr. 215, 238, 249 , 270 , Fn 697ff., 720ff., 727ff., 799f.

Beirat der Munizipalgemeinde Leukerbad und Munizipalgemeinde Leukerbad gg. Caisse de Retraite et de Prévoyance du Personnel Enseignant du Canton du Valais sowie Kantonsgericht Wallis

Rdnr. 222b, Fn 713

A. AG gg. Schweizerische Eidgenossenschaft

Rdnr. 221, Fn 707 f.

Lignoform Innenausbau AG gg. Aargauische Kantonalbank

Rdnr. 82a , Fn 272

Spanien gg. X. S.A. u.a.

Parteien Randnummer/Fußnote imText

BGE 127 III 55

BGE 124 III 337

BGE 120 II 321

BGE 112 Ia 148

Fundstelle

Keine weitergehenden Eingriffe in Gläubigerrechte als nach dem SchGG vorgesehen; keine Befugnis des Beirats, Ansprüche zu kürzen.

Unzulässigkeit eines Bauhandwerkerpfandrechts an einem Grundstück der Eidgenossenschaft; keine Haftung derselben für Subunternehmerleistungen.

Anstalten des öffentlichen Rechts wie die Kantonalbank unterliegen dem SchGG nicht. Aufgrund der Tätigkeit im Wettbewerb ist auch das allgemeine Prinzip, dass Gegenstände des Verwaltungsvermögens u.a. nicht pfändbar sind, nicht anzuwenden, ein Bauhandwerkerpfandrecht ist zulässig.

Bejahung einer „restriktiven“ Staatenimmunität, beschränkt auf die acta iure imperii.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

Urteil

BG

BG

BG

BG

BG

03.07.2003

03.07.2003

03.07.2003

03.07.2003

01.12.2000

2C.5/1999

2C.1/2001

Rdnr. 265d, Fn 789ff.

Emissionszentrale der Schweizer Gemeinden gg. Kanton Wallis

Rdnr. 265c, Fn 785ff.

Basler Kantonalbank gg. Kanton Wallis

Rdnr. 259, 265a, Fn 755, 777, 778 ff.

Einwohnergemeinde Oftringen u. Einwohnergemeinde Rheinfelden gg. Kanton Wallis

Rdnr. 258a, Fn 749

2 C.4/2000

2C.4/1999

Munizipalgemeinde Leukerbad gg. Kanton Wallis

Rdnr. 270a, Fn 800

Beirat der Munizipal gemeinde und Gemeinde L. gg. E.gemeinde Rheinfelden sowie Kantonsgericht Wallis

II. Öffentl. recht. Abteilung

5 P.418/2000

www.bger.ch/index/ Siehe das Urteil Einwohnergemeinde jurisdiction Oftringen u.a.

www.bger.ch/index/ Siehe das Urteil Einwohnergemeinde jurisdiction Oftringen u.a.

www.bger.ch/index/ Erfolglose Staatshaftungsklage von jurisdiction kommunalen Gläubigern einer zahlungsunfähigen Gemeinde; die Gemeindeaufsicht dient nicht dem Gläubigerschutz.

www.bger.ch/index/ Staatshaftungsklage einer zahlungsjurisdiction unfähigen Gemeinde gegen den Kanton aus kantonalem Staatshaftungsrecht wegen behaupteter mangelnder Durchführung der Kommunalaufsicht; das Maß des Mitverschuldens der Gemeinde führt zum Prozessverlust.

www.bger.ch/index/ Siehe Urteil zu 5 P.419/2000 oben; jurisdiction Keine weitergehende richterliche Rechtsfortbildung des SchGG durch analoge Anwendung der konkursrechtlichen Vorschriften des SchKG.

Anhang III

287

288

Urteil

BG

25.05.1936

25.04.1938

01.06.1942

US Supreme Court

US Supreme Court

21.02.2006

Datum

US Supreme Court

3. USA

Art

Gericht

No. 896

Nos. 757, 772

No. 859

4C.20/2005

Az.

Rdnr. 105 ff.; Fn 358 ff.

Faitoute Iron & Steel Co. et al. v. City of Asbury Park, New Jersey

Rdnr. 104, Fn 352 ff.

U.S. v. Bekins et al., LindsayStrathmore Irrigation District

Rdnr. 103, Fn 350

Ashton v. Cameron County Water Improvement District No. 1

Rdnr. 268, Fn 794

Parteien Randnummer/Fußnote imText

316 US 502 (1942).

304 US 27 (1938).

298 US 513 (1936).

www.bger.ch/index/ jurisdiction

Fundstelle

Vereinbarkeit eines Gesetzes von New Jersey zur Sanierung von „Kommunen“ durch Zwangsvergleich aus den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts mit der US-Bundesverfassung; deren contract clause steht nicht entgegen.

Billigung des „nachgebesserten“ Municipal Bankruptcy Act infolge Zustimmung des betroffenen Bundesstaates.

Ablehnung der Vorläufergesetzgebung zu 11 USC Ch. 9 als verfassungswidrig wegen Eingriffs in die Souveränität der US-Bundesstaaten.

Erfolglose Klage von Anleihegläubigern einer zahlungsunfähigen Gemeinde gegen die Rechtsnachfolgerin der „emittierenden“ Bank; die Klagabweisung erfolgte aus im Sachverhalt liegenden Gründen.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Urteil

Court of Appeal

17.06.2005

14.11.2002

19.11.1976

[2005] EWCA Civ. 745

2002 [EWCA] Civ 164

Urteil

Urteil

EGMR

IGH

25.09.1997

21.11.2001

General List No. 92

Appl. No. 37112/97

5. Internationale Gerichte und Schiedsgerichte

Urteil

Court of Appeal

4. Großbritannien

Court of Appeals of New York

Rdnr. 84d , Fn 303

Donau-Wasserbau/Staudamm-/Kraftwerksprojekt Gabcíkovo-Nagymaros

Ungarn gg. Slowakei

Rdnr. 82a, Fn 272

Fogarty gg. United Kingdom

Rdnr. 82a, Fn 272

Farouk Abdul Aziz gg. Republic of Yemen

Rdnr. 82a, Fn 272

Sabah Shipyard (Pakistan) Ltd. gg. The Islamic Republic of Pakistan

Rdnr. 106, Fn 373

Flushing National Bank on Behalf of itself and ... v. Municipal Assistance Corporation for the City of New York

www.icjcij.org/ icjwww/docket/ihs/ ihshudgments/ ihs_ijudgment_ 070025.html

Internetpubilkation des EGMR

www.hmcourtsservice.gov.uk/...

www.hmcourtsservice...

40 NY 2d 731

Zu den Voraussetzungen des „Staatsnotstands“ als Institut des Völkergewohnheitsrechts nach dem Artikelentwurf der Völkerrechtskommission der UN über die Verantwortlichkeit der Staaten für völkerrechtswidriges Handeln (Fas-

Zur (relativen/restriktiven) Staatenimmunität (hier: Arbeitsrecht) und zum britischen State Immunity Act 1978.

Zur Staatenimmunität nach dem britischen State Immunity Act und weiteren Rechtsentwicklungen aus Sicht des englischen Court of Appeal.

Zum britischen State Immunity Act (1978) zur (restriktiven) Staatenimmunität; Voraussetzungen des Verzichts.

Verfassungswidrigkeit eines Moratoriums zugunsten der Stadt New York und zu Lasten von Gläubigern kurzfristiger Anleihen; Verstoß gegen die Verfassung des Staates New York.

Anhang III

289

Schieds- 12.05.2005 spruch

ICSID

Datum

Art

Gericht

290 Case No. ARB 01/08

Az.

Rdnr. 84e, Fn 312

CMS Gas gg. Argentinien

Parteien Randnummer/Fußnote imText

www.worldbank. org/icsid

Fundstelle

Staatsnotstand nach Art. 25 des aktuellen Entwurfs der Völkerrechtskommission (bzw. der Resolution 56/83, 2001 der Generalversammlung der UN) als Teil des Völkerrechts. Die Bejahung des Notstands ist an strenge Voraussetzungen geknüpft, der in der Krise Argentiniens 2001/2002 nicht vorlag.

sung 1980, Art. 33), u.a.: Erforderlichkeit einer unmittelbar drohenden ernsten Gefahr; die dagegen ergriffene völkerrechtswidrige Maßnahme muss das einzige Mittel zur Gefahrenabwehr sein. Der Notstand suspendiert die Verpflichtungen nur, die später nach Wegfall der Voraussetzungen wieder aufleben. Beeinträchtigung der Umwelt als möglicher Grund für den Einwand des Staatsnotstands.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

Art

Urteil

Urteil

Gericht

EuGH

BGH

12.10.2006

11.05.2006

Datum

III ZR 299/05

Rs C-340/04

Az.

Rdnr. 174b, 586

Rdnr. 169b, Fn 564

Carbotermo SpA und Consorzio Alisei gg. Comune di Busto Arsizio und AGESP SpA (Vorlage des Tribunale Amminstrativo regionale per la Lombardia)

Parteien Randnummer/Fußnote im Text

Nachtrag

WM 2006, 2274

Slg. 2006 I-4137

Fundstelle

Zur Subvention (hier nach Art. 4 lit. c) des außer Kraft getretenen Montanunionvertrages) im „Dreieckverhältnis“ und zum gemeinschaftsrechtlichen Effizienzgebot bei der Rückforderung einer Beihilfe (heute: Art. 14 Abs. 3 VO 659/99/EG). Aufhebung des Urteils des OLG Hamburg v. 02.04.2004 zu 1 U 119/00, s.o., S. 279. Vgl. auch EuG, Urt. v. 29.06.2000 – Rs T234/95, Slg. 2000 II-2603

Vergaberecht: Fortführung und weitere Präzisierung der Rechtsprechung zu der Frage, wann über eine privatrechtliche Gesellschaft (AG) eine Kontrolle wie über eine öffentliche Dienststelle ausgeübt wird, siehe die Urteile Stadt Halle, Parking Brixen, Gemeinde Mödling. Dann ist die Richtlinie 93/36 nicht anwendbar und eine Direktvergabe ohne Ausschreibung wird möglich.

Gegenstand [Schlagworte zu wesentlichen Inhalten]

Anhang III

291

Sachregister [Die zu den Stichworten ausgewählten Randnummern schließen im wesentlichen die dortigen Fußnoten ein, die daher ebenfalls nur in Auswahl aufgeführt sind. „Fn (+Zahl)“ kennzeichnet eine Fußnote im Text. „290a ff.“ bringt zum Ausdruck, dass das Stichwort in den Randnummern 290a und den folgenden zu finden ist. Die Randnummern sind den Fußnoten vorangestellt.]

Adressausfallrisiko 285, 295, 298, 298b Allgemeines Kriegsfolgengesetz (AKG) 39, 90–96d; Fn 324 Amtspflichtverletzung (Staatshaftung) Anfechtung 16, 127a, 339, 340; Fn 403 – Österreich (siehe auch dort) Fn 823 – Schweiz (siehe auch dort) 246, 248 Anleihe (Anleihegläubiger, Staatsanleihen, Anleihensobligationäre) 27, 70a, 78 ff., 104–109a, 110, 115 f., 142b, 215a, 224 ff., 227a, 236, 239, 252, 253a, 258, 258b, 265d; Fn 261, 264, 268, 362 f., 715 Argentinien (Argentinien-Anleihen) 67b, 78 ff., 339 Aufgabenstruktur (kommunale) siehe Dualismus, Monismus Automatic stay (siehe auch USA) 112, 132a Bail out (bail-out-Bedingung, no-bail-out, no-bail-out-Bedingung) 13, 17, 64f, 75, 130, 130c, 132e, 138a, 142b, 148i, 276f f.; Fn 446 Bankaufsichtsrecht (bankaufsichtsrechtlich, Bankaufsicht, Kreditwesengesetz, KWG) siehe auch Kommunalkredit, Solvabilitätsverordnung, europäisches Recht 72a, 140d, 200, 287, 289 ff., 295 ff. – BAFin 290, 292a – BAKred 290 Bankenrichtlinie (Richtlinie 2006/48/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates, siehe auch Bankaufsichtsrecht, Kommunalkredit) 200, 206, 298; Fn 845, 847, 858 Basel II (siehe auch Bankaufsichtsrecht, Kommunalkredit) 200, 295 ff., 306; Fn 857, 861 Basler Übereinkommen (siehe auch Staatenimmunität) 83b

Bauhandwerkersicherungshypothek, Bauhandwerkersicherungspfandrecht 320 (Deutschland), 222b; Fn 707 (Schweiz) Bürgschaft (Ausfallbürgschaft, modifizierte Ausfallbürgschaft) 27, 169c, 174, 198, 291d, 305, 311, 313, 327c, 339; Fn 561, 591, 865, 871 Bürgschaft (Schweiz) 265d, 271a, 273 Bundesministerium der Finanzen 129 ff.; Fn 31, 62, 404, 859 Bundesrepublik Deutschland, Bundesländer (einschl. bayerisch, sächsisch usw.) – Baden-Württemberg 28h, 48, 53, 58, 64c, 156 f., 193f, 193g, 193k; Fn 18, 30, 60, 74, 101, 106, 129, 163, 165 f., 499, 524, 571, 628, 630, 646 f., 868 f. – Bayern 4, 30, 38, 47, 47a, 149b, 157, 192, 192a, 192c, 193l; Fn 38, 102, 105, 129, 499, 505, 508, 518, 524, 628, 631, 868 – Berlin 10, 11, 66–70b, 158 f., 258b, 339; Fn 11 f., 24 f., 29, 33 f., 100, 102, 195, 218, 221, 224, 525, 528, 599, 614, 752 – Brandenburg 49–49b, 77e, 159, 159b, 174a, 193b, 196a; Fn 42, 101, 104, 129, 259 f., 499, 526, 576, 578, 599, 628, 635, 868 – Bremen 4, 10 f., 66c, 158, 158b, 166b, 322a; Fn 26, 524, 528, 627, 752 – Hamburg 4, 41a, 69b, 158, 158c, 174a f., 322a, 322c; Fn 101 f., 218, 517, 525, 528, 536, 580 f., 586, 881, 886 – Hessen 4, 41a, 50, 74, 159, 159c, 192b f., 193l, 322f, 325 ff., 326e, 326f; Fn 102, 265, 499, 526, 531, 599, 633, 868, 874, 876 – Mecklenburg-Vorpommern 51–61b, 64–64f, 160, 164–164b, 193f; Fn 30, 101, 152–176, 217, 227, 499, 505, 527, 536, 628, 630, 742, 868, 871

293

Sachregister – Niedersachsen 52, 57a, 64d, 65a, 76d, 158, 158d, 193a; Fn 101, 112, 129, 163, 170, 174, 499, 525, 528, 628, 868 – Nordrhein-Westfalen 4, 53, 58, 159, 159e, 193f, 322 f., 331a; Fn 100, 101, 105, 129, 163, 168, 499, 526, 531, 628, 639, 868, 887 – Rheinland-Pfalz 4, 8a, 21, 54 f., 63–63b, 148 ff., 161, 193b, 291c; Fn 14, 22, 44, 57, 101, 174, 499, 524, 628, 635, 868 – Saarland 10 f., 55–55b, 66c, 159, 159d, 193 f; Fn 26, 101, 143, 174, 499, 526, 628, 630, 868 – Sachsen 4, 56–56c, 58 f., 70, 128a, 146, 152a, 162, 193b, 193k, 264; Fn 101, 105 f., 129, 155, 174, 499, 527, 551, 628, 635, 868 – Sachsen-Anhalt 57–57b, 65–65e, 163 f., 193b; Fn 101, 129, 155, 177–193, 499, 524, 552, 628, 635, 868 – Schleswig-Holstein 37c, 58–58e, 59d, 139c, 148f, 148h, 164–164b, 191a, 193f, 291c, 307–317; Fn 51, 92, 101, 105, 174, 495, 499, 527, 539, 552, 599, 628 – Thüringen 59–59d, 62–62e, 64d, 158, 158e, 193b; Fn 101, 129, 130–140, 499, 525, 528, 628, 636, 868 Chapter 9 (Chapter 9-Verfahren (siehe USA) cram down 233 f., 239 Daseinsvorsorge (siehe auch Infrastruktur) 23a, 28f–28g, 59b, 84c, 99a, 132c, 138b, 158a, 193b, 193d, 339; Fn 16, 70, 486 Doppik (Neues Kommunales Rechnungswesen, NKR) 140c, 322 ff.; Fn 873, 876 Dualismus (der kommunalen Aufgabenstruktur) (dualistisch, siehe auch Monismus, monistisch, Aufgabendualismus, Aufgabenmonismus) 42 f., 43, 47, 49 f., 54 f., 57, 59, 62, 158e, 339; Fn 105, 119, 122, 128 Eigenantrag 127, 132a Eigenbetrieb (Regiebetrieb, unselbstständige Anstalt des öffentlichen Rechts) 25b, 166c, 168 ff., 172b, 291d, 298c; Fn 551–553 Eigenkapitalersatz 174a, 174b; Fn 586 Eigenmittel (der Kreditinstitute), Eigenmittelrichtlinie (Richtlinie 93/6/EWG mit Änderungen, Richtlinie 2006/49/EG), Eigenmittelausstattung siehe Kapitaladäquanzrichtlinie

294

Eisenbahn (Eisenbahnprojekte), „Nationalbahn-Misere“ (Schweiz) 38, 215, 84c; Fn 95, 697 Estland 212; Fn 11, 682 Europäische Kommunalcharta (EKC) 77 ff., 213; Fn 250, 256 Europäische Union, Europäische Gemeinschaft, europäisches Recht 153b, 165a, 167 ff., 172 ff., 176 ff., 204, 290a ff.; Fn 556, 615 – europäisches Bankaufsichtsrecht 296 ff., 339 f. – Europäische Kommission – Staatsbeihilfen, Beihilferecht, „Brüsseler Kompromiss“ 153b, 167 f., 174b, 176 ff., Fn 11, 19, 23, 52, 183, 437, 501, 519 f., 573, 591 f. Europäischer Wirtschaftsraum 14a, 291b, 304; Fn 840 Exchange contracts (Kapitalmarkttransaktionen, siehe auch IWF, Abkommen von Bretton Woods, Kapitalmarkt) 83a–83c; Fn 284 Finanzausgleich (Länderfinanzausgleich, vertikaler, horizontaler Finanzausgleich, interkommunaler Finanzausgleich) 10a, 11, 40 ff., 61 ff., 66 ff., 77b–77g, 148g–148i, 181c, 193j, 196h, 203, 204 ff., 214 ff., 263, 266, 276 ff.; Fn 25, 29 f., 103, 104, 129, 134, 148, 151, 158, 170, 178, 187, 501, 662, 812 – Ergänzungszuweisungen (Sonderbedarfsergänzungszuweisungen) 66a, 66b, 67 ff., 71a; Fn 25 Finanzausstattung (Finanzgarantie, siehe auch bei Bundesrepublik Deutschland, Bundesländer und den einzelnen Staaten) 12, 28h, 42c, 48, 51, 52a, 55, 56a, 56c, 59a, 60, 62–62b, 63a, 64a–64c, 64f, 65c, 68, 77d, 142b, 150, 176b, 208, 211b, 214b, 281, 299, 297b, 310, 331a, 335, 340; Fn 103, 112, 128 f., 167 f., 172, 591 – Mindestausstattungspflicht 40 ff., 42, 62a, 64d, 65d; Fn 103, 104 Finanzhoheit (Finanzautonomie) 44, 51, 51a, 52a, 55, 58, 59, 62c, 70, 77d, 148g, 204; Fn 257 – Ausland 204, 297, 208, 209, 211b, 276b, 276h Föderalismusreform 71, 71a, 76b, 76c; Fn 221, 238, 428 Frankreich 55b, 77, 207, 213, 284; Fn 3, 501, 587, 591, 592, 594

Sachregister Freiwillige Aufgaben (freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben, freiwillige Aufgabenerfüllung) 12, 19, 42, 49b, 50, 54b, 58c, 62a, 64c, 64 f., 138b, 140a f., 193b, 255, 340 Fresh start 33c, 125; Fn 85 Gläubigerversammlung 109a, 127 – Schweiz 226, 229, 231, 232, 254 Gleichmäßigkeitsgrundsatz (siehe auch Finanzausstattung) 64b Griechenland 210, 291c; Fn 680 Haushaltsnotlage 10, 11, 13, 18 ff., 66a, 66c, 67b, 68 f., 69, 70b, 105, 109, 133, 137, 139, 139b, 140a, 142, 148b, 193c, 193j, 199, 227a, 258b, 276j, 340; Fn 7, 24, 26, 100, 430, 501 – Haushaltsnotstand (Notstandsituation, Notstandsmaßnahme, Notstandsverfassung (siehe auch Schweiz) 42b, 67a, 68a, 108, 196b, 215b; Fn 376, 501 Haushaltssanierung 10 f., 66 Immunität (siehe Staatenimmunität) Infrastruktur (Infrastukturmaßnahmen, Infrastrukturaufwendungen, Infrastrukturbelastungen, Infrastrukturinvestitionen, kommunale, lokale Infrastrukturen) 5 ff., 5a ff., 7–8, 19, 23a, 24, 27, 28 ff., 31, 33 f., 45, 58a, 71, 84c, 139a, 149, 193d, 193e, 321, 322c, 326d, 340 – Verkehrsinfrastruktur, Maut 5a, 19, 28a; Fn 62 Insolvenzabwendungspflichten 173 ff., 174a; Fn 523, 573 Insolvenzfähigkeit (beschränkte) 140b; Fn 458 Insolvenzgründe 102b, 120, 127, 132b, 139a, 140c, 336, 339 – Überschuldung, siehe dort – Zahlungsunfähigkeit, siehe dort Insolvenzmasse 33f, 124a, 127, 132c, 132d, 147, 149b, 152a, 181, 181c, 181d, 181f, 193b, 219, 321, 326d, 339 Insolvenzplan (Schuldenbereinigungsplan, pre packaged plan, (Insolvenz)Planverfahren) 109, 123, 127, 128b, 133, 138, 138c, 139 ff., 181g, 253a, 254 ff.; Fn 389, 706, 735 – Österreich 280 – Sanierungsplan (siehe Schweiz) 247 – USA 101 f., 103

Insolvenzsicherungseinrichtungen der Arbeitnehmer (Richtlinie 80/987/EWG, Richtlinie 2002/74/EG) – Pensionssicherungsverein auf Gegenseitigkeit (PSV aG, PSV), BetrAVG 25b, 132d, 159a, 159b, 194, 339; Fn 518, 595 International Law Commission (siehe Völkerrechtskommission) Internationaler Währungsfonds, IWF (auch IMF, International Monetary Fund) 110 ff., 127, 135, 291e; Fn 378 – IWF-Abkommen (bzw. Übereinkommen), Abkommen von Bretton Woods 80, 81 ff.; Fn 281 Italien 208; Fn 11, 437 Kameralistik 322, 322b; Fn 873 Kapitaladäquanzrichtlinie (Richtlinie 2006/49/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates, siehe auch Kommunalkredit, Bankaufsichtsrecht, Eigenmittelrichtlinie, Eigenmittel der Kreditinstitute, Eigenmittelausstattung) 290, 290a, 298, 291, 297d, 298 ff.; Fn 838, 847, 856, 858, 859 Kapitalmarkt 77b, 80, 80, 83a–83c, 127, 169a, 265d, 290, 340; Fn 266 Kirchen (Kirchengemeinden, Staatskirchenrecht, Kirchensteuer, Landeskirchen, Bistum) 152a, 179, 181 ff., 182, 200b, 297d; Fn 601, 614, 615, 844 Kommunalkredit 27, 132g, 169c, 200, 282 ff., 289 ff., 295 ff., 302, 307, 311, 337 ff.; Fn 56, 621, 627, 636, 658, 829 – Kassenkredit 27, 41a, 283, 313 f.; Fn 3 – Schuldscheindarlehen 27 Konkursverfahren 33a, 33b, 95, 152, 178, 181a, 294; Fn 507, 703 – Österreich 277, 279 – Schweiz 218 f., 270a Konnexität (Konnexitätsbegriff, Konnexitätsprinzip) 43 ff.; Fn 113 ff. – relative Konnexität 45c, 54d, 55b, 56a, 69a, 82a, 276e; Fn 117 – strikte Konnexität 45a, 45c, 47b, 48, 49, 50a, 51 f., 53a, 54a, 54d, 55a f., 56a f., 57b, 58b, 59a, 62c, 64a, 77d, 148g, 207, 211b, 212, 256, 340; Fn 501 Kreditwesengesetz Bankaufsichtsrecht, Solvabilitätsverordnung) 289 ff.; Fn 837 ff.

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Sachregister Landesverfassungsgericht (Verfassungsgerichtshof, Staatsgerichtshof) 12, 28h, 61 ff., 77c, Fn 30, 74, 129, 164, 259 Maastrichtkriterien 1, 70, 72a, 130c, 136b, Fn 4 „Massekredit“ 132c Maut, siehe Verkehrsinfrastruktur 28a Monismus (der kommunalen Aufgabenstruktur, Aufgabenmonismus, monistisch; siehe auch Dualismus, dualistisch, Aufgabendualismus) 42, 48, 53, 56, 58, 193k, 339; Fn 105, 119 Moratorium 78, 78b, 98, 106 Municipality (siehe USA) Notstand (siehe Staatsnotstand) Nullanrechnung 200–200b, 291b, 291d–291f, 297, 297b, 297d, 301, 306 Österreich 204, 276–281; Fn 564, 591 – Ausgleichsordnung 279b; Fn 822 – Exekutionsordnung 278; Fn 813 f., 816 – Konkursordnung 279 ff. par conditio creditorum (Gleichbehandlung der Gläubiger) 16, 80, 87 f., 104, 108, 138a, 231 f., 234, 236 (Schweiz), 326d Pensionssicherungsverein (PSV) siehe Insolvenzsicherungseinrichtungen der Arbeitnehmer Pfändungsgrenzen (siehe auch Insolvenzmasse) 124a, 132c Polen 211 Privatisierung (formelle Privatisierung) 19 f., 28a, 28d, 69b, 84e, 140a, 169 f., 172 ff., 315; Fn 41, 62, 67, 501, 562, 566 Public Private Partnership (PPP, ppp) 19, 28f, 169a, Fn 39, 62, 73, 830 Rang der Forderungen (Rangfolge u.ä.) 119, 132c–132f, 136a; Fn 389 Rating (Basel II, Bankaufsichtsrecht, Internal Rating Based Appoach, IRBA, Ratingagentur) 132e, 265d, 290, 295, 298c, 301, 305, 339; Fn 7, 438 Res sacrae (res circa sacra; siehe auch Kirchen) Fn 615 „Restschuldbefreiung“ (Restschuldbefreiungsverfahren u.ä.) 136, 136a – Schweiz 223, 250, 255 Risikoaktivum (siehe auch Adressausfallrisiko; Bankaufsichtsrecht) 291b, 291d

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Rückstellungen (Rückstellungen/Abschreibungen der Gläubiger bzw. der Kommunen, Aufwandsrückstellungen der Kommunen) 4, 5c, 25, 88 (Argentinien), 132g, 140c, 322c, 327, 327a–327c, 328, 330, 332, 334, 337, 339; Fn 620, 900 Rundfunkanstalten 164b, 177, 178–180; Fn 599, 844 Schuldenfalle 29 ff., 32, 134 Schuldnerschutzvorschriften 193 ff. Schuldverschreibung (siehe auch Argentinien, Schweiz, USA) 78, 78a–78b, 109, 109a, 131, 226a, 252, 298b; Fn 269, 377, 715 Schweiz (siehe auch Jura, Graubünden, Tessin, Wallis, Beiratschaft, Bundesgesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden...) 37d, 38, 149c, 205, 214 ff., 275, 281, 339; Fn 3 – Beiratschaft (Beirat) 149c, 237–249 – Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) 149c, 216–219, 221, 242, 246, 253, 270a; Fn 703, 706, 725 – Gesetz über die Schuldbetreibung gegen Gemeinden (SchGG) 216 ff. – Gläubigergemeinschaftsverfahren 223, 224 ff. – Graubünden 214d f. – Jura 214 f. – Nachlassverfahren, Nachlassvertrag 149c, 250 ff., 252a, 253m 253a; Fn 706, 724 – Tessin 214f – Verantwortlichkeitsklage (kantonale Staatshaftungsklage, siehe auch Wallis) 259 ff. Selbstverwaltung (kommunale) siehe bei Bundesrepublik Deutschland, Bundesländer und bei den einzelnen Staaten Selbstverwaltungsaufgaben siehe freiwillige Aufgaben Solvabilität (Solvabilitätsverordnung) 290, 298 ff.; Fn 837, 859 Souveränität (siehe auch Staatsbankrott) 100, 103, 124a, 125, 135, 136b, 138b Spanien 37a, 37d, 209 f., 291e; Fn 61, 88 – Konkursgesetz (Ley concursal) 209a Staatenimmunität (Immunität, auch relative, restriktive Immunität, Immunitätsverzicht, Staatenimmunität im Erkenntnisverfahren, auch Argentinien, Iran, Philippinen) 78a, 79b, 81 ff.–82d; Fn 271 f., 277, 322

Sachregister – Immunität im Vollstreckungsverfahren, Botschaftsvermögen 89 Staatenverantwortlichkeit (responsibility of states) 67b, 84a, 84e; Fn 290, 295 Staatsbankrott (Staatskonkurs) 14, 29 ff., 33d, 37 ff., 67b, 75, 84d, 96a, 96c, 118, 134, 145; Fn 33 f., 79, 81, 88, 92, 264, 267 f., 329, 356, 384 – Staatskonkurs 29, 33, 37 ff., 40 ff., 78, 80, 82, 83c, 84e, 89, 90, 96b ff., 134 Staatsnotstand (Notstand, siehe auch Argentinien) 67b, 78 ff., 84–89, 91, 339; Fn 292, 294, 320 Steuerkraftmesszahl 52b, 57a, 58d, 62a, 65c, 65d, 71a, 130c, 196c, 208, 276f, 310 Transparenzrichtlinie (Richtlinie 80/723/EWG, 2000/52/EG, 2005/81/EG ) Fn 501, 549, 554 Transparenzrichtliniengesetz 150a; Fn 501 Überschuldung (siehe auch Insolvenzgründe) 39, 118, 127, 132b, 132c, 132f, 140c, 146, 152a, 166b, 259, 263b, 270, 272, 326c, 326d, 330a, 331, 331a, 339; Fn 86, 419 Umwandlung 166c, 168a, 169, 169a, 170, 173a; Fn 555, 560, 562 – Ausgliederung 25b, 168, 169, 169c, 170, 315; Fn 560, 566, 615 USA 90 ff., 97–109, 124a, 125, 142b, 152b; Fn 3, 60, 272, 274, 715, 839 – balance of interests 105b – Chapter 9-Verfahren 90 ff., 97–109, 123, 124a, 127, 132a, 136b, 138b, 139b, 139c, 152b, 279b, 340; Fn 344, 345, 350, 429, 441 – contract clause 105, 105b – municipality 97, 99, 99a, 101–102a, 105, 124a, 136b, 138b; Fn 339, 342, 346, – police power 105b, 106; Fn 370, 376 – subdivision (siehe municipality) Verantwortlichkeitsklage (kantonale Staatshaftungsklage, siehe Schweiz)

Verdrängungsbereich (Wirkungskreise) 149a–149c, 181c, 181f, 257 Vergabe (Vergabeverfahren, Vergaberichtlinien, Leistungsvergabe, Ausschreibung) 19, 28d ff., 76d, 132f, 140b, 169a f., 172–172b, 174a, 340; Fn 44, 46, 62, 566, 570, 621, 627 – In-house Vergabe 169b; Fn 564, 566 Verhaltenskodex 126; Fn 394 Verwaltungsvollstreckungsgesetze (Verwaltungsvollstreckung) 155b, 155c, 159, 159a, 159c, 164a, 185b, 192b, 202; Fn 533, 633 Völkerrechtskommission (International Law Commission) der Vereinten Nationen) 67b, 82c, 84a, 84c, 84d; Fn 205, 275, 276, 291 Vormund (Vormundschaftsgericht) 252b Wallis (siehe auch Schweiz) 258 ff.; Fn 746, 755 – Munizipalgemeinde, Burgergemeinde 258 ff. – Verantwortlichkeitsklagen (kantonale Staatshaftungsklage, siehe auch Schweiz) 259 ff. Zahlungsunfähigkeit (siehe auch Insolvenzgründe, Schweiz, USA, Zahlungsunfähigkeitsverfahren) 13, 16, 18, 25b, 35, 39, 57a, 70b, 74, 77g, 97, 98, 102b, 105, 109, 110 ff., 116 f., 118–121, 124, 126 f., 130c, 132b, 132c, 134a, 136b, 138, 139a, 142c, 146, 178 f., 181a, 196b, 197, 206, 229, 237, 246, 252b, 255, 258, 265d, 268, 276j, 288, 291d, 297b, 339, 340; Fn 86, 109, 110, 469, 470, 492, 501, 514, 571, 605, 618, 622 f., 639, 658, 710, 857 – Drohende Zahlungsunfähigkeit (drohende Zahlungseinstellung, drohende Überschuldung) 109a, 132b, 263b, 331a – Zahlungseinstellung 78 (Argentinien), 102b, 109a (USA) Zulassungsverfügung 190–192b, 193a, 193b, 193g–193j, 193l, 203, 278; Fn 112

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